rs uruprs u ß ng £ > # 9 > kr Yı wir \ ’ + » NE} Fe Bi TR, Y in be ARCHIV FÜR ANATOMIE, PHYSIOLOGIE UND WISSENSCHAFTLICHE MEDICIN, IN VERBINDUNG MIT MEHREREN GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN voN Dr, JOHANNES MÜLLER, ORD. ÖFFENTL, PROF. BER ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, DIRECTOR DES RÜNIGE, . ANATON. MUSEUMS UND ASATONM. TÜEATERS ZU BERLIN, JAHRGANG 1848. [4 Mit zwanzig Kupfertafeln, BERLIN. VERLAG VON VERITET COMP E YıHdAA mo NOTEN. bu yıdıasın AHOIATTAHIEN aa Naranaıad nananuan Tin 9% YAlttH Ar ® ” zruunpan® varnıH erär IWRDIMIAL | v 33 {! iy, ILY ER FAT BR A Ber surıayıa s.rr5%7 Pe rs Ka Inhaltsanzeige. Bericht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1847. Von K. B. Reichert in Dorpat. . . Trichophyton tonsurans, der haarscheerende Schimmel, Ein Beitrag zur Auseinandersetzung der Krankheiten, welche das Abfallen der Haare bewirken. Von P. H.Malmsten. Aus dem Schwedischen übersetzt von F. C.H. Creplin. (Hierzu N EB 2 Frege A nn aA Bemerkungen über das Zellenleben in der Entwickelung des Froscheies. « Von Dr. Herm. Cramer. (Hierzu Taf. II. I er 4 Male ha ea ea Ueber die Bildung der hinfälligen Häute der Gebärmutter und deren Verhältniss zur Placenta uterin. Von K. B. Rei- Rem DorpaE 9, en Zur Anatomie der Niere. Von Dr. Gerlach in Mainz. (Hierzu DETRS By s 7 EC) e Bemerkungen über die Metamorphose der Seeigel. Von Joh. Müller. - Seite. 20 iv Seite Versuche über die Funktion der Zungennerven, Von Profes- sor Dr. Stannius. ee ee EL Ueber die Herznerven des Frosches. Von €. Ludwig. (rerzusdäteliV:) 2.400020. 5.08 00. 0 Cr ee Ueber die Wärmeentwickelung bei der Muskelaction. Von H. Helmholtz. (Hierzu Taf. VI. Fig. 14. 15.) . . . . . 144 Zu den Pacinischen Körperchen. Von Dr. J. Carl Strahl. (Hierzu Tafel VII)...» „wann Ser Bed Ueber die Verbindung der Saugadern mit den Venen. Von Dr. A. Nuhn, Prosector in Heidelberg. (Hierzu Tafel VIIL) 173 Ueber die Natur der Gregarinen. Von Dr. Friedrich Stein. (Hierzu lafeliE) Tea ee EZ Eine Berichtigung zu Ed. und E. H, Weber’s Mittheilung im 2. undl3. Hefte vonisar. ee. u. > 2022 Ueber den Bau der Haut des Gürtelthiers. Von Prof. H. Meyer in Zürich. (Hierzu Tafel VI. Fig 1—13.) . . . 226 Beurtheilung der Phrenologie vom Standpunkte der Anatomie aus. Ein in der Zusammenkunft der Naturforscher in Kopenhagen im Jahre 1847 gehaltener Vortrag von Andreas Retzius. Aus dem Schwedischen übersetzt von F, C. H, Creplin. 233 Ueber die Form des lIinochengerüstes des Kopfes bei den ver- schiedenen Völkern. Von Professor Andreas Retzius in Stockholm. Vorgetragen in der vierten Versammlung der scandin. Naturforscher zu Christiania, im Juli 1844. , . 263 Ueber die Koagulation des Eiweisses. Von Nathanael Lie- berkühn. . _. ı 0. Soc se a Ueber die Koagulation des Eiweisses von Nathanael Lieber- kühn. (Fortsetzung) . .. ... 000. von Ueber das chemische Verhalten einiger Skelettheile der Sepien, Von Dr. 3. G..Strahl, 22 ......202 00 00.2 nn Pmpadr Vorläufiger Bericht über eine Reihe von Versuchen zur Ermitte- lung der Rolle des Speichels in dem thierischen Haushalt. VormieBwdder in’Dorpat. .. .. . . me. ee v Seite Harnorgane des Brachinus complanatus Fabr. Von Dr. H, Kar- sten. THierzu. Tafel &.) ».r.:..,. Kalarnın BEER 367 Bemerkungen über einige scharfe nnd brennende Absonderungen verschiedener Raupen. Von Dr. H, Karsten. (Hierzu Tafel BIS TIE) an Fan een len ton u see ae REG Ichthyologische Bemerkungen von Prof. Budge inBonn. (Hierzu BEER. ie 9m. 10) ee elta er een e 888 Ueber die Schädel der Griechen und Finnen. Von Andreas Retzius. Aus dem Schwedischen von Fr. Creplin . . 388 Zootomische Bemerkungen. Von Prof. Dr. Stannius. (Hierzu 2 END PDT ER CHE Ueber das Pankreas der Fische. Von Prof. Dr. Stannius. . . 405 Beitrag zur Geschichte des Enchondroms. Von Prof. Dr. Stan- nius. (Hierzu Taf. XII. Fg8—10.) . . . 2.2... 408 Seltene Beobachtungen aus dem Gebiete der menschlichen Ana- tomie, Von Dr. Wenzel Gruber. (llierzu Taf. XIV. XV.) 412 Ueber die Bewegungen der Mimosa pudica. Von ErnstBrücke. nen TEE BVL IKEA) Ai arten ans 1492 Einige Bemerkungen über Tomopteris und die Stellung dieser Gattung. Von Professor E. Grube. (llierzu Tafel XVI. Ham. ni Asa allsentineg Kerzen PYNMASE Ueber das Maass des Stoffwechsels, sowie über die Verwendung der stickstoffhaltigen und stickstofffreien Nahrungsstoffe. Von BEreereNRrerichs: Turner 2 TEE 9 Veber eigenthümliche Moschusdrüsen hei Schildkröten. Von Pro- sector Dr. Wilhelm Peters (Hierzu Taf. XVIL) . . . 492 Ueber Vena azygos, hemiazygos und coronaria cordis bei Säuge- thieren. Von Dr. Bardeleben, Professor in Giessen. . . 497 Veber die Gallenorgane der wirbellosen Thiere. Von Dr. J. G. Friedrich Will, Professor in Erlangen. * . . ... . 50% Seite Embryologie von Nemertes. Von E. Desor. (Hierzu Tafel AV und AK) : .».... 8% 6 DE nn Ueber einige Körper in der Boa constrictor, welche den Pacini- schen Körperchen gleichen. Von Joseph Leidy. (Hierzu MALIRS)) .. 3l2moincmeigge, Ha gehen = A 22, Ueber die Entwickelung der kopflosen Mollusken, Von $.Loven. 531 BERICHT über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1847. Von K. B. Reichert in Dorpat. Referent hat Gelegenheit, auch in dem diesjährigen Jahres- berichte zunächst eine Frage von allgemeinerem Interesse für die Wissenschaft zu berühren. Durch die Schrift des Dr. E. Jäsche (De telis epithe- lialibus in genere et de vasorum sanguiferorum parietibus in specie, Dorpati Livonorum 1847, 4. ce. tab. lithograph.) ist den Naturforschern der Nachweis geliefert worden, dass das genetische Prineip in der vergleichenden Natur- forsehung auch für eine zweite grössere Abtheilung ele- mentarer, unter sich mehr oder weniger differirender Form- bestandtheile, die unter dem allgemeinen Namen: Epithelial- gebilde, zusammengefasst werden, seine Geltung habe, und dass nach demselben die einzelnen respektiven Formbestand- theile hinsichtlich der sie unterscheidenden und übereinstim- menden Merkmale genauer erkannt und gewürdigl werden können. Die sogenannten „‚Epithelialgebilde‘“ bieten gegen- über den „Geweben der Bindesubstanz“ den Vortheil dar, dass das die verwandten Gebilde vereinigende Eutwickelungs- geselza durch Untersuchuug der inneren Haarwurzelscheide und der Rindenschicht eines wo möglich grauen menschli- chen Haares (nach der von dem Ref, früher bezeichneten Methode) sehr leicht und genau nachzuweisen ist; sie füh- ren auch insofern für ihre Anerkennung weniger Sch wierig- keiten mit sich, als man nicht genöthigt ist, gegen eine her- kömmliche und eingewurzelte Ansicht von der morphologi- schen Beschaffenheit derselben, wie etwa gegen den angeb- Nüller's Archiv. 1646, A 2 lich histologisch - faserigen Bau des gewöhnlichen Bindegewe- bes anzukämpfen. So erfreulich es ist, durch die vergleichende Histologie neue Fortschritte auf dem Gebiete der mikroskopischen Ana- tomie erreicht zu sehen, so hat es Henle doch nicht un- terlassen können, in einer langen Anmerkung seines Berich- tes über die Leistungen in der Histologie (Canstatt’s und Eisenmann’s Jahresbericht ete. Bd. 1. 1848, S. 44.) gegen die ganze Methode der Forschung anzukämpfen. Henle meint, indem er auf meine Schrift über das Bindegewebe und. die verwandten Gebilde Rücksicht nimmt, dass die ver- gleichende Methode der Forschung zur Verwirrung führe, dass das mühsam ausgegrabene und noch auszugrabende empi- rische Material unter philosophischen Floskeln verschüttet werde, und dass diese letzteren zu verführerischen Systemen auf dem günstigen deutschen Boden emporwuchern könnten. Nach Bezeichnung dieser kritischen Momente, sagt Henle, dass die vergleichende Methode im Gegensatz zu der herr- schenden, und, wie er glaubt, berechtigten Richtung stehe, ohne weiter das Wesen derselben auseinanderzusetzen. Auch findet der Verfasser es besonders tadelnswerth, dass Referent am Schlusse seiner Arbeit die. mit dem gewöhnli- chen Bindegewebe verwandten Gebilde unter dem allgemei- nen Namen: „Gewebe der Bindesubstanz “ vereinigt habe, da doch der Name ,, Bindegewebe‘: einer Substanz von be- stimmten optischen (soll wohl heissen morphologischen, Ref.) und chemischen Charakteren ertheilt werde. und dass end- lich nach: vorausgeschickten Beweisen über die nicht faserige Natur des gewöhnlichen Bindegewebes auch der Umstand noch geltend gemacht wird, dass die mit demselben erwie- senermaassen verwandten Gebilde, wie die Knorpelsub- stanz, evident keine histologisch - faserige 1) Beschaffenheit besitzen. Das ist Alles, was Henle gegen die vergleichende Methode der Naturforschung in ihrer Anwendung auf die elementaren Formbestandtheile vorzubringen weiss; er spricht von Dingen, die Verwirrung machen, von Naturphilosophie und Deutschland u. s. w.; aber von dem Dinge selbst spricht 1) Ref. bedient sich des Ausdrucks: „histologisch-faserig‘* bei Gebilden, die aus Zellen sich zur Faserform entwickelt haben, und demnach organisirte, im eigentlichen Sinne zur Histologie gehörende Fasern darstellen. Die Fasern in der Schalenhaut des Hühnereies, des geronnenen Fibrins ete sind nicht organisirte Formelemente und durf- ten, streng genommen, nicht zur Wistologie, der Lehre von den orga- uisirten Formelementen, gezogen werden. Auch die durch Spaltung einer organisirten Substanz künstlich erzeugten Fasern müssen von den ans Zellen zur Faserform entwickelten Gebilden unterschieden werden. “. 3 er nichts, oder doch wenigstens nichts, was’ seinen. grossen Unmuth rechtfertigt. Man hätte erwarten sollen, dass der Verfasser sich an das empirische Material halten und hier nachweisen würde, dass die Methode zu Irrthümen geführt, oder auf falschen Thatsachen hin sich die Bahn gebrochen hätte. Doch nein — er giebt sogar jetzt zu, dass die Kon- troverse über die Zusammensetzung des gewöhnlichen Binde gewebes aus Fibrillen einer weiteren Entscheidung entgegen- sehe. Ein solcher Kampf wird geführt Angesichts einer An- merkung desselben Jahresberichtes, worin er für sich den Nachweis des Entwickelungsgesetzes der Epithelialgebilde in Ausprach nimmt, Angesichts der von ihm unternommenen und sehr hartnäckig behauptelen Zusammenstellung seiner verschiedenen Muskelfasern ; Angesichts der von ihm durch- geführten Vereinigung der gewöhnlichen Epithelien von gleichwohl sehr abweichender chemischer und auch mor- phologischer Beschaffenheit (Hornplättchen und flimmerndes Epithelium); Angesichts endlich jener Stelle seiner allgemei- nen Anatomie, in welcher Henle sagt: „ein rationelles System der Histologie müsste als Eintheilungsprineip die Metamorphosen der Zellen benutzen, so dass Gruppen der Gewebe gebildet würden.“ (a. a ©. S. 133) — Es ist aber allgemein anerkannt, dass die vergleichende Naturforschung ebenso alt ist, wie diejenige wissenschaft- liche Forschung, welche an dem Einzeldinge stehen zu bleiben genöthigt ist, und dass insbesondere die vergleichende Histolo- gie gleichzeitig die wissenschaftliche Histologie begründete. Es ist auch weiter nicht zu verkennen, dass das Deukver- fahren des vergleichenden Naturforschers durchaus dasselbe ist, wie jedes anderen umsichligen Naturlorschers; überall vergleichen wir, und suchen Unterschiede und Uebereinstim- mungen; überall gehen wir von immerhin mühsam errunge- nen sinnlichen Wahrnehmungen aus, ganz gleichgültig, ob wir es ınit einem oder mehreren Dingen in der Untersuchung zu tlıun haben. Es wäre mindestens ein sehr fruchtloses Bemühen, gegen dies Denkverfahren des gesunden Menschen- verstandes und gegen die danach gezogenen, nothwendigen Folgerungen auftrelen zu wollen; und dieses scheint Henle wohl auch nicht zu beabsichligen. Die vergleichende Natur- forsehung erhält'ihren eigenthümlichen Charakter, den Werth, die Bedeutung durch den Stofl, durch den Gegenstand, mit dem sie sich beschäftigt. Jäsche macht von neuem auf die allgemein anerkannte Thatsache aufinerksam, dass die anor- anischen Körper neben übereinstimmenden überall ebenso edeutungsvolle, unterscheidende Merkmale zeigen, und dass sie daher untereinander keine wirkliche Verwandtschaft haben. A2 4 Die anorganischen Körper stehen isolirt nebeneinander; ihre Zusammenstellung und Gruppirung ist nicht begründet auf wirkliche Verwandtschaft, ist nicht bedingt durch eine Uebereinstimmung, die sich auf eine von uns anerkannte wesentlichste Natur derselben bezieht. Die organischen Körper und ihre Bestandiheile dagegen sind wirklich nnter- einander verwandt, und diese Verwandtschaft hat durch die Entdeckung der elementaren organischen Zelle eine wissen- schaftliche Grundlage erhalten, die zu verleugnen heut zu Tage nicht mehr in der Macht des Einzelnen steht. Die verschiedenen organischen Körper und ihre Bestandtheile sind nur verschiedene Weisen, in welchen jene eine allge- meine Grundlage sich zu erkennen giebt, und ausgeprägt ist. Hierin liegt die eigenthümliche Bedeutung nnd der Werth der vergleichenden Naturforschung; denn unser Denkverfah- ren kann und darf nunmehr die Unterschiede nur an der übereinstimmenden Grundlage aufnehmen und weiter fortfüh- ren. Auch gegen diesen Satz ist keine Einwendung gemacht und wird sich wohl auch kaum etwas einwenden lassen. — Aber die vergleichende Naturforschung geht einen Schritt weiter. Man hat schon lange erkannt, dass die zur Verglei- chung vorliegenden verwandten Zustände in kleineren und grössereu Kreisen, ja zum Theil selbst auf dem gesammten organischen Gebiete in einer bestimmten unabänderlichen Reihenfolge auftreten, wie z. B. bei dem Vergleich der Wir- belthiere, der Gehirne untereinander. Man überzeugle sich dabei, dass diese nothwendige Reihenfolge nicht, wie häufig, durch eine bloss quantitative, sondern namentlich durch eine gesetzliche qualitative Veränderung der die Uebereinstimmung verwandter Zustände bedingenden Grundlage herbeigeführt werde, ganz abgesehen von den speeifischen Eigenthünlich- keiten jedes einzelnen Zustandes. Es war die Aufgabe des Ref. in seiner Schrift über das Bindegewebe und die ver- wandlen Gebilde, im Allgemeinen und namentlich auch an den Geweben der Bindesubstanz. so wie nunmehr an den Epithelial-Gebilden, darzulegen, dass solche verwandte Kör- per sich genau so, wie Zustände einer Entwickelungsreihe hinsichtlich iher Verwandtschaft zu einander verhalten. Dar aus folgt, dass die Verwandtschaft solcher Körper nur auf Grundlage eines Entwickelungsgesetzes aufgefasst und darauf hin in der Vergleichung zu den specifischen Unterschieden übergegangen werden kann. Hierin liegt das genetische Prin- cip in der vergleichenden Naturforschung; das, wie es scheint, Henle am unangenehmsten ist. Nach Gründen sucht man jedoch vergebens, aber in seiner Kritik der Kriterien der vergleichenden Naturforschung, die in derselben Anmerkung . ö nachfolgt, giebt sich ein gewisser Abscheu vor dem geneti- schen Princip zu erkennen. Diese Kritik führt uns zu einem anderen Moment der aufgeworfenen Frage, nämlich zur Untersuchung, auf welche Eigenschaften und Verhältnisse der elementaren Formelemente bei Bestimmung der Verwandtschaft besonders zu rücksich- tigen sei. Henle weiss darüber folgendes zu schreiben: Die Weise der Entwickelung eines Formelements sei dazu. un- brauchbar, weil die Beobachter uns bisher öflers unsichere Data geliefert. Die Uebereinstimmung in den Funktionen dürfe auch nicht Geltung haben, weil es nicht erwiesen sei, dass die Natur an gleichartige Elemente gleiche Funktionen knüpfe, und vielmehr bekanntlich Hornzähne und Knochenzähne beschrieben werden. Aus der Kontinuität der Formelemente lasse sich endlich auch nicht auf Verwandtschaft schliessen, weil die sogen. intermediäre Haut (die Grenzschicht von Bindegewebe unter den Epithelien. Ref.) durch flüssiges Blastem (Ref.) mit den Epithelien in unmittelbarer Kontiguität (Ref.) stehe und beide Gewebe dennoch nicht verwandt seien; weil die Beinhaut theils in die Sehne der Muskeln, theils (wie auch Ref. nachwies) in den Knochen sich kontinuirlich fortsetze, und die einzelnen Substanzen nach Henle’s Meinung nicht verwandt seien; weil endlich die Entwickelungsgeschichte lehren soll, dass alle Gewebe aus einer anfangs gleichförmi- gen Zellenmasse sich sondern, und dass die Reste der ur- sprünglichen Intercellularsubstanz (?! Ref.) zum verbinden- den Kitt (? Ref.) aller Schichten würdrn. (!!) Solche Sätze bedürfen keines Kommentars. Kaum würde es Ref. gewagt haben, dieselben den Lesern des Archivs vorzuführen, wenn sie nicht aus der Feder Henle’s geflossen, und die Verpflich- tung vorhanden wäre, die Art und Weise zu zeigen, wie man gegen das in diesem Berichte vertretene genetische Prineip der vergleichenden Naturforschung Einwendungen zu machen sucht. Die vergleichende Histologie geht aber bei Bestimmung verwandter Gebilde von jenen Merkmalen aus, nach welchen man mit oder ohne Mikroskop die Formelemente überhaupt auflasst und beurtheilt. Seit Bichat ist man gewohnt, die Erscheinungen an den Formelementen auf physikalische, che- mische, morphologische (Textur- und Struktur-) Verhältnisse, auf sogenannte vitale Energien und auf Funktion im Kör- per zu beziehen. Man hat keine Veranlassung gehabt, von diesem Wege abzuweichen, obschon zugestanden wer- den kann, dass diese verschiedenen Beziehungen mannigfach ineinandergreifen und in letzter Instanz oft keine strenge Sonderung gestatten, Die Bestimmung der Verwandtschaft geht also zuerst von diesen verschiedenen Merkmalen aus, 6 deren verwandtschaftliche Uebereinstiimmung an den ver- wandten Gebilden nachzuweisen ist; sie hält dabei an dem Grundsatz fest, dass wirklich verwandte Gebilde nach allen Beziehungen hin verwandt sein müssen, und dass also, wo eine wirkliche Verwandtschaft nach einer Beziehung hin sich herausgestellt bat, auch nach den übrigen mit ihr in Verbindung stehenden Beziehungen die Verwandtschaft vor- ausgesetzt werden muss. Dessenunerachtet sind wir in den seltensten Fällen so glücklich gewesen, Gruppen von Form- elementen zu finden, bei welchen die Verwandtschaft nach allen Beziehungen hin gleichmässig sich hätte begründen las- sen. So waren schon lange eine Abtheilung „‚leimgebender** Gewebe zusammengestellt, obgleich man die Ansicht hatte, dass sie morphologisch nicht übereinstimmten. Man hat ferner gestreifte und nicht gestreifte Muskelfasern auf Grund- lage der Irritabililät vereinigt, obschon die morphologische Uebereinstimmung oder auch Verwandischaft nicht nachge- wiesen werden konnte Es fanden sich endlich unter den gewöhnlichen Epithelien, die mit der allgemeinsten Anerken- nung hinsichtlich des morphologischen Verhaltens der sie konstituirenden Zellen zu einer Gruppe vereinigt waren, ei- nerseits die flimmernden Cylinder - Epithelien und anderer- seits auch die hornarligen, aus dachziegelförmig sich decken- den Zellen zusammengeselzte Epidermis der Haare. Henle’s Beispiel von den Horn- und Knochenzähnen kann hier füg- lich, um so mehr übergangen werden, als dieselben schon zusammengesetze Gebilde sind, und hei genauer Untersuchung die Uebereinstimmung in ihren Funktionen nicht grösser ist, als in dem morphologischen Verhalten. Neuere Forschungen haben übrigens schon mehrere der oben berührten Dishar- monien ausgeglichen, und in den „, Geweben der Bindesub- stanz‘‘ haben wir eine Gruppe von verwandten Gebilden erhalten, bei welchen die Verwandtschaft in den chemischen, morphologischen und funktionellen Beziehungen ziemlich übersichtlich zu Tage tritt. Dennoch werden wir gefasst sein müssen, aufmanche Kontroversen, auch auf manche Irr- thümer in Zukunft zu stossen, wie es die Unsicherheit unse- rer Wissenschaft nun einmal mit sich bringt, und zwar nicht weniger, ja vielleicht noch mehr, bei Beobachtung ei- nes Einzeldinges, als bei Vergleichung mehrerer. Darauf hin sich für berechtigt halten, die Hände in den Schooss zu legen, heisst in der That nichts Anderes, als die Wissen- schaft über Bord werfen, weil man Irrthümer begeht und nicht zur absoluten Wahrheit gelangen kann. Referent ist der Ueberzeugung, dass man in der ver- gleichenden Histologie um so sicherere Resultate, auch bei der . 7 Bestimmung der. Verwandtschaft erzielen werde, wenn man das genetische Moment in der Verwandtschaft stets beach- tet. Auf diesem Standpunkte sind die verwandten Gebilde nicht identisch, wie Henle meint, sondern sie können ent- wiekelungsgemäss variiren, die chemischen, die physikali- schen, die morphologischen, die funktionellen Verhältnisse der einzelnen verwandten Gebilde werden und müssen Ver- änderungen erleiden, wie es der Entwickelungsgang, auf dessen Kenntniss es also zunächst ankommt, mit sich bringt. Sodann ist darauf zu rücksichligen, dass man die specifischen Merkmale, durch welche die einzelnen verwandten Gebilde sich unterscheiden und ihr individuelles Gepräge erhalten, nicht mit denjenigen verwechseln, worauf sich die Verwandt- schaft gründet. In dieser Verwechselung liegt es hauptsäch- lich, dass man Verwandtschaften verkennt und auf Wider- sprüche unter den verwandten Gebilden stösst. _Von allen Merkmalen, die man an den organischen Dingen wahrnimmt, sind endlich, auf dem gegeuwärtigen Standpunkt der Wis- senschaft, auch für den vergleichenden Histologen diejenigen, welche sich auf die Form beziehen, die wichtigsten; die rein physikalischen, die chemischen Beziehungen, die vitalen Energien und Funklionen gestatten gegenwärtig noch keine so genaue wissenschaftlicheUntersuchang, wie die morpho- logischen Verhältnisse. Da nun überdies die Form mit dem Wesen der organischen Nalur so innig zusammenhängt, so werden die durch sie nachgewiesenen verwandten Gebilde bei weiteren Fortschrilten der Wissenschafl auch nach den anderen Beziehungen hin ihre Verwandtschaft heraus stel- len. Die organische Form, auf welche demnach der Hi- stologe überhaupt und insbesondere auch der vergleichende Naturforscher zunächst zu achten hat, ist aber keine äussere, sondern eine innere, sie geht auf Textur und Struktur; die or- ganische Form und optische Erscheinungen sind auch nicht ge- rade hin, wie es Henle thut, mit einander zu verwechseln; die organische Form wird vielmehr mit llülfe opti- scher Erscheinungeu am sichersten aus der Entwickelung der Formelemente erkannt. Da nun ferner Alles, was sich auf eine und dieselbe wesentliche Weise entwickelt, ver- wandt sein muss, so wird mit Sicherheit aus dem wesent- lich übereinstimmenden Entwickelungsgange der Formelemente auf die Verwandtschaft geschlossen, und so liefern die Stu- dien in der Entwickelungsgeschichte die sicherste Grundlage für die Kriterien der vergleichenden Naturforschung. Man wird Henle entschuldigen, dass er den hohen Werth der Studien in der Entwickelungsgeschichte verkennt und ihre Ergebnisse zu verdächtigen sich bemüht; er hat diesen 8 Studien steis fern gestanden, erkennt weder ihre Sicher- heit noch ihre Unsicherheit; er hat es vorgezogen, die ihm gerade annehmbaren Ergebnisse leider oft sehr leichferliger embryologischer Forschungen sich auftischen zu lassen und andere für unbedeutend und nicht beachtungswerth zu hal- ten; unter solchen Umständen wird er noch öfler sich täu- schen lassen. In der Sicherheit und Unsicherheit ihrer Er- gebnisse hat die Entwickelungsgeschichte zahlreiche Leidens- gelährtinnen, mit denen sie sich zu iröslen wissen wird. Referent berührt nun die Grundzüge in der vergleichen- den Histologie mit dem genetischen Charakter, wie sich die- selben aus den Beobachtungen über die „„Gewebe der Binde- substanz‘ und über die sogenannten Epithelialgebilde in einer sehr auffallend übersichtlichen Weise ergeben haben. Es würde zu weit führen, genauer auf Einzelheiten einzugehen, über die man sich durch das Studium der genannten Schrif- ten unterrichten mag. Bekannt ist es in der vergleichenden Naturforschung, dass auch durch Vergleichung der verschie- denen schon entwickelten Formen in einem Thiere und bei verschiedenen Thieren Verwandtschaftsreihen, obschon nicht mit solcher Sicherheit, wie durch das Studium der Entwicke- Jungsgeschichte, sich begründen lassen, und wie namentlich eine übersichtliche Kenntniss über das Variiren der speeifi- schen Merkmale verwandter Gebilde gewonnen wird. Des- gleichen ist das Kontinuitälsgesetz für die Begründung ver- wandter Formelemente unzweifelhaft und fesstehend. Ge- hen Formelemente verschiedenen Ansehens mit ihrer Sub- stanz2 (und nicht etwa durch formloses, flüssiges Blastem ) kontinuirlich (und nicht als Contigua!) ineinander über, so ist dieses nicht anders denkbar als bei wesentlich überein- stimmender Entwickelungsweise, und darum begründet die Kontinuität der Formelemente, wo sie etwa angetroffen wird, auch ihre Verwandtschaft. Henle’s Entgegnungen bewei- sen, dass er entweder die Sache gar nicht verstanden hat oder nicht verstehen will. Nicht minder beachtungswerth hei vergleichend morphologischen Beobachtungen ist auch der Umstand, dass in manchen Fällen die optischen Ver- hältnisse verwandter Formen mehr oder weniger die Er- kenntniss derjenigen Merkmale erschweren, worin sich die verwandtschaftliche Uebereinstimmung ausspricht. Zum Schluss dieser Erörterungen mag den Gegnern der vergleichenden Naturforschung gerathen sein, statt in leeren Phrasen und persönlich werdenden Witzen sich zu ergehen, vielmehr durch in der Natur begründete Thatsachen etwaige Ueber- griffe und Irrthümer «wissenschaftlicher Bestrebungen zu be- 9 richtigen, deren längst anerkannter Werth und Bedeutung sich nun doch nicht weiter beseitigen lässt. In Betreff der Bedeutung der Zelle als allgemeiner Grundlage der organisirten Zustände hat sich Bruch dahin ausgesprochen, dass die Zelle nur eine Art oder sekundäre Form organischer Elementartheile sei, nicht aber die gemein- same Grundlage für alle Gewebe. (Die Diagnose der bös- arligen Geschwülste etc. Mainz. 1847. Mit V. lithograpbir- ten Tafeln. S. 289) Der Verfasser, der seine Beobach- tungen unter dem Eindruck der Henle'schen allgemeinen Anatomie gemacht, findet nämlich, dass die Entwickelungs- weise des Fasergewebes (Bindegewebes, Ref.) in den gutar- tigen und bösartigen Geschwülsten genau nach der Henle’- schen Weise vor sich gehen (S. 301 seqq.). Ausserdem be- obachtete er in den Krebsen körnige und glatte, klare, farb- lose Kerne, an letzteren deutliche Bläschen, die bis ins Monströse wachsen, sich angeblich durch Theilung vermeh- ren, in Essigsäure unlöslich sind, die ferner frei lagen (und also! keiner Zelle angehört haben), desgleichen niemals eine Hülle hatten (und also! nicht zu einer Zelle werden). S. 255. seqq.) Referent hat bereits iu früheren Jahresberichten über die Haltbarkeit solcher Folgerungen und die Sicherheit der ihnen untergelegten Beobachtungen seine Ansicht mitge- theilt. Dagegen haben die Untersuchungen Bruch’s in Ueber- einstimmung mit denen Virchow’s (zur Entwickelungsge- schichte des Krebses etc.; Archiv für pathologische Anato- mie und Physiologie etc. B. I. S. 95 segq.) von neuem das Resultat bestätigt, welches letzterer mit den Worten unseres ossen Physiologen wiedergiebt: ,‚Das Careinom ist kein eterologes Gewebe, und die feinsten Theile seines Gewe- bes unterscheiden sich nicht wesentlich von den Gewebthei- len gutarliger Geschwülste und der primitiven Gewebe des Embryo.“ Demnach versteht sich von selbst, dass auch die Entwickelung der Formelemente in den gutarligen und bös- arligen Afterprodukten mit der in den normalen Bestand- theilen des Organismus übereinstimmen müsse (Ref.). Des- gleichen fällt nunmehr nach den gewonnenen und allgemein anerkannten Thatsachen jeder Grund fort, die Afterpro- dukte in irgend einer Weise als Schmarotzer zu betrachten; sie sind die Produkte von Krankheiten der Vegetalion in dem Organismus. Die öfters vorkommende Uebereinstimmung der in Masse überwiegenden Formelemente (,‚Muttergewebe**) der in der “Nähe befindlichen gesunden Bestandtheile des Körpers hat bekanntlich zu dem Auspruch des „‚Gesetzes der analogen 10 Bildung‘* veranlasst Referent hat dieses Gesetz, welches von Bruch auch auf das Verhalten der normalen Gewebe ange- wendet wurde, in dem Bericht vom Jahre 1845 näher be- sprochen. In der genannten Schrift soll dieses Gesetz nach Bruch sagen: „‚dass unwesentliche (?), accessorische, daher insbesondere pathologische, organisirte Produkte in der Re- gel im feineren Bau dem Typus des Muttergewebes. folgen (S. 323). In dieser Fassung ist das Gesetz ganz unverfäng- lich; es ist eine etwas gekünstelte rseiertenne öfters zu- sammentreflender Erscheinungen pathologischer Wucherungen des Körpers; es ist nicht einmal der Sinn ausgesprochen, dass das ursprüngliche, unorganisirte Blastem bei seiner Um- wandlung in die Gewebe der pathologischen Geschwülste durch angrenzende normale Gewebe öfters bestimmt werde, obgleich der Verfasser diese Ansicht hat. Da jedoch die pa- thologischen Gesch wülste an einer und derselben Stelle sehr ver- schieden ausfallen können, und der Einfluss der krankhaften Kon- stitulion des ganzen Körpers auf die Bildung derselben nicht zu verkennen ist; da ferner durch das Gesetz doch nicht erklärt werden kann, warum gerade die Gewebe der Binde- substanz, das Fett, die Epithelien, die Gefässe oder überhaupt indifferente Zellen krankhaft wuchern; da endlich dieselben Erscheinungen bei dem Wachsthum uud der Regeneration schon längst bekannt sind, und also auch hier nur, wie im- mer bei Krankheiten, die normalen Processe uuter krankhaf- ten Verhältnissen zur Erscheinung treten; — so ist Referent der Ansicht, dass es nicht der Mühe lohne, so viel Wesens mit dem sogenannten Gesetze „,,der analogen Bildung“ zu machen. Dessenunerachtet geht Bruch noch weiter: er behaup- tet fortdauernd, dass auch unter den normalen Geweben das körnige Pigment, welches häufig nur aceidentell auftre- ten soll, in der Oberhaut die Gestalt der Epidermiszellen an- nehme, in den faserigen Geweben aber, z. B. in der. Qutis, in der Selerotica, zu langgestreckten Faserzellen, Röhren, sternförmigen Gestalten auswachse. (S. 324.) Um. diesen Satz und seine Beziehung zu dem sogenannten Gesetz der analogen Bildung zu prüfen, muss zunächst das festgehalten werden, was nunmehr auch Bruch zugiebt, dass nicht jedes Formelement, welches in seinem, Inhalte Pigmentkörnchen führt, zu der Kategorie der sternförmigen Pigmenizellen und damit verwandten einfachern Bildungen gehöre. Wir ha- ben stark pigmentirte Eizellen, Dotterzellen, Epithelien, wozu auch unzweifelhaft die Membrama pigmenti der. Cho- roidea zu rechnen ist, desgleichen pigmentirte Nervenkörper, bei welchen nicht etwa, wie Bruch nach der Henleschen . 41 Anatomie angiebt, dıe Pigmentkörnchen auf der Oberfläche liegen, sondern in der zühen Masse, die den Kern umgiebt, eingebettet sind; endlich die sternförmigen Pigmentzellen mit ihren einfachern Formen. In allen diesen Formelemen- ten, ohne Ausnahme, können die Pigmentkörnchen in grös- serer oder geringerer Menge vorhanden sein, sie können aber auch gänzlich fehlen. In diesen Tagen untersuchte Referent die Augen einer weissen Ratte, deren Choroidea ganz weiss war, und nur einen rötblichen Schimmer von den Blutge- fässen zeigte. Bei der mikroskopischen Untersuchung sah man in den polyedrischen Zellen der Membrana pigmenti nur hin und wieder feine Pigmentkörnchen, öfters gar keine. In dem gefäss- und nervenhaltigen Theile der Choroidea, wo sonst so zahlreich die pigmentirten einfachen Formen der stern- förmigen Pigmentzellen anzutreffen sind, fehlten keineswegs gänzlich die geschwänzten spindelförmigen , hinund wieder mit einem oder zwei Seitenästchen versehenen Körperchen. Aber sie waren mit einer homogenen, hellgelblichen Flüssigkeit gefüllt, in welcher nur spärlich, oft gar keine Pimentkörper- chen sich vorfanden. Sie sind also nicht einmal bei den zu der Kategorie der sternförmigen Pigmentzellen gehörenden Formelementen ein durchaus nothwendiges Requisit ihres Inhaltes. Gleichwohl wäre es etwas kühn behaupten zu wollen, dass da, wo die Pigmentkörnchen in dem Inhalte obiger Formelemente unter normalen Verhältnissen auftreten, dieselben einen unwesentlichen oder nur aceidentellen Werth hätten, Dagegen muss man anerkennen, dass man die Pig- mentkörnchen unmöglich zur Charakterisirung dieser ver- schiedeuen Gewebe gebrauchen kann, dass man sich vielmehr an die morphologischen Verhältnisse zu halten hat. Hier- nach sind aber, wie die Beobachtungen klar und deutlich zeigen, zunächst die Epithelien und die in die Kategorie der sternförmigen Pigmentzellen gehörenden Formelemente als typisch verschieden zu betrachten, oder sie haben eine ganz verschiedene Entwickelungsweise. Desgleichen hat auch das Bindegewebe selbst nach der Henle’schen Ansicht in seiner Entwickelung nicht eine Spur von Uebereinstim- mung mit den sternförmigen Pigmentzellen. Wie kann man nun wohl nach solchen Thatsachen in dem Umstande, dass pie jungen Zellen mit oder ohne Pigmentköruchen auf dem Corium weiterhin zu Epidermisschichten sich verwandeln, und dass sternförmige Zellen oder die verwandten einfachern Formen ohne oder gewöhnlicher mit Pigmentkörnchen in dem Bindegewebe vorkommen, eine Bestätigung des Gesetzes der analogen Bildung finden? In Betreff des Bindegewehbes und der sternförmigen Zellen etc. ist derarliges gar nicht zu 12 verstehen. ‘In dem Wachsthums- und Regenerationsprozess der Epidermis könnte man allenfalls sagen, dass die jungen Zellenschichten, meinethalben unter dem Druck der drüber- liegenden ausgebildeten Epidermis, zu Epidermisschichten sich entwickeln. Referent würde freilich, von dem Bekann- ten ausgehend , vielmehr zu dem Ausspruch sich veranlasst gesehen haben, dass in den pathologischen Produkten Er- scheinungen auftreten, die in dem Wachsthums- und Regene- ralionsprozess der Epidermis schon bekannt sind, und dass es gerade nicht nothwendig sei, für bekannte Erscheinungen neue Gesetze zu schaflen. Inzwischen ist es mit der unum- schränkten Einwirkung eines schon ausgebildeten Gewebes auf die mit ihm noch im Kontakt stehenden jungen, noch indifferenten Zellenschichten selbst in der Epidermis noch ein missliches Ding, Auf dem Nagelbette liegt die Nagel- substanz genau an einer Zellenschicht des Corium, und letztere verwandelt sich gleichwohl nieht in Nagelsubstanz, in dem Haarsack liegen die Haarscheiden und das Haar selbst dicht aneinander, und alle’ gehen doch ihre eigenen Wege u. s. w. — Ueber die Zellengenesis und die mit derselben in Verbindung gebrachten Erscheinungen hat zunächst Bruch in der erwähnten Schrift seine Ansicht ausgesprochen, die sich sehr innig an die Henle’s, Kölliker's, H. Müller’s anschliesst (a. a. ©. S. 233. seqq. S. 287 segq.). Im fri- schen Blastem scheiden sich zunächst Fettiropfeu, Elemen- tarkörnchen ab, die miltelst eines eiweissartigen Bindemit- tels zu Klümpchen oder Kügelchen oder Körnerhaufen zusammenkleben und auf dieser Stufe verharren, oder aber, ganz oder zum Theil, den Kern konstituiren. ‘War der Kör- nerhaufen ein sehr grosser, so können sich auch mehrere Kerne darin bilden. Zu solchen Klümpchen rechnet der Verfasser die primären Bildungskugeln, aus denen die Anla- gen der ersten Organe im Embryo bestehen (! Ref.); die Körperchen im Wundexsudate, Vesikatorblasen, auf Gesch würs- flächen, im Eiter, wenn sie keine Hüllen besitzen; die Chy- lus- und Lymphkörperchen; farblose Blutkörperchen; die Körperchen, welche unter dem Namen Schleimkörperchen, Schweisskörperchen, Speichelkörperchen etc. in dem Sekrete der Haut- und Schleimhautdrüsen vorkommen; die Exsudat- Körperchen nach Valentin; die Körperchen des Reliculum im !Careinoma reticulare; die Tuberkelkörperchen, die Kör- perchen in den typhösen Plaques, namentlich der Peyer- schen Drüsen; die Markschwammkügelchen, die auch in je- dem Krebse sich vorfinden können. Durch Verschmelzung der Elementarkörnchen entstehen die im Anfange körnigen 13 Kerne, deren peripherische Schicht nunmehr 'erhärtet, während der Inhalt sich verflüssigt und so das Auftreten bläschenartiger, klarer, farbloser Kerne veranlasst. Diese Kerne können selbstständig bleiben und sich vermehren, und zwar, wie der Verfasser glaubt, auf doppelte Weise: durch Theilung und durch Endogenese (S. 280 seqq.). Die Endo- genese geschieht durch Wachsthum der Kernkörperchen, die von ihm endogene Kerne genannt werden, und welche nach ihm, wie auch schon von Anderen beobachtet worden, we« der in pathologischen noch in normalen Geweben vor dem Kern praeexistiren (S. 252). Entweder durch neue Ablage- rung oder aus einem Theile des ursprünglichen Klumpens bildet sich ferner eine Hülle um viele freie Kerne, die imbi- birt, erhärtet und Zellenmembram wird. Die so fertig ge- machte Zelle kann sich nun auch endogen vermehren, doch niemals durch Theilung der Zelle selbst, sondern durch Vermittelung der Kerne, die sich vermehren, mit Hüllen umgeben und sv Toochterzellen bilden. Diese Entwickelungs- weise hat der Verfasser besonders an der Krebszelle studirt, die von ihm für eine Zelle in der reinen idealen Gestalt, für eine Zelle schlechthin gehalten wird. (!) (S. 330). Inwiefern die von Bruch an den pathologischen Ge- schwülsten gemachten Beobachtungen der Elementarkörn- chen-und-Klümpchen- Theorie in der Zellengenesis einen Vorschub zu leisten im Stande sind, das ergiebt sich aus den zahlreichen Untersuchungen über die Körnchenzellen- und Fettkörperchenhaufen-Bildung, welche wir Virchow (a. a. O.) und Reinhardt (über die Entstehung der Körn- chenzellen. Archiv für pathologische Anatomie und Physio- logie ete. von Virchow und Reinhardt. Bd. I. S. 21 bis 71.) verdanken. Die Verfasser weisen nach, dass in kernhaltigen, mit einem eiweissartigen Inhalte versehenen Zellen, sowohl im Norimalzustande verschiedener Organe als in pathologischen Produkten, kleine Fettmolekule im Zellen- oder Kerninhalte, ja bei den Krebszellen nach Vir- chow auch an den Kernkörperchen auftreten, dass ferner, während sich dieselben vermehren, die Kern- oder Zellen- Membran atrophirt, verschwindet und schliesslich eine ein- fache Assregatkugel von Fettkörnehen (Klümpchen Br.) zu- rückbleibt, und dass endlich auch diese noch in Elementar- körnchen zerfallen kann. Nach Virchow’s Beobachtungen au den Krebszellen beginnt dieser Prozess am hänfigsten in dem Kern. Man sieht dann in der dunkeln granulirten Substanz des Kerns einzelne hellere glänzende, dunkel kon« tourirte Punkte, die sich durch ihre Unlösliehkeit in Kalilö- sung von dem Kernkörperchen unterscheiden. Diese Fett- 14 körperchen vermehren sich, während der übrige Inhalt des Kernes klarer wird, und der Durchmesser des Kerns sich auch wohl vergrössert. Dann verschwindet die Membran des Kerns und statt des letzteren findet sich ein: Häufchen feinkörniges Fett olıne deutliche Begrenzung. Die Zahl die- ser Körncheu nimmt nun mehr und mehr zu, füllt allmäh- lig die Höhle der Zelle an, und es bleibt danu nach Ver- künmerung der Zellenmembran die Fettaggregatkugel als das Klümpchen zurück. Ist der Ausgangspunkt des Prozesses in dem Zelleninhalte gegeben, so füllt sich in ähnlicher Weise allmählig der ganze Raum zwischen Membran und Kern mit den Fettkörnchen an, dann schwindet die Zelleumem- bran, ‘und es bleibt anfangs ein vielleicht noch mit einem Kern versehener menibranloser Aggregathaufen von feinkör- nigem Feit zurück. Später verändert sich aber auch der Kern in besprochener Weise und die ursprüngliche Zelle stellt nunmehr einen durch eine sparsame Bindesubstanz zu- sammengehaltenen Fettkörnchen-Haufen dar, von gelblicher oder bräunlicher Farbe. Beginnt die Fettmetamarphose vom Kerukörperchen, so schreilel der Prozess ähnlich vorwärts, wie es bei dem Kern angegeben wurde (a. a. O. S. 142 ff.). Die Verfasser haben die Verwandlung der gekernten eiweisshaltigen Zellen in Fettkörnchenzellen und Körnchen- konglomerate an den verschiedensten Stellen des Körpers unter normalen und krankhaften Verhältnissen nachgewiesen. Vor Allem sind zunächst hier die Epithelialzellen hervorzu- heben. Reinhardt beschreibt sehr genau (a. a. ©. S. 21 bis 43) den ganzen Verlauf des Prozesses in den Zellen der Membrana granulosa des Graaf’schen Bläschen, sowohl in denjenigen Fällen, wo dieselben, bevor sie zur vollständigen Reife gelangt sind und das Eichen verlieren, sich wieder zurückbilden, als auch nach dem Austrelen des Eichens während der Veränderungen des Corpus luteam. Hier ist es in der That leicht, sich von der Wahrheit der Angaben zu überführen. Zugleich macht der Verfasser darauf auf- merksam, dass aus den jüngeren Zellen der Membrana gra- nulosa öfters kernlose Körper kervorgehen, von ganz ähnli- cher Beschaffenheit, wie die kernlosen Eiterkörperchen nach Vogel. Sie stellen sich als kuglige oder unregelmässig ge- staltete Körper dar von 0,0005 — 0,0006. Sie sind bald homogen, bald mehr oder weniger stark granulirl und ent- halten ein oder mehrere Fettmolekule. Iu Wasser verändern sie sich nicht merklich, in Essigsäure werden sie durchsich- tiger, in kaustischem Kali lösen sie sich bis auf die Fettkörn- chen auf, Es entstehen diese kernlosen Körper durch Ver- schmelzung der Zellenmembran, des Inhaltes und des Kerns . 15 zu einer gleichförmigen, mehr oder weniger festen Masse, in welcher die einzelnen Bestandtheile der Zelle nicht mehr unterschieden werden können. — Es soll diese Metamorphose der Zellen besonders da eintreten, wo der Wassergehalt in der Umgebung der Zellen erheblich vermindert wird. — Desgleichen wurden von demselben Verfasser dieser Meta- morphose die Epithelialzellen zu Körnehenzellen in den Epi- ihelien der serösen Häute (Pleura,- Peritonäum ), namentlich bei geriugen wässrigen Ergüssen in die genannten Höhlen vorgelunden. — Auch auf den Schleimhäuten wurden diese Beobachtungen gemacht. Nach Virchow sind namentlich in dem Epithelium der Lungenbläschen bei Hunden fast kon- stant einzelne Zellen mit Fettkörnehen dicht angefüllt vor- zufinden. In krankhäften Zuständen der Lungen des Men- schen ist diese Fettmetamorphose der Zellen oft sehr ausge- breitet und instruktiv. Auch das Flimmerepithelium in den Lun- gen erleidet solche Veränderungen, namentlich nach Rein- hardt in einem Falle, wo die untere Hälfte einer Lunge durch ein pleuritisches Exsudat komprimirt war. Dieselben Beobachtungen wurden ferner gemacht an den Epithelien der Harnkanälchen, der Samenkanälchen bei alten Leuten. Nach Reinhardt’s ausführlichen Untersuchungen erweisen sich die Collostrumkörperchen als solche durch Feltmeta- marphose der Epithelialzellen in den Milchkanälchen ent- standene Bildungen. — Virchow giebt ferner die merkwür- dige Beobachtung an, dass er die Epithelialzellen in den Kapillargefässen (wahrscheinlich zweiten Grades Ref.) der Nieren mit glänzend rothen oder zelblichen, durch Essigsäure erblassenden, excentrisch von dem Kern gelegenen Fetttröpf- chen gefüllt gesehen habe. (Derselbe Verfasser berichtet, dass die röthlichen oder gelblichen Kügelchen in den Epithe- lialzellen der Plexus choroidei als Fettkügelehen anzusehen seien und gleichfalls erst in späleren Lebensaltern entstehen, da sie bei Neugebornen und Kindern fehlen.) Auch wurde die Feltmetamorphose der Epithelialzellen in den Markkanäl- chen bei Schädelknochen beobachtet, die von einem Gesichts- krebs aflieirt waren. — Nach Virchow nehmen ferner die farblosen Blutkörperchen in Folge einer Fettkörnchen- Abla- gerung alle Formen der sogenannten Körnchenzellen oder Ent- zündungskugeln an. Dass auch die Entzündungsprodukte hieher gehören, das hat Reinhardt schon früher mitge- theilt. (Traube’s Beiträge zur exprimentellen Pathol. ete. Heft IL. S. 266.) — Virchow erwähnt schliesslich der Fett- körnchenbildungen der spindelförmigen und geschwänzten Körperchen, wo sie vom Kern ausgeht: in der Scheide der primitiven Nervenfasern im krankhaften Zustande, in den 16 primitiven Muskelbündeln, deren Fibrillen nicht selten in Fettkörnchen umgewandelt werden, (a. a. ©. S. 144. ff.) Schon im Jahre 1846 halte Dr. von Bock in Veran- lassung einer Preisfrage der Dorpater Universität „über die Heilung der Wunden per primam intentionem “ Beobachtun- sen über die Eiterbildung gemacht, die derselbe. später in seiner Inaugural-Dissertation (De pure, Dorpati Livonorum 1848. 8.) mitgetheilt hat, und die gleichfalls hier zu berück- sichtigen sind. Der Verfasser fand in den Blasen, die er an seinem eigenen Körper durch ein Vesicatorium hervorgerufen hatte, nach Verlauf von acht Stunden in der geringen Menge entleerter Flüssigkeit keine Elementarkörnchen, son- dern nur sehr wenige Zellen, ähnlich den Eiterkügelchen, die jedoch nicht durch Essigsäure verändert wurden. An der Epidermis zeigten sich die jüngeren Zellen auf der inne- ren Fläche angeschwollen, von dunkel markirten Rändern umgeben, mit hellen, grossen Kernen versehen, die durch Essigsäure unregelmässige Gestalten annahmen. Eine Stunde später enthielt die schon trüber gewordene Flüssigkeit einer zweiten Blase sehr viele, den Eiterkörperchen ähnliche Zel- len und an der Innenfläche der Epidermis waren die jünge- ren Zellen nicht mehr so zahlreich, und von derselben Be- schaffenheit, wie die losgelösten Eiterkörperchen. ‚Freie Ele- mentarkörperchen fehlten auch hier. Nach dreissig Stunden war die Ausbildung derEiterkörperchen; schon vollendet und an der Innenfläche der Epidermis zeiglen sich unter der geringen Zahl sphärischer Zellen einige nahezu, andere schon ganz von der Beschaffenheit, wie die fertigen Eiterkörperchen. Aehn. liche Beobachtungen machte v. Bock an offenen Wunden- die er den Hunden applieirte.e. Auch hier fehlte in dem ge- sunden Eiter anfäuglich jede Spur von Elementarkörnchen, Der Verfasser ist der Ansicht, dass auch in den tiefer gele- genen Abscessen die Bildung der Eiterkörperchen, wie auf den Schleimhäuten und Vesicatorium -Blasen zunächst von den Zellen der umliegenden Gebilde ausgehn und dass na- mentlich auch die Epithelien der Gefässe solche Zellen her- geben dürften. Unstreitig ist bisher eine genaue und gründ- liche Untersuchung der Nachbarschaft eines eiternden Heer- des und pathologischer Produkte, um über das Verhältniss der Elementarkörnchen bei der Zellenbildung zu entscheiden zu oft vernachlässigt, freilich aber auch oft gar nicht auszu- führen möglich (Ref.). Auch v. Bock fand Elementarkörn- chen frei und in Aggregathaufen ohne Membran nur im schlechten Eiter, oder in solchem, der nicht zur weiteren Regeneration, sondern zum Auswurf oder zur Ablösung be- stimmt war. 17 Aus den milgelheilten Beobachtungen ergiebt sich, dass unter gewissen Umständen die verschiedensten Zellen mit eiweissartigem Inhalte Fellkörnchen in sich ablagern und so zu Körnchenzellen, Entzündungskugeln, Fettkörnchen, Kon- glomeraten und Klümpchen werden können, und dass diese Fettmetamorphose auch an faserigen Gebilden zur Erschei- nung treten kann. — Virchow hat diesen Prozess, der je- doch bisher nicht an den rothen Blutkörperchen und Feit- zellen beobachtet wurde, kurzweg mit dem „.„Geselz der Fett- metamorphose zelliger und faseriger Gebilde ““ bezeichnet. (A. a. ©. S. 149.) In diesem Gesetz ist besonders wichtig das Moment aufzufassen, dass die Fettmetamorphose eine krankhafte Erscheiuung sei, in den Zellen von einem gewis- sen Alter bei dem allmähligen Hinsterben eintrete und meist der spontanen Zerstörung vorherghee — Wenn in den jungen Eizellen beim Reifen, oder in den Mutterzellen der Samenkörperchen unter denselben Verhältnissen sich Fettkörnchen im Zelleninhalte ablagern, wenn das Cylinder- Epithelium des Darmkanals während der Assimilalion sich mit Fetttröpfchen oder vielleicht auch mit Körnchen füllt, so gehört dieser Prozess nicht hieher. (Ref) Auch ist be- kannt, dass Dotterzellen bei ihrer ersten Entstehung Fettkü- gelchen führen und sie später bei der Umwandlung in histologi- sche Formelemente verlieren. Das obige Geselz kann immerhin neben solchen Thatsachen bestehen. Dagegen ist es nicht immer ganz leicht zu bestimmen, in welchen Fällen die Fett- metamorphose der Zellen als ein Zeichen der Deerepidität derselben anzusehen sei, und von welchem Augenblick an die Periode der Verkümmerung anhebt. In den meisten von Reinhardt und Virchow untersuchten Fällen endet die Fellmetamorphose der Zellen mit Zerstörung der letzteren; der Fall von den Epithelien der Plexus choroidei passt oflen- bar nieht dahin. Gleichwohl‘ wird dadurch noch nicht be- wiesen, dass die Zelle an sich beim ersten Beginn der Feit- körnchen-Ablagerung und selbst weiterhin schon als abster- bende zu betrachten se. Man kann sich vorstellen, dass nicht die Bildung der Fettkörnchen an sich, als vielmehr der Umstand, dass durch sie die Zellen als heterologe Be- standtheile an Ort und Stelle auftreten, die Zerstörung und der Untergang nach der Fetlmelamorphose herbeigeführt werde. Vorliegender Bericht darf übrigens von diesen Kon- troversen ganz absehen; für ihn ist die hinlänglich begrün- dele Thatsache von Wichtigkeit, dass durch die Feltmeta- morphose eiweisshaltiger gekernter Zellen (nach erfolgter Verkümmerung) das Auflrelen von Körnerhaufen, Klümp- chen, Umhüllungskugeln u. s. w., desgleichen freier Elemen- Müller's Archiv, 1816, B 18 tarkörnchen veranlasst wird, und dass diese Ueberbleibsel der verkümmerten Zellen von den Anhängern der Elemen- tarkörnchentheorie mit den verschiedenen Variationen zur Begründung ihrer Zellengenesis benutzt worden sind. Während so die Theorie der Klümpchen und Umhül- lungskugeln mit nachträglicher Umbildung der Zellenmem- bran eine Stütze nach der anderen, die zuvor für ganz ge- sichert gehalten wurden , verloren hat, während fer- ner von dem Referenten in seiner Abhandlung über die Entwickelung der Saamenkörperchen bei den [Nematoideen nachgewiesen wurde, dass bei der Bildung der Eizellen und Mutterzellen der Spermatozoen die Feltkörnchen vielmehr in einer schon vorhandenen Zelle, um ihren Kern und nicht um einen freien Kern abgelagert werden, haben Ecker (Zur Genesis der Entzündungskugeln: Nenle’s und Pfeu- fer’s Zeitsch. Bd. VI. Heft I. S. 87.), Kölliker (über den Bau und die Verrichtungen der Milz. Aus den Mittheilun- gen der Züricher nalurf, G.) und Landis !(Beilräge zur Lehre über die Verrichtungen der Milz. Inaugdiss. Zü- rich 8. c. 1 Taf.) neue Beiträge geliefert, wodurch diese Theorie nunmehr ganz ausser Zweifel gesetzt sein soll. Schon im Jahre 1846 hatten Kölliker und Hasse über blutkörperhaltige Entzündungskugeln ihre Beobachtun- gen mitgetheilt. Hieran schliessen sich die Angaben Kölli - ker’s und seines Schülers Landis über das Verhalten „‚der massenhaft zu Grunde gehenden Blutkörperchen der Milz.‘ (Landis, p. I). Bei alten Thieren sind die sich zersetzen- den oder zerfallenden Blutkörperchen der Milz (bei den Frö- schen innerhalb der Gefässe, selbst in Kapillargefässen, bei den Fischen in Extravasaten, die sich einkapseln, bei den Säugethieren in den cavernösen Räumen, mit welchen die Venen der Milzpulpa beginnen) in rundliche Zellen von 0,006 — 0,015‘ miltlerer Grösse eingeschlossen, die ausser allem Zweifel jede so entsteht, dass ein Häufchen von ge- ronnenenn Blutplasma mit einem oder mehreren bis 20 Blutkügeleben nach Erzeugung eines Kernes in seinem In- nern mit einer Membran sich umgiebt. .,Diese blut- körperchenhaltigen Zellen ** gehen dann entweder unmit- telbar, während die Blutkügelchen erblassen, einschrumpfen und in Körnchen zerfallen, in .,farblose Körnchenzellen“ oder weit häufiger in „gefärbte Körnehenzellen“ über, indem die Blutzellen während des Zerfallens orange- gold- und braungelb sich färben. Auch die gefärbten Körnchenzel- len werden später farblos; bei Fischen, Amphibien jedoch häufig erst dann, nachdem sie zuvor in schwarze oder braune Pigmentzellen sich verwandelt haben. Die farblosen Körn- * 13 ehenzellen verkleinern sich später nach und nach, und wer- den zu dunkel granulirten Zellen von 0,004 — 0,008. Die farblosen Körnchenzellen sind durch den Reichthum an Körnehen, zum Theil auch durch die Grösse von den Zellen des Milzparenchyms zu unterscheiden. Bei den Fischen und auch bei Fröschen finden sich ähnliche Verwandlungen des stockenden Blutes auch in anderen Organen, Niere, Leber, Peritonaeum; desgleichen beim Menschen in den Extravasa- ten an verschiedenen Stellen des Körpers. Am besten ge- lingt die Beobachtung bei nackten Amphibien Ecker's Untersuchungen kommen auf dasselbe Resul- tat heraus. Der Verfasser fand ebenfalls in der Milzpulpa der verschiedeneu Thiere, desgleichen im ausgetretenen Blute des Gehirns, eines Schilddrüsenlappens Zellen, in wel- chen I — 10 und mehr Blutkörperchen enthalten waren. Ihre Form ist bald rund, bald unregelmässig; in den mei- sten Fällen ist an ihnen die Zellenmembran deutlich, der Kern kann vorhanden sein, oder auch fehlen. Am meisten instrukliv sind die Beispiele, wo, wie bei niederen Wir belthieren die Blutkörperchen durch ihre Form und den Kern deutlich marquirt sind. Beim Kalbe sah man in der Milzpulpa Zellen mit einem Blutkörperchen, welches beim Bersten der Zellenmembran heraustrat, im Wasser blass wurde und verschwand. Die Blutkörperchen können nun wie im freien Zustande, so auch innerhalb der angeblichen Zelle in folgender Weise sich verändern: Der Farbstofl der- selben zerfällt in kleine Körnchen, welche durch die zerfal lene und eingeschrumpfte übrige Substanz zusammengehalten werden. Diese Körnchen werden für identisch smit den Körnchen der Entzündungskugeln und Körnchenzellen ge- halten. Durch Ueberhandnahme dieser Körnchen und Ver- änderung in der Färbung bilden sich gelbe, braune , sch wärz- liche Körner, die in der Milz isolirt oder auch in Zellen enthalten angetroffen werden. Auf solche Weise wird das Auftreten der| Körnchenzellen und pigmentirten Zellen her- beigeführt. Zur Würdigung der so eben milgelheilten Beobachtun«+ gen ist es unerlässlich, das ‚Nolhwendige aus den so be- achtungswerthen Untersuchungen Virchow’s über die pa- thologischen Pigmente (Virchow's und Reinhardt’s Ar- ehiv. Bd. I. Heft II und III. $. 379 f,) herbeizuziebeu. Wenn Blut irgendwo im Körper stagnirt, sei es innerhalb oder aus- serhalb der Gefässe, so kann das Hämalin, welches nach- weislich an Eiweiss gebunden ist, entweder in den Blut- erchen zurückgehalten werden, oder mit denselben austreten, In dem leizieren Falle werden zunächst die B2 20 Blutkörperchen entfärbt, schrumpfen ein: es zeigen sich in ihnen 1—5 ganz kleine scharf begrenzte Körperchen, den Feitmolekeln ganz ähnlich, aber chemisch von ihnen we- sentlich verschieden. Die entfärbten Blutkörperchen haben eine grosse Resistenz gegen Reagentien; in kouzentrirter Kalilösung lösen sie sich schnell; später schrumpfen sie mehr und mehr ein und verschwinden bis auf die Körnchen gänzlich. Dass aus diesen, in bezeichneter Weise sich ver- ändernden Blutkörperchen einfach oder nach erfolgter Ag- gregalion, desgleicheu durch Zusammenhäufung der zurück- bleibenden Körnchen , Körnchenzellen hervorgehen, hat sich nirgend beobachten lassen. Die einzelnen Körnchen entste- hen auch nicht durch Trennung des Hämatins, da der Grad der Färbung, wenn sie wirklich vorhanden ist, nicht im Entferntesten der Hämatinfarbe entspricht. Der ausgetretene Farbstoff dagegen kann jede beliebige geformte oder form- lose, namentlich aber stickstoffhaltige, imbibitionsfähige Sub- stanz durchsetzen, die in der Umgebung sich befindet und dem Blut selbst, oder einem Gewebe angehört, in welchem das Blut stagnirtt Das Hämatin durchtränkt gern die farb- losen Blutkörperchen, den geronnenen Faserstofl, der sich in verschiedenartigev Form zeigen kann. Tritt es an Zellen der Umgebung und so auch an die Zellen des Milzparenchym, so wählt es zuweilen gerade den Kern, in anderen Fällen nur den Zelleninhalt, dann auch beide Bestandtheile zugleich, niemals aber dieZellenmembran. Das ausgetretene diffuseHäma- lin geht weitere Veränderungen ein, theils chemische, theils phy- sikalisch-morphologische. Es sammelt sich in einzelne, diserele Körner und Klünıpehen von verschiedener Grösse und ent- schiednern Farbenzeichnungen, die durch das Bräunliche bis zum Schwarzen gehen. Dabei nimmt ihre Resistenz gegen chemische Reagentien zu; nur die konzentririen Mineralsäu- ren, namentlich Schwefelsäure, bewirken im Allgemeinen vorzüglich nach voraufgegangener Behandlung mit Kalihy- drat, eine Zersetzung, deren Produkte in aufeinanderfolgender Stuferreihe braun- oder purpurrolh, grau, blau, violett, rolh, gelb erscheinen. Der diffuse Farbstsfl! wird demnach körnig, die hämatinhalligen Zellen verwandeln sich in Pig- menlzellen, — oder, wie Referent lieber sagen möchte, in pigmentirte Zellen, da der erste Ausdruck wohl passend für die „sternförmigen Pigmentzellen‘“ zu reserviren wäre, und da die bezeichnete Metamorphose des Hämatins weder einen absoluten Einfluss auf die histologische Entwickelung der Zelle, noch die lelztere auf die Metamorphose des Häma- tins besitzt. Virchow macht aber ferner die schätzens- werthe Mittheilung, dass die bezeichneten Körner öfters 21 eckige Gestalten annehmen, und in Krystalle, schief rhom- bische Säulen, sich verwandeln. Den stumpfen Winkel schätzte der Verfasser auf 135°. Dieselben sind durchschei- nend und ihre Farbe wechselt vom Ziegelrolhen bis zum tiefen Rubin. Werden sie auf die oben erwähnte Weise ehemisch behandelt, so zerfallen sie gemeinhin in Körnchen, die sich endlich auflösen und ein Wölkchen von proteinar- tiger Substanz zurücklassen. Auch die besprochenen Körn- chenhaufen werden, wie es an einzelnen Stellen der Um- grenzung bemerkbar wird, durch einen durchsichtigen Stoff verbunden, der durch Essigsäure anschwillt. Mit Recht tritt der Verfasser dagegen auf, aus diesem Umstande auf die An- wesenheit einer später gebildeten Zellenmembran zu schlies- sen. was niemals der Fall sei. Dagegen ist es wahrschein- lich, dass mit der Metamorphose des Kämatins gleichzeitig eine Veränderung der Proteinstoffe, an welche es gebunden, eintrele. — Die Blutkörperchen feruer, welche ihren Farb- stoff nicht verlieren, besilzen eine grössere Resistenz gegen Flüssigkeiten und werden kleiner, dichter, dunkler. Das Hä- matin geht aber in ihnen ganz dieselben Veränderungen ein, wie bei seiner Diffusion auf die Umgebung. Dabei bleiben sie entweder isolirt oder sie aggregiren sich in rundliche oder rundlich-eckige Haufen. Die einzelnen Bluikörperchen verwandeln sich in scharf begrenzte, glänzend gelbe, oder rolle Körner. Tu Haufen verschmelzen sie öfters zu einem ein- zigen, dichten, beim Druck zersplitiernden Pigmentkern, oder es entstelien auch mehrere, in der Form von Kleeblätllern, von Maulbeeren ete. zusammengesetzte Körner. Auch hier sieht man in dem Mäasse, als die Körner schärfer hervortre- ten, am Rande eine farblose Substanz, die nicht selten, ähnlich einer Zellenmemhran, die Körner umschliesst, doch fehlen ihr alle Kriterien], die für eine permeable, vom Zel- eninhalte trennbare Membran gelten dürfen. Von einer wirklichen Verwandlung in Körnchenzellen etc. war nie- mals eine Spur zu bemerken. Hinsichtlich der Zeit, inner- halb welcher es bis zur Bildung von Krystallen kommen kann, ist Virchow nicht im Stande, bestimmte Termine anzugeben. In einigen Fällen wurden die Krystalle 17— 29 Tage nach dem Austritt des Blutes vorgefunden. Günstige Orte für die Untersuchung: Aneurysmensäcke, grössere ob- literirte Venenstämme, die Extravasate im geplalzen Graaf- schen Follikel nach der Menstruation oder Conception, in den kleinen Gefässen, die bei der Narbenbilduug obliteriren, in den sogenannten apopleklischen Cysten ete, Aus den mitgelheilten Beobachtungen Virchow’s er- giebt sich zur Genüge, durch welche Erscheinungen in dem 22 kurze oder längere Zeit stagnirenden Blut die obengenann- ten Forscher zu ihren Ansichten verleitet wurden. Gleich- wohl hat Referent es für seine Pflicht gehalten, noch. be- sonders das Verhalten des stagnirenden Blutes im Milzparen- chym sowohl bei Säugelhieren, als auch namentlich bei Fröschen und Tritonen zu studiren. Frisch untersucht zeigt das Blut bei Zusatz von Wasser sehr bald, bei Zusatz von Speichel etwas später, diejenigen Veränderungen an den Blutzellen und der Umgebung, welche Virchow getreu ge- schildert hat. Die ersten Körnchen, welche sich in den entfärbten und in der Form öfters veränderten Blutzellen des Frosches bilden, halten zuweilen eine gelbliche, dem Hä- matin allerdingsähnliche Färbung, in anderen Fällen fehlte sie. Daher vermutbe ich, dass auch sie durch Hämatin getränkt werden können. Sehr bald zeigt sich Faserstoflgerinnsel in der verschiedensten Gestalt; in ihm können eingebettet liegen veränderte und unveränderte Blutkörperchen, aueh andere Bestandtheile des Parenchyms der Milz; desgleichen fehlt es nicht an mikroskopisch gar nieht messbaren feinen, sehr re- sistenten Körnchen, die wie schwärzliche Punkte aussehen und auch an der Umgebung in der Flüssigkeit, auf der Ober- fläche von Formbestandtheilen und auch innerhalb der Zel- len des Blutes und des Parenchyms vereinzelt und in unre- gelmässigen Häufchen sichtbar werden, Da sie gewöhnlich nach einigen Stunden auftreten, zur Zeit, wann das dif- fundirte Hämatin nicht mehr überall deutlich sich zu er- kennen giebt, so hat Referent sie bei ihrer Unlöslichkeit in Aether für verdichtetes Hämatin gehalten. Neben diesen Formen beobachtet man andere, die hervorgegangen sind aus der Veränderung des Hämatins bei schon längere Zeit stockendem Blute im Milzparenehym. Denn ausser den ei- gentlichen sternförmigen Pigmentzellen mit ihren verschiede- nenFormen, welche in der Hülleder Milz und auch in Beglei- tung der Gefässstämme sich vorfinden, sieht man, namentlich bei den Amphibien, gelbliche, röthliche, röthlichbraune und schwärzliche Flecke von der verschiedensten Grösse (die kleinsten „1, die grössten 45‘). Diese Flecke be- stehen aus kleineren und grösseren Körnchen, nach der chemischen Reaktion Hämatinkörnchen. Niemals habe ich bis jetzt Krystalle gefunden. Die Körnehen und Körnchen- häufchen liegen entweder in den (Gefässen im Faserstoffge- rinsel und im Parenchym der Milz oder in den Zellen des Blutes und des Milzparenchyms eingeschlossen. In freiem Zustande ist ihre Form sehr verschieden, auch rundlich und die Körnchen in ihnen sind, wie Virchow beschreibt, 23 gelvagen und zusammengekittet von einer in Essigsäure auf- sehwellenden Proteinsubstanz. Auch an den Zellen wieder- holt sich Alles in der That ganz so, wie es Virchow so sorglältig beobachtel. Endlich fehlt es auch nicht an Klümp- chen, an welchen man die Zusammenselzung auf einer grös- seren oder geringeren Zahl von verschiedentlich veränder- ten Blutkörperchen deutlich bemerkt. Diese Klümpchen sind sehr selten von einer gleichförmigen runden Gestalt; fast im- mer sieht man beim Rollen das eine oder das andere der zusammengeballten Körperchen an der Oberfläche heryortre- ten, Niemals lässt sich an solchen Klümpchen eine Zellen- membran nachweisen; niemals überhaupt ist dem Referenten bei seinen zahlreichen Untersuchungen eine Zelle vorgekom- men, die als Inhalt, wie Kölliker, Ecker, Landis ange- ben, eine oder mehrere Blutzellen in normaler oder verän- derter Forin mit sich führte. Wo wirkliche Zellen beobach- tei wurden, da erwiesen sich dieselben stets als normale oder in bekaunter Weise veränderte Blutkörperchen oder Zellen des Milzpareuchynıs. Hiernach lassen sich diese Mittheilungen mit der Be- merkung schliessen, dass auch die so verfängliche Milz nicht im Stande ist, der Elementarkörnchen- und Klümpchentheo- rie in der Zellengenesis eine irgendwie haltbare Stütze zu leihen. Dagegen ist die Zellenbildung um Inhaltsportionen der Mutterzellen bei der Entwickelung der jungen Tochter- zellen von dem Referenten nachgewiesen, aus welchen sich bei Strongylus auricularis und Asearis acuminata die Saamen- körperchen bilden (Müll. Archiv 1847. S. 110 seqq. und Seite 120). Referent kann nicht unterlassen, hierbei auf eine Wendung aufmerksam zu machen, mit welcher Henle in seinem Jahresbericht (1848 S. 36 seqgq.) diese Zellengene- sis zu erläutern sucht. Der Verfasser behauptet berichti- gend, dass die Zellen hier durch eine peripherische Verdich- tung eines im Innern sich verflüssigenden Körnerhaufens entwickelt würden. Bekanntlich hat sich bei Thieren die Zellenbildung und namentlich die in Rede stehende nur in dem sogenünnten Furchungsprozess, und auch hier nur un- ter gewissen Umsländen genau verfolgen lassen. Uebergeht man die verschiedenen Kontroversen, so steht doch das fest, dass der Dotter nicht bloss aus Körnern besteht, sondern letztere mehr oder weniger zahlreich in einem eiweissarligen Fluidum suspendirt enthält: es steht ferner fest, dass die mikroskopisch-sichtbaren Körner während des Furchungspro zesses sich nicht vermindern durch Verflüssigung im Innern des Dotters oder der Furchungskugeln; es ist endlich nir- gends beobachtet worden, dass die Zellenmembran durch 3 Verschmelzung von sichtbaren Körnchen entstehe. Uner- achtet der so zahlreichen Zellen-Entwickelungen zeigen sich die etwa vorhandenen mikroskopish-sichibaren festen Be- standtheile des Dotters ihrer Menge und Beschaffenheit nach am Ende des Furchungsprozesses durchaus nicht irgendwie bemerkbar verändert. Wie bei den Pflanzen, so ist man demnach auch bei den Thieren gezwungen, die Membranen an den Zellen und Kernen als aus dem flüssigen Stofl des Mutterzelleninhaltes hervorgegangen zu betrachten. Es ist reine Willkür, wenn Henle auch hier wiederum die Bildung des organisirten Formelements aus festen Zuständen der or- ganischen Materie geschehen lässt, und auf solche Weise die Elementarkörnchen-Theorie ganz unbemerkt einführt. Ueber die Haptogenmembran bemerkt Bennet, was auch Referent beobachtete, dass sie aus äusserst kleinen Körnchen, die sich rasch vermehren, einander nähern und eine anfangs schwachkörnige, späler glatte Oberfläche er- halten, gebildet werden. Die Kügelcben, welche beim Schütteln von Eiweiss und Fett sich bilden, verhalten sich gegen Aether und Essigsäure, wie Milchkügelchen. Die beim Schütteln anderer zäher Subztanzen, Gallerte, Gummi, Syrup mit Eiweiss auftretenden Kügelchen oder Tröpfchen fliessen leicht wieder zusamınen und besitzen also keine Mem- branen. (Bennet: On the structural relation of oil and alb. ete. in Montlily Journal of. med. science. Septbr. S. 168 Canstatt’s Jahresbericht 1848. $. 35.). Eier. Nach Steinlin sollen die Eier sich auf die Weise bilden, dass um das vollendele Keimbläschen sich Dolterzel- len ablagern, um welche nachträglich die strukturlose Dot- terhaut entsteht. Er hält ferner mit Henle die Eier für komplizirte Zellen, in denen schon das Keimbläschen als ein- fache Zelle gelten solle. (Ueber die Entwickelung der Graafschen Follikel und Eier der Säugethiere. Mittheilun- gen der Züricher Naturf. Canstatt’s Jahresb.. S. 39.) Reichert dagegen zeigt bei Ascaris acuminata und Strongylus aurieularis, wo die Beobachlungen unter mehr begünstigten Verhältnissen gemacht werden können, dass die Eier einfachen elementaren Zellen entsprechen, dass das Keimbläschen den Kern, der Keimfleck das Kernkörperchen, der Dotter den Zelleniuhalt, die Dotterhaut die Zellenmem- bran darstelle. In der weiblichen Geschlechtsröhre dieser Nematoden finden sich am blinden Ende klare durchsichtige Kernzellen, deren Inhalt nur wenige Kernchen führt. Diese Zellen verhalten sich als Mutterzellen der Eier. Die von 25 ihnen endogen gebildeten Tochterzellen liegen in der Röhre daneben und werden durch neue Produktionen der Mutter- zellen nach der offenen Mündung der Geschlechtsröhre hin- gedrängt. Diese jüngsten Eichen besitzen einen verhältniss- mässig grossen Kern, ohne deulliche Spur eines Kernkör- erchens, und einen klaren, fast ganz körnerlosen flüssigen Inhalt. Indem sie in der Röhre weiter hinaufrücken, füllt sich dieser Inhalt mehr und mehr mit Feltkörnchen,‘ wäh- rend die Zelle und Kern an Grösse zunehmen, und an dem letzteren bald deutlich das Kernkörpercheu zu Tage tritt. Bei Zerstörung der Eichen können sehr leicht Bestandtheile erhalten werden, die den Schein der Entstehungsweise der Eichen gewähren, welche Steinlin und vor ihm andere Forscher beschrieben haben. Nur das bleibt immer ein nachlässiger Ausdruck, wenn man behauptet, dass Körnchen um das Keimbläschen sich anhäufen. Denn stets liegen die Fetiköruchen in einem mehr oder weniger zähflüssigen, eiweissartigen Fluidum suspendirt, und letzteres ist in dem Grade üderwiegend, als die Eichen noch klein und jung sind. Es existiren also keine freie Keimbläschen, um wel- che sich Dotler und Dotterhaut bildet; die Eichen sind viel- mehr gleich anfangs einfache Kernzellen, und in denselben sind gleichzeitig alle Bestandtheile des Eichens enthalten, mit Ausnahme des Keimfleckes, welcher später am Kern, dem künftigen Keimbläschen, entsteht. Die Fetikörnchen bilden sich bei den genannten Nematoden späler in einem ursprünglich fast körnerlosen Zelleninhaltee Möglich, dass bei anderen Thieren gleich anfangs in den Eichen die Fett- körnchen zahlreicher sind; für die bezeichnete Entwickelungs- weise derselben ist dies Moment von ganz untergeordneter Bedeutung. Bei den Säugethieren jedoch- verhalten sich die Eier, so weit des Referenten zahlreiche Untersuchungen gehen, ganz ähnlich in der Entwickelung, wie die Eichen der Ne- matoden. Freilich lässt sich dieses nur erschliessen, wenn man anderswo die Entwickelung der Eier genau verfolgen konnte; denn an den Eierstöcken der Säugethiere ist dieses nach dem Ermessen des Ref. nicht auszuführen. (Müller’s Archiv 1547. „‚Beilrag zur Entwickelungsgeschichte der Saa- imenkörperchen bei den Nematoden.“* S.108 seqq.) Saamenkörperchen. In der so eben angeführten Abhandlung Reichert’s (Müll. Archiv 1847. S. 88, seqq.) wird eine ausführliche Beschreibung der Entwickelung der Saamenkörperchen bei Ascaris acuminata und Strongylus auricularis gegeben. Die Beobachtungen bei den genaunten Thieren werden ausseror- 26 dentlich begünstigt durch die Einfachheit der Geschlechts theile, die ohne grosse Zerstörung der mikroskopischen Un- tersuchung unterworfen werden können, desgleichen durch das leicht bei den Fröschen zu gewinnende Material und endlich auch durch die eigenthümliche Beschaffenheit der Spermatozoen Es ist unter solchen Umständen möglich ge- wesen, die Eintwickelung der Saamenkörperchen von der er- sten Grundlage aus durch alle weiteren Veränderungen in natürlicher und nicht willkürlich kombinirter Reihenfolge zu übersehen und so eine Lücke in der Wissenschaft aus- zufüllen, welche nach den bisherigen Beobachtungen immer- bin fühlbar genug hervortrat. Die Resultate der Unte:su- chungen des Referenten sind kurz folgende. Wie in den weiblichen Geschlechtsröhren dieser Thiere, so finden sich auch in der männlichen am blinden Ende sehr durch- sichtige runde kernhaltige Zellen (im Durchmesser 0,00278 P. L.), deren Bestimmung und Bedeutung dahin erkannt wurde, durch fortdauernde Brutzellenbildung das Material für die Ergänzung und Entwicklung der Spermatozoen her- beizuschaffen. Neben ihnen liegen in der männlichen Ge- schlechtsröhre, ebenso wie in der weiblichen, zur Hälfte kleinere, mikroskopisch ebenso beschaflene kernhaltige Zellen, die Brutzellen der vorhin bezeichneten grösseren, in wel- chen nach weileren Veränderungen die Keime der Saamen- körperchen entstehen und die dieserhalb „‚Keimzellen der Spermalozoen‘“ genannt wurden. Sie entsprechen den jüng- sten Eichen in den weiblichen Geschlechtsröhren, indem sie allmählig an Grösse zunehmen und rund um den Kern Fetlkörnchen in dem Zelleninhalte ablagern. Während aber bei dem Weibchen die korrespondirenden Zellen zu reifen Eichen sich.allmählig verwandeln, so sieht man bei den Keimzellen der Spermatozoen, nachdem, sie eine ge- wisse Grösse und Reife erlangt haben, von neuem Zellen- bildung um Inhaltsportionen der Mutterzelle auftreten. Es zeigen sich erst zwei, dann vier, selten mehr Tochterzellen, die von der Zellenmembran der Mutterzelle (Keimzelle der Spermatozoen) gemeinschaftlich umhült, nunmehr als die eigent- lichen Keime der Saamenkörperchen fungiren, sie verwan- deln sich unmittelbar in die Saamenkörperchen. Bei Ascaris acuminata behalten dabei die Keime ihre runde, gekernte Zellenform, nur der Inhalt verändert sich und an dem leicht zerstörbaren grossen Kern wird ein deutliches Kernkörper- ehen sichtbar. Bei Strongylus auricularis wird diese Ver- wandlung insofern von Interesse als hier die Saamenkörper- chen eine in der Thierwelt sehr allgemein verbreitete Form besitzen. Sie stellen kurz geschwänzte Körperchen mit ei- [} 27 nem ungelähr ovalgeforuten Köpfchen dar. _ Dieses Köpf- chen bildet sich nun unmittelbar aus der ursprünglichen kernhaltigen Zelle (Keim) heraus, und auch nach vollendeter Entwickelung unterscheidet mau daran den verhältnissmässig sehr grossen, leicht zerstörbaren Kern, die Zellenmembran und einen geringen Zelleninhalt. Das Schwänzchen dagegen entsteht nicht, wie Henle in seinem Jahresbericht ( Can- statt’s Jabresb. 1848. S. 39.) unrichtig mitgetheilt hat, dorch eine Ausstülpung der Zellenmembran. sondern wie die Cilien an den Wimperzellen, als ein kurzer haar- förmiger solider Fortsatz der Zellenmembran. — Die Saa- menkörperchen erweisen sich demnach als veränderte kern- haltige Zellen, bei welchen namentlich die überwiegende Grösse des leicht zerstörbaren Kerns bemerkenswerth ist. Dieser Kern ist bei Strongylus 'so gross, dass er die Höhle der Zelle im Köpfchen fast ganz ausfüllt und sogar die all- gemeine Forın des letzteren bestimmt. Vergleicht man die Ergebnisse dieser Untersuchungen mit den bekannten Erfahrungen über die Entwickelung der Spermatozoen bei anderen Thieren, so wird es sehr wahr- scheinlich, dass die Brombeerkörper mit und ohne Hülle eine grössere oder kleinere Summe von Keimen für die Spermatozoen vorstellen, die als Tochterzellen einer Mut- terzelle, der sog. Keimzelle der Spermatozoen, durch Zellen- bildung um Juhaltsporlionen entstanden sind. Die grössere Zahl der Keime, welche hier auf diese Weise aus dem In- halt einer Mutterzelle hervorgehen, darf nicht befremden, da selbst bei den Nematoden ein Ueberschreiten der Vierzahl zuweilen beobachtet wird. Der Nachweis, dass in den Brombeerkörpern die einzelnen Kugeln kernhaltige Zellen sind, lässt sich bei der Kleinheit des Gegenstandes öfters nieht geben; doch der Gegenbeweis ist ebenso schwer, und für die Zellennatur spricht die Analogie. Dass die Brom- beerkörper öfters in ihrem Innern eine Kernkugel zeigen, bietet insofern keine Schwierigkeiten dar, als bei Zellenbil- dung um Inhaltsporlionen der Mutterzelle auch anderweitig, wie z. B. bei dem Furchungsprozess der Eier, beobachtet wurde, dass ein Theil des Mutterzelleninhaltes sich nicht an dem Zellenbildungsprozess betheiligt und vielmehr für die weiteren Metamorphosen der entstandenen Tochterzellen in der Mutterzelle als Nahrungsmaterial reservirt wird. Bei den Nematoden findet man, wie bei den Polypen nach Kölliker in der Geschlechtsröhre nur Saamenkörper- chen und keine mikroskopisch sichtbare, vielleicht aber, wie Th. Bischoff meint (Müll, Archiv 1847, S. 424.) eine unsichtbare homöopathisch brauchbare Spur von Saamenflüssigkeit. — « 28 Auch in dem Uterus liegen Eier und Saamenkörperchen ganz dicht gedrängt aneinander. Ref. bemerkt dabei, dass auch diese Thatsache, wenn man nicht anderweitig auf merk- würdige Inkousequenzen und sonderbare Explicalionen geführt werden wolle, zu der Annahıne hindrängen, dass nicht die Flüssigkeit, sondern die Samenkörperchen den zweiten we= sentlichen Faktor bei dem Befruchtungsaktbilden. Th. Bischoff hat durch diesen Ausspruch, wie es scheint, sich verletzt ge- fühlt (conf. a. a. ©. S. 424), obschon Referent an dessen Hypothesen nicht weiter gedacht hat. — Referent ‚berührt auch die Kontroverse, ob die Saamenkörperchen elensu wie die Eier als Bestandiheile eines Organismus, oder als selbst- sländige organisirte Wesen anzusehen seien. Aus dieser Auseinaderselzung ergiebt sich, dass die Saamenkörperchen und Eier, obgleich sie als Bestandtheile eines Organismus auftreten, und sich als solche mehr oder weniger vollkom- men entwickeln, spälerhin, sobald sie den Verband mit dem Organismus gelöset haben und nunmehr im freien Zustande und zwar nur in diesem die ihnen zustehende Funktion (Be- fruchtungsakt und Produktion eines befruchleten Eies) erfül- len, als freie, selbstständige Organismen daständen. Sie ver- halten sich dabei nicht wie Individuen der Thier- oder Pflanzen-Welt, sondern als freie Zustände eigener Art in der sich selbst fortpflanzenden Species, deren Bestehen durch sie in abwechseluder Aufeinanderfolge mit den Individuen während der Fortpflanzung bewerkstelligt werde. !) 1) Th. Bischoff hat bei der Mittheilung seiner Hypothese über die Befruchtung (a. a. 0. S. 422 seqgq.) sich gegen die Darstellung des Referenten ausgesprochen. Der Verfasser meint, dass Eier und Saa- menkörperchen sich genau so wie Bestandtheile eines Organismus zu allen Zeiten verhalten. Sie entwickeln sich im Organismus, können aus denselben entfernt werden und sterben dann hin. Mit demselben Raisonnement wäre es Bischoff ganz leicht geworden, wo nicht al- len, so doch einer grossen Zahl von selbstständigen Individuen der Thier- und Pflanzenwelt die Selbstständigkeit zu nehmen und ihre Ueberein- stimmung mit allen 'Bestandtheilen eines Organismus zu linden! Wenn man es ferner mit der Funktion streng nähme, so fände man nach Bischoff, dass die Befruchtung ein zufälliger Akt der Thä- tigkeit der Spermatozoen und Eier sei, und dass die letzteren hinsicht- lich der Aeusserung ihrer Funktion ausserhalb des Organismus analog seien den Drüsenzellen und den Fetttröpfchen der Milch. Für den Ref. ist die Befruchtung ein nothwendiger Akt in dem Fortpflanzungs- leben der Art, ausgeführt durch Spermatozoen und Eier. Auf den Vergleich mit den Drüsenzellen einzugehen, hat Ref. absichtlich un- terlassen, da ihm derselbe bei genauer Erwägung zu sehr zu hinken schien... Will man den Vergleich nicht ins Vage hinein treiben, son- dern wirklich strenge verfahren, so stehen sich die Drüsenzellen als . 29 Nach Panizza (Fror. und Schleid. Notiz. 1847. Bd. II S. 166.) sind die Saamenkörperchen der Tritonen nicht mit einem Spiralfaden versehen, sondern die flimmernde Sub- slanz sei. wie auch Pouchet beschreibt, eine nach Art ei- ner Halskrause gefaltele sehr feine Membran, die auf der einen Seite (Rückenseite) des Saamenkörperchens fort- laufe. Ref. stimmt dieser Deutung der Erscheinungen nach eigenen Untersuchungen vollkommen bei, und bemerkt dazu, dass bei Triton taeniatus der bezeichnete Saum am freien Rande in kurze abgerundete Spilzen auslaufe, so dass der- selbe hinsichtlich der Form nicht unpassend mit dem Kamme am Rücken und Schwanze der männlichen Tritonen wäh- rend der Brunstzeit verglichen werden kann. Während des Flimmerns hat der Saum einen schlangenförmig gewundenen Verlauf und auch in der Ruhe wird derselbe oft beibehal- ten ; eine jede Windung schien eine hervorragende Spitze zu iragen. Die dunkle Kontur am freien Rande des Saumes bewirkt das so ausserordentlich täuschende mikroskopische Bild eines Spiralfadens, und kann uns von Neuem darüber belehren, wie sehr an manchen Orten Fäden und Fasern ge- sehen werden können, obschen sie wirklich nicht vorhan- den sind. — Panizza fand in den Hoden der Tritonen während des Herbstes nnd Winters ausser den Gefässen etc, eine gleichmässig granulirte, bewegungslose Masse. Im Frühjahr zeigen sich Bläschen mit sehr vielen kleinen Körn- chen und einen oder mehreren Kernen. In einem jeden Bläs- chen treten später Häufchen von Saamenkörperchen hervor. Epithelial-Gebilde E. Jäsche hat es übernömmen, das von dem Referen- ten schon gelegentlich besprochene, allgemeine histologische Entwickelungsgesetz der ‚unter dem Namen „Epithelialge- bilde“ zu vereinigenden verwandten Formelemente genauer zu siudiren. Die Ergebnisse seiner Untersuchung sind in der genann= ten Inaugural-Dissertation (de telis epilhelialibus in genere et de vasorum sanguilerorum parielibus in specie. Dorpali Liv. 1847. A. ec. Tab. 2) niedergelegt. Der Verfasser hat die wichtigsten Bestandtheile der Drüsen, und die Spermatozoen und Eier, als diejenigen der Geschlechtsorgane einander gegenüber: die er- tseren können ihre Funktion als Abscheidungsorgane nur als Bestand- theile der Drüse selbst im Verbande mit den übrigen Bestandtheilen ausführen; Eier und Saamenkörperchen dagegen verrichten ihre Funk- Kon als die wesentlichsten Theile der Geschlechtsorgane nicht in dem Zusammenwirken mit den Bestandtheilen des Organismus, dem sie an- gehören, sondern stets im freien selbstständigen Zustande, oft genug ganz ausserhalb der Organismen. 30 namentlich zwei durch ihren verschiedenen individuellen Habitus ausgezeichnete und auf der äussersten Grenze der Entwickelungsreihe stehende Gebilde, die innere Haarwur- zelscheide und die Rindensubstanz des Haares genau beob- achtet, und war so in den Stand gesetzt, dasjenige, was in dem Entwickelnngsgange beider allgemein-gültig und typisch sich herausstellt, von jenen Erscheinungen zu trennen, die der specifischen und individuellen Ausprägung jedes einzel- nen Gebildes angehören. Bei dem so auffallend verschiede- nen individuellen Habitus der inneren Haarwurzelscheide und der Rindensubstanz des menschlichen Haares ist die Erkennt- niss des allgemein gültigen, typischen Entwiekelungsgesetzes in einer Art erleichtert und gesichert, dass man dasselbe ohne grossen Irrthum auch auf die übrigen verwandten Ge- bilde übertragen konnte. Hiernach ist das histologisch-typi- sche Entwickelungsgesetz der Epithelialgebilde in folgenden Worten zusammenzufassen: Elementare kernhaltige Zellen vereinigen sich untereinander in einfacher Schicht, ohne eine bemerkbare Intercellularsubstanz und unter Annahme polye- drischer Formen an den gegenseitigen Berührungsflächen; sie verschmelzen im wveiteren Fortgange der Entwickelung untereinander zu einer gleichförmigen, hyalinarligen Mem- bran, indem ihre Höhlen, dann die Konturen und gewöhn- lich zuletzt auch die Kerne verschwinden; in dieser Mem- bran tritt schliesslich an bestimmten Stellen eine Resorption ein und schreitet mehr oder weniger vor bis zur Bildung von gelfensterten Membranen und Fasernetzen. Die Stellen, wo in den ursprünglichen, später zu Plättchen verwandel- ten Zellen die Resorption zuerst auftrilt, konnte dureh Be- obachtung nicht ermittelt werden. Jäsche vermuthet, dass dieselbe gerade da beginne, wo die Zellen mit ihren Rän- dern verwachsen. Bel, dagegen ist der Ansicht, dass die Resorplion im Centrum der ursprünglichen Zellenplältchen, wo zuletzt die Kerne verkümmern, ihren Anfang nehme. Zu dieser Annahme bestimmt ihn der allgemeine Gang der histologischen Entwickelung, Denn grade an. den Berüh- rungsflächen der Zellen, wo die gegenseitige Verschmelzung Istattfindet, konzentrirt sich die Thäligkeit der Molekeln in neue Bildungen, so dass man die Resorplion im Centrum der Zellenplättchen, wo überdies auch der Kern verküm- mert und hinschwindet, als eine Folge der in der Periphe- rie konzentrirten Bildungsvorgänge ansehen könnte. Der Ausdruck ferner, dass die Zellen ohne bemerkbare Intercellu- arsubztanz sich vereinigen und verschmelzen, ist so zu ver- stehen, dass nach den mikroskopischen Erscheinungen zu urtheilen, die etwa vorhandene, zwischen den Zellen gele- . 31 gene organische Masse in keiner’sichtbarerı Weise so wie bei den Geweben der Bindesubstanz und überall anerkannt beim Knorpel, an dem histogenelischen Prozess selbständig sich betheilige. Dass um ein jedes organisirtes Forinelement eine Art Atmosphäre von organischer Materie vorhanden sei, erscheint auch in den Fällen, wo man sie mikroskopisch nicht nachweisen kann, als eine nothwendige Voraussetzung und darf auch hier namentlich in Berücksichtigung des Ver- schmelzungsprozesses der Zellen nicht abgeleugnet werden. Aber wie dieselbe an anderen Orten nicht in Anschlag ge- bracht wird, wo ihre selbstständige Belheiligung an dem hi- stologischen Prozess, wie elwa beim Knorpel nicht erkannt wird, ebenso. wenig darf es bei den Epithelial-Gebilden ge- schehen, wofern wir nicht Gefahr laufen wollen, wesentli- che und unwesentliche Erscheinungen untereinander zu ver- mengen. In dem angeführten Entlwicklungsgesetz hatJäsche in Ue- bereinstimmung mit dem Referenten vier Zustände unterschie- den, welche zu einer entsprechenden Anzahl typischer Grup - pen der Epithelial-Gebilde am bequemsten benutzt werden konnten, obgleich es in Wirklichkeit auch an solchen For- men nicht fehlt, die einer Uebergangsstufe von dem einen zum anderen Zustande angehören. — 1) Zu der ersten Gruppe sind diejenigen ‚Epithelial- Gebilde zu rechnen, in welchen die Zellen ihre ursprüngliche Beschaffenheit noch erhalten haben. Sie stellen sämmtlich aus polyedrischen Zellen zu- sammengesetzte Membranen dar; an den Zellen kann deut- lich die Zellenmembran. der Inhalt. der Kern noch unter- schieden werden. Die meisten Epithelien im gewöhnlichen Sinne stehen auf dieser Stufe der typischen Entwicklung und lassen sich nach dem spezifischen Habitus der einzelnen Epithelialzellen in weitere Abtheilungen bringen. Jäsche hat passend zunächst zwei Abtheilungen geschieden, nämlich solche Epithelien, deren Zellen in allen Richtungen eine ziemlich gleiche Ausdehnung besitzen, wie bei vielen Drü- sen-Epithelien, und solche, deren Zellen entweder in der Richtung der Dicke der epithelialen Membran (Cylinder-Epi- thelien ) oder in der Fläche derselben nach allen oder nach einer Richtung (eigentliches Platten-Epithelium) sich vorherr- schend ausdehnen. Andere specilische Merkmale zur Begrün- dung etwa nollıwendig werdender entiernter Abtheilungen ergeben sich aus der An- oder Abwesenheit von Cilien und anderen Fortsätzen der Zellenmembran,, aus der Beschaffen- heit des Inhalts ( pigmentirte Epithelien), des Kerns _ete. Als UVebergangsgebilde zu der folgenden Gruppe stehen sol- che Epithelien da, deren Zellen zu Plättchen geworden, an 32 welchen die Höhle nicht mehr bemerkbar ist, die aber auch untereinander noch nicht verschmolzen sind. wie z B. das Epithelium der Rindenschicht des Haares. — 2) In der zwei- ten Gruppe befinden sich diejenigen Epithelialgebilde, deren Zellen untereinander so vollkommen verschmolzen sind, dass keine Spur einer Trennungsgrenze zwischen ihnen bemerk- bar ist. In morphologischer Beziehung stellen sie sich als epitheliale Membranen dar, von gleichförmigem, oft hyalinar- tigen Ansehen, zuweilen ausgezeichnet durch die noch wicht verkümmerten Kerne. Hieher gehören die Membranen, wel- che die Wandungen der Kapillar-Gefässe bilden und die auch von ähnlicher Beschaffenheit in der Tunica intima und selbst der media vorkommen; desgleichen die durchsichtigen homogenen Membranen, welche bei wirbellosen Thieren auf der Oberfläche des Körpers oder auch iin Innern als Deck- membran der Drüsenzellen und der assimilirenden Zellen des Darmkanals angetroffen werden. Nicht unpassend las- sen sich hier diejenigen Membranen, welche eine grosse Neigung zur regelmässigen Faltenbildung haben und die da- durch das täuschende Ansehen von Fasernetzen erhalten, von denjenigen scheiden, wo dieses nicht der Fall ist. Diese Unterscheidung findet ihre Begründung auch besonders darin, dass alle solche Membranen mit der Neigung zur re- gelmässigen Faltenbildung aus verwachseneu Zellenplättchen sich bilden, die in der Richtung des Verlaufes der Falten sich vorherrschend ausdehnen und also längliche oder spin- delförmige Konturen zeigen. — 3) In der dritten Gruppe stehen diejenigen epıthelialen Gebilde, bei welchen die lokale Resorplion der Membran bereits begonnen. Es gehören hier- her die sogenannten gefensterten oder durchlöcherten Mem- branen. Ihre speeifischen Charaktere erhalten sie durch die Anordnung, Grösse, Form, ete. der Löcher. Besonders zu unterscheiden sind die regelinässig und unregelmässig gefen- sterten Membranen. — 4) Auf dieser Stufe und in dieser Gruppe ist die lokale Resorption in den Membranen so weit vorge- schritten, dass der Charakter der letzteren als Membran nicht mehr erkennbar ist. Die Gebilde haben nunmehr ein faseriges Ansehen und stellen Fasernetze dar. Diese Faser- netze können gleichfalls entweder regelmässig oder unregel- mässig sein. Die verschiedenen Formen der gefensterten Membranen und Fasernetze lassen sich in den Häuten der Gefässe, die Fasernetze auch an anderen Orten (elastische Fasernetze) nachweisen. Ueber die Ausbreitung verschiedener Formen des ge- wöhnlichen Epithelium sind folgende Angaben hervor- zuheben. Hessling (Schleid und Fror. Notiz, 1347. B. II. 33 S 328) ist die Flimmerbewegung in den Nierenkanälchen bei Tritonen, die nicht näher bezeichnet werden, in der ganzen Länge der Kanälchen beobachtet worden. Die Cilien stehen, wie es schon Bidder beschreibt, einzeln auf jeder Zelle, sind sehr lang, und bewegen sich peitschenför- mig. — Nach Todd und Bowmann (the mikroskopic ana- tomy of the human body ete. I.ond. 8. Part. VI. seggq.) be- findet sich flimmerndes Epithelium auf der inneren Fläche des Paukenfells. Dieselben Verfasser benierken, dass bei Thieren wenigstens in der oberen, ‚,‚olfaktorischen‘“ Region der Nasenhöhle auf der Lamina cribrosa, an den oberen Mu- scheln, an der Lamina perpendicularis kein flimmerndes Epithelium anzutreffen sei. Sie sahen vielmehr ein geschich- tetes Pflaster - Epithelium, dessen Zellen in den tieferen Schichten ein braunes körniges Pigment führen — Brücke sah das Epithelium an der Membrana Descemetii auf die vor- dere Fläche der Iris übergehen und sich deutlich bis zum Pupillar Rande derselben fortsetzen, wo es sich an das pig- mentirte Epithelium an der hinteren Fläche der Iris an- schliesst. Auch auf der, dem Humor aqueus zugewende- ten Fläche der Linsenkapsel findet sich ein ähnliches Epi- thelium. (Anatomische Beschreibung des menschlichen Au- ges. Berlin. 4 c. tab. I. 1847. S. 10 und 30.). — Nach Mid- deldorf (De glandulis Brunnianis; Diss. inaug. Vratisl. 1846. 4. p. 13.) verwandelt sich das Cylivder - Epithelium des Darmkanals bei seiner Fortsetzung in die Ausführungs- gänge und Zweige der Brunn’schen Drüsen in Pflaster-Epi- thelium, — Den Schildpattuntersuchten Donders (Holländische Beiträge ete. Band I. S. 255.) und Völker (Chemische Un- tersuchungen des Schildpatis. Inaug.-Diss. Göttingen. 1847. 8. $.6.),. Au OQuerschnittchen sieht man nach Donders 3 — 4 dunkle Linien, wahrscheinlich Risse, die häufig eine mehr gelbe Substanz von einer braunen trennen. Die braune Farbe wird durch ovale Gruppen (7, M. M. lang, —1- M.M. breit) brauner Pigmentmolekeln bedingt. Die lamellöse Struktur tritt ganz deutlich hervor nach mehrtägiger Be- handlung des Schildpatts mit verdünnter (4 Theile Wasser) Schwefelsäure oder Salzsäure bei 40— 50% C., es spaltet sich dann die Substanz wie Glimmer. Doch lässt sich in diesem, wie im frischen Zustande eine Zusammensetzung der Substanz aus Epidermiszellen nicht erkennen. Nach 24stündiger Einwirkung des Kali dagegen treten die Zellen ich hervor; sie sind durchschnittlich , M.M. lang und 7% M. M. breit, von ovaler, mehr oder weniger eckiger Form, nehmen später eine rundliche Gestalt an und führen einen Müller’s Archiv. 1148, © 34 körnigen Inhalt ohne Kern. In der braunen Substanz zeigt sich in jeder Zelle die bezeichnete Gruppe der Pigmentkörn- chen. Wie überall im mehrfach geschichteten Epithelium bedecken sich auch hier die Zellen der aneinandergrenzen- den Schichten ungefähr zur Hälfte. Eine ausführliche Beschreibung nebst Abbildung von der inneren Wurzelscheide und der Rindenschicht des mensch- lichen Haares während der Entwickelung liefert Jäsche (a. a. ©. S. 13 seqg.). Die Lithographien sind leider nicht so gut ausgefallen, wie es nach den schönen und nalurge- treuen Zeichnungen des Verfassers zu erwarten stand. Dennoch dürften sie genügen, um den Naturforschern einen Anblick von den Präparaten zu geben, wie dieselben nach der früher besprochenen Präparationsmethode des Referen- ten gewonnen werden können. Jäsche’s Beschreibungen stimmen mit den Angaben des Ref. überein, weil in der That beim Anblick solcher Präparate über den Verlauf des histogenelischen Prozesses kaum Widersprüche sich geltend machen werden. Nach Kölliker, dessen „histiologische Bemerkungen (Abdruck aus No. 11. und 12. der Züricher Naturforscher- Ges.) Referent bis jetzt nur aus dem Henleschen Berichte (Canstatt’s Jahresbericht 1848. Bd. I. S. 41.) kennen zu lernen Gelegenheit hatte, besteht die innere Haarwurzel- scheide im Grunde des Haurbalges aus einer einzigen Lage kernhaltiger Zellen, etwas höher aus zwei, noch höher meist aus drei Lagen. Wo zwei Lagen vorkommen, zeichnet sich die äussere durch den Mangel der Kerne ans; ihre Zellen hängen der Länge nach stark zusammen und besitzen längli- che Spalten oder Löcher zwischen sich. Die Zellen der in- neren Lagen sind polygonal, mit Kernen versehen und haben keine Spalten. — Relerent stimmt darin dem Verfasser bei, dass die innere Hlaarwurzelscheide aus mehreren Schichten besteht, obgleich er keine Erscheinungen kennt, aus welchen sich die bestimmte Anzahl berechnen liesse, Aber alle Schichten der inneren Wurzelscheide, wie alle Bestandtheile des Haares, besitzen im Grunde des Haarbalges und um die Pulpa herum gekernte Zellen. Die Angabe, dass die Löcher zwischen Zellen liegen, beruht auf Täuschung, die dadurch entsteht, dass die Löcher einer Schicht auf die Zellen einer anderen drüber oder drunter liegenden Schicht, die noch keine Löcher hat, bezogen werden. Da nämlich, wie so eben bemerkt wurde, bei mehrfach geschichtelen Epithelien, die Zellen aneinandergrenzender Schichten sich zur Hälfte decken, so passt die Begrenzungslinie zweier Zellen der einen Schicht auf die im Centrum der ursprünglichen Zel- 35 lenplättchen schon entstandenen Spalten der angrenzenden Schicht. Hat-man wirklich eine einzige Schicht vor sich, so geht derjenigen Stelle, wo bereits Löcher vorhanden sind, regelmässig eine Gegend voraus, wo ebenso, wie an der durchlöcherten Stelle. die einzelnen Zellen vollkommen untereinander ohne irgend eine Spur einer Scheidegrenze verschmolzen sind. Desgleichen hat Referent zwar gefun- den, dass die verschiedenen Schichten der inneren Haarwur- zelscheide nicht in gleicher Höhe sich in gefensterte Mem- branen verwandeln; doch gegen das Ende der Scheide hin konnten nach Trennung der einzelnen Schichten, in jeder einzelne Löcher beobachtet werden. Liegen die einzelnen Schichten beisammen, so sind die Löcher der verdeckten Schichten gemeinhin nicht mikroskopisch wahrzunehmen, ganz so, wie bei den übereinanderliegenden gefensterten Membranen der Tunica media der Gefässwandung. — Auch der Epidermis-Ueberzug des Haares hat nach K. an der Wurzel zwei Schichten, von welchen die äussere sehr leicht beim Abziehen an der inneren Haarwurzelscheide sitzen bleibt, und die innere Schicht sich eigentlich in die Epidermis fort- setzt. Nach des Ref, Untersuchungen bleibt gerade die ei- gentliche Epidermis des Haarschafts sehr leicht an der inne- ren Haarwurzelscheide sitzen. Ob die zweite Schicht mit derje- nigen, die Ref. früher (Müll. Archiv. 1841. S. CLXXVIIL) be- schrieben hat, identisch ist, kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden, da nach Kölliker die Zellen kernlos sind, und nach dem Ref. längliche Kerne, die in querer Richtung um den Haarschaft ziehen, deutlich wahrgenommen werden. Leider hat, wie es scheint, Kölliker auf die Arbeiten des Ref. keine Rücksicht genommen. Die Rindensubstanz besteht nach Kölliker aus langen. kernlosen Plättchen’ ( durch künstliche Spaltung besonders auch nach Einwirkung von Mineralsäuren [ Schwefelsäure ] darstellbar Ref.), die in der Zwiebel von länglichen Zellen mit langen geschlängelten (Wirkung der Essigsäure, Ref.) Kernen vertreten sind. Donders konnte an den durch Einwirkung des Kali isolirten Plättchen der Epidermis des Haarschafts nirgends Kerne bemerken. Beim Reiben schlagen die schlaffen, isolir- ten Plättchen leicht um oder werden gar zu kleinen Cylin- dern aufgerollt. Dieser umgeschlagene Rand sei es. der ih- nen das Ansehen gebe, als ob der eine Rand gerade abge- schnitten sei. (7 Ref.),. — Nach 3— Astündiger Einwirkung des Kali und nach erfolgtem Zusatz einer geringen Menge Wassers ist auch die Rindensubstanz so weich geworden (ohne jedoch in Zellenplättchen zu zerfallen), dass sie sehr leicht _fortgeschwemmt wird, und der kaum ange- 2 36 schwollene Markeylinder allein zurückbleibt. Derselbe zeigt sich noch scharf umschrieben, und bisweilen von scheinbar zelliger Struktur; immer aber sieht man in ihm ausseror- dentlich glänzende, runde Kügelchen von „ı, — 1, M.M. -im Durchmesser, nicht selten in Gruppen beisammenliegend. Nach längerer Einwirkung des Kali fehlen diese Kügelchen und es treten vielmehr ‚kleinere, dunklere, an einzelnen Stellen mehr angehäufte Körnchen hervor. Durch Reiben zerfällt dann das Mark in eylindrische Stückchen, die ge- wöhnlich „; M. M. lang und 5 — 74; M.M. dick sind, Beim Zusatz von Wasser zertheilen sich diese Stückchen durch Re'ben in runde Kügelehen (e. „, M. M.), welche pigmentirten Zellen sehr ähnlich sehen, doch auch abgebro- chene Stückchen des Markeylinders sein könnten. (a. a. ©. S. 253. segq.) Ueber die Färbungen des menschlichen Haupthaares sind einige Miltheilungen, namentlich historische, von Karsch geliefert (De capilliti humani eoloribus quaedam. Diss. inaug. Gryphiae. 1846. 8.). Interessant ist der von dem Verfasser mitgetheilte Fall von geringelten Haaren auf dem Kopf eines 19 Jahr allen Mannes (a. a. ©. S. 34.). Ein jedes Haar zeigte sich gleichsam aus abwechselnden weissen und braunen Ringen von verschiedener Länge zu- sammengesetzt. Diese Riuge sind besonders in dem. miltle- ren Abschnitt des Haares vorhanden, während der übrige Theil nach dem Bulbus und dem freien Ende des Haares hin eine mehr gleichlörmige graue Farbe hatte Gleichzeitig waren die braunen Ringe durch grössere Dicke von den weissen ausgezeichnet. Unter dem Mikroskop erschien das Haar von zelliger Struktur (Ref. ?), und an der grauen Stelle in der Mille des llaarschafts konglomerirte Körnchen (Mark. Ref... Wo die weissen ‚Ringe länger und. dicker waren, dehute sich die bezeichnete Masse bis zu dem Grade aus, dass die Rindenschicht gar nicht zu erken- nen war, Die Formelemente in den Wandungen der Blutge- fässe sind von Donders und Jansen, von Jäsche und Kölliker untersucht worden. Die Ergebnisse der Untersuchungen Jäsche’s bestäti- gen und erweitern die Angaben seines Lehrers Reichert, doch sieht sich Ref. gegenüber dem Henleschen Jahresberichte (a. a. ©.) zu der Bille veranlasst, diesen Forschungen die- selbe berechtigte Selbstständigkeit zu lassen, wie jenen Beob- achtern, welche mit der Henleschen allgemeinen Anatomie in der Hand ihre Beobachlungen machen. Jäsche berück- sichtigt die Untersuehungen Henle’s, und war nach seinen v 37 Befunden genöthigt, theilweise sich dagegen aussprechen zu müssen ; andere Forscher kümmern sich um die Arbeiten des Referenten gar nicht und dennoch bestätigen sie manche seiner Angaben. — Jäsche unterscheidet (a. a. ©. S. 23. ff.) zweierlei elementare Formbestandtheilein den stärkeren Gefäss- wandungen, das eigenthümliche Gewebe derselben und Bindesubstanz. Das Erstere besteht aus verschiedenen For- men von Epithelialgebilden und bildet die Hauptmasse in der Tunica media und intima, das Letztere findet sich über- wiegend in der Tunica adventilia und setzt sich auch in die anderen beiden Schichten fort, wie es scheint nur in Be- leitung von ernährenden Gefässen und Nerven. Diese "ormelemente treten als röhrenförmige Schichten in dem Gefässrohr auf, die Zahl derselben richtet sich nach der Dicke der Wandungen und lässt sich nicht genau berech- nen. Nach den speeifischen Formen der Epithelialgebilde besondere Häute der Gefässwandungen zu konstruiren, ist unzulässig, da dieselben Formen in verschiedenen Gegenden sich wiederholen und miteinander ab wechseln. Der Ver- fasser spricht sich daher gegen Henle’s Annahme von sechs Häuten aus, deren histologische Beschaffenheit über- diess nicht naturgelreu genug auseinandergesetzt sei; auch das von dem Ref. bisher noch als eigene Schicht behandelte innerste Epithelium der Gefässe wird zu der Tunica intima gezogen. Die einzelnen Schichten sind vielmehr am passend- sten unter die bisher gebräuchlichen Lagen, die Tunica inti- ma, media und adventilia, unterzubringen. Denn man könne nachweisen, dass die Zellen und Zellenplättchen nebst den Kernen, welche die verschiedenen histologischen Schich- ten konstruiren, mehr oder weniger in die Länge sich aus- dehnen, und — wie bereits von Henle gezeigt worden, dass in den sekundären Kapillaren innere längsovale und äussere querovale Kerne sich unterscheiden lassen, — so finden sich in der Tunica intima (mit Einschluss des bekannten Gefäss- Epithelium) nur Schichten, deren Zellen mit dem Längs- durchmesser in der Längsaxe des Gelässes forllaufen, oder doch mit grösster Wahrscheinlichkeit vor weiteren histolo- ischen Veränderungen nach der Richtung der etwa vor- andenen länglichen Kerne, der Faserung und den Falten- zügen zu urtheilen, diesen Verlauf gehabt haben; und in der Tunica media diejenigen Schichten, welche in ähnlicher Weise das Lumen des Gefässes umkreisen. Die Tunica ad- ventitia ist schon durch die Menge Bindegewebes ausge- zeichnet, und die Richtung des vorherrsehenden Wachsthums der Zellen in ihren Schichten nähert sich derjenigen der Tunica intima (Ref. fügt hinzu, dass auch an Quer 38 und Längsschnitichen - getrockneter Arterien nach Behand- lung mit Essigsäure die bezeichnete Anordnung der Schich- ten sich übersehen lässt.) Bei den ‘Venen legt sich öfters die Tunica adv. direkt an die intima, und die Tunica media wird vermisst. — In der Tunica intima fand der Verfasser aus- ser dem gewöhnlichen Geläss-Epithelium, das wahrscheinlich kontinuirlich in die Wandung der einfachen Kapillargefässe sich fortsetzt und in mehrfachen Schichten vorhanden sein kann, meistentheils eine geringere oder grössere Anzahl von Membranen , die dem Epithelium zunächst folgen und durch ihre grosse Neigung zur freiwilligenFaltenbildung ausgezeichnet sind. Die Fallen ziehen im Verlaufder Gefässe, sind sehr fein und geben der Membran, wenn sie namentlich sehr gezerrt worden ist, das ganz auffallend täuschende Ansehen eines feinen Fasernetzes. In der Richtung der Faltenzüge ist die Membran auch spaltbar. Sie ist von Eulenburg und den späteren Forschern wahrscheinlich für- das von ihnen be- schriebene Fasernetz in der Tunica intima gehalten worden; nur Reichert erwähnt feingefalleter Membranen. Ist das Präparat behutsam herbeigeschaflt, so sieht man die ver- meintlichen Fasernetze in vollkommen durchsichtige, hyalin- artige Membranen am Rande des Präparates auslaufen. Auch durch Druck mittelst des Kompressoriums wird man auf Er- scheinungen geführt, die die Beziehung des gestreifteu Anse- hens der Membran zu ihren Falten deutlich an den Tag le- gen. Ref. fügt hinzu, dass diese Membranen durch 24stün- dige Behandlung mit Schwelelsäure vollkommen glatt und streilenlos werden (wegen des Aufquellens), und dass nach Entziehung der Salzsäure durch Wasser unter den Augen des Beobachters das sireifige Ansehen allmählig wieder zum Vorschein tritt. Nach der Tunica media hin beobachtet man in der innersien Haut der Gefässe auch einzelne Schichten gefensterler Membranen und Fasernetze, deren Falten und etwa vorhandene längliche Oeflnungen gleichfalls nach dem Läugsdurchmesser der Gefässe sich richten. Sie zeigen die Beschaffenheit, wie in der Tunica media, sind immer gering an Zahl und fehlen bisweilen gänzlich. Beim Rinde (aorta) namentlich sah der Verfasser auch in der Tunica inti- ma Bindesubstanz, — Die Tunica media ist, wie bereits vor mehreren Jahren Ref. gegen die Henle’sche Darstellung bemerkte, der Hauptsitz der gefensierlen Membranen und Fa- sernetze namentlich in der Aorta.im entwickelten Zustande. Doch sind die Formen dieser histologischen Gebilde bei ver- schiedenen Thieren und selbst in einem und demselben Or- ganismus verschieden. Beim Menschen sind die gefensterten Membranen (Henle’s gestreifte und gefensterte Haut) und 39 die Faserneize ganz gewöhnlich sehr unregelmässig. Die rundlichen und ovalen Löcher der gefensterten Membranen sind zuweilen sehr sparsam vorhanden, in anderen Fällen häufiger. Aehnlich verhält es sich in der Aorta des Schweins (Ref.). In der Aorta des Rindes dagegen begegnet man fast nur regelmässig gelensterlen Membranen und ebeuso ausge- breiteten Schichten von regelmässigen Fasernelzen. Als eine Eigenthümlichkeit dieser histologischen Formen in der Tun. ıned.,ist hervorzuheben, dass dieKichtung der Faserung in den Faserneizen, desgleichen die mehr oder weniger in die Länge gezogenen Löcher gefensierter Membranen (beim Menschen und beim Schweine kommen in der Aorta auch ganz runde Oellnungen vor. Ref‘), desgleichen die Faltenzüge (Ref.) das Lumen des Gefässes umkreisen. Das Bindegewebe hat der Verfasser hier nicht allein im Verlauf der Gefässe, sondern auch in Lagen zwischen den einzelnen Schichten bemerkt. — In der Tunica adventitia finden sich ausser dem vorherr- schenden Bindegewebe Fasernetze und auch gefensterle Mem- branen. Jäsche macht schliesslich darauf aufmerksam, dass man in fötalen Zuständen des Menschen und der Thiere, sa wie selbst noch bei Neugebornen an jenen Stellen der Ge- fässwandungeu, wo man später gefallete Membranen, Fa- sernetze, gelensterte Membranen vorlinde, zahlreichen Mem- branen begegne, die theils aus verwachsenen polyedrischen, mehr oder weniger in die Länge gezogenen oder spindelför- migen Zelleu bestehen, theils mehr oder weniger gefaltete Membranen darstellen, an welchen die Konturen der Zellen zwar verschwunden, aber die läuglichen Kerne noch sicht- bar sind, die endlich auch ganz glashell und gleichförmig sich verhalten. Die abgerissenen Plättchen solcher Membra- nen, namentlich, wenn sie längliche Kerne enthiellen, mö- gen Henle zur Annahme von Muskelfasern veranlasst haben. Jäsche erklärt diese Menıbranen in Uebereinstimmung mit dem Referenten für die in der Bildung der inneren Wurzel- scheide und Rindensubstanz des Haares so deutlich zu ver- folgenden Entwickelungszustände, welche der Ausbildung zu gefalteten und gefensterten Membranen und Fasernetzen bei den epithelialen Gebilden voraufgehen. Daher denn auch das eigenthümliche Gewebe der Gelässwandungen, als zu den Epithelial-Gebilden gehörig angesehen werden musste, Vebrigens fehlt es ausolchen Uebergangsstufen epithelialer Ge- bilde auch selbstin dem entwickelten Zustände derGefässe nicht, und bei den kleineren Gefässeu, als die Aorta, kommen sie sogar häufiger und fast vorherrschend vor (Ref.). 40 Kölliker beschreibt in der mittleren Haut der Arterien Muskelfasern, die sich als längere oder kürzere abgeplattete Zellen (Faserzellen ) mit aufliegenden, etwas verlängerten Kernen darstellen. In der Aorta und dem Stamm der Art. pulm. haben diese angeblichen Muskelelemente in den inne- ren Lagen die Gestalt von kurzen Plättehen, in den äusse- ren von längeren, platten Fasern, und wechseln hier mit Schichten elastischer Fasernetze, gefensterten Membranen und Lagen von Bindesubstanz mit Spiralfsern ab. In den Arterien von kleinerem Kaliber sind diese spindelförmigen Faserzellen vorherrschend, und dieses nimnıt derarlig zu, dass die Tuuica media in den kleinen Arterien unter #° Durchmesser nur aus solchen Zellen bestehen. Auch in den Venenhäuten finden sich die spindelförmigen Faserzellen in der von Henle bezeichneten Ringfaserhaut (Tunica media) vor; in seltenen Fällen irelen zwei durch Längsfasernetze getrennte Ringfaserlagen auf. Die Gehirnvenen, Blutleiter, Knochen- venen und Venenräume der Corpora cavernosa zeigen keine Spur solcher Gebilde. (Ueber die Struktur und Verbreitung der glatten oder unwillkürlichen Muskeln in der Mitthei- lung der Züricher naturf. Ges. No. 2. S. 22; Canst. Jah- resb. 1848. S. 52... — Man überzeugt sich leicht, dass die von Jäsche und dem Ref. für abgerissene Stücke epithelialer Membranen gehaltenen Plättchen von Köl- liker für kontraktile, muskelartige Zelleufasern erklärt worden. — Kölliker ist der Ansicht, dass die elastischen Fasern und gefensierlen Häute den Kernfasern identisch seien und aus ihnen sich entwickeln, da man im Fötus an Stelle der- selben nur Kernfasern und Faserneize der feinsten Art sehe. (Kölliker: Ueber die Milz. S. 4. a. a. O.; Henle: Can- statt’s Jabresb. 1848. S. Ab) — Nach Jäsche und Rei- chert würde der Verfasser die fein gelalteten Membranen, die sich auch in feine Fasern spalten lassen, für Kernfaser- neize gehalten haben. — Ausführliche Beobachtungen über die Textur der Ge- fässwandungen, namentlich an Durchschnitteben geirockneter Gefässe nach Behandlung mit Reagentien, haben Don- ders und Jansen gemacht. (Onderzockingen omtrent den aard der ziekelyke Veranderingen van de Schagaderwanden ete. in Nederländsch Lancet. Vol Il. S. 473. seqq.; Can- statt’s Jahresb. 1848. S. 50. segq.; in den „‚Holländischen Beiträgen“ ist die Abhandlung versprochen, aber in den er- sten drei Heften noch nicht erschienen.) Auch diese Ver- fasser, obschon sie sich möglichst an die Henle’sche Dar- stellung anschliessen, haben sich genöthigt gesehen, zu den Al ursprünglichen drei Häuten der Gefässwandungen "zurück- zukehren. Die äussere Haut (adventitia) wird aus adwech- selnden Schichten von Bindegewebe und elastischen Faser- netzen, die in den Unterleibsarterien den durchbrochenen Membranen oft sehr ähnlich sehen , zusammengesetzt. Die einzelnen Schichten von Fasernetzen hängen auch oft durch die Verbindungszüge zusammen; ihre Faserung verläuft meist in der Längsrichtung. Die Verfasser nennen sie (zum Ueber- fluss, Ref.) Tunica elastico-conjunctiva. Die mittlere Arterien- haut besteht aus Lagen von ringförmig das Lumen umzie- henden Fasern, den glatten Muskelfasern ähnlich, die mit feinen elastischen Fasern durchwebt sind und in vielen Arte- rien mit Schichten elastischer Fasern oder mit elastischen Platten abwechseln. Die elastischen Platten markiren sich an Durchschnittchen als hellere (Ref. findet die Ränder ge- rade dunkel gezeichnet), glänzende Streifen von 0,0009 bis 0,0016“ Dicke und durch einen bald geraden , bald wellen- förmigen Verlauf. Am deutlichsten treten sie nach stunden- langer Behandlung des Präparats mit Essigsäure auf, wo- nach sie durch Druck und Reibung isolirt werden können. Sie besitzen Löcher, erscheinen zum Theil ganz strukturlos und sind mit feinen Fasern (Faltenzügen Ref.) bedeckt, die ringförmig um die Arterie hinziehen. Einzelne Platten glei- chen einem dichten Netz von elastischen Fasern ( gefalteten Membranen, Ref). Die mit den Muskelfasern verwebten Kernfasern isoliren sich durch Behandlung mit Kali. (Refe- rent hat auf diesem Wege in der Tunica media nur selten Spiralfasern gefunden, die dann immer dem Bindegewebe an- ee Auch hier kommt ein neuer Name in Anwendung: unica elastico-museularis. In der innersten Haut finden sich von Aussen nach Innen mehrere Lagen elastischer, der Länge nach verlaufender Fasern oder Platten mit mehr oder minder deutlicher Längsfaserung und schliesslich eine struk- turlose Membran oder das bekannte Epithelium. Es ergiebt sich aus dem oben Mitgetheilten, dass auch hier wieder jene optischen Erscheinungen, welche nach den Untersuchungen Jäsche’s und des Referenten auf Faltenzüge au beziehen sind, von den Verfassern auf Fasernetze zurückgeführt werden. Die Gränze zwischen der mittleren und inneren Haut lässt sich an Schnittchen nicht immer mit Sicherheit unterschei- den. An der Aorta fanden die Verf. in der Tunica intima keine Spur der von Henle sogenannten gestreiften und ge- fensterten Membran; an anderen Arterien dagegen ist sie leicht nachzuweisen, doch nirgends mehr als eine Lage. Die Streifen derselben werden auch hier für Fasern gehal- ten und sollen namentlich an der inneren Oberfläche liegen; 42 doch hat auch wiederum die äussere Fläche Streifenzüge. Die Tunica intima wird Tunica strata elastica genannt, — Donders und Jansen haben noch besonders der Dicke dieser drei Membranen inden verschiedenen Gefässenihre Aufmerksam- keit zugewendet. Die Dicke der Tunica intima entspricht im Allgemeinen der Dicke der Wandung des Gelässes ( Ar- terie); die Tunica media und adventitia stehen meist im umgekehrten Verhältniss. In vielen kleineren Arterien ( Ca- rotis, axillaris ete,, besonders in der Cruralis, poplitaea und in den Unterleibsarterien) begegnet man einer mächtigen äusseren Haut mit stärkeren elastischen Fasern, als in der Aorta. Im Allgemeinen ist die Tunica advent. um so schwächer, jemehr die mililere elastische Platten enthält. Die Verf. geben eine Tabelle der mittleren Maasse der Dicke der Tunica advent. und media in den wichtigeren Arterien, indem sie gleichzeitig hinzufügen, welchen Arterien die elastischen Platten der miltleren Haut gänzlich fehlen und wie gross die Anzahl derselben ist, wo sie angetroffen werden. Die Untersuchungen an Durchschnittchen getrockneter Gefässwandungen sind ein ganz vorlreffliches Mittel, die Gruppirung der einzelnen Schichten in drei Hauptabtheilun- gen, in. die Tunica intima, media und adventitia genau zu übersehen. Auch die Kenntuiss der histologischen Beschaf- fenheit der einzelnen Schichten, wenn sie namentlich eine ausgeprägiere, morphologische Beschaffenheit besitzen, wird besonders nach Anwendung von Reagentien sehr erleichtert; so in Beireflder gefensterien Membranen mit zahlreicheren Löchern und der fasernetzartigen Gebilde. Epitheliale Mem- branen dagegen, deren Zellen fast oder vielleicht gänzlich un- tereinander verschmolzen sind, die ferner durch die Neigung zur freiwilligen Faltenbildung sich auszeichnen, und die end- lich nur sparsam vertheilte Löcher haben, solche Membranen werden, so weit Ref. sich durch Nachprüfungen überzeugt hat, zweckmässiger an den abgezogenen und abgestreilten Sebichten untersucht. Am schwersten ist es in allen Fällen, ein geeignetes Präparat von der Tunica adventilia zu erhal- ten, da eine Zerrung derselben bei Herausnahme der Arte- sien und 'Gefässe überhaupt unvermeidlich ist, nnd die äusser- sten Grenzen fast immer künstlich festgesetzt werden. Ke- ferent, der bei Gelegenheit des vorliegenden Berichtes die Gefässwandungen nach den verschiedenen Methoden von Neuem der Untersuchung unterwarf, glaubt nunmehr den Stand der Sache und der darüber bestehenden Kontroversen in folgenden Worten zusammenfassen zu können. Henle’s Darstellung von sechs Häuten der Arterienwäude ist nicht haltbar; man kehrt am natürliebsten zu der alten Annahme 43 dreier Häute zurück. Der Unterschied dieser drei Häute wird dadurch begründet, dass die Zellen in der Tunica in- iima vorherrschend in der Längsrichtung des Gefässes sich ausdehnen und dass auch die aus ihnen hervorgehenden wei- teren Bildungen an den morphologischen Charakteren diese Wachsthumsrichtung erkennen lassen; dass ferner die Zellen an der Tunica media, desgleichen die weiteren Bildungen derselben unter ähnlich markirten Erscheinungen die Quer- richtung festhalten, und dass endlich die histologischen For- men der Tunica adventilia von dem reichlichen Bindegewebe abgesehen wiederum die Längsrichtung zeigen. Donders und Jansen, Jäsche und Kölliker stimmen darin überein, dass die einzelnen Schichten dieser Häute, von dem etwa vorhandenen Bindegewebe abgesehen, in manchen Beziehun- gen sich morphologisch ähnlich und selbst gleich verhalten, dass aber auf der anderen Seite Verschiedenheiten vorkom- men in denselben Arterien verschiedener Geschöpfe (man vergleiche die Tunica media des Menschen und des Rindes), in den Arterien verschiedenen Kalibers bei einem und dem- selben Individuum (Tunica media der Aorta und Art. ra- dialis des Menschen), ja selbst bei verschiedenen Individuen gleichen Alters und von derselben Species in gleichen Arte- rien. Es ist also kein bestimmtes Schema über die morpho- logische Beschaffenheit der einzelnen Schichten in der Arte- rien- Wandung anzugeben, und auch die Zahl der Schichten variirt mannichfallig, wie dieses Donders und Jansen ge- zeigt haben. Dagegen vereinigen sich die Beobachtungen der verschiedenen Forscher zunächst in der Beschaffenheit der Schichten in der Tunica adventitia. Ausser reichlichem Bindegewebe mit Spiralfasern werden darin angetroffen Längsfasernetze (elastisches Gewebe) und gefensterte Mem- braunen mehr mit regelmässigen Längsspalten, als ovalen oder rundlichen Oeflnungen. Nur über die Bedeutung der Streifenzüge an der gefensterten Membran aus ovalen, sel- tener mit ganz runden Oellnungen besteht eine Kontroverse, die sich überall da wiederholt, wo solche Membranen vor- kommen. Kölliker, Donders und Jansen halten mit Henule diese Streifen für die optischen Ausdrücke von feinen Fasernetzen, Jäsche mit dem Referenten für die mikrosko- pischen Bilder von feinen Faltenzügen. Diese Kontroverse wird sich boflentlich bald schlichten, sofern die Beobachter die oben angegebenen Veruche mit der Schwefelsäure ge- macht haben werden. In Betrell der Tunica media stimmen die Angaben darin überein, dass ausser einer geringeren sse von Bindegewebe (Kölliker und Jäsche) gleichfalls gelensterte Membranen mit ovalen, rundlichen Oeflnungen und Läugsspalten, Fasernetze ähnlich denen in der Tunica 44 advenlitia und endlich ein Gewebe angetroffen werde, das leicht in längere oder kürzere, oft ziemlich regelmässige oder auch unregelinässige, breitere oder schmälere, gekernte und kernlose, gestreifte oder auch ganz glatte spindelförmige Plättchen sich zerlegen lasse. Diese drei Formen können mehr gleichmässig ab wechseln in den einzelnen Schichten: es kann die eine oder die andere, es können auch zwei von ihnen über- wiegen und die dritte zurücktreten. Im fötalen Zustande und selbst bei Neugebornen überwiegt immer die dritte Form auch da, wo z. B. wie beim Rinde später durchaus vorherr- schend und fast ausschliesslich Fasernetze und Membranen mit Längsspalten vorkommen. Desgleichen haben Kölli- ker, Donders und Jansen gezeigt, dass diese dritte Form in gewissen Arterien von kleinerem Kaliber beim Menschen ausschliesslich angetroffen werde. Aber über die hislologi- sche Bedeutung dieser dritten Form sind die Beobachter nicht einig. Kölliker, Donders und Jansen halten sie mit Henle für Muskelfasern, ähnlich den ungestreiften Mus- kelfasern; Jäsche mit dem Referenten erklären sie für ab- gerissene Plättchen epithelialer Membranen, entstanden aus der Vereinigung oder schon erfolgter Verschmelzung spindelförmiger Epithelialzellen; selbst epitheliale Membra- nen, in welchen die lokale Resorption begonnen und Lücken nur sparsam auftreten, können leicht nach der Richtung der Faltenzüge in Stückchen gespalten werden, die den genann- ten Plättchen und ungefähr auch den ursprünglichen Zellen entsprechen. Referent muss nach wie vor bei seiner Ansicht beharren und zwar aus folgenden Gründen: 1) Es lassen sich ohne und mit Hülfe von Reagentien (namentlich nach 24stündiger Behandlung mit Schwefelsäure 20 Proc.) epithe- liale Membranen, entstanden durch Vereinigung und Ver- schmelzung spindelförmiger Epitheliumplättehen mit Kernen versehen und auch ohne Kerne und mit schon begonnener Fen- sterbildung, durch die Methode des schichtenweisen Abstrei- fens in der Tunica media solcher Arterien nachweisen, wo bei Zerrung die bezeichneten spindelförmigen Plättchen auf- treten; 2) Ein nicht zu bestreitendes Faktum ist es fer- ner, dass solche epitheliale Membranen in der Richlung der Längsaxe der mehr oder weniger und gar nicht in ihren Um- rissen kenntlichen Zellen und des Verlaufes der Faltenzüge in spindelförmige Plättchen und Fasern spaltbar sind. Das innersie Gefässepithelium und die zunächst liegenden Mem- branen geben jedem Forscher Gelegenheit, sich davon zu überzeugen. Auch die Rindensubstanz des menschlichen Haares, namentlich an der Wurzel, lässt sich in ähnliche Bildungen zerlegen. Durch Mineralsäuren—beim Haar durch 45 Schwefelsäure und nach mehrtägiger Behandlung mit Salz- säure (20 Proc.) wird die Neigung zur Spaltbarkeit vermehrt; in der Tunica media ist dasselbe der Fall bei Anwendung der Salzsäure. 3) Eine genaue Untersuchung lehrt, dass die spindelförmigen Formen, welche sich aus der Tunica media darstellen lassen, in einem und demselben Präparat hinsichtlich der Länge, der Breite bedeutende Unterschiede darbieten, und dass man namentlich, auch nach Behandlung mit Salzsäure, durch grössere Zerrung und Reibung des Präparates willkürlich die Dimensionen dieser Formen ver- kleinern kann. Selbst schon freigelegte breitere Fasersplilter werden durch Reibung mit dem Deckgläschen, unerachlet sie keine Spur einer Zusammensetzung aus Fibrillen zeigen, in schmalere und auch kürzere Fäserchen zerlegt. Auch die Um- grenzung ist oft unregelmässig. Solche Erscheinungen zeigen sich da, wo man es mit der Zerspaltung und Zersplitierung von epithelialen Membran zu Ihun hal, sie fehlen in Gewe- ben, die aus glatten Muskelfasern bestehen. 4) Aus den Beobachtungen des Dr. Paulsen, der auf meine Veranlas- sung mehrere Gewebe nach der Methode von’Donders und Mulder mit verschiedenen Säuren und Alkalien längere Zeit behandelt und die Veränderungen mikroskopisch unter- suchte, hatte sich herausgestellt, dass die glatten Muskelfa- sern nach 24stündiger Behandlung mit Salpetersäure (20 Proe.) und Salzsäure einen ganz charakteristischen, ge- schlängelten und oft spirallörmig gewundenen Verlauf an- nehmen. (Fried. Paulsen: Observat. microchemicae elc. Diss, inaug. Dorp. 1848. p. 16 seqq). In der Tunica me- dia zeigt sich keine Spur von diesen Erscheinungen. 5) In Arterien, bei welchen im ausgebildelen Zustande, wie 2. B. in der Aorta des Rindes keine spindelförmigen Fa- sern sich darstellen lassen, wo vielmehr fast ausschliesslich Membranen mil Längsspalten und Fasernetzen in der Tu- nica media vorkommen, finden sich im fötalen Zustande und selbst gleich nach der Geburt in der mittleren Haut Schich- ten vor, welche solche spindelförmigen Fasern und Faser- zellen leicht zubereiten lassen, so dass man diese Schichten als die Uebergangsformen zu den späleren Zuständen anzu- sehen genöthigt wird. — Was endlich die Tunica intima betrifft, so ist nıan darüber einig, dass ganz nach innen das gewöhnliche Gefässepithelium angetroffen wird, und dass auf der Grenze zur Tunica media in manchen Fällen gefen- sterie Membranen vorkommen. Ansserdem findet man häu- eine geringe Anzahl von Schichten mit ganz feinen nelz- mig verzweigten dunkeln Streifenzügen und Spuren von länglichen Kernen. Donders und Jansen halten diese Schichten für feine Faserneize, die durch Blastem verbunden 46 werden, Jäsche und Referent für eine gekernte oder kernlose epitheliale Membran, entstanden aus verschmolzenen spindel- förmigen Zellen, deren feine Faltenzüge das mikroskopische Bild der dunkeln verzweigten Streifenzüge bedingen. Je- mehr man sich neuerdings befleissigt hat, nicht jeden dun- keln Streifen für den oplischen Ausdruck einer Faser zu halten, um so zuverlässiger ist zu hoffen, dass auch diese Kontroverse bald beseiligt werden wird. Es wird sich dann nach des Ref. Ueberzeugung ergeben, dass in den Arterien und auch in anderen Gefässwandungen ausser dem Bindege- webe mit den Spiralfasern hauptsächlich verschiedene Formen epithelialer Gebilde vorkommen. die ursprünglich aus mehr oder weniger spindelförmigen Epitheliälzellen durch Ver- schmelzung und weitere histologische Entwickelung hervor- gegangen sind. Ref. kann diese Bemerkung nicht schliessen, ohne einer Beobachtung in Betreff der Fasernetze zu erwähnen, auf die er in letzter Zeit öfters hingeführt wurde. Wenn man eine durchlöcherte Membran, namentlich mit länglichen Spalten, wie etwa die innere Haarwurzelscheide, mit Nadeln oder auch auf geeignete Weise mittelst eines Deckplättchens zerrt, so kann man daraus künstlich ein Fasernetz machen. Die Faserzüge sind aber feiner und schmäler, als die Zwischen- räume zwischen den Spalten, ja sie werden in dem Grade schmäler, je stärker die Zerrung war. Dieses geschieht da- durch, dass bei der Zerrung von den Löchern aus die Mem- bran weiter gespalten wird, wobei, da die Löcher alterniren, die Zwischenräume zwischen denselben, den Spaltungen entspre- chend, getheilt werden müssen. Auf demselben Wege las- sen sich auch Schichten in den Gelässwandungen, die nor- mal mehr das Ansehen von Membranen mit Längsspalten haben, feinere und gröbere Fasernetze beliebig zubereiten. Diese Fasernetze haben vollkommen die Beschaffenheit solcher elastischen Fasernetze, die als normales Gewebe be- schrieben werden. Demnach muss man in Zukunft sich in Acht nehmen, jedes Fasernetz für ein natürliches Produkt zu halten; ja es erscheinen sogar erneuerte Untersuchun- gen sehr nothwendig, um alle bisherigen Angaben si- cher zu stellen, da gewöhnlich die Präparate gehörig gezerrt werden. Die Wandungen der Lymphgefässe enthalten nach Kölliker (a. a. ©. S. 24; Canstatt’s Jahresb. 1848. Bd. I. S. 54) im Wesentlichen dieselben histologischen Bestand- theile, wie die Arterienwände. .‚Im Duct. ihorac. des Pfer- des folgt auf das Epithelium und eine elastische Längsfaser haut eine dünne quere Lage, die hauptsächlich aus, Bindege- webe mit Kernfasern besteht und “wenige Faserzellen ent- 47 hält; die äussere Haut aus: Bindegewebe und elastischen Fa- sern, zieht der Länge nach.“ In den Lymphgefässen des Plexus aorticus inf. des Menschen von 4+— 11" Durchmes- ser ist die quere Faserzellenlage ziemlich stark. In einem Lymphgefässe aus dem Netze des Kaninchens von 4 Durchm. folgten aufeinander von innen nach aussen: Epi- ihelium, elastische feine Längsfasern in einfacher Schicht, Bindegewebe mit Kernfasern und Faserzellen in querer Rich- tung, längslaufendes Bindegewebe mit Kernfasern. — Refe- rent findet gleichfalls in den Lymphgefässwandungen durch- aus im Wesentlichen dieselben Formelemente wie in den Wandungen der Blutgefässe: auch die einzelnen Schichten ordnen sich im Allgemeinen auf gleiche Weise. Eine kurze Notiz über die Verbreitung des elasti- schen Gewebes erhielten wir durch L. Benjamin (Müll. Arch. 1847. S. 239 segq.). Er Sand auch bei den Vögeln das hintere Band zwischen dem ersten Wirbel und dem Hinterhaupte von elastischen Fasern durchflochien; dasselbe zeigt sich in den Wirbelbändern der Frösche. Bei Vögeln ferner begegnet man demselben in ganzen Schichten in den rossen Luftsäcken der Lungen, im Kropfsack und den nahe iegenden Theilen der Speiseröhre, in dem Ligamente, das zwischen den Schnabelhällten des Ober- und Unterkiefers ausgespannt ist, und in demjenigen, welches das Zungenbein an den Schädel befestigt. Elastische Fasern kommen auch in den Öuer- und Längsschichten der Schwimmblase der Fische vor. Beim Hecht zeigt sich dasselbe in dem Bande zwischen Ober - und Unterkiefer und in der Umgebung der beweglichen Zähne. Spiralfasern. In Betreff der Entstehung der Spiralfasern aus Kernen sind bei H Müller (Ueber den Bau der Molen. Würzburg. 8. 5. 82) und auch bei, Henle(Canstatt’s Jahresb. 1848. $. 46.) Zweifel entstanden. H. Müller konnte an den ein- Be hitei Bindegewebesträngen des Chorion menschlicher ötus keine Verwandlung von Kernen in Fasern wahrneh- men; er glaubt vielmehr, dass das Auftreten deutlicher Ein- schnürungen an dem Faserstoff bei Einwirkung der Essigsäure auch die Entstehung der die Einschnürung bewirkenden Be- standtheile des Bindegewebes erkläre. Ilenle sagl: auch ihm seien zuweilen im Bronchial- und Nasenschleim auf Zusatz von Essigsäure grade und gebogene, stellenweis ver- diekte und dunkle feine Fasern vorgekommen, die ihn leb- ft an die unvollendeten Kernfasern erinnerten und ihn, trotz der vielseitigen Bestätigung, die seine Theorie erfahren habe, zu einer Revision derselben auffofdere. — Nun wird 48 es wohl auch Zeit sein, dass man allseitiger den Namen „‚Kernfaser‘ fallen lasse und zu dem von Henle ursprüng- lich gebrauchten ganz passenden Namen „Spiralfaser‘ zurück- kehre. Desgleichen möchte Ref. darauf aufmerksam machen, dass die in neuerer Zeit so herrschend gewordene Verbin- dung der Spiralfasern mit den elastischen Fasern durch keine, wirklich entscheidende Thatsache zu begründen sei. Die Entstehung und Bildung eines Fasernetzes und der elasti- schen Fasern ist hinlänglich erwiesen; von der Bildung der Spi- ralfasern wissen wir nichts Bestimmtes, und ihre morpho- logische Beschaffenheit, namentlich der Mangel von verbin- denden Nebenästen untereinander, erlaubt nicht, eine ähnli- che Entstehungsweise, wie bei den elastischen Fasernetzen anzunehmen. — Möglich wäre es übrigens, dass man auch hier mit Kunstprodukten zu ihun hätte. Muskelfasern. Ueber den Bau und die Verbreitung der glatten Mus- keln hat Kölliker umfangreiche Untersuchungen angestellt. (Histologische Untersuchungen in den Mitth. der Zürich. Naturforscher Gesellschaft. No. 2. S. 18; ferner „Beiträge zur Kenniniss der glatten Muskeln: Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie von Th. v. Siebold und H. Kölliker, Leipzig; 1848 (Bd. 1. S, 48— 88.) Referent entnimmt sei- nen Bericht aus der zuletzt erschienenen Abhandlung, die er vor einigen Tagen zur Ansicht erhielt. Nach dem Ver- fasser sind die Formelemente der glatten Muskeln verhält- nissmässig kurze, platte oder auch drehrunde Fasern. die nur einen einzigen Kern, und zwar konstant, enthalten; sie werden muskulöse oder kontraktile Faserzellen genannt. Sie lassen sich unter drei, verschiedentlich ineinander überge- hende Formen zurückführen. Sie treten auf 1) als kurze rundliche, spindelförmige oder rechteckige Plättchen, man- chen Epitheliumplättchen ähnlich, von 0,01‘ Länge und 0,006 Breite: 2) als ziemlich, lange Plättehen von unregel- mässig rechleckiger, spindel- oder keulenförmiger Gestalt mit zackigen oder gefranzten Rändern und Enden; Länge 0.02, — 0,04, Breite 0,003 — 0.007°; 3) als spindelförmige, schmale, drehrunde oder platte Fasern mit geraden oder wellenförmigen, frei anslaufenden Enden ‘von 0,02 —0,1'", selbst 0,25‘ Länge und 0,0'2—0,01 “ Breite. Die erste und zweite Form kommt allein in den Wandungen der Ge- fässe vor, die dritte theils in den Gefässen, theils in anderen mit glatter Muskulatur versehenen Organen. Charakteristisch ist diesen Muskelfasern der einfache, blasse, kernkörperchen- lose, öfters erst nach Anwendung von Essigsäure sichtbare oder deutlich hervortretende Kern. Derselbe stellt gewöhnlich 49 ein langes (0,004 — 0,016‘), eylindrisches (0,0008 — 0,00 13 breites) Stäbchen mit abgerundeten Enden dar; die Kerne sind seltner länglich rund (im Tensor chorioideae Brücke, im: Sphincter und dilatator pupillae), äusserst selten spindel- förmig. In sehr seltenen Fällen beobachtete K. in einer mit Essigsäure behandelten Faser einen eingeschnürten, doppelten, selbst mehrfachen Kern. Die Faser quillt in Wasser und Essigsäure auf und wird dabei, namentlich in letzterer (we- gen der Aufquellung Ref) blass. Ein Unterschied zwischen äusseren (Hülle) und inneren (Inhalt) Theilen ist nicht mit Sicherheit nachzuweisen; die Substanz ist in manchen Fäl- lem undeutlich gestreift, auch granulirt; es zeigen sich auch grössere dunklere Fetikörnchen, selbst mit gelblicher Färbung in verschiedener Menge und Lagerung in derselben. Jede Faser bildet sich, wie es sich leicht im schwangeren Uterus und im Darmkanal von Embryonen verfolgen lasse, durch Entwickelung und Wachsthum aus einer einzigen, runden, kernhaltigen Zelle, deren Kern mit dem Wachsthum in ein Fasergebilde gleichzeitig sich verlängert, und die mit Inhalt und Membran in eine homogene, zusammenhängende Faser übergeht. — Die muskulösen Faserzellen legen sich seitlich uud mit ihren Enden aneinander und bilden so die dem blossen Augen sichtbaren Bündel und Häute, welche entwe- der als reine glatte Muskeln ohne Beimengung ander weitiger Gewebe, oder als gemischte glatte Muskeln, verwebl mit Bindegewebe, Kernfasern, elastischen Fasern auftreten. Iu den reinen glatten Muskeln lassen sich die Faser-Elemente fast ohne Ausnahme isoliren, in den gemischten gelingt die- ses weniger, und, wo viel elaslisches Gewebe beigemengt ist, sei es durchaus unmöglich. Ueber die Verbreitung der glatten Muskeln in dem Köl- liker’'schen Sinne findet ınan folgende Angaben. — Die reinen glatten Muskeln kommen vor: im Warzenhofe und in der Brustwarze, namentlich beim weiblichen Geschlechte. Im Warzenhofe sind sie kreisförmig angeordnet und in gelb- röthlichen, dem .blossen Auge schon sichtbaren Bündeln bis zu 4‘ Breite vereinigt. In der Warze selbst verlaufen die Bündel theils kreisföormig, theils senkrecht und vereingen sich zu eineın dichten Netzwerke; die Hauptmasse derselben liegt in der Lederhaut nach unten zu. Ferner in der Leder- baut, namentlich an den behaarten Stellen, und an den ‚Haarbälgen. In der Lederhaut finden sich diese Muskeln in ‚den oberen Theilen in Bündeln von 0,1 — 0,16” Breite und verlaufen schief von aussen nach innen gegen die Haarbälge ‚und die Talgdrüsen; in den Haarbälgen liegen sie zwischen einer von dem Verfasser beschriebenen, glashellen, nach aus- Müllers Archir. 1619, D 50 sen von den Wurzelscheiden gelegenen Haut und einer Längsfaserschicht, in querer Richtung vom Grunde des Bal- ges bis zur Einmündung der Talgdrüsen. Auch im Tensor chorıöideae, sphincter et dilatator pupillae begegnet man den reinen glatten Muskeln; doch sind beim Menschen die Fa- serzellen schwer zu isoliren. Sie werden ferner beständig angetroffen in den grossen Schweissdrüsen der Achselhöhle, und als Andeutungen zuweilen an anderen Schweissdrüsen; desgleichen gut ausgebildet an den Ohrenschmalzdrüsen. Die Faserzellen zeichnen sich hier meist durch die zackigen und gefranzten Enden aus, verlaufen der Länge nach an den Drü- sen und sollen hier unmittelbar nach aussen von dem Drü- senepilhelium und nach innen von einer aus feinen queren Kernfasern mit Bindegewebe gebildeten Schicht gelegen sein. Hieher gehören auch die Muskeln der Harnblase nebst Ura- chus und des Darmkanals. Sie bilden ferner einen Theil der Muskeln, die weit über die Hälfte (bis &) der ganzen Masse der Prostata and des in ihr gelegenen Theiles der Harnröhre ausmachen; es ist namentlich derjenige Theil, welcher unmittelbar über. die sämmtlichen Drüsenbläschen und Kanäle als eine gemeinschaftliche Umhüllung derselben in querer Richtung hin wegzieht. ‘Auch in der Schleimhaut der Scheide fand Verfasser eine, ‘besonders während der Schwangerschaft und bei Frauen, die schon geboren "haben, entwickelte Muskelhaut, die. übrigens auch während ‘des jungfräulichen Zustandes nachzuweisen sei. Sie verlaufen der Länge, aber vorzüglich in der Querrichtung und enthal- ten in ihren Bündeln gewöhnlich weder Bindegewebe, noch Kernfasern. Endlich kommen solche reine, glatte Muskeln vor in der mittleren Haut kleinerer Arterien, Venen und Lympfgelässe. Die gemischten, glatten Muskeln haben ihre charak- teristischen Repräsentanten in der Milz und in den Corpora cavernosa bei beiden Geschlechtern. In der Milz des Schwei- nes zeigten sie sich sowohl in der Hülle und deren die Nerven und Gefässe begleitenden Scheiden, als auch in den stärksten und feinsten Balken des Parenchyms; ihre Rich- tung im Verlauf ist parallel der Längsaxe der Balken, Gefässe und Nerven. Auf gleiche Weise verhalten sie sich beim Hunde, Esel, bei der Katze und bei Dicotyles torquatus., — Beim Kaninchen, Pferde, Igel, Meerschweinchen und Fle- dermäusen fehlen sie in der Hülle, beim Rinde auch in den stärkeren Balken. Beim Menschen fand sie der Verfas- ser nur in den mikroskopischen Balken, und sind sie hier auffallenderweise durch einen runden Kern ausgezeichnet. Auch in der Milz der Vögel, beschuppten Amphibien‘ und 51 Fische glaubt K. mit Bestimmtheit glatte Muskelfasern ge- sehen zu haben. In Betreff der Corpora cavernosa ureihrae und penis äussert sich der Verfasser in der Art, dass er es für naturgemäss halten möchte, dasselbe als eine, mit ei- genthümlichen Gefässen versebene, sehr entwickelte Muskel- haut anzusehen. Denselben Bau haben auch die Corpora eavernosa der Clitoris, der Bulbi vestibuli und ihre Pars intermedia. Ausserdem finden sich diese Muskelo in der Tu- nica dartos, wo sie im Kleinen die Verhältnisse der Mus- kellage der Harnblase wiederholen; sie lassen sich nur in sehr seltenen Fällen in ihre ‚Fasern isoliren. Ferner gehö- ren hierher die‘ Fasern des Trigonum vesicae, des Harnlei- ters, des Nierenbeckens und selbst der Nierenkelche, die mittlere Haut grösserer Arterien und Venen, die Umgebun- gen der Prostata ganz nach aussen und gegen die pars pro- stalica urethrae hiu, die nächsten Grenzschichten der Urethra auch in der pars membranacea, wo sich die Fasern mit dem m. urethralis mischen; desgleichen die Eileiter und der Ute- rus, mit den an ihn. sich inserirenden Bändern und Falten des Bauchfells:; die Ligam. uteri anteriora und posteriora, Lig: ovarii (spärlich), Lig. uteri. rotunda. > Unmerkliche Uebergänge der gemischlen glatten Muskeln indiereinen finden sich: in der Trachea, in den Bronchien, und zwar nach aussen von einer Längsfaserhaut als quere, eirculäre Muskelschicht (K. sah keine Längsmuskeln, wie Henle), im Harnleiter, in dem Samenleiter und an der inneren Seite der Tunica vaginalis communis des Hodens. An letzterer Stelle zeigt sich eine starke, gelbröthliche Faserlage an der hinteren Fläche und dem unteren Ende des Nebenhodens, und wendet sich von beiden Seiten und von unten her, in- dem sie an die äussere Fläche des freien Blattes der Vagina- lis propria sich anlegt, nach ‘vorn, einen die zwei unteren Dritttheile der Propria überziehenden Beutel, die. sogenannte innere Muskelhant des Hodens (im Gegensatz zur Tunica dartos) bildend. Es scheint passend, schliesslich diejenigen Bestandtheile zu bemerken, welche nach Kölliker durchaus keine Spur von. Muskelfasern besitzen. Hieher gehören die Magensaft- drüsen, die Lieberkühn’schen und Dickdarmdriüsen, die Uterindrüsen, die Talgdrüsen, die Meimbomschen Drüsen, die Schleimdrüschen der Mund- und Rachenhöhle, der Trachea, der Gallengünge, der Nasenhöhle ete., ein Theil der Sch weiss- drüsen, die Ausführungsgänge der Brustdrüse, Lungenbläs- chen beim Menschen und Säugethieren, der Ductus hepati- eus mit seinen zwei Aeslen und weiteren Ausbreitungen in der Leber des Menschen (auch im Duetus eyslieus und D2 52 choledochus und in der Gallenblase waren nur Spuren), der ductus pancreaticus, die Ausführungsgänge der Thränendrüse beim Kalbe, desgleichen die Thränenkanälehen, der Thränen- sack und Thränengang; ferner der Ductus Stenonianus und Bartholenianus, so wie die Ductus Riviani (der D. Wharto- nianus bat schwache Längsmuskeln ); die Drüsenbläschen und Ausführungsgänge der Cowper’schen Drüsen (in der Umgebung sind sie, wie bei der Prostata vorhanden); end- lich noch folgende Venen: die Venen der Placenta uterina, der Gehirnsubstanz, die Blutleiter der Dura mater und der Breschet’schen Knochenvenen, die Venenräume der Corpora cavernosa der männlichen und weiblichen Geschlechtswerk- zeuge und wahrscheinlich auch die feineren Venen der Milz. In dem von Todd und Bowmann beschriebenen M. cochlearis konnte Kölliker keine Muskelfasern er- kennen. Unerachtet an manchen Stellen des Körpers ganz auf- fallender Weise keine Spur von Muskelfasern anzutreffen war, und gleichwohl vorausgesetzt werden musste, so würde es doch schon erfreulich sein, wenn überall da, wo Kölli- ker Muskulatur beschreibt, dieselbe mit Sicherheit angenom- men werden könnte, und so die Eigenschaft der Kontrak- tionsfähigkeit mit einem bestimmten Kreis morphologischer Gebilde zu verbinden wäre. Ref. hatte von den Untersu- chungen des Verfassers zu spät die gehörige Kenntniss er- halten, um eine so genaue Prüfung zu unternehmen, wie es das Interesse des Gegenstandes und die ausgebreiteten For- schungen erfordern. Die Tunica dartos, die Tunica vagina- lis communis testis eines 18jährigen Jünglings, die Follieuli ili, die Lederhaut der Brustwarze, die Trabekeln der Milz ei Schwein (über die mitilere Haut der Gefässe war schon früher berichtet) wurden von dem Ref. einer neuen Untersuchung mit Rücksicht auf die Angaben (K.) unter wor- fen. Aber dieselben Bedenken und Zweifel, die andere For- scher und den Ref. bisher abgehalten haben, den kühnen Griff zu ihun, und hier von Muskulatur zu sprechen, haben auch nach den Mittheilungen Kölliker’s sich nicht beseiti- gen lassen. Diese Bedenken haben ihre Begründung darin, dass einerseits bis jetzt keine charakteristische Kennzeichen für die glatten Muskelfasern vorhanden sind, und dass an- dererseits andere Gebilde, wie gewisse Epithelien, Binde- gewebe in gewissen Formen und auf unreifer Entwickelungs- stufe, ja milunter Kapillargefässe genau unter denselben mi- kroskopischen Erscheinungen auftreten, wie die allgemein anerkannten glatten Muskeln. Liegen die immerhin schwer trennbaren glalten Muskelfasern zusammen, so bilden sie 93 eine ziemlich regelmässig gestreifte Substanz mit länglichen Kernen in regelmässigen Reihen geordnet. Dasselbe zeigt die Rindensubstanz des Haares im Haarsack, die epithelialen Membranen in der inneren Gefässhaut so genau, wie die Muskulatur im Darm; dasselbe kann man an Sehnen wahr- nehmen, die noch nicht vollkommen entwickelt sind, des- a an faserknorpligen Zuständen der Bindesubstanz. ier, wie dort, kann man durch Zerrung Fasern darstellen, und diese Fasern gleichen sich, zumal die Faserzellen der glatten Muskeln Köllikers so ungemein variiren und un- regelmässig sein können, häufig genug so sehr, dass wenig- stens Ref. eine bestimmte Unterscheidung zu treffen nicht im Stande ist Kölliker legt ein grosses Gewicht bei der Erkennung der kontraklilen Faserzellen auf die Kerne, die gemeinhin einfach und gewöhnlich (der Verfasser führt selbst mehrere Ausnahmen an) von stabförmiger Beschaffenheit sein sollen. Dass die glatlen Muskelfasern gewöhnlich nur einen Kern führen, hat Ref. schon längere Zeit für wahr- scheinlich gehalten: dasselbe wiederholt sich aber auch ganz gewöhnlich bei künstlich bereiteten Faserplättchen der ande- ren Gebilde. Was aber die stabförmige Beschaffenheit des Kerns betrifft, so hat sich Ref. von derselben bei glatten Muskeln ohne Anwendung der Essigsäure nicht überzeugen können, sie zeigen sich vielmehr mehr oder weniger läng- lich gezogen und plattgedrückt. Auf der anderen Seite fin- den sich eben solche Kerne an den bezeichneten Formen des Bindegewebes und namentlich auch in sehr langgezoge- ner Gestalt in der Rindensubstanz des Haares an bezeichneter Stelle; und die Essigsäure hat auf sie dieselbe Wirkung, wie bei den glatten Muskeln. Kölliker hat diese Unsicher- heit wohl gefühlt und bemerkt ausdrücklich, dass seine erste und zweite Form von kontraktilen Faserzellen, die einzig und allein in den Wandungen der Gelässe vorkommen, mit Epithelien-Plättchen verwechselt werden können. ie liegen auch oft in Schichten beisammen und haben mit- unter eine rigide Beschaflenheit, wie es schien, von geringer Kontraktions-Fähigkeit. Wie aber beseitigt K. diese Beden- ken? Er meint zunächst, für die muskulöse Natur bürgen die vielen Vebergänge, die zwischen den genannten Formen und der dritten in den Gefässen vorkämen. Für den Ref. ist der Unterschied zwischen einer unregel- mössig eckigen und in mehrfache Zacken auslaufender Faserzelle und einer an das Ende gestellten gewöhnli- chen Muskelfaser so gross, ‘dass ihre Vereinigung in eine verwandtschaftliche Reihe geradezu willkürlich erscheint, Ausserdem wiederholen sich dieselben Formen bei künstlich 54 dargestellten Faserelementen bei gewissen Epithelien und auch in Geweben der Bindesubstanz. Zweitens, sagt K., spricht gegen die Deutung als Epithelium offenbar die Lage jener fraglichen Gebilde zwischen Bindegewebe und elasti- schen Häuten. Dagegen ist zu erinnern, dass die Membrana pigmenti des Auges, ein evidentes Epithelium, schon nicht an einer freien Fläche gelegen ist, dass dasselbe im stren- gen Sinne auch von dem Gefässepithelium gesagt werden muss, dass endlich die durchlöcherten Membranen und Fa- sernetze, welche, wie z. B. die innere Haarwurzelscheide unzweifelhaft darlegt, als eine weitere histologische Entwik- kelungsstufe von Epithelial- Membranen anzusehen sind, am Haare, in seiner Lage im Körper, wie Horngebilde sich ver- halten, in den Gefässen aber genau so, wie andere, gewölhn- lich nicht an einer freien Oberfläche gelegenen Gebilde gela- gert sind. Hier müssen natürlich unter denselben Lagerungs- verhälinissen im Körper auch die den durchlöcherten Mem- branen ete voraufgehenden Entwickelungsstufen vorhanden gewesen sein, und solche Epithelien sind auch in der That zahlreich nachzuweisen. Also auch dieser Grund ist nicht haltbar. Endlich spräche nach K. der Umstand für die muskulöse Natur der fraglichen Faser-Elemente, dass diesel- ben in leicht nachweissbaren kontraktilen Geweben lägen, in welchen keine andere kontraktile Elemente sich nach wei- sen liessen. Das klingt, nach dem heutigen Stande der Wissenschaft, wie eine petitio prineipii. Wer darf behaup- ten, dass die Kontraktionsfähigkeit nur eine Eigenschaft der Muskelfasern sei? Auf welehe Thatsache hin, kann man es mit der hier ganz nothwendigen Sicherheit ausspre- chen, dass alle sonstigen Gewebe und Formelemente an kontraktionsfähigen Stellen keine Kontraktilität besitzen, und wie ist es zusammen zu reimen, dass an gewissen kontrak- tionsfähigen Stellen des Körpers keine Spur von Kölliker- . schen Faserzellen angetroffen wird? Sicherlich ist die Kon- traktilität eine viel zu allgemein verbreitete Eigenschaft der Zellen und der aus ihnen hervorgehenden morphologisch ganz verschieden sich verhaltenden Formelemente, als dass man aus der Kontraktilität eines Körpertheiles auf das Vor- handensein von Muskelfasern mit Sicherheit zu schliessen sich berechtigt fühlen kann. Hiernach muss man gestehen, dass Kölliker kein hinlänglich gesichertes Faktum geliefert hat, um uns über die Bedenken und Zweifel hin wegzubrin- gen, die uns bisher abgehalten, überall da Muskulatur zu se- hen, wo er sie findet; dass ferner die von ihm beschriebe- nen, verschiedenen Formen von kontraktilen Faserzellen eine zu verschiedenarlige histologische Entwickelyng voraus- 5 setzen, als dass man sie für verwandt halten kann; und dass er vielmehr einen kühnen Versuch gewagt, als die wichligste Grundlage seiner Forschungen gehörig begründet habe. Gleichwohl bleibt die Arbeit dankenswerth; sie wird hoffentlich die Veranlassung werden, ein bisher unsicheres Feld von neuem zu bearbeiten, in Folge dessen selbst ein grosser Theil der Resultate des Verfassers auf mehr befe- sligten Grundlagen bestätigt werden könnte. Die Gewebe der Bindesubstanz. Brücke beschreibt in seiner trefflichen „anatomischen Beschreibung des menschlichen Augapfels (Berlin. 1847. 4. mit 1 Tafel, S. 20)“ ein eigenthümliches Gewebe, welches die Gelässe, Nerven, Muskeln (Tensor choroideae B.) der Choroidea (Uvea Br.) untereinander. verbindet. Dasselbe stellte sich in einigen Gegenden als ein Netzwerk feiner Röhren dar, die an einzelnen Stellen durch Kerne kolbig aufgetrieben sind, und von Pigmentkörnchen mehr oder we- niger angefüllt werden. Die Maschen der Netze sind bald enger, bald weiter. In anderen Gegenden zeigen sich rund- liche oder elliptische Zellen‘ mit. Kernen, die nach zwei oder mehreren Richtungen in mit Pigmentkörnchen gefüllte Röhren ausgezogen sind. Zur Zeit der Geburt des Kindes sind diese Formelemente ziemlich gleichförmig; sie bestehen sämmtlich aus runden oder elliptischen, wie es scheint, hoh- len Kernen, um welche eine enganschliessende Membran liegt, die nach zwei oder mehreren Richtungen hin, in sehr feine, bald grade, bald geschlängelte Röhren ausgehen. Diese Röhren verwachsen daun miteinander und bilden Sy- steme von Röhrennetzen. Später lagert sich Pigment hin- ein. — Henle hält dieses Gewebe für die von ihm be- schriebenen Fasern der Lamina fusca, obgleich er daselbst des Pigmentes nicht erwälint. (Canstatt’s Jahresb. 1848. 8.43.) — Kölliker erklärt dasselbe für eine eigenthüm- liche Form des Bindegewebes, das er „„netzförmiges“ nennt. Es finde sich im ligam. iridis peelinatum, in der Zahnpulpa, in der Allantois ete, und entstehe aus slernförmigen, nach allen Richtungen hin sich vereinigenden Zellen, während das gewöhnliche Bindegewebe aus spindellörmigen Zellen sich ent- wickele. (Siebold’s und Kölliker’s Zeitschrift für wis sensch. Zoolog,. Bd. I. S. 54. Anmerk.) © Bef. hat in seiner Abhandlung über das Bindegewebe m die verwandten Gebilde ($. 113.) bereits darauf hinge- sen, dass diese Gebilde auf gewissen Entwickelungsstu- fen Erscheinungen darbieten, die an sternförmige Pigment- zellen-Formen erinnern. Es sind diese Erscheinungen da- 56 durch bedingt, dass Faltenzüge über die spindelförmigen Zel- len und die Intercellularsubstanz in verschiedenen Richtun- gen hinwegziehen. Bei gehöriger Umsicht kann man sich, wie dort angegeben, von der Richtigkeit der Dentung der mikroskopischen Bilder vollkommen überzeugen. Grade auch von der Allantois hat Ref. gesprochen, und auch aus der Zahnpulpa sind ihm diese Erscheinungen bekannt. Kölli- ker’s sogenanntes netzförmiges Bindegewebe ist durch keine ordentliche Beobachtung erwiesen; auch die Henle’- schen Fasern der Lamina fusca hat Ref. niemals gesehen. Was aber das Stroma der Uvea betrifft, so findet Ref. dar- in überall gewöhnliches Bindegewebe mit sternförmigen Pigmentzellen in verschiedenen Formen. Letztere begleiten mit dem Bindegewebe die Nerven und Gefässe und finden sich auch sehr zahlreich in der sogen. Lamina fusca, in Bindegewebe eingebettet. Das Bindegewebe ist hier, wie an vielen anderen Orten des Körpers, nicht so leicht in Fa- sern spaltbar; es bildet auch nicht so regelmässige Falten- züge und zeigt sich daher nicht so regelmässig gestreift. Bei vorsichtiger Präparation kann man hier namentlich an der Oberfläche der Uvea ganz prächtige, homogene, durch- sichtige, bald ganz glatte und leicht zu übersehende, in an- deren Fällen, von den Runzeln und Faltenzügen, granulirt und unregelmässig gestreifte bindegewebige Membranen zur Ansicht erhalten; in ihnen liegen verschieden geformte, öl- ters zwei oder dreı auch mehrschenklige sternförmige Pig- mentzellen oft so regelmässig vertheilt. dass man an ein Netzwerk erinnert wird, zumal die Faltenzüge der membran- artigen Bindesubstanz die Verbindung unter den einzelnen sternförmigen Pigmentzellen unterhalten. Aber diese Pig- mentzellen zeigen nach der Ansicht des Ref. kein anderes morphologisches und chemisches Verhalten, als die einfache- ren Formen von sternförmigen Pigmentzellen beim Frosch, bei den Fischen ete., wo sie bekanntlich sehr zerstreut und ohne in Verbindung zu treten häufig genug angetroffen wer- den. Auch bei der Uvea hat Ref. sich nicht überzeugen können, dass die Ausläufer verschiedener Pigmentzellen mit einander verschmelzen. Henle zeigt frohlockend an (Canstatt’s Jah. 1848. S 44.), dass Reichert seinen Einwürfen gegenüber nun- mehr den faserigen Bau des gew. Bindegewebes zugegeben habe, weil derselbe bemerkt, dass das Bindegewebe nach seiner histologischen Beschaffenheit (in Folge der Bildung durch Verschmelzung von Zellen und Intercellularsubstanz) keine bestimmte äussere Form besitze, in dem Organismus aber gleich einem Kitt, den Organisationsverbältnjssen ent- 57 sprechend, jede beliebige äussere, auch die Strang- und Fa- serform annehmen könne. Der Verfasser hätte sich seine Freude schon früher bereiten können, wenn er mit Aufmerk- samkeit die Abhandlung des Ref. (S. 163 ) studirt hälte. Wenn es Henle so schwer wird, die Worte des Ref. auf das Bindegewebe zu übertragen, so mag er es zunächst mit der Knorpelsubstanz versuchen, bei der ihm die Einsicht in die Unterscheidung der äusseren Form und der histologischen Beschaffenheit vielleicht erleichtert ist. Nach Donders (Holländische Beiträge, S. 259 des Il. Heft. Bd. 1.) beobachtet man an Querschnittchen getrockne- ter Sehnen nach Behandlung mit Wasser und bei nachträg- lichem Zusatz von Essigsäure Folgendes. Es treten mit grosser Schnelligkeit eine Menge langer, mehr oder weniger geschlängelter, öfters isolirter Plättchen zum Vorschein, die um so breiter sind, je dickere Durchschnitte man genommen hat, und auf deren Fläche, der Breite nach, hier und da ab- gebrochene, der Längsrichtung der Sehne parallele Kernfa- sern siehtbar sind. Diese sog. Plättchen oder Bänder seien nichts Anderes, als umgeschlagene (losgelösete Ref.) Theile des @uerschnittes der Sehne, welche man nun als breite aber sehr kurze Längsschnitte beobachte. Ihre Länge ist aber häufig so bedeutend, desgleichen sind diese Plättchen oft so deutlich isolirt und dünn, dass sie unmöglich von den umgekehrten Rändern der sekundären Bündel abgeleitet wer- den können; woraus zu folgen scheint, dass die Primitiv- bündel (wenn sie wirklich als begrenzte bestehen,) zu Plätt- chen verbunden sind, die entweder zum Theil concentrisch an einander geschlossen oder aufgerollt die sekundären Bün- del bilden, und die nun durch Essigsäure auseinanderwei- chen und sich umschlagen. Donders scheint übrigens dureh seine Erklärung selbst nicht ganz befriedigt zu sein. — Henle ist der Ansicht, dass die gegebene Erklärung des Verf. von dem Ref. als eine Bestätigung der von ihm festge- stellten Textur des Bindegewebes ın Anspruch genommen werden dürfte. (Canst. Jah. 1848. S. 44.) — Gerlach hat die Beobachtung Donders und dessen Erklärung bestätigt, und giebt in seinem Handbuch der allgemeinen Anatomie (S. 110) bereits eine Zeichnung von diesen Bändern und den Querschnittchen einer Sehne. Referent bedauert in dem Verhalten der Querschnittchen getrockneter Sehnen bei Anwendung von Essigsäure keine neuen, etwa klarer daliegenden Beweiswittel für seine An- sicht von der Textur des Bindegewebes finden zu können, da er die Erscheinungen ganz anders zu deuten gezwungen ist. Die Sehnen bestehen bekanntlich, wie wenigstens der 58 Anschein lehrt, nicht aus einer durchweg gleichförmig ho- mogenen Bindegewebe - Masse, sondern aus dickeren oder dünneren, sehr verschieden umgränzten Strängen (sogenann- ten sekundären Bindegewebebündeln ) festerer Masse, die durch dünnere und lockere Schichten miteinander verbunden werden. Ein Querschnittchen einer Sehne ist demnach zu- sammengesetzt aus verschieden geformten Plättchen, den Querschnittchen der Stränge. Wird nun dasselbe nach An- wendung von Wasser mit Essigsäure behandelt, so sieht man diese Plättchen schon mit blossem Auge und nament- lich unter der Loupe während der durch Auschwellung er- folgenden Vergrösserung sich runzeln, in Falten legen und von den Rändern sich theilweise aufrollen. Wird nun das Präparat, nachdem ein Deckgläschen darauf gelegt und ein Theil der Faltungen wieder ausgeglichen worden, unter dem Mikroskop betrachtet, so fallen sogleich jene beschriebenen fein quergestreiften bandarligen Figuren auf. Bei genauer Untersuchung erkennt man sehr bald, dass die Streifen an den Rändern der sehr durchsichtig gewordenen Querschnitt- chen der Stränge hinziehen ; sehr selten liegt ein Bandstrei- fen ganz, frei; häufiger verlaufen sie über die Fläche des Plättchens hinweg. In allen Fällen aber kann man sich leicht überzeugen, dass man es mit den optischen Bildern der aufgerollten Ränder und Faltungen der Querschnittchen der Stränge zu thun hat. Man darf nur die Bandstreifen an den Rändern bis an das Ende verfolgen, und man wird nicht selten. Gelegenheit haben, den Uebergang der Kontour des aufgerollten Randes in die Kontour des Plättchens zu beobachten; desgleichen lassen sich jene Bandstreifen durch Druck bald ganz verschwinden machen, unter Umständen auch in der Breite vergrössern. Was nunmehr von den an- eblichen Kernfasern an diesen bandförmigen Figuren zu Felten ist, darüber kann man mit Stillschweigen hinwegge- hen. Die Kernlasern werden leider häufig genug benutzt, um jeden dunkeln feinen Strich, er mag von feineu Falten- zügen oder von feinen Messerriffen etc. herrühren, unterzu- bringen und dieselben zu erklären. Unerachtet übrigens bei der Deutung der mikroskopischen Bilder sich hier ein arger Missgriff eingeschlichen und sogar mit Zeichnung in ein Handbuch übergegangen ist, so mag Ref. gleichwohl nicht gegen die Ansicht auftreten, dass die einzelnen Sehnenstränge vielleicht ähnlich, wie man es an'den Vaterschen Körper- chen sieht, aus übereinandergelegten Bindegewebe - Schich- ten bestehen; doch die Sonderung derselben ist ihm nicht gelungen, 59 Gerlach, der in seinem Handbuche der allgemeinen und speziellen Gewebelehre die Ansichten Henle’s und sei- ner Anhänger gemeinhin zu vertreten sich bewogen gefühlt hat, ist auch bemüht gewesen, mehrere Gründe für des Ref. Ansicht von der Textur des gewöhnlichen Bindegewebes zu entkräftigen. Ein Hauptargunient gegen des Ref. Auschau- ungsweise findet er zunächst in der Entwickelung des Bin- degewebes, indem er dabei der Schwann’schen Hypothese folgt, und der ausführlichen Darstellung des Ref. mit keiner Sylbe gedenkt.. In Betreff! des kontinuirlichen Ueberganges des gestreiften (sog. gelaserten) Bindegewebes in Gewebe, die evident nicht streifig (und: auch nicht faserig) sind, wählt sich der Verf. die Beobachtung, durch welche Ref. an dem pinsellörmigen Kiefermuskel des Flusskrebses nach- weiset, dass die primitiven Muskelscheiden unmittelbar in die Sehnen und das Anheftungsbindegewebe der Muskeln an die Skelettheile übergehen, — und glaubt, dass Rei- chert strukturlose Zwischensubstanz ‘des Bindegewebes mit dessen Elementarfasern verwechselt habe. (!) Ger- lach hat auch die Versuche des Ref. mit den Querschnitt- chen getrockneter Sehnen wiederholt, und ist zu demselben Resultate, wie Henle und Stadelmann, gelangt. G. hätte es auch mit Längsschnittchen versuchen sollen, vielleicht würde er sich überzeugt haben, dass dieselben Erscheinungen, die er auf die Durchschnitte von Fäserchen bezieht, auch bier sich nachweisen lassen. Ref. hat seine recht fein ge- rathenen Längs- und @uerschnittchen geübten Mikroskopi- kern vorgelegt und diese fühlten sich ganz ausser Stande, das eine von dem andern zu unterscheiden; ja es ist wohl schehen, dass man anfangs das Längsschnittehen für das henichsüitchen hielt. Auch die Versuche des Ref. durch Spannung und Druck die Streifung (Faltungen) einer mem- branösen Bindegewebeschicht stellweise gänzlich zu beseiti- gen und aufzuheben, ist ibm nicht geglückt, was übrigens gar nicht zu verwundern ist, da er den Versuch an möglichst ‚solirten Bindegewebelasern (! Ref.) unternommen hat. End- Hlich müssen auch die Kapseln der Vater’schen Körperchen selbst im Zustande der grössten Ausspannung den faserigen Bau deutlich darlegen; — denn Bowmann und Todd ha- beu die Ansicht Henle’s und Kölliker’s bestätigt. — Wahr- lich, der Verfasser hat es sich in seinem Handbuche leicht gemacht! — Iuzwischen hat Prof, Fiek in Marburg vor einigen Ta- (Mai 1849) dem Ref. die Mittheilung gemacht, dass er urch einen eigends konstruirten, ebenso einfachen als aweck- mässigen Apparat membranöse Stücke von Selinen und Bin- 60 degewebe, so gleichmässig auszuspannen im Stande ge- wesen sei, dass die faserlose Textur der bezeichneten Gewebe vollkommen klar zu Tage trat. Bendz (Handbog i den almindige Anatomie. Kjöbenhavn. 