ARCHIV " FÜR ANATOMIE, PHYSIOLOGIE UND WISSENSCHAFTLICHE MEDICIN, IN VERBINDUNG MIT MEHREREN GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON Dx. JOHANNES MÜLLER, “RD. ÖFFENTL. PROF. DER ANATOSIE UND PHYSIOLOGIE, DIRECTOR DEA KÖNIaL. ANATON. MUSEUMS UND ANATON. THEATERS ZU BERLIN, JAHRGANG 1846. BERLIN. VERLAG VON VEITET COMP. ae Mi wir 2 Tr ee N Fi a aan ; AHLT 1149k en: Br 3 Er Bi Aus 3» Hann waren VerTirna 2 z ri nauissonr uaanea > br ’ E „ [77 % ae . FE nr see: r i - S fi: ’ v a Br: WR: NETT FarLıd ER AN ach. er ’ San Di ine warte ren ae) we. A I Ham a Anatenır nangnı dan see lan 5 5 r & s ER a, En, eg Inhaltsanzeige. Bericht über die Fortschritte der Physiologie im Jahre 1844. Von Dr. Th. Ludw. Wilh. Bischoff, Professor der Ana- tomie und Physiologie in Giessen . RT . : Bericht über die Fortschritte der Physiologie im Jahre 1845. Von Dr. Th. Ludw. Wilh. Bischoff, Professor der Ana- tomie und Physiologie in Giessen . A) Bericht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1845. Von K. B. Reichert in Dorpat . Mikrographie einiger Drüsenapparate der niederen Thiere. Von Heinrich Meckel. (Hierzu Tafel I— 111.) Ueber die funktionell verschiedenen Partieen des Rückenmarks der Amphibien. Von Dr. R. Harless . . . .... Ueber den Bau von Lepas balanoides. Von Prof. Mayer in "Bonn. (Hierzu Tafel IV.) . . PunEr TE re Bericht über einige neue Thierformen der Nordsee. Von Joh. Müller, (Hierzu Tafel V. und VL). Seite 176 74 96 101 Ueber die Glandulae utriculares des Uterus des Menschen und ihren Antheil an der Bildung der Decidua. Von Dr. Th. Ludw. Wilh. Bischoff, Professor der Anatomie und Physiologie in Giessen. (Hierzu Tafel VII.) Kurze Notiz über allgemeine vergleichende Anatomie niederer Thiere. Von H. Lebert, praktischem Arzte in Bex in der Schweiz, und Ch. Robin, Arzt in Paris e- Ueber Geschlechtstheile von Clepsine und Nephelis. Von Dr. Friedrich Müller. (Hierzu Tafel VII.) . Ueber Epiphyten auf Weichselzöpfen. Zweiter Beitrag von Dr. A. v. Walther in Kiew . Ueber das Vorkommen und die Bedeutung des Proteinbioxyds im thierischen Organismus. Von C. Ludwig . DR Ueber die Struktur der Pockenpusteln. Von Dr. Gustav Si- mon, Privatdocenten in Berlin. (Hierzu Tafel VI. Fi- gur 4—9.) Der Furchungsprozess und die sogenannte Zellenbildung um Inhaltsportionen. Von K. B. Reichert in Dorpat. (Hierzu Tafel IX.) . METIE ER Briefliche Mittheilung über die Ganglienkugeln der Lobi electriei von Torpedo Galvanii. Von Dr. E. Harless. (Hierzu Ta- fel X. Fig. 1—9.) Ueber die Luftröhre, die Speiseröhre und den Magen der Sphargis coriacea. Von Heinr. Rathke. (Hierzu Tafel X. Fig. 10. und 11.) : A Briefliche Mittheilung über die Herzbewegung. Von Dr. Budge A Beobachtung eines Musculus accessorius flexoris‘ hallueis longi superior. - Von Regimentsarzt Dr. Reinhardt in Ulm Ueber innere Wurzelscheide und Epithelium des Haares. Von 0. Kohlrausch in Hannover. (Hierzu Tafel XI.) Ueber die bisher unbekannten typischen Verschiedenheiten der Stimmorgane der Passerinen. Von Joh. Müller. Auszug Seile 111 120 138 149 171 178 196 283 292 295 238 300 aus dem Monatsbericht der Königl. Akademie der Wissen- schaften zu Berlin, Juni 1845 Vorläufige Bemerkungen, betreffend die Eaihähgi der Schild- kröten. Von Heinr. Rathke . - Beobachtungen an einem Auge mit einer seltenen Deformi- tät der Pupille. Vom Medizinal-Rath Dr. Tourtual zu Münster ul dr 3 Ueber den Musculus Cramptonianus und den Spannmuskel der Choroidea. Von Ernst Brücke. Vorgetragen in der Ber- liner physikalischen Gesellschaft am 29. Mai 1846. (Hierzu Tafel XI. Fig. 5. und 6.) . ER Ueber das Verhalten der optischen Medien des we gegen die Sonnenstrahlen. Von Ernst Brücke. Vorgetragen in der Gesellschaft der naturforschenden Freunde am 21. Juli 1846 3 Ueber die quantitative Bestimmung der Harnsäure. Von W. Heintz Ba he EI Alte © Notiz über die Salpetersäure als Reagens auf Gallenbraun. Von W. Heintz ER EREEATRDENEE : Beiträge zur Anatomie und 1 Physiologie 4 der Naiden. Von Dr. 0. Schmidt. (Hierzu Tafel XV. Fig. 1—6.) . Zusätze zur Lehre vom Baue und von den Verrichtungen der Geschlechtsorgane. Von Ernst Heinrich Weber in Leipzig . Ueber die Entwicklung des medicinischen Blutegels und der Clepsine. Schreiben E. H. Weber’s in Leipzig an Rus- coni in Pavia Beobachtungen über die Mundorgane einiger Gasteropoden. Von Dr. U. Lebert, Arzt in Lavey, Canton Wadt, in der Schweiz. (Hierzu Tafel XII. XII. XIV.) Veber die Gestalt des Gehirns der Schleie, Cyprinus Tinca, im Alter von einem Jahre und bei dem erwachsenen Thiere. Notiz aus einem Briefe von Mauro Rusconi, 346 370 379 3837 399 406 421 429 435 vi mitgetheilt von Ernst Heinrich Weber. (Hierzu Ta- fel XV. Fig. 7—9.) ae Ueber eine neue Gattung von Labyrinthfischen aus Quel- limane. Von Dr. W. Peters. (Hierzu Tafel X. Fig. 10 bis AO (ee "ee Ueber Eduard Weber’s Entdeckungen in der Lehre von der Muskelcontraction. Von Ernst Heinrich Weber. Selle 178 480 483 BEECHT über die Fortschritte der Physiologie im Jahre 1844; von Dr. Tu. Lupow. Wırn. BıscHorr, Professor der Anatomie und Physiologie in Giessen. 1. Allgemeine Physiologie. Lehrbücher. — Entwicklung von Imponderabilien. — Bu 2 Entwicklung von Infusorien. J. F. Sobernheim, Elemente der allgemeinen Physio- logie. ‘Berlin 1844. 8. A. Platner, Grundzüge einer allgemeinen Physiologie. Heft II. Von den Organen. Jena. 8. Joh. Müller, Handbuch der Physiologie. Bd. I. Coblenz. 8. Ale Aufl. Valentin, Lehrbuch der Physiologie des Menschen, für Aerzte und Studirende. Bd. Il. Braunschweig. J. Fraenkel, Compendium der Physiologie des Menschen. Berlin. 8. 2te Aufl. Sebastian, Lehrbuch der Physiologie. 1843. Neue Ausgabe. V. Fr. Burdach, Blicke ins Leben. Bd. III. Lpz. 1844. 8. D. Oliver, First lines of physiology, designed for the use of students. Edit. II. Boston. 8. Rob. Dunglison, Human pbysiology. 5. Edit, 2 Vol. Philadelphia 1844. 8. Müller's Archiv. 1846. A Debreyne, Preeis de Physiologie humaine. 2. edit. Pa- ris 1844, Aleide Depierris, Trail€ de Physiol. transcendanle. Paris. Virey, De la pbysielogie dans ses rapports avee la phi- losophie. Paris 1844. Baudet-Dulary, Essai sur les harmönies physiolo- giques, Paris 1844. 8. Aug. Rogier, Des loix de la vie organique ou raison des phenomenes par lesquels elle se manifeste. Tom. 1. Pa- ris- 1844. 12. Dugniolle, Combination, Organisalion, Leben, in Ce- quime’s Archives de la Medeeine Belge. 1544. Januar. Kidd,. Ueber Physiologie der Thiere, in Dublin medical Press. 1844. August. Regolo Lippi, Esperienze e ragionamenti sull’ analo- mia, zootomia e fisiologia. Firenze 1843. 8. 3 Gavarret, Lois generales de l’electrieit€ dynamique. Pa- ris 1843. — Diese Concurs- Schrift enthält keine neuen Unter- suchungen, sondern nur eine Zusammenstellung alles über electrische Ströme in der unorganischen und organischen Natur Bekannten, und kann daher hier nur eine Erwähnung finden. €. Matteucci, Trail&E des phenomenes electrophysiolo- giques des animaux suivi d’Eludes anatomiques sur le systeme nerveux et l’organe &leelrique de la Torpille par Paul Savi. Paris. 8. — Diese Schrift giebt eine vollständige Uebersicht der bei Thieren bis jetzt bekannt gewordenen eleetrischen Er- scheinungen, so wie sie auch alle einzeln bekannt gewordenen Untersuchungen und Beobachtungen Matteucei’s enthält. Der anatomische Theil von Savi giebt auch nichls wesent- lich Neues über den Bau des Zitlerrochen. Matteucei, Sur P’eleetricil@ animale, in de la Rive, Archives de l’electrieite. 1843. Tom. IH. p. 153. Matteucci, De lexistance et des lois du courant elec- triqgue museulaire dans les animaux vivants ou recemment tues, in de la Rive, Archives de l’öleelrieite. 1843. Tom. IUl. p. 1. Matteucei hat im weiteren Verfolg seiner Untersuchun- gen über thierische Eleclrieilät eine Arbeit „über das durch den electrischen Strom erzeugle Maass von Nervenkraft“ ge- liefert. Er hat, wie früher aus lebenden Fröschen, so nun aus lebenden Tauben, eine Säule construirt und findet durch die mit dieser angestelllen Versuche seine schon früher aus- gesprochene Ansicht beslätigt, dass der Strom im lebenden Thiere desto mehr Intensität habe, je höher das Tliier seiner ganzen Organisalion nach siehe, dass er aber nach dem Tode 3 desto länger fortdauere, je niedriger das Thier sei. Die Ver- suche wurden auf lolgende Art angestellt. Er befestigte die Tauben, nachdem ihnen die Hälfte der Flügel abgeschnitten worden war, mit leinenen Binden, zog die llaul von den Bei- nen ab und schnitt dann jeder an einem Beine ein Stück Muskel fort. Nun wird das verwundele Bein der einen mit dem unversehrten der anderen durch, Bänder in sehr innige Berührung gebracht. So baute erA® 5 Tauben eine Säule auf, an deren einem Pole sich natürlich ein unverwundetes, am anderen ein wundes Bein befand. Beide wurden mit feuch- tem Papier bedeckt, mit. dem Galvanomeler in Verbindung geselzt,. welcher sofort 15 Grade eines von Innen nach der Oberfläche des Muskels gerichtelen Stromes angab. Derselbe verminderte sich aber sehr schnell. theils wegen des aus den Wundflächen ergossenen Blutes, theils weil eine der Tauben schon eine Viertelstunde nach der Operation starb und die anderen nahe daran waren, ihr nachzufolgen. Es wurde des- halb der Versuch in der Art modifieirt, dass man die Wunden erst verschorfen liess und kurz vor der Zusammensetzung die- ser lebenden Säule erst die Schorfe fortnahm, so: dass man es dann mil wenig oder gar nieht blutenden Wunden zu ihun halle. Ein Strom von 4 Tauben lieferte nach dieser Methode 7 bis 25 Grad Ausschlag in der vorgenannten Richtung. Die Thiere zeigten aber, nach der ersten wie nach der zweiten Me- Ihode behandelt, immer grosse Respiralionsbeschwerden, und der Versueh konnte daher nie lange fortgesetzt werden. Doch war das Resullat entschieden und constan!. Ein Strom von A lebenden Fröschen giebt nur 10. höchstens 1% Grad Aus- schlag, so dass sich also deutlich zeigt, dass der Strom der lebenden Tauben den der lebenden Frösche bei weitem über- trifft, zumal die Berührungsflächen bei den Tauben nieht viel grösser waren, als bei den Fröschen, und der Wiederstand bei ersteren doelı viel (nach Verf. „viel mehr als vier Mal’) grös- ser ist, als bei letzteren. In Bezug auf den Ursprung dieses Stromes erinnert M. aufs Neue. dass er seine En'stebung den bei der Umwandlung und Ernährung der Muskelsubstanz vor sich gehenden chemischen Prozessen verdanke. — Für die ei- gentlich im Titel genannlen Untersuchungen construirte M. eine Art von Myodynamomelter: die untere Hälfte eines Fro- sches, von Haut entblösst. wird mit dem Wirbelsäul-Ende in einer Klemme von Messing befestigt, die Füsse werden durch einen Seidenfaden am Tarsus zusammengebunden und an die- sen ein kleines Bleigewicht gehängt, welches sich in einer Spalte oline Reibung bewegt und durch einen Strohhalm, der daran festsilzt, an einer neben der Spalte befindlichen Skala Millimeler markirt. Nun wird eine kupferne Nadel in der ) 4 Schenkelbeuge in die Beckenmuskeln eingeführt, und indem eine Säule mit einem Pol an die Klemme, mit dem anderen an die Nadel gebracht wird, ein Strom durch die Lumbalner- ven hindurchgeleitet. Bei jeder Zusammenziehung zeigt der Strohhalm an der Skala die Stärke derselben, d.h. die Erhe- bung des Gewichts an. Nach vielfacher und oft modifieirter Wiederholung dieses Yersuchs schliesst M., dass die Stärke der a Weraattı sei der Stärke des ange- wandten Stromes. Von dieser Basis aus sucht er nun ferner festzustellen: welcher Krafläusserung ist eine Muskelmasse un- ter Einwirkung eines durch eine gegebene Menge Zink er- zeugien eleclrischen Stromes fühig? Es ergiebt sich ihm hier zunächst das Resultat, dass ein ans 0,066 Grm. Zink in 24 Stunden entwickelter Strom, durch die Nerv. lumb. eines Fro- sches geleilet, eine Kraftäusserung von 5,5419 Kilogr. Melre produeire. Da nun aber der Strom offenbar sowohl durch die Nerven. als dureh die Muskeln geleitet werde, und die Lei- tungsfähigkeit ersterer zu der letzteren sich wie 1:11 ver- halte, und da ferner nicht bloss die Flexoren (durch welche ja die Erhebung des Gewichts erfolge), sondern auch die Ex- tensoren sich contrahiren und somit die Wirkung jener beein- trächtigen (was auch durch direete Versuche mit Durchschnei- dung der Extensoren nachgewiesen wurde); so müsse danach die angegebene Quantität Zink noch redueirt werden und zwar, nach den desfallsigen Versuchen, auf etwa 3 Milligrm. Es soll dies mit feineren Apparaten noch näher untersucht werden. [Ref. möchte bemerken, dass ja der durch die Mus- keln geleitete Theil des Stromes durchaus nicht verloren geht, sondern auch Zusammenziehung bedingt, so gut als der durch die Nerven geleitete, und also nicht ausser Rechnung gelassen werden dürfte] Verf. macht endlich noch eine schon von Dumas angedeutete hypothetische Bemerkung, dass sich näm- lich aus seinen Versuchen das Defieit von animalischer Wärme in den Versuchen von Despretz und Dulong er- kläre; denn das Quantum chemischer Prozesse, welches Elec- trieität liefere, die sich ihrerseits in Nervenkraft umwandele, dies werde keine Wärme liefern; und er meint, man könnle sonach grade aus jenem Despretz’schen Deficit die vom Tbiere gemachten oder ausführbaren Krafläusserungen berech- nen. [Abgesehen davon, dass chemische Prozesse Elecirieilät und Wärme bekanntlich zugleich erzeugen, ohne dass die Ent- stehung der einen die der anderen hinderte, hat aber Liebig neuerlich die Entstehung des Despretz’schen Deficits aus Fehlern der Berechnung nachgewiesen. und es lässt sich also die Matteucci’sche Ilypolhese auf dieser Basis am allerwe- nigsten hallen. Wir müssen abwarten, welche Aufschlüsse fe) die vom Verf. in Gemeinschaft mit Paeinolli unternomme- nen Versuche bringen werden; die vorläufig milgelheilten Re- sultate sind noch zu unsicher. Ref.] Bibl. univers. 1844. T. 51. p- 151. — Annales de chimie et de physique. 1844. Aoüt. T. XI. — Comptes rendus. T. XVII. p. 443. — Avon. des sc. nat. 3me Serie. T. I. p. 191. — Gaz. med, 1844. No. 11. €. H. Desporles, An experiment on the influence of eleclrieily on Ihe tissue of the kidney and on Ihe excrelion of the Urine, in The medical Times 14. Septbr. — Der Verf. hoffte durch Veränderung der Kontraklilität der Harnkanäl- chen Veränderungen in dem Urin zu bewerkstelligen, kam aber zu keinem Resultat. (Schon die Wahl der Elektricität war unglücklich, da sie bekanntlich wenig auf die Kontrakti- lität einwirkt. Ref.) Ducros, Nouvelles consideralions sur le röle que joue l’eleetrieit€ dans le mouvement des globules du sang. — Comptes rendus de l’Acad. roy. de Paris. Tom. XIX. p. 34. et 112. Duclos, De l’aclion de l’eleclricit€ sur les animaux em- poisonnes par la strychnine, in Journal de med. et chir. pra- lique de Championniere. Mai. — Der Verf. behauptet, durch negative Elektrieität die Wirkung des Sirychnius aufgehoben zu haben. Bei Arsenikvergillung soll die Anwendung der Elektrieität schädlich sein. Abr. Fr. Zantedeschi, Degli eflelti fisici, chimiei e fisiologiei delle correnti eleltriei, in Giornale per servire elc. Juli, August. — Dieses sind Versuche über die Wirkung elek- irischer Schläge und Ströme auf verschiedene Thiere und ver- schiedene Organe, die vorzüglich nur deren grössere oder ge- ringere Empfindlichkeit gegen den Einfluss der Elektricität darthun, z. B. dass diese Empfindlichkeit mit der höheren Entwickelung steigt, dass Gehirn und Lungen empfindlicher sind als das Ilerz u. dergl. G. Levi, Di aleune fenomeni sulla eute d’un paraplegico soltoposto alla cura della elettricita galvanica. Jolın Doddridge Humphreys, The electro- physiology of man. London 1843. 12mo. Hare, On human electriciiy, in The Medical Times. Juni. — Keine neuen Thatsachen. Ein gewisser Rosenthal unterhält die Leser der Med. Times 1844. No. 254. wiederum mit der allen Hypothese der Entwickelung und des Freiwerdens von Eleklrieität während des Athiemprocesses, welcher er sodann verschiedene beliebige Verrichtungen anweiset. Thilorier und Lafontaine haben der Akademie zu Paris Mittheilungen über einen Einfluss, den der menschliche 6 . Körper auf den Multiplikator und auf die Magnetisirung wei- chen Eisens ausüben soll, gemacht, welchen sie einem, dem magnelischen und elektrischen ähnlichen Fluidum in den Nerven zuschreiben. Dieses Fluidum soll namentlich durch den Willen in Bewegung und Wirksamkeit versetzt werden. Bei Berührung der Conduetoren des Multiplikators mit den Händen bei magnetischer Manipulation der den Multiplikator bedeckenden Glasglocken, soll die Magnetnadel in Bewegung versetzt werden können. Ein Schlüssel in die Magengegend gelegt, soll nach Willkühr magnetisirt, ihm der Magnelis- mus wieder entzogen, die Pole umgekehrt werden können. Etwas Aehnliches geschieht, wenn man den Schlüssel vor die Stirn an einem Faden aufhängt, immer ist aber die magnetische Intention des Willens zur Hervorbringung der Erscheinung nothwendig. Gaz. med. 1844. No. 24. 25. Juin. Dr. Heidenreich hat neue Beobachtungen über die Wirkung des Magnelismus auf die Nerven angestellt und mitgetheilt. Er behauptet, dass wenn man durch eine ein- fache Vorrichtung einen magnetischen Strom durch den prä- parirten Nerven eines Froschschenkels leite, sowohl beim Oeffnen als Schliessen der Kelle, Zuckungen der Muskeln eintreten, und also der magnetische Strom gerade so wie der elektrische auf die Nerven wirke. Med. chirurg. Zeitung 1844. August. No. 32. p. 161. (Nach der Art, wie die Ver- suche angestellt sind, wobei der Nerv immer mil Metallen in Berührung ist, sehe ich in denselben keine Sicherheit, dass nicht elektrische Reize untergelaufen sind. Ref.) Nach Versuchen von Magendie erhebt sich die Tem- peratur eines Säugelhieres nie mehr als um 9° F., welches auch die Temperatur der Luft und der Flüssigkeit sein mag, welchen es ausgeselzt wird. Die Erwärmung des Thieres scheint mehr durch die Haut, als durch die Lungen zu er- folgen, da sich die Temperatur schneller erhöht, wenn das Thier mit dem Körper in und mit dem Kopf ausser dem heissen Medium sich befindet, als umgekehrt. Froriep’s Neue Not. No. 658. Dr. Roger hat Beobachtungen über die Temperatur der Kinder im gesunden und kranken Zustande angestellt, deren Resultat schon im Jahresbericht von 1844 erwähnt wurde, die aber jetzt in den Archives gen. de Med. Tom. V. und VI. ausführlich mitgetheilt sind. Ich will hier von denselben nur noch bemerken, dass er bei zwei neugebornen Kindern im Momente «der Geburt die Temperatur um 4 und selbst 1 Grad höher gefunden haben will, als die der Mütter. Solche Angaben sollten gar nicht mehr gemacht werden, wenn man sie nicht näher motliviren und erörtern kann. 7 John Davy, Miscellaneous observations on animal heat. — Philosophical Transactions 1844. p. 57. — Edinb. new philosoph. Journ. 1844. Tom. 37. p. 351. — Erdmann und Marchand, Journ. für prakt. Chemie, 1844. Bd. 32. p- 509. — Fror. Neue Not. No. 653. — Diese Bemerkun- gen betreffen theils schon frühere Beobachtungen des Verf. über die höhere Temperatur einiger Fische, theils neuere über die etwas höhere Temperatur älterer Personen; theils über den Einfluss der äusseren Temperatur auf die Eigen- wärme und endlich über den Einfluss von körperlichen Be- wegungen, die vorzüglich auf die Extremitäten einen die Wärme erhöhenden Einfluss ausüben. Sam. L. Metcalfe, Calorie: its mechanical, chemical and vital agencies in the phenomena of nature. 2% Vol, London 1843. — Dieses Werk ist mir nur aus einer sehr ausführlichen und fast begeisterten Anzeige in der Lond. med. Gaz. Vol. II. 1844. p. 229, 303 und 405. bekannt. Der erste Band ist physikalischen Betrachtungen über die Wärme gewidmet. Der zweite weiset den grossen Einfluss, den die Wärme auf fast alle organischen Prozesse ausübt, nach, leitet die thierische Wärme von dem Athemprozess ab, und ist geneigt, die Wärme, wenn nicht als die einzige, doch als die Hauptursache der Lebenserscheinungen, gesun- der und kranker zu betrachten. J. Baruffi, Ueber den Ursprung der Wärme im thie- rischen Körper. Omodei, Annal. 1842. Schmidt, Jahrb. Supplementbd. IV. p. 4. W. Winter, Ueber die thierische Wärme mit Bezug- nahme auf ein bis jetzt übersehenes physikalisches Princip, das zu ihrer Erzeugung mitwirkt. The Lancet II, 23. 1842 bis 1843. Er meint mit diesem Prineip die durch die Aus- dehnung und Zusammenziehung der elastischen Gewebe er- zeugte Wärme, ähnlich wie Winn im Philos. Mag. 1839. Dr. Haworth findet, dass der menschliche Körper über- all da behaart ist, wo Knochen, Sehnen, Knorpel, Fascien, also Theile, die sehr wenig mit Blut versehen sind, nahe an der Oberfläche liegen. Er glaubt daher, dass sie vorzugs- weise zum Schutz gegen die äussere Temperatur an diesen Stellen angebracht sind. London med. Gazetie. 1844. Jan. Schmidt’s Jahrbücher. 1844. Bd. 43. p. 163. Semmola, Sulla temperatura del sangue. Atti della sesla riunione degli Seienziati italiani. Milano 1844, p. 415. Jul. Wilbrand, Stammt das Menschengeschlecht von einem Paare ab? Giessen 1844. 8vo. Der Verf. sucht durch bekannte Sätze die Abstammung der Menschen von einem Paare zu beweisen. Nach einer Mittheilung von Dr. Tschudi in diesem Ar- chiv 1844. p. 98. über die Ureinwohner von Peru, erscheint die sonderbare Schädelbildung derselben in drei scharf ge- schiedenen Formen, rücksichtlich deren Beschreibung ich auf das Original verweise. Dagegen hebe ich ganz besonders hervor, dass nach dem Verf. nicht daran zu zweifeln ist, dass diese auffallenden Schädellormen angeborene, keines- wegs durch mechanische Mittel hervorgebrachte Varietäten sind, wie dadurch bewiesen wird, dass die drei Stammracen noch jetzt unvermischt vorhanden sind, und sich bei ihnen keine Spur eines solchen Gebrauches des Formens des Schä- dels findet, und zweitens durch die Untersuchung zahlreicher Fötus- ‘und Kinder-Schädel, bei welchen jene Formen schon ausgebildet sind. Eine sehr interessante Abweichung zeigen ferner diese peruanischen Schädel aller drei Stämme darin, dass bei ihnen im jüngeren Zustande und in den ersten Mo- naten nach der Geburt allgemein ein sehr entwickeltes Os interparietale vorkommt. Edinb. new philos. Journ. 1844. Tom. 37. p. 249. Fror. Neue Not. No. 693. Sam. George Morton, Crania aegyptiaca. Philadel- phia 1844. 4to. Sam. George Morton, An inquiry into the distinetive characteristies of the aboriginal race of America. Jame- son, Edinburglı new philos. Journal. 1844. T. 38. p. 141. S. G. Morton, Ueber den Ursprung. der Nieluferbe- wohner oder Aegyptier. Edinb. new philos. Journ. July — Oct. 1844. Fror. N. Not. No. 700. Nach dem Verf. ge- hören dieselben ursprünglich zu der Caucasischen Rage, und auch nur Caucasische einwandernde Stämme trugen zur Mo- difikation der Aegyptier bei. Neger waren immer vorhan- den, allein immer nur als Diener und Sklaven. King, On the supposed extinet Inhabitants of New- foundland. Reports of the british Assoeiation. 1844. No- tices and communications, p. 83. Dieselben gehörten nach dem Verf. zu den Esquimaux und nicht zu der amerikani- schen Race. Rich. King, On the physical characters of the Esqui- maux. Jameson’s Edinburgh new philosophical Journal. Tom. 36. 1844. p. 296. Die Schilderung hat grösstentheils nur ethnologisches Interesse. Der Verf. rechnet die Esqui- maux zu den Mongolen. Postans, On the Biluchi Tribes inhabiting Sindh ete. Jameson, Edinb. new philos. Journ. 1844. Tom. 37. p. 395. Fror. Neue Not. No. 696. Enthält nur eine ethnologische Schilderung dieses indischen Völkerstammes. Bayle St. John, Die Mongolen. The Edinb. new 9 philos. Journ. 1844. Oct. — July. Tom. 37. p. 255. Fror. N. Not. T. XXXI. p. 129. und p. 145. Eine ethnologische Skizze der Mongolen. Charles Hamilton Smith, On the original popula- tion of America ete. Jameson, Edinb. new philos. Journ. 1844. T. 38. p. 1. Einer von Wagner in Midkjöbing beobachteten Ver- wachsung der Finger und Zehen und einer Schwimmhaut erwähne ich deshalb, weil van der Hoeven früher einmal eine solche Bildung als bei Negern regelmässig vorkommend beschrieben hat. Oppenheim’s Zeitschrift. 1844. Bd. 25. . 407. : Am 15. October 1844 wurde zu Briquebosque im De- partement de la Manche ein Königs - Adler geschossen, der ein goldnes Halsband trug, worauf die Inschrift stand: „„Cau- casus patria, fulgur nomen, Rodinsky dominus mihi est, 1750.“ Der Vogel war also über 94 Jahr alt. Fror. Neue Not. No. 690. 1344. Lelut, Ueber die ethnologische Bestimmung der Kör- pergrösse in Frankreich. Annales d’Hygiene publique et de med. legale, 1844. Avril. Fror. N. Not. No. 642. Enthält statistische Zusammenstellungen über die Körpergrösse von 2000 Gefangenen von 16— 80 Jahren und von 753 Conseri- birten der Stadt Gy; woraus sich als allgemeinste Thatsache ergiebt, dass das Wachsthum erst zu 30 Jahren beendet ist, von 30-—50 Jahren stationär bleibt und dann wieder ab- nimmt. Ferner zeigt sich, dass die Grösse der Einwohner einer Gemeinde im Nordosten Frankreichs beträchtlich die der übrigen Einwohner Fpänkreichs übersteigt. J. A. Hein, Versuch zur Darlegung des gegenwärtigen Standes der Wissenschaft in Bezug auf die Lehre von der Urzeugung. Halle 1844. 8vo. Eine historisch -kritische Be- arbeitung des betreflenden Gegenstandes, welche den Verf. zu dem Resultate führt, dass, während die Nothwendigkeit der ewigen Dauer einer fortschreitenden Urzeugung ge- mägs der Veberzeugung von einer ewigen Entwicklung des Weltalls unbestreitbar sei; eine wiederholte Urzeugung gprch keine Thatsachen erwiesen und durch keine Erfahrung s nölhwendig gefordert sei. j In ähnlicher Intention, wie im vorigen Jahre Unger, so theilt in diesem Jahre Kützing (Ueber die Verwandlung der Infusorien in niedere Algenformen, Nordhausen 1844, 4to.) mehrere Beobachtungen über direkte Umwandlung von Infu- sorien in Algen mil, um die zwischen Thieren und Pflanzen ezogene Gränze zu beseiligen. Schon 1833 hatte er ein inchelys pulviseulus durch die Mittelform des Protococcus 10 zu einer Oscillatorie werden und ebenso Monas pulvisculus durch Eintrocknen des Wassers in ein Protococcus und die- ses wieder in eine Conferve übergehen sehen. Jetzt nun sah er, wie aus einer Chlamidomonas pulviseulus mit soge- nannten rothen Augenpunkten allmählig eine wahre Conferve, Stygeoclonium wurde. Aus anderen Chlamidomonas-Indivi- duen entstanden andere Algenforınen, wie Tetraspora lubrica oder glutinosa und Palmella botryoides. Andere glichen in ihren Verwandlungen den Protoeoceus-Kügelcehen oder Gyges- Arten; auch Gloeoeapsa ampla und Oedagonium vesicatum könnte man als Chlamidomonas-Metamorphosen betrachten. In einer Anzeige dieser und der Unger’schen Sehrift in der Jenaer allgem. Lit. Zeitung, 1845, p. 146., erklärt sich Burmeister gegen die Folgerungen, welche in beiden Schriften aus den betreffenden Beobachtungen gezogen wer- den. Unger’s Beobachtung redueirt er wie v. Siebold auf die Entdeckung von Flimmerbewegungen bei Pflanzen. In Betreff der Kützingischen Angaben glaubt er, dass diesel- ben dazu führen müssten, anzuerkennen, dass jene Chlami- domonas ebenso wie Euglena, Eudorina und überhaupt alle jene sogenannten Infusorien, die man keine Nahrung zu sich nehmen und excerniren sah, für keine Thiere zu halten seien; dass also jene scheinbare, selbstständige, willkührliche Be- weglichkeit kein ausschliesslich thierisches Phänomen, na- mentlich die Wimperbewegungen nur als ein allgemeines Or- ganisationsphänomen zu betrachten seien. Rayer hat im Innern eines Hühnereies einen Pilz beob- achtet, welcher von Montagne als eine Dactylium-Art, D. oogenum, bestimmt wurde, nachdem er die Fruclifieation des- selben beobachtet hatte. Archives de Med. Comparee par Rayer. T.I. Paris 1843. 4to. p. 59. und p. 175. — (Wir haben hier in Giessen vor einiger Zeit denselben Pilz zwei Mal in Hühnereiern sehr stark entwickelt gesehen. Ref.) 2. Vegetalive Prozesse. Mischung. — Nahrungsmittel. — Verdauung. — Speichel. — Galle. — Resorption. — Bluldrüsen. — Blut. — Athmen. — Absonderung. — Ernährung. G. J.Mulder, Versuch einer allg. physiol. Chemie, übers. von Moleschott. Heidelb. Dasselbe Werk übers. von Kolbe. Braunschweig 1844. Der Zweck gegenwärtigen Berichtes gestattet es nicht, über grössere Werke, wie das vorliegende, welches ausserdem noch nicht beendigt ist, ein Referat zu geben. Der Charakter des Werkes ıst weniger neue That- 11 sachen zu .geben, als neue Gesichtspunkte aus den bekannten zu entwickeln; und diese lassen sich in Kurzem nicht ohne Gefahr der Unvollständigkeit und des Missverständnisses wie- dergeben. Nur erwähne ich, dass der Verf. vor Allem na- türlich seine Ansicht über den Charakter der Erscheinungen in der organischen Natur im Vergleich mit denen der unorgani schen zu entwickeln sucht, wobei ich indessen gestehe, nicht die Ueberzeugung gewinnen zu können, dass dem Verf. der Punkt, worauf alles ankommt, klar geworden ist. Indem er mit Recht in der Mehrzahl der gewöhnlichen Lebenser- scheinungen, den sogenannten Funktionen der Organe, keine direkten Wirkungen einer besondern organischen oder Le- behskraft erblickt, scheint er mir die Grenze zu verkennen, wo wir bis jetzt ohne eine solche nicht auskommen können, wenn er z. B. in der Entwicklung eines organischen We- seus aus einem Keime oder Eie auch nur die Molekularkräfte der Materie als wirksam erachtet. WVenigstens muss man diese dann auch als ganz eigenthümlich betrachten, und dann ist man nicht weiter, als wenn man diese eigenthümlichen Kräfte Lebenskraft oder organische Kraft nennt. Die for- melle und chemische Bildung einer Zelle oder eines ganzen Organismus kann bis jetzt nur durch eigenthümliche Kräfte erklärt oder vielmehr als von solchen abhänig erachtet wer- den, mag es an analogen, oder sich daran annähernden Er- scheinungen auch in der unorganischen Natur nicht fehlen, Aber die einmal gebildete Zelle, das gebildete Organ oder der ganze Organismus unterliegt den allgemeinen Gesetzen der Form und Mischung in der ganzen Natur, Marchand, Lehrbuch d. physicl. Chemie. Berlin, 8. Dieses schon 1842 - angefangene Werk ist nun vollendet, und enthält eine kurze und bündige Zusammenstellung und Schilderung der chemischen Untersuchungen thierischer Sub- slanzen. Liebig’s Thierchemie und ihre Gegner. Nach dem Engl. des Dr. Henry Ancell bearbeitet und mit Anmerkungen versehen von Dr. A. W. Krug. Pesth 1844. Dieser Com- ınentar zu Liebig’s bekanntem Werke wird gewiss Vielen willkommen sein, die in der Lektüre und dem Verständniss des Werkes selbst Schwierigkeiten finden, indem dasselbe von der gangbaren Darstellungsweise physiologischer Schriften wesentlich abweicht, und manche Kenntnisse voraussetzt, welche dem Arzte bis jetzt seltener während seiner Studien geboten wurden. Auch finden sich darin für Liebig’s An- sichten manche neue Stützen, während wir diese Lehren selbst als bekannt voraussetzen müssen. ©. Kohlrausch, Physiologie und Chemie in ihrer ge- 12 genseitigen Stellung; beleuchtet durch eine Kritik von Lie- big’s Thierchemie. Göttingen 1844. 8. Ich glaube diese Schrift als eine der besten bezeichnen zu müssen, welche über dieses Thema und Liebig’s Lehren erschienen sind. Dennoch wird man nicht verkennen können, dass die eigen- thümliche und mangelhafte Weise, in welcher der Medieiner bis jetzt in der Chemie und in den Naturwissenschalten ge- bildet wurde, und die ganz verschiedene Meihode der Phy- siologie von der der sogenannten exakten Naturwissenschaf- ten, Schuld auch manchen Missverständnisses des Verf. trägt. Ausser Diesem treffen die Zweifel und der Tadel des Verf. häufig mehr den Zustand unseres gegenwärtigen physiologi- schen Wissens überhaupt, als gerade Liebig’s Lehren in dieser Hinsicht. Aber gerade in diesen Punkten halte ich die Schrift für besonders ausgezeichnet, und geeignet, das Nachdenken und die Forschung eben in diesen Beziehungen anzuregen, woran es bei Lehren, die sich oft, ohne streng bewiesen zu sein, eingebürgert haben, gar zu leicht fehlt. Ich glaube mich nicht zu irren, dass der Verf. oft Zweifel ausspricht, wo er selbst doch nicht zweifelt, weil er noch die strengen Beweise für Lehren fehlen sieht, deren allge- meine Wahrheit sie schon für bewiesen erachten lässt. Gerade wegen dieser Anregung und der Stellung so vieler Fragen, unter Andeutung des Weges zu ihrer Lösung, sollte man aber auch Liebig’s Leistungen in der Physiologie hoch anschlagen. Denn in der Stellung dieser Fragen beweiset sich gerade oft am meisten das Genie, während sich die Hände zur Arbeit schon finden. Es scheint mir nicht Recht, Liebig’s Verdienst dadurch schmälern und die Lösung der von ihm angeregten Fragen dadurch zurückdrängen zu wol- len, dass man seine Beantwortung derselben, weil sie noch nicht allseitig umfassend ist und sein kann, als hypothetisch und einseitig bezeichnet. Wenn der Theil der Lösung, den er giebt, richtig begründet ist, so kann man es ihm nicht zum Vorwurf anrechnen, dass dabei noch andere Theile zweifelhaft und ungelöset übrig bleiben. Hierauf hat Liebig zum Theil auch selbst in dem fol- genden Aufsatz: Bemerkungen über das Verhältniss der Thier- chemie zur Thierphysiologie, Heidelberg 1844. 8., aufinerk- sam gemacht, welcher zunächst gegen Angriffe gerichtet ist, welche er von Berzelius erfahren musste, ‚ Charles Anglada, Reflexions sur les tendances de la chimie moderne, appliqguee ä la pysiologie et ä la pathologie humaine, in Journal de Montpell. Janv. Dieses sind im Ganzen nur die gewöhnlichen Redensarten über die Grenzen der Anwendbarkeit der Lehren der Physik und Chemie zur 13 Erklärung der Erscheinungen der organischen Körper, wobei der Verfasser das juste milieu einzuhalteu sucht. Nicolas Berend, Ueber die Divergenz in den Ansichten der Physiologen u. Chemiker der Gegenwart, in Holscher’s Hannov. Annalen, Neue Folge. II. 3. Schmidt’s Jahr- bücher. T. 42. p. 4. Auch dieses ist einer der zahlreichen, meist fruchtlosen Versuche, der Anwendung der Chemie in der Physiologie ihre richtigen Grenzen anzuweisen. Der Verf. vertheidigt die Geltung der Chemie, meint aber dann wieder, die Versuche,- diese Geltung praktisch zu bethätigen, von Liebig und Anderen, seien zu weit gegangen. Obgleich ich selbst der Meinung bin, dass kein hinlänglich klares und bestimmtes Bewusstsein überall vorhanden ist, wie weit Chemie und Physik zur Erklärung organischer Vorgänge an- gewendet werden können und wo nicht, so glaube ich den- noch, dass wahre Chemiker und Physiker am wenigsten in dieser Anwendung fehlen. Sie kennen die Grenzen ihrer Wissenschaften zu genau, als dass sie so leicht über diesel- ben hinausgeführt werden könnten. Aber die Aerzte und Physiologen besitzen selten und können kaum eine solche Fülle und Sicherheit chemischer und physiologischer Kennt- nisse besitzen, um nicht leicht in Fehler nach beiden Seiten zu verfallen. “ Carl Heinrich Gross, Dissert. über die Anwendung physikalischer Gesetze auf die Vorgänge des organ. Lebens. Tübingen 1844. 8. Devergie, Du cuivre et de plomb contenus naturelle- ment dans les Organes de l'homme, Comptes rendus de l’Acad. roy. de Paris, Tom. XIX. pag. 917., weist in einer Abhandlung nach, dass Kupfer und Blei sich im mensch- lichen Körper finden, und dass Andere (Flandin und Dan- ger) sie nur deshalb nicht entdeckt haben, weil sie sich ei- ner schlechten Methode bedienten. Auch in vielen Pflanzen komme Kupfer und Blei vor. Barse, Lanaux und Follin (ibid.) bemerken, dass sie die genannten Metalle auch in mehreren Leichen wie- derholt gefunden haben, dass sie es aber für möglich halten, zu ide; ob solche, wenn sie gefunden werden, ur- sprünglich dem Körper angehörten oder von aussen (Ver- giltung) hineingekommen sind. Ad. Wurlz, Umwandlung von Fibrin in Buttersäure. Erdmann und Marchand, Journ. f. prakt. Chemie, Bd. 32. p. 501. Als Produkte der Fäulniss des Faserstoffes beob- achtete Wurtz Kohlensäure, Essigsäure, Buttersäure und Ammoniak, wodurch also der Uebergang selbst stickstoflhal- tiger Substanzen in Fett als möglich erwiesen ist. Man er- 14 hält diese Buttersäure auch durch Behandlung des reinen Fibrins mit Kali-Kalk im Oelbade bei 160—180°. D. Gardner, The influence of oxygen on ihe human system, in New-York americain Journal of med. Science. J F. H. Albers, Ueber die Unterschiede des Faserstoffs und des Eiweisses in physiol. u. pathol. Hinsicht, in Nasse und Albers, Medic. Correspondenzblatt rhein. u. westphäl. Aerzte. Jahrg. III. 1844. p. 229. Der Verf. meint, es sei für den Arzt nöthig, einen Unterschied zwischen ‚Faserstoff nnd Eiweiss festzuhalten, wenn denselben auch die Chemie nicht nachweise. (Solches Verfahren möchte wenig zu lo- ben sein. Wenn die Chemie die Natur dieser beiden Stofle erst genau kennen gelernt hat, was noch nicht der Fall ist, und der Arzt würde Erscheinungen beobachten, die nicht direkt mit den Angaben der Chemie übereinstimmen, so wird es die Wissenschaft wenig fördern, diese Erscheinungen nur als Gegensätze festzuhalten, sondern sie müssen als Aufgaben der Forschung dienen, um die Bedingungen zu ermitteln, wodurch solche Abweichungen, oder besser nur veränderle Modifikationen, im speciellen Falle veranlasst sind. Ref.) Fr. Jahn, Ueber das Eiweiss in den Eiern der Haus- taube. Wackenroder und Bley, Archiv der Pharmaeie, Bd. 37. 1844. p"259. Der Verf. macht auf mehrere Unter- schiede zwischen dem Eiweiss der Taubeneier und der Hüh- nereier aufmerksam, deren auffallendster der ist, dass das Taubeneiweiss beim Kochen nur unvollständig gerinnt. Die hauptsächliehste Ursache aller bemerkten Verschiedenheiten scheint ein grösserer Wassergehalt des Taubeneiweisses zu sein, Nach Liebig kann das Albumin der Pflanzen betrachtet werden als entstanden durch die Vereinigung des Zuckers und des Ammoniaks. Zucker C, Hr..0% en u: > Ammoniak Nı,H,. = Wasser I, © C;N.H, 52045 CHNEH OR: Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. 51. p. 236. Der gewöhnlichen Ansicht, dass das Eiweiss durch die Gegenwart verschiedener Salze in thierischen Flüssigkeiten aufgelöset erhalten werde, widerspricht Wurtz, indem es ihm gelang, Eiweiss von allen fremden Bestandtheilen, die es sonst begleiten, zu befreien. ohne dass dasselbe dadurch seine Löslichkeit verlor. — Comptes rendus, T. XVII. p. 700. Journ. f. prakt. Chemie, Bd. 32. p. 503. Als die Zusam- mensetzung des Albumins ergab sich ı$ 4 30 lösliches Eiweiss unlösliches Eiweiss Kohlenstoff . . . 52,88 52,92 Wasserstoff... 7,19 7,15 Stickstoff ..... . 15,55 15,65 Sauerstoff... . 24,38 24.28 100,00 100,00 (Eine genauere Kritik der Wurtzischen Versuche hat erge- ben, dass bei ihnen ein Irrthum untergelaufen ist. Ref.) Golding Bird, An account of Prof. Mulder's resear- ches on ihe existence of oxides of protein in the blood. London medical Gazette. 1843—44. Vol. I p. 615. Ist nur eine einfache Relation der bekannten Angaben Mulder’s über die Oxydationsprodukte des Proteins. Ueber gesunde und kranke Knochen nach Untersuchun- gen von Frerichs, Marchand, Nasse, Ragsky und Si- mon, in Simon’s Beiträgen zur Chemie und Mikroskopie. 1844. Bd.I.p 210. Die hier zusammengestellten chemischen Untersuchungen über gesunde und kranke Knochen sind zum Theil schon im vorjährigen Jahresbericht erwähnt worden, sind aber keiner kürzeren Mittheilung fähig, weshalb ich auf die Aufsätze selbst oder diese längere Relation derselben verweise. v. Bibra, Untersuchung der Knochen der Menschen und einiger Thiere, in Simon's Beiträgen zur Chemie und Mi- kroskopie. 1844. Bd. I. p. 245. Dieses sind vorläufige Mit- theilungen aus dem seit der Zeit vollständig erschienenen Werke Bibra’s: Ueber die chemische Zusammensetzung der Knochen der Tltiiere und des Menschen. Die äusserst zahl- reichen Analysen sind keiner kurzen Mittheilung fähig, und ich muss deshalb anf das Werk selbst verweisen. Von der Talkerde glaubt der Verf, dass sie an Phosphorsäure und nieht an Kohlensäure gebunden sei. Kieselerde fand er in den Knochen von Säugethieren und Vögeln nur in sehr ge- ringer Menge; reichlicher in Fischknochen. Das kohlensaure und schwelelsaure Natron, so’ wie Chlornatrium, welches man aus geglühten Knochen erhält, leitet der Verf. von dem Natron- und Schwefelgehalt des Knorpels ab. An Phosphor- säure glaubt er nicht, dass das Natron gebunden sei. Chlor- kalium und Arsen fand er nicht. Eisen und Fluor in kleinen Mengen. Die organischen und unorganischen Bestandtheile fand der Verf. in den Knochen verschiedener Thiere, in ver- schiedenem Alter und in den verschiedenen Knochen dessel- ben Thieres wechselnd. In den Knochen der Vögel fand er nur im Humerus kein Mark, sondern Luft; alle übrigen Kno- chen enthalten Markfett. [Von den Röhrenkuochen der mei- 16 sten hühnerartigen und Wasser-Vögel enthalten wirklich nur Humerus und Clavicula kein Mark, bei Raubvögeln aber auch der Oberschenkel und andere Knochen nicht. Ref.] Schlossberger, Chemische Untersuchung der Muskeln eines Alligators. Liebig und Wöhler, Annalen der Chemie und Pharmacie. Tom. 49. 1844. p. 341. Der Verf. hat durch diese Untersuchung seine früheren über die chemische Zu- sammensetzung des Fleisches verschiedener Thiere vervoll- ständigt. Die Muskelsubstanz des Alligators enthielt 80 pCt. Wasser. Bei Erhitzung des wässrigen Auszugs zeigten sich schon bei 30° C. Eiweiss-Coagula, wie bei dem Fleische der Fische und Krebse. Die Quantität des Eiweisses war be- trächtlich. Sehr bemerkenswerth war die Gewinnung eines krystallisirenden Körpers aus einer alkoholischen Lösung, der alle Charaktere von Chevreul’s Kreatin hatte. Die Asche des Fleisches schien Spuren von Thonerde zu enthalten. Boussingault, Considerations sur l’alimentation des ani- maux. Annales des sciences naturelles. Tom. 1. 3me Serie, 1844. p. 229. Dieses ist nur ein Auszug aus Boussin- gault's Werk: Economie rurale ete., und betrifft die stick- stoffhaltigen Nahrungsmittel und die mineralischen Bestand- theile der Nahrung. Er zeigt, dass der Stickstoff der At- mosphäre den Stickstoffmangel der Nahrungsmittel nicht ersetzen kann; dass die Thiere im Gegentheil Stickstoff aus- athmen ete., was schon aus anderen Arbeiten, auch Bous- singault's, bekannt ist. F. P. Dulk, Ueber Ernährung und Erwärmung des thie- rischen Körpers. Königsberg 1844. 8. v. Walther, Ueber die Ernährung des menschlichen Körpers, zumal durch Wasser und Luft. Münchener gelehrte Anzeigen. 1844. Tom. U. Nr. 139. p. 73. In einem Aufsatz in dem Edinb. med. and surg. Journ. Oct. 1844. No. CLXI. liefert R. Rigg durch Versuche den wunderbaren Beweis, dass Thiere im Stande sind, Kohlen- stoff zu produeiren. Auch die Angaben über die Menge des ausgeathmeten Kohlenstofls und der in den Speisen aufge- nommenen beim Menschen benutzt der Verf. zur Unter- stützung dieses Mirakels. (Ist es zu verwundern, dass Phy- siker und Chemiker die Methoden der Aerzte und Physiolo- gen verspotten, die zu solchen Resultaten führen?) Doch setzt derselbe seine Untersuchungen fort. Lond. med. Gaz. 1845. No. 23. und andere Zeitschriften verbreiten sie. Gaz. med. 1845 p. 92 und 444. Oestr. med. Wochschrift. 1844. p- 1322. The Lancet. 1844. Vol. II. No. 1. Preisser, Ueber den Ursprung und die Beschaffenheit der organischen Farbstoffe et. Erdmann und Marchand, 17 Journal f. prakt. Chemie, Bd. 32. p. 129. 1844. Diese Ab- handlung betrifft die pflanzlichen Farbenstoffe, und ich be- merke von ihr nur, dass dieselben in jungen Pflanzen farblos sind, und durch den Einfluss des Sauerstoffs ihre Färbung erhalten. Bouchardat und Sandras haben ihre Untersuchungen über die Veränderungen, welche der Zucker und das Stär- kemehl bei der Verdauung erleiden, und die Rolle, welche sie bei der Ermährung spielen, fortgesetzt. Der Rohr- zucker verwandelt sich in dem Magen und Darme zuerst in Suere inverti und dann in Milchsäure, in welcher Form er in das Blut übergehen und sich zuletzt in Wasser und Kohlensäure zersetzen soll Wird er in Uebermaass genos- sen, so findet man ihn nach mehreren Tagen spurweise im Blut, Chylus, Harn, Galle. In dem Blute von Menschen und Thieren, welche eine starke Portion Zucker genossen, fanden sie nach drei Stunden Suere inverti und in zwei Fällen Ameisensäure an Natron gebunden. Rohes Stärkemehl wird vom Menschen und von Fleischfressern nur sehr un- vollkommen verdaut; es findet sich grösstentheils in den Exkrementen. Bei den Wiederkäuern werden die Amylon- körner auch nicht im Magen, sondern erst in den dünnen Därmen zerstört und in Dextrine und Glucose umgewandelt und so in Wasser auflöslich gemacht. Die Temperatur, die schwach alkalische Beschaffenheit des Darmsaftes und eine hier secernirte und nach Art der Diastase wirkende Sub- stanz bewirken diese Veränderung. Im Blinddarın tritt dann eine saure Reaktion auf, und man findet hier Dextrin, Glucose und Milchsäure, welche letztere sie auch wieder im Blute und der Galle, nicht aber im Urin fanden. Das Pfortader- blat war reicher an Wasser und brennbaren Substanzen, als das arterielle. Niemals aber fanden sie Ameisensäure im Blute. Bei den körnerfressenden Vögeln wird das Amylon noch vollkommener als bei den Wiederkäuern verdaut, und in Dextrin, Glucose und Milchsäure verwandelt, welche sämmtlich spurweise im Blute gefunden werden. Gekoch- tes Amylon, dessen Körner zerstört sind, wird auch von dem Menschen und Fleischfressern verdaut, und in Dextrin, Glucose und Milchsäure umgewandelt. Immer erfolgt aber selbst dann dieser Prozess sehr langsam. Auch gehen diese Substanzen nur sehr langsam und nach und nach in das Blut über. Denn sie werden zunächst von den Verzweigun- en der Pfortader aufgenommen, welche sie in die Leber ringen, die sie grösstentheils wieder ausscheidet. Mit der Galle gelangen sie wieder in den Darm, werden zwar wie- der resorbirt, gehen indessen solcher Gestalt nur schr all- Müller's Archiv. 1816, B 18 mählig in die gesammte Blutmasse über, um verbrannt zu werden. Gaz. med. 1845. p. 61. Dr. Budge, Ueber die Bildung und Rückbildung des Zuckers im Thierkörper. Med. Vierteljahresschrift. 1844. . 396. Der Verf. bestätigt zuerst die bekannte Thatsache, dass Stärke im Magen in Zucker umgewandelt wird, und schlägt die auf diese Weise im Magen des gesunden Men- schen täglich erzeugte Zuckermenge auf 13 Pfd. an. Im Ma- gen nun erfährt der Zucker keine weitere Veränderung, wie die Beobachtung bei Thieren und künstliche Verdauungsver- suche zeigen. Dagegen verschwindet der Zucker bei Pflan- zenfressern sogleich im Darme und findet sich weder im Kothe, noch im Blute, noch im Urin. Ebenso verhält es sich auch bei dem Menschen. Bei dem Hunde aber findet er sich im ganzen Darme, Kothe, Blute und Urine. Das Verschwinden des Zuckers im Dünndarme der Pflanzenfres- ser bewirkt die Galle, welche, wie künstliche Versuche mit der Galle beweisen, eine deutliche Einwirkung auf den Zuk- ker und dessen Gährungsfähigkeit besitzt. Diese Einwirkung der Galle auf Zucker will der Verf. später genauer angeben. Wahrscheinlich findet er es aber schon jetzt, dass er, wie Liebig dieses schon angegeben, in Fett umgewandelt wird. Da dieses durch Sauerstoffabgabe geschehen würde, so er- klärt sich daraus die Beziehung der Leber zur Lunge. 1# Pfd. Zucker würden durch Umsetzung in Felt dem Organismus 22,4 Loth Sauerstoff, also etwas mehr als 4 des durch die Lunge aufgenommenen Sauerstoffs, nach Valentin und Brunner 56,61 Loth, liefern. Der Hund und wahrschein- lich alle Fleischfresser sind von Natur auf Fett angewiesen und nicht auf stärke- und zuekerhaltige Nahrung. Deshalb besitzt seine Galle auch nicht jenen umwandelnden Einfluss auf Zucker. Selbst seine Milch enthält fast keinen Zucker [nur bei Fleischdiät, Ref.]. Die grosse Leber der Embryo- nen bezieht der Verfasser auf Bereitung von Sauerstoff aus dem Zucker, welchen die Mutter in ihrem Körper zur Milch- bildung erzeugen muss. Zuletzt äussert sich der Verf. auch noch über Zuckerbildung im menschlichen Körper aus stick- stoffhaltigen Substanzen, welche er zwar immer für patho- logisch, aber für weit häufiger hält, als man gewöhnlich an- nimmt. Er glaubt, dass der Zucker durch Aufnahme von Sauerstoff aus Protein gebildet werde; namentlich auch im Diabetes mellitus, wo die genossene Quantität Zucker und Amylon nicht ausreiche, um die Menge des ausgeleerten Zuckers zu erklären. Gaz. med. T. XII. p. 828. Felix Letelletier, Ueber die Wirkung des Zuckers in der Nahrung der köruerfressenden Thiere. Ann. de Chi- 19 mie et de Phys. T. XI. 1544. Juin. Ann. des se. nat. T. II. p- 38. Erdmann und Marchand, Journal f. prakt. Che- mie, 1844. Bd. 33. p. 108. Comptes rendus. T. XVII. p- 658. Aus Versuchen, welche der Verf. mit Fütterung von Tauben ausschliesslich mit Zucker und Fett anstellte, zieht er den Schluss, dass der Zucker die Fettbildung nicht begünstige, ja nicht einmal die Butter eine reichlichere Ab- lagerung von Fett veranlasse. (Wie man nur erwarten kann, dass bei einer ungenügenden Ernährung eines Thieres die chemischen, die Nahrung betreffenden Prozesse dennoch ganz normal fortdauern sollen?! Ref.) £ C. G. Lehmann, De pinguedinum commodis et usibus in metastoechosi animali. Lips. 8. C. G. Lehmann, Vorläufige Mittheilung über die Wich- tigkeit des Fettes bei der thier. Stoffmetamorphose, in Si- mon’s Beiträgen zur Chemie und Mikroskopie. 1844 Bd. 1. p- 63. Diese Mittheilungen beziehen sich einstweilen nur auf die Nothwendigkeit der Gegenwart von Fett bei der Milchsäurebildung aus Zucker und Stärkemehl unter Concur- renz sogenannter Proteinverbindungen. Lehmann zeigt, dass alle diese Proteinverbindungen, im aufgelöseten und ge- ronnenen Zustande, mit allen nicht verseiften Fetlen und den verschiedenen Zuckerarten bei 35—40° C. unter Gegen- wart von Wasser und anfänglichem Luftzutritt in Milchsäure- gährung übergehen. Fadenpilze, Schimmel u. dgl. entwickeln sieh dabei nicht. Coagulirtes Eiweiss wird dabei aufgelöset, Fibrin in Eiweiss umgewandelt. Die Fette verwandeln sich in Fettsäure. Gasentwicklung findet nicht Statt. Die Verhandlungen über den Ursprung des Fettes in den thierischen Körpern dauerten auch noch in diesem Jahre fort, bestätigten aber nur immer mehr Liebig's Ansicht, dass dasselbe nicht bloss von dem in den Pflanzen erzeugten Fette herrühren könne. Zwar glaubte Boussingault zu- erst durch einen Versuch mit Fütterung zweier Kühe mit Runkelrüben und Kartoffeln bewiesen zu haben. dass das Fett der Milch danach abnähme und nur durch das Fett des Thieres selbst, welches dabei abmagere, ersetzt werde. (Ann. de Chimie et de Physique. T. XII. p. 153.) Allein später überzeugte er sich doch auch selbst, dass die Thiere beim Mästen viel mehr Fett ansetzen, als sie in ihrer Nahrung erhalten. Er nimmt daher auch eine Umwandlung des Stär- kemehls in Fett an. Da aber diese Fettbildung nur bei Ge- genwart anderer Nahrungsmittel, nicht bei Darreichung nur #tärkemehlhaltiger Nahrung erfolgt, so meint er und Milne Edwards, dass die Umwandlung des Stärkemehls in Fett durch die Gegenwart von Felt bedingt sei. (Viel natürlicher B2 20 erscheint es, anzunehmen, dass nur, wenn dem Körper die zu seiner Ernährung und Erhaltung überhaupt nöthigen Ma- terialien dargeboten werden, auch die Umwandlung von Stär- kemehl in Fett möglich ist. Warum sollte hierzu Fett in der Nahrung nöthig sein, so lange das Blut und der Körper überhaupt Fett enthält, welches ja die Stelle vertreten könnte.) Gaz. med. 1845. No. 25. p. 397. Schlossberger liefert einen Aufsatz über die Bildung und Bedeutung des Fettes im thierischen Haushalte, in wel- chem er sich in beiden Beziehungen den Ansichten Liebig's vollkommen anschliesst, und nur noch auf die Rolle des Fettes bei der Zellenbildung besonders aufmerksam macht. Sodann giebt der Verfasser noch eine Anwendung dieser Lehren auf die Palhologie. Med. Vierteljahresschrift. 1844. . 326. 2 Aus Versuchen von Persoz über die Mästung von Gän- sen zieht derselbe folgende Schlüsse: 1. Die Gans nimmt nicht nur das im Mais enthaltene Fett auf, sondern sie muss auch Fett auf Kosten des im Mais enthaltenen Stärkemehls und Zuckers bilden, da die von ihr erzeugte Menge Fett mehr als das Doppelte desjenigen beträgt, welches sich im Mais vorfand. 2. Eine gemästete Gans enthält etwas mehr Fett, als die Gewichtszunahme beträgt, welche sie erfahren hat. 3. Während der Mast verändert das Blut seine Zusam- mensetzung, wird reicher an Fett, das Eiweiss verschwin- det. 4. Es besteht eine Verbindung zwischen der Entwicke- lung der Leber und der Menge des producirten Fettes. Comptes rendus. T. XVII. No. 7. Archives gen. 1844. Mars. Oestr. med. Wochenschrift. 1844. Bd. II. p. 653. Gluge und Thiernesse haben Versuche über die Wir- kung der fetten Oele auf den thierischen Organismus ange- stellt, indem sie Olivenöl und Leberthran Hunden und Ka- ninchen theils direkt in die Venen injieirten, theils durch den Mund zugleich mit der gewöhnlichen Nahrung beibrach- ten. Beide Fettarten zeigten keinen bemerkbaren Unter- schied in den Experimenten. In grösserer Menge injieirt in die Venen, bewirken sie, besonders der schwarzdunkle Le- berthran, bald den Tod. In kleineren Mengen selbst wie- derholt injieirt, bleiben die Thiere gesund, das Fett ver- schwindet aus dem Blute, wird in der Leber, den Nieren und Lungen abgelagert, verschwindet aber auch aus diesen Organen wieder, nachdem einige Zeit keine Injektion mehr gemacht worden. Durch den Mund in sehr grosser und steigender Gabe beigebracht, bewirkt das Fett Störung der Verdauung, Dyspnoe, Husten und den Tod in kurzer Zeit. In kleinen Gaben beigebracht, wird das Oel unverändert 21 u von den Villositäten des Darms (ob dieses Lymphgefässe heissen soll, ist nicht klar, Ref.) resorbirt und geht in das Blut über; vielleicht auch durch unmittelbare Aufnahme durch die Venen. Es wird alsdann ebenfalls unverändert in Lunge, Leber, Nieren abgelagert. Bei der Injektion ist die Leber, bei der Ingestion durch den Mund die Lunge der vorzüglichste Ablagerungsort des Fettes, Lässt man in der Darreichung des Fettes nach, so verschwindet es zuerst aus dem Blute und dann wieder aus den genannten Organen, Auf welche Weise dieses geschieht, wurde nicht ermittelt; in der Galle und dem Urine fand sich aber immer nur eine sehr geringe Quantität Oel, so dass es wohl verändert aus- geschieden wird. Wenn Blut und Organe mit Fett gesättigt sind, so wird keines mehr resorbirt, sondern bleibt im Darm- kanal, selbst wenn mehrere Tage hindurch kein Oel gereicht wird. — Haeser’s Archiv. 1844. Bd. VI. p. 494. Gazette med. T. XII p. 713. Eine Commission des Institut d’Amsterdam bestätigt die Erfahrung der Pariser Gelatina- Commission, dass diese Ge- latine, aus Knochen bereitet, weder für sich, ‚noch in Ver- bindung mit anderen Substanzen die geringste nährende Ei- genschaft besitzt. Gaz. med 1844. No 11. p. 176. Bergsma, Sur les proprietes nutritives de la gelatine, Comptes rendus de l’Acad. de Paris. Tom. XVIN. p. 532., beruft sich auf die Erfahrungen des gewöhnlichen Lebens, indem er seine Convietion intime ausspricht, dass die Gela- tina doch nahrhaft sei. €. Bernard et Barreswil, Recherches physiol. sur les substances alimentaires, Comptes rendus de l’Acad. de Paris. T. XVII. p. 783., fanden, dass man die Gelatina, mag sie nun direkt dureh Injektion in die Venen oder indi- rekt durch die Verdauungswege ins Blut gekommen sein, im Urin immer nachweisen kann, dass sie also nicht assimilirt wird. Eiweiss und Zucker erscheinen im Urin nicht wie- der; nur muss man alle Substanzen, die man in die Ve- nen injieiren will, vorher mit Magensaft digeriren, sonst werden sie immer durch den Urin fortgeschafft und nicht assimilirt. Joh. Henr. Seyfried, Nonnulla de alimenlis et de ralione eorum ad naturam organicam, Diss. inaug. Wirce- burgi 1844. 8vo. Compilation des Bekannten über Nahrungs- bedürfniss,, Hunger und Fresssucht. Casper theilt einen interessanten, von ihm selbst ge- mau beobachteten Fall von freiwilligem, zehntägigem Fasten bei einem Gefangenen mit. Den Urin desselben fand Mit- scherlich in Nichts von dem eines Gesunden abweichend; 22 also auch Harnstoff in demselben. Casper’s Wochenschrift. 1844. p. 361. S. Wright, Der Speichel in physiologischer, diagnosti- scher und therapeutischer Beziehung, in Eckstein’s Hand- bibliothek des Auslandes f. d. organisch-chemische Richtung der Heilkunde. Heft II. und II. Wien. 8. Dieses ist eine Uebersetzung der Arbeit Wright’s über den Speichel, de- ren schon im Jahresbericht 1842 Erwähnung gethan wor- den ist. Enderlin fand bei seinen Analysen der Asche des Spei- chels in ihrer Zusammensetzung dieselben Salze in derselben wie im Blute: A. in Wasser lösliche Bestandtheile: Dreibasisch-phosphors. Natron 28,122 Chlornatrium und Chlorkalium 61,930 | 92,367 Schwefelsaures Natron . . „ 2,315 B. in Wasser unlösliche Bestandtheile: Phosphors. Kalkerde ) - = Bittererde | % 5,509| 5,509 - - Eisenoyyd 97,876 Die alkalische Reaktion rührt von dem phosphors. Natron her. Milchsaure, kohlensaure, essigsaure Salze enthält der Speichel nicht. — Das phosphorsaure Natron spielt wahr- scheinlich bei der Verdauung ebenso, wie das Chlornatrium und choleinsaure Natron als einfaches Auflösungsmittel der Nahrungsmittel eine weit wichtigere Rolle, als der Speichel- stoff, Pepsin, Milchsäure u. dgl. — Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. 49. p. 331. Lassaigne, Ueber die Wirkung des Speichels auf Amy- lon. Journ. de Chimie med. 1845. Juin. p. 305. Derselbe, Ueber die Wirkung der Substanz des Pan- kreas des Pferdes auf Amylon. Ibid. p. 309. Nach demselben übt weder der Speichel des Menschen, noch der des Pferdes bei der Temperatur des thierischen Körpers irgend eınen Einfluss auf das Amylon. Der Spei- chel des Pferdes hat auch bei 70 — 75° €C. keinen Einfluss auf dasselbe, während der des Menschen bei dieser Tempe- ratur diese Materie sogleich in Dextrine und dann in Gly- cose umwandelt. Dagegen bewirkt das Pankreas ungekocht bei einer Temperatur von 38° eine Umsetzung des Stärke- mehls, und in weniger als zwei Minuten eine Auflösung des- selben und Umwandlung in Dextrine, verliert aber diese Ei- genschaft durch Kochen. C. Haas, Die Verdauung des Menschen im gesunden und kranken Zustande. Linz 1843. 8vo. 23 Thomson zieht aus mehreren Versuchen über die Ver- dauung folgende Schlüsse: 1. Wenn eiweissartige Stoffe vegetabilischen Ursprungs und Fett in den Magen übergeführt werden, so sind sie bald danach im Blut zu finden. 2. Während der Verdauung mehlartiger Nahrung kann keine freie Salzsäure im Magen entdeckt werden. 3. Dextrin und lösliche Stärke existiren in dem Magen während der Verdauung zuvor gekochten Stärkemehls. 4. Zucker ist im Magen vorhanden und ebenso in dem Blut, während und bald nach der Verdauung mehlartiger Substanzen. Liebig’s Annalen. 1845. Bd. 84. p. 203. The Lancet. 1845. April. Schmidt’s Jahrbücher. 1846. Bd 49. . 281. s Bernard und Barreswil kommen bei ihren fortgesetz- ten Untersuchungen über die Verdauung zu dem Resultat, dass die besondere verdauende Eigenschaft der Verdauungs= säfte von ihrer Reaktion abhängig sei. Alle enthalten ein organisches, die Verdauung bewirkendes Prineip; reagiren sie alkalisch, so dienen sie zur Verdauung der Amylon hal- tenden Substanzen, wie der Speichel und der pankreatische Saft; reagiren sie sauer, so lösen sie die stickstoflhaltigen Nahrungsmittel auf. Pankreatischer Saft und Speichel sauer gemacht, lösen auch nur die stickstoffhaltigen Substanzen auf. Gaz med. 1845. p. 445. Dr. Bernard hat neue Versuche und Beobachtungen über den Magensaft angestellt und in der Gaz. med. 1844. No. 11. p. 165. mitgetheilt. In der Beschreibung desselben weicht er nicht von den früheren Beobachtern ab. Er fand nur auch im nüchternen Zustande die Reaktion der Magen- schleimhaut sauer, wenngleich die Reaktion des Mageninhal- tes neutral oder alkalisch war. Bemerkenswerth ist ferner, dass auch die Magenschleimhaut des Fötus des Menschen und der Thiere sauer reagirt. Rücksichtlich der Quelle des Magensaftes, so hält Bernard ihn für ein einfaches Exsu- dationsprodukt aus dem Blute und nicht für ein Sekret. Diese Ansicht stützt er auf den (ihm durchaus nicht gehörig bekannten) Bau der Magenschleimhaut und auf Experimente an Hunden. Bei Injektion von ganz frischem, arteriellem Blute in die Magenarterien eines eben getödteten Hundes, soll an der Oberfläche der Magenschleimhaut eine sauer rea- girende Flüssigkeit transsudirt sein. Nach Injektion einer Auflösung von blausaurem Kali (1 Grm. auf 100 Grm. Was- ser) in die V. jugularis soll ausser in dem Urine sich nur in dem Magen eine Reaktion gezeigt haben, in den Thränen- und Speicheldrüsen und in ihren Sekreten aber selbst dann 24 nicht, wenn sie durch Reizung zur lebhafteren Absonderung veranlasst wurden. Ein Hund erhielt 4 Grm. milchsaures Eisen durch den Münd und eine halbe Stunde nachher ein Klystir von demselben Salze durch den After. Gleich dar- auf wurde blausaures Kali durch die Jugularis injieirt und das Thier sodann nach 25 Minuten getödtet. Nur im Magen und Anfang des Duodenums und nirgend anders zeigte sich die Reaktion. Die Säure des Magensaftes wird in dem Mo- mente der Ausscheidung aus dem Blute gebildet. Bei einem Hunde, welchem man blausaures Kali in die eine Vena jugul. und schwelelsaures Eisen in die andere Vena jugul. einspritzt, entsteht weder in dem Blute, noch an irgend einer andern Stelle die Reaktion und Bildung des Berlinerblau, indem die Alkalien des Blutes ersteres und die organischen Materien letzteres verhüllen. In dem Magen aber findet sich das Ber- linerblau in dem Contentum, indem die hier frei werdende Säure die Reaktion hervortreten lässt. Ueberhaupt aber fand Bernard, dass in das Blut injieirte Säuren immer im Ma- gen austreten, niemals aber Alkalien. Spritzt man Salze ein, 2. B. milchsaures Eisen, buttersaures Eisen oder Magnesia, so erscheinen die Säuren im Magensaft, die Alkalien im Urin. Spritzt ınan blausaures Quecksilber ein, so riecht der Ma- geninhalt stark nach Blausäure, nie aber findet man in ihm Quecksilber. Ein Mineralsalz, welches sich im Blute nicht zersetzen kann, erscheint unverändert im Magensafte. Spritzt man blausaures Kali und milchsaures Eisen ein, so erscheint die Reaktion im Magen nicht, indem ersteres allein unver- ändert in den Magen übergeht, letzteres aber zersetzt wird, die Milchsäure in den Magen gelangt, das Eisen aber im Blute bleibt. Diese Absonderung der Säuren aus dem Blute durch die Magenschleimhaut vergleicht Bernard mit der Wirkung der Thierkoble auf Blei-Alkalien (Plombate alealin), welche beim Filtriren das Kali allein durchgehen lässt und das Blei zurückhält. Die Wirkung des Magensaftes beruht nun zwar zum Theil darauf, dass er durch seine Säure die Stofle auflöset, und zwar sowohl die mineralischen, als animalen. Die saure Eigenschaft des Magensaltes wirkt dabei oft sehr ener- gisch. Magensaft eines Hundes in die Venen eines Kanin- chen eingespritzt, tödtet dieses meist sehr schnell; hat man aber Nahrungsmittel mit ihm vorher digerirt, so äussert er diese Wirkung nieht. Andererseits aber ändert der Magen- saft auch die Nahrungsmittel so um, dass sie erst tauglich zur Ernährung oder zur Verbrennung werden. Spritzt man einem Hunde Eiweiss (5 Grm. auf 20 Grm. Wasser) in eine 25 V. jugularis, so erscheint das Eiweiss unverändert im Urin. Ebenso, wenn man etwas weniges Salzsäure zusetzt. Di- gerirt man dagegen Eiweiss geronnen oder ungeronnen vor- her mit Magensaft, -und spritzt es dann ein, so erscheint das Eiweiss nicht im Urin. Ebenso verhält es sich mit dem Zucker, sowohl Trauben- als Rohrzucker (10 Grm. auf 30 Grm. Wasser). Nur wenn sie vorher mit Magensaft digerirt wurden, erscheinen sie nicht im Urin. Der Magensaft muss daher eine Substanz nicht nur auflösen, sondern auch um- ändern, wenn sie nähren und assimilirbar sein soll. Es ist nothwendig, die verschiedenen Nahrungsstofle aufs Neue nach diesem Criterium zu untersuchen, Eine neuere Arbeit von Bernard und Barreswil be- schäftigt sich vorzüglich mit Untersuchung der Ursache der sauren Reaktion des Magensaftes. Sie bestätigen das Vor- handensein einer freien Säure, und fanden deutliche Spuren von Salzsäure, aber nicht frei, sondern im Zustande von Chlorüren; ebenso Phosphorsäure, vor allem aber Milchsäure, welche sie als ein constantes physiologisches Produkt des Organismus betrachten. Froriep’s N. Not. Nr. 704. Claude Bernard: Du suc gastrique et de son röle dans la nutrition. These. Paris 1844. — Erdmann und Marchand, Journal f. prakt. Chemie. 1844. Bd. 33. p. 58. Barreswil et Bernard, Sur les phenomenes chimiques de la digestion. Comptes rendus de l’Acad. de Paris. T. XIX. p- 1284., bringen als eine neue Entdeckung vor, dass der Magensaft seine wirksamen Eigenschaften zweierlei Substan- zen verdanke, einer die sauer reagire, und einer organischen, die durch die Hitze zersetzt werde; die saure Reaktion rühre nicht vo. saurem phosphorsaurem Kalk her, sondern von einer freien Säure, denn im eingedickten Magensafte entstehe bei Zusatz von Kreide deutliches Aufbrausen; ferner werde auch neutraler phosphors. Kalk vom Magensafte aufgelöst, der doch durch jenes Salz nicht aufgelöst werde. Die freie Säure ist nach ihren Untersuchungen Milchsäure, aber es ist gleichgültig für den Verdauungsprozess, welche freie Säure vorhanden ist, der Magensaft muss nur sauer sein. Es spricht nicht sehr für die chemischen Kenntnisse der Verfasser, dass sie es als Neuigkeit mittheilen, dass beim Destilliren sehr verdünnter Salzsäure anfangs bloss Wasser übergeht. Auch Melsens hat, indem er genau gewogene Stück- chen Marmor ete. längere Zeit in Magensaft liegen liess, durch den Gewichtsverlust, den diese Stückchen erlitten, sich von der Existenz freier Säure im Magensafte überzeugt. Comptes rend. de l’Acad des sc. de Paris. T, XIX. p- 1289. 26 Dr. Bassow in Moskau hat nach Blondlot’s Beispiel bei Hunden Magenfisteln angelegt, um die Verdauung zu stu- diren. Er beschreibt sein (nicht immer zweckmässiges, Ref.) Verfahren im Bullet. de la Soc. imper. des nat. de Moscou. T. XVI. 1843. Froriep’s N. Not. Nr. 630. Lassaigne hat auf Veranlassung der Behauptung Blon d- lot’s, dass der Magensaft keine freie Säure, sondern sauren phosphorsauren Kalk enthalte, seine früheren Untersuchungen an dem Magensaft eines Hundes, den man aus einer Magen- fistel erhalten hatte, wiederholt. Er bestreitet die Gegen- wart des phosphors. Kalkes und behauptet dagegen aufs Neue die Gegenwart einer fixen organischen Säure, welche er für Milchsäure hält. Journ. de Chimie med. 1844. Fevr. . 73. In einer zweiten Arbeit sucht er zu beweisen, dass der Magensaft eines Hundes Spuren von Salzsäure, viel reich- licher aber eine fixe und nicht krystallisirbare Säure ent- halte, welche mit Zinkoxyd und Baryt lösliche Salze bildet, und die er für Milchsäure hält. Ibid. Avril. p. 183. Sandras und Bouchardat ziehen aus ihren Unter- suchungen über die Verdauung folgende Schlüsse: 1. Fibrin, Albumin, Kasein, Glutin werden im Magen bloss durch die Salzsäure gelöst. (?Ref) 2. Da diese Säure aber für die Lösung dieser Stoffe, nachdem sie gekocht sind, in den Glas- apparaten nicht ausreicht, so muss im lebenden Magen doch wohl noch etwas Anderes vor sich gehen, als eine blosse Auflösung durch Salzsäure (! Ref‘), die Gegenwart dieser Säure ist aber nothwendig. 3. Die Verdauung und Absorp- tion der albuminösen Stolle geschieht fast ausschliesslich im Magen; in den Därmen findet sich nur wenig von ihrer Auflösung, 4A. Das Satzmehl wird auch im Magen aufge- löst und zwar sogleich in Milchsäure umgewandelt. 5. Die Absorption dieses Nahrungsstofles geschieht auch noch in den Därmen. 6. Fett erleidet im Magen keine Veränderung; es geht in Gestalt einer mittelst des Alkalis der Galle und des pankreat. Saftes gebildeten Emulsion in den Dünndarm über. 7. Der Chylus nüchterner Thiere unterscheidet sich von dem solcher, die mit eiweissreichen Stollen oder Satz- mehl genährt sind, nicht wesentlich; die Quantität des er- steren ist nur geringer. Nährt man die Thiere mit Fett, so findet man dies unverändert und in grosser Menge. — Diese neuen Untersuchungen enthalten also wohl wenig Neues und noch weniger Vertrauen Erweckendes. L’Institut 437. Einer Arbeit von G. Ross über den Verdauungsprozess und die Ernährung in der Lancet 1843—44. I. p. 507. 539. 628. 682. 781., Schmidt’s Jahrbücher 1844. Bd. 43. p. 159., kann ich kein besonderes neues Interesse abgewinnen. Es 27 wird gezeigt, dass der Zucker das Resultat der Verdauung von Vegelabilien sei, und dieselbe vorzüglich durch den Speichel bewerkstielligt werde. Dann, dass Milchsäure stets ein Produkt der Zersetzung und nicht ein Erzeugniss des Organismus, so wie endlich, dass das Albumen wahrschein- lich durch Alkali unlöslich gemachtes Kasein sei, und da- her zu seiner Lösung und Absorption immer eine Säure erfordere. Aus einer Abhandlung desselben über das Wesen der Verdauung und Ernährung, welcher indessen nicht neue Versuche zu Grunde liegen, bemerke ich vorzüglich nur, dass der Verf. der Ansicht ist, dass die Chylusgefässe des Darıns nur das Fett aufnehmen, die übrigen Substanzen aber direkt in die Blutgefässe gelangen. Von den Chyluskügelchen glaubt er, dass sie aus einem Feltiropfen als Kern und einer Ei- weisshülle bestehen: den Farbestoff des Blutes lässt er in der Lymphe der Milz dem Chylus zuführen ete. Lancet. 10. Febr. 1844. Fror. N. Not. Nr. 640. Dr. H. Hoffmann hat in Haeser’s Archiv 1844. p- 157. Beiträge zur Verdauungslehre gegeben, welche im Ganzen ‚mehr geeignet sind, zu zeigen, wie unsicher unsere Kenntnisse noch selbst über-die am meisten in neuerer Zeit verhandelten Gegenstände sind, als sichere neue Thatsachen beibringen. Rücksichtlich des Speichels bestätigt der Verf. die Angaben, dass er Stärkemehl (Kleister) in Dextrin und Traubenzucker umwandelt. Rücksichtlich des Magensaftes suchte der Verf. die Wirkung seiner Säure von der des so- genannten Pepsins gesondert zu erforschen. Er fand, dass schwache Salzsäure den Kleister auch in Dextrin umwan- delt, und dass Käse, Albumin, Fibrin gelöset werden. Fri- scher Laabmagen des Kalbes ohne Säure wandelt den Klei- ster auch in Dextrin um. Mannit liefert Milchsäure (nach der Krystallisationsform bestimmt). Rücksichtlich der Galle mat der Verfasser zunächst die Ansicht, ob sie zur Neutra- isation des sauren Chymus wesentlich beitrage und er glaubt dieses bezweifeln, dagegen diese Neutralisation mehr dem durch die Zersetzung der stickstoffhaltigen Darmeontenta frei werdenden Ammoniak beimessen zu müssen. Eine Zer- setzung „der Galle durch die schwache Säure des Chymus scheint ihm auch nicht wahrscheinlich. In Beziehung auf das Fett will der Verf. der Galle auch keine Bedeutung bei- legen, wobei er inzwischen die Möglichkeit der Resorption des Fettes erst durch seine Vereinigung mit der Galle über- sehen hat, Der Verf. fand nun, dass Galle noch schneller als Salz- säure und Raab den Kleister in Dextrin und Zucker überführt; 28 allein indem erdie schon von Tiedemann und Gmelin hervor- gehobene Eigenschaft der Galle, die Fäulniss zu verhindern oder zu verlangsamen, bestätigt fand, so ist er geneigt, diese anti- septische Wirkung der Galle im Darme als ihre Hauptbe- stimmung zu betrachten. Aus der Vergl. Anatomie glaubt der Verf. keine besonderen Fingerzeige über die Bedeutung der Galle entnehmen zu können. Doch bestimmte er bei mehreren Thieren das Verhältniss des Gewichtes der Leber zu dem des Körpers. Rücksichtlich der Frage, was aus der Galle weiter wird, wenn sie den verschiedenen Zwecken im Darme genügt hat, ist zunächst zu bemerken, dass sie, ihrer grössten Quantität nach, nicht mit den Exkrementen ent- leert wird. Sollte sie wieder aufgenommen werden, so wäre es am wahrscheinlichsten durch die Lymphgefässe; da aber deren Inhalt nicht gefärbt ist, so hält es der Verf. für be- merkenswerth, dass frische Kalbsgalle mit wenig Salzsäure unter Oel rasch filtrit bei einer Digestion in 30° sich all- mählig klärt und unter Abscheiden eines grünen Pulvers farblos wird. Die Möglichkeit, wie die Galle zuletzt in der Form der Kohlensäure ausgeschieden werden könnte, sucht der Verf. durch einige Formeln zu veranschaulichen. Ueber das Pankreas findet es der Verf. nicht möglich, etwas Wahrscheinliches auszusagen. Schliesslich äussert sich der Verf. auch noch über die Bedeutung der Kohlenhydrate als Nahrungsstoffe. Bergemann, Einige Versuche über die Zusammen- setzung des Suceus pancreaticus des Elephanten. Nasse und Albers, Medie. Correspondenzblait rhein. u. westphäl. Aerzte, Jahrg. III. 1844. p. 274. Es wurden 28 Gr. freilich erst 8 Tage nach dem Tode des Thieres gesammelt, welche schwach röthlich gefärbt, durchsichtig, zäh, schwach salzig schmeckend und stark alkalisch reagirend waren. In Wasser lösete sich das Ganze bis auf wenige bräunliche Flocken auf, Im Wasserbade getrocknet, hinterblieben 7,33 pCt fe- ster Rückstand, bestehend aus Eiweiss, Kasein, Kochsalz und kohlens. Natron. Speichelstoff konnte nicht aufgefunden werden. Die Salze der Galle sind nach Enderlin: Choleinsaures Natron, dreibasisch phosphors. Natron, schwefels. Alkali, Chlorkalium und Chlornatrium, phosphors. Kalk- und Bit- tererde, und Eisenoxyd, zuweilen schwefelsaurer Kalk. Die alkalische Reaktion der frischen Galle leitet er von dem drei- basisch phosphorsauren Natron und choleinsauren Natron ab. Kohlensaures Natron in der Asche, welches frühere Analy- sen gegeben, leitet er von der Verbrennung des choleinsauren 29 Natrons, nicht aber von milchsaurem oder essigsaurem oder margarin- und talgsaurem Natron ab. Kohlensaurer Kalk in der Asche ist Produkt der Umsetzung eines Theiles des ge- bildeten kohlensauren Natrons mit dem bisweilen vorhande- nen Gypse. Annalen d. Chemie u. Physik, Bd. 50. p. 67. Abermals ist in dem chem. Laboratorium zu Giessen eine Arbeit über die Galle von Theyer und Schlosser vorgenommen worden. Auch sie gelangten zu dem Resul- tate, dass die Galle eine Verbindung einer eignen Säure mit Natron ist, und es glückte ihnen, diese Säure aus dem Blei- salze darzustellen. Die Zusammensetzung derselben in 100 Theilen war folgende: I. II. II. Kohlenstoff 63,70 63,76 63,98 Wasserstolf 8,84 8,50 8,58 Stickstoff 3,97 3,45 _ Sauerstoff 23,49 24,29 _ Ihre Eigenschaften stimmen mit Berzelius’ Bilifellinsäure vollkommen überein. Mit Demarcay's Choleinsäure stimmt sie auch überein, nur zeigt sie das lebhafte Aufbrausen mit kohlensauren Alkalien nicht wie diese. Kemp’s Gallensäure halten die Verfasser nach dem angewendeten Verfahren für keine reine Gallensäure. Ann, d. Chem. 1843. Oct. p. 77. Die Galle zweier gesunder. eines plötzlichen gewaltsa- men Todes verstorbener junger Männer von 18 und 22 Jah- ren fand Frerichs zusammengesetzt aus: INVARREr PPRRINREND „ERRIEIEUABNE "36.00 85.92 Feste Bestandtheile. . . . 14,00 14,08 Gallens. Natron... 142. 1.0. 27,022 1, Cholestearin .ga,nueons leiten. 016 0,26 Margarin ol | Din. ER ET = VR 0,92 BSEhleum.. zerjarfts) weitere om (Ba0O 2,98 Chlornatrium . 0.25 0,20 Dreibasisch phosphors. Natron 0,20 0,25 Basisch phosphors. Kalkerde} - - = Talkerde | ig er Schwefels. Kalk A 172 0,04 Eisenoxyd . . » . .... .„ Spuren. Spuren. In der Fötus-Galle fand der Verf. auch das gallensaure Na- tron und auffallend viel eigenthümlichen Farbestof. Vom Schwefelgehalt der Galle ist keine Rede. Beiträge zur phy- #iologischen und pathologischen Chemie der Galle. Hannover 30 1845. Hannov. Annalen, V. 1. u. 2. 1845. Schmidts Jahr- bücher. 1845. Bd. 48. p. 145. Scherer hat den Gallenfarbestoff aus dem Harne eines Ieterischen auf verschiedene Weise dargestellt und eine Ele- mentar- Analyse angestellt. Sie ergab: Kohlenstoff 67,409 67,761 68,192 Wasserstoff 7.692 7,598 7,473 Stickstoff 6,704 6,704 7,074 Sauerstoff 18,195, 17,937 112,261 100,000 100,000 100,000 In dem Harne und Blute desselben Kranken konnte Sche- rer keine Spur von Gallensäure nachweisen, was er von der leichten Zersetzbarkeit derselben ableitet. Er fand dieses auch bei der Analyse einer von Galle ganz grün gefärbten ausgebrochenen Flüssigkeit bestätigt, welche ebenfalls keine Spur von Gallensäure enthielt, welche daher schon in kur- zer Zeit durch den sauren Magensaft und das Pepsin meta- morphosirt sein musste. Liebig und Wöhler, Annalen. 1845. Bd. LII. p. 377. Plattner hat in zwei Aufsätzen die Ergebnisse seiner Untersuchungen über die Galle mitgetheill: Haeser’s Ar- chiv VI. 3, und Müller’s Archiv 1844. 2%. Er sucht wahr- scheinlich zu machen, dass die Galle ein Doppelsalz sei, zu- sammengesetzt eines Theils aus Natron mit Kohlenstickstoff und den Elementen von Wasser, anderen Theils aus Natron mit Kohlenwasserstoff und den Elementen von Wasser. Er- sterer Körper, von P. Natroncholin genannt, wird bei star- ker Kälte in nadelförmigen, farblosen, schneeweissen Kry- stallen erhalten. (Verf. hat auch die Gallensäure krystallinisch dargestellt.) Er löst sich in Weingeist und Wasser. Die wässrige Lösung ist neutral, von süssem Geschmacke mit bitterlichem Nachgeschmack. Die Trennung des Cholins von Natron gelingt nur dureh doppelte Wahlverwandtschaft mit Leichtigkeit. Für sich aber kann das Cholin nicht bestehen, es zersetzt sich sofort und an der Luft scheint aus ihm die Cholsäure von Gmelin zu entstehen. Bei längerem Kochen mit starken Säuren zersetzt sich Natroncholin in Taurin, Ammoniak und Kochsalz. Der zweite Körper, Natroncho- loidin, lässt beim Zusatz von Säuren seine gesammte Choloi- dinsäure fahren. Sie ist, getrocknet, spröde, nicht zerfliess- lich, leicht in Weingeist löslich, woraus sie durch Wasser präcipitirt wird, schmeckt bitter und scharf, reagirt sauer und treibt aus kohlens. Ammoniak und Natron (nicht aus kohlens. Kali) Kohlensäure aus, indem sie sich mit diesen 31 Basen zu löslichen Verbindungen vereinigt. (Dann wären also doch das in der Galle vorhandene choloidinsaure Natron und das künstlich dargestellte in Bezug auf Löslichkeit in Wasser sehr veschieden, Ref.) Verf. hält diese Säure für identisch mit Gmelin’s Gallenharz, Dr. Pettenkofer hat eine sehr interessante Reaktion auf Galle und Zucker entdeckt. Wenn man einer, Galle oder Choleinsäure auch nur spurweise enthaltenden Flüssigkeit oder Auflösung etwa 3 des Volumens englische Sch welfel- säure zusetzt, so langsam, dass sie sich nieht über 50° R.. erwärmt, und giesst sodann 3—5 Tropfen einer Zuckerlö- sung (1 Th. Zucker auf 4—5 Th. Wasser) zu, und schüttelt das Ganze, so entsteht eine sehr schöne violettrothe Fär- bung, stärker oder schwächer, nach der Menge der Galle. Unter Anwendung einiger fernerer Cautelen hat der Verf. durch dieses Mittel sich überzeugt, dass die Faeces eines ge- sunden Mannes keine Spur Choleinsäure enthalten. Bei Diarrhoe, Anwendung von Purgirmitteln erscheint dieselbe aber sogleich. Die rothe Färbung von grünen Calomelstüh- len bei Zusatz von concentrirter Mineralsäure erklärt sich durch die Gegenwart von Galle und Zucker. Bei Pneumo- nie enthält auch der Harn Choleinsäure, offenbar weil bei der gehinderten Respiration die wieder resorbirte Galle nicht vollständig metamorphosirt und im Urin ausgeschieden wurde. — Dass man die Galle und Schwefelsäure auch umgekehrt als Reaktion auf Zucker benutzen kann, versteht sich von selbst. Liebig's Annalen 1844. Bd. 52 p. 90. (Leider hat es sich in der neuesten Zeit gezeigt, dass alle Proteinver- bindungen, z. B. Eiweiss, unter Umständen ähnlich mit Zucker und Schwefelsäure reagiren, wie die Galle. Ref.) Schwann hat eine Reihe sehr interessanter Versuche mit Hunden angestellt, durch welche die Unentbehrlichkeit der Galle nach ihrer Sekrelion zur Unterhaltung des Lhieri- schen Lebens direkt bewiesen wird. Die früheren Versuche mit Unterbindung des Gallenganges, wonach die Thiere star- ben, bewiesen nur, dass die Sekretion der Galle aus dem Blute Lebensbedingung ist, nicht aber, dass sie nach ihrer Sekretion noch eine wesentliche Rolle spielt. Um dieses zu ermitteln, unterband Schwann ebenfalls den Gallengang, legte aber bei den Hunden zugleich eine Gallenblasenfistel an, damit die secernirte Galle fortwährend ausfliessen könne. Alle Hunde, bei denen sich der Gallengang nicht reprodu- eirle, starben, die Mehrzahl derselben freilich in Folge der Operation, an Peritonitis. Allein bei sechsen liess sich der Tod auf keine Weise hiervon, sondern nur vom Mangel der 32 Galle im Darme ableiten. Er erfolgte bei ihnen unter den Symptomen der Inanition, Abmagerung, Gewichtsverlust, Muskelschwäche, Ausfallen der Haare und zuletzt in der Agonie unter schwachen Zuckungen. Der Tod erfolgte so- wohl bei jungen, als erwachsenen Hunden nach zwei bis drei Wochen, zuweilen früher, zuweilen später. Mehrere Hunde leckten die aus der Fistel ausfliessende Galle auf; al- lein auch diese starben, woraus Schwann folgert, dass die in den Magen gelangende Galle die in dem Darme erforder- liche nicht zu ersetzen vermag. Doch konnte er dabei nicht bemerken, dass die Galle im Magen die Verdauung störte. Welche Rolle nun die Galle im Darme spielt, denkt Schwann in künftigen Versuchen zu ermitteln. (Es ist zu bedauern, dass der Verfasser bei seinen Versuchen mit Berücksichti- gung von Liebig’s Ansicht über den endlichen Nutzen der Galle nicht die Temperatur der Thiere berücksichtigt, oder seine Beobachtungen darüber nicht gleich mitgetheilt hat. Nach allem Mitgetheilten könnte der Tod nur durch Beein- trächligung des Athemprozesses und der Wärmebildung ein- getreten sein.) Dieses Archiv 1844. p. 127. Gintrac beobachtete einen Fall, wo die Pfortader ober- halb der Vereinigungsstelle der Milz- und oberen Gekrösvene mit einem sehr alten (?), an die innere Membran adhäriren- den festen schwärzlichen Pfropf ausgefüllt, an derselben Stelle mehrere sogenannte Knochenplättchen in den Wänden der Pfortader abgelagert waren. Die Leber war blass, klein, höckerig, weisslich, die Gallenblase enthielt eine mässige Quantität gelber, dicker Galle; die Gallengänge waren nor- mal; die Zweige der Pfortader varikös und von Blut stroz- zend; die Milz verlängert, marmorirt, innen dunkelroth. Die allgemeinen Erscheinungen waren Herzklopfen und Respira- tionsbeschwerden schon seit längerer Zeit. Seit zwei Jahren Ascites und Oedem. Zugleich fand sich noch Hypertrophie des Herzens und Verknöcherung der Aorta. — Die Ansicht des Verf., dass bier längere Zeit die Pfortader verschlossen gewesen, und da dennoch Galle abgesondert worden, das Pfortaderblut auch zur Ernährung der Leber, nicht aber un- umgänglich zur Gallensekretion nöthig sei, scheint mir hier- nach wenig hinreichend begründet. (Journ. de Med. de Bor- deaux. Gaz. med. 1844. No. 9.) Einen anderen bemerkenswerthen Fall von Erweiterung der Pfortader und Ablagerungen von gallensteinartigen Con- crementen in derselben theilt Devay mit, woraus er ent- nimmt, dass die Bestandtheile der Galle schon in dem Pfort- aderblut enthalten seien. Gaz. med. 1843. No. 17. 33 George Kemp, On the functions of the bile. London medical Gazette. 1844 — 45. Vol. I. p. 76. Der Verf. glaubt aus der bekannten Zusammensetzung des Eiweisses und der Stärke, so wie anderer Seits des Chylus den Schluss ziehen zu können, dass die Galle zur Bildung des stickstofffreien Bestandtheiles des Chylus aus jenen beiden Hauptelementen der Nahrungsmittel diene. Zugleich macht er darauf auf- merksam, dass die Galle in der Regel neutral reagirt. B. Preiss, Die neuere Physiologie in ihrem Einflusse auf die nähere Kenntniss des Pfortadersystems im gesunden und kranken Zustande. Breslau 1844. 8vo. Dieses ist eine Nleissige Compilation alles dessen, was besonders in neuerer Zeit über das Pfortaderblut und den Pfortaderblutlauf, so wie seine physiologische Bedeutung, namentlich für die Gal- lenbildung, bekannt gemacht worden ist; inzwischen möchte es dem Verf. an der in Beziehung auf die verschiedenen chemi- schen und mikroskopischen Angaben nöthigen, durch eigene Er- fahrungen gewonnenen Kritik fehlen. Der Verf. stellt diese An- gaben als sichere Thatsachen der Beobachtung hin, während er sich ein grösseres Verdienst erworben haben würde, wenn er durch die Kritik derselben auf die Nothwendigkeit und gewiss hohe Wichtigkeit sieherer und genauerer Untersu- chungen des Pfortaderblutes, seiner Verschiedenheit nach dem Darminhalte, seiner Beziehung zur Beschaffenheit der Galle elc. aufmerksam gemacht hätte. In der Kothasche fand Enderlin: Wenig dreibasisches phosphorsaures Natron, Chlornatrium, schwelelsaures Alkali, viel phosphorsauren Kalk und Bittererde, kohlensaure und schwefelsaure Kalkerde, und eine Spur phosphorsaures Ei- senoxyd. Zuweilen fand er im Kothe auch eine gewisse Menge unveränderten choleinsauren Natrons, aber nicht im- mer. Da der wässrige Auszug beim Verdampfen an der Oberfläche eine sich nach Abnahme erneuernde Membran bildete, so schliesst er daraus auch auf die Gegenwart einer ewissen Menge Eiweiss. Annalen der Physik und Chemie, d. 49. p. 335. In einer Fortsetzung, Ibid. Bd. 50. p. 70., giebt En- derlin auch noch tabellarische Uebersichten seiner Unter- suchungen über den Darminhalt des Hasen, zweier Tauben und eines Repphulns. Gustav Herbst, Das Lymphgefüsssystem und seine Verrichtung. Göttingen 1844. 8vo. In dieser Schrift werden nicht nur alle Verhältnisse der Lymphgefässe historisch ge- nau erörtert und kritisch belenchtet, sondern der Verf. hat auch durch eigene vielfältige Beobachtungen und Versuche sich Müller's Archiv 1816, 6 34 ein eigenes Urtheil zu bilden und unsere Kenntnisse zu er- weitern gesucht. In den Darmzotten entspringen nach dem Verf. die Chylusgefässe mit einer den ganzen Villus einneh- menden Höhle, aber ohne freie Oeffnungen. Aehnlich ver- halten sich auch die Lymphgelässe in ihren Anfängen an anderen Orten. Dabei sind sie überall von einem Netze feiner Capillargefässe umgeben, wodurch es bedingt ist, dass Bestandtheile des Blutes, und zwar nicht nur aufgelösete, sondern auch mikroskopische Elementartheile desselben sehr leicht in das Lymphgefässsystem übergehen, und selbst von den Blutkörperchen behauptet der Verf., dass sie auch im ganz normalen Zustande immer in die Lymphgefässe ein- drängen und man daher immer solche in dem Inhalte des Ductus thoraeicus finde. Vermehrter Blutandrang und Blut- überfüllung, Druck, Pressung etc. begünstigen diesen Ueber- gang sogleich, und der Verf. bedient sich deshalb allgemein der Injektion der Blutgefässe zur Anfüllung der Lymphge- fässe. Dieser Uebergang soll nicht durch Zusammenhangs- trennung bedingt sein, diese vielmehr Extravasat und Hin- derung des Uebergangs in die Lymphgefässe bedingen. So- wohl die Qualität, als Quantität des aus den Blutgefässen in die Lymphgefässe Uebertretenden ist verschieden in den verschiedenen Körpertheilen. Rücksichtlich des Baues der Lymphgefässe behauptet der Verf., dass sie den Muskeln ganz ähnliche Fasern befässen, und steht nicht an ihnen eine der Irritabilitas Halleriana sehr nahe verwandte Le- benskraft zuzuschreiben, obgleich er sie sich auf Anwendung des Galvanismus nie zusammenziehen sah. Ausserdem be- sitzen sie eine deutliche Elastieität. Eine andere oflene Ver- bindung zwischen den Lymphgefässen und Blutgefässen, als durch die beiden Duetus thoraciei, giebt der Verf. beim Menschen und den Säugethieren nicht zu, auch nicht in den Lymphdrüsen. Letztere dienen zu einer innigeren Vermen- gung des Inhaltes der Lymphgefässe und zur Ueberführung verschiedener Blutbestandtheile, namentlich wieder der Blut- körperchen in die Lymphgefässe. Die mikroskopischen Be- standtheile des Inhaltes des Ductus thoracieus sind Blutkör- perchen von verschiedener Art, Lymphkügelchen und sehr kleine Moleküle. Dieselben finden sich auch in den Lymph- gefässen, nur ist namentlich die Zahl der letzteren viel ge- ringer, als im Chylus und im Inhalte des Duet. thor. Die Zahl der Blutkörperchen soll zuweilen so gross sein, dass die Lymphe davon mehr oder weniger roth gefärbt erscheint. Die Bewegung der Lymphe und des Chylus wird bewirkt: 1) durch die Elastieität der Lymphgefässe, 2) durch die le- bendige Contraktilität ihrer Längs- und Querfasern, 3) durch 35 die Athem-, 4) durch die Muskelbewegungen, und 5) wird sie unterstützt durch die Klappen. Rücksichtlich des Ueber- ganges von Substanzen in die Darmlymphgefässe kommt der Verf. durch seine Versuche mit Farbstoffen, Salzen, Metallen und Stärkemehl zu dem Resultat, dass dieselben alle aufge- löseten Substanzen, welche die Häute der Gefässe nicht auf eine Weise affieciren, die ihrem Eindringen hinderlich ist, aufnehmen, mögen diese nun zur Erhaltung der normalen Vorgänge des Organismus dienen, oder rein wässrig oder dem Organismus fremdartig sein. Ja selbst elementare feste, kleine Körper, wie Amylonkörner, Milchkügelchen etec., ge- hen direkt in die Chylusgefässe über. Ebenso behauptet der Verf., dass auch die übrigen Lymphgefässe alle möglichen Substanzen, auch Gifte, aufnehmen, obgleich er darüber keine speciellen Versuche mittheilt. Endlich will sich der Verf. überzeugt haben, dass die Lymphgefässe auch noch einige Zeit nach dem Tode Stoffe, mit denen sie in Berüh- rung kommen, aufnehmen. Zuletzt legt der Verf. den Lymph- gefässen auch noch ein Sekretionsvermögen bei, d. % die Fähigkeit, Stoffe aus dem Blute abzuscheiden und diese in sich aufzunehmen. Bouisson, Eiudes sur le chyle. J. Guerin, Gazette medicale de Paris. T. XI. p. 409. 425. 489. 521. 585. 649. Enthalten nur eine Zusammenstellung der bisherigen Unter- suchungen über den Chylus. Nach Bouisson wird der Färbestoff des Krapps nur durch das Venensystem absorbirt, und färbt den Chylus nicht direkt. Wenn aber die Krappfütterung lange genug fortgesetzt wird, um die Verbreitung des Farbestofls im gan- zen Organismus zu bewirken, so wird die Lymphe, gleich den übrigen Flüssigkeiten, damit angeschwängert, und sie ertheilt dann dem Chylus, indem sie sich mit demselben vermischt, eine rothe Farbe. Die Färbung des Chylus ist also von der Dauer der Fütterung abhängig. Während der ersten Tage behält derselbe seine natürliche Farbe, später ist er von den Substanzen gefärbt, mit denen das Thier ge- füttert worden. Comptes rendus, Avril 1844. No. 18. Fro- riep’s N. Not, No. 655. Gaz. med. 1844. p. 295. Chatin, Sur les fonctions des vaisseaux chyliferes et des veines ete., Comptes rendus de l’Acad. des sc. de Paris. Tom. XVII. p. 379., fand bei Hunden, welche er mit Ar- senik vergiftet hatte, dies Metall im Blute wieder, aber nicht im Chylus, ebenso Brechweinstein; letzteren fand er auch in dem Blute von Kranken, die ihn in grossen Dosen nahmen, C2 36 R. Willis liefert in der Lond. Med. Gaz. April 1844. p- 65., Froriep’s N. Not. No. 654. u. 655., einen Aufsatz über die Funktion der Lymphgefässe. Der Inhalt derselben ist in den letzten Sätzen auf folgende Weise ausgedrückt. Die Arterien schwitzen in ihrer ganzen Ausdehnung bestän- dig Flüssigkeit aus, welche weit dünner ist, als der Liquor sanguinis, und die theils durch die Schweissdrüsen aus dem Körper herausgeschafft wird, theils in die Lymphgefässe, vermittelt durch einen Zellenbildungsprozess, übergeht, um an der gehörigen Stelle wieder in das Blut übergeleitet zu werden. Die Wandungen der Venen, welche mit einer Flüs- sigkeit gefüllt sind, die um den ganzen Betrag des an der Körperoberfläche ausgedunsteien und in die Lymphgefässe übergangenen Wassers dicker oder wasserärmer ist, saugen dagegen beständig aus den Geweben, durch welche sie strei- chen, Flüssigkeit ein. Auf diese Weise werden fortwährend verschiedene Flüssigkeiten für Exosmose und Endosmose eines Theils zwischen den Blutgefässen und dem Lig. san- guinis und anderen Theils zwischen dem Lig. sanguinis und den denselben enthaltenden Kanälen sowohl den zuführen- den, als den abführenden, von deren Ursprung bis an deren Ende erzeugt. John Aldridge, Examination of the question: Is the Chyle ineipient blood? Dublin Journal of med. science, Tom. 25. p. 87. Der Verf. findet es unwahrscheinlich, dass der Chylus zur Blutbildung benutzt werde, da er mehr Fett, Zucker etc. führe, als Proteinverbindungen. (Es fragt sich da, was man Blut nennt? Ref.) F. Barthez, Des proprietes &lectives des vaisseaux ab- sorbans chez l’homme et les animaux. Paris. 8vo. Auf die bekannten Erfahrungen über den Uebergang von Stoffen in das Lymph- und Blutgefässsystem gestützt, stellt der Verf. die Theorie auf, dass erstere nur thierische Substanzen, letz- tere nur pflanzliche und mineralische aufnehmen. (So we- nig gesichert unsere Kenntnisse über das sind, was aus dem Darm in die Blutgefässe und was in die Lymphgefässe bei der jedesmaligen Verdauung übergeht, berechtigen doch die vorliegenden Erfahrungen keineswegs zu einem solchen Schlusse, der nur in der unhaltbaren Lehre einer Saugkraft die auswählt, ihre Stütze findet.) Einige Versuche über den Einfluss von Einbringung von Eiter ins Blut und in Hautwun- den hatten den Tod zur Folge, und der Verf. glaubt, dass der Eiter dabei von den Lymphgefässen aufgenommen werde. J. F. Dugniolle, Considerations generales sur l’Ab- sorption, la nutrition et la resorption ou absorption inter- 37 stitielle, in: Archives de la medecine belge. Novbr, 1843; p- 263— 293. Der Verf bestreitet den Stoffwechsel der fe- sten Bestandtheile des Körper. Was einmal gebildet ist, bleibt bis zum Tode, und wird nur immer fester, Ja diese zunehmende Consistenz bedingt endlich durch Hemmung der normalen Funktionen der Assimilation den Tod. (Wenn solche Sätze, gestützt auf sogenannte Thatsachen, noch ver- theidigt werden können, so sieht man, wie wenig unsere allgemeine Ueberzeugung von dem Stoffwechsel noch durch specielle Beobachtungen unterstützt ist. Ref.) Robinson, London med. Gaz. 1844. und Schmidt’s Jahrb. 1845. I. p. 15., findet, dass die zur Erklärung der Vorgänge der Ernährung, Absonderung und Aufsaugung in neuerer Zeit angewandten Gesetze der Endosmose und Exos- mose nicht ausreichen, und sieht sich also noch nach ande- ren hierbei mitwirkenden Verhältnissen um. Er glaubt nun, dass der Austritt gewisser Blutbestandtheile zur Ernährung und Sekretion vorzüglich durch den Druck begünstigt werde, dem das Blut namentlich in den kleineren Arterien und dem arteriellen Theile des Capillarnetzes unterworfen sei, und da diesem ein von aussen einwirkender Druck entgegen wirkt, durch Alles, was einen solchen äusseren Druck vermindert, Die Absorption aber wird begünstigt durch die Geschwin.« digkeit der Bewegung des Blutes, wodurch dasselbe eine an- ziehende Wirkung auf die umgebenden Flüssigkeiten ausübt und ausserdem der innere Druck vermindert wird, welches letztere Moment auch noch durch die Einrichtung der Venen als immer weiter werdender Kanäle begünstigt wird. Auf gleiche Weise wirkt äusserer Druck befördernd auf die Ab- sorption, wie er sich namentlich im Darm und bei den Ein- geweiden der Bauchhöhle überhaupt gegeben findet. Auch die Ausscheidung und Aufnahme von Gasen in den Lungen sucht Robinson auf dieselbe Weise zu erklären, indem er die Ausscheidung der Kohlensäure in den arteriellen, die Auf- nahme des Sauerstofls in den venösen Theil des Lungen- kreislaufs verlegt. Dass äusserer Druck den Uebergang der Gase ins Blut befördere, beweisen die Versuche von Leroy D’Etiolles (Journ. de Phys. T. VII. p. 106.), in welchen bei Thieren, die hocheomprimirte Luft einathmen mussten, das Blut fast schäumig geworden war. Jackson fährt in seinen Phantasieen über die Blutdrü- sen fort. Die Thymusdrüse hält er jetzt für ein Organ zur Verlangsamung des venösen Blutstromes in der Vena cava superior während der Kindheit; und die Schilddrüse für ei- nen Apparat zur Beschleunigung desselben Blutstromes in 38 den späteren Altern. Med. Times. 1844. No. 252, — Dass die Milz nur als Blutbewegungsorgan betrachtet werden könne, beweiset derselbe sodann logisch auf dem exklusiven Wege nochmals. Ehendas. 1844. No. 258.; und die Beob- achtung, dass ein Mensch eine Gallone Bier in drei Minuten austrank, bestärkt ihn in dieser Ansicht. Ibid. No. 255. J. Evans hat die Struktur der Milz anatomisch, auch mikroskopisch untersucht, und zieht daraus den Schluss, dass die Milz theils als Blutbehälter dient, theils in ihr gewisse Blutbestandtheile aus dem Blute ausgeschieden, in den soge- nannten Malpighischen Körperchen verändert und von diesen in die Lymphgefässe übergeführt werden. The Lancet 1844. I. 3. Schmidt’s Jahrb. Bd. 44. p. 20. Hünefeld, Ueber das Balkengewebe und die pulpöse Substanz der Milz, in Simon’s Beiträgen zur Chemie und Mikroskopie, Bd. I. 1844. p. 328. Hiernach ist dieses Bal- kengewebe (wie schon seine mikroskopische Beschaffenheit erwarten liess, Ref.) kein Proteingebilde (sondern höchst wahrscheinlich eine leimgebende Substanz, Ref.). Ein Ungenannter theilt in Lond. med. Gaz., März 1844, der Milz die Rolle eines Herzens für den Leberkreislauf zu, sie soll einen intermittirenden und langsamen Leberkreislauf veranlassen. Nach Dr. Frank hat die Milz eine specif. Beziehung zum Wasserstoff und scheidet ihn, gleichwie alle anderen Theile des Organismus die ihnen verwandten Stofle, z. B. die Leber den Kohlenstoff, die Nieren den Stickstoff, aus seinen Verbindungen aus, um dadurch bestimmten Zwecken des Organismus zu entsprechen. Ich will bei dieser Gele- genheit erwähnen, dass ein Hund, welchem im Juli 1841 Milz und Schilddrüse ausgeschnitten wurde, bis jetzt fort- während ohne das mindeste abweichende Symptom zu ge- ben lebt; also nicht viel Wasserstoff- Ausscheidung nöthig haben muss. Casp. Wochenschrift. 1844. p. 345, J. King, Mr. Jackson’s views on the spleen. The me- dical Times. 21. Septbr. J. J. — Function of the spleen, in; London med. Gaz. Vol. I. 1843—44. p. 840. Dieser J. J. will, wie Jackson, die Milz als Bewegungsorgan für das Pfortaderblut betrach- tet wissen. Some of the principal Conelusions arrived at concer- ning the thymus and thyroid Glands, in: The medical Ti- mes. 20. Juli. p. 326. L. Picei wiederholt in einer Abhandlung über die Thy- musdrüse die alte Ansicht, dass sie zur Raumausfüllung des 39 Thorax während des Nichtfungirens der Lungen in der Fö- tusperiode diene, und der letzteren so die Möglichkeit zu einer stärkeren Vergrösserung gewähre, als sie von dem blossen Wachsen abhängig sei. Ann univ. di Med. Sept. 1843. Arch. gen. Tom. V. p. 97, 1845. Froriep’s Neue Notizen. No. 659. Gulliver, Use of the supra-renal Glands and on fatty matter, in: Dublin medical Press 29. Jan. p. 109. und Lon- don medical Gazette. 21. Jun. p. 411. Gulliver glaubt, dass die kleinen Körnchen, die sich in den Nebennieren fin- den, Fettiröpfchen seien und zur Zellenbildung verwendet würden. Daneben glaubt er einen Zusammenhang zwischen der Fettbildung und der Entwickelung der Nebennieren nach- weisen zu können. Fror. N. Not. No. 726. Um die Quantität Blut eines Thieres oder Menschen zu bestimmen, hat Wanner das Körpergewicht mit dem Ge- wichte des Blutes, welches ein Thier bei völligem Verblu- ten beim Schlachten verliert, verglichen. In wenigen Ver- suchen bei Ochsen, Kühen, Schaafen und Kaninchen fand er dieses Verhältniss ziemlich constant, nämlich wie 1:20 bis 1:25. Nach diesem Verhältniss will er nun auch die Blutmenge eines Menschen, so wie die Menge, welche man ihm etwa durch Aderlass ete. entziehen dürfe, bestim- men. Die Consequenzen, die, wie man sieht, denen schon längst von Valentin gezogenen sehr ähnlich sind, sind von dem Verf. selbst, wenn vielleicht richtig, doch sehr voreilig und dürftig, begründet. Journ. de Chirurgie. 1844. p. 231. Gaz. med. 1844. No. 46. p. 758. Figuier giebt eine neue Methode für Blutanalysen an, die sich hauptsächlich darauf gründet, dass, wie er im An- schluss an frühere Angaben von Berzelius gefunden hat, die Blutkörperchen beim Filtriren des Blutes vollständig oder doch fast ganz vollständig auf dem Filter zurückbleiben, wenn man das Blut vorher mit 2 Volumina einer Lösung von schwefelsaurem Natron (von 16 — 185° Beaume) ver- mischt hat. Es wird demnach das Blut auf die gewöhnliche Weise geschlagen, um das Fibrin zu bestimmen, dann die Natronlösung zugesetzt und filtrirt, Das Filter wirft man, um das schwefelsaure Natron auszuwaschen, in Wasser von 90° ©., in welchem die Blutkörperchen gerinnen, ohne dem Wasser irgend eine organische Substanz abzugeben, so dass ihre Isolation, Trocknung und Wägung dann keine Schwie- rigkeiten mehr darbietet. Ebenso leicht ist dann die Bestim- mung des Albumins durch Kochen der durchgelaufenen Flüs- sigkeit und nachheriges Auswaschen etc. Die Salze ergeben 40 sich indirekt; zur Bestimmung des Wassergehalts wird eine kleine Quantität-Blut zur Trockne abgedampft. In Bezug auf die Constitution der Blutkörperchen fügt Verf. im Anschluss an die Resultate mikroskopischer Unter- suchung noch hinzu, dass sie aus Haematosin, Fibrin und Albumin bestehen. Zur Darstellung des ersteren behandelt man die nach obiger Methode isolirten Blutkügelchen mit ammoniakalischem Alkohol, worin sie sich leicht lösen. Um das Albumin nachzuweisen, behandelt er sie mit Wasser, filtrirt die Lösung und zeigt nun, dass Säuren, Hitze, Alko- hol hierin Coagulation hervorbringen, während das Haema- tosin weder durch Hitze, noch durch Salpetersäure aus sei- ner Lösung in ammoniak. Alkohol gefällt wird. Auf die Gegenwart von Fibrin endlich schliesst er, weil die isolirten Blutkörperchen, wenn man sie mit viel Wasser versetzt, einen Körper fallen lassen, der alle Charaktere des Fibrins an sich trägt. Letzterer Nachweis ist ihm hauptsächlich beim Froschblut geglückt, was ihn denn auch bewegt, auf die hierüber schon längst von Müller gemachten Versuche hinzuweisen. Annales de chimie et de phys. 1844. Aoüt. T. XI. Comptes rendus. T. XIX. p. 101. Gioachimo Taddei, Sur la couleur rouge du sang, in: Gazetta toscana delle sc. med. und L’Experience. 17. Octobre. Nach einer Bemerkung von Scharlau muss das Eisen in dem Blute sich als Eisenoxyduloxyd finden, da bei der Einwirkung von Chlor auf Blut sich Bisenehlorür - Chlorid bildet, die Chlorverbindung aber der Sauerstoflverbindung entsprechen muss. Das Chlor entzieht dem Blute zuerst Wasserstoff und es bildet sich Chlorwasserstoff; dieser erst wirkt zerlegend auf das Eisenoxyduloxyd und bildet Wasser und Eisenchlorür-Chlorid. Casper’s Wochenschrift, 1844. Nr. 16. p. 262. x Mulder hat nach der Methode von Sanson eisenfreies Hämatin darzustellen gesucht. Es gelang ihm dieses nicht, sondern dasselbe war immer noch mit Schwefelproteinsäure verbunden. Allein es gelang ihm, dem auf eine früher von ihm angegebene Weise gewonnenen eisenhaltigen Hämatin durch Schwefelsäure sein Eisen zu entziehen und das- selbe eisenfrei darzustellen. Seine Zusammensetzung ist C,,H,,N,0,. Seine rothe Farbe ist unverändert, und die- selbe kommt daher allein der Verbindung der genannten vier Elemente zu. Sie ist dunkelviolet. Bei diesen Versu- chen ergab sich ausserdem gegen die Zweifel von Lecanu und Simon, dass die Menge des Eisens constant ist. Jour- 4 nal für prakt. Chemie. 1844. 11. u. 12. Bd. 32. p. 186. An- nalen der Chemie u. Pharmaeie. Bd. 52. p. 438. Golding Bird, An account of Prof. Mulder's resear- ches on the chemical physiology of red colouring matter of blood. London medical Gazette. Vol. I. 1844—45. p. 415. Herrm. Hoffmann, Blutanalysen. Liebig und Wöh- ler, Annalen der Chimie und Pharm. 1844. Bd. 50. p. 159. Kurze Angabe des Kohlen- und Wasserstoffgehaltes mehrerer Arten pathologisch veränderten Blutes. E. T. W. von Baumhauer, Analyse einiger Sorten von Ochsenblut. Erdmann und Marchand, Journal für prakt. Chemie. 1844. Bd. 32. p. 289. Das Blut eines ge- sunuden Rindes fand v. Baumhauer zusammengesetzt: Albumin .. . 2.6207 Extraktivtof . . 2,143 u Br: Asche‘. , 57, ri 0,634 Fibrin . le, 1 0,756 A Haematin: .-.. Ma Ri5l9 BIpCEDB mer, : , .Herminitihogd Asche . . . .:. 0,005 Wasser und Verlust 87,697 100,000 Aus seinen Untersuchungen über die Blutasche zieht Dr. Enderlin den Schluss, dass die alkalische Reaktion derselben nicht von kohlensaurem Alkali herrühren kann, da sowohl diese Asche, als auch die durch salpetersaures Silberoxyd und Chlorcaleium erhaltenen Niederschläge sich ohne Gasentwickelung in Säuren lösen. Diese alkalische Reaktion der Asche kann auch nicht durch ätzendes Natron oder Kali bedingt sein, da sonst die Flüssigkeit nicht durch Zusatz einer Auflösung von neutralem Chlorcaleium neutral werden könnte. Es kann demnach auch nicht etwa von einer Zerselzung des kohlensauren Alkalis in der Glühhitze durch Kohle die Rede sein. Aus dieser Abwesenheit des kohlensauren Alkalis in der Asche folgt aber, dass erstens das Eiweiss im Blute nicht in der Form einer Natronver- bindung enthalten ist; zweitens. dass auch keine milchsau- ren, essigsauren und fettsauren Alkalien im Blute sind. Dass keine kohlensauren und organischsauren Alkalien in dem Blute sind, geht aber ferner auch noch daraus hervor, dass das Blut fast immer kleine Quantitäten von schwefelsaurem Kalk enthält, der sich nothwendig mit dem kohlensauren Kalk umsetzen müsste. Wenn aber die alkalische Reaktion der Blutasche nicht von kohlensauren oder ätzenden Alkalien 42 abhängig ist, so kann sie nur durch phosphorsaures Natron (3NaO,P,O,) bedingt sein. Dieses phosphorsaure Natron muss aber dreibasisch phosphorsaures Natron sein, weil man sonst in der Asche das zweibasisch phosphorsaure Natron finden müsste, da beim Glühen das dritte Atom Basis ent- weichen würde. Das. Verhalten des Blutserums gegen koh- lensaures Gas, so wie alle Erscheinungen des Respirations- prozesses werden aber durch die Gegenwart des dreibasisch phosphorsauren Natrons vollkommen erklärt, da beide phos- phorsauren Salze durch die Eigenschaft kohlensaures Gas in Menge zu absorbiren ausgezeichnet sind. Hundert Theile menschlicher Blutasche enthalten aber A. in Wasser lösliche Bestandtheile: Dreibasisch phosphors. Natron. . . . 22,100 Chlornatrium . + Be . 54,760 Chlorkalien ET len Schwefelsaures Natron . . 2 .2..2.. 2,461 B. in Wasser unlösliche Bestandtheile: Phosphorsauren Kalk . . ..2..2.... 3,636 Phosphorsaure Bittererde . . . . . . 0,769 15,175 Eisenoxydmit etwasphosphors.Eisenoxyd 10,770 98.921 Diese Asche ist aber identisch mit der Asche der Pflanzen- Saamen. Annalen der Chemie u. Pharmacie, Bd. 49. p. 317. In einer späteren Fortsetzung, ibid. Bd. 50. p. 53., giebt Enderlin auch noch die Analyse der Asche von Kalbsblut, Ochsenblut, Hammelblut und Hasenblut, so wie einige andere Untersuchungen über das Serum von Kalbsblut, von denen ich das Resultat hervorhebe, dass ihm dem äussern Anschein nach dabei eine Umwandlung des Albumins in Kasein und wiederum eine Zurückführung des letztern in Albumin ge- lang, was er inzwischen nicht von einer eigentlichen chemi- schen Metamorphose, sondern von den quantitativ und qua- litativ verschiedenen Verbindungen einer und derselben Sub- stanz mit mineralischen Substanzen ableitet. Addison, Ueber die flüssigen Elemente des Blutes etc. in: Streeten’s Provincial medical and surgieal Journal. 1844. Juli. Ant. Hayne, Ueber die Bildung und Bedeutung der sogenannten Entzündungs-‘ oder Speckhaut. Med. Jahrbücher des k. k. österr. Staates. 1844. Bd. 39. p. 148. Hat nur geringes physiologisches Interesse. Robert Latour et Collignon, Sur l’augmentation de la fibrine dans le sang, Comptes rendus hebdom. de l’Acad. de Paris, T. XIX. p. 933., fanden, dass bei akuten Entzün- dungen der Faserstoff nicht bloss im venösen, sondern auch 43 im arteriellen Blute vermehrt ist, und halten dafür, dass diese Vermehrung nicht Ursache, sondern Folge der Ent- zündung ist. Polli, Ricerche ed experimenti intorno alla formazione della cotenna nel sangue et. Omodei, Annali univers, di Medieina. T. 106. 1843. p. 73. und 249. Buchanan, On the fibrine contained in the animal fluids. Procedings of the philosophical Society of Glasgow. 1844. No. 7. London medical Gazette. 1843—44, Vol. II, p- 528. Zeitschrift der k. k. Gesellschaft d. Aerzte in Wien. 1. 1844. p. 241. Buchanan stellt hier die Behauptung auf, dass der Faserstoff in dem Blute nicht in aufgelöseter Form, sondern in der Form von Körnchen und Bläschen vorhan- den sei, und die Gerinnung des Blutes nur in einem Anein- anderschliessen dieser Körnchen und Bläschen bestehe. (Die mikroskopische Beobachtung der Gerinnung eines verdünn- ten Tröpfchen Blutes beweiset leicht das Gegentheil, abge- sehen von allen anderen Gegenbeweisen). Mit ebenso wenig Grund erklärt sich Buchanan gegen die Entwickelung der Gewebe aus Zellen, die er statt dessen aus den farblosen Kügelchen des Blutes sich entwickeln lässt. Der Grund zu allem diesem ist, dass man in sehr faserstoflreichem Blute die Zahl dieser farblosen Kügelchen sehr vermehrt sieht, und der geronnene Faserstoff Fasern zeigt, die sich nicht aus Zellen entwickeln. Aber es ist gewiss, dass diese Fa- sern eine sekundäre Umgestaltung einer anfangs gleichartigen Masse des Faserstofles sind. Dr. Buchanan hat interessante Untersuchungen über die Ursache der bekanntlich zuweilen trüben und weissen Beschaffenheit des Serums bei Aderlässen angestellt und be- kannt gemacht. Er zeigt nämlich, dass diese Beschaffenheit als normal zu betrachten ist, und sich immer einige Stunden nach einer reichlichen Mahlzeit auch bei dem gesundesten Blute findet. Sie rührt offenbar von Bestandtheilen der Nahrung her, welche erst nach und nach assigilirt und in Blut verwandelt werden. Die Zeitverhältnisse, in welchen das Serum diese Beschaffenheit besitzt, hängen von der Quantität und Qualität der Speisen ab; die Undurchsichlig- keit ist indessen 6—8 Stunden nach einer Mahlzeit am stärk- sten. Die trübe Beschaffenheit des Serums rührt aber von einer grossen Menge in demselben schwebender Körnchen, kleiner wie die Blutkörperchen, von unregelmässiger, aber häufig sphärischer Form, zuweilen mit einem scheinbaren Kern versehen, her. Diese setzen sich zuweilen in Form eines Ralınıs an der Oberfläche des Serums ab, und man kann diese Abscheidung sehr leicht durch Zusatz von etwas 44 Salz befördern. Dann kann man dieselben auch leicht von der Flüssigkeit abfiltriren; die dann erhaltene weisse Sub- stanz verkohlt ın der Flamme augenblicklich und verbrennt fast ganz; sie ist in -Alkohol und Aether ganz unlöslich; löslich in Aetzkali. Nach der Ansicht von Thomson ist sie daher kein Fett, sondern eine proteinartige Substanz. Nach dem Genuss eines sehr fetten Puddings enthielt die weisse Substanz aber auch Fett, das übrige war wahrschein- lich das Gluten des Puddings; von dem Stärkemehl dessel- ben war aber nichts zu entdecken. Dieses brachte Bucha- nan auf den Gedanken, ob letzteres nicht vielleicht durch die Verdauung in Zucker verwandelt worden und so in dem Blute vorhanden sei. Diese Ansicht wurde insofern bestä- tigt, als dieses Blutwasser nach Zusatz von etwas Hefe in Gährung überging. Lond. and Edinb. mouth. Journ. of med. Se. July 1844. Fror. N, Not. No. 682. Gaz. med. 1845. p- 442. Lond. Med. Gaz. 1844—45. Vol. I. p. 11. Trans- actions of the Glasgow philos. Society. March. 1844. Dr. Enzmann hat mikroskopische Beobachtungen über die Blutkörperchen angestellt und mitgetheilt, welche sich dadurch empfehlen, dass von dem Beobachter dabei auf die verschiedenen Zustände des Thieres, von dem das Blut ge- nommen worden, und des Blutes selbst besondere Rücksicht genommen worden ist. Doch sind mir keine besonders neuen Resultate in der Arbeit aufgestossen. Häser’s Archiv. IV. 4. Schmidt’s Jahrb. 1844. Bd. 43. p. 152. Nach Platner haben die Blutkörperchen die Funktion, das aus dem Darm durch die Blutgefässe aufgenommene Pro- teintritoxyd in Albumin und Fibrin zu verwandeln, Häser’s Archiv. 1845. Bd. VII. Heft 1. Diese Ansicht basirt auf des Verf. früher ausgesprochener Ueberzeugung, dass die Lymphgefässe nicht, sondern allein die Blutgefässe Stoffe aufnehmen, also auch im Blute die assimilirenden Einwir- kungen auf die aufgelöseten Nahrungsmittel Statt finden müssen. Die@Untersuchungen Mulder’s über die Oxydations- produkte des Proteins dienen ihr weiter als Ausgangspunkte. Gulliver hat wieder eine Anzahl Messungen der Blut- körperchen seltener Säugethiere und Vögel bekannt gemacht; deren Mittelzahlen in engl. Zoll ausgedrückt ich hier ange- ben will. Canis cinereo-argenteus „;;;. Erethizon dorsatum „.%;- Canis Bengalensis ebenso. Castor Fiber .5- Felis Bengalensis —ız- Hypsiprymnus setosus 5 o- Sa: 5 Cervus Virginianus 7.57: - 0 * ” - Capra Caucascia zz. | Von einem Jungen dieser beiden Capra Hireus z':5- ir 45 Seiurus Sesteri —,4z- Arctomys Empetra „7- i 1 Mus messorius 442. Garrulus eristatus, Längendurchm. „4, Querdurchm. 7. Orpheus rufus, - - en - = Parus major, - - a en Loxia caerulea, - - N A, Vidua paradisea, - - an re Columba leucocephala, - - ee ee! Columba mustacea, - - Se el Perdix Bonhami, - - el - nd Ibis ruber, - - ne ne Ardea minuta, - - Zr Eau Lond. Edinb. Philos. mag. Vol. 25. Supplem. No. 169. 1844. p- 523. Ann. of nat. Hist. Tom. XII. p. 302. J. C. Mayer hat abermals neue mikroskopische Beob- achtungen über das Blut angestellt. Der geronnene Faser- stoff besteht nach ihm aus „5°“ grossen Körnchen, welche selbst wieder aus kleineren, bis zu —I,5' grossen Körn- chen zusammengesetzt sind. Die letzteren in die Länge ge- zogen, bilden die 14455 — z,477° dicken primitiven Faser- stofffasern. An den Körnchen beobachtete man lebhafte Molekularbewegungen, ausserdem aber auch mehrere Stun- den lang drehende, zuckende, schlängelnde Bewegungen von Reihen von 2—8 Körnchen, welche der Verf. für spon- tan hält und einer Vibrio fibrina zuschreibt. H. Nasse’s Faserstoflschollen sind keine Epitheliumzellen, wie Meyer glaubt, sondern reiner Fluss- oder Schalenstofl, der sich durch vitale Coagulation aus dem Serum bildet, und die Hüllen der Blutbläschen bildet. Accessorische Blutbestandtheile sind Chylus und Chyluskügelchen, ferner Salzkrystalle und end- lich Haematozoen. deren der Verf. früher schon mehrere Ar- ten entdeckt zu haben glaubt. Correspondenzbl. rhein, westph. Aerzte. 1844. Nr. 10. Sehmidt's Jahrb. Bd. 44. p. 276. Im Widerspruch mit diesen und anderen in neuerer Zeit von Mandl, Buchanan ete. vorgebrachten Ansichten über den Zustand des Faserstoffs im Blute und die Gerinnung desselben, kehrt Anderson wieder zu der zuerst von )J. Müller genau erörterten und wie auch Ref. scheint, allein richtigen Ansicht zurück, dass sich der Faserstofl' während des Lebens im aufgelöseten Zustande befindet und sich bei dem Gerinnen als ein vollkommen strukturloses, gallertarti- ges Gerinsel aus demselben ausscheidet, welches mechanisch sowohl die rothen Blut- als weissen Lymphkörperchen ein- schliesst, und in welchem sich erst später Fasern und Körn- 46 chen bei der Zusammenziehung bilden, Lond. and Edinb. mouth. Journ. of med. Sc. July 1844. Fror. N Not. Nr. 676. Transact. of ihe Glasgow philos. Soc. 1844. Jan. Dr. Goodfellow erzählt in der Lond. med Gaz. einen Fall, in welchem unzählige ‚kleine Thierchen „5 — s7'r engl. Z. lang und „4 — 5, engl. Z. dick bei einem an Fieber (?) leidenden Individuum in den ausgebrochenen Ma- terien, im Magen und in den Faeces, aber auch sowohl in dem während des Lebens ausgeschwitzten und entzoge- nen, als auch in dem bei der Sektion gewonnenen Blute sich befunden haben sollen, The Lancet. 1844. Vol. II. No. 2. p. 45. Addison, Zur Physiologie der Zellen, in: The Lancet. 43. April 1844. und Heller, Archiv für physiol. u. pathol. Chemie und Mikroskopie. Jahrg. 1344. Wien. Bd. II. p. 80. Diese Abhandlung betrifft die farblosen Körperchen im Blute, von denen Addison glaubt, dass sie sich sowohl in Fasern, als in Schleim- und Eiterzellen umwandeln. Valleix hat Untersuchungen über den Puls neugeborner Kinder und Kinder von sieben Monaten bis sechs Jahren bekannt gemacht. M&m. de la Soc. med. d’observat. de Pa- ris. Vol. II. 1844. p. 300. Seine Resultate sind folgende: 1) Der Puls Neugeborner ist weniger frequent, als bei Kin- dern von 6 Monaten. Das Mittel im Schlafe ist 87, im Wa- chen 90— 100 Schläge in der Minute. 2) Erhöhung der Temperatur hat immer einen Einfluss auf Beschleunigung des Pulses. 3) Der Puls wird von Morgens bis Abends et- was langsamer, indessen hatte das Essen der Kinder vor der Untersuchung Morgens auch einen Antheil an der grös- seren Frequenz Morgens. 4) Die geringsten Bewegungen bewirken eine Beschleunigung des Pulses. 5) Schon der Puls kleiner Mädchen ist frequenter, -als der der Knaben. 6) Im Schlaf nimmt die Zahl der Pulsschläge sehr merklich ab. 7) Vom ?7ten bis 27sten Monate ändert sich die Zahl der Pulsschläge nicht wesentlich: sie ist im Mittel bei Kna- ben 121, bei Mädchen 128. 8) Bis zum 10ten Jahre scheint sich der Puls immer über 100 zu erhalten. 9) Zwischen dem 7ten Monate und 2% Jahren alhmet ein Kind 30—32 Mal in der Minute ein. Das Verhältniss zu den Pulsschlägen ist also wie 1:4. Einem Aufsatze von Oesterlen über den Puls und die respiratorischen Bewegungen bei Kranken, so wie über das Verhältniss beider zu einander in Häser’s Archiv, 1844. Bd. VI. p. 44., entnehme ich das bemerkenswerlheste Re- sultat, dass das im normalen Zustande feststehende Verhält- niss, zwischen der Zahl der Athemzüge und den Pulsschlä- 47 gen, entgegengesetzt anderen älteren und neueren Angaben, - in Krankheitszuständen sich keineswegs erhält. In der Re- gel findet zwar allerdings ein gleichartiges Frequenter- oder Seltenerwerden beider Statt, aber dieses ist weit von einem Parallelismus beider untereinander entfernt. Nie fielen z. B. die Extreme beider, des Pulses und der respiratorischen Be- wegung, zusammen, und auch nur sehr selten nahm bei ei- nem Kranken selbst die Procentzahl beider gleichmässig zu oder ab, vielmehr wurde die Frequenz des Pulses, fast con- stant von der der Respiration, um ein Beträchtliches über- troffen, während sie in keinem der 132 Fälle unter das Nor- male sank. (Wenn Oesterlen hieraus schliesst, dass der gewöhnliche Parallelismus zwischen Puls und Respiration kein nothwendiger, sondern mehr ein zufälliger sei, so könnte man wohl mit grösserem Rechte sagen, dass sich gerade in diesem gestörten Parallelismus der krankhafte Zu- stand ausgesprochen findet. — Uebrigens bemerkt er, indes- sen gewiss mit Recht, dass man zwischen Athembewegun- gen und Athemprozess unterscheiden müsse, jene noch nicht das Maass für diesen sind, auf den es doch hauptsächlich ankommt.) Jo. Baerwindt, De physiologia pulsus. Diss inaug. -Francof. ad Moenum 1844. 8vo. Nur Compilation und ei- nige Beobachtungen des Dr. Friedleben über Zahl der Pulsschläge bei Neugebornen. Martin Solon theilte in der Acad. de Med. einen Fall von Pulsationen der Venen der Hand isochronisch mit dem Herzschlage und dem Pulse der Arterien mit. Da sich diese Erscheinung nach starken Aderlässen zeigt, so glaubte er, sie werde in der dadurch herbeigeführten Verdünnung des Blutes bedingt. Bei der darauf folgenden Diskussion machte dagegen Poisseuille mit Recht darauf aufmerksam, dass eine Verflüssigung des Blutes die Bewegung desselben nicht erleichtert, sondern wegen der gesteigerten Imbibition des- selben durch die Gewebe verlangsamt. Dagegen ist es be- kannt, dass bei Verminderung der Quantität des Blutes, oder der Kraft des Herzens sich der Puls oder das stossweise Fliessen des Blutes bis in das Capillarsystem und endlich selbst bis in die Venen erstreckt, weil alsdann die Arterien nicht mehr durch die Blutwelle ausgedehnt, und der unter- brochene Blutstrom nicht mehr durch die Elastieität dersel- ben in einen kontinuirlichen verwandelt wird. Jedenfalls muss diese Art des Venenpulses von der gewöhnlichen un- terschieden werden, die auf einem Rückfluss und Aufenthalt des Blutflusses im Momente der Contraction der Vorhöfe beruht. Arch. gen. 1844. Tom. VI. p. 367. und 369. 48 J. Harden hat den Einfluss, welchen die verschiedenen Stellungen, die äussere Temperatur und die Tageszeiten. auf den Puls ausüben, an sich selbst studirt. American med. Journ. Apr. 1843. Schmidt’s Jahrb. Suppl. IV. 1845. p. 22. In liegender Stellung hatte er 66, in sitzender 70, in ste- hender 80 Pulsschläge und 12, 14 und 16 Respirationen, also immer ungefähr 5 Pulsschläge auf eine Respiration. Bei erhöhter Temperatur fand er eine vermehrte Frequenz des Pulses und der Respiration. Den Puls fand er Abends, das Athemholen Morgens am langsamsten; Nachmittags neh- men beide an Häufigkeit zu. Parchappe, Du coeur, de sa structure et de ses mou- vemens. Paris 1844. 8vo. Merssemann, Recherches physiologiques pour &tablir que l’action du coeur et la eireulation du sang ne dependent pas essentiellement du systeme nerveux enc£phalo -spinal. Bruges 1841. Angezeigt in Oppenheim’s Zeitschr. 1845. Bd. 27. p. 490. Enthält danach nichts Neues, sondern nur Wiederholungen der bekannten Versuche von Le Gal- lois, Wilson, Philip, Flourens u. A. mit gleichen Re- sultalen. Neucourt, Ueber den Zustand des Herzens im Alter, in: Archives gen. de Med. 1843. September-Helt. Gaz. med. 1843. No. 51. Oestr. med. Wochenschrift. Mai 1844. p. 521. Das einzige physiologische Interesse, welches diese Arbeit darbietet, möchte sein, dass sich im Greisenalter nicht etwa ein atrophischer Zustand des Herzens findet, sondern dass das Volumen und die Dicke der Wände eher grösser, als in jedem anderen Alter sind. James Turner, a register of experiments performed on living animals; disclosing new views of the circula- tion ete. Part I. u. I. Lond. 1843. 5s. König, Der Kreislauf des Blutes und die Planetenbah- nen. Weissensee. 8vo. Der Verf. sucht in diesem Schrift- chen darzuthun, dass die Blutbewegung durch eine Kraft bewerkstelligt werde, welche sich umgekehrt verhält wie das Quadrat der Entfernung, dass die ganze Gefässbahn ei- ner Ellipse verglichen werden könne, deren Perihel im Ca- pillarsystem der Lungen und deren Aphel in dem des Kör- pers liegt, und dass die Stelle, von welcher die Wirkungen jener Centralkraft ausgehen, durch die Lage des Herzens an- gedeutet zu werden scheine. Die Entwickelung dieser Sätze durch den Verf. kann hier nicht gegeben werden, deren Ba- sis mir überdies keineswegs gesichert zu sein scheint. Der Verf. nimmt eine Blutbewegung ohne den Einfluss des Her- zens an; davon sollten, glaube ich, vor Allem die zurück- 49 kommen, welche die Gültigkeit physikalischer Gesetze im Organismus anerkennen. Ducros, Re&sultats d’observations mieroscopiques faites sur le mouvement des globules du sang chez une grenouille soumise ä l’aetion d’un courant galvanique. Comptes rendus de l’Acad. de Paris. T. XVII. p. 1193. Bloss angezeigt. H. Green, Self-propelling power of the blood, in: The Newyork-Journal of med. Mai. p. 334—336. J Houston vertheidigt gegen M. Hall die Bluteirkula- tion in herzlosen Missbildungen als bewirkt durch eine vi- tale Kraft der Kapillargefässe. Dubl. Journ. of med. Se. Jan. 1844. p. 337. Jaksch, Beitrag zur Würdigung der bei der Bluteirku- lation obwaltenden physikalischen Verhältnisse, in: Viertel- jahrsschrift f. d. prakt. Heilkunde von der med. Fakult. zu Da 1844. 1. Quartalheft. Ueber die nächste Ursache des Todes bei Lufteintritt in die Venen, von Erichsen. Edinb. med. and surg. Journ. Jan. 1844. Fror. N. Not. Nr. 704. Er leitet den Tod von Aufhebung des Athmens durch das mechanische Hinderniss ab, welches die Luft im Blute der Fortbewegung durch die Lungencapillarien und dadurch ferner den Zusammenziehun- gen des rechten Ventrikels entgegensetzt. Dass Luft im Blute ein solches mechanisches Hinderniss für die Fortbewe- gung durch die Lungencapillarien abgiebt, beweisen Versuche, die er mit künstlicher Injektion der Lungengefässe mit Blut anstellte. Damit Blut mit Luft vermengt durch die Gefässe durchgetrieben wurde, bedurfte es eines 1—? Mal grösseren Druckes, als um reines Blut durchzutreiben. Cf. auch Ar- chives gen. 1844. T. IV. p. 219. Robinson sucht aus den Verhältnissen und Gesetzen der Blutbewegung verschiedene Erscheinungen der Sekretion und Absorption zu erklären. Durch eigends zu diesem Zwecke ausgesonnene Vorrichtungen bewahrheitet er zu- nächst den auch anderweitig erwiesenen Seitendruck des Blutes auf die Gefässwandungen, und zeigt, dass derselbe um so mehr zunimmt, je mehr Hindernisse sich der Blutbe- wegung entgegensetzen. Diesen Druck hält er sodann für die Hauptbedingung des Austrittes gewisser Bestandtheile des Blutes aus den Gefässen, so wie dadurch aach die Aus- dehnung und Spannung der Gefässe vermittelt wird. Auf ee: Weise zeigt er durch besonders angestellte Versuche, ss eine durch ein häntiges Rohr strömende Flüssigkeit Theile einer sie umgebenden ruhenden anzieht und mit sich fortreisst. und daher einen absorbirenden Einfluss ausübt, welche Verhältnisse bei der sogenannten Venenresorption Müller's Archiv 1846, D 50 zur Anwendung kommen. Dieses Phänomen hängt aber von dem verminderten atmosphärischen Druck im Innern des Rohres ab. Je mehr also der Druck im Blute steigt und der äussere Druck sinkt, um so mehr werden die Erschei- nungen des Austrittes aus dem Gefässsystem, und je mehr der innere Druck sinkt und der äussere steigt, die Erschei- nungen der Absorption befördert. Was nun aber auf solche Weise für die tropfbaren Flüssigkeiten gilt, das gilt auch für die gasförmigen, und Austritt und Eintritt von Gasen in das Blut, z. B. bei dem Athemprozess, erfolgen nach denselben Gesetzen. Lond. med. Gaz. 1843—44. Vol. II. p. 426. 487.519. Hutchinson hat einen pneumatischen Apparat ange- geben, um sowohl das Volumen Luft bei der Expiration, als um die Kraft, mit welcher inspirirt und exspirirt wird, zu messen. Letzteres Instrument wird an die Nase ange- bracht, um alle störenden Wirkungen der Muskeln, der Zunge und Wangen zu vermeiden, und ist auf das Prineip gebaut, dass eine Quecksilbersäule durch eine bestimmte Kraft auf eine bestimmte Höhe gehoben wird. Als bemerkenswerthe- stes Resultat der mit diesen Instrumenten angestellten Ver- suchen ist hervorzuheben, dass Hutchinson einen genauen Zusammenhang zwischen der Capacität der Lungen und Kraft der Respiration mit der Körpergrösse gefunden haben will, so dass mit jedem Zoll der letzteren zwischen 5 und 6 Fuss die Capaeität um 8 Kubikfuss bei 12° R. zunimmt. Er fand ferner, dass die Kraft, mit welcher exspirirt wird, ungefähr 4 grösser ist als die, mit welcher inspirirt wird; doch ist erstere Kraft weit mehr Wechsel unterworfen, als letztere, welche Hutchinson als den eigentlichen Ausdruck der Lebensintensität betrachtet. Menschen von 5’ 7 — 8” engl. gross, mit 3 Zoll Druckkraft bei der Inspiration und 44 bei der Exspiration, hält er für die kräftigsten. The Lancet. 1844. Gaz. med. 1845. p. 56. Natalis Guillot hat Untersuchungen über den im Mannes- und Greisenalter in den Lungen producirten Koh- lenstoff angestellt. Nach ihm soll sich fortdauernd fein ver- theilter Kohlenstoff in den Lungen ablagern, und zwar soll dieser wirklich eine Produktion des Organismus und nicht von aussen in die Bronchien hineingelangt sein. Bei stär- kerer Anhäufung (etwa 1 Mm. Durchmesser) bilde dieser Kohlenstoff dann die melanotischen Ablagerungen, durch welche Luft- und Blutgefässe obliterirt würden, so dass diese Theile dann zur physiologischen Funktion untauglich, aber auch der Entzündung unfähig würden. Fortschreitende Entwickelung dieser Ablagerungen bedinge endlich den Tod durch Suffokation, entweder an sich, oder durch eine ge- 51 ringe Entzündung des noch durchgängigen Gewebes. Bei Mberkulöse aber seien sie günstig, indem sie die Tuberkeln umgeben, deren Entwickelung hemmen und die Versteinerung derselben befördern. In wiefern diese Kohlenstoffablagerung von der Nahrung abhänge, bleibe noch zu untersuchen. Gaz. med. 1844. No. 50. Seance de l’Acad. d. sciences. 9 De- cembre 1844. Boussingault hat mit einer Turteltaube Versuche über . die Exhalation von Stickstoff angestellt. Die Analyse der Nahrung (nur Hirse und destill. Wasser) und der vollkom- men genau gesammelten Exkremente ergab, dass die 187 Grm. wiegende Taube im Mittel 18,70 Grm. Kohlensäure, entspre- chend 5,10 Grm. Kohlenstoff und 0,16 Grm. Stickstoff, in 24 Stunden durch den Athemprozess ausstiess. Diese Quan- tität Stickstoff war, obgleich so gering, doch der dritte Theil von dem mit der Nahrung eingenommenen Stickstoff. Die übrigen 2 Drittheile Stickstoff fanden sich in den Exkre- menten. Die Taube veränderte ihr Gewicht während zweier Versuchsreihen von 5 und 7 Tagen fast gar nicht. Dieser Nachweis des Austretens von Stickstoff durch die Lungen, in derselben Weise geführt, wie der von Liebig über den Austritt des Kohlenstoffs als Kohlensäure auf der Oberfläche der Athemorgane, zeigt also, dass ein Theil der stickstofl- haltigen Beständtheile des Organismus in der Art eine Ver- bindung mit dem Sauerstoff eingeht, dass Kohlensäure, Was- ser und Stickstoff frei werden; es müsste denn angenommen werden, dass der Stickstoff quaternärer Verbindungen mit Zurücklassung einer ternären austreten könnte. Die nach der beigefügten Tabelle ausgestossenen Quantitäten Sauer- stoff und Wasserstoff befinden sich nicht in dem Verhältniss, um Wasser zu bilden: es bleiben 0,07 Grm. Wasserstoff übrig, die noch mit dem Sauerstoff der Atmosphäre sich verbunden haben müssen. Diese 0,07 Grm. H und obige 5.10 Grm € reichen aber vollkommen hin, um durch ihre Oxydation während 24 Stunden die Temperatur einer Taube auf 41 —42° C. zu erhalten. Boussingault hat nun zur Controle auch noch die von der Taube ausgeathmelte Koh- lensäure direkt bestimmt. Die Taube erhielt dieselbe Nah- rung, wie früher, und befand sich in einem zu diesem Zwecke eigens construirten Apparate Während nach der indirekten Bestimmungsweise 0,211 Grm. € im Durchschnitt stündlich verbrannt worden wären, ergab die direkte Be- stimmung 0,198 Grm. C für die mittlere Stunde. Hierbei zeigle sich noch eine auffallende Verschiedenheit zwischen Tag und Nacht; die Kohlensäurebildung war bei Nacht viel geringer, als bei Tage. Endlich wurde a Der in dem- > E 52 selben Apparate der Athemprozess dieser Taube während des Fastens beobachtet. Ihr Gewicht nahm in 7 Tagen um 53,9 Grm. ab; sie verlor jeden Tag fast gleich viel an Ge- wicht und demgemäss war auch die ausgeathmete Kohlen- säure täglich beinahe dieselbe, immer aber weit unter dem bei Genuss von Nahrungsmitteln producirten Quantum; im Durchschnitt wurden täglich 2,250 Grm. Kohlenstoff ver- brannt, während früher in derselben Zeit 5,1 Grm. ver- braucht worden waren. Nachdem man der Taube wieder reichliche Nahrung, aber nur Hirse, gegeben hatte, nahm sie schnell an Gewicht zu; sie soll aber nicht fett geworden sein, was B. nach seiner und Dumas’ Theorie der Fettbil- dung daraus erklärt, dass die Hirse nur 3 pCt. Fett enthalte, dass die Taube also, die nach Versuchen von Letellier in 7 Tagen 17,5° Grm. Fett verlieren musste, hätte 583 Grm. Hirse fressen müssen, um ihr Fett wieder zu bekommen. Die Exkremente der Taube während des Fastens waren halb- flüssig, durchscheinend grünlich mit weissen Streifen von Harnsäure; Verf. glaubt schon aus diesem Ansehn schliessen zu dürfen, dass sie ausser letzterem Körper wesentlich nur Galle, als das Produkt der Umsetzung des Blutes und des Fettes, enthielten (?Ref.). Die sorgfältig gesammelten und vorsichtig getrockneten Exkremente enthielten an Kohlen- stoff, Wasserstoff und Sauerstoff nur den 10ten Theil, als die bei normaler Nahrung, an Stickstoff dem 3ten Theil. Zu bemerken ist noch, dass die Taube während des Fastens fast nichts getrunken hatte, obgleich man ihr Wasser dar- bot. Dies wendet B. selbst an, um zu erklären, wie es möglich ist, dass die Taube sich, wie dies nach, Chossat’s Experimenten der Fall sein muss, obgleich sie nur 2,28 Grm. Kohlenstoff täglich verbrannte, doch auf derselben Tempera- tur erhielt, auf welcher Tauben sich im normalen Zustande bei Verbrennung von 5,1 Grm. C befinden. Er erklärt dies nämlich aus dem Mangel der Wasserausdünstung und der Verminderung der Faeces, durch welche sonst eine grosse Menge Wärme verbraucht werde. Ann. de chimie et de physique. 1844. Aoüt. T. XI. Compt. rend. T. XIX. p. 73. Erdm. und March., Journ. f. Chemie. 1844. Bd. 32. p. 173. und Bd. 35. p. 402. Ann. des sc. nat. 1844. T. II. p. 211. Marchand hat mit einem genaueren Apparate, als bis- her angewandt worden war, Versuche über die Respiration der Frösche angestellt. Er fand zunächst, dass diese Thiere eine viel grössere Menge Sauerstoff aufnehmen, als nöthig ist, um die ausgeathmete Menge Kohlensäure zu bilden; ein Verhältniss, welches er auch für ein Kaninchen bestätigt fand. Bei Tage war ferner die Kohlensäureproduktion viel 33 stärker, als bei Nacht. Rücksichtlich des Temperatur - Ein- flusses fand er, dass die Thiere bei 6—14° am meisten re- spirirten und eine Differenz von 6—7° wenig Einfluss aus- übt. Sinkt die Temperatur bis nahe zu dem Eispunkt oder steigt sie auf 23—30°, so wird die Respiration viel schwä- cher. In reinem Sauerstoffgase steigt die Menge der ausge- athmeten Kohlensäure fast gar nicht, wohl aber die des Wassers, so dass also eine stärkere Wasserbildung Statt zu finden scheint. In ganz reinem Wasserstoffgas athmeten die Frösche auch Kohlensäure aus, aber weit weniger, als frü- here Beobachter angegeben; die Thiere starben auch meist schon nach einer halben bis ganzen Stunde, so dass Mar- chand glaubt, die früheren Beobachter hätten nicht ganz reines Wasserstoflgas angewendet. Im luftleeren Raume ga- ben in einem Versuche von 4 Fröschen jeder 19,4 Cub. Cen- timeter oder 0,0403 Grm. Kohlensäure, oder 100 Grm. Frösche 0,0498 Grm. Kohlensäure; in einem zweiten Versuche 100 Grm. Thier 0,060 Grm. Kohlensäure. In der Lunge von ei- nem Frosch schienen 0,0138 Grm. Kohlensäure zu sein. In einem abgeschlossenen Raume bei der fortgesetzten Respira- tion der schon oft geathmeten Luft scheinen die Thiere Stickstoff zu absorbiren und dabei ein ungleich grösseres Volumen Kohlensäure zu exspiriren. Bei fastenden Thieren ergab sich, dass dieselben im Allgemeinen bei fortschreiten- dem Fasten immer weniger Sauerstoff aufnahmen und we- niger Kohlensäure aushauchten. Erdm. und March., Jour- nal für Chemie. 1844. Bd. 33. p. 130. Gay Lussac hat gegen die Ergebnisse der Versuche von Magnus über die Gegenwart von Gasen im Blute Ein- würfe erhoben. Er findet dieselben darin begründet, dass nach Magnus das arterielle Blut mehr Kohlensäure und Stickstoff enthält, als das venöse, während man der Theorie nach gerade das umgekehrte Verhältniss erwärten müsste, Zugleich findet er auch die von Magnus angenommene grosse Auflöslichkeit des Sauerstofls im Blute (24 Mal leich- ter als im Wasser) unwahrscheinlich und wenigstens nicht bewiesen. Fror. N. Not. Nr. 642. Arch. gen. 1844. T. V. p- 120. Ann. de Chimie. 1844. T. XI. p. 5. Es ist wohl passend, hierbei auch der Einwürfe Lie- big’s gegen die Ansicht des Vorkommens locker gebundenen Sauerstofls und der Kohlensäure in dem Blute nochmals zu erwähnen. Handwörterbuch der Chemie. I. p. 877. u, 99. Der Sauerstoffgehalt des Blutes erscheint ihm sehr proble- matisch, wenn man erwägt, dass das Fibrin die Eigenschaft besitzt, Sauerstoff aufzunehmen und diesen in Kohlensäure zu verwandeln, und der Blutfarbestoff durch die Eigenschaft, 54 sich mit dem Sauerstoff zu verbinden, ausgezeichnet ist. Wenn das venöse Blut freien Sauerstoff enthält, so begreift man nicht, wie Hinzuführen von mehr Sauerstoff seine Farbe ändern und in Verbindung treten kann, während der darin vorhandene keine Verbindung mit den Blutbestandtheilen eingehen soll. Die Kohlensäure macht das Blut dunkelroth, der Sauerstoff hellroth. Wenn nun das venöse Blut von letzterem mehr enthalten soll, als von ersterem, so begreift man nicht, wie dasselbe dunkel, das arterielle Blut hellroth sein kann. Das Serum besitzt ferner die Eigenschaft, Koh- lensäure in Menge aufzunehmen; 100 Vol. Serum von Men- schenblut absorbiren 107 Vol. Kohlensäure. Es kann daher keine freie Kohlensäure enthalten, es würde sonst weniger absorbiren müssen. 100 Vol. Serum von Ochsenblut absor- biren ferner 206 Vol. Kohlensäure; beim Zusatz von Essig- säure entweicht die Hälfte derselben unter Aufbrausen, die andere Hälfte bleibt in der sauren Flüssigkeit gelöset. Es ist daher klar, dass das Serum von Ochsenblut Alkali ent- halten muss, was nur theilweise mit Kohlensäure gesättigt ist, es könnte sonst die Fähigkeit nicht haben, mehr wie sein Volumen Kohlensäure aufzunehmen. Zum Theil auf diese Gründe gestützt, hat bekanntlich Liebig in seiner organischen Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie p. 272. seine Athemtheorie gebaut, nach welcher Sauerstoff und Kohlensäure mit den Blutkörperchen als einer Eisenverbindung vereinigt sind, Alle Zweifel über das Vorhandensein und Verhalten der Gase im Blute scheinen sich zu lösen, wenn man annimmt, dass Kohlensäure und Sauerstoff zwar nicht frei in dem Blute, aber doch wenigstens zum Theil in einer so schwa- chen chemischen Verbindung vorkommen, dass Aufhebung des Druckes der Atmosphäre, oder blosses Durchtreten einer Gasart durch das Blut schon im Stande sind, diese Verbin- dung aufzuheben. Wahrscheinlich ist es aber das phosphor- saure Natron, welches diese Verbindung unterhält, indem dasselbe wenigstens Kohlensäure in grosser Menge absorbirt. An Beispielen chemischer Zerlegungen durch bloss physika- lische mechanische Einflüsse fehlt es ja nicht, und eines der hier passendsten giebt das doppelt kohlensaure Natron ab, welches, obwohl krystallisirt, also gewiss in chemischer Verbindung, dennoch Kohlensäure schon beim blossen Ste- hen an der Atmosphäre abgiebt. Indessen unterliegt es da- neben auch wohl keinem Zweifel, dass die Kohlensäure und der Sauerstoff auch noch an die Blutkörperchen gebunden sind, allein ihre Aufnahme und Abgabe muss immer durch die Blutilüssigkeit vermittelt werden. Eine Sauerstofiverbin- 55 dung in dem Blute, die durch so schwache Verwandtschaft ge- knüpft ist, dass sie durch die Aufhebung des Druckes der Atmosphäre oder durch Diffusion aufgehoben würde, ist übri- gens noch immer ohne Analogie. C. Vierordt, Ueber die Abhängigkeit desfKohlensäure- gehaltes der ausgeathmeten Luft von der Häufigkeit der Athembewegungen. Roser und Wunderlich, Archiv. 1844. Bd. III. p. 536. Diese Abhandlung ist nur ein Vorläufer und Theil einer im Jahre 1845 erschienenen Schrift von Vierordt, „Physiologie des Athmens mit besonderer Rück- sicht auf die Ausscheidung der Kohlensäure. Karlsruhe. 8vo.‘, deren ich daher jetzt sogleich mit Erwähnung thun will. Man kann von derselben wohl mit Recht behaupten, dass sie sich durch genaue Kenntniss und Anwendung der bei dem Prozess des Athmens wirksamen physikalischen Gesetze und durch Befolgung einer guten Methode sehr vortheilhaft auszeichnet. Was die Methode betrifft, so soll darunter nicht sowohl die Art der Aufsammlung und Bestimmung der Kohlensäure, als die ganze Art der Untersuchung ver- standen sein. Denn die Methode der Kohlensäurebestimmung Vierordt’s möchte noch an eben so vielen absoluten und relativen Mängeln leiden, als irgend eine andere. Ihre An- wendung beruht zum grossen Theile auf subjektiver Gewöh- nung und Uebung, und auch von anderen Seiten ist die Me- thode nicht fehlerfrei. Allein dieses blieb dem Verf. selbst nicht verborgen, und seine allgemein angewendete Methode verdient eben deshalb besonderer Anerkennung, weil er durch sie die ihm bekannten Fehlerquellen möglichst _zu vermindern suchte, was ihm denn auch wenigstens in so weit gelungen ist, dass seinen Resultaten zum mindesten eine relative Rich- tigkeit nicht zu bestreiten ist. Der Verf. selbst hat diese Resultate am Ende seiner Schrift in 33 Sätzen zusammen- N und ich will von denselben folgende hervorheben: ) Die respiratorischen Funktionen zeigen je nach den ver- schiedenen Tageszeiten als Folge innerer Körperzustände eine sehr verschiedene Energie, so dass, wenn man den Mittel- werth jeder respiratorischen Funktion = 100 setzt, zwischen 9 Uhr Vormittags und 8 Uhr Abends folgende Differenzen zwischen dem Maximum und Minimum der Funktionen be- obachtet werden: In d. Volum einer Exspiration. . . » 2... pCt - der Zahl der Athemzüge. . 2: 2.22. 34 - - - - Pulsschläge . . . 1.2520 - d. Volunı der in 1 Min, ausgeathmet. Luft” 1 222. 1 rn Allee» s . Kohlensäure 23 - 36 2%) Eine Mahlzeit erhöht die Pulsfrequenz in 1 Min. um 16,3 Pulsschläge, die Athemzüge um 1,72 Exspirationen, die ausgeatbmete Luft um 683 Kub. Centim., die ausgeathmete Kohlensäure um 49,18 Kub. Centim. 3) Spirituöse Getränke vermindern bei leerem Magen sehr schnell die Kohlensäure um + pCt. 4) Körperliche Bewegungen haben einen sehr intensiven Einfluss auf die ausgeathmete Kohlensäure-Menge. Sie ver- mehrt sich selbst bei mässiger Bewegung um + und bleibt auch noch als Nachwirkung vermehrt. 5) Temperaturschwankungen in der Luft haben einen sehr bemerklichen Einfluss auf die Respiration. 6) Ebenso übt der Luftdruck einen sehr wirksamen Einfluss aus. 7) Die Häufigkeit der Athemzüge ist von bedeutendem Einfluss auf den Kohlensäuregehalt der ausgeathmeten Luft, und zwar in der Art, dass dieselbe um so ärmer an Koh- lensäure ist, je bedeutender die Frequenz der Athemzüge ist. Es stellt sich in dieser Hinsicht das Gesetz heraus, dass bei einer beliebigen Dauer einer Exspiration die ausgeathmete Kohlensäure-Menge der bei der kürzesten Exspiralion ge- bildeten Menge gleich ist, plus einer weiteren Quantität, welche gleich ist der Differenz der Zeitdauer der gesuchten Exspiration von der kürzesten Exspiration, dividirt durch die zehnmalige Dauer der kürzesten Exspiration. 8) Mit der Grösse (Tiefe) der Athemzüge nimmt die re- lative Menge der in der ausgeathmeten Luft enthaltenen Koh- lensäure ab, die absolute zu. 9) Gleiche Luftvolumina, sie mögen durch frequente, aber weniger tiefe, oder durch tiefe, aber langsame Exspi- rationen ausgeschieden werden, enthalten gleiche Kohlensäure- Quantitäten. 10) Die tieferen Lungenpartieen enthalten mehr Kohlen- säure als die oberen; die tiefsten etwa 1,2 pCt. mehr als die obersten. 11) Je länger die Luft in den Lungen bleibt, desto mehr Kohlensäure nimmt sie auf. 12) Bei möglichst lange fortgesetztem Athmen derselben Luftvolumina nimmt die Kohlensäure - Menge, wenn jenes 7000 Kub. Centim. beträgt, um 1,5 pCt. zu. Die Aufnahme und Ausscheidung der Gase aus dem Blute hält Vierordt nur für das Resultat physikalischer und chemischer Kräfte, und zwar lassen sie sich ganz allgemein auf die Gleichgewichtsverhältnisse der in der Substanz der Organe, im Blute, in den Lungen und in der umgebenden Atmosphäre enthaltenen Gase zurückführen. Die Ausschei- 57 (dung der Kohlensäure aus den Lungen erfolgt theils durch Diffusion, iheils durch die Athembewegungen. Von den Gasarten behauptet Vierordt, dass wenigstens ein Theil der- selben in dem Blute nur einfach gelöset sei, und den Grund, warum sich der Sauerstoff nicht mit allen oxydablen Be- standtheilen des Blutes verbindet, erblickt er darin, dass die Aufnahme des Sauerstofls durch dieselben abhängig ist von der Abgabe der mit ihnen verbundenen Kohlensäure, welche auch immer nur theilweise in den Lungen erfolgt. Die Koh- lensäurebildung verlegt der Verf. sowohl in die Organe, als in das Blut. Zimmermann, Commentatio inaug. de inspiratione Nitrogenii oxydulati. Marb. 1844. 4to. Der Verf. hat neue Versuche mit dem Einathmen von Stickstoffoxydulgas ange- stellt, welche im Allgemeinen mit den früher unternommenen übereinstimmend ausgefallen sind, und deren Resultate ganz denjenigen entsprechen, die von einer vermehrten Oxydation des Blutes zu erwarten waren. Es wurde mehr Sauerstoff verbraucht, mehr Kohlensäure ausgeathmet, die Temperatur der Thiere stieg, und sie erlitten einen grösseren Gewichts- verlust, als beirdem Athmen in atmosphärischer Luft. Die subjektiven Gefühle, die durch das Einathmen des Gases bei dem Verf. herbeigeführt wurden, waren auch bei ihm eine grosse Aufregung, Unruhe, grosser Trieb zu Muskelbewe- gungen und psychische Exaltation. ©. Castiglioni, Alcune esperienze sulle injezioni per le vene. Gaz. med. di Milano, p. 359—62. Delille, De la sceretion de quelques follicules sebacees de la peau, in: Bulletin de l’Acad. de Medecine. Tom. X. p- 11. 12. Betrifft die sogenannten Mitesser, von denen De- lille behauptet. sie seien ein Bündel von feinen, von einer Scheide umfassten Haaren. Rob. Willis, On the special funelion of the skin. London medical Gazette. 1843 —44. Vol. II. p. 1. u. 481. In diesem Zusalz zu seinem im vorigen Jahresbericht er- wähnlen Aufsatze über die Funktion der Haut, sucht Wil- lis seine dort aufgestellte Ansicht durch Anwendung der- selben auf pathologische Zustände, namentlich Erkältung, weiter zu begründen. Er glaubt, dass immer Unterdrückung der Wasserausscheidung, wenngleich vermittelt durch Af- fection der Hautnerven, die nachtheiligen Folgen der Erkäl- tung herbeiführe. Nach €. H. Schulz ‚haben Milben und Läuse auf der Haut den höchst wichtigen Naturzweck, für die Reinigung der Körper- und Kopfhaut (Unterstützung der Haut-Mauser) zu sorgen. Fror. N. Not. Nr. 701. 98 C. Voelckel, Ueber die Adler-Exkremente. Poggen- dorff’s Annalen. 1844. T. 62. p. 136. Der in Wasser lös- liche Theil derselben enthielt Ammoniak und wenig Kali und Natron als Basen; Salzsäure, Schwefelsäure und Phos- phorsäure als Säuren, und eine organische Substanz. Der in Salzsäure lösliche Theil enthielt Ammoniak, phosphors. Kalk und phosphors. Magnesia und eine geringe Menge organ. Substanz. Der unlösliche Rückstand bestand grösstentheils aus Harnsäure, die an Ammoniak gebunden 45 pCt. der Ex- kremente ausmacht. Fr. Simon, Untersuchung frischer Klapperschlangen- Exkremente, in: Simon’s Beiträgen zur Chemie und Mi- kroskopie. 1844. Bd. I. p. 362. Die Analyse dieser gelblich gefärbten, breiigen und unangenehm riechenden Exkremente ergab: Freie Harnsäure mit etwas Fett und extraktiver N NE RE Be ei Harnsaures Ammoniak Ei DE ne Harnsaures Natron mit etwas Chlornatrium . . 9,8 Harnsaurer Kalk . 6 re #9. a Phosphorsaurer Kalk 1,3 = ” ’ 100,0 E. A. Scharling, Undersögelser over Urin. Det kongl. Danske Videnskabernes Selskabs.. 1843. T. X. p. 231. Henry Benze Jones, On the state in which the uric acid exists in Ihe urine. Medico-chirurgical Transactions. Vol. XXI. or Vol. IX. p. 102. Alfr. Garrod, On the existence of hippurie acidin the Urine in Health and Diseases The Lancet. Novbr. A. L. A. Fee, Examen mieroscopique de l’urine nor- male, in: Mem. du Museum dInst. nat. de Strasbourg, Tom. II. livr. 3. Ev. Davy, Physiology and pathology of the urine. The Lancet. Febr. Durch eine umfassende Arbeit über den Harn des Men- schen und der fleischfressenden Thiere ist Liebig zu dem Resultate gekommen, dass derselbe keine Milchsäure enthält, und diese daher nun auch hier als ein Bestandtheil der fe- sten oder flüssigen Substanzen des thierischen Körpers ge- strichen werden muss, wie es sich schon aus der bekannten Abhängigkeit der Bildung der Milchsäure von Milchzucker ableiten liess. Dagegen fand Liebig in dem Harne regel- mässig Hippursäure neben der Harnsäure, welche bei dem Faulen des Harns in Benzoesäure übergeht. Der gefaulte Harn enthält auch noch Essigsäure, welche sich aus einer 39 im Harn befindlichen stickstoffhaltigen Materie bei Zutritt der Luft durch Sauerstoffaufnahme und unter Bildung einer harzähnlichen Substanz entwickelt. Um nun die saure Be- schaffenheit des frischen Harnes der Menschen und Fleisch- fresser zu erklären, geht Liebig auf eine Erörterung der durch die Speisen und Getränke in den Körper übergeführten Salze ein und zeigt, dass sich in diesen kein freies, sondern stets an Phosphorsäure gebundenes Alkali befindet. Die auf- lösende Wirkung der von dem Kochsalze herrührenden Salz- säure des Magensaftes auf die Speisen beruht nun vorzugs- weise darin, dass sie die Verbindung der organischen Sub- stanz mit dem phosphorsauren Kalke aufhebt. Die freie Salzsäure des Speisebreies verbindet sich durch Zumischung der Galle wieder mit Natron zu Kochsalz, die phosphorsau- ren Alkalien aber gehen in den Chylus und das Blut über, denen diese ihre alkalische Reaktion verdanken. Zum Theil nun gehen dieselben bei der Ernährung an die Organe, zum Theil in den llarn über Hier aber kommen sie mit der in dem Lebensprozess gebildeten Harn- und Hippursäure in Be- rührung, welche die Eigenthümlichkeit haben, dass sie sich sehr leicht in phosphorsaures Natron haltigem Wasser lö- sen, wodurch dasselbe seine alkalische Reaktion verliert und eine saure annimmt. Es entsteht ein saures Natronsalz von Harn- und Hippursäure und saures phosphorsaures Natron, denen der Harn seine saure Beschaffenheit verdankt. Es kommt aber noch eine dritte Ursache hinzu, welche in der Bildung von Schwefelsäure im Organismus liegt. Es ist nämlich gewiss, dass die Menge der schwefelsauren Salze im Urin grösser, als in den Speisen und dem Blute, und es ist daher sicher, dass diese Schwefelsäure im Organismus aus dem Schwefel des Klebers, Käses, Fleisches, Eiweiss, Fibrins gebildet wird. Diese nun verbindet sich auch noch mit einem Theile der Basis der phosphorsauren Alkalien, und hilft daher mit, diese in saure Salze zu verwandeln, Die in dem Lebensprozess gebildeten Säuren, Schwefelsäure, Hippursäure und Harnsäure theilen sich mit der Phosphor- säure in die an letztere gebunden gewesenen Alkalien, und dieses richtet sich nach der Temperatur, da das phosphors. Natron in höherer Temperatur mehr Harnsäure uud Hippur- säure auflöset, als in niedriger. Daher rührt es denn, dass beim Erkalten des Urins oft Harnsäure niederfällt, indem sie das in höherer Temperatur der Phosphorsäure entzogene Natron oder Kali, derselben in niederer Temperatur wieder abtritt. Bei dieser Ursache der sauren Reaktion des Harns ist es aber klar, dass diese eine zufällige Eigenschaft und von der Art der aufgenommenen Nahrungsmittel abhängig ist. 60 Werden viele Nahrungsmittel aufgenommen, welche pflan- zensaure Alkalien enthalten, die bekanntlich im Organismus in kohlensaure umgewandelt werden, so werden diese die vorhandenen Säuren, welcher Art sie auch sein mögen, neu- tralisiren, ja den Harn selbst alkalisch machen können. Da- her ist der Harn der Pflanzenfresser alkalisch, der von Fleisch, Mehl und Brod lebenden Thiere sauer, und diesel- ben Umstände werden auch über die Reaktion des Harns desselben Individuums entscheiden. Jede Analyse des Harns muss daher mit Rücksicht auf die aufgenommenen Salze, Säuren und Basen angestellt werden, wenn sie zu irgend welchen Schlüssen berechligen soll. Einige physiologische und pathologische Reflexionen machen den Schluss dieser gewiss bedeutungsvollen Untersuchung. Ann. d. Chemie u, Phys. 1844. Bd. L. Heft. 2. p. 161. Dr. Pettenkofer fand in dem Harn eines an Veits- tanz leidenden und nur von Aepfeln, Brod und Wasser le- benden Mädchens von 13 Jahren eine sehr grosse Menge Hippursäure, nämlich in 1000 Theilen Harn 12,836 wasser- freie Hippursäure, welche Erscheinung in Liebig’s Entdek- kung der Hippursäure als eines normalen Bestandtheiles des Menschenharns und bei jener rein vegetabilischen Kost ihre genügende Erklärung findet, Bei später wieder aufgenom- mener gewöhnlicher Diät verschwand jene grosse Menge Hippursäure wieder. Liebig’s Annalen. 1844, Bd. 52. p. 86. Dr. Pettenkofer hat im Harne des Menschen einen neuen krystallisirenden, sehr stiekstoffhaltigen Körper ent- deckt, der etwa zu z pCt. im Morgenharne enthalten ist. Seine Zusammensetzung ist: Gefunden Berechnet Kohlenstoff 39,3 39,2 Wasserstoff 7,0 6,4 Stickstoff 34,0 34,7 Sauerstoff 19,7 13% Liebig’s Annalen. 1844. Bd. 52. p. 97. Nach Beobachtungen von Heller ist die Harnsäure, und zwar als harnsaures Ammoniak, ein sehr reichliches Exkret der Schmetterlinge. Da dieselbe in der Raupe nicht vor- handen ist, die dickliche, oft schön rothe oder orangegelbe Flüssigkeit, welche der Schmetterling beim Auskriechen aus der Puppe entleert, der Hauptmasse nach dagegen aus harns. Ammoniak besteht, so scheint die Bildung desselben ein Pro- dukt der Metamorphose während des Puppenzustandes zu sein. Archiv für phys. u. path. Chemie und Mikroskopie. 1844. p. 132. Stark hat die in dem Harne von Schwangern schon von früheren Beobachtern bemerkten Eigenthümlichkeiten 61 genauer untersucht und beschrieben, und glaubt in ihnen ein ferneres sicheres Zeichen der Schwangerschaft erblicken zu können. Es bildet sich nämlich in dem Harne der Schwan- gern zuerst ein leichtes, lockeres, weisses Sediment, welches unter dem Mikroskope aus Kügelchen besteht, die denen der Milch sehr ähnlich sind. Sie schwimmen anfangs frei einzeln im Harne herum, setzen sich aber dann haufenweis und oft linear aneinander und bilden dann den Bodensatz. Nach einiger Zeit steigt dieser in die Höhe und macht nun ein Häutchen aus, welches die Oberfläche des Harns bedeckt. Dasselbe zerreisst indessen bald wieder, und seine Theilchen senken sich wieder zu Boden. Die Kügelchen sind dann zersetzt, und statt ihrer findet man mehrere Salzkrystalle in der Flüssigkeit. Frühere Schriftsteller haben die ganze Er- scheinung von in den Brüsten ausgeschiedenem, wieder re- sorbirtem und im Harne abgesetztem Käsestoff abgeleitet. Stark aber glaubt, dass ein dem Eiweiss, Faser- und Kä- sestoff zwar ähnlicher, allein doch von ihnen verschiedener Elementarstofl die Ursache sei, den er. Gravidine nennt. Er stellt über die Ursache und Art seiner Bildung keine be- stimmte Ansicht auf. Edinb. med, and surg. Journ. No. CL. 1842. Jan. Fror. N. Not. Nr. 459. u. 460. (Das Verfah- ren des Verf. giebt gar keine Sicherheit und keinen zurei- chenden Grund ab, die Gravidine als einen neuen organischen Stoff anzunehmen, zumal da derselbe gar nicht als solcher dargestellt wurde. Eine in Heidelberg erschienene Diss. De urina Gravidarum von Cohen, 1843, erklärt die Gravi- dine für nichts als Schleim und Epithelium. Nur soll sich nach Cohen im Urine Schwangerer Fett finden, welches mit Antheil an der Bildung des in Rede stehenden Häutchens hat. Ref.) Auch Kane (The american Journ. of med. Sceienees. July 1842.) hat über denselben Gegenstand ge- schrieben. Fr. Simon, Ueber Kystein, in Simon’s Beiträgen zur Chemie und Mikroskopie. Bd. I. 1844. p. 353. Aus eigenen und fremden Beobachtungen zieht der Verf. den Schluss, dass dieses sogenannte Kystein keine eigenthümliche Materie, sondern cine Proteinverbindung sei, deren Bildung mit der Milcherzeugung in naher Beziehung stehe. Uebrigens er- scheint dieselbe nicht bei jeder Schwangern im Urine. Gob&e, Mikroskopische Untersuchungen des Urins schwangerer Frauen, mit Beziehung auf Stark’s Gravidine und Nauche’s Kysteine, in: Nederlandsch Lancel, door Alexander. 1843. April. Laverau und Millon haben einige Beobachtungen über den Vebergang einiger Stoffe in den Urin und die Verände- 62 rungen, welche sie dabei erfahren, angestellt. Vorzüglich wendeten sie Tartarus natronatus (Sal de Seignette) an, und sahen, dass dasselbe, in grösseren Dosen zu 40 — 50 Grm. auf einmal gegeben, durch den Darmkanal unverändert wie- der entleert wird, bei kräftigen Individuen indessen auch in dieser Dosis ein kleiner Theil resorbirt, in kohlensaures Na- tron umgewandelt und der Harn dadurch alkalisch wird. In kleineren Gaben zu 15—20—30 Grm., in 8-10 Stunden gegeben, wird das Salz dagegen nicht durch den Darm ent- leert, sondern resorbirt, und als kohlensaures Natron unter alkalischer Reaktion des Harns ausgeschieden. Sie haben dann in. verschiedenen Krankheiten von diesen Erfahrungen Anwendung zu machen gesucht. — Schwefelsaures Natron verhielt sich gerade wie der Natronweinstein, d. h. grössere Gaben wurden unter Purgiren durch den Darm entleert, kleinere wurden resorbirt und erschienen unverändert im Harn. — Schwefel schien auf keine Weise in den Organis- mus überzugehen. — Nach der Darreichung von Saliein ent- hielt der Urin Salicilsäure und salieilige Säure. — Ann. de Chimie et de Physique. 1844. T. XII p. 135. Ant. de Kramer, Ricerche per discoprire nel sangue, nell urina ed in varie altre secrezione animali e combina- zioni minerali amministrate per bocca, in: Memorie dell’ J. R. Istituto Lombardo di Scienze. Milano 1843. Vol. I. 4to, p. 115. Brulle, Recherches sur la coloration des os chez les animaux mis au regime de la garance, Comptes rendus de VAcad. de Paris. Tom. XIX. p. 818., glaubt durch seine ge- naueren Untersuchungen nachgewiesen zu haben, dass die Knochen zwar durch schichtweise Apposition der Dicke nach wachsen, dass diese Schichten aber äusserst dünn sind und nie den ganzen Knochen zugleich umgeben, sondern nur an einzelnen Stellen nach und nach entstehen. Die Färbung der Knochen durch Krapp ist nach ihm nicht abhängig von Neubildung der Knochensubstanz, sondern von Durchdrin- gung des schon gebildeten Knochens, ebenso das Weisswer- den nur von Entlärbung bedingt. Die Färbung erfolgt ge- wöhnlich in gewissen Ringen und hält in der subst. spon- giosa sich länger und schöner, als in der compacta. Die Duhamel’sche Theorie von der schnellen Neubildung und Aufsaugung der Knochen ist also nach ihm nicht haltbar und auf ungenauen Beobachtungen basirt — Vergl. auch: Annales de Chirurgie frane. et etrang. Novbr. p. 284—290. Lebert hat neue Beobachtungen über die Bildung des Callus bei den zerbrochenen Röhrenknochen von Kaninchen angestellt. Ich hebe von denselben hervor, dass danach die 63 erste Exsudation des Callus von der Beinhaut und dem ent- blössten Knochen, erst später auch von den Bruchenden des Knochens und der Markmembran ausgeht. Die Verknöche- rung des Callus geht übrigens sehr rasch vor sich, indem sie schon an dem zehnten Tage nach dem Bruch weit fort- geschritten ist und Knochennetze und Knochenkörperchen schon Kalksalze führen. Der ganze Process ist übrigens voll- kommen dem der fötalen Bildung des Knochens analog. — Begin, Aunales de la Chirurgie frang. et etrangere. 1844. T. X. p. 129. — Oestr. med. Wochenschrift. 1844. p. 542. Textor, Ueber Wiedererzeugung der Knochen. 3 Tab. Würzburg 1844. ?%te Aufl. Der Verf. hat sich durch den Erfolg seiner Operationen überzeugt, dass nach Entfernung und Ausschneidung eines Knochenstückes eine Wiedererzeu- gung desselben und selbst eine Art von Wiederherstellung eines Gelenkes möglich ist, namentlich wenn die Beinhaut geschont und zurückgelassen wird. Dass aber die Verknö- cherung des Exsudates von der Beinhaut aus erfolgen könne, finde ich durch keinen der mitgetheilten Fälle bewiesen, da dieser Process selbst nach Excision eines 2” 4” langen Stückes einer Rippe von den Knochenenden her eingeleitet sein konnte. Nasmyth ist, ganz entgegengesetzt der herrschenden An- sicht, dass die Kanälchen in der Zahnsubstanz dazu dienen, einen Substanzwechsel in dem Zahne zu unterhalten, der Meinung, dass durch sie die Vitalität des Zahnes allmählig erlösche, indem sie sich nach und nach mit Kalksalzen füll- ten. Lond. and Edinb. mouthly Journ. of med. Sc. 1843. Jan. Oppenheim’s Zeitschr. 1844. Bd. 27. p. 557. John Goodsir, On the mode in which musket - bul- lets and other foreign bodies become inclosed in the Ivory of the tusks of the Elephant. Transactions of the royal society of Edinburgh. 1841. Vol. XV. part. 1. p. 93. J. Goodsir hat Untersuchungen angestellt über die Art und Weise, wie Flintenkugeln und andere fremde Körper in die Stosszähne von Elephanten eingeschlossen werden. Drin- gen diese Kugeln in einen schon gebildeten, freistehenden Theil des Zahns, ohne den Zahnkeim zu erreichen, so ver- anlassen sie keine weitere Veränderung in dem Zahne, und weder Zahnbein, noch Cement werden reproducirt. Dringt die Kugel aber bis auf oder in den Zahnkeim, so wird sie von einer. _eigenthümlichen, von dem Zahnkeim gebildeten Substanz eingeschlossen, welche einer in den Stosszähnen des Wallrosses und»den Zähnen anderer Cetaceen, auch in der Zahnhöhle alter Menschenzähne vorkommenden Substanz (Knochensubstanz) sehr ähnlich ist. Die Art und Weise, 64 wie die Kugeln dann in die Zähne eingeschlossen werden, sind wieder nach der Gegend und Richtung, in welcher sie in den Zahnkeim eingedrungen sind, verschieden. Transact. of the royal Soc. of Edinb. 1841. Vol. XV. P. I. p. 93. €. Fr. Dom. de Villers, Diss. guomodo sanguinis eir- eulatio per ramos collaterales restituatur, truncis arteriarum ligaturae ope obstructis. Lips. 1844, Svo. Jul. Thaez, De Musculorum regeneratione experimen- tis illustrata, Diss. inaug. Berolini 1844. 8vo. Der Verf. überzeugte sich, dass keine Regeneration der Muskeln Statt findet, sondern dieselben sich nur durch Bindegewebe wie- der vereinigen. Wenn man einer Krabbe eine oder mehrere Phalangen eines. Fusses gewallsam abreisst, so stösst das Thier, nach Goodsir, sogleich das ganze Glied an einer Stelle ab, welche äusserlich durch eine zarte, mit einem Ringe von spärlichen Haaren bedeckte Linie angedeutet ist. Untersucht man an dieser Stelle vorsichtig das Innere, so findet man hier eine gelatinöse, drüsenartige Masse, das Organ, welches die Keime zu dem neuen Gliede liefert. Dasselbe ist an- fänglich von einer Narbenmembran bedeckt, welche aber endlich platzt und das junge, bisher sehr zusammengebogene, vollkommen gebildete, nur kleinere Glied frei werden lässt. Fror. N. Not. Nr. 705. Ueber die Reproduktion verloren gegangener Theile bei den Myriapoden und Insekten hat Newport interessante Beobachtungen gemacht. Lond. and Edinb. Philos. Mag. 1844. No. 164. Vol. 25. p. 146. G. Valentin, Mikroskopische Untersuchung zweier wie- dererzeugter Krystalllinsen des Kaninchens.. Henle und Pfeufer, Zeitschrift f. rat. Mediein. 1844. T. I p. 227. Fror. N. Not. Nr. 650. Die wirkliche Wiedererzeuguug ei- ner Linse ist durch diese Versuche Valentin’s definitiv be- wiesen, da die mikroskopische Untersuchung den eigenthüm- lichen Bau der Linse, Linsenzellen und Linsenfasern nach- wies. Es concurrirt dabei keine Gefässbildung. F. Sace, Versuche zur Bestimmung der Nahrung, welche sich in dem Körper der Thiere fixirt. Liebig und Wöh- ler, Annalen der Chemie und Pharmacie. Bd. 52. p. 77. Der Verf. fütterte einen Hahn und eine Henne, deren Ge- wicht genau bestimmt worden war, 8 Tage lang mit einer ebenfalls genau gewogenen Menge von Gerste, Sand und Kreide, von welchen die elementare Zusammensetzung der ersteren genau bestimmt, die anderen genau getrocknet wa- ren. Nach 8 Tagen wurden die Thiere wiederum genau ge- wogen, die Exkremente sorgfältig gesammelt und ihre Zu- 65 sammensetzung untersucht. ‘Der Vergleich ergab, dass die Thiere in den Exkrementen etwas mehr als die Hälfte der Stoffe ausstossen, die sie verzehrt haben, und zwar unge- fähr 53 der organischen und beinahe die ganze Menge der anorganischen Substanzen. Das Gewicht der Thiere nahm um 12,43 Grm. zu; alles übrige musste durch die Lunge (and Haut, Ref.) entfernt worden sein. W. Addison, On the physiology of cells. Provincial medical Journal, März, p. 457—458. W. Addison, On the fluid Element of the circulating blood and on the constant Changes and Variation to which it is liable, in: Newyork Journal ete, Mai, p. 266. William Addison, The actual Process of Nutrition in the living structure demonstrated by the Microscope. Transactions of the provincial med. and surgical association. Vol. XII. 1844. p. 235. Der Verf. glaubt, dass die soge- nannten Lymphkörperchen des Blutes keineswegs Entwicke- lungsstufen der Blutkörperchen seien, sondern zur Ernährung und Absonderung verwendet würden. Er bestreitet die selbst- sländigen Wandungen der Capillargefässe und glaubt, dass die genannten Lymphkörperchen unmittelbar aus den Blut- strömehen an die Organe überträten, und entweder als solche zur Ernährung der Organe beitrügen, oder sich auflöseten und so die Sekrete etc. darstellten. (Diese Hypothese hat sich bekanntlich schon rücksichtlich der Blutkörperchen über- lebt, und kann so lange keinen Anklang finden, als die Exi- stenz der Capillarwandungen als eine allgemein feststehende Thatsache gilt. Ref.) John Dalrymple, On the early organisation of coa- gula and mixed fibrinous eflusions, under conditions of the system. Medico - chirurgical Transaections. Vol. XXH. or ol. IX. 1544. p. 70. 3. Irritable Prozesse, Bewegungen. — Iris, — Stimme, Addison, On moving moleeules in the interior of Cells, in: Provincial medie. and surg. Journ. 5 June. 1844. Aus Untersuchungen von Dutrochet über die Ursache der Windungen der Schlingpflanzen ergiebt sich, dass die- selben in letzter Instanz Folgen des sich in spiralförmiger Richtung mit grösserer Kraft gegen die äussere, als gegen die innere Seite der Stengel bewegenden Nahrungssaftes ist. Der Grund hiervon war nicht zu ermitteln. Comptes ren- dus. T. XIX. No. 6. 1844. Fror. N. Not. Nr. 690. Müller's Archiv. 1846. E 66 J. Budge, Ueber die Ursache der willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen, in: Naumann, Wutzer, Kilian, Organ f. d ges. Heilkunde. Bd. II. 1842. p. 311. Gruber, Ueber die vom menschlichen Körper ausge- henden Pendelschwingungen. Casper’s Wochenschrift. 1844. T. X. p. 701. Brachet, Note sur les causes de la lassitude et de Vanhelation dans les ascensions sur les montagnes les plus clevees, in: Revue medicale. Novbr. Der Verf. erblickt die schnell eintretende Müdigkeit bei dem Besteigen hoher Berge begründet an dem Mangel an Sauerstoff in der verdünnten Atmosphäre, während bei den Bewegungen der Muskeln mehr Sauerstoff verbraucht wird. Reinbold, Bemerkungen über die Bewegungen des Her- zens und der Muskeln überhaupt. v. Walther und v. Am- mon, Journal f. Chirurgie u. Augenheilkunde. Bd. XXX. . 289. : David Anderson, Ueber den Mechanismus des Er- brechens, in: London and Edinburgh Monthly Journal of med. Sience. 1844. January. Dass das Zwerchfell sich bei dem Erbrechen aktiv zusammenzieht und dadurch vereint mit den Bauchmuskeln den Druck auf den Magen ausübt, durch welchen das Erbrechen hauptsächlich erfolgt, sah auch Anderson in seinen Versuchen bei Hunden. Auch über- zeugte er sich, dass das dem Brechen vorhergehende Auf- blähen des Magens durch Verschlucken von Luft hervorge- bracht wird, welche bei dem Verschliessen der Stimmritze in den Magen dringt. Wenn er bei den Hunden die Trache- otomie machte, so trat diese Erscheinung nicht ein; wohl aber so wie er die Fistel verschloss, , Joh. Müller, Ueber Bewegungserscheinungen bei den Fischen. Froriep’s N. Not. T. XXX. p. 54. Die hier mitgetheilten, an Plötzen und Hechten angestellten Beobach- tungen beweisen eine constante. und bestimmte Ueberein- stimmung in der Bewegung der Augen mit den Bewegungen und Stellungen, die der Körper des Fisches annimmt, Nach Müller ist die vordere Schwimmblase der Cy- prini und Charaeini durch eine ihrer Häute in hohem Grade elastisch, so dass sie durch Compression der hinteren Blase um % ihres Volumens ausgedehnt werden kann und sich nach Nachlass des Drucks wieder ebensoviel verkleinert. Beide Blasen sind mit Muskeln umgeben und der Fisch hat es daher in seiner Gewalt, sich vorn oder hinten leichter zu machen. Fror. N. Not. Nr. 643. Chevilly, Ueber die Contractilität des Uterus, in: 67 Vanier's la clinique des höpitaux des enfants. 1844. Au- gust-Heft. Petrequin, Untersuchungen über die Bewegung der Augenlider, die Inserlion der Augenmuskeln, die Farbe der Iris im Verhältniss zum Klima ete., in: Cunier, Annales d’oeulistigne. Bruxelles 1843. Septbr. On the functions of the trochlearis muscle of the eye. London medical Gazette. 1843 — 44. Vol. II. p. 594. Der anonyme Verfasser glaubt, dass der M. trochlearis s. obli- quus sup. nicht für irgend eine willkürliche Bewegung, sondern zur Suspensation und Fixirung des Augapfels in den verschiedenen Stellungen und Lagen des Kopfes da sei. Während Quarini (Omodei ann. univ. 1844. Ottobre) zu beweisen sucht, dass die schnellen Bewegungen der Iris nicht durch Gefässerethismus, sondern durch Muskelfasern vollführt werden müssten, glaubt dagegen Fario (Memorie. 1844. Giugno), dass das Gegentheil erwiesen sei. Er er- -bliekt sodann in der Gefässanfüllung und Anschwellung, so wie in der Entleerung und dem Zusammensinken der Iris, welche mit einer antagonistischen Gefässentleerung und Ge- fässanfüllung der Choroidea verbunden seien, das Mittel und die Ursache der Bewegungen der Linse bei dem deutlichen Sehen in verschiedenen Fernen. Indem die Iris anschwillt und die Gefässe der Choroidea sich entleeren, wird die Linse durch den Humor aqueus nach hinten gedrängt und so das deutliche Sehen in der Nähe möglich. Und indem umge- kehrt bei dem Sehen in die Ferne sich die Gefässe der Iris entleeren, die der Choroidea aber anfüllen, jene daher zu- sammenfällt, diese anschwillt,- wird die Iris wieder nach vorn gedrängt. Fario glaubt, dass diese Ansicht auch durch die pathologischen Bedbähtangen, in welchen bei Conge- stion der Choroidea die Iris nach vorn gedrängt und alle Gegenstände entfernt und verkleinert erscheinen, und bei Zu- ständen mit erweiterter Pupille nahe Gegenstände undeutlich, entferntere deutlich gesehen werden, so wie endlich durch die Erfahrungen bei an Cataracta Operirten, die das Vermö- en, in verschiedenen Fernen deutlich zu sehen, verloren Eh; bewiesen werde. (Vergl. Schmidt’s Jahrb. Bd. 46. Nr. VI. p. 281. und 283. 1845. Gaz. med. 1845. Nr. 17.) Maunoir hat der Acad. des Sc. neue Untersuchungen über die Struktur der Iris und namentlich deren Muskulatur mitgetheilt. Sie besitzt nach ihm einen Dilatator und einen Sphincter. Ersterer besteht aus strahlenförmig angeordneten Fasern, welche ihre Befestigung an dem Läg. ciliare haben und sich anderer Seits in dem letzteren, dessen Fasern kreis förmig den inneren Rand der Iris einnehmen, festsetzen. Er u 68 sterer macht %, letzterer # der Iris aus. Galvanische Expe- rimenie unterstützten die anatomische Untersuchung; endlich aber bewies auch ein pathologischer Fall den Antagonismus beider Muskelpartieen. Durch eine Verwundung hatte sich nämlich bei einem Menschen in der äusseren Partie der Iris eine zweite Pupille gebildet. Diese bewegte sich nun immer im entgegengesetzten Sinne, wie die ursprüngliche normale. Gaz. med. 1544. No. 8. p. 125. Tavignot, Ueber das Zittern der Iris, im Journal des connaissances medico-chirurgicales. 1844. September-Helt. Alquie, Anatomisch-pathol. Studien über die Sprache, im Journal de la societ@ de M£decine pratique de Montpel- lier. 1844. Septbr. Cagniard-Latour (L’Institut No. 536. p. 116.117.) zeigt durch seine Apparate, dass das Material und Gewicht tönender Zungen, bei sonst vollkommen gleicher Beschaflenheit, einen sehr grossen Einfluss auf die Zahl der Schwingungen in ei- ner gewissen Zeit, und also auf die Höhe und Tiele des Tones, ausübt. Drei verschiedene Zungen, aus Messing, Holz und Holundermark, ergaben 200, 314 und 880 Schwin- gungen in der Sekunde. Es lässt sich danach vermuthen, dass auch die Textur der Stiimmbänder einen bestimmten Einfluss auf Höhe und Tie/e des Tones ausübt, und daher die hohe und tiefe Stimme verschiedener Menschen und Thiere herrührt. — Durch andere Apparate sucht Cagniard- Latour zü zeigen, dass bei der Slimmbildung nicht nur die unteren, sondern auch die oberen Stimmbänder und der ganze Kehlkopf mitschwingt, daher auch deren Textur, z.B. Verknöcherung, auf die Slimme einen Einfluss haben muss. Petrequin hat einen Aufsatz über die Falsetstimme geliefert, Gaz. medicale. 1344. No.8 p. 115. und No, 9, In dem ersten Theile desselben giebt er eine Krilik der Theorieen von Geoffroy St. Hilaire (Philos. anat. p. 341.), Ben- mati (Recherches sur la mechanism de la Voix humaine. 1822. p. 65.), Colombat (Traite med. chirurg. des mala- dies des organes de la Voix. 1844. p. 85.), J. Müller (Phy- siologie), Despiney (Physiologie de la Voix et du Chant. 1841. p. 43.) und Gareia (La Voix humaine, l’Esculape. 1841. Mai). Gegen die Theorie von J. Müller erhebt er dabei folgende Einwürfe: Es sei zuerst nicht nachgewiesen, durch die Wirkung welcher Muskeln bei der Fistelstimme allein die Schwingungen der Ränder der Stimmbänder mög- lich gemacht würden. Zweitens bestehe der Unterschied zwischen der Brust- und Falsetstimme nicht sowohl in der Höhe, als in dem Timbre des Tones, und diesen Unterschied erkläre die Theorie von Müller nicht, ja müsse denselben 69 sogar leugnen. Das Stimmorgan sei nach Müller's eigener Ansicht ein Zungeninstrument. Auf einem solchen lasse sich aber nur dadurch ein Ton hervorbringen, dass entweder die Ränder der Zunge oder die Luft selbst in tönende Schwin- gungen versetzt werde. Ersteres gebe den gewöhnlichen Zungenton, letzteres den Flötenton. Offenbar aber habe die Falsetstimme mit letzterem die grösste Aehnlichkeit. Drit- tens müsse nach Müller’s Theorie ein allmähliger Uebergang von der Brust- zur Fistelstimme geben, indem immer weni- ger Fibern der Stimmbänder in Schwingungen versetzt wür- den. Dieses sei aber bekanntlich nicht der Fall, da der Uebergang immer mit einem Ruck erfolge. (Rücksichtlich des ersten Einwurfes hat Müller ausführlich die Wirkungs- verschiedenheit des M. Thyreo -arytaenoideus bei beiden Stimmarten entwickelt, I. c. II. p. 196. Ref.) — Im zweiten Theile seines Aufsatzes beschreibt P&etrequin zuerst die Falsetstimme, deren wesentliche Charaktere er in dem Timbre und in der Höhe des Tones erblickt. Ausserdem ist es noch eine Eigenthümlichkeit derselben. dass die Falsettlöne mit weit grösserer Leichtigkeit hervorgebracht werden, als die Brusttöne, so wie endlich, dass Personen, die von Natur kein Falset haben, dasselbe auch nicht erlernen können. — Zuletzt endlich folgt die Theorie des Verf., nach welcher bei der Falsetstimme die Stimmbänder in einen solchen Zu- stand versetzt werden, dass sie alsdann nicht mehr nach Art von Zungen schwingen, sondern das Mundstück einer Flöte darstellen, und. wie bei Instrumenten dieser Art, ist es daher nicht das Instrument, sondern die Luft, welche durch ihre Schwingungen den Ton erzeugt. Diese Theorie findet der Verf. in Uebereinstisnmung mit allen Eigenschaf- ten und Eigenthümlichkeiten der Falsetstimme, und erblickt sie auch direkt durch die Beobachtung dadurch bewiesen, dass wenn man während der Tonerzeugung auf dem Mund- stück eines Basson oder Hautbois die Schwingungen der Zunge durch Aufsetzen eines festen Körpers von den Seiten her aufhebe, der Ton dabei eine dem Falset eigenthümliche Veränderung erfahre. Die Erklärung der Art und Weise aber, wie die Stimmbänder bei dem Falset in nicht schwin- genden festen Zustand gebracht werden, bleibt Petrequin schuldig. (Es scheint mir nach alle dem nicht, dass Mül- ler’s Theorie widerlegt und Pötrequin's erwiesen wäre; letzteres um so weniger, da es sich noch sehr’ fragt, ob bei den Flöten die Luft das allein und primär Schwingende ist.) Schmidt’s Jahrb. IV, Supplementbd. 1845. p. 19. — Fror. N. Not. Nr. 635— 638. 70 4. Sensitive Prozesse. Allgemeine Physiologie des Nervensystems. — Gehirn. — Rücken- mark. — Rellexbewegungen. — Bellscher Lehrsatz. — Nerven. G. A. Spiess, Physiologie des Nervensystems mit be- sonderer Berücksichtigung pathologischer Zustände. Braun- schweig 1844. 8vo. Diese Schrift liefert eine gründliche und durchdachte Darstellung ihres Themas, welche auf eine vollständige Kenntniss des Materials gegründet ist. Des Ver- fassers Theorie ist, wie mir scheint, der möglichst einfache Ausdruck dieser Thatsachen, ohne mehr Subjektivität zu ent- halten, als dieses bei einem Thema, wie die Nerven, unver- meidlich ist. Von einer durch unzweifelhafte Thatsachen und auf sie gestützte Logik zur aa werann.) zwingen- den Theorie kann, meiner Ueberzeugung nach, bei diesem Thema noch nicht die Rede sein. C. F. Burdach, Umrisse einer Physiologie des Nerven- systems. Lief. I. Leipz. 8vo. Dieses Schriftichen, welches bei Gelegenheit der Jubilarfeier der Universität Königsberg geschrieben wurde, enthält eine allgemeine Physiologie des Nervensystems. Des Verf. Ansichten stützen sich auf be- kannte Thatsachen und Erfahrungen, welche daher hier keine neue Erwähnung finden können, während die Theorie selbst nur im Zusammenhange des Ganzen richtig aufgefasst wer- den kann, vorzüglich weil sie sich nicht in einem scharf be- stimmten Satze ausspricht. Der Verf. will die Nerventhä- tigkeit vorzüglich als eine dynamische aufgefasst wissen, und streitet gegen jede mechanische Vorstellung dabei. Es fragt sich freilich dabei, was man Dynamik und was Mechanik nennt. Vielleicht sind beide Vorstellungen nicht so sehr verschieden von einander, als es scheint, Charl. Bell, The nervous system ofthe human body ele. 3. Edit, London 1944. 8vo. J. Harrison, On essay towards a correct. theory of the nervous system. Philadelphia. 8vo. auch in: British and foreign. medical Review. Jul. p. 232. J. W. Earle, Import of the nervous system in secre- tion and in irritability. London medical Gazette. Vol. I. 1844—45. p. 278. und 404. Die betreffenden beiden Auf- sätze bezwecken nur die Unentbehrlichkeit und Wichtigkeit des Nerveneinflusses auf die Erhaltung aller übrigen und jedes einzelnen organischen Prozesses hervorzuheben. Foville, Traite complet de l’anatomie, de la physiolo- gie et de la pathol. du systeme nerveux cerebro-spinal. Pa- ris 1844. 8vo. 2 Bde. mit Atlas. 71 P. Flourens, M&moires d’anatomie et de physiologie eomparees, contenant des recherches sur etc. etc. Paris et Londres 1844. 4to, (Abdruck früherer akademischer Arbeiten.) Buchez, Theorie generale des fonctions du systeme nerveux. Paris 1843 (?). 8vo. Johnston Kelso, Ueber den wichtigen Einfluss, den das Gedächtniss auf die Handlungen der Thiere übt. The Lancet. Aug. 1844. Fror. N. Not. T. XXXI. p. 337. Ist keines kürzeren Auszugs fähig. Desmarais, Note statistique sur l’etat actuel de la seience experimentale des faits d’instinet et d’intelligence des animaux, Comptes rendus de l’Acad. des sciences de Paris. Tom. XVII. p. 1108., sucht, indem er sich auf die Arbei- ten von F. Cuvier, Flourens etc. bezieht, die Grenze z wi- schen Instinkt und Intelligenz festzustellen, und ferner Leu- ret’s Satz zu befestigen, dass man der Form des Gehirns keine zu grosse Wichtigkeit beilegen dürfe, und dass insbe- sondere, wo es sich um Instinkt handle, eine Theilung des Centralorgans kein Zeichen geringerer Entwickelung sei. Gabillot, Etude physiologique de Pinstinct chez l’homme et chez les animaux. Paris et Lyon 1844. 8vo. Journ. de Med. Oct. 1844. Dr. Wigan sucht (Lancet. I. 2. 1844.) nachzuweisen, dass man eine Dualität des Geistes anzunehmen habe, welche abhängig sei von der Duplicität der Organe, durch die er sich manifestire. Man habe nicht von 2 Hemisphären des Gehirns, sondern von 2 Gehirnen zu sprechen, jedes sei ein besonderes Ganzes, in jedem könne zu gleicher Zeit ein be- sonderer und verschiedener Denkprozess Statt finden. Dies einmal zugegeben, ist die übrige Entwickelung der Wigan’- schen Idee nicht schwer. Er führt als Stütze noch beson- ders an, dass man bei Geisteskranken immer 2 Gedanken- reihen nebeneinander verfolgen könne. Die Heilung hänge davon ab, dass der Wille des gesunden Gehirns den des kranken überwällige. Es kann auch ein Gehirn gänzlich un- brauchbar werden und doch die Geistesverrichtungen unge- stört sein, ebenso wie auch ein Einäugiger sieht. Alle Er- ziehung könne nur dahin zielen, die Energie beider Gehirne auf einen Gegenstand zu richten, so dass beide gleichmässig über einander die Aufsicht führen. Schliesslich wird an das Bewusstsein jedes Menschen appellirt; dies lehre, dass wirk- lich zwei, oft einander entgegengesetzte Willenskräfte in ihm vorhanden seien. Sch midi Jahrb. T. 44. p. 152. G. H. Mayer, Die Phrenologie vom wissenschaftlichen Standpunkte aus beleuchtet. Tübingen 1844. 8vo. Wie es 72 sich von jedem gründlich gebildeten Anatomen und Physio- logen erwarten lässt, tritt Mayer in dieser Schrift gegen die Phrenologie auf, indem er ihr Verfahren einer genauen Kritik unterwirft, und dieses mit Recht den wissenschaft- lichen Forderungen nicht entsprechend findet. Dabei wen- det er sich noch nicht einmal gegen das psychologische Sy- stem der Phrenologie, welches doch ebenso willkürlich und einseitig ist, als ihr anatomisches und physiologisches Ver- fahren. ; Choulant, Vorlesung über die Kranioskopie oder Schä- dellehre. Dresden 1844. 8vo. Diese populäre Vorlesung theilt die bemerkenswerthesten geschichtlichen Punkte der Schädel- lehre, und (was sie besonders empfehlen kann) eine vollstän- dige Literatur derselben mit. Rücksichtlich der Sache selbst scheint der Verf. von dem scheinbar und wirklich Wahren, was sie zu ihrem Besten benutzt, zu sehr eingenommen zu sein, als dass er sich getraule, dem offenbar Irrigen und Phantastischen entschieden entgegenzutreten. Freilich wird man dann finden, dass man von jenem den Kranioskopen sehr wenig, von letzterem sehr viel zuschreiben muss. Versuche von Haspel über die Funktion einzelner Hirn- theile bei Vögeln und Säugethieren lieferten, besonders gegen Magendie’s Angabe der näheren Beziehung einzelner Hirn- theile zu gewissen Formen der Bewegung, widersprechende. Resultate. Er fand, dass schon sehr unbeträchtliche Ver- letzungen der verschiedensten Hirntheile Lähmungen erzeu- gen, deren Grad mit dem Grade der Verletzung parallel läuft, und dass die verschiedenen Arten der Bewegungen, welche danach eintreten, wie Vorwärts- oder Rück wärtsslürzen, Drehung etc. nur mehr oder weniger ausgedehnte Grade der Lähmung andeuten. Nicht immer zeigte sich ferner die Läh- mung auf der der verletzien Hemisphäre entgegengesetzten Körperseite.e. Recueil de Mem. de Med. militaires. 1842. p- 72. und Oppenheim’s Zeitschrift. 1844. Bd. 25. P- N In der Gaz. med. 1844. No. 8. p. 152. wird ein Fall erzählt, wo der Kopf eines Kindes durch Beckenenge bei der Geburt sehr in die Länge gedrückt worden war. Dieses Kind hat diesen sonderbar gestalteten Kopf behalten. Es zeigt unglücklicher Weise für die Phrenologie keine Abwei- ehung seiner psychischen Eigenschaften. J. Swan, The principal offices of the brain and other Centres. London 1844. 8vo. Dieses ist nur eine kleinere Broschüre von 31 Pag. 8vo., in welcher der Verf. seine mehr durch Kritik, als durch neue Beobachtungen und Ver- 73 suche gewonnene Ansicht über die Funktion des Gehirns auspricht. G. Nicolucei, Sulle funzioni del cerveletto, in: Il Fi- liatre Sebezio, Mai, p. 257—265. Versuche mit Exstirpa- tion des kleinen Gehirns bei Säugethieren ergaben ähnliche Erfolge, wie die von Floureus, nur konnte der Verf. da- bei keine Drehbewegungen bemerken. Auch für einen un- mittelbaren Einfluss des kleinen Gehirns auf den Geschlechts- trieb sprachen die Versuche nicht. Alquie, Anat.-path. Studien über die Erscheinungen des Hirns, in: Gazette medicale de Montpellier. 1843. Sep- tembre — Decembre. 2 Aus pathologischen Beobachtungen zieht Alquie fol- gende Schlüsse über die Bedeutung einzelner Hirntheile für das Sprachvermögen: 1) Bei Meningitis findet sich die Sprache nicht gestört, wenn die Hirnsubstanz unverletzt bleibt. 2) Wenn ein Theil eines oder beider vorderer Hirn- lappen desorganisirt ist, so ist das Sprechen erschwert. 3) Desorganisation des Centrums der Hemisphären, so wie der hinteren Lappen, wenn sie die innere Partie oder die ganze Dicke der letzteren ergreifen, haben dieselbe Folge. 4) Aflektion der Oberfläche der Corp. striata stört die Sprache; blosse Affektion des Innern derselben nicht. 5) Der Einfluss der Thalami nerv. opt. ist veränderlich. 6) Desor- ganisalion des Pons Varolii stört das Sprachvermögen oder hebt es auf. 7) Das Corp. callosum, Septum pellueid. und kleine Gehirn haben keinen Einfluss auf die Sprache. Jour- nal de Montpellier. Sept. 1844. Schmidt’s Jahrb. 1846. Bd. 54. Nr. VII p. 11. Ein Böllerschuss nalım einem Menschen fast den ganzen Kopf weg. Grosses und kleines Gehirn waren zerrissen und zerstört; aus dem Hinterhauptsloch ragte die abgerissene Medulla oblongata hervor. Vom ganzen Gesicht war nur noch der Unterkiefer mit der Zunge übrig. Der so verstüm- melte Körper athmele noch fast } Stunde lang tief, langsam und röchelnd, und die Zunge zeigte heftige convulsivische Bewegungen. Oestr. med. Wochenschrift. 1844. Nr. 8. Chiapelli entwickelt eine neue (?) Theorie des Schla- fes; er soll abhängen: 1) von Vermindernng der Zufuhr des arteriellen Blutes zum Gehirn, 2) von Stockung des venösen Blutes im Gehirn, 3) von einem eigenthümlichen Zustande des Nervensystems, womit denn freilich Alles und Nichts erklärt wird. Raccoglitore medieo. 1844. April, Mai, Juni. Gazette medicale. 1844. No. 49. U. G. Birnbaum, Die Lehre von den Nervenceutris, 74 nach ihrer anthropol - psychischen Seite, in: Naumann, Wutzer und Kilian, Organ für die gesammte Heilkunde. Bd. II. 1842. p. 1. Bourgery sucht, ausgehend von dem Prineip, dass das Nervensystem, als Beherrscher aller Funktionen, sie auch insgesammt materiell zu repräsentiren habe, die Beziehungen der einzelnen constituirenden Theile dieses Systems in ihrem Verhältniss zu einander näher zu bestimmen. Er nimmt zu diesem Zweck das Gewicht des ganzen Gehirns vom Men- schen und verschiedenen Thieren, und ebenso das seiner hauptsächlichsten Theile im Einzelnen, und vergleicht nun das Verhältniss der einzelnen Theile desselben Gehirns zu einander, dann das der einzelnen Theile zum ganzen und endlich das derselben Theile verschiedener Gehirne zu ein- ander. Seine Resultate sind bis jetzt folgende: 1) Die Ent- wickelung der geistigen Thätigkeiten beim Menschen und des Instinkts bei den Thieren hält gleichen Schritt mit dem Quantum des gesammten Hirns. 2) Der Instinkt (es soll dies auch für die Seelenthätigkeiten des Menschen nachge- wiesen werden) ist desto mehr entwickelt, je mehr das Ge- wicht der Hemisphären und vielleicht auch des kleinen Ge- hirns im Verhältniss zu dem der Centra der Cerebrospinalaxe im Vortheile ist. 3) Das Nervensystem steht dreierlei Funk- tionen vor, nämlich erstens den eigentlichen Lebenserschei- nungen, die sich nach den Gesetzen der unorganischen Na- tur nicht erklären lassen; zweitens physikalischen, drittens chemischen. (Dies ist wohl kein Schluss aus den angeführ- ten Experimenten und überhaupt nur eine leere Phrase. Ref.) Bourgery bemerkt selbst, dass, um zu weiteren und siche- reren Schlüssen zu gelangen, es nun vor allem der Kennt- niss der physiologischen Eigenschaften der einzelnen Hirn- theile bedürfe. Mit dieser einmal ausgerüstet, wird eine durchgeführte Vergleichung, in der angegebenen Art, gewiss zu schönen Resultaten führen. (Sitzung der Acad. des se. 23 Septembre 1844. Arch. gen. de Med. Octobre 1844.) Turchetti theilt einen Fall mit, wo durch einen Schuss mehrere Schrotkörner in den linken vorderen Gehirnlappen eingedrungen, und in Folge davon Bluterguss unter die Dura mater, Eiterung und Erweichung des ganzen genannten Hirn- theiles eingetreten war. Nichtsdestoweniger war der Mensch am zehnten Tage nach der Verwandung scheinbar ganz her- gestellt. Alle Funktionen waren normal, nur hatte er die Sprache vollkommen verloren, obgleich die Zunge beweglich und empfindlich war. Der Fall schliesst sich also den von Bouillaud (Arch. gen. T. VII. p. 25. 1re serie) mitgetheil- ten an, nach welchen derselbe das Vermögen zur Sprache 75 in die vorderen Gehirnlappen verlegt. Ann. univ. di med, 1844. März. Arch. gen. Tom. V. p. 99. 1844. 4me Serie. Fror. N. Not. Nr. 677, Zur Physiologie des Weinens und der Thränen lieferten Goldschmiedt und Nathan zwei Aufsätze in Oppen- heim’s Zeitschrift. 1844. Bd. 26. p. 1. Encoutre, Memoire sur un cas de transposition du sens de la vue, in: Journal de la soc. de med. de Bordeaux. Aoüt. p. 471-491. J. M. Ame&d&e Guillaume, Physiologie des sensations. Tom. 1. Paris 1843. 8vo. Franc. Cortese, Trattato degli Organi costituenti l’apparato delle sensazione. Parte III. Organe dei sensi. Pa- dova 1843. 8vo. Nach Beobachtungen an Menschen und Thieren zieht Segalas den Schluss, dass das Rückenmark keinen Einfluss auf die Funktion der Nieren, Hoden, Ovarien, und keinen auf den Zustand des Harns, Saamens und des Fötus aus- übe, dass es aber die Contractionen der Blase, der Saamen- bläschen und des Uterus beherrsche. Erection, Begattung und Befruchtung können nach Wunden des Rückenmarks noch Statt finden. Arch. gen. 1844. Sept. Oppenheim’s Zeitschr. Bd. 27. p. 536. — Ausführlich in dem Bulletin de "Acad. royale de med. T. IX. p. 1101—1133. Dr. Budge hat anatomische Untersuchungen über den Verlauf der Nervenfasern im Rückenmarke des Frosches an- estellt, von welchen ich hier als physiologisch wichtig das esultat mittheile, dass nach demselben, in Uebereinstim- mung mit andern Forschern, gegen die Angaben Stilling’s die in das Rückenmark eintretenden Nervenfasern, dasselbe der Länge nach durchziehen. Ob sie das Gehirn erreichen, blieb unentschieden, Dieses Archiv 1844. p. 160. Ein Anonymus tritt gegen die gewöhnliche Lehre von den Reflexerscheinungen (Lond. med. Gaz. 3. Mai 1844. > auf und behauptet seine, so wie Andral’s und allemand's Beobachtungen bewiesen, dass, wenn das Ge- hirn seine Thätigkeit verloren habe, alle Reflexerscheinungen, auch bei unverletztem Rückenmark, aufhören. Es ist wohl unnöthig, auf die möglichen Fehlerquellen solcher Angaben aufmerksam zu machen, da die Richtigkeit der bestrittenen Sätze täglich durch’s Experiment bewiesen werden kann. In der Bet wurde aber der Gegenstand aufgenommen, und so finden sich denn in mehreren Blättern derselben, Vol. I, No. 18. p. 529., No. 21. p. 609., No. 25. p. 727., No. 27. p. 787., Vol. Il. No. 8. p. 222., Artikel von dem- selben Anonymus, Wilkinson King, Tyler Smith, Ca- 76 > leb Rose ete., welche diese Frage, in ihrer Beziehung zu pathologischen Beobachtungen, erörtern. W. King, On reflex nervous act and their disturbances and the more probable parts of the doctrine of Sympa- thies, in: The medical Times. Aug. p. 442 — 444., Septbr. p. 549 — 552. Dr. W. Arnold hat es für nothwendig gefunden, in einer eigenen Schrift: Ueber die Verrichtung der Wurzeln der Rückenmarksnerven, Heidelberg 1844, dem Bell’schen Lehrsatze entgegenzutreten. Dabei ist zuerst zu bemerken, dass er alle Thatsachen, auf welche derselbe gebaut ist, als richtig erprobt und anerkannt hat, aber der aus ihnen gezo- gene Schluss ist es, den wir uns auf eine bedauerliche Weise von Franzosen und Engländern haben aufschwatzen lassen. Den Beweis dafür sucht der Verf. erstens in einer Begriffs- bestimmung von „Empfindung“ zu geben, die sich durch nichts weniger, als durch ihre Klarheit und Schärfe aus- zeichnet. Dann aber theilt er einige Versuche (das einzige Ori- ginale der ganzen Schrift) mit, welche den Beweis liefern sollen, dass die hinteren Wurzeln die Hautnerven enthalten, daher allerdings Empfindungen vermitteln, central leiten, aber sie sollen auch peripherische Leitungen einschliessen; welche? das muss die Zukunft erst ermitteln. Die vordern Wurzeln enthalten die Muskelnerven, vermitteln daher allerdings Be- wegungen, leiten peripherisch, aber sie vermitteln auch die Muskelempfindlichkeit, setzen die Centralorgane des Nerven- systems in Kenntniss von dem Zustande der Muskeln, leiten auch central, Die Versuche, aus welchen dieses folgen soll, sind: 1. Ein Frosch, dem die hinteren Wurzeln der Nerven der hinteren Extremilät durchschnitten sind, bewegt dieselbe doch noch ganz dem Zwecke entsprechend und der Lage und Richtung des @liedes angemessen. (Der Beweis hierfür wird sehr mangelhaft und in Widersprüchen geführt. Denn während [p. 114. 3.] diese Zweekmässigkeit u. s. w. behaup- tet wird, heisst es p. 112. oben: die Bewegungen erfolgen . völlig kräftig; dieselben sind aber nicht so den Aussenver- hältnissen des Fusses angemessen, als bei unverletzten Ner- ven!! Und letzteres ist richtig, ersteres durchaus unrich- tig. Ref) 2. Abziehen der Haut eines Frosches, ganz oder nur für eine hintere Extremität, hat ganz denselben Erfolg, wie Durchschneiden der hinteren Wurzeln; der Frosch ist unempfindlich, man kann keine Reflexbewegungen mehr an ihm hervorrufen ete. (Diese Angabe schien mir allein eine Prüfung zu verdienen. Es ist nun ganz richtig, dass wenn man einem Frosche die Haut einer hinteren Extremi- tät abgezogen hat, so ist dieselbe gegen leisere und heftigere 77 Reize unempfindlich, und war er vorher geköpft oder nar- kotisirt, so kann man durch leichtere Reizungen nicht, wie sonst, Reflexbewegungen hervorrufen, wenn man nur Er- schütterungen des ganzen Körpers vermeidet. Allein man kann sich dann leicht überzeugen, dass dieses alles nur in der längst bekannten, sehr verschiedenen Reizempfänglichkeit der peripherischen Nervenverzweigungen und der Stämme begründet ist. So wie ein ganz unverletzter Frosch hefti- ger reagirt, wenn man seine Hautnerven irgendwo kneift, brennt ete., als wenn man einen Nervenstamm ebenso be- handelt, so verhält es sich auch ganz bei einem, dem man die Haut abgezogen, die Reizung der zurückgebliebenen Ner- venstämme wirkt schwächer, aber sie wirkt entschie- den. Der Frosch zeigt Empfindlichkeit, es entstehen Re- llexbewegungen im ganzen Körper, wenn man die Stämme der Nerven aufsucht und reizt, deren peripherische Verbrei- tungen in der Haut abgerissen worden sind. Was ist denn nun also durch diese Versuche gegen den Bell’schen Satz bewiesen? Nichts! und wir werden ihn ferner als wich- ligste Basis aller unserer Forschungen über die Aktion der Nerven zu betrachten haben. Ref) Castel, Des erreurs et subtililös qui sont nees de la division des nerfs en deux Systemes, savoir: le Systeme de nerfs eerebraux et le Systeme des nerfs ganglionnaires. Pa- ris. Fortin Masson. 1843. Auch Bulletin de l’Acad. roy. de Med. T. X. p. 80. Dieses sind auch subjektive Bedenken und Einreden gegen den Bell’schen Lehrsatz, welche mit Recht von der Akademie als Anachronismen zurückgewiesen wurden, die es nicht verdienten, sich mit ihnen zu be- schäfligen van Deen, Mikroskopische Waarneming over de wijze waarop sich by de hoogere Dieren de vezels der zenuwen in het ruggemerk tot de vezels van het ruggemerk zelf' ver- honden, in: Van der Hoeven en de Vriese, Tydschrift voor nat. Gesch. T. XL p. 118. Dr. Stark hat in dem Edinb. med. and surg. Journ. P. CLXI. Oct. 1844, übers. in Fror. N. Not. Nr. 706—709. inel., eine neue (?) Theorie über die Natur der Nerventhä- tigkeit aufgestellt. Er untersuchte zuerst die Nerven chemisch und mikroskopisch, und fand, dass sie lauter cylindrische Röhren darstellen, deren Wandung aus einer eiweisshalti- en und deren Inhalt aus einer ölichten Substanz besteht. Zuerst widerlegt er nun hiernach und nach anderen bekann- ten Thatsachen und Beobachtungen die eleetrische Natur der Nerventhätigkeit auf eine recht gründliche, aber eben nichts besonders Neues bringende Weise, als dass ser, im Gegensalz 78 gegen alle in neuerer Zeit vorgebrachte Hypothesen , her- vorhebt, wie die Leitungseigenschaften sowohl der Scheide, als des Inhaltes der Nervencylinder der electrischen Hypo- thesen widersprechen, da jene als eiweissartige Gebilde zu gute Electricitätsleiter sind, um die Eleetricität zu isoliren, und dieser, wie alle fette und ölige Substanzen, ein sehr schlechter Electricitätsleiter. Stark stellt dann die Hypo- these auf, dass die Nerventhätigkeit ein Impuls, eine schwin- gende Bewegung oder Welle der in den Nervenröhren ent- haltenen ölichten Flüssigkeit sei, und sucht dieselbe dadurch zu beweisen, dass sich nach ihr die Art und Weise, wie die verschiedenen Reize verschiedene Empfindungen und Be- wegungen, eben durch Erregung von solchen Wellen oder Schwingungen hervorrufen, oder dieselben in anderen Fällen durch Unterbrechung der Continuität des öligen Inhaltes die Fortpflanzung jener Wellen, und damit Empfindungen und Bewegungen aufheben, vollkommen erklären lasse; bei wel- cher Gelegenheit er dann nochmals die Unmöglichkeit, die Electrieität hier zur Erklärung benutzen zu wollen, zeigt. (Die Theorie von Wellenbewegungen und Schwingungen in den Nerven ist bekanntlich nichts Neues und schon oft und lange ausgesprochen. Allein so wie sie hier ausgesprochen worden, nämlich, dass die Nerventhätigkeit geradezu in den mechanischen Effekten der Bewegung des ölichten Inhaltes der Nervenprimitiveylinder bestehe, wüsste ich nicht, dass Jemand sie bereits vorgebracht hätte. In der That hat der Verf. auch nicht viel beigebracht, sie in dieser Richtung zu stützen. Denn alle von ihm angeführten Beweise laufen nur überhaupt auf eine Leitung und Fortpflanzung durch einen continuirlichen Leiter zurück. Er hätte uns zeigen sollen, dass in den Nervenröhren wirkliche Wellenbewegun- gen ihres Inhaltes vorkommen, ja nur, dass ihre wahrschein- lich elastischen und nachgiebigen Wandungen überhaupt ge- eignet sind, eine solche blitzschnelle und höchst feine Wel- lenbewegung ihres Inhaltes zu gestatten, noch mehr aber hätte er zeigen oder wenigstens daran denken sollen, wie die mechanischen Impulse jenes ölichten Inhaltes aus den wenigstens in der Peripherie geschlossenen Schlingen der Nervenröhren herausdringen, wie sie Zusammenziehungen der Muskel und contractilen Faser überhaupt, wie sie ver- änderte Erscheinungen der Absonderung und Ernährung und Mischung bewirken können ete. Ich erwähne dieses Alles, weil diese Theorie wieder einen Beweis abgiebt, wie ver- kehrt physiologische Untersuchungen auch von kenntnissrei- chen, ruhigen Männern geführt werden. Anstatt die Grund- bedingungen seiner Hypothese zuerst festzustellen, und wenn 79 ihm dieses gelungen, dann ihre Entwickelung und Ausfüh- rung in den speciellen Fällen zu versuchen, oder selbst ru- hig der weiteren Forschung zu überlassen, betrachtet der Verf. die Möglichkeit der Anwendung seiner Theorie für ei- nige der zahllosen Fälle der speciellen Erfahrung, als ebenso viele Beweise derselben. Ref.) Longet und Matteucei haben Versuche über die Wir- kung direkter und indirekter galvanischer Ströme auf rein centrifugale Nervenpartieen angestellt. Es stellten sich Zuk- kungen in den entsprechenden Muskeln nur beim Schlies- sen des indirekten und beim Oeffnen des direkten Stromes ein. Dies Resultat zeigt also eine Verschiedenheit von der Wirkung galvanischer Ströme auf gemischte Nerven, denn hier erfolgen (wenigstens wenn das zweite Stadium, d. h. eine gewisse Erschöpfung, abgewartet wird) die Zu- sammenziehungen nur beim Schliessen des direkten und beim Oeffnen des indirekten Stromes. Die zahl- reichen Versuche wurden an vorderen Wurzeln der Rücken- marksneryen und an den vorderen weissen Strängen des Rückenmarkes selbst gemacht, welche letztere sich ganz wie die vorderen Wurzeln verhielten. Auch hier erhielt man erst dann entschiedene Resultate, wenn die Reizung eine Zeit lang fortgesetzt, also das zweite Stadium der Reizem- pfänglichkeit abgewartet wurde. Die Zuckungen durch Schlies- sen des indirekten Stromes hielten immer länger an, als die durch Oefinen des direkten hervorgebrachten. Reizung der hin- teren Stränge des Rückenmarks, ruft, so lange sie im Zu- sammenhang mit dem Rückenmark stehen (wie bekannt, durch Reflex) immer. stossweise Zuckungen hervor, mag der Strom direkt oder indirekt sein, aber immer nur beim Schlies- sen. Die graue Substanz des Rückenmarks soll nichts mit der Uebertragung des Reizes zu thun haben, da sie sich bei jeglicher Reizung nicht bloss unempfindlich zeigte, sondern auch nie Zuckungen bewirkte; auch wurde durch ihre Zer- störung die Reizbarkeit der weissen Stränge, sowohl der vorderen, als der hinteren, in keiner Weise beeinträch- tigt. Sitzung der Ac. d. se 9 Sept 1844. Comptes rendus. T. XIX. p. 502 Arch. gen. de Med Octobre 1844. Ann, de Chimie et de Physique. 1844 T. XI p. 574. Baillar- ger et Cerise, Ann. med psychologiques. 1844. Novbr. Tavignot, De l’action de la cinquieme paire sur l’oeil, in: W’Experience. Octbr. p. 257—260. Aus mehreren pathologischen Beobachtungen und Expe- rimenten an Thieren, bei welchen man bei Paralyse des N. facialis eine eigenthümliche Alteration des Geschmackes auf der leidenden Seite, keine vollkommene Vernichtung dessel- 80 ben, sondern nur eine Verminderung und eine eigenthüm- liche Perversion desselben wahrnahm, zieht Bernard den Schluss. dass dieser Affeet von Lähmung der Chorda tym- pani abhänge, welche sich in der Mucosa der Zunge als motorischer Nervenfaden verzweige und durch ihre Action auf die Zungenwärzchen den den Geschmack bewirkenden Reiz schnell auf den sensoriellen Nerven übertragen mache. Arch. gen. Dee. 1844. p. 480. Schmidt’s Jahrb. 1845. Bd. 47. p. 281. J. A. Hein hat die Bearbeitung einer Preisfrage der med. Fak. in Heidelberg über die Nerven des Gaumensegels in diesem Archive p. 297. mitgetheilt. Das physiologische Ergebniss wurde ausschliesslich durch Reizung der Nervenwurzeln an eben geköpften Thieren erreicht, und da ich diese Versuche grösstentheils selbst angestellt habe, und für Vermeidung aller mir bekannten Irrlhumsquellen möglichst Sorge trug, so glaube ich, dass diese Reizversuche ziemlich sichere Re- sultate in Betreff der angeregten Frage, besonders rücksicht- lich der Bewegungen des Gaumensegels, ergeben haben. Es wurden aber bei Reizung des dritten Astes des Trigeminus Zuckungen des Tensor veli palatini; bei Reizung der Wurzeln des Glossopharyngeus sowohl, als bei denen des Vagus und Aecessorius Willisii Zuekungen des Levator veli palatini und des Azygos uvulae, und bei Reizung der beiden zuletzt ge- nannten Nerven Zuckungen des Pharyngo-palatinus 'beob- achtet. Reizung des Facialis brachte keine Bewegungen am Gaumensegel hervor. Der Verf. knüpft an diese Versuche eine Darstellung der Theorie über die Hirnnzerven, welche ich in meinen Vorlesungen vorzutragen pflege, und welche die Ueberzeugung ausspricht, dass die Hirnnerven sämmt- lich in ihren Zweigen central und peripherisch leitend, oder sensibel und motorisch sind. Deutliche Schmerzensäusserungen bei Durchschneidung des Facialis beobachtete Burow. (Casper’s Wochenschr. 1844. p. 12. Neumeister, Jahrbücher. 1844. Juni. p. 96.) Die Lähmung der Muskeln der betreffenden Seite hörte noch an demselben Tage, bis auf Verziehen des Mundes beim Sprechen, vollkommen auf. C. Spinelli, Sulla funzione del nervo glossofaringeo, in: Il Filiatre Sebezio. Jul. p. 18—20. Der Verf glaubt aus einem Krankheitsfall, bei dem aber keine Section ge- macht wurde, den Beweis entlehnen zu können, dass der Glossopharyngeus, ausser der Empfindlichkeit des hinleren Theiles der Zunge, auch den Bewegungen derselben zum Theil vorstehe, 81 Guarini, Dell’ uso della corda del timpano. Omo- dei, Annali univers. di Medieina. T. 106. 1844 p. 343. Zur Erforschung des Einflusses des N. vagus auf die Verdauung sind abermalige Versuche von Bernard ange- stellt worden. Er benutzte zu denselben Hunde, welchen vorher eine Magenfistel augelegi worden war, wonach die Funktionen des Magens nicht gestört waren. Bei leerem Ma- gen und nach leichter Reizung der sogenannten Magenschleim- haut mit einem Schwamme wurden beide Vagi durchschnit- ten. Sogleich verlor diese Magenschleimhaut ihren Turgor und wurde blass. Die Empfindlichkeit und Bewegung des Magens, so wie die Absonderung des Magensaftes hörten sogleich auf und nur eine reichliche Absonderung eines neutralen Schlei- mes erfolgte. Er brachte nun Fleisch und Milch mit Rohr- zucker in den Magen. Nach zwei Stunden war Alles noch unverändert, die Reaktion neutral, die Milch nicht geronnen. Nach zehn Stunden reagirte der Mageninhalt sehr stark sauer, allein, wie die Untersuchung sogleich ergab, nur dadurch, dass sich Milchsäure erzeugt hatte. Das Fleisch war unver- ändert, selbst noch nach 24 Stunden. Bei einem anderen Hunde beobachtete Bernard, wie sich nach Durchschnei- dung der Vagi der Rohrzucker im Magen erst in Trauben- zucker und dann in Milchsäure umwandelte. Dieses ist bei der normalen Verdauung nie der Fall. Obgleich der Magen- saft alsdann sehr sauer reagirt, enthält er doch keine Milch- säure, sondern inımer noch unveränderten Rohrzucker bis zum+Ende der Digestion. Sind Stoffe, die keiner sauren Umsetzung unterworfen sind, wie z. B. Fleisch, in dem Ma- gen nach Durchschneidung der Vagi, so bleibt die Reaktion neutral. Bernard schliesst hieraus, dass 1) sowohl die Empfindlichkeit, als Bewegung des Magens von dem Vagus abhängig sind, 2) dass die Verdauung aufhört, weil kein saurer Magensaft mehr abgesondert wird, 3) dass dieser Magensaft die spontauen Zersetzungen der Stoffe im Magen hindert, während er sie auf eigenthümliche Weise auflöset und umwandelt. In Beziehung auf letzteren Punkt ist noch ein anderer Versuch von Bernard interessant. Man weiss, dass Emulsin und Amygdalin jedes für sich durchaus un- schädlich sind. Kommen sie indessen zusammen, so ent- wickelu sie Blausäure als heftiges Gifl. Er nahm nun zwei Hunde, durchschnitt bei einem die Nervi vagi und gab jedem eine Dosis Emulsin. Nach 4 Stunde gab er jeden auch eine Dosis Amygdalin. Der Hund, bei. welchem die Vagi durch- schnitten war. krepirte nach 4 Stunde unter den Sympto- men einer Blausäure- Vergiftung, der andere blieb am Leben, offenbar weil bei letzterem das Emulsiu bereits durch den Müller's Archiv 1846, F 82 Einfluss des Magensaftes seine Eigenschaft auf das Amygda- lin zu wirken verloren hatte, bei ersterem dagegen nicht. Gaz. med. 1844. No.22. p. 354. Comptes rendus. T.XVIN. No. 22. und 27. Mai 1844. Fror. N. Not. Nr. 724. Oestr. med Wochenschrift. 