ARCHIV ANATOMIE, PHYSIOLOGIE WISSENSCHAFTLICHE MEDICIN, IN VERBINDUNG MIT MEHREREN GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON D». JOHANNES MÜLLER, ORD. ÖFFENTL. PROF. DER ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, DIRECTOR DES KÖNIGL. ANAT. MUSEUMS UND ANATOMNISCHEN THEATERS ZU BERLIN. Jahrgang 1852. Mit sechszehn Kupfertafeln. BERLIN VERLAG von VEIT ET COMP. en * bonn work = dan Be aan ann Dee, Li. BESTE FILE SZ an RER ji aaa. er DR = u wir hd Bath He or» WW ha De ER a a N RT er Zi Er Inhaltsanzeige. Jahresbericht über die Fortschritte der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere in den Jahren 1845, 1846 und 1847. Von Alexander Ecker in Freiburg i.B.. . . x». 2.2... Bericht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre: 1851." Von K.'B: Reichert "7. 7... 0 er fune. Ueber die Erzeugung von Schnecken in Holothurien. Von Joh. ne ei ge Ueber die Entwickelung von Ophiolepis squamata, einer bang! gebärenden Ophiure. Von Dr. Max Schultze in Greifs- wald: (Hiazu Tai: L)s :: 2:5: 0% a Ueber extracellulare Entstehung thierischer Zellen und über die Vermehrung derselben durch Theilung. Von R. Remak... Ueber die Ganglien der Zunge bei Säugethieren und beim Men- mean RB Bomak. 2.278 3 u. 3 0 „en Do Ueber die Entstehung des Bindegewebes und des Knorpels. Von UBER IRIERBAEHER Han RR, REN. N te ea er ee Ueber den Bau und die Bildung der Nesselorgane von Cyanea. Von Dr. Karsten. (Hierzu Taf. II). 2»... 2 .%. Q Beschreibung des Eingeweide-Nervensystems in der Teichmuschel (Anodonta). Von Dr. Keber, Kreisphysikus in Insterburg. (BE TRE HE) A er ob Sara ehr Sarraaata Zwei Reihen physiologischer Versuche. Von Prof. Dr. Stannius Ueber das Wesen der Pacchionischen Drüsen. Von Prof. Luschka m übingen (Hiorze TARIV 22.2 ee Ueber runde Blutgerinnsel und über pigmentkugelhaltige Zellen. BENDER. CEIERRITTRRV.) ea ee Ueber functionell verschiedene und räumlich getrennte Nerven- centra im Froschherzen. Von F. Bidder in Dorpat. (Hierzu BL) 22 Fa DEE tete) en. OR Seite IV Seite Ueber einen aus cylindrischen Zellen zusammengesetzten Epithe- lialkrebs. Von F. Bidder in Dorpat . . . . STE: Messungen über Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizuuie in den Nerven. Von H. Helmholtz. Zweite Reihe. (Hierzu Taf. VII.) 199 Untersuchungen über die Temperaturverhältnisse des Menschen im gesunden und kranken Zustande. Von Dr. Felix v. Baeren- sprung, Privatdocent in Halle. (Zweiter Artikel)... . . 217 Beleuchtung einiger von E. H. Weber angeregten Streitfragen über Blutdruck und Blutbewegung. Von A. W. Volkmann 287 Ueber die Entwickelung der Aseidien. Von A. Krohn. (Hierzu Tab VIII 1) 2 02050: Lara kaunner Sim, Safe Re 1] Bemerkungen über mehrere Körpertheile der Coecilia annulata. VonsH. Bathke, (Hierzn' Taf TR) yr 1... 000,0 e....334 Experimente über die Stase an der Froschschwimmhaut. Von HiecH. Weber in ‘Giessen „.. nn. all -& a. » ‚dag me 361 Ueber das Verhalten der Carotidenstäimme des Huhnes während ihrer Entwickelung. Von H. Rathke .... =. 2. 372 Ueber Flimmerbewegung in den Uterindrüsen des Schweines. Von Dr.,Ley.dig; „(Hierzu Taf. VIIsEiE, A), anelaliinenst wile 18 375 Untersuchungen über die Pyenogoniden. Vou Dr. Wilhelm Zenker (Hierzu Ta). -. . u. Klier we 379 Sur la reproduction des nerfs et sur la structure et les fonetions des ganglions spinaux. Par A. Waller, M.D. I.R.S. ete. 392 Die Anatomie der männlichen Brustdrüsen. Von Prof. Luschka in Tübingen „... =... ei 2100000, ee ee . 402 Ueber das Arteriensystem von Simia Inuus. Untersucht von Dr. Fr. Wilh. Theile in Bern. (Hierzu Taf. XI. Fig. 1 und 2.) 419 Einiges über die Wirkung des Musculus obliquus superior oculi. Von Br. Wilhelm Büuschrz +, mens regnen ee zur ae 450 Ueber die Theorie der zusammengesetzten Farben. Von H. Helm- Holbzı ee) ar dünsten hung vonfelgee Meet IrnE > (Re 461 Beitrag zur Anatomie und Physiologie des Auges der Krebse und Fliegen. Von Dr. Gottsche in Altona. (Hierzu Taf. XI. Fig. 3—5). (Briefliche Mittheilung an den Herausgeber.) . . . 483 Anmerkung des Herausgebers . . «we as ananiile one ehe 482 Ueber die Tastkörperchen, Corpuseula tactus. Von Rudolph Wagner. (Hierzu Taf. XII. und Taf. XIIT. Fig. 1—-3.). . .498 Anatomische Notizen über Synapta digitata, Von Dr. Franz Leydig, (Hieran Taf. SUI; Fig. 4—11,) .. s:. un “iin 507 Anmerkung des Herausgebers . . . -» 22-2222 200 „519 V Seite Zur Streitfrage über die Gebilde der Bindesubstanz, über die Spi- ralfaser und über den Primordialschädel. Von K. B. Reichert in Dorpat. (Briefliche Mittheilungen an den Herausgeber.). . 5 RC) - Ueber eine orthopädische Heilmethode des Schielens. Von E. du Bois-Reymond. (Aus einem Schreiben an den Heraus- Er ee rer eh 541 Ueber einen neuen in der Chimaera monstrosa Sckındenen Einge- weide-Wurm, Amphiptyches urna Grube und Wagener. Von Dr. Rich. Guido Wagener. (Hierzu Taf. XIV. und XV.) 543 Enthelminthiea No. III. Von Dr. R. G. Wagener, pract. Arzt 2 Borim. (iieren PaRABVET EN lee 555 Corrigenda. Seite 79 Z. 7 und 15 v. oben lies Mangilischen statt Margilischen „ 366 Z. 1 v. unten l. Glassstäb st. Glassstück „ 370 Z. 7 v. u. l. Mimosae st. Mimoae „ 371 Satz 4 Z. 3 1. die rein st. die nie „ 377 Z. 5 v. o. l. trächtigen st. kräftigen „ 507 2.4 v. u. ]. nichts st. nicht „ 911 Z. 2und5 v. u. 1. Primitiveylinder st. Primitivglieder „ 513 Z. 6 v. o. |. allgemeineren st. allgemeinen. ‚Jahresbericht über die Fortschritte der verglei- chenden Anatomie der Wirbelthiere m den Jahren 1845, 1846 und 1847. Von ALEXANDER Ecker in Freiburg i. B. I. Lehrbücher. In Stannius Lehrbuch der vergl. Anatomie der Wirbelthiere (auch. u. d. Tit.: Lehrbuch der vergl. Anatomie von v. Sie- bold und Stannius 2. Bd. Berlin 1846 —1848. 3.) haben wir ein durch Trefflichkeit der Darstellung, wie durch Reich- thum an neuen Thatsachen gleich ausgezeichnetes Werk er- halten, das einem längst gefühlten Bedürfnisse abgeholfen hat. Von Cuvier’s leyons d’anat. comparee 2. Ausg. ist der öte und letzte Band (von Duvernoy) erschienen (Paris 1846), welcher die Anatomie der Zeugungsorgane, der Excretions- organe, Blutgefässdrüsen, electrischen Organe, der Schwimm- blase und der Stimmorgane enthält. Brühl, Anfangsgründe der vergl. Anatomie aller Thier- Klassen zum Selbststudium, erklärt durch mehr als 4000 Fi- guren auf 120 lith. Tafeln. 1—3. Lieferung mit Atlas (19 Tfln. 4.) gr. 8. Wien 1847. II. Allgemeine vergleichend anatomische Arbeiten, wel- che die Verfolgung eines Organsystems durch die ganze Wirbelthierreihe zum Zweck haben. Owen report on the archetype and homologies of the vertebrate skeleton. 8. London 1847 (Auszg. aus den Trans- act. of the british association (1846). Die Versuche Owens, die namentlich auf deutschem Boden entstandenen anatomisch -philosophischen Anschauun- gen des Wirbelthiersceletes nach England zu verpflanzen, Müller's Archiv. 1852, Jahresbericht. ı D) F sind ausführlicher dargestellt von demselben in einer Schrift: on the archetype and homologies of the vertebrate skeleton London 1848. 8., die im folgenden Jahresbericht besprochen werden soll. : C. Bergmann, einige Beobachtungen und Reflexionen über die Skeletsysteme der Wirbelthiere, deren Begrenzung und Plan (a. d. göttinger Studien 1845) Göttingen 1546. 8. Owen’s grosses Werk über die Zähne (Ödontography or a treatise on the comp. anatomy of the teeth, their physiol. relations, mode of development and microse. structure in the vertebrate animals, 2 vol. gr. 8. 1 vol Text, 1 vol At- las mit 168 Tafeln. London 1840— 1845) ist im Jahre 1845 vollendet worden. Die letzten Abtheilungen, welche die Zähne der Säugethiere behandeln, sind nieht minder aus- gezeichnet als die frühern und die Abbildungen vielleicht noch schöner. Es liegt in der Natur des Werkes, dass von dem- selben hier nicht mehr als eine Anzeige gegeben werden kann. J. Simon, a physiological essay on the thymus gland, London 1845. 4. Der Verfasser hat in dieser ausgezeichne- ten Schrift die Thymus bei den 3 obern Wirbelthierklassen, — bei den Fischen gelang es ihm nicht, eine solche zu finden — nach Form und Bau sorgfältig beschrieben und eine neue Ansicht über die Function dieses räthselhaften Organs auf- gestellt. Was zunächst die Thymus der Säugethiere betrifft, so hat Simon sie durch alle Ordnungen derselben hindurch untersucht und sie in keiner vermisst. Im Allgemeinen be- steht sie immer jederseits aus einem auf dem Herzbeutel gelagerten Brusttheile und einem Halstheile, der von da zu beiden Seiten der Trachea bis zu verschiedener Höhe hinauf- steigt. Bei dem (Linne&schen) Genus Vespertilio behauptet er mit Meckel die Persistenz des Organs durch das ganze Leben. Bei den Carnivoren (und Phoken) fehlt dieser letztere Theil fast gänzlich und ebenso bei den Elephanten. Bei den Monotremen fehlt derselbe durchaus. Umgekehrt ist der Halstheil sehr entwickelt und reicht bis an den Un- terkieferwinkel beim Schwein, bei Dicotyles und bei den meisten Ruminanten. Die Cervicaltheile vereinigen sich nur bei Delph. delphis mit ihren Enden wieder in der Mittellinie. In der Ordnung der Marsupialia, wo selbst Owen sie ver- misst hatte, hat S. ebenfalls eine Thymus gefunden. Unter den Nagern schreibt er mit Prunelle, Meckel, Tiede- mann dem Murmelthiere eine enorme Thymus zu, die an den Hals, in die Achselhöhle, in das Cav. mediast. posticum sich erstrecke, sich frühzeitig in Fett umwandle und in die- sem Zustande persistire. Es ist dies Verhalten der Thymus bei Winterschläfern eine Hauptstütze der physiolog. Theorie Simon’s, dass dies Organ nämlich die Bestimmung habe, zu Zeiten, da die Muskelthätigkeit fast = 0 ist, wie z. B. im Winterschlafe und in .der ersten Lebenszeit, aus dem Blute 3 eine Flüssigkeit abzusondern, die bei dem Mangel anderer Respirationsmittel als solches verwendet werde. Ref. hat in einer Arbeit, (Art: „Blutgefässdrüsen“ in Wagner’s Handwörterbuch) deren Besprechung in einen spätern Jah- resbericht gehört, nachgewiesen, dass weder beim Murmel- thiere noch bei den Chiropteren die Thymus persistirt und dass Simon zu dieser Ansicht durch eine Verwechslung der- selben mit einem anderen Organ, der sog. Fettdrüse (Ru- dolphi) oder Winterschlafdrüse (Barkow) gekommen ist. — Bei den Vögeln hat Simon die Existenz einer wahren Thymus zuerst dargethan und Ref. hat diese Entdeckung be- stätigt und auf die Verschiedenheit in Form und Entwicke- lung bei den einzelnen Ordnungen kurz aufmerksam gemacht (a. ang. O.S.123). Sie liegt jederseits ziemlich oberflächlich auf beiden Seiten des Halses an der äussern Seite der Vena jugularis und des Nervus vagus und erstreckt sich von der Schilddrüse, auf welcher sie unten aufliegt nach aufwärts, nicht immer bis zum Schädel hinauf, wie Simon angiebt, sondern häufig (z. B. bei den Hühnern, dem Storch, Reiher, den Schwimmvögeln) nur bis zur Mitte des Halses. Simon beschreibt sie als ein einfaches, durch die ganze Länge con- tinuirliches Drüsenrohr, eine Angabe, die, wie Ref. a. a. O. gezeigt hat, unrichtig ist, da bei der Mehrzahl der Vögel mehrere ganz isolirte der Länge nach an einander gereihte Drüsenschläuche unterschieden werden können. Bei allen Ordnungen der Reptilien hat Simon die Thymus eben- falls nachgewiesen. Bei den Schildkröten liegt sie jederseits in dem Winkel zwischen A. carotis und subelavia (das von Bojanus Thymus genannte Organ ist die Gland. thyreoidea). Ganz ähnlich ist die Lage bei den Schlangen. Bei den Crocodilen entspricht Form und Lage fast ganz der bei den Vögeln, die Thymus reicht vom Herzbeutel bis zum Un- terkiefer; ähnlich bei den Sauriern, nur fehlt da der Herz- theil. Bei den Batrachiern soll nun, nach Simon, seiner Theorie gemäss, dass die Thymus an die Lungenathmung geknüpft ist, dieselbe allmälig schwinden und bei den Fi- schen ganz fehlen. Bei den noch ganz fischähnlichen Frosch- larven z. B. von Rana paradora fand er dem entsprechend noch keine Spur davon, wohl aber will er sie beim ganz jungen Frosch d. h. unmittelbar nach der Metamorphose ge- funden haben. Das Organ, welches er dafür hält, soll über der Herzbasis liegen und nur in der allerfrühesten Zeit die Structur der Thymus zeigen; später aber liege an dieser Stelle blos Fett. Ref. ist geneigt, ein ganz anderes Organ, das auch noch beim erwachsenen Frosch zu sehen ist, als Thy- mus zu deuten. In der Nähe der Carotidendrüse liegen näm- lich bei Fröschen und Kröten jederseits 2 aus einer zarten Membran bestehende ovale Blasen von Y, bis !,/ im Durch- messer, welche mit Kernen und Zellen gefüllt und von einem 1 - 4 Blutgefässnetz umsponnen sind. Diese Lage entspricht ganz der bei den übrigen Reptilien, während in der ganzen Klasse die Thymus nirgends als unpaares Organ in der Mittellinie gelagert ist. Bei einem Theile der fischähnlichen Batrachier, u. a. bei Menopoma, Amphiuma, Menobranchus, dem Axolotl hat Simon eine Thymus gefunden, aber in einer ganz an- dern Lage, nämlich im Nacken zwischen dem obern Theile der Kiemenbogen uud den Muskeln der Wirbelsäule, also gleichsam durch das Zwischentreten des Kiemenapparates aus der Lage, in welcher sie sich bei den übrigen Reptilien (und nach des Ref. Ansicht auch bei den ungeschwänzten Batra- chiern) findet, nach hinten gedrängt. In der Reihe der fischähnlichen Batrachier soll nun nach Simon die Thymus allmälig schwinden in demselben Ver- hältniss als die Lungenathmung der Kiemenathmung Platz macht; sie finde sich daher nicht mehr bei Proteus, Siren und um so weniger bei Fischen. Ob sie bei erstern wirklich fehle, ist wohl nur durch Untersuchung an frischen Exem- plaren mit Bestimmtheit zu entscheiden, dass sie aber in der Klasse der Fische nicht durchaus fehle, das hat Ref. am angegebenen Orte nachgewiesen. An derselben Stelle, wie bei Axolotl und dem oben genannten Jchthyoden liegt auch bei den Knorpelfischen eine Thymus; eine Abbildung dersel- ben von Sgnatina findet sich in der vom Referenten heraus- gegebenen neuen Aufl. der Icones physiol. Tab. VI. Referent hat den feinern Bau der Nebennieren bei al- len vier Wirbelthierklassen untersucht und sehr _überein- stimmend gefunden. (Der feinere Bau der Nebennie- ren beim Menschen und den 4 Wirbelthierklassen. Mit 2 Taf. Braunschweig 1846. 4.) Sie bestehen allenthalben aus ge- schlossenen Drüsenblasen wie die Schilddrüse. Bei den Ophidiern hatte schon Retzius Form und Lage dieser Or- gane beschrieben; links liegen sie an der Vena renalis reve- hens an, rechts an der untern Hohlvene; es sind längliche schmale gelblich-weisse Körper. Sie besitzen zu- und ab- führende Venen, also eine Art Pfortadersystem. Mehrere der anastomotischen Aeste, welche das System der Vertebral- venen mit dem Systeme der Hohlvene verbinden, treten, statt direkt von den Intercostalvenen in die Hohlvene zu gehen, an die Nebennieren, um sich in diesen in Form zufüh- render Venen aufs feinste zu verzweigen. Die rückführenden Venen münden theils (links) in die Vena renalis revehens, theils (rechts) in den Stamm der untern Hohlvene. Bei den Sauriern ist die Lage ganz ähnlich z. B. bei Lacerta agilis rechts an der Vena cava, links .an der linken V. renalis re- vehens, beim Männchen zwischen Vene und Nebenhoden, beim Weibchen zwischen Vene und Ovarium. Corti (l.i. ce.) hat bei Psammosaurus griseus dasselbe Pfortadersystem, wel- ches Ref. bei den Schlangen beschrieben, gesehen. Dass die 5 von Rathke für die Nebennieren gehaltenen Organe bei den ungeschwänzten Batrachiern dies wirklich sind, ist durch das Mikroskop nachgewiesen. In derselben Lage, nur nicht zu- sammenhängend, sondern in einzelne Theile getrennt finden sie sich bei den geschwänzten Batrachiern. Hier bilden sie jederseits 20—30 goldgelbe Körper am innern Nierenrande, theils auf der Niere, theils auf der Wand der Hohlvene an- liegend. Bei allen Batrachiern verlaufen die Venae renales revehentes durch dieselben und zerfallen in denselben aber- mals in Zweige, so dass sich also auch hier eine Art Pfort- adersystem findet. Bei den Cheloniern entsprechen Lage, Form und Bau ganz den der ungeschwänzten Batrachier. Sie liegen grösstentheils in den Wandungen der Venae renales revehentes eingebettet auf der platten Bruchfläche der Nieren und nehmen fast die ganze Länge und etwa #4 der Breite derselben ein. Bei den Knochenfischen wurde in den von Stannius als Nebennieren gedeuteten Organen derselbe Bau, wie in den Nebennieren der höhern Thiere nachgewie- sen. Interessant ist die, bisweilen grosse Menge dieser Or- gane bei manchen Fischen, z. B. beim Hecht. Ref. hält es für seine Pflicht, an diesem Orte auf einige ältere ihm un- bekannt gebliebene Untersuchungen über die Nebennieren aufmerksam zu machen, die Mehreres, was Ref. zuerst auf- gefunden zu haben glaubte, schon enthalten. Es sind dies die Untersuchungen von Jacobson, welche in den Abhand- lungen der k. dänischen Gesellschaft der Wissenschaften (det kongelige danske videnskabernes selskabs naturvidenskabelige og mathematiske afhandlinger) Kopenhagen. II. 1826 ent- halten sind. Von diesen Arbeiten findet sich erst im Jahr- gang 1845 der Isis ein kurzer Auszug, der dem Ref. erst bei einer zum Behuf der Abfassung dieses Jahresberichtes vor- genommenen Durchsicht des genannten Jahrgangs zu Gesichte kam. Sonst und in frühern Werken hat Ref. diese Abhand- lung nicht erwähnt gefunden, ein Beweis, wenn es noch dessen bedürfte, welche geringe Verbreitung Arbeiten erlan- gen, die in nicht allgemein bekannten Sprachen geschrieben sind. Jacobson beschreibt zu- und abführende Venen der Nebennieren der Ophidier und Saurier, und will selbst bei den Vögeln eine ähnliche Anordnung getroffen haben, wie dies später auch Neugebaur (s.u. b. d. Vögeln) ebenfalls, ohne etwas von Jacobson’s Arbeiten zu wissen, aufgefun- den hat. III. Speeielle Arbeiten. I. Fische. 1) Ueber die ganze Klasse handeln: Owen, leetures on comparative anatomy of vertebrato animals P. I. Fishes. London 1847. 8. Rymer, Jones, Artie. Pisces in Todd. Cyelop. vol. III. 2) Von monographischen Arbeiten über einzelne Fa- milien oder Arten sind die folgenden zu erwähnen: Von J. Müller ist die öte und. letzte Abtheilung der vergleichenden Anatomie der Myxinoiden erschienen, enthal- tend Untersuchungen über die Eingeweide der Fische mit 5 Tafeln. Berlin 1845 fol. (Abhandlung der Berliner Aca- demie a. d. Jahre 1343). Sie enthält 1) Untersuchungen über den Bau der Eingeweide der Myxinoiden, 2) Untersuchungen über den Bau der Eingeweide bei einigen Plagiostomen und 3) Beobachtungen über die Schwimmblase der Fische. Die erste enthält die Beschreibung von Organen, die in den frü- hern Abhandlungen theils nur stückweise, theils noch gar nicht beschrieben sind. 1) Die Kiemensäcke, bei Myxine jederseits 6, bei Bdellostoma 6—7 stehen durch die innern Kiemengänge mit der Speiseröhre in Verbindung, durch die äussern Kiemengänge führen sie nach aussen. Bei den Myxinen kommen alle äussern Kiemengänge jederseits zu einer einzigen am Bauche liegenden Oeffnung zusammen, bei Bdellostoma münden alle getrennt aus mit eben so vielen Kiemenöffnun- gen, als Kiemensäcke da sind. Beide Gattungen haben einen Ductus oesophago - cutaneus, der vom ÖOesophagus direkt nach aussen in die linke äussere Kiemenöffnung ( Myzine), oder in die linke letzte äussere Kiemenöffnung ( Bdello- stoma) führt. Die Kiemensäcke, die in eigenen serösen Höh- len liegen, sind glatt, rund, nehmen in der Mitte der ent- gegengesetzten Flächen die äussern und innern Kiemengänge auf. Die äussere Haut der Säcke und eines Theils der Gänge, soweit sie innerhalb der serösen Höhlen liegen, ist eine seröse Haut; unter dieser bedeckt eine quergestreifte Muskelschieht die Säcke und Gänge, die innere Haut erhebt sich zu radial stehenden Kiemenblättern. Keine Wimperzel- len auf der Schleimhaut. (Ueber den Kiemenapparat im Ganzen und seine Muskeln siehe Myxinoiden I. Th. S. 198 u. 205). 2) Darmkanal und Leber. Der Darm verläuft am Gekröse befestigt, gerade und gleich weit bis zum After. Keine Abtheilung in Magen, Dünn- und Dickdarm. Die innere Haut, mit Ausnahme einiger niedrigen Längsfalten, ganz glatt. Keine Wimperzellen. Die Leber doppelt, vor- dere und hintere; dass das Pfortaderherz wirklich ein solches ist, wurde durch Beobachtung desselben an lebenden Myxi- nen nachgewiesen. Keine Milz, kein Pankreas. 3) Ge- schlecehtsorgane. Bei Myxine und Bdellostoma ganz gleich, nur einseitig ausgebildet in einer langen Bauchfellfalte an der rechten Seite des Darmgekröses,. Hoden und Eier- stock schwer von einander zu unterscheiden. Der Hoden besteht aus einer Anzahl runder oder länglich-runder Kör- ner, welche sehr den Eiern gleichen und aus einer Haut und 7 einem dem Dotter zu vergleichenden Inhalt bestehen, dessen Körner sich aber von den Dotterkörnchen unterscheiden. Der wichtigste Unterschied zwischen Hodenkörnern und Eiern liegt aber im Fehlen des Keimbläschens bei erstern. Sper- matozoiden waren zur Zeit der Untersuchung nicht vorhan- den. Die Eier sind anfänglich rund, später länglich, das Keimbläschen enthält als Keimfleck 2 oder 3 Zellen mit Kern. Besondere Ausführungsgänge fehlen, die Zeugungsstoffe gelan- gen in die Bauchhöhle und durch die am Ende der Bauchhöhle rechts und links neben dem Mastdarm gelegenen kurzen Ka- näle in den hinter dem After gelegenen unpaaren Porus ab- dominalis. 4) Nebennieren. Eigenthümliche Drüsen hinter den Kiemen zu beiden Seiten der Cardia werden von J. Müller als Nebennieren gedeutet. Sie bestehen aus Büscheln kleiner länglicher Lobuli, welche an den Blutgefässen hängen und durch lockeres Bindegewebe verbunden sind. Jeder Lo- bulus zeigt sich unter dem Mikroskop zusammengesetzt aus einer doppelten Reihe von eylindrischen, kernhaltigen, denen des Cylinderepitheliums ähnlichen Zellen; beide Reihen bie- gen am Ende des zottenförmigen Lobulus in einander um; zwischen beiden Reihen verlaufen Blutgefässe und ein Strang von Bindegewebe. Es erhellt aus der Beschreibung der Bau nicht vollständig. Ist jeder Lobulus eine geschlossene, innen mit Cylinderepithelium belegte Röhre, so begreift man nicht die Lagerung von Blutgefässen in der Mitte; stellt aber jeder Lobulus eine schleifenförmig gebogene Drüsenröhre dar, so ist es auffallend, dass Cylinderepitheliumzellen in querer Lage diese ganz ausfüllen. Die gänzliche Verschiedenheit dieses Baues von dem, welchen Ref. bei den Nebennieren aller übrigen Wirbelthiere nachgewiesen hat, macht übrigens die Richtigkeit der Deutung dieses Organes noch etwas zweifel- haft. 5) Nieren. Schon früher Penn der Myxinoiden 8.13. v. J. 1839. Berlin 1841) und bevor Bowman’s Arbei- ten bekannt waren, hat J. Müller gezeigt, dass der jeder- seits durch die ganze Bauchhöhle reichende Ureter in gros- sen Zwischenräumen nach aussen ein kleines Säckchen ab- giebt, deren jedes mittelst einer verengerten Stelle in ein zweites kleineres Säckchen führt, in welchem ein kleiner Ge- fässkuchen hängt, der nur an der Eintrittsstelle der Blut- gefässe befestigt ist. Dieser Bau wird nur bestätigt, ausführ- licher beschrieben und durch Abbildungen erläutert. Jeder Reneulus besteht somit aus einem Harnkanälchen und ist sammt diesen von der äussern Haut des Harnleiters über- zogen. Die grossen Arterien zu diesen Capseln entspringen unmittelbar aus der Aorta und verbreiten sich (s. die Erklä- rung der Abbildungen), nachdem sie aus den Gefässkörpern wieder herausgekommen, auf der Capsel und dem leitenden System. Der grösste Theil des Ureters, die Harnkanäle und Capseln erhalten also ihr Blut aus den ausführenden Arterien 8 der Gefässkörper, der Ureter erhält aber auch nebstdem noch einige Zweige aus den zu den Seitenmuskeln gehenden Aesten der Aorta, in seltenen Fällen auch aus der zufüh- renden Arterie des Gefässkörpers. Die Venen entspringen auf dem harnleitenden System und treten zahlreich zur hin- tern Körpervene ihrer Seite. Aus den Gefässkörpern ent- springen keine Venen. 6) Die Blutkörperchen der Myxine sind elliptisch, platt, mit rundlichem Nucleolus. 7) Schleim- säcke. Ihre Lage und Form ist in der ersten Abtheilung der vergleichenden Anatomie der Myxinoiden beschrieben (1.8.19). Sie sind von einer muskulösen Haut umgeben, immer glatt, und enthalten die merkwürdigen, schon von Retzius beschriebenen ovalen Körper, die aus einem viel- fach aufgewickelten Faden bestehen, der sich leicht anhängt und dann abwickelt und, wie nicht zu verkennen, sehr an die Nesselfaden wirbelloser Thiere erinnert. In der zwei- ten Abhandlung über den Bau der Eingeweide bei einigen Plagiostomen werden 1) die Niekhaut und deren Muskeln bei Haien beschrieben. Es findet sich entweder nur ein Niekhautmuskel (Galeus, Mustelus), der von der Seite des Schädels entspringt, nach vorwärts läuft und sich mit kurzer Sehne in den hinteren Theil der Niekhaut inserirt, oder es sind 2 Muskeln vorhanden (Carcharias), deren einer eine an der Haut befestigte muskulöse Schleife bildet, die dem an- dern Muskel, der durch diese hindurchgeht, die Richtung giebt. Ferner werden 2) die Verdauungs-ÖOrgane, beson- ders der Darmkanal der Plagiostomen beschrieben und mit denen der übrigen Fische verglichen. Der dritte Abschnitt handelt von den Geschlechts-Organen. Die einzelnen Kapitel dieses Abschnittes, mit Ausnahme eines einzigen, ° welches von der Bileiterdrüse der Plagiostomen handelt, sind schon in früheren Jahresberichten besprochen (dieses Archiv 1836 LXXXIX. 1843. CCLIV.). Ebenso ist die 3. Abhand- lung über die Schwimmblase der Fische im Auszug und ohne Abbildungen in diesem Archiv 1842, 307 und ebenda- selbst 1843. CCLII. im Jahresbericht besprochen. Der Anhang enthält Beobachtungen und Versuche über die Statik der Fische (im Auszug in diesem Archiv 1845. S. 456). Hyrtl hat eine vortreffliche Monographie der Lepidosi- ren paradoza geliefert, welche namentlich in Beziehung auf innere Organe die Arbeit von Bischoff auf sehr erwünschte Weise ergänzt. (Lepidosiren paradoxa, Monographie von Dr. J. Hyrtl mit 5 Kupfertafeln Prag 1845. 4. Aus den Abhandl. der k. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften V. 3.) Was das Skelet betrifft, so fanden sich in dem von Hyrtl untersuchtem Exemplare einige wichtige Verschiedenheiten von dem v. Bischoff beschriebenen. Die Chorda nämlich, welche hier eine von einer Scheide genau überzogene Knor- pelsäule darstellt, besteht dort aus zwei zusammenhangslosen “) in einander eingeschobenen Röhren, der eigentlichen Chorda und der Scheide derselben, die beide faserig sind und keine Knorpelkörperchen einschliessen. Die paarigen knöchernen Rippenstücke und die Wirbelbogenstücke sind derart einge- pflanzt, dass erstere mit den Köpfen, letztere mit den Basen in die Höhle der Scheide (des äusseren Rohrs) hineinragen und die Oberfläche der eigentlichen Chorda berühren, welche von ihnen einen seichten Eindruck erhält. Die noch knorpeligen Basaltheile der Bogenstücke hän- gen mit der Oberfläche der Chorda zusammen, die Rippen- köpfe dagegen nicht. Hyrtl vermuthet nach dieser Beschaf- fenheit, dass das Bischo ff'sche Exemplar einem ältern Indi- viduum angehörte, wofür auch noch spricht, dass an demsel- ben untere Wirbelelemente in Form rundlicher Knochen- scheibehen an der untern Fläche der Scheide vorkommen, die in Hyrtl’s Exemplar fehlen. Die Höhle der Chorda endet vor dem Ansatz an den Basilarknochen blind. Die Inser- tionsstellen der Wirbelbogenschenkel auf der Chorda sind nieht symmetrisch, sondernd alternirend. Kopfknochen. Dass die Umbiegung und Nath des Zwischenkiefers im Bi- schoff’schen Exemplar, wie auch Bischoff vermuthete etwas Zufälliges ist, hat die Untersuchung von Hyrtl gezeigt. Die langen Knochen, welche Bischoff als Jochbein deutet, hält Hyrtl für Supereiliarknochen. Die Sehling- Athem- und Kaumuskeln, die Bischoffan seinem Exemplar nicht un- tersuchen konnte, werden ausführlich beschrieben; ebenso die Verdauungsorgane. Die Lippenknorpel verhalten sich etwas anders als im Bischofl’schen Exemplar. Der äussere Ast ist nämlich der längere und verläuft bis nach vorn in die fibröse Grundlage der Lippe, wo er sich verliert. Was Bischoff für Speicheldrüsen zu halten geneigt ist, sind nach Hyrti bloss die hinter den Zähnen liegenden Schleimhaut- wülste. Der Darm bildet vom Eintritt in die Bauchhöhle bis zur Afteröffnung nur eine langgestreckte Sförmige Krüm- mung. Das Mesenterium geht nicht von der Wirbelsäule ab, sondern von der Bauchwand und zwar in der vorderen kleine- ren Hälfte von der rechten, in der hintern grossen von der linken Bauchwand, dazwischen liegt ein mittleres, gekrösloses quer- gelagertes Darmstück. Zum hintersten Ende des Darmes geht noch ein 3tes Mesenterium von der Wirbelsäule. Am Be- ginn des Querstückes mündet der Ductus choledochus und hier findet sich auch eine Klappe, so dass das davor liegende Darmstück, obgleich es enger ist, als das dahinter liegende, als Magen betrachtet werden muss. Dieser vordere Theil ist überdies noch durch ein grobzelliges Bindegewebe an die Bauchwand befestigt. An der Rückenwand des Magens zwi- schen Muskelhaut und Bauchfell liegt ein gefässreiches drüsi- ges Organ, das sich in der Spiralklappe des Darmes fortsetzt, seine Arterien von der Magenarterie erhält und seine Venen 10 in die Pfortader schickt. Hyrtl neigte sich anfänglich zu der Ansicht, dass es die Milz sei, erklärte es aber später für ein Wundernetz. Der Darm hat eine Spiralklappe, die ungefähr 5 Windungen macht. Die Leber ist lang, in der Form sehr der der Ophidier ähnlich, mit grosser Gallenblase. Die Pfort- ader liegt mit den V. mesent. in der Achse der Darmklappe. Die in dem Darmkanal enthaltenen Nahrungsreste, die sämmt- lich vegetabilischer Natur waren, wurden von Dr. Fenzl ge- nau untersucht und für Cyprusknollen und Bruchstücke von Früchten, wahrscheinlich von Euphorbiaceen oder Rutaceen erkannt. Die Lungen liegen nicht, wie Bischoff nach seinem verstümmelten Fxemplare angegeben, in der Bauchhöhle, son- dern ausserhalb derselben. Sie sind von gleichem Volumen und gleieher Länge und laufen vom Hinterhaupt bis zum After, im ganzen Verlauf eng aneinander liegend. Am vor- deren Ende verbinden sich beide Lungen zu einem Körper; die gemeinschaftliche Höhle läuft nach vorn jederseits in ein Horn aus, wovon das eine, das rechte, nachdem es die dem übrigen Theile der Lungen eigene zellige Beschaffenheit ver- loren, in einen Canal übergeht (Trachea), der sich rechts von der untern Medianlinie mit der Glottis in den Oesophag. öffnet. Die Beschreibung des Herzens v. Hyrtl weicht in mehrfacher Beziehung von der von Bischoff ab. Die beiden Vorkammern sind durch eine unvollkommene, aus Trabekeln bestehende, durch Oeffnungen vielfach unterbrochene Scheide- wand von einander getrennt, so dass beide nur eine Oeffnung zum Ventrikel haben. Gegen die Atrioventrieularöffnung wird das Balkengewebe der Vorkammerscheidewand lockerer und verliert sich in 4 convergirende Fäden, die durch seröse Häutchen verbunden, gegen die Kammeröffnung gehen, um sich mit dem unvollkommenen Septum ventrieulorum zu ver- binden. Diese letztere erhebt sich vom Boden des Ventrikels und theilt ihn in 2 seitliche Höhlen. An der obern Wand des Ventrikels läuft sie weiter gegen die Vorkammeröffnung, als an der untern und geht in einen eiförmigen Faserknorpel über, der in die Vorkammer hineinragt und die Fäden der Vorkammerscheidewand aufnimmt. Zieht man an ihm, so steigt er tiefer in die Atrioventrieularöffnung herab, füllt sie aber nicht vollkommen aus; der übrige Raum wird durch die auch von Bischoff erwähnte halbmondförmige Muskelklappe geschlossen, die an ihren beiden Enden mit der Kammer- scheidewand zusammenhängt und sich an den Knorpel, wie das Labrum cartilagineum an den Schenkelkopf anschmiegt, so dass beim Verschluss der Oeffnung der Knorpel wie ein Stempel, die Klappe wie ein Ventil wirkt. Der Bulbus ist muskulös, klappenlos. Von den Aortenbogen, die über die Kiemenbogen laufen, um die Aorta zu bilden, giebt der erste die Arteria sublingualis und die Nebenkiemenarterie ab, läuft unverzweigt über den ersten Kiemenbogen, bildet die Carotis 11 und verbindet sich darauf mit dem zweiten Bogen; dieser giebt zuerst einen kleinen Zweig an die Muskeln des Zungen- beins und die Mundschleimhaut, läuft dann unverzweigt über den zweiten Kiemenbogen. Dieser, der ın Bischoffs Exem- plar kiemenlos ist, trägt in Hyrtls Exemplar am hinteren Ende kleine Kiemenbüschel, die aber ihre Arterien vom 3. Bogen erhalten. An der Schädelbasis verbindet sich der 2. Aortenbogen durch eine kurze und weite Anastomose mit dem 3. und bildet mit diesem die Lungenarterie. Die rechte Arte- ria pulm. versieht als A. pulm. sup. in 2 Aeste getheilt die Dorsalfläche beider Lungen. Die linke läuft als A. pulm. inf. auf der Bauchseite in der Trennungsfurche beider Lungen. Ein nutritives Gefässsystem fehlt. Der 3. Aortenbogen giebt Aestchen zu den Kiemenbüscheln seines Bogens, der 2., 4. und 5. geht dann in die Arterie pulm. über, wie Bischoff richtig vermuthet hatte. Der Aortenstamm, der somit durch die 2 ersten Aortenbogen zusammengesetzt wird, beginnt an der untere Fläche des Basilarknochens. — Venen. Die Vena pulm. ist einfach, liegt in der untern Wand des rech- ten Lungensackes. Ausser dieser, die in den linken Vorhof mündet, durchbohren noch 3 Körpervenenstämme den Herz- beutel, der gemeinschaftliche Stamm der beiden linken Hohl- venen, die rechte vordere und die rechte hintere Hohlvene. Sie bilden zusammen den Sinus impar, der sich in die rechte Vorkammer öffnet. Die Kiemenvenen gehen zur Jugularvene *), die Ve- nen der Nebenkiemen zur hintern Mundhöhlenvene. — Ge- schlechtswerkzeuge. Die Eierstöcke liegen in der hintern Hälfte der Bauchhöhle, nicht ganz symmetrisch, mit vollkommenem Bauchfellüberzug. Am inneren Rande jedes Eierstockes läuft ein dieker, gerundeter, muskulöser Eileiter mit weiter Abdominalmündung. Jeder bildet vor der gemein- schaftlichen Einmündung in die Kloake eine uterusähnliche Erweiterung. — Harnwerkzeuge. Die Nieren denen der Schlangen sehr ähnlich. Die Harnleiter münden zu beiden Seiten der einfachen Eileiteröffnung. Harnblase sehr dünn- wandig; 4° vor der Harnblasenöffnung liegt die durch strah- lig convergirende Schleimhautfalten markirte Afteröffnung. Sehr vollkommenes Nierenpfortadersystem; Nebennieren keine gefunden. Nervensystem. Das Öekämm sehr klein, asym- metrisch. Das kleine Hirn und Mittelhirn mit Hypophysis *) Bei Lepidosiren annectens gehen die Kiemenvenen zu dem Aor- tensystem, und verhalten sich so wie von Peters beschrieben ist. In dieser Beziehung kann zwischen beiden Fischen kein Unterschied ob- walten, Vermuthlich sind daher die von Hyrtl beschriebenen Kie- menvenen zu den Körpervenen vielmehr die Bronchialvenen der Kie- men oder nutritiven Venen derselben. Anmerkung des Herausgebers. 12 nach links, der vordere, 3eckige Hirnlappen nach rechts ge- schoben. Die Medulla oblong. platt. Nur 4 Gehirnnerven. Keim N. oeulomot., pathet, abducens. Diese werden durch Aeste des Quintus ersetzt. Dieser ist gross, weit verbreitet, ent- springt mit 2 Wurzeln an den Seitentheilen des Mittelhirns; aus dem grossen grauen Knoten entstehen 5 Aeste. Der erste geht zur Haut des Gesichtes, zum Ganglion des Olfaetorius, zum Auge (wahrscheinlich als Stellvertreter des Oculomoto- rius) und giebt einen Verbindungsast zum 2.; dieser verbindet sich mit dem ersten und 5. Aste, geht an die Unterlippe und mit einem feinen Muskelzweig zum musculus temporalis, der 3. geht in die Haut des Gesichtes, der 4. mit einer die Ge- hörkapsel umkreisenden Communicationsschlinge zum Gang- lion Nervi vagi, der 5. geht zur Muskulatur des Zungenbeins und Unterkiefers; ein kleiner Zweig davon geht mit dem er- sten Aste des Vagus verbunden zum Gaumen. Der N. acus- tieus entspringt nicht vom Stamme des Gehirns, sondern vom hinteren Rande der Wurzeln des Quintus. Der Vagus ent- springt mit 4 Wurzeln, mit 3 starken von den untern Strän- gen des Gehirnstamms, 1 feinen von der Medulla oblong., die alle zu einem Ganglion verschmelzen. Aus diesem gehen 4 Aeste hervor; der erste theilt sich an der Schädelbasis in 2 Zweige, wovon der eine (der Repräsentant des Glossopharyn- geus) nach abwärts zum Zungenrudiment und zur Schleim- haut des Bodens der Mundhöhle geht, während der andere mit einem Aste des V. verbunden zum Gaumen geht. Der 2. geht zum 2. und 3. Kiemenbogen, der 3. versorgt die Schleim- haut der Kiemenhöhle und geht dann, nachdem er den Mus- ceulus coracohyoid. durchbohrt und ihm Zweige gegeben, im untern geraden Stamm-Muskel bis an das Ende der Bauch- höhle; der 4., welcher den fehlenden Sympathicus ersetzt, tritt zur obern Wand des Schlundes und theilt sich in 2 Zweige, deren einer mit dem Oesophag., der andere auf der Rücken- fläche der Luuge weiter zieht bis zur Spiralklappe und bis zum hintern Lungenende. Feine Zweige der Rückenmarksner- ven senken sich in die Geflechte dieses Nerven ein, so dass er am hintern Ende der Lunge eben so stark ist, als am vor- dern. Der 5. Ast ist der N. lateralis, der längs der Chorda nach hinten verläuft und mit keinem Spinalnerven anastomo- sirt. Die Rückenmarksnerven sind sehr dünn und entsprin- gen nur mit einfachen Wurzeln; die Ganglien äusserst klein, in der Faserhaut der Chorda eingeschlossen. Der erste und zweite Spinalnervenstamm bilden zusammen rechts ein gros- ses Ganglion, das links fehlt. — Sinnesorgane. Auge sehr klein mit 4 geraden Augenmuskeln ohne Iris und Ciliar- körper; die kugelige Linse hängt mit der Chorioidea durch einen schwachen Faden zusammen. — Das Gehörorgan ganz nach dem Typus der Fische gebaut, in eine knorpelige Capsel eingeschlossen, die mit der Schädelhöhle zusammen- 13 hängt und einen dünnhäutigen, platten Alveus communis ein- schliesst. der mit einem zum Theil in der Schädelhöhle lie- genden Nebensack verbunden ist. Die 3 Canales semicireu- lares sind sehr dickwandig. Hinsichtlich der Stellung von Lepidosiren stimmt Hyrtl ganz mit J. Müller überein. Dagegen ist Melville in Beziehung auf Lepidosiren annectens zu andern Resultaten gelangt, als Owen und stellt sie zu den Amphibien, (nach der Association brittanique XV. Versamml. 1847). (Institut 1347, No. 717, S. 319.) Von J. Müller ist die ausführliche Abhandlung über die Ganoiden erschienen: Ueber den Bau und die Gren- zen der Ganoiden und über das natürliche System der Fische. Berlin 1846. In den Abhandlungen der Aca- demie der Wissenschaften zu Berlin vom Jahre 1844. Es ist darüber schon (aus dem Monatsbericht der Akademie von 1544 und Erichsons Archiv 1845 I. S. 91.) im Archiv von 1845, Jahresbericht S. 204 berichtet. Von diesen Abhand- lungen hat Vogt in den Annales des sciences naturelles. II. Ser. IV. B. 1545 eine Uebersetzung geliefert und dieser einige Bemerkungen folgen lassen. Vogt hat die Amia calva, welche Cuvier zu den Clupeiden gestellt und J. Müller, der das Herz nicht untersuchte, darunter gelassen hat, untersucht und bei derselben einen mit einer Muskellage umgebenen Arterien- stiel, in welchem 2 Querreihen von Klappen, jede mit 5—6 Klappen, vorhanden sind, und eine schraubenförmige Spiral- klappe des Darmes, welche jedoch auf den vor dem Mast- darme gelegenen Theil beschränkt ist, vorgefunden. Der Schluss, den Vogt herauszieht, ist der, dass die von J. Mül- ler aufgestellten anat. Charactere der Ganoiden nicht exclusiv seien, da man Sudis und Osteoglossum, denen die genannten Charaktere fehlen, keineswegs von Amia und den übrigen Ganoiden trennen könne, bei welchen er zwar nicht mehr die Selerodermen, Pleetognathen und Lophobranchier, wohl aber die Siluroiden belassen will. J. Müller bat in einer Fortsetzung der Untersuchungen über den Bau der Ganoiden (Verhandlungen der Akademie am angeführten Orte S. 204. und Erichsons Archiv 1846. XI. I. S. 190) auf die Einwendungen von Vogt geantwor- tet und neuere Beobachtungen über den Bau der Ganoiden mitgetheilt, welche letztere der Hauptsache nach schon im Jahresbericht v. 1844 (S. d. Arch. 1845. S. 203) mitgetheilt sind. J. Müller stellt die Amia nun ebenfalls zu den Ga- noiden, während er Sudis und Osteoglossum bei den Clupeiden „belässt und auf der Ausscheidung der Siluroiden aus den Ganoiden besteht. Stannius (Bemerkungen über das Verhältniss der Ga- noiden zu den Clupeiden, insbesondere zu Butirinus, Ro- stock 1846 8.) hat einen Clupeiden Butirinus genauer unter- sucht und bei demselben einen dünnwandigen an seinem 14 Ursprunge weiten Bulbus arteriosus ohne äussern Muskel- beleg, in welchem aber das vorderste Ende des muskulösen Ventrikels einen schwachen Vorsprung bildet, gefunden. In diesem Vorsprung finden sich im Ganzen 4 halbmondförmige Klappen in 2 übereinander liegenden Reihen, so dass sich also das Herz des Butirinus sowohl von dem der Knochen- fische (v. welchen nach Stannius übrigens doch einzelne z. B. Thynnus 4 Klappen an der Grenze vom Stamme und Bulbus, aber nur in einer Reihe haben) als dem der Se- lachier und Ganoiden unterscheidet und somit hier 2 Herz- bildungen combinirt sind, welche Müller für fundamental verschieden gehalten. Stannius glaubte auch in der vor dem Mastdarme gelegenen Darmabtheilung Rudimente einer Spi- ralklappe zu finden, hat diese en jedoch später Archiv 1850. S. 501 zurückgenommen. Die Spalte der Retina und die Choroidealdrüse sind vorhanden, die bei den Ganoiden fehlen. Ueber das Verhalten der Sehnerven und den Ast der Kiemenarterie zum Kiemendeckel (als Andeutung der ur- sprünglichen Nebenkieme) ist nichts entschieden. Stannius will nun den Butirinus nicht scharf von den Clupeiden son- dern, ihn aber als Uebergangsglied zu den Ganoiden an die äusserste Grenze dieser Familie setzen“). Von weitern ana- tomischen Verhältnissen dieses Fisches ist zu erwähnen, dass *) Ich ergreife diese Gelegenheit, mich über den Butirinus zu äus- sern. Die von Stannius entdeckte Beschaffenheit der Herzklappen dieses Fisches muss ich bestätigen; es wird dadurch nothwendig, un- ter den fundamentalen Characteren der Ganoiden diejenigen vom Her- zen auf den Bau des Bulbus zu beschränken, welcher sich so wie in den Teleostiern verhält, d. h. ohne äussern Muskelbeleg ist. Dass ich diesen Character und nicht die Beschaffenheit der Klappen für das Wichtigere halte, bedarf wohl keiner Begründung, ich habe ihn we- nigstens immer schon als den tiefern Unterschied angesehen und mich darüber in der Abhandlung über die Ganoiden Abh. der Akad. a. d. J. 1844 S. 206 erklärt. Lässt man aber die Klappenreihen als exclu- sive Charactere fallen und beschränkt man die vom Herzen genom- menen Charaktere auf die Beschaffenheit des Bulbus, so hat Butiri- nus gar nichts mehr, was man in Ganoiden fände. Ein Rudiment ei- nes Spritzlochs fehlt in den von mir untersuchten Exemplaren gänzlich. Dass Butirinus bei den Clupeiden verbleiben müsse, darin stimme ich mit Stannius überein; ich bin der Meinung, dass die nächsten Verwandten dieser Gattung die eigentlichen Clupeen und andern Clu- peiden mit Augenliedern sind. Ich glaube nicht, dass die Verwandt- schaft der Clupeiden und Ganoiden eine tiefere zusammenbindende ist; dass aber unter den Ganoiden selbst Familien zu unterscheiden sind, ist wohl an den lebenden Ganoiden schon gewiss. Die Lepisosteus und Polypterus sind schon im Bau der Geschlechtsorgane durch Fami- lienunterschiede getrennt, letztere den Stören in ihren Geschlechtsorga- nen verwandt. Die Störe sind aber den Ganoidei holostei viel mehr verwandt als diese den Clupeiden. Anmerkung des Herausgebers. ‚15 das Ende der Schwimmblase nicht mehr in der Bauchhöhle liegt, sondern ausserhalb derselben in einem Canal, der durch Rippen der untern Dornen der Schwanzwirbel gebildet wird. Als Thymus beschreibt er die um den Kiemenarterienstamm gelagerte Schilddrüse*). Es ist ein unpaarer epigastrischer Lymphgefässstamm vorhanden, der mit den Seiten- lymphgefässstämmen durch zahlreiche dem Verlauf der Ligg. intermuscularia folgende Queräste in Verbindung steht. Franque hat unter J. Müllers Anleitung den Bau der Amia calva genauer untersucht (afferuntur nonnulla ad Amiam calvam accuratius cognoscendam diss. inaug. ce. tab. I. Berlin 1847). Die Wirbelsäule zeigt in der hintern Abthei- lung zahlreiche Schaltwirbelkörper, die weder oben noch un- ten Fortsätze haben, wie bis jetzt von keinem Fische mit knöchernem Skelete bekannt sind. Die Wirbelsäule ist am Ende aufwärts gekrümmt, ist heterocerk. Die oberen Apo- physen artikuliren durch Knorpel in kleinen Grübchen der Körper und zwar in der vordern Abtheilung der Wirbelsäule jede Apophyse mit je 2 Wirbelkörpern; von da an, wo die Schaltwirbelkörper anfangen, immer nur mit einem. Die Wirbel vom 5. an haben Querfortsätze und Rippen, die durch vollständige Gelenke mit denselben verbunden sind. Von den 37. bis 38. Wirbel an verbinden sich die Querfortsätze zu untern Apophysen. Alle diese unteren Bogen bis auf den letzten tragen einen aus den verschmolzenen Rippen gebil- deten, durch ein Gelenk verbundenen Stachel. — ‚Der Vomer ist doppelt. — Hinsichtlich des Herzens berichtigt Franque die Angabe von Vogt. Es sind nämlich nicht 2, wie Vogt angab, sondern 3 Klappenreihen vorhanden. Zwei Reihen liegen im Bulbus muscularis und jede von diesen hat 4 Klap- en, 2 grössere und 2 kleinere, alternirend. Jede der grössern ist durch ein mittleres Bändehen an die Arterienwand befes- tigt, so dass man leicht sich täuscht und 2 Klappeu zu sehen Kaubt, statt einer. Die 3. Reihe hat nur 2, aber viel grössere lappen, welche vom obern Rande des Bulbus museularis entspringen und 6—8’ von da sich an die Arterienwand an- heften. Zwischen diesen beiden finden sich oft noch Rudimente von kleinern Klappen. Eine Spiralklappe von bloss 3'% Win- dungen findet sich im untersten Theile des Darmes. Die Schwimmblase hat 2zellige Seitentheile, die vorn in Hörner endigen und einen zellenlosen mittleren Theil, der vorn in den Schlund sich öffnet; sie besitzt Muskelfasern; ihre Arte- rien kommen von den Kiemenvenen (obgleich die Amia im Sommer im trockenen Schlamm leben soll, und es daher nahe lag, die Schwimmblase für Lunge zu halten). Die weiblichen k *) Später (Müller's Archiv 1848) von ihm richtig als solche er- annt. 16 Genitalien besitzen wie die Störe und Polypterus einen Trich- ter, durch welchen die Eier in den Uterus gelangen. Der Sehnerve besteht aus gefalteten Membranen und. hat peri- pherische Bogenzüge von einer Seite zur andern, die nicht mit den Centralorganen zusammenhängen (wie Arnold beim Menschen beschrieben). Ein Kiemenarterienzweig zum Kie- mendeckel ist nicht vorhanden; die Chorioidealdrüse ist vor- handen, ebenso die Fissura retinae und ein Rudiment des Process. faleiformis. Die doppelte Klappenreihe wird zu Folge der Stannius’schen Untersuchung an Butirinus aus den Charaet. der Ganoiden ausgeschieden, dagegen bleibt ihnen 1) der äussere mit Muskelsubstanz belegte Bulbus, 2) das Chiasma, 3) die Spiralklappe, deren Vorhandensein bei Bu- tirinus geleugnet wird. 3) Eine 3. Abtheilung bilden die Arbeiten, welche die Anatomie einzelner Organe oder Organsysteme der Fische zum Zweck haben. a) Osteologie. Agassiz und Vogt haben eine ausführliche Anatomie der Familie der Salmonen geliefert, (Anat. des Salmones in mem. de la soeiete des sciences naturelles de Neuchatel. T. II. mit 14 Tafeln. Neuchatel 1345 4.), die ursprünglich für den 2. Bd. der hist. nat. des poissons d’eau douce von Agassiz bestimmt war. Die Östeologie und Neurologie sind von Agassiz; Myologie, Angiologie, Splanchnologie mit den Sin- nesorganen von Vogt bearbeitet, die Tafeln alle von letzterm gezeichnet. Die Nomenklatur der Knochen ist die gleiche, wie in den frühern Arbeiten Agassiz’s; dem Schädelknorpel ist grosse Aufmerksamkeit geschenkt und derselbe in den Abbildungen sehr gut dargestellt. Zu den integrirenden Schä- delknochen zählt Agassiz bei den Salmonen folgende Kno- chen: 1) Die Frontalia prineipalia, oceipitalia superiora et lateralia, Alae magnae ossis sphenoidei, Alae orbitales, das Os basilare zum Theil und das Os ethmoide cränien, Ag. (sphen. ant. Cuv.). Alle übrigen liegen nur auf dem Knorpel und nehmen an der Bildung des eigentlichen Schädelgehäuses keinen Antheil. Einen fundamentalen Unterschied zwischen den beiderlei Knochen erkennt Agassiz (wie auch früher Poissons fossiles I. 121.) nicht an. Ebenso erklärt sich auch Stannius (Vergl. Anat. S. 20.) für die schon von J. Müller (Archiv 1843 Jahresbericht CCLIL) mit trefflichen Gründen vertheidigte Ansicht, dass die sogenannten Deck- oder Beleg- knochen des Schädels der Knochenfische nicht, wie Reichert wollte, als Hautknochen, sondern als Aequivalente der gleich- namigen Knochen der höhern-Thiere zu betrachten seien. Stannius rechnet zu den integrirenden Knochen das Os ba- silare, occipitale laterale et superius, Ossa mastoidea (tempo- ralia Agassiz), petrosa (Alae magn. Cuvier), sphen. ant. (ethm. ceränien Ag.) alae magnae (aile-orbit. Cuv. Agassiz) 17 und die Frontalia posteriora et anteriora, alle übrigen zu den Deekknochen. Auch Owen (lectures on the comp. anat. of vert. anim. fishes p. 135.) spricht sich in gleicher Weise aus; ebenso Brühl (Anfangsgründe der vergl. Anat. 1. 8). End- lich hat auch Kölliker in einer Schrift (Berichte von der k. zoot. Anstalt in Würzb. 2. Bericht. Leipzig 1849. 4.), die ich, dem nächsten Jahresberichte vorgreifend, schon jetzt er- wähne, sich aufs Entschiedenste dafür ausgesprochen, dass die sogenannten Belegknochen aller Knochenfische nicht Haut- knochen (den Hautschädelplatten des Störs analog), sondern Schädelknochen sind, welche den gleichnamigen der höhern Thiere entsprechen. Bei Diodon, welches Genus Reichert nebst Tetrodon und Anguilla wegen mangelnden knorpeli- gen Crauiums an die höhern Wirbelthierklassen anreihen wollte, sah Kölliker unter dem Stirnbeine jederseits ei- nen ziemlich starken Knorpelstreifen, der, wie bei der Fo- relle, vom Os frontale anterius zum posterius zieht. Die Unter- suehungen von Jacobson über den Primordialschädel der Säugethiere, in welchen diese Ansicht eine so wichtige Stütze findet, sind in einer unter Köllikers Leitung ausgearbeite- ten Dissertation von Spöndli (über den Primordialschädel der Säugethiere und des Menschen. Zürich 1846. 8.) völlig bestätigt worden. Nach diesen Untersuchungen entstehen beim Menschen die Stirnbeine, Scheitelbeine, der obere Theil der Hinterhautsschuppe und die Schläfenschuppen aus einer häutigen Grundlage auf der äussern Fläche des Knorpels und sind niemals als Knorpel präformirt, entsprechen also völlig den Belegknochen der Fische. Hingegen istwieder ein Schüler Reicherts: A.A.Bidder (de cranii conformatione, Dorpat, 1847. 8.) aufgetreten mit der Behauptung, dass alle Schädelknochen der Säugethiere nur durch Verknöcherung des Primordialeraniums entstehen. EineBildung von Schädelknochen in einer fibrös- häutigen Grundlage wird gänzlich geläugnet. Zu den dem Hautscelet gehörigen Schleimröhrenknochen rechnet Stannius (l. e. $. 29.) die nasalia Cuv. (olfactifs Agassiz), die infraorbitalia und supratemporalia (No. 19., 20. 21.) Agassiz betrachtet nur die letztern als solche (Il. e. S. 303 Owen (l.c. 8.135.) betrachtet die suborbitalia, su- praorbitalia und supratemporalia als dem Exoscele- ton angehörig. In die Nomenclatur und Deutung der Knochen des Fisch- kopfes ist durch Owen (l. e.), der im ausgedehntesten Sinn die Wirbeltheorie auf denselben anwendet, mancherlei Neues eingeführt worden. Owen unterscheidet am Kopf, wie über- all, inneres Scelet, Hautscelet und Eingeweidesce- let. Das Nervenscelet des Kopfes besteht aus 4 Wirbeln, Hinterhauptwirbel, Scheitelwirbel, Stirnwirbel, Riechwirbel. Jeder Wirbel hat einen obern oder Nerven- Müller’ Archiv. 1852. Jahresbericht, B 18 und einen untern oder Gefässbogen. Jeder Nervenbogen besteht aus dem Körper (Centrum), der Neurapophysis, dem Dorn und der Parapophysis *). Die den Fischkopf zusammensetzenden Theile sind nach Owen: I. Vom innern Scelet 1) der Hinterhauptswirbel; der wieder aus Nervenbogen und Gefässbogen besteht. Der Nervenbogen (epencephalie arch) ist das Hinterhaupts- bein und dessen Theile, das basi-oceipital, ex-oceipital (ocec. lateral), supra-occipital, par-oceipital (oce. externe). Der Gefässbogen des Hinterhauptwirbels dagegen ist der Schul- tergürtel (Scapular arch) bestehend aus suprascapula (sur- scapulaire Cuv.), scapula und coracoid. (humeral Cuv. Cla- vicule Agassiz). Jeder Gefässbogen besitzt strahlige Anhänge; die des in Rede stehenden ersten Wirbels sind die Ulna (radial Cuv. und Agassiz), der radius (ceubital Cuv. und Ag.) der humerus (3ieme os Cuv. humeral Ag.), Carpus, Metacarpus und die Phalangen. 2) bei dem 2. oder Schei- telwirbel besteht der obere oder Nervenbogen (mesence- phalie arch) aus dem basi-sphenoid, ali-sphenoid (grande aile Cuv.) parietal und mastoid. Der Gefässbogen (der Zungen- beinbogen) besteht aus dem Stylo-hyal (Styloid Cuvier), epi- hyal und ceratohyal (grande piece laterale Cuv.) basi-hyal (petite piece lat. Cuv.), glosso-hyal (os ling.) und uro-hyal (queue Cuv.). Die strahligen Anhänge dieses Gefässbogens sind die Kiemenhautstrahlen. 3) den Nervenbo gen (prosen- cephalie arch) des 3. oder Stirnwirbels bildet das pre- sphenoid (sphenoid. ant.), das orbito-sphenoid, frontal (frontal prineip. Cuy.) und postfrontal; den Gefässbogen (tympano- mandibular arch), das epitympaniec (temporal Cuv. mas- toid Ag.), mesotympanic (sympleetique Cuv. tympano-mal- leal Ag.), pretympanie (tympanal Cuv. Caisse Ag.), hy- potympanie (jugal Cuv. os carre Ag.) und mandibular. Die strahligen Anhänge dieses Gefässbogens bilden die Stücke des Kiemendeckelapparates. 4) Der 4. oder Riech- wirbel hat als Nervenbogen (rhinencephalie arch) den vomer, das prefrontal (front. ant.) und nasal (ethmoid Cuv.) als Gefässbogen (palato-maxillary arch) das Gaumen-Ober- *) Die Bestandtheile eines Wirbels sind nach Owen: 1) Cen- trum (Wirbelkörper) 2) Neurapophyses (Nervenbogen, obere Bo- genstücke) 3) Neural-spine (obere Dornfortsätze) 4) Parapophy- ses (untere Querfortsätze) 5) Pleurapophyses (Rippen oder Theile der Querfortsätze) 6) Haemopophyses (Gefässbogen, unterer Wirbel- bogen, Sternalrippen) 7) Haemal-spine (unterer Dornfortsatz, Brust- bein). Die vorgenannten Theile bezeichnet Owen als entogene Ele- mente, weil sie aus distineten Punkten enstehen. Andere entstehen als wahre Fortsätze aus diesen, dahin gehören 8) die Diapophyses (obere Querfortsätze) und 9) die Zygapophyses (Gelenkfortsätze). 19 kieferbein, den Zwischenkiefer und die Ossa pterygoidea; letz- tere sind die strahligen Anhänge des Bogens. I. Die zum an ae eln® gehörigen Theile des Fischkopfes sind die Sinneskapseln: 1) Ohrkapsel [pe- trosal (rocher Cuyv.) und die Otolithen] 2) die Augen- kapsel (Sclerotica-Knochen). 3) Nasenkapsel (Ethmoid und Muscheln) und die Kiemenbogen. III. Zum Hautscelet gehören das supratemporal , supra- orbital, suborbital und die labials. Referent begnügt sich für jetzt mit dieser kurzen Angabe der Owen’schen Nomenklatur und muss eine weitere Kritik der von Owen versuchten Deutungen auf den nächsten Jah- resbericht versparen, in welchem das ausführlichere Werk „on the archetype ete.“ (siehe oben) des genannten Autors, in dem er den Versuch gemacht hat, die deutsche Beinphilo- sophie auf englischen Boden zu verpflanzen, zur Besprechung kommen wird. Sowohl Agassiz (l. ce. S. 24.) als Stannius (l. c. S. 38.) machen auf die untere knorpelige Fortsetzung des Os sym- rer aufmerksam, welche sich an der innern Fläche des Interkiefers in der Rinne desselben bis zum Os dentale er- streckt. und in die Insertion des Kaumuskels versteckt ist (persistirender Meckel’scher Knorpel). Mettenheimer, disquisitiones anat. comparativae de membro piscium pectorali diss. inaug. Berlin 1847. 4. mit 2 Ta- feln. Der Zweck dieser Arbeit war, die vorhandenen Theo- rien über den Schultergürtel der Fische an den sämmtlichen sehr zahlreichen Fischsceletten des Berliner Museums zu prü- fen und zu sehen, wie sich die theils nur für einzelne Fische, theils nur für einzelne Ordnungen aufgestellten Deutungen dieses Skelettheiles im Allgemeinen bewährten. Eine erste Frage, die der Verf. sich zur Beantwortung vorgelegt: lässt sich der bei den höhern Wirbelthieren ange- nommene Typus des Schultergürtels auch in der ganzen Klasse der Fische wiedererkennen? beantwortet er bejahend. Man darf dabei, wie er zeigt, allerdings nicht ausser Acht lassen, dass andere Glieder dieses Ganzen mehr entwickelt sind, dass die Beweglichkeit der einzelnen Theile vermin- dert, dass Hals und Brust stark zusammengezogen sind, was sich Alles in der Entwickelungsgeschichte mit dem Typus hö- herer Wirbelthiere recht gut vereinigen lässt. Auch eine ziem- lich grosse Reihe von Bildungshemmungen höherer Wirbel- thiere, die bei den Fischen als normale Zustände angetroffen werden, hilft das Brustglied der Fische dem der höhern Wirbel- thiere näher bringen (Notomelia, Phocomelia, Hemimelia, Sympodia, Syndactylia, Polydactylia). Eine zweite Auf- gabe die sich der Verfasser gestellt, war, zu untersuchen, wie weit sich die einzelnen grossen, unter sich sonst so verschiedenen Abtheilungen der Knochenfische, Ganoiden und Knorpelfische 1: al 20 von diesem Typus entfernen. Er ermittelte, dass bei sehr jungen Zitterrochen sowohl als bei den Jungen des Cyelop- terus lumpus und des Cirrites punctatus (S. 33. 