8. 2 Heft. S. 342), desgleichen Todd und Bowmann (The physiologieal Anatomy and physiology of man. Part. II. Lond. 8. p. 17.) bestätigen, ohne es jedoch weiter zu bemerken, die von dem Ref. gemachte Beobachtung (Ver- gleichende Beob, über das Bindegewebe etc. 1845. S. 86), dass das Gewebe der Sclerotica sich ganz kontinuirlich in die Substanz der Cornea forisetze, so dass beide als verwandte Gebilde anzusehen seien, Donders unterscheidet im Knorpelgewebe drei Formen: das wahre, das faserige und das elastische Knor- pelgewebe. (Holländische Beitr. Bd. I. S. 260 seqq.) — Der wahre Knorpel ist der gewöhnlich sogenannte hyalinartige Knorpel. Ref. entnimmt aus den Untersuchungen besonders die Angaben über die Entstehung der asbestähnlich glänzen- den Streifen in den Rippenknorpeln. Diese Streifen, welche der Verf. ohne nähere Begründung für den optischen Aus- druck von Fasern hält, zeigen sich an Querschnittehen mehr oder weniger vollkommen kreisförmig, parallel der Ober- fläche, bisweilen abwechselnd schmaler und breiter, gewöhn- lich an vielen Stellen unterbrochen. Auf Längsschnittehen sieht man sie grosse Strecken ununterbrochen fortziehen. Sie scheinen sich auf die Weise zu entwickeln, dass zu- nächst eine Erweichung und Auflösung der Knorpelsubstanz entsteht. In diesem erweichten Theile zeigen sich Zellen, die sich endogen vermehren (der Verf. zählte einmal in ei- nem Knorpelkörnchen sechzig Zellen ! Ref.), während die Intercellularsubstanz erst körnig wird und darauf durch An- einanderreihung der Körnchen faserig. In dem Centrum ge- wöhnlich harter und an dieser Stelle gelblich erscheinender Rippenknorpel gewahrt man gleichfalls nicht selten faserige Textur, die aber nicht durch vorangegangene Erweichung des Knorpels sich bildet. In der Regel findet sich hier, wie Henle richtig bemerkt, gleichzeitig Fettablagerung in den Ker- nen. Donders beobachtete in dem Rippenknorpel einzelne mit rothem Blut erfüllte Gefässe. — Der elastische Knor- pel ist der gelbe oder Neiz-Kuorpel. Er besteht aus vielen nahe beisammen liegenden (doch keineswegs sich berühren- den Ref.) fast runden Knorpelkörperchen, die am. häufigsten gleich gross sind, und in grösseren Zwischenräumen eines höchst feinen, dichten Netzes sehr zarter elastischer Fasern liegen. Später wird hinzugefügt, dass die angegebenen Be- standtheile durch eine amorphe, in Kali lösliche Bindesub- 61 stanz verbunden zu sein scheinen. Ref. sieht an feinen Durchschnitten deutlich, namentlich sehr schön am Ohrknor- pel vom Rinde, eine hyalinartige, die Knorpelkörperchen verbindende Grundsubstanz. Dass das Fasernetz den elasti- schen Fasern entspreche, gehe daraus hervor, dass man an Querschnittchen getrockneter Ohren einen kontinuirlichen Uebergang zu den elastischen Fasern der Cutis übersehe. Hiervon hat Ref. sich nicht überzeugen können; er hält viel- mehr diese Uebereinstimmung für sehr problematisch. In ih- rer grossen Widerstandsfähigkeit gegen chemische Reagentien leichen sie den elastischen Fasern; ihr morphologischer Ha- itus aber ist ganz anders, was namentlich sehr deutlich an dem dicken Fasernetz des Obrknorpels vom Rinde zu er- kennen ist; die Konturen der Fasern sind hier so unregel- mässig, wie es Ref. von den Fasern eines elastischen Fasernez- zes nirgend gesehen. Auch setzen sich die Fasern des Netz- knorpels in jeder beliebigen Richtung untereinander in Ver- bindung, während die elastischen Fasern nur in der Flä- chen-Ausbreitung untereinander zusammenhängen. Für den Faserknorpel gilt als Repräsentant das Lig. intervertebrale. Dasselbe besteht aus einzelnen, häufig auf Kerne oder Kern- fasern ( ? Ref.) reducirte Knorpelkörperchen, die in Reihen und auch in Gruppen (sehr selten Ref.) in einer stark ent- wickelten, Chondrin gebenden, faserigen Grundsubstanz lie- gen. Die Fasern werden durch Essigsäure ein wenig blas- ser und sollen nicht aufquellen. Die Unterscheidung vom festen Fasergewebe (Sehnengewebe) sei nicht selten äusserst schwierig. Ob die Menisci hierher gehören, erfordere noch einer näheren Untersuchung, wobei zu berücksichtigen sei: 1) ob in denselben Knorpelkörperchen oder deren Ueberreste (Kerne) vorkommen; — Kerne finden sich auch im Sehnen- gewebe etc. (Ref.); — 2) ob die Fasern sich leicht isoliren, durch Essigsäure blasser werden und gallertartig aufquellen oder nicht; — keine sichern Unterscheidungszeichen (Ref.); — 3) ob sie bein Kochen Leim oder Chondrin geben; — in dieser Beziehung zeigen sich öfters Verschiedenheiten in ei- ner und derselben Substanz nach dem verschiedenen Alter (Ref,); — 4) ob nach der Behandlung mit Kali und Wasser elastische Fasern zurückbleiben, — die elastischen Fasern können auch im Sehnengewebe fehlen. (Ref.) — Leider hat Donders unterlassen, gehörig zu begründeu, dass die strei- Üge Grundsubstanz der Faserknorpel aus isolirten Fasern bestehe. Die Zeit, aus jeder regelmässigen Streifung gerade- auf Fasertextur zu schliessen, dürfte doch endlich ein- mal vorübergehen. Bei dem Faserknorpel steht uns nicht einmal die leichte Spaltbarkeit zur‘ Seite. Behandelt man 62. Sehnittchen des Lig. intervert. längere oder kürzere. Zeit mit Kalilösung (10 Proec.), ja selbst mit Essigsäure, und wendet wo nölhig, Druck und Zerrung an, so sieht man die Strei- „fung mitunter gänzlich schwinden und andererseits auch un- serer Willkür sich fügen; — und gleichzeitig scheitert jeder Versuch, Fasern darzustellen, obgleich nach Entfernung der Reagentien die Streifung wieder restituirt werden kann, Die Kernfasern reduciren sich auf längliche Kerne, wozuim mikroskopischen Bilde ein entsprechend verlaufender Falten- zug addirt worden ist. Die Entwickelung des Faserknorpels studirt Donders an Durchschnittchen getrockneter Lig. intervertebralia des ansgewachsenen Fötus,, die hierauf bezüglichen 'Veränderun- gen treten bei Verfolgung der Kernmasse zu den Randpar- thien hervor. Die Kernmasse ist bekanntlich weich, gallert- artig: die Intercellularsubstanz ist strukturlos (streifenlos Ref.) und enthält viele Gruppen einfacher, durch Zusatz von Wasser 'stark aufquellender Zellen, mit Kern und Kernkör- perchen. Je mehr man sich der Peripherie des Faserknor- pels nähert, desto körniger wird die Zwischensubstanz ; end- lich wird sie fein faserig, während die Zellen in der Regel mehr in Reiheu gelagert sind und schmäler werden. Die Bestimmung von körniger und faseriger Beschaffenheit der Substanz ist wiederum nicht weiter begründet, sondern ohne Weiteres aus dem mikroskopischen Bilde abgenommen, Hiernach glaubt der Verfasser mit völliger Bestimmtheit be- haupten zu können, dass sich die Fasern dieses Gewebes in der Intercellularsubstanz entwickeln und bei ihrer Entwicke- lung die Zellen gleichsam verdrängen, die zum Theil im atrophirten Zustande zwischen den angeblichen Fasern lie- gen bleiben. Referent benutzt seit Jahren schon Quer- schnittchen solcher Lig. interv., um seinen Zuhörern mittelst Druck und Reagentien darzulegen, wie Intercellularsubstanz durch Runzelung und Faltenbildung granulirtes und streifiges Ansehen gewinne. — Kölliker bezeichnet mit dem Namen Faserknorpel die aus Bindegewebe gebildeten Organe, welche eine grös- sere oder geringere Zahl von Knorpelzellen einschliessen, Die Knorpelzellen sind bald einfache ‘Zellen mit ziemlich dieken Wänden, bald verschieden grosse Mutterzellen. Es gehören hierher die nackten Stellen der Glabra glenoidea, diejenigen der in Schleimbeuteln und Sehnenscheiden befind- lichen und der in Gelenken freiliegenden Sehnen, diejenigen der Schleimbeutel, Sehnenscheiden und Gelenkkapseln selbst, diejenigen der in Sehnen eingeflochtenen, schon lange als Faserknorpel bezeichneten Theile. — Aus dieser dem Henle- 63 schen Jahresberichte (Canstatt’s Jahresb. 1848. S. 68.) entlehnten Mittheilung geht hervor, dass Kölliker die Grundsubstanz des gewöhnlichen Knorpels im Faserknorpel eine bindegewebartige Beschaffenheit annehmen lässt, denn Knorpelkörperchen ohne Intercellular-- oder Grundsubstanz sind histologisch nicht vorhanden. Die Knorpelkörperchen vertreten im Faserknorpel die Stelle der Kerne des gewöhn- lichen Bindegewebes. Diese Ansicht nähert sich unvermerkt derjenigen, die Ref. über die verschiedenen verwandten Ge- bilde der Bindesubstanz ausgesprochen und ausführlich aus- eimandergesetzt hat. Darin kann jedoch Ref. mit Kölliker nicht übereinstimmen, dass die Knorpelkörperchen in dem Faserknorpel noch ihre angeblich verdickten Zellenmembra- nen besitzen, was schon schwer bei dem hyalinartigen Knorpel nachzuweisen ist. Häufig finden sich im Faserknor- pel Knorpelkörperchen, deren Zellenhöhle mit Inhalt noch wenig mit der sireifigen (angeblich 'faserigen) Intercellular- substanz verschmolzen ist. Aber häufig genug sieht Ref. mit Donders auch Schichten, in welchen die Verkümmerung der Knorpelzellen weiter, bis nahe zu auf die Kerne vorge- schrilten. Dem Ref. ist übrigens kein faserknorpliges Ge- bilde des Körpers bekannt, welches nicht in seinen verschie denen, regelmässig uder mehr uuregelmässig und wie durch- flochten gelagerten Schichten verschiedene Beschaffenheit darböte. Bald ist die Grundsubstanz nur wenig, bald dich- ter dunkelgestreift, und zeigt sich dem entsprechend bald mehr hyalinartig, bald weisslich; ebenso verschieden ist die immerhin geringere Neigung zur Spaltbarkeit in faserähnliche Gebilde, die Knorpelkörperchen endlich nähern sich in ihrer Beschaffenheit bald mehr den Knorpelkörperchendes gewöhn- lichen Knorpels; in anderen Schichten dagegen sind sie bis nahezu anf die Kerne verkümmert. Daher nähert sich der Faserknorpel bald mehr dem gewöhnlichen Knorpel mit strei- figer Grundsubstanz, bald melır dem sehnigen und aponeuro- tischen Gewebe. Sobald man sich mit der verwandtschaft- lichen Beziehung aller dieser Gebilde der Bindesubstanz be- kannt gemacht hat, fallen die Schwierigkeiten in der Bestim- u: und Beurtheilung der faserknorpligen Bestandtheile des Körpers weg. H. Rathke beobachtete gleichfalls, dass der Faserknor- en namentlich die Lig. intervert. anfänglich die Beschaffen- it des ächten Knorpels haben. Später entsteht in der Grundsubstanz eine Faserung, (Streifung Ref.) und gleichzei- tig kommt um jede Zelle eines solchen Knorpels eine dünne, häulige Blase zum Vorschein, in der die Zelle, wie elwäa die Finne in ihrer Kapsel lose eingeschlossen liegt. (Schleid. und Fror, Notiz, 1847. Bd. 11. S. 307. Ueber die Entste- 64 hung des Knorpels und des Knochenmarks.) — Der Verfas- ser scheint die Kerne der Knorpelkörperchen als Zellen, und die Zellenhöhlen als Kapseln um diese angeblichen Zellen zu deuten (Ref). Hinsichtlich‘ der Entstehnng des Knorpels beschreibt Rathke (a. a. ©. S. 305 seqq.) die ersten Erscheinun- gen in Uebereinstimmung mit den Angaben des Refer. (Ver- gl. Beobacht. ete. 1845. S. 120 segq.). Zuerst findet man bei dem Hühnchen die: Substanz, aus der sich Knorpel und Knochen bilden sollen, ebenso beschaffen, wie an anderen Stellen des Leibes, nämlich zusammengesetzt aus zellenarti- gen, mit: Kern und Kernkörperchen und mit einer äusseren häutigen , obwohl nicht deutlichen Wandung versehenen Gebil- den (Zellen), die durch ein sehr weiches und sehr sparsam vor- handenes Bindemittel zusammengehalten werden. Dieses Bindemittel wird dann fester, härter, reichlicher und nimmt überhaupt die Beschaffenheit der Grundsubstanz des: ächten Knorpels an. Um die Zellen dagegen soll sich später ein kleiner Zwischenraum bilden, indem die Höhle der Grund- substanz, in welcher eine solche Zelle ihre Lage hat, sich entweder erweitert, obne dass sich diese ebenfalls vergrös- sert oder sich stärker erweitert, als die Grössenzunahme der in ihr enthaltenen Zelle beträgt. Ferner verdichtet sich nach dem Verfasser um jede Zelle die Grundsubstanz am meisten, und dieser dichtere und so klar wie Krystall er- scheinende Theil bildet nunmehr um jede Zelle eine kleine, meistens rundliche, oder ovale, oder ellipsoidische Kapsel, deren Wandung viel dicker ist, als die Wandung der in ihr enthaltenen Zelle. Es seien nun von einigen Forschern nur die Zellen, von anderen die Zellen und ihre so eben be- zeichneten Kapseln, Knorpelkörperchen genannt. Die Wan- dung der Knorpelkapseln ist von der übrigen Grundsubstanz nirgends durch einen freien Zwischenraum geschieden, mar- kirt sich aber doch anfangs ziemlich scharf, und die gegen- seitigen Begrenzungslinien verwischen sich erst später. Nach innen zu, gegen die Höhle bin, sind Wandungen der Knor- pelkapselu spiegelglatt; ob sie aber von einer zarten Haut ausgekleidet sind, hatsich nicht gehörig ermitteln lassen. — Auch hier hat der Verfasser, wie es dem Ref. erscheint, die Kerne der Knorpelkörperchen für Zellen, die Zellenhöhlen dersel- ben für die Höhlungen seiner sog. Knorpelkapseln erklärt. Die verdickten, und von der übrigen Grundsubstanz gesonder- ten Wandungen der Knorpelkörperchen oder der Rathke- schen Knorpelkapseln sind nur scheinbar, indem die verschie- den grossen scheinbaren oder vielleicht ein wirklicher und ein scheinbarer Durchschnitt im mikroskopischen Bilde als in einer Ebene liegend angesehen werden, Bei röcht feinen 65 Sehnittchen verschwinden sie und die vermeintlich dicke Wandung. (Vergl. Reichert’s Beobacht über das Binde- gew. etc. S. 124und 129. ) Eine ganz vortreflliche Abbildung von einem Durch- schnittchen, durch Knorpel und Beinhaut geführt bei einem nach Knochenbruch sich neu bildenden Callus, hat Vötsch geliefert. (Die Heilung der Knochenbrüche ete. Heidelberg 1847. 4. c. tabb. VI. tab. III. Fig. 6.) . Schnittchen von nor- malen Knorpeln zeigen genau dasselbe Verhalten, wie die- ses Ref in seiner Schrift über das Bindegewebe und die verwandten Gebilde beschrieben hat (a. a. ©, S. 83.). Die Entwickelung des nach Frakturen neusich bildenden Knorpels beschreibt Vötsch von dem Standpunkte der Elemenlar- - körnehentheorie aus. — In Betreff des Knochens bemerkte Donders (a. a. ©. S. 266), dass dicker Terpenthin anfangs blos in die Zwi schensubstanz fein geschliffener Stückchen des Vomer ein- dringe und dieselbe klarer mache. Dünner Terpenthin dage- gen zieht sich in die Knochenkörperchen ein, so zwar, dass sich anfangs sehr oft ein rundes Luftbläschen in der Mitte derselben zeige. An feinen Knochenfäden aus der Subst. reti- eul. eines Röhrenknochens sieht man dünnen Terpenthin nur an den abgebrochenen Stellen in die Strahlen der Kno- chenkörperchen eindringen, woraus hervorzugehen scheine, dass die Strahlen der Knochenkörperchen nicht an freien Flächen des Knochens sich öffnen. Ueber den Verknöcherungsprozess sind von H. Rathke (a. a. ©. S. 307 segq.), von Vötsch(a. a. ©. S. 22. seqq.) und von Kölliker (Histologische Mitth. No. 6. S. 95. und Canst. Jahresb.. 1848. S. 70) Beobachtungen milgetheilt. Nach Rathke beginnt die Ablagerung der Knochener- den in der Grundsubstanz des Knorpels, und zwar in Rölı- renknochen bei den Vögeln und den verschiedenarligsten Amphibien (ohne Rücksicht auf die Enden) von der Ober- fläche zur Axe vorschreitend, bei den Säugethieren dagegen umgekehrt. Das Knochenmark bildet sich aus den oben be- zeichneten Rathke’schen Knorpelzellen, indem sich dieselben an den entsprechenden Stellen bedeutend vermehren und an- häufen, während die Grundsnbstanz entweder auseinander weicht und grössere Höhlen erhält, oder aufgelöset und in ine gallertartige Masse umgewandelt wird. Die Knochen- körprchen entstehen durch Ablagerung von Kalkerden in Koorpelhöhlen, deren Knorpelzelle (Kern, Ref,) hin- schwindet. Wie die Strahlen der Knochenkörperchen gebil- det werden, ist dem Verf, unbekannt geblieben, Müllers Archiv. 1648, E y 66 Vötsch beobachtete, dass die Verknöcherung zuerst in den Knorpelkörperchen beginne und dann auf die Grundsub- stanz des Knorpels übergehe. Es zeigt sich zuerst ein fein körniger Niederschlag an der inneren Wandung der Membran (der Höhle, Ref.) der Knorpelzelle, der bei Anwendung von Salzsäure verschwindet. Dasselbe erfolgt bald auch in der Umgebung der Knorpelkörperchen, so dass deren Ränder nicht mehr so scharf hervortreten. Verknöcherungszustände aus diesem Stadium finden sich leicht im verknöcherten menschlichen Schildknorpel. Im folgenden Stadium treten an die Stelle der freien Körnchen grössere, unregelmässig gestaltete Körner, welche an Zahl bedeutend geringer sind, sehr dunkle Ränder und gestreiftes Ansehen besitzen und überhaupt viel Aehnlichkeit mit den kleinen Krystallen zei- gen, welche im kalkhaltigen Wasser angetroffen werden, Diese Ablagerung kann sich anfangs auf den Umfang der Höhle des Knorpelkörperchens beschränken, so dass man am Verknöcherungsrande des Knorpels oft vollständige Ringe findet, welche eine Höhle umgeben und aus aneinanderge- reihten Körnern gebildet sind. Auch in der Grundsubstanz des Knorpels durchläuft der hier später auftretende körnige Niederschlag die bezeichneten Veränderungen. Im gegen wärligen Zustande des verknöchernden Knorpels bemerkt man bereits eine Erscheinung, die auf die Entstehung der Strahlen der Knochenkörperchen Bezug hat. Die unregel- mässigen Körner liegen nicht in der Art fest aneinander ge- drängt, dass sie ein Kontinuum bildeten, sondern sie erschei- nen durch kleine, schmale Zwischenräume getrennt, die sich häufig zwischen den einzelnen Körnern im Zusammenhange verfolgen lassen. Dieses zeigt sich namentlich auch in dem körnigen Ringe der Höhle des Knorpelkörperchens, wo diese Zwischenräume in die verkleinerte Höhle mit dem gemeinhin verkümmerten Kern desselben ausmünden. In der Folge flies- sen einzelne Körner zusammen, die Konturen der Knorpel- körperchen lassen sich nicht mehr unterscheiden; die Zwi- schenräume haben sich zugleich vermindert, die zurückblei+ benden dagegen stellen sich deutlicher als die Knochenka- nälchen dar, welche sämmtlich untereinander gleich einem Netzwerk zusammenhängen sollen. Die Kanälchen nehmen später überall eine bestimmtere Richtung gegen die Höhle des Knorpelkörperchens hin. Diese war bisher rundlich und nur etwas uneben durch die ringförmig an der Wan- dung abgelagerten Körner. Jelzt erscheint sie eckig, und die Ecken gehen unmittelbar in die erwähnten Kanälchen über, die trichterförmig sich erweiternd in die Höhle ein- münden, Die Kerne der Knorpelzellen scheinen gewöhnlich 67 zu verkümmern. Dem Verfasser ist es gelungen, die zum Theil schon durch Ossifikation veränderten Knorpelkörper- chen zu isoliren. Aus der Darstellung ergiebt sich, dass die sogenannte Hyalinsubstanz des Knochens aus verknöcherter Intercellularsubstanz und aus der von Knochenerde durch- drungenen Zellenmembran (? Ref.) und einem Theile des In- halts der Knorpelkörperchen gebildet werde. Im Allgemei- nen schliesst sich diese Vorstellung des Ossifikations-Prozes- ses an die Henle’s an. Bei Nachprüfungen wird man am besten nach des Verfassers eigenen Angaben auf den ver- knöchernden Schildknorpel Rücksicht zu nehmen haben; Ref. konnte jedoch bis jetzt noch nicht in der angegebenen Weise die Verknöcherung verfolgen. Kölliker fand besonders in verknöchernden, rhachiti- schen Knochen ein geeignetes Object, um die Entwickelung der Knochenkörperchen kennen zu lernen, da der Mangel der Kalkdeposita am Verknöcherungsrande solcher Knochen die Umwandlung der Knorpelzellen auf das Evidenteste be- obachten lasse. Dieselbe erfolgt so, dass die Knorpelzellen unter Bildung von ästigen Porenkanälchen sich verdicken, während zugleich die Kalksalze chemisch mit ihrer Membran sich verbinden und der Zelleninhalt sammt dem Kern allmählig einem hellen Fluidum Platz macht. In dem Hen- le’schen Berichte ist sonst nichts Genaueres über diesen Vorgang angegeben. Die Knorpelzellen, welche Tochterzel- len einschliessen, gehen in ihrer Gesammtheit in ein einzi- ges, zusammengesetztes (?) Knochenkörperchen über; häufig sind solche mit zwei Höhlen versehen, seltuer mit drei, vier und fünf, jede noch mit Resten des ursprünglichen Zellenin- haltes und Zellenkerns. Die letzten Veränderungen des Processes bestehen darin, dass auch die Grundsubstanz ver- knöchert. Die Markzellen und Markkanälchen bilden sich durch Resorption in der homogenen Knochensubstanz, deren Räume sich zuerst mit neugebildeten Zellen anfüllen und dann Gefässe, Nerven, Bindegewebe und Fett enthalten. Nach Langer ist die kompakte Substanz der Röhren- knochen bei den Amphibien dadurch ausgezeichnet, dass die primären, der Peripherie gleichlaufenden Lamellen vorherr- schen. Die Grössenverhältnisse der Knochenkörperchen bei den Amphibien bilden eine Reihe, die der Grösse der Blut- körperchen fast parallel geht. ( Vergleichende Untersuchung der Struktur der Knochen; Bericht über die Mitth. von Freund. der Nat. in Wien. Bd. L No. 1—6. — Schleid. und Fror. Not. 1847. Bd. III. S. 120.) Die Stacheln der Raja clavata besitzen im Innern eine Höhle, welche durch eine kleine Oeflnung der Basis zu- E2 68 gänglich ist und eine Fortsetzung der Cutis aufnimmt, die sich zum Stachel ebenso verhält, wie die Pulpa des Zahns zu diesem. An feinen Durchschnittchen zeigen sich an der Basis des Stachels eine grosse Menge mit Kalksalzen erfüllter Räume, von meist unregelmässiger Umgrenzung; viele von ihnen, namentlich die der Oberfläche (an d. Basis) zunächst gelegenen sind in Fäden ausgezogen, die sich sogar ver- ästeln. Sie gleichen demnach sehr den Knochenkörperchen, obschon die vollkommene Gleichstellung wegen mangelhafter Kenntniss in Betreff der Entwickelung noch nicht gesche- hen darf. Die mikroskopischen Erscheinungen an der Spitze überraschen durch ihre grosse Aehnlichkeit mit dem Zahn- bein. Es zeigen sich vielfach verästelte Kanälchen, deren Stämme bis „4, Millim., deren Aestchen „4; Millim. messen. In der Axe der Spitze sind die Stämme der Kanälchen zu einem Bündel vereinigt, welches sich gegen das Ende der Spitze allmählig in der Weise auflöst, dass stets die äusser- sten Kanälchen gegen die Oberfläche hin abbiegen, bis nur noch wenige Kanälchen übrig sind, die dann wie eine Federbuse sich auflösen. Ein jedes Kanälchen mündet mit einer trich- terförmigen Oeffnung in die Höhle des Stachels und beginnt erst seine Verästelung, wenn es sich von dem gemein- schaftlichen Bündel abgelöst hat. Die Körperchen in der Basis reihen sich übrigens durch mehrfache Uebergangsfor- men an die Kanälchen der Spitze an, und dieses weiset auf die gleiche histologische Bedeutung beider Elemente hin. Ein Durchschnitt des Zahns von Rhina (Owen’s Odontograph, Tab. 24.) verhält sich in der Beschaffenbeit und Anordnung der Elemente ganz so, wie der Stachel von Raja elavata, Gleich- wohl unterscheiden sich die Zähne und die Stacheln in der Entstehungsweise, da erstere in besonderen Säckchen der Haut, letztere auf freien Pulpen sich bilden. — Aelhnlich verhalten sich die Stacheln in der Haut der Haifische. — (Aus den Mittheilungen der Züricher naturforschenden Gesell- schaft. No. 6.) ; Lavalle untersuchte die Schale der zehnfüssigen Cru- staceen, (Schleid. und Fror. Notiz. 1847. Bd. IV. S. 241 segq.) Der ausgebildete harte Theil des Hüllenappara- tes der Krebse trenut sich leicht in drei verschiedene Schichten. Die äussere, gleichförmige, durchsichtige Schicht, die wie ein Firniss das Ganze überzieht, ist die Epidermoi- dalschicht. Darunter liegt die mittlere, den Farbstoff ent- haltende Schicht, in welcher auch die Wurzeln der Haare und die hornartigen Knollen vorgefunden werden (Farben- schicht). Die unterste Schicht ist die dickste und bildet fast allein die Schale. In ihr sieht man die Kanäle dep Haare; 69 Knollen und Nägel fund ausserdem noch kleine, unregel- mässige organische Körper (Hautschicht). Die Organisation der beiden letzten Schichten ist gleich und an beiden sind Kalksalze abgelagert. Es zeigen sich in ihnen meistentheils parallel verlaufende Linien, die aber nicht durch eine An- einanderlagerung von Schichten entstanden sind. Bei star- ker Vergrösserung unterschied der Verfasser in ihnen drei Elementarformen: äusserst feine, senkrecht gegen die Ober- fläche gerichtete Fasern; ferner wagerecht verlaufende, sich verzweigende und anastomosirende Fasern und endlich ein Gewebe, worin die beiden genannten Fasern miteinander gemengt erscheinen. Die Annahme und Beschreibung von Fasern sind leider nur durch gewisse dunkele Linien im mi- kroskopischen Bilde veranlasst worden. (Ref) Blut. Eine eigenthümliche Form-Veränderung der Blut- körperchen beschreibt Lindwurm (Henle’s und Pfeufer's Z. Bd. VI. S. 266.). Menschliche Blutkörpercheu mit sehr konzentrirter Gummilösung behandelt, erhalten nach einem Zusatz von sehr konzentrirter Kochsalzlösung augenblicklich scharfe Konturen, werden bedeutend grösser, selten rund, am häufigsten oval, sehr platt, und haben auf dem Rande liegend das Aussehen von langen, an den Enden sich zu- en, theils graden, theils Sförmig gebogenen Stäbchen. ie Breite der Blutkörperchen beträgt: 0,0026”, die Länge etwa das Doppelte der gewöhnlichen Blutzellen. Dieselben Veränderungen treten auch ein, wenn nach der Gummilö- sung eine sehr konzentrirte Zuckerlösung hinzugefügt wird. Aelinlich verhalten sich die Blutkörperchen des Kalbes; die Blutkörperchen des Frosches, der Taube reagiren nicht so. Werden die genannten Lösungen in umgekehrter Ordnung oder gleichzeitig angewendet, so zeigen sich keine unge- wöhnlichen Erscheinungen an den Blutkörperchen. Nach Harless wird der wasserhelle Inhalt der Blutge- fässe bei Cephalopoden, Molluskeln, Ascidien an der Luft, wie es scheint, in Folge der Einwirkung von C“ blau ge- färbt. Wird dann Sauerstoffgas längere Zeit durchgeleitet, #0 verschwindet die blaue Farbe fast gänzlich, Alkohol und Aether stellen augenblicklich das tiefe Blau der Farbe wie- der her. Aus der chemischen Analyse des Dr. v. Bibra er- ab sich, dass in dem Blute statt des Eisens Kupfer vor- anden war. Indessen machen es die Untersuchungen des Verf, wahrscheinlich, dass die Farbe des Blutes nicht ei- nem Kupfersalz ihre Entstebung verdankt, obgleich der Farb- "toll der fast alleinige Träger des Metalls zu sein scheint, (Müll. Arch. 1847. S. 148 seqq.) Nerven. R. Wagner hat seine Beobachtungen über das 70 Verhältniss der Ganglienkörper zu den Nervenfasern, so wie über die Nervenendigungen in seinem Handwörterbuch f. Phys. (Bd. III. S. 360 seqg. und 452 segq.) übersichtlich zusammengestellt. Ref. entnimmt daraus im Anschluss an den vorjährigen Jahresbericht folgende Angaben, Der Ver- fasser ist geneigt, die Ganglien unter vier Klassen unterzu- bringen: 1) Spinalganglien an den hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven; 2) Cerebrospinalganglien an den Wur- zeln und in dem Verlauf der peripherischen Ausbreitung der Hironerven; jedoch dürfen sie nicht in das Gehirn selbst eingesenkt sein oder im nahen anatomischen Zusammenhange mit einem Brust- oder Baucheingeweide stehen; 3) Visceral- ganglien, aus denen Zweige zu den Organen der Athmung, des Kreislaufs, der Chymifikation und Chylifikation, so wie der Sekretions- und Geschlechtswerkzeuge gehen; 4) Cen- tralganglien, welche im unmittelbaren Zusammenhange mit Gehirn und Rückenmark stehen. Die Zahl der Primitivfa- sern, welche in ein Ganglion der mittleren Rückenmarksner- ven eingehen, beträgt bei den Torpedines etwa 350 — 400, von denen etwa 25 zu den feinen Fasern gehören. Die Ganglienkörper sind hier durchschnittlich bei: grösseren Indi- viduen etwas grösser als bei kleinern Individuen. _Ausser- dem aber lassen sich, mit Robin und im Einklange mit den Untersuchungen Bidder’s und des Ref., in den Ganglien grös- sere und kleinere Ganglienkörper unterscheiden. Bei vielen Ganglienzellen erscheinen an der Innenfläche der Zellenwand helle, kreisrunde Zellchen mit einem centralen Kern, beson- ders nach Behandlung der Präparate mit Wasser. Wie es scheint, gehören die Gebilde der Scheide an, da sie niemals an dem ausgedrückten Zelleninhalt wahrgenommen wurden (Ref. ). Bei Torpedo und den von W. untersuchten Pla- giostomen konnte die Verbindung der Nervenfaser mit dem Ganglienkörper nur an den centripetalen Fasern nachgewie- sen werden. Im Ganglion des Vagus am Anfange des Ma- gens bei Torpedo und Raja (Gangl. gastricum) finden sich im Stroma sog. Körnerlager in Schichten und inselartigen Partieen. Sie bestehen aus blassen, „5 — +1; Linie grossen Körnern, welche den Charakter von Zellenkernen haben, eine granulirte Oberfläche zeigen, mit Essigsäure behandelt dunkle Kontouren bekommen und zuweilen sehr dunkle, kleine Kernkörperchen wahrnehmen lassen. Diese Kerne stehen in ziemlichen Distanzen von einander und-sind in ein sehr feinkörniges Lager einer amorphen Substanz einge- beitet. Dem Ref. sind solche Bildungen auch anderer Gan- glien bekannt; doch glaubte er dieselben für weniger ent- wickeltes Bindegewebe halten zu müssen. In Betreff des 7 Verhältnisses der Ganglienkörper in den drei zuerst ange- führten Ganglienarten zu den Nervenfasern behauptet der Verf., auch nach Kenntnissnahme der Untersuchungen von Bidder und Reichert, dass die granulirte Masse der Gan- glienkörper sich kontinuirlich in das Mark der Nervenfaser fortsetze. Ref. muss aber dabei stehen bleiben, dass bei un- gezerrten Präparaten die granulirte Masse der Ganglienkör- per sich niemals in die Röhre der Nervenfaser verlängere, und dass das Nervenmark den linsenförmigen Ganglienkör- per nur berühre. Zu Untersuchungen, in Betreff dieser Kontroverse mögen besonders die Spinalganglien von Gadus Lota empfohlen sein, da hier die granulirte Masse des Gan- glienkörpers greller von dem Nervenmark absticht. Der Verfasser ist ferner der Ansicht, zu der sich auch Ref. be- kennt, dass der Zusammenhang nur einer Nervenfaser mit dem Ganglienkörper nirgends mit Sicherheit erwiesen sei. Als einzige Ausnahme könnten vielleicht die Ganglienkörper an den Vorhöfen des Froschherzens angesehen werden, wo dies auch von Dr. Frey beobachtet wurde. Auch bezwei- felt Wagner, dass die mit einem Ganglienkörper zusam- menhängenden Nervenfasern an irgend einer Stelle beide ei- nen peripherischen Verlauf haben. — Die Ganglienkörper des elektrischen Lappens unterscheiden sich von denen der Spinalganglien etc. durch folgendes Verhalten. Sie sind, wie die Gehirnzellen, in eine feinkörnige Masse eingebeltet, von viel reicheren Gefässnetzen umsponnen, besitzen entweder, was dem Verf. wahrscheinlich ist, gar keine (? Ref. ) oder eine verschwindend feine Hülle, haben meistens eine ver- schieden grosse Anzahl von unmittelbaren, aus ihrer Sub- slanz hervorgehenden und öfters sich verzweigenden Fortsäz zen ( ? Ref. ), welche höchst wahrscheinlich theils als Ur- aprünge für peripherische Fasern, theils zur Verbindung der ‚Ganglienkörper, untereinander dienen, zeichnen sich ferner . Grösse (z';—z% Linie) und einen mächtigen Kern aus und sind endlich die centralen Elementarorgane für die den willkürlichen und reflexmotorischen Muskelnervenfibril- len höchst verwandten elektrischen Primitivfasern. — In Be- iref! der Nervenendigung bemerkt R. Wagner, dass es ihm zweilelhaft geworden, ob selbst an den Ampullen und dem Gehörsack bei den Fischen (Torpedo) Schlingenbildung vor- käme, Nur in den Zahnsäckchen junger Kaninchen war an einem von Dr. Frey angefertigten Präparate eine Endigung der Nervenfaser in Schliugenform unzweifelhaft. Nach Beck’s Angaben sollen alle in Ganglien vorkom- mende Ganglienkörper einfache peripherische Fasern ab- sehicken, so zwar, dass die Hülle des Ganglienkörpers sich 12 unmittelbar in die Scheide der Nervenfaser forisetze. In der Iris sah der Verfasser viele Male die Nervenfasern vollstän- dig abgerundet am Pupillarrande endigen. (Ueber die Ver- bindungen des Sehnerven mit dem Augen- und Nasenknoten etc. Heidelberg. 8. 1. Steint. 1847.) Engel untersuchte den Verlauf der Nervenfasern im Rückenmark bei Froschlarven. Im Schwaänztheile der Me- dulla spinalis kommen nur parallele Längsfasern von 0,004 Dicke vor. In der Rückengegend zeigen sich dicke (0,0048) und feine (0,0018) Nervenfasern, die der Länge nach und quer verlaufen. Die quer verlaufenden Nervenfasern ent- wickeln sich später und unter ihnen überwiegt die feine Art von Fasern. Blassbräunliche kernhaltige Zellen sind an- fangs zwischen die Fasern eingestreut; sie verkümmern aber in der späteren Zeit des Larvenzustandes. Die breiten Längsfasern verlaufen an der Oberfläche des vorderen Stran- -ges und setzen sich in die peripherischen, zunächst motori- schen Nerven fort, ohne in das Gehirn selbst einzutreten. Die feinen Längsfasern sieht man im seitlichen und hinteren Strang; sie beginnen in der Lendenanschwellung und setzen sich in das Gehirn fort, ohne einen Zusammenhang mit pe- ripherischen Nerven zu unterhalten. In der grauen Sub- stanz des Rückenmarks sind Längs- und (uerfasern gemischt, Die Querfasern beginnen gleichfalls erst in der Lendenan- schwellung und kommen auch als dünne oberflächliche Schicht an den hinteren und seitlichen Strängen vor. Die breiteren Querfasern halten sich nur an einer Seitenhälfte der Med. sp. und setzen sich theils in die hinteren Nerven- wurzeln, theils in die motorischen Nervenwurzeln fort. An der letzteren Stelle, an der vorderen Fläche der Med. sp., verlaufen die Fasern auf- und einwärts und hören allmählig zugespitzt auf, so zwar, dass die hinteren Bündel jedes Mal theilweise von den daran liegenden gedeckt werden. Unmit- telbar vor den Vierhügeln hören diese Nervenbündel auf, und sind hier von vorn durch eine Querfaserschicht bedeckt. Die Kreuzung der Rückenmarksstränge erfolgl. erst in den Vierhügeln. Die Traetus nerv. oplic. sind unmittelbare Fortsetzungen sich auflösender longitudinaler Rückenmarks- streifen. — Die hintere Wurzel der Spinalnerven wird sammt dem Gangl. erst zur Zeit der Extremitäten-Bildung sichtbar. Man sieht an der Stelle des Gangl. einen dünnhäutigen, kug- lich angeschwollenen Cylinder , dessen Wände pigmentirte Zellen und längsovale Kerne, dessen Inhalt feinkörnige Masse nebst Zellen darstellen. Dieser Cylinder tritt zwischen dem hinteren und seitlichen Strange in das Rückenmark ein und dringt bis zur grauen Substanz, wo er abgerundet endet. / 73 Zuweilen scheint es, als ob die Umhüllung der Med. sp. hier- bei eingestülpt werde. (Zeitschrift der Wiener-Aerzte von 1847. Novbr. S. 105.) G. Rainey beschreibl in der Arachnoidea zahlreiche Gangliengeflechte, von welchen Chorden ausgehen, die sich nach Art der Nerven verzweigen, und theils an die Gefässe treten, theils sich in die Arachnoidea in Gegenden verlieren, wo dieselbe mit Korpuscular-Materie angefüllte Flächen dar- bietet. Auch das Epithelium der Gefässplexus des Gehirns gehöre in dieses System. (! Ref.) ( Medico-chirurg. Transact. Volum. XXIX. 1846. — Schleid. und Froriep Notiz, 1847. Bd. II. p. 257. seqq.) Die feinere Struktur der Retina ist von mehreren For- schern von Neuem untersucht worden. Ph. Pacini unterscheidet an der Netzhaut, welche durch eine feine homogene Haut (Grenzmembran, membr. limitans) von 0,0010 Millim. Dehm. mit aufgelegnem Pflasterepithelium von dem Glaskörper getrennt wird, fünf Schichten. 1) Die Schicht der eigentlichen Netzhaut, gebildet durch die Aus- breitung des Sehnerven, dessen Fasern anfangs als Ra- dien (Meridiane) ungefähr bis zum Aequator des Bulbus fort- gehen, dann sich umbiegend als Ringe um den Ciliarring ver- laufen und in Schlingen endigen sollen. 2) Eine Schicht von Kugeln (Nervenzellen), etwa 0,0186 Mm. im Dehm. Die Kugeln haben einen Durchm. von 0,0111 — 0,0188 Mm. und dienen zum Ursprunge der Fasern der nächsten Schicht. 3) Ein Lager von feinen, grauen Fasern, eingehüllt von ei ner amorphen, körnigen Masse, im frischen Zustande von hellgelbröthlicher Farbe. Sie bedingt das Ansehen der Maeula lutea, und bildet diese Stelle der Retina ganz_ allein. Die Fasern breiten sich strahlenföormig vom Centrum nach der Peripherie der Retina aus, so zwar, dass die inneren Schichten allmählig früher aufhören als die äusseren, indem sie alle in die Kugeln der zweiten Schichten übergehen. Die Dicke der Schicht beträgt 0,0457 Mm. 4) Ein vollkom- men durchsichtiges Lager von Kugeln, an welchen zuweilen ‚kleine Stiele sichtbar sind, die ferner den Charakter von "Nervenkernen haben, und in 4—5 Reihen regelmässig über- "einander liegen. Sie haben beim Menschen einen Durchm. 'von0,0060 Mm. Die Dicke der ganzen Schicht beträgt 0,0496 Mm. Mit den an den Kugeln befindlichen Fäden hängen ‚sie vielleicht untereinander oder mit den Formelementen der "angrenzenden Schichten zusammen, 5) Die Stäbehenschicht, deren Dicke beim Menschen nicht über 0,0246 Mm. hinaus- geht. Der Verfasser glaubt, dass die einzelnen Stäbchen aus eng aneinanderliegenden, den feinen Querstreilen und 74 horizontalen Bruchflächen entsprechenden Scheiben gebildet seien. Die Zwillingszapfen, welche Pacini bei Vögeln und Amphibien noch nicht auffinden konnte, haben beim Men- schen eine Länge von 0,0156 Mm. und eine Breite an der breitesten Stelle von 0,0093 Mm. Sie haben hier eine birn- förmige Gestalt und hängen an dem äusseren Ende öfters mit einem gewöhnlichen Stäbchen zusammen. Sowohl die Stäbchen als die Zapfen tragen an den inneren Enden rund- liche Körperchen, mit einem Durchmesser, der zwischen dem der Kugeln der 4ten und ?ten Schicht in der Mitte steht, und scheinen ein Ergänzungs-Stratum der Aten Schicht zu bilden. — Von den fünf Schichten hören die 1te, 4te, öte am Ciliarkreise auf, während die Formelemente der ?ten und 3ten Schicht sich über denselben und vielleicht noch auf die Iris ausdehnen. — Die Gefässe der Retina lie- gen zwischen der Glashaut und der M. limitans. — Der Verfasser giebt auch eine Beschreibung der Netzhaut und des Auges der Sepia officinalis und Musca domestica (Nuove ricerche microscopiche sulla tessitura intima della Retina etc. Aus den Nuovi Annali delle Scienze Nat. di Bolog Agosto 1845. — Deutsch übersetzt von Dr. H. F. Freiburg in Baden. 1847. — Schleiden und Fror. Not. 1847. Bd. I. S. 52, geben einen kurzen Auszug des We- sentlichsten. —) Durch E. Brücke’s Beobachtungen wissen wir, dass die Retina aus zwei wesentlich verschiedenen Theilen, dem lichtempfindenden Apparate, der Tunica nervea (einem Theile des Gehirns) und aus dem katoptrischen Apparate, der Schicht der stabförmigen Körper (Strat. bacillosum) be- stehe. Die Retina endigt in der Ora serrata, an der Nasen- seite 6 Mm., an der Schläfenseite 7 Mm. von der Grenze zwischen Chorioidea und Iris. Die Tunica neryea wird ge- gen das Corp. hyaloid. durch die Membrana limitans Pae. (Glashaut der Retina, Henle), die bei Anwendung von Es- sigsäure polyedrische Zellenumrisse erkennen lässt, abgegrenzt und wird aus drei Schichten zusammengesetzt. Die innerste ist die Ausbreitung des Sehnerven, die zweite zunächst nach Aussen ein Lager von Gehirnzellen, in ein Stroma von zar- ten Fasern, ähnlich dem Bindegewehe im Verlauf der Ner- ven eingebettet, die letzte und äusserste Schicht ist die von Pacini genannte Körnerschicht oder die Nuclearformation, die am hinteren Pole des Auges, in der Mac. flava schön gelb gefärbt ist. Die Schicht grauer Nervenfasern (Ste) Pacini’s erkennt B. nicht an, und ist vielmehr überzeugt, dass Pacini das streifige Stroma der Gehirnkugelschicht da- für genommen habe. In Betreff der Ausdehnung]der Gehirnzel- 75 lenschicht auf die Ciliarfortsätze bemerkt der Verfasser, dass Pacini durch eine Zellenschicht irregeleitet sei, die an je- ner Stelle auf dem Pigment der Choroidea liege. Diese Zel- len sind im Allgemeinen kleiner, sind schärfer kontourirt, weniger kugelrund, häufig elliptisch und etwas abgeplattet, und von dickwandiger Beschaflenheit. Es sei vielleicht mög- lich, dass die fragliche Schicht mit der Nervenhaut eine ge- meinsame Fötusanlage habe, später jedoch zeigen beide ver- schiedene Beschaffenheit. Die Gehirnzellen sind in der aus- gebildeten Tunica nervea kugelrund und im frischen Zu- stande gleichmässig durchsichtig, wie Oeltropfen; späler zeigt sich ein Kern und feine Körnchen, selten Tochterzellen im Innern; nach Behandlung mit Wasser treten sie deutlicher hervor. Nach dem Verf. verlaufen die Gefässe zwischen Membr. limit. und der Sehnervenfaserschicht, und einmal trat sogar, wie es schon Zinn beschreibt, ein Arterienzweig hinter die Sehnervenfasern. (Anatomische Beschreibung des menschl. Augapfels. Mit 1 Kupfert. Berlin 1847. BeiReimer.) Nach Todd und Bowman folgt auf die Hyaloidea eine Lage durchsichtiger, kernhalliger Zellen, die oft erst sichtbar werden, wenn sie mit Wasser behandelt sind. So- dann sieht man nach Aussen von dieser Lage die Ausbrei- tung des Sehnerven in zwei Schichten , eine Faserschicht und nach Aussen von derselben eine der grauen Hirnsubstanz vergleichbare Schicht, die in einer fein granulirten Grund- masse zarte, gekernte Bläschen enthält. Die Fasern der fi- brösen Schicht sollen nach und nach in die zweite Schicht auslaufen und enden. Zu äusserst liegt endlich das Stratum granulosum, die Körnerschicht, in welcher der Verfasser zwei durch eine durchsichtige Lamelle getrennte Lagen er- kannt haben will. (R. B. Todd und W. Bowman: The physiol. Anat. Part III.) Linse und Glaskörper. Nach Brücke (a.a. 0. S. 27. seqq.) nähern sich die einzelnen, die Linse zusammen- seizenden Schichten um somehr der Kugelgestalt, je mehr man in die Tiefe dringt, und sind dabei so ineinander geschach- telt, dass eine Oberfläche, welche man sich durch die gröss- ten Kreise aller Schichten gelegt denkt, nach vorn konkav, nach hinten konvex sein würde, Die einzelnen Schichten be- stehen aus glashellen Fasern mit sechseckigem Querschnitt von 0,006 Mm. — 0,011 Mm. Breite und 0,002 — 004 Mm. Dicke, die wenigstens beim Menschen keine gezähnelten Ränder zeigen. Die Fasern einer Schicht alterniren mit den Fasern der beiden aneinandergrenzenden Schichten in der Weise, dass sie ab- wechselnd zur Hälfte zwischen die Fasern der einen und der andern zunächst liegenden Schicht sich hineinschieben. Der 76 Verlauf der Fasern in den einzelnen Schichten ist sehr kom- plizirt und vielfachen Veränderungen unterworfen, selbst auf der vorderen und hinteren Fläche einer und derselben Linse. Den grössten Kreis jeder Schicht passiren alle Fasern so, dass sie ihn senkrecht schneiden; auf der vorderen und hinteren Fläche der Linse aber krümmen sie sich zu Curvensystemen zusammen, welche mit den Scheiteln gegen die Pole hin ge- richlet sind. Denkt man sich die Scheitelpunkte aller Cur- ven verbunden, so bilden die Vereinigungslinien auf jeder der beiden Oberflächen einen verzweigten Stern, der gewöhnlich mit drei ungleich langen Hauptästen vom Pole als Centrum ausgeht ( daher das Zerfallen der Linse in drei Abschnitte Ref.) und im Mittel 12, häufig mehr, bei Erwachsenen aber selten weniger peripherische Endäste hat. In der Hyaloidea des Glaskörpers erkannte Brücke (a. a. ©. S. 31.) bei günstiger Beleuchtung schwache Um- risse von sechseckigen Zellen. Die Hyaloidea verdickt sich etwas an der Ora serrata Retinae und verwächst mit der sie von der Retina trennenden M. limitans ; mit dieser läuft sie fort gegen die Wurzel der Ciliarfortsätze und theilt sich kurz vorher in eine vordere stärkere und in eine hintere schwächere Lamelle, zwischen welchen der Canalis Petiti bleibt. Die stärkere Lamelle ist die Zonula Zinni; die schwächere, eigentliche hyaloidea geht hinter den Ciliarfort- sälzen zur tellerförmigen Grube und verwächst untrennbar mit der hinteren Wand der Linsenkapsel. Der Verf. salı auch die von der Hyaloidea ausgehenden und in den Glas- körper eindringenden Septa Hannovers beim Menschen, doch ohne verbindende Querwände. Doch hält er den Ge- genstand noch nicht für erledigt, da weder die koncentri- schen Häute des Glaskörpers bei Thieren (Brücke ) noch Hannovers Septa beim Menschen hinreichen, um die Kon- sistenz des Glaskörpers zu erklären, und, da es unwahrschein- lich ist, dass eine so grosse fundamentale Verschiedenheit zwischen dem Glaskörper des Menschen und der Thiere stattfindet. — Die Zonula Zinnii legt sich in den bekannten Falten um die Linse, während die mit ihr verwachsene M. limitans am Rande der Ciliarfortsätze sich von ihr trennt und ihren Weg auf die Iris (Uvea) forisetzt, wo sie von den pigmentirten Zellen bedeckt wird. Drüsen. NachMandl bestehen die Läppchen der Leber aus einer grösseren oder geringeren Menge von Inselehen, die aus Leberzellen bestehen und zwischen den Maschen der Haargefässe ihre Lage haben. Diese Inselchen sind von ei- ner Membran umgeben, wie die Säcke und Bläschen (aecini ) aller anderen Drüsen. (Archiv d’Anatomie, Octbr. 1846 — y 77 Schleid und Fror. Notiz, 1847. Bd. I, S. 29%.) — Kölli- ker beschreibt in seinem neuen Mollusken -Genus Rhodope eine Leber, die aus gestielten strukturlosen Bläschen, ange- füllt mit 2—4 grossen, kernhaltigen, mit gelblichem Inhalte versehenen Zellen, gebildet wird ( Canst. Jahrb. 1848. S. 72), In Betreff der Niere bemerkt v. Patruban, dass die Malpighischen Gefässknäuel bei den verschiedenen Thieren bald als einzelne, schlingenähnliche Ausbiegungen eines Ar- terien-Aestchens, bald als eine knäuelarlige Verschlingung von vielen, gleichsam in einen Ballen zusammengedrängten Arterien sich darstellen. Oefters, namentlich auch beim Menschen, entsteht ein Malpighisches Körperchen dadurch, dass eine feine Arterie sich strahlenförmig in Zweige auflö- set. Die vereinzelt aus dem Knäuel heraustretenden Art, efferentes haben gemeinhin einen bedeutend geringeren Durch- messer, als die Vasa aff., laufen ziemlich gestreckt am Knäuel vorbei und bilden darauf ein engmaschiges Geflecht, welches die einzelnen Knäuel umhüllt und an der Oberfläche der Niere in die sternarlig verzweigten Venen übergeht; andere Aest- chen begleiten die Harnröhrchen bis zu den Warzen hinab. Die Wände der Gelässe im Malpighischen Knäuel sind durch zahlreiche Kerne ausgezeichnet. Die Malpighischen Körperchen liegen nicht frei, sondern sind in eigene sehr fein gefaserle (2 Ref.) Membranen (Kapseln) eingeschlossen, und diese Kap- seln sollen, wie es Bewman entdeckt, unzweifelhaft die blinden Enden der Harnkanälchen darstellen. — Ref. muss wieder auf die Arbeit von Bidder verweisen und die Un- iersuchung des oberen Endes der Niere bei Tritonen em- Bohlen, dann kann Niemand mehr daran zweifeln, dass die che sich so verhält, wie es Bidder beschrieben. — Das Flimmerepithelium hat Patruban nur in dem der Erweite- zung vorangehenden Theile der Harnkanälchen beobachtet, und zwar bei Fischen, Salamandern, Tritonen und Schlan- cen. Der Verfasser unterscheidet ferner in der menschli- gien Niere zwei Arten von gewundenen Harnkanälchen. ie einen, etwa „4;-“ im Durchmesser, zeigen im Inneren sehr reichliche Epithelialzellen, die sich befreit als Oylinder- zellen zu erkennen geben; ihre Wände haben ein gestreiftes Ansehen. Die zweite Art von Kanälchen, „1, im Durchm, erscheint ganz körnig im Innern, wie in der Dicke der "Wandung, und sie ist es, an welcher die Kapseln der Mal- pighischen Körperchen aufsitzen. (Vierteljahrsschrift für die raktische Heilk. Prag. 1847. Bd. Ill. S. 87 seqq. mit 1 af) — Mandl unterscheidet beim Frosch gleichfalls, wie Patruban, zweierlei Kanälchen. (M&moire sur la structure des organes urinaires. p. 18.) — Der Beschreibung Bo w- 78 man’s in Betreff des Verhältnisses der Harnkanälchen zu den malpighischen Körperchen stimmen bei: Mandl (a. a. O.), Nicolucei (Sull’ intima struttura dei reni in Filiatre- Sebezio, Feb.) — Toynbee fand an den Spitzen der pro- cess. mammillares die Harnröhrchen sehr dicht zusammenge- häuft, so dass sie einander fast berühren. Gegen die Basis der Pyramiden hin theilt sich das Röhrenbündel in eine Menge kleinerer Röhren, welche durch kegelförmige Haufen von Blutgefässen getrennt und mit ihrer Basis der Rinden- substanz zugewendet sind. Die Ferrein’schen Pyramiden sind nichts Anderes, als Ramifikation der Venen. Die ge- wundenen Kanälchen haben an der Oberfläche- der Niere zahlreiche Verästelungen. Sie endigen theils auf die Weise, dass sie ineinander übergehen, theils laufen sie in die Malp: Körper aus, durch deren Kapsel sie hindurchsetzen. (Medico- chirurg. Transact. Vol. XXIX. 1846. — Schl. und Fror. Notiz. Bd. II. S. 262. 1847.) Durch die genauen Untersuchungen Adriani’s über die feinere Struktur der Lungen erhalten die Beobachtungen Ros- signol’sim Wesentlichen ihre Bestätigung. (Arius Adriani: Diss. inaug. anat. de subtiliori pulmonum structura ete. — Traj. ad Rhen. 1847. c. tabb.) Die Bronchien endigen in ein oder mehrere Infundibula, an deren Wänden die Alveoli oder Zellen sich befinden, die mit offenen Mündungen nach der Höhle der Trichter offen stehen und die Lungenbläschen Reisseisen) darstellen. Auch die Alveoli parietales an dem Theil der Bronchioli, welche die Infundibula tragen, sind von Adriani beobachtet worden. Gegen Rossignol be- hauptet der Verfasser, dass ein Bronchiolus mit einem oder auch mehreren Infundibula besetzt sein könnte. Desglei- cben fand er, dass zuweilen Querbalken von einer Wand der Trichter zu der anderen hinübergingen. Auch komme es vor, selbst in gesunden Lungen, dass die Trichter, welche ganz nahe aneinanderliegen, durch eine kleine Oeffnung mit einander kommuniciren. Der Verfasser vermuthet ferner, dass Oeltropfen und Fettzellen die Veranlassung zu der An- sicht gewesen seien, dass die Bronchioli direkt in eine Zelle endigen. . Der mikroskopische Theil stimmt mit den neue- sten Erfahrungen überein, auch Adriani leugnet die 'An- wesenheit von Muskulatur in den Infundibula, die von ihm übrigens Alveoli genannt werden. Der Verfasser vergleicht mit Rossignol die Froschlunge mit einem einfachen Infun- dibulum, Ueber die Brunn’schen Drüsen schreibt Middeldorf. (De glandulis Brunnianis. Diss. inaug. 1846. Vratislav. cum tab. 1.) Der Verfasser schickt ein Kapitel über die Struk- A 79 tur des Duodenum voran, in welchem er nach Durchschnit- ten von getrockneten Präparaten das Duodenum aus sechs Schichten bestehen lässt: Strat. muscul. longitudinale; St. m. eirculare; st. celluloso-vasculosum (T. ner- vea);: st.submucosum, welches aus dünnen organischen Längsmuskelfasern zusammengeselzt wird; strat.mucosum mit den Lieberkühn’schen Drüsen, Falten und Zellen, Ausführungsgängen der Brunn’schen Drüsen, und mit einzel- nen oder auch gehäuften (Peyer’schen ) solitären Drüsen- kapseln; strat. epithelialee Die Brunn’schen Drüsen wurden nur im Zwölffingerdarm gefunden; namentlich liegen sie dicht gehäuft in dem Theile, welcher zwischen Pylo- rus und den Valvulae conniventes sich ausbreitet. Sie ha- ben eine -Grösse von -!; — 1” im Durchmesser, und stellen Bläschen dar, die in grösserer oder geringerer Anzahl an einem weiten Stiele sitzen und durch diese in Aeste des Ausfüh- rungsganges ausmünden. Die Hauptmasse der Drüse reicht bis in die Nähe der kreisförmigen Muskelschicht. Bei Vögeln, Amphibien und Fischen fehlen die Brunn’schen Drüsen. Bei Nlanzenfressenden Säugethieren sind sie am zahlreichsten. Der Verfasser hat die Drüsen untersucht beim Menschen, bei Phoca annellata, beim Schwein, Hirsch, Rinde, Schaaf, Pferde, Kaninchen, Biber, Ursus americanus, Hauskatze, Hund, Cercopitheeus eynomolgus. — Blutdrüsen. Ecker beschreibt den normalen Bau der Schilddrüse in Uebereinstimmung mit seiner Ansicht von den Blutdrüsen überhaupt folgendermaassen: Die normale Schild- drüse eines erwachsenen Menschen besteht aus einzelnen ge- trenntenLappen, und diese zeigen sich auf einer Schnittfläche aus’soliden, röthlich-gelben Körnern von 1— 1” im Durchmes- ser zusammengeselzi. In diesen Körnern erkennt man an einem feinen mit dem Doppelmesser gemachten Durchschnitt- chen folgende Bestandtheile: 1) eine Hülle von Bindegewebe; mit dieser im Zusammenhange 2) ein Stroma, aus zahlrei- chen in allen Richtungen verlaufenden Bindegewebesträngen gebildet; und 3) in den Lücken dieses Netzes zahlreiche rundliche oder ovale, vollkommen geschlossene Blasen oder Schläuche, welche aus einer zarten, strukturlosen Membran bildet sind und „4, — „',“ im Durchm. besitzen (Drüsen- lasen). Als Inhalt dieser Bläschen findet man: Flüssigkeit mit freien in Kali löslichen Körnchen ( freikörniges Plasma) körnige Kerne von 0.005 --0,007 Mm., die beim Embryo aus der zwölften Woche als durchsichtige mit einem Kern- körperchen versehene Bläschen auftreten; seltener Zellen von 0,010 — 0,12 Mm. im Durchmesser, mit einem meist klaren Inhalte, die bald nur an der Innenfläche der Drüsen- 80 blasen, bald aber auch durch den ganzen Binnenraum sich vorfinden; endlich hin und wieder Fettkörnchen. Die Drü- senblasen treten nach Anwendung von Kali oder Ammo- niak am deutlichsten hervor, besonders aber bei Vögeln und Amphibien, wo die Masse des Bindegewebes zurücktritt. Bei Neugebornen sind die Körner noch undeutlich; sie wer- den erst später von einander isolirt. — (Versuch einer Ana- iomie der primitiven Formen des Kropfes, gegründet auf Untersuchungen über den normalen Bau der Schilddrüse, Henle’s und Pfeufer’s Zeitsch. etc. 1847. Bd. VI. S. 121 seqgq.) — Nach Frerichs findet man als wesentliche Ele- mente der Schilddrüse rundlich - ovale ‚oder unregelmässige, mit glatten oder gezackten Rändern versehene körnige Kerne von 0,0016 — 0,0033'” Durchm. theils einzeln, tbeils in un- regelmässige Gruppen vereinigt, und kugelrunde. scharf kontourirte, blasse gekernte Zellen von 0.00€ — 0,008 im Durchm. Die Zellen liegen gleichfalls theils vereinzelt, theils in unregelmässigen Haufen oder in Reihen, wie in blind- darmförmigen Drüsen. Ausserdem kommen körnige, äusserst feine, braungefärbte Molekeln vor, die den gewöhnlichen che- mischen Reagentien widerstehen und die Farbe der Schild- drüse bedingen. (Ueber Gallert- und Colloid - Geschwülste, Götting. 8. 2 Taf. 1847.) — Handbücher und Hülfsmittel. Arth. Will. Hassall: The microscopie anat. of ihe hum. body in health and disease. Lond. 8, Part. VI—X. R. B. Todd und W. Bowman: The physiolog. Anatomy and physiol, of man. 8. Part. III. Lond. H. C. B. Bendz; Handbog i den almindelige Anat, Kjöbenhavn. 8. 2tes Heft. (Schluss). L. Mandl: Anatomie mieroscop. 1 Serie. Livr. XV, bis XXI. (Schluss). €. L. M. Langenbeck: Lehre der Bewegungsorgane mit Hinweisung auf die Icon. myolog. ete. Gött. 8. Hierzu mikroskopisch-anatomische Abbildnugen. Lief. 1. Taf I— VI, 4. Göttingen. 1847-} Höfle: Chemie und Mikroskop am Krankenbelte, Erlangen. 1848. 4. K. v. Erlach: Mikroskopishhe Beobachtungen über organische Elementartheile bei polarisirtem Lichte Müll, Archiv. für Anat. und Phys. 1847. S. 313. seqq. Triehophyton tonsurans, der haarscheerende Schimmel. Ein Beitrag zur Auseinandersetzung der Krankheiten, welche das Abfallen des Haares bewirken; von P. H. Mıunsten. Aus dem Schwedischen übersetzt von F. ©. H. Creprın t). Hierzu Taf. ]. —— Bei der Zusammenkunft skandinavischer Aerzte und Natur- forscher in Christiania wurde von mir die folgende kleine Abhandlung eingereicht, welche ich hier zuerst mittheilen zu müssen glaube: „Ueber die vegetabilische Natur der Krankheit, welche Ma- hon unter dem Namen Teigne tondante (Squarus * tondens) beschrieben und die man im Allgemeinen für identisch mit Willan’s Porrigo decalvans angesehen E hat, nebst einem Versuche, die Verschiedenheit dieser beiden Krankheiten zu erörtern. * 1) Der Titel des schwedischen Originals ist: Trichophyton konsurans, härskärande Mögel. Bidrag till utredande af de sjukdomar, som välla hörets affall, Af P, H. Malmsten. Stockholm, 1845. gr. 8. Mit einer Tafel. Mäller's Archiv, 1848, 1 Der Squarus tondens Mahon sowohl, als die Por- rigo decalvans Willan, befallen eigentlich den haarbe- deckten Theil des Kopfes und sind insgemein für eine und dieselbe, obgleich von verschiedenen Sehriftstellern verschieden benannte Krankheit angesehen worden. Die Porrigo de- calvans, welche sich durch runde, kahle Flecke auszeichnet, auf denen das Haar abgefallen ist, und welche sich mit einem weissen Staube oder kleinen graulichen Schuppen bedecken, scheint auch älteren Schriftstellern schon bekannt gewesen zu sein. Celsus nennt sie Area und beschreibt zwei Arten von ihr, von denen die eine der Alopecia, die andere der Ophia- sis (von Ögıs, serpens), der Griechen entspricht. Sauvages nennt sie Alopecia areala, Good Trichosis Area. Alle diese Benennungen beziehen sich auf die Wirkung der Krank- heit, nämlich rande, kahle Flecke auf dem Kopfe. Willan, welcher die Krankheit unter Porrigo bringt, obzwar sicher uneigentlich, da nämlich Porrigo eine pustulöse, ansteckende Haulkrankheit bezeichnet, in dem in Rede stehenden Uebel aber gar keine Pusteln, öder eine ihnen ähnliche Eruption Stalt finden, — nennt sie Porrigo decalvans. Bateman, dessen 40ste Tafel Porrigo decalvans darstellt, nämlich runde, kahble, glalte, glänzende Flecke hier und da auf dem Kopfe, beschreibt die Krankheit folgendermaassen: „Diese, selten vorkommende, Varielät von Porrigo bietet gar keine anderen Kennzeichen dar, als kahle Flecke von mehr oder weniger runder Form, auf denen kein einziges Haar stehen bleibt, während das die Flecke umgebende Haar so dick, wie gewöhnlieh, steht. Die Kopfhaut auf diesen Flecken ist glatt, glänzend und ungewöhnlich weiss. Die Flecke vergrössern sich allmählig und fliessen zusammen, wodurch eine weit ver- breitete Kahlheit entsteht. Es ist indessen wahrscheinlich, wenn gleich nicht ausgemacht, dass zu Anfange der Krank- heit eine Eruplion kleiner Achoren an den Haarwurzeln Statt habe, welche jedoch bald verschwinden und keine Feuchlig- keit absondern.“ Und in der Erklärung der oben gepannten 3 Tafel fügt er hiozu: „Porrigo decalvans: eine Varietät, auch „Ringworm‘ genannt, und welche zuweilen eine Folge des decalvirenden Prozesses ist, den die vorhergehende Spe- cies ausübt.“ Diese letztere, Porrigo seululala, soll auch die 39ste Tafel darstellen; sie kann aber, meines Erachtens, unmöglich dieselbe (den schildförmigen Erbgrind der Deutschen, die Teigne nummulaire der Franzosen) dar- stellen, welche eigentlich eine Varielät der Porrigo favosa, des Favus, bösen Grindes, Schimmelgrindes (?), der Por- _ rigophyta (Gruby) ist und als solche heuliges Tages all- gemein angesehen wird. Diese Tafel zeigt übrigens viel Achn- lichkeit mit der Abbildung, welche Mahon von der Teigne tondante (in seinen Recherches sur le siege et la nature des teignes, Paris 1829) gegeben hat. Aus Baleman’s Beschrei- bung der Porrigo seululata geht deutlich hervor, dass er, indem er sich zu sehr an die runde Form und die ansleckende Natur der Krankheit hielt, zwei verschiedene Krankheiten mit _ einander vermengt hat, nämlich die Varielät des bösen Grin- des, welche ich oben erwähnt habe, und die man gewönlich, wegen ihrer Form, P. scutulata, Favus scutiformis nennt, und die Krankheit, welche Mahon eigentlich zuerst genau beschrieben und Teigne tondante benannt hat. Denn Bateman sagt in der Beschreibung der P. seutulata unter Anderem: „Bisweilen sind die Achoren zu Anfange der Krank- heit kaum sichtbar, sondern das Wegfallen des llaares ist das ersie Zeichen der Anwesenheit der Krankheit.“ Eben so geht aus Willan’s und Bateman’s Beschreibung der P. de- Ivans als wahrscheinlich hervor, dass sie zu dieser auch biedene Fälle von Mahon’s Teigne tondante gebracht . Unter dieser Benennung hat nämlich Mahon. wel- e mit seinem Bruder Gelegenheit hatte, eine so ansehnliche enge von Kopfausschlägen zu beobachten, eine Krankheit ieben, welche sich freilich in mehreren Rücksichlen der igo decalvans Will. nähert und auch von den Mei- für dieselbe Kraukheit angesehen worden ist, aber doch 1 Ei 4 wesenllich verschieden von ihr zu sein scheint, Es möge mir erlaubt sein, das Folgende aus Mahon’s Beschreibung zu ci- tiren: „Cette teigne se reconnait & la manifestation de petiles asperiles sur des places arrondies, plus ou moins elendues, or- dinairement au euir chevelu. Ces asperites sont comparables A celles du chagrin ou de la peau de chien de mer. Les cheveux qui couvrent ces places sont rompus & une ou deux lignes au-dessus du niveau de l’Epiderme, de maniere qu’il en resulle de veritables tonsures. — Les individus, afleeles de celte teigne, nous ont toujours offerl, sur le cuir chevelu, au moins une tonsure plus ou moins &tendue, mais toujours re- | - gulierement eirculaire, ou les cheveux e&taient natarellement coupes ou plulöl casses A une ou deux lignes au - dessus du niveau de l’Epiderme. A celte place Ja peau £lait extreme- ment seche, plus compaele, plus serree que les parties voisines qui elaient saines; les asperiles qui se faisaient remarquer elaient sensibles a la vue et surtout au loucher; elles etaient semblables & celles qui deviennent apparentes sur la surface de la peau & la suile de l’impression subite du froid, ou apres le frisson cause par un senliment d’horreur, enfin a ce que l’on appelle vulgairement chair de poule. La leinte de la peau elait un peu bleuäire; mais lorsqu’on la grattait, la surface soumise A ce froltement se recouvrait d’une poussiere fine et tres-blanche, que l’on peut comparer ä la farine Ires-IEnue. -— Elle commence par se manifester sur un point Ires-exigu qui devienl le centre d’un cerele qui va toujours en developpant sa eirconference; le brisement des cheveux est le r@sultat im- mediat de cetle all&ration des follicules. Quelquefois l’affeetion se communique ä d’auires places &loignees du siege de l’inva- sion; il s’y elablit un petit point qui se developpe comme le premier par une extension excenlrique; & la longue loules ces eirconferences finissent par s’atleindre, se confondre et ne faire de toule la tele qu’une surface enlierement londue et recou verle des asperiles dont nous avons parle. Nous avons vu tıois ou qualre exemples de l’invasion generale du cuir chevel 6) par cette affeclion singuliere.* — Mahon, welcher auch ei- nige höchst interessante Krankheilsfälle mittheilt, auf welche ich verweise, und die Krankheit bei mehreren Personen ein und derselben Familie gesehen, sie ansteckend, sehr schwer zu heilen und, in veralteten Fällen, wie den bösen Grind, auch die Nägel angreifend befunden hat, hält dieselbe für nahe verwandt mit dem Favus und glaubt, dass sie, wie dieser, eigentlich ihren Sitz in den Cryplae sebaceae habe. Good beschreibt unter dem Namen Porrigo eircinnata eine der Teigne tondante Mah. ziemlich analoge Krankheit. Ali- bert, welcher Mahon’s Teigne tondante als völlig iden- tisch mit Willan’s Porrigo decalvans ansieht und höch- lich, doch mit Recht, Mahon’s Beschreibung der Krankheit rühmt, nennt sie Porrigo tonsoria, tritt aber Mahon’s Meinung nicht bei, dass sie mit Favus verwandt sei, sondern warnt gegen ihre Verwechselung mit einer Krankheit von fa- vöser Natur, welche sich bloss durch das Abfallen des Haares unterscheide — Favus sine Favis — welche er seiner Aus- sage nach beobachtet hat und hinsichtlich deren er, ohne nä- here Beschreibung, nur hinzufügt: „dietum aulem calvitium est sumplo nomine a parte afleela; nam glabreseit aulerior eapilis pars, calva antiquiter nuncupata.“ Rayer, welcher Willan’s Porrigo decalvans und Mahon’s Teigne ton- dante freilich für sehr nahe verwandt, aber durchaus nicht für eine und dieselbe Krankheit hält, erwähnt beider unter dem Arlikel Alopecia und sagl, er habe Fälle von der cr- siern bei älteren Personen sowohl, als bei Kindern, von der Jelztern aber bloss einen einzigen Fall bei einem Kinde beob- achtet. Wie selten auch die von Mahon beschriebene Teigne ondante sei, kann man am besten aus der von diesem, als er seit mehreren Jahren bereits über 40,000 Grindkranke be- ndelt hatte, gemachten Berechnung entnehmen; indem näm- lich in 100 Fällen 75 von Tinea favosa, 11 von Tinca granulala, 7 von Tinea mucosa und 6 von Tinea fur- furacea vorkamen, so kam dagegen die Teigne tondanle > 6 nur 2—3 Mal unter 1000 Fällen vor. In der letztern Zeit hat Dr. Gillette in der Gazette medicale, 1839, p. 573, eine ansteckende Alopecia beschrieben, welche mit Willan’s Por- vigo decalvans völlig übereinzustimmen scheint. Nachdem man indessen in neueren Zeiten, und zwar aus guten Gründen, angefangen hat, die verschiedenen, auf dem behaarten Theile des Kopfes vorkommenden Hauikrankheiten — „Teignes*“ — unter ihre gehörigen Ordnungen zu bringen und somit ein Eczema capitis, eine Impetigo capitis a. s. w. beschrie- ben hat, findet man auch von den Schriftstellern eine Pily- tiasis decalvans (Gibert) und einen Herpes tonsu- rans (Cazenave) beschrieben, welcher letztere völlig mit Mahon’s Teigne tondante übereinkommt. Am 14. August 1843 übergab Dr. Gruby der Academie des sciences in Paris seine Recherches sur une nouvelle espece de eryplogames, qui constilne une maladie contagieuse de la peau, nommee Porrigo decalvans. Nach seinen Untersu- chungen (s. Oesterr. medic. Wochenschr., No. 43. 1843) fin- det man mittelst des Mikroskopes in dem weissen Staube, welcher die Haut auf den kalılen, runden Flecken bedeckt, die die Porrigo decalvans auf dem Kopfe verursacht, Kry- plogamen, welche auch in grosser Menge die von der Krank- heit ergriffenen Haare umgeben und gewissermaassen eine ve- gelabilische Scheide bilden, die das Haar vor seinem Austritt aus der Haut bis zu 1—3 Millimeter Entfernung von der Kopf- haut umgiebt. Diese vegetabilische Scheide erweitert sich da elwas, wo sie mit der Oberhaut in Berührung steht und ihre Wurzel gleichsam in den oberflächlichen Epidermiszellen hat; sie hängt so fest mit dem Haare zusammen, dass dieses eher bricht, als sie sich ablösen lässt. Durch das Mikroskop wird man gewalır, dass die Scheide aus Kryptogamen besteht, wel- che unler einander fest verbunden sind, um gleichsam ein Rohr rund um jedes Haar zu bilden. Diese vegetabilische Hülle besteht aus kleinen Stämmen, Zweigen und Sporen (sporulae). Die ersleren entspringen in dem Gewebe‘ des | ee sin - 4 Haares und bilden die innere Schicht der Hülle, während die Sporen nach aussen zu liegen kommen. Die Dicke der Hül- lenwände beirägt —$; Mm. Die Zweige laufen wellenförmig und geschlängelt, folgen der Richtung der Haarfasern, sind durchsichtig und von >; Mm. Durchmesser. Sie enthalten _ keine Moleküle. Die Stämme sind eben so dick, wie die Zweige, welche sich durch die sie begleitenden Sporen aus- zeichnen. Die Zweige hören an der äussern Oberfläche der Scheide auf, welche ganz und gar mit Sporen bedeckt ist; diese sind im Allgemeinen an der äussern Fläche der Scheide dieht neben einander gelagert; doch entdeckt man auch ein- zelne Sporen an dem Haare selbst. welche an den Stämmen fesisitzen. Die Sporen sind meistens rund, bisweilen jedoch oval, durchsichtig, nicht molekulös, und sehwellen auf, wenn sie mil Wasser in Berührung kommen. Die runden Sporen haben „575 Mm, die ovalen 2-3, Mm. kürzern und „5 Mm, längern Durchmesser. Gruby nennt diese Parasiten, wegen der kleinen Sporen, Mierosporum, und zum Andenken an Audouin, wegen dessen Untersuchungen über die Muscardine bei den Seidenraupen, Mierosporum Audouini. Dieses M. Audouini entsteht zuerst an der Oberfläche des Haares -1—2 Mm. weit von der Oberlaut. Das Haar wird an dieser Stelle undurchsichtiger; es entstehen dort kleine, kaum mess- bare (553; Mm.) Moleküle. An diesen Punkten ist es, wo man die ersten Spuren des Microsporum gewahr wird, wel- ehes sich späterhin auf die angrenzenden Haare verbreilel und sie allmählig verändert, bis sie in Stücke zerfallen und Kahl- ‚köpfigkeit entsteht. Die Struktur des Haares erleidet nämlich durch die Parasiten, welche ihre Wurzel in seiner Oberfläche haben, viele Veränderungen. Es wird im Anfange dunkel und seine sonst glalte Oberfläche wird runzlich. Das Epithelium verliert seinen Glanz und seine Cohäsion und fällt ab. Das Maar wird mürbe, bricht vom blossen Uinbiegen und fällt end- lieh auch weg. Die haarlosen Stellen sind dann grauweiss, weil noch immer eine Anzahl von Kryplogamen auf der Ober- i 8 fläche der Epidermis zurückgeblieben ist, deren Zellen eben- falls ein Sitz der Krankheit geworden sind. Ausser den hier beschriebenen Kryptogamen findet man kein anderes patholo- gisches Erzeugniss vorhanden, keine Spur von Entzündung, keine Bläschen oder Pusteln, keine Hypertrophie der Epider- mis. Demzufolge nennt Gruby die Krankheit wegen ihrer Natur und Wirkung: Phytoalopecia. Diese Kryptoga- men entwickeln und vermehren sich mit einer unglaublichen Schnelle; es braucht nur ein Punkt der Haut mit ihnen in Berührung zu kommen, um binnen wenigen Tagen Flecke von 3 — 4 Centimetern mit ihrer Schmarotzervegelation zu be- decken. Die Haare werden bei ihrem Hervorkommen aus der Kopfhaut grau, und schon binnen 8 Tagen brechen sie da, wo sie von den Kryptogamen umgeben sind, ab; die dickeren widerstehen länger; um sie herum häufen sich die Parasiten oft in solcher Menge an, dass sie kleine grauliehe Erhöhungen bilden, welche man dann unrichlig für Bläschen oder Pusteln oder eine Absonderung aus den Haarbälgen angesehen hat. In der Mitte des Februars 1844 bekam ich, kurz nach- dem ich Gruby’s Untersuchungen kennen gelernt hatte, Ge- legenheit, zum ersten Mal einen Krankheitsfall zu beobachten, welcher mit der Mahon’schen Beschreibung der Teigne tondante völlig übereinstimmle. Ich verfolgte seit jener Zeit diesen Fall genau und will nun kurz über denselben berich- ten, auch die Resultate miltheilen, ‘zu welchen genaue und oft wiederholte mikroskopische Untersuchungen mich geführt haben. Axel H., jetzt (Julius 1844) 2 Jahre und 8 Monate alt, ist von gesunden Eltern enlsprossen und von seiner Mutter auf’s Beste gepflegt worden. Er ist auch nie krank gewesen, von frischem, blühendem Ansehen, gar nicht serofulös und nie mit irgend einem Ausschlage behaftet gewesen. Im November 1843 bemerkte die Mutter, als sie den Knaben kämmte und seinen Kopf wusch, ungefähr einen Zoll weit von der grossen Fontanelle nach rechts, einen kleinen, mit grauweissen Schöpp- BD A u Ba a ne 1 EN u a ie iii SEEN 9 chen bedeckten Fleck, auf welchem „das Haar fort war.“ Sie wunderte sich hierüber, wusch den Kopf des Knaben fleissig und kämmte die Schüppchen von dem kleinen Flecke fort; aber sie kamen dessen ungeachtet wieder, und die Frau bemerkte bald, dass sich der Fleck allmählig verbreiterte. Da dies so beiblieb, so beschloss sie, im Februar 1844, einen Arzt zu Rathe zu ziehen. Als ich nun zum ersten Male den Kna- ben sah, war der runde Fleck von 14 Zoll im Durchmesser, von grauweissen Schuppen bedeckt, aus denen, bei genauerm Anschauen, eine Menge kleiner. ungefähr 2 Linien langer Här- chen, welche von hellerer Farbe und ohne Glanz waren, her- auszuragen schien. Der Fleck war trocken, rauh anzufühlen und ein wenig in blaugrau spielend. Schabte man die Schup- pen vorsichtig ab, so erschien die Haut unter ihnen ganz un- beschädigt. Die den Fleck umgebenden Haare zeigten sich unverändert. Etwas höher hinauf und näher an dem Scheitel stand noch ein anderer kleiner Fleck von 2 Linien im Durch- messer, auf welchem die Haare ebenfalls 2” weit, von der Haut gleichsam abgeschnitten waren und die Haut selbst der 8. g. Gänsehaut glich, d. h. um die Haare standen da, wo sie herauskamen, gleichsam kleine Erhöhungen von Schuppen, vermuthlich die von Bateman erwähnten „kleinen Acho- ren.“ Als ich nun das Haar auf dem Kopfe des Knaben ganz kurz wegschneiden liess, so dass es nur 4 Zoll lang blieb, so erschienen daneben an mehreren Stellen hier und dort auf dem Kopfe zerstreule, sehr kleine schuppige, wenig erhöhte Flecke, auf denen indessen das llaar noch nicht ab- gefallen zu sein schien, obgleich man bei genauerm Nachschen _ ein und das andere Haar gleichsam abgeschnitten fand. Nach- dem man das Haar einige Zeit laug halte wachsen lassen, salı man aus dem sonst glatt anliegenden Haar eines oder das an- _ dere hervorstehen oder sich gleichsam aufrichten, und diese Haare lösten sich ungewöhnlich leicht; alle aber waren unge- fähr 2‘ weit von der Kopfhaut in einen Winkel gebogen, d. I, es war hier gleichsam ein Knie in dem Haare. Diese 10 Haare waren am zahlreichsten am Rande der grösseren und recht auf den kleinen schuppigen Flecken. Schon am 7. Mai erwähnte ich dieses Krankheitsfalles und der vegetabilischen Natur der Krankheit in der Gesellschaft schwedischer Aerzte hier in Stockholm, und da ich nun im Anfange des Julius (1844) dies schreibe, hat sich der grössere runde Fleck so ausgebreitet, dass er 2 Zoll, und der kleinere so, dass er beinahe % Zoll im Durchmesser hält. Ausserdem finden sich die erwähnten kleinen schuppigen Flecke in viel grösse- rer Menge. Reisst man die aus den Schuppen hervorstehenden, 1—2’’ langen Ueberbleibsel von Haaren vorsichlig aus, so findet man mit Hülfe des Mikroskops bei 300 maliger Linearvergrösserung diese Haarfragmente inwendig ganz angefüllt mit Sporen zwi- schen den Haarfasern, so wie es Fig. 1. vorstellt. Gelingt es beim Ausreissen des llaares, dass seine Wurzel mit folgt, welehes indessen bei der Brüchigkeit des Haares schwer hält, so kann man sehen, dass schon in der Wurzel selbst die Schimmelbildung begonnen hat und wie zuweilen die Sporen gleichsam rosenkranzförmig gelagert sind, und sogar in ein- zelnen Fällen gleichsam gegliederte Zweige vorstellen. Nach- dem ich mit einer Ciliarpincelte alle dergleichen Haarfragmente auf dem grössern Flecke forlzureissen gesucht halle und der- selbe solchergestalt fast ganz kahl geworden war, entstanden doch nach einigen Tagen in Menge ähnliche Haare, die von der Schimmelbildung auf dieselbe Weise angegriffen waren, welches gleichfalls beweist, dass die Schimmelbildung schon in der Wurzel beginnt. In den die Flecke bedeckenden Schup- pen findet man durch mikroskopische. Untersuchung zwischen den Epidermiszellen eine Menge von Haarfragmenten, welche gleichsam mit Sporen zwischen ihren Fasern geladen sind und völlig der Fig. 1. gleichen, obgleich sie in mehrere Formen gebogen und gewunden sind. Es ist wahrscheinlich. dass die etwas in blaugrau ziehende Parbe der Flecke von diesen Frag- menten herrühre, welche mit den Epidermiszellen vermengt a Der u Ta 41 liegen. Die Sporen sind rund, durchsichtig, nicht molekulös und halten im Durchmesser gewöhnlich 5 Millimeter; der Vergleichung wegen möchte man daher sagen können, sie seien ungefähr halb so gross, wie die Blutkörnchen beim Menschen. Ich habe diese Schimmelbildung niemals anderswo, als im Haare, und niemals zwischen den Epidermiszellen ge- funden. Untersucht man die erwähnten gebogenen, hervor- stehenden, leicht loslassenden Haare mikroskopisch, so er- scheint ihr Bulbus gleichsam abgezehrt, fast immer gekrümmt, und die Wurzel ist von einer Netzbildung umgeben (s. Fig. 3.). Eine ähnliche Netzbildung dürfte an den Haaren verschiede- ner Thiere vorkommen; aber bei denen des Menschen kommt sie im normalen Zustande nicht vor, sondern scheint einem krankhaften Verhalten anzugehören; denn ich habe einige Mal Gelegenheit gehabt, eine ähnliche Netzbildung zu beobachten, bei welcher das Haar aus einer andern Ursache, als bei der in Rede stehenden Krankheit, weggefallen war. Welchen Zu- sammenhang übrigens dieses netzförmige Gebilde um die Wur- zel des Haars mit der Schimmelbildung haben könne, ksse ich dahin gestellt sein. Aus dem nun Angeführten ersieht man deutlich die ve- gelabilische Natur der Krankheit, dass diese nämlich auf einem Kryptogamen beruht, welcher innerhalb des Haares ent- steht und dessen Mürbheit: verursacht, so dass es leicht ab- bricht; ebenso findet man, dass sich die in Rede stehende Schimmelbildung ganz verschieden von derjenigen verhält, welche Gruby in der Porrigo decalvans gefunden und beschrieben hat; und da der von mir beobachtete Fall naclı seinen äusseren Kennzeichen völlig mit Mahon’s Teigne tondaute (Squarus tondens) übereinstimmt, so ergiebl es sich als ziemlich wahrscheinlich, dass Willan’s Porrigo decalvans und Mahon’s Teigne tondante zwei bestinmt verschiedene Krankheiten seien, welche auf zwei verschiede- nen Schimmelbildungen beruhen, von denen die erslere mil der von Gruby beschriebenen, die letztere mit der von mir 12 jetzt mitgetheilten übereinkommt. Künftige Untersuchungen und Beobachtungen mögen indessen diese meine Vermuthung auf's Reine bringen. Da Gruby die Porrigo decalvans, deren vegetabilische Natur er ausgemittelt und beschrieben hat, Phytoalopecia nennt, so könnte man, mit vorzüglicher Hinsicht darauf, dass in dem von mir mitgetheilten Krank- heitsfalle die Schimmelbildung in der Wurzel des Haares be- ginnt, die Krankheit der Consequenz wegen Rhizophytoa- lopecia nennen. 2 Als Zusatz zu dem mitgelheilten Falle muss ich noch an- führen, dass die Mutler des Knaben, auf meine Anfrage, ob ihr eine Ursaehe zur Entstehung der Krankheit bekannt wäre, erwiederle, dass sie keine andere wüssle, als elwa die, dass der Knabe vielleicht von einem Kindermädchen angesteckt sein möchle, welches ihn während des Sommers 1843 ge- wartet und auf dessen Kopfe sie einige runde, kahle Flecke gesehen, welche das Mädchen immer sorgfältig durch die Kopfbekleidung zu verdecken gesucht hätte. "Was nun endlich die Ausmittelung des Genus Fungo- rum betrifft, zu welchem die von mir beschriebene Schim- melbildung gehöre, so überlasse ich sie den Schimmelkundi- gen; mir hat sie viele Aehnlichkeit mil der Torula olivacea oder der Torula abbreviata (Corda) zu besilzen ge- schienen. Das, was ich im eben mitgelheiltlen Aufsatze als walır- scheinlich angab und künftigen Beobachtungen anheim siellte, auszumitteln, nämlich wiefern Willan’s Porrigo decal- vans und Mahon’s Teigne tondante zwei bestimmt ver- schiedene Krankheilen seien, welche auf zwei verschiedene Schimmelbildungen beruhten, ist seitdem durch Anderer und meine eigenen Beobachtungen völlig bestätigt worden. Schon zeitig, im Frübjahre des vergangenen Jahres, übersendele ich dem Dr. Gruby in Paris Haare von dem erwähnten Knaben de. ee 13 und staltele ihm Bericht über das Verhalten ab, welches ich in jenem Falle beobachtet hatte, hauptsächlich um hinsichtlich der Behandlung Rath von ihm einzuholen, welcher mit so ausgezeichnetem Erfolge auch die hartnäckigsten Fälle von Tinea favosa, dem bösen Grinde (Porrigophyta, Schimmelgrind?), kurirt hat. In seiner Antwort an mich äussert er: „Ihr Brief und die gesendeten Haare iuleressiren mich lebhaft; ich habe schon Gelegenheit gehabt, diese zweite Spezies der Phytoalopecia, die Rhizophyloalopecia, zu beobachten, auch seit einem Jahre Versuche gemacht, diese Krankheit zu heilen, aber bis jelzt vergebens.“ Und in der Gazette medicale, No. 14. 1844, welche Nummer ich erst im vorigen Herbste zu sehen Gelegenheit bekam, fand ich, dass Gruby der Acad&mie des sciences in Paris am 1. April ein Memoire, betitelt: Recherches sur des eryplogames, qui con- slituent la maladie conlagieuse de cuir chevelu deerite sous le nom de Teigne tondante (llerpes tonsurans), ein- gereicht halte. Nach dem kurzen Auszuge, welcher in der genannten Zeitungsnummer mitgetheilt wird, scheinen meine und Gruby’s Beobachtungen, beide von einander unabhängig, völlig übereinzustimmen, Ich habe ausserdem während des non zuletzt verflossenen Jahres Gelegenheit gehabt, ferner fünf Fälle von der in Rede stehenden Krankheit zu beobach- ten, und in allen diesen bestätigt gefunden, was ich hinsicht- lich des Wesens der Krankheit im oben mitgetheilten, zuerst beobachteten Falle angeführt habe. Durch die aus diesen fünf Fällen gewonnene Erfahrung ist es nun eben so, wie durch Gruby’s Beobachtungen ausser allen Zweifel gesetzt, dass Willan’s Porrigo decalvans und Mahon’s Teigne tondante zwei verschiedene Krankheiten sind, welche frei- lich beide auf einer Schimmelbildung beruhen, die sich aber ganz verschieden in den in Rede stehenden Krankheiten ver- hält. Die hauptsächlichsten Verschiedenheiten will ich kurz anführen. 1) In der Teigne tondante entsteht die Schimmelbil- 14 dung schon in der Wurzel des Haares und kommt nur im Haare zwischen dessen Fasern vor, so dass die Epithelialbe- kleidung des Haares unbeschädigt bleibt; ausserdem findet man keine Spur der Schimmelbildung zwischen den Epidermiszel- len, so dass man hier mit Recht sagen kann, die Krankheit gehöre ausschliesslich dem Haare an. Dagegen ist es in der Porrigo decalvans gerade das Aeussere des Haares, dessen Epithelialbekleidung, welches von der Schimmelbildung ange- griffen wird, die um das Haar eine Hülle bildet, welche das- selbe gleichsam erwürgt, und die sich hier findende Schim- melbildnng gedeiht auch zwischen den Epidermiszellen, gehört also nicht ausschliesslich dem Haare an. 2%) Die Kryptogamen selbst sind auch verschieden. In der Teigne tondante bielet die Schimmelbildung fast aus- schliesslich Sporen dar, und zwar diese höchst selten verlän- gert, rosenkranzförmig gelagert, so dass sie gegliederten Zwei- gen gleichen; die Sporen sind grösser (2; Millimeter). Da- gegen hat die Schimmelbildung in der Porrigo decalvans Stämme und zahlreiche geschlängelte Zweige mit Sporen an deren Seite; diese Sporen sind viel kleiner (+7, Millim.). Gruby nennt, wie schon erwähnt ward, die Porrigo de- calvans Phytoalopecia und damit in Uebereinsiimmung wird die Teigne tondante Rhizophytoalopecia genannt. Die letztere habe ich auf schwedisch Härskärande Mögel (deutsch Haarscherender Schimmel) genannt. und auf lateinisch möchte ich sie Trichophyton (von Yoi&, pilus, und gpvzov, planta) tonsurans, oder, wenn man lieber will, Triehomyces (wöxys, fungus) tonsurans nennen; ich habe die erstere Benennung vorgezogen, weil Gruby, wie man weiss, den bösen Grind Porrigophyta und eine Art der Mentagra, welche nur auf einer Schimmelbildung beruht, Mentagrophyta benannt hat. Die Porrigo decalvans könnte man Trichophyton oder Trichomyces decalvans nen- nen, welchergestalt man ihre früheren, ziemlich charakteristi- schen Epithete gebührenderweise beizubehalten suchen würde. 15 Am richtigsten würde es sein, durch die Benennung der bei- den Krankheiten auszudrücken zu suchen, was sie am charak- terislischsten unterscheidet, nämlich dass bei der einen die _ Sehimmelbildung innen im Haare, bei der andern aussen an demselben Statt habe; aber dann würden die Benennungen allzu schleppend werden. Was nun die äusseren Zeichen des Trichophyton ton- surans betrifft, so habe ich in den sechs Fällen, welche ich zu sehen Gelegenheit gehabt, das Verhalten so gefunden, wie es von Mahon beschrieben worden ist. Ich will nur an die Verschiedenheit erinnern, welche die Krankheit natürlich in den Fällen zeigt, in denen der Kopf gut rein gehalten wird; denn es geschieht eigentlich dann, wenn die Krankheit nich! dureh Waschen und Kämmen gestört wird, dass sie jene deı Haifischhaut ähnelnde Flecke zeigt; wenn man aber die Schüpp- _ ehen tüchtig wegzukämmen sucht, so zeigt sich oft eine ge- | linde Röthe in der Ilaut unter denselben, und es entstehen _ bisweilen durch die Reizung kleine Pusteln oder Krusten. So _ habe ich in einem einzigen Falle die Krankheit mit einem impeliginösen Ausschlage complicirt oder richtiger während der Behandlung sich complieiren gesehen. Wenn die Krank- heit aber ohne eine solche Complicalion vorkommt und vor- züglich elie noch eine Behandlung angefangen hat, so findet man auf den von ilır ergriflenen Stellen nur eine vermehrte Sebuppenbildung und die aus den Schuppen hervorstehenden, gleichsam abgebrochenen Haarfragmente. Die Krankheit gleicht sonach gar sehr einer Pityriasis, von welcher man sie je- doch in den meisten Fällen, selbst ohne Beihülfe von mikro- ‚skopischer Untersuchung, wird unlerscheiden können. In der gewöhnlichen Pilyriasis capitis fällt nämlich das Haar nicht weg, sondern es kommt im Gegentheile diese Krankheit bei Frauenzimmern vor, die einen ungewöhnlich dicken uchs haben, welcher Umstand die Heilung der Krank- heit in hohem Grade erschwert. Im Trichophyton ton- surans dagegen sieht man, wie das Haar auf den schuppigen 16 Flecken gleichsam abgebrochen und fort ist, und wenn man die Schuppen abschabt, findet man zwischen diesen eine Menge kleiner Haarfragmente. Mit Herpes kann wiederum das Tri- chophyton lonsurans niemals verwechselt werden; denn es hat nur die runde Form mit ihm gemein, und es kommen durchaus keine Bläschen vor, wenn nicht sekundär durch die Reizung, welche Pflege und Behandlung zu verursachen ver- mögen. Die Krankheit scheint vorzugsweise Kinder zu befallen; von den sechs Fällen, die ich gesehen habe, fand nur einer bei einer älteren Person Slalt; aber auch diese, ein 20 jähriges Mädchen, hatle, ihrer Aussage nach, seit ihrer Kindheit an dem Uebel gelitten. Was übrigens die Ursachen der Krankheit betriflt, so habe ich nach fünf von jenen sechs Fällen völlige Veranlassung, einer Ansteckung die Entstehung derselben zuzuschreiben, zwei Mal durch das Kindermädchen, welches das Kind ge- warlet hatte. Dieses Verhalten scheint zur Aufmerksamkeit bei der Wahl einer Amme oder Kinderwärterin aufzufordern. Die Kinder sind übrigens gesund und, wenn ich eins aus- nehme, durchaus nicht skrofulös, auch alle gut gepflegt ge- wesen. Dagegen schien in einigen Fällen ‚der -Haarwuchs einige Zeit vor dem Ausbruche der Krankheit minder gut zu sein, und das Haar war trocken, welches darauf hinzudeulen scheint, dass die Schimmelbildung nicht leicht ohue eine vorherge- hende Kränklichkeit oder eine kränkliche Disposition im Haare entstehe. In den letzteren fünf Fällen habe ich die Netzbil- dung um die Wurzel des Haares nicht gesehen, welche ich von dem mitgetheilten ersten beschrieben habe, so dass sie vermuthlich nur in einer zufälligen Beziehung mit der Krank- heit gestanden hat. Wiefern die Krankheit spontan, d. h. durch das, was man Generatio aequivoca nennt, entstehen könne, lasse ich dahin gestellt sein, halte es aber nicht für unmöglich, da die in Rede stehende Schimmelbildung wirklich Die ns 17 zu den niedreren vegetabilischen Bildungen gehört, und finde die Möglichkeit solcher Entstehung durch das Vermögen der = Krankheit, sich auch durch Ansteckung fortpflanzen zu kön- nen, nicht widerlegt. ' Was schliesslich die Heilung der Kraukheit betrifft, so klagt auch Mahon über die Hartnäckigkeit der letzteren, fügt aber hinzu: ‚par des soins assidus nous en avons tou- jours triomphe@ en employant contre elle le m&me traitement que celui contre lequel ne resiste pas la teigne faveuse.“ Celsus äussert rücksichtlich der Heilung der Krankheit, - weelche er Area nennt: „.Quidam haec genera arearum scal- pello exasperant; quidam illinunt adurentia ex oleo, maxime- que chartam eombustam; quidam resinam terebinthinam cum thapsia inducunt, Sed nihil melius est quam novacula quo- tidie radere: quia cum paullatim summa pellicula exeisa est, adaperiuntur pilorum radieulae. Neque ante oportet desislere, “ qaam frequentem pilum nasei apparuerit. Id autem, quod subinde raditur, illini atramento sutorio salis est.“ Bate- man äussert in Beziehung auf die von ihm Porrigo de- ealvans genannte Krankheit: „‚Schneidet man das Haar beständig nahe an der Haut ab .und wendet man während _ derselben Zeit unausgesetzt irgend ein reizendes Liniment an, so kann es am Ende gelingen, dieses eigensinnige Uebel zu heben, wonach dann das Haar seine gewöhnliche Stärke und Farbe wieder erhält.“ Daneben räth er die Einreibung von Linimenten an, welche etwas Aelheroleum, in Spiritus gelöst, enthalten, z. B. Aetherol. Maeis Dr. ji auf Aleoholis Une. jv, so wie die, welche aus Pechöl, Petroleum, Kam- pfer u. #. w. bereitet sind. Die Erfahrung, welche ich hinsichtlich der Behandlung Trichophyton tonsurans erlangt habe, will ich in der ze anführen. Den zuerst beobachteten Fall behandelte ein halbes Jahr lang folgendermaassen: Ich liess zum nfange den Kopf des Knaben mehrere Male abscheren und wendete eine längere Zeit hindurch auf den Flecken eine Müllers Arch'v. 151%. 2 18 Pinselung mit Jodtinetur an; durch die hierdurch bewirkte Reizung bildeten sich gleichsam lamellöse Schuppen auf den- selben, welche ich dann vorsichtig aufzuheben suchte; auf diese Weise gedachte ich, durch das Jod den Schimmel zu- zerstören, und es folgten ausserdem, nebst den abgehobenen Lamellen, zahlreiche kränkliche Haarfragmente mit. Da Je- nes jedoch nicht gelang, so wendete ich Betupfungen mit Lapis infernalis, ebenfalls erfolglos, an. Hierauf liess ich dem Knaben längere Zeit hindurch Umschläge von unreinem Holzessig und darauf von Kreosot über den Kopf machen; da aber auch dies eben so wenig eine Veränderung herbei- zuführen schien, bat ich die Mutter endlich, den Kopf des Knaben recht rein zu halten, ihn täglich mit Seifenwasser zu waschen und die Haare fleissig zu kämmen. Ich sah den Knaben nun erst nach längerer Zeit, und zwar dann in besserem Zustande, wieder, gegenwärtig aber hat die Krank- heit bedeutend abgenommen. Die kleinen Flecke sind, mit wenigen Ausnahmen, fort, und auf den grösseren, deren Umfang nun viel geringer ist, wächst Haar, wenngleich dünn. In einem andern Falle bei einem Knaben, welcher jetzt zwei Jahre alt ist, und bei dem die Krankheit zuerst im vergangenen Frühlinge bemerkt wurde, wendete ich im Anfange die Einreibung eines Linimentes aus Aelherol. Ca- ryophylli Dr. ji und Petrolei Unc. jv an, aber doch nur einige Wochen hindurch, weil das Liniment etwas stark reizte. Seitdem sind nur Waschungen mit Seifenwasser ge- braucht worden, und zwar mit dem Erfolge, dass die Krank- heit jetzt beinahe gehoben ist. Nach diesen Erfahrungen habe ich seitdem in zwei Fäl- len blos gerathen, den Kopf der Kinder fleissig zu kämmen und zu waschen, mit einem Worte, gule Sorgfalt auf das Haar zu verwenden, in der Voraussetzung, dass, wenn der Haarwuchs solchergestalt besser wird, die Krankheit auch - allmählig verschwinde. Die Prognose wird somit im All- gemeinen ziemlich gut, wenn blos der Krankheit nicht be 2 ut 19 Vernachlässigung und Unreinlichkeit gestattet wird, Fort- schritte zu machen, wo sie dann wahrscheinlich Kahlheit verursacht und, nach Mahon’s Beobachtung, auch die Nä- gel angreifen kann. Sollte die Krankheit bei einem scrofu- lösen Kinde vorkommen oder mit einem Ausschlage auf dem Kopfe complieirt sein, so müsste sich natürlich die Behand- lung danach richten. Erklärung der Abbildungen. Figur 1. Ein Theil eines Haares mit der inneren Schimmelbil- dung; a die Fasern des Haares, zwischen denen man die Spuren ge- lagert sieht; b die äussere (Epithelial-) Bekleidung des Haares. Figur 2. Das Schimmelgebilde isolirt; a dessen gegliederte Zweige. Figur 3. Eine eigene Netzbildung um die Haarwurzel; a das Haar in seinem natürlichen Zustande; b die Netzbildung um die Haar- wurzel, wahrscheinlich ein Theil der Umgebungen, welche die Haar- wurzel hat, obgleich krankhaft verändert; c ein Theil der Scheide des Haares, welche beim Herausziehen mit gefolgt ist; d der Bulbus des Haares, krankhaft abgezehrt und gekrümmt. Bemerkungen über das Zellenleben in der Entwicklung des Froscheies. Von Dr. Herm. Cramer. Hierzu Tafel II—IV. Die folgenden Mittheilungen sind Resultate von Untersu- chungen, welche ich in diesem Frühling an den Eiern und Embryonen von Rana temporaria angestellt habe. Da ich manche gute Beoabachtung meiner Vorgänger, die nur ein- mal gemacht ist, bestätigen kann, so mag ich das nicht auf- schieben, vielleicht, dass sich dafür ein anderer die Mühe giebt, einiges Neue, was ich hier und da gefunden, nachzu- untersuchen. Wenn ich nicht bei jedem Organe gesagt habe, so hat der und der schon seine Geschichte beschrieben, so geschah das, weil ich im Zusammenhange berichten musste, und durfte auch eher so geschehen, da die Darstellung ganz nach eigenen Anschauungen entworfen ist; niemand kann aber dankbarer anerkennen, wie bequem mir meine Vorgän- ger die Arbeit gemacht, als ich selbst. Was mir von Ideen aufgegangen ist über die Natur der verfolgten Vorgänge, habe ich stets unterdrückt; so etwas legt sich jeder auf seine Weise zurecht, und nicht leicht macht es einer dem andern zum Dank. Nur das Faktische habe ich mitgetheilt, und wo-ich etwas nur halb kannte, stets ganz gesch wiegen. Berlin, im Juli 1846. L 21 I. Entwicklungsgeschichte des Eis. Die Entwicklung des Froscheis kann man leicht‘ an Eiern ein und desselben Ovariums studiren; man findet alle Stufen der Ausbildung neben einander, und kann oft, bei kleinen Vergrösserungen, eine vollständige Reihe von Ent- wicklungsformen auf dem Sehfelde haben. An den jüngsten Eibildungen habe ich kein Keimbläschen unterscheiden können; sie sind Kugeln von feinen Körnchen, die von einer zarten Haut knapp umschlossen sind. Ob das Keimbläschen in der Körnermasse begraben liegt, kann man nicht ausmachen, da an eine Präparation nicht zu denken ist. Etwas ältere Eier zeigen eine zarte Dotterhaut, die ein grosses, kugliges Keimbläschen einschliesst, was meistens der Wand näher, als der Mitte liegt. In dem freien Raum liegt die kleine Kugel von Körnchen, die früher von der Dotter- haut eng umgeben war. Es sieht aus, als wäre diese Haut durch Diffusion von ihr weit abgehoben, und dabei das Keimbläschen mit zunt Vorschein gekommen, ob umgebildet oder nur vergrössert, ist nicht auszumachen. Wird das Ei etwas grösser, dann erweicht die kleine Kugel, und immer flüssiger werdend verbreiten sich die Massen in einem ele- ganten Halbmond in .der Höhle des Dotterraums und um das Keimbläschen. Bei auffallendem Lichte sieht man die Kugel schneeweiss, den Halbmond der auseinandergeflossenen Dot- termasse gelblich, wie beim Vogelei, beim durchfallenden se- ben beide bräunlich aus. Die auseinandergeflossenen Körnchen kann man jetzt im Ei und auch herausgedrückt leicht untersuchen; sie sind Molekularkörper, die im Wasser in sehr lebhafle Bewegung gerathen, und zwischen denen sich einige grössere zeigen, die, gelblich-bräunlich von Farbe, einen scharfen Rand ha- ben. Mit dem Fortwachsen des Eis vermehrt sich die Zahl der grösseren, der Dolterraum wird allmählig ganz von ihuen gefüllt, das Ei wird dunkel und das Kleimbläschen schim- 22 mert nur noch undeutlich durch. Dabei nehmen die Körn- chen der Dottermasse an Grösse zu, sie werden platt und nähern sich in ihrer Gestalt immer mehr dem Viereck, In den reifen Eiern, die man aus den Tuben genommen, kom- men sie bis zu der Grösse von menschlichen Blutkörperchen vor, und steigen durch alle Zwischenstufen herab bis zu den kleinsten Pünktchen mit molekularer Bewegung. Sie haben dann eine graugrünliche Farbe und einen scharfgeschnittenen schwarzen Rand (Fig. 1.),. An den grösseren erkennt man leicht ihre tafelförmige Gestalt; im Strome schwimmen sie meist auf ihrer flachen Seite, nur selten wälzt sich eins, und dann erscheint seine Bewegung wie die eines vierecki- gen Steins, den die Bauleute um sich selbst wenden, um ihn über den Boden wegzubewegen. Diese Körperchen, die ich immer Dotterplättchen nennen werde, sind solide, und widerstehen einem bedeutenden Druck ohne zerquetscht oder gesprengt zu werden. Aus einem zerrissenen Ei fliesst die Masse des Inhalts als ein dicker, zäher Strom aus, und am Schwimmen der Dotterplättchen sieht man, dass sie in einer etwas consistenten, farblosen Flüssigkeit, enthalten sind. Ein schwarzes Pigment liegt nur in der oberflächlichsten Schicht der Dottermasse, während der tiefere Inhalt grau erscheint. Im Ovarium haben die Eier ein schönes, grosskerniges Epithelium,- wahrscheinlich ihre Membrana granulosa, dessen Zellen an jüngeren schön rund erscheinen, und schon als Dotterinhalt beschrieben sind. Man überzeugt sich aber im Augenblick, dass sie aufliegen, und auch noch existiren, wenn schon ein ganz anderer Inhalt das Ei vollständig aus- gefüllt hat. Im Anfange wächst das Keimbläschen bei der Vergrös- serung des Eis auch mit, und erreicht einen bedeutenden Umfang. In jungen Eiern ist es mit feinen, hellen Körnchen gefüllt, die mit der Zeit an Zahl und Grösse zunehmen (Fig. 2.). Dieser Inhalt ist nicht gleich in allen vertheilt, in einzelnen hauptsächlich an der Peripherie abgelagert, in 28 andern mehr in der Mitte, in andern mehr an der einen Seite, in andern endlich gleichmässig durch den ganzen Raum verbreitet. Die Körperchen wachsen bis zu der Grösse von menschlichen Blutkörperchen, werden rundlich oder von mehr unregelmässiger Form, allem Anschein nach solide, und scheinen später zu 3 und 4 miteinander zu verwachsen (Fig. 3.). Wenigstens bleiben diese kleinen Gruppen anein- ander haften, wenn man einen Strom von Wasser über das Objeetglas leitet, und werden miteinander fortgeschwemmt. Es wachsen neue Körperchen an, auch kleinere sammeln sich um diese, und alle zusammen werden zu einem Klümpchen vereinigt, ohne dass sie miteinander verschmölzen (Fig, 4.), Diese Massen, die zwischen der Grösse von Blutkörperchen und von grossen Epitheliumzellen variiren, habe ich noch am Ende Februar in den Keimbläschen von Eiern gefunden, die in diesem Jahre gelegt worden waren, während ich sie zu derselben Zeit bei andern Fröschen schon von schönen, klaren Zellenmembranen in weiterem Umfange umgeben fand (Fig 5.). j Diese eigenthümlichen Zellen, deren Zahl im Keimbläs- chen des braunen Frosches oft mehrere Hunderte gewiss überschreitet, sind von sehr verschiedener Grösse und Ge- stalt. Sie sind rund, rundlich, oval, länglich, gebogen, ge- buchtet, oft wie der Bauch einer Guitarre oder wie ein Bis- quit gestaltet, In ihrem Innern haben sie die Klumpen von aneinandergebackenen Körperchen und Körnchen, die lange vor ihnen langsam zusammengesetzt wurden und die von einer hellen Flüssigkeit umgeben sind, die die Zellenmembran ausgespannt erhält. Deckt eine Zelle die andere theilweise, dann sieht man die scharfen Contouren der unteren durch die obere hindurchschimmern; wie immer bei gespannten Zellen, bricht der Rand das Licht am stärksten, und bietet «o den zierlichen Anblick eines leuchtenden Zellensaumes, der von einer scharfen, aber zarten schwarzen Contour um- geben ist. 24 Kaum sind die Zellen auf dieser Stufe der Entwicklung angelangt, so fängt auch ihr fester Inhalt an, wieder zu ver- schwinden. Die Masse muss nach und nach verflüssigt, und das Verflüssigle wenigstens theilweise aus dem Innern der Zelle ausgeführt werden. Dieser Schmelzungsprozess greift zuerst die kleinsten Körnchen an, und man findet Eier, in denen die Keimbläschenzellen nur noch drei bis vier grössere Körperchen enthalten, die zerstreut und von einander gelö- set, in ihnen liegen (Fig. 6.); aber auch diese verschwinden, und die Zellen bleiben als leere, weisse, leuchtende, ge- spannte Bläschen zurück (Fig. 7.). Leider bin ich nicht im Stande, anzugeben, ob diese Verflüssigung ganz im Keimbläschen vollendet wird. Die leeren Zellen sind lange bekannt, und als durch den Dotter- inhalt zerstreut, beschrieben. Vogt ist der einzige, der weiss, dass sie aus dem Keimbläschen stammen, aber auch er kennt sie dort nur als vollkommen entleert, und beschreibt sie bei Alytes obstetricans als feine, zarte Bläschen. Als ich im Vorfrühling diese Untersuchungen machte, wusste ich noch nichts von Vogt's Entdeckung, und liess die Arbeit einige Wochen lieger, als ich die unbefruchteten Eier zu kennen "glaubte. Der feste Inhalt der Keimbläschenzellen war damals noch intact, als ich aber die ersten, frischgeleg- ten Eier, noch ehe die Furchung begonnen hatte, unter- suchte, da fand ich das Keimbläschen geschwunden, seine Zellen durch die ganze Dottermasse zerstreut, und in den meisten 3— 4 grosse Körperchen, einige aber "schon ganz entleert. Diese Eier hatte ein Frosch gelegt, der mehrere Wochen im Glase gelebt hatte, und vielleicht hatte die Ge- fangenschaft den Prozess der Verflüssigung gestört; denn später fand ich die Zellen in Eiern, die aus dem Freien ge- nommen waren, immer ganz leer, durch die Dottermasse zerstreut. Im Ganzen sieht es also aus, als würde beim braunen Frosch der feste Zelleninhalt schon im Keimbläschen 25 vollständig verflüssigt, wie bei Alytes, wo Vogt nur diese Stufe des Lebens jener Zellen kennt. Die Bildungsgeschichte dieser interessanten Zellen ist vom höchsten Interesse und zum Glück sehr leicht zu ver- folgen, wenn man die Mühe nicht scheut, einige Hunderte von Eiern zu öffnen. In einer Flüssigkeit, die in einem ab- geschlossenen Raume enthalten ist, bilden sich solide Körn- chen und Körperchen; eines legt sich an das andere, neue wachsen mit an, und alle zusammen bilden einen unregel- mässigen, höckrigen Klumpen, der nicht zu einer Masse ver- schmolzen, sondern ein wirkliches Conglomerat ist. Da die- ser zusammengesetzte Körper später Bildungsmittelpunkt für eine Zellenmembran wird, so darf man sich, glaube ich, nicht -scheuen, ihn Kern zu nennen, wenn er auch an Gestalt weit von den gewöhnlichen abweicht. Hier ist ein Beispiel, wo man sicher die Zusammensetzung /des Kerns aus einzelnen Kernkörperchen nachweisen kann, und überhaupt eine Zel- lenbildung, die bis aufs Haar mit der ersten, von dem geist- reichen Entdecker des Zellenlebens aus dem Embryosack der Pflanzen mitgetheilten, übereinstimmt. Hier kann man auch über die Bildung der Zellenmembran sicherer Auskunft geben, als bei solchen, die einen regelmässigen Kern haben, Da kann in den meisten Fällen noch gefragt werden, bildete sich eine neue Membran um den Kern, oder hob sie sich nur von diesem ab, und eine sichere Entscheidung ist wohl nicht oft möglich. Hier, glaube ich, ist sie möglich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass von einem Körper, der aus 15—20 zusammengebackenen kleineren besteht, deren jeder seine Individualität behalten hat, und der so eine höckrige Oberfläche darbietet, an deren Bildung so viele Partikeln Nheilnelimen, sich eine zusammenhängende Membran abheben kann; dass sich eine solche neu um ihn niederschlägt, und dann durch endosmotisch eintrelende Flüssigkeit von ihm abgehoben wird, ist eine Vorstellung, die mir wenigslens ungezwungen und natürlich erscheint. 26 Die Geschichte dieser, für das spätere Eileben so wich- tigen Zellen wurde an Eiern untersucht, die, für verschie- dene Frühlinge bestimmt, in verschiedenem Grade entwickelt, im Ovarium nebeneinander lagen. Ich bin deshalb nicht im Stande, anzugeben, wie viel Zeit jede Stufe zu ihrer Aus- bildung bedarf. Die Zellenmembran scheint erst kurz vor der Reife zu erscheinen, denn in den letzten Tagen des Fe- bruar fand ich noch einzelne Eier, deren Keimbläschen nur mit Kernen gefüllt waren. Ob man diese Gebilde Keimflecke nennen kann, oder vielmehr, ob das, was man an andern Eiern bis jetzt so genannt hat, dieselbe Funktion besitzt, als diese Zellen, das müssen erst Untersuchungen lehren, die durch alle Reiben der Thierklassen fortgeführt sind. Die Kenntniss dieser Zel- ‚len erweitert das Material über das Ei und über die ersten Vorgänge nach der Befruchtung wesentlich; sie stehen in sehr naher, wer weiss ob nicht rein causaler Verbindung zur Bildung der Embryonalzellen, sie werden die Kerne die- ser Gebilde. I. Erste Vorgänge im befruchteten Ei. Furchung und ihre Produkte. N In eben gelegten Eiern ist das Keimbläschen verschwun- den, und seine Zellen sind durch den ganzen Dotterinhalt zerstreut. Es sieht aus, als wenn dies schon bei der voll- ständigen Reife vor sich gehe, denn in mehr als 60 Eiern, die ich aus der sackartigen untern Erweiterung der Tuben genommen, traf ich schon diesen Zustand. Es scheint, als wenn die Membran des Keimbläschens aufgelöst würde, denn platzte sie, wie man oft angegeben findet, dann müssten Fetzen zurückbleiben, die mir nie aufstiessen. Oefinet man ein frisch gelegtes Ei vorsichtig, und lässt es unter dem Druck eines Deckplättchens unter dem Mikroskop langsam Per 27 ausfliessen, dann sieht man in dem zähen, grauen Strom durchsichtige Flecken einherfliessen, die oft durch die schwe- reren -Dotterplätichen hindurchgedrängt werden, und sich verlängern und abplatten, wenn sie einen engen Durchgang passiren. In der dicken, grauen Masse sieht man ihre Con- touren nie, leitet man aber einen Strom von Wasser, der die Gegenstände auseinander spült, über das Glas, dann er. kennt man sie als frei umherschwimmende Zellen, als jene Bildungen aus dem Keimbläschen. Bekanntlich fängt kurz nach der Befruchtung der Pro- zess der Furchung an. Ich bin nicht so glücklich gewesen, die ersten Stufen dieses 'Actes untersuchen zu können, ich kenne ihn nur von dem Augenblick an, wo nach v. Baer’s Bezeichnung die Brombeerform des Eies fertig ist. Betrach- tet man ein solches jetzt bei kleineren Vergrösserungen, dann sieht es aus, als wäre es aus grossen, etwas unregel- mässigen Werkstücken aufgebaut, ungefähr wie eine Cyclo- penmauer. Grosse Körper, die sich aneinander abplatten und so 3-, 4- und 5eckig erscheinen, bilden seine Periphe- rie. Oefluet man sie vorsichtig mit einer Staarnadel, legt ein Deckplättchen auf und lässt es unter dem Mikroskop auslliessen, dann sieht man, dass der ganze Inhalt jetzt aus diesen Körpern besteht, und dass diese unverbunden und nicht miteinander verwachsen nebeneinander liegen. Durch den leichten Druck aus der Dotterhaut getrieben und anein- ander hergedrängt, verlängern und verschmälern sie sich, werden gedrückt und gebogen, passen sich elastisch den Oellnungen an, die sie passiren sollen, und schwimmen, in einen freien Raum gelangt, als schöne runde Kugeln oder als sanfte Ovale mit festen, scharfen Umrissen weiter. Diese Kugeln von enormer Grösse sind ganz vollgepfropft mit Dot- _ kerplättchen, und zwar so enge, dass man von einer um- schliessenden Haut nichts sieht, und tragen in sich 2—4 helle, leuchtende Flecke von der Grösse der Keimbläschenzellen (Fig. 8.). 28 x Wer die elastische Geschmeidigkeit gesehen hat, die sie zeigen, wenn sie durch einen engen Riss der Dotterhaut ge- trieben werden, wie sie sich schlängeln und biegen und an- einander und ineinander drücken, wie Blutkörperchen in engen Capillargefässen, und wie sie ebenso schnell ihre ei- gene Gestalt annehmen, wenn das Hinderniss passirt ist, der muss gleich daran denken, eine mit Flüssigkeit und festen Massen gefüllte Blase zu sehen, obgleich an keiner Stelle die Spur einer umschliessenden Membran zum Vorschein kömmt. Ein blosses Conglomerat von Dotterplättchen, auch durch ein zähes Bindemittel zusammengehalten, müsste die Form, die es beim Druck bekommen, beibehalten oder zerdrückt werden; nur ein Körper, dessen sämmtliche Theile in Con- tinuität sind, oder eine mit füssigem Inhalt gefüllte Blase kann solche Elastieität zeigen. Diese postulirte Membran kann man denn auch zum Glück direct nachweisen, sobald man die Körper mit Was- ser behandelt. Man sieht dann, wie sich schnell kleine, helle Bläschen von den grossen Körpern abheben; sie schwel- len weiter auf, und mehrere fliessen zu einer grossen zu- sammen. Kleine Dotterplättchen und Moleküle lösen sich von dem Rande des Körpers ab, und tanzen in molekularer Bewegung in dem, wie ein Uhrglas abgehobenen Bläschen umher. Neu eindringende Wassertheile vergrössern dieses rasch, es wird bis zum Platzen gespannt, mit einem Rucke reisst es plötzlich ein, in schnellem Strome schiessen die molekularen Körperchen heraus, und langsam wälzt sich die dem Riss nächste Masse der grossen Dotterkugel nach. An den Stellen, wo der Riss geschah, sieht man keine Fetzen der geborstenen Haut, sie springt wie eine Seifenblase, ohne sichtbare Spuren ihrer Membran zurückzulassen (Fig.9.a.b. c.). Dies Abheben der Membran von dem zähen Inhalt durch Wasser, was zwischen sie und die umschlossene Masse en- dosmotisch eintritt, beobachtet man nicht nur an einzelnen Körpern, sondern geradezu an allen; nur zuweilen durch- 2) dringt das Wasser auch den Inhalt, lockert diesen gleich- nässig auf, und macht die ganze Kugel anschwellen. Die kleinen Körnchen und Plättchen des Inhalts sind dann in lebhafter Molekularbewegung, oft lichtet sich‘ein Stück des Randes, und man sieht die Membran des kuglig ausgespann- ten Bläschens. Das Ganze kömmt aber häufiger bei kleine- ren Dotterkörpern der späteren Furchungsperioden vor. (Fig. 10.). Ich will nur noch eines interessanten Phänomens er- wähnen, was mir einst ein solches Dotterkörperchen, mit Wasser behandelt, darbot. Als es der Flüssigkeit wenige Augenblicke ausgesetzt war, quoll aus der runden Kugel eine ganz kleine, neue hervor, dicht mit Dotterplättchen gefüllt, die schnell auf Kosten der ersten wuchs. Die Stelle, an der beide Kugeln communieirten, und durch die ein kräftiger Strom den Inhalt aus der grösseren in die kleinere trieb, war sehr enge. Vor den eindringenden Massen stülpte sich die kleinere Kugel, immer grösser werdend, aus der ersten heraus, und diese nahm an Umfang ab, so wie sie ihre Massen in die neue ergoss. Schnell schlüpfte noch der kleine Rest in die neu entstandene, und eine einzige Kugel, mit fe- sten Umrissen, wie früher, lag wieder da, mit dem einzigen Unterschiede, dass sie durch diesen Prozess ihren Ort ein wenig verändert hatte. Später erhob sich von der Kugel noch ein Bläschen, wuchs, hob sich allmählig von ihr in weitem Uinfange ab, und blieb, ohne zu platzen, lange liegen. Der Druck des aufliegenden Deckplätichens war wohl nit im Spiele bei diesem auffallenden Vorgange; dass das Ganze aber nur in einer umschliessenden, sehr elastischen Haut vor sich gehen konnte, ist gewiss. Dies Erheben von Bläschen, bei der Berührung der Ku- geln mit Wasser, ist schon früher von Bergmann und Bi- schoff beschrieben, wenn auch von dem ersten nur bei kleineren; Bischoff hat aber vorsichtig das nicht für be- 30 weisend gehalten, sondern den Verdacht ausgesprochen, die Membranen seien durch die Berührung der Körper mit Was- ser erst neu entstanden, um sie aus der Dotterflüssigkeit niederzuschlagen. Ich glaube, durch die Schilderung der Er- scheinungen der Körper, die noch nicht mit Wasser in Be- rührung gekommen waren, den vollständigen Beweis geliefert zu haben, dass sie von Hause aus schon mit einer Membran umschlossen sind, diese schon im Ei haben. Diese, von ihrer feinen Haut knapp umspannten Kugeln zeigen in ihrem Innern 2 —4 helle Flecke von der Grösse von Keimbläschenzellen. An jenen Stellen ist ein rundlicher Raum, der nicht mit Dotterplättchen ausgefüllt ist, so dass dort mehr Licht durchfällt, als da, wo die graugelblichen Massen des Inhalts dicht gedrängt liegen. Nicht in allen Kugeln sieht man sie gleich deutlich, bringt sie aber durch Verstellen der Linsen leicht in die rechte Sehweite. In an- dern erscheinen sie unter einem gelinden Druck, und stechen, richtig eingestellt, sehr auffallend durch ihre blendende Helle von ihrer dunklen Umgebung ab. Zerdrückt man die Kugeln vorsichtig, dann bewegen sie sich langsam nach der Rich- tung des Drucks hin, zuweilen gelingt es, einen oder den andern ganz herauszupressen, wo er als ein leuchtendes Bläschen erscheint, als eine der Zellen aus dem Keimbläs- chen, die ja durch den ganzen Dotter zerstreut wurden. Weicht man die Dotterkugeln lange in vielem Wasser ein, dann gelingt es oft, alle 3—4 herauszubringen (Fig. 11.). Der Dotter besteht also in seiner Brombeerform aus grossen Kugeln von der zähen Dottermasse, die von einer feinen Membran umspannt sind, und 2-4 Keimbläschenzellen in ihrem Innern haben. Sie stehen alle unter dem Druck der sie eng umschliessenden Dotterhaut, und platten sich so an- einander ab, dass die Oberfläche des Eies das Bild eines groben Gemäuers darbietet. Im weiteren Verlaufe der Furchung zerfallen diese gros- sen Körper durch fortgesetzte Spaltung, die neuen Produkte 31 zerfallen wieder und wieder, bis die Kugeln ein ‚gewisses Minimum von Grösse erreicht haben, und das Ei geht, nach v. Baer’s Bezeichnung, durch die Himbeer-, Chagrin- und Sandsteinform hindurch, bis es wieder glatt geworden, d.h. seine Körper so klein geworden sind, dass sie bei kleinen Vergrösserungen keine bedeutende Prominenz über die Ku- gelfläche des Eies mehr zeigen. Wenn nach v. Baer in den früheren Stadien der Furchung jedes Stück immer in zwei Theile getheilt wurde, so scheint jetzt eine solche Regel- mässigkeit nicht mehr zu’herrschen; man sieht oft Körper, die im Begriff sind, sich in drei Stücke zu spalten, ich sah auch solche, die viermal eingeschnürt waren. Die in jedem neuen Stadium der Furchung entstandenen neuen Kugeln sind, abgerechnet an Grösse und an Zahl der eingeschlossenen Keimbläschenzellen, den früheren durchaus gleich, prall und eng von ihrer Haut umschlossen, die durch Endosmose von Wasser abgehoben wird und springt, und haben einen Inhalt von Dotterplätichen und Keimbläschen- zellen. Durch die Spaltung der grösseren Körper werden die eingeschlossenen Keimbläschenzellen unter die neu entstan- denen vertheilt. Eine grosse Kugel mit vier Keimbläschen zerfällt durch zwei Spaltungen in vier kleine mit je einer Zelle in sich, und so findet man die Körper gewöhnlich zu- erst bei der Chagrinform des Eies (Fig. 12.). Diese Körper mit einer Zelle zerfallen noch progressiv mehrere Male, und da jede der neu ‚entstandenen, immer kleiner werdenden Ku- geln immer noch eine Keimbläschenzelle zeigt, so müssen diese sich mit gespalten haben, wobei sie denn auch merk- lich kleiner werden. Wirklich giebt es im Keimbläschen ihrer viele, die viel grösser sind, als die kleinsten Dotter- kugeln, so dass eine solche oft gewiss 6—8 dieser Bildungen mit einem Kern versehen kann. Denn diese Funktion über- nimmt doch wohl das Bläschen, wenn es auch an Entste- 32 hungsweise und Beschaffenheit so wesentlich von den be- kannten Kernen abweicht. Was den Vorgang der Theilung anbetrifft, so findet man leicht in allen Stadien der Furchung Körper, die in diesem Prozesse begriffen sind. Sie sind durch rund um sie herlau- fende Furchen eingekerbt; wo die Hälften noch miteinander eommunieiren, da kann man die Masse des Inhalts continuir- lich aus dem einen Theil in den andern übergehen sehen, wenn man grade diese Schichten in die Weite des deutli- chen Sehens stellt (Fig. 13.). Zu sehen, wie ein solcher Körper in zweie zerfällt, ist mir nie gelungen; ich habe mich aber genugsam überzeugen können, dass eine immer tiefer eindringende, um den ganzen Körper sich herumazie- hende Furche bei ihrem Durchschneiden den einen in zwei neue theilt. Die un:hüllende Haut wird mit in die Furche ge- zogen, und bekleidet sie, immer tiefer mit eindringend, bis der Körper in zweie gespalten ist, und zwei ganz bekleidele dastehen. Der Vorgang ist ja, zumal von den Pflanzen her, bekannt genug. Die durch die letzten Theilungen entstandenen Kugeln werden später direct zum Aufbau des Embryo verwandt, die Embryonenzellen sind fertig, und sind es geworden, in- dem grössere Zellen sich durch fortgesetzte Spaltung zu die- sen kleinsten zerlegten (Fig. 14.). i Dass aber auch die frühesten Furchungen nach dem- selben Gesetz entstehen, und dass die entstandenen Pro- dukte, wenn auch an Grösse verschieden, doch wesentlich von derselben Natur sind, als die späteren, d. h. von Mem- branen umgebene Massen von dem bekannten Inhalt, davon geben Untersuchungen, die lange vor der Kenntniss des Zel- lenlebens, und deshalb ohne alle theoretische Vorurtheile und aus ganz andern Gesichtspunkten angestellt sind, das beste Zeugniss. In seinem herrlichen Aufsatze über die Fur- chung des Batrachiereies im ersten Jahrgange dieses Archivs erzählt v. Baer, wie sich beim Werfen und Einschneiden 33 der ersten Furche die Wände in zarten Falten gekräuselt haben, und .,‚der Ueberzug faltet sich wirklich ein,‘ sagt er später. Es hat sich also vor dem Anfange der Furchung eine Membran um die ganze Dottermasse, und zwar unter der Dotterhaut gebildet. Dadurch ist eine grosse Zelle ent- standen, die ausser dem Inhalt für alle späteren Zellen auch schon die Kerne für alle in sich trägt. Durch Ein- und Ab- schnüren zerfällt sie zu zwei neuen von ihrer halben Grösse, die in ihrem Innern zu der eingeschlossenen Dottermasse die Hälfte der Keimbläschenzellen, d. h. jetzt Kerne tragen. Diese Zellen werden, in derselben Weise fortgesetzt, weiter getheilt, jede neue erhält die Hälfte der Kerngebilde, die in der nächst grösseren, durch deren Spaltung sie selbst ent- stand, enthalten waren, und bei fortschreitender Spaltung wächst die Zahl der Zellen nach einer geometrischen Pro- gression, deren Exponent die Zahl 2 ist. So geht es fort, bis Zellen entstanden sind, die nur noch einen Kern enthal- ten. In der ferneren Furchung wird auch dieser jetzt mit- getheilt, und der ganze Prozess der Spaltung so lange fort- gesetzt, bis Zellen von einem gewissen Minimum von Grösse entstehen, die direct zum Aufbau des Orgänismus verwandt werden, bis die Embryonalzellen fertig sind. Im Verlauf der Darstellung werde ich den Ausdruck Dotterkörper oder Dotterkugeln für die gröberen Gebilde der Furchung beibehalten und später noch oft gebrauchen, die kleinsten aber, die in der Entwicklung direct verwandt werden, Embryonalzellen nennen. Dass freie Kerne für künftig zu entstehende Zellen an einem abgeschlossenen Orte gebildet werden, dann, wie aus einem Sack geschüttet, unter eine Masse gerathen, die sich ebenfalls abgeschlossen neben ihnen entwickelt hat, dass diese um sie gesammelt und von einer Membran umgeben wird, ist eine Form der Zellengenese, von der man früher wohl nicht iräumte. Dass diese grosse Zelle durch fortge- setzte Theilung in allmählig kleiner werdende Zellen zerfällt, Müller's Archiv. 1618, 3 34 dass auf diese Weise die Kerne in jede einzelne‘ vertheilt werden, und so Bildungen entstehen, die eigentlich erst Zel: lenfunction übernehmen, d.h. aus denen der Embryo 'zu- sammengesetzt wird, macht den ganzen Vorgang unserer bisherigen Vorstellungen auch eben nicht: bequemer. Wie sehr diese Betrachtungen noch complicirt werden, wenn man nach einer doch wohl statthaften Vorstellung das Ei als eine Zelle und das Keimbläschen als seinen Kern: ansieht, und bedenkt, welche Gebilde in dieser Zelle und diesem Kerne entstehen, und wie diese wieder zu neuen For- men combinirt werden, darauf nur hinzudeuten, ist: hier schon genug. Das Sammeln einer gegebenen Masse um einen Kern und die Bildung einer neuen Membran um dieses Conglomerat, war bisher nur an Embryonalzellen, und zumal des Fro- sches, direct beobachtet, für eine Reihe von andern Bildun- gen aber nur ausgedacht. Aus dem Froschei ist dieser Vor- gang von Reichert, Bergmann, Vogt und Lebert ge- schildert, worin aber die Darstellung ‘dieser Herren von dem abweicht, was ich beobachtet, weiss jeder, der mit der Li- teratur über diesen Vorgang vertraut ist. Welches Licht die Beobachtung dieser Zellengenese auf die Bedeutung des Keimbläschens und der in ihnen enthal- tenen Gebilde beim Frosch wirft, springt in die Augen; ob bei andern Thieren dieselbe, vielleicht nur modifieirte Art der Bildung der Embryonalzellen herrscht, davon weiss ich nichts, und wasche meine Hände in Unschuld, wenn andere Leute Beobachtungen, die an einem einzigen Thier gemacht sind, als Norm für ähnliche Prozesse bei allen aufstellen wollen. ? Zum Schluss will ich hier noch ein Paar Dinge erwäh- nen, die ich früher, um den zusammenhängenden Gang der Darstellung nicht zu stören, ausgelassen habe, da sie nicht wesentlich zu sein scheinen. Von Zeit zu Zeit findet man nämlich Eier, in deren Dotterkörpern man die Keimbläschen- wm 35 zelle nicht sieht, auch nicht durch Verstellen des Focus oder durch leichten Druck erscheinen machen kann. Die Dotter- körper sind dann dunkel und grau, und wahrscheinlich lässt die geringere Durchsichtigkeit die Stelle, an der die Zelle liegt, nicht erscheinen. Denn man kann sich wohl schwer vorstellen, dass die Keimbläschengebilde in einem solchen Ei gefehlt hätten, und dass der Prozess der Zellenbildung ohne sie vor sich gegangen wäre. Ich mag hier ein merkwürdiges Phänomen nicht. mit Süllschweigen übergehen, was mir bei Untersuchung von Produeten der Furchung mehrere Male aufgestossen ist, und was, wenn es auch wohl mit den Vorgängen hier nichts zu ihun hat, für physikalische Betrachtungen von grossem In- teresse bleibt. Eine Anzahl von Dotterkugeln lag mit Was- ser unter dem Mikroskop, mit einem Deckplätichen bedeckt. Das Wasser erweichte sie allmählig und das Glas zerdrückte sie, so dass die Dotterplättchen, durch ihr zähes Bindemittel noch etwas aneinanderhaftend, in einer dieken Schicht auf dem Glase lagen, vom Wasser umspült. Diese Schicht war durch eine Art von gewundener Gasse in zwei Hälften ge- theilt, und ich bemerkte, wie ein dieker, schwarzer Strom langsam durch sie heranzog. Es war eine dicht ‚gedrängte Masse von Molekularkörperchen, die mit lebhafter Bewegung ihren Weg machten. Als die Masse dem Rande nahe ge- kommen war, sammelte sie sich an einer breiteren Stelle der vorerwähnten Gasse längere Zeit an, das Ende trennte sich, als wenn es allmählig abgeschnürt würde, plötzlich riss es ab und die nun isolirte Masse schoss ins Freie, im Augenblick zu einer Kugel gestaltet, deren sämmtliche Par- tikelehen in der lebhaftesten Bewegung waren. In dem Wasser, in welchem auch, ganz gleichmässig vertheilt, kleine Moleküle schwammen, machte sie Halt, und blieb dort ruhig liegen, obgleich jedes ihrer Theilchen tanzte, In einen feinen Hof, der als ein concentrischer, leuchtender Ring sie umgab, drang keines der vielen Körperchen, die in dem Wasser um 3* 36 sie her bewegt wurden, ‘und aus ihr: trat keines heraus; sie war abgeschlossen, ohne irgend eine Membran zu haben, und als Ganzes unbeweglich, obgleich alle ihre Theile in unauf- hörlicher Unruhe. Ein leichter Druck, der sie abplattete. vergrösserte sie, so wie er aber nachliess, nahm sie im Au- genblick ihren alten Durchmesser wieder an. Drückte man stärker, dann wurde sie schnell foribewegt, kam beim Nach- lass des Drucks auf ihren alten Platz zurück, oder blieb auf einer neuen Stelle. Zerdrückte man sie, dann schossen ihre Theilchen entweder im Augenblick wieder zusammen, oder theilten sich in mehrere Ströme, die schnell fortgerissen wurden, und im Nu zu neuen Kugeln zusammenschossen, so wie der Druck nachliess. Ich habe das nur drei oder vier Mal gesehen, aber im- mer so eclatant und bestimmt, wie ich hier beschrieben, Das Spiel dauert Stunden lang fort, und man wird nicht müde, diese unerklärliche Erscheinung anzustaunen. II, Aufbau des Organismus aus Zellen, Da es mir darauf ankam, den Vorgang der Zellenbil- dung im Zusammenhange darzustellen, so habe ich bis jetzt eine Erscheinung vernachlässigt, die in den späteren Stadien der Furchung deutlich hervortritt, und durch das ganze Bil- dungsleben des Embryo fortdauert. Man findet nämlich bald, dass, so wie die Bildung der ersten grossen Furchen vom schwarzen Pol des Ries beginnt, auch diese Partie dem ent- gegengesetzien, weissen immer in der Furchung etwas vor- aus ist, d. h. dass die dort lagernden Stücke in kleinere Massen gespalten werden, und dass diese feinere Spaltung erst nach und nach auf den weissen Pol zu fortschreitet. Bei der Himbeerform des Eies ist das schon sehr klar, springt aber bei der Chagrinform hell in die Augen. Während dort der schwarze Pol und seine Hemisphäre der Chagrinform 37 angehören, sind die Dotterkörper des weissen Pols noch so gross, wie die Brombeerform sie überall zeigte. Die feineren späteren Theilungen haben noch das Eigen- thümliche, dass sie erst langsam in die Tiefe eindringen, so dass, wenn an der Oberfläche schon mehrere Schichten von Embryonalzellen fertig sind, dicht unter ihnen noch grosse Dotterkörper liegen und den Kern des Eies ausmachen. Da ‚auch nach der Tiefe zu die feinere Theilung von dem schwar- zen Pole ausgeht, so werden dort die Embryonalzellen am meisten angehäuft, und die Schichte, die sie zusammensetzen, zieht sich, allmählig an Mächtigkeit abnehmend, langsam nach dem weissen Pol herunter. An den Durchschnitten erhärteter Eier lässt sich das direct beobachten. Haben sie einige Tage in Spiritus gelegen, so spaltet man sie leicht, mehr durch den Druck des angewandten Instruments, als durch den Schnitt; das einzige Schwierige bei dieser Präpa- ration ist nur, die eng umliegende Dotterhaut zu entfernen, und hierbei thut das Glück meist mehr, als die mühsamste Arbeit, Ein solcher Durchschnitt, den man mit schwachen Linsen bequem bei auffallendem Lichte beobachten kann, zeigt am schwarzen Pol ein breiteres Band von ferligen Em- bryonalzellen, was, langsam sich verschmälernd, halbmond-, förmig nach beiden Seiten, nach dem weissen Pole zu sich hinabzieht. Im Laufe der Entwicklung wird sich zeigen, dass aus der Hemisphäre des schwarzen Pols die Kopf- und Rückengebilde des Embryo entstehen, und man sieht schon früh, dass es Prinzip der Entwicklung beim Frosch ist, dass die Bildung von Organen und Systemen dadurch vorbereitet wird, dass die dazu dienenden Massen von grossen Doller- körpern zu Embryonalzellen zerfallen, während der Rest als Dotterkörper fortbesteht, bis er auf dieselbe Weise nach und nach verwandt wird. Bei dem Frosch, der das Material für seine Gestalt und alle Larvenorgane in seinem Ei besitzt, und wo auch kein abgeschnürter Dottersack den weiteren Hergang der Bildung 38 modifieirt, ist dieses Prinzip klar ausgesprochen, und lässt sich bei der Bildung des animalen, wie des vegetativen Sy- stems rein verfolgen. Die Bildung des Embryonalkörpers fängt bei ihm nicht erst mit dem Erscheinen der Rücken- wülste an, die Bildung und Anhäufung der Embryonalzellen auf der schwarzen Hemisphäre ist der erste Schritt zur Form- entwicklung, freilich nur ein vorbereitender. Die äusserste und erste Schicht von Embryonalzellen ist schwarz von Pigment, was schon im reifen Ei dicht un- ter der Dotterhaut abgelagert war. Die Zellen sind anein- ander gedrückt und aneinander abgeplattet, so dass 3-, 4-, 6- und vieleckige Formen entstehen. Diese Zellen wachsen früh zusammen, es sieht aus, als wenn sie aneinander ge- klebt oder gebacken würden, und sie bilden so eine conti- nuirliche Haut, die man, zumal wenn man die Eier in Spi- ritus erhärtet, leicht in grösseren Lappen abziehen kann. Man sieht dann, dass sie nur aus einer einzigen Schicht von Zellen besteht. Sie ist, wie Reichert gezeigt hat, das früheste Organ des im Werden begriffenen Fötus. Während unter dieser ersten, fertigen Zellenschicht das Zerfallen der Dotterkugeln zu Zellen forischreitet, gewahrt man äusserlich nichts an dem Ei. Erst später fängt die Er- hebung der Rückenwülste an, die in ihrer Entstehung zu verfolgen, mir nicht gelang. Ich habe wohl mal Eier ge- sehen, die auf ihrer schwarzen Hemisphäre leichte, "bogige Erhöhungen zeigten, mir fehlen aber dann die Zwischenstu- fen bis zu der Form, die ich jetzt beschreiben will. Aus der kugligen Gestalt des Eies war ein Sphaeroid geworden. Zwei breit erhobene Wülste liefen auf der schwarzen He- misphäre her, nach der einen Seite kurz geschlossen, nach der andern sich im eleganten Bogen von einander entfernend, um sich vorn zu einem schönen Kreise zu schliessen; Der Raum zwischen ihnen lag so hoch, als die kuglige Ober- fläche des Eies, er war ebenso wenig bewegt, als’ diese, die Wülste hatten sich frei aus der Masse erhoben, Sie stiegen 3% mit der Zeit nun freier auf, und allmählig sich‘ einander nähernd, wurden sie schroffer an ihrem inneren Rande, der Raum zwischen ihnen wurde schmäler und schärfer abge- schnitten, und erschien, da die Wälle höher wurden, tiefer. Wo die Wülste den Kreis einschlossen, da breiteten sie sich bei ihrer Erhebung zugleich mit aus, so dass dort eine Menge von Zellen zusammengedrängt wurde. Während dieser Vor- gänge hat die Gestalt des ganzen Eies sich wesentlich 'ge- ändert; es ist ein längliches Oval geworden, ander einen Spitze ein wenig voller, an der andern abgeschnitten, » wie ein Hühnerei, das man auf der einen Seile einschlägt, um es, wie Columbus, auf den Tisch stellen zu können. Nach der abgestumpften Seite liegt die breite, kreisförmige Erhe- bung der Rückenwülste, und beugt sich allmählig nach vorn mit unten, so dass sie mit der Zeit das Vorderende des Ovals wird. Indem nun das Ei nach vorn sich länger zieht und sehmäler wird, nähern sich die Rückenwülste mit ihren in- neren Rändern einander mehr; ihre schildförmige Verbreite- rung am Kopfe kerbt sich an den äusseren Rändern zwei Mal leicht ein, die Rückenwülste erreichen sich allmählig und legen sich mit ihren Wänden aneinander, nach dem hinteren Ende zu früher, als nach vorn hin. Unterdessen beugt sich das vordere Schild weiter nach unten, so dass es bald mit der Richtung der Rückenwülste einen rechten Winkel bildet, seine beiden Kerben vertiefen sich; durch die erste setzt es sich fest von der jetzt zusammengewachsenen Säule der Rückenwülste ab, während die zweite, tiefer ein- schneidend, das nach unten gebeugte Vorderstück in zwei Hälften theilt. Sieht man den Embryo auf dies Vorderstück an, dann findet man, dass die Spalte zwischen den Rücken- wäülsten hier nicht mit geschlossen ist.. Die Ecken der Wülste an der Umbeugungsstelle ragen wie zwei runde Hügel über das vordere Schild heraus und berühren sich an ihrer Spitze, um dort bald mit einander zu verschmelzen, während der ‚40 senkrechte Spalt bleibt, und im Laufe der Entwicklung noch interessante Metamorphosen durchmacht. Dicht unter ihm bemerkt man eine kleine Grube, aus der sich später ein Fö- talorgan herausbildet, was nur kurze Zeit besteht. Der Embryo hat nun, auf den Rücken gesehen, die Ge- stalt einer ovalen Flasche mit kurzem, dickem Halse, die in seiner Mitte stark eingeschnürt ist. Während des ganzen bisherigen Wachsthums scheint sich die Dotterhaut allmählig erweitert und vergrössert zu haben, wobei sie eine kuglige Blase geblieben ist, deren Durchmesser den Längendurch- messer des Embryo noch übertrifft. Dieser liegt mitten in dieser Blase, und rotirt, wenn er diese Grösse erreicht hat, langsam und gemessen, als weun er sich um eine Spindel drehte, die ihm‘ durch Rücken und Bauch gestossen wäre. Die Richtung seiner Drehung, wenn sie überhaupt constant ist, habe ich aufzuzeichnen vergessen; nach den Bildern, die ich davon im Gedächtniss habe, muss siebeide Richtungen nehmen, in denen man sich um sich selbst drehen kann, bei dem einen Fötus von rechts nach links, bei dem andern umgekehrt. Die Wimpern, die diese Bewegung bewirken sollen, habe ich nicht gesehen, da es mir nicht glückte, den Rand des Körpers so einzustellen, dass die schwingenden Cilien in der Weite des deutlichen Sehens gelegen hätten. Ueberblickt man die bis jetzt geschilderten Entwieklungs- momente, so sieht man, dass das Aufwerfen der Rücken- wülste uud ihr allmähliges Zusammenwachsen vom grössten Einfluss auf die Gestalt gewesen ist, die der Embryo bis jetzt angenommen, und dass dadurch eine sehr beden- tende Zellenmenge nach vorn und oben gedrängt ist. Im nächsten Verlauf der Entwicklung wird sich 'zei- gen, dass Kopf und Rürken aus diesen Massen gebildet wird, und das Aufwerfen und die Vereinigung der Rückenwülste war das Mittel, durch welches das Zellenmaterial zur Bil- dung dieser so wichtigen und zugleich so ansehnlichen Theile des Wirbelthierkörpers zusammengeschafft wurde. 4 Schneidet man zu dieser Zeit einen in Spiritus erhärte- ten Fötus nach der Richtung seiner Längsaxe durch, so sieht man eine ovale Höhle, die in dem abgeschnürten Theile sich in eine Blase erweitert, ihn durchziehen. Der Körper des Embryo bildet ihre Wände, und diese sind dünn am Kopf- theil und doppelt so stark an dem Theile, aus dem der Leib wird. Diese Höhle hat sich allmählig aus einer Spalte erweitert, die, als die Rückenwülste anfingen, sich zu ver- einigen, flach unter diesen herstrich. Aus der vordern Blase wird früh die Mundhöhle; welchen Antheil an der Entwick«+ lung der Bauchtheil nimmt, ist mir nicht klar. Betrachtet man solche Durchschnitte bei auffallendem Lichte, dann sieht man, dass erst ein geringer Theil der Dotterkörper zu Em- bryonalzellen zerfallen ist, der ganze Kern besteht noch aus grossen Kugeln. Die Bildung hat sich bis jetzt ganz auf die Oberfläche beschränkt, und zwar, wie schon oben angeführt wurde, auf die Darstellung der Kopf- und Rückenanlage. Auf einem Querdurchschnitt sieht man hier einen breiten Gürtel von fertigen Zellen, der sich nach beiden Seiten nach dem Bauch zu allmählig verschmälert. Diese fertigen Zel- lenmassen sind zusammengewachsen und so zu einer grossen Schicht vereinigt, aus der man den Kern von Dotterkörpern bequem herausschälen kann (Fig. 15.). Diese grosse Zellenschicht ist die gemeinsame Anlage für das ganze animalische System. Das Nervensystem mit seinen Hüllen, das Skelet des Kopfes und des Rumpfes mit den bewegenden Muskeln und den umgebenden Häuten wird daraus nach und nach gebildet, indem die an einem gewis- sen Orte liegenden, zur Darstellung eines Organs bestimm- ten Zellenmassen sich aus der grossen Anlage sondern, so zur bestimmten Organanlage werden und allmählig in die specifischen Gewebe dieses Organs sich verwandeln, Dieses Ausfallen bestimmter Organanlagen aus der grossen Anlage des animalischen Systems und die Umbildung der Gewebe- elemente geschieht aber successiv, so wie ein Organ nach 42 dem andern auf dem Schauplatze der Entwicklung: auftreten und seine Function übernehmen muss. Die andern Massen liegen ruhig, gleichsam mit latentem Leben dabei, bis auch die Reihe an sie kömmt, ihr individuelles Zellenleben aufzu- geben und zur Constituirung eines neuen Organs verwandt zu ‘werden. Bei der Bildung des grossen vegetativen Systems ist der Hergang der Entwicklung ganz derselbe. Aus dieser grossen Anlage für das animalische System fällt zuerst, wenn der Embryo die oben geschilderte Gestalt erlangt hat, die Chorda dorsalis, oder vielmehr der Zellen- strang, aus dem sie später entsteht, als ein abgeschlossenes Gebilde aus. Der feine, gallertige Strang hat eine ziemliche Consistenz, und lässt sich leicht und rein aus den ihn um- gebenden Zellenmassen lösen. Die Geschichte seiner Gewe- besmetamorphose werde ich später im Zusammenhange er- zählen. Die Chorda besteht eine Zeit lang als einziges Gebilde des animalischen Systems, und der Fötus wächst weiter, ohne dass sich gleich neue Organe aus der Masse seiner Anlage isolirten und ihre Function auszuüben anfingen. Sein Vorderende wird dicker und das hintere spitzt sich allmäh- lig zu, während das Mittelstück sich frei von dem Rücken abzuwölben beginnt. Die zusammengewachsenen Rücken- wülste erheben sich keilförmig über den Embryo, die vorn offen: gebliebene Spalte klafft weiter, und das Grübchen un- ter ihr hat sich zu zwei Falten ausgebildet, die divergirend an beiden Seiten der Spalte heraufsteigen, und sich später, indem ihre Ränder wulstig aufgeworfen werden, unten tren- nen, so dass zwei kleine Näpfchen entstehen, mit denen sich das Thier an kleine Gegenstände, Wasserpflanzen ete., fest- saugt. In dieser Zeit fällt etwas über der offen gebliebenen Kopfspalte an ihren beiden Seiten ein Grübchen ein, und dicht über ihm erhebt sichZein solider Zellenbuckel, den man wieder leicht und rein aus der grossen Zellenmasse isoliren kann, und aus dem allmählig alle Gebilde des Auges 43 werden, während das Grübchen zu den Nasenlöchern wird. Doch habe ich ihre Entwicklung nicht speeiell verfolgt. Die Anlage für das Ohr ist mir leider ganz unklar‘ geblieben. Am Rumpfe des Embryo ist zu gleicher Zeit eine höchst wichtige Veränderung eingetreten; die Leiste des Rück- grathes ist durch tiefere Eindrücke eingekerbt. Nimmt man die äussere Haut vorsichtig ab, dann sieht man, dass diese Eindrücke auch in die tieferen Massen sich fortsetzen und bis an die Chorda dorsalis reichen. Präparirt man hier vor- sichtig mit der Nadel, dann findet man zuweilen, dass sie grossen quadratischen Massen entsprechen, die regelmässig aneinander gelagert, an beiden Seiten der Chorda sich hin- abziehen, und die zu dieser Zeit noch aus aneinandergeleg- ten Embryonalzellen bestehen, während in der Chorda schon keine Spur von Zellen mehr zu finden und alles in eine amorphe Masse von Dotterplättchen verwandelt ist. Wäh- rend die Wirbelquadrate aus der Kopf-Rückenanlage aus- fielen, zerfallen die noch übrigen Zellenmassen zu‘ einzel- nen Strängen in bestimmt angeordneten Richtungen, und metamorphosiren sich allmählig zu den Muskelpartieen der Wirbelsäule und des Schwanzes. Wann und wie sich dabeı das centrale Nervensystem differenzirt hat und: in welcher Weise die Embryonalzellen umgewandelt werden, um zu seinen speeifischen Geweben zu werden, habe ich noch nicht verfolgt. Dass das peripherische Nervensystem in seiner histologischen Ausbildung dem Muskelsystem voraus ist, weiss ich aber bestimmt, und werde das in dem für die Histogenese bestimmten Abschnitte darthun. Was der Fötus bis jetzt an Grösse zugenommen hat, ist er gleichsam auf Kosten seines Inhalts gewachsen, da mit seiner allmähligen Entwicklung die Höhle in ihm sich. bedeu- tend vergrössert hat. Indem er nun weiler wächst, wird sein Längendurchmesser grösser, als der Durchmesser 'der Kugel, welche die Dotterhaut bildet, und er biegt sich mit Kopf und Schwanz zusammen, um noch Platz zu finden. 44 Dabei schnürt sich der Kopf stärker vom Rumpfe ab und nimmt die Gestalt eines kurzen, dicken Zapfens an, der Schwanz wächst als ein stumpfer Kegel vor, und der Bauch wölbt sich rund heraus; der Buckel für die Augen und das Grübchen für die Nase vergrössern sich, und der lange, schmale Spalt, der beim Zusammenwachsen der Rücken- wülste offen geblieben war, fängt dicht unter dem Nasen- grübchen an, sich nach beiden Seiten einzukerben. Während die Kerbung nach der Quere weiter fortschreitet, zieht sie gleichsam die alte Längsspalte mit sich, ihre abgerundeten Ränder verflachen, die Oeffnung wird rautenförmig, und in- dem sie sich nach und nach zu einem Halbmond verzieht, ist der Mund der Larve fertig. Ich habe hier den Erscheinungen vorgegriffen und muss zu den Vorgängen zurückkehren, die gleichzeitig sind mit dem ersten Auftreten der queren Einkerbung der Ränder der alten Längsspalte. Es ist dies das Erscheinen eines kleinen Knötchens an der Seite des Kopfes, was sich bald theilt und zu zwei, später drei keulenförmigen Auswüchsen aus- schiesst. Dies Knötchen ist die Anlage der äusseren Kiemen, die dem Embryo in der ersten Zeit des Lebens dienen. Un- terdessen ist er selbst etwas weiter in die Länge gewach- sen, und bewegt sich langsam und träge in seiner Eihaut, die er nun bald verlässt, um sich, im freien Wasser ange- langt, mit seinen Saugnäpfen an kleine Wasserpilanzen an- zuhängen. Eine kleine, runde Erhebung zwischen den Saugnäpfen und dem Bauche ist jetzt inmer deutlicher ge- worden, Oeffnet man zu dieser Zeit einen Embryo von der Bauchseite aus, und klappt die Zellenmassen, die schon zur Bildung der Bauchdecken zusammengewachsen sind, nach den Seiten herab, dann sieht man, gleichsam als Kern des Embryo, eine lange, ovale Masse von grossen Dotterkörpern den ganzen Bauch ausfüllen und sich durch einem schmäle- ren Zapfen nach. der Kopfhöhle fortziehen. An der Stelle, 45 an der man äusserlich den runden Buckel bemerkte, liegt ein Knoten oben an dem langen Oval, oder ragt vielmehr - aus ihm hervor. Diese ganze Masse von Dotterkörpern lässt sich leicht aus dem Embryo, der in Spiritus erhärtet ist, herausheben, ohne zu zerfallen, sie liegt nur locker in den Gebilden, die zu Rücken- und Bauchdecken schon diffe- renzirt sind; ist das gelungen, dann sieht man, dass dieser ganze Kern in einer scharfgekielten, kahnförmigen Falte ge- legen hat, die an die Mittellinie des Körpers befestigt ist. Diese Falte wird von einer Schieht von Embryonalzellen gebildet, die zu einer Membran verwachsen sind; sie hängt “in zwei Platten von der Mittellinie des Rückens herab und bedeckt das grosse Oval von oben, wie ein Dach. Bald sieht man deutlich, dass nur die oberste Zellenschicht dieses Ovals es ist, die membranartig zusammenwuchs. Auch hier fing die Differenzirung der Zellen und ihr Zusammenwachsen von dem Rücken, also von dem Theile an, der aus der schwarzen Hemisphäre des Eies gebildet war, und schreitet _ nach unten und um den ovalen Körper fort. Indem an den Saum der Membran sich immer neue Zellen anlegen, nähern sich die Platten einander, erreichen sich, verwachsen mit ihren Rändern und schliessen den Körper mit den aufsitzen- den Knötchen sackartig ein, Die ganze Masse ist die Anlage für das vegetative Sy- stem und für das Centralorgan des Kreislaufs; aus dem Kno- ten wird das Herz und aus dein langen Oval der Darmcanal mit den anhängenden Drüsen. Es lässt sich gleich herrlich zeigen, dass die erste Zellenschicht, die sich differenzirte und zu einer Membran zusammengewachsen, sich sackförmig ge- schlossen hat, die grosse seröse Haut für das ganze vegeta- tive System ist; sie wngiebt später als Pericardium das Herz, wird zwischen Rücken und Darmecanal als Mesenterium aus- gezogen, und wird mit den Massen, die zu den grossen Drü- sen der Bauchhöhle werden, abgeschnürt, und besteht als ihr seröser Ueberzug weiter. 46 | "Im weiteren Verlaufe der Entwicklung tritt zuerst das Herz in den Vordergrund; die zunächst unter der Serosa liegende Zellenschicht tritt zu einer neuen, schlauchartigen Bildung zusammen und umschliesst die innere Zellenmasse als Gefässwaud. Ob die Zellen gleich so zusammenwachsen, dass sie ein um sich selbst gewundenes Rohr darstellen, oder ob dieses erst als ein gerades entsteht und dann sich um sich selbst windet, ist mir nicht klar geworden; sehr sicher aber weiss ich, dass nicht die ganze Zellenmasse des Knotens zur Darstellung der Gefässhaut benutzt wird, son- dern dass ein Kern von Embryonalzellen in dem Schlauche liegen bleibt. Unterdessen wachsen äusserlich die Kiemen weiter, die breiten, kurzen Kegel kerben sich an den Seiten ein und wachsen zu hirschgeweihähnlichen Formen, wäh- rend zu gleicher Zeit drei Spalten nach dem Munde zu ent- stehen, die sich ebenfalls, aber flacher, einkerben und so später die innern Kiemen bilden. ‘4 Gleich nach der Entstehung des Centralorgans für den Kreislauf metamorphosirt sich aber der neue Darmeanal we- sentlich; oben, unmittelbar unter dem Herzen, was seine Vene aus den: jetzt neu entstehenden Organ bekömmt, schnürt sich leise ein länglicher Lappen ab, und zugleich fängt der plumpe Darm an, sich einzubiegen und sich schneckenför- 3 mig zu winden. Dabei entfernt er sich nach und nach von der Mittellinie des Rückens, an die er festgewachsen war, und zielhıt die Falte, die ihn anheftet, als sein Mesente- rium aus. Der obere Lappen wird jetzt stärker 'abgeschnürt und kerbt sich langsam drei Mal ein, wodurch vier-Lappen ent- stehen, deren Bedeutung bald klar wird. Zu dieser Zeit hat sich der Darm zwei Mal um sich selbst gewunden und das Gekröse für sich ausgezogen. Oeflnet man jetzt vorsichlig seinen Sack, dann kann man immer leicht ganze Stücke des Inhalts herausnehmen, und sieht, dass die äussersten Schich- ten dieses Kerns aus embryonalen Darmmuskelfasern be a7 stehen, während die inneren Partieen noch Embryonalzellen sind. Da liegt nun der Hauptbeweis für meine Behauptung, dass die erste Membran, welche die ganze Anlage für alle Organe des vegetativen Systems umschloss, die seröse Haut sei, die ja später noch die gesonderten Organe als ein Con- tinuum bekleidet und sie durch Falten und Platten festheftet. Die Entwicklungsgeschichte dieser grossen Serosa bekräftigt von Neuem die alte Lehre von ihrem anatomischen und phy- siologischen Zusammenhang, und erleichtert gewiss das Ver- ständniss ihres verwickelten Verlaufs. Auch am Darmcanal schritt wieder die Bildung von aussen nach innen fort; es entstand zuerst die Serosa, dann die Tunica museularis und aus dem Rest wahrscheinlich die Schleimhaut, worüber ich aber keine Anschauungen habe. Inzwischen hat nun das Herz lebhaft zu pulsiren ange- fangen, und man sieht Blut, dessen Körper gewöhnliche Em- bryonalzellen sind, in den Kiemen kreisen. Die Circulation ist noch nicht continuirlich, bloss stossweise, wie das Herz «ie treibt; bei schwächerer Herzaction tritt das Blut nach jedem Stosse ein klein wenig wieder zurück. Gefässe, wie Herz, bestehen nur noch aus aneinander gelegten Zellen, und noch hat sich also in ihnen keine Elasticität entwickelt, die die stossarlige Bewegung in eine continuirliche verwandelte. Die Lebervene steigt in leichtem Bogen auf, schwillt etwas kolbig an, krümmt sich nach unten und dann wieder her- auf, dehnt sich in dieser Biegung stärker aus, schwillt noch ein Mal an, um dann als Truncus arteriosus nach den Kie- men zu steigen und sich nach beiden Seiten zu theilen. Aus der grösseren, mittleren Anschwellung wird die Herzkammer und aus den beiden andern enstehen die Vorkammern. Während der Herzschlauch sich mehr in sich selbst wand, hat er sich dadurch von seinem serösen Ueberzuge entfernt, und dieser bleibt als Herzbeutel stehen, doch stelle ich diese Deutung des Vorgangs nicht mit voller Bestimmt- heit auf. Die viellappige Masse, aus der die grosse Vene 48 aufstieg, zerfällt mehr, und die einzelnen Lappen nehmen verschiedene Farben an; aus zweien werden die beiden Le- berlappen, aus dem dritten die Gallenblase, um den vierten windet sich der Darm und nimmt ihn in eine Schlinge, in der er sich zum Pancreas ausbildet. Während diese beiden Drüsen sich langsam vom Darmcanal ablösten und abschnür- ten, wie man in der Entwicklungsgeschichte passend den Vorgang benennt, ohne seine Natur zu kennen, ist ein klei- ner, verbindender Strang zwischen Drüse und Darm stehen geblieben, der beim Auswinden des Darms auch mit länger gezogen, und dabei, ich weiss nicht wie, hohl wird. Der Strang wird der Ausführungsgang der Drüsen. Doch unterdessen ist noch eine andere Reihe von Or- ganen auf dem Schauplatze der Entwicklung erschienen. Schält man vorsichtig den eben entstehenden Darmschlauch mit seinem Inhalt und dem daranhängenden Herzschlauch aus der Bauchhöhle, dann sieht man, dass sein oberster ° Theil sich als dünnes Rohr nach der Mundhöhle zieht, vorn von dem Herzschlauch bedeckt. Zwischen diesem Schlund- theil des Darmcanals und dem Herzen liegt eine platte Zel- lenmasse, die sich nach beiden Seiten am Oesophagus her- unter als zwei rundliche Zapfen fortsetzt. Diese Zapfen ziehen sich etwas aus und werden dabei hohl, die Säckchen vergrössern sich und werden Lungensäcke. Ihr Mittelstück wird zum Kehlkopf, den ich ein Mal noch mit Zellenstruc- tur gesehen habe. Es hat mir nicht ausgesehen, als wenn die grosse Serosa, das erste Gebilde des ganzen vegetativen Systems, diese Anlage mit überzöge. Präparirt man den Darmcanal in der Zeit, wenn er sich zwei Mal um sich selbst gewunden hat, aus der Bauch- höhle, dann sieht man hinter ihm zwei keulenförmige Kör- per, an jeder Seite der Mittellinie einen von hoch oben her- absteigen und sich in lange Stränge verlängern, die nach dem After sich herabziehen. Diese keulenförmigen Körper bestehen aus Embryonalzellen, Ihre obere Masse theilt sich 49 in eine grössere, die allmählig kugliger auschwillt, und eine kleinere, die sich mehr von ihr abschnürt; in ihrer: strang- förmigen Verlängerung entsteht, ich weiss nicht wie, eine röhrige Höhle, die Wolff’schen Körper mit ihren Ausfüh- rungsgängen sind da. Ich glaube aber, dass man ihre An- lage noch weiter herauf verfolgen kann. Wenn die Serosa sich um die ganze Anlage für das vegetative System ge- schlossen hat und der Herzschlauch eben fertig ist, dann kann man den grossen, plumpen Darmsack leicht aus der’ Bauchhöhle heben. An der Stelle, an welcher Leber und Pancreas abgeschnürt werden, bemerkt man dann eine feine Rinne und die ersten leichten Spuren von Zellengruppirun- gen, aus denen die Lungen werden. Sieht man den Darm- sack nun auf seine Rückenseite an, dann bemerkt man an seinem obersten Drittel eine raulenförmige Zellenmasse, von der ich nicht recht weiss, ob die Serosa sie mit überzieht oder nicht. Ich halte diese Anlage für die erste Aggregalion der Embryonalzellen zur Darstellung der Wolff’schen Kör- per. Denkt man sie sich der Länge nach gespalten, dann entsteht für jede Seite ein Dreieck, was, wenn man seine Formen etwas abrundet, leicht zu einer Keule werden kann, und in dieser Form erkennt man zuerst die Wolff’schen Körper ganz sicher. So ist denn wieder das ganze, vegetative System auf demselben Entwicklungswege entstanden, und eigentlich aus- einandergelegt, wie vor ihm das animalische. In einer gros- sen Anlage, wurde eine Menge von Zellen zusammengela- gert; nach und nach lösten sich einige Theile von ihr .ab, die, sich weiter spaltend und theilend, und sich zu neuen Geweben metamorphosirend, zu selbstständigen, dillerenten Massen werden, durch anatomischen Zusammenhang und physiologische Function mit den andern Theilen, die aus derselben grossen Zellenanlage gebildet sind, zu einem Sy- stem von Organen verbunden. Es ist dies ein Vorgang, wie bei der Ausführung einer Bildhauerarbeit; die Massen Müllers Archiv. 1616. 4 50 werden im Grossen angelegt, ausgearbeitet und differenzirt, um später ein Ganzes mit organischem Zusammenhange zu bilden. So sind also nach und nach alle Organe, deren der Frosch zu seinem Larvenleben bedarf, fertig geworden, und zwar direct aus den Zellen des Dotters zusammengesetzt. Von aussen ist nichts dazu gekommen, das Thier hat bis jetzt noch keine Nahrungsmittel zu sich genommen, Die Bildung ist nach und nach geschehen, und langsam von der Oberfläche nach der Tiefe gestiegen, und machte in dieser Richtung eine deutliche Pause, als die Anlage für das ani- male System fertig war. Während diese Anlage in Systeme und Organe zerfiel, lag der Rest des Dotterinhalts als An- lage für das vegetative System da, und die Differenzirung seiner Massen fing erst an, als sie im animalischen vollen- det war. Dass dieser Vorgang wesentlich anders sein muss bei einem Thiere, was entweder nicht das ganze Material zu seinem Aufbau im Ei vorgebildet hat, wie bei den Säuge- thieren, oder da, wo ein Dottersack so modifieirend auf die Entwicklung wirken muss, wie bei Vögeln und beschuppten Amphibien, ist so klar, dass man kein Wort darüber sagen darf; aber auch eben so klar ist, dass beim Frosch auch nieht mal eine Andeutung von den Embryonalorganen besteht, die als animales und vegetatives Blatt von dem neuesten grossen Forscher in der Entwicklungsgeschichte für das Ka- ninchen- und Hundeei wieder gehalten und verlheidigt wer- den. Solche Verschiedenheiten, wie hier zwischen Säuge- thier und Frosch können bei den oben erwähnten Grund- verschiedenheiten der Entwicklungsbedingungen wohl Statt finden, und wenn ich noch einen Beweis bringe, dass es beim Frosch anders ist, als beim Kaninchen, dann geschieht das nicht. um Bischoff zu verdächtigen; seine klassische Darstellung trägt ja überall das Gepräge ruhiger, besonnener Forsehung und reiner, vorurtheilsfreier Beobachung. 