1844. p. 1028. Eine Abhandlung und neue Versuche über den Acces- sorius Willisii hat Bernard in den Archives gen. Avril 1844. p. 388. zu publieiren angefangen. Der erste Theil ist historisch - kritisch, und namentlich auf die Abhandlung des Ref. gerichtet Es lässt sich aus demselben so viel er- sehen, dass der Verf. den Einfluss des Accessorius auf die Bewegung der Stimmritze und die Erzeugung der Stimme zugiebt und bestätigt fand, dagegen im Allgemeinen die Theo- rie, dass der Accessorius bloss ein cenlrifugaler, sogenannter motorischer, der Vag. ein nur centripetaler, sogenannter sen- sitiver Nerve sei, verwirlt, ein Resultat, zu welchem be- kanntlich auch Ref. schon längst zurückgekommen ist, In dem zweiten Theile, Mai p. 54., theilt der Verf. seine Ver- suche mit. Die Wiederholung derselben nach des Ref. Me- thode gelang ihm nur unvollkommen, da die Thiere mei- stens bald starben, wie er glaubt, durch Lufteintritt in die Venen, den Ref. auch mehrmals, aber nicht immer beobach- tete. Er bestätigte indessen doch schon durch diese Me- thode, dass nach Durchschneidung aller Wurzeln des Access. die Stimme verloren ist; und fand, dass vorzugsweise die oberen Wurzeln diesen Einfluss auf die Stimmerzeugung ha- ben. Um aber die Thiere länger am Leben zu erhalten, wählte er eine andere Operationsmethode, indem er den Access. an seinem Durchtritt durch das For. lacerum auf- sucht, hier mit einer Pincette fasst und mit allen Wurzeln ausreisst, was bei Katzen, Kaninchen, Ratten, nicht aber bei Hunden, ganz vollkommen zelingen soll. Nach dieser Opc- ralion zeigten nun die Thiere, wenn sie in Ruhe waren, gar keine Veränderung, ausser dass sie die Stimme ganz verloren hatten. Beunruhizte man sie aber, so zeigten sich Schwierigkeiten beim Schlucken, Atlımen und selbst bei den Bewegungen des ganzen Körpers. Die ersteren leitet der Verf. von Lähmung der Schlundmuskeln zum Verschliessen des Einganges in den Kehlkopf, die zweiten und letzten von Lähmung des Sternocleidomastoideus und Cueullaris ab, wo- durch sowohl die Athembewegungen beeinträchtigt sind, als die Muskeln des Stammes an ihrer Fixirung verloren haben. Der Verf. entwickelt nun daraus eine Theorie über die Be- ziehung des Access. zum Vagus und namentlich zam Athem- prozess. Wir finden im Gebiete des Vagus offenbar zwei verschiedene Arten von Bewegungen. Die einen sind un- 33 willkürliche, sogenannte organische, die anderen sind will- kürliche, animale, und die letzteren erscheinen als tempo- räre Modifikationen der ersteren. Alle jene Bewegungen nun beherrscht der Vagus an und für sich, die letzteren aber stehen unter dem Einfluss des Accessorius. Verf. thut dieses namentlich für die Bewegung des Kehlkopfes dar, von wel- chen die sogenannten respiratorischen nach Zerstörung des Access. durchaus nicht aufgehoben sind, sondern nur die zur Hervorbringung eines Tones erforderlichen. In der That scheint diese Arbeit die divergenteif Ansichten und Ergeb- nisse der Versuche über deu Access. vollkommen zu verei- nigen. Sie erklärt es, wie Ref., Longet und nun auch der Verf. die Stimme der Thiere bei Aufhebung des Einflusses des Access. verloren gehen sahen, und dennoch Volkmann, v. Kempen, Schilling u. A. bei Reizung der Vagus-Wur- zeln Bewegungen an den Kehlkopfmuskeln bemerkten. Nur will ich auch nochmals hervorheben, dass ich schon seit lange nichts anderes mehr behauptet habe. Schmidt’s Jahr- bücher. Bd. 44. p. 9. Ein Dr. Procter will durch Galvanisiren eines sich mit dem N. ischiadieus verbindenden Zweiges des Sympathi- eus bei einem so eben getödteten Pferde Pulsationen an der Arterie und sogar den Kreislauf in den kleineren Gefässen wieder hervorgerufen haben. A Treatise on ihe use of the sympathetie nerve. Lond. 1844. Fror. N. Not. Nr. 749. Dieses möchte, wenn richtig, die inleressanteste Thatsache des vorstehenden Werkes sein, in welchem der Verf. übri- gens den Beweis zu liefern sucht, dass der Sympath. nur und allein die Contractilität der Arterien regulire. Das Resultat mikroskopischer Studien über die Struk- tur der Ganglien und den Ursprung der Nerven bei wirbel- losen Thieren, welches Will in Erlangen in einem Aufsätze in diesem Archiv 1844. p. 76. mittheilt, ist für die Pbysio- logie des Nervensystems zu wichtig, als dass wir desselben nicht auch hier Erwähnung thun sollten. Denn er über- zeugle sich, dass die Nervenprimitiveylinder wirklich mit den Ganglienkugeln in Verbindung stehen, oder von diesen entspringen, und da Helmholtz und Hannover, so wie Kölliker, letzterer auch bei Wirbelthieren, ein ähnliches Resultat erhalten haben, so werden wir unsere physiologi- schen Schlüsse in Zukunft mit Recht aul dieseu Ursprung der Nerven von den Ganglienkugeln stützen können und müssen. A. Kölliker, Die Selbstständigkeit und Abhängigkeit des sympathischen Nervensystems. Ein akadeın. Programm. 1844. 4to. Zur Entscheidung des alten, in neuester Zeit F 2 84 zwischen Valentin und Volkmann-Bidder wieder auf- gelebten Streites über die Natur des sympathischen Nerven hat Kölliker diese Frage auf anatomischem Wege zu lösen gesucht. Er stimmt Valentin gegen Bidder und Volk- mann bei, dass man die sympathischen Nervenfaden nach ihrem mikroskopischen Verhalten nicht von den Gehirn- und Rückenmarksnerven unterscheiden kann, obgleich sie in der Regel feiner, ohne doppelte Contouren und leicht varieös erscheinen. Dagegen salhı er, wie Bidder und Volkmann, dass die Zahl der in den Rami communicantes der Rücken- marksnerven des Frosches enthaltenen sympathischen Fasern viel grösser ist, als dass dieselben von den Rückenmarksner- ven stammen können, sondern im Sympathicus entspringen müssen. Dieser Ursprung befindet sich aber, wie Kölliker sich wiederholt und bestimmt überzeugte, in den Ganglien und von den Ganglienkugeln als einfache Ausläufer dersel- ben, wie schon Helmholtz, Will und Hannover anga- ben. (Dr. Bardeleben hat diesen Ursprung in Ganglien des Sympalhicus und in der Scheidewand der Herzvorhöfe des Frosches ebenfalls bestimmt gesehen. Ref) — Kölli- ker ist danach der Ansicht, dass der Sympathicus in der That selbstständige Fasern enthält, durch welche motorische und reflektorische Effekte erzeugt werden. Zugleich steht derselbe aber auch durch Fasern mit dem Gehirn und Rük- kenmark in Verbindung, durch welche Empfindungen, Re- flexerscheinungen, so wie Bewegungen auf Vorstellungen und Affekte hervorgerufen werden können. Einen sogenannt organischen (d. h. wohl chemisch modifieirenden) Einfluss, anders als durch Veränderung der Contractilität der Gefässe, läugnet Kölliker durchaus. Dupuy, Note sur l’exstirpation des ganglions cervi- caux superieures du nerf grand sympalhique, in: Bulletin de l’Acad. de Med. Septbr. p. 1156 —1158. Diese Mitthei- lung beirifft-die bekannten, vor 40 Jahren von Dupuy mit Dupuytren angestellten Versuche bei Pferden. Prof. Bidder hat sehr merkwürdige Versuche an Frö- schen angestellt, durch welche er die Selbstständigkeit des sympathischen Nervensystems, welche er und Volkmann früher auf anatomischem Wege darthaten, nun auch funktio- nell festzustellen suchte. Er zerstörte bei Fröschen das Rük- kenmark, oder das Hirn, oder das Hirn und Rückenmark, immer nur mit Erhaltung desjenigen Stückes der Medulla oblongata, von welcher die Athembewegungen abhängig sind, und sah danach die Frösche, während alle Erscheinungen des animalen Lebens und die Reflexerscheinungen verschwun- den waren, im ersten Falle nach 10.Wochen, im zweiten 85 8—14 Tage, im dritten bis 5 Tage nach der Operation le- beu. Die Bluteireulation und der Herzschlag erhielten sich ungestört, hydropische Infiltration der hinteren Extremitäten, Abschuppung der Epidermis, Abmagerung, Abfaulen der Zehen und hinteren Extremiläten, welche andere Beobachter (Valentin, Stilling) nach Zerstörung vom Rückenmarke gesehen haben wollen, wurden entschieden nur als zufällige, . begleitende und durch anderweitige Einflüsse herbeigeführte Erscheinungen erkannt. Dagegen zeigte sich der Darmkanal, wie gewöhnlich, gegen mechanische Reize empfindlich, in- dein an der gereizten Stelle eine ringförmige Einschnürung entstand. Die Absonderung des Urins dauerte fort; allein er sammelte sich in grosser Menge in der Harnblase an und bewirkte eine bedeutende Ausdehnung derselben, zum Be- weise, dass ihre Entleerung gelähmt war, die demnach von dem Rückenmarke abhängig ist. Letzteres zeigte auch eine zweimalige Beobachtung bei enthirnten Fröschen, bei wel- chen Bidder auf Reizung der hinteren Extremitäten als Re- flexerscheinung eine kräftige Entleerung des Urins im Strahle erfolgen sah. Die Absonderung der Galle schien bei den operirlen Fröschen ebenfalls nicht geändert zu sein. Die Schleimhaut des Magens und Darnıs hatte ihr normales An- sehen und Stücke von Regenwürmern wurden vollkommen verdaut. Wenn daher so alle Vorgänge des sogenannt ve- etativen Lebens, Blutlauf, Herzthätigkeit, Darmbewegungen, esorption, Sekretion, Verdauung u. s. w. nach Zerstörung des auimalen Nervensystems unverändert fortdauern, 50 scheint der Schluss gerechtfertigt, dass diejenige Nervenpar- tie, von welcher diese Vorgänge influeneirt werden, nicht von diesem animalen Nervensystem in einem abhängigen Verhältniss stehen, sondern rücksichtlich der Quelle ihrer Aktionen als selbstständig betrachtet werden müssen, Volkmann hat in diesem Archiv p. 418. wichtige Ver- suche bekannt gemacht, welche beweisen, dass die Ursache der Bewegungen der Lymphherzen beim Frosche im Rücken- marke, die Ursache der Bewegung des Herzens in den Ner- ven und Ganglien des Herzens selbst liegen. Die Lymph- herzen hören augenblicklich auf zu pulsiren, wenn man das Rückeninark zerstört, und zwar die vorderen bei Zerstörung des Rückenmarks in der Gegend des dritten, die hinteren bei Zerstörung desselben in der Gegend des achten Wirbels. Der Einfluss dieser Stellen des Rückenmarks wird durch die vorderen, Wurzeln vermittelt, nach deren Durchschneidung die Lymphherzen nicht mehr pulsiren. Die sich in dem Lymphherzen verbreitenden Nerven sind, gewöhnliche ani- male Nerven, Ganglienkugeln finden sich in denselben nicht. 86 Dagegen schlägt das Blutherz bekanntlich ausgeschnitten noch stundenlang fort, und Volkmann zeigt durch mehr- fach abgeänderte Versuche mit Zerschneiden des Herzens, dass die Bewegungen der einzelnen Theile desselben durch eine sich im Herzen selbst entwickelnde Ursache in ihrer Regelmässigkeit und Rhythmus unterhalten werden. Stücke des Herzens, die von dieser Quelle der Erregung von Con- tractionen getrennt sind, ziehen sich nicht mehr von selbst zusammen, während sie noch vollkommen reizbar sind. An- dere Stücke, in denen diese Erregungsquelle noch erhalten ist, setzen ihre spontanen Oontractionen [ort. Volkmann betrachtet die Ganglienkugeln im Herzen als diese Quellen der Nervenaktionen; und da solche in der That im Herzen des Frosches reichlich vorhanden sind, so erscheint diese Erklärung völlig gerechtfertigt. 5. Produktive Prozesse. Zeugung. — Menstraalion. — Entwicklung. Berruti, Ueber Generatio spontanea und die Natur der Saamenthierchen, in: Giornale delle scienze mediche della societa medico-chirurg di Torino. 1843. Febr. M. Medici, Riposta ad una lettera indirizzatagli dal Prof. Berruti intorno la generazione spontanea degli insetti e la natura degli zoospermi, in: Giornale per servire ai Pro- gressi. Octbr. Novbr. 1343. p. 391 —474. Der verstorbene Prof. Berres hat in den Oestr. Jahr- büchern, April — December 1843, Erfahrungen über die Zeu- gung beim Menschen mitgetheilt, welche im Auszug auch in Schmidt’s Jahrb. IV. 1845. p. 28. wiedergegeben sind. Ich habe in denselben keine irgend bemerkenswerthe Er- weiterung unserer Kenntnisse, sondern höchstens nur eine auf eigene Beobachtungen gegründete Kritik der Angaben Anderer finden können, welche meistens auch nur unbedeu- tende Differenzen betrifft, während wesentliche und wichtige Fragen keine oder nur eine schwankende, von der gewöhn- lichen nicht differirende Beantwortung finden. Ich halte es deshalb nicht für begründet, Berres’ Aufsatz genauer hier zu verfolgen. Dr. Wildberg erzählt in den Annalen der Staatsarznei- kunde, IX. 3. p. 521. 1844, einen Fall, in welchem ein Mädchen, noch nicht 15 Jahre alt und noch nicht menstruirt, heirathete.e. Vier Wochen nach der Hochzeit trat die Men- struation ein und dauerte 3 Tage. Dennoch seien Zeichen vorhanden gewesen, dass die Frau bereits früher coneipirt. 87 Die Menstruation tral nicht wieder ein und die Geburt folgte gerade in der 40sten Woche nach der Hochzeitsnacht. (Ich theile diesen Fall mit, weil er sehr wahrscheinlich benutzt werden könnte, zu beweisen, dass Conception ohne Men- struation Statt finden könne, obgleich dem schon die Erfah- rungen aller Zeiten widersprochen. Ich will aber zeigen, wie hier und in ähnlichen Fällen die Erklärung nicht schwie- vig ist. Da es nur auf Reifung und Loslösung eines Eies, nicht auf die Blutausscheidung aus dem Uterus ankommt, so konnte es sehr wohl sein, dass zur Zeit der Hochzeit gerade ein Ovulum sich gelöset hatte und nun befruchtet wurde, obgleich das äussere Zeichen der Lösung, die Blu- tung, fehlte. Dafür spricht sehr, dass gerade 4 Wochen nach der Hochzeit eine abermalige Lösung eines Eies, jetzt mit Blutausscheidung. Statt fand. Die Hochzeit hatte dem- nach zur günsligsten Zeit für die Befruchtung Statt gefun- den. Alle Fälle, wo ohne Menses Empfängniss eintrat Dr. Wildberg erzählt gleich ai einen andern solchen Fall], sind sicher auf ähnliche Weise, durch Reifung eines Eies, aber ohne die eigentlich nur symptomatische Blutaus- scheidung, zu erklären. Ref.) Ruffini theilt einen Fall von angebornem Mangel des Uterus bei einer Dame mit, welche von sehr guter Consti- tution, schönen und regelinässigen Formen, nie menstruirt war, zur entsprechenden Zeit der Menstruation aber an schmerzhafter Anschwellung der Brüste und Turgescenz der Blutgefässe der umliegenden Theile litt. (Unzweifelhaft wa- ren die Eierstöcke vorhanden; der Uterus ist nur sekundär bei der Blutausscheidung betheiligt. Ref.) Gaz. med. di Mi- lano 1844. Maggio. Oppenheim’s Zeitschrift 1845. Bd. 30. Heft 1: p: 92. Robertson verfolgt seine Absicht, nachzuweisen, dass die Geschlechtsreife bei dem weiblichen Geschlechte auf dem ganzen Erdboden so ziemlich zu demselben Alter eintritt. Er liefert jetzt eine Tabelle, aus welcher dieses für die Grie- ehinnen hervorgeht. Die Menstruation trilt in der Regel zwischen dem I2—15ten Jahre ein und hört zwischen dem 40—50sten auf. Edinb. ımed. and surg. Journ. Jul. 1844. Oppenheim’s Zeitschrift 1844. Bd. 27. p. 530. Die Geburtslisten Hamburgs vom Jahre 1843 zeigen, dass im Monate Februar, 9 Monale nach der Feuersbrunst, die eringste Anzahl von Kindern im ganzen Jahre geboren wur- en, namentlich 59 Kinder weniger als 1842. Oppenheim’s Zeitschrift 1844. Bd. 26. p. 539 Moreau wiederholt in der Experience 1844. 4. Juli die Ansicht, dass das Geschlecht der Frucht von dem überwie- 88 genden Einflusse des einen oder anderen Theiles abhängig sei, und man die Bestimmungen desselben daher theilweise durch Schwächung oder Stärkung des einen oder anderen Theiles willkürlich in der Hand habe. Froriep’s N. Not. Nr. 684. Dr. Droste theilt sieben, wie er meint, „‚unbestreit- bare“ Fälle von sogeuanntem Versehen der Schwangern mit. Oppenheim’s Zeitschrift 1844. Bd. 25. p. 289. (Ich für mein Theil finde die meisten derselben sehr bestreitbar, ja sie entsprechen nicht einmal dem doch schon von Meckel festbestimmten Begriffe des Versehens. Ref.) Dr. Pank glaubt seine Annahme einer sich neu ent- wickelnden organischen Verbindung zwischen Tuba und Eier- stock durch sechs Beobachtungen von pseudomembranösen Bildungen an der hinteren Seite des Uterus unterstützen zu können. Oppenheim’s Zeitschrift 1844. Bd. 25. p. 295. (Unbefangenen liefert Hr. Pank hierdurch selbst den Be- weis, dass diese Pseudomembranen nichts mit der Conception zu thun haben. Ref.) James Simpson weiset nach, dass die Angabe, Frauen, die als Zwillinge mit einem Knaben geboren seien, unfrucht- bar seien, auf gar keinem Grunde beruht. Zwillinge ver- schiedenen Geschlechts sind gar nicht so selten. Von 113 Frauen, welche Zwillingsbrüder hatten, hatten 103 Kinder und 10 waren kinderlos; von den 103 Brüdern hatten 53 Kinder, 24 starben früh, 8 blieben unverheirathet und von 14 liess sich nichts Bestimmtes ermitteln. Edinb. med. and surg. Journ. Jan. 1844. p. 107. Oppenheim’s Zeitschrift 1844. Bd. 27. p. 532. Fror. N. Not. Nr. 620. und 621. In Be- ziehung auf die Thiere fand Simpson dasselbe Resultat, mit der einzigen merkwürdigen Ausnahme, dass von Zwil- lingen verschiedenen Geschlechts beim Rinde in der That das weibliche in der Regel mit unentwickelten Geschlechtstheilen geboren wird. Das männliche Junge ist immer vollkommen gebildet, und ebenso wenn die Zwillinge gleichen Geschlechts sind. — (Im Weimarschen liessen sich keine Unterstützungs- gründe für diese letzte Angabe auffinden.) Einen Fall von Vaginal- Schwangerschaft (gewiss in Beziehung auf den Bau der Placenta sehr interessant, Ref.) theilt Mackeprang mit. Die Sektion ist nicht mitgetheilt, obgleich die Frau starb. Oppenheim’s Zeitschrift 1844. Bd. 25. p. 205. Berthold glaubt für die Dauer der Schwangerschaft eine eenauere Bestimmung geben zu können, als die gewöhn- liche, dass die Geburt vor der Wiederkehr der 10ten nicht erfolgten Menstruation Statt finde. So wie man nämlich 89 beobachtet, dass der Typus der Wiederkehr der Menstrua- tion bei verschiedenen Individuen, oder selbst bei demselben Individaum, in verschiedenen Lebensaltern und unter ver- schiedenen Verhältnissen verschieden ist, so ist danach auch die Dauer der Schwangerschaft verschieden. Man muss des- halb in jedem Falle genau die Zeiten der zehn, der Schwan- gerschaft vorausgegangenen Menstruationen ermitteln, und wird dann finden, dass diesen auch die Dauer der Schwan- gerschaft und die Zeit der Geburt genau entspricht. Abhandl, der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. II. p. 181. Arch. gen. de med. Tom. V. 1844. p. 236. Comptes rendus. Tom. XVII. p. 1003. F. Glaser, Menstruatio respectu physiologica. Budae 1843. 8vo. John Warwick, Notes on menstruation. London ıned. Gazette 1843—1844. Vol. 1. p. 863. Diese Bemerkun- gen verbreiten sich nur über die Beschaffenheit des Men- strualblutes, welches der Verf. für identisch mit anderem Blute hält, und sein Nichtgerinnen nur von der langsamen Absonderung und Vermischung mit Vaginalschleim ableitet. Den ganzen Prozess im Uterus betrachtet der Verf. als den Ansatz gewissermaassen zur Bildung einer Decidua bei dem gleichzeitigen jedesmaligen Austreten eines Ovulum aus dem Eierstocke. Charles Ritchie, Contributions to ihe physiology of the human ovary. London med. Gaz. 1843—1844. Vol I. p- 365, 652, 737, 793, 854. Vol. II. p. 7, 137, 253, 281, 370. Froriep’s N. Not. Nr. 679. und 680. — Diese Un- tersuchungen Ritchie’s, die schon im vorigen Jahresbericht erwähnt wurden, zeichnen sich durch eine fast erdrückende Masse von Speeialiläten aus, bei welchen auch den Verf. kein Plan, kein Zweck geleitet zu haben scheint. Daher ist auch das Resultat dieser wahrscheinlich sehr mühevollen Arbeit in meinen Augen sehr gering, und selbst der künftige Forscher wird Mühe haben, das gesammelte Material nütz- lich zu machen. Ich erblicke in dieser Arbeit ein Beispiel einer verkehrten sogenannten unbefangenen (d. h. gedanken- losen) Forschung. Selbst die Resultate, die sich aus ihr er- . zu haben scheinen, tragen in sich den Charakter der Jnwahrscheinlichkeit an sich, z. B. die schwankenden An- gaben in Beziehung auf die Abhängigkeit der Menstruation von dem Reifen und Austreten der Eier in den Gr. Bläs- chen, und von dem Einflusse dieses Vorganges auf die Men- struation, d h. auf die Blutausscheidung aus dem Uterus. Wem wird es wahrscheinlich sein, dass, wie des Verl. Be- obachtungen ergeben, beide in gar keinem Zusammenhange 90 stehen, mag er auch sonst von der Art des Zusammenhanges beider denken, was er will. Bei diesem ganz speciellen Oha- rakter der Arbeit Ritchie’s ist-es um so unmöglicher, hier ihren Inhalt weiter zu verfolgen, und ich möchte es be- dauern, dass der Verf. einem bedeutenden Materiale (er un- tersuchte über 100 Fälle beim Menschen, die zur Beleuch- tung der Fragen nach der Beziehung des Eierstocks zu den sonstigen geschlechtlichen Funktionen benutzt werden konu- ten) keine entsprechenden Resultate abgewinnen konnte. Rob. Knox, Contributions to anatomy and physiology. The corpus luteum. London med. Gazette. 1843—1844, Vol. I. p. 367, 573, 605, 715, 759. Diese Fortsetzung der schon im vorigen Jahresbericht mitgetheilten Arbeit von Knox über die Corp. lutea rührt vorzüglich von dessen Bruder F. J. Knox her, und betrifft zum Theil die Hun- ter’schen Präparate und E. Hoınes’ Beschreibung derselben, zum Theil die Beschaffenheit, Grösse ete. der Corpora lutea bei verschiedenen Thieren. Ich habe nichts in dem Aufsatze finden können, was in Beziehung auf die uns in Betreff der Corp. lutea interessirenden Fragen von Belang wäre. Es sind fast nur rein anatomische Beschreibungen, von frische- ren oder älteren Corp. lutea. A. Zwicky, De corporum luteorum origine atque trans- formatione Diss. inaug. Turiei. 1844. 8vo. Im dieser fleis- sigen Dissertation beschreibt der Verf. vorzüglich die mi- kroskopischen Elemente der gelben Körper von Schweinen und Kühen auf verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung und Rückbildung, in welcher Beziehung ich auf die Dissertation selbst verweise. Dagegen will ich diejenigen seiner Aussa- gen genauer angeben, welche von allgemeinerem Interesse sind. Rücksichtlich der noch nicht geöflneten Grf, Bläschen findet sich bei dem Verf. die auffallende Aussage, dass die sogenannte Membrana granulosa von Blutgefässen durchzo- gen sei. Das hat bisher noch Niemand gesagt, und ist zu- verlässig auch nicht der Fall. Den Inhalt der Grf. Bläschen beschreibt der Verf. als regelmässig Zellen und Körnchen führend, gegen meine Angabe, dass derselbe mit Ausnahme der abgelöseten Zellen der Membr. granulosa keine mikrosko- pischen Elemente enthalte. Die Sache ist an und für sich gleichgültig; meine Aussage war nur gegen die früheren An- gaben gerichtet, dass der Inhalt des Grf. Bläschens eine kör- nerreiche Flüssigkeit sei, zwischen deren Körnern auch das Eichen flottire. In der That beharre ich auch dabei, dass dieser Inhalt vollkommen klar und durchsichtig ist, und wenn das Grf. Bläschen und der Eierstock vor dem Eröffnen nicht gedrückt, öfter angefasst, hingelegt u. ». w. wird, in 9 der Regel gar keine mikroskopischen Elemente enthält. Doch bestreite ich es nicht, dass sich zuweilen auch einzelne Zellen und Körnchen, selbst ganze von solchen gebildete Flocken vorfinden, was Alles keine Bedeutung hat. Der Verf. stimmt dann der Ansicht v. Baer's etc. bei, dass der gelbe Körper von einer Granulation der inneren Oberfläche des Follikels ausgeht. Allein es ist schade, dass es ihm sowohl rücksicht- lich dieses Punktes, als vieler anderen an Gelegenheit gefehlt hat, die Eierstöcke brünstiger Thiere vor Eröffnung der Fol- likel und sogleich nach Eröffnung derselben zu untersuchen. Es fehlen ihm dadurch die Thatsachen zu gesicherter Ent- scheidung seiner Angaben. Einen Bluterguss im Innern der geplatzten Follikel fand er nur bei dem Schweine, wo ich denselben ebenfalls und ausserdem regelmässig nur noch bei dem menschlichen Weibe gesehen habe: zuweilen auch bei Kaninchen, wie ich glaube, nach einer nicht mit Befruch- tung gefolgten Brunst, Dieses Bluteoagulum nimmt nach Zwicky indessen gar nicht an der Bildung des gelben Kör- pers Theil, organisirt sich nicht, sondern wird resorbirt. In Betreff der Rückbildung der gelben Körper begeht der Verf. den Irrthum, dass er dazu lange Zeit, bei der Kuh mehrere Jahre für nöthig hält, aus dem einzigen Grunde, weil er bei Kühen zuweilen gegen 8 gelbe Körper auf ver- schiedenen Stadien ihrer Entwickelung traf, und da er diese alle nur von Conceptionen ableiten zu können glaubt, die Kuh aber nur ein Mal im Jahre wirft, so glaubt er, müssten dieselben mehrere Jahre persistiren. Hier ist nun der durch die ganze Arbeit hindurehgehende Irrthum am au- genfälligsten, dass der Verf. einen gelben Körper immer nur von einer Conception ableiten will, während ein solcher nach jeder Brunst entsteht. Er laborirt in dieser Hinsicht, wie so Viele, an dem Umstande, dass es ihm unbegreiflich ist, wie bei dem Weibe die Sache so lange sollte übersehen und falsch gedeutet worden sein, wenn sich bei jeder Men- struation ein gelber Körper bilde. Inzwischen ist dieses dennoch sicher der Fall, ich habe mich aber schon darüber ausgesprochen, wie dieses Uebersehen zu deuten ist und ge- schehen konnte. Rob. Lee, Observations on the structure of the corpus luteum and its value as a test of early pregnaney. London med. Gazelte 1844—1845. Vol. I. p. 150. Betrifft nur per- sönliche Streitigkeiten zwischen Lee und Patterson in Betreff eines schon mehr erwähnten Falles. Rob, Patterson, On the colour and structure presented by Corpora lutea in the early stage, in: Edinb medical and Arte Journal. 1844. Vol. 62. p. 464. Als Fortsetzung 92 seiner früheren Erfahrungen über die gelben Körper beschreibt Patterson drei gelbe Körper aus verschiedenen Stadien, von welchen er indessen zwei mit nicht hinreichendem Grunde von vorausgegangener Befruchtung ableitet. Wharton Jones vertheidigt aufs Neue die Ansicht von Lee, dass sich die Substanz des gelben Körpers ausser- halb der Membranen des Grf. Bläschens bilde. Lond. med. Gaz. 1844. Jan. p. 460. Wenn man sich doch die Mühe geben wollte und ein Grf. Bläschen sogleich nach dem Aus- tritte des Ovulum untersuchen, so würden alle Zweifel bald beseitigt sein. Nichts kann sicherer sein, als dass, wenig- stens bei Thieren, die Substanz von der inneren Fläche des Grf, Bläschens sich entwickelt; und warum es beim Men- schen anders sein sollte, ist durchaus nicht einzusehen. Nach einer Mittheilung Raeiborski's an die Academie des sciences giebt es zwischen den Corp. lut., welche sich in Folge einer Brunst ohne Conception und denen, welche sich nach einer Conception bilden, bei Schweinen, Kühen, Schaafen ete keinen Unterschied; wohl aber zwischen den Corp. lut: nach einer blossen Menstruation und einer darauf erfolgten Conception beim Weibe. Bei einer Menstruation entwickelt sich nur ein unvollkommen gelber Körper, be- stehend aus einer im Bluteoagulum eingeschlossenen Mem- bran, während nach einer Conception die ganze Höhle des Follikels ausgefüllt wird. Bei dieser Gelegenheit erhebt Serres Zweifel gegen die neueren Angaben über die Menstruation, weil er bei zwei während der Menstruation gestorbenen Personen vergebens die durch die Eileiter herabsteigenden Eichen gesucht habe, Inzwischen fand er in beiden Fällen die frisch geplatzten und mit einem Bluteoagulum gefüllten Grf. Bläschen. Gaz. med. 1844. No. 47. p. 760. Comptes rendus. Tom. XIX. „1479. 2 Deschamps hat der Pariser Akademie Mitiheilaugen über das Eierstockei und Corpus luteum bei Säugethieren und dem menschlichen Weibe gemacht, welche eine sehr ge- ringe Bekanntschaft mit dem Gegenstande und wenig Befä- higung zu seiner Behandlung verrathen. Er ist der Meinung, das ganze Grf. Bläschen sei das Ei, an welchem demnach schon im Eierstock Chorion, Eiweiss, Dottermembran, Dot- ter ete. vorhanden sei. Das Corp. luteum ist nach ihm ein Körper, der sich in Folge einer fruchtbaren Begattung im Eierstock entwickelt und das Ei, nämlich das ganze Grf. Bläschen, aus diesem in den Eileiter drängt, Während der Menstruation oder der nicht mit Befruchtung und Begattung begleiteten Brunst entwickelt sich dagegen kein Corp. luteum, 93 das Ei (Grf, Bläschen) tritt nicht aus dem Eierstock, son- dern es platzt, und nur das v. Baer'sche Eichen (um welches sich der Verf. sonst sehr wenig bekümmert) tritt in den Ei- leiter. — (Es ist sehr niederschlagend, Mittheilungen der Art zu lesen, welche sich alle auf Beobachtungen stützen, von denen aber nicht einmal so viel richtig und wahr ist, dass man sich auf Widerlegung und Bezeichnung der began- genen Irrthümer einlassen kann. Werden sich noch viele so wenig befähigte Individuen mit diesem Gegenstande be- schäftigen, so ist es voraus zu sehen, dass die.ganze Sache wieder in Unklarheil und Verwirrung zurücksinkt. Ref.) Comptes rendus. T. XIX. No. 3. Juillet 1844 Froriep's N. Not. Nr. 681. Gaz. med. Juin 1844. Oppenheim’s Zeitschr. 1844. Bd. 27. p. 534. Die neue Lehre von der Befruchtung und ihrer Abhän- higkeit von Brunst und Menstruation wurde in diesem Jahre enauer begründet von mir in einer kleinen Schrift: Beweis Ser von der Begattung unabhängigen periodischen Reifung und Loslösung der Eier der Säugethiere und des Menschen als der ersten Bedingung ihrer Fortpflanzung. Giessen 1844. Ebenso erschien in diesem Jahre Raeciborski's Schrift: De la Pubert@ et de l’äge critique chez la femme au point de vue physiologique hygienique et medical et de la Ponte p£- riodique chez la femme et les mammiferes, Paris 1844. gr. 18, 6 Fr. Balliere. — Als Kritiker dieser Lehre äusserten sich Wunderlich in seiner med. Vierteljahrsschrift 1844. IIL p- 477. J. C. Mayer in den Jahrbüchern für wissenschaft- liche Kritik 1844. Juni. p. 862. Dr. Alexander: Zusam- menstellung einiger neueren Untersuchungen über die Men- etruation, in Oppenheim’s Zeitschr. 1844. Bd. 27. p. 457. — Indem ich das Thatsächliche dieser Lehre als hinlängliel bekannt voraussetze, behalte ich mir für eine andere Gele- genheit vor, auf die gegen sie erhobenen Einwürfe und Zwei- fel einzugehen. Nirgends tritt es aber deutlicher hervor, wie durchaus nolhwendig dieser Lehre die allein von mir gege- benen thatsächlichen Beweise waren, als in England. Hier treten eine Menge von Prioritätsansprüchen auf diese Lehre auf. welche eines Theils gar nicht wissen, dass sie für die Art ihrer Auffassung und Begründung derselben noch viel ältere Vorgänger haben, theils gar nicht zu merken schei- ven, wie es doch gekommen, dass ihre Theorie so ganz un- beachtet geblieben ist. Ausserdem sind diese Reclamationen grösstentheils nur gegen einander und gegen Raciborski gerichtet, und allerdings bei diesem begründet, da auch er nur Wahrscheinlichkeitsbeweise beibrachte. Die ältesten An- #prüche erhebt Dr. John Power, welcher schon 1821 in 94 einem: Essay on ihe female Economy die besagte Theorie der Menstruation entwickelt haben will. Vd. The London med. Gaz. 1844. May. p. 217. Ferner Dr. Girdwood im The Lancet for 1843. p. 825. Endlich auch Dr. Rob. Lee, The Lancet 1844. Vol. 1. No. 5. p. 126. Ausserdem erschien noch ein Aufsatz in der Lond. med. Gaz. 1844. April p. 109. von einem Anonymus, welcher den Gegenstand historisch und kritisch erläutert, und die gänzliche Unbekanntschaft Girdwood's mit dem Gegenstande nachweiset, welcher Letztere sich dadurch aber nicht abhalten liess, noch einen Artikel in die Lancet 1844. Dec. 7. Vol. II No. 9. p. 312. und No. 12. p. 333. zu liefern, in welchem er die Beweise der Analogie der betreffenden Lehre für den Menschen und die Thiere beibringt. Ausserdem bezieht er sich an letzterem Orte auch auf mehrere Beobachtungen, und namentlich auf die Juden und die Gesetze und Gebräuche, welche bei die- sen rücksichtlich der Menstruation Statt finden. Pouchet hat der Pariser Akademie eine neue grössere Arbeit über die Befruchtung und das Verhalten des Saamens in den weiblichen Genitalien vorgelegt, auch im vorigen Jahre einen Preis für diese Arbeit erhalten. Da dieselbe bis jetzt noch nicht publieirt ist, so können wir über sie nur nach deu von dem Verf. in den Compt. rend. T. XVII. p. 590. und 820. und T. XIX. p. 1362. gegebenen Notizen urtheilen. Das Neue der Arbeit scheint vorzüglich die Spermatozoiden zu betreffen, welche der Verf. fortfährt als Thiere zu be- trachten, bei welchen er auch Spuren innerer Organisation gesehen zu haben glaubt, und die er von mehreren Thieren genauer beschreibt. Er vertheidigt dann auch seine Behaup- tung, dass die Belruchtung in der Regel im Uterus erfolge, indem die Spermatozoiden sellen über denselben hinaus in die Eileiter gelangten, und in diesen auch nie weiter hinauf, als 20 Millim., während der ganze Eileiter 160—210 Miıllim, lang sei. Bis zum Eierstocke gelangen also natürlich nie welche. (Es thul mir leid, dass diese Angaben meine Zwei- fel an der bisherigen Fähigkeit des Hrn. Pouchet zu Beob- achtungen der betreffenden Art sehr vermehren. Die von mir gemachten Angaben über das zuweilen Statt findende Vordringen der Spermatozoiden bis zum Eierstock, über ihr constantes Vorkommen auf den Eiern von der Mitte des Ei- leiters an, sind von so vielen Augenzeugen bestätigt wor- den, und können bei jedem befruchteten Thiere zu der rich- tigen Zeit so sicher nachgewiesen werden, dass der Manzel solcher Beobachtungen bei Pouchet mein Misstrauen geyen seine Befähigung zum Widerspruch gewiss nur zu sehr recht- fertigt. Ref.) 95 Beobachtungen von van Beneden über die verschiede- nen Arten der Fortpflanzung der Tubularien scheinen geeig- net, die sehr von einander abweichenden Ansichten der frü- heren Beobachter über die Fortpflanzung der Campanularien aufzuklären und mit einander zu vereinigen. Nach van Be- neden giebt es bei den Campanularien und Tubularien we- der Männchen noch Weibchen, namentlich hat man für letz- tere junge Thiere gehalten. Diese Polypen pflanzen sich auf fünf verschiedene Weisen fort, nämlich 1) durch festsitzende Knospen, 2) durch freie Knospen, 3) durch einfache Eier, 4) durch mehrfache Eier oder Eier mit mehreren Dottern, 5) durch freie Knospen und einfache Eier zugleich. Bei der- selben Art kommen drei oder vier dieser Fortpflanzungs wei- sen vor. Die Jungen derselben Art haben demnach durch- aus nicht dasselbe Aussehen, sie erleiden auch nicht dieselben Metamorphosen, erreichen aber doch’ auf verschiedene Weise dieselbe Form des erwachsenen Thieres. Bei einer dieser Entwickelungsweisen zeisen die Jungen die Charaktere und Lebensweise der Medusen- oder Beroe- Arten: sie besitzen Bewegungsorgane und Nerven, die sie später verlieren. Vebri- gens ist die Verwandtschaft der Anthozoen und der Medu- sen grösser, als man gewöhnlich glaubt, ja es ist wahr- scheinlich nöthig, sie mit diesen zu vereinigen, und sie von den Bryozoen zu trennen. Diese letzteren werden sich den Aseidien anschliessen und so den Uebergang von den Radia- rien zu den Mollusken bilden. Dieses Archiv 1844. p. 110. Sars theilt das Wesentliche seiner Beobachtungen über die Entwickelung von Echinaster sanguinolentus und Astra- eanthion mit in Erichson’s Archiv für Naturgesch. 1845, I. p- 169. Diese Seesterne sind getrennten Geschlechts und flanzen sich durch Eier fort, welche die Mutter eine Zeit ang bebrütet. Der Dotter, welcher einen Theilungsprozess erfährt, verwandelt sich ganz zum Fötus, welcher noch ganz unentwickelt in Infusoriengestalt das Ei verlässt und sich durch Cilien bewegt. Er durchläuft dann in Zeit von 6—7 Wochen mehrere Metamorphosen, bis er dem Mutterthiere gleicht. Fror. N. Not. Nr. 721. Milne Edwards hat Beobachtungen über die Entwick- lung melirerer Anneliden an den Küsten Sieiliens angestellt, welche indessen mehr die Metamorphosen der aus dem Eie ausgekrochenen Thiere, als die Entwicklung des Embryo selbst beirellen. Diese Metamorphosen sind sehr bedeutend, so dass sich die Larve von dem vollkommenen Thiere ebenso unterscheidet, wie die Raupe vom Schmetterling. Allein der zopus der Thierklasse, welcher das Thier angehört, ist doch schon von früh an an ihm zu erkennen, während sich all- 96 mählig die individuellen Kennzeichen an ihm ausbilden. Milne Edwards knüpft an diese Beobachtungen allgemeine Be- trachtungen über die Bildungsgeseize und Reihenfolge der Thiere überhaupt, welche vorzüglich darauf ausgehen, zu zeigen, dass keine solche ununterbrochene Reihenfolge be- stehe Comptes rendus. T. XIX. No. 27. 30. 1844. Fror. N. Not. Nr. 721— 723. Serres, Observations sur le parallele de l’embryog£nie comparee des vertebres et des invertebres. Comptes rendus hebd. de l’Acad. de Paris. T. XIX. p. 1426. Serres machte bierzu sogleich einige, später von Milne Edwards repli- eirte Bemerkungen, die sich hauptsächlich auf die Facta stützten, dass der Primitivstreifen der Wirbelthiere anfangs ein leerer Raum und nicht die Anlage des Rückenmarks sei, dass ferner das Herz sich erst nach Bildung des Rücken- marks und der Kopfkappe entwickle,. und dass die Verän- derungen der jungen Anneliden Folge ihrer Verwandlung in Parasiten seien. Die Diskussion und die Duplik des IIrn. Serres führten zu keinem Resultate. Rathke hat in diesem Archiv 1844. p. 27. Bemerkun- gen zur Eutwickelungsgeschichte der Maulwurfsgrille gege- ben, von welchen ich folgende hervorhebe: 1) Das Ei nimmt während seiner Entwicklung um beinahe ein Drittel an Uin- fang zu, was nur durch Wasseraufnahme geschehen kann. 2) Das Ei hat zwei Hüllen, Chorion- und Dotterhaut. An- fangs liegen sie dicht aneinander, später werden sie durch eine geringe Menge einer eiweisshaltigen, deshalb von dem Embryo gelieferten Flüssigkeit (Liquor amnii) von einander getrennt, die gegen Ende des Fötuslebens wieder abnimmt. Die Dotterhaut vergeht in der zweiten Hälfte des Fötusle- bens. 3) Der Embryo besitzt ein eigenthümliches, pilzför- mig gestaltetes, hinter den Anheltungsstellen des dritten Bein- paares hervorwachsendes Organ, welches er bei dem Auskrie- chen abwirft, und nach allen Verhältnissen am wahrschein- lichsten für eine Embryonalkieme gehalten wird. 4) Das Schleimblatt der Keimhaut wird gänzlich zur Entwicklung des Darmkanals verwendet, es bildet sich kein Dottersack, der Dotter geht ganz in den Darmkanal über. Nach ande- ren Beobachtungen Raihke’s ist dieses wahrscheinlich bei allen übrigen Insekten ebenso, also wesentlich anders als bei den Decapoden. — Wahrscheinlich entsteht indessen nur der Magen direkt aus dem Schleimblatte; Speiseröhre und Darın wachsen aus ihm hervor. Duvernoy giebt eine Entwicklungsgeschichte ‘der Poe- eilia surinamensis, eines kleinen, etwa 66 Millim. langen, lebendiggebärenden Fisches, nach Beobachtungen, welche er 97 an zwei Exemplaren anstellte, bei welchen die Jungen schon fast bis zum Auskriechen entwickelt waren. Der grösste Theil der Abhandlung ist daher auch nur historisch- kritisch, da der Verf. natürlich an so wenigen Exemplaren keine voll- ständigen eigenen Beobachtungen machen konnte. In der genannten Beziehung aber ist die Arbeit des Verf. sehr ver- dienstlich, indem sie eine vollständige klare Uebersicht aller bis jetzt über die Entwieklungsgeschichte der Fische ange- stellten Beobachtungen giebt. Verf. erklärt sich dabei unter Anderem auch gegen die Deutung der am obern Theile des Halses kleiner Säugethier-Embryonen zu beobachtenden Spal- ten als Kiemenspalten und der dazwischen gelegene Sub- stanzstreifen als Kiemenbogen; er sagt, sie seien weiter nichts, als Mandibularbogen, Maxillarbogen, Zungenbeinbo- en oder Rippenbogen, und scheint daher, obgleich er die beiten der Deutschen bis auf Reichert herunter kennt, doch in dem Irrthum seiner Landsleute befangen zu sein, als seien diese Gebilde von den Deutschen jemals für wirk- liche vorübergehende Athemorgane der Embryonen gehalten worden. Annales des sciences nat. Mai et Juin 1844. Fro- riep’s N. Not. Nr. 683—688. 1844, Compt. rend, T, XVII. p- 667. u. 720. Jacobson zieht aus seinen Untersuchungen über den sogenannten Primordialschädel der Säugethiere und des Men- schen folgende Resultate: 1. Beim Menschen existirt, wie bei den übrigen Säuge- thieren, in einer frühen Periode der Entwicklung des Em- bryos ein knorpelartiger Schädel von eigenthüimlicher Bildung, welchen man den Primordialschädel nennen kann. 2. Einige Theile desselben verknöchern früh, andere blei- ben im knorplichten Zustande einige Zeit nach: der Geburt. Nur ein Theil desselben, nämlich das Septum narium, behält für immer seine knorplige Beschaffenheit. 3. Bis auf das os ethmoideum, das corpus (ant. und posticum) ossis sphenoidei und oceipitis werden alle übri- en Knochen des sekundären oder permanenten Schädels und es Gesichtes ausserhalb des Primordialschädels gebildet. Es exislirt demnach eine Epoche, in welcher sich beim Embryo der Primordialschädel in seiner ursprünglichen Gestalt inner- halb des permanenten befindet. 4. Die übrigen, den permanenten Schädel bildenden Knochen entwickeln sich zwischen Membranen, ohne durch Knorpel präformirt zu sein. 5. Der Schädel bildet sich nicht ursprünglich nach dem- selben Grundtypus und analog mit den Rückenwirbeln, und Müller's Archiv. 1816. G 98 die Entwicklung des permanenten Schädels beginnt erst, wenn das Gehirn fast seine Normalform erhalten hat. 6. Die übrigen Wirbelthiere, Vögel, Amphibien, Fische, haben ebenfalls einen Primordialschädel, und von diesem bleibt für immer das Septum nasi und das Labyrinth des Siebbeins im ursprünglichen knorpelarligen oder embryonä- ren Zustande. Ausserdem ergiebt sich: a) Dass keine Strukturverschiedenheit zwischen Knor- peln ist, welche ossifieiren werden, und denen, welche be- ständig in ihrem Zustande bleiben. b) Dass die sogenannten oberen und vorderen Kiemen- bogen vom Labyrinthe des Siebbeins und nicht von den Oberkieferbeinen gebildet werden. c) Dass in der Schädelbasis keine Oeflnung existirt, durch welche die Schlundhaut in Verbindung mit dem Ge- hirn kommen könnte, und dass die Hypophysis cerebri sich auf keine solche Weise bildet. d) Die Beschaffenheit und Entstehung mehrerer Defor- mitäten des Kopfs, als Anencephalie, Hemicephalie, und der Diastasen zwischen Oberkiefer und Nasenscheidewand. e) Die Entstehung der Ossa wormiana, welche sich an der pars mastoidea, des os sesamoideum an der Spitze der pars petrosa, die halblosen Knochenplättchen an der Innen- seite dieses Knochens, endlich das problematische os Lyz, welches man bisweilen zwischen der Spitze der pars pe- trosa und dem Basilartheile des Hinterhauptbeins antrifft. Oversigt over det Kongel. danske Videnskabernej Sels- kabs-Forhandlinger og dets Medlemmers Arbeider i Aaret 1842. Af conferentsraad og Prof. H. €. Oersted. p. 90— 97. Rusconi, Lettera sulla embriogenia del luceio. Atti della sesta riunioue degli Sceienziati italiani. Milano 1844. p- 417. Martin St. Ange et Baudrimont, Recherches sur l’evolution embryonnaire des animaux, Comptes rendus de VAcad. de Paris. T. XIX. p. 1355., haben durch Versuche, welche sie mit Eiern von Vögeln, Eidechsen, Fröschen und Schnecken anstellten, aufs Neue gezeigt, dass Sauerstoffgas zur Entwicklung nothwendig ist, dass dies von den Eiern aufgenommen und dafür Kohlensäure und Wasser ausge- haucht wird. Ausserdem fanden sie auch eine Abgabe von Stickstoff Seitens der Eier und constant eine Verminderung des Volumens der Luft, in welcher die Eier sich befanden. Wegen der Kohlensäure- und Wasserbildung glauben sie auch, dass den Eiern eine eigene Temperatur zukommen müsse. Journ. f. prakt. Chemie. Bd. 32. p. 125. 9) Aus Untersuchungen von Prevost und Lebert über die Bildung der Organe des Kreislaufs und des Blutes bei den Batrachiern hebe ich folgende bemerkenswerthe Resultate hervor. — Das Blut und alle Gewebe und Organe entstehen aus Zellen, die einen durchscheinenden Kern und zahlreiche kleine Kügelchen zum Inhalt besitzen, und die die Verfasser deshalb organoplastische Kügelchen nennen. Die Blutkügel- chen entstehen durch unmittelbare Umbildung dieser Zellen, indem die in ihnen enthaltenen Körnchen schwinden, der In- halt eine gelbliche Farbe annimmt und die Zellen ellipsoidisch werden. Die Ansicht, dass die Blutkörperchen aus Kernen ent- ständen, halten sie für eine Folge unrichtiger Beobachtungen. Das Herz besteht zuerst auch aus solchen unveränderten Zellen, später verschwinden deren Wandungen, der Inhalt bildet eine körnige Zwischensubstanz, die Kerne strecken sich und nehmen eine spindelförmige Gestalt an, gehen aber dann in Cylinder über, die sich zuletzt mit Primitivfasern füllen. Die ersten Bewvegungen des Herzens sind schwache Bee Schwingungen, später sind die Contractionen äftiger und das Herz verengert sich um den dritten Theil seines Durchmessers. Die Blutgefässe entwickeln sich in eentrifugaler Richtung vom Herzen aus, und die neuen Ca- pillarströme entstehen immer unter dem Einflusse von der schon gebildeten Circulation; nie sahen sie sich unabhängige Gelässe bilden, die später mit den schon gebildeten in Ver- bindung getreten wären. Es giebt Copillargefässe, die klei- ner sind, als dass ein Blutkörperchen hindurch kann, und die daher nur eine farblose Flüssigkeit führen. Die Muskeln der willkürlichen Bewegung entwickeln sich früher, als Herz und Blut. Sie entstehen aus primären Zellen, die sich ver- längern und bündelweise ordnen. Ihr köruiger Inhalt ver- wandelt sich in die Primitivfasern. (Also anders, als die Muskeln des Herzens. Ref.) Ann. des se. nat. T. I. 1844. . 193. Comptes rendus. T. XVII. No. 3. Jan. 1844. een N. Not. Nr. 660. Aus den Untersuchungen Derselben über die Entwick- lung der Kreislaufsorgane und des Bluts im Hühnerembryo, von denen sie selbst nur die Resultate publieiren, scheint Folgendes hervorzuheben zu sein: Die Zellenbildung in der Keimscheibe erfolgt nicht um präexistirende Kerne. Die Primitivrinne ist wirklich ein leerer Raum zwischen den beiden Rückenplatten. Die Bildung aller Orgäne geschielit aus organoplastischen Kügelchen, wie beim Frosch, Zellen von 0,0125 Mm. Durchm., mit einem Kern von 0,007 Mm., an welchem noch Kernkörperchen unterschieden werden. Dies sind die Elemente aller Organe von der 12ten Stunde G2 “: bis zum 6ten Tage; dann erst differeneiren sie sich zu Ge- weben. Die Existenz und Anordnung der 3 Blätter wird bestätigt. In der Mitte des mittleren Blattes tritt das Herz als nach beiden Seiten oflener Kanal um die %4sle Stunde auf, sofort in Zusammenhang mit einem Gefässsysiem, von der 36sten Stunde an in peristallischen Bewegungen oseilli- rend, von der 39sten Stunde an mit rhythmischen Contractio- | nen, ohne dass aus seinen Elementen Muskellasern gebildet oder ein Zusammenhang mil dem Nervensystem vorhanden wäre. Die Bildung der Fasern erfolgt gegen den 6ten Tag, indem die Zellen ihre Hüllen (parois d’enveloppe) verlieren, spindelförmig und innen körnig werden. Die Gelfässe bilden sich durch Durchbrechen des Blutes durch die Substanz des Gefässblattes, im äussersten Umkreise die vena terminalis. Die Blutkörperchen entstehen gegen die 34ste Stunde, rund, farblos, 0,003 — 0,012 Mm. gross, unterscheidbar von allen anderen Kügelchen, ohne vorheriges Auftrelen von Kernen und nicht durch Bildung um Kerne, zuerst im peripherischen Theil des Gefässblattes. Roth wird das Blut erst mit dem Beginn des vollständigen Kreislaufs. Zwischen dem 2ten und 5ten Tag werden die Blutkörperchen elliptisch, hauptsäch- lich nachdem das Herz mehr entwickelt und die Leber auf- getreten ist. Zuweilen enthält ein Blutkörperchen 2 Kerne, auch ein Kern 2 Körnchen, selten finden sich Moleküle als Zelleninhalt der Blutkörperchen. Der Farbestoff findet sich immer nur in den Blutkörperchen, und zwar zwischen Hülle und Kern. Wenn die erste Blutbildung vollendet ist, sieht ıman auch noch viele Moleküle und kleine, farblose, kern- haltige Kügelchen von 0,0056 — 0,0085 Mm. Durchmesser im Blute, Prevost et Lebert, Recherches sur la formation des organes de la ceireulation et du sang dans l’embryon du pou- ey op rendus hebd, de l’Acad. de Paris. Tom. XIX. p- 1021. C. Vogt, Quelques observations sur l’embryologie des Batraciens. Annales des sciences naturelles. 3me Serie Tom. 2. 1844. p. 45. In diesem Aufsalze vertheidigt Vogt seine früheren Angaben, dass die Zellen der Chorda dorsalis sich aus und in einer homogenen Grundlage, und die Blut- körperchen aus den Kernen der Embryonalzellen entwickeln, während Prevost und Lebert beide unmittelbar aus den Embryonalzellen entstehen lassen 1. Mart. Barry, Remarks on a Work by Prof. Bi- schoff of Heidelberg entitled „„Entwicklungsgeschichte des Kanincheneies.‘* 2. Prof. Bischoff's reply ete. — Brewster, The 100 LI E 101 London, Edinb. et Dublin philosophical Magaz. Vol. XXIV. 1844. p. 42. und 281. : A. de Martino, Osservazioni sulla strultura anatomica e sulla funzione della valvola del foramen ovale nel cuore del feto. Nap. in: Il Filiatro Sebezio Mart. 8. p. 186. Der Verf. schreibt der Valvula foraminis ovalis Muskelfasern zu, durch deren Aktion der Blutstrom aus der Vena cava infe- rior durch den rechten Vorhof in den linken geleitet werde. Vignolo, De lexistence et du developpement de V’Al- lantoide chez l’'homme. in: Annales d’Obstetrique. Janv. p 5—21. Diese Mittheilung enthält nur Bekanntes, und nach einer Beobachtung von Devillier die irrige Ansicht, dass ein doppeltes dünnes Blatt, welches derselbe an der menschlichen Nachgeburt zwischen Chorion und Amnion un- terschied, der Ueberrest der Allantois gewesen sei. Oflen- bar war dieses nichts anderes, als was Ref. früher unter dem Namen Membrana media beschrieben hat. A. Godefroy, Note pour servir A lhistoire de I’hy- dramnios, in: Journal des Connaissances medico -chirurgi- cales. Novbr. p. 183—185. Gewichtsbestimmungen der Lungen, der Thymus, der Weber und Milz bei Neugebornen von Andrew Änderson finden sich im Lond. and Edinb. monthl. Journ. of med. Sc. 1844. Febr. und in den Arch: gen. Tom. V. 1844. p. 352, Sehlossberger, Analyse der Milch eines Bocks. Lie- big und Wöhler, Annalen der Chemie und Pharmaeie. Tom. 51. 1844. p. 431. Diese Untersuchung zeigte, dass die betreffende Milch der Ziegenmilch am ähnlichsten war, und sich durch ihren Reichtlium an Käsestoff auszeichnete, dagegen verhältnissmässig arm an Butter und Zucker war. Der Verf. weiset bei diesem Falle mit Recht darauf hin, dass solche Beobachtungen milchsecernirender männlicher Thiere die Abhängigkeit einer Sekretion von einem Sekre- tionsorgan ınehr, als von der Blutmischung beweisen. Einen Fall von drei Brüsten bei einer Frau, zwei auf der rechten Seite, die alle drei Milch gaben, berichtet Mi- litärarzt Eschricht. Oppenheim’s Zeitschrift. 1844. Bd 25. p. 411. John Davy hal eine mikroskopisch - chemische Analyse des Meconiums und der Vernix caseosa milgetheilt. Das Meconium zeigl unter dem Mikroskop vorzüglich Schleim- körnchen „;, engl. Zoll gross, Epitheliumblättchen »,45— +55 Foll. COholeostearinblättchen und kleine Moleküle, die Felt zu sein scheinen. Eine Analyse ergab: Wasser 72,7 pCt., Schleim und Epithelium 23,6, Choleostearin und Margarin 7, Farbestoff. eine schmeckende Substanz und Olein 3,0. Beim 102 Verbrennen hinterliess dasselbe 69 pCt. Asche, bestehend aus Eisenoxyd, Magnesia, Spuren von phosphors. Kalk und Kochsalz. — Die Vernix caseosa zeigt unter dem Mikroskope vorzüglich Epidermiszellen „+, — +75, Zoll im Durchmesser und Fettkörner. Von Luft befreit beträgt sein spec. Gewicht 1099. Die chemische Analyse ergab: 77,87 Wasser, 13,25 Epithelium, 5,73 Olein, 3,13 Margarin. Bei Gelegenheit dieser Miltheilung in der Roy. med. and chirurg. Society erwähnte Lloyd, dass er einst bei einem Kinde mit imperforirtem After und Verschliessung der dün- nen Därme dennoch eine dem Meconium ganz ähnliche Sub- stanz in den dieken Därmen gefunden habe, und Stanley erwähnte eines ähnlichen Falles bei einem acephalen Lamm, bei welchem die Leber vollkommen fehlte und dennoch der Darm mit einer dicken gelben Substanz gefüllt war. Dr. R. Lee erinnerte alsdann an eine Untersuchung, welche er mit Prout über den Darminhalt des Fötus angestellt und 1829 in den Philos. Transactions mitgetheilt habe. Sie fanden die Beschaffenheit dieses Darminhaltes im Duodenum und dem Anfange der dünnen Därme immer ganz anders, als in den dicken Därmen. Ersterer besass Eiweiss, letzterer keines. Da der Magen auch kein Eiweiss enthält, und sich über- haupt keine Gründe nachweisen lassen, dass der Fötus näh- rende Substanzen durch den Mund aufnimmt, so folgerten sie daraus, dass dieses Eiweiss ein Sekret der Leber sein müsse, welches im Darme allmählig wieder resorbirt werde. Diese Vermuthung wurde auch durch eine Untersuchung des Inhaltes des Ductus hepat. bestätigt, der ebenfalls Eiweiss besass. Sie glauben daher, dass bei dem Fötus aus dem Nabelvenenblute in der Leber eine ernährende Substanz aus- geschieden werde, die in den Darm gelange und dort ver- daut und resorbirt werde. Was übrig bleibt ist das Meco- nium als Exkrement. The Lancet. 1844. Vol. I. No. 1. p. 25. Eh Archiv f. phys. u. mikrosk. Chemie. 1844. Bd. I. P- B BERICHT über die Fortschritte der Physiologie im Jahre 1845: Dr. Tr. Lupw. Wırn. Bıschorr, Professor der Anatomie und Physiologie in Giessen. 1. Allgemeine Physiologie. Lehrbücher. — Lebenskraft, — Entwicklung von Imponderabilien. — Endosmose. — Racen. 24 C. Vogt, Physiologische Briefe für Gebildete aller Stände. Stuttgart 1845 — 47.3 Abtheilungen. 492 p. Der Titel sagt den Zweck und die Tendenz dieser Schrift, die bei ihrer guten Darstellung und der geistreichen Anschauungsweise des Verf. Jeder gern lesen wird. A. F. Günther, Lehrbuch der Physiologie des Men- schen. Leipzig 1845. ir Bd. Allgemeine Physiologie. Ent- hält eine Schilderung der Unterschiede zwischen organischen und unorganischen Körpern, zwischen Pflanze und Thier, und Thier und Mensch; einen Abriss der organischen Che- mie, eine sehr ausführliche allgemeine Anatomie mit 3 Tafeln Abbildungen, und in einem vierten Capitel die allgemeinen Gesetze der Lebenserscheinungen K. H. Baumgärtner, Neue Untersuchungen in den Ge- bieten der Physiologie und der prakt. Heilkunde. Freiburg 1845. 8. Diese Schrift enthält Beiträge zur Kenntniss des Baues und der Entwicklung des Muskels, des Baues der Haut, des Hirns, der Nerven; Untersuchungen über das phy- siologische Verhalten der Nerven zu den Muskeln, zu der 104 4‘ Haut und dem Gehirn, über die Ernährung der Gewebe und die Erhaltung ihrer Energie, über organische Bewegung; eine Entwickelungsgeschichte der Blutzelle, Betrachtungen über die Zellen von Hydra viridis, Beiträge zur Morpholo- gie und zur Lehre von den Bildungskugeln und Zellen, die Ansichten des Verf. über die Bedeutung und den Einfluss der Thierchemie und mehrere pathologische Untersuchungen. Der Verf. beklagt sich vielfach über den Mangel an Aner- kennung seines originalen Antheils an den neueren Entdek- kungen über die Entwicklung der organischen Elemente, und über die Nichtberücksichtigung seiner theoretischen Deduktio- nen. In Beziehung auf ersteren Punkt verdient der Verf. gewiss um so mehr Anerkennung, als er seinen Antheil an der Arnold’schen Opposition gegen die Zellenlehre aufge- geben hat; in Beziehung auf den letzteren ist es zu bekla- gen, dass er nicht einsieht, wie uns mit der Anerkennung eines polarischen Verhaltens, einer Attraktion und Repulsion eines Nerveneinflusses ete nicht viel zur Erklärung der be- treffenden Erscheinungen geholfen ist, gesetzt auch, dass wir wirklich in dieser Erklärung noch nicht weiter gekommen sind. Die heutige Forschung kann sich mit einer solehen Terminologie nicht begnügen, und sie lässt mit Recht lieber die bis jetzt unauflöslichen Fragen einstweilen liegen, und wendet sich zu denen, zu deren Lösung die Hülfsmittel und Vorarbeiten gegeben erscheinen, als dass sie sich vorspie- gelte, durch Worte an Einsicht gewonnen zu haben. Wallach giebt in Haeser’s Archiv, VII. 1. p. 1. 1845, eine kritische Zusammenstellung der wichtigeren physiolo- gischen Arbeiten aus der neuesten Zeit, die demnach natür- lich keines weiteren Auszuges fähig ist. R. B. Todd und William Bowmann, The physio- logical anatomy of man. P. II. 1845. The Lancet. 1845, Vol. II. No. IV, Johnson’s Medico - chir. Review 1845. Tom. 2. p. 1. Dieser zweite Band genannten Werkes ent- hält die Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Kidd, Ueber Physiologie der Thiere. Dublin medical Press 1844. Aug. Ribes, Memoires et observations d’analomie, de phy- siologie ele. 3 Th. Paris 1845. 8. Schweig, Untersuchungen über Periodieität. 2 Abth. Roser und Wunderlich, Archiv f. physiol. Heilkunde. Jahrg. IV. Stuttg. 1845. p. 234. Diese Abhandlung betrifft die Periodicität epileptischer Anfälle. Der Verf. findet Gründe zu einer bestimmten Parallele zwischen denselben und der Periodieilät der Menstruation. Von Dr. J. R. Mayer ist ein interessantes Schriftchen: 105 „Die organische Bewegung in ihrem Zusammenhange mit dem Stoflwechsel, Heilbronn 1845. 8vo.,‘“ erschienen. Der Gedanke zu dem Buche möchte wohl unzweifelhaft durch Liebig’s Aeusserungen auf demselben Gebiete gegeben wor- den sein, wenngleich sich der Verf durchaus selbstständig, ja in ganz bestimmtem Widerspruche mit Liebig bewegt. Die Basis seiner ganzen Argumentation ist die Abläugnung irgend einer eigenthümlichen Kraft in der organischen Natur, und die alleinige Annahme allgemein verbreiteter Naturkräfte, unvergänglich, beständig thätig, aber in immer wechselnden Formen. Wärme und Licht der Sonne sind es, die, von den Pflanzen aufgenommen, als chemische Differenz in den- selben zur Thätigkeit kommen. von den Thieren aber in die- ser Form aufgenommen, zur Hervorbringung mechanischer Eflekte, zur Erzeugung von Bewegungen verwendet werden. Diese Umwandlung der chemischen Differenz nun in dem Stoffwechsel zu Bewegungen ist es, welche der Verf. in sei- ner Schrift exponirt, wobei man durch zahlreiche interes- sante und ansprechende Deduktionen überrascht wird. Wäh- rend wir aber hierin dem Verf. hier nicht folgen können, scheint mir sein Ankämpfen gegen eine eigenthümliche Kraft in den organischen Körpern auf demselben Missverständnisse zu beruhen, welches bei dieser Frage so häufig unterläuft, dass man die direkten Effekte dieser Kraft nicht von den aus ihrer Wechselwirkung mit den allgemeinen Naturkräften resultirenden unterscheidet. Die chemische Differenz, die Bewegungsellekte, wie sie in den sogenannten Funktionen der organischen Körper auftreten, sind sicher nicht direkte Effekte der Lebenskraft, und mit Recht findet auf sie mehr oder weniger richtig alles das Anwendung, was der Verf. in geistreicher und kenntnissvoller Weise über sie entwik- kelt. Allein der Verf. nimınt Pflanzen und Thiere als gege- bene Grössen an! Hic haeret aqua! Welcher Ursache ver- danken sie ihre Existenz, die Bildung und Erhaltung ihrer erinbehes Form und Mischung, durch welche sie be- fähigt werden, Wärme und Licht der Sonne aufzunehmen, und diese Kraft in eine fortlaufende Summe chemischer Dif- ferenzen umzusetzen und durch diese wieder mechanische Ellekte zu erzeugen? Diese Ursache, welche der eigenthüm- lichen Form und Mischung der Materie in Pflanzen und Tbieren zu Grunde liegt, muss bis jetzt als eine eigenthüm- liche anerkannt werden, und ich sehe nicht ein, warum wir sie nicht Lebenskraft nennen sollen. Ueber die Erschaflung iner solchen Kraft, mit Recht. wie der Verf. sagt, schon an und für sich undenkbar, brauchen und können wir uns nicht mehr Gedanken zu machen, als über die Erschafflung 106 jeder anderen Naturkraft; und weun der Verf. fragt, was wird aus ihr? und antwortet: Nichts! also ist die Lebens- kraft = Nichts. — Nil fit ad nihilum — so werden wir ihm darin sicher nicht beistimmen, denn wir sind ebenso sehr, wie er, überzeugt, dass eine Kraft oder Ursache nicht ver- gehen kanı. Aber die ferneren Formen ihrer Wirkung kön- nen uns unbekannt sein. Spielraum für sie dürfte sich in dem Weltraum genug finden. Dr. F. Will beschreibt das Leuchten mehrerer Seethiere, einiger kleinen Crustaceen, ferner von Pholas dactylus, Phal- lusia intestinalis und Chaetopterus pergamentaceus. Von den Umständen, unter welchen dasselbe Statt findet, hebt er be- sonders hervor, dass es häufig durch Druck irgend einer Körperstelle erregt wird, und sich besonders in der Nähe des Nervensystems zeigt. Er ist dann geneigt, sich der An- sicht von Coldstream (Cyelopaedia of anat. and phys. Art. Animal laminousness) anzuschliessen, dass das Licht Folge der Entwicklung eines imponderablen Agens durch das Nervensystem sei, und sucht dieselbe vorzüglich gegen den Einwurf zu vertheidigen, dass die Lichtentwicklung auch noch an sogenannten todten Thieren und an von dem Körper der Thiere getrennten 'Theilen Statt findet, indem er hier noch eine Fortdauer der Wirkung des Nervenfluidums über die Sphäre des Individuums hinaus annimmt. Erichson’s Ar- chiv f. Naturgesch. 1845. I. p. 328. Dr. Schmarda hat die älteren Beobachtungen über den Eintluss des Lichtes auf Infusionsthierchen zusammengestellt, und eigene neue gemacht. In Beziehung auf den Einfluss des Lichtes auf die Entwicklung der Infusionsthierchen geht daraus hervor, dass mehrere. namentlich farblose und blasse Formen, an lichtlosen Orten leben und gedeihen, obgleich sie nicht ausschliesslich im Dunklen leben: dass sich dage- gen das infusorielle Leben vorzüglich kräftig nur im Lichte, mit Ausnahme des unmittelbaren Sonnenlichtes, entfaltet, und die grünen Infasorien nur im Lichte entstehen. In Be- ziehung auf die Empfindung (bewusstgewordene Reak- tion?!! Dieser Sprachmissbrauch und Begriffsverworrenheit wird wohl noch lange fortdauern! Ref.) des Lichtes. so reagiren mehrere deutlich gegen die Lichteinwirkung, wie Monas vinosa, Diunalii und sulfuraria, Pandorina morum, Chlamidomonas pulvisculus, Volvox globator, Euglena viri- dis und Stentor niger. Volvox globator flieht das Licht, die übrigen suchen dasselbe. Freilich hält der Verf. die bei einigen der genannten zu beobachtenden rothen Punkte noch für Augen; bei den übrigen, meint er, sei der ganze Körper « 107 der Sitz der Empfindung (!). Oestr. ned. Jahrb, 1845. Dee. Bd. 54. p. 258. L. Be hauer; Diss. de calore plantarum. Vratisla- viae 1845. Scheint eine gute Zusammenstellung alles über diesen Gegenstand bisher Bekannten zu enthalten. Henry Roger, De la temperature chez les enfants & l’etat physiologique et pathologique. Archives generales de Medecine. 1845. Tom. VII. p. 466., Tom. VIH. p. 17., Tom. IX. p. 261. Enthält die Fortsetzung und den Schluss der schon in den beiden letzten Berichten erwähnten Unter- suchungen Roger's, und betreffen vorzüglich die Teinpera- turverhältnisse in pathologischen Zuständen. Tom IX. p. 264. finden sich die physiologischen Resultate, die schon früher mitgetheilt wurden, zusammengestellt. John Davy hat eine Reihe von Beobachtungen über die Temperatur seines Körpers unter der Zunge, je nach verschiedenen Verhältnissen, in welchen er sich befand, au- gestellt. Innerhalb der 24 Stunden eines Tages fand er, dass dieselbe Morgens am höchsten war, und sich unter Schwan- kungen hoch erhält bis zum Abend, am niedrigsten aber um Mitternacht ist. Rücksichtlich der verschiedenen Jahreszeiten fand er eine geringe Schwankung, wobei er sich indessen in einem fast gleich warmen Raume aufhielt. Körperliche ak- tive Bewegung, nicht bis zur Ermüdung fortgesetzt, brachte eine proportionale Erhöhung der Eigenwärme hervor, wäh- rend passive Bewegung im Wagen ein Sinken derselben ver- anlasste. Längerer Aufenthalt in einer kalten Kirche, im November bis März, brachte immer ein beträchtliches Sinken der Temperatur hervor. Gespannte geistige Aufmerksamkeit und Thätigkeit bewirkte eine geringe Erhöhung der Eigen- wärme. Unmittelbar nach dem Essen zeigte sich immer eine etwas niedrigere Temperatur. Philos. Transact. for 1845. P. II p. 319. Heller 's Archiv f. physiol. u. path. Chemie. T. IV. p. 411. 1845 Annali univ. di Med. Dee. 1845. The Philos. Mag. Vol. XXVII. p. 399. 1845. Nach H. Nasse steigt bei Hunden, denen er 6—8 Unz. Blut entzogen, in der nächsten Zeit des Aderlasses die Tem- eralur im Mittel um 0,21° R. Die Steigerung war da am öchsten, wo früher die Temperatur dem Normale am näch- sten war; wo Ohnmacht eintrat, war sie nachher am be- deutendsten. 24 Stunden nach dem Aderlasse zeigte sich meist eine Verminderung der Temperatur im Mittel um 0,2° R. Hieraus folgert N., dass die Aunahme, dass die Temperatur gleichen Schritt mit der Menge der Blutkörper- chen halte, sich nicht bestätigt. Er leitet die anfangs er- 108 höhte Wärme inzwischen selbst von der Beschleunigung des Herzschlages und Athems ab, und so scheint es dann, dass wenn diese sich verloren, sich die verminderte Menge der Blutkörperchen in dem folgenden Sinken der Temperatur eltend macht. Correspondenzblatt rhein. n. westph. Aerzte. 1845. No. 22. Oestr. med. Wochenschrift. 1846. No. 7. pag- 202. Lortet, Ueber den Winterschlaf des Myoxus muscar- dinus. Ann. des sc. physiques et nat. publ. par la soe. d’agrieulture de Lyon. 1844. E Bei dem grossen Gewichte, welches man bisher mit Recht auf die Untersuchungen von Despretz und Dulong über die von einem Tbiere durch den Athemprozess ent- wieckelte Wärme gelegt hat, ist es von Interesse, dass Lie- big nachgewiesen hat, dass, wenn man ihren Berechnungen die neueren verbesserten Bestimmungen der Verbrennungs- wärme des Kohlenstoffs und Wasserstoffs nach Dulong selbst und nach Hess und Grassi zu Grunde legt, sich nach jenen Versuchen selbst ergiebt, dass nicht, wie es frü- her schien, nur -, oder 7°, der thierischen Wärme, sondern dieselbe ganz von der Verbindung des eingeathmeten Sauer- stoffes mit Kohlenstoff und Wasserstoff abgeleitet werden kann. Rücksichtlich der Angaben von Dulong und Des- pretz über die Ausathmung von Stickstoff! zeigt aber eine ganz einfache Berechnung, dass die. Beobachtungen. selbst nicht richtig sein können; denn nach Dulong’s Angaben würden nach sieben Tagen von dem ganzen Hunde nichts mehr, als die Knochenerde und Salze übrig sein können, und nach denen von Despretz ein Hund in 31 Stunden 1 Pfund an sticekstoffhaltigen Substanzen verlieren müssen. Die gefundenen Volumenzunahmen der Luft, in welcher die Thiere athmeten, müssen auf Rechnung der Messungslehler des gebildeten kohlensauren Gases und des absorbirten Sauer- stoffs gesetzt werden. Liebig’s und Wöhler’s Annalen Bd. 53. p. 63. Bergmann, Nichtchemischer Beitrag zur Kritik der Lehre vom Calor animalis. Müller’s Archiv f. Anat. 1845. p: 300. Unter diesem eigenthümlichen Titel macht der Verf, darauf aufmerksam, dass die in inneren Theilen ziemlich konstante Temperatur auch bei sehr verschiedener Wärme- ableitung nach aussen und gleichbleibender Wärmebildung ihre Erklärung durch die verschiedenen Verhältnisse fmdet, _ in denen sieh dabei die Haut, namentlich rücksichtlich der Blutbewegung in ihr, befindet. Bei starker Abkühlung, ver- engern sich die Kapillarien der Haut, es wird weniger Blut dorthin geführt und demselben also weniger Wärme entzo- nu u; 109 gen, die also für die inneren Theile verwendet werden kann. Umgekehrt bei einer hohen äusseren Temperatur. Die Haut bildet sonach gewissermaassen bei gleichbleibender Wärme- bildung eine Correktur für einen ungleichen Wärmeverlust. (So verstehe ich wenigstens den Verf. in’ seiner eben nicht klaren und einfachen Darstellung, die übrigens ausserdem viele Punkte erörtert, die bei der betreffenden Frage gewiss beherzigenswerth sind. Ref.) Matteucci, Nouvelles recherches sur l’electrieite ani- male: du courant musculaire et da courant propre, Comptes rendus de l’Acad. roy. d. sc. Vol. XX. p. 1096. Gaz. med. 1845. T. XIH. p. 251. Matteucei hat im weiteren Verlauf seiner Arbeiten über _thierische Elektrieität an beiden Enden seiner Muskel- Säulen mit dem Condensator deutliche Zeichen der Span- nung beobachtet, auch elektro - chemische Zersetzungen durch den Muskelstrom zu Wege gebracht. Er hat sich ferner durch eine sehr grosse Versuchsreihe überzeugt, dass die In- tensität des Muskelstroms der des Athemprozesses propor- lional ist, dass ferner sein früherer Ausspruch sich immer wieder bestätigt, dass nämlich die Intensität des Stroms pro- portional ist der Stufe, die das Thier in der Reihe der Or- ganismen einnimmt, während die Dauer nach dem Tode um . so geringer ist, je höher organisirt das Thier war. Ver- schiedene Gase halten auf den Muskelstrom gar keinen Einfluss, ausgenommen das Wasserstoflgas, welches aber auch bei Anwendung anderer Elektrieitätsquellen dieselbe (polarisirende) Wirkung äussert. Aus diesem indifferenten Verhalten der Muskelsäulen gegen verschiedene Gase schliesst M., dass der Strom in den lebenden Muskeln selbst entste- hen müsse; auch konnte er bei einer künstlich aus kleinen, mit frischem Fibrin gefüllten Trichtern von feiner Darmhaut zusammengeseizten Batterie keinen Strom beobachten. Für den eigentlichen Froschstrom bemerkt er schliesslich, dass er bei allen Thieren existire, wenn ihre Sehnen nur an ein spilzes, zusammengezogenes Ende des Muskels angeheftet seien. ei dieser Anordnung gehe der Strom immer von dem Seh- nenende zur Oberfläche des Muskels, was M. mit der wahr- scheinlichen Anheftung der Sehnenfasern an die Muskel’asern, ohne Intereurrenz des sie umwickeluden Sarcoleımma, in Zu- sammenhang zu bringen sucht. Matteueei hat auch wieder Versuche über den Zitter- rochen mitgetheilt, Sie beziehen sich vorzüglich auf den Be- weis, dass eine Entladung des elektrischen Organes nur er- folgt, wenn ein vollständiger Kreis von Leitern vom Rücken bis zum Bauche des Fisches vorhanden ist, auf die Richtung 110 der elektrischen Strömung und auf die Abhängigkeit der Ent- ladung von den Nerven. Comptes rend. T. XXI. No. 10. Sept. 1845. Fror. N. Not. No. 786. In den Philos. Transact. for 1845. p. 283 — 319. finden sich drei Abhandlungen von Matteucei über den sogenann- ten Muskelstrom, den Froschstrom, und indieirten Muskel- strom, welche diese Erscheinungen weiter durch Versuche beleuchten und 'eröriern. Da sie inzwischen nichts wesent- lich Neues hinzufügen und daher nur in ihren Details be- sondere Interessen darbieten, so müssen wir uns hier auf ihre Erwähnung beschränken. — Ebenso im Philosoph. Mag. Vol. XXVI. 1845. p. 175. Dr. Stark will bei Raja batis. clavata u. A. ein zu beiden Seiten des Schwanzes liegendes, über den M. M. la- terales befindliches und vom N. lateralis vagi versorgtes, dem elektrischen Organe des Zitterrochen analoges Organ gefunden haben. — Goodsir hält es für eine Muskellage. Ann. and Mag. of nal. hist, No. CXVI. Febr. 1845. Fror. N. Not. No. 731. Ein Aufsatz von Matteucei und Cima über die En- dosmose in den Ann. de Chin. et de Phys., T. XII. 1845. Janv., welcher auch von Dr. Plattner in Haeser’s Arch. Bd. VII. p.216. 1845. reprodueirt worden ist, enthält nichts von allgemeinerem Interesse, als dass er aufs Neue den Be- weis giebt, dass bei der genannten Erscheinung die Beschaf- fenheit der zu durchdringenden Membran, und selbst die Seite derselben, welche sie der einen oder der anderen Auf- lösung darbielet, von wesentlichem Einflusse ist. Sehr we- nig zweckmässig wählten die Verfasser in vielen ihrer Ver- suche die sogenannte Schleimhaut des Magens, deren Natur ihnen daber wohl schwerlich bekannt war. Il. Cimento. Pisa. Schmidt’s Jahrbücher. 1845. Bd. 47. p. 157 J. Vogel hat in einem Aufsatze: Ueber die Gesetze, nach welchen die Mischung von Flüssigkeiten und ihr Ein- dringen in permeable Substanzen erfolgt, Göttingen 1846. Abgedr. aus den Götlinger Studien 1845, auf die Punkte aufmerksam gemacht, auf welche bei den betreffenden, sehr complieirten Erscheinungen im Allgemeinen geachtet, und auf welche bei Versuchen, oder bei Beurtheilung von Vor- gängen, bei denen jene Gesetze zur Geltung kommen. die Aufmerksamkeit gerichtet werden muss. Desgleichen weiset er nach, wie bei der sogen. Resorption, der Ernährung, der Absonderung ete. diese Gesetze ihre mannigfachste Anwen- dung und danach jene Vorgänge selbst ihre Erklärung finden. Neue Beobachtungen hat der Verf. hier nicht mitgetheilt. 111 In einer Note in Poggendorff’s Annalen, Bd. 66. p- 595., macht Parrot darauf aufmerksam, dass Nollet der erste Beobachter war, der über die Endosmose mit Wasser, Weingeist und einem Stück Blase Versuche anstellte. Czermak, Beobachtungen über Wimperblasen. Rai- mann und Rosas, Medie. Jahrbücher d k. k. österr. Staa- tes. Bd. 51. p. 50. Der Verl. hat ganz ähnliche Gebilde, wie Remak in Mesogastrium der Frösche, an dem vorde- ren selır feinen Ende der Saamengefässe des schwarzen Sa- lamanders beobachtet. Sie kommen, wie es scheint, nur bei dem reifen Männchen vor. Ausser einer genauen und sorg- fältigen Beschreibung, wagt der Verf. nicht eine bestimmtere Ansicht über ihre Bedeutung auszusprechen; nur gegen ihre Natur als etwanige Entozoeneier entwickelt er mehrfache Gründe. Frösche in Gesteinen lebend angetroffen. Froriep’s N. Notizen. Bd. 33. p. 329. Dieses ist eine der auch anderwei- tig schon bekannt gewordenen Angaben, die allerdings viel Glaubwürdigkeit für sich zu haben scheint. Der Frosch wurde in der Kohlenblende eingeschlossen gefunden. Er konnte sich nur wenig bewegen und war blind, obgleich die Augen völlig ausgebildet sind. Der Mund ist geschlossen und nur durch eine Linie angedeutet. Sein Rückgrat ist verkrümmt, weil er in einem beengten Raume eingeschlos- sen war, den er ganz ausfüllte Leider wird nichts von etwa vorhandenen Spalten oder Zugängen in dem Gestein gesägt. Haumann, Von einem Kakerlaken unter den Fischen. Allgemeiner Anzeiger. 1845. No. 29. Fror. N. Not. Bd. 33. p- 153. Dieses ist ein Schmerl, den der Verf. in Gefan- enschaft hält, bei dem eine völlige Pigmentlosigkeit sich lindet. Marcel de Serres, On the unity of the human spe- cies, Jameson’s New Edinburgh philos. Journal. 1845. T. XXXIX. p. 20. Schultz, Bericht über Messungen an Individuen von verschiedenen Nationen zur Ermittelung der menschlichen Körperverhältnisse. Bullet de l’Acad. imperiale de St. Pe- tersbourg. 1845. Tom. IV. No. 15. 16. Fror. N. Notizen. No, 759. Diese Messungen wurden in St. Petersburg an Russen, Juden, Tscherkessen, Letten, Tschuwaschen und Ungern angestellt, um zu ermitteln, ob bei Völkern, die ei- ner Race angehören, sich aber durch Physiognomie und Lebensweise, so wie in geistiger Hinsicht unterscheiden, nicht auch eine merkbare körperliche Verschiedenheit ob- 112 walte. Als allgemeinste Resultate ergeben, sich folgende: Die Ungern haben den relativ kürzesten, die Juden den läng- sten Hals, dann folgen die Russen. Die unteren Extremitä- ten sind bei den Juden am kürzesten, bei den Ungern am längsten; das Knie ist bei den Russen auffallend niedrig Das Becken zeigt bei durchgängig ziemlich gleicher Höhe die auffallendsten Verschiedenheiten in den einzelnen Dimensio- nen. Die breiteste Brust besitzen die Esthen, bei denen überhaupt alle Breitendurchmesser am stärksten sind. Die längsten Arme hatten die Ungern, die kürzesten‘ die Juden. Die kleinsten Hände zeigten die Russen, die grössten die Letten, den grössten Fuss die Russen, den kleinsten die Tschuwaschen. In einer Abhandlung über den Mund des Menschen sucht Nasmyth die physiologische und ethnologische Bedeutung desselben in seinen verschiedenen Formen und Entwickelun- gen als innig zusammenhängend mit der geistigen und kör- perlichen Cultur nachzuweisen. Er geht dabei davon aus, dass die senkrechte Stellung der Kiefer und des Mundes die ursprüngliche gewesen, aus welcher durch die Einflüsse des Klimas, der Nahrung, der Lebensweise etc. die jetzigen Formen sich entwickelt haben. Das Specielle muss aber in der Abhandlung selbst nachgesehen werden. Edinb. new philosoph. Journ. Oct. 1845 — Jan. 1846. Fror. N. Not. No. 805. u. 806. 1846. Dr. Lund glaubt aus seinem vermeintlichen Funde fos- siler Menschenknochen in einer Höhle am Sumidouro - See den Schluss ziehen zu können, dass Amerika nicht, wie man gewöhnlich glaubt, von Europa aus durch Einwandern der mongolischen Race bevölkert worden sei, sondern dass um- gekehrt die mongolische Race ein Nachkömmling der ameri- kanischen sei. Compt. rend. T. XX. No. 18. 1845. Fror. N. Not. No. 759. — (In sofern diese Ansicht auf die gefun- denen Menschenknochen basirt ist, muss erwähnt werden, dass, wie aus Angaben Owens hervorgeht, dieselben einem Affen angehörten. Ref.) J. J. von Tschudi,. Ein Awarenschädel. Müller's Archiv f. Anat. 1845. p. 277. Dieses ist ein im Besitze des Grafen v. Brexner in Wien befindlicher Schädel, der in vielen Abgüssen unter dem Namen eines A warenschädels ver- breitet ist. Dr. Tschudi hält ihn für einen Peruaner Schä- del, der zu den Zeiten Carl V. wahrscheinlich nach Deutsch- land gekommen und verschleudert worden sei. Er wurde auf offenem Felde gefunden, J. Prichard, Ueber die Schädel der Lappen und Fin- nen, und ihre Verschiedenheiten von denen anderer europäi- 113 scher Racen. Proceedings of the zoolog. Sue. for. Aug. 1844. Philosoph. Mag Vol. XXVI. p. 497. 1845. Eine genaue Untersuchung mehrerer dieser Schädel veranlasst den Verf., sich ganz der Ansicht Blumenbach’s anzuschliessen, dass die Schädel der Lappen und Finnen die grösste Aehnlichkeit mit einander haben, und dass sie sich, weit mehr der hyper- boreischen (mongolischen) Form, als der europäischen an- schliessen. Eine Beschreibung der zur amerikanischen Race gehöri- gen, in Paris damals anwesenden Joways theilte Serres der Akademie mit, besonders in Vergleich mit den Botoecu- den (Comptes rend. T. XXI. 1., Juillet 1845. Fror. N. Not. No. 770.). bei welcher Gelegenheit sich ein Streit über die anthropologischen Charaktere zwischen Serres und Geoffroi St. Hilaire einerseits und Jacquinot anderer- seits entspann. Ibid. 4. A. Retzius, Ueber die Schädelformen der Nordbewoh- ner. Müller’s Archiv f. Anat. 1845. p. 84. Der Verf. be- schreibt in dieser, schon in einem früheren Jahresbericht er- wähnten Abhandlung die Schädel von Schweden, Slawen, Finnen und Lappen, und vergleichungsweise auch von Kal- mucken und Grönländern mit grösster Sorgfalt und Genauig- keit, und stellt die verschiedenen Charaktere derselben fest. In der Einleitung giebt er auch eine Uebersicht seiner Ein- theilung sämmtlicher Schädelformen in Dolichocephalae und Brachyeephalae, deren jede wieder in die der Orthognathae und Prognathae zerfällt. Das Speciellere muss in der Ab- handlung selbst nachgesehen werden. Th. Hodgkin, Ueber die alten Bewohner der Canari- schen Inseln. Edinb. new Philos. Journ 1845. Jul. — Oct. Froriep’s N. Not. No. &02. u. 803. Er glaubt, dass sie mit den Hotteutolten und Buschmännern einer Race ange- hört haben. Knox hat Messungen von 260 Schädeln verschiedener Racen bekannt gemacht und einige Folgerungen aus densel- ben abgeleitet, ohne sich deshalb den Phrenologen anzu- schliessen. Er findet z. B., dass die Höhe des Schädels nicht an und für sich ein Zeugniss höherer geistiger Entwickelung sei; dass ein grosser Schädel zwar wohl als ein Zeichen von Energie, aber nicht von Genie betrachtet werden könne ete. Med. Times. Apr. 1845. Schmidt’s Jahrbücher. Bd. 48. p. 10. Müllers Arebir, 1816. H 114 2. Vegelative Prozesse, Mischung. — Nahrungsmittel. — Verdauung. — Speichel. — Chy- lu. — Lymphgefässe. — Resorption. — Blutgefässdrüsen. — Athmen. — Blut. — Kreislauf, — Ernährung. — Absonderung. — Stoffwechse'. Mulder, Versuch einer allgem. physiol Chemie. A. d. Holländ. von Kolbe. Braunschw. 1844 — 1845. Ejusdem übers, von Moleschott. Heidelb. 1844 — 1845. Fortsetzung des schon früher angezeigten Werkes. J. C. Mayer, Der Chemismus in der Sphäre der Assi- milation, Med. Correspondenzbl. rhein. u. westphäl. Aerzte, 1845. Bd. IV. No. 4. u. 7. Kleinert’s Repertorium. 1845. Sept. No. 4. p. 42. Der Verf. will den einfachen chemi- schen Kräften nur bei der Zertheilung und Auflösung der Nahrungsmittel einen Spielraum einräumen; bei der Assimi- lation dagegen wirken die vitalen Kräfte der Biocysten. Dr. €. Schmidt, Zur vergleichenden Physiologie der wirbellosen Thiere, 1845, im Auszuge in Wöhler’s und Liebig’s Annalen Bd. 54. p. 284. Der Verf. sucht in die- sem Schrilftchen die Frage zu beantworten, ob sich der ver- gleichenden Anatomie nicht eine vergleichende Chemie paral- lelisiren und nachweisen lasse, dass gewisse Uebereinstim- mungen im Bau, und besonders in der mikroskopischen Textur, auch durch gewisse übereinstimmende Mischungs- verhältnisse charakterisirt seien, und zweitens, ob sich ma- terielle Unterschiede zwischen Thier und Pflanzen festsetzen lassen? Er fand nun, dass sich bei allen Gliederthieren in deren Hautskelet als charakteristischer Stoff Chitin findet, und dass der Mantel der Ascidien und höchst wahrschein- lich auch der Salpen sehr merkwürdiger Weise aus einem mit der Cellulose der Pflanzen identischen sticksto[ffreien Körper zusammengesetzt ist, Rücksichtlich der primitiven Nerven und Muskelfasern fand er, dass diese im ganzen Thierreiche wesentlich übereinstimmend chemisch, wie. mi- kroskopisch gebildet seien. In Beziehung auf den Unterschied zwischen Pflanzen und Thieren glaubt der Verf. keine schar- fen materiellen Grenzen zugeben zu können, Wunderlich glaubt in der Beobachtung, dass wenn man einer eiweisshalligen Flüssigkeit ein oder zwei Tropfen Salpeter- oder Salzsäure zusetzt, diese Flüssigkeit dann die Eigenschaft, in der Siedhitze zu coaguliren, verloren hat, ein eigenthümliches, bis jetzt unbekanntes Verhalten des Ei- weisses entdeckt zu haben. Archiv f. phys. Heilkunde. 1345. 115 . 155. (Dieses Verhalten war inzwischen schon früher be- annt. Ref.) Einen Aufsatz von Dr. Eichholz über das Pyin und seine Bedeutung im menschlichen Organismus in Rust!'s Magazin, Bd. 64. 1845. p. 140., kann Ref. nur als ein ver- unglücktes Ansteckungsprodukt der chemischen Zeitrichtung betrachten. Schwerlich mit den nöthigen Kenntnissen und Bülfsmitteln ausgerüstet, bemüht sich der Verf., einem pro- blematischen Stoffe eine noch grössere und ausgedehntere Bedeutung in physiologisch - pathologischen Vorgängen zu geben, als selbst sein Entdecker für die Eiterbildung. Sollte der Verf. selbst wirklich etwas Reelles in Händen gehabt haben, so kann man daraus keinen Nutzen ziehen, da dafür keine sonstigen Garantieen vorhanden sind. Dergleichen Ar- beiten würden gewiss besser erprobten Chemikern überlas- sen, als dass praktische Aerzte sich in ihren Mussestunden damit beschäftigen. Devergie vertheidigt in den Ann. d’'hyg. 1845. Janv. aufs Neue seine frühere Behauptung der Gegenwart von Kupfer und Blei in dem natürlichen Zustande in dem Ma- gen, den Eingeweiden und allen vegetativen Organen gegen die Einwürfe von Danger und Flandin. Das Verhältniss,; in welchem sich diese Metalle vorfinden, verstärkt sich mit zunehmendem Alter, während man bei dem Neugebornen nur sehr wenig findet. Bei Leiden der Ernährung nimmt der Kupfer- und Bleigehalt der Organe ab. Sie rühren von dem Kupfer- und Bleigehalt der Nahrungsmittel her. Die Menge des Kupfers ist beträchtlicher, als die des Blei's. Je- nes stammt von dem: Korn, der Gerste, Hafer, Reis, Thee, Kaflee, Zueker, Cichorien, Chokolade, Gelatine, Ochsenfleisch, mehreren grünen Gemüsen her. Das Blei leitet er vorzüg- lich von den Geschirren ab, in denen die Speisen gekocht werden. Schmidt’s Jahrbücher Bd. 51. No..7. p. 1. 1846. Bertozzi und Heller fanden in den Gallensteinen, v. Gorup-Besanez auch in der Menschen- und Rindsgalle Kupfer. Heller's Archiv. 1845. Heft 3 p. 225. und 1846. Heft 1. p. 17. v. Bibra, Ueber das Muskellleisch der Menschen und Tbiere. Archiv f. physiolog. Heilkunde. IV. Heft 4. 1845. p: 536. Im Allgemeinen zeigt das Muskellleisch der Säuge- thiere und des Menschen (welches der Verf. zuerst unter- suchte) eine sehr ähnliche Zusammensetzung. Es enthält 77-78 pCt. Wasser, 20 pCt. Eiweiss und Glutin, 16 pCt. Fibrin, eine wechselnde Menge theils in Wasser, Iheils in Weingeist, theils in Alkohol lörlicher extraktiver Materien ; drei Fette, nämlich Margarin, Olein und Stearin; eine freie H2 116 Säure, wenngleich nicht immer; ob Milchsäure? blieb zwei- felhaft; phosphors. Natron, phosphors. Kalkerde. Das In- teressante der Arbeit sind die Zusammenstellungen der Ana- lysen verschiedener Fleischarten, die im Original nachgesehen werden müssen. Ueber das in neuester Zeit wichtig wer- dende Kreatin findet sich Nichts in dieser Arbeit. Dr. James Stark hat eine Reihe von Untersuchungen über die Knochen damit begonnen, dass er eine vergleichende Uebersicht über das Verhältniss der erdigen und animalischen Bestandtheile in den Knochen der Wirbelthiere zu gewinnen suchte. Er kam zu dem Resultate, dass dieses Verhältniss nahe zu überall dasselbe ist, selbst bei den Knochen des Störs, wie bei denen der Vögel und Säugethiere. Er fand ferner, dass die organische Substanz beinahe genau ein Drit- tel des trockenen Knochens ausmacht. Bei den wild leben- den Thieren ist die Menge der erdigen Bestandiheile etwas grösser, als bei den domestieirten. Bei Thieren, die künst- lich fett gemacht sind, oder an Krankheiten sterben, varürt die relative Menge der erdigen und animalischen Bestand- theile bedeutend, so wie überhaupt die Nahrung und Lebens- weise einen grossen Einfluss ausüben. Im Alter vermehrt sich, gegen die gewöhnliche Meinung, die Menge der erdigen Bestandtheile keinesweges. Auch die llärte der Knochen hängt keinesweges von der Menge der erdigen Bestandtheile ab, sondern von ihrer Struktur. Ebenso enthalten auch die biegsamsten Knochen keinesweges die geringste Menge erdi- ger Bestandtheile, sondern auch diese Eigenschaft hängt von der Struktur der Knochen ab. Ebenso verhält es sich auch mit der Durchsichtigkeit der Knochen. Diese Angaben wei- chen grösstentheils von denen früherer Beobachter ab, was der Verf. den beiden Umständen zuschreibt, dass man die Knochen vor dem Verbrennen nicht gehörig von Fett und bi Et habe. Edinb. med. and surg. Journ. Vol. 163. pag. 308. - Andr. Combe, The Physiology of Digestion. 5. edit. Edinburgh 1845. 8vo. Schlossberger und Kemp haben die Resultate ihrer Untersuchungen über den Stickstoffgehalt der Nahrungsmittel besonders aus dem Thierreich bekannt gemacht. Ich gebe hier die Tabelle wieder, welche dieselben am Ende ihrer Abhandlung aufgestellt haben, aus welcher, wenn der Stick- stoffgehalt der Menschenmilch, bei 100° getrocknet, gleich 100 gesetzt wird, das Verhältniss des Stickstoffgehaltes der übrigen gewöhnlicheren Nahrungsmittel hervorgeht. Reis . ..... 2.0.81 Weisse Rüben. . . 106 Kartoffeln . . 2.84 Roggen . 2... 106 Mais 100—125 Krabben, roh ; 859 Gerste .. 125 - gekocht. 956 UngegohrenesBrod von Häring, roh. 910 Glasgow . 134 - gekocht 808 Hafer . 138 - Rogen 924 Weissbrod . . ..142 Schellfisch, roh „920 Waizen 119 — 144 - gekocht . 816 Möhre . . . .. 150 Buttfisch, roh . 898 Schwarzbrod 166 - gekocht 954 Agaricus cantharellus 201 Taube, roh . s 756 Erbsen 239 - gekocht 827 Agaricus Russula . 264 Lammfleisch, roh . 773 Linsen : 276 - gekocht 852 Haricot-Bohnen 283 Kalbfleisch, roh 873 Agarieus delieiosus 289 - gekocht . 911 Bohnen . 320 Rindfleisch, roh 830 in; - gekocht . 942 Menschenmilch 100 Ochsenlunge 931 Kuhmilch 237 Austern . 305 Gereinigte Muskelfaser Eigelb . “20.805 vom Käse . 331 — 447 Aal. 908 Aal, roh . 434 Salm 982 - gekocht 428 Häring. . 914 Leber von Krabben . 471 Schellfisch 988 Muschel, roh 528 Buttfisch . 988 - gekocht . 660 Taube . 775 Ochsenleber, roh . 570 Lamm . 916 Schinken, gekocht °. 610 Schaf . 928 - roh . 776 Kalb 993 Taubenleber 742 Ochs 935 Bouillontafeln . 742 Schwein . 893 Eiweiss 854 Liebig’s und Wöhler’s Annalen. Bd. 56. p. 78. Philos. Mag. vi 27. No. 181. Journ. für Chemie. Bd. 37. 1846. pag. 289. Einen Fall von Wiederkäuen bei einem Menschen, der ausserdem fast nur von Vegetabilien lebt, theilt Rob. Read mit. Er bringt durch Exspirationsbewegungen die Speisen aus dem Magen wieder in den Mund. Lancet. 1845. 1. 10. Scehmidt’s Jahrbücher. 1845. Bd. 48. p. 156. Carl Sigmund, Der Speichel, in Zehetmayer's Zeit- schrift d. k. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien. Jahrg. Il. Bd. I. p. 19. Lassaigne, Recherches pour determiner le mode d’ac- 118 tion qu’exerce la salive pure sur l’amidon etc. Comptes rendus de l’Acad. roy: d. sc. Vol. XX. p. 1347 et 1640. Ejusdem Recherches sur l’action qu'exerce le tissu pan- ereatique du cheval sur l’amidon ete. Ibid. p. 1350. Lassaigne zieht aus seinen Versuchen über die Wir- kung des Speichels folgende Schlüsse: Bei 38° C. wird Stärkemehl durch menschlichen und Pferde - Speichel gar nicht verändert. Auch bei mehr als dreistündiger Digestion vermag der Speichel vom Pferde (aus dem Duct. Stenon. aufgefangen) selbst bei 70—75° C. das Stärkemehl nicht in Dextrin oder Glycose umzuwandeln, während Speichel aus dem Munde des Menschen bei dieser Temperatur dasselbe in kurzer Zeit in Dextrin und dann in Glycose verwandelt. Hiernach würden die dem Speichel von Mialhe zugeschrie- benen Wirkungen bei der Temperatur des thierischen Kör- pers nicht zu Stande kommen können. In Bezug auf die von Bouchardat und Sandras beobachtete Wirkung der Pankreassubstanz bestätigt 1, dass dieselbe bei 70— 75° C. Stärkemehl und noch schneller Kleister in Dextrin und Gly- cose verwvandle, während sie bei 38° C. wirkungslos sei für rohes Stärkemehl, von gleicher Wirkung aber noch auf Klei- ster. Auf 100° ©. erwärmt, verliert die Pankreassubstanz diese Eigenschaft und stimmt also hierin mit Diastase über- ein. In einem späteren Aufsatze macht L. besonders auf den grossen Unterschied zwischen der Umwandelbarkeit des gekochten oder überhaupt fein vertheilten Stärkemehls und der des rohen, körnigen aufmerksam. Ersteres werde inner- halb 12 Stunden durch menschlichen Speichel selbst bei -+ 18 bis 20° ©. in Dextrin etc. verwandelt, letzteres noch bei 38° nicht. Bei der Umwandlung des ersteren behielten die zerrissenen Hüllen die Fähigkeit, durch Jod blau gefärbt zu werden. Lassaigne, Sur la proporlion des liquides salivaires et muqueux dans le bol alimentaire des Herbivores. Compt. rend. de l’Acad. roy. d. sc. Vol. XXI. p. 890. Fror. N. Not. No. 765. Der Verf. hat bei Pferden, Schafen und Eseln die blossgelegte Speiseröhre durchschnitten und den durch sie hindurchtretenden gekauten und eingespeiehelten Speise- brei aufgefangen. Da nun der Wasser- und Salzgehalt der Futterstoffe bekannt ist, so konnte daraus die Quantität des Wassers und der Salze des Speichels oder vielmehr. der Mundflüssigkeiten überhaupt bestimmt werden Sie ist nach der Natur des Fulters. wie leicht zu erwarten, sehr ver- schieden. Magendie hat den Speichel des Pferdes untersucht, sowohl denjenigen, welchen man ans einer Fistel des Duet. 119 Stenonianus erhält, als denjenigen, mit welchem der Bissen nach dem Kauen angefeuchtet ist, letzteren, indem er eine Fistel an der Speiseröhre zum Auffangen des Bissens be- nutzte. Seine Angaben weichen nicht bemerkenswerth von denen anderer Beobachter ab, nur will er einen bestimmten Unterschied zwischen dem Speichel der Parotis und dem, womit der Bissen angefeuchiet war, gefunden haben ( was wohl nur als sehr unsicher betrachtet werden kann, Ref.). Letzterer soll dem Speichel des Menschen ganz ähnlich sein. Arch, gen. de Med. T. IX. p. 371. Bei ihren weiteren Untersuchungen über die Verdauung haben sich Sandras und Bouchardat denn nun auch überzeugt, dass Speichel und pankreatischer Saft keine so gleichgültigen Materien für die Verdauung sind, als sie früher annahmen. Sie glauben jetzt, dass dieselben vorzüglich für die Auflösung des Stärkemehls bestimmt sind und auf das- selbe wie Diastase wirken. Nach ihrer jetzigen Ansicht werden die Proteinverbindungen im Magen aufgelöst und von den Blutgefässen resorbirt; die Fette werden im Darm durch die Galle emulsionirt und von den Lymphgelässen aufge- nommen; endlich die stärkemehlhaltigen Substanzen werden durch Speichel und pankreatischen Saft wie durch Diastase aufgelöset und von den Venen des Magens und der Pfort- ader überhaupt aufgenommen. Gaz. med. 1845. Tom. XI. p- 252. Compt. rend. Vol. XX. p. 1085. Dieselben Beobachter haben alsdann weitere Untersu- chungen über die Verdauung von Stärkemehl und Zucker angestellt. Der Rolhrzucker wird nach ihnen in Trauben- zucker und Milchsäure umgewandelt; gelangt er unverändert, 2. B. eingespritzt, in das Blut, so wird er mit dem Harn ausgeschieden, was mit dem Traubenzucker und Glucose nicht der Fall ist, denn diese verbinden sich bei 38° mit Sauerstoff und verwandeln sich in Kohlensäure und Was- ser. Rohrzucker ihut dies nicht. Wahrscheinlich ist Amei- sensäure noch ein intermediäres Produkt, die sie zwei- mal im Blute nachwiesen, und wenn ‘dieses in ande- ren Fällen nicht gelingt, so betrachten sie die geringe Menge als Ursache davon. Hohes Stärkemehl wird von Menschen und Fleischfressern fast gar nicht verdaut, und findet sich in den Exkrementen. Bei Hasen wird es erst im Dünndarm verdaut und in Dextrin, Glucose und Milchsäure umgewandelt, die in der Galle und im Blute nachgewiesen werden können, nicht aber im Urin. Gekochtes Stärkeinehl wird auch von Menschen und Fleischlressern aufgelösel, er- leidet dieselben Veränderungen, geht in die Vena portarum und die Leber über. Sind im Blute brennbare Stoffe reich- 120 lich vorhanden, so werden sie in der. Leber zurückgehalten, gehen mit der Galle wieder in den Darm, werden wieder resorbirt ete. Nur allmählig gelangen sie so in den allge- meinen Blutstrom, un verbrannt zu werden. In den Chylus gehen sie nicht über. Compt. rend. Vol. XX. p. 143. Mialhe, Sur la röle chimique des alcalis dans la di- gestion etc. Comptes rendus de l’Acad. roy.d. se. Vol. XX. p- 247. u. 367. Derselbe, Sur la digestion et l’assimilation des sub- stances suerces et amyloides Comptes rendus de l’Acad, roy. d. sc. Vol. XX. p. 954. Derselbe, De laction de la salive sur lamidon. Compt. rendus de l’Acad. roy d. sc. Vol. XX. p. 1485. Vergl. Gaz. med. 1545. T. XI. p. 22. Miallhe theilt die Nahrungsmittel in eiweissartige, felle und zuckerartige. Für erstere sei der Magensaft mit seiner Säure und seinem Pepsin, für die Fette die Galle als ver- dauende Flüssigkeit allgemein (?) anerkaunt. Für die zuk- kerartigen (amylonhaltigen) Stoffe ist Mialhe so glücklich gewesen, durch die Entdeckung des wirksamen Bestandtheils des Speichels das verdanende Prineip eben im Speichel nach- zuweisen. Diesen wirksamen Bestandtheil, den M. thierische oder Speichel - Diastase zu nennen vorschlägt, stellt man dar, indem man menschlichen Speichel filtrirt, ihn dann mit dem fünf- bis sechsfachen Gewicht Alkohol behandelt, wor- auf der gedachte Stoff in grossen weissen Flocken zu Boden fällt, so dass er nun durch Filtriren isolirt und bei 40 — 50° getrocknet in wohlverschlossenen Gläsern lange Zeit (we- nigstens 1 Monat) unverändert aufbewahrt werden kann. Der menschliche Speichel enthält 0,2 pCt. davon. Er ist weiss-grau, krystallisirt nicht, löslich in Wasser und schwa- chem Alkohol, unlöslich in reinem Alkohol. Die wässrige Lösung ist geschmacklos, neutral, wird durch essigsaures Blei nicht gefällt, verändert sich aber sehr schnell (auch bei Abschluss der Luft), so dass sie sauer wird, wahrscheinlich durch Bildung von Buttersäure oder einer dieser sehr ähn- lichen Säure. Auf alle stickstoffhaltigen Stoffe, ferner auf Rohrzucker, Inulin, Gummi, Holzfaser hat dies Prinzip keine Wirkung. Rohes Stärkemehl wird erst nach mehrtägiger Digestion damit in Dextrin, Zucker und Glycose umgewan- delt. Stärkemehl, mit dem sechs- bis achtfachen Gewicht Wasser angerübrt, wird sehr schuell in Dextrin und Gly- cose umgewandelt. Am schnellsten erfolgt die Umwandlung, wenn man Kleister anwendet Ein Gewichtstheil Speichel- Diastase reicht hin zur Umwandlung von 2000 Theilen Stär- kemehl. M. weist ferner speciell die Uebereinstimmungen 121 seiner Speichel-Diastase mit der vegetabilischen nach. Sehr erstaunlich ist es, dass der Speichel der Herbivoren eine solche Wirkung auf das Stärkemehl gar nicht und der des Hundes in geringem Grade hat. Hier soll der pankreatische Saft aushelfen (in dem M. aber seine Diastase noch nicht nachgewiesen hat), denn ohne Speichel-Diastase sei Stärke- mehl gar nicht absorbirbar, wie dies die Versuche von Payen für die Pflanzenwurzeln zeigten; dasselbe müsse noch mehr für die Darmzotten gelten, die doch gewiss keine grösseren Oeffnungen hätten, als jene. — Vielfache Priori- Lälsstreitigkeiten gegen Bouchardat und Sandras und Lassaigne sind keine angenehme Zugabe. Cappezuoli hat einige Beobachtungen über die Ver- dauung des Stärkemehls bekannt gemacht, wodurch er des- sen Umwandlung in Zucker bestätigte. Gaz. Toscana. 1845. No. 24. Schmidt’s Jahrb. Bd. 52. p. 275: 1846. E. A. Platner, Beiträge zur Lehre von der Verdauung. Müller’s Archiv f. Anat. 1845. p. 345. Der Verf. hat ei- nige Beobachtungen und Versuche mit dem gallensauren Na- Iron angestellt. Zuvörderst versichert er, dasselbe nach der Pettenkofer schen Reaktion nie in den Fäces gefunden zu haben. Hierauf stellte er Versuche über die Veränderungen an, welche das gallensaure Natron, bei Zusatz zu einer künstlich bereiteten Verdauungsflüssigkeit, zu aufgelösetem und verdautem Eiweisse und verdautem Blutkuchen hervor- bringt. Die Resultate sind von zu wenig gesicherter Bedeu- tung, um sie hier zu wiederholen, weshalb ich auf den Auf- satz verweise. Heinr. Müller, Beiträge zur Morphologie des Chylus und Eiters. Henle und Pfeuffer, Zeitschrift f. ration. Me- diein. Tom. 3. 1845. p. 204. Der Chylus enthält nach dem Verf. 1) unzählige Moleküle, denen er seine weisse Farbe verdankt, und die grösstentheils aus Fett bestehen, vielleicht aber kleine Feittröpfchen sind, die eine eiweissstoffige Hülle haben; 2) grössere Fetttröpfehen; 3) die eigentlichen Chy- laskörperchen,, 0,002 —0,004'“ gross, blass, weisslich, matt glänzend, feinkörnig, mit wenig scharfen Umrissen, kugelig, ohne Unterschied von Kern und Hülle. Wenn man aber Wasser zuselzt, so erhebt sich von den Kernen eine feine Zellenmembran in der Fornı eines hellen Ringes mit schar- fen Contoauren um sie herum, welche durch das Eintreten von. Wasser verschiedentlich ausgedehnt wird. Dann hat man eine Zelle mit einem Kerne. Dieser Kern, das Chylus- körperchen, wird dabei stärker granulirt, löset sich aber nicht auf. Nach längerer Zeit platzt meist die Hülle und der Kern bleibt übriz. Essigsäure bringt ähnliche, aber 122 schneller vorübergehende Erscheinungen hervor; nach Schüt- teln mit Aelher erscheinen die Körperchen ohne Hülle blas- ser und mit weniger scharfen Rändern; verdünnte Alkalien lösen sie schnell auf. Diese Körperchen erscheinen auch in verschiedenen Gestalten, und das Verhalten zum Wasser in Beziehung auf die durch Zusatz desselben erscheinenden Hül- len ist verschieden, je nach der Stelle, wo man den Chylus auffängt. Jene entwickeln sich nämlich um so deutlicher, je näher dem Ende des Duct. thor. man den Chylus auf- fängt, und im Blute endlich ist diese Hülle um einen Kern bei den sogen. Lymphkörperchen des Blutes um so deut- licher. Blutkörperchen fand der Verf. in dem Chylus um so weniger, je sorgfältiger die Präparation gewesen; im Duct. ihor. fand er sie aber auch bei äusserster Sorgfalt constant vor, und zwar bei nüchternen Thieren mehr, als bei gefütierten. -—— Rücksichtlich der primären Bildung der Chyluskörperchen entscheidet sich der Verf. zu der Ansicht, dass sie durch Agglutination mehrerer kleiner Körner ent- stehen, welche das Material für die spätere Hülle und den Kern abgeben, ohne dass sich also eine solche Hülle später sekundär anlagere. Fine endogene Bildung neuer Chyluskör- perchen aus oder in den älteren glaubt der Verf. läugnen zu müssen, und selbst wenn mehrfache Kerne vorkommen, wie 2. B. an den sogen. Lymphkörperchen des Blutes, so glaubt er doch, dass diese eher sich erst vereinigende Kern- körperchen, als sich theilende Kerne seien. — Rücksichtlich der Beziehung der Chylus- und Lymphkörperchen zu den Blutkörperchen, so glaubt der Verf., dass letztere aus Kern und Hülle der ersteren hervorgehen. (Es freut mich, dass der Verf. dieser sorgfältigen Arbeit in seiner Beschreibung der mikroskopischen elementaren Bestandtheile des Chylus mit der von mir schon 1838 gegebenen grösstentheils genau übereinstimmt, obgleich er es nicht bemerkt zu haben scheint, dass er fast der einzige Autor ist, der ausser mir die zahl- lose Menge von Molekülen in dem Chylus beschrieben und von ihnen die weisse Farbe und den grössten Theil des Fett- gehaltes des Chylus abgeleitet hat. Auch darin stimmt mir der Verf. bei, dass man an den frischen Chyluskörperchen keinen Unterschied von Kern und Hülle wahrnehmen kann; allein er glaubt die letztere doch vorhanden, und stützt die- sen Glauben auf die Erscheinungen, welche bei Zusatz von Wasser eintreten, und die er als eine Erhebung der dem Kerne früher dicht anliegenden Hülle durch Endosmose be- trachtet. Ich bin nun zwar ebenfalls der Ansicht, dass die Chyluskörperchen später bestimmt Zellen werden und sich in die Blutzellen unter Auflösung des Kerns und Aufnahme 123 des Farbestofles metlamorphosiren; aber jene Erscheinung ei- ner Hülle an der Peripherie des Chyluskörperchens bei Zu- satz von Wasser interpretire ich ganz anders, und komme hier nochmals auf ein Verhalten zurück, welches ich gele- gentlich, besonders rücksichtlich der aa schon mehrere Male ausgesprochen habe, welches aber bis jetzt bei den Mikroskopikern, und namentlich denen, die sich mit Zellenuntersuchungen beschäftigen, wie es scheint, nicht die Beachtung gefunden hat, die es unzweifelhaft verdient, Bei Substanzen, welche aus Körnchen bestehen, die durch irgend ein Bindemittel, wahrscheinlich eiweissstoffiger Natur, zu- sammengehalten werden, z. B. bei dem Dotter der Thier- eier, bemerkt man jedesmal, wenn Wasser mit denselben in einer scharfen Begrenzungslinie in Berührung kommt, eine sehr merkwürdige und leicht täuscheude Erscheinung, An der scharfen Grenze jener Substanzen nämlich sieht man alsdann mehr oder weniger schnell in geringerer oder grös- serer Zahl kugelige Segmente einer durchsichtigen, das Licht stärker brechenden Substanz sich erheben, die sich oft un- iereinander vereinigen, dadurch grösser werden, einen immer er werdenden Theil einer Kugel darstellen, ja sich end- ich häufig selbst ganz von der Substanz, aus der sie her- vorquellen,. ablösen und frei umherschwimmen. Es scheint, als wenn Tröpfchen einer viscosen, durchsichtigen Flüssigkeit aus der Substanz bei der Berührung derselben mit dem Was- ser, und dem Eindringen des letzteren in sie und zwischen ihre Körner hervordrängen, aber diese Tropfen haben so das vollkommenste Ansehen von wasserhellen, scharf conturirten Zellen, dass ich überzeugt bin, jeder, der sie ohne Vorur- theil oder Vorwissen sähe, würde glauben, primäre Zellen vor sich zu haben. Bei längerer Einwirkung des Wassers lösen sie sich allmählig auf, und dann zerstreuen sich auch ge- wöhnlich die Körnchen der Substanz iım Wasser, die nun ihres Bindemittels beraubt sind. Es ist offenbar, dass diese Erscheinung sich bei der allmähligen Mischung des Wassers mit diesem, an und für sich formlosen Bindemittel entwik- kelt, und sie gehört sicher in das Gebiet der Erscheinungen, auf die zuerst Ascherson aufmerksam gemacht. In dieser Beziehung ist ihre Mittheilung nichts Neues; allein sie ver- dient alle Beachtung, weil sie unzweifelhaft die Ursache vie- ler Täuschungen bei mikroskopischen Untersuchungen ist, und zu fehlerhaften Interpretationen verleitet. Mir ist dieses wenigstens ganz gewiss bei meinen embryologischen Unter- suchungen öfters widerfahren, wo ich an freien Grenzen zarte Zellen zu sehen glaubte. — Rücksichtlich der Chylus- körperchen und anderer Körnchenmassen. wo man bei Zu- 124 salz von Wasser Zellenmembranen sich erheben zu sehen glaubt, halte ich den Vorgang für denselben, und wenn auch in der That zuletzt in dem natürlichen Entwickelungsgange eine Zelle um ein solches Körperchen sich bildet, und wenn auch ähnliche physikalisch-chemische Beziehungen diese Zellen- bildung bedingen mögen, so ist es doch sehr wichlig, zu wissen, dass der Schein auch hier zu trügen vermag. Hieran knüpfe ich auch noch die Ansicht Kölliker's über die Bildung der I,ymphkörperchen und der Blutkörper- chen der Erwachsenen aus den Körperchen der Lymphe und des Chylus in Henle’s und Pfeuffer’s Zeitschrift, Bd. IV. p- 142. Kölliker nennt die Chylus- und Lymphkörperchen geradezu Zellen und lässt sie in den Gefässen von kleinstem und mittlerem Durchmesser nach der Sch wann'schen Lehre entstehen, indem freie Kerne sich mit Körnehen umhüllen, die dann zu einer Membran verschmelzen. Ausserdem aber entwickeln sich aus den grösseren auch von sich aus klei- nere, welche durch Theilung oder endogene Bildung in den Gelässen von mittlerer Weite sind. Im Duct. thor. finden sich dann grössere und kleinere Lymphkörperchen, von de- nen sich erstere wahrscheinlich auflösen, letztere in Blut- körperchen umwandeln, indem ihre Kerne schwinden und die Zelle sich: mit Farbstoff füllt. Ich kann, wie oben schon gesagt, die fertige Zellennatur der Lymph- und Chyluskör- perchen, so lange sie im Lymphgefässsystem sind, so unbe- dingt nicht anerkennen. Nur höchst selten kann man an ihnen einen Kern und Membran unterscheiden, und so lange dieses nicht der Fall ist, oder durch ein unzweideutiges, ein- faches Mittel zur Anschauung gebracht werden kann, so lange darf von einer Zelle nicht geredet werden. Ref.) Fenwick, Ueber die Funktionen der Milch- und Lymph- gefässe. The Lancet. 1845. January. Der Verf. fährt fort, seinen schon früher (Jahresbericht 1343, p 92.) aufgestellten Satz zu vertheidigen, dass die Lymphgefässe ihren Inhalt nur von den Blutgefässen entnehmen. Neue Beweise dafür findet er in mehreren mitgetheilten Versuchen, in welchen die Lymphgelässe nichts aufnahmen, wenn die Blutgefässe des entsprechenden Theiles unterbunden waren. (Abgesehen davon, dass viele andere Versuche diesem letzteren Satze widersprechen, würde doch des Verf. Theorie noch nicht aus demselben folgen. Andere Ursachen, z. B. Aufhebung der Contractilität und Bewegung des betreffenden Theiles können Ursache der Nichtaufnahme der Lymphgefässe sein, ohne dass sie ihren Inhalt aus den Blutgefässen entnehmen. Ref.) Bryan, Ueber das Lymphsystem. The Lancet. 1845. April. Der Verf. sucht die Bewegung des Chylus und der 125 Lymphe auf die Aktion des Herzens, die peristaltischen Be- wegungen des Darms und die Alhembewegungen, und die Resorption auf das einfache Phänomen der Auflösung zu- rückzuführen. (Was das Herz betrifft, vergisst er inzwischen, dass auch nach Unterbindung der Blutgefässe oder des Duct. thoracieus die Absorption und Bewegung der Lymphe fort- dauert. Ref.) F. Bidder, Versuche zur Bestimmung der Chylusmenge, die durch den Ductus thoracieus dem Blute zugeführt wird. Müller’s Archiv f. Anat. 1845. p 46. Nach diesen Versu- chen würde die Menge des in 24 Stunden bei einer Katze in das Blut gelangenden Chylus sich zu dem Körpergewicht wie 1:5,34 verhalten, und nach Zugrundelegung der Va- lentin’schen Bestimmung der Blutmenge an Gewicht der ganzen Blutmenge des Thieres gleichkommen und an Volu- men dieselbe noch übertreffen. Bei Hunden würde sich das Chylusgewicht für 24 Stunden zum Körpergewicht wie 1:6,66 verhalten und etwa 3 der ganzen Blutmenge betra- gen. (So vorsichtig der Verf. bei seinen Versuchen verfah- ren ist, und so sehr er ihr Ergebniss, als, wenn irrig, jeden- falls als zu niedrig zu erweisen sucht, so kann ich doch nicht umhin, dasselbe noch immer für sehr zweifelhaft zu halten Die Verhältnisse des Versuches sind von den na- türlichen zu abweichend, und darin, dass nach dem Verf. angenommen werden könne, dass die Menge des durch den Duct. thor. dem Blute zugeführten Materials sich zu allen Zeiten, und unabhängig von der Aufnahme und Art der Speisen gleich bleibe, kann ich demselben nach den vielen Beobachtungen, die ich bei Hunden über die Anfüllung des Duct. thor. und die Menge des zu erhaltenden Chylus nach den verschiedenen Verhältnissen der Anfüllung und Entlee- rung des Darnıs gemacht habe, nieht beistimmen. Der Ein- fluss der fortbewegenden Kräfte für den Chylus und ihre Aufhebung und Modifikation auf die in den Versuchen er- haltenen Mengen lässt sich auch gar zu wenig nur annähe- rungsweise richtig schätzen. Ref.) Chatin hat Versuche darüber angestellt, ob Arsenik- und Antimonpräparate ins Blut oder in den Chylus überge- hen. Er konnte dieselben aber immer nur im Blute, nicht in dem Inhalte des Duct. thor. auffinden. Fror N. Not. No, 721. Nach Simon sind Thymus, Schilddrüse, Nebennieren und Milz ächt drüsige, secernirende Gebilde, aber ohne Aus- führungsgänge, die ihr Sekret durch die Lymphgefässe in die Cirkulation bringen. Die Funktion der Thymus setzt er in die organisirende Absonderung der nährenden Stoffe, welche mit der Fettbildung eine sehr innige Analogie dar- 126 biete. Sie bestehe in Anhäufung der zur Verbrennung be- stimmten Materialien zu einer Zeit, wo kein erheblicher Aufwand an für die Respiration bestimmlen oxydirbaren Stoffen Statt finde. Er will die Thymus auch bei Vögeln und Reptilien, nicht aber bei Fischen gefunden haben. Die Schilddrüse soll sich bei allen Wirbelthieren, auch den Fi- schen finden, und immer den Charakter eines Anhängsels an die Gehirncirkulation besitzen. Da sie aber auch zugleich Drüsenbläschen besitze, so müsse man annelımen, dass ihre Sekretion auch im Zusammenhange mit der Sekretion der Blutgefässe des Gehirns stehe, für diese ableitender Art sei, d. h. dass sie im umgekehrten Verhältnisse zu der ernähren- den Thätigkeit des Gehirns zu- und abnehme, Compt. rend. Tom. XX. No, 24. 16. Juin 1845. Fror. N. Not. No. 761. Edinb. med. and surg. Journ. Tom. 164. p. 227. A. phy- siological Essay, on the Thymus Gland. By John Simon. Lond. 1845. 4to. p. 100. Nicolueeci, Ueber die Glandula thymus. Il filiatre Se- bezio. Juli 1844. Hutchinson, Pneumatischer Apparat zur Abschätzung der Stärke der Respiration. Lancet. June 1844 und Fror. N. Not. No. 718. Kleinert's Repertor. 1845. Sept. p. 55. (Schon im vorjährigen Bericht erwähnt.) ° Aus Versuchen, welche Panizza über den Respira- tions-Mechanismus der Frösche, vorzüglich zur Kritik der von Haro vor mehreren Jahren über diesen Gegenstand auf- gestellten Ansichten, unternommen hat, geht hervor, dass die alte Ansicht, wonach die Frösche die Luft durch die Wirkung der Kehlmuskeln nach Verschliessung der Nasen- löcher in die Lungen pressen, dennoch wirklich die richtige ist. Bei den Schildkröten dagegen überzeugte sich Panizza, dass Haro’s Angaben vollkommen richtig sind, und das Einathmen und Ausathmen durch die innerhalb des Schildes gelegenen Muskeln ausgeführt wird. Dass die Schildkröten aber, gleich den Vögeln, Luftsäcke haben sollten, fand er durchaus nicht bestätigt. Nach einer Bemerkung von Milne Edwards erklärt sich Haro's Angabe in dieser Beziehung wahrscheinlich aus einem pathologischen Zustande der von - Haro untersuchten Schildkröten, bei welchen die Lungen uleerirt waren und von dort aus Luft in den Körper einge- drungen war. Ann. d. sc. nat. 1845. Froriep's N. Not. No. 767. u. 768. Letellier hat Versuche über den Einfluss angestellt, welchen extreme Temperaturgrade auf die Menge der durch den Athemprozess gebildeten Kohlensäure bei Vögeln und Säugethieren ausüben. Die niedere Temperatur ging von 127 —5° bis + 3°, die höhere von +28° bis + 43°, bei wel- cher letzteren die Thiere oft schon starben, ja schon bei + 40° in Gefahr geriethen. Als allgemeines Resultat ergab sich, dass bei einer Temperatur von 0° das Doppelte an Kohlenstoff verbrannt wird, als bei einer Temperatur von 30°, Die Wasserausdünstung nahm bei höheren Tempera- turgraden von Stunde zu Stunde allmählig ab, bis sie nach der sechsten Stunde ziemlich constant wurde. Ann. de Chi- mie et de Phys. Tom. XIII. p. 478, Hannover, De Quantitate acidi carbonici ab homine sano et aegroto exhalati, Havniae 1845. 8vo. In einem Aufsatze über das Absorptionsvermögen des Blutes für Sauerstoff in Poggendorff's Annalen, Bd. 66. p- 177., entwickelt Magnus zuerst nochmals die verschie- denen Ansichten, welche über das Verhalten und die Quelle der bei dem Athemprozess interessirenden zwei Hauptgase, des Sauerstoffs und der Kohlensäure, aufgestellt werden können und aufgestellt worden sind, und vertheidigt sodann zunächst die Resultate seiner früher vor 8 Jahren angestell- ten Untersuchungen gegen die im vorigen Jahre von Gay- Lussac dagegen erhobenen Einwürfe. Er zeigt, dass Gay- Lussac jene Versuche missverstanden, und Schlüsse aus ihnen gezogen habe, die weder er, Magnus, daraus gezo- en habe, noch überhaupt daraus gezogen werden können, gegen die Schlüsse, welche er damals daraus gezogen habe, auch noch ihre Richtigkeit besitzen. Sodann wendet sich Magnus gegen den von Gay-Lussac gemachten Einwurl, dass nach Magnus’ Ansicht das Blut eine weit grössere Menge von Sauerstoff absorbiren müsse, als wahrscheinlich oder wenigstens durch Versuche erwiesen sei, und sucht nun diese Absorptionsfähigkeit des Blutes für Sauerstoff durch neue Versuche zu beweisen. Dieselben ergaben, dass dar Blut 10— 12; pCt. seines Volumens an Sauerstoff aus der atmosphärischen Luft aufzunehmen vermag, also 10 bis 13 Mal mehr, als Wasser unter denselben Umständen, so wie, dass ınan durch Schütteln mit Kohlensäure fast die ganze Menge dieses aufgenommenen Sauerstoffs wieder ab- scheiden kann, was wohl am meisten dafür spricht, dass der Sauerstoff nicht chemisch im Blute gebunden, sondern nur absorbirt enthalten ist, Desgleichen gelang es Magnus, aus arteriellem Pferdeblut durch Schütteln mit Kohlensäure 10— 10,5 pCt. Sauerstoff abzuscheiden, was mit den Be- rechnungen über die (Quantität Sauerstoff, die ein Mensch in einer gegebenen Zeit verbraucht. so wie über die Menge von Blut, welche in eben dieser Zeit durch die Lungen geht, innerhalb der Sicherheit, die diese überhaupt besitzen, sehr 128 wohl übereinstimmt, indem danach das Blut nieht mehr als die Hälfte von dem Sauerstoff in den Lungen aufnimmt, welche nach den Versuchen wirklich darin vorhanden ist. Die- ser Antheil wird in den Capillargefässen jedesmal verbraucht, während die andere Hälfte im venösen Blute bleibt. — Es scheint daher die ältere Theorie, dass Kohlensäure und Sauerstoff in dem Blute nur absorbirt enthalten sind, und Kohlensäure und Wasser in den Capillargefässen gebildet wer- den, aufs Neue gerechtfertigt. — (Immer nur wäre es zu wünschen, dass genauer nachgewiesen würde, weshalb der Sauerstoff keine chemische Verbindung mit den Bestandthei- len des Blutes eingeht, oder dass diese solcher Art sei, dass sie durch blosse Diffusion oder Aufhebung des Druckes der Atmosphäre den Sauerstoff abgeben könnte. Ref.) A. Mendelsohn hat in einer Schrift: Der Mechanis- mus der Respiration und Circulation, oder das explieirte Wesen der Lungenhyperämie, Berlin 1845, so wie in einem früheren Aufsatze in Roser's und Wunderlich’s Archiv, IV. 2., vorzüglich die Ursachen zu ermitteln gesucht, durch welche nach der Durchschneidung und Lähmung der beiden N. vagi am Halse eines Thieres die bekannten Veränderun- gen in den Lungen desselben herbeigeführt werden. Das vorzüglichste Resultat seiner Versuche war, dass diese Ver- änderungen von der Lähmung der Stimmritze und der da- durch verminderten Quantität der bei der Inspiration in die Lungen eindringenden Luft herrühren, und daher ganz gleich nit denjenigen sind, welche sich auch nach Durchschneidung beider Recurrentes einstellen, und ausbleiben, wenn man die- ser Folge durch Einbringung einer Röhre in die Luftröhre und Stimmritze vorbeugt. Gehemmier Luftzutrilt in die Lun- gen auf andere Weise, durch Verengerung der Luftröhre, Zusammenschnüren des Bauches, Einbringung fremder Kör- per in die Bronchien etc. soll dieselben Folgen, wie Durch- schneidung des Vagus oder der Recurrentes, und zwar im- mer durch Stase des Blutes in dem Herzen und den grösse- ren Gefässstämmen nach sich ziehen. Hieraus leitet der Verf. dann Gründe für die Ansicht ab, dass die Athembewegungen und Respiration überhaupt von weit grösserem Einflusse auf den grossen Kreislauf seien, als man gewöhnlich annehme, und zwar beruht dieser Einfluss nicht blos auf der Luftver- dünnung in dem Thorax bei der Inspiration, sondern ist noch weit mehr eine Folge der Aspiration, welche sich durch die Verlängerung der Lungenarterie nnd vorzüglich der Capillarien der Lungenzellen entwickelt. (Ich will nicht unterlassen, schon jetzt darauf aufmerksam zu ınachen, dass Dr. Traube in einer im nächsten Jahresbericht zu erwäh- 129 nenden Arbeit über denselben Gegenstand wohl bewiesen hat, dass der Fundamentalsatz, auf den Mendelsohn seine ganze Theorie nnd deren Folgen stützt, nicht gehörig be- gründet ist.‘ Ref.) Bergmann, Ueber eine Funktion der Glottis. Mül- ler’s Archiv f. Anat. 1845. p. 296. Der Verf. glaubt einen Nutzen der Verengerung der Luftwege in der Glottis, welche ober- und unterhalb derselben plötzlich weiter werden, darin setzen zu können, dass hierdurch die Mischung der in die Luftröhre eindringenden Luft mit der tief in den Lungen ent+ haltenen bei der Inspiration, und das Hinaustreten der tiefer in den Lungen enthaltenen, mit Kohlensäure stark geschwän- gerten Luft befördert werde. Die Verengerung der Glottis bei der Exspiration und Erweiterung bei der Inspiration entspricht den gleichen Veränderungen in den Durchmesserverhältnissen der übrigen Luftwege, während sie mit der Beschützung der Luftwege nichts zu thun haben kann, denn dann würde sie sich bei der Inspiration verengern müssen. - Becequerel und Rodier, Untersuchungen über die Zu- sammensetzung des Blutes. Uebers. von Eisenmann. Er- langen 1845. 8vo. Comptes rendus. Nov. 1844. Journal de Pharmacie. 1845 Febr. Edinb. med. and surg. Journ. T. 164. p- 265. Heller’s Archiv der physiolog. u. pathol. Chemie. 1845. p.%7. — Dieses ist wieder eine grosse Arbeit, welche die Verfasser unternommen haben, um die chemische Zusam- mensetzung des Menschenblutes in gesundem und krankem Zustande zu ermitteln. Im ersten Kapitel wird das Verfah- ren der Untersuchung mitgetheilt, und einige allgemeine phy- sikalische und chemische Resultate, die die Untersuchung des Blutes im Allgemeinen giebt. Im zweiten Kapitel folgen die Untersuchungen über die chemische Zusammensetzung des Blutes im gesunden Zustande bei Männern und Weibern, bei letzteren namentlich auch in der Schwangerschaft und wäh- rend und nach der Menstruation; und sodann die Unter- suchungen über die Zusammensetzung des Blutes in mehre- ren Krankheiten, und Anwendungen der gefundenen Resul- tate zur Erklärung der Erscheinungen in jenen Krankheiten. — Es ist begreiflich innerhalb der uns gestecklen Grenzen nicht möglich, von einer so umfassenden und an Einzelnhei- ten so reichen Arbeit einen einigermaassen genügenden Aus- zug zu geben, der auch durch die Zugänglichkeit der genann- ten Uebersetzung nicht erforderlich scheint. Bedeutendere Abweichungen sind mir in den Ansichten der Verfasser über die Zusammensetzung des Blutes nicht aufgestossen; die Menge der Blutkügelchen und des Faserstofls wird von ihnen inzwischen geringer angegeben, als gewöhnlich. Ich lasse Müllers Archiv. 1846, 130 noch die mittleren Angaben über die Zusammensetzung des männlichen und weiblichen Blutes folgen: bei Männern: bei Weibern: Dichtigkeit des Blutes ohne FaserstolT 1060,2 1057,6 Dichtigkeit des Serums . . . . . 1028 1024,7 bei Männern: bei Weibern: ass EN 7790 791,1 Blutkörperchen . . . . . 141,1 127,2 EI en ne) 6954 70,5 En SE ee ar 22 Extractivstoffe und freie Salze 6,8 7,4 Fette . 1,6 1,62 Die Fette sind: Serolin ee 0,020 Rn ee a3. 125} 0,464 Choleostearin EN ter (jLINSSS 0,090 Seife TE IEODN 1,046 Anorganische Substanzen in 1000 Blut: ha Chlornatriums . .... „neted + 0,300 3,900 Lösliche Sake. . --„... . 2,500 2,900 Erdphosphate . . . .» . . 0,334 0,354 Eisen. . . 0,565 0,511. J. W. Griffith, Observations on the chemical analysis and nature of some of the constituents of the blood. Lon- don medical Gazette. 1845. p. 182. u. 547. Dieses ist eine kurze Uebersicht über die chemische Zusammensetzung des Blutes und die verschiedenen bis jetzt angewvendeten analy- tischen Methoden. In ersterer Beziehung ist es besonders zu loben, dass der Verf. stets das mikroskopische Verhalten im Auge behalten hat, und danach die Ansichten über die chemische Constitution, besonders der Blutkörperchen, beur- theilt. Was die alkalische Reaktion des Blutes betrifft, so erklärt er sich gegen Enderlin, welcher dieselbe von drei- basisch phosphorsaurem Natron ableitet, indem er sowohl, als Rees, sich von der Gegenwart kohlensaurer Alkalien überzeugt habe. Von den analytischen Methoden von Pre- vost und Dumas, Lecanu, Berzelius, Simon, An- dral und Gavarret, Denis, Fiquier und Rees hält er die von Andral und Gavarret für die beste. Auch Golding Bird erklärt sich gegen den von En- derlin aufgestellten Satz, dass aus der Abwesenheit koh- lensaurer Alkalien in einer Asche auf die Abwesenheit einer Verbindung eines Alkalis mit einer organischen Säure in der Substanz, von welcher die Asche herrührt, geschlossen wer- den könne. Wenn nämlich phosphors. Natron zugegen ist, 131 so ist das bei dem Einäschern zurückbleibende Natron der organisch-sauren Verbindung hinreichend, um das Wasser in dem phosphors. Natron zu vertreten und dieses in ein u zu verwandeln. The philos, Magaz. Vol. XXVI. ag. 532. n Polli giebt eine Methode an, das Blut mittelst des Areomelers zu analysiren und das Verhältniss des Eiweisses, Faserstoffes, der Blutkörperchen und der Salze zu bestimmen. The Lancet. 1844. Vol. II 12. Neue Untersuchungen von Dumas über das Blut gehen wesentlich von dem Verhalten der Blutkörperchen zu den Salzen aus. Er bestätigt die bekannte Erfahrung, dass man durch Zusatz des 3—4fachen Volumens einer gesättigten “ Lösung von schwefelsaurem Natron die Blutkörperchen von dem Serum geschlagenen Blutes abfiltriren könne, was ohne diesen Zusatz nicht möglich ist. Allein er fand, dass dazu das Blut ganz frisch sein muss; hat es einige Stunden ge- standen, so geht die Flüssigkeit gefärbt durch das Filter, und ebenso, wenn man wiederholt eine Glaubersalzlösung auf die Blutkörperchen aulgiesst. Wenn er dagegen während des Filtrirens fortwährend einen Strom von Luft oder Sauer- stoff durch die Flüssigkeit leitete, und das Bilden einer sich auf dem Filtrum ansetzenden Schicht von Blutkörperchen hinderte, so lief die Flüssigkeit klar durch. Dieses Verhalten erklärt nun Dumas dadurch, dass er glaubt, nur so lange, als die Blutkörperchen mit Sauerstoff in Berührung und da- durch lebendig erhalten seien, gingen sie nicht durch das Fillrum durch. Sobald sie dagegen der direkten Berührung mit der Luft beraubt würden, so stürben sie schnell ab und löseter sich auf. Dieses führt ihn dann auf die Respiration und zu der Ansicht, dass dieselbe wesentlich durch die Blut- körperchen erfolge, dass aber auch die Salze des Blutes da- bei mit betheiligt seien. Er fand aber, dass nicht alle Salze die Eigenschaft besitzen, die Blutkörperchen auf dem Filtrum zurückzuhalten, und bei Zutritt des Sauerstoffs das Blut hell- roth werden zu lassen. Schwefelsaures und phosphorsaures Natron, Seignette-Salz (Tart. natron.), wahrscheinlich auch milchsaures Natron, besitzen vorzüglich die Eigenschaft, die Aufnahme des Sauerstofls durch die Blutkügelchen und ihre darum geknüpfte unveränderte Beschaffenheit und hellrothe Färbung zu erhalten. Chlornatrium, Chlorkalium und Chlor- ammonium dagegen heben diese Fähigkeit auf. Frisches Blut mit Kochsalz oder Salmiak gemischt und gleich darauf mit Sauerstoff geschüttelt, wird violett und dunkel. Die Analyse der durch Filtriren und Auswaschen mit Glaubersalzlösung möglichst von Serum gereinigten, getrock- J2 132 neten und mit Aether und Alkohol behandelten Blutkörper- chen ergab folgende Zusammensetzung derselben: BR einer Frau: eines Hundes: eines Kaninchen: Kohlenstoff . . .„ 55,1 55,1-—55,4 54,1 Wasserstoff . . . 71 7,2 — 7,1 7,1 Stickswfi . . . . 17,2 17,3 — 17,3 17,5 Sauerstoff. . . . 20,6 20,4 — 20,2 21,3 Comptes rendus. XXI. 900. Erdm. und March. Journ. f. Chemie. Bd. 58. p. 266. Fror. N. Not. No. 827. So wie die von Dumas aufgestellte Ansicht über die von ihm beobachtelen Erscheinungen wohl überhaupt in Deutschland, besonders bei Mikroskopikern und Physiologen, wenig Beifall finden wird, so hat sich auch Marchand von seinem Standpunkte aus in einem Aufsatze „‚über die Farbe des Blutes‘ dagegen erklärt. Journ f. prakt. Chemie. Bd. 38. p: 273. Schon früher (siehe den vor. Jahresbericht) hatte er gefunden, dass Sauerstoff auf das aus dem Körper abge- schiedene Blut keine chemische Reaktion ausübt, welche sich durch eine Kohlensäurebildung manilestirt. Es wäre möglich gewesen, dass dieses davon hergerührt hätte, dass die Blut- körperchen im Sinne von Dumas schon todt gewesen wä- ren. Allein das möglichst schnell und unter Zuleitung von Sauerstoff filtrirte Blut gab bei Durchleiten von Sauerstoff- gas keine Kohlensäure. (Wie wäre das auch zu erwarten gewesen, nachdem schon während des Filtrirens fortwährend Sauerstoff durch 6 Röhren durch das Blut durchgeleitet wor- den? Ref.) Dr. Ludwig glaubt in dem sogenannten Extraktivstoffe des gesunden Blutes einer besonderen Modifikation des Mul- der’schen Protein-bioxydes begegnet zu sein, und giebt eine Anweisung zu seiner Darstellung und mehrere Analysen über seine Zusammensetzung. Bei der jetzigen Stellung des Proteins scheint diese Mühe fruchtlos gewesen zu sein. Lie- big’s und Wöhler’s Annalen. Bd. 56. p. 9. Dr. Zimmermann bekämpft in der med. Zeit. d. Ver- eins für Heilk. in Preussen, XIV. 1845. No.52, die bis jetzt fast allgemein geltende Ansicht, dass der Grund des Aus- scheidens des Serums aus dem Blutkuchen in einer Zusam-' menziehung des Faserstoffes zu suchen sei. Dagegen ist er der Ansicht, dass das Serum durch Annäherung der Blut- körperchen aneinander und durch seine eigene Schwere ganz mechanisch aus dem Blutkuchen ausgeschieden werde. Die Beweise gegen die erstere und für die letztere Ansicht ent- nimmt der Verf. aus einer Beleuchtung der bekannten Ver- hältnisse eben dieser Ausscheidung des Serums unter ver- 133 schiedenen Uinständen, deren Kraft der Leser aus dem Ori- ginal selbst schöpfen muss. Beltrami, Ueber die Entstehungsweise des Faserstoffs und über die Zunahme desselben in entzündlichen Krankhei- ten. Gazzetta medica di Milano. 1845. No. 24. Omodei, Annali universali. 1845. Tom. 114. p. 56. Froriep’s N. Notiz. 1845. Bd. 36. p. 252. Der Verf. stellt die gerade entgegengesetzte Ansicht von der Entstehung und Bestim- mung des Faserstoffes des Blutes auf, von derjenigen, die man bisher gehabt hat. Er hält den Faserstoff für das Pro- dukt der rückwärts schreitenden Metamorphose der Gevwvebe, vorzüglich der Muskeln. Zu dieser Ansicht bestimmt ihn die Thatsache, dass der Faserstoff kein unmittelbares Produkt der Verdauung ist, dagegen nach Entziehung der Nahrung und in lange dauernden und akuten Entzündungskrankheiten hervortritt. Der Faserstoff entsteht bei der Bildung und Er- nährung der Faser - Gebilde aus dem Eiweisse des Blutes, und seine Erscheinung in dem Blute ist die Folge der rück- schreitenden Metamorphose dieser Gebilde. Die Ursache der letzteren liegt in ihrer Aktion, und namentlich bei den Mus- keln in einem grösseren Kraftverbrauche bei mechanischen Bewegungen; oder in einem Mangel an wasserstoff- und kohlenstoffhaltigen Nahrungsmitteln, wo dann der eingeath- mete Sauerstoff die organischen Gebilde selbst angreift. In der Entzündung wirken beide Ursachen zusammen. — Dass der Faserstoff aus der Metamorphose, besonders der Mus- keln, entstehe. glaubt der Verf. auch noch durch die Beob- achtung erweisen zu können, dass bei einem Aderlass das zuerst fliessende Blut, welches diesen aus dem Arme z. B. rückkehrenden Faserstoff enthalte, reicher an Faserstoff sei, als das später ausfliessende. Lasse man dagegen eine zweite Quantität aus dem andern Arme, so enthalte diese wieder eine gleiche Menge, wie das bei dem ersten Aderlass zuerst ausgellossene Blut. Dieses zeige, dass der Faserstoff nicht gleichmässig im Blute vertheilt sei. Buchanan will gefunden haben, dass die Gerinnung des Fibrins nicht eine demselben an und für sich zukom- mende Eigenschaft, sondern Folge der Wirkung eigenthüm- licher Stoffe auf das Fibrin sei. Indem er mit verschiedenen Bestandtheilen des Blutes und thierischen Körpers in dieser Hinsicht Versuche anstellte, will er zuletzt gefunden haben, dass allen primären Zellen dieser Einfluss auf das Fibrin zu- kommt, und dass sie dieselhe um so mehr verlieren, je wei- ter sie in ihrer Entwickelung fortgeschritten sind. Im Blute es die farblosen Körperchen oder Zellen, die diese Wir- ng äussern, und Bach aan meint, dass auch bei der 134 Bildung und Ernährung dieser Einfluss der primären Zellen und Gewebe auf den Liquor sanguinis als der erste Organi- sationsakt der Ernährungstflüssigkeit angesehen werden könne. J,ond. med. Gaz. 1845. Aug. p. 617. Oestr. med. Wochen schrift. 1845. No. 47. p. 1479. (Gesetzt, die für diese An- sicht angeführten Thatsachen seien richtig, so werden wir uns dabei doch nicht mehr begnügen können; denn dieser Einfluss der primären Zellen muss näher bestimmt, chemisch charakterisirt werden. Zunächst würde es sich dabei auch noch immer fragen, warum das Fibrin im lebenden Körper im Blute flüssig ist, wo doch der Einfluss der primären Zellen nicht fehlt? Ref.) Zahlreiche Beobachtungen von Gulliver über die Bil- dung der Speckhaut des Blutes führen zu dem vorzüglich- sten Resultate, dass diese Bildung weder von einer geringern Dicke des Blutes, noch von einer Verminderung des speci- fischen Gewichtes, noch von einer langsameren Gerinnung, sondern allein von einer grösseren Aggregation der Blutkör- perchen und ihrem raschen Zubodensinken abhängt. Edinb. med. and surg. Journ. 1845. Nach Beobachtungen von Dr. Virchow stellt der ge- ronnene Faserstoff eine durchaus gleichmässige, durchsichtige, gallertartige Substanz dar, welche in grösseren Massen stets homogen erscheint, in membranartigen Stücken aber durch die Bildung von Falten und Runzeln ein faseriges Ansehen von sehr verschiedener Art erlangt. Froriep’s N. Notizen. No. 769. €. H. Schultz will durch Zusatz reizender (?) Substan- zen zu dem Blute, die im lebenden Thiere Entzündung ete. erregen, auch in dem aus der Ader ausgelassenen Blute ähn- liche Veränderungen hervorgebracht haben, nämlich Vermeh- rung der Fasergewebbildung (?) bis auf das Doppelte und Auflösung des Farbestoffs im Plasma. Froriep’s N. Not. No. 727. ! Polli, Beschaffenheit der Blutfibrine. Bericht über die 6. Versammlung der italien. Gelehrten zu Mailand. Septbr. 1844. Raimann und Rosas, Medie. Jahrb. d. k. k. österr. Staates. Bd. 51. pag. 118. Dr. Aldridge beschäftigte sich mit der Frage, wo das Eisen im Blute bleibt, und wie es wieder ausgeschieden wird. Man sollte glauben, durch den Urin. Allein dieses ist nach den bisherigen Harnanalysen nicht der Fall. Um aber zu sehen, ob das Eisen überhaupt in den Harn über- geht, stellte der Verf. ausdrücklich Versuche mit der Aqua chalybeata tägl. eine Flasche, Tinctura ferri muriat. dreimal tägl. gtt. xv und dem Ferrum carbonieum saccharatum drei- 135 mal tägl. gr. x an. Allein in keinem Falle konnte er die ge- ringste Spur von Eisen im Harn entdecken. Froriep'’s N. Notizen. No. 721. Unter der Bezeichnung ‚‚Weisses Blut‘ liefert Dr. Vir chow die Beschreibung eines pathologischen Falles, der in- dess mit anderen, unter dieser Bezeichnung aufbewahrten Fällen nur die eine Aehnlichkeit hat, dass statt gewöhnli- chen rothen Blutes sich in den Gefässen der Leiche einer kachektischen Person eine gelbweisse, grünliche, schmierige Masse fand. Statt der Blutkörperchen zeigte sie unter dem Mikroskop grösstentheils primäre, den Eiterzellen ähnliche Zellen. Eine chemische Untersuchung wurde nicht angestellt. Fror. N. Not. No, 750. Newport hat sich mit dem Studium der sogenannten Blutkörperchen der wirbellosen Thiere beschäftigt und ihre Entwickelung aus Elementarkörnchen, die sich zu faserför- migen und kugeligen Kernchen, und endlich zuweilen Scheib- chen vereinigen, beobachtet. Er betrachtet sie als die Aus- arbeiter des flüssigen Theiles des Blutes, und glaubt auch, dass sie zum Theil unmittelbar in die Zusammensetzung der Organe übergehen. Ueberhaupt betrachtet er die Blutkör- perchen als Analoga der absondernden Zellen der Drüsen. Fror. N. Not. No. 727. Wharton Jones, Ueber die verschiedenen Entwicke- lungsphasen der Blutkörperchen in den verschiedenen Thier- klassen. Lond., Edinb. and Duhl. Philos. Magaz. No. 181. 1845. p. 381. Fror. N. Notiz. No. 795. Der Verf. unter- scheidet bei den Wirbelthieren folgende Arten von Blutkör- perchen: 1) Die körnige Blutzelle mit einem bläschenför- migen Kerne, deren Körnerinhalt bald gröber, bald feiner ist. 2) Die kernhaltige ovale Blutzelle mit einem bläschen- förmigen Kerne, entweder farblos oder mit rothem Farbe- stoff. 3) Freie bläschenförmige Kerne, anfangs farblos, dann roth gefärbt, bei dem Säugethier-Embryo. Die Lymphkör- perchen findet der Verf. bei allen Wirbelthieren ganz über- einstimmend in ihrem Bau mit ihren Blutkörperchen, und allein von denselben in dem geringen Grade ihrer Färbung auf dem letzten Stadium abweichend. Bei den Oviparen sind die kernhaltigen Zellen vor den granulirten vorherrschend, bei den Säugethieren umgekehrt. Bei den leizteren will er im Duct. thor. kernhaltige Zellen gesehen haben, die schon einen bemerklichen Grad der Färbung und eine etwas ovale Form halten. Die Blutkörperchen der Wirbellosen bieten dieselben Phasen von Körnchen- und Kernzellen dar, als die höheren Klassen, nur dass auch dem letzien Stadium der letzteren die Farbe fehlt, obgleich der bläschenfürmige Kern 136 oft deutlich gefärbt ist. Wie in den höheren Klassen, finden sich die Uebergangsformen von der granulirten bis zur kern- haltigen Zelle. Die Vergleichung der Blutkörperchen der Wirbellosen und Wirbelthiere ergiebt also, dass sie überall durch dieselben Entwickelungsstufen hindurchgehen, nur bei den Wirbellosen die letzte, der farbigen Kernzelle, nicht er- reichen. Eisen enthalten sie dagegen ebenfalls, wenigstens nach der Analyse des Blutes der Krabbe durch Graham. Die Blutkörperchen der Wirbellosen gleichen daher den Lymphkörperchen der Wirbelthiere. (Wenn ich diesen Aus- zug aus einer Mittheilung in der Royal Society richtig ver- standen habe, so muss ich dem Verf vor Allem rücksicht- lich der Blutkörperchen der Säugethier-Embryonen wıder- sprechen. Sie sind keine bläschenförmige Kerne, sondern Zellen mit ganz deutlichen Kernen, ganz genau so, wie bei den Cyelostomen bleibend und bei allen Embryonen aller Wirbelthiere im frühesten Zustande. Während sie ihre Form und Farbe verändern, erreichen sie eine verschiedene Stufe ihrer Entwickelung auch -rücksichtlich des Kerns, der bei den Säugethieren ganz verschwindet. Ref.) Owen Rees, Ueber das Blut. Lond. med. Gaz. 1845. März. April. p. 753. 836. 849. Heller’s Archiv f. physiol. u. pathol. Chemie. T.IV. 1845. p. 231. Diese Mittheilungen betreffen vorzüglich des Verf. Ansichten über die physikali- schen und chemischen Eigenschaften der Blutkörperchen. Er lässt sie aus einer Hülle, einem farbigen Inhalte und einem Kerne bestehen, ohne für die Existenz des letzteren einen anderen Beweis zu geben, als dass nach Behandlung der Blutkörperchen mit Wasser weisse Körperchen von 2 des Umfanges ersterer übrig bleiben. Das Eisen, welches im Blute und in den Blutkörperchen enthalten ist, nehmen die- selben aus dem Chylus nach den Gesetzen der Endosmose auf. Denn im Chylus ist das Eisen in dem Serum enthal- ten, und da er specifisch leichter als das Blut ist, so neh- men die.Blutkörperchen bei dem Eintreten des Chylus in das Blut dieses eisenhaltige Serum auf. Hieraus erhellt die grosse Wichtigkeit eines normalen Verhältnisses zwischen dem speeifischen Gewichte des Blutes und Chylus. Ueber- haupt aber ist der normale Wassergehalt des Blutes von der grössten Wichtigkeil, da von demselben das Verhalten der Blutkörperchen und ihr Inhalt, und davon wieder Erschei- nungen der Blutbewegung und Ernährung abhängig sind. Wird die Menge des Wassers im Blute durch vermehrte Ausscheidung oder durch verminderte Aufnahme vermindert, so schrumpfen die Blutkörperchen zusammen und werden kleiner, dringen daher weiter und leichter in die feinen Haar- 137 gelässe ein, und werden hier veränderte Erscheinungen ver- anlassen. Nimmt umgekehrt die Menge des Wassers durch gehinderte Ausscheidung oder zu starke Aufnahme zu, so wird es zwar vielleicht nie zur Auflösung und Platzen der Blutkörperchen kommen, allein sie werden anschwellen, sie werden kein Eisen aus dem Chylus mehr aufnehmen, es wird sich eine krankhafte Blutmischung entwickeln, die Blut- körperchen werden nicht mehr durch die feineren Capilla- rien durchdringen, kurz ‘es entsteht ein Zustand, den man jetzt gewöhnlich Anaemie nennt. Bei direkten Blutver- Just veranlasst die Abnahme des Wassergehaltes im Blute Durst; die Aufnahme des Wassers aber bedingt Anschwel- lung der Blutkörperchen, sie dringen nicht mehr in die fei- neren Capillarien, und dadurch wird Stillung der Blutung, besonders wenn sie aus den feineren Gelässen z. B. auf Schleimhäuten erfolgt, bewirkt. — Rücksichtlich der Ent- stehung und Vermehrung der Blutkörperchen, glaubt der Verf., dass sie sich durch Spaltung vervielfältigen, Er will dieses direkt beobachtet haben, wenn er einen frisch ausge- tretenen Blutstropfen unter dem Mikroskop warm erhielt (ohne dass er vertrocknete? bei der nöthigen feinen Ver- theilung? Ref.). Als Beweis des Zerfallens der Blutkörper- chen betrachtet der Verf. den Umstand, dass wenn man Blutserum mit viel Wasser versetzt, man ein Präcipitat er- hält, welches dem geplatzter Blutbläschen unter dem Mikro- ekop ähnlich ist. Nach Gulliver sind die Blutkörperchen von Bradypus didaetylus sehr gross, beinahe so gross, wie die des Ele- phanten. Die des letzteren messen y-%;, die des ersteren s#:3 P. Z Ausserdem bestimmte er noch die Grösse der Blutkörperchen folgender Thiere: Balaena Boops „55; Hy- drochoerus capybara „„;z; Phoca vitulina —7;7; Dasypus ’ . villosus —;';z; Myopotamus coypus —;;; Pithecus satyrus ; Dasypus sexeinetus „;z. Ann. of nat. Hist. 1845. Febr. p- 123. Ann. des sc. nat. 1845. T. III. p. 190. Reuter. Beleuchtung der Versuche von Prof. Scherer und Dr. Bruch über die Farbe des Blutes. Henle und Pfeuffer, Zeitschrift f. ration. Mediein. T. 3 1845. p. 165. Zur Vertheidigung der Scherer’schen Ansicht über die Ver- änderung der Blutfarbe durch Sauerstoff und Kohlensäure führt der Verf. an, dass diese Gasarten, durch eine Auflö- sung von Blutroth hindurchgeleitet, gar keine Veränderung in der Farbe hervorbrächten; beim Schütteln mit diesen Gas- arten entstehe allerdings eine auffallend hellere Farbe, aber sowohl bei Anwendung des Sauerstoffes, als der Kohlen- «äure, was schon beweise; dass keine chemische, sondern 133 eine physikalische Ursache dieser Farbenveränderung zu Grunde liege, nämlich die Bildung kleiner Luftbläschen in der Flüssigkeit. Der Verf. bestreitet ferner die Versuche Bruch’s mit Indigküpe, und behauptet die unter dem Mi- kroskop wahrnehmbare Formveränderung der Blutkörperchen durch Kohlensäure. €. Bruch, Noch einmal die Blutfarbe. Henle und Pfeuffer, Zeitschr. f. ration. Medicin. Bd III. 1845. p. 308. In diesem Aufsatze vertheidigt Bruch gegen die vorstehende Behauptung des Dr. Reuter den Satz, dass Sauerstoff auch eine wässrige Lösung des Blutrothes hellroth und Kohlen- säure dunkelroth mache, und bestreitet die Meinung, dass die hellrothe Färbung durch suspendirte Luftbläschen hervor- gebracht werde. (Scherer hat hierauf in Canstadt, Jah- resbericht von 1845. p. 124., den Widerspruch dadurch zu lö- sen versucht, dass er meint, er habe frisches Blut, Bruch solches, welches durch längeres Stehen dunkelroth geworden sei, angewendet. Allein Scherer hat Unrecht; Sauerstoff macht unzweifelhaft eine wässrige Lösung von Blutroth hell- roth und Kohlensäure dunkelroth. Beide Parleien hätten übrigens bestimmter angeben sollen, ob sie sich auch jedes-. mal von der völligen Auflösung der Blutkörperchen über- zeugt hätten. Bei einer grösseren Menge von Blut erfolgt dieses nicht so schnell und vollkommen, wenn man nicht sehr viel Wasser zuseizt, wodurch die Farbe zu sehr an Intensität verliert. Ref.) Um die Frage zu entscheiden, ob Sauerstoff, Kohlen- säure, Stickstoff, Wasserstoff in dem Blute absorbirt oder chemisch gebunden enthalten seien, hat Marchand die Ein- wirkung des Sanerstofls auf das Blut und seine Bestand- theile stndirt. Er stellte zu diesem Ende vorläufig einen Versuch an, ob aus einer Lösung von doppelt-kohlensaurem Natron die Kohlensäure durch hindurchströmende atmosphä- rische Luft ganz oder teilweise ausgetrieben werden könne, und fand, dass dieses bei einer Temperatur von 0° zum grossen Theile, bei 38° fast vollständig erfolgte. Er fand so- dann weiter, dass die Luftpumpe aus Blut, welches nicht mit der atmosphärischen Luft in Berührung gewesen, und mit einer kleinen Menge von Kohlensäure geschüttelt wor- den, wirklich Sauerstoff auszieht. Um alsdann die Wir- kung des Sauerstofls auf das Blut und seine Bestand- theile zu prüfen, liess Marchand zuerst durch geschla- genes Pferdeblut, dem durch Durchströmen von Was- serstoffgas alle Kohlensäure. entzogen war, Sauerstoff hin- durchtreten. Das Blut, welches durch die Behandlung mit Wasserstofflgas ganz dunkelroth ‘geworden war, wurde zu- 139 nächst hellroth, aber eine Entbindung von Kohlensäure er- folgte nicht. Als darauf rein ausgewaschener Faserstofl mit Sauerstoff zusammengebracht wurde, zeigte sich zwar, be- sonders wenn der Faserstoff sehr feucht gehalten wurde, Kohlensäurebildung, aber erst nach langer Zeit, und wenn er deutlich faul geworden war, so dass sich nicht annehmen lässt, dass ein solcher Vorgang während des Lebens Statt findet. Ebenso bewirkte das Durchleiten von Sauerstoff durch geschlagenes und von seinem Faserstoffe befreites Blut keine Kohlensäureentbindung. Auch Blutserum, Hühnerei weiss, eine wässrige Lösung des Blutfarbestoffes und Mulder’s Haematin verhielten sich ebenso; so dass also aus diesen Versuchen hervorgeht, dass, während Sauerstoff im aufge- lösten Zustande im Blate vorhanden sein, und durch andere Gasarten oder die Luftpumpe aus demselben ausgetrieben werden kann, derselbe dennoch nicht auf die Bestandtheile des Blutes chemisch einwirkt, wenigstens nicht insofern Kohlensäure dadurch entwickelt wird. Marchand glaubt daher, dass die chemische Einwirkung des Sauerstofles auf das Blut und die Kohlensäurebildung durch den Zellenpro- zess vermittelt werde und dieser schon in den Lungen an- fange. Die Erhöhung der Temperatur des Blutes durch Hin- zutreten von Sauerstofl, dieMarchand bestätigt fand, leitet er von der Condensation des Gases ab, was dadurch noch bewahrheitet wird, dass diese Temperaturerhöhung bei Ab- sorplion von Kohlensäure stärker ist, als bei der von Sauer- stoff. Was die Farbenveränderung des Blutes betrifft, über die Marchand ebenfalls Versuche mittheilt, so scheint sie ihm keine chemischen, sondern physikalische Ursachen zu haben. Journ f. pract. Chemie. Bd. 35. p. 35. John Davy vertheidigt durch verschiedene Gründe die Gegenwart kohlensaurer Alkalien in dem Blute, gegen die Angaben Enderlin’'s. Er glaubt ferner den Blutkörperchen eine eigne viscide Beschaffenheit zuschreiben zu müssen, weil sie leicht an verschiedenen Gegenständen ankleben (während die Beobachtung beim Kreislauf sie gerade als sehr sehlüpfrig erkennen lässt, Ref.). Sodann hat er bemerkt, dass geronnener Faserstolf sich oft mit einem homogenen feinen Häutchen überzieht, einer serösen Haut nicht unähn- lich, und glaubt darin ein besonderes Anordnungsbestreben des Faserstoffs erblicken zu können, was er vielleicht auch im Leben besitze. Endlich erscheint es ihm bemerkenswerth, dass Milch mit Serunı oder Eiweiss vermischt beim Erhitzen erinnt, und zwar um so fester, je stärker der Zusatz von viweiss oder Serum ist. Transact. of the royal Soc. of Edinburgh, Vol. XVI. P. I. p. 53. } 140 Chimeuz, Andr. Caesalpin, der erste Entdecker des Kreislaufes im Menschen 1571. Metaxa, Annali medico- chirurgieci. 1845. April. Ist nur eine der fruchtlosen und un- gerechten Bemühungen, Harvey die Ehre der Nachweisung des Blutkreislaufs zu entziehen. Den Antheil, welchen Caes- alpin und noch vor ihm Realdus Columbus u. A. an dieser Lehre haben, hat ihnen die Geschichte längst zu- erkannt. Calvert Holland, The philosophy of the moving po- wers of the blood. London 1844. 8. D. Gola hat sich durch Beobachtungen bei Fröschen überzeugt, dass der Chok des Herzens in der That durch das Anschlagen desselben bei der Systole der Kammern her- vorgebracht wird. Ann. univ. di med. Avril 1845. Arch. gen. de Med. Tom. VIII. p. 212. 1845. Bei einem mit Ectopia cordis geborenen Kinde beobach- tete Mitchell rücksichtlich der Aktionen des Herzens Fol- gendes: So lange der Nabelstrang noch mit dem Mutterku- chen zusammenhing, schlug das Herz 25 Mal in der Minute, sobald derselbe aber durchschnitten war, nur 20 Mal, dann 14 Mal, nach einer Stunde noch seltener, und hörte 1 St. . 50 Min. nach der Geburt und 25 Min. nach dem Aufhören der Athembewegungen auf zu schlagen. Die Atrien waren zuerst durch Blut ausgedehnt und die Ventrikel schienen sich ohne wahrnehmbare Zusammenziehung der Vorhöfe zu füllen. Diese letzteren schienen sich in die Ventrikel langsam und stufenweise ohne Contraction zu entleeren (?) Unmittelbar nach der Entleerung der Atrien zogen sich die Ventrikel zu- sammen, und das Blut drang in die A. coronar., die sich stark ausdehnten. Während der Contraction verkürzte sich der Ventrikel von der Spitze nach der Basis. Diese Con- traction war mit einer bedeutenden Erhebung des Central- theiles begleitet, die den Finger stark zurückstiess. Die Herz- spitze bewegte sich nicht nach vorn und unten. Zwischen den Contractionen war das Herz schlaff. Alle Bewegungen gingen ohne Geräusch und regelmässig vor sich. Das Herz war ganz normal gebildet. Dubl. Journ. of med. Sc. 1845. Volkmann hat neue Beobachtungen über die Herztöne und Bewegungen angestellt. Indem er von der Voraussetzung ausgeht, dass der erste Ton unmittelbar nach dem Anfange der Systole der Kammern durch Anspannung der Atrioven- trieular-Klappen, der zweite Ton unmittelbar nach Vollen- dung der Systole der Kammern durch Anspannung der Se- milunarklappen eintritt, und er nun durch ein Pendel die Zwischenzeit zwischen diesen beiden Tönen und wiederum zwischen dem zweiten und ersten bestimmt, erlangt er das 44 anscheinend aufiallende Resultat, dass diese Zeiten fast gleich gross sind, nämlich sich wie 96: 100 verhalten. Der Grund, weshalb man gewöhnlich die Zwischenzeit zwischen dem 1. und 2. Tone für kürzer als. die zwischen dem 2. und 1. hält, ist eine subjektive Täuschung. Klänge, welche in gleichen Zeiträumen sich rhythmisch folgen, scheinen in ungleichen In- tervallen aus einander zu liegen, wenn der 1., 3., 5. ete. Ton lauter ist, als der 2., 4., 6. ete., wie dieses bei den Herz- tönen der Fall ist. — In die Zwischenzeit zwischen dem 1. und 2. Herztone fallen Systole der Kammern und Diastole der Vorhöfe; in die Zwischenzeit zwischen dem 2. und 1. Herztone die Systole der Vorhöfe und Diastole der Kam- mern. Diese 4 Phänomene dauern inzwischen nicht jedes gleich lang. Die Diastole der Vorhöfe dauert am längsten, dann die Systole der Kammern; am kürzesten die Systole der Vorhöfe und Diastole der Kammern. Henle u. Pfeuf- fer, Zeitschrift. III. 3. 1845. p. 321, Schmidt’s Jahrbüch. 1846. Bd. 49. p. 5. Nach Nicolueei ist es nicht allein das zurückdrängende Blut, welches die Semilunarklappen bei der Diastole der Kammern schliesst, sondern auch die zugleich hinzukom- mende Contractilitätsäusserung dieser Klappen selbst, wo- durch der Verschlass vollständig wird Da diese Contracti- lität im Leichname fehlt, so meint Nicolucei, rühre es davon ber, dass auch die Klappen in Leichen bei Injektio- nen etc. nicht völlig schlössen. Il. Filialtr. Sebez. 1844. Giugno. Schmidt’s Jahrb. 1846. Bd. 52. p. 150. Frey, Versuch einer Theorie der Wellenbewegung des Blutes in den Arterien. Müller’s Arch. f. Anat. 1845. p. 132. Die Gesetze der Wellenbewegungen in elastischen Röhren, wie sie die Arterien darstellen, sind physikalisch noch so gut, wie ganz unbekannt. Der Verf. hat diese Wellenbewe- gungen in elastischen Röhren zum Gegenstande eines aus- führlichen und genauen Studiums gemacht, und theilt das- selbe in vorstehendem Aufsatze mit, aus welchem sich jedoch keine allgemeineren Resultate ohne Eingehen in die speciellen vclongen mittheilen lassen. C. Mogk, Ueber die Stromkraft des venösen Blutes in dem Hohladersysteme. Henle und Pfeuffer, Zeitschrift f. ration. Mediein. T. 3. 1845. p. 33. Siehe Jahresbericht 1843. p. 103. Green, Ueber die eigne Fortbewegungskraft des Blutes. The Lancet. 1845. No. 10. Vol. 2. Oesterr. med. Wochen- schrift. 1845. 3tes Quartalbeft. p. 897. Einige irrig inter- pretirte Beobachtungen über die Blutbewegung in den feine- ren Capillarien der Schwimmbaut des Frosches, und einer 142 äbgeschnittenen Uvula veranlassen den Verf. zu der Verthei- digung der Meinung, dass das Blut sich aus eigener, ihm in- newohnender Bewegungskraft bewege. Zwei Noten in der Med. Gazette 1845. Jul. p. 456. und p: 552., die erste von einem Ungenannten, die zweite von Thomas Williams, welcher letztere die Priorität in Anspruch nimmt, suchen die Lehre zu bekämpfen, dass sich die in das Aortensystem eingetriebene Blutwelle successiv in demselben fortbewegt, und dagegen darzuthun, dass deren Verbreitung augenblicklich sei. Diese Einrede scheint auf einem Missverständniss zu beruhen. Denn dass sich die Blutwelle successiv in dem Arteriensysteme verbreitet, ist ebenso noth- wendig bei der Elastieität ihrer Wandungen, als es durch die Beobachtung bestätigt wird, dass die Ausdehnung der von ‘dem Herzen entfernten Arterien einige Terzen später erfolgt, als die der nahe gelegenen, und die’ Zusammenzie- hung des linken Ventrikels und der zweite Herzion. Die beiden Opponenten scheinen aber die Sache so verstanden zu haben, als wenn die Ausdehnung der entfernten Arterien gar nicht direkt von der von dem Herzen entsendeten Blut- welle, sondern nur durch die Contraction der dem Herzen näher gelegenen Arterien hervorgebracht werde. Das hat aber Niemand, namentlich auch Müller nicht gelehrt, auf den sich die Opponenten beziehen. Die Blutvwvelle pflanzt sich successiv, aber sehr rasch, durch das ganze Arteriensy- stem fort, und dann’folgt während der Diastole des Herzens ebenso successiv und rasch die Contraction der Arterien, Letztere bezieht sich nicht sowohl auf die Verbreitung des Blutes in den Arterien, als in den Capillarien und Venen. Walsh, Ueber die Cooperation des fibrösen Pericar- diums und der Ventrikel zur Beschleunigung des Blutstroms in den Herzohren. Provincial medical and surgical Journal. 1845. Januar. p. 77. Der Verf. sucht, wie Parry, Pur- kinje u. A. ebenfalls in dem bei Contraction der Kammern entstehenden luftleeren Raum im Herzbeutel ein Unterstüz- zungsmittel für den Eintritt des venösen Blutes in den Herz- beutel; namentlich, meint er, könnten deswegen die Venen- stämme der Klappen entbehren. (Ich habe früher schon auf die Thiere hingewiesen, bei denen der Herzbeutel nicht an den Thorax etc. befestigt ist. Ref.) Bryan vertheidigt in einem Aufsatze über die Physio- logie des Lymphgefässsystems in d. Lancet, 1845, April, die Ansicht, dass die Bewegung des Blutes, so wie der Lymphe und aller Flüssigkeiten des Körpers in letzter Instanz von dem Herzen abhängig sei. Für die Bewegung in den Darm- Iymphgefässen nimmt er noch die Contractionen des Darms 143 und für den Ductus thoraeicus die Athembewegungen als mitwirkend hinzu. Die sogenannte Absorption erklärt er für eine einfache Lösung der in den Flüssigkeiten des organi schen Körpers löslichen Substanzen. Schmidt’s Jahrbücher. Bad. 50. Heft 3. p. 280. 1846. } Boussingault, Recherches sur la formation de la graisse chez les animaux. Comptes rendus de l’acad. roy. d. Sc. Vol. XX. p. 1726. Fror. N. Not. No. 746. Eni- hält des Verf. Ansicht, dass Stärkemehl oder Zucker nur bei Gegenwart von Fett in Fett umgewandelt werde. Persoz, Notes sur la formation de la graisse dans les oies. Comptes rendus de l’acad. roy. d. Sc. Vol. XXI. p- 20. Persoz kommt in 2 neuen Abhandlungen über das Mästen der Gänse zu den (nach Liebig’s Arbeiten freilich nicht neuen) Schlüssen, dass Gänse auch ohne Fett zu fres- sen, mit stickstoffloser Nahrung gefüttert, Fett bilden, dass man ihnen aber Knochenerde und stickstoffhaltige Nahrung geben muss, wenn sie gedeihen sollen. Fettgehalt der Nah- rung befördere aber das Feltwerden ungemein; auch Zucker habe einen sehr günstigen Einfluss, den P. von der Beför- derung der Verdauung durch die aus Zucker entstehende Milchsäure ableitet. J. Liebig, Ueber die Fettbildung im Thierorganismus. Liebig und Wöhler, Annalen der Chemie und Pharmaeie, 1845. Bd. 54. p. 376. Dieser Aufsatz enthält eine Beleuch- tung der Schlussmittheilungen der französischen Bearbeiter der Fettfrage, namentlich Boussingault’s, Milne Ed- ward's und Payen’s, die bekanntlich ihre frühere Ansicht so gut als möglich aufgegeben haben. Rücksichtlich der von Einigen angenommenen Zucker- bildung aus stickstoffhaltigen Substanzen im Thierkörper ist eine Beobachtung von Falk von Interesse, der bei einem an Diabetes mellitus leidenden 10jährigen Mädchen den Zucker aus dem Harne sogleich verschwinden sah. als man demsel- ben nur Fleischnahrung gab. Erhielt sie aber Amylaceen, Aepfel u. dergl., so erschien der Zucker sogleich wieder. Oesterlen’s Jahrb f. prakt. Heilk. 1845. No. 5. Fortnum erzählt einen Fall von Reproduktion eines Beines bei der Larve von Diura violascens, einer Gattung von Phasmidae. Fror. N. Not. No. 781. Flourens, Nouvelles experiences sur la resorption de los. Compt rend. de l’Acad roy. d. Se. Vol. XXI. p. 451. und p. 1229. Fror. N. Not, No. 774. Flourens hat den bekannten Versuch Duhamel’s mit Umlegung eines Ringes um einen Röhrenknochen, der später -in der Markhöhle ge- funden wird, mit einem ganz dünnen Platinblättchen wieder- 144 holt. Der Erfolg war derselbe, zum Beweise, dass kein Druck, sondern die allmählige Resorption des Knochens von Innen, bei Ablagerung neuer Substanzen von aussen, densel- ben bedingt. Chassaignac, M&m. sur la solidit€ des os. Comptes rendus de l’Acad. roy. des Sc. Vol. XXI. p. 571. Nach Chassaignac hängt die Zerbrechlichkeit der Knochen im hohen Alter ab: 1) von der interstitiellen Resorption des Knochengewebes (Erweiterung der Markkanälchen? Ref.); 2) dem Prädominiren des phosphorsauren Kalks; 3) im höchsten Alter von der theilweisen Resorption dieses phos- phorsauren Kalkes. Letzteres ist neu, Brulle et Hugueny, Experiences sur le developpement des os. Comptes rendus de l’Acad. roy. d. Sc. Vol. XXI. p- 1061. Fror. N. Not. No. 796. Nach den Untersuchungen von Brull&e und Hugueny über die Bildung der Knochen würden wir anzunehmen ha- ben, dass bald an der Aussen-, bald an der Innenfläche ei- nes Röhrenknochens an verschiedenen Stellen, aber nie in seiner ganzen Ausdehnung, Ansatz neuer Substanz und zu- gleich immer an den entsprechenden Stellen der anderen Seite Resorption erfolgt. Periost und Medullarmembran sind demnach funktionell gleichzustellen, und nicht dem einen blos die Neubildung, der andern die Resorption zuzutheilen. Der ganze Stoffwechsel, des Knochengewebes wenigstens, scheine sich auf diese Vermehrung einerseits und Wegnahme andererseits zu beschränken, also eigentlich nur eine Art Wachsthum zu sein. Alexander Watson, Observations on the formation of Bone by the Periosteum. Edinburgh med. et surg. Journ. Tom. 63. p. 302. Der Verf. glaubt aus einigen Beobachtun- gen an nekrosirten oder längere Zeit nach einer Fraktur un- tersuchten Knochen, so wie aus einigen bekannten gi ten in Wien, bei welchen sich in der eine Trepanöffnung schliessenden Membran Knochenfragmente gebildet haben, den Schluss ziehen zu können, dass das Periosteum für sich allein ausreichend ist, um neue Knochensubstanz zu erzeugen. H. Hoffmann, Ueber eine Gasabsouderung der Pflan- zen. Liebig's und Wöhler’s Annalen. Bd. 53. p. 242. Die Versuche betreffen die Ausscheidung von Kohlensäure ‚durch Schwämme, Moose und Gefässpflanzen. Die Menge der durch die Pilze ausgeathmeten Kohlensäure ist sehr be- deutend; sie steigt bei Agarieus detonsus im feuchten Zu- stande bei 100 Grm. in 100 Min. auf 0.272 Grm., während 100 Grm. Frosch in 100 Min. 0,02, 100 Grm. Katze 0,26, 145 100 Grm. Taube 0,04 Grm. geben. Diese schienen sich den Schwämmen ähnlich zu verhalten; dagegen die Gefässpflan- zen sehr abwichen. Willis, Ueber die Wichtigkeit und die Verrichtung der serösen Häute. London med. Gaz. 1845. März. Schmidt’s Jahrbücher. 1845. Bd. 47. p. 157. So wie die Funktion der äusseren Haut nach dem Verf. vorzüglich darin besteht, dem Blute wässrige Bestandtheile zu entziehen, und es dadurch zur Aufnahme neuer Substauzen geeignet zu machen und über- haupt in seiner Mischung zu erhalten, so haben die serösen Häute nach ihm dieselbe Bestimmung. Ihre Lymphgefässe, an denen sie so reich sind, nehmen aber diese ausgeschie- denen Substanzen wieder auf und bringen sie zur Auschei- dung durch die Drüsen wieder in das Blut. Indem die se- rösen Häute so eine wichtige Beziehung zur Blutmischung besitzen, erklären sich daraus die schweren Folgen ihrer Er- krankungen etc. Erichsen hat einen Fall von sogen. Blasenspalte be- nutzt, um den Uebergang gewisser Stoffe in den Harn und die dazu erforderliche Zeit zu bestimmen. Folgende Tabelle enthält seine Resultate: : 20 Grains Blutlaugensalz erschien in 12 Min. 2 St. nach dem Genuss von Fleisch, Brod und Kartoffeln. 40 Gr. desgl. erschien in 2 Min. 4 St. n. d. Genuss von Brod, Butter und Kaffee, 40 Gr. desgl. erschien in 6! Min. 14 St. n. d. Genuss von Fleisch, Brod, Butter und Thee. 40 Gr. desgl. erschien in 2 Min. 114 St. n. d. Genuss von Kartofleln. 20 Gr. desgl. erschien in 1 Min. 11 St n. d. Genuss von Kartofleln. 30 Gr. desgl. erschien in 16 Min. 24 Min. n. d. Genuss von Brod, Butter, Thee. 40 Gr. desgl. erschien in 24 Min. 45 St. n. d. Genuss von Pflaumenpastete. A0 Gr. desgl. erschien in 14 Min. 1 St. n. d. Genuss von Brod, Butter, Thee. 40 Gr. desgl. erschien in 27 Min. 2 Min. n. d. Genuss von Brod, Butter, Thee. 40 Gr. desgl. erschien in 39 Min. 2 Min. n. d. Genuss von Fleisch, Brod, Kartoffeln. Galläpfelaufguss erschien in 36 Min. 25 St. n. d. Genuss von Fleisch, Brod, Kartoffeln. Desgl. erschien in 33 Min. 15 St. n. d. Genuss von Brod, Butter, Kaflee. Müller's Archiv. 1846. K 146 Galläpfelaufguss erschien in 30 Min. 13 St. n. d. Genuss von Brod, Butter, Thee. Rhabarberaufguss erschien im Harn 22 Min. 22 St. n. d. Genuss von Kartoffeln und Fett. Krappaufguss erschien im Harn 16 Min. 34 St. n. d. Ge- nuss von Brod und Fett. Infus. Herb. uvae ursi erschien im Harn 35 Min. 12 St. n. d. Genuss von Brod, Butter, Thee. Rhabarbertinetur erschien im Harn 31 Min. 24 St. n. d. Genuss von Leber, Speck, Brod. Abkochung von Blauholz erschien im Harn 19 Min. 44 St. n. d. Genuss von Brod, Butter, 'Thee. Zwei Drachmen doppeltkohlens. Natron mit Citronen- saft gesättigt in einem Becher voll Wasser machten 21 St. nach einer Mahlzeit von Brod und Butter den Harn nach 28 Min, deutlich alkalisch und vermehrten die Harnsekretion um das Dreifache. Die alkalische Reaktion verschwand erst am andern Tage. Ein andermal wurde bei demselben Ver- such 5 St. nach einer Mahlzahl von Hering und Kartoffeln der Harn nach 40 Min. alkalisch und blieb es drei Tage lang. Weinsaures Kali in einer Saturation von 4 Drachme dop- pelt kohlens. Kalis machte den Harn nach 29 Minuten neu- tral und nach 34 Min. alkalisch; ein anderes Mal in 47 Min. Fussbäder schienen jene Salze nicht überzuführen. Besonders deutlich war der Einfluss der Verdauung auf die Harnsekre- tion, indem immer 15 — 20 Min. nach dem Essen eine Ver- minderung, dann aber wieder eine Vermehrung der Harnse- kretion eintrat. (Der Verf. hat unterlassen, die Concentration der angewendeten Salzlösungen anzugeben, welche gewiss einen grossen Einfluss ausübt. Ich habe das Blutlaugensalz mehrere Male auch nach mehreren Stunden nicht in den Harn übergehen sehen.) R. E. Marchand, Ueber die Zusammensetzung des Harns der Schildkröte. Erdmann’s und Marchand’s Jour- nal. 1845. No. 4. Heller’s Archiv f. physiol. und pathol. Chemie. 1845. p. 126. Die Untersuchung des Inhaltes der Harnblase einer Testudo tabulata, welche einige Monate ge- hungert hatte, erwies denselben unzweifelhaft als Harn, na- mentlich besass er auch Harnstoff. (Letzterer wurde auch im hiesigen chemischen Laboratorio aus einer ansehnlichen Menge Harn dargestellt, die ich ebenfalls bei einer Testudo tabulata auffing, Sein Mangel in dem von Müller und Magnus untersuchten Harne der Riesenschildkröte muss also individuell oder zufällig gewesen sein. Ref.) Henry Bence Jones, Contributions to tbe Chemistry of the Urine. The philos. Mag. Vol. XXVII. p. 396. 1845. 147 Philosophiecal Transactions. 1845. p. 335. Diese Untersu- chungen betreffen theils den wechselnden Gehalt des Urins an phosphorsauren Erden, theils die alkalische Reaktion des Harns. Die Menge der phosphorsauren Salze ist nach dem Essen im Harne immer grösser, als zu anderen Zeiten. Sie ist grösser bei pflanzlicher Kost (Brod), als bei animalischer (Fleisch). Körperliche Anstrengungen bewirken keine Zu- nahme an phosphors. Erdsalzen, wohl aber an phosphors. Alkalien. Chlorcaleium, schwelels. Magnesia und caleinirte Magnesia durch den Mund genommen, vermehren die Menge der phosphorsauren Erdsalze im Urin. Nach langem Fasten nimmt die Menge derselben beträchtlich ab. — Eine alka- lische Reaktion des Harns rührt von zwei Ursachen her. Einmal nämlich von der Gegenwart von kohlensaurem Am- moniak und zweitens von einem fixen Alkali, welches häufig nach dem Frühstück bei Personen im Harne erscheint, deren Verdauung etwas gestört ist. W. Heintz, Ueber die quantitative Bestimmung des Harnstofls, des Kalis und Ammoniaks im Harn. Poggen- dorff's Annalen, Bd. 66. p. 114. E. v. Bibra, Ueber den Harn einiger Pflanzenfresser. Liebig’s und Wöhler’s Annalen. Bd. 53. p. 98. Analyse des Harns des Pferdes, Schweines, Ochsen, der Ziege und des Feldhasen. Boussingault, Analyse chimique des urines des ani- manx herbivores. Comptes rend. de l’Acad. roy. de France. Vol. XXI. p. 4. Aus dieser Arbeit von Boussingault über den Harn der Pflanzenfresser ist vorläufig nur bekannt, dass derselbe doppeltkohlensaures Kali enthalte, und abge- sehen von dem Gehalt an Harnstoff und Hippursäure, einem alkalischen Mineralwasser gleiche. B. schlägt seine Anwen- dung gegen Harnsäure-Steine vor, und meint, er habe mehr Zuirauen zu diesem Präparat aus der Blase seiner Kuh, als zu einem aus dem Laboratorio eines noch so geschickten Chemikers. Helmholtz, Ueber den Stoffverbrauch bei der Muskel- aktion. Müller’s Archiv f. Anat. 1845. p. 72. Der Verf. hat den Stoffverbrauch bei der Muskelaktion dadurch direkt nachzuweisen versucht, dass er Partieen von Muskeln kalt- und warmblutiger Thiere vergleichungsweise chemisch ana- Iysirte, deren eine durch Galvanisiren zu Contractionen bis zur Erschöpfung gebracht worden waren, die andere nicht. Für alle Versuche ohne Ausnahme stellte sich heraus, dass das Wasserextrakt in den elektrisirten Fleisehportionen ver- mindert, das Spiritus- und Alkoholextrakt ne war. 148 Weitere Aufschlüsse erwartet der Verf. von der (jetzt durch Liebig’s Arbeiten gewonnenen, Ref.) genaueren Kenntniss dieser Extrakte. III. Irritable Prozesse. Muskelbewegungen. — Besteigen hoher Berge. — Schwimmblase der Fische. — Bewegung der Iris. Dr. Reinbold untersucht die Frage, wie willkürliche, örtliche und besondere Bewegungen zu Stande komınen. Bei einer theoretischen Erörterung, wie diese ist, muss ich mich darauf beschränken, anzugeben, dass der Verf. darzuthun sucht, dass die Vorstellung von der besonderen Bewegung es ist, welche veranlasst, dass nur die Centralpunkte für gewisse, und zwar die der vorgestellten Bewegung entsprechenden motorischen Nerven erregt werden. Rust’s Magazın. Bd. 65. p- 1. 1845. Prosektor Dr. Gruber in Prag liefert in der Oesterr. med. Wochenschrift, 1845. No. 45. p. 1401., eine Abhand- lung über die Wirkung des M. Plantaris des Menschen, in welcher er darzuthun sucht, dass derselbe vorzüglich Span- ner der Kniegelenkkapsel und nur in untergeordneter Weise Unterstützer der Funktion der M. Gastrocnemii oder ein Span- ner der fibrösen Gebilde in anderen Theilen sei. Le Pileur theilte seine Beobachtungen über den Ein- fluss des Aufenthalts auf bedeutenden Höhen auf die physio- logischen Erscheinungen mit. Nach ihm beobachtet man nur einige Beschleunigung des Pulses, weniger Appelit und zu- weilen Schläfrigkeit als Folge bedeutender Erhebung über die Meeresfläche. Was sonst noch von Ermüdung gewisser Muskeln, Athembeschwerde, Klopfen der Karotiden etc. an- geführt wird, ist nicht Folge der Erhebung, sondern der an- Pi engien Bewegungen. Das Verhältniss zwischen der ulsfrequenz auf dem Montblanc, wo die Beobachtungen ge- macht wurden, und der in Paris ist 1:0,75. Seance de l’Acad. des science. 21 Avril 1845. Comptes rendus. T.XX. p- 1199. Gazette med. de Paris. 1845. No. 17. Nach Castel sollen die Wirkungen des Besteigens ho- her Berge, abhängig von der Verminderung des Lultdrucks, durch einen unmittelbaren und anhaltenden Einfluss auf die Contractilität der Faser, vorzüglich der Gefässe, bedingt wer- den. .Comptes rendus. Mai 1845. Kleinert's neues Repert. ‚Allgem. Path. No. 10. p. 122. Ein Aufsatz von J. C. Mayer über das Gesetz der Schwere im thierischen Körper im Med. Corresp. Blatt rhein. 149 westph. Aerzte, Bd. IV. 1845. No. 15., berücksichtigt vor- züglich nur mehrere anatomische Eigenthümlichkeiten des menschlichen Körpers, die der Verf. von seiner aufrechten Stellung ableitet; unter diesen vorzüglich den Mangel eines Foramen juj. ant., welches sich dagegen bei Säugethieren und am ansehnlichsten bei denen mit langem Halse findet. Durch dasselbe nimmt das Blut aus dem Gehirn einen direk- teren Abfluss, als es durch das For. juj post. möglich ge- wesen wäre. Auch die Möglichkeit der Lage auf dem Rük- ken im Schlafe leitet der Verf. von dieser Einrichtung ab. Joh. Müller hat seine schon im vorigen Jahresbericht kurz erwähnten Beobachtungen über die Schwimmblase der Fische, in diesem Archiv 1845. p. 456. genauer milgetheilt, in einem Aufsatze, der über die Statik der Fische handelt, Er spricht zuerst über die instinktmässigen Bewegungen der Augen der Fische, durch welche dieselben bei Veränderungen der Stellung des Thieres ihre natürliche Stellung stets zu behaupten streben. Sodann zeigt er, dass die Erhaltung des Gleichgewichts des Fischkörpers nicht von der Schwimm- blase, sondern von den Flossen, besonders von den verlika- len, abhängig ist Die Schwinmblase befähigt die Fische vorzüglich, in verschiedenen Tiefen im Wasser sich aufhal- ten zu können, indem schon eine geringe Zusammendrückung derselben den Fisch sinken macht oder umgekehrt. An der Oberfläche ist die Schwimmblase sehr ausgedehnt bei dem geringsten Druck: mit dem Hinabsteigen vermehrt sich der Druck und verringert sich der Umfang der Schwimmblase. Bei 1000 Fuss Tiefe muss die Schwiimmblase 32 Mal kleiner sein, als an der Oberfläche. Hat sich ein Fisch lange in der Tiefe aufgehalten, so dass sich die Luft bei ihrer Verdichtung noch durch neue Absonderung vermehrt hat, und er steigt plötz- lich in die Höhe, so muss die Blase platzen, oder sie presst einen Theil der Baucheingeweide durch den Mund aus. Die mit einem Luftgang versehenen Schwimmblasen können hin- gegen durch Austretenlassen eines Theiles der Luft geschützt werden durch Wirkung der Muskeln der Schwimmblase oder der Seitenwände. Von selbst tritt die Luft nicht durch den Gang aus, denn der Gang geht nach unten von der Blase ab. Sodann erörtert der Verf. den Bau und Nutzen der dop- pelten Schwimmblasen der Cyprinoiden und Charaecinen, der schon im vorigen Jahresbericht erwähnt wurde. P Nach J. Müller findet sich an den Kiemen kleiner, ganz durchsichtiger Ascidien eine regelmässige Intermission der Wimperbewegungen, gerade wie dieses nach der Ent- deekung von Lister bei denselben Ascidien an den Con- 150 tractionen des Herzeus der Fall ist. Die Pausen der Wim- perbewegung sind übrigens nicht mit letzterem Phänomen gleichzeitig. Archiv 1845. p. 520. Note. Guarini glaubt die Frage, ob die Bewegungen der Iris durch Muskelaktion oder durch vasculöse Turgescenz her- vorgebracht werden, dahin entscheiden zu können, dass er beide als wirksam, letztere durch die erstere hervorgebracht annimmt. Er lässt ausserdem, wie Valentin, die Aktion der Cirkelfasern, welche die Pupille verengern, vom 3ten Hirnnervenpaare, die radiären Fasern, die die Pupille erwei- tern, von Fäden der ersten Halsnerven, die in das Gangl. cervicale supr, eintreten, abhängen. Bei eben getödteten Thie- ren soll Reizung des dritten Paares nie die Wirkung auf die Pupille hervorbringen, wie bei lebenden, weil die Wirkung des Gefässsystems wegfalle. — Gegen diese venöse Erektion erklärt sich J. J. Franco, weil die Contraelion der Cirkel- fasern keine venöse Congestiou hervorrufen könne, und der Unterschied im lebenden und getödtelen Thiere auch andere Ursachen haben könne. Als Bestätigang von Valentin’s Ansieht über die Aktion der Nerven auf die Iris theilt Franco zwei Krankeitsfälle mit, in welchen der Oculomotorius ge- lähmt war. Lond. med. Gaz. 1845. Schmidt’s Jahrbücher. Bd. 50. Heft 2. 1846. p. 146. 1V. Sensible Prozesse. Allgemeine Nervenphysivlogie. — Spinalllüssigkeit. — Gehirn. — Rückenmark. — Reproduktion durchschnittener Nerven, — Bellscher Lehrsatz. — Verhalten der Nerven bei Doppelmissbildungen. — Funktion einzelner Nerven. — Ganglien und ihr Eiulluss auf die mit ihnen verbundenen Nerven. John Harrison, An essay towards a correct theory of the nervous system. Philadelphia 1844. 8vo. Castel, Exposition des attributs du systeme nerveux etc. %e edit, Paris 1845. George Lefevre, An apology for the nerves, or their influence and importance in health and disease. London 1844. 8vo. Cf. Johnson, Medico-chirurgical review. 1845. Tom. 1. p. 367. J. H. Leuzinger, das menschliche Nervensystem phy- siologisch bearbeitet. Zürich 1845. Enthält, wie der Verf. selbst sagt, nichts anderes, als dessen nach allgemein be- kannten Erfahrungen und Beobachtungen gebildete Ansich- ten über die Funktion des Nervensystems. Heidler, die Nervenkraft iin Sinne der Wissenschaft, 151 gender dem Blutleben in der Natur. Braunschweig 1845. vo. Der Verf. benutzt vorzüglich seine als Arzt in Marien- bad gemachten Erfahrungen, um ein eigenthümliches Nerven- prinzip, eine Nervenkraft zu bestreiten, und dagegen den Ein- fluss des Blutes und der Nutritionsverhältnisse ganz beson- ders hervorzuheben. Durand, Trois nouv. mem. sur l’action nerveuse. Pa- ris 1845. Svo. Dieses ist ein Elektricitätslehrer, Im Blute entwickelt sich Elektrieität, und zwar vorzugsweise elektro- positive im arteriellen Blute, in den Organen aber elektro- negative. Die Nerven sind die Leiter durch den ganzen Körper ete. Alex. Georg Gruber, Untersuchungen über die At- mosphäre des menschlichen Körpers. St. Petersburg 1845. Recens. in: Mediein. Zeitung Russlands. 1845. p. 108. Stark hat seine schon iu früheren Jahresberichten er- wälnten Untersuchungen fortgesetzt, und über die Mischung und den mikroskopischen Bau des Hirns, des Rückenmarks und der Ganglien ausgedehnt, und darauf eine Hypothese über die Unterhaltung eines fortwährenden Stronies des Ner- venagens in den Nerven aufgestellt. Seine chemischen Un- tersuchungen geben nur das dürftige Resultat, dass die weisse Substanz überall aus Felt und Eiweiss, die graue allein aus Eiweiss bestehe. Von seinen mikroskopischen Angaben hebe ich nur hervor, dass er die weisse Substanz, wie andere Beobachter, aus zarten Röhren mit einem ölichten Inhalte bestehend fand. Er will sich überzeugt haben, dass diesel- ben an der Oberfläche des grossen und kleinen Gehirns, so wie im Rückenmarke an der Grenze der grauen Substanz nieht in Schlingen, sondern mit freien Enden auslaufen, und mit diesen Enden in die graue Substanz eingesenkt sind. An der Oberfläche der Windungen des grossen Gehirns soll dann aber noch einmal ein Netzwerk von den Röhren der weissen Substanz in einer sehr zarten Lage ausgebreitet sein. Im Rückenmarke soll ein Theil der Primitivröhren sich auf- wärts zum Gehirn fortsetzen, die anderen, die sich horizon- tal ins Rückenmark einsenken, endigen frei in der grauen Substanz. In dieser letzteren konnte sich Stark nirgends von der Existenz der Ganglienkugeln überzeugen und be- trachtet sie als eine Täuschung, welche durch die Behand- lung des Objektes veranlasst werde. Sie besteht nach ihm nur aus einer zähen, körnigen, gelblich schimmernden, albu- minösen Masse, der er überhaupt wenig Bedeutung zuschreibt. Dagegen wendet er dem Verhalten der Blutgefässe im Ge- hirne überhaupt, namentlich aber in der grauen Substanz, die grösste Aufmerksamkeit zu. Er macht darauf aufmerk- 152 sam, wvie die Arterien des Gehirns grösstentheils an dessen Basis liegen, von hier aus in dasselbe eindringen, und die graue Substanz so gewissermaassen von innen mit ‚arteriel- lem Blute versorgt wird; während die Venen grösstentheils an der Oberfläche liegen. Er behauptet nun auch, dass das feine Capillarnetz, auf welches er in der grauen Substanz das grösste Gewicht legt, grösstentheils nur von der feineren Verzweigung der Arterien gebildet werde und der venöse Antheil desselben fast gar nicht mehr in der Substanz des Gehirns selbst liege, so dass man sagen könne, der arterielle Gefässtheil des Gehirns liege in demselben, der venöse aus- ser demselben. Es cirkulire demnach eigentlich nur arteriel- les Blut im Gehirn, und alle Sorge sei getroffen, das venöse so schnell als möglich wegzuführen. Auch die Anordnung der grösseren Venenstämme in den incompressiblen Sinus sei dahin zu rechnen. Stark geht dann nochmals darauf ein, zu zeigen, dass keine Elektrieität in den Nerven wirksam sei, noch sein könne, sondern dass in den Nerven nur Schwingungen, Ströme, Wellen oder etwas dergl. eines an und für sich un- bekannten Agens vorkomme. Bei diesen nun komme es nur darauf an, zu wissen, wodurch dieselben erregt und unter- halten würden. Diese Ströme haben aber, in sofern sie vom Gehirn ausgehen, nur einen zwiefachen Charakter, sie sind entweder durch den Willen temporär angeregt, oder Sie sind continuirlich und unterhalten die Bewegungen des Herzens, die Athembewegungen etc. Auf welche Weise der Wille die Schwingungen erregt, will der Verf. nicht entscheiden, nur hält er es für gewiss, dass auch er, wie die Seele überhaupt, von der grauen Substanz aus auf die Primitivröhren der weissen wirke. Aber die continuirlichen Schwingungen, die er von „‚vitalen Impulsen‘ ableilet, wodurch werden diese unterhalten? Der Verf. stellt die Hypothese auf, von dem mechanischen Stosse des arteriellen Blutstromes. Die ganze oben erwähnte Einrichtung des Gefässsystems des Gehirns ziele dahin, den Stoss des arteriellen Blutstromes von der grauen Substanz aus auf die weisse zu übertragen. Daher rührten auch die mit dem Herzen und Pulse synchronischen Bewegungen des Hirns. Daher bringe jede Beeinträchtigung der Aktion des Herzens auch sogleich eine Beeinträchtigung der Funktion des Hirns und der Nerven hervor; daher trete der Tod sogleich ein, wenn man dem Hirn den arteriellen Blutstrom gänzlich abschneide. Er schliesst daher: Die un- willkürlichen organischen oder vitalen Aktionen der Organe hängen von der Strömung in den Nervencylindern ab; diese aber werden durch den ihnen mitgetheilten Stoss der arte- 153 riellen Blutwelle unterhalten. Zum Schluss glaubt der Verf. auch noch durch zahlreiche patlı. Beobachtungen seine An- sicht erwiesen. Edinburgh med. and surg. Journ. Vol. 162. 1845. pag. 103. W. Earle, Ueber den Einfluss der Nerven auf die Se- kretion. Lond. med. Gaz. 1845. p. 257. 404. 512. Schmidt’s Jahrbücher. 1845. Bd. 47. p. 156. Unter Sekretion versteht der Verf. alle Vorgänge der Ernährung und Absonderung, und er sucht besonders durch die beiden Thatsachen, dass hirnlose Kinder nicht lebensfähig sind, und Theile, deren Nerven durchschnitten sind, absterben, den Beweis zu füh- ren, dass die Erhaltung jener Vorgänge durchaus von den Nerven abhängig sei. Er entwickelt sodann seine. Idee von einer Nerveneirkulation, die er schon vor zwölf Jahren in seiner Schrift: A new Exposition of the function of the nerves, Lond. 1833, vorgetragen habe, gemäss den neueren Entdeckungen über die Anordnung der Nervenprimitivlasern, die ununterbrochen vom und zum Hirn und Rückenmark ver- laufen und in Schlingen in einander übergehen. Er meint, es bestehe zwischen den sogenannt motorischen und sensi- blen Fasern unzweifelhaft eine solehe Cirkulation eines Ner- venfluidums, durch welche dasselbe allen Theilen zugeleitet werde. Rücksichtlich der Gangliennerven glaubt er, dass durch ihre Verbindung mit dem Vagus auch ein solcher Ner- venkreislauf unterhalten werde. Emil Harless, Einige physiol. Versuche an Fröschen. Müller’s Archiv f. Anat. 1845. p. 43. Diese Versuche zei- gen, dass die Durchleitung eines permanenten galvanischen Stromes durch einen Nerven einen solchen Zustand in ihm er- regt, dass die geringste Veränderung in der Intensität des Stromes, wie sie eine blosse Erschütterung des Nerven oder des Leitungsdrahtes hervorbringt, neue Zuckungen in den Muskeln veranlasst, - . Nach Versuchen von Longet sollen die schwankenden Bewegungen, welche man bei Thieren nach Entziehung der Spinalflüssigkeit beobachtet hat, nur Folge der Durchschneidung der Nackenmuskeln und Bänder sein. Sie scheinen bedingt zu sein durch die Zerrung, welche das Rückenmark und die Peduneuli cerebelli erleiden. Die schnelle Wiederherstellung der Funktion nach der Operation leitet Longet von der Eigenthümlichkeit der Nervencentra ab, sich schnell an Druck und Zerrung zu gewöhnen, nicht von dem Ersatze der Spi- nalllüssigkeit. Bei Vögeln hat die Operation und Entziehung der Spinalflüssigkeit gar keine Folge, weil bei ihnen die Län- genaxe des Halses senkrecht gegen die des Kopfes gerichtet und das Hinterhauptsloch mehr an der Basis des Schädels 154 gelegen ist. Fror. N. Not. No. 792. 1845. Gaz. med. 1845. No. 25. p. 387. u. 398. Baillarger et Longet, Annales medico-psychologiques. 1845. Tom. VI. p. 157. Costello, Ueber die Physiologie des Gehirns. Medical Times. 1845. March, Schmidt’s Jahrbücher der in- und ausländ. ges. Mediein. Tom. 48. p. 11. Unbedentendes Rai- sonnement. Retzius hat Beobachtungen über die Entwicklung der Hemisphären und des Gewölbes des Gehirns des Menschen und mehrere Folgerungen daraus bekannt gemacht. Er be- stätigt die bekannte fortschreitende Entwicklung der Hemi- sphären von vorn nach hinten. Im ?%ten und 3ten Monate sind nur die vordern Lappen entwickelt, die mittleren und hinteren Hörner der Seitenventrikel fehlen, die Sehhügel sind noch unbedeckt (?Ref.). Im 4ten und Öten Monate sind die ınittleren Lappen gebildet, die mittleren Hörner treten her- vor, Sehhügel und Vierhügel sind bedeckt. Erst von Ende des 4ten Monates an fangen die hinteren Lappen und Hör- ner an, sich allmählig zu entwickeln, und sind selbst beim reifen Fötus noch sehr wenig ausgebildet. Gleichen Gang geht die Entwicklung der Hemisphären in der Thierreihe. Die vorderen Ganglien des Fischgehirns hält der Verf. für Rudimente der Hemisphären. (Darin stimme ich ihn bei; aber sie sind bei dem Säugethier-Embryo zu jeder Zeit hohl, die Corp. striata liegen nie frei und unbedeckt. Ref.) Hin- tere Lappen und Hörner finden sich nur beı Affen, die Ce- taceen und Phocaceen haben nur Rudimente davon; aber selbst beim Orang-Outang sind sie nur schwach von den mittleren Lappen getrennt. Der Mensch allein hat also ein vollständiges, aus vorderen, mittleren und hinteren Lappen der Hemisphären und Hörnern der Ventrikel gebildetes Ge- hirn. (Bei Irren habe ich auffallend oft die hinteren Lappen und Hörner sehr gering entwickelt gefunden. Leider wurden die Formen des Irrseins dabei nicht gehörig genau beach- tet. Ref.) Nach diesem Entwicklungsgang wären die vor- deren Lappen der Hämisphären die niedrigststehenden, die hinteren die höchststehenden. Dieses widerspricht der ge- wöhnlichen Annahme, dass die höheren Seelenfähigkeiten im vorderen Theile des Kopfes zu finden sind. Sie sind viel- leicht, wie die Hemisphären, in drei Gruppen zu bringen, die in ihreın Range den drei Lappen des Gehirns entsprechen. Die- ses gebe eine neue Grundlage für die Cranioscopie (die mehr für sich haben möchte, als die von Carus. Ref.). Die Ent- wicklung des Fornix lässt Retzius von dem ursprünglich hinteren, unteren Rande der Hemisphären ausgehen. Hygiea. 1845. Juni. Schmidt’s Jahrbücher. 1845. Bd. 48. p. 150. 155 Baillarger hat sich damit beschäftigt, die absolute und relative Grösse der Oberfläche des Gehirns genauer zu be- stimmen, als dieses bisher geschehen ist, indem er mit gröss- ter Sorgfalt die graue Substanz abpräparirte und ausbreitete. Diese Oberfläche beträgt nach ihm 1,700 Quadrateent.; das Gehirn des Menschen hat verhältnissmässig zu seinem Volu- men eine weit geringere Oberfläche, als das der niedriger stehenden Thiere; man kann demnach nicht aus der Zahl und Ausdehnung der Windungen verschiedener Gehirne auf die relative Grösse ihrer Oberfläche schliessen: und die In- telligenz steht daher keinesweges in einem direkten, sondern elıer in dem umgekehrten Verhältnisse mit dieser Oberfläche. Gaz. med. 1845. T. XIH. p. 252. Arch gen. 1845. Mai. p. 110. Froriep’s N. Not. No. 770. Gaz. des Höpitaux. Avril 1845. H. Schiff, De vi motoria baseos encephali. Francof. 1845. Svo. Der Verf. hat zahlreiche Versuche über den Einfluss angestellt, den Verletzungen gewisser Hirntheile, besonders auf einzelne Bewegungsarten, aber auch auf andere Empfin- dungs- und Ernährungserscheinungen ausüben. Verletzungen der grossen Hemisphären wirken nur wenig aul die Be- wegungserscheinungen ein. Nach Ausrotten der Streifen- hügel entsteht aber jene unwiderstehliche Neigung zum Vorwärtsschiessen, welche nicht etwa von der erzeugten Blindheit, sondern, wie es scheint, von einer Aufhebung der richtigen Beurtheilung der äusseren Verhältnisse bei angereg- ter Bewegung herrührt. Nach Zerstörung eines Sehhügels oder eines Ilirnschenkels entstehen Drehbewegungen, welche nieht durch halbseitige Lähmung oder Muskelschwä- chung, sondern, nach dem Verf., durch eine stärkere Affek- tion der Vorderbeine und des Nackens, als der Hinterbeine herbeigeführt werden. Der Kreis der Drehung wird grösser oder kleiner, je nachdem man den Sehhügeln oder der Brücke näher kommt. Die Fasern des Vorderbeines der entsprechen- den Seite scheinen mehr in den äusseren, die des Vorder- beines der entgegengesetzten Seite mehr in den inneren und mittleren Partieen der Hirnschenkel zu liegen. Werden die Peduneuli cerebelli medii verletzt, so hebt sich die Brust der verletzten Seite in dem Augenblicke heftig, und das Thier rollt sich dann liegend auf das schnellste um seine Längenaxe. Wenn man die Peduneuli selbst verletzt, so er- folgt die Drehung nach der verletzten Seite hin; verletzt man mehr die Marktheile der Hemisphären des kleinen Ge- hirns, so dreht sich das Thier nach der entgegengesetzten Seile. Schmerzenserscheinungen trelen um so deutlicher auf, je tiefere Theile man an der Basis des Gehirns verletzt. 156 Durchschneidung der Hirnschenkel oder Sehhügel bringt übri- gens auch bedeutend veränderte Erscheinungen der Ernäh- rung hervor, Die Exkremente werden nach drei bis vier Ta- gen schleimig und flüssig, und am 6ten bis Tten Tage blutig; die Thiere verlieren den Appetit, der sonst immer alkalische Harn der Kaninchen wird neutral. dann sauer, und 24 bis 30 Stunden nachher stirbt das Thier unter Krämpfen. Die Luftröhren- und Lungenschleimhaut zeigt sich geröthet, der Magen geröthel und erweicht; ähnlich die obere Hälfte der dünnen Gedärme. Die Leber ist mürb und zwischen ihren Lappen zeigt sich eine gelbgrünliche Masse. Die Nerven sind mit dunklem Blut überfüllt, die Harnblase enthält Ei- weiss. Die Schleimhaut der Genitalien ist injieirt. Auch über den Einfluss der Ganglien auf die Ernährungserschei- nungen stellte der Verf. Versuche an. Durchschneidung des Lendengeflechtes hatte bei Fröschen, selbst nach 2— 3 Monaten, keinen bedeutenden Erfolg auf die Ernährung der hinteren Extremitäten. Wurden aber mehrere Bauchganglien exstir- pirt, so starben die Frösche schon nach 2 Wochen an Bauch- fellentzündung und Bauchwassersucht. Zerstörung des ersten und zweiten Brustganglion bei Kaninchen veranlasste Herz- klopfen und den Tod nach 36 Stunden; der Herzbeutel war dann entzündet und enthielt viel Flüssigkeit. Wenn der Verf. den Trigeminus zwischen dem Gehirn und dem Gangl. Gas- seri durchschnitt, so folgte die Zerstörung des Auges später, als wenn er den Nerven diesseits des Ganglion durchschnitt. Dr. Reinbold liefert Bemerkungen über den Schlaf und die Ermüdung in physiologischer und pathologischer Bezie- hung, welche als ganz theoretischer Natur hier nur erwähnt werden können. Oppenheim’s Zeitschrift. 1845. Bd. 30. Heft 1. p. 1. Der Schlaf besteht nach Zink in einer vollkommenen Unthätigkeit aller der Willkür unterworfenen Organe, wäh- rend sie aus der vegetativen Sphäre mit neuem Nervenflui- dum versorgt werden. Der Traum entsteht durch eine theil- weise Thätıgkeit des Gehirns im Schlafe, -wodurch eine gleichmässige Vertheilung dieses Nervenfluidums verhindert wird ete. Zeitschr. d. Gesellsch. d. Aerzte zu Wien. 1845. Oct. p. 36. Edward Binns, The Anatomy of Sleep. 2 edit. Lon- don 1845. Ree. in: Edinb. med. and surgical Jonrnal. 1845. Tom. 64. p. 176. Der zuletzt eitirten Recension zufolge ein ziemliches Durcheinander von Allerlei, nur sehr wenig aber von irgend physiologischem Interesse. Das Mittel, welches der Verf. empfiehlt, um Schlaf herbeizuführen, ist eine inten- sive und ganz absorbirende Aufmerksamkeit auf den eigenen 157 Athem; nichts anderes, wie der Recensent richtig bemerkt, als jede monotone Beschäftigung der Aufmerksamkeit, welche immer am leichtesten einschläfert. Chiappelli, Zur Theorie des Schlafes. Il raccoglitore medico. Mai 1844. Oesterr. med. Wochenschr. 1845. 1. Quar- tal. p. 361. Der Verf. ist der Ansicht, dass der Schlaf er- stens durch einen verminderten Zufluss des arteriellen Blutes zum Gehirn, zweitens durch einen fast aufgehobenen Abfluss des venösen und endlich drittens durch einen eigenthüm- lichen (2?!) Zustand des Nervensystems herbeigeführt werde. Hamilton, Untersuchungen über die Stirnhöhlen und ihre Beziehung zur Phrenologie (gegen dieselbe). Med. Ti- mes. 1845. Mai und Aug. Schmidt’s Jahrbücher. Bd. 52. pag. 280. Belhomme theilte der Acad. de Med. zehn Fälle mit, welehe zu Gunsten der Hypothese sprechen, dass das Ver- mögen, zu sprechen, seinen Sitz in den vorderen Lappen des grossen Gehirns hat. Arch. gen. 1845. Mai. p. 106. Alquie, Anatomisch - pathologische Studien über die Sprache. Journal de la Societe de Medecine - pratique de Montpellier. 1844. Sept. Nicolueei, Ueber die Funktion des kleinen Gehirns. Il filiatro Sebezio. 1844. April. Ludwig Mertens, Zur Physiologie der Anatomie, Das Mark. Berlin 1845. Nach Dr. Budge soll bei einem Frosche die Entfernung desjenigen, kaum 2 grossen Theiles des Rückenmarkes, welcher hinter und vor dem Ursprunge der dicken Armner- venwurzeln liegt, innerhalb 1 —2 Stunden eine constante Abnahme der Zahl der Herzschläge in einer gewissen Zeit bewerkstelligen, während das ganze übrige, hinter dieser Stelle gelegene Stück des Rückenmarks diesen Einfluss nicht äussert. Fror. N. Not. No. 783. Jobert hat seine Erfahrungen über die Wiederherstel- lung der Nervenaktion in den autoplastischen Lappen mit- theilt, die sehr wunderbar klingen. Gaz. des höpitaux. o, 18. und 19. 1845. Oppenheim’s Zeitschrift. Bd. 30. p- 98. Er behauptet, die wiederkehrende Empfindung in den transplantirten Hautlappen werde nicht durch Nerven, son- dern durch die neuen Blutgefässe und Blutkörperchen der- selben vermittelt, welche durch die Nerven der Narbe Em- pfindungen im Centrum erregten. Niemals finde man neu- gebildete Nerven in den Lappen. (Wahrscheinlich, weil sie nicht liniendick sind! Ref.) Fror. N. Not. No. 719. Le Courrier frangais. Feyr. 1845. 12. Compt. rend. Vol. XX. pag 344. 158 Tavignot hat Versuche über das Zusammenheilen der durchschnittenen Enden verschiedener Nerven angestellt. Er behauptet, dass wenn man zwei Nerven dureh eine und die- selbe Ligatur unterbindet, sich zwischen ihren Enden ein Ganglion nerviforme entwickle, welches beiden gemeinschaft- lich sei, und in welchem ihre Nervenfasern und Funktionen sich zu vereinigen schienen! Durchschnittene Enden ver- schiedener Nerven sollen mit Wiederherstellung der Funktion aneinanderheilen. Gaz. med 1845. p. 28. — Flourens er- innert hierbei, dass er ähnliche Versuche schon vor mehre- ren Jahren angestellt und bekannt gemacht habe. Mem. de l’Acad. des Se. T. XIH. p. 14. und Recherches exp. sur les fonctions du Syst. nerv. p. 272. Hargrave, Beschreibung eines Nerven, welcher die Theorie ©. Bell’s über die respiratorischen Nerven erst ver- vollständigt. Dubl. med. Press. 1845. No. 328. Schmidt’s Jahrb. d. in- u. ausländ. Med. T. 48. p. 276. Der Verf. meint hierunter den N. Thoracicus anterior, der vom öten, 6ten, 7ten, zuweilen auch vom Sten Cervicalnerven ent- springt, und sich in den M. subelavius, Pectoralis major und minor verzweigt. Widenmann, Zur Nervenlehre. Schwegler’s Jahrb. der Gegenwart. 1844. Mai. Schmidt's Jahrb. d. ges. in- u. ausländ. Med. 1845. Tom. 47. p. 16. Der Verf. schliesst sich der Ansicht W. Arnold's an, dass die Bell’sche Lehre dahin abzuändern sei, dass es Muskel- und Hauinerven gebe, welche beide sowohl peripherisch, als central leiteten. Der sogen. Muskelsinn ist ihm der Beweis der centralen Lei- tung in den Muskelnerven, und die magnetische Kraft der Hand der Beweis für die peripherische Leitung in den Haut- nerven!! Ein Aufsatz von Hauff über Empfindung und Schmerz in Haeser’s Archiv, 1845. p. 113., erörtert in recht klarer und umsichtiger Weise die noch bestehenden mannigfachen Zweifel und Fragen über die normale und abnorme Funktion der centripetalen oder sogen. sensiblen Nerven. Inzwischen ist die Arbeit mehr kritischer, als positiver Art, und eignet sich daher ebenso sehr zur genaueren Lektüre, als wenig zu einem Auszuge. Silvano, Ueber die sensorische Kraft der hintern Spi- nalnervenbündel etc. Sechste Versammlung der italien. Ge- lehrten zu Mailand. 1844. Septbr. Raimann und Rosas, Med. Jahrbücher des k. k. österr. Staates. Bd. 51. p. 241. Der Verf. sucht gegen die Bell’sche Lehre zu beweisen, dass das kleine Gehirn der Bewegung das grosse der En- pfindung vorstehe. 159 Die Lancet vom 6. und 20. Sept. 1845 enthält eine Cor- respondenz zwischen Laycock, Combe und Reid über die Reflexfunktion des Hirns, die, als mehr theoretischer Na- tur, hier von uns nur bezeichnet werden kann. In einem Programm: Bemerkungen über die Bestimmung der Nerven im Allgemeinen und über den N. vagus insbe- sondere, Breslau 1545, welches vorzüglich der Beschreibung der Kehlkopfnerven und des vom Verf. entdeckten Gangl. arytaenoidei gewidmet ist, macht Barkow auf die Benutz- ung der Doppelmissgeburten zur Bestimmung der Funktion einzelner Nerven aufmerksam. So ist bei Diprosopie die Zunge und alle ihre Muskeln doppelt, während der N. hy- oglossus einfach ist, aber seine Zweige zu den Muskeln beider Zungen schickt, welche dagegen nie vom Lingualis versorgt werden, obgleich derselbe an seiner Wurzel dop- pelt ist. Bei centraler und peripherischer Einfachheit des R. Lingualis N. Trigemini fehlen die Papillae filiformes coni- eae und fungiformes an der inneren Hälfte der Zunge ganz. Sind sie doppelt vorhanden, so ist auch der N. Trigeminus und Lingualis doppelt. Wenn der N. Glossopharyngeus ein- fach ist, so fehlen auch die Papillae vallatae an der inneren Seite der Zungenwurzeln ganz. Wenn der Unterkiefer fehlt, so fehlt auch der grösste Theil des dritten Astes des Trige- minus, so wie die Papillae filiformes und conicae der rudi- mentären Zunge, während die Papillae vallatae mit dem Glossopharyngeus vorhanden sind. Dupuy, Experiments on the blood. Bulletin de l’Acad. roy. de Med. Septbr. 1844. Edinb. med. and surgical Journ. Tom. 63. p. 509. Betreffen die schon lange bekannten Ver- suche Dupuy’s und Dupuytren’s über Durchschneidung und Unterbindung des N. vagus, nach welcher Operation sie die Umwandlung des venösen Blutes in arterielles sehr schnell gehindert und die Menge des Faserstoffes sehr ver- mindert gefunden haben wollten. Diese Angaben, auf welche schon der Umstand ein sehr zweifelhaftes Licht warf, dass, wenn der Nerye nur unterbunden war, nach Lösung der Ligatur, sogleich die nachtheiligen Folgen wieder verschwun- den sein sollten, haben sich bekanntlich später nicht in die- ser Weise bestätigt. Spinelli, Ueber die Funktion des Glossopharyngeus. Il Siliatre Sebezio, 1844. Juli. Verga, Ueber die Chorda tympani. Car, Panizza Gaz- zelta medica, 1842. No. 13. Harrison, Zur Physiologie der Ganglien. The Lancet. 1845. Juli, Volkmann hat aus der verschiedenen Art, in welcher 160 Muskeln in ihren Bewegungen reagiren, je nachdem man sie auf verschiedene Art durch die Nerven reizt, den Schluss zu eruiren gesucht, dass die Ursache dieser verschiedenen Art von Reaktion in den Nerven und nicht in den Muskeln zu suchen ist, und daraus auf gewisse Verhältnisse der Nerven geschlossen wer- den kann. Reizt man den Nerven eines willkürlichen Mus- kels direkt, so dauert die Contraction eines Muskels so lange, als der Reiz dauert; reizt man dagegen den Nerven durch sein Centralorgan, entweder durch direkte Reizung dieses Centralorganes oder durch reflektorische, so dauert die Reak- tion im Muskel länger, als der Reiz, oder es trilt auch ein Wechselspiel von Contraetion und Expansion im Muskel ein. Die Ursache davon muss, da es sich um dieselben Muskeln und Nerven handelt, in dem Centralorgan liegen. Bei dem Herzen, welches anatomisch den willkürlichen Muskeln gleich ist, entsteht auch eine verschiedene Art der Reaktion je nach der verschiedenen Art der Reizung. Reizt man ein ausgeschnit- tenes Stück des Herzens, so dauert die Contraction so lange, als der Reiz. Hier wirkt also kein Centralorgan mit. Reizt man das Herz im Ganzen, so dauert die Reaktion länger, als der Reiz einwirkt. Dieses lässt darauf schliessen, dass man dabei sein Centralorgan reizt; Reizung des Rücken- markes und Hirns bringt keine längere Reaktion, als der Reiz einwirkt, hervor; also sind sie nicht die Centralorgane für die Herznerven. Die Centralnervenorgane für das Herz müssen daher in dem Herzen selbst liegen, und wirklich ent- ° hält dasselbe an seinen Nerven zahlreiche Ganglienkugeln, wie man in der Scheidewand der Vorhöfe des Herzens des Frosches leicht sehen kann. Nun zieht sich bei Reizung des N. vagus die Speiseröhre so lange zusammen, als der Reiz dauert, an dem Magen aber entsteht ein Wechselspiel von Contractionen und Expansionen. Ebenso entstehen heftige peristaltische Bewegungen am Magen und Darmkanal, wenn man den Grenzstrang des Sympathieus reizt, in beiden Fäl- len aber nie anhaltende Contractionen. Reizt man aber den N. Splanchnieus major oder den Magen direkt, so entstehen anhaltende Contractionen, die selbst nach Aufhören der Rei- zung noch ziemlich lange fortdauern. Vergleicht man diesen Erfolg bei dem Magen und Darm mit den analogen bei will- kürlichen Muskeln und dem Herzen, so entsteht daraus die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Verschiedenheit des Er- folges nach der Art der Reizung auch beim Magen nicht etwa in der Verschiedenheit der Muskeln, sondern in seinen Centralnervenorganen begründet ist, und dass das Central- nervenorgan für den Magen, im Magen selbst und nicht im Hirn und Rückenmarke liegt. Die Schlüsse, welche Volk- 161 mann zieht, sind folgende: 1) Die Centralorgane, nicht aber die Nerven, sind einer Erregung fähig, welche auch nach dem Verschwinden des äusseren Reizes Muskelcontrac- tionen veranlasst. 2) Die Nerven des Herzens, Magens und der Gedärme entspringen weder im Gehirn, noch Rücken- mark. 3) Das Herz, der Magen, der Darmkanal sind im Besitze von Centralorganen, deren centripetale Fasern theil- weise im Vagus, im Rückenmark und im Grenzstrang des Sympathicus liegen. 4) Centralorgane modifieiren die durch sie durchsetzenden motorischen Reize und werden dadurch Regulatoren der Bewegung. — (Während ich im Allgemeinen die Richtigkeit der vorstehenden, wie ich hoffe, ihrem we- sentlichen Bestande nach richtig aufgefassten und mitgetheil- ten Schlüsse Volkmann’s aneıkenne, glaube ich doch, dass in dem ganzen Aufsatze eine etwas zu grosse Neigung zu generalisiren liegt, und daher auch etwas zu viel gefolgert wird. So halte ich den zuletzt mitgetheilten Satz nicht für gehörig motivirt. Für eine Modifikation der Reize durch die Centralorgane sehe ich keine Beweise, sondern überall nur für eine Fixation derselben, oder vielmehr, besser gesagt, der Reizung. Die Erregung eines Centralorganes überdauert die Dauer des Reizes, und da von ihr die Erregung des centri- fugalen [motorischen] Nerven abhängt, so dauert die Con- traction des zu diesem gehörigen Muskels auch länger, als der Reiz. Der Einfluss des Centralorganes ist also nur ge- wissermaassen ein fixirender.. Volkmann aber meint, dass das Centralorgan auch die dauernde Reizung in eine typische umwandeln könne. Den Beweis dafür erblickt er zunächst in dem, bei dauernder reflektorischer Reizung häufig zu be- obachtenden Wechselspiel von Contraction und Expansion bei willkürlichen Muskeln. Allein bei einer solchen Reflexion findet jedenfalls eine Uebertragung der Reizung durch das Centralorgan Statt, welche der Fortpflanzung derselben eini- es Hinderniss in den Weg legt. [Wir wissen ja, diese ee kann durch gewisse Einflüsse gehemmt oder gesteigert werden.] Bei einem gewissen Grade der reflekto- rischen Reizung wird daher auch, wenn sie im centrallei- tenden Nerven continuirlich ist, doch leicht durch Unter- brechung der Leitung im Centralorgan eine intermittirende Reizung im peripherisch leitenden Nerven, und daher jenes Wechselspiel eintreten, Erreicht die Reizung in dem cen- tralleitenden Nerven aber einen gewissen Grad oder ist die Uebertragungsfähigkeit sehr gesteigert, z. B. bei einem nar- kotisirten Frosche, so geht die Reizung auch im peripherisch leitenden Nerven in eine dauernde über. Hierauf reducirt sich, wie mir scheint, der ganze umwandelnde Einfluss des Müller's Archiv. 1846, L 162 Centralorgans. Ganz anders aber verhält sich, wie in der Erscheinung des Wechsels von Expansion und Contraction, so höchst wahrscheinlich auch in der Ursache, das Typische in den Contractionen des Magens und der Därme auch bei dauernder Reizung. Schon die Form beider Bewegungsarten ist eine ganz verschiedene und gestattet keine Parallele. Man wird aber auch nie, selbst durch die heftigste Reizung des zuleitenden N. vagus, dauerde Contractionen erregen können. Ich halte es also nicht für erwiesen, dass dieser Nerv auf reflektorische Weise das Typische in den Zusammenziehun- gen des Magens bedingt, sondern glaube noch immer, dass der Grund davon in der Muskelfaser und deren Anordnung zu suchen ist, die doch immer verschieden genug von der der Speiseröhre ist. Was ich daher für erwiesen erachte, das ist 1) dass Centralorgane in eine Reizung versetzt werden können, die den Reiz überdauert, und dass sie bei reflekto- rischer Uebertragung hemmend oder förderlich einwirken können, was theils von dem Grade der Reizung, theils von Zuständen der Centralorgane selbst abhängig ist, und 2) dass das Herz, Magen und Darm wahrscheinlich Centralorgane [Ganglien] in ihrem eigenen Gewebe enthalten. — Im Ein- zelnen halte ich noch den Versuch 7. in Volkmann’s Ab- handlung und das daraus gezogene Resultat II. für zu un- sicher, und habe sie deshalb oben gar nicht erwähnt. Der durch Versuch 11. geführte Beweis, dass das Centralorgan für das Herz nicht im Rückenmarke zu suchen sei, erscheint, nach den eigenen Bemerkungen Volkmann’s, in der Note und am Schlusse der Abhandlung p. 428., so wie nach den neueren Versuchen von E. H. Weber, Budge und Mayer mindestens unsicher, während übrigens die Centralorgane im Herzen besser, als irgendwo sonst erwiesen sind. Ref.) — Dieses Archiv. 1845. p. 407. Eschricht, Ueber unwillkürliche Lebensäusserungen. Kopenhagen 1845. (Ist mir nur dem Titel nach bekannt ge- worden. Ref.) Brachet, Considerations sur le systeme nerveux gan- glionnaire. Compt. rend. de l’Acad. des sciences. Vol. XXI p- 1106. Enthält nichts Neues. Maher et Payen, Observation sur la transformation ganglionnaire des nerfs de la vie animale. Comptes rendus de l’Acad. roy. des sciences. Vol. XXI. p. 1171. Beschrei- bung eines Falls von Entwicklung sogenannter Ganglien an allen Nerven, mit Ausnahme der höheren Sinnesnerven, des N. patheticus, der Nerven an der Hand und am Fuss. Die- selben fanden sich an den Spinalnerven immer erst nach ihrer Verbindung mit dem Sympathicus, an den Hirnnerven 163 erst nach dem Austritt aus dem Schädel. Die (wohl nicht ganz zweckmässig) angestellte mikroskopische Untersuchung gab keine Resultate. 5. Produktive Prozesse. Generatio aequivoca. — Saamen. — Menstruation. — Entwicklungs- geschichte wirbelloser und Wirbelthiere. — Entwicklung einzelner Organe. — Eihäute. — Milch. Anderson, Ueber Erzeugung. Med. Times. 1845. Mai. Berruti, Ueber Generatio spontanea und die Natur der Saamenthierchen. Giornale delle sceienze mediche della so- eieta medico-chirurgica di Torino. 1843. Febr. M. Gerard, De la generation spontanee etc. Paris 1845. Extr. du Diet. univ. d’Hist. nat. Der Verf. erklärt sich so- wohl nach dem Bestande der positiv vorliegenden That- sachen, als nach theoretischen Gründen über die Bedingungen zur Entstehung organischer Wesen, für die Generatio aequi- voca, und zwar in einem Umfange, der fast dem Standpunkte Burdach’s bei der Erscheinung des ersten Bandes seiner Physiologie entspricht. Nach einer vorläufigen kurzen Mittheilung von Kölli- ker entstehen die Saamenfäden in den (bläschenförmigen) Kernen verschiedenartig sich entwickelnder Zellen, und zwar je ein Saamenfaden in einem Kerne, durch Ablagerung des Kerninhaltes an der Kernmembran. Sie erreichen durch selbst- ständiges Wachsthum ihre endliche Form und Grösse und werden durch Auflösung ihrer Mutterkerne und Zellen frei. Fror. N. Not. 1845. No. 789. Pouchet, Sur la structure et les mouvements des Zoo- spermes du Triton cristatus. Comptes rendus de l’Acad. roy. 2 sc. Vol. XX. p. 1341. Indem Pouchet fortfährt, die Spermatozoiden als Thiere zu betrachten, beschreibt er an denen von Triton cristatus eine eigenthümliche Schwimm- scheibe von 0,005 Mm. Höhe, die auf ihrem Körper aufsitzt und durch ihren halskrausenartig gefalteten, überragenden Rand Veranlassung zur Beschreibung eines spiralig um ihren Körper aufgerollten Fadens gegeben haben soll, Dies ist das Bewegungsorgan “gedachter Saamenthiere, analog dem der Räderthiere, deren Bewegungen auch durch Schwingungen einer solchen Membran ausgeführt würden (nach Dutro- chet). P. hält es hiernach für unnütz, gegen van Bene- den aufzutreten, der den Spermatozoiden ein Epithelium abspricht, Roberton seizt seine Bemühungen fort, um den Be- 4 164 weis zu liefern, dass die Pubertät bei den Weibern der ver- schiedensten Racen und Klimate doch ungefähr zu derselben Zeit eintritt. Diesmal sucht er diesen Beweis für die Hindu- Weiber zu geben, wobei sich inzwischen dennoch zeigt, dass im Durchschnitt dieselben die Pubertät um 20 Monate lrü- her erreichen, als die Weiber in England. Dieses weicht aber doch noch immer bedeutend von den früheren An- gaben ab, und Roberton sucht den geringen Unterschied von der Sitte abzuleiten, dass die Kinder schon vor Eintritt der Pubertät verheirathet werden. Edinb. med. and surg. Journ. No. 162. p. 156. u. 257. und No. 165. p. 423. Zeit- schrift für Geburtskunde. Bd. 19. p. 259. 1845. Fror. N. Not.- No. 786. Diese Sitte selbst findet ihre Erklärung in der alten Zeugungstheorie der Hindu, dass bei jeder Men- struation ein Ei verloren geht. Dieses wird einem Kinder- mord gleichgeachtet, und deshalb werden die Mädehen vor Eintritt der Menstruation verheirathet. Auch über die Esquimaux - Weiber hat Roberton Er- kundigungen eingezogen, die günstig für seine Behauptung sprechen. Von 21 Weibern war keine vor dem 13ten Jahre menstruirt, im 14ten Jahre vier, im 1öten vier, im 16ten drei, im 17ten drei, im 20sten zwei; im Mittel im 1543ten Jahre. Ebenso scheint die Menstruation auch bis zum 40 — 50sten Jahre zu verbleiben. Die Fruchtbarkeit der Weiber ist ziemlich gross, indem sie im Durchschnitt 67, Kinder hatten. Edinb. med. and surg. Journ, Vol. 162. ag. 57. ; Gegen diese Bemühungen Roberton’'s nachzuweisen, dass die Menstruation bei den Weibern aller Klimate nahezu in demselben Lebensalter einträte, und daher von den Ein- flüssen des Klima’s unabhängig sei, erhebt sich Dr. Clay in den Times. Nov. 1844. Schmidt’s Jahrbücher. Bd. 48. p: 67. Er hält diesen Einfluss des Klimas für erwiesen, und zwar in der Art, dass die Menstruation eintritt: e in ganz tropischen Ländern im Alter von 8—11 Jahren, in Abyssinien, Indien, der Türkei im AltertvontrBiey ee eg in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal im# Alter von’uind ar il - in Grossbritannien (Deutschland? Reef.) im Alter von "WW, an, Tree in Island, Lappland, Grönland im Alter von 17—20 - Roberton’s Fehler liegt nach des Verf. Ansicht darin, dass er die Ausnahmen mit der Regel verwechsele. Letheby, Chemische Untersuchungen des Menstrual- blutes. The Lancet. 1845. August. 165 R. Lee theilt mehrere Fälle von frischen Corp. luteis bei während der Menstruation verstorbenen Frauen mit. Er bemüht sich, Unterschiede zwischen denselben und solchen, die sich nach erfolgter Befruchtung bilden, aufzufinden, die aber auf Unwesentliches zurücklaufen. Lancet. 1845. No. IX. Fror. N. Not. No. 759. Meyer, Ergebnisse der neuesten Forschungen über die Bildungsweise der Corpora lutea ete. etc. Oesterlen, Jahr- bücher f. prakt. Heilkunde. 1845. Jahrg. I. Heft 2. April. J. W. Tripe, Die Phänomene der Zeugung. Medical Times. 1845. June. Schmidt’s Jahrb. d. ausl. u. inl. Med. Tom. 48. p. 278. Bringt nur unbedeutendes Räsonnement über die neue Lehre von der Befruchtung und deren Abhän- gigkeit von einem reifen Ovulum, indem er sich übrigens derselben anschliesst. Er sagt ganz schlicht weg, die Aus- stossung eines Ovulums während der Menstruation sei da- durch erwiesen, dass man Corp. lutea in den Eierstöcken und ein Eichen in der Fallopischen Röhre während der Men- struation bei Jungfrauen gefunden habe Ich möchte doch wissen, wer, mit Ausnahme Hyrtls, der glückliche Finder eines solchen Eichens war? Ch. Ritehie, Contributions to the physiology of the human ovary. London medical Gaz. Vol. I. 1845. pag. 32. 199. 324. 509. 626. 939. 981. 1054. Diese zweite Reihe von Mittheilungen enthält zwölf Abschnitte: 1) Ueber die weib- lichen Zeugungsorgane (ganz kurz). 2) Ueber den geschlecht- lichen Charakter der Ovarien (auch kurz). 3) Ueber die Eileiter. 4) Ueber das Uterus -Ei. 5) Ueber die Eierstock- bläschen. (Diese vier Abschnitte enthalten fast nur Histo- risch-Literarisches.) 6) Ueber die bildende Thätigkeit der Ovarien (als absondernde Drüsen). 7) Ueber den Ort der Befruchtung. 8) Ueber die Entwicklung der Eier. 9) Ueber den Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Eier im Eierstock mit der Brunst der Thiere und der Menstruation des Weibes. 10) Theorie der Menstruation. 