34.) der ganze Sehultergürtel einen Knorpelring ohne alle Gliederung bildet. Zur Untersuchung junger Ganoiden hatte Verfasser keine Ge- legenheit. Ein sämmtlichen Fischen gemeinsames Zeichen scheint es dem Verfasser zu sein, dass sich die Enden der Extremitäten in feine Hornstrahlen auflösen. Dieselben wur- den bei Fischen aus den verschiedensten Familien gefunden ; Taf. I. F. 17 sind sie von Cyelopterus lumpus abgebildet. Was nun die Deutung der einzelnen Glieder des Brustgürtels betrifft, so betrachtet Verfasser den von Cuvier als Hume- rus gedeuteten Knochen der Teleostier (humeral Cuy.) mit Recht als Clavieula. Die Gründe (S. 36—37) sind beson- ders: 1) die Grösse des Knochens, die Clavieula ist der grösste der Knochen; wäre dieser Knochen Humerus, so wäre die Grösse auffallend, da gerade dieser Knochen bei allen Was- serthieren (Fischsäugethieren, grossen Amphibien der Vor- welt) derjenige Theil des Brustgliedes ist, der am ersten an Grösse verliert, offenbar, weil er bei der minder freien Arm- bewegung zuerst unnöthig wird. 2) Es sind die Knochen beider Seiten zuweilen verschmolzen, was wohl bei einer Cla- vieula, nicht aber bei einem Humerus vorkommen kann. 3) Der Schultergürtel vieler Knochenfische (Cyprinoiden, Clu- peoiden, Mormyri, Salmonen, Characinen, Siluroiden) kann bei Cuvier's Annahme nicht erklärt werden, da hier 3 Kno- chen von der Clavieula ausgehen. 4) Endlich weist der Ver- fasser darauf hin, dass grosse Entwickelung des Humerus ge- wöhnlich mit grosser Beweglichkeit des Armes zusammen- fällt, während bei Fischen der ganze Arm im Fleische ver- borgen und nur die Hand beweglich ist. Die Clavieula der Fische ist entweder ein beiden Seiten gemeinschaftlicher Knorpel (Rajiden, mit Ausnahme von Tor- pedo, die meisten Squaliden) oder jede Seite hat eine eigene Clavieula, wie bei den Knochenfischen, Ganoiden, Chimaeren, Torpedines und unter den Squaliden bei Sphyrna, Galeus, Seyllium, Heptanchus, Acanthus. Zum Verständniss der ma- nigfaltigen Gestalten der Clavieula bei den Knochenfischen hat der Verfasser zweckmässig eine Mittelform aufgestellt. Diese besteht in einem in mehr oder weniger stumpfem Win- kel gebogenen lamellösen Knochen, an dem sich 3 Lamellen unterscheiden lassen, deren verschiedenes Lagen- und Grösse- verhältniss hauptsächlich die Mannigfaltigkeit der Formen be- dingt. Vindizirt man dem Cuvier’schen Humerus den Namen einer Clavicula, so folgt hieraus, dass die Ganoiden und fast alle Knochenfische auch ein hinteres Schlüsselbein (Os cora- eoideum) besitzen. Dies geht gewöhnlich an derselben Stelle von den Schulterknochen aus, wo sich die Clavicula ansetzt und ist nach hinten und unten gerichtet, entspricht also in al seiner Lage zum Schlüsselbein ganz den Os corae. der Vögel. Es geht alle Formen durch vom stabförmigen bis zum dolch- und blattförmigen und besteht sehr häufig aus 2 Knochen, wie auch der Proc. corac. des Menschen mehr als einen, näm- lich 3 Knochenkerne enthält. Die Clavieula wird durch einen, meist aber durch 2 Schul- terknochen an den Schädel befestigt, wovon bisweilen beide, meist aber nur der obere den Schädel erreicht. Der Verfas- ser schliesst sich der Meinung Geoffroy’s an, der den un- tern der beiden Knochen omoplata nennt, den obern, wel- chen er dem breitern Knorpelrande des Schulterblattes vieler Amphibien parallelisirt, dagegen omolite. Auf keinen von beiden passt weder nach Lage noch Verbindung die Bezeich- nung Aeromion, welche ihnen auch gegeben worden ist. Die Schulterknochen fehlen den meisten Squaloiden, den Lopho- branchiern, dem Mastacemblus und Dactylopterus. Die Arm- knochen fehlen den Knorpelfschen, finden sich nur bei Kno- chenfischen und Ganoiden, wo sie aber auch bisweilen auf blosse Fortsätze der Clavieula reduzirt sind. Der Humerus, der eigentlich die Brücke zwischen Zona humeri und Ossa antibrachii bildet, gelangt hier nie dazu die Ossa antibrachii von der Berührung mit der Clavicula abzuschliesen. Die zahl- reichen Details müssen im Original S.47 nachgelesen werden. Die Vorderarmknochen sind nicht nur in vielen Fischen ganz verkannt worden, sondern man hat auch sehr häufig Radius und Ulna verwechselt. M. nennt mit Recht den un- tern und vordern Knochen Radius, den obern und hintern Ulna. Letztere ist meist kleiner. Beide zeigen eine grosse Anzahl von Formen, die aber doch wenigstens beim Radius auf eine Grundform zurückgeführt werden können. Die von Vielen sogenannten Vorderarmknochen des Lophius piscalorius sind Carpalknochen, wie sich aus Vergleichung mit Polypte- rus Bichir ergiebt (Taf. I. S.5. F.6.). Die eigentlichen Vor- derarmkuochen des Lophius sind sehr klein und liegen an der innern Fläche des Winkels der Clavicula versteckt. Die Ulna von Lophiuws hat sehr verschiedene Beschreibungen er- fahren, wovon der Grund wohl in der Verschiedenheit des Knochens zu verschiedenen Zeiten der Entwickelung liegt. Im Anfange ist es ein scheibenförmiger, in der Mitte durch- bohrter Knorpel; die beiden Oberflächen der Scheibe ossilizi- ren nun zuerst, während in der Mitte nur eine dünne, die eentrale Oeflnung umgebende Röhre ossifizirt, welche die Oefflnung der beiden Scheibenflächen mit einander verbindet; ist der Knorpel nun macerirt, so besteht die Ulna aus 2 durch eine Röhre verbundenen Scheiben. Der Vorderarm der Si- luroiden lıat das Eigene, dass die Radii beider Seiten dicht hinter den Olavieulis wie diese eine Symphyse bilden und den von den Ölavieulis gebildeten festen Gürtel noch verstärken ; sehr stark ausgebildete, lamellöse, in auffallenden Richtungen 22 > gebogene Fortsätze des Radius erschweren in dieser Familie oft die Deutung (Synodontis elarias Taf. II. F.11). Bei dem Störe haben Radius und Ulna nicht nur ihre Beweglichkeit, sondern auch ihre Selbständigkeit verloren und bilden nur Fortsätze der Clavieula (Taf. II. F. 15). Den Uebergang hierzu bilden manche Clupeoiden; bei Osteoglossum Vandelli ist die Ulna von dem enormen Radius, der sie umgiebt und von der Clavieula theils nur durch Nath getrennt, theils mit den- selben fest verwachsen. Die Eigenthümlichkeiten der Fischhand bestehen nach Müller 1) in der normalen Syndactylie, 2) in der Multipli- _eation der Finger und Phalangen, 3) in dem fast ganz allge- meinen Mangel eines ausgebildeten Metacarpus und 4) in der dichotomischen Theilung der Strahlen und ihrer Spaltung in eine männliche und weibliche Hälfte (Bakker). Von diesen Eigenthümlichkeiten finden die 3 erstgenannten einzelne Ana- logien auch unter den höhern Wirbelthieren, sind nur bei den Fischen in der höchsten und allgemeinsten Ausbildung vorhan- den, die Zerspaltung der Flossenstrahlen in einen männlichen und weiblichen ist etwas der Klasse der Fische und den Knochenfischen und Ganoiden allein Eigenthümliches. Die Hand sitzt bei den Knorpelfischen nnd Sirenoiden un- mittelbar an der Clavicula, bei den meisten Knochen- fischen und einigen Ganoiden an den Vorderarmknochen. Diese Gegensätze werden vermittelt durch Siluroiden und Störe, deren Armknochen zuweilen auf blosse Fortsätze der Clavicula redueirt sind. Der Carpus der Knochenfische hat meist die Form eines platten, lamellösen, doppelten Conus; bei Lophius bildet er 2 lange Knochen, bei Polypte- rus 2 eben solche, zwischen welche ein dritter rundlicher eingeschoben liegt. Bei den Knorpelfischen unterscheidet er sich in seiner Gestalt mehr von den Phalangen, als bei den Knochenfischen. Der Carpus der Knorpelfische, so- wie der der Amia ist ferner dadurch ausgezeichnet, dass er Fortsätze hat, die in ihrer Form den Phalangen ganz glei- chen, die gleichsam als Phalangen, die sich nieht vollständig vom Carpalknorpel getrennt haben, zu betrachten sind und zum Anfang der ersten Reihe von Phalangen dienen. Durch eine im stumpfen Winkel geschehene Entfernung der untern Enden der beiden äussersten Knochen entsteht die Form bei den Rajiden und Squaliden. Eine besondere Beschrei- bung verdient der Carpus der Aceipenserinen. Ein Car- palknorpel ist besonders stark, seiner inneren Seite ist der grösste Theil derübrigen kleinern Carpalknorpel eingefügt. Diese zerfallen je in eine männliche und eine weibliche Hälfte und tragen an ihrem peripherischen Ende ein rundes Knorpel- chen, das die Gelenkverbindung mit den Flossenstrahlen vermittelt. Den ganzen artikulirten Faden, der die Brust- flosse bei Lepidosiren bildet, hält M. für den Car- 23 pus, gegen Peters, der bloss das erste Glied desselben Carpus nennt. Für die Entscheidung der Frage, ob die Fische einen Carpus und Metacarpus haben, bildet Polypte- rus Bichir den Ausgangspunkt, da dieser Fisch jene Abthei- lungen der Hand in vollständigster Ausbildung besitzt. Es ergiebt sich aus der darüber angestellten Betrachtung, dass der Carpus bei allen Fischen die Hand mit dem Vorderarın verbindet, der Metacarpus aber bei allen Knorpel- und Kno- chenfischen nicht als selbstständiges Glied vorhanden ist, ebenso wenig als bei den Delphinen und dem Ichthyosaurus. Erdl hat (Beschreibung des Sceletes des Gymnarchus nilotieus ete. mit einer Tafel in Abhandl. d. k. bair. Akademie der Wissenschaften V. 1. Abthl.) die bis jetzt nur in einem einzigen Exemplar bekannte Fischgattung Gymnarchus be- schrieben und mit der von Mormyrus verglichen. Die Ab- handlung muss im Original nachgesehen werden. b) Muskeln. Als erste Spuren des Hautmuskels be- trachten Agassiz und Vogt (l. e. 8. 60. Tab. 7. M. 43.) 2 dünne Längsbündel, die in der Seitenfurche des grossen Sei- tenmuskels liegen und nach vorn und hinten allmählig ver- schwinden. Sie hängen meist ziemlich fest an der Haut und bleiben an dieser sitzen. c) Nervensystem. Erdl hat das Gehirn der Gattung Mormyrus untersucht (gelehrte Anzeigen, herausg. v. Mitglie- dern der k. bair. Akademie 8. Sept. 1846. No. 179. S. 403). Dasselbe zeigt sehr eigenthümliche Verhältnisse, die selbst auf den ersten Anblick, wie R. Wagner bemerkt, an die Hirnbildung mancher Säugethiere, z. B. der Inseetivoren erin- nern, aber aus der Beschreibung ohne Abbildungen nicht mit Deutlichkeit zu verstehen sind. Merkwürdig ist auch die Bildung des Gehörorgans, indem das Vestibulum einen röh- rigen Fortsatz durch das Schläfenbein in eine weite Grube an der Aussenseite des Schädels schiekt, der dann hier zu einer grossen mit einem Gehörsteine versehenen Blase anschwillt, die mit einem andern ovalen, wie eine Schwimmblase aus- schenden Gebilde verwächst. Das Gehirn von Gymmarchus ist ähnlich gebaut wie das von Mormyrus (Erdl über den Bau des Gymn. nilot. Mün- chen. gel. Anz. 1846. No. 203). Agassiz weist (Anatomie des Salmones, letzte Abtheilung und Actes de la soeiete hel- vet. des sciences naturelles reunie A Geneve en 1845, Geneve 1846. 8. 8.70) besonders auf die für die einzelnen Fisch- familien so charakteristischen Gehirntypen hin. Es sind die- selben so persistent trotz aller Verschiedenheit des Instinkts und der Lebensweise, dass man zu dem Schlusse berechtigt ist, dass sich die speeifischen Anlagen in der Form des Ge- hirnes nicht aussprechen, sondern, dass dessen Form über- all einem speeilischen Organisationstypus entspricht. Für die Kuochenfische überhaupt lasse sich ebenfalls, wenn man 24 von den accessorischen Lappen abstrahire, die den Plan des Ganzen nicht stören, ein gemeinsamer Typus aufstellen. Was Valentin bei Gymnotus eleetricus als elektrische Lappen bezeichnet hat, ist nach Agassiz nichts Anderes als das kleine Gehirn, welches bei Siluroiden, Scomberoiden, bei Echeneis ebenso entwickelt ist. Diese Behauptung wurde auch jüngst von R. Wagner aufgestellt (Götting. gel. Anz. 1848. S. 215). Beim Zitterwels ist das kleine Gehirn nach die- sen Untersuchungen sehr stark entwickelt, aber ebenso stark beim gemeinen Wels, beim Thunfisch und der Makrele. Ueberhaupt treten, nach Wagners Ausspruch, accessorische Ganglien immer nur nach hinten vom kleinen Gehirn und zwar dann, meist symmetrisch zu beiden Seiten auf. Es stim- men diese Beobachtungen von Wagner sehr mit denen von Agassiz überein, insofern sie ebenfalls zeigen, dass bei den Knochenfischen wenigstens der Örganisationsplan der Hauptabtheilungen des Gehirns nie wesentlich gestört wird. Quatrefages (mem. sur le systöme nerveux et sur 'histologie du branchiostoma ou amphioxus. Annales des - sciences naturelles 3 ser. Zoologie IV. 1845) beschreibt den Sehnerven, das Auge, 5 (Hirn-) Nervenpaare vom vordersten Theil des Rückenmarkes, deren 4 aber der Abbildung nach sehr leicht als blosse Aeste des einen von J. Müller be- schriebenen Nervenpaares gelten können. Das Rückenmark bestehe aus einer Reihe länglicher Anschwellungen, von de- ren Mitte die Nerven symmetrisch ausgehen. Die Nerven sollen in kleine Kolben oder Wärzchen enden, nirgends Schlingen bilden. Bonsdorff. Disgq. anat. nerv. trigeminum partemque cephalicam nervi sympathiei Gadi lotae et cum nervis iisdem apud hominem et mammalia comparans. Helsingfors 1846. Hjelt in syst. neryos. symp. Gadi lotae et observatio- nes disq. zoot. mit 1 Taf. Helsingfors 1847. Girgenschn, Anat. und Physiologie des Fischnerven- systems in Mem. presentes ä l’acad&mie imper. des sc. de St. Petersbourg. p. div. sav. (mem. d. sav. etrangers) T. V. 1846 S. 275. Ueber die elektrischen Organe der Fische sind meh- rere wichtige Arbeiten bekannt gemacht worden. Peters (in d. Archiv 1345. S. 375) giebt eine kurze Mittheilung über Form und Bau des elektrischen Organs von Malapterurus electrieus aus dem Lieuarefluss im östlichen Afrika, welchen er mit dem des Nils für identisch hält. Es findet sich nicht ein doppeltes seitliches, sondern ein einziges über den ge- sammten Körper sich ausbreitendes elektrisches Organ, wel- ches zwischen zwei Fascien liegt, wovon die eine mit der Haut verbunden, die zweite durch ein laxes Zellgewebe von den unterliegenden Muskeln getrennt ist. Das Organ hat 25 am Bauche seine grösste Dicke und besteht aus rhomboida- len Zellen. Paeini hat dasselbe Organ beim Zitterwels aus dem Nil beschrieben (sopra l’organo elettrico del Siluro elettrico del nilo comparato a quello della torpedine a del gimnoto e sull appareechio de Weber nel siluro comp. a quello dei eiprini e. I. tav. Bologna 1846. 8.). Auch nach diesen Un- tersuchungen ist nur ein einziges Organ vorhanden, welches den ganzen Körper gleichsam wie ein Sack umgiebt, nach P. besitzt jedoch das Organ seine grösste Dicke nicht am Bauch, sondern an den Seiten des Körpers, von hier nimmt es nach oben und unten, ebenso nach dem Kopf- und Schwanzende an Dicke ab und endet vorn am Kopf äusserst dünn, oben hinter den Augen, unten unweit des Unterkiefer- randes; am Schwanzende reicht es bis in die Nähe der Schwanzflosse. Die Gestalt der Zellen lässt sich nach P. auf die eines Oktaöders zurückführen, da man, in welcher Richtung man auch das Organ durchschneide, Rechtecke, Trapeze oder Quadrate erhalte; eine bestimmte Ordnung derselben in Säulen, wie bei Gymnotus oder Torpedo ist nicht zu erkennen. Der elektrische Nerve ist der erste Spinal- nerve, der ein sehr grosses Intervertebral-Ganglion besitzt. Rudolf Wagner (über den feineren Bau des elektri- schen Organs im Zitterrochen mit 1 Taf. Gött. 1847 aus den Abh. d. k. G. d. W. z. G. III.) beschreibt die Zusammen- setzung des Organs und den feinern Bau der einzelnen Theile namentlich die Vertheilung der Nerven genau. Die Savi- sche Entdeckung von der Endtheilung der Primitivröhren der Nerven auf den Plättchen des elektrischen Organes ist von W. erweitert und berichtigt. (Neue Untersuchungen über den Bau und die Endigung der Nerven. Leipzig 1847.) Stark hat im Schwanz von Raja clavata, batis u. a. ein zu beiden Seiten der Schwanzwirbelsäule liegendes Organ aufgefunden, welches er für ein den elektrischen Organen Auslo es hält. (Annals and magazine of natural history vol. XV. 5.121. 1845 — Fror. Notizen 1845. F. 31”). Dasselbe ist bei R batis sehr stark, bei AR. clavata u. a. weniger ent- wickelt, läuft zu beiden Seiten des Schwanzes hin und bildet über den M. laterales jederseits ein dickes Polster. Die Ner- ven sollen vom achten Paare, dem Seitennerven kommen; das Organ besteht aus zahlreichen Scheidewänden, welche einander schräg begegnen und Kegel bilden, während zwi- schen denselben kleine (uerscheidewände streichen, deren Zwischenräume mit einer gallertartigen Substanz gefüllt sind. *) Diese Organe sind ihrer Struktur zufolge gleichbedeutend mit den von Rüppell entdeckten Organen am Schwanze der Mormyrus. Rüppell Beschreibung und Abbildung neuer Fische im Nil. Frank furt 1832. 8.9. Goodsir (ibid.) wollte in den beschriebenen Organen keine elektrische erkennen und behauptete, Stark habe den hinteren Theil der mittleren Masse der Schwanzmuskeln als elektrisches Organ beschrieben. Robin (Annales des sciences naturelles. 3 ser. Zool, 1847. vol. VII. S. 193) hat diese Organe abermals aufgefun- den ohne, wie es scheint, von Stark’s Arbeiten Kenntniss zu haben und dieselben genau beschrieben und abgebildet. Die beiden Organe nehmen fast die ganze Länge des Schwan- zes ein. Jedes bildet einen nach innen etwas abgeplatteten Cylinder, der in der Mitte angeschwollen, nach beiden En- den sich zuspitzt. Es liegt unmittelbar unter der Haut, nur das vordere Ende ist von Muskel bedeckt. Das ganze Organ besteht nach R. aus Scheiben, welche in der Längsrichtung zu Säulen aufgestapelt und durch zellige Scheidewände von einander getrennt sind. Die Scheiben be- stehen aus einer sehr resistenten Gallerte (Tissu &leetrique Robin). Die Säulen sind ebenfalls durch Längsscheidewände getrennt und nehmen nicht alle die ganze Länge des Organs ein; im dieksten Theile des Organs liegen bis 35 solcher Säulen nebeneinander. Robin hat diese Organe bei Raja cla- vata, batis beschrieben, ich habe dieselben in Triest nebst- dem bei R. ozyrhynchus und miraletus gefunden. Nach Ro- bin’s Beschreibung erscheint der Unterschied im Baue dieser Organe von dem elektrischen Organ des Zitterrochens nicht ganz unbedeutend; das elektrische Organ des letztern besteht aus kleinen Kästchen, welche mit einer Flüssigkeit gefüllt sind; hier sollen es durch Bindegewebe getrennte Scheiben sein. Bedenkt man aber, dass Robin zur Untersuchung die Organe immer in verdünnter Salpetersäure erhärtete, so er- klärt sich dieser Unterschied einigermassen; die Flüssigkeit des Kästehens erhärtete zur Scheibe. Jedoch muss ich auch nach Untersuchungen an frischen Organen zugeben, dass der Inhalt der Kästchen, wenn wir auch wirklich solche anneh- men wollen, viel consistenter als bei Torpedo und wirklich gallertartig ist. Dabei bleiben mir aber immer die von Ro- bin beschriebenen Aushöhlungen auf der hintern Fläche der Scheiben, in welche die Blutgefässe eindringen, unverständ- lich. Die Nerven kommen vom Schwanztheile des Rücken- markes, nicht vom Seitennerven, wie Stark angegeben hatte (und zwar 1—2 Fäden von den vordern motorischen Wur- zeln vor der Verbindung mit den hintern, 2 oder 3 von der Kreuzung und 2—4 vom vordern Aste oder von beiden) und verzweigen sich nach R. auf der vordern Fläche der Schei- ben, und zwar in einem Häutchen, welches die Scheiben überzieht (dem innern Ueberzug des Kästchens R.). Die Nervenprimitivfasern vertheilen sich wie im elektrischen Or- gan von Torpedo; allein es ist nach meinen Erfahrungen we- nigstens hier wegen der dichten Netze sehr schwer, das end- 27 liche Schicksal einer Faser zu verfolgen (s. Zeitschrift für wissensch. Zoologie I. S.41). Electrieitäts- Entwickelung in diesem Organe nachzuweisen, ist bis jetzt weder J. Müller noch Matteuei gelungen. (Ann. d. se. n. ib. 287 — Comptes rendus XXIV. B. 301), so dass die Deutung desselben als elektrisches Organ, so wahrscheinlich sie auch ist, immer noch problematisch genannt werden muss. Retzius handelt von den vermeintlichen elektrischen Organen in den nicht elektrischen Rochen (öfversigt af Kongl. vetenskaps Acade- miens förhandlingar första ärgangen 1544. Stockholm 1845. p- 177.— Hornschuch, Arch. scand. Beitr. II. 1350. S. 221.) Diese Organe sind schon von Monro gekannt, später be- sonders von Jacobson, Desmoulins, Mayer, der aber nur eines, das hinterste, kannte, Miescher (Verhandl. der Basler naturf. Ges. 1844. S. 107) untersucht und theils für absondernde (Monro, Miescher) theils für Empfindungs- (Jacobson) theils für elektrische Apparate gehalten wor- den. Retzius untersuchte diese Organe bei AR. batis und Squalus acanthias. Bei den Rochen finden sich jederseits 4 soleher Organe, bei Squalus nur eines. Jedes Organ be- steht aus einer fibrösen Capsel, in welcher sich eine Anzahl kugliger Körper befinden, die sich in subeutane Röhren fort- setzen und von zahlreichen Nervenfaden vom Quintus versorgt werden. Jede Kugel bildet eine Ampulle mit kleinem Reces- sus, deren zusammenstossende Wände mehrere Scheidewände mit freistehenden halbmondförmigen Rändern bilden, wie die Falten in den Gehörampullen. Ich sah bei Raja mustelus, bei welchen ich diese Organe frisch untersuchte, von dem Mittelpunkt der freien Kugelfläche, in welchen der Nerv sich inserirt, weisse Balken strahlig über die Kugel auslau- fen, die als Scheidewände stark in die Höhle dieser vor- sprangen und durch quere Scheidewände, die nach der Röhre frei mit halbmondförmigem Rande endigten, verbunden wa- ren. Zwischen den Balken ist die Innenwand mit einem Epithelium belegt. Retzius vermuthet, dass die Nerven in Schlingen endi- sn und ich neige mich ebenfalls zu dieser Ansicht. Jeden- alls findet man keine Theilungen. Die Organe sind wahr- scheinlich Empfindungsorgane. Gemminger (elektrisches Organ von Mormyrus und Schwanzscelett von Eryz. Diss. inang. München 1847. 8. mit 1 Tfl. s. gel. Anz. d. k. bair. Acad. Bd. XXIII. 1346. 8.405) beschreibt die muthmasslichen elektrischen Organe bei mehreren Mormyrusarten aus dem Nil. M. oryrhynchus und dorsalis. Dieselben liegen zu beiden Seiten des Schwan- zes, jederseits zwei, ein oberes und unteres, sind von läng- licher Form, in der Mitte am dieksten, und vorne und hin- ten sich verschmälernd. Dasselbe besteht aus Platten, die init ihren Rändern senkrecht auf die Achse des Fisches ge- 28 stellt sind. Oben und unten am elektrischen Organ liegt jederseits ein stabförmiger Knochen, der von Sehnen um- schlossen ist. Denselben Apparat von Mormyrus longipinnis hat Kölliker beschrieben und abgebildet (Berichte v. d. k. zool. Anstalt in Würzburg. Leipzig 1849. 5.9. Tb.1.). Ich theile die wichtigeren Resultate, einem späteren Berichte vor- eifend, gleich hier mit. Jedes Organ stellt eine längliche apsel dar, welche durch eine grosse Zahl von senkrecht stehenden queren Scheidewänden in viele Fächer getheilt wird, und lässt sich demnach mit einer einzigen Säule des elektrischen Apparates des Zitterrochens vergleichen, die aber hier horizontal liegt. Erdl hat (Abhandl. der bair. Acad. 1847. — Gel. Anz. 13. April 1847. No. 73 und 586, Institut 1847. No. 720) den elektrischen Apparat von Gymnarchus beschrieben, der ganz eigenthümliche Verhältnisse darbietet. Der grösste Theil des Apparates findet sich in der hintern Hälfte des langen Schwanzes, eine andere Portion erstreckt sich nicht bloss auf die vordere Hälfte des Körpers, sondern selbst längs der Wirbelsäule bis zum Kopf. Das Organ selbst besteht weder aus horizontalen noch aus vertikalen Säulen, sondern aus kurzen prismatischen Körpern, welche auf einander folgen, wie die Perlen eines Rosenkranzes. Jederseits sind 4 sol- cher Reihen übereinander, jede in eine besondere membra- nöse Röhre eingeschlossen. Sie sind von verschiedener Länge und reichen nicht alle gleich weit nach vorn. Die oberste ist die kürzeste und besteht aus 50 Gliedern, die zweite längste aus 136, die dritte aus 96, die vierte aus 56 Glie- dern; die Form der Glieder ist die eines dreiseitigen Prisma mit nicht ganz gleichen Flächen. Die 3 Seitenflächen sind von häutigen Röhren umschlossen; mit den 3 etwas concaven Grundflächen stossen die einzelnen Prismen aneinander, ohne sich aber zu berühren. Diese häutigen Röhren sind durch- sichtig, schwer von dem umgebenden Gebilde ohne Verletzung zu trennen. Sie sind vollkommen geschlossen, vorn in einen langen Blindsack ausgezogen (wie sie sich am Schwanzende verhalten, konnte E. nicht ermitteln), eylindrisch, nicht drei- eckig wie die eingeschlossenen Glieder, von jeder der drei Seitenflächen dieser letztern geht ein Strang ab, der sich in die innere Fläche der Röhre inserirt und den E. mit dem Lig. denticulat. vergleicht. Sticht man eine Röhre an, so fliesst ziemlich viel Flüssigkeit aus und die Röhre fällt anf die Glieder zusammen. Im Innern enthalten die Glieder eine ovale mit Flüssigkeit gefüllte Höhle und die Substanz der Wandungen ist innen weicher als aussen. Unter dem Mikro- skop erkennt man darin kleine Röhren mit zarten Wänden, ungefähr 3 mal dieker als Nervenröhren, die, ähnlich gewis- sen Pflanzenfasern, aus länglichen hintereinander liegenden Zellenabtheilungen bestehen, die eine gelbliche Masse ent- 29 halten. Ganz ähnliche Röhren beschreibt und zeichnet Köl- liker (l. e. 11.1. S.3) aus dem elektrischen Organ von Mormyrus und behauptet deren Zusammenhang mit Ner- ven. Die Behauptung von Erdl, dass ähnliche aber um die Hälfte dünnere Röhren sich auch bei Torpedo finden, wo weder Wagner, noch ich etwas dergleichen gesehen, macht mich vermuthen, dass dies eher eigenthümliche alterirte Ner- venfasern sind. d) Gefässsystem. Blutgefässe. In der Anatomie des Salmones ist das Gefässsystem von Vogt ausführlich dargestellt und die Darstellung mit guten Abbildungen begleitet. Von dem von J. Müller beschriebenen nutritiven Gefässnetz der Kiemen- blätter konnte Vogt zwar die rückführenden Aeste, welche die Duverneysche Vene (Veine bronchique) zusammenset- zen, nicht aber die aus den Kiemenvenen entspringenden auf- finden. Auf der Verbindung der Duverneyschen Vene mit Lymphgefässen, welche von J. Müller geläugnet wird, be- steht V.; bei den Salmonen liege der Kiemenast der Duver- neyschen Vene auf der innern Seite der Kiemenblätter. Das Venensystem und insbesondere die grossen venö- sen Behälter im Abdomen der Selachier und der Lam- prete sind der Gegenstand mehrerer Untersuchungen gewesen. Duvernoy sur le sinus veineux genital des iamproies et le reservoir analogue, qui fait partie du syst. veineux ab- dom. des selaciens en general et plus particul. des raies. Comptes rendus. Tome XXI. 1846. S. 1. Guillot, sur un reservoir lacuneux des raies. Comptes rendus 1845. T. XXI. — Liinstitut 1845. No. 621. S. 412. Robin. 1) Ueber das Venensystem der Selachier Institut 1846. No. 658. Fror. Notizen 1846. N. 850. 2) Venensystem der Rochen. Soc. philom. 29. 1845 im l’In- stitut 1845. No. 623. S. 429. 3) Quelques partieularites du systeme veineux de la lamproie (soc. philom. 28. 1846 L’In- stitut 1846. No. 640. — Fror. Not. 1846. No. 819.) Die Re- sultate lassen sich in Folgeudem zusammenfassen: 1) Der grosse venöse Sinus des Abdomen der Rochen, Haie und Lamprete nimmt die Venen der Nieren und Genitalien auf, wesshalb er von Duvernoy Sinus veineux genital genannt wird und steht jederseits mit den beiden hintern Hohlvenen (Cardinalvenen) in Verbindung. Er ist in Zellen und bei den Rochen durch eine unvollkommene Scheidewand in eine grössere rechte und kleinere linke Abtheilung getheilt und ist nach Duvernoy contractil; die feinsten Venen des Ab- domen bei Petromyzon sollen nach Robin ordnungslose Rin- nen sein, was auch Stannius von den Venen der Niere bei Fischen (Vgl. Anat. (S, 104. erwähnt. Ueber das Lymphgefässsystem der Fische sind 30 mehrere Arbeiten bekannt gemacht worden. Dazu gehören nebst denen von Vogt in der Anat. des Salmones nament- lich mehrere von Robin über die Lymphgefässe von Squalus und Raja (Bulletin de la soc. philom. und L’Institut 1345. No. 590 und 600). Bei Squalus (canieula) findet er 5 in der Länge des Körpers verlaufende Hauptlymphgefässstämme ; zwei sind die von Hyrtl und Vogt näher beschriebenen Seitengefässe, das dritte, das nach Robins Meinung noch nicht beschrieben ist, liegt in der Mittellinie des Bauches unter der Aponeurose; es theilt sich nach vorn in 2 Zweige, deren jeder einen Ast von der Brustflosse, einen vom Kopf und eines der nacher zu erwähnenden Gefässe aufnimmt. Hinten steht dieses Mediangefäss sowohl mit den Seitenge- fässen, als mit dem vierten und fünften, die in der Bauchhöhle liegen, in Verbindung. Dieses Mediangefäss ist aber beim Sehellfisch schon von Hewson sehr genau beschrieben. (Exp. inquiries. II. 86). Stannius hat dasselbe auch bei Butirinus aufgefunden; es steht durch Seitenäste, welche dem Verlaufe der Ligg. intermuscularia folgen, mit den Seitenge- fässen in Verbindung (s. die Schrift über Butirinus 8.14). Ausser diesen finden sich noch 2 in der Bauchhöhle verlau- fende Stämme, die zu beiden Seiten der Bauchhöhle zwischen Bauchfell und Muskeln, vom Brust- bis zum Lendengürtel reichen und vorn mit den Aesten des Mediangefässes, hinten mit diesem und den Seitengefässen zusammenhängen. Bei Raja finden sich nach Robin dieselben und ausserdem noch 2 kleine Stämme auf der untern Fläche der Wirbelsäule. Diese letzteren, dieselben, die Fohmann beim Aal abge- bildet, finden sich nach Vogt’s und Stannius’s Angaben auch bei andern Knochenfischen. — Dass die sogenannte Herzdrüse des Störs aus Lymphsäcken besteht, geben so- wohl Stannius (vgl. Anatomie 109) als J. Müller zu und ich muss diese Angabe nach Untersuchungen an frischen Thieren bestätigen. Dem Verhältnisse der Schleimkanäle zum Lymph- und Blutgefässsystem ist in der Anatomie des Salmones eine ausführliche Betrachtung gewidmet. Vogt hat die wichtig- sten Resultate seiner Untersuchungen bereits der Naturfor- scherversammlung in Mainz im Jahre 1842 mitgetheilt (s. die- ses Archiv 1844. S. 52); hier werden dieselben ausführlicher dargelegt, durch Abbildungen erläutert und die von Hyrtls abweichende Ansicht begründet. Hyrtl (das Archiv 1843. S. 224) unterscheidet bekannt- lich in der Seitenlinie einen Schleim absondernden Gang (Seitenkanal), der sich am Kopf in die kleinen Neben- gänge theilt und ein Seitengefäss, dass dieselbe Richtung einhält, aber nicht in, sondern unter der Haut liegt und offenbar den Lymphgefässen zugehört, da es hinten und vorn in das Venensystem übergeht. Vogt läugnet das Vor- 3l handensein eines doppelten Kanales in der Seitenlinie; nach ihm ist nur’einer unter der Haut, also das Seitengefäss (Hyrtl) vorhanden, welches nicht nur mit den inneren Lymphgefässen und Venen mehrfach in Verbindung steht, sondern auch nach aussen sich öffnet durch Oeffnungen am Kopf (die Oeffnungen der Schleimgänge des Kopfes) und wahrscheinlich auch durch die kleinen Oeffnungen in den Schuppen der Seitenlinie. Die Nebenäste des Seitengefässes, welche nach Hyrtl sich in ein die Schuppen umgebendes Ge- fässnetz auflösen sollen, konnte Vogt nie finden, der den Kör- per überziehende Schleim ist nach V ogt nicht, wie Hyrtl will, Produkt der Absonderung des Seitenkanals, sondern die ab- gestossene Epidermis selbst, die wegen des flüssigen Mediums nieht verhornt, sondern verschleimt. Dass Schleimgänge mit Lymphgefässen in offener Verbindung stehen, muss wohl sehr bezweifelt werden und es hat auch schon J. Müller (dessen Archiv 1844. 5.52) seine Bedenken darüber geäus- sert. Von den Schleimkanälen der Fische handelt auch Stanniusl. ce. $.49. Eingeweide. Der feinere Bau der Schleimhaut des ganzen Darmkanals ist in der Anat. des Salmones sorgfältig untersucht; eigent- liche Drüsen finden sich nirgends, sondern nur durch netz- förmige Falten bedingte, flache Crypten; die oberflächliche Schicht besteht aus verschmolzenen Zellen; deutliche Magen- drüschen dagegen erwähnt Stannius l. ce. 8. 92. bei Trigla, Uranoscopus, Gasterosteus, Blennius, Cyclopterus. Sehr deut- liche Solitairdrüschen finden sich auch nach Frey’s Beob- achtungen, die ich bestätigen kann, an der Grenze zwischen Mund- und Magendarm bei Ammocoetes. Die kleine An- schwellung, welche das Ende des Ductus choledochus bei den Salmonen umgiebt, ist nach Vogt ein kleiner Blindsack des Darmes, der kleinste der App. pylorie. Brockmann (de pancreate pisc. Diss. inaug. Rostock 1846. mit 1 Tfl. 5.1) hat unter Stannius’s Leitung das Pankreas der Fische zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht; die wichtigsten Resultate dieser Untersuchung hat später Stannius selbst in diesem Arch. 1848. S. 405. zu- ee Es sind dies die folgenden: 1) Der Stör besitzt, wie Alessandrini angegeben, ein drüsiges Pankreas nebst Append. pyloricae. ) Ein drüsiges Pankreas findet sich bei vielen Fischen, gleichviel ob sie append. pylorie. besitzen oder nicht. Es wurde gefunden bei Salmo salar, Clupea harengus, Gadus cal- larias, Cottus scorpius, Perca fluv., Pleuronect. platessa, Pl. mazim., Belone longirostris und Cyprin. Brama. 3) Dünn, breit, aus zahlreichen Lappen zusammengesetzt ist es beim Lachs; derb, klein, compaet beim Störe, 32 Barsch, Schollen; in einzelne Körper zerfallen, von wel- chen 3 Ausführungsgänge wie Stiele abgehen, bei Belone. 4) Bei Cyprinus brama, Perca fluv., Pleuronectes maz., beim Stör senkt sich der kurze Ductus pancreaticus neben dem Ductus choledochns, aber getrennt von ihm in das Duode- num, bei Salmo salar und Pleuronectes platessa ist er länger, äusserlich mit ihm eins, aber innen von ihm getrennt; bei Belone geht er wirklich in den Ductus choledochus' über. Erdl über den Bau von Gymnarchus niloticus, München. gel. Anz. 1846. No. 203 beschreibt die Schwimmblase als Lunge, ohne jedoch nähere Angaben über das Gefässverhal- ten zu machen. Sie hat einen vordern freiern konischen Zipfel und mündet mit kurzer aber weiter Luftröhre in die obere Wand des Schlundes und läuft anfangs rundlich, dann flacher werdend, nach hinten, wobei sie in der Mitte dünner, seitlich dieker ist, so dass ein Zerfallen der Lunge in zwei angedeutet ist. Gegen den After zieht sie sich in eine freie abgerundete Spitze aus, dieselbe gleicht sehr der Lunge von Lepidosiren und besteht aus einer äussern zarten Wandung und zahlreichen Parietalzellen, die ein zierliches Maschwerk bilden. An der Einmündungsstelle hat der Schlund 2 seitliche Längsfalten, die durch Muskeln, welche von einem Knorpel entspringen, regiert werden. Das Herz sehr gross; ein eigentlicher Bulbus aortae fehlt. DO. Reptilien. a) Knochen. - Stannius vergl. Anat. S. 146 hat auch bei Sauriern das primitive knorpelige Cranium persistirend gefunden. Derselbe fand (ibid. 147) bei vielen Sauriern zeitlebens sich erhaltende Fontanellen im Scheitelbein, die häufig durch eine Verwach- sung der Schädel- mit den Hautknochen verdeckt werden. Hällstroem beschreibt die Knochen der Wirbelsäule und der Extremitäten von Bufo cinereus (Jemförande anat. beskrifving öfver bakens och extremiteternes ben hos paddan. Helsingfors 1847. 4.) Gemminger beschreibt das Schwanzscelet von Eryx thebaica und turcica (elektr. Organ von Mormyrus und Schwanzscelet von Eryz. Diss. inaug. München 1847. 8.); die einzelnen Fortsätze der Schwanzwirbel sind in viele Zak- ken und Blätter gespalten, welche den zahlreichen Sehnen des sehr muskulösen Schwanzes Ansatzpunkte gewähren. Aehnlich verhält sich Naja Haje. b) Muskeln. Collan beschreibt das Muskelsystem von Bufo cinereus: Jemförande anatomisk bescrifving öfver Muskelsystemet hos paddan. Mit 2 Tfln. Helsingfors. 1847. 4. 33 ce) Gefässsystem. Olivieri, osservaz. anat. fisiolog. sul cuore della tes- tuggine caretta et della Chelonie in generale e nuoye ricerche sulla struttura e sulla funzioni del euore dei rettili. Venezia. 1846. ce. tav. 8. Corti (de systemate vasorum Psammosauri grisei e. tabb. VI. Vindob. 1847. 4.) hat unter Anleitung Hyrtl’s das Ge- fässsystem und zwar vorzugsweise das arterielle dieses Sau- riers untersucht. Aus dem Herzen entspringt ein dicker ar- terieller Gefässstamm (Conus arteriosus), der äusserlich ein- fach zu sein scheint, aber aus 3 durch Bindegewebe und einen gemeinsamen Ueberzug eng zusammengefassten und nicht isolirbaren Gefässen besteht, die sich erst weiter oben trennen, nämlich der A. anonyma, A. aorta sinistra und der A. pulm. communis. Die A. anonyma oder der Truncus bra- chio-ceph. theilt sich in Aorta dextra und Carotis communis. Die Aorta dextra giebt die A. subelav. communis ab, ist die össere und setzt sich namentlich in die A. thoraciea fort. ie Carotis communis und subelav. comm. theilen sich unge- fähr in der Höhe der Bifureation der Luftröhre. Die Aorta sinistra sive visceralis anastomosirt mit der dextra und giebt namentlich die A. oesoph. und mesent. ab. Die Arteria pul- monalis theilt sich sogleich bei ihrem Austritt aus dem Co- nus in ihre beiden Aeste. Der Herzventrikel besteht aus 3 Abtheilungen, dem rechten und linken und dem Spatium interventriculare. Beide Ventrikel hängen mit dem letztern zusammen. Der rechte hängt nur mittelst desselben mit dem rechten Vorhof zusammen. Die Arteria pulm. entspringt aus dem rechten Ventrikel, die A. anonyma und Aorta sinistra aus dem Spatium interventrieulare. Die weitere Vertheilung der Arterien muss im Original nachgesehen werden. Hervorzu- heben ist noch, dass sich auch hier dasselbe Pfortadersystem der Nebennieren, welches Ref. bei den Schlangen beschrieben hat, findet. Rusconi, obs. sur le systeme veineux de la grenouille. Ann. d. sc. nat. 3ieme serie. IV. 1845. Gruby hatte eine Vene beschrieben, welche aus der Ven. abdom. ant. vor dem Eintritt dieser in die Leber kommt und sich direkt ins Herz ergiesst. Rusconi zeigt, dass diese Vene im Gegentheil mit ihren Wurzeln von dem Herzvorhof entsteht, über die Oberfläche des Herzens läuft und sich in die V. abdominalis ergiesst. Es ist also eine V. cardiaca, ähn- lich der, welche bei der Schildkröte von der Herzspitze zur V. umbilie. geht (Bojanus tab. 29. F. 162). Guillot undGruby selbst bestätigen diese Angabe. Ueber das Lymphgefässsystem der Reptilien liegen mehrere wichtige Arbeiten vor. Ueber das Verhältniss der ER zu den Blutgefässen hat sich längere Zeit hindurch ein heftiger, jedoch ziemlich unfruchtbarer Müllers Archiv. 185% Jahresbericht. ce 34 Streit zwischen Panizza und Rusconi fortgesponnen. Ruseconi hatte in zwei Briefen in den Ann. des sciences naturelles (1841. 2 serie. Tome XV. und 1342, 2 ser. Tome XVI.) die Darstellungen Panizza’s in dessen grossem Werke angegriffen und behauptet, dass Panizza in Folge der fast ausschliesslichen Anwendung des Quecksilbers zu seinen Injektionen nur übermässig ausgedehnte und daher difforme Lymphgefässe dargestellt habe; in Bezug auf das Verhältniss der Lymphgefässe zu den Blutgefässen behauptet er, dass nicht nur die Aorta, sondern auch alle Aeste der- selben bis zu den feinsten in die Lymphgefässe eingeschlos- sen seien. Panizza erwiedert hierauf (sul rapporto tra i vasi lin- fatiei et sanguigni nei rettili lettera al prof. Allessandrini. Milano 1844. 8. c. 1 tav.) vertheidigt seine Darstellungen als richtig, giebt zu, dass nicht nur die Aorta eingeschlossen sei, behauptet aber, die Einschliessung der Arterien in die Lymphgefässe finde in der Weise statt, wie etwa die der A. carotis in den Sinus cavernosus oder des Herzens in den Herzbeutel, so dass also eigentlich die Arterie extra cavum der Lymphgefässe liege und stützt sich hierbei als Beweis für die Continuität des Ueberzuges der Arterien und der Wand der Lymphgefässe besonders auf das Vorhandensein zahlreicher, zwischen beiden ausgespannter häutiger Balken. Rusconi sucht seine Angriffe in einer grössern Schrift (riflessioni sopra il sistema linfatico dei rettili risposta alle censure che il prof. B. Panizza ha contro di lui publicate mit 4 Tfln. Pavia. 1845. 8., angezeigt von Duvernoy in Ann. des sciences nat. Ill. ser. VII. 1347) und in einem an E. Weber gerichteten Auszug derselben (lettera al sign. E. E. Weber sopra i vasi linfatiei dei rettili c. 2 tav. Pavia. 1847. 8.) zu rechtfertigen. Er wiederholt darin seine früheren Be- hauptungen hinsichtlich der unrichtigen Darstellungen Pa- nizza’s und giebt zu diesem Zwecke neben Copien Paniz- za’scher Figuren Abbildungen von eigenen nach einer ande- ren Methode verfertigten Präparaten derselben Objekte. Hin- sichtlich des Verhaltens der Lymphgefässe zu den Blutgefäs- sen behauptet er hier, es lasse sich keine allgemeine Regel aufstellen; bei den Schlangen finde das Verhältniss statt, wie es Panizza angegeben, bei den See-Schildkröten liege da- gegen die Aorta gleichsam in einem doppelten Futteral, die in dieselbe einmündenden Blutgefässe dagegen (s. rifless. T.I. F.5) liegen ausserhalb und scheinen den Ductus thor. zu durchbohren; um diese bilden die Lymphgefässe so wie um die Venen zahlreiche Geflechte. Eben solche Geflechte werden auch von den Landschildkröten abgebildet (ibid. Tb. I. F. 5.6.7.) Bei der Eidechse und dem Chamaeleon sol- len die Arterien frei im Lumen des Duct. thor. liegen, beim Frosch umschliesse (Tav.I. F. 2.) die weite Cisterne nicht 35 nur die Aorta und die A. mesent., sondern auch viele Venen. Am Schlusse seines Briefes an Weber bemerkt R., dass beim Salamander die Aa. mesent. ausserhalb der Lymphge- fässe liegen und nur von diesen eingehüllt seien. Dass über alle diese mit grosser Animosität besprochenen Fragen nur eine genügende histiologische Untersuchung Aufschluss geben kann, liegt am Tage. Ein nicht unwichtiger Schritt zur Entscheidung scheint uns gethan durch die Arbeiten von Meyer (syst. amphibior. lymphaticum disquisitionibus novis examinatum diss. inaug. c. V. tabl. Berlin. 1345. 4.). Derselbe hat sich zur Aufgabe gemacht, die Beobachtungen von Panizza, die grössere Arbeit von Rusconi war ihm natürlich noch nicht bekannt, mit andern Mitteln, als mit der Quecksilberinjection, welcher er mit Recht misstraut, zu revidiren. Er hat blos die einfache anatomische Untersuchung, das Aufblasen mit Luft und Injiciren mit Milch angewendet. Er ist dabei zu Resultaten gekommen, welche, wenn sie sich bestättigen, den Werken der italienischen Au- toren nur einen geringen Werth übrig lassen. Nach M. sind fast alle Canäle, welche Panizza als Lymphgefässe be- schrieb, Hohlräume im Bindegewebe, Räume zwischen La- mellen bindegewebiger und seröser Membranen und dgl., die meist von einander abgeschlossen und nur durch die rel der Injektion in einander geöffnet sind. Bei allen untersuch- ten Reptilien, Frosch, Salamander, Triton, Chelonia, Ophidiern, Eidechse existirt nach Panizza eine grosse Cisterna linfatica, zwischen den Baucheingeweiden und der Wirbelsäule gelegen, die nach vorn in den oder die Duc- tus thoraeiei übergeht. Beim Frosch soll diese Cisterna linfatica nach Panizza hinten jederseits mit einer andern, Cist. iliaca und diese wieder mit einem 3eckigen Sack auf der innern Schenkelfläche in Verbindung stehen, nach vorn mit einer Bursa linf. subscapularis. Meyer zeigt, dass diese Cist. linf. nichts Anderes ist, als ein Hohlraum, welcher dadurch entsteht, dass das Peritoneum hinten an der Wirbelsäule we- nig oder gar nicht anhängt. In diesem Raume liegt natürlich die Aorta abdominalis. Dieser Raum ist aber allenthalben geschlossen; die Cist. linf. iliaca, femoralis und subscapularis gehören zu den nachher noch zu erwähnenden Unterhaut- säcken (Lymphräumen) der Frösche, in welche sich das Quecksilber durch Zerreissung von Zwischenwänden mit Ge- walt eine Bahn gemacht hat, namentlich ist die Cisterna subscap. eigentlich nur die Achselhöhle. Da das vordere Lymphherz in die Achselhöhle sieht und das hintere an den Sace, iliae. stösst, so konnte auch leicht eine Communication mit diesem eintreten. Beim Salamander ist die Cist. linf, und der Duct. thorac. ebenfalls nichts Anderes als ein solcher ge- schlossener Raum zwischen Darmkanal und Wirbelsäule, in welchem die Aorta ventralis liegt, namentlich endet aber o* 36 der Duct. thorac. nach vorn blind und es seien die Verbin- dungen desselben mit den Achselgeflechten und den vom Kopf kommenden Gefässen so wie diese selbst Artefacte, Bei Triton ceristatus fand Meyer gar kein solches Receptaculum. Die Aorta war eng von Bindegewebe umgeben. Ebenso verhalte es sich bei Lacerta viridis. Bei Chelonia cauana be- schreibt Panizza ebenfalls eine Cist. linf., welehe zuerst zwischen den Ovarien oder Hoden, dann zwischen den Lun- gen nach vorwärts läuft und sich in die 2 Duct. thorac. theilt, die sich an die V. subelaviae anlegen und in diese ein- münden sollen. Meyer hat, um diese Angaben zu revidiren, die Emys europ. untersucht und gefunden, dass auch hier die Cist. linf. sich verhalte, wie bei den obengenannten Thie- ren, die sogenannten Duct. thorac. seien nach vorn geschlossen, die Lymphgefässe des Halses daher Artefacte. Bei den Schlan- gen ist die von Panizza beschriebene Cist. linf. auch nichts Anderes, als der mehrfach erwähnte Raum zwischen Wirbel- säule und Darmkanal. Panizza’s Duct. thorac. dexter ist nach Meyer nichts Anderes, als das sackartige Involucrum der Leber, nach vorn die Scheide der V. cava, während nach hinten der vermeintliche Duct. thorac. die Scheide der Hohl- vene und Pfortader ist. Der Duct. thorae. sinister Panizza’s ist nach Meyer nur eine Bindegewebescheide der Aorta sinist. oder post. und sein dicker Ast eine solche der Aorta dextra oder anterior. Da, wo die Aorta das Pericardium durchbohrt, hängt die Scheide eng am Gefässe an, so dass sie weder mit den Gefässen am Hals communieirt, noch über die Herzbasis an die V. jugularis dextra gelangen kann. ‘Was die übrigen Theile des Lymphgefässsystemes betrifft, so sucht M. nachzuweisen, dass das, was Panizza beim Frosch als Lymphgefässe des Gekröses beschreibt, nichts als die ausgedehnten A danielien selbst, die des Ovar. die ausgedehnten Lamellen des Mesovar. und die durch Queksil- ber ausgedehnten Räume des die Läppchen umziehenden Bin- degewebes seien, die der Harnblase die ausgedehnten Lig. Douglasii. Aehnliche Irrthümer habe Panizza beim Salam. und der Eidechse begangen. Von den Lymphgefässen der Schildkröten bespricht M. insbesondere die des Gekröses. Er glaubt, dass Panizza hier auch nur die Gefässscheiden gefüllt habe. Die wirklichen Lymphgefässe, die an einem Präparate im Berliner Museum injieirt seien, sähen ganz an- ders und vielmehr wie die des Menschen aus; sie verliefen ganz unabhängig von Art. und Venen. Ein Theil von Pa- nizza’s Gekröslymphgefässen seien vielleicht auch kleine Venen und Extravasate zwischen den Gekröslamellen; jeden- falls seien es nur zum allerkleinsten Theile wirkliche Lymph- gefässe. Bei den Schlangen endlich seien die seitlichen Lymphgefässe des Halses auch ganz abgeschlossene Binde- geweberäume. Der mittlere Stamm sei das mit Quecksilber 37 gefüllte Bindegewebe, welches zwischen Zunge und Trachea gelegen ist und weiterhin die Trachea überzieht. Die Lymph- gefässe der Hoden und der Nieren seien nur die ausgedehn- ten Hüllen dieser Organe. Eine wesentliche Frage ist nun noch die nach der Ein- mündung in das Venensystem. Beim Frosch gelang es Panizza nicht, aus seinen vermeintlichen Lymphgefässen das Quecksilber in die V. cava oder subelavia zu treiben, 2 Fälle ausgenommen, wo er mit aller Gewalt es eintrieb. Bei dem Salam. soll die einzige Verbindung die des Plex. axill. mit der V.subel. durch 2 oder 3 sehr kleine Oefinungen sein. Panizza konnte aber aus seinen Lymphgefässen die Lymph- herzen der Salamander nicht füllen. Auch bei den Ophidiern (S. 22.) bestreitet M. die Einmündung der von Panizza als Lymphgefässe beschriebenen Räume in das Venensystem und ebenso die Einmündung der nach M. geschlossenen Duct. thorae. in die V. subelavia bei den Schildkröten (8. 26) und die des Ductus thoraeicus in die V. cava bei Lacerta viridis (S. 14). Bemerkenswerth ist in dieser Hinsicht auch die An- gabe von Rusconi (Lett. al Weber S. 6), dass es beim Frosch und Salamander nicht gelinge einen directen Uebergang der Lymphgefässe in die Venen nachzuweisen, so dass er der Ansicht ist, es fände dieser Uebergang durch Endosmose statt. Das eigentliche Lymphgefässsystem der Amphibien, das ohne Zweifel existirt, war hiernach sehr wenig bekannt und seine Erforschung ist eine Aufgabe der Jetztzeit, die nament- lich durch natürliche Füllung vermittelst Unterbindung der aus den Lymphherzen ableitenden Gefässe und sorgfältige hi- stiologische Untersuchung zu lösen wäre. Meyer beschreibt nebstdem (S. 16. Tab. V. F.27) beim Salamander nebst den 2 hintern 4 vordere Lymphherzen. Dieselben beschreibt und zeichnet auch Panizza annotaz. zoot. fisiol. sopra i rettili (Giornale dell’ istituto lombardo T. XV. 1847. ce. I. Tav.F. 1 nnd 2) beim Salamander und Triton. Ueber das Lymphge- fässsystem der Frösche handelt auch Robin. L/institut 1846 No. 630, 632, 649 und Frorieps Notizen 1846 No. 807 und 870. d) Eingeweide. Rathke (Müllers Archiv 1846. $.292 T. X.) fand bei Sphargis coriacea im Stamme der Luftröhre eine senkrechte Scheidewand, durch welche dieselbe in 2 Seitenhälften getheilt wird (wie bei Aptenodytes und Pedetes). Die Speiseröhre macht, ehe gie in den Magen übergeht, eine bedeutende Krümmung. Der Magen ist sehr dünnwandig. Das unter- suchte Exemplar war ein ganz junges. Rapp untersuchte die Stimmblasen der Batrachier (‚Jah- reshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Wür- temberg, 2. Jahrgang. Stuttg. 1847, 5.185). Der Sack ist ent- weder unpaar und liegt vorn an der Kehle, öffnet sich durch 38 2 oder 1 (seitliche) Oeffnungen, oder es sind 2 Stimmblasen mit 2 seitlichen Oeffnungen. Der unpaare Sack wurde auch bei Kröten gefunden. Den Weibehen fehlt dieser Apparat stets. Poelmann (mem. des sav. Etrangers de l’acad. de Bruxelles. Bruxelles. 1348.) beschreibt den Bau einiger Theile des Verdauungsapparates von Python bivittatus u. a., die schon von Duvernoy beschriebenen Leber- und Gallen- blasen-Gang-Geflechte. Von Bidder haben wir eine ausgezeichnete Arbeit über die männlichen Geschlechts- und Harnwerkzeuge der nackten Amphibien erhalten, welche manche die Deutung der einzel- nen Theile dieser Apparate bei diesen Thieren so wie den Wirbelthieren überhaupt betreffende Fragen ihrer Lösung nahe bringt (Vergleichend anatomische und histologi- sche Untersuchungen über die männlichen Ge- schlechtswerkzeuge der nackten Amphibien mit 3 TA. Dorpat. 1346. 4.). Von der Arbeit von Duvernoy über dieselben Organe bei den Tritonen und Salamandern, die im Jahrgange 1844 der Comptes rendus, Tome XIX,, zum Theil nur auszugsweise mitgetheilt und im Jahresbericht für 1844 (dieses Archiv, Jahrgang 1845 S. 207) kurz besprochen ist, erhielt Bidder erst nach Vollendung seiner Arbeit Kennt- niss. Duvernoys Untersuchungen sind seitdem im XI. Bande der mem. des savants etrangers und daraus auch beson- ders abgedruckt im Jahre 1348 erschienen, und ich werde im Folgenden, einem späteren Jahresberichte vorgreifend, auch diese Schrift besprechen. Bidder hat mit Hülfe eines sehr glücklich constituirten Injecetionsapparates die Ausführungs- gänge der männlichen Geschlechtsorgane von der Einmündung in die Kloake an bis zu den Hoden verfolgt und dabei sehr interessante Resultate erhalten. Was zuerst den Frosch betrifft, so wies Bidder nach, dass der vermeintliche Sa- menleiter ein aus der A. iliaca kommendes Gefäss ist, das an Samenblase und Kloake, mit denen es verbunden sein sollte, vorbei geht, um hoch oben mit einem ähnlichen Gefässchen aus der A. axillaris sich zu verbinden. Der Harnleiter ist zugleich Samenleiter und es findet sich also in der Kloake jederseits nur eine Oeffnung für Harn- und Geschlechtsorgane zugleich. Von dieser Oeffnung drang die Injectionsmasse durch die Nieren hindurch bis in den Hoden. Der Harn- und Samenleiter läuft am äussern Rande der Niere, nimmt Zweige aus der Niere auf, wird nach unten grösser, erweitert sich zur sogenannten Samenblase und mündet in die Kloake, Ver- folgt man die Zweige, welche er aus der Niere aufnimmt, in diese hinein, so findet man, dass sich dieselben bald in die feinsten Nierencanälchen auflösen. Diese sind theils (beson- ders am äussern Rand und auf der untern Fläche) in regel- losen Windungen durcheinander gelagert, theils (besonders am 39 innern Rande und auf der obern Fläche) laufen sie mehr ge- streckt in querer Richtung zum inneren Nierenrand. Die letz- tern sind weiter als die erstern und sammeln sich am innern Nierenrand in einen Längscanal (Sammelgang), in welchen sich die 4—10 Vasa efferentia testis einsenken. Dieser Längs- canal findet sich übrigens auch bei den weiblichen Fröschen. Bei Bufo (aqua und einereus) fehlen die Samenblasen in der Weise, wie sie beim Frosch vorhanden sind; dagegen ist mit dem Harn-Samenleiter ein Strang verbunden, der unten einige Windungen macht (das Rathke’sche Vas deferens). Bidder hält denselben für eine Samenblase. Die übrigen Verhältnisse im Wesentlichen wie bei Rana. Besonders interessant sind die Verhältnisse bei Triton (taeniatus). Hier ist der Sa- menleiter längst richtig als solcher erkannt. Duvernoy zeigte (l.c. Tab. I. F.h.), dass die Vasa efferentia aus dem innern Hlodenrand paarweise oder einzeln zu 7—10 in querer Richtung gegen ein Organ verlaufen, das, zwischen Hoden- und Samenleiter gelegen, vom vordern Nierenrand, in wel- chen es ohne bestimmte Grenze übergeht, sich nach vor- wärts erstreckt. Duvernoy hat das Organ beschrieben und als Nebenhoden gedeutet. Am innern Rande desselben läuft, parallel mit demselben, ein Längscanal (Sammelgang), in welchen die Vasa efferentia testis einmünden. Auf der an- dern Seite gehen aus diesem Sammelgang Canäle ab, welche nach aussen in das in Rede stehende Organ eintreten und dasselbe, welches aus einer Kette gehäufter Windungen die- ser Uanäle besteht, eigentlich bilden. Der vorderste Ausläu- fer dieses Sammelganges geht in das Vas deferens über, der- hinterste senkt sich in die Niere ein. Bidder hat nun ge- zeigt, dass dieser Nebenhode nichts anderes ist, als der vor- derste Theil der Niere; es ist nämlich dieses Organ, gegen Duvernoys Angabe beim Weibchen in gleicher Weise vor- handen und enthält eine Reihe Malpighischer Körper. Die aus dem Sammelgang in diesen Theil der Niere eintretenden Canäle nämlich bilden jeder nahe an jenem eine flaschenför- mige Erweiterung, an der ein Gefässbüschel anliegt (einen malpighischer Körper) und setzen sich dann, sich windend, in das Organ fort. Aus der äussern Seite dieser Niere tre- ten Canäle hervor, die sich in den Harn-Samenleiter ergiessen. Die eigentliche Niere oder besser der hintere Theil derselben nimmt das hintere Ende des Sammelganges auf. Da dies aber nur 1 Canal ıst, die Malpighischen Erweiterungen aber zahlreich, so frägt es sich, ob nicht solche als blinde Enden vorkommen? Bidder hat diese Frage nicht mit Bestimmtheit beantwortet. Aus dem äussern Rande der Nieren gehe eine Anzahl (10—18) Gänge hervor, (Anhänge des Samenleiters, Rathke), die mit den Harncanälchen, wie Duvernoy schon fand, zusammenhängen; die obersten derselben gehen nach Duvernoy inden Harn-Samenleiter (Vas deferens Duver- 40 noy), die unteren verbinden sich in der Nähe der Kloake zu einem kurzen Canal, Ureter, der mit einer besondern Öff- nung mündet. Bidder hat dagegen gezeigt, dass der soge- nannte Ureter Duvernoys und das Vas deferens nur eine Mündung haben. Es geht aus dem Gesagten hervor, dass bei den genannten Thieren eine Vermischung der Harn- und Geschlechtswerkzeuge schon in den feinsten Canälen statt- findet. Dessenungeachtet scheint aber aus der von Bidder unternommenen Durchforschung des Inhalts aller Canäle her- vorzugehen, dass der Same nieht der ganzen Länge der Nie- ren nach diese quer durchsetze. Bidder fand gewöhnlich Samenmasse nur im Sammelgang, den Vasa efferentia und im vordersten aus dem Sammelgang in das Vas deferens über- ehenden Canal, in der übrigen Niere nur ausnahmsweise. idder vermuthet nur, dass die in den malpighischen Kör- pern stattfindende Flimmerbewegung das Eintreten des Sa- mens abhalte, wofür ihm spricht, dass der Malpighische Kör- per, welcher Samen führt, keine Flimmerbewegung zeigt, so wie dass dieselbe bei den weiblichen Thieren fehlt. Ganz ähnlich sind die Verhältnisse bei Salam. maculata, Menopoma, Siredon, Proteus. Ueber das histiologische dieser Arbeit hat Reichert, Müllers Archiv, 1846 S. 270, bereits berichtet. Man wird mit vollem Recht fortan die Nieren der nackten Amphibien als Ur-Nieren, als Wolff’schen Körper be- trachten, der die Function der Nieren beibehält, sich aber zu- gleich, wenigstens theilweise, in den Nebenhoden umwandelt, und es bilden die Amphibien somit auch in dieser Beziehung ein interessantes Zwischenglied zwischen den Fischen, bei welchen die Ur-Niere ganz persistirt und den höhern Wir- belthieren, bei welchen sie sich ganz in den Nebenhoden und Nebeneierstock verwandelt. Ob der Körper, welchen J. Mül- ler als Wolff’schen Körper der Froschlarven bezeichnet (Müller’sche Drüse, H. Meckel), als Analogon der ei- gentlichen Niere zu betrachten sei, ist noch zu entscheiden. Duvernoy hat die Drüsen in der Umgebung der Kloake bei Salamandern und Tritonen, die er als Prostate pelvienne, vestibulaire und abdominale unterscheidet, so wie die war- zenartige Ruthe der männlichen Tritonen beschrieben und ab- gebildet. II. Vögel. Owen lieferte die Osteologie von Dinornis und Palapteryz, fossiler, straussartiger Vögel von Neuseeland (proceedings of the zool. soc. III. 4. London. 1846, 307, Fortsetzungen von frü- hern Mittheilungen 1539, 1843, 's. auch dieses Archiv 1845. S. 208.). In einem Anhange hiezu macht Owen einige Bemer- kungen über die berühmten Reste der Dronte (Kopf und Fuss) in Oxford. Er kömmt zu dem Schlusse, dass dieselbe zu 41 den Raubvögeln zu rechnen sei als eine allerdings sehr mo- difizirte Form derselben, Untauglich zum Fluge musste sie entweder von Aas oder was das Wahrscheinlichste ist, von Reptilien, Flussfischen und Crustaceen leben. Eine ausführliche Osteologie der Dronte und des Soli- taire findet sich in: Strikland and Melville the dodo and its kindred or the history, affinities and osteology of the dodo, solitaire and other extinet birds of the islands Mauritius, Rodrigues and Bourbon. London 1848. 