51 Wenn nämlich die Rückenwülste, indem sie sich einan- der nähern, zusammenwachsen, dann wird das Stück der Schicht von schwarzen Zellen, was in der Rinne zwischen ihnen lag, in das Innere des Embryo aufgenommen, zieht sich als ein schwarzer Strang unmittelbar unter der Mittel- linie des Körpers durch die Zellenmasse der Rückenanlage hindurch und ragt noch tief in die Entwicklungsvorgänge hinein. Wenn die beiden serösen Platten sich erreicht und zum Darmsack geschlossen haben, dann kann man den in- liegenden Kern von Embryonalzellen und Dotterkörpern leicht aus ihm herausheben, wenn man ihn vorsichtig auf- geschlitzt hat; und sieht man dieses grosse Oval von Zellen- massen auf der Rückseite an, dann bemerkt man, wie ein langer, schwarzer Streif sich darüber hinzieht, gerade da, wo es in der Mittellinie des Rückens angelegen hatte. Dort findet man also die Zellen wieder, die ursprünglich auf der Oberfläche gelegen, durch das Zusammen wachsen der Rücken- wülste in die Tiefe geschoben wurden, um hier einen Theil der Darmhäute zu bilden. Es nehmen also Zellen, die die unmittelbarsten Nachbarn und Altersgenossen von solchen waren, die zur Darstellung aller Rückengebilde, also der Hauptgrundlage des animalischen Systems, verwandt sind, noch an der Bildung des vegetativen Systems Theil. Diese Beobachtung ist übrigens an Embryonen, die in Spiritus er- härtet sind, leicht und sicher; Pigmentstreifen kommen an andern Orten im Innern des entstehenden Thieres nicht vor, und können es auch nicht, da an keiner andern Stelle die pigmentirte Oberfläche auf die obige oder auf irgend eine andere Weise ins Innere gelangt, So ist die Bildung des vegetativen Systems von der des animalischen weder in der Art des Materials, was zur Dar- stellung der Organe verwandt wird, noch in der Art der Verwendung verschieden, aber sie beginnt erst, wenn dieses in seiner Anlage fertig ist. Die Geschichte dieses Pigment- sireifens, der so tief in den Darmcanal hineinragt, ist übri- A* 52 gens auch von Bedeutung für die Kritik der Reichert’schen Ansicht von der Bestimmung der Rückenwülste, und be- weist, wenn nicht schon alles andere es klar ihäte, dass ihre Massen zu mehr, als blos zur Darstellung des Central- nervensystems verwandt werden, dass nicht blos der ganze Kopf und Rücken, dass sogar noch Theile des Darmcanals aus ihnen entstehen. Desto sicherer hat aber Reichert das schichtweise Fortschreiten der Bildung von aussen nach innen erkannt, und durch seine, in vielen Einzelnheiten so genaue Darstellung seinen Nachfolgern die Untersuchung und Auffassung dieses Verhältnisses sehr bequem gemacht. IV. Metamorphose der Embryonalzellen in die Gewebe des erwachsenen Thieres. Da ich nun kurz gezeigt habe, in welcher Weise und in welcher Reihenfolge die Anlagen zu den Organen aus Embryonalzellenmassen gebildet werden, so will ich jetzt noch das darstellen, was ich von der Metamorphose dieser Zellen in die einzelnen Gewebe weiss. Ein durch alle Erscheinungen der Metamorphose durch- greifender Vorgang ist der, dass mit der Entwicklung die Dotterplättchen in den Embryonalzellen, oder auch in den Massen, die durch ihre Aneinanderlagerung und Verschmel- zung entstanden sind, allmählig immer kleiner werden, ihre eckigen, scharfen Formen verlieren und zuletzt schwinden (Fig. 16.). Es muss dies auf dem Wege der Verflüssigung geschehen; was aber aus den so verflüssigten Massen wird, ehe Blutgefässe und Circulation da sind, darüber lässt sich begreiflicher Weise nichts beobachten. Wahrscheinlich trän- ken sie nur die Gewebe, um später auf dem Wege der Re- sorption ins Blut zu kommen und von da aus verwandt zu werden. Die erste Schicht von Dotterkörpern, die zu Embryo- 53 nalzellen zerfiel, ist die oberste des ganzen Eies. Dort lag vor der Furchung das schwarze Pigment, aber so dünn, dass eben nur die einzige Zellenschicht davon gefärbt wird. Diese Zellen sind polyedrisch aneinander abgeplattet und gleichförmig schwarz (Fig. 17.). Es dauert nicht lange, dann fängt in bestimmten die Verflüssigung an, und zwar meistens von dem Rande nach der Mitte fortschreitend, und die dunkle Zelle wird hell und licht dabei (Fig. 18.). Diese sich so aufhellenden Zellen liegen an ganz bestimmten Stel- len, und zwar so, dass ein gleichförmiges, gegittertes Muster entsteht, in welchem die schwarzen Zellenreihen die sich kreuzenden Stäbe und die entleerten Zellen den freien Zwi- schenraum darstellen (Fig 19.). Diese elegante Zeichnung ist schon bei geringen Vergrösserungen zu erkennen und giebt der jungen Larve ein feingeflecktes Ansehen. Indem der Embryo sich vergrössert, wächst diese Haut auch mit aus, und zwar so, dass die einzelnen Zellen sich gleichmäs- sig von einander entfernen, und feine, regelmässige, unge- färbte Zwischenräume zwischen ihnen entstehen (Fig. 22.). Es sieht das ganz so aus, als wenn die einzelnen auseinan- dergezogen, gesprengt würden, indem die von der knappen Haut eingeschlossene Masse sich langsam und allmählig ver- grössert, ungefähr wie man die einzelnen Knochen eines Schädels durch aufquellende Erbsen von einander entfernt. Es ist wirklich schwer, dabei nicht an ein mechanisches Auseinanderdrängen zu ‚denken, jeder Zellenrand ist eine feste Linie, an der man die Kraft der Ausdehnung messen zu können glaubt. Bei der Bildung der grossen serösen "Haut für das ganze vegetative System und bei ihrem Aus- wachsen wird derselbe Hergang erscheinen. Am schönsten sieht man das übrigens an der Umhüllungshaut an den Stel- len, wo eine kräftige, schnelle Hervortreibung geschieht, #. B. an dem Stück, was die wulstigen Ränder der Saug- näpfe überzieht. Während die Massen so weiter auseinandergetriebeu 54 werden, wie es’aussieht, fängt auch in den noch gefüllten schwarzen Zellen die Verflüssigung an, wie mir scheint, aber mehr von dem Kern ausgehend. Den weissen Fleck an der Stelle der Keimbläschenzelle sieht man bei den schwar- zen Zellen der Umhüllungshaut, eben der undurchsichtigen Massen des Zelleninhalts halber, nicht; erst mit der anfan- genden Verflüssigung erscheint‘ er und wird mit dem Fort- schritt der Entleerung grösser (Fig. 20... Ob und wann hierbei der Kern aufgelöst wird, ist sehr schwer zu sagen; es hat mir ausgesehen, als verschwände dies Bläschen, es bliebe dabei aber der Raum, den es einnahm, frei, indem die zähen Massen des Inhalts an ihrer Stelle blieben, ohne in den jetzt offenen Raum einzudringen. Leider führt das, was ich sicher von der Geschichte dieser Haut weiss, nicht weiter; es scheint unter ihr noch eine andere Membran zu liegen, wie, Reichert sie unter dem Namen des Hautsystems ja auch beschrieben; es ist aber nicht leicht, darüber klar zu werden, da selbst ein vor- sichtiges Präpariren und Trennen bei so zarten Theilen keine Sicherheit giebt, und man zuleizt immer unsicher bleibt, was Umhüllungs- und was andere Haut ist. Später, wenn. die Larve- schon ziemlich in der Mitte ihres Larvenlebens steht, findet man auf ihrer obersten Haut Gebilde, die man wohl ungezwungen als Fortbildungen der letztbeschriebenen Form betrachten kann. Die polyedrischen Zellen hegen jetzt näm- lich noch weiter von einander geschoben und haben den grössten Theil ihres Inhalts verloren; dafür ist ihre Mem- bran nun deutlich sichtbar geworden und umschliesst die feinen, staubförmigen Reste der Dotterplättchen. Jede Zelle zeigt jetzt einen grossen, scharfen Kern, von nicht ganz re- gelmässiger Form, wie es scheint, solide, von grauer Farbe und mit einzelnen schwarzen Pünktchen, wie sie auch in der Zelle liegen. Die Zellen sehen aus, wie Epithelium- zellen, was sie vor der Hand, ihrer Bedeutung nach, auch sind, und ihr feinkörniger Inhalt macht es äussert wahr- 55 scheinlich, dass wir es mit den allmählig fast ‚entleerten Zellen der Umhüllungshaut zu thun haben, dass diese ‚also mit der Zeit zum Epithelium geworden sind (Fig. 21.). Der jetzige Kern hat allerdings keine Aehnlichkeit mit der Keimbläschenzelle, die der Embryonalzelle als solcher diente; er sieht solide aus, ist von unregelmässigen oder runden, aber immer scharfen Umrissen, und enthält deutlich sehr feine Körnchen, die dem übrigen Zelleninhalte gleich sind. Der Kern ist entweder die Keimbläschenzelle, mit Stoffen gefüllt, die allmählig fest wurden und aus denen sich sogar einzelne Körnchen scharf herausbildeten, oder ‚das Bläschen verschwand, und aus dem feinkörnigen Inhalt bil- dete sich ein neuer Kern, wie man dies so schön bei der Bidung der embryonalen Blutkörperchen beobachten kann. Hat man diesen letzten Vorgang gesehen und in seinen Sta- dien verfolgt, dann sieht einen dieser Epithelienkern so .be- kannt an, dass man gern an dieselbe Entstehungsweise glaubt. Die äusseren Kiemen haben auch einen Ueberzug von Umhüllungshaut; ob in dieser Röhre das Blut frei cireulirt, oder ob es noch eine besondere Gefässwand besitzt, ist schwer zu bestimmen, es sieht aber nach dem ersten aus. Bei der Bildung der grossen serösen Haut für das ganze vegetative System tritt im Anfange dieselbe Weise der Ent- wicklung und Umbildung auf, wie in der Umhüllungshaut. Sind eben die Zellen zu ihrer Constituirung membranartig zusammengewachsen, dann liegt eine dicht an der andern und plattet sich an ihrer Nachbarin ab. Windet sich der Darmcanal auf und zieht es dabei das an der Mittellinie des Rückens angeheftete Mesenterium aus und in die Länge, dann zeigt diese gedehnte Haut wieder, wie durch den Zug ihre Zellen langsam von einander entfernt werden (Fig. 23.). Bald beginnt nun in ihnen die Verflüssigung, und zwar von innen nach aussen fortschreitend, so dass zuletzt nur noch feine Kränze von Dotterplättchen an der Stelle liegen blei- 56 ben, wo die Zellenmembran lag (Fig. 24.). Auch diese Reste werden aufgelöst, und als eine struclurlose Membran bleibt die seröse Haut liegen. Wie aus ihr Bindegewebe wird, ob vielleicht in der von Reichert aufgestellten Weise sei- ner Entstehung, weiss ich nicht; die Genese ihres Epithe- liums ist mir ebenso unbekannt. Die histologischen Vorgänge bei der Bildung der’ Gal- lenblase und der Lungensäcke sind ganz dieselben, und ma- chen ebenfalls den Eindruck, als sei ein mechanisches Ele- ment, z. B. bei der Zellenblase der steigende Druck des so früh abgesonderlen Secrets der Leber, die Hauptsache dabei. Die histologische Metamorphose anderer Organe habe ich vollständig verfolgen können, zumal die der Chorda dor- salis. Die jüngsten, die ich gesehen, hatten’ schon eine ziem- liche Consistenz und liessen sich rein von den umgebenden Massen ablösen. Ihr feiner, gallertiger Strang zeigt sich un- ter dem Mikroskop aus Embryonalzellen zusammengesetzt. Diese Zellen haben ihren Kern und ihre Membran verloren, und fangen leise an, mit einander zu verschmelzen. Man unter- scheidet aber jetzt noch jede einzelne als ein Ganzes, nur die Contouren der benachbarten fliessen mit den ihrigen zu- sammen. In diesem Zustande erhält sie sich länger; der Embryo hat schon einen ziemlich langen Schwanz mit brei- ter Flosse, und schwimmt lebhaft umher, wenn seine Chorda noch blos aus aneinandergebackenen Embryonalzellen be- steht (Fig. 25.). Später verschmelzen die einzelnen Zellen inniger mit einander, ein Ring von grösseren Dotterplätichen lässt aber ihre frühere Contour immer noch erkennen (Fig. 26.); dann fliessen sie mehr zusammen, man findet nur hier und da noch das undeutliche Bild einer Zelle, bis auch dies sich verwischt und man in dem ganzen Strange nur noch eine Masse von dicbtgedrängten Dotterplättchen findet und ihm feine Querstreifen ‘von dichteren und dunkleren Massen ein artiges Ansehen geben (Fig. 27.). In diesem Verschmelzungs- prozess sind die dem Kopf näheren Theile den von ihm ent- 57 fernteren voraus, so dass die Zellen am Schwanz am läng- sten ihre Individualität behalten. Wärend' die Chorda diese Stufen durchlaufen hat, ist die Larve schon weit ausgebildet und fängt an, ihre äusseren Kiemen zu verlieren. Die Schmelzung der Dotterplättchen hat schon angefangen, der gallertige Strang ist heller und durehsichtiger geworden. Schwinden die äusseren Kiemen, dann treien in den gelichteten Massen feine, helle Bläschen auf, die nach der Mitte zu am häufigsten liegen, und schnell wachsend sich dort zusammendrängen (Fig. 28.). In kurzer Zeit vermehren und vergrössern sie sich so, dass die ganze Masse der Chorda von ihnen dicht erfüllt ist und dass sie sich. leicht aneinanderdrücken. Indem sie sich vergrösserten, haben sie die Reste von Dotterplättchen, die noch im Chor- dalstrange lagen, vor sich hergeschoben, so dass, wenn die Zellen sich unter einander erreichen, die feinen Zwischen- räume zwischen ihnen von diesen kleinen Resten angefüllt sind, da das Ganze ein gilterförmiges Bild darbietet (Fig.29.). Aber auch diese wenigen Reste schwinden, und während der Embryo und mit ihm die Chorda wächst, dehnen sich die Zellen zu einer enormen Grösse aus. Sie platten sich eigentlich nicht polyedrisch gegen einander ab, sondern drücken sich mehr flach, ‘wie man eine kuglig gespannte Blase durch Auflegen der Hand in ein sehr gedrücktes Sphae- roid verwandeln kann. Dabei liegt immer ihr kurzer Durch- messer in der Längsaxe des Körpers (Fig. 30. u. 31.). Schwann und Vogt beschreiben noch grosse, sehr blasse Kerne in den Chordalzellen, die ich leider nicht ge- sehen habe. Beide behaupten, ein sehr heller Tag und grosse Bekanntschaft mit dem Mikroskop gehöre dazu, sie zu se- hen, und da mir die erste Bedingung nicht gefehlt hat, so muss es am Mangel der zweiten liegen, dass ich sie nicht gefunden, Allerdings habe ich immer ganz frische Zellen untersucht, meistens sogar lebendige, indem ich den Schwanz des kleinen Thieres unter das Instrument brachte und nicht, 58 wie Schwann, solche, die 24 Stunden im Wasser gele- gen hatten, was ja wirklich so oft durch Veränderung und Auflösung des Zelleninhalts die Kerne erst recht sicht- bar macht, Sind die Chordalzellen noch jung, dann isolirt man sie leicht, und sie schwimmen dann mit aufsitzenden Restchen von Dotterplättchen umher (Fig. 32.). Will man die älteren, grossen herauspräpariren, dann fallen sie faltig zusammen, ihr Inhalt muss leicht äuslaufen. In ihrer ganzen Lebens- zeit, oder bestimmter, so lange, als ich sie kenne, zeichnen sie sich durch ihre starke Lichtbrechung aus, sie sind im- mer klar, wie Glas. Hier gingen also die zur Darstellung verwandten Em- ‚ bryonalzellen in ihrer Individualität vollkommen unter, ihre Kerne und Membranen schwanden und ein langer Strang von verschmolzenen Massen blieb zurück, indem sich, als der grösste Theil der Dotterplättchen verzehrt war, ‘neue, selbstständige Zellen bildeten, in einem secundären Cyto- blastem, wie Vogt sagt, der zuerst den vorliegenden Ent- wiceklungsgang in seiner, leider so wenig bekannten, aber doch so vieles Schöne und klar Entwickelte enthaltenden Geschichte von Alytes obstetricans beschrieben hat. Zum Studium der Geschichte des Knorpels wären wohl die Wirbelquadrate der rechte Ort gewesen, das merkte ich aber erst später, wo man ja oft besser weiss, was man verfehlte, als was man recht gemacht hat. Dort liegt eine, wohl nicht zu schwer zu isolirende, in sich abgeschlossene Zellenmasse, in der man gewiss leicht die Vorgänge der Entwicklung verfolgen kann; an den Kiemenknorpeln, an denen ich untersuchte, kann man einmal die so zarte An- lage von Embryonalzellen nicht erkennen und herauspräpa- riren, und muss mit halb fertigen Formen, die sich schon deutlich von den umliegenden Gebilden unterscheiden, die Untersuchung anfangen; dazu scheint auch dieser Knorpel von dem, der später verknöchert, z. B. in der Zahl der 59 Kerne, verschieden zu sein. Nimmt man das knorplige Ge- rüst, was die Kiemenstrahlen trägt, von einer jungen Larve, dann findet man, wenn in der Mitte die Knorpelzellen schon fertig sind, am Rande helle Streifen von dem Lichtbrechungs- vermögen der Knorpel, die dicht gedrängt eine grosse An- zahl von Kernen führen; diese sind rundlich oder oval, da- bei von ziemlich regelmässiger Form, von der Grösse von menschlichen Blutkörperchen und darüber, von grau-bräun- licher Farbe, und enthalten sechs bis zehn feine schwarze Punkte (Fig. 33.). Dicht dabei findet man nun dieselben Kerne von schö- nen Zellenmembranen umgeben, die sich ineinanderschiebend und drängend, die bekannten zierlichen Bilder von schönen. Konorpelmassen darstellen (Fig. 34.). An etwas älteren Stel- len sind die Massen grösser geworden, sie sind durch gleich- mässiges Auswachsen regelmässiger aneinander gelagert, die Pünktchen in ihren Kernen verschwinden nach und nach, und statt ihrer bemerkt man ein oder zwei runde Kernkör- perchen, die zarte Bläschen zu sein scheinen, und von de- nen man nicht recht weiss, ob sie neu gebildet oder nur beim Schwinden der früheren Pünktchen vergrössert und mehr hervorgetreten sind (Fig. 35.). Die Knorpelbildung, die man als Zellen in Zellen gedeutet hat, kömmt am Kie- mengerüst der Froschlarven nie vor, die grossen, klaren Zellen enthalten nur ihren Kern mit Körnkörperchen und sind in schönen Formen eng aneinander gelegt. Zellen, die den Kern noch recht eng umgeben, habe ich eigentlich nie gesehen, aber oft sehr grosse, ferlige Zellen, deren Kerne schon ihren körnigen Inhalt verloren hatten und statt dessen ihre Kernkörperchen zeigten, mitten zwi- schen einer grossen Ueberzahl von freien Kernen. Nur zu- weilen sahı es so aus, als schimmerte um einen dieser Kerne ein feiner, heller Bogen, wie eine junge Zellenmembran, und wechselte man die Beleuchtung und den Abstand der Linse, dann tauchte öfter ein solcher Schein auf. Dicht am Rande 60 zogen sich dann immer einige längere, schmale Körperchen mit scharfen Umrissen und von grauer Farbe hin, für die ich keine Deutung habe, da man doch wohl nicht an die Compression eines Kerns denken kann (Fig. 36.). Die interessante Frage, wie sich die Embryonalzellen zur Bildung der Knorpelzellen verhalten, kann ich nicht nach Anschauungen beantworten, wie ich oben schon angeführt. Dass aber die Knorpelzellen ganz neue Zellen sind, liegt auf der Hand, und wenn man gesehen hat, dass die anfangs aus Embryonalzellen zusammengesetzten Wirbelquadrate später zu Knorpelmassen geworden sind, wenn man die zarten Ueberreste der Dotterplätichen noch als schwarze Pünktchen in ihren jungen Kernen findet, dann wird es sehr wahr- scheinlich, dass die Embryonalzellen ebenso, wie bei der Bildung der Ehorda verwandt sind, d. h. mit einander zu einer grossen Masse verschmelzen, in der sich später die Knorpelzellen in der oben angegebenen Weise bilden. Das wird sich ja im nächsten Frühling leicht finden. Ob die Umbildung der Embryonalzellen zu Muskelfasern ganz gleichzeitig mit der Bildung der Knorpelzellen geschieht, ist schwer zu beobachten, da man eigentlich nicht eher recht erkennen kann, was Muskelfaser wird, als bis die Primitiv- bündel fertig sind. Dann unterscheidet man eine zarte Scheide, die mit dichten Massen von Dotterplättchen angefüllt ist, so dicht gefüllt, dass man die Scheide ebenso wenig sehen würde, als die Zellenmembran an den Dotterkörpern, wenn nicht von Zeit zu Zeit die Masse des Inhalts ein wenig ein- geschnürt wäre, so dass an diesen freien Stellen die zarte Membran scharf hervortritt (Fig. 37.). Diese Abschnürungen treten in gleichen Zwischenräumen auf, und die Masse, die zwischen je zweien liegt, entspricht an Grösse und an In- halt einer Zelle, so dass man die von Schwann aufgestellte Entstehungsweise der Primitivbündel ganz ungezwungen auf diese. Bildungen anwenden kann, Werden- die Zellen in Reihen aneinandergelegt und verwachsen sie so miteinander, 61 während an der Berührungsfläche von zweien ihre Membran resorbirt wird, dann müssen die oben beschriebenen, einge- schnürten Stränge, mit zarten Scheiden umgeben, entstehen. Der Inhalt von Dotterplättchen fängt nun an, zu verschwin- den, und in den allmählig sich lichtenden Theilen werden Fibrillen und Querstreifung sichtbar (Fig. 38.). Ueber die Entstehung dieser Gebilde etwas zu beobachten, ist leider nicht möglich, da sie eben von der schwarzen Masse der Dotterplättchen bedeckt vor sich geht. Diese verschwinden nun mehr und mehr, in der Mitte oder an der einen Seite zieht sich noch ein Strang von ihnen durch das neue Bün- del, aber auch dieser wird verflüssigt und fortgeschafft, und die Muskelmasse ist fertig, wie beim erwachsenen Thier (Fig. 39.). Die Resorption in den neuen Bündeln geht nicht überall von derselben Stelle aus; zuweilen sieht man solche, die an dem einen Ende schon Fibrillen und Querstreifen haben und an dem andern noch ganz aus Dotterplättchen bestehen, in denen noch gar keine Verflüssigung vor sich gegangen zu sein scheint. Die Kerne bleiben nicht in der jungen Mus- kelfaser liegen, sie waren schon oben, als die Masse jeder - einzelnen Zelle noch beisammen in der Scheide lag, nicht mehr zu sehen. In den ganz jungen Darmmuskelfasern habe ich aber noch oft die Zellen aus dem Keimbläschen gefun- den, so dass sie hier. länger bestehen, wie ja auch die glat- ten Fasern des Darms beim erwachsenen Thier kernhaltig sind (Fig. 40.). Uebrigens wird die Muskelaction schon sehr vollständig ausgeübt, sobald nur die Zellen eben zu Primitivbündeln zu- sammengewachsen sind, und die Gegenwart von Nerven be- weist, dass auch hier natürlich nur unter denselben Bedin- gungen, wie im erwachsenen Körper, d. h. durch Zusam- menwirkung von Nery und Muskel, die thierische Bewegung zu Stande kömmt. Eine solche Bemerkung würde ich gar nicht machen, wenn Reichert für die Zeit der ersten Be- 62 wegung die Existenz des peripherischen Nervensystems nicht gradezu in Abrede gestellt hätte. Nach ihm soll dann das Agens, was den Impuls zur Bewegung giebt, unmittelbar aus Hirn-Rückenmark in die Muskeln überspringen, wie bei unterbrochener Leitung der electrische Funke aus dem Drahte fährt. Beim Finden von Nerven muss man sich allerdings aufs Glück verlassen, was einem zuweilen die schönsten Präpa- rate in die Hände spielt, wenn man ganz andere Sachen sucht. So wollte ich einzelne Fasern aus einem Muskel- bündel isoliren, welches dicht von den Wirbelquadraten ge- nommen war, und fand zwischen den oben beschriebenen, jüngsten ein Gebilde, was als Nervenstäimme mit einem Ganglienknoten anzuerkennen, Niemand einen Augenblick an- stehen konnte (Fig. 41.). Ein stärkerer Nerv, dessen Stamm, leider bald abgerissen war, theilte sich in drei Zweige, und die Art der Theilung zeigte schon die Natur des Gebildes. Der stärkste ging frei fort, der zweite ging durch eine Ganglienkugel, der dritie über diese fort und legte sich an einen neuen Nerven, um, mit diesem verbunden, weiter sich zu verbreiten. Das eine Ende dieses vierten Nerven lag dicht am Hauptstamm der andern, es sah aber mehr aus, als wenn es ihm blos anläge, als wenn es von ihm abgegeben würde. Die Stränge waren hell, mit scharfen Umrissen, und zeig- ten leichte Zeichnungen von Fäden und Ueberreste von Dot- terplättehen, die noch nicht vollständig verflüssigt waren. Von der Theilungsstelle konnte man die sich spallenden Stränge noch eine Strecke lang in den Stamm hinein ver- folgen, die Primitivfasern für jeden Strang lagen schon im Stamme zusammengruppirt, gerade wie wir im erwachsenen Thiere alle Tage sehen können. Ob Bau und Inhalt der Primitivfasern schon ganz derselbe war, wie bei fertigen Nerven, war nicht zu ermitteln, da an dem mikroskopischen Präparate nicht weiter zu präpariren war. Die grosse Ku- gel aber, durch deren Mitte der eine Strang, ohne dass sich 63 seine Primitivfasern voneinanderbegaben, hindurchtrat, und die ich oben als Ganglienkugel bezeichnete, bestand noch ganz aus grossen Dotterplätichen; augenscheinlich waren auch hier mehrere Zellen zusammengewachsen, hatten ihre Membran verloren und so die Masse dargestellt, aus der das künftige Organ und seine Gewebe gebildet werden sollten. Ich fühle wohl, wie wenig Abbildung, wie Beschreibung den Leser verpflichten, das so zufällig, wie glücklich gefun- dene Präparat für Nerven zu halten, obgleich der, wer es gesehen, keinen Augenblick daran zweifeln kann. Jemand, der die Zeichnung sah, meinte, die Deutung auf Gefässe liege grade so nahe; in dieser frühen Zeit besteht aber Herz und Gefässe noch ganz aus Massen, in denen die einzelnen, aneinander liegenden Zellen noch ganz deutlich gesehen wer- den können, so wenig sind sie erst mit einander verschmol- «en, während hier fast ferlige Gewebe waren, die nur noch geringe Reste von Dotterplätichen zeigten. Zu bedauern ist nur, dass das Präparat nichts über die Entstehungsart der Nerven lehrte; man lernt eigentlich nur daraus, dass sie aus Embryonalzellen gebildet werden und dass sie sich früher entwickeln, als die Muskeln. Ich habe nun noch etwas vom Blute zu erzählen. Die ersten Blutkörperchen, die man in den Kiemen kreisen sieht, sind gewöhnliche Embryonalzellen (Fig. 42. a.). Wenn man gesehen hat, dass die oberste Zellenschicht des Knotens, aus dem das Herz entsteht, zur Darstellung der Gefässhaut ver- wandt wird, und wenn man diese Gefässhaut aufschlitzt und zurückschlägt, und dann noch einen Kern von Embryo- nalzellen in ihrer Höhle findet, dann kann man nicht zwei- feln, dass diese Zellen es sind, die man zuerst eireuliren sieht. Von Gefässen kann man beim Frosche eigentlich nur die grosse Kiemenarterie untersuchen, und auch bei ihrer Bildung scheint ein feiner Strang von Zellen in dem Schlauche liegen zu bleiben. Die Pulsation fängt nun an, und während der Embryo, wer weiss. auf welche Weise, grösser wird, 64 und allmählig die Kiemen sprossen, wird der Raum des Ge- fässsystems auch mit grösser; die dichtgedrängten Zellen im Herzen werden durch die Pulsation von einander geschüttelt, und zusammen mit der Feuchtigkeit, die den Embryo tränkt, und die zumal auf Kosten der verflüssigten Dotterplätichen entstanden zu sein scheint, durch die Gefässe getrieben. In den jetzigen Blutkörperchen fängt nun aber auch die Verflüssigung an und geht von der Peripherie aus. Die Keimbläschenzelle verschwindet, ihr ‘folgen die kleineren Dotterplättchen und die Zellenmembran - wird im. ganzen Umkreise sichtbar (Fig 42.b.). Nun werden auch die grös- seren Plätichen angegriffen und schmelzen allmählig, und die feinkörnigen Reste des Zelleninhalts ziehen sich mehr nach der Mitte hin (Fig. 42. c.). Unterdessen sind die früher run- den Zellen jetzt oval geworden und plattgedrückt, ‘aber die bucklige Wölbung in der Mitte ist etwas bedeutender, als beim fertigen Blutkörperchen, da die körnige Masse, die dort noch liegt, grösser ist, als der spätere Kern (Fig. 42. d.). Nun fangen die Zellen auch an, sich blass zu färben, ihr körniger Inhalt in der Mitte schwindet mehr und mehr, und es bleibt nur ein Häufchen von einem feinen Pulver liegen (Fig.42.e), was sich bald zu einem schönen, festrandigen Kern zusammenbegiebt, der klarer und schärfer hervorsieht, als in den Blutkörperchen erwachsener Thiere, da der Zel- leninhalt noch nicht so intensiv gefärbt ist (Fig. 42. f.). Im Kern und in der Höhle der Blutzelle sieht man noch einige staubfeine Pünktchen, aber bald schwinden auch diese, das Blutkörperchen wird intensiver gefärbt und ist in nichts mehr von dem eines erwachsenen Thieres zu unterscheiden. Hier ist wohl der erste Fall, wo die Membran der Embryo- nalzelle, die in ein neues Gebilde umgewandelt ist, persistirt; ” bei den Muskeln wurden Theile von ihr höchst wahrschein- lich zur Primitivscheide verwandt. : Aber der Embryonal- zellenkern geht in der Blutzelle zu Grunde, der Inhalt wird allmählig entfernt und aus seinem kleinen Reste wird ein ‚ 65 neuer Kern, freilich" anders, als der erste hergestellt. So ist Wandel von Form und Inhalt immer die hervorstechendste Erscheinung im organischen Leben. Da ich hier einmal vom Blute spreche, so will ich noch die Entwicklung der Blutkörperchen des Frosches aus den Lymphkörperchen darstellen. Ein solches Lymphkörperchen ist ein dichter Haufe von kleinen Körnchen, von einer zar- ten Membran knapp umschlossen (Fig. 43. a.).. Diese Mem- bran wird allmählig durch Diffusion von dem Inhalte abge- hoben, und das Gebilde stellt sich jetzt als eine runde, blasse Zelle dar, in der das nun aufgelockerte Häufchen von feinen Körnern eingeschlossen ist (Fig. 43.b.). Diese runde Zelle wird langsam vergrössert und dabei oval, und der Haufen von Körnchen liegt noch locker und lose, ohne scharfe Grenzen in ihr; der Inhalt färbt sich langsam blassgelb (Fig. 43.c.). Die ovale Zelle wird jetzt abgeplattet, der in der Mitte liegende, früher locker-körnige Inhalt zieht sich zu einem festen, ovalen Kern zusammen, der aber noch deutlich feine Granulationen zeigt und der Zelleninhalt färbt sich etwas tiefer (Fig.43.d). Nun wird. der Kern noch scharfer an seinem Rande, seine Granulationen verschwinden vollständig, die Färbung der Blutzelle tritt in aller Intensität auf und der blasse Kern tritt dadurch etwas zurück (Fig. 43. e.). In dieser Form sieht man immer die grösste Masse von Blut- körperchen, sie sind. die ganz reifen. Bei ihrer Rückbildung fangen sie an, ihre Farbe zu verlieren, und bei diesem Aus- blassen tritt der Kern wieder schärfer und dunkler hervor. Dann fangen ihre Ränder an, einzubuchten, der Kern wird höckrig, die Zellenmembran fallig und runzlig, sie reisst an den Rändern ein und scheint nach und nach aufgelöst zu werden; denn ihre Umrisse werden. immer heller und lich- ter, so dass man sie später bei starkem Schatten noch kaum gewalırt. Der Kern hält sich dabei vortrefllich und wider- steht der Auflösung (Fig.43.f.); ob er zuletzt herausfällt und frei mitcireulirt, ist schwer zu bestimmen, da man einen Müllers Archiv. 1818. , 5 66 solchen nicht leicht von einem kleinen Lymphkörperchen unterscheiden kann. Ich glaube sie aber häufig so gesehen zu haben (Fig. 43. g.). Natürlich kann man diese Entwicklungsstufen nur neben einander sehen, nie nach einander; sie sind aber so zahl- reich und vollständig, dass man oft ihre ganze Entwicklungs- reihe auf dem Gesichtsfelde zusammen hat. So glücklich ist man indess nicht jedesmal; meist herrscht die Form der ganz fertigen bedeutend vor und neben ihnen ist eine der Entwicklungsformen entschieden vertreten, sei es in einer grossen Mehrzahl der Lymphkörperchen oder der blassen, runden Blutzellen oder der Rückenbildungsformen. Oft habe ich auch einen Frosch getroffen, der nur Blut mit granulir- ten Kernen enthielt, wie ich es oben als letzte Stufe vor der völligen Reife beschrieben habe. Diese Verschiedenhei- ten liegen schon in Verhältnissen der Verdauung und Blut- bereitung; kurz nach der Verdauung herrschen wahrschein- lich die Lymphkörperchen .vor, etwas später die runden, blassen Blutzellen ete. Dass an diesem zartsten Object im- mer mit der grössten Vorsicht uutersucht ist, namentlich ohne jeden Zusatz, auch nur von Serum, ist natürlich; ich habe immer nur einen unvermischten, frischen Tropfen mit einem Deckgläschen bedeckt, unter das Mikroskop gebracht. Die Bildung des Zellenkerns: ist also dieselbe, ‘wie bei dem embryonalen Blute; wie man aber die Bildung des Lymphkörperchens, die hier die Frage nach der Zellengenese beantworten müsste, belauschen soll, sehe ich noch nicht recht ein. Wenn ich nach der Schilderung dieser Einzelnheiten die Facta unter allgemeine Gesichtspunkte zu gruppiren ver- suche, dann kann ich nicht umhin, vorher zu gestehen, dass der Embryo des Frosches für histogenetische Untersuchun- gen nicht recht passend ist; das dunkle, undurchsichtige Ma-- terial setzt dem Forscher fast unüberwindliche Schwierig- keiten entgegen; hat es doch complicirter Untersuchungen 67 und einer ganzen Kette 'von Schlüssen bedurft, um die Zel. lennatur der Furchungsgebilde zu constatiren. Diese ewigen Dotterplättchen , die alles bedecken, verhüllen, vollpfropfen, können den Unermüdlichsten zur Verzweiflung bringen, und ich habe lange angestanden, diesen Theil meiner Untersu- chungen zu veröffentlichen, dessen Lücken jeder verzeihen wird, der das Material kennt, in dem ich arbeitete. Diese Schwierigkeit der Erkenntniss hat mich etwas misstrauisch gegen manche meiner Beobachtungen gemacht, es fehlt mir aber zum Glück nicht an andern, deren Sicherheit mir er- laubt, sie mit in die Reihe derer zu stellen, die man bei der Auffassung allgemeiner Lebenszüge als sichere Basis gebrau- chen kann. Wo ich vollständig beobachten konnte, fand auch ich immer einen präexistirenden Kern, um den sich später eine Membran bildete, und eine Masse, die zwischen beide ge- langte, einen Zelleninhalt. Zwei dieser Kerne, und beide in Entstehung ‘und Beschaffenheit etwas verschieden von den bekannteren, konnte ich genau beschreiben, den Kern der Keimbläschenzelle, der ein Conglomerat von kleinen soliden Körperchen war, deren allmählige Verbindung ich in ver- schiedenen Stufen verfolgen konnte, und dann den Kern der Embryonalzelle, ein mit Flüssigkeit gefülltes Bläschen, was früher Zellenmembran war, und während der Furchung in mehrere getheilt wurde, deren jedes dem Bildungsprozesse einer neuen Zelle als Grundlage dienen musste, Dass auch der Kern der Knorpelzelle in seiner Ausbildung ein mit Flüs- sigkeit gefülltes Bläschen ist, ist ganz sicher, nicht ebenso die Weise seiner Entstehung. Die jüngsten, freien, die man sieht, stellen sich eher solide dar, wie zusammengeballt aus den feinsten Resten der Dotterplättchen; während diese fe- sten Ueberbleibsel mehr schwinden, hellen sich die ganzen Gewebe auf, die Contouren des Kerns, der sich inzwischen mit einer Zellenmembran umgab, treten schärfer hervor, man sieht einen zart granulirten Inhalt und deutlich eine Membran, 5% 68 die ihn umspannt. Da es sicher ist, dass in früherer Zeit Reste der Dotterplättchen in ihr liegen, so muss diese um eine: vorgefundene Masse gebildet sein, wie später die Zel- lenmembran um den Kern herum entsteht. Die Bildung des Kerns der Blutzelle bietet in ihrem Anfange durchaus dasselbe dar, seine Entstehung durch. die Vereinigung von fertigen Molekülen ist eine der am leichte- sten und sichersten zu constatirenden Thatsachen; “ich. bin aber nicht im Stande gewesen, herauszubringen, ob auch in der Reife die Kerne beider Gebilde gleich sind, ob auch der reife Blutzellenkern ein Bläschen ist. Die Geschichte des Kerns der embryonalen Blutzelle scheint der durchgängigen Erfahrung über die Präexistenz des Kerns zu widersprechen; sie scheint aber nur, denn die Blutzelle ist nicht neu, sie ist nur umgebildet. Ihre Mem- bran existirte und war gleichsam um ein anderes Gerüst aufgebaut, und aus dem Reste des Zelleninhalts bildete sich nun ein neuer Kern, wie ihn die jetzt für eine veränderte Function bestimmte Zelle zur Darstellung ihrer neuen Le- bensäusserungen wahrscheinlich nöthig hat. Befriedigend ist die Entdeckung desselben Hergangs bei der Bildung des Kerns derjenigen Blutkörperchen, die nach dem Verbrauch der Em- bryonalzellen im Gefässsystem des ausgebildeteren und des reifen Thieres aus Lymphkörperchen geschieht. Wenn ich noch sicherere Belege von der Bläschenform des Kerns beibringen soll, dann nenne ich bei höheren Thie- ren die zarteren Epithelien, die Eiter-, Lymph- und Schleim- körperchen, und die oft so luxuriösen, für die Verfolgung der einzelnen Perioden des Zellenlebens so instructiven Bil- dungen der Krebsgeschwulst als solche, deren Kerne, im rechten Lebensmomente untersucht, so sicher als Bläschen erkannt werden können, ‚als die Zellenmembranen selbst. Da ich vorhin der Praeexistenz der Kerne erwähnte, so mag ich nicht unterlassen, einen Zeitraum aus dem Bil- 69 dungsleben eines zellenartigen Körpers zu beschreiben, in dem manches auf die nachherige Bildung des Kerns hindeutet. Nimmt man ein junges Hühnerei, wie sie zu Tausenden von der Grösse von Hanfkörnern etc. ‚im Eierstocke liegen, und untersucht seine durchsichtige Dotterflüssigkeit, dann findet man sie grösstentheils aus grossen, runden, glashellen Bläschen bestehend, die sehr zart und elastisch sind, und deren flüssiger Inhalt das Licht stark bricht. In der Grösse variiren sie vom fast unmessbaren bis zum Durchmesser von 0,0028 P. Z. Sie sind so elastisch, dass sie sich nebenein- anderliegend zu eleganten polyedrischen Formen abplatten; in ihrer eigenen Flüssigkeit schwimmend, werden sie mit der grössten Schnelligkeit fortgerissen, und indem sie sich verlängern und verschieben, rasch durch die engsten Passa- gen hindurchgedrängt. Ihre Membran scheint nur eine zarte, gelatinöse Eiweissschicht zu sein. Setzt man vorsichtig ver- dünnte Essigsäure zu der Flüssigkeit, in der sie enthalten sind, dann sieht man die Körper sich schnell mit kleinen Runzeln bedecken, wie Haptogenmembranen bei der Berüh- rung mit Essigsäure sich zu kräuseln scheinen. Das ist aber keinesweges Effect einer theilweisen Entleerung durch Exosmose und danach folgendes Zusammenfällen der Mem- bran, sondern die coagulirende Wirkung der verdünnten Säure auf Eiweiss. Bei der Einwirkung concentrirter Säure werden die Coagula schnell aufgelöst und jede Spur vorhan- dener Bildungen ist verschwunden, da der nun aus dem Bläschen befreite Inhalt sich in seinem Lichtbrechungsver- mögen durchaus nicht von dem der nativen Flüssigkeit un- terscheidet. In einzelnen dieser Kugeln lagen feine Körnchen, die bei Bewegung frei in ihnen umhergeschüttelt wurden, und wenn die Kugeln schwammen, immer nach vorn sich begä- ben. War die ganze Flüssigkeit in Ruhe, dann lagen sie wie ein schattirtes Wölkchen an irgend einer Stelle der in- 70 neren Wand. In einigen solchen Bläschen waren sie zu un- regelmässigen, wolkigen Haufen zusammengetreten, die in der Höhlung frei flottirten und deren Aussehen auf grosse Locker- heit schliessen liess. In noch andern waren die Massen zu Ku- geln von augenscheinlich grösserer Dichtigkeit und mit schar- fen Contouren zusammengeballt, man glaubte, sie oft von einer Membran umspannt zu sehen, und sie hatten dazn die täuschendste Aehnlichkeit mit einigen grossen Zellenkernen, zumal mit denen des Epilhels der Schleimhaut der mensch- lichen Harnblase oder mit denen grosser Krebszellen, weun in ihnen feine Niederschläge von Proteinmolekülen sich ge- bildet haben. Diese consistenleren Gruppirungen waren eben so wenig im Innern der umhüllenden Membran befestigt und waren oft doppelt vorhanden. Schwamm das Bläschen auf dem Glase umher, dann kollerten und rollten sie übereinan- der weg, und man wurde nicht müde, dies ungewohnte Schauspiel anzustaunen. Die Zellen mit solchem Inhalte waren übrigens selten, in sehr vielen Eiern fand man gar keine, in andern mehrere, aber gegen die Masse der nur mit klarer Flüssigkeit gefüllten waren sie immer sparsam vertreten. Es war im Hochsom- mer, als ich diese Bildungen verfolgte, und damals habe ich keine fernere Entwicklung auffinden können. Es ist mir da auch nicht gelungen, die Verbindungsglieder zwischen diesen beschriebenen Bildungen und den in etwas älteren Eiern vor- kommenden aufzufinden. Nach einer so kurzen und geringen Bekanntschaft kann ich über die Bedeutung dieses Bildungs- ganges natürlich nichts mittheilen; ich mache das Factum bekannt, da seine Verfolgung gewiss grosses Interesse bie- ten wird. Aber es ist Zeit, nach dieser Abschweilung zu meinem speeiellen Thema zurückzukommen. Meine Beobachtungen über die Kernkörperchen sind wenig zahlreich, dafür aber in dem einen Falle sehr sicher. Ich meine damit die jungen, oben beschriebenen Bildungen aus dem Keimnbläschen, die 1 kleinen, rundlichen Körperchen, die, so weit die Sicherheit bei der Untersuchung so zarter Gegenstände reicht, für so- lide angesprochen werden müssen, und die allmählig zusam- mengebacken werden und so ein Conglomerat bilden, wel- ches Kern einer Zelle wird. Ich weiss in diesem Augenblick nicht, ob sichere Beobachtungen über eine gleiche Entste- hung von Kernen aus Kernkörperchen von thie:ischen Zellen bekannt ist, der Vorgang stimmt hier aber im Wesentlichen mit dem überein, den Schleiden bei seinen ersten Mitthei- lungen über das Zellenleben im Jahre 1833 bekannt machte, und den er 1845 in der zweiten Auflage seiner wissenschaft- lichen Botanik, Bd. I. p. 198 u. 199., noch genauer beschrieb. Im Verfolge treten dann allerdings Verschiedenheiten auf, indem nach Schleiden’s Untersuchungen „‚die Körnchen mehr oder weniger zusammenfliessen, so eine dickere oder dünnere Scheibe bilden, und endlich der Cytoblast fertig ist,‘ während in meinem Falle ein blosses Conglomerat blieb, die roheste Form von Zellenkern, was kurz nach der Bildung der Zellenmembran sich wieder auflöste, bei welchem all- mähligen Schmelzungsprozess die einzelnen Körnchen wieder zeigten, dass sie solide Körperchen gewesen waren. Ich kenne im Ganzen keinen Ort, den ich mehr für Un- tersuchungen über Zellengenese empfehlen könnte, als das Keimbläschen. Der ganze Prozess geht in einem abgeschlos- senen Raume vor sich, man sieht die Gebilde, ohne sie aus ihren natürlichen Verhältnissen zu bringen, und zumal beim Frosch sind die Materialien, mit denen die Natur operirt, fast massenhaft zu nennen, im Vergleich zu der undenklichen Kleinheit anderer mikroskopischer Gebilde, die zur Zusam- mensetzung von Gewebselementen gebraucht werden. Schon oben habe ich als directe Beobachtung mitge- iheilt, dass Reste von Dotterplättchen mit in die Bildung der Kerne von Blut- und Knorpelzellen eingehen; bei der weiteren Entwicklung des Blutzellenkerns träfe dann alles mit dem oben geschilderten Hergange bei den Pilanzen über- 72 ein, während beim Kern der Knorpelzelle noch ein Element hinzukommt, für dessen Entstehung bei den Pflanzen Schlei- den vollständige Beobachtungen hat, während bei der Un- durchsichtigkeit des Materials ich nur die fertige Form un- tersuchen konnte. Sobald nämlich die Verflüssigung der Dot- terplättchenreste weiter fortgeschrilten ist und man sich vom Dasein einer geschlossenen Kernmembran überzeugen kann, kommen in ihr ein oder zwei Körperchen zum Vorschein, rund, sehr klein, und so weit man sich davon bei so klei- nen Gegenständen überzeugen kann, hohl, bläschenförmig. Dass sie neu gebildet sind, ist klar, da sie im Dotterinhalt nicht vorkommen, ob sie aber, wie nach Schleiden’s Schil- derung, vor der Bildung des Kerns da waren und das Ma- terial zu seiner Ausbildung mit hergaben, oder erst in der Membran der Bläschen entstanden, kann ich aus den oft an- geführten Gründen nicht entscheiden. Ueber den Bildungsprozess der Zellenmembran habe ich keine Beobachtungen machen können, die progressive Thei- lung derselben mit ihrem Inhalt und ihren Kernen bei Dot- terkörpern und Embryonalzellen habe ich weitläuftig genug beschrieben, als dass ich noch ein Mal darauf zurückzukommen brauchte. Ich fühle, wie entfernt durch Entstehung, Form und späteres Leben die grossen Dotterkörper von den be- kannteren Zellen stehen, bei Licht betrachtet, reduciren sich die Unterschiede aber doch auf Dinge, die kaum in die Reihe der wesentlichen gezählt werden dürfen. Ihre Kerne haben unter andern Lebensverhältnissen schon als Zellenmembranen gedient. Eine fertige Masse wird um die Kerne gesammelt und dann beide von der Zellenmembran umschlossen, Durch einen fortgesetzten Spaltungsprozess werden zu- letzt Zellen aus ihr gebildet, deren Unterschied von andern darin besteht, dass ihr Kern nicht der Wand anzuliegen scheint. Ja, das sind Unterschiede; aber sind sie so we- sentlich, dass die Genese dieser Zellen nicht unter den Ty- 73 pus der Bildung gereiht werden könnte, den wir in der For- mel der Cytoblastenhypothese für die bis jetzt bekannteren gefunden haben? Und bringt nicht alles, was wir von ihrer Function und Metamorphose wissen, sie wieder ganz in die Reihe der bestbekannten? Ich für meine Person habe mich leicht in diese Ueberzeugung finden können, ich glaube nicht, dass ich der Deutung Gewalt angethan habe; man hat das Recht, die Grenzen einer bis dahin ausreichenden Theorie auszudehnen, wenn Erscheinungen gefunden werden, die ih- rem Wesen und ihrer Bedeutung nach in die Reihe derer gehören, die durch jene Theorie erklärt werden, während Einzelnheiten sich den zu eng gefassten Vorstellungen nicht fügen wollen; diese, die das Gesetz modifieiren, aber nicht ändern oder umstossen, kann und muss man dann auf bei- den Seiten fallen lassen. Soll ich noch einige Blicke auf die in der Metamor- phose der Zellen auftretenden Phänomene werfen, dann ha- ben wir in dem Blutkörperchen eine Zelle, deren Membran die Umwandlung überlebt und fortfährt, auch für die neue Function der Zelle thätig zu sein. Leider hindert mich eine Lücke in der Beobachtung, dasselbe mit Bestimmtheit von den Zellen der Umhüllungshaut zu sagen, deren Metamorphose in ein Epithelium ich nur wahrscheinlich machen kann. Im zweiten Falle wird nur ein Theil die Zellenmembra- nen erhalten, dieser aber zu einem neuen Gebilde verwen- det. Ich habe hier die Scheide der Primitivbündel der Mus- keln im Auge, die entstehen, indem durch Resorption der Zwischenwände von longitudinal aneinander gereihten Zel- len eine lange Röhre hergestellt wird, in deren Lumen der frühere Zelleninhalt allmählig in Muskelfibrillen verwan- delt wird. In einem dritten Falle gehen die zu den neuen Bildun- gen verwandten Zellen in ihrer Totalität zu Grunde und ihre aufgelöste Masse giebt das Material zu einer ganz neuen Generation her. Es ist das der bei der Bildung der Chorda 74 dorsalis genau beschriebene Hergang des Untergangs der Em- bryonalzellen und der Herstellung eines secundären Cyto- blastems für die Entstehung neuer Gebilde mit neuer Fune- tion, wohin sicher auch die Geschichte der Knorpelgenese gehört, ein Vorgang, der wahrscheinlich. bei der Bildung complieirter Organe noch häufig ist. Ich mag diese Mittheilungen nicht schliessen, ohne dem verehrten Entdecker des Zellenlebens, der früh in mir die kaum entsprossten Keime naturwissenschaftlicher Bildung mit Freundlichkeit und Güle nährte, für die Befriedigung zu danken, die mir die Beschäftigung mit seiner Lehre, mit der er die dritte Entwicklungs- und Fortschrittsperiode der nach- mittelalterlichen Physiologie ins Leben rief, gewährt hat. Der Lehre vom Zellenleben ist es ergangen, wie allen grossen Wahrheiten und Ideen, die Reformationen in der Anschauung des Lebens und der natürlichen Dinge hervor- rufen. Als Schleiden zuerst diese Lehre für die Pflanzen vortrug, war sie so fertig, dass acht Jahre fleissigen und rastlosen Bemühens nur das Material vermehren konnten, was durch seine Entdeckungen erst ‚verständlich gemacht werden konnte, ohne viel Wesentliches zu dem hinzuzufü- gen, was der grosse Forscher über Natur und Bedeutung dieser Elementarorgane schon mittheilte. Eine Lehre, die durch inneren Zusammenhang so imponirend auftrat und Aufschlüsse gab, die fast an die Schwelle der Erkenntniss des organischen Lebens führten, musste in einer Zeit, in der so viele sich mit der Entwicklung der Formen beschäftigten, hunderte von begeisterten Anhängern finden. Die eigene Un- tersuchung bestätigte bald allen die Wahrheit; was Schlei- den als Beobachtung aufzustellen sich begnügt hatte, wurde als Gesetz proclamirt, und wie es in menschlichen Dingen oft geht, was nicht passen wollte, so lange gewandt und gedeutet, bis es sich der dietirten Norm fügte: Dann folgte die Zeit der Reaction gegen diesen blinden Eifer; aus dem Uuwesentlichen wurde Neues gemacht, von allen Seiten EEE N ——__ 75 wuchs der Stoff, auch durch manche leichtsinnige und un- fertige Arbeit vermehrt, dem ruhig Folgenden fast über den Kopf; aber auch hier scheint Ruhe einzutreten, und manehe Arbeit taucht auf, die wieder die Cythoblastenhypothese zu Ehren bringt. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Dotterplättchen, in 850 maliger Vergrösserung. Fig. 2—7. Geschichte der Keimbläschenzellen. 450 Mal vergrössert. Fig. 2. Molekularer Inhalt der jüngsten Keimbläschen, einige grös- sere Körperchen sind dazwischen gemischt. Fig. 3. Inhalt. von etwas älteren Keimbläschen; die grösseren Körperchen sind mit einander verwachsen. Fig. 4. Die Körperchen sind zu Conglomeraten verwachsen, die Kerngebilde für spätere Zellen werden. Fig. 5. Keimbläschenzellen. Fig. 6. Keimbläschenzellen, deren Inhalt schon theilweise ver- Nlüssigt ist. Fig. 7. Keimbläschenzellen mit ganz verflüssigtem Iuhalt. Fig. S— 16. Producte der Furchung und Zellenbildung. 450 Mal vergrössert. Fig. 5. Dotterplättchen aus der Zeit der Brombeerform des Eis. Sie zeigen noch mehrere Keimbläschenzellen. Fig. 9. Dotterkörper, mit Wasser behandelt, was endosmotisch zwischen Membran und Inhalt getreten ist und bei @ die Membran bläs- chenförmig aufgetrieben hat. Bei b sind mehrere Bläschen zu einer n zusammengeflossen, in der abgelöste Körperchen des Zellenin- ts in molekularer Bewegung umhergetrieben werden. Bei c ist das zw» Bläschen geplatzt und die Körperchen schiessen im schnellen inaus. Fig. 10. Dotterkörperchen, in deren Inneres Wasser gedrungen ist, was die Masse gleichmässig aufgelockert hat. An einzelnen Stellen sieht man jetzt die umhüllende Haut. Fig. 11. Zerdrücktes Dotterkörperchen; die Keimbläschenzelle ist dadurch frei geworden. "Fig. 12. Dotterkörper aus der Zeit der Chagrinform des Eies. Fig. 13. Dotterkörper in der Spaltung begriffen. Fig. 14. Embryonalzellen, Fig. 15. Querdurchschnitt von einem Embryo, dessen Rücken- wülste eben verwachsen sind. Die oberste, schwarze Lage von Zellen sind die Zellen der Umhällungshaut. Ein breiter Gürtel von Embryo- zellen zieht sich, indem er sich nach unten hin verschmälert, vom 76 Rücken nach dem Bauche herab. Der Kern des Embryo besteht noch aus Dotterkörpern. 100 Mal vergrössert. Fig. 16. Embryonalzellen, deren Inhalt in der Verflüssigung be- griffen ist. Fig. 17— 22. Geschichte der Umhüllungshaut. 450 Mal vergrössert. Fig. 17. Zellen der Umhüllungshaut. Fig. 18. In einigen fängt die Verflüssigung an. Fig. 19. Verflüssigung des Zelleninhalts schreitet fort; die Haut hat jetzt ein regelmässiges, gegittertes Ansehen. Fig. 20. Auch in den andern Zellen fängt die Verflüssigung an, und der Fleck, an dem die Keimbläschenzelle gelegen hat, wird sichtbar. Fig. 21. Epitheliumartige Bildungen; die Zellen der Umhüllungs- haut scheinen sich so weit entleert zu haben, dass ihre Membran sicht- bar wird. Ein neuer, solider Kern hat sich in ihnen gebildet; nur feine Partikelchen von Zelleninhalt sind noch ungeschmolzen. Fig. 22. Auseinandergedrängte Zellen der Umhüllungshaut. Fig. 23. Seröse Haut des vegetativen Systems noch aus Zel- lenmassen bestehend, die beim Auswachsen schon auseinanderge- drängt sind. Fig. 24. Seröse Haut im späteren Stadinm. Feine Kränze von Dotterplättchen zeigen die Stelle an, an denen früher die Embryonal- zellen lagen. Fig. 25— 32. Geschichte der Chorda dorsalis. 450 Mal vergrössert. Fig. 25. Chorda dorsalis, noch aus Embryonalzellenmassen be- stehend; die einzelnen fangen allmählig mit einander zu verschmel- zen an. Fig. 26. Die Verschmelzung schreitet fort; man sieht hier und dort nur noch Contouren von früheren Zellen. Fig. 27. Im Strange der Chorda ist alle Andeutung früherer Zel- lenstructur verschwundeu. Fig. 28. Die Dotterplättchen sind grösstentheils geschmolzen und in den gelichteten Massen erscheinen junge, kleine Zellen, die Chor- dalzellen. Fig. 29. Die Chordalzellen wachsen grösser und drängen sich zusammen, wobei sie die Reste der Dotterplättchen vor sıch herschieben. Fig. 30. Etwas ältere Chordalzellen; die Reste der Dotterplätt- chen sind vollständig verschwunden. Fig. 31. Ganz ausgewachsene Chordalzellen. » Fig. 32. Freie Chordalzellen. Auf einigen kleben Reste von Dotterplättchen. Fig. 33 — 36. Knorpel. 450 Mal vergrössert. Fig. 33. Freie Kerne für Knorpelzellen. Fig. 34. Knorpelzellen aus den Kiemenstrahlen. Geringe Inter- cellularsubstanz. Kerne noch granulirt. Fig. 35. Knorpelzellen, die älter und grösser geworden sind. Sie 17 sind stärker aneinander gedrängt; ihre Kerne verlieren ihr granulirtes Ansehen und es erschienen 1 oder 2 bläschenförmige Kernkörperchen. Fig. 36. Knorpellamelle vom Kiemengerüst, die freie Kerne und dabei schon fertige Zellen enthält. Fig. 37 —41. Muskelfasern und Nervenbündel. 450 Mal vergrössert. Fig. 37. Junge Primitivmuskelbündel. An den Stellen, an denen der Inhalt eingeschnürt ist, sieht man die Primitivscheide. Fig. 38. Etwas ältere Muskelbündel. Fasern und Querstreifen werden sichtbar, so wie die Dotterplättchen schwinden. Fig. 39. Beim Fortschreiten des Schmelzungsprozesses in den Dotterplättchen wird die Structur der Muskelbündel immer sichtbarer und vollständiger. Fig. 40. Embryonale Darmmuskelfasern; man sieht zuweilen noch Keimbläschenzellen. Fig. 41. Sehr junge Nerven, die nur noch geringe Ueberreste von Dotterplättchen in ihren Strängen zeigen. Durch eine grosse Masse von verschmolzenen Embryonalzellen, die gewiss Anlage zur Ganglien- kugel ist, sieht man den einen Strang hindurchtreten. Fig. 42. und 43. Geschichte der Blutzellen. 450 Mal vergrössert. Fig. 42. a Gewöhnliche Embryonalzellen als erste Blutkörper- chen. 5 Der Vertlüssigungsprozess fängt in ihnen an und schreitet von der Peripherie nach dem Centrum fort. c Die Entleerung der Zellen ist weiter fortgeschritten. d Sie werden oval und abgeplatte. e Nur noch ein Rest von staubförmigen Molekülen liegt in der Mitter f Diese Masse verschmilzt und wird zum Zellenkern des Blutkörperchens; nur noch wenige Pünktchen von Molekülen sieht man noch im Kern und in der Zellenhöble, Fig. 43. a Lymphkörperchen aus dem Blut des erwachsenen Frosches. b Junge, noch kuglige, blasse Blutzellen ; die Haut des Lymph- körperchens hat sich von dem körnigen Inhalt abgehoben. c Die junge Blutzelle wird oval und fängt an, sich abzuplatten, die körnige Masse liegt noch, wie früher, in der Mitte. d Die Form der Blutzelle ist fer- tig; die körnige Masse hat sich zum Kern zusammengezogen, der noch stark granulirt ist, e Ganz fertige Blutzellen, von intensiver Färbung, so dass der Kern nicht mehr so sehr hervorsticht; der Kern ist mehr glatt geworden. f Rückbildungsformen. g Wahrscheinlich freigewor- dene Kerne von aufgelösten Blutzellen. Ueber die Bildung der hinfälligen Häute der Gebär- mutter und deren Verhältniss zur Placenta uterina. Von €. B. Reıcnerr in Dorpat. (Wörtlicher Abdruck aus dem Manuscript der bei der Königl, Akademie der Wissenschaften zu Berlin im März 1842 eingereichten und in demselben Jahre gekrönten Preisschrift.) Es war nicht meine Absicht, die erwähnte Preisschrift in der Gestalt und dem Umfange, in welchem sie der Berliner Akademie eingereicht wurde, drucken zu lassen; sie sollte vielmehr die Grundlage bilden zu einem umfassenderen Werke „über die Entwickelung der Säugethiere und des Menschen,‘* dessen Veröffentlichung bis jetzt aus verschiedenen Umstän- den verzögert wurde. Der vorliegende wörtliche Abdruck meiner in der obigen Preisschrift niedergelegten Beobachtun- gen über die Bildung der hinfälligen Häute u s. w. ist einer- seits durch die Befürchtung veranlasst, dass man vom Aus- lande her den’ deutschen Embryologen den Vorwurf machen könnte, sie hätten die durch die Fortschritte der Wissen- schaft dargebotenen Mittel zur Erklärung der Bildung der hinfälligen Häute ete. nicht benutzt. Andererseits glaube ich wenigstens die Ansprüche mir sichern zu müssen, dass ich 79 unabhängig und ohye Vorgänger gehabt zu haben, durch meine Untersuchungen schon im Jahre 1841 zu einer An- sicht über den fraglichen Gegenstand gelangt war, die spä- ter erst auch von andern Seiten her sich die Bahn zu bre- chen begonnen hat, und die gleichwohl bis zur heutigen Stunde noch nicht mit einer so ausführlichen Reihe von Be- obachtungen begründet worden ist.. Diese Ansprüche wer- den um so mehr gerechtfertigt erscheinen, wenn ich hinzu- füge, dass ich in dem Jahre 1842 und 1843 in Berlin und in den nachfolgenden Jahren hier in Dorpat in meinen Vor- lesungen über die Entwickelung der Wirbelthiere die Resul- tate meiner Untersuchungen selbst mit erweiternden Zu- sältzen öffentlich mitgetheilt habe. Die vorliegenden Mittheilungen schliessen sich an. die Darstellung der Entwickelung des Kaninchens und auch des Meerschweinchens (Cavia cobaya) an, die ich in meiner Preisschrift hauptsächlich berücksichtigt habe. Sie betreffen ferner einzelne Abschnitte aus jener Darstellung, wie die- selben gemäss dem Verlauf der Entwickelung des Embryo angebracht werden mussten. Auf dieses Moment bitte ich Rücksicht zu nehmen, um sich in der Form der Miltheilun- gen zurecht zu finden. Wenn endlich einzelne, die Haupt- sache glücklicherweise nicht beeinträchtigende Darstellungen und Beschreibungen der durch die neuesten Fortschritte der Wissenschaft gewonnenen Auffassungen nicht völlig entspre- chen; so wird es genügen, darauf hinzuweisen, dass diesel- ben im Jahre 1841 niedergeschrieben worden. Auf der gegen die Höhle des Uterus gewandten Fläche der Muskelschicht breitet sich die Schleimhaut aus. In ihrem Verlaufe macht sie bei den meisten Säugethieren bald mehr, bald weniger zahlreiche Windungen und Falten gegen die Gebärmutterhöhle hin, so dass deren Wandung beim Kaninchen die Ansicht gewährt, als ob man auf die Windungen des Gehirns herabsehe. Konstanter und bei weitem zahlreicher, als die eben genannten Ausbuchtungen der Schleimhaut nach 80 innen gegen die Gebärmutterhöhle hin, „treffen wir auf Ein- stülpungen derselben von der inneren Oberfläche aus in das eigene Pareuchym hinein und gegen die Muskelwandung hin. Diese, ziemlich dicht neben einander liegenden Einstülpun- gen, welche A. Burckhardt (observationes anatomicae de _ uteri vaccini fabrica) :bei der Kuh: genau beschrieben und Vasa spiralia genannt hat, und die auch als Drüsengänge in der Decidua vera des Menschen bekannt sind, habe ich nach meinen bisherigen Untersuchungen bei keinem Säugethiere vermisst. Sie stellen sich gemeinhin als Kanäle dar, welche in dem Parenchym der Schleimhaut von der Muskelwandung theils geschlängelt (Schwein, Wiederkäuer), theils spiralför- mig (Meerschwein, Hund, Mensch) gegen die Oberfläche der Schleimhaut verlaufen. Sie sind am längsten beim Schwein und den Wiederkäuern, haben hier fast überall ein und die- selbe Dicke, und machen selten kleine Ausbuchtungen, so dass man sie nur zu leicht für Gefässe halten kann. Beim Menschen, bei dem Meerschweinchen und den Raubthieren haben sie eine mittlere Länge. Sie fangen dicht an der Mus- kelwandung mit einem etwas dickeren Grunde an, ‘und der übrige Theil wendet sich anfangs in langgezogenen Spiralen, dann geradehin zur Oberfläche der Schleimhaut. Beim Ka- ninchen sind die genannten Einstülpungen der Schleimhaut- Oberfläche am kürzesten, doch sowohl relativ, im Verhält- niss zur Länge, als absolut am weitesten, und zwar überall fast von gleicher Weite. Ist das Epithelium der Gebärmut- ter mit seinen Fortsetzungen in diese Erweiterungen ent- fernt, so sieht die Oberfläche der Schleimhaut, wie v. Bär sehr richtig bemerkt, einer Bienenwabe ähnlich, deren Zellen den bezeichneten Vertiefungen der Schleimhaut entsprechen. Wird die Schleimhautschicht von der Muskulatur abgezogen, so erscheint sie, da die untere Partie gewöhnlich an den Muskeln sitzen bleibt, siebförmig durchbrochen. Bei den Wiederkäuern lassen sich die Zugänge zu den drüsenarligen Erweiterungen schon mit unbewaffnetem Auge erkennen, a 1 erkennen, indem die Oberfläche der Schleimhaut von den- selben sich- trichterförmig erweitert und so die Oeflnung noch scheinbar vergrössert. Auch beim Kaninchen sind sie nicht zu verfehlen; beim Pferde, beim Meerschweinchen, bei den Raubthieren und beim Menschen dagegen bedarf man der J,oupe. Ueberall aber werden diese Oeffuungen während der Schwangerschaft ausserordentlich erweitert, und dem unbewaflneten Auge mehr oder weniger deutlich bemerkbar; die ganze Oberfläche der Schleimhaut erscheint mit Oefl- nungen übersäet. Die Struktur der Schleimhautschicht gleicht den gleich- arligen Theilen in anderen Gegenden des Körpers, und un- terscheidet sich nur durch eine grössere Anzahl unentwickel- ter Elemente und elementarer, freier Zellen. Das Binde- gewebe in grösseren und kleineren Bündeln und einfachen Fibrillen, untermischt mit freien, elementaren Zellen, Spin- delfasern, Spiralfasern und Gefässen, breitet sich zuerst in horizontaler Richtung und dichter verwebt an der Muskel- schicht aus. Diese Partie der Schleimhautschicht, in wel- cher sich die Gefässe der Gebärmutter zum zweiten Male plexusartig verschlingen, und in welche bei den meisten Säugethieren die blinden Enden der oben beschriebenen Ein- stülpungen sich einsenken, hat Burckhardt zu einer eige- nen Schicht der Gebärmutterwandung erhoben. Von ihr nehmen die Gewebe mit den drüsenartigen Einstülpungen eine bald mehr schrägere, bald geradere Richtung nach auf- wärls gegen die freie Oberfläche der Schleimhautschicht, um daselbst horizontal, doch in einer dünneren und feiner ge- webten Schicht sich auszubreiten. Die Gefässe, welche aus dem Plexus in feinen Stämmchen entspringen, lösen sich an der Oberfläche der Schleimhautschicht in kapillare Netze auf, und geben bis dahin während ihres geschlängelten, mehr perpendikulären Verlaufes einige wenige Seitenäste, nament- lich an die drüsenartigen Einstülpungen, ab. — Das kapil- lare Gefässnetz, die elementaren Zellen, Spindelfasern und Müller's Archiv. 1848. 6 82 das ausgebildete Bindegewebe liegen an der gegen die Ge- bärmulterhöhle gewandten Oberfläche nicht frei, sondern an einer durchsichtigen, strukturlosen Membran, welche einer Rinde der Schleimhautschicht vergleichbar wäre. Diese, in dem gegenwärtigen Zustande strukturlose Membran steht mit den angeführten Geweben in so innigem Zusammenhange, dass sie durch das gewöhnliche anatomische Verfahren nicht isolirt werden kann. Von ihrer Anwesenheit kann man sich am leichtesten beim Schweine dadurch überzeugen, dass man, nach Entfernung des Epitheliums, ein Stück der ober- flächlichsten Schicht der Schleimhaut abtrennt, auf einer Glasplatte zerstückelt und unter dem Mikroskop betrachtet. Dann sieht man am Rande einzelner Stückchen die durch einen glücklichen Zufall losgetrennte, durchsichtige Membran deutlich hervortreten. Diese strukturlose Membran setzt sich auch in die Einstülpungen fort und ist hier, wo die umlie- genden Gewebe lockerer vorbeigehen, natürlich leichter nach- zuweisen. Ueber die strukturlose Membran der Schleimhaut - Ober- fläche hinweg, zieht sich die dritte Schicht der Gebärmulter- Wandung, das sogenannte Epithelium des Uterus. Wie das- selbe sich über die Falten ausbreitet, so dringt es auch in die Einstülpungen und kleidet deren strukturlose Hülle aus. Dieses Epithelium besteht im Uterus zum grössten Theile aus elementaren Zellen, deren Zellenmembranen inniger un- ter einander Behufs der Konformation einer Gewebemembran zusammenhängen und sich hierbei polyedrisch abgrenzen, ohne die Kugelform durch Abplattung auffallend zu verän- dern. In der Höhle dieser Zellen befindet sich ein runder, wenig abgeplatteter Kern mit 1—3 mehr oder weniger her- vortretenden Kernkörperchen, umgeben von einem hellen, etwas dickflüssigen Inhalte, welchem molekulare Körperchen und zuweilen Fetttropfen ähnliche Kügelchen beigemischt ” sind. In solcher Zusammensetzung wird die vorliegende, gefässlose Membran zu den Pflaster - Epithelien gerechnet, 83 obschon sie sich auffallend genug von den Schüppchen an- derer Pflaster - Epithelien, wie der Mundhöhle, der Epider- mis u. s. w., unterscheidet, und hinsichtlich ihrer physiolo- gischen Bedeutung für die Entwickelung des Eichens wohl als das wichtigste Gebilde des Uterus anzusehen ist. Dieses Epithelium in der bezeichneten Konstruktion kleidet bei allen Säugethieren, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, zum grössten Theile die Gebärmutterhöhle und ihre Erweiterun- gen aus. Nur in der Porlio tubaria macht es dem cylindri schen Flimnier - Epithelium Platz, welches die Tuben über- zieht, und in der Porlio vaginalis schliessen sich die Zellen- Schüppchen des Pflaster-Epitheliums der Scheide an. Schliesslich müssen wir noch auf die Einstülpungen der Schleimhaut mit dem sie überziehenden Epithelium zurück- kommen, welche nur in der Gebärmutter selbst und nicht in den Tuben anzutreflen sind. Diese, als Drüsen des Ute- rus bekannten Einstülpungen sind, wie wir gesehen, Erwei- terungen der, die Schleimhaut-Oberfläche bildenden struktur- losen Membran mit dem Epilhelium in das Parenchym der Schleimhaut hinein, ohne dass der histologische Charakter bei dieser Abweichung von dem mehr ebenen Verlaufe der betreffenden Gebilde eine Abänderung erleidet. Die Einstül- pungen sind daher, wie die Falten, wesentlich nur Erwei- terungen der Schleimhaut - Oberfläche und des Epitheliums, jedoch sind sie hier in ihrer Form so eingerichtet, dass sie zur Aufnahme einer eigenthümlichen Erweiterungsform der Oberfläche des Embryo, nämlich der Zotten, dienen. Beim Kaninchen werden die Einstülpungen von den Zotten des Embryo ganz ausgefüllt, und verhalten sich in Rücksicht auf die materielle Wechselwirkung mit dem Embryo ganz #0, wie der übrige Theil des Epitheliums und seines Sub- #trates; sie verschwinden auch mit der Verkümmerung der Zolten, bei der grossen Ausdehnung der Gebärmutterwan- dung, wie die Falten und Runzeln, und verbleiben nur ei- genthümlich verändert in der Placente uterina. Bei dem 6* 84 Kaninchen lassen sich demnach die hier sehr weiten Ein- stülpungen nicht völlig zu den drüsigen Organen rechnen. Bei den meisten Säugethieren dagegen dringen die Zotten des Embryo nur zum Theil in die beschriebenen Einstülpun- gen hinein, und können von ihnen, während in den übrigen Gegenden der inneren Oberfläche der Gebärmutterhöhle eine unmittelbare materielle Wechselwirkung mit dem Embryo Statt findet, nur ein Sekret empfangen. Die genannten Er- weiterungen des Epitheliums und der Schleimhaut-Oberfläche treten hier als drüsige Organe auf und verschwinden auch nicht bei der grössten Ausdehnung. des Uterus durch den Embryo. Der Fortgang der Entwicklung des Eichens erfordert jetzt die genaue Berücksichtigung seiner Umgebung des Ute- rus. Die bisherigen Veränderungen der Gebärmutter haben den allgemeinen Charakter, den wir gleich nach der Be- fruchtung kennen gelernt haben und welcher sich später in gesteigertem Grade bemerkbar macht. Die am meisten sicht- baren Erscheinungen waren reichlicher Zufluss des Blutes gleichmässig nach allen Gegenden des Uterus hin, und ver- mehrte Vegetation, welches sich besonders im Epithelium und Parenchym der an Dicke zunehmenden Schleimhaut zeigte. Die Gebärmutter stellte eine, durch das Epithelium Nahrung zuführende Hülle des Eichens vor; in welcher durch die Contraction der Muskelschicht das Eichen selbst frei fortbewegt wurde. Gegenwärtig werden nun die Vor- bereitungen getroffen für die Ernährung des Eichens im fixir- ten Zustande — Schon an dem Aeusseren des Uterus ge- wahrt man die, auf diese Vorbereitung sich beziehenden Veränderungen. Bisher verlief der Kanal der Gebärmutter gleichförmig, und war nur am letzten Tage des vorigen Ent- wickelungsabschnittes von den sich vergrössernden Eichen perlschnurartig aufgetrieben. Diese Anschyrellungen nehmen 85 gegenwärtig stärker zu, so zwar, dass sie sich hauptsächlich auf die Stelle beschränken, welche dem Befestigungsbande der Gebärmutter gegenüber liegt. Hier tritt die Wölbung allmählig halbkugelförmig über das Niveau der angrenzenden Wandung hervor. Ausserdem ist die ganze Lagerungsstelle des Eichens durch die ausserordentliche Erweiterung und durch den Reichthum der Blutgefässe auffallend. In Rück- sicht auf das Eichen entspricht beim Kaninchen der mehr eben verlaufende Theil der Gebärmutterwandung (an dem Befestigungsbande) der Keimstelle. Schneidet man die Wan- dung des Uterus auf, so sieht man an der Lagerungsstätte des Eichens, der Keimstelle gegenüber, gewöhnlich zwei ne- “ben einander liegende Längsfalten, sowohl in der Breite, als in der Höhe stark vergrössert und angeschwollen. Beide hügelartig hervorgetretene Falten formiren zußammen ein längliches Oval, das die Ausdehnungen des Eichens gegen- wärtig noch übertrifft, und in dessen Längendurchmesser die tiefer gewordene Längsfurche zwischen den beiden Längs- falten verläuft. Diese Anschwellungen der Oberfläche der Gebärmutterhöhle, dem Befestigungsbande gegenüber, erschei- nen gegenwärtig als die Ursache, durch welche die Ausdeh- nung der gegenüber liegenden Wandung bei dem starken Wachsthum des Eichens hervorgerufen wird. Die Oberfläche der Gebärmutterhöhle zeigt im Uebrigen keine wesentlichen Veränderungen. Nur-darauf will ich noch aufmerksam ma- chen, dass die Eingangsstellen zu den drüsenartigen Aus- buchtungen da, wo die Wandung der Gebärmutter mehr ausgedehnt ist, oflener zu Tage treten und im Gegentheile an den angeschwollenen Längsfalten undeutlicher gewor- den sind. Genauere anatomische und mikroskopische Untersuchun- " gen überzeugen uns, dass die beiden, an der Oberfläche der Gebärmutterhöhle hervortretenden Hügel nur von einer über- wiegenden Wucherung des Schleimhaut-Parenchyms an die- ser Stelle herrühren. Das Epithelium bleibt unverändert, 86 und ist nur in sofern betheiligt, als die Schleimhaut dem- selben zur Ausbreitung dient. Nun ist die Wucherung und Verdickung der Schleimhautschicht nicht etwa durch eine plastische Ausschwitzung auf der Oberfläche scheinbar her- vorgerufen, sondern bedingt durch die erhöhte Vegetation des ganzen Parenchyms mit Beibehaltung ihres histologischen Charakters. Daher sind auch die drüsenartigen Einstülpun- gen der Oberfläche nicht nur vorhanden, sondern sogar mit der Verdickung des ganzen Parenchyms entsprehend verlän- gert, und hierin accommodirt sich auch das Epithelium, in- dem dasselbe über der Oberfläche der Schleimhautschicht sich ausbreitet. Schon die Untersuchung einer Durchschnitts- fläche der Gebärmutterwandung an betreffender Stelle kann, mit der Loupe unternommen, das Gesagte bestätigen; die mikroskopischen Anschauungen aber benehmen jeden Zwei- fel und unterrichten uns zugleich von den feineren Vegeta- tionsvorgängen. Diese beziehen sich nur auf die Vervielfältigung und Vermehrung der bekannten Gewebe, welche das Parenchym der Schleimhaut constiluiren. Eine grosse Menge Zellen und Mutterzellen, Bindegewebe in verschiedenen Entwickelungs- stufen und in seinen verschiedenen Formen, endlich grössere und feinere Gefässe sind, von einer zuweilen reichlich an- gesammelten flüssigen Zwischenmasse getrennt, durch das ganze Parenchym gleichmässig verbreitet. Am zahlreichsten jedoch ist eine Art Zellen, welche vor der Befruchtung we- niger bemerkt werden, und welche sich gegenwärtig durch‘ ihre Grösse und das matt granulirte Ansehen auszeichnen. Sie haben einen meist kreisförmigen, plaltgedrückten Kern mit Kernkörperchen; der übrige Inhalt ist diekflüssig, mit hellen und dunklen Körperchen untermischt, wodurch eben das fein granulirte Ansehen hervorgerufen wird; auch findet man die Produkte junger Generationen. Die Form der Zelle ist theils rund, theils oval, und dann mehr plattgedrückt, und endlich zeigen sich Uebergänge in die Spindelform. Zu- I u Ta 87 weilen scheinen die Zellen unter sich reihenweise inniger zusammenzuhängen; doch ist das Parenchym zu weich, als dass man an Durchschnitten über die nähere Anordnung ins Klare kommen könnte. Ueberhaupt ist die Bedeutung dieser so zahlreichen Zellen für den histologischen Charakter des Parenchyms schwer genau zu ermitteln. Nach ihrer Menge dürften sie das Zellenmaterial darstellen können, aus wel- chen.die Vermehrung der einzelnen Gewebe des Parenchyms geschieht. Doch sind die spindelförmigen Zellen, welche sich in Bindegewebfasern verwandeln, von ganz anderem Ansehen, viel durchsichtiger, von kräftigeren Contouren, und ihre Enden verrathen deutlich die Tendenz zur fadigen Ent- wieckelung. Die viel breiteren Spindelfasern der andern Zel- len dagegen behalten noch dasselbe Ansehen, wie die run- den Zellen. — Wahrscheinlicher ist es mir daher, dass die in Rede stehenden Zellen das Bildungsmaterial für die so zahlreiche Vermehrung der Gefässe abgeben, obschon ich die darauf sich beziehenden Entwickelungsvorgänge nicht habe verfolgen können, Der histologische Charakter des Parenchyms der Schleim- haut an der angeschwollenen Stelle findet sich auch in allen übrigen Gegenden der Schleimhaut wieder. Nur die Masse steht zurück, und namentlich sind die fein granulirten grös- seren Zellen weniger zahlreich angehäuft. Die Oberfläche der Schleimhaut zeichnet sich besonders durch die Vermeh- zung der Capillargefässe aus. Sie macht übrigens, wie frü- her, noch dieselben Falten und Einstülpungen, und wird überall von dem Epithelium überzogen, in welchem wir das regere vegetative Leben schon früher bemerkt haben. Flim- merzellen sind jetzt nur in den Muttertrompeten vorhanden, und fehlen im ganzen Uterus. In Rücksicht auf die Muskel- schichten des Uterus ist nichts Wesentliches anzuführen. Die hauptsächlichsten und sichtbarsten Veränderungen der Gebärmutter betreffen demnach die Schleimhaut, deren Parenchym durch Vermehrung der vorhandenen Gewebe 88 theils allgemein an Dicke zunimmt, theils noch besonders im gesteigerten Grade an der Lagerungsstätte der Eichen. Hier schwellen dadurch zwei nebeneinanderliegende Längs- falten sowohl in der Höhe, als in der Breite so an, dass allmählig zwei, durch eine Längsfurche getrennte Hügel an der innern Oberfläche des Uterus sich erheben. Diese bei- den Hügel setzen sich an ihren Enden in die Längsfalten fort und umschreiben mit den von einander abgewrendeten Rändern zusammen etwa die Form eines Ovals. Sie liegen einerseits dem Keimflecke des Eichens, andererseits dem An- heftungsbande der Gebärmutter gegenüber; späterhin ver- wandeln sie sich, obschon nur zum grössten Theil, in die Placenta uterina, Diese so auffallende Wucherung des Parenchyms der Gebärmulter-Schleimhaut finden wir bei allen Thieren, bei welchen später eine Placenta sich entwickelt. Letztere Me- tamorphose zeigt sich jedoch erst dann, wenn der Embryo die nöthige Ausbildung zur Entwicklung einer Placenta foe- talis erreicht hat. , Vorher dient die Wucherung unter ein- facheren Entwickelungsverhältnissen des Embryo demselben Zwecke, nämlich den Embryo zu fixiren und die Ernährung zu erleichtern. Dieses geschiebt dadurch, dass die Wuche- rung der Schleimhaut entweder von allen Seiten kapselartig oder nur partiell an einer geeigneten Stelle das Eichen um- giebt, und den hervorkeimenden Zotten die mehr vertieften ' und reichlicher ernährten Einstülpungen des Epitheliums und der Schleimhaut zur Ausbreitung gestattet. Soll die Ernäh- rung und Fixirung des Embryo durch eine Placenta vor sich gehen, so wird stets ein Theil der Wucherung der Schleim- haut zur Bildung der Placenla uterina verwendet; die übrig gebliebene kleinere oder grössere Partie verkümmert allmäh- lig mit der Vergrösserung des Embryo. Dieser letzteren Er- scheinung verdanken die bezeichneten Wucherungen des Schleimhaut - Parenchyms, besonders bei den Thieren, wo sie in viel grösserer Ausbreitung vorhanden sind, als die 8 Metamorphose zur Placenta uterina erfordert, die Benennung „Membrana caduca, Decidua Hunteri ete., hinfällige Haut.‘ Die Embryologen, welche sich mit der Entwickelung der Säugethiere ausführlicher beschäftigt haben, waren in neue- rer Zeit besonders der Ansicht, däss die hinfälligen Häute durch ein plastisches, später sich organisirendes Exsudat auf der Oberfläche der Scheimhaut entständen. Nach vielfältigen Untersuchungen an den verschiedensten Säugethieren und auch an schwangeren Gebärmuttern des Menschen, muss ich mich mit Oken dahin aussprechen, dass die Deeidua in ihrer verschiedenen Ausbreitung und Form bei den verschiedenen Thieren nur die veränderte Schleimhautschieht des Uterus selbst ist, wie es beim Kaninchen beschrieben wurde. Von der Wahrheit dieser Behauptung können genauere Untersu- chungen der als hinfällige Häute bekannten Wucherungen uns leicht überzeugen. Das Gewebe derselben ist das der Schleimhautschicht überhaupt, und kann allein nur künstlich abgesondert oder getrennt werden. Auf der Oberfläche zei- gen sich. die öfters erweiterten Oeflnungen zu den Drüsen oder zu den drüsenartigen Einstülpungen, die sich in das Parenchym der hinfälligen Häute hinein ebenso verfolgen lassen, wie es an der unveränderten Schleimhaut der Fall ist. Sie nehmen die sich etwa entwickelnden Zotten des Embryo auf. Endlich finden wir auch das Epithelium ebenso über die hinfälligen Häute ausgebreitet, wie über die Ober- fläche der Schleimhaut. Nachdem ich meine Ansicht über die Entstehung und wesentliche Bedeutung der hinfälligen Haut ausgesprochen, sei es mir noch erlaubt, einige Mittheilungen über ihre Aus- breitung bei den verschiedenen Thieren und über die Ent- stehung der verschiedenen Formen der vera und reflexa hin- zuzufügen, Wo die prädominirende Wucherung der Schleimhaut, wie beim Kaninchen, nur auf einen kleinen Theil der Ge- bärmulterwandung beschränkt ist und das Eichen nur theil- 90 weise umgiebt, hat man diese Decidua (reflexa) partialis in ihrer Eigenthümlichkeit nicht weiter berücksichtigt und ohne Namen hingehen lassen. Erst dann, wenn die Wucherungen der Schleimhaut, obschon nur an der Lagerungsstätte des Eichens hervortretend, dennoch das ganze Eichen kapselartig umhüllen, spricht man von hinfälligen Häuten, so bei den Raubthieren, Insektenfressern u.s. w. — Die Entstehung einer solchen, das Eichen vollständig umhüllenden Decidua stufenvreise zu verfolgen, fehlte mir die Gelegenheit. Doch bin ich durch Untersuchungen an Meerschweinchen auf Re- sultate gekommen, welche uns eine auf Beobachtungen ge- stützte Vorstellung vor der Entstehung solcher hinfälliger Häute geben können. Das jüngste Meerschwein-Eichen, wel- ches ich zu diesem Zwecke untersuchte, war noch kleiner, als dasjenige, welches in der fünften Tafel dargestellt ist. Es konnte in der Grösse mit einem Kanincheneichen von 4% Tagen verglichen werden. Ausser der Umhüllungshaut waren keine weiteren Entwickelungsgebilde des Dotters vor- handen; die Zona pellucida war schon verschwunden. Diese Eichen lagen in der Gebärmutterhöhle, von einer noch mäs- sig dieken Deeidua vollständig umgeben. Von aussen war die Lagerungsstätte des Eichens an dem Kanale des Gebär- mutterhorns durch eine geringe Anschwellung bezeichnet. Man macht nun mittlere Längen- und Querdurchschnitte durch die angeschwollene Stelle hindurch in der Richtung der Längen- und Queraxe der Gebärmutter, und findet Fol- gendes: In der Mitte der Durchschnitte zeigt sich ein Theil der kleinen ovalen Höhle, in welcher das Eichen entweder zerstört oder glücklich erhalten gelagert ist. Die Höhle, welche von dem Eichen ganz ausgefüllt wird, ist, der Haupt- masse nach, von der Decidua kapselartig gebildet. Diese Kapsel setzt sich an der ringförmigen Berührungsstelle mit der Gebärmutterwandung unmittelbar und. kontinuirlich in das Parenchym der Schleimhaut fort, und ragt mit ihren seitlichen Theilen fast halbkugelförmig frei in die Höhle des 9 Uterus hinein, Das Gewebe der Decidua ist wesentlich ebenso beschaffen, wie das der Schleimhaut, nur, wie beim Kanin- chen, durch die Masse ausgezeichnet. Von der ringförmigen Berührungsstelle mit dem Uterus begeben sich von allen Sei- ten das Bindegewebe und die Gelässe von der Schleimhaut nach der Decidua hin. Was indessen die Identität beider Gefässe am anschaulichsten darlegt, ist die Ausbreitung des Epitheliums und der Drüschen. Das Epithelium des Uterus geht zunächst überall von den Wandungen der Gebärmutter auf die äussere, freie Fläche der Decidua und überzieht die- selbe vollständig. Ausserdem befindet sich ein vollkommen abgeschlossener Sack des Epitheliums an der innern Ober- fläche der hinfälligen Haut, kleidet die Höhle vollständig aus, und dient als Nahrung zuführendes Epithelium des Eichens. Das Epithelium der Schleimhaut geht nun bekanntlich in die Drüsengänge über. Durch diesen Umstand wird uns beim Meerschweinchen, wo die Oeffnungen zu den Drüsen sehr klein sind, ein anderes leichtes Mittel in die Hände ge- geben, die Anwesenheit der Drüschen selbst, mit der Loupe zu erkennen. Wird nämlich das Epithelium von der Schleim- haut behutsam abgezogen, so folgen gleichzeitig Theilchen desselben, welche sich in die Drüsen fortsetzen, und das abgezogene Stück erscheint auf jener, der Schleimhaut zu- gewandten Fläche, wie mit eylinderförmigen Zotten besetzt. In anderen Fällen werden zwar die dünnen, schlauchförmi- gen Fortsetzungen des Epitheliums etwas herausgezogen, doch reissen sie auch wohl an der Berührungsstelle mit dem auf der Fläche der Schleimhaut ausgebreiteten Epithelium ab}; und dann scheint wieder die Schleimhaut mit Zotten verse- hen zu sein. An Durchschnitten lassen sich hier die Ueber- gänge der Zotten in die pfropfenzieherartig gewundenen Drüschen-Kanäle sehr schön verfolgen. Diese Erscheinungen sind nun auch an der hinfälligen Haut vorhanden. Zieht man das Epithelium von der inneren oder äusseren freien Fläche ab, so zeigen sich die beschriebenen Zotten. Ausser- 92 halb stehen die Zotten am meisten auseinander und reihen sich an die etwa gleichzeitig künstlich gebildeten Zotten der umgebenden Schleimhaut oder des Epitheliums. An der in- neren Oberfläche der Deeidua wachsen später, gradüber einer Verbindungsstelle mit der übrigen Schleimhaut, die ersten Zoiten des Eichens in die erweiterten Eingänge der Drüs- chen hinein, und in der Folge bildet sich hier die Placenta. Schliesslich will ich noch bemerken, dass auch mit Hülfe des Mikroskops die Drüschen in dem Parenchym der Deei- dua vorgefunden werden. Ist nun durch diese Beobachtungen die Identität des Parenchyms der Schleimhaut und der Membrana caduca ge- sichert, so ist für die Vorstellung von der Entstehung der hinfälligen’Haut der Umstand wichtig, dass, nach dem Epi- - thelium und den Drüschen zu urtheilen, nothwendig zwei Oberflächen der Schleimhaut an der Kapsel der Deeidua ge- geben sind. Eine solche, vom Epithelium ausgekleidete Ober- fläche bietet die Decidua von allen Seiten dem Eichen dar; die andere befindet sich am äusseren Umfange der hinfälligen Haut, an den beiden, frei in die Höhle des Uterus hineinra- genden Theilen. Zwischen diesen letzteren liegt der gürtel- förmige Ring, durch welchen das Parenehym der Schleim- haut mit der Decidua kontinuirlich zusammenhängt. Nach diesem Befunde lässt sich die Entstehung der Decidua nun in folgender Weise vorstellen: Das Eichen des Meerschwein- chen gelangt in den Uterus. Hier treten dann, wie beim Kaninchen, an der Lagerungsstätte des Eichens in dem Par- enchym der Schleimhaut jene plastischen Wucherungen ein, beschränken sich jedoch nicht auf eine Seite der Gebärmut- terwandung, sondern ziehen sich um das ganze Eichen herum in Form eines Gürtels. In Folge dessen erhebt sich die be- treffende Partie der Schleimhaut mit dem Epithelium, drängt gegen das Eichen an und umschliesst letzteres ringförmig. In der Mitte nur durch das Eichen im Fortschreiten ge- hemmt, geht die Wucherung des Gürtels seitlich weiter, er- 93 reicht sich von allen Seiten und verwächst zu einer kreis- förmigen Scheibe, nachdem das Epithelium durchbrochen worden, In der Mitte dieser Scheibe, welche nun die De- eidua vorstellt und wie eine Scheidewand die Höhle des Uterus durchdringt, wird der, dem Eichen unmittelbar an- liegende Theil des Epitheliums, mit der betreffenden Schleim- hautoberfläche zu einer abgesonderten kleineren Höhle der Gebärmutter, zu einem Nestchen,. abgeschlossen. Hier liegt das Eichen zunächst umgeben von dem getrennten Stücke des Epitheliums, das zu einem vollkommen geschlossenen Sacke verwächst. Auch ausserhalb verwächst das durch- brochene Epithelium und steht natürlich in unmittelbarer Communication mit dem Epithelium der unbetheiligten Ute- ruswandung. Mit der Vergrösserung des Eichens erweitert sich auch die Deeidua, und die ursprüngliche hohle Scheibe wird allmählig durch überwiegende seitliche Ausdehnung zu einem mehr rundlichen, diekwandigen Sacke verwandelt, an welchem jedoch zu allen Zeiten die ursprüngliche gürtelför- mige Verbindung mit dem Parenchym der Schleimhaut zu erkennen ist. Vergleicht man die Deeidua der Raubthiere, Insekten- fresser, des Meerschweinchens u. s. w. mit den hinfälligen Häuten des Menschen, so kann nur das festgesetzte Verhält- niss zum Eichen und zum Embryo entscheiden. Hiernach ist die Decidua der genannten Thiere die Decidua reflexa des Menschen; bei beiden ist sie diejenige Partie der wu- chernden Schleimhaut, welche das Eichen nestartig umhüllt, auf diese Weise fixirt, die Zotten aufnimmt, und die Ernäh- rung erleichtert und begünstigt. Auch kann man sich die Entstehung der Decidua reflexa beim Menschen nach dem, was ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, sehr gut in der Weise vorstellen, wie beim Meerschweinchen, — Der freie Theil der Schleimhaut nimmt bei allen Säugethieren an der Wucherung zur Bildung der Reflexa in der Gegend der La- gerungsstätte des Eichens mehr oder weniger Antheil. Die 94 dadurch hervorgerufene Verdickung der freien Schleimhaut- schicht gleicht sich bei der Ausdehnung der Gebärmutter- wandungen wieder aus. Bei dem Menschen ist diese Ver- dickung am auffallendsten, und demgemäss auch die eintre- tende Verdünnung. Auf diese Weise und weil das ganze Verhalten der Gebärmutterhöhle gewissermaassen dazu auf- fordert, hat sich die Verdickung der freiliegenden Schleim- hautschicht das Vorrecht der besonderen Benennung „‚Deei- dua vera“ erworben. Sie verhält sich jedoch wesentlich nicht anders, als bei den genannten Säugethieren, und ist in Rücksicht auf die funktionelle Bedeutung für das Eichen und den Embryo mit der Decidua reflexa auf keine Weise zusammenzustellen, In Betreff der Gebärmutter bemerken wir in dieser Zeit zunächst eine Steigerung derjenigen Veränderungen, welche wir in dem dritten Entwickelungs - Abschnitte ausführlicher beschrieben haben. Die Lage des Embryo wird am unver- sehrten Uterus durch eine noch stärker hervortretende Auf- treibung an jener, dem Anheftungsbande gegenüberstehenden Wandung markirt; auch die sichtbaren Gefässstämme haben sich vermehrt. Oeffnet man die Gebärmutter, so findet man die beiden Hügel, auf welchen jetzt der Fruchthof mit sei- ner nächsten Umgebung ruht, nach allen Dimensionen hin vergrössert, doch so, dass die ovale Forın dieser Decidua parlialis erhalten bleibt, und nach wie vor von der, beide Hügel trennenden Längsfurche durchschnitten wird. Auf der Oberfläche der beiden Hügel erscheint ausserdem eine rothe Färbung, und diese nimmt gegen Ende des neunten Tages eine bestimmte, eiwa halbkreisförmige oder auch einen grös- seren Kreisabschnilt bildende Begrenzung an. Die Färbung, welche durch die vermehrten Blutgefässe hervorgerufen wird, hält ungefähr die Mitte der Oberfläche eines jeden Hügels, berührt mit dem Durchmesser oder mit der Sehne eines 95 grösseren Kreisabschnittes die Längsfurche, derselben parallel verlaufend, und wendet die Peripherie nach dem halboyvalen Rande eines jeden Hügels hin, ohne letzteren Rand zu er- reichen. Die rothen Flecke beider Hügel umschreiben daher zusammen einen Kreis oder die Contoure eines Bisquits. - Nähere Untersuchungen überzeugen uns, dass die beschrie- benen Veränderungen nur von den Blutgefässen der Deeidua partialis selbst abhängen, und dass das Epithelium, wie frü- her, gefässlos darüber hinwegzieht. Auch sind hier die drü- senartigen Einstülpungen deutlich zu erkennen, nur durch die starke Verdickung der Schleimhautschicht mehr vertieft, etwas verengt und von reichlichen Blutgefässnetzen umstrickt. Das Parenchym der Decidua ist in seinem histologischen Charakter gleichfalls nicht weiter verändert und nur in der Masse vermehrt. Zu den wesentlicheren Veränderungen des Uterus in der vorliegenden Entwickelungsperiode gehört noch eine bemerkbare Verdiekung der Schleimhautschicht in der durch den Embryo aufgetriebenen Wandung gegenüber der Deeidua. Hier war früher die ganze Wandung vielmehr ver- dünnt, und die drüsenarligen Einstülpungen erweitert und auseinandergezogen. Gegenwärtig, nach dem Hinschwinden der Zona pellucida, wird an dieser Stelle des Parenchyms die Schleimhautschicht dicker; es erscheint ein reichlicheres Blulgefässnetz, als an den freien Theilen der Schleimhaut, und die drüsenartigen Einstülpungen nehmen etwas an Tiefe zu. Was zunächst die Form der Gebärmutter an der Lage- rungsslälte des Embryo betrifft, so erleidet sie theils durch die ausserordentliche Verdickung der Decidua, theils durch die Formverwandlung des Sackes der Umhüllungshaut eine auffallende Abänderung. Während nämlich der Theil der Gebärmulterwandung, an welchem sich das Anheftungsband befindet, mehr und mehr nach Aussen hervortritt, gleicht 96 sich auf der entgegengesetzten Seite die halbkugelförmige Auftreibung wieder aus, und vertheilt sich allmählig auf die Umgebungen. Von den einzelnen Schichten der Uteruswan- dung brauchen wir nur die Gegend der Schleimhautschicht näher zu würdigen, wo sich die Deeidua partialis entwickelt hatle. Diese Decidua partialis nimmt gegenwärtig noch an Umfang, besonders aber an Dicke zu, wobei der histolo- gische Charakter sich nur in sofern ändert, als die Bildung von neuen Bindegewebfäden sehr auffällig wird. Ihre wich- tigste Stelle ist indessen ungefähr in der Mitte, wo die über- wiegende Gefässbildung in der vergangenen Periode eine etwa kreisförmige oder bisquitförmige, zuweilen selbst eine ganz unregelmässige, röthliche Abzeichnung hervorgerufen hatte, welche gemeinhin von einer Längsfurche durchschnit- ten wird. Hier sind bereits in die von dem Epithelium überzogenen Einstülpungen der Schleimhautschicht die Zot- ten der Umhüllungshaut hineingedrungen, und in gegen wär- tiger Periode folgen denselben die Zotien des gefässreichen peripherischen Stratum intermedium (Area vasculosa) und später, indem’ jene verdrängt werden, die der Allantoide nach. Die geröthete Stelle der Deeidua bleibt aber bei die- sen Vorgängen nicht passiv; sie wuchert vielmehr, nament- lich bei Annäherung der Allantoide, unter einer enormen Vermehrung ihrer Gefässe über das Niveau der Decidua her- vor, und tritt gewissermaassen zur Aufnahme der gefässrei- chen Zotten dem Embryo entgegen. Oeffnet man daher die Gebärmutter und betrachtet die innere Oberfläche, so sieht man am zwölften Tage der Entwickelung ebenso zwei platte, durch ihren Gefässreichthum sich auszeichnende Hügel auf der Decidua sich erheben, wie dieses ursprünglich mit der Deeidua, im Verhältniss zur übrigen Schleimhautschicht, selbst der Fall war. Die beiden platten, gerötheten Hügel auf der Mitte der Decidua haben die Umgrenzung der ihnen vorangehenden rothen Flecke, sind auch von derselben Längs- furche geschieden und stellen einen Theil der Grundlage der 97 beim Kaninchen zweitheiligen Placenta uterina vor. In der gegenwärtigen Entwivkelungsperiode ist man nach einer 24stündigen Mazeration noch im Stande, die Zotten der Al- lantoide (Placenta foetalis) aus der Placenta uterina heraus- zuziehen, und da zeigen die beiden gerötheten Hügel eine von feinen Falten durchkreuzte Oberfläche, welche sogar et- was Zottenartiges an sich hat. Zwischen den Falten befin- den sich die Vertiefungen, aus welchen die Zoiten heraus- gezogen wurden, und die den ursprünglichen, drüsenartigen Einstülpungen der Schleimhautschicht entsprechen. Die Fal- ten verirelen daher die Wandungen der genannten Einstül- pungen und verdanken ihre besondere Ausprägung dem Her- vorwachsen zur Aufnahme der Zoiten. Die Einstülpungen verlängern sich natürlich noch in das Parenchym der Deei- Jua selbst hinein, wovon man sich bei der beginnenden Ent- wiekelung der beiden rothen Hügel deutlich überzeugen kann, Später ist hier das Gewebe so dicht und durch Gefässver- Nlechtungen complizirt, dass man das Ende der Einstülpungen nicht verfolgen kann. Ueber die Falten und die zwischen ihnen gelegenen Einstülpungen ist nach wie vor das Epithe- lium der Gebärmutter mit seinen immer leicht wieder zu er- kennenden Zellen ausgebreitet. Beim Hunde ist es dieses Epithelium, welches in den Umgebungen der Placenta durch Ablagerung eines Pigments innerhalb der Zotten eine gelb- gräuliche Färbung annimmt. An Durchschnitten unterrichtet man sich von dem Ver- halten des Parenchyms der Decidua zu den, über sie her- vorwuchernden platten Hügeln. Das Parenchym der Deci- dua zeigt sich dann als eine fester gewebte Basis, auf wel- cher das lockere und der Dicke nach gestreifte Gewebe der beiden Hügel ruht.. Die Streifaung wird durch die hier deut- licher zu Tage tretenden Scheidewände und ausgedehnten Lücken der Einstülpungen hervorgerufen. Im Uebrigen geht das Parenchym, nur lockerer werdend, von der Deeidua un- millelbar in die Scheidewände oder Falten der Hügel über. Müllers Archiv. 1848, 7 98 Auch durch das Mikroskop ist dieser Uebergang deutlich nachweisbar, und man überzeugt sich zugleich, dass in bei- den Theilen dieselben histologischen Elemente vorkommen, welches wir in den früheren Entwickelungs- Abschnitten be- reits kennen gelernt haben. Nur ist das Bindegewebe viel- mehr in der Deeidua entwickelt und vorherrschend, als in den genannten Hügeln. Bemerkenswerth ist der Verlauf der Gefässe. Diese bilden, nachdem sie bis in die Nähe der Hü- gel vorgedrungen sind, einen ausgebreiteten Plexus, aus wel- chen dann feinere und dünnere Gefässe hervortreten und sich in das Kapillargefässnetz der beiden Hügel verzweigen. Das Blut, welches durch die Ernährung des Epitheliums den Embryo ernährt, hat demnach in dieser Gegend der Gebär- mutterwandung drei Gefäss-Plexus durchzumachen,, in Folge dessen sein Lauf ausserordentlich verlangsamt werden muss. Der eine Plexus befindet sich zwischen den beiden Muskel- schichten; der zweite, unbedeutendere, zwischen Muskel und Schleimhautschicht, und der dritte in der Decidua, auf der Uebergangsstelle zu den beiden Hügeln. Dieser letztere Ge- fäss-Plexus entwickelt sich späterhin in einem ausserordent- lichen Grade, besonders durch Erweiterung der Gefässstämme in ihrem Durchmesser. Wenn man eine Placenta am 13ten oder 14ten Tage der Entwickelung durchschneidet, so sieht man in der Gegend des Gefässplexus förmliche Zellen und Höhlen vor sich, welche zu den durchschnittenen Gefässen führen. Zuweilen konnte ich keinen Ausgang aus den Zellen vorfinden. Dennoch sind solche abgeschlossene Höhlen sehr gewöhnlich mit Blutgerinsel angefüllt, dessen Vorhandensein nur dadurch zu erklären war, dass die Höhle mit einem Ge- fässstamme in offener Communication stehen musste. Die Deeidua mit ihren beiden, auf ihrer Oberfläche sich erhebenden Hügeln stellt die Grundlage der Placenta uterina vor. Die äussere Gestalt der letzteren ist gegenwärtig noch in manchen Beziehungen von späteren Zuständen verschie- den. Diese Verschiedenheiten werden dadurch bedingt, dass 39 die beiden platten Hügel sich vorherrschend entwickeln, da die Nothwendigkeit, die Berührungsflächen zwischen Multer und Frucht, Behufs der Ernährung zu erweitern, vorhanden ist, Gleichzeitig schwindet auch bei der grösseren Ausdeh- nung des Embryo die überflüssige Partie der Decidua, und es erhält sich nur der kleinere Theil, in welchem die Ge- fässplexus liegen, und der nach wie vor die Basis zur Pla- centa uterina bildet. Noch später wird eine Gestaltverände- rung dadurch bewirkt, dass die genannte Basis für die Entfernung aus der Gebärmutter bei der Geburt sich von der übrigen Schleimhautschicht zu isoliren anfängt und zu- letzt nur durch einzelne Gefässstämme die Verbindung mit dem Uterus unterhält. Das Wesentliche in der Struktur der Placenta ulerina verbleibt durch alle Zustände und besteht darin, dass auf einer Basis, in welcher sich die Gefässe der Schleimhautschicht plexusartig verflechten und ihren Durch- messer erweitern, der andere gestreifte Theil ruht, welcher in seine drüsenartigen Vertiefungen die gelässreichen Zotten des Embryo (Allantois — Placenta foetalis) aufnimmt und zu welchem aus dem Plexus der Basis die feineren Gefässe zur kapillaren Verzweigung hineindringen. Diese Einrich- tungen dienen dazu, die Ernährung des Embryo mit gleich- zeitiger Fixirung durch einen Apparat zu unterhalten, in welchem, auf einen kleinen Raum concentrirt, die nölhigen Berührungsflächen bei der materiellen Wechselwirkung zwi- schen Embryo und Gebärmutter, und die dazu nothwendige Retardirung des Blutlaufs gegeben sind. Hierbei ist jedoch nicht zu vergessen, dass die Ernährung des Embryo durch das sogenannte Epithelium der Gebärmutter vermittelt wird, dass letztere die Nahrungsstoffe von den Gefässen der Mut- ter aufnimmt und dem Embryo verabreicht. — Der Entste- stehung nach muss die Placenta uterina als eine Metamor- phose der Decidua angesehen werden. Ihre Grundlage ist demnach ursprünglich die Schleimhautschicht des Uterus, welche auch nach dieser lokalen Verwandlung, rücksichtlich 7#* 100 ihres histologischen Charakters und der drüsenartigen Ein- stülpungen, sich nicht wesentlich verändert hat, und nach wie vor als das, nur zu einem besonderen Zweck umgestal- tete, ernährende Substrat des Epitheliums der Gebärmutter betrachtet werden darf. Zoe ah z Von den späterhin von mir gemachten Beobachtungen mag es erlaubt sein, Einiges zur Erweiterung des oben Mit- getheilten hinzuzufügen. Meine Darstellung von der wahrscheinlichen Entste- hungsweise der Deeidua beim Meerschweinchen, die nach ihrer Lage um den Embryo mit der Deecidua reilexa beim Menschen übereinstimmt, hat sich mir bei späteren Unter- suchungen als richtig erwiesen. Bei Ratten und Mäusen nämlich, die sich in Betrefl der Decidua ganz so, wie die Meerschweinchen verhalten, habe ich so junge Zustände zu beobachten Gelegenheit gehabt, dass darüber nicht mehr ge- zweifelt werden konnte. Die Anschwellung der Schleimhaut des Uterus tritt hier ursprünglich in derselben Weise auf, wie die gürtelförmige Placenta bei den Fleischfressern (Hun- den, Katzen), die Kapsel der Decidua ist daher anfangs zu beiden Seiten, nach der Höhle des Uterus hin, offen. Spä- ter schliesst sie sich durch Verwachsen der um das Eichen herum wuchernden Randpartlieen des Gürtels. An Präparaten ferner, die mein Kollege Dr. U. P. Wal- ter und Dr. Virchow aus Berlin mir zur Benutzung über- gaben, überzeugte ich mich ferner, dass beim Menschen die Einkapselung des Eichens nur von einem kleinen Theile der Gebärmutterschleimhaut an der vorderen oder hinteren Wand des Uterus ausgeht. Wahrscheinlich wird die wuchernde Schleimhaut anfangs wie ein Wall das Eichen umgeben, be- vor sie um das leiztere herum zu einer vollkommenen Kapsel 101 verschmilzt. Wird das Eichen bei seinem Eintritt in die Gebärmutterhöhle in eine Ecke oder in einen Winkel ge- schoben, so wäre es möglich, dass sich beide Wände der Gebärmutter bei der Bildung der Decidua reflexa betheiligen, Dagegen möchte ich bezweifeln, dass beim Menschen, wie bei den oben genannten Nagern, die Verdickung der Schleim- haut gürtelförmig um das Lumen der Gebärmutterhöhle herum vorkäme. Es wird begreiflich, wie beim Menschen in Folge des bezeichneten Auftretens der Decidua reflexa nur an einer Seite, gewöhnlich hoch oben am Grunde der Gebärmutter, bei der weiteren Vergrösserung derselben und dem Vordrin- gen zum Muttermunde hin, das täuschende Bild einer Her- vorstülpung zu Tage treten konnte. Endlich füge ich noch hinzu, dass ich gleichfalls aus den sehr schönen Präparaten des Dr. Walter ersah, dass die unter dem Namen der Decidua serotina bekannte Bil- dungsmasse des Menschen nichts Anderes ist, als die bei be- ginnender Bildung der Placenta uterina erfolgende neue Wu- cherung der Gebärmutterschleimhaut an derjenigen Stelle der Deeidua reflexa, wo sie zunächst mit der Scheimhaut des Uterus in Verbindung steht; ganz so, wie es beim Meer- schweinchen und dem Kaninchen beschrieben wurde. Die Deecidua serotina ist also der für die Bildung der Placenta uterina von Neuem stärker hervorwuchernde Theil der De- eidua reflexa. Zur Anatomie der Niere Von Dr. GerzacHh in Mainz. Hierzu Tafel I. Fig 4 5. Dem Erscheinen meiner ertten Arbeit über die Struktur der Niere, im 4ten Hefte des Jahrgangs 1845 dieses Archivs, sind nicht weniger als sechs Abhandlungen über denselben Ge- genstand gefolgt, ein Beweis, für wie wichtig mehrere dort zur Sprache gebrachte Punkte nicht nur in anatomischer Be- ziehung, sondern auch vom mehr allgemein physiologischen Standpunkte aus, gehalten worden sind. Dieses möge ent- schuldigen, dass ich noch ein Mal auf die Strukturlehre der Niere zurückkomme, und zwar um so mehr, da über eine Hauptfrage: ob nämlich die von Bowman entdeckte Kom- munikation zwischen Harnkanälchen und Müller’schen Kap- seln existiren oder nicht, die Ansichten getheilter, denn je sind. Für die Kommunikation erklärte sich gleich im folgen- den Hefte dieses Archivs Kölliker '), und zwar ganz in der Weise, wie dieselbe von Bowman beschrieben wor- 1) Ueber Flimmerbewegungen in den Primordialnieren, von A. Kölliker. Dieses Archiv, Jahrg. 1845, pag. 518. 103 den ist. Ferner Bidder in seiner ersten Abhandlung '), jedoch mit der Reserve, dass er eine Einstülpung der die Müller’sche Kapsel bildenden Membran um die Malpighi’- schen Gefässkörper annimmt, wovon derselbe aber in seiner gleich näher zu besprechenden zweiten Arbeit wieder zurück- kommt. Ebenso spricht für die Kommunikation Mandl); derselbe nimmt eigenthümliche Exkretionskanäle der Kapsel an und will diese von den Harnkanälchen unterschieden wissen. Aber bei Jedem, der sich ernstlich mit der Nieren- struktur beschäftigt hat, verlieren Mandl’s Angaben jede Bedeutung, wenn er in einem folgenden Passus die leeren Gefässe des Malpighi’sche Gefässkörpers für Drüsengänge hält und sagt, dass Injektionen unternommen, um aufzuklä- ren, ob diese Kanäle dem Gefässkörper angehörten oder eigene Drüsenschläuche seien, noch kein positives Resultat geliefert hätten, während doch die einfachste Injektion von der Nierenarterie aus hinreicht, überzeugend darzuthun, dass von Drüsenkanälen innerhalb der Kapsel keine Rede sein kann. Die von mir zuerst beschriebenen, den Malpighi'- schen Gefässkörper umhüllenden Zellen nimmt er, als im Innern der angeblichen Drüsenkanäle liegend, an und will auf diese Weise eine vollständige Analogie der Malpighi’- schen Körper mit den anderen Drüsen hergestellt haben, da er glaubt, in denselben die drei, den Drüsen wesentlichen Elemente: Drüsenkanäle, in denselben liegende Zellen und Ausführungsgänge, nachgewiesen zu haben. In Paris, wo man mit dem Mikroskop im Allgemeinen weniger arbeitet, mag eine so überraschende Analogie für einige Zeit ein ge- wisses Aufsehen erregen, für deutsche Anatomen ist dieselbe aber doch etwas zu rund. 1) Ueber die Malpighi'schen Körper der Niere, von F. Bidder, Dieses Archiv, Jahrg. 1845, pag. 508, 2) Louis Mandl, Memoire sur la structure intime des Organes urinaires. Archives d’anatomie generale, pag. 284., und Anatomie-mi- eroscopique, I6me livraison, Organes urinaires. 104 - Vollständig den Bowman'schen Angaben schliesst sich auch Patruban!) an, nach Untersuchungen an Coluber natrix und am Menschen. Gegen jede Kommunikation erklärte sich Hyrtl?) ge- stützt sowohl auf zahlreiche Injektionen, als auf die Resul- tate, welche die Unterbindung des Ureters liefert, nach wel- cher eine bedeutende Erweiterung der Harnkanälchen, durch- aus aber keine Veränderung in den Kapseln sich zeigen soll. Dieser Ausspruch Hyrtl’s hat um so mehr Gewicht, da derselbe gewiss mit Recht für den grössten Meister in der Technik der Injektion gehalten wird und da er ferner an- führt, dass er über eine Summe von nahe 100 mikroskopi- schen Präparaten verfüge, von denen jedes einen vollwich- ligen Gegenbeweis der neuen Lehre liefere. Nach Untersuchungen an nackten Amphibien, vorzüglich an Tritonen, ist Bidder in seiner neueren Arbeit?) zu dem Resultate gekommen, dass es allerdings Ervwveiterungen der Harnkanälchen giebt, welche er mit den Kapseln identifizirt, dass aber die Malpighi’schen Ge/ässkörper nicht innerhalb dieser Erweiterungen liegen, sondern neben denselben und damit nur durch Bindegewebe verbunden sind. Bidder nimmt also, bezüglich der Komniunikationsfrage, eine ganz eigenthümliche Stellung ein, da er die schon seit längerer Zeit von Joh. Müller aufgefundene Thatsache der Umhül- lung der Malpighi’schen Gefässkörper von einer Kapsel für die nackten Amphibien wieder in Abrede stellt. In Folgendem werde ich versuchen, die Beweise für 1) Beiträge zur Anatomie der menschlichen Niere , von Professor v. Patruban. Aöter Bd. der Prager Vierteljahrsschrift, p. 87. 2) Beiträge zur Physiologie der Harnsekreiion, von Prof. Hyrtl, im zweiten Bande der Zeitschrift der Gesellschaft der Aerzte zu Wien, p- 381. 3) Vergleichend - anatomische und histologische Untersuchungen über die männlichen Geschlechts- und Harnwerkzeuge der nackten Amphibien, von Dr. F. I Bidder, Prof. der Physiologie in Dorpat. 105 _ meine Ansicht, dass der Zusammenhang zwischen Harnka- nälchen und Kapseln wirklich existire, zu liefern und will dieselben in vier Punkten zusammenfassen. 1. Durch Injektion, vom Harnleiter aus, ist es mir in einzelnen Fällen gelungen, die Kapseln mit Injektionsmasse zu füllen, und zwar drei Mal beim Schafe, zwei Mal beim Frosch und ein Mal beim Pferde. Ich habe mehr als drei- hundert Nieren der verschiedensten Thiere vom Ureter aus zu injizivren versucht und unter diesen vielen Versuchen nur sechs Mal befriedigende Resultate erhalten, gewiss der grösste Beweis der Schwierigkeit dieses Unternehmens. Den Grund, warum Hyrtl diese Injektion nie gelang, glaube ich in der Zusammensetzung seiner Masse suchen zu müssen, welche, wie er im Laufe seiner Abhandlung anführt, ölige und har- zige Bestandtheile enthält. Meiner Ansicht nach, können hier nur Gelatinemassen zu irgend welchem Resultate füh- ren. Bowman selbst, welcher mir bei meiner Anwesenheit in London alle seine Injektionspräparate zeigle, hatte keine einzige, vom Harnleiter aus injizirte Kapsel aufzuweisen; alle seine Injektionen waren von der Arterie aus instituirt. Doch sind seine Präparate, vorzüglich die der Schlangennieren, sehr überzeugend für die Realität der Kommunikation. Prof. Schröder van der Kolk zeigte mir aber in seinem, in so vieler Beziehung instruktiven Museum die Niere eines Kro- kodils, welche vom Harnleiter aus injizirt war. Bei diesen Thieren sind Harnkanälchen, wie Kapseln, ausserordentlich gross, und es liessen sich schon mit freiem Auge die gefüll- ten Kapseln erkennen. Da eine in dieser Angelegenheit so gewichtige Autori- tät, wie Hyrtl die Injektion der Kapseln vom Ureter aus für unmöglich erklärt, so glaube ich, bezüglich meiner Prä- parate noch folgendes anführen zu müssen: Injizirte Kapseln der Schafniere, wie ich sie in meiner früheren Arbeit abbil- dete, haben ausser meinen zahlreichen Freunden in Paris sowohl der jetzige Professor C. Vogt, wie Dr. Pappen- 106 heim gesehen uud haben sich hierbei von der Richtigkeit meiner Angaben überzeugt. Mein geehrter Freund Vogt hat sogar auf Anregung von Milne Edwards in der Soeicte philomatique einen Vortrag über die fraglichen Punkte für mich, der ich der französischen,Sprache noch nicht so mäch- tig war, um vor einer so ausgezeichneten Versammlung zu reden, gehalten. Die von mir angewandte Injektionsmasse bietet den Vortheil, dass die damit gefertigten Präparate sich viel bes- “ ser ausnehmen, wenn sie bei durchfallendem Lichte unter- sucht werden, womit auch der Einwand von Hyrtl hin- wegfällt, dass zufällige, seitliche Extravasationen der Masse für injizirte Kapseln genommen worden wären; es ist bei meinen Präparaten möglich, den Uebergang der strukturlosen Haut der Harnkanälchen zu verfolgen, da dieselben nicht ge- trocknet, sondern zwischen zwei Glasplättehen in mit etwas Weingeist versetztem Wasser aufbewahrt werden. Als mir im Verlaufe dieses Sommers die Injektion der Kapseln einer Froschniere vom Ureter aus vollständig gelang, eilte ich mit meinen Präparaten nach Heidelberg, um dieselben dem in dieser Angelegenheit kompetenten Prof. Henle zu zeigen. Derselbe überzeugte sich auf das Unzweifelhafteste von der Kommunikation und sprach sein Bedauern darüber aus, dass er seinen Bericht über die Leistungen der allgemeinen Ana- tomie des Jahres 1846 schon fortgeschickt habe, worin er sich, Hyrtl und Bidder folgend, gegen den Zusammenhang der Kapseln mit den Harnkanälchen ausgesprochen habe. Was die Art der Kommunikation betrifft, so habe ich mich in meiner früheren Arbeit für die seitliche Anheftung der Kapseln an die Harnkanälchen erklärt. Dieses hat für das Schaf und auch für das Pferd seine vollkommene Rich- tigkeit, wie ich mich später wiederholt überzeugt habe; doch ist beim Pferde der sogenannte Hals der Kapsel länger, als beim Schafe. Bei Fröschen ist dagegen die Kommunikation der Kapseln mit den Harnkanälchen mehr eine terminale; 107 jedoch ist dieses nicht absolut zu verstehen, sondern man kann sich auch in der Weise ausdrücken, dass der Hals, worunter man dann freilich nicht allein den ganz kleinen, vor der Kapsel etwas eingeschnürten Theil des Harnkanäl- chens verstehen darf, um Vieles länger, als beim Pferde und namentlich beim Schafe ist. Mit Hals würde man dann den Theil des Harnkanälchens, welcher zwischen der letzten di- ‘ ehotomischen Theilung und der Kapsel liegt, bezeichnen. 2. Jedem, der sich mit Injektionen beschäftigt hat, ist es bekannt, mit welcher Leichtigkeit sich, bei der Injektion von der Arterie aus, die Harnkanälchen mit: Masse füllen, ein Umstand, welcher manchen Anatomen, wie noch in neuester Zeit Berres, verleitet hat, einen direkten Zusam- menhang zwischen Blutgefässen und Harnkanälchen anzu- nehmen. Diese Thatsache lässt sich einfach nur durch die direkte Kommunikation zwischen Kapseln und Harnkanälchen erklären, indem der Injektionsmasse, wenn sie durch Zer- reissung einer Stelle des Malpighi’schen Gefässkörpers aus- getreten ist, kein anderer Weg, als der in die Harnkanäl- chen übrig bleibt. Nimmt man keine Kommunikation an, so ist durchaus nicht einzusehen, wie die Masse in die Harnkanälchen gelangen kann; sie kann höchstens ausser der Wandung des Gefässkörpers noch die Kapsel zerreissen und dann sich zwischen die Harnkanälchen ergiessen, Aber auch die nähere Untersuchung solcher Präparate, welche, von der Arterie aus injieirt, eine Füllung der Harnkanälchen zei- gen, ergiebt, dass die arteriellen Gefässe mit den Harnkanäl- chen durchaus keinen anderen Zusammenhang haben, als durch den Malpighi’schen Gefässkörper; hier nur ist die Stelle der Extravasation zu finden, welche ihre nächste Veranlas- sung in der durch die vielen Windungen bedingten Hemmung des gleichmässigen Vorrückens der Injektionsmasse findet. Durch diese Leichtigkeit der Extravasation im Malpighi’- schen Gefässkörper ist die Injektion von der Arterie aus die bequemste Weise, sich injizirte Harnkanälchen zu verschaf- 108 fen, und fast alle Präparate ın der reichhaltigen Sammlung von Bowman, welcher sich durch seine Stellung in den Besitz der meisten Thiernieren setzen konnte, sind auf diese Weise angefertigt. 3. Für die Kommunikation sprechen die Thatsachen der vergleichenden Anatomie, wie diese Joh. Müller im Schlusse der vergleichenden Anatomie der Myxinoiden so schön erörtert hat. Ich muss gestehen, dass ich mir nicht recht erklären kann, welchen Werth die vergleichende Anatomie haben soll, wenn sie uns nicht durch Vergleichen des einfacheren Baues niederer Thiere Aufschlüsse über den komplizirteren höheren giebt. Gerade in dieser Beziehung aber sind die niedersten Wirbelthiere (Myxinoiden) von so hohem Interesse und bei ihnen sind auch die Nieren gewiss nach dem einfachsten Typus angelegt. Warum will man aber in höheren Thieren das bestreiten, was bei niederen so offen daliegt; blos des- wegen, weil bei den höheren Thieren die Verhältnisse kom- plizirter sind und sich der Untersuchung mehr oder weniger entziehen? 4. Die Kommunikation zwischen Kapsel und Harnka- nälchen involvirt keine physiologische Unmöglichkeit, wie dieses Bidder und namentlich Reichert behaupten. Man mag die Drüsen als blosse Filtrirapparate ansehen, oder den Grund der Sekretion in der metabolischen Kraft der Drüsen- zellen suchen, immer werden das wesentliche Element den Drüsen die Drüsenzellen sein, welche nach der einen An- sicht der Filtration, nach der anderen die Umwandlung vermitteln. Zellen, welche sich von der Kapselwand aus auf den Malpighi’schen Gefässkörper fortsetzen und denselben ein- - hüllen, sind aber schon in meiner ersten Arbeit nachgewie- sen und seitdem durch Kölliker und Hyrtl bestätigt wor- den. Bidder, welcher die Gegenwart dieser Zellen leugnet, wirft zwar Kölliker und mir vor, dass wir durch Wasser veränderte. Blutkörper für Drüsenzellen genommen hätten; 109 allein ich muss diese Zumuthung entschieden zurückweisen; eine mehr als sechsjährige, tägliche Beschäftigung mit dem Mikroskop wird hoffentlich doch so viel Sicherheit geben, um Drüsenzellen von Blutkörperchen unterscheiden zu kön- nen. Ausserdem bemerkt man in der Regel auf den Mal- pighi’schen Gefässkörpern mehr Kerne, als eigentlich fer- tige Zellen, und mit Ausnahme der Tritonen wüsste ich kein Thier, welches Blutkörper mit so kolossalen Kernen hätte, dass damit eine Verwechslung mit Kernen von Drü- senzellen denkbar wäre. Diese Zellen senken sich in die verschiedenen Vertiefungen, welche der Malpighi’sche Ge- fässkörper durch seine Windungen darbietet, ein und umge- ben denselben so vollständig, dass er nichts weniger, als nackt im Innern der Kapsel liegt. Demnach ist dieses durch- aus keine direkte Verbindung eines Drüsenkanals mit einem Blutgelässe, sondern zwischen der Wand des Blutgefässes und dem Innern der Kapsel liegen die wesentlichsten Ele- mente einer Drüse, die Zellen. Mit demselben Rechte müssten Bidder und Reichert die Ansicht, welche Henle über den Bau der Leber in sei- ner allgemeinen Anatomie aufstellt, für eine physiologische Unmöglichkeit erklären; denn dort heisst es: ‚man denke sich das Parenchym der Leber als eine kompakte, von Ge- fässen durchzogene Masse von Zellen, welche nur auseinan- derweichen, um eylindrische Hohlräume frei zu lassen, in welchen das Exkret sich sammelt.“ Es ist hier klar ausge- sprochen, dass die Drüsenzellen durch keine eigentliche Drü- senmembran von der Wand der Blutgefässe getrennt sind, und doch ist es, so viel mir bekannt, noch Niemand einge- fallen, darin eine physiologische Unmöglichkeit, einen Wi- derspruch gegen alle bekannten Gesetze der Organisation zu finden. — Ich glaube, dass auch hier der Ort sein dürfte, die Unrichtigkeit der Bidder’schen Ansicht nachzuweisen, nach welcher die Malpighi’schen Gefässkörper nicht inner- halb der Kapsel, sondern ausserhalb derselben und nur. durch 110 Bindegewebe mit ihr verbunden gelegen sein sollen. Schon abgesehen davon, dass nach dieser Anschauungsweise es durchaus nicht einzusehen ist, warum denn immer ein Ge- fässkörper durch Bindegewebe an eine Kapsel und nicht an jedes andere gewundene Harnkanälchen angeheftet ist, widersprechen derselben die Resultate der Injektion. Hat man nämlich das Glück, durch Injektion vom Ureter aus Kapseln zu füllen, so füllen sich dieselben nie ganz, sondern es bleibt zum Mindesten ein Drittheil der Kapsel frei von Masse und bei genauerer Uutersuchung findet man, dass die- ses Drittheil der durch die Masse komprimirte Gefässkörper einnimmt. Auch konnte ich, troiz vieler, auf diese Unter- suchung gewandter Mühe, jene anatomischen Verhältnisse in der Niere männlicher Tritonen nicht finden, wie diesel- ben Bidder beschreibt. Allerdings gehen von den Hoden Saamenkanäle zu den Nieren, ich konnle aber nie einen Zu- sammenhang dieser Saamenkanäle mit den Harnkanälchen in der Art, wie es Bidder beschreibt, finden. Nie sah ich eine Eweiterung (Kapsel), welche nach der einen Seite mit dem Saamenkanälchen und nach der anderen mit dem Harn- kanälechen in Verbindung stand, und doch hatte ich, ganz getreu der Vorschrift von Bidder, Hoden und Nieren auf das Sorgfältigste herausgeschnitten und ein sehr schmales Deckgläsehen zwischen die beiden Hoden gebracht. Es eignet sich allerdings der obere Theil der Tritonniere sehr gut zur Untersuchung der Verhältnisse zwischen Kapsel und Harnkanälchen, weil derselbe fast keiner weiteren Präpara- tion bedarf, um die Kommunikation deutlich zu sehen, allein ich konnte nie mehr, als ein Kanälchen unterscheiden, wel- ches mit der Kapsel in Verbindung stand. Den direkten Zu- sammenhang zwischen Harn- und Saamenkanälchen macht mir auch noch der Umstand unwahrheinlich, dass die letz- teren dicker sind, als die Harnkanälchen, und dass die sie konstituirende Haut aus Bindegewebe besteht, wovon man sich namentlich leicht durch Essigsäure überzeugen kann. 111 Ein kontinuirlicher Zusammenhang zwischen einer aus Bin- degewebe bestehenden und einer strukturlosen Haut, wäre jedenfalls etwas Aussergewöhnliches. Endlich habe ich noch einigen Einwendungen von Hyrtl zu begegnen, genommen von der Grösse und dem Missver- hältnisse der Zahl der Malpighi’schen Gefässkörper zu den Harnkanälchen. Bei näherer Betrachtung ergiebt sich der Grund davon, dass die Gefässkörper weder mit der Grösse des Thieres, noch mit der Grösse der Niere in geradem Ver- hältnisse stehen, einfach daher, dass bei Thieren, welche grosse Blutkörper haben, die Weite der Kapillargefässe grös- ser sein muss, als bei Thieren mit kleineren Blutkörpern. Da aber zur Konstituirung eines Malpighi’schen Gefäss- körpers eine gewisse Anzahl von Windungen erforderlich ist, so wird derselbe um so mehr Raum einnehmen, je grösser die Weite der ihn bildenden Kapillargefässe ist, oder mit anderen Worten: die Grösse der Blutkörper steht mit der Grösse der Gefässkörper in gradem Verhältniss. Es ist fer- ner ebenso einfach, dass eine Niere, deren Gefässkörper sehr gross sind, nicht so viele enthalten kann, als eine andere, welche sehr kleine Gefässkörper hat, indem sonst der Raum für die gewundenen Harnkanälchen zu sehr geschmälert würde. Es ergiebt sich daher für die Anzahl der Gefäss- körper folgendes Gesetz: Die Grösse der Blutkörper steht mit der Anzahl der Malpighi’schem Gefässkörper im um- gekehrten Verhältniss. Dieses ist natürlich nicht von den ganzen Nieren zu verstehen, sondern das Gesetz gilt nur für gleich grosse Stücke verschiedener Thiernieren. Auf diese beiden einfachen Formeln lassen sich die auf den ersten An- bliek unerklärlichen Verhältnisse bezüglich der Grösse und Anzahl der Gefässkörper in den verschiedenen '"Thiernieren zurückbringen. Die interessante Entdeckung von Hyrtl über die Ver- schiedenheit des Lumens des ein- und austretenden Gefüsses kann ich nur bestätigen; vorzüglich tritt dieselbe bei den 112 Amphibien mit den kolossalen Gefässkörpern auf, und bei Triton taeniatus beträgt das Lumen des eintretenden Ge- fässes das Doppelle von dem des austretenden. Was schliesslich das Flimmerepithelium in den Amphi- biennieren betrifft, so haben mich meine darauf gerichteten Untersuchungen Folgendes gelehrt: Es ist immer nur ein glück- licher Zufall, wenn man flimmerndes Epithelium in einer Froschniere findet; oft habe ich bei zwei bis drei Fröschen vergeblich darnach gesucht; man findet dasselbe übrigens sowohl bei Sonimer-, wie Winterfröschen, in männlichen, wie weiblichen Individuen. Konstanter, als beim Frosch, ist das Flimmerepithelium bei Tritonen, jedoch auch da findet man es nicht immer. In der Regel sieht man nur ein Drittheil der Innenwand der Kapsel flimmern; bisweilen habe ich aber auch die flim- mernde Bewegung in dem grössten Theile der Kapsel bis zur Ein- und Auslriltsstelle der Gefässe beobachtet; vor- züglich lebhaft ist indess die flimmernde Thätigkeit in der Nähe der Eintrittsstelle und am Anfang des Harnkanälchens. Die Gründe, welchen ich es zuschreibe, dass man die Flim- merbewegung nicht in jeder Amphibienniere nachweisen kann, werde ich in meinem, demnächst im Verlage der Leroux’schen Hofbuchhandlung in Mainz erscheinenden Lehr- buch der allgemeinen und speziellen Gewebelehre näher er- örtern. i Erklärung der Abbildungen. Fig. 4. Eine vom Ureter aus injicirte Kapsel der Schafniere mit seitlicher Anheftung; der Gefässkörper ist nach oben zurückgedrängt. Fig. 5.- Vom Ureter aus injizirte Kapsel aus der Niere, eines weiblichen Frosches. — Beide Kapseln sind mit Gelatine und Karmin injizirt und mit Hülfe der Camera clara gezeichnet. Bemerkungen über die Metamorphose der Seeigel. Von Jon Müutenr. Von meiner früheren Abhandlung über die Larvenzustände und die Metamorphose der Ophiuren und Seeigel in den Be- richten der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Oct. 29. 1846, p. 294., ist in diesem Archiv 1847, p- 157., ein Aus- zug mitgetheilt. Die jetzt erschienene ausführliche Arbeit über die Larven und die Metamorphose der Ophiu- ren und Seeigel, Berlin 1848, mit 7 Kupfertafeln, enthält einen Nachtrag über die Metamorphose der Seeigel, welcher, abgesehen von seinem allgemeinen Interesse für die Kennt- nies der Metamorphose der Echinodermen schon deswegen eine Stelle im Archiv zu verdienen scheint, weil er die wei- tere Entwickelung und den Schluss des früher Mitgetheil- ten enthält. : Durch die Beobachtungen des Hrn. Dufossd über die künstliche Befruchtung der Seeigel war die Natur der Thiere, die ich für Seeigellarven angesehen, zweifelhaft geworden. Zwar waren die Mittheilungen von Dufoss« ziemlich un- vollständig und es fehlten alle Grössenbestimmungen, aber die Thierchen schienen so weit beobachtet zu sein, dass sie jede Beziehung zu den von mir beschriebenen Formen ausschlossen. Müllers Archiv. 1648, 8 114 Dass die Seeigel von den andern lchinodermen eine Ausnahme machen sollen, indem sie als Larven schon Ra- diarien sein und den bilateralen Typus der andern Echino- dermenlarven nicht theilen sollen, war eine schwer begreif- liche Ausnahme. Wenn sie in der That sich befestigen und einen Stiel entwickeln, so war es ferner unmöglich, die Cri- noiden und die Echinoiden auseinander zu halten, da es auch Crinoiden ohne Arme giebt, wie die Pentremiten. Waren die Beobachtungen von Dufoss& richtig und zusammenhängend ohne Unterbrechung, dann konnten die von mir beobachteten Thiere jedenfalls keine Seeigel sein, dann würden meine Beobachtungen einen Abschnitt aus der Lebensbahn eines andern Echinodermen mit bestachelter Scheibe von noch räthselhaftem Endziel darstellen. Wären aber jene Beobachtungen nicht zusammenhängend und wäre die Identität des Objectes nicht durch eine ununterbrochene Reihe von der künstlichen Befruchtung bis zum gestielten Zustande zu beweisen, worüber nur vorgelegte Abbildungen hätten entscheiden können, dann wäre an Verwechselungen mit andern gestielten Körpern, wie jungen Comatulen, zw denken, welche letztere allerdings in ihrem gestielten Zu- stande anfangs einen birnförmigen Körper haben, wie sie Thompson abgebildet hat und wie ich sie selbst auch an den in Weingeist aufbewahrten Exemplaren sehe, deren am obern Umfang des Körpers sich entwickelnde Pinnulae je- doch kaum jemals für Stacheln können genommen werden. In der Hoffnung, meine Beobachtungen ein Stück wei- ter fortsetzen zu können, begab ich mich im September 1847 wieder ans Meer, und zwar diesmal an den Sund nach Hel- singör. Dort fanden sich nicht blos die Larven mit Wim- perepauletten wieder, die ich bis zum Verlust aller Larven- fortsätze und bis zur halb bestachelten und dazwischen mit Füblern bedeekten Kugel von % Linie Durchmesser beobach- tete, sondern noch häufiger fand sich die andere Gattung von Larven ohne Wimperepauletten, aber nicht die in Hel- 115 goland häufige Art mit den Armen am Gewölbe, sondern die dort selten gesehene Art ohne Arme des Gewölbes und mit nur 8 Fortsätzen, nämlich 4 syminetrischen Stützen des Körpers und 4 Fortsälzen am Mundgestell. An diesen Lar- ven wurden die Beobachtungen fortgesetzt, besonders an solchen Individuen, welche nur noch Reste der Laryenfort- sätze und Kalkstäbe besassen, und denjenigen, welche diese Fortsätze und ihre Kalkstäbe gänzlich verloren hatten, aber immer noch dem beweglen freien Meer angehörten. Die grössten Individuen ohne Larvenrudimente aus der Galtung, deren Larven ohne Wimperepauletten und._de- ren seeigellörmige Jungen mit blasenförmig oder kolbig ge- endigten Füsschen versehen sind, waren-sphärisch und hat- ten %# Linie im Durchmesser. Sie waren immer noch ohne Mund und Afteröffnung, die eine Seile war, mit Ausnahme der Mitte, ganz mit sehr langen Stacheln (3 und mehr als 5 so lang, als die ganze Breite des Thieres) und dazwi- schen mit sehr vielen Füsschen bedeckt; beide nahmen auch die äquatoriale Circumferenz der Sphäre ein, aber die an- dere Seite der Kugel war ohne Stacheln und Tentakeln und nur von der braungesprenkelten Haut bedeckt. Die Stacheln sind sechskantige Prismen, deren Kanten hin und wieder ganz kleine Rauhigkeiten oder Dörnchen abschicken. Das wichtigste, was ich in diesem Jahr und im gegen- wärtigen Zustande an diesen Larven gefunden habe, sind die Anlagen von keilförmigen Gebilden, die ich für Zähne halte. Man sieht sie erst, wenn man das auf eine Glas- platte gebrachte Thierchen mit einem dünnen Glasplättchen bedeckt, wobei alle Stacheln niedergedrückt werden, und in dem Inhalte des sphärischen Körpers sogleich die 5 Zahn- gebilde zum Vorschein kommen. Sie hatten nicht die ge- gitterte Struktur der Skelettheile von Echinodermen, welche selbst dem Zahngerüst der Seeigel eigen ist, sondern sind ganz dicht, wie die im Zahngerüst der Seeigel enthaltenen Sehmelzzähne, welche unter dem Mikroskop nur aus dich! 5* 116 an einander gelegten Nadeln oder Kalkprismen bestehen. Wenn unsere Thierchen wirklich Seeigel und nicht blos ih- nen täuschend ähnlich sind, so sind diese Zähnchen also nicht den 5 Zahngestellen der Seeigel, sondern den darin enthaltenen Schmelzzähnen,, oder vielmehr ıhren äussersten, noch unzerriebenen Spitzen zu vergleichen. Man sieht von der Seite die an der untern Fläche des Schmelzzahnes ver- laufende Firste, wie bei den Zähnen der erwachsenen Echi- nus (in den Gattungen Cidaris und Diadema fehlt diese Firste an den Zähnen und gleicht ihre Unterseite einer Hohlkehle). In einem Fall erschienen die Schmelzzähne auch noch von dreieckigen, gegilterten Kalkstücken eingefasst, welche ich für die erste Erscheinung des Zahnetuis oder der Kieferstücke halte. Diese Stücke waren von dem Kalknetz zu unterscheiden, welches sich auf der ganzen häutigen oder stachellosen Seite der Kugel, mit Ausnahme der Mitte, ent- wickelt hatte. Von diesem Kalknelz sind auch die noch von der Larve her sichtbaren grösseren Zweige von Kalkfiguren zu unterscheiden. Noch muss ich bemerken, dass die Zähne zum Vor- schein kommen, wenn die uackte Seite des Thierchens oben ist und dann comprimirt wird, und dass in diesem Fall die eonvexe Seile des Zähnchens oben, die Firste aber unten ist. llieraus geht hervor, dass die bestachelte Seite des Thieres die dorsale, die nackte die ventrale ist, dass die zu- erst in der Larve erscheinende Scheibe die dorsale Polarge- gend des späteren Seeigels ist, dass der After sich in der Mitte der bestachelten Seite, der Mund aber in der Mitte der nackten Seite später wird bilden müssen. Der After zeigt sich an einzelnen Individuen schon angedeutet, aber ist noch von dem Rest der Larvenhaut bedeckt. Ob die aus den Larven mit Wimperepauletten hervor- gegangenen Seeigel auch solche Zähne haben, ist leider von mir nicht nachgesehen, nämlich die Compression unterlassen, Vermöge der nachgewiesenen Zähne würden die Larven ohne 117 Wimperepauletten wahrscheinlich zur Galtung Echinus ge- hören. Bei dem Seeigel von der Larve mit Wimperepaulet- ten lässt sich auf die Gegenwart von Zähnen schon deswe- gen mit Wahrscheinlichkeit schliessen, weil solche Füsschen mit Saugscheiben am Ende, wie dieser hat, nur bei der Gat- tung Echinus vorkommen. In der Entwiekelungsphase, in der meine Larven jetzt stehen, bin ich nicht im Stande, sie, seeigelförmig, wie sie sind, von wirklichen Seeigeln zu unterscheiden. Mit den jungen wirklichen Seeigeln stimmen sie auch in der Färbung in sofern überein, als die in Helsingör beobachteten jungen Seeigel von 3— 4” Durchmesser des Körpers, welche be- reits eine vollständige Schale besitzen und in allen Bezie- hungen den alten Seeigeln gleichen, auch mit kleinen braunen Fleckchen überall gesprenkelt erscheinen. Es ist auch durch- aus nicht wahrscheinlich, dass die halbseitig bestachelten und mit Füsschen bedeckten Kugeln noch Arme bekom- men werden. Dass aus den Thierchen keine Ophiuren werden kön- nen, wird bewiesen theils durch die dargelegte vollständige Verwandlung einer Ophiurenlarve, theils durch den Bau der Thierchen selbst. Denn wie viele Gattungen von Ophiuren ich auch auf den Bau der Tentakeln oder Füsschen unter- sucht habe, solche mit einer Saugscheibe am Ende und einer ringförmigen gegitterten Kalkscheibe darin, wie sie das see- igelförmige Echinoderm von 3°’ von der Larve mit Wim- perepaulelten besitzt, hat keine Ophiura. Ophiothrix fragi- lis, welche in der Nordsee vorkommt, hat eylindrische Sta- eheln auf dem Rücken der Scheibe und platte Stacheln an den Armen, Aber auf dem Rücken der Ophiuren kommen niemals Tentakeln vor; wäre aber die bestachelte Seite un- serer Thierchen die Bauchseile, so passen die Stacheln wie- der nicht auf die Bauchseile einer Ophiura. Endlich be- sitzen die Ophiuren niemals Schmelzzähne; denn das, was im System der Asleriden, Berlin 1842, p. 82., Zälne der 118 Ophiuren genannt worden, besteht nur aus Gitterwerk von Kalk, nicht aus Schmelz. Unsere Thierchen könnten also, wenn sie auch noch Arme bekommen sollten, jedenfalls nicht Ophiuren werden. Es sind aber auch die triftigsten Gründe vorhanden, welche gegen die Umwandlung der Thier- chen in Asterien sprechen. Dahin gehört die ausserordentliche Länge der Stacheln, welche zuletzt die Hälfte des Durchmessers vom Körper des Thieres beträgt. Stacheln von dieser Form sind auch unter den Asterien selten; doch besitzen die Solaster und sowohl S. papposus, als endeca ziemlich lange cylindrische Stacheln auf der Bauchseite des Körpers und der Arme. Aber keine Asterie hat die Füsse so zwischen den Stacheln zerstreut, sondern sie nehmen immer die Bauchfurchen ein. Von sol- chen Furchen ist bei unsern Thierchen ebenso wenig, als von Armen eine Spur zu sehen. Auch ist schon aus der Lage der Zähne bewiesen worden, dass die mit Stacheln und Füsschen versehene Hälfte der sphärischen Thierchen die Rückseite ist. Dann haben die Asterien weder Schmelz- zähne, noch überhaupt Zähne. Die Tenlakeln oder Füsse erfordern noch eine beson- dere Erwähnung. Diejenigen des Echinoderms vom Pluteus mit Wimperepauletten haben am.Ende eine Saugscheibe mit einem gegitterlen Ring von Kalk darinnen. Diese Füsschen gleichen nur denjenigen der Seeigel aus der Gattung Echinus, aber auch vollkommen. Die Echinus können vermöge dieser Struktur die Füsschen zum Ansaugen, Festhangen und Krie- chen an senkrechten Wänden gebrauchen. Die am Ende der Füsschen befindliche ringförmige Kalkscheibe ist an jungen Echinus ganz so gebildet, wie an den Tentakeln unserer Thierchen. Bei Cidaris, die ich an Weingeistexemplaren untersucht habe, finde ich keine Saugscheiben am Ende. der Füsschen; diese endigen abgerundet, sie besitzen daher auch keine ringförmige Kalkscheibe, sondern der obere Theil der 119 Haut des Füsschens enthält ein. ganzes Skelet von Kalkthei- len, welches gegen das abgerundete Ende hin und au diesem selbst ein Netz ist, weiter unten aber sich in viele geson- derte, unregelmässige, zuweilen zackige Querleisten von Kalk zergliedert. Ich kann mir nicht gut vorstellen, wie derglei- chen Füsschen zum Ansaugen dienen könnten, wenn sie nicht etwa eingestülpt werden. Von unsern Thierchen er- innern diejenigen, welche von den Larven ohne Wimper- epauletten herrühren, an diese Bildung, in sofern das Ende der Füsschen ohne Saugscheibe abgerundet und wie blasig ist; aber sie unterscheiden sich von den Füssen der Cidaris, dass dermalen wenigstens ein Kalkskelet nicht darin enthal- ten ist. Ich muss übrigens bemerken, dass das Echinodern von der Larve mit Wimperepaulelten das Ende der Tenta- keln im Anfang auch abgerundet und ohne Saugscheibe hat, und dass die noch jungen Fühler immer diese Gestalt ha- ben, daher man die eine und andere Form der Füsse zu- weilen zugleich sieht. Die Fühler der Spatangus, welche O. Fr. Müller (Zool. Dan.) abgebildet und die ich selbst auch untersucht habe, haben mit keinem der fraglichen Tentakeln Aehnlich- keit, da sie am Ende mit einem Kranz von Papillen oder kleineren Tentakeln gekrönt sind. r Es schien mir nöthig, den Bau der Füsse in den ver- schiedenen Gattungen der Asterien zu untersuchen. Theile eines Kalkskeletes habe ich bei keiner Asterie in den Füs- sen, insbesondere an ihrem Ende gefunden. Untersucht: Asteracanthion (rubens), Astropecten, Solaster (papposus und endeca), Asteriscus (verruculatus), Luidia (Savignii), Astro- gonium (euspidatum). Die conischen, am Ende spitzen Fühler der Astropecten (S. Tiedemann) und die ebenfalls conischen, am Ende mit einem eichelförmigen Knöpfchen (wie die Eichel der Ruthe) versehenen Fühler der Luidia, welche zum Einstülpen be- 120 stimmt sind, haben mit den fraglichen Fühlern so we- nig Aehnlichkeit, dass diese Gattungen übergangen wer- den können. Mehrere Gattungen von Asterien haben bei einer wal- zenförmigen Gestalt der Fühler allerdings schwielige Saug- scheiben am Ende, welche den Tentakel am Rande überra- gen, wie die Gattungen Solaster, Asteriscus, Astrogonium, Asteracanthion u. a., aber bei keiner dieser Gattungen habe ich in- dieser Saugscheibe kalkige Skelettheile entdecken können '). Die Tentakeln der Ophiuren (untersucht: Ophiothrix, Ophiolepis, Ophiocoma, Ophioscolex) sind immer ohne Saug- scheiben und haben mit den fraglichen keine Aehnlichkeit. Endlich muss noch der Pedicellarien gedacht werden, welche in unsern Thierchen sessil, bei den erwachsenen Seeigeln aber gestielt sind, in beiden Fällen sind sie dreiar- mig, da sie bei den Asterien vielmehr zweiarmig sind. Davon finden sich nur selten Ausnahmen; aber die Gattung Luidia macht eben diese Ausnahme, wie schon im System der Aste- riden p. 10. angeführt wurde. Die japanische Art Luidia maculata hat nämlich dreiarmige und zum Theil auch zwei- armige Pedicellarien, beide, wie es scheint, nur sessil, welche indess der in der Nordsee vorkommenden Juidia Savignii ganz fehlen. Bei der einen Art unserer Thierchen (mit Wimperepau- letten) kommen die Pedicellarien sessil schon im Larvenzu- stande vor, nämlich nicht an der Echinodermenscheibe der 1) Alle Asterien mit After haben Saugscheiben am Ende der wal- zenförmigen Fühler oder Füsse, alle Asterien ohne After, Astropecten, Luidia, Ctenodiseus, haben keine Saugscheiben und ihre Fühler endigen conisch. Hiernach lassen sich die Astropecten ohne After und die Ar- chaster mit After, deren Unterscheidung Hrn. Gray (Ann. of nat. hist. T.XX. 1847. p. 193.) so schwer fällt, mit Leichtigkeit unterscheiden, da man die Form der Füsse meist selbst an getrockneten Exemplaren er- kennen kann. 121 Larve, sondern gegenüber an der Larve selbst, und ich habe sie ganz allgemein dreiarmig gesehen. Ein Mal habe ich sie an dem Echinoderm dieser Larve selbst gesehen, an einem Exemplar, das alle Spuren der Larve verloren hatte, und in diesem Falle war gerade eine Ausnahme von der Regel vor- handen, dass nämlich auf der häutigen, d.h. nicht bestachel- ten Seite des sphärischen Echinoderms eine zweiarmige Pe- dicellarie aufsass, welche in der gewöhnlichen Bewegung begriffen war. Durch die Beobachtung der Zähne an meinen jungen Seeigeln, welche zuverlässig aus ihren Larven hervorgegan- gen, waren bei mir schon in Helsingör die früheren Zweifel über ihre Identität mit den wahren Seeigeln beruhigt wor- den. Da ich nunmehr sie als bewährte und gute Seeigel gegen die vermeintlichen birnförmigen oder fingerhutförmigen und miltelst eines Stieles sich befestigenden Larven der See- igel von Hrn. Dufoss€ geltend zu machen hatte, so war es mir erwünscht, dass ein zweiter Augenzeuge des Gesehe- nen zur Hand war; ich zeigte Hrn. Busch, der zum dritten Mal mein Reisegefährte war, in Helsingör unter dem Mikro- skop die dort beobachteten Thatsachen, welche auf Taf. VII. meiner Abhandlung abgebildet sind. Bestärkt wurde ich als- dann durch die Beobachtungen über den feineren Bau der Tentakeln in den verschiedenen Gattungen der Seeigel, Aste- rien und Ophiuren, welche ich am Meere begann und im hiesigen Museum fortsetzte. Es giebt indessen noch einen andern triftigen Grund in der Gegenwart der Madreporen- platte bei den Seeigeln dafür, dass diese Echinodermen zu keiner Zeit ihres Lebens gestielt sein können. Schon im Monatsbericht der Akademie, 29. Oct. 1846, p- 310., habe ich zu beweisen gesucht, dass die Ansicht des Hrn. Sars nicht richtig sein könne, dass sich die Madrepo- renplalte aus den vergänglichen Fortsätzen der Larve des Echinaster Sarsii, womit sich diese Larve in der Bruthöhle der Mutter festhält, entwickele, und ich habe meine Ansicht 122 auf die Beobachtungen über die Seeigellarven mit so vielen, ‘an den verschiedensten Theilen des Körpers abgehenden Fortsätzen gestützt. Die Herren Koren und Danielssen haben in ihrer Abhandlung über die Bipennaria asterigera Sars (Nyt Magazin for Naturvidenskaberne, V. Bd. III. H. Christiania 1847. p. 253. Annales des sciences naturelles, Juin 1847. p. 347.) die Meinung des Hrn. Sars über den Ursprung der Madreporenplatte durch eine andere sehr wahr- scheinliche ersetzt und durch ihre Beobachtungen an der Bi- pennaria asterigera begründet. Hr. Sars hatte die Bipennaria asterigera entdeckt und in seinen Beskrivelser og Jagttagelser, Bergen 1835, als An- hang bei den Akalephen beschrieben, auch abgebildet. Spä- ter, Wiegm. Arch. 1844. p.176., bemerkt er, dass sie nach seinen neuern Untersuchungen wahrscheinlich nur ein sich entwvickelnder und mit einem grossen Schwimmapparat ver- sehener Seesteru sei. Die Beobachtungen von Koren und Danielssen haben dies ausser Zweifel gesetzt, sie haben zugleich eine Beobachtung an der Bipennaria asterigera ge- macht, welche bestimmter auf den Ursprung der Madrepo- renplatte führt. Die Röhre, welche sie Athemröhre nennen und welche zufolge meiner eigenen Untersuchung dieses Thieres ') nichts anders, als der Larven Mund und Schlund ist, setzt sich in den Seestern fort. Bei dieser Gattung von Seesternen trennt sich der ausgebil- dete Seestern von der übrigen Larve und dies geschieht nach Koren und Danielssen so, dass die genannte Röhre un- ter starken Contractionen derselben abreisst und mit dem Schwimmapparat oder Larvenrest verbunden bleibt, der See- stern aber in der Nähe des Afters, da, wo die genannte Röhre festgesessen, mit einer Spalte versehen. ist. Durch 1) Ich verdanke Exemplare dieses verhältnissmässig grossen Thiers in Weingeist der Güte des Hrn. Professor Steenstrup in ne der sie von Hın. Danielssen erhalten hatte. 123 Vernarbung dieser Spalte scheint sich also die Madreporen- platte zu bilden, Die Larve lebt und bewegt sich noch mehrere Tage nach der Trennung. Dass die fragliche Röhre der Bipennaria asterigera das- selbe ist, als der Mund und Schlund der von mir beschrie- benen Larven, der bier wie dort deutlich in den Magen führt, kann keinem Zweifel unterliegen und ich werde es in einer besondern Abhandlung über die Bipennaria asteri- gera beweisen, worin ich auch ihre bisher unbekannt ge- bliebenen Wimperschnüre beschreiben und abbilden werde, welche alle Fortsätze der Larve, auch die Seiten des Schwan- zes doppelt besetzen und über und unter dem Mund, dann auch an den Flossen des Schwanzes von einer zur anderen Seite übersetzen. Man kann daher mit Zugrundelegung der Beobachtungen von Koren und Danielssen, und in abweichender Erklä- rung dieser Beobachtungen annehmen, dass die Madreporen- platte sich bildet an der Stelle, wo der Schlund der Larve sich von dem frühern Magen trennt. Die Madreporenplatte wäre als Nabel zu betrachten, wo das Echinoderm durch den Nahrungskanal der Larve mit dieser zusammenhing. Der Stern der Bipennaria hat zu der Larve zuletzt das Verhält- niss, wie ein Wirbelthier zu den Secundinae (Dotiersack und Placenta), weil die Larve mit ihrem Mund und Schlund und die Secundinae dem Wirbelthier die Ursache der Nah- rung und des Wachsihums sind. Wenn diese Folgerungen richtig sind, so beweist die Existenz der Madreporenplatte bei dem Seeigel, dass hier an dieser Stelle früher der Schlund einer Larve gewesen, d. h. sie beweist das Bestehen eines dem Seeigel vorausgehenden, von diesem gänzlich verschie- denen Larvenzustandes. Auch ist die Madreporenplatte des Seeigels nicht wohl der Rest eines früheren Stiels. Dieser Stiel könnte weder am analen Pol befestigt, noch neben dem analen Pol, wo die Madreporenplatie hernach erscheint, gewesen sein, und könnte überhaupt nicht bestehen, ohne 124 den strengen Consequenzen aller unserer jetzigen Kenntnisse über die Larven der Echinodermen mit Madreporenplatten zu widersprechen. Indem ich zu meinen Seeigellarven zurückkehre, so darf ich nunmehr die Entstehung der Madreporenplatte bei den Seeigeln in gleicher Weise, wie bei den Seesternen vermu- then, sie wird entstehen an der Stelle, wo der Larven- schlund in den Nahrungsschlauch des Seeigels überführt und wo dieser Larvenschlund obliterirt. Damit stimmt vortrefl- lich, dass der Mund und Schlund der Seeigellarve heterolog mit den Polen des späteren Seeigels ist. Nämlich die Scheibe des Seeigels bildet sich ja an der rechten oder linken Seite der vierseitigen Kuppel der Larve, der Schlund geht aber von der hintern Seite der Kuppel herab. Daraus folgt, dass die Madreporenplatte, wenn sie hernach sich ausbildet excen- trisch sein müsse. Alles dieses ist eine Folge davon, dass nach meinen Beobachtungen die durch den Mund und Schlund gehende Längsachse der Larve mit der Achse des spätern Echi- noderms sich kreuzt, Diese Kreuzung beider Achsen geht aus meinen Beobachtungen sowohl für die Seeigel, als für die Ophiuren hervor, und ich finde es auch für die See- sterne an der Bipennaria asterigera bestätigt. Die Kreuzung beider Achsen ist ziemlich verschieden bei den Seeigeln und Asterien einerseits und den Ophiuren anderseits. Nämlich bei den Asterien ist das orale Ende der Larvenachse dem dor- salen Pol der Asterie viel näher, bei den Ophiuren aber scheint das orale Ende der Larvenachse dem Mund des spä- teren Echinoderms ziemlich nahe. Daraus folgt, dass die Asterien die Madreporenplaite excentrisch nahe dem dorsa- len Pol, die Ophiuren excentrisch nahe dem oralen Pol des Echinoderms haben müssen. Wenn ich von der Madrepo- renplatte der Ophiuren spreche, so beziehe ich mich auf die bekannte Thatsache, dass die Astrophyton oder Euryale eine deutliche Madreporenplalte an einer der 5 Mundecken be- sitzen; auch die Ophiuren im engern Sinn haben zuweilen 125 eine Andeulung dayon an einem Umbo eines der 5 Mund- schilder, worauf schon im System der Asteriden hinge- wiesen ist. In den Asterien bleibt für’s ganze Leben ein Theil übrig, welcher, meines Erachtens, die frühere Richtung der Lar- venachse sehr gut nachweist. Es ist das Kalksäulchen (Tie- demann’s Steinkanal), welches im Innern des Körpers die Madreporenplatte mit einem der fünf Mundschilder ver- bindet. Die Erscheinungen stimmen jetzt so gut, dass bei der Metamorphose meiner Seeigellarven wenig zu erklären übrig bleibt. Ich muss jedoch darauf aufmerksam machen, dass die Stelle, wo Mund und Schlund der Larve verschwindet, nieht ganz diejenige ist, wo später die Madreporenplatte er- scheint. Sie verschwinden excentrisch vom Pol der Scheibe, aber diese Stelle ist doch vom Pol der anfänglichen Seeigel- scheibe weiler entfernt, als die Madreporenplatte hernach vom Afterpol ist, Auch wird die Scheibe um ihre Mitte herum und bis zum Rande mit Stacheln und Tentakeln be- deckt, während doch zwischen Madreporenplatte und After- pol beim Seeigel zwar zarte Stacheln, aber keine Tentakeln vorkommen. Nimmt man aber an, dass an diesem Theil der Scheibe während des Auswachsens des Ganzen zu einer Ku- gel und während der Vergrösserung der Kugel noch Verän- derungen Statt finden, so hat dieser Einwurf keine grosse Erheblichkeit. j Wenn diese Bemerkungen über den Ursprung der Ma- dreporenplatte richtig sind, so muss diese Platte durchaus bei denjenigen Echinodermen vorkommen, wo der frühere Larvenmund und der spätere Mund des Echinoderms wesent- lich verschieden und durch einen beträchtlichen Zwischen- raum gelrennt sind, und so ist es zufolge meiner Untersu- chungen sowohl bei den Seeigeln, als bei den Asterien, Sehon im Monatsbericht der Akademie, October 1846, habe ich auf diese wichtige Verschiedenheit für die Seeigel auf- 1246 merksam gemacht, und die Bipennaria aslerigera hat es voll- kommen. bestätigt. Wenn die Madreporenplatte aus der Vernarbung des Larvenschlundes erfolgt, so muss man schliessen, dass die- jenigen Arten von Asterien, welche mehrere Madreporen- platten in verschiedenen Interradien besitzen und welche im System der Asteriden angegeben sind, mehrere Larvenmäu- ler besitzen oder aus getheilten Larven entstehen. Vom grössten Interesse müsste in dieser Hinsicht die Entwicke- lung des vielarmigen Echinaster solaris M. T. sein, bei wel- chem mehrere oder viele Madreporenplatten vorkommen und auf eben so viele Interradien vertheilt sind. Die geistreichen Ansichten von Hrn. Agassiz über die bilaterale Anlage der Echinodermen haben zwar durch die Kenntniss der Larven eine Bestätigung erhalten, ich glaube aber nicht, dass die Madreporenplatte für das rechts und links maassgebend ist. Schon im System der Asteriden wurde dieser Meinung die Schwierigkeit der mehrfachen Ma- dreporenplatten entgegengestellt. Man wird sich daher viel- leicht richtiger ausdrücken, wenn ınan sagt, dass diese Platte nur die Stelle andeute, wo die Achse der bilateralen Larve den Plan des radialen Echinoderms schneidet, und wenn auch die radialen Echinodermen offenbar oft deutlich genug ein rechts und links, oben und unten, vorn und hinten ha- ben, so glaube ich doch bewiesen zu haben, dass das rechts und links der Seeigellarven mit dem rechts und links der Seeigel selbst heterolog ist. Bei den mehrsten Echinodermen liegt die Madreporen- platte, statt die Achse angeben zu können, wie Agassiz wollte, vielmehr seitwärts von der walıren Längsachse, wie sich aus Folgendem ergiebt. Bei Echinometra ist die Längs- dimension durch den längsten Meridiankreis gegeben. Das auf diesen Meridiankreis fallende Porenfeld ist das vordere, nach Anleitung der Echinoneus, Spatangus u. a. Bringt man 127 die Schale hiernach in die richtige Lage und sieht sie auf den Rücken an, se liegt die Madreporenplatte der Echino- melra hinterwärts vom dorsalen Pol auf der rechten, selte- ner auf der linken Seite, im rechten oder linken hinteren Interradialraum, d.h. ihr Meridian weicht um 4 der Sphäre, 72° nach rechts, seltener nach links von der hinteren Mit- tellinie, oder 108° vom Meridian des vorderen Porenfeldes ab. Die von Echinometra generisch nicht wesentlich verschie- denen Echinus sind hiernach zu beurtheilen. Bei Echinus sowohl, als den Asterien mit After liegt die Madreporen- platte rechts von dem meist subcentralen After. Schon im System der Asteriden, p. 3., ist dies Lageverhältniss von Troschel und mir erkannt und damals so ausgedrückt, dass der After bei Echinus, Echinometra und Asterien links vom Radius der Madreporenplatte liege. Bei Echinoneus ist die Längsdimension, und rechts und links sowohl durch die längliche Gestalt der Schale, als durch die Lage des Afters bestimmt, dessen Meridian mit dem längsten Meridiankreis zusammenfällt. Die Madreporenplatte liegt rechts vor dem dorsalen Pol. Ihr Meridian weicht vom Meridian des vor- dern oder unpaaren Porenfeldes um 72° nach rechts, oder vom hintern Meridian, d.h Meridian des Afters, um 108° nach rechts ab. Nur bei Spatangus liegt die Madrepo- renplatte im Meridian des Afters oder hinteren Längs- meridian, bei Seutella und Clypeaster aber im dorsalen Centrum. Meine Bemerkungen über den allgemeinen Plan der Echinodermenlarven will ich für jetzt noch zurückhalten und über die Natur der Metamorphose dieser Thiere will ich nur bemerken, dass sie der Larvenzeugung oder der geschlechts- losen Knospenzeugung beim Generalionswechsel verwandt ist. Am nächsten steht sie der Metamorphose des Monosto- mum mutabile, welche Hr, v. Siebold entdeckt und in Wiegm. Archiv 1835 kennen gelehrt hat. Das heisst, so- 128 bald die Larvenzeugung durch innere Knospen nur eine ein- zige Knospe statt mehrere hervorbringt, so ist sie von der Metamorphose der Echinodermen nicht zu unterscheiden. Ob aber eine oder mehrere Knospen erzeugt werden, kann nicht wesentlich sein, Die Bipennaria asterigera ist nicht als Schwimmapparat des Seesterns aufzufassen, wie die nor- wegischen Naturforscher es angesehen. Die Larve der Aste- rien, Ophiuren, Seeigel ist die Amme des Echinoderms im doppelten Sinne des Wortes, ein Mal im Sinne des Hrn. Steenstrup, bei seiner fruchtbaren Idee des Generations- wechsels so vieler niederen Thiere, dann auch im gewöhn- lichen Sinne des Wortes; denn die Larve speist das Echi- noderm als ihre Knospe. Ich komme auf diesen Gegenstand zurück in meiner zweiten Abhandlung über die Metamor- phose der Echinodermen, worin ich von einer neuen, wie- der sehr eigenthümlichen Echinodermenlarve handle, die ich vorläufig als Roccoco-Larve von Helsingör) bezeich- nen will, worin ich auch ausführlich von der Bipennaria asterigera handle. Ich verschiebe auch auf die zweite Ab- handlung die Beschreibung der zweckmässigsten Methode zur Beobachtung der Echinodermenlarven. Während des Drucks der Abhandlung erhalte ich noch aus dem im November hier eingegangenen Augusiheft 1847 1) Sie ist mit vielen weichen Fortsätzen, wie .Wimpeln an den Seiten, ohne Kalkstäbe versehen und erhält vor der Verwandlung an dem Theile des Körpers, welcher beim Schwimmen vorausgeht, noch 3 dicke contractile, mit einem Stern von Papillen gekrönte Arme, hat übrigens die gewöhnlichen Wimperschnüre und den charakteristischen Mund und Schlund der Echinodermenlarven. Das Echinoderm bildet sich an dem, jenen 3 Armen entgegengesetzten Theil des Körpers und hat bei seiner ersten Erscheinung eine platte, am Rande gelappte und gekerbte Gestalt, die auf der, von kleinen Höckerchen unebenen Rück- seite von einem Kalknetz durchzogen ist. Für jetzt weiss ich noch nicht, ob sich eine Holothurie oder Asterie daraus bildet. 129 der Annales des sciences nalurelles Kenntniss von Hrn. Der- bes Abhandlung über die Entwickelung des Embryon von Echinus esculentus nach künstlicher Befruchtung. Ir. Milne Edwards weist in einer Anmerkung darauf hin, dass der Verfasser meine, in den Monatsberichten der Akademie 1846 enthaltenen Beobachtungen über die Larven der See- igel und Ophiuren nicht gekannt habe. Die durch Wim- perthätigkeit sich bewegende Larve ist zufolge Derbes nach dem Ausschluss aus dem Ei zuerst sphärisch, und wird dann auf der Seite, wo sich der Mund bildet, deprimirt. Sie verlängert sich bald etwas in verticaler Richtung und die Mundseite wird eine dreieckige Fläche, so dass die Larve einer abgeschnittenen dreiseitigen Pyramide ähnelt, deren Basis in der Mille von der Mundöflnung durchbohrt ist. Späler wird sie vierseilig. Auf jeder Seite des Körpers bil- det sich symmetrisch ein Bündel von Sehnen aus (worunter offenbar die Kalkstäbe zu verstehen sind). Jedes Bündel dieser, vom Verfasser mit einem Skelet verglichenen Theile besteht aus vier Zweigen, einer davon begiebt' sich gegen den entsprechenden Zweig der andern Seite, ein anderer geht gegen das Ende des keilförmigen Körpers, die zwei an- dern gehen gegen eine der nächsten Ecken der vierseiligen Basis, diese endigen, die eine in eine scharfe Spitze, die an- dere in eine doppelte Spitze, alle diese Spilzen trelen über den Körper des Thieres vor. Späler verlängert sich der Körper, die Basis vertieft sich durch Erhebung der Ränder. die 4 Ecken erheben sich in Form von Kegeln. Die Portion der Fläche, die den Mund enthält, ist fast verlical gewor- den. Auf den Mund folgt ein grosser Schlund, der sich nach einer Einschnürung in den weiten Magen ölluet, auf diesen folgt eine zweile Höhlung, die in den After ausmündet. Diese Abtheilungen des Nahrungsschlauches folgen sieh nicht in gerader Richtung, sondern in krummer, so dass der After nach derselben Seite, wie der Mund gekehrt ist. Das dem Mund entgegengesetzte Ende des Körpers, welches beim Müller's Archiv, 1848. J 130 Schwimmen hinten ist, ist wie die Röhre eines Trichters ausgezogen. Die conischen Ecken und die Skelettheile ver- kürzen sich hernach, auch geben letztere im Innern des Kör- pers kurze Zweige ab. Das ausgezogene dünne Ende ver- kürzt sich. Die Umgegend des Afters war gegen den 20sten Tag mammellonirt, drei Tage später war der Körper dun- kel, die Oberfläche unregelmässig mammellonirt, Mund und After nicht mehr zu unterscheiden. Die Beobachtungen sind im Winter (Januar und Februar) und Frühling angestellt. Nie hat der Verfasser die Larven durch einen Stiel befestigt gesehen und ebenso wenig sah er Stacheln sich entwickeln. Hierdurch sind die Angaben von Dufosse entkräftet und beseiligt. Dagegen schliessen sich die Beobachtungen von Derbes sehr gut an die meinigen an, welche, wie es scheint, erst mit dem Stadium der Entwickelung beginnen, wo die- jenigen von Derbes aufhören. Von der Gegenwart _eines Alters habe ich mich bei meinen Larven niemals überzeugen können; dagegen besitzt die Bipennaria asterigera ganz deut- lich einen After, in den ich ein Haar einführen konnte, und dieser After ist derselbige des Seesterns.. Wären aber die Seeigellarven gegenüber dem Mund mit einem After versehen, so würde dieser After von dem des Seeigels selbst verschie- den sein, und es müsste der Nahrungsschlauch an zwei Stellen vernarben. Die Abbildungen zu Derbes Abhandlung sind dem Novemberhefte der, Annales des sciences naturelles gefolgt. Bei Vergleichung derselben mit den meinigen wird man so- gleich gewahr, dass es sich um dieselbe Gattung von Thie- ren handelt; ebenso sicher scheint die Verschiedenheit der Species. Am meisten Aehnlichkeit hat die von Derbes un- tersuchte Larve seines Echinus esculentus mit der Larve Taf. IV. Fig. 3., Taf. 5. Fig. 9. Anmerkung. Die von Philippi in Wiegm. Archiv 1837. I. p. 240. beschriebene und Taf. V. abgebildete Mon- strosität von Echinus melo, bei welchem das fünfle Ambu- 131 lacralfeld unvollkommen ausgebildet ist, ist jetzt anders zu deuten. Philippi erklärte das verkümmerte Feld für das linke vordere paarige, weil das Feld seitwärts von der Ma- dreporenplatte war. Jetzt aber ergiebt sich, dass das ver- kümmerte Felä wirklich das unpaare vordere Ambulacral- feld ist, wie man es erwarten musste, und gleicht daher die von Philippi beobachtete Monstrosität ganz denjenigen Monstrositäten des Menschen und der Wirbelthiere, wo mittlere Theile des Körpers verkümmern oder ausfallen, wie Cyclopia, Synolia und Monopodia. 