11) Ueber gelbe Körper, Corpora menstrualia seu periodica, des Verf. 12) All- gemeine Resultate, Die letzten acht Abschnitte enthalten mehr die Ansichten des Verf., welche er auf seine früher in der ersten Reihe mitgetheilten Untersuchungen gründet. Die Minutiosität, mit welcher der Verf. die letzteren geführt hat, scheint Schuld, dass es ihm auch nicht geglückt ist, zu be- stimmten klaren Resultaten zu gelangen. Was die Haupt- sache betrifft, so giebt er zwar zu, dass die Menstruation in der Regel mit einem Austritt eines Eies begleitet ist; allein er glaubt doch auch, dass nicht nur ein Austritt eines Eies olıne Menstruation, sondern auch eine solche ohne Austritt 166 eines Eies Statt finden könne. Das Erste habe auch ich niemals geleugnet. Die primitive Aktion, um welche es sich handelt, ist die periodische, nicht von Zufälligkeiten (wenn- gleich vielleicht zuweilen krankhaft unregelmässige) abhän- gige Reifung und Ausstossung eines Eies. Dieses ist das allgemeine Grundphänomen. Die Ansicht, dass das Ei reifen und doch nicht ausgestossen werden könne, halte ich weder für beweisbar, noch für direkt widerlegbar, aber nach der unendlichen Mehrheit der Fälle von Ausstossung, wenn die Reifung erfolgt ist, für höchst unwahrscheinlich. Weder der Verf., noch irgend Jemand wird je sagen können, hier ist zwar ein reifes Ei vorhanden oder vorhanden gewesen, aber es ist nicht ausgestossen worden, noch wird es ausge- stossen werden. Es würde dazu gehören, dass sonstige ganz sichere Erscheinungen der Reife eines Eies vorhanden wä- ren, nach deren Vorübergehen man doch kein geplatztes Grf. Bläschen, sondern etwa noch ein angeschwollenes und ein Ei darin fände. Solche Zeichen giebt es aber nicht, und eine solche Beobachtung hat Niemand gemacht. Wenn ir- gend welche Fälle dahin gehörten, so wären es die, welche Prevost und Dumas, v. Baer und ich beobachteten, wo mehrere Tage nach Eintritt der Brunst und Begattung, und wenn die Eier schon im Eileiter waren, sich doch noch ein oder das andere augeschwollene Grf. Bläschen im Eierstocke fand. Ich habe mich zwar dabei bestimmt dagegen erklärt, dass diese, wie Prevost und Dumas und v. Baer an- nahmen, auch noch würden geplatzt sein, sondern aus Grün- den der übergrossen Mehrzahl der Beobachtungen, dass alle Eier nahezu zu der gleichen Zeit austreten, angenommen, dass diese Grf. Bläschen und Eier sich ohne zu platzen zurück- bilden würden. Allein in diesen Fällen waren eben die Eier in diesen Grf. Bläschen nicht völlig reif, wie namentlich der Mangel der spindelförmigen Entwicklung der Zellen des Dis- eus bewies, und nur deshalb traten die Eier nicht aus. Gerade hier, wo die reifen Eier ausgetreten waren, kann man um so deutlicher sehen, dass eine blosse Anschwellung eines Grf. Bläschens noch nicht zu der Behauptung genügt, dass das Ei darin reif sei und nicht ausgetreten sei, oder nicht austreten werde. Ich halte deshalb die Behauptung und Meinung für ganz unbegründet, dass eine periodische Reifung eines Eies, und doch kein Austreten desselben, also auch keine Befruchtung aus diesem Grunde Statt finden könne. — Zu diesem wichtigsten Phänomen der Reifung und dem Austritte des Eies, gesellt sich nun häufig ein zweites, die Blutaussonderung aus den inneren Genitalien, welches aber, wie die Erscheinungen bei Thieren und auch die bei 167 dem Weibe beweisen, sehr wohl fehlen kann, ohne dass die Reifung und Loslösung des Eies fehlt. Eine Frau kann con- eipiren, ohne dass sie, nach dem gewöhnlichen Sprachge- brauche, menstruirt ist, d. h. ohne dass eine Blutausschei- dung vorhanden ist, aber nicht ohne dass ein reifes Ei vor- handen ist. Die Frage nach dem Zusammenhange zwischen der Reifung und Lösung des Eies und der Blutausscheidung kann schwerlich bei dem jetzigen Stande unseres Wissens beantwortet werden. Der Verf. streitet sehr gegen die An- sicht, dass die Blutausscheidung die Folge der Reifung des Eies sei. In dem Sinne, dass diese jene nothwendig nach sich zöge und veranlasse, ist dieser Eifer ganz unnöthig; aber in dem Sinne ist die Reifung des Eies die Ursache der Blutausscheidung, als diese nicht ohne jene vorkommt. Menstruation (nicht Blutung!!) ohne Reifung eines Eies ist von Niemand, und auch vom Verf. nicht beobachtet worden, und wird nie beobachtet werden. Daher wird man auch nie eine Menstrual-Blutung beobachten, und danach doch kein Grf, Bläschen angeschwollen oder geplatzt finden. Kei- ner der angeblichen Fälle der Art hält eine genaue Kritik aus. Deshalb kaun auch in Beziehung auf den ersten Punkt das Vorhandensein einer Menstrualblutung und doch kein ge- platztes Grf. Bläschen oder gelber Körper nie ein Beweis davon sein, dass Weiber menstruirt sein können, und doch, weil kein Ei da ist, nicht empfangen werden. Der Verf. bekämpft. sodann die Befruchtung der Eier im Eierstock, oder bei ihrem Austritt aus dem Eierstock. Auch hierin trete ich ihm bei, in sofern ich selbst diesen Fall nieht als den gewöhnlichen betrachtet habe. Wenn er aber auch die Befruchtung der Eier im Eileiter nicht zugeben will, son- dern dieselbe, wie Pouchet, nur im Uterus erfolgen lassen will, so sprechen dagegen alle meine Beobachtungen, in de- nen ich stets die Spermatozoiden schon auf den Eiern im Eileiter, und die Entwicklung derselben schon so weit fort- geschrilten fand, wie sie ohne vorausgegangene Befruchtung schwerlich möglich ist, auch die Thiere, wenn einmal die Eier im Uterus sind, meist keine Begattung mehr zulassen. Doch bin ich auch in diesem Punkte nicht exelusiv, sondern halte eine Befruchtung auch im Uterus vielleicht unter an- deren Verhältnissen noch für möglich, obgleich der Verf. ganz mit Unrecht die Möglichkeit der Analogie von den Thie- ren auf den Menschen bestreitet. L. Mandl hat in den Arch. gen. T. VIII. 4 Ser. Mai 1845. p. 66. ein Resume der neueren Arbeiten über die Men- slrualion und Befruchtung gegeben. Als deutscher Itenegat, ermangelt derselbe auch nicht, seinen neuen Landsleuten die 168 Ehre zu ertheilen, namentlich Hrn. Pouchet, meiner Ar- beiten dagegen nur en passant zu erwähnen, und meinen Aufsatz in den Ann. des sc. nat. gänzlich zu ignoriren. Wie würde wohl ein Franzose, ein Engländer, der unter uns lebte, statt dessen gehandelt haben?! Renaud beobachtete geplatzte Follikel bei einer an Pe- ritonitis verstorbenen Frau, welche nicht menstruirt war, als sie starb und so lange sie krank war. Lond. med. Gaz. Aug. 1846. (Dieses beweiset nur die Unabhängigkeit des Platzens eines Follikels von der Blutausscheidung aus dem Uterus. Ref.) Dr. Pank bleibt bei seiner Hypothese der Vermittelung der Befruchtung durch eine temporäre organische Verbin- dung zwischen Tuba und Eierstock, und liefert noch drei Fälle von Pseudomembranen unı Eierstock und Eileiter herum. Oppenheim’s Zeitschrift. Bd. 30. p. 85. Ueber die Dauer der Tragzeit. The Lancet. 1845. Jul. Schmidt’s Jahrb. d. in- u. ausl. Med. Tom. 48. p. 278. Aus den bekannten Thatsachen, dass die Tragzeit des mensch- lichen Weibes 10 Mal den Zwischenraum zwischen zwei Menstruationen, die des Kaninchen 3 Mal, die der Stute 24 Mal, die der Kuh 13 Mal beträgt, scheint als ein allge- meines Naturgesetz hervorzugehen, dass die Tragzeit der Säugethiere unveränderlich durch eine Multiplication der Menstrual- und Brunstzeiten gefunden wird. Die ersten Zu- sammenziehungen des Uterus scheinen durch einen. Reflex von den Ovarien auf denselben zur Zeit der Brunstperiode eingeleitet zu werden. Dujardin hat in Betreff des merkwürdigen Zusammen- hangs zwischen Polypen und Akalephen neue Beobachtungen und daran geknüpfte Reflexionen der Pariser Akademie mit- getheilt. Es ergiebt sich daraus, dass wenigstens eine Me- duse nichts weiteres ist, als die Fructificationsphase einer Hydra. Der Polyp stammt aus einem Eie, und vermehrt sich dann vorzüglich durch Knospen, die mit ihm verbunden bleiben. Allein er erzeugt auch Zwiebelchen, welche sich ablösen,’ und frei geworden, theils neue Polypengesellschaf- ten hervorbringen, theils die Form einer Meduse annehmen, welche nun die Eier erzeugt. Da Dujardin diese merk- würdigen Vorgänge nur an Polypen ber bagbieie; die er 2 bis 3 Jahre in Gläsern hielt, so wirft er die Frage auf, ob die- selben vielleicht nur unter diesen Umständen Statt fänden, was aber freilich nicht minder merkwürdig und wichtig wäre. Comptes rendus. T. XXI. No. 23. 1345. Fror. N. Not. No. 808. 1846. Nach Dujardin sollen sich die Eier einer Art von Cer- 169 carien in der Leber mehrerer Süsswasser-Mollusken in einem Sacke entwickeln, welcher die Fähigkeit hat, sich selbst- ständig zu bewegen. mit eigenen Organen versehen ist, kurz alle Funktionen eines Thieres selbst zeigt, welches er des- halb auch Sporocystis genannt hat, Je mehr sich die jungen Cercarien in ihm entwickeln, um so mehr verliert er seine eigene Organisation, und ist zuletzt, wenn ihn die Cercarien verlassen, nur noch ein häutiger Sack. Hist. nat. des Helminthes. Fror. N. Not. No. 708. Schon im Jahre 1839 erschien von Dr. F. de Filippi eine Abhandlung über die Anatomie und Entwicklung von Clepsine, Pavia. 8vo. mit 2 Tafeln, welche bei manchen Män- geln doch damals auch bei diesen Anneliden die Dotterthei- lung nachwies, und zeigte, dass diese Gattung Clepsine sich wesentlich anders entwickelt, als Sanguisuga nach den An- gaben von E. H. Weber. Weit genauer und sorgfältiger behandelt eine Schrift von Prof. Grube in Dorpat: Unter- suchungen über die Entwicklung der Clepsinen, Königsberg 1844. äto. mit 3 Kupfertafeln, diesen Gegenstand. Indem ich dessen speciellere Kenntnissnahme der Einsicht der Schrift selbst überlassen muss, beschränke ich mich hier auf Mit- theilung einiger allgemeiner interessanter Verhältnisse. — Das Keimbläschen verschwindet auch hier vor beginnender Entwickelung des Eies, die sich zuerst in einem Theilungs- process des Dotters manifestirt. Die daraus hervorgehenden Dottersegmenle nennt der Verf. auch nur Kugeln, und so wenig scharf er in dem Streite über ihre Natur sich auch ausspricht, so sagt er doch, dass er sich nie von einer sie umhüllenden Membran habe überzeugen können. Im Inneru der Kugeln zeigen sich auch hier jene hellen Bläschen, die es dem Verf. zwar vollkommen zu isoliren gelaug, über de- ren Natur er aber am meisten im Duuklen blieb. Er nennt sie ebenfalls Kugeln (Kernkugeln), weil er zweifelhaft blieb, ob sie Blasen seien, oder aus einer eigenthümlichen farblo- sen Gallerte bestehen. Er will sie schon vor beginnender Theilung, nach Verschwinden des Keimbläschens, gesehen haben. Einen Kern sah er in ihnen nicht. Die Art, wie sich die übrigen Dotterelemente um sie gruppiren, kann sich der Verf. auch nicht anders, als durch eine Attraction er- klären. Ueber ihre Vermehrung, und die davon etwa ab- hängige Vermehrung der Dotterkugeln, gelang es dem Verf. nicht, bestimmte Auskunft zu gewinnen. Gleich nachdem die erste Dottertheilung erfolgt ist, bildet sich zwischen bei- den an derjenigen Seite des Eies, an welcher überhaupt die auffallendsten Veränderungen vor sich gehen, eine kleinere Kugel, und mit der fortschreitenden Theilung mehrt sich 170 auch die Zahl dieser kleineren Kugeln, so dass also der Dot- ter nun aus einer gewissen Zahl grosser und kleinerer be- steht. Diese letzteren sind zunächst zur Entwicklung der ersten Rudimente des Embryo bestimmt, indem sie sich zu einem dreieckigen Felde zusammenfügen, an welchem man schon ein vorn und hinten, und bald auch ein oben und unten unterscheiden kann, indem sich der eigentliche Embryo von der Bauchseite aus in der Form zweier Wülste ent- wickelt, die den Dotter allmählig umwachsen. Dr. H. Frey hat neue Untersuchungen über die Ent- wicklung des gemeinen Blutegels angestellt und in den Göt- tinger gel. Anz, St. 29. u. 30. 1845. bekannt gemacht. Das Ei des Blutegels bestebt aus dem Dotter, Keimbläschen, Keimfleck und einer umhüllenden glashellen Membran, von welcher es sonderbar ist, warum der Verf. sie nicht geradezu Dotterhaut nennt, sondern zweifelt, ob nicht noch eine solche da sei. Die Eier sind in einer Kapsel vereinigt, und nach dem Legen findet man weder Keimbläschen, noch Keim- fleck mehr in den Eiern, wohl aber zwischen Dotter und Dotterhaut eine Zelle, die der Verf. zwar möglicherweise auch für den Keimfleck ansieht, ihr aber dann entschieden jede Theilnahme an der bald entstehenden Dottertheilung abspricht, da sie während derselben ihre Lage und Ansehen nicht verändert. In dem Dotter entwickelt sich alsdann al- lerdings auch ein Theilungsprozess, durch welchen zuerst zwei und dann vier Kugeln entstehen, deren jede eine deut- liche Zelle enthält. (Soll das heissen, dass jede auch einen Kern hatte? Der Verf. drückt sich darüber nicht aus. Ref.) Wenn aber vier Kugeln entstanden sind, so entwickeln sich daraus nun nicht etwa acht u. s.f., sondern der Dotter zeigt dann eine eigenthümliche Form, wie aus drei mit einander verbundenen Kugelsegmenten, in deren jedem die frühere Zelle eingeschlossen ist, Der mittlere Theil, in welchem diese drei zusammenstossen, ist verdickt, und in ihm liegen jetzt vier neue dunkle, deutlich gekernte Zellen, deren Zahl sich bald noch auf sechs, acht vermehrt, während die Form und Zusammensetzung des Dotters sonst die nämliche bleibt. Nach einiger Zeit wird der Dotter aber mehr rundlich, dann oval und die früheren mittleren, dunklen Zellen werden hell und klar, mit scharfen Rändern. Der Dotter wächst dann rasch, und nimmt, wenn das Ei ungefähr -; gross gewor- den ist, die Form des Thierkörpers an, an dem man Kopl- und Afterende unterscheiden kann. Die Zahl der inneren blassen Zellen und ihr Umfang nehmen auch zu, während ausserdem auch noch kleinere Zellen auftreten. Am Kopf- theile des Thieres bilden sich Flimmerhaare aus (der Verf. 171 sagt nicht, ob sie auf besonderen Zellen aufstehen, Ref.), durch welche eine deutliche, aber langsame und nicht lange bestehende Rotation des Embryo bewirkt wird. Aus der mittleren Masse heller Zellen entwickelt sich dann ferner der Darm ete.. und nach etwa sechs Wochen sprengt das Thier seine Eihüllen. Vergl. auch Fror. N. Not. No. 807. 1846. Filippi sunto di alcune osservazioni sull embryogenia de pesci. Milano 1845. Svo. In einer Arbeit über die Eimbryologie der Fische, Gior- nale dell’ J. R. Instituto Lombardo di Scienze ete. Fas. 34. u. 35. Milano 6. Nov. 1845. Fror. N. Not. No. 815. u. 16, vertheidigt Filippo de Filippi vorzüglich seine schon frü- her (Jahresbericht 1841. p. CXXVil.) mitgetheilten Behaup- tungen, dass bei Gobius fluv. der Dotter nicht in den Darm aufgenommen werde, sondern sich in die Leber umwandle, die Gallenblase sich ganz selbstständig und selbst früher als die Leber entwickle, und ebenso das Blut sich direkt aus dem Dotter (d. h. die Blutkörperchen aus den Dotterkugeln) bilde. Seine Vertheidigung ist vorzüglich gegen Vogt und gegen die Angaben v. Baer’s und Rathke’s gerichtet. Erdl, Die Entwickelung des Menschen und des Hühn- chens im Eie. Bd. I. Leipz. 1845. 4to. Entwicklung der Leibesform des Hühnchens. Dieses Werk enthält dreizehn sehr schön gezeichnete und artistisch vortreffliche Tafeln, welche die morphologische Entwicklung des Hühnchens bis zum Ende der zweiten Woche der Bebrütung zeigen. Die Darstellungen sind grösstentheils weiss auf schwarzem Grunde, wie die Objekte bei Beleuchtung von oben erscheinen. Sie werden zu Demonstrationen und zum Selbststudium sehr vortheilhaft zu benutzen sein,’und sind gewiss vorzüglicher, als alle bis jetzt vorhandenen Abbildungen über die Ent- wicklung des Hühnchens. Neue Entdeckungen hat der Verf. nicht gemacht, und in sofern unsere Kenntnisse nicht erwei- tert. Ob nicht eine schärfere Darstellung mancher Verhält- nisse gerade zur Belehrung des Schülers wünschenswerth gewesen wäre, will ich nicht entscheiden; denn der Verf. hat gezeichnet, wie die Dinge erscheinen, also wahr; . doch ist es damit, wie mit anderen anatomischen Zeichnungen; sie dürfen und müssen oft mehr als nur objektiv wahr sein. G. Breschet, Recherches anat. et end sur la gesta- tion des Quadrumanes. Mem. de l’Acad. des Se. Vol. XIX. Paris 1845. 4to., In dieser nach dem Tode des Verf. er- schienenen Abhandlung giebt ‚derselbe, ausser einer histori- schen Einleitung über die bisherigen Leistungen der Ovolo- gie und Embryologie der Affen, mehr oder weniger vollstän- ige Beschreibungen des Eies und Fölus von Simia sabaea 172 Cynocephalus Sphyns, S. seiurea (Saimiri), $. senieulus und S. nasica. Allgemeinere Resultate enthält die Arbeit wenige. Denn selbst die Ansicht des Verf., dass alle Affen der alten Welt eine doppelte, die der neuen Welt eine einfache Pla- centa besitzen, erscheint nach den miitgetheilten Beobachtun- gen nicht als allgemein begründet. Th. L. W. Bischoff, Entwicklungsgeschichte des Hun- deeies. Braunschweig 1845. 4to. mit 15 Steintafeln. Ref. hat in dieser Schrift, welche von der Pariser Akademie mit einem Preise beehrt wurde, seine Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicklung des Hundeeies niedergelegt. Er hofft, dass namentlich durch seine Beobachtungen und Abbildungen über die erste Entwicklung der verschiedenen Organe, die hier vollständiger, als in seiner Entwicklungs- geschichte des Kanincheneies gegeben sind, diese Schrift sich den Physiologen und Embryologen empfehlen soll. Ueber die Entwicklung der Gehörwerkzeuge der Mollus- ken, vorzüglich I,ymnaeus stagnalis, hat Dr. Frey Beobach- tungen bekannt gemacht. Das Ohrbläschen, so wie auch das Auge erscheinen auflallenderweise früher, als sich von dem Ganglienring etwas wahrnehmen lässt. In dem Bläschen er- scheint sodann zuerst ein kleiner oscillirender Otolith, und die Zahl derselben vermehrt sich allmählig, indem sie, wie es scheint, aus der Gehörflüssigkeit herauskrystallisiren. Bis zur Zeit, wo die Thiere das Ei verlassen, sind gegen 20 Oto- lithen vorhanden. Gött. gel. Anz. 29. 30. St. 1845. Fror. N. Not. No. 801. E. Wilson theilt Beobachtungen über die Entwicklung der Epidermis mit, bei welchen er mehrfach Abweichendes von dem darüber l’ekannten” gesehen haben will. Philos. Mag. No. 181. 1845. Fror. N. Not. No. 795. u. 820. Svitzer hat Beobachtungen über die Entwicklung der Muskelfibern bei menschlichen Embryonen angestellt, welche bis zur Bildung einer langestreckten sekundären Zelle mit den Angaben Schwann’s und Anderer übereinstimmen, In derselben. soll dann eine eigenthümliche Substanz abge- setzt werden, und an ihrem Rande zwei Reihen paralleler schwarzer Punkte entstehen. Später entwickeln sich diese Punkte zu grösseren Kugeln, welche neben einander am Rande der sekundären Zelle liegen, und durch ihr fortschrei- tendes Wachsen ein Ausbuchten oder Varicöswerden dieser Zelle veranlassen. Zuletzt lösen sich diese Kugeln auf, ihre Contouren, die zurückbleiben, dehnen sich in die Quere, und man bemerkt nun zwei Reihen von Bogen, die mit ihren Enden vereinigt sind und endlich die Querstreifen bilden. 173 (Letzteres verstehe ich nicht. Ref.) Biblioth. for Laeger. 1845. 1. m. Abb. Nach Beobachtungen von Remack bei Froschlarven sollen die Muskelprimitivbündel nicht durch Verschmelzung, sondern durch Verlängerung von Dotterzellen entstehen, in welchen sich die Zahl der Zellenkerne vermehrt. Die Quer- streifung erscheint, sobald sich Contractionen zeigen. Eine Scheide lässt sich bis zum Schwinden der Dotterkörnchen an den Muskeleylindern nicht wahrnehmen, und eine Höhle zu keiner Zeit in denselben bemerken Froriep's N. Not. No. 768. In den Kanälchen der Wolff’schen Körper beobachtete Remack bei Eidechsen-Embryonen sehr lebhafte Wimper- bewegungen. Ausserdem fand er, dass die Malpighi’schen Körperchen sich in die blinden Enden der Kanälchen ein- senken. Fror. N. Not. No. 768. Kölliker hat ebenfalls in den Kanälchen der Primor- dialnieren von Eidechsen - Embryonen Flimmerbewegungen entdeckt. Das Flimmerepilhelium kommt in deren ganzer Ausdehnung vor und fehlt nur in den Enden der Kanäle und in dem gemeiuschaftlichen Ausführungsgang. Ausserdem über- zeugte er sich, dass die Malpighi’schen Körperchen dieser Primordialnieren von 0,04 — 0,08‘ Durchmesser eine Blase darstellen, die von einem Gefässknäuel erfüllt ist und frei in das Ende eines Kanälchens hineinhängt. Bei dieser Gelegen- heit bestätigt der Verf. auch nach eigenen Beobachtungen die Angaben von Bowmann über das Verhalten der Mal- pighi’schen Körperchen zu den Enden der Harnkanälchen und das Vorkommen von Wimperhaaren beim Frosch. Si- mon sah letztere auch in den Harnkanälchen einer Raja, und J. Müller bemerkt hierzu, dass sie hier colossaler sind, als an irgend einem ihm sonst bekannten Orte. Dieses Ar- chiv 1845. p. 518. - Herrm. Meyer, Ueber das Vorkommen eines Proces- sus vaginalis peritonaei beim weiblichen Fötus. Müller’s Archiv f. Anat. 1845. p. 363. Der Verf. macht darauf auf- merksam, dass ein solcher auch bei weiblichen Embryonen regelmässig vorkommt und älteren Schriftstellern wohl be- kannt war, von den neueren aber übersehen wurde. Mit Recht erinnert der Verf. hierbei an den Fall von Pott, wo beide Eierstöcke eines Mädchens als Inguinalbrüche in den grossen Schaamlippen lagen. Dieses war wahrscheinlich die vollständige Parallele mit dem Descensus testiculorum. (Auch dürfte dieser Umstand bei sogenannten Zwitterbildungen alle Beachtung verdienen. Ref.) 174 Prof. J. C. Mayer hat den Inhalt des Nabelbläschens der Eier vom Menschen, Wiederkäuer und Fleischfresser mi- kroskopisch untersucht und meint in demselben rundliche, mit einem Kerne versehene Körper gefunden zu haben, welche an Form und Grösse den Dotterkörpern (?) des Vogeleies glichen. Med. Correspondenzbl. rhein. u. westphäl. Aerzte. Bd. IV. No. 17. 1845. Kleinert’s Repertor. 1845. Ana- tomie. No. 9. p. 90. Lewins, Contraction des Uterus nach der Geburt. Me- dieal Times. 1845. Juni. Dr. Norm. Chevers ist der Ansicht, dass die Ver- schliessung des Duct. art. Botalli in den ersten Tagen nach der Geburt seinen Grund in der sogleich mit der Geburt beginnenden Action des N. recurrens habe. Lond. med. Gaz. 1845. Schmidt’s Jahrb. 1845. Bd. 48. p. 155. H. Jacquart, De l’Amnios chez les oiseaux. Paris 1545. Ato. Labe. Enthält nichts Neues, sondern beschreibt die Bildung des Amnion, wie v. Baer ete. Thöricht ist der Versuch, die Bildung des Herzbeutels, der Pleura, des Peri- tonaeums auf ähnliche Weise zu beschreiben. Den reinen Liquor amnü fand Mikschik 1006,3 spec: schwer und schwach alkalisch reagirend; 1000 Theile ent- hielten 985,147 Wasser und 14,853 festen Rückstand. Letz- terer bestand aus Fett 1,250, Alkohol-Extrakt 5.251, Wasser- Extrakt 4,651, unlösl. Rückstand 3,701. An feuerfesten Sal- zen enthielten 1000 Theile 8,156, nämlich 0,178 schwefels, Kalk und 7,978 Chlornatrium. Harnstoff oder Hippursäure konnte er nicht nachweisen. Zeitschr. d. Gesellsch. d. Aerzte in Wien. 1845. Sept. p. 445. Heller's Archiv £. phys. u. patholog. Chemie. 1845. p. 218. Untersuchungen über die Ernährung des Fötus von Grynfeltt bezwecken zu beweisen: 1) dass der Fötus ein von der Mutter selbstständiges Leben führe, indem Embryo- nen nach dem Tode der Mutter noch einige Zeit fortleben; 2) dass die Placenta, ihrer physiologischen Bedeutung nach, die Lunge des Fötus sei; 3) dass die Flüssigkeit, welche die Ovula Nabothi absondern, zur Ernährung des Fötus diene, indem er diese Drüsenbläschen für identisch mit den Gland. utriculares hält. Als Anhang liefert der Verf. noch einige Bemerkungen über den Nutzen der Schilddrüse, Thymus und Nebennieren, die der Verf, so wie seinen ganzen Aufsatz, besser ungedruckt gelassen hätte. Rev. med. 1845. Oet. Schmidt’s Jahrb. Bd. 52. p. 285. Nach Coste sollen die Nabelvenen, ehe sie sich in der Leber verzweigen, zahlreiche Aeste an die Bauch- und Brust- 175 wandungen, so wie an die Wirbelsäule bei jüngeren Em- bryonen abgeben. Fror, N. Not. No. 729. Guarini hat einen merkwürdig gebauten Nabelstrang beobachtet. Er war am Kinde einfach und im Ganzen un- gefähr 13 Zoll lang. Fünf Querfinger von der Placenta ent- fernt, theilte er sich in zwei Theile. Jeder Theil war aus zwei Arterien und einer Vene gebildet; einer von denselben theilte sich wieder in zwei Stränge, deren jeder wieder zwei Arterien und eine Vene enthielt, so dass sich in die Placenta drei Stränge an verschiedenen Stellen, jeder mit zwei Arte- rien und einer Vene inserirten. Die Placenta zeigle eine Eintheilung in drei Segmente durch tiefe Furchen. Gazzetta ımedica di Milano. Dec. 1842. Oppenheim’s Zeitschrift. Bd. 30. p. 96. Aus Untersuchungen von Dumas über die Hundemilch geht hervor, dass dieselbe, wie früher schon Simon ange- geben hatte, keinen Milehzucker enthält, wenn die Thiere nur Fleischkost erhalten; giebt man ihnen aber Brod oder stärkemehlhaltige Substanzen, so erscheint sogleich der Milch- zucker in der Milch. Comptes rendus. Vol. XXI. p. 707. (Diese Beobachtung ist hier bei der Milch zweier gros- ser Hündinnen nicht bestätigt worden. Ich werde später über diese Untersuchung zu berichten haben. Ref.) Chr. G. Clemm, Inquisitiones chemicae ac microscop. in mulierum ae bestiarum complurium lae. Diss. inaug. Gottg. 1545. In dieser unter Scherer’s Leitung ausgeführten Ar- beit wurde Frauenmilch zu verschiedenen Zeiten vor und nach der Geburt, Ziegenmilch, Stutenmilch, Hundemilch und Katzenmilch untersucht, In den beiden letzten Milcharten fand der Verf., obgleich die Thiere nur mit animalischer Kost gefüttert worden waren, Milchzucker. BERICHT über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1845: von K. B. Reichert in Dorpat. Für die Fortschritte unserer Wissenschaft ist das Jahr 1845 in sofern von Bedeutung geworden, als sich in den erschie- nenen Abhandlungen auffallender, als bisher, Bestrebungen offenbaren, über die Einzelnheiten zu allgemeineren Fragen sich zu erheben und diese zum Vorwurf wissenschaftlicher Erörterungen zu machen. Diese allgemeinen Verhältnisse in der mikroskopischen Anatomie müssen, wie es der bisherige Gang der Wissenschaft erfordert, in zwei für sich beste- hende Abtheilungen getrennt werden, deren Sonderung in den mikroskopischen Forschungen zwar deutlich ausgespro- chen ist, nicht aber konsequent genug von den Beobachtern festgehalten wird, Zur ersten Abtheilung gehören solche allgemeine Fragen, welche sich auf die elementare Zelle schlechtweg beziehen, auf ihr Verhältniss als einfachstes, der gesammten organischen Schöpfung zum Grunde liegendes or- ganisches Formelement,-auf ihre allgemeinste Beschaffenheit, auf ihre Fortpilanzung und Entwickelung, auf das Verhält- niss derselben zu einfachen Formen, und ihre Entstehung in der organischen und anorganischen Natur u. s. w. Hierbei hat man zu beachten, dass die elementare organische Zelle hinsichtlich dieser allgemeinen Beziehungen für den mikro- skopischen Forscher ein abstrakter Begriff, ein Gedanken- ding ist, dass die Zelle in der Natur, möge sie einfach oder 177 im gemeinschaftlichen Zusammenwirken mit anderen Zellen auftreten, stets nur mit spezifischem Charakter behaftet sich uns darbietet, nirgend vollkommen indifferent angetroffen wird, und vielmehr in jener Allgemeinheit, wie schon Schwann sagl, das durch alle Organismen und ihre orga- nische Bestandtheile durchgreifende, gleiche Entwickelungs- gesetz enthält. In der zweiten Abtheilung kommen die ge- meinsamen Gesetzlichkeiten zur Sprache, welche die Zellen, in sofern sie spezifische und eigenthümliche, d h. hier histo- logische Eigenschaften besitzen, dem mikroskopischen For- scher offenbaren. Diese gesetzlichen Verhältnisse greifen nicht durch die gesammte organische Schöpfung hindurch, sondern sind verschieden nach den verschiedenen Geweben, und erfordern demgemäss ihre gesonderte Auffassung und Behandlung. Die Erscheinungen, welche nach diesen beiden verschiedenen Beziehungen hin an den organischen Formele- menten sichtbar werden, treten nicht geschieden, sondern gemeinschaftlich neben einander auf, da auch jede noch so indifferent scheinende Zelle immerhin ihren spezifischen und eigenthümlichen Charakter besitzt. Gleichwohl abstrahiren wir von den spezifischen und eigenthümlichen Charakteren, sobald wir das allgemeine durchgreifende Entwickelungsge- setz der organischen Schöpfung vor Augen haben, und um- gekehrt. Sobald dieses geschieht, so sind die Erscheinungen der allgemeinen Gesetzlichkeiten jeder Abtheilung für uns nicht mehr gemeinschaftlich neben einander gegeben, sondern in einer nothwendigen Succession, indem das allgemeine durchgreifende Entwickelungsgesetz, nach welchem erst das organische Formelement für die spezifischen Besonderungen herbeigeschaflt wird, sammt seinen ihm zum Grunde liegen- den Phänomenen nothwendig den allgemein gesetzlichen spe- zifischen Veränderungen mit den betreffenden Erscheinungen voraufgeht und als voraufgegangen und absolvirt gesetzt wer- den muss. Es ist die schwierige Aufgabe der mikroskopi- schen Anatomie, dieser wissenschaftlichen Forderung ent- sprechend, unter den bezeichneten Umständen diejenigen Meinungen, welche den organischen Formelementen hin- sichtlich ihres, durch die ganze organische Schöpfung durch- eifenden Verhaltens zukommen, von jenen zu sondern, die ihren spezifischen Besonderungen angehören. Indessen liefert die Natur theils in dem Nebeneinandersein der organischen Geschöpfe, theils besonders in der Entwickelung derselben die günstigsten Verhältnisse, diese Aufgabe mit grösserer oder eringerer Wahrscheinlichkeit zu lösen. Erscheinungen näm- ich, welche beim Beginn der Entwickelung der organischen Geschöpfe an den sich darbietenden organischen Formele- Müllers Archiv. 1846. M 178 menten allgemein vorzufinden sind, und bei fortschreitender Entwickelung und den sich mehr und mehr geltend machen- den histologischen Differenzirungen zurücktreten, werden bei der Beantwortung allgemeiner Fragen der ersten Abiheilung zu berücksichtigen und bei den allgemeinen Gesetzlichkeiten der spezifischen Besonderungen auszuschliessen sein, — und umgekehrt. Referent wird Gelegenheit haben, im Fortgange des Berichtes auf das so eben Besprochene zu verweisen. Hinsichtlich der allgemeinen Fragen, welehe sich auf das durch alle organischen Formelemente hindurchgreifende, allgemeine Entwickelungsgesetz beziehen, sind zunächst die Arbeiten von Nägeli und Kölliker zu erwähnen, die in der Auffassung und Durchführung des Gegenstandes grosse Uebereinstimmung offenbaren. (Zeitschrift für wissenschaft- liche Botanik von M. J. Schleiden und C. Nägeli. Nä- geli: Zellenkerne, Zellenbildung und Zellenwachsthum bei den Pflanzen, Heft 1. p. 34—127., Heft2. p. 1—41.: A. Köl- liker, a. a. ©. p. 46—96., die Lehre von der thierischen Zelle und den einfachsten Formelementen nach den neuesten Fortschritten dargestellt.) Nach Nägeli, über dessen Entdeckung der Zellenbil- dung um Inhaltsportionen der Mutterzelle in einem der frü- heren Jahresberichte referirt wurde, sind als nothwendige Bestandtheile der Zelle: Zellenmembran, Zellenkern, Zellen- inhalt anzusehen. Die Zellenkerne finden sich nach ihm in allen Klassen und Ordnungen der Gewächse. Diejenigen Pflanzen, bei welchen sie bis jetzt noch nicht gefunden wur- den, sind verhältnissmässig der Zahl nach sehr gering. Der Mangel lässt sich in diesen Fällen aus Unzulänglichkeit der Beobachtung rechtfertigen, theils wegen der Kleinheit der Zellen (Flechten, Pilze), theils wegen der abnormen Grösse der Zellen (Siphoneen), theils wegen des undurchsichtigen Inhaltes der jungen Zellen (einige Konfervaceen und Sipho- neen). Der Kern stellt, seiner Gestalt nach, im ausgebilde- ten Zustande höchst wahrscheinlich immer ein Bläschen dar, bestehend aus einer ihm eigenthümlichen Membran und aus einem Inhalt, der in einem formlosen Schleim häufig Körner, Stärkekörner, Chlorophylikörner, Oeltropfen, Farbstoffe und wahrscheinlich immer ein oder mehrere Kernkörperchen, die der Verfasser Kernchen nennt, enthält’). Das allmählige 1) Der Ausdruck „Kernchen“ scheint aus der schlechten Ueber- setzung des Wortes „Kernkörperchen, nucleolus,“ hervorgegangen zu sein. Es scheint nach des Referenten Ueberzeugung nicht der min- deste Grund vorhanden zu sein, den hergebrachten passenden Aus- druck „‚Kernkörperchen“ mit dem weniger passenden „‚Kernchen“ zu verlauschen. 179 Auftreten dieser Körper in dem Inhalte des Kerns beweiset, dass derselbe einer Umbildung fähig ist. Nägeli unterschei- det ferner primäre und sekundäre Kerne, beide von ganz verschiedener Bedeutung für den Lebensprozess der Zelle, Die primären Kerne treten in der Mutterzelle auf, um die Bildung der Tochter zu bedingen (? Ref.). Sie können frei und mehr oder weniger im Centrum der Zelle ihre Lage haben, oder auch an der Wand der Zelle, welche sie er- zeuglen, befestigt sein. Die sekundären Kerne zeigen sich später in einer Zelle mit wandständigem, primären Kern, liegen frei, einzeln oder in grosser Menge in deren Höhle und bedingen keine Zellenbildung. Nägeli bringt hier offenbar zwei, ihrer wesentlichen Natur nach ganz verschiedene Körper unter einen gemein- schaftlichen Begriff. Während der primäre eigentliche Zel- lenkern- einen integrirenden, durchgreifenden Bestandtheil der elementaren organischen Zelle nach ihrem allgemeinsten Ver- halten in der organischen Natur darstellt, als solcher ein nothwendiges Glied in der Fortpflanzung und Entwickelung der elementaren Zelle, wie man sich dieses auch vorstellen mag, bildet, und in diesem nolhwendigen Verhältniss nur gedacht werden muss, kann der sogenannte sekundäre Kern in der elementaren, organischen Zelle fehlen, und hat mit der Entwiekelung derselben nichts zu thun. Das beiden Körpern Gemeinschaftliche besteht nur darin, dass sie beide in Zellen vorkommen, dass ihr flüssiger Inhalt sich verän- dern kann, dass sie Bläschen darstellen, und dass ihre Form mit Rücksicht auf Vergrösserung und vielleicht auch auf Ver- kleinerung Uebereinstimmendes darbietet. Dass die spezifi- schen Sonderungen der Form, wie sie von den Zellenkernen bei Gewebeentwickelungen bekannt sind, auch bei den se- kundären Kernen des ‚Verfassers vorkommen, ist nicht beob- achtet worden. Die übereinstimmenden Eigenschaften beider Körper sind daher so allgemein, dass sie in der That die verschiedensten Dinge zusammenbringen können. So be- schreibt Nägeli selbst später die Chloropbyll- und Zellsaft- kügelchen mit denselben wesentlichen Eigenschaften, wie die sekundären Kerne. Dass Feittropfen, von einer Haptogen- membran umhüllt, dieselben Erscheinungen darbieten können, erleidet wohl kaum einen Zweifel. Dergleichen haben H. Meckel und andere Forscher in den Drüsenzellen (die so- genannten Sekretbläschen) mit denselben wesentlichen Ei- genschaften, wie sie bei den sekundären Kernen angegeben worden, beobachtet. Man sieht, dass bei Analogieen, in welchen man die wesentlichsten Verhältnisse der Dinge nicht beachtet, die verschiedensten Körper aneinander gekettet wer- 180 den. Sobald es sich nur darum handelt, alle in Form eines Bläschens innerhalb einer elementaren Zelle vorkommenden Körper aufzuführen, so mögen die genannten Theile zusam- menstehen. Wenn man sie aber, wie es der Verfasser will, begriffsmässig bestimmt, so scheidet sich von selbst der Zel- lenkern von den übrigen Bläschenformen ab, welchen letz- teren nur im Bereiche der spezifischen Sonderungen der Zelle, namentlich ihres Inhaltes, einen Platz eingeräumt wer- den kann. Nach Nägeli sollen ferner die eigentlichen Zelleukerne die Eigenthümlichkeit besitzen, sich durch scheinbare Thei- lung fortzupflanzen. Es wurde dieses bei Anthoceros und Tradescantia beobachtet, unter Umständen, wo nachher eine den Kernen entsprechende Zahl Spezialmutterzellen, durch Zellenbildung um Inhaltsportionen entstanden, sichtbar wur- den. Referent hat in diesem Archiv 1546 seine Beobachtun- gen über die Zellenbildung um Inhaltsportionen der Mutter- zelle während des Furchungsprozesses der Eier bei Stron- gylus auricularis mitgetheilt. Es konnte hier dieser Prozess unter so günstigen Verhältnissen und in seinem kontinuir- lichen Fortschreiten durch mehrere Zellengenerationen nach den einzelnen sich darbietenden Erscheinungen in einer Weise verfolgt werden, wie es bis dahin mit Hülle des Mikroskops nicht möglich gewesen. Nach den Ergebnissen dieser Unter- suchungen muss sich Ref. gegen die Fortpflanzungsfähigkeit der Zellenkerne durch scheinbare Theilung aussprechen. Die Kerne der Mutterzellen zerfliessen vielmehr in dem Zellenin- halte, bevor die letztere ganz oder portionenweise in Toch- terzellen sich verwandelt. Die Kerne der Tochterzellen ent- stehen späler in ihnen, ohne also durch Theilung des Mut- terkernes in ihrer Bildung veranlasst zu sein. Ref. hofft, dass es Nägeli unter, für die Beobachtung günstigeren Ver- hältnissen gelingen werde, über das Verhalten des Mutter- kerns bei der Zellenbildung um Inhaltsportionen dieselbe Erfahrung zu machen. Es kommt namentlich darauf an, die Zellenbildung an solchem Mutterzellen - Inhalte kontinuirlich verfolgen zu können, wo die mikroskopische Uebersicht der einzelnen Erscheinungen, wie bei Strongylus auricularis, ge- stattet ist. Dann gelangt man bald dahin, den richtigen Moment während des Prozesses zu treffen, wo man sich mit Hülfe des Kompressoriums von dem angegebenen Ver- halten der Kerne überzeugen kann. Bei den bisherigen Be- obachtungen über die Zellenbildung um Inhaltsportionen auch während des Furchungsprozesses hat man es mit bereits fer- tig gebildeten und in ihrem gegenseitigen Lageverhältnisse sich verändernden Tochterzellen zu thun gehabt. Es sind | 181 in der bezeichneten Abhandlung des Referenten auch die Er- scheinungen besprochen, welche während der Auflösung und der Vermischung des Mutterkernes mit dem Zelleninhalte und des dabei öfter Statt findenden leichten Zerfallens desselben in einzelne Tropfen zu der Ansicht von der Theilung der Kerne führen können. Das Kernkörperchen soll bei den Pilanzen nach Nägeli in den meisten Fällen gleichfalls ein Bläschen darstellen. Doch sei es noch nicht zu ermitteln, ob die Anwesenheit der Membran nicht etwas Zufälliges sei, und etwa von ei- ner dicht gewordenen äussersten Schleimschicht herrühre (Heft 1.). In Betreff der Fortpflanzung und Entwickelung der Zelle bestätigt Nägeli zunächst nach ausgedehnten Untersuchun- gen, dass bei den Pflanzen nur endogene Portpflanzung Statt linde, Als allgemeiner Ausdruck für die Zellenbildung (um Inhaltsportionen der Mutterzelle) wird angegeben, dass eine organische halbflüssige Substanz als individuelle Partie von den umgebenden Medien sich unterscheidend, mit einer fe- sten Membran sich bekleidet (durch Abscheidung einer ent- weder schon vorhandenen oder erst entstehenden Gallerte, die an der Oberfläche gerinnt), und dadurch auch als indi- vidueller Organismus sich winklich abgrenzt (Heft 2. p. 8.). Dieser Ausdruck hat nach des Verf. Ansicht folgende Män- gel: er enthält nicht das nothwendige Verhältniss der Zel- leubildung zur Mutterzelle, er erwähnt des Kernes gar nicht, er erhebt den Zelleninhalt zum Hauptbestandtheil der Zelle, der zuerst als individuelle (? Ref.) Partie auf eine schwer begreifliche Weise von der Umgebung sich unterscheiden soll, und dann aus sich heraus die Bildung der Zellenmem- bran bedingt. Während Nägeli mit Recht darauf aufmerk- sam macht, dass die Zellenbildung nach Schwann und Schleiden den Zelleninhalt ganz und gar hintenansetzt und die Zelle vielmehr als Membran auffasst, sehen wir ihn selbst in ein anderes Extrem verfallen, den Zelleninhalt als das Ursprüngliche, Wesentliche, Bedingende hinstellen, und die Zellenmembran als ein, wiewohl nothwendiges Attribut des Inhaltes betrachten. Diesem Gedankengange entsprechend, konstruirt Nägeli den Begriff der Zelle, wobei nur Rücksicht genommen wird auf die angegebene Eutwickelungsweise, mit nachträglicher Hinzufügung, dass auch der Kern als ein, die Individualisa- tion des Mutterzellen - Inhaltes bestimmendes Gebilde anzu- sehen sei; desgleichen auf die Befähigung des Zellenin- haltes durch die Membran nach Aussen hin, durch Auf- nahme uud Abgabe von Stoffen zu kommunieiren und sich 182 chemisch und plastisch zu verändern. Die ganz notlıwen- dige Beziehung der Zelle zu dem Bestehen und Wirken der gesammten organischen Natur, als das letzte selbstständig aufzufassende organische Formelement, so wie die eigenthüm- liche Befähigung der Zellenmembran (die nach Nägeli über- haupt einen untergeordneten Werth für die Zelle hat) und auch des Kerns zu chemischen und morphologischen Verän- derungen ihrer selbst und der ganzen Zellen sind ganz aus- ser Acht gelassen. Auffallenderweise hat der Verf. auch die Fähigkeit der Zelle, sich zu reprodueiren, aus dem allgemei- nen Begriff ausgeschlossen, und ihre Fortpflanzung nur als Möglichkeit, nicht aber als Nothwendigkeit geschildert, wo- durch aber ein Hauptunterschied des Elementarorgans von den durch dasselbe bedingten individuellen Organismen ein- facher uud zusammengeselzter Art begründet sein soll. Der Umstand, dass viele Zellen angetroffen werden, in welchen keine Fortpflanzung Statt findet, beweise, dass nicht alle Zellen dieses Vermögen besitzen, und dass somit diese Ei- genschaft nicht (? Ref.) in den Begriff der Zelle aufgenom- men werden könne. Daraus würde nun nach des Referenten Ansicht folgen, dass man die Fortpflanzungslähigkeit der Zelle zu den in die Reihe der spezifischen Sonderungen gehören- den Erscheinungen anzusehen habe, eine Behauptung, die, gegenüber den sonstigen Erfahrungen, von den Organismen befremden muss. Nägeli hat hier offenbar nicht beachtet, dass die organische Zelle hinsichtlich ihrer allgemeinen und durchgreifenden Eigenschaften, wie in der Einleitung des Be- richts auseinandergesetzt wurde, ein Abstraktum ist, und in der Natur dem mikroskopischen Beobachter stets mit spezi- fischen Eigenschaften behaftet vor Augen tritt. In Folge der spezifischen Sonderungen treten zu den allgemeinen Eigen- schaften der Zelle nicht etwa blos neue und besondere hinzu, sondern es können auch die allgemeinen selbst zurücktreten und gänzlich verschwinden, wie dieses z. B. mit dem Kern bei histologischen Differenzirungen öfters der Fall ist. Das- selbe geschieht auch mit der Fortpflauzungsfähigkeit der Zel- len. Referent hat darauf aufmerksam gemacht, dass man sich, um die Frage zu entscheiden, ob eine Erscheinung an den organischen Formelementen der Zelle im Allgemeinen zukomme, oder auf Rechnung der histologischen und spezi- fischen Besonderungen zu schieben sei, aın passendsten an die Entwickelungsgeschichte der organischen Geschöpfe wen- den könne. Hier zeigt sich denn auch in Betreff der Fort- pflanzungsfähigkeit der Zelle deutlich, dass, je jünger die Zustände sind, um so auffallender die Reproduktion der Zel- len hervortritt (Ref. erinnert hier an den Furchungsprozess), 183 dass dieselbe dagegen in dem Grade verschwindet und wohl gänzlich unmöglich gemacht wird, als die Zellen durch histo- logische Differenzirung sich verändern. Daher scheint es dem Referenten unzweifelhaft, dass die Forpflanzungsfähigkeit in den konstruirten allgemeinen Begriff der Zelle aufgenommen werden müsse. Nägeli bespricht auch das Verhältniss der Zelle in ihrer Bildung zur Krystallisation. Referent mag diesen Punkt nur obenhin berühren Der Verfasser ist gegen jede Analogie der Krystall- und Zellenbildung, nimmt aber bei dem Vergleich hauptsächlich auf die Wachsthums- und Vergrösserungs-Phä- nomene Rücksicht, indem er von einem Kern, einem bereits gebildeten Krystall, um welchen die Vergrösserungsschichten gelagert werden, ausgeht. Aber die Bildung der Zelle ist nicht Wachsthum und Vergrösserung, sondern Entwicke- lung nach Form und Mischung. Dieser Prozess bezeichnet, von allen Einzelnheiten abgesehen, mit einem Worte die grosse Kluft, welche die Krystall- und Zellenbildung von einander scheidet. Denn, wie man sich auch die Wirkungs- weise der Materie bei der Krystallbildung vorstellen mag, grade das Moment der Differenzirung nach Form und Mi- schung ist hier ebenso noihwendig ausgeschlossen, wie es in der Entwickelung nothwendig enthalten. Wichtiger erscheinen die Erörterungen des Verf. über das Verhältniss der Zelle zu den sonst noch vorkommenden einfachen organischen Formgebilden. Für solche, zu einem Vergleich passende Elementargebilde hält Nägeli: den Kern, die Chlorophylikügelchen und die übrigen gefärbten Zellsaft- körperchen. Sie alle haben das Eigenthümliche, dass sie in einer mit der Fähigkeit zum Wachsthum und zur Formver- änderung begabten Membran einen umbildungsfähigen Inhalt ein- schliessen. Da nach Nägeli’s Ansicht der Begriff’ der Zelle darin liegt: ,‚dass sich eine individuelle Partie von organischen Stoffen mit einer Membran bekleidet, durch dieselbe nach Aussen durch Aufnahme und Abgabe von Stollen korrespon- dirt und im Innern sich chemisch und plastisch verändert,‘ so ergiebt sich, dass die eben genannten Elementargebilde mit der Zelle als koordinirte Einzelnheiten in den allgemei- nen Begriff der Zelle eingeschlossen sind, und durch diesen von den unorganischen Krystallen und vielleicht auch von anderen organischen Elementargebilden, sofern sie wirklich solid sind und keine Membran besitzen, geschieden ‚werden. Unter diesen Einzelnheiten sollen die Zellen und die Kerne noch durch die übereinstimmende Fortpflanzungsweise und wahrscheinlich auch durch die gleiche Art der Entstehung näher vereint werden. Da aber, fährt der Verf. fort, unter 184 der eigentlichen Zelle das die Thiere und Pflanzen zunächst zusammensetzende Formgebilde verstanden wird, so soll die- selbe von den übrigen zellenartigen Gebilden, die Bläschen genannt werden, zu irennen sein. Alle Bläschen differiren dann von den eigentlichen Zellen dadurch, dass sie als Theile zu diesen, als Ganze, gehören, dass sie nur mittelbar an der Bildung der Organismen sich betheiligen, dass die Zellen als Gleiches in Gleichem entstehen, und dass die Bläschen im- mer nur als Ungleiches im Ganzem vorhanden sind. Wei- teres über die begriffsmässige Identität oder Differenz der Zellen und Bläschen würden genauere Kenntnisse über die letzteren herbeiführen. Man kann nicht leugnen, dass Nägeli in seiner Schluss- folgerung konsequent verfahren ist, aber die Prämissen sind leider so angelegt, und scheinen beim Durchlesen der Ab- handlung fast wie berechnet so festgesetzt zu sein, dass ihre nothwendige Erfüllung zu einem, den natürlichen Ver- hältnissen nicht entsprechenden Schluss führen musste. Es wird nämlich zunächst ein in sich abgeschlossenes, geglie- dertes Ganze, die gekernte Zelle, nach berechneter Wahl in Bestandtheile (Kern und die sonstigen sogenannten Bläschen) zerlegt. An den Bestandtheilen und dem Ganzen sodann ohne Berücksichtigung des notlıwendigen gegenseitigen Ver- hältnisses, und, wie Ref. im Obigen angedeutet hat, mit Hin- tenansetzung wichtiger und ‘wesentlicher Beziehungen und Eigenschaften, der Umstand hervorgehoben, dass sie sämmt- lich in einer, mit Vergrösserung und Formveränderung be- gabten Membran einen umbildungsfähigen, organischen Inhalt einschliessen. Dieser Umstand wird endlich dazu benutzt, das in sich abgeschlossene und gegliederte Ganze und die Bestandtheile koordinirt unter eine begriffsmässige Einheit unterzubringen, oder mit kurzen Worten: nach und mit Zer- störung der natürlichen Verbände eine künstliche Verbindung zu schaffen. Die nothwendige Folge eines solchen Verfah- rens war nun, dass das wichtigste Verhältniss der elemen- taren Zelle, so wie die Beziehung der Kerne und Bläschen ' zur Zelle, als in welcher sie erst ihren Sinn und ihre Be- deutung haben, in die Kategorie der spezifischen Differenzen jener, unter einem allgemeinen Begriff künstlich zusammen- gelasster Einzelnheiten untergebracht werden mussten. Es würde nicht schwer fallen, uach demselben Verfahren den Meuschen, seinen Darmkanal, sein Wirbelsystem u. dgl. als koordinirte Dinge in einen allgemeinen Begriff einzuschlies- sen. Dass aber der Mensch diesem allgemeinen Begriff ent- sprochen, oder seine Bestandtheile naturgemäss dadurch be- stimmt sein werden, das wird wohl Niemand behaupten 185 wollen. Es hat zwar Kölliker gegen eine ähnliche Erör- terung des Referenten (Jahresbericht 1843) mit der Bemer- kung sich zu rechtfertigen geglaubt, dass „jeder Theil eines Organs zu derselben Zeit selbstständig und abhängig ist‘ (p. 53. Neue Denkschrift der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft ete. Bd, VIII). Wenn der Verfasser mit diesen Worten ausgesagt haben wollte, dass ein jeder Theil eines Organes oder jedes Organ eines in sich abgeschlossenen Or- ganismus in seiner Abhängigkeit auch selbstständig wirkend gedacht werden könne, so lässt sich gegen einen sol- chen Ausspruch ebenso wenig etwas einwenden, als derselbe im Stande ist, die natürlichen Verhältnisse der Dinge zu be- seiligen und das aufzuheben, was im gegebeneh Falle ge- dacht werden müsse. Der Naturforscher hat es nun ein- mal nicht mit willkürlichen Satzungen, sondern mit der De- duktion der nothwendigen gesetzlichen Verhältnisse der Dinge zu thun. In dem oben bezeichneten Aufsatze Kölliker’s werden niedere und höhere Elementartheile unterschieden. Welche Gebilde zu den höheren zu rechnen seien, darüber haben wir noch das Ausführliche zu erwarten; bis dahin muss das Ur- theil über das geltend gemachte Emtheilungsprinzip suspen- dirt bleiben. Zu den niederen Elementartheilen gehören: a) die Elementarkörner, als Uebergang (? Ref.) von den un- organischen Formen zu den organischen; b) Elementarbläs- chen, d.h Bläschen ohne Wachsthum und Vermehrung, wie die Milchkügelchen, erzeugt durch Fetttropfen, um welche sich eine Membran gebildet; e) Bläschen mit Wachsthum ohne Vermehrung, unter welche die Zellen der Dotterhöhle und der Dottersubstanz des Hühnereies willkürlich unterge- bracht werden; d) Bläschen mit Wachsthum und Vermeh- rung. Diese leizte Abtheilung ist ziemlich weit umfassend. Hier werden zuerst eingeführt die Kernkörperchen, die auch Kölliker lieber „Kernchen‘ nennen will, sodann die Kerne, für welche der Verfasser statt seiner früheren Benennungen (primäre Zelle, Embryonalzelle) den Ausdruck „‚Kernbläs- chen“ genehm findet. In die Kategorie der Zellenkerne wer- den auch unter dem Namen „„Umhüllungskugeln“ die Fur- Be pellen untergebracht, die nun einmal nach dem Verf. schlechterdings keine Membranen besitzen dürfen. End- lich gehören zu den Bläschen mit Wachsthum und Vermeh- rung neben Kerukörperchen, Kernen, auch die eigentlichen gekernten Zellen in ihren mannigfalligen histologischen Ge- staltungen. Kölliker’s Eintheilung und Zusammenstellung seiner sogenannten niederen Elementartheile lässt wohl kaum erra- 156 then, welchem Prinzip er gefolgt sei, selbst wenn man auch zugeben wollte, dass jedes Einzelne seine Richtigkeit hätte. Vielleicht hat der Verf. beabsichtigt, alle organischen For- men einzeln uns aufzuführen, die irgendwie aus flüssigem und formlosem, organischem Stoff ihren Anfang nehmen, ohne auf alle übrigen Beziehungen und Eigenschaften dersel- ben, auf ihre erkannte Bedeutung, auf das Verhältniss zu einander, auf die Entwickelung und Fortpflanzung u. s. w. Rücksicht zu nehmen Dieser Standpunkt wäre dann frei- lich ganz willkürlich aufgenommen, und man sieht dann nieht ein, warum der Verf. bei der gekernten Zelle stehen geblieben, da man mit demselben Recht auch noch- weiter gehen könnte. Seitdem es von vielen organischen Geschöpfen bekannt ist, dass sie aus dem formlosen Inhalt einer Zelle (Eizelle) in kontinuirlicher Fortbildung und Entwickelung hervorgehen, wäre es ein Leichtes gewesen, die Reihe noch weiter fortzusetzen. Aus einer solchen, von den Elementar- körnchen anhebenden Reihe würde dann das bunte Gemisch von einzelnen, wenig zusammenpassenden Dingen um so eclatanter sich herausstellen. In den Ansichten über die Ent- wickelung und Fortpflanzung der Kernkörperchen, Zellen- kerne, Furchungskugeln ‘und gekernten Zelle ist Kölliker im Wesentlichen dem getreu geblieben, was in seiner Ent- wickelungsgeschichte der Cephalopoden mitgetheilt worden, und worüber Referent im Jahresbericht 1843 berichtet hat: Die Abtheilung der Bläschen mit Wachsthum ohne Vermeh- rung ist von dem Verfasser mit Beispielen erläutert, die wenigstens nach des Referenten Erfahrungen nicht dahin passen. In der Konstruktion allgemeiner Begriffe geht Kölliker theils noch etwas weiter, als Nägeli, theils beschränkt er die Ansichten des letzteren. Nur die Zelle, der Kern, aber auch das Kernkörperchen, werden als Bläschen, begabt mit Vegetalion und Reproduktion, unter einem allgemeinen Be- griff zusammengefasst. In ihm gehen als Unterbegriffe auf: 1) das Kernkörperchen, das um ein Elementarkörnchen ent- steht (? Ref‘), nun allseitig wächst, durch Theilung sich ver- mehren soll, und in kein höheres Gewebe übergeht; 2) der Kern, der um ein Kernkörperchen entstehen soll, allseitig und einseitig wächst, durch endogene Kerubildung sich ver- mehren, fast in kein höheres Gebilde übergehen und endlich eine in Essigsäure stets lösliche Membran besitzen soll; 3) die eigentliche Zelle, welche um einen Kern (d. h. um einen Kern und um einen Körnerhaufen mit eingeschlosse- nem Kern, Ref.) entstehen soll, einseitig und allseitig wächst, durch endogene Zellenbildung sich vermehrt, in mannigfache 187 Gewebe übergeht, und eine kontraktile, in Essigsäure lös- liche Membran besitzen soll. Es würde zu weit führen, auf das Irrthümliche und Mangelhafte der herbeigezogenen Merk- male für den allgemeinen Begriff, wie für die Unterbegriffe näher einzugehen. In der Hauptsache finden sich hier die- selben Fehler, deren schon bei dem Berichte über die ähn- lichen Ansichten Nägeli’s gedacht wurde. Mehrere, die allgemeinen Fragen der mikroskopischen Anatomie betreffende Mittheilungen finden sich in Vogel’s pathologischer Anatomie des menschlichen Körpers. Obgleich der Verfasser die Wichtigkeit der Zellentheorie als allgemei- nes Entwickelungsgesetz der organischen Bildungen, wie vor ihm bereits J. Müller, auch für pathologische Bildungen anerkannt, so glaubt er dennoch, dass sie sich nicht, wie auch in normalen organischen Verhältnissen erwiesen sein soll, streng durchführen lasse. Seine Gründe stützen sich theils auf solche pathologische Produkte, die später wieder zerlallen und verschwinden, theils und namentlich auf solche Gewebe, die in ihrem ausgebildeten Zustande die Zellenform nieht an sich tragen. Bei ersteren zeigt sich nämlich an- fangs ein amorphes oder unbestimmt feinkörniges Exsudat (Blastem) als ziemlich feste Masse. Diese zerfällt allınählig zu einem bald mehr, bald weniger flüssigen Brei, in wel- chem unbestimmte körnige Moleküle von verschiedener Form und Grösse sichtbar werden, die zwar an Cytoblasten und Zellen erinnern, aber doch nie eine deutliche Zellenbildung zeigen: so bei skrophulösen und typhösen Exsudaten, bei einem grossen Theile der Tuberkeln. Ferner bilden sich öf- ters im flüssigen Cytoblastenı theils neben Cytoblasten und Zellen, theils als alleiniges Bildungsprodukt Elementarkörn- chen in solider Form oder als Bläschen, theils bestehend aus Fett oder auch aus Kalksalzen, oder einer modilizirten Proteinverbindung. Die Elementarkörnchen verschwinden öf- ters, ohne eine weitere Metamorphose zu erleiden. Hier scheint die Bildungsweise analog den nicht organisirten Ab- lagerungen, und macht gewissermaassen den Uebergang von diesen zu den organisirlen pathologischen Neubildungen. Bei den schen) organisirten Produkten ferner, die im ausgebildeten Zustande die Zellenform nicht haben, ist gleich- Salls selten deutliche Zellenbildung zu beobachten. So linden sich bei der pathologischen Entwickelung des Bindegewebes und den übrigen faserigen Gebilden allerdings bisweilen Zel- len, die sich in Fasern verlängern, aber noch häufiger blos Cytoblasten (Kerne), ja auch diese fehlen selbst, so dass das Cytoblasten sich unmittelbar iu Fasern zu verwandeln scheint (p. 101.). 188 Zu diesen für unzweifelhaft gehaltenen Faktis fügt Ref. noch die Beobachtung Zwicky’s (die Metamorphose des Thrombus. Zürich 1845. p. 46.), dass in einem Blutkoagu- lum zwischen dem öten bis Sten Tage ziemlich grosse maul- beerartige Zellen (konglomerirte Entzündungskugeln Gluge, Körnchenzellen Vogel) auftreten, die dann nach einigen Tagen in einzelne Körnchen zerfallen und so wahrschein- lich resorbirt werden. Dagegen gehen die ursprünglichen Fibrinfasern (? Ref.) in ein ganz amorphes Cytoblasteın über, worin am 14len Tage ovale oder runde Kerne sich entwik- keln, die unmittelbar durch Verlängerung, ohne sich (mit einigen Ausnahmen) mit Zellenmembranen zu umgeben, in die Henle’schen Fasernetze verwandeln sollen, während die übrige Masse nach dem Verlauf der Kerne in Fasern und schliesslich in Fibrillen des Bindegewebes sich verwandelt. (? Ref.) } Man erkennt leicht in diesen, wie in den Ansichten und Arbeiten vieler anderer Forscher in’und ausserhalb Deutsch- land die Folgen jener schiefen Stellung, in welche Henle die Zellentheorie durch seine, in vieler Hinsicht so schätz- bare allgemeine Anatomie, vielleicht aus Vorsicht, gebracht bat. Es sind nun bald zelın Jahre, dass dieser grosse Ge- danke der Wissenschaft übergeben wurde. Man darf be- haupten, dass die bisherigen Forschungen auf diesem Gebiete, sofern man nicht willkürlich das Fundament unler seinen Füssen durch Verschiebung des eigentlichen Schwerpunktes zusammenslürzen lassen will, auf eine glanzvolle Weise zur Befestigung jenes grossen Gedankens beigetragen haben, und dass man es von Jahr zu Jahr besser würdigen lernte, wie die elementare organische Zelle als jenes, das Bestehen und Wirken der gesammten organischen Schöpfung vermittelnde Glied anzusehen sei, Zwei Fakta sind es hauptsächlich, die in dieser Beziehung hervorgehoben werden müssen. Zuerst haben alle Arbeiten in der Entwickelungsgeschichte, die die- ses Moment beachteten, bestätigt, was Referent zuerst in seiner Schrift, „Entwickelungsleben ete ‚““ nachwies und aus- sprach, dass bei der Bildung und Entwickelung auch deu am meisten zusammengesetzten Organismen und ihren An- lagen ursprünglich allein und ausschliesslich nur elementare, organische Zellen betheiligt sind. Pas zweite Faktum ist noch merkwürdiger und bedeutungsvoller. Die Untersuchun- gen über den Furchungsprozess haben nämlich ergeben, dass auch die am meisten zusammengesetzien Organismen ur- sprünglich mit einer einzigen elementaren, organischen Zelle (der ersten Furchungskugelzelle) beginnen, und dass demge- mäss alle folgenden Zustände derselben durch die Entwicke- 189 lung dieser Zelle bedingt dastehen. Solche Thatsachen le- gen, nach des Referenten Ueberzengung, jedem Naturforscher die Nothwendigkeit auf, das Prinzip der Zellentheorie in sei- ner vollen und durchgreifenden Bedeutung für die gesammte orgauische Schöpfung anzuerkennen, und jede allgemeinste Betrachtung der Erscheinungen auf dem organischen Gebiete mit der elementaren organischen Zelle beginnen und wieder zu ihr zurückkehren zu lassen. Diese Verpflichtung wird so lange gelten müssen, bis irgend ein sicher konstatirtes Fak- tum, an Bedeutung den oben angeführten Thatsachen ver- gleichbar, für irgend einen Kreis organischer Schöpfungen ein anderes Prinzip darlegt, wozu gegenwärtig allerdings keine Aussicht vorhanden ist. Schleiden, Schwann und Alle, die an diesem grossen Bau arbeiten, haben geirrt und werden noch häufig genug neuen Irrthümern verfallen, wo es sich um die Ausführung dieses Prinzips und um die Frage handelt, auf welche besondere Weise dasselbe in der ge- sammiten organischen Schöpfung verwirklicht ist. Aber aus diesen Irrthümern, mögen sie im Sinne des Prinzips der Zel- lentheorie oder demselben entgegen gemacht sein, folgt nichts gegen das Prinzip, so lange zwei solche Thatsachen, wie sie Referent oben angeführt hat, für die nothwendige Aner- kennung des Prinzips sprechen. Die Zweifel übrigens, welche Vogel und auch Zwicky gegen das Prinzip der Zellentheorie erheben, sind, so weit sie zunächst die Entwickelung des Bindegewebes und der Fasernetze betreflen, ohne alle Begründung. Denn die Bin- desubstanz und das Fasernetzgebilde entwickelt sich, wie jedes andere Gewebe, aus elementaren, organischen Zellen, und es bleibt nun einmal unmöglich. dass dieselben unter abnormen Verhältnissen, wenn sie überhaupt gebildet wer- den können, auf eine andere histologisch-typische Weise entstehen, als wie man es unter normalen Verhältnissen be- obachlet hat. Henle’s Hypothese von der Entstehung der bezeichneten Gewebe hat sich nach den Beobachtungen meh- rerer Forscher, denen sich Referent nach sorgfältigen Unter- suchungen anschliessen muss, als unrichtig erwiesen. Was ferner den Punkt betrifft, dass viele pathologische Produkte auch im organisirten Zustande, ebenso wie mehrere normale Gewebe, den Charakter der ursprünglichen Zellen nicht er- kennen lassen, so darl dieser Umstand nichts weniger, als befremden Denn nach dem Prinzip der Zellentheorie kommt der elementaren organischen Zelle die Fähigkeit zu, sich hi- stologisch zu verändern; ja wir wissen, dass die elementare Zelle stels unter einem eigenthümlichen Gewande uns vor Augen tritt. Mit dieser Fähigkeit sehen wir die organischen 190 Zellen sich histologisch so verwandeln, dass jene Form und Beschaffenheit, welche sie in anderen, mehr indifferenten Zu- ständen offenbaren, und nach welchen wir die ursprüng- liche und gleichsam indifferente Grundforın konstruirt haben, mehr oder weniger, ja bis zur Unkenntlichkeit verschwin- det. Der erwähnte Umstand, wenn er in pathologischen Geweben angelroflen wird, enthälts durchaus nichts gegen das Prinzip der Zellentheorie, sondern ist mit ihm nothwen- dig gegeben — Bin Missverständniss scheint es auch zu sein, wenn Vogel die durchgreifende Bedeutung der Zellentheorie auch für pathologische Bildungen deshalb zurückweiset, weil in letzteren öfters Elementarkörnchen, einfach oder aggregirt, Bläschen durch Haptogenmembran und auf andere Weise er- standen, Krystalle, überhaupt solide Massen vorgefunden wer- den, die nicht zu Grunde gegangenen Zellen ihre Entstehung verdanken, auch nicht in Zellen vorkommen oder aus Zellen hervorgegangen sind. Man wird dem Verfasser gern bei- stimmen, dass es ein Irrthum wäre, die genannten Körper für Zellen zu erklären oder unmittelbar durch Verwandlun- gen von Zellen und deren histologische Bildungen entstan- den sich vorzustellen. Daraus folgt aber nichts gegen das Prinzip der Zellentheorie und dessen durchgreifender Bedeu- tung für die organische Schöpfung in ihren kranken und ge- sunden Verhältnissen, da nach dem Prinzip der Zellentheo- rie nicht die Nothwendigkeit vorliegt, jeden organischen Stoff für eine Zelle oder für Formbildungen, die unmittelbar aus Zellen entstanden seien, zu halten. Denn nach dem Prinzip der Zellentheorie kann aus dem flüssigen Inhalt der Zellen und deren Bildungen, also immerhin durch Vermittelung dersel- ben flüssiger organischer Stoff zwischen die Formbestandtheile des zusammengesetzten Zellenorganismus abgesetzt werden. Dieser ausgeschiedene flüssige Stoff enthält die Bedingungen und besitzt die Eigenschaft, aus sich heraus Krystalle zu prä- eipitiren, in seiner ganzen Masse oder auch nur theilweise in einen mehr oder weniger festeren Zustand überzugehen und dadurch die Entstehung von Elementarkörnchen und de- ren Aggregate zu veranlassen; er kann desgleichen Fetttröpf- chen ausscheiden und auf diese Weise oder vielleicht auch nach nicht bekannten Bedingungsverhältnissen die Entstehung von Bläschen hervorrufen. Das Alles geschieht in den flüs- sigen organischen Stoffen ebenso ausserhalb der Zellen und deren Bildungen, wie es innerhalb derselben vorkommt und wie. es die Begründer der Zellentheorie zum grössten Theil schon gekannt haben. Es geschieht hier, wie dort, unter Erscheinungen, die sich von der Zellenentwickelung 191 und Fortpflanzung wesentlich unterscheiden. Dadureh wird aber das Prinzip der Zellentheorie nicht im mindesten Lurbirt. Am meisten muss sich schliesslich Referent gegen die Bestrebungen des Verfassers und vieler anderer Forscher aus- sprechen, jene Elementarkörnehen in solider Forın oder als Bläschen, desgleichen andere solide organische Ablagerungen, die in pathologischen Produkten öfters in grösserer Masse aufgehäuft sind, gegen die Allgemeingültigkeit des Prinzips der Zellentheorie unter dem Vorwande herbeizuziehen, weil durch sie, als Produktionen, gleichsam die Brücke geschla- gen wurde, auf welcher man von den Krystallen zu der ele- ınentaren, organischen Zelle gelangen könne. Referent hat bereits darauf hingewiesen, dass die Bildung und das Wesen des Krystalls ganz und gar dem der Zelle entgegensteht; bei der Zelle ist Differenzirung und Entwickelung wesentlich; bei dem Krystalle ist nicht etwas anderes, sondern der Ge- gensatz, nämlich vollständiger Mangel jeder Diflerenzirung nach Forın und Mischung, wesentlich. Hier fehlt für eine Brücke das Fundament. Der einzige Umstand, der jenen Be- strebungen dient, ist bekanntlich der, dass die angeführten organischen Formationen und die Krystalle, ebenso wie die elementare organische Zelle, aus flüssigem, forınlosem Stoff hervorgehen. Welche Inkonsequenzen ein solches Verfahren herbeiführt, das hat Relerent schon ölters zu besprechen Ge- legenheit gehabt. Es sind solche Folgen überall da unver- meidlich, wo man Eigenschaften an den Dingen zur Basis einer gemeinschaftlichen, sie bestimmenden Beziehung macht, aus welcher die für uns wesentlichen Merkmale der Dinge nicht allein nicht resultiren, sondern wobei man sogar das Wesen der Dinge nothwendig vergessen muss, wenn man jene willkürlich an ihnen hervorgehobene Eigenschaft fest- alten will. So gelangt man auf dem Wege folgerechter In- duktion dahin, Krystalle, Elementarkörnchen, geronnenen Faserstofl, Bläschen irgend welcher Art, die eigentlichen ele- mentaren Zellen und, da man hierbei gar nicht stehen blei- ben darf, alle organische Individuen, ja wohl alle Dinge der Welt, unter eine ganz willkürlich ausgewählte Eigenschaft zu subsumiren, und ihre für uns sonst wesentlichen Verhält- nisse und Beziehungen als Differenzen und Nebenbegriffe aufzufassen, Das Jahr 1845 ist wieder reich an Hypothesen über die Zellenbildung, theils neuen, theils solchen, die ältere Theorieen bestätigen, Kölliker nimmt zwei Modi der Zellengenese an, In dem einen Fall bildet sich die Zellenmembran um seine sogenannte Umhüllungskugel, die vorher durch Grup- 492 pirung von Elementarkörnchen um einen durch Vermittelung eines Kernkörperehen entstandenen Kern zu Stande kommen soll; der flüssige Theil des Zelleninhaltes ist dabei von kei- ner Bedeutung (a. a. O.). In dem Aufsatze über die Blut- körperchen eines menschlichen Embryo etc. (Henle’s und Pfeuffer’s Zeitschriit für rationelle Mediein, Bd. IV. Heft 1. p- 112.) lässt er die Zelle nach der Schwann’schen An- sicht entstehen, was auch Fahrner thut. (De globulorum sanguinis in mammalium embryonibus atque adullis origine. Diss. inaug. Turie. 1845. 8vo.) Auch Vogel hat bei patho- logischen Bildungen die Schwann’sche Zellenbildung viel- fach, namentlich bei der Bildung der Eiterkörperchen, bestä- tigt gefunden (a. a. ©. p. 90.). Er fügt hinzu, dass man zwar diesen Entwickelungsgang nicht an einer und derselben Zelle, aber doch aus den successiven Veränderungen ganzer Zellen erschliessen könne. Nur in dem Punkte weicht er von Schwann und Kölliker ab, dass er sich von der Präexistenz des Kernkörperchens nicht hat überzeugen kön- nen. Ausser den im Eiter vorkommenden exogenen Zellen- bildungen, finden sich im Markschwamm auch endogene vor. Ein anderes Mal soll nach dem Verfasser die Zelle so ent- stehen, dass um den Kern zuerst ein nicht genau begrenzter Niederschlag erfolge, der erst später durch Umhüllung mit einer Membran zur Zelle würde (p. 93.). Ueberhaupt spricht sich Vogel für verschiedene Modi der Zellengenesis aus, und hält es schliesslich auch für wahrscheinlich, dass ganze Grup- pen von Elementarkörnchen (Aggregatkörperchen) sich mit einer wirklichen Zellenmembran umgeben, und so eigenthüm- liche Zellen bilden (p. 100.), — Nach Luschka (Entwicke- lungsgeschichte der Formbestandtheile des Eiters und der Granulationen, Freiburg 1845) sind die ersten Formelemente des Eiters einfache Körnchen. Diese aggregiren sich zu grös- seren Körpern, die nach Hervorbildung eines Kerns in ihrer Mitte allmählig zu einem klaren, durchsichtigen Körperchen mit einem Ringe — Scheibehen — (nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch in gekernte Zellen mit Zellenmembranen, Ref.) sich verwandeln. — Für die Ansicht von der Zellen- bildung, dass um einen vorausgebildeten Kern zuerst ein nicht genau begrenzter Niederschlag erfolge, um welchen dann später die Membran entstehe, haben sich auch Bi- schoff (Entwickelungsgeschichte des Hundeeies, 1845, 4to.) und Günther (Lehrbuch der allgemeinen Physiologie) erklärt. H. Müller hat eine zum T'heil neue und eigenthümliche Zellengenesis aufgestellt (Beiträge zur Morphologie des Chy- lus und Eiters. Henle’s u. Pfeuffer's Zeitschrift, Bd. III. p- 239 seq., p. 250 seq., p. 255, 267 etc.). In dem Exsu- 193 dat von Wunden, die der Verfasser an sich selbst gemacht hatte, waren schon nach acht Minuten neben Blutkörperchen und Fetttröpfchen einige sehr feine Körnchen sichtbar, die sich bald ausserordentlich vermehrten und auch wohl ver- grösserten von 0,0001 — 0,0005‘ Durchm. Von den Fett- theilchen unterscheiden sie sich durch das mattere, weniger scharfe und glänzende Aussehen und dadurch, dass sie öfters in Flöckchen oder Klümpchen vereinigt waren. Nach einer halben Stunde fanden sich in dem Exsudat eine Menge Körn- ehen, theils einfach, theils konglomerirt, ganz zuverlässig wahre Eiterkörperchen von mannigfach unregelmässiger Form, von auffallend unbestimmten Umrissen und blassem oder matt- körnigem Ansehen. Von den erwähnten körnigen Flocken zeigten sich ausserdem alle möglichen Uebergänge bis zu den beschriebenen Eiterkörperchen. Durch Zusatz von Essigsäure erschienen in letzteren eine Anzahl von grösseren und klei- neren, bald nahe aneinander, bald zerstreut liegenden Kör- nern, umgeben von einem unregelmässigen, kaum zu unter- scheidenden Fleck (Hof? Ref.). Unter den Körnern hatten einige nahezu das Ansehen von gewöhnlichen Kernen der Eiterkörperchen, waren jedoch nicht glatt und rund, sondern körnig und meist von kleineren Körnchen umgeben. Diese kernähnlichen Körner waren an Zahl, abgesehen von den sie umgebenden kleineren Körnern, nicht bestimmt, doch im Ganzen selten über 3—5. Nach einer Stunde fanden sich in der etwas zäheren und dickeren Flüssigkeit Eiterkörper- chen aller Art neben Körnern und deren Konglomeraten. Nach Zusatz von Essigsäure traten theils solche Eiterkörper- chen hervor, wie sie vorhin beschrieben wurden, theils an- dere, welche eine helle, scharf gezeichnete, durch Endosmose sich vergrössernde Hülle zeigten, und im Innern zwei bis vier bald ganz getrennte, bald theilweise verschmolzene Kerne (soll wohl heissen „Körper,“ da der Beweis, dass es Kerne seien, nichl geliefert ist, Ref.) enthielten. Endlich war noch in einer nıcht ganz geringen Anzahl von Eiterkörperchen der Kern einfach, mitunter etwas körnig, oft aber ganz glatt, rund, glänzend, von einer scharfen und hellen (?Ref.), der Einwirkung der Essigsäure lange widerstehenden Hülle um- geben. Je älter das Exsudat wurde, desto seltener zeigten sich die früher beschriebenen undeutlichen und vielkernigen Formen, da hingegen die einfachen, glatten Kerne in demsel- ben Maasse zunahmen. Auch in der Umgebung von Granu- lationen kommen die mehrkernigen Eiterkörperchen selten vor, dagegen häufiger die einfachkernigen. Neben diese Be- obachtungen stellt dann der Verfasser die in Betreff der Chy- luskörperchen. In der Bildung derselben, wie sie sich an Müller's Archiv. 1616, = 194 dem Inhalte der Lymphgefässe von dem Darın in ihrem Ver- laufe zum Ductus thoracicus verfolgen lässt, treten ganz ähnliche Erscheinungen, wie bei den Eiterkörperchen, auf. Da Referent noch später auf diese Untersuchungen zurück- kommen muss, so sollen hier nur die Unterschiede der Er- scheinungen, so weit sie für das Verständniss der Zellenge- nesis des Verfassers von Wichligkeit sind. zur Sprache gebracht werden. Diese Unterschiede betreffen hauptsächlich die Beschaffenheit und das morphologische Verhalten derje- nigen organischen Masse, durch deren Vermittelung zunächst die Bildung des Kerns veranlasst wird. Werden die im Chy- lus zunächst vorkommenden Konglomerate von Körnchen, zusammengehalten durch eine zarte Zwischensubstanz, mit Wasser behandelt, so’ tritt eine Hülle und eine Kernmasse deutlich hervor. Diese Kernmasse ist anfangs graulich, schwach körnig, durchscheinend, so dass man die Umrisse tiefer lie- gender Körperehen durch denselben erkennen kann. Mit sei- ner Verkleinerung wird er deutlicher körnig, einzelne Punkte 2 —4, aber auch 6—10 sind namentlich deutlicher markirt. Die Grösse der Körner ist sehr verschieden; oft sind in ei- nem Kerne alle Abstufungen vorhanden. In manchem Chylus sieht man in diesen Chyluskörperchen bei Zusatz von Wasser die Kernmasse glatt, gelblich glänzend, gleichförmig werden. In anderen weniger. häufigen Fällen haben die Kernmassen eine längliche, oder halbmondförmige, bisquitförmige und an- dere unregelmässige Formen. Im Allgemeinen zeigt sich also im Chylus, dass die Cohäsion aller einzelnen Körnchen, welche in die Komposition des Kerns eingehen, in der gröss- ten Mehrzahl von Anfang so gross, dass sie mehr einen ein- zigen Klumpen bilden, während beim Eiter eine Vereinigung einzelner Körner unter sich und späler erst zu einem Gan- zen Statt findet. Auf diese Beobachtungen hin spricht sich Müller zu- nächst darüber aus, dass an genannten Orten unter keinen Umständen an eine Theilung der Kerne zu denken sei, wie es Kölliker annimmt, und dass hier hauptsächlich exogene Zellenbildung Statt finde, zumal nach der Ansicht des Ver- fassers gar nicht mehr (? Ref.) daran zu denken sei, dass bei der Entstehung der beschriebenen Formbestandtheile die um- gebenden Gewebe des Körpers sich betheiligen. Sodann denkt sich der Verfasser die Entwickelung folgendermaas- sen: Das Chyluskörperchen ist anfangs ein Konglome- rat von Körnern, worin Lösliches und Unlösliches gemengt ist. Allmählig vereinigt sich letzteres in der Mitte, ersteres an der Peripherie, und in dem Maasse, als der Kern seine körnige Beschaffenheit verliert, kleiner, kompakter, glänzen- 195 der wird, nimmt die Hülle an Durchsichtigkeit und Klarheit zu, verwandelt sich in die Zellenmembran. In den Eiter- körperchen tritt entweder das Unlösliche in den von Anfang an agglutinirten Körnern zu grösseren Körnern zusammen, welche dann erst zum Kern verschmelzen, oder das Auftre- ten der isolirten Körner ist nur Folge der künstlichen, plötz- lichen Entfernung der löslichen Theile durch Essigsäure, und der Vorgang ist im Wesentlichen derselbe, wie bei den Chy- luskörperchen. Einen besonderen Einfluss auf diese Auffas- sungsweise der Zellenentwickelung scheint ein Experiment des Verfassers gehabt zu haben, indem er durch chemische Mittel in dem Konglomerate die Scheidung der löslichen und unlöslichen Bestandtheile künstlich zu bewirken suchte. Wenn man nämlich einen Tropfen Blut oder Exsudat in zwei Theile theilt und den einen mit Wasser, den andern mit Essigsäure behandelt, so sind in des letzteren Hälfte die mehrfachen Kerne häufiger, und die Kerne im Allgemeinen zahlreicher, als in der ersteren. Es ergiebt sich also, meint der Verfas- ser und mit ihm sein Lehrer Heule, dass man durch ver- schiedene Anwendung äusserer Poienzen willkürlich im Kör- erchen desselben, nicht zu vorgerückten Alters Formen von Meinen darstellen kann, welche bei gleichmässiger äusserer Einwirkung verschiedenen Entwickelungsstufen angehören. Es liege daher die Vorstellung nahe (!Ref.), dass der Vor- gang, durch welchen bei der natürlichen Entwickelung die verschiedenen Formen nach einander entstehen, ein ähnlicher sei, als bei der künstlichen Veränderung durch Reagentien, nämlich eine Scheidung der löslichen und unlöslichen Be- standtheile (! Ref. ). Helbert (de exanthematibus arte factis fragmenta, Diss. inaug. Gotling. 1844. 8vo. e. tab.) hat elementare organische Zellen auch ausserhalb des Organismus in dem in einer Glas- röhre aufbewahrten Serum aus einer durch Kanthariden er- zeugten Blase ohne Anwendung von Reagentien entstehen sehen (! Ref.). Gegen die Richtigkeit der Schleiden-Schwann’schen Zellenbildung haben sich auch Stimmen vom Auslande her erhoben. Wilson (Froriep’s N. Not. Bd. 38. p. 83.: Ueber die Entwickelung und das Wachsthum der menschlichen Epi- dermis; Institut. No. 42. 1846), ferner J. Simon (a phy- siological essay an the thymus. Tuond. Ato. p. 70 seqggq.), desgleichen Coste (Fror. N. Not. 1846. Bd. 37. p. 113.: Untersuchungen über die ersten Modifikalionen der organi- schen Materie und über die Bildung der Zellen, besonders nach den Erscheinungen des Furchungsprozesses bei Säuge- hiereichen). Ohne Angabe gründlicher Beobachtungen ent- N? 196 schliessen sich diese Forscher zu der Ansicht, dass die Zel- lenmembran um einen bereits vorhandenen Zelleninhalt, mit oder ohne (Coste) darin vorhandenen Kern, sich herumbilde. Alle diese verschiedenen Entwickelungsnormen der ele- mentaren organischen Zelle sind nicht das Ergebniss von Unter- suchungen, welche an einem und demselben Gegensiande in kontinuirlicher und somit übersichtlicher Reihenfolge gemacht wurden, sondern sie sind aus vereinzelten Erscheinungen an vereinzelten Objekten von den verschiedenen Forschern nach dieser oder jener Lieblingsansicht verschieden kombinirt und erschlossen. Es geschah dieses unter Umständen, welche, wie schon die so zahlreich sich gegenüberstehenden Ansich- ten es deutlich verrathen, und, wie Jeder, der das Gebiet, auf welehem die Untersuchungen sich bewegten, aus eigener, unbefangener Anschauung kennt, sich überzeugt haben wird, auf keine Weise geeignet erscheinen möchten, so schwierige Fragen zu lösen. Statt die Zweifel und Bedenken alle hier zur Sprache zu bringen, glaubt Referent vielmehr die Leser des Archivs von Neuem auf seine im Jahre 1846 erschienene Abhandlung ‚‚über die Zellenbildung um Inhaltsportionen der Mutterzelle während des sogenannten Furchungsprozesses der Eier bei Strongylus auricularis“ verweisen zu dürfen. Der Strongylus auricularis bietet während der unter den Augen erfolgenden Bildung der ersten und beiden nächsten Fur- chungskugelzellen die bis jetzt bekannte einzige Gelegenheit dar, nicht nur, wie beim Frosch und anderen Thieren, die Theilung der in Zellenbildung begriffenen Masse, oder etwa die Anwesenbeit von hellen Flecken oder Kernen in den ab- getheilten Massen wahrzunehmen, sondern wegen der gün- stigen Beschaffenheit des sich verwandelnden Cytoblastems wichtige Erscheinungen kennen zu lernen, welche sich auf das Verhalten der einzelnen Bestandtheile der Mutterzelle bei beginnender Zellenbildung, so wie auf das Verhältniss der einzelnen Bestandtheile der sich entwickelnden Tochterzelle zu einander und in der Entstehung nach einander beziehen !). 1) E.Kölliker sucht im Archiv für Naturgeschichte von Wieg- mann (Bd. XIII. p. 1 segq.) mit Bezugnahme auf seine schon be- kannten Beobachlungen darzuthun, dass die oben bezeichnete Abhand- lung des Ref. voller Irrthümer sei, dass dieselbe die Wissenschaft in ihren Fortschritten heınme (soll wohl heissen, die Anerkennung der wissenschaftlichen Leistungen des Hrn. Kölliker beeinträchtige), dass ich in Dingen, die ich ja erst von ihm gelernt hätte, kein Urtheil habe, dass ich in der Mittheilung meiner eigenen Untersuchungen auf die Arbeiten anderer Forscher keine Rücksicht nehme (soll wohl heis- sen, nur die Arbeiten des Verfassers und nicht andere Forscher he- 197 Von solchen, für die Fortpflanzung und Entwickelung der organischen Zelle noihwendigen Bedingungs - Verhältnissen Kenntniss zu erhalten, das ist es grade, was uns Noth thut, um der Willkür zu steuern, die sich bei uns in Betreff die- ser Dinge geltend gemacht hat. Während die Pflanzenphy- siologen sich mehr und mehr dahin vereinigen, dass es nur eine endogene Fortpflanzung der organischen Zelle gebe, und dass die Entwickelung derselben, mögen auch die Deutungen darüber bei den verschiedenen Autoren verschieden ausfallen, auf die Umwandlung des Inhalts der Mutterzelle in die Brut- zellen zurückzuführen . sei; so scheinen die mikroskopischen Forscher auf dem Gebiete der thierischen Organisation eine besondere Freude daran zu haben, recht viele, die verschie- densten Bedingungsverhältnisse darbietende Fortpflanzungs- und Entwickelungsnormen der organischen Zelle gleichzeitig nebeneinander aufweisen zu können. Nach den Erfahrungen, die wir über die Fortpflanzung und Entwickelung der orga- nischen Körper und ihrer Bestandtheile gemacht haben, steht es fest, dass die Fortpflanzung eines bestimmten organischen Gebildes stets unter denselben, ganz bestimmten Bedingungs- verhältnissen auftritt; dass ferner in der Entwickelung eine Reilıe von Zuständen aufeinanderfolgen, die in dieser Auf- einanderfolge sich nolhwendig bedingen und keine Abände- rung, keine weitere willkürliche Wahl in derselben gestatten; dass endlich auch sowohl die Fortpflanzung, als die Ent- wickelung zu denjenigen Erscheinungen in der organischen Natur gehören, deren nothwendigste Bedingungsverhältnisse in den Organismen selbst zu suchen sind, während äussere Potenzen sie accidentell, wenn auch nothwendig, begleiten. Man kann über die Art und Weise, wie diese nothwendigen Bedingungsverhältnisse in der Fortpflanzung und Entwicke- lung sich geltend machen, im Zweifel sein, man kann auch rücksichtige, da Hr. Kölliker selbst wohl keine Ursache hat, mir vorzuwerfen, dass ich ihn nicht gründlich berücksichtige) u. dgl. Die mikroskopischen Forscher “werden beim Durchlesen dieses Aufsatzes sich überzeugen, dass ich auf eine solche wissenschaftliche Diskus- sionsweise nicht weiter eingehen kann. Kölliker geht so weit, dass er in Folge seiner schon öfters gerügten Flüchtigkeit dem Leser des Wiegmann’schen Archivs zu insinuiren sucht, ich hätte bei meinen Untersuchungen kein Kompressorium angewendet, während in meiner Abhandlung so alt vom Druck die Rede ist, dass Kölliker’s Be- haouptung unbegreiflich erscheinen muss! — Möchten die mikroskopi- schen Forscher recht bald Gelegenheit finden, die Zellenbildung um Inhaltsportionen während des Furchungsprozesses bei Strongylus auri- eularis zu verfolgen, 198 ganz unwesentliche Dinge zu wesentlichen erheben und so sich geirrt haben; dass aber die Fortpflanzung und Entwik- kelung an gesetzliche Bedingungsverhältnisse gebunden seien, dass die Natur hier, wie überall, zweckmässig und nothwen- dig zugleich wirke und keinerlei Wahl habe: darüber kann kein Zweifel aufkommen, das ist ein logisches Postulat. Gehen wir zur organischen Zelle über, so kann man sie für einen Organismus halten oder nicht. Im letzteren Falle kommt der organischen Zelle weder Foripflanzung, noch Entwickelung zu; die Veränderungen, die sie betreffen, wür- den dann nach Verhältnissen zu beurtheilen sein, wie sie auch ausser dem Bereiche des Organismus unter ähnlichen Umständen vorzufinden wären. Ist aber die Zelle ein Orga- nismus, dann pflanzt sie sich fort, sie ist mit ihren Bestand- theilen ein Entvwickelungsprodukt, und dann ist es ein logi- sches Postulat, dass sie nur auf ein und dieselbe wesent- liche Weise sich fortpflanzen und als Entwickelungsprodukt nur auf ein und dieselbe wesentliche Weise zu Stande kommen könne. Referent darf annehmen, dass Niemand der Zelle das Attribut als Organismus absprechen werde, und so folgt von selbst die Nothwendigkeit der Beachtung des logischen Postulats. Wenn man aber die Fortpflanzung der Zelle einmal von der Mutterzelle abhängig macht, und dann wieder auch nicht (exogene Zellenbildung. generatio aequivoca), wenn man sie hier von dem Mutterkern, dort von Mutter- zelleninhalt, ein anderes Mal von der Mutterzellenmembran beginnen lässt, oder wenn man den Anfang der Entwicke- lung der Zelle bald mit dem Kern, bald mit der Zellenmem- bran, und dann wieder mit dem Zelleninhalt geschehen lässt, auch wohl noch in der Aufeinanderfolge der zu entwickeln- den drei Bestandtheile wechselt und die Bildung des Brut- zellenkerns hier abhängig von dem Mutterzellenkern, dort unabhängig von demselben sein lässt, etc. ete.; und dieses Alles nicht etwa als Möglichkeiten, sondern sogar als be- stimmt zugleich neben einander existirend hinstellt: — dann glaubt Referent behaupten zu können, dass man die organi- sche Zelle zu einem Spielwerk gemacht habe, dass man ihre Fortpflanzung und Entwickelung nicht blos nicht im Ein- klange mit den sonst gemachten Erfahrungen über diese Pro- zesse, sondern namentlich gleichzeitig unter so wesentlich verschiedenen Bedingungsverhältnissen erfolgen lasse, wie sie als zugleich existirend gar nicht gedacht werden können, — dass man mit kurzen Worten gegen ein logisches Postulat gefehlt habe. Die ausführliche Besprechung dieses Gegenstandes findet ihre Rechtfertigung in den Arbeiten, die hierüber erschienen 199 sind; sie hat aber noch eine besondere Veranlassung. Wäh- rend nämlich R. Remak (diagnostische und pathologisch - ge- netische Untersuchungen. Berlin 1845. p. 99. u. 112.) dem Referenten darin beistimmt, dass die Zelle nur auf ein und dieselbe wesentliche Weise sich entwickeln könne, sehen wir Henle sich an die Spitze der entgegengesetzten Ansicht stellen (Canstatt und Eisenmann, Jahresb, 1846. p 17.), gegen die bezeichnete logische Forderung sich hinter Kartof- feln zurückziehen und dem Referenten den guten Rath geben, „es mit diesen zu versuchen, die aus Saamen und Knollen keimen, oder bei den Naiden, die durch Eier und durch Thei- lung sich fortpflanzen.‘*“ Aus dieser verschiedenen Fort- pflanzung soll sich dann, meint der Verfasser, ergeben, dass ein nnd dasselbe Entwickelungsprodukt auf verschiedene Weise sich entwickele. Des Referenten Rathgeber hat hier zunächst Fortpflanzung und Entwickelung, zwei sehr verschiedene Prozesse, mit einander verwechselt, und, da der Angriff gegen einen Ausspruch in Betreff der Entwickelung gerichtet ist, so schlägt er offenbar fehl, da der Verfasser nur von verschiedenen Fortpflanzungsnormen spricht. Ueber- dies ist wohl Niemandem bekannt. dass die Entwickelung der Organismen bei diesen verschiedenen Fortpflanzungswei- sen ihrer, wie wir sogleich sehen werden, verschiedenen Zustände in den Zeitabschnitten, wo ein Vergleich angestellt werden kann, in einer wesentlich verschiedenen Weise bis zur Reife vorwärts schreite, Die Knolle einer Kartoflelpflanze entwickelt sich durch Blätterzustände ganz in derselben Weise bis zur Blüthe, wie es das befruchtete Ovulum thut, nach- dem es den Blattzustand erreicht hat. Dasselbe findet Statt, wo neben geschlechtlicher Fortpflanzung andere Vermehrungs- weisen, künstlich angeregte oder matürliche, in noch nicht reifen Zuständen der Geschöpfe angetroffen werden; die Na- tur zeigt überall ihre gesetzliche, nothwendige Konsequenz, Henle's guter Rath enthält aber ein Moment, das gegen die oben auseinandergesetzte logische Forderung zu sprechen scheint; wir sehen nämlich Organismen auf verschiedene Weise sich fortpflanzen, Bei diesem Widerspruch würde Referent, der nun einmal von der gesetzlichen Nothwendig- keit in der Natur überzeugt ist, folgern, dass die scheinbar verschiedenen Fortpflanzungs weisen entweder wesentlich nicht verschieden sind, und den Nachweis darüber als Forderung an die Wissenschaft stellen; oder dass dieselben, wenn sie wirklich wesentlich verschieden genannt zu werden verdie- nen, in den verschiedenen Verhältnissen der Organismen be- Bee: liegen. Dass das letztere nun wirklich der Fall ist, as beweisen Steenstrup's neueste und höchst wichtige 200 Entdeckungen in der Generationslehre, auf welche Henle, wie es scheint, keine Rücksicht nehmen zu dürfen glaubt. Aus den Beobachtungen über den Generationswechsel geht hervor, dass die organischen Geschöpfe nicht allein auf der Höhe ihrer Entwickelung und Ausbildung, in dem Zustande der Reife, der Blüthe, sich zu vermehren und fortzupflanzen befähigt sind, und zwar in diesem Zustande jedes Mal ge- schlechtlich, durch Eier und Saamen; sondern dass sie auch auf niederen Entwickelungsstufen, in Zuständen, wo die Be- standtheile noch weniger differenzirt sind, sich vermehren und fortpflanzen können, und zwar dann jedes Mal nicht geschlechtlich, vielmehr durch Knospen- und Sprossenbildung oder durch Theilung, Was bei vielen niederen Thieren und Pflanzen normal vorkommt, findet sich in den Doppelbildun- gen höherer Geschöpfe pathologisch wieder. Die geschlecht- liche Fortpflanzung und die Fortpflanzung durch Theilung, Sprossenbildung ete. sind sehr verschiedene Fortpflanzungs- weisen, aber die organischen Zustände, in welchen sie vor- kommen, obschon sie der Lebensperiode eines und desselben Geschöpfes angehören, sind auch auffallend genug verschie- den. Also auch hier bewährt sich die logische Forderung, die wir an die Natur, oder vielmehr diese an uns macht. Sie würde sich nicht bewähren, wenn derjenige Theil der reifen Kartoffelpflanze in der Blüthe, von welchem die ge- schlechtliche Fortpflanzung abhängt, statt durch Saamen und Eier, durch Kartoffeln sich fortpflanzen würde. Im weiteren Verfolge des Berichtes haben wir nun der Arbeiten zu gedenken, welche sich zur Aufgabe gemacht ha- ben, allgemeine gesetzliche Verhältnisse hinsichtlich der spe- zifischen und histologischen Differenzirungen der organischen Zelle zu erörtern. Nägeli (a. a. ©. Heft 2. p. 18 seqq.) und Kölliker (a. a. ©. p. 101.) haben die spezifischen Unterschiede der pflanzlichen und thierischen Zelle besprochen. Nägeli macht mit Recht zunächst darauf aufmerksam, dass dieser spezifi- sche Unterschied nicht etwa blos diese oder jene, bei eini- gen Thieren oder Pflanzen vorkommende Eigenthümlichkeit betreffen müsse, sondern das durchgreifende Moment in der ganzen Wachsthumsgeschichte, oder — um nach des Refe- renten Ansicht den zweideutigen Ausdruck ‚ Wachsthum “ zu vermeiden — in der gesetzlichen Aufeinanderfolge der Veränderungen, welche die Pflanzen- und Thierzellen bei ihren spezifischen Differenzirungen nach Form und Mischung durchlaufen, darstellen müsse. Hier findet nun Nägeli, dass in dem Inhalte der Pflanzenzelle, wenn sie jung ist, wahr- scheinlich nie Gummi fehle, aus welchem, wie es scheint, 201 die Zellenmembran sich bilde, und dass das Amylum zu ir- gend einer Zeit, mit Ausnahme der Pilze, in grösserer oder geringerer Menge vorkomme. Die zwei„Stoffe fehlen der thierischen Zelle gänzlich, so ,‚wie überhaspt alle dieje- nigen, welche aus ‚„C, ,.„H,,0© mit mehr oder weniger Wasser zusammengesetzt sind, mit Ausnahme des Zuckers.“ Auch das Chlorophyll ist wegen seiner grossen Ausbreitung im Pflanzenreich hervorzuheben. Aus diesen, wie man sieht, vorläufig sehr geringen, nicht einmal durchgreifenden und auch nicht überall sicher konstatirten Datis konstruirt der Verfasser den Begriff der Pflanzenzelle in Uebereinstimmung mit seiner schon früher besprochenen Ansicht so: eine indi- viduelle Partie organischer Substanzen, welche als nothwen- dige Elemente ternäre (,,C, ‚„H;,,O + Ay) und quaternäre (C, H, © und N) Stoffe enthalten, und die einen Kern ein- schliesst, bekleidet sich mit einer aus ‚„C,,,H;,0-+Ay ge- bildeten Membran. Für die thierische Zelle sei es wahr- scheinlich, dass das Eiweiss, eine quaternäre Substanz, welche bei den Pflanzen nur als Inhalt angetroffen war, zur Bildung der Zellenmembran verwendet würde. — Kölliker hebt als unterscheidenden Charakter der thierischen Zelle von der pflanzlichen hervor, dass die Zellenmembran thieri- scher Zellen aus quaternären Stoffen bestehe und kontraktil sei (eine sehr beschränkt vorkommende Erscheinung), wäh- rend die Fähigkeit, sich zu kontrahiren, der pflanzlichen Zel- lenmembran abgehe (die Spiralfäden der Flechten- etc. Ref.). Die Untersuchungen des Dr. Schmidt, welche später von Löwig und Kölliker gleichfalls bestätigend wiederholt wurden, haben dargethan, dass auch bei Thieren die Zellen- membran häufig genug aus ternären Stoffen bestehe. Man darf die Bestrebungen der beiden Forscher anerkennen, muss aber auch zugleich hervorheben, dass die herbeigezo- genen Data, abgesehen davon, ob sie richtig sind und ob sie überall vorzufinden sind, in der That noch zu geringe, be- achtungswerthe Momente darbieten. Als Vorbereitung zur Lösung einer so schwierigen Auf- gabe, wie die so eben besprochene, kann hinsichtlich der morphologischen Verhältnisse eine Arbeit betrachtet werden, die von dem Referenten selbst ausgegangen ist: „Bemerkun- gen zur vergleichenden Naturforschung im Allgemeinen, und vergleichende Beobachtungen über das Bindegewebe und die verwandten Gebilde. Dorpat 1845.“ Die Ergebnisse dieser Forschungen, so weit sie das Bindegewebe selbst und die verwandten Gebilde betreffen, werden später besprochen werden. Hier aber mag dem Referenten gestaltet sein, des Prinzips zu gedenken, auf welches er durch seine Unter- 202 suchungen über die angeführten histologischen Gebilde ge- leitet wurde, eines Prinzips, dessen Anwendung, wie er glaubt, von ihm zum ersten Male konsequent und den That- sachen entspnechend auf dem histologischen Gebiete versucht wurde, und dessen Aus- und Durchführung nach seiner Ueber- zeugung hier in einer kaum vermutheten Weise möglich ge- wesen. Bereits in dem Berichte über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie des vorigen Jahres hat Referent in einer Anmerkung die Anwendung desselben Prinzips auch für eine zweite Abtheilung von Geweben des thierischen Körpers, für die sogenannten Epithelialgebilde, in allgemei- nen Umrissen dargelegt, und die Naturforscher werden in Kurzem durch die Inaugural-Dissertation des Dr. Jäsche erfreut werden, in welcher der letztere Gegenstand, durch Zeichnungen erläutert, eine ausführliche Behandlung, nament- lich mit Berücksichtigung der Gefässwandungen, erfahren hat. Das so eben angedeutete Prinzip ist kein anderes, als das der vergleichenden Naturforschung überhaupt, wie es schon seit Jahren die Bestrebungen der vergleichenden Ana- tomen geleitet hat. Wenn aber die vergleichenden Anato- men zum grössten Theil vielmehr gedrängt durch die in der organischen Natur überallhin so deutlich ausgesprochenen Thatsachen im Sinne der vergleichenden Naturforschung die Erscheinungen auffassten und entsprechend zusammenstellten; so war es jetzt auf dem Fundamente, welches die Entdek- kung der elementaren organischen Zelle uns liefert, so wie durch die ausserordentlich einfache Offenbarung des Prinzips der vergleichenden Naturforschung in dem Bindegewebe und seinen verwandten Gebilden möglich geworden, die Grund- verhältnisse desselben, wie Referent glaubt, genauer zu er- örtern und gesetzlich näher zu bezeichnen. Diesen Versuch unternimmt der Verfasser in der Ein- leitung der bezeichneten Schrift. Hier wird zunächst darauf aufmerksam gemacht, dass die Bestrebungen des vergleichen- den Naturforschers, die Einzelnheiten in der organischen Na- tur stets mit Hinzuziehung und nothwendiger Berücksichti- gung anderer daneben stehender organischer Einzelnheiten aufzufassen und gesetzlich zu bestimmen, nicht etwa, wie bei den Einzelnheiten in der unorganischen Natur, auf einer beliebig und willkürlich aufzunehmenden, übereinstimmenden Eigenschaft, sondern auf einem inneren, nothwendigen, die verschiedenen organischen Körper ihrem ganzen Wesen nach aneinanderkettenden (genetischen) Zusammenhange beruhen. Diesen inneren und nothwendigen Zusammenhang der oft so auffallend verschiedenen organischen Zustände unterein- ander seinem wesentlichen Charakter nach genauer kennen 203 zu lernen, war für den Verfasser nächste Aufgabe. Um ei- nen Maassstab für die Lösung derselben zu gewinnen, wurde mit Beziehung hierauf eine Analyse der Entwickelung des einzelnen organischen Geschöpfes ohne oder mit dem Gene- rationswechsel unternommen, als des einzigen zweiten Bei- spieles in der gesammten Natur, wo, unabhängig von äusse- ren Potenzen, verschiedene organische Zustände auf ähnliche Weise und unter mehr günstigen Verhältnissen für die Be- obachtung durch einen inneren, nothwendigen Zusammen- hang untereinander zusammengehalien werden. Aus dieser Untersuchung ergab sich, dass in der Entwickelung des ein- zelnen Geschöpfes eine Reihe verschiedener Zustände vor- liege, in welchen auf einer übereinstimmenden Grundlage (die organische Zelle) in noihwendiger Aufeinanderfolge eine fortlaufende Steigerung des Verschiedenseins der Glieder un- tereinander und eine entsprechende Abnahme des Gleichar- tigen in der Reihenfolge der Zustände von Anfang bis zu Ende, wie in jedem einzelnen Zustande gegenüber der ge- meinschaftlichen Grundlage, gegeben sei; dass mit anderen Worten die Reihe von Entwickelungszuständen eine Diffe- renzirungsreihe darstelle. Sodann wird gezeigt, dass die or- ganischen Geschöpfe, als sich selbst fortpflanzende Species, in ihrem Nebeneinandersein in der That, wie es schon von vielen Seiten her anerkannt worden, eine solche Entwicke- lungs- oder Differenzirungsreihe bilden, und dass dieses Grundverhältniss es sei, welches den inneren, nothwendigen Zusammenhang derselben untereinander begründe. Diese Entwickelungsreibe erhebe sich gleichfalls auf einer gemein- schaftlichen Grundlage, der organischen Zelle, und schreite dann vorwärts bis zu dem Aufbau des höchsten zusammen- eselzten Zellen-Organismus, und so entstehe die allgemeine chöpfungsreihe. In derselben jedoch nehme die Natur die einzelnen Stufen und die ihnen entsprechenden Verhältnisse zur gemeinschaftlichen Grundlage für neue Entwickelungs- reihen auf, und so entstehen in der allgemeinen Entwicke- lungsreihe spezielle, wie auf der Wirbelthierstufe die Reihe der einzeluen grösseren Abtheilungen derselben; ein Um- stand, der sich übrigens auch in der Entwickelungsreihe des einzelnen Geschöpfes wiederholt. Beide Entwicke- lungsreihen bieten indessen für den vergleichenden Naturfor- scher einen beachtungswerthen Unterschied dar. In der Entwickelungsreihe des einzelnen organischen Geschöpfes liegen die verschiedenen Zustände in einem kontinuirli- chen Verbande vor uns, zusammengehalten durch das, durch alle Zustände hindurchgreifende neue individuelle Gepräge der sich selbst fortpflanzenden und entwickelnden Species. 204 In der allgemeinen und speziellen Schöpfungsreihe macht sich ein fremdartiges Element neben der Differenzirung gel- tend. Die einzelnen Zustände sind durch das Auftreten der sich selbst fortpflanzenden und entwickelnden Arten unab- hängig gemacht; jeder Zustand hat hier neben dem allgemei- nen und speziellen Gepräge sein ihm eigenthümliches, indi- viduelles Gepräge erhalten; auf jeder Stufe der allgemeinen und speziellen Entwickelungsreihe erhebt sich sogar eine mehr oder weniger grosse Zahl sich selbstständig fortpflan- zender und entwickelnder Spezies, das Grundverhältniss der entsprechenden Stufe zu den verschiedensten, individuellen Ausprägungen gleichsam benutzend. (Unterbrochene Diffe- renzirungsreihe.) Nach dieser Auseinandersetzung wurde ge- folgert, dass die Auffassung, Beurtheilung und Bestimmung der einzelnen organischen Geschöpfe nach ihren verschie- denen Beziehungen hin nur im Sinne des ursprünglichen ge- netischen Zusammenhangs mit Abzug und Berücksichtigung der individuellen Ausprägungen jedes Einzelnen geschehen müsse, und dass dieses aber die Aufgabe des vergleichenden Naturforschers sei. Hinzugefügt ist dann der Weg, auf wel- chem man sich am sichersten seinem Ziele zu nähern im Stande sei. Mit den organischen Geschöpfen, so fährt der Verfasser fort, müssen in nothwendiger Konsequenz auch die nächsten, näheren und entfernteren (histologischen) organischen Form- bestandtheile derselben nicht isolirt nebeneinander, wie die unorganischen Dinge, sondern in einem inneren genetischen Verbande zueinander stehen. Die dahin gehörenden Einzeln- heiten treten jedoch nicht blos in verschiedenen einzelnen Geschöpfen auf, sondern können auch in einem einzigen Or- ganismus gegeben sein. Für die Organe oder Systeme, als nächste und nähere Bestandtheile des Organismus, hat die Wissenschaft schon viele treflliche, im Sinne der vergleichen- den Naturforschung unternommene Arbeiten aufzuweisen. Nur die histologischen Formbestandtheile sind, wie es der Gang des allmähligen Fortschrittes der Wissenschaft erfor- derte, am wenigsten in dieser Weise behandelt. Wo man bisher in dieser Richtung angestrebt hat, geschah es noch zu früh; auch war man sich der Aufgabe nicht ganz klar bewusst. In wie weit es möglich sein werde, dereinst alle Gewebe in eine gemeinschaftliche Differenzirungsreihe unter- zubringen, und wie sich dieselbe zu der allgemeinen und speziellen Schöpfungsreihe verhalten werde, dieses zu über- sehen oder auch nur anzudeuten, vermag der gegenwärtige Stand der Wissenschaft nicht. Wie aber in dem Nebenein- andersein der organischen Geschöpfe die kleineren verwandt- SS 205 schaftlichen Abtheilungen, wie sie in den speziellen Ent wik- kelungsreihen (Wirbelthiere) gegeben sind, zunächst sich markiren und auch zuerst in der vergleichenden Naturfor- schung zu beachten sind, so war bereits nach den vorhan- denen Thatsachen zu vermuthen, dass auch unter den histo- logischen Formbestandtheilen solche kleinere, spezielle ver- wandtschaftliche Kreise vorliegen: und diese sind es, welche auch zunächst die Aufmerksamkeit des vergleichenden Histo- logen für die Zukunft iu Anspruch nehmen werden. In die- sen verwandtschaftlichen Kreisen treten die Einzelnheiten ebenso, wie in dem Nebeneinandersein der organischen Ge- schöpfe, mit individuellem Gepräge auf, und die Verwandt- schaft selbst wird nur durch eine histologische Differenzi- rungsreihe begründet, deren Glieder die Grundlagen bilden, an welchen die speziell verwandten, verschiedenen Gewebe ihre individuellen Ausprägungen gleichsam geltend machen. Daher wird es die nächste Aufgabe des vergleichenden Hi- stologen sein, die einzelnen Gewebe, welche zu einem sol- chen verwandtschaftlichen Kreise gehören, in einzelnen Or- ganismen, wie in den organischen Geschöpfen überhaupt aufzusuchen, durch genaues Studium ihrer Beschaffenheit, 80 wie ihrer Entwickelung das histologisch-genetische Dif- ferenzirungsgesetz zu begründen, jedem einzelnen Gewebe in’ dieser histologischen Differenzirungsreihe seine Stelle zu sichern, und die Art und Weise, wie die individuellen Aus- prägungen an jedem Gliede der Reihe in den Einzelnheiten sich geltend machen, zu bestimmen. Hierbei hat man wohl zu beachten, dass der den verwandten Einzelnheiten zum Grunde liegende, übereinstimmende Typus nicht eine be- stimmte, stereoiype Form bedinge, die sich in allen Einzeln- heiten wiederholen müsse, sondern, dass der histologische Typus im Sinne eines Differenzirungsgesetzes auftrete, in weichen die verwandten Einzelnheiten oft auffallend ver- schiedene Formen haben können, wie sie grade in der typi- schen Entwickelungsreihe liegen. Sodann glaubt Referent darauf hinweisen zu müssen, dass die individuellen Ausprä- gungen an den einzelnen Geweben der Erscheinung nach oft auffallender sind, als die typischen Grundlagen, dass fer- ner diese individuellen Ausprägungen bei Geweben, die ganz verschiedenen histologischen Differenzirungsreihen angehören, sich gleichen, und ebenso in Geweben eines und desselben genetischen Typus auffallend von einander abweichen kön- nen. Daher die Scheidung dessen, was dem individuellen Gepräge, von dem, was der typischen Grundlage angehört, von der äussersten Wichtigkeit ist, wofern man nicht die willkürlichsten Naluäishhaften bilden und künstliche Tren- 206 nungen veranstalten will. Endlich wäre noch auf das von dem Verfasser hervorgehobene ‚Gesetz der Kontinuität‘ aufmerksam zu machen. Da es nämlich für die Ausführung der Aufgabe des vergleichenden Histologen von ganz beson- derer Wichtigkeit ist, die zu einem verwandtschaftlichen Kreise gehörenden einzelnen Gewebe aufzusuchen und zu kennen, so werden die Fälle, wo in einem Organismus zwei scheinbar verschiedene Gewebe an den Berührungsstellen kontinuirlich ineinander übergehen, d.h. das eine in das an- dere Gewebe sich verwandelt, vollkommen gesicherte Grund- lagen liefern, die verwandten Gebilde festzustellen, selbst wenn uns auch das histologische Differenzirungsgesetz noch nicht bekannt wäre. Das Gesetz der Kontinwität sagt also aus, dass alle Gewebe, die an ihren Berührungsstellen im Organismus kontinuirlich ineinander übergehen, mögen sie auch noch so auffallend von einander abweich n, nothwen- dig als verwandte Gebilde anzusehen seien. — Wenn Refe- rent von dem Einflusse, den seine Untersuchungen über das Bindegewebe und die verwandten Gebilde auf ihn selbst ge- habt haben, auf einen ähnlichen bei anderen Forschern schliessen darf, so wird man sich, wie ich hoffe, überzeu- gen, dass das Studium der vergleichenden Histologie nicht allein unsere Kenntnisse der Gewebe im Allgemeinen und in Betreff der Einzelnheiten ausserordentlich fördert, son- dern auch die Grundverhältnisse, auf welchen sich die vergleichende Naturforschung überhaupt bewegt, namentlich die richtige Würdigung und Auffassung dessen, was bei ei- nem jeden einzelnen organischen Dinge als individuelles Ge- präge, und was als typische Differenzirungsgrundlage zu be- trachten sei, in einer so klaren Weise veranschaulicht, wie es unter sonstigen komplizirteren Verhältnissen, nach des Referenten Erfahrungen wenigstens, wohl schwerlich möchte geschehen können. F Einen Gegenstand von allgemeinem Interesse für die Histologie, nämlich die numerische Entwickelung der Form- elemente, hat Harting zu seinen Untersuchungen gewählt. (Rech. mierom. s. 1. devel. d. part. element. d. 1 tige annuelle d, plant. dicotyled. Annal. d. science. nat. T. IV. p. 210—79.; und Recherch. micrometrig. s. 1 develop. des tissus et des organ. du corps humain etc. Utrecht 1845. 4to.) Der Ver- fasser erwähnt, dass die Veränderungen, welche sich in den organisirten Körpern während der Entwickelung zeigen, eine dreifache Beziehung haben können. Sie beziehen sich theils auf die chemischen, theils auf die morphologischen und end- lich auf die Zahl- und Grössen - Verhältnisse, d. h. auf die numerische Entwickelung. Die letztere ist es, die Harting’s 207 Aufmerksamkeit besonders in Anspruch genommen. Für die Pflanzen glaubt der Verfasser nach genauen Messungen und Zählungen der Formelemente während der verschiedenen Stadien der Entwickelung annehmen zu dürfen, dass in allen Internodien eines Jahrestriebes, sobald sie den Knospenzu- stand überschritten hätten, die Anzahl der Zellen. welche in der Richtung des Radius wahrzunehmen sei, sich nicht ver- mehren, sondern dass die Vergrösserung und das Wachsthum des Blattes in die Breite von der Erweiterung der Zellen- höhle und von der Verdickung der Zellenwandungen ab- hange. Mohl hat neuerdings sich gegen die Richtigkeit die- ser Beobachtung ausgesprochen. — In Betreff der mensch- lichen histologischen Formelemente werden zunächst zwei Klassen unterschieden. Zu der ersteren gehören diejenigen, welche von dem Moment ihres ersten Erscheinens bis zum erwachsenen Zustande des Menschen ihren Durchmesser gar nicht oder doch nur sehr wenig verändern. Die Vergrösse- rung dieser Gewebe, ihrer Masse nach, könne daher nur in der Vermehrung der schon vorhandenen Formelemente der Zahl nach bestehen. Dahin sind zu rechnen: die Zellen der verschiedenen Epithelien, die Fibrillen des Binde- und Seh- nengewebes (! Ref.), die Fibrillen der willkürlichen, quer- gestreiften Muskeln, die Knochenkörperchen, Blutkörperchen. In der zweiten Klasse finden sich Formelemente, welche ihren Durchmesser bis zur vollkommenen Ausbildung des Organes stets vergrössern. Die Vermehrung der Zahl der- selben finde sich nur während des Fötuslebens; nach der Geburt scheint die Zunahme des Organes an Volumen von der Vergrösserung der Formelemente abhängig zu sein. Hier- her gehören: die Pigmentzellen der Choroidea, die Zellen des Fettes und der Leber, die primitiven Muskelbündel will- kürlicher Muskeln und die glatten Fasern der unwillkürlichen, die primitive Nervenfaser, die Knorpelkörperchen, die fein- sten Nierenkanälchen, die Malpighi’schen Körperchen der Nieren, wahrscheinlich auch die elastischen Fasern und Gan- ienkugeln. Die Fasern der Krystalllinse gehören während es fötalen Lebens zur zweiten, nach der Geburt zur ersten Klasse. Einige Formelemente scheinen nach der Geburt sich an Zahl zu verringern, durch sekundäre Verschmelzungen, so die primitiven Muskelbündel (für diese Ansicht sprechen auch die Untersuchungen des Dr. Holst und des Referenten), desgleichen die Knorpelkörperchen (?). — Für die Zunahme des Volumens eines Organes lassen sich demnach in Betreff der zweiten Klasse der Gewebe drei Perioden unterscheiden: in der ersten wird sie allein durch die Multiplikation, in der zweiten durch Multiplikation und Wachsthum, und in der 208 dritten, und zwar nach der Geburt, allein durch Vergrösse- rung derjenigen Formelemente bewirkt, welche das betref- fende Organ zusammensetzen. Das Unternehmen Harting’s ist für die Histologie von grossem Werthe, auch sind die Messungen mit grosser Umsicht und Genauigkeit angestellt; leichwohl werden die Resultate in Zukunft noch hin und wieder Abänderungen erleiden müssen, da man über das, was zu messen ist, namentlich während des fötalen Lebens, noch einige Bedenken hegen muss. Um ein Beispiel zu haben, wie der Verfasser seine Auf- gabe durchführt, mögen hier die Untersuchungen in Betreff der Epidermis Platz nehmen. Es wurden zu den folgenden Messungen und Berechnungen diejenigen Zellen gewählt, welche in der äussersten Schicht der Fusssohle vorkommen, da dieselben hier mehr, als an anderen Orten, ihre primitive Form bei Erwachsenen beibehalten. Aus 15—20 Messungen ergaben sich als mittlere Maasse: Fötus Neugeb. Emmaches Frau ann .für die Länge des Körpers 133 480 1845 1664 Mm. für den Längsdurchmesser der, Zellen 1:3... - 33,2 35,9 40,9 384 - für den Querdurchmesser z derselben ....... 20 26,3 Aa 2b. - Die Form der Epidermiszellen als ein verlängertes Sechseck angenommen, dessen Winkel 120° betragen, so ergiebt sich: Fötns Neugeb. Mann Weib für den Flächeninhalt ei- ner jeden Zelle... 548 742 922 815 Mm. für die Anzahl von Zellen auf ein Millim.Q... 1825 1350 1086 1224 Daraus wird gelolgert: 1) Dass die Grösse der Zellen während der letzten fünf bis sechs Monate des Fötuslebens nur wenig und nach der Geburt bis zur Reife fast gar nicht zunehme. 2%). Das Wachsthum der Epidermis muss demnach fast ausschliesslich durch Vermehrung der Zahl der Zellen ge- schehen. Denn angenommen, dass die Oberfläche der Epi- dermis in den verschiedenen Individuen sich zu einander wie die Quadrate der Körperlängen verhalten, so steht die Ober- fläche des Fötus zu der des Neugebornen im Verhältniss wie 1:13,3, und die des letzteren zu der des Erwachsenen wie 1:10,9, während die Oberfläche des Fötus zu der des Er- wachsenen wie 1:145 sich verhält. Nun findet man das Verhältniss des Flächeninhalts der Zellen des Fötus und des Neugebornen wie 1:1,35, der Zellen des Neugebornen und 209 des Erwachsenen wie 1:1,17, der Zellen des Fötus und des Erwachsenen wie 1:1,58. Daraus ergiebt sich, dass in der Periode, während welcher die Körperoberfläche sich 145 Mal vergrössert, der Flächeninhalt einer jeden Zelle etwa ‘um die Hälfte des ursprünglichen Umfangs zunimmt, und dass die Vergrösserung der Epidermis durch das Wachsihum der Zellen zu jener durch Vermehrung der Zellen sich wie 1.58:145 oder wie 1,92 verhalte. Wenn man die Körper- oberfläche eines Erwachsenen auf 0,75 Quadratmeter berech- net, so findet man nach den angegebenen Verhältnissen, dass die Anzahl der oberflächlichen Epidermiszellen für den Er- wachsenen 825,000000, für das neugeborne Kind 93,000000, für den Fötus 9,500000 betrage. 3) Das Verhältniss des Längsdurchmessers der Zellen zum Querdurchmesser ist beim Fötus wie 1:1,66, beim Neu- gebornen wie 1:1,37, beim Erwachsenen wie 1:1,45. Dar- aus scheint hervorzugehen, dass die Form der Zellen wäh- rend der Entwickelung der Epidermis sich etwas verändere, dass die Zellen namentlich im Fötusalter ein wenig läng- licher seien (? Ref.). Referent kann nieht umhin, die Leser des Archivs hier zugleich auf die wichtigen Untersuchungen Carl Nägeli’s aufmerksam zu machen. (Wachsthumsgeschichte von Deles- seria Hypoglossum und der Laub- und Lebermoose. Zeit- schrift für wissenschaftliche Botanik. 1845. p. 121 — 197.) Der Verfasser gelangte durch Beobachtungen über die Ent- wicekelung von Delesseria Hypoglossum, so wie mehrerer Laub- und Lebermoose zu überraschenden und wichtigen Gesetzlichkeiten, die sich in dem Verhalten der Zellenbildung zu der Bildung und dem Wachsthum des Laubes und der Blätter dieser Pflanzen offenbaren. Das Wachsthum des Laubes von Hypoglossum beginnt mit einer Sporenzelle, die als erste Zelle einer Laubaxe mit dem Namen „‚primäre Zelle‘ bezeichnet wird. Diese primäre Zelle producirt zwei un- gleich grosse Tochterzellen durch Zellenbildung um Inhalts- portionen auf die Weise, dass die Scheidewand oder Tren- nungslinie beider Tochterzellen horizontal liegt. Die grös- sere obere Tochterzelle heisst die sogenannte Spitzen - Zelle, die immer an der Spitze des Laubes in der Richtung ihrer Axe vorgefunden wird, und, so oft sich auch die Generatio- nen rt hinsichtlich der Art, wie die Scheidewand der Brutzellen auftritt, desgleichen hinsichtlich der Ausdeh- nung ganz #0, wie die Sporenzelle sich verhält. Die Spiz- zenzellen sind demnach gleichfalls primäre Zellen und wer- den entsprechend den aufeinanderfolgenden Generationen pro- dueirt. Die erste Spitzenzelle ist primäre Zelle des ersten Müller's Archiv. 1816. 0 210 Grades u. s. w., so dass also hinsichtlich der Zellenbildung die primäre Zelle des nten Grades die primäre des n + 1sten Grades erzeugt. Die untere Tochterzelle der Sporenzelle da- gegen, so wie aller späteren primären Zellen geht einen an- deren Weg. In derselben werden zwei wiederum ungleich grosse Tochterzellen produeirt, deren Scheidewand schief von oben und innen nach unten und aussen gerichtet ist; sie heisst die sekundäre Zelle. . Eine primäre Zelle erzeugt also die primäre Zelle des nächstfolgenden Grades und eine sekundäre Zelle, die eine Generation oder einen’ Grad zu- rücksteht. Die allgemeinste Formel für dieses Verhältniss ist: U = mr „II. In dieser Formel nimmt n nach ein- ander die Werthe 1,2....co an, da das Wachsthum, wie es scheint, unbegrenzt ist. In den sekundären Zellen, aus welchen durch Zellenbildung je ein Glied der Laubaxe her- vorgeht, haben die Tochterzellen wiederum nicht gleiche Be- deutung. Die grössere nämlich ist allein in ihrem Verhalten der Mutterzelle gleich und heisst sekundäre Zelle des ersten Grades (der ersten Generation IT); die kleinere dagegen er- zeugt Tochterzellen, deren Scheidewand parallel der Blatt- fläche liegt; sie heisst tertiäre Zelle. Die allgemeine Formel für dieses Verhältniss ist demnach II" = m „Il, won jedoch blos die Werthe von 1..4 annehmen kann. Auch in den tertiären Zellen verhält sich die eine, wie die Mut- terzelle, während die andere (quartäre Zelle) von Neuem durch die abweichende Lage der Scheidenwand der in ihr sich bildenden Tochterzellen eine verschiedene Bedeutung zu erkennen giebt. Selbst die quartären Zellen haben unter ihren Tochterzellen solche, die mit der Mutterzelle in der Zellen- bildung um Inhaltsportionen übereinstimmen, und andere, een die davon abweichen, aber in der Folge meist sich als Dauerzellen erweisen. Die beiden allgemeinen Formeln für +1 die zuletzt erwähnten Verhältnisse sind: IM" = IM + „IV und IV" = IV" *® nV, wo n eine zwar unbestimmte, aber doch begrenzte Zahl andeutet, da dieses Wachsthum begrenzt ist. Nach diesen vier Formeln wächst das Laub von Hy- poglossum, ohne Ausnahmen zu erlauben, doch käme es vor, dass eine quartäre Zelle zu einer tertiären würde (! Ref.). Referent glaubt das Wesentlichste aus den Untersuchungen Nägeli’s hervorgehoben haben, so zwar, dass man zugleich den Gang seiner Forschungen übersieht. Man überzeugt sich zunächst von dem wichtigen Resultate, dass schon während der Zellenbildung um Inhaltsportionen Erscheinungen auftre- ten, welche auf die spezifisch verschiedene Natur der Schwe- 2 211 sterzellen hindeuten. Eine ähnliche Erfahrung hat Referent bei seinen Untersuchungen über den Furchungsprozess der Eier von Strongylus aurieularis gemacht und auch gleichfalls ausgesprochen, dass von den beiden, in den ersten Furchungs- kugelzellen sich bildenden Tochterzellen schon während der Entstehung sich Erscheinungen darbieten, welche mit der später deutlicher hervortretenden, verschiedenen Natur der- selben in Verbidung stehen. Der Verfasser weiset ferner noch besonders darauf hin, dass für die Bildung und Ent- wickelung des Laubes und Blattes der bezeichneten Pflanzen hinsichtlich der besprochenen Verhältnisse mathematische Bestimmungen sich finden lassen. Bei der Beschreibung die- ser gesetzlichen Verhältnisse während des Wachsthums des Moosblattes gedenkt Nägeli auch des zweiten Moments in dem Wachsthum des Blattes, nämlich ‚der Ausdehnung‘ der bereits gebildeten Zellen. Unter „Ausdehnung der Zellen“ hat man, wie sich aus den Mittheilungen ergiebt, nicht allein die einfache Vergrösserung, sondern auch die damit verbun- dene histologische Differenzirung sich zu denken. Hierbei bemerkt der Verfasser, dass die Zellenausdehnung eine um- gekehrte Richtung, wie die Zellenbildung, zeige. Die letztere ist in Rücksicht auf die Stammaxe centrifugal. Die Zellen- ausdehnung dagegen beginne an der Spitze und schreite nach der Basis hin fort; sie ist in der Richtung zur Stammaxe centripetal. Zuerst dehnen sich die obersten Zellen aus und bilden ihren Inhalt um; und diese Metamorphose rücke von Zelle zu Zelle nach dem Grunde des Blattes hin vorwärts. Zum Schlusse dieses allgemeinen Theiles des Berichtes kommt Referent noch auf das von Vogel (a. a. O. p. 88.) sogenannte Gesetz ‚‚der analogen Bildung“ zurück. Jene Bebaniite Eigenschaft der Organismen, einzelne elementare Formbestandtheile, ja wohl ganze Glieder und Körpertheile durch Regeneration zu ersetzen, bewährt sich auch unter mehr abnormen Verhältnissen in pathologischen Neubildun- en. Bei pathologischen IHypertrophieen, bei den Narbenbil- Ey etc. äussern die umliegenden Gewebe auf die histo- logische Ausbildung neugebildeter Zellen ihren Einfluss. Diese Erscheinung bei den pathologischen Neubildungen wird von Vogei mit dem „Gesetz, der analogen 5Bildung‘‘ benannt. In dem Berichte des vorigen Jahres hatte Referent die von Bruch hinsichtlich der sternförmigen Pigmentzellen nicht passend unternommene Anwendung dieses Gesetzes bespro- chen. Nach der Recension Vogel’s über die Schrift des Dr. Bruch musste Referent glauben, dass Vogel diesem Gesetz der analogen Bildung noch eine Be) jedenfalls 212 zu verwerfende Bedeutung gebe. Hiernach sind die damali- gen Worte des Referenten zu deuten. Epithelial - Gebilde. Hinsichtlich der Verbreitung des Flimmer-Epithe- liums in den Organen und Systemen des thierischen Kör- pers sind theils erweiternde, theils beschränkende Beobach- tungen gemacht worden. Bei einem Menschen, der zwölf Stunden nach dem durch Selbstmord erfolgten Tode unier- sucht wurde, fand Günther an den durch ihre spitzen Fortsetzungen an der Anheftungstelle ausgezeichneten Zellen der Plexus choroidei einzelne Flimmerhärchen, die ausserdem auch frei schwimmend angetroffen wurden. (Lehrbuch der allgem. Physiologie. Bd. I. p. 275.) Die Zellen sollen äus- serst zart sein, durch Wasser leicht zerstört werden und ihre Cilien leicht verlieren. — Das Vorkommen flimmernder Zellen in den Harnkanälchen ist von mehreren Seiten be- slätigt worden. J. Müller sah Wimperbewegung über grosse Strecken der Harnkanälchen und durch viele fortge- setzte Windungen bei Raja elavata. (Müller’s Arch. 1845. p. 520.) Die Wimpern sind ausserordentlich gross, länger als der Durchmesser des Lumen der Kanälchen, und stehen einreihig in Kreisen, die sich in bestimmten kurzen Zwi- schenräumen wiederholen. Gleichzeitig macht der Verfasser auf die regelmässigen Intermissionen der Wimperbewegung an den Kiemen der Ascidien aufmerksam. — Von dem Flim- mer-Epitbelium in den erweiterten Stellen der Nierenkanäl- chen wird später die Rede sein. — Gegen Henle’'s und Valentin’s Ausprüche, dass flinmerndes Cylinder-Epithe- lium auch in den feinsten Lungenbläschen vorkomme, tritt Remak auf. (Diagnostische und pathol. Untersuchungen ete. p- 87.) Der Verfasser fand hier vielmehr sphärische, durch- sichtige, nicht granulirte Zellen, mit einem einfachen oder doppelten Kern, welche sich bei der geringsten Berührung von dem Substrate ablösen. Die Anwesenheit eylindrischer Flimmerzellen in den Lungenbläschen wird auck von R Wagner in seiner Physiologie, desgleichen von Kane (Medico-chirurg. Transact. Vol. X. p. 581.) bezweifelt. l.etz- terer sah das Flimmer-Epithelium schon in Bronchialästen von (0,4 Breite schwinden. Bruch theilt gelegentlich eine Beobachtung mit über die merkwürdige Veränderung alter, eingeschrumpfter Epithelial- zellen von der Mundschleimhaut nach Behandlung mit Lig. natri chlorati. Nach wenigen Minuten schon dehnen sich die 213 Zellen langsam aus, die Falten verstreichen, die Zellen wer- den immer durchsichtiger und erhalten zuletzt eine regel- mässig kreisförmige oder elliptische Form. War die Ausdeh- nung auf das Höchste gediehen, so wurden die Kontouren matter und Alles verschwand bis auf die in und ausserhalb der Zellenhöhle befindlichen Körnchen. Wurde während der Ausdehnung der Zellen Jod hinzugefügt, so erfolgte anfangs ein geringes Zusamimenschrumpfen, welches jedoch bald auf- hörte. Denselben Vorgang, jedoch unvollkommener, beob- achlete der Verfasser an alten Epidermiszellen von den Schwielen der Hand (?Ref.). (Zeitschrift für ration. Medie. Bd. 111. p. 315. Anmerk.) — Zu dieser Beobachtung fügt Referent eine von ihm selbst unlängst gemachte in Betreff der Veränderung der cylindrischen Flimmer-Epithelien durch Wasser hinzu. Ein Frosch, an welchem Referent die cylin- drischen Flimmerzellen aus der Rachenhöhle zur Demonstra- tion benutzt hatte, war etwa 48 Stunden lang während kalter Jahreszeit in Wasser aufbewahrt worden. Der Leib des Thieres zeigte sich hiernach von dem eingedrungenen Wasser beträchtlich angeschwollen. Als Referent darauf das Epithelium des Rachens untersuchte, war keine Zelle mehr von gewöhnlicher länglicher Form vorzufinden. Der grösste Theil derselben hatte eine vollkommene runde Form, deren Durchmesser öfters beinahe um die Hälfte grösser war, als der Längsdurchmesser der normal beschaffenen, cylindrischen Flimmerzellen vor der Diffusion des Wassers. Mit dieser Veränderung der Form und mit der Vergrösserung hatte auch die Durchsichtigkeit der ganzen Zelle zugenommen. Man konnte zweifeln, ob man auch wirklich veränderte cy- lindrische Flimmerzellen vor sich habe, wenn eben nicht eine Erscheinung jeden Zweifel beseitigt hätte. Die meisten Zellen nämlich trugen ein Büschel von Cilien. Auffallend war dabei, dass an. der Stelle, wo die Cilien sassen, die Zellenmembran in ihrem optischen Ausdruck, namentlich hin- sichtlich der Dicke der Kontour, nicht im mindesten von dem Verhalten an der übrigen Peripherie der Kugelzelle sich auszeichnete. Die Diffusion des Wassers hat also die cylin- drische Zelle nicht blos gleichmässig ausgedehnt, sondern selbst die Oylinderform in die Kugelform verwandelt und jene scheinbar verdickte Stelle der Zellenmembran, an wel- cher die Cilien sitzen, vollkommen unkenntlich gemacht. Nach Günther (a. a. ©. p. 291. 292.) liegt die Ursache der schwarzen Hautfarbe des Aethiopen in dem gefärbten Inhalt der jungen Epidermiszellen des Malpighi’schen Netzes. Was die Natur des färbenden Stoffes betrifft, so besteht der- selbe nicht in körnigem Pigmente, wie in den Zellen de 214 Choroidea, sondern jede Zelle ist gleichmässig (? Ref.) ge- färbt, dabei durchscheinend. Erst wenn die Zellen sich ab- latten, verhornen und eine mehr oder weniger graue Fär- ung annehmen, tritt hier und da ein feinkörniges Ansehen auf, grade wie in den Epidermiszellen der Europäer. E. Wilson schrieb über die Entwickelung und das Wachsthum der menschlichen Epidermis. (L’Institut. No. 642. 1846. Fror. N. Notizen. Bd. 38. p. 83 seqq.) Durch Zer- setzung (!Ref.) wurde die Epidermis von dem Corium ge- trennt, und darauf an derselben die normale Beschaffenheit studirt. Der Verfasser unterscheidet vier Elementarformen, die in der Epidermis ein unregelmässiges Mosaik zusammen- setzen. In dem Malpighi’schen Netze liegen unmittelbar auf dem Corium 1) primäre Körnchen oder homogene feste Kügelchen von z;4,, engl. Zoll im Durchmess. Dann fol- gen 2) aggregirte Körnchen, welche aus 4, 6, 9 und mehr ur iu Körnchen bestehen, und „4,5 Zoll Durchmesser esitzen. Hierauf 3) die gekernten Körnchen von „4 — 4350" Durchmesser. Diese gekernten Körnchen werden aus einem aggregirten Körnchen (Kern) und einer um dasselbe herum gruppirten Reihe einfacher Körnchen zusammengesetzt, so dass das Ganze eine ovale oder kreisrunde Gestalt erhält. Zwischen den einzelnen Körnchen befindet sich eine homo- gene, durchsichtige Substanz, die auch zuweilen als ein Saum jenseits der äussersten Reihe des Körperchens hervortritt. Endlich 4) Zellen von „U, — 7355 Durchmesser. — Die Färbung der Haut des Negers soll nach Wilson dadurch bedingt sein, dass der Kern der Zelle fast ganz aus Pigment- körnchen bestehe, welche durch Verwandlung der primären Körnchen gebildet würden. Die Körnchen in der Mitte des Kerns sollen weniger dunkel gefärbt sein, als die peri- pherischen, E. Brücke entdeckte bei seinen Untersuchungen über die sogenannten leuchtenden Augen bei den Wirbelthieren, dass unter den Thieren neben dem Tapetum fibrosum noch ein anderes Tapetum mit dem deutlich ausgesprochenen hi- stologischen Charakter eines einfacheren Epithelalgebildes anzutreffen sei, nämlich das bei den reissenden Thieren, mit Einschluss der Robben, vorkommende sogenannte Tapetum cellusosum (Müll. Arch. 1845. p. 306 seqq.). In dem Ta- petum dieser Thiere erkennt man unter dem Mikroskop bei auffallendem Lichte, zunächst auf dem grünen oder blauen Felde, viele schwarze Punkte, welche, wie schon Eschricht ‘vom Seehunde wusste, von den das Tapetum senkrecht durchbohrenden Gefässstämmen herrühren. Ausserdem aber markiren sich zwischen jenen schwarzen Punkten eine Menge 215 kleinerer und zugleich weniger dunkler Punkte in der Mitte von kleinen, schön blau gefärbten Feldern, welche die Cho- roidea wie Pflastersteine bedecken. Diese blauen Felder sind die Tapetalzellen, die dunklen Punkte in der Mitte ihre Kerne. Bei durchfallendem Lichte zeigten sich die einzelnen Zellen bei einer Katze vollkommen glatt, meist unregelmässig sechs- eckig und mit einem wasserhellen Kern versehen. Zuweilen erscheinen die Zellen mehr in die. Länge gezogen. Beim Hunde variirte der Durchmesser von sechs Zellen in der Länge von 0,0018 — 0,0013 P. Z., in der Breite von 0,0013 bis 0.0008 P. Z. Die bunten Farben des Tapetums werden durch Lichtinterferenz von den Tapetalzellen erzeugt. Von Ablagerungen von Kalksalzen in dem Tapelum der reissen- den Thiere, die bekanntlich Hassenstein entdeckte, waren bei den von Brücke untersuchten Säugethieren nur sehr geringe Spuren vorhanden. Dagegen macht der Verfasser arauf aufmerksam (p. 402.), dass die schon von delle Chiaje beschriebenen Ophthalmolithen in dem Tapetum mehrerer Fische (Zitterrochen, eigentlichen Rochen, Meerengel, Chimären) nach den Untersuchungen von Hexanchus griseus und Acipenser sturio in den Zellen dieses Tapetum cellulo- sum enthalten seien. Die Form der Zellen ist höchst unre- gelmässig, meist bedeutend in die Länge gezogen, platt. Sel- ten gewahrt man in ihnen einen Kern, dagegen sind sie meistens ganz mit Krystallen angefüllt. Die Zellen übertref- fen in ihrem grossen Durchmesser die gleichnamigen Zellen der reissenden Thiere um das Vierfache. Die Krystalle sind in Wasser, Alkohol, Aether und im kaustischen Kali unlös- lich. In Salzsäure dagegen, die mit ihrem halben Volumen Wasser verdünnt war, löseten sie sich vollständig und ohne Gasentwickelung. Aus den eingedampften und filtrirten Flüs- sigkeiten schieden sich bei Zusatz von Ammoniak kleine mi- kroskopische Krystalle, ihrer Form nach entkantete viersei- tige Säulen mit schief aufgesetzten Endflächen, aus. Auch beim Glühen der Zellen hinterblieb ein starker Rückstand, der in Wasser unlöslich, in Salzsäure löslich war. Es er- hellt aus den Versuchen, dass die Krystalle Verbindungen einer anorganischen Base sind; Genaueres liess sich wegen ihrer Kleinheit in Betreff der chemischen Verhältnisse nicht ermitteln. A. F. Günther theilt in dem schon öfters angeführten Werke (p. 293 seqq.) Beobachtungen über den Nagel mit. Die Nagelsubstanz des Menschen zeigt nach dem Verfasser, wie es bereits Referent nach eigenen Untersuchungen angab (Müll, Arch, 1842. Jahresb. 1841. p. ceıxxı segg.), keine dentliche lamellöse Struktur; vielmehr soll sie nach län- 216 gerem Digeriren in Essigsäure, wodurch die Intereellular- substanz (? Ref.) aufgelöst wurde, sich in Nagelschüppchen zerlegen lassen, die ursprünglich linear aneinander gereiht und nach allen Seiten hin gleichmässig fest und innig, theils durch zackige Ränder, theils durch die angenommene Zwi- echensubstanz untereinander verbunden seien. Diese Nagel- schüppchen stellen Epithelialzellen dar, die oft noch. mit Fältchen, Streifen, feinen Körnchen ohne bestimmte Ordnung und Kernen gezeichnet seien. Von dieser eigentlichen Nagel- substanz unterscheidet Günther, wie es der Referent gleich- falls in der obigen Mittheilung gethan hat, die unterste Lage des Nagels, welche unmittelbar auf dem Nagelbette ruht. Die Struktur dieser, das Corium in der Gegend des Nagel- bettes bedeckenden, ganz deutlich zelligen Epidermisschicht hat der Verfasser auf eine ganz eigenthümliche Weise be- schrieben. Das Gewebe soll nämlich aus Fasern oder Cy- lindern bestehen, welche von.der unteren Nagelfläche aus nach abwärts gehen und nach dem Nagelbette hin blind zu endigen scheinen. Ihre Länge wird auf „3,' angegeben. Ob sie hohl oder solide seien, konnte nicht entschieden wer- den. An einzelnen längeren, aus der Verbindung mit den übrigen herausgerissenen Fasern waren in ziemlich weiter Entfernung von einander Kerne aufgelagert. In ihrem Ver- laufe sollen sich diese angeblichen Fasern auf mannigfaltige Weise untereinander verstricken. Referent hält es für sehr wahrscheinlich, dass die bei dem Abziehen des Nagels vom Nagelbette leicht sich in die Länge ziehenden weichen Epi- dermiszellen, namentlich nach Behandlung mit Essigsäure, zu der Annahme von Fasern veranlasst haben. Die auf dem Rücken des Nagels sich hinziehende Epidermisschicht scheint der Verfasser gänzlich übersehen zu haben. — In Betreff der Bildung und des Wachsthums des Nagels hat Günther, ohne, wie es scheint, die Untersuchungen des Referenten zu kennen, die Angabe desselben bestätigt, dass der Nagel nur in dem Nagelfalze bis zur Lunula hin von der Cutis gebildet werde. Doch glaubt der Verfasser, dass nur die Zellen der unteren Wand des Falzes zur Bildung des Nagels verwendet würden, während Durchschnitte ihn hätten überzeugen kön- nen, dass auch die obere Wand desselben in einer kleinen Strecke dazu beitrage. Hinsichtlich des genaueren Verhal- tens des Nagels in seiner Bildung kann Referent um so mehr auf die in dem oben angeführten Jahresbericht gemachten Mittheilungen verweisen, als er nachträglich zu wiederholten Malen Gelegenheit hatte, von der Richtigkeit derselben sich zu überzeugen. Auch muss ich wiederholen, dass es mir bei Untersuchungen, die an mit Essigsäure mehrere Tage be- 217 handelten Nägeln kürzlich angestellt wurden, durchaus nicht gelingen wollte, in der vollkommen ausgebildeten Nagelsub- stanz irgend wie deutliche Spuren von solchen Epidermis- schüppchen zu sehen, wie sie Günther abgebildet hat. Das Haar wird von demselben Verfasser (a. a. ©. p. 300.) nach eigenen Beobachtungen beschrieben. Die Rindensub- , stanz soll aus starren, spröden, fast splittrigen (es sind zum grössten Theil wirkliche Splitter, Ref.) Fasern bestehen, die einzeln oder in Bündeln zusammenliegen. Die Marksubstanz des Haares ist eine unregelmässige Anhäufung von Zellen, die in dunklen Haaren Pigmentkörnchen enthalten. Die Zel- len derselben sah der Verfasser deutlich in den Haaren eines Albino’s (Gambert). Sie liegen in einem centralen Kanal, und werden in ihrer Lagerstätte durch quer- und schiefge- hende Scheidewände von einander getrennt. Der Kanal er- scheint am deutlichsten gegen die Wurzel des Haares hin, An der durch Schwefelsäure losgelöseten Epidermisschicht hingen die einzelnen Blättchen in mehreren Fällen reihen- weise zusammen, und stellten dann mehr oder weniger re- elmässig eingebuchtete platte Streifen dar. Diese Streifen den ganz deutlich aus nebeneinander liegenden, spin- delförmigen Blättchen, von 2%,‘ Länge und „2;“ Breite, und scheinen sich spiralig um das Haar herumzuziehen. Die Querlinien des Haares rühren von den sich etwas deckenden Querrändern der spindelförmigen Zelle her. Beide Schichten der Wurzelscheide, auch die innere, in welcher nicht Henle zuerst, sondern Corda die Löcher erkannte, sollen aus klei- nen, dicht gedrängten Zellen bestehen. Die Epidermisschicht und die Re endigen, nach dem Verfasser, auf der Mitte der Wurzelanschwellung, und diese selbst soll we- sentlich nur dem Central - Kanale mit dem Inhalte angehö- ren, als dessen unmitielbare Erweiterung sie zu betrach- ten sei. Die Kontroverse über die mikroskopische Beschaffenheit der inneren Haarwurzelscheide glaubt Huxley (on a hitherto undescribed structure in the human hair-sheath. Lond. med. Gaz. Nov.) auf die Weise zu beseitigen, dass er auf die An- wesenheit einer einfachen Lage blasser, kernhaltiger, rhom- boidaler Zellen aufmerksam macht, die nach innen vor der durchlöcherten Haarwurzelscheide liege und, wie er glaubt, mit dieser verwechselt worden sei. Bekanntlich befinden sich zwischen der inneren Scheide der Haarwurzel noch zwei Lagen zu Membranen vereinigter Zellen: die eine ist die Fortsetzung der Epidermisschicht, die andere, welche Referent (Müll. Arch. 1841. Jahresbericht über mikroskop. Anat. p. cuxavin.) zuerst beobachtete, besteht aus mehr läng- 218 lichen, gekernten Zellen, die mit ihrem Längsdurchmesser den Haarschaft umkreisen. Wahrscheinlich ist die erstere von dem Verfasser für eine bisher noch unbekannte Mem- bran an der Wurzel des Haares gehalten worden. Auffal- lender Weise herrschen noch immer über die Bestandtheile des Haares und über deren morphologische Beschaffenheit die verschiedensten Ansichten, obschon kein einigermaassen komplizirtes Gebilde des Körpers so günstige Umstände für die Untersuchung darbietet, als das Haar. Diese günstigen Umstände werden dadurch herbeigeführt, dass uns das Haar in seiner kontinuirlichen Entwickelung übersichtlich zur Be- obachtung vorliegt, und das ist es eben, was die beste Si- eherheit in Betreff der Deutungen morphologischer Verhält- nisse gewährt. Referent hat Gründe, zu glauben, dass man sich dieser günstigen Gelegenheit für die Untersuchung des Haares nicht ganz zweckmässig bediene. Daher wird es nicht unpassend erscheinen, in kurzen Worten die Methode zu beschreiben, die Referent schon seit mehreren Jahren mit dem günstigsten Erfolge bei mikroskopischen Demonstratio- nen anwendet, und welche ihn zu den Resultaten geführt hat, die bereits in dem oben bezeichneten Jahresberichte (Müll. Arch. 1841. p. cıxxy seqgq.) mitgetheilt wurden. Es werden am besten starke graue Haare zur Untersuchung ge- wählt, die zugleich mit den Haarwurzelscheiden ausgezogen sind. Gewöhnlich ist die äussere Haarwurzelscheide nur theilweise vorhanden, die innern dagegen mit dem eigentli- chen Haarschaft gehen bis an das Ende herab, in eine Zel- lenschicht sich verlierend, die von der Oberfläche des kegel- förmigen Haarkeims beim Ausziehen stets theilweise mitfolgt. Sodann schneidet man den Haarschaft über den Wurzelschei- den ab, und legt die für die Untersuchung vollkommen aus- reichende Wurzelpartie auf eine Glasplatte. Das Präparat wird zuerst mit Wasser befeuchtet und darauf unter der Loupe mit recht fein zugespitzten Nadeln die feinere Zerle- gung vorgenommen. Zuerst trennt man beide Haarwurzel- scheiden von dem Haarschaft, wobei man stels bemerken wird, dass die innere, dünnere, und durch ihre grosse Durch- sichtigkeit sich auszeichnende Scheide weiter abwärts von dem Haarschaft abgezogen werden muss, als die diekere, weissliche, äussere Scheide. Mit den Scheiden trennt sich regelmässig die auf der inneren Haarwurzelscheide zurück- bleihende Epidermisschicht des Haarschafts; jene mit ihrem Längsdurchmesser rund um den Haarschaft sich hinziehen- den, länglichen Zellen findet man etwas tiefer herab bald an Scheiden, bald an dem Haarschaft anhängend. Die in zwei oder mehreren Stücken der Länge nach von dem Haar- 219 schaft abgezogenen beiden Scheiden werden nun weiterhin von einander getrennt, was gewöhnlich nur in einzelnen Längsstreifen gelingt. Am leichtesten liess sich die innere Haarwurzelscheide (mit der Epidermisschicht) von,der äus- seren in einzelnen Längsstreilen abziehen. Solche Längs- streifen müssen dann in noch feinere Stückchen zerlegt wer- den, und zwar immer der Länge nach, auf welche Weise die Spaltung allein gelingt, und wobei man gleichzeitig den Vortheil hat, auch die daranstossende Zellenschicht zugleich spalten zu können. So gelang es dem Referenten, so feine Streifen von der inneren Haarwurzelscheide in ihrer ganzen Entwickelung zur Untersuchung zu erhalten, die zuweilen unten in der Breite nur zwei Zellenreihen nebeneinander hatten. In der Dicke lässt sich die innere Haarwurzelscheide nieht absichtlich mit den vorhandenen Hülfsmitteln zerlegen, obschon sie aus mehreren Schiehten besteht; doch der Zu- fall führt zuweilen auch solche Trennungen herbei. An die- sen feinen Präparaten, die zuvor mit Essigsäure passend be- feuchtet werden, lässt sich die Entwickelung der inneren Haarwurzelscheide aus ihren Zellen, die Verschmelzung der letzteren zu einer gleichförmigen, kernlosen Membran, das Auftreten von Löchern in derselben, wie es Henle, wenn- gleich nicht ganz naturgetren, in seinen Abbildungen wieder- gehe. auf das Uebersichtlichste verfolgen. Auf eine ähn- iche Weise lässt sich dann auch der Haarschaft behandeln, ja die Trennung des Wurzelstückes desselben in einzelne recht feine Längsstreifen gelingt noch leichter. Die histolo- gische Entwickelung der Rindensubstanz des Haarschafts ge- schieht auf wesentlich dieselbe Weise, wie die der inneren Haarwurzelscheide, nur sind die verschmelzenden Zellen län- ger, und die Löcher in der durch diese Verschmelzung ent- standenen, sich leicht anfangs in Falten legenden Membran ?) schmäler und auch länger. Wo die Löcher entstehen, nimmt die Membran an Rigidität und Festigkeit auffallend zu; die Neigung zur Faltenbildung ist dann gering; dagegen tritt auf- fallend die Eigenschaft hervor, bei mechanischen Eingriffen fast glasarlig in einzelne (Längs-) Stücke zu zersplittern. Wenn man solche feine Präparate vor sich hat, dann er- kennt man es, wie leichthin man bisher die Anwesenheit der isolirten Fasern der Rindensubstanz des Haares behaup- 1) Die Stelle, wo die Zellen bereits verschmolzen sind und sich in der Membran leicht Falten bilden, ist an jedem Wurzelstück des Hasrschaftes durch weissliche Färbung (wegen der feinen Falten) ausgezeichnet. 220 tet hat. In der oben genannten Dissertation des Dr. Jäsche werden die mikroskopischen Forscher zwei sehr gelungene Zeichnungen von der Entwickelung der inneren Haarwurzel- scheide und der Rindensubstanz des Haarschaftes, nach sol- chen Präparaten gemacht, zur Ansicht erhalten. Zu den Epithelialgebilden gehören auch die histologischen Formelemente, welche die Wandungen der Blutgefässe (in Betreff der Lymphgefässe hatte Referent noch nicht Gele- genheit, die Wandungen genau zu untersuchen) konstituiren. Bereits in einem früheren Jahresberichte (Müll. Arch. 1841. p- excı seqq.) hat Referent darauf hingewiesen, dass in den einzelnen Schiehten der Gelässwandungen Gebilde vorliegen, in welchen dasselbe histologische Entwickelungsgesetz aus- gesprochen ist, wie in den einzelnen Bestandtheilen des Haa- res, mit dem Unterschiede, dass das Wachsthum und die Bildung der Gewebe von einer Matrix aus nicht Statt hat. Man findet Gebilde in den Gefässwandungen, in welchen die Kontouren der zu einer Membran vereinigten Zellen noch deut- lich erkennbar sind; man sieht Gewebe, in denen die Kontou- ren schon verschwunden sind (Wandungen der Kapillarge- fässe u. s. w.); man begegnet zahlreichen Membranen, von Löchern mehr oder weniger durchbrochen, und endlich wirk- lichen Fasernetzen, die sich nur wenig oder‘ gar nicht von elastischen Fasernetzen unterscheiden. Die Beobachtungen des Referenten scheinen von anderen Forschern nicht wie- derholt zu sein; Niemand hat sich dagegen oder dafür er- klärt; selbst Henle hatte vollkommenes Stillschweigen be- obachtet. Die Arbeiten, welche seitdem erschienen sind, haben Henle’s Beobachtungen ohne Weiteres zum Grunde gelegt: so Günther in seiner allgemeinen Physiologie, des- gleichen Norman Chevers (Observations on the structural anatomy of the veins, in: Lond. ıned. Gaz. Aug. p. 634.). Norman Chevers sieht in der mittleren Venenhaut nur Fasern, und zwar hat sich nach ihm als Gesetz heraus- gestellt, dass die inneren Venen des Körpers mit wenigen Ausnahmen nur ringförmige Fasern besitzen, während die äusseren Venen in ihrer mittleren Venenhaut aus einer äus- seren Schicht ringförmiger und einer inneren longitudinaler Fasern bestehen. Wahrscheinlich will der Verfasser nur her- vorheben, dass an den äusseren Venen die dem innersten Epithelium zunächst liegende und in keinem Gefäss gänz- lich fehlende Schicht, in welcher die Zellen mit den Kernen, die etwa vorhandenen Löcher, die Fasernetze, die Falten- züge sämmtlich in der Längsausdehnung der Richtung des Gefässverlaufes folgen (Tunica intima früherer Anatomen'), etwas stärker ausgebildet sei, ala an den inneren Venen im 221 Allgemeinen. Henle macht darauf aufmerksam, dass dieses Verhalten wahrscheinlich mit der Entwiekelung der Klappen zusammenhänge (Canst. Jahresb. p. 71.). Die Ringfasern (Tunica media) innerer Venen (V. pulmon., azygos, porta- rum ete.) sind stark, elastisch, von schönem Perlmutterglanz. In einzelnen Fällen sieht man die Längsfasern in die eirku- lären, und umgekehrt, übergehen. An den Venae renales und spermaticae befinden sich in einiger Entfernung von der Einmündungsstelle in die Vena cava Längsfasern, die wei- terhin zu kreisförmigen wurden. An der V. iliaca communis gehen nach dem Schenkel hin kreisförmige Fasern in longi- tudinale über. In Betreff der Bildung der Kapillargefässe hat sich Th. Bischoff neuerdings für die Schwann’'sche Ansicht er- klärt. Schon in seiner Entwickelungsgeschichte des Kanin- cheneies bemerkte der Verfasser an der Keimblase sternför- mige Figuren (Tab. IX. G), die er für sternförmige Zellen um so zuverlässiger halten zu müssen glaubte, als in der Mitte einer jeden Figur ein Kern sich zeigte. An derselben Stelle neben dem Fruchthofe beobachtete der Verfasser die- selben Figuren beim Hunde (Entwickelungsgeschichte des Hundeeies, p. 61. und 93.). Als Bischoff p. 61. die Beob- achtung mittheilt, lässt er es ungewiss, ob diese Figuren mehr an der Oberfläche seiner sogenannten Keimblase oder in einer tieferen Zellenschicht gelegen seien. Später werden diese Figuren nach dem v. Bär’schen Gefässblatt versetzt und für die wahrscheinlichen Anfänge der Gefässe daselbst halten. Obgleich es des Referenten Absicht ist, auf Kontrover- sen in der Entwickelungsgeschichte vor der Veröffentlichung seiner Schrift sich nicht näher einzulassen, so mag hier um so eher eine Ausnahme gemacht werden können, da ein ge- genseitiges Verständniss leichter zu erwarten ist, und damit nicht eine von Bischoff ziemlich unsicher hingestellte Be- obachtung und Folgerung bei anderen Forschern, die die Verhältnisse nicht kennen, den Werth einer vollkommen ge- sicherten Thatsache erreiche. Dem Referenten sind jene, von dem Verfasser beschriebenen strahligen Figuren gleich- falls bekannt. Man sieht sie sehr leicht beim Kaninchen etwa am äten oder 6ten Tage nach dem Coitus, auch beim Hunde und wahrscheinlich bei allen Säugethieren unter denselben Be- dingungen und Verhältnissen. Der Embryo besteht dann (um alle Kontroversen zu vermeiden) aus einer Blase, deren Wandung an einer Stelle, den Fruchthofe, aus einer mehr- fachen Schicht von Zellen, im Uebrigen aber hauptsächlich von einer Meınbran konstituirt wird, die nach Analogie eines 222 einfachen Epitheliums aus polyedrischen, gekernten Zellen gebildet ist. Um diese Blase herum liegt die Dotlerhaut (zona pellueida), ohne einen Zwischenraum zu lassen. So lange die Zona pellucida enge die bezeichnete Blase umschliesst, sieht man unter dem Mikroskop keine Spur von strahligen Figuren; man erkennt vielmehr deutlich genug die polyedrischen Zellen neben dem Fruchtliofe in der Wandung der Blase. So wie aber in Folge von Diffusion Flüssigkeit aus der Blase heraus- tritt und zwischen ihr und der Zona pell. sich ansammelt, so sieht man unter dem Mikroskop ganz allmählig sternför- mige Figuren, namentlich an der dünneren Partie der Blasen- wandung, sich herausbilden. Die sternförmigen Figuren sind anfangs noch undeutlich; in dem Grade jedoch, als der Zwi- schenraum zwischen Zona pell. und der Blase sich vergrössert und die letztere sich verkleinert, werden sie deutlicher und regelmässiger, so zwar, dass die Kerne der polyedrischen Zel- len den Mittelpunkt der strahligen Figuren formiren. Geht die Verkleinerung der Blase noch weiter, so vergrössern sich unter dem Auge des Beobachters die Aeste der strahligen Fi- guren, münden gleichsam ineinander, ein Netzwerk bildend, ähnlich dem, welches Bischoff in Tab. IX. Fig. G. seiner Entwickelungsgeschichte des Kanincheneies gezeichnet hat. Endlich bei noch weiter vorrückender Verkleinerung der Blase werden die dunklen Züge an der Blase so unregelmässig und so zahlreich durcheinanderlaufend. dass von der Zeichnung der strahligen Figuren nichts mehr zu erkennen ist. Nach dieser Mittheilung der ganzen Beobachtungsreilie wird der mi- kroskopische Forscher wohl nicht mehr im Zweifel darüber sein, was jene Figuren zu bedeuten haben. Will man sich aber noch weiler darüber unlerrichten, so kann man die Blase befreien und in einzelnen Stücken untersuchen. Sämnitliche Erscheinungen aber deuten mil unzweifelhafter Sicherheit dar- auf hin. dass jene Figuren die oplischen Ausdrücke von den bei der Verkleinerung der Blase auftretenden Falten und Run- zeln darstellen. In dem dünneren Theile. der Blase Irelen diese Faltenbildungen zuerst auf. Die diekern und dichtern Stellen der platten polyedrischen Zellen, nämlich wo die Kerne liegen, formiren beim Beginn der Verkleinerung der Blase die Kantenpunkte für Fallungen und Runzelungen der Membran. Auf diese Weise entstehen die anfangs undeutlichen, später aber immer deutlicher und regelmässiger sich gestaltenden sirabligen Figuren. Bei dem Fortgange der Verkleinerung der Blase dagegen werden diese strahligen Figuren zum Theil ver- deckl, zum Theil gäuzlich gestört durch die Erhebungen zahl- reicherer, mehr unregelmässiger und grösserer Faltenzüge. Gleichzeitig will ich hinzufügen, dass jene Paltungen und Run- 223 zelungen an deın blasenförmigen Embryo allein nur durch Ver- miltelung der von Bischoff fortdauernd abgeleugneten Um- hüllungshaut entstehen und nur entstehen können. Sie ist gegenwärtig das einzige Gebilde des Eınbryo, welches aus po- lyedrisch sich abgrenzenden, nach Art der Epilhelien, zu einer in sich zusammenhangenden und eine Membran bildenden Zellen bestelit. Alle übrigen Zellen, welche, an der Umbül- lungshaut anliegend, zu der etwas späler erfolgenden Bildung der wesentlicheren Anlagen des Wirbeltbieres verwendet wer- den, liegen durchaus locker beisammen, und die durch sie zu- sammengesetzte Schicht ist zu keiner solehen Falten- oder Runzelbildung geeignet. Referent mag die Gelegenheit nicht unbenutzt vorübergehen lassen, daran zu erinnern, dass man bei mikroskopischen Forschungen die grösste Sorgfalt auf das Moment der Falten- und Runzelbildung zu verwenden habe, da, wie die neueste Zeit gelehrt hat, viele Irrihümer grade durch das Verkennen der Falten und Runzeln entstan- den sind. Die Gewebe der Bindesubstanz. Hier mögen zunächst die Untersuchungen besprochen wer- den, welche von dem Referenten selbst ausgegangen sind. (Bemerkungen zur vergleichenden Naturforschung und verglei- chende Beobachtungen über das Bindegewebe und die ver- wandten Gebilde. Morpat 1845. 8vo.) Mas Interesse, was diese Schrift, wie ich glaube, darbietet, ist vor Alleın das, dass sie eine grössere Abtheilung gleichartiger Gewebe, nach dem vergleichenden histologischen Prinzipe planmässig bearbei- tet, dem mikroskopischen Forscher vorlegt. Wer den Stand unserer Wissenschaft kennt, wird die Bedeulung einer solchen Aufgabe zu würdigen wissen, sofern sie umsichlig und wahr- heitsgetreu durchgeführt worden. Der Gang, den Referent genommen, ist folgender: Nachdem Reichert zunächst bewiesen, dass die bisher gangbare Ansicht über die mikroskopische Struktur des ge- wöhnlichen Bindegewebes noch mianche begründete Zweifel über die Richtigkeit derselben übrig lasse, wird zuerst dasje- nige Gewebe, welches man gewöhnlich Bindegewebe oder auch Sehnengewebe zu nennen pflegl, bei den wirbellosen und Wirbelthieren genau mikroskopisch untersucht. Bei den Fluss- krebsen, Insekten, Blutegeln, Süsswasser-Schnecken wird ein Bindegewebe mit dem eigenthümlichen, geschwungenen Ver- auf der dunklen Streifen, wie es bei den Wirbelthieren vor- kommt, vermisst. Selbst ein solches Bindegewebe, in dem 224 zahlreiche dunkle Streifen parallel hinziehen, ist nur selten anzutreffen, wie z. B. in einigen weichen Sehnen des Fluss- krebses. Auch die Spaltbarkeit des Bindegewebes in einzelne Fibrillen und Bündel ist entweder gar nicht oder doch nur im geringen Grade vorhanden. Die Untersuchungen ergaben vielmehr, dass das Bindegewebe eine gleichförmige, nicht selten durch längliche Rudimente von Zellenkernen ausge- zeichnete, meist fein granulirte Substanz darstellt, die bei einer grösseren Weichheit und Nachgiebigkeit auch eine grös- sere Neigung zur Bildung von Falten und Runzeln besitzt und leichter die Trennung in faserähnliche Gebilde gestattet (a. a. ©. p. 49—55.). Auch in dem Wirbelthierreich waren bereits Beobachtungen bekannt, die nicht ganz mit der gang- baren Ansicht von der mikroskopischen Struktur des Binde- gewebes harmonirten, obschon sie danach gedeutet wurden. Der Verfasser weiset aber nach, dass hier sowohl, als in vielen anderen Stellen des Wirbelthierkörpers bei umsichtiger Beobachtung sich herausstelle, dass das gewöhnlich soge- nannte parenchymatöse und selbst auch umhüllende Binde- gewebe vollkommen die mikroskopische Struktur habe, wie sie bei den wirbellosen Thieren beschrieben wurde. Solche Stellen finden sich leichter zugänglich, namentlich im Be- reiche des Nervensysiems und der Drüsen, in den Umge- bungen einfacher oder doch nicht zu massenhafter Bestand- theile des Organs oder Systems. Bei kleinen Organen, oder auch bei Organen kleinerer und namentlich niederer Wirbel- thiere haben eine solche Beschaffenheit selbst die das Ganze umhüllenden Bindegewebe-Schichten; so in den Umgebun- gen des Hodenparenchyms, der Eierstöcke, des Rückenmarks, des Gehirns (Pia mater). Auch das Bindegewebe des Sym- pathicus gehört zum grössten Theil hierher, obschon mit mehr oder weniger leichter-Mühe und durch geeignete In- strumente sich feine glatte Fasern künstlich lostrennen las- sen. Jene von andern mikroskopischen Forschern bei nicht zerfaserter Substanz auf Fasern oder Fibrillen bezogenen optischen Erscheinungen zeigten sich also auch hier als die optischen Ausdrücke von freiwilligen oder künstlichen Fal- ten; die von Henle, Arnold u. A. für Zwischensubstanz erklärte Masse ist nichts anderes, als der nicht gefaltete oder gerunzelte Theil eines solchen Bindegewebes. Der Verfasser kommt schliesslich auf das Bindegewebe der Wirbelthiere zurück, dessen feinere und gröbere dunkle parallele Streifen einen geschwungenen, lockigen Verlauf haben, und das sich, entsprechend diesen Streifen, bei Zer- faserung in feinere oder gröbere Faserelemente leicht zerle- gen lässt. Auch hier wird dargethan, dass diese Faserele- 225 mente nicht isolirt in dem Bindegewebe präexistiren, son- dern durch Spaltung der Substanz künstlich erzeugt werden, und dass die lockige Streifung das optische Bild von ent- sprechend verlaufenden Längs- und Querfalten einer im We- sentlichen mit dem bisher beschriebenen Bindegewebe über- einstimmenden Substanz darstelle. Der Beweis wird auf die Weise geführt, dass zuerst ein membranöses Stück eines sol- chen Bindegewebes (von den hinteren Befestigungsbändern der Leber beim Frosch nach Entfernung des Epitheliums) in möglichst ungezerrtem Zustande unter Druck- und Ausspan- nungsverhältnisse vermittelst des Kompressoriums gebracht wurde, wobei, wenn die Streifen von Falten herrühren, bei Veränderung dieser Verhältnisse die Erscheinungen sich ent- sprechend verändern mussten, und wobei vielleicht eine voll- kommene Entfernung der Falten durch Ausspannung und Druck zu .erzielen wäre. Dieses zeigte das Experiment denn auch wirklich. Referent sieht sich aber genöthigt, diesen Versuch in seinen Einzelnheiten näher zu beschreiben, da ihn Henle in seinem Jahresberichte unrichtig wiedergegeben hat. Beim Beginn des Druckes schwinden die stärkeren, dunklen Streifen und der lockige Verlauf im Bindegewebe, während zahlreiche feine, dunkle Streifenzüge heryortreten. Schiebt man bei dieser Stellung des Kompressoriums die Druckplatte nach irgend einer Seite hin, in welcher der Druck und Zug unter einem beliebigen Winkel auf die Strei- fenzüge wirkt, so sieht man die letzteren unregelmässig wer- den und einen dem Zuge entsprechenden Verlauf annehmen. Wird die Druck- und Zugkralt der Druckplatte noch ver- stärkt, und gelingt es etwa durch Fixirung eines Wasser- tropfens dieselbe stellenweise noch zu vermehren, so werden die Zwischenräame zwischen den dunklen, feinen Streifen (den sogenannten Begrenzungslinien der Fibrillen) noch fei- ner, und das streifige Ansehen verliert an Regelmässigkeit. Endlich an denjenigen Stellen, wo der Druck am krältigsten ewirkt, erscheint das ehedem gelockte Bindegewebe als eine chsichtige, gleichförmige und nur fein granulirte Substanz, in welcher hin und wieder Kernrudimente sichtbar sind. Bei allmählig ermässigtem und schliesslich aufgehobenem Druck treten dieselben Erscheinungen zurückschreitend wieder auf, und das Bindegewebe erhält sein normales Ansehen. Denkt man sich im Bindegewebe isolirte Fibrillen vorhanden, so ist die ganze Reihe der Erscheinungen nicht zu verstehen. Namentlich bleibt es unbegreiflich, wie die Fibrillen in Folge der Wirkung der Druckplatte dünner (bei der Verfeinerung der Streifenzüge), dann unregelmässig werden, gänzlich verschwin- den und doch wieder unversehrt zum Vorschein kommen Müllers Archiv, 1816, P 226 können. Bezieht man aber die Streifenzüge auf die Anwe- senheit von Falten, so ist die gauze Reihe von Erseheinun- gen ohne den mindesten Zwang zu deuten. Am schönsten hat das oben beschriebene Experiment die Natur selbst an den Vater'schen (Paeini’schen) Kör- perchen ausgeführt. Die Kapseln der Vater’schen Körper- chen bestehen aus Bindegewebe. In dem Zustande der durch den Liquor intercapsularis bewirkten grössten Ausspannung, bestehen die Wandungen der Kapseln nicht, wie Henle und Kölliker es beschrieben, aus zwei Schichten sich durch- kreuzender Fibrillen, sondern aus einer strukturlosen, glas- hellen, hin und wieder gekernten Membran. Sobald indess in Folge von austretendem Lig. intercapsul, die Spannung allmählig vermindert wird, werden die Kontouren der Kap- seln unregelmässig und feine, dunkle Streifen treten auf, grade den Verlauf ursprünglich beobachtend, den die mecha- nischen Bedingungen für den Verlauf und die Richtung der Faltenzüge gebieten, nämlich in den kurzen queren Durch- messer des Körpers. Je mehr der Liquor intercapsul. aus- fliesst, und namentlich wenn man durch Ablösung der Kap- seln die Ausspannungsverhältnisse gänzlich an ihnen aufhebt, so zeigen sich feine Streifenzüge in der Richtung des Längs- durchmessers des Körpers, von ganz demselben Verhalten, wie die Streifenzüge in dem anliegenden, nicht ausgespann- ten Bindegewebe im Mesenterium der Katze; sie rühren von den jetzt freiwillig sich bildenden Längsfalten her. Die Tren- nung der Kapseln, die mehr nach aussen liegen, in einzelne Fibrillen gelingt leicht, wie denn überhaupt die Membran der Kapseln in dem nicht ausgespannten Zustande von dem in der Umgebung befindlichen Bindegewebe des Mesenterium in keiner Weise abweicht. Die Untersuchung der Kapseln der Vater’schen Körperchen ist für die von dem Verfasser angegebene Struktur des Bindegewebes so lehrreich und in- struktiv, so vollständig alle Zweifel beseiligend, dass Refe- rent sie Jedem empfehlen kann. Schliesslich wird die Ansicht des Verfassers von der Struktur des Bindegewebes noch durch das mikroskopische Verhalten recht feiner Schnittchen von halbiroeknen Sehnen bestätigt (p. 70.). Der Verfasser macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass die Sehnen, aus welchen man sich mit ei- nem recht scharfen Messer möglichst feine Schnittchen (nicht Raspel- oder Hobelspäne — Stadelmann, Henle) bereitet, nur halbtrocken, von nachgiebiger, fast zäher Konsistenz (p: 72.) sein müssen, wenn man nicht Kunstprodukte beob- achten und beschreiben wolle. Der Verfasser vermochle zur Untersuchung geeignete feine Schnittchen nicht grösser, als 227 etwa eine Linie im Längs- und Breitendurchmesser sich zu verschaffen. Solche feine, mit Wasser wiederum angefeuch- tete Schnittchen, aus: welcher Dimension der Sehne ‘sie auch genommen sein mögen, verhalten sich mikroskopisch voll- kommen gleich: sie stellen durchsichtige, ganz ‚gleichförmige Lamellen dar, die gewöhnlich nach zwei Richtungen hin, entsprechend den Messerzügen, äusserst feine, dunkle Strei- fen zeigen. Andere Streifen, die etwa auf die Anwesenheit von Fibrillen oder Falten, desgleichen dunkle Punkte oder polyedrische Kontouren bei Querschnittchen wurden gänz- lich vermisst. Das Endresultat sämtlicher Beobachtungen über die Struktur des gewöhnlich sogenannten Bindegewebes sagt demnach aus, dass dasselbe eine scheinbar struklurlose, mit einer kleineren oder grösseren Anzahl von Kernrudimenten versehene, gleichförmige, glashelle oder feingranulirte, durch- aus faserlose und undurchbrochene Substanz darstelle, welche sich leicht in regelmässige eder mehr unregelmässige Falten und Runzeln lege, oder doch von den Rändern aus aufrelle; die ferner hier eine mehr rigidive, an anderen Stellen eine mehr nachgiebige und zähe Beschaffenheit besitze, und end- lich bald leichter, bald schwerer oder gar nicht in Fasern künstlich sich zerlegen lasse (p. 73.). Im weiteren Fortgang werden nun nach dem Gesetz der Kontinuität die verwandten Gebilde des gewöhnlichen Bindegewebes aufgesucht und bestimmt. Als solche ver- wandte Gebilde konnten gegenwärtig aufgeführt werden: Die Scheiden der primitiven Muskelbündel (die primitive Nervenfaserscheide?), die Sehnensubstanz und das fibröse Gebilde, die faserknorpligen Gebilde, die Knorpel und Kno- chen, die Hartgebilde des Hautskelets und die Sehnen wir- belloser Thiere, die Chorda dorsalis (?), die Hornhaut, die kontinuirlich in die Sclerotica übergeht, die Membrana Demeursii, die Tuniea propria der Drüsenelemente, die in- termediäre Haut (Ilenle) der Schleimhäute, die Kapseln ‚der Malpighi’schen Glomeruli in den Nieren. Ungleichartig zeig- ten sich das elastische Gewebe und die den Gefässwandun- gen eigentbümlich angehörenden Gebilde. Hinsichtlich der genaueren Details, wo der kontinuirliche Uebergang der ge- nannten Gebilde mit gewöhnlichem Bindegewebe im Körper ‚ vorzufinden sei, wie derselbe vor sich gehe durch allmählige Verwandlung in wirkliches Bindegewebe. auf welche Weise die neuste am zweckmässigsten anzustellen sei, um init Zuverlässigkeit über das Vorhandensein oder Nichtvor- handensein einer Kontinuität sich entscheiden zu können, — muss Referent auf die Schrift: selbst ie (a.a.0.p. 73 2 228 bis 106.). Nur auf zwei Punkte mag Referent noch zurück- kommen: auf die primitive Muskelfaserscheide und auf die Tunica Demoursii. Den kontinuirlichen Uebergang der Scheide des primitiven Muskelbündels in gewöhnliches Bindegewebe konnte mit grössier Genauigkeit und übersichtlich an dem pinselförmigen Kiefermuskel des Flusskrebses beobachtet wer- den. Die primitive Scheide der Muskelfasern (primitive Muskelbündel) geht hier durchaus kontinuirlich in die durch ihre grössere Härte und an der Verbindungstelle gleichfalls noch streifenlose feine Sehnenfaser über, an welcher die Mus- kelbündel wie Eicheln an ihren Stengeln hängen. Die Sehne selbst wird darauf bald duukel gestreift, verliert dann wie- der die Streifung und setzt sich kontinuirlich in die Substanz des Kiefers fort. Um zu erfahren, wie sich die primitive Muskelscheide an der scheinbar unmittelbaren Befestigung des Muskels an das Rückenschild verhalte, wurden aus die- ser Gegend so feine Durchschnitte gemacht, dass wo mög- lich nur einzelne primitive Muskelbündel mit der Durch- schnittslamelle des Rückenschildes in Verbindung zur mikro- skopischen Untersuchung verwendet werden konnten. Hier zeigte sich, dass die primilive Scheide über dem, wie durch einen Querschnitt abgeschniltenen Ende des primitiven Mus- kelbündels sich schliessend kontinuirlich in das weiche Bin- degewebe an der Innenfläche des Rückenschildes sich fort- setzte. Das primilive Muskelbündel liegt also frei in einem cylinderförmig gestalteten Sacke von Bindesubstanz (primi- tive Scheide); seine Beiestigung mit der Sehne und mit Hart- “ gebilden, desgleichen seine Wirkung bei der Kontraktion auf die zu bewegenden Theile geschieht nicht unmittelbar, son- dern durch Vermittelung seiner aus Bindesubstanz bestehen- den primiliven Scheide. — Die Tunica Demoursii erweiset sich als ein dem gewöhnlichen Bindegewebe verwandtes Ge- bilde durch den kontinuirlichen Uebergang in das Ligament. iridis pectinatum, das beim Pferde beobachtet wurde. Bei die- sem Uebergang wird die feste und rigide glashelle Substanz der Tun. Dem. weicher, mehr fein granulirt, und ganz all- mählig stellen sich dunkle Streifen von den auftretenden Faltenzügen ein. Die Tunica Demoursii zeigte sich ferner nach den Untersuchungen des Verfassers als eine veränderte Grenzschicht der Hornhaut, indem sie mit derselben konti- nuirlich durch eine dünne Uebergangsschicht zusammenhängt; sie verhält sich also zur Hornhaut, wie etwa das Perichon- drium zum Knorpel, oder das Periosteum zum Knochen, die gleichfalls kontinuirlich durch dünne Uebergangsschichten in- einander übergehen. Zu Untersuchungen über den kontinuir- lichen Zusammenhang der Hornhaut und der Tunica Dem. 229 passen nicht Präparate von getrockneten Hornhäuten, da bei dem Austrocknen stets künstliche Trennungen zwischen bei- den Theilen eintreten und die Berührungsverhältnisse demge- mäss nicht im normalen Zustande übersehen werden können. Henle hat nicht begreifen können (Jahresb. von Canstatt etc. 1845. p. 53.), warum ausgetrocknete Hornhäute zu solchen Un- tersuchungen nichts taugen, obschon Jedermann weiss, dass man es hier mit zwei, in ihren physikalischen Eigenschaften, durch den Wassergehalt ete. sich sehr unterscheidenden (p.88.), nebeneinanderliegenden Geweben zu thun habe. Nachdem so eine grössere Anzahl oft auffallend ver- schiedener Gewebe gefunden war, die mit dem gewöhnlichen Bindegewebe zu einem verwandtschaftlichen Kreise gehören, so war nächste Aufgabe des vergleichenden Histologen, das ihnen gemeinschaftliche histologische Entwickelungsgesetz und, was als individuelles Gepräge jedes Einzelnen zu betrachten sei, zu ermitteln und zu bestimmen. Die Lösung dieser Auf- gabe liess sich mit grösserer Sicherheit nur dadurch herbei- führen, dass man wenigstens zwei möglichst differente Glie- der des verwandischaltlichen Kreises hinsichtlich ihrer Ent- wiekelung kennen gelernt hatte. Es wurden daher auf die Entwickelung untersucht: das gewöhnliche Bindegewebe und der Knorpel mit dem Faserknorpel. Als wesentlichste histogenetische Erscheinungen des Bin- degewebes ergaben sich folgende: Zwischen den Zellen, welche die Grundlage des künftigen Bindegewebes ausma- chen und anfangs dicht bei einander liegen, zeigt sich eine allertartige Intercellularsubstanz. Dieselbe nimmt zu an asse und Konsistenz, und verwandelt sich durch einen all- mählig fortschreitenden Verschmelzungsprozess mit den Mem- branen, dem Inhalt und selbst mit den Kernen der ursprüng- liehen Zellen zu einer gleichartigen, durchsichtigen oder fein granulirten Substanz,. in welcher gemeinhin nur noch ein- zelne Rudimente von Kernen erhalten bleiben. Sobald die Verschmelzung auf den Inhalt der ursprünglichen Zellen sich erstreckt, pflegt die Grundsubstanz des Bindegewebes die Eigenschaft anzunehmen, sich aus freien Stücken in Runzeln und Falten zu legen. Hatten die Bindegewebe -Zellen ferner in den ersten Entwickelungsstufen eine deutliche länglich- ovale Form offenbart, so erschienen gewöhnlich die Falten auch deutlicher und mehr geregelt in der Richtung der Längs- axe der Zellen als Längsfalten feinerer und gröberer Art. An vielen Stellen, namentlich des Wirbelthier - Organismus, geht die histogenetische Entwickelung so weit, dass die Sub- stanz des Bindegewebes die Eigenthümlichkeit erlangt, in der Richtung der geregelten Längsfalten sich leicht in gröbere 230 (Bündel) und sogar in sehr feine Stränge (Fibrillen) spalten zu lassen (p. 118.). Die genaueren Einzelnheiten sind in der Schrift selbst nachzulesen (p. 108 seqgq ). Für den Knorpel und Faserknorpel stellten sich folgende wesentliche Entwickelungserscheinungen heraus. Als Grund- lage des Knorpelgewebes erscheinen dicht, doch locker ne- beneinanderliegende, rundliche, gekernte Zellen, die späteren Knorpelkörperchen, ohne bemerkbare Intercellularsubstanz. Beim Fortschritt der Entwickelung zeigt sich dann eine an- fangs geringe Menge halb fester Intercellularsubstanz, in Folge deren das Knorpelgewebe an Konsistenz gewinnt, die Isoli- rung der Knorpelzellen jedoch noch gestattet ist. Die Inter- cellularsubstanz nimmt nun an Masse zu, wird noch. konsi- stenter, und stellt alsbald die Grundsubstanz des Kuorpelge- webes dar. Die Knorpelkörperchen, welche sehr häufig in Gruppen neben- und hintereinander beisammen stehen, las- sen sich jetzt nicht mehr vollständig, d. h. mit den Zellen- membranen, aus ihrer Umgeburg lösen, und es war sogar zweifelhaft, ob die Zellenmembranen überhaupt noch an den Knorpelkörperchen existiren: Während die Intercellularsub- stanz sich fortwährend mehr oder weniger an Masse ver- mehrt, zeigt sich in den Knorpelkörperchen, die anfangs noch an Grösse zugenommen, ein allmählig fortschreitender Ver- kümmerungsprozess, so zwar, dass die hinschwindenden Theile derselben allmählig mit der Intercellularsubstanz verschmel- zen. Die Knorpelkörperchen nehmen an Umfang ab, es ver- schwinden jetzt zweifellos die Zellenmembranen derselben, auch der Zelleninhalt ‘verkleinert sich mehr oder weniger, und in dem Faserknorpal markirt sich oft nur noch der Zel- lenkern als deutliches Ueberbleibsel. In dem Faserknorpel erlangt die Knorpelmasse die Fähigkeit, sich iu Falten und Runzeln zu legen und dem entsprechend in Fasern sich spal- ten zu lassen. Die Fasern können namentlich in der Rich- tung der Längsaxe der früheren Knorpelzellen und deren jetzt restirender Rudimente dargestellt werden. Eine Ver- diekung der Zellenmembranen der Knorpelzellen durch nach aussen oder nach innen aufgelagerte Schichten, ferner eine Verschmelzung der Knorpelkörperchen untereinander während der Bildung des Knorpels wurde nicht vorgefunden, und der Verfasser weiset auf die optischen Erscheinungen hin, durch welche ‚andere Forscher zu einer solchen Annahme verleitet werden konnten. Das Nähere hierüber in der Schrift selbst p- 418— 133. | Die Kenntniss des Entwickelungsverlaufes zweier so differenter Glieder der :oben bezeichneten verwandten Ge- 'webe setzt den Verfasser in den Stand, das allgemeine und 231 durchgreifende histologische Entwickelungsgesetz für sie alle zu abstrahiren und diejenigen Erscheinungen, welche als ei- ee; individuelle Ausprägungen jedes Einzeluen zu etrachten seien, genau [estzusetzen. Wenn man das auf verschiedene Weise Wechselnde in den histogenetischen Er- scheinungen des Bindegewebes und Knorpels ausser Acht lässt, so ergeben sich-als allgemeingültige Entwickelungser- seheinungen beider Gebilde folgende: es erscheint zwischen den ursprünglich gegebenen Zellen eine halbfeste Intercellu- larsubstanz; dieselbe nimmt zu an Menge und Konsistenz und bildet sich allmählig zur Grundsubstanz des Gevvebes aus, indem sie gleichzeitig mit den ursprünglichen Gewebe- zellen zupı Theil oder gänzlich zu einer gleichartigen orga- nischen Masse verschmilzt. Geht man also, wie nothwendig, von der organischen Zelle aus, so lässt sich das histologische Differenzirungsgesetz für die unter dem Namen „Bindesub- stanz‘“ zu vereinigenden verwandten Gewebe so abfassen: Elementare organische Zellen entwickeln eine halbfeste, mehr oder weniger an Menge und Konsistenz zunehmende Inter- cellularsubstanz, und verschmelzen allmählig mit derselben zum Theil oder gänzlich zu einer homogenen, organischen Masse. Durch dieses histologische Bildungsgesetz werden die Gewebe der Bindesubstanz, gegenüber den anderen uns bekanuten Geweben des Körpers, mögen sie aus einer ein- zigen, oder, wie beim Bindegewebe, durch Betheiligung ıneh- rerer Zellen entstanden sein, vollständig charakterisirt. Das Gesetz enthält zugleich die Momente, nach welchen jedem Gewebe der Bindesubstanz der geeignete Platz in der histo- logischen Differenzirungsreihe gesichert wird, und in welcher Weise der allgemeine Typus voriiren könne. Wie gross die Zahl der Variationen in der Natur gegeben sei, oder in wie viel Glieder oder Stufen die Natur das histologische Diffe- venzirungsgeselz zerlege, um daran Gewebe mit individuel- lem Habitus auszuprägen, das lässt sich nicht genau be- stimmen: doch hat der Verfasser vier Stufen am ungez vwyun- sten hervorheben mögen, nach welchen auch die Haupt- eintheilung der Gewebe der Bindesubstanz gemacht worden is. Durch die Kenntniss des histologischen Entwickelungs- setzes der verwandten Gewebe war man nun auch im nde, diejenigen Erscheinungen zu bestimmen, welche dem individuellen Gepräge der Bindesubstanz-Gewebe angehören. Als solche werden än der Intercellularsubstanz hervorgeho- ben: das Auftreten von Falten und Runzeln, die Regelmäs- sigkeit und die Unregelmässigkeit derselben, die Glätte der zen Grundmasse, die grössere oder geringere Neigung, eichen der gänzliche Mangel der Spaltbarkeit derselben; 232 die verschiedenen Grade der Konsistenz, Durchsichtigkeit, der Menge im Verhältniss zu den Zellen oder ihren Rudi- menten ete. Andere Eigenthümlichkeiten prägen sich aus: an der Form, der Beschaffenheit, der Anordnung der in der Grundsubstanz liegenden Zellen oder deren Rudimenten etc. (p. 133 — 143.). Nachdem so die Vor - Untersuchungen in Betreff der „Gewebe der Bindesubstanz‘‘ konsequent nach dem Prinzip der vergleichenden Histologie gemacht und beendigt waren, konnte der Verfasser schliesslich die Klassifikation und Cha- rakteristik derselben, so weit es jetzt möglich, unternehmen. Bei der Klassifikation: werden die Hauptabtheilungen nach vier hauptsächlich hervortretenden Momenten im allgemeinen histologischen Differenzirungsgange, die Unterabtheilungen dagegen nach den übereinstimmenden, am meisten hervor- stechenden individuellen Ausprägungen formirt. I. Gewebe, bei welchen die Zellen noch nicht deutlich mit der Intercellularsubstanz verschmolzen sind. Auf dieser Stufe der typisch-histologischen Differenzirung finden sich bis jetzt nur wenige Repräsentanten. Es scheinen dahin zu gehören: die Knorpelmassen an den freien Enden der Kie- menstrahlen- und der Rippen-Knorpel; die Wirbelsaite bei den Myxinoiden und Froschlarven mit einer sehr geringen Menge Intercellularsubstanz; auch in dem Kiemenknorpel der Froschlarven. zeigen sich ähnliche Knorpelmassen. II. Gewebe, bei welchen die Zellenmembranen der Zel- len und ein kleiner Theil des Zelleninhalts an dem Ver- schmelzungsprozess mit der Intercellularsubstanz betheiligt sind; der grössere Theil des gemeinhin festeren Zellenin- haltes und die Zellenkerne sind noch deutlich zu erkennen, und werden ‚‚Knorpelkörperchen‘ genannt. Nach der Beschaffenheit der so wichtigen Intercellular- substanz scheiden sich die Gewebe auf dieser Gruppe in zwei Unterabtheilungen, welche später bei übersichtlicher Kenntniss von dem Verhalten der Zellenrudimente noch wei- tere Zusammenstellungen gestatten werden. a) Die Intercel- lularsubstanz ist eine hyalinartige feste Masse. Dahin sind zu rechnen: der gewöhnliche Knochenknorpel vor der Ver- knöcherung, die hyalinartigen, nicht ossifizirenden Knorpel, die sulzige Masse der Cartilagines intervertebrales etc. b) Die Intercellularsubstanz erscheint‘ von feineren und gröberen, regelmässig oder gewöhnlicher unregelmässig in verschiede- nen Richtungen sich durchkreuzenden dunklen Streifen durch- zogen. Hierher gehören die Ueberreste der Chorda dorsalis zwischen den Wirbelkörpern bei vielen Knochenfischen; des- gleichen die sogenannten gelben oder Netzknorpel. Referent 233 benutzt die Gelegenheit, einen Irrthum in seiner Schrift zu berichtigen. Nach den Präparaten, die ich damals vom Netz- knorpel mir verschaffte, wurde ich zu der Ansicht verleitet, dass auch hier die dunklen Streifen „höchst wahrscheinlich “* von Faltenzügen herrühren. Bei späteren Untersuchungen von Ohrknorpeln verschiedener Thiere habe ich mich voll- kommen davon überzeugt, dass das netzförmig gestreifte Wesen der optische Ausdruck einer Substanz sei, die im Netzknorpel neben der eigentlichen Intercellularsubstanz vor- kommt. Sie ist chemisch durch den grossen Widerstand ausgezeichnet, den sie selbst mineralischen Säuren und Al- kalien entgegenstellt.. Auch morphologisch bietet sie viel Räthselhaftes dar. III. Gewebe, deren Zellen zum grössten Theile so mit der Intercellularsubstanz verschmolzen sind, dass entweder nur eine kleine Abtheilung des Zelleninhaltes oder die Kerne deutlich erhalten bleiben. Das individuelle Gepräge der Intercellularsubstanz der aul dieser Stufe stehenden Gewebe der Bindesubstanz gestat- tet wiederum zwei Abtheilungen. a) Die Intercellularsub- stanz ist einfach hyalinisch. Hierher gehören die peripheri- schen Schichten der knorpligen Ueberzüge au den Gelenk- flächen; die Uebergangsschichten von der Gruppe II. in II. bei sich darbietender unmittelbarer Berührung im Körper. b) Die Intercellularsubstanz ist gemeinhin von gröberen oder feineren, nach einer und derselben Richtung verlaufenden dunklen Streifen durchzogen, welche die optischen Ausdrücke von Faltenzügen in dieselben vorstellen. Entsprechend den Falten, die sich freiwillig hervorbilden, ist mit einiger Mühe eine Zerlegung in künstliche Fasern möglich. Hierher: die Substanz der Ligamenta intervertebral. mit Ausnahme des Kerns, die Synchondrosen, Tuba Eustachii, die Cartilagines interarticulares in jüngeren Lebensperioden sämmtlich (spä- ter verwandeln web die meisten Zwischengelenkknorpel in eine dem gewöhnlichen Bindegewebe sich annähernde Sub- stanz, mit Ausnahme der Cart. interart, in den Articul. cla- vieulo-sternal.), die Augenliedknorpel, die knorpligen Ueber- züge der Gelenkflächen des Kiefergelenkes etc. IV. Gewebe, deren Zellen entweder vollständig oder doch bis auf unbedeutende, mehr oder weniger zahlreich vor- kommende (Kern-) Rudimente mit der Intercellularsubstanz zu einer homogenen Masse sich vereinigt haben. Das Verhalten der hier nun vollends überwiegenden In- tercellularsubstanz lässt etwa drei Unterabtheilungen zu. a) Die Substanz des Gewebes. in welcher Zellenrudimente gänzlich zu fehlen scheinen, ist durchaus homogen, hat keine 234 Neigung zur freiwilligen Falten- oder Runzelbildung, höch- stens rollt sie sich von den Rändern aus auf. Hierher: die wesentlichste Substanz des Hautskelets wirbelloser Thiere, Tunica Demoursii. b) Die Substanz der Gewebe besitzt die Neigung, sich in Runzeln und in mehr oder weniger unre- gelmässige Falten zu legen Rudimente von den ursprüng- lichen Zellen finden sich im Allgemeinen selten vor; die Sub- stanz ist gar nicht oder doch nur sehr schwer spaltbar. Hierher: alles Bindegewebe in den nächsten Umgebungen der übrigen Gewebeelemente des thierischen Körpers (primitive Muskelfaser- und Nervenfaser (?)- Scheide, Tunica propria der Drüsen etc.), die eigenthümliche Substanz der Hornhaut, der grösste Theil des Bindegewebes wirbelloser Thiere. e) Die Substanz hat grosse Neigung, sich freiwillig in Falten zu legen; erscheint demgemäss feiner oder gröber dunkel ge- streift und ist dem entsprechend mehr oder weniger leicht in sogenannte Bündel, Fasern, Fibrillen spaltbar. Hierher: das Bindegewebe in Begleitung des Sympathicus, das seh- nige, fibröse Gewebe, überhaupt alles parenchymatöse, ver- bindende und umhüllende Bindegewebe, sobald dasselbe sich künstlich in Fasern, Fibrillen ete. spalten lässt. Den Schluss der Schrift machen allgemeine Bemerkun- gen über die sonstigen Eigenschaften der Gewebe der Bin: desubstanz nach chemischen und physikalischen Beziehungen, so wie über ihre Funktion inı Körper, theils nach rein me- ehanischen, theils nach organischen Verhältnissen, als ver- bindendes Mittelglied der Bestandtheile eines zusammenge- setzten Organismus. Das Einzelne zu besprechen ist bier nicht der Ort. Doch einen Punkt sieht sich Referent schon gemüssigt hervorzuheben, da er Henle in seinem Jahresbe- richt zu einem sehr auffallenden und argen Missverständniss Veranlassung gegeben hat. Es war aus den mitgetheilten Untersuchungen hervorgegangen, diss die Gewebe der Bin- desubstanz, auch das gewöhnliche Bindegewebe, weder als Fasern sich ursprünglich entwickeln, noch auch später nach der Entwickelung irgendwie einen faserigen Bau an den Tag legen. In den bezeichneten allgemeinen Bemerkungen wird nun darauf hingewiesen (p. 163.), dass die Gewebe der Bin- desubstanz zwar durch histologische Entwickelung mehrerer Zellen entstanden seien, mithin keine strukturlose Substanzen in der Wirklichkeit darstellen können, dass sie jedoch als histologische Gebilde, namentlich im Gegensatz zu solchen, die aus je einzelnen Zellen sich‘ entwickeln, wegen der Be- theiligung der mit den Zellen im ganzen Umfange verschmel- zenden Intercellularsubstanz keine bestimmten, äusseren Um- grenzungen hätten. Die Gewebe der Bindesubstanz sind also 235 in dieser Beziehung formlos. Gleichwohl zeigen sie sich nach ihrer histologischen Beschaffenheit geeignet, den Orga- nisationsverhältnissen entsprechend, jede beliebige Form an- zunehmen. Sie können in dünnsten Lamellen, in feinsten Fasern, und auch wiederum in kompakten Massen von be- liebiger Uingrenzung auftreten (p. 163.). In solchen Aus- sprüchen kann kein unbefangener Forscher einen Widerspruch finden, wenn auch irgendwo im Organismus, den Organisa- tionsverhältnissen entsprechend, Fälle vorkommen, wo das Bindegewebe in Strängen (natürlich auch von Spiralfasern umwickelt) von einer Breite angetroffen wird, die mit jenen durch die gröbern Faltenzüge bezeichneten und früher als Bindegewebebündel gedeuteten Abtheilungen einer kontinuir lichen Bindegewebemasse übereinstimmen. Henle dagegen hat den Glauben, dass solche Stränge zum Ueberfluss be- weisen, dass des Verfassers Ansicht falsch und der histolo- gisch faserige Bau des Bindegewebes klar sei (!! Ref.). Seit dem Erscheinen dieser Schrift hat Niemand eine gründliche Prüfung der Untersuchungen unternommen, ob- schon bald zwei Jahre vorübergegangen sein werden. Der Verfasser hat dieses erwartet; es durfte ihn aus mehrfachen Gründen nicht befremden, namentlich auch deshalb, weil er sich sehr wohl des Kampfes erinnert, den er selbst, so wie seine nächsten Umgebungen, durchgemacht, bevor jeder Z wei- fel schwand und die Veröffentlichung der Schrift erfolgte. Von mehreren Seiten sind über die Schrift des Verfassers Referate veröffentlicht. Das einzige Referat, das vollständig in den Geist der Schrift eingedrungen, ist das des Dr. Hein in den Schmidt’schen Jahrbüchern; das schlechteste Refe- rat — es wird mir schwer, dieses hier öffentlich von einem so bedeutenden We aussprechen zu müssen — ist das Henle’s in dem Canstatt’schen Jahresbericht über mikroskopische Anatomie. Referent findet diesen Bericht sehleelit, nicht etwa deshalb, weil derselbe, seiner Form nach, nicht sellen den Autor persönlich verletzen musste, oder etwa, weil in demselben von vornherein ausgesprochen wird, dass in den Untersuchungen nichts Neues und nur nene Deutungen mikroskopischer Bilder vorkämen, oder end- lich, weil Beobachtungen und mit ihnen unschuldiger Weise auch die genetische Methode an den Pranger gestellt werden, ohne dass die Versuche von irgend Jemand (auch nicht von Stadelmann nach dem angegebenen Verfahren) früher ge- macht oder etwa von Henle wiederholt worden wären; — sondern Referent hält den Bericht vielmehr deshalb für schlecht, weil derselbe eine in ihren Einzelnheiten innig zu- sammenhängende Arbeit zerstückelt, einzelne aus dem Zu- 236 sammenhange gerissene Stücke und unverständliche Brocken dem Leser vorlegt und so natürlich keine Einsicht in das Wesen und die Bedeutung der Schrift und ihrer Einzeln- heilen gestattet; weil ferner in demselben die Versuche des Verfassers zum Beweise der nicht faserigen Struktur des gewöhnlichen Bindegewebes durch Hinweglassung wesent- licher Erscheinungen und Umstände entstellt den Lesern mit- getheilt sind; weil endlich in diesem Berichte Behauptungen gleichsam im Sinne der Schrift gemacht und mit ironischen Floskeln commentirt worden, die nicht einmal daraus mit Umschweifen dedueirt werden können. Referent braucht nieht näher auf das Einzelne einzugehen, da den Lesern des Archivs der Bericht Henle’'s, so wie die Arbeit des Refe- renten und das daraus entnommene obige Referat zur Ver- gleichung vorliegt. Hinsichtlich der Entwickelung des Knorpels hat Gün- ther (a. a. © p. 313.) einzelne Beobachtungen mitgetheilt, die mit denen des Referenten übereinstimmen. So sah der Verfasser in dem Knorpel des Schenkelkopfes eines 10- bis 14 wöchentlichen menschlichen Fötus ausserordentlich viele rundliche, grosse („2,;, — ;4;'') Zellen, die in einer noch wenig konsistenten Grundsubstanz sehr gedrängt lagen und sich leicht von derselben sondern liessen Etwas später werden die Zellen mehr länglich, und fallen nicht mehr so leicht aus der Grundsubstanz heraus, was auf eine innigere Verbindung beider hindeutet; die Verschmelzung jedoch der Zellenmembran mit der Grundsubstanz' scheint der Verfasser für viele Fälle in Abrede zu stellen, da man öfters auf einer Seite oder im ganzen Umfange der Knorpelhöhlen eine deut- liche, ja bisweilen gar nicht sehr düune Zellenwand wahr- nehmen soll. Auch will Günther an Knorpelkörperchen, die an der Schnittfläche eines Präparates frei hervortraten, die ziemlich dicke Zellenmembran erkannt haben. Referent hat bei seinen Untersuchungen grade auf diesen Punkt eine besondere Aufmerksamkeit verwendet, gleichwohl ist ihm kein ausgebildeter Knorpel bekannt, an welchem sich auch nur mit einiger Sicherheit die Anwesenheit der Zellenmem- bran am Knorpelkörperchen nachweisen liesse. Der Verfasser scheint nicht auf den Umstand geachtet zu haben, dass im mikroskopischen Bilde von Knorpelschnittchen gar leicht die Kontouren verschieden grosser, scheinbarer Durchschnitte ei- nes einzigen oder auch zweier übereinanderliegender Knor- pelkörperchen so gesehen werden, wie wenn sie in einer Ebene lägen und einem einzigen Durchschnitte angehören. Auf solehe Verhältnisse vermochte Referent stets ein mikro- skopisches Bild zurückzuführen, bei welchem der Schein der 237 Anwesenheit von Zellenmembranen an den Knorpelkörper- chen sich zeigte (vergl. a. a. ©. p. 123 seqgq.). Aus dem oben besprochenen Werke Harting’s sind in Betreff der Knorpel folgende spezielle Resultate hervorzuhe- ben. Die Knorpelkörperchen eines neugebornen Kindes sind ungefähr vierfach so gross, als die des Fötus im vierten Mo- nate, ferner die des erwachsenen Menschen acht bis zwölf Mal grösser, als beim Neugebornen. Die Zahl der Knorpel- körperchen ist beim Neugebornen drei bis vier Mal grösser, als beim Fötus im vierten Monat. Nach der Geburt dage- gen vermindert sich die Zahl derartig, dass.beim Erwachse- nen etwa halb so viel Knorpelkörperchen vorgefunden wer- den, als beim neugebornen Kinde; nach der Ansicht des Verfassers geschieht dieses in Folge von Verschmelzungen der Knorpelkörperchen untereinander. Die Zahl der in ei- nem Knorpelkörperchen enthaltenen endogenen Zellen ver- mehrte sich während des Fötuslebens. Beim Erwachsenen enthält ein jedes Knorpelkörperchen im Durchschnitt das Doppelte der Zalil von endogenen Zellen, welche beim neu- bornen Kinde vorkommt. Das Verhältniss der Knorpel- örperchen und der intercellularen Substanz zu einander hin- sichtlich der Raumerfüllung in einem Knorpel ist zu ver- schiedenen Zeiten verschieden. Im jüngeren Fötus nimmt die Intercellularsubstanz fast eben so viel Raum ein, wie die Knorpelkörperchen; beim Neugebornen und Erwachsenen dagegen mehr als das Doppelte von dem Raume, den die Knorpelkörperchen erfüllen. Nach den Angaben über die in einem jeden Knorpelkörperchen enthaltenen endogenen Zel- len zu schliessen, darf man annehmen, dass Harting, wie es wohl öfters geschieht, einzelne Gruppen von Knorpel- körperchen für einzelne Knorpelkörperchen mit endogenen Zellen gehalten habe. Denn Knorpelkörperchen mit endo- genen Zellen kommen äusserst selten vor, dagegen erscheinen einzelne Gruppen von Knorpelkörperchen sehr häufig unter dem Mikroskop so, wie wenn sie in einer gemeinschaftlichen Höhle lägen. So werden sich denn bei späteren Messungen andere Resultate herausstellen (Ref.). Die Veränderung des Knochenknorpels in Kuochen (Röhrenknochen) beschreibt Günther nach eigenen Beob- achtungen (a. a. O. p. 323 seqq.). Die reihenweise geord- neten Knorpelkörperchen treten in der Nähe des Punctum ossilicationis wieder etwas auseinander, und nehmen eine rundliche Form an, indem sie, wie der Verfasser meint, von dem bestandenen Drucke befreit werden und sich wieder ausdehnen (? Ref.). Zwischen diesen abgerundeten Knorpel- körperchen zeigen sich helle Säume, die miteinander zusam- 238 meniliessen und so ein helles Netzwerk bilden, in dessen Maschen jene rundlichen Körper liegen. Gegen den schon gebildeten Knochen hin sieht man die Gänge dieses Netzes, welche von dem Verfasser für Kanäle gehalten werden, au Dunkelheit allmählig zunehmen und an Umfang sich vergrös- sern. Die Dunkelheit in den Kanälen ist bedingt durch die Ablagerung einer Menge feiner, runder Körnchen, die für Knochenerde zu halten sind. Von diesen Kanälchen beginne also die Verknöcherung der Grundsubstanz. Die in Reihen geordneten Knorpelkörperchen sollen ferner nicht, wie Bid- der beobachtete, zu den Markkanälchen verschmelzen, son- dern sämmtlich in die Knochenkörperchen sich verwandeln. Diese Verwandlung geschieht so, dass die Wandung der rundlichen Knorpelzellen nach dem Kern hin sich verdicken, so zwar, dass in der sich verdieckenden Wandung Lücken zurückbleiben, die strahlig nach allen Seiten, von dem Kern ausgehen. Die in der dicken Wand gebildeten Poreukanäle und der noch übrig gebliebene Raum der Knorpelzelle mit dem Kern füllen sieh mit fein vertheilter Knochenerde und werden Knochenkörperchen; die verdickte Wandung dagegen wird in- die Verknöcherung der Grundsubstanz mit hinein- gezogen. Indem der Verknöcherungsprozess so vorschreitet, bleiben doch gewisse Partieen des Knorpels unverknöchert und erhalten ein kleinzelliges Ansehen. Diese Stellen sind es nun, die durch Resorption sich aushöhlen und in die Markkanälchen übergehen. Die Entstehung derselben ist also ähnlich, wie die der Markhöhle. Günther hat ferner die den Markkanälchen und den Markhöhlen konzentrisch verlaufenden Streifen des Knochen- knorpels auch an feinen Knochenplättehen wahrgenommen, Die um die Markkanälchen konzentrisch verlaufenden Linien beschreiben nicht immer geschlossene Kreise, sondern zu- weilen nur Halbkreise, die entweder frei enden oder an an- dere Kreise sich anlegen. An Präparaten, deren erdige Be- standtheile nur unvollkommen durch Säuren entfernt sind, haben die Linien ein granulirtes Ansehen, welches durch deutlich und scharf begrenzte Körnchen bedingt ist. Aus den Messungen Harting’s haben sich folgende Re- sultate hinsichtlich der numerischen Verhältnisse für den Knochen ergeben (a. a. O. p. 78 segq. und p. 86.). Der Durchmesser der Markhöhle ist mit Rücksicht auf den gan- zen Knochen grösser beim Fötus von vier Monaten, als beim neugebornen Kinde. Nach der Geburt nimmt jedoch die re- lative Ausdehnung der Markhöhle wieder zu bis zum Alter der Reife. Der Durchmesser der Markkanälchen ist grösser einige Zeit nach der Verknöcherung, wenn sie zugleich an 239 Durchschnitten eine ovale Umgrenzung zeigen, als später beim neugebornen Kinde, bei welehem sie runde Röhren darstellen. Nach der Geburt vergrössert sich der Durchmesser der Mark- kanälchen mit der Vermehrung der soliden Substanz des Knochens, so dass der mittlere Umfang ein wenig denjeni- gen unmittelbar nach der Verknöcherung überschreitet. Die Zahl aller Markkanälchen eines Knochens wächst dagegen fortdauernd bis zum erwachsenen Alter. Doch vermindert sich gleichzeitig die Zahl der in einem bestimmten Raum enthaltenen Markkanälchen, da die Zwischenräume, durch welche sie von einander getrennt werden, grösser und grös- ser werden. Der relative Raum, den sämmtliche Markkanäl- chen in einem Knochen einnehmen, ist am grössten unmit- telbar nach der Verknöcherung, am kleinsten nach der Ge- burt, während später wieder Vergrösserung eintritt. Es folgen daher die Markkanälchen demselben Gesetz der Ver- änderung, welches auch bei den Markhöhlen beobachtet wird. Die zelligen Höhlen des Knochens sind grösser beim neugebornen Kinde, als beim Fötus; am kleinsten sind sie beim Erwachsenen (?Ref.). Die absolute und relative Zahl dieser Höhlen vermehrt sich von der Zeit der Verknöcherung bis zum erwachsenen Zustande. Indessen steht diese Zu- nahme an Zahl nicht im gleichen Verhältniss zu der Ver- minderung ihres Umfangs. Der Umfang sämmtlicher zelligen Höhlen, welche sich in einem gewissen, gegebenen Raume vorfinden, ist am grössten beim Kinde, etwa 4 der soliden Masse des Knochens, während sie beim Fötus von vier Mo- naten und beim Erwachsenen etwä z' der soliden Masse einnehmen. Die von Brull& und Hugueny unternommenen und schon im vorigen Jahresberichte erwähnten Experimente über das Wachsthum der Knochen haben nach neueren und mehr ausführlichen Mittheilungen (Annales des scienc. nat. Novbre.) zu folgenden Resultaten geführt: Die Entfärbung der durch Krappfütterung gefärbten Knochenpartieen geschieht nicht, wie die Verfasser früher behaupteten, durch Stoff- wechsel, sondern durch Resorption und vollkommene Ent- fernung farbiger Schichten. Nach vollendetem Wachsthum findet überhaupt keine Entfärbung Statt, da’ Resorption von Knochenmasse und der Ansatz neuer Lamellen nur bei Thie- ren vorkomme, die im Wachsthum begriffen sind. Hier zeigte sich dann bei den Experimenten, dass die Ablagerung neuer Kuochenschichten, so wie die Resorption vorhandener so- wohl an der äusseren, als an der inneren Knochenfläche röhriger Knochen eintrete, so zwar, dass diese Prozesse nie- mals im ganzen Umfange beider Knochenflächen beobachtet 240 werden, und der Knochen gewöhnlich da an der einen Fläche resorbirt werde, vwvo gegenüber auf der anderen Fläche An- lagerung von neuer Knochenmasse Statt habe. Der Knochen wächst also von Aussen und von Innen. Die Zunahme des Knochens an Dicke geschieht durch Absetzung neuer Par- tieen, besonders an der äusseren Fläche. Die Vergrösserung des Knochens der Länge nach gehe auf die Weise vor sich, dass an den Extremitäten neue Partieen sich ablagern, wäh- rend am Körperstücke, das zunächst angrenzt, Resorption eintrete. Die Epiphysen vergrössern sich durch Ansatz neuer Substanz an die äusseren Flächen in gewissen Partieen, während andere Partieen der Resorption unterworfen sind. Das Periosteum und die Medullarmembran sind abwechselnd die Organe, durch welche der Ansatz und die Resorption der knöchernen Schichten vermittelt werde. J. Stark bestimmt nach seinen Untersuchungen den Fettgehalt trockener Knochen auf 4—25 pCl. In den Rip- pen des Menschen und der Säugethiere, so wie in den luft- haltigen Knochen erwachsener Vögel ist der Fettgehalt sehr gering. Der Gehalt der Knochen an Wasser ist bei mensch- lichen Knochen bedeutender, als bei den Knochen aller Säu- gethiere. Im Mittel beträgt der Wassergehalt bei Röhren- knochen 3—7 pCt., bei platten Knochen 12 — 20 pCt. Die Masse von Häuten und Blutgefässen ist ungefähr 1—3 pCt. Wenn man den Knochen von Fett und Wasser möglichst vollkommen befreie, so ergiebt sich für den Gehalt des Kno- chens an Knochenerde im Mittel (aus 19 Analysen) 66,61, an Knorpel 33,39. (On the bones. Edinb. med. and surg. Journ. April. p. 308.) Bil. usdt; Owen Rees hat sich durch eine Reihe von Versüchen überzeugt, dass die in dem Blutkörperchen enthaltene Flüs- sigkeit roth sei, und die Membran derselben durchsichtig und farblos. Die Anwesenheit eines Kerns konnte nicht mit Be- stimmtheit erwiesen werden. Behandelt man die Blutkör- perchen mit destillirtem Wasser, so dehnen sie sich aus und platzen. Die geborstenen Hüllen fallen als weisser Nieder- schlag zu Boden. In dem Niederschlag findet man dann drei Arten von Körpern: Substanzen von dem Ansehen gefal- teter oder flacher Häute, weisse Körperchen, die den Blut- körperchen gleichen, jedoch um +: des Durchmessers klei- ner sind, endlich feine Körnchen. (Lond. med. Gaz. 1845. Mai.) 241 Nasse hat Beobachtungen über die farblosen Kügelchen im Blute des Menschen und der Säugethiere mitgetheilt (Wagner’s Handwörterbuch für Phys. Lief. IX. p. 378.). Bei den meisten Haussäugethieren belief sich die durchschnilt- liche Grösse der farblosen Blutkügelchen auf 0,0027 bis 0,0032 ”. Bei Kälbern, Hunden, Katzen war die Mittelzahl öfters noch höher. Ebenso beim Menschen, wo sie zuweilen einen Durchmesser von 0,0045’ erreichen. Die dunkle, bei weitem vorherrschende, scharf umschriebene Art ist durch- schnittlich die grössere. Diese Körperchen besitzen biswei- len in der Mitte Flecken, deren Farbe ins Röthliche spielt. Bei Anwendung von Essigsäure, zuweilen schon von Was- ser, zerfallen die farblosen Blutkörperchen leicht und sehr deutlich der Mehrzahl nach in Hülle und Kern. Die Hülle ist verhältnissmässig gross, und scheint von [esterer Be- schaffenheit, als in den Lymphkörperchen der Drüsen. Der Kern ist weniger rund, vielmehr eckig, bohnenförmig oder gekerbt, wie aus zwei neben- oder übereinandergelagerten Körnern zusammengesetzt, zuweilen deutlich aus zwei bis drei Stücken gebildet. Selten erscheiut ein Kern, der aus zwei oder drei, durch einen Zwischenraum getrennten Kör- nern bestand. Die mittlere Grösse der Kerne ist geringer, als bei den Körperchen der Lymphe. Zuweilen scheinen sie einen mittleren Eindruck zu haben, andere zeigen einen röthlichen Schein. Wo nur ein Kern vorhanden ist, beträgt der Durchmesser 0,002 — 0,0024”. Die getrennten Kerne waren länglich, im Längsdurchmesser 0,0012 — 0,0014‘, in der Breite 0,0006 —0,0008‘. Bei Hunden im trächtigen Zu- stande wurden einzelne farblose Blutkörperchen mit zwei getrennten Kernen beobachtet. — Ausser den kernhaltigen, farblosen Blutkügelchen finden sich im Blute noch viele Körperchen, die blos zerstreute Körner einschliessen, die leicht bei Einwirkung der Essigsäure oder auch des Wassers zerfallen. Sie hatten bei einem an Lungenentzündung er- krankten Menschen eine Grösse von 0,003 — 0,0036 Durchmesser. Nach Remak finden sich in dem normalen Blute des Kaninchen, ausser jenen grösseren und kleineren farblosen Körperchen, die von der Lymphe und dem Chylus dem Blute beigemischt werden, noch zwei Arten von farblosen Formelementen. Die eine Art ist zahlreicher, von granulir- tem Ansehen, mit einem verhältnissmässig kleinen lateralen Kern und mit der Fähigkeit. durch Wasser stark anzu- schwellen. Die zweite Art zeigt sich, wenn zu einem Tro- pfen warmen Venen- oder Arterienblutes ein Tropfen Was- ser hinzugesetzt wird, in welchem Falle röthliche, den ge- Müllers Archiv. 1816, 0) 242 wöhnlichen farbigen Blutkörperchen ähnliche, sphärische Kör- per mit einem farblosen, lateral eingelagerten Kern zumVor- schein kommen. (Diagnostisch. und path genet. Untersuch. p- 109 seq.) Fahrner, der unter Kölliker's Leitung und mit die- sem Forscher gemeinschaftlich Untersuchungen über das Blut angestellt hat, unterscheidet vorzugsweise zwei Arten von farblosen Blutkörperchen, kleine und grössere. Die kleineren, an Zahl die häufigeren, haben die meiste Aehnlichkeit mit denen im Duct thorac. vorkommenden Lymphkörperchen (vergl. später), und ihre Kerne sind einfach. Die grösseren Körperchen stimmen mit den grösseren in der Cysterna Chyli sich vorfindenden Körperchen überein, besonders hinsichtlich der Kerne und des Inhaltes. Der Inhalt enthält oft so we- nig Körner, dass ohne Reagentien die Kerne gesehen wer- den. Die Zahl der Kerne variirt zwischen 2—4 in einem Körperchen. Ausserdem findet sich im Blute des Menschen und der Säugethiere konstant eine Art eigenthümlicher Zel- len, die auch in der Lymphe anzutreffen sind. Es sind grosse, runde Zellen, die Körnchen und Kerne enthalten. Die Körnechen zeichnen sich durch Grösse, Form und Lage- rung aus. (De globulorum sanguinis in mammalium embryo- nibus atque adullis origine. Diss. inaug. Turic. 1845. 8vo. e. tab. 1. p. 25 seq.) In derselben Schrift haben wir auch eine Reihe von Beobachtungen über das Verhalten der Blutkörperchen bei Schaf-Embryonen erhalten (p. 6—19.). Bei einem Embryo von 3% Linien (Länge? Ref) fanden sich nur gekernte Blut- körperchen vor. Einige von ihnen hatten eine runde, kuge- lige Form. Diese theilten sich zugleich in grössere und in kleinere Blutkörperchen. Die ‘grösseren und zugleich zahl- reicheren hatten einen Durchmesser von 0,005 — 0,0065‘, die kleineren im Durchschnitt 0,003‘; doch wechselte die Grösse wunderbar. Andere Blutkörperchen zeigten mehr oder weniger eine elliptische Form, jedoch ohne seitlichen Eindruck und mit Fortsätzen verschiedener Art (?Ref) ver- sehen. Eine dritte Art, die am seltensten vorkam, hatte meistentheils eine ovale Form, jedoch mit stärkeren oder ge- ringeren seillichen Einschnürungen in zwei bald gleiche, bald ungleiche Abtheilungen, von welchen jede einen, bisweilen auch zwei Kerne enthielt. In seltenen Fällen fand die Ein- schnürung nur auf einer Seite Statt. Eine die Abtheilungen trennende Scheidewand war niemals zu bemerken. Die Länge dieser Blutkörperchen betrug 0,0065 — 0,009‘, die Breite 0,004 —0,006°. Aehnlich verhielt sich auch die Grösse der elliptischen Zellen. Die Membran der elliptischen und ein- 243 geschnürten Zellen lösete sich nicht in Essigsäure und Was- ser. Alle Blutkörperchen hatten eine stark gelbliche Färbung, die dem flüssigen Inhalt angehört, welcher ausserdem häufig kleine, punktähnliche Körnchen suspendirt enthielt. Die Kerne traten überall bei Anwendung von Wasser und Essig- säure deutlicher hervor. Sie hatten bei den runden Blutkör- perchen eine runde, bei den elliptischen eine runde oder ovale Form, bei den eingeschnürten Blutkörperchen eine runde Form. Bei den elliptischen Blutkörperchen fanden sich gewöhnlich zwei, bei den ovalen, eingeschnürten zwei oder drei Kerne vor. Als eine auffallende Eigenthümlichkeit der grösseren, runden Zellen wird noch hervorgehoben, dass sie bisweilen zu je zwei untereinander oder eine grössere mit zwei kleineren zusammenkleben. — Bei Embryonen von 11“ — 35° wurden ausser den gekernten grösseren oder kleineren Blutkörperchen auch kernlose vorgefunden, desglei- chen nackte Kerne und ganz farblose Körperchen. Von den gefärbten, mit einem Kern versehenen war die grössere Zahl rund, leicht zusammengedrückt, bisweilen auch bei den grös- seren Embryonen mit einem sanften Eindruck behaftet, und nicht selten durch kleine Fortsätze an den Rändern ausge- zeichnet. In den jüngsten Embryonen und in der Leber der älteren kommen auch birnförmige und eiförmige vor. Aus- serdem fanden sich auch nicht wenige abgeplatiete, ellipti- sche Blutkörperchen vor, die eine grosse Aehnlichkeit mit den Blutkörperchen der Amphibien, Fische und Vögel hatten. Alle diese Blutkörperchen waren von einem gelblichen Flui- dum erfüllt, das namentlich im Blute der Leber hinsichtlich seiner Färbung sehr varürte. Körnchen fehlten im Inhalt nicht gänzlich. Die Kerne erschienen am deutlichsten in den Zellen des Blutes (? Ref.) der Leber, und hatten entweder eine etwas zusammengedrückte runde oder längliche Form. Durch Essigsäure im diluirten Zustande wurden alle Kerne verkleinert und nahmen ein granulirtes Ansehen an. Im Blute der Vena portarum (? Ref.) und der Leber zeigten sich sehr häufig in einem (elliptischen) Blutkörperchen zwei, auch drei und vier Kerne. Die nicht gekernten, gefärbten Blut- körperchen waren nur wenig von jenen im erwachsenen Zu- stande verschieden; nur die seitliche Exkavation war weni- ger ausgeprägt. Die farblosen Blutkörperchen haben ihren eigentlichen Sitz im Blute der Leber: im Blute des übrigen Körpers werden sie nur selten angetroffen. Die Verfasser verschafften sich diese Blutkörperchen durch einen Einschnitt in die Substanz der Leber, und halten es für unzweifelhaft, dass diese Körperchen nicht der Substanz der Leber, son- dern nur dem Blute derselben angehören (?Ref.). Es glei- 02 x 244 chen diese Körperchen etwas den Lymphkörperchen erwach- sener Thiere. Sie haben eine runde oder elliptische, nicht selten auch eine bisquitförmige, und in seltenen Fällen eine dreieckige oder viereckige Form. Der grösste Durchmesser der letzteren Formen wechselt zwischen 0,008 — 0,012”. Die runden Körperchen haben eine sehr verschiedene Grösse, im Durchmesser 0,0025 — 0,006“. Mit Hülfe der Essigsäure und des Wassers erkennt man stets deutlich an diesen Körper- chen die sehr dünne, durchsichtige, elastische Membran, desglei- chen die Kerne und den gleichförmigen oder wenig granulirten, wasserklaren oder gelblichen Inhalt. In den runden Körperchen kommen nur einzelne Kerne, in den elliptischen überall zwei, in den dreieckigen und viereckigen Formen drei und vier Kerne vor. Die Durchmesser dieser Kerne variiren zwischen 0,001 — 0,004”. Nach der Leber enthalten solche Körper- chen am meisten, doch, viel weniger häufig, das Blut der Vena cava (?Ref.) und das rechte Herz. — Die ältesten Embryonen, welche die Verfasser untersuchten, hatten eine Länge von 54, 8”, 9” und 13. Die Blutkörperchen die- ser Embryonen näherten sich mehr oder weniger in ihrer Beschaffenheit denen der erwachsenen Thiere; namentlich werden die grösseren Formen der Bluikörperchen seltener, und die Zahl der gekernten Blutkörperchen nimmt mehr und mehr ab. Die gefärbten und mit einem Kern versehenen Blutkörperchen betrugen im Blute der Leber etwa den vier- ten oder fünften Theil, im übrigen Körper sind sie viel sel- tener. Sie hatten fast alle eine kuglige, zuweilen wenig ab- geplallele Form; nur in der Leber fanden sich auch elliptische Formen mit zwei Kernen. Die einfachen Kerne hatten meist eine seilliche Lagerung. Die gefärbten, kernlosen Blutkör- perchen waren kaum von denen bei den erwachsenen Thie- ren zu unterscheiden. Die farblosen Blutkörperchen waren am zahlreichsten in der Leber anzutreffen. Sie hatten eine runde oder ovale Form mit seitlichen Einschnürungen. Die grössten und auch die ovalen Formen fanden sich in der Leber und in dem Blute der Hohlveneun und des Herzens. Diese zeigten auch öfters zwei Kerne, und in der Leber zu- weilen drei bis vier. Die Blutkörperchen der Milz, der Schilddrüse, der Thymus und der Nebennieren verhielten sich, wie die in anderen Theilen des Körpers. Aus diesen Beobachtungen haben die Verfasser folgende Resultate abgeleitet. Sie bestätigen zunächst, was Referent zuerst nach seinen Untersuchungen beim Frosch und Hühn- chen aussprach, dass die Blutkörperchen, auch wenn sie im reifen Zustande keine Kerne enthalten, als Zellen anzusehen seien, die im Laufe der Entwickelung ihre Kerne durch all- 245 mählige Verkümmerung verlieren und sich zu Scheibehen ab- platten (p. 30.). Sie folgern ferner, dass die Vermehrung der Blutkörperchen in den frühsten Zuständen des Embryo zwar im ganzen Körper Statt fände, später aber auf die Le- ber sich beschränke, an deren Stelle im erwachsenen Zu- stande wahrscheinlich das System der Chylus- und Lymph- gelässe trete. Endlich stellen sich die Verfasser die Bildung der Zellen, aus welchen sich die Blutkörperchen histologisch entwickeln, vermuthungsweise so vor, dass zuerst der Kern der rundlichen oder ovalen Blutkörperchen aus freien Stücken zwei oder seltener drei neue Kerne erzeuge und dann die ganze Zelle in zwei oder drei runde, mit Kernen versehene junge Zellen’ (Blutzellen) sich verwandele (a. a. ©. p. 28.). Die Verfasser haben hinsichtlich des Ortes, wo beim Embryo die Vermehrung der Blutzel’en Statt finde, eine An- sicht wieder aufgenommen, die Referent in seinem Entwik- kelungsleben zuerst ausgesprochen, später jedoch nach er- weiterlen Untersuchungen in früheren Jahresberichten bereits wieder zurückgenommen hat. Doch wird des Referenten Ansicht dadurch von den Verfassern modifieirt, dass sie die Vermehrung der Blutkörperchen in dem Blute der Leber geschehen lassen, Referent dagegen dieselbe in dem Paren- chym, in den Wandungen der Gelässe, vor sich gehend sich vorstellte. Kölliker und Fahrner halten ihre Ansicht voll- kommen dadurch gesichert, dass sie im Blute der Leber aus- serordentlich zahlreich gekernte Zellen von dem Ansehen vorfinden, welches die Blutzellen in den frühesten Zuständen des Embryo, wo sie sich noch wenig von den Zellen ande- rer Gewebe unterscheiden, darbieten. Dass in dem Blute der Leber solche gekernte Blutzellen vorkommen, und selbst zahlreicher in früheren Perioden des Fötuslebens, als in an- deren Gegenden des Körpers, ist wohl nicht zu bezweifeln. Doch darauf muss Referent aufmerksam machen, dass es nicht möglich ist, mit Sicherheit zu entscheiden, wie viele von den gekernten Zellen dem aus dem Leberparenchym durch Einschnitt in dasselbe gewonnenen Blute als solchem angehören. Denn unvermeidlich mischen sich zu dem so ge- wonnenen Präparate Substanztheilchen des äusserst lockeren Pareuchynıs der Leber hinzu, und die Unterscheidung dessen, was nun dem Blute an sich zukommt, wird um so schwie- riger, als die Zellen des Leberparenchyms den Blutzellen in weniger entwickelten Zuständen, selbst durch eine gewisse gelbliche Färbung, ausserordentlich gleichen. Dieser Umstand macht die Schlussfolgerungen, wie die sie stützenden Beob- achtungen, der beiden Forscher unsicher. Inzwischen hat Kölliker, ohne auf den Widerspruch geachtet zu haben, 246 durch die Mittheilungen, welche er im Jahre 1846 über die Bildung der Blutgefässe im Embryo in Henle’s und Pfeuf- fer’s Journal (1846, p. 120 segq.) veröffentlicht hat, die bezeichnete Hypothese beseitigt. Kölliker bestätigt hier, ohne es zu wissen, die Ansicht über die Blutgefässbildung, welche ‚hinsichtlich des Herzens und der nächsten grossen Gefässstämme, so wie auch in Betreff der Gefässe in der Area vasculosa beim Hühnchen zuerst von dem Referenten (und nicht von Vogt, auch nicht von Kölliker) durch Beobachtungen erwiesen wurde, und die später auch zuerst von denselben Referenten nach erweiterten Untersuchungen für alle im Fötusleben sich bildenden Gefässe in Anspruch genommen worden ist. (Müller’s Archiv. 