4. Die Verfasser kommen in Bezug auf die zool. Stellung der Dronte zu andern Resulta- ten als Owen und finden ihre nächsten Verwandten unter den Tauben. Fleming über die Bewegung der Wirbelsäule der Vögel. Vinstitut 1846. 662. Owen lieferte die Fortsetzung der Anatomie des Apte- ryz australis Shaw (Transaetions of the zoological society of London. vol. III. pt. 4. London 1846). In der frühern Ar- beit ibid. vol. II. pt. 4. London 1846), welche in diesem Ar- chiv (1840 CXCII.) besprochen wurde, ist die Osteologie und Splanchnologie (mit Ausnahme der weiblichen Genitalien) abgehandelt. Die vorliegende hat die Myologie und die Ana- tomie der weiblichen Geschlechtsorgane zum Gegenstand. Die Hautmuskeln, die, wie bei Vögeln überhaupt, meist fixe Ur- sprungspunkte am Knochen haben, sind sehr entwickelt, mehr als bei irgend einem andern Vogel und in deutliche einzelne Muskeln gesondert. Owen vermuthet, dass diese starke Ent- wickelung der Hautmuskulatur mit der Dicke der Integumente und mit der Gewohnheit des Grabens, die ein Losschütteln der Erde nothwendig macht, zusammenhänge. Folgende Haut- muskeln werden beschrieben: 1) der Constrietor colli, eine quere Faserschicht, welche den ganzen Hals umgiebt. 2) M. sterno-cervicalis, ein breiter Muskel, der vom Brustbein entspringt und sich in der Mittellinie an die Rük- kenhaut ansetzt. 3) M. sternomaxillaris, entspringt von der Mitte des Sternum und verliert sich nach beiden Seiten in die Haut der Kehle und des Unterkieferwinkels. Owen hält diesen Muskel für den Repräsentanten des Sterno-mas- toideus, der z. B. auch bei der Giraffe in der Mitte entspringt und mit einem Faseikel an den Kieferwinkel geht. 4) M. dermo-transversalis, von den (uerfortsätzen der un- tern Halswirbel schräg nach auf und rückwärts in die Mitte der Nackenhaut verlaufend. 5) Als Platysma-myoides wird eine dünne dreieckige Muskellage bezeichnet, die vom Unter- kieferaste nach abwärts geht, um in der Mittellinie sich mit dem der andern Seite zu vereinigen. 6) Unter dem Namen M. dermospinalis, dermoiliacus und dermocostalis werden drei Hautmuskeln beschrieben, die von den Dorn- fortsätzen einiger Wirbel, dem Ileum und den Rippenanhän- 42 gen entspringen, sich in die Haut der Regio scapularis inse- riren und nach Owen ebensoviel zur Bewegung des ganz rudimentären Flügels beitragen als die eigentlichen Flügel- muskeln. 7) Zwei Hautmuskeln, M. dermoulnaris und dermohumeralis gehen an die Flügelknochen; der erstere entspringt von einer Fascia unter dem M. dermocostalis und setzt sich an den Rückentheil des Ellenbogengelenks, streckt dieses und hebt den Flügel; der andere nimmt seinen Ur- sprung im Unterhautzellgewebe des Bauchs und setzt sich an den Humerus, welchen er nach abwärts zieht. Die Rük- ken- und Nackenmuskeln, die bei den Flugvögeln zum Verschwinden schwach entwickelt sind, treten bei den Straus- sen und dem Pinguin, deren Rückenwirbelsäule beweglich ist, deutlicher hervor, sind aber bei weitem am meisten bei Apteryz entwickelt und fallen um so mehr ins Auge, als die Gliedermuskeln des Rückens bei dem so sehr rudimentären ' Zustande des Flügels nur sehr schwach ausgebildet sind. Die detaillirte Beschreibung derselben muss in der Abhandlung selbst nachgelesen werden, da sie keines Auszuges fähig ist; es geht daraus hervor, dass diese Muskeln denen der Säuge- thiere fast durchweg analog sind. Dasselbe gilt von den vordern tiefen Halsmuskeln. Von den Muskeln der vordern Extremität sind zwar die der Schulter mit wenigen Aus- nahmen (die Muse. rhomboicei z. B. fehlen) in derselben Zahl und Anordnung vorhanden, wie bei den Flugvögeln, al- lein in einem so rudimentären Zustand, wie bei keinem an- dern Vogel; namentlich gilt dies für die drei Musc. pectora- les, die nur in ganz schwachen Andeutungen vorhanden sind. Die Muskeln des Vorderarms, der Hand und der Finger feh- len dagegen fast ganz. Es findet sich nur ein kleiner Beu- ger, der blos vom Humerus entspringt und an die Ulna sich ansetzt, und ein Strecker, der von der Scapula zum Ober- arm geht, nebstdem die sehnige Spur eines Beugers und Streckers der einfingrigen Hand. Sehr entwickelt sind dage- gen die Muskeln der hintern Extremität. Bei der Deutung dieser Muskeln, in welcher Owen von der Cuvier’s und Meckel’s mannigfach abweicht, macht er namentlich auf die grosse Ausdehnung der Beckenknochen der Vögel von vorn nach hinten als auf den Hauptgrund mehrerer Eigenthümlich- keiten der Muskelanordnung aufmerksam. Damit sind näm- lich sehr breite Ursprünge der von diesen Knochen entsprin- genden Muskeln gegeben, ein Umstand, den man im Auge behalten muss, wenn man die Muskeln richtig deuten will. Man hat daher hauptsächlich auf die Ansätze Rücksicht zu nehmen. Der grosse dreieckige zu oberst liegende Muskel, der von den Dornfortsätzen des Kreuzbeins entspringt und in eine grosse Aponeurose übergeht, die mit denen des unter- liegenden Vastus internus und Cruralis sich verbindet, wird von Meckel (beim Casuar) als Tensor fasciae latae und Glutaeus 43 maximus betrachtet; von Owen dagegen, der mehr die An- sätze berücksichtigt als Reetus femoris und Tensor fasciae. Der Glutaeus maximus Owen’s ist der Glutaeus medius Meckels. Andere Muskeln, wie der Sartorius und Biceps entspringen ebenfalls sehr breit von den Beckenknochen und zeigen desshalb auffallende Formen. Den von Meckel als Rectus bezeichneten Muskel, der vom Schambein entspringt und sich mit seiner Sehne in die des durchbohrten Zehen- beugers verliert und der veranlasst, dass bei jeder Beugung des Kniegelenkes auch die Zehen sich beugen, nennt Owen Pectinaeus. . Die weiblichen Geschlechtsorgane zeigen nichts Eigenthümliches; es ist ebenfalls nur das linke Orarium ent- wickelt. Neugebauer hat das Venensystem der Vögel zum Ge- genstand sehr sorgfältiger Untersuchungen gemacht (Sys- tema venosum ayium cum eo mammalium et impri- mis hominis collatum. Comm. anat. a. med. ord. Vratislav. praemio ornata e. tab. XV. in nov. acta acad. caes. Leop. Ca- rol. n. curios. vol. XXI. 1. 1345. S. 521). Untersucht wur- den die Gattungen Falco, Stryz, Picus, Cuculus, Corvus, Frin- gilla, Sylvia, Emberiza, Oriolus, Troglodytes, Parus, Alauda, Coturniz, Meleagris, Gallus, Perdir, Columba, Scolopax, Ardea, Vanellus, Podiceps, Anas, Anser, Cygnus. Klappen finden sich in den Venen der Extremitäten, nicht in denen des Stammes, Kopfs und Halses und den Hautvenen. Alle Venenöffnungen im Herzen haben Klappen. Jede der beiden vordern Hohl- venen entsteht durch Zusammenfluss der V. jugularis und Subelavia, die Jugularis aus der V. cephalica anterior seu facialis communis und der Vena cephalica posterior. Die Stämme der beiden Cephalicae anteriores anastomosiren mit einander und zwar bald durch eine einfache Queranastomose, bald so, dass die liuke sich fast ganz in die rechte einsenkt, wodurch dann die V. jugularis sinistra viel kleiner wird als die rechte, die überdies auch allein die Venen des Kopfes und Oesophagus aufnimmt. Dass die linke V. jugularis bei einzelnen Vögeln (Spechten) ganz fehle, wie Rathke will, bestreitet Neugebauer. Die V. jugulares entsprechen gröss- tentheils den V. jugulares ext. des Menschen, laufen zwischen Haut und Muskeln am Halse herab und erstrecken sich in die Brusthöhle zum Zusammenfluss mit der Subelavia. Die V. vertebrales colli setzen sich in der Brusthöhle in die V. vertebrales posteriores (Rathke) oder V, costovertebrales (Neugebauer) fort, die auf dem hintern Theil der Rippen herablaufen dureh den von den Gabeln der Rippen und den Wirbeln gebildeten Canal und die V. intercostales unter ein- ander, #0 wie die vordere Hohlvene mit der hintern verbin- den. Sie ersetzen die V. azygos et hemiazygos. In der Bauchhaut (Brusthaut) findet sich ein grosses Venengellecht, 44 aus welchem 3 Venen das Blut zurückführen, die V. abdo- mino-pectoralis in die Achselvene, die V. ceutaneo-pubica in das Becken, die V. eutaneo-abdomino-femoralis in die Schen- kelvene. Die hintere Hohlvene entsteht aus den 2 V. iliacae communes. Die Stämme beider V. hypogastricae laufen hin- ter den Nieren aufwärts und anastomosiren durch einen Quer- ast, von welchem eine V. hypogastrico-mesenterica hinauf zur Pfortader geht. Zuführende Venen hat die Niere nicht. Der Stamm der hintern Hohlvene nimmt die Venen der Neben- nieren auf, welche Organe (siehe oben) auch bei den Vö- geln zu- und abführende Venen haben. Die V. hepaticae nehmen die bei Säugethieren ganz obliterirte V. umbilica- lis, den Rest der V. omphalomesenterica, auf, die in der Nabelgegend von der Wand des grossen Bauchluftsackes ent- springt und sich in die Längsfurche der Leber einsenkt. Das Pfortadersystem nimmt ausser den Aesten, die dasselbe beim Menschen zusammensetzen, noch andere zuführende Aeste auf, nämlich einmal die schon genannte V. hypogastrico-mesente- rica (aus der Anastomose der Vv. hypogastricae) und die Vv. proventriculares ant. inf. comm., die den V. oesoph. der Säuge- thiere entsprechen, aber statt wie bei diesen in eine Azygos, mit den Magenvenen zum Pfortadersystem gehen. Eine V. proventricularis geht bei manchen Vögeln in die hintere Hohl- vene. Die zuführenden Pfortaderäste sammeln sich nicht in einen Stamm, sondern bilden zwei oder mehrere, eine rechte und linke, die beim Eintritt aber anastomosiren und V. por- tales propriae, kleine, vom Abdominal-Luftsack und dem um- gebenden Fett entspringende Venen, die, statt in die Hohl- vene zu münden, sich in die Leber vertheilen, ohne aber (was wohl der Bestätigung bedarf, Ref.) mit den andern Pfort- aderästen zu anastomosiren. Die Lungenvenen bilden jeder- seits einen, am Ostium mit einer Klappe versehenen Stamm. J. Müller (Abhandl. der k. Akad. der Wiss. aus dem Jahre 1345. Berlin 1847., dieses Archiv 1846 u. 1847) hat die Kehlkopfformen vieler ausländischer Singvögel unter- sucht und dabei nicht nur ganz neue Kehlkopfformen gefun- den, sondern auch gezeigt, dass der Kehlkopf ohne Sing- muskelapparat (wie bei den Picariae) sich bei sehr vielen vermeintlichen Singvögeln findet, so dass z. B. fast die Hälfte der amerikanischen Passerinen keinen Singmuskelapparat be- sitzt. Diese Arbeit ist daher ebensowohl in zoologischer als in zootomischer Hinsicht wichtig. Während bei den meisten Vögeln, die einen untern Kehlkopf besitzen, derselbe vom Ende der Luftröhre und vom Anfange der Bronchi gebildet wird (Larynx broncho-trachealis) giebt es einige, bei denen er ganz den Bronchien gehört (Larynx bronchialis). Dahin ge- hört Steatornis (s. dieses Archiv 1842) und Crotophaga. J. Müller hat nur bei einer Abtheilung von Passerinen, die man theils unter die Würger, theils unter die Drosseln, theils 45 unter die Fliegenfänger, die Baumläufer, selbst zu den Zaun- königen gezählt hat, einen wirklichen Larynx trachealis ge- funden. Müller nennt sie Tracheophones (Vögel mit Luft- röhrenstimmorgan). Dahin gehören Thamnophilus, Myiothera, Conopophaya, Chamaeza, Scytalopus, Furnarius. Cinclodes, Anabates u. a. Der untere Theil der Luftröhre ist hier von vorn nach hinten platt, seine Wände dünn (Stimmhaut.) Die Stimmhaut enthält zarte vordere und hintere Halbringe, wel- che an den Seiten durch elastische Längsbänder festgehalten werden. Die Stellung dieser Halbringe wird durch an den Seiten angebrachte Muskeln verändert. Kein knorpliger Bü- gel an der Theilung der Luftröhre. Die Membrana tympani- formis geht von einem Bronchus zum andern. Bei Thamno- philus ist der letzte Luftröhrenring wieder vollständig und an ihn schliessen sich Halbringe der Bronchen an. Die Stimme entsteht durch die Schwingungen der Halbringe der Luftröhre und ihrer dünnhäutigen Zwischenstellen (Stimmhaut). Der stimmgebende Theil der Luftröhre wird durch einen Muskel jederseits verkürzt, der von den untern grossen Ringen der Luftröhre entspringt, sich an der ganzen Länge des elasti- schen Bandes und wieder am letzten Luftröhrenring festsetzt. Der Sterno-trachealis entspringt noch mit einem untern Kopf von dem elastischen Seitenbande. Aehnlich verhält sich Myiothera. Bei mehreren andern Gattungen entwickeln sieh die beiden obersten Bronchialhalbringe stärker, verbinden sich untereinander und mit dem letzten Luftröhrenring und bilden die untere Grenze des Luftröhrenstimmorgans. Der oberste Halbring erhebt sich pyramidenförmig, bei Conopophaga nur schwach, dagegen trägt derselbe bei Chamaeza einen langen spitzen Knorpel (Stimmknorpel, Stimmfortsatz) und bei Fur- narius, Cinclodes, Anabates einen ebenso gestalteten Knochen, die an der Seite des häutigen Luftröhrenstimmorgans in des- sen ganzer Länge hinaufragen. Was die Muskeln betrifft, so fehlen bei Einzelnen eigentliche Kehlkopfmuskeln ganz und es setzt sich nur das Ende des Seitenmuskels der Luftröhre an die Spitze des Stimmfortsatzes und zieht diesen in die Höhe (verkürzt den häutigen Theil der Luftröhre), während der Muse. sternotrachealis, der von eben dieser Spitze ent- springt, die entgegengesetzte Wirkung hat (so bei Conopo- phaga, Chamaeza). Bei Furnarius, Cinclodes finden sich jeder- seits zwei Muskeln, ein vorderer und ein hinterer, welche von den Seiten des untern Theils der Luftröhre entspringen und sich an den vordern und hintern Rand des Stimmkno- chens und in der Nähe seiner Basis ansetzen. Unter den Passerinen der alten Welt fehlt der eigentliche Sing- muskelapparat der Vielmuskeligen (Passerini polymyodi) nur bei dem Colius. Hier bildet der erste Bronchialring ein drei- eckiges, knöchernes Schild, das über den zweiten und dritten herunterragt. An dieses Schild setzt sich der dicke Sing- 46 muskel, giebt aber auch Bündel an den vordern Theil des zweiten und dritten Ringes ab. — Von den Passerinen der neuen Welt ermangeln die Piprinen, die Ampeliden, und Eurylaiminen, Tyranninen und Fluvicolinen, die Todinae und endlich die Chasmarhynchen des zusammengesetzten Singmuskelapparates unserer Sänger. Was die Anordnung im Einzelnen betrifft, so weichen die einzelnen Arten von Pipra sehr von einander ab. Bei Pipra pareola ist der Sing- muskel z. B, einfach, ausserordentlich dick, entspringt breit vom untern Kehlkopf und bedeckt jederseits den vordern und Seitentheil desselben ganz und setzt sich am dritten Halb- ring breit an; bei P. auricapilla ist er nicht stärker als der Luftröhrenmuskel, bei P. leucocilla sogar eine einfache Fort- setzung desselben. Bei den meisten Ampelinen ist gar kein besonderer Kehlkopfmuskel vorhanden, sondern der Sei- tenmuskel der Luftröhre verlängert sich einfach bis auf den Bronchus; bei Eurylaimus lässt sich am Kehlkopf nichts von Muskelfasern erkennen. Bei den Fliegenschnäppern der neuen Welt oder Tyranniden ist höchstens nur ein Muskel vorhanden, der bei manchen so klein ist, dass er nur als Verlängerung des Seitenmuskels der Luftröhre erscheint. Alle haben eine Cartilago arytaenoidea in der Tympanalhaut. Bei Tyrannus, Elaenia, Platyrhynchus bildet der Kehlkopfmus- kel ein breites Polster, das aber nur den vordern Theil des Kehlkopfes und der Bronchialringe bedeckt. Bei den Fluvi- colinen bedecken. die Seitenmuskeln der Luftröhre die vor- dere Wand derselben ganz. Der kleine Kehlkopf fängt da an, wo der Seitenmuskel der Luftröhre aufhört. Bei Pyro- cephalos dagegen gehen die Seitenmuskeln der Luftröhre nach unten und vorn in eine gemeinschaftliche Spitze aus, die am letzten Luftröhrenring endet, und eine leicht zu über- sehende Spur von Muskeln geht vom letzten Luftröhrenring zum vordern Umfange des zweiten Bronchialrings. Bei eini- gen Todusartigen Tyranniden (Colopterus Cab., Orchilus Cab.) findet sich ein etwas abweichender Bau. Der untere Theil der Luftröhre ist seitlich zusammengedrückt, hinten gespalten und nimmt in diese Spalten eine mit dem Bügel zusammenhängende knöcherne Leiste auf. Nebst dem Kehl- kopfmuskel, der sich an den vierten Bronchialring ansetzt, ist noch ein besonderer eigenthümlicher Luftröhrenmuskel vorhanden. Merkwürdig ist das Stimmorgan von Chasma- rhynchus durch die dieke, einfache Muskelmasse, die ihn von allen Seiten umgiebt und mit ihm 2 grosse verschmolzene Kugeln bildet. Der grössere Theil des Muskelfleisches inse- rirt sich zwischen dem untern Rand des Kehlkopfes und dem ersten Halbring in die Schleimhaut und bildet so an der äus- sern Wand des Stimmorgans ein muskulöses Labium, welches an seiner Kante einen elastischen Streifen, das äussere Stimmband, trägt. Chasm. nudicollis hat nebstdem auch ein 47 inneres Stimmband. Auch das Stimmorgan der Trochilus wurde von J. Müller genau untersucht; es finden sich hier 2 Muskeln. In der grossen Ordnung der Insessores finden sich also dreierlei Kehlkopfformen: 1) Der vielmuske- lige Kehlkopf der Sänger mit vordern und hintern Mus- keln. Müller unterscheidet die diesen besitzenden als Passe- rini polymyodi. 2) Das Luftröhrenstimmorgan (Larynx trachealis) der Tracheophones. 3) Der Kehlkopf der Pi- carü mit einem oder mehreren Seitenmuskeln. Das wesent- liche des Unterschieds zwischen Polymyodi und Picarü besteht jedoch nicht in der Zahl des Muskeln, da hierin Annäherun- gen stattfinden, sondern darin, dass bei den erstern die wir- kenden Kräfte auf die vordern und hintern Enden der Bron- chialringe sich vertheilen, während sie bei den letztern nur auf einen Theil des Ringes wirken. Der übrige Theil der Abhandlung ist zoologisch*). Stannius vergl. Anatomie $. 321 beschreibt kurz den Kehlkopf von Podaryus, der sich von dem von Steatornis sehr verschieden zeigt. Harrison (proceedings of the royal irish aca- demy II. S.1u.2. vom Jahre 1544 u. 1845. Dublin. 1846. 8. Isis. 1545) beschreibt die Luftröhre und den Luftsack von Casuarius Novae Hollandiae. Ueber den Respirationsapparat der Vögel handeln Sappey (recherches sur l’appareil r&spiratoire des oiseaux. Annales desseiences naturelles. 3ieme serie. Zoologie T. V. 1846. — Comptes rendus T. XXI. 6. Froriep’s Notizen 1846. No. 810). Sappey beschreibt ausführlich die Struktur der Bronchien und Lungen. Die Texturverhältnisse sind nur in soweit berücksichtigt, als dies ohne Anwendung des Mikroskops möglich ist. Vasa bronchialia existiren nach S. bei den Vögeln nicht. Der Lungen- und Vertebraltheil des Zwerchfells werden als Diaphragme pulmonaire und tho- racico-abdominal beschrieben und auf Tab. II. sehr gut darge- stellt; ersteres erhält seine Nerven von den Intercostalnerven, letzteres von den sympathischen Aesten, welche die Aorta begleiten. Ein grosser Abschnitt ist der Betrachtung der Luftsäcke gewidmet, deren 9 beschrieben werden. 1) Ein Luftsack, r&servoir thoracique, im vordern Theil des Thorax. 2) Zwei an der Basis des Halses (r&ser, cervicaux). 3) Zwei vordere und 2 hintere Zwerchfellsäcke und 4) zwei Bauch- *) In neuerer Zeit habe ich Gelegenheit gehabt den Kehlkopf der Gattungen Phytotoma und Pitta (eyanura) zu untersuchen, sie verhal- ten sich wie die Clamatores, d, h, sie haben nur einen einfachen Mus- kel des Kehlkopfs wie Ampelis, so dass Cabanis ihre Stellung richtig aus dem äussern Bau vorausgesagt hat. Procnias ventralis ist dage- gen von ihm eben so richtig als ächter Singvogel aufgefasst und jetzt durch die Anatomie bestätigt. Anmerkung des Herausgebers. 48 luftsäcke. Was den Zusammenhang mit den Knochen betrifft, so gelangt nach S. die Luft aus den Halsluftsäcken in alle Hals- und Brustwirbel und in die Wirbelrippen, aus dem Brustluftsack in das vordere und hintere Schlüsselbein, das Brustbein, Schulterblatt, Oberarmbein und in die Brust- rippen. Die Zwerchfellsäcke hängen nicht mit Knochenhöh- len zusammen, aus den Bauchluftsäcken werden das Kreuz- bein, die Steisswirbel, das Darmbein und die Schenkelbeine mit Luft versorgt. Dies Verhalten der Luftsäcke, wie es von den Tagraubvögeln hier beschrieben wurde, ist jedoch nicht das allgemein Gültige, wie bekannt. S. bringt die Knochen in Bezug auf ihre Lufthaltigkeit bei den verschie- denen Vögeln in 3 Klassen: 1) Constant luftführende Hals- und Brustwirbel, Sternum, Humerus (exe. Strauss). 2) Nur bei einzelnen Vögeln oder Abtheilungen derselben luftführend sind die Schlüsselbeine, Schulterblätter, Wirbelrippen, Brust- rippen, das Kreuzbein, Steissbein, die Schenkelknochen. 3) Zu den niemals luftführenden Knochen rechnet S. die Knochen des Vorderarms und Unterschenkels, der Hand und des Fusses. Die Luft in den Luftsäcken zeigte stets die Zusammensetzung der Ausathmungsluft, was jedoch nicht auf Rechnung der Säcke selbst zu schreiben, da das Gefäss- netz derselben niemals ein respiratorisches ist, sondern davon herrührt, dass, wie schon E. Weber zeigte, die Lungen so- wohl aus den Luftsäcken ein- als in dieselben ausathmen. Ausführlich wird über den Nutzen der Luftsäcke gehandelt und schliesslich die Frage nach dem Vorhandensein von Luft in-den Federn und den Wegen, auf welchen sie dahin ge- langt, besprochen. S. fand stets Luft in denselben und hält dafür, dass dieselbe von aussen vorzüglich durch die Oeff- nung, die sich in der Mitte beim Afterschaft befindet, herein- gelangen. Guillot hat vorzugsweise nur die Luftbehälter zum Ge- genstand seiner Untersuchung gemacht. Dieselben sind 1) das reservoir infralaryngien (r. thoracique Sappey, vordere Brustzelle Owen). 2) Die paarigen res. supralaryngien (res. cervicaux Sappey). 3) Die jederseits doppelt vorhandenen receptacles sous-costaux (res. diaphragm. ant. et post Sap- pey, Leberluftzellen Owen). 4) Abdominalluftbehälter un- terscheidet G. jederseits 2 als res. suprar&nal und infrarenal. G. beschreibt von verschiedenen Seiten herkommmende Mus- kelfasern, welche sich auf den Achselzellen d. i. den seitli- chen Ausbreitungen der Brustzellen verbreiten und zur Er- weiterung derselben dienen. Dass das Gefässsystem der Luftzellen nirgends ein respiratorisches ist, hat G. durch Injektionen abermals dargethan. Venöse Aeste, welche aus denselben zur Leberpfortader gehen, hat G. auch gesehen (s. oben Neugebaur). Zahlreiche Lymphgefässe, die sich in die Seitenstäimme der Bauchlymphgefässe ergiessen, verbreiten 49 sich, was Sappey nachzuweisen nicht gelang, auf der Ober- fläche der Luftsäcke und sind zur Zeit der Verdauung beson- ders deutlich. Rapp über die Zunge der Geier (Percnopterus Jota Sarcoramphus papa, Vultur cinereus). Jahreshefte des Vereins f. vaterländ. Naturkunde in Würtemb. 3. Jahrg. 1847. Derselbe: zur Anatomie des afrik. Strausses. ibid. Remak (über ein selbständiges Darmnervensystem mit 2 Tän. Berl. 1847. fol.) beschrieb beim Huhn einen unpaaren 16” langen, vom Mastdarm bis zum Duodenum hinlaufenden Nerven als Darmnerven. Derselbe beginnt hinten am Mast- darm mit einem ovalen Ganglion von 2 Länge, von dem nach allen Seiten (u. a. zur Kloake, zum Samen- oder Ei- leiter) Fäden auslaufen. Auch gehen von demselben Fäden, von denen anzunehmen ist, dass sie Verbindungsfäden sind, nach rückwärts, die jedoch kaum das Nervenmaterial für den Diekdarm und die benachbarten Ausführungsgänge lie- fern könnten. Da nun vom Dünndarmtheil nirgends mehr Verbindungsfäden zur Wirbelsäule abgehen, so ist um so mehr anzunehmen, dass neue Fasern innerhalb des Darm- nerven ihren Ursprung nehmen. Der Darmnervenstamm be- steht grösstentheils aus feinen dunkelrandigen Fasern, enthält aber auch kernhaltige. Bei Fischen und nackten Am- phibien fand R. keine, bei beschuppten Amphibien nur zweifelhafte Analoga dieser Bildung. Bei den Säugethie- ren und den Menschen sind die Nervi haemorrhoidales eine, jedoch auf den hintern Theil des Darmkanals beschränkte An- deutung eines gesonderten Darmnerven. Pappenheim und Bryant, Syst. nerveux des oiseaux. Comptes rendus. T. XXV. i almedo, de pectine diss. Berlin 1845 8. Bruecke (dieses Archiv 1847 S. 477.) hat im Auge der Vögel, am deutlichsten in dem der Raubvögel einen die Linse umgebenden Ring gefunden und beschrieben, welcher aus radial gegen die Achse der Linse gestellten sehr regelmässig nebeneinander liegenden geraden Fasern besteht. Derselbeüber den Muse. Cramptonianus und den Spann- muskel der Chorioidea ibid. 1346. IV. Säugethiere. Ueber die Anatomie der Cetaceen liegen mehrere wich- tige Arbeiten vor. Von W. Vrolik haben wir eine ausführliche Anatomie des Hyperoodon erhalten (natuurk. verhandel. van de holland- sche maatschappij der wetenschapen te Haarlem. 2 verzame- ling. V. deel. Ite Stuck. 4° mit xV Tafeln.) Das betreffende Müller’s Archiv. 1852, Jahresbericht. D 50 Exemplar strandete im Juli 1846 an der holländischen Küste; seine Länge betrug 7,639 Metres. Ueber die Einzelnheiten des Scelets muss das Original nachgesehen werden. Was den Zahnbau betrifft, so finden sich am Oberkiefer und Gau- men harte Schleimhautwarzen, die Cuvier mit Rudimenten von Borke, Vrolik mit der Hornplatte der Seekuh vergleicht. Lacepede hatte dieselben als Zähne betrachtet und des- halb dem Thiere den unpassenden Namen Hyperoodon, (von üneo@or Gaumengewölbe und odovs Zahn) gegeben, welchen Eschricht durch Choenocetus oder Rhynchocetus zu ersetzen vorschlägt. Im vordersten Theil des Unterkiefers finden sich 2 Zähne (siehe Tafel VIN.), die im Zahnfleisch verborgen bleiben. Sie haben keine Wurzel, ihre breite knorrige Basis geht nach oben in eine scharfe Spitze über. Die Zahnhöhle ist mit der ossifieirten Pulpe erfüllt, in welcher die Zellen und Kerne uoch zu unterscheiden sind. Diese Verknöche- rung der Pulpe ist wohl die Ursache der zurückgehenden Entwicklung der Zähne und findet sich auch am rechten Stosszahn der Narwal. Hinter diesen 2 Zähnen fand V. noch 6 im vordersten Theil des linken Unterkiefers tief im Zahnfleisch verborgen, alle offenbar in der Rückbildung be- griffen. Es sind dies daher ausfallende Zähne, die wahr- scheinlich nur einer frühern Lebensperiode angehören, wie solches nun auch für Balaena mysticetus und Balaenoptera nachgewiesen ist. Hyperoodon schliesst sich sonach zunächst an Physeter an, bei welchem die Zähne nur im Unterkiefer sich entwickeln, obgleich anfänglich nach Bennett solche auch im Oberkiefer vorhanden sind. Hinsichtlich des Magens berichtigt V. die Beschreibung von Eschricht. Der Magen hat am Pylorustheil 6 Einschnürungen wodurch diese Ab- theilung in 6 Fächer getheilt wird, die im Ansehen den Zel- len des Diekdarms gleichen. Das 6te Fach geht in das Duo- denum über und bildet eine Art von rechten Blindsack. Der Magen war mit vielen Dutzenden von Cephalopoden- Kiefern, wahrscheinlich von Loligo gefüllt. Die Länge des Darmes beträgt 35 Metres, somit nicht ganz 5 mal die Körperlänge. Die Schleimhaut des grössten Theils des Darms besitzt zel- lige Vertiefungen, die weiter unten in Längsfalten übergehn. V. konnte keine Zotten finden, was aber wohl, wie aus Be- merkungen von Stannius über den Delphin wahrscheinlich wird, Folge der schon vorgeschrittenen Zersetzung war. Die Glandulae solitariae sind zahlreich. In der Gegend des End- darms gehn die Längsfalten wieder durch netzförmige Ver- bindung in grössere Maschen über; der Enddarm selbst ist glatt. Eine Scheidung zwischen Dünn- und Dickdarm ist nicht wahrzunehmen, ein Blinddarm fehlt. In der Lunge, welche von Schröder van der Kolk untersucht ist, soll eine Communication der freieren Luftwege durch die ganze 51 Lunge stattfinden, wofür übrigens wohl noch die genügenden Beweise fehlen. Bei Gelegenheit der weibl. Fortpflanzungs- organe berichtet V. einen früher begangenen Irrthum. Die vermeintliche Brustwarze von Balaenoptera rostrata, wovon er eine Zeichnung an J. Müller gesandt hat, die in dessen Drüsenwerk (Tab. XVII. Fig. 2.) aufgenommen ist, ist keine Brustwarze, sondern eine zusammengezogene Actinie. Zur Entschädigung bildet er Tab. IX. F. 27. eine wirkliche Brust- warze einer Balaena ab. Bei der Haut macht V. auf die Gefässarmuth derselben aufmerksam, was wohl mit der Athemfunktion und den Wärmeverhältnissen dieser Thiere zusammenhängt. Die Choroidea des Auges ist ohne Pigment. Stannius (vergl. Anat, 377) hat die Stammmuskeln der Cetaceen genauer geschildert. Da die ausführlichere Schil- derung der Muskulatur von Delphinus phocaena seither in die- sem Archiv (1849) erschien, so soll der Bericht mit dem über diese Arbeit folgen. - Von demselben haben wir eine sorgfältige, mit sehr guten Abbildungen begleitete Beschreibung des Gehirns von Delphinus phocaena erhalten, die wohl geeignet ist, die noch über mehrere Punkte bestehenden Streitfragen zur Entschei- dung zu bringen (Ueber den Bau des Delphingehirns, mit 4 Taf., in: Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissensch aften, herausgegeben von dem na- turwissenschaftlichen Verein in Hamburg. Iter Bd. Hamburg 1846. 4°.) Es ist daraus namentlich Folgendes her- vorzuheben. Das kleine Gehirn ist im Verhältniss zum gros- sen sehr stark entwickelt, (grosses Gehirn 2° 9—10“* lang, 4“ 5°“ breit; kleines Gehirn 1 7°“ lang, 3% 1 — 2° breit.) Die Windungen des grossen Gehirns sind zahlreich, tief, auf beiden Seiten asymmetrisch und fehlen nur auf der untern Seite des Vorderlappens, vor dem Chiasma, neben der Längs- spalte. Dass die Nervi olfaetorii durchaus fehlen, davon hat sich Stannius durch die genauste Untersuchung überzeugt. Die Corpora mammillaria sind getrennt, nicht, wie Tiede- mann angab, in eine Hervorragung verschmolzen. Ein eigentliches Centrum semiovale fehlt, da die Hirnwindungen sehr tief eindringen, so dass die weisse Substanz überall noch von grauer unterbrochen wird. Das hintere Horn des Sei- tenventrikels fehlt, was wohl mit der geringern Ausbildung der Hinterlappen des grossen Gehirns zusammenhängt. Das Ammonshorn ist flach, seicht, ohne wellenförmige Biegungen und ohne gefingerte Wülste; die hinteren Pornix-Schenkel hängen durch eingreifende Querfasern mit demselben zusam- men und enden keulenförmig. Der Hornstreifen zwischen Seh- und Streifenhügel fehlt. Die Vierhügel sind relativ und absolut grösser als beim Menschen und ohne Höhle, das D* 52 vordere Paar bedeutend kleiner als das hintere. Die Zirbel, welche keine Coneremente enthält liegt auf dem vordern Paar. Die Brücke ist breit, nicht stark gewölbt; hinter derselben, durch eine Furche davon getrennt, finden sich ziemlich starke Collieuli propontidis oder Corp. trapezoidea. Am hintern Eingang der 4ten Hirnhöhle, zwischen den auseinanderwei- chenden Corpora restiformıa, ist ein dreieckiges Markblatt aus- gespannt, das zwei, nach innen von ersteren gelegene Stränge (den Clavis der zarten Stränge beim Menschen entsprechend) verbindet. Oberer und unterer Wurm gehen nicht unmittel- bar ineinander über, sondern legen sich mit ihren Enden seitlich aneinander an. Die Neryi oculomotorii entspringen ziemlich weit nach vorn aus den Peduneulis cerebri. Stannius hat ferner unsere Kenntniss des amerikani- schen Manati (Manatus americanus Cuv. Manatus australis Blainy.) durch sorgfältige Untersuchung eines jungen, 263° langen, Thiers dieser Art aus Brasilien, welches in Weingeist aufbewahrt war und des Schädels zweier älterer Thiere sehr bereichert (Beiträge zur Kenntniss des amerikan. Manatis. Mit 1 Tafel. Rostock, 1845. 4°). Es sind 6 Hals-, 15 Rücken- und 24 Lenden- und Schwanzwirbel vorhanden. Von den 15 Rippenpaaren erreichen nur 2 mit dünnen Knor- peln das Brustbein, von der 4ten an besitzen sie nur kurze Knorpelrudimente oder es fehlen auch diese. Als Becken- rudimente (Rudiment. ossis ischü) findet sich jederseits ein kleiner, unregelmässig dreiseitiger Knorpel; beide liegen nahe aneinander und von jedem geht ein M. ischiocavernosus zum Penis und an jeden tritt ein M. retraetor von der Unterfläche des Schwanzes. Hinsichtlich der Nasenbeine bestätigt Stan- ‚nius die Angaben Cuviers wornach sie klein, dick, man- delförmig, von einander getrennt, jederseits beweglich in einer Vertiefung des Augenhöhlenfortsatzes vom Stirnbein liegen, einen Theil der Seitenwand des offenliegenden Theils der Nasen- höhle bildend. Ein distinktes Os pterygoideum kommt beim erwachsenen Thier nicht vor, es verschmilzt früh mit dem absteigenden Flügel des hinteren Keilbeins. Die von Du- vernoy beschriebene durch Nath bewirkte Trennung des Gau- menbeins in einem Flügeltheil und Gaumen-Augenhöhlentheil ist nach Stannius nicht Regel, sondern cadiv. Abweichung. Was die Zahnbildung betrifft so besitzt der Foetus und das neugeborene Manati jederseits im Zwischenkiefer einen beträcht- lichen Schneidezahn, welcher aber das Zahnfleisch nicht durch- bricht und in seinem Verhalten mit dem Milchstosszahn des Dugong grosse Aehnlichkeit zeigt. Ausser diesem kommt noch ein kleinerer, mit zweizackiger Krone versehener Milch- schneidezahn vor. Ursprünglich besitzt der Manati in jedem Unterkiefer oft 6 Schneidezähne, sie durchbrechen aber das Zahnfleisch nicht, verschwinden früh, am spätesten das 6te 53 Paar. Coexistirend finden sich in einer Kieferreihe höchstens 8 Backzähne, in Funktion höchstens 5. Sie rücken allmälig von hinten nach vorn, indem an die Stelle eines abgenutzten der nächst hintere tritt und so fort. Beim neugeborenen Ma- nati kommen falsche Backzähne vor, welche aber rasch schwinden. Stannius vergleicht die Muskeln des Manati mit denen des Delphin. Der Hautmuskel erstreckt sich bei ersterem über die ganze Oberfläche des Kopfs, was bei letz- terem nicht der Fall ist; er ist von den unterliegenden Mus- keln nicht so scharf getrennt wie bei diesem und ist am Rumpf und Schwanz grösstentheils aponeurotisch, fleischig nur am Kopf, Hals, der unteren und Vorderfläche des Bauchs und einem Theil der Schwanzgegend. Der muskulöse Bauch- theil ist sehr entwickelt und stellt gleichsam einen supple- mentären Bauchmuskel dar. Zum Humerus treten vom Haut- muskel Bündel, welche noch stärker sind als beim Delphin, wo sie offenbar die Bewegung der Extremitäten hauptsäch- lich vermitteln. Die Muskeln auf der Vorderfläche der Schwanzgegend (welche beim Delphin bis in die Brusthöhle reichen) entsprechen nicht dem Psoas sondern sind Aequi- valente der eigentlichen Rückenmuskeln. Die Musculi trans- versarii, welche Rapp beim Delphin beschrieben, finden sich auch beim Manati. Weiter folgt eine ausführliche Beschrei- bung der Form der Ober- und Unterlippe und der weichen Verlängerungen des Zwischen- und Unterkiefers. Die Zunge ist der ganzen Länge nach angewachsen, nicht vorstreckbar. Von Speicheldrüsen finden sich nur die 2 Parotiden. Die Jacobsonschen Organe und Stensonschen Gänge sind sehr entwickelt. Das Zungenbein noch beweglich, unpaar; der Körper halbmondförmig; das obere Horn aus 3 Stücken bestehend, wovon das oberste mit der Pars petrosa zusam- men hängt, das untere Horn mit dem Schildknorpel ver- bunden. Die beiden Seitenhälften des Schildknorpels nicht wie beim Dugong getrennt, der Ringknorpel ebenfalls einen er Ring bildend, die Epiglottis klein, nicht knorp- ig. Die untern Stimmbänder schwach und kurz, die Mor- gagnischen Taschen fehlen. Die kurze und weite Luft- röhre besteht nur oben aus discreten, weiter unter aus zu- sammengeflossenen Knorpelringen. Die Eingeweide der Brust und des Bauchs fehlten bei dem untersuchten Exem- lar sammt und sonders. Ueber das Gefässsystem theilt ;tannius noch mehrere wichtige Beobachtungen mit. In- teressant ist namentlich, dass sich beim Manati zahlreiche Wundernetze finden, während diese beim Dugong nach Owen durchaus fehlen. So bildet u. A. die Art. infraorbitalis ein Wundernetz dessen Zweige sich an die Schnauze auflösen, ein anderes minder beträchtliches Netz liegt vor dem Stirn- bein und längs des Nasenfortsatzes des Zwischenkieferbeins. 54 Besonders beträchtlich sind aber, wie beim Delphin, die Wundernetze der Üerviealgegend uud der Brusthöhle. Sie treten aus den Intervertebrallöchern und stehn in Verbindung mit Netzen in der Umhüllung des Rückenmarks. Am Hals füllen sie den Raum zwischen den Querfortsätzen, in der Brust, wo die Art. intercostales sich ganz in dieselben auflösen, treten sie in den Zwischenrippenräumen weit nach aussen. Die vordern Intercostalnetze fliessen mit einander zusammen, die hinteren sind diseret. Aehnliche finden sich in der Lendengegend und am Schwanz; alle haben einen ar- teriellen und einen venösen Theil. Stannius schliesst aus Schädel, Zahnbau u. a. Grün- den, dass es 2 Arten Manatis in den südamerikanischen Ge- wässern gab. Was ihre Stellung im System betrifft, so möchte er sie als eine eigene Gruppe, als Sirenia, zwischen Pachy- dermen und Cetaceen stellen. Bischoff (einige Beiträge zur Anatomie des Dugong. Dieses Archiv 1847. 8. i. H. 1), beschreibt Zähne, Wirbel, Rippen, Zungenbein, Kehlkopf, Luftröhre und Schlundkopf eines jungen, 3° langen Dujong. In jedem Kiefer finden sich 4 Backzähne, die Zähne sind hohl wie Schilfstengel. Im Zwischenkiefer stecken hinter den beiden noch ganz kleinen Stosszähnen 2 andere mit gezackter Krone. Im Unterkiefer fanden sich jederseits die Lücken von 4 Schneidezähnen aber schon im Zustand der Verschliessung. Es sind 19 Brustwir- bel und Rippen vorhanden: die 10 ersten Rippen setzen sich an 2 Wirbelkörper und deren Querfortsäize, die folgenden 9 an Körper und Querfortsatz je eines Wirbels an, aber an den letzten Wirbeln sind die Querfortsätze so klein, dass man eigentlich nur von einem Körperansatz sprechen kann. Das Beckenrudiment besteht aus einem rippenförmigen - Darmbein, welches am Querfortsatz des 4ten Lendenwirbels durch Knorpel befestigt ist; an dieses setzt sich, auch durch Knorpel verbunden ein zweites rippenförmiges Stück (Sitzbein ?) welches gegen das der anderen Seite geneigt ist und an die- sem endlich sitzt ein nach vorn schaufelförmiger Knorpel, der mit dem der andern Seite in einer Symphyse zusammen- stösst. Vom ganzen rippenartigen Bogen entspringen die grossen Corpora cavernosa. Das Zungenbein besteht aus einem Körper (einer kleinen 6 eckigen Knorpelplatte), vor- dern Hörnern, die sich durch Knorpel mit dem Felsenbein, durch Bandmasse mit dem Hinterhauptsbein verbinden und kurzen hintern, mit dem Schildknorpel verbundenen Hörnern. Der Schildknorpel besteht, wie schon Owen angiebt, aus 2 ganz getrennten Hälften, der Ringknorpel ist ebenfalls vorn gespalten. Stimmbänder und Morgagnische Taschen fehlen. Der Kehldeckel ist knorplig, die Luftröhre kurz, die Ringe auf der vordern und hintern Fläche miteinander verschmol- 59 zen. Die Glans penis ist schraubenförmig, an der Spitze mit 2 Lippen, zwischen welchen die Harnröhre auf einer ko- nischen Spitze mündet. Brandt (Symbolae sirenologicae quibus praecipue Rhy- tinae historia naturalis illustratur e. 5 Tabb. in mem. de l’acad. imp. de St. Petersbourg. 1546. Vlieme serie II. p. Tom. V.) beschreibt ein von Wosnesenski von der Berings-Insel eschicktes Schädelfragment der Rhytina, an dem übrigens der Jnterkiefer ganz, die Schläfenbeine, Jochbeine, Thränenbeine, Gaumenbeine und das Pflugscharbein zum. grössten Theil fehlten; ferner die hornige Gaumenplatte (vergl. auch Tom. III.), welche eine umgewandelte mit Kalksalzen durchdrun- gene Epitheliumbildung des harten Gaumens darstellt. Es besteht die Platte aus senkrecht stehenden, hohlen, 5 — 6” langen Horneylindern, deren Wände aus concentrisch gela- gerten Hornzellen bestehen. Mayer, Beiträge zur Anatomie des Elephanten und der übrigen Pachydermen mit 9 Taf. (Nova acta vol. XXL. p. 1.), beschreibt einzelne Theile des Scelets und die Muskulatur des Elephanten, ferner die Mundhöhle, den Darmkanal mit seinen Anhängen, die Schläfendrüse, die Respirationsorgane, Harnwerkzeuge, weiblichen Geschlechtsorgane, Sinnesorgane, einzelne Theile des Gefäss- und Nervensystems. Die übri- gen Bemerkungen betreffen noch Hippopotamus amphibius, Ithinoceros, Tapirus americanus, Sus Babyrussa, Dicotyles torquatus, Dicotyles labiatus, Sus scrofa. Die Abhandlung ist nicht wohl eines Auszugs fähig und es muss daher auf das Original verwiesen werden. Peters hat die Frucht eines Nilpferds untersucht (Be- richt über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlun- gen der königl. Akadem. der Wissensch. a. d. J. 1847. Ber- lin. 5. 37). Das Chorion zottig wie beim Schwein und Pferd, ohne besondere Placenta. Die Nabelschnur mit kleinen run- den oder eiförmigen Platten, soliden eiweissartigen Körper- chen, zum Theil nur lose anliegend besetzt. R. Jones. Art. Pachydermata in Todds Cyclopaedia. Sebastian. Bemerkungen bei der Zerlegung einer Gi- raffe aus Nubien (Tijdschrift voor natuurl. Geschiedenes en Phys, door v. d. Hoeven en Vriese, Leiden 1845. XU. 3. 4. [womit die Zeitschrift schliesst]); enthält die Beschreibung des Schädels, der Wirbel, der Gliedmassen mit den Muskeln, des Hirns, der Verdauungs- und Kreislaufsorgane. Die Anatomie der Giraffe von Joly und Lavo- cat, die im Jahresber. für 1844 (siehe dieses Archiv 1345 S. 212) nach den Comptes rendus schon angezeigt ist, ist nun ausführlich erschienen in den M&m. de la soeiete du museum d’hist, nat. de Strasbourg und der Titel: recherches historiques, zoologiqnues, anatomiques 56 und paleontologiques s. la giraffe, mit 17 Tafeln, wo- von 14 zur Anatomie. v. Babo über die äussere Eihaut des javanischen Mo- schusthiers und einiger anderen fremden Wiederkäuer mit 1 Taf. Heidelberg. 1847. 8°. Owen Art. Monotremata und Marsupialia in Todd’s Cyelopaedia. Derselbe on the osteology ofmarsupialia (trans. of the zool. soe. III. 4. London 1846. S. 303); Vergleichung des Schädels der Wombats vom australischen Continent und von VanDiemensland. Pappenheim (comptes rendus 1847. Tome XXIV. S. 186. Fror. Nof. 1847 N. 44) lieferte die Anatomie eines weibl. Exemplars von Didelphis virginiana. Das Corpus cal- losum ist nach demselben vorhanden und liegt vor den Seh- hügeln über der vordern Hirncommissur. Lereboullet (notes pour servir A P’anatomie du Coipou, Myopotamus coipus mit 2 Taf. in M&em. de la soc. du museum d’hist. nat. de Strasbourg T. III. 1845) beschreibt das Scelet, die eigenthümliche Einrichtung im Rachen, welche darin be- steht, dass die Muse. pharyngopalatini einen horizontalen Sphinkter um das oberste, von dem Kehldeckel und den Giessbeckenknorpeln gebildete Kehlkopfende bilden, ferner die Respirationsorgane, das Herz, den Darmeanal, die weibl. Geschlechtsorgane und Harnorgane. Stannius (vergl. Anat. S. 344) hat auf eigenthümliche Fortsätze aufmerksam gemacht, welche bei der Gattung Le- pus, bei Dasyprocta u. a. am Ende der Querfortsätze der Lendenwirbel sitzen. Sie sind bei jungen Thieren stets scharf von diesen gesondert, verschmelzen aber später gewöhnlich damit. In einzelnen Fällen aber bleiben sie auch bei er- wachsenen Thieren getrennt. Es sind dreieckige Stücke, de- ren Spitze nach vorn gerichtet ist. Um zu entscheiden ob diese Fortsätze als Rippenrudimente zu betrachten sind, hat einSchüler von Stannius,Hesse (disqg. anat.de Muse. Leporis timidi mit 1 Taf. Rostock 1847. 8°) die Muskeln dieser Ge- gend beim Hasen genauer untersucht. Im innern Theil des als Psoas maior beschriebenen, vielleicht aber als Quadratus lumborum zu deutenden Muskels sind 6 kleine Muskeln ver- borgen, welche sehnig von den erwähnten Anhängen der Querfortsätze entspringen und fleischig nach vor und einwärts zu den Körpern der 5 letzten Rückenwirbel und des Iten Lendenwirbels gehen, mit dem Psoas so verschmolzen, dass man die einzelnen Muskeln nicht in ihrer ganzen Länge ver- folgen kann. Hesse hält diese Muskeln für Levatores costa- rum interni und jene accessorischen Fortsätze somit für Rip- penrudimente, Stannius, der diese Untersuchungen in die- sem Archiv (Jahrg. 1848. S. 397) mittheilt, will sie dagegen vorläufig nur für Muskelfortsätze halten. . 57 Retzius über das Eigenthümliche im Bau der Bauch- speicheldrüse bei einigen Nagern s. Okens Isis. 1848. S. 534. Straus-Dürkheim anatomie deseriptive et comparative du chat, type des mammiferes en general et des carnivores en partieulier. Paris 1845. Atlas fol. mit vortrefflichen Ab- bildungen. Staudinger hat eine gute Beschreibung der 6 ersten Hirnnervenpaare einer Phoca (Halichoerus grypus) geliefert (anat. beskrifving öfver de sex första cerebral-nervparen hos gräa Hafsskälen. t. 2 Tafeln Helsingfors 1847 4°.) Die Gehirnnerven des Hundes wurden in 2 Helsingforser Dissertationen, die 6 ersten Paare von Haartmann, die 6 letzten von Pipping. Helsingfors. 1847 beschrieben. Burmeister hat eine ausführliche Monographie des Ge- nus Tarsius geliefert (Beitr. zur nähern Kenntniss der Gat- tung Tarsius. Berlin. 1846. 4te mit 7 Taf.), wozu 2 in Wein- geist aufbewahrte Exemplare das Material abgaben. Es muss hinsichtlich derselben auf das Original verwiesen werden. Somme Anat. des Orang-utang (Bullet. de l’acad. r. des sciences ete. de Bruxcelles T. XII. p. 2. 1845. T. 315 Fror. Nof. 1347); Anat. Untersuchung eines männ- lichen Exemplars von 2— 3 Jahren, 80 Centim. hoch. Sandifort Anat. eines erwachsenen männlichen Orang- utang. (Verhand. over de natuurl. gesch. der nederlandsche overzeesche bezittingen ete. Zoologie. Leiden 1839 — 1344). R. Leuekarts Notiz über Nasenknochen vom Orang in d’Alton und Burmeisters Zeitung für Zoologie ist mir nicht zugekommen. Owen Bemerkungen über die Zerlegung eines Chimpanse. (Annals of nat. hist. T. XVII. 476). Weibliches Exemplar, 3% hoch; der Kehlsack erstreckt sich bis zur linken Achsel, unter den obern Rand des grossen Brustmuskels. Breschet rech. anat. und physiol. sur la gestation des un M&m. de Yac. roy. des sc. de l’institut de rance T. XIX. Paris 1345. Von Arbeiten, welche die Untersuchung einzelner Sy- steme oder Organe durch die ganze Classe der Säugethiere hindurch zum Gegenstand haben, sind die folgenden zu er- wähnen. Eekhardt das Zungenbein der Säugethiere (dieses Ar- chiv 1847. S. 39). Die kleinen und grossen Hörner be- zeichnet er passender als vordere und hintere. Ein Kör- per fehlt nur bei Fledermäusen. Hintere Hörner fehlen nur bei den Mäusen und Merionen, sie zeigen im Uebrigen am we- nigsten Verschiedenheit. Die vorderen Hörner fehlen oft und zeigen viele Verschiedenheiten; häufig bestehn sie aus meh- reren Gliedern, wovon das letzte durch Band oder Knorpel an den Schädel (meist hinter der Bulla ossea) befestigt ist; 58 ist die Verbindung knorplig, so hat man das letzte ‘Glied Griffelknochen genannt. In den einzelnen Ordnungen zeigen sich folgende Verschiedenheiten. Bei den Affen ist der Kör- per ausgehöhlt, was sonst nicht mehr vorkommt. Die dem Menschen am nächsten stehenden Gattungen Pithecus, Hylo- bates haben ein dem menschlichen ähnliches Zungenbein, nur das der Gibbons weicht etwas davon ab. Alle übrigen Affen der alten Welt haben ein Zungenbein, an dem vorzugsweise der Körper entwickeltist, dessen Höhle zur Aufnahme des Saccus hyo-thyreoideus dient. Bei den Affen der neuen Welt ist der Körper ebenfalls auf Kosten der Hörner entwickelt, die Aushöhlung dient aber, mit Ausnahme von Mycetes, nicht zur Aufnahme eines Saceus hyo-thyreoideus. Bei den Sahuis fehlt die Höhle des Körpers. Für die Halbaffen ist die Entwick- lung der vorderen Hörner bezeichnend. Bei den Chiro- pteren finden sich dreierlei Formen; bei den eigentlichen Fle- dermäusen fehlt ein Körper; zwei seitliche "Theile (hintere Hörner), deren jeder in seiner Mitte das lange vordere Horn trägt, stossen in einem Winkel zusammen. Bei Rhinolophus ist ein ziemlich stark 'vortretender Körper vorhanden; bei Phyllostoma, Galeopithecus, Pteropus ist der kleine Körper mit den hintern Hörnern zu einem Bogen verwachsen. Bei den Beutelthieren tritt der Körper des Zungenbeins gegen die Hörner namentlich die hinteren sehr zurück; es ist ein rund- licher oder fast rautenförmiger Körper, von welchem nach hinten und vorn die Hörner abgehn. Bei den Insectivo- ren lässt sich kein durchgreifender Plan erkennen; bei den Macroscelides bildet der Körper mit den hintern, Hörnern einen festen Bogen; sonst ist er damit eingelenkt. Dagegen zeigen die Raubthiere eine grosse Ueberein- stimmung. Der Körper ist kurz, rundlich oder platt; die vordern Hörner sind sehr entwickelt, dreigliedrig, die hintern gebogen. Bei den Nagern bildet der Körper mit den hin- tern Hörnern entweder einen festen Bogen oder er ist damit eingelenkt. Sehr häufig hat der Körper eine nach unten ste- hende Spitze. Die Edentaten zeigen wenig übereinstimmende Charaktere; bei mehrern ist der Körper mit den hintern Hör- nern zu einem Bogen verwachsen. Bei den Dickhäutern und Einhufern bildet der Körper mit den hintern Hörnern einen festen Bogen, in dessen Mitte sich bei einzelnen Gat- tungen ein nach vorn gerichteter Fortsatz (Gabelheft) findet. Bei den Wiederkäuern findet sich dieselbe Verwachsung des Körpers mit den hintern Hörnern; das Gabelheft ist ver- kümmert oder fehlt Tourtual, neue Untersuehungen über den Bau des menschlichen Schlund- und Kehlkopfs nebst vergl. anat. Be- merkungen. Leipzig 1346. 8°, Maier Stimmorgan der Säugethiere. Comptes rendus Tome XX, 59 H. Meyer über das Vorkommen eines Proc. vagin. pe- ritonei beim weibl. Foetus (d. Archiv 1845). Ueber die Geschlechtsorgane sind mehrere wichtige Arbeiten bekannt gemacht worden. E. H. Weber Zusätze zur Lehre vom Bau und den Vorrichtungen der Geschlechtsorgane. Mit 9 Tafeln. (In den Verhandl. herausgegeb. bei der Begründung der k. sächs. Gesellschaft der Wissensch, von der fürstlich Jablonowsky’schen Gesellsch. und daraus besonders abge- druckt). Leipzig 1846. — Im Ausz. in diesem Archiv 1846. 421. Weber beschreibt das Uterusrudiment bei männl. Säu- gethieren, das er entdeckt und im J. 1336 in einem Programm kurz besprochen hatte, genauer und giebt Abbildungen da- von. Es werden diese an beschrieben beim Menschen, Pferd, Hund, Kater, Biber, dem neugebornen uud erwachse- nen Kaninchen und einem castrirten Schwein. Beim Men- schen ist diese Blase einfach, birnförmig und liegt in der Substanz der Prostata, bei den genannten Thieren dagegen liegt sie in derselben Falte der Bauchhaut, in welcher der weibliche Uterus liegt. Bei allen Thieren öffnet sie sich auf dem Caput gallinaginis. Beim Hund und Kater ist das Or- gan einfach birnförmig, beim Kaninchen ebenfalls einfach, beim Pferd, Schwein, Biber zweihörnig und geht in der Bauch- hautfalte ziemlich weit hinauf. Die Samenleiter münden nicht in die Hörner dieses Organs oder wo es einfach ist, in den Grund desselben ein, wie die Oviducte im weiblichen Uterus, sondern sie laufen an der Seite desselben herab und münden mit 2 besondern Oeflnungen neben dem männlichen Mutter- mund auf dem Collieulus seminalis. Nur beim Kaninchen münden sie noch in die Blase, aber unten in der Nähe der Mündung (die Abbildung von Weber, wo die Canäle in das obere Ende einmünden, ist unrichtig); das musculöse Organ, das hier zur Ejaeulation des Samens dienen kann, entspricht somit dem obern Theil der Scheide. Trotz dieser auffallen- den Verschiedenheit im Verhalten der Ovidukte und Samen- leiter, hält Weber diese beiden Canäle doch für morpholo- gisch identisch, eine Ansicht, welche, wie später zu erwäh- nende Forschungen zeigen, nicht festgehalten werden kann. In einer 2ten Abtheilung dieser Schrift handelt Weber von den drüsigen Enden des Vas deferens, den Samenblasen und der Prostata. Der letzte Theil des Vas deferens ist beim Menschen mit zahlreichen zelligen Ausbuchtungen und gros- sen und kleinen knospenartigen Auswücbsen besetzt, beim Pferd besteht die dicke Wand desselben aus lauter im Kreis gestellten dreieckigen Drüsenläppchen, deren Spitze mit dem Ausführungsgang nach innen gekehrt ist. Der Bau der Sa- menblasen wird namentlich beim Menschen ausführlicher dar- gestellt und durch Abbildungen erläutert. Die Samenblasen 60 sind vorzugsweise Absonderungsorgane und münden oft gar nicht mit dem Vas deferens zusammen, in welchem Falle die Entscheidung was Samenblase, was Prostata sei oft schwer ist. Die 3te Abtheilung der Schrift ist der Untersuchung der Uterusdrüsen und der Decidua gewidmet; ich verweise hin- sichtlich desselben auf den physiologischen und histologischen Jahresbericht. Rud. Leuckart, zur Morphologie und Anatomie der Geschlechtsorgane (in den Göttinger Studien 1847 und daraus besonders abgedruckt) unterwirft nach neuen eigenen und fremden Beobachtungen die Deutung der einzel- nen Abtheilungen des Geschlechtsapparats der Wirbelthiere einer sorgfältigeu Prüfung. Von eignen Untersuchungen des Verfassers mögen im Anschluss an die vorhergehende Schrift besonders die über den männlichen Uterus und die männ liche Scheide hervorgehoben werden. Bei den Affen (Cynocephalus maimon, Macaco nemestrinus, Hapale Jacchus) liegt der Uterus wie beim Menschen in der Prostata, ist canalförmig, eng und mündet mit einem förmli- chen Os tincae in den sinusartig erweiterten Anfangstheil des Canalis urogenitalis. Bei der Hyäne und dem Leoparden verhält er sich wie beim Hund und Kater. Bei den Ceta- ceen (Delphinus phocaena und orca und Monodon monoceros) ist der Uterus masculinus sehr entwickelt, von der Prostata umhüllt und öffnet sich mit einer hufeisenförmigen Spalte, deren vorderer convexer Rand von einer vorspringenden, eine hintere Muttermundlefze darstellenden, Papille gebildet wird. Eine sogenannte männliche Scheide (vagina mas- culina s. urethalis) fand L. bei einigen Nagern und Insekten- fressern, am auffallendsten beim Igel, wo der Canal selb- ständig mit einem blind geendigten höhlenförmigen Raum be- ginnt und nach unten allmählig sich verengert. In diesen Raum mündet die Urethra mit einer Längsspalte, nebstdem der Samenleiter, die Ausführungsgänge der Prostata und der Cowper’schen Drüsen. Der ganze Sinus sammt der Urethra ist von einem musculösen Bulbus umgeben; ein Uterus-rudi- ment konnte dagegen L. nicht auffinden. Weniger ansehn lich ist dies Organ bei Talpa entwickelt. In ähnlicher Weise, wenn auch weniger ausgebildet findet es sich auch bei man- chen Nagern. Mayer, über den sogenannten Uterus masculinus (rhein. Monatsschrift für praetische Aerzte lter Jahrgang 1847. März), hält die Samenblasen des Mannes für das Analogon des weib- lichen Uterus, männlichen Uterus und Gartner’'sche Gänge für identisch. ; Kobelt (der Nebeneierstock des Weibes, das längst vermisste Seitenstück des Nebenhodens des Mannes entdeckt ete. mit 3 Tafeln Heidelberg 1847. 