9* Versuche über die Funktion der Zungennerven. Von Professor Dr. Staxnvıus. Noch immer herrscht grosse Uneinigkeil unler den Physio- logen, über die Frage, ob der Ramus lingualis N. trigemini oder der N. glossopharyngeus als Geschmacksnerv zu betrach- ten sei. Seit 7 Jahren sind — wenn ich einen einzigen Sommer abrechne — beständig mehr oder minder zahlreiche Versuche über die Funktion der Zungennerven von mir an- gestellt worden, deren Resultate kürzlich in der Inaugural- Dissertation des Dr. Fr. Uterhart: De functionibus nervi hypoglossi. rami lingualis nervi trigemini, nervi glossopha- ryngei. Rost. 1847. 8., mitgetheilt wurden. Bei der be- schränkten Verbreitung, welche solchen kleinen akademischen Schriften zu Theil wird, achte ich es nicht für überflüssig, hier die Resultate meiner Versuche in aller Kürze zur allge- meinen Kenntniss zu bringen. Zunächst handelte es sich darum, die Versuche über die Energie der Zungennerven an solchen Thieren anzu- stellen, die ein sehr ausgebildetes Geschmacksvermögen be- sitzen. Ich wählte dazu anfangs (im Jahre 1841) Hunde und Katzen aus, beschränkte mich aber bald ausschliesslich auf letztere, als ich fand, dass Hunde, und namentlich grös- sere Hunde, die mir damals allein zu Gebote standen, we- 133 gen ihrer grossen Gefrässigkeit, selbst ohne vorausgegangene Nervendurchschneidung,. Speisen nicht verschmäheten,, wel- chen übel schmeckende Substanzen zugesetzt waren. Katzen dagegen, welche in der Auswahl der Speisen viel delikater sind, als Hunde, verweigerten regelmässig jede mit übel- schmeekenden Substanzen versetzte Nahrung selbst dann, wenn sie längere Zeit gelastet hatten. Von der Anstellung der Versuche mit erwachsenen Katzen, die ich anfangs be- nutzte, stand ich bei der Wildheit dieser Thiere und bei der Gefahr, welcher der Experimentator, während der an ihren Köpfen zu machenden blutigen Operationen, ausgesetzt ist, - bald ab, und bediente mich von nun an blos jüngerer, 8 bis 16 Wochen alter Thiere. Um den Sitz des Geschmackssinnes zu erforschen, be- durfte es solcher Substanzen, welche weder durch Färbung, noch durch Geruch den Thieren auffallen können, doch aber hinreichend widerlich schmecken. Colocynthentinktur, Ab- kochungen von Quassiaholz, welche ich anfangs benutzte, entsprechen diesen Bedingungen nicht vollständig; erstere nicht schon wegen ihrer Färbung und letztere nicht, weil sie nie ganz frei von Geruch ist. Es handelte sich darum, der für die jungen Kätzchen bestimmten Milch eine hinrei- chend widerwärtige, farblose und geruchlose Substanz zuzu- selzen, wozu ich denn endlich beständig bald schwefelsaures, bald salzsaures Chinin wählte, das den gestellten Anforde- rungen vollständig entspricht. Wird gesunden Katzen etwas Chinin, sei es rein, oder mit Wasser, oder mit Milch ver- selzt, auf die Zunge applieirt, so äussern die Thiere sehr bald den entschiedensten Widerwillen. Sie schütteln den Kopf, stecken die Zunge ein wenig vor, suchen mil den Pfoten etwas Fremdartiges von derselben zu entfernen; es fliesst dabei reichlich Speichel aus dem Munde und zugleich zeigl sich an den Mundwinkeln, je nachdem das Chinin rein oder mit Wasser vermengl, oder andererseits mit Milch ver- setzt eingebracht war, ein bald wasserheller, bald milch- 134 weisser Schaum, den die traurig dasitzende Katze zu ent- fernen bemüht ist, — Hinreiehend mit Chinin verselzte, stark bitter schmeckende Milch vermögen die Katzen weder durch den Gesichtssinn, noch durch den Geruehssinn von »einer Milch zu unterscheiden. In den ersten Jahren wurde auch eine concentrirte Sal- miakauflösung bald anderen Speisen, bald reiner Milch, bald mit Chinin versetzter Milch zugesetzt. Katzen, deren Ge- schmacksempfindung erloschen war, genossen auch davon willig; aber es stellte sich bald heraus, dass Versuche mil dieser Substanz nicht wiederholt an demselben Thiere zu instituiren sind. Katzen, welche, ohne Widerwillen zu äus- sern, einmal reichlich von solchen Auflösungen genossen hat- ien, fingen nach Verlauf einer halben Stunde oder nach noch späterer Zeit an, zu würgen und es trat starkes und anhal- tendes Erbrechen aller genossenen Speisen ein. Solchen Thieren war später schwer eine Speise beizubringen. In Bezug auf die Darreichung von bitter gemachter Milch muss noch bemerkt werden, dass letztere den Kätzchen nicht etwa nach längerem Fasten vorgesetzt ward; bald hatte ihnen bis zum Augenblicke der Operation Milch zu Gebote gestan- den, bald war sie ihnen nur seit 2— 3 Stunden entzogen worden. Was die Nervendurchschneidung anbetrifft, so wurde sie beständig beiderseits von mir selbst vorgenommen; im- mer wurden die operirten Thiere, nachdem sie bald kürzere, bald sehr lange Zeit am Leben erhalten waren, genau se- eirt. Beständig war ich bemüht, die Nerven so weit auf- wärts, als möglich, mit Substanzverlust zu durchschneiden oder anderweitig zu zerstören. Nachdem ich in den ersten Jahren den N. glossopharyngeus während seines Verlaufes an der Bulla ossea durchschnitten, habe ich später den Stamm zwischen die beiden Arme einer Pincette gefasst und ihn aus dem Foramen lacerum herausgerissen, wodurch es 135 mir gelang, ihn in grösserer Länge, bis zu seinem Ursprunge hin, zu exstirpiren. Sobald der Nervus hypoglossus mit der Pincette gefasst wurde, verrieth das 'Tluier unverkennbare Schmerzensäusse- rungen, die auch während der Durchschneidung des Nerven anhielten. Folge der Durchschneidung beider Nervi hypo- glossi war Verlust der Bewegung in der Zunge. Die Thiere vermoehten die Zunge nicht vorzustrecken, die vorgestreckte Zunge nicht zurückzuziehen, Diese wurde, zwischen die Zähne gelangt, zerbissen, wobei die Thiere die heftigsten Schmerzensäusserungen zu erkennen gaben. Nicht nur wa- ren die Bewegungen der ganzen Zunge gehemmt, auch die vom Muse. lingualis abzuleitenden leiseren Bewegungen ces- sirten gänzlich; die Zunge wurde nicht mehr gekräuselt; die Zungenwärzehen, die Stacheln derselben wurden nicht mehr aufgerichtet. — Das Schmerzgefühl trat bei Berührung, Knei- pung, Zerrung, Verwundung der Zunge auf das schärfste hervor. Ebenso war die Geschmacksempfindung nicht im mindesten beeinträchtigt, vielmehr verhielten sich Thiere, denen beide Nervi hypoglossi durchschnitten waren, sobald ihnen übel schmeckende Substanzen auf die Zunge gebracht waren, wie gesunde. Namentlich wurde auch das Ausfliessen des Speichels, das Hervortreten von Schaum aus dem Munde nach Einflössung von Chinin constant beobachtet. — Einige der Katzen mit durchschnittenen Nervi hypoglossi wurden Wochen lang am Leben erhalten; sie mussten mühsam künst- lich gefüttert werden. Bei einem dieser Kätzchen zeigte die Zunge in der dritten Woche einen dicken, weisslich-gel- ben Belag; das Epithelium lösete sich in starken Fetzen. Während dieses Zustandes — dem bald darch Tödtung ein Ende gemacht ward — war die Geschmacksempfindung be- deutend geschwächt. Wenn der Ramus lingualis Nervi trigemini berührt oder gar gekneipt wurde, äusserte das Thier sehr lebhafte Schmer- zen, welche bei der Durschneidung des Nerven noch bedeu- 136 tend sich steigerten. Folge der Durchschneidung beider Rami linguales war vollständiger Verlust der Schmerzempfindung in der Zunge nach vorgenommener Reizung derselben. Die Zunge konnte berührt, gezerrt, gekneipt werden; es konnten kleinere oder grössere Stücke derselben ausgeschnitten wer- den, das Thier äusserte nicht die leiseste Spur von Schmerz- empfindung. Die Katzen bissen in die Zunge und entzogen sie nicht den beissenden Zähnen; sie bewegten sie ungehin-. dert nach allen Richtungen und schienen sie gleich einem fremden Körper aus dem Munde entfernen zu wollen. Gleich wie keine Bewegung cessirle, bestand auch die Geschmacks- empfindung in voller Thätigkeit fort. Nach der Applikation von Chinin, so wie nach dem Genusse von Milch, die mit Chinin versetzt war, traten alsbald Zeichen des grössten Widerwillens ein; zugleich wurde die Speichelabsonderung copiös und Schaum trat vor den Mund. Mehrmals schien es, als wäre der Widerwille gegen die dargereichte bittere Substanz stärker, als er bei gesunden Katzen hervorzulre- ten pflegt. Nach gleichzeitiger Durchschneidung der beiden Nervi hypoglossi und der beiden Rami linguales zeigte sich Ver- lust der Beweglichkeit und der Sensibilität der Zunge; die Geschmacksempfindung war in voller Integrität. Ob die blosse Berührung und die einfache Durehschnei- dung des N. glossopharyngeus mit: Schmerzäusserungen ver- knüpft war, oder ob die Zeichen des Schmerzes, welche. die Tbhiere verriethen, durch die Berührung und Verletzung der benachbarten Theile erweckt wurden, darüber vermag ich schwer zu entscheiden. Jedenfalls äusserten die Katzen bei dem Ausreissen des Nerven mit der Pincetle unverkennbar Schmerz. — Nach gelungener Exstirpation beider Nervi glos- sopharyngei waren die Bewegungen der Zunge in keiner Weise beeinträchtigt; ebenso waren die Aeusserungen der Empfindung bei Berührung der Zunge unverkennbar; sie steigerten sich zu Schmerz bei Kneipen und Stechen der 137 Zunge. In dieser Beziehung verhielten sich die in angege- bener Weise operirten Katzen gleich gesunden. Anders ver- hielt es sich mit der Geschmacksempfindung. Wurde pulverisirtes Chinin mit etwas Wasser auf die Zunge gebracht, so äusserten die Katzen keine Spur von Widerwillen; auch trat, was sehr bemerkenswerth ist, keine copiöse Speichelabsonderung ein und es trat kein Schaum vor den Mund. Wurde in zwei Gefässen den Kätzchen reine und stark mit Chinin versetzte Milch vorgesetzt, so schlürften sie von dieser so reichlich, wie von jener. Mehrmals kehrten sie nach einmaligem Genusse der mit Chinin versetzten Milch zu derselben zurück; ja mehrere schlürften erst von der rei- nen, dann von der bitteren Milch und blieben bei der letz- teren. Im Sommer 1842 soffen mehrere dieser Kätzchen von der Milch, welche mit Chinin versetzt und in welcher dann noch Salmiak zugesetzt war. Sie äusserten keinen Widerwillen dagegen; einige Stunden später trat aber star- kes Erbrechen ein; die Katzen waren misstrauisch geworden und zogen später andere Speisen der Milch vor. Die Unempfänglichkeit der Katzen gegen Chinin war nicht blos eine momentane Erscheinung; sie erhielt sich viele Wochen lang. Im Jahre 1846 nahmen einige Rostocker Aerzte, welche meinen Versuchen beigewohnt hatten, meh- rere der einige Tage zuvor operirten Katzen nach Güstrow und zeigten sie den dort versammelten mecklenburgischen Aerzien vor, welche von den angegebenen Thatsachen sich vollständig überzeugten. Ich hebe es nochmals hervor, dass die copiösere Spei- chelabsonderung nach dem Genusse einer stark bitteren Sub- slanz nur bei denjenigen Thieren hervortrat, deren Nervi glossopharyngei im Zustande voller Integrität waren, dass da- gegen diese Erscheinung nach Exstirpation der genannten Nerven constant ausblieb. Sie ist ohne Zweifel reflektori- scher Art. 138 Das Ergebniss meiner zahlreichen Versuche steht dem- nach mit dem Resultate, das Panizza und Valentin er- langt haben, in bestem Einklange. Anmerkung des Herausgebers. Ich darf nicht unterlassen, auf die Schrift von $. Biffi und G. Morganti, Sui nervi della lingua. Milano 1846. 8., aufmerksam zu machen, da ihre Versuche gegen die exclusive Geschmacksfunction des N. glossopharyng. sprechen, vielmehr der Geschmack am vordern Theil der Zunge vom R. lingualis des Trigeminus abhängig erscheint. Bei dieser Gelegenheit mag auch die eben so einfache, als sichere Probe erwähnt werden, deren ich mich in den Vorlesungen bediene, um zu beweisen, dass die Gaumenäste des Trigeminus schmecken. Es wird gepulverte Quassia herumgereicht, man nimınt davon etwas auf die nass gemachte Spitze des Fingers und reibt damit den weichen Gaumen, wobei sogleich die Bitterkeit ge- schmeckt wird, Ueber die Herznerven des Frosches. Von ©. Luopwıe. Hierin, Tafel V. Die Nerven. welcbe von andern Centralorganen in das Herz eintreten, gelangen nur mit den Venen zu ihm. Es ist Täuschung, wenn man die weissen Streifen, die sich an der Aorla finden, für Nerven hält; es sind dieses nichts anderes, als die durchscheinenden Scheidewände, die die Aorla, noch ehe ihre äussere Hülle sich spaltet, theilen. — Beim Frosche sind aber die eintretenden Nerven wahrschein- lich nur Aeste des Vagus; sie gehen mit den Jugularvenen bis in den Vereinigungswinkel derselben, wo sie aber nicht selbst zu einem Stamme verschmelzen, sondern getrennt durch die Vena pulmonal. auf die Seheidewand dringen, so dass sie, auf dieser angelangt, durch einen Zwischenraum von —% Mm. getrennt sind, eine Stelle, an welcher zu- gleich beide Nerven durch eine starke Anastomose verbun- den sind. In ihrem weitern Verlauf auf der Scheidewand treten sie weiter und weiter auseinander, indem der linke einen hinteren kleinen, der rechte einen vorderen grossen Bogen bildet. Ihr Verlauf in der Ventrikularwandung hat bis jetzt nur auf sehr kleine Strecken verfolgt werden kön- nen, weil sie sich äusserst rasch zerklüften. 140 So lange die Stämme noch auf den Scheiden der Venen und im Zwischenraum zwischen letzteren und der Lunge lau- fen, bilden sie zahlreiche Plexus, ‘deren Aeste aber allmählig wieder zu einem Stamme gesammelt werden, wenn sie sich der Gabel der V. jugular. nähern. In dieser Gegend treten nun auch einzelne Aeste, welche meist nur aus wenigen Primitivfaden bestehen, in die Muskeln des Venensacks, welche an ihrem Ursprung und seltener im Verlauf mit Ganglienkugeln versehen sind. Wahrscheinlich ist es, dass auch von hier die Aeste für den Vorhof ausgehen, deren Darstellung mir aber noch nicht vollkommen gelungen ist. So wie die Vertheilung des Nerven in die Muskulatur des Venensacks beginnt, zeigen sich Ganglienkugeln an den Stäm- men, welche gegen den Eintritt auf die Scheidewand mehr und mehr zunehmen. Die Anastomose, welche sich auf dem obersten Theil der Scheidewand findet, zeigt in der Anord- nung des Einzelnen mannigfache Verschiedenheiten , wesenl- lich und constant bei allen diesen Varieläten zeigt sich die Einrichtung, dass ein Theil der Fasern jeder Seite verbleibt, ein anderer Theil sich gegenseitig austauscht. Gewöhnlich ist die von der linken zur rechten Seite gehende Abtheilung stärker, als umgekehrt, so dass hierdurch unterhalb dieser Anastomose die Nervenstämmchen eine ungleiche Dicke zei- gen (Fig1.). An den Winkeln dieser Anastomose finden sich immer bedeutende Ganglienmassen, deren Lagerung im einzelnen ebenfalls bedeutend abweicht, bei deren Anordnung aber wieder constant ist, dass nie die Ganglienmassen beider Hälften zu einem einzigen sich berührenden Centralorgan verschmelzen. Die Stämme unterhalb der Anastomose geben einzelne wenige Aeste in die Scheide- wand, verästeln sich aber, nachdem sie mit oder ohne Ple- xusbildung gegen den Ventrikularrand verlaufen sind, rasch auf demselben. Bei diesem Verlauf ist aber wiederum con- stant, dass die Primitivröhren der Stämme nicht gestreckt neben einander verlaufen, sondern, wie die Fasern eines 14 Seils, um einander gedrebt sind, wodurch es beiläufig auch unmöglich wird, den Stamm in seine Elemente zu zerlegen, ohne diese zu zerreissen, Zugleich finden sich an den Stäm- men auf der Scheidewand Ganglienmassen in verschiedener Anordnung, doch meist so, dass die Ganglieukugeln nicht zwischen den übrigen Röhren, sondern an den Rändern des Stammes liegen. Diese Ganglienkugeln begleiten nun auch die feinsten Aestchen, so dass ich sie noch öfter in der Sub- slanz der Vorhöfe an den daselbst vielfache Plexus bilden- den Aestchen gefunden habe. Mit R. Wagner und der letzteren Mittheilung von Bid- der übereinstimmend, halte ich unser Objekt für wenig geeig- net zu einer klaren Einsicht in die Elementarverhältnisse des Nervensystems. Die Nervenelemente sind zu zart, nicht iso- lirbar ohne Zerstörung und im Zusammenhang mit zu vielen fremden Substanzen umgeben. Folgendes theile ich als sicher beobachtet mit. Jeder Stamm und jedes Aesichen werden von einer durchsichtigen, strukturlosen Scheide umschlossen, in der sich jedoch öfter Kernbildungen zeigen (Fig. 2.). Die Pri- mitivröhren, welche zu den meist einrandigen, lange Zeit durchsichlig bleibenden gehören, zeigen nach ihrem Ein- tritt in das Herz eine ausserordentliche Neigung, varikös zu werden. Ob sie in der Peripherie nach der von Müller und E. Brücke!) beobachteten, von R. Wagner beslätigten Weise sich iheilen, liess sich darum nicht ausmilteln, weil sie sich gegen die äusserst feinen sog Pimitivbündel der Herz- muskeln nicht mehr absetzen, Das Verhältniss zu den Ganglienkugeln ist verschieden- arlig. Sehr häufig erscheinen Ganglienkugeln mit Fortsätzen aus der Umhüllungszelle, die deutlich Nervenröhren werden. Die bei weitem meisten dieser Kugeln zeigen nur einen Fortsalz (Fig. 3.). Das Mikroskop giebt keine Entscheidung, 1) J. Müller, Physiologie. 4. Auflage. 1844. p. 524. 142 ob der entgegengesetzte Fortsatz abgerissen ist oder ursprüng- lich nicht vorhanden war. Sehr selten trifft man auf Gan- glienkugeln, die, wie Wagner, Robin und Bidder be- schreiben, in einer Anschwellung der Primitivröhre liegen; in Fig. 4. u. 5. habe ich zwei der interessanteren Fälle ge- zeichnet. Beobachtet man unaufmerksam, so wird man diese Beobachtung häufig zu machen glauben, ja fast an allen Ganglienkugeln, welche isolirt an der Seite eines Stammes vorkommen. Dass man aber hier die Gesammtscheide des Nerven für das Primitivrohr gehalten hat, ergiebt sich dar- aus, dass die Forsätze nicht von der scharfen Contour der sog. Umhüllungszelle ausgehen (Fig. 6.). Ebenso häufig sieht man keinen Zusammenhang der Ganglienkugel mit dem Primitivrohr, und es gehört oft eine kühne Hypothese dazu, um diesen Zusammenhang zu er- liutern. Könnte man auch den häufig vorkommenden Fall (Fig. 7.), wo 2 Primitivröhren und 4 Kugeln sämmtlich fest in der Scheide eingeschlossen vorliegen, mit Volkmann dahin erläutern, dass jede Röhre 2 Kugeln aufnimmt — wo- gegen freilich der Augenschein spricht, so erlaubt doch Fig. 8. schwerlich eine solche Annahme, wo 4— 5 Primitivfasern mit 11 Ganglienzellen combinirt sind, die wiederum sämmt- lich in ihrer Scheide liegen, wodurch der Beweis geliefert ist, dass diese Zusammenlagerung kein Kunstprodukt ist; ähnliche Fälle sind nicht gar zu selten. So sieht man vielerlei, aber man kommt zu nichts Ent- scheidendem, weil man es immer dem glücklichen Zufall überlassen muss, ob er uns dieses oder jenes zeigen will, nur weil man an dem gesehenen — einem immer sehr zarten Bilde — keine Controllversuche über das Gedeutete unter- nehmen kann. Die interessantesten Fragen: Entstehen im Herz neue Fasern? oder sind alle Herzfasern früher Vagus- fasern gewesen? und in welchem Verhältniss steht jede Ganglienzelle zu den Primitivröhren? in welcher Art und welches Gebiet beherrscht ein Primitivrohr? sind mit dem 143 Mikroskope allein und den zugehörigen Messinstrumenten unlösbar. Nur der wird uns wahre Aufklärung bringen, der uns mit neuen Methoden arbeiten lehrt. Zum Schlusse erwähne ich die Art und Weise meiner Präparation. Zuerst versuchte ich die Nerven am aufgebla- senen frichen Herzen zu verfolgen, was nicht gelang. Auf- geblasene getrocknete Herzen lassen aber doch vielerlei sehen; es ist z. B. eine nützliche Methode, um den Zusammenhang des Venensacks und der Herzkammer zu zeigen. — Besser gelingt die Nervenpräparation, wenn man von einer Aorta aus rückwärts das ganz frische Herz mit ziemlich abgekühl- tem Leim einspritzt. Man kann dann die Venenstücke nach Belieben ausschneiden, und nachdem man sich die verschie- denen Enden gezeichnet, unter dem Mikroskop ausbreiten; indem man so von Stück zu Stück weiter verfährt, erhält man die oben gegebene Darstellung des Nervensystems, das ich sehr oft in einem einzigen Stück vom Ventrikel bis weit in die Venen hinaus vor mir gehabt habe. Es ist rathsam, die Präparation immer vom linken, nie aber vom rechten . Vorhof aus vorzunehmen. — Zum Aufsuchen der Ganglien in den Muskelmassen und zur Aufhellung der Scheidenverhältnisse empfehle ich die Behandlung der Präparate mit Phosphor- säure — der gewöhnlichen der Pharmakopöen — und Jod- wasserstofl-Jodlösung, letztere in einer solchen Verdünnung, dass sie einen starken Stich ins Braune hat. Die Primitiv- röhren leiden hierdurch freilich Schaden; ihre Ränder wer- den durch Phosphorsäure zu durchsichtig und bei nachheri- ger Behandlung mıt Jod schrumpfen sie ein; um so schöner und schärfer werden aber die Nervenscheiden, die Umhül- lungszellen, die Ganglienkugeln und Muskelprimitivbündel, Ueber die Wärmeentwickelung bei der Muskelaction. Von H. HeLmnorrz. (Vorgetragen in der Sitzung der physikalischen Gesellschaft zu Berlin am 12, November 1847.) Hierzu Taf. VI. Fig. 14. 15. Beequerel uud Breschet haben bei ihren Ihermoeleetri- schen Untersuchungen ') über die Wärmeverhältnisse des menschlichen Körpers gefunden, dass die Temperatur der Muskeln sich steigert, sobald dieselben in Thäligkeit geselzt werden. Sie fanden im Biceps brachialis eines Mannes nach mehrmals auf einander folgenden Contlractionen desselben eine Steigerung von 0,5° €. setziem Sägen um 1°. Ebenso fand Gierse?) bei Hunden ‚ bei fünf Minuten lang fortge- die Haultemperatur eines Schenkels mit angespannten Maus- keln immer merklich höher, als die des andern vollständig relaxirten. Entsprechend dieser örtlichen Steigerung der Tem- peratur macht sich auch eine allgemeine des ganzen Körpers 1) Ann. des sciences natur. Nouv. Serie, T. III. p. 272. 2) Quaenam sit ratio caloris org. part. inlamm, ete. Dissert, inaug. Halae 1842. 145 während bedeutender Muskelanstrengungen nicht nur dem Gefühle, sondern auch dem Thermometer merklich. Diese ist in sehr genauen Beobachtungsreihen von Gierse bei Hunden im Mastdarm bis zu 1° gefunden, von J. Davy !) bei Menschen zu 0,5° bis 1,0°. Indessen ist aus diesen Un- tersuchungen nicht zu entscheiden, welches die Quelle dieser Temperaturerhöhung in den Muskeln sei; ob dieselbe von den in den Muskeln selbst vorgehenden Prozessen herrühre, oder ob sie nur eine Folge der durch Verstärkung der vege- tativen Funktionen vermehrten allgemeinen Körperwärme und des reichlicheren Zuflusses des arteriellen Blutes zu den Muskeln sei. Da das letztere nach den thermoelectrischen Bestimmungen von Becquerel und Breschet an Hunden um 0,8° bis 1,0°, nach den thermometrischen von J. Davy ?) au Schafen und Ochsen um 0,55° bis 0,53° wärmer sein soll, als das Venenblut, so würde ein reichlicherer Zufluss des Blutes zu den Muskeln schon hinreichen, die Erwär- mang derselben zu erklären. falls diese Beobachtungen, ge- gen deren Richtigkeit viele Einwürfe erhoben werden kön- nen, sich bestätigen sollten. Um über die erwähnte Frage eine sichere und entscheidende Antwort zu bekommen, er- schien es nölhig, dass die Wärmeentwickelung an Muskeln untersucht werde, welche dem Blutumlauf entzogen sind. Zwei frühere therinometrische Versuche von Buntzen ®) an den Schenkelmuskeln einer frisch getödteten Kuh und eines Lammes schienen mir bei der grossen Schwierigkeit solcher Versuche einer Bestätigung zu bedürfen. Um ein möglichst wohl verbürgtes Resultat zu sichern, sind die kalt- blütigen Thiere, und unter ihnen die Frösche, viel geeigne- ter, sowohl wegen der Dauer ihrer Reizbarkeit, als auch, 1) Philos. Transact. 1845. p. I. 2) Philos. Transaect, 1514. p. 590. 3) Beitrag zu einer künftigen Physiologie. Kopenhagen 1505. Aus- zug davon in Gilbert’s Annalen der Physik. Bd. XXV. p. 157. Müller's Archiv. 1848. 10 446 weil bei ihrer verschwindend kleinen Eigenwärme sich am leichtesten ein constantes Gleichgewicht der Temperatur er- reichen lässt. An ihnen sind deshalb auch die folgenden Untersuchungen angestellt worden, und zwar mit Hülfe eines thermoöleetrischen Apparats. Die Wirksamkeit eines solchen beruht bekanntlich auf der Thatsache, dass in einem Metallringe, der aus zwei ver- schiedenen Metallen zusammengeselzt ist, ein electrischer Strom entstehl, sobald die Löthstellen verschiedene Tempe- raluren haben, und dass dieser eleetrische Strom sichtbar gemacht und gemessen werden kann durch seine Wirkung auf Magnetnadeln, indem er diese quer gegen seine eigene Richtung zu stellen strebt In dem von mir angewendeten Apparate zerfällt dieser Ring in zwei Theile, deren einer, eine eigenthümlich construirte thermoelectrische Säule, zur Erregung, der andere, der Multipliecator, zur Messung des Stromes dient. Der letztere enthält zwei Kupferdrähte von 0,75’ Durchmesser, deren jeder 50 Windungen macht, und die bei allen hier anzuführenden Versuchen neben einander zur Leitung verbunden wurden, so dass sie wie ein ebenso langer Draht vom doppelten Querschnitt wirkten. Leider war es mir nicht gelungen, Draht aus galvanoplastischem Kupfer zu erhalten, weil alle Versuche, dasselbe auszuziehen, missglückten; die Drahtmassen lenkten deshalb durch einen geringen Eisengehalt die astatischen Nadeln um 10° nach rechts oder links vom Nullpunkt der Theilung ab. Diese Ablenkung wurde d.rch den von Ruhmkorff angegebenen Compensator !) beseitigt, welcher in zwei, über dem Instru- ment angebrachten, mit ungleichnamigen Polen nach unten gekehrten, mit den oberen Enden nahe zusammenstossenden Magneten besteht. Der Compensator wird so gestellt, dass er die Magneinadeln auf den Nullpunkt der Theilung ein- 1) Matteucci, Trait& des phenomenes &lectrophysiologiques des animaux. Paris 1844. p. 25., abgebildet Fig. 2. 147 stellt; durch allmählige Näherung oder Entfernung der unte- ren Enden der Magnete gegen einander kann man ihrer Richtkraft auf die Nadeln jeden beliebigen Werth geben. Stellt man dieselben so ein, dass ihre Kraft eben ausreicht, die ablenkenden Wirkungen der Drahtmassen zu überwin- den, so hat man den höchsten Grad der Empfindlichkeit ge- geben. Die Kreistheilung ist auf eine versilberte Kupfer- platte aufgetragen, welche durch ihren dämpfenden Einfluss die Schwankungen der Magnetnadeln sehr schnell beseitigt. In Betreff der Vorsichtsmaassregeln, welche bei der Behand- lung so empfindlicher Multiplicatoren anzuwenden sind, kann ich am besten auf die vollständige und gründliche Erörte- rung derselben verweisen in E. du Bois-Reymond, Un- tersuchungen über thierische Elektriecität. Berlin 1848. Bd. 1. p. 160 —203. Die angewendete thermo&lectrische Kette muss ich nä- her beschreiben, weil sie von den bisherigen Formen dieser Ketten gänzlich abweicht. Man hat früher die Teinperatur- bestimmungen an thierischen Theilen auf thermotlectrischem Wege immer hur mit einem wirksamen Elemente gemacht, und zwar sind von Becquerel und Breschet Combina- tionen von Eisen und Kupfer gewählt worden; dieselben hat auch Dutrochet ') benutzt. Ich zog es vor, drei Ele- mente hinter einander anzuwenden, um so die electromoto- rische Kraft des Stromes zu verdreifachen. Um dieselben aber in die thierischen 'Theile einzubringen, musste man sie {rennen und leicht wieder verbinden können. . Letzteres ge- schah dadurch, dass die Enden derselben zwischen zwei isolirenden Elfenbeinplättchen gepresst wurden gegen Kupfer- streifen, durch welche die Leitung bis zum nächsten Ele- ment hergestellt wurde. Die Eleimeiıte selbst bestanden aus einem Mittelstück von Eisen, an dessen beide Enden Neu- silber angelöthet war, weil diese beiden Metälle eine etwa 1) Ann. des sciences natur. T. XIII. 1840. 10* 148 %% Mal so grosse thermoelectrische Kraft haben, als Kupfer und Eisen !). Bei der Form, welche man den erregenden Metallcom- binationen giebt, kommt es hauptsächlich darauf an, dass der Querschnitt derselben nicht zu klein sei, um nicht einen zu grossen Leitungswiderstand darzubieten, welcher bei den gewählten beiden Metallen schon an sich sehr gross ist, und dann, dass die von aussen kommende Wärme leicht zu allen Punkten des Querschnitts hingeleitet werde, damit die Löth- stellen möglichst genau und gleichmässig die Temperatur des umgebenden Körpers annehmen. Beide Bedingungen zugleich werden am besten durch Streifen dieser Metalle von gerin- ger Dicke erfüllt. Die von mir gebrauchten sind 4%” lang, 1,1 breit, 0,15“ dick;- zusammengelöthet aus einem Mittel- stück von Eisen, 13” lang, und zwei seillichen ebenso lan- gen von Neusilber. Dieselben sind mit Ausnahme der En- den stark mit Schellack gefirnisst, um den Uebergang der eleetrischen Strömungen durch die nassen thierischen Theile hindurch von einem Streifen zum andern zu verhindern. Ihre Enden sind zugeschärft, um sie leicht durch die Mus- keln hindurchstechen zu können. Der Apparat, durch welchen diese Elemente zur Kette verbunden werden, ist in halber Grösse dargestellt auf Taf. VI. Fig. 14. u. 15. Fig. 14. ist die Ansicht von oben bei drei Elementen; a,a,, b,b,,, e,e, sind die electromotorischen Streifen, ihre Mittelstücke hh von Eisen, das übrige Neusil- ber; I,n,n,,l, ist ein Brettchen, belegt mit einer Glasplatte l,m,m,,l,,; die Messingstücke g, und g,, mit den Schrauben f, und f,, sind die Pressen, durch welche die Enden der Strei- fen gegen die breitgeklopften Enden der Kupferdrähte «&,,ß,,y,, &,» ß,, und y,, gepresst werden Diese Drähte gehen auf die untere Fläche des Bretts herab und stehen hier in gegensei- tiger Verbindung, und zwar «, mit dem unteren Ende der 1) S. Hankel in Poggendorff’s Annalen, Bd. LXII. p. 479. 149 Klemmschraube p,, «,, mit ß,, 8, mit y,, y, entweder un- mittelbar mit der Klemmschraube p,, oder, wie bei meinem Instrument, welches für sechs Elemente eingerichtet ist, die in einer oberen und unteren Reihe liegen, mittelbar durch diese untere Reihe; q,undgq,, sind die zum Multiplicator lei- tenden Drähte. Der Weg des Stromes ist also folgender: 4» P, & 3, 2,5 &,, Bun bu, bu» Br Yu &5 & Yu Prn q, und so zum Multliplicator zurück. Fig. 2. zeigt denselben Apparat von der Seite mit Weglassung der Kupferdrähte, eingerichtet für sechs Elemente. Das Brettchen ist wieder mit In be- zeichnet, die Glasplatte mit Im; p ist eine Klemmschraube für das Ende des Multiplicatordrahts q, g der Messingkörper der Presse, f die Schrauben derselben. Das mittlere Elfen- beinstück 7 ist fest eingefügt in das Messingstück g, die EI- fenbeinplättchen £ sind dagegen beweglich. Zwischen ihnen sind die Durchschnitte der platten Enden der Kupferdrähte bemerklich, welche in Rinnen der Platte 7 einliegen; die Enden der ihermoelectrischen Streifen werden zwischen diese Kupferstreifen und die Plättchen eingeschoben; & sind be- wegliche Messingplättchen, welche den Druck der Schrauben auf die Plättchen { übertragen; ii sind die Ränder eines Ab- schnitts des Brettchen, um dem Kopfe der unteren Schraube Raum zu geben. Sollen nur drei Elemente benutzt werden, wie es in allen zu beschreibenden Versuchen der Fall war, so wird zwischen. die untere Reihe der Kupferstreifen und das untere Plättchen & der beiderseiligen Pressen ein Kupfer- plättchen eingelegt, welches den Strom quer über die Strei- fen fortleitet, so dass er in der unteren Reihe nicht hin und her zu gehen braucht. Für den Fall, dass sechs Elemente gebraucht werden sollen, ist die Drahtleitung so angeordnet, dass, wenn das unter c liegende Element d, das unter b e, das unter a f genannt wird, der Strom von e,, nach d, von d, nach e,, von e, nach S,, von S, nach der Klemm: schraube p,, geht. Werden nun stalt der drei untern Strei- fen die Kupferplättchen eingelegt, so stehen dieselben in lei- 150 tender Verbindung unter sich durch die Drähte d,,e, und e,f,, mit c, durch c,,d,, mit der Schraube p,, durch £,, p,, und so ist daun die Leitung zwischen c,, und p,, hergestellt. Bei den Versuchen steht dieser Apparat in einem Kasten mit Glasdeckel, dessen vordere und hintere Wand durchbohrt sind. Durch die erstere Lreten die Enden der Multiplicator- drähte ein, durch die letztere zwei andere Kupferdrähte, welche nach aussen durch Quecksilbergefässe mit den Dräh- ten des zur Reizung gebrauchten electrischen Apparats ver- bunden werden können, nach innen durch andere Queck- silbergefässe mit Drähten, welche zu den thierischen Theilen gehen. Dadurch werden die thermoelectrischen Elemente vor äusseren Temperaturstörungen geschützt. Da es darauf, aukam, für einzelne Versuche auch die absoluten Temperaturunterschiede der Löthstellen wenigstens annähernd zu kennen, durch, welche die beobachteten Ab- lenkungen der Magneinadeln hervorgebracht werden, so musste versucht werden, das Verhältniss der Stromintensi- täten für die einzelnen Winkelgrade zu bestimmen. Sind die Theilung und: der Compensator so gestellt, dass die Nadel den Nullpunkt zeigt, sobald kein Strom durch die Draht- windungen geht, und wird dieselbe dann durch einen Strom nach einer Seite der Theilung hin abgelenkt, so haben auf die Grösse dieser Ablenkung folgende Kräfte Einfluss: 1) Der Erdmagnelismus, welcher die Nadeln in ihre ursprüngliche Lage zurückzulenken, strebt mit einer Kraft, welche dem Si- nus des Ablenkungswinkels proportional ist. 2) Der Magne- tismus des Compensators, welcher die einlenkende Kraft des Erdmagnetismus verstärkt, und dessen Wirkung wenigstens bei, kleinen Ablenkungen ebenfalls annähernd proportional ist demselben Sinus. 3), Der electrische Strom, welcher die Nadel auf 90° einzustellen strebt, dessen ablenkende Kraft, bei gleicher Stellung der Nadeln gegen die Drahtwindungen seiner Intensität proportional ist, bei Aenderung dieser Stel- lung aber sich nach einem Gesetze ändert, welches für jeden 151 einzelnen Multiplieator nur durch Versuche bestimmt werden kann. 4) Die magnelischen Kräfte der geringen Verunrei- nigung des Kupferdrahts mit Eisen; diese streben bei dem von mir gebrauchten Multiplicator in den Graden zwischen 0° und 20° die Nadel vom Nullpunkt abzulenken, zwischen 20° und 90° dagegen, sie demselben zu nähern. Die Grösse dieser letzteren Kräfte für jeden einzelnen Grad der Thei- lung kanı gemessen werden, wenn man bei geöffnetem. Schliessungsdraht und nach Entfernung des Compensators durch Drehung des Kastens mit den Drahtwindungen und der Theilung die Nadel auf die einzelnen Theilstriche ein- stell. Hat man z. B., um die Nadel auf den Theilstrich 10° einzustellen, den Kasten um 7° drehen müssen, so steht die Nadel um 3° aus dem Meridian, und die Kraft der Ab- lenkung ist sin 3°, wenn die Einheit der ablenkenden Kraft diejenige ist, welche der Erdmagnelismus bei einer Ablen- kung von 90° auf das Nadelpaar ausübt. Lässt man den Compensator stehen, und macht denselben Versuch, so wird ınan kleinere Ableukungen der Nadeln bekommen, weil die Wirkung des Erdnmagnelismus dadurch verstärkt ist; man wird aber die ablenkenden Kräfte wieder dem Sinus des Ablenkungswinkels nahehin gleich setzen können, nur ist die Einheit dieser Drelikraft um so viel grösser als die vorige, als die Wirkung des Erdinagnetismus durch den Compensator erhöht wird. Dieses Verfahren giebt zugleich ein Mittel ab, die Richtkraft des Conpensators ihrer Grösse nach gegen die des Erdmagnetismus zu bestimmen. Hat man für jeden Grad der Kreistheilung auf diese Art die magnetische Drehkraft der Drahtwindungen bestimmt, »o lässt sich bei einem Nadelpaar, welches keinen Compen- sator nölhig macht, das Graduationsverfahren von Poggen- dorff') in Anwendung bringen, bestehend in der Beobach- tung mehrerer Ablenkungen, welche derselbe Strom hei ver- 1) Poggend. Annalen, Bd. LVI. p. 324. 152 schiedenen Stellungen des Kastens hervorbringt. Man kanu dann daraus berechnen, wie gross die Drehkraft desselben Stromes für die beobachteten Stellungen der Nadel gegen den Kasten ist, wie gross also die Intensität des Stromes sein muss, um die Nadel auf die entsprechenden Winkel einzu- stellen. Für ein Nadelpaar, welches den Compensator nö- thig macht, würde dazu noch eine zweite Versuchsreihe der- selben Art mit aufgesetztem Compensator nöthig sein, um auch die Wirkung dieses Theiles für jeden Grad der Ablen- kung zu ermitteln. Es würde also eine genaue und vollstän- dige Graduation des Multiplicators ein zwar mühsames, aber ausführbares Geschäft sein. Leider fand ich bald bei meinen dazu angestellten Versuchen, dass der Zustand eines empfind- lichen Instruments nicht stationär genug ist, um diese Mühe zu lohnen. Leichte Aenderungen in den Magnetismen der Nadeln, in der Centrirung derselben, in ihrer verticalen Höhe, Temperaturverbältnisse ändern so viel an den Ablenkungen, dass eine dauernd gültige Graduation viel complicirtere Vor- sichtsmaassregeln nöthig machen würde, als ich sie anwen- den konnte. Doch stellte sich ein Resultat heraus, worauf sich mein späteres annäherndes Verfahren gründete. Die ablenkenden Kräfte der Ströme sind nämlich innerhalb der ersten 20 Grade bei meinem Multiplicator fast constant, sie steigen nämlich bis 7° ein wenig, fallen dann wieder, so dass sie bei 14° denen bei 0° fast gleich und bei 20° ein wenig kleiner sind, und die Ablenkungswinkel der Nadeln würden deshalb in den ersten 20 Graden den Stromintensi- täten fast proportional sein, wenn nieht auch noch die Magne- tismen der Drahtwindungen störend einwirkten. Abgesehen von den letzteren, würde z. B., wenn wir die Intensität des Stromes, der auf 10° ablenkt, gleich 10 setzen, die bei 5° sein: 5,0, bei 15°: 15,1, bei 20°: 20,6, so dass inner- halb dieser Grenzen die höchste Abweichung von der Pro- portionalität nur „2; der gemessenen Grösse beträgt, und 153 bei dem hier zu erzielenden Grade von Genauigkeit vernach- lässigt werden kann. Auf diesen Umstand lässt sich nun ein für die ersten 20 Grade ausreichendes und leicht so oft als nöthig zu con- trollirendes Verfahren der Graduation gründen. Setzen wir nämlich die Intensität der ablenkenden Ströme gleich der Zahl der Grade des Ablenkungswinkels, den die Nadel ohne die Störung durch die Drahtmassen erreichen würde, und haben wir beobachtet, dass bei einer Ablenkung des Kastens um 7° die Nadel sich ohne Strom auf 10° einstellt, so wis- sen wir, dass die Drehkraft der Drahtmassen bei Stellung der Nadel auf den Theilstrich 10° gleich ist der des Stromes von der Intensität 3. Soll daher ohne Verschiebung des Kastens die Nadel durch einen Strom auf 10° abgelenkt werden, so braucht dieser nur die Intensität 7 zu haben. Wir erhalten also die Intensitäl des Stromes einfach da- durch, dass wir statt des beobachteten Ablenkungswinkels der Nadel die Gradzahl desjenigen Ablenkungswinkels des Kastens setzen, bei welcheın ohne Strom die Nadel auf den beobachteten Theilstrich zeigt. Man kann leicht nach jeder einzelnen Beobachtungsreihe die entsprechenden Verschie- bungen des Kastens aufsuchen. Ich lasse hier für die nie- drigsten Grade der Theilung die Angabe der Intensitäten folgen, wie ich sie zur Zeit der Anstellung meiner Haupt- versuche erhielt: Ablen- Ablen- kungs- | Intensität. | kungs- | Intensität. winkel. winkel. 4. 0,2 9° 5,8 2 0,5 10 7,0 3 1,0 11 8,1 4 1,7 12 9,3 5 2.4 13 10,8 6 3,1 14 | 122 7 3,9 forma 919°0 5 4,8 20° |°20 154 Den so gefundenen Stromintensitäten sind nun die Tenı- peraturunterschiede der Löthstellen proportional. Um aber auch die absolute Grösse der letzteren berechnen zu können, wurden die Löthstellen in Quecksilberbäder gebracht, deren Temperaturunterschied durch ein empfindliches Thermometer bestimmt werden konnte. Diese Quecksilberbäder bestanden in zwei Pappkästchen, in denen je zwei gegenüberliegende Seitenwände einen Schlitz halten. Die thermoeleetrischen Streifen wurden in dieselben so eingekitiet, dass in jedem Kästchen je drei zusammengehörige Lölhstellen lagen. Ich fand für den Ablenkungswinkel 20°, also die Stromintensi- tät 20, den Temperaturunterschied der @uecksilberbäder 0,74° €©., für 10°, Intensität 7, aber 0,26° C. Daraus fiu- det sich für die Intensität 1 der Unterschied YA UST = 0,037. Mit der letzteren Zahl muss man also die Zahlen, welche in unserer Tabelle lie Intensitäten bezeichnen, mul- tiplieiren, um den zugehörigen Temperaturunterschied der Löthstellen in Graden der 100 1theiligen Skale zu finden. Es folgt daraus, dass der Wertli des ersten Grades 0,0074° C. entspricht, und da man sehr gut noch -}; Grade abschätzen kann, so kann man in der Nähe des Nullpunkts noch Tem- peraturunterschiede geringer als „4; Grad erkennen. Zur Erregung der Contraclion in den Muskeln gebrauchte ich einen kleinen Neef'schen Eleetromotor, über dessen Con- struction ich noch Einiges bemerken muss. Die Wirksam- keit dieses Apparats beruht bekanntlich darauf, dass durch einen unterbrochenen eleettischen Strom eine Masse von weichem Eisen abwechselnd magnetisirt und entmagnetisirt wird, und dass jeder Wechsel in der Magnelisirung in dem umgewickellen Draht einen kurzen electrischen Inductions- strom erzeugt von abwechselnd enigegengesetzter Richtung. Bei den gewöhnlichen käuflichen kleinen Apparaten dieser Art dient dieselbe Drahtumwicklung zur Leitung des primä- ven Stromes der erregenden galvanischen Kelte und der In- ductionsströme, und die thierischen Theile, auf welche ge- 155 wirkt werden soll, befinden sich in einer Nebenleitung, so dass immer ein Theil des Hauptstroms durch sie hindurch- geht. Weil es bei meinen Versuchen zu fürchten war, dass sich ein Theil dieses Stromes auch in die Drahtleitung des Multiplicators abzweigen und die Magnetnadel dauernd ab- lenken könnte, liess ich die Einrichtung des Neef'schen Ap- parates dahin abändern, dass der primäre Strom eines Gro- ve’'schen Zinkplatinelements durch einen 1’ dicken Kupfer- draht, der in einer einfachen Lage um den Eisenkern gewickelt war, geleitet wurde, für die Induetionsströme aber ein zwei- ter dünnerer diente, der etwa 700 Windungen machte, Die Strömungen, welche bei der Eröffnung der primären Kette durch das Verschwinden des Magnetismus entstehen, sind viel intensiver, aber dauern um ebenso viel kürzere Zeit, als die bei Schliessung der Kette, so dass sich bei schneller Folge derselben ihre Wirkungen auf eine Magneinadel, dereu Magnetismus nicht durch die Einwirkung der Ströme: geän- dert wird, vollständig aufheben. Man erlangt durch diese Abänderung des Apparats ausserdem viel stärkere Wirkun- gen, weil der primäre Strom wegen der guten Leitungsfä- higkeit des dicken Drahts viel stärker ist. Die physiologi- sche Wirkung dieser Ströme rührt hauptsächlich von dem starken Oeflnungsschlage her, da auf den Schliessungsschlag der menschliche Körper gar nicht, Froschmuskeln nur mässig reagiren. Die Zahl der Schläge in der Sekunde konnte nach dem Tone, welchen die die Leitung unterbrechende Feder gab, auf 150 -- 300 bestimmt werden. In allen Versuchen, wo nicht das Gegentheil erwähnt ist, war die Intensität der Schläge, deren volle Wirkung auf den menschlichen Kör- per ganz unerträglich, ja gefährlich ist, durch Einschaltung eines mit Brunnenwasser gefülllen Glasröhrchens in die Lei- lung so weil geschwächt, dass in den Fingern nur noch ein kaum merkliches Prickeln. empfunden werden konnte, Der -Neefische Apparat muss 6—® Fuss vom Multiplicator auf- geslelll werden, un nicht durch den Magnetismus seiner 156 Eisenmassen die Magnetnadeln abzulenken. Sollte die Rei- zung der thierischen Theile beginnen, so wurden beide En- den der Inductionsleitung zugleich mit den Drähten des oben beschriebenen Kastens in Verbindung gesetzt, welcher die Thermokette mit den thierischen Theilen enthielt. Die Wir- kung solcher discontinuirlichen Ströme ist bekanntlich eine anhaltende Zusammenziehung der von den getroffenen Ner- ven versorgten oder unmittelbar getroffenen Muskeln, welche nicht eher nachlässt, als wenn die Reizbarkeit derselben zu erlöschen beginnt. Nach einiger Ruhe oder bei Umkehrung der Stromesrichtung kann man dieselbe Wirkung in schwä- cherem Maasse wieder hervorbringen. Will man die Wärmeentwickelung in den Muskeln be- obachten und sich bei Feststellung des Resultats möglichst vor fremden Einflüssen schützen, so ist es am besten, die Contraction derselben vom Rückenmark aus zu bewirken, weil dabei der Muskel von den electrischen Strömen ganz unberührt bleibt. Zu dem Ende schnitt ich den einen Schen- kel eines Frosches einfach ab, während ich den andern so präparirte, dass er noch durch die Nerven mit dem Rücken- mark in Verbindung stand, und stach durch beide die drei ihermoelectrischen Streifen hindurch, so dass sich je drei zusammengehörige Löthstellen in dem Muskelfleische jedes Oberschenkels befanden. Man führt dies am besten aus, wenn man die Streifen parallel neben einander und in der Entfernung, welche sie nachher haben müssen, zwischen zwei Bretichen einklemmt, so dass aber ihre Enden hervor- stehen, dann die Haut an der inneren Seite des Oberschen- kels spaltet und durch diese Spalte die Streifen einstösst; sie dringen leicht durch das Fleisch hindurch bis unter die Haut der äusseren Seite, welche letztere man wieder mit der Scheere an ‘der betreffenden Stelle spalten muss. So kann man ohne Zerrung der Muskeln die Streifen durch die Schraubenklemmen zur Kette verbinden. Das im Wirbelka- nal enthaltene Rückenmark wird dann auf ein besonderes SR REEL ER 157 Glasplättchen gelegt, und an seinem Kopf- und Beckenende werden Drähte durch die anbängenden Muskelmassen ge- stossen, um durch dieselben die Verbindung mit den Enden des Inductionsdrahts herzustellen. Die ganze Vorrichtung wird in den Kasten mit Glasdeckel eingeschlossen, in wel- chem zugleich mehrere kleine Wassergelässe aus porösem Thon aufgestellt sind, um die Luft mit Wasser zu sättligen. Hierdurch wird einmal das Austrocknen der Nerven verhin- dert, dann aber auch den Ungleichheiten der Temperatur vorgebeugt, welche durch Verdunstung in den Schenkeln entstehen könnten. Nachdem man nun gewartet hat, bis die Nadel durch ihre Rückkehr auf den Nullpunkt der Thei- lung die eingetretene Temperaturgleichheit der beiden Schen- kel anzeigt, oder doch einen hinreichend constanten Stand- in der Nähe jenes Punktes gewonnen hat, wozu gewöhn- lich 3 bis % Stunde nöthig ist, wird der Induetionsstrom durch das Rückenmark- geleitet, wodurch ein tetanischer Zu- stand der Muskeln etwa 2—3 Minuten lang unterhalten wer- den kann. Während dieser Zeit weicht die Nadel 7 — 8° nach der Seite hin ab, welche einer Erwärmung des gereiz- ten Schenkels entspricht. Durch diese Ablenkung wird eine Temperaturverschiedenheit der Löthstellen von 0,14° bis 0,18° ©. angezeigt. Hört man mit der Reizung auf, oder erlischt die Reizbarkeit der Muskeln, so geht die Nadel sehr langsam wieder auf den Nullpunkt zurück. Davon, dass die beobachtete Ablenkung der Magnetnadel weder von einer electromagnetischen, noch von einer thermischen Wirkung der angewendeten Inductionsströme herrührt, kann man sich schliesslich am besten dadurch überzeugen, dass man nach erloschener Reizbarkeit der Schenkel den ungeschwächten Inductionsstrom des Neef’schen Apparats einwirken lässt. Ist die Isolation der thierischen Theile gut, so entsteht nicht die geringste Bewegung der Magnetnadel. Man kann auch ohne Gefahr eines (alchen Resultats die erregenden Ströme unmittelbar durch die Schenkel leiten, 158 wenn man sich nur zum Schluss überzeugt, dass nach er- loschener Reizbarkeit die angewvendete Intensität derselben keine in Betracht kommende Wärmewirkung hervorbringt. Unter den von mir angewendeten Verhältnissen konnte bei erloschener Reizbarkeit die Nadel durch den geschwächten Strom höchstens um einen Grad in der Nähe des Nullpunkts vorwärts bewegt werden, und auch dazu war eine sehr viel längere Zeit nöthig, als um bei frischen Muskeln durch die Contraction einen Ausschlag von 10— 11° zu erzielen. Diese Art des Experiments hat den Vortheil, dass die Reiz- barkeit der Muskeln viel länger vorhält, als die der Nerven- stämme. Man kann deshalb die Einstellung der Nadel auf den Nullpunkt viel längere Zeit hindurch abwarten, die Rei- zungen mehrere Male und an beiden Schenkeln abwechselnd wiederholen, und die Verminderung des thermischen Erfolgs in gleichem Verhältniss mit der Energie der Zusammenzie- hung beobachten. . Ueber Wärmeentwickelung in den Nerven. Da sich so die Wärmeentwickelung in der Muskelsub- stanz selbst bei der Contraction derselben nachweisen lässt, erschien es mir als nicht unwahrscheinlich, dass dasselbe auch in den Nerven ausführbar sein könnte, während die- selben Erregungen von den Centraltheilen zu den peripheri- schen oder umgekehrt fortleiten. Diese Vermuthung gewann noch dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass durch E. du Bois- Reymond bei. den Untersuchungen über thierische Eleetri- eität ganz ähnliche electrische Ströme in den Nerven gefun- den sind, wie in den Muskeln '), und, wie ich aus mündli- cher Mittheilung weiss, ganz ähnliche Abänderungen derselben, sobald durch den Nerven eine Contraction der betreffenden Muskeln hervorgerufen wird. Als eng verbunden mit diesen Strömen sollte man daher auch hier chemische Aenderungen 1) Poggend. Ann. Bd. LVII. p. 7. ee en 15) und Wärmeentwickelung anzutreffen erwarten. Meine in die- ser Hinsicht angestellten Versuche haben ein rein negatives Resultat gehabt. Ich halte es jedoch für angemessen, die Art ihrer Anstellung hier näher zu beschreiben, weil sich einmal aus ihnen so viel ergiebt, dass die Temperaturände- rungen in den Nerven, wenn überhaupt dergleichen Statt finden, wenigstens nicht über wenige Tausendtheile eines Grades hinausgehen, und weil ich zweitens bei diesen Ver- suchen auf einige Fehlerquellen aufmerksam geworden bin, deren Nichtbeachtung leicht zu einem anscheinend entgegen- gesetzten Resultate führen kann. Ich brauchte zu diesen Versuchen denselben thermoelee- trischen Apparat von drei Elementen, wie zu den vorigen. Die beiden Schenkel eines möglichst grossen Frosches wnr- den so präparirt, dass dieselben mit dem vom Gehirn ge- trennten, in den Wirbelkanal noch eingeschlossenen Rücken- mark nur noch durch die Plexus ischiadiei zusammenhingen. Die thermoslecetrischen Elemente wurden zwischen dem rech- ten und linken Plexus hindurchgeführt, und die Anordnung so getroffen, dass die Nervenbündel an der oberen und un- teren Seile von einer Reihe dreier entsprechender Löthstellen lagen. und die letzteren auf diese Weise ganz von Nerven- masse umgeben waren. In dieser Lage erhalten wurden die Nerven durch Korkstückchen mit einer kleinen Rinne zu ihrer Aufnahme. Das untere dieser Korkplättehen wurde zwischen die thermoöleetrischen Streifen und die Glasplatte ihres Trägers eingeklemmt Seine den Streifen parallelen Seiten waren mit einem näch oben hervorstehenden Rand von Pappe versehen, welche mit einer dicken Schicht von Siegellack überzogen war, und zwischen diese Ränder wurde das obere Plättchen eingeklemmt. Die Ränder hatten na- türlich an der Stelle, wo die Rinnen der Plättehen endeten, Einschnitte für die Nerven. So war das Nervenbündel, wel- ches die Löthstellen einhüllte, zunächst umgeben von einer Korkmasse, welches die Ableitung seiner eigenen Wärme 160 und die Zuleitung der äusseren, namentlich der in den Mus- keln des Rückens und der Schenkel entwickelten, möglichst verhinderte, und dadurch die Temperatur der eingeschlosse- nen Theile ziemlich constant machte. Vor der Berührung mit den thierischen Theilen war diese Korkmasse durch die Siegellackschichten geschützt und electrisch isolirt. Das Rückenmark wurde auf einer besonderen Glasplatte isolirt, so dass die einzige electrische Leitung zwischen ihm und den Schenkeln die durch die Nerven war. Es kommt auf die Erreichung dieser Bedingung viel an, damit sich nicht ein Theil der Induetionsströme durch die Nerven und eine zweite Nebenleitung hindurch abzweige. Die Reizung durch den 'geschwächten Strom des Neef’schen Apparats und die Verbindung des Rückenmarks mit demselben geschah wie bei den früheren Versuchen. Für die Sättigung der Luft mit Feuchtigkeit musste noch sorgfältiger gesorgt werden, als früher, weil nur eine Reihe Löthstellen mit nassen Theilen in Berührung war und durch Verdunstung abgekühlt wurde. Es geschah dies theils wieder durch poröse thönerne Was- sergefässe, theils durch feuchte Pappscheiben, welche unter und über dem thermoelectrischen Apparat ausgebreitet wa- ren. Nachdem der ganze Apparat zusammengestellt war, blieb-er stehen, bis die Ablenkung der Magnetnadel entwe- der ganz verschwunden war, oder sich der geringe Rest derselben doch in längerer Zeit nicht mehr merklich änderte. Um möglichst feine Resultate zu gewinnen, wurde im letz- teren Falle die Theilung des Multiplicators mit den Draht- windungen so weit gedreht, bis die Nadel auf 0° zeigte, weil sie an dieser Stelle der Theilung am empfindlichsten ist. Dann wurde der Tetanus der Schenkel hervorgebracht; derselbe dauerte etwa 2 Minuten. Waren die Bedingungen eines fehlerfreien Versuchs gut erfüllt, so wurde die Stel- lung der Nadel während der Contractionen der Muskeln nicht im geringsten geändert. Ist aber die Isolation der thie- rischen Theile nicht ausreichend, so dass neben den Nerven 4 m a EU LU u 22 „U zn u nr zu» DZ 2 161 noch eine zweite Leitung zwischen Rückenmark und Schen- kelu vorhanden ist, so zweigt sich ein Theil des Induetions- stroms durch diese und die Nerven ab, und entwickelt in den letzteren eine bei so feinen Hülfsmitteln wahrnehmbare Wärmemenge. In solchen Fällen entstand bei der Schlies- sung des Neef'schen Eleetromotors zuweilen ein Ausschlag von +— 1° im Sinne einer Erwärmung der Nerven. Der- selbe entsteht dann aber auch nach erloschener Reizbarkeit der letzteren immer wieder, und in noch höherem Grade, wenn man den ungeschwächten Strom des Neef’schen Ap- parats anwendet, wodurch ich ihn dann bis zu 4 oder 5° steigern konnte. Zu beachten sind ferner bei diesen Versuchen die unipo- laren Strömungen, weil ihr Durchgang durch die Nerven ebenfalls merkliche Ausschläge der Magnetnadeln erzeugt. Es sind dies Bewegungen der Electricität in nicht zur Kette geschlossenen Leitungen, welche mit dem Leitungsdrahte ei- nes kräftigen Induetionsapparals zusammenhängen. Die bis- her veröffentlichten Angaben von E. du Bois-Reymond befinden sich in den Fortschritten der Physik im Jahre 1845, dargestellt von der physikalischen Gesellschaft zu Berlin, S. 533 — 544. Dieselben iraten namentlich ein bei meinen Versuchen, wenn die Verbindung der Schenkel nur mit einem Ende des Inductionsdrahtes her- gestellt war, während das andere mit dem Erdboden in lei- tender Verbindung stand. Durch die Magnetisirung und Ent- magnelisirung des Eisens im Neef’schen Apparate werden die eleetrischen Fluida abwechselnd nach den beiden Enden des Inductionsdrahtes hingetrieben, wodurch sich bei offener Kette diese Enden abwechselnd mit entgegengesetzien Elec- trieitäten von ziemlich bedeutender Spannung laden, und ihre Ladungen den mit ihnen zusammenhängenden Leitern, hier durch die Nerven hindurch den Schenkeln, mittheilen, Es entstehen dabei lebhafte Zuckungen der letzteren, und die Magnetnadel wich gewöhnlich etwa um 1° im Sinne einer Müllers Archiv. 1849, 11 162 Erwärmung der Nerven ab. Wurde dagegen die Induclions- leitung geschlossen, indem auch ihr anderes Ende mit dem Rückenmark in Verbindung gesetzt wurde, so reichte der von mir angewendete geschwächte Inductionsstrom nicht mehr aus, unipolare Strömungen zu erregen, und die Ablen- kung der Magnetnadel blieb aus, während die Contractionen der Schenkel viel heftiger waren. Es ist deshalb bei den beschriebenen Versuchen nothwendig, die Verbindung beider Enden des Induetionsdrahtes mit dem Rückenmark gleich zeitig herzustellen. Der Grund dazu, dass in den Nerven so schwache Strömungen schon merkliche Temperaturänderun- gen verursachen, liegt in ihrem grossen Leitungswiderstande bei geringer Masse im Vergleich zu den Muskeln, deren Er- wärmung selbst bei viel stärkeren Strömen vernachlässigt werden konnte. Die kleinste wahrnehmbare Ablenkung der Nadel um ; des ersten Grades der Theilung entspricht nach dem oben Gesagten einem Temperaturunterschiede der Löthstellen von 0,00074° ©. Nun ist allerdings zu bemerken, dass bei einer Wärmeentwickelung in den Nerven die Temperatur- änderung derselben mit den Löthstellen zusammen klei- ner sein muss, als sie es in den Nerven allein bei einer möglichst schlecht wärmeleitenden Umgebung sein würde, Die Masse des Metalls, der sich die Wärme der Nervensub- stanz mittheilt, ist hier nämlich nicht ein sehr kleiner Theil der erwärmten Masse, wie es bei den Versuchen über Er- wärmung der Muskeln der Fall war. Dort konnte man an- nehmen, dass die von der Magnetnadel angezeigte Tempera- turänderung nahehin der der thierischen Substanz entsprach: hier könnte vielleicht ein Wärmequantum, entsprechend ei- ner Temperaturerhöhung von 0,002 —-0,003°, entwickelt wer- den, ohne sich durch einen electrischen Strom sichtbar zu machen. Des Vergleiches wegen hielt ich es für nützlich, die Wärmeentwickelung in den Muskeln unter ähnlichen un- günstigen Umständen zu. beobachten. Bei kleinen Fröschen U 2 ee ME “ 163 finden sich unter den dünneren Muskeln der Schenkel meh- rere. die in Hinsicht auf ihre Dicke den beiden Nervenbün- deln der Plexus ischiadici geösserer Thiere derselben Gat- tung ungefähr gleich zu stellen sind. Solche kleine frei gelegte Muskeln lassen sich zwar nicht so anhaltend uud kräftig telanisiren, wie die von der Haut noch überzogenen Schenkel, aber doch hinreichend, um die Wärmeentwicke- lung bemerkbar zu machen. Ich wählte dazu den von Du- ges!) Genio - peroneo-caleanien, von Cuvier, Meckel und Zenker ?) Peronaeus genannten Maskel. Derselbe liegt un- ter dem äusseren Rande des grossen Wadenmuskels, ent- springt vom Kniegelenk und setzt sich mit schmaler Sehne an die äussere Fläche des Caleaneus,. während sich an die vordere Fläche desselben Knochens zwei Sehnen von drei kleinen Muskeln ansetzen. die sich nicht von einander voll- ständig isoliren lassen, und welche Cuvier als Jambier an- terieur zusammengefasst bat. Der Peronaeus lässt sich da- gegen in seiner ganzen Länge gut isoliren, an seiner inneren Seite liegt der Hauptstamm des Nervus peronaeus. Diesen präparirt man mit ihm zusammen los, und schneidet dann die übrigen Theile des Unterschenkels fort, so dass der Fuss nur durch den Muskel und Nerven nit dem Ober- schenkel in Verbindung bleibt. Den letzteren lässt man wie- derum mit dem Rückenmark in Verbindung. Alsdann wird der Muskel über drei entsprechende Löthstellen hinweg in die Rinne eines der Korkstückchen gelegt, der ganze Appa- rat in den Kasten eingeschlossen, für Sättigung der darin enthaltenen Luft mit Wasser gesorgt, und nachdem die Tem- peraturen sich hinreichend ausgeglichen haben, vom Rücken- 1) Recherches sur l’Osteologie et la Myologie des Batraciens etc. Par Ant. Duges. Paris 1834. pag. 137. 2) Batrachomyologia. Dissert. inaug. J. C. Zenker. Jenae 1825. pag. 46 11? 164 mark aus tetanisirt. Die Nadel des Multiplicators schlug bis auf 3° aus, was ungefähr 0,035° C. entspricht. Zum Schluss überzeugte ich mich, dass nach erloschener Reizbar- keit auch der ungeschwächte Inductionsstrom keine Wärme in dem Muskel durch Abzweigung hervorbrachte. Aus dem Erfolge dieses Versuches lässt sich schliessen, dass die etwa vorhandene Wärmeentwickelung in den Ner- ven gegen die in den Muskeln verschwindend klein sei, und jedenfalls nicht über wenige Tausendtheile eines Grades hinausgeht. Zu den Paecini’schen Körperchen. Von Dr. J. Cart Srranı. Hierzu Tafel VII, Henle und Kölliker haben im Jahre 1844 in einer eige- nen Monographie eine genauere Beschreibung des anatomi- schen Baues jener eigenthümlichen Nervenendigungen gege- ben, die sich an den Hautnerven der Extremitäten finden. Im Beginn ihrer Abhandlung liefern sie einen historischen Bericht über die Auffindung dieser sonderbaren Körperchen; hiernach soll nun Pacini dieselben in diesem Jahrhundert entdeckt haben, weshalb denn auch der Name Paeini’sche Körperchen in die Wissenschaft eingeführt worden ist. Allein bereits 100 Jahre vor dem Erscheinen jener oben angeführ- ten Monographie sind sie als Endigung der Nerven in der Hand und im Fuss abgebildet worden. Die etwas rohe Zeichnung in der Dissertation von J. G. Lehmann, de consensu partium corporis humani. Vitembergae 1741, 2 Nov. (Halleri disputationes, tom. II.). ist nach- einem von Abr. Vater angeferliglen Präparat gemacht, welches im Witten- berger Museum aufbewahrt wurde. Aus diesem Präparat, das schon längere Zeit in Spiritus gelegen hatte, konnte na- türlicb Nichts für den feinern Bau dieser Körperchen er- schlossen werden, und einem neu angefertigten Präparate widerfuhr, wie der Verfasser angiebt, ein Unglück. 166 Sollen diese Köperchen nun nach ihrem Entdecker be- nannt werden, so müssen sie forlan Vater’sche Körperchen heissen, obwohl Vater für sie den Namen papillae ge- braucht. Auf dem Titel der Dissertation von Lehmann heissen sie papillae.nerveae, im Texte selbst aber, und zwar in der 12ten und letzten These, wo allein von ihnen die Rede ist, heissen sie abwechselnd papillae culaneae und papillae nerveae, und es scheint darnach fast, obgleich über die Funktion dieser Papillen Nichts gesagt wird, als habe Vater sich darunter eigene Tast- oder Gefühlsor- gane gedacht. Was nach der hundertjährigen Vergessenheil die neue- ren Bearbeiler dieser Körperchen über deren Funktion ge- sagt haben, ist ziemlich unbefriedigend. ‘Mit dem Gefühl und besonders dem Tastsinne scheinen sie nicht zusamınen- zuhängen, indem sie gerade, wenn sie an den Extremiläten vorkommen, an Stellen auftreten, vwro dies in keiner Weise so besonders ausgesprochen ist. Zwar sind sie z. B. oft in reichlicher Menge am N, digitalis volaris seeundus vorhan- den, aber die meisten finden sich dann in der Nähe des Danumenballen, wo ich sie auch schon im Januar 1842, ohne sie zu kennen, fand, während sie fast gänzlich an den Fin- gerspitzen fehlen. Sie sind auch zumeist in das Unterhaut- zellgewebe eingebettet und ragen selten bis in das Corium. Das Vorkommen der Vater’schen Papillen an den Ner- ven im Mesenterium der Katze brachte Pacini auf die Idee, sie möchten einen Zusammenhang mit der Entwicklung von Elektrizität haben, Henle und Kölliker machten aber einen Fehlgriff, als sie, zur Bestätigung dieser Hypothese durch das Experiment, die fraglichen Körper mit Bohnenberger's Condensator prüften, da man mit diesem Instrumente be- kanntlich nur die Elektrizilät trockner Körper, nicht aber feuchter thierischer Gewebe messen kann. Um die so dop- pelt angeregte Frage zu entscheiden, wurden von mir Un- 167 tersuchungen mit dem galvauischen Multiplikator angestellt, aus denen sich ergab, dass an den Vater’schen Papillen keine Elektrizität nachweisbar ist. Für diese Untersuchungen wurde eine Katze strangulirt, ihr sogleich der Bauch eröfluet und die bereit gehaltenen Pole des Drahtes vom Multiplikator zu beiden Seiten 'eines solchen Kör- perchens applizirt. Es entstand aber nicht die geringste Schwan- kung in der Magnelnadel, man mochte die Pole in der Längs- achse oder in der Breitenachse des Vater’schen Körperchens anlegen oder gar in dasselbe eindringen. Wirkungen dieser Körper auf andere Organe konnten überhaupt nicht fest- gestellt werden; ich konnte sie dreist mit kaustischer Kali- lauge betupfen oder sie zerquetschen und zerstechen, ohne irgendwie in der Nähe oder an entfernten Stellen „des Darıns eine heftigere Bewegung wahrzunehmen oder eine Zuckung in andern Muskelpartieen zu gewahren. Es bleibt somit ihre Funktion noch in Dunkel gehüllt, wiewohl die Idee, dass sie irgend eine Beziehung zu elektrischen Strö- wen in den Nerven haben möchten, abgesehen von dem verbreiteten Vorkommen in deu an Elektrizität so reichen Katzen, ziemlich nahe lag, wenn man den eigenthümlichen Bau dieser Körperchen berücksichtigle. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir noch einige Be- merkungen über den Bau der Vater’schen Körperchen hin- zuzufügen, die ich aus vielfach wiederholten Beobachtungen gewonnen habe. So sorgfältig auch die von Henle und Kölliker angestellten Untersuchungen über die feinere Struktur dieser Körper sind, worin sie die von Mayer (die Pacini’schen Körperchen, Bonn 1844) übertreffen, so ist doch hier noch nicht Alles geleistet. Ich will hier zuerst über den Eintritt des Nerven selbst in das Vater’sche Körperchen und dann von dem Verhal- ten der Kapseln und deren Struktur sprechen. Den in ein Vater’sches Körperchen eindringenden pri- 168 mitiven Nervenfaden begleiten sehr bald eigenthümliche mor- phologische Veränderungen. Während ausserhalb des Va- ter’schen Körperchens der Nervenfaden, der sehr bald unter dem Mikroskop jene eigenthümlichen Veränderungen zeigt, die man der Gerinnung des Nervenmarkes zuschreibt, eng vom Neurilem umschlossen ist, trennt sich dieses oft schon in der Nähe dieser Körperchen, zumeist aber erst dann, wenn er in dasselbe eingetreten ist und im Stielfortsatz ver- läuft. An letzter Stelle habe ich häufig genug auf das Deut- lichste die in der Abbildung mit a bezeichnete Bildung ge- sehen. Es tritt nämlich das Neurilem von der Nervenfaser in fast regelmässigen Ausbuchtungen zurück und bildet so- mit um ihn eine Scheide mit rosenkranzförmigen Anschwel- lungen. Oft sind diese Ausbuchtungen nur schwach ange- deutet; sind sie aber gross, so scheinen sie, aus optischen Phänomenen zu schliessen, mit Fett erfüllt zu sein, das sich dort frei, ohne in Zellen eingeschlossen zu sein, vorfindet und von Ausbuchtung zu Ausbuchtung communicirt. Diese freie Masse steht dann mit der centralen Höhle in Verbin- dung, wenigstens habe ich da nie eine Scheidewand beob- achten können, obgleich die Natur des Inhaltes jener Höhle ganz davon verschieden zu sein scheint. Aehnliches scheint schon Mayer, seiner Abbildung nach zu urtheilen, beob- achtet zu haben, 2 An dem Neurilem, welches mit in den Stiellortsatz eiu- dringt, habe ich keine so deutliche faserige Struktur, wie sie Henle und Kölliker angeben, wahrnehmen können, habe mich aber auf das Deutlichste überzeugt, dass es mit dem Stielfortsatz in scharfer Begrenzung endet und nie ah in die centrale Höhle eindringt. Der Stielfortsatz selbst liegt trotz der Biegungen, die er manchmal macht, fast überall in ein und derselben Ebene, und nur selten braucht man den Fokus des Mikroskops um ein Geringes zu verändern, wenn man den darin verlaufen- den Nervenfaden in seiner ganzen Länge beobachten will. RE RE EEG EEE. WE PR = a 169 Um so auffallender ist aber die Fokusveränderung, die nö- thig wird, wenn man ihn nun in die centrale Höhle ver- folgt, die Ebene des Nervenfadens in der centralen Höhle weicht anscheinend von der in dem Stielfortsatz ab und scheint mehr in der Axe des ganzen Vater’schen Körper- ehens zu liegen. An der Stelle, wo der Nervenfaden aus dem Stielfortsatz in die centrale Höhle eindringt, hebt sich anscheinend derselbe beträchtlich, weshalb es auch schwer hält, ihn hier genau zu beobachten. Diese anscheinende Ebenenveränderung des Nervenfadens hängt aber nur von den dioptrischen Phänomenen der convexen Kapselwandun- gen und dem dazwischen liegenden Inhalte ab, indem man bei geeigneter Drehung des Vater’schen Körperchens um seine Axe keine entsprechende Biegung am Nervenfaden be- merken kann. Das System der innern Kapseln macht eines- theils eine stärkere Biegung zum Stielfortsatz hin, und die schneller auf einander folgende Menge derselben bringt eine um so auffallendere Differenz im Vergleich zur centralen Höhle hervor. Indessen habe ich niemals gewahren können, dass an dieser Stelle, wo der Nervenfaden leicht gebogen erscheint, dieser irgend etwas von seinen Elementen abgäbe und nun in veränderter Form in die centrale Höhle ein- dränge. Dies ist um so unerwarteter, da der Nervenfaden in der centralen Höhle schmäler ist, als in dem Stielfortsalz, und auch deutlich eine Abplattung zeigt, aber man kann das Zurücklassen irgend welches seiner Elemente nicht nachwei- sen, und wenn man unter dem Mikroskop alle Kapseln er- öffnet und von dem Centralfaden abstreift, so sieht man, wie letzterer, der zuvor nur leicht conturirt war, jetzt nach und nach doppelte Konturen bekommt und die gewohnten Erscheiuungen zeigt, die man schon seit lange von den Ner- ven keunt. Das peripherische Ende dieses Nervenfadens ist aber, wenn man keinen Druck auf das Vater’sche Körper- chen ausübt, nicht so deutlich geknöplt, wie die früheren Abbildungen angeben. Indess tritt die kolbenförmige End- 170 anschwellung jedesmal nach Druck ein und wenn man den Nervenfaden von allen umhüllenden Kapseln befreit hat. Diese und die nachfolgenden Beobachiungen sind an Vater’schen Körperchen aus dem Mesenterium der Katze gemacht. In heissen Sommertagen und namentlich, wenn man sie mit Wasser befeuchtet, verlieren sie ihre ganze Struktur. Ich konnte den Gegenstand für das Mikroskop in solchen Fällen länger erhalten, wenn ich statt des Wassers Essigsäure anwandlte. Die Kapseln nun, welche die eigenthümliche Form der Vater’schen Körperchen constituiren, variiren sehr an An- zahl und Breite; gemeiniglich existirt, wie auch die früheren Beobachter angeben, ein System innerer Kapseln, jedoch enthält dies nicht immer eine gleiche Anzahl von Kapseln, und diese sind nicht immer schmäler, wie die äussern, son- dern oft durch sehr breite unterbrochen. Auch in andern Altributen weichen diese innern Kapseln nicht von den äus- sern ab, so dass auf ihre Unterscheidung nicht viel Werth zu legen ist. ? Die Kapselwandungen bestehen aus strukturlosem Bin- degewebe, in welchem Kerne eingebettet sind. Eine faserige Struktur habe ich selbst mit starken Vergrösserungen nicht beobachten können, und am allerwenigsten einen Unterschied von Längs- und Querfasern wahrgenommen. Dabei ist es auch natürlich, dass ich die angenommenen Fasern der Kap- selwandungen am Stielfortsatz sich nicht in das Neurilem fortsetzen sah; vielmehr grenzen sich hier alle Kapseln auf das Bestimmteste und in bestimmter Form ab. Hier am centralen Pole breiten sich nämlich alle Kapseln, die innern sowohl, wie die äussern, wenn sie auf den Stielfortsatz zu- gehen, etwas aus und runden sich eigenthümlich zu (Fig. 3. und c in Fig. 1. u. 2.). Diese allmählige Schwellung ist zum Theil die Ursache, dass hier der Durchmesser aller Kapseln von der centralen Höhle aus nach der Oberfläche des Va- ter’schen Körpers grösser ist, als am peripherischen Pole. a © ee 171 Ausserdein sieht man noch im Stielfortsatz Querlinieu ver- laufen, die sowohl über den Nervenfaden hinweg, als wie auch unten darunter verlaufen. So zwei bogenförmige Li- nien, verschmelzen nach beiden Seiten hin und verlaufen auf das Genaueste in die Kapselwandungen (d in Fig. 1. u. 2.). Diese letzteren Linien sind die Durchschuitte der Kapseln mit dem Stielfortsatz, und es bleibt somit kein Zweifel, dass die Kapseln am centralen Pole vom Nervenfaden und seinem Neurilem durchbohrt werden, eine T’halsache, welche für die äussern Kapseln und die innern Geltung hat. Am deut- lichsten sieht man dies in Fig. 2., welche Abbildung einer wirklich beobachteten Varietät wegen der geringen Anzahl von Kapseln besonders unterrichtend ist. Ob dies ein noch in der Entwicklung begriffenes Körperchen sei, will ich un- gesagt lassen. Jede Kapsel ist also in sich geschlossen und kommuni- zirt nirgend nach aussen Die Kapseln gehen aber nicht alle von einer Seite zur andern hinüber, indem ıinanche, selbst abgesehen davon, dass sie am centralen Pole nur eine Strecke weit existiren, nur bis zum peripherischen Pol ver- laufen. Gleichwohl können ihnen alsdann auf der andern Seite ähnliche Kapseln correspondiren. Am peripherischen Pole laufen ungefähr nur die Hälfte der Kapseln von einer Seite zur andern hinüber. Hier verschmelzen nämlich sehr olt zwei Kapselwandungen mit einander (b in Fig. 1. u. 2.) und gehen als einfache Wandung weiter. Daher geschieht es, dass am peripherischen Pole der Raum von der centra- len Höhle nach aussen geringer ist, als am centralen Pole ‚oder an sonst einer Stelle des Vater’schen Körperchens. Die- selbe Verschmelzung ist aber auch die Ursache, warum man nicht alle Kapseln am peripherischen Pole abstreilen kann, und hier einen innigeren Zusammenhang findet, zur Erklä- rung welcher Erscheinung sich hier Pacini eigenthünmliche Ligamenta intercapsularia vorstellte. Aber dies ist nicht die einzige Ursache von dem gerin- 172 gen Durchmesser des peripherischen Theils des Vater’schen Körpers, sondern einige der innersten Kapseln sind hier auch noch von der centralen Höhle durchbohrt. Man findet nämlich hier ähnliche Querlinien (e in Fig. 1. u. 2.), wie im Stielfortsatz, die genau mit den Kapselwandungen beiderseits zusammenhängen. Ausserdem sieht man noch die so durch- bohrten Kapseln genau an der centralen Höhle enden, ohne um diese herum und zur andern Seite hinüber zu gehen. Oft habe ich auch so einige der innersten Kapseln an der centralen Höhle enden sehen, bevor sie noch den Stielfort- satz erreichten. Schliesslich muss ich noch bemerken, dass meist in jedes Vater’sche Körperchen eine besondere Nervenfaser verläuft; einmal habe ich jedoch beobachtet, dass eine einfache Ner- venfaser sich spaltete und nun jeder Theil besonders in ein Körperchen endete (s. in der Abbildung). Ueber die Verbindung der Saugadern mit den Venen. Von Dr. A. Nuas, . Prosector in Heidelberg. Hierzu Tafel VIIT. Die Frage, ob die Saugadern ausser den gewöhnlichen Stellen, d. h. an dem Winkel, den die Vena subelavia mit der Vena jugularis interna jederseits bildet, auch noch an andern Körperstellen in grössere Venen einmünden, ist schon fast seit der Zeit, wo man eine genauere Kenntniss von der allgemeinen Anordnung der Saugadern erlangte, Gegenstand der Controverse. Mehrere ältere Anatomen, unter denen ich namentlich Walaeus, Wepfer, Kaauw, Hebenstreit, Mertrud anführe, sprachen sich, auf Untersuchung und wirkliche Beobachtung sich stützend, schon dafür aus, dass auch an andern Körperstellen Einsenkungen der Saugader in Venen vorkommen. Unter den Neuern hat besonders Lippi diesen Uebergang der Saugadern in die Venen dar- zuthun sich bemüht. — Die Beobachtungen genannter Ana- tomen konnten aber das allgemeine Vertrauen nicht ganz für sich gewinnen. So spricht schon Haller seine Zweifel - darüber aus, zumal es ihm selbst nicht gelang, diesen Ueber- gang der Saugadern in andere Venen zu sehen. Besonders aber bestreiten Mascagni, Cruikshank, Soemmerring, ANA _” und unter den Neuern vorzüglich Fohmann, die Richtig- keit der Beobachtungen obiger Männer, und behaupten, dass das, was obige Beobachter für Saugadern gehalten hätten, kleine aus den Lymphdrüsen kommende Venen gewesen wären, in die das Quecksilber beim Durchgang durch die Drüsen leicht übertrete. Die Machtsprüche so grosser Au- toritäten mussten, wie leicht begreiflich, das Vertrauen zu den Beobachtungen oben genannter Forscher sehr erschüt- tern, und dies um so mehr, als in der That der erwähnte Uebergang des Quecksilbers in die Venen bei Injektion der Saugadern sehr häufig sich- beobachten lässt. Ich wenigstens habe seit einer Reihe von Jahren noch an keiuem Leichnam die Lymphgefässe injieivtt, wo nicht auch da oder dort der Uebertritt des Quecksilbers in, aus Drüsen hervorkommenden Venen Statt gefunden hätte. So kam es nun, dass — da man auch den Uebergang der Saugadern in die Venen in- ‚nerhalb der Lymphdrüsen, wie solcher namentlich von J. Fr. Meckel d. ä., Lindner. J. Fr. Meckeld.j.. Foh- mann, Lauth, Lippi u. A. angenommen wurde, für einen nicht natürlichen, sondern in Folge der Zerreissung der Ge- fässe in der Drüse bewirkten, künstlichen erklärte — man fast allgemein zu der hauptsächlich von Mascagni vertlhei- digten Ansicht sich bekannte. der zufolge alle Saugadern der untern Körpertheile ihren Inhalt nur mittelst des Ductus thoraeicus in die Venen führen sollen. eine Ansicht, der die bei weitem meisten Anatomen und Physiologen auch selbst unserer Zeit noch huldigen. Wenn nun die Leichtigkeit, mit den Täuschungen hier, namentlich bei den: Mindergeübten, unterlaufen können, nicht in Abrede gestellt werden kann, und wohl auch unter den Fällen, wo obige Anatomen Saugadern in die Venen über- gehen zu sehen glaubten, manche sein mögen, wo sie wirk- lich Venen für Saugadern hielten, wie dies namentlich bei den meisten von Lippi gelieferten Darstellungen der Fall zu sein scheint. so ist dies doch noch kein Grund, auch an 175 der Richtigkeit aller bisherigen Beobachtungen zu zweifeln, Autoritäten können in solchen Fragen überhaupt keine Ent- scheidung geben, nur die Naturbeobachtung darf Richterin hier sein, sie muss zeigen, wo die Walırheit liege, und liegt nur eine positive Erfahrung vor, so muss diese höher ge- schätzt werden, als Dutzende von negaliven Beobachtungen der grössten Autoriläten. Von diesem Gesichtspunkte aus sah ich mich auch bestimmt, meine, auf obige Frage bezüg- lichen Beobachtungen hier näher mitzutheilen. Auf die Frage, ob die Saugadern auch in den L,ymph- drüsen mit den Venen in Verbindung stehen, gehe ich hier nicht näher ein, da einerseits meine Erfahrungen hierüber mir nichts bieten, was nicht auch schon von Fohmann u. A. gesehen und geltend gemacht worden wäre, und anderseits der allerdings wichtige Einwurf, dass der Uebergang durch Zerreissung der Gefässe im Innern der Drüse geschehe, bis jetzt nicht ganz widerlegt werden konnte. — Meine hier mitzutheilenden Beobachtungen beziehen »ich daher nur auf die Verbindung der Saugadern mit den Venen ausserhalb der Drüsen. Schon mehrmals gab sich ınir die Gelegen- heit, mich auf das Bestimmieste zu überzeugen, dass grös- sere Slämmehen der Saugadern des Unterleibs in grössere Venen daselbst einmünden. So habe. ich, wenn ich mich noch recht erinnere, im Winter 189/53; gemeinschaftlich mit Arnold (damals noch in Heidelberg) an einer Leiche die Saugadern injieirt, in der wir aus dem Plexus lumbalis ein starkes Saugaderstämmchen ‚in die Vena renalis übertreten sahen. Einige Jahre später (ich glaube, dass es im Winter 18% /59 war) injieirte ich gemeinschaftlich mit Kobelt (da- mals auch noch in Heidelberg) an einem Leichnam die Saug- adern, wo wir auf das Bestimmteste die Einsenkung eines starken Saugaderstämmchens in die linke Nierenvene wahr- nahmen. Dass es nicht etwa eine kleine Vene — was man gewöhnlich gegen solche Beobachtungen bis jetzt einwarf — war, davon konnte man sich aufs Vollkommenste überzeu- 176 gen, da das Stämmehen in seinem Aeussern sich dureh nichts von denen unterschied, die in den Ductus thoracieus über- gingen; es hatte deutlich die abwechselnden Ausbuchtungen und Einschnürungen, die den Saugadern von dieser Dicke das bekannte höckerige, rosenkranzartige Aussehen ertheilen, während mit Quecksilber gefüllte Venen von solcher Dicke durchaus glatte Wände zeigen. Von einem dieser beiden Fälle (ich weiss nicht mehr genau, ob von ersterem oder letzterem) befindet sich das Präparat noch in der hiesigen anatomischen Sammlung. Eine dritte Beobachtung dieser Art machte ich ganz kürzlich in der Leiche eines etliche zwanzig Jahre alten Mannes, an der ich mir zu den Vorlesungen die Lymphge- fässe injieirte. Hier kamen nämlich aus dem sehr hübsch gefüllten Plexus iliacus dexter (e) zwei ziemlich starke Saug- aderstämmchen hervor, die an der Arteria und Vena iliaca communis nach oben zogen und in den untern Theil der Vena cava inferior, das eine tiefer, das andere etwas höher, sich einsenkten (i,i). Sie charakterisiren sich auf das klarste als Saugadern und unterscheiden sich in nichts von den an- dern, die neben ihnen weiter nach oben zogen Von einer Täuschung, d. h. von einer Verwechslung mit kleinen Venen, konnte also hier nicht die Rede sein, und zwar um so weniger, als in dem äussern Theile des Plexus lumbalis zur Vergleichung sogar zufällig einige, theils aus einzelnen Lymphdrüsen, theils aus dem Muse. psoas major kommende Venenstämmehen lagen, die von der Cava inferior aus mit dem in diese gelangten Quecksilber rück- wärts sich gefüllt hatten, aber nicht das den Saugadern so eigene knollige, rosenkranzartige Aussehen hatte, sondern ganz glatle, gestreckte Canäle darstellten. Wäre daher irgend noch ein Zweifel über die wahre Natur jener zwei Stämm- chen vorhanden gewesen, so hätte er bei ihren Vergleich mit diesen wirklichen Venen jedenfalls schwinden müssen. Durch diese Beobachtungen ist nun also der Beweis 177 geliefert, dass wir den Ductus thoracieus nicht als den gemeinschaftlichen Stamm aller Saugadern der untern Körperhälfte ansehen dürfen, vielmehr viele zu Stämmcehen zusammentreten, die schon während ihres Verlaufes durch die Bauchhöhle in grössere Venen sich einsenken. Daraus darf man je- doch nicht etwa den Schluss ziehen, dass darin ein Bestre- ben der Natur sich offenbare, die Saugadern auf dem mög- lichst nächsten Weg in die Venen zu führen. Denn der Lauf des Ductus thoracicus würde schon das Gegentheil be- weisen. Haller machte auch schon darauf aufınerksam, wie der Milehbrustgang einen so grossen Umweg durch die Brusthöhle nach oben zur Schlüsselbeinvene macht, während sein Anfangstheil in der Bauchhöhle doch so nahe bei der Vena cava inferior liegt. Eine ähnliche Bemerkung machte auch E.H. Weber und fügt ganz richtig bei, dass dies deut- lich darlege, wie es nicht der Zweck der Natur sei, die Lymphe auf dem nächsten Wege in die Venen zu führen, man vielmehr vermulhen dürfe, dass die Natur dadurch einen besondern Zweck habe erreichen wollen. — Dass bei dem Umweg, den die Natur den Milchbrustgang durch die Brust- höhle zur Schlüsselbeinvene ınachen lässt, sie einen bestimm- ten Zweck zu erlangen strebte, ist gewiss. Ebenso gewiss ist es aber auch, dass die Einsenkung von Saugadern in Venen der Bauchhöhle nicht etwas Zufälliges oder ‚gar eine Abweichung, wofür sie von manchen schon erklärt wurde, ist, sondern die Natur auch hier einen besondern Zweck vor Augen halte. Ich will versuchen, hier näher anzudeu- ten, von welchen Gesichtspunkten aus man diese Einrich- tungen aufzufassen habe. Der Umstand nämlich, dass die Kräfte für die Forlbewegung der Lyinphe in den Saugadern geringer sind, als die für die Fortbewegung des sonst ähn- lich verlaufenden venösen Blutes, musste die Natur nöthi- gen, bei: der Einsenkung der Saugadern in die Venen auf alles Rücksicht zu nehmen, was irgend auf die Fortbewe- Müller's Archiv. 1648. 12 178 gung der Flüssigkeit in den Lymphgefässen begünstigend ein- wirkt Nun ist bekannt, dass der jedesmalige Eintritt der Diastole der Vorhöfe des Herzens sehr beschleunigend auf den Lauf des Blutes der dem Herzen zunächst liegenden Ve- nenstämme einwirkt, indem das Blut, das während der Sy- stole der Vorhöfe einen Augenblick verhindert war, in letz- tere einzuströmen, mit dem Eintritt der Diastole auch mit um so grösserer Stärke aus den Venen in die Vorhöfe ein- stürzt — ein Umstand, der auch noch wesentlich unter- stützend auf Fortbewegung des in den Aesten und Zweigen jener Venen nachrückenden Blutes einwirkt, damit nun auch die Saugadern dieses, die Fortbewegung ihres Inhaltes be- günstigenden Einflusses so sehr als möglich theilhaftig wür- den, leitete die Natur die Hauptstämme derselben in die Nähe des Herzens und liess sie hier in die grossen Venen einmünden. Da nun aber die Saugkralt des Herzens — wenn wir, um einen kurzen Ausdruck zu haben, so seinen Einfluss auf die Bewegung des Blutes in den ilım am näch- sten gelegenen Venen bezeichnen wollen — an der obern Hohlader und deren nächsten Aesten stärker, als an der un- tern Hohlvene sich äussert, weil in jener das Blut in der Richtung seiner Schwere läuft, in dieser hingegen gegen seine Schwere fortbewegt werden muss, — so ist auch der Vortheil, der von der Einmündung der Saugaderstämme in diese Venen für die Bewegung der Lymphe gewonnen wer- den kann, an den Aesten der obern Hohlader immer grösser, als an der untern. Daher sammelte auch die Natur die bei weitem meisten Saugadern der untern Körperhälfte zu einem Hauptstamme und leitele, um von zwei ungleichen Vorthei- len den grössern zu erlangen, diesen anstatt in die untere Hohlvene, wohin der Weg am nächsten geführt hätte, zu den Aesten der Vena cava superior herauf. Erwägt man nun aber, wie wichtig es für die Blutbil- dung ist, dass der vom Darmcanal kommende Chylus und die von den übrigen Körpertheilen zurückkehrende Lymphe 179 dem venösen Blute jederzeit ungehindert beigemischt werde, und berücksichtigt man ferner, welche Nachtheile entständen, wenn die Ergiessung des Chylus und der Lymphe in die Venen irgend unterbrochen würde, so muss man wohl ein- sehen, dass es nicht die Absicht der Natur, die bei dem Aufbau unseres Organismus und dessen innerer Einrichtung mit so vieler Umsicht verfuhr, sein konnte, die Saugadern vom ganzen Körper an einen Punkt zusammenzuführen und den Erguss der Lymphe und des Chylus in das Blut nur an einer Stelle Statt finden zu lassen, vielmehr musste sie dar- auf bedacht sein, eine solche Einrichtung zu ireflen, dass, wenn der Erguss der Lymphe und des Chylus in das Blutan einer Stelle auf irgend eine Weise erschwert oder ganz ver: hindert wird, noch ein anderer Weg offen ist, auf dem sie dahin gelangen kann — eine Einrichtung, die wir im Blut- gelässsystem ja so vielfach in Anwendung gebracht finden. Denn wie sollte da, wo der Ductus thoracieus mehr oder weniger undurchgängig ist, wie Lieutaud, Portal, A. Cooper, Rust und Wurtzer wirklich Fälle dieser Art be- obachtet haben — der Chylus und die Lymphe in das Blut gelangen, wenn dafür nicht noch andere Wege oflen stän- den. In der von Wurtzer gemachten interessanten Beob- achtung von Verwachsung des obern Theils des Milchbrust- gangs (s. d. Archiv 1534, S. 311.) gingen auch deutlich zwei Aeste desselben in die Vena azygos ein. Deshalb sehen wir auch schon, dass die Saugadern der rechten obern Körper- hälfte nieht zu dem Duectus thoracieus sich begeben, sondern zu einem oder zwei oder selbst noch mehreren Stämmehen vereinigt, in die rechte Schlüsselbeinvene und rechte innere Drosselvene einmünden. Ja selbst die Saugadern der linken obern Körperhälfte gehen nieht alle in den Duct. thoracicus, sondern münden zum Theil gesondert in die linke Schlüssel- beinvene. Ebenso gehen auch die Saugadern, die von den Organen der Brusthöhle kommen, nur zum Theil zum Milch- brustgang; die von den Theilen der rechten Brusthälfte be- 12% 180 geben sich fast alle zur rechten Schlüsselbeinvene empor, und selbst von denen der linken Hälfte gehen mehrere gesondert zur linken Schlüsselbeinvene oder auch zur Vena anonyma sinistra, wie dies letztere namentlich v. Patruban von ei- nem aus der linken Lunge kommenden Saugaderstämmchen beobachtete (Müller’s Archiv 1845, p. 15., Taf. IV. X. b.). Und so münden auch aus demselben Grunde — selbst mit Hintenansetzung des grössern Vortheils, welchen die Einsen- kung in einen Ast der obern Hohlader haben würde — viele von den Saugadern der untern Körperhälfte in die untere Hohlader oder deren nächste Aeste, oder in die Vena azy- gos, oder selbst auch — wie wenigstens verschiedene Beob- achtungen dies wahrscheinlich machen — in die Pfortader ein. Für Letzteres spricht auch eine neuere Beobachtung von Petrel (Gaz. de Paris. 1845. p. 512. — Goeschen’s Jahresbericht über die Fortschr. d ges. Med. in d. J. 1845. p- 109.). Dieser sah nämlich in den Leichen von an Kind- betifieber verstorbenen Frauen die vom Uterus abziehenden Saugadern, so wie auch Stämmchen in den Plexus lumbales mit Eiter gefüllt. Ein solehes Eiter haltendes Gefäss sah er einmal deutlich in den Stamm der Vena portarum sich ein- senken. Ausserdem sah er auch einmal ein gleiches mit Ei- ter gefülltes Gefäss in die Vena azygos einmünden; andere mündeten auch in die Nierenvenen ein. Dass diese Gefässe_ indess keine Venen, sondern wirklich Saugadern waren, ist deshalb wahrscheinlich, weil die Saugadern des Uterus mit Eiter gefüllt waren, in den wirklichen Venen aber Petrel niemals Eiler sah, und weil ferner er auch in einem Falle ein äbnliches mit Eiter gefülltes Gefäss, das aus einer Len- dendrüse kam, in den Ductus thoraeicus einmünden sah. Ich schliesse nun diesen Aufsatz mit dem Wunsche, er möge die Anatomen veranlassen, diesem Gegenstande ein recht aufmerksames Auge bei ihren Injektionen der Saugadern zu widmen, um auch durch eigene Beobachtung sich von der Wahrheit des hier Vorgelragenen überzeugen zu können. 181 Erklärung der Abbildungen. A,A. Musculus psoas major jederseits. B,B. Musc. psoas minor. €. Körper des letzten Lendenwirbels. D. Aorta abdominalis. E,E. Arteriae renales. F. Arteriae sper- maticae internae. @. Art. mesenterica inferior. H,H. Art. iliacae com- munes. J. Ven. iliaca communis dextra. K. Dieselbe der linken Seite. L. Untere Ilohlader. M,M. Nierenvenen. a. Lymphdrüsen des linken Lendengellechtes. 5. Saugadern, die theils aus dem Plexus iliacus externus, theils aus dem Beckengeflecht zu denselben heraufkommen. c. Vasa inferentia und efferentia der Lendendrüsen, mit diesen den Plexus lumbalis darstellend.. ec’. Vasa elferentia der obern Lendendrüsen, die hinter der Nierenvene und Ar- teria noch weiter nach oben ziehen. d. Ein starker Saugaderstamm, der hinter der Aorta nach rechts verläuft und in den Anfangstheil des Duetus thoracicus sich einsenkt. e. Saugaderstämmchen, die aus dem rechten Plexus iliacus externus und internus kamen. f. Eine rechte Lendendrüse mit Vasa inferentia und efferentia. g. Zwei kleine Saug- aderdrüsen auf der untern Hohlader liegend. A. Ein Saugaderstämm- chen, das aus dem rechten Plexus iliacus in das linke Lendengellecht emporsteigt. i,i. Zwei Saugaderstämmchen aus dem rechten Plexus iliacus, die in den untern Theil der V. cava inferior, das eine tiefer, das andere etwas höher, einmünden. Ä. Ein starker Saugaderstamm, der durch Zusammenfluss einer grössern Anzahl kleiner Stämmchen gebildet, sich unter die untere Hohlader wendet, um hinter dieser zum Ductus thoracicus emporzusteigen. /. Anfangstheil des Duct. thoracicus. m. Ein unten abgeschnittenes starkes Saugaderstämmchen, das oben in den Milchbrustgang einmündet, von dem aber nicht mehr, da die Ein- gr entfernt waren, sich ausmitteln lies, ob es, wie die Lage ei dem Ursprunge der Art. mesenterica vermuthen lässt, vom abstei- genden Grimmdarm und Rectum kam, oder nur ein auf der Aorta sich hinschlängelndes Stämmchen des Plexus lumbalis war. n. Ein starker Saugaderstamm aus dem rechten Lendengeflechte (Truncus lumbalis), der hinter der Hohlader empor sich zog und etwas über der Stelle, an der er hier abgeschnitten wurde, dargestellt wurde, mit dem Duct. thoracieus (1) verband. Ueber die Natur der Gregarinen. Von Dr. FRiEpRIch STEIN. Hierzu,Tafel IX. Kaum dürfte eine Gruppe mikroskopischer Lebensformen in einem höheren Grade das Interesse der Naturforscher in An- spruch zu nehmen berechtigt sein, als die seltsamen Schma- rotzer, welche schon vor fast vierzig Jahren von den deut- schen Entomotomen Ramdohr und Gaede im Darmkanal einiger Insekten beobachtet wurden, die aber erst einige Auf- merksamkeit erregten, als sie Leon Dufour !) unler dem Gattungsnamen Gregarina dem Thierreich einverleibte und sechs von ihm beobachtete Formen im Jahre 1837 abbildete und beschrieb. Die ein Jahr später von Hammerschmidt?) über gregarinenarlige Thiere veröffentlichte Arbeit förderte die Kenntniss dieser Parasiten nicht sonderlich, verwirrte sie aber durch manche irrthümliche Deutungen. Erst als in der neuesten Zeit so ausgezeichnete Mikrographen, wie v. 1) Annal. des sc. natur., II. Ser. 1537. Tom. VL p. 10., und die früheren kurzen Notizen, I. Ser. 1826. Tom. VIIL p. 43. und 1825. Tom. XII. p. 366. 2) Isis, 1838. p. 351 Ile. 183 Siebold'), Kölliker?:) und Henle>), denen sich v. Frantzius*) in einer schätzbaren Inauguraldissertation wür- dig anschloss, die Gregarinen zum Gegenstand genauerer Un- tersuchungen machten und manche sehr‘ dankens werthe Auf- schlüsse gaben, fing man an, die Natur dieser Wesen zu verstehen und gewann die Ueberzeugung, dass noch ausge- dehntere Untersuchungen zu Resultaten führen müssten, die neu und folgeureich für die Theorie der organischen Körper sein würden. Meine anatomischen Untersuchungen der Insekten und auderer wirbelloser Thiere hatten mich schon seit Jahren gelegentlich mit den Gregarinen bekannt gemacht und mir manche noch unbeschriebene Form zugeführt, ohne mir je- doch eine tiefere Einsicht in die Natur dieser Wesen zu ver- schaffen, als die oben genannten Forscher besasseu. Da ent- schloss ich mich im Frühlinge des vergangenen Jahres, die Naturgeschichte der Gregarinen zum Gegenstand speeieller, möglichst umfangreicher Untersuchungen zu machen, und nachdem ich fast täglich eine bedeutende Anzahl wirbelloser Thiere, namentlich Insekten, und von diesen besonders Kä- fer, lediglich auf Gregarinen untersucht hatte, war ich end- lich am Ende des Sommers so glücklich, mit Resultaten ab- zuschliessen, die ich der Veröffentlichung nicht für unwerth halte. Ich werde mich im Folgenden auf die Naturgeschichte der Gregarinen im Allgemeinen beschränken, die Auseinan- dersetzung der von mir beobachleten Arten aber einer be» sondern Monographie vorbehalten, zu der ich noch während dieses Jahres weitere Materialien zu sammeln gedenke. 1) Beiträge zur Naturgeschichte wirbelloser Thiere. Danzig 183). p- 96 — 71. 2) Schleiden und Näageli. Zeitschrift Fir wissensch. Botanik 1815. He IT. p. 97. Anmerk. 3) Dieses Archiv, 1845. p. 369 — 371. 4) Observationes usedam ‚de Gregarinis. Berolini MDCCCKLYL 184 1. Ueber den Aufenthalt und die Organisation der Gregarinen. Die Gregarinen sind am längsten als Bewohner des Darmkanals der Insekten bekannt. Bereits sind durch meine Vorgänger 29 Insektenarten verzeichnet worden, die theils im erwachsenen, theils im Larvenzustande, theils in beiden zugleich Gregarinen beherbergen. Meine Untersuchungen er- höhen die Zahl der Gregarinenwirthe aus der Klasse der Insekten auf 68 Arten und ausserdem bestätigen sie das Vor- kommen 'von Gregarinen in den meisten der schon früher namhaft gemachten Insekten. Aber auch Mitglieder anderer Thierklassen haben bereits Gregarinen geliefert. V. Frantzius beschrieb eine Gregarine aus dem Darmkanal eines Myria- poden, und ich selbst habe in vier andern Myriapoden häufig Gregarinen angetroffen. Die Klasse der Crustaceen, aus der ich freilich nur wenige Mitglieder untersucht habe, hat mir nur erst einmal Gregarinen geliefert, und zwar Gammarus pulex. In der Klasse der Würmer scheinen die Gregarinen ebenfalls sehr verbreitet zu sein. Kölliker wurde zuerst auf sie in mehreren Seewürmern der neapolitanischen Kü- sten aufinerksam, und darauf zeigte Henle, dass auch un- sere Regenwürmer gregarinenartige Schmarotzer ernährlen, merkwürdiger Weise aber nicht im Darmkanal, sondern in den Geschlechtsdrüsen. Fremde und eigene Untersuchungen seizen mich in den Stand, im Ganzen 80 verschiedene Gre- garinenwirthe aufführen zu können. Bedenkt man, dass da- von allein mehr als die Hälfte, nämlich 44 Arten, erst durch mich als solche erkannt worden sind, so darf man sich der Hoffnung hiugeben, dass weiter fortgesetzie Untersuchungen diese Schmarotzer noch in vielen andern Thieren werden entdecken lassen. Ich kann hier die Vermuthung nicht un- terdrücken, dass vielleicht manche der im Blute von Wir- belthieren beobachteten Schmarotzer, z. B. das von Va- 185 lentin!) im Blute des Salmo fario entdeckte Entozoon, ebenfalls den Gregarinen beizuzählen seien, Unter den vorhin erwähnten 80 Gregarinenwirthen be- findet sich kein Thier, das ausschliesslich von frischer vege- tabilischer Kost lebte; ich habe vielmehr nie in Thieren, die 2. B. ausschliesslich von frischen Blättern oder Pollenkör- nern oder Pflanzensälten, oder im Holze lebten, so viele Exemplare ich auch bisher von ihnen untersuchte, Gregari- nen auffinden können. Die meisten Gregarinen entdeckte ich hingegen in Thieren, die eine räuberische Lebensart füh- ren, z. B. in den Carabiecinen, Hydrocanthariden, Clerien, Coeceinellen, Libellen, Nepen, Reduvien und Lithobien. Ebenso häufig bewohnen die Gregarinen die Aas- und Kothfresser, so namentlich die Dermesten und ihre Larven, die Larven von Anthrenus und Attagenus, die Geolrupen und Ontho- phagen. Ferner finden sie sich sehr häufig in den panto- phagen Orthopteren, z. B. in Blalta, Forficula, Lepisma, Gryllotalpa, Acheta, Declieus, Oedipoda und überhaupt bei solehen Thieren, die mit ihrer Nahrung ansehnliche Mengen von Sand oder Schlamm verschlingen, wie die Larven von Oryctes, Melolontha, Cetonia, die Tenebrioniten (z. B. Blaps, Crypticus, Opatrum, Tenebrio und seine Larven, Helops), die Larven der Ephemerinen und Phryganiden, die Julinen und Annulaten. Diese Vertheilung der Gregarinen auf Wir- the von so bestimmter Lebensart deutet sicherlich darauf hin, wolür ich weiter unten auch direkte Beweise beibringen werde, dass die Keime der Gregarinen von aussen mit den Nahrungsmitteln einwandern und dass die Gregarinen kei- neswegs durch Generatio aequivoca entstehen können, wor- auf man bei der ungemein geringen Grösse der jüngsten In- dividuen, die fast Elementarkörnern gleichen, leicht verfallen könnte. 1) Mäller’s Archiv 1841, p. 435. 186 Die meisten Gregarinen können im erwachsenen Zu- stande eben noch von dem blossen Auge als feine Pünktchen oder Strichelehen wahrgenommen werden. Viele erreichen noch nicht die Läuge von 1’, sehr wenige überschreiten eine Linie, und nur eine einzige, noch unbeschriebene Form (Didymophyes gigantea m.) wird fast 5‘ lang. Meistens trifft man neben erwachsenen Individuen zahlreiche jüngere auf den verschiedensten Stufen der Entwickelung, die sich von jenen nur durch die geringere Grösse unterscheiden. Viele Arten habe ich bereits durch alle Grössendimensionen bis herab zu „4, verfolgen können. Die jüngsten Indivi- duen zeigen bereits genau dieselbe Gestalt, wie die ältesten. Der Körper der Gregarinen ist ein einfacher ei-, wal- zen- oder spindelförmiger Schlauch, der überall geschlossen ist und nirgends eine Spur von Mund- oder Afteröffnung zeigt. Dieser Schlauch ist bei einigen Arten ohne alle wei- tere Unterschiede (vergl Fig. 1. 2. 3.); bei den meisten aber setzt sich an dem vordern Ende durch eine starke ringför- mige Einschnürung ein kurzes, halbkugelförmiges oder stumpf- kegelförmiges Segment von dem übrigen Körper ab (vergl. z. B. Fig, 35.). Ich nenne dies den Kopf, den übrigen Theil Leib. Jener ringförmigen Einschnürung entspricht im In- nern des Körpers eine vertikale Scheidewand, wodurch die innere Körperhöhle in zwei völlig von einander abgeschlos- sene Höhlungen, die Kopf- und Leibeshöhle zerfällt. Diese Scheidewand, welche ganz straff zwischen der ringförmigen Einschnürung ausgespannt ist, wurde von den frühern Beob- achtern übersehen. Von ihrem Vorhandensein überzeugt man sich aber ganz bestimmt dadureh, dass bei allen Individuen, deren Leib durch Anwendung eines mässigen Druckes ge- sprengt worden ist, nur der Inhalt der Leibeshöhle, nicht aber der der Kopfhöhle herausfliesst. Bei mehreren Arlen ist übrigens die Scheidewand auch sehr leicht direkt zu be- obachten, indem sie eine grössere Fläche bildet, als zur blossen Ausfüllung des zwischen der ringlörmigen Einschnü- 187 rung gelegenen Raumes erforderlich ist; sie ragt in diesem Falle gewölbartig in die Kopfhöhle hinein. Bei zwei neuen gregarinenartigen Thieren ist der lange, fast walzenförmige Leib in der Mitte durch eine zweite ringförmige Einschnü- rung und eine dieser entsprechende, ebenfalls gewölbartig nach vorn vorgetriebene Scheidewand in einen Vorder- und Hinterleib geschieden; der Körper dieser Thiere zerfällt dem- nach in drei hinter einander liegende und nicht mit einander communieirende Höhlen, in eine Kopf-, Vorder- und Hinter- leibshöhle (vergl. Fig. 34. u. 40.). Solche Organisationsun- terschiede gestatten nicht länger, die Gregarinen in einer einzigen Gattung vereinigt zu lassen. Da ich weiter unten auf noch andere, jedoch feinere Organisationsverhältnisse aufmerksam machen werde, die sich zur Begrenzung von Gattungen zu eignen scheinen, so benutze ich die Gliede- rungsverhältnisse des Gregarinenkörpers zur Begründung von drei natürlichen Familien. Zur erstern rechne ich alle un- gegliederten oder kopflosen Gregarinen und bezeichne sie als Monocystideen. In der zweiten Familie fasse ich alle Gregarinen zusammen, deren Körper in Kopf und Leib ge- schieden ist, und nenne diese, weil sie die am längsten un- ter dem Namen Gregarinen. bekannten Formen umfasst, Gregarinarien, Für die dritte Familie endlich bleiben die mit einem Kopf, Vorder- und Hinterleib versehenen Grega- vinen übrig, die ich, weil sie aweien zusammengewachsenen Individuen aus der zweiten und ersten Familie gleichen, Didymophyiden nenne. Die Körperliülle aller Gregarinen ist eine glashelle, durch- sichtige, glatte und sehr elastische Haut, welche völlig struk- turlos und so homogen, wie die thierische und vegetabilische Zelleumembran ist. Niemals habe ich an ihr etwas wahr- nehmen können, was auf eine Zusammensetzung aus feinern Elementen, etwa auf eine Zusammensetzung aus Fasern oder auf eine Entstehung aus verwachsenden Zellen hindeutete. Bei einigen Arten ist die äussere Oberfläche in griflel- oder 188 haarartige Fortsätze ausgewachsen, die stets starr und un- beweglich sind und daher mit Wimpern nicht verwechselt werden können. Henle hat bereits eine zu meinen Mono- eystideen gehörige Gregarinenform aus den Geschlechtsorga- nen des Regenwurms mit einem wimperartigen Saum an dem einen Körperende beschrieben und abgebildet!). Ich selbst habe an zyvei andern Monocystideen ebenfalls Haut- “auswüchse beobachtet. Bei der einen, im Hoden des Lum- brieus agricola gefundenen, war ebenfalls nur das eine Kör- perende mit steifen, gebogenen, griffelartigen Fortsätzen ver- sehen (vergl. Fig. 5—8.); bei der andern, im ‘Hoden des Lumbrieus communis beobachteten, war die ganze Körper- oberfläche mit starren Borsten besetzt (Fig. 4.). Den ganz kurzen wimperartigen Besatz aber, welchen v. Frantzius am hintern Leibesende seiner Gregarina Mystacidarum abge- bildet hat 2), kann ich nicht für Fortsätze der Haut gelten lassen, sondern ich halte ihn nur für Theile des fadenzie- henden Darmschleims, die mechanisch bei den Bewegungen des Thieres durch den Darmschleim an der Hiuterleibsspitze hängen geblieben sind, eine Erscheinung, die ich bei ver- schiedenen Gregarinen gar nicht selten beobachtete. — Aus- ser ihrer Homogeneität hat die Körperhülle der Gregarinen auch darin noch grosse Aehnlichkeit mit der Zellenmembran, dass sie für Flüssigkeiten in einem ausgezeichneten Grade permeabel ist. Alle Gregarinen schwellen nämlich im Was- ser- sehr schnell bis zum Platzen an. Das eingedrungene Wasser häuft sich zum Theil unter der Haut an und trennt so den dunklen Körperinhalt als eine scharf begrenzte Masse von der Körperhülle. Daher kam es, dass Hammerschmidt den in der Axe eines angeschwollenen Thieres zusammen- gedrängten Inhalt für einen von vorn nach hinten verlau- fenden Darmkanal hielt und L&on Dufour von doppelten 1) a. a. O. Taf. XI. Fig. 3. 2) a. a. 0. Fig. VI. 1. 189 Körperhäuten sprach, die ursprünglich dicht an einander lä- gen und erst sichtbar würden, wenn Flüssigkeit zwischen sie träte. Im Innern der Gregarinen sind aber durchaus nirgends besondere Organe zu entdecken, sonderu die von der struk- turlosen Hülle begrenzten Höhlungen sind von einer con- sistenlen, wahrscheinlich eiweissartigen Flüssigkeit erfüllt, in der zahllose, glasartige, dunkelgerandete Körnchen von verschiedener Gestalt und Grösse eingebettet liegen, die ich für Fettkörnchen halte. Sie sind in allen ältern Individuen in solcher Menge vorhanden und liegen so dicht neben und über einander, dass die eiweissarlige Grundmasse sich fast ganz dem Auge entzieht und der Körper undurchsichtig und bald milch- oder kreideweiss, seltener röthlichweiss erscheint. In den jüngsten Individuen hingegen ist der Körperinhalt völlig durchsichtig und homogen, und die die Trübung ver- ursachenden Körnchen treten erst bei weiterem Wachsthum nach und nach hervor, zuerst als ein feiner nebelartiger Nie- derschlag, später in gröbern Körnern. Die Durchsichtigkeit einer Gregarine ist daher ein zuverlässiges Kennzeichen, dass diese einem jugendlichen Zustande angehört. In der allgemeinen Körperhöhle der Monocystideen und in der Leibeshöhle der Gregarinarien macht sich zwischen der körnigen Masse eine helle, scheibenförmige Stelle bemerk- lich, die sich bei Anwendung eines mässigen Drucks als ein scharf umschriebener Körper zu erkennen giebt, an dem man stets einen oder mehrere opakere Flecke unterscheidet. Die- ser Körper liegt ganz frei in der körnigen Masse eingebellet; denn er verändert bei dem geringsten Druck, so wie bei den Bewegungen des Thieres seinen Ort und erscheint da- her bald vorn, bald hinten im Körper. Dass er bei den Gregarinarien niemals in die Kopfhöhle tritt, obwohl er oft nahe an derselben liegt, beweist abermals, dass die Kopf- höhle durch eine Scheidewand von der Leibeshöhle geschie- den ist. Bei der einen der beiden Formen, welche die Fa- 190 milie der Didyınophyiden bilden (bei Didymophyes para- doxa m.) ist der in Rede stehende Körper merkwürdiger Weise in doppelter Anzahl vorhanden; der eine liegt in der Vorderleibs-, der andere in der Hinterleibshöhle (vgl. Fig. 34.). Bei der andern (Didymophyes gigantea m.) fehlt jener Kör- per, was noch auffallender ist, ganz und gar (Fig. 40.). Auf den ersten Anblick gleicht unser Centralkörper mit seinen opaken Flecken dem Keimbläschen und dem Keimfleck der primitiven Eier. Deshalb haben ihn auch wohl die frühern Forscher, v. Frantzius') ausgenommen, ohne Weiteres für ein Bläschen in Anspruch genommen. Dass er aber ein solider Kern und die in ihm enthaltenen Flecke festere Kerne sind, geht auf das Unzweideutigste beim Zerquetschen der Gregarinen hervor. Sprengt man die Körperhülle, so wird das fragliche Gebilde mit dem übrigen körnigen Inhalte un- verletzt herausgetrieben, und übt man nun einen noch stär- kern Druck aus, so platzt es nicht, was geschehen müsste, wenn es ein mit Flüssigkeit erfülltes Bläschen wäre, son- dern es wird wie eine zähe, gallertarlige Masse aus einan- der geknetet, wobei die opakern Flecke ebenfalls in grössere Scheiben aus einander gehen. Ist hiermit die solide Natur des Centralkörpers erwiesen, so nehme ich keinen Anstand, ihn, wie bereits Kölliker, aber ans andern Gründen, that, als Nucleus und die dunklern Körperchen als Nucleoli zu bezeichnen. Der Nucleus ist in den jüngsten, wie in den ältesten Individuen vorhanden, wie ich mit v. Frantzius gegen v. Siebold behaupten muss, der ihn den jüngern In- dividuen abspricht ?). Allerdings ist er in diesen nicht im- mer aufzufinden, dies rührt aber daher, dass das in die Kör- perhöhle gedrungene Wasser den noch weichen Nucleus auf- gelöst hat. Der Nucleus der Gregarinen spielt sicherlich in Bezug 1) a. a. O. p. 31. 2) a. a. 0. p. 62. u. 68. 191 auf den Körper der Gregarinen dieselbe wichtige Rolle, wie der Zellenkern, dem er im äussern Ansehen so sehr ähnlieh ist, in Bezug auf die Zelle. Bedenkt man, dass die Körper- hülle der Gregarinen die Einfachheit und Permeabilität der - Zellenmembran besitzt und dass der körnigflüssige Körper- inhalt sehr wohl einen Vergleich mit dem Zelleninhalte zu- lässt, so liegt es sehr nahe, den Organismus der Gregarinen mit dem der elementaren Zelle auf gleiche Stufe zu stellen. Dies ist denn auch von Kölliker geschehen, welcher die Gregarinen gradezu als „„einzellige Thiere‘“* bezeichnet. Ich kann diese Anschauungsweise, so ansprechend sie ist und so beifällig sie auch bereits von mehreren Seiten aufgenom- men worden ist, nicht theilen. Denn wir kennen noch keine Zelle, die durch eine Querscheidewand in zwei oder drei nieht mit. einander communieirende Kammern geschieden wäre, wie ich dies doch für die meisten Gregarinen, näm- lich für alle Gregarinarien und Didymophyiden nachgewie- sen zu haben glaube, Selbst nicht einmal als zwei oder drei an einander gewachsene Zellen können die zwei- oder dreihöhligen Gregarinen gedeutet werden Denn die zwei Körperglieder der Gregarinarien und die drei Körperglieder der Didymophyiden sind keineswegs gleichwerthig und gleich selbstständig, wie etwa die Glieder einer Conferve, sondern sie sind integrirende Theile eines einzigen Ganzen und haben verschiedene Funktionen im Dienste desselben. Die noch zu schildernden Haftapparate am Kopfe vieler Gregarinarien widerstreben einer Parallelisirung des Gregarinenkörpers mit einer elementaren Zelle vollends ganz und gar. Jedenfalls geht die Ernährung und das Wachsthum der Gregarinen auf eine ebenso einfache Weise, wie in den Zellen vor sich. Die Nahrung, welche in dem flüssigen Theil des Speisebreis der Wirthe besteht, wird bei gänzli- cher Abwesenheit einer Mundöffnung mil der ganzen Kör- peroberfläche durelı endosmotische Thätigkeit aufgenommen. Da die aufgesogene Flüssigkeit bereits bildungsfähig ist, so 192 ist ein besonderes Verdauungssystem völlig überflüssig. Der an allen Punkten der Körperoberfläche eindringende Nah- rungssaft wird solort zur Vergrösserung der Körperhülle und zur Vermehrung des körnigflüssigen Körperinhalts verwen- det, indem nur sein Aggregatzustand eine Veränderung er- leidet. — Ueber den zweiten vegelativen Lebensprozess, die Fortpflanzung, über die man noch ganz im Dunkeln ist, werde ich weiter unten ausführlich handeln. Die animalen Lebensprozesse werden bei gänzlicher Abwesenheit von Mus- keln und Nerven lediglich durch die allgemeine Körperhülle vermittelt, welche in einem ausgezeichneten Grade eontraetil ist, und auf deren Empfindlichkeit man aus dem Vermeiden aller Hindernisse bei den Bewegungen, welche die Gregari- nen vollführen, schliessen muss. Einige Gregarinen sitzen während eines grossen Theils ihres Lebens an den Wandun- gen des Darmkanals. welchen sie bewohnen, festgeheftet, und diese äussern nur sehr schwache, selbstständige Bewe- gungen Alle frei lebenden aber schieben sich in zwar lang- samen, aber doch gewandten wurmförmigen Bewegungen durch den halbflüssigen Speisebrei fort, wobei sie jeden Kör- nerhanfen durch Krümmungen des Körpers nach einer an- dern Richtung hin geschickt zu umgehen wissen. Ist dem Hindernisse nicht sofort durch eine einfache Krümmung des Vorderkörpers auszuweichen, so wird dieser knieförmig nach hinten umgebogen, und der ganze übrige Körper gleitet in der Richtung des Knies nach. Am auffallendsten sind die Bewegungen bei den sehr lang gestreckten Formen; diese ziehen nicht selten den ganzen Körper zu einem Knäuel dicht verschlungener Windungen zusammen, die an gewissen Stellen fadenförmig verdünnt, an andern in verschieden lange Knoten oder Wülste aufgetrieben sind. In jedem Augen- blicke treten an andern Stellen Coutractionen und Expan- sionen nach einander auf. Alle diese oft sehr complieirten Bewegungen, die nur von einem innern bestimmenden Willen ausgehend gedacht werden können und über die thierische 193 En Natur der Gregarinen keinen Zweifel lassen, kommen durch ‚die homogene Körperhülle und durch die davon bedingte Vertheilung des körnigen Körperinhalts zu Stande. Bei jeder Bewegung wird die Körnermasse durch schnell fortschrei- tende starke Contraclionen der Körperhülle aus dem einen Ende des Körpers in das audere getrieben, welches dadurch plötzlich ausgedehnt wird Sofort siukt nun die übermässig ausgespannte Haut dieses Endes wieder langsam in ihre ge- wöhnliche Lage zurück, und dadurch häuft sich die Körner- masse nach und nach wieder in dem andern Ende an. Hat sich dieses wieder gefüllt, so erfolgt eine abermalige, sehr schnell forischreitende Contraction. Bei einigen Monocystideen habe ich bisher noch keine Bewegungen wahrnehmen können. Doch zeigt ein Umstand unverkennbar, dass sie wenigstens in der Jugend selbststän- diger Bewegungen fähig sein müssen. Ich traf sie nämlich niemals einzeln an, sondern es hingen stets zwei Individuen mit ihren gleichnamigen, abgeplatteten Körperenden fest an einander (Fig. 5. u 8.). Da nicht selten beide Individuen von sehr ungleichartiger Grösse sind (Fig. 6.), so kann ihre Verbindung, die sich beim Pressen zwischen Glasplatten lö- sen lässt, keine ursprüngliche, sondern sie muss erst später eingetreten sein. Eine äussere Ursache kann sie nicht zu- sammengebracht haben, da sie constant in dieser Verbindung getroffen werden; man ınuss daher annehmen (was die Be- obachtung an andern Gregarinenformen auch rechtfertigt), dass sie in der frühesten Jugend getrennt waren, späler dureh selbstständige Bewegungen sich an einander legten und durch inniges Aneinanderschmiegen ihrer vordern abge- stotzten Körpereuden an einander hängen blieben. Ich bilde aus diesen von Jugend an zusammenhängenden, starren Mo- noeystideen die Gattung Zygocystis und vereinige die übrigen stets einzeln lebenden, durch sehr lebhafte Bewe- gungen ausgezeichneten (Fig 1 —A.) in der Galtung Mo- nocystis. Müller» Arcbiv, 1818, 13 194 Auch in der Familie der Gregarinarien scheiden sich die Mitglieder in einzeln lebende und in von früher Jugend an zu zweien, ausnahmsweise auch zu dreien oder vieren zu- sammenhängende. Das Aneinanderhängen geschieht hier aber auf die Weise, dass ungleichnamige Körperenden an einan- der hängen. Der Kopf des einen Individuums haftet näm- lich an dem Körperende des andern (Fig. 233—27.). Ham- merschmidt hielt zwei so zusammenhängende Gregarinarien für ein einziges viergliedriges Thier und gründete auf diese falsche Voraussetzung seine Gattung Clepsidrina, obgleich schon vor ihm L&on Dufour das wahre Sachverhältniss erkannt hatte. Doch irrt der letztere Forscher darin, dass er glaubt, ein und dieselbe Art komme bald paarweise ver- bunden, bald einzeln vor. Dieser Behauptung muss ich durchaus widersprechen; gewisse Formen finden sich, mit Ausnahme der allerfrühesten Jugendzustände, das ganze Le- ben hindurch zu zweien verbunden, andere aber trifft man das ganze Leben über einzeln, und nur im späten Alter blei- ben je zwei Individuen unbeweglich neben einander liegen (Fig. 18.), oder sie hängen sich auch wohl, aber stets auf andere Weise, nämlich mit den Köpfen, an einander, um den Fortpflanzungsaect einzugehen. Die aneinanderhängenden Individuen sind in der Regel von gleichem Alter, unterschei- den sich aber gewöhnlich von einander, wenn aueh wenig auffallend, in ihrer Form; nur wenn ein altes Individuum durch äussere, mechanische Ursachen seines Gefährten be- raubt worden ist, sieht man wohl an seinem hintern Ende ein jüngeres Individuum als Stellvertreter angeheftet. Dass beide Individuen durch eigene Thätigkeit aneinanderhängen, unterliegt hier keinem Zweifel. Der Kopf des hintern Indi- viduums hat nämlich einen ganz andern Umriss, als der des vordern; er ist keine halbkugelige Blase, sondern der Form des Körperendes vo:n vorausgehenden Individuum entspre- chend eingedrückt und umfasst dieses häufig sehr innig. Da die zu zweien an einander hängenden Gregarinarien am 195 läugsien uuler allen Gregarinenformen bekannt sind und anı allerhäufigsten vorkommen, so behalte ich für sie den allen Namen Gregarina bei. Die stets einzeln vorkommenden Gregarinarien löse ich vorläufig nach der Bildung ihres Kopfes in drei Galtungen auf, von denen sich die erste, als vor- zugsweise auf negaliven Kennzeichen beruhend, vielleicht nicht wird halten lassen. Sie soll nämlich die stets einzeln vorkommenden Gregarinarien mit einfachem, eines besondern Haftapparates entbehrendem Kopfe umfassen (vergl. Fig 35.) und mag Sporadina heissen. Sie scheinen nur ausnahms weise frei im Darmschleim vorzukommen; wenigstens traf ich die meisten ınil dem Kopfe an den Wandungen des Darınkanals festgeheftel an. Der Kopf schien flach ange- drückt und der mittlere Theil zurückgezogen zu sein. Die beiden andern Gattungen sind durch das Vorhan- densein besonderer Haftapparate ausgezeichnet. Diese wer- den stets nur von einer blossen Ausslülpung an dem vordern Ende des Kopfes gebildet. Die eine einfachere Form des Haftapparates besteht in einem hohlen, nach dem Ende ge- wöhnlich zugespitzien, stiel- oder peitschenförmigen Fort- satze, der bei einigen Arten über noch einmal so lang, als der Kopf (Fig 21), bei andern aber auch kürzer (Fig. 16.), als dieser ist. Der Endiheil dieses Rüssels ist gewöhnlich zarthäutiger, als der Basaltheil. Ich bilde aus diesen Gre- garinarien die Galiung Stylorbynchus. Bei einer durch v. Siebold im Darmkanal der Agrionen entdeckten und von ihm als Gregarina oligacantha beschriebenen Art, die ich ebenfalls häufig beobachtet habe (Fig. 22.), ist das ange- schwollene Eude des sehr langen Rüssels (der ursprünglich einfach stielförımig ist und erst im Wasser nach der Basis zu so eiförmig anschwillt, wie es v. Siebold auf Taf. IM. Fig: 55. b. abgebildet hat), mit sieben oder acht rück wärts ge- krümmten, slarren, soliden Widerhaken versehen, und diese Form dürfte vielleicht den Typus einer besondern, von Stylorhyn- elus abzuzweigenden Gattung bilden. — Die andere Form 13* . 196 des Haftapparates entsteht dadurch, dass sich der Kopf nach vorn in einen kurzen Stiel verengert, der sich in eine flache, runde, am Rande gekerbte, auf dem Stiel senkrecht stehende Scheibe erweitert (Fig. 33.). Die vordere, zum Anheften dienende Fläche der Scheibe ist in der Mitte in einer, dem Durchmesser des Stiels gleichkonnmenden Ausdehnung glatt, von diesem glatten Centrum aus aber bis zur Peripherie sehr regelmässig strahlenförmig in Falten gelegt. Jede Einfal- tungsfurche fällt mit einer Einkerbung des Scheibenrandes zusammen. Ich vereinige die mit einem solchen Haftapparat versehenen Formen zu der Gattung Actinocephalus. Die Arten der Gattung Stylorhynchus und Actinocepha- lus hängen mit ihrem Haftapparate so fest an den Darım- wandungen, dass dieser meistens zurückbleibt, wenn man das Thier abzulösen versucht, und dass man oft funfzig und mehr Individuen durchmustern muss, um eins mit unverletz- tem Haftapparate anzutreffen, was natürlich die genaue Be- stimmung einer Gregarinarie ungemein schwierig macht. Ein Stylorhynchus und Actinocephalus, der seinen Haftap- parat verloren hat, ist einer Gregarinenform mit einfachem Kopfe sehr ähnlich, und solche verstümmelte Individuen sind von meinen Vorgängern vielfältig mit jenen zusammengewor- fen worden; aber sie unterscheiden sich von den Gregari- narien mit einfachem Kopfe in der Regel schon leicht durch ihren langgestreckten, nach dem Ende .kegelförmig zugespitz- ten Leib. Hat der Verlust des Haftapparates eben erst Statt gefunden, so tritt eine Erscheinung ein, die den Beobachter auf diesen Verlust aufmerksam macht und ihn zu weitern Nachforschungen auffordert, Es quillt nämlich an der Stelle des Kopfes, wo der Haftapparat gesessen hat, die eiweiss- ‚artige Grundinasse, welche die Kopfhöhle erfüllt, zunächst in Form eines kleinen Höckers vor, der schnell an Umfang bis zur Grösse des Kopfes und darüber zunimmt. Die kör- nige Masse des Kopfes tritt zu der Wunde nicht mit heraus, oder doch nur in einzelnen feinen Pünktehen, Leon Du- 197 four, der diese Erscheinung, aber nicht ihre Ursache kannte, liess sich dadurch verleiten, den Gregarinen eine Mundöff- nung zuzuschreiben, von deren Dasein er sich durch eiu „vomissement par cet orifice“ überzeugt haben wollte. Je- denfalls hat die hervorquellende Masse, welche bald stehen bleibt und die nur wegen der Vermischung mit dem Beob- achtungswasser so bedeutend über die Grenzen des Kopfes hervorlritt, den Zweck, die entstandene Wunde zu schlies- sen. Ich schliesse dies daraus, dass alle mit einem Haftap- parat versehenen Gregarinen im reifsten Lebensalter stets ohne denselben angetroffen werden und dass an dem Kopf derselben keine Spur einer Wunde mehr zu erkennen ist. Solche Individuen bewegen sich lebhaft durch den Darmka- nal, um einen Gefährten aufzusuchen, an den sie sich als- bald anhängen, gewöhnlich in der Weise, dass sie die Köpfe innig an einander schmiegen. Diese Verbindung hat den Zweck, den letzten Act im Leben der Gregarinen einzugehen, zu dem sich viele Formen schon durch eine Verbindung von früher Jugend an angeschickt haben. 2. Von der Fortpflanzung und Entwickelung der Gregarinen. Ueber die Fortpflanzung und Entwickelung der Grega- rinen haben die bisherigen Forscher, mit Ausnahme Kölli- ker’s, nicht einmal eine Vermuthung auszusprechen gewagt, was wohl darin seinen Grund hat, dass mehrere von ihnen der Ansicht waren, die Gregarinen seien nur die Larvenzu- stände irgend eines Entozoons. Dass Kölliker’s Ansicht nicht haltbar sei, vermulhete schon Henle, und v. Frantzius hat sie durch sehr nahe liegende Gründe widerlegt'). Köl- liker nahm nämlich an, dass sich die Gregarinen dadurch vermehrten, dass der gesammte Leibesinhalt eines Indivi- duums sich um zwei neu entstandene Nuclei in zyrei kuglige 1) a. a. ©. p. 17. 198 Haufen sondere, dass sich um je einen Haufen Membranen bildeten und so zwei junge Individuen entständen, die sich nach Auflösung des Mutterthieres von einander Irennlen und ein unabhängiges Leben begönnen. Wäre diese Ansicht rich- tig, 80 müssten die jungen Gregarinen wenigstens immer die halbe Grösse der erwachsenen haben; dies ist aber, wie ich gleich anfangs bei Angabe der Grösse der Gregarinen er- wälınte, durchaus nicht der Fall, sondern die jüngsten Indi- viduen werden nicht selten hundertmal kleiner angetroffen, als die erwachsenen. Kölliker’s Hypothese, die offenbar aus der Annahme, dass die Gregarinen einzellige Thiere seien, ihren Ursprung herleitet, beruht übrigens, wie ich gleich zeigen werde, weniger auf unrichtigen Beobachtungen, als auf falscher Deutung des Beobachteten. Trotz des Dunkels, welches bisher über die Fortpflan- zungsweise der Gregarinen verbreitet lag, fehlt es keines- wegs an Beobachtungen, in denen die wesentlichsten Mo- mente der Zeugung und Entwickelung dieser Thiere enthalten liegen; es haben sich aber gewisse Verhältnisse, die für die richtige Deutung des Beobachleten und für die Verknüpfung der einzelnen beobachteten Momente von Wichtigkeit sind, den treuen und dankenswerthen Bemühungen meiner Vor- gänger entzogen, Die wichtigsten hierher gehörigen Beob- achtungen hat ohne Zweifel v. Siebold in seinen vortrefl- lichen Beiträgen zur Naturgeschichte wirbelloser Thiere im Jahre 1839, p. 63., veröffentlicht. Er traf nämlich in dem Dünndarm einer Fliegenlarve, der Seiara nitidicollis, welche in zwei ihr eigenthümlichen Blinddärmen neben sehr zahl- reichen Individuen seiner Gregarina caudata (eines Actino- cephalus) beherbergte, eine Menge runder Blasen, welche aus einer durchsichtigen Hülle bestanden und eine zahllose Menge farbloser, vwreberschiffchenförmiger Körperchen, von ihm Navicellen genannt, enthielten. Diese bestanden aus einem weichen Kern und aus einer festen durchsichtigen Schale. Neben diesen Navicellenbehältern beobachtete v. Sie- u 199 bold noch andere gleich grosse Behälter, welche ihm we- niger entwickelte Navicellenbehälter zu sein schienen. Ihr Inhalt bestand aus einer homogenen, feinkörnigen Masse, welche in Form zweier Halbkugeln dicht an einander ge- drängt lagen. In noch andern Behältern sah er an der Stelle der körnigen Masse Navicellen auftreten. Er erklärt übrigens, dass ihm diese Behälter vollkommen räthselhaft geblieben seien und dass er sich nicht darüber auszusprechen wage, ob sie in irgend einem Zusammenhange mit der Gregarina caudata ständen, da er niemals so niedere Entwickelungs- stufen der Gregarinen beobachtet habe, welche an eine Na- vicelle oder deren Kern erinnert hätten. Zuletzt spricht er noch die Vermuthung aus, dass die Navicellen denjenigen Gebilden analog, doch von ihnen specifisch verschieden seien, die so häufig in den Geschlechtsorganen des Regenwurms vorkommen‘ und zuerst von Henle genauer beschrieben wurden. Gegen einen Zusammenhang der Navicellenbehälter mit den Gregarinen erregten die von H. Meckel im Jahre 1844 über den Inhalt der Geschlechtsdrüsen des Regenwurms mit- getheilten Untersuchungen erhebliche Bedenken :). Dieser Forscher gelangte nämlich zu dem Resultate, dass die soge- nannten Navicellenbehälter in den grossen, wurstförmigen Genitaldrüsen die Eier des Regenwurms seien, und dass jene Drüsen, weil sie zugleich die Bildungsstätle der Spermato- zoen sind, als Hoden und Eierstocksfollikel angesehen wer- den müssten, die auf ähnliche Weise in einander geschach- telt seien, wie er dies für die die Zeugungsstofle bereiten- den Drüsen der hermaphroditischen Schnecken nachgewiesen hatte. Zur Begründung seiner Ansicht stellte Meckel eine Reihenfolge von Navicellenbehältern verschiedenen Inhalts und verschiedener Grösse zusammen, welche die verschiede- nen Entwickelungsstufen der vorgeblichen Eier darstellen 1) Dieses Archiv 1544. p. 481. 200 sollten. Nach dieser Zusammenstellung würde die Entwicke- lung der Navicellenbehälter grade in der entgegengesetzten Reihenfolge Statt finden, als v. Siebold angenommen hatte. Während nämlich v. Siebold die Navicellen aus der fein- körnigen Masse hervorgehen liess, nahm Meckel au, dass die Navicellen, die er Spindelzellen nennt, in die feinkörnige Masse verwandelt würden. Er betrachtet nun die feinkör- nige Masse als den Dotter der Regenwurmeier, die beiden Halbkugeln, in die er zerfallen ist, für eme Folge der schon eingetretenen Durchfurchung des Dotters, die Wandungen des Navicellenbehälters endlich als die Eischale, unter der er noch eine zarte Dotlerhaut annimmt. Die Spindelzellen sollen nur während der ersten Periode für das vorgebliche Ei von Nutzen sein, den er jedoch nicht anzugeben weiss; er nennt sie den Wahrungsdotter, im Gegensatz zum eigent- lichen körnigen Dotter, den er als Bildungsdotter bezeichnet. Ein Keimbläschen konnte Meckel nicht auffinden; er glaubt aber, dass er es nur übersehen habe. Wahrlich ein wun- derbarer Eibau, dem nichts Aelhmliches in der Thierwelt an die Seite gestellt werden könnte. Diese Deutung der Eier des Regenwurms musste Jeden, der diese in den Hoden (dafür allein halte ich die wurstför- migen Drüsen) des Regenwurms so häufig vorkommenden Gebilde aus eigener Anschauung kennen gelernt hatte, höch- lich überraschen, sie musste aber auch ei näherer Erwä- gung höchst gezwungen erscheinen. e- erhob auch Henle') seine Bedenken dagegen. Bei‘ einer nochmaligen Revision des Inhalts der Genitaldrüsen des Regenwurms traf er mit den Navicellenbehältern zugleich Parasiten, die oflen- bar den Gregarinen beigezählt werden mussten; es waren dies Formen, die zu meinen Monocystideen gehören. So schien abermals, wie in jener Fliegenlarve, das Vorkommen von Navicellenbehältern von dem Vorhandensein gregarinen- 1) a. a. 0. p. 372 201 arliger Thiere bedingt. Aus diesem Grunde befriedigle auch Henle die Ansicht Kölliker’s über die Vermehrung der Gregarinen nicht, da sie auf die Navicellenbehälter keine Rücksicht nahm und diese nicht erklärte. Offenbar waren auch die vorgeblichen Gregarinen Kölliker’s, welche zwei junge, die ganze Leibeshöhle ausfüllende Individuen um- schliessen sollten, nichts weiter, als unentwickelte Navicel- lenbehälter mit in zwei halbkuglige Hälften gesondertem Inhalte. Diese Thatsachen lagen mir vor, als ich den Entschluss fasste, die Gregarinen specieller zu untersuchen und nament- lieh über ihre Entwickelung ins Reine zu kommen, da diese allein einen sichern Aufschluss über die Natur dieser Wesen gewähren konnte. Gleich die ersten Mystacidenlarven, welche ich im April und Mai zergliederte, lieferten mir neben einer grossen Anzahl einer neuen, zur Gattung Gregarina m. ge- hörigen Art, fast immer zahlreiche runde Behälter mit fein- körnigem, in zwei Halbkugeln gesondertem Inhalte, die in jeder Beziehung den unentwickelten Navicellenbehältern v. Siebold’s glichen. Bei keiner der untersuchten Larven glückte es mir aber, in den Behältern Navicellen zu entdek- ken; auch fand ich nichts, was auf einen Uebergang der körnigen Masse in Navicellen hingedeutet hätte. Zu dersel- ben Zeit entdeckte ich im Darmkanal des Geotrupes ster- corarius die merkwürdige Gregarinengattung Didymophyes, und neben dieser traf ich ebenfalls einige Male langgezogene ovale Behälter. welche gleichmässig mit körniger Masse er- füllt waren. Diese ersten glücklichen Beobachtungen befe- stigten immer mehr in mir die Ansicht, auf die mich eine Vergleichung der Arbeiten v. Siebold’s, Kölliker’s und Henle’s geführt hatte, dass die mit den Gregarinen zugleich vorkommenden Körnerbehälter von den Gregarinen herrüh- ren müssten. Wäre mir damals schon die Inauguraldisser- lation von v. Frantzius bekannt gewesen, die ich erst durch Hrn. Geh. R. Müller's Güte kennen lernte, als ich 202 meine Beobachtungen für den Druck niederschreiben wollte, so würde jene Ansicht von vorn herein für mich festge- standen haben; denn v. Frantzius hat in acht verschiede- nen Insekten mit den Gregarinen zugleich die in Rede ste- henden Körnerbehälter angetroffen und sie auch auf der sei- ner Arbeit beigegebenen Tafel abgebildet. Die Körnermasse füllte bald die Behälter gleichmässig aus, bald war sie in zwei Halbkugeln getheilt. In einem Falle beobachtete er auch Navicellen in dem Behälter. Das Verhältniss der Be- hälter zu den Gregarinen ist ihm aber völlig verborgen ge- blieben. Da der körnige Inhalt der von mir beobachteten Behäl- ter in nichts von dem körnigen Inhalte der erwachsenen Gre- garinen zu unterscheiden war, in deren Gesellschaft jene gefunden wurden, so durfte ich wohl annehmen, diese Zu- stände der Behälter seien unmittelbar aus einer Umwand- lung der Gregarinen, die freilich noch näher zu ermitteln übrig blieb, hervorgegangen, und die mit Navicellen erfüllten Behälter seien eine spätere Entwickelungsstufe. Wenn diese Annahme richtig war, so musste sie sich an den in den Geschlechtsorganen der Regenwürmer fast stets und in sehr zahlreichen Exemplaren vorkommenden Navicellenbehältern zur Evidenz bringen lassen. Bald war ich so glücklich, meine Vermuthung zur völligen Gewissheit erhoben zu se- hen, indem ich die Verwandlung einer in den Hoden der Regenwürmer lebenden Monocystideenform durch alle Sta- dien verfolgte. Ich werde die Navicellenbehälter von jetzt ab schlechtweg Cysten nennen, da sich jene Benennung nach den folgenden Mittheilungen als unstatthaft erwei- sen wird. Gleich bei meinen ersten Untersuchungen des Hodenin- halts der Regenwürmer überzeugle ich mich, dass aus der relativen Grösse der hier vorkommenden Cysten durchaus nicht, wie Meckel wollte, auf den Grad der Entwickelung der Cysten geschlossen werden könne. Denn ich traf in 203 den Hoden eines und desselben Thieres Cysten, die bei den beträchtlichsten Grössendifferenzen bald gleichen, bald ganz verschiedenen Inhalt zeigten. So fand ich, um nur einige Beispiele zu erwähnen, in den Hoden von Lumbrieus agri- cola Cysten von über +” im Durchmesser, welche bald mit körniger Masse, bald mit Navicellen von 5“ Länge erfüllt waren, während andere Cysten von nur „; — "im Durch- messer bald eben solchen körnigen Inhalt, bald eben so grosse Navicellen enthielten. Noch andere Cysten von der Grösse der zuletzt erwähnien enthielten bald Körnerniasse, bald Navicellen von nur „ti; Länge. Hieraus geht offenbar her- vor, dass die Cysten, die in einem und demselben Tloden angetroflen werden, nicht immer einerlei Arl, sondern häufig speeifisch von einander verschieden sind, und schon deshalb können sie nicht Eier des Regenwurms sein. Da ich nun allein in den Hoden des Lumbricus agricola wenigstens drei verschiedene Monocystideenformen und Henle währschein- lieh in demselben Thier (er bestimmi die Art der Regen- würmer, welche er untersuchte, nicht näher) noch andere von diesen verschiedene Monocystideen fand, so lag es sehr nahe, die verschiedenen Cysten von den verschiedenen Mo- uocystideen herzuleiten. Um mich möglichst vor Irrthümern in Betrefl der Ent- wiekelung der Cysten zu bewahren, wählte ich aus dem Hoden des mir am häufigsten zu Gebote stehenden Lumbri- eus cominunis nur solche zum Studium ihrer Entwickelung aus, die nahebei gleiche Grösse hatten. Als erstes Entwicke- lungsstaditin der Cysten ergaben sich mir nun bald diejeni- gen, welche zwei aneinandergedrückte Halbkugeln üumschlos- sen. Jede Halbkugel besteht aus einer consistenlen, eiweiss- arligen Grundmasse, in welcher so zahlreiche, grobe, dun- keleconturirte Feitkörner eingebettet liegen, dass die ganze Cyste davon ein milchweisses Ansehen erhält. Obwohl jede Halbkugel einen scharf begrenzten Körnerhaufen bildet, so fehlt ihr doch eine begrenzende Haut. In den Cysten der 204 nächst folgenden Entwickelungsstufe sind die beiden früheren Halbkugeln völlig mit einander zu einer einzigen Masse ver- schmolzen, an der man eine deutliche Lagerungsveränderung der Körner, die inniger zu besondern Haufen an einander rücken, bemerkt (vergl. Fig. 12). In anderen Cysten hat sich der ganze Inhalt in verschieden grosse, bald rundliche, bald lappen- und wurstförmige Körnerhaufen gesondert, die jedoch nur an der äussern Oberfläche scharf begrenzt sind, nach innen zu aber mehr oder weniger mit einander zusam- menhängen. Eine solche Cyste hat einige Aehulichkeit mit einem Ei, dessen Dotter unregelmässig durchfurcht ist. In noch anderen Cysten sind die oberflächlichsten Körnerhaufen verschwunden, und an deren Stelle sieht man nun scharf begrenzte runde Bläschen auftreten, welche eine von zahl- reichen, sehr feinen Pünktchen getrübte, consistente Flüssig- keit umschliessen (Fig. 13.). Diese Bläschen sind nahebei gleich gross; in den am häufigsten vorkommenden Cysten von „4; Durchmesser messen sie etwa „1, In noch an- dern Cysten hat sich die centrale Körnermasse so verringert, dass sie keinen zusammenhängenden Haufen mehr bildet, sondern in inselarlige Gruppen aufgelöst erscheint, zwischen denen die eben beschriebenen Bläschen zerstreut liegen, die also offenbar aus einer Auflösung der Körnermasse hervor- gehen (Fig. 14.). An einzelnen Bläschen solcher Cysten ist bereits eine weitere Umwandlung eingetreten. Sie sind näm- lich, ohne an Umfang merklich zugenommen zu haben, oval geworden und erscheinen von einem durchsichtigen, farblo- sen Hofe umgeben, der an den Polen des Ovals, über die er spitzwinklig hervorragt, am meisten sich bemerklich macht. Dieser Hof rührt von einer gallertartigen Masse her, welche um das ovale Bläschen eine Hülle bildet, die sich immer mehr in die Länge streckt, zuletzt erhärtet und nun als eine feste, spindelförmige, an beiden Enden in ein solides Knöpf- chen ausgezogene Schale erscheint, durch welche das einge- schlossene, feinkörnige, ovale Bläschen hindurchscheint. Da- 205 mit ist die Bildung einer sogenannten Navivelle vollendet. Sind alle Bläschen einer Cyste auf diese Weise in Navicellen umgewandelt, so ist die ursprüngliche Körnermasse noch nicht gänzlich verbraucht, sondern sie erscheint noch in ein- zelnen, sehr kleinen, aus wenigen Körnern bestehenden Grup- pen zerstreut zwischen den Navicellen (Fig 15.). Diese letz- teren füllen niemals eine Cyste vollständig aus, sondern sie liegen nur der iunern Oberfläche der Cyste an, welche nun . fast ganz durchsichtig und wasserklar geworden ist. Der iunere Raum der Cyste ist von einer farblosen, wasserhellen, dünnen Flüssigkeit erfüllt. Dies ist der wahre Entwickelungsgang der Cysten, wie ibn sehr ausgedehnte Beobachtungsreihen immer wieder be- stätigten, welches auch die Grösse der Cysten war Die so- genannten Navicellen gehen also aus einer Auflösung der ursprünglichen groben Feltkörner und der durchsichtigen, consistenten Grundmasse hervor; sie bestehen anfangs aus einem zellenartigen Kern, um den sich später eine glasarlige Schale bildet. — Welches ist nun aber der Ursprung der Cysten, von denen wir ausgingen, der Cysten nämlich mit in zwei Halbkugelu gesondertem, körnigem Inhalte? Diese Frage hat mich lange in Verlegenheit gesetzt, bis ich bei forlgesetzter Untersuchung dieser jüngsten Entwickelungs- stufe der Cysten ein bisher übersehenes, in der Körnermasse jeder Halbkugel verstecktes Gebilde entdeckte, was mit einem Schlage über die Entstehung der Cysten Licht verbreitete. Ich bemerkte nämlich beim Quetschen mehrerer der jüngsten Cysten mitten in der Körnermasse jeder Halbkugel eine scharf umschriebene helle Kugel mit einem dunklern Fleck, in der ich sofort den Nucleus und Nucleolus einer gleichzei- tig in den Iloden vorkommenden Monocyslideenform er- "kannte (Fig. 11.). Diese Thatsache, verknüpft mit der be- obachteten allınähligen Umwandlung des Cysteninhalts liess nun keinen Zweifel mehr übrig, dass jede Halbkugel mit ihrem Nucleus dem Körperinhalte eines Individuums einer 206 Monocystideenform entsprechen müsse, und dass mithin die später auftretenden Navicellen aus der Verschmelzung des Körperinhalts zweier Individuen einer Monocystideenform hervorgingen In der. Gesellschaft der oben beschriebenen Cysten traf ich aber eine stets zu zyveien aneinanderhän- gende Monocystideenform, also eine Zygocystis, welche ich Zygoeystis cometa nenne (Fig. 8.). Jedes Individuum ist stumpf kegelförmig, in der Mitte etwas verengert, an der Spitze mit einem Büschel starrer, griffelartiger Fortsätze versehen, und mit den Basen hängen beide Individuen an- einander. Die Länge beider Individuen zusammengenommen war nicht viel bedeutender, als der Durchmesser meiner Cy- sten, und der Durchmesser des Nucleus jeder Zygoeystis war genau so gross, als der Durchmesser des Nucleus in jeder Halbkugel der Cysten. Bald fand ich auch Uebergänge von dieser Zygocyslis zu den Cysten. An beiden Indivi- duen waren nämlich die Griffel nehr oder weniger geschwun- den und der vorher kegelförinige Leib hatte sich verkürzt und war fast halbkuglig geworden (Fig. 9. 10). Das noch fehlende Zwischenglied war nun leicht zu ergänzen. Die aneinander gehefteten Basen beider Individuen brauchten nur vesorbirt zu werden und die aneinander grenzenden Seiten- wandungen der Körperhülle zu verschmelzen, so entsteht die Hülle der Cyste, und der halbkugelförmige Körperinhalt jedes Individuums rückt unmittelbar aneinander. Bald darauf ist der Nucleus jeder Halbkugel nicht mehr aufzufinden, beide Halbkugeln vereinigen sich nun und durchdringen einander: es tritt dann eine Art Zerklüftung in dem gemeinsamen Kör- nerballen ein und endlich leitet die Verflüssigung der ober- flächlichsten Körnergruppen die Bildung der Navicellen ein, die sich schon nach der bisherigen Darstellung als die Ver- mittler einer nenen Generation gregarinenartiger Thiere er- weisen werden Ohne Zweifel ist die Entwickelung der Navicellen der Entwickelung der Eier mancher Eingeweidewürmer, nament- 207 lich der Echinorhynchen, sehr analog: die feste, durchsich- tige Hülle könnte man der Eischale, das eingeschlossene, feinkörnige, ovale Bläschen dem Dotter vergleichen. Dass im Innern desselben kein Keimbläschen wahrzunehmen ist, würde mich nicht abhalten, die Navicellen für Eier und dem- nach die Cysten für Eierbehälter in Anspruch zu nehmen, da auch in den unzweifelhaften Eiern der Echinorhynchen, deren Eutwickelungsgeschichte ich genau genug studirt zu haben glaube, niemals auf irgend einer Entwickelungsstufe derselben ein Keimbläschen zu beobachten ist. Allein in dem Begriffe des Eies sind zwei Momente enthalten, einmal, dass es die Anlage zu einem neuen Organismus ist, und sodann, dass es sich zu diesem nur entwickeln kann, wenn es dem belebenden Einflusse des Saamens ausgesetzt gewesen ist. Da das Letztere bei den Navicellen nicht der Fall ist, so ziehe ich es vor, die Navicellen, trotz der grossen Aehn- lichkeit ihrer äussern Form mit den Eiern von Eingeweide- würmern, auf die bereits v. Siebold ') aufmerksam ge- macht hat, nicht als Eier, sondern als Keimkörner zu be- zeichnen. So hatte ich denn für eine Form gregarinenarliger Thiere des Regenwurms das wichtige Resultat gefunden, dass das (bei unserer Zygoeystis schon von Jugend auf Statt fin- dende) Aneinanderhäugen zweier Individuen nur die Einlei- tung zum Fortpflanzungsacte ist, und dass dieser auf eine Weise zu Stande kommt, die gegenwärtig fast noch einzig in der Thierwelt dasteht. Diese Fortpflanzungsweise fällt " offenbar unter den Begriff der Conjugation, einer Fortpilan- zungsweise, die nur bei einigen niedern Pflanzen und bei den Closterien, deren Thierheit freilich noch von vielen Na- turforschern, wie mir es aber scheint, mit Unrecht be- zweifelt wird, realisirt ist. Am bekanntesten ist die Con- jugation gewisser, die Galtungen Spirogyra und Zygnema I) a2. 0. p. 63. 208 bildender Conferven. Die Glieler zweier Confervenfäden verbinden sich darch quere, einander entgegenwachsende Zapfen, die, wenn sie auf einander stossen, durch Resorption der sich berührenden Wandungen verwachsen, worauf der Inhalt des einen Gliedes in das andere hinübertritt und mit dem Inhalte desselben zu einem rundlichen Ballen verschmilzt. Nicht dieser Ballen liefert eine neue Conferve, wie man bis in die neueste Zeit hinein, sich auf eine Beobachtung Vau- cher’s stützend, behauptet hat, sondern er zerfällt in einen Haufen von Sporen, aus dem eben so viele Conferven her- vorgehen '). Auf eine ganz ähnliche Weise geht die Con- jugation nach Ehrenberg’s Beobachtungen bei einem Pilze (Syzygites megaloearpus) vor sich ?). Die Conjugation der Closterien, so weit wir sie durch die Beobachtungen von Ehrenberg, Morren und Focke kennen, scheint der Con- jugalion unserer Zygocystis noch näher zu stehen, als die der Conferven. Denn bei den Conferven sind es nur die Glieder zweier Stämmchen, die zur Bildung der Keimkörner verschmelzen, und die Bildung der Keimkörner findet be- kanntlich bei den Conferven eben so häufig auch ohne eine vorausgegangene Conjugation Statt. Bei den Closterien ver- schmilzt aber der ganze Körperinhalt zweier Individuen, wie bei unserer Zygocystis, zu einem kugelförmigen Ballen. Si- eberlich geht aus diesem Ballen nicht ein junges Closterium hervor, wie die vorhin genannten Forscher annehmen, son- dern fernere Beobachtungen werden ohne Zweifel darthun, dass der Ballen sich in einen Haufen Keimkörner verwan- delt, und damit verschwindet das Unklare, was Focke noch in der Fortpilanzungsweise der Olosterien erblickte, die nach 1) Vergl. HM. Karsten m Wiegmann’'s Archiv 1843, p. 340. Taf. XI. Fig. 1. e. 2) Verhandlungen der Gesellschaft naturforschender Freunde. Bd. 1. p- 98. und Monatsberichte der Akademie der Wissenschaften. 1837. p- 153., wo ausführlicher über die Conjugation gehandelt wird. 209 seiner Ansicht keine Vermehrungs-, sondern eine Verminde- rungsweise sein würde '). Die an einem gregarinenarligen Thiere beobachtete, noch so vereinzelt dastehende Fortpflanzungsweise bedurfte noch einer, wo möglich für alle Gattungen gregarinenartiger Thiere durchgeführten Begründung. Ich wandte mich daher von Neuem zur Untersuchung der in den Insekten lebenden Gre- garinen, und vom Juli bis zum October ununterbrochen fort- geführte Beobachtungen bestätigten das an der Zygoeystis gewonnene Resultat durchweg. Ich will von meinen vie- len’Beobachtungen nur einige leicht zu controllirende her- vorheben. Zunächst verwandte ich allen Fleiss auf die Durchmu- sterung des Darmkanals von einer grossen Anzahl von In- dividuen des Tenebrio molitor, weil ich diesen Käfer schon früher als einen ergiebigen Fundort von Gregarinen kennen gelernt halte. Ich fand fast in jedem Individuum Gregari- nen, meistens in grosser Anzahl und zwar unter einander oft drei verschiedene Formen, von denen zwei zur Gattung Gregarina im engern Sinne, eine zur Gattung Stylorhynchus gehört. Hammerschmidt kannte wahrscheinlich bereits zwei dieser Formen, doch geht dies selbst aus seinen Ab- bildungen, die gar zu roh sind, nicht mit völliger Bestimmt- heit hervor; er hielt sie aber für eine Art und nannte sie Clepsidrina polymorpha. v. Frantzius, ‘der sie alle drei kannte und nach etwas schwachen Vergrösserungen, doch näturgetreu unter Fig. V. bei 1. 2. und 3. abbildete, wirft sie ebenfalls zu einer Art unter dem Namen Gregarina polymorpha zusammen, blos aus dem Grunde,. weil sie in einem und demselben Thiere leben. Denselben Grund- salz durchweg befolgend, hat er die Kenntniss der Ar- ten nicht wenig verwirrt und öfters verschiedene Gattun- gen zu einer Art vereinigt. Eine der drei Arten 'kommt im- 1) Physiologische Studien. Erstes Heft. p. 55. Müllers Arebiv. 1848. 14 210 mer ‚einzeln ‚und an den Wandungen des: Darmkanals ver- mittelst eines kurzen Rüssels festgeheftet vor, ich nenne sie Stylorhynchus ovalis (Fig. 16.).. Die beiden ächten Grega- rinen sind einander sehr ähnlich und fast gleich gross. Die eine (Fig, 23.) ist durch den: nach vorn erweiterten, , flach gedrücklen, keilähnlichen Kopf, der fast % der Länge des Leibes: gleichkommt, und durch den nach hinten erweiterten Leib ausgezeichnet; ich nenne sie Greg. cuneata. Die zweite Art. (Fig 24.) unterscheidet sich von der ‘vorigen durch ihren schmächtigeren, nach vorn erweiterten Leib und durch den nach vorn 'verengerten, im’ Verhältniss zum Leibe kürzeren Kopf; sie mag den Nameu Greg. polymorpha behalten, da auf sie die meisten Figuren Hammerschmidt’s‘am besten passen. Neben diesen drei gregarinenarligen Thieren fand ich zweierlei Cysten, nämlich kugelrunde von — 4‘ Durch- messer (Fig. 28. u. 29.) und ovale, die 4 —7'7;“‘ lang und 35 — 5“ breit waren (Fig. 19.). Die ovalen Cysten rüh- ren. von dem Stylorhynehus ovalis her, die runden von Greg. cuneata und polyımorpha.. Zu welcher dieser beiden Arten eine runde Cyste gehöre, das lässt sich bei der. grossen Aehnlichkeit jener nicht bestimmen. ' Beide Arten von Cy- sten enthielten niemals Keimkörner,, sondern dieselbe fein- körnige Masse, wie die erwachsenen Thiere, zu denen sie gehören. Bald, war die feinkörnige Masse noch in zwei Halbkugeln gesondert, bald bereits zu einer einzigen Kugel verschmolzen. Im erstern Fall war in der Regel in jeder Halbkugel ein ganz ebenso grosser und ebenso gestalteter Nucleus, wie in den erwachsenen Thieren aufzufinden (vgl. Fig. 19.). Zerquetschte ich eine Cyste der grössern, runden ‚Art, deren Inhalt noch scharf in zwei Halbkugeln gesondert .war,.so zog sich die elastische Hülle der Cyste mit grosser Heftigkeit auf einen kleinen Raum zusammen; ich sah dann, wie die Halbkugeln, ohne sich mit einander zu vereinigen, der in der Cystenhülle entstandenen Oeffnung zu trieben und zu derselben theilweise hinausdrangen, worauf zwei ge- 211 sonderte Körnerströme aus der Cyste hervorquollen, die von den beiden Halbkugelu herrührten (Fig 29.). In der Cyste blieben zwei aneinandergedrückte dünnhäutige Blasen zurück, welche offenbar den körnigen Inhalt jeder Halbkugel um- schlossen hatten. Hierdurch unterscheiden sich die Cysten der Gregarinarien von denen der Zygocystis. Da in den ältern Cysten die Halbkugeln zu einer Körnerkugel ver- schmolzen sind, so muss die Haut, welche jede Halbkugel ursprünglich umschliesst, später resorbirt werden. Noch bestimmter überzeugle ich mich von dem Vorhandensein ei- ner Haut um jede Halbkugel dadurch, dass ich Cysten auf- fand. deren Hülle noch so weich war, dass sie schon beim leisesten Druck sich öffnete und beide Halbkugeln unverletzt heraustreten liess, die sich sofort zu zwei selbstständigen, platigedrückten, von einer sehr deutlichen Haut umschlosse- nen Kugeln ausdehnten. Ich entdeckle nun auch die Ueber- gangsslufen von den erwachsenen Gregarinenpärchen zu den noch weichen Cysten. Ich fand nämlich alte Pärchen, die sich verkürzt hatten und dafür entsprechend breiter gewor- den waren (Fig. 25... An solchen Individuen setzte sich oft der Kopf äusserlich nicht mehr durch eine Einschnürung von dem Leibe ab, sondern der ganze Körper stellle ein einfaches Oval dar; doch war die iunere Scheidewand zwi- schen Kopf und Leib noch als eine helle Bogenlinie zu be- merken (Fig. 26.). An andern Pärchen war auch diese ver- sehrwunden, jedes Individuum hatte sich noch mehr verkürzt und verbreitert, und glich nun einer fast halbkugelförmigen Blase (Fig. 27.; hier ist an dem vordern Individaun die Scheidewand noch vorhanden). Die nächste Verwandlungs- »tufe inusste offenbar die runde, zwei halbkugelförmige Bla- sen umschliessende Cyste mit noch ganz weicher Cysten- hülle, und diese selbst ein durch die Haut nach aussen ab- geschiedenes und erhärtetes Absonderungsprodukt der beiden, sich zur Umwandlung in eine Cyste anschickenden Indivi- duen sein. Hiernach wird der Fortpflanzungsprozess bei J4* 212 der Gattung Gregarina durch folgende Umwandlungen ein- geleitet. An den erwachsenen Paaren nimmt jedes Indivi- duum eine einfache, ovale Gestalt an; dann wird die Schei- dewand zwischen Kopf und Leib resorbirt; beide Individuen erscheinen nun als zwei aneinandergedrückte einfache Ku- geln. Diese schwitzen nun nach aussen eine gallertartige » Flüssigkeit aus, welche beide Individuen encystirt und all- mählig erstarrt. Endlich erfolgt innerhalb der Cyste die Resorption der ursprünglichen Körperhaut jedes Individuums, und ihr Körperinhalt fliesst nun zu einer einzigen Körner- kugel zusammen. Auf ganz gleiche Weise sah ich die kleinern, ovalen Cysten im Darmkanal des Tenebrio molitor aus der Verei- nigung zweier Individuen des Stylorhynchus ovalis hervor- gehen. Ich habe bereits erwähnt, dass alle festsitzenden Gregarinarien im erwachsenen Zustande ihren Haftapparat verloren haben und frei im Darmkanal leben. Nicht selten traf ich zwei solche frei gewordene Individuen des Stylo- rhynchus ovalis bewegungslos dicht aneinandergedrängt; sie lagen aber nicht hinter einander, sondern neben einander, sich mit ihren Seitenwandungen berührend (Fig. 18.). Bei solchen Pärchen setzt sich bald der Kopf jedes Individuums noch scharf von dem Leibe ab, bald hat er sich verkürzt und verbreitert und bildet mit dem Leibe zusammen einen einfachen, querovalen Körper. Dann erfolgt die Absonde- rung der Cystenhülle, und die weitern Veränderungen sind ganz wie bei der Galtung Grezarina. Dass auch bei den Gattungen Sporadina und Actinocephalus stets zwei Indivi- duen im erwachsenen Zustande sich zum Behuf der Fort- pflanzung encystiren, habe ich durch Beobachtung ganz ebenso gestalteter Cysten festgestellt. Ob dies auch bei den Didy- mophyiden der Fall ist, wage ich nicht zu behaupten. Ich habe zwar mit Didymophyes paradoxa zusammen zweimal sehr langgezogene ovale und mit Didym. gigantea einmal eine kugelrunde Cyste beobachtet; diese Cysten waren aber . 213 gleichförmig mit der gewöhnlichen Körnermasse erfüllt. Da der Leib dieser Thiere in der Mitte durch eine Querscheide- wand in zwei Hälften getrennt ist, so wäre es möglich, dass sich nur ein Individuum encystirte, und die Keimkör-" ner aus der Verschmelzung des Inhalts beider Leibeshöh- len hervorgingen. Indessen scheint mir dies sehr unwahr- scheinlich. Im Ganzen habe ich bei 23 verschiedenen Insekten und Myriapoden, und wenn ich die Zahl der Individuen rechne, in mehr denn hundert Fällen neben erwachsenen Gregari- narien aller Gattungen Cysten beobachtet, deren Volumen "immer dem Volumen zweier erwachsenen Individuen pro- portional war. Gewöhnlich traf ich in einem Wirthe neben Scharen von Gregarinen nur wenige Cysten, elwa 3—5 an, bisweilen jedoch mehr als zwanzig. Trolz der grossen An- zahl von Cysten aber, die ich aus jenen Insekten und My- riapoden durchmusterte, niemals war ich, mit Ausnahme eines einzigen Falls, im Stande, in ihnen Keimkörner zu entdecken; sondern die ältesten Cysten zeigten nur die bei- den ursprünglichen Halbkugeln zu einem Körnerballen ver- schmolzen, in welchem Fall dann die beiden Nuclei, die bei noch getrenntem Inhalte immer leicht aufzufinden sind, ver- schwunden waren. Das einzige Mal, wo ich reife Cysten im Darmkanal eines Insekts beobachtete, war bei Reduvius personatus. Der sehr lange, den grössten Theil des Darm- kanals ausmachende Magen dieses Thieres enthielt in dem vordern weitern Abschnitt eine unzählbare Menge dicht ne- ben einander liegender und für Nahrungsmittel keinen Platz lassender Sporadinen (Fig 35.), die mit ihrem einfachen, kugelrunden Kopf fest an den Magenwändungen angeklebt sassen. Sie zeigten sehr verschiedene Grösse, die grössten waren etwa 3“ lang und ;';‘“ breit. Der engere Theil des Magens war bis zur Insertion der Malpighi’schen Gefässe dicht gedrängt mit runden Cysten ausgefüllt, die nicht alle genau dieselbe Grösse hatten, was darauf bindeutet, dass 214 sich einige Individuen früher, andere später encystiren, Die kleinsten maassen z7';‘, die grössten -;‘“ im Durchmesser; zwischen diesen Dimensionen zeigten sich: alle möglichen Grössenverschiedenheiten, Dergleichen, im Ganzen doch nur unbedeutende Grössendifferenzen habe ich auch bei den Cy- sten anderer Gregarinen angetroffen. In:den meisten Cysten waren entweder beide encystirten Individuen bereits zu ‚ei- ner Masse vereinigt und diese fast regelmässig in runde Kör- nerhaufen geschieden, oder sie enthielten nur reife Keim- "körner, welche zierlich in ringförmige, aneinandergrenzende Gruppen vertheilt lagen (Fig. 36.). Die Keimkörner waren kurz spindelförmig oder fast eiförmig, von. starken ıContur- linien begrenzt, sonst aber sehr blass, nur’ z+,‘ lang und 3:5” breit; neben ihnen lagen nech ‚einzelne sehr feine Körnchen der ursprünglichen Körnermasse. —: Ramdohr hat ‚bereits unsere Sporadina und wahrscheinlich auch ihre Cysten gekannt, wie seine, freilich rohen Abbildungen dar- thun; seine Beobachtungen sind aber bisher gänzlich über- sehen worden !). Er stellt: unsern Schiarotzer, für den er aber. eine sehr mangelhafte Diagnose 'aufstellt, weil er offen- bar ein neben, einer Cyste liegendes Thier mit, dieser zusam- men. für ein Individuum ‚hielt, zu den: Iufusorien, und ‚zwar zu. der vagen Gattung Vibrio, und nennt ihn Vibrio Reduvii. Er mag nun Sporadina Reduvii heissen. Nachdem: ich lange vergeblich bei andern Insekten nach reifen Cysten gesucht hatte, wurde ich endlich darauf ‚auf- merksam, dass die Cysten fast überall ‚erst gegen das Ende des. Magens hin auftraten, meistens aber ‘erst im Dünndarm zu finden, waren, wo oft keine’ Gregarinen mehr vorkamen. Diese Bemerkung brachte mich auf den Gedanken, nun. auch die im Mastdarm enthaltene Kothmasse zu durchsuchen, , was ich bisher [ür eine vergebliche Arbeit gehalten hatte: , Gleich 1) Abhandlung über die Verdauungswerkzeugs der Insekten, p. 194. und Taf. XXI. Fig. 9. und 10; 215 beim ersten in dieser Beziehung untersuchten Carabus' gla- bratus, dessen Magen zahlreiche Exemplare eines’ noch un- beschriebenen Actinocephalus (acus m.) bewohnten, ‘wurde mir die Freude zu Theil, in der feinkörnigen, undurchsich- tigen, aschfarbenen Kotlımasse fünf Cysten ganz in der Nähe des Afters zu entdecken. Ich zerquetschle, da sie wenig durchsichtig waren, drei davon, erhielt aber aus ihnen nur dieselbe Körnermasse, wie aus den Cysten anderer Gregari- nen; die beiden andern bewalrrte ich auf einer Glastafel’ auf, in der Hoffnung, dass sie sich weiter entwickeln würden; aber schon am zweiten Tage darauf waren sie gerz zusam- mengeschrumpft und theilweise eingetrocknet. ‘Aus diesen Beobachtungen schloss ich, dass die Cysten der in Insekten lebenden Gregarinen sich nicht im Darmkanal ihres Wirthes, sondern in der Aussenwelt entwickeln müssten, hier aber nur, wenn sie in der Kothmasse eingehüllt blieben. Meine Untersuchungen traten damit in ein neues, nicht wenig mühsames und zeitraubendes Stadium, nämlich in das der Kothuntersuchung. Ich wählte zunächst zu meinen Ex- perimenten die Blatta orientalis, einmal weil dieses Insekt zu denjenigen gehört, welche am häufigsten Gregarinen. be- herbergen, und zwar nur eine einzige Art, nämlich‘ Gregar. blattarum v. Sieb., deren unreife Cysten mir überdies: sehr genau bekannt waren; sodann, weil dieses Insekt längere Zeit, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, lebendig bleibt, und endlich, weil es ziemlich grosse, zusammenhängende Koth- ballen von sich giebt. Ich sperrte einige 20. Exemplare in eine ganz reine Schachtel, ohne ihnen die geringste Nahrung mitzugeben, weil es sonst sehr schwer gewesen sein würde, die Kothballen von zerbröckelten Nahrungsbestandtheilen zu unterscheiden. Schon am andern Tage klebten an den Wän- den der Schachtel einige noch halbweiche Kothballen. Als diese erhärtet waren, löste ich sie ab und that sie in eine leere Schachtel, damit sie nicht etwa von den ihrer Gefräs- sigkeit wegen berüchtigten Schaben in Ermangelung aller 216 Nahrungsmittel. gefressen würden. Nachdem. ich. die Koth- einsammlung ‚mehrere Tage fortgesetzt. hatte, ging ich.'an die. Untersuchung. der ‚ältesten, kaum’ acht. Tage alten Ballen, indem: ich sie so lange mit Wasser befeuchtete, bis sie ‚sich ohne, Gewalt in kleine, Körnchen. zerbröckeln liessen, Wie gross, war meine Freude, als mir etwa, aus dem zwölften Kothballen, den. ich zerbröckelte, die erste, etwas ‚über +“ im, Durchmesser haltende Gregarineneyste entgegenfiel!; -Die Cystenhülle .war im Vergleich‘ zu den im Darmkanal der Schaben. beobachteten Cysten. sehr hart und von fast horn- artiger Consistenz, und leistete deshalb beim Druck ‚einen ansehnlichen Widerstand. Als sie unter einem starken. Druck vom. Rande. her bis fast zur Mitte ‚mit hörbarem, Geräusch zerborst, quollen neben einer noch: ziemlichen Menge der ge- wöhnlichen ‚Körnermasse zahllose reife Keimkörner hervor. Ihre Gestalt,:war von der in. den Cysten der Zygocystis be- obachteten auffallend verschieden; sie waren nämlich nicht spindelförmig, sondern tonnenförmig, 74,“ lang und „45“ breit, sehr blass, aber von: starken Conturlinien begrenzt (vergl. Fig. 38.). Schale und ‚Inhalt liessen sich nur bei sehr starken ‚Vergrösserungen ‚von. einander unterscheiden, Aus den. übrigen, nach und :näch ‚untersuchten Kothballen. erhielt ich"noch sieben. Cysten, von denen vier reife Keimkörner neben mehr oder weniger Körnermasse umschlossen; eine enthielt noch ganz ‚unveränderte Körnermasse, und die bei-, den ‚übrigen umschlossen: neben überwiegender Körnermasse,, ovale, zart conturirte, mit sehr feinen Körnchen: erfüllte Bläschen, die kleiner waren, als die reifen, Keimkörner; sie waren nämlich nur „1, — 7}, lang. Offenbar entsprachen diese Bläschen dem: weichen Kern. in den spindelförmigen Keimkörnern der Zygocyslis, und sie veryrandeln ‚sich ‚ohne Zweifel dadurch in die reifen, tonnenförmigen Keinkörner, dass sie von einer innig anliegenden gallertartigen. Schicht, überzogen werden, welche zu einer pergamentartigen Schale‘ erhärtet. 