1841. Jahresbe- richt über die Leistungen der mikroskopischen Anatomie, p. crxxxıv.) Diese Ansicht sagt aus, dass überall, wo sich im Embryo neue Gefässe bilden, zuerst eine Anzahl von ge- kernten Zellen die Anlagen formire, dass dann in dieser so- liden Anlage die im Centrum gelegenen Zellen im Fortgange der Entwickelung zu Blutzellen sich verwandeln, während die Zellen der Rindenschicht dieser Anlage sich zu den die Blutgefässwandung konstituirenden Geweben verwandeln. Dasselbe nun bestätigt auch Kölliker, mit Ausnahme der in frühen Perioden des Embryolebens nicht vorkommenden Kapillaren. Wie sich aber auch der letztere Punkt verhalten mag, das wird Jeder und wird auch Kölliker zugestehen, dass in allen Organen und Bestandtheilen des Embryo, so lange sie an Volumen stark zunehmen, auch nicht-kapillare Gefässe fortwährend gebildet werden müssen. Daraus folgt aber nothwendig weiter, dass auch in allen diesen stark an- wachsenden Bestandtheilen des Embryo Blutzellen gebildet werden. Wenn in dem Blute der Leber des Embryo sich mit Sicherheit nachweisen liesse, dass mehr Blutkörperchen von unentwickelten Formen, als in anderen Theilen des Körpers vorkämen, so würde man übrigens daraus noch nicht mit Nothwendigkeit schliessen müssen, dass die Leber aus der Blutzellenvermehrung eine besondere Funktion mache. Denn es würde sich dieses Verhalten dadurch sehr gut er- klären lassen, dass die Leber in einer gewissen frühen Zeit des Embryolebens mehr als irgend ein anderes Organ oder irgend ein anderer Bestandtheil des Embryo’s an Volumen zunehme. Ob während des Embryolebens noch eine andere Art von Blutzellenvermehrung (ohne gleichzeitige Bildung von Blutgefässwandüngen) Statt habe, das ist fraglich; we- nigstens hält Referent weder die Beobachtungen Kölliker’s und Fahrner's, noch seine eigenen für geeignet, diese wich- tige Frage sicher zu beantworten. 247 Nach Harting (a. a. ©. p. 83.) haben die Blutkörper- chen des Menschen gegen Ende des vierten Monates des Fö- tuslebens den kleinsten Durchmesser. Es soll in dieser Zeit grade die Umwandlung der primären Zellen in die scheiben- förmige Gestalt vollendet sein (?Ref.) Während der übri- gen Zeit des Fötuslebens vergrössert sich der Durchmesser der Blutkörperchen, ist aber im Moment der Geburt noch geringer, als einige Zeit nach derselben und im erwachsenen - Zustande, so dass es scheine, als ob die Respiration auf das Volumen der Blutkörperchen von Einfluss sei. Reuter, der in Veranlassung der Bruch’schen Beob- achtungen Scherer’s Versuche einer aberinaligen Prüfung unterwarf, glaubt schliesslich die Ursachen der Farbenver- schiedenheit des arteriellen und venösen Blutes durch fol- gende Verhältnisse erklären zu können: 1) Das venöse Blut enthält mehr Wasser, wodurch eine dunkle Färbung des Blutes (durch das Aufquellen der Blutkörperchen) bedingt wird. 2) Das venöse Blut enthält mehr Kohlensäure, wo- durch auf gleiche Weise eine dunklere Färbung des Blutes hervorgerufen wird. 3) Die Hüllen der Blutkörperchen des venösen Blutes lassen den Farbstoff mehr durchscheinen. Der Unterschied der Farbe des venösen und arteriellen Blutes ist demnach, wie bereits Scherer angab, ganz allein von physikalischen Bedingungen abhängig. (Henle's und Pfeuf- fer’s Zeitschr. Bd. III. p. 165 segq.) — Dagegen hat Bruch, sich stützend auf seine zahlreichen Versuche und nainentlich darauf, dass eine wässerige Hämatinlösung nicht nur in Folge des Schüttelns mit Sauerstoff, sondern auch bei Durchleitung von Sauerstoff (was Scherer in Abrede stellte) hellroth ge- färbt werde, für die Farbenveränderung des Blutes auch die chemische Veränderung des Hämatins in Anspruch genom- men. Nach Bruch verändert sich die Blutfarbe auf drei verschiedene Weisen: 1) durch ehemische Veränderung des Blutfarbstoffs; 2) durch Anwesenheit oder Abwesenheit re- flektirender Körperchen; 3) durch Gestaltveränderung der Blutzellen. (Ebendas. p 309 seqggq.) Lymphe, Chylus. Nach Nasse sind die Kügelchen der Lymphe farblos, hell, stark durchscheinend, glänzend, besonders in einiger Entfernung von dem Focus des Mikroskops. Ihre Form ist nieht ganz kuglig, indem der eine Durchmesser den anderen zuweilen um + bis + und mehr übertrifft: Sie haben ein grobkörniges oder so feinkörniges Ansehen, dass die Ober- 248 fläche fast glatt erscheint, Die Grösse der Lymphkügelchen variirt auffallend in einem und demselben Gefäss, wie in ei- nem und denselben Thiere. Daher muss auch die Durch- schnittszahl für die Grösse derselben grossen Schwankungen unterliegen. Aus zahlreichen Messungen, die an den Lymph- körperehen von Kaninchen, Ochsen und von einem Pferde angestellt wurden, ergab sich als mittlere Grösse 0,00257‘%, 0,00229 und 0,00265. Der Verfasser unterscheidet dunk- lere und blassere Lymphkörperchen. Die gewöhnlichste Art ist die dunklere, von welcher sich drei auch durch die Grösse von einander abweichende Varietäten hervorheben lassen. Die grösste Art (bis 0,0036 und darüber) hat wenig Nei- gung, sich zu gruppiren, ist ziemlich dunkel mit ungleicher Schattirung, zeigt bei Anwendung der Essigsäure einen gros- sen Kern, der mit wenig schleimiger Hülle umgeben ist. Die zweite Varietät ist kleiner, häufig zu kleinen Gruppen ver- einigt, scharf umschrieben, verliert durch Essigsäure wenig und zeigt nicht überall einen schleimigen Hof, sondern zu- weilen nur einen wenig granulirten Kern, der in anderen Fällen am Rande mit einem dunklen Körperchen versehen ist. Zu der dritten Varietät gehören noch kleinere, dunkle Körperchen, die nicht immer von kugliger Gestalt sind, durch schwache Essigsäure nicht verändert werden und keine Hülle zeigen. Die blasseren Lymphkörperehen sind zum Theil so selten, dass man sie für unwesentlich, entweder für fremd- artige, von aussen beigemischte Körperchen, oder für unge- wöhnlich gebildete Lymphkügelchen halten könnte. Sie stellen sich dar als grosse Kugeln, welche zuweilen ohne weitere Behandlung einen Kern durchscheinen lassen. Im Wasser werden sie rasch breit, in der Essigsäure zeigen sie eine grosse, ziemlich feste Hülle mit einem kleinen Kern. Oefters ist der Kern unregelmässig geformt. Andere selten vorkom- mende, blasse, nicht sehr kleine Körperchen lassen keinen Kern darstellen. Selten sind endlich auch blasse, feinkörnige Körperchen, welche schon bei Einwirkung des Wassers und noch mehr bei Anwendung der Essigsäure in Körner zer- fallen. Chemisch bestehen die Lymphkörperchen, mit Aus- nahme von einzelnen Feltpartikelchen, aus mehreren Sub- stanzen, die niedergeschlagene oder flüssige, vom Niederschlag eingeschlossene Proteinverbindungen sind. In der Lymphe aus den Gefässstämmen fand Nasse keine Oeltröpfchen, sondern nur in der Lymphe aus den Drüsen. Ebenso kom- men die Pigimentparlikelchen nur in den Drüsen, namentlich in den Bronchialdrüsen vor. Kernähnliche Körperchen feh- len in der Lymphe aus den Drüsen niemals, doch bleibt es ungewiss, welche von ihnen aus dem Parenchyın ausgetreten 249 sind. Die Lymphkörperchen bei den Amphibien sind etwas grösser, als bei den warmblutigen Thieren, doch steht die Grösse der Blutkörperchen nicht in grader Proportion mit der der Lymphkörperchen. So besitzen die pflanzenfressen- den Haussäugethiere im Ganzen etwas grössere Lymphkör- perchen, als die fleischfressenden, während die Blutzellen nieht grösser sind. Die Chyluskörperchen unterscheiden sich von Lymphkörperchen durch das dunklere Ansehen, durch etwas bedeutendere Grösse (der Durchmesser beider verhält sich wie 10:11), obschon auch viel kleinere Chyluskörper- chen vorkommen, ferner durch die geringere Anschwellung in Wasser, wo sie sich schnell zu Haufen vereinigen, und grössere Löslichkeit der Hülle in Essigsäure, während der Kern mehr widersteht. (Handwörterbuch der Physiol. von Wagner. Lief. IX. p. 363 seqq.) H. Müller fand in dem Chylus gut gefütterter Thiere, die namentlich während der Verdauung getödtet wurden, eine Menge dicht gedrängter, ganz feiner, punktförmiger Theil- chen, deren Form und Grösse wegen der Feinheit und leb- hafter Molekularbewegung sich nicht bestimmen lässt. Che- misch bestehen sie aus Fett, und zwar in tropfbar - flüssiger Form. Ihr Zusammenfliessen wird wahrscheinlich durch die Anwesenheit einer Haptogenmembran verhindert, nach deren Lösung durch Essigsäure es leicht geschieht. Die milchige Trübung des Chylus ist nicht durch Anwesenheit der Chy- luskörperchen oder etwa vorhandener grösserer Fetttropfen, sondern grade durch die beschriebenen kleinen, molekularen Fetttröpfchen bedingt. In der klaren I,ymphe längere Zeit fastender Thiere fehlen sie, in dem Milchbrustgange scheinen sie weniger dicht gedrängt zu sein, dafür aber etwas grös- ser und leichter als einzelne Körnchen zu unterscheiden. Ausser diesem Fett in tropfbarer flüssiger Forın muss das- selbe auch im gelöseten, verseiften Zustande in den Saugadern vorhanden sein, da in der klaren Lymphe fastender Thiere, wo Moleküle und Fetttröpfehen fehlen oder äusserst sparsam sind, bei Anwendung von Essigsäure Fetttröpfchen zum Vor- schein kommen. Desgleichen findet ınan im Chylus, ausser den feinsten Molekeln, zerstreute Fetttropfen von sehr un- gleicher Grösse, die an ihrem mikroskopischen Habitus leicht erkennbar sind. Im Ductus thoracieus scheinen diese Fett- tropfen seltener zu sein, als in den Mesenterialgefässen, wo vielleicht aber bei der Präparation von aussen her Fett sich zum Clıylus mischen kann. Neben den feinsten Molekeln sieht man, wenn auch seltener, im reinen, ganz [rischen Chylus Körner, die blasser, weniger scharf und matter als jene sind, nicht über 0,0001 — 0,0005 im Durchinesser ha- 250 ben und, ohue ineinander zu fliessen, zu 2, 3 bis 6 und dar- über in Häufchen und Konglomeraten öfter zusammenliegen. Die einzelnen Körner scheinen wie durch eine zarte Zwi- schensubstanz zusammengehalten, so dass das Konglomerat, wenn die Körner recht zahlreich sind, die Unterscheidung von wirklichen Chyluskörperchen kaum ıiöglich ist. Die Körner verhalten sich chemisch unter dem Mikroskop nicht wie Fett. Endlich werden noch in der Lymphe und in dem Chy- lus die eigentlichen Chylus- oder Lymphkörperchen ange- troffen, welche von dem Verfasser synonym gebraucht wer- den. Es sind blasse, weissliche, mattglänzende, feinkörnige Körper mit wenig scharfen, etwas unebenen, das Licht nicht stark brechenden Umrissen. Ihre Gestalt ist im Allgemeinen kuglig, doch fast immer mit Hervorragungen nach der einen oder anderen Seite. Ziemlich häufig kommt auch eine etwas eylindrische Form vor, so wie die einer abgeplatteten Ku- gel. Die Grösse ist sehr verschieden. Die Grösse des Durch- messers der I,ymphkörperchen bei den von dein Verfasser untersuchten Säugethieren war bei den meisten zwischen 0,002” und 0,004’. Eine konstante Verschiedenheit in der Grösse der Lymphkörperchen der Milchgefässe und des Duct. thorac. wurde nicht beobachtet. Die Menge der Chyluskör- perchen nimmt während der Verdauung von den feinsten Zweigen zu den grösseren Stämmen hin zu; in ganz feinen Gefässchen werden selbst gar keine Körperchen vorgefunden. Am bedeutendsten ist die Menge der Chyluskörperchen in der Flüssigkeit der Mesenterialdrüsen und der ausführenden Stämme derselben, obschon die Lymphkörperchen einige Mal unmittelbar vor den Drüsen ebenso zahlreich angetroffen wurden, wie hinter denselben. Ein Unterschied von Kern und Hülle konnte nicht in ganz frischem, weder verdünntem, noch eintrocknendem Chylus an diesen Körperchen wahrge- nommen werden. Höchstens sieht man die Mitte etwas dunkler. Einen Schein von Hülle erhalten die Lymphkör- perchen im frischen Zustande dadurch, dass die Trübung, die von den Molekeln herrührt, oft nicht ganz bis an den Rand des Körperchens sich erstreckt und vielmehr eine durch- sichtige, klarere, peripherische Schicht zurücklässt (? Ref.). Bei Anwendung von Wasser quellen die Lymphkörperchen auf und werden regelmässig kuglig. Es kommen nach und nach in der Peripherie helle Punkte, Substanzlücken (? Ref.), zum Vorschein, die zusammenfliessen und um die dunklere Kernsubstanz allmählig einen hellen Ring bilden. So mar- kirt sich eine Hülle oder Schale und eine Kernsubstanz an dem Lymphkörperchen. Die Kernsubstanz oder der Kern 251 ist anfangs in seiner Grösse wenig von der des früheren ganzen Körperchens verschieden; ja die Grösse mag zuwei- len bedeutender sein. Später verkleinert sich der Kern, ohne jedoch sich gänzlich aufzulösen. Er ist anfangs graulich, schwach körnig, durchscheinend, wird dann mehr dunkel und deutlicher körnig. Die Zahl der Körner ist verschieden; häufig sind nur 2—4, aber auch 6—10 und darüber vorhan- den. Auch die Grösse wechselt; oft findet man in einem und demselben Körperchen alle Abstufungen. In manchem Chylus erlangen die Kerne ein glattes, gelblich glänzendes, gleichförmiges Ansehen; auch Uebergänge von Kernen mit dieser Beschaffenheit zu den stark körnigen Kernen finden sich. Neben dem eigentlichen Kern sind in der Hülle bis- weilen noch eingeschlossene Körnchen von verschiedener Grösse und Anzahl vorhanden. Die Hülle des Lymphkör- perchens ist nicht überall gleich deutlich, und ebenso ver- schieden ist ihr Widerstand gegen die Einwirkungen des Wassers. Einige Chyluskörperchen sind durch Wasser kaum sichtbar geworden, so werden sie auch bald wieder aufge- löset; andere verschwinden selbst nach vielen Stunden nicht. Bei raschen Zusatz von Wasser sah der Verfasser die Hülle mit einem Ruck platzen und aus dem Riss, dessen Ränder sich abwechselnd schlossen und öffneten, glashelle Kugeln austreten (?Ref.). Oefters wird an dem Chyluskörperchen durch Wasser keine Hülle sichtbar, und das Ansehen dessel- ben gleicht vielmehr ganz dem Kerne. Andere Lymphkör- perchen haben in runden oder ovalen Hüllen längliche, oder. halbmondförmige, oder seltener an einer oder an zwei Sei- ten eingeschnürte Kerne. In nicht ganz frischem oder zwi- schen zwei Plättehen gequetschtem Chylus kommen sehr unregelmässig gestaltete und undeutlich begrenzte Kerne zum Vorschein. Endlich werden in sehr geringer Anzahl auch Hüllen angetroffen, die zwei bis drei, noch seltener mehr, deutliche, ganz getrennte Kerne (? Ref.) von gleicher oder verschiedener Grösse, bald mehr glattem oder fein granulir- tem Ansehen angetroffen. In verdünnter Essigsäure verhal- ten sich die Chyluskörperchen wie Wasser; nur treten die Veränderungen rascher ein. In konzentrirter Essigsäure wer- den die meisten Hüllen aufgelöset, und die Kerne werden paaieral: elwas kleiner, stark körnig, und zeigen scharfe, unebene Ränder. Weingeist und Mineralsäuren verhalten sich ähnlich zu den Lymphkörperchen. In Aether geschüttelt er- scheinen die Körperchen ohne Hülle. Nach H. Müller finden sich in den feineren Gefässen des Mesenteriums am häufigsten Lymphkörperchen ohne Hüllen; die vorhandenen Hüllen sind zum Theil undeutlich 252 und leisten den äusseren Einwirkungen nicht lange Wider- stand. Die austretenden Glaskügelchen zeigen sich frühzeitig und häufig. Die Kerne sind hier meist gross, öfter etwas unregelmässig und werden leicht körnig. Im Duct. thorae. fehlen die Hüllen fast nie, leisten lange Widerstand, die Glas- kügelchen sind seltener, die Kerne kleiner, glatter, an Grösse mehr gleich, gelblich glänzend Die Zwischenstufen sind in allen Beziehungen sehr zahlreich, und in den grossen Gefäs- sen finden sich immer Körperchen, welche denen aus klei- neren Gefässen ähnlich sind, seltener umgekehrt. In man- chen Fällen zeigte sich im Milchbrustgange die Mehrzahl der Chylaskörperchen von der Beschaffenheit, wie sie sonst in kleineren Gefässen vorkommen. Bei einem länger fasten- den, aber nicht gesunden Hunde fand der Verfasser die Zahl der unregelmässigen und mehrfachen Kerne verhältnissmässig zu der überhaupt geringen Menge von Körperchen grösser, als gewöhnlich. Ueber die Art und Weise. wie der Verfasser sich nach diesen Beobachtungen die Entstehung und Entwickelung der Chylus- und Lymphkörperchen vorstellt, wurde in dem all- gemeinen Theile des Berichts referirt. Nach Kölliker und Fahrner (Diss. inaug. p. 19 seqq.) sind die Formelemente der Lymphe und des Chylus: Ele- mentarkörner, Kerne, eigentliche Lymphkörperchen und Blut- zellen (?Ref.). Die Verfasser unterscheiden aber nicht zwei Formen von Elementarkörnern, wie H. Müller, sondern behaupten, dass die kleineren Oeltröpfchen unmittelbar in die grösseren Elementarkörner übergehen, ‘welche, zu zwei, zu sechs und mehr angehäuft, die angeführten Konglomerate bilden. Diese Konglomerate sind aber nicht sehr ähnlich den Chyluskörperchen, da diese viel feiner granulirt erschei- nen und feinere Körnchen enthalten. Die nackten Kerne lassen sich ferner auch ohne Zusatz von Wasser beobachten, Sie sind rund, etwas abgeplattet, entweder körnig oder häu- figer mit einem feinkörnigen Inhalt versehen, in welchem das eine oder das andere Körnchen die übrigen an Grösse über- trifft. Sie erreichen die Grösse von 0,001 —2'. Zuweilen sind diese Kerne von einem Kranz kleinerer Körnchen um- geben. Sie finden sich nur in den ersten Gefässen des Chy- Ins und in Gefässen von mittlerer Grösse. Im Milchbrust- gange fehlen sie, und was man hier dafür genommen, sind wahrscheinlich die nackten Kerne geplatzter Blutzellen. Die gekernten, eigentlichen L,ymphkörperchen lassen öfters auch - ohne Zusatz von Wasser oder Essigsäure ihren Kern erken- nen. Die Form der Lymphkörperchen wird ähnlich beschrie- 253 ben, wie von Müller. Ausserdem macht aber Kölliker auf eine ganz absonderliche Form derselben aufmerksam, die zuerst von Whaston Jones gesehen und ihm gezeigt wurde. In der Lymphe von Gefässen mittlerer Grösse zeigen sich nämlich Lymphkörperchen von unregelmässig sternförmiger Gestalt. Es entstehen diese Formen ohne Anwendung irgend eines Reagenz in Folge der Verdunstung oder Ausschwitzung des flüssigen Inhaltes, namentlich kleinerer Lymphkörperchen, in Folge dessen die Membran sich runzelt und die bezeich- nete Form bedingt. Die Grösse der runden Lymphkörper- chen lässt zwei Arten unterscheiden; die eine hat einen Durchmesser von 0.0025 — 35’, die andere von 0,0045 — 55°”. Die länglichen und bisquitförmigen Chyluskörperchen haben im Längsdurchmesser 0,006 — 7‘, im Querdurchmesser 0.003 — 4’. Die Zellenmembran, welche in den kleinen Zellen des Duct, thorac. und in den kleinen Gefässen ge- wöhnlich den Kern mehr oder weniger enge einschliesst, wird durch Wasser und Essigsäure nicht gelöset, zerreisst aber sehr leicht, lässt den Kern heraus und entzieht sich, dann der Beobachtung. Der Zelleninhalt ist in den grösse- ren Zellen eine flüssige Substanz, welche im Duct. thorac. gelblich schimmert, und gewöhnlich feinere oder gröbere Körnchen suspendirt enthält. Die Kerne sind meistentheils mehr oder weniger plattgedrückt, selten kuglig oder elliptisch. Durch Essigsäure wird die Oberfläche unregelmässig. In den meisten Lymphkörperchen sind die Kerne einfach, in den länglichen und seitlich eingeschnürten Körperchen fast immer zu zwei, selten zu drei oder vier vorhanden. Einmal wurde beim Kaninchen beobachtet, dass die grossen, rundlichen Lymphkörperchen in den grösseren Gelässen unterhalb der Cisteına chyli fast sämmtlich zwei bis vier Kerne enthielten. Die Kerne liegen in der Nähe der Wandung. Die mittlere Grösse der Kerne betrug 0,0025‘ Bei Anwendung von Wasser schwellen die Kerne anfangs um + bis 4 ihrer Grösse auf; später ziehen sie sich wieder zusammen und nehmen ihr früheres Volumen an; durch Essigsäure dagegen schrum- pfen sie gleich zusammen. Die Kerne sind Bläschen, welche eine flüssige Masse und feine Körnchen enthalten, unter wel- chen 1—2 durch ihre dunkle Färbung und bestimmte Form als Kernkörperchen sich auszeichnen. Bei Anwendung des Wassers wird der Inhalt der Kerne bisweilen leicht gelblich und das körnige Wesen scheint zu verschwinden. Später aber, wenn der Kern wieder seine frühere Grösse annimmt, wird der Inhalt wieder klar und die Körner und Kernkör- perchen sind deutlicher, als früher zu sehen. Durch Essig- 254 säure dagegen wird der Inhalt der Kerne sogleich getrübt und von gelblicher Farbe, während zugleich die Körner deut- licher und dicker werden. Remak unterscheidet gleichfalls zwei Arten von Lymph- körperchen. Die grössere Art erscheint zunächst von gleich- förmigem Gefüge, ohne Kern und Kernkörperchen. Bei nä- herer Betrachtung bemerkt man aber einen ovalen oder runden, durchsichtigen Fleck, welcher den grössten Theil des Lymphkörperchens einninımt und fächerförmig, wie aus zwei bis vier Abtheilungen, jede mit einem dunklen Flecken, zusammengesetzt erscheint. Bei Zusatz von Wasser zeigt sich an der Stelle des hellen Raumes ein ovales oder run- des Bläschen mit dunklen Flecken, ohne irgend eine Abthei- lung Das Bläschen ist von der Membran enge umschlossen ; nur selten sieht man einige Körnchen in dem schmalen Zwi- schenraum. In manchen Fällen erscheint nach Anwendung des Wassers statt des hellen Fleckes ein einfacher oder dop- pelter, runder oder ovaler, glatter, mattgelber, scheinbar so- lider Körper mit einem centralen Fleck. Wo zwei solcher Körper auftraten, da nahm das Lymphkörperchen eine bis- quitförmige Gestalt an, deren Abtheilungen die Körper ent- hielten. In der Grösse glich diese Art den farblosen Blut- zellen, oder war auch wohl um das Doppelte grösser. Die zweite Art,der Lymphkörperchen ist um die Hälfte kleiner, als die sogenannten Lymphkörperchen des Blutes, und beim ersten Anblick fast ganz homogen, nur wenig granulirt. Beim Zusatz von Wasser zeigte sich ein centraler kernähn- licher Fleck und in der Umgebung desselben einige Körnchen. Sie werden durch Wasser nicht so aufgelöst, wie die farb- losen Blutzellen. Beide Arten von Körperchen werden so- wohl in der Lymphe, als im Chylus angetroffen, doch in dem letzteren mehr von den grösseren, in der ersteren mehr von den kleineren Körperchen. Die verschiedenen Ansichten über das genetische Ver- halten der Lymphkörperchen und deren weitere, Verwand- lung im Blnte glaubt Referent übergehen zu dürfen, da die Vorlagen zur Konstruktion eines genetischen Prozesses weder ausreichen, noch hinlänglich gesichert erscheinen möchten. Glaskörper und Linse. E. Brücke hat den lamellösen Bau des Glaskörpers auch am menschlichen Auge wiedergefunden. Sowohl an dem hinreichend frischen Glaskörper eines Selbstmörders, als an dem Glaskörper gefrorner Augen konnte sich der Verfasser 253 von der früher von ilım beschriebenen Struktur desselben überzeugen. An den gefrornen Augen muss man bei begon- nenem Aufthauen den Glaskörper noch in Form eines zu- sammenhängenden Eisklumpens herausschälen. Sodann las- sen sich, nachdem die Wärme auf denselben ihre Wirkungen zu äussern angefangen hat, schichtweise Stückchen mit der Skalpellspitze absprengen, die die Häute erkennen lassen. Es wurden die Häute in ihrer Ausbreitung bis zur Linse verfolgt. Eine faserige Struktur war an ihnen nicht sicht- bar. (Müll. Arch. 1845. p. 130.) A. Hannover vermochte in Folge der Behandlung des Glaskörpers mit verdünnter Chromsäure, wodurch derselbe nach einiger Zeit eine sehr bedeutende Härte erlangt, die Beobachtungen Brücke’s zu erweitern und das eigenthüm- liche Verhalten des lamellösen Baues am menschlichen Glas- körper genauer zu bestimmen. Zu Untersuchungen besonders assend zeigten sich die Augen der Pferde. Der ganze Glas- örper hat die Form einer schief flachgedrückten Zwiebel, dessen äussere Hälfte wegen der ganzen Form des Auges grösser ist. Die Querfläche der Zwiebel liegt gegen die hin- tere Fläche der Linse, ihre Spitze gegen den Eintritt des Sehnerven. An Durchschnitten überzeugt man sich, dass die einzelnen Schichten auch hinter der Linse sich fortsetzen und folglich vollständig geschlossene Säcke bilden, so dass der Glaskörper aus einem System ineinander geschachtelter Säcke oder Kapseln besteht. Die einzelnen Säcke wieder- holen die Hauptform des ganzen Glaskörpers, und eine Li- nie, die man sich von der Mitte des Sehnerven zur Mitte der hinteren Wand der Linse gezogen denkt, durchschneidet die Spitze aller Säcke und die Mitte ihres konvexen Bogens. Die Schichten sind ferner dicker gegen die Netzhaut hin, besonders an der stark auswärts gebuchteten Stelle des Au- es; hinter der Linse sind sie dünner. Auch die dickeren artieen der Schichten sind verschieden dick in den verschie- denen Gegenden; so sind alle Säcke dicker an den Seiten des Auges, dünner am Boden und gegen den Eintritt des Sehnerven hin Ausserdem zeigen sich die äusseren Säcke weicher und durchsichtiger, die inneren dagegen, besonders hinter der Linse, fester. Derselbe Bau wurde auch bei der Katze, dem Hunde, Ochsen uud Schafe beobachtet; doch werden die ineinander geschachtelten Säcke so dünn, dass der ganze Glaskörper, besonders bei den drei erstgenannten Thieren, eine solide Masse zu bilden scheint. Abweichend von dem eben beschriebenen Verhalten des lamellösen Baues des Glaskörpers bei den Säugethieren, ist das des Glaskörpers beim Menschen. Hannover vergleicht 256 den Bau des menschlichen Glaskörpers mit dem Bau einer Apfelsine, die man bekanntlich in mehrere Sektoren zerlegen kann, Ebenso besteht der Glaskörper des menschlichen Au- es aus lauter Sektoren, deren Zahl an zwei Augen bei jedem auf 180 berechnet wurde. Die Bogen der Sektoren sind nach aussen, gegen die Peripherie des Glaskörpers hin, gerichtet, die Winkel gegen die Sehnervenaxe von der Mitte des Ein- tritts des Sehnerven zur Mitie der Hornhaut, da grade, wo der Canalis hyaloideus mit der Art. central. retinae beim Kinde verläuft. Ob jeder Sektor seine besonderen Wände hat, oder ob je zwei Sektoren eine gemeinschaftliche Wand besitzen, vermochte der Verfasser nicht zu entscheiden. Im letzteren Falle hätte man sich also den Glaskörper als aus einem häutigen Skelet bestehend zu denken, das von der Membrana byaloidea und den von dieser nach der Sehnervenaxe hin konvergirend abgehenden, nach der Längenaxe des Auges hin gestellten. etwa 180 häutigen Scheidewänden gebildet wurde. Zwischen den Scheidewänden des Skelets bleiben Räume, welche von dem nicht ganz wässerigen Theil des Glaskörpers angefüllt sind. Zuweilen sieht man an Quer- durchschnitten 2—3 Scheidewände während ihres Konvergi- rens gegen die Mitte des Auges hin mit einander verschmel- zen. Ueberhaupt reichen die Winkel der Sektoren oder die Enden der Scheidewände nicht ganz bis an die Sehnerven- axe. Vielmehr ist die Substanz des Glaskörpers im Verlauf der Sehnervenaxe von einföürmigem Bau und erscheint an Querschnitten durch eine kreisförmige Linie von den Sekto- ren abgegrenzt. Dieser, so zu sagen, texiurlose Theil des Glaskörpers ist beim Kinde absolut und relativ grösser, als beim Erwachsenen. Unter dem Mikroskop zeigen sich die Sektorwände als strukturlose, durchsichtige Membranen mit einer unzähligen Menge kleiner Körner, die als Niederschlag auf den Häuten anzusehen sind, bedeckt. Querwände zwi- schen den einzelnen Sektoren wurden nicht beobachtet. — Hannover macht noch auf das besondere Verhalten. der Hyaloidea an der Ora serrata aufmerksam. An dieser Stelle nämlich theilt sich die Membrana hyaloidea in zwei Blätter. Das hintere oder innere, dem Glaskörper zugewendete Blatt trägt die Wände der Sektoren und setzt sich in die hintere Wand der Linsenkapsel so fort, dass die Trennung nicht ohne einige Gewalt möglich ist. Das vordere oder äussere, dem Corpus ciliare zugewendete Blatt, die Gefässe der Re- tina aufnehmend, verdickt sich bedeutend, überzieht den nicht gefalteten und gefalteten Theil des Corpus ceiliare, enthält den Canalis Petiti und setzt sich auf die Linsenkapsel fort. Zwischen beiden Blättern bleibt ein breiter, ringförmiger Ka- 257 nal, welcher ungefähr über der Pars ciliaris corporis vitrei seine Lage hat. (Müll. Arch. 1845. p. 467.) Ueber den Bau der Linse bei Säugethieren und dem Menschen hat Hannover folgende Resultate mitgetheilt: An erhärteten Linsen zeigt sich jene Lücke, von welcher die Fasern jeder l.amelle von der Mitte der Linse hinten und vorn ausgehen, als eine dreischenklige Spalte, deren Schenkel nicht bis an den Rand der Linse reichen und vorn und hinten eine einander entgegengesetzte Richtung haben. Von diesen Spalten strahlen die Fasern in jeder Lamelle in der Art aus, dass die längste Faser einer Linsenfläche sich in die Mitte des Winkels zwischen zwei Schenkeln legt und auf der entgegengesetzten Fläche grade an das Ende eines Schenkels der Spalte dieser Oberfläche stösst; und so fort. Die dreischenklige Spalte erscheint bald als eine feine Linie, bald ist sie mit einer helleren Masse angefüllt, welche nach Behandlung mit Chromsäure durchsichtig, einförmig (Pferd, Ochse) oder mehr feinkörnig (Mensch) sich darstellt. Es kann diese Masse bei grossen Linsen (Pferd) so zunehmen, dass sich die Spalte in ein Dreieck mit konkaven Seilen verwandelt. Da die Masse durch die Linse hindurchgeht, und die Dreiecke, als Endflächen derselben, auf beiden Ober- flächen der Linse eine entgegengesetzte Richtung und Slel- lung haben, so müssen bei diesem Durchgange die Winkel oder Kanten allmählig in Flächen und die Flächen in Kan- ten, übergehen. In der Anordnung der Fasern bleibt übrigens Alles unverändert. Gewöhnlich sind die drei Winkel der dreischenkligen Spalte gleich gross = 120°; bisweilen jedoch sind alle drei Winkel ungleich gross und entsprechen sich nur unvollkommen an beiden Oberflächen der Linse. Oeflers sind zwei Winkel gleich gross, der dritte dagegen ist klei- ner oder gewöhnlicher grösser. Das Centrum der Schenkel kann auch bei gleich grossen Winkeln auf beiden Flächen der Linse grade in der Axe der letzteren liegen, oder auch ausserhalb, und zwar so, dass beide Centra nicht in hori- zontaler Linie auf einander treffen. In diesem Falle können, wie der Verlasser meint. solche Formen von Faserlücken in der Substanz der Linse sichtbar werden, wie sie Werneck beschrieben. Obgleich nun beim Menschen und beim Hunde sehr häufig die Centra der dreischenkligen Lücken nicht in der Linsenaxe liegen, so hat Hannover dennoch solche Figuren nicht bemerkt. An erhärteten Linsen neugeborner Kinder brobachtete der Verfasser auf Durchschnitlen eine in der Mitte der Linse gelegene, nach vorn konkave Spalte. Die dadurch entstandenen beiden Abtheilungen zeigten sich auch in der Farbe und Konsistenz unterschieden. Daher R Müllers Archiv. 1816, 258 glaubt Hannover, dass man die Linse des Auges, ähnlich einer aus einem bikonvexen Crownglas und einem konkav- konvexen Flintglas zusammengesetzten achromatischen Linse, aus entsprechend geformten zwei Abtheilungen oder Hälften gebildet sich vorstellen könne. (Müll. Arch. p. 478.) Harting beobachtete in der Substanz der Linse, na- mentlich in der Gegend des grössten Umfangs derselben, so- wohl bei Erwachsenen, als auch namentlich beim Kinde ein- zelne Fasern, die aus aneinandergereihten platten und ecki- gen Zellen zusammengefügt waren. An anderen Linsenfasern fanden sich mit Kernkörperchen versehene Kerne von run- der (?) oder ovaler Form. An den Linsenfasern des Aals wurden die gezähnelten Ränder vermisst. Die Linsenfasern der Kuh sollen aus 5—-7 feinen Fibrillen bestehen. (Tijd- schrift ete. van der Hoeven en de Vriese. Deel XM. p- 25 seqq.) * Nerven. Purkinje hat seine „Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der Nerven,“ welche im Jahre 1839 in den Jahr- büchern der Krakauer medieinischen Fakultät veröffentlicht wurden, im vorliegenden Archiv mitgetheilt (Müll, Arch. 1845. p. 231 segq.). Der Verfasser unterscheidet vier Gat- tungen von Nervenfaser-Elementen: Nerven des Hirns und Rückenmarks mit dicken Eleınentarfasern, dünnfaserige Ner- ven des Hirns (N. ophthalm., acustie.), dünnfaserige Gan- gliennerven ohne Körnchengewebe (sympathische, feine Ner- venfaser, Bid., Volkm., Ref.), dünnfaserige Gangliennerven mit Körnchengewebe (Kerne? Ref.). Ueber die Verbreitung der Nervenfasern ist Purkinje durch Behandlung der Ge- bilde mit verdünnter Essigsäure zu folgenden Resultaten ge- langt: Dünnfaserige Gangliennerven ohne Körnchengewebe finden sich mehr oder weniger zahlreich in der Pia mater des Rückenmarks und, wenn auch nicht so häufig, des Ge- hirns. Die Nerven verlaufen als stärkste Bündel in der Nähe der Gefässe, doch vertheilen sie sich häufig selbstständig in länglichen Geflechten in der Rückenmarkshaut. Dasselbe fin- det sich auch in der Pia mater des Gehirns; nur an der Varolsbrücke scheinen die Nervenfädchen ausschliesslich den Arterien anzugehören. Desgleichen trifft man konstant dünn- faserige Nerven im Umfange der Vena magna Galeni. Sym- pathische Nervenfasern sind es auch, die in der Dura mater des Gehirns vorkommen. Die stärksten Nervenbündel wur- den stets an der Eintrittsstelle der Stämme der Arterien für 259 die harte Hirnhaut beobachtet, von wo sie jedoch selbstslän- dig in der Membran sich ausbreiten. In der Dura mater des Rückenmarks wurde dagegen keine Spur von Nerven vorge- funden. Statt dessen entdeckte der Verfasser ein System sympatbischer Nerven in der sehnigen Haut, die unmittelbar die knöchernen, knorpligen und faserigen Wände des Canalis vertebralis auskleidet. Auch hier finden sich die zahlreichen Nervenfasern theils in der Umgebung der venösen Geflechte, theils in dem unmittelbar als Ueberzug der Wandungen der Rückgraihshöhle dienenden Theile der Bindesubstanz. Pur- kinje macht sehr richtig darauf aufmerksam, dass man die besprochene Ausbreitung der Bindesubstanz mit der Dura mater und dem zwischen beiden sich ausbreitenden venösen Geflechte (Breschet) als ein Gebilde auffassen müsse, das als unmittelbare Fortsetzung der Dura mater des Gehirns und der darin enthaltenen Gefässe, namentlich der venösen Blutleiter, anzusehen sei. Dann fänden sich die sympathi- schen Fasern ebensowohl in der Dura mater. des Rücken- marks, als des Gehirus, und nur ein Theil der Dura mater des Rückenmarks, das nach innen gelegene Blatt (früher so- genannte eigentliche Dura mater), besitze keine Spur von Nerven. Ferner wurden sympathische Fasern in der Bein- haut, namentlich des Schienbeins (vergl. frühere Berichte, Pappenheim), angetroffen. Auch die Wandungen der Ar- terien besitzen solche Nervenfasergeflechte; namentlich waren dieselben sehr zahlreich in dem Wundernetze des Ochsen. Ueberhaupt aber scheinen einige Partieen des arteriellen Sy- stems an Nerven sehr reich zu sein, während andere daran gänzlich Mangel leiden. Ein ziemlich reiches Nervennetz fei- ner Fasern ist mit Hülfe der Essigsäure in der Substanz der Hornhaut zu entdecken. Sie kommen von den Ciliarnerven und gehen durch die Substanz der Hornhaut hindurch, ohne darin zu endigen. In den serösen Membranen der Brust- und Baucheingeweide wurden keine Nervengeflechte beob- achtet. In der Albuginea des Hodeus zeigten sie sich erst in der Nähe des Nebenhodens. Ein reiches Netz cerebrospi- naler Nervenfasern fand sich an dem Bändchen der Ruthe. Im schwammigen Gewebe des Penis liessen sich mur mit Schwierigkeit feinfaserige, mit Knötchen besetzte Nervenfa- sern unterscheiden. Unmittelbar unter der serösen Membran des Herzens verbreiten sich dünnfaserige, mit Knötchen be- setzte Nervenfasern; desgleichen in dem Endokardium beim Schweine. An den inneren Wänden der Kammern des Schaf- herzens, desgleichen beim Rinde, Schweine, Pferde sah der Verfasser schon mit freiem Auge unmittelbar unter dem En- dokardium ein Netz grauer, platter. EAIIHAERE Fäden, die R 260 sich auch in die Warzenmuskeln fortsetzten und brückenar- tig über einzelne Vertiefungen von Erhabenheit zu Erhaben- heit hinübergingen. Mikroskopisch untersucht, zeigten sich diese Fäden aus lauter, Ganglien ähnlichen Körnern zusam- mengesetzt, die sich gegenseitig poly&drisch abplatteten. Sie lagen in 5—10 Reihen beisammen und wurden durch elasti- sches Gewebe von einander getrennt. Ihre Bedeutung ist goch unbekannt; vielleicht gehören die Fasern zum Knorpel- newebe. In der Nähe dieser Fäden fand der Verfasser bei allen von ihm untersuchten Wiederkäuern eigene, von zar- ten Membranen umgebene Häufchen länglicher Körner, die, wenn sie nicht so konstant vorkämen, leicht für die Eier irgend eines Parasiten zu halten wären. Fick beobachtete in der Eichel der Ruthe beim Men- schen einzelne Nervenfäden, die in Vater’schen Körperchen dicht unter der Epidermis in dem Rete Malpighii (?) ende- ten. Sie können leicht mit Talgdrüsen verwechselt werden. (Physiolog. Anat. p. 425.) Nach Quatrefages sollen die Hautnerven beim Bran- chiostoma nirgend schlingenförmig sich umbiegen, sondern in. kleine Knötchen stumpf enden (Annal. des science. nat. Tom. IV. p. 197 seqq.) Viele Nervenfäden endigten auch in Bläschen, die den Vater’schen Körpern ähnlich aus- sahen. | Biel hat gemeinschaftlich mit Ludwig die Beobach- tungen Stilling’s über die Struktur der Medulla spinalis nachgeprüft und kritisch beleuchtet (Adnotationes de struet. med. spinal. a Stilling descripta criticae. Diss. inaug. Mar- burgi 1845. 4to.). Der Verfasser weiset hier nach, dass die Methoden, deren sich Stilling zur Ermittelung der Struk- turverhältnisse des Rückenmarks mit besonderem Erfolge zu bedienen glaubte, durchaus nicht geeignet seien, sichere Re- sultate herbeizuführen. Die nach diesen Methoden für die mikroskopische Untersuchung zubereiteten Objekte gestatte- ten keine Einsicht in den Faserverlauf, da die Nervenele- mente gänzlich zerstört sind. Indem dann Biel die Zeich- nungen Stilling's mit den nach dessen Methode gewonne- nen Präparaten vergleicht, gesteht er zwar zu, dass hinsicht- lich des Verlaufs der für Nervenfasern erklärten Striche und Streifen Manches richtig wiedergegeben sei; indessen ent- sprächen diese namentlich auf die Nervenwurzeln bezogenen Streifen nicht Nervenfasern, sondern Fortsätzen der Dura mater. Daher sei es gekommen, dass Stilling’s Unter- suchungen öfters Resultate zu Tage gefördert hätten, die der eigentlichen Struktur des Rückenmarks nicht entsprächen. So zeigt Biel, dass die Kreuzung der vorderen Rücken- 261 marksstränge wirklich vorhanden sei. In einem Präparat, welches in dem anatomischen Museum aufbewahrt wird, fehlt in Folge eines Vitium primae formationis der grösste Theil des linken mittleren Hirnlappens, der entsprechende Hirnstiel ist sehr klein, die Brücke zusammengefallen, und die Pyramiden sind gar nicht vorhanden. Gleichwohl weiset die Krankheitsgeschichte nach, dass der rechte Arm geschwächt und gelähmt war. In einem zweiten Präparate ist eine vollkommene Atrophie der rechten Pyramiden vor- handen, und hier war der linke Arm gelähmt. Wie unan- genehm es auch sein ınag, sich kritischen Arbeiten zu unter- ziehen, so leisten sie doch der Wissenscha/t mehr Nutzen, als manche sogenannte neue Entdeckungen. Möchten vor- liegender Arbeit bald ähnliche in Betreff anderer Streitfragen sine ira et studio nachfolgen! Aus den Messungen Harting’s ergab sich, dass die re- lative Menge des Neurilems um so geringer ist, je jünger das Individuum. Auf tausend Theile Nerven beträgt die relative Menge des Neurilems im Nerv. medianus eines Neugebornen etwa 352, eines Erwachsenen 489. Die Zahl der einen Ner- ven zusammensetzenden grösseren Nervenbündel variirt aus- serordeutlich bei verschiedenen Individuen. Je jünger das Individuum ist, desto kleiner zeigen sich die Durchmesser der primitiven Nervenfasern. Die Nervenfasern des Nerv. median. waren beim Fötus im Mittel 3,4 Mın., beim Neuge- bornen 10,4 Mwm., beim Erwachsenen 16,6 Mm. breit. Die allgemeine mittlere Zahl der den Nerv. median. zusammen- setzenden Primitivfasern ist für den Fötus 21,432, für den Neugebornen 20,906, für den Erwachsenen 22560. In Be- treff des Nerv. cruralis ergaben sich die entsprechenden Zah- len: 28500, 37297, 35416. D. Pappenheim hat zahlreiche Messungen angestellt, ° um einerseits die Breitenverhältnisse der Nervenfasern in den hinteren und vorderen Wurzeln der Rückenmarksnerven zu ermitteln, und so etwa vorhandene Unterschiede in den sen- sibeln und motorischen Nervenfasern zu gewinnen, und um anderseits die Menge der in den Wurzeln der Hirnnerven vorkommenden Nervenfasern zu bestimmen (De numero at- que mensura microscopica fibrillarum elementarium systema- lis cerebrospinalis symbolae. Diss. inaug. Vratislaviae 1845. 4to.). Aus den Messungen (60—100) der Nervenfasern an den hinteren und vorderen Wurzeln des ersten Lendenner- venpaars bei Rana esculenta, des dritten Nerv. cervicalis beim Schafe, desselben Nerven beim Hunde, des achten Halsnerven vom Hunde, des ersten Lendennerven und des ersten. N. sa- eralis von demselben Thiere, des dritten Halsnerven und des 262 ersten Lendennerven von der Ratte, des siebenten Halsner- ven von der Gans und des dritten und achten Halsnerven von Meleagris gallopavo ergaben sich folgende Resultate: 1) Der Durchmesser der einzelnen Nervenfasern zeigt be- stimmte Grenzen sowohl in einzelnen Thieren, als in jeder Thierreihe. Die grösste und kleinste Breite der einzelnen Nervenfasern liegt zwischen 0,0083 — 0,0018’ Vindob. 2) In den vorderen Wurzeln überwiegen die dickeren, in den hin- teren die dünneren Nervenfasern. 3) Der Unterschied des Breitendurchmessers der Fasern in beiden Wurzeln zeigt so- wohl in den verschiedenen Individuen derselben Art, als in den Individuen verschiedener Arten das konstante Verhält- niss fast wie 4:6. Um die Menge der Nervenfasern in den Wurzeln der Hirnnerven zu berechnen, wurden die Nerven zuvor mit Holzessigsäure erhärtet. Sodann wurden feine Durehschnitte unter dem Mikroskop beobachtet, in dessen Ocular eine mit einem feinen Liniennetz versehene Glasplatte sich befand. Durch Zählung der ein Quadrat des Netzes einnehmenden Fasern konnte dann leicht die ganze Summe berechnet werden. Die Zählungen wurden an den Hirnner- ven des Menschen, des Ochsen und des Schafes gemacht. Es ergab sich hieraus, dass die Menge der primitiven Ner- venfasern einzelner Gehirnnerven in den verschiedenen Indi- viduen einer und derselben Art stets dieselbe ist, dagegen in den Individuen verschiedener Art bestimmte und gesetzliche Verhältnisse zeigt. Als Beispiel möge der Nerv. hypoglos- sus dienen. Beim Menschen betrug die Menge der etwa 0,0060 — 70‘* breiten Fasern 4500— 5000, beim Ochsen der 0,0064 — 73‘ breiten Fasern 9000, beim Schafe der 0,0064— 80” breiten Fasern 2000—2200. Die primitiven Nervenfa- sern der motorischen Hirnnerven haben eine fast gleiche Breite, wie die der vorderen Wurzeln der Rückenmarks- nerven. Drüsen. Die Struktur der Leber ist der Gegenstand ausführ- licher Untersuchungen für Theile geworden (Wagners Handwörterb. der Physiolog. Lief. IX. p. 308—362.). Die zweierlei Färbungen der Substanz der Leber sind bei den verschiedensten Wirbelthieren anzutreffen, und beruhen nicht blos auf die verschiedene Anfüllung des Kapillargefässsystems mit Blut in verschiedenen Gegenden der Substanz der Leber, sondern seien auch in Abhängigkeit von der verschiedenen Färbung und Beschaffenheit des Netzes der Leberzellen und 263 der Gallengänge zu stellen. Dieses beweise, das Verbleiben des marmorirten Ansehens der Leber, selbst wenn durch Wasserinjektionen das Blut aus den Gefässen entfernt war, worauf bereits Mappes aufmerksam macht. Desgleichen beobachtete der Verfasser, dass an feinen Durchschnittehen einer in Weingeist erhärteten Leber, an welchen die ver- schiedenen farbigen Elemente noch bestimmt hervortraten, unter dem Mikroskop die hellen Streifen der Kapillargefässe sich überall gleich beschaffen verhielten, während an den Streifen des Leberzellennetzes sich deutliche Unterschiede zeigten. Es sind die zweierlei Substanzen bei normaler An- ordnung so vertheilt, dass die dunklere in Forın von Kör- nern mit der Vena intralobularis in ihrer Mitte, die hellere Substanz dagegen sich netzförmig durch die ganze. Leber hindurehzieht und in ihren Maschen jene dunkleren Körner aufnimmt. Indessen kommt es auch an gesunden Lebern stellweise oder durchgängig vor, dass die dunklere Substanz netzförmig hervortrete, während die hellere als Körnchen erscheine. Die hellere Substanz ist stets durch die grössere Konsistenz von der dunkeln, braunen ausgezeichnet. Beim Eintrocknen an freier Luft sinkt die braune Substanz mehr zusammen, als die gelbe hellere, lässt sich durch Abschaben auf der Schnittfläche leichter zerstören; in Folge dessen tritt die gelbe Substanz in Forın netzförmiger Scheidewände stär- ker-hervor. — Theile spricht sich mit Recht für die An- sicht aus, dass die Leber einen gelappten Bau besitze. An der Schweinsleber könne man sich davon auf das Bestimm- teste überzeugen. Jedes Leberläppchen besteht aus einem mittleren Klümpchen von dunkler Lebersubstanz, welches rindenartig von einer Schicht hellerer Substanz umgeben ist. Das ganze Läppchen wird von einer Schicht Bindesubstanz, einer Fortsetzung der Capsula Gliss., umhüllt. Zwischen den Bindesubstanzhüllen der Läppehen verlaufen die Aest- chen der Pfortader, der Leberarterie, des Ductus hepat. Ist die hellere Substanz stark entwickelt, das umhüllende Bindegewebe dünn, oder vielleicht gar nicht (? Ref.) vor- handen, und endigt die Vena ihterlehulanie selbst in Kapil- laren, die in kontinuirlichem Zusammenhange mit dem Ka- pillarsystem anderer Läppcehen stehen, so ist das lappige Aussehen nicht so scharf ausgeprägt und beim Auseinander- reissen der Lebersubstanz die Darstellung der wirklichen Läppchen schwieriger. Dieses sei der Fall bei den Leberu des Menschen, des Schafes, des Kaninchens; des Igels ete. Gleichwohl nöthigen, worauf schon Referent in einem der früheren Jahresberichte aufmerksam machte, die weseutlich übereinstimmenden Angaben aller Forscher über die Verzwei- 264 gung der Pfortader, der Lebervene, des Ducius hepat. zu der Annahme der Lobuli hepatis. In der Circumferenz jedes Lo- bulus befinden sich die letzten Aestchen der Pfortader, aus denen die Kapillaren für die Läppchen abgehen, ein jedes Läppchen hat im Centrum eine Vena iutralobularis, und die Gallenkanälchen lassen sich bis zur Umgebung der Läppchen verfolgen. Es ist nach des Ref. Ansicht kaum zu bezwei- feln, dass bei einer solchen Anordnung der Bestandtheile in der Circumferenz eines jeden Lobulus hepatis eine Bindege- webekapsel als Träger der Vena inter- und intralobularis, so wie der Gallenkanälchen festgesetzt werden müsse, selbst wenn die vollkommene Darstellung nicht gelingt. Dass in der Umgebung der körnigen Massen einer Bruchfläche der Le- ber des Menschen und der Katze Bindesubstanz in reich- licher Menge vorhanden ist, davon hat sich Referent wieder- holentlich überzeugt. Die Bindesubstanz lässt sich aber nicht so leicht in Fibrillen und Bündel spalten, und ist vielmehr von der Beschaffenheit, wie man dasselbe gewöhnlich in der Umgebung der feineren Formbestandtheile eines Orgaus vor- findet. Die Grösse der Leberläppchen schwankt bei ver- schiedenen Thieren. aber auch in einer und derselben Leber, von 4 — 1’. — Innerhalb der Leberläppchen liegen der Länge nach aneinander gereiht und hin und wieder quer verbunden die Leberzellen: sie bilden also ein Leberzellennetz. Die menschlichen Leberzellen haben im Mittel einen Durchmesser von #5, — 545‘. Die Züge des Netzes sind an den dicke- ren Stellen bis +15‘, an den dünneren aber auch wohl nur 2" breit Daher können die grösseren Leberzellen nur in einer Reihe nebeneinander liegen. Die Streifen des Leber- zellennetzes waren an der erhärteten Menschenleber nur durch Gefässe unterbrochen. — Die Venae interlobulares der Pfortader haben beim Menschen, beim Hunde, bei der Katze, beim Schwein, Eichhörnchen, Kaninchen, Igel „I ,— 735" im Breitendurchmesser; beim Schafe, Pferde ,— 5“. Jede Vena interlobularis steht mit 2, 3, 4 Leberläppchen durch ihre weiteren Verzweigungen, die Rami lobulares, im Zusammenhange, und jedes Leberläppchen erhält von 3—5 ete, verschiedenen Venae interlob. seine Lobularäste. Je zwei von verschiedenen Seiten in das Läppchen eintre- tende Lobularäste fliessen niemals in einer einfachen Ana- stomose zusammen, sondern gehen entweder ohne Weiteres in das Kapillarnetz des Lobulus ein (Schwein), oder endigen in Kapillaren, die mit denen des entgegenkommenden Zwei- gelchens zusammenfliessen und im. kontinuirlichen Zusam- menhange mit dem Kapillarsystem angrenzender Läppchen stehen. Die von Kiernan in den Scheiden der Pfortader 265 beschriebenen Rami vaginales venae portarum gehören nach dem Verfasser nicht der Pfortader, sondern der Leberarterie entsprechenden Venenästen an. Die Pfortader selbst steht nur mittelst des Kapillarsystems mit den Lebervenen in Ver- bindung. — Die Lebervenen zeigen nirgend die Anastomo- sen, die Kiernan beschrieben. Der Durchmesser der aus jedem Läppchen das Blut zu den Lebervenen abführenden enae intralobulares schwankt bei verschiedenen Säugethie- ren und in verschiedenen Läppchen von 130° — 20“; beim Menschen zwischen J,— 75“. — In der Verbreitung der Leberarterie unterscheidet Theile mit Bestimmtheit zweier- lei Aeste, die sogenannten Rami vasculares und capsulares. Die Rami vasculares verlaufen plexusartig auf den Fort- setzungen der Glisson’schen Kapsel, besonders aber auf den Wandungen der Gallengänge und der Gefässe. Die ve- nösen Zweige, welche aus ihrem Kapillargefässnetz hervor- treten, führen ihr Blut in die Pfortaderäste und sind also, wie die Vena mesenterie. major und minor, V. splenica und V. eystica, Wurzeln, nämlich innere oder Leberwurzeln der Pfortader. Die Rami capsulares verbreiten sich an der Ober- fläche der Leber ‘in der fibrösen Hülle derselben. Sie zeich- nen sich, wie schon J. Müller ir seinem Drüsenwerke be- merkt, durch den korkzieherartig gewundenen Verlauf aus und haben Anastomosen mit der Art, mammaria intern., phrenica, cystiea et. Die ihnen entsprechenden venösen Zweige scheinen ebenfalls, wie schon J. Müller und Map- pes erwähnen, in die Aeste der Pfortader zu münden und so als innere Wurzeln der Pfortader betrachtet werden zu müssen. Die mit den Venae interlobulares zu den Läppchen der Leber verlaufenden Aestchen (1; breit) der Leber- arterie (Rami lobulares) hält der Verfasser mit Kiernan für identisch mit den Rami vasculares, und hält es für un- wahrscheinlich, dass sie in das Innere der Leberläppchen eindringen und direkt mit dem Kapillarnetz daselbst anasto- mosiren. — In Betreff der Gallenkanälchen bemerkt Theile, dass Anastomosen zwischen den Aesten, Zweigen und Zwei- re bis zu den Ductus fellei hin, die die Vasa interlo- ularia begleiten, nicht vorkommen. Was E. H. Weber von Anastomosen in der Fossa transversa der Menschenle- ber zwischen den Aesten des Ram. dexter und sinister des Ductus hepatieus beschrieben hat, sei auf die Gallengangs- drüsen zu beziehen. Nur ausnahmsweise finden sich wirk- liche Anastomosen der Gallenkanälchen in dem Lig. trian- gulare sinistrum und in der häutigen Brücke, welche nicht „ selten statt einer Brücke von Lebersubstanz von dem Lobu- lus Spigelii hinter der Hohlvene zum Lob. dexter hepat. 266 hinweggeht. Es sind diese auastomosirenden Gallenkanäle wahrscheinlich nicht als unentwickelt gebliebene, sondern als verkümmerte und reducirte Gallenkanälchen zu betrach- ten. Die Ductus interlobulares der Gallenkanälchen sind beim Menschen —45 — z5'” breit. Obgleich‘ der ‘Verfasser sich alle mögliche Mühe gegeben, die Endigungen und das Verhalten der Ductus interlob. zu den Lobuli hepatis zu er- mitteln, so hat er dennoch keine sichere Resultate erlangt. Man sieht wohl noch die Duct. interlob. sich auf den Lo- buli verzweigen und mit einander kommuniziren, aber mehr lässt sich nicht mit Bestimmtheit angeben. Die bisher dar- über von anderen Forschern angegebenen Beobachtungen er- wiesen sich bei genauer Prüfung als ungenügend. Er hält es für wahrscheinlich, dass sich die Ductus interlobulares in das früher in den Läppchen beschriebene Leberzellennetz fortsetzen und also schliesslich ein Gallengangsnetz bilden, welches aus der Membrana propria und den darin enthalte- nen Leberzellen bestehe. — Von Interesse sind die Unter- suchungen des Verfassers über die Gallengangsdrüsen, deren genauere Kenutniss für die Strukturverhältnisse der Leber von der grössten Wichtigkeit zu werden: verspricht. Die ziemlich dieken Wandungen der Gallenkanälchen erscheinen nach gut gelungener Injektion auf ihrer Oberfläche nicht latt, sondern von kleinen Hervorragungen und Höckerchen er am auffallendsten bei der Schweinsleber. Diese Höckerchen deuten die Stellen an, wo die Gallengangsdrüsen (Sehleimdrüsen) liegen und sich in die Höhle der Gallenwege öffnen. Beim Schweine, beim Pferde und Schafe liegen diese Drüsen überall in der ganzen Circumferenz der Gallengänge, sind bis &“ gross und stellen kleine rundliche Träubchen dar, Das Lumen der Ausmündungsstelle ist immer ansehn- lich ; dasselbe beträgt ;‘ bei Drüsen von „; — -!r‘“ Durch- messer. Zwischen den rundlichen, traubenförmigen Drüsen des Schafes kommen auch ziemlich langgezogene vor, die zum Theil plexusartig zusammenzuhängen scheinen. Beim Menschen münden die für Schleimdrüsen (? Ref.) angesehenen Gallengangsdrüsen im Ductus hepaticus, choledochus, so wie im-unteren Theile des Ductus eysticus ebenfalls in der gan- zen Cireumferenz der Wandung. In den Gallengängen da- gegen findet man zwei einander gegenüber liegende Reihen von Oeffnungen: ein Theil dieser Oeffnungen entspricht den einmündenden Gallenkanälen; die Mehrzahl derselben aber gehört den Gallengangsdrüsen an. Es sind langgezogene, in kurzen Schlangenwindungen verlaufende Kanäle, an denen, wie bei den Glandulae Meibomianae, kurzgestielte Träubehen ansitzen, In ihrem Verlaufe theilen sie sich auch, und die 267 Theilungsäste fliessen wieder unter einander und mit den nebenliegenden Drüsen netzartig zusammen. Besonders deut- lich war das letztere Verhalten in der fibrösen Auskleidung der Fossa transversa. Die Acini der Träubchen messen 35. Bei der Mehrzahl der Drüsen hat der Haupt- kanal eine Breite von „, — ;;“'; die ganze Drüse ist etwa 4 — 5‘ dick, äber auch dicker. Gegen die Ansicht, dass die Gallenkanälchen netzförmig endigen, behauptet Krause nach erneuten Beobachtungen, dass die Leber eine acinöse Drüse sei (Müll. Archiv. 1845. p. 524— 33.). Zur Untersuchung geeignete Präparate er- langte der Verfasser am häufigsten bei Anwendung einer Injektionsmasse, bestehend aus Caeaobutter mit fein abge- riebenem Zinnober, die unmittelbar vor der Einspritzung mit Schwefeläther verdünnt war. Nach einer gelungenen Injek- tion (am besten beim Igel oder neugebornen Kinde) sieht man meistens in allen Gegenden die Gallengänge gefüllt. Sie verästeln sich baumförmig bis zu Reisern von „;, +5, = bis -1;‘, und unterhalten, wie E. H. Weber und Kru- kenberg fanden, netzförmige Verbindungen, deren Maschen eine Weite von 5; bis „;"‘ darbieten. Die Injektion der Aeini ist aber immer nur beschränkt und theils im Innern, theils an der Oberfläche der Leber zu bemerken. Es mar- kiren sich die Acini an den Lobuli hepatis als runde oder oblonge Bläschen von ‚— 7“, selten und nur einzeln von 2; im Durchmesser. Ein Häufchen solcher Acini bil- den die dem Auge sichtbaren Leberläppchen, aus welchen wahrscheinlich stets mehrere Gallengangreihen hervortreten. An Durchschnitten solcher Leberläppchen, die Behufs der Auflösung der Masse mit Schwefeläther behandelt worden, erkennt man die Höhlen der Bläschen und ihre dünne Wand. Auch auf den Schnittflächen der ganz frischen Leber des Menschen und verschiedener Säugethiere ragen die Acini ke- gelartig hervor und werden bei auffallendem Licht als grau- bliche Körperchen. von der oben angegebenen Grösse und orm erkannt. Sie enthalten 6— 8 Leberzellen von —; bis „;‘ im Durchmesser, und schliessen nicht selten eine Ibbräunliche Flüssigkeit ein. In der Tela interlobularis nden sich keine Leberzellen. Die netzförmigen Verbindun- geu der Gallenkanälchen sind übrigens auch nach Krause nur dürftig entwickelt und fehlen an manchen gelungenen Präparaten oft gänzlich. Dagegen macht der Verse dar- auf aufınerksam, dass bei Injektionen des Ductus hepaticus mit Cacaobutter gewöhnlich die Lymphgefässnetze angefüllt werden; und es lasse sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob die bei solchen Injektionen auftretenden Netze den Lymph- 268 gefässen oder Gallenkanälchen angehören. Ob die von Theile beschriebenen Gallengangsdrüsen als sehr partielle Injektio- nen von Gallenkanälchen und Leberaeini anzusehen seien, lässt Krause dahingestellt, da er Theile’s Präparate nicht gesehen habe. Nach Becker gelingt die Injektion der Gallenkanälchen noch am besten, wenn nach vorangegangener Anfüllung der Kanälchen mit chromsaurem Kali essigsaures Blei injieirt werde. Will man alle Kanäle der Leber injieiren, so rälh der Verfasser nach Schröder v. d. K. die Injektion der Pfortader zuletzt zu machen, da sie vermöge ihrer Ausdehn- barkeit die übrigen Röhren zusammendrücke. Nach Injektion nit Berlinerblau tritt durch Befeuchtung des Präparats mit Salpetersäure im verdünnten Zustande die Farbe sehr schön hervor. Ein jedes Läppchen ist nach ihm von mehreren Rami interlobulares venae portar. in verschiedener Höhe um- geben. Die in die Läppchen eintretenden Gallengänge bilden ein Netz mit sehr oblongen Maschen, welche in der Peri- pherie des Läppchens enger, in der Mitte weiter seien, ebenso breit, als die Kanälchen selbst. Die feinsten Gallen- kanälchen in diesen Läppchen bestehen aus einer struktur- losen Membran, die zuweilen von Längsfasern bedeckt sind, und aus den darin enthaltenen Leberzellen. Durch Zusatz von Salpetersäure werden die Zellen grün, woraus hervor- geht, dass ihr flüssiger Inhalt Galle sei. Die Körnchen des Zelleninhaltes lösen sich in Aether auf. Der Durchmesser der feinsten Gallenkanälchen im frischen Zustande beträgt bis 0,014’. (C. L. J. Becker, de structura subtiliori 'he- patis sani et morbosi. Diss. inaug. Trajeet. 8. c. tab.) Lunge. Moleschott untersuchte die Struktur der Lunge des Menschen und mehrerer Säugethiere nach der Methode von Magendie und Bourgery (De Malpighianis pulmonum vesieulis. Diss. inaug. Heidelbergae 1845). Die Lungen wur- den mit Luft gefüllt und getrocknet; sodann wurden feine Durchschnittchen mikroskopisch untersucht. Der Verfasser erhielt folgende Resultate: Die letzten Bronchialästchen ge- hen unter einem fast rechten Winkel von den Bronchien ab, und eudigen mit einem endständigen, sich erweiternden Bläschen der Art, dass diese Terminalbläschen öfter auf den Bronchien, wie auf einem Stiele aufsitzen. Ausser dem end- ständigen Bläschen zeigen sich jedoch sowohl beim Men- sehen, als bei den Säugethieren auch laterale Bläschen an 269 den Seilenwandungen der letzten Bronchien. Bisweilen sind die lateralen Bläschen so sehr den endständigen genähert, dass letztere grösser als gewöhnlich erscheinen und für zwei-, drei- oder mehrtheilige Bläschen angesehen werden können. Die Bronchialästchen können durch die lateralen Bläschen das Ansehen von abwechselnd erweiterten und verengerten Röhren erhalten. Anastomosen, wie sie Bourgery beschrie- ben, kommen zwischen den Lungenbläschen nicht vor. Die Bläschen sind meistens rund. Beim Erwachsenen hatte die Mehrzahl eine Grösse von etwa „';“'; an der Oberfläche der Lunge sind sie gewöhnlich etwas grösser, wie schon Home und Bauer angaben. Beim Kinde waren sie 0,0105 bis 0,0708‘ breit und 0,0244 — 0,0724’ lang. Die Bronchiolae, an welchen die endständigen Bläschen sassen, hatten einen Durchmesser von 0,003, wenn die Bläschen fast 0,0277 breit waren. In die Komposition des kleinsten Lungenläpp- chens gehen immer mehrere solcher Malpighi’schen Lun- genbläschen ein. Referent mag es nicht unterdrücken, dass ihm die Beobachtungen, woraus der Verfasser die sonst sehr annehmbar klingenden Resultate gezogen, doch nicht so ganz vollkommen gesichert erschienen sind. An den Wandungen der Lungenbläschen lässt Moleschott glatte Muskelfasern auftreten. Eigentlich wurden nur Fasern (künstliche oder natürliche? Ref.) bemerkt; da aber Longet bewiesen habe, dass die noch mit den Augen sichtbaren Bronchiolae auf den Reiz des N. vagus kontrahirt würden, so folge nach dem bekannten Henle’schen Grundsatz, dass die Fasern musku- lös seien. An der Lunge von Tritonen, die der Untersuchung sehr zugänglich sind, war auch nicht eine Spur von Musku- latur zu bemerken (Ref.). — In einer Abhandlung, die spä- ter in der Tijdschrift voor natuurlyke geschiedenis en phy- siologie (12e deel 3e en 4e stuk. p. 225 — 232.) erschien, wird von dem Verfasser mitgetheilt, dass bei den Vögeln nicht nur laterale, sondern auch, wenngleich seltener, als bei den Säugethieren, terminale Lungenbläschen vorkommen. Er sah ganz deutlich einen Tubulus von etwa „—," in ein endständiges Bläschen von etwa ;!;“ Durchmesser sich er- weitern. Von H. Eichholtz haben wir Beiträge zur physiolo- gischen und pathologischen Anatomie des Lungengewebes erhalten, in welchen sehr abweichende Ansichten von der feineren Struktur der Lunge vorgetragen werden (Müller's Archiv. 1545. p. 430 segq.). Der Verfasser weiset zunächst darauf hin, dass Lungen, deren luftführende Gänge mit den eiaben Injektionsmassen injieirt seien, keine Sicher- eit für die Richtigkeit der Malpighi'schen Ansicht über 270 die Endigung der Bronchien in Bläschen gewähren. Auch mit Luft angefüllte und aufgeblasene Lungen lassen keinen ste Schluss ziehen, daEichholtz sich überzeugte, dass eim neugebornen Kinde, welches noch nicht geatlımet hatte, desgleichen bei einem dreijährigen Kinde, die Luft in das Bindegewebe zwischen den Lobi und Lobuli der Lungen ein- dring.. Wenn man feine Stückchen einer normalen Lunge unter dem Mikroskop beobachte, so sehe man in dem fein- sten Lungengewebe Lücken, von Sehnenfasern umgeben und von meist ovaler Gestalt, vor sich, in welchen eine Menge von Zellen und zuweilen Luftblasen sich vorfinden. Wofür diese Lücken zu halten seien, bleibe ungewiss. Gegen die Ansicht, dass sie Durchschnitte der Malpighi’schen Lun- genbläschen seien, spreche der Umstand, dass bei einem drei- jährigen Kinde die durch die Bronchien mit Luft angefüllte unge zwar an der Oberfläche, deutlich ebenso, wie beim Erwachsenen, den bläschenförmigen Bau verraihe, dennoch aber, mikroskopisch untersucht, nichts von den Lücken ge- wahren lasse. Jedenfalls bleibe es zweifelhaft, welche von den Lücken etwa wirklich vorhandenen Bläschen, und welche den künstlichen Trennungen der Substanz angehören. Sehr auffallend neigt sich der Verfasser zu der Annahme hin, dass die Bronchien schliesslich frei in die Substanz der Lunge einmünden. Der wichtigste Theil des Lungengewebes sei die jene Lücken anfüllende Zellenmasse. Diese Zellen sind den Leberzellen sehr ähnlich und bilden öfters gemeinschalt- lich membranöse Stücke Ihre Kerne treten meist erst durch Essigsäure deutlicher hervor. Für Epithelialzellen will sie der Verfasser nicht halten. Dagegen glaubt er aus dem Ver- halten ihrer Kerne auf ihre Funktion als blutzellenbildende Muiterzellen schliessen zu dürfen (? Ref.). Nieren. Das Verhältniss der Malpighi’schen Glomeruli zu den Nierenkanälchen hat Bidder aufgeklärt. (Vergl. anatomische und histologische Untersuchungen über die männlichen Ge- schlechts- und Harnwerkzeuge der nackten Amphibien. Mit drei lithogr. Tafeln. Dorpat 1846. p 32. und 51 seqgq.) Da Referent die schöne Gelegenheit hatte, die Beobachtungen seines Kollegen zu verfolgen und alle wichtigen Präparate selbst zu sehen und zu untersuchen, so vermag er die Re- sultate desselben als solche mitzutheilen, von deren Richtig- keit er vollkommen überzeugt ist. Jene Stelle, wo die Na- tur die Nierensubstanz so ausgebreitet hat, dass man ohne 271 weitläufige, stets hier nur schädlich wirkende Präparation und Zerrung das Verhältniss der Glomeruli zu den Nieren- kanälchen vollkommen deutlich übersehen kann, findet sich in der oberen, dünneren und lockeren Abtheilung der Niere des männlichen Triton taeniatus. Die bei diesem Thiere nach Bidder's Entdeckung aus dem inneren Rande des Ho- dens hervorgehenden und in querer Richtung nach aussen verlaufenden Vasa efferentiia münden meistens unter rechten Winkeln in einen nur wenig breiten Gang, den Sammelgang des Saamens. Aus diesem Sammelgange, der nach unten kontinuirlich in die Substanz der unteren, grösseren und dichteren Abtheilung der Niere übergeht, treten in wechseln- der Anzahl und verschiedener Richtung feinere (Nieren-) Ka- nälchen hervor, die nach kurzem Verlauf eine bauchige, mei- stentheils ovale Erweiterung (im Mittel von 0,1‘ im Quer- durchmesser) bilden. Das Kanälchen schliesst dann an der Erweilerung nicht ab, sondern setzt sich der Einmündungs- stelle gegenüber weiter fort, windet sich mehrfach zu einem Häufchen gewundener Substanz, und mündet schliesslich in den gemeinschaftlichen Ausführungsgang der Niere und des Hodens (Vas deferens). Die zwischen dem Sammelgange der Vasa eflerentia des Hodens und dem Vas deferens gele- gene Röhrenabtheilung stellt die obere, von der Natur gleich- sam in ihre feinsten Bestandtheile zerlegte Abtheilung der Niere des männlichen Triton taeniatus dar. In ihr liegen auch Malpighi’sche Glomeruli, und zwar steht jede ovale, flaschenförmige Erweiterung der Nierenkanälchen mit einem Gefässknäuel in Verbindung, Man sieht diesen Glomerulus unter dem Mikroskop bald grade in der Mitte der erweiter- ten Stelle, bald mehr gegen die Peripherie hin liegen. Am gewöhnlichsten neigt sich der Glomerulus gegen diejenige Hälfte der erweiterten Stelle des Nierenkanälchen hin, welche dem gemeinsamen Sammelgange aller Vasa efferent. testis zugewendet ist; ja häufig rückt er ganz von der Erwei- terung weg und geräth unter den kurzen Verbindungsgang derselben mit jenem gemeinsamen Sammelgange. Die ver- schiedenen Stellungen, welche der Glomerulus neben der Er- weiterung der Nierenkanälchen in den Präparaten zeigt, las- sen sich oft durch glücklichen Druck und Zerruug willkürlich herbeiführen. Wie aber auch der Glomerulus liege, die er- weiterte Stelle des Nierenkanälchen bleibt dabei, wenn sie nicht etwa zufällig zerstört wird, vollkommen unverändert. Daraus folgert man mit dem Verfasser richtig, dass der Glo- merulus nicht allein nicht in die bauchige Erweiterung des Harnkanälchen, die Tuniea propria durchbohrend, hineinrage, oder etwa in dieselbe, wie Bidder es früher vermuthele, 272 theilweise eingestülpt sei (Müll. Arch. 1845. p. 508 seqq.), sondern, dass vielmehr der Glomerulus ganz einfach (und zwar in Form einer plattgedrückten, kreisförmigen Scheibe) neben der bauchigen Erweiterung gelagert, und in dieser Lage nach verschiedenen Riehtungen hin verschiebbar sei. In dieser Stellung wird er mit den zu ihm hinan- und aus ihm hervortretenden feinen Gefässstämmehen durch Binde- gewebeschichten mit dem Harnkanälcben locker in Verbin- dung erhalten. Diese Bindesubstanz formirt keine besonders ausgeprägte Kapsel um den Glomerulus herum. Was man bisher dafür gehalten, war in den meisten Fällen die erwei- ierte Stelle des Harnkanälchen selbst, vor oder hinter wel- cher gewöhnlich der Glomerulus liegt, oder es war eine zu- fällig um ihn sich herumlagernde Bindegewebschicht aus der Umgebung. Daher räth der Verfasser, dass man den Namen „Kapsel des Glomerulus‘‘ ganz fallen lassen solle (p. 59.). — Beim Triton und auch bei anderen Thieren zeigten sich die Glomeruli stets in der Nähe der bauchigen Erweiterung der Harnkanälchen. Ein physiologisch wichtiges Faktum ist es nun, dass die Glomeruli auch ganz getrennt von der Nieren- substanz ihre Lage erhalten können. Bei der Froschlarve liegt nämlich nach Innen vor den Wolff’schen Körpern, dem Ausführungsgange anhängend, ein von J. Müller und dem Referenten schon früher gekanntes grauröthliches Organ in Forn einer plattgedrückten, kreisförmigen Scheibe. Die- ses Organ ist nun, wie mikroskopische Untersuchungen leh- ren, ein Glomerulus, der die Stelle aller sonst in der Sub- stanz der Wolff’schen Körper höherer Wirbelthiere vor- kommenden einzelnen Glomeruli vertritt. Hier kann natürlich auch von einer Durchbohrung der Tunica propria der Harn- kanälchen oder von einer Einstülpung in dieselbe von Seiten des Glomerulus gar nicht die Rede sein. — Aus den Unter- suchungen der Niere des Triton, des einzigen Thieres, bei welchem bis jetzt mit Zuverlässigkeit das Verhältniss der Glomeruli zu den Erweiterungen der Harnkanälehen ermittelt werden konnte, hat sich also ergeben, dass Bowman’s Darstellung von diesem Gegenstande durchaus unrichtig ist. Gleichzeitig hat sich auch hier das bekannte Gesetz in der Organisation bewährt, dass die Gefässe niemals frei in einer Höhle zu Tage treten, auch nicht etwa blos geschützt durch Epithelium, da ein anderes Gesetz lehrt, dass die Gefässe mit anderen Geweben, also auch mit den Epithelien, nur durch Vermittelung der Bindesubstanz in Berührung kommen. Die Beobachtungen Bidder’s an der Tritonniere haben auch hinsichtlich der flaschenförmigen Erweiterung der Nie- renkanälchen wichtige Beiträge geliefert. Aus der Beschrei- 273 bung, die oben von dem Verlauf der Nierenkanälchen in der oberen, dünneren Abtheilung der Tritonniere mitgetheilt wurde, ist zu entnehmen, dass die flaschenförmige Erweite- rung der Nierenkanälchen nicht, wie es Bowman beobach- tete, blind endige, sondern vielmehr mitten in dem Verlauf eines Nierenkanälchen gelegen sei. Schon Gerlach hatte bereis erklärt, dass glückliche Injektionen der Nieren von Schafen Bowman’s Angabe über die blinde Endigung der Harnkanälchen durch die Erweiterung als irrthümlich erwei- sen, und dass die flaschenförmig erweiterte Stelle der Harn- kanälchen, welche er noch für eine Kapsel des Glomerulus hält, ein Divertikel der Tunica propria im Verlaufe des Nie- renkanälchens darstelle (Müll. Arch. 1845. p. 381.). Wenn man nun auch annehmen wollte, dass Injektionspräparate nicht alle Zweifel zu beseitigen vermögen, so ist das be- sprochene Verhältniss der flaschenförmigen Erweiterung zu den Nierenkanälchen bei der Tritonniere unzweideutig und sicher. Daher kann die Frage entstehen, ob dieses Verhält- niss als Norın anzusehen sei, oder ob vielleicht das Verhal- ten der Nieren bei den nackten Amphibien zu den Hoden, indem hier der Saamen einen Theil der Nierenkanälchen durchlaufen muss, um in den Ausführungsgang zu gelangen, darauf eingewirkt habe. Bidder hat den übrigen, kompak- ten Theil der Niere des Triton, desgleichen die Niere von Vipera Berus und von Eidechsen, wo sich nächst den Tri- tonen noch am besten das Verhältniss der Erweiterung an den Harnkanälchen übersehen lässt, genau untersucht, aber immer nur scheinbar blinde Endigungen gefunden. Das- selbe ist nun vollends bei den übrigen Wirbelthieren der Fall, namentlich bei den Fröschen (Rana fusca). Indessen waren alle diese Präparate von der Art, dass man vor Täu- schung um so weniger gesichert war, als die Kanälchen hier vielfach gewunden verlaufen und so der eine von der fla- schenförmigen Erweiterung ausgehende Schenkel verdeckt sein konnte. Fügt man hierzu, dass es doch eigentlich nicht begreiflich ist, wie das angeführte Verhältniss der Hoden und Nieren zu einander bei den nackten Amphibien auf das beschriebene Verhalten der fiaschenförmigen Erweiterung da- selbst einwirken könne, dass bei den Fröschen und in der unteren, kompakteren Abtheilung der Tritonniere dasselbe Verhalten Statt hat, und gleichwohl nur scheinbare blind- endigende, flaschenförmige Erweiterungen darzustellen sind, — so wird man vorläufig zu der Annahme sich entschliessen müssen, dass die flaschenförmigen Erweiterungen im Ver- laufe des Nierenkanälchens als Norm zu betrachten seien. Müllers Archiv. 1846. 274 In Betreff der Flimmerbewegung im Innern der Niere hat sich bei den Tritonen gezeigt, dass dieselbe konstant nur in dem sogenannten Halse des erweiterten Harnkanälchens und etwa in dem nächsten Drittel oder auch wohl der Hälfte der Erweiterung selbst vorkomme. In dem kurzen, aus den gemeinschafllichen Sammelgange der Vasa efferentia testis herkommenden und zu dieser Erweiterung führenden Kanale, so wie in der entsprechenden Hälfte der letzteren, wurde die Flimmerbewegung niemals beobachtet. Einige Male je- doch wurde flimmerndes Epithelium auch in einer nicht un- beträchtlichen Ausdehnung im weiteren Verlaufe der Harn- kanälchen wahrgenommen. Die Epithelialzellen, an welchen die Cilien sitzen, haben im Wesentlichen die Form der Zellen, welche auch sonst im Verlaufe der nicht flınmernden Nie- renkanälchen sich zu erkennen giebt. Es sind Cylinder oder Kegel, die mit der Basis gegen die Tunica propria, mit dem spitzeren Ende gegen die Höhle des Nierenkanälchens ge- wendet sind. Die Cilien an dem flimmernden Epithelium erscheinen als einfache Verlängerungen der spitzen Enden der Kegel. Es haben die flimmernden Epithelial- Cylinder, vielleicht in Folge des Druckes, der Zerrung ete., gewöhn- lich eine gegen die erweiterte Stelle des Harnkanälchens hin geneigte Lage, ganz so, wie es Bowman dargestellt. Auch scheinen sie in dem Grade kürzer zu werden, je weiter sie in die Erweiterung hineinrücken. Das Epithelium in dem nieht flimmernden Theile der Erweiterung ist sehr durch- sichtig und schwer zu erkennen, am besten noch, wenn das Präparat von einem schon vor mehreren Stunden getödleten Thiere entnommen wurde. Wahrscheinlich ist es auch Cy- linder- Epithelium (p. 59 — 61.). Wenn es demnach so schwie- rig ist, unter den günstigsten Verhältnissen das Epithelium in dem grösseren Theile der flaschenförmigen Erweiterung der Nierenkanälchen zu erkennen, so wird man es erklärlich finden, wie es Bidder und dem Referenten nicht glücken wollte, unter viel ungünstigeren Umständen bei Fröschen (R. fusca, temporaria), bei Säugethieren und Vögeln an der scheinbaren Kapsel des Glomerulus das Epithelium wahr- zunehmen. Will man nicht, wie es Kölliker und andere Forscher gethan haben, sich willkürlich und am unpassenden Orte ein Epithelium setzen, so wird man auch heut zu Tage noch, wo man die Präparate mit ganz anderen Augen zu betrachten im Stande ist, des Referenten frühere Angaben in dem Berichte über die Bowman’schen Arbeiten bestätigt finden, dass man bei den genannten Thieren in dem grössten Umfange der scheinbaren Kapsel des Glomerulus auch nicht die Spur eines Epitheliums zu erkennen im Stande ist, ob- 275 schon die Anwesenheit desselben nicht bezweifelt werden kann (Ref. ). Durch den Bericht über die zuletzt veröffentlichten Be- obachtungen Bidder’s in Betreff des Verhältnisses der fla- schenförmigen Erweiterungen der Nierenkanälchen und der Malpighi’schen Glomeruli zu einander, wird Ref. der Pflicht überhoben, auf die von Gerlach (Müller’s Archiv. 1845. p: 378 segq.), von Kölliker (a. a. ©. p. 519 seqq.) und auch früher von Bidder (a. a.O. p.508 seqq.) hierüber ver- öffentlichten Arbeiten näher einzugehen. Bowman, der das Verdienst hat, diese Kontroverse von Neuem ‚angeregt zu haben, hat gleichzeitig durch seine Darstellung die unbefan- genen Forschungen so sehr abgeleitet, dass selbst Bidder anfangs unter den günstigsten Umständen den richtigen Weg verfehlte. Die von Kölliker und Gerlach unternommenen Versuche, Bowman's sehr auffallende Darstellung von der Durchbohrung der Tunica propria der Nierenkanälchen an der erweiterten Stelle durch den Glomerulus mit den be- kannten Gesetzen der Organisation zu vereinbaren, können nur als verunglückt angesehen werden. Gerlach verdanken wir die erste Angabe über die nicht blinde Endigung der flaschenförmigen Erweiterung der Nierenkanälchen. Remak (N. Notiz. XXXV. 308.) und Kölliker (a. a. ©.) heben ziemlich gleichzeitig an den Malpighi’schen Glomeruli der Wolff’schen Körper von Eidechsen-Embryonen die schein- bare Kapsel derselben in Verbindung mit den Drüsenkanäl- chen vorgefunden. Auch wurde von beiden Forschern in den Kanälchen der Glomeruli zunächst Flimmerepithelium beobachtet. Dass von Joh. Müller in den Nierenkanälchen der Rochen weit ausgebreitetes Flimmerepithelium gesehen wurde, ist bereits früher zur Sprache gebracht. Nach Lud- wig (Wagner’s Handwörterbuch der Phys. 11. Lieferung. p- 631.) findet sich das Flimmerepithelium nur in den Nie- ren der Sommerfrösche, während es bei denjenigen fehlt, die im Winterschlaf gelegen. Gerlach hat gleichfalls bei Froschnieren die Flimmerbewegung beobachtet. Auch Bid- der und der Referent haben sich neuerdings von der Anwe- senheit der Flimmerbewegung in den Nierenkanälchen der Frösche nahebei den Glomeruli überzeugt, und zwar sowohl bei den Männchen, als bei den Weibchen. :Diese letztere Bemerkung dürfte für diejenigen Leser des Archivs von In- teresse sein, welche von Bidder’s Hypothese über die Be- deutung der Flimmerbewegung in den Nierenkanälchen der nackten Amphibien Kenntniss genommen haben. 52 276 Handbücher und Hülfsmittel. Fr. Gerber: Handbuch der allgemeinen Anatomie des Men- ‚schen und der Haussäugethiere ete. Bern, Chur und Leipzig 1844. 8. mit Tafeln in Fol. Zweite Auflage. L. Mandl: Anatomie mieroscopique etc. Livrais. XII. et XII. F. Pacini: Nuovo mecanismo di mieroscopio spevialmente destinato alle recerche anatomiche et fisiologiche in nuovi annali delle science natur. di Bologna. Novbr. Purkinje: Anat. Mikroskop. in R. Wagner’s Handwörter- buch für Phys. Bd. II. p. 411. P.--Harting: Recherches mierometriques ete. p. 1—35. A. Donne: Cours de mieroscopie compl&mentaire des &tudes medicales. Atlas p. A. Donne& et L&on Fourcanult. Livr. 1—2. Par. Fol. * * * Die vergleichend anatomischen Berichte sind zum nächsten Jahrgang verschoben. Verzeichniss der Schriftsteller, deren Werke oder Abhandlungen im Jahresberichte Addison, W. 42. 46. 65. Albers, J. F. H. 14. Aldridge, John 36. 134. Alexander 93. Alquie 68. 73. 157. Ancell, Henry 11. Anderson, Andr. 101. Anderson, Day. 66. Anderson, 45. 163. Anglada, Charles 12. Arnold, W. 76. Baerwindt 47. Baillarger 155. Barkow 159. Barreswil 21. 23. 25. Barry, a. 100. Baudet-Dulary 2. Baudrimont 98. 99. Baumgärtner, K. H. 103. Baumhauer, E. T. W. 41. Bayle St. John 8. Becquerel 129. Belhomme 157. Bell, Charles 70, genannt werden. Beltrami 133. Bence Jones, H. 58. 146. van Beneden 95. Berend, Nicolas 13. Bergemann 28. Bergmann 108. 129. Bergsma 21. Bernard, C. 21. 23. 24. 25. 31. Berres 86. Berruti 86. 163. Berthold 88. Bertozzi 115. v. Bibra 15. 115. 147. Bidder, F. 84. 125. 270. Biel 260. Binns, Edward 156. Birnbaum 73. Bischoff, Th. L. W. 172. 221. Bischoif 100. Bouchardat 17. 26. 119. Bouisson 35. Bourgery 74. Boussingault 16. 19. 51. 143. 147. Bowmann, Will. 104. Brachet 66. Breschet, G. 171. Bruch, ©. 138. 211. 212. 247. Brücke, E. 214. 278 Brulle 62. 144. 239. Dulong 108. Bryan 124. 142. Dumas 131. 175. Buchanan 43. 133. - Dunglison, Rob. 1. Buchez 71. Dupuy 84. 159. Budge 18. 66. 75. 157. Durand 151. Burdach, €. F. 1. 70. Dutrochet 69. Burmeister 10. Duvernoy 96. Burow 80. Earle, J. W. 70. 153. Cagniard-Latour 68. Eichholz 115. 269. Calvert Holland 140. Encoutre 75. Cappezuoli 121. Enderlin 22. 23. 33. 41. 42, Casper 21. Enzmann 44. Castel 77. 148. 150. Erdi 171. Castiglioni, €. 57. Erichsen 49. 145. Chassaignac 144. Eschricht 101. 162. Chatin 35. 125. Evans, J. 38. Chevilly 66. Chiapelli 73. 157. Fahrner 192. 242. 252. Chimenz 140. Falk 143. Choulant 72. Fee, A. L. A. 58. Cima 110. Fenwick 124. Clemm, Chr. G. 175. Fick 260. Collignon 42. Figuier 39. Combe 159. Filippi, F. de 169. 171. Combe, Andr. 116. Flourens, P. 71. 143. Cortese, Franc. 75. Follin 13. Coste, 174. 195. Fortnum 143. Costello 154. Foville 70. Czermak 111. Fraenkel, J. 1. Frank 38. Dalrymple, John 65. Frerichs 15. 29. Davy, Ev. 58. Frey 141. 170. 172. Davy, John 7. 101. 107. 139. Debreyne 2. Gabillor 71. van Deen 77. Gardner 14. Delille 57. Garrod, Alfr. 58. Depierris, Alcide 2. Gavarret 2. Deschamps 92. Gay-Lussac 53. Desmarais 71. Geoffroy St. Hilaire 113. Desportes, €. H. 5 Gerard, M. 163. Despretz 108. Gerlach 275. Devay 32. Gintrac 32. Devergie 13. 115. Glaser, F. 89. Donne, A. 276. Gluge 20. Droste 88. Gobee 61. Duclos 5. Godefroy 101. Ducrus 5. 49. Golding Bird 15. 41. 130. Dugniolle, J. F. 2. 36. Goldschmiedt 75. Dujardin 168 Goodfellow 46. Dulk, F. P. 16. Goodsir, John 63. Green, H. 49. 141. Griffith, J. W. 130. Gross, Carl Heinr. 13. Gruber 66. 148. Gruber, Alex. George 151. Grynfeltt 174. Guarini S1. 150. 175. “ Guillaume, J. M. Amedee 75. Guillot, Natalis 50. Gulliver 39. 134. 137. Günther, A. F. 103. 215. 220. 237. 212. Haas, €. 22. Hamilton 157. Hannover 127. 256. Harden, J. 48. Hare 5. Hargrave 158. Harless, Emil 153. Harrison, John 70. 150. 159. Harting 206. 247. 258. Haspel 72. Hauff 158. Haumann 111. Haworth 7. Hayne, Ant. 42. Heidenreich 6. Heidler 150. Hein, J. A. 9. 80. 235. Heintz, W. 147. Helbert 195. Heller 60. 115. Helmholtz 147. Henle 199. 221. 229. Herbst, G. 33. Hodgkin, Th. 113. Hoffmann, H. 27. 144. Holst 207. Houston, J. 49. Hünefeld 38. Hugueny 144. 239. Humphreys, John Doddridge 5. Hutchinson 50. 126. Huxley 217. Jackson 37. Jacobson 97. Jacquart, H. 174. Jaequinot 113. Jäsche 202. 220. 213. Jahn, Fr. 14. Jaksch 49. Jobert 157. Jones, Henry Benze 58. 146. Jones, Wharton 92. 135. Kelso, Johnston 71. Kemp, George 33. 116. Kida 2. 104. King, J. 38. King, Rich. 8. King, W. 76. King 8. Knox, Rob. 90. 113. Kölliker, A. 83. 124. 163. 173. 178. 200. 201. 252. König 48. Kohlrausch, ©. 11. Kramer, Ant. de 62. Krause 267. Kützing 9. Läfontaine 5. Lanaux 13. Lassaigne 22. 26. 117. 118. Latour, Rob. 42. Laverau 61. Laycuck 15). Lebert 62. 100. Lee, Rob. 91. 165. Lefevre, George 150. Lehmann, ©. G. 19. Lelut 9. Leon Fourcault 276. Le Pileur 148. Letelletier, Felix 18. 126. Leuzinger, J. H. 150. Levi, G. 5. Lewius 174. Liebig 11. 12. 58. 59. 143. Lippi, Regolo 2. Lloyd 109. Löwig 201. Longet 79. 153. Lortet 108. Ludwig 132. 260 Lund 112. Luschka 192. Mackesprang 88. Magendie 5. 118. 280 Magnus 127. Maher 162. Mandl, L. 167. Marchand 11. 15. 52. 132. 138. 146. Martin St. Ange 98. Martino, A. de 101. Matteucei 2. 3. 79. 109. 110. Maunoir 67. Mayer, J. C. 45.93. 114. 148. 174. Mayer, J. R. 104. Mayer, G. H. 71. Medici, M. 86. Melsens 25. Mendelsohn, A. 1283. Merssemann 48. Mertens, Ludw. 157. Metcalfe, Sam. L. 7. Meyer, Herrm. 173. Meyer 165. Mialhe 120. Mikschik 174. Millon 61. Milne Edwards 19. 95. Mitchell 140. Mogk, ©. 141. Mohl 207. Moleschott 268. Moreau 87. Morton, Sam. George 8. . Müller, Heinr. 121. 192. 249. 251. Müller, Joh. 1. 66. 149. 212. Mulder, G. J. 10. 40. 114. Nägeli 178. 200. 209. Nasmyth 63. 112, Nasse, H. 15. 107. 241. 247. Nathan 75. Neucourt 48. Neugebauer 107. Newport 64. 135. Nicolucci, G. 73. 126. 141. 157. Norman Chevers 174. 2W). Oesterlen 46. Oliver, D. 1. Owen Rees 136. 240. Panizza 126. Pank 88. Pappenheim 261. Parchappe 48 Parrot 111, Patterson, Rob. 91. Payen 162. Persoz 20. 143. Pettenkofer 31. 60. Petrequin 67. 68. Picci, L. 38. Platner, A. 1. Platner, E. A. 121. Plattner 30. Polli 43. 131. 134. Postans 8. Pouchet 94. 163. Power, John 93. Preiss, B. 33. Preisser 16. Prevost 100. Prichard, J. 112. Procter 83. Purkinje 258. Quarini 67. Quatrefages 260. Raciborski 92. 93. Ragsky 15. Raineg 212. Rathke 96. Rayer 10. Read, Rob. 117. Reichert 223. Reid 159. Reinbold 66. 137. 148. 156. Remak, R. 173. 199. 212. 241. 250. 275. Renaud 168. Retzius, A. 113. 154. Reuter 247. Ribes 104. Rigg, R. 16. Ritchie, Charles 89. 165. Roberton 163. 164. Robertson 87. Robinson 37. 49. Rodier 129. Roger, Henry 6. 107. Rogier, Aug. 2. Rosenthal 5. Ruffini 87. Rusconi 98 Sacc, F. 64. Sandras 17. 26. 119. Sars 95. Scharlau 40. Scharling, E. A. 58. Scherer 30. Schiff, H. 159. r Schlosser 29. Schlossberger 16. 20. 101. 116. Schmarda 106. Schmidt, €. 114. 201. Schultz 111. Schultz, €. H. 57. 134. Schwann 31. Schweig 104. Sebastian 1. Semmola 7. Serres, Marcel de 92. 96. 111. 113. Seyfried, Joh. Heinr. 21. Sigmund, Carl 117. Silvano 158. Simon 15. 125. Simon, Fr. 58. 61. Simpson, James 88. Smith, Charles Hamilton 9. Sobernheim, J. F. 1. Solon, Martin 47. Spiess, G. A. 70. Spinelli, C. 80. 159. Todd, R. B. 104. Tripe, J. W. 165. Tschudi, J. J. v. 8. 112. Turchetti 74. Turner, James 48. Valentin, G. 1. 64. Valleix 46. Verga 159. -Vierordt 59. Vignolo 101. Villers, C. Fr. Dom. de 64. Virey 2. Virchow 134. 135. Voelckel, C. 58. Vogel, J. 110. 187. 211. Vogt, €. 100. 103. Volkmann 85. 159. Wagner 9. 212. Wallach 104. Walsch 142. v. Walther 16. Wanner 39. Warwick, John 89. Watson, Alex. 144. Wharton Jones 92. 135. Widenmann 158. Wigan 71. Stark 60. 77. 110. 116. 151. Wilbrand, Jul. 7. 152. 240. Wildberg 86. Steenstrup 199. Will 83. 106. Svitzer 172. Williams, Thomas 142. Swan, J. 72. Willis, Rob. 36. 57. 145. Wilson, E. 172. 195. 214. Taddei, Giac. 40. Winter, W. 7. Tavignot 68. 79. 158. Wright, S. 22. Textor 63. Wunderlich 93. 114. Theile 262. Wurtz, Ad. 13. Theyer 29. Thiernesse 20. Zantedeschi, Abr. Fr. 5. Thilorier 5. Zimmermann 57. 132. Thomson 23. Zwicky, A. 90. 188. Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin Pag. 491 Zeile 16 504 - 11 513 - 19 515 - 16 Sib - 27 517 - 24 Berichtigungen. Jahrgang 1846. lies statt: man die — man sie - - _ Mollusken — Muskeln - 10mal mehr — 10mal weniger - mögen — möge schwer — hart ausdehnbar — unausdehnbar Mikrographie einiger Drüsenapparate der niederen Thiere; von Heinrich Meckrı. Hierzu Tafel I — Il. Der Zweck dieses Aufsatzes ist es, die Epitelialzellen der Drüsen als die eigentlichen Stätten der chemischen Wirksam- keit darzustellen. wie es bei den Pflanzen die Zellen des Par- enchyms sind. Jede Zelle ist eine einigermaassen selbststän- dige, nur fortwährender Zufuhr bedürfende chemische Werk- slälte, und eine Drüse eine Vereinigung vieler solcher Werkstätten zu einem Zweck. Alle einzelnen Zellen aber sind zu einem geordnelen System verbunden durch eine Tunica propria, die noclı Nebenzwecke erfüllen kann, für die Epitelialzellen aber nur ein Gerüst zu ihrer regelmässigen Anordnung ist, damit sich ihr Sekret ia einer bestimmten Richtung nac ssen er- giesse. Wie aber die Verschiedenheit des Baues der Tunica propria und der Zellen Hand in Hand geht mit Verschieden- heiten der Drüsenenergieen, dies möchte überhaupt nicht zu erklären sein. 1. Der Verdauungsapparat von Planaria laclea. Die Planarien besitzen einen häutigen, vorstreckbaren Rüs- sel, welcher sich sehr erweitern kann, und eo die Nahrungs- stofle umschliogt und peristaltisch in den Magen führt. In diesen münden meist 3, aus der Vereinigung vieler verzweigter Müller’'s Archir. 1846, 1 » 2 Blioddärme gebildele Kanäle, und dies ganze System hal man mit Recht einen durch den Körper verzweigten Darnkanal genannt, Das Epitelium der Kanäle besteht aus Zellen, welche ei- ner kräftigen Sekretion vorzustehen scheinen. Die kleinsten sind einfache Kernzellen. Bei den grösseren enthält der grosse helle Kern einen etwas dunkleren Nucleolus, und in der frü- her homogenen Zellenmasse sind fetlähnliche Kügelchen zu unlerscheiden (Fig. 1.3), welche allmählig grösser werden und dann deutlich Felt sind (Fig. 1. b). Ganz ähnliche Zellenformen enthalten die Appendices py- loricae des Barbus fluviatilis, wie denn auch die physiologische Bedeutung dieser Organe eine verwandte ist. Diese Kanäle bewirken eine Vergrösserung der Oberfläche des Verdauungs- organs, und bedingen somit eine energischere Chylificalion, “ w 2. Die excernirende Drüse der Trematoden. Menzies sah zuerst bei Distoma elavatum am Schwanz- ende eine Oeflnung, das Foramen caudale (Rndolphi, Hist. nat. Entoz. 1. 260. und II. 392.), späler Rudolphi und Fröh- lich. Creplin (Observaliones de Entozois) bemerkte, dass bei Distoma und Diplodiscus am Schwanz eine Blase mündet, mit welcher ein sich gablig theilendes Gefäss in Verbindung steht. Mehlis (De Distom. hepat. et lanceol. Gotig. 1825) beschrei Distoma hepalicum eine in der Mittellinie nach aussen mündende, contractile Blase, welche einen Gang auf- nimmt, der sich weiter durch den ganzen Körper verästelt und so ein förmliches subeulanes Gefässnetz bildet; er konnte dieses vom Darmkanal aus injieiren, vielleicht jedoch nur durch eine Extravasalion. Aehnlich beschrieb er es späler (Isis 1831. p. 182.) bei Distoma echinatum, wo das Hautnelz besonders deutlich ist; ferner von Nordmann (Mikrogr. Beitr. I. 1. p. 96.) von Distoma perlatum und Diesing (Wien. Annal. ‚Bd. I. 1835. p- 240.) von mehreren Amphistomen. Von Siebold (Wiegm. Arch. 1835) fand nicht immer bei den Amphistomen die Blase, 3 wohl aber siels verästelte Gefässe. Bei Oercarien sahen von Nordmann und Henle das Foramen caudale an der Verbin- dungsslelle des Leibes mit dem Schwanz, und letzierer ver- folgte von da aus ein Gefäss bis zum hinteren Saugnapf (dieses Archiv 1835. p: 557.). Laurer beschreibt von Amphistoma eonieum (De Amph. con. Gıyph. 1830) eine am hinteren Ende nach aussen mündende Blase, in welche jederseils ein Gefäss , sieh inserirt, das sich zuerst gablig und dann allmählig capillar vertheill; die feinsten Zweige liegen dicht unter der Haut und tragen am Ende stets ein kleines Bläschen. Bei Planaria viganiensis und Prostoma armatum beschrieb Duges (Annal. des seiene. nat. Tom. XXI.) ein durch den Körper verbreiteles Gelässsystem, welches am Vorderende eine mittlere contractile Blase hat (von Quoy und Gaymard als Gehirn angesehen). Ehrenberg sah bald darauf (Symb. phye. animal. evertebralor. Dec. I.) bei Turbellarien und Distoma mi- litare eine sichtbare Bewegung von Flüssigkeit in Gefässen, als deren Ursache er späler Wimpern entdeckte. Er sah auch bei Planaria Wimperung, aber bezweifelt des Dug&s contracliles Organ und hält es für ein Ganglion, unter welches die Ge- fässe ein- und austreten (Die Akalephen des rolh. Meers p. 66.). Doch beschreibt auch Mertens (Mem. de l’Acad. des eciene. de Pötersb. 1833. T. 2.) bei Planaria pellucida eine contrac- tile Blase. Alle diese Gelässe galten für Blutzefässe, und ähnliche sahen mit unvollkommenem Zusammenhang Focke ( Wie- ner Annal. Bd, I. 1835.) und Schulze (De Planariar. vi- vendi ralione etc. Berol. 1836) bei Planarien und v. Siebold (Wiegm. Arch. 1836. 1. p. 218.) bei Distomen. Am voll- kommensten beschrieb es endlich v. Nordmann in den mi- krographischen Beiträgen bei Diplozoon und Diplostomum. Bei Diplozoon paradoxuu laufen längs beider Seiten jedes Thiers je 2 Gelässe, welche von allen Seiten Aeste aufnehmen. Das mehr naclı aussen liegende, aus ungefähr 3 Aesten am Munde beginnend, geht nach hinten und verbirgt sich zuletzt unter 1* 4 der saugnapfartigen Platte am Hinterende, ohne sich zu ver- ästeln.. Ganz in der Nähe erscheint das innere Gefäss unter der Saugplatte vorkommend, und dieses läuft von hinten nach vorn, bis es nahe beim Anfang des äusseren verschwindet, ohne sich zu zertheilen. In den Gefässen läuft der durch die Wim- pern gebildete Strom in der Richtung, wie wir die Gelässe be- trachtelen, und es ist wahrscheinlich, dass das äussere Gefäss unter der Saugplalle sich nur schlingenförmig umbiegt und als inneres Gefäss wieder nach vorn läuft. Ein Foramen caudale sah v. Nordmann hier nicht. Bei Diplostomum volvens be- schreibt er eine Schwanzblase mit For. caud., aus welcher je- derseils 2 Gefässe nach vorn laufen, in welchen er (a. a. O. Kupfererklärung. p. 116.) Circulation sah. Die 2 Gefässe je- der Seite verbinden sich zwischen dem vorderen und hinteren Saugnapf zu einem und geben einen Ramus communicans zu denen der anderen Seite ab; das einfache Gefäss jeder Seile geht dann nach vorn;; verbindet sich in der Nähe des Mundes mit dem der anderen Seite zu einem miltleren Stamm, und dieser läuft nach hinten und endet dicht an der Schwanzblase, indem er sich zertheilt. Hier ist der Zusammenhang der wim- pernden Gefässe mit dem Foramen .caudale erwiesen, und den- noch hat sich die Idee einer durch Wimperbewegung bewirk- ten Bluteireulation bei den Trematoden erhalten, wälirend man ganz andere Schlüsse ziehen muss. — Mayer (Neue Unters. z. Anat. und Physiol. 1842. p. 24.) nimmt an, dass die wim- pernden Stellen nicht Gefässe, sondern wiınpernde Hauffalten seien, ausser denen er bei Amphist. subelavatum noch ver- zweigte Gefässe fand, Der Inhalt der vom For. caud. ausgehenden Kanäle ist nach v. Siebold bei Dist. terelicolle in den kleineren Ge- fässen gelblich, in den grossen rolhbraun, gewöhnlich aber farblos oder mit einem schwachen rölhlichen Anflug, bei Dist. pietum nach Creplin weiss. Er besteht aus runden oder selten elliptischen Bläschen. ; Man hat häufig wimpernde Gefässe gesehen, ohne ihren ) Zusammenhang mit der Schwanzblase nachweisen zu können. So fand ich es bei Distoma luleum, welches in Paludina vi- vipara lebt und in den Distomenlarven, welche in Kapselu einge- schlossen im Herzbeutel desselben Thiers nisten. In den gel- ben Bojanusschen Würmern des Lymnaeus slagnalis erkannte ich leicht wimpernde Stellen, konnte jedoch kein For. caudale enldecken; auch in den Nachkommen der gelben Würmer, den Cercariae ephemerae, die eine Schwanzblase deutlich be- sitzen, salı ich an mehreren Stellen Wimperung. Sehr genau lässt sich die Verbindung der Wimpergefässe mit dem Foramen caudale bei Aspidogaster conchicola aus dem Herzbeutel der Anodonta cygnea und bei einem kleinen Distoın aus der Niere der Gartenschnecke beobachten. Letzteres ist ein 13‘ langes, schinales, stachelloses, nicht geschlechtsreifes, meines Wissens noch nicht beschriebenes Distom, dessen hinterer Saugnapf vor der Mitte lieg. Am Schwanzeode mündet (ef. Fig. 2.) bei a die Schwanzblase, Vesica caudalis b nach aus- sen. Diese nimmt jederseits ein weites Gefäss auf, welches gerade nach vorn längs des Darms und vorn bei ce unler dem- selben hindurch läuft, und endlich bei d in ein stark wim- perndes Geläss übergeht. Dieses biegt sich von d aus über den Darm zurück nach hinten, und läuft längs des Darms geschlängelt zum Schwanzende (Fig. 2. d, e, f, g). In dies wimpernde Gefäss münden bei g zwei nicht deutlich wim- pernde Gefässe h und i, welche dureli viele vereinigte Aeste und Aesichen unter der ganzen Haut ein Gefässnetz bilden. Das äussere der beiden Gelässe h erhält seine Zweige aus deu hinteren Körpertheilen, das innere mehr von vorn her. Auch in den feineren Zweigen sieht man zuweilen Wimperbewe- gung, und wahrscheinlich ist dieselbe in dem ganzen Gefäss- "syslem oder vielmehr Drüsensystem. Die in den feinsten Verzweigungen abgeschiedene Flüssigkeit wird durch Wimpe- rung in die grösseren Aeste, endlich in den grossen wimpern- den Gang gd geleitet, welcher durch seine Bewegung die Flüssigkeil nach d treibt. Der folgende Theil des Ausfüh- 6 Tungsgangs db wimpert nicht, treibt aber durch eine perio- dische perislaltische Bewegung die Flüssigkeit von vorn nach hinten in die Schwanzblase. Die Ausführungsgänge beider Seiten bewegen sich gleichzeilig, und wenn die perislallische Welle bis zur Schwanzblase gelangt ist, so contrahirt sich zulelzt diese selbst. Ganz ähnlich geht bei Aspidogaster conchicola vom Fo- ramen caudale ein einfacher weiter Gang aus, der sich späler theilt. Jeder der beiden Acste geht in den schildförmigen Fuss des Tliiers nach vorn und biegt sich am vorderen Fuss- rande kuieförmig um, indem es zugleich sehr eng wird. Von hier an ist es ein wimperndes Geläss, welches in dem Fuss so weit wieder zurückläuft, als derselbe vom Körper abge- schnürt ist, um dann in den Körper aufzusteigen. Von da läuft es zum Kopfende. biegt sich wieder nach hinten und verlheilt sich nun capillar unter der Haut des ganzen Körpers, indem auclı noch die feinsten Zweige wimpern. Gänz analog ist die Vertheilung der Kanäle bei einem im Frühling im Darm des Frosches lebenden Amphistoma; die Wimperbewe- gung ist jedoch hier sehr schwach und nur selten deutlich, häufig lassen sich aber in den llauptkanälen Wimpern er- kennen. Der Bau dieser Drüse ist nur zu vergleichen mit dem des Lymphgefässsystems der Wirbellhiere und der Tracheen der Insekten, welche sich ebenfalls capillar durch den Körper verzweigen. Laurer und nach ihm Diesing stellten in der ‘Thal die Meinung auf, dass diese Gefässe Lymphe führten, zum Theil dadurch bestimmt, dass das Sekret Kügelchen ent- enthielt. Dann wäre nach Laurer das Foramen caudale ein Sicherheitsventil, um dem Körper die überflüssige Säftemasse zu enlführen; nach Diesing aber ist das Foramen caudale im Leben stels du ein feines Häuichen verschlossen, und dies Häutehen platzt erst nach dem Tode, weggäpreh Endos- mose das Thier stark angeschwollen ist. Allein. sieht beim lebenden Thier deutlich eine Entleerung von ei 7 dureh die rhythmischen Contraetionen der Schwanzblase, wie dies Mehlis (De Dist. hep. p. 18.) bestimmt behauptete. Von Mehlis, v. Baer, v. Siebold u. A. ist die Drüse als Excerelionsorgan richlig bezeichnet, doch ist die von Nardo und v. Baer (Heus. Zischr. II. p. 198.) gegebene Benennung des For. caudale als After unriehtig, da bei den Trematoden vielmehr der Mund zugleich After ist. Durch das For. cau- dale können nur aufgelöste Stoffe entleert werden, nicht un- verdauliche Speisereste, selbst wenn die von Mehlis behaup- tete Communieation des Darms mit der Schwanzblase normal ist. Die Communicalion ist übrigens nicht wahrscheinlich, da man ganz deullich beobachten kann, dass sich die capillaren Gefässe der Drüse nur dieht unler der Haut, nicht im Körper verzweigen. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass die Kanäle Stoffe von aussen durch die Epidermis aufnehmen sollen, in deren Dicke sie wahrscheinlich endigen, und dann wäre es ein Atlımungsapparat, durch dessen Wimperbewegung die endosmotische Anziehung auf das umgebende Wasser ver- melhrt wird. So erhält der Körper Sauerstoff, und nachdem dieser die Epidermis durchdrungen hal, kann er sich durch Diffusion im Körper verlheilen, ohne dass bestimmte Circula- lionsorgane vorhanden sein müssen. Es findet also von der Haut nach dem Foramen caudale eine fortwährende Strömung Statt, und mit dieser können zugleich die Zerselzungsprodukte des Körpers, die Haruslolfe, ausgeführt werden. Die eigeulhümliche Anordnung dieser Drüse macht es walrscheinlich. dass.die Trematoden keine eigentlichen Blut. gelässe besitzen. Cuvier schloss aus der Tracheenvertheilung der Insekten auf eine Unvollkommenheit des Gelässsyslenns, und dasselbe lässt die Nerästelung der Speisekanäle bei den Planarien und noch mehr bei den Schirmquallen schliessen, Wenn wirklich das sogenannte Blulgelässsystem der Planarien ein Analogon dieser Excrelionsdrüse ist, so haben diese so- wohl Nahrungskanäle als Exerelionskanäle. die dureh den Körper verzweigt sind, und aller Auslausch kaun leicht ohne £ 8 Blutgefässe geschehen. Dieses Excrelionsorgan scheint nach seiner Lage zwar hauptsächlich Respiralionsorgan zu sein, je- doch werden auch feste Stoffe dadurch entfernt, wie dies bei grösseren Distomen deutlich ist. Von anderen Eingeweidewürmern ausser den Trematoden ist ein Hautgefässsystem und eine Schwanzblase beobachtet bei Echinorrhynchus, Taenia, Cysticercus. Bei Ascaris, Stron- gylus und Trichocephalus laufen in den Seitenlinien längs des Darms 2 röthliche Gefässe, welche wahrscheinlich aus einem am vorderen Ende liegenden gelben Knäuel entspringen und neben dem After münden. Ein Haulgefässsystem fehlt ihnen. Bestätigt sich das von Delle Chiaje bei vielen Gastero- poden und Pleropoden beschriebene, Wasser führende System (Memorie sulla storia natur. e nolomia. Napoli. II. 1825. p 2591.) von Kanälen, welche am Fuss nach aussen münden sollen, so ist auch dies ein Analogon unserer Drüse. Ausser bei den Trematoden und Planarien ist neuerlich durch Milne Edwards Wimperbewegung im Gefässsystem der Beroen entdeckt (Nouy. Ann. des sciene. nat. T. XII. 1840. p. 320.). Nach den Untersuchungen von Eschscholz (System der Akalephen), Mertens (M&m. de l’Acad. de Pe- tersb. 1833. T. I.) und Sars haben Bero&, Idya, Cestum, Mnemia, Leucothea u, A., ein subeulanes feines Gefässnelz, in welchem an einzelnen Stellen Sirömungen beobachtet wur- den. Der Verlauf der Gefässe im Zusammevhange war schwie- rig zu erkennen, bei Beroe, Mnemia, Eucharis schienen sie stets mit ? oder 4 Gefässen ihren Anfang vom Magen zu neh- men, sich unler der Haut capillar zu veriheilen, und zuletzt münden alle zum Theil direkt in einen Gefässriing am After- sligma, theils gehen sie zunäehst nach vorn, bilden einen Ge- fässring um den Mund und gehen zuletzt ebenfalls zum After. Hier ist wahrscheinlich eine Oeffnung, durch welche das vom Magen her kommende oder durch das Hautgefässnelz von aussen aufgenommene Fluidum wieder ausgesiossen wird, und Er 9 das Gefässsystem hätte am Anfang und Ende oflene Mün- dungen. Die Leber der Mollusken. Die Mollusken besitzen mit Ausnahme einiger zusammen- gesetzten Tunicaten, wie Boltenia, Phallusia, eine Leber. Sie ist bei mehreren Gasteropoden nach Art der Amphibienlungen gebaut, und besteht aus weiten Höhlen, welche durch Schei- dewände getrennt ein maschiges Gewebe bilden und durch viele weite Oeffaungen in den Darm münden, so dass der- selbe z. B. bei Doris, Tritonia wie durchlöchert erscheint. Gewöhnlich aber ist die Leber deutlich follikulös. Die wei- ten Gallengefässe münden frei in den Darmkanal, und zwar entweder am Oesophagus, wie bei Onchidium, oder im Ma- gen bei Diphyllidia, Doris, oder an der Pars pylorica ventri- euli. Die Leber wird bei den Mollusken nie von einem Pfortadersystem versorgt, sondern von der Aorta. Die elementaren Follikel der Leber sind bei Ostrea edu- lis, Cyelas cornea und Dreissena polymorplıa kurz und bilden durch ihre Vereinigung grössere Slämme, wie es Fig. 4. von Dreissena abgebildet ist; die einzelnen Follikel sind nur we- nig vom Hauplgange abgeschnürt und bilden nur sackförmige Erweiterungen desselben. Deutlicher wird die Leber von Lymnaeus stagnalis und Helix pomatia aus ästigen Blinddärm- chen zusammengesetzt, Fig. 5. Am besten nimmt man dies an kleinen Partikeln des oberen Leberlappens wahr, welche sich über die hier liegende weisse Geschlechtsdrüse herüber- legen und welche Follikeln in einfacher Schicht enthalten. Sehr lang sind die Leberfollikeln bei Unio und Anodonta (Fig. 6.), und zwar verbinden sich eine Menge derselben auf einmal büschelförmig zu einem grösseren Ausführungsgang. Die Follikeln haben bei Helix einen Durchmesser von 0,056 — 0,15 Par Lin. bei Dreissena polymorpha . . . . 0,04 —0,05 - - - Anodonta eygnea. : » . . . 0,036—0,05 - 10 bei Paludina vivipara . . . » 0,048 — 0,087 Par.Lin. - einer ausgewachsenen Cyclascornea 0,05 —0,075 - - - - ganz jungen Cyclas . . . 0,088—0.05 - - Jeder Follikel besteht aus einer strukturlosen Tunica pro- pria und dem sie bekleidenden Epitelium, Diese Zellen be- reilen die zwei hauptsächlichsten Bestandtheile der Galle, Gal- lenfelt und Bilin mit Farbstoff, und zwar wird in jeder einzelnen Zelle nur einer der beiden Stoffe bereitet. Man fin- det ausserdem die secernirenden Zellen in sehr verschiedenen Entwickelungsstufen, und so ist es bei manchen Schnecken, namentlich Helix und Lymnaeus, schwer nachzuweisen, dass die secernivenden Zellen als eine geordnete Epitelialschicht auf der Tunica propria anliegen, sondern man erkennt in den Follikeln nur die verschiedensten neben einander liegenden Zellen. Bei allen Bivalven und bei jungen Ilelix und Lym- naeus sieht man übrigens leicht, dass die Zellen ein Cylinder- epitel bilden. Bei Cyelas cornea wimpert das secernirende Drüsenepitelium in den Blindsäckchen, wie ich dies deullich sah, wenn durch Druck zwischen zwei Glasplatten die obere Zellenschicht des Follikels einen Riss erhalten hatte, durch welchen man ins Innere desselben sah. In den Ausführungs- gängen ist bekanntlich bei allen Mollusken Wimperbewegung, in den Follikeln habe ich es ausserdem nirgends gesehen. Merkwürdig ist die Anordnung des Epiteliums bei Ano- donta eygnea. Die langen Blinddärmehen sind nicht ringsum- mit’ einer Epitelschicht bekleidet, sondern haben nur vier lon- gitudinale Streifen von Epitel, welche am Centrum des blin- den Endes zusammenlaufen. Zwischen ihnen ist die Tunica propria unbekleidet, in den Streifen selbst ist das Epitelium von ziemlicher Dicke, aber in einfacher Zellenschicht (Fig. 8.). Der Follikel erscheint daher bei mässiger Vergrösserung der Länge nach hell und braun gestreift, weil an den von Epile- lium unbekleidelen Stellen die dunkle Galle mehr durchscheint, als durch das Epitelium. Die Zellen des Epileliums, welche Gallenstoff bilden, ent- 11 halten einen in Kügelchen oder Tröpfehen abgelagerlen brau- nen Stoff, welcher durch Kalien, namentlich Natron, dunkler, und durch Mineralsäuren bei Lymnaeus, Planorbis, Paludina, Dreissena grün wird, und zwar am schönsten durch Schwe- felsäure, am wenigsten durch Salpetersäure. Die grüne Farbe wird durch Anwendung von Kalien wieder braun. Organi- sche Säuren machen den braunen Stoff heller. Bei Helix, Ostrea, Cyclas wurde der Farbstoff durch Mineralsäuren nicht grün, sondern nur heller gefärbt. Doch scheint bei der Auster kranklafter Weise der Farbstoff auch grün zu werden, da naeh Valenciennes (Plıarmac. Centralbl. 1841. p. 385.) die grüne Färbung der Kiemen bei den grünen, Austern mit einer Entartung der Leber verbunden sein soll; hier wird der Farb- stoff durch Säuren rolh und durch Kalien wieder grün. Nie- mals konnte ich den braunen Farbstoff in roth oder blau umwandeln. Die Entwicklung der Zellen verfolgte ich am deullichsten bei Lymnaeus slagnalis. Bei den aus dem Ei kriechenden Thieren lässt sich die Leber noch nicht unterscheiden, wohl aber sobald sie Nahrung zu sich genommen halten. Bei die- sen halten die kleinsten Zellen, deren einzelne Theile man genau unterscheiden konnte, einen Durchmesser von 0,002, einen Nucleus mit Nucleolus (Fig. 9. a) und waren schwach gelblich. ‘Diese vergrössern sich nd es trelen in der Masse der Zelle allmählig viele gelbe Kügelchen auf, welche endlich den Raum der Zelle ganz ausfüllen; diese Zellen sind die zahlveichsten. Es zeigt sich bei vielen eine besonders dunkle Stelle, an welcher sich der in der Zelle enthaltene Stoll con- cenlıirt hat (b). Weiterhin sieht man ausser dem Kern und den in der Zelle zerstreuten Bilinkügelchen ein helles Bläschen mit gelber Flüssigkeit, in welcher ein oder mehrere, schön gelbbraun gefärbte Kügelchen schwimmen. Dies Bläschen scheint sich erst zu bilden, wenn viel Gallenstoff in der Zelle nieder- geschlagen ist, und dann den Niederschla;, das Sekret, ganz in sich aufzunehmen. Zuerst ist das Bläschen nur voll gelber 12 Flüssigkeit, in dieser bilden sich dann braune Anhäufungen von festerer Consistenz, welche allmäblig ziemlich gross wer- den, wie es die Fig. 9. d bis I dargestellten Formen zeigen. Die Klümpchen wachsen durch schichlweise Apposilion und sind häufig concentrisch (f,h). In dem Maasse, als sich das Bläschen füllt, verschwindet aus der Zellensubstanz die gelbe Masse, und indem das Bläschen wächst, verschwindet die Zel- lensubstanz, das Bläschen nimmt die ganze Zelle ein, so dass man den am Rande angedrückten Kern oft schwer bemerkt. Die Zelle erreicht den Durchmesser von 0,011”. Ausser in den dargestellten Formen stellen sich noch Zellen in verschie- dener Weise dar, doch lassen sie sich immer hierauf zurück- führen. — Bei Helix, Planorbis, Dreissena, Cyelas sind die Zellen ähnlich, dagegen fand ich bei Anodonta und Ostrea nur Zellen, wie die sub a und b dargestellten. Das Galleufett wird bei den untersuchten Mollusken in anderen Zellen bereitet, welche einen ähnlichen Entwicke- lungsgang haben. Die kleinsten Zellen enthalten kleine felt- ähnliche Körnchen, Fig. 10. a, die Körnchen vermehren und vergrössern sich zu deutlichen Fetttröpfchen, es bildet sich ein besonderes Sekreibläschen (Fig. 10. b) mit Felttröpfchen. Das Sekretbläschen vergrössert sich und nimmt endlich die ganze Zelle ein, wo dieselbe dann so voll Fetttröpfchen ist, dass man nur selten noch den Kern erkennt (Fig. 10. e und d). Die Fetlzellen der Leber sind im Verhältniss zu den braunen selten, trennen sich schwieriger von der Tunica propria los, sind zarler und zerreisslicher, so dass man sie nicht häufig frei, wohl aber an der Tun. propria anliegend sieht. Die in ihnen enthaltenen Fetttröpfehen lösen sich sehr langsam in kauslischem Kali und werden von Säuren nicht verändert. Es ist ungewiss, ob die Bilin- und Fettzellen durch De- hiscenz ihr Sekret frei werden lassen. Der Magen der He- lices ist sehr häufig mit einer rothbraunen Flüssigkeit gefüllt, welche viel Gallenblasenschleeim und einen mit Alkohol Aus- zuziebenden Gallenstoff enthielt. 13 Die Niere der Gasteropoden und das Bojanus- sche Organ der Bivalven. Die Niere der Lungenschnecken wurde von Swammer- dam als Kalksack bezeichnet, von Cuvier als Schleimorgan. Wilbrand (Darstellung der gesammten Organisation der Thiere. Giessen 1809. $. 249.) nannte das Organ zuerst Niere, und ihm folgte Wohnlich (Diss. de Hel. pom. Wirceb. 1813). Später bewies Jacobson (Journ. de plıys. T. 91. p. 318.) die Richtigkeit dieser Ansicht durch die chemische Analyse, welche Harnsäure nachwies. Ausser bei den Landschnecken sah man auch bei Umbrella, Pleurobranchus, Doris, Aplysia u. A. nach aussen mündende Excretionsdrüsen. Bojanus sah das nach ihm benannte Organ der Bival- ven als Lunge an, doch hiell man es später ziemlich allge- mein für ein Harnorgan, und dies wurde besonders durch Treviranus Bemerkung bestäligt, dass sowohl das Bojanus- sche Organ als die Niere der Helix von einem Pfortadersystem versorgt wird, durch welches das Blut auf dem Wege vom Athmungsorgan zum Herzen eireulirt. Neuwyler hat kürz- lich (Isis 1841. p. 218.) die paradoxe Meinung aufgestellt, dass das Bojanussche Organ der Hoden sei; dies widerlegt sich jedoch durch die bekannte Anwesenheit eines an der Leber der Männchen liegenden Hodens. Bei den meisten zweischaligen Mollusken liegt am Rücken über den Kiemen neben der Mittellinie des Körpers vor dem Herzen jederseits ein länglicher schwarzbrauner Sack, welcher an seinem vorderen Ende eine Ocflinung nach aussen hat. Zwischen der inneren Kieme und dem Bauche liegt ein durch die zwei aus einander weichenden Blätler der Kieme gebilde- ter Halbkanal, N weiter hinten dadureli, dass die inne- ren Kiemen beider Seilen an einander Irelen, zu einem ge- schlossenen Kanal wird. Das Bojanussche Organ mündet entweder in jenen Halbkanal oder in dessen geschlossene Fort- setzung, und ebenda mündet der Eierstock, wie überhaupt 14 Warn - und Geschlechtsorgane häufig vereinigt sind. Bei My- tilus und Ostrea ist das Bojanussche Organ nur als ein brauner Anhang des Herzohrs vorhanden, der dieselbe Struk- tur besitzt. Bei Anodonta dagegen hat das Organ ganz den eben beschriebenen Bau, und zwar ist der vordere und hin- tere Theil bräunlich, der milllere schwarz. Innen springen in den Sack viele parallel gestellte oder unregelmässig gekräu- selte Blätter hervor, die namentlich am miltleren Theil der oberen Wand gross sind und viele Gefässe enthalten. Die mittleren hängen frei in die Höhle, die vorderen und hinteren dagegen sind an der oberen und unteren Wand befestigt. Die innere Oberfläche des Sackes und seiner Falten ist mit einem braunen, wimpernden Epitelium bedeckt. Dies besteht aus Zellen, welche neben ihren Kernen noch mehr oder we- niger braune Körnchen enlfälten, die zuweilen die ganze Zelle einnehmen (Fig. 12). Diese braunen Ablagerungen sind wahrscheinlich Harnstoffe, doch konnte ich durch eine ober- flächliche Analyse dies nicht nachweisen. An ihrer freien Oberfläche tragen die Zellen Wimpern, und sie stehen dem- nach zugleich der Sekretion und der Bewegung vor. Die Wimperbewegung ist namentlich an der Ausmündung des Sacks stark. — Bei Anodonta wird nach Treviranus, wenn sich das Thier vom Boden an die Oberfläche les Wassers erheben und schwimmen will, Luft in diesen Sack abgeson- dert, auf ähnliche Weise, wie in der Schwimmblase der Fische, so dass neben den festen Stoffen auch Gase excernirt werden. Die Niere der Lungenschnecken liegt rechts neben dem “ n an der Spitze des Lungensacks. Sie hat im Allgemei- nen die Gestalt eines gleichschenkligen Dreiecks, dessen Spitze gegen den 0: gerichtet ist. Läng er regijen Seite des Dreiecks läuft von der Spitze nach hinten ein weiter, von aussen sich durch seine Durchsichtigkeit schon unterschei- dender Gang. Er ist innen mit falligen Vorsprüngen besetzt, welche ein lebhaftes Wimperepitelium tragen. Am hinteren 15 Ende der Niere trennt er sich ganz von ihr, schlägt sich nach vorn um, und geht längs des Mastdarms als Urelhra nach aussen. Der secernirende Theil der Niere besteht aus einem Sack, welcher innen mit hervorspringenden Falten dicht besetzt ist. Ein- zelne Partieen dieser Blälter sind nur an einer Seite befestigt und bilden faltige, einfache Vorsprünge, gewöhnlich aber sind sie sowohl an der oberen als unleren Wand des Nierensacks befestigt und stehen perpendikulär auf dem Ausführungsgang parallel neben einander. So entstehen durch die Blälter in dem Nierensack eine Menge vollkommner oder unvollkommner Fächer, welche in den an ihrem Ende verlaufenden Ausfüh- rungsgang durch enge Oeffnungen münden. Die Vermehrung der Oberfläche ist demnach in der Niere der Gasleropoden nieht durch Follikel-, sondern durch Faltenbildung bewerk- stelligt. Das Epitelium, welches die innere Fläche der Niere be- kleidet, ist sehr geeignet, den Modus der Sekretion zu zeigen. Die Zellen dieses Cylinderepitels irennen sich leicht von ihrer Tunica propria los und werden vom Wasser wenig verändert. Man sieht sehr verschiedene Zellen neben einander, die ich in folgender Reihe zusammenfasse. 1) Die kleinsten Zellen von 0,002 — 0,004” haben einen grossen Nucleus » mit einem oder mehreren Nucleoli. In der Zellensubstanz derselben sind einzelne das Licht stark brechende Körnchen (Fig. 11. a.) zer- streut. 2) Die Zelle ist gewachsen, und in ihrer Substanz bildet sich ein klares Bläschen voll heller Flüssigkeit aus, in welcher Körnchen von harnsaurem Ammoniak molekular sich bewegen (11. b.). 3) Die weitere Entwickelung der Zelle bezieht sich nur auf das Wachsthum des Sekrelbläschens und die Vermehrung seines Inhalts. Das Bläschen nimmt allmählig die ganze Zelle ein, so dass man den Kern an ilrem Rande angedrückt findet (11. e.) und hierin finden sich entweder mehrere Körnchen von harnsaurem Ammoniak vor (11. e.) oder gewöhnlich nur eins von bedeutendem Durchmesser. ” 16 Diese Conkremente sind ziemlich undurchsichtig, doch sieht man nicht sellen (11. d.), dass sie aus eoncentrischen Schich- ien, wie die Harnsteine des Menschen, bestehen. Bei auffal- lendem Licht erscheinen sie gelblich weiss. Die grössten Nie- renzellen der ausgewachsenen Helix haben einen Durchmesser von 0,012‘ Bei dem Embryo von Helix sieht man am 9ten Tage nach der Fureliung schon deutlich die gelben Harnzellen, und vom 11ten Tage an sind sie vollkommen ausgebildet, und jetzt haben die grössten einen Durchmesser von 0,02, so dass man sie mit der Lupe einzeln unterscheidet. Hier lässt sich auch der Bau der Harnzellen vorzüglich gut erkennen. Vom ?2isten Tage an, wo die von mir beobachtelen Lungen auskrochen, verschwinden allmählig die grossen Zellen und machen kleineren Platz. Ausser den Epiteliumzellen findet man in der Niere und zuweilen im Ausführungsgange auch eine Menge der eben be- schriebenen Kugeln von harnsaurem Ammoniak frei, aus den Zellen befreit, und zwar meist in grösserer Menge aneinander- hängend. Dies liefert den vollkommenen Beweis, dass das harnsaure Ammoniak in körniger Gestalt, wie sie bereitet wird, aus dem Körper geht, dass sie also nur durch Dehiscenz der Zellen frei wird, wie der Fötus aus dem Ei. Dass aber die beschriebenen gelblichen undurehsichtigen Kugeln in den Zellen aus harnsaurem Ammoniak bestehn, beweist ihr Verhalten gegen Reagentien. Sie lösen sich sehr schnell in kaustischem Kali, langsam mit Kalk und Natron, nicht mit Ammoniak. Sie werden weder durch Essig- noch Oxalsäure, auch nicht in der Wärme gelöst, dagegen durch warme Salzsäure und durch kalte Schwefelsäure, am schnell- sten durch Salpetersäure. — Durch Bildung von Purpursäure lässt sich die Anwesenheit von Harnsäure in der Niere leicht nachweisen. Wie bei Helix verhalten sich die Harnzellen auch bei Lymnaeus, Planorbis und Paludina, wo sie grünlich sind. Harnsäure liess sich bei Paludina nicht nachweisen. 17 Die Kalkdrüsen der Gartenschnecke, ln dem Mantelsaum der Helix öffnen sich durch feine Poren unzählige Drüschen, welche bei feindlicher Berührung schnell einen weissen, schleimigen Saft durch Contraction entleeren. Der Saft enthält viel Kalk in kleinen Körnchen und dient namentlich zur Bildung und Ausbesserung der Schale. Die Kalkdrüschen sind kurze, mit sackigen Erweiterungen ver- sehene Schläuche, am Ende angeschwollen. Ihr Fpitelium besteht aus grossen Zellen, in deren Substanz mehr oder we- niger solehe Körnchen abgelagert sind, wie sie im Sekret vorkommen, oft die Zelle ganz erfüllend. Bei Zusatz von Säuren verschwinden die Körnehen unter Entwickelung von Kohlensäure, durch Kali werden sie nicht verändert. Die Drüsen der Artikulaten. Cuvier’s Ausspruch, dass die Absonderungsorgane der eigentlichen Inseeten alle röhrig, gefässartig seien, hat sich längst als unzureichend erwiesen. Zunächst wurde in den Geschlechtstheilen derselben, namentlich der Käfer, eine Man- nigfaltigkeit und Zierlichkeit der Formen nachgewiesen, wie sie kaum bei anderen Thierklasse# vorkommt. Ebenso man- nigfaltig und phantastisch sind die Formen der Speicheldrüsen, namentlich bei Hemipterea. Ausser den mit dem unbewaffne- ten Auge oder der Loupe erkannten Verhältnissen weist aber das Mikroskop noch interessante Eigenthümlichkeiten nach. Die chemische Kraft des Stoffwechsels scheint bei Insek- ten im Verhältniss zu anderen Klassen gross zu sein. Wo irgend organische Wesen bestehen können, auf und in der Erde, auf und in Thieren und Pflanzen, im Wasser, überall finden sich Insekten und suchen zu ihrem und der Nachkom- menschaft Vortheil zu verwenden, was nur Zudringlichkeit und ein energisches Handeln gewinnen kann. Sie leben von den Blättern, dem Bast, vom Holz, von allen möglichen Müller's Archiv 1846, 2 18 pflanzlichen und thierischen Stoffen, Aas und Koth. Sie er- zeugen ferner zu verschiedenen Zwecken Stoffe, welche sehr von ihrer Nahrung heterogen sind, wie Wachs, Seide, Spinngewebe, Ameisensäure, Gerbsäure, Cantharidin, Chitin, ätherische Oele. Gifte. Die Organe der chemischen Thä- tigkeit müssen demnach eine grosse, der der Pflanzen na- hekommende Kraft besitzen und mit der Mannigfaltigkeit des Zwecks hängt die der Formen zusammen. Die drüsigen Or- gane der Insekten unterscheiden sich fundamental von denen anderer Thiere durch eine Eigenthümlichkeit, welche mit einer allgemeineren Verschiedenheit des feineren Baues ihrer meisten Häute zusammenhängt. Die äussere Haut der von mir untersuchten Insekten be- stand allgemein aus 2 Schichten. Man kann sie an den er- härteten Insektenschalen nur nach der Maceration in Kalien, oder beim Krebs in Säuren, sehr gut aber an der weichen Haut der Krebse beim Schalenwechsel, an den Raupen und den verpupplen Käferlarven und an der lederartigen Haut der Spinnen untersuchen. Die äussere Schicht ist stets hornartig, durchsichtig, und man kann beim Butierkrebs und der Nashornkäferlarve ihre Bildung aus Zellen erkennen, ebenso bei den erhärleten Käfer- schalen nach Meyer (Dies. Arch. 1843) nach Behandlung mil kaustischem Kali, dagegen bei der harten Haut der Spinne nicht mehr. Bei der Kreuzspinne ist diese farblose, hornige Haut mit parallelen, geschlängelten, feinen hervorspringenden Linien versehen. Darin sind hie und da kleine Verliefungen, in welche Haare eingepflanzt sind, und zwar gefiederle, wie sie sich so häufig bei Insekten finden. Bei der Nashornkäfer- larve bedeckt ein helles Pflasterepitelium alle Theile, auf den erhärtelen Schalen erkennt man nur noch die Umrisse der primiliven Zellen. Die äusserste Haut des Krebses besteht aus kleinen Pflasterzellen, welche mit zackigen Rändern in einan- der greifen, und von denen jede 2—5 kleine Härchen trägt. Ausserdem sind in kurzen Zwischenräumen wie bei der Spinne 19 gefiederte Haare von verschiedener, zum Theil beträchtlicher Grösse in kleine Grübchen eingepflanzt, welche auf der Spitze warzenarliger Erhöhungen stehn. Besonders zahlreich sind die Haare an den Beinen, und am Schwanzende bilden sie fran- zige Säume. — Macerirt man die verkalkte Haut der Krebse mit Säuren, so kann man auch hier noch die Haare erkennen, sowie die Zellen der Epidermis. Die zweite Schicht der Haut besteht so lange sie weich ist aus mehreren Lagen von Zellen. Sie bleiben bei der Spinne und Raupe immer weich und geben ihnen die eigenthümliche Färbung. Bei der Käferlarve bestehen sie aus einer eigenthüm- lichen Masse, die Anfangs durchsichtig, homogen, gallertarlig ist, allmählig aber an der Luft erhärtet, schwarz wird und dann die Festigkeit der Hornschale bedingt. Es ist dies wahr- scheiulich die von Odier bei der Analyse der Insektenschalen als Chitin bezeichnete Substanz (Berzel. Thierch. 1. Ausg. p- 630) im gelösten Zustande (später nur in Salzsäure und Salpetersäure löslich). Nach ©. Schmidt (zur vergl. Physiol. d. wirbellosen Thiere. Brsehw. 1845) findet sich das Chitin auch im Tracheensystem der Insekten und Spinnen, in den Athemsäcken der l,ängenspinnen und in der inneren Haut des Darmkanals beim Krebs (p. 31). In der Haut des Krebses verkalkt die erwähnie mittlere, aus gelben, blauen, rothen und weissen Zellen gebildete Schicht und ist dann nicht mehr von der hornigen Haut zu trennen. Beim Bulterkrebs liess sich noch eine feine aber feste structurlose Membran darstellen, die ich jedoch bei der Raupe und bei der Käferlarve nicht als gesonderte dritte Schicht nachweisen konnte. Aus ähnlichen Schichten wie die äussere Haut, besteht der Darmkanal. Die Oberfläche bildet, wie von den eigent- lieben Insekten längst bekannt ist, stets eine hornige Haut, welche meisteutheils structurlos ist, im Mund, namentlich auf der Zunge, im Oesophagus, dem Kaumagen und im Mastdarnm der Insekten aber sehr mannigfaltige hornige Bildungen her- vorbrivgt und wahrscheinlich wie die Epidermis aus Pflaster- 2% 20 zellen entsteht. Unter mehreren nenne ich wieder den Krebs als Beispiel, von dem Oesterlen (dies. Arch. 1840. p. 387) die Structur des Magens genau beschrieben hat. Ich füge nur hinzu, dass die borstenförmigen Haare, welche Oesterlen Tab. XI. Fig. 10. abbildet, gefiedert sind, wenngleich bei weilem feiner, als die auf der äusseren Haut vorkommenden, deren Analoga sie offenbar sind. Auch im übrigen Darmkanal des Krebses ist die Tunica intima nicht structurlos, sondern sie besteht genau, wie die hornige Epidermis der äusseren Haut, aus zackig in einander greifenden Zellen, welche meh- rere in einer Reihe stehende Härchen von 0,0015 Länge tragen; die grösseren Haare des Magens und der äusseren Haut fehlen hier ganz. Die zweite Schicht des Darmkanals besteht aus den Zellen, welche der chemischen Thätigkeit vorstehen. Sie hängen mit der eben genannten Membran gar nicht zusammen, sondern nur mit der folgenden. Die Zellenschicht is! nament- lich im chymusbereitenden Theil des Darms stark entwickelt, fehlt dagegen in den Theilen, welehe die Speisen mechanisch bearbeiten, und wo daher die hornige Membran besonders stark entwickelt ist. So habe ich es im Kaumagen des Kreb- ses und im Mund, Oesophagus, Kaumagen und Mastdarm vieler Insekten geschen. An diesen Stellen ist daher die Tunica intima direet mit der Tun. propria, analog der Tun. intermedia Henle beim Menschen verwachsen, der dritten Schicht des Darms, wäh- rend sie übrigens ziemlich locker im Darmrohr ausgespannt ist. Diese Tunica propria ist structurlos und trägt die eben : genannten Zellen als Epitelium. Im Darm des Krebses schickt sie an die Tunieca intima Fortsätze aus. wodurch vollkommen geschlossene, runde Drüsenkapseln gebildet werden, die ein Epitelium enthalten. — Nach aussen wird diese Membran von der Muschelschicht umhüllt. Wie Haut und Darmkanal von einer hornigen, oft strac- turlosen Membran auf der Oberfläche bekleidet sind, so sind 21 es auch die Drüsenkanäle. Diese bestehen fast immer aus einer structurlosen Tunica propria, dem innen darauf befestig- ten Epitelium und der Tunica intima. Letztere ist meist structurlos, zuweilen, wie bei den Speicheldrüsen der Dipte- ren und Hymenopteren auch mit Querstreifen versehen, na- mentlich an den Ausführungsgängen. In den Tracheen ist sie spiralig gefasert und lässt sich so lang auseinanderziehen zu einem spiralen Bande, welches aus vielen parallelen Leistchen gebildet ist. Die Ausscheidung flüssiger Stoffe in den Drüsen wird durch die Tunica inlima eben so wenig gehindert, wie die Aufnahme derselben im Darm, wohl aber die Ausschei- dung fester Sekrete, wie Samenfäden, Eier und körnige Harn- stoffe. Daher fehlt im Hoden und den Harndrüsen der In- seeten die Tunica intima, und die Ovarien sind, wie zuerst Joh. Müller (in Nova Acla phys. med.) bei Phasma gigas nachwies, eigenthümlich construirt. Sie haben eine structur- lose Tunica propria, auf welcher innen ein Epitel befestigt ist, welches für die Ernährung der Eier eine vermittelnde Rolle zu spielen scheint. Es folgt auf die Zellenschicht näm- lich noch eine strueturlose Tunica intima, innerhalb welcher erst die Eier entstehen und sich ausbilden, wie Karsten (De Cella vitali. Berol. Schröder. 1843) nachwies. Bei der Häutung der Insekten wird die hornige Epidermis abgeworfen, beim Krebs die ganze Schale und an den Kiemen das dieselben überziehende Häutchen. Im Darmkanal wird nach den bisherigen Untersuchungen die Tunica inlima abge- worfen, und es ist nach einigen Beobachtungen walırschein- lich, dass auch die Tunica intima der Drüsen erneuert wird. Die Eintheilung des Darmkanals der Insekten. Die einzelnen Theile des Darmkanals variiren bei den verschiedenen Klassen sehr in Form und Verhältnissen, und es finden sich einzelne eigenthümliche Abtheilungen nur bei 22 einzelnen Klassen. Am allgemeinsten finden sich folgende Abtheilungen. 1. Mund und Rüssel. Der leiztere wird auf verschiedene Weise durch die Verlängerung der äusseren Mundtheile, na- mentlich Ober- und Unterlippe, Ober- und Unterkiefer und Zunge gebildet. Alle saugenden Insekten haben wenigstens 1 Paar, häufig ? Paar Speicheldrüsen, die beissenden nach den bisherigen Untersuchungen scheinen nicht immer deren zu besitzen. In verglei- chend anatomischer Hinsicht hat man zu unterscheiden 1 Paar Su- pramaxillar- und Sublingualdrüsen, nach dem Ort ihrer Mündung. Erstere münden am Grunde des Oberkiefers bei Raupen und Anderen, oder in demselben bei Spinnen, und bei Dipteren und Hymenopteren im Rüssel. Die beiden Sublingualdrüsen münden durch eine gemeinschaftliche Oeflnung in der Mittel- linie des Mundes unter der Zunge bei Raupen, Gryllus, Hy- menopteren, oder im Oesophagus bei Musea. Nicht immer passen zwar diese gegebenen Benennungen genau, jedoch las- sen sich hier überhaupt schwer ganz passende Namen finden. — Bei den Hemipleren ist die eigentliche Einmündungsstelle noch nicht bekannt. In organologischer Hinsicht scheint die Supramaxillardrüse mehr als eigentliche Speicheldrüse zu fungiren, zur Auflösung der oft harten, holzigen Nahrung, und bei den Raubinsekten und Blutsaugern als Gift. Die Sublingualdrüse wird oft zu eigenlhümlichen Zwecken gebraucht, namentlich um klebende, zähe Stofle abzusondern, und sie scheint immer von der vor- deren specifisch verschieden zu sein. Für den Verdauungs- apparat ist sie jedenfalls zuweilen, z.B. bei den Raupen, ohne alle Bedeutung, doch müssen wir auch sie als Speicheldrüse bezeichnen, da auch bei den Wirbelthieren die Definition der Speicheldrüse vorläufg nur durch anatomische Merkmale ge- bildet werden kann. Die Mundhöhle ist sehr allgemein mit einem hornigen, oft stark ausgebildeten Epilelium versehen, namentlich zeichnet sich diese Schicht auf der Zunge aus, 23 2. Der Oesophagus ist eine mehr oder weniger lange, gegen das hintere Ende häufig zu einem Kropf erweiterte Röhre, welche aus einer Muskelschicht, einer Tunica propria und Tunica intima besteht, die genau mit einander verwach- sen sind. Letztere ist oft mit kleinen Härchen oder Zähnchen besetzt. — Bei Hymenopleren und Dipteren findet sich ein eigenthümlicher Appendix des Oesophagus, der sogenannte Saugmagen, ein durch einen dünnen Ausführungsgang am Oesophagus befestigtes Bläschen. Treviranus (Ueber die Sangwerkzeuge der Insekten. Verm. Schr. II. p. 95.) zeigte, dass dieser Apparat vermittelst des thoraxartigen Abdomens als Saugpumpe wirke. Es ist mit schwachen Muskeln ver- sehen und hat, wie der Oesophagus, keine Zellenschicht, scheint also nur mechanisch benutzt zu werden. 3. Sehr häufig mündet der Oesophagus in einen Kauma- gen, der durch starke Entwickeluug der Tunica intima zu Haaren, Zähnen und Hornleisten charakterisirt ist, und beim Krebs ein knöchernes Gerüst hat. 4. Nierauf folgt der chylopoelische Theil des Darms oder Magen, den Ramdohr (Verdauungswerkzeuge der Insekten. Halle 1811.) als bis zur Inserlion der Malpighischen Gefässe reichend bestimmte. Er ist meistens weiter als der übrige Darm, oft stark ausgedehnt, häufig in mehrere Abtheilungen getheilt. Er ist entweder glatt oder theilweise oder ganz mit zottigen Follikeln besetzt. Es lässt sich nicht entscheiden, ob dies Analoga einer Leber sind. Sicher kennen wir eine Leber nur bei Krebsen. Denjenigen Insekten, welche keine Zolten am Darmkanal haben, muss daher die Leber ganz fehlen, oder der chylopoetische Theil des Darmkanals ist mit den funktio- nellen Kräften der Leber versehen. Jedenfalls ist die Klein- heit der für Leber anzusprechenden Theile auffallend, da die Leber bei dem Krebs sehr gross ist. 5. Die Malpighischen Gefässe münden am Ende des Ma- gens in den Darm. Allein von ihrer Lage ausgehend, hat man sie als Gallengefösse bezeichnet, wie dies noch neuere Hand- 24 bücher festhalten. Man wollte bei der Grösse der Leber an- derer Thiere die Insekten nicht als Ausnahmen von der Regel gelten lassen. Fehlerhaft war es daher nur, dass man selbst, nachdem Wurzer und Brugnatelli Harnstoffe in diesen Drüsen nachgewiesen halten, die alte Meinung nicht aufgab, indem man auf die Lage der Theile mehr Werth legte, als auf ihre organologische Bedeutung, die nur durch die chemi- sche Untersuchung erkannt werden kann. Es war kein Grund vorhanden, die Resultate dieser Untersuchungen als nicht für die ganze Klasse der Insekten beweisend anzusehen. Ich habe auch bei Geotrupes nasicornis, bei Callichroma moschatum und mehrmals bei Raupen larnsäure gefunden; dagegen ist es mir nicht gelungen, bei Orthopteren, Dipteren, Hymenopteren und Epeira Harnsäure darzustellen. Nur aus dem zu weit gelrie- benen Bestreben, aus anatomischen Analogieen physiologische zu bilden, was freilich leicht ist, ging die falsche Deutung der Malpighischen Gefässe hervor. Aber in der That muss man viel mehr erstaunen, dass die Krebse eine grosse Leber, aber keine Harndrüse haben, als über das umgekehrte Verhältniss der anderen Insekten. Denn für den tbierischen Haushalt ist die Exkrelion der Harnstofle jedenfalls wichtiger als die Gal- lensekretion. Möglich ist es, dass die Leber der Krebse zu- gleich die Funktion einer Niere übernimmt, dass aber die Malpighbischen Gefässe neben dem Harn auch die Gallenstofle aussondern, ist mir nach der mikroskopischen Untersuchung durchaus unwahrscheinlich. Die Umwandlung von Zucker in Felt, die ich in meiner Inauguraldissertation, Halle 1845, als wabrscheinliche Funktion der Galle dargestellt habe, muss demnach bei den Inseklen entweder direkt durch Einwir- kung des Darmsaftes oder durch die Zellen des Fettkörpers geschehen. Bei einzelnen Käfern hat man eine am After mündende, weissen Saft enthaltende Drüse als Harndrüse bezeichnet, wäh- rend solche den übrigen Inseklen fehlen soll. Grant (Umrisse der vergl. Anal. Uebers. Lpz. 1842. p. 428.) behauptet, aber 25 mit Unrecht, geradezu, dass in dieser Afterdrüse bei Dyticus marginalis Urea abgesondert werde. 6. Auf den Magen folgt ein nach der Verschiedenheit der Nahrung bald langer, bald sehr kurzer Dünndarm, der mei- siens in einen keulförmigen und den eigentlichen Dünndarm abgetheilt werden kann. Die Muskelschicht ist in diesem Theil des Darms stark, die Zellenschicht unbedeutend, die Tu- nica inlima locker in der Mitte ausgespannt. 7. und 8 Der Dünndarm senkt sich schief und tief in den weiteren Dickdarm, und so wird oft ein geräumiger Blinddarm gebildet, z. B. bei Pelogonus marginatus, Dyticus u. A. Die Zellenschicht fehlt hier. Die Tunica intima ent- wickelt sich zuweilen zu hornigen Apparaten, wie zu einem nochmaligen Kaugeschäft; so haben die Hymenopteren im Dickdarm 5 bornige Leisten, die Fliegen 4 konische, in den Dickdarm vorspringende, mit Härchen besetzte Zapfen. 9. Durch den meist selır kurzen Mastdaruı mündet der Darmkanal nach aussen. Die Speicheldrüsen der Insekten. Speicheldrüsen scheinen den Krebsen zu fehlen. Sie sind besonders stark entwickelt bei Thieren, welche sich von har- ten Substanzen nähren, z. B. Cigalen, der Larve von Cossus ligniperda. Bei den Spinnen und vielen Hemipteren fungireu sie hauptsächlich als Giftorgane. Unter den Käfern entdeckte Kamdohr zuerst bei Cryptorrhynchus Lapathi eine Sublin- gualdrüse. Später fand sie Leon Dufour auch bei Oede- mera, Myeterus, Mordella u. A. Unter den Ulonaten (Fabr,) sind Sublingualdrüsen bei Forficula, Locusta, Gryllus, Plasma, Mantis, Blabera nachgewiesen, unter den Synistala (Burm.) bei Termes, Perla (Semblis), Phryganea, Hemerobius. Bei den meisten Rhynchota (Fabr.) finden sich 2 Paar 26 Speicheldrüsen, von denen das äussere Paar meist zusammen- geselzt und oft mit doppelten Ausführungsgängen versehen sein soll (L&on Dufour in Me&m. pres. ä l’Acad. des Seiene. T. IV.). Die Coceina, Aphidina, Psyllodes haben keine, die Cicadina 2 sehr zusammengesetzie, alle Hydrocores, Geocores, Reduvini, Membranacei, Coreodes 2 Paare. Unter den Dipteren waren nur bei Pulex 2 Paare nach- gewiesen, doch fand ich auch bei Musca deren 2. Ebenso habe ich auch bei Apis, Bombus, Formica ? Paare von Spei- cheldrüsen gefunden. Die Lepidopteren haben als Larven allgemein 2 Paare, von denen das Sublinguale während der Verpuppung schwindet. Die Formen der elementaren Follikel der Speicheldrüsen sind im Insektenreich sehr mannigfaltig und zierlich, ebenso die Formen ihrer Epitelialzellen. Allgemein finden sich in den Zellen keine Niederschläge von Speichelsubstanz, sondern die Zellensubstanz ist ganz homogen. Uebrigens reagirt die Zellensubstanz zuweilen so, wie das Sekret, z. B. in den Sei- dengefässen, und es könnte dies als Beweis dafür angeführt werden, dass das Sekret chemisch der Drüsensubstanz ver- wandt oder gar identisch sei. Dagegen spricht aber die Struk- tur der secernirenden Zellen mit Niederschlägen. Aber dar- aus, dass die Zellen der Seidengefässe ebenso, wie das Sekret, von Schwefelsäure zuweilen rolh werden, ersieht man, dass die ganze Zellensubstanz wenigstens mitSekret vollkommen getränkt ist. Verschiedene Entwieckelungsstufen von Zellen beobachtet man sellen und in ganz anderer Weise, als in den bisherigen Beispielen. Da sie ein flüssiges Sekret enthalten, so ist walır- scheinlich, dass sie dasselbe nicht durch Dehiscenz, sondern durch Diffusion frei werden lassen. 1. Die Speicheldrüsen der Formica rufa. Die Ameisen besitzen 2 Paare von Speicheldrüsen. Das obere, bisher nicht bekannte, bildet jederseits unter der Stirn ein rundes Löppchen und mündet am Oberkiefer in den Mund. 27 Die ganze Drüse ist von einer feinen Tunica albuginea oder propria umhüllt und besteht aus grossen Zellen von 0,025‘ Durchmesser (Fig. 16. d). Die Zellen sind alle von fast glei- cher Grösse, schwach granulirt und haben einen hellen Kern mit einem oder mehreren Nucleoli. Jede einzelne Zelle liegt in einem, von einer Tunica propria gebildeten Beutelchen, welches einen ausserordentlich feinen Ausführungsgang von eirca 0,0005“ hat. Die feinen Ausführungsröhrehen (Fig. 16. e) aller Zellen laufen einzeln nach einem allgemeinen Ausfüh- rungsgang b. Dieser ist kurz und keulenförmig, von bräun- licher Farbe und an seinem angeschwollenen Ende von der zahllosen Menge der Oeflnungen der feinen Röhrchen durch- bohrt, wie die Brause einer Giesskanne. Die unteren oder hinteren Speicheldrüsen münden mit einem gemeinschaftlichen Ductus unter der Zunge, und beste- hen aus einer grossen Zahl langer, gelber Follikel, welche sich büschelförmig vereinigen (Fig. 17.). Die Tunica propria sowohl, als die leicht darstellbare Tunica intima ist struktur- los, die zwischen beiden liegenden Zellen gelblich, von 0,02 Durchmesser, so dass ungefähr 6 die Circumferenz des Folli- kels bilden. Ob die Sekrete beider Drüsen sich unterschei- den, konnte ich nicht ermitteln, wahrscheinlich aber ist das eine Drüsenpaar eine eigentliche Speicheldrüse, während das andere zur Bereitung des Saftes dienen mag, mit dem die Ameisen ihren Bau auskilten. 2. Die Speicheldrüsen der Stubenfliege. Die Stubenfliege hat zweierlei Speichelgefässe, von denen das eine, bisher unbekannte Paar in der kolbigen Spitze des Rüssels, dem Capitulum labii infer. liegt und mündet. Es ist ein runder, von einer feinen Membran umschlossener Lappen, welcher aus einzelnen, hell granulirten Zellen von 0,015 Dm. gebidet wird. Diese Zellen sind ähnlich denen der vorderen Speicheldrüse der Ameise, jede hal einen feinen, bei 500 mali- ger Vergrösserung noch nicht messbaren Auslührungsgang und 28 je 2 dieser Röhreben verbinden sich allmählig, so dass sie zuletzt jederseits einen allgemeinen Gang bilden. Das Sekret dieser Drüse dient jedenfalls zur Erweichung trockner Sub- stanzen, z. B. des Zuckers zum Behuf der Aufsaugung. Die hinteren Speicheldrüsen münden im Oesophagus durch einen gemeinsamen Gang und erstrecken sich von hier aus jederseils als ein langes Gefäss bis in den Hinterleib. Dies Gefäss besteht aus Tunica propria, Zellenschieht und Tunica intima. Die Tunica propria ist im Ausführungsgang glatt, im secernirenden Theil aber, der bedeutend weiter ist als der erstere, durch jede einzelne Epitelzelle nach aussen aufgetrie- ben (Fig. 18. a,a). Liegt das Speichelgefäss in Wasser, so löst sich oft an einzelnen Stellen die Tunica propria von den Zellen los, und man sicht sie frei. Die Zellen sind hell, durch- sichtig, haben einen klaren Kern mit einem bis drei Nucleoli, und sind alle ziemlich gleich gross von 0.01” Dm., so dass 8 oder 9 Zellen um den Follikel herumreichen. Sie sind am Ausführungsgang sehr klein und unscheinbar. Die Tunica in- tima geht geradegestreckt und glatt durch den ganzen Follikel und ist im Ausführungsgang nach Art der inneren Tracheen- membran geringelt. So wie bei der vollkommenen Fliege fand ich diese hintere, nicht aber die vordere Drüse auch bei der eben aus dem Ei gekrochenen Larve. 3. Die Speicheldrüsen der Biene. 3ei der Biene entdeckte zuerst Ramdohr die beiden binteren Lappen der Sublingualis, Treviranus (Verm. Schrif- ten II. p. 123.) ihren Zusammenhang mit den vorderen Lap- pen, und Ratzeburg bildete wahrscheinlich die Supramaxil- laris ab. Die Supramaxillardrüse mündet in der oberen Seile der Wurzel des Rüssels oder der Zunge jederseits, die Sublin- gualdrüse in der Mittellinie der unteren Seite desselben. Die Supramaxillardrüse erstreckt sich von ihrer Mündung bis un- ter die Stirndecke als ein langer, sleifer, gewundener Gang, an welchem viele gestielte Bläschen aufsitzen (Fig. 19.); diese 29 Windungen liegen in einer Fläche ausgebreitet und bekleiden so als dünnes, gelbliches Stratum theilweise den vorderen Lap- pen der weissen Sublingualis. Der Ausführungsgang ist ganz strukturlos, weiss, durchsichtig, spröde (Fig. 30. C) und be- steht aus einer dieken, hornigen und einer dünnen äusseren Haut (a). Er hat viele kleine Hervorragungen e, welche sieb- förmig durchlöchert sind. Von hier aus gehen, wie bei der oberen Speicheldrüse der Ameise, eine Menge Röhrchen d zu den Acini A, und diese Röhrchen werden von der feinen Fortsetzung des Ueberzugs des Ausführungsgangs umschlossen und zusammengehalten. Diese Membran bildet als Albuginea eine Umhüllung der absondernden Zellen, indem sie sich fla- schenförmig zu einem 0,04 — 0,06‘ grossen Säckchen erwei- tert. Die Zellen f füllen das ganze Säcken massiv aus, dass nirgends eine Höhle entsteht, und so enthält jedes Säckchen 20—30 Zellen. Die erwähnten ausführenden Röhrchen gehen von dem Stiel des Acinus aus unter der Albuginea hin durch den ganzen Acinus. Es war nicht auszumachen, ob an jede Zelle ein Röhrchen tritt, um ihr Sekret auszuführen, wie bei Formica, doch ist dies wahrscheinlich. Die schwach granu- lirten Zellen enthalten einen Kern mit 2—8 Nucleoli. — Gauz ähnlich verhalten sich die vorderen Speicheldrüsen von Bom- bus, nur sind die Aeini kleiner. Die unteren Speicheldrüsen bestehen jederseits aus einem vorderen und einem hinteren Lappen und haben alle einen allgemeinen Ausführungsgang. Dieser ist braun, stark, hornig und seine innere Oberfläche ist spiralig geringelt. Er erwei- tert sich von der Zunge aus allmählig und weiterhin gehen Aeste von ihm ab, welche ebenfalls trompetenförmig sich er- weitern (Fig. 21.). So entstehen schr viele kleine Aestchen, deren jedes am Ende einen nicht ganz regelmässig birnförmi- gen, gelblichen Acinus trägt. Dieser besteht, wie der Ausfüh- rüngsgang, aus einer feinen Tunica propria, dem Epitel und der gelblichen Tunica inlima, welche fest an den Zellen ad- härirt. Die Zellen des Epitels sind (Fig. 22.) Pflasterzellen 30 von 0,015’ Dm. und haben einen hellen Kern mit 1—4 Nu- eleoli. — Der Bau dieser Drüse ist bei Bombus ganz ähnlich. — Diese Drüsen werden, wie schon Treviranus angiebt, in Essigsäure rolh, und ähnlich verhalten sich die Spinndrüsen der Raupen, Wahrscheinlich kitten die Bienen mit diesem Saft die kleinen aus den Leibringen schwitzenden Wachsstück- chen zu den Tafeln zusammen. 4. Die Speicheldrüse von Gryllus campestris. In dem Thorax der Grille liegt jederseits ein länglicher, aus vielen Körnern bestehender Drüsenlappen, dessen Ausfüh- rungsgang, mit dem der anderen Seite sich vereinigend, unter der Zunge in den Mund geht. Der Ausführungsgang ist fest und hornig, von ähnlicher Struktur, wie der der Sublingual- drüse der Biene. Er theilt sich ziemlich regelmässig dichotom in kleine Aeste, welche an ibrer Spitze Läppchen tragen. In diesen Läppchen, welche von einer Tuniea propria umgeben und ganz solide ohne centrale Höhle aus Zellen zusammenge- setzt sind, verzweigen sich jene Gänge bis zu unmessbarer Feinheit, dem Anschein nach so, dass fast zu jeder Zelle ein Aestchen tritt (Fig. 23.). Die Drüsenzellen sind verhältniss- mässig zu anderen Insekten klein von 0,0045” Dm. und ha- ben einen grossen Kern. — Der Speichel von Gryllus verru- eivorus verlilgt nach dem Volksglauben Warzen. 5. Die Speicheldrüsen der Raupen. Die Larven der Lepidopteren haben 2 Paar Speicheldrü- sen. Das obere Paar mündet nach Suckow (Physiol. Un- tersuch. über Insekten und Krustaceen p. 24.) jederseits am Grunde des Oberkiefers in eine Warze, und diese bleibt beim vollkommenen Insekt bestehen. Das andere Paar, die Glan- dula sublingualis, öffnet sich nach Suckow (Heus. Zeitschr. T. III. p. 39.) durch ein gemeinsames Röhrchen. Dieses Röhr- chen, von Kirby Spindel, Fusulus genannt, entsteht als zarte, am Ende schief abgeschnittene, aus mehreren hornigen und 31 häuligen Leisten zusammengesetzte Röhre von der Spitze der Unterlippe. Sie kann sich erweitern und verengern, und so die Dicke des auszuziebenden Fadens bestimmen. Das Sekret dient zum Gespinnst der Raupe und man hat die Drüse daher unter dem Namen Spinndrüse, Serieterium, von den Speichel- drüsen getrennt. Während der Verwandlung der Raupe zum Schmetterling vergebt diese Drüse. Eine Tunica inlima sah bier Suckow schon deutlich und derselbe bemerkte (a.a. O, p- 29.), als sich die Raupe in der Häutung aus der Kopfhaut zurückzog, dass an letzterer 4 feine Fäden sitzen blieben, welche aus dem Munde hervorgezogen wurden, wahrschein- lich die Tunica intima der 4 Speichelgefässe. Die am Oberkiefer mündenden eigentlichen Speicheldrü- sen habe ich nur bei der Raupe von Cossus ligniperda unter- sucht. Der Ausführungsgang erweitert sich hier in eine grosse Blase, welche 4—5 Tropfen Flüssigkeit fasst. Auf der entge- gengesetzten Seite nimm! die Blase den secernirenden Follikel auf, Dieser ist ein langes, feines, .gelbliches Gefäss, welches sich durch das umgebende Fettgewebe vielfach hindurchwin- det. Der Follikel hat eine feine, strukturlose Tuniea propria, unter der einzelne Tracheenästchen verlanfen, und eine. viel diekere, struklurlose Tunica inlima von 0,0008’ Dm. In der Nähe des blinden Endes verengt sich der weite Follikel um ein Beträchtliches, auf das Drittel, und zugleich wird die äus- sere Oberfläche, welche in dem weiteren Theil gerade und glalt verläuft, wellig, indem sie von jeder einzelnen Epitelzelle aufgetrieben wird. Dagegen verläuft die Tunica intima auch hier als ein ganz gerader Kanal, gerade wie es Fig. %4. von Tinea dargestellt ist. Die in dem engen Theil des Follikels befindlichen Zellen sind Pflasterzellen, 0,0% breit und 0,0074 diek, und je zwei bilden die Circumferenz des Follikels; sie sind durchsichtig, schwach granulös und enthalten einen 0,008” grossen, plaltgedrückten Kern mit Nucleolis. Da, wo der Follikel sich verdickt, werden auch die Zellen schnell um das Sechsfache grösser, so dass wieder 2 einen vollkommenen 32 Umfang des Follikels ausmachen. Die Zellen haben hier die sehr regelmässige Form, eines wenig oblongen, im Follikel quer liegenden Sechsecks mit gleichen Winkeln, und zwar ist der längste Durchmesser desselben 0,1’ der Querdurchmes- ser 0,055’ und die Dicke 0,007”, eine für Elementarzellen kolossale und bei Thieren noch nicht gefundene Grösse. Die zwei Reihen dieser Zellen greifen zackig, wie Getäfel, in ein- ander und schliessen so. Anstatt des runden Kerns der Zellen im blinden Ende haben aber diese Zellen einen verästelten: es ziehen sich nämlich durch die ganze Zelle hindurch ästige, zuweilen ganz enge, zuweilen bauchig erweiterte, an den En- den blinde Röhrchen, die alle zusammenhängen. Da- gegen fehlt jede Spur des in den Zellen des blinden Endes vorhandenen runden Kerns; und da ich dort wiederum nie die verästelten Kanäle sah, so halte ich beide Organe für identisch, obgleich ich keine Entwickelungsübergänge finden konnte. Der Zellenkern soll zwar bei Pflanzen nicht von Wichtigkeit sein, scheint jedoch bei den Thieren stets eine grosse Rolle zu spielen und entweder die eigentliche Ursache der Zellenthätigkeit zu sein oder ein Regulator. Daraus ist die eigenthümliche Ausbildung des Kerns in diesen kolossalen Zellen zu erklären. Der Kern verästelt sich durch die Zelle hindurch, um überall seinen Einfluss geltend zu machen und die Sekretion zu vermitteln. In den Zellen selbst wird man das Sekret nicht gewahr; in dem inneren Kanal des Follikels hat es einen fettigen Glanz. Es ist ein ätherisches Oel, welches in geringem Grade in Was- ser sich löst, leicht in Alkohol und Aether. Es riecht nach Terpenthin mit einer angenehmen Nüance zu Rosenöl. Es wird von heisser Salpetersäure gelöst, von heisser Schwefel- säure mit violetter Farbe, von Salzsäure nicht, von Kalien leicht. Die Spiondrüsen, Sericteria, der Raupen sind von ganz ähnlichem Bau, und ich erwähne nur einzelne specielle Eigen- thümlichkeiten. In den dieken Spinngefässen von Cossus ligni- 33 perda sind die Zellen ziemlich regelmässige Hexagone, von denen 4—5 den Umfang des Follikels einnehmen, von 0,03 bis 0,085‘, meist 0,04” Dm. und fast eben so dick. Sie las- sen sich frei von Tunica propria und intima darstellen. Der Kern bildet ein System dicker, zum Theil verzweigter Blind- säcke, welche entweder homogen oder voll von kleinen hellen Kügelchen sind. An zerrissenen Zellen sieht man diese Ka- näle oft frei, von einer eigenen feinen Membran nmhüllt. Alle die einzelnen Blindsäcke sind analog den gewöhnlichen Zel- lenkernen, wie man am Rande des Follikels sieht (Fig. 25. c), durch dünne. mehr oder weniger lange Stiele an der inneren Oberfläche der Zelle befestigt, und ebenso fand ich es bei an- deren Raupen. Nie lässt sich übrigens elwa der Inhalt der Kernkanäle zu diesen Stielen herausdrücken und man darf nicht, wie es zuerst beim Anblick der Stiele wahrscheinlich ist, an eine Communication der Kernkanäle mit dem Kanal des Follikels denken. Die Zellen des Ausführungsgangs des Follikels sind kleiner, mit rundem Kern. Auch in den feinen Sericterien von Colias Brassicae machen ungefähr 5 Zellen den Umfang des Follikels aus, dagegen bei den Sphingen, Va- nessa Urticae und Sericaria dispar regelmässig nur 2 sehr grosse. Der Kern verästelt sich in den Zellen von Sphinx Euphorbiae und Convolvuli, Colias Brassicae, Sericaria dispar in eine Menge kurzer Blindsäckchen. _ Auffallend ist dagegen bei Vanessa Urticae die langgestreckte Verästelung und Fein- heit (Fig. 26.) der Kernkanäle. Aehnlich verhalten sich die Zellen bei der Raupe einer Tinea, die in Birnen lebt, und hier sah ich genau in derselben Weise, wie in den Speichel- drüsen von Cossus ligniperda, zweierlei Zellen in den ver- schiedenen Theilen des Follikels, von denen die grösseren einen Längsdurchmesser von 0,13 hatten, die kleinen 0,08 “ (Fig. 24: das blinde Ende eines Spinnfollikels). — Die Zellen der keulenförmigen Speicheldrüsen von Notoneela glauca ver- halten sich wie bei den Raupen. Die Tunica intima ist in den Sericterien immer verbält- Müller's Archir. 1816. 3 34 uissmässig dick und sehr fest, so dass man schon durch Druck zwischen Glasplallen sie leicht frei darstellt. Bei der bedeu- tenden Dicke der Follikel von Cossus ligniperda kann man auch die Tunica propria und die Zellensehicht mit Sicherheit abpräpariren. Hier hat die Tunica inlima den Durchmesser * von 0,002—0,003'’ und scheint aus feinen, perpendikulär zur Fläche stehenden Cylindern zu bestehen (Fig. 25. g). Bei Sphinx Convolvuli, Colias u. A. ist die Tunica inlima quer gestreift. Die innere Oberfläche der inneren Membran ist stets ganz glatt, die äussere raulı und fest an den Zellenhängend. In dem Kanal des Follikels bildet die flüssige Seidenma- terie einen mehr oder weniger dicken, elastischen, zähen Fa- den, der den Kanal nicht vollständig ausfällt, sondern in einem wässrigen Fluidum schwimmend gerade (Fig. 25.) oder ge- schlängelt (Fig. 24.) durchläuft. Das Sekret hat sich dem- nach in zwei nicht mischbare Theile gesondert, wahrscheinlich durch einen ähnlichen Prozess, wie das Serum aus dem Blut- kuchen. Leider konnte ich meine Untersuchungen nich! an Seidenwürmern machen, wo eine chemische Analyse besonders interessant und durch die bedeutende Quantität erleichtert wäre. Bei melreren der untersuchten Raupen, namentlich Tinea, Cossus. Sphinx, wurden sowohl die Zellen des Folli- kels, als das Sekret durch Schwefelsäure schön rosenrotli ge- färbt und allmählig gelöst, durch Salpetersäure gelb gelöst, durch Kali causticum verdunkelt und nicht gelöst. Bei An- deren brachte Schwefelsäure keine rothe Färbung hervor. Eine deutliche Reaction gegen Lackmus erhielt ich nicht. Chauffier fand in den Serieterien der Seidenraupe ein Acide bombique, was auch in den übrigen Körpertheilen-und den Eiern vorkomme, besonders während der Verpuppung im Mastdarm angehäuft und beim Auskriechen ausgespritzt werde. (Nouv. Mem. de Acad. de Dijon. 1783, II. Semestre p. 70.). Nach Suckow (Anat. plıysiol. Untersuch. d. Insekten 1818) sondern die Serieterien eine wässrige Flüssigkeit ab, besonders vor der Verpuppung, so, dass der Magen, davon strolzt und 35 die letzten Alimente davon gelöst werden. Bei Sphinx Eu- phorbiae wird in der That das bei den Raupen zähe Sekret wäh- rend der Verpuppung dünner und zugleich löst sich allmählig die Zellensubstanz auf, so dass die nun schlaffen Zellen locker im Follikel liegen und auch die verzweigten Kerne innerhalb der Zellen durch Druck hin und her bewegt werden kön- nen: — Die Chinesen haben entdeckt, dass man durch Füt- terung der Seidenraupen mit Farbstoffen, z. B. Indigo, Kar- min den Coconfaden färben kann, dass also durch die Seri- eterien der Farbstoff mit ausgeschieden wird. 6. Die Giftdrüse der Kreuzspinne besteht jederseits aus einem flaschenförmigen Säckchen, wel- ches in der Spilze des Oberkiefers mündet. Bei näherer Be- trachlung besteht der Follikel aus folgenden Schichten: 1. Eine äussere, feine Tunica propria. 2. Eine dicke Lage breiter, plaltgedrückter, vom blinden Ende zum, Ausführungsgang spi- ralig aufsteigende Fasern ohne Quersireilen. Obgleich bei In- sekten glatte Muskelfasern, meines Wissens, noch nicht gefun- den sind, so halte ich doch dies eigenthümliche Stratum seiner Anordnung wegen für muskulös, da auch kein anderer Mus- kelapparat vorhanden ist, um das Gift kräftig auszutreiben. 3. Eine Schicht glasheller, eylindrischer Zellen von 0,012 Din., deren kleiner Kern nahe an der innern Oberfläche der Zelle liegt. Die Zellensubstanz enthält zuweilen noch eiweiss- arlige, schwach‘ glänzende Kugeln, die besonders bei Behand- lung mit Wasser zunehmen. 4. Eine feine Tunica intima. Die Leber des Krebses. Bei Astacus fuviatilis mündet dicht hinter dem Kauma- gen. jederseits der Ausführungsgang einer grossen Leber in deu Darm. Die Leber ist auf jeder Seite in. 3 Lappen ge- theilt, und besteht aus länglichen Follikeln, welche sich fin- ,;* 36 gerförmig verbinden. Jeder Follikel besteht aus Tunica pro- pria, Epitelium und Tunica intima. Mein Freund Karsten zeigle mir zuerst, dass die Leberfollikeln des Krebses eine Tunica intima besilzen. Die innere Haut ist nicht so fest, als die Tunica propria, aber beim Druck zwischen Glasplatten gelingt es oft, die äussere Membran zu zerreissen, während die innere unveırlelzt bleibt. Auch zeigte mir Karsten, dass sich bei roth injieirten Follikeln die Tunica propria unter der Loupe lostrennen lässt, so dass die Tunica inlima frei daliegt. Die innere Membran ist nur locker in dem Raum des Folli- kels aufgehängt (Fig. 13.). Die secernirenden Epitelzellen sind nur an der Tunica propria befestigt und zwischen ihnen und der Intima befindet sich an vielen Stellen noch eine gelbliche Flüssigkeit, die Galle. Diese durchdringt durch Diffu- sion die Tunica inlima, um nach aussen ausgeleert zu werden. Das Epitelium zeigt eine lokale Verschiedenheit, auf welche Goodsir aufmerksam gemacht hat. Schon mit blos- sem Auge erscheinen die blinden Enden der Follikel durch- sichtiger, nicht so saturirt gelb, als der übrige Theil, sondern grau durchscheinend. Unter dem Mikroskop sieht man leicht in dem graulichen Theil ein durchscheinendes deutliches Cy- linderepitel; dagegen kann man die einzelnen Zellen in dem übrigen Theil des Follikels ohne Präparation nur schwer er- kennen. Die Zellen am blinden Ende sind offenbar die jüng- sten, haben den ziemlich constanten Längsdurchmesser von 0,008 — 0,01“ und Querdurchmesser von 0,004’, und ent- halten noch kein Sekret. Nach dem Ausführungsgange zu erscheinen grössere Zellen bis zu dem Längs- und Querdurch- messer von 0,034‘, die sich namentlich durch Aufnahme von Sekret vergrösserthaben. Wir sahen ein ähnliches Verhalten schon bei einzelnen Speicheldrüsen von Insekten. Diese Anordnung be- rechtigt jedoch nicht zu der Annahme Goodsir’s, dass im- mer gewisse Punkte in den Follikeln, in diesem Fall das Ende, die Bildungsstätten aller jungen Zellen für den ganzen Follikel seien, denn ein solches Vorrücken der Zellen vom 37 blinden Ende aus ist namentlich bei den Sericterien unwahr- scheinlich und der Uebergang der kleinen Zellen zu den gros- sen zu plötzlicb. Wir haben nur eine anatomische und viel- leicht functionelle Verschiedenheit des blinden Endes vom übrigen Theil des Follikels. Auch in der Leber des Krebses finden sich 2 specifisch verschiedene Arten von Zellen, wie bei den Mollusken, von denen die eine Gallenstoff, die andere Fett enthält. Schon die jüngsten Zellen beiderlei Art in den Blindenden der Fol- likel unterscheiden sich von einander. Die Feitzellen (Fig. 14. a) sind anfangs sehr durchsichtig, haben einen grossen, hellen, runden Kern mit einem in der Mitte liegenden Nucleolus. Die grösseren Feltzellen sind diesen ganz ähnlich und enthal- ten in ihrer Substanz kleine fettartige Körnchen (Fig. 14. b). Die Fetikügelchen vermehren sich innerhalb der Zellensub- stanz und vergrössern sich bis zu dem Durchmesser von 0,006“ und erfüllen dann oft die ganze 0,034‘ grosse Zelle so, dass man den Kern nur mit Mühe erkennt. Dass diese Kügelchen Fett sind, ersieht man aus ihren Reaklionen. Auch der Kern hat sich vergrössert (ec), und man erkennt bei 500 maliger Vergrösserung noch in dem Nucleolus ein einzelnes Körnchen. Diese mit Feit gefüllten grossen Zellen sind es hauptsächlich, welche eine deutliche Anschauung des Epitels der Bälge ver- hindern. Die bilinhaltigen Zellen sind von vorn herein durchsich- tig und haben einen kleineren, ovalen, etwas abgeplatteten Kern, in welchem man keinen bestimmten Nucleolus sieht (Fig. 15. a). In diesen Zellen bildet sich allmählig eine (b) oder seltener 2 und selbst 3 (ce) runde Bläschen mit gelber Flüssigkeit aus. Später wächst sowohl die Zelle, als ihr Kern, und zwar letzterer mit Beibehaltung seiner Eigenthüm- lichkeiten, namentlich wächst aber das Sekretbläschen, und die grössten Zellen von 0,03‘ Dm. sind endlich ganz von dem- selben eingenommen, lassen aber bei ihrer Durchsichtigkeit den Kern noch deutlich erkennen. In dem Raume zwischen 38 der Zellenmembran und dem gelben Sekreibläschen sind aber ausser dem Kern noch andere ganz durchsichtige, homogene Kugeln enthalten, die unter dem Mikroskop ein röthliches Ansehen erhalten, schwach umschrieben sind und eiweissartig zu sein scheinen. Man findet sie von sehr geringer Grösse bis zu dem Durchmesser von 0,008‘, und sie bilden zuweilen auf dem Sekretbläschen eine grob granulirte Schicht (Fig. 15. d). Durch Mineralsäuren und Essig werden die Bilinzellen und ihr gelber Inhalt getrübt und nachher allmälig gelöst, und es schlagen sich zuweilen in ihnen nadelige Krystalle nieder; durch Alkohol entsteht eine leichte Trübung; Kalien lösen Alles leicht auf. In der Krebsgalle ist Cholestearin und Bilin nachzuwei- sen, und so ist bei der Anwesenheit reiner Feltzellen gewiss erlaubt, den Inhalt der gelben Zellen als Bilin zu bestimmen, wie ich es bei der Schnecke gethan habe. Die Galle entsteht also durch Vermischung zweier Substanzen, die anfangs von einander getrennt waren. Man kann, wie bei den Drüsen- zellen der Helix, glauben, dass die Leberzellen des Krebses ihr Sekret durch Dehiscenz frei werden lasseu oder auch durch Exosmose. Ausser bei dem Krebs habe ich bei keinem Insekt Abla- gerungen von Sekret in einem besonderen Sekrelbläschen der Zellen gefunden. Die Magen- und Duodenaldrüsen einiger Insekten. Blindsäckchen finden sich am chylopoetischen Theil des Darms bei vielen Insekten: 1. Bei Nepa einerea und linearis ist der Magen mit vielen kurzen Blinddärmehen besetzt. 2. Bei Perla gehen vom Magen 2 kolbige Röhren aus, deren blindes Eude mit vielen feinen Röhrchen besetzt ist. 3. Bei den Rau- pen hat das Kardialende des Magens einen Kranz von’ 6 kur- 39 zen Blindsäckchen, unter den Schmetterlingen hat nur der Magen von Acherontia Atropos Blinddärmchen. Die Blind- säckchen der von mir untersuchten Raupen unterscheiden sich in nichts von dem übrigen Darmkanal in ihrer Struktur, ihren verschiedenen Schichten und ihren Epitelzellen. Die Tunica infima des Darms überzieht die Zellenschicht genau. 4. Tabanus hat am Cardialende des Magens 2 lange Blind- säcke. Bei Musca domestica ist der Magen glatt, bei Musca vomitoria dagegen fand ich ihn an seinem Anfangstheil mit vielen halbkugeligen Recessus versehen, welche nur von der Tunica propria des Darms und nicht von Muskeln überzogen sind. Die Muskelbündel laufen Iheils quer, theils längs des Magens herab, und in ihren sehr regelmässigen Maschen wöl- ben sich die Recessus hervor. Die Epitelialzellen derselben, die sich von den übrigen des Magens nur durch ihre konische Form unterscheiden, sitzen mit breiter Basis auf und ragen mit freien, nur von der Intima überzogenen Spitzen in die Magen- höhle hinein. Daher scheint hier eine reine Vermehrung der Oberfläche, keine Differenzirung der chemischen Thätigkeit be- zweckt zu sein. 5. Unter den pflanzenfressenden Käfern haben nur wenige einen mit Blinddärmehen besetzten Magen, die meisten einen glatten. Die Larven dagegen haben allgemein am Magen drei Kränze von Blinddärmehen, deren Struktur ähnlich der der Raupen ist. Bei der Larve von Meloloniha vulgaris ist der ganze Darm immer von einer dunkelbraunen Flüssigkeit erfüllt, namentlich aber der Dickdarm. Diese Flüssigkeit scheint im vorderen Theil des Magens bereilet zu werden. Hier findet man in vielen Zellen (von 0,006— 0.013) des Epiteliums halbllüssige, gelbe Ablagerungen, während im hinteren Theil des Magens die Zellen meist farblos sind. Dieselben Zellen mit gelben Inhalt finden sich in dem vorderen und miltleren Kranz der Blinddärmehen in grosser Anzahl, im hinteren da gegen sehr selten. Der Zweck, die Bedeutung dieser braunen Flüssigkeit ist nicht klar, es kommt aber eine ähnliche Er- 40 scheinung bei den Lepidopteren im Puppenzustande vor. Es ist in ihrem Darm häufig eine rothe oder braune Flüssigkeit, die ich zu derselben Zeit bei Sphiox Euphorbiae auch in sehr geringer Menge in den Malpighi’schen Gefässen fand, und diese wird nach Treviranus (Biol. IV. p. 417.) beim Aus- kriechen excernirt. Bei der Sericaria dispar fand ich in der ersten Zeit ihres Puppenlebens die Epitelialzellen des Magens (von 0,003 — 0,008‘) zum Theil ungefärbt, zum Theil schön rosenroth, mit einem kleinen klaren Kern, den rothen Farb- zellen der Pflauzen ähnlich. Bei älteren Puppen waren die Zellen fast braun. Aehnlich verhielten sich Sphinx Convolvuli und Euphorbiae. 6. Der Magen der fleischfressenden Käfer ist allgemein im Larven- und vollkommenen Zustande mit Blinddärmchen dicht besetzt. Bei Dytiscus marginalis wurden dieselben durch Aus- buchluugen der Tunica propria gebildet. welche innen mit ei- nem Epitel besetzt waren, dessen cylinderförmige Zellen von 0,004' Länge denen des übrigen Darms ähnlich waren, und zwar homogen mit einfachem Kern. Die Tunica intima des Darms senkte sich nicht in diese Drüsen hinein, sondern ging glatt darüber weg. Der innere Raum der Drüschen war ge- wöhnlich mit grossen, optisch dem Fett ähnlichen Kugeln an- gefüllt, wahrscheinlich ein zur Verdauung beitragender Saft. 7. Bei den meisten Orthopteren finden sich am Magen drüsige Fortsätze, und zwar haben Blatta und Mautis deren 7 bis 8, Truxalis und Acridium 6, Gryllus, Grylliotalpa und Lo- eusta 2. Bei den letzteren sind dicht hinter dem Kaumagen 2 kurze und weite Blindsäcke, welche innen mit parallelen Falten, wie der Psalter der Wiederkäuer, besetzt sind. Diese fand ich bei Gryllus campestris von der Tunica intima des Darms eng überzogen. Die Epitelialzellen dieser Falten ent- bielten 1—3 Kerne und unterschieden sich nicht von denen des übrigen Magens. Die Schleimhaut dieser Falten ist dick und enthält eine Menge von aussen nach innen gehender Blind- säckchen, ähnlich den Lieberkühn’schen Krypten. 4 Die Harnorgane oder Malpighi’schen Gefässe, Bei den Krustaceen sind Harnorgane unbekannt, dagegen kommen sie allen Arachniden und Insekten mit Ausnahme ven Psylla und Aphis zu. Bei Epeira münden sie nach Trevira- nus (Arachniden p. 31.) in den flaschenförmigen Blindsack am Ende des Darmkanals, der besonders im Herbst ganz voll des weissen Breies ist, und sind verästelte Gefässe, die durch den ganzen Hinterleib sich ausbreiten. Bei den Insekten öffnen sie sich immer in das Ende des chylopo&tischen Theils des Darms, also in sehr verschiedener Entfernung vom After. Marcel de Serres (Observalions sur les usages des diffe- rentes parlies du canal intest. des Insectes. Ann. du Mus. T. XX. p. 48.) behauptet, dass bei den meisten Orthopteren und mehreren Käfern zwei Ordnungen dieser Gefässe vorhan- den seien, von denen die vorderen sich in den Magen, die hin- teren in den Darın senken, und dass die beiden Ordnungen zugeilen an ihren Enden anastomosiren. Dasselbe behauptet Grant (Umrisse der vergl. Anat. Uebers. v. Schmidt 1842). Bei den hieher gehörigen, von mir untersuchten Thieren Gryl- lus, Geolrupes, Locusta, Callichroma fand ich dies nicht be- stätigt, und glaube daher, wie Ramdohr und mein Onkel (Meckel, Syst. der Vergl. Anat. IV. p. 80.), dass ein durch die Verschlingungen und Anheftungen der langen Gefässe her- vorgebrachter Irrtbum die Annahme der oberen Gefässe ver- anlasste. Ihre Zahl steht gewöhnlich mit ihrer Grösse im geraden Gegensatz. Besonders viele haben die Orthopteren, Neuropte- ren und Hymenopteren. Sie münden entweder getrennt in einem Kreise in den Darınkanal, oder vereinigen sich vorher zu einem oder zwei Stämmen. Gewöhnlich sind sie einfache blinde Röhren, bei den Schmelterlingen und bei den Raupen der Sphivgen und Sericaria und bei mehreren Käfern gegen das blinde Ende mit kurzen Blindsäckchen besetzt. Die Tunica propria der Malpighi’schen Gefässe ist all- 42 gemein eine sirukturlose Membran, welche io die Tunica ‚pro- pria des Darms übergeht. Sie ist meistentheils gerade, ohne Ausbuchtungen, bei Musca jedoch durch jede einzelne der gros- sen Epitelzellen bauchig nach aussen hervorgetrieben. Tracheen sah ich nie zwischen Tunica pröpria und der Zellenschicht ver- laufen, wie bei den Spinndrüsen, sondera nur ausserhalb. Die Epitel- oder secernirenden Zellen sind sehr verschie- den, stets aber Pflasterzellen. Bei Epeira Diadema sind es 0,006” grosse, polyedrische Pflasterzellen, haben einen platten Kern mit 1—5 Nacleoli, und sind durchsichtig, schwach gra- nulirt mit einzelnen eingestreuten Kügelchen. Bei Formica, Bombus und Apis, so wie bei Nepa cinerea. haben die Zellen einen Durchmesser von 0,006—0,009, so dass ungefähr 4 den Umfang des Follikels einnehmen, sind schwach gelb und haben einen schr markirten Kern mit 1— 3 Nucleoli; selten enthält. die Zellenmasse noclhı Körochen. Die Harnzellen von Aeshna grandis haben die Grösse von 0,006 — 0,012”, bei Forficula auricularia 0,02 — 0,03%, -bei Grylius campestris 0,01’, bei Locusta viridissima 0,015 bis 0,022 und ungefähr 3 liegen am Umfang des Follikels. Alle diese sind gelblich und entbalten einen im Mittel 0,004 gros- sen, weissen Kern mit 1 oder 2 Nucleoli, welcher an der freien Oberfläche der Zelle anliegt (Fig. 28. und 29.). In der Zel- lenmasse verstreut liegen viele weisse, schwach durchsichtige Kügelchen. durch deren Menge die Zelle verdunkelt werden kann (Fig. 29. c). Diese Kügelchen bestehen aus Harnstoffen und reagiren genau so, wie die in der Röhre des Follikels ent- haltenen, auszuwerfenden körnigen Massen. Immer bleibt je- doch am Rande eine durchsichtige Corticalschicht oder Zona pellueida, in welcher keine Körnchen erscheinen, und zwar ist diese zu dick (0,0005 — 0,0015), um als einfache Zellen- mermbran zu gelten. Daher kommt es, dass man oft im Innern des Follikels eine die Zellen genau bekleidende conlinuirliche Tunica intima zu erkennen glaubt (Fig. 28.). Es ist dies nur die freie Corticalschiceht der Zellen, welche hier deutlicher her- 43 vortritt, während sie da, wo 2 Zellen an einander liegen, nur seltener sichtbar ist, weil sich dieselben in schiefer Richtung zum Standpunkt des Beobachters decken. Bei Musca und Ti- pula hortorum sind die Zellen im Verhältniss zu den Follikeln gross (0,015— 0.035), so dass nicht einmal 2 Zellen im Um- fang desselben neben einander liegen, sondern meist eine ein- zize Zelle den Follikel ringsum auskleidel. Daher haben sich hier die Zellen im Allgemeinen rhombisch an einander abge- plattet, wie in den Sericterien hexagonal, so dass 2 einander gegenüber liegende Ecken eines solchen Rhombus sich berüh- ren, und durch viele so an einander liegende Zellen eine zu- sammenhängende Auskleidang der Röhre bewirkt wird (Fig. 29.). Die Zellen entlialten einen Kern von 0,003 — 0,005 Dm., welcher meistens 1, zuweilen bis 5 Nacleoli enthält. In der gelben Zellenmasse liegen mehr oder weniger niedergeschlagene Körnchen zerstreut, so dass der Zellenkern davon oft ganz verdeckt wird. und nur durch Compression dargestellt werden kann. Immer aber bleibt noch eine dünne Schicht freier Cor- ticalsobstanz. Bei den Käfern sind die Zellen gewöhnlich gelb, zuweilen, z. B. beim Mistkäfer und der Wasserkuh röthlich. Ihr Durch- messer beträgt bei Toxota collaris 0.018, bei Scarabaeus ster- eorarius 0,015 — 0,02”, bei Callichroma moschatum 0,015 bis 0,03”, bei Geotrupes nasicormis und Coccionella 'seplempun- etata 0,04%, Der durchsichtige Kern enthält bei diesen 1 bis 7 bis 10 Nucleoli. Bei Dytiscus marginalis haben die Zellen eine sehr verschiedene Grösse, von 0,008— 0,04”, und man sieht diese versehiedenen Grössen dicht neben einander (Pig. 30.). Die kleinsten enthalten einen Kern ohne Nucleolus oder mit einem einzigen kleinen; schon die Substanz dieser Zellen ist oft voll Harnkörnchen, olt aber ganz homogen. Die Kerne der grössten Zellen sind s0 gross, als die kleinsten Zellen, und enthalten einen oder 2 Nucleoli. die wieder die Grösse der Kerne jener Zellen haben. Gerade dies Beispiel scheint daher passend zu sein, die Sekretion des Harns der Insekten zu deu- 44 ten. Da man nämlich in der Höhle des Follikels dieselben Körnchen frei findet, wie in den Zellen, so ist es wahrschein- lich, dass dieselben durch Dehiscenz der Zellen frei werden. Da man ferner im Follikel niemals blosse Kerne oder Kerne, um welche sich Zellen herumbilden, überhaupt niemals die er- sten Anfänge freier Zellen findet, so muss man schliessen, dass die neu entstehenden Zellen, welche die geplatzten erselzen müssen, die freigewordenen Kerne der alten sind, dass der Nu- cleolus der alten Zelle nun der jungen als Nucleus dient. Eine Zelle des Epiteliums wäre demnach hier gewissermassen ewig, indem sie sich nur periodisch häutele (mauserte). — Ich habe bei anderen Insekten nicht eo verschiedene Entwickelungssta- dien geschen, und die Erklärung bedarf daher noch genauerer Untersuchug zum Beweis. Bei den Raupen von Sphiox Euphorbiae und Convolvuli, deren Malpighi’sche Gefässe mit kurzen Blindsäckchen be- setzt sind, haben die Zellen Aehnlichkeit mit denen von Gryl- lus, ebenso bei Sericaria dispar und Euprepia Caja. In der Höhle des Follikels, nicht aber in den Zellen selbst fand ich bei der Puppe von Sphinx Euphorbiae einzelne schön rothe Tröpfehen, und bei der Raupe von Sphinx Convolvuli quadrat- pyramidalische Krystalle, die zum Theil homogen weiss, zum Theil aus 2 weissen und einer miltleren rothen Schicht be- standen (Fig. 31.). Sowohl die erwähnten rothen Tröpfchen, als diese Krystalle mussten im flüssigen Zustande durch Diffu- sion aus den Zellen abgeschieden sein und sich dann im Aus- führungsgang erst concentrirt oder krystallisirt haben. Uebri- gens war es wahrscheinlich derselbe rothe Stoff, wie der im Darmkanal dieser Puppen enthaltene. Bei anderen Lepidopteren sind die Zellen ganz nach dem- selben Typus, wie in den Sericterien gebaut, d. h. die Kerne haben sich ästig durch die ausserordentlich grossen Zellen ver- breitet. So ist es bei Colias Brassicae und Papilio Machaon, wo übrigens die Fortsälze des Kerns nur kurz und weit sind (Fig. 32.). Bei Cossus liguiperda, dessen Malpighi’sche Ge- 45 fässe mil kurzen Blindsäcken versehen sind, haben die röth- lichen Zellen einen Durchmesser von 0,12“ und zeigen sehr deutlich langgestreckte, verästelte Kernkanäle mit kleinen hel- len Kügelchen, und die Kanäle verbinden sich oft netzartig (Fig. 33.). Die eigentliche Zellenmasse ist weniger durchsich- tig, als die Kernkanäle, und zwar durch die in ihr enthaltenen Harnkörnchen. Dass die Malpighi’schen Gefässe eine Tunica inlima ha- ben, wie mein Onkel (Vergl. Anat. IV. p. 81.) angiebt, davon konnte ich mich nie überzeugen. Während es in anderen Drü- sen der Insekten leicht ist, dieselbe durch Präparation oder Quetschung darzustellen, gelang es mir hier nie, und nur in den unverleizten Gefässen echien häufig eine Tunica intima die Zellenschicht zu überziehen. Doch halte ich diese durchsich- tige Schicht nur für die Corlicalsubstanz der Zellen, da sie nicht frei darzustellen ist. Daher ist auch die Insertion der Malpighi’schen Gefässe in den Darm eigenthümlich. Ram- dohr (Verdauungswerkzeuge der Insekten, p. 41.) gab mit Unrecht an, dass die Malpighi’schen Gefässe nur die äussere Haut des Darms durchbohren. Die innere Haut des Darms legt sich an der Stelle des Eintritts der Harngefässe an die äussere an, wie dies besonders bei Gryllus deutlich ist, und wird ebenfalls durchbohrt. So vermischt sich der Hara mit dem Darminbalt und durchwandert mit diesem oft noch eine bedeutende Strecke des Darmkanals, wo jedenfalls noch Chy- mus extrahirt wird. Die Afterdrüsen der Insekten. Ich begreife unter diesem Namen ‘Drüsen, die iu der Nälıe des Afters und der Geschlechtsöffnung münden, und die zu ganz verschiedenen Zwecken verwandt werden. Sie führen theils Gift, theils riechende Stoffe (wie die Afterdrüsen eini- 46 ger. Ferae), theils Spinnmaterie, also ähnliche Stoffe, wie zu- weilen die Speicheldrüsen. Eigentliche Excrelionsstofle, d. h. solche, die nur eine negalive Bedeutung für den Organismus haben, enthalten sie nicht, sondern sie haben eine bald nach- weisbare, bald unklare Beziehung zur Aussenwelt, wie die Milch, das Gift, die Riechstoffe anderer Thiere. Sie sind zu diesem Zweck oft mit complieirten mechanischen Apparaten versehen. Man findet bei den Raupen oft noch an anderen Stellen, der äusseren Oberfläche secernirende Apparate zu, ähnlichem Zweck, namentlich sollen die Raupen einiger Brasilianischen Bombyces Giftdrüsen an den Rückenhaaren aller Leibringe Harpyia vinula am letzten Fusspaar, Pieris Machaon und Do- ritis, Apollo am Nacken, Liparis chrysorrhoea am Rücken und Chrysomela populi auf jedem Ring an 2 Warzen secernirende Organe besilzen. 1. Afterdrüsen der Käfer. Ramdohr und L&on-Dufour haben bei den Carabinen und Wasserkäfern paarige Drüsen gefunden. Jederseits neben dem After mündet‘ein Gang, welcher zu einer Blase führt, und in diese Blase ergiesst die Drüse ihr Sekret. Ramdohr nennt sie; Afiergefässe, Burmeister, Grant u. A. Harnge- fässe. Bei Dyliscus enthält die Blase eine gelblich- weisse Emulsion, welche. sehr unangenehm ranzig riecht und sauer reagirt. Es ist darin ein saures Oel enthalten, welches. sich leicht verseifen lässt. Dies Sekret scheint demnach zur Ver- theidigung beslimmt zu sein, und wir wissen, dass die Dy- tisken angegriffen eine Flüssigkeit ausspritzen, und die Brachy- nen ein Gas, welches der Salzsäure ähnliche Wirkungen haben soll, von sich geben. Bei Carabus auratus und cancellatus besteht jede Drüse aus kleinen Beeren, die zu Trauben verbunden sind. Aehnlich bei Chlaenius vestitus und vielen anderen. Bei Chlaenius ve- lutinus sind kurze, ziemlich weite Schläuche durch enge Aus- 47 führungsgänge zu einem System vereinigt, Bei Aptinus. füh- ren in jede Blase 3 Gänge, von denen jeder zu, 5 traubigen Drüsen führt. Bei Brachynus besteht die Drüse aus Gonyo- luten von Bliuddärmchen, welche sich meist zahlreich an ei- oem Centralpunkt zu einem Ausführungsgang vereinigen. Bei Bombylius und den Wasserkäfern, ist, es ein langes gewunde- nes und verschlungenes Gefäss. Bei, Dytiscus marginalis habe ich diese Drüse untersucht. Der, secernirende. Follikel hat eine feine Tunica propria, welche mehrere Schichten von Zellen umschliesst, und durch die Axe des Follikels läuft ein enger, von der, Tunica intima, umsehlossener Kanal, so dass der Raum zwischen Tuniea pro- pria, und intima von Zellen ganz erfüllt ist, Beide Häute sind glatt und durch, die einzelnen Zellen nicht aufgetrieben. Die innere Haut ist ziemlich fest und faltet sich leicht. Schon Leon-Dufour sah sie (Ann. des science. nat. T, VII.) in dem Ausführungsgang dieser Drüse bei mehreren Käfern, Die Zellen sind gross und haben einen nucleirten Kern, aber. in hrer Substanz sind keine Niederschläge, sondern dieselbe ist homogen. Dagegen sieht man in der centralen Röhre des Follikels Oeltropfen, die in einer wässrigen Flüssigkeit schwim- men, Das Oel muss demnach, in den Zellen in einer, schlei- migen Lösung euthalten sein, und durch, Diflusion aus den- selben ausschwilzend erst frei und gewissermaassen präcipitirt werden. 2. Der Giftapparat der Hymenopteren-Weibchen. Die weiblichen und sogenannten. geschlechtslosen Hyme- nopteren haben häufig eine aus %:oder 4 Stücken zusammen- geselzte, Legeröhre, Terebra, oder, wo diese fehlt, oft einen Giftstachel, Aculeus, der ebenfalls mit einer Scheide versehen ist, In diese Scheide mündet eine Giftdrüse und der, Stachel ist. dazu bestimmt, dem Gift einen Weg zu bahnen. Die Mün- dung der Giftdrüse ist über dem After, Bei den Ameisen ist dieselbe Drüse vorhanden, es fehlt aber der dazu gehörige 48 Giftstachel, und die Ameise verwundet daher ihren Gegner zunächst mit den scharfen Oberkiefern und biegt dann den Hinterleib unter dem Vorderleib vor, um das Gift in die Wunde zu spritzen, wie die Giraffe mit den Hinterbeinen zwischen den Vorderbeinen nach vorn ausschlägt. Allgemein ist ein unpaarer Ausführungsgang vorhanden, welcher in eine Blase übergeht: die Blase ist stark muskulös und kann so ihren Inhalt mit Kraft austreiben. Bei den bis- her untersuchten Hymenoptera aculeata mündet in die Blase eine paarige Drüse, bei der Ameise liegt auf derselben ein einfaches gelbliches Polster, von Drüsenkanälchen gebildet, und dieses lässt sich nicht in 2 seitliche Hälften theilen. — Jede der seitlichen Drüsen besteht bei Vespa (Fig. 34.) und Apis aus einem langen Schlauch, bei Pompilus aus einer Menge ga- belig gelheilter Schläuche, welche zuletzt in 2 Ausführungs- gänge münden. Die Drüse der rothen Ameise besteht aus verschlungenen Gefässen, die ich nicht vollständig ent- wickeln konnte; doch war es mir wahrscheinlich geworden, dass das Ganze aus 2 Lappen besteht, von denen jeder durclı einen Stamm mündet. Von der Mündung nach dem blinden Ende zu wird der Hauptkanal allmählig dünner und nimmt dabei fortwährend kleine, ziemlich kurze Bälge von 0,008 Durchmesser auf, und zwar immer an derselben Seite seines Umfangs (Fig. 37.). Die feinere Struktur der Drüse bei Vespa Crabro (Fig. 35.) ist ganz ähnlich der der vorderen Speicheldrüsen von Apis mellific.. Eine Tunica propria von grosser Feinheit umgiebt die ganze Röhre von 0,06— 0,08 Dicke. Unter dieser liegt eine dicke Lage Zellen, welche nicht in einfacher oder in mehrfachen Schichten daliegen, sondern ungeordnet. Man er- kennt innerhalb des Follikels die Zellenumrisse nicht, wohl aber, wenn man sie von demselben frei macht; sie sind von 0,01‘ Durchmesser. Die sehr deutlich hervortretenden Kerne von 0,006‘ enthalten 5 bis 30 kleine fettglänzende Körnchen. In der Mitte der von der Tunica propria umschlossenen Zel- 49 lenmasse läuft der sekretführende, von der Tunica inlima ge- bildete Gang. Diese centrale Röhre von 0,008 Durchmesser schiekt als Fortsätze eine bedeutende Menge der feinsten Haar- röhrehen von 0,0001’ Durchm. in die Zellenmasse, welche gleichsam als aufsaugende Würzelchen in der Zellenmasse sich verbreiten, um das Sekret zu sammeln. Diese Röhrchen sind kurz und laufen ziemlich gestreckt vom Centrum zur Peri- pherie; wie sie endigten, ob blind oder in eine Zelle überge- hend, war mir nieht zu ermitteln. Bei Apis mellifica (Fig. 36.) ist die Gfldrüse jederseits ein rundes Läppchen, von einer Tuniea propria umschlossen. Es besteht aus einer soliden Zellenmasse, und zwar sind die Zellen, die man leicht trennen kann, ganz denen von Vespa ähnlich, von 0,012” Durehm. Eine ungeheure Menge Haar- röhrehen sammeln aus dem Läppchen das Sekret und führen es zu dem centralen Ausführungsgang. Merkwürdigerweise scheinen von den feinen Röhrchen stets 3—4 für eine einzige Zelle bestimmt zu sein, insofern sie daran befestigt sind. Bei Formica rufa bestehen die Schläuche aus einen feinen Tunica propria, welche ein Epitelium sehr platter Pflasterzellen trägt, und einer feinen Tunica intima, welche eng an den Zellen anliegt. Die Zellen sind so platt, dass man an den Kanälen kaum ihre Dieke an dem doppelten Rande messen kann, selır leicht aber da, wo die Kerne liegen; diese treiben die Zelle an einer Stelle auf, und zugleich auch die Tunica propria nach aussen, nicht aber die Tunica inlima. Die Zellen haben sowohl in den weiteren, als den engeren Gefässen den Durchmesser von 0,007 — 0,009’, ihre Kerne enthalten 1 bis 3 Körnchen. Das Sekret dieser Drüsen, welches man aus dem Giftbläs- chen in kleiner Quantität erhält, reagirt stets sauer, und be- steht bei den Ameisen dem Geruch nach aus Ameisensäure, wie dies bisher schon angenommen wurde. Das Gift der Hy- menoplera aenleata scheint eine ähnliche Säure zu sein, doch Müllers Archiv 1816. A 50 konnte ich wegen der geringen Quanlität keinen distinkten Geruch wahrnehmen. 3. Der Spinnapparat, Arachnidium, der Kreuzspinne. Wenn schon die Kunsttriebe und Fertigkeiten der Spin- nen, und unter diesen namentlich der Orbilelae, zu allen Zei- ten ein Gegenstand des Interesses und der Bewunderung wa- ren, so dass sie durch die poetische Mythe verherrlicht wurden, so geräth man rioch mehr bei der anatomischen Untersuchung des Baues ihres Spinnapparats in Staunen. Er ist in der That die‘ complieirteste und wunderbarste Maschine, die die Natur zu den künstlerischen Zwecken eines Thieres nur ma- ehen konnte. Die bisherigen Beschreibungen sind ungenau. Das zum Spinnen dienende Sekret wird bei der erwachsenen Kreuzspinne in mehr als 1000 Drüschen mit gesonderten Aus- führungsgängen bereitet, und zwar giebt es 5 verschiedene Arten ‘derselben, die auf die 6 Spinnwarzen auf eigenthüm- liche Weise vertheilt sind. Jede Warze hat eine bedeutende, nicht genau bestimmbare Menge kleiner beerenförmiger Drüs- chen und ausserdem 1, 3 oder 5 grössere. 1. Die beerenförmigen Drüschen, Glandulae aciniformes, ähneln den hiuteren Speicheldrüsen der Bienen. Es sind birn- förmige Aeini von eirca 0,08“ Querdurchm. und 0,1“ Längs- durchm., die aus einer Tunica propria, einer Zellenschicht und Tunica inlima bestehen, welche letztere man frei präpariren kann. Die Zellen sind hell und durchsichtig, von 0,012’ Darchm. und enthalten einen kleinen Kern mit einem Kern- körperchen. Das spitze Ende des Bläschens läuft in ‚einen langen, hornigen Ausführungsgang aus, ‘der Anfangs einen Durchmesser von 0,002“ hat und sich nach seinem Ende zu mehr oder weniger verengt. Der Ausführungsgang jeder Drüse mürdet einzeln in einer Spinnwarze nach aussen und zwar vermittelst eines feinen, hornigen, spindelartigen Röhrchens, welches aus dem Spinnfelde hervorsteht. Dieses Röhrchen 51 (Pig. 43.) besteht aus einem diekeren, braunen Basaltheil, welcher, an seinem Ende plötzlich abgesetzt, ein feines End- stück trägt, aus dessen Oeffnung der Spinnfaden von circa 0.0002“ Dieke beim Druck zwischen 2% Glasplatten hervorge- trieben werden kann. Die im Drüschen abgesonderte Spinn- materie ist gelolich und löst sich nicht in Wasser. Alle diese kleinen Drüschen sind zu 6 kleinen hirsekorngrossen Läppchen vereinigt, deren jedes einer Spinnwarze entspricht. Suckow (Heusing. Zeitschr. Bd. 3. p. 41.) und Trevi- ranus (Verm. Schrift. Bd. 1. p. 11.) geben ganz richtig an, dass die Ausführungsgänge dieser kleinen Drüsen schrauben- förmig um einander geschlungen sind, haben aber die Struk- tar der Läppchen nicht erkannt. Jeder Spule der Spinnfelder entspricht ein Drüschen, und nach Black wall (Transact. of the Linn. Soc. Vol. 18. 1841. p. 220.) ist die Zahl der Spu- len bei einer ausgewachsenen Epeira ungefähr 1000. Schon Rösel, Leeuwenhoek, Latreille, Treviranus sahen die Spulen, und glaubten, dass sie zum Durchtritt der Spinnma- terie dienten, doch kannten sie ihr Verhältniss zu den Drüsen nieht. Blackwall sah die Spinnmaterie immer nur aus den grösseren Spinnspulen hervortreten, die zu anderen Drüsen gehören, und hält daher diese fälschlich für einen mechani- schen Hölfsapparat (solely instrumental in the emission of the silken filaments). Er kannte die damit in Verbindung stehen- den Drüschen nieht und eben su fehlen sie in der trefllichen Beschreibung der Spinndrüsen bei Brandt und Ratzeburg. 2. Die bauchigen Drüsen, Glandulae ampullaceae, jederseils 3 an der Zahl, sind einfache lange Schläuche, die von ihrem blinden Ende nach dem Ausführungsgange hin an Dicke zu- nehmen und hier sich plötzlich stark verengen (Fig. 38 bis 40. b), um in einen engen Ausführungsgang überzugehen. Dieser (ec) läuft eine Strecke weit gerade, biegt sich dann - knieförmig zurück und nach kurzem Verlauf abermals nach vorwärts un, bis er in eine Spinnspule mündet. Die Spinn- spulen dieser Drüsen (Fig. 45.) haben eben so, wie die vori- A*r 92 gen, 2 Absätze. Von der Epidermis erhebt sich ein brauner abgestumpfter Kegel, auf dessen Absatz eine helle Röhre steht, aus welcher ein circa 0,0015‘ dieker Faden austritt. Auch diese Drüsen besilzen die Tunica intima; die Zellen haben einen Durchmesser von 0,006 — 0,009°“ und einen ziem- lich grossen, meist ovalen Kern von 1—3 Kernkörperchen (Fig. 46.). Sie sind hell und homogen, nach Einfluss des Wassers formt sich jedoch der Inhalt zu kleinen Kügelchen. Die Zellenschicht bekleidet auch den Ausführungsgang und hört erst kurz vor dessen Ende auf, Die Intima hat im Aus- führungsgang eine beträchtliche Dicke; mit blossem Auge oder der Loupe betrachtet glänzt sie hier prachtvoll sehnenartig. Ihr Lumen beträgt eirca 0,004’. 3. Die eylindrischen Drüsen, Glandulae tubuliformes (Fig. 33—40. d), ebenfalls jederseits 3, sind lange einfache Schläuche, den ‘vorigen ähnlich. Das blinde Ende ist jedoch dicker, als bei den bauchigen Drüsen, und nach dem Aus- führungsgange zu nimmt ihr Durchmesser wenig zu, so dass sie eine mehr cylindrische Form haben. Kurz vor ihrer Mün- dung nach aussen verengen sie sich zu einem Ausführungs- gang, welcher in die Spinnspule nach aussen mündet. Diese ist ähnlich der Spule der vorigen Drüsen. Die FEpitelzellen sind’ den vorigen ähnlich, im Allgemeinen jedoch mehr lang- gestreckt (Fig. 47.) und meist hat der Kern nur ein einfaches ovales Kernkörperchen. Die Tunica inlima ist. im Ausfüh- rungsgang diek und gelblich, ihr Lumen eirca 0,01". 4. Glandulae aggregatae, baumförmige Drüsen, jederseits zwei. Brandt und Ratzeburg, welche die 2 letztgenannten ‚Arten von Drüsen zuerst genau beschrieben haben (Med. Zool. Bd. 2. p. 89. und Nouv. Ann. des seiene. nat. T. XIII. p. 184.), sprechen von 3 baumförmigen Drüsen, doch habe ich stets nur 2 gefunden und auch die Anzahl der Spinnspulen an den Warzen stimmt hiermit überein; Brandt und Ratzeburg hatten die Drüsen nicht bis zu den Spinnspulen verfolgt. Der eigentlich secernirende Theil dieser Drüsen (Fig. 33—40. e) 93 besteht aus weiten, in viele Taschen sich erweitenden Kanä- len, die zusammen ein rundliches Läppchen bilden. Der Aus- führungsgang geht ziemlich aus der Mitte des Läppchens, wie die Nabelschnur aus der Placenta, und ist Anfangs gerade und glatt, weiterhin aber auf seiner Oberfläche von einer Menge kleiner Blindsäckchen mit dünnen Hälsen bekleidet (Fig. 49.). Zuletzt glättet sich der Ausführungsgang wieder und mündet in die ihm bestimmte Spinnspule, welche noch etwas, grösser ist, als die der eyliodrischen Drüsen. — Die Epitelialzellen des Läppchens dieser Drüse sind denen der anderen ähnlich (Fig. 48,). enthalten aber im Kern stets nur 1 Kernkörper- chen. Die Tunica intima folgt in dem baumförmigen Theil der Drüse der Tuniea propria in ihre sackigen Erweiterungen, dagegen ist sie im Ausführungsgang überall glatt und gerade, auch da, wo die Tunica propria Blindsäckchen bildet (Fig. 49.). Sie ist ähnlich, wie bei den eylindrischen Drüsen, und von ähnlichem Lumen. 5. Glandulae tuberosae, knollige Drüsen, jederseits eine (Fig. 39.), sind von Brandt und Ratzeburg nicht erwähnt. Sie sind klein und bestehen aus dichotomisch sich vereinigen- den wenigen Schläuchen, welche in kurzen Absätzen knollige Erweiterangen haben, und endlich in einen Ausführungsgang übergehen, der sich an den Ductus derjenigen bauchigen Drüse legt. welcher in die mittlere Spinnwarze mündet. Die Zellen dieser Drüse verhalten sich, wie bei den bauchigen. Die Tu- nica inlima unterscheidet sich von der aller anderen Drüschen dadurch, dass sie sich hier im Ausführungsgang nicht, wie dort, hornig verdiekt, sondern sie ist hier dünn und sinkt leicht in Falten zusammen. Es ist höchst wahrscheinlich, dass alle diese verschieden gestalteten Drüsen verschiedene Sekrete bereiten. doch war der einzige Unterschied, den ich bei Anwendung einiger we- nigen Reagentien erhielt, der, dass die eylindrischen Drüsen durch Alkohol und Säuren stärker eoagulirt wurden, als die übrigen. Cadet de Vaux hat bei der chemischen Unter- 54 suchung des Spinngewebes gefunden, dass es aus einem in Alkohol unlöslichen, nicht genau genug beslimmten und aus einem harzartigen Stoff bestand, welcher letztere vielleicht den Fäden als Firniss dient. Die Spinnmalerie klebt, so lange sie noch nicht fest geworden ist, an alle damit in Berührung kommenden Gegenstände fest an und ist nach ihrer Erhärtung schwer zerreisslich. Nach Scharfenberger (ef. Brandt und Ratzeb. a. a. ©.) geben 90 Spinnfäden erst einen Fa- den von der Dicke eines Raupenfadens und nach Leeuwen- hoek erst 18000 die Dicke eines Barthaars. Dennoch trägt ein einzelner Faden das sechsfache Gewicht einer Spinne, Es ist wahrscheinlich, dass durch die Zusammensetzung des Fa- dens aus der grossen Zalıl unendlich feiner Fädehen die aus- serordentliche Festigkeit desselben erzielt ist. Uebrigens er- kennt man in den ferligen Fäden nicht mehr die Zusammen- selzung aus so vielen Theilen, sondern sie scheinen nur aus 8—10 Fäden zu bestehen. Eigenthümlich ist es, dass nicht nur, wie wir eben sahen, die Spinndrüsen einen verschiedenen Bau haben, sondern auch die 3 Spinnwarzen jeder Seite durchaus von einander abwei- chen. Die 6 Spinnwarzen liegen dicht unter dem Afler so, dass in dem von den oberen und unteren eingesehlossenen Kreise die kleinen mittleren Warzen liegen. Die oberen und unieren sind 3gliedrig, die ‚mittleren 2 gliedrig. Auf der oberen Spinnwarze ist das zweite und noch mehr das dritte Glied schief abgeschnitlen, so dass die Endfläche der Warze eine ovale, schiefe Fläche bildet. auf welcher die kleinen Spinnspulen stehen (Fig. 41. i). Ziemlich am unleren Ende des Spinnfeldes steht eine grössere Spinnspule (i), in welche eine bauchige Drüse mündet, weiter hinauf bei a die Spulen der 2 baumförmigen Drüsen und nahe dabei die 2 Spu- len zweier cylindrischen Drüsen (e). Ausserdem bedecken unzählige Röhrchen der birnförmigen Drüschen das Spinnfeld, und zwar sind dieselben hier alle sehr lang, namentlich die am unleren Theil des Spinnfeldes gelegenen. 55 Von ähnlichem Bau ist die mittlere Spinnwarze. Das zweite Glied ist schief abgeschnitten und bildet so eine schiefe, ovale Fläche, auf welcher viele lange, zu den birnförmigen Drüsen gehörige Spulen stehen, doch weniger, als auf den übrigen Warzen. Unter diesen kleinen Spulen steht nach oben hin (Fig. 42. e) eine sehr grosse, ‘die Mündung einer eylindrischen Drüse. Die Spitze der ganzen Spinnwarze ist durch eine hügelförmige Hervorragung am höchsten Ende der ovalen Fläche gebildet, auf welcher keine der kleineren Spu- len stehen, sondern nur 2 grössere, von denen die eine die Mündung einer bauchigen (i), die andere (0) die Mündung der knolligen Drüse ist. Ausserdem steht hier noch ein kur- zes, undurchbohrtes, unbedeutendes Hörnchen von unbekann- tem Nutzen. An der unteren Spinnwarze ist das äusserste Glied (Fig. 40. h) gerade abgeschnitten ‘und diese Endfläche ist mit kurzen kleinen Spinnspulen besetzt, deren Zahl die der anderen Warzen übertrifft. Die hornige Schale des äussersten Ringes bildet einen nicht vollkommen geschlossenen Ring, und in dem Ausschnitt desselben steht ein horniger Kegel k, auf des- sen Spilze die Spule einer bauchigen Drüse i steht, der ein- zigen grösseren Drüse, welche hier mündet. An diesem hor- nigen Kegel ist innen eine lange gelbliche Sehne 1 befestigt, an welche sich starke Muskeln inseriren, um den Kegel gegen die Warze zu bewegen. Ueberhanpt sind alle Spinnwärzen mit vielen Muskelu versehen, und diese mögen besonders die Annäherung aller Spulen einer Warze gegen einander, so wie die Annäherung aller Warzen naelı einem Mittelpunkt hin bezwecken, um so einen einzigen Raden hervorzubringen. Zu demselben Zwecke sind auch die äussersten Spulen eines Spinnfeldes immer et- was nach dessen Mitte zu gebogen. Dass die Röhrchen ein- ziehbar seien, wie Rösel und Latreille angeben, muss ich eben so, wie Grube (dies. Aıch. 1842. p. 300.) leugnen. Um die Spiunmalerie auszustossen, dazu können die Muskeln 56 dienen, welche nach Brandt (Med. Zool. Bd. 2. p. 88.) von der unteren Wand des Hinterleibes zu den 4 auf dem Rücken liegenden dunklen Punkten, Puncta excavata s. impressa, an der Haut führen, welche Treviranus für Athemöflnungen hielt. Durch diese wird der Leib comprimirt und sobald der Faden aussen festgeklebt ist, wird das noch im Körper ent- haltene zähe Continuum desselben durch ihn herausgezogen, wenn sich die Spinne fortbewegt. Die Zahl der Spinnspulen ist bei den Arten sehr ver- schieden. Sie vermehrt sich nach Blackwall bei Drassus ater und Segestria senoculata mit dem Alter, wahrscheinlich mit den Häutungen. Dasselbe habe ich bei der Kreuzspinne gefunden, doch bestehen die grösseren 18 Drüsen constant von Anfang an und nur die kleinen birnförmigen bilden sich erst später. Bei jungen Thieren findet man auf den obe- reu und unleren Spionwarzen, ausser den grossen Spinnspulen, nur wenige der kleinen, und auf der miltleren Warze gar keine kleine. Der Stoffwechsel in den Drüsen. Der Stoffwechsel in den Drüsen besteht aus 2 Momenten: einmal wird die Substanz der Drüse ernährt und verbraucht, wie alle organische Substanz im Lebensprocess. Zweitens zieht die Drüse Stoffe von aussen an, welche sie nicht zu einem egoistischen Zweck verbraucht; die Drüse selbst wird dadurch nicht ernährt oder erhalten, sondern sie übt nur an diesen Stoffen ihre Kraft aus. Diese secernirten Stoffe sind der Drüse selbst eben so wenig von Nutzen, als die Contractilität dem Muskel, wohl aber dem Organismus, welcher eben deshalb in einem Abhängigkeitsverhältniss zu den Drüsen sieht. Alle Theile des Organismus entwickeln durch den Stoffwechsel ei- genlhümliche Kräfte, d. h. indem sie sich auf Kosten des 57 Organismus ernähren, erlangen sie einen Uebersehuss an einer eigenthümlichen Kraft, welche zu den Zwecken des Organis- mus wirken muss. So erlangen die elektrischen Organe der Tbiere einen Ueberschuss von Elektricität, welche das Thier nach Belieben verbrauchen kann; der Muskel erlangt durch Ruhe einen Ueberschuss an Coniraclionskraft, welche in den willkührlichen Muskeln zu jeder Zeit verbraucht werden kann dureh Anregung der Nerven; eben so wird in den Drüsen durch ihre Ernährung eine secernirende Kraft bedingt, welche wir häufig nur ‘als eine anziehende betrachten können, häufig aber auch als eine metabolische. Die Drüsen ziehen also bestimmte Stoffe an, nur um sie dem Organismus an einer bestimmten Stelle verändert oder unverändert zu concentriren. Die Eigenthümlichkeiten der Drüsen sind demnach: 1) die Anziehung und Ausschliessung bestimmter Stoffe, die dabei entweder verändert oder nicht verän- dert werden. 2) Die Wiederausstossung der veränderten oder nicht veränderten Stoffe nach einer bestimmten Richtung. Wir müssen weiter untersuchen, an welche Theile der Drü- sen diese verschiedenen Funktionen gebunden sind und wie wir uns den Hergang derselben versinnlichen, auf Bekannteres zurückführen können. Bei allen Betrachtungen stellen wir uns die Drüse als. ein einfaches Blindsäckchen mit Epite- lium vor. Die verschiedenen Vorgänge in den Drüsen werden mög- lich gemacht durch die Diosmose oder Diffusion, denn die Tunica propria der Drüse und die Zellenmembran sind geschlossen. nehmen aber alle völligen Auflösungen durch ihre Wand auf. Ich halte es mit Schleiden (Botanik. 2. Aufl. Bd. 1. S. 273.) für eine „ganz überflüssige und unbeholfene Hypothese, hierbei an kleine, unsichtbare Poren zu denken,“ und gebe dessen Ansicht den Vorzug, dass hier Membran und Flüssigkeit in demselben Verhältniss stehen, wie in einer So- lution Salz und Wasser. * Die Geselze der Diffusion sind bis- her so weit eruirt, dass man daraus das Wachsthum der 58 Zellen erklären zu können glaubte. So glaubt Schleiden (a. a. ©. S. 274.), dass durch die starke endosmolische Kraft, welche man dem Zellenkern nach seiner chemischen Beschaf- fenheit zuschreiben muss, zu erklären sei, wie sogleich nach Bildung der Zellenmembran Stoffe eindringen, auf welche dann der Kern von Neuem umändernd einwirke. „Werden bier- durch Zucker oder Gummi gebildet, so findet sich wieder im Innern der Zelle ein Stoff, der den Process der Endosmose lebhaft unterhält.“ Letzteres ist jedenfalls richtig, denn. ein dichter Zelleninhalt muss aus einem dünneren Medium Flüs- sigkeit aufnehmen; es ist aber das Wachsthum der Zelle, ihre Einsaugung nur bedingt‘ durch das Aufquellen ihres Inhalts. Daher kann durch die endosmotische Kraft des Kerns wohl das Wachthum des Kerns erklärt werden, aber nicht wie der Raum zwischen Zellenmembran und Kern vergrössert wird, wie die Zelle sich ausdelınt. Die endosmolische Kraft des Kerns kann nur auf den Kern selbst wirken, nicht aber auf die ihn umgebende Sphäre innerhalb der Zelle. Schwann (Mikrosk. Untersuch. etc. Berl. 1839. S. 237.) und Kölliker (in Schleiden’s und Nägeli’s Zeitschrift Bd. 1. S. 89.) suchen den Grund des ersten Eindrivgens von Flüssigkeit in die Zellen nicht in der Endosmose, sondern darin, dass, während die Membran durch Anziehung von Stof- fen aus der sie von aussen umgebenden Flüssigkeit wächst, die Zelle durch Imbibition sich füllt. ‘ Es ist demnach hier wieder der horror vacui angewandt. Auf solche Weise zieht bekanntlich der Thorax Luft ein und nach E. H. We- ber’s schöner Darstellung das Lymphherz von Boa Tigris, Aber es ist eben so unrichlig, aus dem horror vacui eine Saug- kraft der Vorhöfe abzuleiten, als eine Saugkraft der Zelle. Die Vorhöfe bestehen aus Muskelfasero, welche nur durch Contraetion wirken können und durch Ausdehnung schlaff werden; mit einem Strick kann man nur anziehen, nicht ab- stossen, und nur solche Organe, welche durch feste Theile unlerstülzt sind, z. B. die Bronchien durch Knorpel, können 59 sich nach der Verengung selbstständig ausdehnen. Wenn nun die Membran wachsender Zellen eine gewisse Dicke hälte, welche sie knorpelähnlich elastisch machte, so würde sich die Zelle durch das Wachsthum ihrer Membran ausdehnen, eben so. wie sich ein Gewölbe durch Einsetzen neuer Steine aus- dehnen muss. Wenn aber die Zellenmembran nachgiebig und fein ist, so fällt sie beim Wachsen vielmehr zusammen, wie ein leerer Sack. Was Schwann und Kölliker auf die Zelle anwandten, hat kürzlich Frey (io Roser und Wunderlich’s Archiv, Jahrg. IV.) in anderer Weise auf die Drüsen angewandt. Er schreibt nämlich zunächst vorläufig den Drüsengängen Con- iraclion zu und glaubt, dass dieselben sich peristaltisch bewe- gen und so nach ihren blinden Enden hin immer relativ luft- leere Räume erzeugen, welche sich durch Sekretion füllen müssen; denn nach der Contraction folgt Erweiterung. Allein bei dieser Erweiterung werden die Drüsenkanälchen durch keinen Apparat gestützt und rund erhalten, wie die Bronchien, sondern wenn ihre vorher contrahirten Wände durch Läh- mung wieder weiter werden, so wird darum das Lumen nicht grösser, sondern nur unregelmässig, indem die Wand etwas eollabirt. Die Expansion der Drüsenkanälchen kann nicht akliv sein, daher Frey’s Ansicht, abgesehen von der unbe- wiesenen Annahme von Contraclion der Kanälchen, falsch ist. Die Anziehungskraft der Zelle und der Drüse muss viel- mehr als eine centripetale Kraft bezeichnet werden. Es ist die Zelle ein Organismus, welcher Stoffe nach innen auf- oimmt und zurückhält. Wir können die anziehende Kraft von der Zellenmembran ableiten, welche in der Richtung von aus- sen nach innen Stofle anzieht, in umgekehrter Richtung nicht durchlässt. Wir können auch annehmen, dass der Kern eine Anzieliung auf die umgebende Flüssigkeit äussert und sich so eine Art Atmosphäre bildet, indem er die Stofle durch die Zellenmembran durch anzieht und innerhalb derselben festhält. Auch ist drittens denkbar, dass der Kern anziehend und’ die 60 Zellenmembran zurückhaltend wirkt, so dass die Einrichtung einer Mausefalle mit Speck ähnlich wäre. Allein etwas Nä- heres lässt sich nicht bestimmen, als dass eine centripetale Kraft in der Zelle wirkt. J. Müller hat die geistreiche Frage angeregt, wie die Eigenschaft der Drüsen zu erklären sei, ihr Sekret nur nach innen abzusondern. Wir stellen uns ein Blindsäckchen mit Zellen vor, so müssen die Zellen aus dem umgebenden Me- dium Flüssigkeit anziehen durch die Tunica propria hindurch. Wenn nun die Epitelialzellen die aufgenommene Flüssigkeit wieder abgeben, so muss sie durch Diffusion in das Kanälchen und zugleich durch die Tunica propria zurückgehen, wenn nicht a) entweder die Zellen so eingerichtet sind, dass sie nur nach ihrer freien Oberfläche Flüssigkeit austreten lassen, oder wenn nicht b) die Tunica propria nur in der Richtung von aussen nach innen durchgängig ist. Dass letzteres der Fall sein könne, habe ich experimentell bewiesen. Ich band die Membrana testae des Hühnereis auf Glascylinder, mit ihrer in- nern Fläche nach innen gerichtet, und befreite die innere Oberfläche durch Abspülen von Eiweiss. Ich füllte einen solchen Cylinder mit Eiweiss und stellte ihn in Wasser, so nahm er Wasser auf und gab kein Eiweiss ab. Ich füllte ei- nen andern mit Wasser und stellte ihn in Eiweiss, so nahm er Eiweiss auf und gab kaum Wasser ab, so dass sich sein Inhalt wenig verminderte. Also die Membrana testae lässt Eiweiss von aussen nach innen durch, aber nicht umgekehrt, d. h. sie verwehrt dem Biweiss den Austritt; eben so ver- wehrt sie dem Wasser fast ganz den Austritt, selbst wenn auf der anderen Seite Eiweiss ist. Dies sieht man, wenn man in die Cylinder Wasser bringt und sie in Gefässe mit Wasser einselzt, so dass das Niveau ungleich ist, und zwar in dem einen Cylinder das Wasser von innen nach aussen, in dem anderen von aussen nach innen durch die Membr. testae ge- drückt wird. Es dringt bei gleichem Druck mehr Wasser von aussen nach innen, als umgekehrt. Eine Erklärung dieser Ei- 69. genthümlichkeit vermag ich nieht zu geben; nach der alomi- slischen Poren- Theorie müsste man eine fischreusenähnliche Einrichtung annehmen. Dass nun in den Drüsen durch die Tunica propria ein ähnlieher Unterschied bedingt ist, lässt sich von vorn herein erwarten. Dafür spricht auch folgender Fall: Ein Knabe von 4 Jahren, der vor 2 Wochen von Scarlatina befallen war, wurde hydropisch, es kam eine Pneumonie hinzu und der Knabe starb, nachdem er vier Tage fast gar keinen Urin gelassen halle. Es fand sich keine andere Veränderung der Niere, als eine Verdiekung der Tunica propria der Nie- renkanälchen, welche sehr spröde und bis 0,0025 dick war, so dass eben deshalb die Kanälchen mit leichter Mühe freige- legt werden konnten. Die Epitelialzellen und übrige Nieren- subslanz und Blulgefässe waren gesund. Es ist dies unter vielen anderen Fällen der einzige, wo ich eine Verdickung der Tunica propria als Ursache des Hydrops fand, doch be- weist er genug. Dureli die Entartung musste die Tunica pro- pria ihre anziehende Kraft verloren haben. Die Stärke der anziehenden Kraft kann in den Zellen nicht geinessen werden und wir wissen nur so viel, dass dieselben durch ihre Ausdehnung eine Lagenveränderung benachbarter Theile. hervorbringen. Die Kraft der Drüsen ist jedenfalls nicht unbedeutend, wenn auch nicht so gross, als die des aufsteigenden Safls in der Rebe. Wir sehen ihre Wirkung bei verschiedenen Krankheiten, wenn der harnexcer- nirende oder gallenexcernirende Apparat irgendwo verschlos- sen ist. Die Sekretion dauert, wenn auch durch den Gegen- druck vermindert, fort, dehnt nach Umständen die Harnblase, die Ureteren, das Nierenbecken aus, und bringt selbst Schwund der Niere bis zu dem Grade hervor, dass die Niere völlig un- brauchbar wird, als ein unbrauchbares Organ vollkommen verschwindet und nur Hydrops renalis zurückbleibt. Die se- eernirende Kraft dehnt ebenso den Ductus hepalicus bis in seine feineren und feinsten Verzweigungen aus, und sie ist es 62 wahrscheinlich, welche Rokitansky’s „gelbe Atrophie der Leber“ hervorbringt, indem sie die secernirenden Maschen der Leber erweitert und zugleich die Blulgefässe und das Binde- gewebe der Leber comprimirt. Die feineren Gallenkanälchen werden oft so stark ausgedehnt, dass sie zerreissen und Ex- travasate in die Leber oder in die Bauehhöhle entstehen. Uebrigens scheint in der Leber diese Kraft von den secerni- renden Zellen herzurühren; denn die secernirenden Maschen scheinen überhaupt keine Tunica propria zu besitzen, sondern es scheint die äussere Wand der Blutgefässe zugleich die An- heflungsstelle, das Gestell der secernirenden Zellen zu sein. Die Schmeerbälge der Haut erreichen bekanntlich zuweilen anomal eine sehr bedeutende Grösse, indem sie eine aus Zellen und festem Fett bestehende Masse absondern, welche‘ wegen ihrer Trockenheit nicht durch den Ausführungsgang ausge- schieden wird, und deshalb den Balg ausdehnt. Aehnlicher Fälle giebt es noch mehr. Was nun die Wahlfähigkeit der Zelle betrifft, so be- hauptet Schleiden, dass die Zelle alle vollkommen wässri- gen Lösungen gleich aufnehme, auch schädliche Stoffe. Nur die Verschiedenheit des Zelleninhalts modificirt diese alles an- ziehende Kraft. Bei den Thieren ist das Gegentheil zu be- weisen, wie auch Kölliker (a. a. ©. S. 90.) sagt. Unter normalen Verhältnissen nehmen nur die Nierenkanälchen Harn- stoffe auf, unter anomalen nimmt der Darmkanal zuweilen die Harnstoffe mit Anziehung auf, um sie durch Brechen und Laxiren zu entfernen. Ebenso nehmen nur die Leberzellen den Gallenfarbstoff auf, die Fettzellen das Fett, die Kno- chen den Kalk. Schwann erklärt diese Thatsache dadurch, dass er der Zellenmembran die Fähigkeit zuschreibt, gewisse Stoffe abzuhalten, weil sie nicht für alle Stoffe permeabel ist. Ebenso kann man sagen: die Zelle lässt alle Stoffe ein, aber sie hält bestimmte Stoffe zurück, entweder weil die Zellmem- bran in dieser Richtung nicht durchgängig ist, oder weil der Kern bestimmte Stoffe anzieht. Die sogenaunte Wahlfähigkeit 63 der Drüsen hat den Gegnern derselben zuweilen ein Lächeln entlockt, allein sie ist von vorn herein nieht abzuweisen und muss beibehalten werden, obgleich sie einer physikalischen Erklärung nicht zugänglich ist. Namentlich hat man die Wahl- fähigkeit der Lymphgefässe bezweifelt, die allerdings zu weit ausgedehnt wurde, wenn man behauplele, dass die Lymph- gefässe kein Opium aufnehmen. Durch die schönen, durch Henle angeregten Untersuchungen von Behr ist dies wider- legt, allein andere Thatsachen scheinen für eine bestimmte Wahl der Lympbhgefässe zu sprechen. Ueber die metabolische Thätigkeit der Drüsen und der Zellen sind die Ansichten verschieden. Bei den Pflanzen ist die metabolische Thätigkeit keinem Zweifel unterworfen und mit Hülfe der Chemie schon so weit erkannt, dass wir den Zusammenhang ahnen können. -Die Pflanze schafft aus binären Stoffen Wasser, Kohlensäure, Ammoniakternäre und quaternäre. Schleiden (a. a. ©. S. 279.) spricht sich dar- über so aus: „Es bleibt die Behauptung durch die vollstän- digste Induktion begründet, dass allen diesen Prozessen die allbekannten chemischen Stoffe, Kräfte und Gesetze zum Grunde liegen müssen, Dass überhaupt chemische Prozesse hier vorgehen, dass die Stoffe denselben Gesetzen gehorchen, als ausser dem sogenannten Organismus, hat zunächst die un- bedingte Präsumtion für sich und müsste erst aus Strengste widerlegt werden. Liebig und Mulder insbesondere haben uns gezeigt, dass, wo wir in den Ablauf der Erscheinungen des Stoffwechsels im Organismus hineingreifen, wir beständig zu Resultaten gelangen, welche “mit denen des Organismus völlig übereinstimmen.