8°.) hat die Entwicklung 61 des Rosenmüller'schen Organs in der Ala vespertilionis ge- nauer verfolgt und ihm den passenderen Namen Neben- eierstock gegeben. Bei allen Embryonen besteht in früh- ster Zeit der Wolff’sche Körper aus den Blinddärmehen, dem Ausführungsgang und dem v. Müller beschriebenen sogen. Müller'schen Faden mit dem Kölbchen. Beim männlichen Geschleeht wird der Wolffsche Körper in den Nebenhoden umgewandelt, die mittleren Blinddärmchen bilden die Coni vasculosi und treten als Vasa eflerentia mit dem Hoden in Verbindung, die obersten verschwinden oder werden zu Hy- datiden, die untersten verschwinden ebenfalls oder verwan- deln sich in die Vasa aberrantia. Der Ausführungsgang des Wolff’schen Körpers wird zum Canal des Nebenhodens und Samenleiter, der Müller'sche Faden verschwindet, sein ober- stes Ende bildet die Morgagni’sche Hydatide. Beim weibli- chen Geschlecht werden die Blinddärmehen des Wolff’schen Körpers zum Theil in den Hilus hereingezogen, die obersten obliteriren oder werden zu Wasserbläschen, die untersten ebenso (Analoga der Vasa aberrantia), das Ganze bildet den Nebeneierstock, Parovarium. Der Ausführungsgang des Wolff- schen Körpers geht unter, sein Kölbehen wird zu einer Hy- datide. Die mit dem Eierstock verbundenen Röhren sondern ab, schwinden nicht, sondern erreichen ihre höchste Entwick- lung mit der des Ovarium; es ist nach K. eine selbstständige tubulöse Drüse, die ein Sekret in das Ovarium liefert. Erst bei der Rückbildung der Ovarien schwindet dieses Organ. Der Müller'sche Gang wird zur Grube, sein Kölbchen zur Endhydatide. Die Gartner’schen Gänge des Schweins und besonders der Wiederkäuer sind die Reste des Ausführungs- gangs der Wolf!’schen Körper. Strahlige musculöse, nicht hohle Bündel, die von jenen an der Seite des Uterus in die Höhe steigen, sollen die Reste der Blinddärme der Wolff- schen Körper sein. In der Persistenz dieser Gänge bei den Wiederkäuern findet K., wohl nicht mit Unrecht, den Grund der Häufigkeit der Zwitterbildung bei diesen Thieren, wovon sie gewissermassen den niedersten Grad darstellen. Hyrtl hat uns mit einer ausgezeichneten Arbeit über das innere Gehörorgan der Säugethiere erfrent (verglei- chend anatomische Untersuchungen über das in- nere Gehörorgan des Menschen und der Säuge- thiere. Mit 9 Tafeln. Prag. 1845 80%), einer Arbeit, welche eine wegen der Schwierigkeit der Untersuchung und der Bei- schaflung des Materials bisher bestandene Lücke ausfüllt. Eine vorläufige Mittheilung dieser Untersuchung hat H. be- reits in den österr. Jahrbüchern von 1843 gegeben. Der Verfasser behandelt zuerst die Zusammensetzung der Pau- kenhöhle im Allgemeinen und bei den einzelnen Ordnungen. Zur Bildung derselben trägt bei manchen Thieren (Marsupia- lia, Insectivora, Myrmecophaga) auch das hintere Keilbein, bei 62 Myrmecophaga, dem Faulthier und Schnabelthier selbst das Hinterhauptsbein bei. Die Affen zeigen constant den Un- terschied vom Menschen, dass der Canalis earotieus nicht vor, sondern in ihr liest und vor oder über dem Promonto- rium verläuft. Das Felsenbein ist nie so solid als beim Men- schen, sondern zeigt zahlreiche Zellen (Cellulae petrosae), die am grösten sind bei Mycetes, während sie bei Simia saty- rus und troglodytes fehlen. Eine Oeffnung an der vordern Wand der Paukenhöhle führt in dieselben. Ueber der eigent- lichen Paukenhöhle an der Basis der Schuppe liegt eine kleine Nebenhöhle, in welche der Kopf des Hammers und der Am- bos hineinreichen. Mit diesen, und direet mit der Trommel- höhle stehn die Cell. mast. in Verbindung. Bei den Loris und Makis ist die Paukenhöhle gross; es finden sich grosse Cellulae mastoideae und petrosae, in welche die Theile des Labyrinths frei, wie präparirt vorspringen. Der Processus mastoideus enthält nur eine Höhle, die doppelt so gross ist als die Paukenhöhle. Beim fliegenden Maki ist der ganze Schläfenknochen ausgezeichnet zellig, Die Nebenhöhle der Paukenhöhle ist ebenfalls vorhanden. Bei den Makis ist der Annulus tympanieus ein freistehender nur an einem Punkt an die Bulla ossea angewachsener Ring. Bei den Chiropte- ren ist das Promontorium die fast rein präparirte Schnecke und ist, da diese bei den Chiropteren relativ am grössten ist, so gross, dass es in der Paukenhöhle keinen Raum hat, daher mit dem grössten Theil seiner Basis frei an der Basis des Schädels vorragt. Beide berühren sich fast in der Mit- tellinie. Die Nebenhöhle ist vorhanden und birgt den gan- zen Ambos. Von nun an abwärts fehlt die Eminentia pyra- mid. und der Seimicanalis“pro tensore tympani. Unter den Inseetivoren entdeckte H. bei Chrysochloris eine Commu- nication beider Paukenhöhlen vermittelst des Sinus sphenoi- dalis; der Keilbeinflügel ist durch Luftzellenbildung mehr oder minder aufgetrieben, so dass er selbst einer Bulla gleicht. Die Nebenhöhle, welche Hammer und Ambos enthält, springt bei Sorer myosurus in das Cavum cranii vor und treibt bei Chrysochloris die hintere Schläfengrubenwand blasig auf. Bei den Carnivoren, wo die Paukenhöhle nur vom Schlä- fenbein gebildet ist, findet sich eine, bei den Plantigraden nur angedeutete, bei den Digitigraden weiter ausgeführte Scheidung derselben in 2 Hälften, die Nebenhöhle nimmt den ganzen Ambos auf. Bei den Pachydermen bildet der Pauckenknochen eine nur bei Hyrar zellenlose, sonst immer zellige Blase, so dass die eigentliche Paukenhöhle nur klein ist. Das Paukenfenster der Schnecke fehlt dem Elephanten nicht, wie Fick angegeben hatte. Unter den Marsupialien ist die Trommelhöhle bei Didelphis sehr klein, bei Phalangista und Petaurus sehr geräumig. Bei letzteren hängt sie mit zahlreichen Zellen zusammen, welche den Jochfortsatz auf- 63 treiben, sich in die Schuppe und selbst bis in die Gelenk- fortsätze des Hinterhauptbeins erstrecken. Bei den Nagern finden sich mancherlei Eigenthümlichkeiten, wie die hohlen oder soliden Knochenriegel, die durch den Steigbügel gehn (Cricetus, Mus, Otomys, Cavia). Die obere Nebenhöhle fehlt nie und ist bei mehreren, wie Dipus sagitta, Pedetes caffer, Chinchilla lanigera ausserordentlich entwickelt, reicht bis an den Scheitel hinauf und bedingt die eigenthümtich breite Kopf- form dieser Thiere. Bei Dipus und Callomys sind beide Pau- kenhöhlen mit den Nebenhöhlen zusammen grösser als die Schädelhöhle. Mit dieser enormen Entwicklung hängt die Einrichtung eines accessorischen Trommelfells zusammen, welches sich zwischen dem äussern Gehörgang und der Ne- benhöhle findet. Canales semieirculares und Schnecke springen bei allen Nagern stark in die Paukenhöhle vor, so dass man bei vielen durch das Promontorium hindurch die Windungen der Schnecke zählen, ja sogar (bei Lagostomus trichodactylus) unter jedem Canal eine Sonde durchführen kann. Bei den Edentaten ist die Bildung sehr wenig gleich- förmig; während bei Dasypus (D. novemeinctus ausg.) keine andere Nebenhöhle als eine kleine obere vorhanden ist, sind bei Myrmecophaga jubata nicht nur die Keilbeinflügel blasig aufgetrieben und enthalten eine Höhle, die noch grösser ist als die eigentliche keineswegs kleine Trommelhöhle, sondern es bildet auch der Körper des Hinterhauptbeins 2 flügelartige Fortsätze, welche eine mit der eigentlichen Trommelhöhle in Verbindung stehende Höhle einschliessen. Eine weitere Höhle erstreckt sich noch in die Wurzel des Jochfortsatzes. Bei Bradypus ist die ganze Schläfenschuppe zu einer glatt- randigen Höhle aufgebläht, welche die Trommelhöhle an Grösse weit übertrifft und sich auch in den Jochfortsatz ver- längert. Bei Orycteropus sind dagegen die Nebenhöhlen nur klein. Bei Echidna fehlt das Schneckenfenster. Sehr merkwür- dig sind die Osteophyten in der Paukenhöhle, die so charak- teristische Formen und so regelmässig sich wiederholende Grösse- und Lageverhältnisse zeigen, dass H. deren Vor- kommen nicht als etwas Zufälliges, sondern als funktionell bedeutungsvoll auffassen zu müssen glaubt. Sie fehlen bei jungen Thieren und entwickeln sich mit den Jahren; sie sind von keulenförmiger, hakenförmiger oder nadelförmiger Ge- stalt und finden sich am ausgezeichnetsten beim Löwen, Tiger, Edelhirsch, Elenn, Bathyergus, der Giraffe. — Dem Verhalten der Gefässe der Paukenhöhle ist eine ausführliche Betrachtung gewidmet. Beim Menschen geht nach H. regelmässig, was als Thier-Achnlichkeit von Interesse ist, eine kleine Arterie zwischen den Schenkeln des Steig- bügels durch zum Promontorium, die aus einer Anastomose der A. stylomastoidea mit einem Aestchen der A. meningea media das durch den Hiatus canalis Fallopiae tritt, entsteht. 64 Die Arterie, die bei Thieren durch den Stapes tritt und die von Otto beschrieben wurde, ist niemals die Carotis cerebra- lis, wofür sie Otto hielt. Bei den Chiropteren ist es die A. ethmoidalis, beim Igel der vereinigte Stamm der A. orbi- talis und maxillaris interna. Dasselbe Gefäss ist es bei Erinaceus auritus, Centetes, Tupaja, Talpa, Scalops aquaticus, Chrysochloris, Condylura, Sorex, Mygale, Sciurus, Tamias, Macrozus, Pteromys, Arclomys, der Feld-Haus-und Wald- maus, der Ratte: Bei den einen liegt die Arterie frei (Eri- naceus, Centetes, Ratte, Haus- und Waldmaus), bei andern in einem knöchernen Kanal oder Halbeanal. Bei einigen wie Cavia geht ein solider knöcherner Balken ohne Begleitung einer namhaften Arterie durch den Steigbügel. — Ein sogen. Foramen Rivini existirt niemals. — In Bezug auf die Gehörknöchelchen sind ebenfalls manche interes- sante Resultate zu Tage gekommen. Von der Zahl 3 giebt es nur sehr wenige Ausnahmen, nie sind es mehr; denn das Linsenbein ist nie ein für sich bestehender Knochen; dage- gen sind es oft nur 2, indem bei mehreren Hammer und Am- bos verschmelzen, wie bei Echidna und mehreren Nagern. Bei Bathyergus sind nicht nur die Gelenkflächen, sondern auch die langen Fortsätze beider Knochen verwachsen. Der 4te Gehörknochen, den Rudolphi (Physiol. II. 1.) bei Chrysochloris capensis erwähnt und den auch H. noch in sei- nen ersten Mittheilungen als solchen bestehen liess, ist nichts Anderes als der sehr angeschwollene Kopf des Hammers der in einer Nebenhöhle an der hintern Wand der Jochgrube liegt. Dass die Grösse der Ossicula auditus nicht mit der Grösse des Thiers in geradem Verhältniss steht, bestätigt sich durchweg. Den absolut grössten Hammer und Steigbü- gel besitzt Manatus australis (letzterer !,,‘‘ lang, ersterer am Kopf 4” im Durchmesser haltend), den grössten Ambos Phoca leonina ('% im Querdurchmesser), Wegen der zahl- reichen Formen muss auf das Original verwiesen werden, . wo die wichtigern derselben bildlich dargestellt sind. Am wenigsten Verschiedenheiten zeigt der Ambos, der mit Aus- nahme von Echidna, und Ornithorhynchus, wo er auf ein mit dem Kopf des Hammers yerwachsenes 3 eckiges Knochen- stückchen reduzirt ist, immer aus einem Körper und 2 Fort- sätzen besteht. Bei Halicore ist der kurze Fortsatz mit dem Paukenknochen verwachsen. Bei dem Steigbügel finden sich alle Uebergangsformen von der einfachen Columella der Monotremen und Schuppenthiere bis zur menschlichen Form. Besonders ausgezeichnet und dankenswerth ist die Arbeit über das Labyrinth. Seine Untersuchungsmethode hat Hyrtl schon in seiner ersten Mittheilung (österr. Jahrb. 1843) bekannt gemacht; da aber in diesem Archiv noch nicht dar- über berichtet ist, so möge sie hier kurz ihren Platz finden. H. injieirt seine gewöhnliche Harzwachmasse durch Bleiweiss 65 gefärbt in die Fenestra ovalis, nachdem an den Canales semi- eirculares zum Entweichen der Luft vorläufig Gegenöft- nungen angebracht oder auch, bei sehr massiven Felsenbei- nen, diese selbst zuvor zersprengt, durchsägt und wieder, wie Gipsformen, zusammengebunden sind. Nach der Injektion wird der Knochen S Tage lang in eine Mischung aus 6 Thei- len Salzsäure und 1 Theil Wasser macerirt und der gereinigte Abguss mit Hausenblase überzogen. Hyrtl hat 183 auf diese Art gefertigte Präparate aufgestellt, die leider, wie man ver- nimmt, bei der Erstürmung Wiens im J. 1848, grösstentheils zu Grunde gegangen sind. Alle Säugethiere haben dieselben Abtheilungen des Labyrinths und nur beim Schnabelthier und Echidna ist die Schnecke auf ein einfaches Divertikel des Vorhofs reduzirt. Die Canales semicirculares zeigen, wie H. fand, beim Menschen zahlreiche Verschiedenheiten, na- mentlich nach dem Alter, auf die man bis jetzt sehr wenig aufmerksam war. So värürt z. B. die Länge des obern Bogen- gangs bei verschiedenen Menschen (immer anf beiden Seiten gleich) um 2. Die Altersverschiedenheiten sind na- mentlich folgende: 1) Alle 3 Canales semieirculares zeigen in späteren Lebensepochen eine constante Längenzunahme; 2) die Erweiterung (nieht die Ampulle) des hintern Bogengangs ist bei bejahrten Menschen ausgeglichen; 3) die Weite aller 3 Canäle nimmt mit dem Alter zu (im Maximum um 0,3”); 4) der äussere Canalis semicireularis lenkt von der Bogen- krümmung seitlich nach unten ab, wodurch die Axe des Ca- nals wellenförmig wird. Die Zahl der Bogenröhren bleibt bei allen Säugethieren 3; absolut die grössten besitzt der Elephant, das Walross, das Nilpferd, Phoca groen- landica, dann der Mensch, Simia satyrus, Rhinoceros, die kleinsten Vespertilio pipistrellus und Sorex pygmaeus. In Be- zug auf die relative Grösse ist das Verhältniss ein ganz anderes; relativ die kleinsten haben die Walle, die grössten der Igel und die Blindmaus; bei einem Narwal mit 7’ langem Stosszahn sind sie z. B. so gross als bei der Ratte. Ganz nahe stehende Genera zeigen hierin die grössten Verschie- denheiten, Was die Gestalt betrifft, so haben die Bogen- röhren nur selten eine halbkreisförmige Krümmungslinie, wie z. B. beim Menschen, den Affen der alten Welt, den Chiro- pteren, den meisten Raubthieren, manchen Wiederkäuern ; meist sind sie Abschnitte einer Ellipse (Loris, Makis, Ochse, Giraffe, Wombat, Phascolarctos, Orycteropus), oder winklig mit abgerundeter Spitze, parabolisch bei Mydaus javanicus, Lutra hrasiliensis, Viverra zibetha. Bisweilen findet die Krümmung nicht in einer Ebene statt, sondern ist S-förmig (beim Men- schen an beiden Schenkeln des obern Canals), bei mehreren Phoken sogar schlangenförmig. Bei den Marsupialien ist der hintere Bogen ganz spiralig. Der Durchschnitt der Cauäle ist bald rund, bald oval, bald elliptisch. Jeder Bogengang Müller’ Archiv. 1852, Jahresbericht, E 66 hat stets eine Ampulle und einen ampullenlosen Schenkel; der hintere Schenkel des oberen und der obere des hintern Bogengangs münden bei allen Säugethieren gemeinschaftlich. Die relative Grösse der Ampulle wächst mit der Feinheit des Bogengangs. Was das Verhältniss der Bogenröhren zu ein- ander betrifft, so gilt die Regel, dass die Ebenen derselben senkrecht auf einander stehen und einen körperlichen Win- kel einschliessen, nicht für alle Ordnungen der Säugethiere; vollkommen senkrecht stehn sie aufeinander bei den Chiro- pteren, Wiederkäuern, Diekhäutern und Beutelthieren. Das Maximum des Neigungswinkels ist 140° (Pferd), das Mini- mum 30° (Elephant). Am meisten Abweichung zeigt das Verhältniss des äusseren und hinteren Canals; während beim Menschen die Ebene des Canalis externus die des Canalis posterior genau halbirt, rückt bei manchen Thieren der er- stere so weit herab, dass der äussere Schenkel des hinteren Canals und der hintere des äusseren verschmelzen und statt 5 Oeffnungen im Vestibulum sich nur 4 finden (Löwe, Tiger, Wolf, Schnabelthier). Während bei einzelnen Thieren der Knochenbeleg der Canäle so massig ist, dass ein Herausar- beiten derselben auf gewöhnlichem Wege eine Unmöglichkeit ist (Cetaceen), sind sie bei anderen (kleinern Quadrumanen, Nagern, Insecetivoren, vor allen bei Zagostomus) ohne alle Präparation sichtbar. Die Schnecke ist bei den Monotremen wie bei den Vö- geln auf einen hohlen halbmondförmigen Zapfen reduzirt, der bei Echidna nicht einmal mehr 2 Scalae und daher auch keine Fenestra rotunda mehr hat. Absolut am grössten ist die Schnecke bei Balaena, Physeter, am kleinsten bei Talpa, re- lativ am grössten bei den Chiropteren, am kleinsten bei den Cetaceen. Die Zahl der Windungen, die mit einem einfachen Apparat genau gemessen wurden, wechselt zwischen 0,85%;, (Ornithorhynchus) und 4,3%/,,, (Hydrochoerus Capybara) und be- trägt beim Menschen 2,2#5/,,,. Bei keinem Säugethier bleiben die Windungen in einer Ebene, jede folgende Windung er- hebt sich und wird kleiner, nur bei Dasypus novemeinctus ist die zweite grösser und überragt die erste. Die grösste Erhe- bung findet sich bei Fleischfressern und besonders bei eini- gen Nagern; die Verkleinerung findet bisweilen (bei den Ce- taceen) so rasch statt, dass sich die einzelnen Windungen nicht berühren. Merkwürdig ist die Schnecke der Giraffe; die erste Windung läuft fast geradlinig, dann beginnt plötzlich erst die Spirale. Altersverschiedenheiten beim Menschen hat H. folgende beobachtet: 1) der Anfang der lsten Windung der Schnecke berührt beim Embryo und Neugebornen das Ende derselben Windung nicht; es bleibt eine 24‘ breite Spalte zwischen beiden; 2) die Peripherie der Schneckenba- sis ist beim Neugebornen ein Kreis, bei allen Individuen über die Geschlechtsreife hinaus ein Oval. Am wenigsten Ver- 67 schiedenheiten zeigt das Vestibulum. Bei allen Säugethie- ren finden sich die beiden recessus. Alle haben einen Aquae- duetus vestibuli und Aquaed. cochleae, letzterer fehlt nur bei Echidna. Die Aquaeductus enthalten solide Fortsätze der Dura mater, welche eine kleine Vene einschliessen. Der Ref. stellt hierbei an die geehrten Fachge- nossen des In- und Auslandes die freundschaft- liche Bitte, durch Zusendung ihrer Arbeiten das Ihrige zu einer grössern Vollständigkeit der künf- tigen Berichte beitragen zu wollen, da die der Bi- bliothek einer kleinern Universität zu Gebot ste- henden Mittel hierzu nicht ausreichen. Müller's Archiv, 1852, Jahresbericht, E* Berieht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1851. Von K. B. Reıcnerr. Allgemeiner Theil. Bereits vor zwei Jahren hatte Referent die Gelegenheit ge- habt, über eine von ihm entdeckte „eiweissartige Sub- stanz in Krystallform“ zu berichten. (Müll. Arch. 1850, Heft VI.). Der Fundort und besonders ihre Färbung durch Hämatoidin deuteten wohl darauf hin, dass die vorgefundenen Krystalle aus dem Blute des Meerschweinchens entstanden waren. Schneller, als man es erwarten durfte, sind auf diese, so vieles Misstrauen erweckenden Angaben Beobachtungen und Entdeckungen gefolgt, aus denen hervorgeht, dass der eiweissartige Inhalt der Blutkörperchen (Globulin) namentlich bei den Meerschweinchen, aber auch überhaupt bei anderen Wirbelthieren im Allgemeinen ziemlich leicht unter den Augen des Beobachters krystallisire, und dass die Krystalle zugleich durch Hämatoidin roth gefärbt werden. Wohl mancher Beob- achter mag das Phänomen schon vor Augen gehabt haben, ohne dasselbe genauer zu beachten und zu würdigen. O0. Funke verfolgte zuerst die Entstehung von Eiweiss- Krystallen im Blute und zwar im Milzvenenblute des Pferdes. Später wurde dasselbe bei Hunden und an dem Blute des Herzens mehrerer Fische beobachtet. (De sanguine venae lienalis. Diss. inaug. Lipsiae 1851; p. 25 sq. — Ueber das Milzvenenblut: Henle’s und Pfeufer’s Zeitschr. für rat. Mediz.; neue Folg. I. Bd. p. 1534 seq.). Desgleichen werden „Neue Beobachtungen über die Krystalle des Milzvenen- und Fisch-Blutes* von demselben Verfasser im zweiten Bande oben genannter Zeitschrift (p. 198 sq.) mitgetheilt und zugleich in seinem „Atlas der physiologischen Chemie“ (Leipz. 1853; 69 Taf. X.) schöne ungen von den Blutkrystallen aus nor- malem menschlichen Venenblute, aus dem Herzblute junger Katzen, aus dem Halsvenenblute des Meersehweinchen, aus dem Jugularvenenblute des Eichhörnchens, aus dem Herz- blute von Fischen ete. gegeben. Auch Kunde (Zeitschr. für rat. Mediz.; neue Folge, Bd. II, p. 272 seg. „Ueber Krystall- bildung im Blute“) und Lehmann (Berichte über die Ver- handl. der K. Sächs. Gesellschaft der Wissensch. zu Leipzig 1852 und 1353; Journal für prakt. Chemie von Erdmann und Werther, Bd. XX VII. p. 95 sq.: „Ueber den krystalli- sirbaren Stoff des Blutes“) haben die Blutkrystalle zum Ge- genstande genauerer Forschungen gemacht. 4 Als Resultat dieser Forschungen hat sich ergeben, dass jedes Blut von jedem untersuchten Thiere und aus jeder Ge- fässprovinz die Krystallisationsfähigkeit besitze. Die einfachste Methode, sagt Funke, die Blutkrystalle zu erhalten, ist die, dass man einen Tropfen Blut auf eine Glasplatte bringt, den- selben ein Weilchen verdunsten lässt, dann einen Tropfen destillirten Wassers hinzusetzt und ein Deckplättchen darüber- legt. Nach einiger Zeit, wenn das Präparat wieder in ge- wissem Grade verdunstet ist, zeigen sich die rothgefärbten Krystalle in verschiedener Form und Grösse. Geronnener Faserstoff, der die Blutkörperchen einschliesst, ist der Kry- stallisation ihres Inhalts hinderlich; wie es scheint, weil der Austritt des krystallisirbaren Stoffes aus den Blutkörperchen unter der Einwirkung von Wasser oder anderer Agentien er- schwert wird. Bei den Fischen muss der Versuch gleich nach Tödtung der Thiere gemacht werden; bei anderen T'hieren und beim Menschen gelingt er am besten 24 Stunden, beim Meerschweinchen selbst mehrere Tage nach dem Tode. Zu- satz von Zucker- und Gummiwasser, von rektifizirtem Alko- hol. von Aether und Chloroform verlangsamen oder befördern die Krystallbildung. Chlornatrium, salpetersaures Kali, schwe- felsaures Natron, in geringer Menge dem Blute zugesetzt, hindern nach Kunde die Krystallisation nicht. Dagegen hält auch ein geringer Zusatz von Essigsäure, Salzsäure oder Sal- petersäure die Krystallbildung auf. Das zuletzt Erwähnte gilt namentlich für die Meerschweinchen, Eichhörnchen, Ratten. Lehmann wagt auf die Erörterung der Bedingungen, unter welchen die Bildung der Krystalle erfolgt, nicht näher einzu- gehen, weil die obwaltenden Verhältnisse ihm noch nicht ganz durchsichtig geworden sind. Die Verdunstung jedoch, die man nach der Entstehungsweise der Krystalle unter den Deck- plättchen für ein wesentliches Moment ihrer Bildung halten müsste, sei ohne allen Einfluss; im Gegentheil zeige sich grade die Verdünnung des Blutes mit Wasser als ein nicht unwiehtiges Mittel zur Herbeiführung der Krystallisation. Funke beobachtete bei Fischen die Bildung der Krystalle in den Blutkörperchen selbst, sah sie darin sich auflösen und « 70 wieder neu bilden; Kunde hat davon sich nieht überzeugen können. Alle Beobachter stimmen aber darin überein, dass der eiweissartige Inhalt der Blutkörperchen den kıystallisiren- den Stoff darstelle, und die rothe Färbung aceidentell durch das Hämatoidin bewirkt werde. Die chemische Beschaffenheit ist namentlich durch Lehmann an den Kıystallen des Meer- schweinchen-Blutes genauer untersucht. Die Krystalle ver- halten sich übrigens in ihrer chemischen Reaktion bei ver- schiedenen Thieren nicht gleich; selbst bei einem und dem- selben Thiere scheinen sie in dieser Hinsicht kleine Modifi- kationen zu zeigen. Beim Menschen lösen sie sich mit Leich- tigkeit im Wasser, beim Meerschweinchen und Eichhörnchen nicht. Ebenso sind bei letzteren die Krystalle in kaltem Wasser, Alkohol und Aether unlöslich; die der Fische und des Pferdes dagegen leicht löslich. Ihrer Form nach zeigen sie sich beim Menschen bald als grössere Stäbchen und Säu- len, bald als kleinere, zum Theil deutlich prismatische, zum Theil rhombische Tafeln; bei einer jungen Katze (aus dem Herzblute) als intensiv kirschroth gefärbte Säulen, welche sich stellenweise zu Büscheln gruppiren oder auch mehr vio- lett gefärbte Krystallnadeln bilden; beim Meerschweinchen als regelmässige Tetraeder und andere davon abgeleitete Formen; beim Eichhörnchen in grossen Geschieben von zusammenlie- genden, regelmässigen, sechsseitigen Tafeln und als prisma- tische Krystalle; bei den Fischen (Leueiseus Dobula) als kleine, 'schuppenförmige Krystalle und in feineren und grösseren Kıry- stallnadeln und Säulchen ete. Nachdem Kunde die Entstehung der tetraedrischen Blnt- krystalle beim Meerschweinchen verfolgt hatte, erhob sich die Frage, ob dieselben mit den von mir im trächtigen Uterus dieses Thieres vorgefundenen tetraedrischen Eiweisskrystallen identisch seien. Obgleich ich bemerkt hatte, dass die Sub- stanz, in welcher ich die Krystalle auffand, sich wie an der Luft getrocknetes Blut verhielt und eben wegen ihres An- sehens meine Aufmerksamkeit erregt hatte, obgleich ferner Gestalt und Farbe vollkommen übereinstimmten, so zweifelte Kunde anfangs an der Identität, da meine Krystalle sich so sehr resistent gegen Säuren und Alkalien gezeigt hatten und erst bei sehr hoher Temperatur im Wasser löslich waren. Diese Kontroverse ist gegenwärtig zum Theil wohl als be- seitigt zu betrachten, da sich gezeigt, dass die Blutkrystalle der Meerschweinchen bei Behandlung mit Alkohol alle jene merkwürdigen Eigenschaften erlangen, welche ich von meinen Krystallen beschrieben habe. Ich kann hinzufügen, dass ich die ausführlichen Untersuchungen meiner Krystalle erst nach sechsmonatlieher Aufbewahrung in Weingeist vorgenom- men hatte. Dagegen geht Lehmann zu weit, wenn er in seinem zweiten Bericht anzudeuten scheint, die von mir ge- fundenen Krystalle seien wohl erst während der Aufbewah- 71 rung des trächtigen Uterus in Weingeist entstanden, da es ihm in 20 Fällen nicht glückte, dergleichen Krystalle im fri- schen Uterus zu beobachten, und auch Bischoff ihrer nicht erwähnt. Als ich meine Krystalle zuerst wahrnahm, hatte ich mit einem frischen Uterus zu thun, den ich, wie in mei- ner Abhandlung angegeben ist, sechs Stunden nach dem Tode des Thieres untersuchte. Während es anderen Forschern nieht. gelungen ist, im Körper entstandene Blutkrystalle aufzufinden, habe ich so eben (im Ablauf des Winters 18%/,,) mit einem plötzlich ver- storbenen, trächtigen Meerschweinchen zu thun gehabt, bei welchem ganz an derselben Stelle, wie in dem ersten Falle, die blutrothen Tetraeder in grosser Menge anzutreffen waren. Die Krystalle hatten sich in einem Extravasate zwischen den Häuten des Fötus und der Gebärmutterwandung gebildet. Nach der Beschaffenheit der Fötus zu urtheilen, mussten die- selben schon einige Wochen todt im Leibe gelegen haben. Auch an einzelnen Krystallen war die oberflächliche Schicht körnig, von mehr unbestimmter, schmutzig gelblicher Fär- bung, und die Kanten nicht mehr scharf, während im Innern sich ein pellueider, rother Kern unterscheiden liess; mit an- deren Worten, die Krystalle schienen an der Oberfläche be- reits in Verwesung übergegangen zu sein. Hieraus darf man entnehmen, dass sich die Krystalle während des Lebens des Thieres und unter der Temperatur der Körperwärme gebildet haben; auch weisen die obwaltenden Verhältnisse darauf hin, dass nicht allein die Verdunstung, sondern auch die Verdün- nung des Blutes mit Wasser ohne nothwendige Mitwirkung bei der Entstehung der Krystalle sind. Ihrer a und Fär- bung nach verhielten sich diese Krystalle ganz so, wie die zuerst von mir entdeckten; doch fand ich dieses Mal öfters Exemplare, an welchen ganz regelmässig die Ecken, seltner auch die Kanten abgestumpft waren. Dapkch zeigten sie andere physikalische und chemische Eigenschaften. Beim Druck mittelst des Deckplättchens zerbröckelten sie, während die in Weingeist aufbewahrten elastisch waren. Die Alkalien, die Essigsäure lösten sie leicht auf. Bei Behandlung mit Mi- neralsäure verwandelten sich die einzelnen Krystalle in zäh- flüssige Tropfen. Ich machte darauf den Gegenversuch und legte das Präparat in sechzigprocentigen Weingeist. Als ich nach acht Tagen die Untersuchung wieder aufnahm, und die Krystalle mit Essigsäure behandelte, zeigten sich dieselben zwar resistenter; denn sie vergrösserten sich mit Erhaltung ihrer Form: Allein bei längerer Einwirkung der Essigsäure lösten sie sich noch vollständig auf, und nur wenige Exem- plare erhielten sich auf dem Öbjekiglase, Wenn man daher auch, im Hinblick auf das verschiedene Verhalten der Blut- krystalft gegen chemische Agentien, die Möglichkeit nicht abweisen mag, dass auch frisch entstandene Krystalle unter 172 Umständen sehr schwer in Alkalien und Säuren löslich sein können, so ist doch nach den Kunde’schen Beobachtungen und dem von mir angegebenen Gegenversuch kaum daran zu zweifeln, dass meine zuerst entdeckten Blutkrystalle ihre grosse Resistenz gegen chemische Agentien der lang an- dauernden Einwirkung des Alkohols zu verdanken hatten. Weleher Art die Einwirkung des Alkohols auf die Blutkry- stalle der Meerschweinchen sei, lässt sich vorläufig noch nicht bestimmen. Die Farbe wird bei längerer Einwirkung des Alkohols mehr schmutzig braunroth, doch rührt die Farbe von dem aceidentellen Hämotoidin her. Die Flächen der Krystalle, sagt Lehmann, erscheinen meist nicht mehr ganz klar. Davon habe ich bei meinen Krystallen wenig bemerken können. Lehmann nennt ferner die Einwirkung eine Koa- gulation der ursprünglich löslichen, krystallisirten Substanz. Dass eine feste Substanz koagulire, ist ein Ausdruck, der nicht mehr aussagt, als dass die Substanz gegen chemische Agentien resistenter geworden sei. Die Krystalle werden übrigens durch Alkohol nicht ganz unlöslich in den Substan- zen, in welchen sie vorher sich leicht löslich zeigten; es be- darf nur einer längeren Einwirkung jener Agentien und der Anwendung höherer Temperatur-Grade, um dasselbe Ziel zu erreichen. Jedenfalls hat die eigenthümliche Einwirkung des Alkohols auf die Krystalle ganz besonders dazu verholfen, um in ihnen das erste Beispiel einer krystallisirten, eiweiss- artigen Substanz zu entdecken. — Ein gelegentlicher Versuch, das Herzblut des zuletzt erwähnten Meerschweinchens auf einem Objektglase krystallisiren zu lassen, glückte vollkom- men; nur waren’ die Krystalle viel kleiner, als die frei in dem trächtigen Uterus entstandenen. Nachdem Virchow und Reinhardt darauf aufmerksam gemacht haben, dass Zellen, bevor sie zu Grunde gehen und zerfallen, sich mit Fettkörnchen füllen, ist diese sogenannte Fettmetamorphose in den verschiedensten Fällen beob- achtet worden. Wo nur Epithelien vorkommen, da scheinen deren Zellen der Fettmetamorphose unterliegen zu können. Ref. übergeht die einzelnen Beispiele und gedenkt hier nur der Ergebnisse, welche R. Wagner bei seinen Versuchen über die Veränderungen thierischer Gewebe in morphologi- scher und chemischer Beziehung erlangt hat. (Götting. Nach- richt. 1851; No. 8.) Indem der Verf. die Experimente über die Transplantation der Hoden bei Hähnen von J. Hunter und Berthold wieder aufnahm und selbst frisch gelöste Ho- den von Kaninchen und Fröschen in den Unterleib kapaunter Hähne hineinbrachte, so zeigte 'sich, dass die durch plasti- sches Exsudat eingekapselten Hoden mehr oder weniger atro- phisch wurden, die Saamenzellen, Spermatozoen und Saa- menkanälchen allmälig zerfielen und hinschwanden, und eine reichliche Fettbildung theils innerhalb der zerfallenden Zellen, 73 theils frei zwischen denselben sichtbar wurde. Genaue Ana- lysen lehrten, dass der Fettgehalt des frisch eingebrachten Hodens um 5—15 Proc. sich vermehrt hatte. Dieser Um- stand veranlasste R. Wagner, diese Versuche zur Prüfung der Umwandlung von Proteinkörpern in Fett zu benutzen. Zu dem Ende wurden frisch präparirte Krystalllinsen von Schaafen, Rindern, Schweinen, deren Fettgehalt !4, '% bis »/ Proc. der trocknen Linsensubstanz nicht übersteige, in den Unterleib von Hühnern und Tauben eingebracht. Nach eini- gen Wochen ergab die mikroskopische Untersuchung, dass die meist zusammengefaltete Kapsel der Linse unverändert war, dass zwischen den mit Körnchen besetzten Linsenfasern Margarin-Krystalle, Körnchenzellen, kleinere Zellen mit Fett- körnehen, häufig auch grosse Tropfen eihes gelben, flüssigen Fettes sich befanden. In 0,222 Grammen Linsensubstanz, welche als Rest von 5,98 Gramm. frischer Linsen 6 Wochen lang im Unterleibe eines Hahns übrig waren, fanden sich 47,56 Proc. eines gelben, wohlriechenden Fettes vor. In anderen Fällen betrug der Fettgehalt nur 7, 10, 12—15 Proc. der trocknen Linsensubstanz. Aehnlich verhielt sich gekoch- tes Eiweiss. Es ging daraus hervor, dass der Fettgehalt in dem atrophirenden Proteinkörper wirklich vermehrt worden war. Gleiehwohl dürfte der vollgültige Schluss, dass hierbei die Eiweisssubstanz in Fett umgewandelt sei, keineswegs zu ziehen sein, da das Fett sehr leicht aus dem Biut der ge- fässreichen Kapsel, welche sich um die eingepflanzten Lin- senkapseln bildet, abgesetzt sein könnte. Die Entstehung der Ascherson’schen Haptogen- membran hat Wittich zum Gegenstande seiner Untersu- chung gemacht (De hymenogenia albuminis, Regiomontii 1850). Nach Wittich nämlich wird bei Berührung von Oel und Eiweiss, durch Einwirkung des Alkalis des letzteren auf das Fett, eine Seife gebildet, zugleich aber auch jene an Alka- lien ärmere Eiweissschicht unlöslich gemacht und in Form der Haptogenmembran niedergeschlagen. — Der Uebergang flüssiger, eiweissartiger Substanzen in festere, namentlich membranartige Bildungen ist übrigens in neuerer Zeit unter den verschiedensten Berührungs-Verhältnissen beobachtet wor- den. So entstehen nach Panum (Archiv f. path. Anat. VI.2) Eiweissmembranen bei Berührung des Eiweisses mit Chloro- form, Ohondrinmembranen beim Schütteln des Chondrins mit Chloroform. Auch Serumeasein mit Fett zusammengebracht giebt die Bedingungen zur Bildung von Caseinmembranen. — Melsens ferner erhielt Eiweissmembranen, wenn er ver- dünntes und filtrirtes Hühnereiweiss durch Sehütteln,, Schla- gen oder mittelst hindurchgeleitete Luftblasen in Bewegung setzte. Diese Membranen verhalten sich mikroskopisch sehr ähnlich dem gewöhnlichen Bindegewebe und werden deshalb auch „künstliches Bindegewebe* genannt. Man sieht 74 in ihnen eylindrische oder glatte, grade oder wellenförmig verlaufende Fasern von !/oo0‘ und kleiner im Durchmesser; sie ziehen vereinzelt oder in Bündeln dahin. (Gluge). (Bul- let. d. Pacadem. Belg. 1850, XVII, No. 7.) — Harting hat später dieses künstliche Bindegewebe ' genauer untersucht. (Nederlandsch Lancet. 1851, Septbr. p. 194.) Die Substanz scheint dem Faserstoff des Blutes zu entsprechen; die eiweiss- artige Natur derselben wird aus der chemischen Reaktion bewiesen. Auch beim Schütteln des Eiweisses mit Queck- silber werden diese Membranen gebildet, und es lassen sich Pseudozellen von Eiweiss dadurch darstellen. Die Membra- nen zeigen ein verschiedenes mikroskopisches Verhalten je nach der Methode der Darstellung.. Die darin sichtbaren Streifen aber entsprechen nicht Fasern, sondern Faltenzügen einer glashellen, durchsichtigen, zuweilen mit kleinen Körn- chen besetzten Membran; sie bieten, wie der Verf. bemerkt, die Gelegenheit dar, sich zu überzeugen, dass viele für fasrig gehaltene, bindegewebige Gebilde ihre mikroskopischen Strei- fen den Faltenzügen verdanken. Gegen die Existenz der Blutkörperchen haltenden Zellen und also auch gegen die Bildung von Zellefti um einen Haufen von Blutkörperchen hat sich Remak ausge- sprochen. (Müll. Arch. 1851; p. 183 sq.). Diese Angaben, sagt der Verf., sind dadurch entstanden, dass bald pigment- kugelhaltige Zellen, bald mikroskopische runde Blutgerinnsel für Blutkörperchen haltende Zellen genommen worden sind. Pigmentkugelhaltige Zellen finden sich nur selten in dem Parenchym der Milz bei Säugethieren und Vögeln. Dagegen sehe man sie häufig bei den Fischen, namentlich bei den Cyprinoiden, bei welehen sie durch grosse, zahlreiche, ein- gekapselte gelbe und gelbrothe Pigmenthaufen ausgezeichnet sind. Sie kommen am häufigsten in den Scheiden diekwan- diger Arterien vor und hier fehlen sie auch nicht, wie Ref. hinzufügt, bei den höheren Wirbelthieren. Nicht nur in der Milz, sondern auch in der Leber (sowohl an den Gefässen als an den Gallengängen), in den Nieren, in dem Eierstock, in den Falten des Bauchfells werden sie angetroffen. Remak leugnet jeden Zusammenhang dieser Pigmenthaufen mit Blut- extravasaten, mit den Blutkörperchen, auch mit dem Blut- farbestoff. Einen exakten Beweis für diese Behauptung hat der Verf. nicht gegeben. Gegen die Vermuthung Virchow’s, dass der Farbestoff der Pigmenthaufen aus verändertem Blut- farbestoff hervorgehe, spreche der Umstand, dass die Pig- mentkugeln häufig (!) in Säuren, namentlich in Schwefelsäure sich nicht entfärben. Bei den Fischen, namentlich in der Milz und den Nieren des Schleies beherbergen die sogenann- ten blutkörperchenhaltenden Zellen nicht selten die ver-. schiedenen Formen der Müller’schen Psorospermien. Die vergleichende Untersuchung vieler Fische lasse keinen Zwei- 75 fel darüber, dass die pigmentkagelhaltigen Zellen nur Um- wandlungsformen farbloser Zellen darstellen. Bei den Frosch- larven scheint sich der Verf. überzeugt zu haben, dass es namentlich die, in den Zellen der Leber oder der Milz ent- haltenen Fettkugeln sind, welche sich in Pigmentkugeln um- wandeln. Die zweite Quelle für die unrichtige Auffassung blutkörperchenhaltender Zellen haben nach dem Verf. die runden Blutgerinsel geliefert. Solche Blutgerinsel beobachtete Remak dreimal in der Milz und in den Nieren beim Schlei. Sie sollen erst nach dem Aufhören der Herzbewegung in- nerhalb der Gefässe entstehen können. Es liegt jedoch nahe, bei jeder Stagnation des Blutes auch während des Lebens die Möglichkeit ihrer Entstehung vorauszusetzen, und eine solche Stagnation wird sowohl in der Blutbahn selbst ein- treten können, als auch namentlich bei Extravasaten in das Parenchym der Organe unvermeidlich sein. Remak geht aber darauf hinaus, jeden Zusammenhang der Blutextravasate mit den sogenannten blutkörperchenhaltenden Zellen und mit den Pigmenthaufen abzuweisen, wogegen doch gewichtige Beobachtuugen sprechen. — So erwähnt R. Wagner (a. a. O.p. 103) eines Versuches mit sorgfältig gereinigten Darm- stückehen vom Frosche, die derselbe mit geronnenem Tau- ben- und Kalbsblute gefüllt, transplantirt hatte. Nach 40 Tagen zeigte die schwarzbraune, sehr eingetrocknete Blut- masse einen körnigen, röthlichen, hochrothen, rothbraunen Farbstoff, zum Theil zellenartig von Hüllen umgeben, wie dasselbe so häufig in den Geweben vom Menschen gefunden werde. Desgleichen fanden sich auch häufig Konglomerate von schwarzen Pigmentkörnchen vor, die jedoch seltner von Membranen umgeben waren. Auch braun gefärbtes Fett fehlte nicht. — Ebenso beschreibt Sanderson (On the metamor- phosis af eoloured blood eorpuscles. Monthly Journ. p.216 und p- 921; Canstatt’s Jahresbericht f. das Jahr 1851, p. 20.) in einem apoplektisch erweichten, menschlichem Gehirne blut- körperhaltige Zellen, in welchen die Blutkörperchen mehr oder minder vollständig in goldgelbe, unlösliche Körner um- gewandelt waren. Die Zellen hatten die Gestalt von flaschen- förmigen Erweiterungen der kleinen Gefässe. Die meisten schienen nur aus einer festen, die Körner und Blutkörperchen zusammenhaltenden Substanz zu bestehen; an anderen da- gegen glaubte der Verf. die Anwesenheit einer, vom flüssigen und beweglichen Inhalt gesonderten Membran voraussetzen zu müssen, H. Schacht hat in Veranlassung seiner mikrochemischen Untersuchungen des Mantels einiger Aseidien folgenden Un- terschied zwischen der thierischen und pflanzlichen Zelle her- vorgehoben,. (Müll. Archiv. 1851; p. 176 sq.; p. 196.). Wenn gleich, sagt der Verf., das Vorkommen von Cellulose keinen Unterschied zwischen Thier und Pflanze begründen kann, so 76 a behält doch der früher aufgestellte Satz, dass die Zellmem- bran jederzeit stickstoffhaltig ist, seine frühere Kraft. Denn auch in den Zellen der Cellulose des Mantels der Aseidien ist es dem Verf. gelungen, eine stiekstoffhaltige Zellmembran nachzuweisen, die Kölliker und Löwig entgangen war. Die thierische Zelle selbst entsprieht dem Primordialschlauch der Pflanzenzelle, die ebenfalls nicht aus Zellstoff besteht, sondern wahrscheinlich überall, gleich der Membran der thie- rischen Zelle stickstoffhaltig ist. Während aber die Pflanzen- zelle, durch Ausscheidung von Zellstoff um den Primordial- schlauch, sich verdickt und so erst die eigentliche Zellwand bildet, scheidet die thierische Zelle gleichfalls Stoffe, bei Aseidien im Mantel Cellulose, in anderen Fällen stickstoff- haltige organische Substanz, aus, die aber nieht eine für sich bestehende Hülle um die Zelle herum formirt, sondern zwi- schen den Zellen zu einer gemeinsamen Masse sich ansam- melt, da hier ein, dem Pflanzengewebe eigenthümlicher Stoff, jene die Zellen trennende Intercellularsubstanz fehle. Das Fehlen dieser Intercellularsubstanz, welche durch Schwefel- säure nicht angegriffen werde, aber durch Aetzkali und bei Mazeration sich löse, bilde der Hauptunterschied zwischen thierischen und pflanzlichen Zellgeweben. Zwischen dem Zell- stoff im Mantel der Ascidien und dem des Pflanzenreichs treten zwei wesentliche Unterschiede hervor. Bei Phallusia bildet die Cellulose die Masse zwischen den Zellen, aber nicht, wie bei den Pflanzenzellen einen integrirenden Bestand- theil der Zellwand selbst; bei Cynthia und einer neuen, ihr verwandten aus Chili stammenden Art des Berliner Museums bildet der Zellstoff freie Fasern, was im Pflanzenreich nir- gend beobachtet wird. Eine Frage von prineipieller Wichtigkeit für die allge- meine Anatomie hat Donders besprochen und zugleich an einem Beispiel seine Ansichten zu erläutern gesucht. (Form, Mischung und Funktion der elementaren Gewebtheile im Zusammenhange mit ihrer Genese. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoolog. Bd. III, p. 348; und Bd. IV, p. 242sq.). Sollen die grossen Aufgaben der allgemeinen Anatomie erfüllt werden, bemerkt der Verfasser, so seien vor allen Dingen der Zu- sammenhang von Form und Mischung, Entstehung und Funk- tion der verschiedenen Elementarformen anzudeuten, und die besonderen Bedingungen zu erforschen, unter welchen jede Elementarform und jedes Gewebe aus ursprünglich gleichen Formen entstehe. Wenig sei in ersterer Beziehung, fast gar nichts in letzterer erreicht. Den Grund hiervon sieht Don- ders darin, dass man seit Schwann’s Klassifikation der Gewebe seine Aufmerksamkeit fast ausschliesslich auf die Form und Verbindung der Zellenmembran gerichtet habe, und dass dabei der Zelleninhalt und die Intercellularsubstanz ver- nachlässigt worden sei. (!R.). Die verschiedenen Formen der mr [u Zellenmembranen würden aber nur dann zu beachten sein, wenn sie zugleich bestimmten Mischungen, bestimmtem Stoff- wechsel und bestimmten Funktionen der betreffenden Ge- webe entsprächen. Dieses sei jedoch nicht der Fall. Denn die gestreiften Muskelfasern, Nervenfasern, Drüsengänge etec., welche (nach der Ansicht mehrerer Histologen R.) aus Rei- hen von Zellen auf eine und dieselbe Weise entstanden seien, verhalten sich in der chemischen Zusammensetzung und Funk- tion ganz verschieden. Andrerseits sei man genöthigt, die sternförmigen Pigmentzellen von den pigmentirten Epithelial- zellen zu trennen, die doch nach der Ansicht des Verfassers wegen der in ihnen enthaltenen Pigmentkörnehen nothwendig zusammen bleiben müssten. (?) Wären die Formelemente ho- mogen, so liesse sich eine Eintheilung nach dem chemischen Verhalten begründen. Nun sind aber Formelemente meist zusammengesetzt, daher darf ein Zusammenhang zwischen Form und Mischung nicht in ihnen, sondern nur in den sie zusammensetzenden Theilen gesucht werden. Diese Theile seien die Zellenmembran, der Zelleninhalt und, wie die Stu- dien über die Gebilde der Bindesubstanz gelehrt haben, die Intercellularsubstanz. Da nun die Eigenschaften der späteren Formen im nächsten Zusammenhange mit ihrer Genese aus der Zelle, dem Zelleninhalte oder der Intercellularsubstanz stehen, so komme es bei Charakterisirung und Eintheilung der Gewebe hauptsächlich darauf an, zu wissen, ob die Zel- lenmembran, ob die Intercellularsubstanz, oder der Zellen- inhalt vorwiegend sei, und welche Veränderungen in ihrer Reihenfolge der Zelleninhalt durchgemacht habe. Von den bezeichneten Bestandtheilen der Elementarformen sei der Hauptträger der Spezies und der Individualität der Zellen- inhalt und die Intercellularsubstanz, weil sie mannigfaltige Metamorphosen eingehen können. Dagegen zwinge uns die Analogie zu der Annahme, dass für die Zellenmembran, wie bei den Pflanzen die Cellulose, eine überall gleiche Substanz, die thierische Cellulose, vorkomme, zu deren näherer Erläu- terung der Verfasser dann übergeht. Demgemäss wird zuerst ihr Vorkommen besprochen. Kein Zweifel bestehe darüber, dass die umhüllende Membran an den selbstständigen Zellen eine Zellenmembran sei. Dasselbe gelte auch für die primi- tive Nervenscheide, primitive Muskelscheide, für die Wandun- gen der Haargefässe, der vereinigten Pigmentzellen ete., bei enen überall die Entstehung durch Kommunikation des Zel- leninhalts mit oder ohne vorhergehende Verzweigung und Verwachsung in verschiedenen Richtungen nachgewiesen sei (!R.). Der Verfasser sucht dann nachzuweisen, dass auch die Spiralfasern (Henle’s Kernfasern) und das elastische Gewebe, #0 wie die Fasernetze im Netzknorpel (Ohrknorpel) als zum Theil verzweigte, verdiekte, verwachsene, ihres In- halts beraubte Zellenmembranen anzusehen seien. Die Re- 78 sultate seiner Untersuchungen fasst Donders in folgende Worte zusammen. Sowohl bei Pflanzen, wie bei Thieren ent- stehe eine unauflösliche Substanz aus einer gelösten, die ver- möge ihrer Konstitution die Form einer Zellenmembran an- nehme. Wie verschieden auch die thierische und pflanzliche Cellulose sich chemisch verhalten, so dürfe man doch, wegen der physiologischen Uebereinstimmung, voraussetzen, dass sie ursprünglich gleich seien, und dass vielleicht die thieri- sche Cellulose als eine Verbindung der pflanzlichen mit stick- stoffhaltigen, organischen Substanzen auftreten könnte. Die Membrana Descemetü, Capsula lentis, die sogenannten Grund- membranen (Basement-Membrane) stellen thierische Cellulose dar, die sich entweder unter Bedingungen abgelagert, unter welchen es zu keiner Zellenbildung gekommen sei, oder die aus verwachsenen Zellenmembranen, wie das elastische Ge- webe, bestehe. Die thierische Zellenmembran bleibt als solche bestehen, oder verdickt sich oder unterliegt der Re- sorption. Sie wächst in verschiedene Richtungen und ver- einigt sich, mit oder ohne Verzweigungen, mit anderen Zel- lenmembranen. Sie atrophirt, verliert Kern und Inhalt und wird zur Faser, welche Fasern untereinander Netze bilden, die wiederum durch Verdiekung und Verwachsuug zu Mem- branen sich gestalten können. Die Atrophie der Zellenmem- branen wird durch frühzeitige Entwiekelung und faserige Or- ganisation der Intercellularsubstanz bedingt (Gebilde der Binde- substanz). Um die Ansichten des Verfassers zu charakteri- siren, kann Ref. nicht unterlassen, folgenden Satz mitzuthei- len. „Man denke sich den Inhalt und Kern einer Muskel- faserzelle geschwunden, und man hat das Bild einer elastischen Faser vor Augen.“ Die thierischen Zellenmembranen und alle aus ihnen entwickelten Formen besitzen dieselben che- mischen und physikalischen (Brechung des Lichtes, Elastiei- tät ete.) Eigenschaften. Sie widerstehen ausserordentlich der Einwirkung der meisten chemischen Reagentien, und bei den vorhandenen Unterschieden sind die Altersverhältnisse und der verschiedene Wassergehalt besonders in Betracht zu zie- hen. Sie nehmen trägen Antheil am Stoffwechsel, und be- sitzen weder Kontraktilität, noch Gefühl. Der Inhalt der Zellenmembranen vielmehr metamorphosire sich in verschie- denen Richtungen, stelle Blut, Pigment, Nerven-, Muskel- substanz ete. dar, und von ihm hängen jene Lebensäusserun- gen ab. Kontraktion sei eine Lebensthätigkeit, die im Stoff- wechsel ihren Grund habe. Die physiologische Bedeutung der Zellenmembranen beruhe vielmehr auf ihren physikalischen Eigenschaften; so als elastische Faser, ferner wegen der Ab- grenzung des Stoffes (flüssiger R.) in Millionen von selbst- ständigen Gruppen, desgleichen wegen ihrer Permeabilität ete. und als Moderator des mechanischen Stoffwechsels. Trotz mancher Wahrheiten, welche die Erörterungen des 79 Verfassers enthalten, ist darin eine gewisse Einseitigkeit nicht zu verkennen, die sich sowohl in der Beurtheilung unserer bisherigen histologischen Bestrebungen, als in der Angabe über die Richtung unserer zukünftigen Studien ausspricht. Seit Jahren sind die Histologen bemüht gewesen, sowohl die verwandtschaftlichen als die unterscheidenden Charaktere der Formelemente nach den morphologischen, chemischen, phy- sikalischen Eigenschaften zu bestimmen und damit im noth- wendigen Zusammenhange bestimmte Lebensäusserungen sich zu denken. Diesen Bestrebungen hat man manche gute Aus- beute zu verdanken; dass wir nicht überall zum Ziele gelangt sind, und noch manche Kontroversen vorliegen, ergiebt sich aus der Natur der Sache und aus der Natur unseres Wissens. Donders ist geneigt, den nothwendigen Zusammenhang zwi- schen Form, Mischung, ete. und Lebensäusserungen bei den Formelementen abzuleugnen, und bezieht sich dabei auf den Mangel an Homogenität derselben. Allein der Sinn jener Worte ist mit Rücksicht auf die Natur der Krystalle aufge- fasst. Die Formelemente jedoch sind seit der Entdeckung der Zelle als organisirte Körper behandelt; ihre Form ist eine zusammengesetzte, eine entwickelte; ebenso ihre Mischung. Ein Blick auf die allgemein als Verwandte anerkannten Epi- - thelien lehrt, dass die organisirte Form und die Mischung der darin gegebenen Bestandtheile in einer gewissen Breite varjiren können, und ebenso ihre Leistungen und Funktionen im lebenden Organismus. Gleichwohl wird dadurch, wie es dem Ref. erscheint, der Grundsatz nicht getrübt, dass, wie bei den zusammengesetzten, organisirten Wesen, so auch bei den Formelementen mit einer bestimmten organisirten Form stets auch eine bestimmte Mischung ihrer Bestandtheile und entsprechende Leistungen verbunden sind. Da alle Formele- mente, wie die Entwickelungsgeschichte nachweiset, aus Zel- len hervorgehen, so sind bei genetischer Charakterisirung der organisirten Form auch der Formelemente sowohl die festen Bestandtheile, als die flüssigen Theile zugleich ın Rechnung zu bringen; und wo ein elementares Gewebe durch Bethei- ligung mehrerer Zellen sich entwickelt, da kann, wie z. B. bei den Gebilden der Bindesubstanz, auch die Intercellular- substanz zu einem wichtigen Theile des histologischen Ent- wickelungsprocesses und so zur Charakterisirung der organi- sirten Form verwendet werden. Die einzelnen, in den histo- logischen Process eingreifenden Bestandtheile von einander trennen und sie isolirt auffassen, heisst nichts Anderes, als ein organisirtes Gebilde künstlich und mechanisch zusammen- setzen, das sich einheitlich entwickelt hat. Donders geht aber noch weiter; er erhebt den flüssigen Zelleninhalt, ja selbst die Intercellularsubstanz, auf Kosten der Zellenmem - bran und auch der Kerne zu den eigentlichen Trägern der Spezies und Individualität der Formelemente. Zwei Angaben s0 sollen den Beweis dafür liefern. Zuerst wird ausführlich die Identität des in den thierischen Zellenmembranen enthaltenen Stoffes nachgewiesen. Diese Identität redueirt sich jedoch schliesslich darauf, dass die Zellenmembranen feste Albumi- nate darstellen. Mit einer solchen Gleichförmigkeit lassen sich jedoch noch grössere Differenzen in der organischen Natur vernichten; eine ähnliche Gleichförmigkeit liesse sich auch für den flüssigen Zelleninhalt und für die Intercellular- substanz nachweisen. Die zweite Angabe bezieht sich auf die Beispiele, aus welchen hervorgehen soll, dass die ver- schiedensten Formelemente in der Form der Zellenmembranen übereinstimmen, und andrerseits verwandte Formelemente ganz abweichende Formen in den Zellenmembranen zeigen. Ganz abgesehen nun davon, dass, wie schon oben bemerkt, bei Charakterisirung der organisirten Form alle Bestandtheile im histologischen Entwickelungsprozesse zu beachten sind, so beweisen sich die herbeigezogenen Beispiele vollkommen un- sicher, da unsere Kenntnisse über die Entstehung der Mus- kelfaser, Nervenfaser ete. noch sehr im Argen liegen, und die pigmentirten Epithelialzellen sowie die sternförmigen Pig- mentzellen eben nicht verwandte Formelemente darstellen. Hiermit erledigen sich auch die Angaben des Verfassers, dass bei der Kontraktilität und bei der Leitung des Nervenstroms der Zelleninhalt das eigentlich agirende sei. Unter dem Aus- druck „Zelleninhalt* scheint Donders eine ganze Summe unbekannter Grössen zusammengefasst zu haben. Der für das Verständniss der Zellengenesis so wichtige Furehungsprozess ist von Remak (Müll. Arch. 1851, p- 495. — Froriep’s Tagsberichte 1851, p. 316) und Ecker (Fror. Tagsb. 1852, p. 78.) besprochen worden. Remak macht auf gewisse „rhythmische* Erscheinungen der Fur- ehungen im Froscheie aufmerksam, die nicht leicht den Be- obachtern entgangen sein können, und auf welche Ref. bei Beschreibung des Furchungsprozesses der Nematoden-Eier (Müll. Arch. 1846) bereits hingewiesen hat. Man beobachtet, dass die Furchungen auf derjenigen (oberen) Hälfte des Dot- ters schneller vorwärts schreiten, auf welcher später die Bil- dung der Organe zuerst beginnt, oder wo, wie Ref. früher angab, der Keimhügel von kleinern Furchungskugeln sich ansammelt. Der Verfasser sagt, dass die entsprechenden Furchungen niemals gleichzeitig an beiden Dotterhälften Statt haben, dass vielmehr die gleichsinnige Furchung an der un- teren Dotterhälfte nach Abschluss der entsprechenden an der oberen Hälfte auftrete, und dass auf der letzteren Hälfte die nächstfolgende Furchung immer erst nach beendeter Furchung der unteren Hälfte zu Stande komme. Remak fügt ferner hinzu, dass die Furchungen in der oberen Hälfte immer plötz- lich mit kaum messbarer' Geschwindigkeit erfolgen, an der unteren dagegen langsam. Referent hat in dieser Beziehung Sl keine wesentlichen Unterschiede auffinden können. — Ecker lenkte die Aufmerksamkeit der Naturforscher-Versammlung in Gotha auf gewisse Bewegtngserscheinungen an der Oberfläche kleinerer Furchungskugeln von 0,030—0,070 Millim. Es er- heben sich hier glashelle, halbkugelige Fortsätze, die sich allmälig lang ausstrecken, wie die Fortsätze der Rhizopoden, Dotterkörnchen in sich aufnehmen, und die dann entweder sich wieder in die Kugeloberfläche zurückziehen, während andere Fortsätze hervortreten, oder nach und nach die ge- sammte Masse der Dotterkörner zu ihrem Inhalte machen. Im letzteren Falle wird der Bruchsack zu einer Kugel, und die ursprüngliche Furchungskugel scheint nun von ihrer Stelle gerückt zu sein. Der Verfasser ist der Ansicht, dass du Bois und Referent (Müll. Arch. 1541, p. 534), desgleichen Bergmann (a. a. Ö. S.95sq.) diese Fortsätze für durch Wassereinsaugung abgehobene Zellenmembranen erklärt und darin den Hauptbeweis für die Zellennatur der Furchungs- kugeln gefunden hätten, wogegen Bischoff und Kölliker in den glashellen Halbkugeln hervorquellende, ölartige Tropfen erkannten. Ecker leugnet die Anwesenheit der Membranen an den Furchungskugeln; letztere verhalten sich vielmehr wie Kugeln, die aus zäher, weicher Masse gebildet seien, und dieses soll mit der Zellennatur derselben unverträglich sein. Die beschriebenen Bewegungserscheinungen zeigen sich auelr dann, wenn kein Wasser zugesetzt wird; sie haben die meiste Aehnlichkeit mit den Kontraktionen der Sarcode, und auch die Bewegungen an den Dotterzellen der Planarieneier (v.Sie- bold) sollen in dieselbe Kategorie gehören. — Remak da- gegen hält die Furchungskugeln des Frosches für wirkliche Zellen, die erwähnten Substanzversehiebungen aber nicht für Kontraktionen. Bei Biern der dritten Furchungsstufe (8 Fur- chungskugeln) unterscheidet der Verfasser an jedem Abschnitte der dunkleren Dotterhälfte sogar zwei dicht anliegende Mem- branen. Die äussere Membran ist braun, die innere weiss, und beide sind an ihrer Innenfläche mit feinen Dotterkörn- chen besetzt. Beide Membranen betheiligen sich an der fol- genden Abschnürung. Die eingeschlossenen Kugeln sind aus- serdem von einer besonderen, an das Protoplasma sich an- schliessenden Membran umgrenzt. Jeder Theilung einer Fur- chungskugel geht ferner eine Theilung des „gelben“ Kerns voraus. Diese Kerne haben anfangs keine Kernkörperchen. Später bemerkt man, dass die Theilung von den Kernkör- perchen beginnt und von da auf die Kerne fortschreitet. Die Tochterkerne sind, bevor sie sich von einander entfernen, von einer Mutterkern-Membran umgeben. Am Schlusse des Purchungsprozesses fand der Verf. 2, 3, 4, 6, 8 Kerne von einer Mutterkern-Membran umhüllt. Remak hatte schon früher (Unt. üb. d. Entw. d. Wirbelth. Lehrg. I, p. 4) die von Siebold an den Dotterzellen der Planarieneier bemerkten 32 Kontraktionen auf endosmotische oder exosmotische Vorgänge zurückzuführen gesucht. Dieselbe Deutung nimmt der Verf. auch jetzt für die von Ecker erwähnten Bewegungserschei- nungen an den Furchungskugeln des Froschdotters in An- spruch. a Die Kontroverse über den Furchungsprozess scheint einer baldigen Erledigung nicht entgegen zu sehen; ja, Ref. fürch- tet sogar, dass die Angaben Remak’s von zwei unter- scheidbaren Membranen an den Furchungskugeln die Beob- achtungen derjenigen Forscher verdächtigen dürften, welche unter günstigen Umständen von der Anwesenheit einer Mem- bran sich überzeugt hatten. Die Erscheinungen und Gründe, welche Ref. veranlasst haben, die Anwesenheit von Mem- branen an den Furchungskugeln festzusetzen, sind ausführ- lich in der Abhandlung über den Furchungsprozess beim Strongylus auricularis der Frösche (Müll. Arch. 1846) bespro- chen worden. Zu wiederholten Malen hat ferner Ref. auf den Faltenkranz und seine Veränderungen bei der Entste- hung und dem weiteren Fortschreiten der ersten Furchen an den Froscheiern hingewiesen. Für den Ref. besteht daher nicht der geringste Zweifel darüber, dass die Furchungskugeln ihre Membranen besitzen, und zu bedauern ist nur, dass an- dere Forscher es verabsäumen, da ihre Untersuchungen an- zustellen, wo die Verhältnisse am günstigsten sind. Dieses wird um so nothwendiger, als eine Zerstörung der zarten Membran, wie bei allen jungen Zellen, sehr leicht eintritt, und der Inhalt wegen seiner zähen Beschaffenheit nicht aus- einanderfliesst, sondern im Wesentlichen die Form der ur- sprünglichen und unversehrten Furchungskugel beibehält. Häufig übrigens verliert die Furchungskugel nach Zerstörung der Zellenmembran an Schärfe der Kontour und an Rundung der Form; die Furchungskugel wird flacher, breitet sich etwas aus; die Furchen zwischen den Kugeln sind nicht so scharf und bestimmt gezeichnet. Diese Veränderung lässt sich na- mentlich sehr schön an den, im Furchungsprocess begriffenen Kanincheneiern verfolgen. Einige Forscher scheinen zu glau- ben, dass die Erhaltung der Form der Furchungskugeln von überwiegendem Einfluss auf die Festsetzung von Hüllen an denselben gewesen sei, und geben sich Mühe, dieses auch bei Abwesenheit der Hüllen zu erklären. Das ist natür- lich sehr leicht; aber es ist auch von untergeordnetem Be- lange für die Entscheidung der Kontroverse. Wenn ferner Ecker in Uebereinstimmung mit früheren Behauptungen Bi. schoff’s und Kölliker’s angiebt, dass du Bois-Rey- mond und Referent die halbkugligen, wahrscheinlich aus flüssigem Fett bestehenden Vorsprünge oder Ansätze an den Furchungskugeln für durch Wassereinsaugung abgehobene Zellenmembranen gehalten hätten, so muss Ref. dieses ent- schieden in Abrede stellen. Niemand hat wohl bisher beob- 33 achtet, dass eine, noch dazu so zarte Zellenmembran bei Diffusion des Wassers so lokal und in solcher Ausdehnung hervorgetrieben werde, und darum kann es auch Niemanden einfallen, dergleichen Erscheinungen an den Furchungskugeln auf endosmotische Prozesse zu beziehen. Aber ebenso wenig vermag Ref. in der Erstehung und Veränderung bezeichneter Anhänge an den Furchungskugeln eine Erscheinung zu er- blicken, welche sich mit den Bewegungserscheinungen der Sarcode vergleichen liesse. Wahrscheinlich sind es nur ein- fache Attraktionsverhältnisse, welche obige Erscheinungen bedingen. — Der schwierigste Theil der Untersuchung des Furchungsprozesses betrifft das Verhalten der Kerne und der etwa vorhandenen Kernkörperchen; Erscheinungen der Art, wie sie Remak beschreibt, sind dem Ref. bisher nirgend aufgestossen. Im Canstatt’schen Jahresbericht vom Jahre 1851 hat Henle mitgetheilt, dass die Art, wie derselbe in seiner allg. Anat, Kern- und Zellenfasern einander gegenübergestellt habe, nur eine ‘der Zellentheorie (?R.) gemachte Konzession gewesen sei, und dass er durch neuere Erfahrungen von die- ser Ansicht abgehen zu müssen glaube. (p. 28). Die näheren Erläuterungen seiner jetzigen Ansicht werden bei den Ge- bilden der Bindesubstanz ete. besprochen werden. Spezieller Theil. ) Eier. H. Meckelvon Hemsbach untersuchte die Bildung der Vögeleier und ist zu Resultaten gelangt, die eine wesent- lich verschiedene Auffassung von der Natur dieser und ähn- licher Eier bedingen. In den kleinsten Kapseln oder Graaf- schen Follikeln soll ausser dem Epithelium nur ein wasser- helles Bläschen, das spätere Keimbläschen existiren. Um dieses Keimbläschen zeigen sich etwas später Fettkörnchen, und dann runde sich um dasselbe die körnige Eisubstanz (Bildungsdotter, spätere Keimanlage) ab, während im Keim- bläschen ein centraler Fleck sichtbar werde. Weiterhin wird die Eisubstanz von einer homogenen, anfangs schleimigen Zona pellueida, der Dotterhaut (nicht des Vogeleies, sondern einfacher Eier), umgeben, und der Keimfleck löst sich in ein Wölkchen auf, in welchem zahlreiche, Blende Tröpfchen liegen. Darauf beginnt das Epithelium der Eikapsel zu wu- chern, umhüllt gleich einem Discus proligerus der Säugethier- eier das vorhin beschriebene Ei und verwandelt sich in die Dotterhaut und in den Nahrungsdotter (Zellen der Dotter- höhle und der Dottersubstanz) der Vogeleier. Bei den Hüh- Müller's Archiv. 