217 Durch Untersuchung des Koths von Tenebrio molitor, Decilicus verrucivorus, Acheta campestris und von den! Lar- ven des Anthrenus musaeorum lernte ich noch die Gestalt und Entwicklung. der Keimkörner der in diesen: Insekten le- benden gregarinenartigen Thiere (sie. gehören sieben ver- schiedenen Arten an) kennen. Um. jedoch nicht die ‚mir hier vorgeschriebenen Grenzen zu überschreiten, beschränke ich mich, darauf, die Entwickelung der Cysten; aus dem Te- nebrio molitor von da:ab weiter zu: verfolgen, wo wir sie oben verlassen haben. Die,Kotliballen des Mehlkäfers ‚sind zwar. sehr. klein, wenn man aber die Mehlkäfer in reinem‘ Mehl aufbewahrt, so sind die Kotlhballen ihrer‘ schwarzen Farbe wegen auf dem. weissen Grunde leicht wahrzunehmen. In diesen Kothballen traf ich sehr häufig sowohl die run- den, als auch die ovalen Cysten an und zwar in allen Ent- wicklungsstufen. Die Entwicklung war bei beiden, obgleich sie verschiedenen Gattungen angehörten, ganz dieselbe. In einigen war der Inhalt noch in zwei Halbkugeln geschieden; aber zwischen der Körnermasse war eine grössere ‘oder ge- ringere Anzahl heller Flecke aufgetreten, die von einer Auf- lösung der Körnermasse herrühren mussten (vergl. Fig. 28.). In andern Cysten waren beide Halbkugeln ‚zu. einer ver- schmolzen, indem die die Halbkugeln ‚begrenzenden Membra- nen resorbirt worden waren. Die peripherische Körner- masse war in einer grössern , oder geringern Ausdehnung geschwunden, während die centrale unverändert ‚erschien. Statt der geschwundenen peripherischen Körnermasse war eine lichtere Zone vorhanden, die sich schon durch die, Cy- stenhülle hindurch bei scharfer Einstellung des Mikroskopes als aus viel grössern, sehr blassen, rundlichen Körnern zu- samınengesetzt 'ergab (vergl. Fig. 20. u. 30.4 W,;rquetschte ich. solche Cysten, wozu ein stärkerer Druck W®®lerlich war, als ‚bei den aus dem Darmkanal: des Mehllißiers ge- nommenen, da ilıre Hülle weit mehr erhärtet war, so ‚flos- sen. mit. der gewöhnlichen Körnermasse zahllose, sehr! zart 218 conturirte, mit den feinsten Körncheu erfüllte Bläschen her- vor (Fig. 31. a.), welche „- — 1; lang waren; die klein- sten waren rund, die grössten oval. Noch andere Cysten zeigten nur geringe Reste der ursprünglichen Körnermasse, dafür aber eine ungeheure Menge reifer Keimkörner, Diese waren nicht merklich grösser, als die grössten der oben er- wähnten Bläschen, höchstens „t;“ lang, unterschieden sich aber von ihnen durch die dunklen Conturlinien und dadurch, ‚dass in ihrem Innern die feinen Körnchen nicht mehr zu erkennen waren oder doch nur äusserst matt aus dem In- nern hervorschimmerten (vergl Fig. 31.b.). Es musste also auch hier eine Schalenbildung um die anfänglichen zart con- turirten Bläschen Statt gefunden haben. Zwischen den rei- fen Keimkörnern aus den ovalen und runden Cysten konnte ich weder in Gestalt, noch Grösse einen schärfen Unter- schied herausfinden. Was ist nun aber das weitere Schicksal der in den Kothballen eingeschlossenen und mit reifen Keimkörnern er- füllten Cysten? Zur Beantwortung dieser Frage werden folgende Beobachtungen führen. In den Kothballen des Te- nebrio molitor traf ich einige Male Cysten, welche im: Cen- trum dicht gedrängt mit reifen Keimkörnern erfüllt und von diesem Centrum aus mit 8--12 strahlig bis zur Peripherie verlaufenden engen Spalten versehen waren, in welchen dicht hinter einander Keimkörner lagen. Ein Theil der Keim- körner war schon über die Grenzen der Cyste hinaus ge- drungen, andere lagen gruppenweise auf der äussern’ Ober- fläche der Cyste (vergl. Fig. 32.). Auch in der umgebenden Kothmasse waren einzelne und gruppenweise zusammenge- drängte Keimkörner aufzufinden. Ausserdem traf ich in den Kothballen- ganz‘ zusammengeschrumpfte Cystenhüllen' ohne Spuren ‘von Keimkörnern, die. dann aber immer zwischen den Kothbrocken zerstreut anzutreffen waren. ‘ Die Cysien platzen also zuletzt von selbst, und die Keimkörner' 'gelan- gen frei in die Aussenwelt, um von Mehlkäfern mit'ihren 219 Nahrungsmitteln verschlungen zu werden und in deren Darm- kanal neuen Gregarinen das Dasein zu geben. Hieraus er- klärt es sich, dass nur in solchen Insekten Gregarinen an- zutreffen sind, deren Nahrung von der Art ist, dass kleine fremde Körperchen mit verschluckt werden können. Dass aber auch ganze, noch unzerplatzte Cysten mit der Nahrung verschlungen werden können, ist eben so gut möglich, und ich habe diesen Uebergang sogar direkt beob- achtet. Als ich nämlich die oben erwähnten Schaben, welclie mir den Koth geliefert hatlen, nach etwa vierzehntägiger Gefangenschaft zergliederte, um die Naturgeschichte der Greg. blattarum noch genauer zu studiren, traf ich bei einem In- diyiduum in der Speiseröhre, welche niemals Gregarinen be- herbergt, zwei Cysten, welche ganz und gar mit reifen Keim- körnern erfüllt waren. Die eine Cyste war noch 'ganz unverletzt, die andere unregelmässig geöffuet und die Keim- körner aus ihr theilweise herausgeflossen. Jedenfalls war die letztere beim Zerkleinern der Nahrungsmittel zerbissen worden, Dass diese Schabe in Ermangelung der Nahrungs- mittel Kothballen verzehrt haben musste, war ganz offenbar. Sowohl in der Speiseröhre, als in dem Magen dieser Schabe traf ich einzelne Keimkörnergruppen, und ich erinnerte mich nun auch, früher bereits häufig solche tonnenförmige Kör- perchen, wie die Keimkörner der Greg. blattarum in dem Magen der Schabe gesehen zu haben, die ich aber, weil ich in ihnen unmöglich die Keimkörner von Gregarinen vermu- then konnte, nicht weiter beachtet, sondern für irgend welche Elementarkörner gehalten hatte, Später traf ich mit den Keimkörnern zugleich ganz junge Individuen der Greg. blat- tarım (Fig. 39.), die wenig länger wären, als die Keimkör- ner, nämlich kaum 45” lang. Dass diese vor Kurzem aus den Keimkörnern hervorgeschlüpft sein mussten, 'wird Nie- mand in Zweifel ziehen, wenn ich auch den Act des Aus- schlüpfens nicht direkt beobachtet habe. In Betreff der Eutwickelung der in den Hoden der Re- 220 genwürmer lebenden gregarinenartigen Thiere will ich noch eine Vermuthung mittheilen. Die mit reifen Keimkörnern erfüllten Cysten öffnen sich ‘niemals im Hoden des Regen- wurms selbst. Zwar findet man bei Untersuchung des Ho- deninhalts sehr häufig‘ freie Keimkörner, diese sind aber stets nur zufällig durch Verletzung einer Cyste bei der Prä- paration frei geworden.‘ Wie oft ich auch den Hodeninhalt uuserer Regenwürmer durchmusterte, niemals traf ich so kleine Monocystideenformen an, als Gregarinarien im Darm- kanal der Insekten. Auch sah ich niemals irgend eine Ver- änderung an dem weichen Inhalte der verhältnissmässig so grossen und durchsichtigen Keimkörner der Zygocystis co- meta eintreten, welche auf die Bildung eines Embryo's hin- gedeutet hätte. Eben so wenig fand ich jemals zerborstene und ihres Inhalts entleerte Keimkörnerschalen. Daraus muss man’ wohl schliessen, dass die Cysten unverletzt nach aus- sen befördert werden. Wie aber soll man sich die Ueber- tragung von Monocystideenkeimen in die Hoden von Regen- würmern denken, die von solchen Schmarotzern frei sind? Vielleicht dient folgende Beobachtung zur Beantwortung die- ser Frage. Ich traf zweimal in den Hoden des Lumbricus agricola eine mit steifen, nicht wimpernden Haaren’ besetzte Monocystis (vergl. Fig. 4.), die in ihrer Körpergestalt und ihren ‘sehr lebhaften Contractionen ganz genau der gleich- zeitig mit ihr vorkommenden, aber völlig nackten und 'grös- sern Monocystis agilis m. (vergl. Fig. 1. 2. 3.) glich und die an dem vordern Ende ‚mit einem kurzen, spitzen, hornigen Stachel bewaffnet war. Könnte diese Form sich nicht durch Verlust der Behaarung und des Stachels in die Monocystis agilis umwandeln? Sollte diese Vermuthung richtig sein, so würden die Keimkörner der Monocystis agilis mit den Nah- rungsmitteln in den Darmkanal des Regenwurms gelangen, aus ihnen würde hier die eben beschriebene behaarte Form hervorgehen, diese würde sich mittelst ihres Stachels durch die Darmwandungen und durch die dem Darm so innig an- 221 liegenden Hoden hindurchbohren und in den Hoden die Ge- stalt der Monocystis agilis annehmen. Die Monocystideen würden dann die einzigen gregarinenartigen Thiere sein, welche einer, wenn auch nur geringen Metamorphose unterwor- fen wären. In Betreff der systematischen Stellung der gregarinen- artigen Thiere genüge am Schluss ‚meiner Abhandlung die kurze Andeutung, dass ich die gregarinenartigen Thiere zu einer eigenen Abtheilung des Thierreichs erhebe, welche ich Symphyten nennen möchte, Ich reihe sie vorläufig als eine neue Ordnung in die Klasse der Protozoen ein. Die Verwandtschaft z.B. der Gattung Monocystis mit den Eugle- nen ist so gross, dass die Unterschiede kaum berechtigen, sie für Thiere verschiedener Ordnungen, geschweige denn verschiedener Klassen zu halten. Ich hoffe überdies in einer anderen Abhandlung zeigen zu können, dass auch die Infu- sorien aus Keimkörnern ihren ersten Ursprung nehmen, und dass Theilung und Knospenbildung nur sekundäre Fortpflan- zungsweisen sind. Die Keimkörner entstehen aber bei den Infusorien, so weit ich bisher bei ihnen die Fortpflanzungs- weise durch Keimkörner beobachtet habe, nicht durch Con- jngation zweier Individuen. Erklärung der Abbildungen. (Sämmtliche Figuren wurden nach einer 250maligen Vergrösse- rung gezeichnet, doch zum Theil dem Umfange nach etwas kleiner dargestellt, um nicht zu viel Platz in Anspruch zu nehmen. Nur die Figuren 4. 31. 37. und 35. sind nach ö(Omaliger Vergrösserung ent- worfen.) ; Fig. 1—3. Moncystis agilis m. aus den Hoden von Lum- brieus agricola. Fig. 1. u. 2. stellen das Thier in der Contraction von hinten nach vorn, Fig. 3. in ruhiger Lage dar. Fig. 4. Eine behaarte, mit einem Stachel (a) bewaffnete Mo- mocystis, welche ein Larvenzustand der vorigen Art sein könnte. Fig. 5—9. Zygocystis cometa m. aus den Iloden von Lum- brieus communis. In Fig. 5—7. sind etwas abweichende Formen dar- gestellt, die vielleicht eine eigene Art bilden. Fig: 6. zeigt ein jün- 222 geres und älteres Individuum zusammenhängend; in Fig. 7. erscheinen ausnahmsweise drei Individuen aneinandergeheftet. Fig. 9—10 Dasselbe Thier im Uebergange zur Cystenbildung. Fig. 11—15. Die Cysten dieses Thieres in ihrer allmähligen Entwickelung bis zur Ausbildung reifer Keimkörner. In Fig. 11. sieht man den Körperinhalt beider conjugirten Individuen als zwei aneinan- der gedrückte Halbkugeln; der Nucleus jedes Individuums ist noch vorhanden. In Fig. 12. sind die Nuclei geschwunden und beide Halb- kugeln zu einem Ballen verschmolzen. Die Körnermasse hat sich in unregelmässige lappige Haufen gruppirt. In Fig. 13. sieht man nach der Peripherie zu die aus der Auflösung der Körnermasse hervorge- gangenen Anfänge der Keimkörner in Gestalt rundlicher Bläschen. In Fig. 14..ist, die Körnermasse noch mehr geschwunden, und um ein- zelne Bläschen beginnt bereits die Bildung der durchsichtigen Schale. Fig. 15. stellt eine mit reifen Keimkörnern erfüllte Cyste dar. Fig. 16—18. Stylorhynchus ovalis m. aus dem Darmkanal von Tenebrio molitor. Fig. 16. zeigt ein vollständiges erwachsenes Individuum; Fig. 17. ein Individuum, das sich zur Conjugation anschickt und den blasenförmigen Endtheil des Rüssels verloren hat; Fig. 18. zwei zur Conjugation aneinander getretene Individuen. Fig. 19— 20. Die Cysten desselben Thieres. In Fig. 19. er- scheinen die beiden ursprünglichen Individuen zu einfachen ovalen Blasen umgewandelt. Fig. 20. ist eine reifere Cyste, wie sie im Ko- the des Mehlkäfers angetroffen wurde; die helle peripherische Zone des; Inhalts. besteht aus den Anfängen der Keimkörner. In der cen- tralen Körnermasse zerstreut, sieht man zahlreiche helle Tropfen, welche von resorbirten Fettkörnchen herrühren. ,. Fig. 21. Stylorhynchus longicollis m. aus dem Darmkanal von Blaps mortisaga. Der Nucleus ist oval und mit mehreren grösse- ren Nucleolis versehen. Fig. 22. Stylorhynchus oligacanthus m. (Gregarina oliga- cantha v. Sieb.) aus dem Darmkanal von Callopteryx virgo. Der Nucleus ist ebenfalls oval und mit zalreichen kleinern Nucleolis ver- sehen. Das Ende des Rüssels ist mit 7 oder 8 rückwärts gekrümmten, hornigen Haken bewaffnet. Fig. 23. Gregarina cuneata m. aus dem Darmkanal von Te- nebrio molitor. Fig. 24 — 27. Gregarina polymorpha (Clepsidrina poly- morpha Hammersch.) aus dem Darmkanal des Tenebrio molitor, in ihrem allmähligen Uebergange zur Cystenbildung. Fig. 28. Eine Cyste dieses Thieres aus dem Koth des Mehlkä- fers. Die Rörnermasse hat sich zum Theil in helle Tropfen aufgelöst, beide Halbkugeln sind aber noch nicht zusammengellossen. Fig. 29. Eine jüngere Cyste derselben Gregarine aus dem Darm- kanal des Mehlkäfers zerquetscht, um zu zeigen, dass jede Halbkugel von einer besondern Membran (der Körperhülle der beiden encystirten Individuen) umschlossen sei. Fig. 30. Eine fast reife Cyste aus dem Koth des Mehlkäfers mit zahlreichen Anfängen von Keimkörnern im Umfange. Fig. 31. a. Unreife, noch schalenlose Keimkörner, aus der vori- gen Cyste isolirt; sie. sind mit Resten ‚der gewöhnlichen Körnermasse untermischt.. b. Reife Keimkörner aus einer weiter entwickelten Cyste. 223 Fig. 32. Eine völlig reife, von selbst zerplatzte Cyste aus dem Kotlı des Mehlkäfers. Fig. 33. Actinocephalus Lucani m. aus dem Darmkanal von Lucanus parallelopipedus. Der runde Nucleus enthält zahlreiche Nucleoli. Fig. 34. Didymophyes paradoxa m. aus dem Darmkanal des Geotrupes stercorarius. Sowohl der Vorder- als der Hinterleib enthält einen Nucleus, in welchem meistens kein Nucleolus zu erkennen ist. Fig. 35. Sporadina Reduvii m. (Vibrio Reduvii Ramdohr) aus dem Darmkanal des Reduvius personatus. Fig. 36. Mit reifen Keimkörnern erfüllte Cyste aus dem Darm- kanal desselben Thieres. Fig 37. Reife, stärker vergrösserte Keimkörner der Zygocystis cometa. Fig. 35. Reife Keimkörner der Gregarina blattarum v. Sieb. mit Körnerresten vermischt aus- den im Kothe der Blatta orientalıs auf- gefundenen Cysten. Fig. 39. Sehr junge, unlängst aus den Keimkörnern hervorge- gangene Individuen der Gregarina blattarum. Fig. 40. Didymophyes gigantea m. aus dem Darmkanal der Larve von Oryctes nasicornis. Ein Nucleus war nicht aufzufinden. Bemerkung. In den Figuren 21 — 27, 33 — 35 und 40 ist der körnige Körperinhalt nicht mit gezeichnet worden. Berlin, im Januar 1848, Eine Berichligung zu Ed. und E. H. Weber'’s Mittheilung im 2. und 3, Hefle von 1847. Von Dr. E. C. Wicke. In der genannten interessanten Mitlheilung, die uns zwar nur nach Neumeister’s Repertorium, 1847 Physiol. Nr. 3., bekannt ist, äussern die beiden Weber, dass Wede- meyer’s Versuche mit dem Galvanismus erwiesen hätten, dass die Arterien nicht die geringste Contraction besitzen, — Allerdings giebt Wedemeyer, Unters. üb. d. Kreisl. des Bl, p: 66 sq., an, dass alle seine zahlreichen Versuche über die Irritabilität oder muskulöse Kraft der „grössern“ Arte- rien, die er bei verschiedenen Wirbelthieren angestellt, ein negatives Resultat geliefert, und dass namentlich der galva- nische Strom einer Batterie von 50 Plaltenpaaren, auf die blossgelegten Karotiden, die Aorta iborac. und abdom. ge- leitet, nicht die geringste Contraction hervorgebracht habe. Dagegen erfahren wir aber p. 241 sq., dass der galvanische Strom von 14 — 24 Plattenpaaren nach einer Anwendung von 10 — 30 Secunden in den kleinsten Arterien — worunter hier nach einer Aeusserung p. 187. die Gefässe des Gekröses der Frösche zu verstehen — mehr oder we- niger rasch, innerhalb weniger Minuten, zuweilen selbst un- mittelbar nach und während der Application eine sicht- 225 bare und deutliche Zusammenziehung an den berührten Stellen, welche %, 3, ja selbst % ihres Cylinders betrug, be- wirkt habe. Wie beide Weber in den Coapillaren keine Zusam- menziehung beobachteten, so auch Wedemeyer nicht, wohl aber sah er eine Erweiterung derselben in Folge der auch von Jenen wahrgenommenen, schnell in völlige Stok- kung übergehenden, auffallenden Verlangsamung des Blut- umlaufs. — Vielleicht hat Müller’s Aeusserung, Handb. d. Ph. I. p. 169 sq., über Wedemeyer’s Versuche an den Karoliden und der Art. Thorac., und sein Schweigen über dessen Versuche an den kleineren Arterien obigen Irrthum veranlasst? Bleckede, im März 1848. Müller's Archiv, 184%, 15 Ueber den Bau der Haut des Gürtellhiers. Von Prof. Hermann Meyer, Prosector in Zürich. Hierzu Tafel VI. Fig. 1—13. Einige in hiesiger Sammlung getrocknet aufbewahrte Stücke der Haut von Dasypus sexeincetus bot mir Gelegenheit, die- sen Gegenstand, über dessen Bau, so weit mir bekannt, noch keine genaueren Mitibeilungen bekannt sind, näher zu untersuchen. In dem Folgenden gebe ich die Resultate die- ser Untersuchung. k Das Eigenthümliche, welches der Bau der Haut des Gür- tellhiers zeigt, besteht darin, dass in einen Theil der Leder- haut Knochenplättchen eingesenkt sind, welche, theilweise zu einem festen Panzer verbunden, dem Thiere eine schüz- zende Hülle gewähren, theilweise zu, gegen einander beweg- lichen Gürteln angeordnet, Beweglichkeit neben dem Schutze gestatten. Der Anordnung dieser Knochenplättchen entspricht eine Umwandlung der Epidermis zu regelmässig angeordne- ten Hornschuppen. Je nachdem man die Sache ansehen will, kann man eine verschiedene Anzahl von Hautschichten annehmen. Die Kno- chenplättchen sind nämlich ganz von allen Seiten von der FE 2237 Substanz der Lederhaut umgeben. Man kann demnach ent- weder die Lederhaut mit den eingesenkten Knochenplättchen als eine und die als Hornschuppen auftretende Epidermis- schicht als die zweite Schicht ansehen, — oder man nimmt als erste Schicht die Lederhaut unter den Knochenplättchen an, als zweite die Knochenplältchen, als dritte die Leder- haut über den Kuochenplättehen mit einem dünnen Papil- larkörper und als vierte die Hornschuppen. Die innerste Schicht der Lederhaut ist an der auf- geweichten Haut sehr dünn, kaum $ diek. Sie besteht aus der besonderen Art von Zellgewebe, welche man überhaupt in festen, aus Zellengewebe zusammengesetzien Gebilden findet, nämlich ans hellen, fest unter einander ver- filzien Bündeln von verschiedener Dicke, welche sich an den Bruchenden mehr oder weniger tief in Zellgewebefibrillen zerspalten. In Essigsäure quellen sie etwas auf, lassen aber keine deutlichen Kernbildungen wahrnehmen Die Knochenplättchen lassen sich leicht durch Ma- zeralion, leichter und schneller aber durch Kochen eines Haut- stückes mit verdünnter Kalilösung darstellen. Die histolo- gische Bedeutung dieser Plättchen als Knochenplättehen ist keinem Zweifel unterworfen, da man sowohl in feinen Schnitten, als auch in geschliffenen Täfelchen grosse rund- liche Knochenkörperchen mit kurzen, wenig verästelten Kalk- kanälchen wahrnimmt. Die äussere, der Epidermis zuge- wandte Oberfläche trägt ganz den Charakter der Substantia dura, sie ist glatt und von wenigen kleinen Löchern durch- bolirt. Eine besondere, spüler zu beschreibende Gestaltung erhält sie noch durch die Auflagerung der Hornschuppen. Gegen innen lockert sich die Substanz mehr und mehr auf, «vo dass auf der inneren Oberfläche der Charakter der Sub- stanlia spongiosa entschieden hervortritt; die Markhöhlen haben alsdann durchschnittlich einen etwas grösseren Durch- merser, als die zwischen denselben befindlichen Substanz- hilkchen. Das gleiche, nur etwas diehtere Ansehen bieten 15* 228 die Randflächen dar: In der Mitte der unteren Fläche finden sich eine oder mehrere grössere Oeflnungen, welche, wie ich vermuthe, Ernührungsgefässen Zutritt gestalten. Ob die- ses wirklich ihre Bedeutung sei, war an der getrockneten Haut nicht mehr ins Reine zu stellen. Die Knochenplättchen des Panzers sind unge- fähr 3° dick und etwas napfförmig gestaltet, indem ihre innere Oberfläche leicht konkav, die äussere leicht konvex ist. Sie sind mit ihren Seitenrändern dicht an einander ge- reiht und haben deshalb dieselbe polyedrische, im Schema regelmässig sechsseitige Gestalt, welche man bei flächen- haft an einander gereihten Pigmentzellen und ähnlich ange- ordneten Elementartheilen findet. Sehr viele haben diese regelmässige Gestaltung; bei anderen leidet dieselbe aber wesentliche Abänderungen in fünf- oder siebeneckige Gestal- ten; häufig findet sich eine Verkürzung zweier diametral entgegengesetzter Ränder bis zum Verschwinden derselben, wodurch dann eine schief rhombische Gestall erzeugt wird. — Gewöhnlich haben sie nur ein Ernährungsloch auf ihrer unteren Fläche, welches dann in der Mitte derselben zu fin- den ist, seltener haben sie zwei dicht neben einander ge- stellte Ernährungslöcher; mehr als zwei habe ich nie gesehen. Die Knochenplättchen des Gürtels sind alle vier- eckig, lang gestreckt, und ihrer Länge nach leicht gebogen, mit der Konkavität nach innen. Ihre Breite ist gleich dem kurzen Durchmesser der Knochenplättchen des Panzers, ihre Länge verschieden; die längsten finden sich in den miltleren Gürteln, die kürzesten in dem ersten und dem letzten Gür- tel; — jedoch sind sie in demselben Gürtel alle einander gleich. — Die Knochenplättchen der einzelnen Gürtel stehen dicht gedrängt mit ihren langen Seitenflächen an einander gereiht. Die Plättchen zweier benachbarten Gürtel sind dann so an einander geheftet, dass der hintere Rand des vorderen Gürtels den vorderen Rand des hinteren Gürtels bedeutend überragt, Das vordere Ende eines jeden Knochenplättchens 229 - trägt, diesem Verhältnisse entsprechend, eine, diese Anlage- rung vermittelnde, schief zugeschärfte Endfläche auf seiner äusseren Oberfläche. Diese Endfläche hat das Aussehen spongiöser Knochensubstanz. Hinter derselben wird das Plättchen schnell dünn, dann wieder dieker und endet mit einem scharfen, ausgezackten Rande. Die innere Oberfläche des Plättchens, von dem Aussehen spongiöser Knochensub- stanz, trägt meistens drei Ernährungslöcher, von welchen aber zwei gewöhnlich zu einem einzigen biscuitförmigen zu- sammengellossen sind. — Die Plättchen des ersten und des letzten Gürtels zeigen die Abänderung der beschriebenen Ge- stalt, dass ihre dem Panzer zugewandte kürzere Seite als Winkel sich zwischen zwei Panzerplättchen einfügt in der- selben Art, wie diese letzteren uuter sich verbunden sind. Die an dem freien Rande des Panzers und des Gürtels ge- legenen Knochenplältchen endigen an demselben mit einer gebogenen Linie und zugeschärftem Rande. Der mit Kno- chenplättchen versehene Theil der Haut grenzt sich auf diese Weise durch einen wellenförmigen Rand von der übrigen Haut ab. Die dritte Schicht ist eigentlich in unmittelbarer Continuität mit der ersten oder innersten, mit welcher sie auch dieselben Elementartheile gemein hat. Fortsetzungen der innersten Kutisschicht zwischen die an einander geheftelen Ränder der Knochenplättchen heften theils diese an einander, indem sie in die Maschenräume des spongiösen Gewebes ein- dringen, theils vereinigen sie die erste Schicht mit der drit- ten. Von diesem Verhältniss überzeugt man sich an Quer- schnitten, welche man durch mehrere Knochenplättchen hindurch aus der getrockneten Haut gewinnt und dann in Wasser aufquellen lässt, Jedes Knochenplätichen des Panzers trägt ungefähr in seiner Mitte eine ovale, nach hinten zu ‚etwas breitere Schuppe. Die Furchen zwischen den Knochenplättchen werden dann durch kleinere Schüppchen nach einen beson- 230 dereu Systeme gedeckt, welches besser, als durch alle Be- schreibung, aus der beigefügten Zeichnung. zu ersehen ist. — Die Knochenplättehen der Gürtel tragen eine lange, hin- ten breitere Schuppe; ihre Furchen werden durch andere lange, vorn breitere Schuppen gedeckt, welche an ihrem vorderen Ende fast doppelt so breit sind, als die Haupt- schuppen, dann aber sehr schnell ganz schmal werden, so dass sie nur noch als Streifen zwischen den Hauptschuppen sichtbar sind. Sowohl die Hauptschuppen, als die Furchen- schuppen sind an dem freien Rande der Knochenplättehen hakenförmig nach innen umgebogen, und reihen sich hier unmittelbar an die Epidermis gewöhnlicher Bildung an, welche die zwischen den Gürteln liegenden Hautfalten über- kleidet. Die Uebergänge der beiden Formen der Belegung durch die Hornschuppen an den Grenzen zwischen Panzer und Gürtel sind ebenfalls leichter aus der beigefügten Zeich- nung zu ersehen, als aus einer Beschreibung zu erkennen. — Die Hauptschuppen sowohl auf dem Panzer, als auf dem Gürtel sind stels heller, als die umgebenden Furchenschup- pen. Sind jene gelb, so sind diese braun, sind jene braun, so sind diese schwarz. Eine jede Schuppe ist napffürmig ausgetieft und liegt mit der vertieften Seite auf der Haut. Einer jeden solchen Vertiefung entspricht dann eine beulenartige Erhöhung des darunter gelegenen Theiles der Knochenplättchen. Diese Er- höhung wird dann, je nachdem die Schuppe nur auf einem oder auf mehreren Knochenplättchen gelagert ist, von einem oder mehreren Knochenplättchen gemeinschaftlich getragen. Jedes Knochenplättchen hat deshalb auch auf seiner äusseren Oberfläche ein mittleres gewölbtes Feld, welches bei denje- nigen des Panzers mit einem mehr oder weniger vollständi- gen Kranze von kleinen Wülsten umgeben, bei denjeni- gen der Gürtel von zwei erhabenen Leisten seitlich einge- fasst wird. Die histologischen Elemente der Hornschuppen sind die- 231 jenigen des geschichteten Pflasterepitheliums mit meist deut- lichen grossen Kernen. In den gefärbten Schuppen findet man das Pigment deutlich als Körnchen im Innern der Zelle um den Kern herum abgelagert, wenn man vorher die Zellen durch Zusatz von etwas Kali von einander getrennt hat. Je dunkler das Hornplätichen ist, um so reichlicher findet sich das Pigment in den Epitlieliumzellen, An denjenigen Stellen, an welchen die Hornschuppen zusammenstossen, finden sich in der Haut kleine Haar- säcke, welche in Löcher der Knochenplättchen eingesenkt sind. In den Knochenplättchen des Panzers finden sich diese Löcher an denjenigen Stellen, an welchen die Linien zwi- schen je zwei Fuchenschuppen an den Rand der Haupt- schuppe anstossen. An den Knochenplättchen der Gürtel stehen sie reihenweise unter den Linien zwischen den Haupt- schuppen und Fuchenschuppen. — Die Haare, welche in diesen Säckchen entspringen, sind hell, marklos und kurz. Meistens trelen sie gar nicht auf die Oberfläche der Haut hervor. Man kann aus den Grübehen in den Knochen Haar- säcke mitlelst der Nadel hervorheben, welche ein spitzig en- digendes Haar entkalten, dessen ausser dem Säckchen gele- gener Theil nicht länger ist, als das Säckchen selbst. Wahrscheinlich erhalten diese Haarsäckchen ihre Ge- fässe und Nerven durch die früher als Ernährungslöcher be- zeichneten Oeflnungen auf der inneren Fläche der Knochen- plättehen, und durch die kleineren Löcher auf der äusseren Oberfläche der Knochenplättchen treten dann feinere Gefäss- äste zu dem ausserhalb der Schicht der Knochenplättchen gelegenen Theile der Kutis. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Knochenplättchen des Panzers, von aussen gesehen, mit der der Anlagerung der Hornschuppen entsprechenden Unebenheit der Oberfläche, den kleineren Gefässlöchern und den Oeflnungen der Lö- cher für die Haarsäcke an dem Rande des Bettes für die Hauptschuppe. — Vergrössert. 232 Fig. 2. Dasselbe von innen gesehen mit dem Ernährungsloch. — Vergrössert. Fig. 3. Verschiedene Gestalten der Knochenplättchen des Pan- zers von innen gesehen mit 1 oder 2 Ernährungslöchern. — In na- türlicher Grösse. Fig. 4. Knochenplättchen des Gürtels mit den Ernährungslöchern in natürlicher Grösse. f Fig. 5. Dasselbe vergrössert von aussen gesehen. a. Die schiefe rauhe Fläche. — 5. Die verdünnte Stelle. — c. Die mit den Horn- schuppen belegte Stelle mit den Oeffnungen der Höhlen für die Haar- säcke und den kleineren Gefässlöchern. Fig. 6. Dasselbe von innen gesehen mit den Ernährungslöchern. Fig. 7. Dasselbe von der Seite gesehen. a, 5 und c bezeich- nen dieselben Stellen, wie in Fig. 5. Fig. 8. Eine mehr und eine weniger Pigment enthaltende Epi> dermiszelle der Hornschuppen. Fig. 9. Durchschnitt durch die Haut des Panzers. a. Hornschup- pen, 5. Kutis, c. Knochenplättchen, d. Haarsack mit Haar. Fig. 10. Durchschnitt der Haut beim Uebergang des Panzers in die Gürtel. a. b und c. wie in Fig. 9., d. mit einfacher Epidermis bedeckte Hautfalte zwischen den Gürteln. Fig. 11. Verhältniss der Lagerung der Hornschuppen zu den Knochenplättchen am Uebergange des Panzers in die Gürtel. Fig. 12. Ein einzelnes Knochenplättchen des Gürtels, mit seiner Hauptschuppe und den beiden Fuchenschuppen. Fig. 13. Verhältniss der Lagerung der Hornschuppen zu den Knochenplättchen an dem Uebergange der Gürtel in den Panzer. Fig. 11 — 13. sind vergrössert und schematisch gehalten. Die Grenzen der Hornschuppen sind durch ganze, diejenigen der Knochenplättchen durch punktirte Linien gegeben. Wo in Fig. 11. beide zusammenfallen, ist die Punktirung auch in der ganzen Linie angegeben. 5 Beurtheilung der Phrenologie vom Standpunkte der Anatomie aus. Ein in der Zusammenkunft der Naturforscher in Kopenhagen im Jahre 1847 gehaltener Vortrag von Auopr Rerzıus. Aus dem Schwedischen übersetzt von F. €. H. Creeuiv. Wenige Lehrgebäude haben ein grösseres Aufsehen erregt, als dasjenige, mit welchem Gall am Schlusse des vorigen Jahrhunderts auftrat. Es wurde als eine ganz neue Disci- plin betrachtet und Gall’s Schädellehre genannt. Es war im Jahre 1796, als Gall in Wien seine erste Vorlesung über die Kraniologie hielt. Indessen zeigt doch die Geschichte, dass Mehrere vor Gall Ansichten ähnlicher Art über das Verbältniss zwischen der Form des Schädels und den Eigen- schaften der Seele gehegt haben. Skjelderup erwähnt in seiner Geschichte des anatomischen Studiums bei der Uni- versität in Kopenhagen, dass ein Schüler von Thomas Bartholinus, Namens Griffenfeldt, in der Mitte des 47ten Jahrhunderts mit dergleichen Ideen beschäftigt gewe- sen sei. Dieser Griffenfeldt wurde jedoch zu etwas An- derm bestimmt, als zum Naturforscher. Er ward nämlich 234 Staatsminister, und in Folge dessen geschah es vermuthlich, dass er nicht dazu gelangte, Schriften über die Kraniosko- pie zu hinterlassen. Gall widmete der Aufrechthaltung und der Entwicke- lung seiner Lehre rastlose Anstrengungen. Um Erfahrungen über das Verhältniss zwischen der Schädelform und den Seeleneigeuschaften zu gewinnen, waren die zahlreichsten Beobachtungen erforderlich, so wie auch nene Untersuchun- gen über die Anatomie des Gehirns nöthig waren, um der neuen Lehre eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. Während er sonach mit Beihülfe seines Freundes und Lehrjüngers Spurzheim seinen Vorrath von Erfahrung in der eigentlichen Kranioskopie bereicherte, erwarben sich Beide eine grosse Ferligkeit in der Art, den Batı des Ge- hirns und Rückenmarks einfach und klar darzulegen. Auch in diesem Theile brachen sie eine so gut als ganz neue Balın und werden als Diejenigen. betrachtet, welche zuerst die Eutstehung des Gehirns vom Rückenmark aus gezeigt haben. Schon im Anfange seines Auftretens zeigle Gall ein grosses Talent zum mündlichen Vortrage. In Wien, Berlin und mehreren grösseren Städten hielt er Vorlesungen über die Anatomie des Gehirns und über die Schädelforn, als die Seeleneigenschaften ausdrückend. Diese Vorträge wurden von zahlreichen Zuhörern besucht und durch enthusiastischen Beifall gefördert. Aber die neue Lehre hatte dabei mächtige Gegner; Geist- liche und Rechtsgelehrte, Moralisten und Philosophen verwarfen sie; die ausgezeichnetsten Anatomen und Physiologen jener Zeit verweigerlen derselben ihre Anerkennung. Nach einem sol- chergestalt mehrjährigen Kampfe im Vaterlande wählten Gall und Spurzheim Paris zum Aufenthalte, um ein freieres Feld für die Grundlegung und Ausdehnung ihrer Lehre zu gewinnen. Gall wurde auch hier mit Entlusiasmus em- plangen und zählte selbst Cuvier zu seinen Zuhörern. Im Jahre 1808 legte er dem französischen Institute sein 235 und seines Freuudes erstes grösseres Werk über die Anato- mie des Gehirns, unter dem Titel „Recherches sur le systeme nerveux en gencral et sur le cerveau en partieulier, M&moire pr&esenteäl’Institut de France le 14. Mars 1808 par Gam et: Spurzurn,“ vor. Abge- sehen von dem grossen Verdienste der Verfasser, zuerst das Gehirn als eine fortgesetzte Entwickelung vom Rückenmark aus und die Nervenstränge als ihren Ursprung aus der grauen Substanz herleitend betrachtet zu haben, enthält dies Werk wenig Neues für seine Zeit, aber verschiedenes Unrichtige. Zum letztern gehört die Behauptung, dass das Rückenmark eine Menge kleiner Anschwellungen oder Ganglien, entspre- chend dem Ausgange der Nerven, enthalte, wie es der Fall bei den Insekten und den übrigen Artieulaten ist, Sie be- haupteten, dieses Verhalten besonders deutlich bei mehreren Thieren und auch beim Menschen dargelegt zu haben. Wie unzählig viele Male ist nicht das Rückenmark seitdem mit grosser Genauigkeit und Geschicklichkeit in allen seinen Ent- wicklungsstadien untersucht worden, und dennoch hat man - bis jetzt vergebens jene Gebilde gesucht. Marshall Hall nimmt an, dass es dergleichen Abtheilungen im Rückenmarke gebe; da aber die Anatomie sie nicht zeigen kann, so nennt er sie physiologische. Gall hat sie deutlich sehen ‘wollen und desshalb sie zu sehen gemeint, aber auf die Weise, dass er für solche Ganglien die Querzusammenziehungen der fibrö- sen Pia mater genommen hat, welche durch die Einwirkung der Luft oder des Wassers auf das Rückenmark entstehen, aber nicht angetroffen werden, wenn d.s Organ ganz frisch untersucht wird. Das hierauf sich beziehende Präparat vom Rückenmark eines Kalbes, welches er deu Commissarien des Institutes vorzeigle, war unfehlbar auf diese Weise ent- standen. Nicht besser begründet ist die Darstellung der Verfasser von der Doppeltheit der Gyri, von ihrer Ausbreitung in eine suckförmige Membran, und eben so wenig sind es die von 236 Präparaten hydrocephalischer Gehirne entnommenen Erläu- terungen, — Alles Dinge, welche weder gleichzeitige, noch spätere Anatomen als richtig haben anerkennen können. Das Merkwürdigste von Allem ist, dass in Gall’s und Spurz- heim’s anatomischen Schriften Nichts über die verschiedenen Organe vorkommt. Sie überheben sich dieses Capitels auf eine eigene Weise, — sie erklären nämlich, es gehöre in die Physiologie, nicht in die Anatomie (a. a. ©. S. 167). Flourens äussert sich in seinem kleinen vortrefllichen Examen de la Phr@nologie, Paris 1845, p. 68: „La verite est que Gall n’a jamais eu d’opinion arretee sur ce qu'il nomme les organes du cerveau; il n’a pas vu ces or- ganes; il les imagine pour ses facultes. Il fait comme ont fait tant d’autres: il commence par s’imaginer une hypothese et puis il imagine une anatomie pour son hypothese.‘* Auf dieser schwachen anatomischen Grundlage versuchte Gall das, was er die Physiologie des Gehirns nannte, zu erbauen. Sein vorzüglichster Beweggrund hierzu war, die Einheit der Seele zu bezweifeln und dann zu leugnen. Um dazu zu gelangen, sollte die Seele aus seinen 27 Seelen- fähigkeiten zusammengesetzt sein, deren Gültigkeit weder Philosophen, noch Physiologen haben anerkennen wollen. Sie wurden auf eben so viele Regionen der dem Schädel zu- gekehrten Oberfläche des Gehirns und kleinen Gehirns ver- theilt, so dass ihre Entwicklungszustände auf der Oberfläche des Schädels sollten wahrgenommen’ werden können, Spurz- heim vermehrte späterhin die Anzahl bis auf 35. Den Grundsatz, welchem eben Gall huldigt, dass das Gehirn das Seelenorgan sei, so wie dass das Thätigkeits- vermögen dieses Organs seiner Form entsprechen müsse, scheint man im Allgemeinen völlig‚berechtigt zu sein, a priori anzunehmen; indessen ist die Darlegung dieser Entsprechun- gen eine so schwere Sache, dass,? obgleich unsere Kennt- nisse vom Bau und von den Verrichtungen des Gehirns in den letzteren Jahrzehnden grosse Fortschritte durch Bur- 237 dach, Flourens, Leuret, Foville u. M. gemacht haben, dennoch die streng wissenschaftlichen Physiologen dies Pro- blem für so gut als ganz ungelöst ansehen. Dass die Form des Schädels von der des Gehirns abhänge, und dass folg- lich die Seelenfähigkeiten bei den verschiedenen Individuen sich in den eigenthümlichen Formverhältnissen des Schädels ausdrücken, ist auch ein Satz, welcher alle Analogie für sich zu haben scheint. Nichtsdestoweniger bieten uns die ana- tomischen Verhältnisse eine Menge von Einwürfen dar, welche die Phrenologen nicht befriedigend widerlegen können. Ungeachtet Gall’s und Spurzheim’s Lehre von den Organen auf die Bildung der Gyri basirt sein sollte, hatten sie sich doch niemals eine richtige Kenntniss von diesen Theilen erworben. Das Letztere ist sehr zu entschuldigen, da noch lange nach ihnen alle Versuche auf diesem Wege missglückt sind, bis uns endlich Foville erst vor wenigen Jahren, nach einer mehr als zehnjährigen Arbeit, eine an- nehmbare Grundlage für das Studium der Gehirnwindungen lieferte. Weniger zu entschuldigen ist es aber, in einem Werke, welches grosse Ansprüche auf wissenschaftliche Deduction macht, auf einen völlig defeeten Grund gebaut zu haben. Wenn ich annehme, dass Foville!) der Erste und Einzige sei, welcher eine natürliche Eintheilung der Win- dungen gegründet habe und ihnen mit Gall die grosse Rolle zugestehe, welche sie beim Ausführen der Seelenfähigkeiten spielen müssen, so zeigt uns gerade das Studium der Win- dungen, dass Gall theils nur den kleinsten Theil dieser wichtigen Organe berücksichtigt, theils auf eine unpassende Weise dem Extörieur des Gehirns einen im Baue sowohl, als in der Function von demselben ganz gesonderten Theil, nämlich das kleine Gehirn, beigemengt hat. 1) Traite complet de l'anatomie etc., du systeme nerveux cere- brospinal. Paris 1544. 238 Das grosse Gehirn oder die Windungen seiner Hemi- sphären machen nach Foville 4 Ordnungen aus. Die erste und dritte dieser Ordnungen stehen in keiner Berührung mit der äussern Wand des Schädels und können auf dessen äussere Bildung keinen direkten Einfluss haben; die zweite Ordnung, welche die nach innen und gegen die Sichel lie- genden bogenförmigen Ränder der- Hemisphären, wie auch die Ränder der sylvischen Gruben bildet, steht in sehr ge- ringer Berührung mit der Wand des Schädels. Die vierte Ordnung nimmt dagegen den grössten Theil der gegen den Schädel gewendeten Oberfläche der Hemisphären ein. Die vierte Ordnung der Windungen ist es demnach, welehe die phrenologischen Kranioskopen zu cultiviren haben würden. Diese Ordnung ist von allen die am meisten beim Menschen vor der bei den Thieren entwickelte und zugleich die ein- zige, welche sich in der Wölbung des Schädels ausdrücken kann. Aber vergleichen wir die Lage, die Richtung und den Gang der schönen, grossen und tiefgehenden Windungen, welche dieser Ordnung angehören, mit der Form und Lage der Regionen der sogenannten phrenologischen Organe, so finden wir nicht die Spur davon, dass sie sich einander entsprächen, und das um so mehr, als gerade diese äussere Ordnung der Windungen beim Menschen unsymmetrisch und ungleich auf den beiden Seiten ist, während dagegen die Regionen für die phrenologischen Organe auf beiden Seiten gleich sind Es liegt ausserdem ein Theil der Oberfläche der Hemi- sphären innen in den Hirnventrikeln, nämlich der sogenannte Bogen, Fornix. Dies Organ haben Gall und Spurzheim, wie noch viele Anatomen nach ihnen, als Commissuren be- trachtet. Schon Eschricht hat in seiner Physiologie die Ansicht aufgestellt, dass der Fornix im Anfange die unteren, gegen einander zusammengedrückten Wände der Hemisphä- renblasen ausmache. Ich habe, ohne auf diese Aeusserung ein Gewicht zu legen, dieselbe Ansicht lange verfochten und 239 sie duch, wie ich glaube, zu genauer Bestimmtheit gebracht, sowohl durch mehrere Unlersuchungen an Embryonen, als auch durch klar dargelegte Thatsachen aus, der Thieranato- ınie. Beim Menschen und bei mehreren Vierhändern verliert dies Organ viel von seiner äusseren Aehnlichkeit mit der Oberfläche der Hemisphären; aber bei mehreren Thieren, welche ich aus den Ordnungen der Raubthiere, der Wieder- käuer und der Nager zu untersuchen Gelegenheit gehabt habe, ist die untere Seite des Bogens mit grauer Substanz belegt, und mit Windungen versehen. — Dieser Gehirntheil kann sich eben so wenig, als die drei ersten Ordnungen der He- misphärenwindungen auf der Oberfläche des Schädels aus- drücken, Wir sehen demnach, und Gall hat ebenfalls Kenntniss davon gehabt, dass der grösste Theil der Oberfläche der Hemisphären in keiner Berührung mit den ‚Regionen des Sehädels steht, auf welche die phrenologischen Organe pla- eirt worden sind, das will sagen, er ist von den Phrenolo- gen als Regionen für die Seelenorgane ausgeschlossen. Anstatt mit anatomischer Consequenz der Oberfläche der grossen Hemisphären zu folgen, hat man, um der Schä- delwandzufolgen, zu einer ganz anderen und eignen Partie des Ce- rebralsystemes, nämlich zum kleinen Gehirn , übergehen müssen. Diese Ansicht ‚hat Vieles gegen sich. Auch das Cere- bellum steht nur zum Theile mit dem Schädel in Berührung. Die ganze obere Fläche der Würmer und der Hemisphären des Cerebellums liegt bedeckt von den hinteren Lappen des grossen Gehirns; der merkwürdige Lobus centralis liegt un- ter dem vorderen Theile des Cerebellums verborgen; ebenso sind die Flocken, die Mandeln und der untere Wurm um die Medulla oblongata und den Hirnstamm eingebettet. Der über der untern Oberfläche des Cerebellums abmodellirte Theil des Hinterhauptbeins, welcher von Sandifort den sehr passenden Namen Receptaceulum Cerebelli erhalten Irat, ‚liegt doch, wie dies Viele schon lange bemerkt haben, 240 zum grossen Theile so weit innerhalb der äusseren Nacken- muskeln, und innen so nahe an der Vereinigung des Kopfs mit dem Rückgrate, dass er oft nur zu einem geringen Theil wahrgenommen werden kann. Die Phrenologen legen in diese Region den Ausdruck des Geschlechts- und Fortpflanzungstriebes und betrachten das Cerebellum als dessen Centralorgan. Kaum sind gegen irgend einen Theil der Phrenologie mehrere und stärkere Beweise vorgebracht worden, als gerade gegen diesen; dennoch wird die widerlegte Ansicht mit gleicher Hartnäckigkeit festgehalten. Bekanntlich fehlt unter den Fischen das Cerebellum bei Amphioxus; bei Myxine ist es gespalten, bei Petromyzon nur eine blattföormige Commissur. Nach dem bedeutenden Umfange der Genitalapparate dieser Thiere zu urtheilen, hat man keinen Gruud, bei ihnen einen denselben entsprechen- den Geschlechtstrieb zu bezweifeln. Da bei diesen, den nie- drigsten Vertebraten, das Cerebellum abnimmt und schliess- lich zu existiren aufhört, ist aller Grund vorhanden, anzu- nehmen, dass dies noch melir der Fall bei Thieren ohne Rückenmark seyn werde, bei denen der Geschlechtstrieb oft eine weit ausgezeichnetere Rolle, als bei den Wirbelthieren, spielt. Gehen wir aber zu diesen zurück, so finden wir das kleine Gehirn bei den nackten Amphibien, als Fröschen und Salamandern, auch auf eine einfache, blattförmige Com- missur redueirt, obgleich, wie Joh. Müller sich äussert, „der Geschlechtstrieb dieser Thiere zum Sprichworte ge- worden ist“. Wenig ist dies Organ bei den Vögeln ausge- bildet, und wie weit steht es nicht bei den Säugethieren in der Ausbildung seiner Hemisphären hinter dem des Menschen zurück! Wie allgemein bekannt ist, steht das Cerebellum auf einer sehr niedrigen Entwicklungsstufe bei den Nagern, bei denen doch im Allgemeinen der Paarungstrieb so stark ist. Es könnten viele Beispiele aus der pathologischen Ana- tomie angeführt werden, welche auch gegen den Gall’schen 241 Satz sprechen; einer der merkwürdigeren ist ein von Cru- veilhier angeführter Fall, in welchem es sich nämlich bei einem jungen wahnwitzigen Mädchen, welches an den Fol- gen der Selbstbefleckung gestorben war, nach dem Tode zeigte, dass das Cerebellum und die Varolsbrücke fehlten. In Uebereinstimmung mit seinen Satze behauptet Gall, dass die Castration eine Verminderung der Entwickelung und des Volumens des Cerebellums verursache. Leuret hat hierüber eine Menge von Untersuchungen veranlasst. Sie sind in. der Veterinärschule zu Alfort von Gerard-Mar- schant unter dem Beitrille Lassaigne’s angestellt wor- den. Sie liefern ein dem Satze Gall’s und der Phrenologen ganz entgegengesetztes Resultat. Die Untersuchungen ge- schahen an 10 Hengsten, 12 Stuten und 21 Wallachen, und zeigten, dass das kleine Gehirn bei den Wallachen, in mittlerer Zahl, 70 Grammen - - Hengsten _ r .ı x - - Stuten - n BEP; 2 wog. — Wenn hierzu auf der einen Seile die Beweise durch Experimente, für welche wir besonders Flourens zu dan- ken haben, dass das Cerebellum ein motorisches Organ, ein Organ für das Coordiniren der Muskelbewegungen ist, und auf der ändern so manche Gründe, welche für die nahe Theilnahme des Rückenmarks an den Geschlechtsverrichtun- gen sprechen, gerechnet, und ihnen noch so mannigfache Bestäligungen aus der pathologischen Anatomie hinzugefügt werden: so scheinen in Wahrheit die Fehlgriffe der Phreno- logen auch in diesem Theil ausser allem Zweifel gesetzt zu sein. Gleich über die Region des Cerebellums, nämlich auf das Tuber occipitale, hat man die Kinder- und Jungenliebe, besonders die mütterliche, verlegt. Dieser Theil des Schä- dels umschliesst die hinteren Gehirnlappen, in deren hinter- sten Windungen auch das Centralorgan für diesen Instinkt liegen sollte. Müllers Archiv 1818, 16 242 Sowohl Gall, als auch seine Nachfolger, haben dabei das wichtige Factum aus der vergleichenden Anatomie über- sehen, dass die hinteren Lappen mit wenigen Ausnahmen bei den meisten Säugethieren vermisst werden und nebst den mittleren Lappen bei allen Vögeln, Amphibien und Fischen fehlen. Diesen Thieren würde dann auch das in Rede ste- hende phrenologische Organ, sowie der Instinkt, welchen Gall und seine Nachfolger an dasselbe knüpften, abgehen. Dass das Letztere nicht der Fall ist, ist hinlänglich bekannt. Sowohl bei den Säugethieren, als bei den Vögeln ist die Zuneigung der Aeltern, und am meisten der Mütter zu ihren Jungen und ihre Fürsorge für dieselben, wohl bekannt, und auch unter den Fischen hat man in neueren Zeiten diesen Instinkt bei den Männchen von Syngnathus und Gasterosteus beobachtet (Eckström, Coste). Gall sowohl, als seine Nachfolger, haben es sehr gut gewusst, dass die innere Wand des Schädels nicht parallel mit der äussern ist und dass dies besonders für die Orbital- region der Stirn gilt. Nichtsdestoweniger haben sie dort Organe zusammengehäuft. Sie haben es ebenfalls wohl ge- wusst, wie wenig, ja in vielen Fällen gar nicht, die äussere Form des Schädels der Cerebralcavität bei den Thieren ent- spricht; aber nichtsdestoweniger haben sie die Organenre- gionen unter diesen so contrastirenden Verhältnissen fest- gesetzt. Die Phrenologen haben ganz und gar die Ordnung über- sehen, in welcher die Gehirnlappen sich entwickeln; sowohl beim Menschen selbst, als in den verschiedenen Classen der Wirbelthiere. Ich habe früher, bei der Zusammenkunft der Naturforscher in Christiania, und danach an’ einer andern Stelle (Oversight af K. Vetenskaps-Akademiens förhandlingar, 1844, p. 194 ff.) 1) aufmerksam auf dies Verhalten gemacht 4) Der Aufsatz, betitelt: Ueber die Bildung der Hemisphären und des Markbogens des Gehirns, steht, von mir übersetzt, in Hornschuch’s Archiv. Skandinav. Beiträge zur Naturgesch., Th. I. S. 429 if. Cr. 243 ‚und will hier nur kurz anführen, dass Niemand es wohl jetzt noch bezweifeln wird, dass sich beim menschlichen Embryo die vorderen Gehirnlappen zuerst, nach ihnen die mittleren, und zuleizt die hinteren entwickeln. Unter den Rückgratsthieren haben, wie oben angemerkt ward, die Fische, Amphibien und Vögel nur die vorderen Lappen der Hemisphären. Die Gehirnhemisphären der Säugethiere haben zwei Lappen, die vorderen und mittleren. Die hinteren Lappen kommen in dieser Ordnung bloss ausnahmsweise und unvollkommen entwickelt vor, so dass die hinteren Lappen den Schlussstein in der Bildung des Gehirns aus- machen und eigentlich dem Menschen angehören. Aus diesem Verhalten scheint man schliessen zu kön- nen, dass diesen Lappen eine Rangfolge nach der Stufe, die sie in der Entwicklung einnehmen, zuzuschreiben sei, nach welcher die vorderen Lappen am niedrigsten, die mittleren höher und die hinteren am höchsten in der funktionellen Rangordnung und Bedeutung stehen, welches durchaus den phrenologischen Ansichten entgegengesetzt ist. Diese Einwürfe, welche vorzüglich aus dem Gebiete der spetiellen Anatomie und Physiologie entnommen sind, dürf- ten es hinlänglich zu Tage legen, dass grosse und wyesent- liche Fehler in den dargebotenen Gründen Statt haben, auf welche die in Rede ‘stehende Lehre sich slülzen sollte. Sie haben schon lange Zweifel gegen ihre Zuverlässigkeit er- weckt; aber ich habe, wie viele Andere, aus Achlung für die reiche Erfahrung so vieler Forscher und für die Autori- tät so vieler ausgezeichneter Männer die Hoffnung gehegt, dass der praktische Theil von grösserem Werthe, als der theoretische, sein würde; aber auch hierin habe ich Veran- lassung zu neuen Zweifeln gefunden. Nilsson’s und Eschricht’s wichtige Beobachtungen über Menschenschädel aus Skandinaviens vorzeitlichen Grä- bern erweckten ein lebhafteres Interesse für das Studium der eilmographischen Schädelformen, und veranlassten mich, 10* 244 diesem Studium in seiner ganzen Ausdehnung cine verdiente . Aufmerksamkeit zu schenken. Ich fand in diesem Fache der Wissenschaft einen fast völligen Mangel an Leitung und Grundlage. Es war daher um so nothwendiger, eine vor- urtheilsfreie und sichere Erfahrung zu sammeln und ohne Einfluss von vorgefassten Ansichten oder von schon aufge- stellten Theorieen zu arbeiten. Ich glaube dabei mit Sicherheit gefunden zu haben, dass ein vorurtheilsfreies, gründliches Studium der Schädel- formen der Völkerschaften die Richtigkeit der gegenwärtigen phrenologischen Ansichten nicht zugestehen lässt. Ich will hiervon einige Beispiele kurz darlegen, Die celtischen und germanischen Völker, zu denen ich die Deutschen, den grössten Theil der Franzosen, Engländer und Skandinavier rechne, sind allgemein als diejenigen anerkannt, welche mit den besten Seelenfähigkei- ten begabt sind. Ihre Schädel sind niedrig, lang, oft schmal, mit besonders vorragendem, meistens schmalem Hinter- haupte. Die slavischen und ischudischen Völker, von denen mehrere Zweige einen hohen Grad von Cultur erreicht und grosse Geisteskräfte in Wissenschaft sowohl, als in Kunst, entwickelt haben, aber doch im Ganzen in den meisten Be- ziehungen auf einer, der der celtischen und germanischen Stämme untergeordneten Culturstufe stehen, haben höhere und im Allgemeinen breitere, aber weit kürzere Schädel, meistens mit stark entwickelten Tubera parietalia und ab- schüssigem, flachem, kurzem Hinterhaupte, ohne weder in den geschlechtlichen Verhältnissen, der Kinderliebe, der Zu- neigung zur Heimath und der Freundschaftlichkeit den do- lichocephalischen Germanen und Celten nachzustehen. Unter den Asiaten finden wir ungefähr dieselben Gegen- sätze zwischen dem Hindu mit niedrigem, langem Kopfe, und dem Turkomanen, dem Perser und dem Afghanen mit hohem, kurzem. 245 Diejenigen Völker der alten Welt, welche sich im All- gemeinen durch hohe Schädel auszeichnen, sind die soge- nannten ächten Polynesier, zu welchen die Sandwich- insulaner, die Neuseeländer u. m. gerechnet werden. Ihre Schädel sind zugleich gewöhnlich gross. Ihre Seeleneigen- schaften entsprechen, nach der Art der Phrenologen zu sehen und zu schliessen, dieser Form nicht. Die Schädel der Malaien sind von mittlerer Grösse, hoch, etwas breit und mit kurzem, oft breitem Hinterhaupt und grossen Tubera parietalia. — Ihre natürliche Gemülhs- art zeigt keine Eigenschaften, welche nach den Regeln der Phrenologie diesen entsprächen. Die Schädel der Australier (Australneger) sind denen der Neger ähnlich, nämlich mittelgross, schmal, etwas niedrig, länglich und mit vorspringendem, lang-abschüssigem, sich verschmälerndem Hinterhaupte. Hinsichtlich der Seelen- eigenschaften stehen die Australier auf einer der niedrigsten Stufen, weit unter den Hottentotten, Kafern und Negern. Ich bezweifle es, dass irgend ein Unparteiischer aus dieser Schädelform auf dieses Volkes niedrigen Standpunkt würde schliessen können. Selbst die grossen Kiefer sind nicht so hervorstehend, wie bei vielen Kafer- und Negerstämmen. Die afrikanischen Völkerschaften haben sämmt- lich die längliche Schädelform, vom Buschmanne und dem Hottentotten an bis zum Abyssinier und Kabylen; die Schä- del der Letzteren sind, mit Ausnahme im Allgemeinen grös- serer Kinnladen, denen der germanischen Völker sehr ähn- lich. Sie sind doch alle theils Wilde, theils Nomaden und rohe Völker, unter denen, mit wenigen Ausnahmen, weder Civilisation noch Christenthum vermocht haben, irgend dauer- hafte Fortschritte zu machen. Unter den amerikanischen Menschenracen kommen sowohl dolichocephalische, als brachycephalische Völker- schaften vor. Nirgends finden sich solche Extreme in diesen Formen, als in der neuen Welt, wo sie bei mehreren Stäm- 246 men künstlich hervorgebracht ‘werden. Der grösste Theil der Canada-Indianer ist, soviel ich weiss, dolichocephalisch. In den vereinten Staaten kommen beide Formen in verschie- denen Territorien vor. Beiderlei Völker werden jedoch als tapfer, klug und freiheitsliebend beschrieben. Stämme von beiden Formen haben sich für Civilisation empfänglich ge- zeigt. In den Oregongegenden um den Columbiafluss leben brachycepbalische Volksstämme, welche durch Pressung den Kopf von dem Scheitel gegen die Basis platt drücken, wo- her sie den Namen Flatheads bekommen haben. Man möchte glauben, aus dieser Niedrigkeit des Schädels auf eine niedere Entwickelung der Seelenfähigkeiten schliessen zu dürfen. Aber Morton sagt im Gegentheile, diese Indianer seien klug, intelligent und tapfer. Auch die Indianer in Mejico sind zum grössten Theil Braehycephalen; mehrere derselbeu platten den Kopf von hinten nach vorn ab, wodurch derselbe oft eine unnatürliche Höhe und Kürze bekommt. Am meisten zeichnen sich un- ter diesen die Natches-Indianer aus, welche früher ihr‘ Ge- biet bis in das Missisippi-Thal hinab ausgedehnt haben. Morton hat in seinem prachtvollen Werke, Crania ame- ricana, auf Tab. XX. u. XXI. einen Natches-Schädel abge- bildet, welcher einen erstaunlichen Grad von solcher Ab- plattung zeigt, durch die der Kopf eine monströse Höhe, Breite und Kürze erlangt hat. — Morton glaubt, die Nat- ches seien Abkömmlinge der grossen Toltecanischen Familie, und bezeichnet sie als ein besonders friedferliges Volk, wel- ches seine Ehre nicht darein setze, seine Mitmenschen zu ver- nichten. Ihre Institutionen waren feudal und die Adelschaft war nur in weiblicher Linie erblich. — Bei diesen müsste man einen grossen Mangel an denjenigen Eigenschaften be- merken, deren Organe im Hinterkopfe liegen, und eine über- triebene Entwicklung derjenigen, welche ihre Stelle quer über dem Scheitel haben. . Die Eihnographen haben, soviel ich weiss, keine weitere Nachricht über die intellectuellen nn 247 und moralischen Eigenthümlichkeiten dieser Völker ertheilt. Ihr ehemaliger Sonnencullus, den sie, wie man meint, von den Toltecanern geerbt hatten, ist dem Lichte des Christen- ihums gewichen. In Venezuela, Guiana, Brasilien, Paraguay und den an- gränzenden Staaten ist wieder die dolichocephalische Form herrschend. Zu dieser gehören die Karaiben, Botokuden, Guarani u. m. Die Karaiben hatten ehedem die Gewohn- heit, die Stirn künstlich herabzudrücken. Diese Stämme, welche vormals als wilde, kriegerische Menschenfresser be- rüchtigt waren, sind in späteren Zeiten christliche, fried- fertige Ackerbauer, und zum Theil auch fleissige Handwerker geworden. Die früher unbändigen Guaranier in Paraguay lebten lange mit grosser Geduld unter Francia’s despoti- scher Herrschaft, während andere Stämme eine gewisse Un- abhängigkeit behalten und gute Gesetze gestiftet haben. Mehrere Botokudenhorden haben in ihren Gesetzen sogar die Todesstrafe abgeschaflt. — Unter diesen Veränderungen in der intellectuellen und moralischen Beschaffenheit dersel- ben Völker behalten die civilisirten, soviel man bisher weiss, dieselbe Schädelform, als ihre noch wilden, in den Wäldern lebenden Stammverwandten, sowie man dafür hält, dass diese dieselben Seelenzüge besitzen, wie ihre wilden Nach- barsbrüder von der brachycephalischen Form, obgleich die Gesichtszüge und der Ausdruck im Ganzen höchst verschie- den bei den freien unabhängigen und bei den von den Colo- nisten zu Sklaven gemachten Indianern von demselben Stamm sind, In Peru kommen von der brachycephalischen Form. die von Mejico her eingewanderten Incas (Morton), mit be- sonders kurzem und flachem Hinterhaupte, ferner die Chin- cas oder Yungas, welche Tschudi zu den Ureinwohnern dieses Landes zählt, vor. Demselben Schriftsteller zufolge besitzt Peru auch zwei Völkerschaften mit langen Schädeln (Dolichocephalen), nämlich die Huanchas und Aymaras. 248 Auch diese letzteren Völker rechnet er zu den Ureinwoh- nern des Landes. Die Huanchas machen die wenig zahl- reichen Ueberbleibsel eines grösseren Stammes ‘aus, deren Schädelform sich durch eine monströs niedrige Stirn und ein niedriges Hinterhaupt auszeichnet. Diese Form wurde zuerst durch die Schädel aus alten Gräbern, welche Pent- land mitgebracht hatte, bekannt. Tschudi fand noch le- bende Völker dieses Stammes in den Departements von Ju- nin und Ayacucho. Da die genannten Naturforscher die angegebene eigenthümliche Schädelform bei Leibesfrüchten angelroffen haben, die in Mumien gefunden worden waren, so hat man Grund, anzunehmen, dass diese Form unab- hängig von mechanischer Einwirkung sei. Den andern do- lichocephalischen Volksstamm führt Tschudi unter der Be- nennung der Aymaras auf. Dieser soll nach seiner Angabe in seiner ursprünglichen Reinheit in den südperuanischen Departements Puno und Cuzco vorkommen und in seiner Schädelform beinahe den Guanchen auf den canarischen In- seln gleichen. — Dr. Tschudi, welcher in seiner Reise in Peru übrigens so lehrreiche Nachrichten von diesem Lande und genaue Augaben der Schädelform mittheilt, liefert keine über die intelleetnellen und moralischen Eigenschaften dieser verschiedenen Völkerstämme. Es ist demzufolge wahrschein- lich, dass sie nichts Bemerkenswerthes dargeboten haben. D’Orbigny hingegen, welcher“die hier so genannten Huan- chas Aymaras nennt, bemerkt, dass nach der Construction der alten Gräber zu schliessen, die Chefs, welche unfehlbar die in intelleetueller Hinsicht Ausgezeichnetsten waren, die am meisten niedergedrückten und entstellten Schädel gehabt haben. Die Indianer im ganzen übrigen Theile von Südamerika, nämlich die Araucaner in Chili, die Charruas, Puelches ete. in Uruguay, den La-Plata-Staaten und dem Magelhanslande, sind, soviel ich habe finden können, alle Brachycephalen. Ich habe zwar einen sehr langen, niedrigen Schädel von 249 eigenthümlicher Form, der Angabe nach aus dem Magelhans- lande, erhalten; aber ich halte doch jetzt dessen Herkunft für ungewiss. Ich habe auch später aus Fitzroy’s und Darwin’s Reise ersehen, dass selbst die Bewohner des Feuerlandes dieselbe brachycephalische Form darbieten, wie die übrigen Puelches, und muss daher diese Form als herr- schend im ganzen südlichern Theile von Südamerika be- trachten. Die brachycephalischen Volksstämme in Amerika bilden eine fast ununterbrochene Kette durch die ganze westliche Seite dieses Welttheils bis zum Cap Horn des Feuerlandes hinab. Ein Theil dieser Stämme besteht, wie man glaubt, aus den Ueberbleibseln der vormaligen Toltecanen, welche Mejieo verliessen und um das Jahr 1050, in Folge einer ver- heerenden Seuche in ihrem Lande, bis nach Jucatan hinab- zogen. Sie werden für die civilisirteste Nation gehalten, welche Mejico im Besitze gehabt hat, eine Nation, welche so zahlreiche Denkmäler einer höhern Cultur, eines erhabe- nen Cultus, wissenschaftlicher Fortschritte und schöner Kunst hinterlassen hat. — Morton ist der Meinung, dass die Toltecaner nahe verwandt mit den Incas gewesen seien. (Crania americana, p. 114.) D’Orbigny trägt kein Beden- ken, die Quichuas oder Incas hinsichtlich der intellectuellen Fähigkeiten in gleiche Linie mit den Völkern der alten Welt zu stellen, und schreibt ihnen ‚‚eine Milde der Religion und der Sitten“ zu, „welche sie sehr von den Anahuacs Natio- nen, besonders von den aztekischen und toltecanischen Ra- een, unterscheide.‘* Mehrere Schriftsteller bemerken, dass Bilder, welche unter den alterthümlichen Ueberbleibseln im mittleren Ame- rika vorkommen, dieselbe Schädelform darbieten, welche sich theils an Schädeln aus alten Gräbern wiederfindet, theils noch einem Theile der gegenwärtigen Indianerbevölkerung angehört. Die Incas oder Quichuas besitzen eine eigne bräunliche 250 Olivenfarbe der Haut, gleichend der des Mulatten. Dieselbe Hautfarbe zeigt sich wieder bei den Araucanern sowohl, als auch bei den Pampeanern und Patagoniern bis hinab zum Feuerlande, und deutet nebst der kurzen Schädelform auf die Wahrscheinlichkeit einer Stammverwandtschaft hin. Hier- zu kommt ferner, dass die Augenspalten schräge stehen, wie bei den Chinesen. Pöppig äussert über die chilenischen Cholos: „Sie sind von Olivenfarbe und au‘gezeichnet durch schiefe Stellung der Augenspalten, eine Eigenthümlichkeit aller südlichen Indier in einem hohen Grade.““ (Reise in Chili, Peru ete. Leipzig 1835, S. 201.) Die Incas eroberten bekanntlich Peru im 11. Jahrbun- derte. Pöppig äussert über die Peruaner, welche als von den Einwohnern, die vor dieser Eroberung das Hochland inne hatten, herstammend betrachtet werden: „Wenn auch der Indier der peruanischen Sierra ein Wesen von sehr be- schränkter Geisteskraft ist, selbst in dem Grade, dass er Jahrhunderte unter dem Scepter seiner Incas leben konnte, ohne eigenes Streben nach etwas Höherem und selbst ohne ein fest bestimmtes Eigenthum, so steht er doch weit in- differenter da und kann weder so hinderlich, noch so ge- fährlich werden, als sein Halbprodukt, der Mestizo, oder der Neger und Mulatte.“ (A.a. ©. Bd. I. S. 193.) — Dieses Urvolk, von welchem hier die Rede ist, sind die oben ge- nannten Aymaras, von denen die Huanchas als ein Zweig angesehen werden. Ich führe dies an, um zu zeigen, wie gering dieser Schriftsteller die Eroberer sowohl, als die Unterjochten schätzt. Südlich von Peru fängt Chili an. Die Urbewohner die- ses Landes, die Araucaner, ebenfalls Brachycephalen, wer- den von classischen Schriftstellern mit grosser Auszeichnung als eine Nation erwähnt, welche drei Jahrhunderte hindurch mit Heldenmuth ihre Unabhängigkeit gegen die Angriffe der Spanier vertheidigte. Siebzehn Jahre nach ihrem ersten Zu- sammentreffen mit den Europäern hatten sie mililärische 251 Diseiplin eingeführt und eine zahlreiche und starke Reiterei organisirt. Sie führten ihre Heere in militärischer Ordnung und stellten sich gegen die Feinde auf offenem Felde. — Morton sagt von ihnen: „They are brave, discreet and eunning to a proverb, patient in fatigue, enthusiastie in all their enterprises, and fond of war.as the only source of distinetion..... their war wilh the Spaniards are replete with those chivalrie exploits which constitute ihe charm and romance of history.‘ Nach demselben Schriftsteller sind sie besonders empfänglich für Geistesceultur, ertragen aber die Bande der Civilisation nicht, so dass Individuen der Araucaner, welche in den spanischen Colonien ‚eine sorgfältige Erziehung erhalten halten, die erste Gelegenheit benutzten, zu den Erdklüften und der Lebensvreise ihrer Väter zurückzukehren. Ihre Lage dürfte jetzt sehr verän- dert sein. Ein grosser Theil von ihnen soll noch ganz genau auf eben dem Standpunkte stehen, wie die an sie angrän- zenden, und, wie es scheint, ihnen nahe verwandten Pam- peaner; andere sind, wie es in der Provinz Valdivia der Fall ist, Christen und machen die Soldaten der Provinz aus. Die Pampeaner, welche von einem vor Kurzem mit Tode abgegangenen Landsmanne, dem Hrn. Tarras, so gut gezeichnet worden sind, werden als grausame, raubgierige, eigensinnige Wesen beschrieben, welche mit ihren Nachbarn in unaufhörlichem Streite leben, so dass diese sich nur durch das Ausrotten der Wilden in Schutz gegen deren heimtücki- sche Anfälle und Plünderungen setzen köunen. Diese brachycephalischen Pampeaner dehnen sich gegen die Gränzen von Paraguay bis nach den Landmarken der friedlichen Guaraner aus, Diese aber gleichen, wie schon erwähnt ward, in der Schädelform den Ayınaras, Karaiben, Botokuden und mehreren der unabhängigen, wilden und kriegerischen Stämme von Nordamerika. Die südlichen Patagonier und Feuerländer, welche von derselben Gattung sind und dieselbe Schädelform, llautfarbe, 252 Richtung der Augenspalten’ und denselben Haarwuchs, wie die Pampeaner, besitzen, sind als gastfreie, friedliche und wohlwollende, Jagd und Fischerei treibende Nomaden be- kannt. Diese eiligen Blicke in das Gebiet der Ethnologie dürf- ten es hinlänglich zeigen, wie wenig die Phrenologie es ver- mag, den rechten Zusammenhang zwischen der Schädelform und der nationellen Gemüthsart zu erklären. Der berühmte Phrenologe G. Combe hat zu Morton’s Crania americana eine besondere Appendix unter dem Titel „Phrenologieal Remarks on the relation between the natural Talents and disposition of Nations and tlıe Developments of their Brain,‘ verfasst. Ich fand in dieser Abhandlung, was ich vermuthet hatte, dass nämlich der Verfasser die reichen Materialien des grossen Werks sehr wenig benutzen können und nicht einmal die allerwichtigsten berührt hätte. Combe hat derselben Abhandlung die Zeichnung eines Schweizerschädels in natürlicher Grösse beigefügt. Bei einem Besuche der Schweiz hat er die Schädelform des Volkes so gefunden, wie sie dies Specimen zeigt, welches er, als des Schweizervolks grosse physische, moralische und intelleetuelle Kraft, bürgerliche sowohl, als religiöse Freiheit zu erwerben und zu erhalten, ausdrückend, hier vor Augen stellt. Nun gut! Was zeigt denn dieser Schädel in ethnographischer Hinsicht? Ganz einfach ein gutes Specimen eines deutschen Schädels! Es ward schon oben angedeutet, dass einige amerika- nische Indianerstämme durch Pressung des Kopfs während der zartesten Kindheit auf eine unnatürliche Art die Schä- delbildung entstellen. Dieselbe Sitte hatte nach Hippokra- tes’ Zeugniss auch bei den alten Scythen Statt gefunden. Vorweltliche Schädel, welche in neueren Zeiten in den österreichischen Staaten gefunden worden sind, und, wie man meint, Avaren angehört haben, zeigen ein solches Nie- derdrücken des Kopfes. In Amerika hat diese Sitte eine 253 grosse Ausdehnung und Bedeutung gehabt. Wie vorher er- wähnt ward, pflegen die Oregonindianer den Kopf von dem Scheitel gegen die Basis abzuplatten, so dass er unnatürlich niedrig wird. Die Natches u. M. drückten das Hinterhaupt und die Stirn flach und machten den Kopf kurz, hoch und breit; die Karaiben drückten die Stirn nieder, die Huanchas oder Aymaras drückten die Stirn herab, die Seiten zusam- men, und mächten dadurch das Hinterhaupt unnatürlich lang. Was für eine Bedeutung hatte und hat denn diese Sitte? Die, dem Individuum ein vornehmes äusseres Ansehen zu geben. Von den Huanchas- und Aymaras-Indianern ist schon bemerkt worden, dass diese Verunstallung vorzüglich bei Schädeln gefunden worden ist, welche, nach der Beschaf- fenheit der Gräber zu schliessen, hochgestellten Individuen angehört haben, von denen man Grund hat zu schliessen, dass sie auch in intelleetueller Hinsicht die vornehmsten ge- wesen seien, Diese Sitte ist bei mehreren Stämmen nun verschwun- den, besteht aber noch bei den Indianern im Oregon. Ein schwedischer Seemann, der Kauffahrtei-Kapitäin Warngren, welcher im vergangenen Jahre von einer Reise um die Erde zurückkehrte, brachte zwei Schädel dieser, von den Anglo- Amerikanern so genannten Flatheads mit. Der eine Schädel ist in hohem Grade abgeplattet, der andere etwas weniger; beide sind vom Chinouk-Stamme. Sie wurden aus einem Begräbnissplatz auf einem Inselehen im Columbiaflusse her- vorgeholt. Die Leichen waren jedoch nicht in die Erde ge- senkt, sondern, mit ihren Kleidern angethan, in kleine Ca- noes gelegt, welche von ziemlich hohen Bretterstützen ge- tragen wurden. Herr Warngren glaubte, dass die Indivi- duen, deren Schädel er mitbrachte, höchstens etwa ein Jahr zuvor gestorben wären. Morton beschreibt die Flathead-Indianer nach Le wis’, Olark’s und Townsend’s Berichten. „Die Art, den Kopf abzuplatten, ist verschieden bei den verschiedenen Stämmen. 254 Die Wallamet-Indianer legen das Kind kurz nach der Geburt auf ein kleines Brett, in dessen .Kanlen Oesen von Hanf oder Leder befestigt sind. Nachdem das neugeborne Kind auf das Brett gelegt worden ist, werden durch die Oesen Schnüre oder Riemen gezogen, welche kreuzweise und quer über dasselbe weggehen und angezogen werden, so dass das kleine Wesen fest an das Brett gebunden wird. Am Ende des Breites, welches eine Aushöhlung hat, in welche das Hin- terhaupt zu liegen kommt, ist durch Lederstreifen ein an- deres kleines Brett befestigt, welches mittelst Zuziehens der Schnüre, die von der obern Kante des kleinen Bretts bis zu anderen Löchern in dem grössern gehen, auf des Kindes Scheitel drückt.‘ „Die Chinouken legen das Kind in einem kleinen, aus dem ausgehöhlten Stamm eines Nadelholzbaumes verfertigten Troge auf ein Bett aus Grasmatten und binden es auf die angegebene Weise fest. Auf den Kopf wird ein kleines Pol- ster, ebenfalls aus geflochlenem Grase, gelegt und so fest- gebunden, dass es auf denselben drückt. In diesem Appa- rate wird das Kind von vier bis zu acht Monaten lang, oder so lange festgehalten, bis die Nähte seiner Hirnschale eini- germaassen vereinigt sind und die Knochen Stärke und Festig- keit erlangt haben. ‘Selten oder nie wird es aus dem Troge herausgenommen, falls nicht eine bedenkliche Unpässlichkeit, bevor der Abplattungsprocess vollendet ist, eintritt‘ Diese Abplattung des Kopfs hat bei den Indianern des Columbiaflusses eine so hohe Bedeutung, dass sie bei ihren Sklaven nicht erlaubt ist (die sich grösstentheils von auderen angränzenden Stämmen herschreiben).. Wenn das Pressen krankheitshalber nicht bei dem Kinde hat vorgenommen wer- den können, so nimmt der Schädel die bei dem Stamme normale Form an; aber die Individuen, welche nicht auf solche Art platiköpfig gemacht worden sind, können nie Einfluss gewinnen oder sich zu irgend einer Würde in dem Slanım erheben, und werden nicht selten als Sklaven ver- 255 kauft. Morton fügt noch ferner hinzu: „Gelehrte haben die Ansicht aufgestellt, dass das künstliche Formen des Schädels, durch mehrere auf einander folgende Generationen fortgesetzt, mit der Zeit angeboren und bestehend würde. Durch die Zeugnisse, welche wir von den amerikanischen Völkern her entnehmen, unter denen die charakteristische Form des Schädels sich beständig erhält, obgleich die Kunst sie bei den Individuen unmittelbar entstellen kann, ist diese Hypothese als völlig unbegründet befunden worden.“ Eschricht hat in seinem Vortrage bei der Zusammen- kunft der Naturforscher in Christiania, „betreffend die Be- deutung der Formverschiedenheit der Hirnschale und des ganzen Kopfes,“ meiner Meinung nach den Grund zu dieser abscheulichen Sitte am richtigsten erklärt, dass nämlich bei diesen rohen Völkern mit verschiedenartiger Schädelbildung ein jeder Stamm stolz auf seinen Bildungstypus sei und ihn seinen Kindern im höchstmöglichen Grade sichern wolle. (S. die Forhandl. ved de skand. Naturforskeres fjerde Möde, pag. 90). — Es ist bereits angeführt worden, dass die aın meisten entstellten Schädel in Gräbern gefunden worden sind, welche von dem hohen Range des in ihnen begrabenen In- dividuums zeugen, wie auch, dass diese künstliche Missge- staltung bei den Oregon Indianern eine Bedingung für das Ansehen und die Erhebung des Individuums, eine Bedingung für seine Freiheit und seinen Adel ausmacht, dass sie den Unfreien nicht gestattet ist und dass selbst ein Freigeborner seine Freiheit verliert, wenn die Verunstaltung bei ihm nicht hat ausgeführt werden können. Es ist hiernach wahrschein- lich, dass die Vornehmsten der Stämme eine vor der der Uebrigen ausgezeichnete Schädelbildung gezeigt, und dass die Leizteren die Ersteren nachzuahmen gesucht haben. Ver- mulhlich ist die Erfindung, diese Form durch Kunst zu er- zwingen, von den Weisen der Clane ausgegangen, welche mehrentheils zugleich ihre Priester und ihre Aerzte waren, und allmählig zu einer allgemeinen Mode unter den vor- 256 nehmen, adeligen und freien Mitgliedern der Stämme ge- worden. Was indessen für uns vom grössten Interesse bei dieser Sache und höchst beschwerend für die Phrenologie'ist, ist die constatirte Erfahrung, welche man gewonnen hat, dass dieses Herabdrücken der Stirn und des Scheitels die Seelen- eigenschaften nicht verschlechtert. Auch in dieser Hinsicht liefert Morton wichtige Er- läuterungen, welche ich hier mittheilen zu müssen glaube. So führt er nach Lewis und Clark an, „‚dass diese Flat- heads die Fragen der Reisenden mit vieler Ueberlegung beantvwvorteten, dass sie von Gemülhsart milde und arglos, im Handel fein, scharfsinnig und klug seien. ... Uebrigens seien sie vorwitzig und gesprächig und legen ein gutes Ge- dächtniss und einen Verstand, dem es nicht an Schärfe mangele, zu Tage.‘“ Er führt ferner eine Aeusserung von Townsend (Journey to the Columbia River) an: „Das Ansehen, welches durch jene unnatürliche Operation zuwege gebracht wird, ist fast schaudervoll, und man sollte wohl vermulhen, dass die Verstandeskräfte von derselben materiell angegriffen würden. Dies scheint dennoch nicht der Fall zu sein; denn ich sah niemals eine schlauere und intelligen- tere Volksrace (nur mit Ausnahme der Kayousen).“ , Morton hatte selbst in demselben Jahre, in welchem er das Werk verfasste (Crania americana, p. 20 ete.), aus welchem diese Citate entlehnt worden sind, Besuch von einem jungen „‚Vollblut‘-Chenouken von 20 Jahren, welcher drei Jahre lang Unterricht von christlichen Missionären ge- nossen hatte. Dieser junge Mann hatte während dieser Zeit grosse Fortschrilte in der englischen Sprache gemacht, die er in Conversationen im Allgemeinen mit grammatikalischer Genauigkeit und guter Betonung sprach. Von diesem In- dianer, dessen Schädel einer der entstelltesten und abge- plattetsten war, äussert Morton: „Dieser Mensch schien mir mehr Scharfsinn zu besitzen, als irgend ein anderer 257 Indianer, den ich gesehen hatte; er war daneben mittheilend, freundlich und civilisirt.‘* Da jener Gebrauch, durch Kunst die Gestalt des Kopfes zu verändern, bei den meisten Indianerstämmen durch den Ein- Aluss der Civilisalion schon lange anfgehört hat, so sind diese Thatsachen aus der gegenwärtigen Zeit von um so grösserem Werthe, als vermuthlich jene Sitte der Vorzeit innerhalb weniger Jahrzehende ganz verschwunden sein wird. Ich benutze desshalb auch hier diese Gelegenheit, um unsere grosse Verpflichtung gegen den um die Eihnographie so hoch verdienten amerikanischen Nayurforscher Dr. George Samuel Morlon auszusprechen, welcher für eine lange Folgezeit auf eine so reelle Weise den Wissenschaften so wichlige Thalsachen aufbewahrt hat. Ich bin etwas weilläuftig in diesem Theile meines Vor- trages gewesen, aber, wie ich hoffe, nicht ohne Grund, wenn man den Werth der oben erwähnten, von amerika- nischen Naturforschern angestellten Beobachtungen mit der geringen Aufmerksamkeit vergleicht, die man im Allgemeinen von Seiten der Wissenschaft ihnen gewidmet hat. Auch die Phrenologen haben, so viel ich weiss, diesen Gegenstand wenig berührt. Ich weiss wohl, wie man das Verhältniss dieser Forinveränderungen zum Gehirn und seiner Thätigkeit erklären will. Man sagt nämlich: Durch die in Rede stehende Deformalion wird das Volumen des Gehirns nicht vermindert und eben so wenig irgend ein Theil des Organs; die Theile desselben eutwickeln sich ungeachtet der Deformität vollständig, aber nach anderen Richtungen, in anderer Lage. Dies dürfte wohl richlig sein; nehmen wir aber einmal diesen Satz an, so kann er auch in den mehr- sten Fällen angewandt werden, da die Phrenologen nach den Eigenheiten der Schädelform die Seelenfunktionen beur- theilen. Die Phrenologie befindet sich hierbei in derselben Lage, als wenn sie ohne Schwierigkeit es erklärt, wie es möglich ist, dass es grosse Geisler mil ungewöhnlich kleinem Kopfe und somit auch kleinem Gehirne gegeben hat und Müller's Archiv. 1818, 27447 253 giebt. Sie sagen nämlich, die Vollkommenheit beruhe in solchem Falle nicht so sehr auf dem Volumen, als auf dem harmonischen Verhältnisse zwischen den Theilen. Dies ist auch eine sehr annehmbare Erklärungsweise; aber sie hebt den Widerspruch der Beispiele gegen einen der Cardinal- grundsätze der Phrenologie nieht auf. Ich habe hier die Bedenklichkeiten vorgetragen, welche sich während der Bearbeitung der Anatomie gegen die Phre- nologie erhoben haben; mehrere andere sind von Leuret, Carpenter und besonders von Flourens in seiner kleinen Schrift ,‚Sur la phrenologie‘ angeführt worden. Der Letz- tere zeigt in dieser die ganze Grundlosigkeit der meisten phrenologischen Grundsätze, als die Theilung der Vernunft . in viele kleine Vernunfte, entsprechend Organen im Ge- hirne, die es nicht giebt, die grosse Mangelhaftigkeit in der Analogie zwischen den Sinnesorganen und den Gehirnorganen, wobei man missgegriffen hat hinsichtlich der Begriffe Ein- _ druck (auf das Sinnesorgan) und Auffassung (vom Gehirn organe) u. 8. w. Nachdem ich solchergestalt so viele Einwürfe und Be- denklichkeiten gegen die Phrenologie dargelegt habe, möchte man wohl glauben können, dass ich sie auch nach allen ihren Theilen für ungereimt halten dürfte. Dies ist aber bei weitem nicht meine Meinung. Was ich gegen Gall und seine Nachfolger in der Phrenologie, so wie gegen ihre Lehre habe, ist die Tendenz, sie zu einer Wissenschaft machen zu wollen, dass die Phrenologen ihre Lehre auf philosophischem Grunde errichten wollen, während sie, die Einheit der Ver- nunft leugnend, damit anfangen, die Philosophie über den Haufen zu werfen, und dass sie auf eine Anatomie des Ge- hirns bauen wollen, die nicht existirt. Die übrigen Wissenschaften sind aus sicheren Grund- lagen durch die Gewissenhaftigkeit und Wahrheitsliebe der Forscher ünter einem ununterbrochenen Streben, Missgriffe und irrige Begriffe zu widerlegen und zu entfernen, hervor- 259 gegangen. Die Phrenologen haben, so viel ich habe finden können, niemals mit wahrer Kritik ihre Lehre zu behandeln gesucht; sie haben im Gegentheile eine solche nicht gern ge- duldet; ihre Sätze bezweifeln ist, fast möchte ich sagen, wie das Vergehen gegen eine Glaubenslehre betrachtet worden. Kurz, sie haben Alles gethan, um ihrer Lehre die äussere Form und den Schein einer Wissenschaft zu ertheilen, wäh- rend sie versäumt haben, die erste Bedingung für einen wahren wissenschaftlichen Bau zu erfüllen, diesem eine rich- tige und sichere Grundlage zu geben. Ich muss auch in die- ser Hinsicht meines werthen Collegen Eschricht Aeusse- rung über die Phrenologie bei der Zusammenkunft der Na- turforscher in Christiania eitiren (Die Forhandl. ved de skand. Naturforsk. fjerde Möde, pag. 91), wo er sagte: „Sie ist in den allermeisten Eällen durchaus auf keiner wahren wissen- schaftlichen Grundlage erbaut, und eingekleidet in die Form einer Lehre, wird sie stets des wichtigsten Cha- rakters einer wissenschaftlichen Lehre, der Gründlichkeit, ermangeln.“ Es ist indessen höchst wahrscheinlich, dass die äussere Forın des Kopfes in mehrfacher Hinsicht Zeugniss von den Seeleneigenschaften ablegen könne. Ich werde hierin beson- ders durch mehrere Eigenthümlichkeiten bestärkt, welche so allgemein an Schädeln von Verbrechern angetroffen werden; aber aus den wenigen Erfahrungsgruppen, welche in solcher Hinsicht für einigermaassen sichere anzusehen sind, eine Wissenschaft errichten zu wollen, zumal mit solchen Ansprüchen, wie die der Phrenologie, ist ein grosser Un- verstand. y Wir müssen hierbei in Betrachtung ziehen, dass das Endziel der Phrenologie so hoch steht, dass es wahrschein- lich bis zu einem höheren Grade, und auf wissenschaftlichem Wege nicht erreicht werden kann. Ich bin überzeugt, dass kein gründlicher Naturforscher an die Möglichkeit zu glauben vermag, die Anatomie und Physiologie des Gehirns weiter, 17* 260 als bis zur Erklärung einiger seiner allgemeineren Grundzüge, Eigenschaften und Kräfte zu vervollkommnen. Wir müssen zwar erkennen, dass die Kenntniss vom Bau und von den Funktionen so vieler niederen und einfacheren Organe nicht weiter gefördert worden ist, als bis zu den ersten Funda- mentalbegriffen. Wir denken dabei an den Bau und die Funktionen eines grossen Theils der Ganglien, Drüsen u. m. Organe, welche wir in ihrem Zusammenhange und mit fast völliger Klarheit mittelst guter ‘optischer Apparate und che- mischer Agentien durchschauen können. Um wie Vieles höher steht nicht das unendlich zusammengesetzte Gehirn, ‘dessen einfache Elemente doch nur, so viel wir wissen, aus Ganglienzellen und Nervenröhren bestehen! Aus diesen Ele- menten, welche unter sich unseren Augen so wenig Ver- schiedenheit zeigen, sollten wir uns gelrauen dürfen, die verschiedenen Seelenfunktionen und deren verschiedene Ent- wieklungsgrade zu erklären? Das ist in der That nicht glaublich. Wenn man die Zeit von Jahrtausenden in Belrachtung zieht, welche die Physiologie zu durchlaufen gehabt hat, ehe sie bis zu dem gegenwärtigen Standpunkte gelangt ist, auf dem sie sich mehr durch Sicherheit im Wissen, als durch Ausdehnung, Umfang und Vollständigkeit auszeichnet, so scheint es zu viel verlangt zu sein, dass eine so detaillirte Physiologie des Gehirns, als die Phrenologie die Aufgabe zu sein hat, an der Seite der Stammwissenschaft dieser so weit vorbeigehen sollte, Ich habe zu zeigen gesucht, dass die Phrenologie nicht als eine eigene Lehre aus der Physiologie entwickelt werden könne; sie muss sich ganz und gar auf genaue Vergleichungen zwischen dem Baue des Schädels und den Seeleneigenschaf- ten der Individuen gründen. Man wendet ein, die Phrenologen seien auf diese Weise verfahren. — Es ist aber doch offenbar, dass sie «keine Genauigkeit bei den Messungen der Schädel beobachtet und 261 schon in den jüngeren Perioden der Lehre gewisse Sätze als sichere und gegebene angenommen hat, die dies bei weiten nicht gewesen sind. Nichtsdestoweniger hat man diesen das ganze Gewicht und den ganzen Einfluss wissen- schaftlicher Grundgesetze beilegen wollen und hierbei schein- bare Stützen aus der Anatomie und Physiologie sowohl, als aus anderen Wissenschaftsfächern, entlebnt. Ich habe bereits angedeutet, dass die Phrenologen selbst ihre Lehre nicht mit gebührender Veritik bearbeitet haben; die zahlreichen und ernsthaften Einwürfe, welche von an- deren Gelehrten vorgetragen worden, sind als feindliche an- gesehen und zurückgewiesen worden. Auf diese Weise hat die Phrenologie nun mehrere Jahrzehende durchlaufen und ist durch ein einseitiges Sam- meln solcher Erfahrungen, welche ihr günstig zu sein schienen, während die widersprechenden durch wenig gründliche Erklärungen und Ausflüchte zur Seite gescho- ben wurden, scheinbar befestigt worden. Ein ganzes Lehrgebäude ist auf diese Weise auf mangelhaften Grund- lagen und ohne wissenschaftlichen Zusammenhang errich- tet worden. — Auf diese Weise geschaffen, kann dies Lehrgebäude auf die Länge unmöglich bestehen. — Ich hoffe, die Zeit werde nicht mehr fern sein, in welcher man dies allgemeiner einsehen und erkennen, und anfangen werde, neue und sichere Materialien zur Begründung und Erweiterung dieser interessanten Richtung des Wissens zu sammeln, Die kürzlich vom Reector Simesen mitgetheilte Ar- beit: „Om den nöjaglige Bestemmelse af Hovedets Störrelse og Form‘ (Ueber die genaue Bestimmung der Grösse und Form des Kopfes) verleiht uns schon eine Hoffnung, dass diese Zeit nahe sei. Diese Arbeit giebt uns auch einen Begriff davon, welche Genauigkeit und Mühe erforderlich ist, um nur 262 allein die Grösse und Form des Kopfes bei verschiedenen Individuen zu beurtheilen. Wie viel schwerer muss es nicht sein, mit Sicherheit die entsprechenden verschie- denen Grade der Seelenfähigkeiten wahrzunehmen, welche durch kein Ausmessen bestimmt werden können! Ueber die Form des Knochengerüsles des Kopfes bei den verschiedenen Völkern. Von Professor A. Rerzws in Stockholm. Vorgetragen in der vierten Versammlung der scandin. Naturforscher zu Christiania, im Julius 1844. Von allen Abiheilungen der Naturgeschichte ist die Kenntniss vom Menschengeschlechte die am wenigsten er- forschte. Einerseits zeigen die verschiedenen Menschenracen so grosse Verschiedenheiten, dass man versucht wird, die- selben als getrennte Arten eines Geschlechtes zu betrachten, anderseits können keine anwendbaren Charaktere aufgestellt werden, die ein solches Verfahren rechtiertigen würden. Man hat daher sogenannte Menschengeschlechts - Varietäten oder Volksracen angenommen; aber man hat weder einen vollkommen sicheren Begriff von dem, was man unter dem Worte Menschenrace verstehen soll, feststellen, noch bestim- men können, welche diese Racen sind. — Linne& sowohl, wie Blumenbach, theilte die Racen nach den Welttheilen ein. Linn, der weder Malayen, noch andere Bewohner der Südsee kannte, nahm nur vier an, Blumenbach fügte noch eine fünfte hinzu. Nach ihm hat fast jeder Schriftstel- ler, welcher den Gegenstand behandelt hat, irgend eine Ver- änderung gemacht, und manche haben ganz eigene, neue Aufstellungen geliefert, von denen bei näherer Prüfung doch keinen Stand hält. 264 Im Allgemeinen hat man sich bei der Aufstellung an Farbe, Ilaar, Gesichtszüge, Körpergestalt und Sprache gehal- ten. Es ist leicht zu begreifen, wie schwer und fast unmög- lich es sein muss, genaue Vergleichungen zwischen den verschiedenen Racen und Völkerstämmen in allen diesen Verhältnissen anzustellen, da es zumal in der Natur der Sache liegt, dass die Gegenstände nicht zur Vergleichung und Untersuchung gesammelt und wie andere Naturprodukte in den Museen zusammengestellt werden können. Blumen- bach war der, welcher zuerst dadurch einen anderen und sicherern Weg einschlug, dass er Schädel verschiedener Na- tionen sammelte, und es sind seine guten, im Linneischen Geiste verfassten, Beschreibungen mit den dazu gehörenden Abbildungen, welche, obwohl schon gealtert und nun in mancher Hinsicht unvollkommen, den Nachkommen gezeigt haben, welchen Weg sie gehen müssen, um mit einigermaassen sieberen Schritten dem Ziele näher zu kommen. Mehr als 20 Jahre sind verflossen, seit die letzte Decade von Blumen- bachs Schädelsammlung herauskam, und obwohl viele Schrift- steller nach ihm aufgetreten und mehrere ihm unbekannte Völkerstänme entdeckt worden sind, muss man doch einge- stehen, dass dieser Theil der Naturgeschichte am weitesten von allen zurücksteht, Die Ursache hierzu liegt nach meiner Ansicht darin, dass man sich nicht vor allem Andern mit gehöriger Konsequenz an den wresentlichsten Theil des Kopfes, nämlich den eigent- lichen Schädel, welcher das Gehirn umschliesst, gehalten hat. Es scheint, als ob man schon a priori anzunehmen be- rechtigt wäre, dass, insofern eine jede Volksrace oder jeder Stamm eine gewisse psychische Individualität besitzen soll, diese sich besonders in der Bildung des Gehirns ausprägen müsse. Diese schon von den Gründern der Phrenologie auf- gestellte Ansicht ist mit den Grundsätzen der Physiologie vollkommen übereinstimmend. Doch haben die Phrenologen diesen Gegenstand mehr als einen Theil ihrer eigenen Wis- 265 senschaft, denn, ethnographisch, als eine Lehre von den Völ- kerschaften behandelt; in Folze dieses haben ihre Darstellun- gen wenig Einfluss auf die letztere Wissenschaft ausgeübt. Es ist auch klar, dass, wie richtig es auch’ ist, bei einer jeden Race oder Nation einen eigenen allgemeinen Charakter zu sehen, doch daneben die persönlichen Eigenheiten sich mehr oder weniger bei den Individuen ausdrücken müssen, je nach der verschiedenen“ Kultur und deren verschiedenen Richtungen. Es wird daher nölhig, genau zu unterscheiden, was dem individuellen und was dem nationellen Charakter angehört. Hierzu werden reiche Sammlungen und strenge Vergleichungen erfordert. Bei Nationen, die im Naturzustande leben, und denen, die übrigens auf einer höheren Kulturstufe stehen, treten die persönlichen Verschiedenheiten weniger hervor. Da hingegen entstehen auch grössere individuelle Verschiedenheiten in der Bildung des Schädels in demselben Maasse, als eine höhere und allgemeinere Bildung eingetreten ist. Man muss daher bei civilisirten Nationen das Material zur Untersuchung vorzugsweise unter dem eigentlichen Volke suchen, weniger bei den höheren Klassen, mehr in den ent- legenen Dörfern, als in den Städten. Als Nilsson 1838 im ersten Ilefie seiner klassischen Arbeit, „‚den skandinaviska Nordens urinvänare“ die Typen für den gothischen und den lappländischen Schädel feststellte, hatte er nur Gelegenheit gehabt, einige wenige Specimina von diesen zu untersuchen. Er beauftragte mich, als angestellt an einem Orte, in welchem eine grössere Menge von Exem- plaren angeschaflt werden konnte, seine Angaben zu prüfen. Dieses habe ich gethan und bei der Versammlung der Natur- forscher-Gesellschaft in Stockholm 1842 die Resultate dieser Prüfung mitgetheilt, welehe die Ansicht jenes scharfsinnigen Naturforschers in jeder Beziehung bestätigen. Ich fand hierbei bald, dass die Eigenthümlichkeiten in der Form, welche den Gothen so bedeutend von dem Lapp- länder unterscheiden, auch bei anderen Nationen gefunden 266 werden müssten. Ich ordnete die zur Hand liegenden Samm- lungen hiernach, und so entstand die Aufstellung der Völker- schaften, die ich meinem Vortrage „On formen. af Nord- boernes cranier* beigefügt habe. Diese theilte ich zuerst Professor Ritter aus Berlin mi!, als er im Herbst 1840 das anatomische Museum in Stockholin besuchte, Er billigte den Plan und forderte mich auf, ihn zu verfolgen, bald darauf theilte ich denselben der Akademie der Wissenschaften, und im darauf folgenden Jahre der Gesellchaft naturforschender Freunde in Berlin, mit. Obwohl diese Eintheilung von ver- schiedenen Seiten Beifall fand, so betrachtete ich sie doch als unsicher, so lange sie nicht einer vollständigeren Prüfung unterworfen worden, und hätte sie in der genannten Abhand- lung nieht dargestellt, wenn ich nicht dazu vom Professor Karl Sundevall, dessen Kenntniss in den Naturwissen- schaften und besonders der Eithnographie ich so hoch schätze, besonders aufgefordert worden wäre. Die Anwendbarkeit der Aufstellung ist auch später vom Professor Nilsson in der Vorrede zu den skand. Nordens Urinvanare (Atem H. 1843), anerkannt worden, und es sind diese Umstände, welche mir Veranlassung geben, dass ich mich jetzt erdreiste, wiederum einige Betrachtungen über denselben Gegenstand mitzutheilen. In dem Vorhergehenden ist angedeutet worden, dass man bei der Feststellung von Charakteren für verschiedene Völ- ker sich vorzugsweise an die gewöhnlichsten Formverhält- nisse der Schädelbildung halten müsse. In der Klassification, welche ich entworfen, habe ich nur zwei Formen angenom- men, nämlich die kurze, runde oder viereckige, die ich die brachycephalische, und die lange, ovale, die ich die dolichocephalische genannt habe. Bei der ersteren ist kein Unterschied zwischen der Länge und Breite, oder nur ein sehr geringer, bei der letzteren-ein bedeutenderer; diese Längenverschiedenheit beruht in den meisten Fällen auf einer geringeren oder grösseren Entwickelung hinten nach dem Oceiput, so dass dieses bei der brachyeephalischen Form 267 kurz, meistens platt oder plaligerundet, bei der dolichocepha- lischen meistens lang und von den Seiten etwas zusammen- gedrückt ist. Die erstere hat das Conceptaculum cerebelli mehrentheils aufsteigend, die letztere es mehr horizontal. Im Zusammenhange hiermit findet man ausserdem bei der bra- chycephalischen Form, dass das Coneeptaculum für die hin- teren Gehirnlappen dasselbe für das kleine Gehirn kaum vo!l- ständig bedeckt, da es hingegen bei der dolichocephalischen überschiesst. Die brachycephalische Form hat die Scheitel- höcker mehrentheils stark entwickelt und den hinter diesen liegenden Theil der Scheitelbeine niederwärts abschiessend ; der dolichocephalischen Form fehlen diese Höcker oft; die Scheitelbeine haben eine ebene Rundung, und ihr hinterer Theil bildet eine nach hinten gestreckte Fläche, die sich nach dem bei diesen vorstehenden Hinterhauptshöcker herabsenken. Den Brachycephalen fehlt oft der Hinterhauptshöcker, die Dolichocephalen dagegen haben diesen stark ausgeprägt. Die dolichocephalische Form beruht vorzugsweise auf einer grösseren Entwickelung der hinteren Gehirnlappen nach hinten; bei der brachycephalischen sind diese kürzer, aber bei einigen Völkern dafür mehr in der Breite entwickelt. Worauf diese verschiedenen Verhältnisse der Entwickelung beruhen, oder was sie bedeuten, ist bei dem jetzigen Zustande der Sache schwer zu entscheiden. Ich glaube jedoch hierbei die Aufmerksamkeit darauf lenken zu müssen, dass während des Embryo-Zustandes die vorderen Gehirnlappen zuerst, dann die mittleren und zuletzt die hinteren entwickelt werden, Bei unserem Geschlechte findet man im dritten Monate die hinteren Lappen »ur durch einen kleinen Einschnitt oder Gyrus angedeutet, und noch im vierten Monate sind sie so sehwach vorgeschritten, dass man sie fast als nicht vorhan- den betrachten könnte. Wie bekannt, wird während dieser Periode der ganze hintere Theil der Hemisphären von dem sogenannten Hippocampus eingenommen, welcher den mit- telsten Lappen angehört, Ziehen wir die comparative Ana- 268 tomie zu Rathe, so finden wir bei den Thieren dieselbe Ordnung für die Entwicklung der Gehirnlappen. Bei den meisten Fischen finden wir in den vorderen, soliden Gehirn- anschwellungen nur Rudimente zu den vorderen Lappen; bei den Knorpelfischen enthalten diese Cavitäten. Bei Am- phibien und Vögeln, bei denen die Hemisphären ebenfalls Ventrikeln enthalten, fehlen dagegen die Hippocampi; ihre Hemisphären sind also analog den vorderen Lappen unseres: Gehirns. Bei den Säugethieren kommen die Hippocampi allgemein vor; aber die hinteren Lappen fehlen oder kom- men nur rudimentär vor. Weder bei den Seehunden, noch den Quadrumanen, welche beide Rudimente zum hinteren Horn der Seitenventrikel haben, sind die hinteren Lappen durch eigne Furchen gesondert oder begränzt, wie bei dem Menschen. Man könnte daher mit Recht annehmen, dass die Gehirnhemisphären bei den Säugethieren im Allgemeinen jede aus 2 Lappen bestehen, nämlich den vorderen und mittleren, und dass nur das Gehirn des Menschen nebst den Lobi anteriores und medii mit gesonderten vollständigen hin- teren Lappen versehen sei. Man ersieht hieraus deutlich, dass die hinteren Gehirnlappen eine Rolle spielen müssen, die viel wichtiger ist, als man sie ihnen gewöhnlich zu- schreibt. Ich muss jedoch hier bemerken, dass Kürze des Hinterkopfes nicht immer eine geringere Entwicklung des Ge- hirns beweist, weil dieselbe in vielen Fällen, wie oben au- gedeutet wurde, mit vermehrter Entwiekelung, sowohl nach der Breile, als nach der Höhe, vereint ist, Der Umfang der in dieser Gegend liegenden Organe kann hierdurch in Breite und Höhe vergrössert werden, und im Verhältnisse ‚hierzu auch in der Thätigkeit, obwohl diese wahrscheinlich auch eine veränderte Richtung annimmt. Der übrige Theil des Knochengerüstes des Kopfes be- ruht auf der Entwicklung der Zähne, der Kinuladen und der Sinnesorgane. Jeder Anatom weiss, in welcher Abhängig- keit die Grösse und Form der Kiefern zu der Ausbildung 269 der Zähne steht; vom neugebornen Kinde, wo sie noch in ihren Säcken eingeschlossen liegen, bis zum Erwachsenen, wo sie mıt langen liefen Wurzeln versehen sind, und wie- derum bis zum Bejahrten, bei welchem die Alveolen zusam- mengelfallen und die Alveolarfortsätze verschwunden sind. ‚Noch auflallender tritt dieses Verhalten bei einer grossen Anzalıl von Thieren auf, wie beim Elephanten, dem Schwein- geschlechte, dem Wallross u. m., bei denen gewisse Zähne eine so bedeutende Entwicklung erreichen, dass das Gesicht und der grösste Theil des Kopfes fast unförmlich davon werden. Ebenso bekannt ist der Einfluss, welchen eine grössere oder geringere Ausdehnung der Geruchsorgane auf die Bildung des Gesichtes ausübt; dasselbe gilt auch, obwohl im geringern Grade, vom Geschmacksorgan und den Augen; doch muss zugegeben werden, dass die Kinnladen bei der Gesichtsbildung eine Hauptrolle spielen, besonders da die Jochbeine nicht anders als wie Anhänge derselben angesehen werden können. Bei den Thieren haben die Kaumuskeln einen mächtigen Einfluss sowohl auf die Kinnladen, als auf die äussere Fläche des Schädels, und dasselbe gilt von der Einwirkung der Nackenmuskeln auf die Bildung des Hinter- kopfes; aber diese Verhältnisse treten beim Menschen in so geringem Grade hervor, dass sie hier wenig Beachtung ver- dienen, . Das Profil des Gesichts beruht daher im wesentlichsten Verhältnisse auf der Bildung der Kinnladen. Unter den so- genannten iranischen oder indo-europäischen Völkern ist die gerade, lothrechte Profillinie schon seit den ältesten Zeiten als eine Bedingung für ein edles und schönes Gesicht ange- sehen worden. Diese Linie beruht wiederum auf der ver- hältnissmässigen Nettigkeit der Kiefer- und Jochbeine, zu welcher auch die lothrechte Stellung der Alveolarfortsätze und der Zähne gehört. Der Gegensatz zu dieser Gesichts- form entsteht durch die unverhältnissmässige Grösse der Kieferpartien, die mehrentheils mit schief nach auswärts ge- 270 richteten Zahnkronen vereint ist; eine Bildung, die in allen Welttheilen ausserhalb Europas und besonders allgemein bei den rohesten und wildesten Völkern angetroffen wird. Wenn diese unter Europäern gefunden wird, ist sie als eine Ab- weichung von dem Nurmaltypus, als eine Mitiel- oder Ba- stardforn anzusehen. Sie bildet deutlich einen Uebergang von den Thieren, zunächst den Affen, zu den edleren Men- schengestalten. Ich habe angenommen, dass diese beiden Bildungen die Grundpfeiler der Hauptabtheilungen für die Gesichtsformen ausmachen müssen, die also auch als aus zweien bestehend angenommen werden. Die erstere, mit gerader oder dem Geraden sich nähernder Profillinie, habe ich die orthogna- thische genannt, die letztere die prognathische, eine Benennung, die Prichard speciell für die schmale, läng- lichte Form mit vorstehenden Kiefern, welche die Neger auszeichnet, eingeführt hat, die ich aber auch in ausgedehn- terem Sinne anyrenden zu müssen geglaubt habe. In diesen beiden Abtheilungen kommen mehrere andere Eintheilungsgrundzüge vor, z. B. Prognathen mit breiten und Prognathen mit schmalen Alveolarbogen, mit länglichtem, schmalem oder mit kurzem, breitem ‘Gesichte u. s. w., deren Durchführung ich jedoch verschieben muss, bis ich Gelegen- heit gehabt habe, unsere Samnılungen noch mehr zu berei- chern oder anderswo ausgedehntere Untersuchungen anzu- stellen. Ich habe daher geglaubt, zwei Grundformen für den Schädel, die dolichocephalische und die brachyce- phalische, und zwei für das Gesicht, die orthogna- thische und die prognathische, annehmen zu müssen. Eine jede der genannten Schädelformen kann mit beiden Gesichtsformen vereint sein, in Anleitung dessen die Grund- formen des Kopfes zu vier angenommen und die Völker- schaften, nach diesen gruppirt, in Gentes dolichoce- phalae orthognathae und prognathae, und in Gen- 271 tes brachycephalae orthognathae und prognathae getheilt werden. R In Europa finden sich Formae dolichocephalae ortho- gnathae und brachycephalae orthognalhae. Die erstere Bil- dung ist herrschend in dem westlichen, kleineren, dichter bevölkerten, durch höhere Cultur ausgezeichneten Theile, die letztere in dem östlichen, grösseren, dünner bevölkerten, in welchem mehrere Völker auf einer niedrigeren Gultar- stufe stehen, Schweden, Norweger, Dänen, Holländer, Zu Europa’s dolichocephalischen } Deutsche, Orthognathen gehören | Engländer (Celten), Franzosen, Irländer, Schotten, Belgier. Unter den Franzosen kommt ein nicht unbedeutender Theil Celten vor, welche sich unter den Europäern am meisten von allen Nationen seit den ältesten Zeiten und noch gegenwärtig durch die Länge des Schädels und beson- ders des Hinterhaupts auszeichnen. Ueber die Schädelform der Spanier, Portugiesen, Italiener und Griechen fehlt es mir an Kenntniss; ich vermuthe aber, dass sie zu derselben Abtheilung gehöre, als die eben genannten. Was die Schweden betrifft, so ist es ausser allen Zwei- Tel gestellt. dass sie ovale Schädel haben, mit langem Hin- terhaupt und gerader, fast Jothrechter Profillinie und wohl proporlionirten Gesichtsformen. Dass das Verhältniss bei den Norwegern ebenso ist, habe ich bei meinem Aufenthalte in Norwegen diesen Sommer Gelegenheit gehabt, zu bekräf- tigen, tleils durch Betrachtung einer Anzabl Landleute, die 272 ich auf. der Reise autraf, und theils durch die Schädelsamm- lung des anatomischen Museums in Christiania, aus welcher ich mit Erlaubniss des Vorstehers, Hrn, Dr. Heiberg, ohne Auswahl das Speeimen herausnahm, welches ich hier vor- lege. Dieser Schädel zeigt die reinste dolichocephalisch-or- thognathische Form. Ein anderer, den ieh selbst milbrachte, von einem norwegischen Krieger aus dem Mittelalter, ist im Umfang etwas kleiner, aber ganz von derselben Gestalt. Den kleinen Eindruck über dem- Hinterhauptshöcker, der ziemlich allgemein ‘bei den Schweden vorkommt und in meinem vorigen Vortrage erwähnt wurde, habe ich beim Norweger nicht gefunden. Was die celtischen Volksstämme betrifft, so hat schon Prof. Nilsson gezeigt, dass die, welche Schweden bewohn- ten, besonders lange Köpfe gehabt haben. ‘Ein in Gips ab- gegossener cellischer Schädel, den ich durch den Herrn Major Beamish aus London erhalten habe, ist durch sein langes Hinterhaupt und seine niedrige Stirn ausgezeichnet; ein anderer Celtenkopf, ebenfalls in Gips, welcher mir vom Dr. Wilde in Dublin übersandt wurde, ist auch sehr läng- licht, mit langem Hinterhaupt, Vor drei Jahren erhielt ich Besuch von einem gelehrten Franzosen, ‚dessen Schädel meine Aufmerksamkeit erregte. Die Stirnhöcker fehlten, die Slirn bildele eine schräge, nach hinten aufsteigende, etwas gewölbte Fläche bis gegen die Gränze des Hinterhauptes hin; das letztere war sehr lang und gross. Auf Befragen wegen seiner Abstammung erfuhr ich, dass seine Heimath vor uralten Zeiten von Celten be- wohnt gewesen sei. Später habe ich noch zwei andere Franzosen mit derselben Form des Kopfes angetroffen, die ebenfalls meinten, dass sie von celtischem Stamme wären. Da übrigens die Bevölkerung Frankreichs aus mehreren ver- schiedenen Stämmen besteht, und nähere Untersuchungen über ihre Schädelbildung, so viel ich weiss, nicht gemacht worden sind, so getraue ich mir nur, es als eine Wahr- 273 scheinlichkeit anzunehmen, dass die dolichocephalisch-ortho- guathische die herrschende sei. Ich muss hierbei jedoch be- merken, dass ich auch Franzosen mit sehr kurzem Schädel angetroffen habe. \ Türken, die früheren Avaren in Ing: Zu Europa’s G. brachycephalae Ungarn, orthognathae gehören Tepplsadın, Slaven, Tschuden, Basken. Seitdem ich meinen Vortrag über die Schädelform der Nordbewohner abgegeben, hat sich meine Ansicht über die Form der Slavenschädel bestätigt. Ich habe nämlich nach jener Zeit noch zwei polnische Schädel durch den Herrn Medieinalratlı Herzog in Posen und zwei czechische vom Professor Hyrtl in Prag erhalten; ferner habe ich zwei umherwandernde Slaven aus Ungarn untersucht, die alle zu der brachycephalischen Form. gehörten. Die genügendste Bestätigung aber habe ich von dem um die ethnographische Craniologie höchst verdienten Professor van der Hoeven in Leyden erhalten, ‘welcher in Briefen an den Professor Sundevall sowohl, als an mich, sagt, dass er eine grössere Anzahl sowohl russischer, als anderer slavischer, Schädel untersucht habe, die alle bestätigten, dass die Slaven Brachy- cephalen seien. Der Griechenschädel, welchen Blumen- bach in der Dec. VI. beschrieben und abgebildet hat, ist brachycephalisch; ein ‚eben. solcher aus Gips befindet sich im Museum des Carolinischen Instituls; aber ich wage nicht zu glauben, dass diese Schädel den echten griechischen Ty- ‚pus ausdrücken. Von den asialischen zum Theil mit den europäischen so nalıe verwandten Volksslämmen habe ich zwar bis jetzt Müllers Arcbiv, 1818, 18 274 wenig Kenntniss erhalten, aber mich doch überzeugt, dass alle vier Hauptformen unter ihnen vorkommen, nämlich: G. dolichocephalae ya orihog. gehören | Georgier. Samojeden, Jacuten, Buräten, ©. a ee Area, i e Zu Asiens ee en Avaren, Tschuden u. Finnen, Türken u. Perser. G.dolichocephalae ( Chinesen, progn. gehören Japanesen, G.brachycephalae ( Kalmücken. progu. gehören | Malayen. Unter den Bewohnern der Südseeinseln finden sich, so viel ich weiss, nur die drei Formen, nämlich: von G. brachycephalae orthognathae: Tagalen? (Meyen Nov. Act. Acad. caes. Leop. Carol. Tom. XVI, P. 1. p. 47.) Australier, von G. dolichocephalaeprognathae } Amboinenser (Sandi- fort Tab. cran.div.nat.) Malayen, vonG. brachycephalae prognathae ‘ Otaheitier, Papuas. Ich glaubte lange, dass die orihognathische Gesichtsform nicht unter den Bewohnern der Südsee vorkäme; aber Meyen’s Beschreibung der Tagalen und seine guten Ab- bildungen ihrer Schädel in den Nov. Act. Acad. caes. Leop. Car, T, XVI. geben Veranlassung, sie als brachycephalische Orthognathen anzusehen. Er sagt jedoch: ,„‚Nur die stark aufgewvorfene kleine Nase und der etwas hervorspringende 275 Oberkiefer möchten die Form dieses Schädels der der Euro- päischen Race nachstellen; aber mit dem Schädel der Mon- golen kann er auf keine Weise verglichen werden.“ Diese Aeusserung deutet einen niedrigeren Grad von Prognathis- mus an, welcher zwar weder aus dem Vorhergehenden in der Beschreibung, noch aus den Abbildungen hervorgeht; sie ist aber hinreichend, um Zweifel zu erwecken, wiefern diese Tagalen Orthognathen oder Prognathen seien. Da indessen die Abbildungen und auch mehrere Stellen in der Beschrei- bung für die erstere Form sprechen, so habe ich diese als die richtige annehmen zu müssen geglaubt. Unter den Schädeln von Südseebewohnern, die sich im Museum des Carolinischen Instituts befinden, ist einer von einem Murry-Australier vom Port Adelaide in Süd- Australien, welchen mein Landsmann, Capitain Waern- gren, im vorigen Jahre mitbrachte. Er ist merkwürdig wegen seiner Aehnlichkeit mit einem Negerschädel. Die Hirnschale ist, wie beim Neger, schmal und lang-oval, mit langem Hinterkopfe, die Kinnladen stehen weit vor, die Schläfen sind jedoch noch flacher und der Boden des Hin--. terhauptes ist niedriger und mehr horizontal gestellt. Die Eingebornen von Africa, obwohl aus vielen ver- schiedenen Völkerschaften bestehend, haben alle, so viel ich weiss, lang- ovale Schädel; die meisten von diesen sind Pro- gnatlhien und einige im höchsten Grade; nur wenige sind or- thognathisch. Nubier, Zu Africa's G. dolichocephalae | Abyssinier, e orthognathae gehören ) Berber u. die vormali- gen Guanchen. Alle Negerslämime, Zu Africa’s G. dolichocephalae ) Kaffern, prognathae gehören ) Hottentotten, Kopten. Neulich erhielt ich durch den Herrn Dr. E. Carlsson 18 * N 216 welcher als Oberarzt auf der schwedischen Fregatle Josephine lie nördliche Küste von Africa besuchte, einen Kabylenschä- del, dessen Länge sich zur grössten Breite wie 180:133 und zur kleinsten Breite wie 180 : 100, zur Höhe wie 180 : 156 ver- hält. Er hat eine ovale Form, aber eine breite Stirn, kleine Scheitelhöcker auf der Mitte derLinea arcuata temporalis, flache Schläfen, ein etwas abschüssiges Hinterhaupt, einen kleinen niedrigliegenden, begränzten Hinterhauptshöcker, kleine Er- höhungen für das kleine Gehirn, grosses Foramen magnunı, breite kurze Warzenfortsätze, enge, nach hinten abfallende Ohröffnungen, weite, herausstehende Jochbogen und Joch- höcker, eine breite Nasenwurzel und hoch stehende Nasen- beine, Er ist länglich-oval, zeigt aber eine Annäherung an eine brachycephalisch-viereckige Form. Im Museum des Carolinischen Instituts befinden sich vier Schädel von aegyptischen Mumien, nämlich ein Mannsschädel mit dazu gehörendem Skelett von einer Mumie, geschenkt vom Herrn Dompropste Liedman, und drei Schädel von Mumien, eingeschickt von Hedenborg. Der eine von diesen hat einem älteren Manne angehört, der zweite einem älteren, und der dritte einem jüngeren Frauen- zimmer. Der letztere war schon skeleltirt, als ich ihn er- hielt; die beiden anderen waren mit den natürlichen Be- deekungen umgeben und ausserdem mit Binden von Baum- wollenzeug umwickelt und mit einer dicken Lage von schwarzem Harz überzogen. Der von Hedenborg geschenkte Männerschädel war ausserdem noch an mehreren Stellen im Gesichte mit Blattgold vergoldet. Das Haar auf den Männerschädeln war abgeschnitten, auf dem des Frauenzim- mers war es noch vorhanden, +4 Elle lang, fast gerade, etwas lockig und ziemlich fein. Bei allen dreien war es hell-castanienbraun. Alle vier Schädel waren von länglich- ovaler Form, mit grösserem Umfange als beim Neger. Bei den Männerschädeln verhielt sich die grösste Länge zur grössten Breite wie 1: 1,37; die Stirn ist schmal, der 277 Scheitel gut gewölbt, die Schläfen sind flach, die Parietal- knochen von dem Scheitel nach hinten lang abhängig; das Hinterhaupt lang und schmal. Der eine Mannsschädel hat ein grosses Interparietalbein. Der Hinterhauptshöcker geht einen Zoll hinter die Protuberantia oceipitalis, welche bei beiden Männerschädeln einen grossen Zacken bildet. Das Conceptaculum cerebelli ist klein und liegt horizontal. Die Linien der Nackenmuskelansätze sind bei allen stark ausge- drückt. Die Warzenfortsätze sind gross, das Hinterhaupts- loch ist eirund, mittelmässig; die Jochbeine, die Jochbogen, die Augenhöhlen und die Wangengruben sind wie beim Ne- ger, aber die Nasenwurzel ist aufgerichtet, wie bei einem Europäer; der untere Nasendorn, welcher beim Neger nicht selten fehlt, ist sehr gross und vorstehend, der Abstand des Nasendorns vom Alveolarrande gross; die Zahnlade gross, die Alveolarränder sind hervorstehend; die Zahnwurzeln lang; die Zähne bei dem einen von derselben Form, wie bei den Europäern im Allgemeinen. Bei zweien der ande- ren sind die Kronen bis an die Hälse abgenutzt. Der Un- terkiefer ist nicht hoch, das Kinn schmal, aber abgestutzt, der Alveolarrand nach vorn etwas hervorragend. Die Män- nerschädel sind mehr als gewöhnlich dick und stark gebaut. Man kann von diesen Schädeln dasselbe sagen, was Pri- chard von einem Mumienschädel im Hunterian- Museum sagt, dass „die Form europäisch ist, mit Ausnahme der Al- veolarränder, die mehr vorstehend sind.“ Demzufolge, was ich nach der macerirten Haut finden zu können geglaubt habe, ist deren Farbe, meiner Meinung nach, chocoladen- braun gewesen. Nach dem, was ich auf diese Weise bei den vorhandenen Schädeln gefunden, verglichen mit den An- gaben anderer Schriftsteller, glaube ich, dass jene Kopten oder den uralten Einwohnern Aegyptens angehört haben. Die Volksstämme von America bieten für die in Rede stehende Classifieation ein grosses Interesse dar, theils weil sie noch fast alle in ihrem Naturzustande leben, theils wegen der Menge ihrer verschiedenen Sprachen uud Stämme. 278 Desmoulins sowohl, wie mehrere ältere und neuere Schrift- steller, betrachten die Americaner als eine Varietät oder Race. Bory de St. Vincent nimmt 2 Arten von Ameri- cauern an, nämlich Columbier und eigentliche Americaner, die erstern Nordamerica bis zum Aequator, die letztern den übrigen Theil von Südamerica bewohnend. Meyen rech- net ebenfalls zwei americanische Racen auf, nämlich eine nördliche und eine westliche, die Caraibische, und eine öst- liche, die er den Küstenstamm nennt. Morton theilt eben- falls die Americaner in 2 grosse Abtheilungen, nämlich eine im Lande ursprüngliche, welche er die Americanische, und eine eingewanderte, welche er die Toltekanische nepnt. Zu der Americanischen rechnet er alle barbarische Natio- nen, mit Ausnahme der Eskimos, die er Polar- Mongolen nennt und für Bastarde von den Teppewähs und Mongolen hält. Diese eigentlichen Americaner theilt er wieder in drei Hauptfamilien, die Apalachische oder Nordamericanische, die Brasilianische oder nördlich - südamericanische und die Pa- tagonische oder südlich -südamericanische., Zu der Tolteka- nischen rechnet er die Völker, welche schon vor der Eut- deckung America’s organisirte Staaten bildeten, einen gewis- sen Grad von Cultur besassen und denen man die Errich- tung der merkwürdigen antiken Gebäude zuschreibt, welche man noch als Ruinen in Mejico, Yucatan, Guatimala, Peru u. s. w. findet. Ein anderer berühmter Naturforscher, d’Or- bigny, der mehrere Jahre in Südamerica lebte, nimmt al- lein für diesen Theil der neuen Welt drei Racen an, näm- lich die Ando-peruvianische, die Pampeanische und die Bra- silio-guaranische. Der neueste Schriftsteller, Dr. Tschudi, welcher auch mehrere Jahre hindurch in Süd- America ger lebt hat, giebt blos für Peru und Bolivia drei Racen von Ureinwohnern an, nämlich die Chincas oder Incas, Perus Küstenrace, die Aymaras oder Gebirgsbewohner auf dem Peru-bolivianischen Plateau, südlich von Azangara, und. die Huanchas, welche die Gebirgsgegend um den Titicaca -See wischen Peru und Bolivia bewohnen. 279 Es würde hier zu weitläufig werden, zu Tage zu legen, dass von diesen 6 verschiedenen Eintheilungen der america- nischen Volksstämme nicht 2 mit einander übereinstimmen. Die einzige, welche auf den Bau der Schädel gegründet ist, ist die letzte von Tschudi; in den übrigen fünf findet man unter ein und derselben Race oder ein und demselben Stam- me verschiedene Formen zusammengeführt. In keinem anderen Welttheile zeigt die Bildung der Hirnschale so viele bestimmte Formverschiedenheiten, in kei- nem mehr und grössere Extreme, und nirgends sind die verschiedenen Nationen so um einander her zerstreut. So erhielt ich z. B. vor einigen Jahren vom Professor S. Lo- ven den Schädel eines Südpatagoniers, welcher durch seine Länge, Niedrigkeit und seitliche Zusammendrückung ausge- zeichnet ist; der Angabe nach soll diese Form in dem süd- lichen Magelhanslande die herrschende sein, da hingegen die nächsten Nachbaren dieses Volks, die Pampeaner oder Puel- ches, kurze, breite und mehr bohe Schädel haben. Welcher Anatom oder Ethnograph hat nicht seine Aufmerksamkeit auf die langnackigen, schmalen und an der Stirn niederge- drückten Peruaner-Schädel gerichtet, ınit denen uns Pent- land und Tiedemann zuerst bekannt machten, und wel- che, was man aus Tschudi's Abhandlung ‚Ueber die Ur- einwohner von Peru“ (Müller’s Archiv, 1844, H. 2.) schlies- sen kann, den noch im Departement Junin vorkommenden, von ihm sogenannten Huanchas angehört haben, die in der Nähe der ganz entgegengesetzien brachycephalischen Chin- chas-Race leben. In Georgien, Florida und Missisippi kom- men die wegen der Kürze und Höhe ihrer Schädel ausge- zeichneten Creeks- und Natches-Indianer, gränzend an, die dolichocephalischen Tscherokesen, vor. Auch in den nörd lichen Theilen von Canada kommen brachycephalische Stäm- me vor, gränzend an die dolichocephalischen Eskimos. Ich muss beklagen, dass ich nur einige Nordamericani- sche Schädel zu untersuchen und erst in diesen Tagen Mor- ton’s kostbares Werk „Crania Americana“ durchzuse- 280 hen Gelegenheit genabt habe, welches in grosser Pracht den Reichthum an variirenden Schädelformen bei den Americani- schen Völkerschaften an den Tag legt. 1 Von Südamericanischen Schädeln habe ich drei Speci- mina von Aymaras-Peruanern, zwei von den sogenannten Incas- Peruanern, zwei Botokudenschädel, von denen einer vom Hrn. Freireis in Rio de Janeiro eingesandt worden ıst, mehrere Caraibenschädel, drei Araucanische, einen’ Char- shuas-, einen Puelchesschädel, hergeschickt aus der Stadt Patagones in der Republik Buenos-Ayres von dem den Na- turwissenschaften eifrig ergebenen Schwedischen und Nor- wegischen General-Consul in Montevideo, Hrn, Tarras, und einen Südpatagonierschädel, den, wie vorher erwähnt ward, vom Prof. Sv. Loven geschenkten; dabei habe ich zur Vergleichung Blumenbach’s ‚‚Decades craniorum,“ Sandifort's vortrefliche „‚Tabulae craniorum diversarum gentium‘ u. m. a. benutzt. Nach dem, was ich aus diesen Materialien habe schlies- sen können, müssen die Americanischen Volksstämme nach der Form der Schädel auf folgende Weise geordnet werden: Grönländer u. Eskimos, Kaluschen, Tscherokesen, Chippeways, Irokesen, IHuronen, Tschikkesah, Cayugas, Ollogamis, G. dolichoce- Pollovalameh, phalae pro- Lennilenape, gnathae Blackfoot - Indianer. Botokuden, Caraiben, Guaranis, Aymaras, Huancha, Südpatagonier. Americae septentrio- nalis - - - - ‚Americae meridionalis 281 atches, Creeks, Americae septentrionalis sSemiolen, Puchee, Klatstoni. Charrhuas, uelches, G. brachyce- phalae pro- gnathae ‚Americae meridionalis ‚Araucaner, Neuperuaner. G. brachyce- Americae septentrionalis — Azteken in Mejico ? phalae or- thognathae (Americae meridionalis — Chincas in Peru? Ueber die Schädel der Peruaner, die von mehreren Na- turforschern untersucht worden sind, herrscht eine beson- dere Verschiedenheit in den Angaben; ich erlaube mir da- her, einige Worte über diese besonders auszusprechen. Meyen (Nov. Act. Acad. caes. Leop. Car., Tom. X VI.) bildet mehrere brachycephalisch- prognathische Peruanerschä- del ab, welche er als den Ureinwohnern des Landes ange- hörend gewesen betrachtet. Morton (Froriep’s N. Noti- zen, Bd. XV. No. 13 u. fl., Fig. 14) stellt auch einen sol- chen unter dem Namen eines „‚alten Peruaners‘‘, aber zugleich eine andere, nahe verwandte Form unter dem Na- men Neuperuaner (l. c. f. 15.) dar. D’Orbigny führt 4 Peruaner-Nationen an, nämlich Quinquas oder Incas, Ay- maras, Atacamas und Changos; aber nach seinen Angaben haben alle längliche Köpfe und sind, so viel man nach der Beschreibung schliessen kann, prognathischh Tschudi nimmt auch 4 Peruaner-Völker an, die er Racen nennt; von diesen sind aber nur 3 Urracen und die vierte ist hy- brid. Zwei von diesen sind brachycephalische und zwei dolichocephalische. Die brachycephalischen sind die Chin- chas und eine Bastardform von diesen, die nun grossentheils Peru's Küstenbewohner ausmacht; die letzteren sind Ayma- ras und Huanchas. Im Museum des Carolinischen Instituts 282 befinden sich drei Formen von Peruaner- Schädeln, nämlich eine kurze unter dem Namen Inca, eine ovale, dolichoce- phalisch -prognathische, deutlich D’Orbigny’s und Tschu- di's Aymaras, und eine mit ungewöhnlich langem Hinter- haupt und niedriger Stirn, auch dolichocephalisch - progna- thisch, nach Pentland aus dem Huacas-Lande. Ich habe diese Exemplare lange Zeit als typisch für die Schädel der Peruaner angesehen, blieb aber dabei immer in Ungewiss- heit, da ich bei den Naturforschern, die das Land besucht hatten, so verschiedene Angaben fand... Um so willkomm- ner war mir Tschudi’s Erforschung dieser Partie. Dieser Schriftsteller nimmt nämlich, wie oben bemerkt ward, drei Urformen an, eine brachycephalische, Chinchas, und zwei dolichocephalische; eine gewöhnlich ovale, Aymaras, und eine ausgezeichnet länglich- ovale, Huanchas. Tschudi hat sich theils längere Zeit im Lande aufgehalten, theils die un- vermischten Stämme aufgesucht, und giebt an, auf welche Weise die gemischten entstanden sind. Er bemerkt somit nach guten historischen Gründen, dass der Aymara-Stamm, von welchem die Herrschaft der Peruanischen Könige aus- ging, zuerst die Huanchas und dann die Chinchas unter- jochte; dass die unterjochten Stämme mit den siegenden vermischt wurden und ihre Sprache, Religion und Sitten annahmen. Daraus sind Bastarderzeugungen und Variatio- nen nach drei verschiedenen Richtungen hin entstanden, und es ist klar, dass die reisenden Forscher bei so verwiekelten Verhältnissen in ihren Schlüssen leicht irre geführt werden konnten. Es scheint, dass Tschudi vorzugsweise durch die Gestalt der Schädel sich hat leiten lassen, und es ist ibm wahrscheinlich desshalb geglückt, einen Gegenstand aus einander zu setzen, der in eihnographischer Hinsicht von eben so grossem Interesse ist, als die Spuren einer vergan- genen Cultur und Geschichte Aufmerksamkeit erwecken, Pentland's, Bellamy’s und Mehrerer Ansicht, dass die sehr längliche, flachstirnige peruanische Schädelform na- türlich, nicht durch Kunst, hervorgebracht sei, wie D’Or- 283 bigny und Mehrere behaupten, wird von Tschudi bestä- tigt. Ich heile ebenfalls Pentland’s Ansicht und habe mich vor einiger Zeit an einer andern Stelle für diese Mei- nung ausgesprochen, (Öfversigt afK, Vet. Akad.’'s förhandl., 1844, Nr. 3, pag. 40. *) In die obige Aufstellung der Americanischen Völker- schaften habe ich die Azteken und Chinchas aufgenommen; aber ich setze bei ihnen ein Fragezeichen, weil ich über das Verhalten nicht sicher bin. D’Orbigny's Quinquas haben | die Kieferbeine mehr vorstehend, als die Caucasier (L’Homme Americain, T.L., p. 274). Dasselbe Verhalten scheint bei den Aymaras u: a. der Fall zu sein. Meyen’s brachyce- phalische Peruaner sind auch prognathisch. Tschudi's Chinchas sind dagegen, nach seiner Beschreibung und Zeich- nung, orihognathisch, und dasselbe ist der Fall mit dem Inca-Schädel von London in unserm Museum. Bei den Az- teken habe ich mich uur auf die flüchtigen Angaben der Rei- senden gestützt. Durch das nun Angeführte dürfte es als bewiesen be- trachtet werden können, dass in Europa die dolichocepha- lisch- und brachycephalisch - orthognathischen Formen die ein- zigen sind, welche vorkommen, und zwar in fast gleicher Anzahl, In Asien finden sich alle vier Formen, wie ich glaube, in einigermaassen gleicher Menge. Auf den Inseln der Südsee kommen drei Formen vor, von welchen die doli- chocephalisch- und brachycephalisch - prognathischen die herr- schenden und wahrscheinlich fast gleichzählig sind, und we- niger allgemein die brachycephalisch- orthognatischen. - In Africa ist die dolichocephalisch -prognathische Form die herr- schende im grössten Theile dieser grossen Halbinsel; dahin- gegen die dolichocephalisch-orlhognathische nur in einem kleinern Theile dieses Welttheils vorkommt. In America wechseln die dolichocephalisch- und brachycephalisch - progna- *) Uebersetzt: Hornschuch’s Archiv skand, Beiträge z. Natur- gesch., Th. L, S. 151. 284 thischen Formen, als zahlreichste und einander das Gegen- gewicht haltende ‚ab, indem sie eine geringere Anzahl brachy- cephalischer Orthognathen unter sich einschliessen. Ueberhaupt scheint der Orthognathismus, in Asien hei- misch, Europa zu seinem eigentlichen Stammsitz erwählt zu haben, und der Prognathismus die übrigen Welttheile. Merk- würdig ist es, dass seit den ältesten Zeiten die gerade, loth- rechte Gesichtslinie die edelsten Stämme des Menschenge- schlechts ausgezeichnet hat und, so zu sagen, die Begleite- rin der Cultur, der Prognathismus dagegen im Allgemeinen ein Bundsverwandter der Wildheit, Rohheit und des Heiden thums gewesen ist. In wie fern diese Formen als primitive, oder als Abarten einer gemeinschaftlichen primären Form anzusehen seien, mus ich für diesmal unbeantwortet lassen. Br: Ueber die Koagulation des Eiweisses. Von NATHANAEL LIEBERKÜHN. Simon sagt in seiner medicinisch-analytischen Chemie Th. 1. S.56: „Das koagulirte Eiweiss quillt in Essigsäure zu einer Gallerte auf und wird alsdann vom Wasser lang- sam, leicht aber nach Berzelius beim Erwärmen gelöst. Mir wollte diese Lösung nicht gelingen, selbst nicht, wenn ich koagulirtes Eiweiss anhaltend mit concentrirter Essig- säure digerirte oder kochte und dann mit erwärmtem Was- ser behandelte. Ich erhielt stets nur Spuren von aufgelöstem Eiweiss; grössere Mengen aber bei anhaltender Digestion oder beim Kochen mit verdünnter Essigsäure.‘ Berzelius hat die Gallerte näher untersucht (Lehrbuch der Chemie, Th. IX. 5. 38) und gefunden, dass beim Verdunsten der Lösung derselben in der Wärme die Essigsäure weggeht, die Flüs- sigkeit sich mit einem Schaum bedeckt und nach einer ge- wissen Concentration zu einer Gallerie oder zu einer gelati- nösen Masse erstarrt, die nach vollständigem Austrocknen in Wasser nicht wieder auflöslich ist. Der trockne Rück- etand ist nach ihm koagulirtes Albumin. Neuere Untersu- churigen sind, soviel uns bekannt, über diesen Gegenstand nieht vorhanden. Das abweichende Resultat der Versuche 286 beider Chemiker wurde Veranlassung, das Verhalten des Eiweisses gegen Essigsäure, und der Verlauf der eigenen Un- tersuchungen, auch das Verhalten desselben gegen einige an- dere Substanzen zu erforschen. Es hat sich dabei Folgen- des ergeben. Verhalten des Eiweisses gegen Essigsäure. Albumin von Hühnereiern wurde, nachdem es mit glei- chen Theilen Wasser verdünnt und durch ein feines Filtrum fültrirt war, mit gerade so viel Essigsäure übergossen, als die wässrige Lösung betrug, und die Mischung umgeschüt- tel. Nach einiger Zeit (manchmäl schon gleich bei dem Zusetzen der Essigsäure, andere Male erst mehrere Stunden nachher) wurde die Substanz dickflüssiger, ohne sonst ihr Aussehen zu ändern und wandelte sich allmählig zu einer durchsichtigen hellen Gallerte um, die nicht mehr aus dem Reagirglase floss, wenn man dasselbe umkehrte und schüt- telle; wenn das filtrirte Eiweiss, was zum Versuch ver- wendet wurde, längere Zeit gestanden hatte und etwas trübe geworden war, so sah die Gallerte bläulich aus, war aber imnier noch. sehr klar. Inmitten der Masse waren meist Gasblasen zu sehen, die durch die Gelatinalion am Entwei- chen verhindert wurden. An der Spirituslampe vorsichtig erhitzt, löste sich diese Gelatine unter Kochen zu einer was- serhellen farblosen Flüssigkeit auf, welche sogleich beim Er- kalten wieder gestand und den ursprünglichen Zustand an- nahm. Die Auflösung mochte beliebig oft wiederholt wer- den, immer trat die Gelatination beim Erkalten wieder ein, und es gelang nicht, durch häufige Wiederholung des Auf- lösens diese Eigenschaft aufzuheben. Die Gelatination trat auch ein, wenn die mit Essigsäure versetzte Albuminlösung sogleich gekocht wurde; es bedurfte alsdann immer nur sehr kurzer Zeit, indem sogleich beim Erkalten die Substanz ge- stand. Sie zeigte dieselben Eigenschaften, wie die in der Kälte dargestelltee Man bemerkt: sogleich den Beginn der Gelatination, wenn nach dem Umschütteln der Mischung die 287 “ Gasblasen sehr langsam an die Oberfläche zu steigen anfan- gen. Einigemal entstand die Gelatination erst nach einigen Tagen, sowohl bei der kalten als bei der warmen Darstellung. Es scheinen die Verhältnisse der Concentration der Lösun- gen alsdann andere gewesen zu sein. Unter diesen Umstän- den war die Gelatine oft nicht so fest, dass sie noch beim Umkehren des Reagirglases an den Wänden desselben fest- gehalten hätte. War die Eiweisslösung um vieles schwä- cher oder wurde sie mit viel weniger Essigsäure versetzt, als vorher angegeben ist, so erstarrie sie weder in der Kälte, noch nach dem Erhitzen. Zuweilen gelang die Darstellung in der Kälte nieht, obwohl die Lösung mehrere Tage sich überlassen wurde und dennoch gelatinirte dieselbe Lösung sogleich, als sie gekocht war. Die Ursache hiervon ist uns unbekannt geblieben. In der Hitze koagulirtes Albumin wurde noch feucht mit viel Essigsäure versetzt und gekocht; es löste sich zu einer weisslichen, fast durchsichtigen Flüssigkeit auf, welche auch beim Erkalten sofort gestand, wenn die Verhältnisse richtig getroffen waren; war diess nicht der Fall, sondern 2. B, zu viel Essigsäure zugesetzt, so entstand keine Gelatination, sondern es bildete sich eine dickliche Flüssigkeit, welche leicht aus dem Glase ausfloss, sobald dasselbe umgekehrt wurde. Durch Hitze koagulirtes und an der Sonne getrocknetes Eiweiss ist gleichfalls zum Versuch geeignet, nur dauert es in diesem Falle sehr lange, ehe man durch Kochen mit Es- sigsäure die vollständige Lösung erreicht. Ist diess gesche- hen und nicht zu viel Essigsäure angewendet, dann bildet sich sofort nach dem Erkalten die helle durchsichtige Gela- tine, welche dieselben Eigenschaften hat. als die zuerst be- schriebene. Wenn man getrocknetes koagulirtes Eiweiss mit con- eentrirter Essigsäure versetzt und kocht, so quillt es auf und bildet eine gallertartige durchsichtige Masse, in der man jedes Stück des angewendeten Eiweisses noch wieder 288 erkennt. In diesem Zustande löst es sich beim Kochen in Wasser sehr langsam und wohl nie ganz vollständig auf, und trocknet beim Erhitzen ein, wenn die Flüssigkeit zuvor abgegossen wird. Was Simon von seiner Gallerte angiebt, passt alles auf diesen Zustand. Berzelius muss die eigent- liche Gelatine vor sich gehabt haben: denn nur diese ist in kaltem Wasser etwas, in warmem sehr leicht löslich. Um diese zu gewinnen, muss man die Gallerte immer noch fer- ner mit Essigsäure behandeln, bis sie sich auflöst. Zur Ge- latination ist flüssiges Eiweiss nothwendig; festes, mag es koagulirt oder nicht koagulirt sein, muss erst aufgelöst wer- den; die davon unterschiedene Gallerte ist eine Aufquellung des festen Eiweisses und kann aus flüssigem unmittelbar nicht dargestellt werden. Die Gelatination ist eine Veränderung des flüssigen, die Gallertbildung eine Veränderung des festen Eiweisses. Ihr charakteristischer Unterschied liegt darin, dass die eine sich beim Erwärmen auflöst und wieder beim Erkalten erstarrt, während die andere eintrocknet, so wie sie erhitzt wird. Die Abweichung in den Referaten von Berzelius und Simon findet hierin ihre mehr als wahr- scheinliche Erklärung. Beide haben richtig beobachtet, aber Simon hat etwas Anderes unten und geglaubt, das- selbe untersucht zu haben. Getrocknetes, unkoagulirtes Eiweiss ist noch nicht un- tersucht worden. Indessen werden diese Versuche durch eine Beobachtung überflüssig gemacht, die späterhin wird auseinandergesetzt werden. Die Versuche gelingen sowohl mit gereinigtem, als mit ungereiniglem Eiereiweiss; die mit Blutserum in der Wärme angestellten hatten dasselbe Resultat; es wurde ei nur halb so viel Säure angewandt. Es pflegt bei der Charakteristik des Leims und Chon- drins auch diess als Merkmal angegeben zu werden, dass sie erwärmt flüssig. werden und erkaltet wieder erstarren. Um dieses Merkmal wird der Charakter des Leims und Chon- drins durch die angeführten Beobachtungen ärmer: denn auch 289 das essigsaure (?) Albumin wird gerade so wie diese beim Erwärmen flüssig und beim Erkalten wieder fest. Verhalten der Gelatine gegen Lösungsmittel und Reagentien. In dem Verhalten gegen Lösungsmittel wie gegen Rea- gentien bleibt sich die Gelatine vollkommen gleich, mag sie aus festem oder flüssigem’ Eiweiss, mag sie in der Hitze oder in der Kälte dargestellt sein. Wasser löst dieselbe in der Kälte nur sehr langsam auf. Schüttelt man die mit Wasser versetzte Substanz in einem Reagirgläse, so sieht man sie fein verlheilt in der ganzen Flüssigkeit, welche dadurch ihre Durchsichtigkeit verliert. Filtrirt man jetzt, so weisen die erforderlichen Reagentien nar eine geringe Menge Eiweiss in der abfiltrirten Flüssig- keit nach. Durch Kochen geschieht die Lösung schnell; die Flüssigkeit erscheint dann wasserhell, gesteht aber beim Er- kalten nicht wieder, wie auch keine Gelatination zu erzie- len wäre, wenn man von vorn herein das Wasser in sol- ehem Verhältniss anwenden würde. Alkohol verändert in der Kälte die Gelatine nicht; wird sie durch Umschülteln fein im Alkohol vertheilt und ge- kocht, so werden die vorher durchsichtigen Theilchen an- scheinend trüber. Aether zeigt nichts Bemerkens werthes. Setzt man zu der Gelaline concentrirte Schwefelsäure, so verändert sie ihr äusseres Ansehn nicht, indem sie all- mählig zu der Flüssigkeit aufgelöst wird, in die Schwefel- säure jedes Eiweiss überführt. Man kann den Process un- terbrechen und findet alsdann den noch nicht von der Schwe- felsäure aufgelösten Theil ebenso klar und durchsichtig, als bevor er mit der Schwefelsäure in Berührung war. Die Einwirkung wird durch Erhitzen befördert. Zuweilen macht die Schwefelsäure die feste Substanz, ehe sie dieselbe auf- löst, erst auf der ganzen äussern Oberfläche trübe und weiss- Müllers Archiv 1818. 19 290 lich. Es gelang bis jetzt nicht, aufzufinden, von welchen Umständen dies abhängig ist. Concentrirte Salpetersäure macht die Masse trübe, so wie sie mit ihr in Berührung kommt, löst sie aber nur durch Kochen vollständig auf. Kaliumeiseneyanür verändert sie in der Kälte gar nicht. Die durch Erhitzen gelöste Substanz zeigt gegen Rea- gentien dasselbe Verhalten, wie wenn flüssiges Eiweiss mit Essigsäure versetzt und vor der Gelatination untersucht wird. Durch anhaltendes Kochen wird keine Veränderung hervor- gerufen, Verhalten der Gelatine nach Verdampfung der Essigsäure. Die Gelatine mag dargestellt sein in welcher Weise sie will, der durch Verdampfung entstandene Rückstand verhält sich immer in gleicher Weise. Die Essigsäure verdampft ganz, sowohl durch Erwärmung, als in der Kälte. Jedoch ist es zweckmässig, für letzteren Fall die Substanz fein zu vertheilen, z. B. durch Ausbreiten auf einer Glasplatte. Die zurückbleibende trockene Masse ist koagulirtes Eiweiss. Ihr Verhalten gegen Lösungsmittel und gegen Reagentien ist das- selbe, wie das des reinen koagulirten Albumins. Nur das Eine ist bemerkenswerth, dass die in der Kälte dargestellte Gelatine einen im Wasser unlöslichen Rückstand beim Ver- dampfen in der Kälte hinterlässt. Das unkoagulirte Eiweiss kann also auf diese \Veise durch Essigsäure ohne Erwär- mung in koagulirtes verwandelt werden, Es lässt sich diess noch auf eine andere Art erreichen, Es wurde an der Sonne getrocknetes, in kleine Stücken zertheiltes, unkoagulirtes Eiereiweiss mit Essigsäure übergossen und mehrere Tage da- mit in einem verschlossenen Gefässe aufbewahrt, Dann wurde die Essigsäure entfernt und das zurückgebliebene, ein wenig aufgequollene Eiweiss so lange mit Wasser ausge- waschen, bis blaues JLackmuspapier nicht mehr 'geröthet 231 wurde. Das Eiweiss hatte jetzt seine Löslichkeit verloren, es war geschmacklos und geruchlos und wurde überhaupt kein Unterschied zwischen ihm und in der Hitze koagulir- tem Eiweiss aufgefunden. Alkohol, der mit unkoagulirtem Eiweiss eine gleiche Zeit in Berührung gewesen war, äus- serte keinen derartigen Einfluss. Verhalten der Gelatine nach dem Auswaschen mit Wasser. So wie durch Verdampfung geht auch die Essigsäure durch Ausspülen mit Wasser fort. Die durch Essigsäure in der Kälte dargestellte Gelatine wurde durch Schütteln im einem Reagirglase in viele Theilchen zertheilt und auf ein Filtrum gebracht. Bei'm ersten Auswaschen ging etwas ge- löstes Eiweiss mit durch, als diess aber so weit vorgeschrit- ten war, dass die durchgehende Flüssigkeit nur noch schwach säuerlich schmeckte, wies Salpetersäure keine Spur mehr davon nach. Die Substanz wurde so lange ausgewaschen, bis blaues Lackınuspapier nicht mehr vom Filtrat geröthet wurde. So wurde sie noch feucht vom Filtrum in ein Reagir- glas gebracht. Sie sah kleisterähnlich aus, gerade so, wie es Denis-nach Löwig von dem durch Neutralisation mit Essigsäure aus der wäss’rigen Eiweisslösung hervorgerufenen Niederschlag beschreibt. In kochendem Wasser konnte sie eben so wenig wie in kaltem aufgelöst werden. Nach dem Kochen wurde sie anscheinend trüber. In Essigsäure quillt sie auf, löst sich allmählig beiim Erwärmen und gesteht bei'm Erkalten wieder, und verhält sich überhaupt gegen Lösungsmittel und Reagenlien wie koagulirtes Eiweiss. Wurde sie immer noch feucht vom anhängenden Wasser über der Spirituslampe erwärmt, so trocknete sie ein. Bei der allmähligen Entfernung des die Eiweisstheilchen suspen- direnden Wassers trat die Identität mit geronnenem Eiweiss auch in dem äussern Ansehn erst recht hervor. Die Auf- 19 * 292 lösung in kaltem Wasser wurde mit demselben Präparat zu oft wiederholten Malen, aber immer vergeblich versucht. Es pflegt als Eigenschaft des löslichen Eiweisses ange- geben zu werden, dass Essigsäure es nicht koagulire. Wenn der Begriff, den Berzelius vom koagulirten Eiweiss auf- stellt, festgehalten werden soll, so ist diess offenbar falsch: denn die Essigsäure macht das im Wasser lösliche Eiweiss ohne Anwendung jeder Wärme so unlöslich oder schwer löslich, wie das Kochen. Indessen ist dieser Begriff nicht streng, insofern das koagulirte Eiweiss immer etwas löslich ist, und auch darum nicht ausreichend, weil die Ursachen des Unlöslichwverdens, also der Prozess der Koagulation selbst, noch völlig im Verborgenen liegen. Es fragt sich noch, hat Berzelius hinreichende Gründe, die durch Essigsäure ent- stehende Gallerte und Gelatine für essigsaures Eiweiss aus- zugeben? Was dafür spricht, führt Berzelius nicht an. Es. war ihm bekannt, dass die Essigsäure durch Verdampfen in der Wärme fortgeht und das Eiweiss in demselben Zu- stande zurückbleibt, wie es angewendet war, nämlich als koagulirtes Eiweiss. Mit unkoagulirtem scheint er keine bierher gehörigen Versuche angestellt zu haben, Weitere Versuche haben nun ergeben, dass die Essigsäure auch durch Auswaschen mit Wasser entfernt werden kann,. dass ge- trocknetes unkoagulirtes Eiweiss durch die blosse Berührung mit Essigsäure unlöslich wird und endlich, wie später ge- nauer mitgetheilt werden wird, dass Citronensäure, Wein- säure eine ähnliche Gelatine hervorrufen, die nach dem Ver- dampfen des Wassers das Eiweiss und die Säure so zurück- lüsst, dass diese durch Uebergiessen mit kaltem Wasser ohne Weiteres entfernt werden kann. Es wäre die Frage, ob Berzelius sich auch jetzt noch für eine Verbindung ent- scheiden würde. Und sind das nun verschiedene Verbindun- gen des Eiweisses mit der Essigsäure, die schwer lösliche Gallerte und die so leicht lösliche Gelatine? Es gelang noch 293 nicht, durch Auspressen die Essigsäure aus der Gallerte oder Gelatine zu entfernen. Verhalten des Eiweisses gegen Weinsäure, Eiereiweiss von der oben angegebenen Consistenz wurde mit gerade der Hälfte concentrirter Weinsäure versetzt und gekocht. Einige Minuten nach dem Erkalten der vollkom- men klaren Lösung gestand dieselbe und zeigte in ihrem äusseren Ansehen keine Abweichung von der durch Essig- säure bewirkten Gelatine. Durch Erwärmen über der Spi- rituslampe wurde sie zu einer wasserhellen Flüssigkeit auf- gelöst, und beim Erkalten ging sie allmählig wieder in Er- starrung über. Die Auflösung wurde vielfach wiederholt, die Gelatination trat immer wieder ein, Es wurde filtrirtes Eiweiss ohne Zusatz von Wasser mit der halben Menge eoncentrirter Weinsäure versetzt und so aufbewahrt. Nach - acht Tagen war ein geringer Niederschlag zu Boden gefal- len, eine Gelatination aber nicht eingetreten. Dieselbe ent- stand aber sogleich, als die Substanz bis zum Kochen er- hitzt wurde. In einem andern, noch nicht näher zu bestim- menden Verhältnisse gelang es, auch in der Kälte das Ei- weiss zur Gelalination zu bringen. Die Versuche mit rei- nem getrockneten koagulirten Eiweiss blieben bis jetzt ohne Erfolg; es schwoll' nur die Masse auf und wurde ziemlich durchsichtig, löste sich aber beim Erwärmen nicht auf. Auch hier zeigt sich also ein Unterschied zwischen den bei- den Gallertarten, von denen die eine, wie schon vorher ge- schehen ist, der Kürze halber Gallerte und die andere leicht lösliche und der wiederholten Erstarrung fähige Gelatine ge- nannt werden soll. Wurde das Wasser aus der in der Kälte dargestellten Gelatine an der atmosphärischen Luft verdampft, so liess sich aus der fast trockenen Masse die Weinsäure leicht auswaschen und das Eiweiss blieb als in Wasser un- lösliches zurück. Es versteht sich von selbst, 'dass diess auch der Fall war, wenn die Darstellung durch Kochen 294 uud wenn sie aus getrocknetem koagulirten Eiweiss geschah. Aber auch unmittelbar kann man die Gelatine von. der. Wein- säure durch Wasser befreien; es bleibt dann in allen Fällen koagulirtes Eiweiss zurück. Nicht koagulirtes Eiweiss löst sich in Weinsäure beim Schütteln auf, und wenn man so viel Eiweiss verwendet, als die Weinsäure aufzunehmen ver- mag, so gesteht die erwärmte Masse schon, ehe sie sich völlig abgekühlt hat. Es wurde getrocknetes unkoagulirtes Eiweiss mit concentririer Weinsäure einen Tag in Berüh- rung gelassen und hierauf die Weinsäure so viel als möglich entfernt. Das Eiweiss war trübe geworden und hatte seine Löslichkeit zum grössten Theil eingebüsst. Der Versuch ist hier‘ weit schwieriger, als. mit der Essigsäure, weil die Wein- säure nicht so. schnell fortgeht. Die Gelatine und ihre Lö- sungen verhalten sich gegen Reagentien, wie die Essigsäure- gelatine und deren Lösungen mit Ausnalime von dem, was die Weinsäure als solche von der Essigsäure unterscheidet. Verhalten des Eiweisses gegen Citronensäure. Dieselbe Eiweisslösung wurde mit Citronensäure in denselben Verhältnissen wie mit der Weinsäure versetzt. Nach mehrtägigem Stehen war die Gelatination' eingetreten, welche in ihren Eigenschaften nicht wesentlich von der durch. Essig- und Weinsäure erzeugten abwich. Das äus- sere Ansehn war dasselbe. Sie löste sich leicht beim Ko- chen auf und die Lösung war gleichfalls wasserhell und durchsichtig. Die Gelatination erscheint weit schneller, wenn man die Mischung erwärmt. Mit festem Eiweiss sind noch keine Versuche angestellt worden. Das durch Citronensäure in der Kälte gelatinirte. Ei- weiss-wurde auf einer Glasplatte fein verllieilt und an der Luft getrockuet. Es blieb eine durchsichtige, glashelle, et- was klebrige Masse zurück, aus der sich die Citronensäure durch Wasser vollständig ausspülen liess. Das Eiweiss blieb in feinen Häutchen zurück, die nicht vom. Wasser. angegrif- 295 fen wurden und wiederum getrocknet ein gleiches Ausseln und dasselbe Verhalten, wie getrocknetes koagulirtes Eiweiss zeigten. Zum getrockneten, nicht koagulirten Eiweiss ver- _ hält sich die Citronensäure wie die Weinsäure. Auch über die Eigenschaften der Gelatine ist nichts Abweichendes an- zuführen. Das As waschen mit Wasser entfernte alle Ci- tronensäure und liess nur koagulirtes Eiweiss auf dem Fil- trum übrig. Verhalten des Eiweisses gegen Phosphorsäure. Die gewöhnlich angewendete frische Eiweisslösung gab weder mit wenig, noch mit viel Phosphorsäure versetzt eine Trübung. Durch Kochen entstand die Koagulation noch, wenn zu 20 Tropfen Eiweiss ein Tropfen Phosphorsäure geseizt wurde, noch einmal so viel Phosphorsäure verhin- derte dieselbe und bewirkte gleich nach dem Erkalten die Gelatination. In der Kälte gestand dieselbe Mischung nicht und konnte diess überhaupt bis jetzt nur einmal erreicht wer- den, trotz dem, dass es oft intendirt wurde; die hinderlichen Momente sind noch unbekannt geblieben. Die Gelatine löst sich bei'm Erwärmen und stellt sich beim Erkalten wieder her; und es wurde diese Eigenschaft durch oftmals wieder- holtes Auflösen nicht aufgehoben. Sie ist in Wasser, beson- ders in erwärmtem, leicht löslich. Aus der Lösung macht Kali gar keine, Ammoniak eine schwache, Salpetersäure eine sehr starke Fällung. Die Gelatine selbst löst sich in Kali vollkommen und klar auf; bei'm Kochen wird sie zuerst braun und dann fällt eine dunkelbraune Substanz heraus. Ammoniak löst sie auch nach längerem Kochen nicht auf und verändert sie anscheinend gar nicht; sie wurde weder bemerkbar trüber, noch auch klarer. Sowohl die in der Kälte, als die in der Wärme darge- stellte Gelatine verliert durch anhaltenden Zutritt der Luft ihr Wasser ganz. Das zurückbleibende Eiweiss war durch- sichlig und glashell, und gab an Wasser alle vorhandene 296 Phosphorsäure ab. Es löste sich nicht in Wasser. “Con- centrirte Säuren, wie Schwefelsäure, Salpetersäure, wirkten gerade so darauf ein, wie auf koagulirtes Eiweiss. Die Phosphorsäure hat das Ausgezeichnete, dass sie recht auffallend zeigt, wie hier gerade so viel Säure zur Gelatination hinreichend ist, als das Fällen bei'm Kochen verhindert. Bei den übrigen Säuren tritt diess nicht so deutlich hervor, weil verhältnissmässig so viel Säure ange- wendet werden muss. Weder mit gelrocknetem koagulirten, noch unkoagulir- tem Eiweiss wurden bis jetzt Versuche angestellt. Auch blieb noch unerforscht, ob die Phosphorsäure durch Berührung auf festes unkoagulirtes Eiweiss dieselbe Wirkung äussert, wie die Essigsäure. Verhalten des Eiweisses gegen Kali. Die helle durchsichtige Gallerte, welche bekanntlich Kali in geringer Menge mit concentrirtem Eiweiss erzeugt, löst sich durch vorsichliges Erwärmen, wenn nicht zu wenig Kali hinzugefügt worden ist, auf, ohne nach der Abkühlung wieder fest zu werden. Eiweiss, mit gleichen Theilen Was- ser verdünnt, blieb, als es mit sehr wenig concentrirtem Kali versetzt wurde, flüssig, erstarrte aber nach einer gelin- den Erwärmung. Stärker erwärmt, wurde es trüber und fe- ster, so dass es dem in der Hitze koagulirlen sehr ähnlich sah, und löste sich nicht wieder auf. Wenn die Gallerte durch Erwärmung flüssig gemacht werden soll, so ist dazu mehr Kali nöthig, als wenn man den noch festern Zustand bezweckt. Wir haben es hier also nicht mit einer Gelatine wie der des Leims oder essigsauren Albumins zu ihun. Die Gallerte wurde in den angestellten Versuchen von Wasser, zumal warmem, ohne Schwierigkeit aufgelöst und von Schwe- felsäure wieder niedergeschlagen. Salpetersäure nimmt der- selben ihre Durchsichligkeit, macht sie dem durch Erhitzen gewonnenen Eiweiss ähnlich und löst sie alsdann auf; Was- 297 ser macht in dieser Lösung eine starke Fällung. Schwefel- säure machte sie erst weiss und undurchsichtig und löste sie dann auf. Essigsäure machte sie zuerst weiss, dann, besonders an den Rändern, glashell und löste sie zuletzt bei weilerm Kochen auf; durch Kaliumeiseneyanür wurde in der essigsauren Lösung eine starke Fällung erzeugt: An der Luft verdampfte das Wasser aus der Gallerte vollständig und schnell, als sie fein verlheilt auf einer Glasplatte aus- gebreitet lag. Sie verlor dabei allmählig ihre Durchsichtig- keit und nur die äussersten Ränder der einzelnen Stückchen blieben glashell. Wasser stellle unter gelindem Kochen die Durchsichtigkeit wieder her und nahm dabei Kali und Ei- weiss auf. Alkohol zog das Kali in grosser Menge aus den getrockneten Stückchen aus; es erwiess diess Platinchlorid sehr überzeugend. Diess Verhalten gegen Wasser und Alkohol führte zu dem Versuch, alles Kali auf diese Weise aus der getrockne: ten Gallerte auszuziehen. Zu dem Ende wurden die kleinen trocknen Stückchen so lange mit kaltem Alkohol behandelt, als in diesem mit Platinchlorid noch ein deutlicher Nieder- schlag entstand. Die Substanz wurde hierdurch nicht in ihrem Ansehen verändert, Diess geschah aber, als sie mit Wasser verselzt wurde; sie quoll nämlich bedeutend auf. Das wieder abgegossene Wasser reagirte schwach alkalisch und gab mit Salpetersäure keinen Niederschlag. Die Be- handlung mit kaltem Wasser wurde so lange fortgesetzt, bis jede alkalische Reaction verschwand. Jetzt wurde die Substanz mit Wasser gekocht; sie quoll dadurch auf und wurde durchsichtig und wasserhell. Das Wasser hatte einen Theil des Eiweisses aufgenommen; es wurde von Salpeter- säure eine Fällung und durch Umschütteln ein starkes Schäu- men bewirkt; Kali fand sich nicht mehr darin vor, es rea- girte vollkommen neutral, Die klaren aufgequollenen Stücke schienen noch dieselben zu sein, welche vom Anfang an an- gewendet waren. Sie liessen sich zwischen den Fingern 298 leicht zerdrücken, waren geschmacklos und hatten bestimmte scharfe Conturen, beinahe wie Stückchen Glas. “ Von Kali wurden sie aufgelöst, wie koagulirtes Eiweiss, von Essig- säure nicht, auch nicht nach oft wiederholtem Kochen; sie waren so durchsichtig, dass man sie nur mit grössler Mühe in der Flüssigkeit entdeckte. Salpetersäure machte sie trübe und weisslich und löste sie bei'm Kochen zu einer gelben Flüssigkeit auf. Schwefelsäure machte sie gleichfalls weiss- lich und löste sie alsdann auf wie koagulirtes Eiweiss. Auch Salzsäure machte sie undurehsichtig Ueber einer Spiritus- flamme vorsichtig in einem Reagirgläschen erwärmt, verloren sie allmählig ihr Wasser und erschienen als dünne durch- sichtige Plättchen an dem Glase festhangend; in Wasser schwollen sie auf und nahmen ihre frühere ursprüngliche Gestalt wieder an. Als sie so aufgeschwollen mehrere Tage ohne Zusatz von mehr Wasser in einem Gläschen gestanden "hatten, begannen sie sich zu trüben und im Anfang der Fäul- niss, die sich durch den Geruch deutlich kundgab, lösten sie sich in dem anhangenden Wasser zu einer trüben Flüssig- keit auf. Auch durch heftiges Kochen konnte ihre Lösung in Wasser bewirkt werden. Die wässrige Lösung kommt im Wesentlichen der leichter zu bewerkstelligenden, von dem auf die sogleich anzugebende Methode vom Kali befreiten Eiweiss gleich, und wird das Verhalten gegen Reagentien dort angegeben werden. Durch Kochen in Alkohol wird die glashelle Substanz getrübt, so wie auch durch längeres Stehen in demselben. Die durch Kali in dem Eiweiss gebildete Gallerte kann noch auf eine andere Weise von dem Kali befreit werden. Es wurde kolirtes unverdünntes Eiereiweiss mit wenig Kali versetzt, so dass nach einigem Umschütteln eine so feste Gallerte entstand, dass sie nur mit Mühe aus dem Rea- girglase, worin sie dargestellt war, entfernt werden konnte. Dieselbe wurde in ein grosses Becherglas gebracht und mit vielem destillirten Wasser übergossen. Diess nahm schon 299 bei'm: ersten Umrühren eine grosse Menge Kali auf; es wurde wieder abgegossen und so oft durch neues ersetzt, bis es nicht mehr alkalisch reagirte. Damit es um so besser auf die Gallerte einwirken konnte, wurde diese in kleine Stücke zertheilt. Es ging eine bedeutende Menge von Eiweiss mit dem Wasser fort; in jedem Abguss machte Salpetersäure deutliche Trübungen. Es schien sogar zuerst der Versuch dadurch verhindert zu werden. Aber es blieb doch immer noch so viel Eiweiss ungelöst zurück, dass man den Ver- lust gar nicht bemerken würde, wenn. es die Salpetersäure nieht zeigte. Während die Gallerie zu Anfang sehr fest und gelblich. war, sah sie jetzt wasserhell aus und hatte viel von ihrer Festigkeit verloren, und wenn sie vorher wegen des Kali's nicht auf der Zunge ertragen werden konnte, : so war sie hingegen jetzt völlig geschmacklos geworden. _ Sie ähnelte Klumpen von Schleim und hatte nicht so bestimmte Conturen, wie die vorher beschriebene. Meist enthielt sol- cher Klumpen Gasblasen eingeschlossen und war oft nur allein daran in der suspendirenden Flüssigkeit zu erkennen, Es konnte auf keine Weise auch nur eine Spur von’ zurück- gebliebenem Kali in der Substanz aufgefunden werden. Sie unterscheidet sich in ihrem Aeussern von der auf die oben angegebene Weise dargestellten auch noch besonders dadurch, dass sie eine weit geringere Festigkeit zeigt und sich zwi- schen den Fingern ungemein leicht zerdrücken‘ lässt, Er- wärmt man sie behutsam in einem Gläschen an der Spivi- tuslampe, so geht alles Wasser fort und es bleibt eine: glas- helle durchsichtige Masse zurück, die in Wasser wieder auf- quillt. Sie löst sich in erwärmtem Wasser langsam, schnell in kochendem auf, und die Lösung zeigt keine Spur einer alkalischen Reaction mehr, während doch schon das un- koagulirte Eiweiss so stark alkalisch reagiert. Diess schon zeigt, dass wir weder das sogenannte unkoagulirte, noch das koagulirte Eiweiss vor uns haben. Es ist ein von bei- den verschiedener Körper, der in seinem Verhalten gegen 300 Lösungsmittel und Reagentien weit mehr charakteristische Unterschiede vom koagulirten sowohl, als vom unkoagulir- ten Eiweiss bietet, als das koagulirte selbst im Verhältniss zum unkoagulirten aufzuweisen hat. Die Lösung im kalten Wasser verhält sich gegen Reagentien gerade so, wie die in kochendem. Kali verändert die klare Lösung nicht be- merkbar; die durch langes Stehen trübe gewordene macht es wieder klarer. Ammoniak verhält sich ebenso. Kohlensaures Natron macht weder Trübung, noch Fäl- lung. Schwefelsäure macht eine Fällung, die sich in ihrem Ansehn nicht von der aus gelöstem unkoagulirten Eiweiss unterscheiden lässt und sich im Ueberschuss der Säure wie diese verhält. - Salzsäure macht eine starke weisse Fällung. Salpetersäure desgleichen. Auf Zusatz von Aether bilden sich zwei Schichten, die deutlich durch die etwas trübe Oberfläche der untern, wel- che im Uebrigen klar aussieht, geschieden werden. Sie ent- stehen iınmer wieder, wenn man sie durch Uhnschütteln zerstört hat. Dasselbe wird auch bei'm unkoagulirten Ri- weiss beobachtet. Wurde aber noch eine bedeutende Menge Alkohol zugesetzt, so entstand ein starker weisser Nieder- schlag, während der Alkohol allein nicht einmal eine Trü- bung macht. Kaliumeiseneyanür macht keine Fällung; wird jedoch ein wenig Essigsäure hinzugefügt, so entsteht sogleich ein starker Niederschlag. Kaliumeisencyanid verhält sich ebenso. Salpetersaures Silberoxyd macht einen starken weissen, in Ammoniak leicht löslichen Niederschlag. Sublimat macht eine bedeutende Fällung. Essigsaures Bleioxyd (neutrales) macht eine starke weisse Fällung, auch wenn nur ein Minimum zugesetzt wird, die 301 sich im Ueberschuss des Fällungsmittels, sowie in Kali und Ammoniak wieder auflöst, Salpetersaures Quecksilberoxydul macht eine starke graue Fällung. Salpetersaures Quecksilberoxyd einen weissen klumpi- gen Niederschlag. Oxalsäure machte weder Niederschlag, noch Trübung. Galläpfeltinktur macht einen starken Niederschlag. Gleich ist das Verhalten gegen Essigsäure, Citronen- säure, Weinsäure und Phosphorsäure. Als zu der Lösung ein Minimum concentrirter Essigsäure oder Weinsäure u. s. w. hinzugesetzt wurde, entstand ein starker weisser Nieder- schlag, der jedoch bei der geringsten Bewegung der Flüssig- keit meist wieder verschwand und nur selten bleibend war; d rch neue Essigsäure konnte er nicht wieder hervorgerufen werden. Die Säure kann sehr verdünnt sein und der Nie- derschlig entsteht doch noch und löst sich auch beim Um- schütteln wieder; z. B wurde zur Fällung Wasser verwen- det, das auf eine Unze einen Tropfen Essigsäure enthielt, und zwar war davom auch nur ein Minimum erforderlich. Auch in concentrirter Essigsäure ist der Niederschlag lös- lich; so wurde ein Tropfen der wässrigen Lösung mit gros- ser Vorsicht zu eiuer grossen Quantilät Essigsäure gesetzt, es entstand eine starke weisse Fällung, aber sie löste sich beim geringsten Umschütteln wieder auf; ein neuer Tropfen bewirkte dieselbe Fällung, aber die Auflösung ging eben so leicht vor sich. Zur Vergleichung wurde der letztere Ver- such auch mit der Lösung von uıkoagulirtem Eiereiweiss angestellt; es wurde zu einer grössern Menge Essigsäure ein Tropfen filtrirtes Eiweiss gesetzt; bei oberflächlicher Unter- suchung bemerkt man nichts in der klaren Flüssigkeit; wird indess die Essigsäure behutsam aus dem Rengirglase ausge- gossen, so entdeckt man ein Stückchen einer vollkommen durchsichtigen Gallerte, die sich beim Umschütteln in der Essigsäure auflöst und durch Kaliumeiseneyanür wieder her- 302 ausgefällt wird. Das Verhalten beider Eiweissarten ist also hierin total verschieden. Es gelang nun auch, den Nieder- schlag mit der Essigsäure bleibend zu erhalten. Es hat diess Eiweiss nämlich die Eigenthümlichkeit, auch vom Alkohol nicht gefällt zu werden, wie es durch Kochen nicht gefällt wird. Dadurch war der Versuch gerechtfertigt, die mit Es- sigsäure zu behandelnde Flüssigkeit vorher mit vielem Alko- hol zu versetzen, um vielleicht so den Niederschlag ungelöst zu erhalten. Der Erfolg war der erwünschte, und der Nie- derschlag schwand erst dann, wenn Essigsäure in grösserer Menge zugesetzt wurde; wurde die wässrige Lösung nur mit einem Minimum Essigsäure und vorher mit viel Alkohol versetzt, so ging auch beim Umschütteln die Fällung wenig- stens zum grossen Theil nicht wieder fort. Die noch mit anhängendem Wasser versehene aufge- quollene Gällerte löst sich in Kali und Ammoniak leicht auf. Salzsäure, Salpetersäure geben derselben bleibend das An- sehn von dem in der Hitze koagulirten Eiweiss. Essigsäure macht sie zuerst trübe, undurchsichtig, weisslich: aber bald stellte sich stets die ursprüngliche Klarheit wieder her; es ist diess dieselbe Erscheinung, die wir schon kennen: das der Gallerte anhängende und sie durchdringende Wasser ent- hält etwas Substanz aufgelöst; diese wird von der Essig- säure zuerst niedergeschlagen und dann wieder aufgelöst. In Essigsäure gelang es nicht, die Gallerte aufzulösen. Sie wurde so lange mit Essigsäure ausgewaschen, bis in der abgeflossenen Säure durch Kaliumeiseneyanür keine Trübung mehr entstand. So wurde die nun in der Essigsäure nur mit Mühe zu entdeckende glashelle Masse gekocht; aber selbst nach längerer Zeit fand sich in der Flüssigkeit keine Spur von einer durch Kaliumeiseneyanür fällbaren Substanz vor. Ein Theil der Gallerte wurde jetzt der Luft ausge- setzt, damit die Essigsäure fortginge. Diess geschah auch sehr bald. Die zurückgebliebene Substanz war durchsichtig und spröde, wie eingetrocknetes unkoagulirtes Eiweiss, hatte 303 aber die Eigenschaft verloren, ın kaltem Wasser aufzusch wel- len und wurde von demselben überhaupt nicht angegriffen, _ wenigstens wurde mit Salpetersäure kein Niederschlag in dem abgegossenen Wasser erzielt. Es ist nun noch übrig, das höchst merkwürdige Ver- halten des in Rede stehenden Körpers gegen Alkohol zu er- örtern. Vorher wurde schon bemerkt, dass er durch Alko- hol aus der wässrigen Lösung nicht gefällt wird. Es wurde die aufgequollene Gallerte mit viel Alkohol versetzt und in einem Reagirglase gekocht. Der Alkohol begann alsbald hef- tig zu schäumen und nach wenigen Minuten war die Sub- stanz zu einer farblosen Flüssigkeit vollständig aufgelöst. Die Lösung wurde der Prüfung mit Reagentien unterwor- fen, deren Ergebnisse sogleich mitgetheilt werden sollen. Es kam nun darauf an, ob sich auch die getrocknete Gal- lerte in Alkohol lösen würde. Die Umstände gestatteten nicht, die Verdampfung des Wassers im luftleeren Raume vorzunehmen. Es wurden also mehrere Gallertstücke an der Luft eingetrocknet, indem sie auf einer Glasplatte ausgebrei- tet lagen. Es kann natürlich nieht behauptet werden, dass daduıch nicht vielleicht Veränderungen eingetreten sind, die im luftleeren Raume nicht eingetreten wären. Nach einigen Tagen war das Wasser von einigen Stücken vollkommen, von andern noch nicht ganz verdampft. Diese letztern sa- hen trübe aus, jene waren durchsichtig, glashell, quollen in Wasser auf und lösten sich darin nach halbstündigem Ko- chen ziemlich vollständig. In absolutem Alkohol eben so lange gekocht, lösten sie sich weder, noch zeigten sie sonst eine Veränderung. Als nach Verlauf mehrerer Tage, wäh- rend welcher die kleinen Stückchen im Alkohol gelegen hat- ten, das Kochen wiederholt wurde, gelang die Auflösung gleichfalls nicht. Die oben angewendeten Gallertklumpen enthielten aber eine nicht geringe Menge Wasser eingeschlos- sen. So wurde‘ denn auch hier ein Theil noch nicht in Alkohol gelegener Stücke mit verdünntem Alkohol behan- 304 delt. Sie schwollen auf, sowie in Wasser, lösten sich aber auch nach längerem Kochen nicht auf. Nach einigen Tagen wurden sie wieder gekocht, aber auch jetzt machte Salpe- tersäure noch keine Trübung in der abgegossenen Flüssig- keit. Es muss somit angenommen werden, dass die Substanz während des Eintrocknens eine wesentliche Veränderung er- litten hat. Vielleicht würde diess bei der Verdampfung im luftleeren Raume nicht geschehen, wenigstens würden auf diese Weise mannichfache mögliche Einwirkungen vermieden. Während der Auflösung über der Spirituslampe verän- dert die glashelle Gallerte ihr Ansehn nicht; die einzelnen Stücke nehmen allmählig an Grösse ab, bis sie zuletzt ganz versch winden. Die Lösung zeigt keine Spur einer alkalischen Reaction und verhält sich gegen Reagentien folgendermaassen: Kali macht weder Trübung, noch Niederschlag. Ammoniak ebenso. Kohlensaures Natron desgleichen. Salpetersäure macht, in geringster Menge zugesetzt, ei- nen geringen, aber leicht bemerkbaren Niederschlag, der beim Umschütteln wieder zu verschwinden scheint. Bei Zu- satz von mehr Salpetersäure wird der Niederschlag sehr stark und löst sich auch im bedeutenden Ueberschuss der Säure nicht auf Bleibt er längere Zeit mit der überschüs- sigen Säure in Berührung, so wird er gelb, was in gleicher Weise auch beim gewöhnlichen Eiweiss stattfindet. Salzsäure macht bei Zusatz einer sehr geringen Menge einen schwachen Niederschlag, der sich beim Umschütteln wieder aufzulösen scheint. Mehr Salzsäure macht eine starke weisse, dem durch Salzsäure gefällten unkoagulirten Eiweiss ganz ähnliche Fällung. Schwefelsäure macht einen starken weissen, beim Er- hitzen in der Schwvefelsäure leicht löslichen Niederschlag. 