“ Jedenfalls kommen die meisten che- mischen Prozesse in den Pflanzen mit den sogenannten kata- Iytischen oder Oontactprozessen überein. Ebenso wie das Platin dem Wasserstoff oder Alkohol eine Bewegung zur Wasser- oder Aldelıyd-Bildung mitlheilt, so giebt die Zelle zunächst den binären anorganischen Verbindungen und dann den daraus hervorgegangenen ternären die Anregung zu Me- 64 tabolen. Hierbei spielen wahrscheinlich die stiekstoffhaltigen Stoffe die Hauptrolle, wie überall, und stickstoffhaltig. sind nur. die Kerne. Bei dem Platinschwamm ist es offenbar die Temperatur, welche die Bewegung an ihm und durch ihn am Wasserstoff hervorruft, und die Temperatur muss ebenso die Metalle disponiren, sich mit Sauerstoff zu verbinden. So ist den Pflanzen zu dem chemischen Prozess Licht und Wärme gewöhnlich das Anregende, wenn auch das Licht nicht auf den keimenden Samen einzuwirken pflegt. Ganz wie Gummi ausserhalb der Pflanze in Zucker verwandelt werden kann, so geschieht es in derselben: die.zu dem Prozess anregenden Körper sind verschieden, müssen aber offenbar in ihrer Wir- kung auf Gummi übereinstimmen. Man hat den Thieren das absprechen wollen, was man den Pflanzen zugestand, die metabolische Thätigkeit. Der Streit wurde neuerlich namentlich durch Liebig (Ann. der Pharm. u. Chem. Bd. 45.) und Dumas. so wie Payen (in Comptes rendus 1343) geführt über das Fett. Liebig hat in diesem Kampfe nach dem Urtheil der Chemiker und Physio- logen gesiegt. Dass auch die Thiere Fett aus anderen Stoflen bereiten, wird durch das Beispiel der Bienen bewiesen, welche aus Traubenzucker Wachs bereiten (Gundlach, Nalurgesch. der Bienen. Cassel 1842), und durch eine Beobachtung von mir (Diss. inaug. Hal. 1845), dass Galle den Traubenzucker in der Brutwärme in Fett umwandelt. — Henle bezweifelt die Existenz einer metabolischen Kraft in den Zellen, und glaubt, dass die chemischen Umwanllungen im Körper haupt- sächlich in den Säften vor sich gehen und die Zellen die fer- tigen Stoffe erhalten, zuweilen wohl auch noch verändern. Jedenfalls ist bei den Pflanzen die chemische Kraft der Zellen bewiesen, und wir haben deshalb vollkommenes Recht, sie auch in der thierischen Zelle anzunehmen; die Beobachtungen von Goodsir (Phil. transact. 1842), so wie viele verein- zelle Beobachtungen beweisen aber die metabolische Kraft der Zellen. 65 Was die äusseren sichtbaren Erscheinungen bei dem che- mischen Prozess belrifft, so ist dabei in den Pflanzen bekannt- lich häufig Saftströmung beobachtet. Eine solche sah Kölli- ker (Entwickelungsgeschichte d. Cephalop. Zürich 1844) auch bei Thieren, in den Samenzellen von Polyelinum stellatum und in- den grossen Zellen der eben hervorsprossenden Arme junger Seesterne. Schleiden unterscheidet mit Recht bei den Pflanzen assimilirle Stoffe und secernirle in den Zellen. Jene sind zu dem Wesen und dem Bestehen der Zelle selbst nothvwrendig, während diese nur zu irgend einem andern Zweck gebildet und deponirt sind, um vielleicht späler wieder entfernt zu werden. Die assimilirten Stoffe lagern sich in den Pflanzen- zellen oft in Form von eigenen Schichten auf die innere Fläche der Zellenmembran ab, und verdieken dieselbe in einer oder mehreren Spirallinien. Die Windungen der Spirallinien verwachsen bei ihrem Wachsthum meistentheils an vielen Stellen, lassen aber gewöhnlich zwischen sich Poren oflen, welche bei der allmähligen Verdickung der aufgelagerten Sehicht als Kanäle erscheinen, welche alle in dem Centrum der Zelle zusammenlaufen. Ganz ähnlich verhält es sich nach Valentin bei den Kalkzellen der Krebse und bei den Kno- ehenkörperchen der ‚Wirbelthiere. Es ist aber bei weitem nieht immer zu entscheiden, ob die in der Zelle enthaltenen Stoffe alle zu dem Wachsthum der Zelle verwandt werden sollen oder nicht. So lange der Inhalt flüssig ist, z. B. eine Lösung von Gummi, Dextrin, kann man annehmen, dass der Stoff in der Zelle gebildet ist, um nachher wieder auszulre- ten und im Cambium zu der Bildung neuer Zellen als Grund- lage zu dienen. Die Pflanzenzellen unterscheiden sich alle nicht so wesentlich von einander, wie die verschiedenen Zel- len des thierischen Organismus, und man kann durchaus nicht bestimmen, welche Zellen nicht secerniren, vielmehr muss man allen Zellen eine anziehende, metabolische und ausstossende d. I. secernirende Thätigkeit zuschreiben. Viele Sekrele kön- Müller’s Archiv 1846, 5 66 nen wir nun mit Bestimmtheit als solehe erkennen, und na- mentlich ist hier bei der Leichtigkeit der Beobachtung der Prozess der Sekretion mit grosser Gründlichkeit dargestellt. So lange die Sekretion dauert, ist immer ein sichtbarer Kern in der Zelle, welcher an der Wand festgeklebt ist. In der Zelle ist ein hohler, mit Flüssigkeit gefüllter Raum, welcher nach Karsten (De cella vitali. Berol. 1843) von einer eige- nen Membran umgeben ist. In der hierin enthaltenen Flüssig- keit entsteht (durch Einwirkung des Kerns?) eine chemische Veränderung, welche entweder durch Farbenveränderung in den Farbzellen, oder durch Niederschläge deutlich wird. So bilden sich Feiltröpfehen, Harzkügelchen, krystallinische Ab- lagerungen, concentrische Ablagerungen, z. B. von Amylum. In den grünen, lebhaft vegetirenden Zellen ist die innere Ober- fläche des Sekretbläschens (welches bei den Pflanzen gewöhn- lich die ganze Zelle so einnimmt, dass der Kern ganz an den Rand gedrängt wird) mit einer zarten Schicht Schleim beklei- det, an welcher festere Schleim- und Stärkekörnchen kleben. Chlorophyll, gewöhnlich halbflüssig, überzieht diese Körnchen oder hängt jenem Schleim an. Nach Mohl (Diss. Untersuch. üb. die winterliche Färbung d. Blätter 1837) bildet sich hier- bei oft Chlorophyll aus Amylum und umgekehrt. Allein Mul- der (Physiol. Chemie, Uebers. von Moleschott S. 297.) hält das für unwahrscheinlich, und nimmt vielmehr ein Wachs- ihum des Amylumkerns innerhalb des Chlorophylis an, und ebenso Seleiden. Immer ist in den Pflanzentheilen, welche grün werden, Amylum. Da nun nach Berzelius (Annalen d. Pharm. Bd. 27. S. 296.) und Mulder (Phys. Chem. S. 282.) das Blattgrün aus Wachs und dem eigentlichen Farbstoff be- steht (welcher sich wieder leicht in einen gelben, blauen und schwarzen trennen und verwandeln lässt), so glaubt Mulder, dass sich das Wachs aus Amylum bilde, wobei dann Sauer- stoff frei werden müsste. Die Bildung des eigentlichen Farb- stoffs ist von Licht und von Sauerstoff abhängig, und der bei der Bildung des Wachses frei werdende Sauerstoff wird viel- 67 leicht zum Theil hierzu verwandt, zum Theil aber wird der Sauerstoff exhalirt. Ueber die eigentliche Natur des Farbstofls will Mulder noch kein definitives Urtheil abgeben, glaubt aber, dass er aus Protein enistehi. Innerhalb der grünen Zellen ist eine Flüssigkeit, welche Dextrin, Zucker, Eiweiss in den verschiedensten Verhältnissen und noch andere Stoffe enthält, welche wahrscheinlich alle noch zu bestimmieren Zwecken verbraueht werden sollen. ‘Es ist dies ein Beispiel, wie man den in der Zelle vorgehenden Prozess mit Hülfe des Mikro- skops und der Chemie bestimmen kann. Bei den Thieren sind die secernirenden Zellen an gewisse Orte verwiesen, und entweder auf der Oberfläche der Sehleim- häute oder in Drüsen befestigt. Dass die Epitelialzellen der Drüsen das Wesentlichste sind, habe ich durch meine Beob- achtungen deutlich gemacht, und es ist leicht zu zeigen, dass in jeder einzelnen Zelle der Vorgang der Sekretion ganz dem der Pflanzenzelle entspricht. Die secernirenden Zellen sind auch in den Pflanzen zuweilen geordnet, so die grünen Zellen auf der Oberfläche, gewisse excernirende Zellen in drüsigen Blindsäckehen. Allein alle lebendig vegetirenden Zellen der Pflanzen scheinen fortwährend zu secerniren und wir finden our ohne Ordnung in dem weniger charakleristischen Paren- chym Zellen eingestreut, welche Felt, Amylum, Harz, Kry- stalle secerniren und deponiren. Zellen ganz verschiedener Funktion liegen neben einander. Bei den Tbieren sind in den Drüsen eine Menge secerni- render Zellen von derselben Funktion zu einem Organ ver- bunden und zwar durch eine Tuniea propria, welche in der ganzen Drüse ein Conlinaum bildet. Die Form der Tunica propria ist höchst mannigfaltig und in dem grossen Werk von J. Müller (De glandul. secern. str. penit.) umfassend darge- stellt. Anatomisch ist die Tunica propria nur als das Gestell der Drüse zu betrachten, jede Zelle aber als ein chemischer Kolben. Physiologisch dagegen kommt der Tunica propria 5% 68 wahrscheinlich noch die einseitig diosmotische oder eigentliche endosmolische Kraft zu. Wir haben gesehen, dass man häufig in den secernirenden Zellen keine bestimmten Niederschläge nachweisen kann. So ist es bei den Speichel-, Thränen-, Pankreaszellen und Harn- zellen und vielen anderen Zellen der Wirbelthiere. So ist es bei den Speicheldrüsen der Insekten; hier aber reagirt die Zellensubstanz zuweilen so, wie das Sekret der Drüse z. B. in den Seidengefässen gegen Säuren rolh. Es könnte dies als Beweis geltend gemacht werden, dass das Sekret chemisch der Drüsensubstanz verwandt oder gar identisch sei, denn der ganze Zelleninhalt ist eine homogene Zellensubstanz. Allein offenbar ist hier die Zellensubstanz nur infiltrirt mit dem Se- kret, denn in anderen Fällen sehen wir Niederschläge in der Zellensubstanz. Wo wir keine Niederschläge finden, muss ein flüssiger Stoff in der Zellensubstanz infiltrirt sein, und in der Afterdrüse der Carabinen muss das saure Fett in den Zellen aufgelöst enthalten sein. Der zweite Fall von secernirenden Zellen ist der, wo sich in einer anfangs homogenen Zellsub- slanz zersireute körnige Niederschläge bilden, und zwar am stärksten immer in der Nähe des Kerns. Ich habe dies beob- achtet in den Harnzellen der Insekten, in den Kalkzellen der Gartenschnecke; es ist von den meisten Pigmentzellen höherer Thiere dasselbe bekannt; die Zellen des Feitkörpers der In- sekten und die Fettzellen des Menschen gehören ebenfalls hierher, überhaupt die fetthalligen Zellen (z. B. in den Schmeer- bälgen, die Ganglienkugeln) ziemlich allgemein. Auch die Le- berzellen der Wirbelthiere enthalten sehr allgemein Feit, wel- ches sie meiner Meinung nach aus Zucker bilden, und es ist unrichtig, die Fettbildung in den Leberzellen für krankhaft zu halten. In Fettlebern ist freilich der Fettgehalt der Zellen weit bedeutender, und in Gänselebern oft ungeheuer, so dass die Zellen zu mächtigen Bläschen, wie die Fettzellen, aus- gedehnt sind. Aber Fett kommt in den Zellen gesunder Le- bern ganz allgemein vor. Häufig auch findet man in den 69 Leberzellen des Menschen. namentlich bei Icterus, einen gelben oder braunen Stoff in Körnchen oder Wölkchen abgelagert, und jedenfalls ist immer etwas Bilin und Bilifulvin in den Zellen enthalten, aber unter gewöhnlichen Verhältnissen dem Auge nicht sichtbar. Die dritte Form von Bläschen hat, wie bei den Pflanzen, ein Sekretbläschen. Anfangs bilden sich Niederschläge in der Zellsubstanz, später in dem Sekrelbläschen vorzugsweise oder allein, und durch dessen Wachsthum wird die Zellensubstanz verdrängt und verschwindet allmäblig, so dass zuletzt die ganze Zelle, wie bei den Pflanzen, von dem Sekretbläschen "erfüllt ist. Ich habe diesen Vorgang in der Leber der Schnecke und des Krebses, so wie in der Niere der Schnecke beob- achtet. Was nun endlich die Ausscheidung der Stoffe aus den Drüsen betrifft, so ist es klar, dass wenn die Tunica propria nur in der Richtung von aussen nach innen die Sekrete durch- lässt, damit dem Sekret der einzige Weg nach dem Ausfüh- rungsgang bleibt. Wie aber werden die Stoffe aus den Zellen frei? Wenn sich eine secernirende Zelle mit homogenem In- halt gefüllt hat bis zu ihrem höchsten Turgor, so muss die Aufnahme stocken, wenn nicht die Zelle sich Iheilweise oder ganz ihres Sekrets entledig. Wir können in vielen Drüsen verschiedene Entwickelungsgrössen der Zellen sehen, aber nicht überall, und theils deshalb, theils aus der Beschaffenheit des Sekreis müssen wir schliessen, dass die Zelle nicht durch Dehiscenz mit oder ohne völliges Zergehen ihr Sekret ergiesst, sondern die Zellen müssen fortdauernd Stoff aufnehmen und abgeben, und dabei nur ganz allmählig ihrem Untergange ent- gegen gehen. In anderen Fällen haben wir dagegen Beweise in Händen, dass die Zellen durch Dehiscenz ihr Sekret frei werden lassen. Die Ausscheidung des Sekreis in den Drüsen wird be- wirkt: 1) durch den Blutdruck. In den Nieren ist der Druck des Herzens in dem Malpighischen Körperchen jedenfalls ein 70 Hülfsmittel der Exkretion. In der Thränendrüse könnte man einen ähnlichen blutanhaltenden, muskulösen Apparal vermu- then, wie im Penis; denn wenn durch Gemütlhsaffekte eine muskulare Compression der Venen bewirkt würde, so müsste dadurch eine Vermehrung des Sckrels bewirkt werden, ebenso wie durch künstliche Verengerung der Nierenyenen. Ich habe jedoch keinen bestimmten blulhemmenden Apparat an der Thränendrüse entdecken können. 2) In den Zellen, welche eine metabolische Kraft und einen homogenen Inhalt haben, kann man annehmen, dass die- selben eine Anziehung auf gewisse Stoffe haben, dass sie diesen Stoff verändern und auf den veränderten abstossend wirken. 3) Die Zellen mit homogenem Inhalt, welchen man keine melabolische Thätigkeit zuschreiben kann, könnten nach Ana- logie der Pflanzenzellen, welche den Saft nach oben steigen machen, eine Anziehung und Abstossung nach entgegengeselz- ten Richtungen äussern. Oder man müsste, was weniger wahrscheinlich ist, eine periodische Contraclion mit nachfol- gender passiver Erweiterung bis zum Turgor annehmen. Con- Araclilität kommt der Zelle nach Kölliker zu, und wenn sich die durch centrale Ausdehnung gefüllte Zellenmembran eontrahirte und durch Austreibung von Sekret verkleinerte, so könnte nun die centrale Anziehung nach Aufhebung der Contraelion die Zellenmembran wieder ausdehnen. 4) In den Zellen mit Niederschlägen wird entweder a) der Inhalt durch einen veränderten chemischen Prozess wieder ge- löst, wie es mit dem Amylum in den keimenden Samen ge- schieht, und ausgeführt, oder b) die Zelle platzt. Das letztere ist sicher bei den Harnzellen der Schnecke, wo man die frü- her in den Zellen enthaltenen Niederschläge im freien Harn findet; ebenso von den Harnzellen der Insekten, weil die Zel- len hier so lange sich fortentwickeln, bis die ganze Zelle von Harnkügelchen gefüllt ist, und weil der Harn körnig ist. Bei 71 den Harnzellen der Schnecken ist es übrigens denkbar, dass nur das Sekrelbläschen ausgeslossen wird und die Zelle ein neues bilde. Erklärung der Kupfertafeln. Figur 4. Epitelzellen aus dem verzweigten Darmkanal von Planaria lactea, Fettkügelchen enthaltend, 500 Mal vergrössert. Figur 2. Ein 0,16‘ grosses Distoma aus der Niere von Helix pomatia, mit Darstellung seiner Exkretionsdrüse, *°/,. 4. Der von weichen ausdehnbaren Lippen gebildete Mund. B. Der vordere Saug- napf mit innerer dunkler Höhle. €. Schlundkopf. 2. Hinterer Saug- napl. a. Mündung der Exkretionsdrüse, b. Schwanzblase, c,c. Der Auslührungsgang mit peristallischer Bewegung. d. Dessen Umbie- gung in den wimpernden Haupistamm e,f. g. Des letzteren Theilung in die beiden Stämme Ak und i. Figur 4. Follikeln der Leber von Dreissena polymorpha; Figur 5. von Helix pomalia; Figur 6. von Anodonta eygnea; alle 40 Mal vergrössert. Figur 8. Ein 40 Mal vergrösserter Leberfollikel der Anodonla, a. von der Seite, d. im Querschnitt, um die Anordnung des Epite- liums zu zeigen, . Figur 9. Die ‘verschiedenen Formen bilinhaltiger Leberzellen Helix, 5°%,. Die dunkel dargestellten Kugeln sind Bilinnieder- schläge. Figur 410. Fetthaltige Zellen aus derselben, 5°%%,. Figur 41. Harnsäurehaltige Zellen $us der Niere der Helix, 5°%/,. Der Kern der Zellen ist immer am unteren Zellenrand abgebildet. Figur 42, Eine wimpernde Epitelzelle aus dem Bojanusschen Organ von Anodonta, °°%/,. Figur 13. Das blinde Ende eines Leberfollikels von Astacus, als idealer Längsdurchschnitt gezeichnet, ?°°/,. a. Tunica propria. b. Epiteliam. ec. Tunica intima. Figur ‘44. Fetthaltige, Figut 15. Bilinhaltige Leberzellen des Krebses, #°%%,. Figur 46. Vordere Speicheldrüsen der Formiea rula, ?°%%,. a. Epitelium des Mundes 6. Der allgemeine Auslührungsgang, an seinem Ende siebarlig von den zahlreichen Auslührungsröhrchen c,c der Drüsenzellen d durchbohrt. Figur 17. Hintere Speicheldrüse der Ameise, de Figur 18. Das Stück der hinteren Speicheldrüse der Stuben- fliege, wo der secernirende Theil in den engen Auslührungsgang über- geht, ?°°/,. a,a, Die von den Epitelzellen theilweise gelöste Tunica ropris. 6. Die Zellen des seceroirenden Theils. c. Die kleineren Iellen des Ausführungsgangs. d,e. Tunica intima, im secernirenden Theil strukturlos, im Auslührungsgang spiralig gestreift Figur 19. Ein Stück der vorderen Speicheldrüse von Apis mellif,, '°/,. 15 =T [8e} Figur 20. Ein einzelner Acinus dieser Drüse mit seiner Ein- mündang in den Ausführungsgang. A. Acinus. B. Dessen Auslüh- rungsgang in den allgemeinen Gang €. a. Tunica propria, welche den Acinus und Ausführungsgang überzieht. 5. Die starke 'Tunica inlima des Ausführungsgangs, bei c. warzenarlig vorgewölbt, um die feinen aus dem Acinus kommenden Röhrchen d,d aufzunehmen. Die Röhrchen hören peripherisch mit scharfen Enden e,e auf. f. Die Contouren der Zellen. g. Zellenkerne mit 14 oder 2 Nucleoli. Figur 21. Ein Stück der hinteren Speicheldrüse von Apis mellil., '5/,. Figur 22. Ein Acinus dieser Drüse, als idealer Längsdurch- schnitt gezeichnet, ?°%/,. a,a. Die Contour der Tunica propria, 5,6. der Tunica intima, am Auslührungsgang spiralig gestreift. Figur 23. Ein Läppcheo der Speicheldrüse von Gryllus cam- pestris, °°/,. In dem Drüsenläppchen a sieht ınan die Zellen durch ihre Kerne angedeutet und die kapillare Vertheilaung der Aeste des Auslührungsgangs b. Figur 24. Das blinde Ende des Sericteriums von Tinea, als idealer Längsdurchschnitt ?°°%/, gezeichnet. a. Tunica propria, am abgerissenen Ende des Follikels frei über die Zellen 5 vorstehend. c. Die von der Tunica intima gebildete innere Rühre, in welcher der secernirte Faden d läuft. Figur 25. Ein mittleres Stück aus dem Sericterium von Cossus ligniperda, ?°°/, als idealer Längsdurchschnilt gezeichnet, a. Tunica propria, zuweilen von den Zellen sich lösend, namentlich bei Anwen- dung coagulirender Säuren 5. Eine von der inneren Oberfläche be- trachtete Zelle mit dem follikulösen Kern c,c. Die theils von der inneren Fläche, theils aul dem Längsdurchschnitt d,d, theils dem Querdurchschnitt e,e gesehenen Zellen. Einzelne der Kernlollikel scheinen gar nicht mit den übrigen zusaımmenzuhängen, doch rührt dies wahr- scheinlich von der unvollkommenen Beobachtung her, weil die Gänge das Licht wenig anders brechen, als die Zellensubstanz. Die einzel- nen Follikel sind durch dünne Stiele au der inneren Zellenoberfläche be- festizt. „f. Eine unter der Tunica propria laufende Trachee. g. Der streilige Rand der dicken streifigen Tunica intima A}. Man sieht die äussere und innere Membran frei bei ah und A, wo in dem Zwi- schenraum beider die Zelle fehlt. Figur 26. Eine Zelle des Sericterinums von Vanessa Urticae, 200/,. Die Kernkanäle, die in ihrem Lauf sehr verschiedene Durch- messer haben, lassen sich selten als zusammenhängendes System verlolgen. Sie sind deutlicher bei Behandlung mit Wasser. Figur 28. Das blinde Ende eines Harnkanälchens von Locusta viridissima, ?°°/,, als idealer Längsdurehschnitt. Man sieht am Rande die Durchschnitte der Zellen und auf diesen innen eine scheiubare Tupica intima, Figur 29. Stück des Malpighischen Gefässes der Fliege als idealer Durchschnitt gezeichnet, ?°°/,. Es erscheint leicht als ein solider Strang, ohne Kanal, wenn es nicht mit Harn gefüllt ist. Die Zellen sind dünn, wie es bei 5 angedeutet ist. a. Tunica propria. b. Zellen mit wenig Harnkörnchen. e. Zellen, in denen die Körnchen den Kern ganz oder fast ganz verdecken. d. Harnzellen, in welchen melrere helle Kugeln in der Körnermwasse sichtbar sind, 73 Figur 30. Harnzellen von Dytiscus marginalis, ?°°/,. a. Cor- tiealschicht oder Zellenmembran, Zona pellucida. Ö. Zellensubstanz mit Harnkörnchen. c. Nucleus. d. Nucleolus. Figur 31. Krystalle aus den Harnkanälchen von Sphinx Con- volvuli, *5°/,. Die dunkler gezeichnete Schicht ist roth. Figur 32. Harnzelle von Colias Brassicae, ?°°/,. Figur 33. Stück des Harnkanälchens von Cossus ligniperda, 200/, als idealer Längsdurchsehnitt. a. Tunica propria bildet Aus- buchtungen bei 5, c, d und ist bei 5 von der Zelle abgehoben. Die Zelle e kleidet ein ganzes Blindsäckchen aus, und hat eine äussere, am Rand etwas gekerbte Oberfläche, wie man bei 5 sieht, und eine innere glatte, bei f sichtbare. Die Kernkanäle scheinen netzförmig zu sein und bei & sieht man aus dem Rand einer durchrissenen Zelle die Kanälchen hervorstehen. Figur 34. Giltdrüse von Vespa Crabro, °/,- a. Stachel, b. Blase. e. Drüse. Figur 35. Ein Stück des Giftkanälchens, ?2°°/,. a. Tun. pro- pria, 5. intima. c. Die davon ausgehenden feinen Röhrchen, Figur 36. Eine Zelle der Giltdrüse von Apis mellifica mit 4 daran endigenden Röhrchen, ?°°%/,. Figur 37. Ein Stück der Giftdrüse von Formica, als idealer Längsdurchsehnitt gezeichnet, ä Die Tun. intima ist glatt, die Tun. propria durch die platten Zellen bivr und da aufgetrieben. Ficar 38. Obere, Figur 39. Mittlere, Figur 40. Untere Spinnwarze der Epeira Diadema mit ihren Drüsen, '°/,. a. Beerenlörmige Drüschen, 5. Die bauchigen Drüsen, c, die gewundene Stelle ihres Ausführungsgangs. d. Cylindrische Drüsen e. Aggregirte Drüsen, f. der zottige ‘Theil ihres Ausfüh- rungsgangs. ın. Die knollige Drüse. &. Die Spinnwarzen, von denen die untere verhältnissmässig zu gross dargestellt ist. An dieser sieht man im äussersten Glied Ah, so wie an der Figur 41. oberen und Figur 42. mittleren 30 Mal vergrösserten Warze das Spinn- feld i mit den aufsitzenden zahlreichen Spinnspulen. An der unteren Spinnwarze steht die einzige grosse Spule auf der Hervorragung %, an welcher die Sehne ! befestigt ist. An der oberen und mittleren Spinnwarze ist bei e die Mündung der eylindrischen, bei @ der ag- gregirten, bei i der bauchigen, bei o der Loöllizen Drüse, Figur 43. Spinnspulen der beerenförmigen oder birnlörmigen Drüschen, ?°°/,. Figur 44. Spinnspule der knolligen Drüse, Figur 45. Spinnspule der grösseren Drüsen. Figur 46. Epitelzellen der bauchigen, Figur 47. der cylindrischen, Figur 48. der aggregirten Drüse, 250%. Figur 49, Ein Theil des zottigen Auslührungsgangs der aggre- girten Drüse, '°°,, (Fig. 38. /f). a. Tun. propria, Blindsäckchen bildend, während die Tun. intima 5. gestreckt läuft. Die Umrisse der in den Säckchen enthaltenen Zellen lassen sich nicht erkennen, wohl aber die der Kerne. Die Blindsäckchen umgeben übrigens den Gang ringsum, und sind daher nur zum kleineren Theil gezeichnet. Ueber die funktionell verschiedenen Partieen des Rückenmarks der Amphibien. Von Dr. E. Harıess. Erste Reihe. Exp. 1. Nachdem ein Exemplar von Rana esculenla decapilirt war, und die obern Ex!remiläten durch die Verletzung des Rücken- marks aufs heftigste sich gebeugt hatten, wurde von oben herab ein Wirbel nach dem andern mit dem darin befindlichen Rückenmark durchschnitten; hierbei zeigten sich die bereils von Engelhardt (Müll. Archiv 1840) angegebenen Erschei- nungen vollständig bestätigl: es trat nämlich vom zweiten bis fünften Wirbel stets Beugung der untern Extremiläten ein. Die Intensität der Contraelion stand aber im geraden Verhältniss mit der Entfernung des Rückenmarks, d. h. je mehr Rückenmark noch vorhanden war, desto grösser, sie nahm aber ab, je weiter nach unten die Abtragung forlgeselzt wurde, bis beim fünften Wirbel nur ein unbestimmtes Wüh- len in allen Muskeln, ohne besondern Effekt in Beziehung auf Beugung oder Streckung, eintrat. Als dieser Indillerenzpunkt überschritlen worden, trat tetanisches Strecken in den un- lern Extremitäten ein, welches nach jedem Eingriff in die 79 Substanz des Rückenmarks bei weitem nicht so vorüberge- hend war, als bei der Durchschneidung oberhalb dieses Punk- tes die Beugung. Ilier war es ein einmaliges kräftiges Anziehen der Schenkel an den Bauch und Beugung des Un- terschenkels an jene mit Conlraction des Flexores digitorum, dort dagegen ein schnell hinter einander 'eintretendes Strek- ken mit oft 1— 3 Sekunden andauerndem Vibriren in allen Extensoren. Je mehr untere Substanz enlfernt wurdd, desto geringer wurde nalürlich, mit Entfernung der motorischen Wurzeln, die Streckung. Exp. II. Ein anderer Frosch wurde dadurch ®etödtet, dass ihm ein scharfer Meissel hinter dem Os occip. in das Rückenmark gestossen wurde, hierauf wurde, um sicher jede willkürliche Bewegung unmöglich zu machen, das Schädelgewölbe aufge- brochen und das Gehirn bis zur Medulla oblongata zerstört. Nach Oeffnung der Bauchhöhle und Exenterirung des Thiers wurde das Rückenmark da, wo es seine Wurzeln für die un- tern Extremitäten aussendet, sammt den Wirbelkörpern und anhängenden Weichtheilen, abgeschnitten, und nun angefangen, wie in Exp. I. das Rückenmark nach oben zu Wirbel für Wirbel durchzuschneiden. Die Erfolge stimmten auch hier bei einer grossen Anzahl von Thieren vollkommen mit denen von Engelhardt angeführten überein: es erfolgte nämlich bis zum vierten Wirbel Streekung der obern Extremitäten, von dort ab nach oben Beugung; für die Intensität der Bewe- gung gilt in umgekehrter Ordnung dasselbe Geselz, wie bei Exp. 1. Exp. IH. Einem Frosch wurde das Schädelgewölbe aufgebrochen, das Gehirn, sodann der Kopf entfernt, alle Eingeweide voll- sländig weggenommen, und nun von oben nach unlen ein Wirbelkörper nach dem andern abgeschnitten und das blosge- legte Rückenmark galvanisch und mechanisch gereizt; die Er- folge waren diese: Reizung der vordern Stränge unter dem 76 ersten Wirbelkörper erregle durchaus keine Bewegung der obern oder unlern Extremiläten, weder Beugung noch Strek- kung. Nach Entfernung des zweiten Wirbelkörpers und Rei- zung der darunter gelegenen vordern Rückenmarkspartie trat sodann Beugung der untern Extremiläten ein; die oberen wa- ren enifernt, um den Wirbelkanal vollständiger und bequemer erbrechen zu können. Es* ist dies Experiment nur eine Modification des I. von Engelhardt angegebenen, um zu sehen, ob unmittelbar hin- ter dem Gehirn in den obersten Parlieen des Rückenmarks schon Beugung der unlern Extremitäten eintritt, eine Frage, die nach mehrfachen Versuchen mit Nein zu beantworten ist. (Budge fand schon dasselbe. ) Figur 1. | C Keine Bewegung in den Extremitäten, Beugung der untern und obern Extrem. | 8 ce Beugung der untern Extremität. |o Beugung der untern | 4 Streckung d. obern mia der untern Extremität. j gar keine Bewegung. Anmerkung. Diese Experimente lehren, dass es im Rückenmark einen Punkt giebt, von dem aus in umgekehrter Richtung nach den verschiedenen Extremitäten Beuge- und Streckfasern ausstrahlen, wie Fig. 1. beweist. (A) Die Reizung des Punktes zwischen A und d, nämlich u, giebt aber für die untern Extremilälen keinen Effekt, für die obern den der Streckung, ebenso findet sich ein solcher Punkt in 0, dessen Reizung für die oberen Extremitäten keinen Effekt, für die untern den der Beugung erzeugt. Endlich giebt es zwei Punkte des Rückenmarks, nämlich unler dem Atlas und dem Os sa- 77 erum und coceygis, auf deren Reizung gar keine Bewegung eintritt. Wenn die Summe aller Strecknerven gleich sein soll der Summe aller Beugenerven, so ist kein direkter ununterbroche- ner Verlauf funktionell identischer Fasern von der Peripherie dureh das Rückenmark zum Gehirn möglich; denn es ist dann nicht zu begreifen, wie bei der Reizung von B Fig, 2. nicht Beug, Strek- ebenso gut gebeugt als gestreckt, oder bei Reizung ° kung. yon A nicht ebenso gut gestreckt als gebeugt wer- A den sollte; nimmt man selbst an, die Streckner- ce ec ven enlispringen erst bei c, so müssen doch unler- halb e auch noch Beugenerven liegen, da erst bei d d Nerven für die untern Extremitäten austreten; es sollte dann wenigstens abwechselnd gebeugt und gestreckt werden. Es wurde ja immer gleich- zeitig durch die rasche, von beiden Seiten nach der Mittel- linie sich erstreckende Durchschneidung die ganze Masse des Rückenmarks gleich gereizt, und dieselben Resultate er- gaben sich, wenn vordere oder hintere Stränge mechanisch oder galvanisch gereizt wurden; dies steht nun allerdings im Widerspruch mit Valentin’s Versuchen; allein auch zugege- ben, dass bei der mechanischen Reizung vielleicht zu wenig zart umgegangen wurde, dass die galvanische Reizung über- haupt nieht anwendbar ist, um einzelne Parlieen des so klei- nen Rückenmarks der Frösche in Beziehung auf ihre Funktion zu prüfen: die hier aufgestellten Folgerungen bleiben wahr, und der Faserverlauf, wie ihn Valentin oder auch Budge, auf ihre Versuche gestülzt. darstellen, erklärt die 2 ersten Experimente, so wie die nächst folgenden keineswegs. — Die nächste Frage war die, wie verhält sich der Erfolg der Rei- zung des Plexus sacralis bei Gegenwart oder Abwesenheit der über seiner Ursprungsstelle gelegenen Rückenmarkspartie, auf deren Reizung Beugung erfolgt? Zweite Reihe. Exp. IV. Einem decapilirlen Frosch wurde von vorn die obere Hälfte des Rückenmarkskanals aufgebrochen: Reizung der blos- gelegten vordern obern Stränge erzeugte starke Beugung der untern Extremitäten; zugleich wurde auch durch Reizung des Plexus sacralis convulsivische Beugung mit langsamer Relaxation erzeugt; als aber die obere Hälfte des Rückenmarks entfernt war, Irat tetanische Strecekung der untern Extre- mitäten auf Reizung des Plexus sacralis ein. Ausserdem beobach- tete ich bei mehreren (A—6) Exemplaren, dass nach Eröffnung des ganzen Wirbelkanals, sobald einmal, absichtlich oder, zu- fällig, die untere Hälfte gereizt und Streckung eingetrelen war, durchaus keine Beugung mehr eintritt, wenn dann die obere Hälfte gereizt wurde; ebenso schien es, als wenn nach Weg- nahme der unlern Wirbelkörper oder Bögen die Beugung schwerer zu erregen war, als bei deren Gegenwart. Anmerkung. Worin dieses letztere seinen Grund hat, werden wir weiter unten sehen, wenn von der Erbrechung des Wirbelkanals im Allgemeinen gehandelt wird. Exp. V. Einem getödteten Frosche wurde der Plexus sacralis so präparirt, dass alle ihn bildenden Nerven hart an dem Austritt aus der Wirbelsäule abgeschnitten und auf einem Glasplätt- chen isolirt neben einander gelegt wurden. Reizung dieser einzelnen Nerven erregte nun stets Streekung. niemals Beugung. Exp. VI. Wird bei einem decapilirten Frosch der fünfte Wirbel von vorn aufgebrochen und die vordern Rückenmarksstränge mechanisch (mit Nadeln) oder galvanisch gereizt, so erfolgt hie und da gelindes Strecken, häufiger jedoch Beugen und ein unbestimmtes convulsivisches Wühlen in allen Muskeln der untern Extremitäten: ein sichtbarer Kampf zwischen den Ex- 79 lensoren und Flexoren; so wie aber das Rückenmark oberhalb dieser Stelle durchschnilten wird, tritt jedesmal auf Reizung ebenderselben Stelle telanisches Strecken ein Verfährt man am siebenten Wirbel ebenso, so entsteht deutliches Beugen der unlern Extremität (wie in Exp. IV. bei Reizung des Plexus sacralis), telanisches Strecken dagegen nach Hinwegnahme der obern Hälfte. Exp. VI. Der Plexus saeralis wurde bei einem decapilirten Frosch präparirt, und nach seinem Zusammentritt zum Nerv. ischiati- cus weiter verfolgt, nachdem die Symphysis oss. pubis durch- brochen war. Ebenso seine weitere Haupttheilung in die Nerven für die Streck- und Beugemuskeln, ferner seine zweite in der Kniegegend in den N. tibialis und fibularis blosgelegt, und nun das Resultat der Reizung der einzelnen Theile dieser Nerven- strecke genau beobachtet. Aus einer Reihe von Versuchen ergab sich folgendes: Der Plexus sacralis erregte bei galva- nischer Reizung seiner Gesammtmasse Streekung der untern Extremitäten: der Nerv. ischiatie. ebenfalls, aım stärksten und vehementesten jedoch 2 vor seiner ersten Haupttheilung gleich hinter seinem Austritt aus dem Becken. Die Reizung der beiden aus dieser Theilung entsprungenen grösseren Stämme erregie selten, oft gar. keine Zuckung in den Muskeln, zu de- nen sie gingen, in keinem Falle so stark, dass die ganze Extremität gebeugt oder gestreckt worden wäre. Die Strecke 2“ vor bis zur vollendeten äusseren, durch das Neurilem nieht mehr gemeinsam umschlossenen Trennung der eigentli- chen Nervenbündel, verhielt sich ganz so, wie die auch neu- rilemalisch geschiedenen Nervenstämme. Ebenso erzeugle die Reizung des Hauptstammes bis 2” vor seiner Theilung in N. tibialis und fibularis nur unbestimmte Zuckungen; hier aber heftige Streckung des Unterschenkels, welche hinter dieser Stelle wieder nicht mehr bei Reizung des tibial. und fibularis (einzeln oder zu gleicher Zeit galvanisirt) eintrat, Anmerkung. Aus diesen Versuchen ergiebt sich zu- 30 gleich noch eine der genanern Untersuchung werthe Frage, die zuvörderst noch unberücksichligt gelassen wurde, da sie streng genommen nicht zu diesem speziellen Thema gehört. Hoffentlich gelange ich späler hierüber zu einem genügenden Resultat. Es ist nämlich die Frage: worin hat es seinen Grund, Jass die Reizempfänglichkeit an einzelnen Punkten ei- ner Nervenbahn grösser ist, als an der andern? Häufig schon bemerkte ich, dass wenn der in seinem Neurilem eingeschlos- sene Nerve mit einem einfachen voltaischen Plattenpaar ge- reizt ‚wird, gar keine Reaklion eintrilt, was sogleich geschieht, wenn an demselben Punkt der seines Neurilems berauble Nerv gereizt wird, so dass bis zu einem gewissen Punkt das Neu- rilem als ein Isolator für galvanische Ströme anzusehen ist; es handelt sich aber ferner darum, ob das Resultat des zwei- ten Theils unseres VII. Experiments von einer stellenweisen Leitungsfähigkeit des Neurilems, oder stellenweise erhöhten Erregbarkeit der Nervensubstanz herrührt; so dass es also innerhalb des leitenden Nervenapparats gewisse Knolenpunkte gäbe, an denen die Energie des Nervenagens gesteigert ist. A priori möchte ich mich für die erstere Deutung enischei- den, und zwar aus dem Grunde, weil diese leichtere Erre- gung des Nerven vor seinen Theilungsstellen hervortritt, dort aber das Neurilem ebenfalls sich zu theilen beginnt und viel dünner und zarter zu sein scheint, als auf den übrigen Strek- ken des Nervenverlaufs, bis es in den feinsten Verzweigungen so zart wird, dass jedesmal die Erregung durch einen galva- nischen Strom sich durch dasselbe zur Nervensubstanz fort- pflanzt, und unfehlbar Contraetion der Muskeln erzeugt. Exp. VII. Bei einem decapitirten Frosch wurden am linken Fuss alle Streckmuskeln, anı rechten alle Beugemuskeln durchge- schnitten; wurde nun wie in Exp. I. verfahren, so erfolgte bis zum fünften Wirbel bei jedem Schnitt starke Beugung des ‚linken, gelindes Strecken des rechien Fusses; vom fünften bis 81 leizien Wirbel erfolgte starke Streckung des rechien und starke Beugung des linken Fusses. Exp. IX. Dasselbe genauer durchgeführt an mehreren Exemplaren von Rana temporaria. Am linken Fuss alle Streck-, am rechten alle Beuge- Muskeln durchgeschnilten. Durehschneidung des zweiten Wirbels: der linke Fuss beugt sich, der rechte streckt sich. Durchschneidung des drilten Wirbels: beide mehr gebeugl, aber der linke bleibt stark contrahirt, der rechte lässt sehr schnell nach, sich zu contrahiren. Durchsehneidung des vierlen Wirbels: der linke beugt sich, rechls keine Bewegung. Durchschneidung des fünften Wirbels: keine ausgesprochene Bewegung; ein blosses Wühlen in den Muskeln, und zwar in den Gastrognemiis des linken Fusses sehr starke, des rechten gar keine Zuk- kungen. Durchschneidung des sechsten Wirbels: Beugung des linken Fusses mit starkem Wühlen in den Gastrognemiis; telanisches Strecken im rechten Fuss. Durchschueidung des siebenten bis neunten Wirbels: dieselben Resultate. Anmerkung. Abstrahiren wir ganz von dem, was uns diese zweite Reihe von Versuchen über die anatomische Struk- tur des Rückenmarks lelırt, und fassen zuerst unter einem gemeinsamen Bild die Summe der Erscheinungen zusammen, die für die Funktion desselben von Wichtigkeit ist. Die Hauptquelle der Streekbewegung liegt im untern Theil des Rückenmarks, die der Beugung im obern, so zwar, dass dessen blosse Gegenwart selbst im nicht gereizten Zu- Müller's Archiv. 1840. 6 82 stand die Thätigkeit des erregten Plexus sacralis zu modificiren, ja vollständig umändern zu können scheint, wenn man sieht, wie ein und derselbe Stamm dieses Plexus beugt bei Gegen- wart der obern Rückenmarkshälfte, streckt bei deren Ab- wesenheit. Vergleicht man damit die Thäligkeit des N. ischiat. bei seiner Reizung. so wird es um so unwahrscheinlicher, dass diese variirende Funktion denselben Primitivfasern anvertraut sein sollte, denn wenn wir bei Reizung des N. ischiat. vor seiner Theilung, heftige Streckung erfolgen sehen, trotz dem, dass von ihm starke Nerven zu den Beugern des Schenkels gehen, so kann dies nur daher rühren, dass neben den Ner- venfasern für die Beugemuskelu eine Ueberzahl von Sireck- nerven mit erregt wurde; dasselbe muss auch auf den ganzen Plexus sacralis angewendel werden. Es berulıt diese Erschei- nung also nicht auf einer Eigenthümlichkeit der Nerven, son- dern lediglich der des Rückenmarks, welche jetzt näher ins Auge zu fassen isl. Um dies aber zu können, ist es notlhwendig, einen Blick auf die Muskulatur, zunächt der untern Extremiläten, zu wer- fen. Ich gebe hier die Uebersicht von Zenker (Batrachomyo- logia, Dissert. Jenae 1825. p. 36.): A. In Crure. Extensores. Flexores. extensor cruris, Nlexor tibialis magn., pyriformis, flexor tibialis latus, glulaeus minor. sartorius, biceps, semitendinosus, semimembranosus, flexor externus lib., iliacus inlernus, femoris capsularis, glutaeus magnus. Adduclores. adduclor brevis, magnus, longus. B. In Tibia. Extensores. Flexores. gastrognemii, tibialis poslicus, exlensor farsi infimi. — anlicus simplex, —_ — biceps. —_ — accessorius. ©. Digiti. Extensores. Flexores. Extens. digilorum pedis, Flexor. digitor. pedis, — digiti minimi, — digili exlernus, Interossei externi. Interossei interni. Abductores. Adductores. hallucis, hallueis. digiti minimi, Auffallend erscheint sogleich die grosse Ueberzahl der Plexoren, die am Os femor. ihre höchste Höhe erreicht hat, dann am Unterschenkel abnimmt, bis endlich am Tarsus ein vollkommenes Gleichgewicht der Extensoren und Flexoren eintritt. Man sollte nun glauben, Erregung des isolirten Plexus sacralis müsse nothwendig Beugung, stalt Streckung erzeu- gen; denn der grossen Ueberzahl von Beugemuskeln muss noth- wendig eine Ueberzahl von Beugenerven entsprechen. Noth- wendig muss hier das Beslimmende in der Anordnung der Muskeln liegen, so dass der Eflekt der Streckung leichter, d. h. Reizung des pl, isch. ete., erzeugt wird, als der der Bengung; befindet sich das ganze Spinalsystem dagegen nicht im Zustand der Reizung, so sehen wir die Prävalenz der Beugmuskeln entschieden auftreten, denn im Schlaf, in der Ruhe überhaupt, schen wir die Extremitäten, den ganzen 6* 34 Rumpf gebeugt; diese Beugung hat aber nicht den Charakter der Aktivität, sondern den der Passivitäl an sich. Jede Strek- kung aber. wenn sie nicht das Produkt der Schwere ist, welche auf die Körpertheile wirkt, wie bei Todten, bei her- abhängenden Extremitäten Schlafender ele,, trägt immer das Gepräge der (Erregung) Aktivität !). Nolhwendig muss also bei jeder Streckung das Hinderniss überwunden werden, welches die Ueberzahl der Flexoren ge- selzt hat; liegt aber die Möglichkeit in der Mechanik des Muskelsystems oder in der Anordnung wirkender Rücken- markstheile, oder endlich in den Wurzeln, Nerven-Plexen und Nerven selbst. Betrachlet man zunächst die Gegend des Fusses, an wel- cher die Flexoren und Extensoren an Zalıl und Masse am gleichsten "sind, so wird hier nothwendig, wenn die ganze Masse des Rückenmarks von einem bestimmten Punkt aus gereizt wird, und in Flexoren und Extensoren die Primitiv- fasern gleich vertheilt sind, die Flexion und Extension weni- ger einseitig hervorlreten, und entweder gar keine Bewegung oder eine abwechselnde in den Streck- und Beugemuskeln schnell auf einander eintrelen. — Dieses findet nun auch an den Zehen Statt, wenn die obere Partie des Rückenmarks mechanisch oder galvanisch gereizt wird; ist aber diese ent- fernt, so ist das lelanische Strecken ebenso hier, wie an Ober- und Unterselienkel die vorherrschende Bewegung, wenn auch gleich Bengen der Zehen in sehr schnellen Zwischen- räumen bie und da nicht selten ist, Hängt aber das Resultat der erwähnten Experimente allein von der Mechanik der Mus- keln ab. so. ist nicht einzusehen, warum am Kniegelenk nicht bei Reizung der unlern Tlälfte des Rückenmarks Beugung eintrelen sollte, denu hier überwiegen ollenbar die Flexoren bedeutend, ebenso wie am Müftgelenk. Und dieses Ueberwie- 1) Aktivität und Passivilät nur als Bezeichnungen für ein Minus oder Plus von Erregtheit des Nervensystems genommen. 85 gen ist nieht allein bedingt durch die Anzahl der Muskelfasern, sondern auch durch deren spezifisches und absolutes Gewicht, durch die Länge und Nervenmehrzahl in den Beugern. (ef. "Valentin’s Physiologie. Bd. II. p. 157 ete.) Hieraus folgt, dass in der Organisation des Rückenmarks die Quelle dieser verschiedenen Formen der Bewegung liegen muss; denn in den Muskeln liegt sie nicht, wie eben gezeigt wurde, in den Nerven kann sie deswegen nich! liegen, weil Beugen und Strecken nicht Funktionen verschiedener Nerven. sondern nur die zufälligen Resultate der Einwirkung des mo- torischen Nervenagens auf Muskeln sind, die in ihrem Ver- hältniss zu den beweglichen Organen als Antagonisten auflre- ten. Denn die Form, der Bengung ist nirgends darum eine von der andern verschiedene, weil ein anderes motorisches Prineip sie erzeugt, sondern darum, weil enlweder die Siruk- tur der Muskelfaser eine andere ist (willkürliche und unwill- kürliche Bewegung). oder die Angriffspunkte der Hebel bei den verschiedenen Muskeln und Muskelgruppen verschieden sind. Wenn es nun aber wahr ist, wie es sich aus den oben angegebenen Experimenten ergiebt, dass erstens die untere Hälfte des Rückenmarks, zweitens der Plexus sacralis, drit- tens der N. ischialieus beugt in Gegenwarl der obern Hälfte des Rückenmarks, streekt bei deren Abwesenheil, so ist dies nur so zu erklären, dass die Erregbarkeit der Beugenerven nur so lange besteht, als die obere Rückenmarkshälfte mit ih- nen in Verbindung steht, augenblicklich aber erlischt, wenn diese enlfernt ist, während die Strecknerven bei Gegenwarl und Abwesenheit ihres entsprechenden Rückenmarkstheils bei weitem länger ihre Erregbarkeit erhalten. — Wie leicht aber wirklich die Kraft zu beugen in der oberen Rücken- marksparlie verloren geht, davon kann sich jeder leicht über- zeugen, der die Wirbelsäule von vorn aufbrieht; geschieht nämlich dies so, dass man, vom ersten Wirbel anfangend, gleich bis zum fünften forlfährt, ohne dazwischen zu reizen, so wird man auch bei der grössten Geschicklichkeit und Schnelligkeit 86 wenigslens eine Minute Zeit brauchen; diese reicht aber schon hin, durch den Einfluss der Atmosphäre die Erregbarkeit der oberen Rückenmarksparlie fast oder ganz aufzuheben; denn man wird jelzt viel schwerer Beugung der untern Extremilä- ten, d. h. Reizung dieser Parlie, erregen können, als wenn man so verfährl, dass man, so wie man einen Wirbelkörper entfernt hat, die darunter gelegene Rückenmarkspartie reizt; in diesem Fall wird nie die Beugung ausbleiben, bis man nach und nach zum fünften Wirbel gekommen ist, wo dann die Streckung beginnt. Eben deshalb erzielt man auch viel ent- schiedenere Effekle, wenn man das Rückenmark in seinem Kanal unversehrt verschlossen lässt, und nun wie in Exp. 1. verfährt, als wenn man zuerst dasselbe bis zum sechsten Wirbel hin bloslegt und nun Stück für Stück von ihm ab- schneidet. Liegt aber wirklich die Verschiedenheit der Effekte von Reizung des Rückenmarks in ihm selbst, so wird, wenn seine Energie verändert wird, auch das Resultat seiner Reizung ein anderes sein müssen. Demzufolge wurde die nächste Reihe von Experimenten an vielen Fröschen angestellt. Dritte Reihe. Exp. X. Mehreren Frösehen, die mit concentrirter wässriger Opium- solution vergiftet waren, wurde, wie in Exp. L, ein Wirbel nach dem andern durchsehnitten. An den obersten Wirbeln schon trat slatt Beugung schnelle tetanische Streckung der untern Extremiläten mit langsam darauf erfolgender Beugung ein. Die tetanischen Streckungen ohne darauf folgende Re- laxation traten I—2 Wirbel höher auf, als sonst. Exp. XI. Einzelne mit Opium vergiltete Frösche zeiglen dagegen gleich von vorn herein bei Reizung der obern Partieen des Rückenmarks tetanische Streckung, nie Beugung. 87 Exp. XI, Ein Frosch wurde so mit Opium vergiftet, dass ihm zu erst das Gehirn zerstört und dann das Gift in die eröffnete Bauchhöhle gegossen wurde, Reizung des obersten Theils des Rückenmarks, unterhalb der Medulla oblongata, erzeugte auch bier ebenso wenig Bewegung, wie im Exp. III, weiter nach unten wie in den beiden vorigen Experimenten. Anmerkung. Wir sehen also auch hieraus wieder, wie im Rückenmark selbst die Substanz, welche der Beugung vor- steht, derjenigen, welche der Streckung vorsteht, so das Gleich- gewicht hält, dass dasselbe durch eine Reizung, die hier durch das Gift hervorgebracht wird, viel schneller eine Ueberreizung der Beuge-, als der Streck-Provinz bewirkt; ganz ähnlich wie wir oben sahen, dass die Energie der ersteren schon durch den Contakt mit der almosphärischen Luft ausserordentlich schnell vernichtet wird, während die lelzlere die Ihrige unter eben diesen Bedingungen viel länger zu behauplen vermag. Jedenfalls ist aus den bisherigen Experimenten ersichtlich, dass bei Gegenwart der obern Parlie des Rückenmarks, wenn von oben herab, dasselbe gereizt wird, nur dann Streckung erzeugl zu werden vermag, wenn die obere Parlie entweder geläbmt, oder in Beziehung auf die untere Partie sich im Zu- stand geringerer Reizung befindet; woraus folgt, dass steis nur dann Sireckung erfolgen kann, wenn das Hinderniss, das die obere Substanz darbietet, durch Hefligkeit der Erregung überwunden wird. Dass aber auch in der untern Partie noch Beugenerven vorhanden sind, lehren die Experimente VII. und IX.; allein diese Nervenfäden verhalten sieh rein als Lei- ter; hier liegt nicht mehr der Fokus der Beugung, so wenig wie oben der Fokus der Streckbewegung; es ist aber zwi- schen dem und dem Leitungsapparat ein ebenso grosser Un- terschied zu machen, als zwischen der grauen Substanz mit ihrer Funktion und den eigentlichen leitenden peripherischen Nerven. Wo diese Heerde der Bewegungsarten gereizt wer- den, waltet nolhwendig ihre Funktion vor der des nur lei- 88 tenden Apparats vor, ebenso wie in der Sphäre der Empfin- dung Reizung des peripherischen Endes heftigere Sensation erzeugt, als Reizung des Empfindungssiammes; wie man ja bekanntlich auf Reizung der Haut heftige Rellexbewegungen auftreten sieht, die ausbleiben, wenn man die Haut abgezogen und die Stämme der Hautnerven gereizt hat. Wohl mag von jenen Punkten für Beugung und Streekung centripetal und centrifugal die leitende Faser verlaufen, aber ihre Reizung bringt geringere Effekte hervor, als die Reize dieser Central- punkte. Allein keineswegs ist es so, dass die leilenden Fasern elwa gar nichl auf Reize reagiren, aber sie können nur dann bei Reizung des untern Theils Beugung erzeugen, wenn die Wirkung dieser untern Rückenmarksparlie dadurch annulirt ist, dass enlweder die Strecknerven oder Streckmuskeln durch- schnitten sind. Warum wird aber bei Gegenwart der oberen Partie des Rückenmarks die untere Extremität gebeugt, wenn die untere Partie des Rückenmarks oder der Plexus sacralis gereizt wird? Je höher ein Thier organisirt ist, desto grösser ist die Erre- gung seines Nervensystems, die Dynamik seines Organismus (Liebig), abhängig von der ausgebildeteren Respiration und Energie seiner Stoffwandlung. In je höherem Grade dies aber der Fall ist, in desto kürzerer Zeit ist das Reaktionsvermö- gen seines Nervensystems aufgehoben; daher sich eben gerade die Amphibien wegen der Nachhaltigkeit ihrer Erregbarkeit zu Versuchen über das Nervensystem am besten eignen. Wen- den wir nun diesen Satz auf die oben angegebenen Thatsachen an, so sehen wir, wie die Provinz der Beugebewegung im Rückenmark so unendlich viel schneller gelähmt und durch Einwirkungen von aussen beeinträchtigt ist, als die der Streck- bewegung, was nothwendig eine früher dagewesene grössere Erregung vorausselzt; denn eben je grösser die Erregung vor einem neu applieirten, zumal heterogenen, Reiz war, desto schneller wird der Reiz zur Ueberreizung und in dessen Folge Lähmung erzeugt. — Daraus wird es erklärlich, wie im nor- 39 malen Zustand ohne besondere, oder bei ganz geringer Erre- gung vom Gehirn her stels Beugung erfolst, und wie ein hö- herer Grad von Erregung leicht für immer oder momentan überreizend. d. h. lähmend auf die obere Partie des Rücken- marks wirkt, und nun die untere freien Spielraum bekommt. Worin aber diese höhere Vilalität (sit venia verbo) der obern Provinz‘ ihren Grund hat, ist bis jelzt noch ein Problem; zweierlei ist möglich: ein grösserer Blulreichthum, oder eine grössere Menge von Ganglien. Hierüber muss die mikrosko- pische Untersuchung Aufschluss geben. Welchen Antheil endlich die Entfernung dieser Central- punkte vom Gehirn an dem leichteren Zustandekommen die- ser oder jener Bewegung habe, ist allerdings noch nicht ex- perimentell nachgewiesen; allein dass dieser Umstand ebenfalls nicht ohne Bedeutung sein kann, lehren die pathologischen Erscheinungen, wo die Zeichen der Lähmung stets gegen die Peripherie und entlegeneren Punkte des Rumpfes fortschrei- ten. Jedenfalls ist es interessant, zu sehen, wie sowohl für die oberen, wie für die unteren Extremitäten die Beuge-Pro- vinz näher dem Centralorgan liegt, als die Streck-Provinz; so dass auch dieser Umstand dazu beitragen mag, dass Beugung leichter zu Stande kommt, als Streekung: denn vergleichen wir die Aufeinanderfolge der funktionell verschiedenen Par- tieen des Rückenmarks, so es ist diese obere untere Extremität. Beugung |Beugung Beugung |Beugung Streckung | Beugung Streckung | Beugung Streckung Streckung Es blieb nun noch zu untersuchen übrig, wie sich die 90 Reflesfunktion, bei Gegenwart oder Abwesenheit dieser oder jener -Parlie, verhielt. (Of. Engelhardt, Müll. Arch. 1838.) Vierte Reihe. Exp. XII. Wird am Indifferenzpunkt für die untern Nerven, d. h. in der fünften Wirbelgegend, wo Beugung und Streckung auf Reizung nie deutlich ausgesprochen ist, oberhalb der Austritis- stelle der Nerven für die untere Extremilät das Rückenmark durchsehnitten, so hört, wie schon Engelhardt bemerkt, jede Reflexbewegung in den untern Extremitäten auf. Exp. XIV. Eröffnet man den Rückenmarkskanal eines Frosches, z. B. von vorn, und Irägt ein Stück nach dem andern vom Rücken- mark ab, oder schneidet es in nach abwärts sich wiederholen- den Queerschnilten durch, so beobachtet man Folgendes in Beziehung auf die Reflexbewegung der untern Extremitäten: Das Vermögen des Rückenmarks, auf peripherische Reize in der Form von Bewegung zu reagiren, nimmt in dem Maasse ab, als man sich dem sechsten Wirbel näbert, nie verschwindet die Reflexfunklion mit einem Schlag, sondern von dem Punkt ihrer höchsten Intensität an bis zu ihrem vollständigen Ver- schwinden am sechsten Wirbel ist ein allmähliges Abneh- men derselben deutlich ausgesprochen; immer kleinere Gruppen von Muskeln gerathen in Bewegung bei Reizung der Schwimm- haut mit Essigsäure ete., bis endlich am angegebenen Punkt auch die slärksten Reize keine Bewegungen mehr zu erzeu- gen vermögen. Exp. XV. Wird bei einem Frosche der sechste Wirbel von vorn aufgebrochen, sein Körper entfernt, und nun die vordere graue und weisse Substanz quer durchschnilten, so hören alle Re- flexbewegungen in den untern Extremiläten auf. 9 Exp. XVl. Wird der Bogen desselben Wirbels entfernt, und die hin- tere graue und weisse Substanz durchschnilten, so dauern die Rellexbewegungen nach wie vor fort. Exp. XVll. Wird ein mit Opium vergifteles Thier wie in Exp. XII. und XIV. behandelt, so ergiebt sich dasselbe kKesultat nach Entfernung der oberen Partie des Rückenmarks; bis zum sech sten Wirbel entsteht auch auf die heftigsten Reize keine Re- flexbewegung in den unlern Extremitäten mehr. Exp. XVII, Hat man den siebenten Wirbel eröffnet, oder bis zu die- sem die obere llälfte des Rückenmarks und das Rückenmark unter dem siebenten Wirbel stark gereizt, so dass heftige Streckbewegungen eingetreten waren, so war man, auch wenn das Präparat zu Ruhe gekommen war, nicht mehr im Stande, Reflexbewegungen an den untern Extremiläten zu erzeugen. Exp. XIX, Wird einem Frosch ein scharfes Iustrumeut durch die Medulla oblongata gestossen, darauf der Schädel geöffnet, das Gehirn zerstört, um gewiss zu sein, dass alle willkürliche Be- wegung unmöglich ist, sodann der Bauch geöffnet und alle Eingeweide entfernt; endlich das Rückenmark sammt seinem knöchernen Kanal am sechsten Wirbel durehschnitten, so blei- ben an den obern Exiremitäten die Reflexbewegungen voll- ständig, während sie an den unlern ganz und gar fehlen. Exp. XX. Verfährt man auf dieselbe Weise, wie im vorigen Expe- riment, schneidet aber mit der Wirbelsäule’ zugleich alle Weich- theile weg, so dass die untern Extremitäten ganz entfernt sind, so erhält man die Resultate für die obern Extremiläten, in Beziehung auf die Grenzen der Reflexbewegung, auf fol- gende Weise (die Muskeln für die oben Extremitäten sind natürlich auf diese Art vollkommen erhalten): Wird mit ei- nem schmalen Meissel von unten nach oben ein Wirbel nach 92 dem andern mit dem eingeschlossenen Rückenmark durchge- schnitten, und dann jedesmal versucht, ob noch Reflexbewe- gung eintritt, so findet man. dass, so lange bei Durchschnei- dung noch Streekung eintrilt, die Reflexbewegung noch erzeugt werden kann, so wie aber Beugung auf Durchschneidung folgt, bleibt alle Reflexbewegung nicht nur an den obern Extremi- täten, sondern an allen Theilen des obern Rumpfes aus. — Dies geschieht aber am vierten Wirbel. Exp. XXI. Bemerkenswerth ist, dass an den obern Extremiläten die Reflexbewegungen meist und vorwiegend die Form der Strek- kung, an den untern meist die der Beugung haben. Exp. XXI. Am Kopfe dauern, wenn er auch ganz vom Rumpfe ent- fernt ist, so lange noch Gehirnmasse in ihm enthalten ist, die Reflexbewegungen fort. Anmerkung. Wenn uns die früheren Versuchsreihen näheren Aufschluss über die Anordnung .der Centra gewisser Funktionen des Rückenmarks gaben, so dürfte auch diese letzte, die auch von Valentin und Engelhardt mit gleichem Erfolge theilweise angestellt, jedoch nicht näher in Beziehung auf einige Punkte erläutert wurde, auch über den Sitz der Re- Nlexthätigkeit einiges Licht verbreiten. Dass das Rückenmark nicht von allen Punkten aus diese Thätigkeit vermitteln könne, scheint mit Bestimmtheit aus den Versuchen sich zu ergeben; denn wenn man oberhalb der Austriltsstellen der Nerven für die unlern Extremitäten das Rückenmark durchschneidet, so ist es, trotz der Gegenwart noch eines grossen Stückes Mark- masse, nieht mehr möglich, Reflexbewegungen zu erzeugen; ebenso findet, wenn unmillelbar unter dem Austrilt der Ner- ven für die obere Extremität das Rückenmark durchschnitten ist, auf Reizung der Haut der obern Extremitäten weder in diesen, noch irgend einem andern Rumpfmuskel Reflexbewe- gung Stalt; somit grenzt sich also die Rückenmarks-Provinz für die Reflexbewegung durch den dritten und fünften Wirbel 95 ab. Bei den Amphibien findet aber, wie iclı übereinstimmend mit Budge (p. 41.) gefunden habe, ein anderes Verhältniss in Beziehung aul die Vortselzung der bewegenden Rückenmarks- fasern gegen das Gehirn hin Statt: eine Abweichung von dem Typus der höheren Wirbellhiere, indem nämlich ‚die motori schen Fasern nicht bis zum verlängerten Mark forllaufen, son- dern ihre Energie schon früher einbüssen (ef. Exp. III). Gleich- wohl aber tritt an dem abgeschnittenen Kopf noch auf Reizung Reflesbewegung ein, z. B. Schliessen der Augen, wenn man mit einem Körper in ihre Nähe kam (was ich, beiläuflg be- merkt, nie an Kaninchenköpfen wahrnahm); nollıwendig müs- sen diese Thiere noch ein Centralorgan der Kellexbewegung für die Kopfmuskeln besitzen, welches ich jedoch bis jetzt noch nicht aufzufinden versuchte. So viel ist gewiss, für den ganzen Rumpf liegt dieses Centralorgan zwischen dem dritten und fünften Wirbel. Dies sind aber dieselben Grenzen, durch welche die Beugeprovinz der untern und Streckprovinz der obern Extremitäten einge- schlossen wird. Vergleichen wir damit genau die Form der Rellexbewegung an den verschiedenen Extremitäten: reizt man einen decapilirlen Frosch so, dass man elwas Essigsäure auf die vordere Pfole bringt, so sieht man immer, wie das Thier mit gestrecklen Armen den Reiz zu enlfernen sucht, wird auch dazwischen etwas gebeugt, so geschiehl das nur, um eine intensivere erneute Sireekung vorzubereilen, die Streekung ist hier das augenfällige, hervorstechende Phänomen; wie ganz anders an den untern Extremitäten: reizt man die Schwimm- haut mit Essigsäure, so sieht man, wie mit einem Mal rasch und kräftig die Extremität an den Bauch gezogen, das Knie gebeugt und mit dem Tarsus‘eine vibrirende Bewegung ge- macht wird, die vorwaltend den Charakter der Beugung hat. Dadureli unterscheidet sich ja bekanntlich die Reflexbewegung von der willkürlichen, dass bei letzterer, wenn das Thier gereizt wird, die Bestrebungen zu entfliehen durch Sprünge ele. deutlich sind, wobei Sireckbewegungen das unumgängliche 94 Erforderniss sind; deeapilirte *) Frösche dagegen entfliehen nicht; sie können es nichl, weil die Reflexbewegung keine Streckung, sondern Beugung der lintern Extremitäten hervorruft; die Reflexbewegung hat demnach für die untern Extremitäten nur Beuge-, für die obern nur Streck - Provinz zur Disposition. So finden wir ja auch diese Verschiedenheit bei dem Menschen wieder: Kitzelt man die Fusssohle eines Schlafenden, so beugt er den Fuss, kitzelt man mit einer Fe- der Nase oder Ohr, so tritt eine Zuckung in den obern Ex- iremitäten mit dem Charakter der Streckung ein. Es giebt aber krankhafte, so wie gewisse andere Zustände, in denen stalt der Begung immer Streckung der untern Extremitäten durch Reflex hervorgerufen wird, z.B. im Tetanus; aber auch in diesem Falle bleibt die Möglichkeit der Entstehung solcher Reflexbewegungen beschränkt auf ihre Grenzen zwischen dem drilten und sechsten Wirbel (ef. Exp. XVII). Diese Erschei- nung lässt sich nur auf die oben angegebene Weise deuten, Lähmung des Centrums der Beugebewegung kann allein die Quelle dieser abnormen Form der Reflexthätigkeit sein; sie allein ist die vorübergehende Ursache derselben, bei allzuhef- tigen Reizen, auf die wir auch stels Streckung erfolgen se- hen; wo der Reiz ein gewisses Maass nicht überschreitet, nicht als Ueberreizung wirkt, findet nie Streckung, sondern immer Beugung der untern Extremiläten Stall; ja selbst nach zu in- tensiver Reizung der untern Parlie des Rückenmarks tritt keine direkte und keine refleklirte Beugebewegung mehr ein (ef. Exp. IV. und XVIlL). Durch den befligen Reiz der sen- sitiven Fasern waren oberhalb der Reizungsstelle antagonistisch die motorischen Beugenerven gelähmt und darum immer nur Streckung zu erzielen. 1) Die Decapitalion muss aber vollständig sein, d. b, hinter dem Allas geschehen, ist dies nicht der Fall, so ist man nicht sicher, alle willkürlichen Bewegungen ausgeschlossen zu haben; denn ich sah häufig einen ganz andern Modus der Bewegung auf Reize an ei- nem hinter und einem vor dem Atlas decapilirten Frosch. 95 Durch welche Theile (Stränge) des Rückenmarks aber die Reflexbewegung vermittelt wird, wage ich, trotz der häu- gen, mit gleichen Resultaten begleitelen Versuche XV. und XVL, nicht zu enIscheiden, so wie über den Faserverlauf +), wie ihn Valentin oder Budge aus ihren Versuchen er- schliessen, enthalte ich mich bis jetzt alles Urtheils, da ich bis jelzt nur an Fröschen operirte und bei der Kleinheit ihres Rückenmarks Irrungen zu leicht sind, als dass ich wagte, aus Versuchen an diesen Thieren für oder gegen jene Autoritäten mich auszusprechen. — Aus allem aber scheint hervorzugehen, dass die Primilivfasern nicht mit gleicher Energie begabt von der Peripherie nach dem Gehirn aufsteigen, dass man das Rückenmark nicht als ein in allen seinen Theilen gleich orga- nisirtes System von Fasern und Ganglienkugeln betrachten dürfe, in welchem nur die Erregungen der Primitivfasern ein- ander mitgetheilt werden können, sondern dass man es als ein gegliedertes Ganze mit verschiedenen Provinzen zu betrachten habe, von dem das umgekehrte gilt, was man vom Gehirn weiss, indem nämlich in diesem augenfällig eine Summe funk- tionell scheinbar gleichbedeutender, verschieden »rganisirter Gebilde existirt, während jenes ein scheinbar gleichartiges Ganze bildet, ohne anatomische Ablheilungen ete. aber doch aus experimentell nachzuweisenden, funktionell verschiedenen Parlieen zusammengeselzt ist, über deren physiologisches Vor- handensein kein Zweifel zu erheben ist, dessen analomische Differenzen aber vielleicht erst mit der Entdeckung der ana- tomischen Verschiedenheit zwischen sensiliven und motori- schen Wurzeln wird nachgewiesen werden. 1) Dass auch diese Versuche nicht mit Stilling’s Untersuchun- gen über den Faserverlauf im Rückenmark übereinstimmen, ist nicht nöthig hervorzuheben. Ueber den Bau von Lepas balanoides. Von ProrEzssor Mayer in Bonn. Hierzu Taf. IV, Wenn die Natur, dieses Lichtbild (Photographe) des Geistes, überall, wo wir in ihr Inneres einzudringen suchen, selbst da, wo sie äusserlich am einfachsten erscheint, einen Reichthum nnd eine Fülle der wundervollsten Bildungen entfaltet, so sind es doch gewisse Punkte, gewisse Glieder in der grossen Kette der organischen Wesen, welche unsere Aufmerksamkeit be- sonders zu fesseln, unser Interesse vorzugsweise in Anspruch zu nehmen geeignet sind; nämlich diejenigen Punkte, an wel- ehen die Nalur aus einem Reiche in das andere, aus einer Klasse, einer Gallung in die andere überzugehen und beide duech eine Miltelbildung zu vereinigen strebt. Eine solche Mittelstufe der animalischen Bildung zeigen unler den Mollusken auch die Anatifen und Lepaden. — Es unterscheiden sich diese Mollusken von den übrigen ihrer Klasse durch hornartige, gegliederte Füsse oder Tastorgane, wodurch sie sich den Crustaceen, ja selbst den Inseklen an- nähern, durch einen mit Kiefern versehenen Mund, durch Ner- venganglien, welche in einer Reihe liegen, u. s. f. Selbst die histologisch-chemische Analyse zeugt für die Aehnlichkeit der 9m elementaren Zusammensetzung der Cirrhen der Cirrhopoden mit denen der Crustaceen nach C. Schmidt’s schönen Un- tersuchungen. Es war daher der Name Cirrhopoden für sie vollkommen passend gewählt. Cuvier hat den innern Bau dieser. Thiere in seinem un- vergleichlichen Werke (M&moires sur les Mollusques) mit ge- wohntem Scharfblicke analysirt. Es sind jedoch einige wich- tige Organe, über deren Bedeutung und Benennung ich mit dem grossen Anatlomen nicht übereinslimmen kann; nament- lich trifft diese Abweichung meiner Ansichten von den seini- gen die Organe des Geschlechtes, die Hoden, den Oviduct und das damit in Zusammenhang stehende rüsselförmige Organ. Ich habe zwar nur eine ganz kleine Balane (Lepas bala- noides) zu diesem Behufe analysirt, welche kaum die Grösse einiger Linien hatte, dagegen die Untersuchungen Cuvier’s an grossen Lepaden von einem Fuss Länge angestellt worden sind. Allein ich glaube durch-Hülfe der mikroskopischen Be- schauung über die Natur der fraglichen Organe die erforder- liche Gewissheit erhalten zu haben. s "Cuvier nennt das gelbe, kleinkörnige Organ bei Lepas analifera L. richtig Ovarium Er glaubl, diese Körner seien Eier. Je juge, que ce sont des oeufs. Allein er konnte keine Gewissheit hierüber haben, da er kein Mikroskop zu Hülfe nahm. Ich habe die viel kleinern Köruchen des Ovariums bei Lepas balanoides bei einer Vergrösserung von 25 (Fig. 1.) unfersucht und abgebildet, wo sich die ästige Form des Ova- riums, so wie die Struktur der Eierchen auf’s Deutlichsie er- kennen liess. In der beigefüglen Abbildung sieht man bei e die Acsichen des Eierstockes zum Vorschein konımen. Es haben die Eierchen die Grösse von z',, das kleine Bläschen darin 44”. Das weisse Organ nennt Cuvier Oviduct. Er lässt es vom Ovarium enispringen und sodann in einen Kanal enden, welcher in das rüsselförmige Organ ausläuft, an dessen Spitze die Eier zum Vorschein kommen sollen. Nüller's Archir, 1816, vi 98 4. Allein dieses weisse Organ enthält eine milchige, dick- JB Flüssigkeit, wele ler dem Mikroskope aus Saamen- Ihieren. und ihren De Es ist also Hoden- oder Saamenorgan. io; Der Ausführungsgang dieses weissen Körpers ist nichts anders, als der Saamenleiter (vas deferens) und daze rüsselför- mige Or, an, worin dieser Kanal ausläuft, muss als. männliches ‚Glied betrachtet werden. Dass die Eier durch diesen Gang fortgeleitet werden, ist schon wegen seiner Enge nicht wohl möglich. Es sagt zwar Cuvier, dass sie an dessen Ende zum Vorschein kommen sollen, allein er scheint dieses mehr vermulhet, als gesehen zu haben. Es kommen die Eier wohl durch den Anus, in oder nahe welchem der Oviduet ausmün- det, hervor, und lagern sich in Häufehen zwischen dem Man- tel an. Die Selbstbefruchtung geschieht daher dadurch, dass der Penis durch den After in den Oviduct eindringt; daher auch seine Länge begreiflich ist. Cuvier hat dieses Organ nicht genau untersucht, indem er nicht einmal die llaare oder Borsten, mit welchen es versehen ist, wahrgenommen hat. Je n’ai point vu ä l’exiremil& de ce tube la couronne de poils, qu’y repr&sentent plusieurs auteure. (Cuvier, l.c. p.8.) Cu- vier hat entweder die Haare dieses Organes wegen ihrer Zartheit übersehen, oder was wahrscheinlicher ist, sie waren durch Maceralion abgefallen. Die Kiemen liegen in einer ringförmigen Vertiefung der Schaale oder des Gehäuses des Thieres und zeigen die ge- wöhnliche Form der Gefässschlingen. Der Darmkanal besteht aus einer einfachen Schlinge. Mau bemerkt die Längen- und Querfasern desselben unter dem Mikroskope ganz deutlich und zeigen dieselben eine kno- tige oder variköse Form. er Die Form der Autennen und der Füsse, so wie die des rüsselförmigen Organes oder des Penis ergiebt sich aus der Beschreibung der nachfolgenden Abbildungen üieen Theile, ohne nähere Angabe zu bedürfen. + 99 Die Saamenthierchen zeigen ganz dieselben Formen, wie wir sie bei den höhern Thieren wahrnehmen. Man bemerkt nämlich im Saamen ovale und. rundliche Körperchen von 1, als Eier der Spermatozoen; Tonnen siehe Kör- perchen mit erhabenem Randwulst versehen, in welchen das > Saame ier sich bereits gebildet hat, sodann solche, wo das ‘ mit einem Ende erscheint oder aus dem Ei her- aushängt, | nd solche, wo dasselbe sich ganz entwickelt, abbr das Eichen noch als Dottersack n einem Ende festsitzen hat, was den sogenannten Kopf des Saamenthieres "bildet; endlich völlig entwickelte mit abgeworfenen Eihäuten, wo das Koj ende ein ganz feines Knöpfchen bildet und der Schwanz spitz , = zuläuft. I Es geht somit aus der vorliegenden mikroskopisch -analo- mischen Untersuchung hervor, dass bei Lepas balanoides eine unzweifelhafte hermaphroditische Bildung der Geschlechtsor- gane Statt habe. Man hat dieses früher und noch in neuester ‚Zeit in Zweifel gestellt. Hunter hielt für Hoden, was Eier- slock war. Cuvier hat zwar das Ovarium richtig als sol- ches erkannt, aber den floden für den Eierleiter angeschen. Den Rüssel hat Hunter richlig, aber ohne Grund, für den ‚Penis angesehen, Späler erhielt der Rüssel den Namen Ovi- posilor. Goodsir (The Edinburgh new philosoph. Journal, Vol. 35. No. 69. 1843) erklärt sich bei dieser Ungewissheit dahin, dass er den Hermaphroditismus der Balanen und über- haupt der Cirrhipoden ganz läugnet und’ die-bis jetzt unter dem Namen Balanus balanoides bekannten Mollusken für’ -blosse Weibchen hält, deren Männchen er in der schon von Thomson beobachteten, einer Lernaea ähnlichen Larve ge- funden haben will. Es ist dieses vorgebliche Männchen aber nichts anderes, als ein Schmarotzerihier (Nicothoe?), wie meine Untersuchungen nun ausser allem Zweifel zu stellen "geeignet sein möchten. 7%# 100 ” Erklärung der Abbildungen. “ u Fig. 1. Das Thier aus dem Gehäuse entnommen. a der Penis, 5 die zehn Antennen, c die Füsse, d der vordere Leib, wovon der Hoden die Hauptmasse bildet, e der Hinterleib oder der Eierstock. . Fig. 2. Penis, 250 Mal vergrössert. a Ende desselben, woran die Glieder unmerklich werden, 5 hinteres Stück von vier Gliedern, woran man die Querfasern in einzelnen Bündeln und die, Längenfa- sera bemerkt. Y+. ’ Fig. 3. Antennen, 250 Mal vergrössert. a Wurzelstück, 3 Mit- telstück, ce Endstück. 5 Fig. 4. Füsse, 250 Mal vergrössert. a Anfangsstück, 5 Endstück. Fig. 5. Hoden mit einzelnen Läppchen, 250 Mal vergrössert. "Fig. 6: Oyulum, woran das Keimbläschen deutlich erscheint. - Fig. 7a. Saamenthiere auf verschiedenen Stufen der Entwicke- lung, bei 360 maliger Vergrösserang; 75. bei 600 maliger Vergrös- “_ * gerung. we [2 Bericht y über einige neue Thierformen der Nordsee. Von Jon. MüLLer. . Hierzu Taf. V. und VI. Im Herbste vorigen Jahres brachte ich einen Monat in Hel- goland zu, in Gemeinschaft mit den Studirenden Wilms, v. Frangue, Busch, meinen Zuhörern. Wir machten. un- sere Excursiönen zusammen, beobachteten, jeder mit einem Compositum versehen, in demselben Locale und theilten einan- der. das Beobachtete mit, auch wurde das Mehrste von Meh- reren oder Allen zugleich untersucht. Was von Medusen zur Beobachtung kam, desgleichen die Anatomie einer Sagilta von 6—8 Linien Länge, die vollständigere Beschreibung der ebenso rälhselhaften Tomopteris onisciformis Eschscholtz (Briareus scolopendra Quoy el Gaimard) ist den Inauguralschriften mei- ner Commilitonen vorbehalten. Ueber einige Polypen werde ich selbst ein : andermal berichten, für jetzt gebe ich Nachricht von einigen neuen von uns beobachteten, zum Theil sehr räthselhaften Seethieren. 1. Aofineleochs branchiata, Mit Seewasser, welches an der Oberfläche des Meeres geschöpft war, wurde öfter ein nur 1” langes Thierchen ein- 102 gebracht. Einmal damit bekannt, erkannten wir es bald in dem Wasser der Gefässe an seiner gleichmwässig forlschreiten- den Ortsbewegung, mit der es durch das Wasser hinzieht, ohne irgend eine andere Schwimmbewegung, als die Thätig- keit seines Räderorganes. Der Körper des Thiers ist vorn dicker, in seinem hintern grössern Theile elwas dünner, walzenförmig, überhaupt aber einige Mal so lang als vorne breit. Der Mund ist vorn unter einem grossen, breiten, gewölblen, häuligen Deckel von abge- rundetem Umfang, den das Thier ausgebreitet hält und den es von Zeit zu Zeit über den Vordertheil des Körpers (wo der Mund) uach unten und hinten rasch herüberschlägt. Er ist so gross, dass er im zügeklappten Zustande den vordern Theil der Bauchseite,des Thiers verdeckt, In der Gestal@und Lage erinnert dieser Mantel sehr an das Kopfsegel der Tethis, aber dieser Deckel ist gewölbt und sein Rand ist glatt und ohne Fortsälze. | - Von der angewachsenen Wurzel des Deekels an der Rück- seite bis zur Bauchseite des Vordertheils ist das Thier von einem Kranz von 24 langen wimpernden Tentakeln umgeben, welcher in schiefer Stellung das Thier umgürtet, so dass eich die Inserlionen der Tentakeln, sich von oben nach unten fol- gend, je näher dem Bauch, zugleich auch weiter nach hinten befinden. Diese Tentakeln hält das Thier immer ausgestreckt, wenn es damit nicht an einen Körper anstösst. Wenn der Deckel nach unten herübergeklappt ist, so reicht seine Peri- pherie überall gerade bis an den Kranz der Tentakeln und diese stehen daher auch im zugeklappten Zustande des Deckels überall frei hervor. Der aufgeklappte oder zugeklappte Zu- stand des Deckels giebt dem Thier aber ein ganz verschiede- nes Ansehen. Diese Bewegungen gehen rasch vor sich, olne dass die Gestalt des Deckels sich wesentlich ändert. Ist der Deckel ausgebreitet, so ist das Thier um ein. ganzes Viertel länger. In der Substanz des Deckels. sind 2 Lagen von Fa- sern zu erkennen: radiale, welche von der angewachsenen 5 103 Wurzel nach der Peripherie laufen, und concentrische. Der Rand bildet einen bandartigen Wulst, der mit einer Reilie von Pigmentpunkten besetzt ist; es «ind jedoch keine Augen, denn ähnliche Pigmentpunkte befinden sich an der Wurzel aller Tentakeln, auch an den Seiten des walzenförmigen Körpers, und ein Kranz von Pigmen!punkten befindet sich zuletzt am Hinterende, wo das Räderorgan ist. Die Körperwandungen sind durchsichlig, ohne Spur von Gliederung, aber contractil, sie enthalten Cirkelfasern und ver- ändern die Gestalt des Körpers, der bald dicker, bald dünner, bald hier und da eingeschnürt ist. Das Hinterende zeigt einen ringförmigen Wulst, auf diesem sitzt die einfache Reihe sehr starker Wimperhaare auf, welche das Phänomen der Räder- bewegung hervorbringen. Durch ihre Thätigkeit bewegt sich das Thier. allein frei im Wasser fort. _ Das ganze Innere ist sehr durchsichtig. Man sieht mit Leichtigkeit den geraden Darm, der vorn weiter, hinten enger ist und sich am Hinterende innerhalb des Räderorganes etwas zur Seite öffnet. Am Darm lassen _ "sich "unterscheiden : die kurze weile Schlundröhre, welche wenig vorspringt. Gleich dahinter ist der Darm weit und schickt ‚rechts und links einen ganz kur- zen Blinddarm ab; diese Blindsäcke haben ein drüsiges An- sehen“ und sind nach vorn gerichtet. Zwischen dem Darm und den Körperwandungen ist ein freier Raum, welcher von Wasser angefüllt scheint, das am Hinterende, wie es scheint, freien Austritt hat. Vielleicht hat es auch vorn einen Zugang über dem Mund, wo an der Unterseite des Deckels das Bild wie von einer Oeffnung erscheint. Im Raum der Körper- höhle liegen noch andere Organe. Sehr deutlich ist ein dün- ner _ gewundeuer. Schlauch, ‚währscheinlich die männlichen Geschlechtsorgane; sein Ausgang hat ‚jedoch nicht ermittelt werden können. Auch sind noch andere trübe, rundliche er sichtbar r welche zu den weiblichen Geschleclitstheilen zu gehören scheinen. ar 104 ‚ Man kann nicht leicht ein zierlicheres Thierchen unter dem ‚Mikroskop sehen, besonders wenn es mit ausgebreite- ten Tentakeln dahinzieht, Das Thierchen schwimmt durch sein Räderorgan am Hinterende, kriecht aber nicht auf festen Kör 'pern. Wohl wird man beim ersten Anblick auf die Vermu- thung geführt, dass es die Larve eines Molluscums, eines Ga- siropoden aus der Familie der Nudibranchien sein könne, Die Larven der Doris und Tergipes sind indess bekannt, und von ganz verschiedener Form, diejenigen der Tergipes "sind noch kürzlich von Hrn. v. Nordmann beschrieben und abgebildet, und wir haben sie auch in Helgoland gesehen. Die Aehnlich- keit mit Telhis ist nur ganz oberflächlich, die Kiemen sitzen dort auf dem Rücken in 2 Reihen, und der After ist an der Seite des Körpers, auch hat unser Thierchen nichts von Jem Bau eines Molluscams, weder den Verdauungsapparat dersel- ben, noch die Sinnesorgane, noch den Fuss der Gasteropoden. Dass es keine Larve, sondern ein vollkommenes Thier. ist, be- Ba die ausser dem Darm vorhandene gewundene Röhre und Hoch andere Theile, welche nur zu dem Geschlechts- apparat gehören können. Die Gattung mag wegen der Coexislenz des Räderorgans mit Tentakeln Actinotrocha heissen. Wahrscheinlich g ge- hört die Actinotrocha branchiata zur Klasse der Turbellarien und sie ist der Ordnung der Rotalorien auch durch den Be- silz. des Räderorganes verwandt, aber weiter geht diese Ver- wandtschaft nicht, sie weicht ‚von den Formen. der bekannten Familien. der Räderthiere gänzlich ab. ER ist in vielen Exemplaren beobachtet. Aa \ ws 2. Mesotrocha eroculafz In dem eingebrach en Meerwasser befand sieh auch das gegenwärlige 7 Thierch en, aber nur ein Mal. Es ist gegen 1 U lang, schwimmt durch Rä erbewegung und ist auch im 1 Stande, mit seinem geringelten Körper zu kriechen. 105 Das Thierchen stellt einen im Verhältniss zur Länge dik- "ken Schlauch dar, es ist 3 Mal so lang als breit, vorn ist es i 53 ‚breitesten, am hintern Drittheil verdünnt es sich schnell, in lem dieser Theil aus einer Anzahl von ‚Ringeln besteht, die an Durchmesser successiv abnehmen, bis sich an den letzten ein schwanzarliger Zipfel anschliesst. Der Körper des Thiers ist fast g ganz undurchsichtig, weissgrau. as breitere Vorende bildet einen sehr weiten Eingang, der vu von 2 Tabien, einem obern und untern, begrenzt wird. Diese Diese Labien s sind zugleich die Ränder des vordern Körper- endes selbst. Das obere Labium ist abgerundet, kann sich aber nicht auf die Bauchseile überklappen, das untere Labium ist in der Mitte getheilt, ungefähr wie Cartilago Ihyreoidea durch die need, ‚Der zwischen den Labien befindliche, eraus weite e Eingang in die Verdauungsorgane verengt sich och sehr schnell. Die Labien haben einen wulstigen Rand ° Veen befinden sich am obern Labium 6 schwarze ug npunkte, 2 in der Mitte neben einander, 2 jeaeits e dem Mundwinkel und. von diesen ist das äussere queronal. 2 An der Bauchseite ein man vom Vorderende bis an Er e.cäte, Theil 6 seichte quere e Einschnilte auf jeder Seite, welche auch diesem. „Theil des Körpers eine Spur Sy ingelung ge en. Diese Einschnitte sind röthlich, wäh- der ganze übrige or weissgrau ist. Vor dem hin- x Dritt und befin ıden sich 2 das ganze Thier _umgürtende erorgane ‚ane (was an Peridinium erinner!), welche fast voll- i ‚Ring sind, und nur in ‚der Mille der Banpleeile yeht en sie st Ben u die ganze Oberfläche pers von sehr kleinen Wimper n. nler den Räderorgänen sind noch. 6 Ringel, welche 106 successiv abnehmen und an den letzten schliesst sich der schon erwähnte Endzipfel an, der einige Mal länger als breit ist. Ueber den innern Bau haben sich keine Änfschlübse er- halten lassen, weil das Thierchen auch unter dem Compres- sorium undurchsichtig blieb, zumal da es nur ein Mal vorge- kommen ist. Auch dieses Thier gehört walırscheinlich unter die Tur- bellarien, weicht aber von allen bis jetzt bekannten Familien der Räderthiere ab. Die Galtung kann, wegen der Lage « der Räderorgane, Mesotrocha heissen, die Art M. sexoculata. 3. Vexillaria flabellum. nr Mit diesem Namen mag ein gegen, 3 langes Thierehen bezeichnet sein, von so eigenthümlicher Form und ‚Struclar, . dass es dermalen unmöglich ist, zu erralhen, zu welcher Klasse es gehören mag. Es lässt sich nicht einmal die Abtheilung hierwelt angeben, der es mit einiger Wahrscheinlichkeit, I... Ai wäre, uuEs besteht aus einem Körper und einem n schwanzarligen platten. Wedel; beide sind so verbunden, ‚wie der Kopf eines Hammers mit seinem Stiel. ‚Der Theil, der ‚eben ‚dem Kopfe eines Hammers verglichen wurde, enthält die Eingeweide, er ist an dem einen Ende spilzer, an dem andern stump un gegen zwei Mal so lang als breit. _Man unterscheidel eine äussere Haut und verschiedene theils. ki kö örnige,, theils schlauch- artige Eingeweide von zelligem en diese liegen aber so verschlungen, und sind so ee Gestalt, dass eine Er- klärung ihres Zusammenhanges nach der. "Analogie, anderer Baier Aumöeleh war. be, ‚bleibt nichts. ‚anderes üb als ei liefern, was unler rare man deutliche ee An ie en .- "5 107 44, d) zeigen sich an der Eingeweidemasse gelbe Flecken. Von Sinnesorganen konnte nichts erkannt werden. Der mit dem Stiele des Hammers verglichene Theil ist näher dem stumpfen Ende des Körpers befestigt und stellt ei- nen seitlich comprimirten langen Schwanz dar, von der Ge- stalt eines zweischneidigen krummen Säbels. Der concave Rand des Schwanzes ist auf der Seite, wo das stumpfe Ende des Hommerkopfes ist. Dieser Schwanz ist niedrig an seiner Insertion, nimmt allmählig an ‚Höhe zu, behält dann lang hin seine Breile und verliert sie am hintern Ende wieder. Mit diesem Schwanz wedelt das Tbierchen unaufhörlich in star- ken Schlägen und schnellt sich dadurch frei im. Wasser herum. gr ie Structur des Wedels, der völlig durchsichtig, ist wohl zu erkennen. In der. „Achse läuft ein Cylinder, der ungefähr der Chorda von einem Cyelostomen gleicht, er ist aber von feinkörniger Structar. Dieser Cylinder nimmt nach hioten an Dicke ab. ber und unter dem Cylinder verläuft ein Ge- fäss und beide stehen am Ende des Cylinders und vor dem Ende des Schwanzes in bogenförmiger Verbindung. In diesen Ge ässen strömen Körnchen, _ und zwar in dem Bauchgefäss gegen das E Ende des Schwanzes hin, in dem obern Gefäss nach dem Hammerkopf” zurück. "Breiter als der Cylinder mit den ihn begleitenden Gefässen ist eine Bekleidung der Seiten des Wimpels mit Elocz.s Substanzlage, welche der Sitz der Bewe- ung. desselben zu sein scheint, ungefähr wie die Seitenmus- Er an einem ‚Fischschwanz, Diese EmnE zeigt Hin und 108 Vermulhungen über seine Stellung würden für jetzt ebenso überflüssig als unbegründet sein, und mögen die Vexillaria fla- bellum und ihre etwaigen Verwandten der Aufmerksamkeit fernerer Beobachter empfohlen sein. 4. Pluteus paradoxus. x Noch wunderlicher ist das kaum 1’“ grosse Geschöpf, das mit diesem Namen bezeichnet wird. Es fand sich gar nicht selten unter kleinen Algen und Polypen, die von Stei- nen abgelöst waren, wenn diese und die daran sich herum- treibenden Thierchen in kleinen Glasschälchen mit Suchgläsern durchmustert wurden. if Der erste Anblick erinnert so ungefähr an eine Staffelei, oder bestimmter, wir sehen ein Gestell vor uns aus 2 Seiten- leisten, die nach oben convergiren und hier in die Quere ver- bunden sind, nach unten divergiren und von denen jede noch ein Fussgestell von 2 Stäben abgiebt. Die Seitenleisten kom- men sich an dem obern spitzen Ende des Ganzen sehr nahe, ohne sich zu berühren, sondern sind’ vor ihrem Ende durch 2 Querleisten verbunden, welche einen flachen Ring bilden. Ungefähr in der Mitte der Länge der Seitenleisten gehen die 4 Stäbe des Fussgestells ab, 2 Stäbe von jeder Seitenleiste, welche sich nach unten krümmen. Letztere liegen nicht in derselben Ebene mit den Seitenleisten. Die 4 Stäbe des Fuss- gestells reichen so weit nach unten, als die Seitenleisten, so dass, wenn man sich das Ganze aufgerichtet denkt, das Gestell auf 6 Füssen rulıt, wovon 2 nach den Seiten ausweichen, 4 einander näher sind, aber auch divergiren; zwei von den 4 Stäben geben noch an ihrem obern Theil einen kurzen ‚Sei- tenast ab, der so gerichtet ist, wie die unlern Schenkel der Seitenleisten. Dh Alle diese Stäbe u Leisten bestehen aus ee: sten, unorganischen Substanz, welche unzerslört zurück- bleibt, wenn die hernach zu erwähnenden thierischen Theile durch Verwesung zerstört werden, also ein ganz eigenthüm- 109 liches Skelet. Die Stäbe sind an den meisten Stellen einfach, nur die langen Seitenleisten sind an ihren untern breitern Schenkeln von.einer Reihe Lücken nelzarlig durchlöchert, schicken auch nach aussen ganz kurze Dörnchen ab. Biche die Abbildung. Die Stäbe sind im frischen Zustande von einer weichen thierischen Rinde überzogen. Diese füllt auch den ganzen Zwi- schenraum zwischen den Seitenstäben von dem obern spitzen Ende des Gestells bis zu der Stelle aus, wo das Fussgestell abgeht, die unteren Schenkel der Seitenleisten stehen dagegen frei hervor, nur von thierischer Rinde überkleidet. Die mittlere thierische Masse füllt auch den Zwischenraum zwischen den 4 millleren Stäben des Fussgestells aus, aber nicht ganz bis ans unlere Ende, vielmehr hört die thierische Substanz mit bogenförmigen Rändern auf, so dass die A Stäbe des Fussge- stells zuletzt frei hervorireten und nur von thierischer Rinde überzogen sind. Die vorher erwähnten 2 kurzen Seitenäste sind auch frei und nur von thierischer Rinde bekleidet. Die thierische Masse erscheint feinkörnig. In der Mitte des Ganzen enthält sie eine ringförmige Zeichnung und kurz darunler eine halbmondförmige Figur, die von einigen Läpp- chen umgeben ist. An der letzten Stelle (x) waren von Zeit zu Zeit deutliche Contraclionen zu sehen. Ville ist es der von unten zugängliche Mund. Die thierische Substanz ist weissgrau, an Ben Enden aller Stäbe ist sie gelb gefärbt, so auch die thierische Substanz des obern spilzen ‚Endes. Das zierliche Skelet ist schon im frischen Zustande durch die tierische Masse hindurch sichtbar, völlig deutlich und iso- lirt wird es bei längerm Liegen der Körperchen in Wasser, wo dann allmählig die thierische Substanz verloren geht. Dies räthselbafte Geschöpf wurde 5 Mal, immer in glei- cher Form, beobachtet. Es lag völlig ruhig auf der Seile, wie eine umgestürzie Staffelei oder Fussgestell, und die einzige thierische Bewegung war nur an der angezeigien Sielle. 110 Es entsteht die Frage, ob es ein Thier für sich, oder ein Theil irgend eines Thieres sei. In dem einen sowohl als an- dern Fall würde es gleich rälhselhaft sein. Es wurde immer so vollständig beobachtet, als es abgebildet ist, und es zeigle sich keine Stelle, wo etwas abgebrochen wäre. Ohne uns auf weitere Deutungen einzulassen, wozu gar kein Anhalls- punkt vorhanden ist, empfehlen wir auch diesen Körper der Aufmerksamkeit fernerer Beobachter, und da einmal alles einen Namen haben muss, so mag dieser Körper Pluteus heissen, was so viel als Staflelei oder Gestell bedeutet. Obgleich eine gute Anzalıl naturhistorischer Zeitschriften und besonderer Schriften über mikroskopische Thiere nachge- sehen worden, so hat sich doch nichts den 4 hier beschrie- benen Formen Achnliches auffinden lassen. Erklärung der Abbildungen. Taf. V. Fig, 1. 2. Actinotrocha branchiata. Fig, 1. mit aus- gebreitetem, Fig. 2. mit zugeklapptem Deckel. a Mund, 5 Darm, e Alter, d Räderorgan, e- Tentakeln, f gewundener Schlauch, zu den Geschlechtsorganen gehörend. . Fig. 3. 4. 5. Mesotrocha sexoculata, Fig. 3. obere, Fig. 4. untere Seite; Fig. 5. Seitenansicht. Taf. VI. Fig. 1. Vexillaria flabellum. a, 2,c Stellen, wo im Innern Wimperbewegung zu sehen. d,d,d Stellen, welche gelb ge- färbt sind. e,e oberes und unteres Geläss des WVedels. / Seiten- münskel des Wedels. & Flossenartiger Saum. en Fig. 2. Pluteus paradoxus. x Stelle, welche sich zusammenzieht, Fig. 3. Das Skelet des Pluteus paradoxus, 4 Ueber die landulae utriculares des Uterus des Men- schen und ihren Antheil an der Bildung der Decidua. s Von Dr. Tu. Luow. Wıra. ‚Bıscuorr, 0 Professor der Anatomie und Physiologie zu Giessen. Hierzu Tafel VI, "Seitdem E. H. Weber seine neuen Beobachtungen über den Bau der Decidua des menschliches Eies und die Drüsen der "Schleimhaut des Uterus in J. Müller’s Physiologie, Bd. II. Ei, bekannt gemacht, ist meines Wissens in Deutschland bis jetzt ‚nichts Weiteres über diesen Gegenstand veröffent- ihl Nororden. "In England hat Sharpey in einer Note zu der Uebersetzung jener Stelle von Müller’s Physiologie seine mit Weber’ s Angaben ganz übereinsiimmenden Beobachtun- ‚gen mitgelheilt, und ausserdem bemerkt, dass John Reid ganz elbe Entdeckung gemacht, Der Uterus des mensch- N eibes besitzt hiernach dieselben Drüsenkanälchen, welche wir schon seit längerer Zeit in und hinter der Schleim- haut des Uterus mehrerer Säugelbiere kennen, und es gehört zu den ersten Erscheinungen einer erfolgten Conceplion, dass si Drüsen n sich stärker : zu entwickeln anfangen, und in ih- sseren. Ausbildung den Anfang der Decidua vera dar- päter, und wenn das’ Ei in den Uterus gelangt ist, 112 ist es nach Analogie der Verhältnisse beim Hunde, welche Sharpey an der genannten Stelle genau angegeben hat, die ich auch in meinen Untersuchungen vollkommen bestätigt fand, wahrscheinlich, dass sich die Zotien des Chorion in die sich immer mehr entwickelnden Uterindrüsen einsenken, mit ihnen wachsen und sich verzweigen, und einen wesentlichen Be- standtheil nicht nur der Decidua, sondern auch des Mutter- kuchens ausmachen. Verschiedene frühere Beobachtungen über die Decidua lassen sich mit diesen neueren Entdeckungen leicht in Ueber- einstimmung bringen. So das längst schon seit Hunter be- kannte, fein durchlöcherte Ansehen der freien Seite der Deei- dua, welches von den Mündungen der sie zum grossen Theile bildenden Uterindrüsen 'herrührt. So die Angaben von Ed. Weber (Hildebrand’s Anatomie, IV. p. 467.) und v. Baer. (Entwicklungsgeschichle, II. p. 266., und v. Siebold’s Jour- nal, XIV. p. 403.) über die zoltige Beschaffenheit der ersten Anfänge der Deeidua; denn diese sogenannten Zotten- sind offenbar nichts anderes, als die genannten Drüseneylinderchen. So endlich das auch schon früher bekannte, neuerdings be- sonders von Geohegan (Behrend’s Repertorium, Ba. IL p-. 343.), Montgomery (Die Lehre von den Zeichen. ‚der menschlichen Schwangerschaft , übersetzt von 'Schwann, p- 158.) und R. Lee (T,ond. med. ‚Gaz. 1842. Dec. P- . 358 beschriebene blasige. und zellige Ansehen der Decidua,. wel- ches von den erweiterten Drüsenkanälchen in späterer 7, Zeit hervorgebracht wird. u Nach allen diesen Angaben. konnte uud kann kein. Zwei- fel über die Wirklichkeit der Uterindrüsen ‚und ihren Antheil an der Bildung der Deeidua und Placenta beim Menschen mehr obwalten, und.eine neue Miltheilung in dieser Hinsi kann als überflüssig. erscheinen. Inzwischen finden ich "doch noch immer einige Lücken, und namentlich besitzen w r auch noch keine gute Abbildung, des Statt Sodegiciheril die um so weniger überflüssig sein möchte,saläl,nicht, Jeicht‘ 113 Viele Gelegenheit zur eigenen Beobachtung finden werden. Lückenhaft sind unsere Kenntnisse noch insofern, als noch Niemand die Uterindrüsen im nichtschwangern Uterus be- schrieben hat; denn die von Krause (Handbuch der Anato- mie, I. p. 565.) und Berres (Jahrb. d. östr. Staates N. F. Bd. XIII. p. 538., und Abbildungen mikrosk. Gebilde, Heft X. Tab. XIX.) gemachten Angaben, können zwar allerdings auch die Uterindrüsen betreffen, sind aber doch nicht zur ge- nügenden Beantwortung der Frage ausreichend. Leider kann ich auch selbst hier noch keine weitere Aufklärung haben. Ganz leicht muss die Auffindung und Erkenntniss dieser Drü- sen im nichischwangern Zustande nicht sein, wenigstens konnle ich sie bei mehreren früheren Präparationen nicht entdecken, wälrend ich mehrere Male die Erhebung der inneren Uterin- fläche in sehr kleine ceylindrische Zöttchen gesehen zu ha- ben glaube. Vor Kurzem aber erhielt ich einen Fall zur Untersuchung, der mich die Uterindrüsen kurz nach erfolgter Conception und ihren Antheil an der ersten Bildung der Decidua sehr deut- lich und übereinstimmend mit den Angaben von Weber, Sharpey und John Reid erkennen liess, welche ich daher hier beschreiben will. Am zweiten Ostertage, den 24. März d. J., wurde der Leichnam einer 31 Jahre allen Bäuerin, -welche sich Tages zuvor ertränkt hate, der Anatomie übergeben. Ich war un- wohl, konnte nicht ausgehen, und da mir angezeigt wurde, dass die Unglückliche verheirathet gewesen sei, in einer 10 jäh- rigen Ehe 8 Kinder geboren habe, das letzte im Juni vor. Jah- res, so wurde meine sonst auf jede jüngere Selbstmörderin gerichtete Aufmerksamkeit abgeleitet, da ich nicht glaubte, auf einen Fall von Schwangerschaft oder Schwängerung rechnen zu können. Ich liess den Leichnam folgenden Tages injieiren, was auch so wohl gelang, dass selbst die Venen von den Ar- ferien ausgefüllt wurden. Erst 5 oder 6 Tage danach war es mir möglich, die Analomie wieder zu besuchen, wo ich Müller's Archir. 1946. 8 114 denn die Leiche in Augenschein nahm, welche sich allerdings bei der herrschenden Kälte übrigens ganz erträglich erhal- ten hatte. Zu meinem grossen Bedauern sah ich dem Uterus und dem linken Eierstocke sogleich an, dass eine Schwängerung vor Kurzem Statt gefunden haben musste. Ersterer hatte be- reits einen grösseren Umfang, als er auch bei einer Multipara zu erreichen pflegt, und zeigle dabei zugleich jenes vollere, entwickellere Ansehen, welches Organe in einem höheren Grade ihrer Thäligkeit, und namentlich der schwangere Ute- rus, darzubielen pflegen, und mir von dem Uterus der Thiere sehr wohl bekannt ist. Die Eierstöcke waren beide anseln- lich, aber der linke zeigle ein grosses, gegen 8P. L. im Durch- messer habendes frisches Corpus luteum, d.h. einen zerplatzten Gr. Follikel, dessen Inneres mit einem Blutcoagulum und Ex- sudat erfüllt war, welches bereits ein strahliges Gewebe auf einem Durchschnitt zeigte (Fig. 3.). Die Gefässe, besonders die Venen, sowohl des Uterus als der Eierstöcke, waren sehr entwickell, und unter letztern solche (im injieirten Zustande) von der Dicke einer Schwanenfederspule. Ich schnitt nun die Genitalien sogleich aus der Leiche aus und betrachtete zuerst die Beschaffenheit der Höhle des Uterus, die leider auch sehon vorher durch einen Einschnitt eröffnet worden war. Ein Ovulum von irgend einer dem un- bewaffneten Auge leicht erkennbaren Grösse war nicht vor- handen; allein die innere Oberfläche der Höhle des Uterus bot sogleich ein so von dem gewöhulichen abweichendes An- sehen dar, dass ich nicht zweifelte, mit einer beginnenden Schwangerschaft und einer in der ersten Entwieckelung be- grilfenen Deeidua zu !hun zu haben. Ehe ich indessen das- selbe beschreibe, will ich meine weiteren Nachforschungen zur Constalirung der Schwangerschaft mittheilen. Das Vorhandensein eines frischen Corpus luleum allein konnte mich natürlich nicht veranlassen, an eine beginnende Schwangerschaft zu denken, da dasselbe ebensogut auch nur 115 von einer vor Kurzem dagewesenen Menstruation hälte her- rühren können. Ich durchsuchte daher auf das Eifrigste den linken Eileiter und den Uterus nach dem ausgelretenen Ovu- lum. Allein alle meine Mühe war vergebens. Auch hatte ich mir wenig Hoffnung gemacht. Die Leiche war schon über 8 Tage alt, halte zum Behuf der Injeclion in warmem Wasser gelegen; da liess es sich nicht mehr erwarten, einen so zarten Körper, wie ein Ovalum, aus dieser frühesten Zeit noch un- verletzt vorzufinden. Ausserdem muss ich bekeonen, dass ich das Auffinden eines Ovulum des Menschen im Eileiter immer für einen glücklichen Zufall halten werde, dä keine Sorgfalt, kein Geschick, keine Uebung hier das Resultat absolut sichern kann, wie dieses bei frisch gelödtelen Säugelhieren meist der Fall ist. Ich nabm nun also auch zu anamnestischen Erkundigun- gen meine Zuflucht, uud durch die sehr gefällige Mitwirkung des Hrn. Physikats- Arztes Dr. Pfeffer zu Biedenkopf erfuhr ich mit Sicherheit, dass die Verunglückle ihre Menstruation früher ganz regelmässig alle A Wochen und zwar gewöhnlich stark gehabt habe. Noch drei Wochen vor ihrem tragischen Tode hatte sie ihre Regeln stark und der Coilus soll seitdem mehrmals und noch in den lelzten 8 Tagen vor ihrem Tode mit ihr ausgeübt worden sein. Diese Angaben genügen ganz zu der Einsicht, dass die Person nach der zuletzt dagewesenen Menstruation coneipirt halte, also 14 Tage bis 3 Wochen schwanger war. Die innere Fläche der Höhle des Uterus nun halte ein von dem gewöhnlichen ganz verschiedenes Ansehen, welches namentlich, wenn der Ulerus im Wasser lag, deutlich hervor- trat, und in der beiliegenden Abbildung (Fig. 1.) wiederzuge- ben versucht worden ist. Dieselbe halte nämlich eine sehr zarte, scheinbar zollige Beschaflenheil, welche besonders auf den Schnitträndern deutlich hervortrat. Die Fläche selbst, von oben betrachtet, erschien wie fein durchlöchert, oder vielmehr dicht, mit kleinen weissen Punkten beselzt, welche auf den 8° 116 Durchsehnitten als die freien Enden der scheinbaren, ebenfalls weiss erscheinenden Zöltehen erkennbar waren. Diese Zölt- chen waren aber in der That keine solche; denn ersiens wa- ren sie alle durch eine halb durchscheinende Masse mit einan- der verbunden; dann aber war es für einen des Gegenstandes Kundigen leicht, bei schwächeren und stärkeren Vergrösserun- gen und an senkrechten Durchschnitten zu erkennen, dass die- selben kleine, 14—?2 P.L. lange eylindrische Drüsenschläuche waren. Mit den analogen Gebilden beim Iunde. der Kuh, dem Schweine ete. bekannt, konnte mir über ihre Natur schon beim ersten Anblicke kein Zweifel bleiben; es waren dieselben Uterindrüsen-Kanälchen, welche ich im nichtschwan- geren Zustande vergebens gesucht halte, die aber ‚hier ganz klar und deutlich selbst für das unbewaffnete Auge hervortra- ten, wie sie in Fig. 2. schwach vergrössert dargestellt sind. Gegen die Substanz des Uterus zu endiglen sie blind, ohne durch eine deutlich geschiedene Schleimhaut hindurch zu tre- ten, sondern sie sliessen mit ihren blinden Enden auf das Fa- sergewebe des Uterus auf, Ihr Verlauf war im Ganzen ge- streckt, schwach geschlängelt; ich sah keine sich verzweigen- den oder untereinander anastomosirenden, die indessen nach Analogie bei Thieren doch wohl vorhanden sein könnten. Un- zweifelhaft waren sie dieselben Gebilde, welche Ed. Weber und v. Baer als Zöltchen beschrieben haben. Da ich mich nun beim Hunde ganz in Uebereinstimmung mit Sharpey überzeugt habe, dass diese Drüsenkanälchen, besonders in ihrem Anfangsstücke schlaucharlig erweitert, die Zotien des Chorion aufnehmen, wie ich dieses in meiner eben erscheinenden Entwicklungsgeschichte des Hundes abgebildet habe, nun in rasch fortschreitender Entwiekelung mit diesen die sogen. Decidua des Ilundeeies, richtiger aber dessen Pla- centa zu bilden: so halte ich es für keinem Zweifel unter- worfen, dass sich bei dem Menschen eine ganz ähnliche Ein- richtung findet. Diese Drüsen scheinen im nichtschwangern Zustande nur sehr unentwickelt, fast nur wie kleine Crypten 117 und Follikel, vorhanden zu sein; nach erfolgter Conception aber alsbald stark zu wachsen, während zugleich auch Exsu- dalion von der Fläche des Uterus erfolgt, und die Drüsen so gewissermaassen in dieses Exsudat hineinwachsen. Beides zu- sammen, die Drüsen und das Exsudat, bilden alsdann die De- cidua, und an der Stelle des Eies, wo durch Anlage der Al- lantois die Zotten sich weiter entwickeln, die Placenla. Die Deecidua ist daher in der That, wenn auch nicht die Membrana, doch das Stratum uteri internum evolutum, und als solches theils Entwickelungsprodukt vorhandener Gebilde, theils Neubildung. Bei der Geburt erfolgt eine wahre Ab- stossung der inneren Lage des Uterus, wahrscheinlich indessen mit Hinterlassung des blinden Grundes der Drüsenkanälchen. * Wie sich die mülterlichen Blutgefässe zu diesen erweiler- ten und die Zotten enthaltenden Kanälchen in der Decidua und der Placenta verhalten, wird, wie bisher, beantwortet werden müssen. In der übrigen Decidua bilden sie nur ge- wöhnliche Capillarnelze. In der Placenta aber bleibe ich fort- während der Ansicht E. H. Weber’s zugetlian, dass der Uebergang aus den Arterien in die Venen durch ein weiles zartes Venenmaschennelz vermittelt wird, zwischen welchem die erweilerten Drüsenkanälchen mit den in ihnen steckenden Zotten und deren Gefässen eingesenkt sind. Zwei Punkte bleiben bei dieser Ansicht von der Bildung der Decidua und Placenta noch übrig, weiler aufzuklären. Einmal nämlich die Bildung der Decidua reflexa, und zwei- tens das Verhalten bei einer Graviditas tubaria, die einzige wahre und primäre Form einer Graviditas exlrauterina, welche ich noch anzunehmen für möglich halte. Ueber den ersten Punkt hat sich auch schon Sharpey ausgesprochen, und die Lösung der Frage dadurch versucht, dass er der Decidua reflexa eine andere Beschaflenheit, als der vera, und nanentlich nicht jenen Drüsenbau zuschreibt, sie vielmehr als reinere exsudative Neubildung um das Ei herum betrachtet. Ich bin der Meinung, dass es neuer, genauer, an 118 frischen Fällen angestellter Untersuchungen bedarf, wiederhole hier aber eine schon an anderen Orten gemachte Bemerkung, dass man doch nicht vergessen möge, dass das Eichen, wenn es in den Uterus kommt, —;—-5 P.L. im Durchmesser hat, alle rein mechanischen Vorstellungen daher über die Bildung der reflexa bei diesem Eintrilte des Eichens ganz von selbst wegfallen müssen. Der Antheil der Uterindrüsen an der Bil- dung der Deeidua vera ist erwiesen. Das unbekannte Ver- halten der reflexa dazu kann nicht als ein Zweifelsgrund, sondern nur als eine Aufforderung zu weilerer Forschung be- trachtet werden. Was die Graviditas tubaria betrifft, so bedarf sie, meiner Ansicht nach, auch noch einer, mit den Verhältnissen vertrau- teren Untersuchung, als sie bisher gefunden, namentlich auch in Beziehung auf die auch dann vorhanden sein sollende Decidua. Und so viel kann ich sagen, ist eine mit Recht so zu nennende Bildung wirklich vorhanden, so haben keine Drüsen an ihrer Bildung Antheil, denn die Schleimhaut der Eileiter besitzt, wenigstens so weit ich dieses erkennen konnte, keine solehe Drüsenkanälchen. Ausserdem beweiset alsdann die Graviditas Iubaria, dass diese Drüsen keine un- erlässliche Bedingung zur Entwickelung des Eies und der Placenta abgeben, was ich auch schon deshalb bezweifle, weil ich nach meinen Untersuchungen noch immer behaupien muss, dass es Thiere giebt, denen sie fehlen. Dahin rechne ich das Kaninchen, obgleich E. H. Weber in Hildebrand’s Anatomie, IV. p. 507., angiebt, dass sie auch hier vorhanden seien, aber nicht die Form von Schläuchen, sondern von ovalen Säckchen hätten; und nach einer Anmerkung der Redaktion dieses Archives zu dem Jahresbericht von 1841, p: CXXX., auch Reichert dieselben gesehen haben soll. Bei dem Kaninchen schien mir die erste Bildung der Pla- centa durch feine Fältchen der Uterinschleimhaut vermittelt zu werden, wie Eschricht dieses auch von anderen Thieren 119 angegeben hat. Dass diese Drüsen überhaupt ein wesent- liches Miltelglied bei der Ernährung des Eies und Fötus bil- den sollten, das glaube ich noch nicht, wenn ihnen auch die Absonderung jener weisslichen Flüssigkeit, die man na- menllich bei Wiederkäuern zwischen Chorion und Amnion, oder in den Carunkeln der Uterinschleimhaut findet, ange- hören sollte. Giessen, den 6. Juli 1845. Kurze Notiz über allgemeine vergleichende Anatomie niederer Thiere. Von H. LeEserrt, praktischem Arzte in Bex in der Schweiz, und Cu Rosınm, Arzt in Paris. Wenn wir auch bei dem jetzigen Zustande der Wissenschaft die allgemeine Anlage, Form und Bedeutung der Organe einer grossen Zahl niederer Thiere kennen, so müssen wir doch ein- gestehen, dass unsere Kenntnisse über die innere Struktur und die Elementarzusammensetzung der Organe und Gewebe noch sehr unvollständig sind. Dieser Theil der allgemeinen Anatomie scheint uns aber eines um so genaueren Studiums würdig, da einerseits Bau und Funktion sich überall in den Organen entsprechen, und anderseits gewiss in diesen allgemein- anatomischen Untersu- chungen der Schlüssel zur Bestimmung der oft so räthselhaf- ten Natur der Organe liegt. Im vergangenen Frübjahr von der Pariser medizinischen Fakultät beauftragt, an die Küste der Normandie zu gehen, um für ein neu zu gründendes Museum der vergleichenden Anatomie an der Meeresküste zu sammeln und Präparate an- 121 zuferligen, haben wir reichliche Gelegenheit gehabt, eine ziem- lich grosse Menge frischer Seethiere zu untersuchen. Wir ha- ben uns mit besonderer Vorliebe mit histologischen Untersu- chungen niederer Thiere abgegeben, und werden dieselben später vollständig und ausführlich, durch neuere Untersuchun- gen bereichert, bekannt machen. Der Zweck dieser Zeilen ist hauptsächlich, einen kurzen Ueberblick über diese Untersuchungen dem Leser zu geben, zu kurz freilich, um allgemeine Folgerungen zu erlauben, hof- fentlich jedoch hinreichend, um die grosse Mannigfalligkeit der Zusammenselzung der flüssigen und festen Theile der niederen Thiere zu zeigen. I Blut. Wir haben das Blut mehrerer Mollusken, Molluskoiden (Ascidien) und Crustaceen untersucht. Dieses helle, klare, farblose Blut schliesst bei allen untersuchten Thieren viele deutlich mit dem Mikroskop erkennbare Blulkügelchen ein, freilich verhältnissmässig in viel geringerer Menge, als das der höheren, der Wirbelthiere. Die Blutkügelchen der Mollusken sind im Allgemeinen rund, etwas abgeplaltet, von blasser Farbe, meistens in ihrem Innern einen, zuweilen zwei Kerne enthaltend, so wie zwi- schen Zellenwand und Kern eine gewisse Menge von Mole- kular-Körnchen zeigend. Die Farbe dieser Blutzellen spielt meist mehr vom matt - weissen ins Graue, seltener ins Gelb- liche. Nachdem wir uns bei unsern ersten Untersuchungen überzeugt hatten, wie schnell uod wie leicht diese Kügelchen sich durch jede heterogene Mischung zersetzten, haben wir später, um jeden Irrthum zu vermeiden, dieselben immer nur mit der Blutflüssigkeit der gleichen Species verdünnt unler- sucht. Zu dem Zweck haben wir dann immer das Herz blos- gelegt und eröffnet, und den frisch austretenden farblosen Blutstropfen auf einem Glasplättchen aufgefangen, und so, mit einem dünneren Glasplättchen bedeckt, unmittelbar unter das 122 Mikroskop gebracht. Und selbst bei Beobachtung aller dieseı Vorsichtsmaassregeln alterirt sich das Blut schnell; nach kaum einer halben Stunde Zeit werden diese Kügelchen unregel- mässig in ihren Umrissen, welche ein concav gekerbtes An- sehen bekommen, das mit der ähnlichen Alteration der aus dem Cirkulationsstrom entfernten Blutkügelchen der höheren. Wirbelthiere übereinkommt. Die Grösse der Blutkügelchen der Mollusken fanden wir schwankend zwischen 0,005 und 0,0125 Mm., zuweilen fan- len wir sie ein wenig grösser. Die Kerne hatten im Durch- sehnitt zwischen 0,005 und 0,01 Mm. Es versteht sich hier- nach von selbst, dass wir in den kleineren Blutkügelchen von 0,005 Mm. keinen Kern gefunden haben. Wie dies bei allen, sowohl normalen als pathologischen Elementarzellen der Fall ist, so haben wir auch hier in den Kügelchen des gleichen Individuums ziemlich bedeutende Grössen -Schwankungen ge- funden. Die Blutkügelchen von Mactra edulis zeigten keinen Kern. Ihre Grösse variirte zwischen 0,012 und 0,018 Mm. In ihrem Innern fanden sich einzelne Molekularkörnchen. Die Blutkügelchen der Gattung Lima hatten im Durch- schnitt 0,01 Mm. und zeigten nicht bloss keine Kerne, sondern nicht einmal Molekularkörnchen, und hatten fast das Ansehen kleiner Fettbläschen. Bei den Cephalopoden hatten die Blutkügelchen ebenfalls 0,01 Mm., und enthielten in ihrem Inneren einen bis zwei von Molekularkörnchen umgebene Kerne, Bei den zusammengeselzten Ascidien, besonders dem Ge- nus Amarucium Miln. Edw., waren die Blutkörperchen nicht über 0,005 Mm. gross. Bei Pagurus streblonyx fanden wir die Form der Blut- zellen bald rund, bald oval, und zwar beide Formen sich im gleichen Individuum vorfindend. Ihre Grösse wechselte zwi- schen 0,01 und 0,0125 Mm., der Kern war verhältnissmässig gross 0,0075— 0,01 Mm. Im Allgemeinen sind bei allen die- 123 sen Blutkügelchen die Kontoure der Kerne viel deutlicher und stärker, als die der Zellenvwvände. Die zahlreichen Abbildungen, welche wir zu diesen Be- schreibungen, so wie für die folgenden angefertigt haben, werden erst später mit unserer grösseren Arbeit veröffent- licht werden. I. Herz. Das Herz der Mollusken und Crustaceen bietet in seinem Bau fast eine so hohe Organisation dar, als das der höheren Thiere, was übrigens nicht auffallend ist, wenn man sich durch gute Injectionen überzeugt hat, wie vollständig, und oft complieirt, der Blutumlauf noch in den meisten Mollusken ist, wovon man sich schon auf den ersten Blick bei dem wegen seiner milchweissen Gefässe natürlich injieirt aussehen- den Genus Limax überzeugen kann. Man mag den fleischigen Ventrikel der Gasteropoden, oder die dünne, vom Rectum durchsetzte Herzkammer der Acephalen, oder selbst den dün- nen und durehsichtigen Theil des venösen Herzens der Mol- lusken nehmen, so findet man bis auf eine einzige bis jetzt uns bekannte, später zu cilirende Ausnahme, stets als Haupt- element des Herzens mehr oder weniger vollständig organisirte Muskelbündel. Die feinen primitiven Muskelfasern sind über- all leicht erkennbar. Bei vielen Arten sind zwischen densel- ben eine Menge Molekularkörnchen eingestreut, welche selbst zuweilen das Erkennen der Primitivfasern erschweren. Die Primilivfasern sind durchgängig zu Bündeln gruppirt, und bei vielen sind noch diese einfachen Bündel zu zusammengesetz- teren verbunden. Im Allgemeinen bilden die Bündel netzför- mig verschlungene Lagen -mit maschenarligen Lücken und Zwischenräumen. In der Mactra edulis zeigen die Primitivfasern keine Körn- chen zwischen sich; die Bündel erreichen eine Breite von 0,02 — 0,025 Mm. Jedes Bündel enthält acht bis zwölf Pri- mitivfasern. 124 Die Muskelbündel von Lima sind blass, feinkörnig und dünn. Die Breite der Bündel wechselt zwischen 0,008 und 0,01 Mm. Bei den Cephalopoden sind die Körochen zwischen den Primitiv-Muskelfasern so regelmässig gruppirt, dass man auf den ersten Anblick eine Querstreifung dieser Muskelbündel annehmen möchte. Bei mehreren Arten, unter andern bei Pecten, haben wir vergleichsweise die Muskulatur der Herzkammern und Herz- ohren untersucht, und gefunden, dass nicht bloss, wie dies sich von selbst versteht, die Muskelbündel in letzteren in bei weitem geringerer Menge sich finden, sondern sogar, dass die Bündel viel weniger gedrängt bei einander liegen, so wie, dass auch die Primilivfasern weiler aus einander zu liegen scheinen. Dieser wichtige Gegenstand bedarf jedoch weilerer genauer Untersuchungen. Bei den Crustaceen, besonders den Pagurus- Arten, fanden wir die Muskel-Primilivfasern von 0,0015 — 0,002 Mm., zu einfachen Bündeln von 0,005 — 0,0075 Mm. verbunden, und diese wieder zu componirten Bündeln bis auf 0,04 Mm. Breite angeordnet. Die merkwürdigste von uns beobachtete Ilerzsiruklur niederer Thiere ist die der zusammengeselzlen Aseidien. Auf den ersten Anblick wäre man verleitet, zu glauben, dass die- ses Herz, in dem Theile des Thieres sichtbar, welchen Milne Edwards als post -abdomen beschreibt, aus querliegenden Muskelschichten bestände. Bei genauerer Uutersuchung indes- sen ergiebt sich, dass diese scheinbaren Bündel nur transver- sale Fallen sind, und dass die wirkliche Substanz des Ilerzens weder von Bündeln, noch von Easern gebildet wird, sondern aus einer hyalinen Zwischenmasse besteht, welche viele Kü- gelchen von 0,01 Mnı. einschliesst, die bei jeder Zusammen- ziehung des Herzens sich nieht einander nähern, sondern durch die Bindemasse in ihrer respekliveu Lage erhalten werden. Wir finden also hier als eine permanente Struklur, was 125 wir im Embryonal-Leben der höheren Wirbelthiere ebenfalls in der ersten Bildungsperiode des Herzens beobachten. Die Form dieses Herzens der zusammengesetzten Aseidien gleicht sehr der einer Eingeweideschlinge, und die Zusammenziehun- gen desselben halten die Mitte zwischen rhytlhmischen und perislaltischen Bewegungen. Man kann diese Zusammenzie- hungen in zwei Zeiten abtheilen; die erste fängt am einen Ende der Schlinge an und theilt sich erst dem umwundenen, und dann dem Endtheil der Schlinge mit; alsdann folgt eine zweite Zeit, welche in einer Art rückgängiger Wellenbewe- gung besteht. Die erste Zeit dauert eine halbe Sekunde, die zweite eine Sekunde, und hernach tritt eine Sekunde Ruhe ein. Il. Muskeln. Die Muskeln der freiwilligen Bewegung spielen bei den niederen Thieren im Allgemeinen eine so wichlige Rolle, dass man in ihrer Struktur, neben bedeutender Solidität, auch eine grosse Mannigfaltigkeit des Baues erwarten darf. Dies wird auch durch die Beobachtung bestätigt. Wir wollen in weni- gen Worten die wichtigsten Punkte ihres Baues auseinander- selzen. Die Farbe der Muskeln der niederen Thiere ist mei- stens weisslich, matt oder glänzend, zuweilen ins Gelbliche ziehend. Unter den Thieren, welche wir untersucht haben, haben wir jedoch auch zwei Mal rolh gefärbte Muskeln ge- füunden; der eine Fall betrifft die Muskelsubstanz des Magens von Aphrodite von gelbrother Färbung, der andere ist der der hochrotli gefärbten Muskeln der Kauorgane von Buceinum undatum, welche nicht bloss sich durch ihre, den Muskeln höherer Wirbelthiere durchaus nahe kommende Färbung, son- dern auch durch die so grosse Contraetilität auszeichnen, welche sich noch über eine Stunde nach dem Herausnehmen aus dem lebenden Körper erhält, und sogar bei der Zergliederung stört, da jede Berührung mit melallenen Instrumenten eine Con- traelion hervorruft. Was den mikroskopischen Bau der von uns untersuchlen 126 willkührlichen Muskeln niederer Thiere betrifft, so finden wir überall als letztes Element feine Primilivfasern, deren Dünn- heit ausserordentlich sein kann und zwischen 0,0004 und 0,002 Mm. Breite variirt. Diese Primitivfasern sind entweder blass, fein und gleichmässig, oder sie zeigen feine Pünktchen und Körnehen in ihrer Längsaxe; ausserdem enthalten sie ge- wöhnlich noch Molekularkörnchen in ihrem Zwischenraum. In ihrer einfachsten Form zeigen die Muskeln solche Fasern gleichmässig an einander gelegt; gewöhnlich jedoch sind sie zu Bündeln vereinigt, deren Breite zwischen 0,008 und 0,02 Mm. schwankt. Diese Bündel bestehen entweder aus blossen zu- sammenliegenden Fasern, oder jedes Bündel bietet wieder eine besondere Hülle dar. Gewöhnlich sind die Bündel, wel- ehe sich auch noch weiter zu sekundären Bündeln zusammen- setzen können, durch sehr wenig Zellgewebe von einander gesondert. In den Muskeln der Sepia offieinalis jedoch sind die Muskelbündel verhällnissmässig nur sparsam vorhanden und durch eine in viel grösserer Menge existirende feinkörnige Zwischenmasse von einander getrennt. Wenn die Primilivfasern zu Bündeln mit eigner Scheide vereinigt sind, so haben oft die in ihrer Längsaxe enthaltenen Körnchen und dunkleren Theile eine scheinbar so regelmässige Anordnung, dass man sie auf den ersten Anblick für querge- streifte Muskelbündel halten könnte. Uebrigens finden sich letztere wirklich schon unzweifelhaft bei einigen acephalen Mollusken und bei mehreren Anneliden, und konstant fangen sie dann freilich erst aufzulrelen an in den willkührlichen Muskeln der Cıustaceen und Insekten. Wir wolien jetzt einen Blick auf die Struktur der Mus- keln einiger niederer Thiere werfen. 1) Der vordere Zurückziehungsmuskel des Fusses von Mytilus edulis besteht aus Primilivfasern von 0,0012 bis 9,0015 Mm., die zwischen sich viele feine Körnchen ein- schliessen. Die Fasern sind zu scheidenlosen Bündeln zusam- mengelagert von 0,0125 — 0,0166 Mm. Breite. 127 2) Der Fussmuskel von Buceinum undatum besteht aus sich vielfach durchkreuzenden Fasern von 0,0007 — 0,001 Mm. Breite, welche nicht zu Bündeln vereinigt sind. Die Primitiv- fasern des Muskels der Columella sind ‘noch feiner, bis auf 0,0004 Mm. 3) Der Muskel des Mantels von Sepia officinalis, so wie die Muskeln der Saugnäpfe des gleichen Thiers bestehen aus Fasero von 0,0025 Mm., gebogen und geschwungen, von gleichmässigem Aussehen. Die Bündel, welche aus ihrem Zu- sammenliegen entstehen, haben kaum über 0,008 Mm. Breite und sind durch eine körnichte Intercellularsubstanz, welche in viel grösserer Menge, als die Muskelsubstanz selbst exislirt, von einander getrennt. Vielleicht dass sich die Durchsichtig- I 277 er - Ueber u Epiphyten auf Weichselzöpfen. “ Zweiter Beitrag FÜR = von lb. DRGA#vVSWIALTHER or: . in Kiew. a Dr. Guensburg in Breslau hat gegen meine im vierten Hefte dieses ‚Archivs, Jahrgang 1844, abgedruckten Beobach- tungen über Epiplyten auf Weichselzöpfen im ersten lefte eben dieses Archivs des Jahrgangs 1845 mehrfache Einwürfe erhoben, welche mich zu einer Revision meiner damaligen Beobachtungen. veranlassten; dazu kamen die Ergebnisse einer in die Gouvernements Minsk, Grodno, Shitomir und Mohilew unterno menen Reise. Alle diese Umstände berechtigen mich, zu meinen früheren Mittheilangen noch Einiges hinzuzufügen, was sowohl in palhologischer als physiologischer Hinsicht In- gaben in Froriep’s Nolizen, Sachs Zeitung, Gazelte des hö- pitaux. eK, lag daran, dass mir die Comptes rendus, zur Zeit, ole,ic den absgesten Aufsatz aeltieb, ngehugicht zur ! nd ren, ferner, dass ich glaubte, in einer so interessan ten Sache hätten die erwähnten Zeitungen nichts wichtiges » Ir * ” rg . N Ba vergessen, und in der That, die Comptes rendus halten auf einer einzigen Quarlseite nichts wesentliches, 150 was nicht auch in den erwähnten Blättern stände. Was Guensburg’s Angaben betriflt, so lassen sie sich auf folgende reduciren. 1) Das Trichomaphyt ist ein Fadenpilz. 2) Dieser Fa denpilz gehört in die Categorie der Pilze der Tinea capitis, des Mentagra, des Soor etc., d. h. zu solchen, welche nicht secundair in ihierischen Se- und Excretionen von deren Fäul- niss sich bilden (s. die Guensburg’sche Entgegnung, Müll. Archiv 1845, Heft 1.). 3) Viele Haare werden durch diesen Pilz anatomisch verändert, namentlich in feinere Fibrillen ge- spalten, doch geschehen die wichtigsten Veränderungen der- selben in der Wurzel und deren Scheide. 4) Guensburg hält es für möglich, dass das Trichomaphyt (Guensburg sagt, „die pliköse Materie“) aus den Haarwurzeln und dem Haar- balge in den Markkanal (Axencylinder, Guensburg) drin- gen könne, die Haare mechanisch spalten, und an der Spal- tungsstelle ergossen, das Blasten für neue Haarbildungen ber- geben könne. Ich will,mir erlauben, diese Sätze nach meinen Beobachlungen zu commenliren. te 1) Das Trichomaphyt ist wirklich ein Fadenpila, daran kann kein Zweifel sein, und ist die Ursache, dass ich ihn nicht dafür erkannte, nur in der kleinen Anzahl der von mir ‘bis zur Veröffentlichung meiuer ersten Mittheilung untersuch- ten Pliken, und in dem Umstande zu suelien, dass da, wo man die diskreten Zellen ohne Aneinanderreiliung sieht, das Bild um so vieles deutlicher zu sein pflegt, dass man die zar- ten, blassen und seltenen Fäden in anderen Präparateu zu- weilen übersieht. In den meisten Fällen haben die constitui- renden Zellen der Fäden die Form, wie sie Guensburg abbildet, die. in ‚ dem, andern Figuren (Müll, Archiv 1845, Heft 2. und 3. s. d. Abbildungen) gezeichnele feinkörnige Masse ist mir um vieles sellener vorgekommen, während ganze Pliken auweilen nur die ersigenaunten von Guensburg ab- gebildeten und von mir ini Aten Hefte dieses Archivs 1844 beschriebenen Formen darbolen. Es berechtigen mich ferner 151 ganz d direkte Beobachtungen, anzunehmen, dass Guensburg und ‚ich einen und denselben Pilz beschrieben haben, er vor- zugsweise die entwickelteren, ich die unentwickelteren For- men. Ich beschreibe das Vegetabil so, wie ich es nach Un- tersuchung von im Ganzen gegen 300 Exemplaren gefunden habe. Zuerst erscheinen in einem amorph-granulösen Blastem grosse kernlose und keruhaltige (manchmal mehrere Kerne enthaltende) runde Zellen; dann sieht man eine grosse Menge der von mir beschriebenen, nicht mit einander verbundenen Zellen mit allen den von mir in Müller’s Archiv 1844, Heft 4., angeführten Eigenschaften. In noch entwickelteren Fällen reihen sich diese Zelien aneinander, und zwar sind es nicht b bloss jene länglichen, kernballigen Zellen, welche sich mit Pe einander verbinden, sondern mitten in der Reihe sieht man bisweilen anch grosse, runde, kernhaltige Zellen. Solche Aa aateareihhngen gehen unmittelbar und conlinuirlich über in n Fäden, welche denen des entwickelten Pilzes ganz gleich sind, und somit ist die Identität der von mir und Guens- burg besehriebenen Pilzgaltung erwiesen, und es ist also bis jetzt n nur eine Form von Pilzen im Weichselzopfe bekannt, was, v wie weiler unlen zu zeigen, für eine Theorie der Plica von Wichtigkeit ist, Ich bin jelzt auch der Meinuug, dass die von mir beschriebenen elliplischen Zellen mit 2 und 3 Ker- nen nur der Anfang der Verschmelzung einfacher Zellen wa- Die entwickelte Form der Pflanze hat Fäden zweierlei 2 > Daniederliegende, Hyphasma-Fäden; sie umstricken die, Haare: netzförmig, liegen aber nie, wie Guensburg beob- achtet haben will, unter dem Schuppenüberzuge der Haare, sondern au auf demselben, wovon ich mich durch die sorgfältig- sten E a des Mikroskopes bei 6— 700 maliger Vergrösserung deutlich überzeugen konnte. Sie scheinen der Seltenheit der bei ihnen gefundenen Sporen wegen, für un- fruchtbar gehalten werden zu müssen. Sie sind ferner äusserst und dünn, und ich glaube, dass sie sich aus kleineren Zellen entwickeln, welche man fast nur auf den 152 Haaren in seltenen Fällen gewahr wird. Doch habe ich den direkten Uebergang dieser Zellen in Fäden bis jetzt noch nicht wahrgenommen. 2) Aufrechte Fäden; ich finde sie ohne Artikulalionen blass, mit Aesten und runden Sporen versehen, welche mit- telst eines dünnen Fädchens oder unmittelbar an den Haupt- fäden und Aesten aufsitzen, und sich aus ihnen durch Ab- schnürung zu bilden scheinen. Der ?%te und 3te Satz der Guensburg’schen Behaup- tungen gehören wesentlich zusammen. Guensburg meint, das Triehomaphyt bilde sich nicht erst secundair in den Se- und Exereten der Kopfhaut, sondern, da es sich innerhalb veränderter Gewebstheile finde, so sei anzunehmen, dass es in eine Categorie mit Mycoderma Tineae, dem Pilze des Soor, dem Mentagra, Porrigo decalvans etc. gehöre, d. h. zu denje- nigen Fadenpilzen, welche, obwohl selten vorkommend, den- noch mit wichtigeren Krankheitsformen auftrelen, als die in die erste Categorie fallenden. Gegen diese Ansicht muss ich mich nach meinen Beobachtungen auf das Nachdrücklichste verwahren, kann aber zur Rechtfertigung meiner. Meinung nicht umhin, etwas weiter auszuholen. Die zum Theil gegen alle gesunde Physiologie und Pa- thologie streitenden Theorieen der verschiedenen Aerzie über die Plica polonica liessen von einer exacten Untersuchung des Krankheitsobjectes vielerlei, bis jetzt noch wenig gegebene Aufschlüsse erwarten. Die Entdeckung eines Pilzes aber ins- besondere ruft eine Menge interessanter pathologischer Fragen wiederum ans Licht, in deren Beantworlung gerade die Be- jahung oder Verneinung der beiden Guensburg’schen Sätze den Dreh- und Angelpunkt bilden können. Alle anderen Krankheiten, welche in ihrer Begleitung Pilze derselben Cate- gorie, wie das Triehomaplıyt, zeigen, sind, wie es scheint, örtlich. Dagegen ist die Zahl derjenigen Aerzte, welche die Plica poloniea für eine örtliche Krankheit halten, gerade am geringsten. Vielmehr lassen sich die Ansichten der Praktiker 153 über die Plica auf folgende reduciren: 1) Die Plica ist eine örtliche Krankheit der Haut (oder ihrer Anhänge), Trichosis EZ hierher gehören viele nieht polnische Dermatopathologen, FE „a: B. Alibert. 2) Die Kraukheit ist allgemein, hier sind wiederum zwei Meinungen zu unterscheiden: a) Die Krank- heit ist eine allgemeine sui generis, die Haarverfilzung hat die Bedeutung einer krilischen Ausleerung, da sie häufig das Ende verschiedener vorhergegangener Leiden bezeichnet. Dieses ist die unter den meisten polnischen Aerzien verbreitete Ansicht. b) Alle Krankheiten können mit Plica endigen, die endemi- schen Einflüsse bedingen die Eigenthümlichkeit der kritischen Ausscheidung — Marinskowski. 3) Die Plica poloniea ist eine Chimaire, ist keine Krankheit, sondern unter dem Ein- flusse des Vorurtheils, als heile sie alle Kraukheiten, ange- sammelter Schmutz und Residuen der Hautabsonderung. Man sieht leicht, dass durch diese Umstände die Untersuchung der Triebomaphylen ganz eigentlhümliche Aufgaben erhält, welche bis jetzt noch kaum bei andern Krankheiten zur Sprache kommen. Namentlich gewinnt bei solehen Verhältnissen die Frage nach dem Orte des ersten Aufirelens sehr an Bedeu- tung. Die Ansichten stehen sich hier diametral entgegen. Guensburg hatte im Anfange schon die Haarwurzeln und den Haarbalg, so wie die Wurzelscheide (gaine? cf. Comptes rendus, 4843 Aoüt) dafür in Anspruch genommen, und ist dieser Ansicht auch in seiner Erwiederung auf meinen Aufsatz Ireu a geblieben. Ich widersprach obenhin dieser Ansicht in meiner, im 4ten Hefte 1844 abgedrucklen Abhandlung. Lei- der muss, ich bei meiner damaligen Behauptung bleiben, und kaun auf Grundlage der Guensburg’schen Beobachtungen und Abbildungen, in denen sehr feine Kügelchen, kleiner ‚als die von mir beschriebenen Zellen, in Reihen oder unordent- lich, in ‚verschiedenen Beziehungen zur Wurzel, zur Wurzel- scheide “und zum Markkanal verzeichuet sind, nur zugeben, dass. es, iehen kann, dass solch ein Umstand eintrele, die- ses sei faber. durchaus nicht die Regel, obgleich die Schmerz- 154 haftigkeit der Haarwurzeln, welche häufig in dieser Krankheit vorkömmt, davon herrühren könnte. Wäre es bewiesen, dass die Pilzsporen aus dem Innern des Körpers in die Haare tre- ten, könnte man sie vielleicht gar im Blute nachweisen, so wäre das allerdings eine der interessantesten pathologischen "Thatsachen. Dass dieses zur Zeit nieht möglich ist, lehren mich meine Beobachtungen, welche nunmehr an der Zeit isf, mitzutheilen. Am besten beobachtet man die Bildung der Plica in solchen Fällen, wo nicht das ganze Haupthaar in ei- nen Klumpen verfilzt, sondern in Form von Schnüren zusam- mengeklebt ist. In solchen Fällen sieht man überraschend deutlich, was zuerst Bidder beobachtet hat, dass die Haars- filzung nie an der Haut selbst anfängt, sondern immer im ei- niger, und zwar, was gewiss äusserst interessant ist, in einer auf 2—3 Linien constanten Entfernung von 1% Zoll. Man kann alle Schnüre an einem Kopfe und an verschiedenen Köpfen messen, und man findet constant immer dasselbe. Re- sultat. In solchen schnurförmigen Pliken findet man häufig das Triehomaphyt; hebt man nun eine ringsherum von unver- filzten Haaren umgebene Schnur sammt dem Stücke Haut, in welchem die Haare wurzeln, heraus, so findet man, sowohl wenn man die Haut in einzelne durchsichtige Stücke zerlegt, als auch wenn man Haar für Haar mit den Wurzeln heraus- zieht und mikroskopisch untersucht, alle Haarwurzeln gesund, und durchweg ohne Pilzfäden oder Sporen. An der Anfangs- stelle der Verfilzung sind die Haare nicht anders beschaffen, als in der Streeke zwisehen der Haut und dem Anfange. der Verfilzung. Pilzfäden, namentlich daniederliegende, die Haare netzförmig umstriekende, sahe ich auch im diesem Raume, doch selten und wenige, dagegen viele, Hyphasma-Fäden und aufreehle, in den verfilzten Haargegenden. Die Markkanäle finden sich ebenfalls leer oder mit normalen Formelementen gefüllt. Es ist also die Samme dieser Erfahrungen ‚keines- weges geeignel. die Guensburg’sche Au stützen. Ich habe die so eben beschriebenen Experimente mehrfach 455 Ibn angestellt, doch immer mit demselben Resultate. ‘Ich muss } FC ueusburg's Beobachtungen für auf exceptionellen Fäl- len basirt ansehen, Es wäre ja schr wohl möglich, dass, na- wentlich in kuchenförmiger Pliken, die Pilze sich von aussen "ber in die Haarbälge senkten, und von dort aus sich in die "Narkhöhle verirrten. Lässt es sich nun also beweisen, dass die Veränderungen des Haares selten und ausnahmsweise in der Waurzelscheide vorkommen, ist also der organische Nexus zwischen den Epiphylen und den Gewebselementen hier un- wahrscheinlich, so liesse es sich vielleicht darthun, dass dieser Nexus in anderen Haartheilen existirt. Guensburg legt in ieser Beziehung Gewicht auf die schon von Anderen gefun- dene uud widersprochene Spaltung der Haare in feinere Fi- brille, Verkümmerung der Haarfasern, ja Bildung neuer Haare, so dass das pinselförmig gelöste untere Ende des einen Haares in das gleiche Ende eines neuen anderen Haares sich ein- ehle. Ja er scheint etwas ganz Absonderliches beobachtet zu haben, wenn er sagt, die losgelösten Primitivfibrillen kön- nen sich zu selbstständigen Haarbildungen umgestalten, ja "endlich "sogar die pliköse Materie mit dem Haarblastem iden- ie " Dennoch, glaube ich, liegt allen diesen. Veränderungen eine einzige Ursache zum Grunde. Was ich über diese Ma- terie beobachtet habe, ist Folgendes '): ie Loslösung und Spaltung der Haare in ihre Primitiy- Fibrillen ist im ganzen nicht häufig, man findet ganze Pliken ee e sie, ist also bestimmt nicht die Ursache der Haarverfil- "kommt amı meisten in schnurförmigen Pliken vor. Mau a) lokale pinselförmige Loslösungen der Haare in ihrer inuität am häufigsten an solchen Stellen, wo die Haare arf umgebogen sind. 'b) Man findet ein durehselhniltenes Ve ar i Fiee aa Mr ch 5 u A) Ich muss hier bemerken, dass der unpassende Ausdruck: Ab- erung, Exfoliation, io meinem ersten Aufsatze Schuld ist, dass ensburg glaubte, mir seien diese Veränderungen früher entgangen. 156 Haar an seinem Ende pinselförmig in seine Primuivfibrillen gelöst; es scheint mir am natürlichsten, dieses von dem Drucke der Scheerenblätter beim Abschneiden herzuleiten, denn man kann ganz ähnliche Erscheinungen unter dem Mikroskope durch Druck mittelst einer Nadel ete. hervorbringen. c) Man sieht bisweilen, aber sehr selten, Eröffnung des Markkanals mit einer bauchigen Auftreibung der Rindensubstanz, wobei es deutlich wird, dass in der so geöffneten Markhöhle Pilzfä- den und andere Unreinigkeiten sich vorfinden. Der Schlüssel zu allen diesen Erscheinungen liegt, meiner Meinung nach, ‚in zwrei Umständen: 1) darin, dass viele Haare, welche dem An- scheine nach gesund sind, durch das Compressorium ebenfalls leicht so zerdrückt werden können, dass ihre Primitivfibrillen sichtbar werden, ferner äusserst leicht mit Nadeln zu zerfa- sern sind, ein Verhalten, welches wir zweifelsohne Malacie nennen dürfen. Die Haare sind also malaeisch, d. h. die ‚Bin- desubstanz der Fibrillen ist abnorm beschaffen, daher die deut- lichere Sichtbarkeit der Längsstreifung, daher die Auseinander- teibung bei Infractionen, daher das häufigere Vorkommen von schnurförmigen Pliken, wo die Haare kürzer und häufiger ge- bogen und gebrochen werden. Daher das pinselförmige Aus- sehen der durchschnittenen Enden der Haare, kurz, die Ma- lacie ist primair, alles andere secundair. Guensburg’s Ansicht von der Neubildung der Haare, die Identität der plikösen Ma- terie und des Haarblastems, die Entstehung von Haaren ohne Wurzelscheide, alles das ‚scheint weder durch Guensburg’s Abbildungen, noch durch irgend eine Analogie, noch durch meine Beobachtungen bekräftigt. 2) Diese Malacie ist keine der Plica eigenthümliche Erscheinung, im Gegentheil, sie_ ist von Gr ruby in der Tinea, der Porrigo decalvans und anderen Fällen beobachtet worden, wo sich Kryptogamen in den Han. ren fanden. Diese Malacie habe ich nie zu Anfange der Krank- heit, ebenso nie ohne Pilze beobachtet, es scheint fast, als ob die Pilze auf Kosten des Bindemiltels der aarfibrillen vege- lirten, «ohne dass ich einen deullichen Nexus zwischen ihnen ih selzöp 157 und den Haarelementen bis jelzt gewahr geworden wäre. uch das Microsporon Audouini in Gruby’s Porrigo decal- ns entwickelt sich anfangs auf den Haaren, und alfcirt dann | das Haargewebe selbst, so verstehe ich_wenigstens Gru- nicht ganz deutliche Beschreibung dieses Processes (s. ples rendus 1843, 14 Aoül). Es lässt sich die Ansicht kaum von der Hand d weisen, dass diese Entwicklung von Pil- der secundairen Malacie der Haare die hin und wie- der beobachte spontane. Ablösung grosser Weichselzöpfe be- a das Chlor nach van Laer (Liebig" Journal, 3, Februar-Hefl) und Anderen die Haare De in in ihre Fibrillen lösen soll, so macerirle fch ‚gesunde Haare länger als einen Monat in Kochsalzlösung, doch ohne Erfolg. Ich muss noch hi zufügen, dass ich die Pilzzellen und Sporen | keines- ‚es so häufig zwischen den u Fragmenten der Haare gewahrte, Baier mechanische Auseinanderdrängung, < denken er re fm er ED reihen Verhältnis steht die Plica als Krankheit zu diesen Pilzen? das ist hier, wie bei ähnlichen _ Krankheiten, a Vor "allen Dingen ae nothwendig, zu wissen, die Pilze von Anfang der Krankheit an auftreten. ob die Er | Pilzen vorkommt oder nicht. Ich kann ‚diese ziemlich | positiv beantworten. 1) "Das Trichomaphyt icht immer vor, glaube ich sicher ausgemiltelt zu haben. Die’ meisten von mir in Atthauen gesammelten Weich- i waren ohne Pilze, ebenso waren unler ( den alten, i im Museum au aufbewahrten Präparaten ei einige, obgleich welcl e keine Trichomaphyten zeißlen. Man könnte en, dass die in Litthauen | „gesammelten Präparate be fläche des Haarwuchses genommen seien, was TH au im n Iunern des Haares- noch en: Hend i Be tet Bd ir # 158 zöpfen, welche ich selbst dicht an der Haut abgeschnitten, und in denen ich nach der sorgfältigsten Untersuchung auch nicht eine Pilzspore fand. So sehr nun auch die ungeheure Anzahl von Pilzzellen und Sporen, welche man in einigen Pliken findet, der Ansicht das Wort redet, dass dieselben ein wesentliches Moment der Verfilzung bilden, so ist es dennoch keinem Zweifel unterworfen, dass die Verfilzung noch andere, und zwar wichligere, allgemeinere Ursachen haben müsse. Denn es lässt sich der einzige, dagegen mögliche Einwurf, nämlich, dass es denkbar wäre, es seien die Pilze da gewe- sen, hätten die Haare verfilzi, seien auf den Präparaten spurlos verschwunden, dadurch entkräften, dass mitgetheilt werden kann, dass die Pilze und ihre Sporen auf abgeschnittenen Zöpfen viele Jahre in stalu quo verbleiben ; so dass, wo 2. -B. die niederen Formen, die disereten Zellen sich einmal finden, dort dieselben auch in diesem Zustande bleiben, und sich, ein- mal vom Kopfe getrennt, nicht weiter entwickeln. 2) Die Verfilzung ist eher da, als das Triehomaphyt. Das habe ich mehrere Male beobachtet. Je älter die Präparate sind, desto häufiger finden sich im Ganzen die Trichomaphyten. Ich be- obachtete einen Fall, wo die Haare seit 4 Tagen verfilzt wa- ren, ohne dass ich Triehomaphylen entdeeken konnte. In einem Fall von 14 Tagen fand ich schon continuirliche Fä- den, ohne Spuren von Zusammensetzung aus Zellen, in einem Falle von 3 Wochen nur amorphes Blastem, körnigte Bläschen und jene kleinen durchsichtigen Körperchen (vielleicht Tellen- kerne der elliplischen Zellen), von denen ich oben gesagt habe, dass es möglich wäre, dass sich die Hyphasma- Fäden ans ihnen entwiekelten. Ferner fand ich bisweilen Monate, ja Jahre alte Pliken ohne Pilze. Alle diese Erfahrungen _spre- chen für keinen uothwendigen und regelmässigen Zusammen- hang zwischen Krankheit. und Pilzen. Dass die Pilze ‚dennoch nicht ‚elwa bloss auf abgeschniltenen Pliken wuchern, dafür spricht 1) der Umstand, dass si sich auf abgssohnfich.gbirgen die Pilze nicht weiter entwickeln, 2) die Erscheinung, dass 159 die unentwickelteren Formen der Pilze näher zur Haut, die intwickelteren von ihr enlfernter liegen, ‘was in einer beson- deren Beziehung zur Wärme und Feuchligkeit stehen mag. Immer findet man den Grad der Entwickelung der Pilze und die Menge der zwischen den Haaren angesammelten Unreinig- keiten i im geraden Verhältnisse za einander. Auf der Haut selbst findet man so reine Pilze, dass man nicht zweifeln kann, sie seien erst dort hingefallen, nicht aber dort erzeugl. Meine Ansicht Jupen die Genesis der Pilze ist also kurz folgende: Die Pilze entwickeln sich zufällig und secundair, aber häufig auf den Pliken; die Zeit ihres ersten Auftretens ist "unbe- stimmt. Die Entwickelung der Pilze geschieht nur in der Nähe lebender Körper und unter seinem Einflusse. Obgleich die Pilze ‚nicht noihwendig mit verfilzten Haaren in Polen n, sind sie doch häufig ein sehr wichtiges Moment der 'e zung, namentlich so lange die Pilzzellen discret sind. Die Malacie der Haare ist eine secundair, aber auf bisher noch ü nnte Weise von der Pilzbildung abhängende Erschei- nung, welche in Beziehung auf die Haarverfilzung unwe- senllich ist. diesem Orte wird es nun auch passend sein, von Kin Blut-, Schweiss- und Eiter-Untersuchungen der plikö- (ranken „u reden. Sechsmal "hatte ich Gelegenheit, das on Plikösen zu Einteribehen; bei denen Gliederschmerzen Schrein gegenwärlig waren, aber keine Pilze. Ich Bey zweimal reich an farblosen Blutkörperchen j an 300 Fe ‚geprüften Ansichten über die = chen. a gilt vom Schweisse, den ich "Periöden unter rsuc e, doch in ihn nichts Abnormes m’ konnte; dasselbe endlich von 3 Fällen, wo ich den we “Ye, * 160 Eiter in Geschwüren untersuchte, ohne etwas des Mittheilens werlhes zu finden. 2 Wenn also die Nothwendigkeit der Gegenwart der Pilze zur Haarverfilzung bestritten werden muss, so frägt es sich, welches denn die sonstige Ursache derselben sei. Die Ant. wort, die das Mikroskop darauf giebt, besteht darin, dass man, ausser Fäden von verschiedenen Geweben, unvoll- kommene Salzkrystalle, viele Epidermis - Schuppen oft in ungeheurer Anzahl, und eine gelbbräunliche amorphe Masse findet. Alles das sind mit einem Worte grösstentheils Resi- duen der Haulausdünsiung, so dass nur die chemische Unter- suchung über die normale oder abnorme Qualität derselben Anskunft geben kann. Dieses ist nun allerdings die parlie honteuse der hier möglichen Forschungen, da, um z. B. eine Krankheit sui generis zu conslaliren, es ausgemacht werden müsste, dass die Hautabsonderung eine andere, als die nor- male, und eine andere, als die irgend einer andern Krankheit eigenthümliche sei. Das zu ermitteln, ist aber beim gegen- wärtigen Zustande der Chemie des gesunden und kranken Schweisses kaum möglich. Um dennoch den dringendsten Anforderungen an eine solche Schweissuntersuchung zu genü- gen, und,z. B. zu bestimmen, ob die verfilzten Haare irgend einen, dem Schweisse im normalen Zustande zwar fremden, sonst aber wohl im thierischen Organismus vorkommenden Stoff enthalten, wurden Pliken zuerst in kaltem, dann in bis auf 30° C. erwärmtem Wasser so lange eingeweicht, bis ‚das Wasser nichts mehr auflöste oder fortschwemmte, dann dieses Wasser filtrirt und abgedampft. Die unauflöslichen Theile be- ‘standen, mit dem Mikroskope untersucht, grössientheils aus Epidermisschuppen. Nach solchen Extractionen erwiesen sich die Haare noch keinesweges rein unter dem Mikroskope, im Gegentheil noch über und über mit Epidermisschuppen etc. bedeckt. ' Darauf wurden die Haare mit 95° Alkohol extra- hirt, welches ebenfalls so 0 lange forlgesetzt wurde, bis ‚auch der Alkohol nichts mehr auflöste oder mechanisch fort- 161 sehwemmte. Untersuchte man hiernach die Haare, so fand man sie seidenglänzend, den Schuppenüberzug überaus deut- lich sichtbar, kurz die Haare so schön und normal anzusehen, wie dieses selbst an gesunden Haaren selten zu finden. Dieses gilt von der Mehrzahl der Haare, wobei natürlich jene Struc- turveränderungen, von denen oben die Rede war, ebenfalls bei einer kleinen Anzahl Haare bemerkt wurde. Die qualita- tiv-chemische Untersuchung an dem wässrigen und spirituösen Auszuge, welehe ich in Gemeinschaft mit meinem geschätzten Collegen Dr. Segeth anstellte, ergab als Resultat von A Ana- Iysen Folgendes: Der wässrige Auszug reagirte neutral, der spirituöse sauer. In beiden zusammen wurden nachgewiesen: Chlorverbindungen, schwefelsaure, phosphorsaure, milchsaure, essigsaure Salze, deren Basen Natron, Kali (äusserst wenig), Magnesia, sehr wenig Eisenoxyd — Spuren von Kieselerde. Ferner Fette, Fellsäure, frei und an die erwähnten Basen ge- bunden, wässriger und spirituöser Extraclivstofl. Die beiden letzteren Stoffe nahmen, wenn sie eintrocknelen, eine gelb- bräunliche Farbe an, und es wird dadurch wahrscheinlich, dass auch jene amorplı - bräunlichen Massen, welche das Mi- kroskop nachwies, ihre Farbe wenigstens diesen Extraetiv- stoffen verdankten. Beim Abdampfen des wässrigen Auszuges bildete sich ein, abgenommen immer wieder sich erneuerndes, in Wasser lösliches Häutchen, welches also wohl nichts an- deres, als Käsestofl sein mochle. Sonst war keine Prolein- verbindung, keine leimarlige Materie, und auch kein zer- Niessliches Salz in überwiegender Menge da — aber Stoffe, welehe natürlich zur Verklebung vorzugsweise geeignet sein dürften, Der wässrige Extraclivstoff aus einem an fellten Theilen und Vegetabilien reichen Weichselzopf wurde qualitativ untersucht. Er löste sich in Wasser nicht wieder auf, und gab mit Aelzsublimat, Schwefelsäure, schwefelsaurem Kupfer und Zinnoxyd Niederschläge, von denen das Präcipilat mit schwefelsaurem Kupfer zugleich auf die organischen und un» Müller's Archir. 1846, 11 162 organischen Theile reagirte. Die Quantität des spirituösen Exitraclivstofls war immer sehr gering. Mit Hünefeld eine besondere Qualität des wässrigen Extraclivstofls zu slaluiren, scheint gewagt 1) weil in einem Jahre lang der Luft u. a. Einflüssen ausgesetzt gewesenen Extraclivstoffe spontane De- composilionen nicht unwahrscheinlich sind, 2) weil die zufäl- ligen Beimengungen an diesen Reaclionen Schuld sein konn- ten, 3) weil doch wohl am Ende die Qualität des nor- malen Extraclivstoffes im Schweisse noch nicht vollständig erforscht ist. Zweimal konnte auf mikrochemischem Wege Harnstoff durch Salpelersäure nachgewiesen werden. Alle übrigen, oben erwähnten Reaclionen wurden nach Anleitung Hünefeld’s (Rust’s Magazin 1843) vorgenommen. Ver- gleicht man mit diesen qualitativen Analysen die des Schweis- ses, und die einzige von Esenbeck (Brandes u. Wacken- roder’s Archiv 1840) an dem Inhalte einer pathologisch aus- gedehnten Schmeerdrüse gemachte, so ergiebt sich nur, dass letztere noch Eiweiss.enthielt, sonst durchaus dieselben Stoffe, wie die in den Weichselzöpfen gefundenen. Was eine Cardi- nalfrage, die über die Concentration der abgesonderten Flüs- sigkeit, betrifft, so ist sie natürlich nur elwa in frischen Fällen lösbar, was leider mir zu tihun nicht möglich war. Ebenso ist die Bestimmung der relativen Quantitäten des Bestandtheils des festen Schweiss- und Schmeerrückstandes wegen der Menge der zufällig beigemischten Bestandtheile nicht wohl möglich. Es muss somit künftigen Forschungen überlassen bleiben, zu “entscheiden, ob die Extraclivstoffe, welche beim Weichsel- zopfe abgeschieden werden, qualilaliv verändert sind '), ferner, ob die relative Quantilät der festen Theile unter einander oder der festen und flüssigen Theile des Schweisses der Weichsel- zopfkranken krankhaft verändert sei? Da die meisten Aerzte, 1) Grossen Gewinn für die Erforschung der Ursache der Verfil- zung wird natürlich auch ein bejahendes Resultat nicht geben. 163 und ich selbst, das gleichzeitige Auftreten von vermehrten Schweissen und der Bildung der Plica beobachteten, ja die letztere durch warme Bedeckung des Kopfes und den Gebrauch» der Diaphoretica jeder Art befördern zu können glauben, so ist es allerdings wichtig. za wissen, ob vermehrle Quantität des Schweisses immer mit gleichzeitiger Vermehrung der fe- sten Theile desselben auftrete oder nicht? Sichere Data in Hinsicht des Schweisses besitzen wir in dieser Beziehung nicht. Wollen wir uns mit der Analogie des Harns begnügen, so wissen wir, dass zwar bei vermehrter Harnabsonderung die relalive Quantität der festen Theile kleiner ist, in gleichen Zeiten aber bei vermehrter Harnabsonderung die Totalquantität der festen abgesonderlen Materien grösser sei. Dies letzte Resultat führt sehr natürlich auf die Frage, ob die normale Quantität der Ab- und Aussonderang der Kopfhaut (denn andere behaarte Theile des Körpers leiden nur selten an dieser Krankheit) hinreicht, um eine dem Weich- selzopfe ähnliche Haarverfilzung hervorzubringen. Ich glaube, dass man dieses entschieden bejahen wird, sobald man fol- gende Betrachtungen und Berechnungen zulässig findet. Es ist einleuchtend, dass nur die festen Bestandlheile der Hautabsonderüng und einer gewissen Menge wässriger Flüssigkeit oder Felt die Haare verfilzen können. Nun hat Krause in seinem ausgezeichneten Artikel „Haut“ in Wagner’s Hand- wörterbuch der Physiologie vortrefllich dargelhan, dass durch die Epidermis nur Gase und Wasserdunst, folglich keine fe- sten Theile durehtreten können. Es sind also lediglich die auf der Kopfhaut vorkommenden Drüsen als Quellen der fe- sten Bestandtheile des Kofschweisses und sonstiger Absonde- rungen der behaarlen Kopfhaut anzusehen, Nimmt man nach Krause (Handbuch der Anatomie des Menschen) die Ober- Nläche des Körpers zu 15 D’ an, den Flächeninhalt der be- haarten Kopfhaut (nach 6 Messungen) auf % O’ an, berech- net man den Totalverlust an festen Bestandtheilen der Haut 11% 164 absonderung des menschlichen Körpers in 24 Stunden, ebenfalls uach Krause (Art. Haut in Wagner’s Lexikon), auf 200 Gran, so ist die Quantität der durch die Kopfhaut abgesonderten festen Theile = 7% Gran, stalt welcher ich, da die Messungen des Flächenraumes der behaarten Kopfhaut wegen der sie be- grenzenden krummen Linien eher zu klein als zu gross aus- fallen mussten, und weil es hier nur auf annäherungsweise Bestimmungen ankommen kann, 8 Gran annehmen will. Dies würde in 6 Munalen 3 Unzen und 24 Gran ausmachen. Damit aber diese Masse kleben könne, müssen hiezu auch 13—2 Un- zen Flüssigkeit kommen, und nun möchte ich jeden Mann von Fach (d. h. Friseur) fragen, ob nicht mehr als 4% Unzen Pommade oder schmieriges Extract hinreiche, um einen slalt- lichen Haarwüchs zu verfilzen? Damit ist aber die Sache noch nieht abgemacht. Unter Tausend Theilen Schweiss fin- den sich 4 in Alkohol auflösliche Theile, bestehend aus Essig- säure, Milchsäure, deren Salzen und Fetlen. Da das Vorhan- densein der Essigsäure und Milchsäure, so wie ihrer Salze im Schweisse von mehreren Chemikern noch bezweifelt wird, so wird man wohl nicht zu viel zulassen, wenn man annimmt, dass die Hälfte der durch Alkohol extrahirbaren Theile aus Felt besteht. Es ist also 4 des festen Schweissrückstandes Fett. Der von den Chemikern untersuchte Schweiss wurde theils durch Dampfbäder, theils im luftverdünnten Raume (Anselmino) gesammelt, ist also wolıl grösstentheils nicht vom Kopfe hergenommen. Nun muss die Quantität des Feltes in dem Schweisse einer gegebenen Hautstelle in geradem Ver- hältnisse zu der Quantilät der Schmeerdrüsen stehen !), vors ausgeselzt, was zugegeben werden darf, dass die Grösse der- selben nicht sehr variire. Es kann also nach obigem die 1) Die geringe, durch die Spiraldrüsen producirte Quantität Felt (s. Krause |. c.) konnte bei dieser Wahrscheinlichkeitsrechnung jgnorirt werden. 165 quanlilalive Analyse des Schweisses der Chemiker den Aus- gangspunkt zu folgender Berechnung bilden: Da die Schmeer- drüsen bei weitem am häufigsten mit den Haaren gemein- schaftlich münden, da ferner Krause (I. c.) darlhut, dass jedes Haar von allen Seiten von Schmeerdrüsen umgeben: ist, man also dreist annehmen kann, dass jedes Haar 4 Drüsen hat, so muss also die Quantität des Fetles, welche aus dem Secret des übrigen Körpers gewonnen wird, sich zu der des Seceretes der Kopfhaut verhalten, wie das vierfache Produkt der miltleren Anzahl Haare der Körperhaut auf etwa 1 Qua- dralzoll (versteht sich ohne Schaam und Kinn) zu dem vier- fachen Produkt der Anzahl Haare auf einem gleichen Areal dev behaarten Kopfhaut. Rechnet man so, so findet man die ungeheure Anzahl von 416 Grau Fett durch die Kopfhaut in 24 Stunden secernirt!!') Denn die mittlere Anzahl der Haare auf einem Quadratzoll Körperoberfläche, mit Ausschluss von Kopf, Sehaam und Kinn, ist nach Withof = 288, wozu ich noch 32 Drüsen rechnen will, welche etwa ohne Haare münden. Dagegen hat die Kopfhaut nach demselben Autor 1172 auf einer gleichen Fläche ?). Trotz ‘der anscheinend richtigen Berechnung, ist doch das so erhaltene Resultat viel zu gross, was schon daraus einleuchlet. dass nach ungefährer Schälzung der Quantität des aus Weichselzöpfen gewonnenen Felts die Quantität der übrigen festen Bestandtheile, welche so erhallen wurde, gleich war; jedoch ist das Verhältniss ge- wiss noch anders, wenn man die Präparate dicht an der Kopf- haut abschneidel, wo nalürlich der fetten Theile noch mehr sein mögen, was in den Fällen, wo die relative Quantität des Fettes und der übrigen festen Bestandtheile geschätzt wurde, 1) Die Quantität der Spiraldrüsen in der Kopfhaut ist nach mei- nen Zählungen im Mittel = 750 auf 1 4”, was also obiger Berech- nung keinen Eintrag thut. 2) Henle, Allg. Anatomie p. 306, 166 nieht geschelien konnte. Entschieden muss ich mich gegen die etwanige Bemerkung verwahren, dass das sich hier fin- dende Felt etwa zum grössten Theile Pommade sei. 1) Weil wohl schwerlich Jemand einen monströsen Weichselzopf mil Pommade einzuschmieren sich einfallen lassen wird. 2) Weil ich in den Haaren einiger, den höhern Ständen angehörigen Frauen, welche ansdrücklich versicherten, dass sie nie dieses Cosmeticum applicirt hätten, weil die Haare schon von selbst fellig genug gewesen seien, ebenfalls grosse Quanliläten Fett fand. Dass die Quelle dieses Feites nicht etwa zum Theil die Haare selbst sein können, wie etwa die Beobachtungen van Laä@r’s (De struelura pilorum Traject. ad Rhenum 1841) lehren möchten, erkennt man daraus, dass die aus den Haaren aus- drückbare Flüssigkeit sich unter dem Mikroskope mit einem Tropfen Wasser vollständig mischt. Zur Erklärung der schuell entstehenden Pliken (24 Stun- den!?) bliebe nach den gegenwärtigen Zustande der Wissen- schaft nnr übrig, anzunehmen, dass die Vegelabilien sich in dem feucht werdenden Haar schnell in grosser Menge bilde- ten. Ich beobachtete einen russischen Geistlichen, welcher, nachdem er einige Zeit hindurch brennende Schmerzen in den Eingeweiden gefühlt halte, von seinem, eine Plike diagnoslici- renden Arzte veranlasst wurde, seinen Kopf mit einer Wachs- kappe zu bedecken und sich diaphoretischer Arzneien zu be- dienen. In der dritten Woche roch das Haar schr eigenthüm- lich, war verfilzt, etwa wie nasses Haar verfilzt zu sein pflegi. Ich schnitt ein Büschel zur mikroskopischen Untersuchung ab. Es war nach einer Stunde ganz trocken, so dass die Haare auseinanderfielen, und zeigte unter dem Mikroskope grössere kernlose Zellen in einer amorph-granulösen Masse, ausserdem kleine durchsichtige Körner, ganz ähnlich den Kernen der länglichen Zellen, sonst weder Fadenbildungen, noch analo- mische Veränderungen der Haare. In 20 Stück verfilster Pferdemähnen, ‚unter denen sich 167 einige von frischem Datum (4—6 Tage) waren, fand ich nur die eigenihümlich geformten Epidermiszellen dieser Thiere, ein einziges Mal ovale kernlose Bläschen, aneinandergereiht wie Gährungspilze. Dr. Guensburg hat aus der, von der molecularen unter- schiedenen Beweglichkeit, welche ich an meinen Zellen beob- achlele, den Beweis führen wollen, dass es Fadenpilze gewesen seien, deren Sporen ich gesehen, während mir die constitui- renden Zellen derselben, die Fäden selbst, entgangen seien. Dennoch bildet er Fig. 2. aneinandergereihte Zellen ab, welche den von mir beschriebenen auf ein Haar gleichen. Die den diserelen, später zu einem Faden verschmelzeuden Zellen ei- genthümlichen Bewegungen, erscheinen mir auch jetzt noch den moleculären sehr ähnlich, doch habe ich mich nochmals davon überzeugt, dass diese Bewegung durch Applicalion von Sublimaflösung augenblicklich aufhört. Ich enthalte mich aller voreiligen Schlüsse aus diesem wohl constalirten Faktum. Da ich die Pilze entschieden ohne Zwischenwände beob- achte, so ist es vielleicht nicht ganz unbegründet, den Pilz nicht, wie Link (Jahresbericht für physiol. Botanik 1842 u. 1843) will, mit Bolrytis zu identifieiren. Ebendafür hält je- ner berühmte Botaniker das Mycoderma Tineae capitis, Klenke dasselbe für einen Gährungspilz. Wo so geüble Beobachter, uneins sind, wage ich kein entscheidendes Wort zu reden. Mir scheint die Abwesenheit der Scheidewände ein nicht un- wiehliges Moment, zumal man versucht wird, wenn es also wirklich ein besonderes, eigenthümliches Trichomaphyton Pli- eae Polonieae giebt, vielleicht in der geographischen Verbrei- lung dieser Pflanze deu Grund des endemischen Verhaltens der Plica zu suchen — wobei natürlich immer Vorurtheil und Unreinigkeit ihre Geltung behalten. Wollen competentere Riehter die eigenthümliche Natur dieses Pilzes nicht zu- geben, so gebielet der gegenwärlige Zustand der Wissen- schaft diese Krankheit als durch Volksbelehrung ausrotlbar anzusehen. 168 Zweien zolligen Hunden spritzte ich die im IV. Hefte dieses Archivs 1844 beschriebenen discreten Zellen, in Wasser suspendirt, in die Venen und ‘unter die Haut, ohne jedoch nach 6 Monaten einen besondern Erfolg zu gewähren. Ich schliesse mit dem Wunsche, dass namentlich die letz- tere Untersuchungsweise, so wie die Besiimmung des Genus der Pflanze bald competentere und durch locale Bedingungen mehr als ich begünstigte Bearbeiter finden möge. Messungen weichselzopfiger Haare. Die llaare gehörten einem schnurförmigen Zopfe, welcher deutliche Epiphyten zeigte. Verfilzie Haare. Unverfilzte Haare. 0,022 Wiener L. 0,0157 W.L. 0,014 0,0202 0,025 0,0094 0,0235 0,0114 0,0167 das Haar an einer Stelle in 0,0245 Primitivfasern gelrennt. 0,0146 0,0193 0,0146 0,0072 0,030 0,0218 0,0145 0,0122 Messungen von Haaren einer 10 Jahre alten kuchenlör- migen Plica ohne Kryptogamen: 0,0233 0.0257 0.0362 0,0300 0,0300. Messungen von Haaren einer andern mit Kryptogamen besetzten Plica: 0,0182 0,0343 (an einer Stelle auseinandergetrieben ) 0,0285 0,029. Messungen von Haaren einer Plica mit Pilzen, welche von nicht verfilzten Stellen genommen waren: 169 An der Basis: 0,0149 0,0216 0,0210 0,030 0,0248 0.0280 0,029. In der Mitte der Haare: 0,0267 0.0319 0,0195 0,0206 0,0230. In der Gegend der Haare, wo die Verfilzung zu begin- nen pflegt: 0,0148 0,0171 0.0246 0,0188 0,0390 0,0276 0,0300 0,0135 0,0200. An der Spitze der Haare: 0,0249 0,0255 0,0290 0,0200 0,0200. Verfilzte Haare desselben Kopfes: An (er Basis: 0.0228 0,035 0,0195 0,0225 0,0175 0,0282 0,0232. In der Mitte der Verfilzung: 0.0237 0,0246 0,0216 0,0300 0,0245 0,0198 0,0267. Kiew. im November 1845. Nachtrag. Nach Abfassung dieses Aufsatzes fielen mir Präparate in die Hände von gesunden Haaren, welche 3 Monale in Koch- salzauflösung gelegen halten, aus welcher alles Wasser ver- dunstet war und das Salz in Krystallen auf den Haaren sich abgesetzt halte. Solche Haare waren heller gefärbt, als die gesunden, noch auf dem Kopfe befindlichen, zeiglen unler dem Mikroskope eben solche pinselförmige Ausbreilungen an den Stellen, wo sie von der Scheere getroffen waren, die eonslituirenden Fibrillen fuhren beim Einknicken auseinander, und die Leichtigkeit, sie mit Nadeln zu zerfasern und zu zer- quelschen, deutele einen, den Haaren des Weichselzopfes in seinen Erscheinungen vollkommen gleichen malacischen Zu- sland an. Nimmt man hierzu den Umstand, dass das Verhält- niss der Epiphyten zu den Haardegeneralionen auf keine Weise klar wurde, dass nur alte compacte Weichselzöpfe, mir we- 170 nigstens. diese Malacie der Haare zeigten, dass es ferner schwer zu glauben ist, dass die ungeheure Anzahl der Pilzzellen und Fäden aus einer relativ sehr kleinen Zahl degenerirter Haare nach Guensburg’s Theorie ihren Ursprung nehmen dürften, ja dass endlich Exemplare vorkommen, welche wohl Epiphy- ten, aber noch keine Haarmalacie und ihre Folgen zeigen: so möchte es vor der Hand wohl nicht abzuweisen sein, dass das im Schweisse enthaltene Kochsalz die Ursache der Haar- destructionen, der spontanen Abtrennungen des Weichsel- zopfes etc. sei. Kiew, im December 1845. Ueber das Vorkommen und die Bedeutung des Pro- teinbioxyds im thierischen Organismus. Von C. Lvuowıe. Dieser von Scheerer im Liebig’schen Laboratorium ent- deekte, von Mulder in seiner chemischen Selbstständigkeit und physiologischen Bedeutung aufgefasste Körper, wird mehr - und melır das Interesse der Physiologen fesseln müssen, je öfter man demselben im thierischen Organismus und den Nah- rungsmitteln begegnet. Unzweifelhaft wird auch so die Be- deutung, welche diese Verbindung schon durch die bisherigen Untersuchungen erhalten hat, noch dadurch erhöhl werden, dass es mir gelungen ist, dieselbe in nicht unbeträchtlicher Quantilät im gesunden Blule der Säugethiere nachzuweisen. Es möchte deshalb, obgleich die chemischen Untersuchungen über sie eben erst begonnen habeu, schon jetzt geralhen sein, dieselbe von physiologischer Seite ins Auge zu fassen, tlıeils um ausschweifenden Hypothesen zu begegnen, theils aber um den chemischen Forschungen die den Physiologen inleressi- rende Zielpunkte anzuweisen. Die Frage nach einer chemischen Definition des Protein- bioxyds überhaupt können wir nach unsern mangelhaften 172 Kenntnissen über die eigentliche Constilulion !) des Körpers nur dahin beantworten, dass jede in ihren Reaklionserschei- nungen den Proleinsloffen sieh annähernde Verbindung, mit der ungefähren prozenlischen Zusammenselzung (53,36 — H 6,75 — N 15,45 dahin gezählt werden müsse. Gestallen wir in Ermangelung einer bessern einstweilen diese Definilion, so ergiebt sich bei einer Betrachlung der mil dieser Forde- rung slimmenden Analysen, dass eine grössere Reihe von ver- schiedenen Modifikationen und Verbindungen dieses Körpers aufgestellt werden muss. I. Schwefelfreies Proteinbioxyd. a) In Wasser unlösliche Modifikation. — Von Mulder ?) durch Kochen des Faserslofls und von v. Baumhauer ?) durch Auflösen des Fasersloffs in Salzsäure erhalten. Wahrscheinlich auch in der Crusta phlogistiea des Bluls vorkommend. b) In Wasser und Alkohol lösliche; sie wird sehr leicht. durch einmaliges Fällen in die erste Modifikation über- 1) Es darf vor Allem der diesem Körper von Mulder beige- legte Name, wie dieser wahrheitsgetreue Chemiker auch selbst be- merkt, nicht die Ansicht befestigen, als sei derselbe ein wirkliches Oxyd eines etwaigen Proteinradikals. Zuerst ist nicht nachgewiesen, ‚dass das Protein ein zusammengesetztes Radikal: im Sinne der Che- miker ist; denn obgleich diese Verbindung eine grosse Stetigkeit beim Behandeln mit Alkalien und Säuren zeigt, so kanı doch dieses soge- nannte Protein nicht als ein constantes Glied, in einer den Radikalen analogen Art, in andere Verbindungen eingeführt werden. Aber selbst dieses zugestanden, wird das Verhalten der sogenannten Proteinoxyde und des v. Laer’schen Proteinsulfids (die dem Proteinbioxyd ent- sprechende Sstufe) auch kein Anhaltspunkt für die obige Hypothese, iodem das Protein durch Zutritt der elektro-negativen Elemente keine Veränderung des elektro-chemischen Charakters erleidet und dann auch weil Protein und Proteiubiosyd durch Cl ganz verschiedene Zerselzungsprodukte geben. 2) Liebig’s Annalen, Bd. 47. — 3) Ibid. [2 173 geführt. Im gesunden Säugelbierblut von mir ') vor- gefunden. II. Schwefelhaltiges Proteinbioxyd. 1. Mit kleinen noch unbestimmten Schwefelantheilen. a) Unlösliche Modifikation im Schleim der Galleublase von Kemp ?) entdeckt. b) Lösliche Modifikation von Bence Jones?) und v. Baumhauer *) im Dotter nachgewiesen. 2. Proteiusulfid von v. Laer °) in den Ilaaren entdeckt. Zweifelhaft bleibt dagegen, zu welcher Modifikation das von Scheerer °) in der mittleren Arlerienhaut und das von Schmielt?”) in der Muskelsubstanz wirbelloser Thiere ‚entdeckte zu zählen ist. — Fraglich, ob in dieser Modifikation es in den Federn enthalten ist. Es darf aber hier, nachdem wir eine so grosse Verbrei- fung dieses Stofls nachgewiesen haben, die Bemerkung nicht unterlassen werden, dass keineswegs schon jetzt mit unum- stösslicher Bestimmtheit die Gegenwart des Proteinbioxyds in allen so eben erwähnten Gebilden dargethan ist. Es scheinen denn auch die eilirten Autoren, Kemp, Scheerer und Jo- nes, nach ihren aus der prozenlischen Zusammensetzung be- rechnelen Formeln keineswegs geneigt, diese Unterstellung zu machen; und in der That weicht auch die gefundene Zusam- menselzung des Gallenschleims nach Kemp und die der milt- leren Arterienbaut nach Scheerer um 3—1 pCt. im Hgebalt 1) Liebig's Annalen, Oktober-Helt 1545. — 2) Annalen d. Che- mie, Bd. 43. — 3) Id, Bd. 40. — 4) Muld. phıysiol. Chem., übers. von Kolbe, p. 313. — 5) Ann, d. Chem., Bd. 45. Es ist hierzu zu bemerken, dass die Anschauung Mulder’s über die Art ihrer Existenz, noch nicht vollständig gerechtfertigt erscheint. Denn es ist aus v. La&r's Abhandlung nicht ersichtlich, warum sich bald aus den Haaren bei Einwirkung von Kä Protein und bald Proteinbioxyd bildet, und ob der S im ersten Falle als solcher ausfällt oder ob er sich oxydirt, — 6) Id. Bd. 40, — 7) Id. Bd. 54. 174 von der nach der Mulder’schen Formel berechneten Zusam- mensetzung ab. Trotzdem aber scheinen mir diese, gegen die Identifizirung sämmtlicher obenerwähnten Substanzen vorge- brachten Gründe von geringem Gewicht, weil die Reindarstel- lung dieses nicht kıystallisirenden organischen Körpers, der im Gemenge mit andern ähnlichen vorkommt, bis jetzt un- überwindliche Schwierigkeiten bietet. Zudem hat man in den oben angeführten Arbeiten hierzu noch nicht einmal den Ver- such gemacht. Betrachtet man das Proteinbioxyd von physiologischer Seite, so erhebt sich zunächst die Frage, ob es ein Produkt des Organismus selbst sei und wie man sich seine Entstehung zu denken habe. Diese Frage ist um so interessanter, je mehr sich durch ihre Beantwortung eine wesentliche Aufhellung der Respirationsvorgänge und der Stoffmelamorpbose ergeben wird. — Mulder‘) nimmt bekanntlich die Bildung dieses Stoffes im Blut aus dem Faserstoff durch aufgenommenen © an, und er stülzt diese Annahme auf folgende Gründe, Zu- erst, weil ausserhalb des Organismus Faserstoff dureh Stehen an der Luft (Versuch von Scheerer), durch Kochen in Wasser oder Lösen in Salzsäure so leicht oxydirt werde. In der That bewiesen aber diese Versuche nichts anderes, als die Möglichkeit einer derartigen Metamorphose; denn die von ihm angewendeten Oxydationsmiltel finden ja im Organismus nicht Stalt. Direkte Versuche, welche eine Oxydation des Fibrins im Blute beweisen sollen, giebt es aber nicht. Denn die schö- nen Versuche von Magnus, die er übrigens zu einem andern Zwecke unternommen hat und wonach die vom Blut absor- birte O menge dureh Schütteln mit Ö nicht wieder vollständig 1) Es scheint hierbei sich fast von selbst zu verstehen, dass man diese Entstehungsweise nur auf das Sfreie ausdehnt, indem die in den Haaren angenommene Sverbindung nicht so entstehen kann und die übrigen Shaltigen Proteinoxyde schwerlich so entstehen, da der in diesen Körpern so locker gebundene $ sich so leicht oxydiet. 175 entfernt werden konnte, beweisen ja offenbar nicht die Bil- dung des Proteinbioxyds. Eben so wenig, wie dieser Grund bewiesen, kann er aber auch aus den vorliegenden Untersu- chungen widerlegt werden, wie z. B. Marchand aus der Gegenwart des freien Ogases im Venenblut es zu ihun beab- sichligl, und Versuche am todten Blut, den neuerlich von Marchand :) angestellten ähnlich, sind für unsern Zweck, wie der Verfasser auch selbst bemerkt, unbrauchbar, weil im Organismus ganz andere Verwandtschaften, als ausserhalb des- selben, rege sind. Ein anderer Grund für die Mulder’sche Annahme liegt aber, obgleich nicht ausgesprochen, darin, dass nach ihm das Blut Proteinoxyde enthält. Die Gegenwart desselben erklärt sich aber sehr gut auch olıne seine Hypothese, da es sicher ist, dass wir dasselbe mit den Nahrungsmitteln aufnehmen. Alle Fleischfresser finden sich in diesem Fall; für die Pflan- zenfresser ist es freilich noch zweifelhaft, obgleich die Analy- sen des unreinen Legumins von Will und Rochleder ?) dafür sprechen. Es müssen erst noch weitere Untersuchun- gen entscheiden. Die ganze eben erörlerle Frage kann, meiner Meinung nach, nur durch einen Versuch entschieden werden, durch den nämlich, dass man die erwähnten Substanzen derjenigen Thiere untersucht, welche man mehrere Monate mit einer Nalırang, aus der man künstlich alles Proteinbioxyd ausge- schieden, gefüttert hat. — Unter diesem Gesichtspunkt wäre es vom höchsten Interesse, die Milch und das Blut säugender Thiere auf unsern Stoff zu untersuchen. Ein zweiter, fast noch wichligerer Gesichtspunkt ist von Mulder ?) ebenfalls schon angedeutet worden; er spricht sich in ‚seiner physiologischen Chemie so aus: „Im Pfanzenreich scheint es ausschliesslich Cellulose zu sein, welche die Zellen 1) Marchand, Journal für prakt. Chemie, Bd. 35. p. 387, — 2) Lieb, Aunal. Bd. 46. — 3) Physiol Chemie, p. 368. 176 zusammensetzt und woraus sich die meisten Formen entwik- keln, im thierischen Organismus übernimmt diese Rolle in der Regel das Proleindeutoxyd. Beide Verbindungen können, wenn die Zelle einmal gebildet ist, durch andere Stoffe ganz oder iheilweise verlrelen werden, ein Umsland, der zu der grössten Mannigfalligkeit der verschiedenen Gewebe Veranlas- sung giebt.“ Die Gründe für diese Ansicht, welche übrigens Mulder nicht entwickelt, dürften in folgenden Thatsachen zu suchen sein. Es eignet sich 1) vor mehreren andern Blut- bestandiheilen unser Körper dazu, feste Theile des Organismus zu bilden, da seine lösliche Modifikation leicht in die unlös- liche übergeht, wie wir aus der Crusta phlogistica sehen; ein Grund, der zu den schwächern gezählt werden müsste; be- deutender scheint aber der zweite zu sein, dass die Dotter- substanz aus Proteinbioxyd besteht, aus der doch ursprünglich der Organismus gebildet wird ?). Aber auch diese Thatsache lässt sich anders deuten; denn der Annahme steht nichts ent- gegen, dass das Proteinbioxyd leichter die Metamorphosen ein- geht, welche zur Bildung Chondrin- und leimhaltiger Zellen nothwendig sind; eine Erklärung, die deshalb plausibel wird, weil in der That die Zerselzungsprodukte des Proteins und des Proteinbioxyds durch Cl verschiedene sind. Endlich aber 3) liegt auch dieser. Hypothese die schon vorhin bespro- chene Anschauung zu Grunde, dass durch einfache Oxydation des Proteins, Proteinbioxyd, und durch weitere Oxydation dieses Chondrin und Leim entstände. Abgesehen von dem durchaus Unbegründeten, dieser Annahme widerspricht ihr auch noch der Umstand, dass formell sehr umgewandelte Zel- lengebilde, wie Arterienhaut und Muskeln, aus Proteiubioxyd gebildet sind. Es geht mindestens mit Gewissheit aus diesen Thatsachen hervor, dass zur Umwandlung der Proteiakörper 1) Dürfte man vielleicht die Crusta phlogistica, die man oft bei Schwangern beobachtete, als Proteinbioxyd mit besonderer Neigung in die unlösliche Modifikation überzugehen ansehen? 177 in Leim noch elwas Anderes, als die länger dauernde Einwir- kung des Sauerstofls im Organismus nöthig ist; denn diese ist oflenbar während der länger dauernden Entwickelung die- ser Formen in der innigsien Berührung mit dem sauerstofl- reichsten Blut mehr, als irgendwo anders im Organismus ge- geben. Es scheint aber auch weiter die eben besprochene Thatsache über die Zusammensetzung der Arterienbaut und der Muskeln zu beweisen, dass eine allmählige Stufenfolge von Zersetzungen aus Proteiu in Leim, wie sie oben angege- ben ist, gar nicht im Organismus so ohne weiteres exislire und dass wenn überhaupt sie nur unter ganz bestimmien Um- sländen vorkommen möchte. Da aber endlich auch der Schleim aus Proteinbioxyd be- steht, so ist es auch gewiss, dass demselben nicht wesentlich das Zellenbildungsvermögen inhärirt, wie etwa eine Krystall- form irgend eines chemischen Körpers, denn sonst müssle in diesem vor Allem ein derartiger Prozess vor sich gehen. Man wird also nicht eher der Mulder’schen Hypothese Glauben schenken dürfen, als bis durch direkte Versuche die Zusam- mensetzung der primairen Zellen festgestellt ist. So viel interessanle Untersuchungen also unser Stoff auch in Aussicht stellt, die vorliegenden Thatsachen über denselben führen uns bis jetzt nur zu sehr unsichern Hypothesen über seine Entstehung und Bedeutung. Müllers Arcbir. 1846. 12 Ueber die Struktur der Pockenpusteln. Von Dr. Gustav Sımon, Privatdocenten in Berlin. Hierzu Taf. VI. Fig. 4—9. Die Pusteln der Variola sind schon häufig der Gegenstand von Untersuchungen gewesen, und besonders haben zwei Ei- genschaften derselben die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen, nämlich erstens die napfförmige Vertiefung auf ihrer äussern Fläche, der sogenannte Nabel oder das Nabel- grübchen, und zweitens das Vorhandensein von kleinen Ab- theilungen oder Fächern in ihrem Innern. Der letztere Um- stand hat bekanntlich zur Folge, dass beim Anstechen einer Pockenpustel der Inhalt derselben nicht auf einmal ausfliesst, sondern dass zur vollständigen Entleerung mehrere Einstiche an verschiedenen Stellen erforderlich sind. Von welchen Ursachen die erwähnten Eigenthümlichkei- ten abhängig sind, ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt, wie aus den von einander abweichenden Angaben der Schrift- steller zur Genüge hervorgeht. So behauptet Cottunni. der Nabel der Pockenpusteln rühre von den Talgdrüsen der Haut her. Wenn die Ober- haut, meint nämlich dieser Autor, durch das unter derselben sich anhäufende Exsudat in die Höhe gehoben werde, so bleibe 179 oft eine Talgdrüse mit ihrem unteren Theile an der Cutis und mit ihrem oberen an der Epidermis befestigt. Es könne sich auf diese Weise die Oberhaut an dem Anheftungspunkte der Drüse nicht so stark, als an dem andern Theilen der Pustel erheben und zeige deshalb dort eine Vertiefung. Durch die Eiterung werde späler der obere Theil der Drüse zerstört und die Epidermis dann von dem sie zurückhaltenden Bande be- freit *). Die pustulöse Anschwellung auf der Haut sei von dem Rete Malpighii abhängig, welches durch die Anhäufung einer von der Cutis ausgeschwilzten Iymphalischen Flüssigkeit aufschwelle und eine schwammige Besclaffenheil annehme. Die Culis sei bei den noch nicht in Eiterung übergegangenen Pusteln, ausser stärkerer Rölhung, von normaler Beschaffen- heit ?). Aus der Abbildung Cotlunni’s geht hervor, dass das, was er Talgdrüse (glandula sebacea) nennt, der Haar- balg sei. Deslandes®) erklärt das Zustandekommen des Nabels ziemlich auf dieselbe Weise. Es befinden sich, wie er an- nimmt, zahlreiche Ausführungsgänge in der Haut, die theils den Talgdrüsen angehören, theils in die Oeflnungen führen, aus welchen die Haare hervortreten. In alle diese Gänge dringe eine Verlängerung der Epidermis ein. Jede Blatlerpu- stel habe eine Hautöffnung zur Grundlage und bestehe in der Entzündung eines Ausfülhrungsganges. Der charakteristische Eindruck der Pustel enispreche stels der Mündung des kran- ken Ausführungsganges und werde dadurch erzeugt, dass die in diesen Kanal sich einstülpende Epidermis eine gleichmäs- sige Ausdehnung der Pustel nicht zulasse. Der die Erhebung der Oberhaut verhindernde Gang stelle sich als ein kleines Bändchen dar, von dessen Vorhandensein man sich leicht beim 1) Cottannii de sedibus variolarum syntagma. Viennae 1771. Explieat. Fig. I. und II. 2) L. e. p. 252. und Expl. Fig. Il. 3) Froriep’s Notizen, Bd. 12. S. 252. 12” 180 Oeffnen einer Pustel, die sich mit Eiter zu füllen anfange, überzeugen könne. Gleicher Ansicht ist auch Petzoldt!), Er bezeichnet ebenfalls einen Strang oder Faden, welcher die Epidermis zu- rückhalten soll, als Talgdrüse, und bemerkt, dass nicht immer nur eine, sondern öfters auch mehrere Drüsen in der Gegend des Nabels vorhanden seien. Von dem Innern der Pusteln sagt er, dass zu der Zeit, wo die Blatter sich als Papula dar- stelle, eine Höhle unter der Epidermis nicht vorhanden sei, sondern dass man nur die lieferen Schichten dieser Membran aufgelockert und porös finde. Später werde indess eine Höhle erzeugt, aus welcher eine klare Flüssigkeit sich nach den Seiten hin weiter verbreite und die einzelnen Lagen der Ober- haut auseinauderdränge. H. Eichhorn ?) weicht dagegen von den bisher erwähn- ten Ansichten ab und beschreibt das Zustandekommen der Pusteln auf folgende Weise: Es bilde sich beim Entstehen jeder Blatter unter der Epidermis eine mit klarer Flüssigkeit gefüllte Höhle. Der der Epidermis zunächst befindliche Theil dieses Fluidums trockne bald zu einer kleinen hornartigen Kruste ein. Sobald diese Kruste enistauden sei, könne sich die Höhle nach oben nicht mehr ausdehnen; die Flüssigkeit bahne sich deshalb einen Weg in die äussern Schichten der Lederhaut (von Eichhorn tunica vasculosa exlerna genann!) und treibe das Gewebe derselben zellenarlig auseinander. Auf diese Weise erhebe sich der Rand der Pustel über das Nabelgrübehen. Durch den unter der Oberhaut liegenden Malpighi’'schen Schleim könne die Bildung der in den Blatter- pusteln vorhandenen Zellen, wegen der zu grossen Weichheit desselben, nicht bewirkt werden. „Wenn Deslandes,“ sagt 1) Die Pockenkrankheit mit besonderer Rücksicht auf patholo- gische Anatomie. Leipzig 1836. S. 29. und 113. 2) Handbuch über die Behandlung und Verhütung der contagiös- fieberhaften Exantheme. Berlin 1831. S. 145. 181 Eichhorn S$. 151. seiner Schrift, „die Entstehung der Pu- steln mit den sogenannten Schmierbälgen der Haut in Ver- bindung bringen will und meint, das Nabelgrübchen entstehe durch diese: so ist das sehr irrig und zeigt, dass er die Pu- steln nicht genau untersucht hat, denn die Haarbälge und Schweisskanälchen zeigen sich gerade auf den Rändern der Pustel sehr deutlich.“ Rayer’s :) Beschreibung ist wieder in mehreren Punkten von den anderen verschieden. Bei manchen Pusteln, giebt er an, bemerke man auf dem miltlera Theile ihrer Oberfläche die Mündung eines Haarsackes, aus welcher ein Haar hervor- trete, bei den meisten jedoch finde sich dies nicht. Auf der Culis liege eine aus einer Pseudomembran bestehende Schicht, von welcher die pustulöse Anschwellung abhängig sei. Diese falsche Haut habe die Gestalt eines abgestutzten Kegels und ungefähr die Dicke einer halben Linie. Sie bestehe aus einer maltweissen, ziemlich festen, doch etwas zerreiblichen Sub- slauz, die fest mit der innern Fläche der Epidermis, weniger genau mit der Oberfläche der Cutis zusammenhänge. In den in ihrer Entwickelung schon vorgeschrittenen Pusteln bemerke man zwischen der äussern Fläche der Lederhaut und jener weissen Schicht mehrere kleine zellige, mit seröser Flüssigkeit gefüllte Räume oder einen, ein solches Fluidum enthaltenden geschlängelten Kanal. Macerire man ein mit Blattern besetz- tes Hautstück, so lasse sich die pseudo-membranöse Masse durch Schaben leicht von der innern Fläche der Oberhaut in Form von Scheiben oder Ringen trennen. Die Haarsäcke, welche durch manche von diesen Scheiben hindurchgehen, seien weisser, dicker und mehr in die Augen fallend, als die der benachbarten Hautstellen. Durch die von dem entzünde- ten Papillarkörper abgesonderte pseudo-membranöse Scheibe werde oflenbar der Nabel der Pusteln hervorgebracht. Ueber 1) Trait& des maladies de la peau. T. I. Paris 1835. p. 529. 182 die Beschaffenheit des Coriums äussert sich Rayer ebenso wie Cottunni. Die Schriftsteller, von denen wir in den letzten Jahren Beschreibungen der Pockenpusteln erhalten haben, stimmen fast alle mit Rayer überein; einige indess theilen auch die Ansichten Cottunni’s. Dass die Aussprüche der hier angeführten Schriftsteller in mancher ‚Beziehung von einander abweichen, ist leicht er- sichtlich. Cottunni, Deslandes und Petzoldt nämlich behaupten, der Nabel der Pusteln entstehe durch die Talgdrü- sen; Eichhorn und Rayer aber meinen, er werde dureh eine neugebildete Substanz erzeugt, welche an einer Stelle der Pustel die Epidermis mit der Cutis in Verbindung erhalte. Die im Innern der Pusteln vorlandenen Höhlen bilden sich nach Rayer’s Beobachtung durch Anhäufung von Flüssigkeit zwischen der Culis und der von ihm für eine Pseudomembran "erklärten Schicht. Nach Cottunni und Petzoldt werden die Gewebetheile der unteren Epidermislagen durch die von der unversehrten Culis ausgeschwitzie Flüssigkeit auseinanderge- drängt. Eichhorn endlich will wahrgenommen haben, dass in der obersten Schicht der Culis zellige Räume entstehen, die sieh mit Flüssigkeit füllen. Da ich in den Jahren 1843 und 1844 öfters an Variola leidende Personen zu behandeln und auch einige Mal die Lei- chen der an dieser Krankheit Verstorbenen zu untersuchen Gelegenheit halle, so richtele ich meine Aufmerksamkeit auf die erwähnten noch streiligen Punkte, und gelangte dabei zu folgenden Resultaten: Durchschnitt ich senkrecht auf die Cutis mehrere Blat- tern, die noclı nicht mit Eiter, sondern mil seröser Flüssigkeit gefüllt waren, also als Bläschen sich darstellten, und die zu- gleich einen deutlichen Nabel hatten, so fand ich nicht alle auf ganz gleiche Weise beschaffen, auch wenn ich solche wählte, die auf demselben Gliede nahe beisammen standen. Bei manchen nämlich war die Epidermis von der darunter 183 liegenden Cutis ganz abgehoben, und nur an der dem Nabel des Bläschens entsprechenden Stelle standen beide Membranen durch einen dünnen, weisslichen Strang mit einander in Ver- bindung, der, wie die Anwendung des Mikroskops deutlich zeigle, ein Haarsack war. Zuweilen waren auch mehrere nahe an einander liegende Haarsäcke unter der eingedrückten Stelle vorhanden. Auf der unteren Fläche der Epidermis, und mei- stens auch auf der oberen der Cutis, lag’eine dünne Schicht einer weisslichen Masse. Diese war ziemlich fest mit der Epi- dermis vereinigt, hing aber mil der auf der Oberfläche der Culis befindlichen weissen Schicht, oder, wenn eine solche hier nieht vorhanden war, mit der Lederhaut selbst nicht zu- sammen, sondern die von der Culis zur Epidermis aufsteigen- den Haarsäcke stellten allein eine Verbindung zwischen beiden Membranen her (Fig. 4.). Andere Bläschen zeiglen einen, von dem eben beschrie- benen etwas abweichenden Bau. Unter der Epidermis lag ebenfalls eine Schicht weisser Substanz, die aber an der Stelle, wo äusserlich der Nabel sichtbar war, mit der Oberfläche der Lederhaut zusammenhing, so dass die Epidermis allein durch diese weisse Masse an die Cutis geheftet zu sein schien. Mit- unter liess sich auch wirklich an der eingedrückten Stelle solcher Bläschen kein Haarsack auffinden, der zu der Zurück- haltung der Epidermis hätte beitragen. können. Bei andern Bläschen von dieser Beschaflenheit dagegen sah ich einen oder mehrere Haarsäcke durch die weisse Masse hindurchgehen. Häufig fanden sich auch Haarsäcke unter den erhabenen Rän- dern der Bläschen. Dies war sowohl bei solchen Blaltern der Fall, bei welchen in der Gegend des Nabels Haarbälge zu be- merken waren, als auch bei denen, bei welchen sie dort fehl- ten. Die unter den erhabenen Rändern der Bläschen befind- lichen Haarbälge standen oft noch durch ihr oberes Ende mit der in die Höhe getriebenen Epidermis in Verbindung, andere Male waren dieselben in einiger Entfernung von der Ober- haut abgerissen (Fig. 5.). 134 Nicht selten waren die mit den Haarsäcken in Verbin- dung stehenden Talgdrüsen noch deutlich zu erkennen. Zu- weilen waren sie unversehrt, in der Regel aber zerrissen, so dass nur der obere Theil der Drüsen an den durch die Erhe- bung der Epidermis aus der Culis etwas hervorgezogenen Haarbälgen sass. Ebenso konnte ich häufig die Mündungen der Schweiss- kanäle wahrnehmen, wenn ich die Epidermisdecke der Pok- kenbläschen mit der Loupe oder unter dem Mikroskope bei auffallendem Lichte betrachtete. Auch die Schweisskauäle liessen sich in manchen Fällen au feinen Durchschnitten der mit Blaltern besetzten Haut noch zur Anschauung bringen. Bei demselben Bläschen waren aber die Mündungen der Schweisskanäle und die Gänge selbst fast immer nicht nur an der eingedrückten Stelle, sondern zugleich auch auf den hervorragenden Rändern zu unterscheiden. Nachdem ich dies Verhalten der Haarbälge und Hautdrü- sen festgestellt hatte, schritt ich zur Untersuchung der übri- gen Bestandtheile der Bläschen und beganu mit der Epider- misdecke derselben. Brachle ich von dieser, nachdem ich vorher durch Schaben die darunter befindliche weisse Sub- stanz entfernt hatte, eine Schicht nach der andern unter das Mikroskop, so zeigle es sich, dass dieselbe nur der obere Theil der Epidermis war; die tieferen Lagen dieser Membran fehl- ten. Es fanden sich nämlich in der die Bläschen überziehen- den Oberhaut nur grosse, plalte Zellen mit meist undeutlichen Kernen; Zellen, wie sie in den tieferen Epidermisschichten vorkommen, waren nicht vorhanden. Ich prüfte darauf die unter der Epidermisdecke befindliche weisse Subslanz und überzeugte mich bald, dass diese zum bei weitem grössten Theile aus den aufgeweichten unteren Lagen der Oberhaut bestand, indem am meisten nach aussen grosse platte Zellen, weiter nach unten kleinere, weniger abgeplatiete, mit deut- lichen Kernen versehene und der Cutis zunächst die Bestand- theile des Rele Malpighii zu bemerken waren. 185 Ausser diesen der Oberhaut angehörigen Bestandtheilen fanden sich noch einige andere vor. Zuerst nämlich zeigten sich Eiterkörperchen, die aus dem flüssigen Inhalte der Bläs- chen herrührten. Das Serum der Pockenbläschen enthält nämlich, wie schon Gluge ') angegeben hat, auch wenn es ganz klar ist, Eiterkörperehen. In noch grösserer Menge trifft man sie in demselben an, wenn es sich wolkenähnlich getrübt hat. Ferner bemerkte ich im Innern der Bläschen andere kleine Körner, deren Grösse sehr verschieden war, indem näm- lich ihr Durchmesser zwischen 0,0007 und 0,002 schwankte. Die meisten dieser Körperchen waren rund, andere halten eine unregelmässige, sich jedoch der runden nähernde Form. Manche der grösseren waren fein granulirt und alle unlöslich in Essigsäure. Die kleineren der erwähnten Körner waren wohl neu gebildet, da man ähnliche auch häufig im Eiter fin- del; ob dies indess für die grösseren ebenfalls angenommen werden darf, oder ob diese durch die Einwirkung des Exsu- dates veränderte Kerne des Rete Malpighii waren, wage ich nicht zu entscheiden. Mitunter sahı ich eine Anzahl der frag- liehen Körner in kleine, nur durch das Mikroskop wahrnehm- bare Stränge oder Platten eingebeltet, die gedrückt oder ge- zerrt dieselbe feine Faserung zeigten, wie geronnener Faserstofl, mit diesem auch darin. übereinslimmten, dass sie durch Essig- säure so hell und durchsichtig wurden, dass sie kaum noch wahrgenommen werden konnten, worauf dann die Körner um so deutlicher hervortralen. So verhielt sich die im Innern der Bläschen vorhandene weisse Subslanz. Die Oberhautpartikeln machten, wie schon bemerkt, immer die Hauptmasse derselben aus, die andern be- schriebenen Bestandtheile fanden sich nur hier und da zwi- schen jene eingestreut. Haben die Bläschen durch das Gelbwerden ihres Inhaltes die Beschaffenheit von Pusteln angenommen, so zeigen sie 1) Anatomisch - mikroskopische Untersuchungen. Minden 1838. S. 69. 186 Anfangs noch denselben Bau, wie die Vesikelo. Später aber verschwindel, wie dies bekannt ist, durch die stärkere Anfül- lung der Pusteln fast immer der Nabel und die kleinen Schei- dewände zerreissen. Dadurch, dass die beschriebene weisse Masse an einzelnen Stellen der Bläschen sich ohne Unterbrechung von der unte- ren Fläche der Epidermisdecke bis zur Culis fortselzie, wäh- rend an andern Punkten diese Verbindung durch das Vonein- anderweichen der unleren Epidermislagen oder durch völlige Ablösung der Oberhaut von der Cutis unterbrochen war, ent- standen die von den meislen Schriftstellern erwähnten kleinen Abtheilungen oder Fächer. Diese waren gewöhnlich von un- gleicher Grösse und ohne regelmässige Anordnung, einige Mal sah ich sie aber auch ziemlich regelmässig geordnet. Von der Mitte des Bläschens aus erstreckte sich nämlich die weisse Masse in Form kleiner Scheidewände, gleich den Radien eines Kreises, nach der Peripherie, so dass sechs bis acht Fächer von ziemlich gleichem Rauminhalte gebildet wurden. Oelters liess sicb aber auch von gesonderten Abtheilungen gar nichts bemerken. Bei den Bläschen, wo dies der Fall war, zeigte sich in der Mitte die Epidermis durch einen düunen weissen Strang oder auch in grösster Ausdehnung an die Cutis ge- heftet, und um dieses Centrum lief ein Kanal, in den sich wohl an mehreren Punkten die oft erwähnte weisse Masse in Form von Höckern oder Plättehen hineinerstreckte, der aber nirgend durch vollständige Scheidewände unterbrochen war. Rayer:) scheint dasselbe beobachtet zu haben. Die Culis habe ich, wie die meisten anderen Beobachter, bei den noch nicht mit wirklichem Eiter gefüllten Blattern, ausser stärkerer Röthung, immer normal gefunden, und Eichhorn hat mithin unrecht, wenn er dieser Membran einen Antheil an dem Zustandekommen der in den Pusteln vorhandenen Fächer zuschreibt. Die Rölhe war fast immer an der der Mitte der 1) L. c. p. 530. 187 Pustel entsprechenden Stelle am stärksten und gewöhnlich konnte man die in den Hauptpapillen befindlichen Gefäss- schlingen wegen der starken Anfüllung mit Blutkörperchen als rothe Streifen erkennen. Aus meinen Untersuchungen ergiebt sich also, dass bei der zuerst beschriebenen Form von Pusteln der Nabel durch die Haarsäcke zu Wege gebracht wird, indem ausser diesen nichts vorhanden ist, was die Epidermis hindern könnte, sich in der Mitte ebenso, wie an den übrigen Stellen zu erheben. Bei den andern Formen von Pusteln lässt sich dagegen das Vorhandensein des Eindruckes nicht auf diese Weise erklären, indem bald gar keine Haarsäcke an der vertieften Stelle vor- handen sind, bald Haarsäcke und Ausführungsgänge von Haut- drüsen sich hier sowohl, als zugleich auch an den erhabenen Rändern vorfinden. Wie der Nabel bei diesen Pusteln ent- steht, geht mit Sicherheit aus den bisher ermittelten Thatsa- chen nieht hervor. Möglich wäre es, dass derselbe hier auf die von Eiehhorn angenommene Weise zu Stande kömmt. Dieser Schriftsteller will, wie ich oben anführte, beobachtet haben, dass das beim Beginnen des Pockenexanthems sich bil- dende Exsudat schnell eintrocknet und dadurch eine stärkere Befestigung der Epidermis bewirkt. Wird dann später mehr Flüssigkeit ausgeschwitzt, so soll diese sich im Umfange der angehefteien Stelle anhäufen, und hierdurch der Rand der Pustel sieh mehr erheben, als der mittlere Theil. Dürfte man diese Erklärung als erwiesen ansehen, so liesse sich der Antheil, den ausserdem noch die Haarsäcke mit den dazu gehörigen Talgdrüsen an der Gestaltung der Pockenpusteln haben. auf folgende Weise bezeichnen: Ist während der Bildung des Exanthems durch das Eintrocknen des Exsudats keine sehr feste Verbindung zwischen Epidermis und Catis zu Stande gekommen, so wird bei stärkerer An- häufung von Flüssigkeit die Epidermis zuweilen auch in der Mitte des Bläschens erhoben werden und daher eine Blatter ohne Nabel entstehen, wie man deren auch bei jedem an Va- 188 riola leidenden Kranken in mehr oder weniger grosser Anzahl beobachtet. Befindet sich indess bei nurlockerer Verbindung durch das eingetrocknete Exsudat in der Gegend der Papel ein Haar, so wird die Epidermis von der Cutis zwar gleich Anfangs getrennt werden. doch wird der Haarsack eine stärkere Er- hebung der Oberhaut an der Stelle, wo er sich au diese an- setzt, verhindern und auf solche Art Ursache sein, dass das Blächen einen Nabel zeigt. Hat sich endlich zwischen Ober- und Lederhaut beim Beginne des Exanthems eine festere Ver- bindung gebildet, so werden beide Membranen in der Mitte des Bläschens, auch wenn hier keine Haarsäcke und Talgdrü- sen vorhanden sind, an einander geheftet bleiben, während sie auf den Rändern, trotz der hier vielleicht vorhandenen Bälge, sich von einander trennen. Ob das über die Entstehungsweise des Nabels Angege- bene richtig ist, müssen spätere Untersuchungen lehren. Ich hatte selbst die Absicht, über diesen Punkt noch weitere Nach- forschungen anzustellen, da indess seit etwa einem Jahre fast gar keine Erkrankungen an den Pocken in Berlin mehr Statt gefunden haben, so hielt ich es für besser, die wenigen bis jetzt ermiltellen Thatsachen vorläufig bekannt zu machen. Man wird bei der Wiederaufnahme dieses Gegenstandes seine Aufmerksamkeit besonders auf das noch in der Form von Pa- peln sich darstellende Exanthem zu richten haben, um zu prüfen, ob durch die von Eichhorn angenommenen Vor- gänge oder vielleicht: durch andere ähnliche in diesem Sta- dium der Krankheit eine festere Verbindung der Epidermis mit der Cutis hervorgebracht wird. Denn dass in vielen Fällen die verhinderte Erhebung der Epidermis in der Mitte der Pok- kenpusteln sich aus dem Vorhandensein von Haarsäcken und Hautdrüsen an dieser Stelle nicht erklären lässt, geht aus dem früher Gesagten hervor und ergiebt sich ganz besonders deut- lich aus der Beschaffenheit der Pusteln an der innern Fläche der Hände und Fusssohlen, also an Hautparlieen, an denen weder Haare, noch Talgdrüsen vorkommen, sondern nur 189 Schweisskanäle sich befinden, von deren Gegenwart indess der fragliche Eindruck, wie ich weiter unten zeigen will, nicht bewirkt werden kann. Bei Erwachsenen besilzen die Pusteln an der innern Handfläche und der Fusssohle, wahrscheinlich wegen der Dicke und Unnachgiebigkeit der Epidermis, zwar gewöhnlich keinen Nabel, bei Kindern habe ich mich indess melırere Mal auf das Bestimmieste von dessen Vorhandensein überzeugen können. Ausserdem findet man bei diesen Pusteln, auch wenn sie keinen Nabel haben, die Epidermis an ihrem mittelern Theile an die Cutis geheftet, was ebenfalls dafür spricht, dass nur die Dicke der Epidermis das Zustandekom- men des Eindruckes verhindert. Aus der Anheftung der Epi- dermis in der Mitte der Pusteln erklärt sich auch die eigen- thümliche Beschaffenheit, welche das Corium bei den Pusteln von den erwähuten Haulstellen darbielet, und das schon Rayer, so weit es mit blossem Auge wahrnehmbar ist, beschrieben hat. Der der Mitte der Pustel entsprechende Theil der Le- derhaut bildet nämlich eine an ihrer Basis rundliche Erhöhung. Diese ist von einer Verliefung umgeben, welche wie ein Gra- ben um die erhabene Stelle sich herumerstreckt und unter dem Niveau der benachbarten normalen Cutisoberfläche liegt. Bringt man dünne, durch senkrechte Schnitle abgelöste La- mellen so veränderter Hautstücke unter das Mikroskop, so sieht man, dass der mittlere erhabene Theil von den gerade neben einander aufgerichtelen, elwas angeschwollenen Haut- papillen gebildet wird. In der die erhöhte Stelle umgebenden Verliefung findet man die Hautpapillen seitlich umgebogen und zusammengedrückt. Ich habe’ diese Veränderungen, die zuwei- len auclı an andern Stellen, als der Hohlhand und Fusssohile, doelı minder ausgeprägl, vorkommen, besonders deutlich an einem iin hiesigen analomischen Museum aufbewahrten Fusse eines Pockenkranken beobachtet. Rayer leitet diese Beschaf- fenheit der Cutis von der Pseudomembran her, welche, seiner Meinung nach, unter der Epidermis liegt. Diese falsche Haut soll au den Rändern dicker sein, als in der Mitte, und daher 190 durch Druck auf die Culis die oben beschriebene Vertiefung erzeugen. Dass indess an der innern Seite der Hände und den Fusssohlen die unter der Epidermisdecke der Pusleln be- findliche weisse Masse nicht aus einer Pseudomembran, son- dern, wie an andern Körperstellen, fast nur aus den tieferen Oberhautschiehten besteht, lehrt die mikroskopische Untersu- chung. Es entstehen wohl die angegebenen Veränderungen der Culis auf folgende Weise: An der Stelle, wo die Pocken- pustel ihren Ursprung nimmt, bleibt die Epidermis, aus noch nicht genau bekannten Ursachen, mit der Cutis in Verbin- dung, und die den Inhalt der Pustel bildende Flüssigkeit sam- melt sich im Umfange jener Stelle zwischen Ober- und Le- derhaut an. Durch diese Anhäufung des Exsudales würde, wie an andern Körperstellen, die Epidermis auf den Rändern der Pustel in die Höhe gehoben werden, da dies jedoch we- gen der Dicke der Oberhaut hier nur in geringem Grade oder gar nicht geschehen kann, so bildet sich der Raum für die Aufnalıme der ausgeschwitzien Flüssigkeit auf die Weise, dass durch Compression der Cutis eine Vertiefung in derselben er- zeugt wird. Wie die Epidermis bei den Pusteln der in Rede stehenden Hautstellen beschaffen ist, kann man recht bequem an den Krusten studiren, die nach dem Eintrocknen der Blat- tern am Körper des Kranken zurückbleiben. Die Epidermis- decke der eingelrocknelen Pockenpusteln platzt gewöhnlich von selbst oder lässt sich, wo dies nicht der Fall ist, leicht spalten. Unter derselben findet man eine runde, bräunliche, einer Linse ähnliche Scheibe, die mit ihrem mittelern Theile oft noch an die Haut geheflet ist, sich jedoch ohne Mühe ab-. lösen lässt. Weicht man diesen linsenförmigen Körper in Wasser auf, so sieht man, dass er aus zwei Scheiben besteht, die an ihren Rändern gewöhnlich mit einander zusammenhän- gen. Die untere dieser Scheiben hat in der Mitte ein rundes Loch (Fig. 7. a), die obere ist nicht durchbohrt (Fig. 7. b). Zwischen beiden Platten befindet sich eine unter dem Mi- kroskop körnig erscheinende Masse, der eingetrocknete Eiter 4191 der Pockenpnstel. Dass beide Platten aus Epidermis bestehen, ist deutlich zu erkennen; man sieht an feinen Lamellen oft noch die hindarchgehenden Schweisskanäle und kann durch genügende Maceralion die einzelnen Oberhautzellen sehr gul zur Anschauung bringen. Die obere Scheibe gehört den milte- lern Lagen der Oberhant, die untere den tiefsten an. Ohne Zweifel bildet sich die untere Scheibe aus der Masse, die man in den noch als Bläschen sich darstellenden Blattern als eine dünne weissliche Schicht in der Regel auf der Oberfläche der Cutis Gndet, während die obere Scheibe durch das Eintrock- nen der an der Epidermisdecke des Bläschens haftenden weis- sen Substanz entsteht. Die untere Platte ist durchbohrt, weil der mittlere erhabene Theil der Cutis mit der Epidermisdecke der Pustel in Berührung geblieben ist, während an den übri- gen Stellen eine Trennung Statt gefunden hat. Durch senk- recht auf die Oberfläche der Scheibe gerichtete Schnitte er- hält man aus deren mittlerem Theile Lamellen, die sich unter dem Mikroskop so darstellen, wie ich es Fig. 8. abgebildet habe. Fügt man dazu die Cutis (Fig. 9.) und die das Ganze bedeekende äussere Lage der Epidermis, so hat man alle die Pustel zusammensetzenden Theile. Ich habe noch anzugeben, warum man bei den Pusteln von den Händen und Fusssohlen die centrale Anheflung der Oberhaut und den Nabel. wenn ein solcher vorhanden ist, nieht durch das Vorhandensein der Schweisskanäle erklären kann. An der die Pusteln überziehenden Epidermis erkennt man nämlich die Schweisskanäle nicht nur an dem milllern angehelteten Theile, sondern auch auf den abgelösten Rändern (Fig. 6.). Die Kanäle stehen ferner in regelmässigen Abstän- den von einander und sind in der Mitte der Pustel nicht elwa in grösserer Menge, als auf den Seitentheilen vorhanden. Wollte man also die centrale Anheflung der Oberhaut von den Schweisskanälen herleiten, so wäre nicht einzusehen, warum die auf dem Rande der Pusteln vorhandenen Ausfüh- 192 rungsgänge hier die Ablösung der Epidermis nicht ebenfalls verhindert haben. Es ist schon von mehreren älteren Autoren angenommen worden, dass die Exantheme durch ein Erkranken der Haar- säcke und Hautdrüsen hervorgebracht werden. Neuerlich ha- ben besonders Rosenbaum, Lessing und Klenke dieser Ansicht wiederum Gellung zu verschaffen gesucht. Sie be- hauplen, dass durch ein Erkranken der Schweissdrüsen Milia- ria erzeugt werde und (dass alle übrigen Exaniheme von einer Affection der Haarsäcke und Talgdrüsen abhängig seien. Das, was ich über die Pockenpusteln angeführt habe, spricht in- dess nicht für die Richtigkeit ihrer Ansich!; denn an der in- nern Fläche der Hände und an den Fusssohlen, wo keine Haarsäcke und Talgdrüsen liegen, bilden sich die Pockenpu- steln ebenso, wie an den andern mit Haaren versehenen Stel- len des Körpers. Die durch Pockenpusteln hindurchgehenden Haarsäcke sehen allerdings fast immer dicker aus, als gewöhn- lich, wesbalb man vermuthen könnte, dass eine Veränderung ihres Gewebes oder eine krankhafte Anhäufung in ihrem In- nern der Bildung des Exanthems vorausgehen möchte. Diese Beschaffenheit der Haarbälge rührt aber nur davon her, dass sie äusserlich von einer Schicht aufgeweichter Epidermis um- geben sind; niemals habe ich die Wände der Säckchen selbst verändert oder ihre Höhle erweitert gefunden. Zu Gunsten der Ansicht, dass die Haarbälge und Talgdrüsen das Ent- stehen der Exautheme bedingen, scheint ferner noch der Um- stand zu sprechen, dass nicht nur bei den Pocken, sondern auch bei andern Ausschlägen, die die Bildung von Papeln, Bläschen oder Pusteln veranlassende Exsudation häufig rund um einen Haarsack Statt findet. Dies rührt indess, wie schon Henle !) angenommen hat, höchst wahrscheinlich nur daher, dass die Cutis in der Umgegend der Haarsäcke gefässreicher ist, als an den übrigen Stellen, weshalb eine entzündliche 4) Zeitschrift f. rationelle Med. Bd. II. S. 280. 193 Stockung und Exsudation hier leichter, als anderwärts zu Stande kommen kann. Ausser den Pocken zeigen noch manche andere Aus- schläge mehr oder weniger häufig einen Nabel. Es sind dies be- sonders die Pustelun der Varioloiden, die Vaceinebläschen, die Pausteln von Porrigo lupinosa und die durch Brechweinstein erzeuglen Pusteln. Seltener, als bei den eben genannten Exan- themen, beobachtet man eine Depression bei den Varicellen und den Bläschen des Herpes. Was zuerst die Pusteln der Varioloiden betrifft, so fand ich diese bis gegen das Ende ihres Verlaufes ganz mit denen der Variola übereinstimmend. In ihrem letzten Stadium wei- chen beide Exantheme aber dadurch von einander ab, dass bei den ächten Blattern sich meistens Verschwärungen der Cutis ausbilden, während dies, wie bekaunt, bei den modihi- eirten gewöhnlich nicht geschieht. Den Nabel des Vaccinebläscheus leitet man gewöhnlich von dem beim Impfen gemachten Eiustiche ab. Dieser soll adhäsive Entzündung erregen und dadurch eine festere Auhef- tung der Epidermis an die Culis bewirken, so dass, wenn späler sich seröse Flüssigkeit zwischen beiden Membranen anhäuft, die Oberhaut an der Stelle, wo sie genauer angehef- tet ist, nicht erhoben wird. Ich habe die Vaccinebläschen gehörig zu untersuchen keine Gelegenheit gehabt, doch schei- nen mir einige Beobachtungen, welche ich bei künstlich er- reglen Ausschlägen von Thieren gemacht habe, für die Rich- tigkeit jener Ansicht zu sprechen. Bei einigen Iunden näm- lich rieb ich an der innern Seile des Oberschenkels, nachdem vorher die Haare abgeschoren worden waren, Brechweinstein- salbe ein. Nach wenigen Tagen entstanden Pusteln, welche an mehreren Punkten ihrer Oberfläche kleine Vertiefungen zeiglen, die den Stellen entsprachen, wo Haare aus der Haut hervortraten. Die Anfangs kleinen und Nachen Pusteln wur- den später grösser und höher und verloren dann die Ein- Müller's Archiv. 1846. 13 194 drücke, welche um die auf der Oberfläche der Pustel befind- lichen Haare sichtbar gewesen waren. Ehe der beschriebene Ausschlag sich gebildet halte, rieben die Thiere sich gewöhn- lieh die Haut und erzeugten dadurch kleine Einrisse in die Epidermis, die sich mit einer gelben oder bräunlichen, durch das Vertrocknen ausgesickerter Flüssigkeit entstandenen Kruste bedeckten. Eine solche kleine Kruste wurde später gewöhn- lich der Mittelpunkt einer Pustel, die an der Stelle, wo der Schorf sass, oft einen mehr oder weniger breiten Nabel zeigle. Die so erzeugte Depression bestand in der Regel bis zum Ein- trocknen des Ausschlages fort, während die anderen, um die Haare bemerkbaren Vertiefungen auf der Oberfläche der Pu- steln, wie ich anführte, immer schon früher verschwanden. Da bei den Vaceinebläschen ziemlich dieselben Verhältnisse, wie bei dem künstlich erreglen Ausschlage der Hunde zuge- gen sind, so ist es sehr wahrscheinlich, dass der beim Impfeu gemachte Einslich den Nabel derselben hervorbiingt. Die anderen oben genannlen Exantheme babe ich noch nicht häufig genug untersucht, um mir ein Urtheil über die- selben erlauben zu können. Das Resultat der mitgetheilten Untersuchung ist kurz zu- sammengelasst folgendes: 1) Es kommen Pockenpusteln vor, bei denen der auf der Oberfläche derselben vorhandene Eindruck offenbar von den Haarsäcken abhängig ist. 2) Bei anderen Pockenpusteln lässt sich das Entstehen des Nabels nicht von den Haarsäcken oder Hautdrüsen ablei- len, wie besonders die Pusteln an der innern Handfläche und der Fusssohle zeigen, bei denen die Schweisskanäle sich so- wohl an dem mittleren vertieften Theile, als auch auf den Rändern erkennen lassen. Ob das Eintrocknen des beim Be- gion des Exanthems sich bildenden Exsudales hier den cen- tralen Eindruck zu Wege bringt, ist zweifelhaft. 3) Die unter der Epidermishülle der Pockenpusteln be- 195 findliche weisse Schicht ist nicht, wie viele Schriftsteller an- nehmen, eine Pseudomembran, sondern besleht zum grössten Theile aus den unteren aufgelockerten Schichten der Ober- haut, zwischen die nur wenige neu gebildete Bestandtheile eingestreut sind. 4) Die im Innern der Pockenpusteln oft vorhandenen Höhlen oder Fächer kommen dadurch zu Stande, dass an ein- zelnen Stellen der Pustel die untersten Fpidermislagen aus- einandergedrängt werden oder die Oberhaut von der Culis völlig abgehoben wird, während an anderen Punkten eine solche Trennung des Zusammenhanges nicht erfolgt. Erklärung der Abbildungen. Fig. 4. Senkrechter Durchschnitt einer Pockenpustel, bei wel- cher in der Gegend des Nabels sich ein Haarsack (a) befindet, der die Epidermis au die Cutis heltet. Fig. 5. Senkrechter Durchschnitt einer Pustel, bei welcher sich in der Gegend des Nabels zwei Haarsäcke (a,a) befinden, während auf dem abgelöstien Rande ebenfalls zwei solcher Bälge (2, 5) vor- handen sind, Fiz. 6. Die Epidermisdecke einer mit einem Nabel versehenen Pockenpustel von der innern Handlläche eines jungen Mädchens — von der Fläche gesehen. Die Mündungen der Schweisskanäle sind nicht nur in der Gegend des Nabels, sondern auch auf den Rän- dern zu erkennen und’ stehen überall in ziemlich gleicher Entfernung von einander. Fig. 7. Linsenförmiger Körper, der unter der Epidermishülle einer Pockenpustel von der innern Handfläche gelegen hatte. a obere, nicht durchbohrte Platte desselben; 5 untere durchbohrte Platte. (Um das Doppelte vergrössert.) Fig. 5. Eine Lamelle aus dem mittleren Theile des linsenför- migen Körpers durch senkrecht auf die Oberfläche desselben gerich- tete Schnitte abgelöst. a obere Platte; 5,5 untere Platte. Fig. 9. Senkrechter Durchschnitt der Cutis von einer Stelle der Fusssohle, auf welcher eine Pockenpustel gesessen halte. « mitte- lerer erhabener Theil der Cutis; 5,5 vertiefter Theil der Cutis; e,e Vebergang in die die Pustel umgebende normale Culis. Mit Ausnahme von Fig, 7. ist bei den Abbildungen eine 5- bis 10fache Vergrösserung benutzt worden, Der Furchungsprozess und die sogenannte Zellen- bildung um Inhaltsportionen. Von K. B. Reıcuerr in Dorpat. Hierzu Taf. IX, Nägeli’s Untersuchungen über die Bildung der Spezial- Mut- terzellen des Pollen (Zur Entwickelungsgeschichte des Pollen bei den Phanerogamen. Zürich 1842), und dessen weitere Forschungen (Zeitschrift für wissenschaftliche Botanik von Schleiden und Nägeli, Bd. I. Heft 1.) haben sowohl für die Lehre von der Zellengenesis, als für das Versländniss des Furchungsprozesses neue wichtige Momente geliefert. Dieser Botaniker zeigte zuerst durch genaue Beobachtungen, dass Ab- theilungen der Inhaltsmasse einer Mutterzelle durch sogenannte Zellenbildung um Inhaltsportionen scheinbar ohne Veränderung zu dem Inhalte von Brutzellen verwandelt werden. In Folge gemeinschaftlicher Untersuchungen mit meinem hochgeschätzten Kollegen, A. v. Bunge, halte ich Gelegenheit, die Erschei- nungen einer solehen Zellengenesis bei der Bildung des Pollen von Passifloren, Lilien, Hyoseyamus etc. durch eigene An- schauungen kennen zu lernen. Schon die Schriften Nägeli’s 197 selbst, noch mehr aber die eigenen Untersuchungen bei den genannten Pflanzen, überzeugten mich, dass in dem Furchungs- prozess der Eier bei den Thieren ähnliche Vorgänge voraus- zusetzen seien. In dem Berichte über die Leistungen in der mikroskopischen Analomie des Jahres 1843 halle ich bereits auf die Erscheinungen aufmerksam gemacht, die uns noch fehlen, um diese Behauptung mit Sicherheit machen zu kön- nen. Bald darauf gelang es mir, diese in dem Furchungspro- zess noch verborgenen Pliänomene bei den Entozoen in einer Weise zu verfolgen und zu beobachten, wie es selbst die Ver- hältnisse bei der Pollenbildung nicht gestatten. Die Entozoen, aus deren organologischer Entwickelung bisher noch wenig Brauchbares für die Wissenschaft sich ent- nehmen liess, sind für die Beobachtung des Furchungsprozes- ses in vieler Beziehung sehr geeignet und vortheilhaft. Be- sonders empfehle ich die Untersuchungen an Strongylus auricularis, den man wenigstens hier so häufig im Darm von Rana fusca antriflt. Was sich bier am günstigsten für die Beobachtung erweisel, ist der Umstand, dass wir an einem und demselben Eichen die Erscheinungen während der Bildung der ersten, der nächsten zwei und selbst der nun folgenden vier Furchungskugeln hinter einander unter dem Mikroskop in verhällnissmässig kurzer Zeit verfolgen können. Obgleich selbst ein Llosgelegles Eichen nicht selten den zerslörenden äusseren Einwirkungen längere Zeit widersteht, so geht man doch sicherer, wenn man den Uterus mit den eingeschlossenen Eichen zur Untersuchung wählt. Die Wandungen des Uterus legen bei ihrer grossen Durchsichtigkeit der mikroskopischen Beobachtung kein Hinderniss in den Weg; nur die Sperma- tozoen können, wenn sie in grösserer Masse vorhanden siud, das mikroskopische Bild trüben. Da man so häufig die Kom- pression anzuwenden sich genöthigt sieht, so gewährt auch die Fixation des Eichens durch den Uterus grossen Vortheil. Man verschaflt sich denjenigen Theil des nach hinten ge- legenen Uterus, in welchem grade die in dem Kurchungspro- 198 zess begriffenen Eier enthalten sind, ohne grosse Zerrung und Druck sehr leicht auf die Weise, dass man das Thier etwa zwei bis vier Linien von dem hinteren Ende quer durch- schneidet. Er tritt dann gewöhnlich in Folge der Kontrak- tionen der Haut ein Theil des Eierleiters und der Anfang des Uterus aus der Oeffinung heraus. Durch einen zweilen Quer- schnitt trennt man alsdann die Gebärmutter selbst ab, wo möglich bevor noch durch die fortdauernden Kontraklionen eine zu grosse Anzahl von Eichen in den weiten Theil des- selben hineingepresst worden sind. Die Befeuchlung des Prä- parates kann ohne besondere Nachtheile mit Speichel und auch mit Wasser geschehen. Ein zu kräftiger Druck auf die Eichen ist möglichst zu vermeiden, daher das Deckplältchen passend durch elwas diekere Weichtheile, als der Uterus des Thieres, geslülzt wird. Unter den angeführten Verhältnissen glückt es gewöhnlich, fast alle die Stadien des Furchungspro- zesses, die ich beschreiben werde und die in den Zeichnungen wiedergegeben sind, an einem und demselben Eichen zu be- obachlen; öfters liegen dieselben auch an den verschiedenen Eieru des Uterus ausgebreitet vor uns. Die Untersuchung des Furchungsprozesses bei Sirongylus auricularis wird aber ausserdem noch durch die Beschaffenheit des Dotlers begünstigt. Es lassen sich bier namentlich an den kleinen Fetlkügelchen Erscheinungen wahrnehmen, von wel- chen z. B. bei Ascaris nigrovenosa und acunıinala wegen des gleichförmigen grumösen Inhaltes auch nicht eine Spur zu entdecken ist. Zu den günstigen Verhältnissen für die Unter- suchung ist endlich noeh der Umstand zu rechnen, dass in den Eiern kein Nahrungsdoller vorhanden ist. Die Anwesenheit trübt in allen Fällen eine genaue Beobachtung des Furchungs- prozesses. Jene Angaben Vogt’s von den Fortselzungen der Dotterhaut in die Furchen des Dotlers, ferner die Ansichlen Kölliker’s von dem Verhalten und der Bedeutung seiner sogenannten primären Zellen in dem Furchungspruzesse (Mül- ler’s Arch. 1843, p. 68 seqq.), desgleichen die Angaben von 199 der Theilung und Abschnürung präformirter Furchungskugel- Segmenle und -Fortsätze zu 1 VE bei den Se- pien etc. (Entwickelungsgesch. d. Cephalop. p. 17 seggq.) sind, wie mir scheint, durch Untersuchungen an Eiern veranlasst, deren Nahrungsdotler eine genaue Beobachtung der Erschei- nungen an dem sich furchenden Bildungsdolter nicht zuliessen. Beschaffenheit des reifen Eichens von Strongylus auricularis. $. 