1852. Jahrenbericht, F 54 nereiern geht die Bildung auf dieselbe Weise vor sich. In ®/, Zoll grossen Hühnereiern zeigt sich in der gewucherten Epithelienmasse ein sehr komplizirtes Verhältniss von Schich- ten-Verschiedenheit. Zunächst an der bindegewebigen (Graaf- schen) Kapsel liegt ein Pflasterepithel mit gelbem Fett; dar- auf eine feine, faltige, scheinbar strukturlose, doch aus ver- klebten Zellen bestehende, geschichtete und irisirende Mem- bran, und dieses ist die spätere sogenannte Dottermembran; darauf eine leicht abziehbare, steife, Falten werfende und aus kubischen Zellen bestehende Membran; sodann eine aus Pflasterzellen bestehende Schicht, die den Diseus bildet; end- lich der gelbe Dotter mit seinem peripherischen mehr ‚gelben und dem centralen milchigen Theile, welcher letztere eine Erweichung des peripherischen darstellt. An gekochten Eiern lässt sich beweisen, dass der Nahrungsdotter- Theil um die milchige Höhle eine koncentrische Schichtung besitze, die von einer Periodieität der Bildung abhange und äusserlich als Ha- lonen um die Cieatrieula sichtbar werde. Hiernach entspricht (nach dem Verf.) das Ei des Menschen nicht dem Dottergelb des Vogeleies, sondern dem Purkinje’schen Bläschen der Vögel, so wie der Amphibien. Da jedoch das Purkinje’sche Bläschen die Vesicula germinativa ist, so müsste nächM ecekel's Darstellung der Bildung auch die dasselbe umgebende kör- nige Schicht mit der Zona pellueida hinzugenommen werden, d. h. also namentlich die Substanz, welche sich in die Keim- anlage verwandelt. Der Nahrungsdotter des Vogeleies ist ferner ein accessorischer Theil, welcher sich mit dem wäss- rigen Inhalt (und dem Diseus proligerus) des Graaf’schen Follikels, sowie namentlich mit dem Corpus luteum des Men- schen und der Säugethiere vergleichen lässt; das Pigment des Dottergelbs und das Corp. luteum sei ein und dasselbe. Das Dottergelb und das Corp. luteum sind ihrer Bildung nach für epidermisartige Seeretionen des Graaf’schen Follikels (mit der Membr. granulosa) zu halten. Die Schalenhaut der Vö- gel- und Schildkröten-Eier ete. sollen nach dem Verf., wie die Deeidua des Menschen durch Abstossung der Gebärmut- ter-Schleimhaut gebildet werden. Bei der Frage, ob das ein- fache Ei der Thiere eine Zelle sei, meint der Verf. zunächst, dass man bisher bei der Definition der Zelle zu sehr zwei extreme Richtungen, eine liberale (Kölliker) und eine kon- servative (Reichert) verfolgt habe. Mit Al. Braun versteht der Verf. unter einer Zelle einen kleinen Organismus, der sich nach aussen seine Hülle (die stickstofflose Pflanzenzell- membran) baue, der aber an sich als mehr oder weniger flüssiger, mit eigner zarter Haut (Primordialschlauch) be- grenzter Körper den wesentlichen und ursprünglichen Theil darstelle und als Zelle zu betrachten sei, bevor noch durch Ausscheidung das passive Schutzorgan gebildet werde. Dem- nach gehört nach dem Verf. zu einer Zelle wesentlich nur der Kern als beherrschendes Centrum und die Zellensubstanz (Inhalt der Zelle), welche theils durch Epigenese aus dem Kern, theils durch Opposition aus dem Plasma in der Um- gebung entstehe, aber nieht nothwendig eine membranös ge- wordene Grenzschicht (Zellenmembran) zu besitzen brauche, So sei denn auch das Ei von dem Zeitpunkt an als Zelle zu bezeichnen, wo sich um das Keimbläschen eine davon ab- hängige Zellensubstanz gebildet habe, zu der erst später die Dotterhaut hinzutreten soll. Dagegen erlaubt sich Ref. die Bemerkung, dass hüllenlose, unversehrte, wirkliche elemen- tare Zellen mit Sicherheit nirgend nachgewiesen sind, dass auch A. Braun von den Zellen den Primordialschlauch nicht absondert, dass endlich in Betrefi der Entwickelung der Eier, da. wo sich der Prozess übersichtlich (wie z. B. bei den Ne- matoiden-Eiern) verfolgen lässt, die frühste Form des Eies als eine gekernte, mit einem durchsichtigen Inhalt und Zel- lenmembran versehene Zelle sich darstellt, und dass der An- schein einer Umlagerung des Dotters um den Kern oder das Keimbläschen durch Deposition von Körnchen im klaren, flüssigen Inhalte der Zelle hervorgerufen wird. (Zeitschrift f. wiss. Zoolog. Bd. II. p. 420 sq.). Epithelien. H. Luschka unterscheidet an den serösen Häuten des Menschen (die Struktur der serösen Häute des Menschen. Tübingen, 1851; p. 11 sq.) zwei Arten von Plättchen-Epithe- lium, von denen die eine regelmässig in ihren Plättehen runde oder oblonge Kerne enthalte, die andere dagegen derselben von Anbeginn oder in.Folge von Verkümmerung ermangele. Bei der ersten Art, wie z. 5 auf dem Herzbeutel, den Pleu- ren, auf dem Bauchfell, sind die Kerne öfters von einer höchst feinen granulirten Substanz umgeben, und die Umrisse der Plättchen im Zusammenhange kaum zu erkennen. Die kernlosen Plättehen sind fast immer die ältesten, in der Ab- lösung begriffenen, von schärferer Begrenzung, bisweilen von völlig homogenem Ansehen. Manche kernlose Plättchen schei- nen von Hause aus, vielleicht in Folge einer Art Hemmungs- bildung, ihres Kerns zu entbehren, so meistens beim Epi- thelium der Arachnoidea auris in dem perilymphatischen Raume des Labyrinthes. Auch die kernlosen Plättchen der inneren Wurzelscheide des Haares rechnet der Verfasser hierher; in- zwischen möchte sich, wie hier sehr schön, so auch an der Arachnoidea wohl nachweisen lassen, dass Kerne dagewesen sind. eiE). Die kernlosen Plättchen sieht man bisweilen auf der Pleura und dem Bauchfell zu einer gleichförmigen Lamelle verschmolzen, welche nur hier und da durch höchst feine Furchen die ursprüngliche Bildung aus einzelnen Plätt- chen errathen lassen. Dergleichen Bildungen, glaubt der Verf. mit Unrecht, seien von den Englischen Autoren für die Ba- F* 86 sement-Membrane gehalten worden. An den Schleimbeuteln und Schleimscheiden beschreibt Luschka eine Art „unvoll- kommenster“ Epithelialbildung, bei welcher es überhaupt nicht zur Scheidung in Plättchen gekommen sein soll. Hier finde man in einer feinkörnigen Masse ganz regellos grössere, meist ovale Körper. Von diesen Epithelien stossen sich einzelne Stücke mit sehr unregelmässigen Rändern ab, die zwei oder mehrere jener Körper enthalten. Speziellere Mittheilungen über das Epithelium der serösen Häute werden später bei den serösen Häuten angeführt werden. Henle erwähnt bei seinen Erläuterungen zur Kernfaser- theorie (Canstatt’s Jahrb. v. J. 1851, p. 26) der „epithe- liumartigen Häute“, mit welchen das Bindegewebe des Embryo vielfach in Verbindung stehe. Sie finden sich nicht nur, und zwar auch bei Erwachsenen, regelmässig auf den freien Flächen bindegewebiger Membranen, sondern bei Em- bryonen (4—6” langen) auch zwischen Haut und Muskeln. Desgleichen werden Sehnen und Sehnen-Abtheilungen von ähnlichen Ueberzügen umhüllt, die man auf dem Querschnitt als einfache und kontinuirliche Lage von Kernen erkenne. Alle diese Membranen, und ebenso das Epithelium der se- rösen Häute, bestehen aus einer gleichförmigen,, strukturlosen Schieht mit regelmässig neben einander geordneten kugligen und bläschenförmigen Zellenkernen; Abgrenzungen, die auf eine Verschmelzung aus Zellen zu deuten wären, seien nicht wahrzunehmen. Durch die Faltung solcher Membranen, so- wie durch das Zerfallen derselben in schmale, oft sehr lange Plättchen, die einen oder mehrere Kerne einschliessen, werde man zur Annahme von Faserzellen verleitet. Werden die Membranen mit Essigsäure oder einer Lösung von chrom- saurem Kali behandelt, so zeigen sie sich schleimig dehnbar, und die gezerrten und ausgespannten Fragmente laufen in feinste, faserförmige Fortsätze aus, die einfach, sternförmig, selbst verästelt sein können. Durch Wassereinsaugung bilden sich ferner in der Umgebung der Kerne Vacuolen, und wenn hier die Substanz in der Umgebung Ausläufer abschiekt, so kann das Bild einer multipolaren Ganglienzelle im Kleinen sichtbar werden. Auch die Kapillargefässe des Embryo lassen sich in solche scheinbare Faserzellen zerlegen. Die innere, mit querovalen Kernen versehene Schicht des Haarbalges rechnet der Verfasser gleichfalls zur Kategorie solcher epi- theliumartigen Häute. Endlich erklärt Henle die Umhüllun- gen der sympathischen Nerven, die derselbe früher ans kreis- förmig gelagerten, gelatinösen (Remak’schen) Fasern be- stehen liess, für derartige Häute. Demnach wird denn auch die Anschauungsweise Luschka’s, nach welcher es in dem unvollkommensten Epithelium überhaupt noch nicht zur Schei- dung in Zellen oder Plättchen gekommen sei, für wohl be- gründet gehalten und zugleich hinzugefügt, dass bei jüngsten 87 Embryonen regelmässig an solchen Stellen, wo später eine einfache Lage von Pflasterzellen vorkomme, epitheliumartige Häute 'angetroffen würden. Bei Erwachsenen finden sie sich nicht allein an Schleimbeuteln und Schleimscheiden, wie Luschka angebe, sondern auch ziemlich häufig auf der Tunica Descemetii und am häufigsten auf der inneren Oberfläche der Gefässe. (a. a. ©. p. 31.). Es ist nicht zu verkennen, dass Henle in der Auffassung und Deutung der sogenannten „epitheliumartigen* Häute sich ganz und gar von der von ihm vertretenen Kerntheorie hat bestimmen lassen. Wie früher im Malpighi’schen Netze nur Kerne mit Blastem gegeben sein, und erst um die Kerne später die Zellen sich abgrenzen sollen, so müssen jetzt alle Epithelien in unentwickeltster Form eine mehr oder weniger feste blastematische Schicht mit Kernen (epitheliumartige Häute) darstellen; nur später beim weiteren Fortgange der histologischen Ausbildung tritt Trennung in epitheliale Zellen ein. So gelangte der Verfasser zu einem, der gewöhnlichen Auffassung ganz entgegengesetzten Resultate. Andere For- scher und namentlich auch Ref. halten jene Epithelien, in welchen die Kontouren der Zellen schwer oder gar nicht sichtbar, und die Zellen selbst von einander schwer trennbar sind, für die am meisten histologisch veränderte und am wei- testen entwickelte Form; Luschka und noch entschiedener Henle machen es grade umgekehrt. Ref. stützt seine Ansicht auf die Reihefolge der Veränderungen bei Bildung der inneren Haarwurzelscheide und der Rindenschicht des Haares des Menschen und auch bei manchen Thieren. Man beobachtet hier ganz deutlich, dass die aus geschiedenen Zellen beste- henden unteren Portionen weiter hinauf in solehe epitheliale Bildungen übergehen, bei welchen die Kerne zum Theil oder gänzlich verkümmern, die Zellen sich abplatten, ihre Kon- touren undeutlich werden, und ihre Trennung von einander nur sehr schwer, auch wohl gar nicht mehr gelingt. Auch an den verschiedenen Schichten der Epidermis des Frosches lässt sich verfolgen, dass die Trennung der Zellen in den äusseren Schichten, mit dem gleichzeitigen Undeutlicherwer- den ihrer Kontouren, viel schwieriger von Statten geht, als in den inneren und tiefer gelegenen Schichten. Henle stützt seine Ansicht darauf, -dass an Stellen, wo später gepflasterte Epithelien vorkommen, im Embryo die sog. „epitheliumartigen äute“ sich finden. Diese Angabe würde an und für sich den genetischen Zusammenhang noch nicht erweisen; sie ist aber überdies nicht richtig, da sich an den bezeichneten Stellen in frühzeitigen, embryonalen Zuständen Epithelien mit deutlichen Zellen beobachten lassen, und später die Epi- thelien wie im erwachsenen Zustande sich verhalten, wo auch nicht selten die Begrenzungen der Zellen erst nach Behand- lung mit Jodwasser ete. sichtbar werden. Vielmehr vermuthet 88 Ref., dass der Verf. bei seinen Untersuchungen mit den in der Entwiekelung begriffenen Bindegewebe-Lamellen, nament- lich auf der Basement-Membrane oder der früher nach Henle sogenannten intermediären Haut zu thun gehabt habe. In dieser Vermuthung wird Ref. noch besonders durch die An- gaben Henle’s bestärkt, dass die „epitheliumartigen Häute* auch zwischen Muskeln und Haut, desgleichen um die Seh- nen und Sehnen-Abtheilungen vorkommen sollen. Die in der Entwickelung begriffene Bindesubstanz zeichnet sich aus: durch die Häufigkeit der Kerne oder, um mit Virchow zu sprechen, der Bindesubstanz-Körperchen, und, wo eine kon- tinuirliche Lamelle vorliegt, durch deren regelmässige Anord- nung. Dadurch erlangen solche Lamellen eine grosse mi- kroskopische Aehnlichkeit mit den von dem Ref. sogenannten epithelialen Membranen, bei welchen die Zellen schon unter- einander ganz verschmolzen sind, oder doch die Kontouren undeutlich geworden. Wie sehr gleicht nieht unentwickelte Sehnensubstanz, deren Körperchen (Kerne) länglich geworden sind, der Rindensubstanz des menschlichen Haares, bevor dieselbe hornartig geworden. Auch die Kapseln der Vater- schen Körperchen bieten Aehnlichkeit mit epithelialen Mem- branen dar. Endlich kann jedes formlose oder unreife Binde- gewebe, in welchem die kernähnlichen Bindegewebe-Körper- chen noch häufiger anzutreffen sind, mit epithelialen Mem- branen verwechselt werden. Unsere chemischen Kenntnisse sind leider noch zu ungenügend, um in gewissen schwierigen Fällen die richtige Unterscheidung zwischen den bezeichneten Bindesubstanz-Gebilden und den epithelialen Membranen zu treffen. Hier wie dort ist die Neigung zur Runzel- und Fal- tenbildung vorhanden; bei beiden gelingt es, durch Zerrung faserartige Bruchstücke zu gewinnen; doch die von Henle mitgetheilte Beschreibung von sternförmigen Fragmenten passt am meisten auf das Verhalten des unreifen Bindegewebes. Der Hauptunterschied liegt in der Entstehungsweise, indem jedes Bindesubstanz-Gebilde unter Betheiligung von Zellen und Intercellularsubstanz sich entwickelt, während bei den Epithelien wenigstens mikroskopisch nachweisbar als histolo- gische Bestandtheile nur elementare Zellen wirksam erschei- nen. Auf diesen Unterschied jedoch darf Henle nicht ein- ehen. 5 Dithrich, Gerlach und Herz, desgleichen Kölliker vermochten in den Hirnventrikeln Hingerichteter weder Flimmerbewegung wahrzunehmen, noch Flimmerzellen auf- zufinden. (Versuche und Beobachtungen an Leichen von Hin- gerichteten, Prag. Vierteljz. Bd. III. p. 65 und Zeitschr. f. wiss. Zool. a. a. O. p. 22.). Haare. Von C. Langer sind Beobachtungen in Betreff der Re- sg generation der Haare gemacht. (Denksch. der Kais. Akad. der Wiss. zu Wien. Bd.]l.). Wie bei der Feder und den Stacheln, so spitzt sich auch das Haar, nachdem es zu wach- sen aufgehört, an seinem Wurzelende zu, wird hier durch- siehtiger und besteht nur aus Rindensubstanz. Darauf be- merkte man an Thierbälgen, dass der Haarbalg nach unten sich erweitere und am Grunde desselben die durch ihre Pig- mentkörnchen ausgezeichnete Haarpapille hervortrete. Dieses Stadium fand sich den ganzen Winter hindurch beim Rehe, bei Hirschen und Gemsen; erst im Frühjahr schritt die Haar- papille in ihrem Wachsthum weiter vor. Das alte Haar liegt in der Folge noch eine Zeitlang im Haarsack an der Seite des jungen, bis es schliesslich ausgestossen wird. Im Bericht des vorigen Jahres (Müll. Arch. 1851, p. 22 sq.) hatte Ref. bemerkt, dass es ihm durch Kochen der Haare in Natronlösung (nach Kölliker) nicht gelungen sei, eine voll- ständige Ueberzeugung von einer regelmässigen Vertheilung der Kerne in der Rindensubstanz des menschlichen Haares zu gewinnen. Neuerdings von Dr. Reissner hierselbst (Nonnulla de hominis mammaliumque pilis, Dorpati 1853) ge- machte Versuche haben Präparate gegeben, durch welche des Ref. Zweifel vollständig beseitigt worden sind. Bei diesen Untersuchungen gelangte auch Ref. zur Ueberzeugung, dass das undeutlich zellige Wesen der menschlichen Haarmarksub- stanz durch die Anwesenheit wirklicher horniger Markzellen bedingt werde. Ausserordentlich überzeugend für diese An- sicht ıst dem Ref. der Vergleich des menschlichen und Pferde- haares gewesen. Was übrigens in Betreff des Verhaltens der Pulpa pili zur Bildung des Haares und der Marksubstanz berichtet wurde, hat sich auch durch die neuesten Untersu- chungen Reissner’s in jeder Beziehung als wahr bewährt. Gebilde der Bindesubstanz. Ein wichtiger Fortschritt in der Kontroverse über die hi- stologische Verwandtschaft der Bindesubstanz-Gebilde ist durch Virchow’s Mittheilungen „über die Identität von Kno- chen , Knorpel- und Bindegewebskörperchen, so wie über Schleimgewebe*“ herbeigeführt. (Verh. der phys.- med. Gesellsch. z. Würzb., Bd. II. 150 sq.). Der Verf. weiset zunächst darauf hin, dass ebenso, wie aus den Nadeln des blasig aufgetriebenen Gelenkendes der Tibia (Vergl. Jahresb. vom J. 1850, p. 51) aus jedem frischen, feuchten Knochen- fragmente, durch Anwendung koncentrirter Salzsäure oder Einwirkung der letzteren auf gekochte Knochenstückchen, die Corpusenla ossea als bestimmte begrenzte Körperchen sich darstellen lassen, an welchen der Kern und ein äusserer mit Fortsätzen versehener Theil unterschieden werden kann, und die also wahrscheinlich verästelte Zellen darstellen. Des- gleichen sind die Knorpelkörperchen wirkliche Zellen, die in 90 einer Höhle der Grundsubstanz oder in einem mit doppelt (? Ref.) kontourirter Wand versehenen Zellen-Hohlraum liegen, und eine Membran, einen körnigen Inhalt und einen oft noch mit Kernkörperehen besetzten Kern enthalten. Am schwie- rigsten nachweisbar ist die Zellennatur an den Knorpelkör- perehen in der Nähe der Oberfläche der Gelenkknorpeln ete. Die Knorpelkörperchen nahmen öfters die Sternform an, wie dieses von Bergmann und Queckett (Catalogue of the histologieal series in the Museum of the Roy. Colleg. of Surg. 1850. Vol. I, p. 102) bei den Knorpeln der Sepien hervorgeho- ben. Die besten Stellen für den Uebergang runder Knorpel- zellen in sternförmige finden sich da, wo Faserknorpel in hyalinen übergeht, namentlich an den Intervertebralknorpeln, wenn das Präparat gekocht oder mit Essigsäure behandelt worden ist. Endlich rechnet Virchow zu den homologen Theilen der Knochen- und Knorpelkörperchen die Kern- oder Spiralfasern in dem sogenannten geformten Bindegewebe. Dieses ergiebt sich daraus, dass im fötalen Zustande dieses Gewebes eine gallertartige, homogene Grundmasse und darin vertheilt Zellen in oft verästelter Form vorkommen, welche später in das Spiralfasernetz sich verwandeln. Die soge- nannten Bündel des Bindegewebes sind nach dem Verf. nichts anderes, als die durch diese Zellen getrennten Streifen der Intercellularsubstanz. Die Kerne sind es nicht, welche sich in die Spiralfasern umbilden. Man sehe zwar sehr oft lange Kerne, namentlich nach Behandlung mit Essigsäure, oder wenn das Gewebe beim Kochen einschrumpfe. Allein sie verästeln sich nicht; auch finde sich kein sicheres Beispiel ihrer Berührung, Anastomose und Verwachsung. Das, was man als Verwachsung gesehen habe, sei der Zellenfortsatz, der gewöhnlich als ein sehr feiner, äusserst dünn kontourir- ter Faden fortgehe und, häufig die deutlichsten Anastomosen mit anderen Zellen und deren Fortsätzen gewähren lasse. Die Wand der Zelle und ihrer Verlängerungen liege der Grund- substanz so enge an, dass kein Zwischenraum, keine Höhle der Grundsubstanz sichtbar werde; desgleichen sei, ausser dem Kerne und ausser einigen ganz kleinen Fettkörnchen vor oder hinter demselben, kein erkennbarer Zelleninhalt sonst weiter vorhanden; wahrscheinlich finde sich eine klare Flüssigkeit in der Höhle der Zelle. Hat man sich erst, sagt Virchow, durch längere Zeit fortgesetzte Untersuchungen gekochter Präparate an diese Art der Anschauung gewöhnt, so wird man die Richtigkeit derselben auch an frischen Sehnit- ten von Bindegewebesubstanzen konstatiren. Am leichtesten gelinge die Untersuchung an festen Bindesubstanz -Gebilden, an Bandscheiben, Sehnen, an der Hornhaut; nirgends aber ist dieses Verhalten leichter zu studiren, als an kleinen Pac- chionischen Granulationen, die abgeschnitten und in der To- talität unter das Mikroskop gebracht werden. So bilden also 91 die hohlen Zellfasern und Zellensterne, welche aufs Mannig- faltigste anastomosiren, ein er Röhren- und Höhlen- system durch die Gewebe der Bindesubstanz, das wahrschein- lich der Ernährung diene. Knochen-, Knorpel- und Binde- gewebe bestehen demnach in gleichartiger Weise aus Zellen und Intercellularsubstanz, von denen die ersteren rund, oval, linsenförmig, geschwänzt, verästelt und anastomosirend er- scheinen, die letztere hyalin, körnig, streifig und faserig sein kann, und von denen die ersteren beim Kochen resistiren, die letztere zuerst homogen, dann aufgelöst wird. — Als ein mit den angeführten Gebilden der Bindesubstanz vielleicht verwandtes, aber vorläufig noch von ihnen zu trennendes Ge- webe betrachtet Virchow die von Kölliker mit dem Na- men „netzförmiges Bindegewebe“ belegte Formation; er nennt sie das Schleimgewebe. Dahin wird die Wharton’sche Sulze erechnet, deren gallertartige Gruudmasse aus flüssigem chleimstoff mit den von Scherer beschriebenen Eigenschaf- ten besteht. Wird diese Masse ausgedrückt, so bleibt ein areolares Gewebe zurück, welches keinen Leim giebt, und das sich in platte, in Essigsäure unlösliche, sternförmig ver- ästelte und in Fasern zersplitternde Elemente zerreissen lässt. In der Mitte sind diese Elemente mit einem in Essigsäure erblassenden, häufig mit einigen Fettkörnchen umlagerten Kern versehen. Ausser dem Schleim und der kernhaltigen Maschensubstanz finden sich in der Sulze noch die bekannten runden, granulirten, kernhaltigen Zellen. Ebenso verhalten sich nach dem Verfasser das Gewebe des Chorion, ferner die ganze Reihe von Bildungen, die man bisher zu den Colloid- geschwülsten rechnete. Die gallertartige Masse der Interver- tebral-Knorpel zeigt chemisch die grösste Aehnlichkeit mit der Colloidsubstanz. (a. a. O.p. 284). In einer späteren Mittheilung desselben Jahres (a. a. O. p- 314 sq.) macht Virchow darauf aufmerksam, dass Don- ders gleichfalls eine Abhandlung (Nederlandsch Lancet. 1851. July.) veröffentlicht hat, worin er die Kernfasern und das elastische Gewebe aus Faserzellen hervorgehen lässt, dass ferner F. Strube zu Würzburg (in seiner Inaugural-Abhand- lung über die normale und pathologische Struktur der Horn- haut) das Vorkommen von geschwänzten Zellen in der Grund- substanz der Hornhaut nachgewiesen, deren Kerne vorzugs- weise” bisher beachtet seien, und dass endlich Hassal (Mie. Anat. Pl. XXXIX. Fig. 1 u. 2.) an Querschnittehen von Sehnen kernhaltige, deutlich verästelte Fasern abgebildet habe. Zu- leich erinnert der Verf. daran, dass schon Bowman im Jahre 1845 (Leet. on the eye. p. 13. fig. 2u.3) mit Queck- silber und gefärbtem Leim die sogenannten Hornhantröhren injieirte. Die Injection gelang ihm leichter beim Ochsen, je- doch auch beim Menschen, bei der Katze und kleineren Tbieren. Desgleichen bemerkt der Verfasser, dass der Glas- 92 körper seiner chemischen Beschaffenheit nach dem: Schleime sich. anschliesse. Henle ist der Ansicht, dass die Kern- und elastischen Fasern Nichts mit Zellen zu thun hätten, dass dieselben keine Röhren darstellen, und dass deren Vergleich nach Virchow und Donders mit den Knochen- und Knorpel- körperchen rein hypothetisch sei. Die Veranlassung dazu hätten optische Täuschungen gegeben. An aufgeweichten Querschnittehen von gekochten und dann getrockneten Seh - nen erwachsener Individuen erkenne man in der gleichförmig durchscheinenden Masse regelmässig vertheilte, dunkle Pünkt- chen und könne sich durch Veränderung des Focus oder des Präparats überzeugen, dass dieselben das optische Bild der quer durchschnittenen Spiralfasern seien. Sehr selten sehe man eine gabelförmige Theilung derselben, und ihre Netze besitzen daher sehr weitläufige und langgestreckte Maschen; Anschwellungen an den Theilungs-Stellen kommen nicht vor. Ausserdem erscheinen in Abständen von 0,030—0,040 ver- ästelte Figuren, deren Zweige oft fein ausstrahlen und in einander übergehen. Hassal und Virchow machen nach dem Verf. aus diesen verästelten Figuren sternförmig ver- ästelte Zellen; sie gehören aber, worauf auch Ref. öfters hingewiesen, Spalten und Rissen an, durch welche die von Henle sogenannten sekundären Bündel oder Bindegewebe- stränge von einander geschieden werden. Sie durchziehen, wie Längsschnitte zeigen, in parallelen, meist schwach Sför- mig gebogenen Streifen die ganze Sehne und werden nur da unterbrochen, wo die sekundären Stränge Anastomosen ma- chen. Das Letztere sei häufig der Fall, und darum könne nach Henle der Querschnitt der Sehne in die seit der Be- obachtung von Donders viel besprochenen Bänder zerfallen. (Der Verf. scheint davon keine Notiz genommen zu haben, dass diese Erscheinung, wie Ref. vor mehreren Jahren ge- zeigt, auf einer optischen Täuschung beruhe, indem die Bän- der nur mikroskopische Bilder von Runzeln sind, an welchen die Längszeichnung der Sehnen auch am Querschnittchen hervorgetreten). Auf Längsschnittehen überzeuge man sich zugleich, dass in diesen Spalten auch Kerne durch helle, feinkörnige Substanz verbunden vorkommen. Ferner sollen sich, namentlich in stärkeren, rundlichen Sehnen, kernlose Schüppcehen, oft in Längsreihen geordnet, vorfinden. So sehr ihr Verhalten an die Faserzellen der Gefässe, und der Lauf der Schuppenreihen an die Verbreitung der Gefässe er- innern, so wollte es dem Verf. bis jetzt nicht gelingen, die Gefässe hier zu injieiren oder Blutkörperchen zu beobachten. Auch longitudinale Spiralfasern mit häufigen Anastomosen werden in diesen Spalten angetroffen. Endlich unterscheide man an Querschnittchen der Sehne breitere, kreisförmige Streifenzüge, welche Partieen der Sehne dritter Ordnung von 95 einander trennen, und in welche die zwischen den sekun- dären Strängen verlaufenden Streifen öfters einmünden. Es sind dieses die Querschnitte von Scheiden um die einzelnen Abtheilungen der Sehne, die mit der allgemeinen Sehnen- scheide im Zusammenhange stehen, und Gefässe, Nerven, desgleichen reichliche Kernfasernetze enthalten. Die Haut gleicht den querstreifigen Umhüllungen der sekundären Stränge; nur ist sie stärker und derber und geht oft entschieden in elastisches Gewebe über. — Die Umwandlung des kindlichen Bindegewebes in das reife genau zu verfolgen, ist dem Verf. nicht gelungen. Bei 9zölligen bis 4zölligen Embryonen zeigt nach Henle der Längs- und Querschnitt der Sehnen im We- sentlicben das nämliche Bild, wie beim jungen Thiere. In dem Querschnitt sieht man deutlich die Kontouren der soge- nannten Primitivbündel, welche ein zierliches Gitterwerk dar- stellen. in dessen Knotenpunkten stellenweise, nicht überall ein Zellenkern liegt; Abtheilungen der Sehnen höherer Ord- nung kommen nicht vor. Am Längsschnitte sche man die reihenweise geordneten Kerne, welche nackt an der Seite der Bündel liegen. Ausserdem aber finden sich neben den Kernen auch in den jungen Sehnen sehon fertige, sehr feine Spiralfasernetze vor. Der Verf. giebt nun zwar zu, dass das optische Bild die Hohlräume zwischen den Bündeln des fö- talen Bindegewebes auf die Anwesenheit von verästelten Zel- len und Zellenfasern leiten könne; gleichwohl sei es auf keine Weise .nöglich, dergleichen Elemente zu isoliren. Was man dafür seit Schwann gehalten, waren nur Falten oder ver- schiedenartig gestaltete Bruchstücke von den sog. epithelium- artigen Membranen, von Gefässen, von einer eigenthümlichen Art querstreifiger Umhüllungshäute, welche die Abtheilungen der Sehnen umgeben, von denen bereits bei den Epithelien im vorliegenden Berichte die Rede gewesen. In Betreff der Entstehung der Kern- oder Spiralfasern und des elastischen Gewebes, deren Identität kaum zu bezweifeln sei, hat Henle seine frühere Ansicht gänzlich aufgegeben; sie hätten beide keinen Zusammenhang mit Kernen oder Zellen. Da, wo Spiralfasern vorkommen, beobachte man deren Anwesenheit neben reihenweise geordneteu Kernen, so in der Sclerotiea des Neugebornen. Ebenso gewahre man bei 4zölligen Em- bryonen in dem Lig. nuchae neben den zahlreichen Kernen schon ein vollständiges, longitudinales Netz von ausserordent- licher Feinheit und von einem Verhalten, ähnlich den feinsten Kernfasernetzen des Binde- und Muskelgewebes. Bei weite- rer Entwickelung vermehren sich diese Fasern und werden dicker; sie lassen sich schon nach Behandlung mit Essigsäure erkennen. Bei 6zölligen Embryonen zeigen sich neben den Fasern auch längliche Kerne, die oft s0 gegeneinander geneigt seien, dass man die Entstehung der elastischen Fasernetze aus Verschmelzung der Kerne herleiten möchte. Dennoch 94 zweifelt der Verf. daran, weil man nie ein Präparat gewinne, das entschieden auf diesen Entwickelungsgang hindeute, selbst nicht in Fällen, wo die Entwickelung der Fasernetze erst in einem Theile des Lig. nuchae begonnen hatte, und wo also Uebergänge sich vorfinden mussten. Schon die ersten und feinsten Kernfasernetze seien vollkommen kontinuirlich und gleichförmig. (Jahresb. 1851. p. 22 sq.). In obigen Mittheilungen Virchow’s und Henle’s geben sich, was Auffassung und Beurtheilung der besprochenen Ge- genstände betrifft, die gegenwärtig bestehenden beiden Haupt- ansichten über den histologischen Charakter der Bindesub- stanz-Gebilde zu erkennen. Virchow hält mit dem Ref. die Knochen-, Knorpel-, Faserknorpelsubstanz, die verschie- denen Formen des gewöhnlichen Bindegewebes für verwandte Gebilde, die sämmtlich dadurch charakterisirt sind, dass in ihnen die Intercellularsubstanz oder Grundsubstanz den histo- genetisch wichtigen und am meisten in die Augen fallenden Bestandtheil bildet, und dass in derselben verschiedenartig geformt die ursprünglichen Zellen, die sog. Bindesubstanz- körperchen, als zweiter Bestandtheil angetroffen würden. Virchow’s Ansicht unterscheidet sich von der ursprünglich durch den Ref. vorgetragenen dadurch, dass die Spiralfasern, ja selbst das elastische Gewebe als Bindesubstanzkörperchen und Aequivalente der Knorpelkörperchen aufgefasst worden und dass in ihnen sowie in allen Bindesubstanzkörperchen die Zellennatur in voller Integrität erhalten sein soll. Ref. hat in einer „brieflichen Mittheilung an den Herausgeber des Archivs (1853)* sich bereits über diese Ansicht Virchow’s ausgesprochen. Auch nach eigenen Untersuchungen hat Ref. dem Verfasser darin beigestimmt, dass die Spiralfasern ihrer Genesis nach als Aequivalente der Knorpelkörperchen anzu- sehen seien. Desgleichen möchte es nicht zu bezweifeln sein, dass die Knorpelkörperehen überall ihre eigene, nicht ver- dickte Zellenmembran besitzen. Dagegen dürfte es schwierig sein, in den Spiralfasern die noch unversehrte Zellennatur zu konstatiren, und desgleichen die Ansicht des Ref., dass beim weiteren Fortgange des histologischen Prozesses die Zellen mit der Intercellularsubstanz bis auf die Kerne gänzlich ver- schmelzen, bei den Kapseln der Vater’schen Körperchen, bei der intermediären Haut (basement membrane) der Cutis, der Schleimhäute, ferner bei der Tunica propria der Drüsen- elemente, bei der chitinartigen Schulpe der Loligo sagittata u.s. w. gänzlich abzuweisen. Dass endlich das elastische Gewebe identisch mit den Spiralfasern sei und sich unmittel- bar aus Zellen herausbilde, muss Ref. nach eigenen Beob- achtungen für sehr zweifelhaft halten. — Henle lässt sich auf die Frage der Verwandtschaft der verschiedenen Binde- substanzgebilde gar nicht ein. Auch ist aus seinen Mitthei- lungen nicht zu ersehen, wie er sich den streifigen und in 9 Fibrillen spaltenden Theil der Sehnensubstanz entstanden denkt. Sein ganzes Streben ist darauf gerichtet, zu erweisen, dass die Spiral- oder Kernfasern weder aus Zellen, noch aus Kernen, sondern, wie es scheint, aus Verdichtungen der In- tercellularsubstanz hervorgehen, und dass Virchow’s Anga- ben darüber auf optischen Täuschungen beruhen. Henle pflegt nicht streng die histologische und organologische Frage zu scheiden, daher denn seine Beweise, ohne genügende Son- derung, zum Theil von den organologischen Verhältnissen und den optischen Erscheinungen derselben an der Sehne, zum Theil von dem histologischen Verhalten der Sehnensub- stanz hergenommen werden. Die ersteren Beweise hält Ref. nicht für begründet. Es ist wohl Virchow nicht zuzumu- then, dass er durch Erscheinungen, welche sich auf die Zu- sammensetzung der Sehne aus einzelnen Abtheilungen (nicht aus den sogenannten und nur scheinbaren primitiven Bündeln) und deren nhallunken beziehen, verleitet worden sei, die Textur der Sehnensubstanz als histologisches Formelement so zu beschreiben, wie es von ihm geschehen. Dagegen muss Ref. Henle vollkommen beistimmen, dass in dem fötalen Bindegewebe, — und dazu gehören auch Henle’s epithe- liumartige Häute, — durch Zerrung sehr leicht geschwänzte und sternförmige Körper mit einem centralen Kern dargestellt werden können, deren Zellennatur sehr zweifelhaft ist, und die als Kunstprodukte sich erweisen lassen. Obgleich ferner Ref. den genetischen Zusammenhang der ovalen, später sehr in die Länge gezogenen, zahlreichen, wirklichen oder schein- baren Kerne des fötalen Sehnengewebes mit den Spiralfasern kaum bezweifeln möchte, so ist ihm bisher doch nicht gelun- gen, von der Existenz sternförmiger Zellen sich zu überzeu- gen, zu der jene Kerne gehörten. Dadurch wird übrigens nichts Wesentliches in der Ansicht geändert, dass die Spiral- fasern, Knorpelkörperchen ete. identisch seien, und dass die- selben mit der hyalinen, scheinbar oder wirklich faserigen Grundsubstanz als integrirende Bestandtheile der betreffenden Bindesubstanzgebilde anzusehen seien. Anders verhält es sich „mit dem elastischen Gewebe. Was Henle hierüber mittheilt, kann Ref. nach eignen Untersuchungen bestätigen. Nament- lich hat Ref. vergebens nach einem Präparat gesucht, in welchem sich Uebergänge von den, anfangs so zahlreich darin (z. B. im Lig. nuchae) vorkommenden, kernartigen Kör- San zu den elastischen Fasernetzen vorgefunden hätten. ie Fasernetze zeigen sich plötzlich vollendet, aber die Fa- sern sind ausserordentlich fein, während die kernartigen Kör- per sich nicht mehr deutlich nachweisen lassen. Dass übri- gens die Grundsubstanz des fötalen Bindegewebes, bei wei- terer histologischer Entwickelung, sich stellenweise zu Fasern verdichtet, während ein anderer Theil der Grundsub- *tanz, desgleichen auch die Zellen selbst daran sieh nicht 96 betheiligen, vermochte Ref. sehr deutlich an dem elastischen Ohrknorpel zu verfolgen. Bei jüngern Fötus findet man im Ohrknorpel nur hyalinen Knorpel mit deutlichen, dicht ge- drängten Knorpelkörperchen. Später erscheint ebenfalls das anfangs sehr feine, filzige Fasernetz; doch lassen sich da- neben, wie auch im entwickelten Zustande, unveränderte Iıyaline Grundsubstanz und die Knorpelkörperchen deutlich erkennen. Leydig fand in der Lederhaut der Fische, dass sämmt- liche Bindegewebsstränge von Spiralfasern in engen Tou- ren umsponnen werden. (Zeitschr. f. wiss. Zool. 1851, p.4.). — Von den querstreifigen Scheiden tertiärer Sehnen-Abthei- lungen bemerkt Henle, dass dieselben bei Anwendung der Essigsäure auf einzelne, reifenartige Massen zwischen den hervorquellenden Längssträngen zusammengeschoben werden und so umspinnende Spiralfasern darstellen. (a. a. O.p. 25.). Es scheint, als ob die umspinnenden Spiralfasern stets auf diese Weise entstehen; wenigstens fand es Ref. so bei einer Nachprüfung der Leydig’schen Angaben. Henle’s Ansicht von den Spiralfasern giebt sich in dem Ausspruche zu erken- nen, dass sie in der Muskelhaut der Gefässe und Eingeweide zu den Faserzellenbündeln in derselben Beziehung ständen, wie in den Sehnen zu den Bindegewebsbündeln. — Mitthei- lungen über einen angeblichen, kontinuirlichen Uebergang, der Spiralfasern in die Fasern des elastischen Gewebes finden sich bei den Schriftstellern öfters vor, so auch bei Henle. (a. a. O. p. 28.). Knorpel. Nach Leydig sind die Knorpelkörperchen öfters (in der Basis des Schädels) bei der Chimaera sehr lang ausgezogen und in helle Kanäle verwandelt. Bei verschie. denen Plagiostomen haben sich diese Kanäle im Kopfknorpel netzförmig verbunden, und stellen eine Art Röhrensystem des Knorpels dar. (Müll. Archiv 1851, p. 242.). Knochen. Die Isolirbarkeit der Knochenkörperchen durch Behandlung mit Salz wird von Henle (a. a. O.; p. 52) in Abrede gestellt. Sollten, sagt der Verf., bei dieser oder jener Behandlung des Knochens wirklich Gebilde frei werden, die sich wie Knochenkörperchen ausnehmen, so könnten (?R.) es nur die, in den sternförmigen Knochenhöhlen geronne- nen Contenta sein. Robin unterscheidet mit den neueren Beobachtern zwei Weisen, in welchen die Bildung der Knochensubstanz von Statten gehe. (Observat. sur le devel. de la subst. et du tissu des os; Gazett. med. No. 19, 20, 23). Die Verknöcherung des hyalinen Knorpels und des sog. primordialen Skeletes erfolge par substitution; die Knochensubstanz trete hier an. die Stelle des längst vorgebildeten Knorpels. Die Verknöcherung des häutigen Knorpels und des sog. sekundären Skeletes geschehe par envahissement; hier erscheinen knorplige Streifen in einem j | 97 fremdartigen (?R.) Gewebe und in den Umgebungen eines Knochenpunktes, wie es H. Meyer beschreibe, und werden sofort verknöchert. Die zuerst: dureh Ablagerung von Kno- chenerde gebildete Knochensubstanz bei der Verknöcherung par substitution zeige sich körnig und nach und nach werde sie homogen. Die Knochenkörperchen (osteoplastes) entstehen hier auf die Weise, dass die sich verkleinernden Knorpelhöh- len ihren Inhalt (Knorpelkörperchen oder Zellen) verlieren, sich mit klarer Flüssigkeit füllen und in der Peripherie kleine Einschnitte erhalten, die dann allmälig durch weiter vordrin- gende Resorption in der Knochensubstanz sich in die Kno- chenkanälchen und Strahlen der Knochenkörperchen verwan- deln. Nicht selten solle man ferner beobachten, dass auch zwei, ja selbst drei Knorpelhöhlen zusammenfliessen, um zu einem Östeoplasten zu werden. Bei der Verknöcherung par envahissement ist in der Ablagerung der Knochenerde und in der Bildung der Knochenkörperchen kein wesentlicher Un- terschied zu bemerken. Doch geschehe es hier selten, dass ein Knochenkörperehen aus zwei oder drei Knorpelhöhlen hervorgehe. Der Verfasser hat endlich an den Knochen des Cranium noch eine dritte Art der Verknöcherung beobachtet. Der häutige Knorpel verknöchert hier ohne Vorbildung eines hyalinen Knorpels oder Ablagerung eines Blastems (Köl- liker) unmittelbar. Es wachsen dann von einem Knochen- kerne schmale, radiale Fortsätze aus, die sich von Stelle zu Stelle durch quere Aeste verbinden. Die Knochenkörperchen zeigen sich hier anfangs als Ineisuren am Rande der Kno- chenfortsätze und, bevor noch dieselben vollkommen geschlos- sen werden, entstehen. auf die vorhin angegebene Weise die Kanälchen und Strahlen. Ueber die Bildung und Entwicke- lung des Knochengewebes ist etwas besonders Beachtungs- werthes nicht mitgetheilt. Von den auch am Chimärenschädel streckenweise vor- kommenden poly&@drischen Knochenscheibehen an der Ober- fläche des Knorpels berichtet Leydig (Müll. Archiv; 1851, p- 242), dass die Knochenkörperchen nicht strahlig auslaufen, sondern mehr rundlich sind und sämmtlich den Kern noch gewahren lassen. — Eigenthümlich ist auch die Verknöche- rung der Scheide der Chorda dorsualis. Dieselbe bestehe vor der Ablagerung der Knochenerde aus einer festen Bindesub- stanz, deren Faserung eirkulair gehe, und die, derselben Rich- tung nd; 0,0135—0,027°“ lange Hohlräume (?R.) zeige. Wenn dieses Bindegewebe zu Ringen verknöchere, so ee sich die Kalkerde in die fasrig erscheinende Grund- substanz ab, und die schmalen Hohlräume verwandeln sich zu einer Art Knochenkörperchen. (p. 243.). Muskeln. M. Barry’s Ansicht von der Textur der gestreiften 95 Muskelfasern sind in einer Uebersetzung des Manuscripts des Verfassers von Purkinje mitgetheilt. (Müll. Archiv 1850, p- 529 sq.). Der Verfasser besteht darauf, dass die Muskel- faser in ihren letzten Elementen aus zwei Schraubenfäden zusammengesetzt sei, die sich zur Bildung der Faser unter einander seitlich verflechten und im Querschnitt in Gestalt einer liegenden © sich präsentiren. Die Faser sei gewöhn- lich so gelagert, dass die schmale Seite dem Auge des Be- obachters zugewendet werde. Die elliptischen Krümmungen der Windungen seien bisher fälschlich für Knötehen genom- men. Von den beiden Fäden sei nicht, wie der Verf. früher angegeben, der eine links, der andere rechts gewunden, son- dern beide gleichläufig. Die dünneren und dickeren Quer- platten (disks) Bowman’s seien nichts Anderes, als die etagenförmige Sammlung der in gleicher Höhe sich befinden- den längeren -oder kürzeren Partieen der Windungen über- einandergelagerten Schraubenfäden. Jede Faser hat ferner ihre eigene hyaline Umlagerungssubstanz, die sich gewöhn- lich innerhalb der Windungen zeigt; ein anderes Mal sehe man, dass die Faser in einem Cylinder von Hyaline einge- schlossen sei. Im Innern der Schraubenfäden halte die Hya- line Zellenkerne zusammen, welche die Bestimmung haben, beim Verbrauch der älteren Schraubenfäden das Material zur Bildung neuer darzubieten. Zur Untersuchung empfiehlt der Verf. besonders das Herz (von Fröschen, Schildkröten, Sa- lamandern), dessen Muskelfasern sich am leichtesten in ihre Elementarfasern zertheilen lassen. Die Muskeln müssen frisch sein; Fäulniss zerstöre die Schraubengänge sogleich. Die Präparate werden mit Wasser untersucht. Ausserdem wendet Barry eine Lösung von Sublimat (1%) in einem Theile Weingeist von 0,940 Sp. G. an, um die Muskel zu zerfasern; später wird bei den mikroskopischen Untersuchungen eine konzentrirte Lösung von.Sublimat in destillirtem Wasser be- nutzt. Die Schraubenfäden gehen nach Barry aus einer Ver- schmelzung von Zellen hervor, die schraubenförmig anein- ander gereiht sind. — In derselben Abhandlung erhalten wir auch eine Mittheilung Barry’s über seine Ansicht von der 'Dextur der Flimmerhärchen. Der Verfasser behauptet, dass in allen Cilien, wenn man auf ihre Bildung sehe, die Doppelschraube als Grundform angesehen werden müsse. Barry empfiehlt zur Untersuchung die Cilien der Bivalven, namentlich in jugendlichen Zuständen, und. wählte besonders die Auster, Chama decussala, Mytilus edulis zu seinen Beob- achtungen. Referent sieht sich, wegen der umfangreichen Behandlung des Gegenstandes von Seiten des Verf. genöthigt, auf die Abhandlung selbst zu verweisen. Lehmann spricht sich gegen den einfachen geschlängel- ten «Verlauf der Fibrillen in den primitiven Muskelbündeln aus und leitet die Querstreifung von der varikösen Beschaffen- 99 heit derselben ab. Solche variköse Erweiterungen dürften nicht zwecklos und zufällig, sondern mit dem für die Vor- stellung der Kontraktion so nothwendigen Mangel an Homo- genität der Fibrillen in Verbindung zu bringen sein. Zugleich scheint der Verf. von der Ansicht auszugehen, dass bei einem einfachen eylindrischen Faden mit geschlängeltem Verlauf kein Mangel an Homogenität in der Substanz selbst, oder auch etwa in toto gegenüber der Umgebung stattfinden könne. In diesem Sinne wenigstens möchten die beigebrachten Gründe für die Varikosität der Fäserchen aufzufassen sein. Leh- mann weiset hier zunächst auf die Leichtigkeit hin, mit wel- cher das primitive Muskelbündel der Quere nach in Scheiben und parallelopipedische Stücke, und jede einzelne Fibrille in kleinere, lineare Abschnitte und schliesslich in reihenweis gestellte Körnchen zerfalle. Ferner bezieht sich der Verf. auf die Formveränderungen der Fibrillen durch Verkürzung und Verlängerung derselben bei abwechselnder Behandlung mit Wasser und gesättigten Lösungen indifferenter Salze. Bei Zusatz von Wasser wird die Querstreifung undeutlich und schwindet auch wohl gänzlich, während eine Salzlösung von Salmiak, schwefelsaurem Natron die Querstreifen deutlicher hervortreten und näher aneinander rücken lassen. Diese Be obachtung beweise, dass die Fibrille in ihrer Varikosität einerseits und in der Einschnürung andrerseits ein verschiede- nes Imbibitionsvermögen besitze, was nur von einer verschie- denen Aggregation der kleinsten mechanischen, wo nicht che- mischen Theilchen abhängig sein könne. — Ref. glaubt nicht, dass die beigebrachten Gründe die so schwierige Kontroverse über die Textur der Fibrillen zu entscheiden vermögen. Auch ein unter dem Mikroskope gleichmässig erscheinender eylin- drischer Faden kann in seiner Substanz die für die Kontrak- tion etwa nothwendige Heterogenität besitzen, was sich zum Theil schon aus dem morphologischen Verhalten der glatten Muskelfasern ergiebt; das Zerfallen der Muskelfasern und Fibrillen: in Querabschnitte und Körnchen zeigt sich bei ge- wisser Behandlung, wie Paulsen angab, auch an den glat- ten Muskelfasern. Die Veränderung der Form der Fibrillen hinsichtlich der Querstreifung bei Behandling mit verschie- denen chemischen Agentien kann an den Fibrillen eintreten, auch wenn sie einen geschlängelten, gleichmässigen Oylinder darstellen; ähnliche Erscheinungen werden bekanntlich an den Falten und Runzeln der Bindesnbstanz wahrgenommen. Auf der anderen Seite muss man die oft als vollkommen gleich- mässige, eylindrische Fäden sich darstellenden Fibrillen aus den Muskeln des 'Ihorax eines Krebses vor Augen gehabt haben, um die Annahme der varikösen Textur derselben für sehr zweifelhaft zu halten. An den starken und aus der Scheide hervortretenden Fibrillen solcher Krebsmuskeln glaubte Müller's Archiv, 1852, Jahresbericht. G 100 Ref. die Windungen der Fibrille mittelst des Mikroskops ver- folgen zu können. Aus den mikrochemischen Mittheilangen Lehmann’s hebt Ref. Folgendes hervor. Mehr oder weniger scharf markirte Querstreifung zeigt sich: bei Behandlung mit verdünnter (1:12560 Wass.) und koncentrirter Salzsäure, konzentrirter Salpetersäure, etwas verdünnter Schwefelsäure, konzentrirter Chromsäure, gesättigter Lösung von doppelchromsaurem Kali, salpetersaurem Quecksilberoxydul, nicht allzu verdünnter Lö- sung von kohlensaurem Kali eete.. Die Längsstreifung tritt besonders deutlich hervor bei längerer Anwendung einer Lö- sung von 6 Th. salpetersaurem Kali in 100 Th. Wasser; des- gleichen bei Zusatz von Jodwasser. Theilung des primitiven Muskelbündels in-der Richtung der Querstreifung wurde be- merkt: bei Anwendung von Essigsäure im höchst verdünntem Zustande (1 Th. auf 5000 Th. W.), auch bei koncentrirter Essigsäure in kurzer Zeit; desgleichen bei koncentrirter Salz- säure, Salpetersäure, Chromsäure, salpetersaurem Quecksil- beroxydul, bei einer nicht sehr verdünnten Lösung von koh- lensaurem Kali ete. Wie schon Paulsen beobachtete, wird auch nach Lehmann bei längerem Verweilen des Muskels in Lösungen von Alkalien die Fibrillensubstanz in Körnchen- reihen getrennt und gänzlich aufgelöset; so dass nur die Scheiden zurückbleiben. Mit Kölliker und Scherer be- hauptet Lehmann, dass das Sarcolemma nicht aus Binde- substanz bestehe, weil es beim Kochen keinen Leim gebe (?R.). (Lehrb. der phys. Chemie; Bd. III, p. 76 sq.). F. Leydig gelangte bei seinen anatomischen Untersuchun- gen der Phyllopoden (Artemia salina und Branchipus stagna- is) zu dem Resultat, dass es keine primitiven Muskelfäden gebe (?R.), sondern dass die Muskelsubstanz einfache oder verästelte Cylinder darstelle, die aus homogenen Stückchen oder Scheiben bestehen, welche, wenn sie stärkere Cylinder bilden, von dem Sarcolemma umhüllt werden. (Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. III, p. 302.). Um den feineren Bau der Mus- kelsubstanz zu studiren, hält der Verf. die Eierleiter der Weibchen für besonders geeignet. Der Muskel verästelt sich hier vielfach, und er selbst, wie seine Aeste zeigen sich als solide quergestreifte Cylinder ohne Trennung in Muskelsub- stanz und Hülle. Verfolge man einen feineren Zweig, so be- merke man, dass er deutlich aus einer Reihe hintereinander gelagerter, quadratischer Stückchen bestehe, und der Zwi- schenraum zwischen je zwei Stückchen als Querstreifen er- scheine. Weiterhin geht eine solche feine Faser nicht selten in einen ganz homogenen hellen Faden über. Nicht verästelte, diekere Muskeleylinder bestehen nicht aus einer einzigen Reihe, sondern aus mehreren, aneinander gereihten Systemen 'sol- cher scheibenförmigen Stücke. In Betreff der glatten Muskelfaser bemerkt Henle (Jah- 101 resber. p. 28), dass sie nicht so platt sei, wie man bisher allgemein annehme. An Quersehnitten der Tunica media der Arterien und der eirkulären Fasern der Eingeweide zeige sich die Umgrenzung einer Faser kreisförmig oder polygonal; auch an den Längsfaserhäuten deute der Querschnitt auf eine ziem- liche Dieke der Faser. Der Kern ferner liege nicht, wie es der Verfasser früher glaubte, und wie auch Kölliker neuer- dings annehme, dicht an der Wand, sondern mitten in der Längsaxe. Henle’s Bemerkungen über die Begrenzungen quer durch- schnittener glatter Muskelfasern und der Lage des Kerns im mikroskopischen Bilde ist ganz richtig; allein das mikro- skopische Bild kann nach des Ref. Ansicht im vorliegenden Falle nicht so gedeutet werden, wie es der Verf. thut. Bei Trennung und Isolirung der glatten Muskelfasern überzeugt man sich ganz deutlich bei verschiedenen Wendungen des mi- kroskopischen Objektes, dass die Faser ganz plattgedrückt ist und auch einen plattgedrückten Kern ‚besitzt. Es muss hier also eine optische Täuschung obwalten. Referent hat bereits im vorjährigen Jahresb. p. 11 die mikroskopischen Forscher darauf aufmerksam gemacht, dass man im mikros- kopischen Bilde scheinbarer (und auch wirklicher) Durch- schnitte nicht selten eylindrische Zellen sehe und sie auch gezeichnet habe, wo in der Wirklichkeit keine vorhanden seien. Es geschieht dieses dadurch, dass in das mikrosko- pische Bild bei einer und derselben Formdistanz , nicht allein die Begrenzungen eines bestimmten Durchschnittes des Ob- jekts, sondern auch die von darunter oder darüber gelegenen Durehschnittsflächen aufgehen, und dass man also in dem mikroskopischen Bilde‘ nicht, wie man voraussetzen musste, die Zeichnung einer einzigen Durchschnittsebene, sondern die kombinirte Figur verschiedener Durchschnittsebenen vor sich habe. Wenn man auf dieses Verhalten des mikroskopischen Bildes namentlich bei etwas dickeren Gegenständen nicht achtet, so wird man die Körperlichkeit eines mikroskopischen Objektes so beurtheilen, als ob die im mikroskopischen Bilde vorliegende Zeichnung nur einer bestimmten Durchschnitts- ebene angehöre, und so sich eine falsche Vorstellung von der Form des Körpers machen. Die Summe der Täuschun- gen, die auf diesem Wi entstehen, lässt sich kaum über- sehen; sie sind aber, wie Ref. noch in jüngster Zeit erfahren hat, so verführerisch, dass die grösste Umsicht in der Be- handlung des mikroskopischen Objektes nöthig wird, um von der Täuschung sich loszumachen. Die mit grosser Konse- . ie festgehialtene Ansicht von einer Verdiekung der Wan- ungen an den Knorpelhöhlen beruht darauf, dass man die im mikroskopischen Bilde gegebene Zeichnung auf nur eine bestimmte Durchschnittsebene der Knorpelkörperchen bezieht. Auch das mikroskopische Bild eines Querschnittchens platter \ 4* 102 Muskeln giebt nicht blos die Kontouren der plattgedrückten Fasern, sondern auch die Begrenzungen von Abschnittehen derselben im weiteren Verlaufe durch die Dicke des Quer- sehnittchens hindurch zugleich mit ihren Kernen und veran- lasst zu der Annahme, dass der Querschnitt der Faser kreis- förmig oder polygonal sei. In Betreff der Enden der glatten oder ungestreiften Mus- kelfasern hat sich auch bei den Untersuchungen Weyrich’s (De textura et structura vasor. IJymph. D. inaug. Dorp. 4to.) ergeben, dass dieselben nirgend gezackt, sondern einfach spindelförmig und in lang gezogene, feine Spitzen auslaufen. Ueber den Verlauf der Muskelfasern des Uterus und der Scheide ist V. Schwartz zu folgenden Resultaten gelangt. (Observationes mieroscop. ete. Dorpati Livonor. 1850; 4to.). Im jungfräulichen Uterus liegt nach-aussen eine Muskelschicht, die aus Längs- und Zirkelfasern gebildet wird, von welchen jedoch die Längsfasern am Halse aufhören. Darauf folgt nach der Höhle des Uterus hin die zweite oder innere Mus- kelschicht, welche aus einem verflochtenen Netz von Längs- und Querfasern besteht, als solches einfach im Cervix auf- tritt, im Körper dagegen in zwei und im Fundus uteri in drei Partieen sich sondert. Die Sonderung der zwei Partieen im Körper erfolgt dadurch, dass die inneren Querfasern eine mehr schräge Richtung annehmen, und Längs- und Quer- Muskelbündel durch ihre Stärke sich auszeichnen. Im Fundus uteri wird der Verlauf der Muskelfaserung in dieser Schicht dadurch von dem im Körpertheile abgeändert, dass die inne- ren schräg verlaufenden Muskelbündel und die mit ihnen verflochtenen Längsbündel gesondert von einander fortziehen und so die ganze Muskelschicht in drei Partieen getrennt wird. Der Fundus uteri ist ausserdem noch durch eine Muskelschicht ausgezeichnet, die als intermediäre zwischen die äussere und innere sich einschiebt und aus kleineren, gemischten Bündeln von Quer- und Längsfasern besteht. Im Uterus gravidus liegt zu äusserst eine, aus Längs- und Quermuskeln gebildete Schicht. Die äusseren Längsfasern ziehen von der vorderen Fläche des Uterus über den Grund nach der hinteren hin und setzen sich unter spitzen Winkeln an den peritonealen Ueber- zug; im Collum hören die Längsfasern ganz auf und die eir- kulären Fasern werden auf eine dünne, mehr kontinuirliche Lage zusammengedrängt. Darauf folgt die mittlere Muskel- schicht, bestehend aus einer ziemlich ansehnlichen Lage von äusseren Längs- und inneren Quermuskelfasern; die Längs- fasern hören gleichfalls am Halse auf und laufen parallel den Aussenflächen des Uterus. Die innerste Schicht endlich be- steht aus einem Netz von Quer- und Längs-Muskelbündeln mit langen, weiten Maschen. Dasselbe ist am dicksten im Körper. Im Fundus uteri treten aber ausserdem noch zwei, zwischen die innere und mittlere Schicht eingeschobene Mus- 103 kelschiehten auf, von welchen die äussere aus gesonderten queren und Längs-Muskelbündeln, die innere in gleicher Weise aus Längs- und Schräg-Muskelbündeln besteht. Die Muskeln des schwangeren Uterus sind daher nicht allein der Quantität nach vermehrt, sondern auch in einer veränderten Disposi- tion. In den Tuben fand der Verf. zu allen Zeiten nur zir- kuläre Faserung. In dem Ligamentum uteri rotundum fanden sich nur Längsmuskelzüge vor. In Betreff der Scheide be- merkt Schwartz, dass in derselben nicht nur Querfasern (Kölliker), sondern auch deutlich Längsfaserschichten vor- kommen. — Beim Vergleiche des jungfräulichen Uterus mit dem in den früheren Jahren stellte sich heraus, dass die zir- kulären Fasern zu einer späteren Zeit sich bilden, indem an- fangs hauptsächlich Längsfasern und Muskelbündel-Netze sichtbar sind. E. Brücke hat uns mit einem ausgebreiteten Muskel- system in der Schleimhaut des Tubus intestinalis bekannt ge- macht, von welchen bisher nur vereinzelte Beobachtungen von Middeldorpf vorlagen. Schon im Oesophagus zeigt sich gegen die innere Oberfläche desselben hin eine Schicht orga- nischer Längsfasern, welche von der äusseren Muskulatur durch eine mächtige Bindegewebsschicht, von dem Pflaster- epithelium durch ein halb so dickes Lager von Bindegewebe getrennt ist. Ihre Dicke beträgt !%,—'4, der ganzen Dicke der Wand des Oesophagus. In der Cardia treten diese Längs- fasern unter den Grund der Magensaftdrüsen und zugleich finden sich nach innen von ihnen auch zirkuläre Fasern vor. Beide Lager besitzen die Dieke von '%—1 Decimillim. und sind im Magen nicht streng von einander getrennt, indem sich einzelne Fascikel miteinander verflechten. Vom Duode- num ab trennen sich beide Lager, und treten an die Lieber- kühn’schen Drüsen heran. Im Colon ist die ganze Muskel- schicht dünner, so dass beide Lager zusammen nur etwa 3 Centimillim. messen. Diese Verdünnung kommt aber aus- schliesslich auf Rechnung der Längsfaserschicht und fällt zu- sammen mit der Bildung der sogenannten Taenien. Im Reetum nimmt die Dicke der ganzen Muskelschicht wieder zu, na- mentlich auch das aus Längsfasern gebildete Lager. Bemer- kenswerth ist, dass von der inneren, zirkulären Schicht un- regelmässige Faserzüge um den Grund der Pepsin- und Lie- berkühn’schen Drüsen herum gegen die Oberfläche der Schleim- haut hinziehen. Am reichlichsten gehen sie in die Zellen hinein, in welchen sie ein sehr regelmässiges nach innen von den Kapillargefüssen gelegenes System von Längsfasern bilden, welches bis an das äusserste Ende der Zotte verfolgt werden kann. Die Ausführungsgänge der Brunner’schen Drüsen durch- bohren diese Muskelschicht. Ebenso treten die Kuppen der sogenannten solitären Follikel zwischen den auseinander wei- chenden Muskelfasern gegen die Schleimhautoberfläche hervor. 104 Die Faserelemente dieser Muskelschicht sind kürzer und dün- ner als die der äusseren Muskelschicht, und laufen in feine Spitzen aus. Die Kerne sind häufig im Verhältniss zu den Zellen sehr stark verlängert. Vermöge der Ausläufer der beschriebenen Muskelschicht können, wie Versuche lehren, die Zotten sich verkürzen. (Ueber ein in der Darmschleim- haut aufgefundenes Muskelsystem: Februarheft der Sitz.