305 Kiesellluorwasserstoflsäure macht eine starke klumpige Fällung. Galläpfeltinktur bewirkt einen starken Niederschlag, ähn- lich wie in einer Lösung von unkoagulirtem Eiweiss. Essigsäure in geringer Menge macht einen starken weis- sen Niederschlag, der auch beim Umschütteln bleibt, aber auf Zusatz von mehr Essigsäure wieder verschwindet. Citronensäure macht schon in sehr geringer Menge eine starke, auch beim Umschütteln bleibende Fällung. Wird mehr Citronensäure zugesetzt, so löst sich der Niederschlag wieder auf, Weinsäure macht gleichfalls, in geringer Menge zuge- setzt, eine starke Fällung. Phosphorsäure ebenso. Schwefelsäure macht, in bedeutender Menge zugesetzt, einen sehr starken ‚weissen, sich zusammenballenden Nieder- schlag. Chromsaures Kali bewirkt eine gelbe flockige Fällung. Kaliumeiseneyanür konnte des Alkohols wegen nicht angewendet werden. Kaliumeiseneyanid desgleichen. Essigsaures Kupferoxyd macht einen gelatinösen durch- scheinenden Niederschlag. Sublimat macht einen starken flockigen Niederschlag, dem äussern Ansehn nach nicht von dem in nicht koagulir- tem Eiweiss entstehenden zu unterscheiden, -» Salpetersaures Silberoxyd macht einen starken weiss- lichen, in Ammoniak lösliehen Niederschlag. Chlorgold macht einen starken flockigen weisslichen Niederschlag. Platinchlorid bewirkt einen starken grobflockigen durch- scheinenden Niederschlag. Eisenchlorid macht, wenn auch nur in geringer Menge zugesetzt, einen starken Niederschlag. = Müllers Archiv, 1819. 20 306 Wie wir sahen, wird das Eiweiss durch die erste Me- thode der Extraction des Kali’'s nicht in der Weise verän- dert, wie durch die zweite, insofern nach jener eine Modi- fieation desselben gewonnen wird, welche in Alkohol gar nieht und in Wasser ziemlich schwer löslich ist, während die nach dieser sich sowohl im Wasser als Alkohol unge- mein leicht auflöst: Diess sind die wesentlichen Unter- schiede. Es fragt sich, wo kommen dieselben her? Der mitwirkenden Ursachen sind bei der ersten Methode ent- schieden zwei mehr, nämlich die atmosphärische Luft und der Alkohol. Sind es nun Luft und Alkohol zugleich, die die Verschiedenheit bedingen, oder ist es vielleicht nur die Luft allein oder der Alkohol allein? Für die Aunahme, dass der Alkohol es sei, lässt sich kein genügender Grund beibringen, Sie wird vielmehr ganz unmöglich gemacht durch ein Experiment, welches den tref- fendsten Aufschluss darüber giebt, dass der Alkohol zu der besprochenen Veränderung indifferent ist. Es wurde das durch Kali, erstarrte, an der Luft getrocknete Eiweiss ohne weiteres sogleich mit Alkohol gekocht; der Alkohol löste es nicht auf; es wurde ferner dasselbe, ebenfalls ehe es mit Alkohol in Berührung gewesen war, mit destillirttem Was- ser vom Kali befreit und nun mit Alkohol gekocht, da wurde es wohl getrübt zuerst an den Rändern und dann immer mehr nach innen zu, aber keineswegs aufgelöst. Endlich wurde es gleichfalls, ehe es mit Alkohol in Berührung ge- wesen war, noch vollkommen trocken mit Wasser gekocht; es quoll auf, wurde durchscheinend, löste sich aber eben so schwer, als das in Rede stehende. Da jedoch dieser Ver- such den Fehler hat, dass das Kochen in kalihalligem Was- ser geschieht, so wurde diess abgegossen und so oft durch reines ersetzt, bis sich keine alkalische Reaction melır zeigte, _ und so wurde gekocht; aber auch so ging die Auflösung immer noch äusserst langsam vor sich. So ist es denn ge- wiss, dass der Alkohol es nicht ist, der dem nach der er- 307 sten Methode därgestellten Eiweiss seine eigenthümlichen, es von dem nach der zweiten dargestellten unterscheidenden Merkmale giebt. Es bleibt noch die längere Einwirkung der atmosphärischen Luft als mögliche Ursache übrig. Diese ist in dem vorliegenden Falle eine doppelte: erstens eine indi- rekte, insofern die Luft zulässt, was das Wasser verhindert, nämlich die Verdampfung; und zweitens eine direkte, inso fern sie dem ihr ausgesetzten Eiweiss ihre eigenen Bestand- theile zur Veränderung bietet. Wir haben unter den oben beschriebenen Versuchen schon einen, welcher direkt beweist. dass es die Einwirkung der Luft ist, welche die Verände- rung bedingt. Es wurde durch Kali modifieirtes, in Wasser und Alkohol lösliches Eiweiss an der Luft getrocknet und die getrockneten Stückchen zuerst mit concentrirtem und dann mit verdünntem Alkohol gekocht, aber sie lösten sich nicht auf und wurden durch Wasser nur gerade so viel ge- löst, wie das nach der ersten Methode vom Kali befreite Eiweiss. Die Entscheidung aber, ob die veränderte Löslich- keit des Körpers durch die blosse Verdampfung des Was- sers, also durch mechanische Veränderung seiner Theile oder durch Aufnahme von Bestandtheilen der Luft, also durch Bildung einer neuen Verbindung bedingt werde: diese möchte sich vielleicht am ehesten dadurch gewinnen lassen, ‚dass man das in Wasser und Alkohol lösliche Eiweiss im luft- leeren Raume austrocknete und dann untersuchte. Sollte diess jedoch nıcht einen befriedigenden Aufschluss geben, so würde es die Elementaranalyse thun. Wahrscheinlich wird es, dass die elementare Zusammensetzung dieser Körper eine eigenthümliche ist, besonders durch die Veränderungen, die bei der beginnenden Fäulniss eintreten. Es wurden mehrere Stücke des auf die zweite Art dar- gestellten Körpers in einem Glase so lange aufbewahrt, bis sie in dem sie umgebenden wenigen Wasser aufgelöst wa- ren, wo »ie die beginnende Fäulniss durch den Geruch zu I 20 * 308 erkennen gaben. Die mikroskopische Untersuchung wiess die Gegenwart von Monaden in der Flüssigkeit nach. Durch Kochen veränderte sich diese wässrige Lösung nicht bemerkbar. Alkohol machte eine starke im Wasser lösliche Fällung. Essigsäure im Minimum machte eine starke weisse, durch Umschütteln der Flüssigkeit nicht verschwindende, auf Zu- satz von mehr Essigsäure sich lösende Fällung. Weinsäure verhielt sich ebenso. Phosphorsäure desgleichen. Salpetersäure gab eine starke weisse Fällung. Schwefelsäure desgleichen. Galläpfeltinktur machte einen starken weisslichen Nie- derschlag. Ammoniak machte die trübe Lösung klarer. Kali desgleichen. Schwefeläther verhielt sich wie gegen gewöhnliches Ei- weiss. Alaun machte einen starken Niederschlag. Sublimat verhielt sich gleichfalls wie gegen gewöhnli- ches Eiweiss. Salpetersaures Silber Kaliumeiseneyanür ‚ desgleichen. Kaliumeisencyanid Ist die Lösung verdünnt, so macht Alkohol nur eine Trübung; fügt man nun noch Essigsäure in geringer Menge hinzu, so bildet sich ein weisser flockiger Niederschlag, der sich im Ueberschuss der Essigsäure leicht auflöst; durch Ka- liumeiseneyanür entsteht in der essigsauren Lösung wieder eine starke Fällung, WVurden glashelle Stückchen der Gal- lerte, die eben anfingen, sich zu der übrigen faulenden Flüs- sigkeit aufzulösen, in Alkohol gekocht, so wurden sie trübe, undurehsichtig und fester, so wie in der Hitze koagulirtes Eiweiss und lösten sich nicht auf. Zur Auflösung in Alko- hol muss die frisch bereitete Substanz verwendet werden. 309 Wird die faulige Flüssigkeit an der Luft eingelrocknet, so weicht sie in der äussern Gestalt von getrocknetem unkoa- gulirten Eiweiss nicht ab und löst sich auch in kaltem Was- ser beim Umschütteln auf, In der Prüfung auf Reactionen verhält sie sich, wie vorher angegeben ist. Verhalten des Eiweisses gegen Ammoniak. Nach Simon’s Angabe soll Ammoniak dieselbe Wirkung auf das Eiweiss ausüben, wie Kali. Es soll zunächst die wässrige Lösung klarer machen. Diess ist allerdings dann der Fall, wenn die angewendete Lösung trübe war; sie kann indess so klar sein, dass auch Ammoniak sie nicht klarer machen kann. Man sieht dann zunächst gar keine Wirkung. Ferner soll das Eiweiss nach Zusatz von einigen Tropfen Ammoniak gestehen. Es wurde zu diesem Versuch das Eiweiss mit Ammoniak in der Weise versetzt, dass zu- erst zu kolirtem Eiereiweiss ein Tropfen, dann zwei Tro- pfen und so immer ein Tropfen mehr zugesetzt und jedes- mal während der Pause die Substanz umgeschüttelt wurde. Es war diess jedoch vergeblich. So wurde denn das Eier- eiweiss mit gleichen Theilen und endlich mit halb so viel Wasser versetzt und die Versuche wieder in der angegebe- nen Weise angestellt; aber auch diess war ohne Erfolg. Endlich wurden die in verschiedenen Verhältnissen der Con- centration gemischten Substanzen mehrere Tage lang stehen gelassen, um zu sehen, ob die Coagulation durch Ammoniak vielleicht längere Zeit bedürfe; aber auch so konnte nicht erreicht werden, was mit Kali so leicht gelang. Wenn Si- mon Recht hat, so muss also die Darstellung nur unter ge- wissen, von mir nicht erkannten Umständen gelingen. Und es zeigen die nächstfolgenden Versuche, dass allerdings das Ammoniak in seinem Verhalten gegen Eiweiss eine grosse Aelhnlichkeit mit Kali hat. Es wurde viel kolirles Biereiweiss mil wenig Ammo- niak versetzt und allmählig zum Kochen gebracht. Es trat 310 alsbald eine Erstarrung des grössten Theils der angewende- ten Substanz ein. Diese wurde mit einem Glasstäbehen aus dem Reagirglase entfernt und in ein mit destillirttem Wasser gefülltes Becherglas gebracht. Die einzelnen Stücke zeigten ein verschiedenes Aussehen; die einen waren trübe und un- durchsichtig, wie durch Kochen geronnenes Eiweiss, die an- dern hingegen waren fast ganz klar. Die letztern wurden ausgesucht und so lange mit Wasser behandelt, bis diess keine alkoholische Reaklion mehr hatte. Es war während dessen zugleich ein bedeutender Theil des Eiweisses vom Wasser mit weggenommen worden, wvie die Reagentien in der abgegossenen Flüssigkeit erwiesen. Die klaren Stücke wurden von Alkohol nieht aufgelöst. Salzsäure, Schwefel- säure, Salpetersäure machten sie undurchsichtig und weiss. Essigsäure, Weinsäure, Phosphorsäure machten sie zuerst weiss, zumal an den Rändern; alsbald trat indessen, und zwar zuerst wieder an den Rändern, vollständige Durch- sichtigkeit ein, welche sich schnell weiter verbreitete, so dass die einzelnen Stückehen in der Essigsäure kaum wahr- genommen werden konnten; ‚aufgelöst wurden sie nicht; auch ‘als sie sehr lange Zeit: mit ‚der Essigsäureiiin Berüh- rung gewesen waren; es ist diess dieselbe, Erscheinung, die auch bei dem durch Kali modificirten Eiweiss beobachtet wurde und wie wir sogleich sehen werden, erheischt: sie auch dieselbe Erklärung. Wurde die Gallerte auf einer Glas- platte an der Luft getrocknet, so blieben glashelle Scheib- chen zurück, die im Wasser aufquollen., Die klaren Gallert- stücke lösten sich in Wasser nach längerem Kochen allmäh- lig auf, die trüben waren weil schwieriger löslich, die wie in: der Ilitze geronnenes Eiweiss aussehenden so unlöslich wie dieses; die Lösung veränderte die rothe Farbe von Lack- muspapier nicht, Während also durch Essigsäure das un- koagulirte Eiweiss in der Kälte in koagulirtes verwandelt wird, bleibt das unkoagulirte bei Anwendung von ein wenig Ammoniak auch nach dem Kochen unkoagulirt, obgleich sich 311 eine Erstarrung bildet. Koagulation ist hier im Sinne von Berzelius identisch mit Unlöslichkeit genommen. Will man das nicht, sondern Koagulation identisch mit Erstarrung neh- men, so muss man sich natürlich anders ausdrücken; man muss dann das koagulirte Eiweiss wieder in lösliches und unlösliches koagulirtes eintheilen. Alkohol löst also von der besprochenen Gallerte auch nach längerem Kochen Nichts auf. Die wässrige Lösung verhält sich gegen Reagentien folgendermaassen. Alkohol macht weder Niederschlag noch Trübung; viel- leicht war die Lösung noch nieht concentrirt genug. Salzsäure, im Minimum zugesetzt, bewirkt einen gerin- gen Niederschlag, in grösserer Menge eine slarke Fällung, wie im gewöhnlichen Eiweiss. Salpetersäure desgleichen. Schwefelsäure ebenso, Essigsäure im Minimum macht einen Niederschlag, der sich beim Umschütteln sogleich wieder aullöst: und dureh neue Essigsäure nicht wieder entsteht. WVersetzb man die Lösung vorher mit vielem Alkohol, so. bleibt. der Nieder- schlag mit Essigsäure auch beim Umschütteln. Phosphorsäure verhält sich, auf dieselbe Weise. Weinsteinsäure desgleichen. Kali zeigt keine wahrnehmbare Veränderung. Ammoniak gleichfalls nicht, Kohlensaures Natron desgleichen. Galläpfellinktar macht einen starken klumpigen Nieder- schlag. Salpelersaures Silberoxyd macht einen weissen, in Am- moniak löslichen Niederschlag. Essigsaures Bleioxyd eine weisse Fällung, Sublimat einen starken Nlockigen Niederschlag. Kaliumeiseneyanür geben bedeutende Niederschläge nach Kaliumeiseneyanid Zusalz von Essigsäure. 312 Schwefeläther macht in der Flüssigkeit zwei Schichten, deren untere anscheinend aus etwas trüben Stückchen be- steht; setzt man Alkohol hinzu, so entsteht ein starker weisser Niederschlag. Es ergiebt sich aus dem Verhalten dieser Substanz ge- gen Reagenlien und gegen die Wärme, dass sie von der durch Kali in der Kälte dargestellten nicht weiter abweicht, als dass sie sich nicht in Alkohol löst. Indessen scheint es, als könne man auch diese Modification des Eiweisses durch die Darstellung mit Kali erzielen, wenn man wenig Kali zur Eiweisslösung setzt und nun durch Kochen sie zur Erstar- rung überführt. Sie bietet dann wenigstens in ihrer äusse- ren Erscheinung und im Verhalten gegen Alkohol keine Ver- schiedenheit von der in Rede stehenden dar. Um die völ- lige Identität der Einwirkung des Kali und Ammoniak auf unkoagulirtes Eiweiss zu erreichen, wäre bloss noch übrig, das Eiweiss durch Ammoniak in der Kälte zur Erstarrung zu bringen und nun zu untersuchen. Die durch Behandlung mit Alkalien gewonnenen zwei wesentlichen Modificationen des Eiweisses, welche sich un- ter einander dadurch unterscheiden, dass die eine in Alko- hol löslich, die andere aber darin unlöslich ist, ‘weichen ge- meinschaftlich von dem gewöhnlichen unkoagulirten Eiweiss so ab, dass sie durch die Hitze nicht gerinnen und unlös- lich werden. Denn dass sie durch Essigsäure, Phosphor- säure, Weinsäure aus der wässrigen Lösung theilweise, nach vorherigem reichlichen Zusatz von Alkohol aber wenigstens so vollständig gefällt werden, dass Salpetersäure in der vom Niederschlage getrennten Flüssigkeit auch nicht einmal eine Trübung mehr hervorbringt: diess ist ihnen nicht eigenthüm- lich. Schon Löwig giebt an, dass ein wenig Essigsäure eine Trübung in einer Eiweisslösung hervorruft (bei ver- dünnten Lösungen gelang diess sehr leicht), die aber auf Zusatz von mehr Säure wieder verschwindet. Es lässt sich aber aus verdünnten Lösungen nicht bloss eine Trübung, 2 Due 313 sondern ein starker Niederschlag durch Essigsäure, : Wein- säure, Phosphorsäure erzeugen. Es wurden wenige Tropfen Eiereiweiss mit so viel Wasser versetzt, dass durch Alko- hol keine Fällung mehr erzielt werden konnte. Jetzt wurde ein gleiches Quantum Alkohol und ein Minimum von Essig- säure hinzugefügt, sogleich entstand ein starker weisser flockiger Niederschlag, der im Ueberschuss der Säure löslich war, rein ausgewaschen sich gegen kaltes und kochendes Wasser ebenso verhielt, wie durch Alkohol gefälltes Eiweiss und auch im Uebrigen sich wie dieses zu verhalten schien, Dasselbe gelang auch mit Weinsäure und Phosphorsäure. In der vom Niederschlage getrennten Flüssigkeil war weder Salpetersäure noch Galläpfeltinktur fähig, auch nur eine Trü- bung zu bewirken. Wurde dieselbe Lösung von Eiweiss mit Salpetersäure versetzt, so erwiess sich derselbe Nieder- schlag auch nicht im mindesten stärker, als der auf die an- gegebene Weise gewonnene, so dass diese Meihode ebenso genau in verdünnten Lösungen die Gegenwart von Eiweiss anzeigt, wie die Salpetersäure. Ist nun das in Alkohol und Wasser lösliche Eiweiss unkoagulirtes zu nennen, während man doch sagt, Kalı koa- gulire das Eiweiss? Und möchte man das noch Koagula- tion heissen, wenn die Essigsäure das feste lösliche Eiweiss unlöslich macht, da man doch auf der andern ‘Seite sagt; die Essigsäure verhindere die Koagulation des Eiweisses beim Kochen, obgleich der nach dem Abdampfen bleibende Rück- stand unlöslich ist? Es scheint nicht zweckmässig, koagu- lirtes und unlösliches Eiweiss identisch zu setzen, was wohl Sinn hat, so lange das koagulirte Eiweiss nur als unlöslich bekanut ist und das unkoagulirte nur als löslich. Denn das eine Mal müsste Etwas Gerinnung genannt werden, wo die von jeher damit verbundene Darstellung ganz fehlt: diess gilt vom festen unkoagulirten Eiweiss, das durch Essigsäure unlöslich gemacht wird; und das andere Mal darf Etwas nicht Gerinnung genannt werden, wo es der Sprachgebrauch 814 verlangt: diess gilt von dem durch wenig Kali zur Erstar- rung gebrachten Eiweiss, das in Wasser sich auflöst. Am einfachsten wenigstens möchte es wohl sein, so, lange bei dem hergebrachten Sprachgebrauch stehen zu bleiben, bis die Wissenschaft es nothwendig macht, davon abzugehen. Davon kann aber jetzt nicht die Rede sein, da wir wohl elwas vom geronnenen Eiweiss, von der Gerinnung selbst aber noch gar Nichts wissen. Verhalten des Eiweisses gegen Aether. Tiedemann und Gmelin sagen in ihrem Werke über die Verdauung S. 12: „Weingeistfreier Aelher bringt das Eiweiss der Hühnereier sogleich zum Gerinnen; es bildet sich eine weisse durchscheinende Gallerte, welche einen grossen Theil des Aethers in sich aufuimmt. Derselbe Ae- ther koagulirt weder das Serum des Blutes, noch das des Chylus; beide Flüssigkeiten werden nur durchsichliger, in- dem sie das in ihnen suspendirte Feit an den Aether abtre- ten. Es muss demnach eine Verschiedenheit existiren, einer- seits zwischen dem Eiweiss des Hühnereies und andrerseits zwischen dem des Blut- und Chylus-Serums.“ Die Verfasser schliessen etwas aus ihren Versuchen, was nicht daraus folgt; sie schliessen aus dem verschie- denen Verhalten des Serums und der Eiereiweisslösung ge- gen Aether die Verschiedenheit des Eiereiweisses und Blut- eiweisses selbst. Und die Versuche lehren doch nur diess, dass in dem von ihnen untersuchten Serum der Aether nicht die in der Eiereiweisslösung von ihnen wahrgenommene Er- scheinung hervorruft. Die Einwirkung des Aethers auf das Eiereiweiss nennen sie Koagulation. Die folgenden Versu- che werden sowohl zeigen, was diess für eine Koagulation ist, als auch wie sich zur Untersuchung mehr geeignetes Se- rum gegen Aether verhält. Filtrirtes Eiereiweiss wurde mit gleichen Theilen Aether verselzt; beide Flüssigkeiten blieben deullich getrennt von er 315 einander, an der Oberfläche der untern, des Eiweisses näm- lich, schien sich eine unbedeutende Trübung zu bilden. Bei geringem Umschütteln entstanden Blasen auf dem Eiweiss, die schnell verschwanden, sobald Ruhe eintrat, und die Masse sonderte sich wieder in zwei Schichten. Es wurde jetzt heftiger geschüttelt, so dass eine innigere Mischung möglich wurde. Diese floss schwerer aus dem Reagirglase, war aber immer noch beinahe glashell. Als das Schütteln län- gere Zeit fortgesetzt wurde, verlor sieh die Klarheit voll- sländig, die Masse hing sich an den Wänden des Glases fest an und wurde weiss und durchscheinend, so» wie es Gme- lin und Tiedemann beschreiben. - Dieses von ihnen Koa- gulation genannte Produkt pflegt der‘ durch andere Substan- zen; 2. B. Alkohol. bewirkten an die Seite gesetzt zu wer- den. Zunächst ist hierbei auffallend, dass der sogenannte Niederschlag mit der Bewegung in gleichem Verhältniss zunimmt, bis er eine gewisse llöhe erreicht hat, wo es der unmittelbaren Beobachtung entgeht, ob er noch stärker wird. Die Frage war, ob das lösliche Eiweiss durch Aether in unlösliches verwandelt würde, Um diess zu entscheiden, wurde klares, mit gleichen Theilen Wasser verdünnles Eiereiweiss in’ den beschriebenen Zustand über- geführt und in ein, mit: vielem destillirten Wasser versehe- nes.Becherglas gesehütlet, langsam umgerührt und der Ruhe überlassen. Nach einigen Stunden hatte sich auf den Bo- den des Glases eine äusserst geringe Menge von weissem, sehr fein vertheiltem Gerinsel niedergesenkt, Die darüber steliende Flüssigkeit war beinahe klar, enthielt nur an der Oberfläche noch einige Gerinsel, und zeigte schon auf den ersten Blick, dass sie viel Eiweiss in Lösung enthielt, was auch die betreffenden Reagentien bestätigten. Die ganze Er- scheinung hat mit der die grösste Aehnlichkeit, wenn sich aus einer klaren diltrirten Eiweisslösung nach mehrlägigem Stehen unlösliche Gerinsel ausscheiden. Der Niederschlag konnte weder in kaltem noch in kochendem Wasser aul- gelöst werden. und verhielt sich auch gegen Salpelersäure, 316 Schwefelsäure, Essigsäure wie durch Wärme koagulirtes Ei- weiss. Eine neue Quantität des auf dieselbe Weise mit Ae- ther behandelten Eiweisses wurde fein auf einer Glasplatte vertheilt und der Sonnenwärme zur schnellen Verdampfung des Aethers und Wassers ausgesetzt. Die zurückbleibende Masse sah wie getrocknetes unkoagulirtes Eiweiss aus. Bei der Behandlung mit Wasser löste sich auch wirklich der bei weitem grösste Theil auf und es blieb verhältnissmässig ungefähr so viel Ungelöstes zurück, wie bei der vorigen Behandlungsweise. Eine andere Quantität der das Reagir- glas genau ausfüllenden Substanz wurde der Ruhe überlas- sen. Schon nach einer Stunde war eine ansehnliche Menge gelöstes Eiweiss von dem Coagulum abgegeben; Salpeter- _ säure machte in der abgegossenen Lösung starke Nieder- schläge. Der noch nicht flüssige Theil war nicht mehr so weiss, wie zu Anfang, sondern hatte beinahe die Gestalt der durch Essigsäure darstellbaren Gelatine angenommen, wurde von dem flüssigen Theil suspendirt erhalten und liess sich leicht in mehrere Klumpen zertheilen. Diese verloren nach längerer Zeit noch zusehends an Grösse und gaben mehr und mehr gelöstes Eiweiss freiwillig ab; durch Was- ser konnte ihnen auch der letzte Rest entzogen werden, und von dem vorher so grossen Coagulum erwies sich auf diese Weise nur ein geringer Theil als unlösliche Substanz. Wenn die mit Aether behandelte Masse in der flachen Hand ausgebreitet wurde, verschwand das Ansehn von koagulir- tem Eiweiss sogleich, indem der Aether schnell verdampfte und das schleimige Eiweiss allein sichtbar war, was doch bei dem durch Alkohol koagulirten keineswegs geschieht. Nach alledem war es nicht zu bezweifeln, dass es sich hier gar nicht um einen vollständigen Niederschlag handele. Das Mikroskop gab darüber Aufschluss. Es wurde das eben dargestellte Coagulum in einem Uhr- glase bei achtzigfacher Vergrösserung beobachtet. Das Erste, was in die Augen fiel, waren Luftblasen von bedeutender 317 Anzahl und verschiedener Grösse. Iım Ganzen traten sie jedoch nur vereinzelt auf. Vielmehr bedeckte das ganze Ge- sichtsfeld eine zahllose Menge von Aetherbläschen, die sich durch ihre Conturen leicht von den Luftblasen unterscheiden lassen. Sie zeigten die verschiedenste Grösse. Wurde Was- ser auf das Uhrglas gebracht, so verschwanden die Aether- bläschen allmählig, die Luftblasen hingegen sammelten sich als Schaum auf der Oberfläche des Wassers an, und äusserst ge- ringe Mengen eines Gerinsels, dem mit Alkohol gefällten Ei- weiss ähnelnd, blieben zurück. Dadurch ist erklärt, was vor sich geht, wenn eın Coagulum durch Behandlung mit Wasser bis auf ein Minimum seiner ursprünglichen Grösse redueirt wird. Das vom Wasser aufgenommene Eiweiss ist unverän- dertes Eiweiss. Wenn dasselbe filtrirt und von neuem mit Aether geschüttelt wurde, so boten sich dieselben Erschei- nungen, wie vorher. Und in dem Filtrat hiervon bewirkte Aether abermals dasselbe. Jedoch erhält man zuletzt so verdünntes Eiweiss in der Lösung, dass die schwerflüssige, beinahe feste Mischung sich nicht mehr erweichen lässt; die beiden Flüssigkeiten bleiben vielmehr nur so lange mit ein- ander gemischt, als geschüttelt wird, hört dies auf, so son- dern sie sich in zwei Schichten. Aber das Schütteln hat doch einen bedeutenden Einfluss. Nach einiger Zeit näm- lich wurde stets in der untern Schicht eine Trübung be- merkt, welche allmählig intensiver wurde; zuletzt sah es aus, als hätte sich eine Scheibe gerounenes Eiweiss auf der untern Flüssigkeit abgelagert. Es war aber wieder: lösliches Eiweiss mit Aetherbläschen und etwas Gerinsel. Aus. der durchscheinenden Gallerte kann das Eiweiss durch Salpetersäure u, s. w. gefällt werden. Das Eiweis des Blutserums zeigte im Wesentlichen das- selbe Verhalten. Da aus dem Blutserum der Säugethiere und Vögel, welches sonst immer zu den Versuchen gebraucht zu sein scheint, der Farbstoff nicht gänzlich entfernt werden kann, und dadurch die Beobachtung behindert ist, so wurde 318 das Serum der Frösche gewählt, das man in der bekannten Weise farblos gewinnt. Weil aber viele Filtra nöthig wa- ren, um eine hinreichende Menge Eiweiss zu erhalten, in- dem ein einziges Filtrum nur wenige Tropfen Serum liefert, und weil jedes derselben mit Wasser angefeuchtet werden muss: so konnte eine bedeutende Verdünnung nicht umgan- gen werden. Nach der Gerinnung des Faserstofls wurde noch einmal filtrirt. Als nun in einem kleinen Reagirgläs- chen zu dem farblosen und klaren Serum eine gleiche Quan- tität Aether gesetzt wurde, blieben die Flüssigkeiten von einander getrennt, der Aether schwamm oben. Bei gerin- gem Umschütleln drang zwar ‘die untere in die obere ein, sank aber in der Ruhe wieder herab. Heftiger geschüttelt mischten sich die Substanzen auch nicht so innig, dass sie zusammengeblieben wären, wie Aether und concentrirte Ei- weisslösung. Als aber die geschüttelte Mischung eine Vier- telstunde gestanden hatte, begann in ihrem mittlern Theile eine Trübung zu entstehen, welche melır und mehr an Aus- dehnung zunahm, und nach mehrern Stunden in Form einer fast undurchsichtigen Scheibe von einigen Linien Dicke er- schien. Diese wurde aus der Flüssigkeit entfernt und mit Wasser behandelt; sie verlor dadurch bedeutend an Umfang, indem ihr das lösliche Eiweiss entzogen wurde, und zerfiel in mehrere Stücke, welche sich im Wasser nicht auflösten und sich auch im Uebrigen wie geronzenes Eiweiss verhiel- ten. Ihre Masse stand aber zu dem im Serum enthaltenen Eiweiss in dem Verhältniss, dass ein grosser Theil gelöst in der abgegossenen Flüssigkeit zurückgeblieben sein musste, was auch Salpetersäure und Galläpfeltinktur nach wiesen. Die öfters wiederholten Versuche hatten stets das angege- bene Resultat. Wenn die im verdünnten Bier- und Bluteiweiss durch Aether entstehende durchscheinende Schicht so lange im Reagirglase gelassen wird, bis der darüber stehende Aether verdampft ist, so geschieht unterdessen dasselbe, wie wenn 319 sie sogleich mit Wasser behandelt wird: sie wird allınählig immer kleiner, bis zuletzt nur Stückchen von festem unlös- liehen Gerinsel übrig sind, denen ein wenig von der suspen- direnden Flüssigkeit anhängt. Ehe diess jedes Mal eintrat, erwiess die mikroskopische Untersuchung in dem Coagulum die Gegenwart zahlloser Aetherbläschen, zwischen denen hie und da Luftblasen eingestreut waren; ausserdem wurden bisweilen schon geringe Mengen des Niederschlages wahr- genommen, der in seiner Form nicht im. mindesten von dem in der Eiereiweisslösung wahrgenommenen abwich. Nicht selten wurde auch beobachtet, wie Aetherbläschen auf dem Objectglas allmählig verschwanden, es wurden dann die Con- turen zunächst an einer Stelle und alsbald ganz und gar unsichtbar. _ Jemehr Aetherbläschen verschwanden, um so geringer wu:de der zuerst so bedeutend erscheineude Nie- derschlag. Es ist durch die beschriebenen Versuche erwiesen, dass ein Unterschied zwischen Blut- und Eiereiweiss in dem chemischen Verhalten gegen die bisber angewandten Rea- gentien nicht existirt, wenn vorausgesetzt wird, dass das Eiereiweiss der übrigeu Vögel und das farblose Blutserum von den übrigen Thieren sich so verhält, wie das der untersuchten, und ferner, dass das, was im Serum die Ur- sache der besprochenen Erscheinung ist, wirklich Eiweiss und nicht vielleicht etwas Anderes ist. In einer verdünnten Lösung von Casein nämlich, die so viel enthielt, als Wasser nach halbstündigem Kochen aus der koagulirten Substanz aufnimmt, konnten mit Aether alle die Erscheinungen hervorgerufen werden, die eben vom Se- rum beschrieben sind. Das zurückbleibende unlösliche Coa- gulum ist niemals so bedeutend, dass man es auf einem Fil- frum auswaschen könnte; es muss daher die es suspendi- rende Flüssigkeit abgegossen, durch Wasser. ersetzt und diess Wasser abermals vorsichtig abgegossen und durch neues erselzt werden. Sowohl hier als beim Serum konnte durch 320 ’ Versuche nicht entschieden werden, ob das Gerinsel Käse- stoff ist. Da indessen die Forscher einstimmig annehmen, dass der Käsestoff oder die ihm verwandte Materie des Glo- bulin in den Blutkörperchen sich befindet, das filtrivrle Se- rum des Froschblutes aber keine enthält, so lässt es sich wohl als ausgemacht ansehen, dass das Eiweiss im Serum das vom Aether angegriffene ist. Jetzt wäre noch die Frage zu beantworten, was Tie- demann und Gmelin bewegen konnte, dem Bluteiweiss zum Unterschiede vom Eiereiweiss die Koagulation abzu- sprechen. In concentrirter Eiereiweisslösung wird das, was Tiedemann und Gmelin Koagulation genannt haben, ohne Weiteres gesehen. Im Serum des Blutes derjenigen Thiere, die nieht die grössten Blutkörperchen haben, ist das aber nicht der Fall. Die Farbstoffe und die Trübheit des Serum machen den Versuch unsicher. Es ist indessen unläugbar, wenn ıman Serum von Menschen- und Ochsenblut mit Aether versetzt und umschüttelt, so bemerkt man während der Ope- ralion nichts von dem, was mit der concentrirten Eierei- weisslösung vorgeht; es konnte keine steife Gallerte, wie dort, erzielt werden, auch nicht einmal so, wie in weit ver- dünnterem Eiereiweiss.. Und was das im Froschblutserum Beobachtete betrifft, so sind dazu hier die Bedingungen zu ungünstig. Worin das aber liegen mag, dass das Serum sich nicht mit Aether zu der steifen Masse schütteln lässt, wie das Eiereiweiss, ist nicht ermittelt. Dass jedoch darum ein Unterschied im chemischen Verhalten angenommen wurde, dazu war kein hinreichender Grund vorhanden. Das Eigenthümliche der Einwirkung des Aethers auf Eiweiss mag darin seinen Grund haben, dass das Wasser nur eine geringe Menge Aether aufzunehmen vermag. Mit- scherlich sagt: ,„„Der Aether löst etwas Wasser auf und ist in neun Theilen Wassers löslich; setzt man aber mehr Aether zum Wasser hinzu, so schwimmt er oberhalb der Auflösung. Alkohol und Aether mischen sich in jedem Ver 321 hältniss.“ Bei den angestellten Experimenten drang immer nur ein geringer Theil des Aether bleibend in die Flüssig- keit ein. Beweisend für ‚obige Behauptung ist, ıdass das dureh Kali modifieirte Eiweiss in ‚seiner wässrigen Lösung vom Aelher gerade so angegriflen wird, wie das gewöhn- liche, während -in. der alkoholischen Aether die, stärksten flockigen Niederschläge verursacht. Beweisend ist ferner das Verhalten des Aether gegen spirituöse Lösungen des Eiweis- ses und gegen den Leim; vielleicht gäbe auch ‚das: Kasein Aufsehluss in seiner heissen alkoholischen Lösung, da es in Jer wässrigen dem Eiweiss gleicht. ; Eine verdünnte Eiweisslösung, wurde mit gleiehen, Thei- len Alkohol versetzt, Die Verdünnung musste so ‚bedeutend sein, dass jene diess erirng, ‚ohne Eiweiss fallen zu lassen. Die. klare Flüssigkeit wurde in zwei Reagirgläschen ver- theilt; in, dem. einen ‚bewirkte Aelher in nicht zu. geringer Quantität binzugelügt gerade .das, was dieselbe Menge: Al- kohol in dem andern: nämlich Trübung, Opalescenz und weiterhin selbst ‚einen Nockigen Niederschlag. Das Eiweiss fiel dabei so rein ‚heraus, dass Sublimat und Säuren "keine Spur davon in der abfiltwirken Flüssigkeit aufzeigten. Noth- wendige Bedingung zum Gelingen dieses Experimentes ist es, dass die wässrige Lösung so viel Alkohol enthält, dass der Aether’ nach gelindem Umschülleln nicht über der Flüs: sigkeit schwimmt. Eine verdünnte Lösung von Glulin wurde mit gleichen Theilen Aether versetzt. Der Aether blieb scheinbar ohne alle Einwirkung über dem Glutin stehen. Wurde geschüt- tell, so ging es in dem Reägirglase gerade so. zu, als.ob ver- dünnte Eiweisslösung darin wäre, Die Mischung wärd ei- nen Tag aufbewahrt. Der Aether wär danach grösstentheils verdampft. Ueber die Flüssigkeit lag ein Häutchen ausge- gebreilet. Diess wurde abgenommen, gereinigt und in Was- ser gekocht; es löste sich sogleich auf und Galläpfeltinktur gab in der Lösung einen Niederschlag von gerbsaureın Leim; — Müllers Archiv, 164, 21 322 Mit einer verdünnten Lösung von gereinigler Hausenblase wurden zwei Reagirgläschen noch nicht bis zur Hälfte an- gefüllt. Die Verdünnung war so stark, dass eine gleiche Quantität Alkohol nichts fällte. Zu der einen spirituösen Lösung wurde Alkohol zugeselzt, bis eine Trübung zum Vorschein kam. In der andern machte eine gleiche Quanti- tät Aether dieselbe Trübung, während sie die wässrige Lö- sung nicht in dieser Weise veränderte. Nach Verlauf eines Tages hatte sich in beiden Gläschen ein ansehnlicher Nieder- schlag abgesetzt. Diess Verhalten des Leims ist gleichfalls geeignet, das Charakteristische der Einwirkung des Aether auf dergleichen wässrige Lösuugen aufzuklären. € Kann man nun wohl sagen, dass der Aether das Ei- weiss coagulire? Ein Coagulum wird erhalten auch in der wässrigen Lösung, wo es aus gelöstem und unlöslichem Ei- weiss, Aetlier und Luftblasen besteht. Insofern wir es mit einem Gemisch von aufgelöstem Eiweiss und Aether zu thun haben, möchten wir uns freilich schwer für die Coagulation entscheiden: ebensowenig wie wir sagen, die Luft coagulire das Wasser, weil es mit ihr zu Schaum geschüttelt wer- den kann. Insofern das Coagulum aber auch unlösliches Eiweiss enthält und unter den angegebenen Bedingungen so- gar alles Eiweiss gefällt wird, ist es eben so zweckmässig, hier von Coagulation zu reden, als wir die Fällung des Eiweisses durch Alkohol mit dem Namen Coagulation be- legen. Corrigenda. Seite 305 Zeile 33, lies statt Eisenchlorid „schwefelsaures Kupferoxyd.“* BESI0, >» „ alkoholische „alkalische.“ 313 5 32, „ ,„ Darstellung „Vorstellung.“ „317 „ 49, „ „ erweichen „erreichen.“ ö Ueber 3 die Koagulation des Eiweisses. Von NATHANAEL LIEBERKUEHN. (Fortsetzung.) Ueber das Verhalten des Eiweisses gegen Alkohol. Da sich durch analytische Untersuchungen nicht ermitteln lässt, ob die durch Essigsäure, Weinsäure, Phosphorsäure entstehende Gelatine eine Verbindung dieser Säuren mit dem Eiweiss oder das Eiweiss in einer besondern Form ist: so blieb zur Entscheidung nichts übrig, als die Darstellung der Gelatine mit solchen Substanzen zu versuchen, die mit dem Eiweiss keine Verbindung eingehen. Die Wahl war vorzüg- lich zwischen dem Aether und dem Alkohol. Von dem Aether durfte indessen nicht so viel erwartet werden, weil er auf wässrige Lösungen eine zu geringe Einwirkung äussert. Die Versuche mit Alkohol hatten den gewünschten Erfolg. Das zu verwendende Hühnereiereiweiss wurde mit dem doppelten bis dreifachen Wasser versetzt und dann filtrirt. Es war jedesmal hinreichend verdünnt, wenn in demselben eine gleiche Menge Alkohol einen bläulichen Schimmer, eine doppelte Menge eine’ flockige Fällung erzeugle, die als Opa- lescenz und Trübung aufzutreten beginnt. Entstand durch wenig Alkohol ein Niederschlag, der auch beim Umschütteln a1? 324 nicht verschwand, so war die Lösung noch nicht geeignet. Vom Alkohol musste ungefähr so viel zugesetzt werden, wie die angewendete Flüssigkeit betrug. Es lassen sich so diese Verhältnisse nur annähernd bestimmen, indessen war es mir immer leicht, beim Misslingen des Versuches die erforderli- chen Correctionen zu treffen. In einem Reagirgläschen wurden die betreffenden Sub- stanzen in der angegebenen Weise gemischt und ein wenig geschüttelt. Nach einigen Minuten war die Flüssigkeit zäher, die beim Schütteln entstehenden Gasblasen stiegen langsamer zur Oberfläche; nach dreissig Minuten hatte die Zähigkeit so zugenommen, dass die Substanz sich schwer ausgiessen liess und ein Theil derselben’am Boden zurückblieb. Die gallertige Masse war vollkommen durchsichtig. Ein anderes Präparat war so fest geworden, dass beim Umkehren des kleinen Re- agirgläschens auch nicht eine Spur davon abriss; bei stär- kerer Bewegung schwankte die Gallerte hin nnd her, verliess aber die Wände des Glases nicht; als sie doch nach einer Weile sich ablöste, blieb sie als ein einziges Stück zusam- men. Beide Präparate wurden nach einer Stunde, wo sie noch eben so aussahen, wie zu Anfang des Versuchs, bis zum Kochen über der Spirituslampe erwärmt; die Gallerte ging dabei allmälig in eine klare’ Flüssigkeit über. In dem einen Gläschen war.deutlich zu sehen, ‘wie sich zuerst ein wenig Flüssigkeit auf dem Boden ansammelte, und der ganze Gallertklumpeu immer_ kleiner wurde, bis er’ zuletzt 'ganz verschwand. Die Lösung verhielt sich so wie vor der Gal- lertbildung. Sie wurde während der Abkühlung beobachtet. Als ihre Temperatur etwa der der Hand gleich war, war sie schon schleimig und es wiederholte sich bis zur Gallert- bildung Alles genau so wie beim ersten Mal. Nach der voll- ständigen Abkühlung halte sich die Gelatine unversehrt wie- der hergestellt; ihre Consislenz ‚ihre Durchsichtigkeit war nicht bemerkbar verändert. Die beiden Gläschen wurden mit ihrem Inhalte aufbewahrt. Am folgenden Tage war. der: 3235 mehr schleimige Inhalt des einen ein wenig gsirübt, "hie und da. kamen kleine Wölkchen zum Vorschein; die Conturen der Gegenstände erschienen durch die Masse hierdurch nicht mehr scharf, sondern verwaschen. Beim Hin- und Herwen- den des Gläschens hingen sich an den Rändern kleine Gal- lertstücke an. Beim Kochen löste sich Alles wieder zu einer klaren Flüssigkeit auf, die sofort nach. dem Erkalten gestand, wie Tags vorher. Der festere Inhalt des andern Gläscheus war gar keine Veränderung eingegangen; das Gefäss wurde mit einem Kork verschlossen. Nach Verlauf von zehn Ta- gen wurde die Untersuchung wiederholt. Die klare durchsichlige Gaällerte des mit dem Korkpfropfen verschlossenen Glases war unverändert, es hatte sich nur ein wenig Spiritus über ihr angesammelt. Der Inhalt des offenen war hingegen durch und durch trübe geworden, löste sich beim Erwärmen aber wieder zu einer klaren Flüssigkeit auf, die nach dem Erkal- ten sofort erstarrte und erst nach einigen Slunden sich wie- der merklich zu trüben begann. Iu manchen Versuchen wurde die beschriebene Consistenz nicht erreicht, die Masse war alsdann schleimig, verlor beim Kochen ihre Zähigkeit und erhieli sie nach dem Erkalten wieder. Wovon das Undurchsichtigwerden abhängt, konnte noch nieht mit Sicherheit ermittelt werden. Die Erscheinun- gen sind hier ungemein wechselnd; man hat die Mischungs- verhältnisse bei der angegebenen Melhode zu wenig in seiner Gewalt. Vergleicht man den besprochenen Process mit dem durch Essigsäure eingeleiteten, so bietet sich die grösste Aehnlich- keit dar. Die Consistenz ist mit Alkohol wohl desshalb nicht so bedeutend als mit Essigsäure zu erzielen, weil nicht so eoncentrirte Eiwveisslösungen angewendel werden können. Die Löslichkeit desEiweisses wird auch hier wie bei der Essigsäure verändert, worüber sogleich das Nähere, Ob bei der Erstar- rung und Coagulation des Eiweisses durch Alkohol die Luft milwirkt, oder ob vielleicht die Erstarrung unter Mitwirkung 326 der Luft, die Coagulation aber ohne dieselbe zu Stande komınt, ist unbekannt. Für die durch Essigsäure entstehende Gelatine, die gleichfalls in seiner Löslichkeit verändertes Ei- weiss hinterlässt, ist es ungewiss, ob zur Erstarrung‘ die Luft nothwendig ist, dass aber die Coagulation ausschliess- lich durch Essigsäure 'bewirkt werden kann, das ist früher experimentell erwiesen worden. Es wurde auch der in einer sehr‘ verdünnten Eiweisslö- sung durch Alkohol entstehende Niederschlag untersucht, wel- eher nieht zur Gelatinebildung von vorn herein geeignet war. Ein‘ solcher Niederschlag, welcher nach einiger Zeit in sei- nem Menstruum zu einer trüben sulzigen Masse aufgequollen war, wurde über dem Spirilusfeuer bis zum Kochen erhitzt; es verschwand ein Stück nach dem andern und bald war alles in eine klare Flüssigkeit xerwandelt. Dieselbe wurde merklich zäher, als ihre Temperatur bis zur Körperwärme herabgesunken war, und nach wiederum einigen Minuten hatte sie die Gestalt der beschriebenen Gelatine, ‘Wurde sie geschültelt, so lösten sieh die gallarligen Massen in einen Schleim auf, kamen aber bald von neuem zum Vorschein. Die Gelatine verhält sich gegen Reagentien und Lösungs- mittel folgendermaassen. Eine geringe Menge Essigsäure, Wein- säure, Phosphorsäure machle sie trübe, mehr Säure stellte die ursprüngliehe, oder noch grössere Klarheit her; es erin- nert dies daran, dass diese Säuren auch in einer spirituösen Eiweisslösung im Minimun einen starken Niederschlag er- zeugen und in grösserer Menge wieder lösen. Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure machen die Gallerte bleibend trübe, nach einiger Zeit setzten sich Flocken ab. Ammoniak machle die Gelatine klarer, wenn sie irübe war; sonst liess es sie unverändert, Aether machte sie irüber. Alkohol in grosser Menge vervrandelte sie in viele weisse Flocken. In Wasser wurde sie gleichfalls Nockig und löste sich beim Um- schütteln nur sehr wenig auf. Die Lösung stimmt mit der des Eiweisses vollkommen überein. a a 2 0 u 0 u 4 a En 2 327 Eine Eiweisslösung, die mit Alkohol Opalescenz und Trübung gegeben halte, und nach mehrtägigem Stehen voll- sländig undurebsichtig und weiss geworden war, ohne dass Flocken herausfielen, löste sich beim Kochen zu einer klaren Flüssigkeit auf, welche die eben abgehandelten Eigenschaften zeigle. Die zur Flüssigkeit aufgelöste Gelatine wurde auf ein Wasserbad gebracht. Nach einer kurzen Zeit war der Al- kohol so weit verdampft, dass er durch Geruch und Ge- schmaek nicht mehr eutdeckt werden konnte. Auf der Ober- fläche der Lösung bildete sich ein feines Häutchen, welches sich mehrere Male durch ein neues ersetzte, als es entfernt wurde. Die zur Trockniss eingedampfle Substanz war gelb- lich geworden und liess sich leicht zu einem feinen Pulver zerreiben, welches durch Wasser nicht merklich aufquoll, ganz im Gegensatze zu dem durch Kali modifieirten Eiweiss, dessen Pulver im Wasser ein zehn- oder mehrfaches Volum annahm, indem jedes einzelne Körnchen zu einem ansehuli- chen, glashellen Stück anschwoll. Das auf ein Filtrum ge- brachte Pulver gab an das darüber gegossene Wasser nicht so viel ab, dass Sublimat, Galläpfeltinetur, Salpetersäure es angezeigt hälten, während das von dem mit Kali behandelten Eiweis ablaufende von jenen Reagentien stets deutlich ge- trübt wurde. Gegen Wasser, Schwefelsäure, Essigsäure, Sal- petersäure hat es dasselbe Verhalten wie Protein. Eine glashelle Gelatine hinterliess auf dem Filtrum, nach- dem der Alkohol mit Wasser ausgewaschen war, einen opa- lisirenden, in dünnen Schichten klaren und durchsichtigen Rückstand. Das ablaufende Wasser trübte sich mit Sublimat nicht. Ist die Masse nur schleimig, so geht Eiweiss mit durchs Filtrum. Das Eiweiss wird also durch die Erstar- rung mit Alkohol unlöslich, so wie durch die Säuren. Ver- gleichen liesse sich hiermit, was Simon ängiebt, dass ein durch Alkohul niedergeschlagenes, aber in Wasser noch lös- liches Eiweiss durch längere Berührung mit Alkohol unlös- lich wird. 328 Ueber die Gallerte, die Essigsäure und Phosphorsäure im Blutserum 'hervorbringen, muss ich noch folgendes nachtra- gen: „Durch Essigsäure und Phosphorsäure entsteht entwe- der in verdünnten Auflösungen kein Niederschlag, oder es bildet sich bei eoncentrirten Säuren eine dürchsichtige Galk- erte, die sich bei Zusatz von Wasser leicht löst.“ Artikel Blut in dem Haudwvörterbuch der reinen und angewandten Chemie von Dr. J. Liebig, Dr. J. C. Poggendorf und Dr. Fr. Wöhler. Ferner Prof. Engels Beobachtung in Krombholz General-Rapport über die asiatische Cholera zu Prag im Jahre 1831, 1832 ete. ete., weleher auch darch Chlörwasser im Blutserum eine gallerlige Masse entstehen sah. Zum Verhalten des Eiweisses gegen Kali. Eine alkoholische Lösung des modilicirten Eiweisses wurde auf dem Wasserbade eingelämpft. In kurzer Zeit war sie mit einer durchsichligen glashellen Membran überzogen. Als diese abgenommen wurde, ersetzte sie sich bald durch eine neue, nach deren Entfernung wiederum eine andere sich bildete. Der trockne Rückstand ähnelte einer eingetrockne- ten Lösung von Gummi arabieum. Beim Abschaben von der Schale zersplilterte er in viele feine Theilehen, die grosse Aehnlichkeit mit Stückchen von der descemelischen Membran des Auges zeigten. In Wasser, besonders kochendem, quol- len sie zu glashellen Stücken auf, lösten sich indessen so wenig, dass nur mit Mühe so viel gewonnen werden konnte, als zu einer Prüfung mit Reagentien hinreichend ist. Die Löslichkeit scheint von der des coagulirten Kasein nicht viel abzuveichen. Als Ursache der eingetretenen Coagulation konnte natürlich nicht die Wärme, sondern nur die atmosphärische Luft angesehen werden. Wie lange die Berührung ınit der Luft dauern müsse, bis wahrnehmbare Veränderungen in den Löslichkeitsverhält nissen einträlen, wurde in folgender Weise zu ermitteln versucht, 329 Die zu verwendenden, in Alkohol und Wasser löslichen Stücke wurden, so viel es thunlich war, von gleicher Grösse gewählt; sie lösten sich, in kochenden Alkohol geworfen, in höchstens sechzig Sekunden, in kochendes Wasser, in höch- stens dreissig auf, nie später, Eine Anzahl solcher Stücke wurden in einiger Eutfer- nung von einander auf einer Glasplatte ausgebreitet und jedes mit einem langen Streifen Filtrirpapier versehen, um durch Entziehung des Wassers das Zerfallen zu verhindern. Nach Verlauf einer Stunde, wo die erste Beobachtung angestellt wurde, war die Substanz in ihrem Ansehn nicht verändert. Der Alkohol löste in sechzig Sekunden nicht Alles auf, es blieben trübe, zarte Gerinsel zurück, welche auch von Wasser nicht angegriffen wurden. Sie zeigten unter dem Mikroskop eine zarte fasrige Structur, Kochen- des Wasser hatte in dreissig Sekunden das ganze Stück auf- gelöst. Nach zwei Stunden war gleichfalls äusserlich keine Ver- änderung zu bemerken. Der Alkohol löste weniger als das vorige Mal, das Wasser Alles. Nach vier Stunden löste der Alkohol gar nichts mehr auf. Salpetersäure, Sublimat, Galläpfeltinktur, gaben in der abgegossenen Flüssigkeit auch nicht eine Spur von Trübung. Wasser löste wie vorher. Nach zwölf Stunden war merklich Wasser verdampft, die Substanz aber immer noch glashell. Der Alkohol löste gar nichts auf; das Wasser auch nicht so viel in dreissig Sekunden, dass Salpetersäure, Sublimat, Galläpfeltinktur es angezeigt hätten. Nach 30 Stunden war anscheinend vollständige Trock- niss eingetreten. Der trockne Rückstand verhielt sich in sei- ner Löslichkeit, wie der nach Abdampfung der alkoholischen Lösung gebliebene. Diese Versuche lehren. dass die Einwirkung der Luft 330 allmälig vor sich geht und dass zuerst die Löslichkeit in Alkohol, und nachher die in Wasser verändert wird. Es scheint, als trätle nach einer gewissen Zeit ein Zu- stand der Substanz ein, in welchem sie in Wasser noch leicht löslich, in Alkohol aber unlöslich ist. An der Luft getrocknetes und dann von dem anhängen- den Kali befreites Eiweis löste sich nach einstündigem Ko- chen nur zum Theil auf; es halte so lange an der Luft ge- legen, dass die dünnern und kleinern Stücke spröde, die diekern und grössern aber bloss zähe geworden waren. Wenn man den erstarrten Faserstoff des farblosen Se- rum mit dem mit Kali behandelten Eiweiss vergleicht, so möchte es äusserst schwer sein, in der äussern Form ein durchgreifendes Unterscheidungsmerkmal aufzufinden ; dieselbe Durchsichtigkeit und Klarheit, dieselbe Elastieität. Der Fa- serstoff des Froschblutes hat nicht das feste, zähe, wie der des Menschenblutes; das modifieirte Eiweiss kann man so weich ‘wie den Froschblutfaserstoff, aber auch fast so fest wie den des Menschenblutes herstellen. Der Faserstoff des Froschblutes eignet sich am besten zur Vergleichung, weil er ohne allen Farbstoff beobachtet werden kann. Was Jo- hannes Müller über das Verhalten des gelösten Faserstofls gegen Kali, Ammoniak und Aether berichtet, dasselbe gilt vom modificirten, vom anhängenden Kali befreilen Eiweiss: Kali in grosser Menge fällt es in kleinen Flocken, welche sieh'nicht zu Klümpchen zusammenballen; unter den geeigne- ten Umständen bewirkt Aether dasselbe; Ammoniak macht weder Trübung noch Niederschlag, Mulder hat beobachtet, dass beim anhaltenden Kochen des Faserstoffes mit Wasser von 100 Theilen 20,67 gelöst werden, von denen sich fast die Hälfte in Alkohol, das Uebrige nur in Wasser löst. Es sind auch vom modifieirten Eiweiss Fälle vorgekommen, wo Alkohol etwas auflöste, das Wasser aber das Uebrige aufnahm. Der Faserstoff soll bei der Fäuluiss in einen Zu- stand übergehen, wu er von Alkohol gefällt wird; in dem 331 vorigen Aufsatz ist dasselbe auch vom modifieirten Eiweiss, das, beiläufig gesagt, weit schneller fault als das gewöhn- liche lösliche Eiweiss, mitgetheilt worden. Qb das modifi- eirte das Wasserstoffsuperoxyd zerselzt und ob es in einem gewissen Grade der Fäulniss mit Salpetersäure eigenthüm- liche rosenrothe Fällungen giebt ‘wie der-Faserstoff, ist noch nicht untersucht. Man hat sich gewundert, dass die durch Kälberlab und ein ‚wenig Salzsäure bewirklen Lösungen des Faserstoffs in der Hitze nicht coaguliren und hat) merkwür- digerweise, jedoch ohne allen Grund die Ursache daven der Salzsäure zugeschrieben: das modifieirte Eiweiss gerinnt auch nicht in der Hitze, Die Erstarrung des modificirten Eiweisses bietet einen neuen Vergleichungspunkt mit dem Fibrin. Wenn man die betreffende Mischung des Kali und Eiweisses im Reagirglase schüttelt, so bemerkt man, wie die Flüssigkeit, die zuerst sich so lebendig bewegt, immer träger fliesst, bis nach etwa einer Minute die Bewegung ganz erlischt. Je heftiger ge- schüttelt wird, unı so schneller geht der Process vor sich; dieser Process ist auch sehr schön zu beobachten, wenn die noch flüssige Masse auf eine breite Schale ausgegossen wird: an irgend einer Stelle wird es zuerst fest und allmälig brei- tel es sich über die ganze Fläche aus; das Produkt ist ge- rade so fest und elastisch, wie wenn es auf die erste Art gewonnen wird. Die Erstarrung des Faserstoffes tritt unler ähnlichen Erscheinungen ein. Da sich die erstarrte Masse in kochendem Wasser leicht auflöst, so ist gewiss, dass die Erslarrung des Eiweisses und seine Coagulation zwei durchaus verschiedene Dinge sind, die sowohl zusammen, als auch nacheinander eintreten kön- nen. In der essigsauren Gelatine waren sie zusammen, aber wie hier ohne freies Kali die Coagulation an der Luft er- folgt, so erfolgte dort die Coagulation ohne Luft, allein durch die Säure. Beim Faserstoff tritt Erstarrung und Coagula- tion zugleich ein (es sei beiläufig noch einmal bemerkt, dass 332 hier Erstarrung der unmittelbare Uebergang aus dem flüssi- gen in einen consistenten Zustand, Coagulation nach Berze- lius der Uebgrgang der Substanz aus dem löslichen Zustand in ‘den unlöslichen oder wenigstens schwer löslichen: ge- nannt ist). Das durch Kali erstarrte Eiweiss hat das Ausgezeich- nete, dass die die Erstarrung verursachende Substanz, in- soweit sie nach der Vollendung des Processes mechanisch beigemengt bleibt, wieder entfernt werden kann, ohne dass die erstarrte Masse in grosser Menge aufgelöst, oder unlöslich gemacht und in einen Cohäsionszustand versetzt wird, wie ihn das mit Essigsäure behandelte Eiweiss zeigt, wo die nach dem Auswaschen der Essigsäure übrig bleibende Substanz aus un- zähligen kleinen unlöslichen Flocken besteht. Ein ähnlicher Co- häsionszustand erfolgt erst, nachdem das anhängende Wasser an der Luft verdampft ist, und lässt sich dadurch anschei- nend wieder aufheben, dass man dem Eiweiss das Wasser wiedergiebt. Die aufgequollenen Stücke weichen aber in den Löslichkeitsverhältnissen von denen ab, welehe unmit- telbar nach der Erstarrung durch Extraction des Kali ge- wonnen werden; es findet hier etwas Aehnliches statt, wie wir bei der Behandlung des Eiweisses mit Essigsäure beobach- teten, welche das coagulirte getrocknete Eiweiss aufquellen und schwer löslich machte und das flüssige unter den er- forderlichen Bedingungen in die Form des aufgequollenen überführte, ohne ihm dessen schwierige Löslichkeit zu ver- leihen. Ein charaeteristischer Unterschied zwischen dem durch die erwähnten Säuren und zwischen dem durch die kaustischen Alkalien erstarrten Eiweiss ist zunächst der, dass durch anhaltende Erwärmung über der Spirituslampe jenes sich löst, um nach dem Erkalten wieder zu gestehen, wäh- vend dieses undurchsichtig und anscheinend fester wird, oder, wenn allmälig und mit Unterbrechung erwärmt wird, sich löst, ohne nach dem Erkalten zu erstarren. Ferner unter- scheiden sie sieh dadurch, dass jenes sich in wenig hinzu- 333 geselzier Säure zu einem Sehleim. und in mehr‘ zu einer dünnflüssigen Masse auflöst, während dieses in überschüssiger nicht erwärmter Kalilauge nicht löslich ist; wenn man sol- che in grosser Menge hinzufügt, so verliert es seine Klarheit und Elastieität, es wird weiss und bröcklich; nimmt man es in diesem Zustande bald aus der Kalilauge heraus, so lüsst es sich noch durch Wasser durchsichtig machen. Verdünnte Essigsäure löste die durch die Luft verän- derte Substanz nach vierstündigem Kochen vollständig auf. Ueber das Verhalten des Eiweisses gegen Natron. Wir finden hier dasselbe wieder, was wir vom Verhal- ten gegen Kali beobachtet haben. Wenn die Gallerte vom anhängenden Natron befreit ist, so ist sie gleichfalls in ko- chendem Wasser und Alkoholleicht löslich, gerinnt nicht durch die Wärme und verändert ihre Lös- lichkeitsverhältnisse an der Luft. Bei der Darstellung derselben in einer silbernen Schale zeigte sich eine reiche Schwefelausscheidung, die Wände des Gefässes schwärzten sich in wenigen Minuten. Die wässrige Lösung bildete beim Abdampfen dieselben Hiänte wie die alkoholische des mit Kali behandelten Eiweisses, wovon früher gehandelt ist. Diese Häute sind in dem äus- sern Ansehen denen gleich, die Scherer bei der Abdampfung des Blutserum beobachtete, wenn er es mit kaustischen Al- kalien versetzte. Wie dort, findet auch hier die Bildung derselben nur an der Oberfläche statt, wo Luft und Flüssig- keit sich berühren. Da die alkoholischen und wässrigen Lösungen mit de- nen des durch Kali veränderten Eiweisses in allen Punkten fibereinstinmmen, so soll hier nur über die Prüfung mit eini- gen oben nicht erwähnten Rengentien berichtet werden. 'Gerbsäure macht in der "wässrigen Lösung eine starke weidse, im Ueberschuss der Säure nicht lösliche Fällung. 334 Gallussäure giebt keinen Niederschlag. Oxalsäure in geringer Menge erzeugt einen weissen Niederschlag, der im Ueberschuss der Säure sogleich ver- schwindet. Salpetersaures Quecksilberoxydul erzeugt’ einen weiss- grauen Niederschlag und in sehr verdünnten Lösungen noch deutliche Trübung. Eisenchlorid macht weder Trübung noch Fällung. Der Niederschlag, den neutrales essigsaures Bleioxyd bewirkt, löst sich nicht merklich im Ueberschuss des Ei- weisses, wobl aber in dem des Bleisalzes. Als dies Reagens zu einer Lösung der frisch dargestellten Substanz gesetzt wurde, bräunte sich. die ganze Masse von sich bildendem Schwefelblei, Jodsaures Kali schlägt nichts nieder. Chlorsaures Kali desgleichen. Kalk und: Barytwasser bewirken keine Fällung. Chlorbaryum und Chlorealeium machen starke weisse, in zugesetztem Wasser sich nicht lösende Niederschläge. Die quantitativen Analysen der bedeutendern Nieder- schläge werden an einem andern Orte mitgetheilt werden; ebenso auch die Untersuchungen darüber, ob das modificirte Eiweiss Kali- und Natronalbuminat ist oder nicht. Ob es der Sauerstoff der Luft ist, der die Löslichkeit der Substanz ver- ändert, ist noch nicht ermittelt. Eine neutral reagirende alkoholische Lösung des Bröpe fieirten Eiweisses wurde in ihrem Verhalten gegen den electri- schen Strom untersucht. Es‘ wurde eine Bunsensche Bat- terie von vier Paaren und Platindrähte angewendet, Nach zweistündiger Einwirkung hatte sich am negativen Pol ein weissliches, in kochendem Wasser und Alkohol unlösliches Coagulum abgesetzt. Im Uebrigen ‘bemerkte ich in. der Lösung nichts Auffallendes.. . Als’ ich sie aber nach. Verlauf von zwölf Stunden wieder beobachtete, war eine Verände- rung damit vorgegangen, die mir vom modifieirten, Eiweiss Di Zn Su 0 ’ 335 jetzt zum ersten Male entgegentrat und die ich schon häufig vergeblich zu erzielen versucht hatte, Die Flüssigkeit ‚war grossentheils in’ eine beinahe durchsichtige und wasserhelle Gallerte verwandelt. Wir haben bier also abermals die bei- den wichligen Zustände: Coagulation und Erstarrung ge- trennt neben einander. Die coagulirte Substanz, welche auch eine Verbindung sein kann, unterschied sich dadurch von der erstarrten, dass sie weiss, undurchsichtig und un- löslıch war, während die fast wasserhelle erstarrte sich leicht in kochendem Wasser und Alkohol auflöste. Natür- lich waren diese Versuche nicht ausreichend um zu bewei- sen, dass die Coagulation und Erstarrung in dem vorliegen- den Fall eine und dieselbe äussere Ursache gehabt hätten. Es wurde daher abermals eine alkoholische Lösung demsel- ben elektrischen Strom ausgesetzt und eine gleiche Quanti- tät von derselben Lösung aufbewahrt, um zusehen, ob sie vielleicht spontan erstarren möchte. Nach mehrstündiger Einwirkung des Stroms fand sich ‘wie das vorige Mal am negativen Pol ein dem gekochten Eiweiss ähnelndes Gerinn- sel vor. Die Flüssigkeit selbst war nicht verändert. Tags darauf aber war sowohl die dem electrischen ‘Strom ausgesetzt gewesene als auch die andere Flüssigkeit zu der beschriebenen Gallerte erstarrt. Es ist somit gewiss, dass die alkoholische Lösung des modificirten Ei- weisses spontan erstarrt, Die Lösung wurde so gewon- nen, dass zu dem vom freien Alkali befreiten aufgequollenen Eiweiss ein ungefähr gleiches Volum Alkohol gesetzt und die Mischung erwärmt wurde. Die durch Erwärmen von neuem aufgelöste Gallerte ging nach Verlauf von einem Tage wie- der aus dem flüssigen in den gallertigen Zustand zurück, une konnte die Eigenschaft zu gelatiniren durch wiederholtes Auf- lösen nicht aufgehoben werden Wenn getrocknete und durch Wasser aufgesch wollene Stücke von modifieirtem Riweiss längere Zeit ınit wenig Wasser befeuchtet in Reagirgläschen aufbewahrt wurden, 336 so traf es sich nicht sellen, dass ein Theil derselben seine Durchsichtigkeit verlor und das Ansehn von dem eoagulir- ten Eiweiss eines gekoechten Hühnereies annahm. Da so- wohl die trübe gewordenen, als die durchsichtig gebliebenen Stücke, soviel sieh übersehen liess, seit ihrer Darstellung denselben Einflüssen ausgesetzt gewesen waren, so: konnte nur in der Darstellung der Grund zur Veränderung. gesucht werden. Zumeist waren es nur die grösseren $tücke. Diese mochten nicht alles freie Alkali beim Auswaschen an das Wasser abgegeben haben und es entweder als kaustisches, oder in irgend einer Verbindung, z. B. als kohlensaures ent- halten. Durehsichtige Stücke trübten sich denn auch wirk- lich durch und durch, wenn sie mit dem betreffenden kau- stischen oder kohlensauren Alkali versetzt wurden und lies- sen sich durch Behandlung mit Wasser meistentheils, durch Behandlung mit verdünnter Essigsäure jedes Mal wieder durchsichtig machen, was auch ‘bei den oben erwähnten Stücken der Fall war. Mit Wasser kann man zwar dem 'ge- kochten Hühnereiereiweiss seine Trübheit nicht nehmen, aber nach längerer Einwirkung der Essigsäure verschwindet sie bekanntlich auch hier. Es ist nun nicht unwahrscheinlich, dass die Trübheit des gekochten Eiweisses der Hühner-, Enten- eier von einem grössern Natrongehalt herrührt, als ihn z.B. die Kiebitzeier haben mögen, deren Eiweiss nach dem Ko- ehen beinahe klar und dem modifieirten Eiweiss im Aussehn sehr ähnlich ist. ‘Wenn quantitative Bestimmungen des Na- trongehaltes der Eier der Hühner und andrerseits der der Kiebitze diese Vermuthung zur Gewissheit erhöben, so wäre dadurch ein nicht uninteressanter Blick in den Haushalt des thierischen Organismus gestattet. Ueber das chemische Verhalten einiger Skelettheile der Sepien. Von Dr. J. C. Straut. Bis jetzt haben die chemischen Untersuchungen, welche auf die Cephalopoden ausgedehnt wurden, sich nur auf die Dinte des Dintenfisches beschränkt. Unberührt blieben die Skelet- theile, denn vom sogenannten Os sepiae. weiss man weiter nichts, als dass eine thierische Materie die Grundlage bilde; in welche Kalksalze abgelagert sind. Von einer Sepia offieinalis erhielt ich aus dem königli- chen anatomischen Museum durch die Güte des Herrn Ge- heimenraths Müller die beiden papageischnabelförmigen, dunkelbraunen Zähne zur Untersuchung. Die Zusammen- selzung des Kopfknorpels, über die ich mit Herrn Lieber- kühn gemeinsam gearbeitet, wird dieser mit Nächstem ver- öffentlichen. Die Zähne, einem Spirituspräparat entnommen, wurden von allem Anhängenden gereinigl, tagelang mit kaltem Was- ser macerirt, abgetrocknet und darnach mehrmals mit destil- lirtem Wasser abgespült. In kochendem Wasser sind sie unlöslich, selbst nach mehreren Stunden. Beim Kochen entwickelt sich indess ein Müllers Archiv, 1849. 22 338 eigenthümlicher Geruch, wie man ihn an Meerthieren findet, die lange in Spiritus gelegen haben. Das kochende Wasser, das nach 8 Stunden noch vollkommen klar ist, hat in die- ser Zeit einige extractartige Subslanzen aufgenommen, denn es entsteht darin mit Gallustinktur eine weisse Fällung, und salpetersaures Silberoxyd macht eine Trübung, die nach dem Senken einen braunrothen Niederschlag bildet, während zu- gleich die darüber stehende Flüssigkeit sich eben so gefärbt hat. Auch verdünnte und fast concentrirte Kalilauge vermö- gen die Substanz in der Kälte nicht zu lösen. Erwärmt man aber, so nimmt nach längerer Zeit (etwa einer Stunde) die Flüssigkeit eine gelbliche Färbung an und wird nach und nach dunkelbraun und fast schwarz, dass die Durch- sichtigkeit fast ganz verloren geht. Vollständig unlöslich ist die Substanz in kalter concen- trirter Salzsäure, selbst nach 36stündiger Einwirkung; eben- so lösen auch Essigsäure und Salpetersäure sie in der Kälte nicht auf. Erhitzt man hingegen die Zahnsubstanz mit con- cenlrirter Salpetersäure, so werden nahe beim Siedepunkt die färbenden Bestandtheile unter Aufbrausen zu einer gel- ben Flüssigkeit aufgelöst; Alles vermag man indessen, selbst beim anhaltendsten Digeriren, nicht zu lösen, und es bleibt das angewandte Stück Zahn seiner Form nach in einer farblosen, durchsichtigen, fast glashellen, knorpeligen Sub- stanz zurück. Bei dieser Behandlung wird die Substanz zu- erst gelb, darnach undurchsichtig weiss und endlich farblos, wobei alles Brausen aufhört. Aus der gebildeten Flüssig- keit schlägt Wasser keine Xanthoproteinsäure nieder. Die Schwefelsäure zeigt das stärkste Lösungsvermögen auf die Substanz; denn schon in der Kälte erfolgt binnen einer halben Stunde eine solche Einwirkung, dass die Sub- stanz in kleine Stücke zertrümmert wird und nur braune, flockige Massen zurückbleiben, die den obern Theil der Flüs- sigkeit einnehmen. Erhitzt man hingegen die Zahnsubstanz 339 in eoneentrirter Schwefelsäure, so ist in wenigen Minuten Alles zu einer dunkelbraunen fast schwarzen Masse aufgelöst. Der Ruhe überlassen, bildet sich in dieser Flüssigkeit kein Bodensatz; durch Zusatz von Wasser kann man einen star- ken dunkelbraunen Niederschlag hervorbringen. Für die in der Kälte zu bewirkende Lösung ist es nicht nöthig concen- trirte Schwefelsäure anzuwenden, indem auch Schwefelsäure, die mit der Hälfte Wasser verselzt ist, noch schnelle Lösung bewirkt, indess schwache Verdünnungen bleiben ohne Ein- wirkung. Aus diesen Vorversuchen ergiebt sich schon, dass die Sepienzähne hauptsächlich aus 2 Substanzen bestehen, näm- lich aus einer Gewebsgrundlage und aus Farbstoff, Will man jene Substanz darstellen, welche die Form des ganzen Zahnes bedingt, oflenbar die Gewebsgrundlage bildet, so muss man die Zahnsubstanz so lange mit kochender Kali- lauge ausziehen, als diese noch etwas aufnimmt, oder, wo- mit man schneller zum Ziele gelangt, in erwärmter Salpeter- säure behandeln. Nach dieser Behandlung bleibt etwa ein Driltheil der angewandten Substanz zurück, ohne dass die Form irgend etwas eingebüsst hat. In diesem durchsichti- gen Zustande eignet sich die Substanz auch zur mikrosko- pischen Untersuchung, da sie sich bedeutend leichter in feine Schnittchen bringen lässt. Ich sah in der Substanz, nach- dem sie so lange mit Kalilösung behandelt war, als diese noch färbende Bestandtheile aufnahm, bei 55maliger Ver- grösserung malte, fast parallele, wenig verworrene und ver- schlungene Fasern, ohue indess entscheiden zu können, ob diese Resultat der Präparation waren. Besondere Elemente konnte ich an diesen Fasern nicht unterscheiden; sie schei- nen aus einer sehr feinkörnigen Masse zu bestehen. Slär- kere Vergrösserungen gaben keinen weilern Aufschluss, nur sah man dann (bei I85maliger Vergrösserung) fast perpen- dikulär über jene Fasern hin dunkle, verästelte, sehr ge- schwungene. abgerissene Streifen verlaufen, ähnlich denen, RE 340 wie sie von den Kanälen in der Schale der Krebse beschrie- ben werden. Hat man nun die Gewebsgrundlage rein dargestellt und mit Wasser mehrfach gereinigt, so kann man sie von den obengenannten Säuren nur in Schwefelsäure auflösen, und zwar in concentrirter sehr leicht, langsamer, wenn man eine mit gleichen Theilen Wasser verdünnte Schwefelsäure anwendet; sehr verdünnte Säure greift die Substanz gar nicht an. In dieser schwefelsauren Jösung macht Salmiakgeist einen weissen, sehr leichten flockigen Niederschlag, der sich in Schwefelsäure wieder auflöst. Hat man so viel als mög- lich durch Schwefelsäure gelöst, so kann man diese Lösung etwas mit Wasser verdünnen, ohne eine Fällung zu erhal- ten; über eine gewisse Verdünnung hinaus erhält man einen weissen, fein vertheilten schwer niederfallenden Niederschlag, der abliltrirt und getrocknet, auf dem Filtrum einen schwach bräunlichen fest am Papier hängenden Beleg bildet. Man vermag übrigens durch den Zusatz von Wasser nicht alles Gelöste niederzuschlagen, so viel man auch hinzusetzen mag, denn die abfiltrirte Flüssigkeit, die mit Wasser keinen Nie- ‚derschlag mehr giebt, nimmt durch die beim Eindampfen an- gewandte Erwärmung eine braune Farbe an und vertreibt man die Schwefelsäure ganz, so bleibt eine Kohle zurück, die mit Wasser übergossen, auf den Zusatz weniger Tropfen Kalilösung, so viel Ammoniak entwickelt, dass dieses sich durch den Geruch deutlich verräth; wird ein mit Salzsäure befeuchtetes Glasstäbchen darübergehalten, so entwickeln sich starke weisse Nebel. Es ist mithin diese in der schwefelsau- ren Lösung durch Wasser nicht fällbare Substanz stlickstofl- hallig; sie ist in der sehr verdünnten Lösung nicht durch Ammoniak fällbar, giebt wohl mit Barytsalzen einen slar- ken Niederschlag von den Metallsalzen, aber nur mit salpe- tersaurem Silber und mit essigsaurem Bleioxyd*) weisse Fäl- *) Im Verfolg dieses Aufsatzes ist stets das neutrale essigsaure Salz sowolil von Bleioxyd als von Kupferoxyd angewandt. 34 lungen; die Fällung mit dem Silbersalz ist nicht eben stark und nicht krystallinisch. Auf diese letztern Reaktionen ist kein Werth zu legen, da sich jedenfalls schwerlösliches Sil- ber- und Bleisalz gebildet hat. Der durch Wasser aus der schwefelsauren Lösung ge- fällte Niederschlag ist in Schwefelsäure wieder löslich und kann hieraus wieder durch Ammoniak gefällt werden; auch was durch Ammoniak aus der schwefelsauren Lösung ge- fällt wird, ist in Schwefelsäure wiederum löslich und durch Wasser fällbar. Wird dieser Niederschlag in seiner Lösung durch Schwefelsäure stark erwärmt, so schwärzt sich die Flüssigkeit und nach dem Vertreiben alles Flüssigen bleibt eine Kohle zurück, die mit Kalilauge übergossen, Ammoniak entwickelt; denn ein mit Salzsäure befeuchteter Stab, bildet in die Nähe gebracht, weisse Nebel. Mithin ist auch diese Substanz stickstoffhaltig. Auch wenn man die ursprüngliche schwefelsaure Lösung so lange mit feingepulvertem kohlensaurem Kalk versetzt, als sich noch Gasblasen entwickeln, so wird die Schwefel- säure an Kalk gebunden, ein Theil der zuvor gelösten Sub- stanz fällt mit nieder, ein anderer aber bleibt in Lösung. Denn die über dem schwefelsauren Kalk sich haltende Flüs- sigkeit lässt beim Eindampfen einen Rückstand, der zu einer stickstoflhaltigen Kohle verbrennt. Auch der hinreichend ausgesüsste schwelelsaure Kalk färbt sich beim Glühen bräun- lich. Ward aus der schwefelsauren Lösung die Schwefel- säure durch kohlensauren Baryt unlöslich gebunden, so zeig- ten sich in der abfiltrirten Flüssigkeit folgende Reaktionser- scheinungen. Platinchlorid, Sublimat, Alaun, Zinnchlorür, Zinkehlorür, Salzsäure afficiren die Lösung nicht. Kalilauge, Ammoniak, kaustisches sowohl als kohlensaures, bewirken eine weisse Trübung, die indess so gering ist, dass man sie wohl einer geringen Menge gelöst erhaltenen sch wefelsauren Baryts zuschreiben kann. Essigsaures Kupferoxyd, Gallus- tinktur und essigsaures Bleioxyd machen stärkere Trübungen 342 Eisenchlorid giebt nicht sogleich eine Fällung, sondern erst nach einiger Zeit bildet sich ein weisser Niederschlag, der in Wasser, Essigsäure und Ammoniak unlöslich ist. Die stärkste Fällung entsteht durch Silbersalpeter, der aus der zuers! entstehenden Trübung sich nach einiger Ruhe in flok- kiger Form niederschlägt, unlöslich in Wasser ist, sich aber in Ammoniak vollkommen löst. Eine schärfere Charakleristik der Bestandtheile, welche die Grundlage dieser Zähne bilden, kann ich wegen der ge- ringen Menge der angewandten Substanz nicht liefern, indess ist doch so viel ersichtlich, dass wir es hier mit einem ganz besondern Stoff zu thun haben. In seinen chemischen Ei- genschaften stimmt er mit einigen andern Stoffen überein, mit denen er gleiches physiologisches Verhalten hat. Es er- innert dieser Stoff nämlich zunächst an Chitin, von dem er jedoch durch seine Unlöslichkeit in kalter Salpeter- und Salz- säure abweicht; aber auch sein Verhalten gegen Schwefel- säure, wiewohl er von ihr gelöst wird, ist anders, denn er quillt darin vor der Lösung nicht auf, vielmehr erfolgt die Lösung von den Kanten aus und ohne Gasentwicklung. Mit dem Chitin aber in Gemeinschaft reiht er sich sowohl phy- siologisch als chemisch an die Leimarten und Hornsubstan- zen an. Alle bilden die chemische Grundlage jener Gewebe, die für die festen Skeletiheile verwandt sind, mögen sie ei- nem schützenden äusseren oder stützenden innneren angehö- ren. Sie widerstehen alle den gewöhnlichen Lösungsmitteln und vermögen nur vermittelst einer Zerselzung in den ge- lösten Zustand übergeführt zu werden. Bei unserm Stoff ist dies besonders klar. Die durch Schwefelsäure gelöste Substanz kann durch Wasser in 2 zerlegt werden, von de- nen die eine in sehr verdünnter Säure noch löslich ist. Diese Substanz kann aber nicht durch dieses Lösungsmiltel aus der noch unzerseizten Zahnsubstanz selbst ausgezogen werden. Was nun die den Zahn färbenden Bestandiheile anbe- 343 twilft, so können diese durch Kali, kochende Salpeter- und Schwefelsäure ausgezogen werden, Die Wirkung der Kalilauge, wenn sie auch sehr ver- dünnt ist, äussert sich schon in kurzer Zeit, namentlich wenn man sie erwärmt. Hat man sehr verdünnte Kalilauge über Feuer nur wenige Minuten mit dem Zahn in Berührung gelassen, diese abgegossen und durch mehrmaliges Auswa- schen mit kaltem Wasser ganz entfernt, so ist doch so viel zur Lösung vorbereitet, dass sich reines Wasser mit der Substanz gekocht in’? Stunden gelb färbt. In dieser Flüs- sigkeit machen Weinsteinsäure, Essigsäure, Salzsäure, Schwe- felsäure, Salpetersäure, Quecksilbersublimat, Eisenchlorid, salpetersaures Silber, salpetersaurer Baryt, Kaliumeisenceya- nür und chromsaures Kali keine Trübung. Platinchlorid ruft eine geringe Trübung hervor. Essigsaures Bleioxyd macht eine weisse Trübung, aus der sich in der Ruhe ein Nieder- schlag absetzt. Uebermangansaures Kali wird sogleich farb- los und lässt nach längerer Zeit damit einen braunen flok- kigen Niederschlag fallen. Zinnchlorür bildet ohne merkliche Trübung nach 42 Stunden damit einen gelblichen Nieder- schlag. Essigsaures Kupfer macht darin eine geringe Trü- bung, aus der nach mehreren Stunden ein grünlich weisser Niederschlag fällt, welcher in Essigsäure löslich ist. Zur weiteren Untersuchung ward mit essigsaurem Kup- fer gefällt, der entstandene Niederschlag in Essigsäure ge- löst und durch diese Lösung Schwefelwasserstoflgas getrie- ben. Es fielen rothbraune Flocken nieder, die ausser dem Schwefelkupfer ihrem Ansehen nach noch etwas Anderes gebunden halten mochten. Es wurde filtrirt. Das wasser- helle Filtrat wurde zur Vertreibung der Essigsäure und des “überschüssigen Schwefelwasserstoles aufgekocht und dann zur Trockne verdampft. Es bleibt ein bräunlicher Rückstand zurück, der sich in Alkohol nicht löst, aber von Wasser aufgenommen wird. In dieser wässrigen wenig gelblichen Lösung macht Ziunchlorür eine weisse Trübung, überman- 344 gansaures Kali entfärbt sich sogleich damit, setzt aber spä- ter keine Flocken ab. Essigsaures Blei und Kupfer machen weisse Fällung. Wenn man die Zahnsubstanz mit mässig verdünnter Kalilauge kocht, so erhält man binnen kurzer Zeit eine sehr braune Lösung, indess ist eine ziemlich bedeutende Menge Kalilauge erforderlich, um Alles aus dem Zahn zu entfernen, was dadurch aufgenommen werden kann. Ich musste so zweimal die Substanz behandeln, und wandte das letzte mal eine stärkere Lösung von kaustischem Kali an, die sich dunkler als das erste mal färbte. Mithin hängt die Löslich- keit der fürbenden Bestandtheile von der Gegenwart freien Alkali's ab. Aus der ersteren alkalischen Lösung wurde das Kali durch Weinsäure so lange präcipilirt, als noch ein Nieder- schlag entstand. Der niedergefallene Weinstein ist sehr stark gefärbt und kann nicht durch Auswaschen entfärbt werden. Die abfiltrirte Flüssigkeit ist durch die eingebrachte Lösung der Weinsäure sehr verdünnt, sie ward desshalb auf ihr ursprüngliches Volumen eingedampft, wobei noch elwas Weinstein niederfil. Die auf den Zusatz von Reagenlien erfolgenden Erscheinungen, die aber durch die Gegenwart des sauren wreinsteinsauren Kali’s getrübt sind, waren fol- gende: Essigsäure, salpetersaurer Kobalt präeipitiren nichts, auch wenn erwärmt wird; Eisenchlorid lässt die Lösung un- getrübt, erst wenn die Flüssigkeit damit erhitzt wird, er- folgt ein leichter, weisser, flockiger Niederschlag; einen ge- ringen Niederschlag, der erst nach mehreren Stunden erfolgt, machen Kaliumeisencyanür, schwefelsaures Eisenoxydul, Zinkcehlorür und salpetersaurer Baryt; oxalsaures Ammoniak trübt zuerst milchig und macht nachher einen weissen flok- kigen Niederschlag; Sublimat und Gallustinktur rufen eine deutliche Trübung hervor; Zinnchlorür macht eine starke Fällung; salpetersaures Silber eine starke Trübung, mit sich langsam absetzendem Niederschlag, der in Ammoniak löslich 345 ist; wenige Tropfen essigsaures Kupfer machen eine Trübung, aus der sich langsam ein matt grünlicher Niederschlag ab- setzt, der in Essigsäure löslich ist; Platinchlorid macht eine starke Fällung, die in Wasser nicht löslich ist; essigsaures Blei ruft eine starke Fällung hervor, die nicht in Wasser, aber in Salpetersäure leicht löslich ist. Um noch genauere Erfahrungen zu erhalten, wurden zwei Niederschläge näher untersucht, indem aus ihnen die eingebrachten Reagentien entfernt und die erhaltenen Lösun- gen mit Reagentien vergleichend untersucht wurden. Es wurde eine Menge des durch essigsaures Kupfer er- haltenen Niederschlags dargestellt, nach dem Filtriren auf dem Filtrum ausgewaschen, durch Essigsäure gelöst und durch die Lösung ein Strom von Schwefelwasserstoff gelei- tet. Nachdem das Schwefelkupfer abfiltrirt war, wurde die filtrirte Lösung eingedampft, wobei alle Essigsäure entwich, Der Rückstand löste sich in Wasser zu einer gelbgrau ge- färbten Lösung auf; in Alkohol war er unlöslich, In dieser Lösung machte essigsaures Kupfer wieder den grünlich weissen Niederschlag, der in Essigsäure löslich ist; essigsaures Blei macht einen weissen in Salpetersäure lüs- lichen Niederschlag; durch Zinnchlorür entsteht nur eine weisse Trübung; Gallustinktur fällt nach längerm Stehen bräunliche Flocken; Sublimat und salpetersaures Silber rufen nach langem Stehen Flocken hervor, die völlig gesenkt et- was bräunlich gefärbt sind; Platinchlorid macht eine bräun- liche flockige Fällung. Nebenher wurde nun auch der durch essigsaures Blei hervorgerufene Niederschlag auf dem Filtrum ausgewaschen und in der zur Lösung nöthigen Menge Salpetersäure gelöst. Dureli die dadurch gebildete braune Flüssigkeit wurde Schwe- felwasserstoflgas geleitet bis kein Schwefelblei mehr nieder- fiel; dieses wurde abfiltrirt, die Lösung eingedampft und abermals in Wasser gelöst und wiederum Schwefelwasser- stolfgas hindurchgeleitet, um so viel Schwefelblei als möglich 346 zu fällen. Diese Procedur musste mehrmals wiederholt wer: den, weil die Salpetersäure nicht alles Schwvefelblei ausfäl- len liess, bis endlich alle Salpetersäure durch Eindampfen vertrieben war, und somit alles Blei als Schwefelblei aus- gefällt werden konnte. Die bleifreie Flüssigkeit ist einge- dampft schwach gelb gefärbt und giebt einen Theil an Al- kohol ab, während der andere nur durch Wasser gelöst wird. Aus dieser abweichenden Löslichkeit ergiebt sich schon, dass man es hier mit einer andern Substanz zu thun hat, die wahrscheinlich durch die Einwirkung der heissen Salpetersäure sich gebildet. In der alkoholischen Lösung macht Platinchlorid keine Fällung; essigsaures Blei macht einen starken weissen, durch Salpetersäure nur unvollständig löslichen Niederschlag; Zinn- chlorür einen starken weissen in Salzsäure unvollständig lös- lichen Niederschlag; Gallustinktur macht nur geringe Flocken; der durch essigsaures Kupfer entstehende Niederschlag ist nur etwas in Essigsäure löslich; salpetersaures Silber ruft einen starken weissen in Ammoniak löslichen Niederschlag hervor; Sublimat trübt nicht einmal und Schwefelwasser- stoff - Schwefelammonium macht eine starke Trübung, die als gelber Niederschlag fällt; lässt man dies 24 Stunden ste- hen, so schlagen mit dem Verdampfen der Flüssigkeit fort- schreitend weisse lange durchsichtige Säulen einer in Wasser löslichen Verbindung an den Wäuden nieder, der zu Boden gefallene Schwefel ist in Körnern zusammengebacken, die unter dem Mikroskop sich sogleich als Rhombenoktaeder ergeben. In der wässrigen Lösung macht Platinchlorid wenig bräunliche Flocken niederfallen, aber Gallustinktur affieirt sie nicht; geringe Trübung machen Sublimat und salpe- tersaures Silberoxyd; Zinnchlorür macht einen weissen Nie- derschlag und essigsaures Blei desgleichen, welcher letzterer in Salpetersäure vollkommen löslich ist. Ob nun die durch essigsaures Blei und essigsaures Kup- 347 fer gefällten Substanzen identisch sind, lässt sich nach den angegebenen Versuchen nicht geradezu deduciren, weil die mit dem Bleisalz verbundene Substanz nicht hat vor Zerset- zung bewahrt werden können; indess ist die Identität doch sehr wahrscheinlich, da die Substanz, welche aus der essig- sauren Kupferverbindung dargestellt wurde, auch mit essig: saurem Blei einen Niederschlag von anscheinend gleichen Ei- genschaften machte. Die Fällungen durch Platinchlorid und Gallustinktur scheinen andern, vielleicht ganz differenten Sub- slanzen anzugehören, In dem zweiten dunklern Kaliextract machte Essigsäure eine geringe Fällung, deshalb ‘wurde, ehe an die Entfernung des Kali geschritten wurde, mit Essigsäure gesättigt und das dadurch Gefällte abfiltrirt. Der geringe Filtrumrückstand wurde mit Wasser ausgewaschen; er bildet getrocknet einen chokoladenbraunen pulverigen Körper; er löst sich in Am- moniak mit Leichtigkeit wieder auf zu einer braunen Lösung, aus welcher er durch Salzsäure nur wenig und langsam ge- fällt wurde. Das erhaltene dunkelbraune Filtrat wurde nun mit Wein- säure genau ausgefällt und das niedergefallene saure wein- saure Kali durch Filtriren aus der Flüssigkeit entfernt. Dar- nach wurde eingedampft, alle freie Essigsäure entfernt, aus dem Rückstand so viel mit Alkohol gelöst, als dieser aufzu- nehmen vermochte, der Rest in Wasser gelöst, In der alkoholischen Lösung entsteht durch essigsaures Blei kein Niederschlag; flockige Niederschläge entstehen durch Platinchlorid (in Wasser unlöslich), essigsaures Kupfer, Alaun, Gallustinktur, Zinnchlorür, salpetersaures Silber, Sublimat. In der wässrigen Lösung macht wieder Platinchlorid und Sublimat keine Fällung; Alaun macht sie erst nach meh- reren Stunden; eine Trübung und Niederschlag leicht ge- bräunter Flocken machen essigsaures Blei, essigsaures Kup- 348 fer, Gallustinktur, Zinnchlorür, salpetersaures Sabei) Eisen» ehlorid und Zinkchlorür. Es ist oben gesagt worden, dass Stücke eines Sepien- zahnes mit Salpetersäure digerirt alle Färbung verlieren und diese in die Flüssigkeit mit hellem Gelb übergehe. Diese Färbung rührt nun von den färbenden Bestandtheilen her und wird auf den Zusatz von Ammoniak noch lebhafler und fast orange. Salpetersaures Silber macht nur eine schwa- che weisse Trübung; ZEisenchlorid, Sublimat, essigsaures Blei und Kupfer rufen keine Niederschläge hervor, auch nicht wenn Ammoniak hinzugesetzt wird, wodurch nur eine kräftigere Färbung hervorgerufen wird, nur bei Gegenwart des Bleisalzes fällt noch viel Ammoniak, endlich Bleioxyd. Ohne irgend welchen Rückstand zu lassen, kann man die Sepienzähne in kochender concentrirter Schwefelsäure auflösen. Es entsteht alsdann eine tief dunkle undurchsich- tige Flüssigkeit; aus dieser Lösung kann man den Farbstoff durch Verdünnung mit Wasser herausfällen und sich ab- setzen lassen. Der Niederschlag löst sich leicht in Ammo- niak und aus dieser braunen Lösung kann man wieder durch Salz- oder Schwefelsäure, wenn man eine Stunde wartet, allen Farbstoff wieder ausfällen. Vertreibt man durch Ein- dampfen der ammoniakalischen Lösung alles freie Ammo- niak, so löst sich der Rückstand nun auch in reinem Was- ser. Diese wässrige Lösung giebt mit Platinchlorid und Gal- lustinktur keine Niederschläge, essigsaures Blei macht so- gleich einen starken, schweren, graulichen Niederschlag, der sich bald senkt und über sich die Flüssigkeit völlig entfärbt stehen hat; langsam machen braune flockige Niederschläge: Salzsäure, essigsaures Kupfer, Alaun, salpetersaures Silber und Eisenchlorid. Die chemischen Eigenschaften dieser färbenden Bestand- theile erinnern lebhaft an das von Bizio *) so genannte *) Brugnatelli, Giornale di fisica, Dec. II. Tom, VIII. p. 88. s. auch Geiger's Magazin, XI. S. 194. 349 Melain, den dunkelbraunen Farbstofl aus der Dinte der Se- pia. Zwar stimmen die von Prout angegebenen Reaktionen nicht vollkommen mit den meinigen, allein auch Prout be- arbeitete den schon modifieirten Farbstoff, indem er ihn un- tersuchle, nachdem dieser mit kochender Salzsäure gereinigt war. Es scheint überhaupt dieser Farbstoff bei der Behand- lung mit starken Reagentien so leicht mannichfache Modifi- cationen einzugehen,- dass es nöthig ist, eine vergleichende gleichmässige Untersuchung der Farbe aus der Dinte und aus dem Zahn anzustellen, welche gewiss die Identität bei- der herausstellen wird. Prout's Angabe weicht nämlich hauptsächlich darin ab, dass er sagt, das reine Melain sei in kalter Schwefelsäure löslich, werde daraus durch Wasser präcipitirt, und durch kochende Schwefelsäure werde es zerselzt, Wenn hier nicht etwa ein Irrthum eingelaufen ist, gilt dies doch nur von dem mit kochender Salzsäure behandelten. Schon Berzelius führt beim Melain an (3. Aufl. IX. S. 777), dass das Verhalten desselben eine grosse Analogie mit dem Augenschwarz babe, und wenn die Angabe Prout’s in Bezug des Verhaltens gegen Schwefelsäure mit meinen Resultaten vom Sepienzahnfarbstoff in Einklang zu bringen ist, so ist die Identifät des Melains und des Augensch war- zes sehr nahe, was von um so grösserm Interesse ist, als auch der schwarzbraune Farbstoff in den melanotischen Neu- bildungen so grosse Analogie mit dem Augensch warz darbietet. Fassen wir alle Ergebfiisse kurz zusammen, so bestehen die Sepienzähne aus einer Grundlage, die von keiner Säure, ausser der Schwefelsäure, aufgelöst wird, — aus einem in Alkali und kochender Schwefelsäure anscheinend unverändert löslichen Farbstoff — und aus extractiven Substanzen, die sich in kochendem Wasser lösen. Eigenthümlich. an Form ist die Linse in den Augen der Sepien, die mit ihrer vordern kleinen Hälfte ausserhalb der 350 Sphäre des Augapfels gelegen, so dunkel gefärbt ist, dass sie nicht viel Licht hindurchlassen kann. Das Centrum nur und der Theil, welcher die beiden ungleichen Sphären ver- bindet, scheint, obwohl dichter, heller gefärbt zu sein. Die bedeutende Härte dieser Linsen brachte mich zunächst dar- auf, nachzusehen, ob sie nicht auch aus demselben Grund- stoffe gebaut sei, wie die Zähne, und somit jener Grund- stoff eine allgemeinere Verbreitung in der Organisation der Sepien fände. Der feinere Bau der Linse machte indess diese Annah- me einigermaassen wankend, denn die Linse besteht aus sehr dünnen concentrischen Schichten, in denen ich durch das Mikroskop keine weiteren Elemente beobachten konnte. Von Schichtung findet sich aber in den Zähnen durchaus keine Andeutung. Die Linse löst sich aber nur sehr langsam und sehr wenig in concentrirter Schwefelsäure, um Vieles leichter in eoncentrirter Kalilauge. In der Lösung durch Kali macht wenig Essigsäure einen weissen, durch Schütteln versch win- denden Niederschlag, der mehrmals erneut werden kann, bis endlich nach mehr Essigsäure ein bleibender Niederschlag sich bildet, wobei zugleich ein unangenehmer Geruch nach Schwefelwasserstofl erzeugt wird. Diese Reaktion reicht hin, um zu zeigen, dass die Linse aus Horn bestehe. Die eigenthümliche Rückenschale, das sogenannte os se- piae, schien für die Verfolgung jener Zahngrundlage geeig- neler zu sein, indem ja sonst die Zähne, obwohl sie in eng- ster Beziehung zu den Schleimhäuten stehen, unter den Wir- belthieren wenigstens aus demselben Material, wie die übri- gen Skelettheile, aufgebaut sind. Nach ältern Angaben und wie man auch durch den Au- genschein sogleich darauf geleitet wird. findet sich in dem 351 Os sepiae viel Kalk, der meist an Kohlensäure gebunden ist. Es wurde deshalb die Substanz gröblich zerkleinert und mit verdünnter Salzsäure so lange extrahirt, als noch Aufbrau- sen entstand und diese noch etwas Lösliches entfernte. Den meisten Rückstand lässt die Rückenschicht, geringen nur die Bauchschieht. Alles‘ wurde auf dem Filtrum mit kaltem Wasser ausgewaschen. Ein Stück der so behandelten Rückenschicht löst sich zum Theil in concentrirter Schwefelsäure; in der Lösung macht der Zusatz von Wasser eine weisse Fällung. Die Schwefelsäure lässt aber einen häutigen Rest ganz ungelöst, greift ihn nur sehr langsam an, wobei die Substanz sich braun färbt, ja wenn man erwärmt, rot und braunschwarz wird, was auf die Gegenwart einer Proteinsubstanz deutet. Diese Proteinsubstanz ist aber kein Horn, denn Kalilauge löst selbst beim Erwärmen kaum etwas von der Substanz auf und durch den Zusatz von Essigsäure zur alkalischen Flüssigkeit erhält man nicht den für Horn so charakteristi- schen Niederschlag. Auch schrumpft durch die Behandlung ınit Kali die Substanz etwas zusammen, während sie sonst gerade beim Horn aufquillt. Die Proteinsubstanz gab aber mit Salpetersäure schon nach einiger Einwirkung in der Kälte, schnell aber nach Anwenden von Wärme eine gelbe Flüssigkeit, die Xanthoproteinsäure war, wie sich aus mel- reren Reaktionen ergab. Der durch Alkohol erzielte, nur langsam fallende Niederschlag giebt der Flüssigkeit eine ge- wisse Steifigkeit und besteht aus kleinen, fast glashellen ge- latinösen Klümpchen. Nach diesen Vorversuchen ward die Substanz vom Fil- irum genommen und mehrmals mit Wasser gekocht. Die abgegossene und filtrirte Flüssigkeit war weisslich und opa- lisirend. Sie wurde vollkommen klar und wasserhell durch den Zusatz von Essigsäure und kaustischem Kali; Fällungen entstanden darin durch Gallustinktur, Platinchlorid und saures chromsaures Kali, letztere in überaus fein vertheilten, sehr 352 schvrer niederfallenden Flöckchen. Wurde die Flüssigkeit stark concentrirt, so bildete sie nach dem Erkalten keine Gelatine, und völlig eingedampft einen schwach gefärbten Rückstand, der vielleicht mit jener durch kochendes Wasser extrahirten Substanz aus dem Zahn identisch ist. Darnach ward der Rest der Substanz mit concentrirter Salpetersäure unter Er- wärmen behandelt so lange, als diese noch Xanthoprotein- säure daraus bildete. Es verblieb nun nurnoch ein geringer Rest einer klaren fast wasserhellen Substanz, welche sich schnell und leicht in Schwefelsäure löste, aus dieser Lösung aber durch Wasser in weissen Flocken gefällt ward, Von kaustischem Kali wird diese Substanz nicht angegriffen. Das Os sepiae besteht also der Hauptsache nach" aus einem in kaltem und heissem Wasser unlöslichen proteinar- tigen Stoff, mit wenig Extraclivstoffen und einer geringen Beimengung eines Stoffes, der mit jenem identisch zu sein scheint, welcher die Grundlage der Zähne bildet. So wenig Uebereinstimmendes in der chemischen Zu- sammensetzung der festen Theile eines und desselben Thiers ist in der That auffallend. Vorläufiger Bericht 1149 .h, - über eine Reihe von Versuchen zur Ermittlung der Rolle des Speichels in dem thierischen Haushalt. k Von F. Bıpper in, Dorpat. In alten Naturwissenschaften und so auch in der Physiolo- gie findet man oft genug Veranlassung zu‘ der Bemerkung, dass trotz des Eifers, mit dem in den letzten 'Decennien zahlreiche Kräfte der Bearbeitung dieser Gebiete sich zuge- wendet haben, ja nicht selten eben wegen dieses Eifers die Erledigung mancher Fragen nicht nur nicht gefördert, son- ‚ dern selbst aufgehalten worden ist. : Man darf allerdings nicht verkennen, dass es eine von dem Wesen wissenschaftlicher Forschung unabweisliche Folge ist,‘ dass die Beantwortung einer schwebeuden Frage neue, der Lösung bedürfende Räthsel aufdeckt, ja dass einer wissenschaftlichen Leistung um so ‘eher das Prädicat des Fortschrittes gebührt, je mehr sie durch Beseitigung eines Zweilels 'neue'Zweifel erweckt, und zu weiterem Verfolgen der begonnenen Bahn auffordert. Aber neben diesem Verhältniss, ‘das einen dauernden Ab- sohluss ‚wissenschaftlicher Coultoversen von vorn herein un- möglich macht, wird nicht !selten durch unterlassene ' oder übereilte Benutzung der erforderlichenuund zugänglichen Hilfs! Düller's Arcbiv. 1848. 23 354 mittel Unklarheit und Verwirrung selbst da hervorgebracht, wo festere Grundlagen schon gewonnen sein könnten. Die Physiologie ist neben ihren unleugbaren Fortschritten nicht arm an Verwickelungen der letzteren Art, und auch der ge- genwärtige Zustand der Lehre vom Speichel liefert einen Beweis dafür. * * * Obgleich schon Spallanzani bei seinen denkwürdigen Versuchen über das Verdauungsgeschäft gefunden hatte, dass Thiere das in durchlöcherten Röhren ihnen beigebrachte Fut- ter schneller verdauten, ‘wenn‘'es vorher mit Speichel, als wenn es mit Wasser durchtränkt war, so machte sich doch in der Folge und namentlich nach dem Vorgange von Ber- zelius, die Ansicht geltend, dass, da der Speichel an und für sich aus den Nahrungsstoffen nicht mehr als reines Was- ser ausziehe, er für die Verdauung auch nicht mehr als dieses leiste, und daher nur wegen seiner erweichenden, verdünnenden und das Herabgleiten der Speisen erleichtern- den Wirkung in Betracht komme. Diese letztere Ansicht schien eine nicht geringe Stütze in den bekannten Versuchen Beaumont’s zu finden, in welchen ein. Unterschied in der zur Verdauung erforderlichen Zeit nicht nachweisbar war, man mochte die Speisen durch den Mund oder direct durch eine Fistelöffnung in den Magen bringen. Die Beobachtung von Leuchs, dass gekochte Stärke durch Speichel in Zucker verwandelt wird, so wie die Er- fahrung, dass auch im Magen die Stärke in Dextrin und Gummi umgesetzt wird, eröffneten dagegen eine neue Rich- tung für die Untersuchung der Rolle, welche der Speichel in dem Verdauungsprocess übernimmt, und alle hierüber ‘ge- sammelten Erfahrungen führten übereinstimmend zu dem Re- sultat, dass der Speichel dasMittel sei, durch welches inner- halb des Verdauungskanals: das Amylon bei, einer veränderten Combination seiner Elemente, in Dextrin, Zucker und endlich 355 Milchsäure umgewandelt, und dadurch zugleich in einen re- sorbtionsfähigen Zustand versetzt werde. Namentlich'schien durch die Beobachtungen von S. Wright dieses Verhält- uiss hinreichend festgestellt, indem nicht allein ausserhalb des Körpers jene Umwandlung von Amylaceen vermittelst des Speichels in zahlreichen Experimenten dargethan, sondern überdies auch an ‚lebenden Thieren durch. Unterbinden des Oesophagus nach stattgehabter Mahlzeit und dadurch ge hemmtes Hinabschlingen des Speichels, die sonst im Magen- inhalt beobachtete Umwandlung der Amylaceen ‚sich gänzlich hemmen liess. Ja, dieser Einfluss des Speichels auf die amylonhaltigen Nahrungsmittel konnte um so weniger be- fremden, als Wright. noch weit auffallendere zersetzende und selbst deletäre Wirkungen dieses Seerets gefunden haben wollte, indem es, in die Venen oder auch in den Magen ei- nes Thieres von anderer Gattung gebracht, Anfälle von Wuth und baldigen Tod herbeiführen sollte. — Nachdem endlich Mialhe u. A. den wirksamen Bestandtheil des Speichels, eine Speicheldiastase, abgeschieden haben wollten, schien kein Zweifel mehr darüber obwalten zu können, dass mit der angegebenen Wirkungsweise des Speichels sein Antheil an dem thierischen Haushalt vollständig und sicher ermit- telt sei. - Um so überraschender musste es daher sein, als nach einer neuen Reihe sorgfältig angestellter Versuche Bernard zu dem Schluss gelangte, dass zwar den aus Speichel und Mundsehleim gemischten Mundflüssigkeiten, oder einem Aus- zug aus der Mundschleimhaut allein, jene umsetzende Wir- kung auf das Amylon zukomme, dass aber’ der reine, aus den Speichelgängen' selbst entnommene Speichel eine indiffe- rente Flüssigkeit sei, indem er keine Veränderung in den Speisen hervorbringe; und dass der Speichel um so mehr nur wegen seiner erweichenden und diluirenden Wirkungen in Betracht komme, als sich der Beweis führen lasse, dass die Menge, in der er abgesondert werde, zu dem trocknen Be 356 oder angefeuchteten Zustande der Speisen in gradem Verhält- niss stehe. So war man also in Bezug auf die physiologische Be- deutung des Speichels den peinlichsten Zweifeln preisgege- ben. Nach den Einen sollte dieses Secret eine hervorste- chende Rolle in dem Verdauungsprocess übernehmen, nach den Andern dagegen sollte seine Wirkung nicht über die des einfachen Wassers hinausgehen, und es sollten die Speichel- organe eben nur dazu dienen, die unzureichende Quantität des mit den Speisen selbst eingeführten Wassers zu er- setzen. Dies veranlasste mich schon gegen Ende des vorigen Jahres, Herrn Jaeubowitsch aufzufordern, eine erneuerte Untersuchung der Natur und Wirkungsweise des Speichels zum Gegenstande seiner Inauguralabhandlung zu machen. Derselbe hat diese Aufgabe mit dem grössten Eifer und Nach- druck aufgenommen und fortgeführt, und indem ihm für die Behandlung der in dieser Angelegenheit besonders wichtigen chemischen Fragen Herrn Dr. Schmidt’s stets ‘bereite und umsichlige Unterstützung zu Theil ward. so hat sich — da die Untersuchung auf andere über das zunächst genommene Ziel hinausgehende Seiten des Verdauungsprocesses ausgedehnt wer- den musste — ein so reiches Material von Erfahrungen an- gesammelt, dass die Zusammenstellung derselben die üblichen Grenzen einer Dissertation bei weitem überschreiten würde. So Jat denn Herr Jacubowitsch sich entschlossen, zu letzterer nur einen Theil seiner Beobachtungen zu benutzen, seine übrigen Untersuchungen dagegen zu einer selbstständi- gen Schrift zu verarbeiten. Mir aber ist es eine erfreuliche Pflicht, die Fachgenossen durch folgende Bemerkungen schon im''Voraus auf dieselbe aufmerksam zu machen, da sie, wie ich zuversichtlich erwarten darf, das Gepräge einer sorgfäl- tigen und gewissenhaften Arbeit haben wird. * x * } 357 Was sich bei dem vorliegenden Gegenstande zuerst zur Prüfung darbot, war die Frage nach den höchst auffallen- den Wirkungen, welche Wright unter den oben angedeu- teten Verhältnissen von dem Speichel beobachtet haben wollte. ‘Wir sind bei’ Wiederholung der betreffenden Ver- suche zu ganz anderen Resultaten gelangt. Es dienten dazu Hunde, Katzen und Kaninchen. Bei Einführung beträchtli- cher Quantiläten (bis 100 Grammen) von Menschen gewon- uenen Mundspeichels in den Magen solcher Thiere, haben wir keine einzige auflallende Erscheinung bemerkt. Mit Aus- nahme der Zeichen von Unbehagen, welches die bei dem Versuch unerlässlichen Proceduren, das Fesseln der Füsse, das Einbinden eines durchbohrten Knebels in den Mund, das Einführen einer elastischen Schlundsonde bis in den Magen, hervorrufen mussten, und das auch nach Entfernung dieser Dinge begreillicherweise eine Zeitlang anhielt, boten die Thiere wichts Ungewöhnliches dar, und erholten sich sehr bald und vollständig von der erlittenen Unbequemlichkeit. Von welchen Umständen die von Wright angegebenen Symptome bedingt gewesen sein mögen, darüber sind wir nach unsern Erfahrungen nicht einmal eine Vermuthung zu äussern im Stande. Anders dagegen verhielt es sich, wenn der menschliche Mundspeichel in die Venen der genannten Thiere eingeführt wurde. Es dienten dazu entweder die Jugular- oder Cru- ralvene, und es ward dabei auf's sorgfältigste beachtet, dass atmosphärische Luft nicht mit in die Gefässe eintreten konnte. Nichtsdestoweniger erlagen bei Injeclion von 60 Gramm. Speichel die ersten hierzu benutzten Tbiere, ein sehr kräftiger Kater und ein millelgrosser Hund, schon in wenigen Augenblicken unter Erscheinungen der höchsten Re- spirationsnoth, unter hefligem Erbrechen und Convulsionen des ganzen Körpers. Wir verininderten hierauf die Menge des eingeführten Speichels auf 30 Gramm, und noch weniger. Sehr angestrengles und beschleunigtes Almen, frequenter und 398 sehr energischer Herzschlag; Erschlaflung der Muskeln des Rumpfes und der Extremitäten, Empfindungslosigkeit, schlaf- ähnlicher Zustand waren die hiernach eintretenden haupt- sächlichsten Erscheinungen, die etwa eine halbe Stunde an- bielten, und dann einem, wie es schien, ganz ungetrübten Wohlbefinden Platz machten. Offenbar waren bei diesem Zustande die Centraltheile des Nervensystems afficirt, und zwar in ihrer normalen Thätigkeit deprimirt; der Totalein- druck, den die so behandelten Thiere machten, erinnerte sehr entschieden an die Erscheinungen der Narcose. Dies liess uns Verdacht schöpfen gegen die Zulässigkeit der nach Wright’s Vorgange befolgten Methode zur Gewinnung be- trächtlicherer Mengen von Speichel, und wir wurden geneigt die ganzen genannten Symptome von den durch das Taback- rauchen dem Speichel beigemischten nareotischen Bestand- theilen herzuleiten. Diese Vermuthung bestätigte sich voll- kommen, als wir ohne jenes Reizmittel gewonnenen Mund- speichel anwendeten. Denn alle jene Erscheinungen, welche auf eine Affection der Nervencentra hinwiesen, blieben nun- mehr aus. Die gesteigerle Frequenz und höchste Anstren- gung des Athems, nebst auffallender Heftigkeit des Herzschla- schlages, traten freilich aueh hier ein, bewiesen aber keines- weges die Anwesenheit eines eigenthümlichen deletären Agens im Speichel, sondern konnten weit einfacher daher geleitet werden, dass die dem Mundspeichel in sehr grosser Menge beigemischten grossen Epithelialzellen der Mundschleimhaut den Lauf des Blutes durch die Lungencapillaren aufhielten, eine verstärkte Action des Herzens hervorriefen, und durch die Störung des Lungenkreislaufs auch den normalen Gang des Athmens beeinträchtigten. Diese Voraussetzung erwies sich als richtig, indem filtrirter Speichel, in welchem Epi- ihelialzellen zwar nicht ganz fehlen, aber doch sehr vermin- dert sind, jene Erscheinungen zerstörter Respiration und Herzaction in weit geringerem Maasse hervorrief, und indem endlich die Injection einer in ihrer Consistenz dem Speichel 359 ähnlichen, aber gar’ keine feste Partikeln enthaltenben Gum- milösung eine höchst unbedeutende Veränderung in den Be- wegungen des Herzens und Thorax bedingte. Die vom Wright dem Speichel zugeschriebenen deletären Wirkungen sind also, wenn sie vorkommen, nur einer zufälligen Bei- mischung zuzuschreiben, und es ist auffallend genug, dass Wright bei einem mehrjährigen Studium der Natur und Be- deutung des Speichels gegen den$Taback als exeitans dieser Seeretion keinen Verdacht schöpfte. = * * In Bezug auf die durch den Mundspeichel im Amylon ausserhalb des Körpers bewirkte Umsetzung in Zucker, ha- ben die hiesigen Versuche gezeigt, dass bei einer der Kör- perwärme gleichkommenden Temperatur diese Umwandlung schon nach wenigen Minuten, spätestens nach einer Viertel- stunde begonnen hat; und zwar wurde die Gegenwart des Zuckers nicht allein nach der Trommerschen Methode, sondern gerade in den entschiedensten Versuchen durch die Gährungsfähigkeit der Substanz, und die dabei entwickelte Kohlensäure nachgewiesen. Zur Prüfung der Behauptung Bernard’s, dass diese Umwandlung nicht durch das reine und unvermischte Secret der Speicheldrüsen, sondern nur durch den Mundschleim bewirkt werde, haben auch wir Versuche an Hunden ange- gestellt. Durch Oeflnung der Stenonischen und Whar- tonischen Speichelgänge wurde das Secret der betreffenden Drüsen im reinen Zustande gewonnen. Was Bernard über die Beschaffenheit dieser beiden Flüssigkeiten angegeben, ha- ben wir durchaus bestätigt gefunden. Beide sind vollkom- men klar und wasserhell, enthalten keine Spur von suspen- dirten festen Partikeln. Von genuinen Speichelkörperchen zu sprechen ist somit gar kein Grund vorhanden, und die ' häufig als solche angesehenen runden Zellen in der Mund- Nünsigkeit, sind demnach nichte anderes, als jüngere Epithe- 360 lialzellen des’ Mundes. Einen sehr sichtlichen ‚Uuterschied in der Consistenz jener beiden Seerete finden auch: wir, und es, wird an einem andern Orte der Beweis geliefert werden, dass dies mit einem Uebergewicht an gelösten Bestandthei- len auf Seiten des Submaxillarspeichels zusammentriflt. Beide Flüssigkeiten reagiren stark alkalisch. Werden sie mit Amy- lon in Berührung gebracht und einer der Wärme des Kör- pers gleichkommenden Temperatur ausgesetzt, so ist selbst nach mehreren Stunden noch keine Spur von Zucker nachzu- weisen. Bis dahin stimmen demnach die hiesigen Resultate mit den Angaben Bernard's vollkommen überein; hier aber be- giant «die. Divergenz. Bernard schreibt die umsetzende Wirkung der Mundflüssigkeit ‚auf das Amylon dem Secrete der Mundschleimhaut zu; wir müssen sie auch dieser Flüs- sigkeit im reinen und unvermischten Zustande absprechen Wenn nämlich nach Unterbindung - beider Stenonischen und Whartonischen Gänge *). das Secret der Speicheldrüsen nicht mehr in die Mundhöhle eintreten kann, so wird ‚dureh die nach nunmehriger Reizung ' der Mundschleimhaut ‚zum Vorschein kommende Flüssigkeit die Umsetzung des Amy- lons auch nicht bewirkt. ‘Wurde ferner von einem so be- handelten Thiere nach ‚der Tödiung desselben die Schleim- haut des Mundes abpräparirt, und von derselben ein wäss- siger Auszug bereitet, so äusserte, auch dieser keinen um- wandelnden Einfluss auf das Amylon. Hatte nun aber Ber- nard durch einen solehen Auszug, der von der Mundschleim- haut eines unversehrten Thieres bereitet war, die Entstehung von Zucker in dem Amylon bewirkt — eine Beobachtung, die wir mit dem gleichen Erfolge wiederholt haben — so sind wir nach, unseren Erfahrungen ‚zu der Behauptung berechtigt, dass dieser Erfolg dadurch mit, bedingt war, dass *) Von den übrigen sogenannten Speicheldrüsen des Hundes wird Jakubowitsch in seiner Schrift ausführlicher handeln. 361 die Mündschleimhaut von dem Secret der Speicheldrüsen. be- feuehtet und durchtränkt war. Hiermit werden wir aber ferner zu dem Ausspruch genöthigt, dass zwei Flüssigkeiten, deren jede allein für. sich auf das Stärkmehl wirkungslos bleibt, durch ihre Vermischung die Fähigkeit erlangen, das- selbe in der kürzesten Zeit in Zucker umzuwandeln. Worauf diess beruhe, welche. Veränderungen etwa in dem Secret der Speicheldrüsen und der Mundschleimhaut bei ihrem Auf- einanderwirken vor sich geben, ob hierbei ein: eigenthümli- ches Product sich bilde, dem jener Erfolg zuzuschreiben |sei, oder dergl., hierauf kann an diesem Orte nicht näher ein- gegangen werden. Die Hinweisung dürfte indessen schon hier erlaubt sein, dass sonach bei dem Verhältniss der Mund- flüssigkeiten zum Amylon sich ein Verhältniss wiederholt, welches sehon in der Wirkung des Magensaftes auf die so- genannten Proteinsubstanzen sich darbietet. Denn die freie Sänre des Magensaftes allein, oder die in demselben gelös- ten stickstoflhaltigen Substanzen (Pepsin) für sich, verän- dern die festen Proteinsubstanzen nur wenig; zu einer com- plexen Säure vereinigt, gewinnen sie dagegen einen Einfluss, der in dem gesanımten Verdauungsprocess ein hervorragender ist. Möchte es gelingen, für den Mundspeichel eine eben #0 befriedigende Erklärung seiner Wirkungen zu geben, als diess für den Magensaft von Schmidt bereits versucht ist (de digestionis natura, diss. Dorpati. 1846 ). * * * Die Umwandlung des Amylon’s in Zucker kann natür- lieh nieht ‘während des kurzen Verweilens der Speisen im Munde, oder nur im Acte des Schlingens vor sich gehen oder gar vollendet werden; sie muss vielmehr tiefer unten und zwar zunächst im Magen Statt finden, als Wirkung des in kleinen Intervallen beständig hinabgeschluckten Spei- chels. Zwar ist diess von manchen Seiten für sehr unwahr- scheinlich erklärt, und vielmehr die Vermuthung ausgespro- 362 chen worden, dass die Wirkung des Speichels im Magen von dem viel mächtigeren Magensafte verdrängt werden müsse. Jedenfalls durfte hier nur die Erfahrung sprechen. Es wurde daher geprüft, in welchem Verhältniss der Ma- gensaft zu den erwähnten Wirkungen des Speichels stehe. Natürlicher Magensaft wurde aus einer künstlich hergestell- ten Magenfistel eines Hundes gewonnen. Wurde dieses Se- cret ausserhalb des Organismus in einer der Körperwärme gleichkommenden Temperatur einer Mischung von Mundspei- chel und Amylon zugesetzt, so ging die Umsetzung des letz- teren in derselben Weise vor sich, als da kein Magensaft mitwirkte; nach spätestens einer Viertelstunde war der Zuk- ker mit Entschiedenheit nachzuweisen. Ausserhalb des Kör- pers also hemmt oder beeinträchtigt der Magensaft die Ein- wirkung des Speichels auf das Amylon durchaus nicht. Um so auffallender ist es daher, dass dieser Process im Magen eine wesentliche Verlangsamung erleidet. Wurde nämlich dem mit der Magenfistel behafteien Hunde gekochtes Stärk- mehl — in welchem die Abwesenheit von Zucker vorher bewiesen war — auf dem natürlichen Wege durch den Mund, oder direet durch die Fistel in den Magen gebracht, so war erst in der vierten Stunde, oder nach dem Ablauf dersel- ben, Zucker in dem Mageninhalte nachweisbar. ‘ Hierbei muss jedoch sogleich bemerkt werden, dass das Amylon keinesweges bis zur Vollendung dieser Umwandlung im Ma- gen verweilt, sondern grossentheils schon früher in den Darmcanal hinübergeht. Von welchen innerhalb des Magens hinzutretenden Umständen aber es bedingt werde, dass trotz der im Uebrigen übereinstimmenden Grundbedingungen in _ den erwähnten Versuchsreihen das Endresultat rücksichtlich der dazu erforderlichen Zeit so verschieden ausfällt, darüber scheint vorläufig nicht einmal eine Vermuthung geäussert werden zu können. 363 An diese Untersuchungen über die Bedeutung des Mund- speichels knüpfte sich natürlicherweise die Frage nach der Rolle, welche der sogenannte Bauchspeichel, der pancreati- sche Saft, in dem Verdauungsprocess übernimmt. Wenn gleich aus naheliegenden Gründen dieser Gegenstand nicht so unmittelbar zugänglich ist und so directe Angriffspunkte darbietet, wie die Bedeutung des Mundspeichels, so werden die folgenden Notizen doch einen nicht ganz unwillkomme- nen Beitrag zu dieser Materie liefern. Pancreatischen Saft vom lebenden Thier, und zwar vom Hunde, in einer zur vollständigen Analyse desselben und zu ferneren umfassenden Versuchen erforderlichen Menge zu ge- winnen, ist uns bisher nicht gelungen. Es stellte sich je- desmal bei solchem Experiment, trotz aller dagegen gebrauch- ter Vorsichtsmaassregeln, ein so starker Verfall der Därme - ein, dass wir den Versuch zu unterbrechen und dem qual- vollen Zustande des Thieres durch schleunige Tödtung ein Ende zu machen uns veranlasst sahen. Wir geben zwar die Hoffnung noch nicht auf, dass es uns nach dem Vorgange Tiedemann’s wohl auch gelingen werde, jene Schwierig- keiten zu überwinden; indessen mussten wir uns doch bis- her darauf beschränken, durch Druck auf die Drüse bei frisch getödteten Thieren einige Tropfen des Secrets zu ge- winnen. Von der völlig klaren und wasserhellen Beschaf- fenheit desselben, von dem gänzlichen Mangel an festen sus- pendirten Partikeln, von der entschieden alkalischen Reac- tion, haben wir hinreichende Gelegenheit gehabt, uns zu überzeugen. Die Uebereinstimmung dieser Merkmale mit denen des Mundspeichels, erlaubl zwar die Vermuthung, dass eine ähnliche UVebereinstimmung auch in den physiolo- gischen Wirkungen beider Flüssigkeiten stattfinde. Weil jedoch auf direetem Wege hierüber nicht experimentirt wer- den konnte, wurde folgendes Verfahren eingeschlagen. Einem Hunde wurden beide Stenonischen und beide Whartonischen Speichelgänge unterbunden und durchschnit- 364 ten, um das Einfliessen des Speichels in den Mund und selbst die absondernde Thätigkeit der betreffenden Drüsen aufzuhe- ben. ‚Die Operationswunden vernarbten sehr bald, und das Thier befand sich ganz wohl, nur war die Mundschleimhaut in einem wenig angefeuchteten Zustande, und das Thier trank daher häufig und viel. Wurde der sehr sparsam ab- gesonderte Mundschleim aufgefangen und mit Amylon in Be- rührung gebracht, ‘so fand übereinstimmend mit den ‘oben aufgeführten Experimenten keine Umwandlung in‘ Zucker statt. : Eben so wenig fand sich in dem mittelst einer Ma- genpumpe in Intervallen‘ von einer halben Stunde heraufge- brachten Mageninbalt, selbst acht Stunden nach stattgehab- ter Mahlzeit, auch nur eine Spur von Zucker; und so lange der Chymus noch Amylon enthielt, wurde dasselbe durch - Jod gebläuet, während sonst nach4 Stunden Dextrin oder Zuk- ker mit Entschiedenheit im Magen nachgewiesen werden kann. Dass es der Mundspeichel ist, der in dem Mageninhalt nach Genuss von Amylaceen die Umwandlung derselben in Dextrin und Zucker vermittelt, war hiernach abermals be- wiesen, indem mit dem Ausschluss dieses Secrets auch jene Umwandlung in Wegfall kam. Nichtsdestoweniger musste noch unterhalb des Magens, in den tiefer gelegenen Partieen des Verdauungskanals die Möglichkeit gegeben sein, das Amylon in einen dem Bedürfniss des Organismus angemes- senen Zustand umzuwandeln. Denn bei einer fast ausschliess- lichen Amylondiät gedieh nicht nur das in Rede stehende Thier. ganz gut, sondern unverdautes, d. h. unverändertes Amylon war auch in den Excrementen desselben entweder gar nicht, oder doch kaum in grösserer Menge nachzuwei- sen, als unter gewöhnlichen Verhältnissen. Kaum konnte bei solcher unterhalb des Magens erfolgenden Umwandlung des Amylons an ein anderes Mittel gedacht werden, als an den pancreatischen Saft. Um diese von dem Bauchspeichel nur vermuthete Wirkung zu beweisen, wurde folgender Ver- such unternommen. 365 An demselben Thier, an welchem die Speichelgänge des Mundes unterbunden, und in Folge davon die Verdauung des Amylon’s im ‘Magen gänzlich aufgehoben war, wurde 'eine künstliche Dünndarmfistel angelegt, um den aus dersel- ben austretenden Darminhaält'zu prüfen und ‘die Veränderung kennen zu lernen, ‘die das Amylon vom Magen bis hierher erlitten haben würde. Denn, wenn eine erhebliche Verän- derung statlfand, wenn namentlich Dextrin oder Zucker in dem Darminhalt sich nachweisen liess, während eine zu- gleich heraufgebrachte Partie des Mageninhalts nichts davon zeigte, so konnte dieser Erfolg weder der Galle, noch dem Darmsalt zugeschrieben werden. Denn die Galle übt eine solche Einwirkung auf das Amylon durchaus nicht, und der Darmschleim bewirkt die Umsetzung des Amylon’s in Dex- trin nicht rascher, als sie freiwillig in jedem Kleister sich einstellt, d. h. nach etwa 24 Stunden. Nichts anderes wäre denn übrig geblieben, als von der Beimischung des pancrea- tischen Saftes jene Umwandlung herzuleiten, und in ihr den vollständigen Beweis seiner mit dem Mundspeichel überein- stimmenden Bedeutung zu sehen. — Die von diesen Gesichts- punkten aus unternommenen Versuche haben den daran ge- knüpften Fragen eine vollkommen affırmative Lösung gege- ben. Anderlhalb Stunden nach der Fütterung mit frisch gekochtem Stärkmehl, zeigte der aus der Düundarmfistel ent- nommene Darmbrei zuerst die entschiedenen Zeichen der Gegenwart von Zucker, während der Chymus im Magen nicht die geringste Spur desselben darbietet. Wenn dies Resultat in zahlreichen Versuchen, welche an dem dazu vorbereitelen und vortrefflich gedeihenden Thiere angestellt wurden, unveränderlich dasselbe war. so scheint dem Obi- gen gemäss der Schluss nicht übereilt, dass hiermit ein di- recter Beweis für die Wirkungen des pancreatischen Saftes innerhalb des Organismus gewonnen sei. — Inden Jacubowitsch das bei diesen Versuchen be- folgte Verfahren, nämlich die Herstellung künstlicher Darm- 366 fisteln, in noch weiterem Umfange anzuwenden. gedenkt, und namentlich zunächst auch den Blinddarm dazu zu ge- brauchen beabsichtigt, dürfen über den noch heutigen Tages so vielfache Räthsel därbietenden Verdauungsprocess wohl noch fernere Aufschlüsse erwartet werden, deren Darlegung hoffentlich in Kurzem wird erfolgen können. Dorpat am 12 Juli 1848. Harnorgane des Brachinus complanatus Fabr. Von H. KARsTen. (Hierzu Tafel X.) Die zur Gattung Brachinus gehörenden Arten spritzen, wie bekannt, den ihnen nachstellenden Feinden einen dampf- förmigen Körper entgegen, der diese erschreckt und von ihrer Verfolgung abhäilt. Es kommt dieser Dampf aus zwei Oeflnungen hervor, die sich im After oberhalb der Mündungen des Mastdarms befinden, es sind die Mündungen der Ausführungsgänge zweier gelblicher drüsiger Körper (Fig. 2.), die jederseits oberhalb des Mastdarms in den letzten Leibesringen liegen. An dem dem Ausführungsgange entgegengesetzten Ende (Fig. 3.) dieser drüsenähnlichen Organe nehmen zwölf farb- lose röhrige Kanäle ihren Anfang, die unregelmässig gewun- den neben den Gallenkanälen oberhalb des Dünndarms lie- gen und jeder in eine sternförmig verästelte, gelblich 'ge- färbte kleine Drüse enden. Durch das Mikroskop erkennt man in dieser Drüse drei Elementarbestandtheile: Erstens eine äussere strukturlose, glashelle Membran, die Röhren bildet, deren freie, peripherische Enden geschlossen sind, deren centrale Enden entweder mit denjenigen ähnlicher Röhren zusam- 368 menhängen oder in die äussere Membran des vorhin erwähn- ten farblosen Kanals, der wie ein Stiel diese Drüse trägl, übergehen. — Auf dieser Membran verlaufen Tracheenz weige. Nerven sind nicht vorhanden. Zweitens unterscheidet ınan einen dieser äussern häuti- gen Röhre entsprechenden, centralen Cylinder, der mit ei- nem ähnlichen centralen Gange des Verbindungskanales zu- sammenhängt, welcher Cylinder gleichfalls von einer einfa- chen durchsichtigen Membran gebildet wird, die jedoch, nicht wie die erst beschriebene ununterbrochen zusammenhängt, sondern kleine Poren oder verdünnte Stellen enthält, dort ° nämlich, wo der dritte Elementarbestandtheil der Drüse Zellen, die sich zwischen diesen beiden Cylindern befinden, dicht an diesen Kanal anlegt oder in ihn übergeht. Diese Zellen sind spindelförmig, von der Länge des Abstan- des beider Drüsenkanäle und ‚stehen senkrecht auf dem in- nern Kanal; sie enthalten andere runde Zellen, Zellkerne und Bläschen, die in einer körnigen Flüssigkeit schwimmen, und liegen wie gesagt dem innern Kanal entweder eng an, oder, münden vielleicht selbst in diesen, so dass die in ihnen durch die Zellenvegetation gebildete Flüssigkeit entweder in den centralen Kanal sich durch die Verbindungsstelle hinein- ergiesst, oder wenn diese nicht durchbrochen ist, vermittelst Diffusion hineingelangt. Trennt man die äussere Membran von dem Drüsenka- nal, so bleiben die Zellen an dem innern ganz ‘oder 'zerris- sen hängen, auch ‚dem Ansehn: nach sind die Verbindungs- stellen dieser Zellen mit dem centralen Gange wirklich porös, so. dass die in ihnen enthaltene Flüssigkeit durch Capillarität in letzteren hineingelangen kann; doch ist es gleichfalls mög- lich, dass die Membran der Drüsenzellen nur mit der etwas verdiekten Membran des centrälen Ganges eng verwachsen, und, dass, diese, Stelle, die ‘den flüssigen 'Inhalt der Zellen durch Diffusion in den. centralen Kanal gelangen lässt, eiwas dünner wäre und: daher als ‚Oeffnung erschiene, ‘ähnlich’ den 3069 sögenannten porösen Pflanzenzellen, wo Stärke- oder an- dere Secretions - Bläschen " den Porenkanal veranlassen. — Die Strukturverhältnisse der Leber der Isopoden (Oniscus, Porcellio ete.), die ich früher *) darlegle, spricht für die erste Ansicht, auch zeigt die Sivuelur des Dünndarms des Brachinus und der ihn bedeckenden Drüsen (Fig. 7.) deut- lich, dass wenn auch ein wirklicher Kanal oder eine Oefl- nung beide in Verbindung setzte, die eudogene Zellenvege- tation nicht dadurch gestört würde. — Alle centralen Drüsenkanäle fliessen nun wie gesägl im Centrum der Drüse zusammen, woselbst auch der lange durchsichtige Verbindungskanal sich mit derselben vereinigt, und zwar hängen sie mit der centralen Röhre desselben zu- sammen, während alle äusseren Drüsenmembranen sich in Jas äussere Rohr des Verbindungskanals fortsetzen. Auch der dritte Elementarbestandtheil der Drüse, die eigentliche Drüsenzelle, findet sich in dem Verbindungskanal wieder, doch funclioniren sie in demselben nicht wie in der Drüse; sie sind hier wie der centrale Kanal, in den sie münden, mit einer wasserhellen Flüssigkeit angefüllt, die durch eine Lösung des schwefelsauren Eisenoxyduls grünlich- gelb gefärbt wird; auch sind die Lumina der Zellen grösser, besonders etwas von der Drüse entfernt umfassen sie den halben oder ganzen Umkreis des centralen Kanals, während noch der Drüse zunächst 3 — 4 oder 5 in derselben Ebene in den Kanal münden. Das Organ in seiner Entwickelung zu verfolgen, hatte ich nieht Gelegenheit; doch scheint mir aus den Struktur- Verhältnissen des ausgebildeten hervorzugehen, dass der Ver- bindungscanal der Drüse mit dem blasigen Seeretionsbehäl- ter nur ein veränderter Drüsenast ist, dessen röhrige Mem- branen sehr in die Länge gewachsen sind, ohne dass sich #®) Acta Leop. - Carolin. acadı naturde our. 1844. Müllers Archiv 1816. 24 370 die Anzahl der Drüsenzellen vermehrte, daher diese mehr von einander entfernt wurden und vereinzelt zwischen den beiden Membranen stehend Gelegenheit hatten, sich in der Ebene, in der sie standen, um den ganzen Umkreis des Ka- nals, in den sie münden, auszudehnen. Dass diese erwei- terten Zellen eine wirkliche Oeffnung besitzen, durch welche sie mit dem centralen Kanal in Verbindung stehen, erkennt man an der in sie eintreienden Luft nach dem Zerreissen des Kanales.. Die Mündung scheint sich nicht gleichmässig mit der Zelle erweitert zu haben, hätte sie sich gleichfalls wie die Drüsenzelle um die Peripherie des centralen Kanales verbreitet, so würde dieser dadurch in so viele einzelne Theile getrennt sein, wie Drüsenzellen in verschiedener Höhe stehend vorhanden sind; diese würden dadurch als peripherische Ausbiegungen, als Falten des Kanals erschei- nen und verschwinden, wenn Letzterer von der äussern Hülle gesondert in die Länge gezogen wird. Dies geschieht indessen nicht; man kann wohl den Kanal etwas dehnen, doch nie werden dadurch die benachbarten Zellen ausgedehnt; tritt ferner etwas Luft in ein abgerissenes Stück des Kanals, so füllt sich meistens, oft sehr rasch, die ganze Länge des- selben an, ohne in eine der Zellen einzudringen; zuweilen aur, und dann ist es meistens das untere Ende des Kanales, füllen ‚sich gleichzeitig die seitlichen Zellen mit Luft an. Dieser Verbindungskanal erhält weder Tracheen- noch Nervenzweige; es scheint einzig seine Bestimmung zu sein, das in der Drüse erzeugte Secret dem grösseren Seeretions- behälter zuzuführen. Dieser, der mit zwölf solcher Drüsen in Verbindung steht, kann als ein sehr erweiterter und ver- kürzter Drüsenkanal angesehen werden; er hat dieselbe Struk- tur wie dieser, nur darin ist er verschieden, dass er aussen der Länge und Quere nach mit Muskelfasern belegt ist. An dem unteren Ende geht die Muskelsukstanz in ein Hornge- webe über und bildet ein festes unbiegsames Rohr, das ver- mittelst Muskelfasern an den Ausführnngsgang, der sich in 371 dem letzten Bauchringe oberhalb des Afters befindet, ange- heftet ist. Durch diesen Muskelapparat und durch die Biegsamkeit des Hinterleibes wird es dem Insekt möglich, die in dem Seerelionsbehälter angesammelte Flüssigkeit in jede beliebige Richtung, selbst in die Nähe seines Kopfes hin zu spritzen. Der ausgespritzte Dampf besitzt den Geruch der sal- petrigen Säure, wirkt reizend auf die Schleimhäute und auf Wunden, schmeckt scharf brennend, färbt die Haut blei- bend braunroth, erregt auf derselben im Augenblick der Be- rührung das Gefühl des Brennens, selbst wenn man den Secrelionsbehälter zwischen Zeug oder Papier zerdrückt, so dass die Flüssigkeit die Finger nicht berührt, fühlt man doch sehr deutlich die Wärme. Bei dem Zerreissen des Secretions- behälters braust der Inhalt desselben anf, indem sich ein Geruch nach salpetriger Säure bildet und der flüssige Rück- stand sich roth färbt. Dieselbe Farbe nimmt Wasser und Spiritus an, in die man das Organ hineinbringt. Die rothe Flüssigkeit, wie deren Auflösung, röthen Lackmus schwach. — Eisenoxydullösung und Goldchlorid werden durch dieselbe braun gefärbt. Die alkoholische Lösung nimmt den Geruch des Salpeteräthers an. Schlägt sich der ausgespritzte Dampf an kalte Körper nieder, so bilden sich gelbe ölartige Tropfen, die in einer wasserhellen Flüssigkeit schwimmen. Lackmus wird dadurch geröthet. Bis 40°% (circa) erwärmt, verflüchtigt sich ein Theil und sublimirt in Krystallen, die 2 und 1 gliedrige Pris- men bilden, welche sich in Spiritus von 60 Proc. lösen und nach dem Verdunsten desselben in Linsenform (Gypsform) zurückbleiben, Lackmus, wie es schien, nicht rötheten. Ein anderer Theil bleibt nach dem Erwärmen zurück, (heils Gruppen von spiessförmigen Krystallen bildend, die bei eiwas höherer Temperatur schmelzen. Es löst sich die ser Rückstand nicht in Spiritus von 60 Proc. und röthet Lackmus. 24" 372 In Wasser ist die ausgespritzte Flüssigkeit wenig oder nicht löslich; in verdünnter und concentrirter Salpelersäure löst sie sich zum Theil, zum Theil bleibt sie in Tropfenform zurück. In wässriger Lösung des ätzenden Ammoniaks löst sie sich fast gänzlich mit bläulich- grüner Farbe, in welcher Lö- sung sich einzelne kleine Gruppen nadelförmiger ‚Krystalle bildeten und welche sich an der Luft bräunt. — Aus diesen wegen Mangels an chemischen Hülfsmitteln noch sehr, unvoll- ständigen Versuchen lässt sich die Natur des Secretes nicht genau bestimmen, nur das geht wohl daraus hervor, dass die an sich homogene, wasserhelle Flüssigkeit in der Berüh- rung mit der Atmosphäre zersetzt wird, wobei, vielleicht durch Aufnahme von Sauerstoff, Stickoxyd und salpetrige Säure gebildet und die Wärme erzeugt wird. Ausser diesem Zersetzungsprodukt finden sich zwei krystallisirbare und eine feltartige Substanz, von denen erstere einige Aehnlichkeit mit den Zersetzungsprodukten des Harnstoffes besitzen, jedoch mit keinem wirklich übereinzukommen scheinen. Fig. 1. stellt den ganzen tractus inteslinalis des Brachi- nus complanatus dar; an dem man 6 Abschnitte unterschei- det. Der mit Muskelfasern belegte Schlund a besteht aus ähnlichem Zellgewebe, wie Fig 9. darstellt, die auf den einzelnen Zellen aufsitzenden Stacheln sind abwärls gerich- tet. Bevvegung derselben ist nicht zu bemerken. Der Magen b mit mehrfachen Muskelschichten belegt, ist mit einer Drüsenhaut ausgekleidet, die in Fig. 10. 250 mal vergrössert ist; dieses Zellgewebe geht allmählig, indem die in den Mutterzellen enthaltenen Secretionszellen verschwin- den und nur eine endogene Zelle (Zellkern) sich vergrössert und über die Zelle hinaus ausdehnt, in ein dem Flimmer- epithelium ähnliches Gewebe über, dessen Stacheln aufwärts gerichtet sind; wahrscheinlich um einen zu raschen Ueber- gang der genossenen Nahrung in den Darm zu verhindern, so wie die Stacheln des Schlundes ein Zurücktreten der Nahrungsmittel unmöglich machen. 373 In der auf den Magen folgenden Abiheilung des Darms ec bildet die innere, eigentliche Darmhaut, pflasterepithelien- artigem Gewebe bestehend, dessen Zellen sich zu binde- gewebartigen querliegenden Fasern anordnen, 4 weite in das Lumen des Darms bis zur Mitte hineinreichende Falten, die mit jenen stachligen Auswüchsen des Epithelium bedeckt sind, deren Spitze dem Magen zugekehrt ist. Fig 9. ist ein Stück dieser Darmhaut dem Magen zunächst, ‘250 mal vergrössert. Quermuskelfasern bedecken ihn äusserlich zunächst, an der Grenze des Darms einen stärkern Ring bildend, Fig. 8. «, auf diese folgt eine Schicht Längsmuskeln. Fig. 8. b. ein idealer Querdurchschnitt der eben beschrie- benen Abtheilung des tractus intestinalis, a die in das Lu- men hineinragenden Falten, b Ouermuskelu, ce Längs- muskeln, Fig. 8. Die innere Seite des der Länge nach aufge- schnittenen Magens ce, des Dünndarms a und des vielleicht als Pylorus zu betrachtenden Abschnittes b mit dem Ring- muskel «. Fig. 7. Ein Stück des Darmabschnittes d (180 mal ver- grössert), der aus einer glashellen strukturlosen Membran « und vielen dieser aussen aufsitzenden zottigen Anhängen ß besteht, welche aus einer einzigen sehr dünnhäutigen Röhre gebildet sind, deren äusseres Ende geschlossen, deren in- neres mit der dünnen Darmhaut im unmittelbaren Zusam- menhange steht, eine nichi unbedeutende Oeflnung an der Grenze bildend, Der Inhalt dieser drüsenförmigen Anhänge ist eine sehr feinkörnige Flüssigkeit. Wegen des von den Drüsen ganz abweichenden Baues, halte ich diese Zotten nicht für Secret bereitende Organe, sondern nur für Ausson- derungsbehälter des im Magen bereiteten Chymus; es ist durch diese Anhänge nicht nur die Oberfläche um das zehn- fache vermehrt, sondern auch durch die verschiedene phy- sikalische Eigenschaft und damit wahrscheinlich zusammen- 374 hängende verschiedene Lebensthätigkeit der verdauten 'Nah- rung möglich gemacht, in die Leibeshöhle zu gelangen. Gegen diese Ansicht spricht freilich die erst unterhalb dieses Darmes statthabende Einmündung der beiden Malpighi- schen Gefässe (x), wenn man diese als Analoga der Leber betrachtet; doch finden ja auch über die Bedeutung des Se- kretes dieser bei der so abweichenden Ernährungsweise des Organismus der Insekten viele Zweifel statt. Ein Stück dieser Drüse stellt Fig. 6. 180 mal vergrös- sert dar. Fig. 2. Die mit Muskelsubstanz belegte Harnblase. Fig. 3. Deren obere Spitze, von Muskeln befreit. Fig. 4. Die Harndrüse 180 mal vergrössert, a nach Fär- bung mit Eisenlösung gezeichnet, b Harnleiter. Fig. 5. Eine Drüsenröhre, 500 mal vergrössert. Bemerkungen über einige scharfe und bren- nende Absonderungen verschiedener Raupen. Von H. Karsten, (llierzu Taf. Xl. und XII) 1. Papilio Asterias. Taf, XI. Eine hier auf der Arracacha lebende Raupe des Papilio Asterias war mir wegen ihres fühlfadenartigen Apparates auffallend, den diese Thiere zur Wehr hervorstrecken; sie entleeren durch ihn einen, ähnlich der Buttersäure, stark riechenden Stoff, durch den sie ihre Feinde verscheuchen; dieser röthet vorübergehend stark Lackmus, bringt in der Nähe von ätzendem Ammoniak weisse Nebel hervor, besitzt einen etwas beissenden sauren, doch nicht unangenehmen Geschmack, Mit Wasser zusammengebracht, sieht man dar- in unter dem Mikroskop ölartige Tropfen, Ammoniak da- mit gesättigt, erystallisirt in Gruppen von tafelförmigen oder prismatischen Krystallen, die zum 2 und 1gliedrigen Systeme gehören, bei erhöhter Temperatur nicht Nlüchlig sind, son- dern sich zersetzen unter Ausstossen von brenzlich riechen- den Dümpfen, Aetzenden Baryt löst die Säure auf, das Salz krystallisirt sehr schwierig in Gruppen von sehr feinen Nadeln. — Fig 1 uw2. Was zuerst die Struktur der Fühlfäden ähnlichen Organe selbst betrifft, die eine Verlängerung der Körperhaut bilden, so bestehen sie wie diese letzteren aus drei verschiedenen Geweben: einer äusseren pergamentartigen, farblosen, durchsichtigen Membran und einer darunter be- findlichen Farbstoff enthaltenden Zellenschicht; diese wird innen überkleidet von einer sehr feinen, durch anhaftende Körner und undurchsichtige Stoffe gewöhnlich selbst undurch- sichtig gemachten Membran. Die Struktur dieser Gewebe ist aber in den vorstreckbaren Schläuchen eine andere, wie die der Körperhaut; hier ist an der äusseren wie an der innern Membran keine Spur ihres frühern Bestehens aus Zellen mehr vorhanden und die mittlere farbstoffhaltige Zel- lenschicht ist wie gewöhnlich kleinzellig dunkel durch die sehr körnige, gefärble Masse, die oft das Erkennen der Zell- membran schwierig macht. Das Gewebe dieser Schläuche dagegen besitzt eine ganz embryonale Form; sie ist fast dieselbe, wie die Umhüllungs- haut des Eidotiers sie besitzt, nur dass in letzterer die Trennung in mehrere Schichten noch nicht erfolgt ist und dass die einzelnen Zellen nicht die stachelartigen Fortsätze zeigen, die sich später vorfinden; indessen fehlen diese auch noch den Gewebezellen der jungen Thiere, bis zur 'ersten Häutung. Fig. 1. stellt das ausgestreckle Organ in natürlicher Grösse dar. Fig. 2. dasselbe vergrössert; hier sieht man bei a an der innern Seite, nahe der Trennungsstelle, in jedem Sehlauche eine drüsige Zellgewebemasse von Tracheen überzogen durch- scheinen. Fig. 3. stellt die innere Seite dieses Gewebes 180mal vergrössert dar; es ist hier noch von der scheinbar struk- turlosen (serösen?) Haut überzogen, in der sich die beiden Tracheenstämme b. b. oberhalb dieser drüsigen Körper sehr fein zertheilen; entfernt man diese Membran, so sind in dem Zellgewebe selbst keine Tracheen mehr zu entdecken; es sind wohl keine darin enthalten, wenn nicht die feinsten 377 spirallosen Zweige, die wegen ihrer grossen Durchsichtig- keit sich vielleicht dem Auge entzogen haben möchten. Fig 4. ist ein Theil des übrigen Schlauches, in dersel- ben Vergrösserung gezeichnet. Hier sieht man, wie jede Zelle mit ihren endogenen Zellen in eine Spitze ausgewachsen ist, die dem ganzen Ge- webe eine stachlichte Oberfläche giebt. Diese Fortsätze feh- len. den Drüsenzellen, daher auch an diesen Stellen die Schläuche eine glatte Oberfläche besitzen, aus einfach po- Iyedrischen Zellen bestehen. ' Der Inhalt der verschiedenen endogenen Zellen ist, wie man leicht sieht, sehr verschieden; die äusserste enthält (Fig. 4.) eine klare durchsichtige Flüssigkeit, daher die sich berührenden Ränder als helle Streifen erscheinen. Der In- halt der zweiten Zelle ist eine trübe körnige gelbliche Masse, die dem ganzen Gewebe die Farbe verleiht (während die übrige Körperhaut grün gefärbt ist); die dritte endogene Zelle ist wieder mit einer helleren sehr feinkörnigen Flüssig- keit angefüllt, daher sie alle als helle Flecke durch die dar- über befindlichen Zellen hindurchscheinen. Dies Zellgewebe befindet sich in einer einfachen Schicht zwischen den bei- den strukturlosen Membranen. Das Drüsengewebe (Fig. 3.) hingegen ist eine Anhäu- fung von Zellen, deren Bau die Stachelfortsätze ausgenom- men derselbe ist, wie derjenige der Farbstofl- Zellen. Ob zwei oder drei endogene Zellen vorhanden sind, ist nach der Lebensperiode des Thieres verschieden. Der Inhalt der äusseren ist immer sehr feinkörnig und trübe; nur nach län- gerer Berührung der Zelle mit Wasser, oder wenn der aus- gellossene Stoff mit Wasser zusammengemischt wird, sind in demselben eine Menge ziemlich grosser Bläschen zu erken- nen. Die zweite Zelle ist mit einer hellen Flüssigkeit ange- füllt; eine grosse Menge von Körnchen und Bläschen geben ihr jedoch ein dunkles Ansehn, wenn nicht eine dritte en- dogene Zelle vorhanden ist, die dann mit Bläschen ganz ge- 378 füllt ist, während die nächst äussere nur wenige derselben enthält. — Legt man diese Zellenmasse auf Lackmuspapier, so wird dasselbe geröthet. In der Spitze jedes Schlauches sieht man zwei Muskel bündel ec, die das Hervorstrecken und Zusammenziehen des- selben bewirken; diese sind im dritten Körperringe befestigt und hier liegt auch die Spitze des hineingezogenen Schlau- ches im ruhenden Zustande; andere Muskeln befinden sich bei. d, die die vollständige Einstülpung oder Ausstreckung auch der Basis dieses Organes bewirken. In der Ruhe ist also die äussere durchsichtige mit Sta- chelauswüchsen besetzte Membran (die Verlängerung der per- gamentartigen Körperoberhaut) die innere Oberfläche des Schlauches, und die feine (seröse?) Haut, in der sich die Tracheen verzweigen, bildet die äussere Oberfläche. In dieser Lage, die nur auf äussere Reizungen durch Willkür des Thieres verändert wird, sammelt sich nun das Secret, das die Drüsenzellen (a, a) absondern, nach in- nen hin ab; man kann wohl das ganze Organ als Drüse betrachten, die ihren mit dem Secret angefülllen centralen Kanal durch Ausstülpen zur äusseren Oberfläche machen kann, wo dann die Tunica propria in dieser Lage den cen tralen Kanal darstellt. Fig. 5. Die Spitze einer ausgestülpten Drüse, stärker vergrössert. Jedes der beiden Muskelbündel zertheilt sich der Spitze nahe in mehrere kleinere Bündel, von denen je- des (nicht Primitivfaser) mit einer ? Zelle zusammenhängt; sehr leicht ist die Anzahl dieser Anheftungspunkte zu er- kennen, da jede -durch eine schwarze Stelle bezeichnet ist. — Wie diese Vereinigung der Muskeln mit dem Zellgewebe geschieht, zeigen die beiden folgenden Zeichnungen. Fig. 6. Hier sieht man die Drüse in ihrer natürlichen Lage, während der Ruhe im Körper. — Die glashelle struk- turlose Membran, die tunica propria der Drüse verlängert sich unmittelbar über die Muskelbündel als Scheide dersel- 379 ben; diese Scheide nimmt nicht Theil an der Streifung der darunter befindlichen Substanz; diese Letztere legt sich an die Zellen der Haut, die hier weniger gefärbt ist; oft endet plötzlich die Streifung dort, wo der gleichmässig körnige Inhalt der Zelle beginnt, oft verliert sich dieselbe so allmäh- lig, dass man nicht weiss, wo die Substanz der Zelle auf- hört und die des Muskels beginnt. Dass der Farbstoff in einer Zelle eingeschlossen ist, ist unzweifelhaft und ebenso leicht zu erkennen, wie es schwierig ist die Fortsetzung dieser Membran in eine innere Muskelscheide zu verfolgen. Meistens ist diese innere Muskelscheide ebenfalls an dem Muskel selbst nicht darzustellen, in anderen Fällen ist es nicht möglich sie zu übersehen; es scheint dieser veränderte Zustand der Muskelstruktur von der Lebensperiode der Raupe abzuhängen. Fig. 7. ist ein Präparat einer Raupe kurz vor der Häu- tung entnommen. Die äusserste Spitze des Schlauches. — Mit grosser Leichtigkeit trennte sich hier die äussere farblose Pergamenthaut von den Farbstoflzellen der Körperhaut, eben- so hier in der Drüse die Fortsetzung jener, der centrale Ka. nal von den Drüsenzellen und den Farbstoflzellen (deren Seeret noch zu untersuchen), nur an einzelnen Fäden (Seh- nenfäden) mit dem Zellgewebe noch in Verbindung; hier nun schrumpft die Scheide der Muskeln sehr rasch bei der Berührung mit Wasser an einzelnen Stellen stark zusammen, an andern dehnt sie sich bedeutend aus, indem sie ihr gleich- mässig durchsichliges Ansehn behält. An der Durchschnitt- stelle tritt unter der zusammengezogenen äusseren Scheide eine unter ihr befindliche sehr helle strukturlose Mem- bran, die in gradlinig scharfen Rändern sich zerreissen lässt, hervor. Sehr eiufach sieht man denselben Prozess an einer ein- achen Muskelfaser, nur dass hier (Fig. 8.) die in der äus- seren Scheide enthaltenen kernhaltigen Zellen noch nicht zu einer Faser vereinigt sind. Einzelne Zellen (a) durch Endos- 380 möose des Wassers vergrössert, während die Scheide zu- sammenschrumpft, ‘sind dadurch hervorgetrieben. Ebenso wie in dem gezeichneten Präparat Fig. 2 a die Sehnenfaser dem centralen Kanal (der Fortsetzung der Ober- haut) anhaftet und zwar in der Art, dass die Faser an der Spitze eines Stachelfortsatzes der Membran befestigt ist, ist auf der andern Seite dieselbe einer einfachen Muskelfaser angewachsen und geht unmittelbar in die Scheide der- selben über; mir gelang es ein solches Präparat, gänzlich von allem Anheftenden, Fremdartigen befreit, zu erhalten, und zwar mit der schwarzen Spitze, dem Vereinigspunkte der Faser mit der Membran des centralen Kanals. Für die Scheide des ganzen Bündels folgt hieraus mit Bestimmtheit, dass sich dieselbe unmittelbar in die tunica propria der Drüse und durch diese in die seröse Haut (wenn man sie so nennen darf), die die Leibeshöhle auskleidet, fortselzt; für. die Membran der Scheide der einfachen Mus- kelfaser ebenso bestimmt, dass sie in eine Sehnenfaser (der metamorphosirten endogenen terliären Zelle) übergeht, die wiederum mit dem membranösen centralen Kanal der. Drüse innig verwachsen ist; für die Scheide der primären Muskel- bündel ist es endlich sehr. wahrscheinlich, dass sie gleich- falls sich in die Membran einer drüsenzellenähnlichen Zelle verlängert. Noch einige Worte seien mir erlaubt über die. Verän- derlichkeit in der Struktur der Muskeln; mir scheint es wahr- scheinlich, dass hier bei dem periodischen Wachsthum auch der Stoffwechsel der Elementarorgane periodisch beschleu- nigt wird; dass, während die äussere Körperhaut mit ihren Fortsetzungen in die Leibeshöhle abgestossen wird und sich " wiedererzeugt, aus der ihr zugewendeten Seite der Membran der unter ihr vegelirenden Zellen — auch die ihr entspre- chende seröse Haut mit deren Verlängerung und Ausbrei- tung über benachbarte Organe (die ich jedoch keinesweges für seröse Häule halte) resorbirt wird und sich auf ähnliche 381 Weise, wie jene aus endogenen Zellenvegetationen wieder ersetzt. — Für die Muskelfaser ist eine solche Art von Stoffwech- sel von den Physiologen freilich, so viel ich weiss, noch nicht anerkannt; mir ist es indessen aus verschiedenen Beob- achtungen über die Bildung und Vegetation derselben wahr- scheinlich geworden, dass die Ernährung der Muskelfaser auf eine fortdauernde Neubildung durch endogene Zellen und Resorption des Alten beruht. 2. Saturnia, Taf, X. ' Die grüne Raupe eines Schmelterlings dieser Gattung ist wie die übrigen Arten derselben mit ästigen Haaren be- setzt, die beim Berühren die Wirkung der Brennnessel auf die Haul ausüben. (Fig. 1.). Diese Haare sind hohle Röhren mit. gegliederten, gleichfalls hohlen Aesten be- selzt. Däs Endglied aller Aeste ist bedeutend dünner und in eine sehr feine Spitze ausgezogen. Sie besteht aus einer einzigen, leicht zerbrechlichen dieken Membran (Fig. 2. a). Der Stamm des Haares, sowie die dickern Aeste, lassen sich in drei verschiedene Gewebe zerlegen. Die äuslerste feste Röhre (Fig. 1. b. 1. e), die Fortsetzung der Oberhaut (Per- gamenthant), ist durchsichtig, farblos; eine dieser eng- anliegende Pigmentschicht (Fig. 3, 180mal vergrössert), die gleichfalls die innere Oberfläche der ganzen Oberhaut des Körpers auskleidet. Diese in der Körperhaut mit gelblich- grünem, in den Haaren mit grünem Farbstoff, angefüllten Zellen bilden eine zusammenhängende Membran, die sich mit einiger Vorsicht in ganzen Platten von der Pergament- haut trennen lässt. Diese Farbschicht. wird in den Haaren von einer dün- nen, durchsichtigen, glashellen Membran ausgekleidet, die an dem oberu Ende des Haares als das letzte oben beschriebene Glied desselben endet, an den untern (d. h. in der Leibes- „ ’ n. 382 höhle) sich als Ausführungsgang (Fig. 1. a) eines Schlauches zu erkennen giebt, der mit Secretionszellen (ganz ähnlich den Fettbläschen) angefüllt ist, die wohl das die Haut bren- nende Secret bereiten, wenn die Spitze des Haares in der- selben abbricht. Fig. 1. a‘. Dieser Schlauch mit der Oefinung der Kör- perhaut in das Haar, von unten gesehen. Fig. 4. Ein Theil dieses Schlauches, 180mal vergrös- sert. a. die umhüllende Membran, in der sich die Tracheen verzweigen, b. die durchscheinenden Secretionszellen. 3. Vanessa. (Ebenso verhielten sich Acraea und Argynnis.) Eine zu dieser Gattung gehörende Raupe besitzt ähn- liche Borsten, wie die Saturnienraupe, die jedoch kein Bren- nen verursachen. Die mikroskopische Untersuchnng ergiebt folgende Verschiedenheiten: 1) Es fehlte der unterhalb der Borste befindliche Schlauch, der sich in diese hinein verlän- gert; 2) die grösseren von dem Hauptstamme abgehenden Aeste sind nicht gegliedert, sondern nur die feinen Endspiz- zen, also nur eine Verwachsungsstelle unterhalb der End- spitze vorhanden, was auch mit der Voraussetzung überein- stimmt, dass die Borste nur aus zwei verschiedenen Häuten zusammengesetzt ist (Fig. 5.): aus der pergamentarligen scheinbar strukturlosen Oberhaut (a) und der darunter be- findlichen Farbstoffschicht (b). (Fig. 6.) Ein Theil der Bor- ste, 180mal vergrössert; die innere Haut hat sich bei a von der äusseren getrennt. Fig. 7 u. 8. Die beiden Gewebe a und b, 180mal ver- grössert. Ichthyologische Bemerkungen von Prorsssor BUD6E in Bonn. (Hierzu Taf. XII. Fig. 9 u. 10) 1. Ueber eine accessorische Drüse in der Analge- gend bei einer Art von Belone. Wenn ich in der Ueberschrift die Species der Belone, welche mir durch die Güte des Directors des hiesigen ana- tomischen Museums, des Herrn Prof. Mayer zur Untersuchung vorlag, unbezeichnet liess, so geschah es deshalb, weil ich in dem ausführlichsten Werke über Fische: Hist. nat. des poissons par Cuvier et Valenciennes t. XVII, keine ganz entsprechende finde. Obwohl unser Exemplar zwar am Mei- sten der |. c. p. 414. beschriebenen B. acus Risso gleicht, und auch bei ihm die Zähne im Vomer fehlen — was Va- lenciennes als das hauptsächliche Unterscheidungszeichen zwischen B. vulgaris und acus anführt, — so finden sich doch andere Eigenschaften, welche weder bei vulgaris noch acus vorkommen. Dahin rechne ich: 1) dass in unserem Exemplare im Unterkiefer grade wie im Oberkiefer 2 neben einander stehende Reihen von Zähnen vorhanden sind, von welchen die innere aus viel längeren als die äussere besteht. Valeneiennes sagt hingegen 1. e. p. 404.: Je ne vois a la machoire införieure, qu'une seule rangee de dents coniquer. 384 2) Dass allein die innere Reihe der Oberkieferzähne unseres Exemplars jederseits 34 enthält, zusammen also 68 grössere bestehen; dort hingegen heisst es: J’en comple environ quatre-vingts (dents) A la machoire superieure. 3) Dass in unserem Exemplare nur 11 Brustilossenstrahlen vorhanden sind, während beide erwähnte Arten 12'haben. Unter al- len in jenem Fischwerke aufgezählten Arten ist nur eine ein- zige, bei welcher 11 Brustflossenstrahlen angegeben werden, nämlich bei B. platura Rüpp., deren Eigenschaften jedoch übrigens nicht mit denen unserer B. übereinstimmen Ich nenne daher diese Art: Belone 11 radiata. Diese zoologischen Bemerkungen habe ich vorausschik- ken zu müssen geglaubt, weil ich nicht wissen kann, ob das gleich zu beschreibende Organ, welches ich bei dieser Art fand, auch den andern eigenthümlich ist oder nicht. Dieses Organ liegt über dem Enddarme und über den Aus- führungsgängen der Nieren und Geschlechtsiheile, und wird, wenn man den Fisch von der Bauchseite öffnet, erst sicht- bar, wenn man jenen Darm und den Hoden und mit ihm zugleich die Harnblase aufhebt, Es liegt zunächst um den zuletzt genannten Theilen und gleicht insofern den. drüsigen Gebilden, welche Rathke bei Gobius niger und auch. bei Blennius viviparus gefunden (vgl. H. Rathke über den Darmkanal und die Zeugungsorgane der Fische. Danzig 1524.) und der Prostata verglichen hat, von denen es jedoch: in seiner Form abweicht. Das Organ ist etwa 8 P. L. lang, 2’ breit, hat eine gelbliche Färbung und geht nach vorn in 2 Köple aus, endigt nach hinten in einen eignen Ausfüh- rungsgang, dessen Mündung durch eine über der Pubo - Ure- ihral- Oeffnung liegende kleine Oeflnung am unversehrten Fische kenntlich ist, s. Fig. 9. D.r. Von dem vörderen Ende geht ein Gefüssfaden t bis zu dem einen Ureter, Unweit des Ausführungsganges (bei w) ist das besagte Or- gan dureh bandarliges Zellgewebe an den Samengang und die Harnblase angewachsen. — Es scheint grösstentheils hohk 385 zu sein und seine Wandungen bestehen aus Drüsenläppchen, welche in Ausführungsgänge münden, wovon ich mich durch ınikroskopische Untersuchung überzeugte. 