1. Die Eichen von Strong. auric, gelangen gemeinhin, ohne dass vorher das Keimbläschen verschwunden ist, in den mit Spermatozoen angefüllten Uterus. In dem Ovidukt der Länge nach zu mehr eylindrischen Körpern mit abgerundeten Enden zusammengedrückt, nehmen sie in dem weiteren Ule- rus eine ovale Form an (Taf. IX. Fig. 1.). Der lange Durch- messer beträgt 0,023—0,024” P., der quere 0,015—0,017 P. Die Bestandtheile sind die gewöhnlichen. Die Dotterhaut, vollkommen durchsichtig und strukturlos, zeigte sich mir nach Behandlung mit Essigsäure und Lig. kal. caust. unverändert. Schmidt’s Angabe, dass sie dadurch aufquelle (Zur vergleich. Physiol. der wirbellos. Thiere, p. 24.), fand ich hier nicht bestätigt. Das Keimbläschen liegt dieht an der Dotterhaut in der Richtung des Querdurchmessers, und ist mit einem schwach granulirten, dunkel gerandeten Keimfleck versehen. Der Durch- messer desselben erreicht die Grösse von 0,0097 — 0,011” P. Bei Behandlung mit Lig. kal. caust. verschwindet das Keim- bläschen ganz, wie auch Schmidt angiebt. Der zähflüssige Inhalt desselben soll nach dem genannten Forscher durch Al- kohol gerinnen; bei Strong. auric. blieb er sowohl nach Be- bandlang mit Alkohol, als mit Essigsäure durchaus unverän- dert. Schmidt sah bei Anwendung von Lig. kal. caust. an Stelle des Keimfleckes Felltröpfehen zum Vorschein kommen. Nach so geringen Reaktionen lässt sich über die chemische Beschaffenheit des Keimbläschens wohl nicht mehr aussagen, 200 als dass man es der Haupimasse nach mit einem Proteinstoffe zu thun habe. An dem Bildungsdotter, der die ganze Höhle der Dotter- haut rund um das Keimbläschen vollständig ausfüllt, unter- scheidet man drei Theile. Am auffallendsten sind durchsich- tige, runde, dunkel kontourirte Körperchen, etwa von der Grösse des vierten Theiles eines menschlichen Blutkörperchens. Keine Erscheinung weiset darauf hin, dass es Bläschen seien. In Aelher lösen sie sich vollständig auf; ich halte sie für so- lide Feltkörperchen. Sie sind im ganzen Dotter ausgebreitet, und lassen denselben unter dem Mikroskop bei durchfallendem Liehle mehr oder weniger dunkel erscheinen. Sie liegen, wenigstens grossentheils, nicht dielit an einander. Man über- zeugt sich davon an der Peripherie des Dotters, wo stets ein- zelne Kügelchen freier und in kleinen Entfernungen von ein- ander abstehend angetroffen werden; dergleichen durch Beob- achtung der Abstände der Kügelchen an einem mässig kom- primirten und dadurch lichter gewordenen Eichen. Zwischen diesen Kügelchen liegt der zweite Haupibestandtheil des Bil- dungsdolters, eine helle, vollkommen durchsichlige, zähflüssige Substanz, die in Essigsäure aufzuquellen scheint, in kauslischer Kalilösung löslich ist und so als ein proteinarliger Stoff ange- sprochen wird. Bei Anwendung von Alkohol schien diese Substanz, durch welche der Bildungsdotter zu einem Fluidum mit suspendirten Körperchen gemacht wird, zu gerinnen, so dass ich sie für eiweissarlig halten möchte. Beim Hinzutrit! von Wasser zu dem Eichen sieht man gewöhnlich, von der Diffusion desselben durch die Dolterhaut, den Dotter selbst, unter Ver- grösserung der Dotterhaut, theilweise oder in der ganzen Pe- ripherie zurückgedrängt werden. Zuweilen jedoch, und na- menllich ste!s bei längerer Einwirkung des Wassers, wird das leiztere von der zähflüssigen Substanz des Dolters aufgenom- men; der ganze Doller nimmt an Volumen zu, gewinnt durch das Auseinanderrücken der Feltkügelchen an Haltbarkeit und erscheint aufgelockerl. Hieraus geht hervor, dass die zähflüs- 201 sige Substanz des Dotters zwar Affinität zum Wasser besitze, aber doch keine starke, was übrigens auch von dem Inhalt des Keimbläschens ausgesagt werden kann. Ausserdem schei- nen mir die beschriebenen Vorgänge zu der Annahme zu nö- thigen, dass die Dotterhaut von einer organischen flüssigen Substanz gelränkt und an der Innenfläche überzogen sei, die eine grosse Alfinilät zum Wasser habe, und so die Diffusion desselben früher ermögliche, als die Dottermasse und beson- ders die für uns sichtbare zähflüssige Substanz derselben daran Theil nimmt. Neben den genannten beiden Bestandtheilen sieht man im Dotter noch ganz kleine molekulare dunkle Körper- chen, welche bei 400facher Vergrösserung nur als schwärz- liche Punkte sich darstellen. Sie sind namentlich in der lich- teren Peripherie des Dotters deutlicher zu unterscheiden und lassen den letzteren fein granulirt erscheinen. Ueber ihre che- mische Beschaffenheit habe ich niehts Genaues ermitteln kön- nen. Bei Behandlung des Eichens mit Lig. kal. caust. konnte ich sie nieht mehr vorfinden. Die Erscheinungen und Veränderungen der reifen Eichen von Strong. auric, während des Furchungs- prozesses im Ulerus. $. 2. Die erste Veränderung an dem reifen Eichen be- trifft das Hinschwinden des Keimbläschens. Die Erscheinungen, unler welchen dieses geschieht. sind nicht immer dieselben. Einige Male sah ich die Kontour des Keimbläschens nach und nach undeutlich werden; der helle Fleck des Dolters an sei- ner Lagerungsstelle trübte sich, indem in diese Gegend eine grössere Anzahl Feltkügelchen hineingedrängt worden; bald darauf markirt sich die entsprechende lichte Stelle des Dot- ters olne Kompression des Eichens gar nicht, und elwas spä- ter kann man auch mit Hilfe derselben die Substanz des Keim- bläschens mikroskopisch nicht mehr unterscheiden. Wird der Druck etwas früher in Anwendung gesetzt, so lässt sich die Substanz oder wohl richtiger der Inhalt des Keimbläschens 202 an einer Helligkeit im Centrum des Dotters noch wiederer- kennen. Diese Helligkeit hat aber keine bestimmte Begren- zung, und stellt sich vielmehr ganz so dar, als ob der Inhalt des Keimbläschens nach Verkümmerung der Membran allmäb- lig im Dotter sich ausbreite und mit demselben vermenge. Häufiger schwindet das Keimbläschen unter anderen Er- scheinungen Während nämlich die helle Stelle an der La- gerungsstätte des Keimbläschens sich unserem Blicke entzieht, treten gleichzeilig zwei, drei oder auch noch mehr kleinere Flecke in derselben Gegend auf. Die Zahl und Grösse der hellen Flecke ist nicht 'konstant; doch sind sie um so kleiner, je grösser ihre Zahl ist. Sie beschränken sich ferner nicht bloss auf die Gegend der Lagerungsstätte des Keimbläschens, sondern breiten sich um so melır im ganzen Doller aus, je zahlreicher und kleiner sie sind. Das Ansehen des Dotters wird dadurch merklich verändert. Derselbe erscheint bald mehr regelmässig, bald unregelmässig hell und dunkel gefleckt, nicht sellen gleichsam flockig (Fig. 2.). Wird das Eichen kompri- mirt, so zeigt sich deutlich, dass diese hellen Flecke von runden hellen Körpern herrühren, die im mikroskopischen Habitus ganz und gar den späteren hellen Flecken oder Kernen der Furchungs kugeln, oder auch dem Keimbläschen gleichen, doch fehlt jede Spur eines Keimfleckes (Fig. 3.). Durch sehr starken Druck lassen sie sich, wie eine zähe Substanz, allmählig auseinander- drücken, olıne die Erscheinungen des Platzens von Bläschen zu verralhen. Durch einen engen Spalt der Dotterhaut hin- durchgedrängt, zerfällt ein solcher Körper unter günsligen Umständen während der Beobachtung in zwei gleiche oder ungleiche Theile, die dann öfters wiederum eine vollkommen runde Gestalt annehmen. Chemisch verhalten sie sich, wie der zähe Inhalt des Keimbläschens. Die Frage, ob diese hellen Körper von Membranen umhüllt seien oder nicht, dürfte sich wohl durch unmitlelbare Beobachtung nieht mit Sicherheit entscheiden lassen. Zwar liegen keine Erscheinungen vor, die auf die Bläschen-Natur bindeuten. Jedoch ist anderseits die zäh- 203 Nüssige Natur und chemische Beschaffenheit der Substanz der Körper von der Art, dass die gewöhnlichen Erscheinungen, aus welchen wir auf die Anwesenheit einer Membran zu schliessen berechtigt sind, hier nicht auftreten können. Es wird sich später die Gelegenheit darbieten, auf diesen Punkt näher einzugehen. Gleichwohl scheint es mir nach der Art des Entstehens, so wie nach dem sogleich ımilzutheilenden späteren Verhalten, und nach der gegenwärtigen Beschaffenheit dieser hellen Körper nicht zweifelhaft, dass dieselben nur für Tropfen des zähen Inhaltes des Keimbläschens zu hallen seien. Es spricht ausserdem für diese Deulung noch der Umstand, dass man zuweilen dureh Druck des Keimbläschens den In- balt, nachdem auf eine unsichtbare Weise die Hülle geschwun- den ist, zum Zerfallen in Tropfen veranlassen kann. Eichen von dem beschriebenen Ansehen und Verhalten sind im Uterus anzutreffen, und sie zeichnen sich vor allen Zuständen während des Furchungsprozesses durch ihre Em- pfindliehkeit gegen äussere Einflüsse aus, Da die weileren Veränderungen der beschriebenen hellen Körper nur langsam vorschreilen, und eine mehrstündige Beobachtung erfordern, so gelingt es seltener, den Fortgang derselben an einem ein- zigen Eichen zu verfolgen. Indessen ist mir auch dieses einige Male geglückt. Man sieht dann die hellen Flecke im Dotter nach und nach undeutlich werden und verschwinden, das ge- fleckte und flockige Wesen des Dollers solcher Gestalt all- mählig sich verlieren und das Eichen schliesslich ein Ansehen gewinnen, wie wenn das Keimbläschen olıne Zerfällung in Tropfen unmerklich mit dem Dotter sich vereinigt hätte. Durch Anwendung des Druckes überzeugt man sich, dass diese Erscheinungen in der That gleichfalls durch das allmäh- lige Hiuschwinden des in Tropfen zerfallenen Inhaltes des Keimbläschens hervorgerufen werden. Die Kontouren der hellen Körper verlieren an Schärfe, werden mehr und mehr undeutlieh, und bald ist dann die Vermischung mit dem Bil- dungsdoller so weit erfolgt, dass die Unterscheidung der hellen 204 Körper unmöglich wird. Da die Vereinigung derselben mit dem Dotter nicht gleichzeitig erfolgt, so geschieht es, dass ge- gen Ende des Prozesses nur noch drei, dann zwei, dann ein heller Fleck, ganz ähnlich den späteren in den Furchungsku- geln, sichtbar sind; zuletzt ist mitten im Dotter keine Spur mehr von dem hellen Körper aufzufinden. Zuweilen erhal- ten sich jedoch kleinere helle Tröpfchen, die dicht an der Dotterhaut liegen und vom Dotter nicht gänzlich und etwa nur zur Hälfte umgeben sind. (Vergl. Fig. 4.) Nach der Vermischung des zähflüssigen Inhaltes des Keim- bläschens mit dem Bildungsdotter ist die Form des Eichens nicht wesentlich verändert; nur die Grösse scheint zuweilen etwas zugenommen zu haben. Der Dotter dagegen ist lichter geworden; die dem Keimbläschen oder den Tropfen desselben entsprechenden hellen Stellen sind nirgend in ihm vorzufin- den. Die Feltkügelchen erscheinen gleichmässig im Dolter ausgebreitet und nur an dem einen Pole öfters etwas zahlrei- cher angehäuft zu sein, wodurch diese Gegend dunkler mar- kirt wird (Fig. 4.). Es hal sich also ergeben, dass das Keimbläschen nach Verkümmerung seiner Hülle in allen Fällen beim Eintritt des Furchungsprozesses mit der Substanz des Dotlers sich vermi- sche und vereinige, ohne eine mikroskopisch erkennbare Spur zu hinterlassen. Diese Vermischung geschieht bisweilen un- mittelbar, häufiger dagegen mittelbar nach vorangegangenem Zerfallen des Inhaltes des Keimbläschens in eine grössere oder geringere Anzahl verschieden grosser Tropfen. Von den Be- standtheilen des Dolters kann nur der flüssige bei der Ver- mischung belheiligt sein. Da nun auch in dem Falle, wenn das Keimbläschen in seiner ganzen Masse mit dem Dolter sich vereinigt, die Vermischung seines Inhaltes mit dem Nüssigen Dotterbestandtheile nur allmählig und langsam von Slatten geht, so ist einerseits zu entnelimen, dass die sich vereinigen- den Substanzen keine grosse Neigung zur Vermischung mit einander haben, und anderseits wird es versländlich, wie der 205 Inhalt des Keimbläschens nach Verkümmerung der Hülle beim Auseinanderfliessen so leicht Tropfen. bilden könne. In der chemischen Beschaflenheit des flüssigen Dotterbestandiheiles habe ich nach der Vermischung mit dem Inhalte des Keim: bläschens durch die gewöhnlichen, oben bezeichneten Reagen- tien keine Abänderung vorgefuuden. 8. 3, Unter den nächsten Veränderungen Jes befruchte- ten Eichens nach dem Hinschwinden des Keimbläschens sind zuerst die der Grösse und der Form desselben am auflallend- sten. Das Eichen nämlich verkleinert sich, und namentlich betrifft diese Verkleinerung den breiten Durchmesser des Ei- chens, welcher nach und nach auf 0,011 — 0,012 Par, L. her- abgeht (vergl. Fig. 5.). Hierdurch verwandelt das Eichen die ovale Form in eine mehr eylindrische mit abgerundeten En- den, und solcher Gestalt verbleibt dasselbe durch die ganze spätere Entwickelungszeit. Bringt man das Eichen mit Was- ser in Verbindung, so tritt in Folge von Diffusion eine grös- sere Masse Wassers in die Höhle der Dotterhaut hinein, als Massentheilchen sich daraus entfernen, und wir sehen das Ei- elien wiederum im Querdurchmesser sich vergrössern und die frühere ovale Form annehmen. Hieraus lassen sich zwei Fol- gerungen ziehen. Zuerst möchte sich ergeben, dass die ge- genwärtige eylindrische Form die ursprüngliche des Eichens im Ovidukt sei, und dass die spätere, grössere und ovale Form durch den Hinzutritt von Substanztheilchen ( vielleicht von befruchtenden Stoffen) zu dem Inhalt während des Ueberganges aus dem Ovidukt in den Uterus bedingt werde. Das Eichen hat auch, wie beschrieben wurde, in dem Eierleiter eine ey- lindrische Form. Doch ist dieselbe dünner und länger, als die gegenwärlige, und mussle als eine durch die Wandungen des Ovidukts zusammengedrückte angesehen werden. Ferner folgt, dass die Verkleinerung und Formumwandlung des Richens nur von der Verringerung des Volumens seines Inhaltes, des Dot- ters, abhängig sei. Diese Verminderung des Volumens kann, mit Rücksicht auf später zu beschreibende Erscheinungen, als 206 durch den Austritt von Substanziheilchen aus dem Ei (na- mentlich aus dem flüssigen Dotterbestandtheil) entstanden ge- dacht werden. 8. 4. Während dieser Umwandlung des Eichens in Grösse und Form gehen die wichtigeren Veränderungen an dem Dot- ter desselben vor sich. Es markirt sich hier allmählig bald mehr, bald weniger deutlich eine schmale, lichtere, von Fett- kügelchen freie Zone im Gegensatz zu einer cen!ralen, jetzt mehr dunkel erscheinenden Masse, die allein die Feitkügelchen enthält. Diese Erscheinung ist nicht selten wenig, fast gar nicht ausgeprägt, wenn nämlich der Dotter durch eine sehr zahlreiche Menge von Feltkörperchen sich auszeichnet. Ferner pflegt gewöhnlich an dem einen Pole des Eichens die Anhäu- fung der Fetikügelchen stärker zu sein, als an dem anderen. Auch hier ist dann aus demselben Grunde die besprochene Erscheinung weniger, ja oft gar nicht sichtbar. Gleichwohl nöthigt mich die ganz ofleubare Ausprägung dieser Erschei- nung bei sehr vielen Eichen, darauf um so mehr Rücksicht zu nehmen, als das weniger deutliche Auftreten und das Nicht- vorhandensein derselben durch das Verhalten der Fellkörper- chen genügend erklärt werden kann, Schon früher wurde von einer lichleren Zone des Dot- ters gesprochen. Dieselbe stellte sich als den optischen Aus- druck dar, welchen die mit einer geringeren Menge Fellkü- gelchen angefüllte peripherische Dotlermasse im Verhältnis zum Centrum bei durchfallendem Lichte zeigen musste. Ge- genwärlig sieht man eine mehr oder weniger vollständige, schmale, doch nicht überall gleichmässig breite Zone am Dot- ter, die keine Fetikörperchen enthält und nur die molekula- ren Körperchen deutlicher und auch in grösserer Menge gewahren lässt (Fig. 5.). Die centrale Partie des Dolters er- scheint dunkler; die Felikügelchen liegen hier jetzt dichter gedrängt aneinander, werden aber nach wie vor durch zäh- flüssige Dotlersubstanz und durch dazwischen gelagerte mole- kulare Körperchen von einander gelrennt. Von anderweili- 207 gen Veränderungen oder Bildungen ist keine Spur vorlıanden. Die beiden bezeichneten Dollerparlieen, die lichte Zone und die dunkle centrale Partie dürfen, wie schon aus der näheren Beschreibung hervorging, durchaus nicht als wirklich bestimmt getrennte Massen des Dotters aufgefasst werden. Denn der flüssige Dotierbestandtheil und die ihrer Anzahl nach, wie es seheint, vermehrten Molekularkörperchen bilden in beiden Dotterparlieen ein Kontinuum, und ihre Unterscheidung ist nur durch die Ab- und Anwesenheit der Feltkörperchen be- gründet. Die Entstehung der lichleren Zone kommt auf die Weise zu Stande, dass die Fellkügelehen von der Peripherie des Dotters allmählig mehr gegen die Mitte hin näher aneinander- rücken. Nun kann das bezeichnete Aneinanderrücken der Feitkügelchen gegen die Mitte des Eichens hin entweder die Folge sein einer Anziehung der Feltkörperehen untereinander, oder einer Bewegung derselben gegen fremdarlige, etwa in der Mitte des Dotters gelegene Körper. Mit Rücksicht auf den letzteren Punkt liegt es namentlich sehr nahe, schon jetzt grade in der Mitte des Dotters den sogenannten Kern der er- sten Furchungskugel zu suchen, der späterhin hier sichtbar wird. Aber weder ein solcher Körper, noch elwas anderes Fremdartiges ist im -Dotter um diese Zeit vorzufinden, voraus- gesetzt, dass die Ueberreste des Keimbläschens vollständig ver- schwunden sind. Hierzu kommt, dass die Vertheilung der Feltkörperehen in der Dotterflüssigkeit überhaupt gegen die Annalıme sprichl, dass sie von einem ihnen fremdarligeu Kör- per angezogen werden. Die Fettkörperchen liegen nämlich, als gemeinschaftliche Gruppe gedacht, in derselben Form und unter denselben allgemeinen Verhältnissen vor uns, wie frü- her; nur ist die Gruppe an Umfang kleiner, die Distanzen zwischen den Fettkörperchen geringer, und zwar an dem ei- nen Pole, wo sie zalılreicher aufgehäuft sind, in gleichem Grade etwas geringer, als in der Mitte und an dem anderen Pole, Die Erscheinungen hinsichtlich der Helligkeit und Dun- 208 kelheit der dunklen Dotterpartie sind dem entsprechend. An dem einen Pole ist die dunkle Dolterpartie dunkler, als in der Mitte und an dem anderen Pole; ausserdem ist natürlich die Peripherie etwas weniger dunkel, als die Mitte. Den- ken wir uns nun ein oder mehrere Centra im Dotter, durch deren Wirksamkeit die Bewegung der Fettkörperchen bis zur Bildung der deutlicheren lichleren Zone bedingt ge- wesen wäre, so müsste zunächst die allgemeine Form der ganzen Gruppe der Feltkörperchen der wirkenden Cenlra ent- sprechend geändert sein. Ferner werden da, wo der anzie- hende Körper wirkt, die Feltkörperchen dichter beisammen- liegen, und einerseils ein dunkleres Centrum im Dotler mar- kiren, andererseits aber auch an der Peripherie des Dolters ein slärkeres Hervortreten der lichten Zone bedingen. Ueber die dunklen Centra hinaus müssten endlich die Distanzen zwi- schen den Fellkörperchen allmähliger zunehmen, die dunkle Dot- terparlie in gleichem Grade lichler werden und die lichte Zone am schwächsten ausgeprägt sein. Im Gegensatz zu allen diesen Veränderungen lässt sich von den Fellkörperchen nur aussagen, dass dieselben im Allgemeinen näher aneinander ge- rückt seien, dass dagegen die übrigen Verhältnisse im We- senllichen sich nicht verändert haben. Zwar wurde erwähnt, dass die Fellkörperchen öfters an dem einen Pole oder Ende des Eichens diehter und zahlreicher beisammen liegen, als in der Mitte und an dem anderen Ende. Diese Erscheinung ist jedoch, wenn nicht Hindernisse vorhanden sind, schon früher zu bemerken, elıe die Bewegung der Fettkörperchen Stalt ge- funden. Ausserdem aber entspricht auch diese Vertheilung der Fettkörperchen und des Dotters nicht der Annahme, dass etwa an dem dunkleren Ende ein altrahirendes Centrum ge- geben sei. Denn die Fetikügelchen liegen an dem einen Pole überall, etwa in der kleineren Hälfte des Dotters, gleich- mässig nahe und dicht aneinander, und ebenso gleich- mässig weniger dieht und nahe in der Mitte und in der an- deren Hälfte des Dotlers; irgendwie allmählig abnehmende 209 oder zunehmende Unterschiede in den Distanzen der Feltkör- perchen zu einander sind nicht bemerkbar. Auch ist die lichte Zone des Dolters grade an dem dunklen Ende, wo das wir- kende Cenlrum zu denken wäre, weniger, oft fast gar nicht ausgeprägt, und im Gegentheil in der Mille und an dem an- deren Ende, die von dem wirkenden Centrum am meisten entfernt sind, grade am auffallendsten. Nach meinem Dafür- halten kann die besprochene Erscheinung nur mit der ur- sprünglichen Bildung des Dotters in Verbindung gebracht werden, dessen Fetikörperchen ja überhaupt der Zahl nach variiren und an dem einen Ende des Eichens vielleicht regel- mässig sich zahlreicher herausbilden, als in der Mitte und an dem anderen Ende. Man muss demnach zu der Annahme zurückkehren, dass die Fettkörperchen nur in Folge einfacher Attraktion näher aneinander gerückt seien, womit auch das ganze Verhalten der Gruppe übereinstimmt. Dass die lichte Zone unter sol- chen Umständen an dem einen Ende des Eichens, wo die Feltkörperchen in grösserer Menge aufgehäuft sind und zum Theil sich wohl berühren, weniger sich herausbildet, als in der Mitte und an dem anderen Ende, ist begreiflich. Es fragt sich nun, ob diese vermehrte Attraktion der Fetikörperchen unter einander durch eine Veränderung der Feltkörperchen selbst, oder etwa der zwischen denselben befindlichen Dotter- substanz veranlasst sei. Eine Veränderung der Fettkügelchen ist indessen mindestens nicht nachzuweisen; denn ich finde sie selbst während des ganzen Furchungsprozesses hinsichtlich des allgemeinen Ansehens, der Grösse, der chemischen Beschaf- fenheit unverändert. Dagegen ist es kaum zweifelhaft, dass die übrige Dottersubstanz, und namentlich der hier am mei- sten in Betracht kommende flüssige Dotterbestandtheil, die wichtigsten Verwandlungen erleidet. Diese Verwandlungen müssen der Art sein, dass sie die Adhäsion zwischen der Dot- terflüssigkeit und der in ihr suspendirten Fettkörperchen ver- mindern, oder überhaupt anderweitige Hindernisse, welche die Nüller's Arebir. 1846. 14 210 kräftigere Altraklion der Fetikörperchen unter einander beein- trächtigt haben, aus dem Wege räumen. Es lassen sich nun direkte Beobachtungen von einer solchen Verwandlung des flüssigen Dotterbestandtheiles bei den Schwierigkeiten der Un- tersuchung nicht näher angeben. Dagegen kann man aus an- deren Veränderungen des Dotters, bei welchen der flüssige Dotterbestandtheil nothwendig betheiligt sein muss, mit ge- ringerer oder grösserer Beslimmtheit darauf schliessen. So wurde angeführt, dass die molekularen Körper jetzt zahlrei- cher auftreten und sich vermehrt hätten. Ferner nöthigt uns die bald zu beschreibende Anwesenheit einer Membran um den Dotter zu der Annahme, dass die hierauf bezüglichen Vorgänge schon gegenwärtig Statt finden. Es ist mir zwar nicht möglich gewesen, während des Aneinanderrückens der Fettkörperchen und des Sichtbarwerdens der hellen Zone die auf die Bildung dieser Membran sich beziehenden Erscheinun- gen zu gewahren. Dennoch sind ja die Wirkungen eines sol- chen Vorgaoges, wie sich aus der nachfolgenden Beschreibung ergeben wird, unzweifelhaft, und daher eine darauf Bezug nehmende Deutung gerechifertigt. Die Bildung dieser Mem- bran nun und die Vermehrung der molekularen Körperchen kann nur auf Kosten des flüssigen Dotterbestandtheiles ge- dacht werden. Dadurch, dass aber aus dem zähflüssigen Dot- terbestandtheil solide Körper sich hervorbilden, muss das Re- siduum desselben dünnflüssiger werden, und demgemäss den in ihm suspendirten Fetikörperchen bei der gegenseiligen An- ziehung geringere Hindernisse in den Weg legen. Ausserdem darf man voraussetzen, dass bei diesen Konsolidationen auch die Mischungsverhältnisse des flüssigen Dotterbestandtheiles umgeändert werden, in Folge dessen vielleicht die Adhäsion zu den Fettkörperchen sich vermindert bälte. Eine solche Mischungsveränderung kann selbst bei der Verkleinerung des Doltervolumens, wobei Substanztheilchen aus dem flüssigen Doiterbestandtheile durch die Membrana vilellina heraustre- ten, Stalt haben. Begreiflicher Weise sind das Alles nur Ver- 211 mulhungen, wie es bei so schwierigen Untersuchungen auch nicht anders sein kann. Das Dünnflüssigerwerden des zäh- flüssigen Dotterbestandfheiles dagegen möchte bei dem ange- gebenen Konsolidationsprozesse nicht in Abrede zu stellen sein; und hierdurch wird schon das nähere Aneinanderrücken der Feltkörperehen und so die Entstehung der lichteren Zone am Dotler versländlichh. 8.5. Zu den früher angegebenen und so eben erläuter- ten Erscheinungen sehen wir nun sehr bald eine neue hinzu- treien. An den Polen des Eichens zeigt sich nämlich eine schmale, unter dem Mikroskop sichelförmig sich darstellende, vollkommen durchsichlige Lücke zwischen der Dotterhaut und dem scharf und bestimmt konvex abgegrenzien Dotter (Fig. 5.). Da die Dotterhaut in Form und Grösse durchaus unverändert geblieben, so kann diese Erscheinung nur durch Veränderun- gen an dem Dotter selbst bedingt sein. Das Auftreten der bezeielineten Lücke im Allgemeinen setzt aber von Neuem eine Abnahme des Volumens des Dolters voraus. Die Lage und Form dieser Lücke, .desgleichen die an derselben sich kundgebende freie Begrenzung des Doiters nölhigen ferner zu der Annahme, dass gegenwärlig mil der Verminderung des Volumen gleichzeitig eine eigene Gestaltbildung des Datters in eine Form, die von der der Dotlerhaut abweicht, gegeben sei. Bisher halte der Dolter keine selbstständige Form, er zeigte sich vielmelr als Nüssiger Inhalt der Dolterhaut. Hätte non die Verminderung des Volumens in einfacher Weise Statt gefunden, so bliebe der Dotter immerhin ein, wenn auch mit soliden Körperehen angefülltes Fluidum, und, indem derselbe jelzt frei in der Dotterhöhle liegt, musste er diejenigen freien Begrenzungen zeigen, die ilm nach hydrostalischen Gesetzen bei den verschiedenen Stellungen des Eichens zukommen. Da die beschriebenen Lücken und die freien Abschnitte des Dot- ters grade dann sichtbar sind, wenn das Eichen der Länge nach vor uns liegt, so lässt sich schon daraus entnehmen, dass der Dotter in seinen Begrenzungen sich nicht nach hydrosta- 14* 212 tischen Geselzen richtet. Bei den verschiedenen Stellungen des Eichens bleibt die markirte Form des Dotters auch stets konstant. Steht das Eichen zum Theil senkrecht auf einem Pole, so sinkt der Dotter olıne Veränderung seiner wesent- lichen Form etwas tiefer herab, und die Lücke an dem freien oberen Pole wird grösser. Die Form des Dotters lässt sich aber nicht genau angeben, da ein grosser Theil der Flächen von Dotterhaut gedeckt ist und sehr leicht durch dieselbe kompri- mirt sein kann. Ohne Rücksicht hierauf zeigt sich die Ge- slalt cylindrisch mit freien abgerundeten Enden. Wahr- scheinlicher ist es mir, dass der Dotler im freien Zustande sich mehr oder weniger der ovalen Gestalt nähern würde. Die Lücken an den Polen des Eichens sind mit einem klaren, durchsichtigen Fluidum angefüllt. Dieses Fluidum liess sich chemisch nicht näher bestimmen; mit Wasser, Essigsäure vereinigt es sich leicht; bei Anwendung von Alkohol, Aether war keine Reaktion deutlich bemerkbar. Nach meinem Da- Sfürhalten darf dasselbe als eine Ausscheidung aus dem Dotter, namenllich aus dem flüssigen Dotterbestandtheil während der jetzigen Veränderungen, betrachtet werden. Denn einestheils sind Ausscheidungen bei Bildungen der Art, wie sie hier Statt finden, eine gewöhnliche Erscheinung, und dann selzt auch die von Neuem eingetretene Volumen- Verminderung des Dot- ters die Nothwendigkeit zu der Annahme, dass Substanztheil- chen aus dem Dolter ausgeschieden worden sind. Früher tra- ten dieselben unter gleichen Bedingungen aus der Dotterhaut heraus; jetzt, wo der Dolter, von einer Membran umhüllt, bei seiner Verkleinerung von der Dotterhaut sich entfernt, bege- ben sie sich in die zwischen beiden Theilen zurückbleibende Lücke. Ausserdem siebt man in dieser Lücke in den meisten Fällen ganz helle, runde Körperchen von sehr verschiedener Grösse und auch verschieden an Zahl. Mehr als vier bis fünf Körperchen habe ich jedoch nieht vorgefunden. Zuweilen lie- gen sie ganz frei; ein anderes Mal erscheinen sie zusammen- gedrückt, öfters machen sie selbst bei einer solchen Kompres- 213 sion einen Eindruck in die Dotterkugel. Im Uebrigen verhal- ten sich diese Körperchen ganz ähnlich den Tropfen, welche sich beim Verschwinden aus dem Inhalte des Keimbläschens bilden. Eine wichtige Beziehung zum Furchungsprozesse wird ihnen jedenfalls ohne allen Grund .zugeschrieben; denn ich habe sie während des Auftretens mehrerer Furchungskugeln hintereinander olıne bemerkbare Veränderung verfolgt. Aus- serdem fehlen sie ja auch zuweilen ganz und gar. Einige Be- obachter haben diese Körperchen für Abkömmlinge des Keim- leckes gehalten, ohne jedoch diese Ansicht näher zu begrün- den. Mir ist der Keimfleck, sobald das Keimbläschen sich im Dotter auflöset, nicht mehr unterscheidbar gewesen. Dagegen leitet mich die Aehnlichkeit dieser Körperchen mit den Tro- pfen, in welche namentlich der Inhalt des Keimbläschens bei dessen Verschwinden zerfällt, zu der Annahme, dass sie solche übrig gebliebene Tropfen darstellen, welche, wie nicht selten, in der Nähe der Dotterhaut liegend, sich nicht im Dotter auf- lösen, und, bei dem Zurückweichen des Dollers in seiner jetzi- gen Form von der Dotterhaut, in der entstandenen Lücke zu- rückbleiben. $. 6. Der Dotter selbst in seiner gegenwärtigen Gestalt und in seinem gegenwärtigen Zustande stellt das dar, was man die erste Furchungskugel nennt. Er erscheint mikrosko- pisch, die Grösse und Gestalt abgerechnet, ohne weitere Be- handlung nieht wesentlich verändert. Es treten nun die cen- tralen dunkeln und peripherischen hellen Partieen des Dotters an denjenigen Eichen, wo. sie überhaupt markirt sind, jetzt noch deutlicher zu Tage, was bei noch weiter vorgeschritte- ner Verringerung des Volumens und gleichzeitig vollendeter Bildung der sogleich zu beschreibenden Membran um den Dot- ter erklärlich ist. Wird das Eichen komprimirt, so lässt sich auch dann, zu Anfange des Auftretens der ersten Furchungs- kugel, keine Spur einer Veränderung und einer Neubildung in dem Dotter vorfinden. Doch können in dieser Beziehung jene hellen Körperchen in der Lücke zwischen dem Dotter 214 und der Dotterhaut, wenn dieselben nämlich vorhanden sind und unbeachtet beim Komprimiren des Eichens sich in die Dottersubstanz hineindrängen, zu irrthümlichen Beobachtungen veranlassen. Gleichwohl ist man gezwungen, eine Beschaflen- heit an der ersien Furchungskugel aufzusuchen, die es be- greiflich macht, wie der Dotter eine so scharf begrenzte kuglige Form annehmen konnte und dieselbe so konstant zu erhalten vermag. Ohne mich auf die verschiedenen Kontro- versen in Belreil dieses Gegenstandes einzulassen, da die Be- seiligung derselben aus dem Vorangeschickten zu entnehmen ist, und überdies in den Erscheinungen nicht einmal irgend welche Haltpunkte vorgefunden werden können, beschränke ich mich auf den Nachweis einer Membran um den Dot- ter, ‘durch deren Bildung und Anwesenheit die bezeichneten Phänomene an der ersten Furchungskugel vollständig erklärt werden. Wo die Membran eines Bläschens, wie in dem gegen- wärligen Falle, mikroskopisch im normalen Zustande nicht zu unterscheiden ist, da stehen hauptsächlich uns drei Miltel zu Gebote, um ihre Anwesenheit nachzuweisen. Das eine Mittel lässt sich bei so kleinen (segenständen wohl kaum willkürlich in Anwendung bringen: es ist die Erzeugung von Fallen an dem Bläsehen. ‚Damit sich aber an einem Bläschen Falten bilden können, muss eine Volumen- Verminderung des Inhaltes Statt haben, in Folge dessen sich die Membran entweder von selbst bei verringerter Spannung in Falten und Runzeln lege, oder auch bei einem von aussen wirkenden Zuge zur Bildung von. Falten veranlasst werde. Nun findet zwar eine Verringe- ruug des Volumens der Dotterfllüssigkeil während des Fur- chungsprozesses Stalt; dennoch habe ich bei Strongyl. aurie. zu keiner Zeit solehe Runzeln oder Fallen entstehen schen. Dagegen sind die Verhältnisse beim Froschdolter günstiger, und es bilden sich hier unter unseren Augen, in Folge äusse- rer mechaniseher Einwirkungen während des Auflrelens der ersten und nächstlolgenden Furchungskugeln, Faltenzüge, sie 215 verändern ihre Zahl, ihre Grösse, ihre Richtung, und sind solcher Gestalt von du Bois und mir zu einem ganz unzwei- felhaften Beweise von der Anwesenheit einer Membran an den Furchungskugeln benutzt worden. Ein zweites geeigneles Mit- tel zum Beweise von dem Vorhandensein der Membranen an den Bläschen haben wir in der Kompression der letzteren, in Folge dessen der Inhalt entweder aus einem entstandenen Risse der Membran allmählig heraus-, oder bei vollkommener Zerstörung derselben gewöhnlich mit einer Drehung des gan- zen Körperchens auseinanderfliesst. Damit dieses Experiment glücke und recht überzeugend werde, muss der Inhalt des Bläschens dünnflüssig sein, und weder wegen seiner zähflüssi- gen Eigenschaft, noch wegen der Beschaffenheit des ihn um- gebenden Fluidums die Neigung besitzen, auch nach zerstörler Membran in der vorhandenen Form eines Tropfens längere oder kürzere Zeil zu verbleiben. Das Letztere ist aber grade bei dem Dotter der Fall, und so würde denn das bezeichnete Experiment allerdings nicht zum Beweise einer Membran in Anwendung zu bringen sein, aber auch eben so wenig, weil es nicht glückt, gegen die Anwesenheit einer Hülle sprechen können. Das letzte und am leichtesten anwendbare Mittel bleibt immer die Diffusion. Aber auch hier giebt es Fälle, wo das Missglücken dieses Experimen!s nicht allein Nichts für, sondern auch Nichls gegen die Anwesenheit einer Membran bezeugen kann und darf. So wird die Diflasion missglücken, wenn die diffandirenden Fluida keine Anziebung zu einander haben, oder, wenn die Membran für das eine oder für beide Fluida nicht durchgängig ist, endlich auch, wenn das äussere Fluidum zerstörend auf die Membran einwirkt, bevor noch die sonst mögliche Diffusion eingetreten. Andererseits kann die Diffusion unter ungewöhnlicheren Erscheinungen sieh zu er- nen geben, wenn namentlich der Inhalt des Bläschens aus tandiheilen zusammengeselzt ist, die eine verschiedene Nei- gung zur Diffusion besitzen, oder von denen etwa der eine gar nicht mit der äusseren Flüssigkeit mischbar ist. So kenne 216 ich Dotterzellen in dem sich entwickelnden Flusskrebs, die neben einigen grösseren Kügelchen mit einem hellbräunlichen, Nüssigen Fett ganz angefüllt erscheinen, obschon an der In- nenfläche der Zellenmembran eine das Wasser leicht aufneh- mende flüssige Substanz vorhanden sein muss. Gelingt es, diese Zellen ohne Zerstörung der Membran mit Wasser in Verbindung zu bringen, so sieht man sehr bald unter Vergrös- serung des Umfanges der Zelle eine mehr oder weniger breite Zone um den bräunlichen, flüssigen Fettinhalt auftreten, dann die Zellenmembran platzen und die Zone wieder verschwin- den, während der Inhalt in Gestalt eines Tropfens sich häufig erhält. Die Diffusions- Versuche sind es nun, welche unter gün- sligen Umständen zum ganz sicheren Beweise von der An- wesenheit einer Membran um die Furchungskugeln benutzt werden können, und unter Anderen von du Beis und mir bei den kleineren Furehungskugeln des Froschdolters mit Er- folg angewendet worden sind. Bei Strongyl. aurie. sind die Erscheinungen bei diesen Versuchen ähnlich, wie sie bei der Dotterzelle des Krebses beschrieben wurden. Die Unterschiede beruhen nur darauf, dass der Dotter bei Strongyl. aurie. in solider Form das Fett enthält, und zwischen den Fettkörper- chen und Molekularkörperchen eine mit Wasser etwas schwe- rer mischbare flüssige Substanz sich befindet. Das Experiment wird am zweckmässigsten an selcheu Eichen nnternommen, deren Dotler von den Fetikügelcben nieht überfüllt ist, und an welchen sich in der Peripherie der Furchungskugel die be- sprochene hellere Partie des Dotters mit den Molekularkör- perchen allein ınarkirt. Ferner muss der Druck auf den Dot- ter nicht slark sein und das Wasser nicht zu heftig einwir- ken, daher man besser solche Eichen zur Beobachtung er- wählt, die sich im Uterus befinden. Wenn nun unter diesen Verhältnissen das Wasser auf das Eichen einwirkt, so sieht man ebenso, wie bei der Dollerzelle des Flusskrebses, um die erste Furchungskugel eine anfangs schmale, allmählig aber 217 breiter werdende Zone auftreten (vergl. Fig. 10. 5.). Sie ist ganz wasserhell, an den freien Enden der Furchungskugel am auffallendsten, und verliert sich mehr oder weniger gegen die Mitte des Eichens hin, wo die Furchungskugel von der Dot- terhaul komprimirt ist. Die Furchungskugel hat grade so viel an Länge zugenommen, als die Breite der wasserhellen Zone beträgt; und in gleichem Grade hat sich die Breite der Lücke zwischen Furchungskugel und Dotterhaut verringert. Gewöhn- lich erscheint die Furchungskugel jetzt wie von zwei ziemlich konzentrisch verlaufenden Kontouren umgeben, die um die Breite der neu entstandenen wasserhellen Zone von einander entfernt liegen. Die eine Kontour ist scharf gezeichnet und gehört der äussersten Begrenzung der Zone an; die andere liegt am inneren Rande derselben, ist weniger scharf, ent- spricht zum Theil der früheren Begrenzung der Furchungsku- gel und wird durch die äussersien peripherischen Molekular- körperchen derselben gebildet. Die Deutung dieser Erschei- nungen ist nicht schwer. Die Furchungskugel muss eine Membrau besitzen, die an ihrer Innenfläche von eineın, mi- kroskopisch allerdings nicht unterscheidbaren, das Wasser leicht aufnehmenden Fluidum überzogen ist. Dieses Fluidum zieht das Wasser auf dem Wege der Diffusion in stärkerer Masse an. Da aber das Wasser sich nicht leicht mit den Sub- stanzen des Dolters mischt, so sammelt sich dasselbe, die Membran der Furchungskugel ausspannend, zwischen derselben und dem Dotter an, und bildet so die wasserhelle Zone und die bezeichneten Kontouren. Eichen von dem bezeichneten Ansehen sind nicht selten im Uterus vorzufinden, auch ohne dass man sein Augenmerk auf das Entstehen der beschriebenen Veränderungen gerichtet hätte. Immer wird man sich überzeugen können, dass diesel- ben daun nicht mehr den Furchungsprozess weiter fortsetzen. Vielmehr gewahrt mau an ihnen stets Erscheinungen, die auf den weiteren Forlgang uud die grössere Ausbreitung der Dif- fusion sich beziehen. Die wasserhelle Zoue nämlich nimmt 218 noch mehr, unter Verkleinerung der Lücke zwischen ihr und der Dotterhaut, an Umfang zu; ihre äusserste Begrenzung ver- schwindet plötzlich, und wasserhelle Zone und Lücke sind nicht mehr zu unterscheiden. Gleichzeitig verändert sich auch der Doiter; seine Begrenzung wird unregelmässig, die Mole- kularkörperchen rücken auseinander und in die Zone hinein; auch die Feltkügelchen weichen auseinander. Der ganze Dot- ter erscheint jetzt aufgelockert, die Furchungskugel ist nicht mehr, und das Eichen, die vergrösserte ovale Form anneh- mend, hat nun wiederum das Ansehen wie vor Beginn des Furchungsprozesses. Die ganze Reihe von Erscheinungen er- klärt sich daraus, dass die Membran der Furchungskugel in Folge grösserer Ausspannung zerstört wird, und das Was- ser endlich noch mit der zähflüssigen Dottersubstanz zwi- schen den Molekularkörperchen und den Feltkügelehen sich vermischt. ! Es ist also auf eine ebenso leichte, als unzweifelhafte und sichere Weise dargelhan, dass die erste Furchungskugel von einer Membran umhüllt sei. Diese Membran ist es, die uns das Auftreten des Dotters in so bestimmter und konstanter Gestalt begreiflich macht. Mit Recht konnte man daher vor- hin bei der Erklärung der Bewegung der Felikügelehen auf die gleichzeitig Stall findende Entstehung und Bildung dieser Hülle an der Oberfläche des Dolters, so weit möglich, rück- siehtigen. Die neu entstandene Membran des Dolters ist voll- kommen durchsichtig und struklurlos; sie lässt das Wasser diffundiren und ist ausspannungsfähig. An ihrer Innenfläche mussle eine nicht weiter sichlbare, mit dem Wasser leicht mischbare, organische Flüssigkeit als Ueberzug festgeselzt wer- den. Bei der Bildung dieser Membran kann nur der flüssige Doiterbestandtheil betheiligt gedacht werden. Dieselbe ist be- gleitet von chemischen Verwandlungen dieses flüssigen Dot- terbestandiheiles, welche sich durch Ausscheidungen aus dem Dotter (Volumenverminderung) während und selbst nach der Bilduog der Membran (Entstehen der Lücke), desgleichen 219 durch die Vermehrung der Molekularkörperchen zu erkennen giebt. Ausserdem muss eine chemische Differenzirung zwi- sehen der Rindenschicht, die sich zur Membran konsolidirt, und zwischen der centralen Masse, die mit den suspendirten Körperchen als Inhalt verbleibt, Statt finden. $. 7. Die erste Furchungskugel von der Beschaffenheit, wie sie geschildert wurde, ist in ihrer Bildung noch nicht als vollendet anzusehen und besleht so auch nur eine kurze Zeit. Sehr bald markirt sich bei einiger Kompression des Eichens etwa in ihrer Mitte eine lichte Stelle, die, wie man sich durch Bewegung des Glasplältchens überzeugen kann, von der An- sammlung eines hellen Fluidums herrührt, das zähflüssiger sich darstellt, als die bisher beschriebene zähe Dotterflüssigkeit, jedoch anfangs noch durch keine scharfe oder bestimmte Be- grenzung von dem übrigen Dolter sich absondert. Oefters sieht es so aus, als ob nur die Felikügelchen von dieser Stelle sich theilweise eutfernt hätten. Nach einiger Zeit wird auch ohne Kompression die lichte Stelle bemerkbar (Fig. 6.). Wird nun das Eichen komprimirt, so erkennt man einen runden, be- slimmt kontourirten hellen Körper von etwa 0,005 — 0,0062 P. im Durchmesser. Das allgemeine Ansehen gleicht ganz den hellen Körpern, die aus dem Inhalt des Keimbläschens in Tro- plenform sich bilden. Man kann ihn sehr stark komprimiren, oline ihn zu zerstören; er wird dadurch nur breiter. Gelingt es aber, diesen Körper durch einen Spalt der Dolterhaut hin- durchzupressen,, so wird man nicht selten bemerken, dass er, während des Hindurehganges oft sehr in die Länge gezogen, gleichwolil nach dem Heraustiritt aus dem Spalt wieder seine runde Form anniınmt. Zuweilen wird er durch die Ränder der Spallöffoung zur Bisquilform eingesehnürt, und dennoch nimmt er, herausgelrelen, wieder die runde Form au. Auch salı ich mehrere Male die Einschnürung bis zu vollständiger Theilung erfolgen, und jeder Theil rundele sich wieder ab. In anderen Fällen konnte ich ihn durch einfachen Druck in der llöhle der Dotterhaut in zwei und auch iu mehrere 220 Tropfen zerfällen. Chemisch verhalten sich die Körper, wie die Haup!masse des Keimbläschens. Alkohol, Aether, Essig- säure, Wasser reagiren nicht auf dasselbe; Lig. kal. caust. löset ihn auf. Bekanntlich hat Kölliker an diesen Körpern, seinen pri- mären Zellen, die von Anderen als helle Flecke der Fur- chungskugeln bezeichnet werden, noch ein sehr kleines, meist dunkel begrenztes, rundes Körperchen entdeckt, welches er Kern nennt. Bei Ascaris nigrovenosa habe ich dasselbe neuer- dings einige Male deutlich am Rande des hellen grösseren Körpers unterscheiden können. Die Beobachtung war hier durchaus nicht schwer zu machen, und gleichwohl vermochte ich in anderen Fällen dieses Körperchen nicht mit Sicherheit wiederzufinden, obschon ich die betreffende Stelle unter den günstigsten Um- ständen, ziemlich frei von umliegender Masse, vor mir hatte, und den ganzen hellen Körper hin- und herrollen konnte. Bei Strongyl. aurie. habe ich mich niemals sieher von der Anwesenheit eines solchen dunkeln Körperchens an dem grös- seren hellen Körper überzeugen können. Der letztere zeigt allerdings sehr häufg 1—5 und noch mehr kleine dunkle, runde Flecke, die beim Rollen des Präparates nicht selten milbewegt werden können, ohne ihren Platz zu verändern. Oefters jedoch geschieht dieses wirklich. Bei dem Hin- und Herrollen des grösseren hellen Körpers vermehrt oder vermin- dert sich auch die Zahl der kleinen dunkeln Flecke; ja einige Male konnte ieh auf diesem Wege sie alle verschwinden ma- chen. Während dieser Beobachtungen gelangt man sehr bald zu der Ueberzeugung, dass die Fettkügelehen in der Umge- bung des grösseren hellen Körpers durch ibr Ankleben an demselben die besprochenen Erscheinungen bewirken, und dass unter diesen Umständen über die An- und Abwesenheit des kleinen dunkel kontourirten, rundlichen Körperchens keine hinlängliche Sicherheit zu erhalten is. Wenn ich aber in Erwägung ziehe, dass diese von Kölliker entdeckten Kör- perchen auch bei den Ascariden unter den günstigsten Ver- 221 hältnissen oft nicht gesehen werden konnten, obschon sie in anderen Fällen auch unter ungünstigeren Umständen sich leicht markiren; so darf man doch behaupten, dass sie selbst da, wo sie unlerschieden werden können, nicht konstant angelroffen werden. Ob diese Körperchen solid seien, oder nicht, welche chemische Beschaffenheit sie haben, das möchte vorläufig mit Sicherheit sich nicht bestimmen lassen. Eine andere Frage ist die, ob der grosse neu entstandene Körper inmitten der Furchungskugel eine Hülle besitze oder nieht. Kölliker, der mit diesem Gegenstande sich viel be- schäftigt hat, erklärt ganz entschieden und unzweifelhaft, dass der Körper ein Bläschen sei. Gediegene Beweise dafür ist uns Kölliker eigentlich schuldig geblieben. Alle diejeni- nigen Mitiel, welche uns zum Nachweis einer Membran, die sonst mikroskopisch nicht zu unterscheiden ist, zu Gebote stehen, habe ich angewendet, und niemals ist es mir gelungen, ein irgendwie entscheidendes Resultat zu erhalten. Ich schliesse daraus nicht mit Entschiedenheit, dass der fragliche Körper kein Bläschen sei; denn ich habe mich bereits darüber aus- gesprochen, dass alle die uns zu Gebote stehenden Mittel zum Beweise von der Gegenwart einer Membran an einem Körper fehlschlagen können, ohne unter gewissen Umständen gegen die Anwesenheit einer Membran entscheiden zu dürfen. Solche Umstände sind aber grade hier vorhanden, wo die Hauptmasse des Körpers, der als Inhalt hinzunehmende Theil des etwa bestelienden Bläschens, sehr zähflüssig ist, sich nicht leicht mit der Umgebung mischt, und auf Wasser nicht reagirt. Ja ich bekenne sogar, dass ich, unerachtet eines fehlenden un- mittelbaren Beweises, gleichwohl vermuthe, der Körper sei ein Bläschen, da ich mir die allmählige Heranbildung der zäh- flüssigen Masse zu einer Kugelform auf diese Weise vorläufig am besten erklärlich machen kaon. Auch darf ich es nicht verliehlen, dass in den Fällen, wo der Körper in seiner Rand- masse ein deutliches dunkel kontourirtes kleineres Körperchen 222 enthält, das allgemeine Ansehen desselben sehr leicht zu der Annahme eines Bläschens hinleitet. er In Betreff der Lage des hellen Körpers wurde schon er- wähnt, dass derselbe inmitlen der Furchungskugel, richtiger wohl in der Gegend des Querdurchmesser derselben, sichtbar werde.. Sein Centrum fällt jedoch selten mit dem Mittelpunkte der Furchungskugel zusammen. Gewöhnlich nähert er sich mehr oder weniger der Peripherie derselben, wie man sich beim Rollen des Eichens überzeugt. In dieser Stellung wird er so schwebend erhalten, dass seine Schwere sich nicht gel- tend macht. Die Erscheinungen, welche so eben hinsichtlich des Auf. tretens und der Beschaffenheit des hellen Körpers milgetheilt wurden, müssen als Wirkungen Stalt gehabter Veränderungen in der Furchungskugel aufgefasst werden, deren nähere Er- läuterung, wenn aueh nicht zum vollkommenen Verständnis, so doch zur genaueren Würdigung derselben dienen kann. Der helle Körper entsteht inmitten der Masse der Furchungs- kugel, und diese Masse ist im Wesentlichen der Bildungsdot- ter des Eichens, vereinigt mit dem Inhalte des Keimbläschens. Es lassen sich jedoch vor dem ersten Auftreten des hellen Körpers in der Inhaltsmasse der Furchungskugel nur die Fett- kügelchen, die Molekularkörperchen und dazwischen die helle zähflüssige Dottersubstanz unterscheiden; die mit der leizteren vereinigte Substanz des Keimbläschens ist als solche weder chemisch, noch mikroskopisch nachzuweisen. Die zähflüssige Dottersubslanz reagirl nach der Vereinigung mit dem Inhalte des Keimbläschens, so weit meine Versuche maassgebend sind, nicht wesentlich anders, als vor derselben. Inmillen nun der Inhaltsmasse der Furchüngskugel zeigte sich zuerst jene helle, darch die: zähflüssige Beschaffenheit sielı auszeichnende Sub. slanz ohne bestimmle Begrenzung, und es fragt sich jetzt, welcher von den Beslandtheilen des Dolters bei der Entste- hung derselben zunächst belheiligt sei. Von den molekularen Körperchen und den Fetlkügelchen lässt sich in dieser Bezie- 223 hung weiter nichts angeben, als dass dieselben da ausweichen oder nicht vorgefunden werden, wo die helle Substanz auf- tritt. Eine Verminderung dieser Körper, so dass daraus viel- leicht auf eine Verflüssigung geschlossen werden könnte, ist nicht vorhanden. Dagegen wurde erwähnt, dass die chemische Beschaffenheit der hellen Substanz namentlich dann, wann sie in bestimmter Form erscheint, im Wesentlichen dem Inhalte des Keimbläschens gleicht. Dieser Umstand macht es wahr- scheinlich, dass der flüssige Bestandtheil der Furchungskugel, in welchem sich die Substanz des Keimbläschens aufgelöst hatte, mit der Bildung der fraglichen Substanz in Verbindung zu bringen ist. Wie dem aber auch sei, das Eine steht fest, dass die drei bisherigen Bestandtheile der Inhallsmasse der Furchungskugel durch eine vierte, die sich im Centrum iso- lirt, sich vermehrt haben, und dass ferner diese vierte Sub stanz nieht von aussen hinzugekommen, sondern durch eine chemische Umwandlung und Differenzirung der Inhaltsmasse selbst herbeigeführt sei. Wahrscheinlich dagegen bleibt es im- merhin, dass der bisher ganz homogen erscheinende flüssige Bestandtheil des Furchungskugel-Inhaltes diese chemische Um- änderung auf noch unbekannte Weise erlitten habe. Die neu entstandene helle Substanz verwandelt sich, so lehren die weiteren Erscheinungen, in einen bestimmten begrenzten, run- den Körper, der wahrscheinlich ein Bläschen darstellt, und wenigstens bei Ascaris nigrovenosa deutlich in der Randmasse seines Inhaltes ein dunkel kontourirtes, sehr kleines Körper- chen enthält. Ob und wiefern die übrigen Bestandtheile des Dotters oder jetzt der Furchungskugel auf diese Verwandlun- gen influiren, das wissen wir nicht; desgleichen bleibt das „Wie“, die bedingenden Momente des Entstebens und Werdens dieser Vorgänge räthselhaft. Dennoch ist in der Vorausselzung, dass der helle Körper ein Bläschen sei, wiederum wohl das sicher, dass in der neu entstondenen, durchaus homogenen hellen Substanz ein Fortgang chemischer Sonderungen Statt gefamlen, dass eine Rindenschicht und eine centrale Masse 224 sich chemisch differenzirt und dass dann die Rindenschicht sich konsolidirt habe. Die chemische Differenzirung und die Konsolidirung in der Furchungskugelmasse hat hier ihr Ende noch nicht erreicht; denn wir sehen in der bisher homogenen flüssigen Masse des hellen Körpers noch schliesslich ein dun- kel kontonrirtes, rundes, wie es scheint, solides Körperchen erscheinen. 8. 8. Mit dem Auftreten des in Rede stehenden hellen Körpers endet ein Cyclus von Erscheinungen und Verände- rungen, die sieh in ähnlicher Weise während des Furchungs- prozesses öfters wiederholen, und aus welchen gegenwärtig die vollendete und ausgebildete erste Furchungskugel hervor- gegangen. Wir sahen während dieser Zeit den ganzen Inhalt der Dotterhaut, den Bildungsdotter mit der vereinigten Sub- stanz des Keimbläschens, zunächst mil einer durchsichtigen strukturlosen Hülle sich umgeben, sodann in der ungefähren Mitte einen hellen runden, durchsichtigen Körper, wahrschein- lich in Form eines Bläschens, sich herausbilden, und den Rest, den bei Weitem. grössten Theil der bezeichneten Masse, mit seinen scheinbar ganz unveränderten Bestandtheilen, den Fett- kügelchen, den molekularen Körperchen, der zähflüssigen Dot- tersubstanz, als Inhaltsmasse zwischen dem hellen Körper und der neu entstandenen Hülle auftreten. Die erste Furchungs- kugel repräsentirt in dieser Gestalt vollkommen eine einfache elementare Zelle. Ihre Hülle ist die Zellenmembran, der helle Körper stellt den Kern vor, und die diesen umgebende Masse den Zelleninhalt. 8. 9. Die erste Furchungskugelzelle erhält sich in ihrem vollkommensten Zustande öfters nicht länger, als eine halbe Stunde (bei Strong. aurie.); dann zeigen sich schon die Er- scheinungen, welche auf den weiteren Fortgang des Furchungs- prozesses zu beziehen sind. Sie markiren sich zuerst an dem hellen Kern. Ganz in derselben Weise nämlich, wie früher das Keimmbläschen in dem Dolter, so sehen wir jetzt in der Furchungskugel die helle Stelle des Kerns allmählig undeut- 225 licher werden und sich endlich ganz unseren Blicken entzie- hen. In den häufigeren Fällen wird dabei das Ansehen der Furchungskugel im nicht komprimirten Zustande nicht we- sentllich verändert, zuweilen jedoch kommt es vor, dass das- selbe uns an das aufgelockerte Wesen des Dotters nach dem Hinschwinden des Keimbläschens erinnert. Wenn man nun das Eichen komprimirt, so überführt man sich leicht, dass in der That mit dem Kern der Furchungskugelzelle in dieser Zeit wesentlich dieselben Veränderungen vor sich gehen, die beim Uinschwinden des Keimbläschens beschrieben wurden. Indessen ist es hier bei Strongyl. aurie. der häufigere Fall, dass die Substanz des Kerns, oder vielmehr richtiger der In- halt desselben, unmittelbar allmählig sich mit dem Inhalte der Furchungskugelzelle vermischt (Fig. 7.), und seltener dagegen mittelbar nach vorangegangenem Zerfallen in zwei oder viel- leicht auch in drei tropfenförmige Körper. Es erscheint über- Nlüssig, ausführlicher auf diesen Vorgang einzugehen, da ich bei der völligen Uebereinstimmung der chemischen und phy- sikalischen Eigenschaften des Kerns der ersten Furchungsku- gel mit der Hauptmasse des Keimbläschens nur wiederholen könnte, was in dieser Beziehung von dem letzieren erwähnt wurde. Auch dürfen wir nicht vergessen, dass der Inhalt der Furchungskugel für uns sich ja nicht wesentlich von dem Bil- dungsdotter unterscheidet. Dagegen will ich auf Etwas aufmerksam machen, das zu irrigen Beobachtungen veranlassen kann und dieses auch be- reits gelhan hat. Es wurde nämlich angegeben, dass der Kern der ersten Furchungskugel unter Umständen schon bei An- wendung des Druckes und dann auch von selbst beim Hin- schwinden, ebenso wie das Keimbläschen, in zwei tropfenför- mige Körper zerfallen könne, die dann entweder mehr bei einander, oder mehr oder weniger getrennt vor uns liegen. Diese Körperchen gleichen in ihrem mikroskopischen Ansehen, wie einerseils den hellen Körpern, welche bei dem Hinschwin- den des Keimbläschens entstehen, so anderseits den wirklichen Müller's Archiv. 1840, 15 226 Kernen der Furchungskugeln, und namentlich selbst in der Grösse den beiden Kernen in den zunächst sich bildenden Furchungskugelzellen. Solche Umstände sind ganz dazu ge- eignet, den Gang der Kombinationen und Induktionen des Be- obaehters nach zwei Richtungen hinzuleiten. Man identifizirt nämlich diese Körper ganz und gar mit den Kernen der nun bald sich bildenden beiden nächsten Furchungskugelzellen, und auf der anderen Seite lässt man sie nun auch durch einen Bildungsprozess aus dem Kern der ersten Furchungskugelzelle sich erzeugen. In letzterer Beziehung kann man wiederum verschiedene Wege nehmen, je nachdem man bei diesem Bil- dungsprozess von dem etwa vorhandenen kleinen, runden Kör- perchen des Kerns, dem sogenannten Kernkörperchen, aus- geht oder nicht, und je nach der vorherrschenden Neigung die Konformation eines soliden Körpers oder eines Bläschens sich vorzustellen. In Kölliker’s Schriften findet man hierzu die Belege. Gegen die Angabe, dass diese Körper durch einen Bildungsprozess irgend welcher Art aus oder in dem Kern der ersten Furchungskugelzelle erzeugt würden, kann ich lei- der nur anführen, dass ich, unerachtet wiederholter, aufmerk- samer Untersuehungen, niemals einer Spur von elwa hierauf bezüglichen Erseheinungen begegnen konnte. Da diejenigen, welche sich diese Körper durch einen Bildungsprozess ent- standen denken, denselben, bei der zähllüssigen Beschaffenheit der Hauptmasse, umhüllende Membranen und je nach der Ent- stehungsweise auch Kernkörperchen zuschreiben müssen und es auch thun, so lag es nahe, durch den Nachweis der Nicht- Anwesenheit dieser Theile gegen die Ansicht aufzutreten. Ob- schon ich nun vergebens nach einer Hülle an diesen Körpern gesucht habe und selbst bei Ascaris nigrovenosa, wo ich die Kernkörperchen an den Kernen der Furchungskugeln mehrere Male deutlich gesehen, solche Hüllen an ihnen niemals vor- finden konnte, so lässt sich dennoch daraus in Berücksichti- gung dessen, was über den Nachweis dieser Theile unter glei- chen Verhältnissen bei dem Kern der ersten Furchungskugel 227 milgethieilt wurde, .auch hier kein direkter Gegenweis entneh- men. Wenn ich mich nun gleichwohl gegen diese Ansicht erkläre und die in Rede stehenden runden Körper nur für Tropfen halte, die naeh dem Ilinsebwinden der Hülle des Kerns entstehen. so bestimmt mich dazu einmal der Umstand, dass der Kern in den häufigeren Fällen ganz augenscheinlich, ohne in Tropfen zu zerfallen. allmählig mit dem übrigen In- halle sich vermischt, dass ferner der Inhalt des Kerns nach dem Untergange der Hülle in Folge von Kompression unter den Augen des Beobachlers zum Zerfallen in Tropfen veran- lasst werden kann, und dass aueh der chemische gleiche In- halt des Keimbläschens unter ganz gleichen Verhältnissen die- selben Erscheinungen zeigl, und zwar in einer Weise, die bei der so grossen Verschiedenheit in Zahl und Grösse der Tropfen den Gedanken an einen solchen organischen Bildungsprozess gar nieht aufkommen lässt. Ein sehr wichliger Besliimmungs- grund ist endlich noch darin enthallen, was in Betreff der Identifieirung dieser hellen Körper mit den Kernen der sich jetzt bildenden nächsteu Furchungskugeln anzuführen ist. Diese Körper nämlich erhalten sich nicht als Kerne der nächsten Furchungskugeln, sondern sie verschwinden und vermischen sieh jedes Mal zuvor mit dem Inhalte der ersten Furchungs- kugel, wie es (ie tropfenförmigen Körper des Keimbläschens ihun, und wie es das letztere und der Kern der ersten Fur- chungskugel auch olıne weitere Veränderung wahrnehmen lassen. Da diese Körper nur äusserst schwer absichtlich zer- ört werden können, und ihre Wahrnehmung bei einiger ompression der Furchungskugel stets sehr leicht gelingt, so vermag ich meine Angabe über das weitere Verhalten dersel- ben mit Zuversicht auszusprechen. $& 10. Naeh dem unmittelbaren oder mittelbaren allmäh- ligen Hinschwinden des Kerns gewinnt der Inhalt, und somit eigentlich die ganze erste Furchungskugelzelle, wiederum das mikroskopische Ansehen, wie vor der Bildung des Kerns, Sind die Fettkügelchen in schr grosser Anzahl vorhanden, so 15% 223 erscheint die Furchungskugel fast gleichmässig dunkel; von einer hellen peripherischen Zone sind oft kaum geringe An- deutungen vorhanden. Zur Beobachtung wählt man jedoch immer am zweckmässigsten solche erste Furchungskugelzellen, bei denen die früher besprochene helle Zone oder peripheri- sche Partie möglichst deutlich und vollkommen ausgeprägt ist. Der Inhalt der Furchungskugel zeigt die gewöhnlichen Dotter- Bestandtheile: die flüssige Dottersubstanz, die molekularen Körperchen und die Feltkügelchen. Letztere sind gewöhnlich an dem einen Pole der Furchungskugel dichter aufgehäuft, als in der Mitte und an dem anderen Pole. Die molekularen Kör- perchen markiren eich am auffallendsten in der etwa vorhan- denen lichteren Zone, Von einem Kern sielt man keine Spur, Chemisch reagirt der Inhalt auf Essigsäure, Wasser, Alkohol, Aether, kauslisch. Kali, wie früher. 8. 11. Das mikroskopische Ansehen der Furchungskugel ändert sich jedoch unter den Augen des Beobachlers, wenn nicht etwa Diffusion unmerklich den Fortgang des Furchungs- prozesses zu untergraben begonnen hat, sehr bald nach der allmähligen und vollständigen Vermischung der Substanz des Kerns mit dem Inhalt der Furchungskugel. Heftet man den Blick auf die lichte Zone, so bemerkt man, dass dieselbe na- mentlich an dem Pole, wo die Feltkügelchen weniger zahl- reich beisammenliegen, etwas an Breite zunimmt, und dass die molekularen Körperchen deutlicher und zahlreicher hervortre- ten. In der Gegend des Querdurchmessers der Furchungsku- gel ist die Breitenzunahme der lichten Zone am auffallendsten und eigentbümlicher Art. Sie wendet sich hier gegen die Mitte des queren Durchmessers und scheint, allmählig an Breite zunehmend, die dunkle, Feltkügelchen enthaltende Partie des Inhalts gleichsam einzuschnüren (Fig. 8.). Diese scheinbare Einschnürung wird zwar nach und nach unter unseren Augen stärker, doch erstreckt sie sich bei Strongyl. auric. höchstens bis auf den vierten Theil des queren Durchmessers von jeder Seile. Selbst an solchen Furchungskugeln, die ursprünglich 229 keine deutliche lichte Zone gewahren lassen, wird dieselbe um diese Zeit elwas markirt, und namentlich erscheint sie deutlich in der Gegend des queren Durchmessers. Jene dunkle, die Fetikügelchen enthaltende Inhaltspartie der Furchungskugel ändert gleichzeitig mit der lichten Zone dea mikroskopischen Habitus. Bisher wiederholte sie im All- gemeinen die Form der ganzen Furchungskugel. Die. Begren- zung ist jedoch nur eine mehr oder weniger unbestimmte, da die Fettkügelchen ja nicht linear dieht aneinander liegen und hin und wieder vielmehr einzeln in die lichte Zone übertre- ten. Die bisherigen Abänderungen von dieser Form hingen ab: von der mehr oder weniger vollkommenen lichten Zone und von der Anwesenheit zahlreicherer Fellkügelchen an dem einen Pole. Gegenwärtig verwandelt sich die langgezo- gene ovale Form durch eine allmählig vorschreitende seitliche Einbiegung in eine Bisquitform. Die seitlichen Einbiegungen liegen in der Gegend des queren Durchmessers der Furchungs- kugel, da, wo die lichte Zone an Breite am auflallendsten zu- nimmt und, wie angegeben wurde, die dunkle Inhaltspartie des Dolters scheinbar einschnürt. Diejenige Abtheilung des Bisquils, welche den Pol mit den zahlreicheren Fettkügelchen aufnimmt, ist grösser als die andern. Die Dunkelheit dieser jetzt bisquilförmigen Inhaltsparlie hal sich vermehrt, indem die Fellkügelehen von Neuem näher aneinander gerückt sind. Jedoch erscheint die Mille des Bisquils elwas weniger dunkel, als die polaren Gegenden. Wird die Furchungskugel kompri- mirk, so wird die besprochene Zeichnung an dem Inhalt der- selben nur lichter, ohne sich wesentlich zu verändern. Zu- gleich überzeugt man sich, dass auch gegenwärtig noch keine siehtbare Spur von den späler sich bildenden Kernen vorhan- den ist. $. 12. Wenn die scheinbare Einschnürung der dunkeln bisquitförmigen Inhaltsparlie durch die lichte Zone ihren höch- sien Grad erreicht hal, so markirt sich etwa am Ende des ersten Drittheils des langen Durchmessers der ersten Furchungs- 230 kugel, von dem dunkleren Polarende ab gerechnet, eine quer verlaufende, halbkreisförmige, mehr dunkel schimmernde, als scharf dunkel gezeichnete Linie (Fig. 9.). Um sie deutlich wahrzunehmen, muss man den Focus für die Oberfläche der Furchungskugel einstellen. Man kann sie leicht übersehen und wird erst durch die späteren Veränderungen der Furchungs- kugel dahin geleitet, sie aufzusuchen. Hat man sie einmal 'er- kannl, so wird man sie stets und leicht unter den angegebe- nen Verhältnissen wiederfinden. Diese dunkle Linie wendet ihre Konvexität nach dem dunkleren Polarende hin. Ihre En- den verlieren sich anfangs gewöhnlich seitwärts in der Gegend des Querdurchmessers der Furchungskugel in der breitesten Stelle der lichten Zone, so zwar, dass die daselbst beginnende Kontour der anderen Hälfte der Furchungskugel mit der halb- kreisförınigen Linie zu einem vollkommenen, etwas seitlich zu- sammengedrückien Kreise sich ergänzt oder vielmehr zu er- gänzen scheint. Von der dunkeln bisquitförmigen Inhaltspartie der Furchungskugel schneidet die halbkreisförmige Linie etwa = der dunkleren Abtheilung des Bisquils ab, und nimmt, zu einem Kreise ergänzt, den Rest derselben, die Mitte und die andere Abtheilung in sich auf. Unter Anwendung des Druckes verschwindet die dunkel schimmernde Linie; es erhalten sich auch jetzt nur die lichte Zone und die bisquitförmige Zeich- nung der dunkeln Iuhaltsparlie; von weiteren Veränderungen ist Nichts sichtbar. 8. 13. Die Beziehungen der bislier mitgetheiltlen mikro- skopischen Erscheinungen zu den Veränderungen in der Masse des Inhaltes der ersten Farchungskugelzelle erlauben eine ge- nauere Würdigung ers! dann, nachdem uns der weitere Port- gang des Furehungsprozesses bekannt geworden. In dieser Hinsicht wäre noch einmal in Erinnerung zu bringen, dass die bisherigen Erscheinungen nur an dem Inhalte der ersten Furchungskugel markirt sind, und dass die allgemeine Form der letzteren, so wie die dieselbe bedingende Meınbran keine sichtbare Veränderung erlilten habe. Die erste Furchungskugel 231 slellt aber, wahrscheinlich in einem durch die Dotterhaut etwas komprimirten Zustande, einen kurzen eylindrischen Körper mit abgerundeten Enden vor. Nur zwischen diesen Enden und der Dotterhaut erschien ‚eine sichellörmige Lücke, an allen übrigen Stellen bewährte die letztere ‚unmittelbar die Periphe- rie der Furchungskugel. Sehr bald nach dem ersten Auftre- ten der besprochenen kreisförmigen Linie verändert sich dieses Verhalten. Es zeigt sich nämlich ungefähr an den Enden des Querdurchmessers der ersten Furchungskugel, zwischen der letzteren und der sich weiter nieht ausdehnenden Dolterhaut, eine anfangs ganz schmale Lücke (Fig. 10.). Sie nimmt zu- sehends allmählig besonders an Breite zu und offenbart immer deutlicher ungefähr eine dreieckige Form, deren Basis gegen die Dotterhaut, deren anfangs stumpfe, nach und nach mit dem Breiterwerden der Lücke sich zuschärfenden Spitze ge- gen die Mitte des Querdurchmessers der Furchungskugel hin- gerichtet ist (Fig- 10.). Während die Dotterhaut unterdessen unverändert bleibt, wird die Furchungskugel durch die neu entstehende Lücke ganz allmählig scheinbar eingeschnürt und nimmt immer deutlicher, wiewohl nur scheinbar, eine Bisquit- form an. Von den Inlaltspartieen der ersten Furchungskugel hat jetzt mit der letzteren auch die an der Peripherie gele- gene lichte Zone einen bisquitförmigen Verlauf. Die nur in unbestimmten Begrenzungen ausgeprägle bisquilförmige, dunkle Inhaltsparlie korrespondirt in den Endesabtheilungen, wie in der Mitte mit der Bisquilform der ganzen Furchungskugel. Die Endesabtheilungen erscheinen jedoch abgerundeler und die mittlere Abtheilung ist enger geworden. Die Zahl der Fett- kügelchen ist hier geringer und diese Gegend erscheint daher auch weniger dunkel, als früher. Alle diese Erscheinungen, wie sie bei oberflächlicher Be- bachtung und Betrachtung sich kund geben, dürften ausser- ic die Vorstellung unterstülzen, dass hier ein Ein- sehnürungsprozess an der Furchungskugel im Gange sei, und dennoch ist dieses ein Irrthum. Diejenigen mikroskopischen 232 Phänomene nämlich, welche uns über den wahren Vorgang genauer unterrichten, markiren sich zunächst an der bespro- chenen kreisförmigen Linie und in der Gegend der mittleren Abtheilung der bisquilförmig werdenden Furchungskugel. So- bald hier zu den Seiten die anfangs schmale Lücke sichtbar geworden, zeigt die früher mehr dunkel schimmernde halb- kreisförmige Linie eine scharfe und bestimmte Begrenzung. Ihre Enden verlaufen gegen die Spitze der dreieckigen Lücke und setzen sich kontinuirlich in die Kontour der anderen En- desabtheilung der bisquitförmigen Furchungskugel so fort, dass dadurch ein vollständiger, bestimmt begrenzter Kreis umschrie- ben wird (Fig. 10.). Gleichzeitig markirt sich weniger deut- lich, obsehon bestimmt und sicher, in der Tiefe der Furchungs- kugel und nach der anderen Seite des Querdurchmessers hin eine ganz gleiche und ebenso gekrümmte dunkle Linie, deren Konvexität grade umgekehrt nach dem anderen Pole des Ei- chens sich wendet. Die weniger deutlich markirten Enden derselben sehen gleichfalls nach der Spitze der dreieckigen Lücke hin und ergänzen sich hier mit der daran stossenden Kontour der anderen Endesabtheilung der bisquitförmigen Fur- chungskugel zu einem ganz gleichen Kreise, welcher von dem früher beschriebenen theilweise gedeckt wird (Fig. 10.). Von den beiden sich theilweise deckenden Kreisen stellt also der freie grössere Theil die Konlour der respektiven Abtheilungen der scheinbar bisquitförmigen ersten Furchungskugel vor. Eine genauere mikroskopische Untersuchung lehrt aber schen jetzt, dass die sich deckenden Ergänzungs-Kreisschnilte niehts An- deres sind, als die Kontouren von Inhaltsınassen, die, ungefähr in der Mitte gelegen, die polaren Abtheilungen des Bisquits zu zwei vollkommen abgegrenzien, etwa kugligen Körpern er- gänzen. Wir haben demnach nicht mehr eine, nicht mehr die erste Furchungskugel vor uns, sondern zwei getrennte, sich theilweise deckende kuglige Massen, die beiden nächsten Fur- chungskugeln, von welchen jede ungefähr die respeklive seil- liche Hälfte der Inhallsmasse der ersten Furchungskugelzelle 233 in sich aufgenommen hat. Der Abschnürungs- oder Einschnü- rungsprozess ist also zwar eine sehr leicht mögliche, aber doch reine Illusion. Alle Erscheinungen in Betreff der sich bildenden Lücke u. s. w. dürfen nur auf Veränderungen der bereits gebildeten beiden nächsten Furchungskugeln bezogen werden, die selbst zu der Zeit schon formirt gedacht werden müssen, wo sich bei noch vorhandener Integrität der allge- meinen Form der ersten Furchungskugelzelle die bezeichnete dunkel schimmernde, kreisförmige Linie an der Inhaltsmasse zu erkennen gab. Denn diese Linie erweiset sich später deut- lich als ein Theil der Kontour an der einen mehr oberfläch- lich liegenden Furchungskugel, welche damals schon zu einem Kreise sich ergänzen liess (vergl. Fig. 9. p). Die- ganze Inhaltsmasse der ersten Furchungskugel ist demnach schon vor dem Auftreten der seitlichen Lücken in die beiden nächsten Furchungskugeln gleichsam zerfallen oder passender geschieden. So lange indessen die Form der ersten Furchungskugelzelle sich erhält, ebenso lange muss auch das Bedingende derselben, die Zellenmembran, anwesend gedacht werden. In derselben liegen die beiden nächsten Furchungs- kugeln sich theilweise deckend und so aneinander gedrückt, dass nirgend eine Lücke bemeıklich wird (Fig. 9. 14.). Durch gegenseiligen Druck platten sich die beiden Furchungskugeln aneinander ab, und ihre kreisförmige Berührungsfläche stösst in der Peripherie unmittelbar an die Mutterzellenmembran, scheinbar an die Dotterhaut. Es ist mir niemals gelungen, das Eichen und die erste Furchungskugel ohne Zerstörung so zu stellen oder auch nur so in eine rollende Bewegung zu verselzen, dass ich die bezeichnete Berührungsfläche von der Seile oder von dem Rande aus zu übersehen im Stande ge- wesen wäre. Im normalen Zustande präsenlirt sich vielmehr das Eichen und die erste Furchungskugel stets so, dass die beiden Furchungskngeln sich theilweise decken, dass nament- lich immer die Furchungskugel, welche die zahlreicheren Fett- kügelclien aufgenommen, nach unten liegt, und dass demgemäss 234 die Berührungsfläche jedesmal nur von der Fläche aus zur Anschauung Irilt. Dennoch lässt sich aus dem Lageverhält- niss der kreisförmigen Kontouren der sich deckenden Parlieez, sowohl der mehr oberflächlichen, als auch später der wach unter gelegenen Furchungskugel, zu dem @uerdurchmesser des Eichens und der ersten Furchungskugelzelle entnehmen, dass die Berührungsfläche den senkrechten Querdurchmesser unter einem spitzen Winkel durchschneide (vergl. Fig: 14.). Wenn nun die seillichen Lücken, an dem einen Ende des Querdurchmessers des Eichens etwas früher als an dem an- deren, sichtbar werden, so ist mit dem Aufhören der Form der ersten Furchungskugelzelle auch ihre Membran nicht mehr nachzuweisen, und die Ränder der später ungefähr dreiecki- gen Lücke sind einerseits durch die Dotterhaut und ander- seits durch die Kontouren der mehr abgerundeten und in der Form eines schrägen Ovalschnitts auftretenden beiden nächsten Furchungskugeln begrenzt. Die Spitze der Lücke ist gegen die Berührungsfläche der beiden sich theilweise deckenden Furchungskugeln gerichtet. Während der Vergrösserung der Lücke sieht man diese Spitze gleichsam von der Peripherie der Berührungsfläche gegen die Mitte vordringen und die Fur- chungskugel immer grössere Kugelabschnille entwickeln. Die Berührungsfläche nimmt auf diese Weise zusehends an Um- fang ab, doch wohl selten mehr, als um ein gutes Drittheil ihres ursprünglichen Durelimessers. Es ergiebt sich aus die- sen Erscheinungen, dass nach dem Ilinschwinden der Membran der ersten Furchungskugelzelle die beiden darin enthaltenen nächsten Furchungskugeln, in der Höhle der Dotterhaut sich freier ausdehnend, ihre Berührungsfläche theilweise verklei- nern und daselbst, unter vermehrter Abrundang ihrer Form, jene seitlichen Lücken erscheinen lassen, die unter anderen, vamentlich körperlichen Verhältnissen als Furche aufgefasst, dem ganzen vorliegenden Prozess den Namen gegeben, und den mikroskopischen Beobachter zu der Annahme eines Ein- oder Abschnürungsprozesses verleiten konnte. Das Auflrelen 235 der Furche zuerst an der einen Stelle und etwas später an anderen Stellen der Berührungsfläche beider Furchungskugeln deutet darauf ‘hin, dass die Zellenmembran der ersten Fur- chungskugelzelle nicht plötzlich auf einmal zu Grunde geht, sondern (dass dieses von einem Punkte beginnt und allmählig weiter vorschreitet. Dasselbe ist bereits während des Fur- chungsprozesses uud namentlich während des scheinbaren Zer- fallens der 'beiden ersten Furchungskugeln an dem Froschdot- ter beobachtet worden. $. 14. Die Verkleinerang der gegenseiligen Berührungs- Näche beider Furchungskugeln und die Umwandlung zu einer mehr abgerundeten Gestalt derselben sind jedoch nicht die einzigen äusserlichen Veränderungen während dieser Zeit. Es verändert sich nämlich auch das Lageverhältniss beider Fur- chungskugeln io dem Eichen. Sie rücken aus der sich theil- weise deckenden Stellung allmählig heraus und zeigen sich einfach nebeneinander gelagert, so dass ihre Berührungsfläche nach und nach mit dem senkrechten Querdurchmesser zusam- menfällt und nun dem Beobachter sich nielit mehr von der Fläche, sondern vom Rande aus präsentirt (Fig. 11.). Die bierauf bezüglichen Erscheinungen treten mit jener in Betreff der Lücke gleichzeitig auf und modifiziren sie etwas; sie dauern aber noch länger und bedingen neue Phänomene an den Fur- chungskugeln. Wie die Berührungsfläche der beiden Furchungs- kugeln, so hat zunächst auch die in ihrer Peripherie befind- liche Furche und der optische Ausdruck derselben, die seitliche Lücke, eine schräge Stellung gegen den Beobachter. Daher erscheint die Lücke anfangs nur unbestimmt und schmal; man übersieht nicht die Tiefe und ihre ungefähr dreieckige Form Desgleichen wird die seitliche Lücke je nach dem Focus des Mikroskops bald in der Mitte, bald an den Enden des Quer- durclunessers, aber auch seitlich davon, so weit sich daselbst die Furche erstreckt, gesehen. Je mehr indess die schräge Stellung der Furche bei der bezeichneten Lageveräuderung der Furchungskugel zugleich mit der Berührungslläche in die senk- 236 rechte übergeht, um so deutlicher übersieht man die Tiefe der Furche, ihre Form, und um so beschränkter wird ihre seil- liche Ausbreitung für den Beobachter, bis sie, endlich nur in der Mitte, im Querdurchmesser, erscheint. In Betreff der Fur- chungskugeln gelangen ferner durch die bezeichnete Lagever- änderung auch die deckenden Partieen allmählig zur freieren Beobachtung, so dass mehr und mehr der totale Anblick der beiden Furchungskugeln dem Beobachter zu Gebote steht. Während daher noch bei der Anwesenheit der Zellenmembran der ersten Furchungskugel, desgleichen in der ersten Zeit nach dem Hinschwinden derselben, die dunkele und helle Dotter- parlie der beiden nächsten Furchungskugeln in der Gegend, wo sich die letzleren decken, so ineinander übergehen, dass man nun einen bisquilförmigen Körper vor sich zu haben glaubt, der sich allmählig einschnürt; wird die mittlere Ge- gend des Bisquits immer lichter, die dunkeln Dotterpartieen scheinen sich förmlich zu Irennen, und endlich liegen dem Beobachter plölzlich zwei einfach nebeneinander liegende Fur- chungskugeln vor. Waren ursprünglich in dem Dolter die Fetikügelchen nicht übermässig zahlreich, so zeigt jede Fur- chungskugel eine ‚mittlere, nicht scharf begrenzte, rundliche, dunkle Dolterparlie, und um dieselbe eine nach aussen scharf kontourirte lichte Zone. Gewöhnlich ist aber diese Zeichnung nur an der einen Furchungskugel deutlich, die nämlich jene Hälfte der Inhaltsmasse der ersten Furchungskugelzelle in sich aufgenommen hat, welche weniger zalılreich von Fetlkügelehen angelüllt sich darstellte. An der anderen Furchungskugel ist die lichte Zone stets geringer ausgeprägt. zuweilen ist nur eine kleine Spur vorhanden. Auch pflegt nach absolvirter Lageveränderung ungefähr in der Mitte der dunkeln Inhalls- parlie ein helier Fleck, von dem bereits gebildelen Kern her- rührend, in jeder Furchungskugel sich zu markiren. Schliess- lich wären noch die Erscheinungen in Beireff der kreisförmi- gen Kontouren der $ich deckenden Partieen der Furchungskugeln zu erwähnen. Bei dem Uebergange der schrägen Stellung der 237 en 3 derselben in die senkrechte, nähern sich diese kreisformigen Kontouren einander allmählig, dann schwinden sie plötzlich, und gleichzeitig tritt die einfache grade Tren- nungslinie beider Furchungskugeln auf, welche im Querdurch- messer liegt, die Spitzen der ungefähr dreieckigen Lücken miteinander verbindet und als optischer Ausdruck der jetzt senkrecht stehenden Berührungsfläche anzusehen ist (Fig. 11.). $. 15. Hinsichtlich der näheren Beschaffenheit und der inneren Veränderungen der beiden ersten Furchungskugeln während dieser Zeit lässt sich Folgendes aussagen: Sobald die ersten Andeutungen der seitlichen Lücken sich zu erken- nen geben, d. h. sobald nur die Furchungskugeln aus der Mut- terzellenmembran frei hervorzutrelen beginnen, lässt sich an ihnen mit Sicherheit eine umhüllende, vollkommen durchsich- tige, strukturlose Membran nachweisen. Bei normaler Be- sebaffenheit der Furchungskugeln ist an ihnen Nichts, als eine scharfe und bestimmt begrenzte Kontour wahrzunehmen. Auf demselben Wege jedoch und ebenso schön, wie bei der ersten Furchungskugel, kann in Folge von Diffusion des Wassers die Membran dargestellt und beobachtet werden. Die Erschei- nungen hierbei sind durchaus dieselben, wie bei der ersten Furchungskugelzelle. Das diffundirende Wasser sammelt sich zuerst, die durchsichtige, strukturlose Membran ausspannend, zwischen der letzteren und der Inhaltsmasse in scheinbarer Form eines hellen Ringes an. Dann vermischt sich allmählig das Wasser mit dem Inhalte und lockert denselben auf. Die Furchungskugeln vergrössern sich, ihre Hüllen gehen zu Grunde und die aufgelockerten Massen füllen die Höhle der Dotterhaut vollständig aus. Auch nach Zerstörung ihrer Hüllen erhalten sich die Inhaltsmassen der Furchungskugeln getrennt nder, sei es, dass vielleicht ein nicht mischbares Flui- d ‚Zusammenfliessen behindert, oder, dass die immerhin noch zähflüssige und fellhaltige Doltersubstanz in ihrer kugli- gen Gestalt zu verharren strebt. Durch starken Druck kann man das Zusammenfliessen beider getrennten Massen erzwingen. 238 Da sich die Wirkungen der Diffusion bereits bei beginnen- dem Freiwerden der Furchungskugeln beobachten lassen, so müssen sie schon innerhalb der Mutterzellenmembran von (die- sen Hüllen umgeben sein. Zu dieser Annahme nöthigt über- dies der Umstand, dass die beiden Furchungskugeln durch die oben beschriebene halbkreisförmige Linie als bereits gesonderte und beslimmt geformte Inhallsmassen der ersten Furchungs- kugelzelle sieh zu erkennen geben, obschon dieselbe Masse vorher nur einen gleichförmigen, ungelheilten und ungestalte- ten zahflüssigen Inhalt mit suspendirten Körperchen darstellte. Die beiden Furchungskugeln enthalten ferner, so lange sie noch von der Multerzellenmembran umschlossen sind, we- sentlich dieselben Bestandtheile, wie der Inhalt der ersien Furchungskugelzelle und wie der Bildungsdolter. Es sind ja auch, wie bereils mitgelheilt worden», die Hälften Mer Inhalts- masse der ersten Furchungskugelzelle, welche unmittelbar als die beiden nächsten Furehungskugeln sich präsentiren. Die einzigen sichibaren Unterschiede möchten sich auf die geringe Abnahme des zähflüssigen Bestaudtheils und auf die Vermeh- rung der molekularen Körperchen beziehen. Diese Verände- rungen begleiten als Erscheinungen: eine forldauernde Volu- menverminderung der sich verwandelnden Bildungsdottermasse, deutlich erkennbar an der Entstehung der seitlichen Lücken neben den früher erwähnten polaren, in welche von Neuem eine Ausscheidung von Substanz aus dem flüssigen Dolterbe- standtheil Stalt gefunden hat; ferner näheres Aneinanderrücken der sonst unveränderten Fellkügelchen und dadurch vermehrte Dunkelheit der dunkeln Dolterpartie; endlich stärkere Aus- prägung und Breitenzunahme der liehteren Dotterparlie, in welcher die molekularen Körper zahlreicher sichtbar sin 8..16. Ausser den eben angeführten Veränderu Inhaltes ist also in den noch von der Multerzellen umküllten beiden Furchungskugela Nichts weiter zu bemer- ken. Nachdem aber die Furchungskugeln frei geworden und ihre Lageveränderung zum Theil absolvirt haben, markiren 239 sich etwa in der Mitte, zuweilen selbst mehr gegen die Peri- pherie hin, helle Flecke (Fig. 11. 10.). Bei Anwendung des Druckes überzeugt ınan sich leicht, dass diese Flecke von zwei runden, hellen Körpern herrühren, die in chemischer, physikalischer und morphologischer Beziehung vollkommen ebenso sich verhalten, wie der verschwundene Kern der Mut- terzelle, und die nur kleiner sind. Alles, was ich über die Beschaffenheit des Kerns der Multerzelle angeführt, kann ieh hier, wiederholen; ich halte diese Körper für Bläschen, ange- füllt mit einem zähflüssigen, das Licht stärker als Wasser bre- ehenden Fluidum; einen dem Kernkörperchen entsprechenden Flecken habe ich bei Strongyl. aurie. nicht mit Sicherheit wahrnehmen können. Ueber die Bildung dieser als Kerne der beiden Furchungskugeln geltenden Körper lässt sich zunächst mit Sicherheit angeben, dass dieselbe in der Zeit Statt finde, während welcher die Furchungskugeln frei werden und ihr Lageverhältniss ändern. Wenn die seitlichen Lücken sich eben nur zu bilden beginnen, habe ich öfters noch keine Spur von diesen Kerven vorfinden können. Natürlich lässt sich nur mit Anwendung des Druckes hierüber Etwas beobachten. Da die Kerne aber durch die Beschaffenheit ihres Inhaltes einer sehr zähen Existenz sich zu erfreuen haben, so kann das Kompressorium bei der Entscheidung der Frage, ob der für uns allein sicher erkennbare Inhalt des Kerns in irgend einer Form selon vorhanden sei oder nicht, keine Nachtheile brin- gen. Um recht sieher zu gehen und vor Täuschungen sich zu bewahren, ist es passend, neben einem Eichen in dem be- zeielineten Zustande ein elwas weiler vorgeschriltenes zu kom- primiren. Gewöhnlich liegen solche Eichen in einem und dem- selben Uterus nebeneinander, und können daher unter ganz gleichen Verhältnissen mit demselben Kompressorium gleich- zeilig dem Druck ausgeseizt werden. Man sieht dann wäh- rend des allmähligen Liehterwerdens der Inhaltsmassen an dem einen Eichen, das weiter vorgeschrilten ist, klar und deutlich die so auffallenden Kerne der beiden Furchungskugeln, bei 240 dem anderen dagegen nur die bisquitförmigen Zeichnungen der dunkeln und hellen Inhaltspartieen, ohne Spur eines Kerns. In einigen Fällen markirt sich jedoch schon beim Begion des Erscheinens der seitlichen Lücken, noch mehr aber und deutlicher, wenn letztere elwas stärker ausgeprägt sind, un- gefähr in der Mitte einer jeden Furchungskugel unter ange- wendeter Kompression eine lichter schimmernde Stelle. Wie bei dem ersten Auftreten des Kerns der Mutlerzelle, zeigt sich das mikroskopische Bild so, als ob nur die Fettkügelchen etwa in der Mitte der duukeln Inhaltspartie nach der Peri- pherie ausgewichen seien. Die Begrenzungen dieser lichten Stellen sind noch durchaus unbestimmt, ungefähr kreisförmig; nach dem Querdurchmesser hin gehen sie jedoch scheinbar kontinuirlich ineinander über. Daher kann es geschehen, dass sich dem Beobachter in der dunkeln, scheinbar bisquilförmi- gen Inhaltspartie beider Furchungskugeln noch eine kleinere, hellere, undeutlich geformte sich zu erkennen giebt. Gleich- wohl ist dieses Ansehen auch hier nur durch das theilweise Uebereinanderliegen beider Furchungskugeln bedingt. Weun man ferner das Eichen unter dem Kompressorium hin- und herrollt, so überzeugt man sich, dass die lichtere Stelle von einer neu gebildeten Substanz herrührt, die etwas zähflüssiger ist, wie die übrige flüssige Inhaltsmasse, ganz so, wie bei der Bil- dung des Muiterzellenkerns. Auch in chemischer Beziehung liess sich kein Unterschied vorfinden. Diese helle, zähflüssige, chemisch von dem übrigen Inhalt ungefähr in der Mitte der dunkeln Partie sich absondernde Substanz tritt nun bald dar- auf in beiden Furchungskugeln als der früher sogenannte, scharf umgrenzte, helle Fleck oder Kern derselben auf. Er- scheinungen, die auf das „Wie“ der Bildung und Gestal- tung der noch gestalllosen hellen Substanz zu dem jetzt in runder Form und wahrscheinlich als Bläschen auftretenden Kern zu beziehen wären, können ebenso wenig, wie bei der Bildung des Kerns der ersten Furchungskugel wahrgenom- men werden. 241 $. 17. Mit dem Auftreten der beiden Kerne beschliesst wiederum eine Reihe von Veränderungen des sogenannten Furchungsprozesses. Statt der einen und ersten Furchungsku- gel sehen wir jelzt zwei zur Hälfte kleinere und runde vor uns. Sie liegen frei in der Dotterhöhle nebeneinander und platten sich an der Berührungsstelle gegenseilig elwas ab. Sie haben im Wesentlichen dieselbe Beschaffenheit, wie die erste Furchungskugel, und stellen vollkommen ausgebildete elementare Zellen vor, bestehend aus einer Zellennembran, aus einem Inhalt und aus einem hellen Kern, der mehr nach dem Centrum der Zellenhöhle gelagert ist, namentlich nicht an der inneren Wand der Zellenmembran festhaftet. Es ist aber nicht allein eine wesentliche Uebereinstiimmung in der Beschaffenheit der ersten Furchungskugel mit den beiden vor- liegenden vorhanden, sondern die Inhaltsmasse der letzteren ist scheinbar nichts Anderes, als die zur Hälfte abgetheilte Inhaltsmasse der ersten Furchungskugel. Namentlich ist jene halbe Parlie mit den zahlreicher angehäuften Fetikörperchen in der einen, die lichtere Hälfte dagegen in der anderen Fur- chungskugel als Inhalt vorhanden. Von den Erscheinungen, welche diese Verwandlung begleiten, waren uns zunächst die- jenigen genau bekannt geworden, mit welchen der ganze Pro- zess anhebt. Wir sahen den Kern der ersten Furchungsku- gelzelle hinschwinden und halten nun letzlere vor uns, beste- hend aus der Zellenmembran und aus dem Inhalt, mit welchem die Substanz des Kerns vermischt war. Späterhin konnte man genauer beobachten, wie nach dem Hiuschwinden der Mutter-Zellenmembran die in zwei Hälften abgetheilte Inhalts- masse als die beiden nächsten Furchungskugeln hervortreten, die bereits von Membranen umlhüllt sind, und unter Verän- derung ihres Lageverhältnisses allmählig auch den Kern ent- wickeln. $. 18. Dazwischen liegen nun Erscheinungen, deren nä- here Besprechung wir uns hier vorbehalten haben. Wir be- obachtelen nämlich, dass an der kernlosen Inhaltsmasse der Müllers Archiv. 1946, 16 242 ersten Furchungskugel die lichte Zone theils elwas im Allge- meinen, iheils, und zwar überwiegend, im Querdurchiesser des Eichens und der ersten Furchungskugel an Breite zunahm, dass die molekularen Körperchen in derselben zahlreicher sich anhäuften, dass ferner gleichzeilig die dunkle Inhaltsparlie, während die Fetlkügelchen an den Polen elwas näher anein- anderrückten, der Quere nach allmählig sich gleichsam ein- schnürend in die Bisquitform überging, deren Mitte dabei etwas liehter wurde, dass dann endlich an der einen Hälfte, in wel- cher die Feitkügelchen schon von Anfang an zahlreicher vor- gefunden wurden, jene aber näher beschriebene, halbkreisför- mige, dunkel schimmernde Linie auftrat. Von diesen Erschei- nungen erwies sich die zuletzt erwähnte Linie als den einen Theil einer sich leicht zu einem Kreise ergänzenden Kontour, welche den mehr oberflächlich liegenden von den zweien sich theilweise deckenden und bereils gesondert bestehenden näch- sten Furchungskugelmassen angehörte. Da diese beiden Fur- chungskugelmassen sogleich nach dem Hinschwinden der Mem- bran der ersten Furchungskugelzelle von eigenen Membranen umhüllt sich darstellten, so wurde geschlossen, dass dieselben auch schon innerhalb der noch unversehrten Mutterzellenmem- bran in solcher Beschaffenheit, jedoch noch olıne Kerne, vor- handen seien. Die Richtigkeit dieses Schlusses leuchtet um so mehr ein, als dadurch verständlich wird, wie die immer- hin flüssige Inhaltsmasse der ersten Furchungskugelzelle, un- gefähr zur Hälfte abgetheilt, ohne zusammenzufliessen geson- dert bestehen und durch Kontouren-Zeichnung diese Trennung zu erkennen geben könne. In Betreff der Deulung der übrigen noch nicht erörter- ten Erscheinungen während dieses Prozesses erscheint es pas- send, die Beziehungen aufzufassen, welche dabei mit Rücksicht auf den ihnen vorangehenden und unmittelbar nachfolgenden Zustand der ersten Furchungskugel zu nehmen sind. Nun ist uns zuerst die erste Furchungskugelzelle gegeben, wie sie aus einer Membran und aus einem gleichförmigen Inhalt, mit wel- 243 chem sich die Substanz des Kerns vermischt halte, besteht. Nach jenen Erscheinungen dagegen ist die Inhaltsmasse der er- sten Furchungskugelzelle in einer Riehtung, die den Querdurch- messer unter einem spilzen Winkel durchschneidet, ungefähr in zwei Hälften (den beiden nächsten Furchungskugeln) ge- schieden, welche sich dem Beobachter in der theilweise sich deckenden Lage stets präsentiren und von Membranen umhüllt sind. Es fragt sich also, ob die zwischen diesen beiden Zu- ständen sichtbaren Erscheinungen eine Beziehung zu der Schei- dung der Inhaltsmasse der ersten Furchungskugelzelle in die bezeichnelen Hälften und zu der Umbildung einer Membran um dieselbe haben, und welches diese Beziehung sei? Dass nun eine derartige Beziehung wirklich Stalt finde, und dass wir den Moment vor uns haben, in welchem die Inhaltsmasse der ersten Furchungskugelzelle sich in zwei Portionen scheide und dieselben mit Membranen umhülle, möchte nicht zu be- zweifeln sein. Am auffallendsten scheint dafür zu sprechen die allmählige Einschoürung der dunkeln Inhaltspartie zur Bisquitform, deren Abtheilungen späterhin zum grössten Theile unverändert als dunkle Inhallsparlieen der nächsten beiden Furchungskugeln vorgefunden werden. Diese Erscheinung allein dürfte jedoch die obige Annahme nicht genügend versichern; denn sie könnte leicht dadurch bedingt sein, dass die bereits geschiedenen und selbst von Membranen umhüllten Inhaltspor- lionen aus einer Lage, in welcher sie sich ganz oder zum grössten Theile decken, allmählig herausrücken. Unter sol- chen Umständen würde der Scheidungsprozess der Inhaltsmasse in zwei von Membranen umhüllte Massen schon vorüber und dem Beobachter gar nicht zugänglich sein. Die allmählige Einschnürung der dunkela Inhaltspartie gewinnt aber an Be- deutung für unsere Annalıme, wenn wir die gleichzeitig dabei Statt findenden Erscheinungen, das allgemeine Breiter- werden der lichteren Zone, die stärkere Anhäufung von mo- lekularen Körperchen in derselben, die Volumenverminderung der sich verwandelnden Doltermassen mit gleichzeitiger Aus- 16* "le 244 scheidung von Substanztheilchen in die Lücke zwischen Dot- ter und Dotierhaut, endlich noch das Aneinanderrücken der Feltkügelchen berücksichtigen. Das Alles sind Phänomene, von denen wir wissen, dass sie in gleicher Weise bei der Bil- dung der ersten Furchungskugel in die Zeit fallen und den Moment bezeichnen, in welchem der Bildungsdotler als Inhalts- masse der ersten Furchungskugel auftritt und eine Membran um sich herum entwickelt. Daher sind wir berechligt, die in Rede stehenden Erscheinungen auch hier auf den Moment zu beziehen, wo sich die Inhaltsmasse der ersten Furchungskugel- zelle in die beiden Portionen für die nächsten Furchungsku- geln scheide und um dieselben die Membranen konsolidire. Da nun die beiden nächsten Furchungskugeln, wenigstens bestimmt jedesmal die eine, aus einer dunkeln Inhallsparlie, umgeben von einer lichteren Zone, bestehen, so müssen wir vorausselzen, dass bei der Scheidung der Inhaltsmasse der er- sten Furchungskugel (in die beiden Portionen für die nächsten Furchungskugeln) die dunkle Inhaltspartie ungefähr in ihrer Mitte von lichterer Doltermasse getrennt oder durchzogen werde. Von dieser Erscheinung war gleichwohl bisher nichts Entschiedenes wahrzunehmen; wir sahen nur die Einschnü- rung der dunkeln Dotterparlie und das Breilerwerden der lichten Zone an der Einschnürungsstelle. Dennoch lassen sich diese Momente mit einem solchen Vorgange in Verbindung bringen, sobald wir nur, durch die spätere Lagerungsweise der beiden nächsten Furehungskugeln angeregt, davon ausge- hen, dass die Scheidung der Inhallsmasse der ersten Furchungs- kugelzelle nieht durch den senkrechten Querdurchmesser gehe, sondern denselben unter einem spitzen Winkel durchschneide. Alsdann ist die bisquilförmige Gestalt der dunkeln Inhaltspar- tie nur scheinbar, und wird jelzt, wie später, vielmehr da- durch hervorgerufen, dass die durch lichtere Zwischenmasse getrennten dunkeln Inhaltsportionen sich theilweise decken (Fig. 14.). Ferner kann die lichtere Zwischenmasse wegen der schrägen Stellung in ihrer Ausbreitung nicht übersehen 245 werden. Die Erscheinungen, welche indessen schon jetzt auf dieselbe hinweisen, sind: die grössere Helligkeit der mittleren Abtheilung des Bisquits (Fig. 8. 9.) und die vorherrschende Breitenzunahme der lichten Zone im Querdurchmesser. Der Einschnürungsprozess der dunkeln Inhaltspartie der ersten Furchungskugelzelle ist also unter den vorhandenen Umständen nur das mikroskopische Bild von einer allmählig enistehenden lichten Zwischenmasse, die unter einem spitzen Winkel den senkrechten Querdurchmesser durchschneidet, die dunkle Inhaltspartie solcher Gestalt in zwei Abtheilungen scheidet, und zu den Seiten sich kontinuirlich in die uube- deckte lichte Zone forlsetzt. Es fragt sich nur, wodurch diese Veränderung hervorgerufen werde, und ob vielleicht die gleich- zeilig Statt findenden anderen Erscheinungen hierüber Auf- schluss geben? Leider lässt sich weder aus dem Näher-Anein- anderrücken der Fettkügelchen, noch aus der allgemeinen Breitenzunahme der lichten Zone, noch aus dem zahlreicheren Auftreten der molekularen Körperchen irgend Etwas in di- rekter Beziehung entnehmen. Vielleicht lässt sich aber aus der Summe der vorliegenden Erscheinungen in Uebereinstim- mung mit dem, was früher bei der Bildung der ersten Fur- elıungskugel beobachtet wurde, und im Einklange mit dem, was späler sichtbar wird, auf eine Veränderung der Inhalts- masse schliessen, deren Annahme dann gerechtfertigt wäre, wenn auch eine unmittelbare Beobaclitnng nicht gelänge. Das Aneinanderrücken der Fetikügelchen und die Tren- nung derselben in zwei Portionen, dürfte leicht bei oberfläch- lieber Beobachtung zu der Annahme verleiten, dass in jeder Hälfte der Inhaltsmasse der ersten Furchungskugel sich ein auf die umliegenden Fettkügelchen anziehend wirkendes Cen- trum gebildet hätte, wodurch denn auch das allgemeine Brei- terwerden der lichten Zone erklärt sein würde. Gleichwohl ist diese Annahme in mehrfacher Hinsicht unhaltbar. Dass kein substantielles Centrum sichtbar sei, und namentlich die Kerne fehlen, ergiebt sich aus dem Vorhergehenden. Aber 246 lie Umstände, unter welchen die Trennung der dunkeln In- haltspartie in zwei Porlionen auftritt, widersprechen sogar der Annahme irgendwie unsichtbar wirkender Cenlra. Die ge- trennten dunklen Inhallspartieen haben nämlich, was sich aus den früheren Beschreibungen leicht deduciren lässt, ungefähr die Form eines schrägen, natürlich nicht scharf begrenzten, Ovalschnittes, ganz so, wie die vollkommen getrennten und umhüllten nächsten Furchungskugeln, so lange dieselben noch niebt ihr Lageverhältniss geändert haben (Fig. 10.). Eine solche Form kann aber unmöglich zu Stande kommen, wenn Centra auf die Fetlkügelchen anziehend wirken. Da ferner die schrägen Ovalschnitte sich schon während der Entstehung theilweise decken, so geschieht es, dass die Feltkügelehen in der Gegend, wo die theilweise Deckung Statt findet, viel nä- her dem Wirkungskreise des Centrums der anderen dunkeln Inhaltsparlie gelagert sind, als dem eigenen. Da sich aber diese Wirkung nicht äussert, so kann sie auch nicht als vor- handen gedacht werden. Ich übergehe, dass das Lageverhältniss der Fetikügelchen untereinander in jeder Partie ebenso wenig, wie bei der Grup- pirung der Feltkörperchen während der Bildung der ersten Furchungskugel auf eine ceentrale Anziehung derselben zu schliessen berechtigt. Von grösserem Gegengewieht erscheinen vielmehr noch zwei andere Umstände. Die obige Annahme nämlich setzt uns in die Nothwendigkeit, ein neues wirkendes Moment bei der Bildung der vorliegenden Furchungskugeln einzuführen, welches bei der Entstehung der ersten Furchungs- kugelzelle nicht allein nicht nöthig war, sondern sogar von der Hand gewiesen werden musste. Endlich wird noch durch eine solche Hypothese durchaus gar Nichts für die Scheidung der ganzen Inhaltsmasse der ersten Furchungskugelzelle in zwei Porlionen gewonnen, und das ist grade der wichtigste Punkt. Mögen sich die Fettkügelchen in der immerhin flüssi- gen Dottersubslanz bewegen, wohin sie wollen und wie sie wollen, mögen sie sich aus irgend welcher Ursache in einzelne 247 Gruppen sammeln; es bleibt schlechterdings unverständlich und ist auf keine Weise einzusehen, wie in Folge dieser Be- wegungen und Gruppirungen der Fetlkügelehen in der flüssi- gen Inhaltsmasse die letztere selbst in gesonderte, etwa tropfenförmige Massen auseinandergehen werde und könne. Allen diesen Inkonsequenzen kann man entgehen, wenn man die in Rede stehenden Erscheinungen mit der gleichzeitig Statt findenden Bildung der Membranen der nächsten Furchungs- kugeln in Verbindung bringt, so dass also die Scheidung der Inhaltsmasse der ersten Furchungskugelzelle in die Inhaltspor- tionen für die nächsten Furchungskugeln mit der Entstehung ihrer Hüllen zusammenfalle und gleichzeitig gegeben sei. Di- rekte Erscheinungen, welche auf die Bildung solcher Mem- branen hinweisen, sind allerdings nicht sichtbar. Während aber dieses einerseits bei der Dünnheit der Zellenmembranen kaum befremden dürfte, so muss andererseits wegen des Vor- handenseins dieser llöllen an den gleich darauf sich gesondert darstellenden zwei Furchungskugeln die Bildung derselben kurz vorher, d. h. um die in Rede stehende Zeit, vorausge- setzt werden, Ueberdies scheint mir die Trennung der flüssi- gen Inhaltsmasse in zwei Portionen ohne Vermittelung einer gleichzeilig entstehenden Membran unbegreiflich. Endlich stimmt die Annahme auch mit dem überein, was während der Bildung der ersten Farchungskugel beobachtet wurde und vorausgesetzt werden musste. Wie damals, so ist es auch jetzt wahrscheinlich, dass bei der Bildung dieser Hüllen der flüssige Bestandtheil des Inhalts betheiligt sei. Die sich che- misch diflerenzirende und konsolidirende Schicht kann nur in der Ausbreitung und Form gedacht werden, wie sieh schon jetzt die Scheidung der Inhallsmasse durch die lichte Zwi- schenpartie und bald darauf die äussere Form der gesonderten Furehungskugeln mit ihren Hüllen zu erkennen giebt. Sie geht um die freie lichte Zone herum, durchdringt in zwei Schichten in der schon öfters bezeichneten schrägen Richtung die Inhaltsmasse, und selzt sich auf der anderen Seite in den 248 respektiven freien Theil kontinuirlich fort. Ihre Form ist mit- hin die eines schrägen Ovalschnittes, wie anfänglich auch die Furchungskugeln auftreten. Denken wir uns also eine Schicht der flüssigen Dotter- substanz in der bezeichneten Ausbreitung in Membranbildung begriffen, so lassen sich die anderen sichtbaren Erscheinungen während dieser Zeit leicht als konkomitirende auffassen und entsprechend deuten. Bei dem sowohl hierbei, als auch wäh- rend der wahrscheinlichen Vermehrung der molekularen Kör- perchen Statt findenden Konsolidationsprozess muss die als Mutterlauge zurückbleibende flüssige Dotlersubstanz von Neuem etwas an Dünnflüssigkeit gewinnen. In Folge dessen wird die gegenseitige Anziehungskraft der Feitkügelchen stärker wirken, und letztere werden daher näher aneinander rücken. Die Anziehung wirkt ferner unter den Fetikügelchen der In- haltsmasse der ersten Furchungskugel, die bereits durch die sich konsolidirenden Schichten in zwei Partieen abgetheilt sind, und muss demgemäss die Erscheinung von sogenannten zwei Gruppen der Feltkügelehen bedingen. Da die gegensei- tige Anziehung der Fetikörperchen gegenwärlig nur in ver- stärktem Maasse auftritt, so wird das bisherige allgemeine Lageverhältniss der Fetikügelehen untereinander nur insoweit verändert, als letztere in statu qao sich nähern. Auf diese Weise werden die sich allmählig bildenden Gruppen im Vo- lumen zwar abnehmen, aber ihre Form kann sich ganz so er- halten, wie sie in dem Augenblicke ist, wo die dunkle In- haltspartie durch die sich konsolidirenden Schichten in zwei Abtheilungen geschieden wird, d. h. in der allerdings nur un- bestimmten Gestalt schräger Ovalschnitte, die sich theilweise decken. Endlich wird noch durch das Aneinanderrücken der Fetlkügelchen in zwei Gruppen erklärlich, wie dabei die lichte Zone an Breite gewinnt, wie ferner in kontinuirlicher Fort- selzung die lichte Zwischenparlie zwischen den dunkeln Grup- pen in schräger Richtung sich allmählig herausbildet, die mitt- lere Gegend der dunkeln Inhaltspartie elwas erhellt und den 249 Schein eines Einschnürungsprozesses an der letzteren hervor- ruft. Man muss demnach eingestehen, dass unsere Annahme nicht allein mit dem übereinstimmt, was früher beobachtet wurde, dass sie ferner nicht bloss durch die nachfolgenden Zu- stände nothwendig gesetzt war, sondern dass auch die vorlie- genden Erscheinungen derselben vollkommen entsprechen, durch sie erklärt werden, und förmlich auf dieselbe hinzuweisen scheinen. $. 19. Es lassen sich demgemäss die einzelnen Haupt- momenfe, wodurch die erste Furchungskugelzelle in die beiden nächstfolgenden sich umwandelt, der Reihe nach also bezeich- nen. Nachdem der Kern der Multerzelle geschwunden, theilt sich die ganze Inhaltsmasse in zwei schräg durch den senk- rechten Querdurchmesser geschnitlene Abtheilungen dadurch, dass an der Oberfläche der letzteren eine dünne Sehicht des flüssigen Bestandiheiles von der übrigen centralen Masse sich differenzirt und zu einer Membran konsolidirt. Sodann ver- kümmert die Mutlerzellenmembran, und die beiden von eige- nen Hüllen umgebenen Abtheilungen rücken als noch kern- lose nächste Furchungskugelzellen aus der theilweise sich deckenden Lage allmählig heraus, so dass sie einfach neben- einander zu liegen kommen und nur gegenseitig sich etwas abplatten. Dabei rundet sich ihre anfängliche Form des schrä- gen Ovalschnittes allmählig ab und wird kuglich. Während dieser Veränderung des Lageverhältnisses und der Form bei- der Furchungskugeln differenzirt sich ihre bisherige Inhalts- masse in die Substanz für den Kern, welche ungefähr die Mitte einnimmt, und in den eigentlichen Zelleninhalt, der seine Lage zwischen dem Kern und der Membran hat. Die Sub- slanz des Kerns endlich erhält eine bestimmte runde Form, indem wahrscheinlich von Neuem durch Differenzirung und Konsolidirung der oberflächlichen Schicht ein Bläschen gebil- det wird. Ob in dem Inhalt dieses Bläschens durch Difleren- zirung und Konsolidirung ein Kernkörperchen sich entwickelt, bleibt vorläufig bei Strongyl. auriec. noch zweifelhaft. 250 $. 20. Während des weiteren Forlganges des Furchungs- prozesses wiederholen sich nun im Wesentlichen dieselben Erscheinungen und Veränderungen, welche bei der Verwand- lung der ersten Furchungskugel in die beiden folgenden be- obachtet wurden, bei jeder Furchungskugel, die vorliegt, und die weiterhin sich herausbildet und frei wird. Der Bildungs- dolter wird auf diesem Wege bekanntlich fortdauernd in un- gefähr zur Hälfte kleiner werdende Portionen getheilt, die stets von Membranen umhüllt sind und in dem Zustande ihrer höchsten Ausbildung einen hellen runden Kern enthalten, also stets Furchungskugelzellen darstellen. Der Zelleninhalt dersel- ben ist daher nur eine kleinere oder grössere Porlion des ur- sprünglichen Bildungsdotters; die Membranen dagegen und die Kerne entstehen fortdauernd durch Neubildung. Wie oft sich dieser Prozess wiederholt, lässt sich bei der späteren grösseren Anzahl übereinanderliegender Furchungskugeln nicht mehr übersehen. Das Ende des sogenannten Furchungsprozesses wird dadurch bestimmt, dass zuerst ein Theil der jüngsten Furchungskugeln als Bildungsdotterzellen in die Anlage eines Organes oder Systemes übergeht. Wenn aber auch in dem weiteren Fortgang des Furchungsprozesses nur eine Wieder- holung dessen Statt findet, was wir bereits kennen gelernt haben, so sind doch die Erscheinungen und Veränderungen bei dem Kleinerwerden der Furchungskugeln und bei der Anhäufung derselben in ihren Einzelnheiten dem Beobachter nicht mehr so zugänglich, wie bei der Bildang der ersten und der beiden nächsten Furchungskugeln. In der letzten Hälfte des Furchungsprozesses sieht man in der That nichts weiter, als dass man die Stelle einer vorliegenden Furchungskugel- zelle zwei mit Membranen umhüllte und zur Hälfte kleinere auftreten, und es ist bei Ascaris auricul. ein höchst seltener Zufall, wenn man hier noch den Moment aufzufassen und zu unterscheiden im Stande ist, wo in der letzteren der Kern sich noch nicht gebildet hatte. $. 21. Im Allgemeinen lässt sich Folgendes aus dieser 251 Zeit hervorheben: Bei der fortdauernden Zertheilung des Bil- dungsdotters müsste eine entsprechende Zunahme des Umfanges desselben Statt haben. Das ist jedoch nicht der Fall. Im Gegentheil wird in der ersten Zeit eine Abnahme des Um- fanges bemerkbar, was sich sehr deutlich schon an der Ver- grösserung der Lücke zwischen dem Dotter und der unver- ändert bleibenden Dotterhaut erkennen lässt. Dieses kommt daher, dass die Volumenverminderung der Furchungskugeln während der Zellenbildung anfangs noch immerhin zu bedeu- tend ist, als dass die Vergrösserung des Umfanges des Dotters in Folge der Zertheilung desselben sich bemerkbar machen könnte. Späterhin überwiegt das letztere, und wir sehen da- her die Höhle der Dotterhaut allmählig von den kleineren Furchungskugeln angefüllt werden, so dass die Lücke ver- schwindet. — In Folge der Bildung soliderer Bestandtheile muss die flüssige Substanz fortdauernd abnehmen, und hiermit slimmt die Erfahrung überein, dass der Dotter während des Furchungsprozesses an Konsistenz gewinne. Anderseits muss aber auch der Nüssige Bestandtheil des Dotters in Folge der Konsolidationen dünnflüssiger werden. Dies scheint gegen die genanute Beobachtung zu sprechen. Gleichwohl lässt sich diese Kontroverse beseitigen; denn mit dem Flüssigerwerden des Fluidums im Dotter ist gleichzeitig eine Abnahme dessel- ben gegeben und ausserdem eine Vermehrung der solideren Massentheile im Dotter, wodurch die Zunahme der Konsistenz des letzteren wohl erklärlich sein möchte. — Alle späteren Furchungskugelzellen sind, sobald sie frei auftreten, von run- der Gestalt, wie die beschriebenen ersten zwei, und erleiden nur durch gegenseitigen Druck eine Abplattung. In dem mi- kroskopischen Bilde erscheint die dunkle und helle Inhalts- partie in dem Grade weniger scharf gezeichnet, als die Fur- chungskugeln durch das fortdauernde Zerfallen an Grösse abnehmen, namentlich wird die dunkle Inhaltspartie heller, indem eine geringere Anzahl Feltkügelchen beisammenliegen, und desgleichen noch weniger bestimmt in ihrer ungefähr 252 kreisförmigen Begrenzung. Die hellen Kerne markiren sich theilweise schon ohne Druck, wenn die Furchungskugeln klei- ner geworden. Deutlicher lassen sie sich wahrnehmen bei Anwendung der Kompression. Nicht so sehr sellen sieht man dann wohl einzelne Furchungskugeln ohne Spur eines Kerns. Das sind entweder, und zwar in den meisten Fällen, solche Furchungskugelzellen, deren Kern geschwunden und deren In- halt zur Bildung junger Brut sich anschickt, oder solche, die vielleicht ihren Kern noch nicht entwickelt haben. $. 22. Eine für die Zukunft vielleicht wichtige That- sache ist die, dass der Furchungsprozess an den beiden zuerst gegebenen Furchungskugelzellen nicht gleichzeitig fortschrei- tet, sondern regelmässig bei derjenigen früher beginnt, die durch die geringere Anzahl von Fettkügelchen ausgezeichnet ist. Wenn später die andere Furchungskugelzelle ihre nächste Brut frei werden lässt, so kann es sogar geschehen, dass ziem- lieh zu gleicher Zeit von der ersteren Furchungskugel, die den weitern Fortgang des Furchungsprozesses zuerst einleitele, die zweite Generation zu Tage tritt. Ob auch weiterhin die Nachkommenschaft der einen ersten Furchungskugelzellen stets jenen der anderen in der Entwickelung neuer Brut vorauseilt, oder ob andere Gesetzlichkeiten hier obwalten, das habe ich nicht ermitteln können. Unzwweifelhaft bleibt es dagegen, dass sowohl bei Strongyl. aurieul., als auch bei Fröschen und bei den Säugelhieren zu den verschiedensten Zeiten des Fur- chungsprozesses stets gleichzeitig kleinere und grössere Fur- ehungskugeln vorgefunden werden, und dass die kleineren ganz gewöhnlich mehr nach aussen liegen und jene Gegend vorzugsweise einnehmen, wo sich die Keimstelle befindet und die Entwickelung der Anlagen des Thieres sich zuerst bemerk- lich macht. $. 23.. Für die Beurlheilung der Erscheinungen und Ver- änderungen während des Furchungsprozesses ist noch ein Punkt einer näheren Erörlerung werth. Bei der Sonderung des Inhaltes der. ersten mehr oval geformten Furchungskugel- 253 zelle in die beiden Portionen für die nächsten Furchungsku- geln durehschnitllen die sieh differenzirenden Schichten unter einem spilzen Winkel den senkrechten Querdurchmesser; jede Portion stellt einen schrägen Ovalschnilt vor, und beide Por- tionen deckten sich theilweise. Es fragt sich nun, wie in die- ser Hinsicht die späteren, stets rund geformten Furchungsku- gelzellen sich verhalten? Es wurde schon angedeutet, dass die einzelnen Momente der Bildung neuer Furchungskugeln späterhin nicht mehr deut- lich verfolgt werden können. Indessen lässt sich doch noch Einiges zur Entscheidung der Frage aus den Erscheinungen während der Bildung und des Freiwerdens der nächsten Fur- chungskugeln, die bereits aus der Inhaltsmasse einer runden Furchungskugel hervorgehen, herbeibringen. Auch hier schwin- det zunächst der Kern der Mutterzelle. Sodann wartet man vergebens auf eine bisquilförmige Veränderung der dunkeln Inhaltsparlie, die bei der ersten Furchungskugelzelle sichtbar wurde. Desgleichen fehlt jetzt schon jede Erscheinung, die uns einigermaassen mil Sicherheit berechligen könnte, auf eine Differenzirung der Inhaltsmasse zu schliessen. Das Einzige, was gewöhnlich den weiteren Vorgängen unmittelbar vorauf- geht, ist eine grössere Unbestimmtheit in der Kontourzeich- nung der dunklen Inhaltspartie (Fig. 12.). Bald darauf be- merkt man, der Berührungsstelle mit der anderen Furchungs- kugel gegenüber, eine anfangs ganz seichle, nach und nach tiefer eindringende Einschnürung (Fig. 13.). Hat hier diese Einsehnürung eine gewisse Tiefe erreicht, so markirt sich die- selbe Einschnürung auch auf der andern Seite, wo beide Fur- ehungskugeln sich berühren, und die scheinbare Bisquitform der Furchungskugel hat sich wieder herausgebildet. Gleich- zeilig kann man jedoch während dieses Einschnürungsprozes- ses bei passender Einstellung des Mikroskops zuerst an der Oberfläche der einen, dann auch an der unteren Fläche der anderen Abtheilung des Bisquits halbkreisförmige Linien un- terscheiden, die mit der korrespondirenden Kontour der Bis- 254 quitablheilungen sich zu Kreisen ergänzen, und die Konlouren zweier, bereils gesonderler, von Membranen umhüllter, sich iheilweise deckender Furchungskugeln bezeichnen. Die beiden halbkreisförmigen Linien scheinen dann allmählig einander nä- her zu rücken, sie verschwinden endlich, und plötzlich zeigt sich im Längsdurehmesser des Eichens eine grade Linie, die Kon- tour der senkrecht stehenden Berührungsflächen zweier sich gegenseitig abplattender runder Furchung-kugeln. Es wird dieses genügen, um darzulhun, dass wir es auch hier mit ei- nem ähnlichen Vorgange zu ihun haben, wie er bei dem Frei- werden der ersten beiden Furchungskugelzellen aus ihrer Mut- terzelle beobachtet wurde. Der Einschnürungsprozess ist nur scheinbar. Dieser Schein wird dadurch hervorgerufen, dass die beiden ursprünglich als Halbkugelschnitte auftretenden und sich theilweise deckenden nächsten Furchungskugeln nach dem Hinschwinden der Mutterzellenmembran frei werden, sich da- bei allmählig abrunden und durch Veränderung ihres Lagever- hältnisses die schrägen Berührungsflächen senkrecht aufstellen. Hieraus darf man, in Uebereinstimmung mit den früheren Be- obachtungen, schliessen, dass die Differenzirung der Inhalts- masse auch bei den runden Furchungskugelzellen unter einem spitzen Winkel den senkrechten Durchmesser durchdringe. Die sieh sondernden Porlionen bilden aber Halbkugel- schnitte bei dem ersten Auftreten (Fig. 15). Bedeutung des Furchungsprozesses. Die milgetheilten Erscheinungen und Veränderungen wäh- rend des Furchungsprozesses ordnen sich in zwei nicht mit- einander zu verwechselnde Reihen, die zugleich zwei verschie- denen, während der Furchung oftmals sich wiederholenden Prozessen angehören. Der eine Prozess bezieht sich auf die Bildung von Zellen, welche als die bekannten Furchungsku- geln auftreten, der andere auf das Freiwerden dieser Fur- elungskugeln aus ihrer Mutlerhülle. Der erstere Vorgang be- 253 DS giont stels früher, als der letztere, und eine Zeit lang bestehen sie dann gemeinschaftlich nebeneinander. 1. Die Bildung der Furchungskugelzellen. $. 24. In jeder Multerzelle, und als solche zeigt sich zu- erst Jie Eizelle selbst, später jede Furchungskugel bis zu dem Uebergange in die Ihierische Anlage, ist der erste Akt der Erzeugung junger Brut aus der Inhaltsmasse durch das Hin- schwinden des Mutterzellenkerns bezeichnet. Hierbei beobach- tet man, dass die Substanz desselben entweder unmittelbar oder nach vorausgegangenem Zerfallen in einzelne tropfenför- mige Körper sich allmählig und unmerklich in dem Mutter- zelleninhalte ausbreitet und mit ihm sich so vermischt, dass keine sichtbare oder überhaupt nachweisbare Spur zurück- bleibt. Das Zerfallen des Kerns oder vielmehr dessen In- haltes nach wahrscheinlicher Verkümmerung der Hülle war nur bei den grösseren Kernen wahrzunelimen. Bei der Vermi- schung blieben die Feitkügelchen und molekularen Körperchen des Mutterzelleninhaltes unverändert ‚Zund es wurde vielmehr walırscheinlich, dass nur der flüssige (Dotter-) Bestandtheil dabei zunächst betheiligt sei. Beide sich vermischende Be- slandlheile sind verschiedenartige, jedoch nicht genau zu be- slimmende Proleinstoffe. Eine irgendwie deutlich hervorste- chende chemische Veränderung des flüssigen Bestandtheiles nach der Vermischung mit der Substanz des Kerus liess sich nicht wahrnehmen. Der erste Kern, der so während des Vurchungsprozesses hinschwindet, ist das Keimbläschen bei der Verwandlung des ganzen Bildungsdotters in die erste Fur- chungskugel. Alle später hinschwindenden Mutterzellenkerne sind die während des Furchungsprozesses neugebildeten Kerne der Furchungskugeln. In dem zweiten Akte umhüllt sich die mit dem Kern ver- mischte Inhallsmasse der Multerzelle, ganz oder in zwei ziemlich gleiche Portionen getheilt, mil einer strukturlosen, vollkommen durchsichligen, ausdehnbaren und die Diffusion des Wassers 256 E gestaltenden Membran, und verwandelt sich solcher Gestalt zu einer oder zwei noch kernlosen Brutzellen oder Fur- chungskugeln, die anfangs noch von der Mullerzellenmem- bran enge (mit Ausnahme der ersten Furchungskugel) um- schlossen werden. Nur die Inhaltsmasse der Muttereizelle, der mit der Substanz des Keimbläschens vermischte Bildungs- dotter, verwandelt sich ganz und gar zu einer, der ersten, Fur- chungskugel; alle späteren Mutlerzellen entwickeln zwei Brut- zellen. Die Form dieser noch kernlosen Brutzellen ist da, wo nur eine Brutzelle sich bildet, wie bei der ersten Fur- chungskugel, dieselbe, wie die der Mutterzelle. Wo dagegen zwei Brutzellen erzeugt werden, da ist sie verschieden nach der Form der Iuhallsmasse oder vielmehr der Mutterzelle. Aus der ungefähr ovalen Inhaltsmasse der ersten Furchungs- kugelzelle gehen zwei Furchungskugeln hervor, die ursprüng- lich schräge Ovalschnilte darstellen; in den runden Furchungs- kugelzellen haben die zwei noch kernlosen Brutzellen ungefähr die Form von Halbkugeln.. Wo ferner zwei Brutzellen sich entwickeln, geht die Teennungslinie der für sie bestimmten Portionen der Inhaltsmasse niemals durch den senkrechten Durchmesser, sondern durehschneidet den letzteren unter einem spitzen Winkel. Daher die noch kernlosen Brutzellen sich in einem iheilweise gedeckten Lageverhältniss zu einander dem ‚Beobachter präsentiren. Bei der Umhüllung ändert sich haupt- sächlich diejenige Schicht der Inhaltsmasse der Mutlerzelle, welche sich eben durch Differenzirung und Konsolidirung in der angegebenen Ausbreitung zu der umhüllenden Membran verwandelt. Der übrige bei Weitem grösste Theil, der nun den Inbalt des neugebildeten Bläschens darstellt, erleidet nur insoweit Veränderungen, als gewisse, oben beschriebene und erklärte Bewegungen und Gruppirungen der Feltkügelchen Statt finden, die molekularen Körperchen zahlreicher werden und der zähflüssige Dolterbestandiheil elwas dünnflüssiger wird und an Masse durch Ausscheidung abnimmt. Der Inhalt des neugebildeten Bläschens erscheint daher seinen Bestand- 257 heilen nach fast unverändert; es ist die ganze oder halbe Inhaltsmasse der Multerzellen, nach Abzug der dünnen Schicht, die sich zur Membran verwandelte. Da weder an den Fett- kügelchen, noch an den molekularen Körperchen Erscheinun- gen sichtbar sind, die auf eine direkte Betheiligung derselben an der Bildung der Membran hinweisen, obschon dergleichen Vorgänge unter den vorhandenen Umstäuden dem Auge des Beobachters wohl zugänglich sein dürften, so erschien es auch in Uebereinstimmung mit sonstigen Erfahrungen nolhwendig, dass die Bildung der Membran von dem flüssigen Bestandtheile ausgehe. Die Sonderung und Scheidung der Iuhaltsmasse der Mutterzelle in die Portionen für die Brutzellen kann nur bei gleichzeitig Stalt findender Differenzirung und eintretender Konsolidirung derjenigen Schicht gedacht werden, welche als Membran der Brutzellen späterhin sich darstellt. In den dritten und letzten Akt der Zellengenesis fällt endlich die Bildung des Kerns. Erst nach der Bildung der Membran der Brutzellen, und während letztere, mit Ausnahme der ersten Furchungskugel, aus der Multerzellenmembran frei werden und allmählig Kugelgestalt annehmen, sondert sich aus der Inhaltsmasse, mit welcher der Mutterzellenkern sich ehe- dem vermischt halte, ungefähr in der Mitte, eine helle zäh- Nüssige Substanz ab, die chemisch mit der Substanz des Mut- terzellenkerns (Keimbläschen ele.) übereinstimmt und sehr bald, wahrscheinlich durch Umbildung einer Membran, in eine bestimmte runde Form übergeht. Der Kern ist demnach nicht an der Wand ursprünglich festgeheftet, sondern liegt mehr oder weniger central frei in der Inhaltsmasse. Der den Kern umgebende Rest der Inhaltsmasse stellt jetzt nach vollendeter Bildung des Keros den eigentlichen Zelleninhalt vor _Derselbe erscheint auch gegenwärlig nieht wesentlich verändert; wir unterscheiden dieselben Bestandtheile, wie zuvor. Die Bil- dung der Hülle des Kerns geschieht wahrscheinlich auf dem- selben Wege, wie die Bildung der Membran der Brulzelle, durch allmäblige Diflerenzirung und Konsolidirung einer peri- Müllers Archir. 1810. 17 258 pherischen Schicht an der sich ursprünglich in nicht scharfer Umgrenzung absondernden hellen Kernsubstanz, die nachher in scheinbar unveränderter Beschaffenheit als zähflüssiger In- halt des Kerns vorgefunden wird. Die Differenzirung und Konsolidirung eines oder mehrerer Kernkörperehen konnte an dem Inhalte des Kerns der Furchungskugeln bei Strongyl. aurie. nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. $. 25. Die Entwickelung der elementaren Zelle während des sogenannten Furchungsprozesses bei Strongyl. aurie. lässt sich, wie obige Mittheilungen erweisen, in einer Aufeinander- folge und mit einer Genauigkeit beobachten, wie es bisher an keinem anderen Orte möglich gewesen. Gleichwohl bleibt Vieles darin noch unbegreiflich und unerklärlich. Das Hin- schwinden und die Vermischung des Kerns der Mutterzelle mit dem Inhalte, ferner die Differenzirung und Konsolidirung einer peripherischen Schicht um die ganze also veränderte Inhaltsmasse der Mutterzelle oder um halbe Portionen dersel- ben in so eigenthümlichen Formen zu den noch kernlosen Brutzellen, desgleichen die Sonderung der zähflüssigen Sub- stanz aus der Inhaltsmasse der letzteren für den Faresiien- kern, und die Verwandlung derselben in ein Bläschen mit einem etwa vorhandenen Kernkörperchen; das Alles sind auf- einanderfolgende Entwickelungsmomente während der Zellen- genesis, die zwar als Produkle sicher erkannt werden konn- ten, deren bedingende Faktoren dagegen durehaus noch unbe- kannt geblieben sind. Weder die chemischen und physika- lischen Mittel im Allgemeinen, noch die vorliegenden besonders, vermögen das Rälhselhafte in dieser Zellenentwickelung er- klärlich zu machen. Alle Versuche, durch welche man bisher unseren mangelhaften Erkenntnissen in dieser Beziehung zu Hilfe eilen wollte, können vielmehr von einem solehen Unter- nehmen, meines Erachtens, ganz und gar abschrecken; es sei denn, dass man durch die so plausibel klingenden Worte: „anziehende und abstossende Kräfte,“ befriedigt werde, ohne das „Wie“ der Bedingungsverhältnisse ihrer Wirksam- 259 keit zu kennen, oder dass man durch die mögliche Vorstel- lung einer Erscheinung in der ganzen Entwickelungsreihe, wie etwa der Konsolidation eines flüssigen thierischen Stoffes, oder der Scheidung des letzleren in zwei chemisch verschiedene Stoffe, oder endlich mit Hinzuziehung der so berüchligt ge- wordenen Haptogenmembran irgend Etwas näher erörtert oder erklärt zu haben glaubt, In der That, man thut besser, offen zu bekennen, dass man hier. an der Grenze unseres gegen- wärligen Wissens stehe, und dass es uns bei der Entwicke- lung des einfachsten Organismus in dieser Hinsicht vorläufig nicht anders ergehe, als bei der Bildung der zusammengesetz- ten. Wie es geschehe, dass ein Bestandtheil des mütterlichen Stammes zur Konformalion eines neuen Individuums disponirt werde, unter welchen Bedingungsverhältnissen eine Anlage über- haupt, warum sie in dieser oderjener Form und Lage, in dieser oder jener Aufeinanderfolge auftrete und dann in einer bestimmten Weise sich fortentwickele ele.; das sind Fragen, für deren Beantwortung wir öfter kaum die Angriffspunkte zu bezeich- nen im Stande sein möchten. 8. 26. Dagegen kommt es bei der Entwickelung eines jeden organischen Körpers zunächst darauf an, die Reihenfolge der einzelnen Zustände uns zu sichern, um aus den etwa zu- gänglichen Erscheinungen Gesetzlichkeiten über den Plan der Entwickelung, so weit möglich, zu abstrahiren, oder doch wahrheitsmässige Stülzpunkte für ein solches Verfahren und für weitere Forschungen zu gewinnen. Diese Reihenfolge in» der Zellengenesis festzustellen, ist vor Allem mein Bemühen ge- wesen, und ich habe die Hoffnung, dass wiederholte Unter- suchungen mich vor Täuschungen bewahrt haben. Die hier- bei uns zugänglich gewordenen Erscheinungen lassen allerdings dem Forscher noch Manches zu wünschen übrig, sobald na- mentlich der Versuch zu weiteren Abstraktionen daraus ge- macht wird. Gleichwohl kann ich nieht umhin, auf gewisse Gesetzlielikeiten hinzuweisen, die sich in dem, was über die Zellengenesis vorliegt, einfach und deutlich aussprechen, und 17* 260 die von einem besonderen Interesse dadurch werden, dass sie in höchst einfacher Weise bestätigen, was auch aus der Ent- wiekelung zusammengesetzter Organismen hervorgeht, bei wel- chen das Bildungsmaterial nicht aus formlosem organischem Stoff, sondern aus Zellen besteht. Aus einer genaueren Analyse der einzelnen aufeinander- folgenden Zustände eines sich entwickelnden organischen Kör- pers zusammengesetzter Art ergiebt sich zunächst, dass die- selben eine Differenzirungsreihe formiren, in welcher eine fort- laufende Steigerung des Verschiedenseins der Glieder und eine entsprechende Abnahme des Uebereinstimmenden und Gleich- arligen von einem indifferenten Zustande an bis zu dem difle- renlesten, d. h. vollkommen ausgebildeten Stalt habe. (Vergl. Bemerkungen zur vergl. Naturforsch. ete. 1845. p. 5 seqgq.) In der Zellengenesis ist dieses Geselz nach allen Beziehungen hin in durchaus einfachster Weise ausgeprägt. Es ist uns der Muiterzelleninhalt, vermischt mit dem Kern, als indifferente und formlose Bildungssubstanz der jungen Brut gegeben. Durch die zunächst erfolgende Umbildung der oberflächlichen Schicht dieser Masse zu einer Membran ist der indifferente Zustand aufgehoben; statt eines Bestandtheiles haben wir jelzt zwei, statt einer chemisch gleichförmigen Masse zwei unter- einander verschiedene, stalt des formlosen flüssigen Zustandes das geformte einfache Bläschen mit einem noch gleichförmigen flüssigen Inhalte. Nach verschiedenen Beziehungen hin ist so der Vorgang der Differenzirung auf das Deutlichste ausgeprägt. Sondert sich nun aus dem gleichförmigen Inhalte: des Bläs- chens die Substanz des Kerns ab. so erhalten wir drei Be- standtheile, die sämmtlich chemisch von einander abweichen und einen Entwickelungszustand offenbaren, in welchem die ursprünglich formlose Bildungsmasse aus einem einfachen Bläs- chen zu jenem mit der Kernsubstanz behafteten geworden ist. In dem weiteren Fortgang der Entwickelung ist die Difleren- zirung nur noch sekundär in der Umwandlung der Kernsub- slanz zu einem Bläschen und elwa vorhandenen einem oder 261 mehreren Kernkörperchen ausgesprochen; das Cyloblastem da- gegen, als ein Ganzes betrachtet, hatte bereits durch die Son- derung der Kernsubstanz seine primäre Differenzirungsreihe beschlossen. Es zeigt sich ferner in der Entwickelung zusammenge- selzler Organismen, dass von allen Beslandtheilen derjenige am spätesten sich differenzirt und ausbildet, welcher in näch- ster Beziehung zu der Erzeugung neuer Generation steht, nämlich die keimbereitenden Organe. In der Mutterzelle haben wir nun den Kern als denjenigen Bestandtheil kennen gelernt, dessen Untergang und dessen Vereinigung mit dem Zellenin- halte jedesmal die Differenzirung des Cytoblastems zur Erzeu- gung junger Brutzellen einleitete. Und der Kern ist es auch, mit dessen Hervor- und Ausbildung die Zellengenesis beschliesst. Alles, was wir über die so rälhselhafte Natur des Kerns ken- nen, möchte am besten mit der so eben bezeichneten Bedeu- tung desselben für die Erzeugung junger Brut zu vereinbaren sein, wobei jedoch die Angaben über ein freies Auftreten der Kerne und über deren unmittelbare Verwandlung zu irgend einem Gewebe nach meinen Erfahrungen als durchaus uner- wiesene Fakta nicht zu berücksichtigen sind. Endlich bestätigt'sich noch während der Zellengenesis in höchst einfacher Weise ein Gesetz, welches in Betrefl der beiden möglichen Normen von Höhlenbildung während der Entwickelung zusammengeselzter Organismen ausführlich in meinen „Beiträgen zu dem heutigen Zustande der Entwicke- lungsgeschichte“ besprochen wurde (a. a. ©. p. 38. und 62.). Wenn nämlich die Bestandtheile einer Höhle, Höhlenwandung und Inhalt, in so: innigem gegenseitigen Bedingungsverhältnisse stehen, dass ihr Bestehen und Wirken im gesonderten Zu- stande gar nicht gedacht werden kann, so z. B. bei den Ge- fäss- und Herzhöblen mit ihrem Inhalte; da sehen wir jene Norm der Höhlenbildung verwirklicht, welche schon in dem Diflferenzirungsgange jenes innige Bedingungsverhältniss beider Beständtheile der Höhle zu erkennen giebt: die Höhle ent- 262 steht hier durch Differenzirung einer für beide Bestandtheile gegebenen gemeinschaftlichen Anlage in eine Rindenschicht für die Höhlenwandung gegenüber der centralen Masse, die den Inhalt darstellt. Bei der Zellengenesis ist nun grade die Höh- len- oder Bläschenbildung aus einem formlosen Cytoblastem die nächste und hauplsächlichste Aufgabe für die Entwicke- lung der elementaren Zelle, und auch der dritte Bestandtheil der letzteren, der Kern, tritt als Bläschen auf. Wenn aber irgendwo, so ist in den vorliegenden Bläschen nach allen Be- ziehungen hin das oben bezeiclinete innige Bedingungsverhält- niss zwischen Höhlenwandung und Inhalt ausgesprochen, und die Beobachtungen legen es auf das Unzweidentigste an den Tag, dass die Bildung dieser Bläschen aus einem gemeinschaft- lichen formlosen Bildungsmaterial durch Differenzirung und Konsolidirung einer Rindenschieht gegenüber der als Inhalt auftretenden centralen Masse ausgeführt werde. $. 27. Die Zellenbildung während des Furchungsprozes- ses, die so eben nach den wesentlichsten Entwickelungserschei- nungen und der darin sich kundgebenden Gesetzlichkeiten summarisch betrachtet wurde, slimmt in den hauptsächlichsten Momenten mit derjenigen Zellengenesis überein, die Nägeli bei der Pollen- und Sporenbildung u. s. w. entdeckt und be- obachltet hat, und unter der Benennung „,Zellenbildung um Inhaltsporiionen“ in den früher bezeichneten Schriften mit- theilte. Diese Benennung ist gegenüber der bestehenden Theo- rie über Zellenbildung nicht unpassend gewählt. Es hat in der That bei dieser Zellenentwiekelung ganz und gar den Anschein, als ob die Brutzellen ohne Weiteres durch Umbil- dung einer Membran um den ganzen Mutlerzellen-Inhalt oder um Portionen desselben entständen. Selbst nach der Bildung des Kerns der Brutzelle scheint uns der Zelleninhalt fast un- verändert der ganze Inhalt der Mutterzelle oder eine Portion desselben zu sein. Während des Furchungsprozesses, in wel- chem der Inhalt der Muttereizelle (Bildungsdolter) in konti- nüirlicher Reihenfolge ohne weitere Eingriffe durch mehrere 263 Generalionen hindurelı zu dem Inhalt von meist zu zwei sich bildender Brutzellen verwendet wird, scheint der Inhalt der jüngsten Generation der Bildungsdotterzellen, fast unverändert, nur eine kleine Portion des ursprünglich gegebenen Bildungs- dolters darzustellen. Ja, man kann vielleicht noch weiter ge- hen. Es ist nämlich nicht der Bildungsdolter allein, sondern der mit dem Keimbläschen und namentlich mit dessen Inhalte vermischte Bildungsdotter, welcher den Furchungsprozess ein- leitet. Dasselbe wiederholt sich mit jedem Inhalte und Kern der als Mutterzellen auftretenden Furchungskugele vor der Erzeugung von Brutzellen. Andererseits sind die aus dem Inhalte der Brutzellen neu sich bildenden Kerne chemisch und auch dem Ansehen nach, von der Grösse abgesehen, von den Kernen der Mutterzellen nicht zu unterscheiden, und so er- scheint der Kern der jüngsten Generation, der Bildungsdotter- zellen, namentlich dem Inhalte nach, nur eine kleine Portion des Inhaltes des Keimbläschens zu sein. Beide Angaben, und namentlich die letztere, können aber bei allem Schein, den sie für sich haben, in der Wirklichkeit nieht Statt finden. Denn es ist schlechterdings nicht einzusehen, wie der Mutter- zellevinhalt bei unbestreitbarem Vorgange von Diflerenzirungen während der Bruizellenbildung sich unverändert erhalten könne, und diese Abänderung müsse sich steigern mit jeder neuen Generation. Wir vermögen zwar nach unseren jelzigen. Er- fahrungen nur auszusagen, dass der Multerzelleninhalt bei jeder Brutzellenbildung an Molekularkörperchen reicher werde, und dass der zähflüssige Dollerbestandtheil an Masse abnehme und dünnflüssiger sich darstelle. Gleichwohl dürfen wir erwarten, dass sich mit der Zeit auch chemische Unterschiede werden nachweisen lassen. Dasselbe gilt natürlich auch in Belrefl der Kerne, die überdies sich stels in den Brutzellen neu hervor- bilden, obschon’ aus einer Masse, mit welcher sich der Kern der Mutlerzelle und ursprünglich des Keimbläschens ver- mischt hatte. 8.28. Die Zellenbildung um Inhallsporlionen,. wie sie 264 während des Furchungsprozesses sich zu erkennen gab, weicht in mehreren, für die Auffassung des ganzen Prozesses nicht unvwesentlichen Punkten von den Angaben Nägeli’s ab. Zur passenderen Vergleichung halten wir uns an die Beschreibung, welhe der Verfasser bei der Bildung der Spezialmutterzellen von Lilium ligrinum (a. a. ©. p. 11 seqgq.) gegeben hat, und die später noch durch Untersuchungen an Anthoceros etc. (Zeitschr. p. 83 seqgq.) vervollständigt wurden. Die Multer- zellen enthalten anfänglich einen primären wandständigen Kern. Derselbe verschwindet, wahrscheinlich wird er resorbirt (?), und es bildet sich ein sekundärer, mehr oder weniger im Centrum gelegener Kern, wobei die Körnehen des Inhalts sich ähnlich gruppiren, wie bei der Bildung der ersten Furchungs- kugel. Auch die lichtere Zone fehlt nicht. Der Kern stellt ein Bläschen dar und zeigt ein Kernkörperchen. Einen defi- nitiven Beweis von der Anwesenheit einer Membran des Kerns giebt übrigens auch Nägeli nicht. Der sekundäre, centrale Kern der Multerzelle verschwindet nun gleichfalls ohne Wei- teres, und während seiner Anwesenheit und unler seinem Einflusse bilden sich zwei neue, ovale Kerne. Jetzt theilt sich der Mutterzelleninhalt ia zwei Porlionen. Jede Porlion ent- hält ungefähr im Centrum einen der bezeiehneten Kerne, um welchen herum die Körnchen jelzl in gesonderlen Gruppen liegen. Die 'Theilung der Portionen markirt sieh schon vor der Bildung der Membranen durch einen lichten Streifen, der zwischen den Körnchengruppen grade hin zur lichten Zone läuft und senkreebt im Durchmesser der Multerzelle steht. Alsdann erscheint plötzlich um die Portionen eine Membran, und die zwei Brulzellen sind fertig. In der Folge theilt sieh der ovale Kern jeder Spezialmullerzelle in zwei runde Kerne, und dann geht in gleicher Weise die Bildung der zwei se- kundären Spezialmulterzellen vor sich, welche nach dem Hin- schwinden der respekliven Mutterzellenmembranen frei werden. In anderen Fällen verschwindet der centrale, sekundäre Kern der ursprünglich gegebenen Multerzelle nicht gleich nach Bil- 265 dung der zwei ovalen Kerne, Die lelzteren tleilen sich viel- mehr wieder (?) in zwei runde Kerne. Diese entfernen sich von dem centralen Kern und nehmen eine telra@drische Stel- lung an. Ilierauf erfolgt, nachdem der centrale Kern ver- schwunden ist, durch Theilung der Inhaltsmasse der Multer- zelle in vier Portionen u. 8. w. sogleich die Bildung von vier Spezial-Multerzellen. $. 29. Die Unterschiede zwischen Nägeli’s und meinen Beobachtungen sind leicht zu übersehen. Zunächst muss es auffallen, dass sich der Inhalt der Mutterzellen des Pollen, die man hier mit der Multereizelle vergleichen kann, unerachtet mehrerer darauf bezüglicher Erscheinungen, wie die Gruppi- rung der Körnchen, das Auftreten einer lichleren Zone und eines centralen, sekundären Kerns, gleichwohl nicht in eine einfache Brutzelle (mit der ersten Furchungskugel vergleich- bar) sich verwandelt. Er wird vielmehr, nach dem Hin- schwinden des centralen Kerns und Hervorbildung zweier neuer, sogleich zu zwei Brutzellen (primäre Spezialmutterzel- len), oder sogar zu vier Brutzellen (sekundäre Sp.) verwen- det, nachdem der centrale Kern verschwunden, und die zwei neuen Kerue durch Theilung, ohne vorher in Brutzellen auf- genommen zu sein, vier Kerne gebildet haben. Es darf hier weniger befremden, dass der Inhalt der Multerzelle des Pollen sogleich in zwei oder in vier Brutzellen aufgehe, als vielmehr, dass Erscheinungen vorliegen, die auf eine gleiche Aufeinan- derfolge von Zellenbildungen, wie beim Furchungsprozess, hin- weisen und stets mit einer Brulzellenbildung verbunden sind, dennoch ohne Weiteres, gleichsam unverrichteter Sache, vor- übergehen sollen. Ein anderer Unterschied ist darin gegeben, dass nach Nägeli die Inhaltsportionen für die jungen Brut- zellen schon vor der Bildung der Membranen an den Grup- pirungen der Körnehen und einer lichten, graden Trennungs- masse markirt ist, und dass daun nach der plötzlichen Ent- stehung derselben die jungen Brulzellen mil senkrecht stehenden Berührungsllächen nebeneinanderliegen und sich ursprünglich 266 nicht theilweise decken. Der wichtigste Unterschied aber be- trifft unstreilig unsere Angaben über die Bildung des Kerns und über sein Verhalten zur Zellenentwickelung überhaupt. Die Brutzellenkerne sollen nämlich, nach Nägeli, durch Thei- lung des Mutterzellenkerns in zwei oder auch noch weiter in vier Theile entstehen, und, was dann gleichzeitig sehr nahe liegt, unter den drei Bestandtheilen der Zelle nicht zuletzt, sondern natürlich zuerst auftreten. Durch diese Angabe er- hält die ganze Vorstellung von der Zellengenesis um Inhalts- porlionen eine von der meinigen wesentlich verschiedene Rich- tang und Bedeutung. Die Zellenbildung kann hiernach zunächst nicht als die Bildung und Konformation eines organisch form- losen Stoffes (Cyloblastem) angesehen werden, da der Brut- zellenkern präformirt in dem Mutterzellenkern gegeben ist und immer durch Veränderung der Form des letzteren gebildet wird. Der Kern ferner erweiset sich bei dieser Vorstellung als ein Bestandtheil der elementaren Zelle, welcher die Erzeu- gung neuer Generation zwar einleitet und in dieser Beziehung, wenn auch in sehr eigenthümlicher Weise, sich ebenfalls ähn- lich verhält, wie die Fortpflanzungsorgane zusammengesetzter Organismen. Gleichwohl erfolgt seine Bildung und Differen- zirung nicht zuletzt in der Zellengenesis, sondern im Gegen- theil ganz zuerst. Dabei ist aber der Kern nicht der erste mehr indiflerente Zustand der künftigen Brutzelie in der Weise, wie sich Karsten den Kern dachte, sondern es ist nur ein verhältnissmässig kleiner Bestandtheil derselben, der ähnlich, wie bei der Schleiden- und Schwann’schen Zellengenesis in einer, bei der Entwickelung höherer Organismen nieht wiederkehrenden Bedeutung als Bildungsaxe für die übrigen Bestandtheile dastehe. Endlich wird dadurch, dass der Kern der Brutzelle, also ein Bestandtheil ihres Inhaltes, früher gebildet wird, als die Zellenmembran, die Norm der Höhlenbildung eine andere. Die Höhle entwickelt sieh nicht dureh Differenzirung einer peripherischen Schicht gegenüber einer centralen Masse als Inhalt, sondern durch Umbildung 267 einer Membran nm einen wenigstens zum Theil (Kern) schon vorausgeselzten Inhalt. $. 30. Es liegt zu Tage, dass die Angaben Nägeli’s über das Verhalten des Kerns einen so ganz und gar verschie- denen Gang der Zellengenesis um Inhaltsportionen bedingen, dass eine Einigung mit dem, was die Untersuchungen bei Strongyl. auric. ergeben, meines Erachtens sich unmöglich aus- führen lässt. Da ich die Ueberzeugung habe, dass die Ent- deckung Nägeli’s von der Zellenbildung um Inhaltsportionen den wichligsten Einfluss auf die ganze Lehre von der ele- menlaren Zelle ausüben und noch mehr in Zukunft ausüben werde, so erforderte es das Interesse der Wissenschaft, die möglichste Vorsicht anzuwenden, um nicht durch übereilte Kontroversen dem Fortschritle schädlich entgegen zu wirken. Daher habe ich Mühe und Wiederholung nicht gescheut, um grade über das Verhalten des Kerns während des Furchungs- prozesses Gewissheit zu erlangen. Gleichzeilig habe ich es mir- angelegen sein lassen, durch gemeinschaftliche Untersu- chungen mit Prof. H. v. Bunge mich über das Verhalten der Kerne und der ganzen Zellenbildung während der Entwicke- lung des Pollen und der Spezialmulterzellen der oben ange- führten Pflanzen genauer zu unterrichten. Die Beobachtungen sind hier jedoch viel schwieriger zu machen, als bei Strongyl. aurieularis. Die geringere Grösse des Objekts, die Empfind- lichkeit desselben, die Verdickung der Mutterzellenmembhran des Pollen, vor allen aber der Umstand, dass man die Unter- suchungen nicht an einer und derselben Mutterzelle unter dem Mikroskop verfolgen kawn, lassen eine genaue Kontrolle über die Entwickelungsvorgänge, so weit mein Urtheil maassgebend ist, nicht ausführen, Daher vermochte ich mich wicht mit Sicherheit zu überzeugen, weder, dass der Entwickelungsgang während der Bildung der Spezialmutterzellen, unerachtet man- eher darauf bezüglicher Erscheinungen, durchweg so sich ver- halte, wie bei der Entstehung der ersten, der nächsten zwei und vier Furchungskugeln, noch auch, dass die Angaben Nä- 268 geli’s als sicher ermittelte und vorhandene Fakta anzusehen seien. Nur das kann ich behaupten, dass es mir niemals ge- lungen ist, bei erhaltener Integrität des Präparates Brutzellen- kerne zu sehen, ohne gleichzeitiges Vorhandensein der übrigen Bestandtheile der jungen Zelle, dass aber die Erkenntniss der- selben häufig sehr schwierig ist, da die Brulzellen auch hier, wie beim Furchungsprozess, so weit ich sehe, anfangs stets so gelagert sind, dass sie sich Iheilweise oder sogar ganz decken. Fügt man hierzu, dass Nägeli selbst die Theilung der Kerne in Brutzellenkerne in seiner ersten Arbeit nur ver- muthungsweise hinstellte und erst später an den Staubfaden- haaren von Tradescanlia (Zeitschr. 67.) und bei Anthoceros sie wirklich beobachtet haben will, dass er anfangs auch die Erscheinungen von der Seheidung des Mutterzelleninhaltes in Portionen ohne Vorhandensein der Brutzellenkerne öfters ge- sehen halte, dass ferner sogar nach seinen jetzigen Angaben - Brutzellenkerne auch ohne Vermittelung eines Theilungspro- zesses vorhandener Mutterzellenkerne aus der Inhaltsmasse sich herausbilden, und dass sowohl der wandständige, als der cen- irale sekundäre Kern der Mutterzelle des Pollen ohne Weite- res hinschwinden; dass endlich nach den Angaben Nägeli’s die Bedeutung und das Verhalten des Kerns, desgleichen die Differenzirungsverhältnisse während der Entwickelung der ele- menlaren Zelle, und die Art und Weise der Höhlenbildung einerseits nicht wohl mit dem sich vereinigen lassen, was aus der Generation zusammengesetzter Organismen bekannt ist, andererseils nur grössere Schwierigkeilen der ganzen Vorstel- lung von der Zellengenesis um Inhaltsportionen bereiten; — fügt man, sag’ ich, Alles dieses den obigen Beobachtungen hinzu, so kann man wohl die Behauptung gerechlfertigt fin- den, dass Nägeli bei den vorbandenen grossen Hindernissen wahrscheinlich die frühsten Entwickelungserscheinungen wäh- rend der Zellengenesis nicht genau erkannte, und, von anderen Umständen abgesehen, namentlich dadurch zu seinen Deutun- gen sich verleiten liess, dass er das eigenthümliche Lagever- 269 hältniss der sich theilweise deckenden Bruizellen bei ihrer Bildung nicht erkannt hatte. $. 31. Ich schliesse die Bemerkungen über die Zellen- bildung um Inhaltsporlionen mit dem Wunsche, es mögen die Naturforscher recht bald Gelegenheit finden, sich von diesem Zellenbildungsprozess zu überzeugen, um unsere Erfahrungen darüber theils zu erweitern, theils, wenn es Noth thut, zu be- richtigen. Gleichzeitig dürfen wir dann hoffen, dass die jetzt ermöglichte Ueberzeugung von einer bestimmten Norm der Zellenbildung jenen so auffallenden Bestrebungen steuern werde, die Lehre von der Zellengenesis durch mehrere, nicht allein wesentlich von einander abweichende, sondern sogar sich wi- dersprechende Normen bereichern zu wollen, wenn nur schliess lich ein Bläschen herauskommt. Eio solches Verfahren wirkt sowohl schädlich auf die ganze Lehre von der elementaren Zelle, als auf die Vorstellung von einem genetischen Ent- wickelungsgange. Allerdings ist selbst Nägeli noch der Ansicht, dass jene Zellen mit einem wandsländigen, an die Zellenmembran angehefteten Kern durch Umbildung eines In- haltes und einer Hülle um denselben, wie um eine Bildungs- axe, entstehe. Gleichwohl muss ich, wie schon früher im Jahresbericht vom Jahre 1843, so namentlich jetzt noch ein- dringlicher, mich dagegen erklären. Denn aus dem Verhalten der Bildungsdotterzellen bei dem Uebergange in die Anlagen des Thieres geht unzweideulig hervor, dass der ursprünglich freie und centrale Kern nachträglich bei Veränderung des Zelleninhaltes näher an die Zellenwand rückt und sich an dieselbe heftet. Nach unseren gegenwärtigen Erfahrungen müssen wir uns daher die elementare Zelle in ihrer ursprüng- lichen Gestalt mit einem freien, mehr oder weniger central gelegenen Kern vorstellen, und die Anheftung des Kerns an die Zellenwand zu den weiteren, ich möchte sagen, schon histologischen Verwandlungen der indifferenten elementaren Zelle rechnen. 270 2. ‚Das Freiwerden der als Furchungskugeln bekannten Brutzellen. Während die Erscheinungen und Veränderungen des Fur- chungsprozesses, in Betreff der Bildung der Furchungskugel- zellen, bisher im Wesentlichen durchaus unbekannt geblieben waren, sind es diejenigen, welche sich auf das Freiwerden, oder, wie Du Bois und ich es nannten, auf die Entschachte- lung der Brutzellen sich beziehen, die die Aufmerksamkeit der Forscher ausschliesslich erregt haben und die Grundlage bil- deten, auf welcher die Deutungen des Furchungsprozesses un- ternommen wurden. Die Namen: „Furchungsprozess, Zer- klüftungs- und Zertheilungsprozess, Abschnürungs- oder Ein- schnürungsprozess, endlich auch Entschachtelungsprozess“, beziehen sieh sämmtlich auf diese zweite Reihe von Erschei- nungen und Veränderungen während des sogenannten Fur- chungsprozesses des Dolters, und die Wahl dieser Worte deutet schon darauf hin, wie nahe oder fern die einzelnen Beobachter der Wahrheit gestanden haben. $. 32. In Betreff nun des Freiwerdens der Brutzellen ist zunächst hervorzuheben, dass die erste Furchungskugel da- von eine Ausnahme macht und von ihrer respektiven Mutter- zellenmembran (Dotterhaut) umsehlossen bleibt. Da die Dot- terhaut während des ganzen Furehungsprozesses sich bekannt- lich erhält, so erscheint sie stels als äussere Hülie aller aus der ersten Furchungskugel hervorgehender Generationen. Alle übrigen Mutterzellenmembranen dagegen verschwinden, und bewirken dadurch das Freiwerden, die Geburt oder Entschach- telung der respekliven Brulzellen oder Furchungskugeln in der Höhle der Dotterhaut. Ueber die Bedingungen, welche das Hinschwinden der Mutterzellenmembranen herbeiführen, wissen wir nichts. Desgleichen belehrt uns über die Art und Weise, wie dieser Prozess vor sich gehe, keine unmittelbare Erscheinung. Indessen dürfte der Umstand, dass die Tren- nungsfurchen zwischen den ersten und nächtsfolgenden frei- werdenden Brutzellen, sowohl bei Strongylus auricularis, als 271 besonders deullich bei den Fröschen, zuerst auf der einen Seite im geringen Umfange auftritt, und dann allmählig, zu- gleich an Tiefe zunehmend, von hier aus nach der entgegen- geselzten Seite vorschreitet, — darauf schliessen lassen, dass dieser Prozess in einer allmähligen Verkümmerung der Mutterzellenmembranen bestehe, und dass diese Verkümme- rung nicht überall gleichzeitig Stalt finde, sondern auf einer Seite zuerst beginne. Bei dem Freiwerden der ersten beiden Furchungskugeln nimmt die Verkümmerung der Mutterzellen- membran stels da ihren Anfang, wo später das Punctum ger- minationis der Anlagen des Thieres liegt. Die Verkümmerung der Mutterzellenmembranen -markirt sich während des Fur- chungsprozesses zu einer Zeil, wo die Bildung der Brulzellen- kerne entweder noch gar nicht begonnen hat oder höchstens erst im Angriff steht. 8. 33. Das Freiwerden der Brutzellen ist, abgesehen von der Bildung der Kerne, jedesmal mit einer Veränderung ihrer Form und des Lageverhältnisses der Schwesterzellen zu ein- ander verbunden. Die Brutzellen, die in ibrer ursprünglichen Bildungsgestalt bei der ersten Furchungskugel schräge Ovalschnitte, bei den späteren Furchungskugeln Halbkugelschnitte darstellen, runden sich beim Freiwerden in der geräumigeren Höhle der Dotler- haut mehr und mehr ab, und würden Kugelgestalt annehmen, wenn nicht durch die gegenseitige Berührung zweier Schwe- sterzellen unter sich oder mit anderen Furchungskugeln nicht weiter zu bestimmende Abplaltungen von dieser Kugelgestalt entsländen. Oefters sieht man peripherische Furchungskugeln, die so wenig mit anderen in Berührung sich befinden, dass sie vollkommen kugelförmig aussehen. Die Formveränderung der Furchungskugeln während des Freiwerdens und unmittelbar nach dem Hlinschwinden der Mutierzellenmembranen stellt sich so dar, als ob ursprünglich runde und nur durch gegenseilige Kompression sich abplat- tende Bläschen bei dem Uebertritt in einen weiteren Raum 272 wiederum ihre runde Form annelımen. Gleichwohl kann diese Vorstellung nicht ohne Weiteres statuirt werden, Denn man muss Nägeli darin beistimmen, dass die Form, in welcher die Brulzellen bei der Zellenbildlung um Inhaltsporlionen auf- treten, nicht für eine durch Kompression hervorgerufene ge- halten werden könne, sondern durch die in soleher Form auftretende Membranbildung bedingt sei. Mit dieser gegenwär- tig durchaus nolhwendigen Annahme lässt sich aber jene Vor- stellung nicht schlechthin vereinigen. Man muss vielmehr vor- aussetzen, dass die bezeichnete Gestaltveränderung der Fur- chungskugeln von einem entsprechenden Formbildungsprozess ihrer Membranen während dieser Zeit begleitet sei. Für diese Vorausselzung ist noch besonders der Umstand, dass auch die ursprünglich in Form schräger Ovalschnilte gebildeten ersten zwei Furchungskugeln nach Verkümmerung der Multerzellen- membranen die runde Form annehmen, während dieselben nach der obigen Vorstellung vielmehr in ein Oval übergehen mussten. AÄnderseits ist nicht in Abrede zu stellen, dass die nachgiebigen Membranen der Furchungskugeln nach Verküm- merung der Mutterzellenmembranen das Auseinänderfliessen des Inhalts gestatten werden, und so auf die Abrundung der Brut- zellen nothwendig hinwirken werden. Ausser der Form verändert sich während des Freiwer- dens der Schwesterzellen auch das gegenseitige Lageverhältniss derselben. Ursprünglich decken sich die Schwesterzellen theil- weise, und die gegenseitigen Berührungsflächen durchschneiden schräg den senkrechten Durchmesser des Eichens.. Während und nach der Verkümmerung ihrer Mutterzellenmembranen rücken sie allmählig aus diesem Deckungsverhältniss heraus, die beiderseitigen Berührungsllächen gehen nach und nach in die senkrechte Stellung über und markiren sich dann in einer dunkeln Linie, welche plötzlich in dem queren Durchmes- ser des Eichens erscheint. $. 34. Die beschriebenen Phänomene während des Frei- werdens der Brutzellen können bei nicht genügender Kennt- 273 niss von ‘dem Gange (der Zellenbildung um Inhaltsporlionen leicht für die, Erscheinungen des Zellenbildungsprozesses selbst hingenommen werden, und ‚so namentlich. auf zweifache Weise Täuschungen veranlassen. Treten die freiwerdenden und sich theilweise deckenden Brutzellen , dass ihre Berührungsflächen nicht erkannt werden, in eine geräumige Höhle (wie beim Furchungsprozess in die Dolterhöhle) hinein, so, kann durch die allmählige Hervorbildung der Furchen der Schein entste- hen, als ob die Mutterzelle sich nur ein- oder abschnüre und demgemäss durelı einen Ein- oder Abschnürungsprozess die Brutzellen eniwickele. Auf diese Täuschung ist. schon früher hingewiesen. » Sie wird um so leichter in dem Falle sich Ein- gang verschaffen, wenn, wie öfters während der Zellenbildung im Furchungsprozess, neben dem‘ Cytoblastem ‚einer Mutter- zelle, das in die Zellenbildung eingeht (Bildungsdotter), ‚noch anderes Material vorhanden ist, welches keinen Antheil daran nimmt (Nahrungsdotier) und vielmehr die geuaue Uebersicht über die Veränderungen des sich verwandelnden Cyloblastems im hohen Grade erschwert, wo nicht unmöglich: macht. . Um- schliesst ferner die Wandung der Höhle, in welcher die Brut- zellen frei werden, scheinbar oder wirklich so. enge diese Brutzellen, dass es zu keiner sichtbaren Furchenbildung kom- men kann, so wird von den beschriebenen Phänomenen jene grade Linie am auffallendsten sich markiren,.die plötzlich bei der senkrechten Stellung der gegenseitigen Berührungsflächen der Schwesterzellen sichtbar wird und den Höhlenraum in irgend ‚einem Durchmesser durchschneidet. Hier. kann es ge- schehen, dass man diese ‚dunkle grade Linie für den optischen Ausdruck einer. Trennungswänd ansieht, die vor ‘den Wan- dungen der Hölle mitten durch den Inhalt und zwischen die Schwesterzellen hindurchgewachsen wäre. Dieselbe Täuschung kann auch auf die Weise zu Stande kommen, dass zwei sich theilweise deckende Schwesterzellen in einer Mutlterzellenmem- bran, ohne frei zu werden, die gegenseitigen Berührungsflächen Müller's Archir. 1840. 18 274 in eine senkrechte Stellung dem Beobachter gegenüber vor- selzen. Dann wird es den Anschein haben, als ob die dunkle. plötzlich erscheinende grade Linie der optische Ausdruck einer von der Mutterzellenmembran hervorgewachsenen Theilungs- wand sei. ' Auf diesem Wege können, wie mir scheint; sehr leicht jene Absichten über die Zellengenesis durch Abschnü- rung, Einschnürung, Theilung der Mutterzellen sich hervorge- bildet haben. $. 35. Es möge mir nun schliesslich erlaubt 'sein, hier in wenigen Worten das Verhältniss zu bezeichnen, in welchem die bisherigen Ansichten über den Furchungsprozess zu den- jenigen stehen, die aus den Untersuchungen von Strongylus aurieularis sich ergeben hat. Es bestimmt mich hierzu noch eine besondere Veranlassung, nämlich die Hoffnung, dass es nunmehr Herrn Professor Kölliker glücken werde, zu erra- then, wie du Bois und ich zu unserer bisherigen drolligen Ansicht von dem Furchungsprozess gekommen sind'), "und dass demgemäss sein unbefangener und vorurtheilsfreier For- schungssinn recht bald Gelegenheit haben werde, die Botani- ker hierüber in Kenntniss zu selzen. Es haben sich bekanntlich zwei Ansichten über den: Fur- chungsprozess geltend gemacht, Die meisten Forscher erklär- ten denselben für einen Zellenbildungsprozess, du Bois und ich dagegen waren der Ansicht, dass in dem‘ Furchungspro- zess eine fortlaufende Reihe von Enthüllungen, von Geburts- akten, bereits gebildeten Zellen (Furchungskugeln) gegeben sei, die zu zwei, selten zu drei in ihren Hüllen ‘ineinanderge- schachtelt vorlagen und, wie wir hypothetisch annahmen, in solcher ‘Weise präformirt in den Furchungsrozess eingehen. 1) Kölliker’s Worte sind: „Wie Reichert zu dieser drol- ligen Ansicht gekommen ist, hat noch Niemand zu errathen geglückt, ich finde es unnöthig, mich dabei aufzuhalten etc.“ (Schleiden’s und Nägeli’s Zeitschrift, p. 46.) s 275 Dieses allmählige Freiwerden bereits präformirter Furchungs- kugeln beschliesst mit der Geburt der eigentlichen Bildungs- dotterzellen. Jetzt hat sich gezeigt, dass in dem Furchungs- prozess einerseils eine fortlaufende Reihe von Zellenbildungen, andererseils eine entsprechende Aufeinanderfolge von Enthül- lungen, Geburtsakten gebildeter Furchungskugelzellen Statt finde. Es liegt gar zu nahe, dass man bei oberflächlicher Beobachtung mit dem Ausrufe bei der Hand sei, auch hier liege die Wahrheit nunmehr wiederum in der Mitte, Soll aber ein solcher, wie immer, so leicht hingeworfener Aus- spruch warheitsmässig sein und einen Sinn haben, so muss- ten die verschiedenen Parteien zur Bekräftigung und zum Be- weise ihrer Ansicht auch der respekliven Erscheinungen wäh- rend des Furchungsprozesses sich bedient haben. Wenn man aber die Erscheinungen des einen Prozesses ganz oder doch der Hauptsache nach für diejenigen gehalten hätte, welche den andern Prozess erweisen und begründen sollten, so kann von einer Wahrheit, sei es auch nur die mittlere; nicht wohl die Rede sein; es bleibt ein mehr oder weniger komplizirter Irrtham, der zufällig mit einer Wahrheit an dem Dinge zu- sammentrifft. Diejenigen nun, welche den Furchungsprozess für einen Zellenbildungsprozess erklärten, haben ebenso wenig, wie du Bois und ich, bisher jene Erscheinungen gekannt, welche sich auf die Bildung der Furchungskugelzellen in ihren Mutterzel- lenmembranen beziehen. Die: Erscheinungen, durch welche man anfangs den Zellenbildungsprozess begründen wollte, wa- ren: das Auftreten der Furchen an dem Bildungsdotter und den Furchungskugeln, die scheinbare Ein- oder Abschnürung derselben, die Zertheilung, die 'Zerklüftung, die Zerfällung ‚der Dottermasse. Alle diese Momente betreffen aber, wie aus den obigen Untersuehungen «ich ergeben hat, nicht den" Bildungs- Prozess der 'Furchungskugelzellen, sondern vielmehr das Frei- werden, die‘ "Geburt der "bereits gebildeten, noch 'kernlosen 15* 276 Brutzellen aus ihren Multerzellenmembranen. Da man nun ferner die Membran an den Furchungskngeln leugnete und dieselbe nur an den jüngsten Furchungskugeln, an den Bil- dungsdotterzellen, sich hervorbilden liess, so war man sogar gezwungen, nicht elwa eine Zerfällung, sondern die ganze Reihe von Zerfällungen des Bildungsdotters und’ der Furchungs- kugeln während des Furchungsprozesses auf die schliessliche Bildung der Bildungsdotterzellen zu beziehen. Der ganze Fur- ehungsprozess galt nun hinsichtlich der Zerfällungen für eine Art Einleitung zu der Bildung der Dolterzellen; das ‚heisst nach unseren jetzigen Erfahrungen, die Summe aller während des Furchungsprozesses aufeinander folgender Geburtsakte von Brutzellen sollte als Einleitung zu einem einzigen Zellenbil- dungsprozess angesehen werden. Als man späler auf die hel- len Flecke in den Furchungskugeln aufmerksam wurde, hatte man allerdings eine Erscheinung erfasst, welche auf den Zel- lenbildungsprozess hätte leiten können, wenn gleich dieselbe immerhin nur einen geringen augenscheinlichen Antheil daran offenbart. Es ist hier überflüssig, die streitigen Punkte in Betreff der Beschaffenheit und Bildung. dieser hellen Flecke zu berühren, so wie darauf näher einzugehen, was an- fangs Kölliker mit ihnen machte, als er sie für primäre Zellen hinnahm. Für unsere Frage ist es wichtig, zu erwäh- nen, dass man diese hellen Flecke allerdings richtig alsı Kerne der Furchungskugeln deutete. Gleichwohl blieb alles Uebrige beim Alten. Man verband nämlich die Kerne ohne Weiteres mit den bisher bekannten Erscheinungen des Freiwerdens und der: Entschachtelung der Brutzellen oder Furchungskugelzellen, und wollte daraus nun eiven Zellenbildungsprozess für: die Bildungsdotterzellen konstruiren..' Dieses macht Kölliker so: „Aus einem Kern bilden sich ‚durch endogene Zellenbildung zwei neue, die, sobald sie durch Auflösung ihres Mutterkerns frei geworden sind, sich etwas von einander entfernen, als Centra (attrahirend) auf die Dotterkörner wirken und:so die (hüllenlosen) Furchungskugeln in zwei zerfällen u. s. w., 277 dem ist jedoch entgegen, dass der Dotter und die In- haltsmasse der Furchungskugeln nicht bloss aus Kernen und Dotterkörnchen besteht, sondern ein Fluidum darstellt, welches jene Körper suspendirt enthält. dass ferner es schwer begreif- lich ist, warum die Kerne mit ihrer Attraktionskraft statt sich selbst anzuziehen, vielmehr sich von einander entfernen und abstossen, dass es endlich ganz und gar unbegreiflich ist, wie die Kerne, in einem Fluidum schwimmend, durch Attraktion der umliegenden Körnchen dieses Fluidum selbst zur Bildung von Tropfen (Furchungskugeln) veranlassen können! Kölli- ker selbst beobachtete zwei Kerne in einer Furchungskugel (Entwickelungsgesch. d. Cephal. Tab. 1. Fig. XII. 1. Fig. VI. g). Sie liegen in einiger Entfernung neben einander; gleichwohl scheinen sie jene merkwürdige Eigenschaft noch nicht zu be- sitzen, da‘ die Inhaltsmasse der Furchungskugeln noch’ nicht in Tropfen zu zerfallen beliebt. Das Alles musste Kölliker pässiren, der‘ sich so vielfach mit dem Furchungsprozess be- sehäftigt hat, der selbst den Strongylus aurieularis untersuchte und in unmittelbarer Nähe von Nägeli lebt! — Aus ‘dem Thatbestande hal’ sich also ergeben, dass diejenigen, welche den Furchungsprozess für einen Zellenbildungsprozess erklär- ten, ihre Ansicht hauptsächlich durch Erscheinungen erweisen und begründen wollten, welche sich auf das Freiwerden von bereits gebildeten Brutzellen beziehen, und dass durch die Be- rücksichtigung der hellen Flecke oder Kerne der Furchungs- kugelzellen diese Ansicht nur noch mehr verwirrt, stalt auf- gehellt wurde. Du Bois und ich, wir "halten von vornherein bei der Untersuehung des Furchungsprozesses die Erscheinungen auf- gefasst, welche am meisten auffallen, und sich auf das Frei- werden und die Entschachtelung bereits gebildeter, mit Mem- branen versehener Furchungskugelzellen beziehen. Die Beob- achtungen, welche wir damals über diesen Punkt angaben, haben noch heutiges Tages ihre Richtigkeit und sind nur durch den Fortschritt der Wissenschaft erweitert. Man hat unsere, 278 Beobachtungen, welehe die Anwesenheit: von Membranen jan den, eben nur frei werdenden Furchungskugelzellen unzwei- felhaft herausstellten, wenig. berücksichtigt. Bischoff allein ging näher darauf ein, und wollte sie in seiner Entwickelungs- geschichte des Kanincheneies widerlegen. — Indem wir so die Erscheinungen des Freiwerdens der bereits umhüllten Fur- chungskugelzellen richtig auflassten und richtig deulelen, kam es darauf an, zu bestimmen, ob die frei werdenden Furchungs- kugelzellen während des Furchungsprozesses sich bildeten oder schon früher gebildet seien. Die Erscheinungen aber, welche die Bildung von Furchungskugelzellen während des Furchungs- prozesses belreffen, waren uns, wie damals allen übrigen For- schern, noch unbekannt und nicht zugänglich. Ja, der Um- stand, dass. in damaliger Zeit die Zellengenesis nach Schlei- den und Schwann, wie bei vielen Forschern, so auch bei uns, volles Vertrauen fand, und dass nach derselben beim Frosch. der unmittelbare Uebergang des Mutterzelleninhaltes mit,..den Feltlkügelchen in ‚die Brutzellen unmöglich. 'war, konnte natürlich den Gedanken an eine, Zellenbildung wäh- rend des Furchungsprozesses überhaupt nicht aufkommen ‚las- sen, es sei denn, dass man die Erscheinungen der Entschach- telung und des Freiwerdens der Furchungskugeln mit jener der Zellenbildung verwechseln wollte. So wurden wir, wie ich glaube, auf der Bahn einer exakten Forschung vorschrei- tend, zu der Annahme geleitet, dass die Bildung der Furchungs- kugelzellen vor dem Furchungsprozess Statt fände, und dass dieselben in der Weise in einander geschachtelt in den letzte- ren eintreten. wie sie nachher sich entschachtelten und frei würden. . Diese Annahme war nur hypothelisch; wir ver- mochten weder die Ineinanderschachtelung der Furchungsku- geln, noch eine derartige Entstehung des Bildungsdotters direkt nachzuweisen. Diese Hypothese hat sich jetzt nicht bestätigt. Doch du Bois und ich können das beruhigende Bewusstsein haben, dass wir die Erscheinungen des Furchungsprozesses, 279 die eben vorlagen, richtig erkannt und richtig gedeutet haben, dass wir kein quid pro quo hingenommen und dass unsere Hypothese auf der Basis ‚damaliger Erkenntnisse sich erhob. Durch die Entdeckung der hellen Flecke der Furchungskugeln konnte diese Hypolhese nicht erschüttert werden, da die Haupt- frage über die Bildung der Furchungskugeln mit ihren Hüllen dadurch nicht, und am wenigsten nach der Kölliker’schen Deutung begreiflich wurde. Erst durch die Entdeckung der Zellenbildung um Inhaltsporlionen von Nägeli wurde der Sturz dieser Ilypothese herbeigeführt, und sobald ich Kennt- niss davon genominen, habe ich diese Ueberzeugung freimüthig noch vor den vorliegenden Untersuchungen in dem Jahresbe- richte (1843) ausgesprochen. Erklärung der Abbildungen, betreffend den Furchungsprozess bei Strong. auricularis. Figur 1, Ein reifes Eichen im nicht komprimirten Zustande, von ovaler Form, a. Keimbläschen. b, Keimfleck. e. Dotlerhaut. ‘ d. Der Dotter mit zahlreichen Fettkügelchen, Figur 2. Ein Eichen aus dem Uterus nach dem Zusammentref- fen mit den Spermatozoen. Der Inhalt des Keimbläschens ist in ein- zelne Tropfen zerfallen, in Folge dessen das flockige Ansehen des Dotters. e. Helle Flecke; sie entsprechen den Tropfen des Inhaltes des Keimbläschens, deren Kontouren durch die Fetikügelchen ge- deckt sind. Figur 3. Dasselbe Eichen komprimirt, so dass ein Theil des Dotters dureh einen Spalt der Dolterhaut ausgeflossen ist. e. Die Tropfen des Iohaltes des Keimbläschens. Figur. 4, Ein Eichen, in welchem die Tropfen des Inhaltes des Keimbläschens fast ‚gänzlich mit dem zähllüssigen Dotterbestand- theil sich vereinigt haben. Nur an der Dotterhaut scheinen noch kleinere Tröpfchen sich erhalten zu haben. f. Der dunklere Pol des Dotters. Figur 5. Ein Eichen, ‚dessen. Umfang kleiner geworden und in eine zylindrische Form mit abgerundeten Enden übergegangen 280 ist. "Der Dotter hat sich in die erste noch kerolose Furchungsku- gel verwandelt. 2. Die lichtere, von Fettkügelchen freie Zone des Dotters und des Inhaltes der ersten Furchungskugel. h. Die dunkle, die Feitkügelehen enthaltende Dotterpartie. i. Die Lücke zwischen der ersten Furchungskugel und der Dotterhaut. 7%. Ein durchsichtiges Körperchen in dieser Lücke. Figur 6. Ein Eichen, in welchem der Kern der ersten Fur- chungskugelzelle sich gebildet hat. 1. Der Kern ‚(heller Fleck) der ersten Furchungskugelzelle; F. g: h.,i. k. wie io Fig. 4. 5. Figur 7. Ein Eichen, mässig koınprimirt. In der dunklern Dot- terpartie der ersten Furchungskugel iarkirt sich die lichtere, läng- liche und unbestimmt begrenzte Stelle, wo der Inhalt oder die Sub- stanz des Kerns der ersten Furchungskugel in der Vermischung mit dem zähflüssigen Inhaltsbestandtheil derselben begriffen ist. o. Der Inhalt des Kerns, mit dem zähflüssigen Inhaltsbestand- theil der ersten Furchungskugel sich vereinigend. Figur 8. Ein Eichen, in welchem die lichtere Zone der ersten Furchungskugel (2) umfangreicher geworden ist und namentlich an den Enden des Querdurchmessers an Breite zugenommen hat, Die dunklere Dotterpartie (A) hat sich gleichzeitig in die Bisquitform ver- wandelt. In der einen Abtheilung des Bisquits ist der dunklere Pol des Dotters und des Inhalts der ersten Furchungskugelzelle ent- halten, Figur 9. Ein Eichen in einem nur etwas weiter vorgerückten Stadium des Furchungsprozesses. Die erste Furchungskugelzelle ist hinsichtlich der Form noch unverändert; ihre Membran besteht noch. In ihrem Inneren ist die lichtere Zone an beiden Enden des Quer- durchmessers, desgleichen die Bisquitform der dunklen Inhaltspartie stärker ausgeprägt. Auf der dunkleren Abtheilung des Bisquits be- merkt man eine halbkreisförmige Linie, die mit ihren Enden in die Kontour der anderen Hälfte der ersten Furchungskugel ausläuft und mit derselben eine etwas zusammengedrückte Kreislinie umschreibt, welche die Umgrenzung der oberflächlicher liegenden Brutzelle (eine der nächsten beiden Furchungskugeln) andeutet. Die von ilir theil- weise gedeckte zweite Brutzelle, welche die dunklere Abtheilung des Bisquits ‚(die ursprünglich dunklere Hälfte des Dotters) in sich auf- genommen, ist in ilırer Begrenzung nicht vollständig zu übersehen. Die dunkleren Partieen der. beiden Brutzellen decken sich gleichfalls noeh. theilweise, daher das Ansehen eines Bisquits, Gleichwohl er- scheint die mittlere Altheilung des Bisquits lichter, wie auch schon in Fig, S., weil eine lichtere, von Fettkügelchen freie Masse dazwi- schen liegt und die mittlere, Abtheilung des Bisquits unter einem spitzen Winkel durchschneidet, Die Brutzellen der ersten Furchungs- kugelzelle besitzen noch keine Kerne, p: Die halbkveisförmige Linie als Begrenzung der oberflächlich liegenden Brutzelle. 281 g. Die lichtere mittlere Abtheilung des’ scheinbaren Bisquits von der hindurchsetzenden, von Fettkügelchen freien Zwischenmasse. Fizur 10. Die Hülle der ersten Furchungskugelzelle ist ver- schwunden. Die beiden frei gewordenen Brutzellen runden sich mehr ab, sind theilweise aus ihrem ursprünglichen Lageverhältniss heraus- gerückt und decken sich nur noch wenig. Man erkennt jetzt auch bei passender Stellung des Focus die Kontour der unten liegenden Brutzelle vollständig. Der Kern der Brutzelle markirt sich. r. Die beiden ersten Furchungskugeln, in der einen mit der weniger HEIEERTBESEN lichten Zone jst die dunklere Hälfte des ur- sprünglichen Dotters enthalten. l. Die Kerne der Furchungskagelzellen. g. Die lichtere, von Fetikügelchen freie Zone. s. Eine durchsichtige Zone, gebildet ‘durch das diffundirende Wasser, welches sich mit dem Inhalt der Zelle noch nicht ver- mischt und die Zellenmembran zurückgedrängt hat. t. Zellenmembran. w. Die scheinbare Einschnürungsstelle der ersten Furchungs- kugel, oder die erste Furche. Figur 11. Ein Eichen, in welchem die beiden ersten Fur- chungskugelzellen mit vollständig ausgebildeten Kernen, ohne sich zu decken, einfach nebeneinander liegen. u. Die plötzlich bei der erlangten senkrechten Stellung der Gegemeeitigen Berührungsflächen beider Brutzellen auftretende grade inie im Querdurchmesser des Eichens. Figur 12. Ein Eichen, in welchem die Kerne der beiden er- sten Furchungskugelzellen bereits verschwunden sind. In jener Fur- chungskuzelzelle, welche die Inhaltsporlion der ersten Furchungskugel mit der kleineren Menge Fettkügelchen in sich aufgenommen hatte, zeigt sich eine mehr unregelmässige dunkle Inhaltspartie und lässt an einer ungefähr kreisförmigen Begrenzungslinie die bereits erfolgte Bil- dung der noch kernlosen, sich zum grössten Theil deckenden Brul- zellen gewahren. v. Obere Begrenzungslinie der oberflächlich liegenden Brutzelle. Figur 13. Die Membran der Mutter - Furchungskugelzelle in Fig. 12. ist geschwunden, und die beiden freien Brutzellen runden sich mehr ab und rücken aus der ursprünglichen Lage, in welcher sie sich Iheilweise deckten, heraus. Die Brutzellen haben noch keine Kerne. x. Die beiden nächsten Furchungskugelzellen. ww. Die zweite Furche, scheinbar entstehend wie durch Ein- schnürung der Furchungskugel, in welcher sich die Brutzellen (nächste beide Furchungskugeln) gebildet hatten, Figur 14. Schematischer Durchschnitt zar Erläuterung des La- geverhältnisses der beiden Brutzellen in der ersten Furchungskugel- zelle Fig. 9. Der Durchschnitt geht durch den Längsdurchmesser des Eichens. Die Form der Brutzelle ist ein schräger Ovalschnitt. z. Die unter einem spitzen Winkel den senkrechten Durch- messer des Eichens durchschneidenden Berührungsllächen beider Brutzellen. 282 t. Die Membran der ersten Furchungskugel. y- Die Membran der Brutzellen. h. Die dunkle Dotterpartie mit den Fettkügelchen, sie ist in der oberflächlich liegenden Brutzelle kleiner und demgemäss von einer stärkeren lichten Zone umgeben. Figur 15. Schematischer Durschnitt der die beiden Brut- zellen enthaltenden Furchungskugel in Fig. 12. Der Schnitt geht quer durch das Eichen. Die Brutzellen haben die Form von Halb- kugelschnitten. z. Die unter einem spitzen Winkel den senkrechten Durch- messer des Eichens durchschneidenden Berührungsllächen der bei- den Brutzellen, t. Die Mutterzellenmembran. y. Die Membranen der Brutzellen. Briefliche Mittheilung über die Ganglienkugeln der Lobi electrici von Torpedo &alvanii. Von Dr. E. Huarıess. Hierzu Tafel X. Fig. 1—9. Nach Valentin’s Angabe zeigen bekanntlich die Lobi ele- eiriei der Zitterrochen einen bedeutenden Reichthum sehr gros- ser Ganglienkugeln. Bei der noch vor kurzem obschweben- den Frage üder den Ursprung der Nerven aus Ganglien, der dureh Will für die Wirbellosen constatirt wurde, hatte die Untersuchung der Ganglien jener Wirbelthiere um so höheres Interesse, als es sich hier um ein Nervengebilde handelte, das eine so auffallende Thätigkeit vermittelt, wie die Elektrieitäts- Entwickelung jener Fische ist. Durch meinen verehrten Verwandten und Gönner R. Wag- ner aufgefordert, versuchte ich bei meinem letzten Aufenthalt in Triest die mir gestellte Frage zu lösen, so weit es die Kürze der Zeit erlaubte, die ich grossentheils auf die Unter- suchung der Chromatophoren von Loligo (ef. Wiegwann’s Archiv) bereits verwendet hatte, Dieser Umstand und der Mangel an Litteralur möge ent- schuldigen, dass meine Untersuchungen über diesen Gegenstand 234 mehr fragmentarisch ausgefallen sind; und dass ich hier viel- leicht Manches erwähne, was bereils in der umfangreichen Literatur, besonders bei P. Savi, ©. Matteuci und St. delle Chiaje, erwähnt ist. Die Oberfläche der Lobi electriei zeigt, nachdem die Pia mater entfernt ist, schon dem unbewallneten Auge ein fein- körniges Gelüge. Sie ist ganz wie mit Staubkörnchen be- streul. Bei dem Abnehmen der Pia mater bleiben an dieser selbst solche feine, dem Auge eben noch sichtbare Körnchen hängen, welche mikroskopisch folgende Charaktere ‚darbieten: Sie sind nicht immer, jedoch häufig kreisrund, sonst auch un- regelmässig oval, birnförmig, polyedrisch. Im frischen Zustande zeigen sie auf ihrer sonst struklurlosen Membran einzelne Zellen. Ihr Inhalt ist wasserhell und in ihrer Mitte befindet sich eine kleinere kreisrunde Zelle mit einem oder zwei Ker- nen. Die Grössenverhältnisse der einzelnen Theile sind aber folgende: Der Längendurchmesser (bei Fig. 2.) 0.056 “ Der Breitendurchmesser 0,033 Der Durchmesser der inneren Zelle 0,014'% Der Durchmesser des Kerns dieser Zelle. 0,002 Diese grossen Ganglienkugeln, denn .als ‚solehe müssen wir ‚sie ihrer ‚ganzen Struktur nach ansehen, ‚finden sich. in ausserordentlich grosser Anzahl durch die ganze, Masse, der beiden Lobi dicht aneinanderliegend, durebselzt und umspon- nen‘ von einem sehr engmaschigen Capillarnetz und von ver- schiedenen Fasern, welche zu ilınen in einem sogleich zu er- wähnenden Verhältniss stehen, Am dicht gedrängtesten finden sie sich an der Oberfläche und den Berührungsstellen beider Lobi; dort. fallen auf die Quadrallivie beiläufig 83 Kugeln. Seltner und seltner wer- den ‚sie, je ‚weiter man ‘gegen die Medulla oblongata. hin- kommt. Von der äussern Hülle.gehen jedesmal Fasern. aus, die nicht elwa bloss an dieselben angelöthet sind, sondern’ als un- 285 mittelbare Fortsätze derselben angesehen werden müssen. Sie bedingen dadurch, dass sie an der Basis; breiter, in ihrem wei- teren: Verlauf schmäler werden, die polyedrische Gestalt der herauspräparirten Ganglienkugel. Ihr Durchmesser ‚beträgt in der Regel 0,011“ (Fig. 2. a,b). an. ihrer Basis im Düurch- schnitt 0,014. Diese und ihr Zusammenhang mit der Hülle sind längst bekannt, weniger aber noch war man bisher über ihre Bedeutung im Klaren. Vorläufig jedoch will ich nur Fol- gendes über ihr anatomisches Verhältniss miltheilen. An der Oberfläche der Lappen stehen diese Fortsätze häufig senkreeht in die Höhe. und im bestimmtesten Zusam- menhang mit der Tuuic adventitia der Gefässe der Pia mater. Im Innern findet derselbe mit den Hirngefässen Statt, nur. be- giebt sich eine nicht ‚geringe Menge) von einer Ganglienkugel zur andern; sie bilden also (anatomische) Commissuren zwi- schen den einzelnen Ganglienkörpern. Dies ergiebt sich nicht allein aus der einfachen anatomischen Untersuchung. bei wel- eher der verwickelte Verlauf der andern Fasern der Gefässe und. die enge Aneinanderlagerung der einzelnen Körper. das Bild sehr unklar machen (Fig.'1.), sondern vorzüglich daraus, dass, wenn man zuerst durch die Nadel so vorsichtig als mög- lich ein solches Ganglienconvolut entwirrt 'hat, nun: Aether oder starken Weingeist zusetzt und die dadurch entstehende lebliafte Molekularbewegung beobachtet. Dadurch entgeht man der so nahen Gefahr, die zarten Gebilde zu zerreissen,) was fast immer bei mechanischem Eingriff geschieht; und man kann nun genau beobachten, dass ‚oft, trotz der entgegenge- selten Richtung, in der die Körper durch die Verdampfung gerissen werden, immer wieder bald hierhin bald dorthin der eine dem Zuge des andern folgt, wodurch oft Schwingungen in den Commissuren entstehen, die nothwendig eine Trennung derselben zur Folge liaben müssten, "wenn nicht ein wahrer ‚organischer "Zusammenhang der’ Kugeln durch’ diese: Fortsätze vermittelt wäre. ‘ Keineswegs aber, glaube‘ ‚ich berechtigt sein zu. dürfen, 286 Diese Commissuren als präformirte Gebilde zu- betrachten, die von einer physiologischen Bedeutung für die Thätig- keit der Ganglien wären; es sind nur Produkte der anatomi- schen Zergliederung, daher ihre unbestimmte Zahl und Länge; es sind ınechanisch ‚losgerissene Fibrillen des Bindegewebes, die allenthalben die Ganglienkugeln untereinander und mit den an ihnen vorbeigehenden Gefässen verbinden. Denn betrachtet man ein solches Convolut von Ganglien vor dem: Zerpflücken, indem 'man möglichst kleine Partikelchen der Lobi auf dem Objektglas ausbreitet, so lassen sich nirgends: solche Fortsätze als abgegrenzte Faserzüge erkennen, sondern in einem allenthalben gleich verfilzien Gewebe liegen die Ganglienku- geln, zwischen denen dann noch eine Menge von Gehirnfasern und Gefässen verlaufen (Fig. 1.). Sehr häufig aber bemerkt man schon bei dieser Art der Beobachtungen gewisse Fasern, die häufig von 'einer Ganglienkugel zur andern gehen, ‚oder sich bald unter 'andere Kugeln begeben, ihren Ursprung aber stels den Kugeln verdanken; von diesen ist es wahrschein- licher, dass ‘sie Commissuren im physiologischen Sinne sind, obwohl ich auch hierüber ‘nichts bestimmtes angeben: kann; nur scheint diese Beobachtung mit einer andern, die Prof. Will an Wirbellosen gemacht hat, wie er mir kürzlich mit- theilte, einige Analogie und Stütze zu gewinnen. Da aber‘ diese Fasern nie, von der äusseren Kugel ausge- hen (also nicht von der Hülle), so ist es nöthig, nochmal die isolirten Ganglien-Körper genau ins Auge zu fassen. Um die Ganglienkörper rollen zu seben, benutzte‘ich\bei solchen, die einige Stunden in schwachem Weingeist gelegen hatten, wodurch die Beobachtung sehr erleichtert wird, eine Mischung von Alkohol und Aether, ‘die noch, ehe eine che- mische Einwirkung; "beginnt, die Verhältnisse klar erkennen lässt. Das Objekt wird mit ‘keinem Deekgläschen versehn, und:'sogleich ' wälzen sich,. in: Folge der: Verdampfung ‚die Ganglienkugeln langsam über das Sehfeld hin. Hierbei bemerkt man erstens, 'dass dieselben etwas: abgeplattete: Sphäroide sind, 287 zweilens dass die innere Kugel am concaven Rand der äussern ansilzt, hie und da über die letztere eiwas hervorragl; | drit- tens endlich liegt milten in der innern Kugel, ein hellglän- zeudes Pünktchen, dass wir vorläufig als den Kern dieser in- neren Zelle bezeichnen wollen. So häufig es auch. der Fall ist, dass nur ein Kern sich vorfindet, so trifft man doch. stets unter 30: Kugeln wenigstens eine, in der neben dem centra- len Kern ein zweiter excentrisch gelegener bemerkt. wird. Zelle und Kern, gleichviel ob einfach oder doppelt, die- nen als Ausgangspunkt von Fasern, jedoch in den ver- schiedenen Parlien der Lobi nicht in gleicher Weise, ‚Wie denn. auch jener, helle Punkt in der inneren. Zelle nicht. an allen Stellen gleich deutlich ist. Betrachten wir aber vorläufig die‘ Ganglienkugeln, ‚die mehr auf der Oberfläche und an den Berührungsstellen der Lobi liegen (also von dem Austritt der Nerven entferntere Partieen) (Fig. 4., 5. und ‚9.). Bei allen erscheint deutlich der. Kern der innern Zelle und von ihm aus gehen Fasern, die sich häufig grosse Strecken weit im Gehirn verfolgen las- sen. Ihre. Feinheit (0,001—0,002‘”), ihre Durebsichtigkeit im frischen Zustande, die Gerinnung ihres Inhalts bei Zusatz, von Wasser, Weingeist. ete., ihre dunklen einfachen Contouren las- sen nicht, bezweifeln, dass es wahre Nervenprimitivfasern sind. Von ihrem Zusammenhang mit dem Kern der \innern Zelle überzeugt man sich auf die mannigfachste Weise, Man sieht dies an frischen Präparaten (freilich hier selte- ner, weil:sie bei ihrer Zahrtheit sehr leicht zerstört werden), noch besser an solchen, die kurze Zeit in Weingeist gelegen haben, nur darf ‚derselbe nicht zu. lange (etwa mehrere Wo- chen‘) eingewirkt haben. Ausserdem aber behandelte ich frische und einige Tage alte Präparate mit Jodine, wodurch als hellgelber Streif die Faser sich durch den übrigen ‚dunkler gefärbten Ganglienkörper bis zum Kern der, innern Zelle verfolgen. liess. Von den ‚übrigen, Verhältnissen, dem. Eintritt der Fasern ete. Kenutuiss\zu erlangen; so wie zur) Vergewis- 288 serung, dass man es hier mit organisch zusammenhängenden Theilen zu thut hat, bediente ich mich einer concentrirteren Jodtinktur und untersuchte wieder, ohne ein Deckgläschen aufs Objekt zu bringen, In Folge der Verdampfung gerathien wieder die Ganglienkörper in rotirende Bewegung und prä- pariren sich vollständig aus dem umgebenden Gewebe heraus und rollen nun oft mit ihren sehr langen Nervenfäden, die sich durch die Kugel als helle Streifen bis an den Kern der innern Zelle verfolgen lassen. Endlich noch kann man, was freilich von günstigen Um- ständen abhängt, bis zur Evidenz diesen Zusammenhang nach- weisen, 'wenn man eine gehörig lange Faser mit'ihrer Ganglien- kugel vor sich hal, die in der Flüssigkeit frei schwimmt, wäh- rend: sie selbst noch fest mit dem übrigen Gewebe zusammen- hängt; erschüttert man mit einer Nadel das Deckgläschen etwas, so geschieht es nicht selten, dass durch das plötzliche Anspannen der Faser auch der Kern (Ausgangspunkt der Fa- ser) etwas disloeirt wird; diese Dislokation ist aber gewiss nur scheinbar: es tritt nämlich niemals die Nervenfaser in der Ebeue des grössten Kreises der Ganglienkugel ein, sondern bildet immer einen kleinen Bogen, wodurch sie in einer Ebene, die mit jener einen Winkel bildet, sich an die innere Zelle begiebt; so kommt es, dass man nie die ganze Faser, so weit sie innerhalb der grossen Ganglienkugel verläuft, zugleich mit dem Kern der kleinen in den Focus stellen kann, und dass man, wenn man die Körper von oben beobachtet, stets auf die Durchschnittsebene der Faser sieht, die dort, wo sie entspringt, als Kern der innern Kugel erscheint. Ich habe diesen Zusammenhang nicht etwa ein oder zwei Mal, sondern ich ‘darf wohl sagen mehrere hundert Mal beob- achtet und ‘nachgewiesen, ‘obwohl es nicht 'bei allen Gang- lienkörpern geschehen konnte. Oben erwähnte ich,’ dass’ statt Eines Kerns manchmal 2 in derinnern Zelle liegen! Mehrere Mal sah ich ganz deut- lich’ von beiden Punkten helle Fasern ausgehen; die sich 289 noch vor ihrem Austritt aus der Ganglienkugel zu Einer Fa- ser vereinigt hatten (Fig. 9. c, d);; ebenso fand ich nicht sel- ten von einem Kern nach 2 Richtungen hin Fasern ausgehen, die mit einander nie einen grössern, als 180° betragenden Winkel bildeten. Letzteres ist deshalb wichtig, weil daraus Einiges in Beziehung auf die Natur dieser Fasern, ganz abge- sehen von ihrem übrigen Verhalten, resultirt. Wenn nämlich die Fasern, die von der äussern Kugel als Scheidenfortsätze ausgehen, häufig gegen die Gefässe der Pia mater, oder ihre Bindegewebmasse gerichlet sind, so gehen diese Fasern, mögen je eine oder zwei von dem Kern der innern Kugel entsprin- gen, stels in der Richtung nach der Masse der Lobi hin, ste- hen also zu dem Gehirn in einer näheren Beziehung, als jene Scheidenforlsätze; kurz es kann darin ein Beweis mehr ge- funden werden, dass diese aus den Kernen entspringenden Fasern Gehirnfasern sind, was auch die übrigen anatomischen Hülfsmittel bestätigten. Das ist das Verhältniss der Hirnfasern zu den Gan- glienkörpern, das, wenn auch nicht an.allen, doch an der Mehr- zahl derselben konnte genau ermittelt werden. Anders scheint es sich mit dem Ursprung der periphe- rischen Nerven zu verhalten; doch ich beschreibe, ohne auf physiologische Fragen vielleicht zu frühzeitig einzugehen, einfach, was ich oft und deutlich gesehen habe. Die jetzt zu erwähnenden Ganglienkörper befinden sich in der Nähe der Austrittsstelle der elektrischen und respira- torischen Nerven aus dem Gehirn bis zur Austriltsstelle aus dem Cranium hin. Der erste Unterschied zwischen diesen. und den vorer- wähnten betrifft ihre Grösse: Ihr Querdurchmesser beträgt nämlich 0.010 — 0,022 Ihr Längendurehmesser ... .. ...0,020— 0,050, Hier scheinen die Scheidenfortsätze theilweise eine an- dere Rolle zu übernehmen, indem sie nämlich die Hülle der Primitivfaser bilden, während das Mark derselben von der Müller's Archiv. 1810. 19 290 innern Ganglienkugel: auszugehien scheint (Fig. 6. u 7.). Fast niemals konnte ich einen so hellen Punkt in der innern Zelle finden, von dem aus etwa die Markröhre entspränge; sowohl vor (Fig. 6.), als nach (Fig. 7.) der Behandlung mit Essigsäure liess sich die Markröhre nur bis zur Peripherie der inneren Zelle, in die sie unmittelbar überging, verfolgen. Die Behandlung mit Essigsäure hatte eine Gerinnung des In- halts (e Fig.7.) zur Folge, der als körnige Masse bei f (Fig. 7.) aus der Hülle austrat. Gewöhnlich zeigte sich an diesen isolirten Kugeln noch ein Scheidenfortsatz, nach der entgegengesetzten Seite ausge- hend, in dem jedoch nie eine Marksubstanz nachzuweisen war, der also dieselbe Bedeutung haben mochte, wie die Schei- denfortsälze der vorerwähnten Ganglienkörper. So weit gingen meine Beobachlungen in Triest an fri- schen und mehrere Stunden in Weingeist gelegenen Prä- paralen. Leider konnte ich mehrere Fragen nicht mehr beantwor- ten, die sich mir hierbei aufdrängten. So fand ich mehrmals Ganglienkugeln (Fig. 3.), die als Ursprung für einen periphe- rischen Nerven (a,b) dienten, wobei jedoch ein heller Kern in der innern Ganglienkugel sich vorfand, von dem eine an- dere (Gehirn-?) Faser zu entspringen sehien (e), und endlich fand ich ein Paar Mal (Fig. 8.) eine Ganglienkugel für einen peripherischen Nerven, dessen Mark mit dem liellen Kern der innern Kugel in Zusammenhang zu stehen schien. Gicht es hier Uebergänge? Wo ist überhaupt die Grenze für die Gat- glien der Hirn- und die Ganglien der peripherischen Nerven? Wodurch stehen beide Arten von Ganglien mit einander in Rapport? So lückenhaft übrigens noch diese Untersuchung bleiben musste, so glaube ich doch bestimmt erwiesen zu haben, dass bei diesen Thieren Nervenfasern von den Ganglienkugeln ent- springen, und zwar immer der eigentlich plıysiologisch be- 291 deulsamste Theil derselben von der innern Ganglienkugel, sei es von deren Hülle oder deren Kern. Da, wie ich schliesslich nochmals bemerke, alle diese Ver- hältnisse viel klarer nach der Einwirkung von Weingeist, die jedoch nicht zu lange dauern darf, sich mir darstellten, so warf ich mir oft die Frage auf, ob hierdureh nicht künstlich erst erzeugt würde, was vorher in der Natur nicht vorhanden war. Aber folgende Thatsachen liessen diesen Zweifel nicht lange bestehen: 1) fand ich sehr oft, wenu auch, wie gesagt, selten ‚an ganz frischen Präparaten, dieselben Verhältnisse; 2) liess auch nach der Einwirkung des Weingeistes die Jod- tioktar die einzelnen Theile als gesonderte Gebilde er- kennen; 3) rief verdünnte Essigsäure stets dieselben Erscheinungen hervor, nämlich das Blasser- und Durchsichtigerwerden der Hülle und das deutlichere Heryortreten der Primi- tivfasern (deren Inhalt dadurch körnig gerann), wodurch ebenfalls, wie durch Jod, der Zusammenhang der Fasern und inneren Ganglienkugeln stets "ganz deutlich wurde, 19* Ueber die Luftröhre, die Speiseröhre und den Magen der Sphargis coriacea. Von Hzınr. RATHKe. Hierzu Tafel X, Fig. 10. und 11. Zur Entwerfung einer Entwicklungsgeschichte der Schild- kröten untersuchte ich unter andern auch eine junge Leder- schildkröte, die am Bauche noch eine Narbe von der Nabel- öffnung hatte, und deren nur lederartiges Rückenschild 2” 24 lang war. Den Bau der oben genannten Organe fand ich bei ihr sehr abweichend von demjenigen, welcher den- selben Körpertheilen bei andern Schildkröten eigen ist. Nir- gend indess konnte ich eine Beschreibung von ihm auffin- den, weshalb denn einige Bemerkungen über ihn hier mit- getheilt sein mögen, um die Aufmerksamkeit der Zootomen auf ihn zu richten und seine Untersuchung auch bei erwach- senen Exemplaren zu veranlassen. Wie unter den Vögeln bei Aptenodytes demersa und Procellaria glacialis, und unter den Säugethieren nach einer von Otto gemachten Entdeckung bei Pedetes cafler, kommt auch bei der Lederschildkröte in dem Stamme der Luft- röhre eine senkrechte Scheidewand vor, durch die seine Höhle in zwei Seitenhälften getheilt ist. Jedoch ist diese Wand verhältnissmässig kürzer, als bei den beideu genann- ten Vögeln, indem sie von der Theilungsstelle des Stammes in seine beiden Aeste nicht völlig bis zu dem zweiten Drit- tel desselben hinreicht. Dass sie aber nicht etwa nur durch ein dichtes Beieinanderliegen, oder durch eine Verwachsung 293 der vordern Hälften der Luftröhrenäste ‚bewirkt worden ist, davon habe ich mich hinreichend überzeugt. Von dem Kehl- kopfe bis zu dieser Scheidewand hin sind die Knorpelringe der Luftröhre ziemlich breit und dick; in dem ganzen Ab- schnitte aber, in welchem sich die Scheidewand befindet, und an welchem dieser gegenüber die Luftröhre an ihrer obern und untern Seite eine schwache Längsfurche bewir- ken lässt, sind die Ringe beinahe nur halb so breit und aus- serdem viel dünner. Auch sind nicht alle Ringe dieses Ab- schnittes, wie es an denen des andern oder :vordern Ab- schnittes der Fall ist, ganz vollständig und geschlossen, sondern einige von ihnen erscheinen nur als unterbrochene oder offene Ringe und sind mitunter an ihrem ‚einen Ende in zwei kurze Aeste gespalten. Die Scheidewand aber ent- hält eine einfache Reihe von senkrecht stehenden Knorpel- streifen, und von diesen erscheinen die meisten als Strebe- pfeiler im Innern eben so vieler Ringe, mit denen sie an ihren beiden Enden verschmolzen sind, die übrigen hingegen als ein mehr oder weniger einwärts gekrümmtes Endstück eben so vieler offenen Ringe, so dass mitunter ein solcher Ring beinahe die Form einer arabischen 9 erlangt hat. Uebri- gens ist die Scheidewand ungefähr eben so dick, wie die untere, hingegen etwas dünner, als die obere Wandung des Luftröhrenstammes. Die Speiseröhre (Fig. 10. a,a) hatte eine bedeu- tende Länge, ging vom Halse etwas linkshin und un- gefähr bis zu der Mitte der Rumpfhöhle, krümmte sich dann, wie es von keinem andern Wirbelthiere bekannt ist, in ei- nem mässig starken Bogen nach links, vorn und auch etwas nach oben (nach dem Rücken hin) um, verlief nun eine ziemlich grosse Strecke nach vorn hin, wendete sich hierauf in einem sehr kleinen Bogen wieder nach hinten, rechts und unten, und ging endlich nicht weit von dieser zweiten Krüm- mung in den Magen über. Von ihrem vordern, bis zu ihrem hintern Ende nalım sie allmählig au Dicke ab, so dass das 294 letztere Ende beinahe um die Hälfte dünner, als das erstere war. Die sehr dieke und sehr muskulöse Wandung der Speiseröhre besass an ihrer innern Fläche eben solche Zapfen, wie bei den’ Schildkröten aus der Gattung Chelo- nia, und von diesen kamen die hintersten dieht vor dem Magen vor, so dass einige mit ihrer Spitze sogar in die Cardia selbst hineinreichten. Der Magen (Fig. 10. u. 11. b) hatte um Vieles dünnere Wände, als die Speiseröhre, verhielt sich also durchaus ‚an- ders, als bei andern Schildkröten, und bestand in einem ziemlich grossen, im Verhältniss zu seiner Länge sehr wei- ten, beinahe kegelförmigen und stark abgestumpften ‚Sack (Fig. 10. b.), der von der zusammengekrümmten 'hintern Hälfte der Speiseröhre umfasst wurde, mit‘ seiner abge- gestumpften Spitze nach hinten gekehrt war und ganz in der linken Seitenhälfte der Rumpfhöhle seine Lage hatte. Rechts von der Cardia war der vordere oder breitere Theil der obern Wandung des Magens zu einem kurzen und an- fangs recht weiten, gegen das Ende aber stark verengten . Anhang ausgesackt, und dieser Anhang war in einem Bogen nach links und hinten gewendet, hatte seine Lage auf dem Endstücke der Speiseröhre, so dass er auf demselben gleich- sam ruhte, und enthielt in seinem dünnern Ende den Pylo- rus (Fig. 11. b und c). Die innere Fläche des Magens war sammetartig rauh und liess an ihrer hintern Hälfte mehrere schwache, nur von der Schleimhaut gebildete, unregelmässig verlaufende und zum Theil netzartig unter einander verbun- dene Falten gewahr vwrerden. Erklärung der Abbildungen. Fig. 40. Speiseröhre, Magen und eiu Theil des Dünndarms einer jungen Sphargis coriacea in nalürlicher Grösse und von der un- tern Seite angesehen. a,a,a Speiseröhre; 5 Magen; ec Cardia; d Dünndarm, Fig, 11. Dasselbe Präparat von der obern Seite angesehen. a,a Speiseröhre; 5 Magen; e Pylorus; d,d Dünndarm. Briefliche Mittheilung über die Herzbewegung. Von Dr. Buner. Der Versuch, den ich mittheile, hat den Vorzug, dass er in allen Fällen gelingt, gleich jedem physikalischen, dass er nie- mals versagt, zu jeder Zeit angestellt werden kann, und dass das Resultat auf der Stelle erfolgt. Legt man einem Frosche erst das Herz, dann das ver- längerte Mark blos ‚und reizt letzteres miltelst eines magneto- elektrischen Rotalionsapparates, indem man das eine Drabht- ende hinter dem kleinen Gehirne, das andere 1 oder 2” weiter nach hinten anseizt, so steht fast in demselben Mo- mente, in welchem zu drehen augefangen wird, das Ilerz still, und der Stillstand dauert so lange oder ein Paar (im Mittel zählte ich 12) Sekundeu länger, als die Drehung dauerte. Neben diesem Stillstande des Herzens ist der ganze Körper telanisch geworden. Der Tetanus hört gleich oder bald nach der Drehung auf. — Wenn man hingegen anstalt des verlän- gerlen Marks das Rückenmark von der Stelle unterhalb ‚der Armnerven an (elwa gegen die Ale Nervenwurzel) bis an das Ende des Rückenmarks demselben Strome ausselzt, so wird das Herz gar nicht affizirt, schlägt vielmehr fort, wie vorher, 296 so dass sogar sehr häufig auch nicht ein einziger Schlag mehr als vorher gezählt wurde, in seltenen Fällen jedoch eine kleine Vermehrung vorkam. Niemals erfolgt Stillstand. So- gar wurde in einem Falle eine ganze Minute lang gedreht, ohne dass das Herz im Geringsten davon affizirt wurde. — Hingegen entsteht Tetanus, der in dem hinteren Körpertheile am slärksten nnd frühesten zwar eintritt, aber bald auch bis in den vordersten Körpertheil sich erstreckt. Man kann diese beiden Versuche leicht zehnmal an einem und demselben Frosche wiederholen und das Resultat ist zehnmal dasselbe. Zur Vervollständigung dieser beiden Versuche gehört noch ein dritter, welcher dazu dient, zu beweisen, dass nicht etwa die heftige Erschütterung in der Nähe des Herzens, nicht etwa Seitenströme diese Wirkung veranlassen. Setzt man einen Draht auf die Bauchseite des unversehrten Unterschenkels ei- nes Hinterbeines, den anderen auf den Oberschenkel und geht nun mit diesem allmäblig vorwärts bis zur Haut des Mundes neben dem blosgelegten Herzen vorbei, so entsteht, wie die Strömung einen grösseren Körpertheil einnimmt, immer atıs- gedehuter ein telanischer Krampf, welcher zuletzt den ganzen Körper einnimmt. Aber das Herz nimmt nicht den geringsten Antheil daran. Von der Richtigkeit und Wahrheit dieser Versuche ha- ben sich bis jetzt überzeugt: die Herren Professor Albers, Kreisphysikus Brach, Dr. v. Feilitzsch, Dr. Heinrich, Dr. Hittorf, Dr. Kalt, Geheimer Rath und Professor Ki- lian, Dr. Markus, Dr. Schaafhausen, Professor Seubert, Dr. Wolff von Bonn, Dr. Wolff von Düren, Geheimer Rath und Professor Wutzer. Der ganze Versueh kann in 5 Minuten vollständig zu Ende gebracht sein. — Um eine ungefähre Angabe der Strom- stärke des von mir angewandten, mit 6 Hufeisenmagnelen ver- sehenen magneto-eleetrischen Ettingshausischen kleinen Ap- parates zu geben, bemerke ich, dass die Abweichung der 297 Magnetnadel eines Multiplikators von 4 Windungen 55° be- irug, als die Drähte des Apparates mit ihm in Verbindung geselzt wurden, dass ferner die Abweichung durch ein Wheat- stonsches Zinkkupfer-Element hervorgebracht, an demselben Multiplikator 32° betrug. Nachträglich will ich noch hinzufügen, dass Reizung des N. vagus, wo er vor den Lungen liegt, dieselbe Wirkung her- vorbringt, als ob das verlängerte Mark gereizt wäre, wovon sich gleiöhfalls mehrere der oben angeführten Herren, unter Andern Herr Geh. Rath Kilian, überzeugt haben, Beobachtung eines Musculus accessorius flexoris hallueis longi superior, Von Regimentsarzt Dr. Rrınnaror in Ulm, Ich hatte als Lehrer der Anatomie an dem militairärzt- lichen Institut in Ulm Gelegenheit, obigen überzähligen und seltenen Muskel zu beobachten, als ich mit der Präpa- ration der Arterien des (linken) Unterschenkels beschäfligt war. Schon hielt ich die Einspritzung für misslungen, da ich beim Ablösen der allgemeinen Bedeckungen und der Fascia eruris am unteren Drittel des Unterschenkels vergebens in der Nähe des inneren Randes der Achilles - Sehne nach der Art. tibialis postica suchte; bald aber zeigte sich bei der weiteren Zergliederung, dass ein eigenthümlicher Muskel diese Arterie verdeckte. Dieser M. accessorius flex. hall. long. superior war der Richtung seiner Fasern nach, wenigstens an der unteren Hälfte, ein M. semipennatus, und hatte seine Lage über dem M. flexor hallucis longus und M. ilexor digitorum longus, und zwar so, dass er mit seinem inneren Rand die äussere Hälfte des unte- ren Drittels des M. flex. dig. long., mit seinem äusseren Rand den inneren Rand der unteren Hälfte des M. flex. hall. long. bedeckte. Von diesen beiden Muskeln war der M. access. sup. durch eine eigene dünne Muskelbinde und dazwischen befind- 299 liches Fett, so wie durch die Art. Ven. und Nerv. tibialis ge- irennt, doch verliefen diese Gefässe etwas näher dem inneren Rand dieses Muskels, als der Mitte desselben. Der fleischige Theil dieses Muskels war etwas über 4” lang, 3— 1%“ dick und am mittleren und oberen Theil gegen 1” und einige Linien darüber breit, nach unten spitzle er sich zu, hier setzte er sich an eine dünne, platte, 1‘ breite Sehne von 24” Länge an, die unter dem Lig. laciniatum und unter dem Kopf des M. abductor hallueis durchgehend an den in- nern Rand der Sehne der Caro quadrala Sylvii (M. access. flex. hall. long. inferior) trat, und dann 1” vor dem Ansalz dieser Sehne an die des M. flex. hall. long. so innig mit ihr sich verband, dass sie ein Ganzes bildete. Unter den mir zu Gebot stehenden literarischen Hülfsmit- teln findet sich keine ähnliche Beobachtung, weshalb ich sie der Veröffentlichung nicht vorenthalten will, Ueber innere Wurzelscheide und Epithelium des Haares. Von O0. KouLrauschH in Hannover. Hierzu Tafel XI Die Histologie des Haares ist bis auf einige Punkte, über welche hier eine Erörterung erlaubt sei, ins Reine gebracht, Das Haar mit seinen Nüllen ist ein Horngebilde, welches auf die bestimmteste Analogie mit der Hautbildung überhaupt zu- rückgeführt werden kann. Der Charakter der Oberhaut ist: Zellenbildung an der Oberfläche der Cutis, in ihrer unteren Partie weich, in ihrer oberen erhär- tet und saftlos. Die Form, welche die Zellen bei der Er- härtung annehmen, verschieden nach der Richtung, in welcher sie fortgeschoben werden, und nach dem Drucke, welchen sie gegenseitig auf einander ausüben, ist unwesentlich. Eine Schei- dung der festen und weichen Epidermisschicht findet sich na- türlich nicht ohne Uebergänge in der Oberhaul vor. Dennoch ist eine Unterscheidung in dieser Hinsicht gewiss erlaubt, da die mikroskopischen Formen in beiden sehr verschieden sind und die Maceration auch praktisch ein Trennungsmittel beider Schichten an die Hand giebt. Halten wir also die dreifache RE Fe} E 301 Unterscheidung in Cotis, weiche und harte Epidermisschicht fest, so finden sich diese drei Gebilde am Haare und seinem Zubehör wieder, die erste als Haarbalg, aus Zellstoff gebildet, die zweile als äussere Wurzelscheide und Blastema pili, aus weichen, kernhaltigen Zellen gebildet, die drilte als innere Wurzelscheide und Haar, aus veränderten und erhärteten Zel- len bestehend. Als blosse Einstülpungen hängen die Haarhül- len in ihren einzelnen Theilen mit den entsprechenden $chich- ten der Hautfläche unmitielbar zusammen und stimmen auch histologisch vollkommen mit ihnen überein. Den Haarbalg kann man schon mit dem Messer als Cutiseinstülpung heraus- präpariren. Den Zusammenliang der andern Schichten erkennt man leicht auf gelungenen Longitudinalschnitien. Die Anord- nung der Zellen der äusseren Wurzelscheide entspricht ganz der der weichen Epidermisschicht. An der Cutisfläche sind die Zellen kleiner, die Kerne füllen sie fast ganz aus und die Zellen stehen mit ihrer längeren Axe perpendikulär auf der Fläche der Cutis, wodurch das Anselien entsteht, als ob sie durch feine, parallel laufende Stricheleben von einander ge- irennt wären. Weiter von der Culis ab nehmen die Zellen eine runde und in der Nähe der inneren Wurzelscheide eine elwas abgeplallele Form an, während die Kerne in ihnen klei- ner werden, Ganz dieselbe Veränderung, wie in der Haut- fläche. Am Boden des Haarbalges gleichen die Zellen denen der übrigen weichen Epidermisschicht, auch steht die äusserste Lage wieder perpendikulär auf der Culis, aber die Form der weichen Schicht ist hier, wegen vermehrter Absonderung der Zellen, eine veränderle. Sie bildet einen runden Zellenhau- fen, der nach aussen mit der äusseren Waurzelscheide zusam- menbängt, mach ‚oben sich in das Haar forlselzt. Es ist dies der sogenannte Haarknopf, Haarzwiebel, Bulbus, Pulpa, Blastema pili, Haarkeim, Ich stelle diese Benennungen absichtlich zu- sammen, da ich keine Grenze zwischen diesen verschiedenen Benennungen und den ‚damit gemeinten Theilen zu ziehen weiss, Gewöhnlich wird zwar das Blastema pili als ein, sich 302 vom Boden des Haarbalges erhebendes Knötchen beschrieben, welches dann mehr zu dem Haarbalge, als zu dem Haarknopfe gereehnet zu werden scheint; auch habe ich wohl in einzel- nen Fällen eine geringe hügelartige Erhebung des Haarbalges unter dem Haarknopfe gesehen. Gewöhnlich aber ‚geht der Haarbalg, leicht erkennbar an den Zellstofffasern, einfach ab- gerundet, ‚schlauchartig, wie es Fig. 4. dargestellt ist, "unter den übrigen Gebilden her, und unmitlelbar an ihm anliegend, ohne 'ein anderes Zwischengebilde, folgt die Zellenschicht, welche mit der übrigen weichen Epidermisschicht in vollkom- mener Uebereinstimmung ist und nach aussen in die äussere Wurzelseheide, nach oben in den Haarknopf sich fortsetzt. Es ist mir mehrmals gelungen, das Haar von diesem zwiebel- artig gestalteten Nucleus ganz abzuziehen, wobei sich zeigt, dass derselbe, ganz von der Form des Haarknopfes, bis zum Beginne des Haarschaftes das Innere erfüllt; das abgezogene Haar zeigte dann eine conisch zulaufende Höhlung und zog sich, wie eine Nachlmütze, von dem Kern herunter, Offenbar erfolgte hier nur eine Trennung der noch weichen und der fest gewordenen Zellenmasse. Den zurückgebliebenen Kern, den man wohl als eigentliches Blastema pili anzusehen hat, konnte ich unter diesen Umständen genau untersuchen. Beim Menschen gelang es mir freilich nicht, ihn auch aus den Haar- hüllen zu isoliren; doch wird ein solches Präparat, wenn nur das, gewöhnlich dunklere, Haar selbst entfernt ist, hinreichend transparent, um eine genaue Beobachtung zu gestatten. ‘Der ganze Kern bestand gleichmässig aus Zellen und zeigte auch an seiner Basis kein Gebilde von anderer Natur, keinen be=- sonderen Hügel, der als ein specielles Blastema anzusprechen gewesen wäre. Bei Spürhaaren des Eichhörnchen. gelang es mir auch, die Haarhüllen aufzuschneiden, zurückzuschlagen und so den zwiebelartigen Kern, nachdem das Haar abgezogen war, isolirt zu beobachten. Das Resultat war ganz dasselbe, nur sah ich hier noch, was ich bei Menschenhaaren nicht be- beobachlet hatte, zwei kleine Blutgefässe von —1;“ durch den a a _ I ee % 303 Haabalg in die Zellenmasse der Zwiebel eindringen und sich darin verzweigen. Bemerken darf ich nur noch, dass die Zel- len amı Grunde der Zwiebel gewöhnlich ein helleres Anschen haben, als höher hinauf, wie dies auch in Fig. 1. sich dar- stell. Ob dies durch die Färbung der Zellen veranlasst ist, oder ob das durchfallende Licht bei der runden Beschaffenheit des Haarknopfes diese Erscheinung optisch hervorbringt, ver- mag ich nicht anzugeben. Ich glaube aber, dass dieses Bild zur Annalıme der hügelförmigen Erhabenheit im Grande des Haarbalges Veranlassung gegeben hat. Das Blastem des Haares ist somit nur die weiche Epidermisschicht, deren Zellen hier in grösserer Menge abgesondert und zu einem Haufen von der Gestalt des Haarknopfes vereinigt liegen, und die sich nach oben in die festere Haarsubstanz, wieder als Analogon der fe- sten Epidermisschicht, fortsetzen und umwandeln. Die innere Wurzelscheide ist die Fortsetzung der festen Epidermisschiebt und gleichfalls auch histologisch ihr gleich gebildet. Auf Longitudinalschnitten sieht man, wie sich die oberflächliche, feste, aus trocknen, abgeplatteten Zellen be- stehende Epidermis in die Mündung der Haarhüllen hinein- senkt. Nachdem sie etwas oberhalb der Einmündungsstelle der Haarbalgdrüsen eine Ausbuchtung, ein Receptaculum für das Drüsensekret, gebildet hat, legt sie sich wieder eng um das Haar herum und behält ihre Struktur bis zur Einmün- dungsstelle besagter Drüsen; daselbst nimmt sie das Ansehen der inneren Wurzelscheide an, geht anfangs schmal, dann et- was breiter werdend abwärls, und endet zuletzt, schmal aus- laufend, am oberen seitlichen Umfang des Haarknopfes, wo sie sich in die gemeinschaftliche Zellenmasse ohne scharfen Absehnilt verliert (Fig. 1. b.). Da man bei den Beobachtun- gen durch den Haarbalg und die äussere Wurzelscheide hin- durch kein klares Bild von dieser inneren Wurzelscheide er- halten kann, beim Ausreissen der Haare dieselbe aber immer wegen ihrer Sprödigkeit verunstaltet wird, so muss man, um ihre Struktur richtig zu erkennen, ein Verfahren anwenden, 304 wobei sich das Haar mit der innern Wurzelscheide leicht und ohne die geringste Anwendung von Gewalt von den übrigen Theilen löst. Dies geschieht durch Maceralion. Hat diese den richtigen Grad erreicht, so lassen sich nicht allein die Haare mit der inneren Wurzelscheide leicht herausheben, sondern es gelingt sogar oft, dass, wenn man die oberfläch- liche Epidermisschicht abzieht, die ganzen inneren Wurzel- scheiden mit den Haaren sich herausheben. Selten hängt von den äusseren Wurzelscheiden noch etwas an; dies erkennt man aber unter dem Mikroskop auf den ersten Blick. Bei einiger Geschicklichkeit lässt sich nun die innere Wurzelscheide von dem Haare abstreifen und isolirt beobachten. Ein solches Prä- parat zeigt sich als eine sehr transparente, aus ovalrundlichen Zellen bestehende Membran, die, wenn unverletzt, ohne Löcher und Spalten ist. Die Zellen haben durchschnittlich 44” Länge und „4, Breite, welche Dimensionen natürlich nach der mehr oder weniger ovalen Form variiren. Das ganze Bild ist sehr zart, aber hinreichend deutlich, um vor Täuschungen zu sichern; es sieht aus wie eine abgestreifte, sehr zarle Schlau- genhant (Fig. 3.). Die innere Wurzelscheide hat, analog der festen Epider- misschicht, eine beträchtliche Rigidilät. Selbst in diesem ma- cerirlen Zustande kann man sie, wenn man sie, zurückgestreift, noch am Haare hängen hat, in horizontaler Richtung halten, ohne dass sie sich biegt oder einknickt, was selbst das Haar in der Gegend über dem Haarknopfe gewöhnlich noch. thut. Dieser Rigidität muss man es zuschreiben, dass sie bei den Manipulalionen und bei jedem Drucke so leicht Risse und Spalten bekommt, welche Henle zur Annahme einer gefen- sterten Haut verleitet haben. Es kann freilich auffallend er- scheinen, dass diese Membran immer in longitudinaler Rich- tung in diese besonderen, gitterförmig zusammenhängenden Balken zerreisst. Dass es aber so ist, davon habe ich mich auf das Bestimmteste überzeugt, indem ich auf Objekte, welche mir die einfache Zellenstruktur in der schönsten Weise zeig- 305 ten, einen Druck anwandte und nach der Modifikation dessel- ben Gitler in jeder beliebigen Grösse der Maschen erzengle. Fig. 2. zeigt ein Objekt, an welchem bei a die Zellen, bei bb die Spallung in maschenförmig zusammenhängende Balken ne- ben einander sich zeigte. Mir scheint übrigens die Erklärung der leichten Entstehung dieser Longitudinalrisse nicht so schwie- rig. Die Rigidilät der Membran bewirkt, dass sie immer hohl liegt; am besten zeigt dies die Einstellung des Focus, wenn man eine ganz isolirte innere Wurzelscheide untersucht. Sie collabirt nie, die Wandungen stehen immer weil aus einander. Jeder Druck wirkt demnach auf sie, wie auf ein Gewölbe. Wird ein solches zu stark belaslet, so reisst es nie nach der Riehtung der Curve; dazu ist kein Grund vorhanden; es reisst der Länge nach. So auch hier. Es entstehen Losgitudinal- spalten, welche sich bei stärkerem Drucke mehr ausdehnen, die dazwischen bleibenden Balken von einander enlfernen und so die künstliche gefensterte Haut erscheinen lassen. “ In den Zellen der inneren Wurzelscheide zeigt sich von Kernresten keine Spur; nur in der untersten Partie, wo die- selbe anfängt sich gegen den Haarknopf hin zuzuspilzen, zei- gen sich die Zellen etwas feinkörnig, weniger transparent und 4 mit Kernen von versehen. » Noch tiefer, in der Nähe or der Endzuspilzung (nach der Profilansicht so bezeichnet) wer- den die Zellen denen der Umgebung, also denen der weichen Epidermisschiehbt, immer ähnlicher und so endet die innere Waurzelseheide ohne bemerkbare Grenzen zwischen den um- gebenden Zellen. Von der Stelle, wo am Haare die Querstrei- ten (Epitheliumschuppen) deutlich sind, bis zur Einmündung der Haarbalgdrüsen, umschliesst die innere Wurzelscheide das Haar genau; olıne mit demselben fest zusammenzuhängen, liegt sie doch so genau an, dass sie regelmässig die Abdrücke der Epitheliumschappen trägt, Unter günstigen Umständen sieht man dies sowohl von der Fläche an isolirten Wurzelscheiden '), 1) Dies Bild hat Veranlassung zu der Meinung gegeben, dass die Möller's Archiv. 