-B. der math.-nat. Classe der Akad. der Wiss. zu Wien 1851; Zeitschr. der Gesellsch. der Aerzte zu Wien, 1851, Aprilheft). Fast zu gleicher Zeit beobachtete auch Kölliker die eben beschriebene Muskelschicht in der Speiseröhre und in dem Magen des Menschen; desgleichen beim Ochsen und Schwein; er konnte jedoch anfangs von der Existenz dieser Muskel- schicht im Dünndarm und Colon sich nicht überzeugen. Spä- ter werden die Angaben von Brücke bestätigt. (Zeitschrift f. w. Zool. 1851, p. 106 und p. 233.). Nerven. Ueber das Verhältniss der Ganglienkörper zu den Ner- venfasern im Ganglion Trigemini der Chimäre bemerkt Ley- dig, dass man daselbst mit der grössten Leichtigkeit von der bipolaren Beschaffenheit sämmtlicher Ganglienkörper sich überzeugen könne. Desgleichen fand sich überall nur. eine Ganglienkugel im Verlauf der Faser eingeschlossen. An Prä- paraten, die nur einen Tag in Chromsäure gelegen hatten, setzte sich die primitive Nervenscheide in die Hülle des Gang- lienkörpers fort, der Axenceylinder in die körnige Masse des- selben, und auch das Nervenmark der Faser geht als dünne Schicht in dem Ganglienkörper weiter und bedingt (?R.) des- sen scharfe Kontour. Man kann hiernach die körnige Masse des Ganglienkörpers als den „angeschwollenen Axencylinder“ ansehen. Der Verf. beobachtete ein Mal eine 0,054’ breite und lange Ganglienkugel, die mit vier Fasern symmetrisch in Verbindung stand. Obgleich nur ein Kern in die Körner- masse eingebettet war, so glaubt Leydig doch an eine Ver- schmelzung von zwei bipolaren Ganglienkörpern. — Auch an dem Gehörsack führen die Nervenfasern vor ihrer periphe- rischen Ausbreitung intercurrante Ganglienkörper. (Müll. Arch. 1851; p. 244 und 247). Nach R. Wagner’s gemeinschaftlichen Untersuchungen mit Billroth und Meissner besteht der elektrische Lappen der Zitterrochen aus einem Aggregate grosser, multipolarer Ganglienkörper, welche von einem sehr reichen, weitmaschi- gen Gefässnetze durchwirkt sind. Sie besitzen hier keine Hüllen. Von ihrer Peripherie gehen Fortsätze doppelter Art aus. Einzelne Fortsätze sind nicht ramifizirt und gehen un- mittelbar in doppelt kontourirte Nervenfasern über, deren Axencylinder sie bilden. In der Regel entspringt von je einem Ganglienkörper eine Faser; nur in seltenen Fällen 105 schienen auch zwei Fasern von einem Ganglienkörper zu entspringen. Die übrigen Fortsätze sind ramifizirt und dienen dazu, einzelne Ganglienkörper untereinander, bald näher, bald entfernter gelegene, in Verbindung zu setzen. Ganz analog verhalten sich auch die Nervenkerne des N. vagus, accessorius, hypoglossus, trigeminus. (Götting. Nachrichten 1851, No. 14.). A. Corti konnte im Verlaufe des Nerv. cochlearis durch den Modiolus hindurch keine Nervenkörper (Pappenheim) vorfinden. Dagegen entdeckte der Verfasser einen gangliösen bandartigen Streifen (Habenula ganglionaris laminae spiralis eochleae) in der Ausbreitung des Nerven innerhalb der La- mina spiralis ossea bis etwa in die Nähe des Hamulus. Diese gangliöse Stelle hat etwa die Breite von !/,“ und nimmt die ganze Dicke der Nerven-Ausbreitung ein. Die Nervenkörper haben eine sehr regelmässige, ovale Form; ihre Breite be- trägt 0,0066—0,0097°, ihre Länge 0,011”. Der Inhalt der Nervenzelle, wie des Kerns, ist sehr fein granulirt, ohne Färbung und transparent. Die Nervenkörper sind leicht zer- störbar; sie sowohl, wie der ganze gangliöse Streifen sind am schönsten zu sehen, wenn das Präparat einige Stunden in einer saturirten Kochsalzlösung aufbewahrt und darauf mit Carmin schwach gefärbt wird. Sämmtliche Nervenkörper sind bipolar. Der centrale Fortsatz geht in die doppelt kontou- rirten, doch ziemlich leicht varikös werdenden Fasern des N. cochlearis über. Der peripherische Fortsatz durchdringt die Lamina ossea spiralis bis zu ihrem feinen Ende und ver- breitet sich in die Habenula externa seu dentieulata der häuti- gen Spiralplatte. (Zeit. f. w. Zool. Bd. III, p> 128 sq.): H. Müller beobachtete jetzt auch bei Vögeln und Fischen in der Retina zunächst der Nervenausbreitung die geschwänz- ten Nervenzellen. Die Fortsätze sind sehr lang, bisweilen deutlich varikös und von dem Ansehen gewöhnlicher Nerven- fasern, so dass über ihren Zusammenhang mit den Fasern des N. opticus kaum zu zweifeln sei. Auch in der feinkör- nigen Schicht finden sich Zellen, wenn auch unbestimmtere. Eine exquisite Schicht von Zellen findet sich aber nach innen von der sogenannten Körnerschicht. Bei einigen Knorpel- und Knochenfischen ist hier zu äusserst eine Schicht platter, zackiger, granulirter Zellen mit auffallend grossen, ovalen Kernen, die durch ihre Fortsätze mit einauder in Verbindung stehen. Nach innen von diesen Zellen liegt eine zweite Lage von Zellen mit sehr entwickelten, zahlreichen Fortsätzen, die bisweilen an Breite dem Körper selbst gleichkommen. Die Fortsätze sind vielfach verästelt und an den Theilungs- stellen verdiekt. Anastomosen zwischen den Fortsätzen ver- schiedener Zellen sind zahlreich vorhanden. Der Verf. ist aber über die Nervennatur der zuletzt bezeichneten beiden Zellenschichten nicht ganz sicher. (Z.1.w. Zool. Bd. II, p. 236 sq.) 106 Anden Antennen-Nerven von Branchipus stagnalis beob- achtete Leydig folgendes Verhalten. Die Primitivfasern die- ser Nerven schwellen in ihrem Verlauf nach den 7 haarähn- lichen Röhrchen an der Spitze der Antenne spindelförmig an und nehmen einen hellen Kern mit einem Kernkörperchen auf. Nach einer kurzen Strecke stossen die Fibrillen auf spindelförmige, scharf kontourirte Zellen, deren peripherischer Pol gegen die Basis der bezeichneten Röhrchen, der centrale gegen die Nervenfibrillen gewendet ist, und in dieselbe aus- zulaufen schien; demnach könnte man sagen, dass die Fi- brillen der Antennennerven an ihrem peripherischen Ende zweimal zu Ganglienkörpern anschwellen. In ähnlicher Weise verdicken sich die zum Ende des Kopfhorns vom weiblichen Branchipus verlaufenden Fibrillen und nehmen in die ange- schwollene Stelle einen scharf kontourirten Kern auf. Darauf werden die Fibrillen wieder feiner und verlieren sich auf noch unbekannte : Weise in ein aus rundlichen hellen Zellen be- stehendes Lager an der Basis der zwei Borstenreihen. Auch die Endigung der Hautnerven lässt sich hier gut verfolgen. Der zu einer Borste des Thorax- oder Abdomenringes hin- ziehende Nervenfaden schwillt in einiger Entfernung von der- selben an, zeigt daselbst einen hellen, grossen Kern mit Kernkörperchen und verliert sich dann, dünner geworden, in einen Haufen Zellen an der Basis der Borsten. Es scheint aber, dass der Nervenfaden nicht einer Nervenfibrille, son- dern einem ganzen Bündel von Fasern entspreche. Vom Nervus optieus bemerkt der Verf., dass derselbe gleichfalls innerhalb des Augenstiels durch zwei Anhäufungen von Gang- lienkörpern hindurchziehe. (Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. II, p- 292 sq.). — In der glasartig durchsichtigen Haut der Ca- rinaria sah Leydig die Nervenfibrillen sich verästeln und stellenweise durch Aufnahme von Ganglienkörpern anschwel- len. Der Ganglienkörper liegt meist im Verlauf der Aeste, aber auch in einem verdickten Theilungswinkel. Der Gang- lienkörper erscheint im natürlichen Zustaude wie ein helles Bläschen. Nach Zusatz von Essigsäure nehmen Kern und Kernkörperchen scharf gezeichnete Kontouren an. (a. a. O. p- 325 und 326). Schaffner empfiehlt die Untersuchung der Amphibien- Vorhöfe, wenn man sich von der Existenz solcher Ganglien- körper überzeugen wolle, die einseitig mit zwei Nervenfasern in Verbindung stehen, und deren Nervenfasern gleich nach dem Ursprunge sich zu verästeln beginnen. Am zweckmäs- sigsten für die Untersuchung sind die Vorhöfe von Lacerta muralis, deren Wand sehr dünn und ohne Pigmentzellen ist. In einem kleinen Ganglion des Sinus venosus von einem jun- gen Frosche fand der Verf. zwei Ganglienkörper durch eine Verbindungsröhre zusammen gehalten. Im Ganglienstrange des Flusskrebses, welcher eine Stunde in starkem Weingeiste 107 gelegen hatte und dann unter Zuekerwasser ohne Schwierig- keit sich zerfasern liess, wurden fünf Male dergleichen Ver- bindungsröhren beobachtet. Einmal sah der Verf. vier Pri- mitivröhren strahlenförmig aus einem isolirten Ganglienkörper hervorgehen. (H. und Pf. Zeitschr. f. r. Med. Bd. X. p. 206g.) Ueber die peripherische Ausbreitung und Endi- gung der Nervenfasern haben wir Mittheilungen von H. Müller in Betreff der elektrischen Organe der Zitter- rochen erhalten. (Würzb. Verhandl. d. ph.-med. Ges. Bd. I. p- 21sq.). Die Organe werden zweckmässig in Sublimat oder Chromsäure aufbewahrt. Mit Wagner ist der Verf. der An- sicht, dass beim Uebergange der dunkelrandigen Fasern in blasse sowohl Scheide, als Inhalt verbleiben, und dass na- mentlich das Mark sich allmälig verändere. Die feinsten Ver- zweigungen der Fasern erscheinen auch bei der stärksten Vergrösserung nur als einfache Striche, die sich bei der En- digung so dem Auge entziehen, dass. man an eine Verschmel- zung der Nervenfaser mit der Substanz der Organe zu den- ken versucht werde. Der Verf. hat sich, wie Wagner, von der mindestens häufigen Anwesenheit doldenförmiger Nerven- faser-Verästelungen überzeugt. Da die Theilungen im Nerven- faserstamme, wie in den Aesten (in letzteren 10—15 Male) sich wiederholen, so ergiebt dieses eine ungeheure Summe von Endzweigen für eine Faser. Man könne annehmen, dass aus einer eintretenden Nervenfaser im elektrischen Organe einige Hunderttausende von Endzweigen hervorgehen. Wahr- scheinlich erstrecken sich die Endzweige einer Nervenfaser auf mehrere Septa des elektrischen Organes. Dabei ist der Reichthum der Nervenfäden auf den Septa so gross, dass die leeren Stellen öfters nur 0,01—0,03 Mm. Breite besitzen. Da die Nervenverzweigungen ziemlich leieht von den Septa zu entfernen sind, so ist ihre Lage mehr zwischen den Septa, als in der Substanz der letzteren. Obgleich endlich nach des Verfassers Ansicht von der Entwickelung der Nerven- faser Endschlingen und schlingenförmige Verbindungen der Nervenfasern vorauszusetzen seien, so sprechen genaue Un- tersuchungen doch für ein freies Auslaufen der Fasern. — R. Wagner wiederholt (a. a. O. p. 187 sq.), dass die Primi- tivfasern, welche zum elektrischen Organe gehen, niemals mit Ganglien und peripherischen Ganglienkörpern versehen sind. Die Aeste der sich theilenden Fasern zeigen sich jedes Mal eingeschnürt und verlieren an der Theilungsstelle ihre doppelten Kontouren, um sie öfters bald darauf wieder an- zunehmen. Auch R. Wagner bemerkt über die Endigung der Fasern, dass an ihnen die Scheide zuletzt aufhöre, und dass der Inhalt (Axencylinder) frei hervortretend in die mo- leeulare Masse des Parenchyms des elektrischen Organs über- zugehen scheine. Weder Endschlingen noch Anastomosen zwischen zwei Primitivfasern seien vorhanden, — In gleicher 108 Weise verhalten sich die Nervenfasern bei ihrer Endigung in den Muskeln. Für die Untersuchung empfiehlt der Verfasser einen dünnen, langen Muskel an der inneren Seite des elek- trischen Organes; der vom hinteren, oberen Theile des Ober- kiefers zum Schädelflossen-Knorpel hinziehe. Er besteht etwa aus 1000 primitiven Muskelbündeln und nimmt 16—20 Ner- venfasern auf. Die Endäste treten zu einzelnen primitiven Bündeln heran; aber es scheint nicht, dass alle Bündel mit Nervenfasern versehen sind. In den sogenannten Nervenköpfen der Schleimkanäle von Lepidoleprus, Umbrina und Corvina schwillt der eintre- tende Nerve in einen gelblichen, bis zu 2'“ grossen Körper an, der von einer glashellen Gallertschicht mützenartig be- deckt wird. Der eintretende Nerve entfaltet sich zu einem gelben Knopfe, in dem sich die primitiven Fasern theilen und von langen Cylinderzellen umgeben werden. (Müll. Arch. 1851, p. 237.). — Auch in den sogenannten Ampullen der Schleimkanäle von Chimaera monstrosa waren die Verästelun- gen der Nervenfibrillen häufig und schön zu verfolgen. Des- gleichen beobachtete der Verf. sehr schöne dichotomische Theilungen an den Nervenfasern des Gehörsäckchens dieser Thiere. Die Fasern stehen vor der Theilung mit Ganglien- körpern im Zusammenhange und zeigen an der Theilungs- stelle eine Einschnürung. (a. a. ©. p. 247.). Endschlingen wa- ren in keiner Weise nachzuweisen. — Die feinen und breiten Nervenfasern in den Hautnerven der Süsswasserfische ver- halten sich hinsichtlich ihrer Verästelung ganz ähnlich, wie es Czermak von der Haut des Frosches beschrieben hat. Auch die feinen Fibrillen zeigen eine Einschnürung an der Theilungsstelle, daher dieselbe wohl nieht immer Folge von einer Veränderung der Nervenfaser sein möchte. Ueber die Endigung liess sich nichts Sicheres ermitteln. (Zeitschr. f. w. Zool. Bd. IH, p. 8.). — Zahlreiche Verästelungen der Nerven- fibrillen hat auch Gegenbauer an der inneren Bindege- webeschicht der Tasthaare beobachtet. Die Aeste sind entweder von gleichem Durchmesser mit der Stammfaser, oder eine dickere Faser theilt sich in zwei von kleinerem Kaliber, oder in einem dritten Falle geht von einer Faser die eiue von gleichem Durchmesser und die zweite von feinerem Durchmesser ab; die beiden ersten Fälle sind die häufigsten. (Zeitschr. f. w. Zool. Bd. III, p. 19 sq.). Referent untersuchte das Verhalten der Nervenfasern in ihrem peripherischen Verlaufe, der Vertheilung und Endigung an einem Hautmuskel des Frosches, der sich seiner Lage und Funktion nach am meisten -mit' dem Platysma myoides des Menschen vergleichen lässt. Bei 224—3 Zoll langen Frö- schen hat der Muskel eine Länge von 31%—5"" und eine Breite von 3'% Er besteht etwa aus 180—200 primitiven Muskel- bündeln, die an den Rändern einfach, in der Mitte meist zu 109 zwei, selten zu 3—4 über einander liegen. Man kann ihn ohne grosse Zerrung aus dem Körper entfernen und am zweck- mässigsten nach Behandlung mit einer Kalilösung (10 Proc.) unter dem Mikroskop betrachten. Es lässt sich der von dem äusseren Rande eintretende Nerv in seiner ganzen, periphe- rischen Ausbreitung verfolgen, und bei der Dünnheit des Muskels ist meist nicht einmal nothwendig, denselben umzu- kehren. Etwa 8—10 breite Stanmmfasern enthält das Nerven- stämmchen, und auch diese noch pflegen sich im centralen Verlauf durch Vereinigung auf 3—4 zu redueiren. Ein bis zwei Fasern ferner verlassen den Muskel, ohne sich periphe- risch auszubreiten; die übrigen enden entweder alle in dem Muskel und sind motorischer Natur, oder es befindet sich unter ihnen eine mit wahrscheinlich centripetaler Leitung, die nach einer ihr eigenthümlichen peripherischen Ausbreitung auch über die Grenzen des Muskels in benachbarte Theile übertritt. Die motorischen Stammfasern nehmen bei ihrer peripherischen Ausbreitung etwa das mittlere Drittheil der Länge des Muskels ein und lassen an den Befestigungsenden desselben vollkommen freie Felder zurück. In allen Theilen des durch sie gebildeten Nervengeflechtes, in dem Stamm, in den Haupt- und Nebenästen, endlich in den etwa vorhan- denen Anastomosen unterliegen die Fasern einer 15—20fachen Verästelung. Aus der Ramifikation gehen am häufigsten 2, weniger häufig 3, seltner 4—5 Fasern hervor. Es lässt sich wohl nicht unpassend eine Stammverästelung, eine Abzwei- ung und eine Endverzweigung in der Ramifikation einer tamımfaser unterscheiden. Bei der Stammverästelung besitzen alle, oder doch wenigstens zwei Aeste ganz oder doch nahezu die Breite der Stammfaser. Die Endverzweigung beginnt nach der Stammverästelung und giebt sich darin zu erkennen, dass sämmtliche aus der Ramifikation hervorgehenden Zweige um die Hälfte und mehr schmäler sind, als die Stammfaser. Dünne Fasern, die während der Stammverästelung neben breiten. Fasern hervortreten, werden zu den Abzweigungen gene sie gehen unmittelbar in die Endverzweigung über. Jie dünnen Fasern unterscheiden sich von den breiten, ab- gesehen von dem (Juerdurchmesser durch weniger auffallende Gerinnung des Marks und durch grössere Dünnheit der Scheide. Die Einschnürung der Fasern, die an der Ramifikationsstelle zusammentreffen, desgleichen das plötzliche und stellenweise Dünnerwerden der breiten Fasern, sowie in gleicher Weise das Diekerwerden dünner Nervenfasern während ihres Ver- laufs sieht Referent als Kunstprodukte durch Zerrung an; je weniger ein Präparat gezerrt wird, um so mehr fehlen jene Erscheinungen, und umgekehrt. Die dünnen Fasern der Endverzweigungen und Abzweigungen gehen nach einfacher oder mehrfacher Wiederholung von Ramifikationen oder auch unmittelbar in die terminalen Pasern über. Diese enden nach 110 einem 1/4, —/,“ langen Verlauf im ungezerrten Zustande höchst wahrscheinlich mässig zugespitzt und treten in allen Gegen- den des Nervengeflechtes, vorzüglich aber im Grenzbezirke desselben hervor. Ein wesentlicher mikroskopischer Unter- schied zwischen der Spitze und dem übrigen Theile der ter- minalen Faser ist nicht nachweisbar; auch unterscheiden sich die letzteren nicht wesentlich von den dünnen Fasern über- haupt. Scheinbare Anastomosen und Schlingenbildungen, dadurch hervorgerufen, dass die Aeste und Zweige der Ner- venfasern innerhalb des Nervengeflechtes und im Grenzbezirke nach allen Richtungen und auch sehr oft central hinziehen, können häufig beobachtet werden. Dagegen lässt die genaue Uebersicht der peripberischen Ausbreitung der motorischen Nervenfasern den Satz feststellen, dass wirkliche Anasto- mosen- und Schlingenbildungen, wie man auch dieselben sich verwirklicht denken möge (p. 59 sq.), nirgend angetroffen wer- den. Eine jede motorische Faser läuft unter der bezeichneten Verästelung etwa in 30 terminale oder Endfasern aus, alle zusammen etwa in 300, die sich auf ungefähr 180 primitive Muskelbündel vertheilen. Die meisten Muskelfasern werden von dem spitzen Ende einer terminalen Faser getroffen; öfters gerathen mehrere Spitzen der terminalen Fasern einer und derselben oder auch verschiedener Stammfasern auf eine Mus- kelfaser; stets aber finden sich auch solche Muskelfasern vor, die von solchen Spitzen gar nicht berührt werden. Dagegen werden alle Muskelfasern in der Ausbreitung des Nervenge- flechtes mit den terminalen Fasern überhaupt in Berührung gebracht; häufig steht eine und dieselbe Muskelfaser auf diese Weise in verschiedenen Gegenden mit verschiedenen terminalen Fasern einer oder auch mehrerer Stammfasern im Kontakt. In der ganzen peripherischen Ausbreitung der motorischen Fasern, in den häufigen Ramifikationen, in dem Verlauf und in der Vertheilung der Aeste, der Zweige und terminalen Fasern giebt sich das Prineip zu erkennen, recht viele, wo möglich alle Muskelfasern des Muskels mit jeder einzelnen Stammfaser in Verbindung zu bringen. — Die sensiblen Ner- venfasern treten bei ihrer Ausbreitung auch auf die vom mo- torischen Nervengeflechte freien Felder, zeichnen sich durch die Dünnheit und den varikösen Habitus aus, laufen lange Streeken (3—5‘“), ohne sich zu verästeln, und pflegen nur dichotomisch sich zu ramifieiren. (Müll. Arch. 1851, p. 29—74). Zur Histologie der Netzhaut hat H. Müller folgende Resultate seiner Beobachtungen mitgetheilt. (Zeit. f. w. Zool. Bd. III, p. 234 sq.). An der Retina von Augen, welche einige Zeit mit Chromsäurelösung behandelt waren, lässt sich bei dünnen, senkrechten Schnittchen eine Streifung erkennen, die durch die ganze Dicke derselben senkrecht gegen die Nerven- ausbreitung, also radial zum Augapfel hinzieht. Diese Strei- fung rührt von radialen Faserzügen her, die einige Aehnlich- 111 keit mit elastischen Fasern haben, am inneren Ende zu einer kolbigen, körnigen Masse anschwellen oder eine membran- artige, dreiseitige Basis besitzen, beim Eintritt in die Körner- schicht eine mit Kern und Kernkörperchen versehene An- schwellung zeigen, die anastomosirende Fortsätze seitlich aussendet, während des Durchtrittes endlich durch die Kör- nerschicht selbst sich öfters in mehrere Fäserchen auflösen, an welchen die Stäbchen oder Zwillingszapfen mit ihrem An- hange (beim Zerreissen der Retina) wie Johannisbeeren an ihrem Stiele haften bleiben. Beim Frosch haben diese ra- dialen Fasern eine Länge von 0,14‘. — Die bekannten feinen Fädchen, welche häufig an den konisch zugespitzten Enden der Stäbchen sitzen, sind nicht gegen die Choriodea, sondern nach innen gekehrt und hängen mit den Körnern (nach dem Verfasser wahrscheinlich Zellen) der Körnerschicht zusammen, — Die Zwillingszapfen der meisten Fische und Säugethiere gehen an ihrem inneren, stumpfen Ende gleichfalls in einen Fortsatz über, der sich in einen Faden auszieht. Häufig bil- det den Anfang dieses Fadens ein deutlicher Kern. Derselbe eht jedenfalls durch die ganze Dicke der Körnerschicht hin- urch und besitzt an dem inneren Ende eine Anschwellung. Wo bei den Vögeln die Stäbchen in diesen Faden übergehen, befinden sich die bekannten farbigen Kügelchen, die also am inneren Ende der Stäbchen liegen, obschon nicht alle in glei- cher Höhe. Die Stäbchen der Frösche erscheinen an sich selbst da, wo sie in einer gewissen Dicke übereinander liegen, etwas röthlich, und man kann ein einzelnes Stäbchen, je nachdem es sich legt oder aufrichtet, farblos und gefärbt sehen. Der Verfasser deutet ferner mit Bowman die bei Fröschen zwischen den Stäbchen gelegenen pyramidalen Kör- perchen als analoge Theile der Zapfen bei den Fischen. — Von den zunächst der Nervenausbreitung gelegenen Nerven- zellen des Verf. war schon früher die Rede. Nach Kölliker’s und Virchow’s Beobachtungen an der Leiche eines kurze Zeit vorher hingerichteten Raubmörders fehlte an der Retina die Plica eentralis. Dagegen war der gelbe Fleck vorhanden, und in demselben ein dunklerer Punkt, das Poramen centrale, das sich wie ein rundliches Grübehen ausnahm. Die Retina selbst war durchscheinend graulich, so dass das Pigment der Choriodea durchschimmerte, und dass der gelbe Fleck selbst mehr bräunlichgelb von hellgelbem Saume umgeben sich darstellte. Seine Abgrenzung gegen die übrige Retina war nicht scharf. Stückehen der Retina aus dieser Stelle herausgenommen und auf einem Glasplättchen ausge- breitet, zeigten. sich intensiv eitronenfarbig. Unter dem Mi- kroskop sah man alle Theile der Retina (Ganglienzellen, Stäbchen, Körner, Fasern) gleichmässig hellgelb gefärbt. (Z. f. w. Zoolog. Bd. III, p. 41.). 112 Linsenfasern und Glaskörper. H. Meyer bemerkte an den Linsen neugeborner Thiere eine, in der Aequatorialebene gelegene, scheibenförmige, trübe, milchige Schicht, die er Kernzone nennt, weil sie aus einer Anhäufung von Kernen der Linsenfasern herrührt. An Sehnitt- chen, welche aus der Meridianebene erhärteter (durch Kochen) Linsen gewonnen werden, erkennt man die Kerne deutlich, und überzeugt sich zugleich, dass einer jeden Linsenfaser nur ein einziger Kern entspricht. Die Kerne der äussersten Schichte zeigten sich oval und gross, die der inneren Schich- ten nahmen allmälig an Umfang ab und erschienen gegen das Centrum der Linse hin nur noch punktförmig, bis sie end- lich ganz aufhörten. In der Nähe der Kapsel, namentlich am Falze derselben, finden sich rundliche und lang ausgezo- gene spindelförmige Zellen. Der Verfasser schliesst aus sei- nen Untersuchungen, dass die Linsenfasern aus je einer Zelle hervorgehen, dass das Wachsthum der Linse durch Apposi- tion von aussen Statt finde, dass endlich das Blastem für die Bildung der Fasern vorzugsweise in dem Kapselsalze abge- setzt werde. (Müll. Arch. 1351, p. 202 sq.). Nach Hannover ist die Differenz zwischen Bowman’s und den eigenen Angaben über die Struktur des menschlichen Glaskörpers dadurch entstanden, dass Bowman zu stark konzentrirte Härtungsmittel anwendete. In solchen Fällen erhärten die äusseren Lagen zu schnell, und die radiale An- ordnung gehe verloren, wogegen die äusseren Lamellen sich abschälen lassen. An senkrechten Querschnittchen wohl kon- servirter Augen erkenne man übrigens 1—2 Kreislinien, wor- aus auf eine, den thierischen Formen sich annähernde Bildung des menschlichen Glaskörpers zu schliessen se. Wenn das Auge nicht lange genug in Chromsäure gelegen und eine ge- wisse Durchsichtigkeit bewahrt hatte, so zeigten sich, haupt- sächlich im vorderen Abschnitte des Auges, Kreislinien, die vom Durchscheinen tiefer gelegener, kreisförmiger Organe (Corp. eiliare, Linsenwand) herrührten. (Canstatt'sJahresb. v.J. 1851; p. 34. — Bidrag til Ojet-Anatomie, Physiologie og Pathologie. Kjöbenhavn. 1850. 8. 4 Taf. p. 41... — Der in Chromsäure erhärtete Glaskörper von Chimaera monstrosa zeigt nach Leydig gleichfalls ein System homogener Häute, welche abgeplattete Säcke darstellen. Sie sind um die hin- tere Hälfte der Linse konzentrisch herumgeschlagen; der äusserste Sack ist der längste, der innerste der kürzeste, (Müll. Arch. 1851; p. 249.). Blut und Chyius. In seinen vergleichenden Analysen des Blutes der Pfort- ader und der Lebervenen giebt Lehmann die Mitthei- lung, dass das Lebervenenblut nur sehr wenig, oft gar keinen 113 Faserstoff enthalte, dass darin mehr Zucker, als in dem Blute jeder anderen Vene vorgefunden werde, und dass es mehr Albumin, weniger Salze und mehr Extraktivstofle als das Pfortaderblut führe. Fünf Stunden nach dem Füttern zeigen sich im Lebervenenblute '/, mehr Blutzellen, als in derselben Zeit im Pfortaderblute. Die farbigen Blutkörperchen im Le- bervenenblute sind ferner dieker und von kleinerem Quer- durchmesser als die im Blute anderer Venen; sie kleben auch nicht aneinander. (Pferd). Sehr ausgezeichnet ist das Blut der Lebervenen durch die Menge der farblosen Blutkörper- chen in verschiedener Grösse von 0,0034 und 0,0087”. Im Pfortaderblute dagegen bemerke man keinen Unterschied in der Zahl der farblosen Körperchen von dem Blute der Vena jugularis. (Bericht üb. d. Verh. der k. sächs. Ak. 1850. Ill. pP: sr O.Funke untersuchte das Milzvenenblut vom Pferde, welches ungefähr 5 Stunden nach der Fütterung gewonnen und in einem luftdicht verschlossenen Gefässe von Dresden nach Leipzig gesandt war. Die gefärbten Blutkörperchen fanden sich zum grössten Theil zu diehten unregelmässigen Haufen mit den Rändern untereinander verklebt; sehr selten lagen sie zu 2—5 geldrollenartig beisammen. Ihre Gestalt war mehr scheiben- oder linsenartig mit nur geringer, cen- traler Depression; ihr Durchmesseg war meist kleiner, als bei den Blutkörperchen des übrigen Pferdeblutes; im Mittel 0,0022”. Ueberraschend ‚gross war die Zahl der farblosen Blutkörperchen; meist noch bedeutender als im Lebervenen- blute nach Lehmann’s Beobachtungen. Sie lagen in Haufen zu 30—40 beisammen und waren durch eine blasse, körnige moleeulare Masse untereinander verklebt; in ihrer Umgebung befanden sich gewisse räthselhafte Körper von runder oder oblonger Form, scharfen Rändern und blassem mattgranulir- ten Ansehen. Ausserdem zeigte sich noch eine dritte Art eigenthümlicher Zellen, die „Körnchenzellen“ genannt werden; ihre Grösse war bedeutender, als die der farblosen Blutkör- perchen, zwischen 0,004’ und 0,0052. In ihrem Inneren befand sich eine verschiedene Anzahl, 4—10 kleiner dunkel- kontourirter, stark lichtbrechender Körnchen in verschiedener Weise gruppirt. Sie sind nicht mit den pigmenthaltigen Zel- len anderer Beobachter zu verwechseln und wahrscheinlich identisch mit den sogenannten „farblosen Körnchenzellen* Eiker’s. Nur ein einziges Mal gelang es dem Verf. eine sogenannte blutkörperchenhaltige Zelle zu beobachten. Durch Zusatz von Essigsäure lösten sich die rothen Blutkörperchen ziemlich leicht auf, ohne einen Kern zu hinterlassen; ein ge- ringer Theil derselben widerstand indessen der Einwirkung der Essigsäure. Die letzteren waren meist kleiner als die löslichen und weniger intensiv gefärbt. Die farblosen Blut- körperchen wurden durch Essigsäure sämmtlich ausserordent- 114 lich aufgebläht und vollkommen hyalin, ohne dass jedoch die Zellenmembran sogleich zerstört wurde. Der sichtbar gewor- dene Kern war meist sphärisch oder elliptisch, excentrisch, matt gefleckt. Die Hüllenmembran der Körnchenzellen ver- hielt sich gegen Essigsäure, wie die der farblosen Blutkör- perchen. Die Körnchen des Inhalts trennten sich und lösten sich schliesslich auf. Die oben bezeichneten räthselhaften runden Körperchen blieben in Essigsäure unverändert. (Zeitsch. für rat. Med.; neue Folge, Bd.I, p. 178 sq.). Nach Böcker’s Untersuchungen über die verschiedenen Arten und die Bedeutung der gewölkten (farblosen) Blutkör- perchen) ergab sich, dass die farblosen Blutkörperchen in zwei Gattungen geschieden werden müssen: a) in solche, welche sich durch Salzsäure verändern und aus den Chylus- gefässen in das Blut gelangen, eigentliche farblose Blutbläs- chen, und 5) in solehe, welehe durch Salzsäure nicht verän- dert werden, im Pfortaderblute enthalten sind und in der Leber zur Gallenbildung benutzt werden, entfärbte Blutbläs- chen. (Arch. für phys. Heilk. Bd. IV, p. 555 sq.). Nach Remak finden sich im Blute des Hühnchens zur Zeit, wenn das Herz seine Bewegungen beginnt, sowohl far- bige als auch grössere farblose Blutkörperchen vor, von de- nen die letzteren in die ersteren sich verwandeln. Ausserdem aber soll nach dem Verf, auch eine Vermehrung der rothen Blutkörperchen unmittelbar durch Theilung der schon vor- handenen rothen Blutkörperchen herbeigeführt werden. Diese Theilung gehe gewöhnlich, wie man sich bei Anwendung einer schwachen Kalilösung überzeuge, von dem Kern aus, der in Achterform sichtbar werde; später schnüre sich auch die Zellenmembran in ihrer Mitte ein. Zuweilen geschehe es jedoch, dass die Theilung von der Zellenmembran ausgehe, nur die eine abgeschnürte Hälfte den Mutterkern enthalte, und dass von diesem dann knospenartig der Kern für die andere Hälfte nachwachse. Am Schlusse des 5ten oder 6ten Tages fehlen die Doppelzellen im Blute, und es erscheinen dann wieder zahlreiche farblose Blutkörperchen, die jedoch kleiner als die zuerst auftretenden sind. Aehnlich ist es beim Frosch. — Beim Hähnchen hat Ref. die sogenannten Doppel- zellen häufig gesehen. Man kann sich aber stets überzeugen, dass man es mit zwei aneinander geklebten, farbigen Blut- körperchen zu thun hat; jede angebliche Hälfte einer Mut- terzelle hat die Grösse der übrigen Blutkörperchen. Nirgend fand Ref. Uebergangsstufen, die die Angaben Remak’s zu rechtfertigen im Stande wären. (Unters. über die Entwick. der Wirbelth. I., p. 22 und 63.). N Kölliker und Virchow untersuchten an der Leiche des oben bezeichneten hingerichteten Raubmörders den Chylus aus dem Duct. thoraeicus. Er war milchig von einer unge- mein grossen Anzahl der allerfeinsten Moleküle. Zusatz von 115 Essigsäure bewirkte eine schnelle Trübung und es zeigten sich zahlreich Fettmolekule. Die Chyluskörperchen erschie- nen farblos, leicht granulirt, kernartig und waren rund. Bei Zusatz von Essigsäure trat eine meist einfache, häufig runde, aber auch eingekerbte, hufeisenförmige, biseuitförmige Kern- masse hervor; sehr selten liessen sich mehrere kleine Kerne (?R.) sehen. Die Grösse der Chyluskörperchen war ohne Ausnahme geringer, als die der Blutkörperchen; im Mittel 0,002’, (Zeitschr. f. w. Zool. Bd. III; p. 43.). Gefässe. H. Weyrich hat die Lymphgefässe auf die Textur und Struktur untersucht und sie mit den Blutgefässen ver- glichen. (De textura et struetura vasorum lymphaticorum, rat. simul habita vasor. sanguiferorum. Dorpat. 1851. 4to; ce. tab. I.). Die Beobachtungen bezogen sich auf die Gefässe des Men- schen, des Pferdes, des Hundes und der Katze. Man kann die in den Wandungen der Lymphgefässe vorkommenden Formelemente und ihre Anordnung, wie bei den Blutgefässen, nach drei über einander gelagerten Häuten auffassen. Im Duct. thoracieus und den grösseren Stämmen des Lymphge- fässsystems besteht die Tunica intima, dem Lumen des Ge- fässes zunächst aus einem Epithelium, welches bei Zerrung in spindelförmige, gekernte Zellen sich zerlegen lässt. Dann folgen nach aussen hin mehrfach übereinandergeschichtete Membranen, die oft den Schein von feinen, elastischen Faser- netzen gewähren, bei genauer Untersuchung glashelle Häute darstellen, die der Längsaxe der Gefässe entsprechend sich leicht in feine Falten. legen und dem entsprechend gestreift erscheinen, auch nach den Faltenzügen sich in Fasern spalten lassen und hin und wieder mit schmalen Kernen versehen sind. Der Verf. nennt sie mit dem Ref. epitheliale Membra- nen, von der Ansicht ausgehend, dass sie aus Verschmelzung spindelförmiger Epithelialplättehen entstanden sind. Ihre Dar- stellung ist schwieriger beim Duct. thorac. des Hundes und der Katze. Auf Querschnittchen stellt sich die Schicht der epithelialen Membranen als ein pellucider Saum dar, welcher beim Pferde und dem Menschen 4, — "420 breit ist; beim Hunde nur ’/,5”. Den Schluss der Tunica intima nach aus- sen bildet eine dünne Schicht feiner elastischer Längsfaser- netze, die auch schon Bindegewebe enthalten; sie ist stärker beim Pferde als beim Menschen. Die nun folgende Tunica media besteht aus einer Schicht kreisförmig verlaufender, glatter Muskelfasern. Sie erreicht beim Menschen im Duct. thorac. eine Dicke von 14,” Die durch Salpetersäure ge- trennten Fasern sind '%" lang und '4,,“ breit. Beim Pferde sind sie ya lang und '%s” breit; bei Hunden 4” lang, "Ass breit; bei Hasen 14," lang, "%60 breit. Die Fasern sind dadurch von denen im Darm ausgezeichnet, dass sie Müller's Archiv. 1852. Jahresbericht, H 116 nach Behandlung mit Salpetersäure nicht eine so auffallend gedrehte, spiralige Form annehmen. Die Tunica externa end- lich besteht beim Menschen und dem Pferde aus Bindegewebe, durehflochten von elastischen Längsfasernetzen, zwischen wel- chen mehr oder weniger zahlreiche Bündel von glatten Muskel- fasern gelagert sind, die parallel der Längsaxe des Gefässes verlaufen. Der Zug der Streifung im Bindegewebe richtet sich hier gleichfalls nach der Längsaxe der Gefässe. Die Valvulae werden nur von der Tunica intima gebildet. Die in ihnen befindlichen elastischen Fasernetze zeichnen sich durch die Feinheit der Fasern aus. Die Kapillaren des weitmaschi- gen Blutgefässnetzes in den Valvulae hatten eine Breite von 3/00. — Im Duet. thoraeicus des Hundes und der Katze liessen sich Längs-Muskelfasern in der Tunica adventitia nicht unterscheiden. — Bei Lymphgefässen von kleinerem Kaliber fehlen die Mittel, um sich von der Existenz des gewöhnlichen Gefässepithelium zu überzeugen. Desgleichen fehlen bei Ge- fässen von !/,”‘ im Querdurchmesser sehon die longitudinalen Muskelbündel in der Tunica adventitia. Bei Lymphgefässen des Menschen von !%,' im Querdurchmesser glaubte der Verf. noch zirkuläre Muskelfasern zu unterscheiden. Bei 1—4"' breiten Lymphgefässen dagegen hat Weyrich sowohl die elastischen Längsfasernetze der Tunica intima und adventitia, als die zirkulären und Längs-Muskelfasern der Tunica media und advent. verfolgen können. Die elastischen Längsfaser- netze nehmen mit der Verkleinerung der Gefässe an Stärke ab und hören auch ganz auf. In einem 1%,‘ breiten Lymph- gefässe aus dem Mesenterium der Katze fand sich in der Tu- nica adventitia nur noch eine Lage elastischer Fasernetze vor. Indem Weyrich zum Vergleich der Lymphgefässe mit den Blutgefässen übergeht, werden zuerst die charakteristi- schen elementaren Gewebe der Blutgefässwandungen nach eigenen Beobachtungen erörtert. Ausser dem Gefäss- epithelium, den epithelialen Membranen und glatten Muskel- fasern wird in denselben das elastische Gewebe in zwei For- men angetroffen: als gefensterte Membranen und als elasti- sche Fasernetze. Die gefensterten Membranen haben ent- weder grössere und vereinzelt stehende runde oder ovale Oeffnungen und sind pellueid oder durch Faltenzüge gestreift (Henle’s gestreifte und gefensterte Membran), oder sehr zahlreiche kleine, runde Oeffnungen und Längsstreifung (nach der Längsaxe des Gefässes), oder endlich länglich, verein- zelt stehende Spalten und kleinere oder grössere, runde oder ovale Oeffnungen. Die letzteren gefensterten Membra- nen können durch Zerrung den Habitus der elastischen Fa- sernetze annehmen, die übrigens in ihren breiten Fasern nicht selten noch kleinere, oft regelmässig aufeinander folgende, runde Oeffnungen führen. Die Tunica intima der stärkeren Blutgefässe besteht aus dem Gefässepithelium, den epithelia- 117 len Membranen und aus einer Schicht elastischen Gewebes, nämlich bei den Arterien aus der gefensterten Membran mit zahlreichen kleinen Oeffnungen und Längsstreifung, bei den Venen aus elastischen Längsfasernetzen. In den feineren Blutgefässen verschwindet die respektive elastische Schicht. Doch findet sie sich noch bei Arterien von 1,—!1/' im (Juerdurchmesser vor, wodurch solche Arterien leicht von Venen gleichen Kalibers unterschieden werden können. Die Tunica media wird gebildet aus zirkulären, glatten Muskel- fasern, aus Bindegewebe, aus queren elastischen Fasernetzen und in den Arterien auch aus gefensterten Membranen mit grösseren, querovalen oder runden Oeffnungen und mit Längs- spalten. Je dünner die Arterien werden, um so mehr nimmt die Tunica media an Stärke im Allgemeinen ab, das elasti- sche Gewebe tritt zurück und die Muskelfasern überwiegen, so in der Art. subelavia, eruralis, radial. Bei 1‘ breiten Arterien scheint das elastische Gewebe schon gänzlich zu fehlen. In 1%,—'%45”“ breiten Arterien waren Muskelfasern durch Salpetersäure noch darzustellen. Von der Tunıca in- tima wird die Tunica media der Arterien durch eine gross- fenstrige, gestreifte Membran geschieden. Bei 11%—1‘ brei- ten Arterien ist diese Membran nicht mehr zu finden; des- gleichen fehlt sie den Venen. Bei den letzteren vermindern sich mit der Verkleinerung der Gefässe gleichfalls die zwi- schen den Muskeln gelagerten elastischen Fasernetze. In dem Brusttheil der Vena cava inferior ferner werden, wie schon Remak angab, die Muskelfasern gänzlich vermisst. In 1” breiten Venen fehlt ebenso, wie bei den gleich breiten Arterien, das elastische Gewebe gänzlich. Die Tunica advent. besteht vorzüglich aus gefensterten Membranen mit Längs- spalten, aus elastischen Längsfasernetzen und aus Bündeln von Längsmuskelfasern neben Bindegewebe. Die Längsmus- kelbündel wurden in der Art. iliaca comm. des Menschen zahl- reich angetroffen; im Allgemeinen jedoch ist die Tuniea ad- vent. der Venen durch sie ausgezeichnet; nach den kleineren Aesten hin bleiben sie hier auch am meisten erhalten. — Ein Vergleich der Arterien und Venen mit den Lymphgefässen stellt heraus, dass letztere in der Textur und Struktur haupt- sächlich mit den Venen übereinstimmen. In Betreff der Tu- nica intima herrscht vollkommene Uebereinstimmung. Die Tuniea media der Lymphgefässe unterscheidet sich von der in den Venen und Arterien dadurch, dass das elastische Ge- webe auch selbst im Duct. thorae, gänzlich fehlt; bei Gefäs- sen von "4 (Juerdurchmesser verhalten sich Lymphgefässe, Venen, Arterien auf dieselbe Weise, indem in der Tunica media überall hauptsächlich Muskelfasern sich vorfinden. Die Tunica advent, der Lymphgefässe nähert sich wieder ganz derjenigen bei den Venen, indem ausser reichlichem Längs- Bindegewebe gefensterte Membranen mit Längsspalten und 1* 118 elastische Längsfasernetze bei beiden vorkommen. In den Lympbgefässen, wie in den Venen fehlen gefensterte Mem- branen mit rundlichen, grösseren oder zahlreichen kleineren Oeffnungen gänzlich. Eine ausführliche Beschreibung des mikroskopischen Ver- haltens der Blutgefässwandungen liefern auch Schrant (Out- leedkundige Studien over de aderlijke bloedvaten ete. Tijd- schrift der nederlandsche maatschappij tot bevordering der geneeskunst. Jahrg. I. 1850. p. 4seq.) und Wahlgren (Kort framställning af vensystemets allmänna anatomi. Acad. Af- handl. Lund. 8. 5 Taf... Da dem Ref. die Original- Abhand- lungen nicht zur Hand sind, so muss er sich darauf beschrän- ken, Einiges aus den Mittheilungen Henle’s (a. a. O. p. 38 sq.) hier anzuführen. Die Verfasser haben die Längsmuskelbündel der Tunica adventitia in den Venen gleichfalls beobachtet, rechnen sie aber zur Tunica media. Die Streifen der Henle- schen gefensterten Haut in den Gefässen halten sie mit Henle für die optische Zeichnung von Fasernetzen; in den. mehr nach aussen gelegenen Membranen sollen sie besonders deut- lich werden. Statt der gefensterten Membran findet Schrant in vielen Venen ein minder regelmässiges Fasernetz mit gros- sen, in die Länge gezogenen Maschen. Dasselbe scheine zuweilen unmittelbar die innere Oberfläche der Venenwandung zu bilden. In der Tunica intima grösserer Gefässe folgen auf Lamellen, deren Oberfläche von sehr verwirrt durcheinander laufenden Streifen bedeckt ist, Fasernetze, welche durch kleine, oft noch von einer strukturlosen Haut geschlossene, unregelmässige Oeffnungen charakterisirt sind (!R.). Sie be- stehen gewissermaassen aus zwei, dieht anastomosirenden Netzwerken, von welchen das eine mit queren, das andere mit länglichen Maschen versehen ist, wodurch, bei offenen Maschen, eine sehr unregelmässig gefensterte Platte gebildet werde. Die innere Venenhaut soll ohne bestimmte Abgren- zung in die mittlere übergehen, doch könne als Grenze die Stelle bezeichnet werden, wo die ersten, wohl charakterisir- ten, querverlaufenden Bindegewebsbündel auftreten. In der mittleren Haut grosser Venenstämme finde man statt elasti- scher Fasernetze zuweilen gefensterte Membranen. Von den Fasernetzen sowohl, als von den gefensterten Membranen sollen ferner elastische Fasern entspringen, welche sich ver- ästeln und unter sich, desgleichen mit den Kernfasern des Bindegewebes, selbst mit den Muskelfasern verbinden (!R.). Sehrant bestätigt die Anwesenheit quergestreifter Muskel- fasern in der vena cav. sup., vom Herzen an bis zur Ein- mündung der v. subel.; in der vena pulmonalis seien sie sogar in den Hauptzweigen anzutreffen. Auch in den feinsten, ar- teriellen Gefässen will der Verf. mittelst Essigsäure von der Existenz glatter Muskelfasern sich überzeugt haben. Es scheint hier jedoch, fügt Henle hinzu. eine Verwechselung 119 mit Epithelien stattgefunden zu haben. — Nach Wahlgren gehen elastische Fasernetze und durchbrochene Membranen in grossen Venen häufig ineinander über. In den grösseren Klappen der Venen sollen nach dem Verf. Muskelfasern vor- kommen. Ueber die Mächtigkeit der Venenhäute (Tunic. adv., media, intima) in verschiedenen Venen hat Wahlgren Mes- sungen angestellt und die Resultate in einer Tabelle mit- getheilt. Henle untersuchte die Struktur feiner Gefässe und Ka- pillarnetze aus der Tunica vasculosa des Tub. intest., nachdem dieselben durch Kochen oder Mazeration an der von einander getrennten Muskel- und Schleimhautschicht zugäng- lich gemacht worden waren. An Gefässen von 0,006 —0,015' Durchm. war ausser der inneren, der Länge nach gefalteten, übrigens strukturlosen Hant eine Schicht von queren Muskel- fasern zu unterscheiden, von welchen die meisten das Gefäss ganz umfassten und mit ihren Spitzen in einer Art von zak- kiger Nath zusammengefügt erschienen. Die Breite der Mus- kelfasern betrug 0,0013 —0,0017'. Gegen Kölliker und Remak bemerkt der Verf., dass in den, an die Kapillaren zunächst angrenzenden Aesten Arterien und Venen im Bau einander gleichen. (Jahresb. a. a. ©. p. 40.). Remak sah die ersten Anlagen der Blutgefässe beim Hühnchen schon im letzten Viertel des ersten Tages der Bebrütung (!R.). Sie zeigen sich zuerst in der Area vasculosa als netzförmig verbundene, beinahe undurchsichtige Zylinder von 0,012—0,02 Durchm. und bestehen aus An- häufungen kernhaltiger Zellen. Die mittleren Zellen zeichnen sich oft durch ihre Grösse und durch den grossen durchsich- tigen Kern aus, und gleichen bereits den späteren farblosen Blutzellen im ersten Kreislauf. Am Rande des Fruchthofs dagegen finden sich schon weiter entwickelte Gefässe vor, die gewöhnlich leer sind, und deren Wandung aus einer ein- fachen Lage von stark in die Höhle hervortretenden Zellen bestehen. Ebenso verhalten sich die Gefässe im Fruchthofe selbst. Die späteren Gefässanlagen sind durchschnittlich schmaler, als die ursprünglichen; ihre Zusammensetzung aus Zellen tritt häufig erst bei Anwendung von Essigsäure zu Tage. Bei feineren Gefässanlagen sind jedoch die Zellen auch durch die Essigsäure nicht darzustellen. In den für das Blut durchgängigen Gefässen lassen sich weiterhin zwei aus kernhaltigen Zellen bestehende Schichten unterscheiden. (Un- ters, üb. die Entw. I.). Henle empfiehlt zur Untersuchung über die Bildung der Blutgefässe die Pupillar-Membran und die hintere Kapselwand. Der Verf. hat hier ebenfalls die von anderen Beobachtern erwähnten Ausläufer und feinen Verbindungsfäden der em- bryonalen Gefässe und Kapillaren beobachtet. Trotz aller erwünschten Klarheit des Präparates liess sich nicht entschei- 120 den, ob jene Fäden eine Entwickelungsstufe der Gefässe dar- stellen, oder nicht vielmehr ein Produkt der Zerrung sind, da 1) sowohl Kerne als Membranen der embryonalen Gebilde ausserordentlich zäh und zu Fäden dehnbar sind, und weil 2) nicht selten mitten in einem solchen Faden Blutkörperchen sich vorfanden, von denen wohl nicht anzunehmen sei, dass ihre Bildung an dieser Stelle Statt gefunden habe. Etwas, was auf Entstehung der Kapillargefässe aus sternförmigen Zellen schliessen liesse, hat Henle nicht gesehen. Manche Bildungen, meint der Verf., erwecken die Vermuthung, dass neue Gefässe durch Theilung aus den vorhandenen, durch Absetzung von Inseln strukturloser Substanz (!R.) im Lumen von Gefässen hervorgehen. (!). (Jahresb. a. a. O. p. 41.). Lymphdrüsen. O. Heyfelder untersuchte den Bau der Lymphdrüsen. (Inaugural-Abh. Breslau. 1351). Die günstigsten Präparate für die Untersuchung liefern die Lymphdrüsen der Maus, und mit diesen wurden verglichen die Drüsen der Ratte, des Ka- ninchens, der Fledermaus, des Hundes, des Rindes, der Gans, des Haushuhns und des Menschen. Nach Entfernung der äusseren, bindegewebigen Hülle tritt die eigentliche Drüsen- hülle zu Tage, welche aus verdichtetem Bindegewebe und Muskelfasern besteht. Bei der Maus sind die Muskelfasern vorherrschend und stellen eine ganze Schicht dar; ähnlich ist es bei der Ratte. Bei den übrigen Thieren sind die Muskel- fasern mit Bindegewebe gemischt; am meisten tritt die mus- kulöse- Struktur beim Menschen zurück. Von dieser Hülle gehen zahlreiche Fortsätze und Scheidewände in das Innere des Organes hinein, das Stroma darstellend. Auch in diesen Fortsätzen entdeckte der Verf. glatte Muskelfasern. Die in die Drüse eintretenden Lymphgefässe verlieren ihre Häute bis auf eine strukturlose Haut, welche mit zahlreichen, quer- ovalen Kernen in ziemlich gleichmässigen Zwischenräumen versehen ist. Die Lymphgefässe machen in der Drüse zahl- reiche Windungen, anastomosiren mit einander und besitzen mehr oder weniger runde, zellenartige Erweiterungen von 0,068—0,076° Durchm. an der stärksten Breite. Als Inhalt der Lymphgefässe liessen sich ausser Elementarkörnchen nur die sogenannten Chylus- und Lymphkörperchen wahrnehmen. Die von Engel beschriebenen kleineren Drüschen innerhalb der grösseren Lymphdrüsen hält der Verf. für identisch mit beschriebenen Erweiterungen der Lymphgefässe. Drüsen. An feinen Schnittehen getrockneter Lebersubstanz, die einige Zeit in Weingeist und Aether gelegen hatte, überzeugte sich Dr. Weja, dass die Leber-Drüsenzellen von struktur- loser Haut umschlossen sind. Ob diese Kanäle Fortsätze der 121 Interlokular-Gallengänge (Krukenberg, Theile) seien, liess sich an solchen Schnittehen nicht ermitteln. (Müll. Archiv 1851, p. 79 sq.). Nach Brücke (Zeitsch. d. Aerzte in Wien; Aprilheft.) sind die solitären Follikel des Diekdarms (Gl. simplices ma- jores) ganz ebenso, wie die einzelnen Peyer’'schen Kapseln gebaut. Auch sie liegen mit ihrer grösseren Hälfte im sub- mukösen Bindegewebe; nur die Kuppe wird von der neu ent- decekten Muskelschicht des Darms umfasst, so zwar, dass die Mitte derselben frei bleibt. Durch die wallartige Erhebung der Schleimhaut rings um diese Kuppe entsteht eine trichter- förmige Vertiefung, welche von Böhm für den Ausführungs- gang genommen sei. Um sich zu überzeugen, dass die Gl. simplic. major. geschlossene Kapseln sind, legt man ein fri- sches Dickdarmstück 24 Stunden in Wasser, dann werden die scheinbaren Ausführungsgänge überaus deutlich, zugleich aber quellen die Drüsenkapseln so stark auf, dass sie die Schleim- haut hügelförmig erheben. Nun entfernt man die Muskel- schicht, trägt mit einer gekrümmten Scheere die hintere Wand der Drüse ab und lässt den Inhalt ausfliessen. Danach über- zeugt man sich leicht, dass die Kapsel nach der Schleimhaut- fläche hin undurchbohrt ist. — Nach Ernst geht die Tunica propria der solitären Follikel und Peyer’schen Kapseln be- sonders an den Seitenpartieen ohne bestimmte Grenze in die Bindegewebsmasse der Cellulosa über. Jeder Follikel enthält überdiess, wie der Verf. entdeckte, in seinem Inneren ein zierliches Netz von Kapillargefässen, die den Inhalt der Drü- sen durchziehen. (Ueber die Anordnung der Blutgefässe in den Darmhäuten. Zürich. 8.). Den feineren Bau der einfachen Balgdrüsen an der Zungenwurzel beschreibt Kölliker folgendermassen. (Verh. der phys.-medieinisch. Ges. zu Würzb. Bd. II, p. 176sq.). Eine jede Balgdrüse besteht aus einer diekwandigen Kapsel, die aussen von einer Faserhülle um- geben ist, innen von einer Fortsetzung des Mundepitheliums ausgekleidet wird und zwischen beiden in einer zarten, fase- rigen, gefässreichen Grundlage eine gewisse Zahl grosser, ganz geschlossener Kapseln oder Follikel enthält. Die "aserhülle von 0,01 Dicke zeigt aussen Bindegewebe mit Kernfasern; sodann nach innen die eigentliche Wand der Balg- drüse mit zwei, mikroskopisch deutlich unterscheidbaren Schichten: das Epithelium und das Stroma von Bindegewebe (ohne Kernfasern und Fettzellen), von Blutgefässen und darin eingekapselt die Follikel. Diese sind rund oder länglichrund, von 4/0", im Durchm, und gleichen ausserordentlich den Peyerschen Kapseln. Der Inhalt besteht aus Flüssigkeit von alkalischer Reaktion und Zellen oder auch freien Kernen. Der Inhalt der Zellen ist granulirt und wird durch Essigsäure ge- trübt; der Kern derselben spaltet sich nicht durch Essigsäure; Natron und ceaustische Alkalien überhaupt machen die Zellen 122 aufquellen und lösen sie schliesslich auch mit den Kernen auf. Der Inhalt ist verschieden von Schleim und zeigt viel- mehr Uebereinstimmung mit dem Inhalt der Milzkörperchen. Es existirt gewöhnlich nur eine einfache Schicht solcher Fol- likel. — Die Mandeln oder Tonsillen sind als ein Aggregat von 10—20 Balgdrüsen zu betrachten, die fast untereinander verbunden und von einer gemeinsamen Hülle zusammenge- halten werden. Auch zeigen sich in der von einer Fort- setzung des Mundepitheliums ausgekleideten Höhle kegelför- mige oder fadenförmige, selbst leicht ästige Papillen von 0,06—0,08” Länge. eim Menschen ist es in sehr vielen Fällen (wahrscheinlich in Folge von Zerstörung) nicht mög- lich, die geschlossenen Kapseln in den Wänden der Tonsillen zu finden. Zur Untersuchung wird empfohlen die Tonsille des Schweines und Schaafes, die Zungenbälge des Ochsen, ferner Tonsillen ähnliche Organe nahe am Eingange des La- rynx beim Schwein, Schaafe, Ochsen, bei denen an frischen und in Alkohol erhärteten Theilen der Bau stets leicht zu ermitteln ist. Vergleichend histologische Beiträge zur Niere liefert von Hessling. (Histologische Beiträge zur Lehre von der Harn- absonderung. Jena 1851; mit 1 Taf.). In Betreff der Harn- kanälchen der Wirbelthiere giebt der Verf. zahlreiche Mes- sungen sowohl von der Weite der Kanälchen, als von der Dicke der Tunica propria. (p. 37 und p. 39.). Gegen den Aus- führungsgang der Drüse hin sind die Röhrchen bisweilen mit Querwurzeln versehen, namentlich in den Papillen der Men- schenniere, und dieses soll an die Kontraktionsfähigkeit der Drüsenschläuche niederer Thiere erinnern. Gabelförmige Ver- ästelungen der Kanälchen in der Rindensubstanz hat der Verf., ausser beim Menschen, bei Kaninchen, Vögeln und am häu- figsten bei Fischen und Amphibien beobachtet. Die blinde Endigungsweise der Röhrchen wird als die regelmässige an- gegeben. Zwischen den Röhrchen in der Medullarsubstanz ist ein deutlich ausgesprochenes, interstitielles Bindegewebe nicht nachzuweisen. Als Inhalt der Harnkanälchen werden angeführt: freie Kerne von verschiedener Grösse, am häufig- sten in der Müller'schen Kapsel; kleine Zellen ohne deutlich erkennbaren Kern, gewöhnlich drei- oder viereckig und dicht aneinandergedrängt, bei Vögeln mit fettigem, glänzenden An- sehen; polygonale Zellen mit deutlichem Kern und Kernkör- perchen bei Embryonen vom Rinde, Schafe, Menschen, bei Fischen; Zellen, grösser als die vorigen, mit 1—2 Kernen, umgeben von dunkelbraunen Körnchen; grosse, wasserhelle Zellen mit Kern; grosse Zellen .mit Kern und feinkörnigem Inhalt, in welchem meist eine oder mehrere Bläschen oft von gelber oder brauner Tinktion und mit körnigen Ablagerungen vorkommen (Fische, Reptilien ete.); eng aneinander liegende Cylinderepithelien, die mit der Basis gegen die Wand, mit 123 der stumpfen Spitze gegen die Mitte des Kanälchens gerich- tet sind; Flimmerzellen von der Form, die Bidder beschrie- ben, im Halse und im nächsten Drittheil der Müll. Kapsel, auch in weiterer Ausdehnung; endlich einzelne zu grösseren Klumpen zusammengebackene, gelbe, braune, dunkelrothe, schwarze Körner, welche die Höhle der Kanälchen anfüllen, desgleichen Krystalle von Harnsäure-Verbindungen und Trip- pelphosphate. Von den Malpighi’schen Glomeruli werden eine grosse Anzahl Messungen verschiedener Thiere mitgetheilt. Beim Salmo Hucho überzeugte sich der Verfasser deutlich, dass der Gefässknäuel innerhalb der Ampulle (Kapsel) der Harnkanälchen liege. Man sehe hier einen breiten, queren Sehlitz an der Kapsel, und durch ihn trete das ein- und aus- mündende Gefäss. Tritonen scheint Hessling nicht unter- sucht zu haben. Das Epithelium kleidet nach dem Verf. nicht nur die ganze Kapsel aus, sondern soll auch den Glomeru- lus, sowohl an seiner Oberfläche als in den Zwischenräumen seiner Schlingen, überziehen. Häute. Die „Struktur der serösen Häute des Menschen“ ist von H.Luschka untersucht. (Tübing. 1851; 4to, mit 3 Tafeln Abbildungen). Die wesentlichen Formbestandtheile der se- rösen Häute sind, ausser Gefässen und Nerven, das Epithe- lium und das Bindegewebe mit elastischen Fasern und eigen- thümlichen, sogenannter „serösen Fasern.