2. Ueber den Zungenbeinkiel von Sphyraena Barracuda. Wegen des Zusammenhanges, in welchem der Zungen- beinkiel mit den Bewegungen des Unterkiefers bei Fischen zu stehen scheint, ist es nicht ohne Interesse, auf eine Form desselben aufmerksam zu machen, wie sie, soviel ich weiss; uoch nicht angegeben ist. Bei den meisten Knochenfischen ist derjenige Knochen, welcher von der unteren Fläche des Zungenbeinkörpers nach hinten gegen den Schultergürtel ge- richtet ist, einfach, d. h. er besteht aus einem einzigen nicht getheilten Stücke. Wie seine Grösse und Form bei ver- schiedenen Fischen so verschieden sind, darüber vgl. man Rathke's Untersuch. über den Kiemenapparat und das Zun- genbein p. 5. Bei vielen Fischen ist er durch Bänder an das Mittelstück des Zungenbeins befestigt; diese Bänder schei- nen oft im Verhältnisse mit der Länge des Knochens selbst zu stehen, wie dies auch Rathke angiebt. Jedoch ist dies keineswegs immer der Fall. So z. B. finde ich sowohl hin- siehtlich der Länge, als auch der Form eine grosse Aeln- liehkeit des Zungenbeinkiels mancher Labroiden und mancher Percoiden. Bei Scarus geht er ebenso wie bei Serranus nach hinten in 2 unter einander liegende Spitzen aus, bei beiden ist er so lang, dass er den Schultergürtel sehr nahe erreicht, hingegen fehlen bei dem ersteren die Bänder fast ganz, wäh- rend sie bei Serranus eine beträchtliche Länge haben. — Achnliche Bänder kommen bei Esox vor, weniger schon bei Belone und Trichiurus. — Bei Polypterus gehen vom Mit- telstücke des Zungenbeins nach Müller’s Entdeckung (Abh. der Kön. Ak. der Wiss. zu Berlin. 1844 p. 149) 2 geson- derte Stücke aus, welche sich in einem unpaaren Knochen Düller's Arebiv. 1816. . 25 336 vereinigen, der mit dem Schultergürtel in Verbindung steht. Soviel mir bekannt ist, steht diese Form bis jetzt noch ohne ein anderes Beispiel da. Ich möchte auch kaum mit Brühl (Anfangsgr. der vergl. Anat. 1847. Bd. I. p. 112.) jene Bän- der beim Hechte und anderen Fischen mit den paarigen Knochenstücken vergleichen, da es mir wahrscheinlich ist, dass auch bei Polypterus diese Knochen durch Bänder an den Körper angewachsen sind. Eine grössere Analogie mit der eben genannten Form scheint mir hingegen sich in dem Zungenbeinkiele von Sphy- raena Barracuda zu zeigen, einem Fische, den ich vor kur- zem zu untersuchen Gelegenheit hatte. Fig. 2. giebt eine Vorstellung von dieser eigenthümlichen Form. Der erwähnte Knochen ist wie bei andern Fischen durch 2 Bänder an den Mitteltheil des Zungenbeins angeheftet und ist ein einfaches, unpaares Stück, welches sich aber in 2 Seitentheile (b) spal- tet, zwischen denen noch auf eine kleine Strecke ein Mit teltheil c fortläuft. Jeder Seitentheil geht in eine Zahl von Flossenstrahlen über. Zwischen denselben liegen dichte Muskelmassen. Jeder Seitentheil wird vollkommen aufge- nommen in die zu tiefen Rinnen ausgehöhlten Schlüsselbeine, mit. denen sich unmittelbar die Muskelmasse (m. sternohyoi- deus) verbindet. — Diese Bildungsform finde ich angedeutet bei Belone, wo das hinterste Ende des Zungenbeinkiels sich gleichfalls in 2 Theile spaltet, welche aber sehr nahe an- einander liegen, Bei der Beschreibung des Skelettes der Sphyraena von Valeneiennes |]. c. II. p. 334. über das Zungenbein wird nur Folgendes erwähnt: Les tendons du corps de l’os hyoide sont &galement ossifies ce qui semble annoncer que sa tele a des mouvemens violens. 387 Erklärung der Abbildungen. Fig. 9. Der hintere Theil des Darms, der Nieren, des (einfachen) Hodens und des Drüsenorganes von Belone 11.radiata von hinten ge- sehen. A. Afterdarm mit After s. B. Hode. C. Nieren. D. Drüsenorgan. r. Ausführungsgang des genannten Organes. w. Verbindung des Organs mit dem Samengange und der Harnblase durch sehnichte Masse. u. Ausführungsgang der Niere. t. Gefässverbindung zwischen dem Drüsenorgan und dem Ausführungsgange u. Fig. 10. Zungenbeinkiel von Sphyraena Barracuda. A. von un- ten, B. von der Seite. a. Mittelstück, welches sich nach hinten in die Keompaaapaien Seitentheile bb, spaltet. ce. Das Ende des Mittel- stücks. 25* Ueber die Schädel der Griechen und Finnen. Von Anpr. Rerzıus. Aus dem Schwedischen *) von Fr. Creplin. 1. Ueber die runde, brachycephalische Schädelform der Griechen. Es ist schon an einer andern Stelle bemerkt worden, dass die ethnographische Kraniologie bisher so geringe Fortschritte gemacht hat, dass man noch bei weitem nicht einmal die Schädelformen der europäischen Nationen kennt. Die Ur- sache liegt zum guten Theile darin, dass durch von Zeit zu Zeit geschehene Einwandernngen und politische Veränderun- gen verschiedene Völkerschaften ihre Wohnsitze in densel- ben Ländern aufgeschlagen haben, wobei es sich ereignet hat, dass bald die älteren Einwohner die Sprache der neue- ren angenommen haben, bald umgekehrt. Somit findet man, dass Völkerschaften, welche ein und denselben Namen füh- ren, oft von verschiedenen Stämmen sind, und dass selbst ein Theil von ihnen bisweilen bis auf die letzte Spur die Kenntniss seiner Herkunft verloren hat. Man kann im Anfange von weiteren Forschungen in der ethnographischen Kraniologie abgeschreckt werden, wenn =) Öfversigt af Kongl. Vetenskaps- Akademiens Förhandlingar för den 8. September 1847, p. 207 — 214. 389 man unter solchen Völkerschaften mit demselben Namen und derselben Sprache bald einander ‚fast entgegengesetzte Ty- pen, bald Uebergangsformen zwischen diesen findet. In den meisten dergleichen Fällen können wir indessen hoffen, dass die Archäologie, die Geschichte und die Sprachenkunde die Erläuterungen liefern, welche zur Beantwortung der ethno- logischen Fragen nöthig sind. Es ist eine allgemeine Meinung, dass die Form des Grie- chenkopfes aus den zahlreichen Sculpturarbeiten, welche die grossen griechischen Künstler der Nachwelt überliefert ha- ben, wohl bekannt sei; aber diese Form ist mit den Typen nicht ethnologisch verglichen worden, die der Natur selbst enlnommen wurden. Erst nach vieljährigen Bemühungen glückte es Blumen- bach, durch die Gewogenheit des jetzigen Königs von Baiern einen antiken Griechenschädel zu erhalten. Blumenbach beschreibt denselben in der Decas VIta mit so grossem Ent- zücken über seine ideelle Schönheit, dass er nur wenig über die Form des Schädels selbst sagt. Alles, was darüber bei ihm vorkommt, ist: „forma calvariae subglobosa, frontis no- biliesime fornicata.‘“ — Die beigefügte gute Profilzeichnung zeigt einen ziemlich kleinen, kurzen Schädel mit kugelrun- dem Hinterhaupte und giebt desshalb Veranlassung, ihn der brachycephalisch-orthognatischen Form beizuzählen. Pri- chard eitirt Blumenbach. Der Gypsabguss eines Griechenschädels, welcher letztere aus Spurzheim’s Sammlung herstammen soll, zeigt dieselbe Form. Ich fand mich schon nach diesen Factis zu der Vermu- thung veranlasst, dass die brachycephalische Form bei den Griechen vorkäme, als ich vor ungefähr einem Jahre eine fernere Bestätigung derselben durch den Besuch eines grie- ehischen Arztes von angesehener adliger Familie auf Corfa empfing. Dieser Mann war von kleinem, aber starkem Kör- perwuchse, hatte schwarzes, glänzendes Haar, dunkelbraune 390 Iris, kleine Augen und eine etwas gelbliche Gesichtsfarbe. Der Kopf war hoch, aber kurz, mit flachrundem, fast; loth- recht stehendem Hinterhaupte. Die Jochbeine waren gross, etwas herausstehend. Auf Befragen gab er an, dass diese Kopfform bei den Griechen gewöhnlich sei. Einige Monate später erhielt ich durch Sr. Maj. Charge d’affaires zu Athen, Hrn. von Heidenstam, einige osteuropäische Schädel, von denen ein griechischer dem von Blumenbach abgebildeten sehr gleicht. Fig. 2. Grieche, Dieser Griechenschädel, von welchem hier in Fig. 1 eine Profilzeichnung und in Fig. 2% eine Contour des Hinter- kopfs mitgetheilt wird, hat einem jungen Individuum von ungefähr 8 Jahren angehört. Er zeigt eine besonders zierliche und hübsche Bildung, mit schön gewölbter Stirn und beinahe lothrechtem, geradem Antlitzprofil und kleinen Jochbeinen, Er ist verhältnissmässig zur Länge und Breite hoch, von einer etwas viereckig-gerundeten Form, mit grösster Breite über den weit nach hinten und hoch liegenden Scheitelhöckern. Von oben angesehen zeigt er einen kurz keilförmig gerunde- ten Umriss (forma cuneato-rotundata). Das Hinterhaupt ist gerundet-flach, seine Ebene von einer gerundet-vierecki- gen Gestalt, welche nach oben breit und nach unten schmä- ler ist. Mitten auf der Hinterhauptisebene findet sich ein be- deutendes, beinahe symmetrisches, rautenförmiges Interpa- 391 rietalbein, mit an den Seiten spitzigen und oben und un- ten stumpfen Winkeln. Dieses Bein bildet die Spitze der Lambdanaht, welche auf der Ebene des Hinterkopfes hoch hinaufgeht. Die bogenförmigen Linien zum Ansatze der Nak- kenmuskeln sitzen niedrig, Das Receptaculum cerebelli ist von geringer Ausdehnung, aber sehr convex. Die. Warzen- fortsätze sind klein, die Ohröffnungen oval, nach hinten hin- übergeneigt, die Schläfenebenen fast flach. Jochfortsätze des Stirnbeins, wie auch die Jochbeine, klein, Wangengruben tief; Kieferbeine eher klein, als gross; Nasenöflnung schmal, dreieckig; Nasenknochen etwas lang, mit einer hübsch ab- schüssigen Stellung. Die Augenhöhlen sind gross, gerundet- viereckig. Die Kranznaht, welche ganz oben nahe der Mitte der Scheitelebene verläuft, ist, sowie die Pfeil- und die Lambdanaht, fein langgezähnt. Maasse. Zangerbait es cnge. „anseilev Nrlaelosweders1705461 Stirnbreite . . . 0,093 Obere Hinteihanpiahreite. Ansiihistelänuchihh .. 0,142 Untere Hinterhauptsbreite (Intermastoidealdurchm.) 0,110 Beenowl.uav IindT rain nk auh Asien DR rakarimın eilssl)rnr „wwadssesaesi. ua atiıt 70048 rest: Schinken uam. ae Mar... 05 Höhe des Oberkiefers (von der Nasenwurzel bis zum Alveolarrande) . . . . + 0,058 Höhe des Unterkiefers am nl seden Fa +. 0,047 = sur _— vom Kinnrande bis zum Alveolarrande . . . . 0,022 Hr. von Heidenstam hat mir landen, schriftlich die gütige Mittheilung gemacht, dass ,„‚die Köpfe der Griechen im Allgemeinen hoch und rund‘: seien, In Folge des oben Bemeldeten glaube ich annehmen zu können, dass die brachycephalische Schädelform sowohl bei den vormaligen Griechen vorgekommen, als auch, dass sie bei den gegenwärtigen gemein sei. Was die ersteren be- 392 trifft, so dürfte es nicht unbemerkt gelassen werden, dass der Kopf des Farnesischen Herkules ebenfalls ein bra- ehycephalischer, nämlich klein, rund und von so kurzem Hinterhaupt, ist, dass die Contourlinie dieses Theils sich fast in gerader Linie nach dem Hinterhalse hinab fort- setzt, ohne die gewöhnliche Einsenkung für die Nackengrube zu besitzen. Winckelmann meint, dass diese Form von der des Stiers entlehnt sei. Seine Worte sind: „Quant ä Hereule, les proportions de sa tete au cou nous oflrent la forme d’un taureau indomptable. Pour indiquer dans ce h£- ros une vigueur et une puissance supcrieures aux forces hu- maines. on lui a donne& la tete et le cou de cet animal; parties tout-autrement proportionndes que dans l’homme, qui a la tete plus grosse et le cou plus petit.“ (Histoire de l’art ete., traduite par Hubert, Paris 1789, Vol. II, p. 49.) Diese Ansicht des ausgezeichneten Kunsthistorikers dürfte viel an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn man findet, dass die in Rede stehende Kopf- und Halsform für mehrere Volks- stämme, sowohl im alten Griechenlande, als in dessen Nach- barländern bezeichnend ist. Man findet nämlich es mehr und mehr bestätigt, dass der grösste Theil von Europa in den ältesten Zeiten von turanischen, scythischen und sar- matischen, mit den Pelasgern wahrscheinlich verwandten Völkerschaften mit derselben Schädelbildung bewohnt gewe- sen ist. Als ein Muster von schöner griechischer Gestalt wird so allgemein der belvederische Apollo angefühıt. Es ist in hohem Grade merkwürdig, dass diese Statue eine ganz andere Schädelform, als die eben genannte, nämlich die ovale, mit vorspringendem Hinterhaupte, darbietet. Ausser dem hier beschriebenen, vom Hrn. v. Heidenstam mitge- theilten Griechenschädel, war noch ein anderer von ovaler Form. Ich erlaube mir danach, obgleich bloss als eine Ver- muthung, die Ansicht auszusprechen, dass diese Form den Hellenen angehört habe. 393 Was die gegenwärtige griechische Bevölkerung betrifft, so dürfte sie, nach den glaubwürdigen geschichtlichen Be- weisen, welche Fallmeray (Fragmente aus dem Orient, Stuttg. u. Tüb. 1845, Bd. II. Cap. XIV: Das slavische Ele- ment in Griechenland) dargelegt hat, schon seit der letzten Hälfte des sechsten Jahrhunderts grösstentheils slawisch sein, Dieser Schriftsteller setzt es auch auseinander, wie diese slawische Bevölkerung Griechenlands ihre eigene Sprache verloren und die vollkommnere griechische angenommen hat, wobei diese jedoch mit einer Menge slawischer WVörter, Endungen und Redensarten bereichert worden ist, Da in- dessen die Schädelbildung der slawischen Volksstämme ebenfalls zur brachycephalischen Formenklasse gehört, so möchte es wohl fast unmöglich sein, einen Unterschied zwi- schen ihr und der der ächten brachycephalischen Griechen auszumitteln. 2. Die Schädelform der Finnen. (Bericht über eine ethnographische Abhandlung vom Hrn. Staatsrathe Carl von Haartmann, betitelt: „‚Försök att bestämma den genuina racen af de i Finland boende folk, som tala finska,“ Helsingfors 1846. 4.) Den physischen Charakter des finnischen Volksstammes in seinen mehrfachen Variationen und seiner ausgedehnten Verbreitung zu erforschen, ist lauge eines der schwersten Probleme für die Ethnologie gewesen. Die meisten euro- päischen und asiatischen Volksstämme haben ihre Geschichte, ihre Namen finden sich bei den vorweltlichen, mittelalterli- chen Schriftstellern wieder. Die Finnen scheinen hiervon eine Ausnahme zu machen. Die Völkerschaften, welche wir Finnen nennen, haben wahrscheinlich in einer entfernten Vorzeit einen grossen Theil von Asien und Europa. innege- habt, sind aber durch die Ausbreitung und durch Eroberun- 394 gen anderer Völkerschaften in viele Stämme getheilt wor- den. Unter solchen Umständen haben sie wahrscheinlich ihren gemeinschaftlichen Namen verloren und sind von den Nachbarvölkern nach den Ländern, welche sie innegehabt, benannt worden. Sonach haben unsere Nachbaren, die ei- gentlichen Finnen, nach Prof. Keyser in Christiania, den Namen Finnen von Finnland, und vermuthlich auch auf die- selbe Weise die Esthländischen den Namen Esthen von Esth- land bekommen. Die Slawen sollen sie jedoch nach dem- selben Schriftsteller mit dem umfassenden Namen Tschuden (griech. NzvU9eı) bezeichnen. Die vorliegende Abhandlung ist ein willkommner Beitrag zur Kenntniss dieser uralten Völkerschaften. Der Verf. ist auch der Meinung, dass die Bewohner Finnlands aus mehreren verschiedenen Stammes- verzweigungen bestehen, welche sich sowohl in den Sprach- dialekten, als den physischen Charakteren von einander un- terscheiden. Hr. v. H. hat auf seinen ausgedehnten amtlichen Reisen mehrere Hunderte von Personen in verschiedenen Theilen des Landes kennen gelernt und Messungen bei ihnen angestellt, nach denen er zu den folgenden Hauptergebnissen gelangt ist: 1) Der Kopf des Karelen ist oval und hochgewölbt, das Angesicht ist oval, der Kiefer schmal, die Augen sind blau, das Haar ist weich, kastanienbraun; Nase gerade, Au- gen gross, Körperwuchs schmächtig, etwas lang. 2) Der Kopf des Sawolax ist fast rund, Scheitel hoch, Angesicht rund mit herausstehenden Wangenbogen und breitem Kiefer, Augen klein, braun, Haar kastanienbraun, straff, Nase klein, Kiefer und Jochweite breit, Hals kurz, Körper grobgliedrig. Ä 3) Der Kopf des Tawastländers ist viereckig-gerun- det, Scheitel niedriger, Wangenbogen und Kiefer breit, Augen klein, blau, Haar schlicht, flachsfarbig, Nase klein, stumpf, Körperwuchs kurz, aber stark, mit groben Gliedmaassen, mei- stens krummbeinig. 395 Nach diesen Angaben gehören die Sawolaxen und Ta- wastländer zu den brachycephalischen, turanischen oder sey- thischen Völkern, wogegen die Karelen Dolichocephalen sind. L Der Verf. beschreibt übrigens den Karelen als fröh- lich, lebhaft, geschwätzig, redlich und als einen besondern Freund seines Pferdes. Der Sawolax ist sowohl, als der Tawastländer, ernst, gesetzt, mürrisch, wenig gesprächig, träge, langsam, ausdauernd, eigensinnig und wenig zugäng- lich, dazu plump und ungesittet, redlich, aber zum Neide und zur Rachsucht geneigt. Der Tawastländer ist der eigentliche oder tschudische Finne, der Sawolax eine gemischte finnische Race, mit über- wiegendem finnischen Blute, der Karele aber von einer ganz andern, fast entgegengesetzien Volksrace, welche in das Land eingedrungen ist und die Provinz, deren Namen sie führt, erobert hat. Der Karele hat, aller Wahrscheinlickeit nach, ehedem seine eigene, von der finnischen verschiedene Sprache gehabt, welche in der Länge der Zeit verloren ge- gangen und durch die finnische, von den Nachbarprovinzen her eingedrungene, ersetzt worden ist. Der Verf., welcher auf diese Verhältnisse hindeutet, stellt auch hierbei ein neues Beispiel von einem Volke auf, welches seine eigne Sprache verloren und die Sprache sowohl, als auch den Namen’ der Nachbaren angenommen hat. Der Karele wird, wie der Tawastländer, ebenfalls Finne genannt. Hr. v. H. hält die Karelen für verwandt mit den Arabern; sie sollen mit die- sen eine erstaunliche Aehnliehkeit haben. Die finnischen Sagen erzählen auch, von Kriegen, welche vormals zwischen den Karelen und den Tawasten stattgefunden haben. 396 Fiune. Ich erhielt vor einigen Jahren einen tawastländischen Schädel, dessen Form mit der vom Hrn. v. H. gelieferten Beschreibung gut übereinstimmt. Da der ausgezeichnet ge- schickte naturhistorische Zeichner, Hr. Magnus v. Wright, im Jahre 1845 Stockholm besuchte, hatte er die Güte, eine Zeichnung von demselben zu entwerfen, von welcher ich geglaubt habe, eine bis auf 4 verkleinerte Kopie, unter Fig. 3, mittheilen zu müssen, welche auch dadurch von Werthe sein wird, weil man bisher noch die Abbildung eines finnischen Schädels vermisst hat. In den vorhergehenden Aufsätzen von A, Retzius ist zu corrigireu: Seite 242 Zeile 15 v. o. statt Eckström lies Ekström » 7» 31- - „ Oversight lies Öfversigt » %9 „ 15- - „ Eällen lies Fällen u 260,2, 3 - - streiche zwar » mr2Bler., 9 - - statt Veritik lies Kritik » WEhonen 1v.u. „ keinen lies keine ee 8 v. 0. „ Gultur lies Cultur » 7» 15 - - setze (Celten) unter Engländer. Zootomische Bemerkungen. Von Prof. Dr. Srannıus. (Hierzu Taf. XIIL) 1. Ueber accessorische Fortsätze an den Lenden- | wirbeln der Gattung Lepus. In meinem Lehrbuche der vergleichenden Anatomie der Wır- belthiere habe ich auf eigenthümliche Fortsätze, welche an den Lendenwirbeln des Hasen und, minder ausgebildet, an denen des Kaninchens und des Aguti vorkommen, aufmerk- sam gemacht. An dem Skelete eines erwachsenen Hasen der Sammlung der hiesigen Universität erscheinen diese Fort- sätze als distincte, von dem übrigen, eigentlichen Querfort- salze jedes Lendenwirbels durch Naht getrennte Ossilicatio- nen. An den Lendenwirbeln anderer ausgewachsener Hasen finde ich sie zwar deutlich, aber sie sind mit den Processus transversi derselben völlig verwachsen. Dagegen zeigen sie sich bei jungen Thieren beständig als eigene, von jenen Querfortsätzen scharf gesonderte Knochenstücke. Sie sitzen, wie die Vergleichung der Abbildung lehrt, an dem vorwärts gerichteten freien Ende jedes Querfortsatzes oder in der Nähe desselben, und haben die Gestalt eines Dreieckes, dessen Spitze nach vorn gerichtet ist. Herr Dr. Hesse hat, auf meine Veranlassung, die Muskeln des Hasen untersucht, um den Zweck und die Bedeutung dieser Fortsätze aufzuklären. 398 (Vgl. R. H. Hesse, Disquisitio anatomica de museulis lepo- ris timidi. Rost. 1847. 8. ce. tab.) Er entdeckte in der innern Masse jedes Musc. psoas major 6 kleine Muskeln, welche von den Körpern der letzten 5 Rückenwirbel und des ersten Lendenwirbels fleischig entspringend und an ihrem Ursprunge mit der Fleischmasse des M. psoas major ziemlich vollstän- dig verschmolzen, absteigend successive an die accessorischen Fortsätze der Querlortsätze der Lendenwirbel sehnig sich inseriren. Der vorderste Muskel kommt von der Bauchfläche des Sten Rückenwirbelkörpers und befestigt sich an den Pro- cessus accessorius des ersten Lendenwirbel- Querfortsatzes; der an den 2ten Lendenwirbel tretende stammt vom 9ten Rückenwirbel u. s. f. Herr Hesse ist geneigt, die accesso- rischen Fortsätze für Rippenrudimente, die von ihm aufge: fundenen Muskeln für Levatores costarum interni zu halten. Offenbar bedurfte es, um dieser Ansicht die erforderliche Stütze zu geben, noch vieler vergleichenden Untersuchungen ; vorläufig möchte ich die von mir aufgefundenen Processus accessorii für blosse Muskelfortsätze halten. Erklärung der Abbildungen. Taf. XI. Fig. 1. Fig. 1. Ansicht der Unterlläche der Wirbelsäule, von der linken Seite ‘geschen. A. A. Körper der Lendenwirbel. B. B. Körper der Rückenwirbel. C. C. Die letzten Rippen. D. D. Processus transversi der Lendenwirbel. E. E. Accessorische Fortsätze derselben. F. F. Processus spinosi inferiores. G. G. Musculus psoas. H, H. Fascikel dieses Muskels, die an den accessorischen Fortsätzen sich inseriren. . Ursprünge dieser Fascikel. K. K. Muskelmasse des Sacrolumbalis und Longissimus dorsi, L. L. Intercostalmuskeln. M.M. Processus spinosi der Rückenwirbel. 399 2. Ueber die Schwimmblase des Priacanthus ma- erophthalmus und einiger andern Percoiden, Cuvier nennt in seiner Histoire naturelle des poissons, Vol, 2. p. 101 die Schwimmblase des Priacanthus macroph- ihalmus einfach, ohne Anhänge: „‚La vessie natatoire n’oc- cupe pas toute la longueur de l’abdomen; elle est simple, sans cornes ni appendices, arrondie anterieurement et se termine en poinle. L’organe secreteur de l’air est place sous la eonvexit« de la partie anterieure de la vessie.““ Ich war überrascht, diese Beschreibung bei Cuvier zu finden, da das genannte Organ mir eine ganz andere Bildung darbot. Die Schwimmblase hat eine einfache, weite Höhle und erstreckt sich nicht nur durch die ganze Bauchhöhle, inner- halb welcher sie durch stärkere und schwächere Bänder an die Basis aller einzelnen Rippen angeheftet ist, sondern be- sitzt auch zwei vordere kürzere und zwei hintere längere Ausstülpungen oder Hörner. Jede der beiden vorderen blin- den Ausstülpungen wird aufgenommen von einer beträcht- lichen Grube an dem hinteren und unteren Theile des Schä- dels. Diese Grube findet sich an der Schädelbasis und be- sitzt die Gestalt eines Dreiecks, dessen Basis nach innen, dessen Spitze nach aussen gelegen ist. (Vgl. Fig. 2.°a.) Die Basis desselben wird gebildet durch das Os sphenoideum basilare (Fig. 2. b.); die Spitze durch das Os oceipitale la- terale, petrosum und mastoideum. An einer kleinen Stelle, nämlich da, wo das Os oceipitale laterale, petrosum und sphenoideum basilare zusammenstossen, findet sich eine kleine häutige, dreieckige Fontanelle (Fig. 1. c.), an wel- cher die Spitze des vorderen Hornes der Schwimmblase eng anliegt. — Jede der beiden hinteren Ausstülpungen der Schwimmblase ist lang, kegelförmig, von vorn nach hinten zugespitzt und erstreckt sich ausserhalb der Bauchhöhle un- ter dem Ventraltheile des Seitenmuskels, auf den 5 vorder- sten Processus spinosi inferiores gelegen, nach hinten. — Die Höhlung der Schwimmblase ist einfach; an ihrer Rücken 400 seite finden sich starke, quere, einfach ramificirte Blutge- fässe, an ihrer Bauchseite die in zwei Abtheilungen unvoll- ständig geschiedenen, dicken, rothen Körper. Zur Seite der letzteren, sowie in den vorderen und hinteren Ausstülpun- gen zeigt sich die silberfarbene Haut. — Die Eintrittsstelle der grossen Gefässe und Nerven findet sich an der Ventral- seite der Schwimmblase in der Gegend des dritten und vier- ten Wirbelkörpers, so dass die Gefässe in die rolhen Kör. per treten. — An den Vordertheil des Schwimmblasenkör- pers befestigt sich jederseits ein starker, von der Basis der ersten Rippe kommender Muskel. In das Gehörorgan führt jederseits noch eine äussere Schädelöffnung. Sie ist rundlich und sehr eng und liegt an der vorderen Grenze des Os mastoideum, am Schädeldache, in der Schädelgrube, welche von der seitlichen Leiste be- deckt wird und ist durch Fett ausgfüllet. Unter den Percoiden, deren Schwimmblasenkörper durch eine tiefe Einschnürung gelheilt ist, wo aber die beiden Ab- theilungen der Schwimmblase nicht durch Texturverschie- denheiten ausgezeichnet sind (wie bei den Cyprinoiden), kommen bekanntlich gleichfalls häutig verschlossene Fenster im Gehörtheile des Schädels vor. So bei Myripristis und Holocentrum, die sich noch — was Cuvier nicht erwähnt, was aber sehr charakteristisch ist — durch einen aus meh- reren Stücken zusammengesetzten Oberkiefer auszeichnen. Bei Holocenirum ist das grosse Fenster durchaus häutig, bei Myripristis Jacobus durch einen von den benachbarten Knochen ausgehenden, springfederartigen, elastischen Kno- chenfortsatz, der einen Theil des Fensters einnimmt, dessen auch Cuvier kurz erwähnt, ausgezeichnet. — Bei Thera- pon servus, der bekanntlich gleichfalls eine durch tiefe Ein- schnürung gelheille Schwimmblase besitzt, vermisse ich, gleich Cuvier, das häutige Fenster am Gehörorgane; auch ist der Oberkiefer nicht aus mehreren Stücken zusammenge- setzt, wie bei Myripristis und Holocentrum, 401 Erklärung der Abbildungen. Fig. 2. Hintertheil des Schädels von Priacanthus macrophthalmus, von der linken Seite gesehen. Grube zur Aufnahme der Schwimmblase. a. b. Os sphenoideum basilare. c. Häutige Fontanelle in der Grube. d. Conische Aushöhlung des ersten Wirbelkörpers. e. Aufsteigende Wirbelbogen. 1. Schulter der rechten Seite. g. Crista des Schädels. Fig. 3. Seitenansicht des Schädels von Myripristis Jacobus. a. Häutige Fontanelle, an welche die Schwimmblase sich anlehnt. b. Sprungfederartiger, elastischer Knochenfortsatz, der sich an das häutige Fenster erstreckt. ec. Zusammengesetzter Oberkiefer. Fig, 4. Isolirte Darstellung des aus drei Stücken zusammengesetzten Oberkiefers von Myripristis Jacobus. 3. Weber uie Arteriae laterales von Lophius pis- eatorius. Bekannt ist es,. dass bei den Fischen aus den Kiemen- venen, schon ehe sie zur Bildung der Aorta zusammentreten, häufig Körperarterien hervorgehen. Wir verdanken die Kennt- niss dieser Thatsache besonders den Untersuchungen von Hyrtl und Müller. Eine der merkwürdigsten Arterien die- ser Art ist die Arteria lateralis des Lophius piscatorius, Die Kiemenvenen jeder Seite vereinigen sich nach ihrem Heraustreten aus der Kiemenhöhle zu einem gemeinsamen Stamme: der Aortenwurzel. Aus jeder Aortenwurzel ent- springt eine starke Arteria lateralis. Sie tritt neben dem Ramus lateralis Nervi vagi an die Aussenfläche des Körpers und verläuft mil und neben dem eben genannten Nerven längs des Rumpfes zwischen der Dorsalmasse und Ventralmasse Nüllers Archiv, 184%, 26 402 des Seitenmuskels ziemlich versteckt gerade hinterwärts. In der Schwanzgegend tritt sie, an der äussersten Grenze der eben genannten ‚Muskelmassen verlaufend, unmittelbar unter die Haut und folgt genau dem Verlaufe des R. latera- lis N. vagi. Eine Abbildung dieser Arterie soll anderswo gegeben werden. — Gelegentlich mag hier bemerkt werden, dass ich bei keinem Fische (mit Ausnahme der Plagiosto- men) eine grössere Thyreoidea angetroffen habe, als bei Lo- phius. Bekanntlich schreibt Meckel diesem Fische eine Speicheldrüse zu; wahrscheinlich hat er die Thyreoidea da- für angesehen. 4. Ueber Chorion und Uterindrüsen des Delphins. Gegen Ende des Märzmonates 1843 hatte ich Gelegenheit, einen schwangeren weiblichen Delphin (D. phocaena) zu unter- suchen. — Beide Hörner des Uterus waren ausgedehnt; das linke aber etwa 6mal stärker, als das rechte. Von einem Gallertpfropfe im Halse des Uterus war keine Spur vorhan- den. Die ganze innere Oberfläche beider Hörner des Uterus war bis zum innern Muttermunde hin sehr stark geröthet. Diese Röthung war an der Innenfläche des rechten Hornes fast noch stärker, als an der des linken. Das Ei füllte nicht nur das stark ausgedehnte linke Horn aus, sondern auch das minder ausgedehnte rechte. Das Chorion war also auch gewissermaassen zweihörnig; der im rechten Horn des Ute- rus gelegene Theil desselben lief in einen engen schmalen Zipfel aus, der aber bis an seine äusserste Spitze stark ge- röthet, mit Zotten besetzt und sehr gefässreich war. Die ganze dem Uterus zugewendete Oberfläche des Cho- rion zeigte sich dicht mit gefässreichen Vorsprüngen oder Zotten besetzt, welche auf den ersten Anblick warzenarlig oder wie Granulationen auf Wundflächen erschienen. Esch- richt, dem wir die erste Beschreibung des Chorion der 403 Delphine verdanken (s, seine Abhandl.: de organis, quae respirationi et nutritioni foetus mammalium inserviunt. Havn. 1837. A. p. 6.), und der die Eihäute eines älteren Fötus un- tersuchte, fand gleichfalls das ganze Chorion mit dichtste- henden Zotten besetzt. Die Zotten selbst beschreibt er fol- gendermaassen: „‚Vılli accuratius examinati intervallis dimi- diae fere lineae separati oceurrunt; verum nec formam pli- earum, ut in suibus, nec conorum plumosorum, ut in vaceis, habent, sed potius florum brassicae botrytis, peliolis scilicet angustis insidentes, coronam multifarie ramificatam et glo- bosam gerentes.“ Mit dieser Beschreibung kann ich mich nieht völlig einverstanden erklären. Allerdings ist ihre Ba- sis bedeutend schmaler, als ihr freies Ende und sie werden von dieser Basis aus bedeutend breiter. Aber kugelförmige Enden vermochte ich nicht zu erkennen: deshalb möchte ich auch die Zoilen nicht sowohl blumenkoblähnlich nennen, als sie vielmehr den Blättern des Braunkohls vergleichen. Ich wenigstens sah nur gekräuselte, am Rande vielfach ein- geschnittene Blätter und die Aehnlichkeit mit den Zotten des Chorion der Schweine erschien mir demnach grösser, als sie sich nach Eschricht herausstellen soll. Vielleicht mag dieser Unterschied in der Altersverschiedenheit der un- tersuchten Früchte liegen. In diesen Blättern verbreitet sich ein äusserst zierliches Capillargefässnetz. Zwischen der Ba- sis derselhen liegen kleine Substanzinseln, welche minder reich an Gefässen sind. Die Blättchen selbst sind von sehr verschiedener Länge und Breite; die längsten, von 11 L. Länge, fanden sich in dem zipfelförmigen Anhange des Cho- rion; sonst waren längere mit kürzeren untermengt. Die beigegebene Abbildung, nach einem unter Wasser liegenden Stückchen des Chorion angefertigt, mag das Aussehen der Blättchen versinnlichen. (S. Fig. 6. 7.) Die einzelnen Blättehen steckten in Einstülpungen der Schleimhaut des Uterus, gleich Fingern in einem Handschuhe. Zwischen dem Chorion und der Innenwänd des Uterus fand 26% 404 sich in reichlicher Menge die namentlich bei den Wieder- käuern so leicht zu beobachtende weissliche milchähnliche Flüssigkeit, mit Oeltropfen, mehrfache Kerne enthaltenden runden Zellen, Molekularkörperchen und Epithelialzellen. Die ganze Innenfläche des Uterus war, wie dies auch Eschricht angiebt, mit dieht stehenden kleinen Oeffnungen besetzt, welche durch mehr oder minder schmale Brücken von einander getrennt waren. Diese Oeffnungen waren von zweierlei Art: engere, sehr dicht stehende und weitere, welche in der Regel etwa eine Linie weit von einander ent- fernt, selten dichter nebeneinander, standen. Aus beiden liessen sich die Zotten des Chorion hervorziehen; aus bei- den liess sich die beschriebene milchähnliche Flüssigkeit herausdrücken. Die Abbildung Fig. 5. giebt eine Anschau- ung des Verhaltens der Innenfläche des Uterus. Auf Quer- durchschnitten erkannte ich, dass die Form der Einstülpun- gen derjenigen der von ihnen aufgenommenen Chorionzotten entsprach. Ob diese Uterindrüsen bis an ihr Ende von den Zotien des Chorion ausgefüllt wurden, oder noch abwärts von denselben sich fortsetzten, das ist mir damals nicht klar geworden. Die Gefässe der Uterinschleimhaut bildeten die zierlichsten und feinsten Netze. — Die Scheide des Nabelstranges war mit kleinen, auf einer dünneren Basis sitzenden, braun gefärbten, warzenar- tigen Vorsprüngen besetzt, von 4 — 1 Linie Länge und 4 L, Breite. Im Nabelstrange befanden sich 2 Arterien und 2 Ve- nen. Von der Nabelblase war keine Spur mehr vorhanden. Der 14 Fuss lange Fölus steckte in den Eihüllen so, dass sein Schwanz dem Orificium uteri zunächst lag. Erklärung der Abbildungen. Taf. XIM. Fig. 5. Ansicht der Innenfläche des Uterus. Fig. 6 u. 7. Ansichten der Oberfläche des Chorion, Tr —— ed Ueber das Panereas der Fische. Von Prof. Dr. Stannıus. Es ist bekannt, dass ein drüsiges Panereas noch vor Kurzem nur bei solchen Fischen sicher nachgewiesen war, welche keine Appendices pyloricae besitzen, Stenson hatte es bei Rochen entdeckt, Cuvier fand es bei Haien,. E. H. Weber bei Silurus und Anguilla und diese Entdeckungen wurden von allen Seiten leicht bestätigt. Das .Nichtauffinden eines Pancreas bei solchen Fischen, welche Appendices py- lorieae besitzen, liess sehr. allgemein diese absondernden Pförtneranhänge für Aequivalente des Panereas nehmen, ob- gleich Steller's Ausspruch, dass bei den Fischen auch neben den Appendices ein drüsiges Pancereas vorkomme, die Auf- merksamkeit einzelner Zootomen rege erhielt. Bedenklich wurde das Festhalten an der alten Ansicht, als Alessan- drini ein drüsiges Pancreas bei dem mit so ausgebildeten und durch eigenthümliches Verhalten ausgezeichneten Pfört- neranhängen versehenen Störe nachwies. Indessen erfreuten sich seine Angaben keiner öffentlichen Bestätigung, vielmehr wurden mehrfach Zweifel gegen. ihre Richtigkeit erhoben. Müller nahm eine von ihm gegebene Notiz über die Anwe- 406 senheit eines drüsigen Pancreas bei Lota selbst wieder zu- rück, Später erwähnte Wagner der Coexistenz eines drü- sigen Pancreas und zahlreicher Pförineranhänge bei einer Forelle; doch fehlten alle näheren Angaben über die Beschaf- fenheit dieses Gebildes, über seinen Ausführungsgang u. s. w., so dass diese unvollständige Mittheilung unbeachtet blieb. Ohne sie zu kennen, hatte ich im März 1846 ein drü- siges Pancreas beim Lachs und bei der Steinbutte aufgefun- den und konnte dies um Ostern dess. Jahres Herrn Prof. S$chultze in Greifswald und Herrn Prof. Müller in Berlin mündlich mittheilen, welcher letztere mich versicherte, dass er kürzlich auch sich von der Richtigkeit der Alessandrı- ni’schen Angaben in Betreff des Pancreas des Störes über- zeugt habe. Fortgesetzte Untersuchungen liessen mich ein drüsiges Pancreas bei einer grossen Anzahl einheimischer mit Pförtneranhängen versehener Fische auffinden und ich publicirte meine Entdeckungen in der Inauguraldissertation des Dr. Brockmann: De pancreate piscium. Rost. 1846. 4. ce. tab. — Rücksichtlich der Einzelheiten verweise ich auf diese Schrift; das-Wesentlichste soll hier hervorgehoben werden: i 1) die Alessandrini’sche Entdeckung beim Störe kann ch vollkommen bestätigen. 2) Ein drüsiges Pancreas wurde angetroffen bei Salmo Salar, Clupea harengus, Gadus callarias, Cottus scorpius, Perca fluviatilis, Pleuronectes Platessa, Pl. maximus, Belone longirostris und Cyprinus Brama. Unter diesen Fischen sind also solche, welche zahlreiche Appendices pyloricae besitzen, andere, bei denen diese Anhänge abortiv sind, wie die Pleu- ronectes und endlich andere, welche derselben ermangeln, wie Belone und Cyprinus. 3) Dünn, breit, aus zahlreichen Lappen zusammengesetzt, ist das Pancreas des Lachs; derb, klein, compact beim Stör, dem Barsch, den Schollen; traubenartig in einzelne Körper zerfallen, deren Ausführungsgänge Stielen gleich von ihnen ausgehen, bei Belone. 407 4) Der kurze Ductus pancreaticus senkt sich neben dem Ductus choledochus, doch getrennt von ihm, in das Duo- denum beim Stör, bei Pleuronectes maximus, bei Perca flu- viatilis, bei Cyprinus Brama; er ist bei Salmo Salar und Pleuronectes platessa länger und mit dem Ductus choledo- chus anscheinend verschmolzen, während in der That der scheinbar einfache Ductus choledochus, wie die genauere Untersuchung lehrt, aus zwei eng aneinander haftenden, äusserlich nicht unterscheidbaren Röhren oder Gängen be- steht: dem eigentlichen Ductus choledochus und dem Duc- tus pancreaticus; er geht endlich wirklich in den Ductus choledochus über, so dass beiden eine gemeinsame Wen- dungsstelle in das Duodenum zukommt, bei Belone. Beitrag zur Geschichte des Enchondroms. Von = Prof. Dr. Stannıus., Zu den am schärfsten unterscheidbaren krankhaften Neubildungen gehört unstreitig das Enchondrom, dessen voll- kommene Charakteristik wir Müller zu verdanken haben. In zwei mir bekannt gewordenen Fällen vom Vorkommen dieser Neubildung an den Phalangen der Finger — beide wurden von meinem Collegen Herrn ©. M. R. Strempel auf operativem Wege entfernt — fand ich alle Angaben die- ses Forschers bestätigt; in beiden Fällen ist die Geschwulst nach vielen Jahren nicht wiedergekehrt. Die hier mitzulheilende Notiz betrifft das Vorkommen dieser krankhaften Neubildung in einer Thierklasse, wo ich sie am wenigsten erwartet hätte, nämlich bei einem Vogel. Es scheint mir bemerkenswerth, dass eine Geschwulst, de- ren Elemente mit denen des normalen Knorpels so völlig übereinstimmen, ohne mehr als stellenweise zu verknöchern, zu einem verhältnissmässig sehr bedeutenden Umfange sich ausbilden kann in solchen Thieren, bei denen fast jeder Knorpel nur transitorisch ist und rasch in Verknöcherung ühergeht. Herr Dr. Reder hieselbst schickte mir im Herbste vorigen Jahres eine schon im Sterben begriffene, kurz zuvor 409 auf einem Kelde ergriflene Fulica alra zu, Eine enorme Ge- sehwulst (Fig. 8. a.) ;enistellte den Kopf des Thieres. Sie vagte weit aus der rechten Augenhöble hervor und hatte das Auge. (B) nach hinten gedrängt; die Oberfläche der Ge- sehwulst war höckerig-knollig; an den meisten Stellen. war sie von Haut nnd Federn überzogen; an einigen Stellen je- doch, besonders vorn (bei C) und in der Mitte (C)' war sie excorürt, zeigte eine schmutzig gelbliche Färbung und war oberflächlich mit dem trocknen Exsudate belegt, das — die Stelle des Eiters vertretend — bei Vögeln an Wundflächen immer sich bildet. Ueberall liess die durchaus harte feste Geschwulst von den umgebenden Knochen leicht sich ablö- sen; nirgend zeigte sich ein innigerer organischer Zusam- menhang derselben mit den Knochen; das Dach der Augen- höhle, der Zwischenkiefer, das Os ethmoideum, ‘der Joch- bogen waren völlig gesund; letzterer durch die Gesehwulst nur stark abwärls gedrängt und gekrümmt; von der Augen- höhle aus ragte aber eine Fortsetzung. der Geschwulst in den hintern Theil der Nasenhöhleund stand hier mit dem äusseren Rande der häutig-knorpeligen Nasenmuschel in Zu- sammenhang; doch war die letztere, wie eine genaue Ver- gleichung derselben mit derjenigen der entgegengesetzten Seite lehrte, nicht etwa ganz in die Geschwulst verwickelt, sondern zeigte sich fast normal, ganz wie die der andern Seite, Der Bulbus des Auges, nebst seinen Muskeln, war num verdrängt, ohne in die Geschwulst verwickelt zu sein. Als ein Einschnitt in die Geschwulst gemacht ward, bot sieh. ein merkwürdiger Anblick dar. ‚Die. ganze Masse agigle sich aus unregelmässigen Stücken zusammengesetzt, welche bei der Betrachtung mit blossem Auge alle äusserli- chen physikalischen Eigenthümlichkeiten des wahren Kuor- pels darboten; dieselbe spröde, elastische, perlmutterglänzende, milehblaue, bläulich durchscheinende Masse, wie wir sie z.B. im Schädel des Störes aäntreflen. Diese unregelmässigen grösseren und kleineren Knorpelstücke waren zusammenge- 410 ballt und gekittet durch eine gelbliche Masse, welche, weich und zum Theil häutig, die Knorpelstügke verband. Sie ver- hielt sich zu letzteren wie Lehm, der unregelmässige Gra- nitsteine zu einem Walle aneinander befestigt. An einzelnen Stellen der Geschwulst gingen die Knorpelstücke in eine bröckliche Knochenmasse über, welche Inseln in der Ge- schwulst bildete. In der hellen Masse einzelner Knorpel- stücke erschienen bisweilen Vertiefungen, welche Felt ent- hielten (Fig. 9. d.). Ein Bild des Verhaltens der Geschwulst giebt Fig. 9. Man sieht eine herausgenomme Platte der Ge- schwulst von oben; aa die Knorpelstückchen; bb die sie trennende Zwischensubstanz; cc Stelle, wo ein Knorpel- stück in unregelmässige Knochensubstanz übergeht. Mikroskopisch erkannte man leicht auf hinreichend dün nen Schnitten des Knorpels in der hellen Grundlage die be- kannten Höhlen (s. Fig. 10.), meist von elliptischer, biswei- len gekrümmter und gebogener, selten von rundlicher Form; in ihnen Zellen mit einem oder häufiger mit mehreren Kernen. Die Bindemasse enthielt reichlich Fettkügelchen und Bindegewebe. Aus diesen Beobachtungen ergiebt sich, dass die Ge- schwulst ein wahres Enchondrom war, dass sie grössten- theils in knorpeligem Zustande verharrte, aber stellenweise und zwar in der Mitte ihrer Substanz verknöcherte; dass sie höchst wahrscheinlich ausging von dem Rande der Na- senmuschel und dass kein benachbartes Gewebe durch sie zerstört ward. 411 Erklärung der Abbildungen. Taf. XII. Fig. 8. Kopf der Fulica atra mit der Geschwulst. A. Geschwulst. B. Auge. C. C. Zwei excoriirte Stellen der Geschwulst. Fig 9. Durchschnittsfläche des Enchondroms. a. a. Knorpelstücke auf der Durchschnittsfläche. b. b. Fettige Zwischensubstanz. c. c. Stellen wo der Knochen a. in Ossification übergeht. d. d. Fetthöhlen in einem Knorpelstück. Fig. 10. Mikroskopische Ansicht der meist elliptischen Knorpel- Seltene Beobachtungen aus dem &ebiete der menschlichen Anatomie. Von Dr. WENZEL GRUBER, Erstem Prosector des anatomischen Institutes der medico- chirurgischen Academie in St. Petersburg. x (Hierzu Taf. XIV. u. XV.) 1. Mangel des Thränenbeines und dessen Ersel- zung durch eine bis jetzt unbekannte Ueberzahl von blätichenförmigen Fortsätzen benachbarter Knochen bei gleichzeitiger Theilung der rechten Papierplatte des Siebbeines an dem Schädel eines Russen. Das Thränenbein ist wohl einer der Gesichtsknochen, der noch den meisten Anomalien unterworfen ist, ja wie die Anatomen in ihren Werken aufstellen, auch überhaupt ein solcher, welcher sich von anderen des Skeletes durch so manche, vielleicht viele Abweichungen — bei alleiniger Berücksichtigung der Gestalt und Grösse — auszeichnet, Fälle von Kleinheit verschiedener Grade kommen nicht ganz selten vor, dessen gänzlicher Mangel ist ebenfalls und wohl mehrmals (?) beobachtet worden. Bei dergleichen Anomalien wird dann der Thränenkanal entweder durch den Nasenfortsatz des Oberkiefers allein — (vielleicht der gewöhnliche, wenn auch nicht geradezu allein 413 mögliche Fall), — oder durch die Papierplatte des Siebbei- nes allein, oder aber durch beide Knochen gebildet, Fehlen des Thränenbeines war in manchen Fällen höchst wahrscheinlich nichts anderes, als ein ununterbrochenes Zu- sammenhängen mit der Papierplatte des Siebbeines in Folge eines ungewöhnlichen Verschwindens der Naht zwischen beiden Knochen. Hyrtl) besitzt einen Schädel, an dem das Thränen- bein durch eine senkrechte Naht in zwrei Stücke getheilt ist. Ebenso zerfällt die Papierplatte des Siebbeines manch- mal in einzelne Plättchen 2), wobei nach meiner Beobach- tung die einzelnen Stücke wenig regelmässig und durch nicht deutlich ausgesprochene Nähte zusammenhalten. Bei unserem Schädel, der übrigens einem jungen Manne angehörte, kann von einem scheinbaren Fehlen, wo, wie gesagt, das Thränenbein ununterbrochen mit der Papierplatte des Siebbeines zusammenhängend gefunden wird, nicht die Rede sein. Wenn in einem solchen Falle behauptet wird, es bilde bald die Papierplatte des Siebbeines mit dem Nasen- fortsatze des Oberkiefers, bald der Nasenfortsatz allein die Thränenbeingrube, so ist damit der Ausspruch, scheinba- res Fehlen noch nıcht als irrig anzusehen, weil im erste- ren Falle, bei sonst normaler Anordnung des Thränenbeines, eben so gut ein ungewöhnliches Verwachsen desselben mit der Papierplatte des Siebbeines, also völliges Verschwinden ihrer senkrechten Naht möglich ist, als im letzteren Falle, bei einem rudimentären Vorhandensein dieses Knochens mit dem bloss hinter dem Kamme befindlichen Theile an der Möglichkeit des Verwachsens mit der genannten Knochen- platte nicht gezweifelt werden dürfte. 1) Lehrbuch der Anatomie des Menschen pag. 201. 2) Samuel Thomas Soemmerring Lehre von den Knochen und Baendern des menschlichen Körpers; herausgegeben von Rudolph Wagner pag. 63. 414 Das wirkliche Fehlen in unserem Falle, wenn nicht auf beiden, doch sicher auf der rechten Seite, bewei- sen die Umstände, dass einmal die Thränensackgrube von dem Nasenfortsatze nicht nur allein gebildet wird, sondern dass ausserdem auch ein Fortsatz von dem Oberkieferknochen nach aufwärts, so wie ein solcher vom Stirnbein nach ab- wärts geht, um mehr oder weniger in der Mitte des Weges sich begegnend, durch eine deutlich ausgesprochene Naht in eine Verbindung zu treten und eine schmale Knochenwand zu gestalten, welche vorn mit dem Nasenfortsatze des Ober- kiefers, hinten mit der Papierplatte des Siebbeines durch eine ungemein deutlich ausgesprochene Naht in Verbindung steht. In dieser Hinsicht und insofern als zugleich die recht- seilige Papierplatte des Siebbeines durch eine senkrechte Naht in zwei Stücke abgetheilt sich vorfindet, halte ich es nicht ganz für uninteressant, diese Anomalie zu beschreiben und zwar, wie folgt: Beide sonst ganz normalen Thränensackgruben werden nur vou des Oberkiefers Nasenforisatze, der viel breiter als im normalen Zustande ist, gebildet. (Fig. 1. 2. a.) Beide Nasenfortsätze sind in der Art breit, dass dieselben, dem oberen Theile des hinteren Umfanges jener Grube entspre- chend, mit einem kleinen dreiseiligen Felde, das oben an der Basis 3—4mm. breit und von oben nach unten 5— mm. lang ist, selbst zur Zusammensetzung der innern Wand der Augenhöhle beitragen. (Fig. 1. 2. b.)*) Rechterseits steigt von dem vordersten Theile des in- neren Randes der Augenhöhlenfläche des Oberkieferknochens, von hinten her den Eingang in den Suleus laerymalis be- grenzend, ein zuerst 5mm., dann etwas breiteres und zuletzt *) Die innere Wand des eigentlichen Thränennasenkanales wird vom Oberkiefer und dem sehr entwickelten Thränenfortsatz der unte- ren Nasenmuschel gebildet. 415 sich. ziemlich verschmälerndes Knochenplättchen (anomaler Fortsatz) aufwärts*) (Fig. 1. d.), um sich mit einem, von dem vordersten Theile der äusseren Kante des inneren Ver- bindungsrandes des rechten Augenhöhlentheiles des Stirnbei- nes von oben entgegenkommenden, am Ursprunge gegen 4mm. breiten und sich in seinem Herabsteigen in einer Strecke von beiläufig 8 mm. allmählig sich zuspitzenden und vor ihm ge- lagerten ähnlichen Knochenplätichen (zweiter anomaler Fort- satz) durch eine schiefe von oben und hinten nach vorn- und abwärts gerichtete Naht zu verbinden. (Fig. 1. c, £.) Beide stossen durch eine vordere senkrechte Naht (Fig. 1. «.) mit dem Nasenfortsatze des Oberkiefers, ausser dem Bereiche der Thränensackgrube und hinten mit dem vorderen Stücke der Papierplatte, ebenfalls durch eine senkrechte, gleichsam normal mittlere Naht zusammen. (Fig. 1. y.) Beide zusammen bilden den vordersten Theil der inneren Augen- höhlenwand in einer Höhe von 13mm. und in einer Breite von A—6mm. (Fig. 1.) Linkerseits ist eine ähnliche Anordnung, nur ist das Knochenblättchen vom Stirnbeine kürzer 3 — 4 mm. (Fig. 2. e.), das von dem Oberkiefer länger (Fig. 2. d.), die Verbindung durch eine Quernaht bewerkstelligt (Fig. 2. 8.) und die durch beide gebildete Knochenwand schmä- ler. Betrachtet man hier das vom Oberkiefer kom- mende Knochenblättchen ganz genau, so kann man einige Millimetres über dem hinteren Theile seines 5mm. ungefähr breiten Abganges eine ziekzackförmige, obschon etwas un- deutliche Linie bemerken, den ich als die Spur einer Naht ansehe (Fig. 2. d.), und ich glaube nicht zu irren, wenn ich behaupte, dass wirklich in einer früheren Periode von dem vom Oberkiefer ausgehenden Knochenblättchen (anomaler Fortsatz) ein 7mm. langes und bloss 3mm. breites Knochen- *) Von irgend einer Achnlichkeit mit dem von Rousseau als os laerymale externum beschriebenen Knöchelchen (Annal. d. science. nat. Paris 1529, Tom 17. Pl. 6. A. Fig. I. pag. 86.) kann keine Rede sein, blättchen als rudimentäres Thränenbeinchen getrennt vorhan- den war. (Fig. 2. e.) 446 | Die Länge beider Papierplätten des Siebbeines ist wohl nieht viel von der bei normalem Vorhandensein der Thrä- nenbeine verschieden. eine ungefähr über 1mm. vor dem Foramen ellımoidale an- terius gelagerte senkrechte (anomale mittlere), äusserst regel- mässig angeordnete und ausgeprägle Naht (Fig. g. 1. d.) in ein abgetheilt. Letzteres ist vierseitig, hinten höher — 12mm. — als vorn — 8 bis Imm. — und von vorn nach hinten 10— 11mm. breit. (Fig. 1. e) Meckel bemerkte eine ähn- liche Anordnung der Papierplatte in mehreren Fällen. Ein- mal mit Mangel des Thränenbeines.*) Fig. 1. Ganzer Schädel, Ausführung der rechten Augenhöhle, . Die von dem Nasenfortsatze allein gebildete Thränensackgrube. . Die dreiseitige, dem Nasenfortsatze des Oberkiefers angehörende &. ST ‘, Der von dem Augenhöhlentheile des Stirnbeines kommende. und . Das zu: gleichem Zwecke bestimmte und von dem Oberkiefer . Das vordere Stück der durch eine anomal vorhandene senkrechte - Die Naht zwischen den oben angegebenen Knochenblättchen. . Die Naht zwischen den angegebenen Blättchen und der Siehbein- . Die Naht zwischen den beiden Stücken der Papierplatte des | | Die rechte Papierplatte des Siebbeines ist aber durch | hinteres grösseres und in ein vorderes kleineres Slück Erklärung der Abbildungen. und die innere Wand der Augenhöhle mitbildende Fläche, das fehlende Thränenbein theilweise ersetzende Knochenblättchen. kommende Knochenblättchen. Naht in zwei Stücke- getheilte Papierplatte: des Siebbeines. Die Naht zwischen dem Nasenfortsatze des Oberkiefers und den das Thränenbein zusammensetzenden Knochenblättchen (vordere senkrechte Naht). papierplatte. Siebbeines. *) Patholog. Anatomie I. B. pag. 345. 417 Fig. 2. Linke Augenhöhle. a,b, c, d wie bei Fig. 1. e. Das wahrscheinlich rudimentär vorhandene Thränenbeinchen. @. ß. y- wie bei Fig. 1. d. Eine undeutliche zickzackförmige Linie, wahrscheinlich als Spur einer früher dagewesenen Naht. 2. Abnorme Lagerung und Ausbruchsstelle beider Eckzähne an dem Schädel eines männlichen. im höheren Alter verstorbenen Individuums. Taf. XV. (Mit der Abbildung Fig. 1.) In den verschiedenen anatomischen Werken, so wie in solehen über Zahnheilkunde findet man so manche Beispiele von abnormer Lagerung und Ausbruchsstelle der Zähne an- ergeben. Die Zähne können die normale Ausbruchssstelle ver- tauschen. Sie können eine verkehrte Stellung annehmen und mit den Kronen in die Nasen- Augen- oder Highmor'shöhle ragen. Oder sie können im Nasen - Gaumenfortsatze der Oberkiefer, in dem Winkel oder Kinnstücke des Unterkiefers quer oder schief gelagert, vorkommen. "Fälle, in welchen einzelne Zähne fehlten, sind ebenso bekannt, wie jene, bei denen der fehlende Zahn erst im hö- heren Alter nach Resorption der Alveolarfortsätze entdeckt wurde u, s. w. ‘Einen Fall dieser Art zeigt ein Schädel, der in meinem Besitze ist. (Fig. 1.) Der Schädel ist ein sogenannter Schiefschädel, bei dem die rechte Hälfte mehr vorwärts, die linke Hälfte nach rück- wärts sich ausdehnt. Dieses Schiefsein ist besonders deutlich bei der Betrach- tung des Schädels von oben und hinten, so wie an der Grundfläche bei Besichtigung des harten Gaumens , be- merkbar, Müller's Archiv 104% 27 418 Der Schädel gehört übrigens einem männlichen Indivi- duum im Alter zwischen 60— 70 Jahren an, dem im schon mannbaren Alter noch die Eckzähne mangelten. Man sieht, wie gesagt, die rechte Hälfte des knöchernen Gaumens etwas nach vorwärts geschoben und denselben im Ganzen auch etwas nach links geneigt. Die Alveolarfortsätze sind bereits ziemlich resorbirt und zeigen ausser den anomal gelagerten Eckzähnen (Fig. 1. a, b.) nur noch die mehr oder weniger unvollkommenen Fächer oder Zellen für einige Zähne (Fig. 1... due; Faghh:.in) Der knöcherne Gaumen innerhalb der Alveolarfortsätze der Oberkiefer nach vorwärts bis zum Foramen ineisivum s. palatinum anterius und jener Stelle, wo in einer früheren Periode die Sutura incisiva sichtbar war, hat bloss in Hin- sicht der Längendurchmesser von vorn nach hinten, nicht aber in Hinsicht der Breitendurchmesser im Vergleiche mit jenem bei einem Schädel eines Individuums aus dem mannbaren Alter, abgenommen, Der Schneidezahntheil des Alveolarfortsatzes des rechten Oberkiefers ist gegen die Mundhöhle hin wegen des Durch- bruches der Krone und eines Theiles des Körpers des ano- mal gelagerten rechten Eckzahnes resorbirt worden und zeigt nur undeutlich noch die Stelle des Faches für den äusseren Schneidezahn. (Fig. 1. e.) Der Schneidezahntheil des Alveolarfortsatzes des lin- ken Oberkiefers zeigt neben der Sutura longitudinalis den hinteren Umfang des Faches für den inneren (Fig. 1. c.) und weiter nach aussen unvollkommen den äusseren Schneidezahn (Fig. 1. d.). Hinter und unter dem ersten, über dem zwei- ten Fache bemerkt man den grössten Theil der Krone und einen Theil des Körpers des linken Eckzahnes (Fig. 1. b.). In dem übrigen Theile der Alveolarfortsätze der Ober- kiefer sind bloss noch die unvollkommenen Fächer für den ersten Zwillingszahn (kleinen Backenzahn) und den zweiten Mahlzahn sichtbar. Das Fach für den rechten Zwillingszahn 419 lässt in der Tiefe einen Theil der Wurzel des Eckzahnes sehen und ist an der Gesichtsseite resorbirt (Fig. 1. g.). Hierauf folgt ein Knochenkamm, an dessen Stelle früher der zweite Zwillingszahn und der erste Mahlzahn sass, hinter diesem die in die Highmor’shöhle bereits offenen Filialzellen (Carabelli) für den zweiten Mahlzahn, wovon die vordere breitere für die verwachsenen äusseren, die hintere Filialzelle für die innere Wurzel bestimmt war. (Fig. 1, i.) Das Fach für den ersten linken Zwillingszahn ist nicht einfach, sondern. läuft in zwei hintereinander gelagerte Fi- lialzellen aus, in deren Tiefe der Eckzahn nicht wahrzuneh- men ist (Fig. 1. f.). Das Fach für den zweiten linken Mahl- zahn ist so beschaflen, wie das des rechten. Das Fach für den Weisheitszahn beider Seilen ist gänz lich verschwunden, Beide Eckzähne sind schief von aussen und oben nach ein- und abwärts im Schneidezahntheile so gelagert, dass ihre äussere Seite zur unteren wird. Der rechte ist mehr nach vorwärts und übergreift mit seiner Krone die Mittel- linie des harten Gaumens und daher auch einen Theil der Krone des linken Eckzahnes. Seine Spitze ist zugleich auch etwas resorbirt, wahrscheinlich in Folge des Anstossens an den linken ersten Schneidezahn. (Fig. 1. a, c.) Von dem rechten Eckzalıne liegt der grössere Theil von der äusseren und die ganze hintere Fläche der Krone nebst einem Theile des Körpers, von dem linken dieselben Theile, jedoch in einem geringeren Umfange zu Tage (Taf. 1. a, b.). Jeder dieser Eckzähne bildet in der entsprechenden Na- senhöhle einen Wulst. Das Foramen incisivum s. palatinum anterius wird vorn von den Kronen dieser Zähne umgeben (Fig. 1. k.), und führt in den weiteren rechten, nach aussen noch immer von dem entsprechenden Eckzahne begrenzten, und in den linken, engeren von dem Eckzahne bloss comprimirten Canalis in- Bu® 420 eisivus. Die Nasenhöhlenöffuung beider liegt noch’ in der Knochenmasse der unteren Nasenhöhlenwand. Das Zahnfleisch scheint bloss durch den rechten Eck- zalın etwas durchgebohrt gewesen zu sein. An diesem Schädel ist sehr gut zu beweisen, dass bei allmähliger Resorption der Alveolarfortsätze die zuletzt 'ste- henbleibenden Zähne sammt ihren Fächern eine Drehung er- leiden, so zwar, dass die Filialfächer, welche im mannbaren Alter nach innen gestellt sind, im höheren Alter hinten und die, welche aussen gestellt sind, nach vorn zu stehen kommen. Noch eine Beobachtung erlaube ich mir hier anzufüh- ren. An unserem Schädel befindet sich linkerseits, entspre- chend der Basis des Processus jugularis des Gelenktheiles des Hinterhauptbeines jener, manchmal anomal vorkommende Forisatz, welcher mit dem @uerfortsatze des ersten Hals- wirbels artieulitt. Der anomale Fortsatz ist 4—5 lang, ebenso breit an der Basis und enthält an dem vorderen un- teren Umfange des schmäleren stumpfen Endes eine überknor- pelte Gelenksfläche. Der Schädel selbst ist schief und mit seiner linken Hälfte nach hinten verschoben. Sollte das Vor- handensein dieses Fortsatzes an der Hälfte, welche nach hinten verschoben ist, hier und in andern Fällen bloss eine zufällige sein? Ich wenigstens habe diese Beobachtung noch an einigen anderen Schädeln gemacht und eine ähnliche Anordnung selbst in jenem, von mir beschriebenen merkwürdigen osteo- sclerotischen Kopfe gefunden. Der osteosclerotische Kopf war nämlich auch ein Schief- kopf zu nennen und hatte besonders die linke Hälfte nach einwärts entwickelt, während auf der rechten Seite, ent- sprechend der Basis des Processus jugularis eine rundliche Rauhigkeit zu sehen ist, die ich als eine früher überknor- pelte Gelenksfläche oder als das Rudiment eines ähnlichen früher da gewesenen Fortsatzes erkläre. *) *) Siehe meine Beiträge zur Anatomie, Physiologie ete, II. Abth., 421 Erklärung ‚der: Abbildung. Taf. XV. Fig. 1. a. Rechtseitiger Eckzahn. b. Linkseitiger Eckzahn. c, Zahnfach für den inneren, linken Schneidezahn. d. Rudiment des Zahnfaches für den äusseren linken Schneidezahn. e, Unvollkommenes Rudiment ‚des Faches für den äusseren rechten Schneidezahn. f. Die Filialzellen (Filialfächer) fürjden ersten Zwillingszahn (kleinen Backenzalın) der linken Seite. g. Das Fach für den ersten Zwillingszahn der rechten Seite. hh. Knochenkämme der Alveolarfortsätze, an deren Stelle früher die zweiten Zwillings- und ersten Mahlzähne stacken. il. Die Filialzellen für die zweiten Mahlzähne. k. Das foramen incisivum. 3. Ein sehr entwickelles Zungenbein. Bei der Section eines männlichen und gut gebauten In- dividuums im Alter von 30 bis 40 Jahren, welches an Cholera sporadica starb, fand ich ein sehr entwickeltes Zungenbein. Da ich eben eine Reihe Zungenbeine von verschiedenen Formen und aus verschiedenen Lebensperioden behufs einer vergleichenden Aufstellung sammeln liess, so übergab ich auch dieses zur Maceration. Erst späler erfuhr ich, dass der Verstorbene ein Hofsänger war, denn sonst würde ich nafürlich mit dem ganzen Kehlkopfe eine genauere Untersu- chung vorgenommen haben. Das Zungenbein beschreibt im Vergleiche zu jenen, In- dividuen desselben Alters angehörigen Zungenbeinen keinen grösseren Bogen. Die grossen Hörner sind zwar nicht län- ger als jene aus dem normalen Zustande, aber sie sind doch enthaltend die Eagshie eines merkwürdigen osteosclerotischen Kopfes des anatomisch-physiolog. Museums in Prag. Prag 1847. pa. 13. Taf, 111. 22. 422 an der Verbindung mit dem Körper (Basis) des Zungenbeines viel breiter (über 5). Die kleinen Hörner sind weder län- ger noch breiter. Das linke von diesen ist bereits ganz ver- knöchert, das rechte aber noch knorplich. Die Hörner des Zungenbeines sind bereits durch Knochenmasse mit dem Kör- per verschmolzen. Der Körper ist weniger senkrecht, mehr horizontal ge- stellt, seine obere, vordere Fläche ist weniger convex, seine untere, hintere auch weniger concav ala in den gewöhnli- chen Fällen. Sowohl seine obere Fläche, deren quere und senkrechte Leiste übrigens ganz undeutlich ist, als auch die untere ist uneben, durch Knochenhervorragungen, Vertiefun- gen und diese durchbohrende Löcher. Der untere und vordere Rand ist besonders ungleich und zeigt, gleich den Osteophyten, mehrere länglich - runde durch. Ausschnitte getrennte Vorsprünge. Nebst der bedeutenden Dicke ist bei dem Körper vor- zugsweise der Durchmesser von vorn nach hinten ausgezeich- net und variirt von 6” bis 9“ Durchmesser. Je nachdem hohe oder tiefe Töne angeschlagen werden, steigt auch der Kehlkopf hinauf oder herab, welches letztere zum grössten Theile durch Muskeln, die an das Zungenbein sich anheften, bewirkt wird. Ausgezeichnete Sänger und Sängerinnen sollen biswei- len einen hohen Grad von Ausbildung der Zunge, deren Muskel wieder theilweise vom Zungenbeine entstehen, er- reichen. Durch Muskelzug sollen überhaupt so manche Knochen- vorsprünge gebildet und bei Insertionen von Muskeln, welche durch Exercitium kräftiger geworden sind, besonders ent- wickelt werden. Sollte daher die Meinung, dass die Entwickelung dieses Zungenbeines mit der Ausübung der Gesangskunst jenes In- dividuums in einem gewissen Zusammenhange stehen dürfte, absurd sein? 423 4. Mangel der oberen Hörner (cornua superiora) des Schildknorpels (cartilago thyreoidea). 1) Bei der Section’eines männlichen Individuums fand ich bei der Untersuchung des übrigens im Ganzen normalen Kehl- kopfes, dass die oberen Hörer des Schildknorpels fehlten. Der obere Rand der Cartilago thyreoidea besass näm- lich bloss eine Incisura media, nach deren Bildung derselbe schwäch bogenförmig nach aussen und hinten, ohne eine seitliche Incisur zu gestalten, zum hinteren Rande einer je- den Schildknorpelplatte verlief. An dieser Stelle, also an der, wo sonst die oberen Hörner entstehen, ging er unter einem stumpfen Winkel in den hinteren Rand über. Die Entfernung der tiefsten Stelle der Incisura media bis zum Zungenbeine beträgt 6“, die von der grössten Con- vexität des oberen Randes jeder Platte der Cartilago thy- reoidea bis zu dem Zungenbeine beträgt 4 und die Entfer- nung von jenem Winkel, an dem das obere Horn sitzen sollte, bis zu dem Ende des grossen Hornes des Zungenbei- nes, also die Länge des Ligamentum hyo-thyreoideum la- terale, hält 1“. Jedes Ligament enthält 2‘ unterhalb dem Ende des gros- sen Zungenbeirhornes einen 3—4‘ langen und etwas schmä- leren Knorpel, der in jenem Ligamente auch bei dem Vorhandensein des oberen Hornes manchmal vorzukommen pflegt. 2) Einen ähnlichen Mangel des linken oberen Schildknor- pelhornes beobachtete ich auch bei einem anderen männli- chen Individuum, Ich fand daselbst ebenfalls 2 unter dem Ende des gros- sen Zungenbeinhornes im Ligamentum hyo-thyreoideum la- terale sinistrum einen 1“ — 14 breiten und 4’ langen Fibro-cartilago, der im Ligamentum dextrum fehlte. Merkwürdigerweise finde ich auf der entsprechenden 424 Seile eine kleine 3seitige und fächerförmig ausgebreitete ano- male und die Constrietores pharyngis verstärkende Muskel- portion. Diese entsteht schmal von dem ligamentum laterale zwischen dem grossen Zungenbeinhorne und der Fibro-car- tilago, so wie von der Spitze der letzteren selbst, verläuft dann hinter dem Constrictor medius und dem oberen Theile des M. constrietor pharyngis inferior allmählig breiter wer- dend und fächerförmig ausgedehnt fast quer nach einwärts gegen die Mittellinie, um sich da hinter dem Constrietor inferior der entsprechenden Seile mit seiner obern und mitt- leren. Portion — mit dem Constricetor inferior der anderen Seite zu verbinden; — mit seiner unleren Portion jedoch zwischen den Fascikeln des constrietor inferior eindringend, erst tiefer die Mittellinie zu erreichen. Es ist dies eine ähnliche überzählige Portion der Constrictoren . wie. die, welche von den Autoren als von dem Band des grossen Zungenbeinhorns und dem Schildknorpel entstehend, ange- führt wird; z. B. von Theile.*) Nur ein solches anomales Muskelbündel würde den Namen M.. syndesmopharyngeus verdienen. 5. Muskelanomalien. 1. Ein dreifacher Musculus stylohyoideus. Bei dem oben angeführten Falle mit Mangel des linken oberen Hornes der Cartilago thyreoidea fand ich linkerseits einen zweifachen M. stylopharyngeus und rechterseits einen dreifachen M. stylohyoideus. Das von den Autoren angeführte Zweifachsein dieses letzteren Mäskels habe ich bereits einige Male bestätiget gefunden und dabei das über- *) Pag. 78. Muskellehre. 425 zählige Bündel auch bald an das kleine bald an das grosse Horn inseriren gesehen. Dreifach sah ihn Hyrtl.t) Bei dem von mir beobachteten Falle mit einem dreifa- chen Musculus stylohyoideus zeigte sich nachstehendes Ver- halten: Das dem normalen Muskel entsprechende Bündel ist eben so stark,. wie der sonst normale M. stylohyoideus selbst, entspringt, verläuft und inserirt sich eben so wie der normale Muskel und ist auch zum Durchtritte der Sehne des M. digastrieus mit einer ähnlichen Spalte versehen. Das zweite, etwas schwächere Fascikel entsteht in einer Strecke von 3“ von der Mitte der inneren und hinte- ren Seite des hier sehr verlängerten Griffelfortsatzes, gegen- über dem Ursprunge des M. styloglossus und 7 über der Spitze des Fortsatzes; steigt schief nach vorn- ein- und ab- wärts, hinter dem M. hyoglossus und dem Ursprunge des M. constrietor pharyngis medius zum kleinen Zungenbein- horne und inserirt sich daselbst. Das dritte noch schwächere Fascikel entsteht unterhalb der Insertion des angegebenen zweiten Fascikels von der in- nern Seite des Griflelfortsatzes in einer Strecke von 3 — 4 über der Griffelfortsatzspitze, kreuzt von innen das 2. Fas- eikel und läuft hinter dem Ursprungstheile des M. constrietor pharyngis medius fast gerade zum grossen Zungenbeinhorne herab, um an dem inneren Umfange des stumpfen Endes des letzteren sich zu inseriren. 2. Ein zweiter oder tiefer Musculus deltoideus. Theile 2) beschreibt bei den Abweichungen die- ses Muskels zwei kleine anomale Muskeln, wovon der eine von der Schultergelenkskapsel und der Sehne des M. *) Lehrbuch der Anatomie pag. 290. u dessen Muskellehre zu Sam. Th. Sömmering's Werke pag. \ 426 subscapularis, der andere vom Processus coräcoideus ent- sprang und sich am Oberarme unter dem Tuberculum an- heftete. Ersteren glaubt auch Theile den tiefen Deltoideus nennen zu können. Beide Muskeln wurden nicht gleichzei- tig bei einem und demselben Individuum, sondern jeder bei ei« nem anderen und auch nur bei einem einzigen Falle beobachtet. Diese beiden von Theile also bereits angegebenen Muskeln habe ich in zwei Fällen bei zwei robusten Garde- soldaten, und zwar einmal auf der rechten, das andere Mal - auf der linken Extremität zu einem einzigen Muskel ver- schmolzen gefunden. In diesen Fällen kann in der That der Muskel als ein zweiter M. deltoideus angesehen werden. Die von der Schultergelenkskapsel kommenden Muskel- bündel sind kurz und schwach, die vom Processus coracoi- deus aber lang und stark. Der Muskel ist 24 Zoll breit, an dem inneren oder gegen die Achselhöhle zugekehrten Rande 4 Zoll lang und mehrere Linien dick und inserirt sich an der Linea tuberculi min. in schiefer Richtung und in der Länge 1 Zolles bis zum Rande des M. teres major herab. Vor seiner Insertion ist seine vordere Fläche in Gestalt ei- nes Dreiecks sehnig. Das eine Präparat habe ich im hiesi- gen anatomischen Institute aufbewahrt. 3, Ueber ein neues überzähliges Muskelbündel des Musc, biceps brachii, Unter den von Sömmering, Meckel, Otto, Theile, Hyrtl und A. beobachteten oder doch bis jetzt als bekannt zusammengestellten Fällen von überzähligen Köpfen und Er- satzbündeln des angeführten Muskels, vermisse ich ein über- zähliges Muskelfaseikel, welches sich auf zweierlei Weise verhalten kann; 1) Es entspringt nämlich theils von der Schultergelenks- kapsel an der Stelle, wo die Sehne des langen Kopfes des M. biceps heraustritt, ein schmälerer nach aussen von jener Sehne und hinter der Insertionsportion des M. pecto- ralis major heruntersteigender sehniger Streifen, theils ein 427 diekeres und kürzeres Sehnenbündel von dem untern Rande der Sehne des M. pectoralis major. Beide vereinigen sich gleich unterhalb der Insertion des zuletzt genannten Muskels zu einem etwa 4“ breiten Muskelbündel, das schief vor dem langen Kopfe des M. bieeps vorbeistreicht, um die Furche zwischen den beiden Köpfen des Muse. biceps zu erreichen und in derselben verlaufend unten in die gemeinschaftliche Sehne des M. biceps sich zu verlieren. Ich habe dieses überzählige Faseikel unter etwa 30 Ka- davern 2mal gefunden. 2) Oder es entsteht mit kurzen sehnigen Fasern von der hinteren Fläche und dem unteren Rande der Insertion des M. peetoralis major und des Deltoideus ein ähnliches Mus- kelbündel, das parallel mit dem langen Kopfe des M. biceps bis zu seiner Sehne herunterzieht. In dem einen Falle sah ich ausserdem von der Sehne des langen Kopfes eine lange, schmale und rundliche Sehne hinzutreten. Diese Abweichung bemerkte ich unter etwa 40 Fällen 1mal. Es sind allerdings Verdopplungen des langen Kopfes des M. biceps, doch verschieden von jenen in den anatomischen Schriften bereits beschriebenen. 4,5, Ueber zwei eigenthümliche losgetrennte und zum Radius ge- hende Bündel des Musculus brachialis internus. Von losgetrennten Bündeln des M. brachialis internus, welche in dem Sulcus bicipitalis internus herunterziehen und zur Vorderarmbinde auf der Eminentia cubiti gehen und hier endigen, kann man sich manchmal überzeugen. Ich sah in der letzteren Zeit ein solches, welches schief die Gefässe und den N. medianus kreuzte. Von losgetrennten und un der Speichenseite liegenden Muskelbündeln, die sich mit den Armspeichenmuskeln verbinden oder getrennt an die Ulna sich befestigen, wird in den anatomischen Schriften ebenso 425 gesprochen, wie von überzähligen |Köpfen des M. biceps, welche getrennt zum Radius sich begeben *). Von zwei, gleich zu beschreibenden, losgetrennten und in dem Sulcus bicipitalis brachii externus und im Sulcus cu- biti anterior externus verlaufenden und am Radius und an der Vorderarmaponeurose zugleich oder bloss am Radius, ähnlich ‘wie der Musc. biceps brachii selbst, sich endigenden Muskelbündeln finde ich in den Schriften über Muskelabwei- chungen nichts erwähnt, 1) Die eine Varietät. Ich hatte Gelegenheit, ein sehr robustes Individuum zu untersuchen, an dem ich folgende Anordnung traf: Linkerseits erhielt der M. biceps einen sehr starken über- zähligen dritten Kopf vom Oberarme. Rechterseits fand ich nebst einem ähnlichen dritten Ko- pfe vom Oberarme‘ noch einen vierten von dem Pecioralis major und Deltoideus und parallel mit dem Caput longum heruntersteigenden Kopf. Der M. biceps setzte sich normal au den Radius an und .gab von seiner Sehne das aponeurotische Fascikel zur Vorderaponeurose. Ausserdem lag aber im Sulcus bieipita- lis externus und im Sulcus cubiti anterior externus ein star- ker 4“ etwa breiter und ebenso dicker Muskel, welcher von der jäuseren Zacke des M. brachialis internus unterhalb der Insertion des Musc. deltoideus sich loslöste und im Ellen- bogenbuge angekommen, auf eine ähnliche Weise, wie der M. biceps sich endigte und inserirte. Die schmälere rund- liche Sehne inserirte sich unterhalb der Insertion des M. bi- ceps und des daselbst gelagerten Schleimbeutels an den Ra- dius, und das von dieser kleinen Sehne kommende aponeu- rotische Fascikel ging über die Ellenbogengrube herüber, um weiter abwärts und mehr gegen die Radialseite, als das apo- neurotische Faseikel des Musc. biceps brachii, den mittleren *) Siehe Theile p. 240 und 241 und Hyrtl p. 326 und 327, 429 Theil der Vorderarmaponeurose zu verstärken. Zwischen den beiden Sehnen dieses anomalen Muskelbündels verlief die Art. radialis. 2) Die andere Varietät. An der rechten Extremität ei- nes sehr robusten Gardesoldaten und unter 50 Kadavern imal sah ich von dem unteren Drittel des äusseren Win- kels des Oberarmknochens ein sehr breites und dickes Mus- kelbündel neben und über der Insertion des M. brachio-ra- dialis entstehen, in der Tiefe des Sulcus bieipitalis und S. eubiti anterior externus zwischen dem M. supinator long. und den Mm. radiales ext. longiores, ausserdem den M. brachia- lis internus innen hinter dem N. radialis und vor und über dem M. supinator brevis herunterziehen und unterhalb der Sehne des M. biceps und des daselbst befindlichen Schleim- beutels theilweise in den M. supinator brevis sich fortsetzen, grösstentheils aber mit einer stärkeren Sehne an den Radius sich inseriren. Nach dem Ursprunge, Verlaufe und der Insertion zu ur- theilen, hatte dieser Muskel die Wirkung des M. biceps un- terstützt, d. h. er war im ersten Moment ein Supinator, im zweiten Moment ein Flexor des Vorderarms gegen den Ober- arm. Man könnte in diesem Falle den anomalen Muskel viel- leicht auch als einen zweiten M. brachio-radialis (fälschlich supinator longus genannt) betrachten, doch nicht in dem Sinne, in welchem in den Schriften bereits von dem Dop- peltsein des M. supinator longus gesprochen wurde. Theile hat gezeigt, dass der Name M. brachio-radialis der bessere und der M. supinator longus unbezeichnend sei, da dieser Muskel unter Umständen bald ein Supinator, bald Pronator sein könne, jedenfalls aber Beuger des Vorderarms, im Falle der mittleren Stellung zwischen Supination und Pronation wäre. Insofern ist unser Muskel auch mehr ein Unterstützer des M. biceps brachii und weniger als ein zwei- ter Muse, supinator longus zu betrachten. 430 6. Noch eine neue Muskelanomalie in der hinteren Knieregion. (Mit der Abbildung Taf, XV, Fig. 2.) Im Verlaufe der Vornahme einer grösseren Reihe von Untersuchungen über die Knieregion, die ich neuerdings und vorzugsweise in pathologisch- anatomischer Beziehung an- stellte, fand ich im Monate August 1847 in der hinteren Knieregion der rechten Extremität an einem Kadaver eines Soldaten, welcher an Hydrocephalus chronicus gestorben und zugleich mit einer Contractur am rechten Knie behaftet war, nachstehende Anomalie, welche meines Wissens noch von Niemand angeführt worden ist. Es liegt nämlich in diesem Falle hinter der Kniekehle ein ziemlich breiter, starker, dreiseitiger und schief verlau- fender Muskel oder Muskelkopf, welcher von dem Ursprungs- theile des Musc. gastroenemius internus breit entsteht und schmäler geworden, an dem hinteren Rande und der hinte- ren und der äusseren Seite der Sehne des M. biceps femo- ris über deren Anheftung an das Wadenbein endiget. Der Muskel entspringt fleischig von dem M. gastrocne- mius internus längs dem äusseren Rande seiner Ursprungs- sehne und deren ferneren sehnigen Ausbreitung, auf der hin- teren Fläche des Muskels gleich von seinem Entstehen am Oberschenkelknochen über dem Condylus internus angefan- gen bis 12“ nach abwärts (Fig. 2. k, f.). Seine Muskelfasern und Muskelbündel verlaufen allmäh- lig convergirend und theilweise sich etwas schief überkreu- zend hinter der Kniekehle und allen Gefässen und Nerven derselben, dann hinter dem Musc. plantaris und dem M. ga- strocnemius externus und dem daselbst liegenden Nervus po- pliteus externus s. peroneus schief nach aussen und abwärts, um mit kurzen sehnigen Fasern in einer Strecke von 2” in der Sehne des Musc. biceps, nicht weit über des letzteren Insertion an das Wadenbeinköpfchen sich zu verlieren (Fig. Fe ul) 431 Dadurch wird ein schiefgestellter dreiseitiger Muskel gebildet, der die eine Fläche nach vorn, die andere nach hinten, den einen Rand nach oben (3‘ lang), den andern nach unten (13 lang), die Basis nach innen (12 breit) und die Spitze (%” breit) nach aussen kelırt; von vorn nach hin- ten jedoch 3 — 5 dick ist (Fig. 2. k.). Das Präparat habe ich im hiesigen anatomischen In- stitute aufbewahrt. Bei aller Entwickelung dieses anomalen Muskels und abgesehen davon, dass der Kopf des M. gastrocnemius inter- nus auffallend schmäler, als im normalen Zustande erscheint, sind doch im Ganzen die Muskeln des entsprechenden Unter- schenkels etwas atrophirt. Die Atrophie an der Wade trifft aber vorzugsweise die Mm. gastroenemü (Fig. 2, f, h), und unter diesen wieder den M. gastrocnemius externus auf eine auffallende Weise. Nur ein Muskel scheint von dieser Atro- phie gänzlich ausgeschlossen zu sein, nämlich der M. plan- taris (Fig. 2, g). Er ist in Rücksicht auf die andern atro- phirten Muskeln desselben Unterschenkels, besonders auf den M. gastroenemius externus gleichsam hypertrophirt und im Vergleiche mit dem M. plantaris der linken Extremität des- selben Individuums so wie dieser ausgebildet, daher normal. Betrachtet man die hintere Fläche des Ursprungstheiles und des Körpers irgend eines normalen M. gastrocnemius internus, so sieht dieselbe an der einen inneren Partie seh- nig aus, an der anderen äusseren, oder der gegen den M. gastrocnemius externus gelagerten, welche auch die Fossa poplitea begrenzt, fleischig. Die fleischige Portion geht im normalen Zustande mit einer ähnlichen des M. gastrocnemius externus bald eine Verbindung ein, um die untere Spitze der Fossa poplitea zu bilden und dadurch dieselbe nach unten abzuschliessen. In unserem Falle hat der M. gastrocnemius internus jene fleischige, die Kniekehle nach unten und innen begrenzende Portion nicht aufzuweisen, und ist dadurch — abgesehen 432 von der allgemeinen Atrophie der Unterschenkelmuskel — von einer Seite zur anderen um eben so viel schmäler ge- worden (Fig. 2, f). Das zwischen den Mm. gastrocnemiü gelegene und den unteren Theil der Fossa poplitea bildende Dreieck ist eben deshalb nicht nur länger (selbst von dem anomalen Muskel- bündel noch 3 weit nach unten reichend), sondern auch breiter (2 unterhalb des anomalen Muskelbündels) (Fig. 2, D). Sieht man ferner noch auf den Ursprung von dem M. gastrocnemius int., so ist der anomale Muskel als jene, der fleischigen Partie der hinteren Fläche entsprechende und die Kniekehle begrenzende Muskelportion anzusehen, welche sich gleichsam losgelöst und, wenn ich mich ja so ausdrücken darf, gleichsam verirrt hat, um statt der normalen Verschmel- zung und Insertion eine höher oben befindliche, nämlich die an der Sehne des Musc. biceps femoris vorzuziehen (Fig. 2, fl, k, 1). Diese Muskelvarietät kommt nur äusserst selten vor, ich wenigstens habe sie unter tausend Untersuchungen nur imal gefunden. ! Wenn ich meine in Journalen und eigenen Broschüren veröffentlichten verschiedenen physiologisch-chirurgisch- und theilweise pathologisch- anatomischen Untersuchungen über die Knieregion in Erinnerung bringe, so kann die bemerkte Anzahl von Untersuchungen durchaus nicht als übertrieben angegeben angesehen wrerden. Würde die Anomalie öfters vorkommen, und die Art. poplitea heut zu Tage überhaupt im unteren Theile der Knie- kehle in dem Raume zwischen den Mm. gastrocnem., z. B. nach Lisfranc, behufs der Heilung von Aneurysmen un- terbunden werden (man unterbindet, wie bekannt, in sol- chen Fällen lieber die Art. cruralis), so wäre die Kenntniss derselben, selbst in Beziehung auf die operative Chirurgie, nicht ganz unwichtig. 433 Erklärung der Abbildungen. Fig. 2. Hintere rechte Knieregion. A. Der Oberschenkelknochen. B. Der innere Oberschenkelknorren. C. Der Höcker des Wadenbeins. D. Die lange Lücke zwischen den Mm. gastrocn. a. Die Sehne des grossen Beiziehers (adduct. aniic b. Der M. semimembranosus. c. Der M. sartorius.' d. Die Sehne des M. gracilis. e. Die Sehne des M. semitendinosus. f£. Der M. gastrocnem. int. g- Der M. plantaris (Fusssohlenmuskel), besser: hinterer Kniege- lenkskapselspanner. h. Der M. gastrocnem. externus. i. Ein Theil des geöffneten Schleimbeutels zwischen M, gastr. int, und semimembr. k. Der anomale Muskel. L Musc. biceps femoris. Müller » Arcb'v, 1518, 28 Ueber 3 die Bewegungen der Mimosa pudica, Von Ernst BRUECKE. (Gelesen in der Sitzung der physikalischen Gesellschaft zu. Berlin am 13. October 1848,) (Hierzu Taf, XVI. Fig. 1— 8.) Schon seit längerer Zeit hatte ich gewünscht, die Bewe- gungen der Mimosa pudica zum Gegenstande einer physio- logischen Untersuchung zu machen, und es ist mir im vori- gen Sommer leicht geworden, diesen Plan auszuführen, da mich Herr Professor Meyer nicht nur mit hinreichendem Material an Pflanzen, sondern auch mit literarischen Nach- weisen auf das Freundlichste unterstützt hat. Die Untersuchungen von Lindsay !), Dutrochet 2) und Burnett und Mayo °) haben uns nicht nur mit man- chen interessanten Erscheinungen bekannt gemacht, sondern sie haben unsere physiologische Kenntniss- durch folgende drei Sätze auch wesentlich erweitert. 1) Die Gelenkwülste der Mimosen sind die Bewegungs- organe derselben (Lindsay, Dutrochet). 1) MS. in der Bibliothek der Royal Society in London, datirt vom Juli 1790 (vergl. die Abhandlung von Burnett und Mayo.) 2) Recherches anatomiques et physiologiques sur la structure in- time des animaux et des vegetaux. Paris 1824. 3) Quarterly Journal of Literature, Science and Art. New Series. No. II. p. 76. 435 2) Die Stiele und Blättchen werden nicht bewegt, indem die eine Hälfte des Wulstes sie nach sich zieht, son- dern dadurch, dass sie von der andern Hälfte hinüber gedrängt werden (Lindsay, Dutrochet). 3) Derjenige Theil, auf dessen Berührung die Bewegung vorzugsweise leicht erfolgt, ist die Seite des Stielwul- stes, nach der sich der vom Stiel getragene Theil hin- bewegt (Burnett und Mayo). Durch diese Untersuchungen aber, sowie durch alle übri- gen, welche mir über diesen Gegenstand zu Gesichte gekom- men sind, geht ein Irrihum hindurch, der auf die Theorieen, welche sich verschiedene Physiologen bildeten, von wesentli- chem Einfluss war; nämlich die Vorstellung, dass der Zu- sland, in dem die Pflanze oder ein Theil derselben durch die Reizung versetzt. wird, identisch sei mit dem des Schla- fes, während in der That beide Zustände nichts, als das äussere Ansehen, mit einander gemein haben. Es wird sich dieses im Laufe der Untersuchung leicht von selbst ergeben; ehe ich aber zu dem eigentlich physiologischen Theile der- selben übergehe, muss ich einige phytotomische Bemerkun- gen voranschicken. Was den Bau der Gelenke der Mimose im Allgemeinen betrifft, so kann ich auf das verweisen, was Meyen in sei- ner Pflanzenphysiologie, Bd. III. S. 532 ff. sagt. Ich gehe deshalb hier nur äuf die eigentliche Wulstsubstanz näher ein. Diese ist bekanntlich morphologisch zu betrachten als eine örtlich verstärkte Entwickelung der grünen Rinden- schicht, doch sind ihre Elementartheile so eigenthümlich, dass man diesem Gewebe wohl einen eigenen Platz in der Histiologie anweisen kann, zumal da sich dasselbe in ganz ähnlicher Gestalt in der grünen Rindenschicht an den Stie- len der Nebenblättchen von Desmodium gyrans und an den Blattslielgelenken dieser Planze findet. Die Anordnung der Zellen unter einander hat nichts Kigenthümliches: das Auf- fallende an ihnen ist eine grosse, stark lichtbrechende Kugel, 28% 436 welche man in jeder Zelle, die nicht durch den Schnitt ge- öffnet ist, liegen sieht. Diese Kugeln sind es, welche Du- trochet als die Zellen des Wulstes beschreibt, indem er die Zellen selbst gar nicht gesehen hat (l. c. Tab. I. f. 16 u. 17). Daher rührt seine Angabe, dass die einzelnen Zellen einander nicht berühren; die Behauptung, dass sie linear an- geordnet seien, ermangelt jeglichen Grunde, Meyen nennt diese Kugeln Oeltropfen, und es ist wenigstens gewiss, dass sie Tropfen einer mit Wasser nicht mischbaren Flüssigkeit sind. Eine Hülle lässt sich an ihnen nicht unterscheiden, und wenn das Präparat eintrocknet, so nehmen sie eine un- regelmässige Gestalt an, indem sie anfangen, die Zellenwand zu benetzen. Bringt man Kali, Ammoniak, Essigsäure, Wein- geist oder Aether hinzu, so zerfliessen sie wie ein Oeltropfen, der sich auf dem Wasser ausbreitet. Da sie sich hierdurch der ferneren Beobachtung entziehen, so kann man nicht sa- gen, ob sie in Aether löslich sind oder nicht. Durch Sal- petersäure werden sie, wie schon Dutrochet beobachtete, in eine braune Masse verwandelt. Die Zellen mit diesen Kugeln sind Fig. 2 und 3 dargestellt. Im obersten Ende des Wulstes, da, wo seine Substanz in gemeines Zellgewebe übergeht, werden die Kugeln beträchtlich kleiner, wie Fig. 4 zeigt. Welche Rolle sie bei der Entwickelung der Zellen spielen, habe ich noch nicht mit Bestimmtheit ermitteln kön- nen, und enthalte mich deshalb noch jeder näheren physio- logischen Bezeichnung dieser Körper. Etwas, was einem Kerne ähnlich sieht, findet man ausser den besagten Kugeln nicht in den Zellen, sondern mır Chlorophyli- und einige Amylumkügelchen. Dies sind die von Dutrochet beschrie- benen Nervenkörper. Der Saft auch der ächten Mimosen enthält bekanntlich viel Gummi, und dieses scheint nament- lich auch in den Zellen des Wulstes in beträchtlicher Menge enthalten zu sein, denn sie saugen das Wasser mit einer so grossen Gewalt an, dass ein weicher und biegsamer Wulst, den man ins Wasser legt, in kurzer Zeit ganz steif und hart 437 wird, und, wenn man ihn mit einem recht scharfen Messer durchschneidet, die Schnittfläche wie polirt erscheint. Es muss sich uns nun noch die Frage aufdrängen, ob die reiz- bare Hälfte des Wulstes, also bei den Wülsten der Blatt- stiele erster Ordnung, die sich wegen ihrer Grösse besonders zur Untersuchung eignen, die untere, sich von der andern morphologisch unterscheidet. Obgleich keiner der früheren Beobachter, so viel mir bekannt ist, eines solchen Unter- schiedes im Baue erwähnt, so existirt doch ein sehr auffal- lender. Die Wände der Zellen der oberen Wulsthälfte sind nämlich beträchtlich dicker, ja mehrmal so dick, als die Zellenwände der unteren Hälfte. In Fig. 2 sind Zellen aus der oberen, in Fig. 3 Zellen aus der unteren Wulst- hälfte abgebildet. Ob aber dieser Unterschied der wesent- liche für das verschiedene physiologische Verhalten beider Wulsthälften sei, das scheint mir noch zweifelhaft. Ich habe zwar bemerkt, dass ganz junge Blätter, die schon die Tag- und Nachtstellung mitmachten, sich auf Reize bisweilen noch nicht bewegten; an dem Tage aber, an welchem sich zum: ersten Male die Fiederblättchen öffnen, reagirt der Gelenk- wulst schon sehr deutlich auf Reize und verhält sich we- sentlich wie an den älteren Blättern, obgleich um diese Zeit der erwälınte morphologische Unterschied noch kaum merk- lich ist. Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich zu den Reac- tionsbewegungen der Blatistiele erster Ordnung über. Wenn man die untere Seite eines Blattstielwulstes der Mimose berührt, so senkt sich der Blattstiel, so dass sich seine Neigung gegen den Horizont oft um 50° bis 60° än- dert, Dies findet statt beim Schlafen und beim Wachen der Pflanze, und wenn der Versuch vorsichtig angestellt wird, ohne irgend welche Veränderung in der Stellung der Blättchen. Lindsay und nach ihm Dutrochet haben gezeigt, dass, wenn man die untere Hälfte des Blatistielwulstes bis auf den Holzkörper wegnimmt, der Blattstiel herabsinkt und eine 438 geneigte Stellung beibehält; wenn man aber die obere Hälfte entfernt, der Blattstiel zwar auch herabsinkt, sich aber nach einiger Zeit wieder erhebt und eine höhere Stellung be- hauptet, als er vor der Operation inne hatte. Dutrochet hat ferner gezeigt, dass diese Eigenschaft der einzelnen Wulsthälften. sich so zu beugen, dass sie nach der Thei- lungsfläche hin concav werden, sich nicht nur an der leben- den Pflanze zeigt, sondern dass auch der abgeschnittene Wulst, wenn man ihn der Länge nach hälftet, sich ebenso verhält, und dass sich dieses Beugungsvermögen, wie ich es vorläufig nenneu will, in hohem Grade steigert, wenn man den Wulst kurze Zeit in Wasser legt. Jolı. Müller hat in seinem Handbuche der Physiologie (Coblenz 1840.) Bd. II. S. 22 in’s Licht gesetzt, dass zuvör- derst die Frage zu entscheiden ist, ob diese Krümmung be- dingt sei durch eine Verkürzung der der Achse zunächst be- findlichen Theile, vder durch Ausdehnung der äusseren nach der Epidermis zu liegenden. Diese Frage zu entscheiden, habe ich folgenden Weg eingeschlagen. Ich schnitt ein Blatt mit Stiel und Gelenkwulst ab, und legte es so lange in’s Wasser, bis der letztere sich wieder gerade gerichtet hatte; dann trug ich mit dem Staarmesser von beiden Seiten die Substanz des Wulstes bis auf den Holzkörper ab, und machte nun zwei Schnitte senkrecht auf die Achse, einen im obe- ren und einen im unteren Ende des Wulstes. Hiernach hätte ich eine rechteckige Tafel bekommen sollen; das war aber nicht der Fall, sondern das Recliteck verwandelte sich we- gen der zwischen Rand und Mitte herrschenden Spannung sogleich in die Form Fig. 5 und ich musste noch zwei neue Schnitte in a und b (Fig. 5) machen, um ein nähe- rungsweise rechteckiges Stück zu erhalten. Die Länge des- selben (Fig. 6. ab) maass ich bei zwanzigmaliger Vergrösse- rung mit dem Schraubenmikrometer; sie betrug 0,079 P. Z. Nun iheilte ich durch einen Schnitt in ab die Tafel in zwei Hälften, von denen die obere die Form Fig. 7, die 439 untere die Form Fig 8. annahm. Durch Messen der Sehuen und der Sinus versus bestimmte ich die Bogenlängen zu fol- genden Werthen: ed = 0,096 P. Z. Fig. 7. a (sh = 0,08 — a E Aus diesen Zahlen geht hervor, dass die Krümmung entsteht durch Ausdehnung der äusseren Theile des Wulstes, welche, so lange derselbe unverletzt ist, in einem Zustande von Spannung erhalten werden, weil die Achsentheile für sie so zu sagen zu kurz sind. Für die Achsentheile zeigt sich eine geringe, gegen die Verlängerung der äusseren Theile gar nicht in Betracht kommende Verkürzung; diese wird aber jetzt niemand einer vitalen Contraction züschreiben, da sie durch die Elastieität der Theile und dadurch, dass der Holzkörper einen Strang von beträchtlicher Dicke dar- stellt, hinreichend motivirt ist. Die Ausdehnung der äusseren Theile schien mir 'be- trächtlich genug, um durch blosse Zirkelmessungen än der lebenden Pflanze wahrgenommen zu werden, und so war es in der That. Wenn ich auf der oberen Wulsthälfte mit Tusche zwei Punkte machte, einen nach dem Stammende, einen nach dem Stielende zu, so konnte ich deutlich wahr- nehmen, dass sie sich bei der Bewegung, welche auf Rei- zung erfolgte, von einander entfernten. Eine ähnliche, wiewohl schwächere Spannung, wie zwischen Wulstparenchym und Holzkörper, findet unter Um- ständen zwischen Wulstparenchym und Epidermis statt. Legt man einen abgeschnittenen Wulst in Wasser bis er sich gerade gerichtet hat, und trägt unten oder seitlich eine Schicht Parenchym ab, aber so, dass der Holzkörper nirgend bloss- gelegt wird, so krümmt sich das abgeschnittene Stück nach der Oberhautseite zu. Aus demselben Grunde richtet sich 440 ein, oberflächlicher Abschnitt der oberen Wulsthälfte, wenn er vorher stark gekrümmt war, im Wasser wieder gerade. Nachdem ich in dem Vorstehenden gezeigt habe, dass die Beugung jeder Wulsthälfte durch Ausdehnung ihres Wulstparenchyms in der Richtung der Längsachse zu Stande kommt, gehe ich zur Entscheidung einer zweiten Frage über, welche ich mir folgendermassen gestellt habe: Wird das Her- absinken des Blattstiels, welches auf den Reiz erfolgt, wie es. die bisherige Ansicht der Pflanzenphysiologen war, da- durch hervorgebracht, dass die Turgescenz der oberen Wulst- hälfte plötzlich wächst und so das Gleichgewicht gestört wird, oder umgekehrt dadurch, dass die untere Wulsthälfte erschlafft? — Ist ersteres der Fall, so ist es klar, dass das Gelenk strafler werden muss, ist letzteres der Fall, so muss es erschlaffen. Welches von beiden stattfindet habe ich durch folgendes Verfahren ermittelt. Ich brachte eine Mi- mosenpflanze, nachdem ich die Topferde mit Fliesspapier bedeckt und dieses mit Draht befestigt hatte, in eine solche Lage, dass ein Blattstiel derselben horizontal stand, und maass den Winkel, den er mit dem Stamme machte, dann kehrie ich die Pflanze vorsichtig um, so dass der Topf oben war, brachte sie in eine solche Lage, dass derselbe Blatt- stiel wieder horizontal stand, und maass nun den Winkel, den er mit dem Stamme machte. Nenne ich die beiden Win- kel «x und &,, so giebt mir, wie leicht ersichtlich, die Grösse @&, — «& ein Maass für die Straffheit oder vielmehr für die Schlaffheit des Gelenks. Hierauf richtete ich die Pflanze wieder auf, maass & noch einmal, um mich zu über- zeugen, dass in dem Gelenke beim Umkehren keine Verän- derung vorgegangen war, reizte dann den Wulst, und wie- derholte nach dem Herabsinken des Blattes dasselbe Expe- riment, indem ich die nun zu bestimmenden Winkel mit 8 und ß, bezeichnete. War dann 8, — ß grösser als &, — a, 8o war natürlich das Gelenk erschlafft und dies war in der That,in so hohem Grade der Fall, dass bei allen diesen 441 Versuchen 8, — ß gegen zwei- bis dreimal so gross als «, — « ausfiel. Es lässt sich denken, dass die durch blosses Visiren mit dem Transporteur gemachten Winkelmessungen keinen Anspruch auf astronomische Genauigkeit haben, ja die Beobachtungsfehler können bis zu zwei bis drei ganzen Graden gehen; um aber zu zeigen, dass selbst noch viel grössere Fehler ohne Einfluss auf das wesentliche Resultat sein würden, will ich hier beispielsweise die Zahlen auffüh- ren, die ich zu verschiedenen Tageszeiten von vier Blättern einer und derselben Pilanze erhielt. Blatt I. Morgens 10: Uhr. Abends 74 Uhr. ea, =150 8, = 120 al he 0 —4136 . 8.—.80 ee =10 8 = 8 a—a=14 8,—B=40 a—ae=13 9, —p=40 Blatt 11. Mittags 1 Uhr. Abends 74 Uhr. e,=15 89,=-147 e=113 8, = 104 « = 130 8 = 10 « = 9% B = 5 er Blatt II. Nachmittags 3 Uhr. Abends 7+ Uhr. 7 ren 149 ßı 9% «, =, ß, —063 ge = Ma A « = 103 B = 34 u—a=241 B,—P=42 a—e=1R2 9,—B=?RJI Blatt IV. ,=18 9,=11 = 93 9-3 “ =P21 RB = 67 a= BB = 18 w—a=?7 9,—B=48 a—a=15 8, —B—34 Man kann noch den Einwand erheben, dass diese Ver- suche zwar beweisen, das Gelenk erschlaffe nach der Be- 442 wegung, die Bewegung selbst aber könne dennoch durch eine momentan sich entwickelnde Kraft zu Stande gebracht werden. Diesem Einwurfe ist aber leicht durch ein Expe- riment zu begegnen. Man kehre eine Mimosenpflanze um, bringe sie in eine solche Lage, dass ein Blattstiel horizon- tal steht, und reize nun den Wulst desselben. Entwickelte sich eine Kraft, welche nach der Bewegung wieder nach- lässt, wie z. B. bei der Muskeleontraction, so müsste der Blattstiel in die Höhe geschnellt werden, und dann wieder etwas herabsinken; das ist aber nicht der Fall, sondern er steigt langsam bis zu einer gewissen Höhe und bleibt dann stehen. Man drehe nun die Pflauze, bis der Blattstiel wie- der horizontal steht und messe den Winkel (3,), den er mit dem Stamme macht, richte die Pflanze vorsichtig auf, bringe sie dann in die vorige Lage zurück, messe den Win- kel von neuem, und und man wird ihn eben so gross fin- den, wie vorhin. Man sieht also, dass sich die Bewegung einfach daraus erklärt, dass durch die Erschlaffung der un- teren Wulsthälfte ein Theil der Kraft, die durch die Span- nung zwischen dem Holzkörper und der oberen Wulsthälfte gegeben ist, frei, und somit der Blattstiel in Bewegung ge- setzt wird. Wenn wir uns nun fragen, welche Vorstellungen wir uns über die inneren Ursachen dieser Erschlaffuug machen, so kann es uns offenbar nicht genügen, die untere Wulst- hälfte vor der Reizung mit einem contrahirten Muskel, nach der Reizung mit einem erschlafften zu vergleichen; denn er- stens würde dadurch unsere Einsicht in die Sache nicht we- sentlich gefördert werden, und zweitens fehlt uns für einen solchen Vergleich sowohl in morphologischer als in physio- logischer Hinsicht jeder reelle Anhaltspunkt. Wir haben hier die Veränderung, welche in dem Wulste vor sich geht, als ein rein mechanisches Problem aufzufassen. Wenn ich eine Blase oder sonst irgend einen Schlauch mit biegsamen Wänden mit einer Flüssigkeit strotzend an- 443 fülle, so wird er eine gewisse Gestalt aunelimen, und einer äusseren Gewalt, welche ihm eine andere zu geben sucht, einen gewissen Widerstand entgegensetzen, und desshalb eben nennen wir ihn gespannt. Lassen wir etwas Flüssig- keit heraus, so wird der besagte Widerstand abnehmen, und wir sagen der Schlauch sei schlafler geworden. Die ein+ fachste Vorstellung scheint demnach zu sein, dass wir an- nehmen, die untere Wulsthälfte erschlaffe, indem eine ge- wisse Quantität Flüssigkeit aus ihr heraustrilt, und sich ei- nen andern Platz sucht. Es ist hierbei aber wohl zu be- denken, dass die untere Wulsthälfte nicht einem Schlauche zu vergleichen ist, sondern einer grossen Menge von ge- schlossenen Schläuchen, welche, wenn sie von aussenher nirgend gedrückt werden, näherungsweise kugelförmig sind, und einer an den anderen angeheftet mit den analogen Schläuchen der oberen Wulsthälfte in einer gemeinsameu Hülle liegen. Die Spannung des Ganzen beruht also darauf, dass jede einzelne Zelle strotzend mit Saft angefüllt sei. Ist nun auch zwischen den Zellen tropfbare Flüssigkeit enthal- ten, so muss man sich denken, dass diese zunächst ihren Ort verlässt, und durch andere aus den Zellen kommende theilweise wieder ersetzt wird; befindet sich aber Luft in den Intercellularröäumen, so muss diese ihren Ort verlassen und durch Saft ersetzt werden. Ausser der allgemeinen Be- obachtung, dass Intercellularräume von einiger Weite in der Regel Luft enthalten, lässt sich in diesem Falle dafür noch ein besonderer Grund aufführen. Lindsay hat nämlich schon beobachtet, dass sich die untere Wulsthälfte, sobald sie sich krümmt, dunkler färbt. Ich habe mich überzeugt, dass diese Farbe nicht nur der Oberfläche, sondern auch der Substanz des Wulstes angehört. Dicht um den Holz- körper herum aber findet man eine Schicht, welche ganz hell ist, wie man sich durch das Mikroskop leicht überzeugen kann, von Luft, welche in den hier sehr grossen Intercellu- larräumen enthalten ist. Es liegt also wohl sehr nahe zu 444 vermuthen, dass diese Luft vor der Reizung in den Inter- cellularräumen bis gegen die Epidermis hin vertheilt war, und die Farbe sich eben dadurch verdunkelte, dass die Luft durch einen stärker lichtbrechenden Körper, durch Pflanzen- saft verdrängt wurde. Vielleicht kann man von hier aus auch einen Anhaltspunkt gewinnen, um sich die ersten Vorstel- lungen zu bilden über den Zusammenhang zwischen Reizung und Bewegung. Es ist nämlich eine bekannte Thatsache, auf die ich früher bei meinen Diffusionsversuchen häufig aufmerksam geworden bin, dass bei einem gegebenen Druck Wasser durch eine poröse Scheidevwvand viel leichter hindurch- gepresst wird, wenn auf beiden Seiten derselben Wasser ist, als wenn sich auf der einen Luft befindet. Wenn nun die einzelnen Zellen strotzend mit Saft angefüllt sind, und eine Erschülterung oder ein leiser Druck veranlasst, dass aus irgend einer Zelle etwas Saft austritt und Luft aus dem Intercellularraume vertreibt, so kann derselbe, indem er die angrenzenden Zellenwände benetzt, Veranlassung geben, dass durch den Druck, unter dem der Saft in jeder einzelnen Zelle steht, ein neuer Saftaustritt statifindet; und da die Intercel- lularräume überall communieiren, so kann sich dieser Pro- cess rasch fortpflanzen, so dass sich nunmehr in dem gan- zen Wulste ein neuer Gleichgewichtszustand bildet, indem die Luft nicht mehr gleichmässig in den Intercellularräumen vertheilt ist, sondern nach bekannten Gesetzen überall die grössten Räume einzunehmen sucht, indem sie aus den klei- neren von der Flüssigkeit verdrängt wird. In ähnlicher Weise kann man sich denken, dass der Gleichgewichtszu- stand gestört wird, indem ich der Pflanze an einer Stelle durch Verwundung mit dem Messer oder durch Brennen Saft entziehe, der von benachbarten Theilen aus wieder er- setzt wird, namentlich wenn ich die Gefässe des Holzkör- pers verletzt habe. Man würde auch bei der einfachen Rei- zung durch Berührung der Schwierigkeit überhoben sein, zu sagen, wo die austretende Substanz, sei sie tropfbar > 445 oder gasförmig, bleibt, denn bei der vorgelragenen Ansicht kann das gesammte Parenchym eines \Wulstes, als ein Gan- zes betrachtet, nach der Reizung noch ebensoviel tropfbare und gasförmige Substanz enthalten, als vor derselben, und das Gelenk doch bei dem neuen Gleichgewichtszustande, wie jeder leicht einsieht, schlaffer sein, als bei dem frühe- ren. Ich will jedoch diesen Gegenstand nicht weiter ver- folgen, um mich nicht in Spekulationen zu verlieren, die ich nieht mehr durch Versuche unterstützen kann. Ich habe nur darauf aufmerksam machen wollen, dass wir hier zwar für jetzt, aber vielleicht nicht für immer an der Grenze wirklicher Erklärungsversuche stehen. Es mag nicht überflüssig sein, ehe wir zu andern Ver- suchen übergehen, noch darauf aufmerksam zu machen, dass die Differenzen der Winkel, welche ein Blattstiel zu ver- schiedenen Zeiten mit dem Stamme oder irgend einer an- dern festen graden Linie macht, die in der Ebene liegt, in der er seine Bewegungen vollführt, wirklich ein directes Maass für die Veränderungen in der Gleichgewichtslage sei- nes Wulstes sind, wenn man aus den Versuchen die Wir- kung der Schwere des Blattes eliminirt. Der Gelenkwulst stellt iu gestreckter Lage einen fast cylindrischen Körper dar, der auf den Stamm so aufgesetzt ist, dass seine Achse mit der des Stammes einen stumpfen Winkel bildet, wäh- rend der Blattstiel seinerseits auch etwas schief gegen die Achse des Wulstes steht, indem er etwas stärker als diese gegen den Horizont geneigt ist. Das alleräusserste Ende des Wulstes gegen den Blattstiel hin unterscheidet sich durch seinen Bau von dem übrigen, indem es aus gemeinem Zell- gewebe besteht, es gehört nicht zu dem eigentlichen Bewe- gungsorgan, gegen welches es ziemlich scharf abgegrenzt ist, und sich schon äusserlich durch seine hellere Farbe unter- scheidet, Wenn sich der Gelenkwulst krümmt, so bildet er ein Stück eines kreisrunden Ringes. Fig. 1 ist ein Stück des Stammes einer Mimose im Durchschnitt dargestellt, mit 446 dem Gelenk wulste, einem Stück des Blatistiels und der Achsel- knospe. Legt man in’der Ebene, in der die Bewegung stalt- findet, durch das untere und obere Ende des Wulsies grade Linien senkrecht auf die Achse desselben, so sollen diese den Winkel g mit einander bilden, z und A sind die beiden Winkel, ‚welche der Blattstiel und der Stamm mit den zu den Schenkeln des Winkels p als Radien gehörigen Tangen- ten bilden, % endlich ist der Winkel, den der Blattstiel mit dem Stamme bildet, Denke ich mir nun den Wulst der Länge nach in Elemente zerlegt, so dass diese bei gestreck- ter Lage gleich lang sind und nenne zwei solcher Elemente ai d d die Entfernung der Elemente von einander bezeichne, pro- jieirt auf die Rıchtungsebene, in der der Blaltstiel seine Be- wegung vollführt. Ich werde also die jetzige Lage des Wul- . 8 1 p P s und s,, so habe ich offenbar = g, wenn ich mit stes durch g, eine andere durch gy, und den Unterschied zwischen beiden durch 9 — g, bezeichnen können. Statt der Differenz p — g, kann ich aber auch die »— x, setzen, ap+z+7r+% = ?2R und vr und A wenig- stens näherungsweise constant sind. Wenn man also an einem Blattstiele beobachtet, der sich in horizontaler Ebene bewegt, so erhält man aus den Differenzen der abgelesenen Winkel ein unmittelbares Maass für die Verlinderungen der Gleichgewichtslage des Gelenkwulstes, während in den oben angeführten Versuchen die Straffheit des Gelenks nach der Grösse des Winkels bestimmt wurde, um den die Schwere des Blattes den Blattstiel nach beiden Seiten hin aus der Gleichgewichtslage entfernen konnte, wenn sie bei horizon- taler Stellung des Blattstiels, also mit dem Maximum ihrer Kraft wirkte, Ich muss endlich noch einmal auf Dutrochet’s Ver- suche zurückkommen, deren Resultate zwyar von einigen sehr achtbaren Schriftstellern in ihrer ganzen Ausdehnung bestä- tigt sind, dagegen aber von anderen mit Entschiedenheit in Abrede gestellt werden. Der Grund dieser Meinungsverschie- 44% denheit liegt eben darin, dass man die Bewegungen des Schla- fens und Wachens nicht streng von den Reactionsbewegun- gen gesondert und die physiologischen Verschiedenheiten der oberen und der unteren WVulsthälfte nicht ‚beachtet hat. Meyen sagt in seinem neuen System der Pflanzen- physiologie Bd, II. S. 487: „Es ist in der That auffallend, dass sich die Botaniker durch jene Dutrochet'schen Beob- achtungen so lange Zeit hindurch haben täuschen lassen, denn es ist gar nicht schwer nachzuweisen, dass sie, unrich- tig sind, und dass alsdann auch alle die sinnreichen Hypo- ihesen zusammenfallen, welche man zur Erklärung dieser Erscheinung aufgestellt hat. Ich habe, an kräftigen. Exem- plaren der Sinnpflanze mitten im Sommer jene Versuche oft wiederhelt, und zwar mit aller Sorgfalt, aber stets erhielt ich andere Resultate. Ich schnitt das Zellengewebe der un- teren Seite des Gelenkes bis auf das Holzbündel in dessen Mitte, vollkommen eben ab, und schon am. zweiten: Tage, so wie noch mehrere Wochen lang nachher, bewegten sich diese Blattstiele nach wie vor; am Morgen erhoben sie sich, und anı Abend senkten sie sich. Ich schnitt an anderen Blättern die obere Zellenmasse des Gelenkes ab, und so- gleich senkte sich der Blattstiel, erhob sieh, aber später und in den folgenden Wochen bewegten sich auch diese Blätter nach wie vor,‘ Es ist allerdings richtig, dass die Blattstiele auch nach der Operation bei Nacht eine andere ‚Stellung annehmen, als bei Tage; dies ist aber ein Punkt, den wir weiter unten erörtern werden. Hier handelt es sich nur darum, ob sich die operirten Blattstiele noch auf angebrachte Reize be- wegen, und dies findet, wenn man die untere Wulsthälfte, also die reizbare, fortgenommen hat, nicht statt; Dutrochet stellt es auch in Abrede für den Fall, dass man die obere Wulsthälfte weggenommen hat (l. e. p. 57), aber mit Un- recht. Es treten in. der That Bewegungen ein, nur von viel'ge- ringerer Energie, als. bei nicht operirten Blättern. Ich be+ 448 merkte dieselben zuerst an einem Blattstiele, der sich wie gewöhnlich in verticaler Ebene bewegte. Ich glaubte, dass es hier vielleicht nur die Schwere des Blattes sei, welche den Blattstiel bei Erschlaffung des Wulstes auf den ange- brachten Reiz herabdrücke. Ich brachte deshalb einen Ast mit einem in derselben Weise operirten Blatte in eine solche Lage, dass die Bewegungen in horizontaler Richtung vor sich gehen mussten, und fand, dass sie sich auch jetzt, wenn gleich in schwächerem Grade zeigten. Bei öfterer Wieder- holung des Versuchs fiel mir aber eine Verschiedenheit von den gewöhnlichen Bewegungen auf. Während nämlich bei gesunden Gelenken die Veränderung des Winkels x Fig. 1, welche auf den Reiz erfolgt, bis zu einer gewissen späler zu erörternden Grenze unabhängig von der Tageszeit ist, in der der Versuch angestellt wird, zeigte sich bei dem operir- ten Gelenke, dass die Bewegungen um so unmerklicher wur- den, je weiter der Blattstiel in die Nachtstellung eintrat. Dies Factum brachte mich darauf, dass diese Bewegung ihren Grund haben müsse in einer durch die Tagstellung be- dingten Spannung. Der in der gedachten Weise operirte Blattstiel stand nämlich in der Nachtstellung so, dass die Achse des Wulstes ungefähr eine grade Linie bildete, eine Lage, welche nicht operirte Blätter nur in der höchsten Tagstellung erreichen, während er in der Tagstellung sich so richtete, dass der Wulst einen gegen die Wundfläche hin concaven Bogen bildete. Es ist klar, dass hierdurch die Epidermis in einen hohen Grad von Spannung versetzt werden musste (Vergl. oben S. 439), also beim Erschlaffen des Wulstes den Blattstiel gegen seine Nachtstellung hin zu- rückzog. Für diejenigen, welche geneigt sind, diese Versuche zu wiederholen, will ich noch die Art und Weise näher be- schreiben, in welcher ich sie anzustellen pflegte. Die Ope- ration stellte ich an, nachdem die Sonne die Pflanze ver- lassen hatte und suchte einen Stiel aus, der einen gut be 449 weglichen, kräftigen Wulst hatte, und ein nicht zu schwre- res Blatt trug. Ich schnitt dann mit dem Staarmesser von der zu entfernenden Wulsthälfte eine solche Lage ab, dass der Holzkörper in seiner ganzen Länge sichtbar ward, "und nahm an beiden Seiten mit zwei schrägen Schnitten das noch übrige fort. Lässt man nach der Operation die Pflanze von der Sonne bescheinen, oder wird sie nicht sorgfältig begos- sen, so erlischt die Motilität der zurückbleibenden Wulst- hälfte, auch wenn das Blatt fortfährt zu vegetiren. Die Reizung vollführe ich in allen Fällen, in denen die untere Wulsthälfte noch vorhanden ist, indem ich dieselbe mit ei- ner Bleistiftspitze oder einem Stäbchen vorsichtig berühre. Dieses Mittel ist vollkommen sicher, ohne allen Nachtheil für das Objeet und stört die Beobachtung nicht, wie es das Schütteln der Pflanze oder das Schlagen auf das Blatt thut. Wenn die untere Wulsthälfte nicht mehr vorhanden ist, so bekommt man durch die bekannten Reizmittel, wie erwähnt, durchaus keine Spur von Veränderung in der Stellung des Blattstiels, vorausgesetzt, dass man den zurückgebliebenen Theil des Wulstes nicht verbrennt oder auf andere Weise zerstört. Die Bewegung der Blattstiele zweiter Ordnung, welche auf angebrachte Reize erfolgt, besteht bekanntlich in einer Adduction derselben. gegen die verlängerte Achse des Blatt- stiels erster Ordnung und auch hier. ist die reızbare Seite des Gelenkwulstes die, nach welcher hier die Bewegung er- folgt. Die Bewegungen sind aber schwächer und brauchen meist heftigere Reize um ausgelöst zu werden, als die der Blattstiele erster Ordnung. f Die Fiederblättehen bewegen sich wie bekannt in der Weise, dass sie sich nach aufwärts wenden, bis sie einan- der mit ihren Volarflächen berühren. Wenn man aber diese Bewegung genauer beobachtet, so kann man nicht umhin zu bemerken, dass sie keine einfache Wendung ist. Die Drehung erfolgt nämlich nieht um den Blattstiel zweiter Müllers Archiv, 1648, 29 450 Ordnung als Achse. sondern die Drehungsachse stellt für jedes Blattpaar eine Linie dar, die gegen den Blattstiel zwei- ter Ordnung in der Weise schief gestellt ist, dass sie mit ihm’ einen spitzen an der oberen Seite gegen den Blatistiel erster Ordnung 'hin offenen Winkel bildet, dem wir 2» nen- nen wollen. Da nun bei der vollen Tagstellung eine durch sämmtliche Blattlächen gelegte Ebene dem Blattstiele zwei- ter Ordnung parallel ist, so ist es klar, dass die Ebene, der Drehung auch nicht‘ senkrecht auf der der Blattflächen ste- hen kann, und dass sich die Blättchen, wenn sie sich mit ihren Volarflächen an einander legen wollen, während der Wendung nach aufwärts zugleich um den Winkel , um ihre eigene Mittelrippe als Achse drehen müssen, Denkt man sich also hier wie bei dem Blatistiel erster Ordnung den Wulst in zwei Hälften getheilt, so ist die obere, wie dieses durch Burnett und Mayo bekannt ist, die reizbare, und die zwischen beiden gedachte Grenzfläche wird um so stärker gewunden sein, je weiter die Blätter in die Tag- stellung eingetreten sind. Wegen dieses complicirten Ver- hältnisses und wegen ihrer Kleinheit sind die Wülste der Fiederblättchen zu Versuchen ebenso ungeeignet, wie es die der Blattstiele zweiter Ordnung wegen der Tfägheit ihrer Bewegungen sind. ‘Will man ein einzelnes Fiederblättchen in Bewegung setzen, so berührt man vorsichtig die obere Seite seines Wulstes, dann richtet es sich sofort auf, War die Berührung so hart, dass sich die Erschütterung fort- pflanzt, so erheben sich andere Blätter mit. Ist die Pflanze sehr reizbar, so richtet sich auch bei sehr leiser Berührung das zu demselben Paare gehörige Fiederblättchen mit auf, und die übrigen Blattpaare der Fieder folgen in regehmässi- ger Reihenfolge nach, wie dies vielfältig beschrieben worden ist. Ich gehe deshalb, um mich hier nicht noch auf einem hinreichend bekannten Gebiete‘ zu verbreiten, zu den Er- scheinungen von Schlaf und Wachen über. Die Bewegung des Blattstiels erster Ordnung beim Ein- v 451 ‚schlafen bestelit bekanntlich darin, dass dev Winkel z Fig. 1. nach und nach um eine grössere oder geringere Anzahl von Graden verkleinert wird: sie ist also ihrer äusseren Erschei- nung nach identisch'mit derjenigen, welche auf den Reiz er- folgt, nur dass sie langsamer von statten geht; die folgen- ‚den Betrachtungen werden aber zeigen, dass beide Bewe- gungen wesentlich verschiedener Natur sind. Wenn die Reactionsbewegungen und die Bewegungen beim Einschlafen sich nur durch ihre verschiedene Geschwin- digkeit von einander unterschieden, so sollte man auch’ glau- ben. dass ein Blaltstiel, je mehr er in die Nachtstellung ein- tritt, um so mehr auch die Fähigkeit verliert sich auf Reize zu bewegen, z.B. dass wenn in der Tagstellung eines Blait- stiels 2 = 135% ist und er sich auf den Reiz um 45° be- wegt, seine Reaction auf Reize aufhören oder doch sehr verringert sein möchte, wenn er so weit eingeschlafen ist, dass z nur noch '90° beträgt; dies ist aber keinesweges der Fall, sondern man sieht die Blätter im Schlaf-sich im Mit- tel mit eben so grosser Amplitude bewegen, wie im Wa- chen; kleiner wird dieselbe erst, wenn durch die Nacht- stellung x bis zu einem gewissen Grade verkleinert ist, da begreiflicher Weise für x ein unterer Grenzwerth existirt, der den Spielraum der Bewegung in diesem Falle beschränkt. Da dieser Grenzwerih und ausserdem die milllere Reaclions- amplitude bei verschiedenen Blättern verschieden ist, so kann man auch den Punkt nicht allgemein angeben, von dem die Beschränkung der Renelionsbewegungen anfängt. Wir haben ferner gesehen, dass bei der Reactionsbe- 'wegung das Gelenk erschlaflte. Ich untersuchte desshalb, ob dies auch beim Eintreten in die Nachtstellung.der Fall sei, und fand, dass man diese Frage mit Nein beantworten müsse, Schon wenn man die Tabelle $. 441. ansieht, be- merkt man, dass der Werth von &, — « für die Zeil von 7, Uhr Abends, die bereits dem Schlaf angehörte, nicht grösser, ja bei Blatt IIL und IV. sogar beträchtlich kleiner 29* 452 ausfällt, als bei den dazu gehörigen Tagstellungen. Später als um 74 Uhr Abends habe ich den Versuch nicht in der gewohnten Weise anstellen können, weil die Pflanzen so empfindlich wurden, ‚dass die Blattstiele jedesmal in Bewe- gung gerieihen, wenn ich den Topf umkehrte um a, zu messen. Ich habe mich desshalb damit begnügen müssen, nachdem ich den Winkel & gemessen halte, was- jedesmal ohne alle Schwierigkeit gelang; den Topf so weit anf die andere Seite zu neigen, dass der Blatisliel senkrecht stand, den Winkel zu messen, den er nun mit dem Stamme machte, und das Resultat mit einem ähnlichen Versuche, den ich am Tage an demselben Blatte anstellte, zu vergleichen. Ich habe hierbei die Differenz am Abend und in der Nacht nie- mals grösser, häufig aber beträchtlich kleiner gefunden als am Tage. Bringt man hierzunoch, dass bei der Stellung, welche die Blattstiele zweiter Ordnung im Schlaf annehmen, das Gewicht des Blattes an einem längeren Hebelarm wirkt, so kann man mit Sicherheit aussagen, dass die Gelenke im Schlaf straffer sind, als im Wachen. Ihr Zustand ist also in dieser Beziehung demjenigen gerade entgegengeselzt, in den sie durch Reizung gebracht. werden. Ebenso wie im Wachen erschlaffen die Gelenke im Schlaf durch Reizung, so lange die Amplitude ihrer Bewegung nicht beschränkt ist (vergl. oben); in dem Grade aber, wie dieses der Fall ist, wird natürlich auch der Grad der Erschlaffung, welche auf den Reiz eintritt, verringert. Nimmt man von einem Blattstielwulste in oben beschrie- bener Weise die obere Wulsthälfte weg, so verändert der Blattstiel zwar, wie schon oben erwähnt, seine Lage im Allgemeinen, indem der mittlere Werth von x bedeutend wächst, aber er macht dabei nach wie vor Bewegungen des Wachens und Schlafens, nur mit kleinerer Amplitude; das- selbe findet statt, wenn man die untere ‚Wulsthälfte weg- nimmt, mit dem Unterschiede, dass hier der mittlere Werth von x bedeutend abnimmt, Fi 453 "Mau kann also so viel als festgestellt betrachten, dass die Bewegungen des Schlafens und Wachens auf einer ab- wechselnden Verlängerung und Verkürzung der oberen und unteren Wulsthälfte beruhen. Dass man den Zustand von Verkürzung, in welchem sich die untere Wulsthälfte wäh- rend des Schlafes befindet, nieht mit ihrer Erschlaflung ver- wechseln darf, davon habe ich noch folgenden schlagenden Beweis gehabt. Ich hatte unter den Blattstielen, deren Gaug ich beobachten wollte, kleine Kreistheilungen auf Elfenbein- Plättchen angebracht, über denen der Blattstiel wie der Zei- ger einer Uhr über dem Ziflerblatte sich bewegte.*) Ein Blattstiel nun, an dem ich die obere Wulsthälfte weggenom- *) Es ist klar, dass hierzu keine gewöhnlichen Kreistheilungen mit festem Centrum brauchbar sind, sobald man die Veränderungen, welche = in verschiedenen Zeiten des Tages erleidet mit einander ver- gleichen will. Hierzu brauchbare Theilungen erhält man auf folgen- dem Wege. In der Formel ge = 180 —-, in welcher s die Länge des be- N Lin weglichen Wulstes bedeutet, lasse man g nach und nach die Werthe 0; 10; 20... . bis 150 annehmen und trage die dazu gehörigen Werthe von g von einem festen Punkte © aus auf einer geraden Linie ab. Nenne ich nun die Endpunkte dieser Stücke e,; C,g5 Cyao +++ die Stücke selbst @,; @,05 Qa0 ++ - und die dazu gehörigen Werthe von p, ebenso, P5; Pao5 Pao = == so habe ich an die grade Linie bei £_ den Winkel P, anzutragen, dem neuen Schenkel die Länge 8, zu geben und dann am Ende desselben 90° — x (Fig. 1.) anzutragen; der neue Schenkel dieses Winkels ist der Theilstrich für die Grund- zahl n, wenn man die Grade von der Linie an zählt, in welcher der untere Rand des Blattstiels bei völlig gestrecktem Wulste liegt. Diese Theilung muss nun so angebracht werden, dass die gegebene grade Linie auf die Linie 95 (Fig. 1) fällt und der feste Punkt C auf der- selben ın den Punkt, in dem der Holzkörper des Wulstes 95 schnei- det. Dies lässt sich nur durch Probiren erreichen. Die Theilung hat ihre richtige Stellung, wenn der Blattstiel, während er sich über der Theilung hinbewegt, mit seinem unteren Rande jeden Theilstrich gleich- zeitig in seiner ganzen Länge deckt. 454 men halte, bewegte sich in horizontaler Richtung äusserst nahe über seiner Theilung, aber doch so, dass er sie nir- gend berührte. . Reizte ich‘ den Wulst dieses Blattstiels ‚am Tage, so machte er eine kleine rückgängige Bewegung; und fiel dabei auf die Theilung, währeud er bei seinem viel weileren Wege, den er jeden Abend zurücklegte um in die Nachtstellung zu gelangen, frei über derselben hinschwebte. Es handelt sich nun noch darum, welche Vorstellung man sich von dem inneren Hergange bei dieser Verlängerung und Verkürzung machen könne. Die Uypothese,. welche sich uns zunächst aufdrängl, ist die, dass die Zellen jeder von beiden Wulsthälften in den verschiedenen Tageszeiten mit verschiedener Kraft Flüssigkeit ansaugen, und wenn sie sich auf der einen Seite nicht beweisen lässt, so liegt auf der anderen in ihr auch nichts besonders unwahrschemliches, da, wie wir wissen, bei Tage und bei Nacht, im Hellen und im Dunkeln, verschiedene chemische Processe in den Pflanzen vor sich gehen. ’ Derjenige Leser, welcher weiter über den Gegenstand nachdenkt, wird darauf geführt werden, dass vielleicht noch eine andere Erklärungsweise sehr nahe liegt. Es lassen sich nämlich gewisse Verhältnisse des Baues und der Aneinander- lagerung der Zellen denken, bei denen eine blosse Vermeh- rung oder Verminderung der Saltmenge in dem ganzen Wulste eine Gestaltveränderung mit sich bringen würde. Eine derartige Vorstellung scheint jedoch hier den Thatsa- chen gegenüber nicht erlaubt zu sein. Nimmt man an, dass die Nachtstellung die des grösseren Saltreichthums sei, so ist es schwer zu begreifen, warum sich ein gekrümmter Wulst im Wasser in kurzer Zeit gerade richtet; nimmt man dagegen an, dass der grössere Saflreichthum die Tagstellung bedinge, so ist dies schon deswegen unwahrscheinlich, weil die Geleuke am Tage schlaffer sind, als bei Nacht. Schnei- det man ferner ein Blalt von seinem Stiele ab, so macht derselbe noch ein oder zwei Tage die Bewegung des Schla 455 fens und Wachens mit und bleibt dann häufig in der Tag- stellung stehen, während der Wulst abstirbt und vergelbt. Die Bewegung der Blattstiele zweiter Ordnung beim Einschlafen besteht bekanntlich darin, dass sie sich sämmt- lich aneinanderlegen, indem sie dieselbe Bewegung, nur mit grösserer Amplitude ausführen, mit der sie auf Reize ant- worten. So lange sie sich noch nicht völlig aneinanderge- legt haben, bewegen sie sich noch auf Reize, sie verhalten sich also in dieser Beziehung wie die Blattstiele erster Ord- nung, nur dass ihre Bewegungen kleiner und träger sind. Auch die Fiederblättchen bewegen sich auf Reize, so lange sie sich noch nicht völlig aufgerichtet haben; ist dies aber einmal der Fall, so bewegen sie sich auf Reize nicht weiter, auch wenn man alle Blättchen auf einer Seite der Fieder fortgenommen hat, so dass diese der weiteren Bewegung kein Hinderniss entgegensetzen können. Die Fiederblättchen sind. also darin von den Blattstielen erster und zyyeiter Ord- nung verschieden, dass sie gereizl, wenn sie sich in der vollen Tagstellung befinden, den ganzen Spielraum, durch- messen, der ihrer Bewegung überhaupt zukommt, während die Reaelionsbewegungen der Blaltstiele erster und zweiter Ordnung immer nur einen Bruchstiel ihres gesammten Spiel- raums betragen, Königsberg, den 22, September 1348. a — Einige Bemerkungen über Tomopteris und die Stellung dieser Gallung. Von Professor E. GRUBE, (Hierzu Taf, XVI, Fig. 9—13.) Unter den von Herrn Dr. Krohn dem Petersburger Mu- seum zugestellten Würmern, deren Mittheilung ich der Ge- fälligkeit des Herrn Staatsrath Brandt verdanke, befinden sich auch mehrere Tomopteris, ein grösseres Exemplar ent- schieden Tomopteris onisciformis Esch., die anderen kleineren entweder jüngere Thiere derselben Art oder eine an- dere Art. Jenes war weisslich und wenig durchscheinend, diese fast farblos und so durchsichtig, dass mir beinahe nichts von dem, was Herr Busch an lebenden Individuen beobachtet hat !), an ihnen entgangen und im Gegentheil manches, was in jenem Zustande undeutlich zu erkennen war, jetzt anschaulich geworden ist. So konnte ich nament- lich das im Rande der Flösschen befindliche Gebilde und vor allem den von Herrn Prof. Müller wahrscheinlich eınmal gesehenen, nachher aber nicht wieder gefundenen Nerven- strang genauer verfolgen, und wurde dadurch in den Stand geselzt, etwvas Näheres über die Stellung dieser Gattung mit- zutheilen. Der Nervenstrang 2) erscheint bei manchen Exem- 1) Müller's Archiv 1847, p. 180. Tab. VII. 2) Fig. 9. n. 457 plaren besonders deutlich als 2 in der Mittellinie der Bauch- seite dicht neben einander liegende, etwas opakere Strän- ge, welche vorn einen engen, bald stark anschwellenden Schlundring bilden, dessen obere Partie Herr Busch auch als zweilappiges Ganglion (l. c. Tabula VII. Fig. 5) beschrie- ben und dargestellt hat. Die Bauchstränge selbst zeigten nirgends grössere Anschwellungen, erschienen aber bei stärkerer Vergrösserung durch eine Menge — in einem Körpersegment wohl 8 bis 9 — querer, in kurzen Abständen folgender Streifen, wie gegliedert, hin und wieder sehe ich mit Bestimmtheit nach rechts und links Nervenfäden austre- ten, ohne sie jedoch weiter, als bis in die nächste Nachbar- schaft verfolgen zu können. Die Zahl derselben scheint frei- lich viel grösser zu sein, als sie wohl wirklich ist; allein man kann sich nur an solchen Stellen davon überzeugen, dass man die Nervenfäden nicht mit isolirten, neben dem Nervenstrang entspringenden Quermuskelfasern verwechselt, wo sich beide Richtungen zufällig etwas kreuzen. Die Mus- kelfasern setzen bindenartige Massen zusammen, von denen sich nur einzelne ablösen, auch hebt dann deren geringere Dicke den Zweifel, dass man es mit keinem Nervenzweig zu thun habe. An einzelnen Stellen treten an dem Nerven- stränge Längsstreifen hervor (Fig. 13.). An beinahe allen vor mir liegenden Exemplaren erscheint die hintere Partie des Körpers bei weitem abgesetzter und dünner, als Busch abbildet, und stimmt mehr mit der Fi- gur von Quoy und Gaimard *) überein; sie sieht bei den meisten wie ein nackter, schwanzförmiger, zuweilen stark eingekrümmter Anhang aus, an dem man nur mit Mühe die Keime von Flösschen in Gestalt kleiner weisslicher An- schwellungen wahrnimmt. Seine Länge ist mitunter so be- trächtlich, dass sie nur ein Drittheil weniger als der übrige Körper beträgt; die an ihm befindlichen Keime der Flöss- 1) Annales, des Sciences naturelles, 1827. Pl. 7. Fig. 1. 458 chen sind noch ungetheilt,.. während. die ausgebildeten vor- deren Körperflossen zweiarmig und ‚bei dem grösseren Exem- plar die Arme der hinteren, noch nicht ganz ausgewachse- nen sogar relativ entschieden länger, als bei jenen sind. Das Vorhandensein paariger seitlicher Fortsätze, deren Höhlung mit der des Leibes zusammenhängt, die Art ihres Wachsthums und die Beschaffenheit des Nervensystems ver- anlassen mich, die Gattung Tomopteris zu den Anneliden zu zählen, Es giebt meines Bedünkens nur 3 Gruppen des 'Thierreichs, in welche man diese Galtung setzen könnte: man muss sie entweder zu den Mollusken, und zwar zu den Gymnobranchien, oder zu den Anneliden, oder zu den übri- gen Würmern zählen, Eschscholtz stellte Tomopteris nebenCarinaria,Pterotrachea undPhyllirrho& unter die Heteropoden, womit wohl so leicht Niemand übereinstimmen wird. Dass das Thier nieht zu den Gymnobranchien ge- hört, konnte man, auch ehe noch ein Bauchmark gesehen war, schon daraus entnehmen, dass das obere; Schlund- ganglion eine andere Lage, als bei, diesen hat, und dies ist ein gewiss schon, oft beachteter, aber meines Wissens nicht scharf genug hervorgehobener allgemeiner: Unterschied zwi- schen Mollusken und Anneliden, dass bei letzteren der Schlund- ring — eigentlich ein Mundring —-. unmittelbar den Mund umgiebt, bei ersteren hingegen weiter nach hinien und zwar hinter der fleischigen Pharynxmasse liegt, da, wo.diese in die Speiseröhre übergeht. _Ob bei denjenigen Gymnobran- chien, welche paarige Kiemen besitzen, wie Tethys, Aeo- lidia, Glaucus u.a. während des Lebens neue Kiemen am Hinterende hervorsprossen, weiss ich nicht, aber die in die Charakteristik der Arten aufgenommene Zahl der Kiemen- paare wird constant angegeben oder schwankt höchstens um 1; es steht ferner fest, dass die Anhänge der Tomop- teris weder blosse.Kiemen vorstellen, noch auch seitliche Er- weiterungen des verdauenden Kanals aufnehmen; auch hat 459 schon Busch darauf aufmerksanı gemacht, dass man eben- sowohl ein Herz, als eine Sohle vermisst. Wenn man mit mir darin übereinkommt, alle Thiere olıne gegliederte Extremitäten, ‚aber mit äusserer und inne- rer Gliederung des Leibes, — mag sie nun durch deutliche Querfurchen ausgeprägt sein oder nicht, mit einem Nerven- mündring und einem aus 2 unter sich verbundenen Strängen bestehenden Bauchmark Anneliden zu nennen, so ist To- mopteris eine Annelide, freilich eine sehr eigenthümlich ge- bildete, ‘da sie in keine der beiden Hauptabtheilungen der- selben hineinpasst. Die eine ist bisher von den Zoologen durch das Vorhandensein borstentragender seitlicher Fort- sätze oder Ruder und meist auch fühlerartiger Anhänge charakterisirt worden, der andern fehlen sie und es treten dafür an den Enden des Körpers unpaarige Haft- scheiben auf. Tomopteris kann nur zu der ersten Abthei- lang, den Chätopoden oder Chätophoren, gerechnet wer- den, ist aber eine borstenlose Chätopode: man muss also den Begriff dieser Abtheilung erweitern, und wenn man den einmal eingeführten, sonst bequemen und bis auf diese Ausnalıme allgemein gültigen Namen nicht ändern will, sich wenigstens dessen bewusst werden, dass nicht.in: den Bor- sten der Hauptcharakter liegt, sondern in der Bildung paa- riger seitlicher, zum Kriechen oder Schwimmen‘ dienender Fortsätze; für das Kriechen aber oder das Auf- und Abstei- gen in Gängen und- Röhren scheinen im Allgemeinen die Borsten noch nothwendiger, als fürs Schwimmen, wobei sie vermuthlich keine andere Bedeutung haben, als die Haare an den Schwiınmfüssen der Crustaceen und Insekten. Längs dem Rande der beiden Lappen oder Arme, in welche jedes Flösschen der Tomopteris ausläuft, ‘bemerkt ınan, wie schon Busch anführt, eine ‚‚dendritische Verz wei- gung, in der man keine Lumina wahrnehmen kann.“ Diese Verzweigung geht von einer dem Rande concentrischen schmalen Binde aus (Kig: 11, g), welche gegen deu Basaltheil 460 des Flösschens scharf abgesetzt und opak ist, und bei stär- kerer Vergrösserung eine undeutlich und fein granulirte Masse zeigt, aus welcher gegen den Rand hin eine Menge zarter, divergirender und nalıe dem Rande selbst unter spitzen Win- keln sich theilender Streifen entspringt (Fig. 11, s). Zwischen den zarten Streifen liegen hier und da dunklere, ihnen pa- rallele, an beiden Enden verschmälerte und am Rande meist zugespitzte schmale Bündel, welche aus vielfach anastomosi- renden Fasern bestehen (Fig. 11, f); die Maschen der Ana- stomosen sind sehr enge und in die Länge gezogen, und die Fasern treten zuletzt, wie ich an einigen Stellen bestimmt gesehen, in eine schlanke, leicht gekrümmte, zuweilen über den Rand des Lappens elwas hinausragende Spitze zusam- men (Fig. 11, A). Manche Faserbündel entspringen in jener granulirten Masse, andere, wie es scheint, erst nach aus- sen von derselben, einige haben die Gestalt eines einfa- chen, an jedem Ende in eine Sehne auslaufenden Muskel- bauchs, andere theilen sich in 2 oder 3 Bäuche, doch zeigen alle eine gewisse -Starrheit, und an Muskel ist durchaus nicht zu denken, um so weniger, da die Muskelfasern schon jenseits der granulirten Masse aufzuhören scheinen (Fig. 11, m)... Mehr: oder weniger häufig bemerkte ich helle Räume von der Form und Lage der Faserbündel (Fig. 11, )), welche durchaus den Eindruck machten, als wenn in ihnen ein sol- ches‘ gelegen - hätte, aber herausgerissen wäre, sowie ich andrerseits neben einzelnen Faserbündeln einen Streil granu- lirter Masse wahrnahm, der vielleicht ursprünglich bei allen vorhanden gewesen sein, sich aber nicht. überall erhalten haben mochte (1). Besonders auffallend ist eine schon bei der Betrachtung mit der Loupe sichtbare dunklere Stelle am Unterrande der untern Flossenlappen (Fig. 10, x), welche man für eine Papille halten. möchte, und die mit ihrem schmalen Ende etwas hervorlrilt. Sie besteht: aus. lauter solchen, wie die Meridiane einer Kugel gruppirten Faserbün- deln mit! zwischengelagerter granulirter Masse (Fig. 11, r). 461 Mit kaustischem Kali behandelt, werden die zarten, unter spitzen Winkeln sieh theilenden und ausbreitenden Streifen (Fig. 11, 5) ganz undentlich, die Faserbündel blässer, ohne jedoch wie. die granulirte Masse zu verschwinden; sie be- stehen nach Herra Dr. E. Schmidt’s Untersuehung, ‚aus Chitin. Die zarten, sich gefässarlig Iheilenden Streifen er- innern an das Gebilde in den Rückeneirren der Phyllodocen und Aleiopen. An dem grösseren Exemplar, dessen Flöss- chen schwieriger zu untersuchen waren, als die der kleinen, vermisste ich die eben beschriebenen Faserbündel, und sah nur ein rundmaschiges Netz von anastomosirenden Streifen; der Körper r war ausserordentlich gross. Ein ähnliches Ge- bilde als in den Flösschen entdeckte ich in den kurzen Füh- lern an der Stirn (Fig. 9, Fig. 12t) und den durch ihre Länge auffallenden hinteren Fühlern (Fig. 9, Fig. 12, e'), welche ich als Fühlereirren betrachte. Dass in den lelzteren ein borsten- artiger, sich durch ihre ganze Länge erstreckender Theil enthal- ten sei, der sich an der Basis verdickt, hat schon Busch dar- gelhan. Diese Stelle dient ansehnlichen Muskelbündeln zur Insertion (Fig. 12, m), welche von der Wand des Kopftheils herkommen, und die Wurzel der Borste theils in das Innere desselben ziehen, theils daraus hervortreiben und in verschie- dener Richtung bewegen können, wie es bei den Aciculen der Anneliden der Fall ist. Die Borste scheint in einer Scheide zu stecken und zwischen derselben und den Rän- dern des Fühlercirrus zieht sich ebenfalls eine granulirte Masse hin, in der man eine auf die Borste senkrechte Strei- fung erkennt, Aber auch die Stirnfühler enthalten einen ähnlichen borstenarligen Theil und um ihn herum gestreifte granulirte Masse (Fig. 12, t‘). Die Streifen verzweigen sich gegen den Rand hin unter spitzen Winkeln, wie in den Flos- sen, und weichen an der Basis stellenweise aus einander, um einzelne an Feltkügelchen erinnernde Körperchen zwi- schen sich zu nehmen; bisweilen glaube ich zwischen den Streifen auch spiessige oder wenigstens starrere Fasern ge- 462 sehen zu haben, doch bin ich meiner Sache nicht gewiss genug. Die Haut, welche die Borste des Fühlereirrus über- zieht, ist meistentheils verletzt, und die Borste, so biegsam sie sich zeigt, hin und wieder geknickt, ‘in welchem Falle denn die Bruchränder der Länge (der Borste) nach zersplit- tert erscheinen. Alles, was ich über die Structur dieses ’ei- genthümlichen Gewebes ermitteln konnte, beruht auf der Untersuchung weniger. mir nicht zur Zerstörung übergebe- ner Exemplare, und wird daher in manchen Stücken’ der Vervollständigung oder Berichtigung bedürfen. Um noch einiges von den Muskelfasern in den Flössehen zu sagen, so treten diese aus der dünnen und nicht eben gleichmässig ausgebreiteten Quermuskelschicht des Leibes; im Allgemei- nen lässt sich angeben, dass jedes Segment auf der rechten und linken Seite 2 platte Binden von Quermuskeln besitzt, eben sowohl auf der Bauch- als auf der Rückenseite, sie verschmälern sich allmählig gegen die Wurzel des Flösschens hin, um sich dann in ihm fächerartig auszubreiten, wobei sie sich in schräger Richtung kreuzen; die vordere Binde scheint immer die ansehnlichere. Die Längsmuskeln, welche die innere Schicht der Leibeswand bilden, scheinen sich nur auf den Leib zu beschränken und in den Flösschen selbst nicht vorzukommen. Noch eines Umstandes muss ich er- wähnen, auf den ich bei einigen Exemplaren aufmerksam wurde, und welcher die Haut der Flösschen betrifft. Bei den meisten nämlich s'anden diese so von einander ab, wie es die Abbildungen von Busch und Quoy und Gaimard zeigen, bei einigen aber lagen sie einander fest an, und liessen sich auffallend schwer von einander entfernen. Von einem Schlein etwa, mittelst dessen sie zusämmengeklebt wären, war nichts zu entdecken, wohl aber gelang mirs bei starker Vergrösserung, an manchen Stellen ein System winziger, scharf markirter, etwas dreieckiger Punkte wahr- zunehmen, wahrscheinlich feine, in das benachbarte Flöss- chen eingreifende Spitzchen, auch war der Widerstand beim 463 Auseinanderzerren der Art. als wenn man raule Flächen von einander ziehen wollte, Der Bau des Kopftheils von Tomopteris würde sich auf diejenigen Chätopoden unter den Anneliden zurückführen lassen, bei welchen das Segment, welches den Mund enthält, und der davorliegende Kopflappen durch keine Furche ge- trennt sind, die Stirnfühler und das unmittelbar dahinter ge- legene Paar der einziehbaren Fühler betrachte ich als eigent- liche, dem Kopflappen angehörige Fühler, die langen, zu beiden Seiten des Mundes liegenden, weil sie eben dem Mund- segment angehören, als Fühlereirren oder wenigstens als eine ähnliche Bildung Die Lage des Mundes, der Mangel eines ausstülpbaren Rüssels und die Beschaffenheit des Darm- kanals stimmen mit dem, was wir bei andern Anneliden kennen, überein; das Vorkommen der Eier in der Leibes- höhle und auch deren Innenraum der Flösschen spricht nicht dagegen; und auffallend ist nur der Umstand, ‘dass, wie Busch berichtet, an dem lebenden Thier weder eine Blut- eireulation‘, noch gefässartige Kanäle enldeckt wurden, ein System, welches man bei den Anneliden so ausgebildet zu sehen gewohnt war, dass man sie bisher im Gegensatz zu den Insekten, Arachniden und Crustaceen als Gliederthiere mit geschlossenem Gelässsystem definiren konnte. Seitdem aber Quatrefages bei einigen derselben ein nicht geschlos- senes Gelässsystem, ja bei mänchen bloss ein Rückengefäss erkannt hat, darf uns die mangelhafte ‘Ausbildung in dieser Beziehung bei Tomopteris weniger befremden. Hiernach würde wohl kaum noch Etwas übrig bleiben. was dafür spräche, dieGattung Tomopteris zu den von den Anneliden ausgeschlossenen Würmern zu bringen. Fassen wir nämlich diese alle, freilebende wie parasitische, zusam- men, so vermissen wir selbst da, wo Gliederung auftritt, wie bei den meisten Bandwürmern, durchaus die Bildung seitlicher, zur Ortsbewegung dienender Fortsälze und fühler- arliger Theile; wir vermissen vor Allem, so weil die Unter- 464 suehungen reichen, ein wahres Bauchmark. Wo man das Nervensystem gefunden hat, haben sich zwar auch hier zwei der. Länge nach verlaufende Fäden gezeigt, allein sie schei- nen nie zu einer Reihe von Ganglien oder Verdickungen an- zuschwellen, auch nur an einer Stelle durch eine Brücke, seltener ‚durch einen Ring, verbunden zu ‚sein; ‚sie liegen ganz seitlich, von einander getrennt, und jene Brücke, an welcher 1 oder 2 Ganglien vorkommen, nieht immer ‚am Vorderrande selbst, sondern zuweilen mehr nach hinten und nicht eben der Jage der Mundöffnung entsprechend. Stron- gylus gigas würde nach Otto’s Darstellung von allen übri- gen Würmern abweichen, in so fern sich bei ihm ein milt- lerer knotiger Bauchstrang mit rechts und links austretenden Nerven, doch ohne Schlundring, zeigte. Dass Tomopteris oniseiformis an den Flösschen Cilien trägt, giebt für die Entscheidung uuserer Frage kein Moment von Bedeutung ab; denn wenn auch immerhin diese Cilien in der Reihe der Turbellarien eine Haupirolle spielen, , so sind sie doch von der Hautbedeckung der Anneliden nicht ausgeschlossen, auch fand sie Busch nur an jungen Thieren, also gerade in dem Zustande, in welchem sie auch bei den Anneliden am häu- figsten vorkommen. Ist man nun mit mir einverstanden, die Gattung To- mopteris zu den Anneliden zu zählen, so handelt es sich weiter um den Platz, den sie in dieser ‚Klasse einnehmen soll; man ‚wird sie zuvörderst zu denjenigen bringen, deren Körpersegmente in seitliche Fortsätze auslaufen, kann sie aber nicht unter die Familien stellen, bei welchen diese Fort- sätze mit Borsten versehen sind, sondern muss eine eigene Fa- milie Tomopteridae bilden, deren Charakter eben die Nackt- heit der Flösschen ist. Doch giebt es unter den Chätophoren ei- nige Formen, an welche man bei der Betrachtung von Tomop- teris erinnert wird, ich meine: Polybostrycehus longose- tosus Örsd., Amytis prismatica (Nereis prismatiea Müll)und Polynicebifrons (Nereis bifrons Müll.), aus 465 welchen ich eine eigene kleine Familie; Amytidinae, bilde. Bei diesen finden 'wir eine ähnliche Bildung des Kopftheils, wie. bei Tomopteris, indem man nicht mehr Kopflappen und Mundring durch eine Grenzfurche geschieden siebt, eine ähn- liche Lage des Mundes, den Mangel eines hervorstülpbaren KRüssels, Stirnfühler und mehr oder weniger lange Fühler- eirren, eine ähnliche Gesammtform des Leibes und meistens auch ‚eine nur geringe Zahl von Segmenten bemerkt. Wenn man sämmtliche Abbildungen der Thiere ver- gleicht, welche zur Gattung Tomopteris gezählt werden müssen, so kann wohl ein Zweifel erhoben werden, ob sie alle, wie Busch annimmt, nur eine Art bilden. Dem Thier, welches Eschscholtz in der Südsee erhielt, das aber in der Dorpater Sammlung nicht vorhanden ist, ‘scheint das Hlinterende gefehlt zu haben; es war nur 21 Linie lang, die Figur zeigt 12, der Text spricht nur von’ 10 Paar Flösschen, welche etwa eben so lang sind, als die Breite des Leibes, die Stachelehen an der Stirn oder am Vorderrande der Stirn- fühler sind vielleicht nur abgerissene Theilchen derselben; wäs Eschscholtz aber bewogen habe, 4 Fortsätze am hin- teren Körper anzunehmen, „in denen wahrscheinlich die Hauptorgane enthalten seien,“ während dies oflenbar nur die beiden Paare der hintern Flösschen sind, kann man aus sei- ner kurzen Beschreibung nicht mehr entnehmen. Die beiden Augen sind angegeben, die unmittelbar hinter den Stirnfüh- lern gelegenen, wie Busch beobachtet hat, gewöhnlich ein- gezogenen Fühler nicht. Dies letztere würde also kein Hinder- nies in den Weg legen, den Tomopteris onisciformis von Esehscholtz mit der von Busch untersuchten Art für identisch zu halten, und mit diesem stimmt auch das grös- sere, weniger durchscheinende Exemplar der mir ‚mitgetheil- ten überein, welches 1, 2 rhein. Zoll lang ist. Die Länge der von Busch gesehenen Exemplare schwankte zwischen 2 und 8 Linien; da dieser seine Thiere in der Nordsee ge- funden hatte, und die von Herrn Dr, Krobn eingeschickten Müllers Arebiv, 1918, 30 466 wahrscheinlich aus dem Mittelmeere stammen, so zeigt je- denfalls diese Art eine sehr weite Verbreitung. Busch zählte nie mehr als 18 und nie weniger als 4 Paare Flöss- chen, ich aber 27, so dass die Menge derselben mit der Kör- perlänge zu wachsen scheint. Das von Quoy und Ga:- mard abgebildele Thier fällt einmal durch seine Grösse, denn es misst 4 Zoll, dann aber auch durch die gestreckte Form der Flösschen auf, bei denen der Stamm zu den Ar- men oder Lappen in dem Verhältniss von 4 oder 5 zu 1 steht. Die kleineren durchsichtigen Exemplare, welche ich zu untersuchen Gelegeriheit gehabt, zeigen zwar-nicht dieses Verhältniss in den Theilen der Flösschen, doch aber eine gestrecktere Form, als das grosse, und in der Körpergestalt, wie ich schon oben bemerkte, mehr Aehnlichkeit mit der Figur von Quoy und Gaimard, als mit der von Busch; Augen konnte ich jedoch an keinem derselben wahrnehmen, das zweite Paar Fühler nur an einem, eiförmige Körper bei mehreren, theils im Leibe, theils in den Flösschen, das ro- settenförmige gestielte, von Busch beschriebene Organ in den Flösschen an einzelnen. Die Fühlereirren waren bei allen ausserordentlich lang, denn sie übertrafen den Körper selbst bei weitem an Länge, dabei waren sie dünn und zart wie ein Haar, und hafteten leicht an fremden Gegenständen oder am Leibe selbst. Die Zahl ihrer ausgebildeten Flöss- chen beträgt 13 bis 15, die der nicht ausgebildeten an dem schwanzartig dünnen Hinterende des Leibes 2 bis 14, kei- nes dieser Exemplare misst über 7,5 Linien; bei allen aber, auch bei dem grossen, nahm die Länge der Flösschen nicht, wie bei Busch und Quoy und Gaimard, von vorn nach hinten, sondern von der Mittelgegend gegen beide Enden ab. Nach allem dem ist miv das Wahrscheinlichere, dass auch die kleinen durchsichtigen Exemplare zu Tomopteris onisci- formis gehören. Schliesslich gebe ich, so weit sich dies nach den vorliegenden Thatsachen und Analogieen thun Hässt, die Charakteristik der Familie, Gattung und Species. 467 "Fam. Tomopteridae. 'Vermes corpore elongäto, pin: nuli setis carentibus dilalato, lobo capitali et seginento buccali eoalitis, tentaculis frontalibus, eirris tentaculari- bus, ore infero, pharynge exsertili nulla. Tomopteris Esch. ‚Corpus elongatum, postice altenua- ' tum, hyalinum, segmentis minus distinetis in pinnulas biremes, setis carentes exeunlibus, ramis foliaceis mar- gine quasi venoso munitis, lobus capitalis cum ‚segmento buccali coalitus; tentaculis frontalibus 4, anterioribus 2 - rigidulis, a latere protentis, posterioribus retractilibus, eirris tentacularibus lateralibus 2, setam continentibus, os inferum inerme. T. oniseiformis Esch. Corpore rubro punctato,, ocu- lis 2, eirris tentacularibus longissimis, pinnulis utrinque ad summum 24 ad 25, bilobis, lobis subovalibus, lon- gitudinem stipitis ferme adaequantibus. ai Erklärung der Abbildungen. Fig.9. Tomopteris oniseiformis Esch., von der Bauchseite ge- sehen, etwa mal vergrössert. t' die Stirnfühler, t” das unmittelbar da- hinter gelegene retractile Fühlerpaar, ct die langen Fühlereirren, z das dünne schwanzförmige Hinterende des Körpers, an welchem allmählig die Keime von Flösschen hervorspriessen, p* die vorderen ausgebilde- ten Flösschen, pP? die Flösschen, welche noch nicht ausgewachsen sind und längere Lappen oder Arme, doch einen kürzeren Stammtheil ha- ben, n der doppelte Nervenstrang, welcher sich aın Munde 0 aus ein- ander begiebt, um einen engen Mundring mit starken Schenkeln zu bilden. Fig. 10. Ein Flösschen von einem der kleineren durchsichtigen Exemplare, etwa 20mal vergrössert; r* der obere, r' der untere Ast oder Lappen desselben, x der kleine papillenartige Theil, welcher am Rande des untern Lappens hervortritt. Zuweilen habe ich noch die Andeutung eines zweiten solchen bemerkt, Fig. 11. Ein Randausschnitt von dem unteren Lappen eines Flöss- chens, stark vergrössert. m einzelne Muskelfasern von den sich fächer- artig ausbreitenden Bündeln, welche aus dem Leibe in das Flösschen treten, und sich zum Theil kreuzen. g die dem Rande concentrische, gegen den Innentheil des Flösschens scharf abgesetzte Binde, welche 30 * 468 aus fein granulirter Masse besteht, nnd aus der theils die zarten, sich am Rande gefässartig theilenden Streifen s, theils die Faserbündel f herkommen, die starrer aussehen. Einige sind kürzer und reichen nicht bis zu jener Binde g oder dem Rande, die Mehrzahl länger, die einen verlaufen einfach, andere theilen sich und enden im 2 oder 3 Spitzen; 1 eine bestimmt umschriebene durchsichtige Stelle, welche den Eindruck macht, als hätte ursprünglich ein Faserbündel darin ge- legen und wäre dann herausgezogen. x der papillenartige Theil (vgl. Fig. 10); g’ eine Stelle, wo, wie in dem papillenartigen Theil, die granulirte Masse ein Faserbündel begleitet. Fig. 11. A. Die schlanke Spitze, in welche ein Faserbündel aus- läuft, und die zuweilen über den Rand des Flösschens ein wenig hin- ausragt, noch stärker vergrössert, Fig. 12. Die Fühler stark vergrössert. t' die stets seitlich ge- streckten Stirnfühler (das Paar der retractilen Fühler, welches hinter ihnen liegt, war bei diesem Exemplar, wie bei den meisten meiner durchsichtigen, nicht wahrnehmbar) ; c* die Fühlereirren, in denen ein borstenartiger, an der Basis verdickter und in eine Scheide eingeschlos- sener Theil o enthalten ist; m Muskeln, durch welche er bewegt wer- den kann. Auch in den Stirnfühlern steckt ein solcher borstenförmi- ger Körper, dessen dickeres Ende ich aber nicht so bestimmt umschrie- ben sehe. Von dem Vorderrande dieser borstenartigen Körper zum Vorderrande der Fühler laufen eine Menge dicht neben einander lie- gender Streifen, zwischen denen fein granulirte Masse und einzelne deutlichere Körnchen. Fig. 12. A. Die eben beschriebenen Streifen der Stirnfühler noch stärker vergrössert, wobei sie sich gefässartig verzweigt und die rund- lichen Körnchen in den Lücken derselben eingelagert zeigen. Fig. 13. Ein Stück von dem Nervenstrange mit seinen austreten- den Fäden und den anliegenden Längs- und Quermuskeln. Ueber das Maass des Stoffwechsels, sowie über die Verwendung der stickstoffhaltigen und stick- stofffreien Nahrungsstoffe. Von Dr. Fr. Te, Frerıchs, Professor der Med. in Göttingen. D:. Erscheinungen, durch welche sich das individuelle Leben kundgiebt, sind innig gebunden an Form- und Mi- schungsveränderungen der organischen Materie, welche die Träger desselben ausmachen. Alle Thätigkeitsäusserungen in der nimmer rastenden Werkstatt des lebenden Körpers, sei es dass sie durch den Impuls der Willensthätigkeit ver- anlasst werden oder unwillkürlich, als nothwendige Resul- tate des Ineinandergreifens der im Organismus thätigen Kräfte erfolgen, werden eingeleitet und begleitet, von manchen darf man wohl sagen bedingt, durch Umsetzungsprocesse der den thierischen Leib constituirenden Elemente. Die Ursachen dieses stetigen Wandels liegen, abgesehen von dem Einfluss der functionellen Uebung, welcher uns in seinen einzelnen Momenten bislang völlig unklar blieb, ei- nestheils in der chemischen Natur der organischen Substanz, anderntheils in dem Verhältniss derselben zur Aussenwelt. Vermöge der ersteren enthalten die thierischen Materien den Keim der Umwandlung in sich selber, indem die Verwandt- 470 schaft, welche den grossen Complex ihrer zahlreichen Ele- mente und Aegqnivalente zusammenhält, durch die Affinitä- ten, in welchen die einzelnen derselben unter sich stehen, stets gelockert erhalten, bei geringem Anstoss von aussen aber völlig aufgehoben wird, um einer andern Ordnung zu weichen. Das zweite die Umwandlung der organischen Körper vermittelnde Glied bietet die Aussenwelt, insbesondere die umgebende Atmosphäre, welche nicht, allein mit.der Ober- fläche in beständigem Contact, und Austausch ist, sondern auch ihren Sauerstol! an’s Blut abgebend durch die Adern kreiset und mit den verborgensten Theilen des Organismus in Wechselwirkung tritt. Die Produkte der durch jene Einflüsse eingeleiteten Um- wandlungsprocesse werden unter Vermittelung der Lungen und der drüsigen Secretionsorgane aus dem Bereiche des Le- bens entfernt, theils nachdem ihre Elemente die Gesetze der binären Verwandtschaft vollständig erfüllten, 'theils noch ehe dieses letzte Resultat der chemischen Anziehung erreicht wurde. Das Erstere ist der Fall mit dem grösseren Theil des Kohlenstoffs und Wasserstoffs der organischen ‚Substan- zen, welche als Kohlensäure ‚und Wasser, durch Lunge und Haut ausgeschieden , werden, , das Letztere dagegen mit dem Stickstoff, welcher nur ausnahmsweise als Ammoniak, in:der Regel unter der Form von eigenthümlichen, gewis- ‚sermaassen auf.der Grenze der organischen und unorganischen Welt stehenden Verbindungen, theils durch die Nieren als Harnstoff und Harnsäure, theils dagegen durch die Leber als Gallenstoff u. s. w. zu Tage gefördert wird. Ausser diesem durch die chemische ‚Metamorphose ver- nittelten, Stoflverbrauch giebt es für den lebenden Körper „noch zwei andere Quellen des Verlustes, die zwär weniger ‚bedeutend sind, jedoch ebenfalls in. die Wage fallen, »äm- lich:. 1) den an’ Wasser, welcher nach den physikalischen -Gesetzen der Verdunstung an der ganzen Oberfläche vor sich 41 geht und 2) die mechanische Abnutzung und Häulung der Ueberzüge der äusseren Bedeckungen und der Schleimhäute. So klar und feststehend nun auch die Thatsache ist, dass die Substanz des thierischen Leibes auf die eben ange- deutete Weise einen Verlust erleidet, welcher durch neue Zufuhr ersetzt werden muss, so bestimmt nachweislich der Wechsel der Materie im Allgemeinen erscheint, so schwierig und dunkel wird dieser Vorgang, wenn wir ihn. in seinen einzelnen Momenten zu verfolgen und quantitativ festzustel- len versuchen. Die Experimente von Sanctorius!), Dodart 2), Keill®), de Gorter ?), Boissier de Sauvages 5), Dal- ton ®) und A. wiesen längst nach, dass die eingeführten Nahrungsstofle, nachdem sie eine Zeitlang im Organismus verweilt haben, in veränderler Gestalt , wieder an der Oberfläche erscheinen; sie stellten gleichzeitig auch approxi- mativ die Mengenverhältnisse fest, welche auf. den verschie- denen Kliminationswegen durch Perspiration, Harn- und Stuhlentleerung ausgeschieden werden. Genauer der elemen- taren Zusammensetzung nach wurde in neuerer Zeit vou Boussingault ?), Valentin ®) und Sacc ?) das Verhält- niss der Zu- und Ausfuhr bei Pferden, Tauben, Kühen uud Hühnern controllirt. Der Gewinn, welchen die Lehre vom Stoffwechsel aus !) De medicina statica Aphorismi Venet. 1614, 2) Mem. de l’Acad. de Paris T. I. p. 250. *) Tentamina physico-medica, London 1715. *) De perspirat. insensibili Sanctoriana, Leid. 1725. ») Physiologia. *) Edinburgh new philos. Journ. Nov. 1532, ?) Ann, de Chim, et de Phys. T. LXI. 1539. p. 128. *) Wagner's Handwörterb, d. Phys. Bd, I. S 367 seq. *) Aun, des scienc, natar Sept. 1847, 412 diesen mühsamen Versuchen ziehen konnte, ist leider nicht sehr gross. Es wird durch dieselben im Allgemeinen fest- gestellt, dass Zufuhr und Ausfuhr des lebenden Körpers ihre bestimmte Statik haben und dass die organischen Stofle, welche dem Organismus einverleibt werden, gewisse Meta- morphosen erleiden, um sodann theils als binäre durch Lunge und Haut, theils dagegen als quaternäre Verbindungen durch Nieren und Leber wiederum entleert zu werden. Die gros- sen Schwankungen, welche sich hierbei ergaben je nach der Beschaffenheit und Menge der aufgenommenen Speisen und Getränke, der Temperatur und der Feuchtigkeit der Athmosphäre u. s. w. machten indess bald klar, dass an ein tieferes Eindringen in das Wesen des Stofl'wandels auf diesem Wege nicht zu denken sei. Die Abhängigkeit, in welche dieser in alle functionellen Thätigkeiten tief eingrei- fende Vorgang von zufälligen Dingen, welche wie die Art der Nahrung die Lebensthätigkeit selbst nicht merklich alte- riren, gesetzt zu werden schien. mussten von vornherein zu der Ueberzeugung führen, dass in den Auswurfsmaterien die Residuen mehrerer, theils für den Lebensprocess we- sentlicher, theils weniger wesentlicher Processe sich verei- nigt finden dürften. Beide müssen geschieden werden, wenn die Lehre vom Stoffwechsel auf eine feste, für den weiteren Ausbau geeignete Grundlage gebracht werden soll. Zu die- sem Ende ist es unerlässlich zunächst nachzusehen, welche Bestandtheile des Organismus denn eigentlich gewechselt werden, sodann wie gross dieser Umsatz bei vollständig ab- geschnittener Zufuhr von aussen ist. Ist das Letztere fest- gestellt, so sind wir in den Stand gesetzt, den Einfluss der Zufuhr auf die Menge und Beschaffenheit der Auswaurfsstoffe zu bestimmen und somit auch in die Art ihrer Ver wendung Einsicht zu erhalten. Wir wenden uns zunächst zu der ersten Frage, näm- lich zu der, wo, in welchen Theilen des thierischen Leibes der Wechsel vor sich geht. Man kann hierauf mit Recht 473 die Antwort geben, dass alle Theile des Organismus eine beschränktere Dauer haben, als das Ganze, dass mithin alle gewechselt werden: allein damit ist wenig gewonnen, Es kehrt dieselbe Frage in etwas anderer Form wieder, näm- lich in der: in welchem Grade betheiligen sich die einzelnen Gewebe bei dem Wechel; unterliegen demselben vorzugs- weise die flüssigen Theile, die Säfte oder die festen Organe oder beide und in welchem Maasse? Was zunächst den Stoffwandel in den organisirten festen Geweben betriflt, so fehlt es, auch abgesehen von der Häu- tung oder Abschuppung der äusseren und inneren Flächen, die hier nicht in Betracht kommt, weil die abgestossenen Partikeln als solche unverändert entfernt werden, nicht an Belegen, welche die Möglichkeit desselben documentiren, Feste Exsudate, Knochencallus, Eiterablagerungen u, s. w. werden vollständig resorbirt, während andererseits nach Verletzungen Theile neu gebildet werden. Die augenschein- lichsten Belege dieser Art liefert zwar die Pathologie; allein insofern die Krankheit nur eine Modification des gesunden Lebens ist, lässt sich auch dasselbe für den Normalzustand annehmen. Indess auch die Physiologie bietet sichere Bei- spiele, wie die Bildung der Knochenhöhlen in den Kinder- jahren, das Verschwinden des Alveolarrandes der Kiefer im hohen Alter u. s. w. Alle diese Vorgänge nehmen indess einen grösseren Zeitraum in Anspruch, Nur sehr selten und spärlich finden wir die histologischen Spuren eines Entwik- kelungs- und Rückbildungsprocesses in den übrigen Geweben. Es leuchtet also ein, dass ein Wechsel‘ der Materie in den Organen zwar stattfindet, indess nicht lebhaft ist, also auch keinen bedeutenden Beitrag für die Bildung der den Total- umsatz repräsentirenden Exerete liefern kann. Die Haupt- quelle derselben ist also zweitens in den Säften zu suchen. Ihre Bestandtheile sind auch vermöge des Aggregatzustandes viel geeigneter, chemische Umsetzungen, wie sie hier in Be- tracht kommen, zu erleiden. Verfolgen wir die Spuren des 474 Wechsels im Blute, dem Urquell aller Säfte, so finden wir zunächst morphologische Andeutungen der Metamorphose iu den Blutkörperchen, deren beständiges Entstehen, Altern und Zerfallen durch zahlreiche Beobachtungen von Henle, Schultz und A. constatirt ist. Ob dieselben indess hierbei zu Bestandtheilen des Plasma’s werden, wozu sie vermöge ihrer chemischen Constitution geeignet sind oder gleich wei- ter zu Excretionsproducten sich umsetzen, bleibt. vorläufig dahingestellt. Der andere Theil des Bluts, nämlich das Plasma scheint nach Allem, was wir über die Vorgänge des vegetativen Lebens wissen, der Hauptheerd des Umsatzes zu sein. Im Organismus finden wir dasselbe in zwei Formen, welche zwar unter sich in steter Wechselwirkung und Austausch stehen, im Uebrigen aber streng geschieden sind. Einmal cireulirt es als Menstruum der Blutkörperchen in den Geläs- sen, das andere Mal finden wir es in den Interstitien aller Gewebe, welche es als Ernährungsflüssigkeit durchtränkt. Für den Stoffwechsel hat gewiss das Letztere eine grosse Wichtigkeit. Aus ihm gehen nämlich ‚alle Materialien für die Ernährung und Neubildung hervor, durch seinen Zutritt wird in den Capillaren das arterielle Blut zum venösen, in ibm dürfen wir daher einen Platz für die die Ausfuhr ein- leitende Metamorphose suchen. Dem Plasma innerhalb der Gelässe kann übrigens nicht, wie es hier und da geschieht, alle Theilnahme an diesen Vorgängen abgesprochen werden; wir werden vielmehr in der Folge sehen, dass bei der ge- wöhnlichen Ernährung der bei weitem grössere Theil der eingeführten Nutrimente schon hier zersetzt wird, um auf verschiedenen Wegen sofort wieder ausgestossen. zu werden, Dies sind die freilich dürftigen Anhaltspunkte, welche die Physiologie uns über den Ort des Stoflwandels zu bie- ien im Stande ist. Gehen wir mit diesen Vorbegriffen an die chemischen Verhältnisse des Stoffwechsels, so stossen wir bald auf Schwierigkeiten mancherlei Art, welche zuerst 475 durch Liebig’s Scharfsinn in ein klares Licht gestellt und bei der Entwerfung einer Theorie der Ernährung in Rech- nung gebracht wurden, Wir haben eben bemerkt, dass der Hauptsitz des Stofl: wechsels im Blutplasma in und ausserhalb der Gefässe ge- sucht werden müsse: die Bestandtheile desselben sind aber, abgesehen von der geringen Menge Fett, sämmtlich stick- stoffhaltige, in die Klasse der eiweissartigen Verbindungen gehörige Materien. Die Untersuchung der Respirationspro- duete stellt nun heraus, dass bei einer ganzen Classe von Thieren, den Pflanzenfressern nämlich, eine viel grössere Menge Kohlensäure ausgeathmet, als Kohlenstoff in der Form von eiweissarligen Körpern eingeführt wird. 1) Es war also klar, dass dieser Ueberschuss an Kohlensäure nicht von der Umsetzung der stiekstoffhaltigen Bestandtheile des Plas- mas herrühren könne: nur für die Fleischfresser liess sich die Ansicht festhalten. Um diese Schwierigkeit zu beseiti- gen, nahm man seine Zuflucht zu zwei verschiedenen Theo- rieen, von welchen jedoch keine hinlänglich durch Thatsa- chen festgestellt werden konnte, um auf allgemeine Aner- kennung Anspruch zu haben. 