1816. 20 306 als aueh in der Profßilansicht, wenn das Objekt sehr transpa- rent und die Schuppenränder ziemlich hervorragend sind. Am besten kann man sieh aber davon überzeugen, wenn man an gelrockneler Haut Quersehnilfle macht und diese aufweicht. Man sieht dann in die eylindrische Höhle von oben hinein und erkennt die Abdrücke der Ränder als feine, parallel er- scheinende Kreislinien auf der inneren Fläche der Wurzel- scheide. Die Beobachtungen über die zellige Siruktur der inneren Wurzelscheide sind nebst den übrigen im Jahre 1842 gemacht. Ich erwähnte derselben zuerst in einer Recension über IIenle’s allgemeine Anatomie‘). Nachher hat sie Krause *), weleher gleichzeitig die Beobachtungen bestätigt halle, genauer milge- theilt. Diesen Aeusserungen hat Henle°) bei Gelegenheit eines Jahresberiehtes widersprochen. Er sagt daselbst: „Kohl- rausch und Krause beschreiben die innere Wurzelscheide, welche ich als eine glashelle, weiche und netzförmig durchbro- ehene Membran schilderte, als eine Lage blasser, länglicher und platter Zellen, welche der Länge nach stark zusammenhän- gen, der Quere nach aber sich dureh Manipulation von einan- der irennen und dann eine Membran mit unregelmässigen Lük- ken darstellen sollen, Dieselbe soll durch Losreissen und Fal- tung die Querstreifen an der Wurzel des Ilaares darstellen. Ich darf behaupten, dass diese Forscher meine innere Wurzel- scheide noch gar nieht gesehen haben. Ich bitte sie, ein mit beiden Wurzelscheiden ausgerissenes Haar mit Essigsäure zu behandeln, die körnige äussere Wurzelscheide, welche dadurch brüchig wird, vorsichtig abzulösen und dann den Focus des Mikroskops auf die erhabenste Stelle des Haares zu richten. Schuppenlage des Haares zuweilen auf der inneren Wurzelscheide liegen bleibe; es sind nur die Abdrücke, wie die Profilansicht in- struktiv lehrt. 1) Göttinger gelehrte Anzeigen. Febr. 1843. 2) Artikel Haut in Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. 3) Canstatt’s Jahresbericht für 1544. p. 14, ” 307 Sie werden alsdann nicht nur die von mir bezeichneten Löcher von runder Form und mit schr regelmässigen scharfen Rän- dern, sondern auch, bei Veränderung des Focus, unter dersel- ben die Querslreifen sehen, die, wie Meyer vollkommen rich- tig angab, von den Rändern dachziegelförmig geschichteler Seküppehen gebildet werden.“ Diese vermeintlichen Berichtigungen können nur einem Missverständnisse von Seiten Ilenle’s zugeschrieben werden, welches zu beseiligen die vorliegende Abhandlung hoffentlich genügen wird. Henle’s innere Wurzelscheide gesehen zu ha- ben, kann ich nicht behaupten; ich habe die Wurzelscheiden der Haare untersucht. Was da innere und äussere Wurzel. scheide sei, sielit selbst der Ungeübteste auf den ersten Blick. Henle schlägt uns eine Untersuchungsmelhode vor, welche ich wegen der trüglichen Resultate, durch die sie Henle irre geleitet halte, verliess, um eine Methode anzuwenden, bei wel- cher man unverleizte innere Wurzelscheiden zu sehen be- kommt. An ausgerissenen Haaren ist die innere Wurzelscheide niemals unverletzt. Darf ich Henle, im Austausch, die oben angegebene Untersuchungsmelhode vorschlagen, so werden sich die Meinungsverschiedenheiten wohl ausgleichen. Uebrigens ist Henle’s Darstellung so abgefasst, als ob wir die Quer- streifen des Haares nicht, wie Meyer sie nachgewiesen hat, als Schuppenränder riehtig würdiglen, sondern von der inne- ren Wurzelscheide ableitelen. Darin hat er, vermuthlich un- absichtlich, uns Unrecht gethan. Hätte er die Angaben auf- merksam verfolgt, so hälte er finden müssen, dass hier von etwas ganz anderm die Rede war. Dass die Querstreifen des Haares von diesen Schuppen herrühren, hatte ich nicht nur in der Recension anerkannt, sondern Krause sagt auch ganz bestimmt (p. 125. oben): theils wandeln sie (die Kernzellen des Blastema pili) sich zu den sehr platten und dünnen Zellen um, welche schuppenartig die Peripherie der Haarwurzel und des Hanrschaftes umgeben und mit ihren, einander deckenden Rändern die feineren Querstreifen desselben bilden. Daraus 20 * 308 ging hervor, dass wir nicht nur das schuppenarlige Haarepi- thelium, sondern auch seine Enlstehungsweise, auf welche ich unten noch weiter zurückkommen werde, kannten. Im Gegen- satze zu diesem spricht nun Krause noch von stärkeren, breiteren und mehr hervorragenden Querslreifen, welche man oft an der inneren Fläche der inneren Wurzeischeide und an der Peripherie der Haarwurzel, letztere nicht selten in der Form von isolirien Fasern einschnürend, erblickt, und deutet diese als Kunstprodukte herrührend von der zerrissenen inneren Waurzelsebeide. Es gilt dies der Erklärung derjenigen Querstreifen an ausgerissenen Haaren,. welche unmöglich von dem Sehuppenepilhelium abgeleitet werden können. Man sieht da nämlieh nicht selten an dem Theile der Haarwurzel, nahe über dem Haarknopfe, wo die feineren Querstreifen noch gar nieht begonnen haben, solche breilere und faserförmige Quer- streifen, ınan sieht den, hier noch weicheren Haarschaft, oft dadurch eingeschnürt. Diese Querstreifen sind den höher hin- auf vorkommenden, in Gestalt und Ansehen, recht ähnlich, und daraus war früher die Meinung entslanden, dass das Haar von Fasern umsponnen wäre, welehe, mit seiner Oberfläche verwachsend, die höher liegenden, feineren Querslreifen dar- stellten. Die Entstehung dieses Irrihums zu erklären, nicht ihn ferner zu unlerslülzen, war die Meinung bei Krause's Darstellung, und man sollte denken, dass dies bei einiger Auf- merksamkeit hinreichend verständlich gewesen wäre. Der Ursprung des Schuppenepitheliums war bisher zwei- felhaft,. Man wusste nicht, ob man ilın von der inneren Wur- zelscheide oder aus einer anderen Quelle ableiten sollte. Ich habe gefunden, dass diese Schuppen einer Zellenlage ihren Ur- sprung verdanken, welche am Haarknopfe senkrecht gegen die kugelige Oberfläche desselben gerichtet sind, höher sich ab- platten und gegen den Haarschaft neigen, bis sie eine ihm fast parallele Richtung gewinnen. Fig. 1. e. giebt eine naturge- treue Ansicht von dieser Zellenlage und ihrem Verlaufe bis zu der Stelle, wo die Schuppen das Bild der deutlichen Quer- D 309 streifen hervorbringen. Dass nicht schon tiefer die Querstrei- fen erscheinen, erkläre ich mir daraus,’ dass die ganze unlere Partie noch weicher ist, was man aus der leichten Einknik- kung und der oft bemerkbaren Einschnürung dieses Theiles des Wurzelschaftes durch die oben berührten Pseudofasern entnehmen kann. Zudem liegen die Zellen näher zusammen, decken sich zum grösseren Theile und sind nicht so abgeplat- tet und verhornt, weshalb auch ein so scharfes Hervortreten oder gar eine Umbiegung der Ränder nicht möglich ist. Wenn sie ein Bild hervorbringen könnten, so würde dies in einer eng zusammenliegenden und parallelen Querstreifung sich dar- stellen, und eine solche habe ich auch oft, wenn auch wegen der Undurchsichtigkeit des Haares undenllich, in dieser Ge- gend gesehen. Die besagte Zellenschicht beginnt unten unvermerkt aus der Zellenmasse, welche der weichen Epidermisschicht ange- hört, und zwar an der Uebergangsstelle zwischen äusserer Wurzelscheide und HHaarpulpa; dann liegt sie dem Haarknopfe unmittelbar an (ich denke, sie ist nur die äusserste Schicht desselben) und lässt die innere Wurzelscheide neben sich nach aussen. Das hier gegebene Bild kann nicht durch künstliche Ma- nipulationen entstanden sein, denn ich habe es zuerst und auch später an Iaaren gesehen, an denen die äussere Wur- zelscheide vollkommen wohlerhalten war und welche, ohne Zusatz irgend eines Reagens, durch einen glücklichen Zufall eine schöne Transparenz halten. An Ilaaren, welche in Folge der Maceration mit wohlerhaltener innerer Wurzelscheide aus- gehoben werden, sieht man dies Bild, wenn man genau auf den Rand einstellt, zuweilen, aber nicht regelmässig. denn es scheint eine längere Einwirkung des Wassers die Deutlichkeit der Zellenschicht sehr zu vermindern; Fssigsäure macht das Bild schr bald unerkennbar. So fallen uns die Mittel, welche man gewöhnlich anwendet, um die Theile durchsichliger zu machen, hier weg, und ich habe auch keine sichere Melhode 310 finden können, diese Partie jedesmal deutlich zu machen. Tränken der Haare mit Feit oder Behandeln mit Terpentinöl gaben mir oft gute Resultate, bewirkten aber nicht immer die gehörige Durchsichtigkeit. Bei Haaren, welche in einer Cyste eines degenerirten Ovarii, die übrigens mit schmalz- artigem Fett gefüllt war, gewachsen waren, sah ich diese Bildung mit ausserordentlicher Deutlichkeit. Ueberhaupt habe ich die Beobachtung so oft bestätigt, dass ich nicht be- zweifle, dass auch andere Forscher sie, bei einiger Ausdauer, bestätigt finden werden. Die einzige Schwierigkeit liegt in der Undurchsichtigkeit der Theile. Denkt man sich den Haarbalg als einen Cutisschlauch, an dessen ganzer Fläche Zellen abgesondert werden, die aber an dem Fundus des Schlauches in reicherem und ra- scherem Wachsthume sieh kugelförmig emporwölben, so hat man darin das Blastem des Haares und seiner Hülle. Die Zellen der cylindrischen Wandung des Schlauches platten sich ab und bilden eine hohleylindrische, feste Epidermis- schicht, die innere Wurzelscheide. Der Zellenklumpen des Fundus wächst in dem mittleren Hohlraume empor und bil- det das Haar. Die äusserste Zellenschicht plattet sich, da, wo sie die innere Wurzelscheide berührt, ab und legt sich in Form von schuppenartigen, gebogenen Platten um den mittleren, eylindrischen Theil. Die übrigen Zellen verlän- gern sich in longitudinaler Riehtung und bilden die eigent- liche Haarsubstanz,. Ueber die Struktur der Rindensubstanz ist man noch nicht einig; ich kann gleichfalls nichts Zuver- lässiges darüber aussagen, da man ohne Anwendung gewalt- samer Mittel keine Zerlegung zu Wege bringen kann und ich, bei Anwendung solcher Mittel, den Resultaten misstraue. Nur so viel will ich bemerken, dass ich bei Behandlung des Haares mit Schwefelsäure und nachherigem Schaben_ regel- mässig Formen erhalten habe, wie sie Fig. 4. a, b,c darge- stellt sind. Es scheinen abgeplattet spindelförmige, an bei- den Seiten zugespitzte Fasern, die aber auch sehr häufig 311 abgebrochen und anderweitig verstümmelt sind. Ihre Länge stellt sich danach verschieden; ich beobachtete sie bis „1,, Länge. Die Breite war gegen die Mitte hin beim Menschen “, bei den Spürhaaren einer neugeborenen Katze een 375 1", Fig. 4.c ist von der Katze, a vom Menschen bei 36% G 200 maliger Vergrösserung; b bei 550 maliger Vergrösserung. Möglich, dass diese Elemente als verlängerte und beiderseits zugespitzte, verhornte Zellen gedeutet werden können. Fer- nere Beobachtungen mögen darüber entscheiden. Ueber die Veränderungen der Wurzelscheiden und des Haarknopfes beim Haarwechsel habe ich eine Anzahl von Beobachtungen bei Eichhörnchen gemacht, die sich in der Herbstmauser befanden. Das Wesentlichste ist Folgendes: Die entstehenden Haare haben eine 2—3 Mal so dicke äus- sere Wurzelscheide, als die ausgewachsenen, und in dem- selben Verhältnisse ist das Haarblastem reich und gross, wodurch der Haarknopf die kugellörmige oder zwiebelartige Beschaffenheit erhält. Auch die innere Wurzelscheide ist nicht nur relativ gegen das Haar, sondern auch absolut et- was dicker, als im ausgewachsenen Zustande. Bei dem ab- sterbenden Haare verhält sich alles umgekehrt. Die äussere Wurzelscheide ist dünner, unkenntlicher, der Haarknopf "ma- ger, oft fast eylindrisch, ohne kenntliche Zellen in derjeni- gen Partie, wo das Blastem ihn auszufüllen pflegt; die in- nere Wurzelscheide trübe, oft nicht von der Umgebung zu unterscheiden. Bei herauspräparirten Haarbälgen sieht man oft das alte Haar zur Seite des neuen, aber, während letz- teres an dem Fundus wurzelt, jenes emporgeschoben, in dem Halse des Haarbalges eingeschlossen und in einem seitlichen Anhange der äusseren Wurzelscheide des neuwachsenden Haares vergraben. So wächst es mit dem neuen Haare em- por, oder wird vielmehr von ihm emporgeschoben, bis es die Oberfläche erreicht und ausfällt. Ueber die gegenseitige Lage beider Haare und das Verhältniss der Wurzelscheiden verschaffte ich mir instruklive Ansichten, indem ich Lippen- 312 haut der besagten Eichhörnchen so weit trocknete, dass sich Querschnittchen machen liessen, welche ich dann aufweichte. Man sieht da das alte Haar oft eckig, kaum kenntlich in der gleichfalls eckig und runzlich gewvordenen inneren Wurzel- scheide, umgeben von äusserer Wurzelscheide, welche mit der des wachsenden Haares zusammenhängt, aber heller und weniger stark ist. Wenn das neue Haar schon etwas dicker und kräftiger ist, findet man das alte oft ganz in einen Win- kel der gemeinsamen äusseren Wurzelscheide zur Seite ge- drängt, ja in einem Falle lag es wie ein Appendix daneben. Die verschiedenen Uebergangsformen, welche ich gesehen habe, machen es mir wahrscheinlich, dass die erste Verän- derung, welche das Ausfällen des Haares einleitet, den Haar- knopf betrifft; er verliert die zwiebelartige Form, wird schlanker, eylindrisch und endlich nach unten conisch. Dann hat seine Ernährung ganz aufgehört, es gehen keine Zellen mehr’ in ihn ein und das Blastem wird zur Bildung eines neuen Haares verwendet. Hieraus wird man sich die ver- schiedenen Formen, welche die Haarwurzel in herauspräpa- rirten Haarbälgen zeigt !), als Altersverschiedenheiten erklä- ren können, Ob bei menschlichen Haaren das alte, abge- storbene vorher ausfällt, ehe das neue gebildet wird, oder ob es auch mit vorgeschoben wird, weiss ich nicht. Bei den Eichhörnchen war das neue Haar oft schon 1 Zoll über der Oberfläche, während das alte noch mit dem Haarbalge, freilich nur im Halse desselben, sass.. Wäre beim Menschen dasselbe Verhältniss das gewöhnliche, so müsste es sich doch wohl dann und wann der Beobachtung darbieten. Ich habe es nie gesehen. 1) Bei ausgerissenen wird die Veränderung meistens durch die mechanische Gewalt bewirkt. 313 Erklärung der Abbildungen. Fig 1. Haar mit seinen Hüllen, 240 Mal vergrössert. a Haarwurzel mit dem Haarknople, dem unteren Theile des Haarschaftes und den Zellen des Blastems. 5 Innere Wurzelscheide. ce Aeussere Wurzelscheide mit ihren Zellen und ihrem Ueber- gange in das Haarblastem. d Haarbalg. e Zellenstraium zur Bildung des Haarepitheliums. Fig. 2. Haar mit zum Theil abgestreifter innerer Wurzelscheide, 138 Mal vergrössert. a Zellenstruktur der inneren Wurzelscheide. 5 Spaltung derselben in maschenlöriige Fasern, c,d Haar. Fig. 3. Isolirte innere Wurzelscheide, 240 Mal vergrüssert. Fig. 4. Elemente des Haares: a,6 vom Menschen, c von der f Ueber die bisher unbekannten typischen Verschieden- heiten der Stimmorgane der Passerinen. Von Jow. MüLLer. Auszug aus dem Monatsbericht der Königl. Akademie der Wissen- schaften zu Berliv, Juni 1845. Cuvier lieferte zuerst eine Untersuchung über das Stimm- organ, den untern Kehlkopf der Singvögel, auf welche man sich bisher immer berufen hat. Die Singvögel besitzen hier- nach den zusammengesetzten sogenannten Singmuskelapparat von 5 Muskeln, welche die beweglichsten Halbringe der Bronchien, den zweiten und dritten vom vordern und hin- tern Umfange aus heben, und ihre Stellung, so wie die Stel- lung des Stimmbandes zum Luftstrome ändern. Cuvier fand diese Muskeln allgemein bei den Sperlingen, Finken, Meisen, Amseln, Drosseln, Ammern, Lerchen, Raben, Krähen, Nusshähern, Elstern, und er erklärte sie allgemein den Pas- serinen zukommend, mit Ausnahme der Cypselus, Caprimul- gus und Coracias, welche jederseits nur einen einfachen Muskel des untern Kehlkopfs besitzen, wie viele nie zu den Passerinen gerechnete Vögel aus den Ordnungen der Acci- pitres, Scansores und Palmipedes. Savart bestätige im Wesentlichen diese Untersuchung, er beschrieb 6 Muskeln, 3 vordere und 3 hintere Paare bei den Raben, Würgern und Staaren, 5 (2 vordere) bei den Drosseln und Lerchen. 315 Nitzsch hat in Naumann’s Vogelwerk bei allen Gattun- gen europäischer Singvögel, die er untersuchen konnte, die Gegenwart des zusammengesetzten Singmuskelapparates an- gezeigt. In seinen verschiedenen ornithologischen Abhand- lungen ging er darauf aus, die Vögel, welche diesen Sing- muskelapparat nicht besitzen, von den Singvögeln oder Pas- serinen auszuscheiden. Er suchte eifrigst nach andern osteo- logischen, splanchnologischen und angiologischen Charakteren der Singvögel. Es sind dabei manche recht interessante Ein- zelheiten und Unterschiede der Vögel zum Vorschein ge- kommen: aber kein einziger dieser Charaktere ist absolut und bei jedem giebt es namhafte Ausnahmen. Viele Vögel, bei denen der Singmuskelapparat vermisst wird, haben den- noch den Gabelfortsatz vorn am Brustbeine und den einfa- . chen Ausschnitt dieses Kuochens, wie Ampelis, Gymnoce- phalus, Rupicola, Pipra, Opetiorhynchus, Thamnophilus, Tyrannus, Elaenia u. a. Diese osteologischen Unterschiede verlieren alle Bedeutung, wie auch unter den Hühnern. Wie es dort Gattungen mit einem Ausschnitt (Crypturus, Hemi- podius) und zwei Ausschnitten giebt, so giebt es unter den Passerinen Vögel mit einem Ausschnitt und mit zweien (Pte- roptochus, Colius), und indem dieser Ausschnitt sich zu ei- nem Loche schliesst (Ampelis), wird das Brustbein in ein- zelnen Fällen bald ganz solid (Trochilus, Cypselus). Als dem Typus der Passerinen fremd, bezeichnete Nitzsch die Gattungen Trochilus, Cypselus, welche mit Hemiprocene seine Familie der Maerochires bilden, ferner die Gattungen Upupa, Buceros, Epimachus, Alcedo, die er zur Familie Lipoglossae vereinte, dann die Gattungen Caprimulgus, Nyctornis, Po- dargus, Coracias, Merops, Galbula, Cuculus, Phoenicophaeus, Coceygius, Centropus, Orotophaga, Seythrops, Leptosoma- tus, Indieator, Trogon, welche die Familie der Cueulinae bilden. Dann folgen die Psittacinen und endlich die Amphi- bolae: Musophaga, Colius, Opisthocomus. Im System der Pierulographie führte Nitzsch seine Classification weiter 316 aus, mit Benutzung der nicht eben sehr fruchtbaren Feder- fluren. Seine Abtheilung Picariae besteht hier aus den Ma- erochires, Caprimulginae, Todidae, Cuculinae, Pieinae, Psit- tacinae, Lipoglossae, Amphibolae. Die verdienstlichen anatomischen Arbeiten von Nitzsch mussten seinen systematischen Ansichten ein grosses Ge- wicht geben, daker haben letztere in Deutschland bei ausge- zeichneten Zoologen Anerkennung und Aufnahme gefunden. Da man die inneren Unterschiede der Singvögel und Pica- riae für feststehend hielt, so waren die Bemühungen meh- rerer Ornithologen darauf gerichtet, äussere Unterschiede dieser Abtheilungen zu finden. Neulich hat Hr. Sundevall einen Unterschied in der Anordnung der Flügeldeckfedern aufgefunden und hiezu benutzt, welcher zur Charakteristik der Familien und Gattungen seinen Werth behalten wird, aber eine allgemeine Evidenz nicht besitzen kann. Die Un- terscheidung der Singvögel und Picariae nach einer von Nitzsch vorausgesetzten durchgreifenden innern Verschie- denheit ist nämlich nach Hrn. Müller’s anatomischen Un- tersuchungen der Stimmorgane u. a, an einer grossen Zahl von Gattungen unhaltbar. Das Stimmorgan der Passerinen ist keineswegs so übereinstimmend gebaut. Die wichtigsten typischen Verschiedenheiten desselben sind bisher unbekannt geblieben. Der Kehlkopf mit einem Muskel, wie er den Pi- cariae eigen sein sollte, dehnt sich über viele unter den Singvögeln figurirende amerikanische Gattungen aus. Dann giebt es andere eigenthümliche zusammengesetztere Kehlkopf- bildungen mit einem oder mehr als einem Muskel, vom so- genannten Singmuskel - Kehlkopf gänzlich abweichend und nach einem andern Princip gebildet. Endlich ist die zusam- mengesetzteste Muskulatur, was die Zahl der Muskeln be- trifft, zwar der sogenannte Singmuskelapparat, aber es giebt eine bei’ weitem muskulösere Form des Stimmorganes, welche zu höchst klangreichen, auch der Modulation fähigen Tönen 317 benutzt wird und doch mit dem Bau des sogenannten Sing- muskelapparates nicht die geringste Aehnlichkeit hat. Nach dem Typus der Picariae Nitzsch mit nur einem dünnen Muskel versehen, und also keine Singvögel, sind die mehrsten Ampelinen von Swainson oder Nitzsch, wie Cephalopterus (nach v. Tsehudi’s Beschreibung) verhalten sich auch Gymnocephalus (G. calvus), Ampelis oder Cotinga (A. pompadora), Rupicola (R. cayana); Gymnocephalus gleicht dem Cephalopterus auch in dem Besitz der Erweite- rung der Luftröhre. Alle diese Vögel haben nur einen ein- zigen sehr dünnen Kehlkopfmuskel, der wie die Verlänge- rung des Seitenmuskels der Luftröhre erscheint. Diese müss- ten naclı den Prineipien von Nitzsch zu den Picariae aus- geschieden werden, so wie schon die Coracias, Upupa, Caprimulgus, Cypselus, Merops, Alcedo, Prionitis, Todus, Buceros aus demselben Grunde ausgeschieden wurden. Die bunt zusammengesetzte Familie der Ampelinen S w. und Nitzsch enthält auch Vögel mit Singmuskelapparat, das sind die Bombyeilla, und dann enthält sie das äusserste, was von muskularer Kehlkopfausbildung unter allen Vögeln vorkömmt, aber nach einem vom Singmuskelapparat ver- schiedenen Model. Das sind die Chasmarhynehus, Eine Elimination der fremdartigen wird aber bei einer andern Abtheilung schon ganz unmöglich. In der Familie der Laniaden, unter den Lanius Cuv. giebt es Vögel mit Singmuskelapparat, das sind die europäischen und afrikani- schen Lanius und die australischen Barita, die südamerika- nischen Formen Thamnophilus Vieill. haben keinen Sing- muskelkehlkopf, sondern nur einen Muskel. Die Unter-Fa- milie der Thamnophilini Sw. wird hiebei nicht bestätigt; denn die Malaconotus Sw. stimmen in Hinsicht des Sing- muskelapparates völlig mit den eigentlichen Lanius, diese Gattung Malaconotus ist überhaupt unsicher, wie so manche andere ohne Anatomie gegründete. Dagegen findet sich der einfache Muskel und der eigenthümliche Kehlkopf der Than- 318 nophilus wieder bei den Myiotheren, welche man an einem anderen Orte aufgestellt hat. Die Opeliorhynchus besitzen den Singmuskelapparat nicht, sie haben jederseitse % Muskeln, ihr eigenthümli- cher Kehlkopf steht dem der Thamnophilus und Myiothera am nächsten. Die Gattung Muscicapa Cuv. bietet noch grössere Ver- schiedenheiten, als die Gattung Lanius Cuv. dar. Den zu- sammengesetzten Singmuskelapparat der europäischen Sing- vögel haben nur die Museicapa im engsten Sinne, europäi- sche und afrikanische Vögel und die afrikanischen Museipeta Sw. und Platystera Jard., Selb. Die amerikanischen Musei- capiden haben nichts vom Singmuskelapparat, sondern nur einen Muskel, welcher diek, wie in den Tyrannus, Elaenia, Platyrhynchus, aber auch sehr dünne sein kann, wie in den Myiobius, Mionectes, Pyrocephalus. Die Pipriden haben keinen Singmuskelapparat, sondern einen bald dickern, bald dünnern einfachen Singmuskel. Mehr als die Hälfte aller untersuchten Gattungen ameri- kanischer Passerinen haben’ nichts vom Singmuskelapparat, der in Amerika in den Familien oder Gattungen der Frin- gilla, Tanagra, Sylvia, Hirando, Cassicus, Turdus, Dolicho- nyx, Sturnella, Nectarinia und ihren Untergallungen wieder erscheint. Auf der anderen Seite complieirt sich die Muskulatur des Kehlkopfs in mehreren der sogenannten Picariae Nitzsch, oder Coceyges Sundevall, in den Colius, noch mehr in den Trochilus und Psittaceus, und selbst die Alcedo, bei de- nen Nitzsch alle Spur eines Muskels vermisst, stehen den Tyrannus in dem breiten, aber einfachen Singmuskel nahe. Der einzige Muskel, der sich in manchen Passerinen Nitzsch’s schon bis nahe dem Verschwinden verdünnt hat, verschwindet völlig in einigen der Picariae, den Prionitis, Trogon, Rhamphastos, Corythaix. 319 Es folgt dann die Beschreibung der neuen Kehlkopf- formen, Stimmorgan der Chasmarhynchus. Dass es sehr flei- schig ist, geht schon aus einer Abbildung der äussern Form von Prinz Max von Wied, vom untern Kehlkopf des Chasmarhynchus nudicollis hervor, welche es zweifelhaft lässt, ob das Organ zum sogenannten Singmuskelapparat ge- höre oder nicht. Bekanntlich zeichnen sich diese Vögel durch ihre klangvolle Stimme aus, Pr. Max vergleicht sie mit dem Ton einer hellen Glocke, sie wird, einzeln ausgestossen, eine Zeitlang ausgehalten, folgt auch öfter kurz hintereinander wiederholt, wie wenn ein Schmied wiederholt auf den Am- boss schlägt. Nach Hrn. Rich. Schomburgk, dessen Be- merkung sich auf Chasmarhynchus caruneulatus bezieht, sind die Töne auch modulirt. Hr. Müller hat das Stimmorgan von beiden Arten untersucht. Von aussen erscheint es als ein zusammenhängender fleischiger Mantel, welcher alle Sei- ten des Kehlkopfes von der vordern bis hintern Mittellinie bedeckt und sich unten selbst noch zwischen die Bronchien und auf den Bügel wirft, und auf dem Bügel zu entspringen fortfährt. Die Hälfte des Bügels ist vorn noch von Fleisch bedeckt. So stellt die den Kehlkopf bedeckende Fleischmasse mit diesem zwei in der Mitte verschmolzene Kugeln dar. Alle Fasern vorn, an den Seiten, hinten haben einen gleichen Verlauf von oben nach unten, eine Trennung in besondere Muskeln ist nicht möglich. Sehr eigenthümlich und ohne Beispiel ist, dass ein grosser und wohl der grösste Theil des Muskelfleisches nicht zur Bewegung der Bronchialhalb- ringe bestimmt ist, sondern sich zwischen dem untern Rande des Kehlkopfes und dem ersten Halbringe in die Schleimhaut inserirt, indem die Muskelfasern, bogenförmig herabsteigend, mit ihren Enden auf die Schleimhaut senkrecht aufgesetzt sind. So entsteht ein muskulöses Labium an der äussern Wand des Stimmorganes beim Eintritt in jeden Bronchus. Das Labium hat 2 Flächen, eine herabsteigende grössere und 320 eine kleinere untere, welche sich gegen den ersten Halbring wendet; an der Kante, wo beide Flächen des Labiums sich begegnen, liegt ein elastischer Streifen, das äussere Stimm- band. Die Muskelmasse des Labiums macht den dicken tie- fern Theil des fleischigen Mantels aus. Der oberflächliche Theil der Muskelfasern macht alle Fleischbündel, die sich zum Labium begeben, unsichtbar und ist zur Bewegung des ersten und zweiten Halbringes der Bronchien bestimmt. Der erste Halbring wird ganz davon eingewickelt, vom zweiten nur das vordere und hintere Ende. Zwischen der oberfläch- lichen und tiefen Schicht des Muskelfleisches ist keine Tren- nung, alles ist ein Muskel. Nahe der vordern und hintern Mittellinie wenden sich die vom Kehlkopf entspringenden Muskelfasern in den Zwischenraum zwischen beide Bronchien, hinten auf einen beweglichen knorpeligen Ausläufer des Kehl- koples, mittelst dessen die Membrana iympaniformis gespannt werden kann, und auf diese Membran selbst. Beim Chas- marhynchus carunculatus läuft von hinten her ein langer Muskelstreil in die Tympanalhaut, von wo aus einige elasti- sche Bündel sich in der Tympanalhaut ausbreiten. Die vor- dere Hälfte des Bügels ist aber von einem eigenen Quermus- kel bedeckt, welcher diese Haut spannt. Ein inneres Stimm- band fehlt dem Ch. caruneulatus, beim Chasmarhynehus nu- dieollis ist es vorhanden und sehr stark und dick, es liegt jederseits neben dem Bügel, und ist hinten an einem knor- peligen Ausläufer des Kehlkopfes zum Ende des ersten Rin- ges, vorn an einem Muskel befestigt, der das Band so um- fasst, wie wenn man mit der ganzen Hand einen Strick an- fasst und anzieht. Diese auf dem Bügel liegende Muskel- schicht kömmt zum Theil von der vordern Fläche des Kehl- kopfs, theils fährt sie fort, vom Bügel zu entspringen, so dass die Fasern sich schief von innen nach auswärts bege- ben. Der Kehlkopf des Ch. nudicollis ist noch muskulöser, als beim Ch. earunculatus. Der Nerve dieser Fleischmassen, Ast des Vagus, ist bei beiden sehr stark. Musculus sterno- 321 trachealis entspringt vorn und hat, wie in vielen andern Passerinen, mit den Seitenmuskeln der Luftröhre keinen Zu- sammenhang. Stimmorgan der Thamnophilus, Myiothera, Opetiorhyn- chus. Diese drei Gattungen besitzen einen Bau des Stimm- organs,. von dem bis jetzt unter den Vögeln kein Beispiel bekannt ist. Nicht die Halbringe der Bronchien sind hier zur Bewegung durch Muskeln und zum Schwingen einge- ' richtet, sondern der schwingende Theil befindet sich an der Tuftröhre selbst. Die festen, breiten, gewöhnlichen Ringe der Luftröhre hören nämlich noch vor der Theilung plötz- lich auf und es folgt ein dünnhäutiges, ebenso langes als - breites Stück der Luftröhre, welches von vorn nach hinten abgeplattet ist und mit einem Luftröhrenringe schiesst, an den sich die Bronchien anschliessen. Der häutige Theil .der Luftröhre enthält 5, 6 oder 7 äusserst zarte Ringe, wie Li- nien erscheinend, sie sind an den Seiten, wo sie unterbro- chen sind, durch ein Längsband festgehaten, also schwin- gende Halbringe der Luftröhre mit schwingender Zwischen- Membran, welche sie verbindet. Der häutige Theil der Luft- röhre wird bei Thamnophilus und Myiothera durch einen Muskel auf jeder Seite verkürzt, welcher vom Ende des fe- sten Theils der Luftröhre zum letzten Luftröhrenring über der Theilung geht. Die Thamnophilus zeichnen sich noch aus, dass der Musculus sternotrachealis 2 Köpfe hat, der eine entspringt vom festen Theil der Luftröhre über dem häutigen Theile, der zweite von dem häutigen Theile selbst, an dem Bande, welches die schwingenden Ringe zusammen- hält, über der Theilung der Luftröhre in die Bronchien. Un- tersucht Thammophilus naevius (Lanius naevius L. Gm.), Thamnophilus guttatus Spix. (Lanius meleager Licht., Doubl. Verz. 491), Thamnophilas eristatus Pr. M, Von der Gattung Myiothera ist untersucht M. margari- tacea Mus. Berol. (nahe stehend dem Thamnophilus gularis Spix.). Beide Gatlungen, von Swainson und Gray ver- Müllers Archiv. 18146. 21 323 stellt, stehen sich innerlich und äusserlich sehr nahe und müssen in eine Familie Thamnophilini oder Myiotherini kom- men, sind aber als Gattungen hinreichend durch die Läufe geschieden, welche bei Thamnophilus auch hinten grosse Tafeln tragen. Die Töpfervögel, Furnari, deren Typus die Gattung Furnarius Vieill., Opetiorhynchus Temm., Figulus Spix. ist, haben auch einen untern, platten, häutigen Theil der Luftröhre mit äusserst feinen schwingenden Ringen, aber der Bau weicht in mehreren wesentlichen Punkten ab und bietet ganz eigenthümliche Verhältnisse dar. Der häutige Theil wird, wo das Seitenband, nicht einfach durch einen Muskel verkürzt, sondern durch 2 Muskeln, und diese befestigen sich nicht an den letzten Luftröhrenring, sondern an einen ganz sonderbaren, langen, frei in die Höhe stehenden, pyramida- len Knochen, einen eigenthümlichen Stimmknochen, dessen Basis auf den letzten Luftröhrenring und ersten Bronchial- halbring aufgesetzt ist und welcher neben dem häutigen Theil der Luftröhre, ohne ihm anzuhängen, frei bis über die häu- tige Luftröhre, in die Höhe reicht. Die Muskeln, welche den schwingenden Theil der Luftröhre verkürzen, befestigen sich an dem vordern und hintern Rand des Stimmknochens, nahe der Basis. Merkwürdig ist noch, dass der Musculus sternotrachealis nicht von der Luftröhre, sondern von dem spitzen Ende des Stimmknochens entspringt. Er hat also auch hier keinen Zusammenhang mit dem langen Seitenmus- kel der Luftröhre. Untersucht Furnarius rufus Vieill. (Tur- dus badius Licht., Doubl, Verz. 441), Furnarius brachyurus Mus. Berol., Cillurus nigrofumosus Caban. bei v. Tschudi in Wiegm. Archiv für Naturg. 1844. (Upucerthia nigrofn- mosa d’Orb.) Stimmorgan der Trochilus, Bei den verschiedenen Un- ter- Gattungen der Trochilus, nämlich Campylopterus, Phae- tornis, Lampornis, Orthorhynchus, Ornismyia, verhält sich das am Hals liegende Stimmorgan auf gleiche Weise. Es 323 besitzt zwei Muskeln. Der erste Halbring der Brouchien ist obortiv klein und zwischen die Enden des zweiten grossen Halbringes und den untern Kehlkopf eingefügt, die Enden des zweiten Halbringes sind am Kehlkopf selbst befestigt, sehr gross und dreieckig ist das hintere Ende, wovon 2 Seiten zur Aufnahme des vom Kehlkopf vorn entspringenden, quer nach aussen und dann bogenförmig nach hinten und unten verlaufenden Muskelfleisches dienen. Von diesem Ende des zweiten Halbringes entspringt ein zweiter Muskel und be- giebt sich in entgegengesetzter Richtung nach vorn und un- ten, indem er sich an die 2 folgenden Ringe, auch den drit- ten, der schon, wie alle folgenden, ein ganzer Ring ist, be- festigt. Die kleine Membrana tympaniformis enthält einen rundlichen Knorpel. Stimmorgan der Colius. Es besitzt einen dieken Sing- muskel und hat das ausgezeichnete, dass der erste Bronchial- ring ein knöchernes, dreieckiges Schild über den zweiten und dritten bildet. An dieses Schild setzt sich der Muskel, welcher aber auch kleinere Fascikel an den vorderen Theil des zweiten und dritten Halbringes abgiebt. Das Stimmband liegt am obern Rande des ersten oder knöchernen Halbringes. Untersucht Colius eapensis und quiriwa Less. Stimmorgan der Pipriden. Die einzelnen Arten der Pi- pra weichen von einander im Bau des Kehlkopfs ab, keine besitzt einen zusammengesetzten Singmuskelapparat. Pipra pareola hat einen dicken, breiten, besonderen Muskel, bei den kurzschwänzigen Pipren, P. auricapilla Licht. und P. leucoeilla erscheint dieser Muskel nicht stärker, als der Sei- tenmuskel der Luftröhre, und bei der letztern ist der Muskel sogar die einfache Fortsetzung des Seitenmuskels der Luft- röhre. Der erste und zweite Ring der Bronchien der leu- eoeilla sind ganze Ringe, der dritte Ring ist sehr gross, knö- ehern, und es fehlt wenig an einem ganzen Ring. An ihm ist das Stimmband befestigt, und er nimmt den Muskel auf, 21” 324 der sich in eine vordere und hintere Hälfte theilt. -Vom dritten Ring an sind alle Ringe Halbringe. Auch bei P. au- ricapilla sind die zwei ersten Ringe ganz, der dritte ist eine breite Knochenplatte, auf welcher sich der Singmuskel be- festigt. Die Bronchien der Pipra pareola sind wieder ab- weichend. Bei keiner der Pipriden findet sich eine Cartilago arytaenoidea in der Membrana tympaniformis, wie sie allge- mein ist bei den amerikanischen Museicapiden. Stimmorgan der Museicapiden der neuen Welt. Es giebt mehrere unter sich abweichende Formen, allen Gattungen gemein ist nur, dass der sogenannte Singmuskelapparat fehlt, und dass höchstens nur ein Muskel vorhanden ist, der sehr dick und breit sein kann, aber bei einigen so klein ist, dass er nur als Verlängerung des Seitenmuskels der Luftröhre er- scheint. Alle haben eine Cartilago arytaenoidea in der Tym- panalhaut und bei den meisten sind einige der ersten Ringe der Bronchien vollständig, so dass sie noch gleichsam die Luftröhre fortsetzen. Eine der unter diesen amerikanischen Museicapiden vorkommenden Formen ist von Audubon ge- sehen, der in seiner Ornithological Biography von den nord- amerikanischen Muscicapa bemerkt, dass sie nur einen star- ken, einfachen Singmuskel hätten. Dieses ist die Form, welche Hr. Müller bei den Tyrannus, Elaenia und Pla- tyrhynchus beobachtet. Der Muskel bildet ein breites Polster, aber alle Fasern sind parallel, der hintere Theil des Kehl- kopfes und der Bronchialringe ist von Muskelfleich unbe- deckt. Bei Tyrannus sulphuratus Cuv. (Saurophagus sul- phuratus Sw.) sind die fünf ersten Bronchialringe fast gar nicht beweglich, die drei ersten sind vollständige Ringe, die Halbringe beginnen mit dem dritten. Der Muskel setzt sich an den vierten und hiniern Theil des fünften Ringes. Mit dem sechsten beginnen die beweglichen Halbringe, zwischen diesem und dem folgenden ist die äussere Membrana tympa- niformis. Eigene Stimmbänder sind nicht vorhanden, Ty- 325 rannus ferox hat nur einen vollständigen Bronchialring, der Muskel setzt sich an den folgenden. Die Cartilago arytae- noidea ist sehr gross und besteht aus einem grossen und kleinen, durch Bändchen verbundenen Knorpel. Elaenia bre- virostris v. Tschudi, Wiegm. Arch. 1844. und Elaenia pa- gana Sund. (Muscieapa pagana Licht., Platyrhynchus pa- ganus Spix.) verhalten sich ähnlich. Die letztere hat kei- nen vollständigen Bronchialring. Ein Platyrhynchus aus Peru hatte 2—3 vollständige Bronchialringe. Eine von den Tyrannus, Elaenia, Platyrhynchus im Stimmorgan gänzlich abweichende Form der Muscicapiden ist eine neue Gattung, ausgezeichnet und leicht erkennbar daran, dass die 3—4 ersten Schwungfedern viel kleiner als die folgenden sind. Bei dieser Gattung Colopterus Cab. mit 2 Arten, welche Hr. Cabanis in der Reise des Hrn. Rich. Schomburgk beschreiben wird, ist der untere Theil der Luftröhre auf die letzten 12 Ringe seitlich zusammengedrückt, und diese 12 Ringe sind hinten gespalten; in diesen Längs- spalt der Luftröhre ist eine knöcherne Leiste eingefügt, welche mit dem Bügel zusammenhängt. Die vier ersten Halbringe sind sehr breit, an den vierten setzt sich der Mus- kel, der in schiefer Richtung von vorn nach hinten und un- ten abfällt und sich unten zuspitzt. Ganz eigenthümlich ist ein besonderer, ansehnlicher, unpaariger Muskel, welcher den comprimirten unteren Theil der Luftröhre vorn verkürzt und bis zum Bügel reicht. Die Gattung Pyrocephalus Gould. (Museicapa coronata Cuv.) zeichnet sich aus, dass die Seitenmuskeln der Luft- röhre sieh unten nach vorn wenden und in eine muskulöse Spitze zusammenlliessen, welche am letzten Luftröhrenring endigt. Die Muskulatur zur Bewegung der Bronchialringe ist hier auf ein äusserstes Minimum redueirt, eine leicht zu übersehende Spur von Muskel geht vom letzten Luftröhren- ring zum vordern Umfang des zweiten Bronchialringer. 326 Bei den Gattungen Myiobius Gray und Mionectes Ca- banis setzt sich der Seitenmuskel der Luftröhre einfach bis auf die Bronchien fort und es sind keine andern Singmus- keln vorhanden. Untersucht Myiobius erythrurus Mus. Berol. und Mioneetes leucocephalus Cab. (Muscicapa leucocephala Temm., Todus leucocephalus Gm.) Auch die amerikanischen Fluvieolinen sind Passerinen mit einfachem Stimmmuskel, ungefähr so, wie bei den Ty- rannus und Elaenia, ihre Seitenmuskeln der Luftröhre endi- gen vorn. Untersucht Fluvicola bieolor (Museicapa bicolor L. Gm., M. albiventris Spix.) und die ebenfalls in diese Familie gehörende Alauda rufa aut. genus Centrophanes Cabanis. Die übrigen Vögel mit einfachen Stimmmuskeln sind schon vorher angeführt. Dazu gehört noch Steatornis, des- sen Stimmorgan im Monatsbericht 1841, Mai, beschrieben ist. Diesem gleicht Crotophaga, dass die Stimme nicht an der Theilung der Luftröhre, sondern viel tiefer, an den Bronchien, entsteht, Crotophaga major hat 8 vollständige erste Ringe der Bronchien, der Muskel setzt sich an den zehnten. Alle neuen Formen der Stimmorgane wurden durch Ab- bildungen erläutert. Die systematischen Consequenzen der anatomischen Un- tersuchung liegen auf der Hand, für jetzt mag es genügen, die allgemeinsten Gesichtspunkte hervorzuheben. Es ist nun als ausgemacht anzusehen, dass die Singvögel von den an- dern Passerinen nicht getrennt werden können. Es giebt nur eine grosse Abtheilung Insessores oder Passerinen, wel- che auch die Syndactyli und selbst die Scansores mit um- fassen muss. Der Kehlkopf der Papageien ist ausserordent- lich viel ausgebildeter, als das Slimmorgan vieler Vögel, die man Singvögel genannt hat. Diese Ordnung der Insessores wird Vögel enthalten mit dem grössten Aufwand von Sing- 327 muskeln, und Vögel, die nichts mehr von Singmuskeln be- sitzen. Das eine geht unmerklich in das andere über. Bei Upupa setzt sich der Seitenmuskel der Luftröhre an den er- sten, wenig beweglichen Halbring der Bronchien, und es ist nur ein kleiner Schritt, dass er gar nicht mehr den Bronchus erreiche, wie bei den Prionitis, Trogon., Rham- phastos, Corythaix. Diesen Vögeln fehlt es gleichwohl nicht an den allgemeinsten Bedingangen der Stimmbildung durch den Besıtz der schwingenden Hautfalten zwischen den be- weglichsten Halbringen. Einzelne haben auch noch andere Elemente, wie die Prionitis eine sehr grosse, am untern Kehlkopf befestigte Cartilago arytaenoidea der Membrana tympaniformis. Einzelne Abiheilungen zeichnen sich aus durch überein- stimmende Kehlkopfbildung in allen Gattungen, so die Syn- daetyli, in andern Abtheilungen treten verschiedene Formen des Kehlkopfs, einfachere und zusammengesetztere auf, so sind unter den Scansores die Psittacus bevortheilt. Ohne Zweifel müssen die Ampelis, Rupicola, Cephalopterus, Gym- nocephalus ihre jetzige Stellung verlassen und den Coracias, Upupa, Alcedo,. Buceros, Prionitis, Merops näher treten, Rupicola ist sogar ein Syndactylus. Aber wir dürfen die Herrschaft des Kellkopfs nicht so weit ausdehnen, dass alle Vögel von übereinstimmender Kehlkopfbildung auch noth- wendig in eine grosse Abtheilung gebracht werden; z. B. alle Vögel mit sogenanntem Singmuskelapparat. Denn dann müsste man die raubsüchtigen Lanius mit den körnerfressen- den Fringillen zusammenbringen. Die Thamnophilus und Myiothera stehen in ihrer ganzen Lebensweise den Lanius näher, als die Fringillen, obgleich sie im Kehlkopf von bei- den abweichen '). Sie sind ohne Zweifel Typus für eine ei- I) Weitere Untersuchungen überzeugen mich, dass die Thamno- philus mit den Lanius gar keine Verwandischalt haben. Diese fal- schen Würger zehören mit anderen siüdamerikanischen Galtungen zu 323 gene Familie, deren übrige Glieder noch zu suchen sind. Die Gattung Cinelus mit Singmuskelapparat von Swainson unter die Myiotherinae gebracht, gehört gewiss nicht dahin. Auch dürften überhaupt die von Swainson und Gray auf- gestellten Familien von Vögeln für nicht mehr als nur vor- läufige und nicht immer glückliche Dispositionen anzusehen sein, und sind die wahren Familien und Unterfamilien der Passerinen mehrentheils erst durch die Anatomie zu entdek- ken. Unter den Muscicapıden, die sich äusserlich alle so ähnlich sehen, muss ınan die Formen der alten und neuen Welt, die sich so strenge im Kehlkopf scheiden, auseinander bringen; man kann die erstern Museicapidae, die letztern Tyrannidae nennen, aber das sind nicht die Museicapinae und Tyranninae von Swainson und Gray, hier sind diese Vögel vielmehr verstellt. Swainson brachte die Tyrannus und Consorten von den amerikanischen Muscicapiden, dage- gen die afrikanischen Museicapiden mit amerikanischen in seinen Muscicapinae zusammen, welches gegen die jetzt klar vorliegenden innern Verwandischaften ist. Alle untersuchten Gattungen europäischer und afrikanischer Museicapiden ha- ben den zusammengesetzten Singmuskelapparat. Untersucht Museicapa atricapilla L., Museicapa grisola L. (Europa). Muscicapa atronitens Mus. Berol. (Africa, Mozambique), Museipeta paradisi Sw. Platystera suceineta Mus. Berol. (Africa). Alle untersuchten Gattungen amerikanischer Musci- capiden halten nichts vom Singmuskelapparat. Untersucht die Gattungen Tyrannus Cuv., oder näher noch Sauropha- gus Sw., Tyrannula Sw., Platyrhynehus S w., Pyrocepha- lus Gould, Mioneetes Cabanis, Myiobius Gray, Co- lopterus Cabanis. Die mit einem Singmuskelapparat ver- sehene Gattung Culicivora Sw. (untersucht Sylvia [Culici- sammen, die man Iheils unter die Fliegenlänger, theils unter die Drosseln, theils unter die Baumläuler, theils selbst zu den Zaunkö- nigen gebracht hat. Siehe den Nachtrag. (Zusatz. 329 vora] bivittata Mus. Berol.) würde eine Ausnahme machen, wenn diese Gattung zu den Muscicapinae gehörte, wohin sie Gray bringt. Aber Culieivora ‚scheint eben deshalb mit mehr Grund von Swainson unter die Sylvianae gestellt zu sein. Die Hirundo und Cypselus verhalten sich im Kehlkopf zu einander ungefähr wie die Museicapiden der alten zu de- nen der neuen Welt. Vereinigt dürfen sie nicht werden in eine Familie, aber sie stehen sich nicht mehr so fern, als da man sie selbst in verschiedene Ordnungen bringen durfte. Ganz ebenso verhalten sich die Nectarinia zu den Trochilus, die Fringillen zu den Colius. Was die Verbreitung der Kehlkopfformen betrifft, so sind die verbreitetsten der sogenannte Singmuskelapparat und die Form mit einem einzigen dickern oder dünnern Muskel. In Europa und Afrika ist die erstere Form die herrschende, der letzteren gehören in der alten Welt an: Alcedo, Colius, Coracias, Eurystomus, Caprimulgus, Cypselus, Upupa, Me- rops, Buceros, Pieus, Yunx, Cuculus, Centropus, Malcoha, Pogonias. Von afrikanischen Formen mit Singmuskelapparat sind untersucht: Malaconotus Sw., Dryoscopus Boie, Di- erurus Vieill., Lamprotornis Temm., Ixos T., Petrocossy- phus Boie, Crateropus Sw., Campephaga Vieill., Gracula Cuv., Museipeta Sw., Platystera Jard., Selb., Zosterops Horsf. Vig., Textor T., Ploceus Cuv., Amadina Sw., Crithagra Sw., Estrelda Sw., Macronyx Sw., Euplectes Sw.. Cinnyris Cuv., Philedon Cuv. In der neuen Welt sind die einfachen Formen über die complieirten herrschend, daher die Erfahrung abzuleiten, dass die Wälder Amerika’s viel mehr von Geschrei, als Gesang wiederhallen. Das Nä- here wird sieh ergeben aus den Tabellen über alle unter- suchten Arten, welche die ausführliche Abhandlung begleiten. Ganz eigenthümliche Kehlkopfformen von geringer Ver- breitung sind der Kehlkopf der Psiltacinen, der Thamnophi- lus, Opetiorhynchus, der Trochilus, der Chasmarhynchus, 330 die auch grössten Theils auf die neue Welt kommen. Die Psittacus, Alcedo, Hirundo, Cypselus, Caprimulgus, Picus, Cuculus, Fringilla, Sylvia, Turdus, Nectarinia verhalten sich in der neuen und alten Welt in der jeder Gattung zukom- menden Weise übereinstimmend. Das benutzte Material von Vögeln in Weingeist beläuft sich auf einige hundert Arten von Passerinen, die zu bei- läufig hundert Gattungen oder Untergattungen gehören. Die australischen Passerinen fehlen meist uoch. Die amerikani- schen Formen rühren von den Reisen der Herren v. Olfers, Sello, Deppe, Rich. Schomburgk, v. Winterfeld, die afrikanischen von den Reisen der Herren Krebs und Peters her, Vieles ist durch Ankäufe erworben, und seit lange wird in dieser Richtung gesammelt, da die ganzen und unverschnittenen Thiere in Weingeist für die Zukunft der Wissenschaft von viel grösserer Bedeutung sind, als anatomische Präparate von einzelnen Theilen. Möchte doch unter den Sammlern auch die Ueberzeugung sich verbreiten, dass Vogelbälge ohne Aufbewahrung entsprechender Exem- plare in Weigeist jetzt wenig belehrend sind und dass letz- tere einen grössern Werth haben, als erstere. Die Bestimmung der zu zergliedernden Vögel musste für den Zweck der Arbeit eine zuverlässig sichere sein, sowohl in Beziehung auf Art, als Untergattung und Synonymie. Der Verfasser durfte sich hierbei nieht auf eigene ornithologische Kenntnisse und Studien verlassen, vielmehr sind die Wein- geistexemplare durch einen erfahrenen Ornithologen von Fach, Hrn. Cabanis, Gehülfen beim zoologischen Museum mit den in der zool. Sammlung aufgestellten, trocknen Vögeln, ver- glichen und bestimmt worden, von welchem auch die Be- schreibung neuer Vögel zu der Reise von Rich. Schom- burgk zu erwarten ist. 331 Nachtrag. Seit der letzten Mittheilung sind noch viele Gattungen amerikanischer Passerinen untersucht. Monatsbericht der Akademie der Wissenschaften 1846, Mai. Unter denjenigen mit Singmuskelapparat, deren specielle Angabe ich für die ausführliche Abhandlung verspare, ist die Gattung Cy- elorhis von Interesse, weil sie allein in Südamerika die La- nius repräsentirt. Neu untersuchte Gattungen aus Ame- rika ohne Singmuskelapparat sind: Calyptura, Jodopleura, Orchilus Cab., Todirostrum, Seytalopus, Phibalura, Psa- ris, Pachyrhamphus, Tinactor, Anabates, Synallaxis, Xe- - nops, Dendrocolaptes, Chamaeza und Conopophaga. Die verwandten Gattungen Psaris und Pachyrhamphus lassen sich am Kehlkopf unterscheiden. Psaris hat, wie Phiba- lura, Todirostrum, die Verlängerung des Seitenmuskels der Luftröhre auf den Bronchus. Pachyrhamphus hat einen be- sonderen Kehlkopfmuskel und die Seitenmuskeln der Luft- röhre enden vorn in eine Spitze. Zum Kehlkopf der Colopterus mit hinterer Spalte der Luftröhre hat sich eine ähnliche Form gefunden bei Todus megacephalus Sw. genus Orchilus Cab. Die Gattungen Tinactor, Anabates, Syuallaxis, Xenops, Dendrocolaptes, Chamaeza, Scytalopus und Conopophaga sind sämmtlich Luftröhrenkehler, näm- lich ihr Stimmorgan verhält sich wie bei Thamnophilus, Myiothera, Furnarius, Upucerthia, welche mit jenen zusam- men eine besondere Familie Tracheophoni bilden. Das Stimmorgan der Anabates, Synallaxis, Xenops, Tinactor, Dendrocolaptes gleicht genau dem der Furnarius; Dendroco- laptes hat eigene Muskelfortsätze an den Stimmknochen wie zwei Handhaben, bei Chamaeza und Seytalopus verschmelzen die doppelten Muskeln jeder Seite in einen einzigen und der Stimmknochen ist knorpelig. Das Organ der Conopophaga steht in der Mitte zwischen Thamnophilus und Chamaeza, besitzt aber gar keine eigenen Muskeln ausser den Sternotra- 332 cheales. Bei Synallaxis ruficauda Sp. fehlen die Halbringe in der schwingenden Haut der Luftröhre. Unter den neuen Sendungen waren die Materialien, mit denen mich mein Freund Eschricht gütigst unter- “ stützte, für die weitere Entwickelung des Gegenstandes vor züglich ergiebig. Ich ersuche diejenigen, welche im Besitze von ausländischen Vögeln in Weingeist sind, mich in die- ser Materie weiter zu unterstützen und der gleichen För- derung in ähnlichen Fällen von meiner Seite gewiss zu sein. Es handelt sich dermalen weniger um amerikanische Vögel, von denen nur wenige Gattungen fehlen, desto mehr werden aber ostindische und australische Singvögel in Weingeist willkommen sein. Vorläufige Bemerkungen betreffend die Entwickelung der Schildkröten. Von Heinrich RATHkE. Seit 9 Jahren bin ich bemüht gewesen, Materialien zu einer Entwickelungsgeschichte der Schildkröten zu sammeln, und gedenke jetzt nach einiger Zeit die Ausbeute, die ich dabei gewonnen, bekannt zu machen. Es ist mir geglückt, von Emys europaea eine beträchtliche Anzahl frischer Eier zu er- halten, an denen ich die Entwickelung des Embryos von seinem ersten Entstehen bis zu der Periode hin, da sich an den Beinen bald die Zehen bemerklich gemacht haben wür- den, verfolgen konnte. Für die Erkenntniss späterer Ent- wickelungsvorgänge aber habe ich 2 fast reife Embryonen von Chelonia und Testudo, so wie 8 junge verschiedene andere Schildkröten (Chelonia Mydas, Sphargis coriacea, Trionyx gangeticus, Tr. ocellatus, Emys europaea, Cinoster- num scorpioides, Cin. pensylvanieum und Platemys Spixiı) untersuchen können, Die Entwickelung des Embryos geht einige Zeit ganz nach dem allgemeinern Bildungstypus der höheren Wirbel- thiere vor sich. Namentlich ist das Lagerungsverhältniss der Bauchplätten zu den Rückenplatten und dem Rückenmarke auch bei ihm weder anfänglich, noch später ein anderes, als bei den höheren Wirbelthieren. Auf einem Irrthum also, 334 der übrigens sehr leicht durch den Umstand herbeigeführt werden könnte, dass der Embryo von Emys europaea an- fangs ungewöhnlich fest an dem sehr zähen Dotter haftet, beruht die Angabe von Baer’s, dass bei sehr jungen Em- bryonen dieses Thieres die Bauchplalten an den Rückenplat- ten da ansitzen, wo diese sich nach oben vereinigt haben, um die Rückenfurche zu schliessen, der Rücken also bei ih- nen sehr tief liegt"). Und ebenso wenig hat sich die Ver- muthung meines verehrten Freundes bestätigen lassen, dass bei den Schildkröten .,die Grundlage für die Extremitäten sich nicht von der oberen (oder äussern) Fläche der Bauch- und Rückenplatten ablöst, wie in andern Wirbelthieren, son- dern von der untern (innern) Fläche.“ Vielmehr habe ich bei jüngern Embryonen von Emys die Extremitäten immer ganz so, wie bei den Embryonen von Säugethieren, Vögeln und Eidechsen äusserlich am Leibe und an denselben Stellen abgelagert gefunden. Wenn an den Embryonen von Emys europaea die Glied- massen sich insoweit entwickelt haben, dass sehr bald die Zehen hätten zum Vorschein kommen müssen, Rippen aber noch nicht entstanden sind, besitzen dieselben eine auffallend grosse Aehnlichkeit mit sehr jungen Embryonen von Eidech- sen und Säugethieren. Insbesondere ist ihr Rumpf dann ebenso wenig, wie bei jenen, von oben und unten abgeplat- tet, noch im Verhältniss zu seiner Länge gar besonders breit. Auch geht bei ihnen dann der Rückentheil des Rumpfes ganz unmerklich, also weder mit einer Kante, noch mit einem saumartigen Vorsprunge, wie es bei den erwachsenen Schild- kröten der Fall ist, in den Nacken, die Seitentheile des Rumpfes und den Schwanz über. Von diesen jungen Em- bryonen nun ausgehend und die Ergebnisse benutzend, die ich bei den Untersuchungen noch anderer‘ in der Entwick- lung begriffener Schildkröten erhalten habe, will ich jetzt 1) Müller’s Archiv, Jahrgang von 1834, S, 544—550. 335 vorläufig eine Uebersicht davon geben, wie sich bei den Schildkröten überhaupt die Entwicklung ihres Rumpfes im Allgemeinen verhält. Nachdem bei den Embryonen die Gliedmassen in ihrer Entwickelung schon einige Fortschritte gemacht haben, plat- tet sich der Rumpf von der Rückenseite und der Bauchseite, je nach den verschiedenen Arten der Schildkröten, allmählig mehr oder weniger ab, und es wachsen aus allen 12 oder 13 Wirbeln des Rumpfes zwei seitliche Fortsätze hervor. Von diesen nehmen die meisten, zu den 8 mittleren Rippen- paaren sich ausbildend, in kurzer Zeit ansehnlich an Länge zu, krümmen sich aber dabei im Allgemeinen nur wenig, und richten sich daher mit ihren Enden mehr nach aussen, als nach unten hin. So geschieht es denn, dass bei dem raschen und bedeutenden Wachsthum dieser Rippen in die Länge die Wandung des Rumpfes jederseits, wo sich die nach aussen gerichteten Enden der Rippen befinden, stark hervorgetrieben wird, der Rumpf also von den Vorderbeinen bis zu den Hinterbeinen, von denen die ersteren an dem vordern, die letzteren an dem hintern Ende desselben liegen, eine erhebliche Breite erhält Merkwürdig und den Schild- kröten eigenthümlich ist dabei noch der Umstand, dass von denjenigen Rippen, welche sich durch ihr Wachsthum in die Länge auszeichnen, die beiden hintersten, oder überhaupt das neunte und achte Paar sich auffallend stark nach hinten richten, hingegen die Rippen des zweiten Paares bei man- chen, obgleich nicht bei allen Schildkröten eine ziemlich starke Richtung nach vorn annehmen. Demnächst schlägt die Hautbedeckung jederseits, wo sich in der Rumpfwan- dung die äussern Enden der stark verlängerten (der zweiten bis achten) Rippen befinden, eine Falte. Diese aber setzt sich, indem sie auch an Länge zunimmt, vorn über das Vor- derbein hinweg nach dem Nacken und hinten über das Hin- terbein hinweg nach dem Schwanze fort, bis endlich beide Falten über dem Nacken und der Schwanzwurzel zusam- 336 menstossen, in einander übergehen, und eine einzige kreis- förmige Falte zusammensetzen, die nun den Rücken von den Seiten des Rumpfes abgrenzt. Bei manchen Schildkröten, wie namentlich bei den Seeschildkröten, nimmt diese Falte im Laufe der Entwickelung nur mässig an Breite zu, bei andern dagegen, besonders bei denen aus der Gattung Trio nyx, sehr bedeutend, zumal in ihrem hinteren oder über dem Schwanze liegenden Theile. — Weit später, als die so eben angegebene Hautfalte entstanden ist, nämlich erst nachdem der Embryo das Ei verlassen hat, nehmen’ diejenigen Rippen, welche sich schon früher durch ihre Länge auszeichneten, bis zu jener Zeit aber sämmtlich oder fast sämmtlich eine Cylinderform hatten, auch auffallend an Breite zu. Und die- ses ihr Wachsthum in die Breite geht von der Grenze, wo ihr Hals und Körper zusammenstossen, aus, schreitet von da mehr oder weniger weit gegen ihr äusseres Ende fort, und ist so bedeutend, dass jederseits die Körper aller dieser Rippen bei einem gänzlichen Mangel an Intercostalmuskeln entweder ihrer ganzen Länge nach (so z. B. in den Gattun- gen Emys, Terrapene, Testudo, Trionyx) oder doch in ihrer grösseren Hälfte (wie in der Gattung Chelonia) zu einer ge- genseitigen Berührung und Verbindung gelangen, die Inter- costalnerven aber und einige Gefässe, die ursprünglich zwi- schen ihnen lagen, unter sie zu liegen kommen. Dagegen bleiben die vorderste und hinterste Rippe nicht bloss in ih- rem Wachsthum in die Länge hinter den übrigen sehr zu- rück, sondern bleiben auch für immer nur sehr schmal und sehr dünn, Auch kommen sie wegen ihrer geringen Vergrös- serung mit den benachbarten Rippen in ganz andere Verbin- dungen, als die zwischen ihnen liegenden untereinander; denn indem diese letzteren bedeutend an Breite zunehmen, wächst die zweite über die vorderste und die vorletzte über die hin- terste so herüber, dass sie dieselben mehr oder weniger vollständig bedecken. — Etwas später, als die 8 mittleren Rippen einer jeden Seitenhälfte angefangen haben, sich in LE EEE 337 die Breite auszudehnen, sendet eine jede von ihnen in der Nähe der Wirbelsäule nach oben einen Ast aus, der über die wenigen und nur dünnen Rückenmuskeln — die beiden auf den Rippenhälsen nach der ganzen Länge des Rumpfes verlaufenden Musculi sacrospinales — herüberwächst, sich mit dem Dornfortsatze des Wirbels, zu welchem die Rippe gehört, verbindet, und endlich eine eben so grosse Breite erhält, wie der Körper seiner Rippe selbst. Dornfortsätze entstehen schon während des Fruchtle- bens auf dem Bogen des zweiten bis achten Rumpfwirbels. Sie erlangen aber eine nur geringe Höhe, wachsen dagegen, nachdem sie zu verknöchern angefangen haben, wider die Regel, die für die Wirbelthiere im Allgemeinen gilt, so in die Breite, dass sie zuletzt eine Reihe horizontaler und ziem- lich grosser Tafeln darstellen. Die Meinung, dass diese Ta- feln unabhängig von der Wirbelsäule in oder unter der Haut entständen, später aber sich mit den Wirbelbeinen vereinig- ten, und dass die merkwürdige Breite der 8 miltleren Rip- penpaare ebenfalls nur dadurch bewirkt würde, dass über ihnen enstandene Knochentafeln sich an sie anlegten und mit ihnen verwüchsen, kann ich nicht für eine richtige ausgeben, vielmehr sind die Ergebnisse meiner Untersuchungen wider sie ausgefallen. Indem die Körper der ächt mittleren Rippenpaare die von ihnen ausgesendeten und nur den Schildkröten eigen- ihümlichen Aeste, oder obern Schenkel, und die Dornforl- sütze derjenigen Wirbel, zu welchen jene Rippenpaare ge- hören, sich immer mehr in die Breite ausdehnen, bis endlich ihre einander zugekehrten Ränder sich berühren und anein- ander legen, wird von allen so eben genannten Theilen des innern Skelettes eine aus vielen Stücken zusammengeselzle Knochentafel gebildet, welche die Eingeweide des Rumpfes wie ein Schild von oben bedeckt. Um aber dieses schon ansehnlich grosse Schild noch zu vergrössern und zu ergän- zen, schliessen sich an dasselbe noeh andere Knochenplatten Mäller's Archir. 1846. 22 338 an, die am Rücken ganz unabhängig von der Wirbelsäule und deren Ausstrahlungen in einer Schicht sehr diehten und festen Unterhaut-Bindegewebes entstehen, und deshalb dem äussern Skelette oder dem sogenannten Hautskelette der Thiere beigezählt werden müssen. Ihre Zahl ist verschieden bei den verschiedenen Arten der Schildkröten. Nur eine solche Platte bildet sich in der Gattung Trionyx, und zwar dicht vor den Wirbeln des Rückens im Nacken. Zwar bil- den sich in dem hinteren Theile des Saumes des Rücken- schildes auch bei einigen Arten von Trionyx mehrere Plat- ten, bleiben aber knorplig. ‘Bei den meisten Schildkröten aber bilden sich, ausser einer solchen und immer beträcht- lich grossen Nackenplatte, noch viele kleinere Platten unter der Haut. Und zwar entstehen einige wenige von ihnen über den hintersten Rückenwirkeln und den Kreuzbeinwir- beln, die übrigen in dem hintern Theile und den Seitenthei- len der ringförmigen Hautfalte des Körpers, indess der vor- derste Theil dieser Falte meistens von der vorderen Hälfte der Nackenplatte, die in sie allmählig hineinwächst, ausge- füllt wird. Nachdem sich der Rumpf der Embryone an seiner Bauch- seite abgeplattet hat, entstehen auch an dieser Seile zwischen der Hautbedeckung und den Muskeln in der Schicht eines dichten und festen Bindegewebes, welche diese verschiede- nen Theile unter einander vereinigt, einige Knorpelstücke, aus denen sich das Bauchschild entwiekeln soll. Wann sie sich zu bilden beginnen, hat sich noch nicht bestimmt er- mitteln lassen: die nur geringe Entwickelung aber, die das Bauchschild bei reiferen Embryonen und den unlängst erst aus dem Ei ausgeschlüpften Jungen erlangt hat, lässt ver- muthen, dass dasselbe erst nach der Mitte des Eilebens und überhaupt verhältnissmässig später, als etwa das Brustbein der Vögel und Säugethiere, seine Entstehung nimmt. Die Knorpelstücke selbst, die als die ersten Grundlagen des Bauch- schildes erscheinen, sind der Mehrzahl nach ursprünglich a Fa a 339 sehr schmale und dünne einfache Streifen und kommen in zwei Paaren vor. Das eine Paar liegt vor, das andere hin- ter der Nabelöffnung, und zwischen beiden Paaren befindet sich noch zu der Zeit, da die Embryonen das Ei verlassen, ein sehr ansehnlicher Zwischenraum. Ausserdem aber bildet sich ein unpaariges oder fünftes Knorpelstück, das eine kleine Platte darstellt, entweder ganz allgemein oder doch bei fast allen Schildkröten (mit Ausnahme nämlich‘ von Sphargis?) zwischen den vorderen Enden der beiden vorde- ren paarigen Knorpelstücke. Später entwickeln sich darauf in diesen verschiedenen Knorpeln weit mehrere Knochen- stücke: denn ihre Zahl beträgt in der Regel oder vielleicht immer neun. -Die relative Grösse aber, die sie bei den ver- schiedenen Arten der Schildkröten erlangen, ist sehr ver- schieden. Denn entweder wachsen sie sämmtlich in so ho- hem Grade einander entgegen, dass sie mit ihren einander zugekehrten Rändern allenthalben zusammenstossen und zu- letzt ein vollständig geschlossenes Schild zusammensetzen; oder es ist ihr Wachsthum gegen einander hin beschränkter, so dass sie zuletzt ein in der Mitte offenes Schild, oder auch, wie wahrscheinlich bei der Sphargis, nur einen schmalen Ring zusammensetzen. Ausserdem ist die Entwickelung des Bauchschildes auch noch insofern verschieden, als es bei ei- nigen Arten der Schildkröten einen verhällnissmässig weit grösseren Umfang und insbesondere eine viel grössere Länge erhält, bei einigen nämlich bis unter den Hals und Schwanz reicht, und unter ihnen, nur von der Haut bekleidet, eine Strecke vorspringt, bei anderen hingegen keine solche Vor- sprünge bemerken lässt. Vermuthlich hängt diese Verschie- denheit damit zusammen, ob sich an der Bauchseite des Leibes schon vorher unter und vor den Vorderbeinen, so wie unter und hinter den Hinterbeinen aus der Hautbedek- kung eine Querfalte, in welche das Bauchschild bei seiner Vergrösserung hineinwachsen konnte, gebildet hatte oder nieht, indem nur bei denjenigen Arten der Schildkröten, bei Ar 340 welchen die angegebenen Vorsprünge des Bauchschildes ent- stehen, vorher wohl immer erst dergleichen Falten gebildet waren. Darauf deutet insbesondere der Bau der Schildkrö- ten aus der Gattung Trionyx hin, bei welehen solche Hautfalten zwar vorkommen, doch nieht von Theilen des Bauchschildes, das sich hier überhaupt nur unvollständig ausbildet, ausgefüllt werden. Ganz eigenthümlich und nicht wenig merkwürdig ist bei den Schildkröten das Verhältniss, in welches zu einander die Knochen des Rumpfes und das an diesem in einer ziem- lich dicken Schicht ausgebreitete, sehr feste und gewöhnlich für Knorpel ausgegebene Unterhaut-Bindegewebe gerathen. Alle diejenigen Knochenstücke des Rumpfes, welche an die erwähnte Schicht dicht angrenzen — nämlich die Dornfort- sätze des zweiten bis achten Rumpfwirbels, die acht mittlern Rippenpaare, die Ergänzungsplatten des Rückenschildes und meistens auch sämmtliche Stücke des Bauchschildes — ver- lieren an ihrer nach aussen gekehrten Fläche durch Re- sorption die Beinhaut, und kommen dann mit dem Unter- haut-Bindegewvrebe in unmittelbare Berührung. Dies geschieht nach der Zeit, da der Embryo das Ei verlassen hat, und zwar namentlich an den Rippen in der Weise, dass die Beinhaut von dem obern (den Wirbelbeinen nähern) Ende derselben ganz allmählig gegen das untere Ende hin ver- sehwindet, doch bei den Seeschildkröten nicht bis an das letztere Ende selbst, sondern nur bis an denjenigen Theil der Rippenkörper, welcher niemals bedeutend in die Breite wächst. So wie aber die Knochensubstanz jener verschie- denen Skelettstücke mit dem Unterhaut-Bindegewebe in un- mittelbare Berührung gekommen ist, entstehen in ihr gegen dieses Gewebe hin viele mehr oder weniger grosse Mark- zellen, die nach aussen anfänglich jedenfalls offen sind und deren Zahl allmählig sehr bedeutend zunimmt, so dass die genannten Skelettstücke, indem sie immer dieker werden, zugleich auch eine sehr schwrammige Beschaffenheit erhalten, 34 obgleich freilich bei den verschiedenen Arten der Schildkrö- ten in einem sehr verschiedenen Grade. Was indess ihre Markzellen ausfüllt, ist nicht, wie bei den höheren Wirbel- thieren in den Knochen überhaupt, und wie selbst bei den Schildkröten in den weiter von der Hautbedeckung entfernt liegenden Knochenstücken, hauptsächlich Fett, sondern das Unterhaut-Bindegewebe. Denn dieses dringt in sie durch die Oeffnungen der Markzellen, gleichsam lauter sehr zarte Wurzeln aussendend, allmählig hinein, und häuft sich dann in»ihnen, je mehr sie an Dicke zunehmen, immer mehr und mehr an. Dabei aber nimmt die aus ihm bestehende Schieht, welche zwischen den Knochen und der Haut liegt, an Dicke nicht bloss relativ, sondern theilweise auch abso- lut immer mehr ab, so dass sie bei manchen Schildkröten, z.B. bei Emys europaea, in späterer Lebenszeit am Rücken und Bauchschilde sogar ganz zu fehlen scheint. Sieht man das Bauchschild der Chelonier, wie es ge- wöhnlich der Fall gewesen, für eine Abtheilung des Nerven- skelettes und für gleichbedeutend mit dem Brustbein anderer Wirbelthiere an, so kann man nieht umhin, auch anzuneh- ınen, dass bei ihnen das Schultergerüste und das Becken eine Lage haben, die dem Typus aller derjenigen übrigen Wirbelthiere, welche dergleichen Körpertheile besitzen, ganz zuwiderläuft. Und diese Lage würde von der Art sein, dass sie bei unserer Kenntniss von der Entwickelung der Thiere völlig unerklärlich wäre. Es lässt sich indess, wie ich glaube, aus mehreren Umständen überzeugend darthun, dass das Bauchschild nur eine Abtheilung des Hautskelettes ist, und deshalb in seiner anatomischen Bedeutung mit dem Brustbein anderer Thiere Nichts gemein hat. Ist dies aber der Fall, «o lässt sich die Lage des Schultergerüstes und des Beckens erwachsener Schildkröten auf Verhältnisse zurück- führen, wie sie auch bei andern Thieren vorkommen. Beide Gerüste bielgn dann in Hinsicht ihrer Lagerung gar nichts Befremdende® mehr dar, sondern nur einige Eigenthünlich- 342 keiten, die in der besonderen Entwickelung der Rückenwand des Leibes ihren Grund haben. Was nun zuvörderst die Lage der Schulterblätter anbelangt, so befinden sich diese bei den reifern Embryonen und den Jungen der Schildkrö- ten vor den Rippen, und es ist die grösste Wahrscheinlich- keit dafür, dass ihnen eine solche Lage weit nach vorn schon früher zukommt, als die Rippen in ihrer Entwicke- lung erhebliehe Fortschritte gemacht haben, sie also nicht etwa nur erst bei dem übermässigen Wachsthum des Rum- pfes in die Breite durch die Rippen nach vorn hingeschoben werden. Denn das vorderste Rippenpaar, dicht vor welchem sie bei reifern Embryonen und bei den Jungen gefunden worden, zeichnet sich nicht durch eine ansehnliche Länge und Stärke aus, sondern ist gegentheils auffallend kurz und dünn, so dass es auf eine Ortsveränderung der Schulterblät- ter wohl keinen Einfluss äussern konnte. Zudem haben auch bei manchen Fischen, bei einigen Sauriern, z. B. Tili- gua seincoides, und sogar bei einem Säugeihiere, dem Or- nilhorhynchus, die Schulterblätter eine eben solche Lage vor den Rippen. Ferner liegt bei Didelphys virginiana, wenn auch nicht das ganze Schulterblatt, so doch der un- tere Theil desselben mit dem Schultergelenke vor den Rip- pen, und es ist daher wahrscheinlich, dass auch bei diesem Thiere, wenigstens in einer früheren Entwickelungszeit, das ganze Schulterblatt, ehe es sich schräg gestellt und eine be- trächtliche Breite erlangt hat, vor den Rippen liegt. Bei anderen Säugethieren aber liegen die Schulterblätter, wenn- gleich niemals ebenso weit nach vorn, wie bei den Schild- kröten und dem Schnabelthier, so doch in frühester Ent- wickelungszeit weit mehr nach vorn, als späterhin. Na- mentlich bedeckt bei dem Schweine, wenn das Vorderbein unlängst entstanden ist, seine ganze Masse nur erst die bei- den vordersten Rippen seiner Seite: das Schulterblatt aber bedeckt, wenn es schon als ein besonderer Theil erkannt werden kann, anfänglich fast nur die vorders®® Rippe, in- 343 dess es bei den erwachsenen Schweinen von der vordersten bis zu der siebenten Rippe hinreicht. Ferner verhalten sich die Schulterblätter auch in ihrer Richtung bei den Schild- kröten nicht gerade anders, als etwa bei dem Schnabelthiere und vielen Sauriern, bei denen sie ebenfalls so ziemlich senk- recht stehen. Die Lage aber, die sie bei den erwachsenen Schildkröten unter einem knöchernen Theile des Rückens bemerken lassen, hat ihren Grund nur erst in einem späteren Entwickelungsvorgange: denn selbst bei ältern Embryonen berühren sie mit ihren obern Enden unmittelbar die Schicht des Unterhaut-Bindegewebes. Und dieser Vorgang besteht darin, dass die Rippen des zweiten Paares sich übermässig in die Breite ausdehnen, wobei sie nun allmählig über die zunächst vor ihnen liegenden Theile des Skelettes, nämlich über die Rippen des ersten Paares und die Schulterblätter, herüberwachsen und sie überwölben. — Durchaus nicht von der Norm abweichend, die bei den Wirbelthieren für die Lagerungsverhältnisse der Beckenknochen die geltende ist, zeigt sich bei näherer Betrachtung in den Schildkröten die Lage und die Verbindung des Beckens, da die Hüftknochen bei den Schildkröten ebeuso, wie bei den Säugethieren und Sauriern im Allgemeinen an das Kreuzbein angeheftet sind. Das Eigenthümliche an ihnen besteht also nur allein in der Bedeekung durch andere Knochenstücke. Diese Bedeckung aber, die bei den Schildkröten das ganze Becken erlangt hat, ist zum kleinern Theil durch das breiter gewordene vorletzte Rippenpaar zum bei weitem grösseren Theile durch eine Ent- wiekelung des Hautskelettes bewirkt worden: denn beinahe der ganze hintere Theil des Rückenschildes, der bei den mei- sten Schildkröten über und hinter dem Becken gleichsam ein Dach bildet, besteht nur aus Knochenstücken, die an der Haut und unabhängig von .der Wirbelsäule und den Rippen ihre Entstehung nehmen, Was den Uinstand anbelangt, dass bei den Schildkröten die Oberschenkel ihrer vier Beine von oben, und bei manchen 344 Arten auch von unten her mehr oder weniger verdeckt sind, so liegt die Ursache davon grösstentheils darin, dass die Hautbedeckung an den Seiten des Leibes mehr oder weniger breite Falten schlug, und dass in diesen sich meistens noch besondere Knochenstücke entwickelten, die nur allein dem Hautskelette beizuzählen sind. Anderntheils aber liegt die Ursache davon auch darin, dass von den 8 mittleren Rippen einer jeden Seitenhälfte, indem dieselben sich nicht bloss sehr stark verlängerten, sondern sich auch in ungewöhnlich hohem Grade nach aussen richteten, die 2 hintersten ausser- dem noch eine starke Richtung nach hinten, und bei vielen, obgleich nicht allen Schildkröten die 2 vordern eine Rich- tung nach vorn annehmen, in Folge wovon dann jene über das Hüftgelenk, diese über das Schultergelenk etwas hin- ausgingen, - Die so oft gemachte Behauptung, dass bei den Schild» kröten das Schultergerüst und das Becken innerhalb der Lei- beshöhle liege, ist also nach dem Angeführten ohne allen Grund. Ausserdem aber ergiebt sich ihre Unrichtigkeit auch bei der Betrachtung des Verlaufes, den das Bauchfell der Schildkröten macht. Dieses nämlich schlägt sich nirgend um einige von den Knochentheilen, welche das Schultergerüst und das Becken zusammensetzen, herum, so dass es diesel- ben und die an sie gehefteten Muskeln von zwei Seiten ein- hüllte, sondern bekleidet sie nur an einer, und zwar an der- jenigen Seite, welche den Eingeweiden der Leibeshöhle zu- gekehrt ist. Hinten dringt es,‘ wie bei den Säugethieren, eine ziemlich grosse Strecke in die Höhle des Beckens hinein, be- kleidet einen Theil der innern Fläche desselben nebst einem Theile der an diese Fläche gehefteten Muskeln, und geht von ihnen auf die im Becken liegenden Eingeweide über. Von hier aber geht es unter der Rückenwand des Leibes bis zu den Schulterblättern, die, wie schon angeführt, sehr weit nach vorn liegen, bekleidet auf diesem Wege die untere Fläche der Nieren, die innern Geschlechtswerkzeuge, die un- 345 tere Fläche nebst dem äusseren Rande der beinahe mit ihrer gauzen obern Fläche an die Rippen angewachsenen Lungen, und denjenigen Theil der Rippen, welcher seitwärts über die Harn werkzeuge, Geschlechtswerkzeuge und Lungen vorspringt. Ist es von den Lungen, die nach vorn bis an die Schulter- blätter reichen, auf diese und auf die hintere Fläche einiger zu ihnen gehörigen Muskeln übergegangen, so läuft es an ihnen abwärts und überzieht sodann, nach hinten sich wen- dend, einen Theil der obern Fläche des Herzbeutels, haupt- sächlich aber zu beiden Seiten des Herzbeutels und hinter demselben die obere Fläche der beiden Schlüsselbeinpaare nebst deren Muskeln, und geht endlich auf die obere Fläche der Bauchmuskeln über. Eine grosse Falte des Bauchfelles, die theils von der Rückenwand, theils von der vordern Wand des Rumpfes herkommt, hüllt den Darm, für diesen ein brei- tes Gekröse bildend, den Magen, die Leber, die Milz und die Bauchspeicheldrüse ein. Beobachtungen an einem Auge mit einer seltenen Deformität der Pupille. Vom Medizinal-Rath Dr. Tourruaı zu Münster. Der 23jährige Ackerknecht Andreas Schmidt wurde we- gen einer rheumatischen Hornhautentzündung des linken Au- ges in die Klinik zu Münster aufgenommen. Die Hornhaut war fast im ganzen Umfange wolkig gelrübl, so dass man nur nahe ihrem innern Rande durch eine kleine hellgebliebene Stelle in die vordere Augenkammer hineinsehen konnte. Lier- bei nahm ich eine Lücke in der Iris zunächst der innern Seile ihres Ciliarrandes wahr, welche zu deuten als einen Riss die- ser Haut, oder als Dislocalion der Pupille, oder als Theil einer grösseren anomalen Pupille vor der Hand mit Sicherheit noch nicht gestaltet war. An dem rechlen Auge war die Hornhaut seit Jahren gänzlich verdunkelt und nur am äussern Rande sah man durch einen halbdurchsichtigen kleinen Theil dersel- ben etwas vom Scheloche in Gestalt eines dahinter liegenden schwarzen Punkles. Es gelang indess, die Krankheit des lin- ken Auges mit vollständiger Aufhellung der Hornhaut und ohne Nachtheil für das Sehen zu beseitigen, wodurch das Verhalten der Pupille klar wurde. Diese bot nämlich die ge- wiss höchst seltene Anomalie einer angebornen, querovalen, 347 an beiden Euden winklich zulaufenden Geslalt dar. Sie er- streckte sich fast durch den ganzen Querdurchmesser der Iris, die eine grünliche Farbe hatte, als eine Spalte hindurch, welche von zwei flach ausgehöhlten Rändern, einem untern und einem obern, eingefasst, in der Milte klaffte, und mit Ausnahme der anderen Richtung einer Katzenpupille sehr ähnlich war; doch war der obere Rand elwas stärker gekrümmt, der untere bei- nahe geradlinig. Beide erscheinen durch die Loupe aus klei- nen, dem freien Auge kaum sichtbaren Wölbungen gebildet, die durch äusserst zarte Kerbehen begrenzt wurden, und die grösste Weite der Spalte befand sich um ein Geringes nach aussen von der Mille. Die Spalte lag auch nicht genau in der Mitte der Höhe der Ilornhaut, sondern beinahe eine halbe Linie über derselben, und ihre Richtung erschien nicht durch- aus horizontal, vielmehr nach innen hin etwas abwärts ge- neigt, und zwar parallel der ebenfalls gegen die Nase sich herabsenkenden Verbindungslinie der innern und äussern Com- missur der Augenlider. Ihr senkreehter Durchmesser in der Mitte betrug bei mässigem Lichte und mittler Fixirweile et- was über eine halbe Linie. Sie spielte übrigens leicht und frei, durch Schwächung desLichtes und beim Sehen auf einen entfernten Gegenstand erweiterte sie sich nur unbedeutend, sie verengle sich bei auffallendem hellen Lichte, beim Hinsehen auf ein zwei Fuss vom Auge entferutes Kerzenlicht, auch beim Sehen auf einen nahen Gegenstand, und selbst bei Betrach- tung eines enlfernten mit gespannter Anfmerksamkeit in der Weise, dass ihre Ränder einander sich näherten, indem der obere slärker sich senkle, als der untere aufstieg, wodurch sie zu einer schmalen, bei genähertem Kerzenlichte selbst haar- scharfen Spalte wurde, die im höchsten Grade der Contraclion, bei starker Annäherung des Lichtes, wie beim Sehen gegen den hellen Himmel, durch gegenseitige Berührung der Ränder sogar sich schloss, und zwar mit völliger Aufhebung des Se- hens, wie bei geschlossenen Augenlidern. Wegen der bedeu- enden Verengung der Spalte in Folge des Lichtreizes war 348 das Gesicht an trüben und regnigen Tagen besser, als an bellen und sonnigen, auch in der Morgen- und Abenddämme- rung war es recht gut. Auch die Hornhaut wich von ihrer Normalbildung darin ab, dass sie ungewöhnlich klein erschien, und die Sklerolika, statt oben und unten, vielmehr an den Seiten, vor ihr weiter gegen das Centrum hin verlief, so dass ihre Vorderfläche anstalt eines queren Ovals vielmehr ein auf- rechtstehendes mit fast geradlinigen Seitenrändern und stark gekrümmten oberem und unterem Rande darstellte, welches dadurch noch schmaler wurde, dass der innere Rand eine scharfbegrenzte Trübung, ähnlich einem Gerontoxon, halte. Der Vertikaldurchmesser der Hornhaut bielt 5“, der quere mit Einschluss der Seitentrübung 4°, im durchsichtigen Theile 34‘ Die Iornhaut war stark prominirend und zwar im senkrechten Durchschnitt stärker, als im queren, daher das Auge kurzsichtig, so dass ein biconcaves Glas das Sehen ver- besserle. Das Auge erschien zugleich ausdruckslos und nichts- sagend, wodurch es die Bedeutung der Kreisform der Sehe für die Sprache des menschlichen Blickes bekundele. Oline Frage war die Abnormilät der Iris eine ursprüng- liche und an eine Enstehung durch Conlusion, sonslige Ver- letzung oder Krankheit nach der Geburt gar nicht zu denken; dies zeigten deutlich die scharfe und gekerble Beschaffenheit und die gleichförmige Krümmung der Pupillarränder, die Leich- tigkeit und Regelmässigkeit ihrer Bewegungen, das wahrschein- licbe Vorhandensein derselben Missbildung im rechten Auge, der von aussen sichtbare ganz normale, strahlige Bau und die reine Farbe der Iris, an deren Vorderfläche die äussere und innere Zone und die von den Ciliarnerven herrührenden, ge- gen die Pupille geschlängelt verlaufenden weissen Streifen mit den kranzförmigen Anastomosen in der Nähe des Pupillarran- des besonders schön hervortraten. Diese Streifen hatten eine solche Anordnung, dass sie im untern Segmente schräg von rechts nach links, im obern von links nach rechts gegen den Pupillarrand sich richteten, und der durch ihre Verbindungen 349 gebildete Ring zeichnete sich durch eine dunkelgelbe Farbe aus, innerhalb deren die schmale Zone wieder maltgrün er- schien. Die Winkel der Pupille reichten nicht ganz bis an den Ciliarrand der Iris, sondern hörten 3‘ neben demselben auf, so dass eine vollkommene Halbirung dieser Haut nicht Statt fand, vielmehr das obere Segment mit dem untern neben den Winkeln noch durch die schmale innere Zone zusam- menhing. Für diese Bildungsabweichung der Iris ist in der bekann- ten Entwickelung des Sehorgans kein völlig genügender Grund aufzufinden. Ohne Zweifel entstanden in diesem Auge zwei Einschnitte des Ciliarkörpers hinter den Winkeln der Pupille, da ich auch bei der grösstmöglichen Weite des Seheloches weder mit unbewaflnelem Auge, noch durch die Loupe eine Spur des Faltenkranzes an den Seiten habe wahrnehmen kön- nen. Nun ist es allerdings möglich, dass die ursprüngliche Chorioidal- und Netzhaut-Spalte, welche im Auge des Fölus an der inneren Seite vorkommt und als Rückstand das Cen- tralloch der Netzhaut nebst der Centralfalte hinterlässt, sich hier nicht völlig geschlossen, und der Augapfel die Viertels- dreliung seines untern Umfanges nach aussen, durch welche die Stelle jener Spalte nach unten zu liegen komm!, unterlas- sen hat, wolür einigermaassen noch die senkrecht elliptische Gestalt des Hornhautumfanges, die noch nieht zur quer-ovalen geworden ist, und die grössere Breite der Iris im unlern Segmente, welches, entsprechend der excentrischen Lage der normalen Pupille, nach aussen gekommen sein würde, zu sprechen scheinen; die Iris würde diesem Verhalten durch eine entsprehende Bildung der Pupille, ähnlich wie beim Co- lobom, gefolgt sein; es begreift sich indessen hierdurch noch nicht das Entstehen des zweiten Einschniltes der Aderhaut an der Schläfenseite und des äussern Pupillenwinkels. Bei- spiele einer querelliptischen Pupille beim Menschen sind mir übrigens weder aus eigener Erfahrung. noch aus den Schriften der Ophthalmologen bekannt, obwohl in diesen als angeborene 350 Abweichungen der Iris das Colobom, der theilweise und gänz+ liche Mangel der Iris, die Mehrheit der Pupille, die Excentri- eität der Pupille in verschiedenen Stellungen, die ovale senk- “ rechte Pupille wie bei den Katzen (von Tode, Knackstedt, Pellier, Behr und Seiler) und die gekerbte Pupille ange- geben worden sind; auch ist die von mir beschriebene Form auf keine Thierähnlichkeit zurückzuführen, indem die querel- liplische Pupille der Wiederkäuer, Pferde ete. nicht, wie bei diesem Menschen, im kürzeren, sondern im Längendurchmes- ser der Iris liegt, ihrem peripherischen Rande auch nicht so nahe tritt und überdies an den Enden nicht winklig, sondern abgerundet ist. . Es ist klar, dass die von den Lichtkugeln diesseit und jenseit der Klarweite befindlicher Objektpunkte auf der Netz- haut entworfenen Zersireuungsscheiben in diesem Auge eben- falls die querelliptische Form annehmen und dieselbe bei jedem Stande der Pupille, ihrer Gestalt in jedem Momente entspre- chend und sich selbst darnach verändernd, beibehalten müssen, indem eine Beschränkung dieser Scheiben durch Verengung der Pupille nur in der vertikalen, nicht in der queren Rich- tung möglich ist. Dies vorausgesetzt, liefert die beschriebene sellene Form der Pupille einen neuen Beweis dafür, dass die Veränderungen des Auges zum Nahe- und Fernsehen nicht allein in der abwechselnden Verengung und Erweiterung der Pupille bestehen können. Denn auch dieses Individuum ver- mochte in sehr verschiedenen Distanzen gleich deutlich zu sehen, da doch bei aufrechter Stellung des Hauptes wenigstens die senkrechten Grenzen der Objektbilder, deren Verdeut- lichung, wenn sie durch unpassende Entfernung ihre Schärfe verloren haben, eine Minderung der Dispersion in seitlicher Richtung erfordern würde, durch die sich zusammenziehende Breite der Spalte nicht aufgehellt werden können. Dennoch wurde eine Reihe schwarzer Vertikalstriche auf weissem Pa- piere mit Zwischenräumen von 13‘ Breite in abwechselnden Entfernungen von 54” bis 9” vom Auge, seiner Angabe nach, 351 gleich gut unlerschieden, welches bei dieser Pupille nur durch Hinzutreten einer andern, die Zerstreuung beschränkenden Funktion im Auge erklärbar ist. Um den Einfluss der elliplischen Zerstrenung auf die Netzlautbilder vollständiger zu erkennen, habe ich mil diesem Auge noch folgende Versuche angestellt, zu denen ich wegen der eigenthümlichen Beschaffenheit des Gesichtes einen trüben Novembertag wählte, nachdem ich das Subjekt durch vorläu- fige Fixirübungen gehörig vorbereitet halte. Wurden die Vertikalstriche aus der Distanz des deut- lichen Sehens vom Auge mehr und mehr entfernt, so ver- schwanden sie nach allmählig zunehmender Verwischung ihrer Grenzen, nach Angabe des S., in der Entfernung von drei Fuss vom Auge. Wurde nun in dieser Entfernung das Blatt halb umgedreht, dass die Striche eine quere Lage erhielten, so wurden sie abermals sichlbar, wenngleich undeutlich, und das Verschwinden trat erst bei fünf Fuss Entfernung ein. Von quadralischen Striehen wurden in der Entfernungsbreite zwi- schen drei und fünf Fussen nur noch die horizontalen Strek- ken halbverwischt wahrgenommen. Das Undeutlichwerden der Längenstriche des sich enifer- nenden Blattes begann bei 10 Zoll Distanz, das der Quer- striche bei 14 Zoll. Wurde das Blatt aus der millleren Seh- weile dem Auge genähert, so erfolgte die Trübung der Grenzen bei den Längenstrichen in 5 Zoll, bei den Querstri- chen erst in 3 Zoll Entfernung. Das Feld des deutlichen Sehens zwischen 3” und 14” bei den Querstrichen hatle lem- nach hier eine Tiefe von 11”, hingegen das der Längenstriche zwischen 5— 10% belrug nur 5” Diese Erscheinungen er: klären sich ganz ungezwungen aus dem durch die querellip- tische Form der Pupille bedingten kleinen Vertikaldurchmesser und dem selr grossen Querdurchmesser der auf der Netzhaut entworfenen Zerstreuungsscheiben. Als ich die Versuche am eigenen Auge in der Art wiederholte, dass ich von den an die Wand befestigten Läugen- und Qnerstreifen allmählig zu- 352 rücktrat, verlor sich die Deutlichkeit zuerst bei den queren in der Entfernung von sieben Fuss, und diese schienen sich bei neun bis zehn Fuss schon beträchtlich auszubreiten, als die Grenzenverwischung ‘der Längenstriche erst ihren An- fang nalım. Wurde ein Kerzenlicht dem Auge des $. sehr nahe ge- halten, dass die Pupille zu einer feinen Spalte sich contra- hirte, so war für die Längenstriche gar kein Punkt des Deut- lichsehens zu finden, und das Feld für die Querstriche be- schränkte sich auf die Entfernungen zwischen 5 und 7”, diesseit und jenseit welcher sie schon undeullich wurden. Man begreift dieses aus der fast strichförmigen Gestalt der Zerstreuungsbilder und dem sehr verminderten Lichtquantum der Ocularkugel. Bei langsamer Querbewegung des Kerzenlichles vor dem Auge zeigte es sich, dass die Pupille am stärksten sich ver- engte, während das Licht vor ihrer Mitte stand und bei den seitlichen Richtungen nach innen oder aussen sieh in etwas erweiterle. Bei starker Annäherung des Lichtes in der milt- leren Stellung wurde sie haarfein und es wurden alsdann selbst die Querstriche in Entfernungen zwischen 5— 7” we- gen der die Netzhaut treffenden zu geringen Lichlmenge un- klar, während sie bei derselben Entfernung der vorgehaltenen Flamme nach der Seite hin, mit gleichzeitiger Erweiterung der Pupille, an Deutlichkeit gewannen. In grösster Nähe des Lich- tes zum Auge war die Pupille gänzlich geschlossen, und der S. salı nichts mehr, selbst die Flamme nicht. Dass er auch bei hellem Sonnenschein schlecht sieht, ist bereils bemerkt worden: Wurden fünf starke Punkte im rechtwinkligen Kreuze, nämlich die vier äussern 1% Zoll vom mittleren entfernt, dem Auge in der Klarweite vorgehalten und wurde der mitllere scharf fixirt, eo sah er von den Extrempunkten nur den obern und untern, nicht aber die Seitenpunkte; ohne Zweifel des- halb, weil die immer noch in etwas vorhandenen Zerslreunngs- 353 scheiben der beiden ersten den senkrechten Netzhaulmeridian mitten durchschnillen, die der andern hingegen in der Rich- tung des horizontalen Meridians selbst lagen. Auch erschien ihm der obere Punkt deutlicher, als der untere, welches aus der geringen Abweichung der Pupille nach oben sich begreift. Ebenso wurden von den Ziffern einer Taschenuhr in 10” Ent- fernung bei Fixirung der Mitte des Zifferblattes nur XII und VI. nieht II und IX erkannt. Sah er durch eine 4“ breite Spalle in einer geschwärz- ten Karte hin, so wurden bei querer Richtung der Spalte die Seitenpunkte nicht sichtbar, hingegen tauchten sie sofort auf, als jene senkrecht gedreht wurde. Die der Pupille parallele Richtung änderte nämlich nichts in der Form der Zer- streuungsbilder, die vertikale hingegen verwandelte die Pupille gleichsam in eine rundliche, indem sie die Zerstreuung an den Seiten stark beschränkte. Eben darum vermochte er. einen jenseit der Klarweite vorgehaltenen Druck mit Hülfe der senkrechten Spalte, aber nicht durch die quere zu lesen; letzte verbesserte überhaupt das Gesicht nicht, weder in Unterschei- dung der horizontalen, noch der vertikalen Grenzen, wie der Versuch mit den Strichen verschiedener Richtungen zeigle, und die aufrechte Spalte balf auch vornehmlich nur bei auf- rechten Linien und viel weniger bei liegenden, eben weil die Zersireuung im Netzhautbilde der Quergrenzen bei der hori- zontalen Pupille ohnehin schon geringfügig war. Nach Einträufelung einer Auflösung von fünf Granen Belladonnenextrakt in einer Draclime destillirtten Wassers halte zwei Stunden später die Pupille nur im senkrechten, nicht im queren Durchmesser, und zwar in jenem bis zwei Linien sich erweitert und war unbeweglich, die innere Zone der Iris zwischen den Pupillenwinkeln und dem Hornhautrande blieb noch sichlbar, der innere Winkel erschien aber jetzt merklich grösser als der äussere und abgerundet, wodurch die Pupille eiförmig geworden war, und der Breitenuntersehied des unlern und obern halbmondförmigen Irisseginentes zeigte sieh mit Müller's Archiv 1516. 23 354 Vorwalten des ersteren beträchtlicher, als vor der Nareotisi- rung. Diese Segmente hatten noch eine ansehnliche Höhe, und eine Zurückziehung der Papillenränder bis nahe dem Ci- liarrande der Iris war nicht erfolgt. Das Innere des Augapfels erschien gleichförmig schwarz, und weder die Erleuchtung desselben durch Tageslicht, noch durch Kerzenlicht liess an den Seiten hinter der Iris die Falten des Ciliarkörpers wahr- nehmen. Das Auge war, wie gewöhnlich durch Einwirkung eines Midriaticums, fernsichtiger geworden, sah aber jetzt in jeder Distanz die Querstriche weniger deutlich, als die Län- genstriche. Die optische Einrichtung des Auges war demnach ähnlich der meinigen, nämlich auf grössere Deutlichkeit der Vertikalgrenzen berechnet, welches sich nur aus einer senk- recht-ovalen Bildung der Zerstreuungsscheiben erklärt, auf welche die quere Pupille, die sich nun mehr der Kreisform näherte, nicht, wie vor der Dilalalion, einen umgestaltenden Einfluss mehr ausüben konnte. Vielleicht, dass in diesem Auge die grössere Länge des senkrechten Mittelschniltes der Horn- haut im Vergleich zum queren zu dieser Form der Zerstreuung beitragen mochte, als alleinige Ursache derselben darf sie in- dess nieht angesehen werden, weil im normalen Auge, so auch in dem meinigen, die Vorderfläche der Hornhaut sich entgegengeselzt verhält. Die Deutlichkeit der schrägen Linien fiel zwischen die der genannten Richtungen, war jedoch bei den einwärts absteigenden, also dem Parallelismus der Pupille näher kommenden, in etwas befriedigender, als bei dem Laufe nach aussen und unten. Der $. sah jelzt mit freiem Auge besser, als durch jede Spalte, welche auch immer ihre Rich- tung sein mochte, weil die in ihrer Sensibilität herabgestimmte Netzhaut nun eines inlensiveren Lichtreizes bedurfte, welcher durch theilweises Abschneiden der Lichtkegel zu sehr gemin- dert wurde. Auch schwächte in jedem Falle selbst beim Hin- schauen auf Querstriche die Querspalte das Bild mehr, als die Längenspalte, was bei der erwähnten Gestalt der Hornhaut aus dem geringeren Lichtquanto, welches durch jene ins Auge SE 355 fallen konnte, sich erklären mag. Er sah aber noch immer durch die Längenspalte die Längenstriche deutlicher als die queren, durch die Querspalte diese deutlicher als jene. Auch bei der Durchsicht durch ein mit einer starken Nadel in eine Karte gestochenes Löchlein erschienen alle Gegenstände min- der deutlich als dem freien Auge, aber wiederum, wie dem leizten, die Querstriche in höherem Grade undeutlich als die Längenstriche. Es könnte scheinen. als sei bei dem erweiter- ten Stande der Pupille, durch Abschneiden der peripherischen Strahlen der Objectivkegel, der Begrenztheil der Netzhautbil- der geschadet worden, da vielmehr die centralen abgehalten werden mussten. Dem ist aber nicht so, denn ein starker Stecknadelknopf, unmittelbar vor der Hornhaut in der Mitte der Pupille gehalten, welcher die Centralstrahlen auffing und die peripherischen einfallen liess, verschlechterte ebenfalls das Sehen in allen Fällen, bei jeder Entfernung und Richtung des Gegenstandes. Die quere Pupille wirkt demnach zur Verdeutlichung -des Sehens von Objecten ausserhalb der Klarweile ganz ähnlich der Augenlidspalte, und es wird durch diese Deformität der Iris die von mir in ‘diesem Archive, 1838, S. 316 — 350., erörlerte functionelle Analogie derselben mit den Augenlidern aufs Augenscheinlichste dargethan. Es liess sich von der vorliegenden Abnormität noch eine andere physiologische Anwendung machen, nämlich zu Beob- achtungen, um über die angebliche Drehung des Augapfels om die Sehaxe (welche ich Kürze halber Rollung nennen werde) ins Klare zu kommen, indem diese Drehung bei der kreisrunden Form der Pupille schwer ermiltelt wird, bei der elliptischen hingegen an ihrer gleichzeitig wechselnden diame- tralen Neigung leicht zu erkennen sein muss. Weil die hier- bei wirkenden schiefen Mukeln beide sich an die obere He- misphäre der Sklerotika anheften, so erscheint es passend, diejenige Rollung, in welcher diese Hemisphäre nach innen sich bewegt, Einwärtsrollnng, die enigegengesetzte Auswärls- 23 * 336 rollung zu nennen. Jene wird durch den oberen schiefen Augenmuskel, diese durch den unleren vollzogen. Um in die- sen Beobachtungen nicht zu irren, zeichnete ich zuvor auf der Wangenhaut des S. in der Gegend des Unteraugenhöhlenran- des mit möglichster Genauigkeit einen der Längenaxe der Querpupille parallelen Strich, mit einer schwachen Neigung abwärts nach der Nasenseite, mit welchem die Stellung des Pupillendurchmessers verglichen werden konnte, und liess als- dann folgende Bewegungen zuerst bloss mit der Sehaxe, dem- nächst zugleich mil dem Hauple vornehmen. Eine in der Mittelstellung des Augapfels fixirte Finger- spitze wurde langsam vertikal aufwärts bewegt mit der Wei- sung, bei unbewegtem Haupte fortwährend gerade auf sie hin- zuschauen. Indem die Pupille aufwärts folgte, hob sich ihr innerer Winkel, so dass ihr Durchmesser sich horizontal stellte und einwärts von der Parallele divergirte; es fand also eine geringe Auswärtsrollung Statt. Demnächst wurde der Finger senkrecht nach der Milte zurückgeführt und in derselben Richlung bis zum untern Ex- treme des Gesichtskreises fortgeleitet. Bei der gleichmässig folgenden Fixirung senkle sich der innere Winkel der Pupille stark abwärts und ihre Axe (Durchmesser) tral nach innen in Convergenz mit der Parallele, mithin trat eine beträchtliche Einwärtsrollung ein. Folge das Auge der Fingerspitze nach aussen, so senkle sich wiederum der innere Winkel der Pupille, doch nicht be- deutend; hingegen hob er sich kaum merklich, wenn der Fixirpunkt sich naclı innen bewegte. Anlangend die Diago- nalrichtungen des Blickes, so fand ich, dass bei der Fixation nach oben und aussen, und ebenso nach oben und innen der innere Pupillarwinkel in etwas, jedoch in geringerem Grade, als bei dem senkrechten Steigen der Sehase, sich erhob, bei Fixirung nach unten und aussen hingegen stark abwärts wich, und bei der nach unten und innen abermals wieder aufstieg, so dass er nur unmerklich höher stand, als bei der miltleren 357 Sehrichlung. Die Aussenrollung des Augapfels bei der letzten Schrägrichtung, wie bei der horizontalen nach innen ist aber so unbedeutend, dass sie fast Null gleichgesetzt werden kann. Dies zeigte sich regelmässig in gleicher Weise bei Wiederho- lung des Versuches zu verschiedenen Zeiten. Um dem Einwurfe zu begegnen, dass bei der abweichen- den Bildung der Iris diese Rollungen nicht etwa als die nor- malen zu betrachten sein dürfien, sondern die Individualität des Auges, vielleicht eine abnorme Verschiedenheit der spe- eifischen Sensibililät der Relina sie zuerst als willkührliche Bewegungen zur grösseren Deutlichkeit des Sehens veranlasst und weiterhin durch Gewolinheit festgestellt haben möge, be- schloss ich, die Bewegungsversuche an den Augen anderer Personen, wo die Drehungen der Iris durch locale Merkzeichen unterschieden werden konnten, zu wiederholen. Ich erlas des- halb aus 376 Gefangenen der hiesigen Strafanstalt 25 Indivi- duen, deren Iris sich durch einen gelben, braunen, röthlichen oder dunkeln Flecken nahe dem Pupillarrande auszeichnete. Es zeigte sich bald, dass nur Augen, deren Sehkraft durchaus ungetrübt ist, zu diesem Zwecke tauglich sind, weil nur diese den Fixirpunkt gehörig festzuhalten vermögen, und ein un- deutlich oder schwach sehendes Auge im Fixiren wankend, in der Rollung unsicher wird, daher die Beobachtung des Letzteren ohne Resultat bleibt; so war es der Fall bei einem Manne, dessen rechtes Auge neben der normalen Pupille nach aus- sen noch ein zweites, halbmondförmiges, durch Abtrennung der Iris vom Ciliarbande entstandenes Sehloch halte, und bei einem andern mit einem kleinen seitlichen Hornhautflecken. Ich be- merkte ferner, dass nur diejenigen Flecken der Iris, welche in ihrem senkrechten oder queren Durchmesser, oder dem einen von beiden sehr nahe befindlich sind, nicht die mehr schräg liegenden sich eignen, weil die Drehungen der Iris an der Abweichung des Fleckens von dem einen oder andern Durchmesser erkannt und, wenigstens die schwächeren, bei den entfernten Flecken nicht mit Sicherheit zu bestimmen 398 sind. Ueberhaupt erfordert diese Sache eine scharfe Aufmerk- samkeit und grosse Vorsicht, wobei es nöthig ist, dass man sich den Erfolg jedes einzelnen Akles nolire, ehe man zu ei- nem folgenden übergeht. Durch obige Rücksichten wurde die Auswahl der 25 auf 10 geeignete Individuen redueirt, welche auch eine hinreichende Zahl zur Ermitlelung der Norm abga- ben. An jedem derselben wurden die vier geraden und die vier schrägen Richtungen des Blickes an der bewegten Fin- gerspitze durchgemacht und das Lageverhältniss des Irisfleckens zu dem Durchmesser scharf ins Auge gelasst. Wenn ich nun die entworfene tabellarische Zusammenstellung der begleiten- den Rollbewegungen durchgehe, so finde ich die an dem 8. beobachteten Erfolge durchaus wiederholt. Ohne Ausnahme bei den Axenbewegungen nach unten, wie nach unten und aussen, und nach aussen eine Einwärtsrollung, und bei der Bewegung nach oben eine schwache Auswärtsrollung. Die Aussenrollungen bei den Bewegungen nach innen,, nach unten und innes, nach oben und innen, nach oben und aussen, wa- ren aber so geringfügig, dass sie bei einigermaassen abweichen- der Lage des Fleckens von den Durchmessern kaum, und nir- gend so bestimmt, wie bei der queren Pupille bemerkt wer- den konnten, deren sich drehender Querdurchmesser ganz ins Auge fiel. Hiernach leidet es keinen Zweifel, dass die Rol- lungen, wie sie in dem ersten Falle zur Beobachtung ka- men, als die der Regel entsprechenden angenommen werden müssen. Die blosse Veränderung des Refraclionsstandes hat keine Kollung zur Folge, wie der Versuch des in der Richtung der Sehaxe langsam entfernten und genäherten Fingers zeigt, in- dem während der Bemühung, ihn fortwährend scharf zu sehen, keine Schwankung der Pupillenaxe wahrgenommen wird. Die Accomodation des Auges für verschiedene Entfernungen ist also von den Rollbewegungen ganz unabhängig. Das Auf- wärtsweichen. der Pupille beim Augenblinken ist nicht bedeu- tend und wird von keiner merklichen Rollung begleitet, selbst 359 dann nicht, wenn beim Versuche dieser Bewegung das obere Augenlid mechanisch zurückgehalten wird, obgleich alsdann die Erhebung der Sehaxe stärker ist, welches durch die Ge- ringfügigkeit der Aussenrollung beim Aufwärtssehen überhaupt sich begreift. Es ist gewiss, dass diese Rollungen durch die schiefen Augenmuskeln vollzogen werden, weil die geraden weder ein- zeln, noch combinirt, sie zu bewirken vermögen. Zur Erklä- rung derselben bedarf es zuvor einer näheren Ermittelung der Axe, um welche sie Statt finden, namentlich, ob diese die Sehaxe oder eine schräge Axe ist, wie sie den Insertionsrich- tungen der schrägen Muskeln entspricht. Da letzte nämlich von innen und vorn nach aussen und hinten an den Augapfel treten, so wird die Linie, welche aus dem Drehpunkte des Augapfels normal zur Ebene dieser Insertionen verläuft, mit- hin die Rollungsaxe für die allein wirkenden schiefen Muskeln abgeben würde, ungefähr den äusseren Rand der Hornhaut am Schläfenende ihres Querdurchmessers schneiden müssen. Hueck hat bekanntlich die Sehaxe, Ruete die letztgenannte Schrägaxe für die Rollungsaxe des Auges erklärt. Hierin zu entscheiden, beobachtete ich zuerst genau bei horizontaler Be- wegung der Sehaxe -den Stand des äusseren und inneren Pu- pillenwinkels gegen den oberen Augenlidrand, wenn die Au- genlidspalte dabei unbewegt und mässig geöffnet blieb. Ich fand, dass in der Stellung der Sehaxe mitten zwischen beiden Augenwinkeln der Pupillendurchmesser dem oberen Augenlid- rande ungefähr parallel sich befand und seine beiden End- punkte von demselbeu nicht bedeckt wurden. Bei der Rich- tung der Sehaxe nach aussen zeigte sich, während der innere Pupillenwinkel sich senkte, zugleich eine Erhebung des äusse- ren hinter dem Lidrande, so dass er von diesem bedeckt wurde, obgleich während dieser Bewegung das obere Lid nicht im Geringsten herabtrat. Es schien demnach der Aug- apfel um eine, nicht am äussern Hornhautrande, sondern in der Hornhautbreite endigende Axe sich zu drehen, Dieses 360 Ergebniss des Augenscheines mit grösserer Gewissheit festzu- stellen, liess ich dicht vor seinem Auge einen Faden horizon- tal ausspannen, seinen Kopf durch einen hinter ihm erhöht stehenden Gehülfen festhalten und nahm, mein linkes Auge geschlossen, meine Stellung rechts vor ihm, so dass meine Sehaxe auf dem Niveau des Fadens und seines Pupillendurch- messers sich befand; alsdann liess ich die horizontale Drehung des Auges sich wiederholen, indem ich die Sehaxe entlang dem obern Rande einer Mauer folgen liess, wobei ich mit grösster Beslimmtheit wahrnahm, dass bei der Wendung des Blickes nach aussen der Schläfenwinkel der Pupille über den Faden sich erhob und der Nasenwinkel sich senkte. Hierdurch wurde obige Folgerung bestätigt, denn würde die Rollung des » Auges um die Schrägaxe erfolgen, wobei der Durchmesser der Pupille um seinen Schläfenendpunkt wie ein Halbmesser um das Centrum sich bewegle, so müsste der äussere Pupillen- winkel in der Deckung des Fadens verbleiben und bloss der innere dahinter sich senken. Um die Rollung beim Auf- und Abwärtssehen zu beobachten, befestigte ich im Zimmer au den Knopf einer Hängelampe einen starken Seidenfaden, an wel- chem ein Zweiloth-Gewicht hing, um die Vertlikallinie zu ge- winnen, und stellte den S. vor den Faden, so dass das linke Auge sich elwa einen Zoll ihm nahe befand, liess ihn alsdann einen Punkt an dem senkrechten Streifen der Wandtapete in der Höhe des Auges bei festgehaltenem Kopfe fixiren, und nahm die obengenannte Stellung in der Richtung ein, dass meinem rechten Auge der Faden genau den Schläfenwinkel der Pupille zu decken schien. Alsdann liess ich ihn an dem Tapetenstreifen abwärts schauen, wobei jedesmal die Deckung sich veränderte, indem der erwähnte Pupillenwinkel nach in- nen und oben vom Faden abwich. Wurde der Faden mit dem innern Pupillenwinkel in Deckung gebracht, so verliess dieser ebenfalls bei der genannten Bewegung der Sehaxe den Faden, und zwar in der Richtung auswärts und abwärts. Der ruhende Punkt befand sich demnach im Durchmesser der 361 Pupille und bei der Rollung um die Schrägaxe würde die Deckung des äussern Paupillenwinkels mit dem Faden unver- ändert dieselbe geblieben sein. Aus diesen Versuchen wird es höchst walırscheiulich, dass die Rollung des Augapfels um die Sehaxe selbst geschieht. Weil aber die schiefen Muskeln diese Bewegung allein nicht vollziehen können, so müssen gerade mitwirken, und ich er- kläre mir den Vorgang folgendermaassen. Wenn der Trocl- learmuskel allein wirkt, so erfolgt eine Drehung des Augapfels um die Schrägaxe in der Art, dass jeder Punkt seiner oberen Hemisphäre nach innen und vorn sich bewegt. Diese Schräg- bewegung lässt sich als eine zusammengesetzte aus zwei Rich- tungen, nämlich der queren einwärls und derjenigen nach vorn ansehen; wird demnach zugleich die letzte Richtung be- hindert, so bleibt die Drehung um die Sehaxe als Restwir- kung zurück. Die alleinige Bewegung der Punkte der oberen Hemisphäre nach vorn wird durch den unteren geraden Au- genmuskel vollzogen und durch den oberen verhindert und es kann demnach die Drehung des Augapfels um die Sehaxe nach innen durch Coneurreuz des obern schiefen Muskels mit dem obern geraden zu Stande kommen, und ebenso die Dre- hung nach aussen durelı Zusammenwirken des untern schiefen Muskels mit dem untern geraden. Es tritt also in dem Kreise, welchen der Vorderpunkt der Sehaxe bei der konischen Fixirbewegung nach sämmtlichen Richtungen beschreibt, für die Richtungen des schrägen, nach oben und innen gekehrten Halbkreises ausschliesslich die Rol- lung nach aussen ein, welche im oberen Quadranten derselben eine merkliche, im unteren eine unmerklich schwache ist, und am stärksten in der Vertikalrichtung aufwärts erscheint, von welcher sie gegen die Diagonalrichtungen nach innen und aussen abnimmt; dieser Halbkreis erweiset sich daher als das Gebiet für den untern schiefen Augenmuskel. In den Rich- tungen des unlern äusseren Quadranlen des Kreises hingegen berrscht die Einwärtsrollung, welche bedeutend in der senk- 362 rechten Richtung abwärts und in der schrägen nach unten und aussen, schwächer in der horizontalen auswärts erscheint, und dieser Quadrant ist das Gebiet für den Trochlearmuskel. Die Gegenden zunächst aufwärts dem Aussenrande der Hori- zontale und zunächst einwärts dem untern der Vertikale, bil- den gleichsam die Indifferenzpunkte. Im Ganzen siod die Grade der Einwärtsrollung beträchtlich stärker, als die der Rollung nach aussen. Es verdient bemerkt zu werden, dass durch die Einwärtsrollung der grösste Durchmesser des Aug- apfels, welcher schräg von innen und oben‘nach unten und aussen gerichtet ist, in die horizontale Lage zu stehen kommt, so wie der kleine Diagonaldurchmesser, der von der Schlä- fenseite nach der Nase herabsteigt, durch die Rollung nach aussen, Es ist kaum zu bezweifeln, dass beim gleichzeitigen Ge- brauche beider Augen dieselben Bewegungen an jedem erfol- gen werden, welches ich indess an unserm ersten Subjecte wegen der Hornhautverdunkelung des rechten Auges, und an den übrigen wegen nicht geeigueter Beschaffenheit auch der andern Iris nicht faklisch nachzuweisen im Stande war. Viel- leicht gelingt dies, wenn ein Fall von Iriscolobom an beiden Augen zur Beobachtung kommen sollte. Hiernach würde also beim Fixiren eines rechts liegenden Punktes das rechte Auge einwärts und das linke unmerklich auswärts sich rollen; hin- gegen würden bei einem schräg seitlich und zugleich nach oben belegenen Objeele die Rollungen beider Augen dieselben, nämlich schwache nach aussen sein und an beiden der untere schiefe Augenmuskel in Contraction treten. Bei der Lage des Gegenstandes nach rechts und unten würde das rechte Auge sich stark eiuwärls, das linke sich unmerklich nach aussen rollen; umgekehrt bei der Lage nach links und unten. Bei der Richtung des Blickes gerade aufwärts würden beide Aug- äpfel in geringem Grade nach aussen und bei derjenigen ab- wärts beide stark nach innen sich drehen, die senkrechten Meridiane beider Netzbäute würden also im ersten Falle nach 363 unten, im andern nach oben sich entgegenneigen. Dieselben würden auch bei allen erwähnten Richtungen des Blickes den Parallelismus, welchen sie in der mittleren Richtung behaup- ten, nicht beibehalten können, weil, wie gezeigt, die Rollun- gen theils in gleicher Richtung, theils in entgegengeselzter, aber alsdann in verschiedenen Graden an beiden Augen ein- treten würden. Liess ich den S. bei unbewegtem Objecte das Haupt rückwärts strecken, wobei zur Festhaltung des ersteren die Selıaxe sich senken musste, so trat nicht anders, als wie bei der Senkung mit unbewegtem Haupte Einwärts- rollung des Augapfels ein, umgekehrt bei Vornüberbeugung des Hauptes Auswärtsrollung. Bei ruhendem Gegenstande und seitlichen Drehungen des Anilitzes erfolgten, während die fisi- rende Sehaxe sich mitbewegle, die Rollungen in gleicher Weise, wie sie den nämlichen Axenbewegungen bei unbe- wegtem Haupte sich associirt hatten. Wurde bei dem $. die mitten vor dem Auge befindliche Fingerspitze fixirt und bei beharrender Fixation das Haupt langsam nach der linken Seite mit der Schläfe gegen die linke Schulter herabgeneigt, so erfolgte Anfangs keine Verän- derung im Pupillenstande; erst bei einem starken, fast recht- winkligen Neigungsgrade wurde eine Convergenz der Pupille gegen die Parallele nach innen bemerklieh, welche durch Ein- wärlsrollen des Bulbus entstand. Neigte es sich gegen die rechte Schulter herab, so machte sich, aber wiederum nur bei bedeutender Abweichung von der Verlikalstellung, eine, wenn gleich sehr schwache Convergenz nach aussen bemerklich, in- dem die Axe der Pupille der horizontalen Richtung sich nä- lierte. Es lassen sich diese Erscheinungen aus den gleichzei- tigen Fixirbewegungen der Sehaxe keinesweges erklären, denn man sieht leicht, dass sie mit den Rollungen, welche diesen Bewegungen bei ruhendem Haupte sich associiren, nicht über- einslimmen. Denken wir uns durch den Papillendurchmesser eine wagerechte Ebene gelegt, welche den Augapfel in eine obere und untere Hemisphäre theilt und nach aussen in den 364 Sehraum sich fortseizt, so fällt das in der Mitte des Gesichts- kreises, also in dieser Ebene befindliche Object, nachdem letzte mit dem Haupie sich links herabneigt, nunmehr unter die Ebene nach innen, und die Sehaxe nimmt zur Erhaltung der Fixation die Stellung nach innen und unten an, welche gegentheils eine unmerkliche Auswärtsrollung des Augapfels zur Folge haben müsste. Bei Herabneigung des Hauptes nach rechts fällt das Object unter die Pupillenebene nach aussen, die Sehaxe richtet sich nach unten und aussen, folglich müsste hierbei eine starke Einwärtsrollung eintreten, wovon abermals das Gegentheil wahrgenommen wird. Hiernach schien es fast, als wenn bei den seitlichen Neigungen des Hauptes andere Verhältnisse, als bei den Dreliungen und bei der Beugung und Streckung desselben eintreten möchten, welche dort die von dem Axenstande abweichenden Rollbewegungen bedingten. Allein ich überzeugte mich bei Wiederholung der Ver- suche an den zehn Sträflingen, dass diese widersprechenden Richtungen bei dem $. in einer Anomalie begründet waren, indem bei allen die entgegengesetzte und mit den Resultaten der früheren Versuche übereinstimmende Rollung des Augapfels eintrat, nämlich nach aussen, wenn das Haupt nach der Seite des beobachteten Auges herabgeneigt wird, nach innen (aber sehr schwach) bei der Neigung nach der entgegengeselzten Seite hin. Am deutlichsten zeigte sich dies durch eine schnelle rückschreitende Rollung, wenn der Kopf aus der seitlich ge- neigten Stellung rasch aufgerichtet wurde, und wenn der Iris- fleck sich unmittelbar am Rande der Pupille in ihrem verlän- gerlen Querdurchmesser befand. Wodurch aber jene sonder- bare Ausnahme bei dem ersten Subjecte verursacht werden mag, ist mir zur Zeit noch unerklärlich, Hueck hat in seiver Schrift über die Axendrehung des Auges (Dorpat 1838) die Behauptung aufgestellt, dass die Rol- lungen beim seitlichen Neigen des Hauptes den Zweck haben sollen, die senkrechten Meridiane der Netzhäute in der verli- kalen Stellung zu erhallen, damit die verlikalen Objectbilder 369 diese Meridiane nicht verlassen und demnach bei geneigtem Hauple in derselben Richtung erkennbar sein sollen. Aller- divgs würde die Rollung des Auges der Seile der Neigung nach innen und des andern nach aussen dieser Meinung das Wort reden, sofern gerade diese Richtungen zur Aufrechthal- tung der beiden Meridiane erfordert würden, wenn nicht die- ses in einer isolirten Beobachtung wahrgenommene Verhalten eine Abnormität wäre; überdies kann ich ihr auch deshalb nicht beipflichten, weil die Aussenrollung in kaum merkbarem und viel geringerem Grade. als die nach innen sich einstellt, mithin die Meridiane bei der Seitenneigung ihren Parallelismus nicht beibehalten können, weil ferner beide Rollungen erst bei weit vorgerückter Neigung des Hauptes äusserlich sichtbar werden, also nicht gleich Anfangs dem Neigungswinkel pro- portional sich verhalten, welches gleichwohl zur Erreichung jenes Zweckes nothwendig sein würde, und weil sie selbst bei beträchtlichen Neigungsgraden weit hinter diesen zurück- bleiben. Dass in der That bei diesen Bewegungen des Haup- tes der senkrechte Netzhautmeridian nicht in dieser Stellung bleibt, beweiset folgende von mir angestellte Modification des Mariotteschen Versuches. Nach verdecktem linken Auge schauet das rechte auf eine an eine weisse Wand gekleble schwarze Oblate und die Sehaxe wendet sich allmählig links, bis letzte verschwindet; der Punkt an der Wand, welchen sie in diesem Augenblicke fixirt, wird mit einer rothen Oblate bezeichnet. Nach wieder eingenommener Stellung wird nun die rothe Oblate fixirt, wobei das Bild der schwarzen, welches die Seh- nerveninsertion trifft, nicht gesehen wird, und alsdann der Kopf langsam nach rechts herabgeneigt. Kaum ist diese Nei- gung bis zu etwa 10° fortgeschritien, so taucht die schwarze Oblate im Gesichtsfelde wieder auf, und ebenso erscheint sie auch bei der entgegengeselzten Neigung wieder. Daraus folgt, dass in ‚beiden Neigungen das Bild der schwarzen die Sehner- veninserlion verlassen hat, dass also der Bogen, welcher diese mit dem Axenpunkte der Netzhaut verbindet, nicht horizontal 366 und daher auch der vertikale Meridian in Folge einer etwai- gen Rollung des Augapfels nieht vertikal geblieben ist. Es ist ferner zu erwägen, dass die Neigungen des Hauptes nicht im- mer in der normalen Richtung zur Meridianebene des Körpers erfolgen, sondern mit den Drehungen, wie mit den Beugun- gen und Streckungen des Hauples in den verschiedensten Gradverhältnissen und den mannigfaltigsten Diagonalrichtungen sich combiniren können, Es müsste demnach, um in allen diesen Fällen die Stabilität der Netzhautmeridiane zu sichern, jeder der Augäpfel um eine andere Axe, also im Ganzen um unendlich viele Axen sich rollen können, kurz seine Beweg- lichkeit müsste ähnlich derjenigen einer bloss im Mittelpunkte befestigten Kugel sein, wozu die Combination der um die senkrechte und die quere Axe drehenden geraden Augenmus- keln mit den um die Schrägaxe rollenden schiefen, schon des- halb nicht ausreichen kann, weil die durch die letzten her- vorgebrachten Bewegungen zu geringfügig sind. Die Hueck’sche Erklärung des Zwecks der Rollbewe- gungen ist ausserdem zu enge, indem sie die Bestimmung der das Auf- und Abwärts-, wie das seitliche Sehen begleitenden Rollungen, welche ibm unbekannt gewesen sind, nicht mit umfasst und auf diese zum Theil nicht anwendbar ist. Auch mich hat die Wahrnehmung der Rollungen in diesen Fällen nieht wenig befremdet, indem ich jener bestehend vorgeira- genen Hypothese zugelhan war, welche mit denselben sofort unvereinbar erschien. Ich wurde dadurch zwar zu einem Ver- suche veranlasst, die Regulirung der Netzhautmeridiane auch auf die konischen Bewegungen der Sehaxe anzuwenden, wel- cher indess bei näherer Prüfung im Wege des Experiments erfolglos blieb. Wenn man nämlich mit vertikaler Antlitzfläche von einem schwarzen Striche auf weisem Grunde, der den Augen nahe und mitten gegenüber, ebenfalls vertikal gestellt ist, mit horizontal gerichtelen Sehaxen einen Punkt fixirt, so erscheint jener bekanntlich der ganzen Länge nach einfach. Wenn man hierauf das Antlitz senkt und einen Pankt unten 367 fisirt, so tritt er in ein schräges Kreuzbild auseinander, weil er jetzt in einem spitzen Winkel zur Ebene der Sehaxen ge- neigt ist; ebenso, wenn man nach Hebung des Antlitzes in einen Punkt oben die Axen convergiren lässt. Erst dadurch, dass die Scheibe in die normale Stellung zu dieser Ebene ge- bracht wird, stellt die Einheit des Bildes sich wieder her. Ich fragte mich, ob bei vertikal bleibendem Antlitze und Fixi- rung des untern oder obern Punktes durch die in ihrer Rich- tung diesem Zwecke entsprechenden Rollungen und dadurch bewirkte Convergenz der senkrechten Netzhautmeridiane, für den ersten Fall in den oberen Hälften, für den andern in den untern, nicht eine Fixirung der Netzhautbilder des Striches in diesen und als Folge davon eine einfache Erscheinung be- dingt werden möchte? Als ich aber den Versuch anstellle und wiederholte, zeigte sich jedesmal das Doppelbild eben, als wenn gar keine Rollung Statt gehabt hätte, und vereinfachte sich durch die angegebene Bewegung; überdies sind die Rol- lungen bei Senkung des Blickes bedeutend stärker, als bei der Erhebung, da sie doch in beiden Fällen unter gleichen Nei- gungswinkeln sich gleich sein müssten, wenn jene Vermuthung richtig wäre. Wenn die Axenconvergenz in einer Horizontale nach rechts oder links fortschreitet, eo wird auch ohne Rol- lung und bei unveränderten Verlikalmeridianen die Vertikal- linie auf jedem Punkte, in welchem die Convergenz eben ruht, sehon in diese Meridiane fallen, mithin einfach gesehen wer- den. Vertikallinien, welche in einer gemischten Richtung, als nach oben und aussen, nach oben und innen ele. vom Antlitze sich befinden, entwerfen, wenn die fixirenden Sehaxen auf einen ihrer Punkte in Convergenz gestellt werden, ihre Bilder allerdings abweichend von den nunmehr verschobenen Verti- kalmeridianen, und hier würde daher eine Regulirung durch Hülfe der schiefen Augenmuskeln wieder eintreten können. Ruete hat mir jene Abweichung an seinem Ophthalmotrope gezeigt, und sie begreift sich daraus, dass beim Auf- und Nie. dersehen in vertikaler Richtung die senkrechte Augenaxe sich 368 enlgegengeselzt zum Horizonte herabneigi, daher bei der seit- lichen Bewegung aus dieser Stellung der äussere und innere gerade Augenmuskel den Augapfel nicht mehr um diese Axe, sondern um den jedesmal neu sich stellenden Vertikaldurch- messer drehen. Allein Ruete’s Ansicht, dass die Deelinalion des Verlikalmeridians der Netzhaut bei schräger Richtung der Sehaxe und die dadarch bedingte Abweichung vertikaler Li- nien von demselben durch die Rollungen corrigirt werde, kann doch nicht die richlige sein, vielmehr müssen die Rol- lungen auch in diesen Fällen einen andern Zweck haben, denn jene Linien werden bei unbewegtem Hauple in Kreuzbildern gesehen, und überdies erfolgt die Rollung bei Stellung der Sehaxen nach oben und aussen in gleicher Richtung, wie nach oben und innen, nämlich beide Male nach aussen, obgleich die Abweichung entgegengesetzt ist, also auch die Meridian- bewegung es sein müsste Ferner würde unerklärlich sein, warum die Einwärtsrollung beim Sehen nach unten und aus- sen ungleich stärker ist, als die Aussenrollung beim Sehen nach oben und aussen, und warum erstere derjenigen beim Sehen nach oben und innen entgegengesetzt ist. Wenn end- lich die Sehaxe des einen Auges bei verdecktem andern auf einen Punkt eines Vertikalstabes gerichlet wird und an diesem sich auf- und abwärts bewegt, so bleibt das Bild desselben ohne binzutretende Rollung im senkrechten Meridiane, und wird durch Dazwischenkunft dieser Bewegung vielmehr in einen andern, nun senkrecht sich stellenden Meridian versetzt, nieht zu erwähnen der verschiedenen Stärke der Rollungen beim Auf- und Niederschen. Es wird also in vielen Fällen durch die Rollungen gerade das Gegentheil der Rezulirung, nämlich ein Wechsel des Meridians für das nämliche Objekt- bild herbeigeführt. Die Identität der Meridiane ist aber zur Erhaltung einer richtigen Vorstellung von der Neigung der Gegenstände zur loth- und wagerechten Linie bei den Bewe- gungen der Augen oder des Hauptes durchaus nicht erforder- lich, indem diese bei jedem Wechsel der Netzhautstellen be- 369 reils durch Combinalion mit den entsprechenden Bewegempfin- dungen erreicht wird. Hueck hat ferner angenommen, dass zur Beurlheilung des Neigungsgrades einer Linie, welche von der verlikalen seillich abweicht, die Rollbewegung in der Art ins Mittel trete, dass durch sie dem senkrechten Nelzhaulmeridian die- jenige Neigung ertheilt werde, bei welcher die Linie in dem- selben sich abbilde und der Contractionsgrad des Rollmuskels alsdann das Maass der Abweichung angebe, welche Bewegung er das Reguliren der Abweichung genannt hat. An dem Äige des S. aber zeigte sich aufs Deutlichste, was ich schon früher an einem andern Auge mit einem rostfarbenen Irisflecken be- merkt habe, dass die Drehung des Auges um die Sehaxe in diesem Falle nicht Statt findet, indem bei langsamer Seilen- neigung eines dem Auge senkrecht vorgehaltenen Stabes, un- ter fortwährendem Fixiren eines beliebigen Punktes in dem- selben, die Stellung der Pupille unverändert blieb. Müllers Archiv. 1816, 24 Ueber d& Musculus Cramptonianus und den Spann- muskel der Choroidea. Von Ersst Brücke. (Vorgetragen in der Berliner physikalischen Gesellschaft am 29. Mai 1846.) Hierzu Tafel XI. Fig. 5. und 6. Im Jahre 1813 entdeckte Philipp Crampton im Vogel- auge einen Muskel, welcher von der inneren Fläche des Kno- chenringes entspringt, und sich an die Cornea anheftet: er beschrieb ihn unter dem Namen Depressor corneae !), weil er der Meinung war, dieser Muskel diene dazu, die Hornhaut abzuflachen, und das Auge für die Ferne zu accommodiren. Den fraglichen Muskel habe ich in Fig. 5a. von einem Uhu, in Fig. 6a. von einem Casuar abgebildet, und zwar in der Weise, dass die innere Ansicht der in der Richtung der Axe gehälfteten Augen nach Wegnahme aller inneren Theile ge- zeichnet ist. Ich werde nunmehr zeigen, dass der Cramp- ton’sche Muskel nicht die Cornea abflacht, d. h. den Krüm- mungshalbmesser ihrer Oberfläche vergrössert, sondern dass er denselben vielmehr verkleinert und mithin das Auge für 1) Gilbert’s Annalen, XLIX. p. 278. 371 die Nähe accommodirt, und es sollen mir dabei die Augen des Uhus und des Casuars als Paradigmata dienen. Wenn man an irgend einem Vogelauge den Crampton’- schen Muskel ringsum von dem Knochenringe ablöst, und unter seine Insertion an die Cornea einen dünnen Scalpel- stiel oder die Branche einer Pincette bringt, so kann man von der Cornea eine innere Lamelle ablösen, an die sich der Muskel ausschliesslich anheftet; sie ist dünner als die zurück- bleibende äussere Lamelle und besteht aus der sogenannten Demours’schen Haut mit deren Epithelium und aus einigen Schichten von sich meistens rechtwinklig durchkreuzenden Corneafasern. Die äussere Lamelle besteht aus dem zurück- bleibenden grösseren Theile der faserigen Substanz der Horn- haut und aus dem äusseren Hornhautepithelium. Wenn man die Hornhaut in einer durch die Augenaxe gelegten Ebene durchschneidet und die Trennung beider Lamellen vom Quer- schnitte aus zu bewerkstelligen sucht, so überzeugt man sich leicht, dass sie in der Gegend der Axe so mit einander ver- schmolzen sind, dass man ihre beiderseitige Grenze nicht auffinden kann; je weiter man sich von der Axe entfernt, um so weniger innig wird der Zusammenhang und nach dem Rande zu weichen beide Lamellen förmlich von einander und lassen zwischen sich eine lockere, bindegewebartige Faserschicht eindringen, welche erlaubt, dass sie hier um ein Weniges an einander verschoben werden können. Nunmehr geht die äussere Lamelle in die Sklerotika über und befestigt sich als solche an den vorderen Rand des Knochenringes, indem sie eins wird mit der festen fibrösen Haut, welche den letzteren bekleidet. An die innere Lamelle dagegen setzt sich, wie oben erwähnt, der Crampton’sche Muskel. Nachdem wir so die anatomischen Verhältnisse ausein- andergesetzt haben, wollen wir folgende Betrachtung an- stellen. Es sei ein Kreis in der Ebene als Grundfläche ge- geben, mit ihm soll eine ihrem Flächeninhalte nach gegebene Oberfläche einen Körper von möglichst grossem Volumen 2A* 372 bilden; welcher Art ist dieser Körper? Diese Frage ist eine der bekanntesten Uebungsaufgaben in der Variationsrech- nung; die Antwort ist, dass der Körper nothwendig ein Ku- gelabschnitt sein muss. Da dies ein Revolutionskörper ist, so können wir mit analogem Resultat unsere Aufgabe auch so stellen: Durch. irgend einen Punkt, in einem Systeme von rechtwinkligen Coordinaten bezeichnet durch x=.it, y=o, z=0 und durch die Y-Axe soll in der XY-Ebene eine Curve ge- legt werden, deren Länge, d. h. der Werth von INGSER TE gegeben ist, und welche, um die Y-Axe rotirend, über der XZ-Ebene einen Körper bildet, bei dem der Quotient der Ober- fläche in das Volumen möglichst gross ist. Es ergiebt sich nun, dass diese Curve ein Bogenstück eines Kreises ist, dessen Centrum in der Y-Axe liegt, und da die Länge des Bogen- stückes, welche wir s nennen wollen, gegeben ist, so kön- nen wir auch den Radius (r) des Kreises bestimmen. Wir haben nämlich, wenn wir mit g die Bogenlänge für den Halbmesser 1 bezeichnen, EN er und ee t sin cp p Wenden wir diese Betrachtungen zunächst auf das Uhu- auge an, um den Krümmungshalbmesser der Hornhautober- fläche zu bestimmen, wenn der Crampton’sche Muskel er- schlafft und wenn er zusammengezogen ist. Es ist nach dem Vorhergehenden leicht einsichtlich, dass, wenn der Crampton’sche Muskel erschlafft ist, die äussere Lamelle der Hornhaut, deren Befestigungskreis ‘der vordere Rand des Knochenringes bildet, die für die-Gestalt der Cornea maass- gebende Oberfläche ist; ist dagegen der Crampton’sche Mus- kel angespannt, so wird die maassgebende Oberfläche gebil- det durch die innere Lamelle und den Crampton’schen Mus- kel, dessen Ansalz an den Knochenring den Befestigungskreis 373 bildet. Im ersteren Falle ist also t gleich dem halben Durch- messer der vorderen Oeffnung des Knochenringes, in dem letzteren gleich dem halben Durchmesser des ringförmigen Ansatzes des Muskels. Wir wollen dies letztere t als t, und das ihm entsprechende s als s, bezeichnen, ebenso schreiben wir für die beiden zu ermittelnden Halbmesser rund r,. Es sind zuvörderst s und s, festzustellen; als s ist: na- türlich der halbe grösste, innere Bogen der äusseren Lamelle vom Knochenringe an zu bestimmen, als s, der halbe grösste, äussere Bogen der inneren Lamelle plus der Länge (des"Mus- kels im zusammengezogenen Zustande, welche als 3 seiner Länge im ausgedehnten Zustande zu veranschlagen ist. An den Augen zweier Uhus, welche in ihren Dimensionen auf eine höchst. auffallende Weise übereinstimmten, fand ich fol- gende Maasse: t = 12,3 Mm. t, = 10,8 Mm. 8 = 20 Mm. s,—= 21,5 Mm. Hieraus ergiebt sich: .r = 12,801 Mm. r‘= 11,375 Mm. r und r‘ sind die Halbmesser der Grenze zwischen äusserer und innerer Lamelle der Cornea in dem mittleren Theile derselben, wo beide unmittelbar an einander liegen, und man braucht zu ihnen nur die Dieke der äusseren Lamelle 0,4 Mm. zu addiren oder die der inneren mit 0,1 Mm. von ihnen ab- zuziehen, um die Krümmungshalbmesser der äusseren und inneren Corneaoberfläche in der Gegend der Axe für die beiden in Rede stehenden Zustände des Auges zu bestimmen. Da man bei der Ermittelung von Brennweiten immer von den Oentralstrahlen ausgeht und die Randstrahlen erst bei der Frage nach der Aplanasie oder Nichtaplanasie in Rechnung kommen, so habe ich meine Aufgabe gelöst, in- 374 dem ich gezeigt habe, dass durch die Zusammenziehung des Crampton’schen Muskels der Corneahalbmesser um 1,426 Mm. verkürzt und mithin das Auge für die Nähe aceommo- dirt wird. Wenden wir uns nun zu dem Auge .des Casuars. Es ist mit dem des Uhu’s nach einem und demselben Typus gebaut, aber Verschiedenheiten der Form lassen nicht'nur in den Wer- then von t und s, von t, und s, Aenderungen eintreten, sondern auch in der Art der Bestimmung der beiden letz- teren Grössen. Es verengt sich nämlich beim Casuar, vom Ursprunge des Muskels nach vorn gerechnet, der Knochen- ring noch um etwas und ist hier mit einer dicken und fe- sten Schicht fibrösen Gewebes, untermischt mit elastischen Fasern, ausgekleidet, auf welcher der Muskel bei der Con- traetion hinschleift. - Von dieser engsten Stelle des Knochen- ringes aus muss deshalb t, und s, gemessen werden, man erhält dann: t = 11 Mm. t,— 10 Mm. s = 14,5 Mm. s,—= 14 Mm. Dies giebt: r = 11,584 Mm. r,—= 10,199 Mm. rundr, sind wiederum die Krümmungshalbmesser der Grenze zwischen äusserer und innerer Lamelle, die Aenderung be- trägt mithin 1,385 Mm., also etwas weniger als im Uhuauge. Addirt man zu r und r, wiederum die Dicke der äusseren Lamelle mit 0,38 Mm., so erhält man die Krümmungshalb- messer der äusseren Corneaoberfläche, zieht man die Dicke der inneren Lamelle mit 0,3 Mm. von r und r, ab, so.er- hält man die Krümmungshalbmesser der inneren Oberfläche. Zwischen dem Auge des Uhus und des Casuars liegen ihrer Form nach alle übrigen Vogelaugen, indem ersteres den verhältnissmässig tiefsten, letzteres ‘den verhältnissmässig 375 flachsten Knochenring hat, es lässt sich also unsere Deduc- tion mit Leichtigkeit auf jedes andere Vogelauge anwenden. Schliesslich will ich noch ein Experiment beschreiben, durch welches man sich bequem die Wirkungsweise des Crampton’schen Muskels veranschaulichen kann. Man stelle ein weites, Uförmig umgebogenes Rohr mit ungleichen Schen- keln so auf, dass die Oeffnungen nach oben gekehrt sind, dann verschliesse man den kürzeren Schenkel mit einer wohl durchweichten Blase und fülle nun durch den längeren so lange Wasser hinein, bis die Blase sich in Form eines Ku- gelabschnittes hervorwölbt; dann drücke man auf diesen einen Ring, dessen innerer Kreis etwas kleiner ist, als die Basis des Kugelsegmentes, und man wird sehen, dass der Krüm- mungshalbmesser der sich im Innern des Kreises bildenden neuen Wölbung kleiner ist, als der der früheren, Dem Ringe, welcher hier von oben her drückt, entspricht im Auge der ringförmige Muskel, welcher von unten her zieht. Ausser dem Crampton’schen Muskel und den Blendungs- muskeln enthält das Vogelauge noch einen anderen Muskel, welchen ich als Spannmuskel der Choroidea bezeichne. Er entspringt ringförmig von der inneren Oberfläche des Knochenringes und heftet sich mit rückwärts laufenden Fa- sern ebenfalls ringförmig an die Choroidea, Er ist in Fig. 5b. vom Uhu und in Fig. 6b. vom Casuar abgebildet. Fig. 5. und Fig. 6c. ist das ringförmige Stück der Choroidea, an welches sich der Muskel befestigt; Fig. 5d. und Fig. 6d. ist ein Kranz von elastischen Fasern, welche vom Knochenringe entspringen und von hinten nach vorn laufend sich in ge- ringer Entfernung vom Ansatze des Muskels an die Choroi- dea heften, so dass sie demselben bei seiner Zusammenzie- hung entgegenwirken und bei seinem Nachlassen die Choroi- dea wieder zurückziehen. Die nächste Wirkung des Muskels kann. wenn man seinen Ursprung und seine Anheftung be- rücksiehtigt, nieht verkannt werden. Er spannt die Choroi- dea mit der in ihr liegenden Relina um den Glaskörper an, 376 und ich habe davon seinen Namen hergeleitet. Der Muskel zeichnet sich, wie alle Muskeln des inneren Auges, durch seinen Nervenreichthum aus, seine Fasern sind quergestreift, wie die des Crampton’schen Muskels und der Iris, und von derselben Dicke. Dieser Muskel kommt nicht nur den Vö- geln zu, sondern auch denjenigen Amphibien, deren Auge einen Knochenring besitzt, also den Schildkröten und den eidechsenartigen Amphibien mit Einschluss der Geckonen und Chamaeleonen, und verhält sich hier genau wie bei den Vö- geln. Auch bei den Krokodilen, Thieren, welchen der Kno- chenring fehlt, habe ich ihn gefunden; er entspringt hier von dem vorderen Theile der Sklerotika und seine Fasern heften sich rückwärtslaufend an die Choroidea. Bei den genannten Amphibien sind die Fasern des Muskels querge- streift, wie die ihrer Iris und von derselben Dicke. Auch dem Menschen und den Säugethieren fehlt der Spannmuskel der Choroidea nicht, nur die Form seiner Ele- mentartheile ist verändert. Bekanntlich kommen in der Iris des Menschen und der Säugethiere keine quergestreifte Mus- kelfasern vor, ja häufig hat man die Existenz von Muskel- fasern in der Blendung der Säugethiere überhaupt geleugnet. Es kann sich bei einer solchen Controverse natürlich nur darum handeln, ob die contractilen Fasern der Iris anderen eontractilen Fasern, welche wir Muskelfasern nennen, z. B. denen des Darmkanals, äusserlich ähnlich sehen oder nicht; denn es ist jedermann bekannt, dass sie sich nicht nur durch Reflex auf den Lichtreiz zusammenziehen, sondern auch von den Muskeln des Augapfels in Mitbewegung gezogen werden, so dass, wenn man keine besondere Abtheilung aus ihnen machen will, welche den Abtheilungen Muskelgewebe und Bindegewebe ceoordinirt ist, man sie mit viel mehr Recht der erstern, als der letztern einordnet; aber selbst in Rück- sicht auf die äussere Form hat man den Irisfasern unrecht gellan, wenn man sie dem Bindegewebe gleichstellt. Die 377 Iris vieler Thiere, z.B. der Wiederkäuer, erscheint allerdings als bestehend aus Fasern, welche mit Kernen besetzten Bün- deln von Bindegewebefibrillen höchst ähnlich sind; man braucht aber nur die Iris eines Menschen oder eines Affen zu untersuchen, um sich zu überzeugen, dass sie ausser ge- wöhnlichem Bindegewebe eine grosse Menge Fasern enthält, welche mit diesem auch nicht die allergeringste Aehnlichkeit haben, sondern denen alle Charaktere der organischen Mus- kelfaser, wie man sie nur im Darmkanal finden kann, zu- kommen. Wir haben bei den Vögeln und den beschuppten Am- phibien gesehen, dass die Muskelfasern des Spannmuskels der Choroidea denen der Iris immer völlig gleichen. Gerade so verhält es sich auch bei dem Menschen und den Säuge- thieren. Bei dem Menschen und den Affen gleichen die Fa- sern des Spannmuskels der Choroidea täuschend den orga- nischen Muskelfasern des Darmkanals, bei anderen Thieren, z. B. den Wiederkäuern, gleichen sie regelmässig mit Ker- nen besetzten Bündeln von Bindegewebefibrillen; kurz bei jedem Thiere, welches man untersuchen mag, ist der Ort ihres Vorkommens das einzige, was sie von den contracti- len Fasern der Iris unterscheidet. So viel über die Elemen- tartheile des Muskels bei dem Menschen und den Säugethie- ren; seiner Gestalt und Lage nach entspricht er am meisten dem Tensor choroideae des Krokodils, weil, wie bei die- sem, der Knochenring, von dem er bei Vögeln, Eidechsen und Schildkröten entspringt, fehlt; seine von vorn nach hinten verlaufenden Fasern sind deshalb einerseits mit einem starken fibrösen Fasernetze, das beim Menschen die innere Wand des Canalis Schlemmii bilden hilft, an der Grenze zwischen Sklerotika und Cornea befestigt, andererseits inse- riren sie sich innerhalb einer ziemlich breiten Zone an den vorderen Theil der Choroidea: so dass man über die Wir- kungsweise des Muskels ebenso wenig in Zweifel sein kann, 378 wie bei den übrigen Thierklassen. Der Muskel ist sehr leicht zu finden, denn er ist nichts anderes, als der hell- graue Ring, welchen man auf der äusseren Fläche des vorderen Theiles der Choroidea nach Ablösung der Sklerotika findet und der bis jetzt in der Ana- tomie unter den Namen Ligamentum ciliare, Or- biculus eiliaris, Cireulus eiliaris, Plexus eiliaris, Ganglion eiliare u. s. w. eine so traurige Rolle ge- spielt hat. Ueber das Verhalten der optischen Medien des Auges gegen die Sonnenstrahlen. Von Ersst Brücke. (Vorgetragen in der Gesellschaft der naturforschenden Freunde am 21. Juli 1846.) In einer Abhandlung über das Verhalten der optischen Me- dien des Auges gegen Licht- und Wärmestrahlen (siehe die- ses Archiv, Jahrg. 1845. p. 262.) suchte ich wahrscheinlich zu machen: dass diejenigen Strahlen, welche eine grössere Wellenlänge haben, als das äusserste Roth, und diejenigen, deren Wellenlänge kleiner ist, als die des äussersten Violet oder respective Lavendelgrau, die optischen Medien des Au- ges nicht durchdringen, und man, da dieses zureichender Grund ihrer Unsichtbarkeit sei, auch nicht mit Melloni be- haupten dürfe, dass ihnen an sich die Fähigkeit abgehe, die Nervenhaut zur Empfindung des Leuchtenden zu erregen. Durch die Gefälligkeit zweier meiner Freunde bin ich in den Stand gesetzt worden, noch einige Versuche anzustellen, welehe in Rücksicht auf die Strahlen jenseits des Violet meine Ansicht zur Gewissheit erheben, in Rücksicht auf die Strahlen jenseits des Roth die Wahrscheinlichkeit derselben in hohem Grade steigern. Meine Versuche über die Strahlen 380 jenseits des Violet sind folgenderweise angestellt: Herr Dr. Gustav Karsten halte sich ein dunkles Zimmer mit einem Heliostaten eingerichtet, um prismatische Spectra vom Sonnenlichte mit den Frauenhoferschen Linien photogra- phisch abzubilden, was ihm mit einem sehr empfindlichen Papiere, über dessen Zubereitung und Eigenschaften ich sei- ner Publikation nicht vorgreifen will, auf das Vollkommenste gelang. Das Maximum der chemischen Wirkung fiel bei sei- nen Bildern zwischen die Linien G und H des Frauenhofer- schen Spectrums, also vom Anfang des Indigo bis zur Mitte des Violet. Ich durchschnitt nun die Sklerotika eines frischen Och- senauges im Aequator desselben, löste die vordere Hälfte mit der Cornea ab und befestigte sie durch einen Klemmring auf einen anderen Metallring von 14 Mm. Höhe, auf den sie genau passte und der seinerseits in einen Metallschirm ein- gelöthet war, über den er 5 Mm. hervorragte. Nun präpa- rirte ich den Glaskörper in Verbindung mit der Linse aus dem zurückgebliebenen Theile des Auges heraus, legte ihn, die Linse nach oben gewendet, in die durch den Metallring, den vorderen Theil der Sklerotika und die Cornea gebildete Höhlung und befestigte ihn mittelst einer gewölbten Blen- dung mit einer Oeffnung von 7 Mm. Radius, welche in ein inwendig geschwärztes Messingrohr gelöthet war, das ich von der freien Seite in den Metallring hineinschieben konnte. So hatte ich nun eine dioptrische Combination von Linse, Glaskörper und Cornea, welche so vollkommen war, dass sie beim Hindurchsehen die Gegenstände in scharfen und deutlichen Bildern erkennen liess, und durch welche ich Strahlen aus verschiedenen Theilen des Spectrums fallen las- sen konnte, um sie nach ihrem Durchgange durch ein im Brennpunkte des Systems aufgestelltes empfindliches Papier auf ihre chemische Wirksamkeit zu untersuchen. Wir fan- den nun, dass, während die Wirkung des violetten Lichtes nach dem Durchgange durch das Auge noch so heftig war, 381 dass sich schon nach 1% Minuten auf dem Papier ein völlig schwarzer Punkt mit einem braunen Hofe befand, an der Grenze des Violet die Wirkung plötzlich so sehr abnahm, dass die am wenigsten brechbaren der lavendelgrauen Strah- len in einer Zeit von mehreren Minuten nur einen lichtbrau- nen Punkt hervorbrachten. In der Gegend der Liniengruppe M des Draperschen Spectrums endlich und darüber hinaus war die Wirkung so vollkommen aufgehoben, dass selbst nach 10 Minuten noch keine Spur auf dem Papier zu se- hen war. Nahe zu in derselben Gegend hörte die Wirkung auf, als wir die Linse des Auges allein anwendeten, so dass es sich wiederum zeigte, dass die Strahlen jenseit des Violet vornehmlich durch die Linse absorbirt werden. Diejenigen, welche diese Versuche nachmachen wollen, warne ich, sich nicht täuschen zu lassen, wenn sie von den dunkeln Strahlen jenseits des Violet scheinbar noch Durch- strahlungseflekte erhalten. Sie werden sich nämlich in die- sen Fällen bei einiger Aufmerksamkeit immer überzeugen, dass die Stelle, an welcher sich nach dem Versuche die che- mische Wirkung zeigt, während des Versuchs nicht dunkel, sondern schwach erhellt ist, und zwar von gemischtem Lichte. Das Licht, welches hier erhellt und chemisch wirkt, ist diffuses Licht, welches entweder von dem Prisma aus- geht, oder von irgend einem hellfarbigen Gegenstande, der durch das von einer Fläche des Prismas reflektirte Licht er- leuchtet wird. Diese Fehlerquelle kann man dadurch besei- tigen, dass man den Schirm mit rechteckiger Oeflnung, durch welchen man das jedesmal zu benutzende Stück des Spec- trums ausschneidet, nicht unmittelbar vor dem eingeschalte- ten Auge, sondern wenige Centimeter hinter der Sammellinse anbringt, welche zur Vervollkommnung des Spectrums hin- ter dem Prisma aufgestellt ist. In Rücksicht auf die Strahlen, deren Wellenlänge grös- ser ist, als die des äussersten Roth, habe ich mit Herrn 382 Knoblauch folgenden Versuch angestellt: Wir setzten auf die schon oben beschriebene Weise und in demselben Ap- parate Hornhaut, Glaskörper und Linse eines Ochsenauges zusammen, und schalteten diese Combination in ein durch eine quadratische Oeffnung im Fensterladen einfallendes und von dem Spiegel des draussen angebrachten Heliostaten re- flectirtes Bündel Sonnenstrahlen ein. Dann stellten wir vor dem Auge einen Metallschirm, hinter demselben eine Ther- mosäule auf. Wurde nun der Metallschirm fortgezogen, so wich die Multiplicatornadel je nach der Intensität der Strah- lung um 26—30° ab. Rührte die hier stattfindende Er- wärmung ausschliesslich von leuchtenden Strahlen her, so musste sie durch eine in die Strahlung eingeschaltete Russschicht völlig aufgehoben werden; waren dagegen unter den erwärmenden Strahlen solche, deren Wellenlänge grös- ser war, als die des äussersten Roth, so war es mindestens im hohen Grade wahrscheinlich, dass ein beträchtlicher Bruchtheil von ihnen die Russschicht durchdringen werde. Wir berussten also das Auge auf beiden Seiten über der Terpentinflamme, was vollkommen gut, und, wie die nach- herige Untersuchung zeigte, ohne alle sonstige Veränderung der Cornea und Linse gelingt. Nachdem wir nun das Auge von Neuem eingeschaltet hatten, vermochte das Wegziehen oder Einschalten des Metallschirms keinerlei Wirkung mehr auf die Nadel auszuüben. Dies macht, wie ich glaube, in hohem Grade wahrscheinlich, dass die optischen Medien des Auges für die dunkeln Strahlen jenseits des Roth ebenso un- durchgängig sind, wie für die dunkeln Strahlen jenseits des Violet. Ueber die quantitative Bestimmung der Harnsäure. Von W. Neıntz. Meine Versuche über die quanlilalive Bestimmung des Harn- stolls *), aus welchen hervorgeht, dass die früher dazu an- gewendete Methode zu durchaus unrichtigen Resultaten füh- ren musste, veranlassten mich theils eben, weil ich dieses fand, theils aber auch in Folge dessen, dass ein glücklicher Erfolg meine Bemühungen, eine bessere Methode aufzufinden, gekrönt hat, auch die Methode, welche zur quantitativen Bestimmung der Harnsäure angewendet wird, einer genauen Prüfung zu unterwerfen. Was die quantitative Bestimmung des Harnstoffs be- trifft, so konnte ich in meinem Aufsatz keinen früher von Anderen angestellten Versuch anführen, wodurch entweder die vollkommene Genauigkeit der älteren Methode oder doch die Fehlergrenze, welcher sie ausgesetzt ist, nachgewiesen würde. Viel anders ist es nicht mit der quantitativen Be- stimmung der Harnsäure. Es ist mir nur ein einziger Ver- such bekannt geworden, der angestellt worden ist, um die 1) Poggend. Ann. LXVI. 114. und LXVIII. 393. 384 Güte dieser Methode zu prüfen. Dieser Versuch ist von Lehmann ausgeführt worden und findet sich in seinem Aufsatze über den menschlichen Harn !) angeführt. Er löste nämlich eine gewogene Menge reiner Harnsäure in Kalilauge auf, schlug aus dieser Lösung die Harnsäure mittelst Essig- säure nieder, filtrirte und wusch den Niederschlag aus, trock- nete und wog ihn. Er erhielt so von 2,356 Grm. Harnsäure 2,353 Grm. wieder. Nach diesem Versuche war zu hoffen, dass diese Me- thode der Bestimmung der Harnsäure vollkommen ausrei- chend sein würde. Da aber aus Liebig’s Arbeit über die Constitution des Harns der Menschen und der fleischfressen- den Thiere?) hervorgeht, dass nicht Kalihydrat das Lösungs- mittel der Harnsäure im Harn ist, sondern dass dem phos- phorsauren Natron diese Wirkung zugeschrieben werden muss, Lehmann aber, wie eben erwähnt, nicht dieses letz- tere, sondern eben Kalihydrat zur Auflösung seiner Harnsäure benutzt hat, so schien es mir nicht überflüssig, durch Ver- suche die Genauigkeit jener Methode zu prüfen. Wenn auch diese Versuche wenig Neues ergeben haben, so glaube ich doch, dass es nicht überflüssig sein wird, die- selben der Oeffentlichkeit zu übergeben, da sie eben .die voll» kommene Anwendbarkeit dieser Methode darthun, und eini- germaassen die Fehlergrenze bestimmen, denen sie ausge- setzt ist. . Zunächst kam es darauf an, den Fehler zu bestimmen, welcher durch die Auflöslichkeit der Harnsäure in Wasser oder in der Flüssigkeit, woraus sie quantitativ abgeschieden werden soll, bedingt ist. Zu diesem Ende löste ich ver- schiedene, bei 110 — 120° C. getrocknete und gewogene Mengen Harnsäure, deren Reinheit durch die Elementarana- 1) Journ. f. prakt. Chem. XXV. 14. 2) Ann. der Chem, u, Pharm. L. 161. » i % = a 385 lyse iesen worden war '), in einer verdünnten Auflösung —- Natron auf, und zwar etwa in so viel dieser Lösung, als man gewöhnlich Harn zur Bestimmung der Harnsäure anwendet, und schlug sie aus derselben mit- telst etwas Salzsäure nieder. Der Niederschlag wurde nach 24 Stunden auf ein gewogenes Filtrum gebracht, mit Wasser ausgewaschen, getrocknet und gewogen. Auf diese Weise erhielt ich von 0.1485 Grm. Harnsäure, die etwa in 65 Grm. der phosphorsauren Natronlösung auf- gelöst worden waren, 0,1425 Grm. Harnsäure wieder. Es waren also 0.006 Grm. verloren gegangen. Wenn man an- nimmt, die 65 Grm. Flüssigkeit wären Harn gewesen, so würden also 0,09 p. M. | säure mehr in dem Harn ge- wesen sein, als gefunden worden ist, und wenn man ferner den Gehalt des Harns an festen Bestandtheilen zu 30 p.M.?) annimmt, so wäre der Verlust auf diese berechnet gleich 0,30 pCt. Bei einem zweiten, auf dieselbe Weise angestellten Ver- suche erhielt ich von 0,3028 Grm. Harnsäure, die in 80 Grm. verdünnter Lösung von phosphorsaurem Natron aufgelöst worden waren, 0,2966 Grm. Harnsäure wieder. Die Diffe- renz ist 0,0062 Grm., und der Verlust beträgt also 0,08 p.M. der angewendeten künstlichen Harnflüssigkeit, oder bei 30p.M. fester Harnbestandtheile würde er 0,26 pCt. von diesen betragen, Endlich bei dem dritten Versuche, bei welchem 0,2775 1) Die Resultate der Analysen waren: l. nl. berechnet. Kohlenstoff 35,72 35,97 35,61 Wasserstoff 2,46 2,47 2,37 Stickstoff _ _ 33,57 Sauerstoff 2 2 28,45 100. 2) Dies mag etwa der mittlere Gehalt des Harns an festen Be- standtheilen sein, Müllor's Archiv. 1818. 25 3386 Grm. Harnsäure in 64 Grm. der verdünnten Lösugz von phosphorsaurem Natron aufgelöst wurden, konnten 0,2717 Grm. Harnsäure wieder gewonnen werden. Der Verlust be- ; trug hier 0,0058 Grm. oder 0,09 p.M. der künstlichen Harn- flüssigkeit oder bei 30 p. M. fester Harnbestandtheile 0,30 pCt. derselben. Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dass ein ge- ringer Verlust bei Bestimmung der Harnsäure im Harn nach dieser Methode nicht zu vermeiden ist, dass derselbe aber so gering ist, dass er die bei chemischen Untersuchungen ge- wöhnlich gestattete Fehlergrenze lange noch nicht erreicht. Es ist also die nicht vollkommene Unlöslichkeit der Harn- säure in Wasser nicht von so bedeutendem Einfluss, dass dadurch diese Methode der quantitaliven Bestimmung der Harnsäure ungenau würde. Es kommt aber jetzt darauf an, nachzuweisen, wie weit die färbenden Stoffe, welche mit der durch Säuren aus dem Harn niedergeschlagenen Harn- säure niederzufallen pflegen, das Gewicht derselben vermeh- ren können. Zu dem Ende wurde eine gewogene Menge Harnsäure mit wenig einer concentrirten Lösung von phosphorsaurem Natron erhitzt. Es verwandelte sich dieselbe dadurch in harnsaures Natron, das sich jedoch in der anwesenden Menge Wasser nicht aufzulösen vermochte. Hierzu wurde eine ge- wisse Menge eines Harns gesetzt, aus dem die Harnsäure durch Salzsäure, mit dem er 24 Stunden gestanden hatte, vorher abgeschieden worden war. Um dadurch die Harn- säure wieder vollständig frei zu machen, wurde dieser Harn erst gekocht und im kochendheissen Zustande zu der Lösung von phosphorsaurem Natron gesetzt. Zuerst unterwarf ich 0,1832 Grm. Harnsäure diesem Versuche. Die Menge der Flüssigkeit, aus der sie sich ab- scheiden musste, betrug etwa 93 Grm. Die so wiedererhal- tene Harnsäure war schwach graubraun gefärbt, und ihr Ge- wicht beirug 0,1917 Grm. Wäre sie nicht gefärbt gewesen, 387 und ihr Gewicht nicht durch jenen tingirenden Stoff ver- mehrt worden, so müsste man nur sehr wenig weniger an Harnsäure wiederbekommen haben, als zu dem Versuche an- gewendet wurde, nämlich so viel weniger, als sich in dem Waschwasser auflösen konnte; der zugesetzte, sauer gemachte Harn selbst dagegen, der als eine gesättigte Auflösung von Harnsäure in Wasser betrachtet werden kann, kann nicht zu einem Fehler durch Verhinderung der vollkommeneren Fällung der Harnsäure Anlass geben. Bei dem obigen Ver- suche erhielt ich 0,0085 Grm. mehr Harnsäure wieder, als zu demselben angewendet worden war. Rechnet man noch 0.0015 Grm. als durch das Waschwasser gelöste Harnsäure hinzu, so würde der mit der Harnsäure niedergefallene Harn- farbstoff 0,010 Grm. oder 0,1 p. M. der angewendeten Harn- flüssigkeit, oder bei 30 pCt. fester Harnbestandtheile 0,34 pCt. dieser betragen. f Bei einem zweiten Versuche erhielt ich bei Anwendung von 0,217 Grm. Harnsäure, und von 79 Grm. mit Salzsäure von der Harnsäure befreiten Harns 0,2221 Grm. gefärbter Harnsäure wieder. Es ergiebt dies einen Ueberschuss von 0,0051 Grm. oder von 0,06 p. M. der künstlichen Harnflüs- sigkeit, oder 0,22 pCt. der festen Harnbestandtheile, wenn der Gehalt des Harns au demselben zu 30, p. M. angenon:- men wird. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Menge des Farbstoffs, welcher sich mit der Harnsäure gemengt nieder- schlägt, wenn sie mit Salzsäure aus dem Harn gefällt wird, nur etwa so viel beträgt, dass der dadurch veranlasste Feh- ler den durch die Löslichkeit der Harnsäure in Wasser be- dingten. nach der entgegengesetzten Richtung liegenden, eompensirt. Ich fand, dass im Mittel von drei Versuchen der Verlust. welcher durch jene Eigenschaft der Harnsäure bedingt ist, 0,09 p. M. der angewendeten Harnflüssigkeit be- trägt; Im Mittel von zwei Versuchen war dagegen der Ueber- 25% 388 schuss, welcher durch die Mitfällung des Farbstoff mit der Harnsäure bedingt wurde, 0,08 p. M. Diese Uebereinstimmung ist natürlich zufällig. Allein so viel geht aus den Versuchen mit Sicherheit hervor, dass die Verunreinigung der Harnsäure durch den mit niedergeschla- genen Farbstoff nicht einen so grossen Fehler bei der Be- stimmung der Harnsäure veranlasst, dass die dabei angewen- dete Methode dadurch unbrauchbar gemacht würde. Im Gegentheil dient diese Fehlerquelle nur dazu, eine andere, nämlich die durch die nicht vollständige Löslichkeit der Harnsäure bedingie, mehr oder weniger zu compensiren. Wenn nun durch die angeführten Versuche die Brauch- barkeit dieser Methode, die Harnsäure quantitativ zu bestim- men, erwiesen isl, so kam es mir nun darauf an, zu prüfen, wie gewisse anomale Bestandtheile des Harns vielleicht auf die Güte dieser Methode von Einfluss sein könnten. Zucker im Harn. Es scheint zwar fast überflüssig, zu prüfen, ob vielleicht der Traubenzucker im diabetischen Harn veranlassen möchte, dass die Harnsäure aus diesem sich nicht ebenso vollständig abscheidet, als aus zuckerfreiem Harn. Allein, wenn ich es auch als sehr unwahrscheinlich anerkennen muss, dass ein solcher Einfluss des Zuckers Statt haben möchte, so kann ich es doch nicht als so sicher betrachten, dass es nicht werth wäre, darüber einige Versuche anzustellen. Zugleich aber hoffte ich, dass die im Verfolg beschriebenen Experi- mente wenigtens in dem Falle, wenn der Traubenzucker in der That auf die Bestimmung der Harnsäure keinen Einfluss haben sollte, nachweisen würden, dass die Gewichtsmengen Harnsäure, welche aus verschiedenen Quantitäten desselben Harns nach der oben beschriebenen Methode erhalten wür- den, im Verhältniss der Gewichte dieser stehen, Die Versuche wurden auf folgende Weise angestellt. Es wurden zwei vollkommen gleiche Portionen ein und 389 desselben filtrirten Harns abgewogen, die eine mit zwei bis drei Grammen Traubenzucker, der vorher in wenig Wasser gelöst und filtrirt worden war, versetzt, und dann beide mit Salzsäure stark sauer gemacht. Nachdem beide Flüssigkeiten 24 Stunden lang gestanden hatten, wurden sie durch gewo- gene Filtra von der niedergeschlagenen Harnsäure abgeson- dert, welche letztere ausgewaschen, getrocknet und gewo- gen wurde. Auf diese Weise erhielt ich in einem Falle aus 79,77 Grm. Harn, die mit Zucker versetzt worden waren, 0,0615 Grm. oder 0,77 p. M., aus eben so viel desselben, nicht mit Zuk- ker versetzien Harns dagegen durch Zusatz von Salzsäure 0,0635 Grm. oder 0,79 p. M. Harnsäure. In einem zweiten Versuche gaben 91,18 Grm. eines an- dern mit Zucker versetzten Harns 0,1039 Grm. oder 1,140 p- M. Harnsäure und eine gleiche Menge desselben Harns, dem kein Zucker beigefügt worden war, 0,1045 Grm, oder 1,146 p. M. Diese Versuche beweisen nicht allein, dass die Gegen- wart des Zuckers im Harn die Abscheidung der Harnsäure nicht im Geringsten behindert, sondern auch, dass die zur quantitativen Bestimmung desselben bisher benutzte Methode bei Anwendung ein und desselben Harns stets dieselben Re- sultate giebt. Die Differenzen, welche bei obigen Versuchen erhalten wurden, betrugen nur 0,02 und 0,007 p. M., Diffe- renzen, die gewiss als unvermeidliche Versuchsfehler be- trachtet werden können. Ich weiss jedech nicht zu ent- scheiden, oh es Zufall ist oder nicht, dass in beiden Fällen die Menge der Harusäure, welche aus zuckerfreiem Harn er- halten wurde, ein Minimum grösser war, als die aus mit Zucker versetztem erhaltene. Wollte man dies nicht für ei- Zufall halten, so könnte man diese Differenzen auch da- erklären, dass man dem Harn, der weniger Harnsäure en hatte, noch etwas Wasser mittelst der zugesetzten Zuckerlösung beigemischt hatte, Dieses Wasser musste noth- 390 wendig eine gewisse Menge Harnsäure aufgelöst erhalten und daher fiel die auf dem Filtrum gesammelte Menge derselben um eben so viel zu gering aus. Eiweiss im Harn. Bei der Gegenwart von Eiweiss im Harn ist es schwer- lich zulässig, die Harnsäure durch Salzsäure niederzuschlagen, da diese Säure, wenn sie in einer gewissen Menge hinzuge- fügt wird, die Fällung von etwas Eiweiss bedingen könnte. Ich wendete daher zur Fällung der Harnsäure bei den Ver- suchen, welche ich mit Eiweisslösung angestellt habe, nicht diese Säure, sondern Essigsäure an, die bekanntlich weder in geringer, noch in grosser Menge der Lösung des Eiweiss zugesetzt, die Fällung desselben veranlasst, die dagegen so- gar das Coaguliren desselben beim Kochen verlıindert. Bei den Versuchen verfuhr ich fast auf dieselbe Weise, wie bei denen, durch welche ich den Fehler zu bestimmen suchte, welcher durch den mit der Harnsäure niederfallenden und sie färbenden Stoff bedingt sein möchte, nur substituirte ich dem Harn eine verdünnte und filtrirte Eiweisslösung und digerirte die Mischung bei 50° C., um die Zersetzung alles harnsauren Salzes zu veranlassen und doch die vielleicht noch mögliche Coagulation des Eiweiss zu vermeiden. So erhielt ich von 0,2753 Grm. Harnsäure, die mit einer eoncentrirten Lösung von harnsaurem Natron gekocht und mit einer essigsauren Auflösung von Eiweiss aus Blutserum gefällt worden wtren, 0,272 Grm. Harnsäure wieder, Der Verlust betrug also 0,0033 Grm. oder, da die Harnsäure aus 66 Grm. Flüssigkeit abgeschieden war, 0,05 p. M. der ange- wendeten künstlichen Harnflüssigkeit, oder, wenn man 30 p- M. an festen Bestandtheilen im Harn annimmt, 0,17 pCt. derselben. Bei einem zweiten Versuche wurden von 0,1947 Grm. Harnsäure 0,1887 Grm. wieder gewonnen. Die Menge der Flüssigkeit, welche bei dem Versuche angewendet wurde, 391 betrug etwa 78 Grm. Der Verlust belief sich also auf 0,006 Grm. oder 0,08 p. M. der Flüssigkeit, oder 0,26 pCt. der festen Bestandtheile, wenn man annimmt, dass die künst- liche Harnflüssigkeit 30 p. M. fester Bestandtheile enthal- ten habe. Ein dritter Versuch endlich lieferte sehr ähnliche Resul- tate. Von 0,247 Grm. Harnsäure wurden aus 95 Grm. Flüs- sigkeit 0.2385 Grm. wiedergewonnen. Die Differenz beträgt 0.0085 Grm. Der Verlust beläuft sich also auf 0,09 p. M. der Flüssigkeit oder 0,3 pCt. der festen Bestandtheile, wenn der Gehalt jener an diesen zu 30 pCt. angenommen wird. Bei einem vierten Versuche endlich erhielt ich von 0,1702 Grm. Harnsäure 0,1672 Grm. wieder. Da die Menge der Flüssigkeit, aus der sie gefällt wurde, 65 Grm. betrug, so war der Verlust gleich 0,05 p. M. der künstlichen Harn- flüssigkeit oder gleich 0,15 pCt. der darin angenommenen 30 p. M. fester Bestandtheile. Aus den angeführten Versuchen geht ‘deutlich hervor, dass die Anwesenheit des Eiweiss in einem Harn der quan- titativen Bestimmung der Harnsäure, wenn man sich zur Fällung derselben der Essigsäure bedient, nicht hinderlich ist, Die Diflerenzen, welche ich bei den angeführten Ver- suchen fand, waren dieselben, wie die, welche bei der Be- stimmung der Harnsäure in eiweissfreiem Harn vorkommen können, Sämmtliche Blutbestandtheile im Harn. Wenn Blut im Harn enthalten ist, so muss ‚man die Harnsäure wegen Anwesenheit des Eiweiss natürlich durch Essigsäure niederschlagen. Ich habe in zwei Versuchen diese Säure, in einem dritten Versuche die gewöhnliche Phosphor- säure, die bekanntlich die Eigenschaft mit der Essigsäure theilt, das Eiweiss weder, wenn sie in geriuger, noch in grosser Menge hinzugeselzt wird. zu coaguliren, zur Fällung derselben angewendet. 392 Die Methode, welche ich benutzte, um zu prüfen, ob die löslichen Bestandtheile des Blutes die Menge der durch diese Säuren abgeschiedenen Harnsäure verändern könnten, war dieselbe, welche ich auch bei blosser Gegenwart von Salzsäure benutzte. Der reinen Eiweisslösung wurde aber die schön rothe Flüssigkeit substituirt, die durch Ausziehen des Blutkuchens mit kaltem Wasser und Filtriren erhal- ten wird. ? Von 0,211 Grm. Harnsäure erhielt ich bei dem ersten Versuche, bei welchem Essigsäure zur Fällung desselben an- gewendet worden war, 0,2107 Grm. wieder. Der Verlust betrug hier nur 0,0003 Grm., war also wesentlich geringer, als wenn keine Blutbestandtheile vorhanden gewesen wären. Dies hatte jedoch seinen Grund nicht etwa darin, dass die Harnsäure in jenem Falle vollständiger gefällt wurde, als in diesem, sondern vielmehr darin, dass etwas von dem Blut- farbstoff mit niedergeschlagen worden war; denn die Harn- säure war braun gefärbt. Zu einem zweiten Versuche wurden 0,2513 Grm. Harn- säure verwendel. Als fällende Säure wurde gleichfalls Essig- säure benutzt. Der Niederschlag betrug 0,2557 Grm., also 0,0044 Grm. mehr, als zum Versuch angewendet worden war.° Die Harnsäure war sehr dunkelbraun gefärbt. Die Menge der zu dem Versuch angewvrendeten künstlichen Harn- flüssigkeit betrug etwa 87 Grm. Der Ueberschuss beläuft sich also auf 0,05 p. M. der angewendeten Harnflüssigkeit, oder auf 0,17 pCt. der festen Harnbestandtheile, wenn die- selben zu 30 p. M. angenommen werden. Bei einem dritten Versuche, bei welchem übrigens die Abscheidung der Harnsäure durch Phosphorsäure bewirkt wurde, erhielt ich von 0.1938 Grm. derselben 0,191 Grm. wieder. Die wiedergewonnene Säure war kaum gefärbt. Darum war auch hier kein Ueberschuss an Harnsäure auf dem Filtrum gesammelt worden, sondern es hatte ein gerin- der Verlust Statt gefunden. Dieser betrug 0,0028 Grm. oder 393 auf 73 Grm. der angewendeten Harnflüssigkeit berechnet 0,04 p. M. und bei 30 p. M. der darin enthalten angenom- menen festen Harnbestandtheile 0,13 pCt. Diese drei Versuche differiren um etwas mehr, als die früheren. Der Grund dafür liegt, wie aus der Färbung der Harnsäure, welche bei den verschiedenen Versuchen erhalten wurde, deutlich und klar hervorgeht, in einer grösseren oder geringeren Fällung von Bestandtheilen des Blutes und na- mentlich seines Farbstoffs. Die Auflösung des Blutroths in Wasser hat bekanntlich eine sehr schön rothe Farbe, die bei Zusatz einer gewissen Menge von Essigsäure oder Phos- phorsäure nur etwas dunkler wird, aber nicht in eine andere Farbennüance übergeht, obgleich die Flüssigkeit schon sehr stark sauer sein kann. Setzt man aber derselben noch mehr Säure hinzu, so wird sie braun und etwas opalisirend. Na- mentlich durch das letztere wird erwiesen, dass nun in der That etwas des Farbstoffes niedergeschlagen worden ist. Es muss also durch einen zu grossen Ueberschuss an Säure das Gewicht der wiedergewonnenen Menge Harnsäure vermehrt werden, und kann so hoch ausfallen, dass diese mehr wiegt, als die angewendete Menge derselben. Bei dem oben zuerst angeführten Versuche war die Flüssigkeit durch. den Zusatz der Essigsäure etwas bräunlich geworden, bei dem zweiten dagegen wurde sie ganz dunkel- braun und opalisirend, bei dem dritten endlich behielt sie noch ganz die schöne rothe Farbe bei Zusatz der Phosphor- säure, wurde nur dunkler, Bei dem ersten Versuch erhielt ich genau die angewen- dete Menge Harnsäure wieder, der zweite lieferte dagegen einen kleinen Ueberschuss, während bei dem dritten nur wenig mehr Harnsäure wiedergewonnen wurde, als ohne Anwesenheit der Blutbestandtheile hätte wiedererhalten wer- den müssen. Man sieht, dass je mehr die Farbe der Flüssigkeit durch die hinzugesetzte Säure verändert wurde, auch um so mehr 394 des Farbstoffs niederfiel. Da nun ferner der Grad der Far- benveränderung von der Menge der Säure abhängt, welche zur Fällung der Harnsäure angewendet wird, so ist klar, dass man, um die Mitfällung des Blutfarbstoffes mit der Harnsäure möglichst zu vermeiden, die Säure in möglichst geringem Ueberschuss hinzufügen muss. Man muss also zu der Flüssigkeit von der Essigsäure oder Phosphorsäure zwar so viel, dass sie stark sauer reagirt, aber dennoch nicht ei- nen zu starken Ueberschuss davon hinzufügen. Es geht daher aus den angeführten Versuchen hervor, -dass wenn auch die Resultate derselben nicht so genau über- einstimmen, wie dies bei den früheren der Fall ist, dennoch der Fehler, weleher durch die Anwesenheit sämmtlicher auf- löslicher Blutbestandtheile bei der quantitativen Bestimmung der Harnsäure bedingt ist, noch nicht die Grösse erreicht, welche bei genauen chemischen Versuchen gestattet ist. Na- mentlich dann, wenn man einen zu grossen Ueberschuss der zur Fällung benutzten Säure vermeidet, kann man sicher sein, dass die Menge des gefällten Farbstoffs die der in der Flüssigkeit gelöst bleibenden Harnsäure nicht übersteigt, dass also mit anderen Worten jener Fehler diesen mehr oder weniger compensirt, aber nie einen Fehler im entgegenge- setzten Sinne zu Wege bringt. Galle im Harn. Da es noch zweifelhaft ist, welche Bestandtheile der Galle eigentlich in den Harn übergehen können, ob es na- mentlich die eigentlichen wesentlichen Gallenbestandtheile, also Bilin oder das von Platner entdeckte Natronsalz der Gallensäure vermögen, so lässt sich hier schwer ein Versuch anstellen, durch den mit Sicherheit entschieden werden könnte, ob die Bestimmung der Harnsäure nach der ange- führten Methode auch in gallehaltigem Harn nicht zu grosse Fehler veranlasste. Das Einzige, was zu thun übrig blieb, war, zu untersuchen, ob die Gallenflüssigkeit im Ganzen 395 einen Einfluss auf die Genauigkeit jener Methode ausüben kann. Allein weder Lehmann, noch ich konnten jemals andere Gallenbestandtheile im Harn auffinden, als Gallen- braun, indem namentlich es uns niemals gelang, mittelst der neulich von Pettenkofer !) angegebenen Methode zur Auf- findung der Galle die Anwesenheit anderer Bestandtheile der- selben im ieterischen Harn nachzuweisen. Es würde daher aus diesem Versuch wohl für den Fall, wenn die Gegen- wart keines der Bestandtheile der Galle in die Methode der Bestimmung der Harnsäure einen Fehler einführte, die Brauch- barkeit derselben auch für den icterischen Harn erwiesen werden können; umgekehrt aber würde man nicht schliessen dürfen, dass, wenn man aus einer, sämmtliche Gallenbe- standtheile enthaltenden Flüssigkeit nach jener Methode eine bedeutend von der verschiedene Menge Harnsäure wieder er- hielte, welche man hineingebracht hatte, die Unbrauchbarkeit derselben für ieterischen Harn bewiesen wäre. Meine Versuche mit Galle geben nun in der That eine viel grössere Differenz der angewendeten und wieder abge- schiedenen Harnsäure, als bei den oben angeführten Ver- suchen; eine so grosse, dass dadurch die Unbrauchbarkeit dieser Methode für die quantitative Bestimmung derselben im ieterischen Harn zwar nicht erwiesen, aber doch auch umgekehrt ihre vollkommene Genauigkeit nicht festgestellt wird. Es ist auch nicht zu hoffen, dass diese Frage so bald erledigt werden wird, da wir in der Kenntniss der Galle noch zu weit zurück sind, um mit Sicherheit die einzelnen Bestandtheile derselben im Harn auffinden zu können. Es wird sich also. wenn man auch wüsste, welcher Bestand- theil der Galle es ist, der jene Differenzen bei der Harn- säurebestimmung veranlasst, auf keine Weise bis jetzt nach- weisen lassen, ob dieser Stoff im galligen Harn wirklich vorhanden ist oder nicht. 1) Ann. d. Chem. und Pharm, 52, 90, 396 Die Versuche stellte ich eben so an, wie ich sie bei Gegenwart von Eiweiss oder Blutbestandtheilen ausgeführt habe. Der Lösung des Eiweiss substituirte ich nur eine Lösung von Galle, die durch etwas Essigsäure von dem Schleim befreit worden war. Zur Fällung der Harnsäure wendete ich bei den zwei ersten unten angeführten Ver- suchen nur Essigsäure an. Da aber die Resultate derselben nicht meinen Erwartungen entsprachen, so substituirte ich dieser Säure bei den beiden letzten die Salzsäure. So erhielt ich von 0,2185 Grm. Harnsäure nur 0,2039 Grm. wieder. Der Verlust beträgt also 0,0146 Grm., was auf 67 Grm. der angewendeten Flüssigkeit, aus welcher die Säure abgeschieden worden war, 0,22 p. M. beträgt, und bei der Annahme, dass 30 p. M. fester Bestandtheile im Harn ent- halten wären, 0,73 pCt. derselben betragen würde. Bei einem zweiten Versuche erhielt ich von 0,1837 Grm. Harnsäure nur 0,1663 Grm. wieder. Die Differenz beträgt 0,0174 Grm., oder, da die Menge der Flüssigkeit, aus der sie ausgeschieden worden war, 69 Grm. betrug, 0,25 p. M. dieser Flüssigkeit, oder auf 30 p.M. fester Harnbestandtheile berechnet, 0,34 pCt. Von 0,1722 Grm. Harnsäure wurden bei einem dritten Versuche, trotz dem, dass dieselbe durch Salzsäure und nicht durch Essigsäure gefällt worden war, doch nur 0,1563 Grm. wieder gewonnen. Die Diflerenz beträgt 0,0159 Grm., die Flüssigkeit, aus der die Harnsäure abgeschieden war, wog 66 Grm. Der Verlust betrug also 0,24 p.M. derselben, oder 0,80 pCt. des festen Harnrückstandes, wenn der Gehalt des Harns an demselben zu 30 p. M. angenommen wird. Bei dem letzien Versuche endlich erhielt ich von 0,1923 Grm. nur 0,1813 Grm. Harnsäure wieder. Die Differenz ist 0,011 Grm., oder auf 61 Grm. künstlicher Harnflüssigkeit be- rechnet, 0,18 p. M. Dies würde bei einem Gehalt derselben an festen Bestandtheilen von 30 p. M. 0,6 pCt. derselben betragen. 397 Man ersieht aus diesen Versuchen, dass die Differenzen, welche durch die Anwesenheit der Galle im Harn veranlasst werden, bedeutend höher ausfallen, als in allen früher ange- führten Fällen. Ob aber der Fehler bei Untersuchung von ieterischem Harn jemals so hoch ausfallen kann, wie er in den eben angeführten Versuchen sich zeigt, darüber kann ich bis jetzt noch nicht entscheiden, da es ungewiss bleibt, ob der Stoff, welcher die vollständige Fällung der Harnsäure verhindert, wirklich im Harn vorkommen kann. Wahr- scheinlich ist es jedoch nicht, dass der Fehler wirklich diese Höhe erreichen könne, schon deswegen, weil im Harn doch immer nur unbedeutende Mengen Galle enthalten sein kön- nen, Die Fehlergrenze, welcher man nach meinen Ver- suchen ausgesetzt ist. wenn man icterischen Harn nach der angeführten Methode auf seinen Gehalt an Harnsäure un- tersucht, beträgt also höchstens 0,25 p. M. des angewen- deten Harns. Die Resultate, welche sich aus dieser Arbeit ergeben, sind folgende: 1) Sowohl im normalen Harn, als bei Anwesenheit von Traubeuzucker, Eiweiss. sämmtlichen löslichen Blutbestand- theilen im Harn kann die Menge der Harnsäure einfach da- durch bestimmt ‘werden, dass man sie durch eine Säure niederschlägt. 2) Als Fällungsmittel erfüllt Salzsäure vollkommen ihren Zweck, wenn nicht Eiweiss in der Flüssigkeit zugegen ist. Bei Anwesenheit desselben ist die Essigsäure oder die ge- wöhnliche Phosphorsäure am brauchbarsten. 3) Der Verlust, welcher durch die nicht vollkommene Unlöslichkeit der Harnsäure in Wasser bedingt ist, beläuft sich auf 0,09 p. M. der angewendeten Harnflüssigkeit, und dieser Verlust wird bei Anwesenheit von Traubenzucker, Eiweiss, löslichen Blutbestandtheilen nicht vergrössert. Wohl aber wird derselbe in allen diesen Fällen theilweise compen- 398 sirt durch den Gewichtszuwachs, wvelchen die Harnsäure durch den mit niederfallenden, sie färbenden Stoff erfährt. 4) Die Gegenwart von Galle im Harn dagegen kann möglicherweise einen grössern Verlust bei der Harnsäure- bestimmung veranlassen. Doch wird derselbe gewiss nie mehr als 0,25 p. M. der angewendeten Harnflüssigkeit be- tragen. Notiz über die Salpetersäure als Reagens auf Gallenbraun. Von \W. Heıntz. Schon seit längerer Zeit hat man die Salpetersäure benutzt, um Galle in thierischen Flüssigkeiten nachzuweisen. Es werden nämlich dadurch diese bei Gegenwart von Galle grün, dann blau, violet, roth und endlich gelb gefärbt, und zwar geschieht dieser Farbenwechsel um so schneller, je mehr Salpetersäure man hinzufügt, oder je mehr man die Flüssigkeit erwärmt. Allein es ist nicht ein Hauptbestand- theil der Galle oder ein nothwendig zu ihrer Constitution gehöriger Stoff, ‘welcher die Veranlassung zu diesem Far- benspiel giebt, sondern das Gallenbraun, das Biliphain, wie es Simon '), das Cholepyrrhin, wie es Berzelius?) nennt, welches stets nur in geringer Menge in der Galle enthalten ist, und zuweilen, jedoch selten, gar nicht in der- selben aufgefunden werden kann. Es ist daher diese Er- scheinung des Farbenwandels, welche Salpetersäure in gal- lehaltigen Flüssigkeiten erzeugt, zwar in dem Falle, wenn sie hat hervorgerufen werden können, ein Beweis der Ge; 1) Simon’s Handbuch der angewandten medieinischen Chemie. I, 337. 2) Berzelius Jahrb. 22, 562, E 400 genwart von Gallenbestandtheilen, da das Gallenbraun bisher nur als ein Exkrel der Leber hat aufgefunden werden kön- nen, allein wenn jene Reaktion nicht eingetreten sein sollte, so ist dadurch die Abwesenheit der Galle noch nicht erwiesen. Denn trotz der Abwesenheit des Gallenbrauns könnten dennoch die wesentlichen, stets vorhandenen Bestandtheile der Galle in der Flüssigkeit enthalten sein. Es ist daher die von Pettenkofer !) angegebene Reaction ein sehr dankenswer- ther Beitrag zu den analytischen Methoden, welche bei Un- tersuchung thierischer Stoffe angewendet werden können. Allein auch diese Reaktion bezieht sich nicht auf die ganze Galle, sondern nur auf einen Bestandtheil derselben; auf welchen, ist noch eine unerledigte Frage. Jedenfalls ist sie aber entweder dem Bilin von Berzelius oder der Säure der krystallisirbaren Natronverbindung zuzuschreiben, welche erst vor Kurzem von Platner?) entdeckt und Fellinsäure genannt worden ist, gewiss unrechtmässiger Weise, da mit diesem Namien vor ihm Berzelius ein Zersetzungsprodukt der Gallenbestandtheile belegt hat. Fände sich daher, dass eine zu untersuchende Flüssig- keit durch Schwefelsäure und Zuckerlösung nicht jene schöne rothe Farbe erhielte, welche bei Gegenwart eines jener bei- den Stoffe entstehen müsste, so würde dadurch eben nur die Abwesenheit des Stofles erwiesen sein, welcher Veran- lassung zu dieser Reaction giebt, nicht aber die Abwesen- heit aller Gallenbestandtheile, d. h. aller der Stoffe, die allein in der Galle secernirt werden. Deshalb behält die Reaction, welche man früher zur Auffindung der Galle anwvendete, noch immer ihre volle Wichtigkeit. Namentlich bei Unter- suchung von Harn von solchen Kranken, bei denen man Icterus vermuthet, kann sie nicht entbehrt werden. Es ist mir wenigstens bis jetzt noch nicht gelungen, mittelst der 1) Ann. d. Chem. und Pharın. 52, 90. 2) Ann. d. Chem. und Pharm. 51. 105. m————— u u Do 401 Pettenkofer’schen Methode in solchem Harn Gallenbesta.nd- theile nachzuweisen. Wenn jedoch auch dieses nicht der Fall wäre, so ist doch eine Reaction, durch welche ein be- stimmt charakterisirter Stoff in jedem Falle erkannt werden kann, stets ein bleibender Schatz für die Wissenschaft, wenn sie nur der Art ist, dass sie wirklich in jedem Falle das richtige Resultat giebt. Dies ist nun bei der Art und Weise, wie diese Methode bisher angewendet ist, nicht der Fall, was ein Zufall mich gelehrt hat. Als ich nämlich vor Kurzem in meinem Labo- ratorium bei Untersuchung eines ieterischen Harns die Reae- tion auf Gallenfarbstoff zeigen wollte, gelang es mir durch- aus nicht, die bekannten Farbenerscheinungen durch Salpe- tersäure hervorzurufen, obgleich ich bei einem Versuche, welchen ich kurz vorher im Krankenhause selbst mit der- selben Harnflüssigkeit angestellt hatte, jene Erscheinung aus- serordentlich deutlich hatte hervortreten sehen. Es war leicht einzusehen, dass der Grund dieser verschiedenen Re- actionserscheinungen in der Verschiedenheit der beiden an- gewendeten Säuren liegen musste. Die Concentration der Säuren konnte nicht von Ein- fluss sein, da die eine derselben schon bei Zusatz weniger Tropfen zu dem 'ieterischen Harn die Reaction hervorrief, während die andere, selbst im grössesten Ueberschuss zuge- setzt, die Farbe nicht veränderte. Es war daher nur mög- lich, dass eine Verunreinigung einer der beiden Sorten Sal- petersäure Veranlassung zu jener Einwirkung derselben auf den ieterischen Harn gegeben haben konnte. Ein Salzsäure- oder Schwefelsäuregehalt konnte in kei- ner jener beiden Säuren aufgefunden werden. Es blieb da- her nichts übrig, als die Ansicht, dass geringe Mengen von salpetriger Säure oder vielmehr von salpetriger Salpetersäure, welche in der einen Säure vorhanden sein mochte, in der andern aber nicht, den Anlass zu jenen verschiedenen Reac- tionen beider Säuren gegeben haben möchte. Müller's Archiv, 1846. 26 402 Da mir keine Melhode bekannt ist, um sehr geringe Mengen salpetriger Säure in der Salpetersäure zu entdecken, so musste ich zu einem andern Mittel schreiten, um nachzu- weisen, dass jene Ansicht die richtige sei. Ich verdünnte nämlich einen Tropfen rauchender Salpetersäure mit Wasser und versetzte eine Probe jenes icterischen Harns mit etwas dieser Flüssigkeit. Sogleich eıschien der erwähnte Farben- wechsel mit einer Intensilät, wie ich ihn bis dabin kaum noch im ielerischen Harn gesehen halte. Und so oft.ich diesen Versuch wiederholte, erhielt ich steis dasselbe Resultat. Auch reine Galle, namentlich ganz frisch von Tbieren genommene, gab oft bei Zusatz reiner Salpetersäure keine an- dere Farbenänderung zu erkennen, als die, welche durch die Verdünnung und durch den erzeugten Niederschlag veranlasst wird. Wurde aber statt der Salpetersäure stark verdünnle rauchende Salpetersäure hinzugesetzl, so erschien der bekannte Farbenwechsel in ausserordentlicher Intensität. Ich halte es hierdurch für erwiesen, dass ein geringer Gehalt der einen Sorte Salpetersäure an salpetriger Säure der Grund war, wes- halb jener ieterische Harn nur, wenn er mit dieser Sorte ver- setzt wurde, die bekannte Reaction zeigte. Um mich aber noch mit grösserer Sicherheit davon zu überzeugen, kochte ich diese Salpetersäure so lange, bis die darin vermuthete sal- petrige Säure entfernt sein musste, liess sie erkallen und setzte sie nun zu einer Probe des oft erwähnten ieterischen Harns. Ich konnte beim Zusatz derselben keine Farbenänderung mehr beobachten, während eine nicht gekochte Portion derselben Säure immer noch dieselben Erscheinungen, wie früher, her- vorrief. Aus diesen Versuchen geht unzweifelhaft hervor, dass in den angeführten Fällen die salpetrige Säure durchaus nöthig war, um jene Reaction hervorzubringen. Nachdem ich jedoch den icterischen Harn, dessen Farbe, so lange er frisch war, durch Salpetersäure nicht verändert worden war, längere Zeit halte stehen lassen, so hatte sich sein Farbstoff so weit ver- . 403 ändert, dass er sich nun auch mit derselben reinen Säure ver- selzt, welche früher gar nicht sichtlich auf ihn eingewirkt hatte, sogleich deutlich grünblau, roth und gelb färbte. Welcher Art jedoch diese Veränderung des Gallenbrauns ist, darüber lässt sich nichts Bestimmtes sagen. Wahrscheinlich jedoch ist es der almosphärische Sauerstoff, welcher dabei mit wirk- sam ist. Auch mancher frische ieterische Harn, wie auch manche frische Galle zeigen schon mit reiner Salpetersäure versetzt die bekannte Farbenveränderung, wie ich dies mehrfach zu beobachten Gelegenheit hatte. Sowohl dieselbe Säure, welche die Farbe des mehrfach erwähnten icterischen Harns nicht verändert hatte, als auch längere Zeit gekochte und wieder erkaltete Salpetersäure, die also gewiss von salpetriger Säure frei war, gaben mit anderem, frischem, ieterischem Harn und mit mancher frischen Ochsengalle die Reaction sehr deutlich. Es ist also nicht in jedem Falle die Anwesenheit der salpe- trigen Salpetersäure in jener Säure nöthig, um dieselbe her- vorzubringen; aber auf der anderen Seite kommen Fälle vor, wo das Gallenbraun nieht anders umgewandelt wird, als bei Gegenwart von salpetriger Säure in der Salpetersäure. Es folgt aus diesen Versuchen, was auch schon Sche- rer ') aus mehreren Elemenutaranalysen gefolgert hat, dass dieser Farbstoff ein sehr wandelbarer ist, dass er sehr leicht durch den Sauerstoff der Luft verändert wird. Man wusste bisher, dass wenigstens 4 verschiedene Stoffe durch Salpeter- säure je nach der Energie und Dauer der Einwirkung der Reihe nach aus demselben gebildet werden können, die die verschiedensten Farben besitzen. Die oben angeführten Ver- suche zeigen aber, dass der bisher in ganz frischer Galle für ursprünglich gedachte Gallenfarbstoff auch noch erst ein Pro- dukt der Metamorphose eines anderen Stofles ist, oder we- 1) Annalen d. Chem, und Pharm. 53, 377. 26* 404 nigsiens sein kann. Denn während man bisher von dem Stoff, welcher durch reine Salpetersäure auf die angegebene Weise verändert wird, glaubte, dass er stets in ganz frischer Galle enthalten sei, zeigen meine Versuche, nach welchen oft Sal- petersäure gar keine Veränderung in derselben verursacht, dass zuweilen: dieser Stoff gar nicht darin enthalten ist, statt dessen aber ein anderer, der durch salpetrige Salpetersäure oder durch längeres Stehen an der Luft erst in den übergeführt wird, welcher schon durch reine Salpetersäure jenen Farbenwech- sel zeigt. Wenn man daher mit vollkommener Gewissheit entschei- den will, ob in irgend einer Flüssigkeit einer jener Gallen- farbstoffe enihalten ist, so darf man nicht reine, sondern am besten verdünnte rauchende Salpetersäure zu diesem Versuche anwenden; und es ist klar, dass in allen den Fällen, wo die Abwesenheit der Galle in einer Flüssigkeit darauf begründet worden ist, dass durch Salpetersäure keine Farbenveränderung hervorgerufen werden konnte, abgesehen davon, dass dieses Reagens in diesem Falle nur die Ab- oder Anwesenheit des Gallenbrauns und nieht der eigentlichen wesentlichen Gallen- bestandtheile nachzuweisen vermag, der Grund jener Unverän- derlichkeit der Farbe derselben möglicher Weise auch darin gesucht werden kann, dass die untersuchten Flüssigkeiten den- jenigen Farbstoff enthielten, der erst durch salpelrige Säure verändert werden muss, um durch Salpetersäure jenen Far- benwandel zu zeigen. Die in dieser Notiz enthaltenen neuen Thatsachen hälten zugleich auf eine leichte Methode hinleiten müssen, um die Salpetersäure auf einen geringen Gehalt an salpetriger Säure zu prüfen, wenn sich nicht herausgestellt hälte, dass nicht constant alle Galle der salpetrigen Säure bedarf, um den bekannten Farbenwechsel zu zeigen. Hat man dagegen eine Galle, von der man weiss, dass sie, mit ganz reiner Sal- petersäure versetzt, ihre Farbe nicht verändert, wohl aber 405 durch verdünnte rauchende Salpetersäure, so ist dieselbe ganz vorzüglich anwendbar, um die geringsten Mengen salpetriger Säure in der Salpetersäure zu entdecken. So wäre also solche Galle ein eben so gutes Reagens auf salpetrige Säure in der Salpetersäure, als es die mit salpetriger Säure verunreinigle Salpetersäure auf Gallenbraun ist. Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Naiden. Von Dr. ©. Schmipr. (Hierzu Taf. XV. Fig. 1—6.) Die heutige Naturforschung ist von der Betrachtungsweise früherer Zeiten so abweichend, als die geläufigsten Titel der Untersuchungen von damals und von jetzt. An die Stelle der „Belustigungen für Auge und Gemüth“ sind die „Beiträge zur Kenntniss“ getreten, und damit ist der wesentliche Unterschied ausgesprochen, wenn wir noch hinzufügen, dass mit dem Na- men Belustigungen eine tiefere ethische Bedeutung verbunden war. Jenen eifrigen Forschern, die oft nur in den Feierstun- den, die ihnen übrig blieben von ihren sonstigen Beschäfti- gungen, mit der Loupe oder einem schlechten Mikroskope mühsam den Wundern der Natur nachspähen konnten, war es weniger darum zu thun, die Wissenschaft durch mancher- lei neue Entdeckungen zu bereichern; vielmehr verbanden sie mit ihren Studien einen höheren sittlichen und darum prakti- schen Zweck, indem sie dadurch die ganze geistige Sphäre des Menschen nach ihren vielen Richtungen auszubilden trachteten. % Die heutige Nalurforschung ist so zu sagen objectiver, und freilich hat sie sich eben dadurch, dass sie sich selbst 407 Zweck wurde, zur organischen Selbständigkeit erheben kön- nen. Aber wir meinen, sie hälte doch darum nicht jene ge- müthliche und sittliche Richtung vernachlässigen sollen. Unerreicht in der Verfolgung und Vereinigung aller gei- stigen Beziehungen, ein Vorbild für Methode, aber trolz der häufigen Nennung seines Namens von uns viel zu wenig in Ehren gehalten, ist der dänische Zoolog Otto Friedrich Müller. Ich verdanke dem Studium seiner Schrift: „Von Würmern des süssen und salzigen Wassers. Kopenhagen 1771,“ die Anregung, hier mein Schärflein zur Nalurgeschichte einer Thiergruppe beizutragen, die bei uns fast alle stehende und viele fliessende Gewässer bevölkert, und bei deren Unlersu- chung sich mir von Neuem die Bemerkung aufgedrängt hat, wie weit wir noch vom genauen Verständniss, selbst der un- serer Prüfung täglich zu Gebote stehenden Organismen ent- fernt sind. Das ist aber der grosse Reiz, womil die Natur- wissenschaft mehr als eine andere ihre Anhänger fesselt, dass sie, wie die Natur, immer neu aus sich selbst ersteht und dem wissbegierigen Auge fort und fort ungekannte Aussichten eröffnet. Auch dazu haben mir die vorliegenden Beobachtungen gedient, mich darin zu bestärken, auch fernerhin Ansichten und Principien zu vertreten, welche jetzt von einer Richtung, die aus ungründlichen Untersuchungen sich ein allzu rasches Urtheil über die sogenannten unvollkommenen Organismen bildet, mehrfach angefeindet werden. Doch genug. Ich führe meine Leser gleich mitten in die Sache, indem ich nur die Ehrenberg’sche Definition vor- anschicke: Naidina. Ore infero, ano terminali. Corpore articulato, selis uneinisve barbato, vasorum motu distincto, sponte dividuo. Der Verdauungsapparal. Der Mund der Naiden liegt bei einigen Formen [Stylaria, 408 Nais ')] entschieden an der Bauchseite und zeigt sich als eine Querspalle zwischen den Augen. Zweifelhaft, ob man den Mund als unterständig oder endständig ansehen solle, kann man bei Chaetogaster sein, wo der Wurmeylinder vorn schräg abgestutzt ist, und der Mund in Folge dessen nicht eine Spalte, sondern einen Kreis bildet. Es findet sich in diesen Abthei- lungen nach der Form des Mundes ein auffallender Unter- schied. Bei Chaetogaster nämlich ist der Mund und der dar- auf folgende Bulbus oesophagi mit einer grossen Menge Pa- pillen beseizt, und nie habe ieh schon hier das Flimmerepi- thelium beobachten können, welches bei den anderen Gattun- gen unmiltelbar hinter der Mundspalte beginnt. Wir sehen gleich, welcher Zweck durch diese Verschiedenheit erreicht wird. Denn während Chaelogaster das Raubthier unler den Naiden ist, den kleinen Krebschen und seines Gleichen nach- stellt und diese ganz verschlingt, wobei ihm der weiter unten zu beschreibende Muskelapparat zu slatten kommt, während Chaetogaster der Wimpern entrathen kann und kräftigerer Vorkehrungen bedarf, um seine Beute hinabzuwürgen, sind die mit dem Spaltmunde versehenen Formen, obgleich im All- gemeinen dem Ansehen nach stärker und grösser, doch auf zarlere Nahrung angewiesen, welche, so wie sie aufgenommen ist, durch die Wimpern leicht weiter geschafft wird. Ich kann nicht umhin, an dieser Stelle dem alten Meister in der Beobachtung, ©. F. Müller, laut meine Bewunderung zu zollen, indem er trotz seiner unvollkommenen Hülfsmittel doch um so genauer und gewissenhafter untersucht hat, dass oft wir, mit den Erfahrungen vieler Jahrzehnte und den besten Sehwerkzeugen ausgerüstet, kaum ihm nachzugehen vermögen. 1) Meine Untersuchungen erstrecken sich nur auf die drei Gat- tungen Chaetogaster, Stylaria, Nais. Die Gattungen Aeolosoma und Pristina sind mir dabei nicht vorgekommen, obgleich sie Ehrenberg bei Berlin gefunden. Niemand, der weiss, wie man oft Jahre lang gewisse Thiere an ihrem gewöhnlichen Standort vergeblich sucht, wird darin etwas Auffallendes schen. 409 Er sprich! in der Beschreibung seiner gezüngelten Naide (Sty- laria proboscides) von der Zunge des Thieres: .‚Von den Au- gen bis zum Anfang des Mastdarıns oder des Schlundes, in einer Weite von zwei Gelenken oder Zwischenräumen der Seiteuborsten, erstreckt sich die rothgelbe Masse; in derselben liegt die Zunge des Thieres verborgen. Sie ist keulenförmig und wird, so wie der Mund, sichtbar, wenn der Wurm sich auf die Seite drehet oder auf dem Rücken liegt. Letzteres geschieht selten und ist mir bei vielen Beobachtungen nur zwei Mal, als fast kein Wasser mehr vorhanden war, vorge- kommen, Unter dem Kopfe erscheint der Mund in der Ge- stalt eines Einschnitles; die erwähnte Zunge wird aus dem- selben herausgestossen und wieder eingezogen, so oft das Thier Wasser schöpfet; bei jedem Einschlucken habe ich das Was- ser gleich einem Strom in den Leib einfahren sehen.“ Ich hatte auf die Stelle keinen Werth gelegt, da die spätern Beob- achter, wie diejenigen vor Müller, die Zunge nicht erwäh- nen, und vermuthete nichts weniger als eine wirkliche Zunge, als ich zufällig, indem ich Karmin in dem Tropfen, der die Naide unter dem Mikroskop umgab, aufgelöst halle, das Ein- schöpfen der Farbetheilchen gerade so bemerkte, wie Müller es beschreibt. Der auf das Einschlucken folgende Wasserstrom ist Flimmerbewegung. Die Zunge besteht aus zwei dieht neben einander liegen- den fleischigen Streifen, die im Zustande der Ruhe ziemlich weit von der Mundöfloung zurückgezogen sind (Fig. 1. d). Will das Thier Nahrung aufnehmen, so erweitert sich die Mundspalte zu einem Kreise, stülpt sich aus und die Zunge schöpft ein, wobei ihr aber der ganze Lippenkreis des Mun- des, indem er sich wieder zutlut, behülflich ist. ls ist hier, wie mit so vielen mikroskopischen Beobach- tungen, dass Dinge, die uns bei hundertfältiger Untersuchung entgangen sind, einmal gefunden, später verhältnissmässig oft und leicht dem Auge sich darbielen, dass man nicht begreift, wie sie nicht schon längst die Aufmerksamkeit gefesselt haben, 410 eine Bemerkung, welche in der Kritik viel zu wenig beherzigt wird. Jetzt, nachdem ich das Was und Wo kenne, gelingt es mir ziemlich häufig, das versteckt liegende Organ, welches Müller mit Grund Zunge nannte, mir zur Anschauung zu bringen. So ist es bei Stylaria; ob auch die Gattung Nais diese Zunge habe, darüber bin ich noch nicht zur Gewissheit gekommen. Der Bulbus oesophageus ist von einem zelligen Parenchym umgeben, welches in seinen Maschen einen gelblichen Saft ausscheidet, wenigstens bei den spallmündigen, welcher wahr- scheinlich als Speichel dient. Bei Chaetogaster, wo auf den muskulösen Bulbus oes. ein enger Schlund, und auf diesen eine Art von Vormagen folgt, scheint die zersetzende Speichel- flüssigkeit erst aus den Wänden dieses Theiles des Darmka- nals sich zu ergiessen. Hlier verweilt die Nahrung längere Zeit, um erweicht und zur Assimilalion vorbereitet zu wer- den. Wird das Entomostraeon, welches verschluckt ist, durch den After wieder ausgeworfen, so ist es vollständig skelettirt. Ich kann diese Art, sich die, bis auf die feinsten Theilchen ausgearbeiteten Skelette der kleinen Krebschen zu verschaffen, den Freunden dieser Thiere empfehlen. Die erwähnte Strecke bei Chaetogaster ausgenommen, ist der Darmkanal in seinem ganzen Verlaufe mit einem Flim- merepilhelium versehen, wenn gleich es oft nicht walhrzuneh- men ist. Bei Chaetogaster ist es selır zart und, wenn das Thier unversehrt ist, nur an seiner Wirkung, der kreisenden Bewegung der Contenta, zu erkennen. Man braucht aber nur ein Individuum in Stücke zu schneiden und ein wenig Farbe in dem das Objekt einhüllenden Tropfen aufzulösen, um sich in den meisten Fällen von dem Vorhandensein der Wimpern zu überzeugen. Ich sage in den meisten Fällen; denn sonder- barer Weise hat es mir erscheinen wollen, als sei das Wim- perepitheliam im Bulbus oes. und im Afterende der Willkühr des Thieres unterworfen. In einer der Elinguis sehr nahe stehenden Nais, welche — 411 die Hakenbündel zu je vier Haken hat und, meines Wissens, noch keinen besondern Namen führt, beobachtete ich das sehr deutliche Flimmern, welches Müller für ein Strömen der eirkulirenden Flüssigkeit erklärte. Ich wollte sehen, welche Wirbel dadurch hervorgerufen würden, und that einen Tropfen Wasser, Karmin enthaltend, hinzu. als plötzlich, obgleich die Nais ganz unversehrt geblieben, jede Spur von Wimperbewe- gung verschwunden war. Es wäre überhaupt eine verdienstliche Arbeit, die vielen Beobachtungen, die in dem letzten Jahrzehent über Wimper- bewegung gemacht worden, zu sichten, da man noch alles hierher gehörige unter einander wirft und kaum die Wimpern der Räderorgane der Räderthiere, die unter dem Willen des Tbieres stehen, von den der Willkühr gänzlich entzogenen Wimpern irgend welcher Geschlechts- oder Respirationsorgane zu unlerscheiden sich bequemt. Auch von dem Flimmerepi- thelium des Darmkanals der Räderthiere muss man schliessen, dass es nicht immer in Thätigkeit ist, da man oft die krei- sende Bewegung des Speisebreies vermisst. Will man dies nun durch Willkühr oder durch krankhafte Aflektionen er- klären? Auffallend lang sind die Wimpern in dem vorderen Ende des Darmkanals von Nais elinguis, so dass die Wiinpern, wenn sie schwingen, nicht einen Kegel beschreiben, sondern sich zu einzelnen Büscheln gruppiren und recht eigentlich jene Wellen bilden, durch deren Anblick Müller so von Bewunderung erfüllt wurde. (Fig. 2.) Cirkulation und Respiration. Schon Müller unterschied die am Rücken laufende pul- sirende Äder von der nicht pulsirenden, welche unmittelbar über dem Bauchnervenbande liegt. Ausserdem aber, dass er zwei Pulsadern wahrzunehmen glaubte, täuschte er sich auch darin, dass er die in der Nähe des Alters am deutlichsten zu sehende Wimperbewegung im Darmkanal, wie schon erwähnt, 412 auf das Strömen der eirkulirenden Flüssigkeit bezog. Daraus bildet er denn falsche Schlüsse. Gruithuisen in der Be- schreibung seiner Nais diaphana (Chaetog. niveus Ehrbg.) in Nov. act. ac. Oaes. Bd. XIV. sucht die Cirkulalion so zu er- klären: „Die Arterie über dem Darmkanale treibt durch ihre von hinten nach vorn gehenden schnürenden Bewegungen das Blut zum Theile sanft in die lateralen Kapillarkanälchen zur Vene herab und treibt sie in die Respirationsäderchen, die sich aber von jeder Arterienschnürung zusammenziehen und ihr mit neuem Sauerstofle versehenes Blut in die Arterie zu- rückführen; und auf gleiche Weise schickt die Vene bei jeder Ausdehnung der Arlerie nach ihrer Schnürung durch die Ka- pillarkanäle das Blut wieder in die Arterie zurück, welches durch den Trieb der Pulsationen des Herzens, die das Blut in die Vene mit grosser Gewalt herabdrücken, noch sehr beför- dert wird.“ Es besteht also der Blutlauf theils in Osecillation, theils in Kreislauf; man hat aber mit der ganzen Erklärung nicht viel gewonnen, und namentlich bleibt das Verhältniss des Gefässblutes zu dem nicht in Gefässen enthaltenen Chylus ganz unerörtert. Wollten wir den die Arterie mit der Vene verbindenden Bogen in der Nähe des Schlundes Herz nennen, wie auch die spätern Beobachter gethan, so hätten wir bei Stylaria und Nais sechs Herzen, denn hier zähle ich auf jeder Seile drei um den Bulbus oes. herumgehende Verbindungen dieser Art, die zunächst dem Mundende liegende Schlinge ungerechnet, welche alle dieselbe Pulsation, wie die Hauptarterie zeigen, und die nur darum lebhafter bewegt sind, weil sie freiern Spielraum haben. Die Arterie ist nämlich bei Styl. und Nais ganz, bei Chaetog. bis zur Schlundverengerung mit den Intestinaldrüsen verwachsen. In Fig. 3. sind die pulsirenden Adern roth, die Vene blau, a ist der Arterienstamm, c die Bogen, welche nicht in derselben Länge der Arterie und Vene, sondern mehr oder weniger neben einander entspringen und münden. d ist die dem Kopfende zunächst liegende Schlinge, welche zum 413 Theil noch pulsirt. Aber pieht nur in der Nähe des Schlun- des, auch im weiteren Verlauf der Hauptgefässstämme nach hinten finden sich Verbindungsbogen in ähnlicher Weise, wie die eben besprochenen, und man wird, einmal darauf aufmerk- sam gemacht, sie ohne Mühe sehen. Bei Chaetog. sind nicht so viele Verbindungsbogen, und hier könnte man wohl mit mehr Recht von einem Ilerzen oder zweien sprechen. So übersichtlich nun auch die Anordnung dieser blulfüh- renden Gefässe ist, so schwer fällt es, ihre Beziehung unler sich und zu andern Organen, mit denen sie in Verbindung zu bringen, physiologisch richtig zu deulen. Wir müssen nämlich ohne Zweifel eine Reihe von Ge- fässen, welche als Knäuel oder mehrfach gewundene Bänder dem Auge sich darstellen und paarig in jedem Ringe rechts und links sich finden, als zum Respirationsapparat gehörig be- trachten. Sie sind längst bekannt. und Gruithuisen ver- muthet schon, dass sie der Respiralion dienen, während Eh- renberg geneigt ist, sie dem Geschlechtssystem zuzuschreiben; meines Wissens aber hat noch Niemand gesehen, dass es Flim- mergefässe sind, wie man sich sehr leicht bei Nais elinguis überzeugen kann. Indessen habe ich das Flimmern in ihnen auch mehrmals bei Stylaria proboscidea und Chaelog. niveus beobachtet, so dass die Erscheinung wohl allgemein ist. Ob diese Flimmergefässe frei nach aussen, münden, bleibt unentschieden, ich habe es wenigstens nie aus einer Bewegung von Farbetheilehen, die ich in das Wasser that, direkt bemer- ken können. Das Zuführen von Wasser möchte also nur durch die Röhrchen geschehen, welche von dem Hauptgefäss an die Körperwand gehen, und die viel zu fein sind, um auch mit Cilien ausgekleidet zu sein. Dass die Flimmergefässe aber in der Körperhöhle nicht geschlossen sind, geht unstreilig aus der tanzenden Bewegung hervor, in welche die Chyluskörper- chen, sobald sie dem Ende eines Gefässes nahe kommen, ver- selzt werden. Es wird nämlich durch die den Darmkanal diek umlül- 414 lenden Drüsen und selbst aus der Wand der Arterie ein Chy- lus nit einfachen, bald rundlichen, bald elliptischen, oder zu Kugeln zusammengeballten Chyluskörperchen frei in die Kör- perhöhle ausgeschieden. Ich vermuihe nun, da die Mündung der Flimmergefässe die Chyluskörperchen nicht abstösst, son- dern sie vielmehr anzieht, dass die Chylusflüssigkeit von den Flimmerorganen aufgesogen und durch die vielen Kapillarge- fässe, welche sichibar sind, in die eigentlichen Blutgefässe ge- führt wird. Dass aber dennoch Wasser in die Gefässe oder frei in die Körperhöhle aufgenonmen wird, ist mir durch fol- gende Bemerkung wahrscheinlich geworden. Bei einer nicht ganz sorgfältigen Untersuchung hat es allerdings den Anschein, als ob, wie Gruithuisen sagt, die Arterie hinten sich durch Schmächtigung verliere, und es giebt in der That hier keine solche Gefässschlinge, wie am Kopf- ende. Jedoch findet durch feine Gefässe eine mannigfache Verbindung der Vene mit der Arterie statl. Das Venenblut tritt von Zeit zu Zeit durch Kontraktion nicht der Venen- wandung, sondern des Parenchyms, namentlich wenn das Tbhier sich streckt, zum Theil wieder in die Arterie, und hier- mit ist also ein vollkommener Kreislauf hergestellt; zum Theil aber auch wird es durch Kapillargefässe, die um den After herum münden, als unbrauchbar aus dem Körper ausgeschie- den. Es kommt, dann nach dem Verlaufen der gelblichen Flüs- sigkeit, wodurch vorher wegen der grossen Zertheilung der Blutgänge das Hinterende gefärbt war, ein Zeitpunkt, wo die Färbung aufhört, und man kann sichtlich beobachten, wie der entleerte Theil der Vene durch das Nachdrängen des Blutes von vorn nach hinten sich wieder füllt. Auf irgend eine Weise muss also das Blut ersetzt werden, und zunächst liegt die Meinung, dass dies durch Aufnahme von Wasser in den Körper geschieht. Ueberaus ähnlich, wie bei unsern Naiden, ist die Erschei- nung der frei im Körper befindlichen Chylusflüssigkeit der Tardigraden, so dass es mich gar nicht Wunder nehmen würde, * 415 wenn sich auch hier noch geschlossene Blutgefässe finden lies- sen. Die Tardigraden sind bis jetzt von den deutschen Natur- forschern ziemlich verwahrlost, und ich mache darum auf den angegebenen Punkt aufmerksam, weil er entscheidend sein würde für die Stelle, die man jener sonderbaren Thiergrüppe anweisen müssle. Muskeln und Bewegungsorgane. Wenn die Naiden schlängelnd das Wasser durchschneiden, sind die Borsten und Hakenbündel, welche ihr Körper trägt. nicht thätig, sondern nur die muskulöse Körperhülle. Bei den grösseren Formen, als Stylaria proboscidea, ist es nicht schwer, eine Schicht von Längsmuskelfasern zu erkennen, und bei Chaetogaster wurden diese sogleich sichtbar, als ich etwas Säure aufgoss. Weniger leicht gelingt dies von den Ring- muskeln. Theils durch diese, theils durch die sehr zarten und zahl- reichen radialen Muskeln, welche den Darmkanal und andere Organe fisiren, geschieht es, dass, wenn man eine Naide quer durchschneidet, sogleich durch eine natürliche Unterbindung der zerrissenen Hauptblutgelässe eine Verblutung, wie auch das Ergiessen des Chylus verhindert wird. Ein eigenthümliches Muskelnetz bietel der Kopf von Chae- togaster dar. Hier setzen sich von der Haut aus, dicht neben einander und rings um, Muskelstrahlen an den Bulbus oes. an; ja bis in die Mundhöhle hinein scheinen diese Muskeln zu reichen und dort die vielen kurzen Papillen zu bilden, mit denen sie bekleidet ist. Vermittelst dieses reichen Muskelap- parates ist die Mundhöhle überall grosser Veränderungen ihrer Dimensionen fähig und zum Festhalten und Verschlucken grös- serer Bissen geeignet, was aber natürlich nicht ohne die zur Zusammenschnürung dienenden Ringmuskeln geschehen kann., Sehr expansiv ist nun auch der Darmkanal in seinem weileren Verlaufe, was schon daraus hervorgeht, dass das 416 Skelelt der verschluekten Entomostraca vollsländig ausge- schieden wird. Die Seitenborsten werden jederseils zusammen durch ei- nen grossen Längsmuskel bewegt, daher immer gleichzeitig: Der Muskel haftet zwischen je zwei Borsten an der Haut, wo er durch eine eigene Schlinge gezogen zu sein scheint, und geht von hier an das, mit einer zwiebelartigen Scheide um- gebene und in den Körper hiveinragende Ende der Borsten. Wir haben also hier ein Beispiel von wiederholter Anwendung der Trochlea bei demselben Muskel. Tastwerkzeuge, wofür man sie hat nehmen wollen, sind die Seitenborsten wohl nicht, vielmehr möchten sie den Gat- tungen, welche sie haben und welche häufiger im fliessenden Wasser gefunden werden, dazu dienen, sich mit grösserer Si- cherheit zwischen Conferven und andern Wasserpflanzen zu erhalten, Die Haken, welche am Bauche stehen, sind schwach Sförmig gekrümmt, zeigen in der Mille in der Regel eine kleine Verdiekung und endigen gemeinlich in einrr doppelten gekrümmten Spitze. Nach der Anzahl, wie sie beisammen stehen, hat man die Arten unterschieden, sie ist aber oft höchst schwankend, namentlich bei Chaelogaster, wo ich sie an dem- selben Individuum oft zwischen drei und zelın variirend ge- funden habe, der Anhäufurgen an den Stellen, wo die Thei- lung vor sich gehen soll, gar nicht zu gedenken. Gruithui- sen spricht von einem Bart seiner Nais diaphana; ganz mit Unrecht, indem diese vordersten Haken von den übrigen voll- kommen ausgebildeten gar nicht sich unterscheiden. Es wer- den also bei einer Monographie der Naiden (und eine solche ist sehr zu wünschen, da selbst unsere nächste: Umgebungen noch unbeschriebene Arten zu enthalten scheinen, und unter den beschriebenen bei den Schriftstellern eine grosse Ungleich- heit und Verwirrung der Namen herrscht) diese äusseren Kenn- zeichen nur selır behulsam berücksichtigt werden dürfen, Empfindungssystem. Dass die Naiden keine echten Ringelwürmer, in denen jedes Glied Wiederholung des Ganzen, dass also v. Baer für den Typus der Thiere mit vorherrschender Längendimension die Repräsentanten der auf einander folgenden Stufen nach seinen leitenden Prineipien mit Recht also wählt: Filaria, Gordius, Nais, und nun erst durch die Nematoiden zu den Annulaten fortschreilet; und dass Ehrenberg mit Recht eine eigne Klasse der Somatoloma aufstellt: dies wird auch durch das Verhalten des grossen Bauchnervenstranges dieser Thiere bestätigt. Er verläuft in der ganzen Länge des Körpers zwischen der grossen Vene und der Haut als ein breites, rechts und links unregelmässig ausgeschnilfenes und gezacktes Band, und es ist vergebliche Mühe, diese Zacken, deren Fortselzungen feinere Nerven sind, und die sich übrigens nicht einmal gegen- seilig korrespondiren, auf das Prineip der Gliederung zurück- führen und etwa als der Zahl der Glieder entsprechend be- trachten zu wollen. Man wird sich diesen Bauchstrang am leichtesten bei Chaetogaster zur Anschauung bringen. nament- lich wenn man behutsam ein Deckgläschen anwendet, wodurch das ihn verdeckende Intestinum stellenweise hinweggescho- ben wird. Dass um den Bulbus oes. eine Nervenschlinge geht, hat schon Gruilhuisen gefunden, der sogar von einem Gehirn spricht. Es ist denn dieses (insofern man jede Anhäufung von Nervenmasse in der Nähe des Schlundes Gehirn nennen will) wirklich vorhanden und zwar weit ausgebildeter, als von Gruithuisen bemerkt worden. Die von uns schon öfters unterschiedenen Abtheilungen treten auch hier aus einander. Wir betrachten das Gehirn zuerst bei Chaetogaster. Hier theilt sich etwas vor der Mitte des Bulbus oesoph. der Nervenstrang in zwei Aeste (Fig. 4 a), die nach oben steigen und an der Rückenseite in einen zierlich geschweiften Müller's Archiv 1816. 