“ Von den Ansich- ten des Verf. über das Epithelium war schon früher berichtet. Das Bindegewebe erscheint entweder als strukturloser Binde- stoff, oder als netzförmig verbundener Zellstoff, oder besteht aus isolirten Fibrillen. Den netzförmig verbundenen Zellstoff erkannte der Verf. in der Arachnoidea auris und oculi. Der- selbe zeigt sich als ein zierliches Netzwerk dünner Fasern, in dessen Maschen strukturloser Zellstoff ausgebreitet war. (Wahrscheinlich schwer spaltbares und faltenbildendes, seh- niges Bindegewebe. R.) Die elastischen Fasernetze sind meist fein; in der Pleura und in dem Bauchfelle kommen auch die gefensterten Membranen mit Längsspalten und kleineren Lö- chern, wie in den Arterien vor. Die sogenannten serösen Fasern, das wichtigste, ja Kriterium der serösen Häute, sollen den von Henle in der Lamina fusca beschrie- benen Fasern gleichen und sind allein von Arnold gewür- digt. Charakteristisch ist ihnen ein blasses, wasserhelles Aussehen, scharfe, ebene, nicht sehr dunkle Kontouren, ge- streckter, nur selten bogenförmiger oder geschwungener Ver- lauf. Die Fasern snd platt, sehr lang, von der Breite von 0,001 Min. bs zur kaum messbaren Feinheit. Meist sind sie einfach; doch kommen auch getheilte Formen vor. Weder durch Essigsäure, noch durch Kalilösung werden sie verän- dert (Spiralfasern. R.). Sehr deutlich zeigen sie sich in der 124 Descemet’'schen Haut beim Uebergange derselben zur Iris; ferner in dem Theile der Membrana limitans, weleher mit der Zonula Zinnii verwachsen ist. Ihrer Entstehung nach - verhalte sie sich wie eine Kernfaser. Von der Membr. Desce- _ metü bemerkt Luschka, worauf schon Ref. (Vergl. Beobach. über das Bindeg. Dorp. 1849; p. 87.) hinwies, dass sie am Rande der Hornhaut in das Lig. irid. pectinat. übergehe, sich auf die vordere Fläche der Iris als Membrana Zinnü fortsetze und am Pupillarrande mit der Membr. iridis posterior an der hinteren Fläche der Iris unter dem Pigmente zusammenstosse, An dem Rande der Hornhaut ändern sie ihren Charakter und werden faserig; der unmittelbare Uebergang der Membr. irid. anterior oder Zinnii in die M. posterior am Pupillarrande sei, wenigstens bei Erwachsenen, nicht nachzuweisen. Ueberall werde das bindegewebige Substrat der genannten serösen Häute von einem Platten-Epitheliium bedeckt, und an der hinteren Fläche der Iris liege dasselbe unter der Pigment- schicht. — An der zwischen der Selerotica und Choroidea gelegenen, sogenannten Arachnoidea oculi fand der Verf. ein Epithelium von der Form und dem Verhalten desjenigen, welches an der Membr. irid. ant. und posterior beobachtet wird, doch scheint dasselbe nicht immer eine kontinuirliche Schicht zu bilden. — Die Membr. limitans ist nach Luschka kein Bestandtheil der Retina, sondern eine selbsständige, den Charakter einer serösen Membran darbietende Haut, die sich von der Eintrittsstelle des Sehnerven bis über den Rand der Linsenkapsel erstreckt und an der vorderen Fläche mit dieser verwachsen ist. An der Zonula Zinni i$t sie sehr fest mit der Hyaloidea verbunden; die sie bedeckenden Epithe- lialplätteben sind von hexagonaler Form. Auf der Oberfläche des Glaskörpers fehlt das Epithelium; dagegen soll sich das- selbe in allen inneren Theilen des Glaskörpers auffinden lassen. — Mit dem Namen „Arachnoidea auris“ wird jene dünne, durchscheinende, leicht zerreissliche Haut (Beinhaut) bezeichnet, welche die innere Oberfläche des Vorhofes, die Wände der beiden Treppen und der halbkreisförmigen Ka- näle überzieht. Das sie bedeckende Epithelium wird von dün- nen, höchst fein granulirten, polygonalen Plättchen (0,032 im Durchm.) gebildet. — Die Arachnoidea spinalis und cere- bralis wird als selbstständige, seröse Haut von Luschka anerkannt; dagegen liess sich niemals eine selbstständige Fa- serschicht als Auskleidung der Gehirnhöhlen nachweisen. — Das Epithelium des Herzbeutels zeigt eine ältere und eine jüngere Lage; dasselbe ist meistentheils auch beim Brust- und Bauchfell der Fall. — An allen, vollständig normalen Schleimbeuteln und Schleimscheiden konnte der Verf. stets eine zarte durchscheinende Membran aus dem umgebenden Bindegewebe isoliren und an ihr ein Epithelium und die spe- zifische Faserschicht erkennen. Ebenso fehlen die wesent- 125 lichen Bestandtheile einer serösen Haut niemals den Syno- vialkapseln. Marquis A. Corti beobachtete, dass die Beinhaut, welche die innere Oberfläche der Schnecken - Wandungen überzieht, an der Insertion der häutigen Lamina spiralis sich stark ver- dickt und beim Zerfasern, sowie nach Behandlung mit Sal- petersäure Formelemente liefert, die grosse Aehnlichkeit mit glatten Muskelfaser-Zellen darbieten. Das Epithelium an der Beinhaut der Schneckenwand und der Lamina spiralis ossea gleicht ausserordentlich demjenigen, welches sich an der in- neren Fläche der vorderen Wand der Linsenkapsel befindet. Auf der Beinhaut der Scala vestibuli sah der Verf. einen bandartigen (beim Ochsen in der ersten Schneekenwindung 0,15’ breiten) Streifen von kapillaren Gefässen, welche bis- weilen die Anordnung eines bipolaren Wundernetzes zeigten; er ist bedeckt von einem Epithelium, dessen Zellen braune Pigmentkörnchen enthalten. An der häutigen Lamina spiralis unterscheidet Corti die breitere Zona dentieulata und die schmälere, an die Lamina accessoria ossea angrenzende Zona pectinata. Die Zona dentieulata zerfällt, wenn man von der Axe der Schnecke ausgeht, in einen inneren gefurchten und in einen äusseren gezähnelten Theil. Der gefurchte Theil endigt mit der „ersten* Reihe von Zähnen, und in den Fur- chen liegen Kugeln, die das Licht sehr stark brechen. Die Grenze des gefurchten und gezähnelten Theiles wird durch den, von Huschke beschriebenen Semicanalis spiralis be- zeichnet, dessen eine Wand die genannte erste Reihe von Zähnen, dessen andere Wand durch den Anfangstheil der gezähnelten Partie gebildet wird. Hinsichtlich des sehr zier- lichen Verhaltens dieses zweiten Theiles der Zona denticulata muss Ref. auf die Abhandlung selbst verweisen. (Recherches sur lorgane de l’ouie des mammiferes. Zeitsch. f. wiss. Zoo- log. Bd. III, p. 109 sq.). — Referent bedauert, dass der Verf. bei seinen gründlichen Untersuchungen nicht auch auf den von Dr. Reissner (De auris internae formatione. Dorp. 1851) entdeckten Canalis cochlearis hat Rücksicht nehmen können. Handbücher und Hülfsmittel. R. B. Todd: The cyclopaedia of anatomy and physiology. Part. XLI. ©. J. M. Langenbeck: Mikroskopisch-anatomische Abbil- dungen. Gött. Lief. IV. E. M. van Kempen: Manuel d’anatomie generale. Louvain. 8, Mit Holzschnitten. 126 H. Schacht: Das Mikroskop und seine Anwendung insbe- sondere für Pflanzen- Anatomie und Physiologie. Berlin. 8. 6 Taf. W. Robertson: On mierometers applied to mieroscopes. Monthly Journ. Ap. p. 329. P. Harting: Beschrijving van eenen nieuwen Verlichting- stoestel voor doorschijnende mikroskopische voorwerpen. Neederl. Lancet. Febr. p. 457. Taf. Il. Druck von Gebr. Unger in Berlin, Ueber die Erzeugung von Schnecken in Holothurien. Von Jom Müssen. Bei Triest in der Bucht von Muggia lebt in grosser Menge eine Holothurie aus der Gattung Synapta, welche von Mon- tagu zuerst an der englischen Küste gesehen, und als Holo- thuria digitata beschrieben worden, auch im Mittelmeer ver- breitet ist. Sie ist erst neuerlich als Synapta erkannt. Was ich an Weingeistexemplaren über die Anatomie der Synapten überhaupt ermitteln konnte, habe ich in den „‚anatomischen Studien über die Echinodermen ‘* niedergelegt. (Archiv 1850. 117. 225.) Dort habe ich auch von der Synapta digitata ge- handelt. Ich verweise darauf in Hinsicht der Generalia sowohl als Specialia dieser Speeies und die zu den „‚anatomischen Studien über die Echinodermen‘ gehörenden noch nicht publi- eirten Abbildungen. Erst bei der Untersuchung der lebenden Synapta digitata fand ich die Saugnäpfe an den Tentakeln wieder, welche Quatrefages bei einer andern Synapta ent- deckt hatte und stiess noch auf einige andere, bisher nicht beobachtete, anatomische Thatsachen, wie z. B. den Muskel- magen, die Muskelbündel im Gekröse (dessen Bewegung Quatrefages bekannt ist) und dass am Gekröse viele beson- dere Wimperorgane von '/,,'' aufgehängt sind, während das Gekröse selbst im Allgemeinen nicht wimpert. Die Stiele dieser Organe haben denselben Bau wie das Gekröse, sie bestehen aus einer glashellen Haut, in welcher zerstreute Kerne einge- lagert sind und welche sich auf die äussere Oberfläche jener Organe fortsetzt. Die Wimperorgane sind von einer com- Müllers Archiv, 1852, 4 2 plieirten Gestalt, welche sich besser durch Abbildungen als Beschreibung erläutern lässt; wenn ich sie pantoffelförmig oder füllhornförmig nenne, so geben die Ausdrücke wohl ein allge- meines zutreffendes Bild der äussern Form und der mit langen lebhaft schwingenden Wimpern besetzten Höhlung. Ausser den sporadisch am Gekröse vorkommenden Organen stehen dicht gedrängte Züge von gleichen Organen, mit Stielen am Peri- tonaeum befestigt, in zwei Intermuscularräumen der Körper- wände, der eine Zug liegt eine Strecke lang an der Insertion des Darmgekröses. Es läuft an dem Zug der Organe zwischen diesen ein feiner Faden hin, von dem es mir noch zweifelhaft ist, ob er ein Blutgefäss ist. Dieselben Organe finden sich auch in andern Arten von Synapta und in gleicher Weise bei Chirodota. Es sind die von Mertens erwähnten winzigen Körperchen an der Insertion des Darmgekröses der Chirodo- ten, welche Mertens eylindrisch, Grube (in von Midden- dorffs Reise) richtiger plattgedrückt birnförmig nennt. Als ich im Frühling dieses Jahres diese Synapta digitata in Triest in grosser Anzahl erhielt, fand ich bei allen Indivi- duen in den Genitalien Eier, wodurch die Angabe von Quatre- fages über die hermaphroditische Beschaffenheit dieser Holo- thurien bestätigt zu werden schien, ein für mich unerwartetes Ergebniss, da die Trennung der Geschlechter sonst in allen Familien der Echinodermen Regel ist. Als ich im Sommer gleich nach meiner Ankunft in Triest die Synapta wieder vor- nahm, fand ich die Geschlechtstheile der allermeisten ohngefähr noch in demselben Zustande wie im Frühling aber weniger strotzend. Die Eichen hatten Y,,— '/,,"', im Frühling mass ich sie zu '/,,;"'. Der Dotter ist sehr feinkörnig und enthält sein Keimbläschen, aber ohne allen Keimfleck, welchen dagegen Quatrefages bei seiner Synapta Duvernaea gesehen und ab- gebildet hat. Die innerste Lage in den dichotomisch verzweig- ten von den Eiern gelb gefärbten Eierschläuchen bildeten, wie im Frühling, kleine Zellen von "= '/s.0"', aus welchen sich nach Quatrefages die Samenthierchen bilden würden. Es war um die Mitte des August, als ich unter diesen Synapten zum ersten Mal auf ein Individuum stiess, welches einen 3 ganz abweichenden Genitalschlauch hatte. Er war abgeris- sen und lag frei in der Bauchhöhle. Dieser war viel dicker und ohne alle Zweige; bis nahe zur Hälfte seiner Länge war dieser Schlauch grün gefärbt, die zweite Hälfte orange, dieser letztere enthielt auch Eier mit Keimbläschen ohne Keimfleck, aber diese '/,,'"' grossen Eier waren ganz anderer Art, und von einer grobkörnigen Dottermasse, die Körner theils rund- lich, theils oval, von dunkeln Conturen und von dem Aus- sehen der sogenannten Stearin-Körner des Froscheies, von Yioo — zoo" - Als ich dies bemerkte, musste mir zuerst die Hermaphro- disie derSynapten wieder zweifelhaft erscheinen, und ich dachte, dass entweder das fragliche Individuum oder die andern Indi- viduen welche die Mehrzahl bilden, Männchen sein müssten. Ich liess mir nun täglich eine grosse Anzahl Synapten bringen, und ich fand bald ähnliche Individuen wieder wie das letzt- genannte, aber wie erstaunte ich, als ich in dem anomalen Schlauch bei einem Individuum Blasen mit Dottern traf, wel- che im Furchungsprocess begriffen waren, und dass bei einem andern Individuum derselbe anomale Schlauch lauter Blasen mit jungen Schnecken mit spiralen Schalen von ’/,,"' enthielt. Dies ist der erste Anfang der Untersuchung, die ich 2 Mo- nate ununterbrochen fortsetzte und wobei ich 69 mal das Vor- kommen von Schnecken oder Schneckendottern in diesen Ho- lothurien wiederfand. Die Individuen, welche die Schnecken enthalten, stimmen in allen Punkten vollkommen mit den normalen Individuen der Synapta digitata überein, sie besitzen dieselben 12 vierfin- gerigen Tentakeln, dieselbe Structur der Haut, dieselbe Form der Kalkplatten und kleinen Anker, von denen sie ihre klet- tende Eigenschaft haben. Es kommt im Meerbusen von Muggia seltener noch eine andere Art Synapta vor, die Synapta inhae- rens, es ist aber vollkommen sicher ermittelt, dass Alles, was ich von der Erzeugung der Schnecken in Holothurien zu be- richten habe, sich auf Synapta digitata bezieht, Die Synapten werden in einer Tiefe von 6-8 Klafter im feinen Sehlamm nicht weit von Muggia gefischt und wurden ı* 4 mir von Zaole her regelmässig täglich gebracht“). Da diese Thiere, wie alle Synapten, die Eigenschaft haben, bei unsanfter Behandlung, sich selbst in Stücke zu zerbrechen, so versteht es sich von selbst, dass sie beim Fischen nicht in ihrer gan- zen Länge erhalten werden können; so bestand der ganze täg- liche Vorrath aus Fragmenten der Synapta, die in maximo eine Länge von 8, 10, 12 Zoll hatten. Darunter befanden sich auch die Vorderstücke mit dem Kopf. Wenn der Kopftheil einmal weg ist, zerbricht sich ein Fragment, wenn es auch noch so lang ist nicht mehr, obgleich es noch über einen Tag sich lebendig erhält und sich willkürlich bewegt; aber ein Stück mit Kopf zerbricht sich, unsanft berührt, immer wieder von neuem und nur durch Längstheilung des Kopfes kann man die weitere Theilung hindern. Ich kann daher nicht angeben, wie lang die Synapta digi- tata ist, ich kann ihre Länge nur aufs ohngefähr auf 15-20 Zoll schätzen. Deswegen kann ich auch nicht genau sagen, auf wie viele normale Individuen der Synapta ein anomales Individuum mit Schneckenschlauch kommt. Das Einzige, was ich thun konnte, war, dass ich die Fragmente einer täglichen Lieferung an einander legte und das Ganze ausmass. Daraus erhält man auch eine Vorstellung, wie ungeheuer gross das Material war, welches innerhalb zweier Monate zu dieser Un- tersuchung gedient hat. Eines Tages, als die Menge der ge- lieferten Würmer bedeutend geringer war, als gewöhnlich, be- trug die ganze Länge der aneinander gelegten Fragmente 60 Fuss, ein andermal als ihrer mehr waren, 79 Fuss. In einer so grossen Menge von Fragmenten waren leicht gegen 15-20 kürzere Stücke mit Kopf, eine noch grössere Anzahl Fragmente mit den normalen Synaptaeiern; dagegen zuweilen aber selten gar kein Individuum mit Schneckenerzeugung, meist jedoch 1 oder 2 oder 3 und selbst zuweilen 4 Individuen mit Schnecken- generation. Die Individuen mit Schnecken sind nicht grösser oder älter und nieht kleiner oder jünger als die andern, es giebt dünne oder junge und alte der einen und andern Art. *) Fischer: Mattia Frusing in Zaole., 5 Die Individuen mit Schneckenschlauch lassen sich sehr leicht von den andern schon äusserlich unterscheiden, weil nämlich diese Synapten halb durchsichtige Körperwände haben, so er- kennt man sogleich, ob sie die gewöhnlichen Eierschläuche oder den dicken Schneekenschlauch enthalten. Bei dem Selbstzerbrechen dieser Thiere werden natürlich mit dem Darm auch oft die Genitalien, die am Kopfe ausmün- den, zerrissen, und sie finden sich theils in den abgebrochenen Kopfstücken, theils in den kopflosen Fragmenten; ebenso ist es mit dem Schneckenschlauch, man findet ihn entweder ganz abgerissen aus seinen Verbindungen in der Bauchhöhle liegen meist gewunden, oder noch angeheftet in organischer Verbin- dung mit der Synapta. Die organische Verbindung mit der Synapta ist so häufig (20 mal) von mir beobachtet, dass die- ser Zusammenhang völlig sicher ist und als durchaus gleich in allen Fällen angenommen werden muss. Die gewöhnlichen Genitalschläuche hängen dicht am Kopfe, wo sie ausmünden, fest, in der andern Richtung flottiren sie völlig frei in der Bauchhöhle. Der Schneckenschlauch ist meist mit dem einen Ende am Darm auf die gleich anzugebende Weise angeheftet, Das andere Ende des Schlauches habe ich nur in einem Falle angeheftet gesehen, nämlich im Innern des Kopfes zwischen Kopfscheibe und Kalkring, während das entgegengesetzte Ende des Schlauchs die gewöhnliche Anheftung am Darm besass. Gewöhnlich hängt also der Schlauch am Darm und liegt bis zum andern freien Ende in der Bauchhöhle. Das letztere et- was engere Ende ist dann oflen. Der Schneckensechlauch ist entweder einmal oder zweimal oder dreimal in demselben Indi- viduum vorhanden. Eine der ersten Fragen, die ich mir vorlegen musste, war, ob die Individuen mit dem schneekenerzeugenden Schlauch die gewöhnlichen Genitalien der Synapta besitzen oder entbehren. Die Beantwortung dieser Frage scheint leicht, weil dazu die einfache Zergliederung auszureichen scheint, aber sie war in der That recht schwierig, wegen der gewaltsamen Zerreissung der Bingeweide durch das Selbstzerbrechen der Thiere, wobei nieht selten die Genitalschläuche von ihrer Anheftung am 6 Kopte abgerissen werden. Hiezu kommt, dass man den schnek- kenerzeugenden Schlauch am häufigsten und leichtesten in den vom Kopf schon abgesprengten Stücken der Thiere findet. Bei allen in Triest untersuchten Stücken, welche den schnek- kenerzeugenden Schlauch enthielten, hatte ich die gewöhnli- chen Genitalien vergebens gesucht. Da ich jedoch eine grosse Anzahl Exemplare mit Kopf in Weingeist aufbewahrt mitge- bracht habe, so konnte ich die Untersuchung über diesen Punkt hier fortsetzen. Unter diesen fanden sich zwei Exemplare, welche ausser dem schneckenerzeugenden Schlauch auch die gewöhnlichen Genitalien besitzen. Diese Genitalien waren zwar nicht so gross und stark entwickelt, als sie meistens zu sein pflegen, aber sie enthielten die ganz wohl gebildeten Eier der Synapta von '/,,'" Durchmesser. Hierdurch wird die Gesammt- zahl der Beobachtungen auf 71 vermehrt. Es muss aber nun- mehr als erwiesen angenommen werden, dass die Gegenwart des schneckenerzeugenden Schlauches die gewöhnlichen Geni- talien nicht ausschliesst und umgekehrt. Der schneckenerzeugende Schlauch ist gegen 2'/, — 3 Zoll lang und meist mehr oder weniger korkzieherartig gewunden. Er ist immer einfach und ohne Zweige. Man sieht daran von Zeit zu Zeit langsame krümmende spontane Bewegungen. Die Röhre, worin sich die Schnecken erzeugen, hat in ih- rem Bau keine Achnlichkeit mit den gewöhnlichen Genitalien. Obgleich die Röhre ununterbrochen fortgeht, so hat sie doch in ihren beiden Hälften verschiedene Farben. Der am Darm angeheftete Theil der Röhre ist immer grün bis auf eine Länge von 8-10”, der darauf folgende von dem darin enthaltenen Eierstock oder den Dottern bis auf eine Länge von 12-15!" orange gefärbt. Der noch übrige Theil der Röhre, der sehr verschieden lang und '/, bis 1” lang sein kann, ist ungefärbt. Der grüngefärbte Theil der Röhre ist gegen '),"" diek, der dotterhaltige weiter bis ‘/, und °/,”', weiterhin wird die Röhre wieder enger, wenn sie nicht schon ausgetretene Dotter, Embryonen oder Schnecken enthält. So weit dieser Schlauch grün ist, enthält er eine Einstülpung in sich selbst mit blindem innern Ende der Einstülpung ganz so wie der eingestülpte 7 Finger eines Handschuhs; gerade da, wo der Schlauch in sich eingestülpt wird, hängt er am Darm oder vielmehr am Darm- gefäss an, welches querab einen das offene Ende der Einstül- pung umfassenden weiten und blasig erweiterten Fortsatz ab- giebt. Es giebt nichts so Sonderbares als diese Verbindung. Wo der Schlauch von dem Fortsatz des Darmgefässes umfasst wird, ist er knopfförmig angeschwollen, auf der Mitte dieser abgerundeten Anschwellung befindet sich die kleine trichter- förmige Oeffnung und hier geht die Einstülpung ins Innere des Schlauches ab. Man kann sich das Verhältniss am besten ver- sinnlichen, indem man einen Finger tief in den Mund einbringt und den Finger mit den Lippen umfasst. Die offene Mün- dung der Einstülpung ragt also in die Höhlung ‘des Blutge- fässes hinein und das Blut umspült nicht bloss den vom Blut- gefäss umfassten Knopf, hinter welchem es angewachsen ist, sondern das Blut muss auch in die Einstülpung des Schlau- ches bis an das blinde innere Ende der grün gefärbten Ein- stülpung dringen. An dem unter dem Mikroskop in Verbindung mit dem Ge- fäss und Darm untersuchten Knopfe des Schlauches habe ich nie eine Bewegung wahrgenommen. Der Darmgefässe sind 2 wie bei den übrigen Holothurien, sie sind beide sehr weit, das eine liegt an der freien Seite des Darms, das andere an der Anheftung des Gekröses. Es ist immer das Blutgefäss an der freien Seite des Darms, welches mit dem Schneckenschlauch in Verbindung steht und die Ver- bindung findet immer durchaus in derselben Weise statt. Die Stelle der Verbindung ist im vordern Theil des Körpers der Synapta, kurz hinter dem Muskelmagen, den die Synapten gleichwie mehrere Dendrochiroten besitzen. Auf einen häuti- gen Schlund von 8" bis 1” Länge folgt nämlich ein museu- löser Theil des Darmrohrs von 6 — 8'"' Länge, einige Linien weiter, oder höchstens 1- 1'/, Zoll vom Muskelmagen entfernt ist die Stelle der Anheftung des Schneckenschlauchs an das Darmgefäss. Sind 2 Schneckenschläuche, so finden die Anhef- tungen an das Gefäss durch hohle Abzweigungen desselben in völlig gleicher Weise hintereinander statt. Die beiden Darmgefässe zeigen unter dem Mikroskop wo- gende Contractionen ihrer Wände, wie man sie auch an den Darmgefässen und Gefässplexus der Holothuria tubulosa sieht. Die Bewegung ist am stärksten an dem Gefäss, welches an der Anheftungstelle des Gekröses hergeht, aber auch an dem Gefäss der freien Seite des Darms unter dem Mikroskop sehr deutlich. Die wogende Bewegung geht auch auf den Fortsatz des Gefässes über, welcher den Knopf des Schneckenschlauchs umfasst. Dieser Fortsatz des Gefässes ist durch Andrang des Blutes bis hinter den Knopf des Schneekenschlauchs blasig geschwellt. Im Innern der Darmgefässe ist keine Wimperbe- wegung und man sieht nur das hin und her Rollen der Blut- kügelchen in Folge der wogenden Contractionen der Gefässe; dagegen wimpern die Gefässe wie auch die Darmwände auf ihrer äussern Oberfläche, die letztere Wimperbewegung setzt sich auf der äussern Oberfläche des Blutgefässfortsatzes fort, der den Knopf des schneckenerzeugenden Schlauches umfasst; da wo das Blutgefäss den Knopf umfassend sich innig hinter ihm anlegt und angewachsen ist, hört die Wimperbewegung auf, der schneckenerzeugende Schlauch wimpert nicht auf der äussern Oberfläche. Auch darin unterscheidet er sich von den gewöhnlichen Genitalschläuchen der Synapta, denn diese wim- pern auf ihrer äussern Oberfläche. Ich habe schon erwähnt, dass der schneckenerzeugende Schlauch, so weit er eine Einstülpung in sich selbst enthält, grün aussieht, welche Farbe vorzüglich der Einstülpung ange- hört. Zwischen der äussern Wand des Schlauchs und der ein- gestülpten Röhre befindet sich ein enger Raum. In diesem Theil des Schlauches, welcher die Einstülpung enthält, erzeu- gen sich die Schnecken nicht, sondern in dem Theil des fort- gesetzten Schlauchs, welcher auf die Einstülpung folgt. In dem eben erwähnten weitern Theil des Schlauches finden sich sowohl die weiblichen als die männlichen Elemente zu Schne- cken, und hernach auch die Schnecken selbst. Das Organ der weiblichen Elemente mag Eierstock, das Organ der männli- chen Elemente Samencapsel heissen, mit dem gewöhnlichen Bau eines Eierstocks und eines Hodens haben sie nicht die 9 geringste Achnlichkeit, ihre Producte aber stimmen mit den Eiern und Zoospermien anderer Thiere völlig überein. Der Eierstock sowohl als die Samencapseln liegen völlig frei in dem schneckenerzeugenden Schlauch und sind nirgends darin angewachsen. Zuerst auf die Einstülpung folgt inwendig der Eierstock, auf diesen die mehrfachen Samencapseln. Ehe ich diese beschreibe, muss ich noch den feinern Bau der Wände des schneekenerzeugenden Schlauches erörtern. Die äussere Schichte des Schlauches und die innere der Einstülpung bestehen aus senkrechtstehenden palisadenförmigen Zellen, von deren Inhalt die Farbe der grünen Strecke des Schlauches abhängt. Diese Zellen enthalten nämlich gelbliche Körnehen, welche in dem grünen Theil reichlicher entwickelt sind und hier ganze Reihen in der Zelle bilden. Dieselbe Schichte von Zellen findet sich aber über den ganzen schnek- kenerzeugenden Schlauch als äusserste Lage verbreitet. Dar- unter liegt die Muskelhaut, aus Quer- und Längsfasern be- stehend, die Cirkelfasern aussen auf der Schichte der Längs- fasern, sie sind die Ursache der langsamen wurmförmigen Bewegungen des Schlauches, welche gewöhnlich beobachtet wurden. Nach innen von der Muskelhaut liegen zerstreut grosse völlig durchsichtige Zellen. Die innerste Lage ist von einer Haut gebildet, welche nicht in dem grünen Theil des Schlauches, wohl aber im ganzen übrigen Theil des Sehlau- ches lebhafte Wimperbewegung zeigte. Diese Bewegung fin- det also nur in dem auf die Einstülpung folgenden Theil des Schlauches statt, der zur Erzeugung und Ausführung der Schnecken bestimmt ist. Innerhalb der grünen Einstülpung habe ich keine Wimperbewegung wahrgenommen, wegen der Dunkelheit der erwähnten Schicht ist zwar die Binsicht in die Beschaffenheit der inneren Fläche schwer, aber beim Zerdrük- ken, wobei sich jene Schicht sogleich in ihre palisadenförmigen Zellen zerlegt, habe ich niemals Wimperbewegung gesehen. Nerven des Schlauches sind von mir nicht gesehen, obwohl sie an einen der Muskelbewegung fähigen Rohr ohne Zweifel , vorhanden sein müssen. In dem wimpernden Theil der Höhle des Schlauches liegen 10 der Bierstock und die Sameneapseln völlig frei, wie eine La- dung in einem Schiess-Gewehr. Der Eierstock liegt darin von einer eigenen Capsel wieder umgeben. Dies ist ein langer rohrförmiger von allen Seiten geschlossener Sack, der auf seiner ganzen äussern Oberfläche wimpert. Die wimpernde äussere Oberfläche der Eierstock- capsel ist also der wimpernden innern Oberfläche des gemein- samen Schlauches zugekehrt. Die Eierstockcapsel ist grösten- theils, aber doch nicht ganz von dem Bierstock angefüllt. Nach dem einen Ende reicht der Eierstock bis an das abge- vundete Ende seiner Capsel, welche hier ohne Spur einer Oefl- nung ist, sondern rund um dieses Ende wie überall wimpert. Das andere Ende, welches der früher beschriebenen Einstül- pung zugekehrt ist, enthält niemals Dotter, sondern ist ein lee- rer Zipfel und viel dünner als der übrige Theil der Capsel. Dieses dünnere Ende der Capsel ist immer knieförmig gegen sich zurückgebogen, so dass nicht das Ende, sondern die knie- förmige Umbiegung der Eierstockcapsel die grüne Einstülpung berührt. Der leere Endzipfel der Capsel ist durchsichtiger in der Richtung gegen den Eierstock hin, nach dem blinden Ende hin ist dieser Zipfel undurchsichtiger und weisslich. Die Struc- tur des Zipfels ist überall gleich und auch er wimpert auswen- dig überall wie die ganze Capsel. An diesem leeren Theil der Capsel lässt sich ihreStruetur am leichtesten untersuchen. Man erkennt ausser der Haut, auf welcher die Wimpern aufsitzen, eine nach innen liegende Schichte kleiner länglicher Zellen und darunter zerstreute helle Kugeln von '/,,,'. Im ganzen übrigen Theil der Capsel, so weit sie von dem Eierstock gefüllt wird, nimmt man an ihrer innern Seite, zwischen ihr und dem Eier- stock zerstreute Aggregatkugeln von einem gelben Fette wahr. Man sieht den Eierstock in verschiedenen Zuständen seines Wachsthums. Ich habe ihn in einem noch sehr kleinen Schlauch schon so klein gesehen, dass zwar die Eierstockcapsel mit ih- rem characteristisch umgebogenen innern Ende und darin die Contur des Eierstocks selbst, aber keine Dötter und Dotterkör- ner erkennbar waren und die Figur des Eierstocks noch völlig farblos war. Man trifft zuweilen verschiedene schneckenerzeu- Z 11 gende Schläuche in demselben Individuum von ganz verschie- denen Stufen der Entwickelung, einen Schlauch aus dem Sta- dium der nicht befruchteten Eier, einen andern mit schon ent- wickelten Schnecken, einen dritten, in dem der Eierstock nur an seiner Contur in der Capsel erkennbar ist. Diese letztere Stufe könnte auch der Zeit der schon vergangenen’ Erzeugung, also dem deerepiden Zustande angehören. Der orangefarbene Eierstock liegt in der Capsel, ist aber nicht nach ihr geformt, sondern dendritisch, so dass die Cap- sel einfach über den verzweigten Stock weggeht und an dem noch nicht ganz reifen Eierstock hin und wieder kleine helle Lücken zwischen den Aesten des Eierstocks übrig bleiben. Die dendritische Figur ist ein vom einen bis zum andern Ende reichender Stamm, von welchem nach zwei Seiten Aeste abge- hen, die sich hin und wieder theilen. Dieser Stock liegt an der innern Fläche der Eierstockscapsel an, so dass bei dem noch nicht reifen Eierstock, inwendig in der Capsel ein hoh- ler Raum übrig bleibt, der bei weiterer Ausbildung des Eier- stocks verschwindet. Wird die Capsel vorsichtig aufgeschlitzt, so kam man den Bierstock aus der Capsel herausziehen und seinen Bau weiter mikroskopisch untersuchen. Er besteht über- all im mittlern Theil, wie an den Seitenlappen, aus eiartigen Massen von '/,,"', welche in Häutchen eingeschlossen sind. Ihr Inhalt besteht 1) aus stearinartigen groben Dotterkörnern von Yo /ion , dazwischen 2) aus äusserst feinen Moleeular- körnchen mit Molecularbewegung, 3) aus einem Keimbläschen von "/,,"' ohne Keimfleck. Das Keimbläschen ist völlig hell und hat eine einfache, nicht doppelte scharfe Contur. In sei- nem Innern sind keine Granula und nichts einem Keimfleck Achnliches zu erkennen, es ist durch und durch so zähe, dass man an der Existenz einer Membran zweifeln könnte; ganz anders verhält sich das Keimbläschen im Ei der Synapta, des- sen Contur zwar ähnlich aussieht, dessen zarte Membran aber beim Druck sogleich zerplatzt. Das Keimbläschen in den Dot- tern des schneckenerzeugenden Schlauches gleicht daher mehr dem, was von Baer in den reiferen Eiern des Seeigels den Kern des Eies nennt, Die Dotterkörner werden häufig 12 zu kleinen runden Klümpcehen verbunden. Die Dotterkörner sind grösstentheils nackt, einzelne grössere sind aber von ei- nem hellen eiweissartigen Hof umgeben, wie man es auch an den Eiern der Haifische und der Frösche bemerkt. Nicht sel- ten bemerkte ich auch unter der Körnermasse des Dotters sehr kleine Tröpfehen eines gelblichem Oels von der Farbe des ganzen Dotters. Die Eier lassen sich nicht von einander tren- nen; beim Druck platzen die Hülsen, welche die Dottermasse und Keimbläschen enthalten, beim Druck sieht man auch ein- zelne der Eier nicht mehr rund, sondern länglich oder birn- förmig; es scheint, dass die die Dotter umgebende Haut dem Eierstock selbst als Fachwerk angehört und dass das Ei ohne Dotterhaut ist, der vom Eierstock ausgetretene Dotter hat ge- wiss keine Dotterhaut und verhält sich also wie der Dotter des Actaeon nach Vogt’s Beobachtungen. Wenn der Eier- stock ganz ausgebildet ist, so verlassen die Dotter den Eier- stock und seine Kapsel, was durch Dehiscenz geschehen muss, da die Eierstockcapsel überall geschlossen ist. Die Dotter fin- den sich dann innerhalb des beschriebenen Schlauchs, wo sie von Blasen umgeben werden, so dass dann 15-30 Dotter in jeder Blase enthalten sind. Sobald die Dotter ausgetreten und sich in den Blasen befinden, ist der Eierstock bis auf ei- nen geringen Rest geschwunden. Dagegen ist der Schlauch nun viel weiter ausgedehnt und die früher vorhandenen Runzeln der innern Haut des bis dahin leeren Theils sind ausgeglichen. Der grösste Theil der Blasen liegt in dem Theil des Schlau- ches, der auf den Eierstock folgt, ein Theil der Blasen auch in der Nähe des Eierstocks zwischen Eierstockcapsel und Schlauch. In diesem Zustand geht sogleich die Entwickelung zu Schnecken vor sich und giebt sich zuerst durch den Fur- chungsprocess zu erkennen. Lange konnte ich ausser so vie- lem andern Unbegreiflichen nicht begreifen, warum die Dotter so ohne Weiters den Embryo zu entwickeln anfangen, da doch der Furchungsprocess allgemein nach einer Befruchtung ein- tritt, dagegen in Knospen noch niemals beobachtet ist. Aber gegen Anfang September schon entdeckte ich die Organe für 13 die Befruchtung der Schneckeneier in demselben Schlauch, welcher die Bierstockcapsel mit dem Eierstock enthält. Die Samencapsel ist meistens mehrfach vorhanden. Ich fand in den meisten Fällen einige 4, 5, 8 und selbst viele bis 18 Sameneapseln. Sie liegen völlig frei in dem schneckenerzeu- genden Schlauch in einer etwas erweiterten Stelle desselben, welche nieht weit vom Eierstock und dem Ausmündungs- ende des Schlauches etwas näher ist. Die Samencapseln wim- pern nicht auf ihrer Oberfläche, es sind elliptische Körper von '/, bis ’/ und selbst ®/,' Grösse. Ihre verschiedene Grösse in verschiedenen Schläuchen und die grossen Unterschiede in der Menge der Samenthierchen, die sie enthalten, deuten, wie auch bei der verschiedenen Ausbildung des Eierstocks, auf Stu- fen der Entwickelung. Jede Samencapsel besteht immer aus 2 sackförmig geschlossenen, in einander eingeschlossenen Häu- ten. Die äussere ist weiter und überragt das vordere und hin- tere Ende der innern. An der äussern einfach häutigen Capsel liegt inwendig eine epitheliale Schieht, und zwischen ihr und der innern Capsel theils helle Kugeln von verschiedener Grösse, von zellenartigem Aussehen, theils ähnliche gelbe Fettkörner und Aggregate derselben wie in der Eierstockcapsel. Die in- nere Samencapsel ist auch völlig durchsichtig; sie sieht wie eine structurlose einfache Membran aus, aber ich habe wieder- holt an dieser innern Capsel unter dem Mikroskop plötzliche locale Zusammenziehungen ihrer Wände wahrgenommen und zwar an Capseln, welche aus dem Schlauch herausgenommen waren. An der innern Fläche der innern Capsel liegt eine Schicht von kernlosen Zellen von '/,,”' welche bei der Bil- dung der Samenthierehen betheiligt scheinen. Die ganze Cap- sel ist übrigens mit Samenthierchen gefüllt, deren Zahl ich in einer der grössten Capseln von *%,"' auf viele Tausende be- rechnen konnte. In den kleineren Capseln ist ihre Zahl sehr viel geringer. Man sieht sie theils zu Haufen, welche sich be- wegen, mit den Köpfen verbunden, theils einzeln sich herum- bewegen. Die Köpfchen sind bald rundlich, bald elliptisch, nicht selten vorn etwas zugespitzt, der Schwanz ist sehr lang und verlängert sich zuweilen wie aus einer Art Kiel des Köpf- 14 chens. Das Ende des Schwanzes zeigt immer eine längliche Anschwellung. Der Kopf beträgt /,,', die ganze Länge ge- gen '/,,'' und noch mehr. - Die Zellen an der innern Seite der innern Capseln habe ich niemals über die ganze innere Fläche ausgebildet, sondern im- mer stellenweise fehlend gesehen, während sie an andern Stel- len dicht gedrängt stehen. Dies deutet bereits darauf hin, dass sie an der Bildung der Zoospermien betheiligt sind. Ich ver- stehe dies nicht so, dass sich in ihnen Schöpfe von Zoosper- mien bilden könnten, denn dafür sind sie viel zu klein; ihr Durchmesser beträgt nur das Doppelte der Köpfchen der Zoo- spermien. Ein Umstand spricht vielmehr dafür, dass sie selbst sich in Zoospermien umbilden, ich habe nämlich selten und ausnahmsweise einzelne dieser Zellen von '/,,,"' ruckweise be- wegt gesehen und es hatte ganz das Anschen, als wenn die Zelle durch einen damit zusammenhängenden Faden bewegt würde, Zellen, welche Schöpfe von Zoospermien enthielten, habe ich nie in den Samencapseln gesehen. Dies könnte da- von abhängen, dass mir diese Entwickelungsstufe entgangen wäre, Doch wäre es auch möglich, dass die innere Samen- capsel selbst als eine eolossale Zoospermienzelle zu betrachten wäre. Die zuverlässig aber nur einigemal beobachteten loca- len Contractionen der innern Samencapsel sind bei jeder Deu- tung dieser Capsel sehr merkwürdig. Die Samencapseln sind von mir so häufig (8 mal) beobach- tet, dass die Sache völlig sicher ist. Man findet sie meist nur in solchen Schläuchen, deren Dotter noch nicht ausgetreten und befruchtet sind, aber ich habe sie auch schon in Schläu- chen gefunden, welche in der Entwickelung der Schnecken begriffen waren. Man findet jedoch auch in diesen immer noch einen unverzehrten Rest des Eierstocks, und zuweilen findet man in dem Schlauch die Keime in 2 ganz verschiedenen Stufen der Entwickelung, z. B. schon entwickelte Schnecken von gleicher Stufe und zugleich Dotter, die erst auf der Stufe der Furchung in 4 Furchungskugeln stehen. Durch Auflösung der Samencapseln mögen die Zoospermien frei werden, Frei habe ich sie in einem einzigen Falle gesehn, 15 sie tummelten sich hier in grosser Menge in dem wimpernden Schlauche um den Eierstock herum, ganz nahe dem innern Ende des Bierstocks, d. h. am weitesten entfernt von ihrer ursprünglichen Bildung in der Nähe des äussern Endes des Eierstocks. Ihre Form war in allen Punkten dieselbe wie in den Samencapseln, die Köpfehen und die längliche Anschwel- lung am Ende des Schwanzes völlig gleich. Die Entwickelung der Schnecken aus den Dottern geht also vor sich. In denjenigen Schläuchen, bei denen der Inhalt des Bierstocks bereits in den gememsamen Schlauch übergegangen ist, findet man die in der Entwickelung begriffene Keimmasse immer in Blasen eingeschlossen, welche sich erst in dem Schlauch bilden, eine solche Blase hat gegen %/ 9; Yıo-Yıo"' Durchmesser. Eine Blase enthält gegen 15 — 30 ‚und mehr Keime oder schon entwickelte Schnecken. Sind die Keime noch nicht in Schnecken umgebildet, so erkennt man im Dot- ter sogleich wieder die eharakteristischen Dotterkörner, das Keimbläschen oder den hellen Kern und die feine Körnchen- masse mit Moleeularbewegung, aus welchen der Eierstocks- dotter bestand. Aber auch die Dotterreste im Innern der Schnecke enthalten dieselben charakteristischen Dotterkörner. Innerhalb der Blasen habe ich die Keimmasse in folgenden Zuständen gesehen. 1) In jeder Blase, deren über 100 in dem Schlauch ent- halten sein mögen, befinden sich nicht einzelne Dotter oder Keime, sondern die Dottermasse ist ganz vertheilt, diffus, zwar sind darin viele runde Klümpchen von Dotterkörnern, wie auelı schon in den Dottern des Eierstocks, aber die Klümp- chen sind viel kleiner als die frühern Dotter des Eierstocks. Die Keimbläschen oder hellen Kerne, so viel als hernach Em- bryonen in der Blase zur Ausbildung kommen, (also, gegen 15-30) sind auch in dem Inhalte der Blase vertheilt, und haben noch dieselbe Beschaffenheit und Grösse wie im Eier- stock, Die Blasen, in welchen die Dottermasse in diesem fein vertheilten Zustande ist, schen immer weiss aus, die Dotter- körner sind noch wie im Bierstock, aber die Zahl derer, die 16 einen eiweissartigen Hof haben, hat sehr zugenommen und der Hof ist vergrössert. Dieser Fall ist 7mal vorgekommen. 2) In jeder Blase befinden sich gegen 15-30 diserete Dot- ter von '/,,"' deren jeder ein Keimbläschen d. h. einen hellen Kern von der Grösse und Beschaffenheit wie im Dotter des Eierstocks einschliesst. In diesem Zustande sehen die Dotter immer, wie auch im Eierstock orangefarben aus. Von der diffusen Dottermasse ist entweder gar nichts mehr vorhanden, zuweilen aber ein unverbrauchter Rest von Dotterkörnern und Klümpchen von Dotterkörnern. Dieser Fall ist 5 mal vorge- kommen. 3) In jeder Blase sind 15 - 30 diserete Dotter, die aber im Furchungsprocess begriffen sind, z. B. alle Dotter bestehen aus 4 Kugeln. Dieser Fall ist 11 mal vorgekommen. 4) Alle Dotter einer Blase haben eine wimpernde Cortical- oder Embryonalschicht entwickelt. 6 mal vorgekommen. 5) In jeder Blase des Schlauches sind 15-30 Schnecken- embryonen mit Schalen enthalten. Dieser Fall ist 17 mal vor- gekommen. Einigemal fanden sich in demselben Schlauch Bla- sen mit entwickelten Schnecken mit ihren Schalen und zugleich Blasen mit Dottern, die im Furchungsprocess begriffen waren und in einem Fall neben den Blasen mit Schnecken auch noch einzelne Blasen mit diffusem Dotter. Durch eine solche Tracht kommen gegen 2400 Schneeken in die Welt. Die auf diese Art erzeugten Schnecken haben eine kalkige Schale von '/,,' oder darüber oder darunter, welche mit Säuren braust, einen Deckel an ihrem Fusse und eine Kiemenhöhle wie die Schneeken aus der Familie der Peetinibranchien, welche bekanntlich getrennnten Geschlech- tes sind. Ich bin ungewiss wie die Schnecken aus der Synapta her- auskommen. Es ist schwer ein Kopfstück des Thieres mit dem äussern Ende des Schlauches zu erhalten; denn beim Zerbrechen der Synapta bleibt der Schlauch gewöhnlich in dem vom Kopf getrennten Theile liegen. Einmal jedoch glückte es mir, ein Kopfstück zu finden, in welchem nicht bloss 2 schnek- kenerzeugende Schläuche, der eine mit entwickelten Schnek- 17 ken und noch ein Rudiment eines Dritten mit den Anlagen aller wesentlichen Theile, die zu einem solehen Schlauch ge- hören vorhanden waren, sondern wo auch die 2 grösseren Schläuche sowohl in ihrer Verbindung mit dem Darmgefäss als an ihrem entgegengesetzten Ende, wo sie dicht beisammen inwendig am Kopf in der Nähe der polischen Blase befestigt, unverletzt waren. Der dritte Schlauch war durch seine Struc- tur von der polischen Blase leicht zu unterscheiden, deren Wand dieselben länglichen Kalkscheibchen enthält wie die Haut der Tentakeln. In dem dritten sehr dünnen und kleinen (nur einige Linien langen) Schlauch konnte man die Eierstockcapsel mit ihrem umgebogenen Ende und in der Capsel die Contur des Bierstocks, aber noch keine Dotter und Dotterkörner er- kennen, er hing noch an der Befestigungsstelle der beiden anderen Schläuche am Kopfe fest, aber das andere Ende, in welchem die Einstülpung bis zur Eierstockcapsel unter dem Mikroskop erkannt wurde, war frei. Ich muss es ungewiss lassen, ob dieser dritte Schlauch noch sehr unentwickelt oder seine Entwickelung und Generation vollendet und in regressi- ver Metamorphose ist. Die Befestigung der drei Schläuche war dicht bei einander zwischen Mundscheibe und Kalkring, in der Nähe der Inser- tion der polischen Blase. In dieser Gegend liegt sonst auch der Stamm der Genitalien, von welchem gegenwärtig auch nicht eine Spur zu finden war. Hiebei musste ich es an dem frischen Präparat bewenden lassen, aber es war mir sehr wahrscheinlich geworden, dass die Schläuche hier ausmünde- ten, theils weil ich damals noch die Genitalien in allen Stük- ken von Synapta vermisst hatte, welche mit dem Schnecken- schlauch behaftet waren, theils weil in dem letzterwähnten Falle die 3 Schläuche dicht bei einander an einer und dersel- ben Stelle befestigt waren, Ueber den Sinn dieser Befestigung sind mir später erhebliche Zweifel entstanden, besonders des- wegen, weil der Stamm der Genitalien nicht zwischen Mund- scheibe und Kalkring, sondern dicht hinter dem Kalkring ausgeht. Der gänzlich verschrumpfte Zustand des in Weingeist aufbewahrten Präparates gestattete keine weiteren Aufschlüsse. Müllers Archiv, 1852, 2 18 Der dritte kleinere Sehlauch war schon im frischen Zustande zur mikroskopischen Untersuchung abgelöst worden, die zwei anderen grösseren Schläuche waren noch festgeheftet; nur durch wiederholtes gewaltsames Zerren der Insertion mit Na- deln konnte ich die Schläuche ablösen; aber ich bin völlig im Ungewissen geblieben über die Art ihrer Insertion und das Verhalten ihres äussersten Endes. Die Schläuche sind gegen das abgerissene Ende sehr fein, sie verjüngen sich allmählig bis auf Y/,,”’ Querdurchmesser. Es werden weitere Untersu- ehungen nöthig über die Beständigkeit oder Unbeständigkeit und die Art dieser Insertion. Dagegen muss ich es jetzt unge- wiss lassen, wie die Schnecken nach aussen kommen, ob durch Selbstzerbrechen der Synapta, oder durch die von Quatre- fages beschriebenen Spiracula, welche ich selbst noch’ nicht habe auffinden können, oder Fortsetzung der Schläuche selbst bis zur äusseren Oberfläche. Die -Thatsache, welche ich jetzt in den allgemeinsten aber völlig sichern Umrissen mitgetheilt habe, ist so gänzlich ab- weichend von dem gewöhnlichen natürlichen Verlauf der Dinge, dass ich selbst nicht daran glauben würde, wenn ich sie nicht selbst hätte fast täglich sehen müssen. Die Akademie erhielt darüber am 23. October und 13. November die ersten aus- führlichen Berichte, denn ich habe bisher nur in Triest Gelegen- heit gehabt, einzelnen Naturforschern mündliche Mittheilung zu machen, wie den Herren Heckel von Wien, Professor Boeck von Christiania, Professor R. Wagner von Göttin- gen, Ich muss es als einen besonders günstigen Umstand an- sehen, dass einer der berühmtesten Physiologen längere Zeit mit einigen seiner Schüler in Triest arbeitete und dass ich da- durch Gelegenheit erhielt, die wesentlichsten der mitgetheilten Thatsachen ihm zu zeigen. Ich habe die Synapten in Gegen- wart des Professor R. Wagner aufgeschnitten, und er konnte sich überzeugen, wie der schneckenerzeugende Schlauch am Darmcanal, nämlich dessen Gefäss festhängt, ich konnte ihm diesen Schlauch in 2 Zuständen zeigen, einmal, wo er neben dem Dotterstock die frei gewordenen Dotter in Blasen enthält, das zweite Mal, wo er die Blasen mit lebenden Schalthieren 19 enthält, an welchen die Bewegung der Otolithen sehr schön zu sehen war. Auch war ich so glücklich Herrn Wagner die Samencapseln mit den sich bewegenden Zoospermien zeigen zu können. Ausserdem hat mein Sohn alle wichtigeren beobach- teten Thatsachen gesehen. Die Entwickelung der Schnecke aus dem Dotter hat viel Aehnlichkeit mit der Entwickelung anderer Schnecken, z. B. des Actaeon; wie bei diesem nach Vogt’s Beobachtungen, fehlt die Dotterhaut an dem Dotter, und fehlt der Keimfleck des Keimbläschens, und wie bei diesem bilden sich bei der Dotterfurchung zweierlei Ballen, grosse undurchsichtige Ballen mit viel Körnermasse des Dotters und kleinere mehr durch- sichtige Furchungskugeln, welche auch die stearinen Dotter- körner und die feinkörnige Molecularmasse aber in gerin- ger Menge, übrigens auch ihren hellern kleinern Kern ent- halten. In einigen Punkten ist jedoch der Furchungsprocess eigenthümlich. Ehe es zur Theilung des Dotters in zwei Kugeln kommt und in Dottern, die noch völlig rund sind, geht schon die Theilung des Keimbläschens oder hellen Ker- nes vor sich, Denn man findet in einzelnen solchen runden befruchteten Dottern statt des Keimbläschens schon 2 etwas kleinere sonst ganz gleiche helle Körper. Das Keimbläschen oder der helle Kern des Eierstocksdotters verschwindet nicht, sondern wird ganz einfach bei der Dotterfurchung zu den hellen Körpern im Innern der Furchungskugeln verbraucht. Im Ei des Eierstocks und im befruchteten Ei ist er völlig gleich. Man findet in derselben Blase mit Dottern sowohl Dotter, welche noch rund sind, als solche, die eben begin- nen eine Furche zu erhalten, die beginnende Furchung be- trachte ich als Zeichen der Befruchtung aller der Dotter, die in dieser Blase enthalten sind, aber alle enthalten auch noch das Keimbläschen oder den hellen Kern, entweder einen durch- aus s0 gross wıe im Eierstocksei und von derselben zähen Beschaffenheit seiner Masse, oder 2 kleinere, die dann aus der Theilung hervorgegangen sein müssen. Bei der Dotterfurchung bilden sich erst 2 dann 4 grosse Furchungskugeln, wovon jede ihren hellen Kern in der Mitte enthält. Wenn 4 grosse 2% 20 Furchungskugeln vorhanden sind, so sind auf der einen Seite über der Mitte des Furchungskreuzes auch schon 4 kleine dureh- sichtige Furchungskugeln entstanden, aus welchen schnell 8, 16 und mehr werden, während die 4 grossen undurchsiehtigen Dotterballen bleiben. In den kleinen durchsichtigen Furchungs- kugeln scheinen sieh die stearinen Dotterkörner bald zu ver- kleinern und aufzulösen. Die 4 grossen Ballen sind sogar noch vorhanden, wenn die ganze Oberfläche des Dotters schon mit einer Corticalschicht durchsichtiger Furehungszellen umge- ben ist, und wenn sich auf der ganzen Oberfläche der Corti- ealschicht die Wimpern und die Wimperbewegung entwickelt haben. Die 4 grossen Kugeln bleiben also im Innern des Dotters, und sind nicht weiter an der Oberfläche verändert, als dass sie dichter zusammengedrückt sind. Zerdrückt man aber die 4 grossen Furchungskugeln in der Zeit, wo die cor- ticale Embryonalschicht des Dotters schon entwickelt und zu wimpern beginnt, so findet man im Innern der zerquetschten Ballen eine grössere Zahl heller Kerne gebildet, und ich zählte deren gewöhnlich 12 und mehr, die jedenfalls bloss in den 4 grossen Ballen enthalten waren. Die Theilung des hellen Kernes einer Furchungskugel geht daher bei unserer Schnecke der Furchung selbst voraus. Die meisten Beobachtungen aus den Entwickelungsstadien der Schneekenkeime sind aus der Zeit, wo die in den Blasen enthaltenen jungen Schnecken fast vollendet sind und eine spi- rale Schale von '/,,'' und von 1'/, Windungen besitzen, aus der sie sich herausstrecken und in welche sie sich hereinzie- hen. Die Schale hat die mehrste Aehnlichkeit mit Natica. Durch die freundliche Unterstützung des Herrn Koch, Direc- tors des zool. Museums in Triest, habe ich schon dort in der für die Localfauna an Mollusken überaus reichen Sammlung ausgedehnte Vergleichungen anstellen können, welche immer wieder auf die Natica zurückführten. Ich muss jedoch darauf aufmerksam machen, dass bei einzelnen Exemplaren der jun- gen Schnecken der letzte Gang der Windung am äussern Umfang merklich gerader ist als bei Natica, so dass die Fortsetzung der Spirale abweichender werden könnte, Die 21 Mündung der Schale gleicht sehr derjenigen von Natica, aber bei einzelnen Exemplaren ist der Durchmesser der Oeffnung senkrecht auf die Spindel fast so gross als der Durchmesser der Oeffnung in der Richtung der Spindel. Die Mündung der Schale ist so gross wie die übrige ganze Schale oder noch etwas grösser. Die Spindel ist fast gerade, daher der Deckel auch den einen Rand mehr gerade hat. Die Schale scheint auch genabelt zu sein. Eine Structur des Deckels habe ich in den ungünstigen Lagen, in welchen er gewöhn- lich gesehen wird, nicht ausmitteln können. Vielleicht ist sie in dieser Zeit noch nicht deutlich ausgeprägt. An der Schnecke machen der stark bewimperte Fuss und der Kopf den grössten Theil der Masse aus. Der Fuss ist in der Mitte quer eingekniekt und besteht demnach aus 2 Lappen, einem vordern und hintern an dessen Rückseite der Deckel befestigt ist. In der Mitte der Einkniekung des Fusses befindet sich eine Art Papille mit einer Oeffnung, in der man Wimperbewegung wahrnimmt und welche ich nur auf eine Oeffnung des soge- nannten Wassergefässsystems deuten kann. Ueber dem vor- dern Lappen des Fusses ist der Mund, welcher von einem be- sondern bald abgerundeten, bald in der Mitte eingeschnittenen Kopf-Lappen bedeckt wird. Dieser Lappen hat viel kleinere schwingende Wimpern als der Fuss, aber einzelne sehr lange und steife meist gerade ausgestreckte, seltener etwas gekrümmte nicht schwingende Wimpern oder Borsten; in allen Fällen, die mir vorkamen, waren diese grosse Wimpern, welche offenbar wie der ebengedachte Lappen an das rädernde Kopfvelum so mancher Schneckenlarven erinnern, immer ruhig, während der Fuss lebhaft wimperte und auch die kleinen Wimpern auf der Oberfläche des Kopfes in Thätigkeit waren, es wäre aber möglich, dass sie in einer früheren Periode oder später in Thätigkeit sind. Jetzt bewegen sich die jungen Schnecken in ihren Blasen nur wenig von der Stelle. Zwischen Mund und Fuss tritt zuweilen noch ein besonderer sonst verborgener Lappen hervor, welcher nur mit ganz kurzen Wimpern besetzt ist, nicht grösser als die Wimpern auf der Rückseite des Kopfes. Im Kopf sieht man die beiden Gehörorgane, Blasen, 22 welche einen beständig zitternden Otolithen einschliessen. ‚Ue- ber diesen auf dem Kopf sind 2 kurze abgerundete Hervor- ragungen, die künftigen Tentakeln. Das Innere derselben ist körnig, auf ihrer Oberfläche sind auch die sehr kleinen Wim- pern, die man auf dem Kopfe überhaupt sich bewegen sieht, und welche sehr gegen die lebhaft schwingenden grossen Wim- pern des Fusses abstechen. Von Augen ist noch nichts zu se- hen. Innerhalb der Schale ist die Athemlhöhle, ein von den Bewegungen der Schnecke unabhängiger Raum, in welchem man 2 Reihen sehr langer schwingender Fäden erkennt, die eine Reihe geht der Länge nach herab der Aushöhlung der Schale folgend in gleicher Richtung mit dem Gewinde, dann aber bogenförmig gegen den Schneekenleib umwendend. Die zweite Reihe läuft in einer mehr queren Richtung nicht weit von der Mündung der Schale. Der Mund führt in einen wei- ten Schlund, der über den beiden Gehörorganen weggeht. Magen und Darm sind wie sie bei anderen jungen Schnecken beobachtet sind. Der Darm bildet in der Schale einen Bogen, dessen zurückgehender Schenkel oder Mastdarm sich nach rechts wendet. Die Leber besteht aus verhältnissmässig kleinen Zel- len. In der Nähe des Mastdarms liegen immer einige gelbe Körnerhaufen,, Conglomerate wie Dotterreste. Der innerste Theil der Schale näher dem Wirbel ist mit einem durchsichti- gen blasigen Theil des Körpers ausgefüllt, der von einigen fadigen Strängen durchzogen und dadurch in einige blasige Abtheilungen gebracht ist. In den durchsetzenden Strängen liegen oft auch die vorher erwähnten gelblichen Körnermassen wie in Zwischenräumen von aneinandergrenzenden Blasen. Zuweilen lösen sich die Thiere aus der Schale los mit sammt dem durchsichtigen blasigen, das innere Ende der Schale aus- füllenden Theil des Körpers und man sieht noch deutlicher, dass dieser Theil des Körpers aus einem Fachwerk von bla- sigen Abtheilungen besteht. An den durch Verletzung der Schale oder sonst einen Umstand ausgelösten Schneeken ist die Kiemenhöhle zerrissen und die Reste der schlagenden Wim- perfäden liegen jetzt nackt am Thiere anhängend. Ich erhielt die Schnecken mehrere Stunden lebend, wenn 23 ich die Bauchflüssigkeit ausSynapten durch Einschnitt entnahm und die Schläuche mit Schnecken oder die mit Schnecken ge- füllten Blasen selbst in der mild salzigen Flüssigkeit aufbe- wahrte. In Seewasser sterben sie früher. Die definitive Bestimmung der Schnecke dürfte sehr schwer sein, auf die Gegenwart des Deckels ist kein grosses Gewicht zu legen, da auch die Molluskenlarven mit vergänglichen Scha- len einen solchen besitzen, wie die Nudibranchier und Tecti- branchier. Aber der Umstand, dass eine Athemhöhle inner- halb der Schale vorhanden ist, dass die Schale kalkig, die Spira viel mehr entwickelt, und das Gewinde entschieden seit- lich ausweicht, scheint dafür zu sprechen, dass wir es mit einem Pectinibranchier zu thun haben. Sollte die Schale dieser Schnecke auch zum abfallen bestimmt sein und die Schnecke nackt werden, so müsste sich die Kiemenhöhle, die jetzt in- nerhalb der Schale tief hinabgeht, gänzlich verändern. Eigent- liche Kiemenblätter sind an der Stelle, wo die Wimpern in Reihen schlagen, nicht zu sehen. Ich gebe die Hoffnung nicht ganz auf, dass diese Schnecke noch sicher, wenigstens auf die Gattung, wird bestimmt werden können. Diese Hoffnung grün- det sich ausser den schon vorhandenen Anhaltspunkten auf die sehr charakteristische Form der Samenthierchen. Es ist schon jetzt sehr interessant, dass nach der Form der Zoosper- ınien unsere Schnecke zu der Familie der Nudibranchier und Teetibranchier nicht wohl gehören kann, deren lineare Zoo- spermien durch Kölliker sehr vollständig bekannt geworden sind. Dies ist um so merkwürdiger, als es uns in gleicher Weise, wie das, was ich schon an der Schale und dem Bau der Jungen Schnecke ermittelt hatte, auf die Pectinibranchier hin- weist. Unter diesen kommen die Canalifera nicht in Betracht, theils wegen der völlig abweichenden Form der Schale, theils wegen der abweichenden Form der Zoospermien. Aber unter den Trochoiden, wozu auch Natica gehört, kommen steck- nadelförmige oder eercarienförmige Zoospermien bei einzelnen Gattungen vor, wie sie von Kölliker bei Trochus einerarius L. beobachtet sind. Solehe sind auch in der Familie der Cy- elobranehier bei Patella und Chiton durch Wagner. Erdl und 24 Kölliker, in der Familie der Seutibranchier bei Haliotis (Wagner und Erdl) und in der Familie der Tubulibranchier bei Vermetus durch von Siebold gesehen. Die mehrsten hier genannten Familien kommen jedoch hier nicht in Betracht. Eine genaue Uebereinstimmung ist bei keiner bis jetzt bekannten Form von Zoospermien der Gasteropoden vorhanden. Die Zoo- spermien von Natica und verwandten sind noch unbekannt. Bei den Untersuchungen auf diesen Gegenstand in möglichst vielen Gattungen wird besonders auf dieEndanschwellung desSchwan- zes der Zoospermien zu achten sein, welche bis jetzt noch bei keinem Gasteropoden beobachtet ist, an den Zoospermien un- seres Falls aber niemals fehlt. Es ist jedoch unter so Vielem auch an den möglichen Fall zu denken, dass unsere Schnecke gar nicht unter den erwachsenen Schnecken aufgefunden wer- den könnte und dass sie nach einem kurzen Schneckenleben Schale und Deckel abwürfe und sich in einen zum Parasiten bestimmten Wurm, einen hermaphroditischen Schneckenerzeu- ger verwandelte. Wie entstehen die Schnecken in der Holothurie, das habe ich vollständig beobachtet, wie ist es möglich, dass sie darin entstehen, das weiss ich nicht. Aus der Discussion aller mög- lichen Fälle, aller Eventualitäten wird sich ergeben, dass eine genügende Lösung des Räthsels dermalen noch nicht möglich ist. Gewiss ist nur, dass die Schnecken in der Holothurie ent- stehen und dass sie als Schnecken nicht hineingekommen sind. Die Holothurie hat weder sie noch ihre Mutter gefressen, sie frisst nur feinen erdigen Schlamm und nie findet man etwas Anderes in ihrem Darm; wie kämen sie auch aus dem Darm in den Bauch und in den schnecekenbildenden Schlauch? Sie sind nicht von aussen in die Bauchhöhle der zerstückten Sy- napten gekrochen, denn alle Fragmente sind an den Bruch- stellen krampfhaft zusammengezogen, so dass nichts aus der mit der natürlichen innern salzigen Flüssigkeit gefüllten Bauch- höhle austreten und eben so wenig etwas eintreten kann, und wie sollten einige 1000 Schnecken da eindringen? sie können es um so weniger, als sie schon im Zustande des Dotters ein- gedrungen sein müssten. Sie sind auch nicht in den Schlauch 2 or . von aussen hineingekrochen, denn sie entstanden darin aus Elementen. Der schneckenerzeugende Schlauch muss daher entweder selbst ein Aequivalent von einer Schnecke, gleich- sam eine wurmförmige verlarvte Schnecke, nicht Schnecken- larve, welche in die Holothurie hineingekrochen ist oder ein Organ der Holothurie sein, welches statt Holothurien Schnek- ken erzeugt. »Im ersten Falle wäre er dem zu vergleichen, was eine Lernaea unter den Crustaceen ist, möge nun eine Meta- morphose oder ein Generationswechsel dabei zu Grunde lie- gen. Wäre der schneckenerzeugende Schlauch selbst ein Thier, so müsste man die Einstülpung als Darm, das innere des Schlauchs als Bauchhöhle, den Eierstock und die Samencap- seln als Genitalien dieses Thiers ansehen. Es handelt sich um die Vorstellung von einer geschlechtsreifen Schnecke, welche Alles von der Schnecke abgelegt hätte, Sinnesorgane, Fuss, Leber, After, Herz und Gefässe, den Bau der Geschlechts- theile der Gasteropoden und Mollusken überhaupt, ihre Le- bensart um vom Blut eines andern Thiers zu zehren und welche im Stande wäre das Blut in einem bestimmten Gefäss zu fin- den. Ich habe schon erwähnt, dass ich nie eine Bewegung an der knopflörmigen Anschwellung des Schlauchs sah, wie oft ich auch die Verbindung des Schlauchs mit dem Gefäss unter dem Mikroskop untersuchte. Auch habe ich nie an dem ein- gestülpten Rohr Etwas, was einer Schlingbewegung zu verglei- chen wäre und überhaupt weder peristaltische noch irgend eine Spur von Bewegung gesehen; Knopf und Einstülpung sah ich immer nur in völlig ruhigem Zustande. Ehemals nannte man die in Mollusken gefundenen bewegungslosen oder beweglichen Schläuche mit Cercarien, Keimschläuche, es sind aber seit- dem Thiere daraus geworden. Die ganze Schwierigkeit liegt darum nicht darin, sich den Schlauch als eine Schnecke vorzu- stellen. Eine Hauptschwierigkeit ist für jede Vorstellung, dass der schneckenerzeugende Schlauch organisch mit der Holothu- rie zusammenhängt. Das knopflörmige Ende hat sich nicht an die Holothurie und ihr Gefäss angehängt oder angesogen, sondern das (sefäss der Holothurie umfasst angewachsen den Knopf des schneckenbildenden Schlauches. Ist dieser Schlauch 26 dann vielleicht als eine Knospe in der Holothurie entstanden und mit ihr in Verbindung geblieben und hat er vielleicht die Bedeutung für die Erzeugung der Schnecken wie der soge- nannte Vorkeim gewisser