1) Liebig befolgte den einfacheren Weg und gewann durch .die Schärfe seiner Logik, durch die geistreichen An- wendungen und durch die lebendige Schilderung von Bele- gen zahlreiche Anhänger. Er nahm an, dass der Stofl- wechsel bei Pflanzenfressern und Fleischfressern wesentlich verschieden sei, dass bei den letzteren alle Kohlensäure aus zersetzten Organtheilen sich bilde, bei den ersteren dagegen grösserentheils aus den stickstofllosen Nahrungsstoflen, welche ausschliesslich zu diesem Zwecke verwandt wurden und die er desshalb Respirationsmittel nannte. Einen ge- ') Beim Pferde z. B. kann aul diese Weise nur ein Fünftheil der ausgeschiedenen Kohlensäure erklärt werden. 476 nügenden Beweis für die kühne Annahme, dass der Stoff- wechsel von der Art der Nahrung abhange, wurde jedoch nicht geliefert; der einzige Grund von Bedeutung blieb der, dass die Mengenverhältnisse der Respirationsproducte ver- glichen mit der Zufuhr diese Annahme zu fordern schienen. Die Physiologen konnten zahlreiche Einwendungen nicht unterdrücken: sie konnten sich nicht überzeugen, dass ein Vorgang, der wie der Wechsel der Materie so tief und viel- seitig bedingend und modifieirend in alle Lebenserscheinun- gen eingreift, lediglich von der Zufuhr abhangen solle; dass dieser Vorgang sogar ‚bei einem und demselben Individuo, je nach dem grösseren oder geringeren Stickstoflgehalt der Nahrung ein anderer werde. Die Belege, durch welche Liebig seine Theorie zu erläutern und zu stützen suchte, konnten vor einer ruhigen Critik grössereniheils nicht beste- hen: den anstrengenden Bewegungen, welche die fleischfres- senden Raubthiere instinktmässig zur Erzielung eines raschen Stoffumsatzes machen sollten, wurden mit Recht die noch grösseren Arbeiten mancher Pflanzenfresser, der Pferde z. B., die Fleischdiät des ein Stubenleben führenden Geschäftsmanns und die Pflanzenkost, welche der Tagelöhner im Schweisse seines Angesichts geniesst, entgegengestellt, 1) Einen posi- tiven. Gegenbeweis zu liefern, blieb jedoch unmöglich. Man beschränkte sich daher darauf, die’schwachen Seiten dieser Annahme hervorzuheben und ihr eine zweite mögliche Theorie gegenüberzustellen. 2) Valentin?) und Kohlrausch ®) stellten die Hy- pothese auf, dass die stickstofllosen Nahrungsstoffe unter Umständen mit stickstoffhaltigen Umsetzungsproducten sich 1) Vergl. die scharfe Kritik der Liebig'schen Thierchemie von 0. Kohlrausch. Göttingen. 1844. S. 53. 2) Wagner’s Handwörterb. der Phys. Bd. I. ») A. a. 0. S. 54. 477 au’ eiweissarligen Substanzen vereinigen könnten, welche letziere dann in derselben Weise verwendet würden, wie die direet eingeführten, Es würde auf diesem Wege die oben angedeutete Schwierigkeit gehoben; der Stoffwechsel könnte ungeachtet der Ungleichheit in der Zufuhr in gleicher Weise bei Pflanzenfressern, wie bei Fleischfressern vor sich gehen. Bestimmte Beweise konnten für diese Annahme nicht beige- bracht werden; sie blieb möglich, wenn auch nicht wahr- scheinlich. Um über diese Fragen zu einer bestimmten Entscheidung zu gelangen, ist es unerlässlich, die Grösse des reinen Stoff- wandels abgesehen von aller Zufuhr kennen zu lernen. Erst dadurch gewinnen wir den Maassstab, nach welchem wir die Verwendung der Ingesta bemessen können. Ist nämlich der Stoffwechsel im engern Sinne geringer, als man ihn bisher gedacht hat und sind die Auswurfsstoffe grösseren- iheils umgesetzie Ingesita, also Resultate eines im Blute vor sich gehenden Wechsels, so haben wir alle jene Hypothesen nicht nöthig. Die kleinen Mengen von eiweissartigen Kör- pern, welche die Pflanzenfresser geniessen, sind alsdann für den Wiederersatz genügend, die stickstofllosen können theils zur Fettbildung verwandt, iheils im oxydirten Zustande durch die Perspiration entfernt werden. Der Stoffwechsel ist dann bei Pflanzen- und Fleischkost ganz gleich, der Unterschied besteht dann lediglich därin, dass bei der ersteren die stick- stolllosen Materien hauptsächlich die Materialien für die Un- terhaltung des Respirationsprocesses liefern, bei der letzte- ren dagegen die sticksteflhaltigen. Im ersteren Falle bilden sich wenig Nebenproducte, im letzteren finden wir als solche grosse (Juanliläten von Harnstoff, Harnsäure u. s. w. Dies ist, wie die hier folgenden Versuche lehren, wirk- lich der Fall. Bei der Anstellung derselben wurde der Harn- stof als approximalives Maass des Stoflwandels angenom- men, Die Berechtigung hierzu hedarf, wie mir scheint, kei- ner weitläufigen Erörterung, Wir wissen mit Gewissheit, 478 dass der Stickstoff der umgesetzten Gebilde nicht als solcher oder in Form von Ammoniak ausgeschieden wird, sondern fast gänzlich als Harnstoff zu Tage tritt. Der Stickstoffge- halt der übrigen Harnbestandiheile, wie der extractiven Ma- terien der Harn- und Hippursäure u. s. w. ist nicht so be- trächtlich, dass dadurch die Vergleichung, um welche es sich ‘hier handelt, gestört würde. 1) Zu den Versuchen wurden ‘Hunde und Kaninchen ‘verwandt. Die Menge des von ihnen entleerten Harnstoffs wurde zuerst bei bestimmter vegetabilischer oder animalischer Diät festgestellt, sodann nach Entziehung jeder Zufuhr. Hier wurde der zweite und dritte Tag als Norm festgehalten, um der begründeten Ein- wendung, dass in Folge der Nahrnngsentziehung krankhafte Verhältnisse, Fieberbewegungen und Abnormiläten des Stofl- wechsels eingeleitet seien, nach Kräften zu begegnen, Das Gewicht der Thiere wurde alle 24 Stunden genau bestimmt und die Menge des während dieser Zeit entleerten Harnstofls auf 1000. Theile des Thieres berechnet. Von den Resultaten werden hier die allgemeineren mitgetheilt, in Betreff der ein- zelnen erlaube ich mir auf die beiliegenden Belege zu ver- weisen, Ein ausgewachsener gesunder Hund entleerte in 24 Stun- den bei Fleischnahrung 29,48 — 28,50 grm. Harnstoff, bei gemischter Nahrung 22,16 — 12,77 grm. Harnstoff, nach vollständiger Entziehung jeder Nahrung am dritten Tage 3,22 grm., am vierten 3,80 grm., am fünften 2,23 grm, Harnstoff, ‘) Die übrigen Quellen des Stickstoffverlustes können die Resultate nicht wesentlich beeinträchtigen. Von der Abschuppung der Epidermis und des Epitheliums darf angenommen werden, dass sie durch Entzie- hung und Darreichung von Nahrungsstoffen nicht beträchtlich verändert werde. Die Stuhlentleerung hört nach der Entziehung der Nahrung bald auf, der mit der Galle ausgeschiedene Stickstoff bleibt also im Organismus zurück. 479 Auf 1000 grm. des Thieres kommen in 24 Stunden: 1) bei Fleischnahrung 5,94grm. Harnstofl. 2) bei gemischter vegetabilischer Nahrung 4,43 grm. Harnstoff. 3) drei Tage nach Entziehung al- ler Nahrung 1,02 grm. Harnstoff. Ein Kaninchen wurde in derselben Weise behandelt. Am ersten Tage nach Entziehung der Nahrung war der Harn noch alkalisch und trübe; am zweiten Tage wurde er sauer und klar, er verhielt sich jetzt ganz wie der Harn der Fleischfresser. Am ersten Tage entleerte das Thier während 24 Stun- den im Ganzen 0,38grm. Harnstoff. Am zweiten 1,82 grm. - Am dritten 4,20 grm, - Auf 1000 grm. des Thieres kommen: Für den ersten Tag 0,223 grm. - Für den zweiten - 1,07 grm. - “ Für den dritten - 2.46 grm. - Am vierten Tag ging das Thier bereits zu Grunde. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen führte eine zweite mit Kaninchen angestellte Versuchsreihe, !) Es ergeben sich hieraus zunächst folgende wichlige Re- sultate: 1) Der eigentliche Stoffwechsel ist bei Pflauzen- und Fleischfressern derselbe, ') Vergl. Beleg 5. A. — Die geringe Menge von Harnstoff, welche am ersten Tage der Entziehung gefunden wurde, rührt von der schnel- len Zersetzung her, welche diese Substanz bei warmer Luft im alka- lischen Harn erleidet. Bei Analysen, die während des Winters ange- stellt wurden, ergaben sich viel grössere Mengen. Beleg 5. B. 480 2) Das Maass desselben 'ist viel kleiner als die Menge der bei gewöhnlicher Ernährung entleerten stickstoffhaltigen Excretionsprodukte zu fordern scheint. Das Verhält- niss ist bei Fleischnahrung wie 1 zu 6; bei gemisch- ter Nahrung wie 1 zu 4. 3) Das Maass des Stoffwechsels ist bei Fleischfressern und Pflanzenfressern nahezu dasselbe: Auf 1000 Theile Hund wurden in 24 Stunden 1,02 Theile Harnstoff ausgeschieden; auf. 1000 Theile Kaninchen 1,07 Theile. Die grosse Menge Harnstoff, welche von dem Kaninchen am 3ten Tage der Entziehung ausgeschieden wurde, auf 1000 Theile 2,46 Th. ist jedenfalls krankhaft; sie erklärt sich aus den Fieberbeweguugen, welche vor dem Hungertode, dem das Thier bereits am Aten Tag erlag, sich einzustellen pflegen. - Es fragt sich jetzt zunächst, wie gestaltet sich das Ver- hältniss bei vollkommen stickstoflfreier Diät. Nach der An- nahme von Valentin und Kohlrausch musste in diesem Falle die Quantität des Harnstoffs abnehmen, weil die stick- stoffreichen Umselzungsproducte sich mit den Kohlehydraten und andern stickstofllosen Verbindungen zu eiweissartigen Körpern combiniren sollten. Dasselbe müsste der Fall sein, wenn, wie die Liebig'sche Theorie verlangt, die Kohlehy- drate und die übrigen Respirationsmittel die eiweissarligen Substanzen des Organismus vor dem zerstörenden Einfluss des Sauerstoffs schützen könnten. Die Resultate der angestellten Versuche beweisen, dass weder das Eine noch das Andere angenommen werden darf. Die Menge des durch die -Stoflmetamorphose gebildeten Harnstofls ist nämlich bei vollkommen stickstoflfreier Nah- rung ebenso gross als bei vollständiger Entziehung. Der Hund, welcher am dritten Tage des Fastens auf 1000 Theile 1,02 Theile Harnstoff ausschied, entleerte wäh- rend er mit Oel und Amylum gefüttert wurde: 481 Am iten Tage auf 1000 grm. 1,04 grm. Harnstoff. „u tem Ile ned = 0,90 grm. - -dten = ne 1,07 grm. - \ Bei einem zweiten Hunde stellte sich ein ähnliches Ver- aältniss heraus. Das Thier secernirte am dritten Tage der Fütterung mit reinem Amylum 2,16grm. Harnstoff, am vier- ten 2,20grm., am fünften 2,02grm.: auf1000 Theile im Mit- 0,98grm. Harnstoff. !) Vergleichen wir die grosse Menge Harnstoff, welche die Fleischfresser bei animalischer Nahrung ausscheiden, mit der, welche dieselben Thiere während des Fastens und bei stickstoflfreier Kost entleeren (das Verhältniss stellt sich wie 6 zu 1), so kann uns über die Verwendung der überschüs- sig zugeführten eiweissartigen Verbindungen kein Zweifel bleiben. Sie werden schon im Blute durch den mittelst der Respirationsbewegungen herbeigeschafften Sauerstoff oxydirt und geben dabei als Nebenproduct eine grosse Menge Harn- stoff. Dasselbe ist der Fall mit dem grösseren Theil der stickstofffreien Nahrungsstoffe, nur mit dem Unterschiede, dass hier jenes Nebenprodukt fehlt und nur die Menge Harn- stoff gebildet wird, welche dem für den Lebensprocess er- forderlichen Umsatz entspricht. Die Rolle der Respira- tionsmittel im Liebig’schen Siune können also ebenso gut die stickstoffhaltigen, wie die stick stofffreien Nahrungsstoffe übernehmen: sie den letzteren ausschliesslich zu vindieiren, ist also nicht statt- haft. Der Hauptsitz der den Stoffwandel einleitenden chemi- schen Metamorphose ist nach dem eben Angegebenen im Blutplasma zu suchen. Die nächste Frage, welche sich uns *) Vergl. Beleg Nr. 4. Bemerkenswerth ist, dass während dieser Diät Spuren von Zucker durch die Trommer'sche Probe sich nach- weisen liessen. 31 Müllers Archiv. 1848, 482 hierbei 'aufdrängt, ist die, wesshalb die tiberschüssigen/Men- gen -eingeführter eiweissartiger Körper oxydirt werden, wäh- rend beim:Fasten, wo das Blutserum-noch immer reich an diesen Verbindungen ist, wo ferner ‚die Sauerstoffzufuhr keine, Beschränkung erleidet, der. Umsatz viel, kleiner , wird, und ein bestimmtes Maass nicht überschreitet. , Hierauf kön- aan wir. nur ‚diese, Antwort finden: das Blut ist vermöge des Baues der Gefässwandungen, des Drucks der Blutsäule, der Gesetze ,der Diffusion und anderer.noch nicht genügend erkannter ‚Verhältnisse auf einen bestimmten Concentrations- grad angewiesen, welchen es nicht, leicht für, die Dauer überschreitet. Aus, diesem Grunde wird im Uebermaass ein- geführtes Wasser, sofort durch die Nieren- und Hautthätig- keit entfernt, vermehrt sich nach der Mahlzeit die Kohlen- säureexhalation durch „Lunge und; Haut, au demselben Grunde wird überschüssiges Eiweiss in nn Form ‚ausgeschieden. 1), ‚Der _ Stoffwechsel. im, Blute steht daher in Bezug auf seine Intensität in sehr naher Beziehung zu dem Goncenirationsgrade des Blutplasmas. In demselben Maasse wie dieser sinkt, fällt auch die Quantität, der Harnstoffausscheidung. , Dieses Ver- hältoiss ‚wird, auf das Klarste durch eine zweite Versuchs- reihe nachgewiesen , welche ‚mit demselben Hunde, angestellt wurde, der .bereils,zu der ersten Reihe gedient hatte. Das Thier..war durch das anhaltende Fasten, die Fütlerung, mit stiekstoflloser, Nahrung, ‚den Aufenthalt in der Kellerluft ‚weit heruntergekommen, sein Blut arm geworden an festen Stof- fen, Es secernirte ; jetzt im, Ganzen während 24 Stunden am ‚zweiten Tage der Entziehung nur 1,40 grm, Harnstoff, am, dritien und vierten nur 0,83grm: bei der ersten Ver- suchsreihe dagegen wurde am 3ten Tage 3,22 grm., am 4’en 3,80grm. ausgeschieden, also wenigstens das Doppelte. ®) ') Bei einzelnen Individuen wird nach jeder Mahlzeit eine ge- wisse Menge Eiweiss unverändert mit dem Harn entleert. " u 2) Vergl. Beleg Nr. 3 2) 483 Zu einem ähnlichem Resultate in dieser Beziehung gelangie schon vor Jahren Becquerel auf einem anderen, indessen weniger entscheidenden Wege. Er fand nämlich bei allen sich durch‘ Blutarmuth auszeichnenden Krankheitsprocessen eine Zusammenselzung des Harns, welche er den anämischen Harn nannte und die durch das tiefe Sinken der Harnstoff- menge ausgezeichnet ist. Der Stoffwechsel betrifft nicht allein die organischen Substanzen, sondern auch in gleicher Weise die unorgani schen Verbindungen. Chlormetälle, phosphorsaures und schwefelsaures Alkali, phosphorsaure Kalk- und Talkerde ‚werden beständig mit dem Harn ausgeschieden, auch wenn jede Zufuhr tagelang abgeschnitten war. Bemerkenswerth ist in dieser. Beziehung, dass nach sehr lange fortgesetziem Fasten die Säuren, welche sich durch Oxydation des Schwefels u. s. w. beständig neubilden, all mählig das Uebergewicht über das Alkali erhalten: der Harn hinterlässt beim Verbrennen eine saure Kohle, die freie _ Phosphorsäure enthält. Endlich möge hier noch die Bemer- kung Platz finden, dass bei längerer Nahrungsentziehung die abgeschiedene Galle wenigstens zum Theil wieder resorbirt wird und mit.dem Harn austritt, Der Harn enthielt ganz constant Gallenpigment. Die Resultate,. welche sich in Bezug auf die specielle Physiologie und Pathologie der Harnseerelion aus den vor- © liegenden Versuchsreihen ergeben, werde ich mir erlauben, später nach Ergänzung der noch vorhandenen Lücken vor- zulegen. 484 Beleg Nro. 1. Nr. 1. Fleischkost. Farbe hellbraun. React. sauer. Spec. Gewicht 1030. Gesammtmenge des Harns in 24 Stunden 648 Grm. 1000 Theile enthielten: Wasser . 916,33 feste Bestandth. 83,67 Harnstoff 43,64 Salze . 15,96 Extr. Mat. Schleim 24,07 In 24 Stunden wurde. ent- leert : Wasser 594,06 Gr. feste Bestandth. 54,94 - Harnstoff . Salze 23,50 Gr 10,34 Gr. Extr. Mat. Schleim: 15,10 Gr. Nr. II. Gemischte Diät, Farbe hellbraun. React. sauer. Spec. Gewicht 1052. Gesammtmenge 200 Grm. 1000 Theile enthielten: Wasser 873,74 feste Bestandth, 126,26 Harnstoff 72,50 Salze 22,40 Extr. Mat. } Schleim ) ° .* Fb In 24 Stunden wurde ent- leert: Wasser 174,75 Grm. feste Bestandth. 25,25 - Nr. IH. Gemischte Diät. Erbsen, Kartoffeln u. Fleisch React. sauer. Spec. Gewicht 1030. Gesammtmenge 800 Grm. 1000 Theile enthielten: Wasser . 924,80 feste Bestandth. . 75,20 Harnstoff . . . . 36,86 Salze’. .", 16,09 Extr. Mat. } i Schleim |) ' a In 24 Stunden wurde en leert: Wasser 739,84 Grm feste Bestandth. 60,16 - Harnstoff . . 29,48 Grm. Harnstoff 14,62 Grm. Salze . 4,51 Grm. Extr. Mat. Schleim 612. Cm; Der Harnstoff krystallisirt frei- willig heraus. Salze. . . . 12,87 Grm Extr. Mat. } Schleim | 17,80 Grm. Farbe hellbraun. React. sauer. ‚Spec. Gewicht 1036. Gesammtmenge 384 Grm, 1000 Theile enthielten: Wasser 914,26 feste Bestandth.. 85,74 Harnstoff . 32,74 n Se ir NV =.: Extr. Mat, =... | mi In 24 Stunden wurde ent- | leert : Wasser 350,97 Grm. feste Bestandth. 32,92 - % >> Harnstoff . 12,77 Grm, 2 ” 9,79 Grm. Extr. Mat. Schleim | 10,36 Grm Nr. V. 485 Nr. VI. Erster Tag des Hungerns und | Zweiter Tag der Entziehung; Durstens. Farbe hellbraun. React. sauer. Specif. Gewicht 1032,5. Gesammtmenge 653 Grm. 1000 Theile enthielten: Wasser 915,00 feste Bestandth. 82,00 Harnstoff . 33,46 Salze . . 17,32 Extr. Mat. Schleim Sl,ge In 24 Stunden wurde ent- leert ; Wasser 599,45 Grm. feste Bestandth. 53,95 - Harnstoff 22,16 Grm Salze 11,00 Grm. Extr. Mat. . Schleim 20,38 Grm. Der Hund bricht aus und ver- zehrt einen kleinen Spei- serest, Der Urin von diesem Tage wurde nicht untersucht , sondern von dem folgen- den Tage. Farhe gelb. React. schwach alkalisch, Gesammtmenge 100 Grm. 1000 Theile enthielten: Wasser 896,00 feste Bestandth. 103,00 Harnstoff . . .... 45,76 Salzes .on - 30,26 Extr. Mat, Schleim on. 27,38 In 24 Stunden wurde ent- leert: Wasser . 89,66 Grm. feste Bestandth. 10,34 - Harnstoff . 4,57 Grm. Salze . 3,02 Grm. Extr. Mat. | 2,75'Grm. Schleim | ° Der larn enthält Gallenpig- ment. Die Asche ist stark alkalisch und giebt mit salpetersau- rem Silber einen gelben Niederschlag. = 486 Beleg Nro. 2. / Nr. VII. Dritter Tag der Entziehung. React. stark sauer. Farbe hellbraun. Gesammtmenge 44,40 Grm. 1000 Theile enthielten: Wasser . - 856,16 feste Bestandth. . 146,84 Harnstoff . 72,80 Salze 14,50 Schleim Extr. Mat. 56,14 Gallenpigment In 24 Stunden wurde ent- leert: “Wasser . . 37,66 Grm. feste Bestandth. 6,34 - Harnstoff . 3,22 Grm. Salze 0,65 Grm. Extr. Mat. Schleim | 2,47 Grm. Gallenpigm’ Die Asche reagirt alkalisch, wird durch salpetersaures Silber weiss gefällt, ent- hält ‘wenig Chlornatrium und schwefelsaures Alkali, " viel zweibasisch-phosphor- - saures Natron: Erdphosph. Nr. VII. Vierter Tag der ee Der Hund frisst reines Amy- Reaction stark sauer. Farbe hellbraun. Gesammtmenge 64 Grm, 1000 Theile enthielten: In 24 Stunden wurde ent-|In 24 Stunden wurde = Wasser . ..% 875,64 feste Bestandth. . 124,36 Harnstoff Salzeit ... .. . Extr. Mat. Schleim E 51,81 Gallenpigment ? Albumin leert: Wasser . 55,19 Grm. feste Bestandth. 7,81 - Harnstoff. 3,80 Grm. Salze . . . » 0,76Grm. Extr. Mat. Schleim 5 Albumin FH ichh Gallenpigment Asche schwach alkalisch. Uebrigens wie bei Nr. VI. Der Harn enthält geringe Mengen Eiweiss, viel Gal- lenpigment. 60,17 Harnstoff . 12,35 |Saze . . . Nr. IX. lum mit Oel, jedoch nu sehr wenig, Reaction sauer. Gesammtmenge 48 Grm. 1000 Theile enthielten: Wasser . 853, feste Bestandth. . Extr. Mat. Schleim Gallenpigment Albumin leert: Wasser . . 41,00 Gri feste Bestandth, Harnstoff . Salze Extr. Mat. Schleim Gallenpigment Albumin Beim Verbrennen hinterläss der Harn eine von frei Phosphors. saure Kohle. IX. Ben : und Oel zu sich, Gesämmtmenge 46 Grm. 1000 Theile enthielten: ur e 487 Nr. XI. Nr. XH. Der Hund nimmt etwas mehr|Der Hund hat wenig‘ ‚von| Das' Thier hat Amyluns, Oel obiger Kost gefressen. mit Kochsalz genossen. Reaction sauer. Farbe braun. Gesammtmenge 50 Grm. Harn sauer. Farbe dunkelbraun. Gesammtmenge 32 Grm. Specifisches Gewicht 1058. 1000 Theile enthielten: 1000 Theile enthielten : | Wasser ion. 865,76 | Wasser 0. 844,00 | Wasser . 7.) 848,03 feste Bestandth. ... 134,24 | feste Bestandth.. ... 156,00 | feste Bestandth.'. 452,00 "Harnstoff... .0 0 69,10 | Harnstoff su 0. 66,50 |Harnstoff . 62,40 Säke!! . . - 8,14 |Salze. . . + 43,00 [Salze 19,80 Extr. Mat. Extr. Mat. Extr. Mat. rg i 68,80 Albumin 61,00 Albumin .. 77,50 |Schleim Schleim Schleim Gällenpigwent Gallenpigment "In 24 Stunden wurde ent-|In 24 Stunden wurde ent=|In 24 Stunden wurde ent- leert: leert: leert: Wasser „39,84 Grm.| Wasser 27,00 Grm.) Wasser 42,40 Grm. feste Bestandth. 6,16 - | feste Bestandth. 5,00 - | feste Bestandtli. 7,60 -— n 72 Harnstoff 3,00. Grm.|Harnstoff . 2,13 Grm. | Harnstoff . 3,12 Grm. Salze ı. . 0,37 Grm |Salze . 0,41 Grm. |Salze 0,50 Grm. Extr. Mat. Extr. Mat. Extr. Nat. ! 3,4 Grm. im 2,78 Grm. Sehleim 2,16 Grm. Schleim |) Albumim | | Albumin Gallenpigment Gallenpigment Asche wie bei IX. sauer, Asche sauer. Asche schwach alkalisch. 488 Beleg Nro. 3. A. Erster Tag der Entziehung Reaction sauer. Farbe blassgelb. Specifisches Gewicht 1014. Gesammtmenge 720 Grm. B. Zweiter Tag. Reaction schwach sauer. Farbe gelb. Specifisches Gewicht 1030. Gesammtmenge 70 Grm. 1000 Theile enthielten: Wasser . 938,40 feste Bestandtheile 61,60 Harnstoff . . . 20,80 Salze . . Km d37R Extr. Mat. | 2 ee 19: 27,10 In 24 Stunden wurde ent- leert: Wasser 65,7 Grm. feste Bestandth. 43 - Harnstoff . 1,40 Grm. Salze 0,95 Grm. Extr. u. Schleim . . 1,89 Grm. C: Dritter und vierter Tag. Der Harn wurde am dri Tage nicht gelassen, wurde daher erst am des vierten untersucht für 48 Stunden verre: Reaction alkalisch. Specifisches Gewicht 1046. Gesammtmenge 80 Grm. 1000 Theile enthielten: Wasser 921 feste Bestandth. . Harnstoff . Salze . Extr. Mat. Schleim Gallenpigment In 48 Stunden wurde e leert: Wasser feste Bestandth. Harnstoff . Saze .... Extr. Mat. Schleim Gallenpigment in 24 Stunden wurde entleert: en ER feste Bestandtheile . Harnstoff . > \ Salze 2 g \ Extr. Mat. \ Schleim 2 ‚ Gallenpigment 36,5 Grm. 3,1 0,84 Grm. 0,64 Grm. 1,66 Grm. m ln m m 2 489 Sechster Tag. Das Thier ist weit herunter gekommen, fieberhaft. Harn sauer. Specifisches Gewicht 4050. Gesammtmenge 50 Grm. 1000 Theile enthielten: Wasser 2. ui. 0 0.937,00 feste Bestandthele . . . „ 63,00 Harnstoff . . . 40,00 Salze” "So um: 20 ale et. 12,49 Extr. Mat. Schleim A. 10,51 Gallenpigment In 24 Stunden wurde entleert: Wise. es feste Bestandtheile 46,8 Grm. 32 - Harnstoff . . . Er Er Extr, Mat. | 2,00 Grm. 0,70 Grm. Schleim 0,43 Grm Gallenpigment ‘490 Beleg KRro. 4. Ein Hund, gesundes, ausgewachsenes Thier, wurde vier Ta welche Kost er in grosser Menge zu sich nahm, sechsten und siebenten Tage untersucht. Oel gefüttert, Fünfter Tag. Harn neutral. Specifisches Gewicht 1009. Farbe gelb. | Gesammtmenge 240 Grm. In 1000 Theilen sind enthalten: 9,0 p. ne Harnstoff. In 24 Stunden“wurden also entleert: 2,16 Grm. Harnstoff, Sechster Tag. Harn neutral. Specifisches Gewicht 1005. Farbe blassgelb, Gesammtmenge 400 -Grm. In 1000 Theilen sind enthalten: 5,9 p. mille Harnstoff. In 24 Stunden wurden also entleert: 2,20 Grm. Harnstoff. ge lang mit sorgfältig gewaschenem Amylum, Zucker und‘ Der Harn wurde bei Fortsetzung dieser Diät am fünften Siebenter Tag. Harn schwach alkalisch. Specifisches Gewicht 1004. Farbe blassgelb. Gesammtmenge 422 Grm. In 1000 Theilen sind enthalten: 4,94 p._mille Harnstoff. In 24 Stunden wurden also entleert: 208 Grm. Harnstoff. ay1 you gay nu | aployıpurgsagg dagsay ofrayy, 6% on wı uarforıua sulzjf sasorp oJlaL 0007 “JDIM -39 ‘oods czuf uoA une win) 76 Pam ut uo8 -&L G puouyem “Monnyas uorojyy pun Joa ‘napp ru ‘aylaapua uayouluzyy souas -yo» modsne sopunsod ug | ur wong wm. 97% En "0X mage9g 9 272. ° 9° Sozıug wu 0%" ° ° yorsumey - 078 _ Mpaueisagg 91sa7 UI OB" Jasse a mapua apınMm uapuns 77 U] dus umapyog = us ? 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Von Prosector Dr. WıLHELM PETERS. (Mitgetheilt in der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin am 21. November 1848.) (Hierzu Taf. XVII.) Bisher waren unter den Amphibien nur bei den Croco- dilen besondere Drüsen bekannt, von denen der eigenthüm- liche durchdringende Moschusgeruch dieser Thiere herrührt : die von Cuvier entdeckten Kieferdrüsen, welche sowohl den eigentlichen Crocodilen als den Alligatoren zukommen. Zwar hat man auch die Analdrüsen, welche sehr allgemein bei den beschuppten Amphibien vorhanden sind, mit jenen in dieselbe Kategorie gestellt, aber diese sind sowohl in ihrem Bau als in der Beschaffenheit ihres Sekrets sehr von ihnen verschieden. Der Geruch, den die Crokodile verbreiten, ist so penetrant, dass man schon daraus sehr oft am Rande der Gewässer die Nähe dieses gefährlichen Reptils erkennt, ehe man es zu Gesichte bekommt. Einen ähnlichen Geruch fand ich bei einer kleinen Schild- krötenart, der Pelomedusa galeata Wagl. (Pentonyx capensis Dum. Bibr.), die in ganz Africa verbreitet ist, Indess waren lange Zeit meine Bestrebungen, die Organe, 493 welche die moschusartig riechende Materie absondern, aufzu- finden, vergeblich; Kieferdrüsen wie bei dem Crocodil wa- ren nicht vorhanden, und die Analsäcke wie die übrigen Eingeweide zeigten nur schwach einen wriderlichen, aber von jenem ganz verschiedenen Geruch. Ich hatte fast schon die Hoffnung aufgegeben, ein glück- liches Resultat meiner wiederholten Untersuchungen. über diesen Gegenstand zu erlangen, als ich im vorigen Jahre bei meinem Aufenthalte in Querimba (an der Ostküste Afrika's im 12° südl. Br.) eine grosse Anzahl derselben Schildkröten- art wiederfand, wo es: mir endlich gelang, bei dem Skeleti- ren mehrerer Exemplare die so lange vergeblich gesuchten Moschusdrüsen in ihrer verborgenen Lage zu entdecken. Sie liegen nämlieh gerade in den Winkeln, welche durch die Verbindung der Mittelbrustbeine mit den Randknochen entstehen, und die bei vielen Schildkröten nur mit Fett an- gefüllt sind. Die Anzahl dieser Drüsen ist demnach vier, zwei an jeder Seite; eine im vordern und eine im hin- tern obern Winkel der seitlichen Ausbuchtungen der Bauch- höhle gelegen. Sie sind von Fett umgeben und durch Bin- degewebe an die Beinhaut geheftet. Ihre Gestalt ist boh- nenförmig, die äussere Färbung bläulich-schwarz und ihre Länge beträgt 6—8 Linien. Der Ausführungsgang der vordern Drüse (Fig. 1. gl) aus der Mitte ihrer concaven Seite entspringend, dringt grade naclhı vorn durch den Kno- chen hindurch, und mündet nach aussen mit einer kleinen länglichen Spalte der Haut, nahe dem innern untern Rande des vierten Randschildes (Fig. 1. e). Die hintere Drüse Fig. 1. gl’) mündet auf dieselbe Weise in den vordern äus- sern Winkel der Schenkelgrube aus, neben der Mitte des innern Randes des achten Marginalschildes, in der Mitte ei- ner kleinen dreieckigen Fortsetzung der Haut, welche hier fest an den Knochen angewachsen ist, Was den Bau dieser Drüsen anbelangt, so besteht ihre äussere Hülle aus einer fibrösen glatten Haut. Unter dieser 494 liegt‘ ein«Muskelschlauch, der an der cohvexen Seite! der Drüse 4-4 Linie dick‘ ist, und dessen Bündel: nach den: Ausführungsgange hin 'allmählig ‚an Grösse ‚abnehmend sich verlieren. » Die ‚Primitivbündel dieses: Muskels zeigen unter dem Mikroskop eine deutliche Querstreifung. Eineschwache Lage: von Bindegewebe trennt den ‚Muskel von einer! innern Drüsenschicht; welche ihr Sekret’ in seine gemieinschaftliche Höhle ergiessty' die durch sehnige.‘Scheidewände in mehrere 'Zellen abgetheilt ist. Das Sekret selbst ist im frischen Zu: stande eine wässrige, braune, "geschmacklose Flüssigkeit, 'von durchdringendem ‚Geruch; röthet‘ das Lackmauspapier, und gerinnt in wässrigem Weingeist zu'einer schmierigen’Masse 1): Mikroskopisch betrachtet besteht es aus kleinen,‘ gekörnten, runden 'Körperchen und einer Flüssigkeit, die sehr bald in strahligen, den Pigmentzellen Be Haut ‘ähnlichen Figuren gerinnt, ) Auch ‘bei 'einigen andern verwandten Gattungen yon Schildkröten, an Exemplaren, die ‚sich auf dem’ Berliner Mu- seum befinden, und deren Untersuchung mir gütigst verstat- tet wurde, habe ich diese Moschusdrüsen wiedergefunden, Die- ses sind dieChelys Dum., Platemys Wagl., Sternotherus Bell, Chelodina Fitz., Cinosternon Wagl. und Stauroty- pus Wagl. BeiChelys’(matamataDum.), Platemys (marti- nella s. planiceps Wagl.und P.Hilarii Dum.Bibr.), Cinoster- non (scorpioides Wagl.) münden die Ausführungsgänge un- gefähr ebenso, wie bei Pelomedusa.: Bei Sternotherus (nigricans 'Dum. ' Bibr. und St. dentatus noy. sp.) und Staurotypus (odoratus Dum.; Bibr.), welcher letzterer auch schon längst durch’ seinen Moschusgeruch: aufgefallen ist, sind dagegen die vorderen Ausführungsgänge länger, be- ya rylägig 1) Auch das Sekret der Unterkieferdrüse des Crocodils, die einen ganz ähnlichen Bau hat, ist im frischen Zustand Müssig, und wird erst bei den in Weingeist aufbewahrten Exemplaren 'zu einer Schmiere, wonach. die’ Augabe Cuvier's'zu berichtigen ist, "495 sonders bei Staurotypus, wo die Oeffnungisich vor dem „vierten Randschilde, befindet. Auch sind die Drüsen die- ser beiuen. durch... die.'Schliessmuskeln. der Sternalklappen, welche den Raum zwischen dem Sternum und den mittlern -Rändschildern fast ganz ausfüllen, bedeckt. Eigenthümlich verhält sich Chelodina (flavilabris Dum. Bibr.) in dieser Beziehung; indem ‘die Ausmündungsstellen sieh, in den Rand- schildern selbst befinden, die vordern nahe dem vordern Rande des fünften, die.hintern in der Nähe des innern;Ran- des des siebenten Schildes. Alle diese Verschiedenheiten sind durch die beigefügten Zeichnungen, erläutert. ; + Ausser den erwähnten Gattungen scheinen diese Drü sen auch noch der Chelydra Schweigg. (Emysaurus Bibr. Dum.) zuzukommen. Leider konnte ich nur ein ge- trocknetes ausgestopftes Exemplar untersuchen, wo sich in der Haut neben der Verbindungsstelle des äten und 6ten, so wie auch des $Sten und 9ten Randschildes eine Stelle befin- det, die ganz so aussieht, wie eine natürliche Spalte. Ob die mir nicht bekannte Gattung Peltocephalus seitliche Moschusdrüsen besitzt, ist fraglich. Doch fand ich bei ganz jungen Podocnemis, ferner bei Emys, Cistudo keine Spur davon, und vermulhe, dass die den letztern so ver- wandten Platysternonund Tetraonyx auch in dem Man- gel dieser Organe mit ihnen übereinstimmen. Uebrigens fin- den sich dieselben ausschliesslich bei Gattungen der Familie der Sumpfschildkröten, indem sie bei sämmtlichen Seeschild- kröten(Chelonia, Sphargis), Flussschildkröten (Trionyx, Emyda), und Landschildkröten (Testudo,Homopus,Py- xis, Cinyxis) nicht vorhanden sind. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Die rechte Seite einer Pelomedusa galeata Wagl., an der das Brustschild entfernt und die Verbindungstheile zur Bloss- legung der Ausführungsgänge nufgemeiselt sind, von unten angesehen, 496 3 — 11 Randschilder. I — VII. Enden der Rippen. gl und gl‘ Moschusdrüsen mit ihren Ausführungsgängen und den Mündungen e und e/, in die Schweinsborsten eingeführt sind. Fig. 2. Durchschnitt der Moschusdrüse von Pelomedusa ga- leata, um die Muskelschicht m, die darunter liegenden Drüsen gl, die sehnigen Abtheilungen ' ihrer innern Höhle und ihre Mündung d zu zeigen. Die folgenden Figuren zeigen die Ausmündungen der Moschus- drüsen verschiedener Gattungen in ihrer natürlichen Lage; a Mündung der vordern, p der hintern Drüsen, Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ei EI Pelomedusa galeata Wagl. Platemys martinella Wagl. Chelys matamata Dum. Sternotherus nigricans Dum. Bibr. Staurotypus odoratus Dum. Bibr, Chelodina flavilabris Dum. Bibr. Ueber Vena azygos, hemiazygos und ceoronaria cordis bei Säugethieren. Von Dr. BARDELEBEN, Professor in ; Giessen. Obwohl die analomischen Verhältnisse der zum, System der Vena azygos gehörigen Venen von. Stark !) und be- sonders von Rathke, durch seine berühmten ‚embryologi- schen Untersuchungen ?), im Wesentlichen für aufgeklärt gehalten werden können, glaubt Verf. doch die Publication nachstehender Zeilen für gerechtfertigt ansehen zu dürfen, da er einestheils die Zahl der bisher in dieser Beziehung untersuchten Thiere um einige vermehren konnte, andern- theils aber auch eine von ihm. bisher vermisste Uebersicht der verschiedenen Anordnung gedachter Venen bei den Säu- gethieren zu geben und die bis jetzt nicht berücksichtigte Be- ziehung der Vena coronaria cordis zu der hemiazygos (oder aber dem linken Ductus Cuvieri) ‚hervorzuheben beabsichtigt. Die althergebrachten Bezeichnungen Azygos und Hemia- zygos behalte ich der Kürze wegen bei, obwohl es bekannt- lich richtiger wäre, statt dessen zu schreiben: Vena conju- 1) De venae azygos natura, vi atque munere, Lipsiae (ohne Jah- reszahl). 2) Dritter Bericht über das naturwissenschaftliche Seminar zu Kö- nigsberg. 1538. Müllers Archiv, 1848, 32 498 gata dextra und sinistra, oder Vena vertebralis posterior ma- jor dexira und sinistra, Die Verhältnisse, unter welchen diese Venen bei den Säugethieren auftreten, sind aber folgende: I, Azygos und Hemiazygos fehlen; ihre Stelle vertreten im Canal. spinal. gelegene Venen. — Cetaceen (v. Baer !)). II. Azygos und Hemiazygos sind beide vorhanden. 1) Jede von beiden ergiesst sich in eine Vena cava su- perior, deren linke zwischen dem linken Vorhof und den linken Lungenvenen abwärts zum Sulcus trans- versus des Herzens und in diesem dann an der hin- teren Seite zum rechten Vorhof verläuft, in welchen sie sich, unterhalb der Vena cava inferior, an der Stelle, wo beim Menschen die Vena coronaria cor- dis einmündet, ergiesst 2). — Monotremen, Beutel- thiere. Fledermaus, Igel, einige Nager, z. B, Mus (Rathke). Die Azygos mündet in die unpaarige Cava superior, die Hemiazygos direct in den rechten Vorhof (indem sie verläuft, wie bei IV, beschrieben ist), — Maul- wurf (Rathke). 3) Die Hemiazygos senkt sich schon in der Mitte der Brusthöhle in die Azygos, diese aber ergiesst sich in die Cava superior — Mensch, Affen. III. Nur die Azygos existirt, verläuft und endet wie beim Menschen, nimmt aber, bei dem gänzlichen Fehlen einer Hemiazygos, alle Intereostalvenen beider Seiten (bis zur Höhe ihrer Einsenkungsstelle in die Cava) auf. — Hund, Hyäne, Illis, Hermelin, Hase, Eichhörn- 2 = 1) Nova acta Acad. caes, Leop. Carol. Vol. XVII. P.I. 1835. p. 408, 2) Zwei Ven. cay. superiores habe ich als Varietät auch bei einem Hunde heobachtet; es existirte aber, wie beim Hunde normal ist, nur die Azygos und senkte sich am gewöhnlichen Ort in die-Cava superior dextra, IV. 499 chen, @Gürtelthier, Pferd (Rathke), Katze, Tiger, Esel, Tapirus amerie., Cavia (Verf.). Es ist hierbei gleichgültig, ob eine Vena cava sup. vorhanden ist, oder zwei, wie beim Eiehhörnchen. Nur die Hemiazygos existirt. Sie läuft am der linken Seite der Aorta nach vorn, nimmt in der Gegend des sechsten Intercostalraums von der rechten Seite her, ein aus mehreren Ven. intercost. dextr. entstandenes Stämmehen (Rudiment der Azygos); die übrigen Ven. intereost. beider Seiten einzeln auf, verlässt die Aorta da, wo die ersten Art. intercost. aus dieser entsprin- gen, und steigt nun in einem Bogen abwärts und nach hinten, dicht an der linken Seite der Art. pulmon. einistra, dem linken Vorhofe dicht anliegend, stösst nun mit dem im Sulcus transversus verlaufenden vor- deren Aste der Ven. coronar. cordis zusammen und verläuft dann selbst im Suleus transvers. weiter zu ihrer Einmündungsstelle in den rechten Vorhof, dicht unter der Vena cava inferior, nachdem sie kurz vor- her noch den hinteren Ast der Herzkranzvene aufge- nommen hat +). — Rind, Schaf, Schwein (Rathke). Dicotyles, Capra, Moschus javan. (Verf.) Hierher ‘gehören also wahrscheinlich alle Wieder- käuer, von den Vielhufern aber nur die Familie der Setigera, da Tapirus, obgleich sonst in jeder Bezie- hung den Schweinen so nalıe verwandt, doch in Be- 1) Stannius sagt in seiner „Vergleichenden Anatomie der Wir- belthiere“ p. 445: „Häufig aber überwiegt der linke Stamm den rech- ten und dann senkt sich dieser früher oder später in jenen, wodurch ein wirklich unpaarer Stamm (V. azygos) entsteht, der bald in den linken vorderen Hohlvenenstamm, bald in die gemeinsame vordere Hohlvene einmündet.‘* Hier muss unter „gemeinsame vordere Hohl- vene* jedenfalls der rechte Vorhof verstanden werden. Kurz vor- her steht ebendaselbst: „innerhalb der Bauchhöhle“* offenbar für: in- nerhalb der Leibeshöhle. 32 * 500 zug auf das Verhalten‘ .der Azygos ganz mitı.den Ein- hufern übereinstimmt +). Es: ist leicht ersichtlich, dass der Verlauf dieser Vena hemiazygos von der Stelle an, wo sie den vorderen Ast der Ven. coronaria cordis aufnimmt, zusammenfällt mit dem der Kranzvene 'des Herzens: bei andern Thieren und beim Men- schen, und dass man daher kürzer sagen kann: „Die Vena hemiazygos vergiesst sich in die Vena coronaria.‘ 2) Solcher- gestalt hätten wir dann-hier eins der auffallendsten Beispiele von dem: Hinabsinken: der Dignität eines Gefässes während der Entwickelung des Körpers. Die Hemiazygos, ursprüng- lich,; wenigstens in ihrem vorderen Stücke, eine der gröss- ten und wichtigsten Venen, wird so degradirt, ‚dass sie, welche Anfangs die aus dem Herzen kommenden Venenäst- ehen als geringen Zufluss mit aufnahm, zuletzt als Ast die- ser selben Herzkranzvene erscheint. Ebenso verhält es sich mit dem oben (II. 1.) genauer angegebenen. Verlaufe ‚der lin- ken oberen Hohlvene, wo'diese vorhanden. Das Stück Vene, um welches es sich hier handelt, ist in beiden Fällen der linke. Ductus‘ Cuvieri. . In diesen münden ursprünglich die aus der Herzsubstanz kommenden: Aeste ein, | Bleibt der linke Ductus Cuvieri in Verbindung mit der Vena jugular, sinistra, so. heisst er ‚späterhin linke vordere Hohlvene, und wir sa- 1) Auch die Anordnung, der aus dem Bogen der Aorta. entsprin- genden Arterien ist beim Tapir ganz so, wie sie sich bei den Einhu- fern findet. 2) Die Durchmesser- Verhältnisse stehen einer solchen Betrach- tungsweise nicht gerade entgegen. An dem ‚sehr. vollständig injieirten und ‚getrocknetem Herzen einer Ziege messen z. B.: der vordere. Ast, der Ven. coron. cord..“, 002 0202 0. 04 mm, Vena 'hemiazygos, kurz vor der. Vereinigung mit. diesem .. ö mm. der hieraus entstandene Stamm „1.2 2 02 022 20200.7. mm. der hintere, Ast der Vena coron. corlis . 2 2... +. .3'mm. das ‚gemeinschaftliche Endstück, dicht am Vorhof... =... 9 mm, so. dass also zu, einem ‚Geläss von. 9 mm. die hemiazygos mit 5, die coronaria mit 7 mm, beiträgt. 501 gen dann: die Kranzvenen münden in die linke vordere Hohl- vene. Entsteht zwischen der Vena jugul. sinistra und dex- tra eine, alles Blut aus jener in diese überführende Anasto- mose, und das Stück der Jugul. sinistra zwischen dieser und dem Duct. Cuvieri schwindet; so bleibt letzterer nur noch mit der Vena vertebr. poster. maj. in Verbindung, und man kann dann von einer Einsenkung der Venae coronariae cord. in die Hemiazygos (oder dieser in jene) sprechen. Ver- schwindet endlich auch diese Verbindung des Duct. Cuvieri, so bleibt von ihm nur dasjenige Stück, in welches die Ve- nenäste der Herzsubstanz einmünden, und dies wird als- dann als Vena coronaria cordis bezeichnet. Letzteres ist beim Menschen (mit Ausnahme der seltenen Varietäten) und bei der Mehrzahl der Säugethiere (bei allen unter I, I, 3, III. aufgeführten) der Fall. Es findet also in der That ein gänzliches Schwinden des linken Cuvier'schen Ganges bei keinem Säugethiere Statt. Auch‘ da, wo der bei weitem grösste Theil desselben zu Grunde geht, persistirt doch das Stück, welches im Sulcus transversus posler. des Herzens verläuft, als Stamm der Herzkranzvene, Ueber die Gallenorgane der wirbellosen Tbiere. Von Dr. J. G, Frieprica Wirt, Professor in Erlangen. E, ist bekannt, wie wenig sichere Anhaltspunkte die Mor- phologie bei einem grossen Theil der wirbellosen Thiere für die richtige und sichere Deutung derjenigen Organe gewährt, welche der Leber der Wirbelthiere und der höheren Wirbel- losen entsprechen. Man hat daher auch versucht, auf die Struktur des als Leber zu betrachtenden Organes die Deu- tung der Funktion zu gründen; ist aber insofern von einem unrichtigen Standpunkt ausgegangen, als man bestimmt cha- rakterisirte Leberzellen voraussetzte und dann überall da eine Leber annahm, wo man diese „‚Leberzellen“ fand. Un- richtig ist diese Voraussetzung, weil es eigenthümliche Le- berzellen, die sich von den Zellen aller anderen Sekretions- organe unterschieden, nicht giebt; wiewohl wir damit nicht sagen wollen, dass sich nicht die Secretionszellen der Leber mancher Thierklassen in vielen Punkten gleichen. Dagegen sind aber wieder die Leberzellen anderer Klassen dem Aeus- sern nach ziemlich verschieden von einander, so z. 'B. die der Gliederthiere und die der Mollusken. Dazu kommt noch, dass die Sekretionszellen aller Drüsen, welche ein specifi- sches Sekret absondern, im Wesentlichen mit einander über- 503 einslimmen. Es dürfte daher liusserst schwierig, wenn nicht völlig unmöglich sein, mit Sicherheit die Leberzellen ‘von den Sekretionszellen anderer Organe zu unterscheiden. ' Ich will als Beispiele nur die Gallen- ‘und die Harnorgane der Spinnen oder die Leber der Planarien anführen. Die: Zel- len’ der beiden genannten Organe der Spinnen von einander und die Leberzellen der Planarien von den übrigen in und am Darmkanal befindlichen Zellen mikroskopisch mit Sicher- heit zu unterscheiden, halte ich für geradezu unmöglich. Wenn nun auch gar nicht zu leugnen ist, dass manche ältere Ansichten berichtigt und in manchen Fälleu die Funk- tion der Organe, wie namentlich die der Malpighi’schen Gefässe der Insekten klar erkannt und nachgewiesen wor- den ist, so bleibt doch noch eine nieht unbedeutende An- zahl von Wirbellosen übrig, deren Gallenorgane man entwe- der gar nicht kennt oder wenigstens nicht mit Sicherheit als ‚solche ansprechen kann, so dass die Deutung der Organe vielfach schwankt. Desshalb ist es gewiss höchst wün- schenswertli, ein Mittel ausfindig zu machen, das geeignet ist, solchen Schwankungen in der Deutung der Organe zu begegnen. Mit dem chemischen Nachweis, dass die Mal- pighi’schen Gefässe nicht Gallen-, sondern Harnorgane seien, war und ist der ‘Weg schon angedeutet, den wir hier ein- zuschlagen haben, mit anderen Worten, es müssen die Se- krete chemisch geprüft werden, wenn uns die Morphologie und die Histologie keine sicheren Aufschlüsse geben können. Von dieser Ansicht ausgehend, habe ieh unter Anleitung und steter Beihülfe meines Freundes, Dr. E. v. Gorup-Be- sanez die muthmaasslichen Gallenorgane und deren Sekret chemisch genauer geprüft und theile in Folgendem die Re- sultate meiner Untersuchungen mit, wobei ich jedoch die morphologische und histologische Seite des Gegenstandes vorläufig übergehe, weil ich glaube, dass erst weitere und umlangreiehere Untersuchungen nothwendig siud, bevor 504 wir zu möglichst richtigem, ‚allgemeinen Resultaten‘ gelangen können. an ya Bei meinen ‘Untersuchungen fand ich nuny dass sich durch die Pettenkofer'sche Gallenprobe, wenn sie; mit den nöthigen Cautelen angewendet wird, bei allen wirbel- losen Thieren, die ich mir lebendig verschaffen konnte, nicht nur. nachweisen lässt, dass überhaupt ‘Galle 'abgesondert wird, sondern auch in den bei Weitem meisten‘ Fällen, welche Organe dieselbe secerniren. Ausdrücklich und wie- derholt muss ich jedoch darauf aufmerksam machen, dass es zwar leicht ist, die charakteristische‘ rothe Farbe durch die. Pettenkofer’sche Gallenprobe 'hervorzurufen, dasses aber ‚mitunter sehr schwierig ist, deutlich zu erkennen, von welchem ‚Organ die Sekretion der Galle ausgeht, denn nicht nur ist die genannte Gallenprobe so empfindlich, ' dass fast jede Spur von Galle angezeigt wird, sondern es treten auch, wie wir sogleich sehen werden, Umstände ein, welche leicht dazu verleiten können, dieses oder jenes Organ als Gallen- organ anzusehen, was es aber in der That nicht ist. » Zwar bin ich noch nicht im ‘Stande, alle ‚die Umstände aufzuzäh- len, welche störend einwirken; ‘ich will 'aber wenigstens einige Erfahrungen dieser Art anführen. Dass die zu unter- suchenden Thiere nicht in’ Weingeist gelegen ‘sein "dürfen, auch nicht einmal ganz kurze Zeit, versteht sich wohl von selbst. Die Galle zieht sich ausserordentlich schnell'in die Darmhäute und selbst in die umliegenden Organe und stört natürlich auf‘ diese Weise eine gründliche "Untersuchung Ebenso dürfen die Thiere nicht,länge gefangen‘ gehalten wor- den sein, ehe man sie tödtet.: "Von Krebsen, die etwa drei Wochen gefangen gehalten und’ nicht gefültert worden 'wa- ren, ‘wurden die sogenannten smaragdgrünen Drüsen, ein Theil der Muskeln im Thorax und ändere Organe‘ bei, der angestellten Probe schön und lebhafl geröthet, ja! bei einem dieser Krebse, der bereits 24 Stunden vor’ der Untersuchung abgestorben war, rötheren sich sogar die Muskeln aus dem 505 letzten ‚Hinterleibssegment. Aehnliche Erfahrungen habe ich auch an Inseklen gemacht, die Tage oder- Wochen lang ohne Nahrung gehalten worden waren. Selbst bei frisch gefan- genen Thieren zeigten‘ sich mitunter in anderen Organen, namentlich in den Harnorgauen, oder im Blute, Spuren‘ von Galle. Nicht minder störend sind;mänche Pigmente, welche durch die Schwefelsäure geröthet: werden; allein bei einiger Uebung und bei wiederholt angestellten Gegenproben erkennt man ‚leicht die charakteristische, in das Violetie ziehende Röthe, welche auf Galle hinweist, während die durch Säu- ren hervorgerufene Röthe der Pigmente immer eine hoch- gelb- oder sehmutzigrothe ist. Bezeichnend für die Gallen- organe scheint es, wenigstens nach meinen bisherigen Un- tersuchungen, zu sein, dass sie nach dem Zusatz der Säure zuerst mehr oder weniger grün werden. Besonders deul- lich tritt dies hervor, wenn man das Objekt mit einer Glas- platte bedeckt und elwas quetscht, ‚so dass die Einwirkung der Säure langsamer von Statten geht Ist die rothe Farbe einmal entstanden, was bekanntlich immer erst einige Zeit nach erfolgter Mischung geschieht, ‘so zieht sie sich in fast alle zufällig dem Objekte beigemengten Theile, wie z. B. in die Muskeln, in die Darmhaut, in die äussere Hülle der Tra- cheen, bei Entozoen in die äussere Haut u. s. w. Dies kann natürlich ebenfalls Täuschungen veranlassen, denen ınan nur dadurch entgeht, dass man mit der grössten Sorg- fall, wo es überhaupt anwendbar ist, das Organ, dessen Sekret ıman auf Galle prüfen will, so viel wie möglieh von allen anderen trennt und einzelne Drüsenzellen, welche das Sekret enthalten, unter dem Mikroskop fortwährend im Auge behält, um die Auflösung und Veränderung des; Zelleninhal- tes selbst beobachten zu können, Unter Anwendung der‘ eben bezeichnelen : Vorsichts- maässregelu habe ich Repräsentanten aus allen mir zugäng- lichen Klassen der Wirbellosen untersucht. 506 In Bezug auf den Flusskrebs, auf sämmtliche einheimi- sche Land- und Süsswasserschnecken und auf die Teichmu- schel, bei denen über die Leber kein Zweifel sein kann, er- wähne ich nur, dass bei allen ohne Ausnahme die angestellte Probe sich bewährt hat. : Bei den Amphipoden ( Gammarus pulex), sowie bei den Isopoden (Oniscus murarius, Porcel- lio scaber, Porc. pietus, Armadillo vulgaris, Asellus aquat)- cus), sondern die langen scheinbar varikösen Blindschläuche, welche hinter dem Magen in den Darmkanal einmünden, die Galle ab. Bei den Lophyropoden (Daphnia sima, D. magna, Cyelops quadricornis) scheint eine blinddarmige Le- ber theils um, theils unter dem Darmkanal zu liegen. In der Klasse der Insekten sind im Allgemeinen immer diejenigen drüsigen Ueberzüge und Anhänge, welche um so- genannten Chylusmagen liegen, als Leber zu betrachten, sei es, dass sie nur als eine Schicht einzelner kleiner Drüsen zwischen den Häulen des Chylusmagens oder des Darmroh- res liegen (Geotrupes stercorarius L., Astynomus aedilis F., Blaps mortisaga, Forficula auricularia, Vespa vulgaris, Apis mellifica, Bombus hortorum, B. terrestris, B. lapidarius, Eri- stalis tenax, Musca vomitoria, M. domestica, Libellula vul- gata, Sphinx Atropos, Ranatra linearis, Notonecta glauca, Raphigaster griseus, Pyrrhocoris apterus), oder sei es, dass sie in Form von kleinen blinddarmigen Zöttchen (Dytiscus marginalis) oder von grösseren cylindrischen Blinddärmen (Grylius grossus, Gr. caeruleus, Aeridium subulatum), oder von einfachen Ausstülpungen (Acheta sylvestris, Locusta vi- ridissima) erscheinen. Von den Larven der Schmeiterlinge (Cossus ligniperda, Bombyx salieis) reagirt die Haut des ganzen Magens, doch ist es schwer, nur mit einiger Sicher- heit zu sagen, ob in diesem Falle nicht die in den Magen befindliche Galle Täuschungen veranlasst, indem ich bisher keine Gelegenheit hatte, Raupen zu untersuchen, deren Ma- gen nicht völlig gefüllt war. Auch bei den Larven von Aeschna und Libellula reagirte der ganze,Magen, doch schei- 507 nen die Drüsen mehr an der "hinteren Hälfte desselben an- gelagert zu sein. Derselbe Fall ist es mit den Larven ein- zelner Käfer (Rhagium bifasciatum, Astynomus aedilis). Ei- nen Unterschied in der Struktur der Leber habe ich nur in- sofern. wahrnehmen können, als dieselbe in den Füllen, wo sie zwischen die Häute des Magens gelagert ist, immer aus einzelnen kleinen Drüsen zu bestehen scheint (besonders bei Apis und Bombus), während die kleineren und grösseren Ausstülpungen unmittelbar als Leber zu betrachten sind, da die Sekretionszellen in der ganzen Ausdehnung der Anhänge unmittelbar an einander liegen und bis an oder besser in die Höhle der Anhänge selbst reichen. Unter den Flügello- sen haben die Puliciden und die Scolopendren (Scol. cole- optrata, Lithobius variegatus) die Drüsenschicht, welche die Galle absondert, besonders an der zweiten Hälfte des Ma- gens entwickelt. In Bezug auf die eigentlichen Spinnen (Tegenaria do- mestica, Theridium varians, Epeira diadema, E. calophylla) bestätigen meine Untersuchungen die Beobachtungen, nach welchen die bräunliche Leber aus einer beträchtlichen Menge von traubenförmig angeordneten Blindsäcken besteht, welche zum Theil mit Harndrüsen untermengt, fast unmittelbar un- ter der Pigmentschicht liegen, die sich zunächst an die äus- sere Haut anlegt. Da diese Blindsäcke sowohl untereinan- der, als mit den Harudrüsen eine ziemlich compacte Masse ausmachen, so kann man Leber und Harndrüsen einerseits und die Pigmente andererseits schwer von einander trennen, doch sind sie deutlich zu unterscheiden, wenn man die Prä- parate nur mit halbem (durchfallenden) Lichte betrachtet. Ausserdem giebt das chemische Verhalten der drei verschie- denen Gebilde den besten Aufschluss; ‘die Leber erkennt man durch die Pettenkofer'sche Probe; das in den Harn- dräsen befindliche Guanin wird durch Salzsäure gelöst, kry- stallisirt aber später aus dieser Lösung, namentlich wenn elwas Wasser zugesetzt wird; die Pigmente bleiben aber, 508 mit Salzsäure behandelt, ziemlich unverändert. Dass die Leber der Spinnen nur zusammengedrängt und in der That sehr stark ‘entwickelt ist, beweist die Bildung derselben bei den Phalangiten (Phalangium opilio). «Hier sondern‘ nämlich sämmtliche blinddarmige Anhänge am Magen Galle ab, was natürlich eine verhältnissmässig bedeutende 'Gallenabsonderung bedingen muss. '' Die Blindsäcke selbst scheinen eigentliche Leber zu sein, denn ich konnte nirgends kleinere Drüsen zwi- schen ihren Häuten vorfinden. ' Ueberdies befinden‘ sich in den blinden Enden dieser Anhänge unentwickelte Absonde- rungszellen, was ebenfalls als Beweis dafür ‘gelten kann, dass sie selbst als Drüse zu betrachten sind. Von den Aca- riden wurden Gammasus coleoptratorum und Acarus dome- stieus untersucht. Dass diese Thiere Galle absondern, un- terliegt nach den angestellten Proben keinem Zweifel; ‘welche Organe aber (ob die an dem Magen befindlichen‘ Blind- schläuche) als Leber anzusehen sind, liess sich bei der ge- ringen Grösse der Objekte nicht mit Sicherheit bestimmen. Bei den Hydrachnen (Hydrachna crueiata) sind die Magen- anhänge, welche im Hinterleibe nach oben und besonders an der Seite des Darmkanals liegen, Gallenorgane. An dem Darmkanal von Lumbricus agrieola ist die Schicht gelblieher Drüsen, welche vom Muskelmagen bis fast an den After reicht, Leber und sondert eine nicht un- bedeutende Menge Galle ab. Aehnlich ist das Gallenorgan der Naiden construirt, Die Hirudineen haben zum Theil lange fadenförmige Gallendrüsen, welche den ganzen Darm- kanal in der Gestalt eines bräunlichen Gewebes einhüllen Hirudo officinalis, Haemopis vorax, Aulacostoma nigrescens, Helluo vulgaris, Piscicola. geometra), zum Theil kleinere, dieht'an dem Darmkanal anliegende Blindsäckchen, welche die Galle absondern (Clepsine bioculata, Cl. complanata). Der Darmkanal der Planarien (Dendrocoelum lacteum , Pla- naria torva, Pl. nigra) ist fast in seiner ganzen Ausdehnung mit’ einer Schicht bräunlicher Drüsen umgeben. Gelingt es, 509 ein Stück des Darmkanales ‚möglichst zu isoliren,. so, sieht man. deutlich, ‚dass: die Zellen dieser Drüsen Galle enthalten, indem sie bei den Anwendung der Gällenprobe sich eben so verhalten, wie..die Galle secernireuden Zellen in der Leber der höheren Thiere. Von den 'Entozoen konnte. ich ‚leider nur zwei Tänien (CT. lanceolata und. T. multistrieta), Distoma duplicatum B. und Angiosloma limacis Duj. untersuchen...) Alle vier Arten zeigten. die Reaction auf das Deutlichste, allein bei den Tä- nien ‚uud dem Distoma konute ich das ‚Galle absondernde Organ. nicht ermitleln. ‚Die Beobachtungen. an dem Distoma aus der Niere der Teichmuschel' und an dem Angiostoma limaeis aus dem‘ Urin‘\und aus. dem. Schleim. eines Limax agrestis sind umso interessaufer, ‚als ‚sie. von. vornherein dem ‚etwaigen Einwand, die Galle, welche bei den Entozoen dureh, die.Gallenprobe nachgewiesen werden kann, ‚sei me- ehanisch oder als Nahrungsstofl, aus dem thierischen Körper aufgenommen, in dem sie lebten, begegnen... Die Individuen von Angiostoma, welche ich zu. diesem Behufe untersuchte, waren aus dem Urin und dem‘ Schleim‘ eines Limax 'genom- men, der schon länger, als drei Wochen abgestorben und grösstentheils in Fäulniss übergegangen war, so dass jeden- falls die leicht zersetzbare Galle nicht mehr als solche im oder am Körper des Limax vorhanden war. Ausserdem wurden sie auch noch mit reinem Wasser abgespült und 48 Stunden in reinem Wasser lebend gehalten worden. Die Leber besteht bei Angiostoma aus kleinen Zellen (ob Drü- sen?), welche am Darmkanal, hauptsächlich am Magen un- mittelbar hinter der kolbenförmigen Auftreibung des Schlun- des, liegen. Von den Infusorien wurden mehrere Arten der Gattun- gen Vorlicella, Epistylis und Bursaria untersucht. Bei al- len diesen Thieren trat die charakteristische Rölhung ein, nachdem sie vorher im Innern um die sogenannten Magen- blasen herum grün geworden waren. Wollte man vielleicht 510 einwenden, dass die Bursarien, da sie aus dem Darmkanal ei- nes Fırosches genommen waren; Galle von aussen aufgenom- men hälten, so muss ich dagegen bemerken, dass sie zuerst sorgfältig mit Wasser abgespült und dann noch mehrere Stunden in reinem Wasser gehalten wurden. Die Vorticel- len und Epistyliden aber wurden von den Füssen einiger Hydrachnen abgelöst, so dass eine Verunreinigung durch Galle nicht im Geringsten wahrscheinlich ist. Schliesslich füge ich noch einige Worte über die Me- thode der Untersuchung hinzu, der ich mich mit vielem Vor- theil bedient habe. Von einer stark gesättigten Zuckerlö- sung breite ich auf einer Glasplatte einen Tropfen aus und bringe das auf das Sorgfältigste isolirte Organ, dessen Se- kret auf Galle geprüft werden soll, in dieselbe. Nachdem es nun unter eine etwas schwächere Vergrösserung genom- men worden ist, wird aus einem Tropfgläschen concentrirte Schwefelsäure zugesetzt. Auf diese Weise kann man genau alle Veränderungen beobachten, welche mit den Sekretions- zellen und ihrem Inhalte vor sich gehen. Erlangen im Oktober 1848, Embryologie von Nemertes. “ „Von E. Desor 1). (Hierzu Tafel XVIII und XIX.) Es giebt keine Gruppe von Thieren, deren natürliche Verwandt- schaften schwerer festzustellen sind, als die der sogenann- ten weissblütigen Würmer. Nicht nur die Familie und Ord- nung, sondern selbst die Klasse und in gewissen Fällen das Reich (Departement), zu dem sie gehören, ist ungewiss. Es liess sich daher erwarten, aus dem Studium ihrer embryo- logischen Entwickelung einige Aufklärung zu erhalten, nach dem Grundsätze, dass jeder Typus des Thierreiches in die- ser Beziehung ein eigenthümliches Gesetz befolgt. Diese Be- trachtung, verbunden mit dem Interesse, das von selbst mit allen embryologischen Forschungen verbunden ist, verleitete mich, die Entwickelung der Nemertes zu verfolgen. Die Nemertes sind Würmer des Meeres von sehr ein- facher äusserer Gestalt, ohne äussere Kiemen, und ohne An- hänge irgend einer Art ?). Einige derselben sind sehr lang 1) Aus dem Journal Boston. Soc. Nat. Hist., Oct. 1848. übersetzt von Dr. W. Peters, 2) Die Anatomie der Nemertes ist sehr sorgfältig von dem aus- gezeichneten französischen Naturforscher Mr. de Quätrefages unter- Müllers Archir. 1848, 33 512 und bandförmig, wie Taenia; andere sind dünn, wie ein Faden; aber die meisten sind klein und von der Gestalt des gewöhnlichen Regenwurms. Unter den Arten dieses Typus, welche man an den Küsten Neu-Englands findet, giebt es eine, welche der Nemertes olivacea Johnst. sehr ähnlich ist. Sie ist 14 bis 2 Zoll lang, und besitzt dieselbe dunkel- grüne Färbung, aber ohne den rothen Kopf, weshalb ich sie mit dem Namen Nemertes obscura (Fig. 1.) bezeichnen werde, Sie lebt unter Steinen und Seegewächsen am Strande, zwi- schen der Grenze von Ebbe und Fluth. Mehrere Specimina dieser Art wurden in Ost-Boston, gegen Ende Januars 1848, gefunden; sie wurden in einem steinernen Gefässe aufbe- wahrt, worin sie sich mehrere Monate gut erhielten, indem Sorge getragen wurde, das Wasser täglich zu erneuern. Am 12. Februar sah man am Boden des Gefässes einen gelb- lichen gelatinösen Strang (Fig. %.), der, wie sich fand, aus Eiern bestand, Er war während der Nacht gelegt worden, und merkwürdigervwveise fast ebenso breit wie das Mutter- thier... Als ich ihn mit einem Vergrösserungsglase betrachtete (Fig. 2. 3), fiel mir die unregelmässige Verbreitung der Dot.» terkugeln auf,; Austatt isolirt und von einer freien eiweiss- artigen Flüssigkeit umgeben zu sein, fand ich mehrere der- selben: in darchscheinenden gelatinösen Säckchen vereinigt *), die durch eine Art von Hals oder Stiel‘ an einem centralen Strang befestigt zu sein schienen, wie ein Bund Zwiebeln. Die Säckchen selbst sind gewöhnlich sphärisch, mit Aus- nahme der terminalen, die verlängert und an ihrer Basis ab- geschnitten sind. Der Stiel, durch den sie festhängen, ist hohl, ‚und der ganze Körper hat eine auffallende Aehnlich- sucht worden (S. Cuvier, Regne animal illustre). Die Species der Küsten Englands sind von Johnston im Magazin of Zool, and Botany vollständig beschrieben worden. *) Dieselbe Eigenthümlichkeit findet man bei verschiedenen Arten von Eolis, wo gewöhnlich 3—4 Dotter in Einem Ei sind. 513 keit mit einer Florentiner Oelflasche (Fig. 3.), weshalb ich sie im Folgenden Flaschen nennen werde. Die Zahl der Dotter, welche in einer Flasche einge- schlossen sind, beträgt gewöhnlich drei oder vier, selten mehr als sechs oder weniger als drei. - Dessenungeachtet habe ich einige gesehen, die zehn oder selbst eilf enthielten, und auf der andern Seite einige mit nicht mehr als einem, wo dann die Kugel gewöhnlich grösser ist. Endlich fanden sich einige am Ende des Stranges, die gar keinen Dotter enthielten, sondern nur eine durchscheinende Flüssigkeit. Wenn sie angehäuft liegen, so werden die Dotter, die an und für sich sphärisch sind, an den Berührungspunkten ab- geplattet, woraus hervorgeht, dass sie von weicher Consi- stenz sind. Die transparente Flüssigkeit, von der die Dot- ter umgeben sind, ist derjenigen ähnlich, die sich in den Eiern der Mollusken findet, und gewöhnlich Eiweiss genannt wird, wegen ihrer Aehnlichkeit mit dem Eiweiss höherer Thiere. Aber physiologisch genommen ist sie in keinem von beiden Fällen wahres Eiweiss, obgleich sie eiweissähn- lichen Stoff enthalten mag. Sie ist nichts mehr oder weni- ger als, um so zu sagen, die Mutterflüssigkeit, die durch- sichtig wird, so wie sich die Doltermasse verdickt, und die ich Biogenflüssigkeit (biogen liquid) zu nennen vorschlage, wegen ihrer grossen Wichtigkeit in der Em- bryologie. !) Das Keimbläschen und der Keimflevk, so deutlich in dem Ei des Ovariums ?), sind nach seinem Austritt voll- sländig verschwunden. Wenigstens war ich niemals im Stande, sie zu unterscheiden, nachdem es gelegt war; statt dessen finden wir in jeder Dotterkugel einen oder mehrere 1) S, Proceedings of the Boston Soo. Nat. Hist., 9. July 1848. 2) 85. Johnston, Miscellunea zoologica, in dem Magazin of zool. and botany, Vol. I. Pl. 17. fig. 2 und 6. Nach Johnston findet man die Eier in kleinen Massen zu jeder Seite des Darmkanals. 33 * 514 helle ‘oder halbdarchsichtige Flecke, ohne bestimmte Contour, die von den Embryologen als Oeltropfen oder helle Wlsdken beschrieben sind. (Fig 3—13) *) *) In Folge der verschiedenen Meinungen ‘über die Natur und den Zweck dieser Flecke, habe ich selbst grosse Mühe auf ihre, Unter- suchung verwandt, in.der Hoffnung einiges zur Lösung dieser schwie- rigen Frage beizutragen. Folgendes enthält die Resultate meiner Be- obachtungen. ve Wenn man die Flaschen comprimirt, so sieht man am Rande der Dotterkugeln kleine transparente Bläschen gleich Brüchen. (Fig. 4a u. 5a.) Wegen ihrer scharfen Contouren war ich zuerst versucht, sie für Bläschen zu halten, aber da ich sah, dass sie, beı zunehmendem Druck ihre Gestalt verlängerten, und dass eine grosse Blase in eine Anzahl kleiner mit denselben scharfen Contouren zerfiel (Fig. 6b u. 7b), änderte sich meine erste Ansicht, und es schien mir offenbar ein klebriges Fluidum zu sein, das wegen der Cohäsion seiner Theile diese bestimmten Formen annahm „. wie wir sie an einem Oeltropfen sehen. Bei einem zweiten Versuch, der .an,einer andern Eiermasse angestellt wurde, beobachtete ich Folgendes: Eine Flasche, die mehrere Dotter- massen enthielt, wurde unter ein Compressorium gebracht, und, indem sie mit grosser Vorsicht comprimirt wurde, gelang es mir, eine der Dottermassen, ‘in welchen der klare Fleck sehr deutlich war, nach und nach zum Bersten zu bringen. Während die Dottermasse heraus- schlüpfte, wurde der Fleck isolirt (Fig. 8.d.) und obgleich ich eine starke Vergrösserung anwandte (400 Durchm.), konnte ich doch keine Spur weder von Nucleus, noch irgend eines andern Körpers in dem- selben finden. Jedoch liess sich die Blase in jeder Richtung mit gros- ser Leichtigkeit bewegen, so dass ich sie selbst aus der Flasche her- ausschlüpfen und sich in dem Strom: der Dottermasse bewegen sah. Sie hatte eine ausserordentliche Flexibilität, beugte und ‚wand sich nach jedem ihr begegnenden Hindernisse, und nahm die verschieden- sten Formen an, wie in Fig. 9—12 sichtbar ist. Diese ausserordent- liche Flexibilität, in Verbindung mit dem Factum, dass ich keine be- kleidende Membran erkennen konnte, überzeugte mich, dass es ein blosser Tropfen zusammenhängender Flüssigkeit ist. Als ein anderer Dotter rascher gequetscht wurde, konnte ich keine grosse Blase bemerken, sondern statt deren viele kleine helle Flecke von demselben limpiden Anschein, ohne Nucleus, woraus ich schliesse, dass der grosse Tropfen in viele Fragmente zerbrochen war, wie in dem Falle, den Fig. 6 und 7 zeigen. 515 " Die Dottersubstanz ist ‘keine homogene Masse, noch einfach körnig, ‘wie es auf den ersten Anblick erscheint, sondern sie ist zusammengesetzt aus einer Anhäufung von Zellen, die deutliche Kerne zeigen, wie sich bei einer Ver- grösserung von nur 150 Diameter zeigen lässt, und bei ei- ner A400fachen Vergrösserung sehr deutlich ist (Fig. 8.). So lange der Dotter ganz ist, haben die Zellen, weil sie gegen einander gedrückt werden, eine eckige Form; aber sobald der Dotter geplatzt ist, ‘werden sie sphärisch. Jede Zelle enthält gewöhnlich nur einen Nucleus, der auch eine Zelle zu sein scheint; wenigstens ist er durchscheinend, wie die Zelle selbst. (Fig. 8.) In dieser Entwickelungsperiode, d. h. ehe die Furchung beginnt, findet sich keine Spur von sichtbarer Membran um die Dotterkugeln. Es scheint, dass die natürliche Klebrig- keit der Dottersubstanz hinreichend sei, sie in einer sphäri- schen Gestalt zu erhalten. Der ölartige Tropfen des Innern lässt sich selbst herauspressen, ohne den Dotter zu spren- gen. Um ihn zu brechen, ist es nöthig, ilın mehr oder we- niger zu comprimiren, und dann sieht man ihn aufgerissen, wie eine gallertartige Masse. *) Diese Experimente berechtigen, wie ich glaube, zu dem Schluss, dass der klare Fleck aus einer durchscheinenden ölartigen Flüssigkeit bestehe, die wegen ihres molecularen Zusammenhangs eine sphärische Form annimmt. Ausserdem scheinen mir die Unmöglichkeit irgend eine Membran zu entdecken, und das Factum, dass er sich ohne vor- hergehende Erscheinung von Abtheilungen in viele kleinere Tropfen von ähnlichem Ansehen brechen lässt, hinlänglich zu beweisen, dass wenigstens in dieser frühen Zeit keine Hülle existirt, und dass daher der Fetttropfen keine wahre Zelle sei, wie andere Autoren behauptet haben, Es bleibt fernern Forschungen überlassen, herauszubringen, was sein Zweck und seine Bestimmung in der natürlichen Oekono- mie sei. *) Da die Dotterkügelchen von Nemertes schr zusammenhängen, so ereignet es sich oft, dass, indem sie herausschlüpfen, sie an einan- der hängen bleiben und Bälle bilden, die leicht mit grossen Zellen verwechselt werden könnten. 516 Die Abwesenheit einer.besondern Membran; welche den Dotter umhüllt, wird uns nicht überrasehen, wvenn wir be- denken, dass die durchscheinende Flüssigkeit, ‘die in der Fla- sehe enthalten ist, nicht dem Eiweiss in den Eiern höherer Thiere entspricht, sondern vielmehr‘ dem Dotter selbst an- gehört; so dass die Membran, welche sie umhüllt, genau der Dottermembran oder dem Chorion der höheren Thiere und keinesweges der Schalenmembran ‚entspricht. Die Furchung des Dotters beginnt mit dem dritten, und selbst zuweilen schon am zweiten Tage. Die auffallendste Erscheinung, welche sie. von der anderer Thiere ünter-- scheidet, ist die grosse Unregelmässigkeit ihrer Abtheilungen Wir finden nichts von der’ fast geometrischen Progression und äussern Regelmässigkeit, die bei vielen Mollusken und Fischen existirt. Zuerst sieht man ein paar Falten am Rande des Dotters ‚entstehen, die ihn in irreguläre Lappen theilen, wie in Fig. 13 zu sehen ist. Es ist wichtig zu bemerken, dass in diesem Zustande der klare Fleck ungetheilt ist. Da- her ist es klar, dass die Theilung des Dotters keineswegs von dem. durchsichtigen Fleck abhängig, oder wenigstens, dass sie nicht durch eine vorangehende Theilung der. letz- tern bedingt ist. In dieser Beziehung bestätigen meine Be- obachtungen durchaus die Resultate, welche mein Freund Dr. Vogt hinsichtlich der Entwickelung des Actaeon erhal- ten hat *). Die Furchung schreitet allmählig fort, bis die ganze Masse in eine Anzahl Fragmente von unregelmässiger Grösse und Gestalt gelheilt ist, wie man aus Fig. 14 sieht, die eine der Flaschen am Sten Tage zeigt. In dieser Periode zeigt jedes Fragment einen klaren Fleck, der kleiner ist, als der einzelne Fleck in einem ungetheilten Dotter. Jedoch scheint die Summe dieser Flecke eine grössere Masse auszumachen, als der primitive Fleck. Ihre Gestalt ist sphärisch, wie sich *) S. Annales des Sciences Naturelles. 1846. 517 durch das folgende Experiment beweisen lässt. Nachdem ich die Flasche comprimirt hatte (Fig. 14), sah ich'die Dot- terkörperchen aus einer der Abtheilungen entschlüpfen; wäh- rend der klare Fleck stehen blieb und jetzt als ein wohlbe- grenzter Tropfen erschien (a). Zu gleicher Zeit platzte ei- ner der drei Dotter, und ich sah, dass die Abtheilungen, die bis dahin eckig waren, eine eiförmige ‘oder kugelige Ge- stalt annahmen (b). Am ten Tage fand ich die Abtheilungen viel mehr vor- geschritten, und die Dotter in die Maulbeerform übergehen, wie es Fig. 15 zeigt. Die Doiter waren noch zusammen- gedrängt, besonders in denjenigen Flaschen, die viele Dotter enthielten. An den folgenden Tagen schritt die Theilung immer wei- ter, so dass die Dotter aus kleinen Granula zu bestehen schienen; Fig. 16 stellt eine Flasche am neunten Tage dar. Merkwürdig war es hiebei, dass, während die beiden obern Dotter ausserordentlich stark getheilt waren, der untere (a) fast ganz gleichförmig, mit einem einzigen grossen durch- sichtigen Fleck, erschien, woraus hervorging, dass jer in sei- ner Entwickelung gehemmt worden war. Die gleichzeitige Existenz dieses ungetheilten Dotiers mit einem einzigen grossen klaren Fleck, und zweier anderer sehr zerklüfteter Dotter, die keinen einzelnen grossen Fleck, sondern nur die kleinen in jedem Körnchen besitzen, verleitete mich anfangs zu glauben, dass die kleinen hellen Flecke ihren Ursprung der Zertheilung des grossen verdankten, wie gewöhnlich angenommen wird; aber nachdem ich in andern Beispielen das gleichzeitige Vorkommen beider Arten (Fig. 15) gesehen hatte, überzeugte ich mich, dass diese Vorstellung in Bezug auf Nemertes nicht richtig ist, und dass während der Ent- wickelung ein Zunehmen der transpareuten Flüssigkeit statt- finden muss. Bei Anwendung von Druck auf die Flasche der Fig. 16 barst der obere Dotter, und ich sah die Körnchen in Gestalt 518 kleiner Kügelchen herausschlüpfen, ‘von denen jedes seinen hellen Fleck besass, der ein Viertel und zuweilen’ ein Drit- tel seines Gehalts einzunehmen schien (b). : Die Körnchen waren jetzt alle mit ihrer besondern Haut umgeben, :so dass beim Absterben des Eies der Dotter in soviele: Kügelehen zerfiel, als es Abtheilungen ‘gab. Es ist nicht ungewöhnlich, dass kleine Theile des’ Dot- ters sich während der Entwickelung von der Hauptmasse' ab- sondern, daher sieht man in; den meisten: Flaschen: kleine Bläschen umherschwimmen), wie es bei vielen Mollusken und selbst bei Säugethieren beobachtet ist. ‘Diese Blasen schei- nen eine Art besondern Lebens zu behalten; ‚wenigstens gehen sie nicht in Zersetzung über, und wir finden sie selbst in solchen Flaschen, deren. Embryonen weit vorgesehritten sind (Fig.'18 und 20). Sie sind immer von einer besondern Membran umgeben und enthalten eine Anzahl kleiner. Körn- ehen; aber ich sah sie niemals eine andere Form annehmen, als die einfachen Bläschen, ohne Wimpern. Ungefähr am 14ten. Tage fangen die Dotter an, sich’ zu bewegen *). Wenn ich sie bei starker Vergrösserung) be- trachtete, fand ich sie mit sehr kleinen Wimpern, ihren Be- wegungsorganen, bedeckt (Fig. 17). Sie bewegen sich an- fangs sehr langsam und unregelmässig, indem sie sich um ihr eignes Centrum drehen. Die Flüssigkeit, in der sie sich drehen, scheint keinen grossen Widerstand zu leisten, nach der offenbaren Leichtigkeit zu urtheilen, mit der sie die klei- nen Bläschen, die mit ihnen eingeschlossen sind, umherstos- sen. Wenn eine Flasche zerbrochen ist und ‚die. Dotter her- ausgeschlüpft sind, so fahren sie fort mit ihren Wimpern zu schlagen, und sich eben so gut im Wasser wie in der in der Flasche enthaltenen Flüssigkeit zu bewegen. Dies ist ein binreichender Beweis, dass diese Bewegung von innerer *) In einer Flasche, die von einem andern Eierhaufen genommen war, fand’ ich die Bewegung am 12ten Tage. 519 Kraft abhängt, und 'nicht,'das 'Resultät bloss! äusserer Ein- flüsse, wie der verschiedenen Dichtigkeit ist: Um diese Zeit beginnen die Dotter.ihr Ansehen zu än- dern. ‘Wir sehen im Innern’ einen ‚sehr transparenten Fleck; der quer liegt ‘und nicht ‚mit den: vorher besprochenen 'hel- len Flecken: verwechselt: werden darf, von denen er ‚leicht durch‘ seine eigenthümliche Gestalt und schärferen Umrisse zu unterscheiden ‘ist (Fig. 18)... Beil Anwendung von Druck wird der Halbmond. breiter und sehr deutlich (Fig. 19). Wir, bemerken jetzt noch zwrei verschiedene Zonen im Embryo, von denen die äussere hell, die innere opaker ist. Die äussere: Zone wird immer ‚deutlicher, so dass man sie auch ohne Druck: erkennt, wie man’ im Fig. 20 sieht,‘ die eine Flasche am 18ten Tage darstellt. Der halbmondförmige Fleck ist grösser geworden, die Wimpern sind deutlicher, und die Embryonen drehen sich schneller ‚als zuvor. Einige Tage nachher ‘beobachtete ich, ‘wenn ich. die Dotter comprimirte, eine dritte Zone, welche zwischen’den beiden andern lag (Fig. 21); so dass jetzt drei verschiedene Schichten in jedem Dotter vorhanden waren. Die äussere, welche sehr breit ist, zeigte sehr deutlich‘ die Unterabthei- lungen des Dotters mit einem hellen Fleck: in jedem Körn- ehen; die,zweile war die durchsichtigste, ‚und man salı in ihr. kleine) und zarte durchsichtige Zellen; die dritte ‚oder in- nerste, welche die undurchsichtigste ist, ‘besitzt eine sehr deutliche granulöse Struktur, wie die äussere Schicht, aber dichter. Der Embryo blieb in diesem Zustande bis ungefähr zum 2isten Tage, als ich eine höchst unerwartete und ausser- ordentliche Veränderung wahrnalını, die, wie ein Lichtstrahl, mich über die Bedeutung der oben angeführten verschiede- nen Zonen aufklärte, und mir zugleich eine neue, den Em- bryologen bisher unbekannte Art der Entwickelung enthüllte. Als ich. einige Flaschen unter das Mikroskop brachte, war ich erstaunt zu sehen, ‘dass sich in einer derselben ausser 520 zwei Dottern, die auf die gewöhnliche Art rotirten, ein drit- ter Körper befand, der sich ganz anders bewegte, indem er sich ‘spontan verlängerte und verkürzte, bald vor- und bald zurücktretend (Fig. 22. a). Er war wie die andern mit Cilien besetzt, besass aber nur zwei Zonen, indem die äusserste fehlte, und statt des Halbmondes sah man einen lanceltför- migen Fleck, der seinen längsten Durchmesser mit dem des Dotters gemein hatte. Man bemerkte auch in der Flasche verschiedene unregelmässige Fragmente von dotterartiger Sub- stanz, die ich vorher nicht bemerkt hatte, und die, nach ihrem Aussehen zu urtheilen, nichts anderes sein konnten, als die Reste der äussern Zone, die nicht mehr um den Embryo zu schauen war, während sie an den andern deut- lich hervortrat. Wie war diese Trennung vor sich gegangen? War sie die normale Folge der Entwickelung oder war sie nur zu- fällig? Als ich meine Aufmerksamkeit auf die beiden andern Dotter richtete, waren diese Fragen sogleich beantwortet. Nachdem ich sie so gedrückt hatte, dass sie aus der Flasche herausgesprengt wurden, sah ich deutlich die drei oben be- schriebenen Zonen (Fig. 25); aber die äussere Zone war von der nächsten durch einen leeren Raum (a) getrennt, und ich konnte deutlich sehen, dass eine innere von der Drehung des ganzen Dotters durchaus unabhängige Bewe- gung und Zusammenziehung stattfand» Bei genauerer Be- trachtung konnte ich ferner sehen, dass der Rand der zwei- ten Zone mit sehr kleinen Wimpern besetzt war (b). Von diesem Augenblicke an zweifelte ich nicht länger, dass diese innere Bewegung von dem Thiere selbst herrühre, und dass die äussere Zone nichts als eine Hülle sei, welche das Thier abwirft, sobald es der Vollendung seiner embryonalen Ent- wicklung entgegengeht. Ich sah sie in der That unter dem Druck bersten, uud Fragmente von ihr abfallen, wie es in Fig. 26 dargestellt ist. In einem andern Fall sah ich, und hatte das Glück, es verschiedenen meiner wissenschaftlichen 521 Freunde in'Boston zu zeigen, ‘wie der Embryo aus dieser Hülle zu entschlüpfen suchte (Fig. 27), was ihm nach eini- ger Zeit gelang, worauf man sah, wie er die Fragınente der äussern Zone hinter sich. her zog (Fig. '28). Die verschiedenen Zonen sind nicht nur verschieden. in ihrer äussern Erscheinung, sondern ‘äuch aus sehr‘ verschie- denen Geweben: zusammengesetzt, wie'man aus Fig. 31 se- hen wird, ‚die, nach sehr grossem Maasstabe, einen Quer- schnitt des Embryo von Fig. 27 in der Richtung von a b darstellt. Die äussere Zone (m), die ziemlich dicht ist; besteht aus grossen scheinbar unregelmässigen Zellen, die aber sphärisch werden, sobald sie isolirt sind (n) und deren jede ein durchsichtiges Centrum hat. Diese Zellen sind nichts als Abtheilungen des Dotters, wie ich sie bereits be+ schrieben und abgebildet habe (Fig. 16). Es scheint daher dieser Theil des Dotters, wenn man die auf seiner Ober- Nläche erschienenen Cilien ausnimmt, seit jener Epoche keine sichtbare Veränderung erlitten zu haben. Nach innen von diesen äussern Hüllen findet man einen leeren Raum, der eng, aber doch hinreichend weit ist, um dem Embryo die Bewegung zu erlauben. An seiner innern Seite sieht man eine durchsichtige Zone (n), die mit Cilien bedeckt ist, und die den eigentlichen Körper des Thieres ausmacht. Sie enthält helle Zellen von verschiedener Grösse, aber alle sphärisch und mit Kernen versehen. Nur der Rand dieses Theils ist mit eckigen Epithelialzellen versehen, an welchen die Wimpern befestigt sind. Nach innen hievon befindet sich eine andere grosse Masse von Zellen (0), ähn- lich denen der Aussenseite, die ohne Zweifel der Rest des Dotters sind, der für den Unterhalt des Thieres bestimmt ist. Wenn man sie isolirt (z), sind sie sphärisch, und ent- halten ebenfalls einen hellen Fleck, der jedoch weniger deut- lich ist, als in den Zellen der äussern Hülle, und zuweilen ganz fehlt. Sobald das Thier seine Hülle verlässt, bewegt es sich 522 mit’ grosser Leichtigkeit nach allen Richtungen, sich beugend und zusammenziehend, wie es ihm gefällt. Wenn'es sich verlängert (Fig 22. a), so. sieht man, wie. bereits gesagt ist, einen longitudinellen hellen Streifen, der sich nach‘oben von dem innern Dotter 'erstreckt (ec). ‘Wenn das Thier sich zusammenzieht (Fig. 24), wird dieser Streifen so sehr wer- kürzt, dass er queer statt longitudinal erscheint. ‘Dieses Faktum überzeugte mich sogleich, dass der ‚Streifen nichts anders sei, als der-halbmondförmige Fleck, der vorher be- sprochen wurde, in verlängertem Zustande; es ist die erste Erscheinung des Darmkanals. Das‘ Thier bewegt sich mit derselben Leichtigkeit wie zuvor, wenn man es aus (der Flasche herausnimmt und in Wässer thut, woraus hervorgeht, dass der Wechsel des Me- diums keinen Einfluss darauf ausübt. Es scheint vollkommen seine Bewegungen zu beherrschen, und wenu man es um- herschwimmen‘ und an verschiedene Gegenstände anstossen sieht, so möchte man versucht sein, zu glauben, ‚dass es mit einem gewissen Grade von Neugierde begabt sei. Zuweilen sah ich sie auch sich krampfhaft schütteln, als ob es sie fröre. Gewöhnlich verlässt der Embryo die Flasche nicht un- mittelbar nachdem er sich von seiner Hülle ‘befreit hat, ‚son- dern er bleibt zuweilen noch tagelang darin. ‘Die Verände- rungen; welche jetzt stattfinden, ungefähr am dreissigsten Tage, betreffen -»vorzüglich die innern Theile, Der Rest: des Dotters nimmt nicht allein an Volumen ab, sondern wird nach und nach heller; ‚der Darm erscheint ebenfalls deut- lieher; er nimmt nun den Anschein eines besondern Schlau- ches 'an, der sich von dem Dotter bis zum obern Theile des Körpers erstreckt, und selbst in den Dotter eindringt (Fig. 29). , Wenige Tage später ist der Rest des Dolters fast durchsichtig; der in ihm liegende Theil des Darms er- scheint gewöhnlich gekrümmt, und ausserdem sieht man nahe 523 dem hintern Ende einen grossen hellen. Fleck; der aha scheinlich den After anzeigt (Fig. 30). ‚Meine Beobachtungen nehmen, hier ein Ende, weil es unmöglich war, die fernere Entwickelung der, jungen. Ne+ mertes'zu. verfolgen, ‚nachdem ‚sie. aus,.den ‚Flaschen 'heraus- gesehlüpft ‘waren, sowohl wegen! ihrer geringen Grösse, als wegen der Schwierigkeit, sie.lebend: zu erhalten; Recapitulation. , Der Hauptpunkt bei diesen Untersuehungen ist die That; sache, dass eine grosse Portion des Dotters in eine; Hülle verwandelt; wird, ‚welche den, Embryo während der ersten Phasen; seiner Existenz umgiebt, und.die dann von ihm ab- geworfen wird, wenn er.die Fähigkeit; erlangt, sich ‚allein zu bewegen. Diese Befreiung des Embryo von der: Hülle darf nicht mit dem Abwerfen einer blossen , äussern ‚Haut; wie der Schalenhaut oder der Placenta der Säugethiere, zu- sammengeworfen werden... Die Placenta ist, wie wir wis- . sen, entstanden ‚aus einer. Verbindung des Chorion oder der Dotterhaut mit den 'mütterlichen Organen. Die Hülle, ‚von der wir reden, ist kein Produkt, der Dotterhaut; ‚es ist ein integrirender Theil, des Dotters selbst *). Die Befreiang von dieser. Hülle ist, keineswegs ein Er- satz für den Brütprocess, der ebenso, regelmässig bei Ne- mertes stattfindet, wie bei. jedem andern. Thier.. Denn der Embryo, der seine Hülle abwirft, ist nicht durch diesen Pro- cess ausgebrütet, : Wir haben im Gegentheil gezeigt, dass er eine Zeitlang nach seiner Befreiung in den gemeinschaftli- chen Eie bleibt, das mit dem Namen: Flasche bezeichnet *) Man könnte versucht sein, dieses Abwerfen der Hülle mit dem Häuten der Raupen zu vergleichen; aber es ist zu bedenken, dass das Häuten die Haut betrifft, d. h. einen Theil des Thieres, der aus orga- nisirtem Gewebe besteht, während die Hülle von der Nemertes noch nicht diesen Zustand erreicht hat, sondern bloss Dotersubstanz zu sein scheint, 524 wurde, und nur wenn er dasselbe verlassen hat, können wir ihn als ausgebrütet betrachten. Daher hätte man die Gegenwart einer Hülle, die einen integrirenden Theil des Dotters ausmacht, und während eini- ger Zeit der Sitz "einer besondern Bewegung ist, als eine besondere Entwickelung thierischen Lebens zu betrachten, die, obgleich bis dahin unbeachtet, nichts desto weniger eine ernste Beachtung verdient. Ein anderer Punkt von nicht geringer Bedeutung ist die Existenz zweier Arten von Wimperbewegung, die von einander verschieden und, obgleich gleichzeitig, unab- hängig sind. Während die Dotterkugel, als ein Ganzes, ro- tirt, ist der Embryo drinnen mit einer besondern Bewegung begabt, die durch Wimpern zu Stande gebracht wird, welche wie die der äussern Hülle aussehen, und dieselbe Bewegung fortsetzen, nachdem das Thier ausgebrütet ist. Deshalb kann kein Zweifel darüber obwalten, dass diese Bewegung wirklich freiwillig sei. Die Wimpern der Hülle sind in dieser Beziehung wesentlich verschieden, und ihre Bewe- gung kann als bloss organisch, ähnlich in gewisser Be- ziehung der der Schleimhäute, betrachtet werden. Die Wimperbewegung kann daher nicht länger als eine besondere Eigenschaft gewisser Thierklassen betrachtet wer- den, noch dürfen wir annehmen, dass sie ausschliesslich mit gewissen Funktionen verbunden sei. Sie ist ein allgemeines bewegendes Agens, welches die Natur für alle möglichen Funktionen anwendet, vorzüglich für die Ortsbewegung bei den niedern Thieren, und auch bei vielen höhern Thieren in den embryonalen Perioden ihres Lebens. Fig. 625 Erklärung der Abbildungen: (Die Vergrösserung beträgt 50 Diam,, ‚wenn sie nicht stärker an- gegeben ist) 1. Nemertes obscura Desor.,. Natürliche Grösse. 2. Eierstrang von Nemertes obscura. _Natürl. Gr. 2.a. Derselbe, 10 Mal.vergrössert, um.die ‚Lagerung der Fla- schen zu sehen, ) 3. Eine einzelne Flasche, mit 4 Dottern. 50 Diam. 4 und 5. Einzelne Dotter, comprimixt,. welche am Rande die ölartige Flüssigkeit in Form eines Bruches (a) zeigen. 6 und 7. Dieselben Dotter, stärker comprimirt, um die Brüche in mehrere kleine Tropfen, b, zu zertheilen. 8, Theil einer Flasche, 400 Mal vergrössert, welche die zellige Struktur der Dotterkörnchen und der Oeltropfen (d) in- wendig zeigt, nachdem sie durch Druck isolirt sind. 9.—12. Der Oeltropfen isolirt in verschiedenen Formen, um seine Elasticität zu zeigen. 13. Eine Flasche am 3ten Tage, welche den Anfang der Thei- lung zeigt, während der Oeltropfen noch ‚ungetheilt ist. 14. Eine Flasche, 5 Tage alt. _Die Theilung ist weiter vorge- schritten. Wenn ein Dotter platzt (b), so ist jede Thei- lung eine selbstständige Kugel, die inwendig einen hel- len Fleck hat. 15. Eine Flasche, 7 Tage alt. Die Theilung ist noch mehr vor- gerückt; die Dotter sind an ihren Berührungspunkten abgeplattet. In einem derselben ist der primitive Oel- tropfen erhalten (a). 16. Eine Flasche, 9 Tage alt. Die Dotter sind so getheilt, dass sie die Maulbeerform annehmen. Einer derselben (a) ist in der Entwickelung zurückgeblieben, und zeigt bloss den Anfang der Theilung mit dem ganzen Oeltropfen (a). 17. Eine Flasche, 12 Tage alt. Die Embryonen sind mit klei- nen Wimpern besetzt, vermittelst deren sie sich drehen. 18. Eine Flasche, 15 Tage alt. Die Embryonen haben inwen- dig einen hellen halbmondförmigen Fleck, die erste An- deutung des Darmkanals. 19. Ein Embryo, comprimirt, welcher zeigt, dass er aus zwei Zonen besteht. 20. Eine Flasche, 18 Tage alt. Die Verschiedenheit der Gewe- be ist bei allen Embryonen sichtbar. Fig. 21 227 2 am - =. 1026: - 27. "28, = 29. =: 30, Si gl: Ein einzelner Embryo aus einer andern Flasche desselben Alters, 'gepresst, der drei verschiedene Zonen zeigt. Eine Flasche, 24 Tage alt. Die äussere Hülle ist von einem “der Embryonen abgefallen, so dass er sich frei in der Flasche bewegen kann. Ein: Embryo, nach"seinem Ausschlüpfen aus der Flasche ‚in a Zustande, der den halbmondförmigen Fleck (c) in‘ verlängerter Form zeigt. Derselbe Embryo, zusammengezogen. Ein Embryo in seiner Hülle, ' woran die innern Wimpern deutlich zu sehen sind. - : Ein Embryo, dessen Hülle abfällt. Ein Embryo im Augenblicke, wo er seiner Hülle entschlüpft (80 Diam.). Derselbe,- seine Hülle hinter sich herschleppend (80 Diam.). Ein Embryo, 30" Tage alt; er zeigt den Darmkanal längs des Körpers verlaufend (SO Diam.). Ein Embryo, 34 Tage all. Der Darmkanal ist innerhalb des Dotterrestes' gebogen, der immer durchsichtiger wird (80 Diam.). - Queerschnitt des Embryo von Fig. 29, um die Struktur der verschiedenen Zonen zu zeigen (400 Mal vergrössert) ; m, äussere Hülle; n, Körper des Thiers; o, Rest des Dotters; x, einzelne Zelle der äussern Hülle; z, einzelne Zelle des Dolterrestes. Ueber einige Körper in der Boa Constrietor, welche den Pacinischen Körperchen gleichen. Von Joseru Leipy *), (Hierzu Tafel XX.) Aıs ich vor einigen Wochen mit meineın Freunde, Dr. Ha- lowell beschäftigt war, eine Boa Constrictor zu zerlegen, welche der Akademie von Dr. Watson geschenkt war, bemerkte ich längs dem Verlaufe der Nervi intercostales, an oder nahe ihrem vorderen Ende, eine Anzahl kleiner, harter, abgerundeter oder eiförmiger Körper, die mit blossen Augen betrachtet viele Aehnlichkeit mit den Pacinischen Körpern der Menschen und anderer Säugelhiere hatten, wor- auf ich damals Dr. Halo well aufmerksam machte. Die Anzahl dieser Körper beträgt für jeden Nerven drei bis sechs. Gewöhnlich sind sie im Durchmesser 8 Millime- ter gross. Sie sind von weissem, glänzenden und opalisi- renden Ansehen, und liegen der Seile des Nerven ganz nahe an, von seiner Scheide umschlossen und über seine Oberfläche hervorragend, anstalt an. einem Stiel befestigt *) Aus dem American Journal of the medical Sciences. January 1848. Vebersetzt von W. Peters, Müllers Archiv, 1848, 34 928 zu sein, der von dem nebenanliegenden Nerven ausginge, wie bei den Paecinischen Körperchen des Menschen. Bei der Untersuchung des Baues dieser Körper mit IIülfe des Mikroskops finde ich, dass sie aus einer centra- len, kugeligen Masse von 33 Millim. Durchmesser bestehen, die von einer Reihe halbdurchscheinender Kapseln umgeben sind, deren Anzahl sich auf ungefähr 50 beläuft. Die centrale Masse ist halbdurchsichtig, gleichförmig, von körnigem Bau, von gelblichem Ansehen, und besitzt meistens einen dunkleren und festeren Kern, der auf die- selbe Art zusammengesetzt zu sein scheint. Essigsäure übt fast gar keinen Einfluss auf denselben aus. Bei der gröss- ten Mühe und dem Gebrauch der stärksten Vergrösserungen des Mikroskops konnte ich nichts als einen feinen körnigen Bau in denselben unterscheiden. Ein einigermaassen ähnli- ches Ansehen habe ich in dem nervenartigen Bau im Innern der Pacinischen Körper der neugebornen Kinder beobachtet. Die Kapseln, welche die centrale Masse einschliessen, bilden ein Stratum von demselben oder um ein Drittheil grösseren Durchmesser; sie sind vollkommen von einander geschieden, sind ferner durch die Endosmose eines Fluidums getrennt, und haben dasselbe Ansehen, ‘wie die der Paeinischen Körper des Menschen. Dem Anschein nach fibrös, oder aus dem weissen fibrösen Elemente zusammengesetzt, werden sie durch Anwendung von Essigsäure ganz durchsichtig gemacht. An ihrer inneren Oberfläche, in beinahe gleichen Abständen von einander, liegen vorspringende, länglich-ovale, oder spindelförmige, körnige Nuclei, einige wenige halbmond- förmig, grösser als die der Pacinischen Körper des Men- schen, von .025 Millim. Länge auf .0075 Millim. Breite. Die äussersten Kapseln vermischen sich mit dem weis- sen fibrösen Gewebe, welches die Nervenscheide bildet. Keine Nervenfaser tritt ins Innere dieser Körper, obgleich ich nach ihrer grossen Aehnlichkeit mit den Paeinischen Körperchen eine solche Anordnung erwartet hatte. Im All- e. 929 gemeinen fand ich sie an einer Seite der Nerven liegend, aus den Bündel der Nervenröhrchen hervorragend und in die- selbe Scheide eingehüllt, aber in mehreren Fällen fand ich sie zwischen mehreren der Nervenröhren liegend, indem die Röhren so getrennt liegen, dass sie, nachdem sie an den Körpern vorübergegangen sind, ihre Lage neben den anderen wieder einnehmen. Ausser dass sie von der Nervenscheide umhüllt werden, werden sie noch fester mit dem Nerven durch quere Fasern von weissem fibrösem Gewebe verbun- den. Nachdem ich so diese sonderbaren Körper bei der Boa entdeckt und untersucht hatte, erwartete ich dasselbe bei andern Schlangen zu finden, daher verschaffte ich mir eine Coluber constrictor und Leptophis sauritus, an denen ich meine vergleichenden Untersuchungen ausführte, aber ohne die geringste Spur eines ähnlichen oder analogen Baues zu finden. Wegen ihres Mangels bei diesen zwei Schlangen kam es mir in den Sinn, dass sie vielleicht Eier von Ento- nen sein möchten — aber der ganze Bau schliesst eine solche Vorstellung aus — und obgleich sie mehrere der wichtigsten Elemente des Baues der Pacinischen Körper ha- zoen, besitzen sie doch keinen Nerven, der als Leiter, wenn wir die Pacinischen Körper auf irgend eine Weise als Cen- trum irgend einer Art von nervöser oder anderer Kraft be- trachten, als eine conditio sine qua non angesehen werden muss; aber wenn er bloss ein Verzweigungsfaden wäre, so würde er verhältnissmässig von geringer Bedeutung sein, und die nahe Lage der Körper an den Nerven bei der Boa könnte möglicherweise demselben Zwecke entsprechen, Aber wenn sie von der Natur der Pacinischen Körperchen sind, warum existiren sie nicht bei allen Schlangen? In dieser Verlegenheit und Verwirrung übergebe ich diese Beobach- tungen der Akademie, und hofle, dass fernere Untersu- chungen einiges Licht über diesen Gegenstand verbreiten werden, Ehe ich diese Bemerkungen schliesse, halte ich es für 34 * 530 wichtig zu bemerken, dass ich bei der Boa nirgend anders diese Körperchen fand, als neben den erwähnten Nerven, obgleich ich alle anderen Theile mit Ausnahme der Einge- weide und ihrer Anhänge sorgfältig untersucht hatte. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Ein Theil eines Intercostalnerven von der Boa constric-- tor, deren Scheide entfernt ist, an dem fünf der Körper zu sehen sind, welche den Pacinischen Körperchen gleichen; mit verdünnter Essigsäure behandelt und stark vergrössert. Die obern drei Körper der linken Seite haben, wie man bemerken wird, einige der Nervenröhren von dem Hauptstamm des Nerven getrennt. a. Centralmasse der körnigen Substanz; b. äussere umhüllende Kapseln; c. Nuclei der Kapseln. Fig. 2. Stellt einen Theil eines Nerven dar, dessen Scheide auf einer Seite entfernt ist, und einen der „Körper“, an dem die Scheide auf der anderen Seite gelassen ist; mit verdünnter Essigsäure behan- delt und stärker vergrössert als Fig. 1. a. Nerventubuli; b. fibröse Scheide der Nerven; c. mehrere primitive Nuclei der fihrösen Elemente der Scheide; d. einer der „Körper“; e, centrale körnige Masse; f. äus- sere umhüllende Kapseln; g. Nuclei der Kapseln. Fig. 3. Zeigt einen Theil mehrerer Kapseln sehr stark vergrös- sert um den Bau der Nuclei zu zeigen. a. Capseln; b. Nuclei. Ueber die Entwickelung der kopflosen Mollusken. Von S. Lovan *). Es: ist durch Beobachtungen neuerer Zeit ausgemacht wor- den, dass die Cephalopoden, wenn sie das Ei verlassen, in allen wesentlichen Theilen, die Gestalt und die Organe des ausgebildeten Individuums besitzen. Von den Gastropoden wissen wir dagegen, seitdem Sars die erste dahin. führende Entdeckung machte, dass sie, sowohl die nackten, wie die beschalten, wenn sie das Ei verlassen, von einer nautilus- förmigen Schale bedeckt sind, auf dem Kopfe ein. grosses Velum tragen, welches als gleichbedeutend mit den 8 Armen der Cephalopoden betrachtet werden kann, und das, mit seinen vibrirenden Wimpern, in diesem Stadium das einzig- ste Bewegungsorgan ist, dass sie auf dem noch nicht zum Kriechorgan entwickelten Fusse ein Operculum haben, möge ein solches sich bei dem ausgewachsenen Individuum fin- den oder nicht, dass sie keine Tentakeln und sehr oft keine Augen, aber ganz früh Gehörorgane zeigen, und dass sie nicht eher als am Ende dieses ersten Stadiums ein Herz und *) Aus Öfversigt af K. Vet. Akad. Förbandl. December 1545. Vebersetzt von W, Peters, 532 besondere Circulations- und Respirationsorgane besitzen. Die Gastropoden unterliegen daher einer wirklichen Verwand- lung, und bei den nackten geschieht die äussere Verwand- lung, zufolge Nordmann’s Beobachtungen, aller Wahrschein- lichkeit nach in Folge von Hautwechsel, während bei den schalentragenden die Schnecke allein mehr oder minder die Richtung ihrer Windung verändert. Dadurch verschwindet das Velum vollständig oder zum grössten Theile, der Fuss wird Bewegungsorgan und die Tentakeln treten hervor. Die Beobachtungen, die wir bisher über mehrere Gattungen der nackten und von den schalentragenden wenigstens über Arten von Cylichna, Bullaea, Eulima, Cerithium, Lacuna!) Phasianella ?), Purpura und Nassa ®), besitzen, berechtigen uns, bis auf weiteres, eine solehe Metamorphose als durchgehend bei allen Formen von Seeschnecken anzunehmen, während Untersuchungen über Planorbis und Lymnaeus es wahr- scheinlich machen, dass sie weniger allgemein gültig ist für die Süsswasserformen; und in dieser Beziehung würden Arbei- ten über Nerita, die zu den Trochoiden gehört, und über Melania von grossem Werthe sein. Dass auch die Pleropoden in ihrem ersten Stadium vermittelst eines vibrirenden Segels schwimmen, werde ich später durch noch unvollendete Beobachtungen an einer Spi- rialis unserer Küsten zeigen. Nachdem wir einige Gewissheit über dieses Verhältniss bei den Cephalopoden erlangt hatten, blieb es übrig zu un- tersuchen, ob auch die Acephalen eine Metamorphose durch- machen oder nicht. Die älteren Beobachtungen hatten mit Bestimmtheit nachgewiesen, dass das Thier in seinem ersten Stadium in gewisser Hinsicht dem entwickelten Thiere un- ähnlich sei, jedoch nicht so wesentlich, wie bei den See- 1) Öfversigt 1844. 51. 2) Nordmann, Tergipes 98. 3) Peach, Ann. Nat. hist. XI. 28, XIII, 203, XV, 446. 533 schnecken, so dass es wahrscheinlich zu sein schien, dass Anodonta hinsichtlich ihrer Entwickelung in demselben Ver- hältniss zu den Seemuscheln wie Lymnaeus und Planorbis zu den Seeschnecken stände. Ich sah mich daher vor mehre- ren Jahren veranlasst, der Akademie einige Beobachtungen über die Jungen einer kleinen viviparen Muschel, Montacuta bidentata, vorzulegen *). Die Schale, in der Form von der des ausgewachsenen Thieres abweichend, ist sehr durch- sichtig, und kann vollkommen durch zwei Schliessmus- keln verschlossen werden. Wenn das Thier schwimmt, streckt es aus ihren Rändern ein aus zwei zurückgebogenen Lappen zusammengesetztes Schwimmorgan, Velum, hervor, das am Rande mit lebhaft schwingenden Cirren besetzt ist. Von innern Theiffh salı man den Magen mit der Leber, den Darm, und einem unter dem Velum gelegenen, länglich ab- gerundeten Körper, den ich für die erste Anlage des Fusses ansah, während der von diesem Körper ausgehende lange Cirrus eine Andeutung von Byssus, dem muskulösen Cirrus am hintern Fussende bei Emarginula vergleichbar, zu sein schien. Vom Herzen erschien keine Spur. Darauf berichtete Holböll in Kröyer's Tidskrift, IV. 583, dass Modiola faba ihre Eier auf Tang lege; die Jungen schwimmen umher, ,„‚mit einigen kleinen Schwimm werkzeu- gen, fast wie bei Daphnia, die vor dem vordersten Theile der Schale aufsitzen.‘* Während eines Besuchs in Bohuslän im letzten Som- mer gab es Gelegenheit, diese Untersuchungen zu verfolgen. Nach der Heimkehr erhielt ich einen kurzen Auszug aus den Untersuchungen von Quatrefages, die von ihm, ohne Kennt- ") Öfversigt 1844, 52. ı. 1 Fig. 9—10. Sie wird dort Kellia rubra genannt, und ist im Index Moll, Suec. unter dem Namen Meso- derma exiguum aufgeführt, Aus Exemplaren, welche mir von Alder gütigst mitgetheilt wurden, habe ich seitdem die Ueberzeugung erlangt, dass sie identisch ist mit Montagu’s Mya bidentata, die von englischen Autoren zu Montacula ge) vacht wird. 534 niss von den oben angeführten Beobachtungen zu haben, über die Entwickelung von Teredo navalis angestellt worden waren *). Sie betreffen hauptsächlich die Entwickelung des Embryos im Eie; hinsichtlich des Baues der freigewordenen Jungen wird das Velum mit seinen Cirren, die Otolithen und ‚,‚die suecessive Entwickelung verschiedener Organe‘ angeführt. Die Beobachtungen, welche ich während des verflosse- nen Sommers machte, waren folgende: Zuerst über die vollständige Entwickelung aus dem Ei an Modiolaria marmorata Forb. (Mytilus discors Da C., Mont., Turt.), welche mit Byssus versponnen in Höhlen der Hüllen von Aseidien lebt, und an Cardium parvum Pall,, welches auf den Klippen zwischen Tang, ®n der Tiefe weni- ger Klafter, sich aufhält. Modiolaria ist getrennten Geschlechts. Die Geschlechts- organe verbreiten sich in den Mantel, so dass man, während der Paarungszeit, durch die dünne Schale hindurch an der rosenrothen Grundfarbe die Weibchen, an der weisslichen die Männchen erkennen kann. Bei der Begattung ergiessen die Männchen — in den beobachteten Fällen immer zu- erst — milchige Ströme einer Masse Spermalozoen, hie und da noch in Klumpen, aus denen sie sich hervorarbeiten, an- gehäuft, von kaum 0,01 Mm. Länge, mit konischem Kör- per und äusserst feinem Schwanz, der keine Schlingen bil- det. Durch die Bewegung im umgebenden Wasser, welche die Wimpern des Thiers, und die Zusammenziehungen des Mantels und der Schnecke hervorrufen, werden diese Ströme von den Weibchen aufgenommen, die bald darauf die von le- benden Spermatozoen umgebenen ganz freien Eier auswer- fen, welche zu Boden fallen, wo sie durch die Bewegungen desselben hin und hergeschüttelt und verhindert werden, an- einander zu stossen, Das Ei ist in keine äussere Kapsel *) Ann. des Sc. nat. Janvier 1848. 535 eingeschlossen. und man findet nichts, was man als dem Eiweiss entsprechend betrachten kann; die Spermatozoiden berühren unmittelbar die äusserst dünne, durchsichtige und strukturlose, unmittelbar auf den Dotter aufliegende Dotter- haut, durch die man sie aber niemals hindurchdringen sieht. Der Dotter besteht aus einer ‚Menge kleiner, etwas ovaler Körner und einer Flüssigkeit; seine anfangs schwach rosen- rothe, später mehr weissliche Färbung schien von den Kör- nern abzuhängen. Wenn das Ei gelegt war, hatte sich die Keimblase bereits an die Oberfläche des Dotters gedrängt, und ihre Hülle war bereits aufgelöst, — Verrichtungen, von denen es auszumachen bleibt, ob sie dem eignen Leben des Eies oder der durch die Befruchtung bestimmten Entwicke- lung angehören. Das frischgeleste Ei war, als es der Untersuchung un- ierwoilen wurde, sphärisch; in den Säcken des Ovarii ist es mehr oder weniger in die Länge gezogen, und wo es von seiner Bildungsstelle abgeht, fast gestielt. An einer Stelle, nahe unter der Dotterhülle, zeigle es einen schwach begrenz- ten Kreis, der von einer klaren körnerlosen Flüssigkeit, dem Inhalte der Keimblase, eingenommen war. In der Mitte die- ses Kreises lag ein runder, durchsichtiger Körper, nahe unter der Dotterhülle. Diesen konnte ich für nichts anders ansehen, als den durch das Bersten der Keimblase befreilen Keimfleck. Das junge Ei zeigte nun einige schwache, aber sehr deutliche Fornveränderungen. Wenn es so gewendet wurde, dass der helle Kreis und der Keimfleck grade an seiner Peripherie erschien, dann verkürzte es sich in der Richtung vom Keimfleck zum entgegengesetzten Pole, und wurde so ziemlich sphärisch. Durch diese Bewegung wird der Keimfleck gegen die Dotterhülle gedrängt. Diese giebt nach, und es bildet sich eine Erhöhung, die, anfangs halb- kugelig, zuletzt konisch, den Keimfleck aufnimmt, welcher, zuerst breiter als laug, nachher rund, zuletzt länger als breit. eiförmig, zuweilen in zwei getheilt wird, aber stets durch 536 einen besonderen etwas bläulichen Glanz und kräftige Sei- tenschatten ausgezeichnet, und dem Anschein nach solid, keine Zelle und ohne Kernkörperchen ist. Der conische Fortsatz wird endlich fast doppelt so lang als der Keimfleck, und es zeigte sich in demselben ein Zwischenraum zwischen dem Keimfleck und der Oberfläche des Dotters, der durch eine gewölbte Haut getheilt ist, welche den Raum des Keimfleckes von dem Inhalt des Keimbläschens trennt, das nun in den Dotter zurücksinkt, worauf der conische Fort- satz unter dem Keimfleck sich verschmälert und einen Stiel an demselben bildet, und der Dotter den Raum an der Ba- sis des Fortsatzes einnimmt, der vorher vom Inhalt der Keim- blase eingenommen war. Es scheint wegen der hier conca- ven Oberfläche des Dotters nicht unmöglich, dass er eine Oeffnung zurückgelassen hat, durch welche der Keimfleck austrat. Der Keimfleck zeigt meistens ein Anhängsel, wie eine zusammengefallene Hülle, vielleicht von der Keimblase, welches er, freigeworden, mit sich zieht. Durch eigenthüm- liche Bewegungen drückt der Dotter den Keimfleck heraus, der wegen der Nachgiebigkeit der Dotterhülle gestielt an seiner Oberfläche sitzen bleibt. Hier sitzt er, bis der Em- bryo gebildet ist. Krankhafıt sind wahrscheinlich die Ab- weichungen, wo der Keimfleck durch Berstung der Dotter- hülle aus demselben heraustritt und durch einen ausserordent- lich feinen Faden, vielleicht einen Theil der Dotterhülle oder Keimblasenhülle, daran hängen bleibt. Einige Individuen von Cardium parvum legten in dem Glase, worin sie gefangen gehalten waren, Eier. Am Bo- den fand sich eine Anzahl uhrglasförmiger, dicker, aber ganz durchsichtiger und wenig cousistenter, aus mehreren Schich- ten gebildeter Kapseln angeheftet, äussere Eischalen, welche eine helle, dem Albumen entsprechende, aber vielleicht gröss tentheils aus Wasser bestehende Flüssigkeit, und darin den sphärischen Dotter, enthielten. Die Kapsel war bedeckt und selbst durchdrungen von Spermatozoiden, die in ihrer Ge- BPXL stalt denen der Cycladen am meisten gleichen, mit spindel- förmigem, nach vorn etwas dickerem, schwach gekrümmtem Körper und langem, sehr feinem Schwanz. Während sie sich durch die äusserste Schale hindurcharbeiteten, schienen ihre innersten Schichten am meisten Widerstand zu leisten; im Eiweiss lagen sie, obgleich unbeweglich, noch wenn der Em- bryo anfing sich zu drehen, und wurden durch die Bewegungen desselben hin- und hergeworfen. Aber nur in wenige Eier sah man sie eindringen, während sich gleichwohl fast alle entwickelten. Der Dotter, 0,064 Mm. im Durchmesser, war wie bei Modiolaria, aber von weisser Farbe. In einigen Eiern war noch die Keimblase geblieben, dicht unter der Dotterhülle gelegen, gross, scheinbar fast halb so gross im Durchmesser wie der Dotter, mit hellem Inhalte, und darin, in der Mitte oder darum herum, ein ganz kleiner Keimileck, der einen viel kleinern Körper zeigte, dessen Lage in oder auf der Oberfläche nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte. In einem andern Ei, von dem Pol des Keimflecks angesehen, war der helle Kreis der Keimblase zusammenge- zogen, seine Contour zerrissen, so, als wenn die Hülle ihren Inhalt nicht mehr von dem Eigelb abschiede, und als wenn dieses auf ihren Umkreis eindränge. Der Keimfleck war un- verändert. Betrachtete man es so, dass der Keimfleck in der Peripherie gesehen wurde, so zeigte auch hier der Dot- ter langsame Veränderungen, woraus folgte, dass der Keim- lleck unter einer Erweilerung der Dotterhülle aus dem Dot- ter hervorschoss und ganz oder zuweilen in zwei Theile ge- theilt, sonst wie bei Modiolaria aussehend, allein eine regel- mässige Hemisphäre, keinen Conus bildete, der, nach dem Verschwinden des hellen Kreises, mit seiner etwas conve- xen inneren Fläche an den Dotter grenzte., Ilier blieb er während der Entwickelung des Eies, aber weniger in die Augen fallend als der Conus bei Modiolaria. Dieselben Erscheinungen zeigten sich in Eiern von Pa- tella virginea und Solen pellucidus. 538 Das Austreten einer oder mehrerer runder Körper oder „Blasen“ aus dem Dotter während der ersten Stadien des Eies hat man oft beobachtet. Am häufigsten von Mollusken: bei Lymnaeus: Carus (zuerst 1324), Dumortier, Pouchet; Limax und Aplysia: Vanbeneden; Doris: Kölliker; Ter- gipes: Nordmann; Limapontia: Fr. Müller; Teredo: Qua- trefages; von den Entozoen bei Strongylas aurieularis: Reichert; von Würmern bei dem Blutigel: Frey; Clepsine’ Grube (Polarring?); Sabellaria: Quatrefages; und von Vertebraten bei dem Hunde und Kaninchen: Bischoff, wäh- rend sich im Vogel- und Froschei ein Verhalten zeigt, das auf eine ähnliche Bewegung hindeutet. Wenn man Recht hat, diesen Körper in dem von Grube im Clepsinenei beschrie- benen Polarringe zu vermuihen, so ist diess der einzigste von den oben beschriebenen Fällen, wo er an der Doltter- hülle befestigt bleibt. Dumortier sah ihn bei Lymnaeus anfangs befestigt, später frei, und dieser scheint fast der- selbe Fall zu sein, wie Nordmann ihn zuerst beschreibt, wenn er beim Schlusse der Klüftung im Eiweiss sich frei befindet. In allen anderen angeführten Fällen sind diese Körper als frei ausserhalb des Dotters schwebend beschrie- ben worden, nur Fr. Müller legt Gewicht auf ihıe Stel- lung im Verhältniss zum Dotter, und Bischoff führt an, dass sie im Kaninchenei der Rotation des Dotters folgten. Hinsichtlich der Frage: was diese Körper seien, sind Bi- schoff und Kölliker geneigt, sie für den getheilten Keim- fleck zu halten, Pouchet, Van Beneden, Dumortier, Reichert für das Keimbläschen oder Theile eines Inhalts, und Frey schwankt zwischen diesen beiden Meinungen. Es leuchtet aus den oben angeführten Beobachtungen ein, warum ich gewagt habe, sie sogleich als identisch mit dem Keimfleck anzunehmen; das Ei scheint keinen andern ihm ähnlichen Theil zu enthalten. In dem Ei anderer Thiere ha- ben sie zuweilen den Anschein, als wären sie zu gross für den Keimfleck, aber wir wissen nicht, welche Volumverän- 539 derung bei der Auflösung der Keimblase in ihm vorgehen kann. Die Deutung, nach welcher der herausgetretene, zu- weilen getheilte Körper hier als Keimfleck betrachtet wird, mag daher, bis eine bessere gegeben wird *), gelten, was sie kann. — Welche Bedeutung hat der ausgetretene Keimfleck ? Für Carus bezeichnete er die Rotationsaxe des werdenden Embryos; der Polarring des Clepsineneies zeichnet den wirk- samen Pol aus; Reichert glaubt, dass er in keinem Ver- hältniss zur Klüftung stehe, Nordmann vermuthet einen Zusammenhang damit, Vanbeneden erkennt aus seiner Lage, in welcher Richtung der Körper des Thieres sich bil- den wird, Bischoff erkennt seinen näheren Zusammenhang mit der Klüftung, und nimmt an, dass der Dotter sich um ihn berum zu den beiden ersten Klüftungskugeln gruppire, und Fr. Müller endlich beweist durch gute Beobachtung, dass die ursprüngliche Lage ,‚der Blasen“ zum Dotter ohne Ausnahme die Richtungen der Klüftungslinien bestimmt, weshalb er ihnen den Namen Richtungsblasen giebt. Und so verhält es sich auch ganz deutlich bei Modiolaria und Cardium. Wenn in dem Ei von Modiolaria der Keimfleck heraus- getreten ist — sein Pol mag der obere, der entgegengesetzte der untere heissen — hat auch der Dotlter seine sphärische Form wieder angenommen und sein Inhalt ist ganz gleich- mässig vertheilt. Aber bald darauf treten neue äussere und innere Veränderungen ein. Der Vitellus verlängert sich und wird zugleich schmäler an dem niederen Pol, so dass er die Gestalt einer Birne annimmt. Sein körniger Inhalt häuft sich mehr im oberen Theile an, aber in dem unteren ist er heller als zuvor, weniger reich an Körnchen. wodurch sich *) Was ist der sonderbare Körper, der neben dem Keimbläschen und seinem Keimfleck in dem Ei der Spinnen gefunden wird? Ist er ein „Polarring“? S. Wittich, Observationes de aranearum evolutione, Halle, 1845. 540 schon von Anfang an zwei Elemente im Dotter unlerschei- den, deren Bedeutung hier vorweg genannt werden mag: der obere dunklere Theil gehört den peripherischen, der un- tere hellere den centralen Elementen an. In dem oberen, peripherischen Theil trilt ein lichter , ziemlich begrenzter Kern hervor, welche Benennung sich nur auf die centrale Schicht dieser helleren Körper, nicht etwa auf ein Verhält- niss desselben zur Zellenbildung bezieht. Es scheint, man könne mit Recht annehmen, dass dieser helle Kern der In- halt der Keimblase sei, der nach dem Austritt des Keimflecks sich in den Dotier zurückzieht, jedoch bemerkte man keinen hellern Streifen als Ausdruck seiner Wandung, wie man es in Betreff der Eier anderer Thiere angegeben findet. Fast gleichzeitig mit dem Hervortrelen dieses Kerns verändert sich ferner die äussere Gestalt des Doiters in der Weise, dass der untere, des centralen Poles schmälere, helle Theil, der durch einen Eindruck allmählig von dem oberen abgegrenzt ist, sich, ohne sich zu krümmen, an die eine Seite (man nehme sie als die linke an) der Linie hinzieht, welche zuvor das Ei von Pol zu Pol in zwei gleiche Theile getheilt haben würde. Dadurch wird die andere Seite, die rechte, des obe- ren Dottertheils sehr hervorragend. Dieser hervorragende Theil nimmt eine rundere Form an, wird dadurch immer mehr von den übrigen abgeschieden, und wird zuletzt eine fast sphärische Klüftungskugel, die mit ihrer abgeplätteten inneren Oberfläche an den anderen, grössern Theil des Dot- ters befestigt ist. Diese abgeplattete Oberfläche bildet zu- gleich die Scheidungsebene zwischen den beiden ersten Klüf- tungstheilen des Dotters, welche von dem Punkt ausgeht, wo der Keimfleck aus dem Dotter heraustritt, und noch be- festigt ist, und sich beinahe vollkommen in der Richtung desselben fortsetzt. Durch diese auf innere Bewegungen und Strömungen der kleinsten Dottertheile beruhende äussere Formveränderung ist so die erste Klüftung in zwei Theile zu Stande gekommen. Aber die beiden Theile sind von 541 sehr ungleicher Grösse und Inhalt, ‚Der eine rechte, ist kleiner, fast sphärisch, und enthält einzig und allein periphe- rische Elemente, der andere, linke, ist doppelt so gross, ob- long und in der Mitte mehr oder minder comprimirt, weil er aus dem linken Theil des oberen dunklern peripherischen Dotters und der ganzen unteren helleren centralen Partie besteht. Sowohl der rechte Klüftungstheil als der dunkle, peripherische obere Theil des linken haben ein jeder ihren hellen Kern, aber man sieht keinen solchen in dem untern centralen, durch grössere Durchsichtigkeit ausgezeichneten Theil der linken Partie*). Dieser untere, centrale Theil der linken Partie geht nun in den oberen, peripherischen dersel- ben Partie auf, wodurch die ganze Partie allmählig eine ab- gerundete eiförmige Gestalt annimmt, und der Dotter erhält die sogenannte Biscuitform (Vogt, Actaeon), d. h sie be- steht aus zwei etwas mehr als halbsphärischen Theilen, von denen der linke jedoch, seinem Inhalte nach halb aus: peri- pherischen, halb aus centralen Elementen bestehend, 'bedeu- tend grösser als der rechte, ganz und gar aus peripherischen Elementen bestehende ist. Ihre abgeplattete Scheidewand läuft nach oben zu in den Ausgangspunkt des Keimflecks aus. Nun tritt eine äussere Ruhe ein, ‘während dessen in beiden Partieen die Kerne verschwinden, und des Dotiers gleichför- mige Masse wird durchsichtig. Darauf verdunkelt sie sich aufs neue und die Kerne treten wieder hervor, worauf ein neues Stadium der Klüftung wieder damit beginnt, dass durch Verlängerung der grösseren, linken Partie ihr unterer cen- traler Theil aufs Neue selbstständig, heller als der übrige her- vortritt. Aber der obere, duuklere peripherische Theil die- ser Parlie und die rechte Partie theilen sich nun jeder in zwei nach und nach deutlich begrenzte Kugeln, so dass in diesem Stadium der Dotter fünf mehr oder minder kugelför- *) In einem Falle lag der Kern der linken Partie ihrem unteren sentralen Theile näher als dem oberen peripherischen. 542 mige, zusammenhängende Theile zeigt, von denen vier dunk- lere, peripherische paarweise um die Basis des Stiels des Keimflecks sitzen, und die fünfte, hellere aus centralen Ele- menten bestehende, von der ihrem gemeinsamen Befestigungs- punkte entgegengesetzten Seite ausgeht, und so wiederum den unteren Pol der in fünf Theile aufgelösten ursprüngli- chen Sphäre bildet. Die vier dunkleren. peripherischen Ku- geln zeigen nun jede ihren Kern, aber die fünfte, helle er-. hält keinen, und sie werden immer mehr abgerundet, so dass ihre Anheftungsflächen ganz klein werden. Aber sogleich verschwinden wieder ihre Kerne, und sie werden so hell, dass die Contouren der dahinterliegenden, deutlich durch die vorn liegenden gesehen werden können, fast so klar, wie die fünfte centrale; es sieht aus, als wenn eine allgemeine Ausgleichung der Vertheilung der kleinsten Theile im Vitel- lus stattfände. Die Dotterhülle schmiegt sich nahe an die Kugeln, dringt aber niemals zwischen ihre Scheidewände ein, sondern springt bogenförmig, von einer Kugel auf die andere über ihren hineingehenden Winkel hinweg. Wenn die Kugeln sich hinlänglich getrennt haben und die innere Ausgleichung vor sich gegangen ist, geht die vierte centrale, kernlose Kugel in eine der vier peripherischen auf, welche dadurch grösser wird, als jede der andern drei, und alle vier verändern ihre Gestalt der Art, dass ihre freien ab- gerundeten Flächen kleiner, ihre Anheftungsflächen immer grösser werden, bis sie endlich, von der obern Fläche be- trachtet, eine abgerundete viereckige Figur bilden, deren eine Ecke etwas grösser als die anderen ist, und in deren Mit- telpunkt die Linien ihrer vier Anheftungebenen an der Ba- sis des Keimfleckstiels zusammenlaufen. Sie sind jetzt dunk- ler und auch dichter und jede von ihnen erhält einen hellen, zuletzt wohl begrenzten Kern. In diesem Zustande ver- bleibt das Ei eine Zeitlang — die bisher beschriebenen Sta- dien wurden in ungefähr anderthalb Stunden durchlaufen — darauf tritt ein neues ein. Es ist wiederum der heile, cen- 543 trele Theil des Dotters, welcher, soeben in die eine der vier dunkleren peripherischen Klüftungspartieen aufgegangen, sich wieder von ihnen trennt; zugleich vermehren sich diese vier zu einer grössern Zahl — meistens sah man acht um den Conus des Keimflecks gruppirt, an dessen Basis ihre Tren- nungslinien zusammentreffen. Sie werden immer kugelförmiger und heller, während ihre Kerne verschwinden. Aber wenn die innere Arbeit in dieser Richtung ausgeführt ist, gehen sie wie im frühern Stadium wieder zu vier grösseren, in der gemeinsamen Form enger zusammengedränglen Partien zusammen, und in eine derselben geht die neunte, die helle centrale Partie auf, so dass der Dotter wieder aus vier dicht aneinander liegenden Theilen besteht, von denen die eine grösser und zur Hälfte aus centralen, zur Hälfte aus peripherischen Elementen zu- sammengesetzt ist. Zugleich treten die hellen Kerne wie- derum in dem jetzt dunklern Inhalte auf. Der Conus des Keimflecks liegt in ihrer Mitte Wenn diese Darstellung deutlich genug ist, um ohne Abbildungen verstanden wer- den zu können, so wird man auch einsehen, wie die Klüf- tung forlschreitetl. Der hellere centrale Theil trennt sich wiederum, aber allmählig weniger hell, kaum mehr so als die anderen, und die dunklern peripherischen Theile verviel- fältigen sich wieder um das Doppelte oder ungefähr so viel, werden fast kugelförmig und frei, wodurch sie hell werden und die Kerne verschwinden, — darauf gehen sie wieder zusammen, werden dunkel, und die Kerne treten hervor. Der Klüftungsprocess zeigt so gewisse Stadien: jedes der- selben beginnt damit, dass die centrale Partie selbstständig hervortritt, darauf theilen sich die peripherischen in mehrere Kugeln, werden hell und kernlos, schmelzen aber wiederum zusammen, wobei die centrale in eine derselben aufgeht, worauf sie dunkler werden, die Kerne hervortreten und Ruhe eintritt. Dieses erneuert sich noch einige Male, aber jemehr die Anzahl der peripherischen Klüftungskugeln sich Möller's Archiv. 1648. 35 544 vergrössert, desto schwieriger wird es, den Vorgang zu ver- folgen, um so mehr, als der Entwickelungsgang etwas verän- dert erscheint. Der Inhalt der Kugeln wechselt nicht mehr so deutlich mit Dunkel und Helligkeit. Die Kerne scheinen constanter zu werden, nicht mehr periodisch zu verschwin- den und in der untern centralen, zuvor hellen Partie, die nun fast so dunkel ist, wie die übrigen, sah man zuweilen einen Kern hervortreten. Wenn, wie aus dem Vorherge- henden hervorzugehen scheint, das periodische deutlichere Hervortreten der Kerne in dem verdunkelten Dotterinhalte die Ruhe in den äussern Formveränderungen begleitet oder vielleicht bedingt, während ihr Verschwinden und die damit, wahrscheinlich dadurch, stattfindende hellere Beschaffenheit des Dotterinhaltes die folgenden äussern Formveränderungen anzeigt: so lässt die, wenigstens scheinbare, grössere Be- ständigkeit der Kerne in den spätern Klüftungsstadien ver- muthen, dass die zahlreicheren, aber kleineren peripherischen Klüftungskugeln jetzt anfangen, sich als Zellen zu constitui- ren. Aus demselben Grunde scheint es annehmbar, dass die ursprünglich hellere, centrale, untere Partie. in welcher sich späler ein Kern zu zeigen beginnt, auch später als die an- deren in den Klüftungsprocess eintritt. Aber die Theilung dieser Partie entgeht der Beobachtung dadurch, dass die obere peripherische Partie des Doiters durch immer mehr zunehmende Klüftung in mehrere Kugeln gleichsam darüber wächst und allmählig zum grössten Theil die untere cen- trale einschliesst, welche, zuvor heller als die peripherische, gegen das Ende der Klüftung durch die Schichten der letz- tern hindurch dunkler und aus mehr oder weniger kugel- förmigen Abtheilungen zusammengesetzt erscheint. In die- sem Stadium, dem Ansehen nach „das Maulbeerstadium“, ist der Dotter birnförmig-oval. An seinem unteren Theile ragt die centrale Partie hervor, über welche die peripheri- sche Schicht sich allmählig schliesst. Der Conus des Keim- flecks, der ursprünglich seine Lage am Pol des Eies hatte, 545 und dessen Verhalten zu den Richtungen der Klüftungslinien während der spätern Stadien nicht zu verfolgen war, ist jetzt vom Pole etwas nach unten an die Seite gezogen. Er ist nun gewöhnlich ganz klein und selbst der Keimfleck scheint etwas kleiuer als zuvor, gleichsam zusammengefallen zu sein. Der ganze Conus fällt zuweilen in den letzten Stadien ab, zuweilen ist er noch da, nachdem der Embryo gebildet ist und sich zu drehen anfängt. Der Klüftungsprocess im Ei von Cardium ist wesent- lich derselbe, wie er oben geschildert wurde; die Abwei- chungen, welche sich zeigen, würden sich nicht ohne Ab- bildungen beschreiben lassen. Die Klüftungskugeln haben entschieden keine eignen Hüllen, wenn nicht in den letzten Stadien der Klüftung. Es kommt zuweilen vor, dass die innere Thätigkeit, durch welche in jedem Stadium die Kugeln vergrössert, selbstän- dig und hell werden, eine solche Kraft entwickelt, dass die Kugeln gänzlich getrennt werden. Dann tritt die Endos- mose auf, ihr Inhalt wird wolkig und sie sterben. In sol- chen Fällen ist die Dottermembran ebenfalls verschwunden; vielleicht ist sie auf die Kugeln übergegangen, die in der That eine Hülle zu haben scheinen. Ich habe oben die Vermuthung aufgestellt, dass der erste Kern in der peripherischen Partie des noch unzerklüfteten Dolters der Inhalt der Keimblase sei, welcher, naclı dem Heraustreten des Keimflecks, in das Innere des Dotters zu- rücksank. Eine solche Annahme scheint mit dem überein- zustimmen, was Baer über den Vorgang im Seeigelei äus- sert, und kann wenigstens als Vermuthung aufgestellt wer- den. Dieser Kern, und die Kerne der Klüftungskugeln (ehe- mals Kölliker’s Embryonalzellen) haben keine Nucleoli, und verhalten sich unter dem Compressorium keinesweges (wenn nicht in den letzten Stadien der Klüftung) wie Bla- sen oder Zellen. Sie schienen solid, aber von ganz gerin- ger Consistenz zu sein. Ihr periodisches Verschwinden kann 35 * 546 nicht wohl der Beobachtung entgehen, aber schwieriger ist es auszumachen, wie dies vor sich geht. Einige Mal habe ich zwei Kerne in einer Kugel gesehen, die so nahe anein- ander und in solcher Stellung lagen, dass sie wohl Hälften eines Kernes sein konnten, der sich getheilt hatte, aber auch dieses erklärt nicht ihr vollständiges Verschwinden. Wenn man dagegen annimmt, dass die kleinsten Theile der hellen Kerne jedesmal auseinander gehen und mit der viscösen Flüs- sigkeit des Dotters vermischt werden, so erklärt sich dar- aus, warum der ganze Inhalt der Kugeln danach heller wird, wie auch, warum er dunkler wird, wenn man annimmt, dass die kleinsten Theile des Kerns sich wieder in der Mitte sammeln und allmählig begrenzen, wodurch vielleicht die äusserste Oberfläche des wiederum soliden Kerns die Natur einer sogenannten strukturlosen Membran annimmt. Die innere Entwickelungsthätigkeit des Dotters besteht aber in einem, nach gewissen Gesetzen periodisch fortschrei- tenden, wahrscheinlich auf gegenseitiger, in Beziehung zu gewissen Punkten des Dotiers stehender, Attraction und Re- pulsion beruhenden, Umherziehen seiner kleinsten Theile. Das Resultat dieses Herumziehens, welches sich äusserlich zu erkennen giebt, ist die Theilung des Dotters in immer kleinere und zahlreichere Kugeln, welche in Ermangelung eines treffenderen Namens noch Klüftung genannt wird. Um wie viel die Kugeln durch jedes Stadium an Volu- men zunehmen, wenn sie hell und kernlos werden, und ab- nehmen, wenn sie dunkler werden und Kerne erhalten, das kann ich nicht herausbringen, aber dem Anscheine nach muss eine solche Volumsveränderung ganz gering sein. Die Dotterhülle bedeckt während des ganzen Klüftungs- processes nur die äusseren convexen Flächen der Kugeln. Sie schmiegt sich ganz genau an dieselben an, und dringt niemals zwischen die Berührungsflächen der Kugeln ein. Der Stiel des Keimflecks hat sich, wie oben erwähnt wurde, während der spätern Stadien der Klüftung von dem 547 obern Pol etwas nach unten an die Seite des Dotters be- geben, und sitzt dort noch bis der Embryo gebildet ist und anfängt sich zu bewegen, — einigemal, wahrscheinlich in anomalen Fällen, später als bis zu diesem Vorgange. An einigen Eiern, wo er, wahrscheinlich kurz vorher, abgefal- len war, bemerkte man an der Stelle, wo er sich an ande- ren noch vorfand, ein Loch in der Dotterhülle, und darun- ter, in dem centralen Dottertheil, eine Oeffnung zwischen den Zellen, Die ganze Doltermasse wird zum Embryo, wie bei den Gastropoden. Ihre Verwandlung in den Embryo ist der kritische Punkt; hier stirbt sie oft ab. Was Modiolaria an- betrifft, so ist die genaue Beobachtung von dieser Periode an äusserst schwierig, denn so wie der Embryo sich zu drehen anfängt, sind seine Bewegungen vollkommen frei im Wasser, da ihn keine Kapsel umschliesst, und er fliegt unter dem Mikroskope hin und her, je älter, desto hurliger. Was ich daraus wahrnehmen konnte, stimmt in der Hauptsache mit dem, was ich bei den wenigen Embryonen von Cardium, welche über dieses Stadium hinwegkamen, beobachtete, überein, Diese waren einzeln in ihrer uhrglasförmigen, hellen Kapsel eingeschlossen, als sie anfingen sich zu drehen. Ihre Form war rundlich-eiförmig, Weder ein Abwerfen der Dotterhülle, noch irgend eine Spur derselben um den Em- bryo wurde beobachtet. Aber die Oberfläche des Embry os war mit äusserst feinen, dichten und kurzen Cilien besetzt, deren Schläge ihn umherwälzten. Ist es die Dotterhülle, welche zum ersten Flimmerepithelium des Embryos wird ? wenn sich dieser Ausdruck für eine eben erst strukturlose, jetzt bewimperte Hülle anwenden lässt — oder silzen diese Cilien auf der darunter liegenden Zellenschicht? Denn un- ter der Wimperbekleidung liegt das peripherische Lager ziem- lich kleiner, heller, eckig-runder, dünnwandiger Zellen mit ganz kleinen Kernkörperchen. Darin erschien die centrale, 548 jetzt dunklere Masse, eine Anhäufung von Zellen, die einen länglichen schmalen Schatten, wie von einer innern Schei- dewand zwischen zwei neben einander liegenden Haufen von Zellen, zeigen. Dieser Schatten liegt der einen Längsseite des Embryo näher. Die entgegengesetzle Seite hat eine Vertiefung, einen Eindruck, durch welchen der Embryo, wenn diese Seile in der Peripherie des Bildes liegt, eine nierenförmige Gestalt erhält. In diesem Eindruck sieht man unter der Wimperbekleidung eine transverselle Oeffnung zwi- schen den Zellen der peripherischen Schicht — wahrschein- lich dieselbe Oeffnung, welche sich am Ei nach dem Abfal- len des Keimfleckes zeigt, und in diesem Falle die Narbe des Punktes, wo der Dotter ursprünglich ein Loch bekam, durch welches der Keimfleck austrat, der Punkt, in welchem die Richtungslinien zusammenfallen. Es wurde erwähnt, dass dieser Punkt während der spätern Klüftungsstadien von dem Pol nach der Seite der Eier hinrückt. Die angeführte Ver- tiefung an der einen Seite des Embryos zieht sich zusammen wie ein aufgesperrter Mund sich schliesst, wodurch auch die darin liegende Oeffnung eingezogen wird. Der Eindruck bleibt zuletzt nur als ein geringer, allmählig verschwinden- der Einsprung zurück, und der Embryo, von der Seite ange- sehen, erhält eine mehr kugelrunde Gestalt, die bald trape- zoidisch wird. An einer Seite des Eindruckes treten zwei kleine Zapfen hervor, die beide Anfangs nahe der Mittellinie des Embryos liegen, aber allmählig nach beiden Seiten sich da- von entfernen, und zu einem Wulst auswachsen, der den gröss- ten Theil vom Umfange des Embryos umfasst. Auf diesem Wulste, der sich in zwei übereinstimmende Partieen theilt, treten jetzt lange Cilien oder richtiger Cirri auf, welche um- herschlagen. Es ist das erste Bewegungsorgan des Thiers, die Anlage des Velum. Der Embryo hat »un Aehnlichkeit mit einem Hut mit abgerundetem conischem Scheitel (Abdomi- naltheil) und abgerundeter Krempe (Wülste des Segels), des- -sen Oeflnung aber zwischen diesen Wülsten von einer con- 549 vexen Fläche, der vorderu Fläche des Segels bedeckt wäre. Auf dieser Fläche tritt vor allen andern Organen zuerst ein einzelner Cirrus auf, der länger als die vibrirenden ist. Das äusserste Zellenlager der abgerundet - conischen Abdomi- nalpartie bildet die Muschel, welche anfangs ganz dünn, wie ein Häutchen ist, und aus zwei Hälften, Valven, besteht, die an ihrer Rückenseite, ohne Spur eines Schlosses, zusam- menhängen. Wenn die Muschel zuerst auftritt, sitzt sie wie ein Sattel auf dem Embryo und ist so weich, dass sie durch seine Contraktionen an der Rückseite oft eine starke Ein- biegung bekommt. Beide Schalen der Muschel wachsen nun allmählig so, dass sie sich dem Wulst des Segels nähern; sie nehmen eine abgerundete Form, mit ziemlich gerader Rück- seite, an. Unter der Schale sondert sich zunächst der Man- tel ab, so dass ein Zwischenraum zwischen diesem und der centralen, jetzt ganz dunkeln Zellenmasse auftritt. Unterdes- sen wachsen die Schalen so sehr, dass das Segel zum Theil von ihnen versteckt werden kann, und das Segel, welches eich mehr entwickelt, sich nach innen zurückziehen kann; auch sieht man das Muskelband von der Rückseite des Thiers zum Segel und Mantel gehen. Von den Schliessmuskeln der Schale ist besonders der eine vordere deutlich. Inzwischen haben die übrigen innern centralen Elemente sich zu einer grossen Masse geordnet, welche ungefähr die Mitte der in- nern Höhle des Thiers einnimmt, und nach der einen Seite der Muschel hin, zwei unter einander und mit dem äussern Theile des Segels parallele, dieke, solide und dunkle Stämme aus dicht zusammengedränglien Zellen absendet. Die grosse Masse nahe der Mitte ist der Magen mit den beiden Leber- lappen, die davon ausgehenden parallelen Stämme sind, zu- nächst dem Velum der Oesophagus, und hinter diesem, der Darmkanal. In der grossen Masse treten zuerst der Magen und die beiden, zu beiden Seiten desselben liegenden Leber- lappen, als drei nahe verbundene Portionen derselben hervor. In der Magenportion begeben sich die Zellen in die Ober- 550 fläche, so dass in der Mitte eine anfangs kleine allmählig sich vergrössernde Höhle entsteht, worauf sie. nach und nach heller werdend, die Magenhäute bilden. Im Darm und Oe- sophagus entstehen die innern Höhlen auf dieselbe Weise, begegnen sich endlich und treten in Gemeinschaft mit der Höhle des Magens, aber erst sehr viel später öffnet sich der Oesophagus nach aussen durch den Mund. Während dessen sind die rundlichen Leberlappen, so eben getrennte Zellenhaufen, hell und mit zerstreuten Zellenkernen versehen worden und der Darm, der bedeutend in die Länge gewach- sen ist, beginnt eine Schlinge zu .bilden. Nun öffnet sich der Mund nach aussen , und bald darauf beginnen die star- ken Wimpern des Oesophagus und Mundes zu vibriren. In der Mitte des Segels, dessen Textur immer heller und mit zerstreuten Zellenkernen versehen wird. entspringt der lange einfache Cirrus aus einem rundlichen Körper, der hier sehr schwierig zu sehen ist. Das Segel liegt fast der Rückseite der Schale parallel, hinter dem Velum sieht man die Mund- Öffnung, darauf -— jetzt elwas mehr davon entfernt als im Beginn — die Analöffnung, welche daher fast in der Mitte des hintern Randes der Schale liegt. Weder vom Herzen, noch vom Fuss ist eine Spur zu entdecken. Die Schale hat jetzt die Länge von 0,09 m. m. und das Thier schwingt sich unaufhörlich umher, als wenn es sich herausarbeiten wollte. Seine kreisenden Bewegungen schienen jedoch nicht beson- ders geeignet zu sein, um die Kapsel zu zersprengen, aber ich glaubte zu bemerken, dass diese jelzt von loserer Be- schaffenheit wäre als zuvor, — als alle Thiere, ohne sich befreien zu können, sterbend oder todi gefunden wurden. In allem Wesentlichen stimmt das Junge von Modiola- ria mit dieser Beschreibung überein. Aber viel vollständiger lässt sich der Bau der neugebor- nen Acephalen an den Jungen von Montacuta darstellen. Zwei Arten dieser Galtung, M. ferrugiuosa und bidentata — insofern diese letztere nicht davon ausgeschieden werden 551 muss — sind lebendiggebärend, d. h. die ausgebrüteten Jun- gen halten sich eine Zeitlang in der Schale der Mutter auf und werden herausgeworfen, wenn sie eine gewisse Ent- wickelung erreicht haben. In einem Stündchen sieht man einen Schwarm von zuweilen nahe an Hundert aus dem hintern Theile ihrer Schale ausströmen; sie bilden alsbald eine kleine Wolke im Wasser und erhalten sich 3 bis 4 Tage im Glase am Leben, immer in einem kleinen Schwarın beisammenbleibend. Die Jungen beider Arten sind hinsichtlich der Form der Schale und der innern Theile ziemlich gleich, so dass ich hier in der Beschreibung nur wenig von ihren Unterschieden anführe. Die dünne durchscheinende, ziemlich bauchige Mu- schel hat in ihrem äussern Umkreise fast die Gestalt von zwei Dritlheilen eines Kreises, dessen Chorde die fast ge- vade Rückseile. wäre, jedoch ist das vordere Ende etwas slärker, als das hintere. Die Länge ist 0,13 bis 0,15 m. m. Eine sehr geringe innere Unebenheit der Rückseite deutet das Schloss an. Der vordere Schliessmuskel ist: gross und kräftig, der hintere weniger deutlich. Die Schale wird inwendig vom Mantel bekleidet. In der grossen mittleren Höhle unter der Rückseite treten die innern Organe sehr deutlich hervor. Hier liegt der ovale Magen mit ziemlich dieken Häuten, durch zwei zurückgebogene Leisten in zwei Räume sehwach abgetheilt. Im Grunde des vordern ist die Cardia, und davon geht schief nach hinten der noch lange, weite Oesophagus ab, welcher nahe der Mundöllnung au seiner hintern Wandung einen ganz kleinen beweglichen Zapfen — vielleicht ein Analogon der Zunge der Gastropo- den — hat. Die Lappen der Mundöffnung hängen mit dem Mantelrande zusammen. Vom Grunde der hintern Abthei- lung des Magens geht der Darm aus, der, von gleichmässi- ger Dicke, zuerst nach oben steigt, darauf sich nach links und unten, sodaun wieder aufwärts. nach der Mitte zu, und zuletzt gerade hinunter gegen den After krümmt, welcher vom muskulösen Rande des Mantels umschlossen und be- 992 festigt wird. Die Analöffnung ist von Wimpern umgeben, und die Wimpern vibriren im Darm, nach dem Magen zu, an den Wänden des Magens, und am stärksten und gröss- ten im Oesophagus. Die Analöffnung ist, wenn alle Theile des Thieres in der Schale, aber mässig zusammengezogen sind, etwas über der Mitte des hintern Randes der Schale gelegen, und die Mundöffnung nicht weit davon, nämlich etwas hinter der Mitte seines untern Rande. Die Leber besteht aus zwei, wie es scheint, ganz getrennten Lappen; einem auf jeder Seite, der linke etwas grösser als der rechte, beide von unregelmässig ovaler Gestalt. Sie sind von ei- ner sehr gleichmässigen Textur, in welcher man anfangs nur eingestreute Zellenkerne, die später verschwinden, un- terscheidet, aber kurz vor dem Absterben der untersuchten Speeimina zeigte die Leber einen sehr feinen netzförmigen Bau aus dicht aneinander liegenden, rundlichen, vieleckigen Räumen. Das Innere der Leber steht durch eine grosse Oefl- nung mit der innern Höhle des Magens in Verbindung. Mehr- mals sah man, dass die Leber, proprio molu, chis zusam- menzog und wieder ihren frühern Umfang einnahm, eine Bewegung, wodurch ihr Inhalt ein und wieder aus dem Ma- gen geführt werden musste. — Das Segel ist sehr entwickelt. Wenn es aussen vor den untern Rändern der Muschel aus- gespannt ist, noch als einziges Bewegungsorgan des Thieres fungirt, und das Thier seine untere Seite nach oben kehrt, bildet seine Oberfläche ein langes Oval, dessen Ränder dicke Wülste sind. An der einen Seite dieser Wülste sitzen die langen Cirren, welche sich bei jedem Schlage zuerst etwas nach innen und darauf nach aussen krümmen, wobei sie sich zu verlängern scheinen. Die dünnen Häute des Segels, deren Ränder von den Wülsten gebildet werden, zeigen viele verzweigte Fasern, die vorzüglich von einem Punkte seines vordern Theiles ausgehen. Unter diesen Fasern erscheinen hie und da kleine rundliche Bildungen; sie dürften daher theils als Muskeln, theils als Nerven mit Ganglien betrach- 593 tet werden können. Ungefähr in der Mitte der Oberfläche des Segels sıeht man einen umgekehrt -herzförmigen, con- vexen Körper, von dessen unterer und vorderer Oberfläche der lange, starke, einfache Cirrus ausgeht, der oben bei Car- dium als das erste nach dem Segel sichtbare Organ ange- führt wurde, und das vorlängst bei Anodonta beobachtet und dort als Byssus betrachtet wurde. Diese Deutung, welche ich auch in dem oben angeführten Aufsatz vor meh- reren Jahren annahm, ist, wie wir ferner sehen werden, ganz unrichtig. Der Cirrus mit seinem herzförmigen Basal- lappen scheint mir noch nicht auf irgend ein bei den Mol- lusken bekanntes Organ bezogen werden zu können, wenn nicht etwa die Brachiopoden etwas Aehnliches zeigen. Das Segel, welches nach hinten zu nahe an die Mundöffnung grenzt, scheint sonst überall mit dem Mantel zusammenzu- hängen, dessen Rand jedoch frei ist. — Der Mantel hat am vordern Rande, zu beiden Seiten einen verdickten Theil, der sich unter dem Schliessmuskel so in einem Winkel nach innen beugt, und durch einen oval abgerundeten Theil so- wohl mit dem Segel, als mit dem Basallappen zusammen- hängt. Ein bandförmiger Muskel steigt an. beiden Seiten von der Rückseite des Mantels oben um den vordern Schliess- muskel, und erhebt diesen Theil des Mantels, wenn das Se- gel eingezogen wird. Ein desgleichen stärkerer Muskel be- festigt sich zu beiden Seiten an den Mantel (an die Schale?) ungefähr in der Mitte seiner Länge, aber der Rückseite näher, und breitet sich auf dem vordern Theil des Segels aus, und unter demselben vertheilt sich ein anderer noch stärkerer in derselben Richtung auf seinem vordern Theil. Durch diese beiden Muskeln, und wahrscheinlich noch durch einen oder den andern, der durch die dickeren Theile der Leber und des Oesophagus versteckt wäre, kann das ganze Segel ganz weit in die Schale hineingezogen werden. — Von einem um die Analöffnung liegenden Theil, wo ich zwei ganglienartige Körper unterscheiden zu können glaubte, ge- 854 hen auf beiden Seiten zwei sehr feine Stränge ab, welche sich in Bogen zum vorderen Theil des Thiers begeben, wo der eine sich in feine Zweige im Velum auszubreiten schien. Im ersten Drittheil dieser Verbreitung scheint er einen kur- zen Zweig, möglicherweise für die Organe der Ernährung, abzugeben. Diese Stränge scheinen sich durch Lage und Form als Nervenstränge zu erkennen zu geben, und würden, wenn diese Deutung richtig ist, mit den Strängen identisch sein, welche sich bei den ausgewachsenen Acephalen von dem grossen Ganglion am hintern Schliessmuskel längs dem Rücken zu den an den Seiten des Oesophagus liegenden be- geben. — Sogleich hinter dem Oesophagus liegt die runde Kapsel des Gehörorgans, und etwas nach unten vor dieser eine etwas ‚grössere, aber schwer zu unterscheidende Blase, in welcher man einige wenige Körner sieht, welche den Pig- mentkörnern gleichen. Ich werde weiter unten anführen, für was sie nach meiner Ansicht zu halten sind. Einige kleinere innere Theile können hier nicht beschrieben werden. Von einem Herzen oder von Kiemen — wenn nicht diese letzteren nur in ihrer ersten Anlage — findet sich bei diesen jungen Acephalen noch keine Spur. Ein glücklicher Zufall gab endlich einige weitere, nicht unwesentliche Aufklärungen über die Verwandlungen der Acephalen. Unter der Menge von jungen Thieren, welche zuweilen durch die Strömung an der Wasseroberfläche ver- sammelt werden, und in Bohuslän „„Ganeskar‘ oder „Godt“, in Schottland „‚Maidre‘‘ genannt werden, befand sich eines Tages eine nicht geringe Anzahl von jungen Acephalen. Obgleich mehrere, ganz verschiedene Formen darunter wa- ren, so liessen sich doch die Arten oder Gattungen nicht bestimmen. Sechs derselben, deren Länge von 0,22 bis 0,37 m. m. betrug, wurden genauer untersucht und gezeichnet; ihre äussern Formen erinnerten an Venus und Lucina, aber eine wich in dieser Hinsicht ganz bedeutend ab. Die linke Schale war convexer, als die rechte; an der innern Fläche 955 des Schlossrandes der Schale sah man zwei Reihen von drei und vier Zähnen mit einem glatten Zwischenraum, und, was das Auffallendste war, der untere Rand der Muschel hatte eine tiefe, aber schmale Falte, ganz so, als wenn die gekerbte Krümmung des Randes dort mit einem Ende so anfinge. Ohne auf die Verschiedenheiten, welche die ungleichen Formen zeigten, einzugehen, war ihr Bau im Allgemeinen folgender. Das Segel, gross und stark, lag mehr am vordern Rande der Schale; die kleinen Thiere schwammen durch den Schlag seiner vibrirenden Cirren. Wenigstens bei einem derselben ging noch vor seiner Mitte der einzelne, nicht vibrirende Cirrus hervor, aber sein Ba- sallappen wurde von umgebenden Theilen verdeckt. Es war jetzt, noch mehr als zuvor, klar, dass dieser Cirrus nicht der Byssus sein kann. — Hinter dem Velum erschien bei den meisten der Mund und Oesophagus mit seiner kleinen, zungenförmigen Klappe, und bei diesen war die Leber noch wenig grösser, als bei den Jungen von Montacuta; aber bei einigen war der Mund und Oesophagus von der Seite nicht sichtbar, sie waren mehr unter die Leber gezogen, welche, von sehr grüner Farbe, vergrössert und an der Oberfläche aus einer Anzahl runder Säcke zusammengesetzt, in der Rückengegend den Magen und grössern Theil des Darmes umgab. — An der Basis des Velums und gegen die Mitte des hintern Randes lagen zu beiden Seiten die Kiemen, eine Reihe von A—5 Säcken, die an ihrer innern Seite mit vibrirenden Cilien besetzt waren. -- Zwischen den beiden Reihen von Kiemensäcken trat der Fuss, bereits ganz entwickelt, mit, besonders vorn, starker Ciliarbewegung, hervor. Das Thier konnte bereits mit dem Fusse aus dem Glase kriechen. — Gleich vor dem hintern Schliessmuskel lag ein sackförmiges Organ, dessen Inhalt bei einigen hell war, bei andern an den Wänden zerstreute, feine Körnchen oder kleine ovale Bläschen, jedes mit einem bis fünf sehr feinen innern Körn- chen versehen, zeigte. Dieses Organ schien mir das soge- 996 nannte Bojanische zu sein. — Hinter der Basis des Segels zeigte sich an beiden Seiten eine runde, mit einem oder mehreren Otolithen versehene Gehörkapsel. Etwas vor und unter den Gehörorganen, am Oesophagus, nahe unter dem Mantel, lag ein fast ovales, blasenförmiges Organ, mit dün- nen, durchscheinenden Wänden. Diese Blase enthält einen oder zuweilen zwei Haufen kleiner schwarzer Körner, den Pigmentkörnehen äbnlich. Wo nur ein Haufen von Kör- nern in der Blase gefunden wurde, war dieser, und wo zwei Haufen waren, war der grössere um einen kleinen ovalen Körper angesammelt, welcher, insbesondere bei einer Form, gar sehr einer Linse glich. Diese Blasen mit diesem Inbalt sind ohne Zweifel dieselben, welche oben von Mon- tacuta beschrieben wurden. Ihre Lage an den Seiten des Mundes, an der Oberfläche des Thiers, dicht unter dem Mantel und der durchsichtigen Schale, nahe den Gehöror- ganen, an der Basis des Velum, welches das umfasst, was hier als der dem Kopfe der Cephalopoden entsprechende Theil angesehen werden muss, die dunkeln Pigmentkör- ner in jeder, welche rings um einen Körper angesammelt sind, der wie eine Linse aussieht; alles dieses scheint mir die Annahme zu veranlassen, dass sie Augen sind. Dagegen spricht jedoch, dass bei Peeten die zahlreichen Au- gen unzweifelhaft im eirrentragenden Rande des Mantels siz- zen, und dass Will bei mehreren anderen Gattungen von Acephalen Augen beobachtet hat, welche auch in äusseren Theilen des Mantels liegen. Diese letztere Beobachtung habe ich nicht bestätigen können, will sie aber deshalb noch nicht als unbegründet ansehen — wage jedoch, die Deutung, wel- che ‚ich diesen blasenförmigen Organen gegeben habe, für jetzt als nicht unannehmbar anzusehen. Ein Herz konnte ich bei keinem von ihnen entdecken, gleichwohl ist es möglich, dass es durch andere Organe ver- schleiert war. 557 Diese kleinen Jungen der Acephalen haben also in allem Wesentlichen die Bildung, welche den ausgewachsenen zu- kommt. Aber sie haben wie Rissoa am Ende dieses ersten Stadiums zwei Arten von Bewegungsorganen, den Fuss und das Segel, dieses merkwürdige Organ, welches, homolog den acht Armen der Cephalopoden, so wie der Fuss der soge- nannten Athemröhre derselben, bei den meisten Gastropoden verschwindet oder nur als ein unthätiger Rest zurückbleibt, nämlich bei den Gymnobranchien, wo es zu den Lappen wird, welche oben vor und an den Seiten des Mundes lie- gen, und welche man Mundtentakeln genannt hat. Wenn wir nun nachsuchen, wie wir bei den auegewachsenen Ace- phalen das Segel wiederfinden, so zeigen sich an den Seiten des Mundes die Organe, welche man Tentakeln oder Palpen („palpes labiaux‘‘ „Mundlappen‘) genannt hat. Sie neh- men denselben Platz ein wie das Velum, wenn wir uns die- ses tiefer in zwei Lappen getheilt vorstellen. Aber dieser Mundpalpen giebt es auf jeder Seite zwei — ein Umstand, der für jetzt nicht zu erklären ist, und der bis auf weiteres die hier gegebene Deutung nur als wahrscheinlich ansehen lässt. Man nimmt gewöhnlich an, dass die langen gewun- denen Arme bei den Brachiopoden auch als homolog den „Labialpalpen“ der Lamellibranchiaten anzusehen seien. Wenn dieses der Fall ist, und wenn diese letzteren wirklich Um- bildungen des Velums sind, so finden wir in den acht Ar- men der Cephalopoden, in dem bei den Jungen als Schwimm: organ thätigen, später mehr oder minder reducirten Velum der Gastropoden, in den auch in den ersten Lebensstadien als Schwimmorgan auftretenden „‚Labialpalpen‘ der Lamelli- branchiaten, und in den langen gewundenen Armen der Brachiopoden dasselbe Organ unter verschiedenen Gestalten wieder. Und so wie die Cephalopoden in den geologisch ältesten Perioden zuerst mit den Tetrabranchiaten auftreten, bei denen in dieser Ordnung das bei den Gastropoden em- bryonale Velum am stärksten entwickelt ist, so treten auch 908 die Acephalen zuerst mit den Brachiopoden auf, wo die ge- wundenen beweglichen Arme mehr als bei den Lamellibran- chiaten selbständige thätige Organe sind. Auf Grund des Obenangeführten, und insofern es als gültig für die ganze Klasse angenommen werden kann, ist der Entwickelungsgang der Acephalen folgender: Das reife, sphärische Ei besteht aus Dotterhülle, Dot- ter, Keimblase und Keimfleck; es ist bei Cardium in einer Kapsel eingeschlossen und von einer vielleicht albuminsöen Flüssigkeit umgeben, bei Modiolaria ganz nackt. Der Annäherung der Keimblase an die Oberfläche des Dotters und dem Bersten seiner Hülle ohne Veränderung des Keimflecks, Verrichtungen, welche dem eigenen Leben des Eies vor der Befruchtung angehören dürften, folgen nach diesem Akt Innere Bewegungen im Dotter, begleitet von äussern Formveränderungen, durch welche Der Keimfleck aus dem Dotter heraus getrieben und von einer conischen (Modiolaria) oder halb-sphärischen (Car- dium) Ausdehnung der Dotterhülle umschlossen wird, wor- auf das Ei wieder sphärisch wird. In dem, dem Keimflecke, entgegengesetzten Pol wird der Dotter heller, und dieser Theil des Eies verlängert sich, wodurch es von Anfang an sich als Behälter der künftigen centralen Elemente unterscheidet, während der übrige dunkle Theil des Dotters die peripherischen enthält. In dem peripherischen Theil tritt ein heller Kern, wahr- scheinlich der Inhalt der Keimblase, welcher sich wieder ge- gen das Innere zurückgezogen hatte, hervor. Die sogenannte Dotterklüftung des Dotters besteht in periodischem Umherziehen seiner kleinsten Theile, wahr- scheinlich auf Attraction und Repulsion zwischen ihnen in Beziehung zu gewissen Punkten des Dotters beruhend. Diese Bewegungen treten zuerst in dem dunkeln, peri- pherischen Theil auf, welcher dadurch periodisch, und wie 599 es scheint, näch einer geometrischen Reihe mit dem Expo- nenten zwei getheilt wird, aber während der ersten Zeit der Klüftung,. nach jeder Theilung wieder in die vorherge- hende Multiplication von zwei zurückfällt, worauf äussere Ruhe eintritt. Während jeder Ruhe tritt in jeder peripherischen Ku- gel ein heller Kern hervor, wobei der übrige Dotter verdun- kelt bleibt, und während jeder folgeuden Theilung verschwin- den die Kerne, während der ganze Inhalt sich klärt. Bei dem Beginn jeder Theilung tritt die centrale Partie für sich hervor, jedesmal weniger durchsichtig, und bei dem Eintritt jeder Ruhe geht sie in eine der peripherischen Ku- geln auf. Durch frühere und überwiegende Theilung überwächst der peripherische den centralen Theil. Der centrale tritt späler in den Theilungsprozess ein, wo ein Kern darin entsteht, und wird endlich ganz und gar von dem peripherischen eingeschlossen. Die Kerne sind solide; aber nehmen möglicherweise pe- riodisch, bei jedem Stadium des stärksten Hervortretens, die Natur von Bläschen an, indem ihre äusserste Oberfläche eine sogenannte strukturlose Membran wird. Die Klüftung des peripherischen Theiles geht hinsicht- lich ihrer Richtung von dem Punkt aus, wo der Keimfleck aus dem Dotter heraustrat. Der Keimfleck zieht während der spätern* Stadien der Klüftung vom Pole nach der Seite des ovalen Eies hin. Wenn er abfällt, sieht man unter seinem Belestigungs- punkte auch in dem inneren centralen Theil eine Oellnung zwischen den Kugeln. Die Klüftungskugeln haben, wenigstens noch wenn es acht peripherische Kugeln giebt, keine eigenen Hüllen, und werden nur von der Dotterhülle bedeckt. Später werden sie Zellen, und das Ei besteht, am Schlusse der Klüftung, Müller’ Archiv, 1848, 36 960 aus einer äussern Schieht heller peripherischer und einer innern Masse dunklerer centraler Zellen. Der ganze Dotter wird Embryo, und dann tritt eine Bekleidung kurzer Wimpern an seiner Oberfläche auf und er beginnt durch ihre Bewegungen sich zu drehen. In einer Vertiefung auf der einen Seite des Embryos liegt eine Oeflnung, wahrscheinlich dieselbe, welche bei dem Abfallen des Keimflecks entstand, Diese Vertiefung zieht sich über die Oeflnung zusammen, welche sich schliesst. An seinem Rande entstehen zwei Zapfen, welche all- mählig zu einem um den Embryo herumlaufenden Wulst aus- wachsen, welcher alsbald mit starken schwingenden Wim- pern besetzt ist, — Segel (Velum). Der Embryo ist hiermit in einen conischen Abdominal- und einen Kopftheil getheilt. An der vordern Fläche des Segels tritt ein einfacher, nicht schwingender Cirrus hervor. Die äusserste Zellenschicht des Abdomen wird zur sat- telförmigen, aus zwei an der Rückseite zusammenhängenden Valven bestehenden Muschel. Der Mantel sondert sich von der Centralmasse im In- nern ab; Muskeln treten hervor, welche das Segel in die immermehr vergrösserten Schalen hineinziehen, die wenig- stens einen, den vordern, Schliessmuskel haben. Die innern centralen Elemente ordnen sich zum Magen, Leberlappen, Oesophagus und Darmkanal, welcher anfangs solide, später durch den Uebergang der Zellen in die Wände hohl werden. Der Mund, welcher sich zuletzt nach aussen öffnet, liegt anfangs nahe am After, an derselben Seite, gleich hinter dem Segel. Der Magen theilt sich in eine Pars car- diaca und in eine Pars pylorica. Die Leber ist ein ovaler Lappen zu jeder Seite desselben; ihr Inneres hängt durch eine grosse Oellfnung mit dem Innern des Magens zusammen, Sie ist anfangs von gleichförmigem Bau. in welchem her- 561 nach eine bläschenartige Bildung auftritt. Darauf treten die Gehörorgane auf, die Augen (?), gewisse Nervenstränge (?), die Kiemen, der Fuss, das Bojanische Organ. Der Mund entfernt sich vom After und begiebt sich nach oben hinter dem Segel, welches sich auch allmählig von dem untern zum vordern Rande der Schale zieht. Das Segel, welches noch seinen langen Cirrus hat, bleibt noch eine Zeitlang Schwimmorgan, nachdeın der Fuss angefangen hat, als Kriech- organ zu dienen. Damit das Junge in allem Wesentlichen einem ausgewachsenen Acephalen gleich werde, bleibt nur übrig, dass das Segel sich auf die vier „Labialpalpen“ redu- eire und dass die zwei Augen verschwinden. 562 nunnnunmninıın . 229 2. . 230 Z. 230 Z. 230 Z. 231 Z. 231 Z . 389 2. . 393 2. . 393 2. 2 4 19 13 16 12 v. 20 v. v v 7 Y V u. 0. 0. 0 0 0 Corrigenda statt Furchen nn. ” - Furchenschuppen ” ” ” - orthognatischen - Fallmeray Haartmann i lies Fugen. „ - Fugenschuppen. ” 2 ” = ” - orthognathischen. - Fallmerayer. - Haartman. 5 Archiv 18.48 > BE Mr H Cramer A EC Grwuinand s ar A x == —= CE Cranand sc. \ Kane Tail Tapie e &) PR > CE. Grunand so. Milleris Archnr IE LE e Müllers. Arche 1848. | Taf. VI. 75] Er gr Miller’s Archiv 1B4B. et ns => 2 4 Guinsnd se. En = - EX. Kuga SER: E I= SOON N u an a) 9% D>< gr R RITA Fr LETTER SU 7 Müller!s Archiv 1848. cn) or —, rg r a DEE a € © € vu u Taf XI. Guinund se Miller’s Archiv 1638 u Zaf XI 10 Bu A Guinand # Müller's Archw 1848. j Wen, ee BZW | | | | | | u - _— _ J Guinand #0 far Müller's Archiv 1846 s = \ \ . \ ern Er = Het. Geil I. Wileken: wi. nirt del Hüller's Archiv 1848. Taf XV, | Weletere dl. i Sa : r nz Fer: u a 1 | Tagım eiT DPANET) Se)\g0 Arche 1848.