277 418 Lappen sich vereinigen (b). Vorher haben sie zwei nach hin- ten sich wendende Aeste (c) abgegeben, welche auch zu einer mehrfach ausgeschnittenen Nervenmasse anschwellen. Die An- sicht von oben hat man in Fig. 4., von der Seite in Fig. 5., wo man zugleich zwei andere Nervenäste bemerkt (d), welche sich in das Mundende erstrecken. Ueberhaupt geben von die- sem Ringe in unbestimmler Anordnung viele Nervenfasern ab, die zum Theil mit den oben beschriebenen Mundpapillen in Verbindung zu stehen scheinen, zum Theil wohl aber noch weiter rückwärts laufen, wie z. B. die zarten, zu einem Gan- glion anschwellenden Nerven gleich hinter dem Bulbus oes. zu beiden Seiten des Schlundes. Einfacher ist es bei Stylaria und Nais; auch bier gehen zwei Nervenbänder nach oben (Fig. 1. a), welche sich, etwas breiter werdend, aber ohne den mannigfach ausgeschnittenen Lappen zu bilden, über und vor der Quermundspalte verei- nigen (b). Dass diese Vereinigung erst nach und nach ge- schieht, wird dadurch bewiesen, dass man in den meisten Fällen durch eine Längsfurche eine rechte und linke Hälfte angedeulet findet, auch kann man die Entwicklung bei der natürlichen Theilung verfolgen. Der Bauchnerv sendet mannigfache Fäden aus, welche oft von den Bauchwandungen quer durch den Körper an das Intestinum u. s. f. gehen. Ich muss nämlich alle diejenigen der feinen, im Innern der Naiden wahrnehmbaren Fäden für Nerven halten, ‘welche ganglienarlige Anschwellungen zeigen; und deren Auzahl ist nieht gering. Noch ein paar Worte über die Augen. Es ist mir noch nicht gelungen, bei den Gatlungen, welche die dunkelblauen Pigmentflecke am Kopfe tragen, eigene Au- gennerven, wie sie sieh bei den meisten niederen Thieren ge- funden, mit Sicherheit zu erweisen, obgleich alle Analogie und physiologische Walırscheinlichkeit dafür spricht. Bei der Thei- lung zeigen sich die Augen sehr früh, viel früher, ehe man das Gehirn entdeeken kann. Schon der Umstand, dass sie bei 419 mehreren Arten, und gerade bei denen, welehe grössere Thiere jagen, fehlen, zeigt, dass ihre Funktion eine untergeord- nete ist. Müller erwähnt, dass er eine gezüngelte Naide ohne Au- gen gefunden; ich kann eine zweite Beobachlung der Art hin- zufügen, dass mir unter den vielen Exemplaren von Nais elin- guis, die ich untersucht, auch ein Individuum vorgekommen, welches keine Spur von Augen halte, während ein anderes auf der rechten Seile neben dem grösseren normalen Pigment: flecke noch einen zweiten aussergewöhnlichen trug. Opalina Naidos, ein Binnenthier der Naiden. Eine sehr interessanle Beobachtung war mir die eines Binnenthieres in jener schon oben erwähnten Nais, welche die Hakenbündel zu je vier Haken trägt. Ich bitte, mir bei der ausführlieben Beschreibung meines Fundes zuzuhören. Die Naide lag auf der Seite, eine Stellung, wo die Mund- spalle als ein Kerb erscheint, und die Flimmerbewegung im Bulbus oes. sehr klar wahrzunehmen ist. Mein Auge suchte nach den Fleischstreilen, welche ich bei Siylaria als Zunge ansehen musste, und ich war erfreut, zu bemerken, wie ein länglicher, vorn zugespitzter Körper sich im Bulb. oes. mehr- mals bis nahe an die Mundspalte verschob und dann, wie es mir erschien, wieder rückwärts gezogen wurde. Eine so be wegliche Zunge halte ich nicht erwartet, zumal da ich früher keine Spur davon bei Nais gesehen, und um so eifriger ging ich den Bewegungen nach, als plötzlich der Körper mit Leich- tigkeit sich umdrehte, und ich ein selbstständiges Thier in ihm erkannte. Es ist ein polygastrisches Infusorium, zu jener Gattung gehörig, deren eine Art sich im Diekdarm der Frösche in so grosser Menge findet, nur etwas länglicher, der Form seines Wohnthieres entsprechend. Es ist weisslich, überall mit fei- nen, nur bei stärkeren Vergrösserungen siehlbaren Wimpern Par. 420 besetzt, welche regelmässig in Reihen gestellt sind. Im Innern konnte ich eine Reihe ganz durchsichtiger Bläschen wahr- nehmen. Die Körpergestalt ist mannigfacher Veränderun- gen fähig. Nachdem ich also den Bewegungen der Opalina Naidos, wie das Thier zu nennen, ungefähr eine Viertelstunde im Bulbus oes. gefolgt, indem sie sich vorwärls und rückwärts schob, wendete sie sich in der Nähe des Mundes um und ru- derte weiter in den Darmkanal hinein, wo es mir zuerst nicht gelang, sie zu schen. Sie kam jedoch mehrere Male zurück immer mit der solchen Thieren eigenen Behendigkeit, welche durchaus nieht durch das Flimmerepithelium des Darmkanals behindert wurde. Das Auge hatte sich indessen im Beobachten geschärft, und so entdeckle ich sie bald in der Mitte der Naide und zwar in Gesellschaft mehrerer anderer Individuen, welche alle gleich munter sich bewegten. Gegen den Einwurf, den ich mir selbst gemacht, es seien verschlungene Infusorien, spricht zu viel, als dass man ihn könnte gelten lassen, vor allem der Umstand, dass Stylaria und Nais nach Müller’s und meinen Beobachtungen nur fein zertheilten Nahrungsstoff aufnehmen, wie ich oben auseinan- der zu setzen Gelegenheit hatte. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. ad Kopfnervenschlinge von Stylaria. c Mundspalte, Längsmuskeln des Bulbus oesophagi. d Zunge. Fig. 2. Wimpern aus dem Bulb. oes. von Nais elinguis; 400 Mal vergrössert. Fig. 3. Blutgefässe im Kopfende von Stylaria und Nais. a Ar- terienstamm. 5b Vene. c Verbindungsbogen. d Vordere Schlinge. Fig. 4. Vorderer Theil des grossen Bauchnerven und des Ge- hirnes von Chaetogaster, von oben. Fig. 5. Dasselbe von der Seite. Fig. 6. Opalina Naidos, a 125 Mal vergrössert, 5 sehr stark vergrössert. Zusätze zur Lehre vom Baue und von den Verrichtungen der Geschlechtsorgane. Von Ernst Heisrıch WEBER in Leipzig. I. Ueber das Rudiment des Uterus beim männlichen Geschlechte der Säugelhiere und des Menschen ?). In einem Programme: De vesica prostalica rudimento uteri zu D.E. Kretzschmar Diss., Lineamenta physiologica mor- borum, Lipsiae d. 22 Martii 1836, kündigte ich an, dass die 1) Bei der Begründung einer Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften am Tage der zweihundertjährigen Geburtsfeier Leibnitzens erschien ein Band von Abhandlungen, die von Mitgliedern der mathematisch- plıysischen Klasse jener Gesellschaft herrühren, so dass dieser Band als der erste der Gesellschaftsschriften jener Klasse betrachtet werden kann. Derselbe enthält ausser mehreren malhema- tischen und physikalischen Abhandlungen ‘einige auf die Physiologie sich beziehende Abhandlungen, namentlich C. F. Naumann über die Spiralen der Conchylien, worin er durch Messungen darthut, dass die meisten Conchylien nach einem eigenthümlichen Gesetze gewunden sind. Die Spirale derselben nennt er daher die Conchospirale, die von der logarithmischen Spirale verschieden ist. Lierher gehören auch ©. G. Lehmann’s Beilräge zur Kenntniss des Verhaltens der Kohlensäureexhalation unter verschiedenen physiologischen und patho- logischen Verhältnissen. Die sämmtlichen Abhandlungen sind auf Verlangen in der Weidmann’schen Buchhandlung in Leipzig ein- zeln zu haben 422 am Collieulus seminalis in der Proslata des Menschen verbor- gene Vesieula prostalica ein Rudiment des Uterus sei, und dass also der Mann nicht bloss Rudimente der Brüste, sondern auch ein Rudiment des Uterus besitze. Später fand ich bei dem männlichen Biber in einer Falte der Bauchhaut zwischen der Harnblase und dem Mastdarme, an derselben Stelle, wo der Uterus bei dem Weibchen liegt, eiuen Uterus bicornis, und Lichtenstein und andere bei der Versammlung der deulschen Naturforscher in Braunschweig anwesende Gelehrte erkannten die Aehnlichkeit des von mir vorgezeigten Organs mit einem Uterus an. Iiuschke bestäligle meine Angabe und beschrieb den Uterus bei dem erwachsenen männlichen Kaninchen in der Eingeweidelehre von Soemmering’s Ana- tomie S. 410. In dieser Abhandlung findet man nun dieses Rudiment des Uterus bei dem Menschen und Biber, und aus- serdem den Uterus des männlichen Pferdes, des mänulichen Hundes, des Katers und des Schweins beschrieben und abge- bildet. Das Ostium uterinum verwächst bisweilen bei dem Pferde und bei dem Menschen. Bei dem Hunde, Kater und Schweine scheint es in der Regel verschlossen zu sein. Bei dem neugebornen Kaninchen sind sich die äusseren und inne- ven Genitalien einander so ähnlich, dass man Männchen und Weibchen nur an den Vasis deferenlibus und deren Verschie- denheit von der Tuba unterscheiden kann. Bei menschlichen Zwillern, bei welchen das männliche Geschlecht vorherrschend ist, lässt sich darthun, dass der vorhandene Uterus die mehr entwickelte Vesicula prostatica ist, und also der nämliche Theil, den ich für das Rudiment des Uterus erkläre. Bei dem von Ackermann beschriebenen Infans androgynus halte der Üte- rus nicht nur ganz die Lage der Vesicula proslalica, sondern am Multermunde öffneten sich auch die Duclus ejaculatorii, wie sie sich sonst an dem Caput gallinaginis in der Nähe der Oeflnung der Vesicula prostalica in die Harnröhre zu mün- den pflegen. 423 I. Ueber die drüsenarligen Gebilde in der Nähe der Einmündungsstelle der Saamenkanäle in die Harn- röhre bei dem Menschen und bei mehreren Säugethieren. Diese Abhandlung verbreitel sich über den feineren Bau der Prostata, der Saamenblasen und des Drüsenendes des vas deferens, finis glandulosus vasis deferenlis, beim Men- schen und einigen Thieren. Dieser letztere Theil verdient als ein besonderes Organ betrachtet zu werden, ist aber bei keinem anderen mir bekannten Thiere so sehr entwickelt, als bei dem Hengste. Alle die so drüsigen Theile wurden nach einer glücklichen Iojektion ihrer Gänge abgebildet. Auch ich fand in der Saamenblase des Menschen Saamenthierchen, aber in so geringer Menge, während sie im Vas deferens in grosser Menge waren, dass man deutlich sieht, dass der Saame, wenn er in die Saamenblase gelangt, durch eine grosse Menge eines andern dort abgesonderten Saftes verdünnt werde, Diese Verdünnung des Saamens kann man bei dem Hengste Schritt für Schritt nachweisen. In dem Vas deferens des Hengstes waren die Saamentlierchen in so grosser Menge vorhanden, dass sie den grössten Theil der unaufgelösten Substanz des Saamens bildeten und dass sie sich nicht einzeln unterscheiden liessen, wenn man nicht den unter dem Mikroskope zu unter- suchenden Tropfen zwischen Glasplalten sehr ausbreitete oder verdünnte, Iu dem Drüsenende des Vas deferens wa- ren verhältnissmässig schon weniger Saamenthierchen in der daselbst befindlichen Flüssigkeit vorhanden, der Saame schien hier schon durch eine andere, in dem Drüsenende des Vas deferens abgesonderle, Materie verdünnt zu sein. Im höchsten Grade war das aber in der Saamenblase des Pferdes der Fall. Hier fanden sich nur sehr wenig Saamenthierchen. Keineswegs besteht die Hauptverrichtung der Saamenblasen darin, dass sich der Saame daselbst ansammle, denn es gelangt bei dem Menschen und dem Pferde sehr wenig Saame dahin, 424 sondern dass daselbst ein Saft abgesondert werde, der sich mit dem Saamen vermische; mag nun diese Vermischung schon zum Theil in der Saamenblase oder erst bei der Aus- spritzung in der Urethra vor sich gehen. Nicht zu billigen ist es, wie mir scheint, wenn man die Saamenblasen bei den Säugethieren nur dann als Saamenblasen anerkennen will, wenn sie mit dem Vas deferens communieiren. Oft münden sich die Saamenblasen in die Harnröhre und haben doch sonst alle Eigenschaften der Saamenblasen. I. Ueber die schlauchartigen Uterindrüsen des Menschen und einiger Säugethiere. Ich habe hier Abbildungen der Drüsen des schwangern Uterus, unter andern auch die Abbildung der Tuniea decidua eines zweiundzvwvanzigjährigen Mädchens bekannt gemacht, bei welchem es fast gewiss war, dass es 6 Tage und einige Stunden vor dem Tode geschwängert worden. Der Uterus wurde im Jahre 1829 von mir und meinem Bruder gemein- schaftlich untersucht *) und die Uterindrüsen wurden damals von mir gezeichnet, die Zeichnung aber nicht bekannt ge- macht. Wir nannten zu jener Zeit die Theile Zotien, von welchen ich später darthat, dass sie Drüsen wären. Ausser den Uterindrüsen aus einigen andern, im Anfange der Schwan- gerschaft sich befindenden Uteris habe ich die zu meiner Be- schreibung der Uterindrüsen der Kuh (in Hildebrandt’s Anatomie Bd. 4. Braunschweig 1834. p. 504.) gehörenden Abbildungen veröffentlicht und ausserdem die Uterindrüsen des Hundes durch Abbildungen erläutert. Die von mir über den Nutzen der Uterindrüsen des Hundes, der Katze und des Menschen erhaltenen Resultate lassen sich in folgende Sätze zusammenfassen: 1) Siehe dessen Inauguraldissertation: Disquisilio anatomica uteri _ et ovariorum puellae septimo a conceptione die defunctae inslituta ab Eduardo Webero. Halis 1830. In Commiss. Lipsiae apud L. Voss. — 425 1) Nach der Conception wird die Schleimhaut im Kör- per des menschlichen Uterus weich und nach und nach 2 bis 3 Linien dick, und erhält den Namen Tunica deeidua uteri. Diese Veränderung beruht auf dem Wachsthume theils der gefässreichen, theils der gelässlosen Lage dieser Haut, d. h. ihres Epithelii. — 2) In dem gefässreichen Theile der Schleimhaut des menschlichen Uterus vergrössern sich die Blutgefässe und die schlauchartigen Uterindrüsen, und zwi- schen diesen Organen bilden sich viel neue, zum Theil kern- haltige Elementarzellen. — 3) Die zufolge der Conception vergrösserten Uterindrüsen des Menschen sind geschlängelte, 2 bis 3 Linien lange, schlauchartige Drüsen, welche, wie die Magendrüsen, senkrecht nach der innern Oberfläche der Schleimhaut hinlaufen, daselbst enger werden und sich durch die Oeflnungen münden, die man schon längst an der Tunica deeidua kennt, und die der Tunica decidua ein siebförmiges Ansehen geben. Ihr anderes geschlossenes Ende theilt sich nicht selten in 2 bis 3 Bläschen. Sie sind nicht ästig, son- dern theilen sich selten einmal in 2 Schläuche. — 4) Die Ulerindrüsen des Hundes und der Katze vergrössern sich nach der Conception nur an dem Orte beträchtlich, wo die Placenta entsteht. Sie sind auch in nicht trächtigen Thieren sichtbar und bestehen aus zweierlei ‘Arten von Drüsen, aus 5) Beide ver- grössern sich nach der Conception, und zwar die kleinen kleinen einfachen und aus grossen ästigen. einfachen Drüsen in ihrer ganzen Länge, die grossen ästigen an demjenigen Theile des Stammes, der ihrer Mündung nahe liegt. Die sich dadurch bildenden sackförmigen Erweiterun- gen dieser Drüsen berühren die Mutterblut führenden Blut- gelässe, welche. in der Deeidua zwischen den Ulerindrüsen liegen, drängen sich mit Zipfeln und Falten zwischen sie, und wickeln sie auf eine ähnliche Weise ein, als der mensch- lilihe Dickdarm von der Bauchhaut eingehüllt ist. — 6) Die Zotten des Chorion, welche das embryonische Haargefäss- netz der Nabelgefüsse tragen, wachsen in die erweiterten 426 Oefinungen der Uterindrüsen hinein, füllen die erweiterten Theile dieser Drüsenschläuche aus, und schmiegen sich ge- nau an alle Falten und Zipfel derselben an, verwachsen mit ihnen, und bilden zusammen eine einzige Membran, die nur embryonische Gefässe besitzt. — 7) Von dieser Membran und ihren Zipfeln und Falten werden auf die angegebene Weise die einzelnen Blutgefässe der Decidua umhüllt. — 8) Wahrscheinlich verdünnt sich nach dieser Verwachsung der Theil der Membran, der von den Wänden der Uterin- drüsen herrührt, durch Resorption. — 9) In die nicht aus- gedehnten Aeste der Uterindrüsen und ihre geschlossenen Enden scheinen die Zotten des Chorion nicht einzudringen. — 10) Auf die angegebene Weise kommt der Bau der ausge- bildeten Placenta des Hundes zu Stande, der darin besteht, dass die ganze Placenta von einem groben Netze von Mut- terblut führenden geschlängelten Haargefässen durchzogen ist, die einen sehr grossen Durchmesser (ungefähr von ;% bis Par. Lin.) haben; dass die Röhren dieses Gefässnetzes, jede einzeln, in einer Membran eingewickelt und von ihr dicht überzogen sind, welche ein viel engeres Netz äusserst dün- ner embryonischer Gefässe trägt, dessen Röhrchen ungefähr -:- bis „4. Par. Lin. im Durchmesser, und folglich einen mehr als 3 Mal kleineren Durchmesser (oder, was dasselbe ist, einen mehr als 9 Mal kleineren Querschnitt) haben, als die Mutterblutgefässe, die sie überziehen. — 11) Dass end- lich auf diese Weise das Embryoblut in engen Röhrennetzen an der Oberfläche der weiten, Mutterblut führenden Röhren vorüberfliesst, ohne dass diese beiden Gefässarten unter ein- ander eommuniciren, und folglich auf die Weise, dass die beiden Blutarten nicht in einander überfliessen können, son- dern so, dass sie nur in eine sehr vielfache mittelbare Be- rührung kommen, und dass also beide Klassen von Röhren in einer ähnlichen Verbindung sind, wie die kleinen Luft- röhrenzweige und die dieselben überziehenden Haargefässe der Lungen. — 12) Bei dem Menschen scheinen sich die 427 Utierindrüsen an der ganzen innern Oberfläche des Grundes und Körpers ziemlich gleichmässig zu vergrössern. Eine theil- weise Vergrösserung ihres Stammes zu weiten gefalteten Säcken habe ich noch nicht beobachtet. Auch habe ich bei einem etwa 10 Wochen schwangern Uterus nicht wahrge- ö nommen, dass die dem Uterus zugekehrten ästigen Zotten des Chorion in Oeflnungen eingedrungen und in Zellen ver- borgen gewesen wären. Vielmehr lagen sie frei und locker da. Auch entspricht die einfache Gestalt der Schläuche der menschlichen Uterindrüsen nicht den vielfach in Zweige und Reiser getheilten Zotten des Chorion. — 13) Es ist daher noch nicht als erwiesen anzunehmen, dass die Zotten des Chorion bei dem Menschen auf eine ähnliche Weise in die Schläuche der Uterindrüsen hineinwüchsen, wie bei dem Hunde. Denn da nar der Mensch eine Tunica decidua re- flexa besitzt und sich dadurch sehr von andern Säugethieren unterscheidet, so kann auch in der Art und Weise, wie sich die Placenta bildet, zwischen Hunden und Menschen eine Verschiedenheit Statt finden. — 14) Die Placenta uterina des Menschen unterscheidet sich dadurch von der des Hun- des, dass das grobe, Mutterblut führende Gefässnetz, welches die ganze Placenta durchzieht, bei dem Menschen aus Röh- ren besteht, die einen viel grösseren Durchmesser und viel dünnere Wände haben, nämlich einen Durchmesser, der un- gefähr 15 Mal grösser ist, als bei den Mutterblut führenden Haargefässen in der Placenta des Hundes; zweitens dadurch, dass der andere Bestandtheil der Placenta, die Zotten des Chorion, welche ein dichtes Netz enger embryonischer Haar- gefässe tragen, bei dem Hunde Membranen und Falten, bei dem Menschen dagegen Bäumehen mit eylindrischen Aesten und Zweigen bilden, die sich zuletzt in sehr dünne Fäden theilen, die hier und da knospenartige Verdickungen haben, Drittens, dass es in der menschlichen Placenta keine Mutter- blut führenden Haargefässe im gewöhnlichen Sinne, sondern nur Gefässe giebt, die + bis 5 Linie und mehr im Durch- 428 mer haben, und daher kolossale Haargefässe oder Venen ge- nannt werden müssen, und dass daher auch die 4 bis 4 Li- nie dicken Arterienzweige, welche das Mutterblut aus dem menschlichen Uterus in die Placenta führen, sich nicht zu wiederholten Malen in Aeste theilen, sondern bei ihrem Uebergange in die Placenta einen Arterienknäul, Glomus ar- teriosus, bilden, der aus einer einzigen hin- und hergeboge- nen Arterie besteht, die sich zuletzt unmittelbar in das Netz jener kolossalen Haargefässe oder Venen fortselzt, welche die ganze Placenta durchziehen. — 15) Sowohl bei den Hun- den, als bei den Menschen kommen in der ausgebildeten Pla- centa die Mutterblut führenden, mit den Embryoblut führen- den Gefässen in eine innige Berührung. Zu diesem Zwecke aber sind bei dem Hunde die Mutterblut führenden Gefässe der Placenta einzeln in den Häuten und Falten der Zotten des Chorion eingewickelt und von ihnen überzogen, dagegen sind bei dem Menschen die Zweige und Fäden der Chorion- zotten von den Wänden der sehr weiten und dünnwandigen Mutterblutgelfässe überzogen und eingewickelt, welche die Zwischenräume zwischen ihnen ausfüllen, sich an sie an- schmiegen und sie umhüllen. — 16) Sollte es sich in Zu- kunft zeigen, dass Chorionzotten auch beim Menschen ebenso, wie bei dem Hunde in die Schläuche der Uterindrüsen hin- einwüchsen und dieselben ausfüllten, so würde daraus nur folgen, dass die Zweige und Endfäden der Chorionzotten ei- nen, von der Wand der Uterindrüsen herrührenden, dünnen, verwachsenen Ueberzug erhielten. Im Uebrigen könnte auch dann die Ansicht über die Struktur der Placenta und über die Wirkungsart ihrer Organe dieselbe bleiben. Derselben Meinung ist auch Bischoff. Ueber die Entwickelung des medieinischen Blutegels und der Clepsine. Schreiben E. H. Weber’s in Leipzig an Rusconi in Pavia. Die Entwickelung des medieinischen Blutegels, wie ich sie in Meckel’s Archiv für die Physiologie, Jahrgang 1828, be- schrieben und auf Tafel X. und XI. durch Abbildungen er- läutert habe, hat so viel Eigenthümliches und von der Ent- wiekelung anderer wirbelloser Thiere Abweichendes, dass ich gewünscht habe, es möchte ein anderer geübter Natur- forscher meine Beobachtungen wiederholen. Dieses ist bis jeizt noch nicht gesehen. Sie haben mir, mein theurer Freund, vor mehreren Jahren die werthvolle Schrift des D. Philippo de Philippi in Milano, „‚Lettera al Signor Dott. M. Rusconi sopra l’anatomia e lo sviluppo delle Clepsine con due tavole Pavia 1839, zugeschickt und Prof. Grube in Königsberg hat die Entwickelungsgeschichte der Clepsine in seiner trefllichen Schrift, „Untersuchungen über die Ent- wiekelung der Anneliden, Königsberg 1844. 4.,“ behandelt. Aus beiden Arbeiten geht aber hervor, dass der Gang der Bildung bei der Olepsine ein anderer, als bei dem medieini- schen Blutegel ist. Vor allen Dingen muss ich daher bemerken, dass ich seit jener Zeit diesen Gegenstand wiederholt vorgenommen 430 und meine früheren Beobachtungen bestätigt gefunden habe. Schon die Grösse und die ganzen Verhältnisse des Dolters sind bei dem medieinischen Blutegel und der Olepsine so sehr ver- schieden, dass man sich nicht wundern kann, wenn auch der Gang der Entwickelung bei beiden nicht gleich ist. In dem sogenannten Cocon des medicinischen Blutegels befinden sich frei neben einander in einem gemeinschaftlichen bräunlichen Eiweiss 5, 10 und mehr Dotter, welche so klein sind, dass sie mit unbewaflnetem Auge gar nicht gesehen werden können, während das Eiweiss, worin sie sich be- finden, das ausserordentlich grosse Ei ganz ausfüllt und also in sehr grosser Menge vorhanden ist. Ihr Durchmesser be- trägt „|; Par. Lin. und weniger. Der Dotter ist, so viel mir bekannt, bei keinem andern wirbellosen Thier von der Grösse des Blutegels so klein. Wenn er nun um so viel gewachsen ist, dass sein Durchmesser 5 Linie beträgt, hat er schon einen Mund -und einen trichterförmigen Schlund, und ernährt sich wie ein Thier, indem er das Eiweiss, wel- ches sehr kleine blasse Körnchen enthält, in grosser Menge verschluckt, und dadurch in seiner Verdauungshöhle eine grosse Menge Dottersubstanz bereitet, dass daraus ein gros- ses Thier, wie der junge Blutegel ist, gebildet werden kann. Wenn er 1% Linie gross ist und also das 27fache seines ur- sprünglichen Durchmessers erreicht hat und folglich ungefähr 19,000 Mal so viel Masse enthält, als anfangs: sieht er aus wie ein mit Dotter gefüllter Sack, der einen Mund hat, an dem sich noch keine Bauchplatte gebildet hat und an dem die erste Spur des Ganglionstranges durch künstliche Mittel sichtbar gemacht werden kann. Bei der Clepsine verhält sich der Dotter nach Philippi und Grube ganz anders. Er hat nach Grube, Seite 15, wenn das Ei so eben gelegt worden, nahe % Linie im Durch- messer (0,0259 Zoll), und hat also einen ungefähr 6 Mal so grossen Durchmesser, als der Dotter des medicinischen Blut- egles, und folglich mehr als 200 Mal so viel Masse. Dage- 431 gen ist die Menge Eiweiss, die im Ei des medicinischen Blut- egels so ausserordentlich gross ist, im Eie der Clepsine ver- hältnissmässig sehr gering. Hiermit steht im Zusammenhange, dass der Dotter der Clepsine schon ursprünglich die erfor- derliche Menge Dottersubstanz enthält, damit sich der Gan- glienstrang und die Bauchplatte bilden können. Der Dotter des medicinischen Blutegels dagegen wird, wie gesagt, schnell zu einem sehr einfach gebildeten Thiere, welches in dem ge- meinschalftlichen Eiweisse des Blutegeleies ein einfaches Le- ben führt und wie eine Larve aus diesem Nahrungsstoffe, den es in grosser Menge verschluckt, in seinem Körper Bil- dungsmaterial aufhäuft, aus dem sich nur allmählig der ei- gentliche Blutegel Lage für Lage bildet; so dass, nach meinen Beobachtungen, nächst der Haut und dem Munde, nun zu- erst der Ganglienstrang, dann die den Dotter überwachsende Blauchplatte, hierauf die Gefässe, die Athmungsblasen und Geschlechtstheile, dann der Speisekanal in der ihm zukom- menden Form, und zuletzt die in den Magen oder Darm hin- einwachsenden Falten gebildet werden. Nach Grube nimmt der Dotter bei der Clepsine von dem Momente an, wo das Ei gelegt worden ist, bis zu dem Zeitpunkte, wo das Thier aus dem Eie auskriecht, gar nicht an Grösse zu; der Mund des T'hieres entsteht nach ihm sehr spät, nachdem sich schon die Bauchplatte ausgebildet und den Dotter umwachsen hat, und nachdem schon längst der Ganglienstrang entstanden ist und das Ei die längliche Form des Thieres angenommen hat, Die Entwickelung des Kies bis zum Auskriechen wird nach Grube bei der Clepsine in 6 Tagen vollendet, bei dein medieinischen Blutegel nach der Beobachtung des Herrn Apotheker Neubert in Leipzig in 6 Wochen, oder genauer in 42 bis 48 Tagen. Herr Apo- theker Neubert hat eine vortreflliche Gelegenheit gehabt, dieses in den von ihm mit grosser Sachkenntniss angelegten Blutegelteichen zu beobachten, aus denen auch die Cocons her- rühren, die ich in neuerer Zeit untersucht habe, 432 Die Periode der Entwickelung des Blutegeleies, wo der kleine, 4 Linie im Durchmesser habende Dotter einen Mund und trichterförmigen Schlund bekommt, scheint mir vorzüg- lich interessant, und damit doch ausser mir auch andere be- währte mikroskopische Beobachter den Dotter auf dieser von mir in Meckel’s Archiv der Physiologie 1828, Taf. X. Fig. 4., abgebildeten Stufe sähen, legte ich dem Professor der Botanik in Leipzig, Gustav Kunze, und meinem Bru- der, Professor Eduard Weber, einen Dotter aus einem Blutegeleie vor, der beinahe so gross war, als der von mir an der angeführten Stelle abgebildete. Folgende, mir vom Professor Kunze übersendete Notiz enthält dasjenige, was er an dem Dotter selbst wahrgenom- men hat: „Am 21, Juli 1846 wurde mir vom Herrn Prof. Ernst Heinrich Weber hier das Ei eines Blutegels, der Ver- sicherung nach von Hirudo medieinalis, vorgelegt und von mir unter dem Compositum untersucht. Dasselbe war etwas kleiner als das in Meckel’s Archiv f. d. Physio- logie, Jahrg. 1928, Taf. X. Fig. 4. von demselben abge- bildete; es waren jedoch die dort dargestellten Theile schon deutlich, obwohl in der Entwickelung etwas we- niger vorgeschritten, wahrzunehmen. Das Ei war von kreisrundem Uimfange und erschien als eine bräunlich- gelbe, von einer durchsichtigen Zone umgebene, Scheibe. Die durchsichtige Zone war wiederum von einem noch durchsichtigeren Rande eingeschlossen. Wie die gedachte Figur dieses darstellt, sahe ich die Scheibe durch dunklere Linien in eine Menge eckiger, zelliger, unregelmässiger Räume eingelheilt. An der einen Seite des Eies bemerkte ich deutlich einen trichterförmigen Theil, welcher von der undurchsichtigeren Scheibe bis zu dem äussersten Rande des Eies ging und sich bei fortdauernder Beob- achtung besonders durch seine Bewegung bemerklich machte. Bald wurde dieser Trichter eingezogen, bald 433 vorgedrängt, so dass er am äussersten Rande des Eies einen kleinen, in der Mitte durchsichtigen, an den Seiten durch eine dunklere Kontour abgegrenzten Hügel oder Vorsprung bildete. Der benachbarte Theil des Randes zu beiden Seiten zeigte eine undulirende Bewegung, der übrige Theil war bewegungslos. Das Ei entsprach der oben gedachten Figur in Meckel’s Archiv im Wesent- lichen vollständig und schien sich nur in einem weniger vorgerückten Zustande der Entwickelung zu befinden. Unter den von Professor Grube in seinen „‚Untersuchun- gen über die Entwickelung der Anneliden, Königsberg 1844,“ auf Taf. I. vom Eie der Clepsine gegebenen Fi- guren befand sich keine, die mit dem mir vorliegenden Objekte als nur einigermaassen übereinstimmend bezeich- net werden könnte, Leipzig, den 21. Juli 1846. Professor Gustav Kunze.“ Auf gleiche Weise erklärte sich auch mein Bruder. Ueber die Struktur des so zeitig sich bildenden Saug- napfes des Mundes, über die Entstehung der Muskelfasern, über entstehende Drüsenschläuche und über die Anlage des Ganglienstranges bei seinem ersten Erscheinen, habe ich eine Menge Specialitäten beobachtet, die ich zu anderer Zeit be- kannt machen werde. Dass ich bei meiner Untersuchung über das Blutegelei, die ich im Jahre 1828 herausgab, den so äusserst merkwür- digen Furchungsprozess des Dotters nicht erkannte, kann meiner Abhandlung nicht zum Vorwurf gereichen. Erst ein paar Jahre vorher hatten die Herren Prevost und Dumas und Sie, mein verehrter Freund, unabhängig von einander, diesen merkwürdigen Prozess beim Frosche entdeckt. Bei keinem andern Thiere war er zu jener Zeit beobachtet. Man sah diese Erscheinung als eine Eigenthümlichkeit des Frosch- eies an, weil sie bei den am meisten untersuchten Eiern der Vögel nicht vorkommt. Erst nachdem Sie im Jahre 1835 den Furchungsprozess beim Fischeie entdeckt hatten, fing Müllers Archiv. 1610. 23 434 man an zu vermuthen, dass dieser Prozess auch bei anderen Eiern vorkommen möchte, und es würde daher ein beson- deres Glück dazu gehört haben, um bei dem winzigen, nur durch das Mikroskop sichtbaren Eie des Blutegels schon vor- her diese Entdeckung zu machen. In neuerer Zeit habe ich aber den Furchungsprozess gleichfalls bei dem Dotter des Blutegeleies beobachtet. Derselbe schreitet bei ihm nicht ganz so regelmässig fort, als er von Grube bei dem Eie der Clepsine abgebildet worden ist. Dagegen ist es ganz gewiss, dass der helle, durchsichtige Fleck in den entstehen- den Abtheilungen eine runde Zelle enthält und dass an die- ser wieder ein deutlicher Nucleus unterschieden werden kann. Davon, dass in einer Zelle zwei Zellen entstünden, dass sich hierauf die Mutlerzelle auflöse und die erzeugten Zellen wieder in ihrem Innern zwei neue Zellen hervor- brächten, habe ich mich nicht überzeugen können, wohl aber davon, dass sich nach und nach der grösste Theil des Dot- ters in viele grosse und kleine, neben einander liegende, ku- gelrunde, durchsichtige Zellen verwandelt, von welchen die meisten einen deutlichen Kern besitzen, und dass bei der Bildung dieser durehsichtigen Zellen allmählig die überaus kleinen zahlreichen Körnehen, die die Dottersubstanz un- durchsichtig machen und ihr eine Farbe geben, verschwinden, Beobachtungen über die Mundorgane einiger Gasteropoden. Von Dr. H. Leserr, Arzt ia Lavey, Canton Wadt, in der Schweiz. Hierzu Tafel XII. XII, XIV. Durch die Zierlichkeit und Eleganz der Zunge der Patella aufmerksam gemacht, habe ich zuerst gemeinschaftlich mit meinem Freunde, Dr. Robin, während unseres Aufenthalts an der Küste der Normandie die Mundorgane des Genus Pa- tella, so wie die des Buecinum undatum genauer untersucht. Ausserdem haben wir noch bei mehreren anderen See-Mol- lusken Forschungen über diese Theile angestellt, ohne jedoch gleich damals an Ort und Stelle genaue Zeichnungen und Beschreibungen anzufertigen. Ich habe bald nach meiner Rückkunft in die Schweiz diesen Gegenstand wieder vorge- nommen und zuerst von den vielen mitgebrachten See-Mol- lusken die Mundorgane zergliedert und dann die gleiche Ar- beit über mehrere Genera von Land- und Süsswasser- Schnecken ausgedehnt. Wiewohl in der Wissenschaft bereits vereinzelte Unter- suchungen theils über die Weichtheile des Mundes dieser Thiere, theils über die Zunge und Kiefer derselben existiren und für letztere namentlich Troschel’s Arbeiten viel Vor- treflliches enthalten, #0 besitzen wir doch hierüber noch 28 " 436 wenige vollständige Beobachtungen, in denen alle Theile der Mundorgane, feste wie weiche, sowohl durch sorgfältige Zer- gliederung, als auch durch genauere mikroskopische Unter- suchung ihrer elementaren Gewebszusammensetzung analysirt worden sind. Es könnte daher vielleicht einiges Interesse darbieten, _ vollständigere Untersuchungen über die Mundorgane mehrerer Land-, Fluss- und See-Mollusken mitzutheilen, Wir werden alle die Gattungen, welche wir nicht ganz genau und vollständig untersucht haben, nicht hier erwähnen, da, je weniger ein Gegenstand in der vergleichenden Anato- mie bekannt ist, desto mehr genaue Details zu seiner Be- schreibung nöthig sind. Wir beschränken uns daher auf die Genera: Patella, Buceinum, Doris und ein ihr verwand- ien, aber wegen der Verschiedenheit der Mundorgane von ihr zu trennenden Genus, ferner Halyotis, Paludina und Limax. Bevor wir diese Beschreibung beginnen, wollen wir hier noch im Allgemeinen bemerken, dass diese Organe nicht bloss an und für sich wegen der Mannigfaltigkeit ihrer Struk- tur und den dem Baue entsprechenden Funktionen ein ana- tomisches und physiologisches Interesse darbieten, sondern ausserdem noch bei weiter ausgedehnter Untersuchung von hoher Wichtigkeit in zoologischer Hinsicht für die Klassif- kation der Mollusken werden können. Diese Untersuchungen können auch für die Paläontologen von Bedeutung werden, da es wahrscheinlich ist, dass die so harten und resistenten Theile der Zunge dieser Thiere sich noch wohlerhalten vor finden werden und erst nach genauer Beobachtung dieser Theile am jetzt Lebenden, für das einer fernen Urzeit Ange- hörende eine richtige Würdigung erlangen können. Ich werde mich in diesem Aufsatze des Namens Zunge . für das von den Autoren als solches bei den Mollusken be- zeichnete Organ bei der Beschreibung meiner eigenen Unter- suchungen enthalten, da am Ende dieses mit einer wahren 437 Zunge weder im Bau,-noch in seinen Funktionen genau übereinkömmt. Ich ziehe es vor, dieselbe ‚Reibplatte, Haken- platte, Hakenchorda oder Reibmembran zu nennen, je nach- dem dieselbe eine mehr längliche und schmale, oder eine mehr breite und membranartige Form darbietet. I. Mundorgane des Genus Patella. Die Zunge der Patella ist bereits von Cuvier ') in sei- nen Memoiren über die Anatomie der Mollusken beschrieben worden, jedoch auf eine ziemlich unvollständige Art. Wir werden uns daher bei nachstehender Beschreibung ganz an eigene Beobachtung halten, “ Nahe bei der Mundöffnung der Patella liegt eine nach vorn rundlich zugespitzte, nach hinten in eine konische Ba- sis endende Papille (Fig. 1a. und Fig. 2.). Dieselbe zeigt auf ihrer ganzen Länge Querfalten und scheint aus einem kontraktilen, muskelartigen Gewebe zusammengesetzt, Sie ist im Durchschnitt ungefähr 2 Millimeter lang und an ihrer Basis ebenso breit. Von dem unteren Theile der Papille geht in der Mitte die lange, schmale Reibplatte, Hakenplatte (Zunge der Au- toren) aus und. ausserdem sieht man zu jeder Seite dersel- ben eine viel kürzere, knorpelarlige, fast durchsichtige Platte nach oben eng und abgerundet, nach unten abgestutzt, 5 Mil- limeter lang und an ihrem breitesten Theile 25 Millimeter breit (Fig. 1 b,b.). Die bisher beschriebenen Theile der Mundorgane liegen in der Mundhöhle und gehen unter den Nervensträngen, welche den Oesophagus umgeben, durch. Die von der Mitte der Papille ausgehende Hakenplatte ist in ihrer ganzen Länge von einer Scheide umgeben, geht am hinteren Theil der von Darm und Leber gebildeten Masse entlang bis zum Niveau des unteren Theils des Fusses, biegt 1) Cuvier, M&moires sur V’anatomie des Mollusques — Memoire sur ’Halyotide, le Sigaret, la Patelle etw. p 17. 18. 458 sich dann um, und nachdem der umgebogene Theil ungefähr auf einen Centimeter Länge mit dem absteigenden parallel nach oben gegangen ist, wendet er sich nach aussen und rechts und endigt im Niveau des Halses am oberen Theil der entero-hepatischen Masse an der hinteren Seite des Körper- theils, welcher Oesophagus, Herz und mehrere andere Or- gane einschliesst (Fig. 1 c,c,d.). Die ganze Länge des aus- einander gelegten Organs beträgt zwischen 5 und 6 Centi- metern auf kaum mehr als einen Millimeter Breite, wenn man nämlich die Platte aus der Scheide herauspräparirt hat. Die Scheide selbst überragt die Hakenplatte um 6 bis 8Mil- limeter und die Papille, in welche sie sich endigt, ist von weissgrauer Farbe, halbdurchsichtig, an ihrem Ende leicht konkav und dort fast zwei bis drei Mal so breit als der übrige Theil der Scheide. Untersucht man die verschiedenen eben beschriebenen Theile mit einer schwachen mikroskopischen Vergrösserung von 30 bis 50 Durchmessern, so findet man folgende Struk- tur: 1) Die konische Papille (Fig. 2.) besteht aus Querbinden von -; bis ;; Mm. Breite, in ihrer ganzen Länge von Di- stanz zu Distanz gefaltet, und so eine Reihe von hervorra- genden Punkten und Winkeln bildend. Examinirt man nun diese Substanz mit einer 300 fachen Vergrösserung, so sieht man, dass sie zum grossen Theil aus Längsmuskelfasern, der Längsaxe der Papille parallel, bestehen, stellenweise von den Querfalten der äusseren Hülle durchkreuzt. Die feston- artig hervorragenden Winkel der Querfalten scheinen als- dann sich durch eine hakenförmige Umbiegung an der Spitze zu endigen. 2) Die Hakensaite, welche das eigentliche Reiborgan bildet, besteht aus einer grossen Anzahl von Querplatten, in ihrer Längsaxe an einander gereiht, und an den Verbin- dungsstellen sich theilweise und dachziegellörmig überdeckend (Fig. 3.). Jede Platte besteht aus mehreren grade neben ein- ander stehenden Stücken, im Mittleren von + Mm. Länge 439 auf „; Breite. In der Mitte jeder Platte steheu vier umge- bogene, nach oben sichelförmige Haken, welche sich auf gleicher Linie befinden. Ein wenig tiefer steht auf jeder Seite ein anderer Haken, welcher unter dem Mikroskope die Form einer phrygischen Mütze zeigt, im frischen Zustande von schöner dunkelrother Färbung an seinem oberen umge- bogenen Theile, blassgelb hingegen an seinem unteren verti- kalen Theile. Der obere Theil der vier auf gleicher Linie stehenden Mittelhaken ist heller als der der Seitenhaken, von braungelber Färbung (Fig. 3 a,a,a. und Fig. 4.). Die ‚Spitzen dieser sehr harten Haken haben zu dem unteren Theil der- selben eine wagerechte oder schiefe Richtung, und geben, wenn man mit dem Messer darüber hinfährt, das Gefühl, wie wenn man auf eine Feile streicht. Die beiden Stücke, welche grade in der Mitte stehen, sind durch eine Art Raphe mit einander verbunden und scheinen selbst wie auf einer gemeinschaftlichen Basis aufzustehen.. Die Substanz der Ha- ken ist halbdurchsichtig und zeigt unter dem Mikroskop we- nig andres, als mit blossem Auge, und nur an ihrer Basis erkennt man eine schwache Streifung. Auf der äussersten Seite einer jeden Platte befinden sich zur Seite jedes äusser- sten Hakens zwei oblonge, unregelmässig hexagonale Stücke ohne Haken (Fig. 3b,b,b.). Die nach der Papille zu liegen- den Haken sind die festesten und die am dunkelsten gefärb- ten, nach unten zu nehmen Farbe und Dicke ab, und gegen das Ende werden sie dünn und durchsichtig. 3) Das weiche Ende, die Endpapille der Hakensaite, gehört ganz der Scheide an. Sie enthält eine körnige Sub- stanz, in welcher man körniehte Kügelchen von 0,0075 Mm. bis 0.015 Mm, erkennen kann. Zum Theil bilden diese Kü- gelehen auch eine Inhaltsllüssigkeit (Fig. 5.). II. Mundorgane von Buceinum undatum, “ An dieser Species hat Cuvier am vollständigsten den Bau der Mundorgane studirt, und denselben ausführlich in 440 seinen Aufsätzen über‘die Anatomie der Mollusken (Memoire sur le Buccin onde, pag. 6—9.) und in seinem grösseren Werke über vergleichende Anatomie (Lecons d’Anatomie com- paree. II. Edition. T. V. pag. 18—20.) beschrieben. Wir übersetzen hier diese Stelle wörtlich, weil einerseits unsere Zergliederungen die Cuvier'schen bestätigt haben, anderseits diese Zusammenstellung zum genauern Verständniss der so wichtigen und interessanten Strukturdetails unumgänglich nö- thig ist. „Der verlängerte Mundrüssel (la trompe) kann beim Bueccinum in den Körper hineintreten, indem er sich in sich selbst einstülpt, und kann auch wieder heraustreten, indem er sich wie ein Handschuhfinger ausstülpt, oder auch wie die Fühlhörner von Limax und viele andere Theile der Mol- lusken, welche der gleichen Bewegung fähig sind. „Man kann sich dies Organ wie einen in sich selbst eingestülpten Cylinder vorstellen, oder wie zwei Cylinder, welche sich umgeben und deren obere Ränder vereinigt sind, und zwar so, dass, wenn man den innern Cylinder heraus- zieht, man ihn auf Kosten des äusseren verlängert, und wenn man ihn wieder zurückschiebt, man ihn verkürzt, und den äusseru nach innen verlängert, da dieser äussere Cylinder an den Kopfwandungen durch seinen unteren Rand festsitzt. „Nun stelle man sich eine Menge von Längsmuskeln vor, welche alle an ihren Enden fein getheilt sind. Diese Theilungen ihrer inneren Enden setzen sich an den Wan- dungen des Körpers fest, die anderen hingegen an den in- neren Wandungen des inneren Rüsselcylinders, und zwar seiner ganzen Länge nach bis zu seinem Ende. „Man begreift, dass wenn sie in: Thätigkeit sind, sie den Cylinder und den ganzen Rüssel nach innen ziehen. „Wenn derselbe sich in dieser Lage befindet, so bildet ein grosser Theil des inneren Cylinders den äusseren Theil, und das Umgekehrte findet Statt, wenn der Rüssel verlän- 441 gert und aus dem Körper herausgetreten ist; die Anheftungs- punkte der Muskeln wechseln auf die gleiche Art. „Die Verlängerung des inneren Cylinders durch das Aufrollen des äusseren nach aussen geschieht durch die in- neren ringförmigen Muskeln desselben, Sie umgeben ihn seiner ganzen Länge nach, und indem sie sich nach einander zusammenziehen, treiben sie ihn nach aussen. Ein solcher besonders starker Ringmuskel befindet sich an der Stelle, an welcher der äussere Cylinder sich an den Körper anheftet. „Wenn der Rüssel verlängert ist, so dienen die zurück- ziehenden Muskeln, indem sie nicht alle auf ein Mal wirken, zugleich dazu, denselben nach der einen oder anderen Seite hin zu beugen, indem sie sich hierzu gegenseitig als Anta- gonisten dienen.‘ Um diese, aus der Vergleichenden Anatomie Cuvier’s eitirte Stelle zu vervollständigen, fügen wir hier noch fol- gende aus seiner Abhandlung über Buceinum hinzu: „Die Zunge selbst ist, wie bei anderen Mollusken, eine knorpelartige Haut, mit hakenförmigen, spitzen Dornen be- setzt, aber sie hat beim Buccinum nicht eine so bedeutende Länge, wie bei Turbo und anderen Gasteropoden. Sie ist auf zwei verlängerte Knorpel gespannt, welche ihre Enden nähern oder entfernen und sich selbst in ihrer Totalität nach vorn und hinten bewegen können. „Wenn also diese Knorpel sich nach vorn zusammen- stellen, so breitet oder senkt die Zunge ihre Dornen, sich nach vorn wendend, und wenn sie aus einander treten, so zieht sie sich zurück und stellt ihre Dornen aufwärts. Die Wiederholung dieser Bewegung ist es, welche, vielleicht durch die ätzende Eigenschaft des Speichels unterstützt, die härtesten Muscheln anfressen kann.‘ Aus diesen beiden Stellen ersehen wir, dass Cuvier den Mechanismus der Bewegungen dieses Rüssels, welcher die Reibmembran oder Hakenchorda einschliesst, wohl ge- kannt hatte, aber dass er über den inneren Bau und die 442 Struktur derselben nur höchst unvollkommene Auskunft giebt. Wir wollen daher versuchen, obige Beschreibung durch nach- folgende Details zu vervollständigen, Von der Spitze der harten, hakig-knorpeligen Chorda gehen Muskeln aus, welche sich an das untere Drittel der- selben, gänsefussartig ausgebreitet, anheften. Dieses Gewebe bietet besonders das Merkwürdige dar, dass es die den Mus- keln höherer Thiere eigenthümliche rothe Fleischfarbe zeigt. Ausserdem zeigen diese Muskeln eine bei weitem grössere Kontraktilität, als dies bei all den übrigen Muskeln des glei- chen Thieres der Fall ist. Diese ist so bedeutend, dass noch eine Stunde nach der Entfernung derselben aus dem leben- den Körper die geringste Berührung mit einem der Zerglie- derungs-Instrumente eine kräftige Zusammenziehung bewirkt, jedoch ist diese nur eine einmalige, nicht eine mehrfache und rhythmische, wie dies bei der aus dem Körper frisch herausgenommenen, mit Nadeln gereizten Herzsubsianz der Fall ist. Unter dem Mikroskop sieht man diese Muskelsub- stanz aus feinen, parallelen, eng an einander gelagerten Zell- fasern bestehend, zwischen denen sich eine Menge feiner Molekularkörnchen und einzelne kleine Fettbläschen befinden. Stellenweise scheinen die Längsfasern bündelförmig zusam- menzuliegen, an den meisten Stellen scheinen sie jedoch zu dicht an einander gelagert, um deutliche faseikulare Anord- nung zu zeigen (Fig. 6.). Die Hülle, welche die harte Chorda umgiebt, besteht aus dieht an einander gelagerten Kügelchen, deren Umrisse an vielen Stellen nur sehr undeutlich zu erkennen sind, meist auch eine unregelmässige, der ovalen sich nähernde Form zeigen. Ihr Längsdurchinesser schwankt zwischen 0,0125 Mm. und 0,015 Mm., ihre Breite beträgt im Durchschnitt 0,01 Mm. An manchen Stellen erkennt man deutlich eine pflasterför- mige Ausbreitung dieser Kügelehen. Im Durchschnitt ent- halten sie einen scharf markirten, ziemlich vollen Kern von 0,005 Mm., in deren einzelnen man ein Kernkörperchen er- 443 kennt (Fig. 7a.). Unter dieser Lage von Zellen findet sich eine andere von feinen Längsfasergewebe (Fig. 7 b,b.). Die Hakenchorda selbst (die Zunge nach Cuvier), von welcher wir einen Theil dargestellt haben (Fig. 8.), besteht aus fünf dicht an einander gelagerten Längsabtheilungen. Die mittlere (Fig. 8 A,A.) zeigt in ihrer ganzen Länge eine Reihe transversaler vierkantiger, mit Haken besetzter Platten. Dieser Haken finden sich sechs an den oberen, fünf an den unteren Platten. Die Farbe des Körpers derselben ist schön goldgelb, am Rande durchsichtig. Die Breite der Platten beträgt im Durchschnitt + Mm. auf 7; Höhe, die Entfernung je zweier Platten ist der Höhe im Allgemeinen ungefähr gleich. Die beiden seitlichen Abtheilungen, welche der mitt- leren zunächst liegen (Fig. 8$B,B.), bestehen ebenfalls aus Platten, welche in ihrer Lage denen der Mitte entsprechen. Jede dieser, die in der Mitte nach innen hohl zu sein schei- nen, endigt sich mit vier stumpfen Haken, deren äusserster der bei weitem umfangreichste ist. Die Farbe der Platten ist orangengelb, ihre Lage etwas schief, während die der Mitte durchaus horizontal ist. Die beiden äussersten Längs- binden bestehen aus schiefen, halbdurchsichtigen Platten ohne Haken (Fig. 8C,C.): In ihrer Substanz erkennt man wenig Struktur, hin und wieder feine Längsstreifung. Die Mittel- substanz, welche die verschiedenen Platten, besonders die der Mitte, zusammenhält, ist häutig und besteht aus feinen punktirten Längsfasern. Die Substanz der Haken an den verschiedenen Platten ist ziemlich gleichförmig und unvoll- kommen durchsichtig. Der knorpelartige Theil, auf welchen die Hakenchorda in ihrer ganzen Länge gespannt ist und welche äusserlich von Muskelsubstanz bedeckt ist, besteht aus Zellen, welche den Pflanzenzellen oder den kernhaltigen Zellen der Chorda dorsalis einiger Batrachier-Embryonen nicht unähnlich sind (Fig. 9a,a.). Sie haben im Durchschnitt 0,025 Mm. bis 0,038 Min. Durchmesser, einen Kern von 0,005 Mm. bis 444 0,0075 Mm. (Fig. 9b,b.). Diese Zellen scheinen gruppen weise zusammengestellt, zwischen welchen durchsichtige In- tercellularsubstanz sich befindet. In den Gruppen nehmen die Zellen eine polygonale Form mit abgerundeten Winkeln an. Es findet sich ausserdem an der Chorda nahe beim Munde zu jeder Seite eine knorpelige Platte aus der gleichen Zellen- struktur bestehend. Es ist noch zu bemerken, dass diese Hakenchorda viel kürzer ist, als bei andern Gasteropoden, wie Halyotis, Pa- tella etc. Die verschiedenen Längsabtheilungen bilden übri- gens einen Kanal, der am oberen Theile fast ringförmig ge- schlossen scheint. Die Struktur dieses ganzen Kauapparates ist also viel komplicirter, als man a priori erwarten sollte. Ill. Mundorgane einer dem Genus Doris verwandten Gattung. Von meinem Aufenthalt an den Küsten der Normandie hatte ich zwei sehr verwandte, hauptsächlich in der Grösse verschiedene nackte Gasteropoden mitgebracht, deren eine die Doris tuberculata war, die andere, viel kleiner, derselben sonst sehr nahe zu stehen schien und ziemlich gut mit der von Cuvier gegebenen Beschreibung der Doris stellata in ihren Charakteren übereinkam. Bei genauerer anatomischer Zergliederung ihres inneren Baues jedoch zeigten sie in den Mundorganen eine so ausgezeichnete Verschiedenheit, dass letzteres Thier, das wir übrigens in hinreichender Zahl un- tersuchen konnten, nicht einmal zur Gattung Doris gehö- ren kann. Die Art, welche den Gegenstand dieser Untersuchung bildet, ist im Durchschnitt nicht viel über 2 Decimeter lang auf ungefähr 1 Breite. Die Oberfläche des Körpers, von gelbgrauer Farbe, ist mit leichten Erhabenheiten von % bis 3 Mm. bedeckt, in deren Zwischenraum die Haut durchaus 445 glatt ist, Die violetten Kiemenbündel stehen in sieben Ab- theilungen getheilt kreisförmig um die Aftermündung. Nach Eröffnung der Mundhöhle sieht man keinen Rüs- sel, sondern einen konischen Körper von 5 Mm. Länge auf + Mm. Breite, welcher den Reibapparat enthält. Schon durch die eigenthümliche Konsistenz, wie bei Untersuchung mit einer schwachen Loupenvergrösserung, erkennt man die ungefähre Struktur dieses Organs. Eine konische Papille von 1! Mm. Länge nimmt den ganzen vorderen Theil ein (Fig. 10A.), und ist nach oben ganz abgerundet. Wenn man den eigentlichen Hakeneylinder von seiner Hülle befreit, ohne ihn weiter zu zergliedern, so sieht er der Anordnung einer kleinen Wirbelsäule ziemlich ähnlich. Untersucht man diesen Theil dann näher mit dem Mi- kroskop, so erkennt man zwei Reihen verhältnissmässig sehr umfangreicher Haken, die fast kanalartig zusammenliegen, aber unter dem Dissections-Mikroskop auseinandergelegt wer- den können. Eine membranartige, ziemlich harte Hülle ver- einigt diese verschiedenen Haken (Fig. 12 a,a.) und an dieser Membran selbst befinden sich Reihen viel kleinerer Häkchen (Fig. 12 b,b. und Fig. 11 b,b.). Die grossen Haken, welche das Hauptelement dieses Apparats bilden (Fig. 11.a,a. und Fig. 13.), haben eine fast schuhförmige Gestalt mit einem kolbigen, breiten, hinteren Ende und vorn an dem länglichen Ende spitz und umgebogen zugehend. Sie haben bis auf 4 Mm. Länge, -'; Mm, Breite und an ihrem hinteren Ende bis 4 Mm. Höhe. Während das kolbige hintere und innere Ende gleichförmig abgerundet ist, zeigt das vordere, äussere zwei Fortsätze, deren einer das Ende der Längsendigung des Hakens ist, während der andere zur Längsaxe in einem Win- kel von 60 —00° aufsteht. Dieser fast vertikale Forlsatz hat 5 Min. Höhe auf „; — '; Breite, während der Längslort- salz 4 Min. Länge hat, aber an seinem Ende nicht mehr als „', Min. Breite. Die kleinen Haken der intermediären Membran haben 74 — ;'; Mm. Länge auf Min, Breite, \ ‚2 10 so 446 und zeigen eine pfriemenförmige Gestalt, bei den einen am unteren Ende spitz, bei anderen abgerundet. Die grösseren Haken scheinen an ihrem vorderen Ende einen Halbkanal zu haben, und zeigen ausserdem äusserlich an demselben 6 bis 8 Einkerbungen von „tz Mm, Länge auf ungefähr ebensoviel Breite. Alle diese Haken bestehen aus einer unvollkommen durchsichtigen Masse, welche selbst bei den stärksten Ver- grösserungen weder eine deutliche Zellen- noch Faserstruk- tur zeigen, Bei der Seitenansicht der Hakenchorda kann man leicht in den Irrihum verfallen, die kleinen Haken der Membran als zu den grossen gehörig zu betrachten, während sie in Wirklichkeit von diesen getrennt, nur dicht unter denselben liegen. Die knorpeligen Theile dieses Apparats sind viel weniger entwickelt, als bei anderen Gattungen, zeigen jedoch auch deutliche Zellenstruktur. IV. Mundorgane von Doris tubereulata. Die Species, deren Mundorgane wir hier beschreiben, kommt mit der von Doris tubereulata ihren Haupteharakte- ren nach überein. . Sie ist im Durchschnitt 6—7 Oentimeter lang auf 3 Breite; die Körperoberfläche ist graugelb mit ei- ner Menge schwarzer, ‘ins Bläuliche schimmernden Flecken. Der ganze Körper ist mit 3 —? Mm. breiten Tuberkeln be- deckt. Die Kiemen sind von dunkler violetter Färbung in sieben Büscheln um die Afteröffnung gestellt. Werfen wir zuerst einen Blick auf die anatomischen Lageverhältnisse der Mundorgane, so finden wir als Anfang derselben einen einfachen Mund ganz am vorderen Theil des Körpers gelegen. Ob Kiefer - Rudimente existiren, habe ich nieht untersucht. Von hier geht eine Röhre nach innen, welche die Einführung einer Sonde auf 9 Mm. Tiefe erlaubt. Oeffnet man nun das Thier und legt die verschiedenen, den Oeso- phagus bedeckenden Theile, namentlich die Fortpflanzungs- Organe, auf die Seite, so erkennt man zuerst diese retraktil 447 scheinende, cylinderförmige, rüsselartige Mundeinstülpung, welche nach unten erweitert ist; dann sieht man die inneren Mundorgane, welche den hakigen Reibapparat enthalten und hinter diesem in den Oesophagus übergehen (Fig. 14.). Die ganze Länge der konischen Röhre von der Mundöffnung bis zum Oesophagus beträgt im Mittleren 13 Mm. auf 5 Mm. an dem schmalsten und 9 an dem breitesten Theile. Eröfl- net man nun diesen ganzen Theil der Länge nach, so er- kennt man zuerst die Mundöffnung als eine innen faltige Querspalte, hinter welcher bald die Muskelsubstanz dicker wird. Vor dem Theile, welcher die Reiborgane enthält, lie- gen zwei Querwülste von fast knorpelharter Konsistenz, hin- ter welchen sich zwei ebenfalls sehr harte, in der Mitte ver- einte knollige Hervorragungen finden, über welche die eigent- liche Haken- und Reibmembran aufgespannt ist (Fig. 14b. und Fig. 15b.). Wenn wir diese in situ wie in den beiden ersten Fi- guren betrachten (Fig. 14d. und Fig. 15.a.), so scheint sie aus zwei in der Mitte zusammenhängenden Hälften mit Quer- streifen, die sich bei der Berührung hart und hakig anfühlen, zu bestehen, und schon mit der Loupe betrachtet, ihre ha- kige Struktur zu -erkennen geben. Die beiden fleischigen, knolligen Hervorragungen, auf welchen die Reibmembran auf- gespannt ist, enden nach unten und ein wenig nach hinten in eine abgerundete, umgekehrt konische Papille (Fig. 15 c.), welche ungefähr in der Mittelaxe des Körpers liegt, Die Hakenmembran kann man in ihrer Totalität abprä- pariren. Es zeigt sich alsdann, dass bei dem blossen Eröfl- nen des sie enthaltenden Theils nur ihre vordere und obere Ausbreitung zu sehen war, und dass ihr grösster Theil nach hinten und unten verlaufend verborgen lag. Ausgebreitet (Fig. 16.) zeigt die Hakenmembran eine Länge von 8 Mm. und eine unregelmässig viereckige Gestalt. Nach oben zeigt sie eine leichte konkave Einkerbung, und an ihrem oberen Theile ist sie beinahe so lang als breit, in 448 ihrer Mitte wird sie seitlich enger und an ihrem unteren Theile zeigt sie eine so tiefe Einkerbung, dass sie hier sich fast in zwei gesonderte Schenkel zu enden scheint, In ihren Strukturverhältnissen muss man zwei Lagen unterscheiden. Die eine bietet gewissermaassen die Unter- lage und ist von knorpeliger Konsistenz und besteht aus ei- ner Zellenmasse (Fig. 19.), der ähnlich, wie wir sie schon mehrmals bei den Mundorganen der Gasteropoden beschrie- ben haben. Die Hakenmembran selbst besteht in ihrer gan- zen Länge aus Querreihen von sehr regelmässig neben ein- ander stehenden Haken, welche mit den inneren Tasten eines Piano viel Aehnlichkeit haben (Fig. 17.). Die Höhe der ziem- lich vertikal aufstehenden Haken stimmt ungefähr mit der Ent- fernung zwischen je zwei Hakenreihen in den Dimensionen überein und schwankt zwischen ! und ! Mm. Einzeln von ihrer knorpeligen Grundlage getrennt, zeigen diese Haken eine sehr einfache, sichellörmige Gestalt, aus einem senk- rechten breiteren und einem wagerechten, nach unten ge- krümmten, scharf und spitz zulaufenden, frei hervorragenden Theile bestehend (Fig. 18.). Zwischen dem knorpeligen und dem Hakentheil der Reibmembran scheint noch eine Lage faserigen Zellgewebes zu existiren. Wir stossen also hier auf einen, von den bisher be- schriebenen ganz verschiedenen Typus der Mundorgane, und namentlich auf eine ganz andere: Bauart dieser Theile, als die war, welche wir in der vorigen Beobachtung bei einem dem Genus Doris sehr ähnlichen Thiere kennen gelernt ha- ben. Eine solche Abweichung der Form dieser Theile würde offenbar eine Gattungstrennung rechtfertigen. V. Mundorgane von Halyoltis. Die äussere Mundöffnung ist eine 5—7 Mm. lange Quer- spalte, im ganzen Umkreise faltig und aus zwei halbmond- förmigen, in einander übergehenden, ziemlich dicken Leisten bestehend. 449 Die eigentlichen inneren Mundorgane bestehen aus drei Theilen, zwei kieferartigen oberen Platten, einer breiten knor- peligen Scheibe und der langen, mit ihrer Scheide umgebe- nen, in ihrem Bau sehr komplicirten Hakenchorda. Erstere, die beiden kieferartigen Hornplatten (Fig. 20a,a.), haben eine birnförmige Gestalt und sind in der Mitte zusam- mengewachsen, was dem durch die Vereinigung entstehen- den Körper einen tiefen mittleren Ausschnitt giebt. Jede der Platten ist ungefähr 4 Mm. lang auf 2—3 Breite, die Farbe ist dunkelbraun, sie sind dünn, konvex, leicht von den übri- gen Theilen zu trennen. Unter diesen Hornplättchen findet sich eine breite, läng- liche, knorpelartige Platte (Fig. 20 b,b.), welche von einer gefässreichen Zellfaserhaut, die bei einigen injieiren Exem- plaren eine ziemlich gelungene Injektion zeigt, eingeschlossen ist. Diese Haut trennt man übrigens mit Leichtigkeit ab. Die Platte selbst ist von milchweisser Färbung und zeigt in ihrer Mitte einen Halbkanal, in welchem der obere Theil der Hakenchorda gelagert ist. .Diese Platle hat eine oblonge Ge- stalt von 10—12 Mm. Länge auf 8—10 Breite, eine leichte Biegung nach innen an ihren Seiten - Längsrändern und eine tiefe Einkerbung oben und unten zeigend (Fig. 22.). Die von ihrer Hülle eingeschlossene Hakenchorda hat bis über 3 Centimeter Länge, ungefähr ein Drittheil der Länge des ganzen Thiers. Sie ist dagegen kaum über 4 bis 5 Mm. breit an ihrem oberen und nur 2—3 Mm. an ihrem unteren Theile; ihre Umhüllung ist fein und häutig (Fig.20c,c. und Fig. 24.). Mikroskopische Struktur. 1) Die Hornplatten zeigen schon bei schwacher Ver- grösserung zwei Substanzen, deren eine homogen halb- durchsichtig ist, während die Au, Hau unter einander pa- rallelen Längseylindern besteht (Fig. 25 A und B. und 26.). Müller's Archiv. 1846. 29 450 Diese haben 0,0075 Mm, Breite und sind in dachziegelförmig über einander liegenden Lagen angeordnet. 2) Die Substanz der Knorpelplatte besteht nicht, wie anfangs zu vermuthen war, aus wahrem Knorpelgewebe, sondern hat mehr die Struktur der knorpelähnlichen Faser- masse, welche die Franzosen unpassend fibro -cartilage nen- nennen. Man erkennt in derselben Bündel, welche netzartig in einander verschlungen sind (Fig. 27. und 28.), bis auf 5 Mm. breit sind, eine bald faserig, bald fein körnig er- scheinende Substanz enthalten und zwischen den Bündeln ziemlich umfangreiche Maschen lassen. 3) Die Struktur der Hakenchorda ist weitaus das kom- plicirteste, was wir bisher in der Art bei Gasteropoden un- tersucht haben, und vereinigt die Elemente verschiedener Typen. Was besonders bei der Untersuchung im Anfange leicht irre führt, ist, dass die verschiedenen Elemente, da sie eckig und ziemlich dick sind, in so manniglacher Lage er- scheinen, dass sie, je nachdem sie sich im Profil oder auf der Fläche zeigen, das verschiedenartigste Aussehen darbie- ten, wie dies ein Blick auf die Zeichnung (Fig. 23.) zeigt. Der ganzen Länge der Hakenchorda nach verläuft eine braune Leiste, welche bei näherer Untersuchung sich aus Querreihen von tastenartigen Haken gebildet zeigt (Fig 23 A, A. und Fig. 24.), und in Bau und Anordnung viel Aehnlichkeit mit der Struktur der Hakenmembran von Doris tubereulata hat. Nach oben enden diese beiden Leisten frei in einer leichten Umbiegung von sichelförmiger Gestalt (Fig. %4 a,a.). Nach unten laufen diese Leisten spitz aus (Fig. 24 b,b.) und zeigen die gleichen Elemente, wie in ihrer übrigen Länge, aber weicher und fast farblos. Die Leisten nehmen ungefähr den dritten Theil der Totalbreite der Hakenchorda ein. An diese Leisten schliessen sich zu jeder Seite nach innen vier Längsreihen von Haken (Fig. 23 B,B.), welche besonders oben bemerkte Verschiedenartigkeit der äusseren Forın recht deutlich zeigen, Unter dem Disseetions-Mikroskop erkennt 451 man, dass diese Haken ziemlich senkrecht aufstehen. Der mittlere Theil des ganzen Organs (Fig. 23 C,C.) besteht aus flachen Stücken, deren äussere eine kalceolare Form, das Mittelstück hingegen die einer oblogen Platte zeigt und einem Wirbelkörper nicht unähnlich sieht. Diese verschie- denen Haken und Platten sind von braunröthlicher Farbe, besonders deutlich sichtbar im Centrum, mehr durchsichtig an der Peripherie. Werfen wir nun einen Blick auf die verschiedenen For- men und Dimensionen dieser Haken, so finden wir Folgen- des: Die Haken der schiefen Reihen, welche die äusseren Leisten bilden, sind viel länger, als man vermuthen sollte, da ihr dachziegelartiges Uebereinanderliegen ihre Dimensionen verbirgt. Die Länge dieser Haken beträgt im Durchschnitt 2 Min. (Fig. 30. und 31.). Ihr unterer Insertionstheil hat 2. Mm. Länge auf -, Breite, der Körper des Ha- ungefähr kens ist noch enger, hat kaum -; Mm. Breite und krümmt sich nach oben wieder und endet in einer sichelförmigen, scharf und spitz zulaufenden, leicht umgebogenen Kante. Die Haken der vier Längsreihen haben 53 Mm. Länge auf ungefähr 4 Breite nach vorn, fast um das Doppelte breiter an ihrem hinteren Ende. Auch sie enden in ein breites, sichelformiges, oberes Stück (Fig. 32.). Zwischen den bei- den eben beschriebenen Arten von Haken finden sich auch Uebergänge (Fig. 33.). Die Haken des mittleren Theils der Chorda (Fig. 29.) zeigen in den äusseren Stücken (Fig. 29 a,a.) eine kalceolare Gestalt und sind in der Mitte auf ihrer konkaven Seite tief gefurcht,. Sie haben 3 Min. Länge, ihre Breite ist am brei- testen Theil + Mm., -; Mm. in der Mitte und -'; Mm. an ihrem spitzen Ende. Die plattenförmigen Mittelstücke end- lich (Fig. 29 b,e.) haben 4 Mm. Länge auf 4 Breite. Nur ungefähr 2 ihrer Totaldimension scheinen gefärbt, der übrige Theil ist unvollkommmen durchsichtig. Es versteht sich von selbst, dass, wenngleich alle unsere Messungen aul das Ge- 29” 452 naueste angestellt worden sind, dennoch hier Abweichungen und noch andere Verschiedenheiten Statt finden müssen. VI. Mundorgane von Paludina vivipara. Ich war natürlich sehr gespannt, zu untersuchen, ob die Land- und Süsswasser-Gasteropoden in dem Bau ihrer Mundorgane eine ähnliche Struktur darbieten, als die unter- suchten Seemollusken. Als ich diese Zergliederungen auf dem Lande von grösseren Bibliotheken entfernt machte, wusste ich nämlich noch nicht, dass die Untersuchungen Troschel’s bereits für nicht marine Gasteropoden ähnliche Verhältnisse nachgewiesen hatten. Ueberhaupt verweise ich für grössere Vollständigkeit auf diese Arbeit Troschel’s (Wiegmann’s Archiv, 2. Jahrgang, 4. Heft, p. 257—279.), namentlich für die Beschreibung der Mundorgane von Palu- dina und Limax, für welche wir uns wohl gegenseitig er- gänzen, da mir Manches entgangen ist, was Troschel ge- nauer beschrieben hat, während ich auf der anderen Seite glaube, nicht unwichtige Details für die Struktur und den Bau dieser Theile mit Beschreibung und Zeichnung hinzuge- fügt zu haben. Ich werde übrigens später in diesem Auf- satze einen kurzen Auszug der Arbeit Troschel’s mittheilen. Ich muss vorher noch bemerken, dass in der französi- schen Schweiz, in der Nähe des Genfer - Sees (so wie ich überhaupt glaube, in der ganzen Schweiz), die anderwärtig gemeine Paludina vivipara eigentlich nicht vorkommt; sie ist jedoch durch Herrn Boissier in Genf aus Nord-Italien, dem Lago Maggiore, in die Festungsgräben von Genf verpflanzt worden, und hat sich dort so bedeutend vermehrt, dass die- ser ausgezeichnete Naturforscher mir eine grosse Menge le- bender Exemplare von Paludina für diese und andere Un- tersuchungen geben konnte. Der Mund der Paludina vivipara ist von einer kaum über 1—?2 Mm. langen rüsselartigen Röhre gebildet, mit ei- ner einfachen spaltenförmigen Oeffnung, welche bald rund, 453 bald mehr oder weniger verlängert der Muskelspannung ent- sprechend erscheint. Sie geht in eine Muskelmasse von ziem- lichem Umfange über, welche eher dem Gaumen, als der Speiseröhre entspricht, und von welcher nach hinten der Oesophagus abgeht. Dieser Gaumenbulbus liegt am vorder- sten oberen Theil des Thieres auf dem Boden der Visceral- höhle der Verdauungsorgane. Er hat in allen Richtungen 4—5 Mm. Durchmesser, während der an seinem oberen Theile entlang verlaufende Oesophagus an seiner Mündung kaum über 1 Mm. Breite hat. Man unterscheidet in dem Bulbus zwei Substanzen, eine weissliche und eine mehr röth- liche, ins Brauugelbe spielende, Die seitlichen Kiefer habe ich bei Paludina wahrschein- lich übersehen. Troschel beschreibt sie folgendermaassen: „Die seitlichen Kiefer sind bei Paludina vivipara nur ein schmaler horniger Saum von rothbrauner Farbe, etwa drei Mal so lang als breit, und sie verlieren sich nach hinten ohne bestimmte Grenze in die Munkelbündel, welche sie vorn bekleiden. Der Breite nach, also in der Richtung des Thie- res, befinden sich auf denselben sehr feine, unregelmässige Längsreihen, die nicht nur nicht immer nicht gerade Linien bilden, sondern sich auch oft dichotomisch verästeln. Diese Reihen bestehen aus sehr kleinen Schuppen, welche sich dicht aneinanderschliessen, und dadurch oft ein netzförmiges Ansehen hervorbringen. Sie sind sehr klein und treten selbst bei sehr starker Vergrösserung (500 Mal im Durchmesser) nicht so deutlich hervor, dass es leicht wäre, sie treu ab- »ubilden. Deshalb ziehe ich es vor, über diesen Gegenstand eine Abbildung von Valvata obtusa (Tab. X. Fig. 1.) zu lie- fern, weil bei dieser die Schuppen, welche die Kiefer be- deckten, weit grösser sind.“ Wir fahren nun in unserer Beschreibung nach unseren Untersuchungen fort. Isolirt man die ganzen Mundorgane und nimmt sie heraus, so sieht man, wenn man den Gaumenbulbus der Länge nach spaltet, zuerst eine äussere 454 Lage, welche hautartig alle die inneren Mundorgane umgiebt, diese ist dünm und von gelbrother Färbung. Nimmt man diese ganze, leicht zu trennende Lage hinweg, oder fixirt man sie des Gesammtanblicks wegen zu beiden Seiten mit feinen Nadeln, so kommt man auf die zweite innere Lage der Mundorgane, welche ebenfalls wieder von einer eigenen, unter Wasser leicht zu trennenden Membran umgeben ist. Eröffnet man auch diese und legt man sie auf die Seite, so sieht man zu jeder Seite eine stark hervorragende Masse, einem Halbellipsoid ähnlich, von 3 Mm. Länge auf 11 Breite (Fig. 34a,a. und Fig. 35.), welche besonders am unteren Theile des Bulbus einen stark konvexen Vorsprung bildet, und so an diesem Orte zu jeder Seite der Reibmembran ei- nen hervorragenden Knollen darstellt. Diese Theile geben besonders dem Bulbus seine, die des Oesophagus weit über- wiegenden Dimensionen. Fährt man nun mit der Zergliede- rung fort und legt auch diese Körper auf die Seite, so sieht man auf jeder Seite noch ein inneres flaches Stück. In der Mitte aller dieser Theile liegt die Reibchorda (Fig. 36 b., Fig. 34 b., Fig. 37.). Trennt man von dieser zu- erst bloss die ihren Untertheil umgebende Scheide, so sieht man unter derselben eine Spalte und an jeder Seite dersel- ben eine weiche röthliche Platte. Der Eingang des Oeso- phagus hinter den Kauorganen bildet eine Querfalte. An die umliegenden Theile ist die Reib- oder Hakenchorda durch zwei in schiefer Richtung verlaufende Bündel angeheftet, welche wahrscheinlich Muskelfunktion und Struktur haben. In ihrer ganzen Länge ist sie von einer eigenen Hülle um- geben. Nach oben ist sie umgebogen (Fig. 34.) und schon in situ erkennt man mit einer starken Loupe eine durchsich- tige feine Platte auf jeder Seite (Fig. 37 a,a.), welche dem Plattenpaar entspricht, die wir an der Hakenchorda der Pa- tella beschrieben haben. Selbst der freie Theil der Chorda ist vor der Zergliederung nach der blossen Eröffnung der Visceralhöhle der Verdauungsorgane unter dem Bulbus ver- 455 borgen und tritt nur hervor, nachdem man Zellgewebe, Mus- keln und Nerven, welche sie umgeben, durchschnitten hat. Die Totallänge der Chorda ist bei ausgewachsenen Exem- plaren im Mittleren 6 Mm., wovon die obere Hälfte im Bul- bus versteckt ist, die untere frei hervorragt. Der obere krumme, konvexe Theil, zwischen Mund und Oesophagal- Oefinung liegend, scheint besonders als Reiborgan zu funk- tioniren. In ihrer Längenaxe bildet die Chorda einen unvoll- kommen geschlossenen Kanal, dessen Kaliber kaum über 1 Mm. beträgt, und nur am unteren Ende etwas ausgeschweilt, fast leicht gabelicht erscheint. Die umhüllende Scheide kann von der Chorda wie ein Handschuhfinger von der Hand getrennt werden, und zeigt so abgezogen eine fast knorpelige Kon- sistenz. Suchen wir nun, bevor wir in die feineren Struktur- Details eingehen, uns nach diesem Bau von den Mastikations- Funktionen bei Paludina Rechenschaft zu geben, so können wir sie folgendermaassen annehmen: Die wenig dicken und runzligen Lippen ergreifen den zu kauenden Gegenstand, und wenn dieser hart ist, so gestattet die Beweglichkeit der Reibehorda, dieser bis in die Mundöfflnung hervorzutreten und so gleich zu zerreiben. Sonst aber kommt die Nahrung erst in die Mundhöhle und wird in dem Engpass zwischen Mund und Oesophagus, im Gaumenbulbus zerrieben, wobei noch die beiden dicken, knorpeligen, nach innen stark vorragenden Tuberkeln durch Kompression behilflich sind. Die Haken- Chorda wird dabei wahrscheinlich auf- und abgeschoben. Ich glaube nicht, dass sie aus der Mundhöhle und aus ihrer eigenen Scheide ganz heraustreten könne. So können diese Thiere in ihre Nahrung ziemlich harte Substanzen auf- nehmen. Mikroskopische Untersuchungen. Die äussere Hülle, welche die Mundorgane umgiebt, zeigt eine feinfaserige, mit Kernchen und kleinen Kügelchen durch- 456 säete Struktur und hat so also den Bau der Muskeln dieser Thiere. Die fast fleischrothe Farbe des Bulbus, natürlich nicht durch das bei den Mollusken farblose Blut hervorge- bracht, besteht aus keinem eigenthümlichen Pigment, sondern aus einer gleichmässig verbreiteten Färbung. Wir bemerken hierbei beiläufig, dass die im Innern des Penis dieses Thiers sich zeigende rothe Färbung im Gegentheil aus einem eigen- thümlichen, unregelmässig körnigen, purpurfarbenen Pigment besteht. Wir- haben oben zwveier Platten erwähnt, welche sich oberhalb und nach innen von den äusserlich hervorragenden unteren Theilen des Bulbus befinden und äusserlich von den Tegumenten umgeben sind. In diesen erkennt man als Hauptelement Zellen, durch eine hyaline Zwischenmasse mit einander verbunden. Es sind dies sehr grosse Kugeln, welche viel Aehnlichkeit mit neben einander gelagerten Pflanzen- Zellen oder mit denen der Chorda dorsalis der Batrachier und Fisch-Embryonen zeigen. Sie haben bis 0,05 Mm. und Kerne, deren Umfang zwischen 0,0125 Mm. und 0,0% Mm. schwankt und in deren Innerm sich Kernkörperchen von 0,0025—0,005 Mm. finden (Fig. 38.). Die Konsistenz dieser Knorpelknollen ist auch die der Chorda dorsalis oder des Embryonalknorpels. Die Hülle, welche der Reibcehorda als Scheide dient, besteht aus zwei Substanzen, deren eine, aus Körnchen und kleinen Kügelchen von 0,0066 Mm., durch eine fibroide, geschichtete Zwischenmasse mit einander verbunden ist (Fig. 39 a,a.). Die zweite Substanz (Fig. 39 b,b.) von ziem- licher Konsistenz besteht aus ähnlichen Zellen, wie oben beschriebene Knorpel, nur sind sie kleiner und zeigen weni- ger deutlich die Kernkörperchen in den Kernen. Ausserdem sieht man in dieser Substanz gelbe Pigmentkernchen. Die Reibchorda zeigt vor allem zu beiden Seiten die flügelförmigen, halbdurehsichtigen Platten, in denen das Mi- kroskop keine deutliche Struktur nachweist, Mit sehr star- 457 ken Vergrösserungen erkennt man stellenweise sehr feine, in ihrem Verlauf punktirte, parallele Fasern (Fig. 37 a,a.). Die Chorda selbst (Fig. 37. und 40.) besteht aus sieben Längsreihen kleiner, dachziegelförmig sich zum Theil decken- den Platten, welche fast in ihrer Zusammenfügung den Schuppen der Fische gleichen. Ist dieselbe gehörig ausge- breitet, so erkennt man besonders deutlich diese Struktur in der Mittelreihe. An dem oberen abgestutzten Ende der Plat- ten ragt in der Mitte ein ziemlich breiter, hakenförmiger Zahn hervor (Fig. 41a,a.), zu dessen beiden Seiten sich kleinere Zähnchen finden (Fig. 41 b,b,b.). Diese Platten ha- ben im Durchschnitt 4 Mm. Länge auf + Breite. Sieht man die Platten im Profil, so zeigen sie sich leicht gebogen, ein wenig sichelförmig (Fig. 41B.). In dieser Stellung sieht man auch die kleinen Zähnchen deutlicher. Im Durchschnitt stehen dem breiten Mittelzahn acht kleinere, vier rechts und vier links, zur: Seite. Wenn man unter dem Dissections- Mikroskop (dem Oberhäuser’schen pancratischen) einzelne Platten trennen will, so kann man sich leicht überzeugen, dass sie alle vertikal oder schief auf einem feinen, häutigen, durchsichtigen Gebilde aufstehen, welche ihnen als Basis dient, Die Haken des unteren Theils der Chorda sind fei- ner, dünner und kleiner als die höheren, und es ist wahr- scheinlich, dass die oberen hauptsächlich als Reiborgan die- nen, während die unteren, frischeren Ursprungs allmählig nach vorwärts rücken und die oberen ersetzen. Auch kann ich mich der Vermuthung nicht erwehren, dass die Scheide der Chorda mit der Bildung und der immer neuen Sekretion ‚dieser Platten in näher Beziehung stehe und ihnen so gleich- sam als Mastrix diene. Spätere Forschungen werden über diesen Punkt ein genügenderes Licht verbreiten. VII. Mundorgane von Limax. Oellnet man eine Limax vom Rücken aus, und fixirt die zu beiden Seiten zurückgeschlagenen Körperhälften, so 458 sieht man, nachdem man die Kreislaufs- und Generalions- Organe hinweggenommen hat, den Oesophagus und unter ihm den Gaumenbulbus (Fig. 42 a,a), an dessen Basis die Ausfüh- rungsgänge der sogenannten Speicheldrüsen (Fig. 42 b,b.) lie- gen; es ist dieser ganze Theil vom Ganglienkranz des Ner- vencentrums umgeben. Am oberen Theil des Bulbus sieht man die zurückgezogenen Fühlhörner (Fig. 42. d,d.) mit ihren Retraktionsmuskeln und unterhalb desselben die an den obe- ren Theil des Bulbus sich ansetzenden Muskeln (Fig. 42 £f.). Zwischen den Fühlhörnern liegt der Mund im zurückgezoge- nen Zustande (Fig. 42e.). Der Oesophagus (Fig. 42 e.) läuft am ganzen oberen Theil des Bulbus, übrigens viel enger als dieser, entlang. Der Eingang desselben ist eirkulär gefaltet und liegt ein wenig unler der Einmündung des Ausführungs- ganges der Speicheldrüsen. Zu beiden Seiten des Oesophagus bildet der Bulbus an seinem unteren Theil eine ziemlich be- deutende Hervorragung So zeigen sich äusserlich an ihrem oberen Theile, welcher der Lungenhöhle zugekehrt ist, die Mundorgane in situ (Fig. 42.). Nimmt man nun die Nerven- partieen, Muskeln und das umgebende Zellgewebe hiaweg und schneidet den Oesophagus in seiner Mitle transversal durch, so kann man ihn, am Munde noch befesligt, zurückschlagen, um seine unlere Fläche genauer zu untersuchen (Fig. 43.). Hier sieht man alsdann auf der Mittellinie eine konische, läng- liche, papillenartige Hervorragung, der ähnlich, welche wir bereils bei Doris tubereulata beschrieben haben (Fig. 43 8.). Was nun die Grössenverhältnisse dieser Theile betrifft, so führen wir hier von unseren mehrfachen Messungen nur eine an. Bei einer 6 Centimeter langen Limax rufa betrug die Länge des sehr nervenreichen Bulbus 8Mm. auf 5—6 Breite, während die Speiseröhre kaum % Mm. breit war. Der auf der unteren Seile sich befindende, papillenartig hervorragende kleine Cylinder hatte 2 Mm. Länge auf 14 Breite. Der Bul- bus zeigt zwischen einer oberen und besonders hervortreten- den unteren Erweiterung in seiner Mitte seitlich eine leichte 459 Konkavität. Nach oben scheint er dunkler gefärbt und rö- iher als im übrigen Theile; die mittlere kleine Hervorragung am unleren Theile (die Hakenmembran) ist von mallweisser Färbung. Nach dieser Auseinandersetzung der allgemeinen äusseren Lageverhältnisse kommen wir jetzt zu der speziellen Beschrei- bung der einzelnen Theile der Mundorgane. Die Mundöffnung ist rundlich und oval, im ruhigen Zu- stande geschlossen und faltig, besonders in der Längsrichtung. Wenn der sichel- oder halbmondförmige Kiefer den oberen Theil des Eingangs in die inneren Mundorgane schliesst, so ist der untere Theil ebenfalls durch verdickte, muskulöse, mit Schleimhaut nach innen überzogene Masse schliessbar, aber gerade von der unteren Seile durch antagonislische Muskel- aklion leicht zu öffnen. Oeffuet man nun den Bulbus der ganzen Länge nach, so sieht man zuerst den Kiefer in seiner Lage und seiner Kon- formation deutlich. Dieser zeigt also eine halbmondförmige Gestalt, und auf seiner konkaven Seile in der Mitte eine kleine hervorspringende, zahnartige, abgerundele Verlängerung (Fig. 44 c.). In seiner ganzen Ausdehnung zeigt er neben einander liegende senkrechte Leisten (Fig. 45a. und 46.) und ist nach oben und hinten durch eine dreieckige, hornige Mem- bran (Fig. 45 b.) befestigt. Die beiden Charaktere, die Leisten des Kiefers und die sich ausbreitende Membran werden von Troschel dem Genus Limax abgesprochen, aber bei Limax rufa wenigstens finden sie sich. Mit stärkeren Vergrösserun- gen erkennt man Querstreifen an diesem Kiefer (Fig. 46.). Unmittelbar hinter dem Kiefer befindet sich eine weiche, zarle Schleimhaut, hinter welcher der obere Ansatz einer weisslichen, hervorspringenden, knorpelarlig aussehenden Mem- bran ist (Fig. 47 h.), welche bei der Berührung mit einem der Lergliederungsinstrumente sich hart zeigt und ganz das Ge- fühl giebt, wie wenn man über eine Feile hinweg streicht. Es ist dies, wie wir bald sehen werden, die Reibmembran, 460 bei welcher Cuvier die feine Querstreifung beschreibt, ihr aber die Haken durchaus abspricht. Aristoteles scheint sie jedoch schon gekannt zu haben, wie wir weiter unten anfüh- ren werden. Nach oben ist sie, wie schon erwähnt, mit ei- nem weichen, häutigen Rande verwachsen (Fig. 47i.). Nach unlen schlägt sie sich in einem schwach konvexen Rande nach hinten um (Fig. 47 k.), so dass man sich an dem hiu- teren Theil auch leicht von der Gegenwart der Haken über- zeugen kann. Nach unten und hinten setzt sie sich dann in den oben beschriebenen, am unteren Theil des Bulbus äusser- lich sich zeigenden knorpelartigen Kegel fort (Fig. 48 m. und Fig. 49 m.). Höchst zierlich ist der Bau der Reibmembran (Fig. 48, 49, 50 und 51.). Sie bestellt aus einer fibro-eellulösen Basis, auf welcher die Haken aufstehen; die Fasern dieser Grund- membran zeigen theils eine Längs-, theils eine Querrichtung; sie ist ziemlich durchsichtig, weshalb es auf den ersten Blick scheinen kann, als wenn zu beiden Seiten derselben Haken wären, während sie doch nur auf der freien Seite welche trägt und nur da nach hinten Haken zeigt, wo diese freie, mit Haken besetzte Seile sich nach hinten umschlägt. Die Haken selbst stehen in parallelen, transversalen Reiben und scheinen an den Rändern grösser zu sein, als in der Mitte, Wenn man sie in ihrer Kontinuität auf der Grundmem- braun mikroskopisch untersucht, so zeigen sie eine ovale Basis, welche ein nicht sehr gebogener Haken überragt, Im Durch- schnitt haben sie -i, Mm. Länge auf zZ; Breite, und an der Basis zeigt der Ilaken selbst -, Mm. Breite; also sind diese Haken ungleich kleiner, als alle bisher beschriebenen Arten. Präparirt man nun einzelne Haken los, so sieht man in Fig. 52. deutlich, dass sie auf einer flach aufliegenden ovalen Basis festsitzen, welche ungleich kürzer ist, als der darauf schief aufstehende Haken, was in situ nicht der Fall zu sein er- scheint, da die nalı an einander stehenden Reihen, besonders bei mehr gesenkten Haken, diese Details verbergen. Der Ha- 461 ken selbst zeigt an seinem vorderen Ende noch einen leichten Einschnilt auf seiner konkaven Seite, welche dann zu der ei- gentlichen Spitze des Hakens hingeht. Was die Zahl und Anordnung der Zähne betrifft, so ci- tiren wir hier zur Erläuterung folgende interessante Stelle aus der Arbeit Troschel’s über diesen Gegenstand: „Man kann zwei Arten von Längsreihen unterscheiden: in der Mitte lau- fen etwa vierzig Reihen kurzer Zähne neben einander, an welche sich jederseits etwa 35 Reihen nach den Seiten zu immer länger werdende Zähne anschliessen. Das gäbe also zusammen elwa 110 Längsreihen. In jeder Längsreihe stehen nun vom konvexen bis zum konkaven Grunde des Organs, also bis dahin, wo sich die Membran in den Hautlappen um- faltet, 120 Zähne. Da die ganze Membran nun ungefähr ein Oblongum bildet (die Längsreihen stehen weil enger wie die Querreihen), so würde nach dieser Angabe, welche natürlich nicht ganz genau und auch nicht bei allen Species und Indi- viduen ganz dieselbe ist, eine Summe von ungefähr 13,000 bis 14,000 Zähnen auf einer Zunge sich ergeben, noch die Zähne abgerechnet, welche sich in dem umgeschlagenen Hautlappen befinden.“ Nehmen wir nun die Reibmembran ganz hinweg, so sehen wir unter derselben, sie spannen und tragend, eine Art knor- peligen Sattels (Fig. 53a. und b., erstere a. von oben, b. von unten gesehen); dieser Theil hat eine viereckig verlängerte, nach oben und unten abgestulzte Gestalt, ist von ziemlicher Dicke und von milchweisser Farbe, wie sie die Knorpel zei- gen. Auf seiner Oberfläche sieht man einen konvexen Rük- ken, dem auf der unteren Seite eine Rinne entspricht; in sei- nem Umfang ist er an die umgebenden Theile fixirt. Seine Struktur zeigt sich theils aus durchwobenen Muskelbündeln bestehend, an deren einigen man Querstreifung erkennt, theils aus Knorpelsubstanz, letzte mehr in der oberen Lage, in wel- cher man deutlich ziemlich grosse Zellen mil Kernen und ein- 462 zelne mit Nucleolis schon mit schwachen Vergrösserungen er- kennen kann (Fig. 54. und 55.). Was endlich die Struktur der äusseren umhüllenden Theile des Gaumenbulbus betrifft, so erkennen wir auf der inneren Schleimhaulseite als Hauptelement in ihrem Innern feinstreifige und feinpunklirte, von Intercellularsubstanz umgebene Cylin- der und in den mehr äusseren Theilen diese gleichen Mus- keleylinder eng an einander gelagert (Fig. 56, und 57.). Werfen wir nun noch einen Ueberblick auf die Struktur dieser Theile, so finden wir in den äusseren umhüllenden Theilen der Mundorgane, in dem Bulbus Muskelstraktur, in dem sallelartigen Organ, welches die Reibmembran trägt, auf muskulöser Substanz der Chorda dorsalis ähnliche Knorpel- strukfur, in der Reibmembran auf fibro - cellulöser Basis eine grosse Zahl ziemlich durchsichtiger, fester Haken, im Kiefer endlich ziemlich bestimmte Hornstruktur. Welch ein kompli- eirter Apparat an Organen und an Geweben in einem dem Laien aus einer blossen Schleimmasse zu bestehen scheinen- den Thbiere! Die Funktionen dieser Mundorgane scheinen nun folgende zu sein: Der von Muskeln umgebene Mund ergreift die Nah- rung, der harte Kiefer zertheilt sie gröblich in kleinere Stücke, die abwechselnd sich auf- und niederbewegende, durch ihre knorpelig-muskulöse Basis verstärkte Reibmembran verkleinert alsdann alle, selbst die härtesten Alimente auf das feinste, der dicke, muskelreiche Bulbus hilft hier noch durch gleichmässig starke Konstriklion, und so wird die Nahrung, möglichst fein zerkaut, in die Oeflinung des Oesophagus und von da in den Magen geschaflt. Historisches über die Mundorgane der Mollusken. Erst nachdem ich meine Untersuchungen und Zeiehnungen vollendet hatte, fing ich an, mich mit der Literatur dieses Ge- genstandes zu beschäftigen. Nur Cuvier’s unvollkommene Angaben hatle ich in seinen Memoires sur les Mollusques ge- 463 lesen. Troschel’s Aufsaiz kam mir erst während der Re- daktion meiner Arbeit in die Hände, und habe ich denselben auch, wie aus dem Vorigen zu ersehen, in manchem Punkte benutzt. Später habe ich gesucht, das über diesen Theil der ver- gleichenden Anatomie Beobachtete nachzulesen, und muss ge- steben, dass ich erstaunt bin, wie im Ganzen die Literatur hier so arm ist, wiewohl auf der anderen Seite von dem wenigen vorliegenden historischen Material Mehreres von ho- hem Interesse ist. Im höchsten Grade auffallend war es mir, in den Wer- ken des Aristoteles melırere Andeutungen zu finden, welche zeigen, dass er einige der wichligsten Fakta über die soge- nannte Zunge der Mollusken gekannt habe. Wir eitiren hier folgende Stelle, welche wir dann mit einigen kurzen Bemer- kungen kommentiren wollen. Die Stelle findet sich in: Ari- stoteles de Animalibus historia Lib. IV., Cap. 4.. $$. 7. 8. und 9. Wir führen sie nach der lateinischen Ausgabe mit wenigen griechischen Einschaltungen an: .„‚Habent quaedam os et dentes, ut Limax, aculos et minutos. ("Exsı dE oroue »ci Odovres Evır, olov 0 zoxXhias 0&8ig zei wixgOVS xl kerrtovs.) ') „Quaedam etiam muscarum modo habent proboscidem linguae specie (Awrrosıdis). Haec dura (compaela) est Buc- einis et Purpuris veluti tabanis (myopibus) et asilis (oestris) qui tergora quadrupedum prolundunt, imo etiam robustior, ut 1) In dem anderen naturhistorischen Werke des Aristoteles kommt die Stelle „Oi 52! z0%%0ı zu o6orrag Suw“ vor, Hier ist offenbar nur von den Kieferspitzen, welche Zälnen gleichen, die Rede. In obiger Stelle jedoch sind wohl die Haken der Gaumenplalte ge- meint. Jedenfalls wäre es erwünscht, dass die Arbeiten des Aristo- teles über ‚ie Mollusken wieder einmal von recht gründlichen und gelehrten Zoologen geprüft würden, und die Bedeutung der Namen und der Organbeschreibungen genau, dem heutigen Standpunkt der Zoologie und vergleichenden Anatomie gemäss, zu bestimmen. 464 escarum (eonchyliorum) testas perforent. Tov yao delsarwv zc doroeze dıergexaoı. Subest ori stalim venter similis avium ingluviei, in umbilieis (cochlis): infra duo candida quae- dam firma speeie mamillarum; qualia in saepiis eliam inve* niuntur sed haee solidiora.“* Wir ersehen also aus dieser Stelle, dass der Begründer der wissenschaftlichen Zoologie bereits die kleinen Zähne bei Limax gekannt hat, und dass er sie sehr treffend als .„acutos et minutos“ bezeichnet. Dies Faktum ist um so merk würdi- ger, da der grösste Zoolog unserer Zeit, Cuvier, und der mit dem Studium der Mollusken so speciell beschäftigte Fe- russae der Zungenmembran der Limacinen die Haken ab- sprechen. Es könnte zwar das blosse Gefühl mit einer me- tallischen Nadel schon diese Zähne vermuthen lassen, und so halte ich sie bei Helix erkannt, ehe ich sie gesehen hatte, aber Aristoteles bezeichnet sie zu charakteristisch als kleine und spitze Zähne, um nicht vermuthen zu lassen, dass er sie gesehen. Wenn dies nun der Fall ist, so muss er offenbar mit vergrössernden Medien (Linsen von Glas oder Krystall?) gearbeitet haben, da er sonst die kaum „4; Mm. grossen Zähne nicht erkannt hätte. Der zweite Theil obiger Stelle bezieht sich auf die Zunge von Buceinum, welche Aristoteles als hart und rüsselförmig beschreibt, und von welcher er sagt, dass diese Thiere damit die Schalen anderer Mollusken durchbohren. Der würdige Poli erklärt dies zwar für eine Fabel und in seinem Werke: Testacea utriusque Siciliae, T. II. pag. 41., drückt es sich kurz und naiv in den Worten „sed hoc fabulosum esse exi- slimo* über diese Stelle des Aristoteles aus: Dennoch aber ist dies keine Fabel, und wir werden später in der Ana- lyse einer Arbeit von Osler in den Philosophical Transactions 1832 die vollkommenste Bestätigung dieses Faktums finden. Wir können also in obiger Stelle nur den Scharfblick und die anatomischen Kenntnisse des grossen Philosophen des Alterilhums bewundern. Obige Stelle des Aristoteles ist 465 ist auch von Plinius (IHist. nat. L. XI. ec. 37.) eitirt, und nach beiden von Aldrovandi (de Testaceis L. III. p. 375.) angeführt. Wir finden nun lange keine Notizen mehr über diese so- genannte Zunge der Mollusken. Der erste, welcher sie genau gekannt zu haben scheint, ist Savigny, und in den Abbil- dungen zu dem berühmten Werk, Description de l’Aegypte, welches nach der Napoleonischen Expedition nach Aegypten über dieses Land angefertigt wurde, finden sich im naturge- schichtlichen Theil unter den schönen Abbildungen Savigny’s Zeichnungen über die Reibmembran der Cephalopoden und der Gasteropoden, welche beweisen, dass er dieses Organ ge- nau untersucht halte. Leider erblindete Savigny, bevor er den Text zu seinen Abbildungen redigiren konnte, und so be- silzen wir nur letztere, unter Audouin’s Leitung bekannt gemacht. So stellt Savigny in der ersten Tafel der Cephalopoden die Zunge von Octopus in fe und fe dar, ferner in 3. 5, 3e und 3€ die von Sepia. Von den Gasteropoden bildet er dieses Organ ab: von Doris (Pl. I. b,e, ferner 4. de und €‘); von Tritonia (Pl. II. 1.11. und 1. ı2.); von Bursatella Savig- niana (Pl. II. 2.9_13.); von Onchidiam Peronii (Pl. II. 3—6.) und von Oscabrion (Pl. III. 5. 7. und 8.). Die Erklärung des Textes zu letzterer Abbildung zeugt von der Genauigkeit der Untersuchung. Wir finden hier folgende Stelle: „On compte de chaque cölE cinquante deux dents lal@rales rangees en se- rie el adherentes par leur base ä des arceaux moyens; on voit en dehors des denis de nombreuses plaques hexagonales eonslituant une espece de carrelage. La partie anlerieure de tout cet appareil oflre d’autres dents eoniques au nombre de huit, rangdes par deux series et ayanl au milieu frois pelits tubereules, &galement coniques.* Ziemlich zahlreiche Abbildungen über dieses Reiborgan der Mollusken finden sich ferner in dem Werke Poli’s, Te- Müller's Archir. 1846, 30 466 stacea ulriusque Siciliae, Parma 1826, T. II. Wir wollen dieselben einzeln der Reihe nach anführen: 1) Nautilus papiraceus, pag. 19. und Tab. XLM. Fig. 8. und 9. Hier werden sieben Zahnreihen beschrieben, deren die äussersten als schwarz und gross und gekrümmt wie Katzennägel bezeichnet werden; die anderen, besonders die mittleren, sind weicher und bernsteinfarbig. Diese Zunge, giebt Poli hier an, existirt bei allen Univalven. Er spricht ferner die Vermuthung aus, dass ihre Funktion sei, die Speise vorzubereilen, d. h. zu zerkleinern, bevor sie in den Oeso- phagus Irilt. In dieser Abbildung scheinen mir die Haken denen von Limax ähnlich, die Form der sogenannten Zunge scheint dort einen länglichen Trichter darzustellen. Ueberhaupt scheint wir der Trichter die Grundform derselben zu sein, und dieser bald kurz und nach vorn breit, bald mehr langgestreckt zu sein. v 2) Argonaula vilreus, pag. 34. und Tab. XLIV. Fig. 8—10. Hier werden sieben Reihen von Zähnen angegeben, die äusse- ren krumm und beweglich, die inneren fest und klein. 3) Cypraea pyrum, T. Ill. pars altera pag. 14. Tab. XLV. Fig. 27. und 28. Hier sind die beiden seitlichen Knorpelplat- ten mit dargestelll; an der Seile scheinen krumme Haken zu stehen, in der Mitle hakige Platten. Die Zahl dieser Zähne giebt Poli auf 800 an. 4) Bulla lignaria, T. Ill. pars altera pag. 20. Tab. XLVI. Fig. 8—10. Er giebt hier an, dass die Zähne auf einer eigen- thümlichen Membran stehen und an Zahl ungefähr 400 sind. 5) Buceinum mutabile, Tab. XLVI. Fig. 8. Diese Zeich- nung weicht von der unsrigen von Buccinum undatum ab. In der Mitte bildet Poli auch Hakenplatten ab, an den Seiten aber krumme Haken statt der Platten. 6) Buceinum galea, T. Ill. pars altera pag. 42. Tab. L.. Fig A. und 5. Dieses Organ beschreibt er als einen Zoll lang, aus sieben Reihen Zähnen bestehend, in der Mitte plat- 467 tenarlig, äusserlich mehr Haken darstellend, im ganzen 1400. Er vermuthet, dass dieselbe ähnlich wie ein Kiefer funktioni- ren könne. . Es finden sich ferner noch auf Tab. LI. Fig. 5. und 28. und LII. Fig. 5a. und 28. ähnliche Abbildungen, zu denen ich aber den Text im Werke nicht habe auffinden können. f Eine sehr schöne und ausführliche Arbeit von Edw. Os- ler über den uns beschäftigenden Gegenstand findet sich in den Philosophical Transactions 1832, pag. 497 — 516. Wir wollen aus derselben Einiges des Wichtigsten mittheilen. Die pflanzenfressenden Mollusken haben drei verschiedene Arlen zu fressen. Sie schneiden die Nahrung mit gegenüber- stehenden Kiefern oder sie reissen ihr Fulter mit einer be- waffneten, über einer elastischen beweglichen Membran ge- spannten Zunge ab, oder sie verschlingen die Nahrung ganz. Trochus crassus ist ein Beispiel der ersten Art, Turbo littoreus der zweilen und Patella vulgata der dritten. Bei Trochus erassus finden sich knorpelige Kiefer, welche sich vermittelst eines Ligaments wie ein Buch öffnen und schliessen können. Die Zunge bildet ein Halbeylinder, welcher aus lamellaren, dachziegelförmig sich deckenden Zähnen zu- sammengeselzt ist. Es finden sich zwischen Kiefer und Zun- genmembran Muskeln, welche dieselbe nach Ausbreitung der Kiefer nach vorn treiben können. Die Kiefer werden durch transversale Muskeln geschlossen. Am unteren Theile der Zunge findet sich ein drittes Muskelpaar, welches von den accessorischen Knoıpeln seinen Ursprung nimmt, um die Kie: fer herum und dann nach vorn und oben zu ihrer Inser- tion geht. "Bei Turbo littoreus ist die Zunge lang und besteht aus dreien nach hinten neigenden Reihen von Zähnen. Der hin- tere und untere Theil der Nleischigen Schlundmasse wird durch die Kontraktion breiter Muskeln nach vorwärts gezogen, und die Zunge, so dureh eine eirkulaire Bewegung zurückgezo- 30 * 468 gen, wirkt auf die von deu äusseren Lippen ihr zugeführte Nahrung. Patella verschlingt die Nahrung ganz und der Antor, so wie Dillwyn haben noch im Magen Theile von Fucus pin- naliferus erkannt, so wie auch ein Fragment von Ulva Linza. Der Mund von Palella wird beim Fressen seitlich geöffnet. Ein einziger breiter, komplieirter Muskel schliesst dann die Kiefer und zieht die Zunge zurück, deren gekrümmte Zähne die Nahrung zur Oeffnung des Pharynx bringen. Mit unserer Beschreibung der Mundorgane kommt die des Autors von Chiton mehr überein, als die von Patella. Von Buceinum Lapillus führt er an, dass es andere Mu- scheln durchbohre, um sich von denselben zu ernähren. My- tilus, Ostrea, Anomia dienten so demselben zur Nahrung; dies hat der Autor in Swansea beobachtet. In Falmoulh sah er das Buceinum von Turbo, Trochus, Nerita, von Patella selbst von seiner eignen Species durch Anbohren der Muschel leben, und er fand sogar einmal in den Exkrementen von Buceinum das Ende des Fusses und die Röhren (tubes) von Lulraria compressa. Wir führen endlich hier noch besonders ausführlich die Beschreibung der Mundorgane von Buceinum undatum Obigem hinzu. Der Autor beschreibt sie folgendermaassen: Die Zunge von Buceinum undalum ist ungefähr einen Zoll lang, riemen- förmig und mit drei Längsreihen von Zähnen besetzt, welche in der Mitte kurz und eng, an den Seiten breit und gebogen sind, einen förmlichen Centrumbohrer (centre -bit) bildend. Der Theil der Zunge, welcher die äusseren Zahnreihen trägt, biegt sich nach innen und nach der Mille um, und gestaltet so diesem Organe in einer Scheide zu liegen, an welcher sich Muskeln ansetzen. Die Zunge kann aus dieser Oeffnung her- austreten. Ein Paar kleiner Muskeln, welehe sich am Ende der Zunge ansetzen, halten sie fest in ihrer Lage. Am binte- ren Ende schlägt sieh die Scheide der Zunge um sich selbst um, und so geschielit es, dass, wenn der Rüssel hervortritt, 469 der. enthaltene innere Theil auf Kosten des äusseren verlän- gert wird. Der Rüssel wird durch eine Reihe von Ringmus- keln herausgesireckt, welche an der ganzen Länge der um- schliessenden Röhre entlang liegen, und das Zurückziehen ge- schieht durch eine Menge von Längsmuskeln, welche, an jeder Seite des Körpers entstehend, sich der Länge nach an dieser Röhre oberhalb ihrer Antagonisten ansetzen. Das thälige Ende der Zunge wird von einem Irichterförmigen Muskel umfasst und hervorgetrieben, welcher rings herum von der Oeflnung des Tubus entspringt und an seinem oberen Ende mit dem Pharyox zusammenhängl. Der Oesophagus liegt auf den Mus- keln der Zunge, und vom Ende des Rüssels ausgehend, wen- det er sich um und geht vorwärts,*so weit als der Ansatz des enthaltenden Tubus reicht, und dann eine zweite Umbie- gung bildend, geht er zum Magen zurück. Dieser Mechanis- mus war nölhig, um dem Oesophagus zu gestalten, mit dem Rüssel ausgestreckt zu werden. Der Muskelapparat wird von einem Theile gelragen, welchen der Autor „‚die Basis“ nennt, und stellt den Durchschnitt eines Cylinders dar, welcher mit zwei Muskelbündeln versehen ist. Die Struktur derselben ist membranartig mil transversalen Muskelfasern und einer dop- pelten muskulösen Säule auf jeder Seite. Die inneren Säulen sind anf eine Linie weit von der Spitze der Basis vereint, und ihre Ränder sind in ihrer ganzen Länge frei; aber die äusseren Säulen gelien bis zum Ende der Basis und sind mit einem Knorpel von der Stülze, über welche die Zunge ge- spannt ist, gesäumt. Die gegenüberstehenden Ränder der Ba- sis sind durch transversale Muskeln verbunden, unter welchen sie fünf Paaren schiefer Muskeln Ursprung geben, welche sich an der Zungenscheide anselzen; eine Masse von Längsmuskeln geht zwisehen den Schenkeln der Basis hindurch, um sich an dem Rücken und den Seiten der Scheide anzusetzen, So weit der Auszug aus der Arbeit Osler's. Wir kom- men jetzt zu der weitaus wichligsten Arbeit über die Mund- teile der Schnecken, nämlich dem Aufsatze von Troschel 470 in Wiegmann’s Archiv 1836, pag. 257—79. Wiewohl wir im Vorhergehenden schon Einiges aus dieser Arbeit angeführt haben, wollen wir jedoch hier noch eine kurze Uebersicht derselben geben. 1. Pulmonata. Erste Familie. Limacina. Die Mundöffnung ist mit starken Falten versehen. Die Zungenmembran ist auf einem trogähnlichen Muskel aufge- spannt und ganz mit Zähnen besetzt, welche sich nicht bloss bei Limax, sondern auch bei Arion finden. Die Zähne sind in der Mitte kürzer. Man kann bis auf 110 Längsreihen, jede mit etwa 120 Zähnen, also 13—14000 zählen. Beim Fressen wird die Zunge nach vorn umgeschlagen, wird aussen sicht- bar, und während sie sich in ihre vorige Lage zurück begiebt, schöpft sie die Nahrung ein, indem ihr scharfer Rand gegen den hornigen Kiefer reibt. Letzterer ist halbmondförmig, bei Arion der Länge nach mit Leisten besetzt, also gezähnt er- scheinend, und bei diesem Genus auch sich als hornige Mem- bran in die Mundmasse fortsetzend, was der Verfasser für Li- max leugnet, deren Kiefer aber in der Mitte des konkaven Randes einen Zahn zeigt. Zweite Familie. Helicina. Die Kiefer sind nur lose an die Mundmasse angewachsen. Bei Helix arbustorum finden sich 110 Längsreihen von Zäh- nen mit 76 Querreihen, also im Ganzen ungefähr 8000. Gat- tungsunterschiede sollen sich in den Kiefern finden. Bei He- lix existirt kein miltlerer Vorsprung, nach aussen aber finden sich vertikale Leisten, im Mittleren sechs. Stellung und Grösse der Leisten variiren. Bei Helix pomatia sind die sechs Leisten niedrig und weit auseinanderstehend, bei Helix nemoralis sind sie nach der Mille zusammengedrängt. Bei Helix arbustorum ist der Kiefer etwas breiter in der Mitte und die Leisten sind 4741 weniger regelmässig. Bei Carocolla lapieida finden sich acht Leisten, die Hälfte des convexen Randes ist hier hell und durchscheinend. Bei Clausilia ist der Oberkiefer sehr klein, ohne Zahn- und Leistenbildung. Bei Succinea setzt sich der Kiefer in eine hornige, fast viereckig abgerundete Membran fort, und hat am konvexen Rande einen starken Vorsprung; man unterscheidet einen mittleren Vosprung und zwei seit- liche Fortsätze. Bei Pupa obtusa giebt Ehrenberg vier Zähne am Kiefer an. Dritte Familie. Limnaeacea. Planorbis und Limnaeus stimmen mit Vorigen sehr über- ein. Plıysa weicht davon ab. Der Oberkiefer bei den beiden ersten ist ein dickes, unförmliches Hornstück, welches am Rande grade, konkav oder konvex ist. Die beiden seitlichen Muskelleisten tragen Hornsubstanz. Bei Physa hingegen fin- det sich nur ein schmaler Kiefersaum und die seitlichen Kie- fer fehlen. Die Zunge besteht hier aus zwei kugligen Massen, die von einer tulenförmigen, umgeschlagenen Membran über- zogen werden. ‘Die Zähne stehen in Querreihen. Sie sind nach der Mitte der Membran hin gekrümmt und laufen nach oben spilz zu. Auf der konvexen Seite sind sie glalt, auf der konkaven mit fünf Zähnchen besetzt, kammähnlich gekerbt. Beim Fressen werden die beiden Hälften der Zunge einander genähert, deshalb sind auch die Zähne seitlich nach innen gekrümmt. 2. Ctenobranchia. Erste Familie. Potamophila. Paludina vivipara zeigt auf jeder der seitlichen Muskel- leisten eine Hornmembran, den seitlichen Kiefern der Limnaea- cea entsprechend. Zuerst halle sie Troschel an Valvala obtusa bemerkt. Es ist ein schmaler, horniger, rolhbrauner Saum, der sich nach hinten in die Muskelbündel verliert. 472 Man erkennt in ihm eine nelzförmige, schuppenarlige Struktur. Im Munde liegen zwei kuglige Muskelmassen und der Zun- geneylinder. Nach vorn und oben finden sich zwei seitliche Flügel. Die Zunge besteht aus fünf Reihen von Platten, welche vorn eine Rinne, hinten einen Cylinder bilden. Die Platten der mittleren Reihe sind mit Zähnchen versehen. Die Platten der zweilen Reihen sind schmäler und länger, die der äusseren Reihen endlich noch selimäler und länger, und sind nach innen gekrümmt. Jede der fünf Reihen hat 80—90 Plat- ten. Die hinteren Platten ergänzen die vorderen. Bei Jen jungen, noch im Mutlerthiere steckenden Paludinen ist dies ganze Organ schon sehr schön entwickelt. Bei Paludina im- pura fehlen die Zähnchen an den Platten. Bei Valvata ob- tusa ist die Zunge kürzer. Zweite Familie. Neritacea. Neritina fluvialilis hat einen runden Mund mit starken Längsfalten, aber ohne Hornplatten. Die Zunge ist bandartig, ragt peitschenförmig nach hinten hervor und ist mit einer Haut überzogen. Sie rollt sich oft spiralförmig zusammen und en- det nach hinten mit einer Verdiekung. Die Glieder derselben bestehen in der Mitte aus viereckigen Platten; dann folgt je- derseits eine längliche Lamelle, die sich schräg nach aussen wendet, von diesen ist eine Reihe kleiner Plallen verborgen, dann folgen ovale, wenig durchsichtige, nach aussen fein längs- gestreifle Platten, die aus kammarlig neben einander liegenden Lamellen bestehen. Der vordere Theil bewegt sich von oben nach unten und schöpft so die Nahrung ein, indem er aus der Mundöffnung hervortrilt. 3. Hypobranchia. Ja der Mundmasse von Ancylus lacustris erkennt man in Reihen geordnete braune Hornstücke. Die Zunge ist eine Haut, auf deren Oberfläche 60 — 70 Hakenreilıen einen Halb- eylinder bilden. Auf jeder Seite stehen sehr kleine seitliche 473 Plättchen, zwölf an der Zahl; an diese schliessen sich nach aussen undeutliche seitliche Platten an. Die Zunge bewegt sich beim Einschöpfen von oben nach unten. Neuerdings hat Troschel wieder in seiner Arbeit über die Anatomie von Ampullaria und Lanistes einen neuen Bei- irag über diesen Gegenstand geliefert. Von den Paludinen und Valvaten unterscheidet sich Ampullaria durch die Existenz eines deutlichen Kiefers. Unter dem Kiefer liegt die Zunge auf zweien, durch Muskeln beweglichen Knorpelstücken. Die Zunge ist sehr gross, der der Paludinen ähnlich. Die platten- artigen Zähne stehen in Quer- und in Längsreihen. Die ein- zelnen Querreihen sind einander ziemlich gleich. Eine jede besteht aus sieben Zabnplalten; die miltelste ist die grösste; ihr oberer freier Rand ist nach hinten umgebogen, mit krenu- lirtem Rande. Die Mittelplatten sind schmaler, nach innen und hinten gekrümmt, mit freiem krenulirten Rande. Die Seitenplatten werden stachelarlig und sind ganz nach innen gekrümmt. In der schönen Arbeit v. Nordmann’s über Tergipes (Memoires de l’Academie de St. Petersbourg 1845. T. IV. p- 508—11. Tab. I. Fig. 6—8.) findet sich ebenfalls eine in- teressante Mittheilung über diese sogenannte Zungenmembran. Nach diesem Autor ist die Zunge von Tergipes nach dem Ty- pus von Nerilina fluviatilis und Paludina vivipara gebildet; sie besteht aus langen, schmalen, dünnen Platten, welche je- doch gegen die Basis der Zunge hin breit werden. Eine Zun- genscheide hat der Autor nicht auffinden können; an ihrer Basis findet sich ein knorpeliger, mit Muskelsubstanz verwach- sener Ring. Die Zunge besteht der Länge nach aus 18 bis 22 Platten, welche mit 6— 12 Zähnen versehen sind. Sie scheinen durch Vorschieben ergänzt zu werden. Das Thier benutzt die Zunge auf eine solche Weise, dass es vermillelst derselben von oben nach unten die zu verzehrenden Polypen Stück für Stück abkratzt und einschöpft. Dabei sieht man die Zunge häufig aus der Mundspalte hervortreten. Bei den 474 in den Nautilus ähnlichen Schalen herumschwimmenden Jun- gen ist keine Spur der Zunge vorhanden. Notizen über die sogenannten Zungen der Mollusken, und alle mit einem Kopf versehene haben eine solche, finden sich auch noch in Ehrenberg’s Symbolae physicae animal. evertebr. Was die Entwickelung der Mundorgane betrifft, finden wir endlich noch eine höchst wichtige Stelle über die Ent- wickelung des Kiefers in Kölliker’s klassischer Arbeit: Ent- wickelungsgeschichte der Cephalopoden. Zürich 1844. pag. 95. Der Verfasser spricht sich hier folgendermaassen aus: .‚Eigen- thümlich ist die Entwickelung der Kiefer. Epitheliumzellen der Mundhöhle werden länger, indem sie nicht, wie Zellen des Cylinderepitheliums, denen sie an Gestalt gleichen, in der Riehtung des Quer-, sondern des Längsdurchmessers des Ka- nals sich vergrössern, und lagern sich in einer einfachen Schicht, die nicht dicker ist, als die Dicke einer einzelnen Zelle, so an einander, dass die Zellen in regelmässigen Reihen, die der Längenaxe der Kiefer parallel gehen, hinter einander liegen. Auf diese erste Schicht folgt eine zweite, dritte etc., indem immer wieder neue Epitheliumzellen sich verlängern und von aussen an die schon gebildeten Lagen sich ansetzen. Anfangs: sind nun an den einzelnen verlängerten Zellen die primären noch zu erkennen, später lösen sie sich in ein Häuf- chen Körner auf; dann schwinden auch an den schmalen Sei- ten der sekundären Zellen die Membranen, und die Lamellen gewinnen ein Ansehen, als ob sie aus parallelen Streifen kör- niger Substanz, deren Breite derjenigen der sekundären Zellen entspricht, zusammengesetzt wären; endlich schwindet auch jedes körnige Wesen, und es bleiben in der blassen, homoge- nen Substanz nur zarte Längsstreifen als Reste der früheren Grenzen der nebeneinanderliegenden Zellenreihen. So weit verfolgte ich die Entwickelung der Kiefer an Embryonen; bei Erwachsenen sah ich denn, dass endlich auch diese Streifung 475 unsichtbar wird und die Lamellen gelb, braun, endlich schwarz sich färben.“ Werfen wir nun schliesslich noch einen Ueberblick auf all das Vorhergehende, so können wir uns von der Mannig- faltigkeit des Baues und der Funktionen der Mundorgane der Mollusken überzeugen und die Wichtigkeit derselben sowohl in physiologischer, wie in zoologischer Hinsicht hoch anschla- gen. In beider Rücksicht wird aber die Wissenschaft nur dann dauernden Gewinn haben, wenn erst noch eine grosse Menge genauer Untersuchungen über diesen Gegenstand ge- macht werden, bevor man ihre Nulzanwendung bestimmen und, auf sicherer Basis gestützt, herausstellen kann. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1—5. Mundorgane des Genus Patella. Fig. 1. Die verschiedenen Theile der Hakenchorda (Zunge) in natürlicher Grösse. a. Die muskulöse obere Mundpapille; 2,3. die ° beiden durchsichtigen knorpelartigen Platten; c,c. die Hakenchorda selbst; d. die Endpapille, der Hülle angehörig. h Fig. 2. Die obere Mundpapille. A. Diese Papille selbst, a,a. die transversalen, festonarligen F pa B. die Insertion der Hakenchorda. Fig. 3. Die Hakensaite stark vergrössert. A,A,4, die dach- ziegelförmig übereinanderliegenden Querabtheilungen; a, a, a. die ein- zelnen Haken; 2, 5,2. die hexagonalen Platten, welche dieselben nach aussen begrenzen. ig. 4. Die einzelnen Haken isolirt dargestellt. Fig. 5. Die Eodpapille der Scheide, aus feinen Kugeln und ei- ner Intercellularsubstanz Vtehond; Fig. 6—9. Mundorgane von Buccinum undatum. Fig. 6. Muskelsubstanz der die Chorda bewegenden Längs- muskeln. Fig. 7. Stück der Umbhüllungshaut der Chorda; a. Zellkugel- lage; 6, b. Fasergewebslage. Fig. 8. Die Hakenchorda stark vergrössert. A, A. Gezühnte Mittelplatten; B,B. hakige hohle Seitenplatten; C, €. üussere halb- durchsichtige schiefe Platten. Er 9% Substanz des Knorpels, der die Chorda umgiebt, a,a,a, Zellen; 5,5,5. deren Zellenkerne. 476 Fig. 10— 13, Innere Mundorgane eines Doris-ähnlichen nackten Gasteropoden, Fig. 10. Der ganze Hakenapparat mit A. einer muskulösen Pa- pille und B. einem Hakencylinder. Fig. 11. Die Struktur des Hakencylinders mit starker Vergrös- serung dargestellt. a,a,a. Grosse kalceolare Haken; 5,6, 5. kleine, an der die grossen Haken verbindenden Haut befindliche Stacheln. Fig. 12, Diese verbindende Haut isolirt a, a, die Haut; 5,5. die Stacheln. Fig. 13. Die kalceolaren Haken stark vergrössert. Fig. 14—19, Mundorgane von Doris tuberculata. Fig. 14. Mundeingang mit Hakenmeınbran und Oesophagus. a. Mundkanal; db. erweiterter dicker Mundtheil, auf welchem die Reib- membran anagpapennl ist; d. die Reibmembran; c. der Oesophagus; e,e. die Muskeln, welche äusserlich den Mund an die umliegenden Körpertheile heften, Fig. 15. Der erweiterte, dicke, innere Mund. a. Die Reibmem- bran; 5. die dicke und breite Grundlage derselben; c. die Papille, in welche dieser Theil sich fortsetzt. Fig. 16. Die Reibmembran herausgenommen und ausgebreitet. Fig. 17, Ein Theil der einen Hälfte derselben vergrössert, Fig. 18. Die Haken isolirt und stark vergrössert. Fig. 19. Die Struktur der kuorpeligen Grundlage der Haken. Fig. 20—33. Mundorgane von Halyotis. Fig. 20. Die inneren Mundorgane in ihren natürlichen Dimen- sionen; a,a, die beiden hornigen Kielerpialten; 2, 5. die fibro-karti- laginöse Platte, welche der Hakenchorda als Unterlage dient; c,c. die Hakenchorda von ihrer Umhüllungshaut überzogen. Fig. 21. Eine der Kieferplatten isolirt dargestellt. Fig. 22. Die knorpelartige Platte isolirt. Fig. 23. Die Struktur der Hakenchorda. A, A. Aeussere schief- stehende, tastenarlige Hakenreihen; B,B. mittlere Hakenabtheilung; €, ©. innere Hakenplatten. Fig. 24. Die Hakenchorda in ihrer Totalität, schwach vergrös- sert dargestellt. Fig. 25. Die Struktur der Kieferplatten. A. Einzelne cylinder- förmige Stäbchen; B. dieselben in ihrem Zusammenhange, Fig. 26. Diese Stäbchen an den Endiheilen. Fig. 27. und 28. Die Faserbündel und Netze des knorpelarti- gen Stücks. Fig. 29. Die Platten der Axe der Hakenchurda. a,a. Kalceo- lare Haken; 5,5. und c.c. flache Hakenplatten. Fig. 30. Haken der äusseren schiefen Reihen, Fig. 31. Ein solcher Haken stark vergrössert. Fig. 32. Haken der zwischen den schiefen Reihen und den Mittelplatten liegenden Theile. Fig. 33. Uebergang zwischen den Haken der Fig. 30. und 32. 477 Fig. 33—41. Mundorgane von Paludina vivipara. Fig. 34. Die Mundorgane im Zusammenhang, a,a. Die beiden äusserlich hervorragenden Seiten des Gaumenbulbus; 6. die Haken- chorda in ihren frei hervorragenden Theile; ec. der obere umgebogene Theil derselben. Fig. 35. Einer der inneren Knorpel’schwach vergrössert, zellige Struktur zeigend. Fig. 36. Die Hakenchorda 5. mit den beiden zu ihren Seiten liegenden Knorpeln a, a. Fig 37. Die Hakenchorda b. mit ihren beiden durchsichtigen, flügelartigen Appendices a, a. Fig. 35. Die Zellen, welche die Seitenknorpel des Bulbus bilden. Fig. 39. Die Struktur der Scheide der Chorda. a,a. Fibrös- kleinzellige Substanz; 5, b. grössere Zellen. Fig. 40. Der Anblick der Hakenchorda mit ihren Platten. Fig. 41. Die einzelnen Platten; A. auf der Fläche gesehen; a,a,a. die grösseren Mittelzähne; 2,5,6. die kleineren Seitenzähne; B. die Platten von der Seite gesehen, Fig. 42—57. Mundorgane von Limaz. Fig. 42. Die äusseren Theile der Mundorgane von oben gese- hen. a,a. Die beiden Seitentheile des Bulbus; 5, 5. die Ausführungs- gänge der Speicheldrüsen; c,c. der Oesophagus; d,d. die zurückge- zogenen Fühlhörner; e. der Mund; /, f. Muskeln. Fig. 43. Die gleichen Theile von unten geschen. a,a. Die Er- weiterung des Bulbus; 5,6 die Ausführungsgänge der Speicheldrüsen; ce. der Oesophagus; e. der Mund; ff. Muskeln; g. das Ende der Reibmembran mit ihrer Scheide; A,h, Muskeln des Bulbus. Fig. 44. Der Mund mit dem Kiefer; c. die hervorragende Mit- telspitze desselben. Fig. 45. Die Kiefer isolirt. a. Der freie Theil desselben; 5. die Membran, in welche er sich fortsetzt. Fig. 46. Ein Stück des Kiefers stark vergrössert. Fig. 47. Die äusseren Mundorgane geölfnet. c. Der Orsopha- BL der Mund; A,i,k. die Reibmembran mit dem sie spannenden heile. Fig. 48., 49. und 50. Die Reibmembran mit den ihr zunächst gelegenen Theilen herausgenommen; m,m. der untere hervorragende Theil der Scheide. Fig. 51. Ein Stück der Reibmembran stark vergrössert. Fig. 52. 4A. und B. Einzelne Zähne isolirt. Fig. 53. A.und B. Der sattelartige, muskulös-knorpelige Theil, auf welchen die Reibmembran gespannt ist. Fig. 54, und 55. Die Sıruktur desselben. Fig. 56. und 57. Muskulöse Struktur des Gaumenbulbus. Ueber die Gestalt des Gehirns der Schleie, Cyprinus Tinca, im Alter von einem Jahre und bei dem erwachsenen Thiere. Noliz aus einem Briefe von Mauro Rusconi mitgetheilt von Ernst Heınkıch WEBER. Hierzu Tafel XV. Fig. 7—9. Die Schleie, welche sich, wie Reichert entdeckt hat, vor allen andern Wirbelthieren dadurch sehr auszeichnet, dass ihr Magen und Darmkanal Muskelfasern besilzt, die, wie die ani- malischen Muskelfasern, mit Querstreifen versehen sind, hat, nach den Untersuchungen meines Bruders, die Figenthümlich- keit, dass ihr Magen und Darmkanal durch magneto-galva- nische Reizung desjenigen Theiles des Gehirns, an welchem die Nervi vagi enispringen, in eine plötzliche und heftige Zu- sammenziehung verselzt werden kann, die so lange anhält, als die Reizung fortdauert und im Augenblicke aufhört, wo die Reizung aufhört. Hieraus geht hervor, dass die Muskelfasern des Magens und Darmkanals bei der Schleie in einer Abhän- gigkeit vom Gehirn stehen. wie das bei keinem andern Wir- belthiere der Fall ist. Unter diesen Umständen scheint mir die folgende Notiz interessant, die ich aus einem Briefe mei- nes Freundes Mauro Ruscoui in Pavia entlehne, dass die 479 Ursprungsstelle der Nervi vagi bei der einjährigen Schleie eine andere Gestalt hat, als bei dem erwachsenen Thiere. Fig. 7. stellt das Gehirn einer erwachsenen _Schleie in nalürlicher Grösse, Fig. 8. stellt das Gehirn einer ein Jahr allen Schleie in doppelter Grösse vor, von einem Eie herrüh- rend, welches Rusconi am 15. Juli 1836 künstlich befruch- tet hatte. Das Thierchen lebte in seinem Zimmer 1 Jahr lang unter seinen Augen. Die Verschiedenheit der Ursprungs- stelle der Nervi vagi ist sehr in die Augen fallend. Fig. 9. nalürliche Grösse des Thierchens. Ueber eine neue Gattung von Labyrinthfischen aus Quellimane. Von Dr. W. Peters. Hierza Tafel X. Fig. 10 — 15. Unter den Fischen, welche die Sümpfe von Quellimane be- leben, sind einige diesem Theil von Africa mit dem Nil ge- mein, wie der electrische Wels, Malapterurus electricus, Clarias anguillaris, Chromis niloticus; andere gehören der West- und Ostseite von Africa zugleich an, wie Protopterus anguillaris (Lepidosiren annectens); andere sind Mozambique eigenthüm- lich, wie Ctenopoma multispinis Pet. aus der Familie der La- byrinthfische, Tribranchus anguillaris P. aus der Familie der Aale (mit nur 3 Kiemen), Cyprinodon orthonolus P. aus der Familie der Cyprinodonten, und eine kleine neue Art von Barbus. Im Zambese, dessen Fauna mir bis Telte bekannt ist, tre- ten ausserdem noch andere Nilformen, wie die Mormyrus, Varicorhinus, Labeo, Ilydrocyon, Alestes, Dislichodus, Hete- robranchus, Bagrus, Synodontis auf, theils in mit den Nil- fischen identischen, theil in eigenthümlichen Arten; auch eine neue Gattung von Characinen, die ich bei einer andern Mit- theilung über die Fische des Zambese beschreiben werde. Dem Zambese und Senegal ist die nur in Flüssen lebende Art von Sägefischen Pristis Perolteti M. H. gemein. 481 Die Labyrinthäsche, ausgezeichnet durch ihre in der Kie- menhöhle befindlichen Organe zum Athmen auf dem Lande, sind grösstentheils dem südlichen und östlichen Asien eigen, von Africa war bis jetzt nur eine einzige Form Spirobranchus bekannt; diese gehört dem Cap an. Die neue Galtung aus der Familie der Labyrinthfische hat folgende Charaktere. Cienopoma Pet. Kiemendeckel mit zwei halbmondförmigen Ausschnilten und drei kammförmig gezähnten Lappen; die beiden oberen dieser Lappen gehören dem Opereulum, die unteren dem In- teroperculum und Subopereulum an. Vordeckel glatt. Ein Haufen Zähne am Vomer und eine Binde dergleichen jeder- seils am Gaumen. Kiefer mit feinen, spitzen, gekrümnmten Zähnen versehen, von denen die erste Reihe länger ist. Eine einzige lange Rückenflosse mit zahlreichen Stachelstrahlen. Afterflosse ebenfalls mit vielen Stacheln. Körper und Kie- mendeckel mit binten kammförmig eingeschnittenen Schuppen bekleidet. Kurze, spitze Schlundzähne. Die Seitenlinie unter- brochen. Sechs Kiemenstrablen. Ein wohl entwickeltes Ne- benorgan der Kiemen über den letzteren, bestehend jederseits aus einer innern grössern, ohrförmigen Muschel und einer äussern kleinern, fast biseuilförmigen; auf dem Kiemenbogen befindet sich noch ein tellerförmiges, kurzgestieltes Knorpel- stück, welches aber von der Höhle des erwälnten Organes entfernt liegl. Eine einfache Schwimmblase. Magen sackför- mig, und der einfach gewundene Darm hat am Aufang einen einzigen rudimentären Blinddarm. Art Ctenopoma multispinis Pet. Körperform gestreckt, Afterflosse mehr als halb so lang, als die Rückenflosse, beide mit verlängerten weichen Strahlen, welche einen spitzen hintern Winkel dieser Flossen bilden. An dem Infraorbitalknochen, so wie seitlich unter dem Unter- Müllers Archiv. 1840. 31 482 kiefer Poren. Ein Paar grössere Schuppen über und von der Basis der Brustflosse. B. 6. D. 17, 9. V. 1.5. A. 10,9. P. 14. C. 14—15. Obenher dunkelgrün, nach unten ins Gelb- liche übergebend. Der Körper ist bis auf zwei Drittheile sei- ner Breite duukler gefleckt und ebenso die Rücken- und Schwanzflosse. Grösse 3 Zoll. Erklärung der Abbildungen. Tabel,,X; Fig. 12. Ganzes Thier in natürlicher Grösse, Fig. 13. Kiemenbogen mit dem Labyrinth rechter Seite a. Innere grosse Muschel, 5 äussere kleine Muschel, c. teller- förmiges, gestieltes Nebenorgan, Fig. 14. Leber, Magen, Darmkanal. Fig. 15. Eine Schuppe. Ueber Eduard Weber’s Entdeckungen in der Lehre von der Muskelcontraction. Von Ernst Heinrich WEBER. Von meines Bruders Arbeit über Muskeleontraction und die Wirkung der Muskeln im Einzelnen ist der erste Theil in Wagner’s Wörterbuch der Physiologie erschienen und bil- det daselbst den Artikel Muskelbewegung. Sie ist die reife Frucht mehrjähriger Forschung und an neuen Resulta- ten, so wie an sinnreichen Methoden der Untersuchung so reich, dass ich sie gerechterweise und ohne Parteilichkeit als eine der gediegensten und verdienstvollsten Arbeiten in diesem Fache bezeichnen darf. Die seit einem Jahrhunderte von den meisten Physio- logen angenommene Lehre, dass sich die Muskelfasern bei ihrer Contraction runzelten, in Falten legten, oder im Zick- zack beugten, welche von Männern, wie Hales, Sauvages, Verheyen und Haller vorgetragen worden war, durch die Versuche vou Prevost und Dumas ausser allen Zweifel gesetzt zu sein schien, und durch die Beobachtungen von R. Wagner, Henle und Valentin bestätigt wurde, ist nun durch die entschiedensten Experimente. die von einem Jeden leicht wiederholt werden können, widerlegt und zu- 31* 484 gleich die Ursache des Irrthums nachgewiesen worden. In- dem der Verfasser schon lange darauf ausging, ein Mittel zu finden, die Muskeln in eine längere Zeit ununterbrochen fortdauernde lebendige Zusammenziehung zu versetzen, kam er auf den Gedanken, den magnetischen Rotationsapparat zur Reizung der Nerven und Muskeln bei diesen physiologi- schen Versuchen anzuwenden, während seine Vorgänger sich hierzu der galvanischen Säule bedient hatten, welche nur bei ihrer Schliessung oder Oeflnung und zwar eine so schnell vorübergehende Muskelzuckung erregt, dass es unmöglich ist, mit unbewaffnetem Auge oder unter dem Mikroskope zu se- hen, welche Veränderungen sie dabei erleiden. Er weiset nun nach, dass die Bündel eines herausgeschnittenen, auf einer Glasplatte liegenden Froschmuskels, wenn sie mässig gebogen sind, im Momente der Contraction gerade werden und es so lange bleiben, als die Contraction, welche durch den Rotationsapparat längere Zeit unterhalten wird, fort- dauert. Im Augenblicke aber, wo die galvanische Reizung aufhört, ereignet sich ein merkywürdiges Schauspiel. Alle jene geraden Muskelbündel legen sich urplötzlich in die re- gelmässigsten, elegantesten Ziekzackbeugungen, so dass alle neben einander liegende Bündel an der nämlichen Stelle ei- nen Winkel bilden, und dass die zahlreichen Winkel, die jedes Bündel in seiner ganzen Länge bildet, abwechselnd nach der einen und nach der andern Seite gekehrt sind. Es erklärt sich dieses Phänomen dadurch, dass die Muskelfa- sern, wie der Verfasser beweiset, in allen ihren Theilen gleichzeitig und in gleichem Grade kürzer und dicker wer- den, und dass folglich bei dieser Verkürzung jene Beugungen und Schlängelungen, die die abgeschnittenen Muskelbündel zufälligerweise besassen, straff gezogen werden, dass aber die Muskelbündel hierauf bei nachlassender Reizung ihre frü- here grössere Länge wieder annehmen. Denn da hierbei die Verschiebung der Muskelbündel auf der Glasplatte durch die Friktion erschwert wird und sie nicht steif genug sind, diese 485 Friktion in grossen Strecken zu überwinden, so entfernen sich bei dieser Verlängerung die Enden der Muskelfasern nicht, oder nur wenig von einander, und daher müssen sich die Muskelfasern zu wiederholten Malen beugen. Diejenigen Erklärungen der Muskelcontraction, welche darauf hinauslaufen, dass die Muskelfasern sich in einzelnen, in gewissen Abständen von einander liegenden Theilen ver- kürzten oder verdickten, widerlegt er. Die Muskelfasern werden ganz gleichmässig in allen ihren Theilen kürzer und dicker und zeigen durch Anwendung des Mikroskops keine Spur einer partiellen Bewegung. Es ist ungegründet, dass, wie Fieinus behauptet hat, wellenförmige Beugungen, oder, wie Bowmann darzuthun gesucht hat, wellenförmige An- schwellungen an den Muskelfasern entständen und an ihnen sich fortbewegten. Was Bowmann gesehen und abgebildet hat, ist eine Erscheinung, die nicht von der Lebensbewegung der Muskeln, sondern von einer Einwirkung des Wassers auf todte oder absterbende Muskeln abhängt. Muskelbündel saugen namentlich da, wo sie abgeschnitten oder verletzt sind, Wasser, mit dem sie in Berührung kommen, ein, schwellen stellenweise an und verkürzen sich dadurch. Es ist kein Grund vorhanden, die alte Lehre noch ferner anzu- nehmen, dass die Muskelfasern aus Kügelchen beständen, die ıman durch das Mikroskop sehen könne, und dass diese Kü- gelchen das Vermögen hätten, sich abzuplatten und dadurch die Verkürzung der Muskelfasern und ihr Dickerwerden zu bewirken, oder die Lehre von Lauth undBowmann, dass die durch die Querstreifen eingeschlossenen scheibenförmi- gen Abtheilungen der primitiven Muskelbündel selbst ihre Gestalt änderten. Es ist wahr, dass die Zusammenziehang der Muskeln nur von einer äusserst geringen Verdichtung begleitet wird, die unmittelbar keine merkliche Verkürzung derselben herbeiführen kann, und dass daher die Verkürzung auf der einer Gestaltveränderung beruht, bei welcher sich der Umfang der Muskeln nicht merklich ändert. Aber diese Ge- 486 staltveränderung findet nicht an einzelnen, mit dem Mikro- skope noch unterscheidbaren Theilen der Muskelfasern Statt, -sondern gleichförmig in allen ihren kleinsten Theilen. Da mit dieser Gestaltveränderung der durch lebendige Kraft sich verkürzenden Muskelfaser, wie der Verfasser entdeckt hat, eine sehr merkwürdige Aenderung der Elasticität derselben verbunden ist, diese aber bekanntlich in denjenigen Kräften ihren Grund hat, die die unsichtbaren Molecülen wechselsei- tig auf einander ausüben, so hat man anzunehmen, dass auch die Gestaltveränderung der Muskelfasern von einer Verände- rung der Lage der unsichtbaren Molecülen abhänge und also ganz gleichförmig Statt finde, d. h. eben so sehr in den Theilen, welche von Vertiefungen der Querstreifen, als in den, welche von der Erhabenheit derselben umgeben wer- den. Dass bei der Verkürzung der Muskelfasern die Quer- streifen derselben, wo sie vorhanden sind, sich einander nä- hern und schmäler werden müssen, versteht sich von selbst. Ein ausgedehnter, mit dichten Querlinien bemalter Kaut- schuckfaden zeigt dasselbe Phänomen, wie die quergestreif- ten Muskeln. Wird er in die Länge ausgedehnt, so werden die Querstreifen sichtbarer, denn sie selbst und ihre Zwi- schenräume werden breiter, während der gedehnte Kaut- schuckfaden zugleich dünn wird, und umgekehrt verhält es sich bei der Zusammenziehung. Nach den Versuchen und mikroskopischen Beobachtungen, die der Verfasser an den Muskeln von Wirbelthieren und wirbellosen Thieren, im fri- schen Zustande und bei Anwendung von Essigsäure gemacht hat, zerfallen die primitiven Muskelbündel nicht in Scheiben. Die Elementarfäden scheinen ihm, im ganz frischen Zustande und wenn ihnen keine Gewalt angethan worden ist, nicht aus einer Reihe von Kügelchen oder Gliedern zu bestehen, vielmehr hält er die Querstreifen für eine Erscheinung, die in der Oberfläche der primitiven Muskelbündel ihren Sitz hat, d. h. in einer Scheide, welche regelmässige Falten bildet und daher die Ausdehnung der Muskeln innerhalb gewisser Gren- 487 zen leicht gestattet. Diese Einrichtung scheint bei den Mus- keln, die eine grössere und rasche Bewegung haben, ange wendet zu sein. Ich muss diese Angaben auch meiner Seits bestätigen. Wo viele Elementarfäden einen Theil gleichzeitig in derselben Richtung und um ein grosses Stück bewegen sollen, da scheinen sie auf die angegebene Weise in einer gefalteten Scheide vereinigt zu sein. Sehr instruktiv scheint mir die eigenthümliche Querstreifung, welche nach meinen Beobachtungen die primitiven Muskelfasern des Embryo des medicinischen Blutegels bei der Entstehung der Haut zeigen. Eine quergestreifte Haut läuft hier deutlich von einer Mus- kelfaser über einen Zwischenraum weg zur nächsten und von da wieder zur folgenden. Auch bei den Wirbelthieren laufen nicht selten die Falten über mehrere primitive Muskel- bündel weg. Dass aber viele unabhängig von einander exi- stirende Querstreifen neben einander liegender Bündel durch Zufall sollten eine solche Lage annehmen können, vermöge deren sie als scharfe Striche ununterbrochen über mehrere Bündel weggehen, ist durchaus nicht zu behaupten. Anzuerkennen ist es, dass sich schon von Zeit zu Zeit Physiologen gegen die Entstehung der Zickzackbeugungen bei der Contraction der Muskeln erklärt haben, Am besten hat schon im Jahre 1820 darüber Fodera geschrieben, Owen und Allen Thomson haben neuerlich Thatsachen vorgebracht, die der Annahme von Zickzackbeugungen "ent- gegen sind; Bowmann hat die Zickzackbeugungen gleich- falls bekämpft und an der Stelle derselben die Discos ope- riren lassen. Allein es fehlte an schlagenden Experimenten und an einer sicheren Nachweisung der Täuschung, in die Prevost und Dumas verfallen waren, und so bestand jene Lehre bis auf die neueste Zeit fort. Was die Lebensäusserungen der animalischen und orga- nischen Muskelfasern und die Rolle betrifft, die dabei die Nerven spielen, so hat erstlich in der Arbeit des Verfassers die Lehre von den gestreiften und ungestreiften Mus- . 488 kelfasern einige Zusätze erhalten. Die von andern und auch von dem Verfasser bestätigte Entdeckung von Reichert, dass die Muskelfasern des Magens und der Gedärme bei der Schleie (Cyprinus tinca) gestreift sind, während sie bei den übrigen bis jetzt untersuchten Cyprinusarten und anderen Fischen und überhaupt bei den Wirbelthieren ungestreift sind, schien sich mit keiner der Ansichten, die man von dem Nutzen der gestreilten Fasern gefasst hatle, zu vereinigen. Durch die von dem Verfasser angestellten Versuche zeigt es sich nun, dass jene Muskelfasern des Magens und Darmka- nals der Schleie sich auch hinsichtlich ihres lebendigen Be- wegungsvermögens wie andere animalische Muskeln ver- halten; denn sie werden durch magneto -galvanische Reizung der Medulla oblongata oder des abgeschnittenen Nervus va- gus in eine plötzliche heftige und sogleich nach geendigter Reizung augenblicklich nachlassende Zusammenziehung ver- setzt, während die Muskeln des Magens und der Gedärme anderer Cyprinusarten sich ganz so verhalten, wie bei an- deren Fischen und überhaupt wie bei anderen Wirbelthieren, so dass sie von der Medulla oblongata und vom Nervus va- gus aus nicht plötzlich und überhaupt nur auf eine schwer merkliche Weise in Bewegung gesetzt werden können. G. R. Treviranus, dessen grosse Verdienste um die Physiologie und vergleichende Anatomie auch nach seinem Tode dankbare Anerkennung verdienen, hatte in seinen ver- mischten Schriften im Jahre 1820 die Entdeckung. bekannt gemacht, dass die Iris des Falco Tinnunculus einen kreisför- migen, aus gestreiften Muskelfasern bestehenden Muskel be- sitze; Krohn und der Verfasser haben diese Beobachtung bestätigt, die dadurch sehr interessant wird, dass der Ver- fasser durch seine Versuche beweiset, dass jene gestreiften Muskelfasern der Iris des Huhns und der Taube, die also denselben Bau, wie die willkührlichen Muskeln zeigen, sich auch gegen die magneto-galvanische Reizung durch den Ro- tationsapparat wie die willkührlichen Muskeln verhalten. 489 Die Versuche wurden auf das Mannigfaltigste abgeändert. Bald wurde das Ende des einen Leitungsdrahtes so krumm gebogen, dass es einen Ring bildete und mit diesem Ringe wurde der Rand der Hornhaut ringsum in Berührung ge- bracht und nachher der andere Leitungsdraht auf die Mitte der Hornhaut gehalten; bald bildeten die Enden beider Lei- tungsdrähte ein Stück eines Ringes und berührten den Um- fang der Hornhaut; oder es wurden die Leitungsdrähte in Nadeln eingefädelt, diese an verschiedenen Stellen durch die Hornhaut eingestochen, ohne dass der Humor aqueus aus- floss und damit verschiedene Punkte der Iris berührt; oder endlich wurde mit beiden Schliessungsdrähten der Nervus oeulorum motorius oder ein Theil der Vierhügel des so eben geköpften Vogels berührt. In allen diesen Fällen verengte sich die Pupille jener Vögel im Momente der Schliessung der galvanischen Kette plötzlich, blieb so lange verengt, als die galvanische Reizung durch den Rotationsapparat fort- dauerte, und erweiterte sich ebenso augenblicklich wieder, als die galvanische Reizung aufhörte. Eine Erweiterung der Pupille konnte durch keine Art der Reizung hervorgerufen werden. Der Pupille der Vögel, die während des Lebens eine vom Lichte im gewissen Grade unabhängige und von den Seelenzuständen der Vögel abhängige Bewegung zeigt, wurde schon längst von manchen Physiologen eine willkühr- liche Bewegung zugeschrieben. Jetzt zeigt sich wenigstens so viel, dass die Ringfasern derselben ebenso, wie die der willkührlichen Muskeln, quergestreift sind, und dass sie sich bei Reizungsversuchen wie animalische Muskeln verhalten. Ganz anders, aber der nämlichen Regel entsprechend, verhält sich die Bewegung der Pupille bei den Säu- gethieren. In der Iris derselben haben bis jetzt keine gestreiften Muskelfasern aufgefunden werden können, und da die ungestreiften nicht so sicher von andern Fasern un- terschieden werden können, so ist man überhaupt noch nicht 490 im Stande gewesen, darzuthun, welche Gestalt und Lage die Fleischfasern in der Iris der Säugethiere haben. M. Hall ist sogar vor Kurzem auf die alte unhaltbare Lehre zurück- gekommen, dass das Gewebe der Iris durch eine Art von Erection die Gestalt der Pupille verändere. Der Verfasser zeigt nun, dass sich die Fleischfasern der Iris der Säugethiere bei Reizversuchen wie organische Muskelfasern verhalten. Wenn die Iris der Kaninchen oder Katzen und Hunde nach den angegebenen Methoden durch den Rotationsapparat gereizt wird, so erweitert sich nach einiger Zeit die Pupille ganz allmählig und öffnet sich oft mehr, als sie sich nach dem Tode öffnen kann; der Zustand der Erweiterung dauert längere Zeit fort, nachdem die Rei- zung aufgehört hat, und lässt dann ganz allmählig wieder nach. Wenn aber die Iris in der Nähe der Pupille mit den erwähnten beiden Nadeln unmittelbar berührt wird, so geht bei Hunden dieser Erweiterung bisweilen eine schwache Verengung der Pupille voraus, die aber schnell durch die überwiegende Kraft der Fleischfasern, die die Pupille erwei- tern, gehemmt und überwältigt wird. Diese Versuche ma- chen es wahrscheinlich, dass die Iris der Säugethiere kräf- tige, strahlenförmige Fleischfasern besitze, die wie Radien vom Rande der Pupille zum äussern Rande der Iris gehen und schwächere Kreisfasern, welche in der Nähe des Pupil- lenrandes liegen. Hiermit stimmen auch viele pathologische Beobachtungen überein. Es reisst bisweilen die Iris durch einen Schlag auf das Auge an ihrem äusseren Rande los und bildet daselbst eine dreieckige Randpupille. Die Erfah- rung nun, dass sich dann die mittlere Pupille und die Rand- pupille hinsichtlich ihrer Verengung und Erweiterung entge- gengesetzt verhalten, macht die Gegenwart von Kreisfasern in der Nähe des Pupillenrandes wahrscheinlich. Denn wäh- rend die mittlere Pupille durch die Zusammenziehung jener Kreisfasern verengt wird, muss sich die Randpupille noth- wendig erweitern. Verwächst nun aber die mittlere Pupille 491 und werden die kreisförmigen Fasern durch den Prozess der Verwachsung unbevweglich, so bilden die strahlenförmigen Fasern, die vorher diesseits und jenseits der mittleren Pu- pille lagen, ein Continuum und wirken nun auf die Erwei- terung der Randpupille, so wie sie ehemals auf die Erwei- terung der mittleren Pupille wirkten. Auch die Bewegung des Oesophagus liefert Belege dazu, dass die gestreiften Fasern der Wirbelthiere sich bei Reiz- versuchen wie animalische Muskeln, die nicht gestreiften da- gegen sich wie organische Muskeln verhalten. Die Speise- röhre der Hühner und Tauben, und wahrscheinlich aller Vögel, so wie die Speiseröhre der Frösche hat gar keine gestreiften, sondern nur ungestreifte Muskelfasern und zeigt auch keine animalische, sondern nur eine organische Bewe- gung, wenn sie durch den Rotationsapparat gereizt wird. Berührte man die momentan mit den Enden der Leitungs- drähte, so erfolgte die Bewegung nicht augenblicklich, son- dern erst einige Zeit nachher. Es entsteht dann bei den Vögeln eine starke Zusammenziehung, die sich wellenartig längs der Speiseröhre foribewegt. Eine schnell vorüberge- hende Reizung bringt demnach hier keineswegs eine schnell vorübergehende Zuckung derjenigen Muskelbündel hervor, zu welchen die gereizten Nerven gehen, sondern eine in einer gewissen Ordnung fortschreitende Bewegung vieler Muskel- fasern. Lässt man den galvanischen Strom längere Zeit ein- wirken, so zieht sich die Speiseröhre dauernd zusammen, bleibt auch nach dem Aufhören des Stromes längere Zeit zusammengezogen und geht dann in eine wellenförmig fort- schreitende peristaltische Bewegung über. Die Speiseröhre der Säugethiere verhält sich hin- sichtlich der Beschaffenheit ihrer Muskelfasern ganz anders, als die der Vözel und Amphibien. Bei manchen Säugethie- ren, z. B. bei Kaninchen, sind nach den Beobachtungen des Verfassers bis zum Magen hin sowohl die äussere, aus schräg und zugleich der Länge nach verlaufenden Muskelfasern be- 492 stehende Lage quergestreift, als auch die innere aus Querfa- sern bestehende. Bei diesen Thieren zieht sich nun die Spei- seröhre, wenn sie durch den Rotationsapparat gereizt wird, augenblicklich und eben so geschwind, als andere animalische Muskeln zusammen, verharrt in gleichförmiger Zusammenzie- hung so lange die Reizung fortdauert, und kehrt, wenn der Strom unterbrochen wird, eben so augenblicklich zu dem Zustande ihrer Unthätigkeit zurück. Dasselbe beobachtet man auch, wenn man sie herausschneidet, sie dann mässig mit Luft füllt und aufhängt, Man kann dann durch die Art und Weise, wie man sie mit den Leitungsdrähten berührt, bewirken, dass sich entweder die äussere Lage oder die in- nere vorzugsweise zusammenzieht, aber in beiden Fällen hat die Verkürzung den Charakter der animalischen Bewe- gung; wird nun jedes der beiden Enden der Speiseröhre mit einem Leitungsdrahte berührt, so zieht sich dieselbe plötz- lich der Länge nach zusammen und die Zusammenziehung der Kreisfasern ist geringer; wird dagegen die Speiseröhre an zwei einander diametral gegenüber liegenden Orten be- rührt, so ist die Zusammenziehung der Kreisfasern mehr in die Augen fallend. Wird das unterste oder das oberste Stück der ‘Speiseröhre allein galvanisirt, so zieht sich nicht die ganze Speiseröhre, sondern nur der der berührten Stelle zu- nächst liegende Abschnitt derselben zusammen; peristallische Bewegung aber tritt nicht ein. Bei den Katzen besitzt der obere Theil der Speise- röhre animalische, der mittlere und untere zugleich organi- sche Muskelfasern, die an dem untern Theile sehr zahlreich sind. Dem entsprechend verhält sich auch die Bewegung, wenn die verschiedenen Stücke der Speiseröhre mit dem Rotationsapparate galvanisirt werden. Berührte der Ver- fasser ihren oberen Theil mit beiden Leitungsdrähten an zwei dicht neben einander liegenden Punkten, so zog er sich, wie bei den Kaninchen, augenblicklich der Länge und der Quere nach zusammen, verharrte während der Dauer der 493 Berührung in diesem zusammengezogenen Zustande und liess in der Zusammenziehung eben so augenblicklich nach, als die Drähte entfernt wurden; berührte er die Speiseröhre in der Mitte, so waren die Erscheinungen ähnliche, aber es blieb nach der Entfernung der Drähte eine schwache Ein- schnürung zurück, die sich erst sehr allmählig verlor. Je weiter abwärts die Speiseröhre berührt wurde, um so be- trächtlicher war die zurückbleibende Einschnürung, und ein Paar Zoll über dem Magen trat nach der Reizung eine deut- lich peristaltische Bewegung ein. Die Speiseröhre ist ihrer ganzen Länge nach mit gestreiften schrägen Längenfasern bedeckt, aber unter dieser sehr rothen Schicht befindet sich an der unteren Hälfte der Speiseröhre eine blasse Schicht, die aus organischen Fasern besteht und die in der Nähe des Magens sehr dick ist, Ob nun gleich so viele Beispiele lehren, dass die Mus- keln der Wirbelthiere, wenn ihre Fasern gestreift sind, ani- malische Bewegung zeigen, so macht doch das Herz eine Ausnahme, das bei den Säugethieren, wie der Verfasser be- stäligt, deutliche gestreifte Fasern hat und doch organische Bewegung besitzt. Auch bilden bei den wirbellosen Thieren die meisten Mollusken und Würmer eine Ausnahme, weil sie gar keine gestreiften Muskelfasern haben, und die Crusta- ceen und Insekten, weil bei ihnen, wie der Verfasser be- slätigt, auch der Darmkanal gestreifte Fasern besitzt. Wenn nun der Verfasser dessen ungeachtet alle Muskeln in animalische und organische eintheilt (er sagt absichtlich nicht willkührliche und unwillkührliche), so stützt er sich darauf, dass sie sich verschieden verhalten, wenn sie gereizt werden. Die animalischen Muskeln verhalten sich nämlich so, dass man ganz deutlich sieht, dass sie von dem Gehirn und Rückenmarke aus, d. h. also von einem nicht in den Mus- keln selbst liegenden Centrum des Nervensystems, zu geord- neien Bewegungen veranlasst werden; die organischen Mus- 494 keln dagegen verhalten sich so, als ob sie von dem Gehirn und Rückenmarke aus nicht zu geordneten Bewegungen ver- anlasst werden könnten, sondern ihr Nervensystem, welches wahrscheinlich, wie bei manchen von den niedrigsten Thie- ren, nnr in Netzen von Nerven nebst eingestreuten Ganglien besteht, in sich selbst trügen. Die animalischen Muskeln ge- rathen nämlich in demselben Augenblicke in Zusammen- ziehung, wo man ihre Nerven oder sie selbst reizt, und sind nicht im Stande, diese Zusammenziehung fortzusetzen, oder von Neuem zu beginnen, nachdem der Reiz auf jene Nerven oder auf sie selbst zu wirken aufgehört hat. Reizt man aber das Gehirn oder Rückenmark unmittelbar oder mit- telbar (durch die zu ihm hingehenden Empfindungsnerven), ohne die Nerven der animalischen Muskeln zugleich mit zu treffen, so tritt die dadurch veranlasste Bewegung in den Muskeln in der Regel nicht in dem Momente, wo die Rei- zung geschieht, sondern erst einige Zeit nachher und bisweilen gar nicht ein, dagegen dauert sie oftnoch nach- her längere Zeit fort. Es ist das z. B. bei den soge- nannten Reflexbewegungen der Fall, wenn wir zunächst die Empfindungsnerven, z. B. die in der Haut verbreiteten, rei- zen; diese pflanzen den Reiz auf das Gehirn oder Rücken- mark fort. Hier scheint er nun auf gewisse Centralorgane übertragen zu werden, die dadurch zu einer besonderen Selbstthätigkeit angeregt zu werden scheinen und vermöge derselben oft mehrere Muskeln zu einer gemeinschaftlichen und geordneten Bewegung veranlassen, oder auch in einen längere Zeit fortdauernden Starrkrampf versetzen. Während bei der Leitung der Eindrücke durch die Nerven keine merk- liche Zeit verstreicht — denn die Muskeln zucken in dem- selben Augenblicke, wo man ihre Nerven reizt — so ver- geht doch bei dieser Uebertragung der Eindrücke auf die Centralorgane und bei der ferneren Uebertragung derselben von diesen auf die Muskelnerven eine messbare Zeit. Schon aus dem alltäglichen Teben ist es bekannt, dass man nicht 495 in dem nämlichen Augenblicke zusammenfährt, wo man durch eine Gesichts- oder Gehörsempfindung erschreckt wird, son- dern dass zwischen dem Eindrucke und der entstehenden Bewegung eine messbare Zeit vergeht. Ich habe mir vorge- nommen, hierüber wirklich eine Messung zu machen. Dazu giebt die Aufführung einer Beelhoven’schen Symphonie Ge- legenheit. Denn an einer Stelle, wo in derselben auf eine unerwartete Weise die Pauken einsetzen, fahren die sämmt- lichen Damen im Concertsaale zusammen, aber nicht im Mo- mente, wo sie den Eindruck durch das Gehör empfangen, sondern eine messbare Zeit nachher, und dasselbe lehren andere, bei Thieren rücksichtlich der Reflexbewegungen an- gestellte Experimente. Wenn man das Rückenmark eines Frosches unmittelbar reizt, so ist es unmöglich, zu vermeiden, dass auch die Ur- sprünge und Fortsetzungen mancher Bewegungsnerven zu- ‚gleich mit getroffen werden, deren Reizung ohne allen Ver- zug Zusammenziehung in den Muskeln hervorruft, zu den die Nerven sich begeben. Man hat indessen Gelegenheit, die Wirkungen der Reizung des Rückenmarkes allein zu beob- achten, wenn man das Ende desselben mit dem Rotations- apparate galvanisirt und nicht die Theile beobachtet, die von ihm, sondern die, welche vom oberen Theile des Rücken- markes Nerven bekommen, z.B. die Vorderbeine der Frösche, Diese werden dann zwar auch in Bewegung gesetzt, aber auf eine ganz andere Weise, als die Hinterbeine, nämlich so, wie es bei der Reflexbewegung geschieht. In der Regel entsteht die Bewegung in den Vorderbeinen nicht im Momente der Rei- zung, sondern etwas später, und folglich auch später als in den Hinterbeinen. Bisweilen scheint sie indessen fast gleich- zeilig einzutreten. Man sieht leicht ein, dass bei diesen Ver- suchen die Reizung des unteren Endes des Rückenmarkes durchaus nur lokal sein müsse, und dass also gänzlich ver- mieden werden müsse, dass der galvanische Strom auf den obersten Theil des Rückenmarkes direkt wirken könne. Der 496 oberste Theil des Rückenmarkes soll nur dadurch gereizt werden, dass der Reiz, den die Wurzeln der Empfindungs- nerven oder der untere Theil des Rückenmarkes empfangen, durch das lebendige Leitungsvermögen auf den oberen Theil des Rückenmarkes wirke. Hierzu ist die Beachtung einer von dem Verfasser zuerst angegebenen Vorsichtsmaassregel nöthig, die darin besteht, dass man nicht nur mit einem schwachen galvanischen Strome operire, sondern auch die beiden Leitungsdrähte, womit man das Rückenmark berührt, sehr dünn nehme und einander im äussersten Grade nä- here. Damit sie diese Lage beibehalten, umgiebt er beide Drähte gemeinschaftlich mit Siegellack. Auf diese Weise kann er bewirken, dass sie z. B. um +—ı Linie von ein- ander entfernt sind. Stehen die das Rückenmark berühren- den Leitungsdrähte weit von einander ab, so geht der gal- vanische Strom auch noch auf sehr weiten Umwegen von einem Drahte zum andern über und kann sogar diesen Ueber- gang zum Theil mit durch den oberen Theil des Rücken- markes vollenden, was zu vermeiden ist. Dass man aber diesen Fehler des Versuches auf die angegebene Weise wirk- lich vermeide, kann man durch einen Gegenversuch prüfen, Durchschneidet man nämlich, nachdem man durch Berührung des unteren Endes des Rückenmarkes Bewegung in den obe- ren Extremitäten erregt hat, die Mitte des Rückenmarkes und bringt dann die Schnittflächen mit einander wieder in Berührung, so erzeugt die Reizung des unteren Endes des Rückenmarkes nicht mehr Bewegung in den Vorderbeinen, weil das lebendige Leitungsvermögen des Rückenmarkes ver- nichtet ist. Auf keine Weise kann man aber in animalischen Muskeln, indem man sie selbst oder ihre Nerven galva- nisirt, einen solchen Starrkrampf erregen, der länger fort- dauerte, als die Reizung, und eben so wenig entstehen in animalischen Muskeln, nachdem die Reizung aufgehört hat, manniglaltige andere Bewegungen; niemals endlich vergeht bei der Reizung der Nerven der animalischen Muskeln oder 497 der Muskeln selbst eine merkliche Zeit, bevor die Verkür- zung eintritt. Dass das letztere aber bei der mittelbaren oder unmittelbaren Einwirkung auf das Gehirn und Rücken- mark der Fall ist, ist von der grössten Wichtigkeit. Der eintretende Zeitverlust beweiset ganz offenbar, dass hier nicht eine direkte Fortpflanzung der Eindrücke Statt findet, welche ohne einen solchen Zeitverlust geschehen würde, sondern eine von der Wirkung der Centralorgane unterbro- chene Fortpflanzung. Die organischen Muskeln des Magens, der Gedärme, der Harnblase, des Uterus, der Tubae, der Vasa deferentia, der Gallenblase, der Harnleiter, des Herzens, des Oesophagus und der Iris der Säugethiere verhalten sich nun aber nach den Versuchen des Verfassers so, als ob das Centrum ihrer Nerven in den Theilen selbst läge. Reizt man ihre Nerven oder sie selbst, so dauert es einige Zeit, ehe eine Zusam- menziehung erfolgt, nachdem sie aber entstanden, setzt sie sich oft längere Zeit fort, nachdem die Reizung aufgehört hat. Unter manchen Umständen und in manchen Theilen entstehen, nachdem die Reizung längst aufgehört hat, neue und neue Bewegungen, in welche andere und andere Mus- kelfasern in einer gewissen Ordnung und Aufeinanderfolge gerathen, z. B. in den Gedärmen, im Uterus, in der Tuba, im Vas deferens, wo peristaltische Bewegungen entstehen, oder im Herzen, wo die die rhythmischen Bewegungen der verschiedenen Abtheilungen hervorrufende Ursache durch den angebrachten Reiz in ihrer Wirkung beschleunigt oder ver- langsamt wird. Das Herz verhält sich in den angegebenen Verhältnissen ganz wie die andern organischen Muskeln, ob es gleich in anderer Rücksicht sich sehr von ihnen unter- scheidet und den animalischen Muskeln ähnlich ist, z.B. da- durch, dass es gestreifte Fasern hat und sich sehr schnell und mit grosser Energie zusammenzieht. Bemerkenswerth ist die von meinem Bruder und mir gemeinschaftlich gemachte Entdeckung, dass die galvano- Müllers Archiv 1640. 32 498 magnetische Reizung desjenigen Theiles des Gehirnes, von welchem die Nervi vagi entspringen, oder auch die unmit- telbare Reizung der beiden Nervi vagi das Herz in Erschlaf- fung versetzt, das Tempo der rhythmischen Bewegung des Herzens verlangsamt und sogar das Herz ganz zum Still- stande bringt, dass dagegen die magneto-galvanische Reizung der an der Aortenzwiebel der Frösche gelegenen Geflechte des sympathischen Nerven die Bewegung des Herzens wie- der erweckt, beschleunigt und verstärkt. Diese Thatsache haben wir bei Fröschen durch so vielfach abgeänderte und entscheidende Versuche bewiesen, die wir auf Verlangen in jedem Augenblicke mit dem angegebenen Erfolge wiederholen können, dass über ihre Richtigkeit kein Zweifel mehr ob- walten kann, und auch bei Säugethieren und Vögeln haben wir uns von ähnlichen Wirkungen der Reizung der Nervi vagi überzeugt. Man kann die Erscheinung schon wahrnehmen, wenn man den einen Leitungsdraht des Rotationsapparates in die eine Nasenhöhle des Frosches, den andern an das am 6ten Wirbel quer durchschnittene Rückenmark bringt. Um aber wahrzunehmen, dass nur von einem bestimmten, eng be- grenzten Theile des Gehirns ein solcher Einfluss auf's Herz ausgeübt werden könne, muss man die beiden Leitungsdrähte in eine Lage bringen, wo sie dieht neben einander liegen und doch isolirt sind, und auf diese Weise dicht neben ein- ander liegende Theile des Gehirns berühren, denn nur bei einem solchen Verfahren ist man sicher, dass der galvanische Strom nicht auf grossen Umwegen von einem Leitungsdrahte zum andern übergehe. Man findet auf diese Weise, dass die magneto-galvanische Reizung der Medulla spinalis das Tempo der Herzpulsationen nicht abändert, und noch viel weniger das Herz zum Stillstehen bringt, dass das aber sogleich der Fall sei, wenn man die Medulla oblongata, das kleine Ge- hirn oder die Vierhügel mit jenen Leitungsdrähten berührt und dadurch magneto- galvanisch reizt. Entweder verlangsamt 499 sich der Puls des Herzens vom Momente des Galvanisirems an, oder das Herz steht nach einigen sehr langsamen Schlä- gen und bisweilen auch fast augenblicklich still, es bleibt, wenn man mit dem Galvanisiren nachlässt, in dieser Ruhe etwa % Minute, dabei ist es erschlafft, platt, bisweilen mit Blut überfüllt, und daher blau. Man bemerkt nach einiger Zeit des gänzlichen Stillstandes, z. B. 20 — 40 Sekunden nachdem die Reizung beendigt war, wieder eine Bewegung an einer kleinen Stelle des Herzens, die sich mit jeder Zu- sammenziehung weiter ausbreitet und stärker wird, bis end- lich das Herz in Kurzem das ursprüngliche Tempo der Be- wegung und die vorige Kraft wieder erlangt hat; aber eine neue Berührung der Medulla oblongata in der Gegend des Ursprungs der Nervi vagi führt die eben geschilderten Ver- änderungen von Neuem herbei, und so kann man dasselbe Experiment so oft wiederholen, als man will, nur muss man mit dem Galvanisiren sogleich inne halten, sobald das Herz still steht; denn wurde das Galvanisiren, während das Herz still stand, immer fortgesetzt, so wurden das Gehirn und die Nervi vagi dadurch erschöpft und das Herz fing nach 55 Sekunden wieder an zu schlagen, anfangs sehr langsam, so, dass zwischen dem ersten und zweiten Schlage 26 Se- kunden vergingen, nach und nach aber immer schneller, und so schlug es ungeachtet des continuirlichen Galvanisirens endlich eben so schnell, als vorher, wo es noch gar nicht galvanisirt worden war. Dass die beiden Nervi vagi der Weg sind, auf welchen die Medulla oblongata auf das Herz wirkt, sieht man daraus, dass diese Einwirkung nicht Statt findet, wenn man vor dem Galvanisiren den Stamm der Nervi vagi durchschneidet und zurücklegt, Dieselbe Verlangsamung des Pulses des Herzens, oder die gänzliche Hemmung seiner Zusammenziehung, kann man nun auch hervorbringen, wenn man beide Nervos vagos, ohne sie zu dehnen, abschneidet und mit den Leitungsdrähten des Rotationsapparates berührt. Hierbei ist bemerkenswerth, dass die Berührung des rechten 327 500 oder des linken Nervus vagus allein gar keine Wirkung auf das Herz hat, sondern dass beide zugleich berührt werden müssen, damit die Verlangsamung des Tempos der Puls- schläge, oder der gänzliche Stillstand des Herzens und seine Erschlaffung herbeigeführt werde. Es versteht sich übrigens von selbst, dass durch einen starken Rotationsapparat auch aus einer beträchtlichen Entfernung auf die Nervos vagos gewirkt werden könne, wenn die den Frosch berührenden Leitungsdrähte weit von einander abstehen, Will man daher bei dem angegebenen Versuche sicher sein, dass wirklich nur auf den einen Nervus vagus gewirkt werde, so muss man ihn in die Höhe heben, so dass der berührte Theil in der Luft ist, oder auf eine trockene Glasplatte legen, oder ihn wenigstens an zwei ganz nahe neben einander liegenden Punkten berühren. Die Erfahrung, dass die Reizung eines Nervenpaares nicht die Contraction, sondern die Erschlaf- fung von Muskelfasern hervorbringt, ist neu und zeigt uns eine bis jetzt noch nicht einmal geahnte Art der Nerven- thätigkeit. Diese Versuche mit der Medulla oblongata und mit den Nervis vagis verschaflten uns ausserdem zugleich die Gele- genheit, über die Ermüdung der Nerven und die Zeit, die sie zu ihrer Erholung bedürfen, einige Messungen zu machen. Man weiss, dass die Muskeln durch längere Fortsetzung ih- rer Thätigkeit ermüden und endlich ganz erschöpft werden. Dasselbe findet bei den Nerven hinsichtlich ihres Vermögens, die Fortpflanzung eines Eindrucks hervorzubringen, Statt. Es fehlt aber bei ihnen noch sehr an genauen Untersuchun- gen. Die besten sind noch die am Auge über das Ermüden des Sehnerven durch den Eindruck des Lichts und der Far- ben gemachten Beobachtungen. Unsere Versuche lehren, dass der galvanische Reiz, wenn die Medulla oblongata und die Nervi vagi 55 Sekunden ununterbrochen mit dem Rotations- apparate galvanisirt worden waren, nicht mehr zum Herzen fortgepflanzt wurde, und dass das Herz daher, auch wenn sol das Galvanisiren fortgesetzt wurde, wieder zu schlagen an- fing, weil es durch die Nervos vagos keine Eindrücke mehr empfing und sich also so verhielt, als würde es gar nicht mehr galvanisirt. Dieser Versuch, so wie auch die Erfah- rung, dass man keinen Einfluss auf den Herzschlag ausüben kann, wenn man die Nervi vagi vorher an einer Stelle ge- waltsam dehnt, beweisen zugleich, dass der galvanische Strom bei unsern Experimenten nur durch die, durch das lebendige Leitungsvermögen der Nerven fortgepflanzten Ein- drücke auf das Herz wirkte. und dass er keinesweges selbst durch diese feuchte thierische Substanz zu den Herzen hin- geleitet wurde. " Wurde der Stamm des Nervus sympathicus galvanisirt, 2. B. nahe am Kopfe, so ändert sich das Tempo der Herz- schläge nicht. Bekanntlich pulsirt das Froschherz, wenn es zerschnit- ten und in seine Haupttheile zerlegt wird, in seinen einzel- nen Stücken, nämlich der Vertrikel, die Vorkamuner und der einmündende Theil der Vena cava fort. Bei einer Hinrich- tung eines Mörders in Leipzig im Jahre 1840 habe ich das sogar bei dem menschlichen Herzen zu beobachten Gelegen- heit gehabt, welches ich unmittelbar nach der Hinrichtung herausnahm und die Kammer von der Vorkammer durch ei- nen queren Schnitt trennte und die Zahl der Pulsationen bei beiden beobachtete. Zwei Jahre früher stellte ich in ei- nem sehr heissen Sommer ähnliche Versuche an Fröschen an und fand, dass in dem günstigsten Falle, die abgeschnit- tene, von Blut umgebene Vorkammer eines aus dem Körper eines Frosches herausgenommenen Herzens in einem zuge- deckten Uhrglase fast 2} Tage zu pulsiren fortfuhr, nämlich 55 Stunden lang. Nach 51 Stunden pulsirte sie in 1 Minute 12 Mal, nach 514 Stunden 14 Mal, nach 51% Stunden 12 Mal, nach 52+ Stunden 104 Mal. Nach 50% Stunden wechselten immer eine schwächere und eine stärkere Contraction mit einander ab. Die zunehmende Schwäche des Herzens äusserte 502 sich nicht sowohl durch die geringere Zahl, als durch die Kleinheit der Contraetionen. Sie musste zuletzt mit einer Loupe beobachtet werden. Die Bewegung begann an der Einmündung der Vena cava inf. und breitete sich von da aus über die ganze oder über einen Theil der Vorkammer aus; Erwärmung des Uhrglases mit der Hand beschleunigte das Tempo der Herzbewegung sogar noch nach 50 Stunden, von 82 bis auf 18} Schläge in einer Minute, also reichlich bis auf das Doppelte. Als wir bei unsern jetzigen Versuchen die Einwirkung der galvano-magnetischen Reizung auf die verschiedenen Ab- theilungen des Forschherzens beobachteten, indem wir sie mit den dicht neben einander liegenden, aber doch von ein- ander isolirten Leitungsdrähten berührten, ergab sich, dass sich der einmündende Theil der Vena cava und das Atrium ganz anders verhielten, als der Ventrikel und die Aortenzwie- bel, und dass namentlich die Berührung des einmündenden Theiles der Vena cava die entgegengesetzte Wirkung hervor- brachte, als die Berührung der Aortenzwiebel. Bei der Be- rührung der Aortenzwiebel beschleunigten und verstärkten sich die Pulsationen des Herzens, während sie bei der Be- rührung des einmündenden Theiles der Vena cava sehr ver- langsamt wurden und das Herz nach einem Schlage, oder nach wenigen Schlägen, ganz zum Stillstehen kam und zu- gleich in den Zustand einer völligen Erschlaffung gerieth, Umgekehrt verhielt es sich bei dem Ventrikel; berührte man die verschiedenen Gegenden seiner Oberfläche mit jenen Lei- tungsdrähten schnell nach einander, so gerieth er in eine dauernde Zufammenziehung und stand deshalb still, während das Atrium mit vermehrter Frequenz zu pulsiren fortfuhr., Erst spät und sehr allmählig, nachdem der tonische Kampf verschwunden war, kehrten die rhythmischen Bewegungen desselben zurück. Die Berührung des Ventrikels mit beiden Drähten an einer einzigen kleinen Stelle hat oft nur eine lokale Wirkung, so, dass die in grösster Nähe liegenden 503 Fleischfasern in einen tonischen Krampf versetzt werden. und an der Pulsation keinen Antheil mehr nehmen, währene der übrige Ventrikel seine rhythmischen Bewegungen fort- setzt. Man darf vermuthen, dass von der Vena cava aus sich Zweige der Nervi vagi zum Herzen verbreiten, von der Aorta aus dagegen hauptsächlich Zweige des Sympathicus, und dass diese Nerven, wenn sie gereizt werden, eine ver- schiedene Einwirkung auf das Herz haben, nämlich dass die gereizten Herzgeflechte des Sympathieus die Contraction be- schleunigen und verstärken, die gereizten Aeste der Nervi vagi aber dieselben verlangsamen und schwächen. Von einer solchen hinsichtlich der Nervi vagi ausser allen Zweifel ge- setzten Wirkung der Nerven auf die Muskeln wusste man bis jetzt nichts. Sie ist eine für die Physiologie und Pa- thologie des Nervensystems und des Kreislaufes wichtige Thatsache. Galvanisirt man das Rückenmark, oder bringt man das- selbe mit Strychnin in Berührung, so entsteht Starrkrampf in den animalischen Muskeln, die von daher ihre Nerven be- kommen, Werden dagegen die animalischen Muskeln oder ihre Nerven galvanisirt, oder mit Strychnin berührt, so er- folgt kein Starrkrampf, weil sie kein Nervencentrum enthal- ten, wohl aber entsteht, wie wir gesehen haben, Starrkrampf im Herzen, wenn es galvanisirt wird, unstreitig weil es ein aus Nervennetzen bestehendes Nervencentrum in sich selbst trägt. Sehr interessant ist es daher, dass auch das Strych- nin, wenn es mit der innern Oberfläche des vom Blut ent- leerten Froschherzens in Berührung kommt, nach des Ver- fassers Versuchen die Herzpulsationen erst beschleunigt und hierauf alsbald Starrkrampf erregt und dadurch das Herz zum Stillstehen bringt. Dass das Extraclum nucis vomicae in das Ierz eingebracht, dasselbe schnell in Stillstand ver- selze, wusste man schon aus Henry’s und J. Müller’s Versuchen, 904 Interessant sind auch die Experimente des Verfassers über das Verhalten der Muskeln bei wirbellosen Thie- ren. Bei den Crustaceen und Insekten haben, wie auch der Verfasser bestätigt, nicht nur die Skeletmuskeln, sondern auch die Muskeln des Herzens und Darmkanals gestreifte Fasern; dagegen sind bei der Mehrzahl der Mollusken und Würmer alle Muskelfasern ungestreift. Das Nervensystem der Crustaceen, Insekten und Würmer hat ein linienförmiges Centrum, den Ganglienstrang, dagegen haben die Mollusken unregelmässig zerstreute Centra des Nervensystems. Was nun die Bewegung der Mollusken betrifft, so zeig- ten bei den Crustaceen und Insekten (namentlich bei dem Flusskrebse und der Weidenraupe) die Skeletmuskeln animalische, die Muskeln des Darmkanals dagegen orga- nische Bewegung, wenn sie durch den magneto-galvanischen Apparat gereizt wurden, d. h. die Skeletmuskeln zogen sich augenblicklich zusammen, wenn der magneto-galvanische Reiz einwirkte, blieben so lauge zusamımengezogen, so lange der Reiz fortdauerte, und liessen sogleich in ihrer Zusammenzie- hung nach, sobald er aufhörte, dagegen zog sich der Darm langsam zusammen, wenn er gereizt wurde, und blieb es, nachdem der Reiz aufgehört hatte. Bei den Mollusken (namentlich bei den nackten Schnecken), welche, wie gesagt, nur ungestreifte Muskeln haben, zeigte der Fuss organische Bewegung, wenn er magneto-galvanisch gereizt wurde. Um sicher zu sein, dass sich in dem gereizten Theile keines von den bekannten grös- seren Ganglien befände, schnitt der Verfasser auf der einen Seite den muskulösen Rand des Fusses ab. Wiewohl nun dieser bewegungslos dalag, so gerieth er doch, als er mo- mentan berührt wurde, in peristallische Bewegung. Bei den Blutegeln gaben ähnliche Versuche kein so entscheidendes Resultat. Das Herz des Krebses zog sich, wenn es mit den Drähten berührt wurde, zusammen, blieb so lange zusam- 305 “ mengezogen, als die Berührung dauerte, und fing sogleich wieder an zu schlagen, sobald sie aufhörte. Anders verhielt sich das Herz (Rückengefäss) der Wei- denraupe.. Dasselbe war in einer sich rhythmisch wieder- holenden, wellenförmigen Bewegung begriffen und gebrauchte nach der Oeflnung des Leibes zu 10 Schlägen 46 Sekunden. Wurde es einen Moment lang mit den Drähten bei vorlie- gendem Anker berührt, so stand der vordere Theil des Her- zens von der berührten Stelle an still, während der hintere Theil seine wellenförmigen Bewegungen bis zu der berührten Stelle hin (wiewohl etwas langsamer, nämlich 10 Mal in 54 Sekunden) fortsetzte. Ungefähr nach einer Minute fing auch der vordere Theil wieder an zu schlagen, aber viel langsamer, so, dass seine”Schläge mit dem je vierten des hinteren Theiles zusammenfielen. Berührte man nun wieder die vordere Hälfte in ihrer Mitte, so stand das erste Viertel still, während das zweite Viertel und die hintere Hälfte im ungleichen Tempo fortschlugen. Als nun auch das vorderste Viertel wieder zu schlagen begann, zerfiel das ganze Herz in drei Theile, von denen jeder in einem andern Tempo schlug. Was die Haller’sche Irritabilitätslehre betrifft, so slim- men wir, mein Bruder und ich, darin überein, dass sie zu verwerfen sei, und zwar aus folgenden Gründen: Da alle Muskeln zahlreiche Nerven besitzen, und kein Muskel gereizt werden kann, ohne dass zugleich die in ihm verbreiteten Ner- ven mit getroflen werden, da dieseiben Ursachen eine Con- traction der animalischen Muskeln erzeugen, sie mögen nun unmittelbar auf die Muskeln, oder zunächst auf die ausser- halb liegenden Nervenstämme derselben wirken, da die in einer gewissen Ordnung und Aufeinanderfolge geschehende Zusammenziehung der organischen Muskelfasern ohne einen Zusammenhang derselben durch Nerven unerklärlich sein würde, und da es endlich viel einfacher ist, anzunehmen, dass das Agens der Nerven einen so merkwürdigen Prozess, 306 wie der der Contraction und der damit verbundenen Aende- rung der Elasticität der Muskelfasern ist, einleiten könne, als zu behaupten, dass sowohl das Agens der Nerven, als auch sehr viel andere mechanische, chemische und elektrische Einflüsse dasselbe vermöchten; so ist die Haller’sche Lehre von einer von den Nerven unabhängigen Irritabilität der Muskeln aufzugeben. Wenn sich neuerlich Longet auf die von Fontana und von ihm selbst ausgeführten Versuche gestützt hat, um die Haller’sche Lehre zu vertheidigen, so ist zu bemerken, dass sein Versuch das nicht beweise, was er beweisen soll. Ein Bewegungsnery vom Gehirn und Rückenmarke getrennt, verliert nämlich nach dem Zeugnisse von Longet vom vierten Tage an alle Exeitabilität. Wenn man sein freies Ende oder das seiner Aeste mechanisch, che- misch oder galvanisch reizt, so bleibt die Muskelfaser, zu der er geht, unbewegt, dagegen behält der Muskel 'selbst länger als 12 Wochen seine Irritabilität, und zuckt und zit- tert, wenn man einen Reiz unmittelbar auf ihn wirken lässt. Diese Beobachtung beweist nur, dass der durehschnittene Nerv nicht gleichzeitig in seiner ganzen Länge seine Kraft durch unvollkommene Ernährung verliere, sondern in dem im Muskel eingeschlossenen Theile später, als in dem ausser- halb des Muskels liegenden verletzten Stücke. Die Lebensthätigkeit der Muskeln, welche durch eine Einwirkung der Nerven hervorgerufen wird, äussert sich ent- weder durch Bewegung, indem der Muskel seine Gestalt verändert, oder wenn diese Gestaltveränderung durch äus- sere Kräfte verhindert wird, z. B. indem die zu bewegen- den Gewichte zu gross sind, durch ein Streben zur Bewe- gung, das sich als Spannung zu erkennen giebt. In die- sem gespannten Zustande fühlen sich die Muskeln hart an. Diese Härte ist aber, nach den Versuchen des Verfassers, keine wirkliche Härte, sondern eine scheinbare. Es war ein Irrthum, wenn manche Physiologen geglaubt haben, die Mus- keln würden im Akte ihrer Lebensthätigkeit härter. Der 507 Verfasser hat durch entscheidende Experimente dargethan, dass sie dabei nicht nur nicht härter, sondern sogar weicher werden, ungeachtet sie sich wegen der Spannung, in die sie gerathen, hart anfühlen. Es ist überaus merkwürdig, dass die lebenden Muskeln ausserordentlich weich und doch sehr vollkommen elastisch sind, und dass die Muskeln, indem sie sterben, härter werden, aber ihre sehr voll- kommene Elastieität verlieren. Der Verfasser hat durch die sichere Feststellung dieser neuen Thatsache die so lange streitige Frage über die Todtenerstarrung zur Entschei- dung gebracht. Die Todtenerstarrung ist nicht die Wirkung der letzten Zusammenziehung, welche die Muskeln vermöge des Restes von Leben, welches noch in ihnen ist, ausführen, sondern die Wirkung des nach dem Tode eintretenden Er- härtens derselben. Die Skeletmuskeln lebender Thiere haben nicht diejenige Gestalt, welche ihnen zukommen würde, wenn sie sich ganz selbst überlassen wären, d. h. wenn keine äusseren Kräfte auf sie wirkten, sie befinden sich folglich nieht in ihrer na- türlichen Form. Wenn man ihre Sehne durchschneidet und sie dann ihre natürliche Form annehmen, werden sie kürzer als vorher. Die Zusammenziehung, die sie bei der Durch- schneidung ihrer Sehnen erleiden, ist nicht die Wirkung ihrer Lebensthätigkeit. sondern der ihnen auch im Zustande der Unthätigkeit zukommenden Elastieität und der Ausdehnung und Spannung, in der sie sich immerfort am lebenden Kör- per befinden, auch wenn die Glieder eine mittlere Lage zwi- schen der Streckung und Beugung haben. Die Natur hat die Muskeln absichtlich etwas zu kurz gemacht. Sie befinden sich auch bei der mittleren Lage der Glieder in einem ge- waltsam ausgedehnten Zustande. Die Streckmuskeln werden aber noch viel mehr ausgedehnt, wenn das Glied, dem sie angehören, in den Zustand der Beugung versetzt wird, und dasselbe gilt umgekehrt von den Beugemuskeln, wenn das Glied gestreckt wird. Bei der ungeheuern Ausdehnung, die 508 die Muskeln hierbei erleiden, leisten sie doch so wenig Wi- derstand, dass die Glieder, wenn sie gestreckt oder gebogen werden, nicht im Geringsten federn. Man denke sich statt der Muskeln gleiche Massen Kautschuck zwischen den Kno- chen in demselben Grade ausgespannt. Wie sehr würden dann die Glieder, wenn man sie beugte oder streekte, federn. Das menschliche Bein kann bei erschlafften Muskeln fast wie ein an einem Faden hängendes Pendel schwingen, und doch ist es durch so grosse Muskelmassen mit dem Becken ver- bunden. Nach dem Tode werden diese Muskelmassen so hart und steif, dass an eine solche Pendelschwingung des Beins nicht mehr zu denken ist. Die innern Vorgänge bei der Lebensthätigkeit der Mus- keln bestehen in der schon bekannten Gestaltveränderung derselben und in einer von dem Verfasser entdeckten sehr merkwürdigen Aenderung ihrer Elastieität. Zugleich erleiden sie eine geringe, von Ermann nachgewiesene Verdichtung, die aber nach Ermann’s eigener Bestimmung und nach des Verfassers Versuchen viel zu klein ist, als dass davon ein wahrnehmbarer -Theil der Verkürzung der Muskeln abgeleitet werden kann. Da also der Umfang der Muskeln während der Contraetion fast derselbe bleibt, so nehmen sie dabei fast um eben so viel an Dicke zu, als an Länge ab, oder mit andern Worten: ihr Volumen ändert sich bei der Con- traetion äusserst wenig, indem sie sich nur um ein Minimum verdichten, Die Versuche von Ermann wurden in den Jahren 1843 und 1844 in den von meinen Brüdern, Professor Lehmann und mir geleiteten physikalisch-physiologischen Uebungen wiederholt und bestätigt. Bei diesen Versuchen ist erforder- lich, dass keine Luft in dem zum Versuche dienenden Thiere so eingeschlossen sei, dass sie von den Muskeln comprimirt werden kann. Es wurde daher einem lebenden Aale der Kopf abgeschnitten und die Schwimmblase und Eingeweide herausgenommen, während er unter Milch untergetaucht war Te er A u Eu Ab a Mi 8 = 509 und also mit der Luft nicht in Berührung kam. Ohne ihn mit der Luft in Berührung zu bringen, wurde er dann in einem mit Milch vollgefüllten Glase aufgehangen und die Luft aus der Milch mittelst der Luftpumpe ausgepumpt. Bei allen diesen Vorsichtsmaassregeln war doch der Erfolg der näm- liche, wie bei Ermann. Milch wurde deswegen von dem Verfasser statt Wassers angewendet, weil sie, wenn sie zwischen die Muskeln eindringt, nicht so schnell die Reiz- barkeit der Muskelfasern vernichtet, als Wasser. Denkt man sich, dass ein gespannter Faden g, B. ein zwischen 2 Knochen ausgespannter, gedehnter Kautschuck- faden aus irgend einer Ursache beträchtlich härter würde, so würde er nun die ihm zukommende natürliche Form mit einer viel grösseren Kraft wieder anzunehmen -und daher die Knochen einander mit grösserer Kraft zu nähern streben, als vorher. Dieses ist nun eben bei den Muskelfasern nach dem Tode der Fall. Indem die Muskelfasern härter und ausdehnbarer werden, fangen sie an, der Ausdehnung, in der sie sich bis jetzt befanden, einen grösseren Widerstand zu leisten. Indem das nun bei den Muskeln gleichzeitig der Fall ist, die die Knochen in entgegengesetzter Richtung zu bewegen streben, entsteht bei der Todtenerstarrung jene Unbeweglichkeit der Glieder, die mit der Steifheit Aehnlich- keit hat, die der Starrkrampf hervorbringt, ob sie gleich von ganz anderer Natur ist. Wer sich von der grossen Weichheit und Dehnbarkeit und vollkommenen Elastieität lebender Muskeln durch eigene Anschauung überzeugen will, ohne sich auf so genaue Mes- sungen einzulassen, wie sie der Verfasser gemacht hat, braucht nur die Zunge eines so eben enthaupteten Frosches aus der Mundhöhle herauszuziehen und die Muskeln an der- selben frei zu legen. Er kann sie nun viel Mal hinter ein- ander bis auf das Doppelte ihrer Länge ausdehnen und wird immer bemerken, dass sie jedesmal nachher ihre ursprüng- liche Länge wieder annehmen. Auch an den Bauchmuskeln, 510 welche lange Fasern haben, kann man das an einem so eben geköpften Frosche versuchen. Man kann zwei weisse Sand- körnchen in einem bestimmten Abstande von einander auf den an seinem einen Ende abgeschnittenen Muskel bringen und während man den Muskel bis auf das Doppelte aus- dehnt, ihre Entfernung abermals messen und dieselbe noch- mals bestimmen, wenn man den Muskel wieder sich selbst überlassen hat. Bekanntlich zerreissen Muskeln nach dem Tode durch grössere Gewichte, welche sie während des Le- bens noch zu tragen im Stande sind. Während des Lebens zerreisst die Achillessehne und das Kniescheibenband leich- ter, als die Muskeln, die sich an ihnen befestigen, nach dem Tode dagegen zerreissen bei einem ungeschickten Anfassen der Leichen nicht die Sehnen, wohl aber nicht selten die grössten Muskeln. Die Ursache davon liegt nicht darin, dass die Muskeln kurze Zeit nach dem Tode weicher und dehn- barer wären, als im Leben, vielmehr sind sie, wie schon aus einander gesetzt worden ist, härter und unausdehnbarer, sondern sie liegt in ihrer unvollkommeneren Elastieität; denn da sie, nachdem sie ausgedehnt worden, ihre natürliche Form, wenn sie sich selbst überlassen worden, nicht wieder vollkommen annehmen, so verläugern sie sich mehr. Ver- möge dieser Verlängerung sind sie dann noch weniger im Stande, der Ausdehnung durch dasselbe Gewicht zu wider- stehen, wenn es von Neuem wirkt, und werden endlich von demselben zerrissen. Neu und für die Experimentalphysiologie wichtig sind die vom Verfasser angewendeten Methoden, um an einem und demselben aus dem Körper herausgeschnittenen, an ei- nem Ende aufgehangenen lebendigen Froschmuskel, zahlreiche genaue Messungen über den Grad seiner Ausdehnung durch verschiedene Gewichte und über den Grad seiner Zusammen- ziehung bei gleichen magneto-galvanischen Reizungen auszu- dehnen. Nur dadurch, dass er an demselben Muskel, ehe das Leben entwich, ein halb hundert und mehr Experimente Zu 511 und genaue Messungen machen konnte, war es möglich, die Elastieität der Muskeln, den Grad ihrer Zusammenziehung, die Grösse der Muskelkraft und den sogenannten Nutzeflekt ihrer lebendigen Thätigkeit bei verschiedenen Graden der Er- müdung zu bestimmen. Diese Methoden lassen sich nur klar machen, wenn man auf eine Abbildung der gebrauchten Vor- richtungen verweisen kann. Hier will ich daher nur so viel sagen: Ein Muskel mit langen parallelen Fasern wurde senk- recht aufgehangen und an seinem unteren Ende eine sehr kleine Wagschale befestigt, die zugleich den Dienst eines sehr kleinen, den Muskel spannenden Gewichts leistete. Da- durch, dass bestimmte Gewichte auf die Wagschale gelegt oder von ihr weggenommen wurden, liess sich die Spannung des Muskels nach Belieben schnell abändern. Nahe am un- tern Ende des Muskels wurde durch ihn mit einer feinen Nähnadel ein langer Coconfaden durchgezogen und dadurch horizotal erhalten, dass die Enden desselben von zwei hori- zontalen Glasstäben getragen wurden, über die sie hinabhin- gen. Der Coconfaden, da, wo er aus dem Muskel heraus- kam, machte alle die Bewegungen mit, die das andere Ende des Muskels ausführte. Dicht neben dem Muskel und hinter dem Coconfaden wurde ein fein eingetheilter Maassstab senk- recht befestigt und dieser durch ein Fernrohr aus einiger Entfernung betrachtet. Da man auf diese Weise den Cocon- faden und die feine Eintheilung vergrössert sah, so leistete der Coconfaden den Dienst eines Zeigers, welcher gestattete, die Länge des Muskels an der Skala in jedem Momente mit gutem Erfolge bis auf -; Mm. zu schätzen, ohne dass man einen Fehler wegen der Parallelaxe zu fürchten gehabt hätte. Um die Verlängerung eines Stücks des Muskels noch genauer zu messen, wurden Coconfäden an zwei Stellen desselben durchgezogen und der Abstand derselben von einander ge- messen. Ein und derselbe Muskel wurde nun im Zustande der Unthätigkeit, im Zustande der durch magneto-galvanische Reizung erregten Thätigkeit, im Zustande der vollen Kraft, 512 der allmählig eintrelenden Ermüdung, der Erholung nach längerer Ruhe und des allmähligen Absterbens beobachtet, und diese Versuche wurden an demselben Muskel verschie- dener Frösche oft wiederholt. Andere Reihen von Beobach- tungen über die Abänderung, welche die Elastieität der le- benden Muskeln während ihrer durch magneto - galvanische Reizung erregten Thätigkeit erleidet, wurden durch Beobach- tung der Torsions-Schwingungen ausgeführt, welche ein ver- tikal aufgehangener Muskel im Zustande der Unthätigkeit und der Thätigkeit machte, in dem eine Vorrichtung angewendet wurde, welche Aehnlichkeit mit einer Coulomb’schen Dreh- wage hatte. Man sieht hieraus, dass die feinsten Hülfsmit- tel, welche die Physik darbietet, benutzt worden sind, um hinter das Geheimniss der Muskelbewegung zu kommen. Die Resultate sind neu und überraschend. Bis jetzt wusste man nicht einmal, um den wie vielsten Theil sich ein Muskel zusammenziehen könne, und noch viel weniger konnte man die Kraft der Muskeln und ihren Nutzeflekt messen und vergleichen. Der berühmte Mathematiker Da- niel Bernoulli berechnete, um den wie vielsten Theil sei- ner Länge ein Augenmuskel bei der wirklichen Bewegung des Augapfels sich verkürzte und fand, dass er um +tel oder um -;tel seiner Länge kürzer würde. Nach den Versuchen von Prevost und Dumas beträgt die Verkürzung der Froschmuskeln ungefähr + ihrer Länge, und die nämliche Grösse giebt Valentin als das Resultal seiner Versuche an. Wie weit diese Beobachter von der Wahrheit entfernt blie- ben, sieht man daraus, dass nach des Verfassers genauen Untersuchungen die Zusammenziehung eines frischen, kräfti- gen, vom Körper abgeschnittenen Froschmuskels, der mit einem Gewichte belastet wurde, das 15 Mal so gross als sein eigenes Gewicht war, mindestens 2 seiner Länge be- trug, dass sie aber unter den günstigsten Verhältnissen so- seiner Länge beiragen konnte. gar ; Eben so wenig verstand man bis jetzt, verschiedene 513 Muskeln hinsichtlich der Kraft, welche sie bei ihrer lebendi- gen Zusammenziehung ausüben können, unter einander zu vergleichen. Man wusste wohl, dass dieser oder jener Mus- kel von bestimmtem Gewichte die und die Last gehoben habe, oder auch, dass er ein gewisses anderes Gewicht nicht mehr zu heben im Stande gewesen sei. Aber um die Muskeln in dieser Hinsicht unter einander zu vergleichen, reicht es nicht aus, zu wissen, wie viel die Muskeln, die ein bestimmtes Gewicht zu heben im Stande sind, wiegen. Ich habe schon in Hildebrandt’s Anatomie, Th. II. S. 324. und 325,, ge- lehrt, dass die Grösse der Kraft, die ein Muskel äussern kann, um ein Gewicht zu heben, oder um ihm das Gleich- gewicht zu halten, nicht von der Länge seiner Fleischfasern, sondern von der Zahl derselben (wenn man sie sich alle gleich dick vorstellt), oder, was dasselbe ist, von der Grösse seines Querschnittes abhänge. Ein sehr langer, dünner Mus- kel kann kein grösseres Gewicht erheben, als ein Muskel, der denselben Querschnitt hat, und 10 Mal kürzer ist, und daher 10 Mal mehr wiegt. Valentin’s Messungen der Kraft verschiedener Muskeln erfüllen aus diesem Grunde ihren Zweck nicht, Durch die Wirkung der Intercostalmuskeln zersprengt man beim Einathmen ein festes, die Brust umge- bendes Band. das man nicht einmal mit den Händen zer- reisen kann, ungeachtet die Intercostalmuskeln sehr wenig wiegen; dieses leisten sie, weil sie, wie der Verfasser ge- funden hat, ausserordentlich kurze, aber zahlreiche Muskel- fasern besitzen. Da nun die Grösse jener Kraft der sich zusammenzie- henden Muskeln von der Grösse ihres Querschniltes abhängt, so fragt es sich, wie man ihn messen könne, da er, wenn man die Muskelfasern eines Muskels unter rechtem Winkel durchschneiden wollte, eine sehr unregelmässige Figur bilden würde, Hier hat nun der Verfasser das Verdienst, zuerst angegeben zu haben, dass man die Grösse des Querschnittes eines Muskels genau berechnen könne, wenn man das spe- Müller's Archiv. 1816 33 514 eifische Gewicht, die Länge und das Gewicht seiner Fleisch- fasern kenne. Man muss nämlich das in Grammen bestimmte Gewicht der Fleichfasern eines Muskels durch die Zahl 1,038 dividiren, welche das speeifische Gewicht der Muskelsubstanz ausdrückt. Hierdurch erhält man das Volumen des Muskels in Cubikcentimetern ausgedrückt. Dividirt man nun die Zahl, die das Volumen ausdrückt, durch die Zahl, welche die Länge der Fleischfasern in Centimetern angiebt, so erhält man den Querschnitt in Quadratcentimetern ausgedrückt. Das Resultat, welches der Verfasser erhalten hat, lässt sich so aussprechen: Bei den untersuchten Froschmuskeln hielt jede Muskel- masse, deren Querschnitt ein Ö@uadrateentimeter betrug, 692,2 Grammen das Gleichgewicht, während sie durch die magneto-galvanische Reizung auf den höchsten Punkten ihrer Thätigkeit versetzt worden war. Dieser Ausdruck ist ein solcher, dass sich nun verschiedene Muskeln und Muskeln verschiedener Thiere unter einander in dieser Hinsicht ver- gleichen lassen; der Verfasser hat sogar eine Vergleichung mit der Kraft des menschlichen Gastroenemius und Soleus, die er vor mehreren Jahren bestimmt hat, unternommen. Ich gehe auf die von ihm dabei angewendete Messungsme- thode nicht weiter ein und bemerke nur, dass es natürlich unmöglich ist, den Querschnitt des Gastroenemius und Soleus bei lebenden Menschen zu bestimmen. Er konnte daher nicht anders verfahren, als dass er bei drei lebenden Menschen die Kraft des Gastrocnemius und des Soleus maass, und dass er bei einigen gesunden Selbstmördern den Querschnitt die- ser Muskeln bestimmte und nun annahm, die gefundene mitt- lere Grösse des Querschnittes habe der Gastroenemius und Soleus auch im Mittel bei jenen im Leben gehabt. Das Re- sultat, zu dem er auf diese Weise gelangte, war: dass bei dem Menschen eine durch den Willen in Thätigkeit gesetzte Muskelmasse, deren Querschnitt ein Quadratcentimeter be- trug, 1087 Grammen das Gleichgewicht hielt und folglich 515 beträchtlich grösser war, als die Kraft der durch den magneto-galvanischen Reiz sich zusammenziehenden Frosch- muskeln. Ich habe in der Hildebrandt’schen Anatomie an der angeführten Stelle gezeigt, dass die Muskelfasern unter übri- gens gleichen Umständen sich um ein desto grösseres Stück zusammenziehen können, je länger sie sind. Der ganze mechanische Effect, den ein sich zusammenziehender Muskel hervorbringen kann, lässt sich demnach nicht dadurch be- stimmen, dass man zeigt, welchem Gewichte der Muskel in einem bestimmten Augenblicke das Gleichgewicht halte, son- dern dadurch, dass man findet, zu welcher Höhe ein Muskel von bestimmtem Gewichte ein bestimmtes Gewicht zu heben vermöge, also z. B. zu welcher Höhe ein 2 Gramme wie- gender Muskel ein Gewicht von 2 Grammen zu heben ver- mögen. Dieser Effect hängt demnach zugleich von der Grösse seines Querschnittes und von der. Länge seiner Fleischfasern und folglich von seinem Gewichte ab. Kein Physiolog hat bis jetzt den Nutzeffect der Muskeln gemessen. Das Re- st: „die untersuchten Froschmuskeln heben das 93fache ihres eigenen Gewichts 15 Millimeter hoch.“ Der mechanische Effect, oder, was dasselbe ist, der sultat, zu welchem der Verfasser gelangl, Nutzeffeet gines sich zusammenziehenden Muskels, ist aber bei einer bestimmten Belastung am grössten und wird dem- nach geringer, wenn man den Muskel ein kleineres oder grösseres Gewicht, als jenes, heben lässt. Es verhält sich auch mit dem Nutzefleete anderer Maschinen so. Bei den untersuchten Froschmuskeln war der Nutzeflect am grössten, wenn man das zu hebende Gewicht so einrichtete, dass jede Muskelmasse, die einen 1 Quadratcentimeter grossen Quer- schnitt hatte, mit 450 Grammen belastet wurde. Die 450 Gramme wurden unter diesen Umständen um 0,401 der Länge der Fleischfasern gehoben. Diese Angabe ist eine solche, dass sie eine Vergleichung verschiedener Muskeln zu- 33 + 516 lässt, auch wenn die Gestalt derselben sehr verschieden ist. Es wird jetzt sehr viel von der Anwendung der Physik auf die Physiologie und auf die medieinische Praxis gesch watzt, aber klare Begriffe und Messungen, mit denen sich etwas an- fangen lässt, ‘findet man sehr selten; dergleichen Messungen, wie die hier mitgetheilten, bilden eine Basis für alle künftige Untersuchungen. Im gemeinen Leben sagt man wohl oft, dem Kautschuck komme eine grosse Elastieität zu, es sei sehr elastisch; ein Stein, z. B. Marmor, hätte eine geringere Elastieität. Die Physiker schreiben dagegen dem Marmor eine grössere, dem Kautschuk eine geringere Rlastieität zu. Man kann die Voll- kommenheit, die Grösse und den Umfang der Elastici- tät unterscheiden. Die Vollkommenheit der Elastieität hängt davon ab, in welchem Grade ein Körper, dessen na- türliche Forın durch die Einwirkung äusserer Kräfte verän- dert worden ist, dieselbe wieder annimmt, nachdem jene äusseren Kräfte zu wirken aufgehört haben, also z. B. in welchem Grade ein Körper, welcher der Länge nach ausge- dehnt worden ist, seine frühere Länge wieder annimmt. Ein Körper kann sehr vollkommen elastisch sein, auch wenn er der Ausdehnung einen grossen Widerstand leistet, und daher wenig ausdehnbar ist. Die Grösse der Elastieität hängt eben davon ab, ob ein Körper äussern Kräftew, die seine natürliche Form zu verändern streben, einen grossen@WVider- stand entgegensetzt. Man nennt daher Körper, die sehr schwer und daher sehr wenig ausdehnbar sind, sehr ela- stisch, und es kann ein sehr elastischer Körper zugleich un- vollkommen elastisch sein. Je geschwinder der Schall, oder überhaupt jeder Stoss sich durch einen Körper fortpflanzt, desto grösser ist seine Elastieität. Den Körpern, welche den äusseren Kräften, die eine Veränderung ihrer natürlichen Form hervorzubringen streben, einen geringen Widerstand leisten und dennoch nachher ihre natürliche Form sehr voll- kommen wieder annehmen, kann man einen grossen Um- 517 fang der Elasticität zuschreiben. In diesem Sinne hat Kaut- schuck einen grossen Umfang der Elastieität; aber lebendige Muskeln scheinen das Kautschuck hierin noch zu übertreffen; dieses vorausgesetzt, wird man den Verfasser nicht missver- stehen, wenn er sagt, dass der todie Muskel eine grössere, aber viel unvollkommnere Elastieität habe, als der leben- dige Muskel; denn jener ist steifer und unausdehnbarer, oder er widersetzt sich der Ausdehnung mit grösserer Kraft, nimmt aber, wenn er ausgedehnt worden ist und die aus- dehnenden Kräfte zu wirken aufhören, seine ursprüngliche Gestalt nicht wieder an, sondern bleibt verlängert; ferner, was es heissen solle, dass der lebende Muskel im unthätigen Zustande eine grössere Elastieität besitze, als im thätigen Zustande, denn in diesem letzteren Zustande ist er noch aus- dehnbarer und beugsamer, als in jenem, und setzt also der Ausdehnung und Beugung noch weniger Widerstand entge- gen. Diese Thatsache, dass ein lebender Muskel während des Aktes seiner Reizung weicher und ausdehnbarer werde, und zwar nur so lange, als dieser Akt dauert, nachher aber, „so wie die Reizung nachlässt, augenblicklich in den Zustand der geringeren Delhnbarkeit und Weichheit, den er vor der Reizung besass, zurückkehrt, ist sehr unerwartet. Denn man hätte eher das Gegentheil vermuthen können, dass ein Mus- kel während des Aktes seiner Reizung härter und ausdehn- barer würde. Da indessen diese Thatsache durch die ge- nauesten Versuche so erwiesen ist, dass kein Zweifel übrig bleibt, so ist sie zugleich von ungemeiner Wichtigkeit. An jede zukünftige Erklärung des inneren Vorgangs bei der Mus- kelzusammenziehung müssen wir die Forderung stellen, dass sie diese Thatsache erklären könne. Vermöge dieser Ent- deckung lernen wir nun, zu welcher Klasse von Verände- rungen diejenige Veränderung gehöre, die der Muskel bei seiner Reizung und lebendigen Thätigkeit erleidet. Es waren vier Fälle möglich: Es liess sich nämlich denken, erstlich, dass die Zusammenziehung der Muskeln, wenn sie gereizt 518 würden, dadurch entstände, dass die Elastieität der Muskeln zufolge des Aktes grösser und dadurch die bekannte Ge- stallveränderung des sich zusammenziehenden Muskels herbei- geführt würde; zweitens hälle man denken können, dass sich die Lage der Molekülen des Muskels ändere und auf diese Weise die bekannte Gestallveränderung des sich verkürzenden Muskels entstehe, während die Elasticität unverändert dieselbe bleibe, oder endlich, dass beide Ursachen der Verkürzung (Vergrösserung der Elastieität und Veränderung der Lage) zu- gleich Stalt finden. Der unwahrscheinlichste Fall unter allen war der vierte, der nämlich, dass die Zusammenziehung des Muskels ganz allein auf der Veränderung der Lage der Mole- külen beruhe und sich zugleich die Elastieität des Muskels auf eine solche Weise verändere, dass sie die Muskelkraft schwächt und der Muskelzusammenziehung hinderlich wird, und gerade dieser vierte Fall findet wirklich Statt, denn die Verkürzung des Muskels wird ganz allein durch die Veränderung der na- türlichen Form bewirkt und zugleich vermindert sich die Ela- stieität des Muskels während seiner lebendigen Thätigkeit. Wenn durch die Reizung des Muskels eine Vergrösserung der Elastieität hervorgebracht würde, so würde schon daraus allein eine Zusammenziehung der an dem Skelette ausgespannten Muskeln resultiren. Denn wenn ein ausgespannter Faden an Elastieität zunimmt, oder, was dasselbe ist, wenn er unaus- dehnbarer wird, und zugleich an Vollkommenheit der Elasti- cität nichts verliert, so strebt er mit grösserer Kraft die ihm eigentlich zukommende natürliche Form anzunehmen, er strebt dann also mit grösserer Kraft die Befestigungspunkte, durch die er ausgespannt erhalten wird, einander zu nähern, und nähert sie einander wirklich, wenn sie beweglich sind. Diese Erklärung der Muskelzusammenziehung muss man in Zukunft aufgeben. Jede zukünftige Erklärung, welche auf Wahrheit Anspruch machen will, muss davon ausgehen, dass die Muskelzusammenziehung nicht durch eine Vergrösserung der Elasticität entstelie, sondern ganz allein auf einer Lagen- 519 veränderung der Molekülen beruhie., vermöge deren der Muskel kürzer und dicker wird, sie muss davon ausgehen, dass zwar die Elastieität des Muskels bei diesem Prozesse nicht ungeän- dert bleibe, dass aber die dabei Statt findende Aenderung der Elastieität von der Art sei, dass sie vielmehr die Muskelkraft vermindert, weil der Muskel während seiner lebendigen Thä- tigkeit ausdehnbarer wird. Diese Entdeckung gewinnt dadurch noch an Interesse, dass der Verfasser zeigt, dass ermüdele und nicht ermüdete Muskeln sich in dieser Hinsicht nicht gleich verhalten, sondern dass ermüdete Muskeln während des Aktes ihrer lebendigen Thätigkeit weit mehr erweichen, als nicht ermüdete, und dass also die Schwächung der Muskelkraft, welche dadurch entsteht, dass die Elastieität der Muskeln während des Akles ihrer lebendigen Thätigkeit sich vermin- dert, bei ermüdeten Muskeln weit beträchtlicher ist, als bei nicht ermüdeten. Bis jetzt war das Wort Ermüdung des Muskels ein leerer Schall. Man wusste zwar. dass unsere Willenskraft im Zustande der Ermüdung unvermögend sei, ge- wisse Effekte durch die Muskelzusammenziehung hervorzubrin- gen, und dass dann bei grosser Anstrengung des Willens Schmerz im Muskel entstehe, der sogar bisweilen noch im Zustande der Ruhe fortdauere. Wir halten aber keinen Be- griff von der Ursache, welche die Thätigkeit eines ermüdelen Muskels schwächt. Wir dürfen uns auch jetzt nieht rühmen, das Wesen der Ermüdung ganz zu durchschauen, aber einen wichtigen Umstand haben wir durch die Forschungen des Ver- fassers kennen gelernt, wir wissen nun, dass ein ermüdeter Muskel, während er sich durch die lebendige Thätigkeit ver- kürzt, oder zu verkürzen strebt, weicher und ausdehnbarer wird, als ein nicht ermüdeter. Dieses gelıt so weit, dass bei einer gewissen Belastung des ermüdeten Muskels der Fall ein- tritt, dass die magneto-galvanische Reizung desselben den ent- gegengesetzten Erfolg hervorbringt, als bei den nicht ermüde- ten Muskeln, so dass der ermüdete Muskel bei einer gewissen Belastung in dem Momente der magneto-galvanischen Reizung 520 (wo er sich zusammenziehen und das Gewicht heben sollte) durch das Gewicht ausgedehnt wird und sich also verlängert, und dass er, wenn die magneto-galvanische Reizung aufgehört hat, sich augenblicklielı wieder verkürzt, und das vorher ge- sunkene Gewicht wieder emporhebt, indem er die geringere Länge wieder annimmt, die er im Zustande der Ruhe vor der Reizung hatte. Dieser scheinbar widersprechende Erfolg er- klärt sich daraus, dass die Weichheit des ermüdeten Muskels während des Aktes seiner Thätigkeit so gross wird, dass be; einer gewissen Belastung die Verkürzung nicht mehr zu Stande kommen kann, die aber augenblicklich zu Stande kommt, wenn man dem Muskel ein kleineres Gewicht zu tragen giebt. Man könnle glauben, die Ermüdung hätte die Wirkung, dass sich ein ermüdeter Muskel unter allen Umständen bei gleich grosser Reizung um ein kleineres Stück zusammenziehe, als ein nicht ermüdeter Muskel. Dem ist aber nicht so, Nach den Versuchen des Verfassers zieht sich ein ermüdeter Muskel, wenn er nur ein geringes Gewicht zu bewegen hat, fast um ein eben so grosses Stüek zusammen, als im nicht ermüdelen Zustande, aber das aus der Abnahme der Elastieität entste- hende Hinderniss wird sogleich merklich, wenn man ihm grössere Gewichle zu tragen giebt, die er dann vermöge jener Abnahme an Elaslieität. oder, was dasselbe ist, vermöge seiner Erweichung nicht bewegen kann. Man darf aber nicht etwa glauben, dass die Rrmüdung eine fortdauernde Erweichung des Muskels herbeiführe, die auch im Zustande-der Ruhe des Muskels merklich sei. Vielmehr weiset der Verfasser nach, dass auch der ermüdele Muskel, wenn die Reizung aufgehört hat, augenblicklich seinen früheren Elastieilätszustand wieder annimmt, was man daraus sieht, dass er seine vorige Länge sogleich wieder erhält, ungeachtet ihn das nämliche Gewicht immerfort zu verlängern strebt. Sehr bemerkenswerth ist es, dass eine dauernde Muskel- schwäche sehr viel Aehnlichkeit mit dem Zustande hat, in den die Muskeln dureh Ermüdung gerathen. Man könnte sa- 521 gen, es giebt Frösche, deren Muskeln in einer gewissen Jah- reszeit immer ermüdet sind. Sie zeigen dann die nämliche grosse Zunabme der Weichheit und Ausdehnbarkeit (die näm- liche beträchtliche Abnahme der Elastieität) während des Aktes ihrer lebendigen Zusammenziehung, wie die ermüdelen Mus- keln, und werden dann eben so unfähig, wie sie, grössere Ge-, wichte zu: heben. Die über die Todtenerstarrung, rigor morlis, so lange geführten Streitigkeilen müssen, wie schon oben bemerkt wor- den ist, dahin entschieden werden, dass die bei derselben be- merkliche Steifigkeit der Glieder ganz bestimmt nicht als die letzte lebendige Zusammenziehung der Muskeln betrachtet wer- den dürfe, sondern von einer nach dem Tode alsbald eintre- tenden Aenderung ihrer Elastieität herrühre, vermöge deren sie härter und unausdehnbarer werden. Da nämlich während des Lebens alle Skelettmuskeln, auch wenn sie sich im Zu- slande der Unthätigkeit befinden, gedehnt und gespannt sind, man »ber dessen ungeachtet wegen der grossen Weichheit und Ausdelinbarkeit lebendiger Muskeln keine Steifigkeit der Glie- der bemerkt; so ändert sich das im Tode, wo die Muskeln härter werden. Bei dieser Härte üben die gedehinten und ge- spannlen Muskeln eine viel grössere Kraft auf die Knochen aus. Mit der lebendigen Zusammenziehung lässt sich aber dieser Zustand der Muskeln auf keine Weise verwechseln, da der Akt der lebendigen Zusammenziehung nicht von einer Zu- nahme an Härte, sondern vielmehr von einer Abnahme der- selben und also von einer vorübergehenden Erweichung be- gleitet wird. Der Verfasser bestätigt die Beobachtungen anderer Phy- siologen, z.B. Valentin’s, dass nicht nur Muskeln im leben- den Körper bei fortdauerndem Kreislaufe, sondern auch aus dem Körper herausgeschnittene Muskeln sich durch Ruhe ei- nigermaassen wieder erholen und daun von Neuem, wenn auch mit geringerer Kraft, sich verkürzen können, uad giebt hierüber Zahlenangaben. Unstreitig hat man sich zu denken, 522 dass die Feuchtigkeit, womit die Muskeln getränkt sind, eine Zeit laug zur Ernährung derselben ausreicht, daher ist denn freilich die Erbolung viel vollkommener, wenn die Cirkulation und der Einfluss des Nervensystems auf die Muskeln fort- dauern, und wenn die die Muskeln durchdiingende Feuchlig- ‚keit immer im brauchbaren Zustande erhalten wird. Hieraus erklärt es sich wohl, warum aus dem Körper berausgeschnittene Muskeln nicht einmal 5—6 Sekunden lang auf der höchsten Stufe der Zusammenziehung beharren kön- nen, sondern wenn sie dieselbe erreicht haben, sogleich sich wieder zu verlängern anfangen. Ein 0,126 Gramme wiegen- der, bei 10 Grammen Belastung 42,1 Mm. langer Froschmus- kel brauchte 9,2 Sekunden dazu, um sich successiv bis auf 19,7 Mm. zu verkürzen; 4,8 Sekunden darauf war er schon wieder um 1 Mm. länger, 10,8 Sekunden darauf war er um 2 Mm. länger, 20,7 Sekunden darauf war er um 3 Mm. län- ger u. s.f. Nach 476 Sekunden war er bei der gleichmässig fortdauernden magueto - galvanischen Reizung wieder bis auf 40 Mm. lang geworden, und als die magneto-galvanische Rei- zung aufhörte, dehnte er sich sogleich noch um 2,1 Mm. wie- der aus und hatte somit seine vorige Länge von 42,1 Mm. genau wieder erreicht. In diesem ganzen Zeitraume sah man auch unter den äusserst günstigen Verhältnissen, unter wel- chen man ihn beobachtete, ‘nicht die mindeste Ungleichmäs- sigkeit in der Zusammenziehung oder Wiederausdehnung, kein Zittern, keine Wellen u. s. w. Die Veränderung, welche die Muskeln beim Uebergange von der Unthätigkeit zur Thätigkeit durch den Einfluss der Nerven erfahren, besteht daher in einer Aenderung ihres Ag- gregatzustandes. Der Einfluss des Agens der Nerven auf den festen Muskel ist in einiger Hinsicht dem Einflusse ähnlich, den die Wärme auf alle festen Körper ausübt, aber viel grös- ser. Das Agens der Nerven bewirkt nämlich eine Verkürzung und eine Zunahme der Dicke des Muskels, wenn es nicht äussere Kräfle hindern, und zugleich eine Verminderung der 923 . Elasticität desselben; die Wärme bringt auch eine Verminde- rung der Elaslieitäl der festen Körper hervor, zugleich aber eine Vergrösserung ihres Umfangs in allen ihren Dimensionen, so weit es äussere Kräfte nieht hindern. Diese doppelte Weise, in welcher der Einfluss des Agens der Nerven auf die Muskeln, und der der Wärme aul die festen Körper hervor- tritt — nämlıch durch Aenderung der natürlichen Form und durch Aenderung der Elastieität — muss ihren gemeinschaft- lichen nächsten Grund in einer eiutrelenden eigenihümlichen Modificalion des innern Gefüges oder des Aggregatzustandes haben, in welchem die kleiusten Theile der festen Körper ein- ander in Gleichgewicht halten. Worin nun aber die so klei- uen Alodifiealionen des Aggregalzusiandes fester Körper selbst wieder bestelen und wie dieselben hervorgebracht werden können, und durch welche Vermitteluug insbesundere der von den Nerven ausgehende Einfluss gleichmässig auf alle Muskel- theilchen ausgedehnt werde, lässt sich gegenwärlig bei der noch nicht genau erforschten Mechanik der Aygregatumstände und ihrer Modificalionen einer näheren Untersuchung nicht unlerwerfen. Wollte man auch annehmen, dass es ein galva- nischer oder chemischer Prozess sei, welcher von den Nerven ausginge und sich über alle Theilchen des Muskels gleichmäs- sig verbreilele, so würde man doch keine näheren Bestim- mungen dafür geben können, weder solche, durch welche die Stärke oder Beschaffenheit des Prozesses selbst besiimmt wür- den, noch auch solche, durch welche die walrgenommenen Wirkungen — Form und Elasticilätsveränderung — eine klare und bestimmte Erklärung fänden. In letzterer Bezie- hung verhält es sich mit dem Agens der Nerven, wie mit der Wärme. Denn die von ihr hervorgebrachle Form und Elastieitätsänderung steht zwar ebenfaHs als ein Faclum un- zweifelhaft fest, eine klare und bestimmie Erklärung aber, wie die Wärme solche Wirkungen hervorbringen müsse, man- gelt noch. 924 “ In dem zweiten Abschnitle seiner Arbeit über die Mus- kelcontraetion, welcher demnächst in Wagner’s Wörterbuche unter dem Artikel „Ortsbewegung‘ erscheinen wird, behan- delt nun mein Bruder die Wirkung der Muskeln im Einzel- nen. Da die Grösse, um welche sich ein Muskel verkürzen kann — vorausgeselzt, dass die Muskelsubstanz immer von gleicher Qualität ist — ganz allein von der Länge der Fa- sern und nicht von ihrer Zahl und also nicht von dem Quer- schnitlte der Muskeln abhängt, und da die Natur die Muskel- fasern nicht länger gemacht hat, als sie wegen der Bewegung, die sie hervorbringen sollen, sein müssen, so sieht man leicht ein, wie nützlich, ja wie unerlässlich es ist, bei einer ralio- nellen Behandlung der Myologie die Länge der Muskelfasern aller Muskeln zu kennen. Man halte bei der Beschreibung der Muskeln auf viel Kleinigkeiten seine Aufmerksamkeit ge- richtet, aber diese Hauptsache halte man übersehen. Ich selbst habe im Jahre 1832, unterstützt von einigen meiner Zuhörer, unter welchen sich damals auch Professor Lehmann befand, der dabei die Wägungen und die Protokollfüh- rung übernahm, die sämmtllichen Skeletmuskeln eines Leopar- den rücksichtlich der Länge ihrer Fasern und rücksichtlich ihres Gewichtes auf der rechten und linken Seite des Kör- pers bestimmt, und auch bei einzelnen Muskeln des Menschen dergleichen Untersuchungen begonnen. Mein Bruder hat solche Untersuchungen, zu denen er durch seine Forschungen ge- führt wurde, seit 5 Jahren in einer solchen Vollkommenheit und mit so viel Ausdauer gemacht, und daraus so interes- sante Schlüsse gezogen, dass er über viele Punkte der mensch- lichen Myologie neue Aufschlüsse geben kann. Er hat- unter andern an den Leichnamen von drei wohlgebildeten Menschen die Länge der Fleischlasern und das Gewicht aller Muskeln bestimmt, und wo die Länge der einzelnen Portionen eines Muskels verschieden ist, diese auch bei den einzelnen Portio- nen gemessen. Er hat nach der von ihm gefundenen Methode 525 den Querschnitt sämmllicher Muskeln berechnet. und ist so- mit im Stande, vermöge des von ihm gefundenen Maasses der Muskelkraft für jeden so gemessenen Muskel die Kraft. die er äussern kann, zu berechnen, Diese Untersuchungen haben es ihm möglich gemacht, die Wirknngsart mancher Muskeln oder ihrer einzelnen Por- tionen richliger zu besliimmen und dadurch neue Gesichts- punkte zu gewinnen, z. B. bei den liefen Rückenmuskeln, bei mehreren Bauchmuskeln, bei einigen Muskeln des Kopfes und der Extremilälen. Ich halte schon früher gefunden, dass die Muskeln der rechten Seite im Allgemeinen schwerer, als die der linken Seite wären. Mein Bruder hat durch seine noch mehr in’s Einzelne gehenden Messungen bewiesen, dass das in dem höchsten Grade bei den Muskeln der oberen Extremitä- len, elwas weniger bei denen der unteren der Fall sei, gar nieht aber bei den Muskeln, die den Rumpf bewegen. Hier fordert das Gleichgewicht eine vollkommene Symmetrie, da- mit die Muskeln beider Seiten bei gleicher Anstrengung gleich stark wirken, sonst würde der Rumpf durch die an Masse und Kraft überwiegenden Muskeln krumm gezogen werden. Diese nach allen Richtungen mit Geist, Gewissenhaltig- keit und der grössten Beharrlichkeit seit einer Reihe von Jahren vom Verfasser ausgeführte Untersuchung leistet das für die Myologie, was sein Werk über die Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge für den Mechanismus der Gelenke und die Lehre vom Gange geleistet hat. Die Phy- siologie der Muskeln erhält dadurch eine Grundlage, auf der jeder Physiolog weiter fortbauen muss, der es unternimmt, sich mit diesem Zweige der Physiologie zu beschäftigen. Bevor diese Arbeit im Druck erscheinen konnle, sind ei- nige Untersuchungen von andern Physiologen bekannt ge- macht worden, welche mittelst der von meinem Bruder zu- erst angewendelen Untersuchungsmethoden ausgeführt worden sind. Schon viele Jahre halte man in der praktischen Mediein 326 die magneto - galvanische Reizung durch den Rotationsappa- rat zur Heilung von Krankheiten benutzt, aber in der Phy- siologie hatte Niemand dieselbe in Gebrauch gezogen. Auch kam der Verfasser nicht zufällig auf den Gedanken, diese Reizungsmethode zu probiren, sondern er suchte nach ei- ner Methode die Nerven und Muskeln durch Galvanismus in kurzer Zeit so schnell und so oft zu reizen, dass diese Rei- zungen eine continuirliche Wirkung hervorbrächten. Er er- kannte im Voraus aus der Einrichtung des Rotationsappa- rates, dass er das leisten würde, und fand dann seine Er- wartungen bestätigt und ein neues Feld der Untersuchung geöffnet. Volkmann, dem er einige mittelst dieser Me- thode gewonnene Resultate mittheilte, stellte nun auch sei- nerseits Versuche an, die er ın dem Artikel „„Nervenphy- siologie‘“ in Wagner’s Physiologischem Wörterbuche be- kannt gemacht hat. Dieser Artikel sollte demjenigen nach- folgen, den mein Bruder über die Muskelbewegung für das Wörterbuch zu liefern hatte. Indessen hat sich nachher das Verhältniss umgekehrt. Mein Bruder konnte seine Ar- beit nicht so schnell vollenden und wünschte sie auch nicht unvollkommener zu geben, als er sich vorgesetzt hatte, und so erschien die Volkmann’sche Arbeit früher, als die sei- nige. indessen hat Volkmann ausdrücklich angezeigt, dass er nach dem Vorgange meines Bruders diese Untersuchungs- methode in Anwendung gebracht habe. Es konnte nach dem Bekanntwerden der Volkmann’schen Abhandlung nicht fehlen, dass sich sogleich auch andere Physiologen derselben bedienten. Dieses geschah von Budge in Bonn, der Beobachtungen über die Verlangsamung und Sistirung des Herzschlages durch magneto - galvanische Reizung der Medulla oblongata und der Nervi vagi in Froriep’s Notizen und in Müller’s Archiv der Physiologie im Jahrgange 1846 bekannt machte. Ueber die Priorität dieser Entdeckungen kann indessen kein Zweifel sein, da ich dieselbe im Sep- 527 tember 1845 bei der Versammlung der italienischen Natur- forscher vortrug, und die Protokolle dieser Mittheilung in Omodei Annali universali di medieina, Vol. CXVI. No- vember 1845. pag. 225— 233., und in Archives d’anato- mie generale, Paris 1846. Jan. früher gedruckt wurden, als Budge selbst seine Beobachtungen angestellt zu ha- ben angiebt. 5 Te. % ih oh ursslann ri Ba nike Horn! ai "hut, a „oY ‚etrarhner al lnzuagiuhet- e 7 937 he je. Dazs,.; SER Al! Be N Bar las ir! unal, EINS E End M Fe "7 | Ina Albnkenaurr no lee 8 A E10 S S S = S & S g x x x z x I Meckel dıl, Tuf-IE Müllers Archiv 1840. N vo. 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