Pflanzen für diese? Eine für unsern Fall sehr verwickelte und nicht sehr klare Vorstellung. Haben wir es vielleicht mit einem Generationswechsel zu thun? Erzeugt die Schnecke Würmer, der Wurm wieder Schnecken? oder gar erzeugt die Holothurie Schnecken, so erzeugt vielleicht die Schnecke wieder Holothurien; oder viel- leicht sind die Glieder Holothurie, wurmförmiger Schneckener- zeuger und Schnecke; aber das wäre äusserst unwahrscheinlich, dass das Alterniren der Generationen jemals so weit gehe und zumal hat jene Holothurie ihre besondere Generation , ihre ei- genen Eier, deren Product wir zwar noch nicht kennen, wel- ches aber jedenfalls gänzlich von den Schnecken verschieden und ohne Zweifel Synapta ist. Die Holothurien und Mol- lusken haben ja ausser ihren Kalkabsätzen und ausser dem Umstande, dass einige Holothurien eine Art Sohle besitzen, aus welchen die locomotiven Füsschen hervortreten, nicht die geringste Aehnlichkeit. Sie gehören ja nach den auf guten Grund eingebürgerten Begriffen zweien verschiedenen Abthei- lungen des Thierreichs an. Der Generationswechsel beruht auf der Folge zweier oder mehrerer Generationen von unglei- chem Product, wovon eine Generation die geschlechtliche ist, auf einer Heterogonie, welche in einer der auf einander fol- genden Generationen wieder zur früheren Form zurückführt, also auf einer Heterogonie, die nach einem regelmässigen Cy- clus von Gestalten wieder aufgehoben wird. So ist es in den völlig sichern Beispielen des Generationswechsels von den Salpen, von mehreren Eingeweidewürmern,, von der Meduse und ihrer Strobila, von den Blattläusen. Nicht ganz so sicher, wenigstens unbekannt ist diese Rückkehr in andern Fällen, welche wahrscheinlich auch dahin gehören und von dem geist- vollen, Urheber der Lehre vom Generationswechsel Steen- strup ebenfalls dahin gebracht werden und von welchen ich am Ende der Abhandlung sprechen werde. Wenn aber jede andere Vorstellung unstatthaft ist, wenn es zufolge der tief Dv 7 begründeten Gesetzmässigkeit des Generationswechsels nur eine und gleiche Form desselben giebt, so steht doch dieses fest, dass in gewissen Fällen zwei Generationen auf derselben Stufe eines Thiers vorkommen, wovon nur die eine das gleiche A aus A, die andere das ungleiche B aus A hervorhringt. Hiemit könnte man nun auch die Vorkommnisse bei der Sy- napta versuchsweise parallelisiren. Dass zwei geschlecht- liche Generationen verschiedener Art zugleich auftreten soll- ten, weicht gänzlich vom Generationswechsel ab und enthält einen Widerspruch in sich. Dies wäre aber auch nieht nöthig bei dieser Parallele anzunehmen, da eine abweichende Gene- ration mit einer Knospe beginnen kann. Es hängt bei dieser Parallele Alles davon ab, ob. wir uns dermalen zwei Classen wie Polypen und Medusen, deren Glieder zum Theil beim Generationswechsel wechselnd auftreten, noch als bestehende Classen denken dürfen, und ob sie nicht vielmehr eine Classe bilden. Wenn sie nicht 2 verschiedene Classen des Thierreichs sind, so würde in unserm Fall alle Basis des Vergleichs mit dem Generationswechsel wegfallen, nämlich für einen Wech- sel zwischen Holothurien und Mollusken; denn diese sind je- denfalls durch eine viel grössere Kluft getrennt als Medusen und Polypen. Es lohnt nun der Mühe, die verschiedenen möglichen Fälle kurz zu formuliren. Die Alternative ist, entweder ist der schneckenerzeugende Schlauch selbst ein Thier, oder er ist ein Organ der Holothurie. In dem einen sowohl wie in dem an- dern Fall haben wir es mit den wunderbarsten Dingen zu thun. Ist der Schlauch ein Thier, ein Wurm, aber nicht von der Holothurie erzeugt, sondern aus einer Schnecke hervorge- gangen, so kann es sich um einen ganz unerwarteten Fall von Generationswechsel handeln. Wir könnten uns das Wunder- bare eher zurecht legen und uns darin finden. Wir sind schon auf diesem Felde an viel Wunderbares gewöhnt, welches sich doch demselben Gesetze fügen muss und. wir mussten noch auf starke Stücke gefasst sein. Oder aber es findet kein Ge- nerationswechsel, vielmehr eine Metamorphose statt. Die Schnecke metamorphosirt sich in einen parasitisch lebenden 28 Wurm, der wieder Schnecken hervorbringt, ein völlig uner- wartetes aber doch nicht irrationales Verhältniss. Ist der Schlauch ein Wurm, aber von der Holothurie erzeugt, dann ist es viel wunderbarer und unbegreiflicher und geht über alle fasslichen Verhältnisse von Generationswechsel hinaus. Ist der Schlauch kein Thier, kein Wurm, sondern ein ausserordent- liches Organ der Holothurie, so ist es völlig unerklärlich; das Unerklärliche müsste dann selbst für anderes in der Natur er- klärend oder ein fundamentales Factum werden. Der Eintritt verschiedener Thierarten in die Schöpfung ist zwar gewiss, nämlich ein Faetum der Palaeontologie, aber supernaturali- stisch, so lange dieser Eintritt sich nicht im Acte des Gesche- hens und bis in die Elemente einer Beobachtung wahrnehmen lässt. Sobald dieses aber möglich wird, so hört das Superna- turalistische auf und es tritt in die Ordnung einer höhern Reihe der Erscheinungen, für welche sich auf dem Wege der Beobach- tung zuletzt auch Gesetze finden lassen müssen. Vergleichbar dem Schild des Gottfried, welcher die Zau- bereien der Armida löste, muss der Schild des Generations- wechsels und der Metamorphose jedem scheinbaren Zauber der Natur hartnäckig entgegengehalten werden, so lange eine Spur von Hoffnung ist, ihn zu lösen. Was die letzte und äusserste Alternative betrifft, so ist jedem bekannt, was dagegen ist. Wir kennen bis jetzt keine einzige haltbare Beobachtung von primitiver Zeugung in der actuellen Welt, weder ausser den organischen Körpern noch in ihnen und es wird von Vielen als gewiss angenommen, dass alle Schöpfung oder alle Schöp- fungen der actuellen Welt vorangegangen sind. Diesem steht allerdings das Resultat der gediegensten Untersuchungen Phi- lippi’s über die tertiäre und actuelle Molluskenfauna Unter- Italiens entgegen, dass der Uebergang aus der Tertiärperiode in die Gegenwart ganz allmählig statt gefunden hat, ohne dass eine grosse Revolution einen Abschnitt machte, dass viel- mehr nach und nach einzelne Arten ausgestorben, andere hinzugekommen, bis sich die jetzige Fauna gebildet hat. Dass es sich im gegenwärtigen Fall um eine Conchylie han- delt, das erhöht sein unvergleichliches Interesse, welches mit 29 den wichtigsten Fragen der Zoologie, Physiologie und Geo- logie zusammenhängt. In Bezug auf die vorhin erwähnte äus- serste Alternative ist zu erinnern, dass die älteren Beobach- tungen über sogenannte Keimschläuche mit Thierkeimen inner- halb anderer Thiere, sich in lehrreiche Fälle des Generations- wechsels aufgelöst haben. Leider muss ich den Gegenstand mitten in der Spannung einer beispiellosen Verwickelung ohne Schluss lassen und es bei den Gegensätzen und Schwankungen der allgemeinen Vor- stellungen, die er abwechselnd erregt, bewenden lassen. Für jetzt ist eine Lösung dieser Knoten noch nicht möglich, dagegen sind eine Menge von Arbeiten auszuführen, welche zur dereinstigen Lösung führen werden. Was an der Synapta digitata selbst zu sehen ist, ist noch nicht erschöpft, aber es sind auch andere Arten von Synapta zu untersuchen. Es müssen die Samenthierchen in den Gattungen der Peetini- branchier und auch in andern Familien der Gasteropoden, wo es noch fehlt, festgestellt werden. Von Natica müssen wir sie nicht von einer Speeies, sondern von allen Arten kennen, die im mittelländischen und adriatischen Meer vor- kommen. Wir müssen den Dotter der Natica oder derjenigen Schnecken kennen lernen, auf welche sich unsere Aufmerk- samkeit nach Anleitung der Zoospermien fixirt. Wir müssen zuletzt den Laich und die Brut der Natica-Arten oder derje- nigen Schnecken kennen lernen, um welche es sich in letzter Instanz handeln wird. Wer mit so viel Phantasie, als nöthig ist, sich über alle diese Vorfragen hinwegzusetzen, den Knoten zerhauen und nur in einem Sinn Öonsequenzen aus meinen Beobachtungen ziehen wollte, könnte die bisher müssige Frage lösen wollen, ob die Henne zuerst oder das Ei zuerst erschaffen sei, und aus je- nen Beobachtungen schliessen, dass zuerst das Ei und aus diesem die Henne ward, noch mehr, dass der Samen des Hahns vor dem Hahne war. Sich den Eintritt eines doppelt geschlech- tigen aus Männchen und Weibchen bestehenden Wesens in die Schöpfung zu denken, sei völlig unfruchtbar, wenn man sich die primigve Erzeugung der Männchen und der Weibchen 30 zugleich als nothwendig denke. Aus jenen Beobachtungen er- kläre sich, würde er sagen, wie Thiere getrennter Geschlech- ter erschaffen werden, dadurch, dass Eier und Samen dicht beisammen an demselben Orte entstehen. Sie entständen nicht in der Luft und nicht im Schlamm des Meeres, sondern in ei- nem Organ ad hoc innerhalb eines schon vorhandenen Thiers, also durch einen schon vorhandenen organischen Werkmeister, der zwar in seinem eigenen Dienste Gleiches aus Gleichem er- zeuge, aber auch im Dienste einer höhern Gesetzgebung in die Geschichte der Schöpfung nach Gesetzen eingreife, die für jetzt noch unsern Blicken entzogen sind. Die Vorstellung von dem Schlauch als einem ausserordent- lichen Organ der Holothurie hat eben jenes zu ihrem ganzen Inhalt und wer die Beobachtungen in der vorstehenden Weise metaphysisch auslegt, thut nichts anderes, als dass er eine Um- schreibung jener Vorstellung versucht. Es bedarf nicht der Bemerkung, dass diese Ansicht vor weitern empirischen Auf- schlüssen, die ich suche und verlange, lediglich nur eine natur- philosophische Doetrin sein würde. Indem ich mich auf meinem Standpunkt als Beobachter darauf beschränke, die Eventualitä- ten aller möglichen Fälle zu entwickeln, und die Forschungen zu bezeichnen, die zur endlichen Erreichung eines Zieles noch anzustellen sind, so weise ich, wie sich von selbst versteht, jede Analogie meiner Beobachtungen mit der vermutheten freiwilli- gen Entstehung der Eingeweidewürmer in den Thieren zurück, welche längst in das Reich der Irrthümer verwiesen ist. Es ist ein Glück, dass die Beobachtungen an der Synapta nicht früher gemacht worden sind, weil sie den Gang der Wissen- schaft hätten stören und eonfusen Wahrnehmungen und Vor- stellungen hätten zur Stütze dienen können. Die weitere Untersuchung des Gegenstandes kann nicht vom Gesiehtspunkt des Unerklärlichen ausgehen, denn dieser schliesst die tiefere Ergründung aus, vielmehr muss dieser Gesichtspunkt vorläufig gänzlich vernachlässigt und in die weiteste Ferne verlegt werden. Die weitere Untersuchung und Lösung muss vielmehr vom gewöhnlichen Verlauf der Natur aus versucht werden, vom Erklärlichen ausgehen. Vom Ge- 31 sichtspunet des Erklärlichen aus kann ein Schlauch, welcher Schneeken erzeugt, niehts anderes als ein der Schnecke homo- loges sein, mag er durch Generationswechsel oder durch Me- tamorphose einer Schnecke entstanden sein. Der wunderbare Zusammenhang dieser Gebilde mit der Synapta, mit immer demselben Blutgefäss bleibt dann das Unerklärliche. Bei die- ser Vorstellung wird viel weniger gewagt als bei der andern, und ich glaube, sie muss bei der weitern Untersuchung so lange streng festgehalten werden, bis der ganze Vorgang der Entstehung jener Schläuche durch direete Beobachtungen aufgeklärt sein wird. Ich komme zuletzt zur Besprechung derjenigen Fälle von Heterogonie und Generationswechsel, bei denen das Product von einer der Generationen noch nicht bekannt ist und welche, bei dem gegenwärtigen Standpunkt unserer Kenntnisse, ein sehr grosses Interesse darbieten. Wir werden schwerlich in dem besondern Falle, der den Gegenstand dieser Abhandlung bildet, klar sehen lernen, wenn unsere Kenntnisse über diese Fälle nieht erst einen noch fehlenden entscheidenden Schritt gethan haben. Die Entdeckungen von R. Wagner, Loven, Sars, Krohn, Van Beneden, Dujardin über die Erzeugung von Medusen durch Polypen hat man sehr allgemein durch den Generationswechsel erklärt, welcher jedenfalls in den von Sars entdeckten Thatsachen von der Strobila der Medusa ge- wiss ist. Denn das Junge der Medusa aurita, Cyanea capil- lata, der Cephaea Wagneri ist in der That polypenförmig und die junge Medusa aurita und Cyanea capillata vervielfacht sich durch Larvenzeugung d. h. vermittelst Knospen und Theilung, ehe sie ihre vollendete zur geschleehtlichen Zeugung bestimmte Gestalt erhält. Man hat geglaubt, dass demzufolge die Classen der Polypen und Medusen vereinigt werden müs- sen und auch ich habe mich, wie Leuekart, dahin ausgespro- chen. Es kann auch wohl noch nothwendig werden, aber es ist doch für jetzt noch nicht nothwendig. Vielleicht aber gehen diese Consequenzen der Ideen über den Generationswechsel zu weit und es könnte sein, dass wir von der Heterogonie mit 32 Generationswechsel noch eine Heterogonie unterscheiden müss- ten, welche nicht nothwendig alternirt, sondern in der erhalte- nen Form fortsetzt, eine Heterogonie mit gleicher Fortsetzung. Ja es könnte sein, dass bei einer Thierform ausser der alter- nirenden Heterogonie in gewissen Fällen auch die Heterogonie mit gleicher Fortsetzung vorkäme. Für jezt ist die Vorstel- lung von einer Heterogonie mit gleicher Fortsetzung rein hy- pothetisch und unbegründet. Die von Sars entdeckten That- sachen von der Strobila der Medusa gehören dem eigentlichen Generationswechsel an. Wenn die junge Medusa aurita eine polypenförmige Gestalt hat und sich festsetzt, so ist sie aber deswegen allein noch kein Polyp, sie wird vielleicht besser polypenförmige Medusenlarve genannt. Von den von R. Wag- ner, Loven, Krohn, Van Beneden entdeckten Thatsa- chen ist es noch nicht ganz gewiss, ob sie dem reinen eycli- schen Generationswechsel allein angehören. Denn wie wohl die Polypen der Gattungen Coryne, Syncoryne, Campanularia, Tubularia, Eudendrium, durch Knospen wahre Medusen mit den Magengefässen, zum Theil selbst mit den Otolithen der Medusen erzeugen, so hat doch Niemand gesehen ,„ welcherlei Brut aus diesen Medusen hervorgeht, und ob ihre geschlecht- liche Brut wieder Polypen aus jenen Gattungen sind. Dage- gen ist die geschlechtliche Zeugung jener Polypen schon be- kannt. Loven hat die Eier der Campanularia geniculata und den daraus hervorgehenden wimpernden Polypenembryo und was die Hauptsache ist, die Entstehung des neuen Polypen aus dem wimpernden Jungen gesehen. Die Samenorgane der Tubularia, der Eudendrium sind von Krohn und Kölliker, diejenigen der Coryne squamata von Rathke, diejenigen der Campanularia von Desor und Max Schultze entdeckt. Jene Polypengattungen besitzen daher in ihrem Polypenzustande zwei ganz verschiedene Generationen, wovon die eine ho- mogon, die andere heterogon ist. Die heterogonen Produete jener Polypenarten bilden eine verwandte Medusenreihe, so dass die homogonen und heterogonen Zeugungen jener Poly- pen parallele Reihen bilden. Die Aufmerksamkeit der Naturforscher muss jetzt ganz be- 33 sonders darauf gerichtet sein, die Brut aus den von: Polypen entstandenen Medusen kennen’ zu lernen. Die durch Knospen einiger jenen verwandten Medusen sich bildenden Jungen (Sars, Forbes, Busch) die ich selbst gesehen, sind wieder Medu- sen, bringt auch die geschlechtliche Generation der erstern gleiche Medusen oder wieder Polypen zur Welt? Die von den Polypen stammenden Medusen gehören gröss- tentheils den Gattungen aus der Familie der Sarsiaden an. Die von den Campanularien erzeugten Medusen gehören einer der Gattung Thaumantias verwandten Gattung an. Aehnliche kleine Medusen sind schon von Krohn als Männchen und Weibehen mit Geschlechtsorganen gesehen. Die Geschlechtsor- gane der Sarsien und verwandten sind durch Forbes, Agas- siz, Busch bekannt. Krohn hat die Geschlechtsorgane bei den direet von: Podocoryna carnea (Sars) stammen- den kleinen Medusen aufgefunden, welche auch in Männchen und Weibchen getrennt sind. Archiv f. Naturgeschichte XVII. Jahrg. 262. Busch hat endlich bei der Sarsia prolifera die Knospenbildung an den bulbis der Tentakeln gleichzeitig mit der (egenwart von Geschlechtsorganen beobachtet. Busch Beobachtungen über Anatomie und Entwicekelung einiger wir- bellosen Seethiere. Berlin 1851. 8.7. Von welcher Beschaf- fenheit ist nun die Brut, welche aus der geschlechtlichen Zeu- gung der von Polypen stammenden Medusen hervorgeht? Einige Beobachtungen, die ich an sehr jungen Medusen angestellt habe, beweisen, dass es sehr junge Medusen mit allen Attributen einer Meduse giebt, welche aber doch nur erst durch embryonische Wimperbewegung den Ort verändern und noch nichts von der zuckenden Bewegung der ausgebilde- ten Medusen zeigen , und daraus scheint zu folgen, dass sie von Medusen durch geschleehtliche Zeugung und nieht durch Knospen von Polypen gebildet sein können. Denn das wim- pernde ‚Junge ist bei Polypen sowohl als Medusen das durch geschlechtliche Generation entstandene Produet. Wenn aber dieses wimpernde Junge selbst schon die Medusenform und die Medusenorgane hat, so scheint es direct von den Medusen selbst zu stammen, denn die durch Knospen von Polypen ent- Müllers Archiv, 1812. 3 34 standenen Medusen sind ohne Wimperbewegung und schwim- men durch die Bewegung ihrer Glocken. Ich rechne hierher schon das wimpernde Junge der Aegi- nopsis mediterranea Nob., welches ich im Archiv 18351 be- schrieben und abgebildet habe. Diese Meduse steht der Carybdea bitentaculata Q. etG. Campanella capitulum Blainv. am nächsten und würde mit dieser allein zu der besondernGattung Cam- panella gehören, wenn die Aufstellung einer solchen gerecht- fertigt wäre. Eine andere wimpernde und bloss durch Wimper- bewegung schwimmende junge Meduse ist ferner das in der drit- ten Abhandlung über Echinodermenlarven beschriebene , Taf. v1. Fig. 9-11 abgebildete und zweifelhaft, ob Echinoderm, ob Meduse gelassene junge durch Wimperbewegung allein schwim- mende Thierchen, von welchem ich jetzt in Triest den Beweis erhalten habe, dass es eine junge Meduse mit Otolithen ist. Die Gehörbläschen sind gestielt und enthalten einen runden Oto- lithen. Noch eine dritte junge herum wimpernde Meduse mit 6-10 ungleichen steifen Randeirren und 2-4 Gehörorganen mit Otolithen habe ich in Triest beobachtet. Die Zahl der Rand- eirren und gestielten Gehörbläschen scheint sich an diesen Jun- gen suecessiv zu vermehren. Die Otolithen sind einfach und rund. Die Randcirren sind durch quere Abtheilungen geglie- dert, wie bei der Polyzenia leucostyla Will, für deren Junges das Thierchen zu halten ist. Der Mittelkörper des Thierchens hat '/,o" Durchmeser. Bei der Polyzenia leucostyla ist auch in ihrem erwachsenen Zustande, wenn sie schon Geschlechts- organe besitzt, die Zahl der Randeirren und Gehörbläschen nach Will variabel. Aus allem diesem geht aber hervor, dass es junge Medusen mit allen Attributen der Medusen giebt, welche dem Embryonenstande ganz nahe stehen, noch bloss durch Wimperbewegung schwimmen und welche nicht wie die von Polypen sich ablösenden Medusenglocken entstanden sein können, sondern sehr wahrscheinlich direct aus der geschlecht- lichen Generation gewisser Medusen stammen. Es muss bemerkt werden, dass die hier erwähnten jungen Medusen nicht zu denjenigen Gattungen gehören, deren Ab- stammung von Polypen bekannt ist. Es kann also sehr gut 35 sein, dass ein Theil der Schirmquallen in denı Verhältniss des Generationswechsels zu Polypen steht, ein anderer Theil der Schirmquallen dagegen nur homogone Generation besitzt. Die doppelte Generation jener Polypen ist theils homogon durch Knospen (innere Knospen der Tubularien), oder durch geschleehtliche Zeugung (Campanularia); theils ist sie hetero- gon durch äussere Knospen (Tubularia, Coryne, Syncoryne, Podocoryna) oder durch innere Knospen Campanularia. Aehn- liche doppelte Zeugungen, homogone und heterogone, kommen bei den anderen Beispielen des Generationswechsels nicht leicht vor. Es giebt jedoch etwas dahin zu rechnendes. Die wich- tige Beobachtung von Steenstrup, (über den Generations- wechsel S. 72, Taf. II. Fig. 2), dass die Ammen der Cercaria echinata, welche gewöhnlich heterogon Cercarien 'hervorbrin- gen, in dem von ihm beobachteten Falle homogon wieder Ammen hervorbrachten. Die doppelten Generationen jener Po- Iypen machen daher keine absolute Ausnahme. Wenn nun die von jenen Polypen abstammenden Medusen zwei Zeugun- gen durch Knospen und geschlechtliche Generation besitzen, so verlangt die bindende Consequenz des Generationswechsels mit absoluter Nothwendigkeit, dass die geschlechtliche Generation dieser Medusen zum Polypen zurückkehre. Mögen sich durelı Knospen und Knospen von Knospen auch ganze Rei- hen homogoner Generationen von den Medusen abwickeln, die geschlechtliche Generation einer jeden dieser Medusen muss nach der Pheorie doch wieder Polypen hervorbringen. Darum ist die unbekannte Brut der geschlechtlichen Generation der von Polypeu stammenden Medusen von einem so ganz aus- serordentlichen Interesse. Sie wird die Probe für die Weite der Tragkraft der jetzt schon so höchst fruchtbaren Theorie des Generationswechsels abgeben. Es wird darauf ankommen, mehrere oder viele jener Medusen in Gläsern mit frisch er- haltenem Seewasser bis zum Freiwerden der Embryonen und diese selbst bis zu ihrer vollendeten Gestalt zu beobachten. Sollte es aber gelingen durch Fischen mit feinen Netzen junge bloss durch Wimperbewegung allein schwimmende Medusen aufzubringen, welche die Charaktere der Sarsien uni ver- 3* 36 wandten au sich tragen, so würde das ein Beweis sein, dass es in dieser Reihe eine heterogone Zeugung ohne bindenden Wechsel, also mit homogoner Fortsetzung gebe, und dass auf diese Art neue Thierarten und Gattungen in dieSchöpfung treten können. Ich muss gestehen, dass mir die Aussicht dazu nicht eben gross zu sein scheint, und dass mir bis jetzt unter den vielen jungen Medusen, die ich gesehen, noch nie eine bloss durch Wimperbewegung schwimmende Form begegnet ist, wel- che ich hätte für eine Sarsia oder Thaumantias oder eine der Formen erkennen können, die von Polypen stammen. Die Abbildungen der von mir beobachteten wimpernden jungen Medusen werde ich gelegentlich mittheilen. Die zur ge- genwärtigen Abhandlung gehörenden zahlreichen Abbildungen hoffe ich recht bald herausgeben zu können. Ueber die Entwickelung von Ophiolepis squamata, einer lebendiggebährenden Ophiure. Von Dr. Mix ScuuLtze in Greifswald. (Hierzu Taf. I.) W ährend eines kurzen Aufenthaltes auf Helgoland im Au- gust dieses Jahres, welcher vorzugsweise zur Untersuchung vou Turbellarien bestimmt war, erhielt ich mehrere Exemplare von Ophiolepis squamata. Als ich dieselben noch lebend in Spiritus legte, trennte sich von einem Exemplare plötzlich die Scheibe des Rückens in Verbindung mit den unmittelbar zu- sammenhängenden Interbrachialschildern ab, und mehrere kleine Ophiuren von 1-2" Durchmesser, welche unter der Scheibe verborgen gelegen, fielen frei in die umgebende Flüssigkeit. Angenblicklich brachte ich die abgelöste Rückenscheibe wieder in Wasser behufs einer weiteren Untersuchung der Geschlechts- teile. Es fanden sich auch gleich unter den Interbrachialschil- dern verborgen noch mehrere sehr junge Thiere von '/, - /,"' im Durchmesser, Dieselben waren jedoch alle durch die Ein- wirkung des Spiritus schon getödtet. Da ich Helgoland ver- lassen musste, ohne von Neuem lebende Thiere erhalten zu haben, so durchsuchte ich nach meiner Rückkunft die freilich nur geringe Anzahl erwachsener Exemplare meines Spiritus- vorrathes, um über diesen sonderbaren Gebäract und die Ent- wickelung der Jungen im Innern der alten Ophiure Aufschluss zu erhalten. Eine Reihe von sehr jungen Thieren, welche ich auf diese Weise aufland, liessen mich den Entwickelungsgang 38 vom Ei an ziemlich vollständig übersehen. Derselbe stimmt auf eine überraschende Weise in manchen Punkten mit dem anderer, Eier legender Ophiuren überein, während andrerseits durch die abweichenden äusseren Verhältnisse, unter denen sich die Jungen ausbilden, wesentliche Verschiedenheiten be- dingt sind *). Die reifen Eier unserer Ophiure sind von rother Farbe wie die anderer Asteriden, aus einer ziemlich dieken Hülle und rothem Dotter mit Keimbläschen und Keimfleck bestehend, von ovaler Gestalt und 0,05”' lang. Ich fand einzelne dersel- ben am Rande der Scheibe in den Interbrachialräumen verbor- gen und von unreifen Eiern umgeben, denen der rothe Dotter noch fehlte. Eine structurlose, feine Hülle umgab jeden Eier- stock, und dieser lagen die reifen Eier unmittelbar an. Nie wurden mehrere reife Eier zusammen in einem Eierstocke an- getroffen. In anderen Interbrachialräumen fanden sich einzelne wenig grössere rothe Gebilde, welche den Eiern bis auf das Fehlen des Keimbläschens und die weniger dicke Hülle gli- chen. Im Innern enthielten diese eigenthümliche, sehr stark lichtbrechende Kalkfiguren von mannigfacher Gestalt. Zwei dieser offenbar sehr frühen Entwickelungsstufen sind in Fig. 2 und 3 dargestellt. Die Kalktheile liegen excentrisch.. Bei der jüngeren Form sind es zwei 3schenklige und gleichwink- lige Kalksterne, deren Aeste sich zum Theil wieder dichoto- misch zu theilen begonnen haben, daneben noch einige Stäb- chen und ein ganz kleiner fünfstrahliger Stern, alle äusserst dunkel contourirt. Bei der grösseren in Fig. 3 dargestellten Form sind ausser den eben beschriebenen und wenig veränder- ten Theilen noch zwei mit mannigfachen Aesten und Fortsätzen *) Aus dem mir erstnach Beendigung meiner Untersuchungen zu- gekommenen Augustheft dieses Archivs sehe ich, dass A. Krohn schon im Frühjahr in Neapel lebendige Junge im Innern von Ophio- lepis squamata beobachtet hat. Die jüngste von ihm gesehene und auf Taf. XIV. Fig. 1 abgebildete Entwickelungsstufe gleicht ungefähr der von mir in Fig. 5 dargestellten. Die für die Vergleichung mit der bisher bekanntgewordenen Metamorphose anderer Ophiuren wichtigeren früheren Entwickelungsstufen sind Herrn Krohn unbekannt geblieben. 39 versehene Kalkstäbe vorhanden, welche zu beiden Seiten der zuerst angelegten Theile liegen, und ihnen in Bezug auf Stärke und Art der Lichtbrechung gleichen. Die rothe Inhaltsmasse ist in Fig. 3 etwas blasser als in Fig. 2. Was an diesen Eiern noch besonders auffällt, ist ein kurzer Stiel, vermittelst dessen sie mit einer ausgedehnten körnigen gelblichen Masse zusammenhängen, welche den Interbrachial- raum zum Theil ausfüllte. Die zarte, structurlose Haut die- ses Stieles überzieht gleichmässig das ganze Ei, während sie andrerseits zugleich die Hülle für die erwähnte ausgedehnte körnige Masse darstellt. Letztere halte ich für den Eierstock, da ich unreife Eier deutlich in ihr wahrgenommen zu haben glaube; die Hülle wäre dann dieselbe, welche auch bei Fig. I den Eierstock überzieht, und der Stiel analog dem Halse ei- nes durch Vordrängen eines Eingeweides (hier des befruchte- ten Eies) entstandenen Bruchsackes. Diesen Stiel finden wir auch bei den folgenden Entwiekelungsstufen wieder*). Stets überzieht die Haut desselben auch die überall geschlossene Hülle des jungen Echinoderms. Bei weiterer Entwickelung vergrössert sich zunächst der Embryo immer mehr, wird scheibenförmig, und verliert seine rothe Farbe nach allmähliger Resorption des Dotters. Die Kalkfiguren bleiben excentrisch in der Nähe des Stieles liegen, und gehen nicht, wie man erwarten könnte, in das sich nun bildende radiäre Kalkskelett des Echino- derms über. Es entstehen jetzt neue, viel zartere Kalkge- bilde, zunächst fünf Y förmige Figuren in der Nähe des Cen- trums für die fünf ersten Dorsalschuppen. Diese werden bald ”) Es ist derselbe Stiel, den auch Krohn an der jüngsten von ihm beobachteten Entwickelungsstufe aufgefunden, und a. a. O. Taf. XIV. Fig. 1. a. abgebildet hat, Da Krohn denselben als integrirenden Theil der jungen Asteride auflasste, und über die Genese desselben Nichts beibringen konnte, so war die von J. Müller ausgesprochene Vermuthung gerechtfertigt, dass dieser Stiel ein Fortsatz zum Anhef- ten sei, wie dergleichen bei Echinaster-Larven vorkommen. Es ist nach obiger Darstellung klar, dass eine Vergleichung mit den locomo- torischen Fortsätzen dieser jungen Asterien nieht durchführbar. 40 zu fünf zierlichen Rosetten, welche sich um das noch leere Centrum des Rückens gruppiren. Diese Bildung der ersten definitiven Kalktheile geht auf gleiche Weise vor sich, wie J. Müller dieselbe bei anderen Ophiuren beschrieben. (Vergl. dessen Abhandl. in diesem Archiv 1851. 8. 1.*)). Gleichzeitig bilden sich am Rande der Scheibe fünf Y för- mige Anlagen für die fünf Arme, und zwar zuerst an der Bauchseite, später in gleicher Weise an der Rückenfläche. Unter steter Vergrösserung der Dorsalschuppen, und indem das bis dahin runde Echinodermscheibchen zu einem fünfeckigen geworden, zeigen sich jetzt an der Bauchseite auch die ersten Spuren der fünf Maxillen in Form von je zwei in der Radial- richtung liegenden-Kalkstäbehen mit diehotomischer Verzwei- gung an den Enden. Dabei liegen die durch unförmliche Gestalt und dunkle Ränder ausgezeichneten provisorischen Kalkablagerungen (so wollen wir die der Fig. 2 und 3 und 4a jetzt nennen, im Gegensatz zu den definitiven des Echinoderms) in der Nähe des Stieles ohne sich zu vergrössern. Im Gegentheil sie sehwinden allmählig, und gehen endlich spurlos verloren, Die Figuren 4 und 5 geben ein Bild der eben beschriebenen Veränderungen. Das Echinoderm ist gegen den Stiel ganz abgeschlossen. Zunächst an letzterem liegen die provisori- schen Kalkablagerungen @, von denen in Fig. 5. nur noch ein kleiner Rest übrig ist. In Fig. 4. waren dieselben von rothen Fetttröpfehen, den letzten Resten der Dottermasse, umgeben, und durch eine zufällige Zerrung aus ihrer natürlichen Lage gerissen und etwas durcheinander geworfen, so dass die Zeich- nung dieselben wahrscheinlich nicht in ihrer vollen Integrität *) Es istin diesem Aufsatze eine der Ophiurenlarven des Mittelmfee- res auf Ophiolepis squamala bezogen wegen der Aehnlichkeit der von dem betreffenden Pluteus abstammenden Sterme mit freikriechend 'ge- fundenen Jungen dieser Species. JF. Müller hat in einem Nachtrage zu der oben erwähnten Mittheilung von Krohn schon die Nothwen- digkeit nachgewiesen, die betreffende Mittelmeer-Larve von einer an- deren ÖOphiure abzuleiten. 41 wiedergiebt. ‘bb sind die Dorsalschuppen, deren'sich zunächst gewöhnlich 5 bilden, später entsteht eine sechste in der Mitte, In Fig. 5. sind ausnahmsweise nur 4 Dorsalschuppen'). cc sind die ersten Anlagerungen der Armglieder. Die dem Stiel gegenüber liegenden bilden sich zuerst, später erst die zu beiden Seiten des Stieles. Daher stehen die letzteren auch in Fig. 4 und 5 in ihrer Entwickelung hinter den ersteren noch etwas zurück. In Fig. 5 sind ausserdem an der nach oben gewand- ten Bauchseiten die 5 paarigen Stäbchen für die Maxillen und in jedem Interbrachialraum zwei Y förmige Sterne mit dicho- tomisch verzweigten Schenkeln sichtbar. Die weiteren Entwickelungsstufen des jungen Echinoderms habe ich nicht in vollständiger Reihe verfolgen können. Der Stiel scheint zunächst zu zerreissen und die junge Ophiure frei in die Leibeshöhle zu gelangen. Doch bleibt sie noch lange von einer structurlosen, zarten Membran umschlossen, wel- che der sie früher von dem Stiele aus umkleidenden Hülle gleicht). Das Kalkskelett wird immer dichter, indem die Maschen- räume sowohl der dorsalen Schuppen als der Skelettheile der Ventralfläche sich allmählig verkleinern. Die ersten fünf Rückenschuppen liegen am Grunde der Arme, die sechste ent- steht im Centrum, dann folgt in jedem Interbrachialraum eine. 1) Die Krohn’sche Abbildung zeigt das dorsale Kalknetz als einen zusammenhängenden Ring. Krohn sagt darüber: „Auf der dorsalen Seite fand ich das in der Zeichnung wiedergegebene scheinbar aus ei- nem einzigen Stücke bestehende Kalknetz, aus welchem fünf Schuppen entstehen.“ Nach meinen Beobachtungen sind die betreffenden Schup- pen von Anfang an getrennt. Sie entstehen als isolirte Kalkrosetten und verwachsen auch später zu keiner Zeit. 2) Krohn vermuthet, dass die jungen Thiere in eigenen abge- schlossenen Räumen ihre weitere Entwickelung durchmachen. Daraus, dass ich nach freiwilliger Abwerfung der Rückenscheibe 6 Junge von 2 Linien Durchmesser mit untereinander verschränkten Armen frei in die umgebende Flüssigkeit fallen sah, muss ich vermuthen, dass sie wenigstens kurz vor ihrer Geburt ganz frei in dem Raum unter dem Rückenschilde liegen. 42 Diese letzteren sind in Fig. 6, einer jungen Ophiure von '/,"' Durchmesser mit a bezeichnet. An der Bauchfläche dieses Thie- res treten die den fünfstrahligen Mund begrenzenden Maxillen hervor, deren jede aus zwei Seitenplatten 55, und dem Zahn- stück c besteht. Letzteres trägt an der Kaufläche einen drei- eckigen, spitzen, gegen das Centrum und zugleich etwas ge- gen den Rücken hingewandten Zahn. Zwischen je zwei Ma- xillen entwickeln sich ein Paar löffelförmige Kalkblätter e; diese begrenzen die Mundspalte, in welche später die Mund- papillen hineinragen. Am Grunde der Maxillen, in dem Winkel, welcher durch die beiden divergirenden Seitenblätter gebildet wird, entsprin- gen ein Paar keulenförmige, aus einem Kalknetz bestehende Fortsätze dd, welche nach aussen divergirend mit ihren Spit- zen etwas über den Rand der Scheibe hervorragen. Analoge Fortsätze, jedoch ohne das keulenförmig angeschwollene Ende, finden sich auch bei den von J. Müller beobachteten jungen, aus einem Pluteus hervorgegangenen Ophiuren der Nordsee. (Vergl. die erste Abhandl. über die Metamorphose der Ophiu- ren und Seeigel. Berlin 1348. Taf. II. Fig. 4. 5.) Zwischen je zwei dieser Gebilde entsteht später eine Kalkplatte, das Mund- schild. Wahrscheinlich sind die seitlichen Leisten, welche die Mundschilder der ausgebildeten Ophiuren begrenzen, aus die- sen Fortsätzen hervorgegangen. Ophiolepis squamala besitzt keinen Umbo an einem der Mundschilder. Wo ein solcher vorhanden, wird man auf die Entstehung desselben besonders zu achten haben. Die Arme, welche bei unserer '/,'"" im Durchmesser halten- den Ophiure stumpf conische Hervorragungen am Rande der Scheibe bilden, enthalten an der Bauchseite 4 Kalkschilder, eins am Grunde, zwei an der Seite, und eins an der Spitze, Letzteres ist das älteste, und stellt mit einem am Rücken lie- genden entsprechenden Schilde einen kurzen, an beiden Enden offenen Cylinder dar. a Häutige Theile umkleiden alle diese Kalkgebilde. Tenta- keln sind zwei am Grunde jeden Armes entwickelt, Was die Zahl der gleichzeitig in einer Ophiure zur Ausbil- 43 dung kommenden Jungen betrifft, so scheint dieselbe verschie- den, nie jedoch eine bedeutende zu sein. Ich fand in einem Falle 8, in drei anderen 4-6 Junge. Diese waren meist auf verschiedenen Entwickelungsstufen. Von den 8 in einer Mutter gefundenen waren 6 von 2'" Durchmesser. Diese sind zugleich die grössten, welche mir vorgekommen. Die Genitalspalten scheinen dazu bestimmt, die Jungen nach aussen zu befördern. Jedenfalls darf aus dem oben an- geführten durch Einwirkung von Spiritus plötzlich erfolgten selbstständigen Ablösen des Rückenschildes nicht geschlossen werden, dass das so vermittelte Gebären der Jungen auch das normale sei. Der augenblickliche Tod der Mutter und das Zugrundegehen der unentwickelten Eier würde die unausbleib- liche Folge dieser Zerstückelung sein. Blicken wir am Schlusse noch einmal auf den eigenthümli- chen Bildungsgang unserer Ophiure zurück und suchen wir diesen mit den übrigen bei Asteriden beobachteten Entwicke- lungsweisen in Verbindung zu bringen. Die Metamorphose der Ophiuren, wie sie durch die erfolg- reichen und unausgesetzten Bemühungen J. Müllers in voll- ständigen Entwickelungsreihen bisher bekannt geworden ist, kommt so zu Stande, dass aus dem Embryo eine bilaterale, weiche, durchsichtige, mit Mund und After versehene Larve entsteht, deren Körper und Fortsätze mit Wimperschnüren umkleidet sind, und Kalkstäbchen im Innern enthalten. Das Echinoderm entsteht in der Substanz der Larve im Umkreis des Magens, ohne jedoch von dem Larvenkörper etwas Anderes als den genannten Theil, namentlich auch Niehts von den Kalkgebilden der Larve in sich aufzunehmen. Der Larven- körper bleibt an dem Echinoderm eine Zeit lang hängen, wird allmählig resorbirt, bis er mit seinem Skelett vollständig ge- schwunden ist, Er wird nicht abgestossen, sondern geht in- direet, um mich so auszudrücken, in das Echinoderm über. Anders ist es bei den Asterien. Hier bildet sich in dem ei- nen Falle (Bipinnarien) das Echinoderm zwar auch an einer dem Pluteus der Ophiuren vergleichbaren, jedoch aller Kalk- theile entbehrenden ausgedehnten wimpernden Larve; der See- 44 stern löst sich aber später von der Bipinnarie (dem Schwimm- apparat) ab, und letztere schwimmt selbstständig weiter. Was aus derselben wird, ist noch nicht bekannt. In anderen Fällen (Echinaster, Asteracanthion) entsteht aus einem kugligen, wim- pernden Embryo, der sich vermittelst einiger kolbiger Fort- sätze von bilateraler Anordnung auch festsaugen und kriechend bewegen kann, unmittelbar ohne provisorische Kalkablage- rung und ohne eigentliche Metamorphose der Seestern; nur die embryonalen Füsschen gehen verloren *). J. Müller unterscheidet demnach (vergl. dessen Abhandl. „Ueber die Larven und Metamorphose der Holothurien und Asterien.‘“ Berlin 1550. S. 33) verschiedene Variationen der Entwickelung bei den Asteriden: 1) die Verwandlung der bi- lateralen Larve in das Echinoderin erfolgt zur Zeit, wo die Larve noch auf dem Embryonentypus steht und allgemein mit Wimpern bedeckt ist, ohne Wimperschnüre. Ein Theil des Larvenkörpers nimmt die Form des Echinoderms an; der Rest der Larve wird in die Gestalt des Echinoderms absor- birt. Echinaster, Asteracanthion Mülleri Sars). 2) Die Ver- wandlung der bilateralen Larve in das Echinoderm erfolgt zur Zeit, wo die Larve vollkommen 'organisirt ist, d. h. Ver- dauungsorgane und eine besondere Wimperschnur besitzt. Das Echinoderm wird in dem Pluteus, wie das Gemälde auf seinem Gestell, eine Stickerei in einem Stickrahmen aufge- führt, und nimmt sodann die Verdauungsorgane der Larven in sich auf. Hierauf gehen die Larvenreste allmählig zu Grunde (Ophiura) oder werden abgestossen (Bipinnaria). Nur bei den Ophiuren findet sich eine provisorische Kalk- ablagerung. Es leuchtet ein, dass sich die Entwickelung von Ophiolepis squamata durch die Ueberspringung des eigentlichen Larven- stadiums, der des Echinaster ete. am meisten nähert, während andrerseits das Auftreten eines provisorischen Kalkskelettes 1) Die Tornaria und wurmförmige Asterienlarve von J. Müller lassen sich in ihrem Entwickelungsgange noch nicht vollständig über- sehen. Ebenso die Verwandlung der Comateln. 45 die grösste Analogie mit der Ausbildung der übrigen Ophiuren zeigt. Auch lässt sich dieses provisorische Kalknetz auf einen bilateralen Typus zurückführen, wie ein Blick auf Fig. 3 lehrt. Indem ich in der Bildung eines provisorischen Kalkskelettes eine, so viel sich bis jetzt übersehen lässt, durchgreifende Ver- schiedenheit der Metamorphose der Ophiuren von der der Asterien erblicke, glaube ich 4 Variationen in der Entwicke- lung der Asteriden unterscheiden zu müssen: A. Entwickelung ohne provisorisches Kalkskelett (Asterien). 1) die des Echinaster Sarsii Müller und des Asteracan- thion Mülleri Sars; Uebergang des Embryonentypus zu dem des Echinoderms ohne eigentliches Larvenstadium. 2) die der Asterien mit Bipinnarialarven; Einschaltung eines Larvenstadiums zwischen Embryonen und Echi- nodermentypus. B. Entwickelung mit provisorischem Kalkskelett (Ophiuren). 1) die der Ophiolepis squamata mit Uebergehung des Lar- venstadiums. 5 2) die der übrigen Ophiuren mit ausgebildetem Larven- stadium. Erklärung der Abbildungen auf Taf. 1. Fig. 1. Theil des Eierstockes von Ophiolepis squamata mit ei- nem reifen Ei von rother Farbe und mehreren unreifen Eiern. Grösse des ersteren 0,05". Fig. 2. Ei mit begonnener Entwickelung des Embryo von 0,05 Grösse, Provisorische Kalkablagerung im Innern. Fig. 3. Etwas weiter entwickeltes Ei von 0,06" Grösse. Das provisorische Kalkskelett hat einen bilateralen Typus angenommen. Fig. 4. Weitere Entwickelungstufe von Ophiolepis squamata. Neben der noch vorhandenen provisorischen Kalkablagerung a sind die ersten Anlagen des definitiven Echinodermskeletts aufgetreten. bb Kalkrosetten für die dorsalen Schuppen, ce erste Anlage der Arme. Grösse 0,1'", Fig. 5. Das Echinoderm hat die Gestalt eines fünfeckigen Scheib- chens angenommen. Von den provisorischen Kalkablagerungen sind nur noch die Reste bei a übrig. Auf der dorsalen Seite 4 Kalkroset- ten bb, auf der ventralen die Anlagen der Arme ec, zwischen diesen su 46 in. den Interbrachialfeldern je zwei Y förmige Kalkfiguren, gegen das Centrum hin 5 paarige Kalkstäbchen für die Maxillen. Fig. 6. Theil einer jungen Ophiolepis squamata von %'" Durch- messer. Die ventrale Seite ist nach oben gekehrt. Die dorsalen Schuppen, deren eine am Grunde jedes Armes und eine im Centrum liegt, sind zum "Theil verdeckt; a@ interbrachiale dorsale Schuppen, bb Seitenplatten der Maxillen, e Kaustück derselben, mit dem nach innen gerichteten spitzen Zahn. dd keulenförmige Kalkspitzen in den Inter- brachialfeldern. Zwischen ihnen entwickelt sich später die Mundplatte. e, löffelförmige Kalkplättchen in der Fissura buccalis, ff Arme, 99 Füsschen. Ueber extracellulare Entstehung thierischer Zellen und über Vermehrung derselben durch Theilung. Von R. Rewax. In der Physiologie der Pflanzen gehört die extracellulare Ent- stehung von Zellen zu den apokryphen Gegenständen. Sie wurde schon von Schleiden (Müll. Arch. 1338. S. 162. 163) gegen Mirbel’s Angaben bestritten und nach den umfassen- den Darstellungen Hugo von Mohl’s (Wagner’s Handw. der Phys. Band IV. Liefrg. 2. S. 211), so wie Alexander Braun’s (über Verjüngung in der Natur, Leipzig 1851. S. 243) entbehrt sie der Begründung. Vielmehr ergeben die Untersu- chungen von Mohl, Nägeli, Unger, Hofmeister, Braun, Schacht u. A.. dass die Pflanzenzellen aus Zellen oder innerhalb von Zellen sich bilden, durch Theilung der ge- sammten Zelle (mit Ausschluss der Zellenmembran) oder aus aliquoten Abtheilungen des Protoplasma der Zelle (sog. freie Zel- lenbildung). Auch für das Cambium, bei welchem die Ent- stehungsgeschichte der Zellen bisher unbekannt war, werden die Untersuchungen meines geehrten Freundes Schacht zei- gen, dass hier ebenfalls die Vermehrung der Zellen durch fort- schreitende Theilung der embryonalen Zellen zu Stande kommt. In die Physiologie der Thiere wurde die extracellulare Ent- stehung von Zellen, zugleich mit der Schöpfung der Zellen- Theorie für das Thierreich, ‘von Schwann eingeführt. Scehwann wusste (Mikr. Unt. S. 44), dass nach Schlei- den’s Beobachtungen bei den Pflanzen ‚‚die jungen Zellen immer innerhalb der Mutterzellen sich entwickeln“. Dennoch behauptete er (Mikr. Unt. S. 45), die Bildung junger Zellen in 48 älteren werde zwar bei Thieren oft beobachtet, allein sie sei nicht die Regel und bei vielen Geweben komme sie gar nicht vor. Vielmehr betrachtete Schwann als die Grundlage der thierischen Gewebe eininnerhalb oder ausserhalb schon vorhandener Zellen liegendes formloses Cytoblastem (S. 194), in welchem die Zellen entweder als kernlose Bläschen oder um einen zuvor entstandenen Kern sich bilden sollen (S. 204). Wäre die von Schwann aufgestellte extracellulare Entste- hung der thierischen Zellen begründet, so wäre der Unter- schied der Thiere und Pflanzen in Bezug auf Entwickelung, trotz der ähnlichen Zusammensetzung aus Zellen, beinahe grösser als die Uebereinstimmung. Die Pflanzen (es kann hier nur von mehrzelligen die Rede sein) beständen sowohl im aus- gebildeten Zustande als während der Entwickelung gänzlich aus zweckmässig abgegrenzten und zweckmässig zusammen- wirkenden Theilen (Zellen), der thierische Organismus wäre dagegen während seiner Entwickelung ein Complex einer An- zahl solcher Theile (Zellen) und einer ‚‚formlosen“, nicht in Theile zweckmässig zerlegten Substanz. Die pflanzlichen Zel- len wären Gebilde, welche aus Zellen hervorgehen, und aus- schliesslich die Fähigkeit besitzen, Zellen zu erzeugen. Die thierischen Zellen wären geformte, den Krystallen vergleichbare Niederschläge aus einer formlosen Substanz und würden die Fä- higkeit, ähnliche Niederschläge zu bilden, mit der letzteren theilen. Ungeachtet dieser theoretischen Schwierigkeiten hat die extra- cellulare Entstehung von Zellen in der Physiologie und Patho- logie der Thiere eine sehr ausgedehnte Anwendung gefunden. In vielen physiologisch- und pathologisch-anatomischen Schrif- ten ist von einem formlosen (extracellularen) Cytoblastem und von freien (extracellularen) Kernen als den Vorläufern von Zellen die Rede. P Der extracellularen Entstehung thierischer Zellen ungünstig waren zunächst die Untersuchungen über die Furchung (des befruchteten Thiereies. Schwann hatte vermuthet (Mikrosk. Unt. S. 62), dass bei der Furchung ‚‚innerhalb des Dotters“ zwei Zellen sich entwickeln, in jeder derselben wieder zwei 49 neue u.8.f. Gegen diese Vermuthung, welche nicht, wie Henle annimmt (Allg. Anat. S. 176), eine „„Theilung‘‘ des Dotters postulirte, sprachen schon die früheren Beobachtungen von Quatrefages und Dumortier. Die Untersuchungen von Bergmann, Bagge, Vogt, Kölliker, Bischoff, Rei- ehert, Coste, Warneck ') u. A. haben ergeben, dass die Furchung in einer fortschreitenden Theilung des Dotters be- steht, aus welcher die embryonalen Zellen hervorgehen. Rei- chert bemühete sich (das Entwickelungsleben im Wirbelthier- reich, Berlin 1540), die Vermehrung der Zellen in mehreren Organen auf Bildung von Tochterzellen zurückzuführen und zeigte den Uebergang embryonaler Zellen in Gewebe (Epithe- lium, Blutzellen, Muskelfasern). Einige Angaben Schwann’s, auf welche derselbe die extracellulare Entstehung von Zellen stützte, wurden berichtigt. Kölliker erklärte sich (Mikr. Anat. 1850. Bd. II. S. 350) gegen das Vorkommen freier Kerne in dem embryonalen Knorpel. Er lässt (S. 349) die Knor- pelzellen des Kopfes der Froschlarve durch endogene Zellen- bildung aus den Dotterzellen hervorgehen, wobei er annimmt, dass „um diese Zeit noch keine freie Zellenbildung ?) vor- komme“. An einer anderen Stelle (a.a. O. Taf. I. Fig. 3) zeigt er, dass in der tieferen Oberhautschichte keine freien Kerne vorhanden sind, wie Schwann annahm. Im Gebiete der pathologischen Anatomie lehrten schon J. Müller’s Un- tersuchungen (üb. d. Bau d. krankhaften Geschwülste, Berlin 1840), dass endogene Zellenbildung eine sehr verbreitete Er- scheinung ist. Mir selbst war die extracellulare Entstehung thierischer Zellen , seit dem Bekanntwerden der Zellentheorie, ebenso un- wahrscheinlich, wie die Generatio aequivoca der Organismen. Aus diesen Zweifeln entsprangen meine Beobachtungen über die Vermehrung der Blutzellen durch Theilung bei Embryonen 1) Bull. de la Soc. imp. des Nat, de Moscou, 1850. p; 90—19. 2) Diese freie extracellulare Zellenbildung, von welcher Kölliker spricht, ist nicht zu verwechseln mit. der sogenannten freien Zellenbil- dung der Phytotomen. Die letztere ist eine intracellulare. Müllers Archiv. 1852, 4 50 von Vögeln und Säugethieren®) und über die Längstheilung der durch Verlängerung von Zellen entstehenden quergestreif- ten Muskelfasern (Muskelprimitivbündel) bei Froschlarven (Fror. N. Notizen 1545 Septbr. No. 768). Seitdem habe ich diese Beobachtungen an Froschlarven fortgesetzt, bei welchen es möglich ist, die Entstehungsgeschichte der Gewebe bis auf die Furchung zurückzuführen. Doch ist es mir erst im Früh ling dieses Jahres (1851) gelungen, zu ermitteln, dass sämmt- liche aus der Furchung hervorgehende Embryonalzellen- sich bei ihrem Uebergange in die Gewebe durch Theilung vermeh- ren und dass die von mir früher beobachtete Theilung der Blutzellen und der verlängerten Muskelzellen nur vereinzelte Glieder in der Reihe dieser zusammenhängenden Erscheinun- gen waren. — In folgenden Sätzen will ich diejenigen bishe- rigen Ergebnisse zusammenstellen, welche für das Problem der extracellularen Enstehung von Zellen von Bedeutung zu sein scheinen. Die Furchung besteht darin, dass der Dotter (das Proto- plasma der Eizelle) dureli gesetzmässig fortschreitende Ab- sehnürung in kernhaltige Zellen sich theilt. Die Abschnürung ist auf den frühesten Furchungsstufen eine einseitige, von aussen nach innen fortschreitende, später theils einseitig, theils all- seitig, wie bei den Pflanzenzellen. In der oberen Hälfte des Dotters kommt sie plötzlich, in der unteren allmälig zu Stande. Die Furchungsabschnitte lassen schon auf der dritten Fur- chungsstufe grosse Kerne und doppelte umhüllende Membranen wahrnehmen. Diese Membranen sind an ihrer Innenfläche mit feinen Körnchen und kleinen Dottertäfelchen besetzt, wodurch sie ihren Ursprung aus dem Protoplasma bekunden. An den vier Abschnitten der oberen Eihälfte, an welchen ich diese *) Med. Zeit. d. Ver. f. Heilk. in Pr. 1841. No. 27.; vergl. mei- nen Jahresbericht über die Fortschritte der Phys. im J. 1841 in Can- statt’s Jahresbericht üb. d. ges. Med., so wie Kölliker’s Bestätigung (Henle’s und Pfeuf. Zeitschrift Bd. IV. 1846. S. 126). Ueber die Thei- lung der Blutzellen beim Hühnchen und bei den Froschlarven vergl. meine Untersuchungen über d. Entw. der Wirbelthiere Lfrg. 1. 1850. S. 22. u. Lfrg. 2. 1851. S. 69. BJ! Membranen beobachtete, zeigte die äussere Membran eine braune, durch dunkle Körnchen bedingte Farbe, die innere, zwischen der äusseren Membran und dem grosskörnigen Pro- toplasma liegende Membran, eine weisse Farbe. Durch diese Eigenthümlichkeiten unterscheiden sich die Membranen‘ der frühesten Stufen von den Membranen der späteren Stufen, wel- che keine Belegung mit Körnchen wahrnehmen lassen. Die Theilung der Furchungszellen zeigt sich von dem Kerne und wenn (am Schlusse der Furchung) das Kernkörperchen unterscheidbar ist, von dem letzteren ausgehend. Auf den frühesten Stufen erscheinen zwei, am. Schlusse der Furchung auch drei, vier, sechs, in seltenen Fällen auch acht Tochter- kerne von einer Mutterkernmembran umschlossen (Kölliker). An der unteren weissen Hälfte des unverletzten' Eies lässt sich auf den letzten Furchungsstufen mit Hülfe einer Lupe beob- achten, wie der helle Fleck, der den Kern bildet (Ber g- mann), sich in zwei Flecke theilt, wie diese auseinanderrücken und wie dann die Furchungszelle sich so furcht,, dass jede Hälfte mit einem hellen Fleck (Kern) versehen ist. Auf den frühesten Furchungsstufen betheiligen sich beide Membranen der Furchungszellen an der, der Theilung des Kernes folgenden Abschnürung der Zelle: eine Entschachte- lung von Tochterzellen, wie sie von Reichert bei Strongylus aurieularis beobachtet ist, lässt sich nicht erkennen, Gegen den Schluss der Furchung findet man aber im Innern des Eies in der Abschnürung begriffene mit einfachen Membranen ver- sehene Furchungszellen von gemeinschaftlichen Membranen (Muttermembranen) umhüllt, deren Theilnahme an der Ab- schnürung sich nicht nachweisen lässt. Dies ist das erste Bei- spiel der sogenannten endogenen Zellenbildung , welche darauf beruht, dass nach Theilung des Kerns das Protoplasma mit- sammt der inneren Membran (Primordialschlauch), ohne Theil- nalıme der äusseren (Zelleumembran) sich theilt. ‚Da diese Theilungen , wie meine Beobachtungen lehren #), in der obe- ren Hälfte des Bies durch plötzliche Abschnürung erfolgen, *) Müll. Arch. 1851. Hit. 5. S. 495. 4° 52 die Furchungszellen der unteren Hälfte dagegen wegen der Zartheit ihrer Membranen und wegen des grossen Umfanges ihrer Dottertafeln sich wenig zu diesen Beobachtungen eignen, so kann es nicht auffallen, dass an den Zellen des zerstückel- ten Eies die verschiedenen Stufen der Abschnürung nieht häu- tig zur Beobachtung kommen. Ob den hier erwähnten Abschnürungen der Furchungszel- len eine spontane, der Theilungslinie entsprechende Sonde- rung des Protoplasma’s vorausgeht, muss ich noch unentschie- den lassen. Sicher ist nur, dass bei diesen Abschnürungen das Protoplasma sich nicht unthätig verhält, vielmehr bekundet es eine, dem Zwecke der Theilung entsprechende Thätigkeit da- durch , dass die Dottertafeln, welche einen geschichteten Bau zeigen, durch Furchen, die nicht immer einem Rande parallel gehen, in kleinere Stücke zerfallen. Dass in den Furchungszellen Kerne schwinden und neue sich bilden, wie Reichert bei Strongylus beobachtete, konnte ich nieht wahrnehmen; vielmehr zeigt sich der Kern einer Furchungszelle als Muttergebilde der Kerne, die für die Theilungsergebnisse bestimmt sind. Da es nieht wahrscheinlich ist, dass während der Furchung eine Schwankung in den Bil- dungsgesetzen vorkommen sollte, so führt die Consequenz dieser vou der dritten Furchungsstufe beginnenden Beobach- tungen zur Annahme eines der ersten Furchungszelle 'ange- hörenden primitiven Kernes, als dessen Abkömmlinge die Kerne anzusehen sind, welche sich in den aus der Furchung hervor- gehenden (embryonalen) Zellen finden *). In der That hat Jo- hannes Müller vor Kurzem an dem Dotter der Schnecke (Natica), welche auf so wunderbare Weise in der Bauchhöhle ” *) Carl Ernst von Bär hat bereits vor mehreren Jahren (Fror. N. Notiz 1846. No. 839.) mit Hinweisung auf meine Beobachtungen über die Theilung von Zellen die Ansicht ausgesprochen, dass’ das Keim- bläschen der Kern sei, ‚aus dessen Theilung die Kerne der Embryo- nalzellen hervorgehen und dass sämmtliche Zellen und Kerne sich durch Theilung vermehren. Auf diese Mittheilung Bär’s ist während des Druckes dieses Aufsatzes durch Herrn Joh. Müller meine Aufmerk- samkeit gelenkt worden. 53 "einer Holothurie (Synapta digilata) erzeugt wird, die wichtige Entdeckung gemacht, dass das Keimbläschen nicht schwindet, sondern zur Bildung der hellen Flecke (Kerne) der Furchungs- zellen verwendet wird. (Monatsbericht d. Akad. d. Wiss. 1851. Septbr. Oetbr. S. 640. 641), Es ist nicht wahrscheinlich , dass andere Thiere in dieser Hinsicht sich anders verhalten. Weder freie Kerne noch Intereellularsubstanz werden zwi- schen den aus der Furchung hervorgehenden Embryonalzellen angetroffen. Das gesammte Protoplasma der Eizelle ist viel- mehr in dem Protoplasma sämmtlicher Embryonal-Zellen ent- halten, wie die Kerne der letzteren nur. als Abkömmlinge eines primitiven Kernes der ersten Furchungs- oder Embryo- nal-Zelle erscheinen, an deren Bildung die Membran der Eizelle (die Dotterhaut) sich nicht betheiligt. Nach dem Ablaufe der Furchung eröffnen die aus derselben hervorgegangenen Zellen ihre der Bildung des Embryo zuge- wendete Thätigkeit damit, dass sie sich in drei Schichten (eine sensorielle, eine motorische und eine trophische')) sondern und innerhalb dieser Schichten durch fortschreitende Theilung sich zur Bildung der den Geweben als Grundlage dienenden Zellen anschieken. Am frühesten erscheint die Theilung der Embryo- nalzellen in der Anlage des Gehirns und Rückenmarks (der Medullarplatte); sie geht auch hier von den Kernen aus und hat ein Zerfallen in kleine Zellen zur Folge, welche alsbald, gleichwie beim Hühnchen?) unentwirrbare Verbindungen mit einander eingehen. Am leichtesten ist sie in der Anlage der Urwirbelsäule zu verfolgen, nicht in der Chorda dorsalis, son- dern in den sogenannten Urwirbeln. Wie ich bereits mitge- theilt habe’), lassen die letzteren beim Frosche nur verlängerte I) In Betreff der Bedeutung dieser Ausdrücke verweise ich vor- läufig auf meine Untersuchungen über die Entw. der Wirb. Liefrg. 2. 1851. 8. 75—80. 2) Unt. üb. d. Entw. d. Wirb. Lirg. 1. 1850. 8. 7 und 8. 3) Fror. N. Not. 1845. Septbr. No. 768. In diesem Aufsatze habe ich es für die früheste Stufe der Muskelzellen zweifelhaft gelassen, ob sie nicht durch Verschmelzung zweier Zellen entstehen, deren Product alslannı sich selbständig ohne Zutritt neuer Zellen verlängerte. Die wei- 54 Muskelzellen unterscheiden, welche die ganze Länge des soge- nannten Urwirbels einnehmen. Untersucht man zur Zeit, wenn der Schwanz hervorwächst, den noch nicht in Urwirbel ge- sonderten Schwanztheil der Urwirbelsäule, so findet man hier immer eine grosse Zahl von Dotterzellen in der Theilung be- griffen. Allein auch in den schon gesonderten Urwirbeln be- obachtet man Längs-Theilung der verlängerten Muskelzellen, aus denen sie bestehen. Die Kerne zeigen daher hier Theilung sowohl in querer Richtung, für den Zweck der Längsthei- lung der Zelle, als auch in der Längsrichtung, um die grosse Reihe der Kerne zu bilden, durch welche sich die schon mit quergestreiftem und contractilem Inhalte versehene secundäre Muskelzelle (Muskelprimitivbündel) auszeichnet. Ebenso leicht kann man die vom Kerne ausgehende Theilung der Embryo- nalzellen in der mittleren Schicht der Wand der Kopfvisceral- höhle verfolgen. Die Theilung ist hier deswegen von beson- derem Interesse, weil sie die grössten Unregelmässigkeiten darbietet, die offenbar den verschiedenen Zwecken der Thei- lungsergebnisse entsprechen. Man findet einzelne grosse Zel- len in mehrere kleinere zerfallend, die untereinander in Bezug auf Form keine Aehnlichkeit haben, indem die eine rund, die andere vielzackig, die dritte spindelförmig oder gestielt aus der Theilung hervorgeht, gleich als wäre die Mutterzelle mit einem Messer in kernhaltige Stücke von ungleicher Form zer- schnitten. Aehnlich verhalten sich die Theilungen der Zellen der Unterhaut (des Bindegewebes), welche alsbald die bekannte sternförmige Gestalt annehmen. Hier lassen sich Theilungen, die vom Kerne ausgehen, auch noch an den Zellen wahrneh- men, wenn dieselben einander nicht mehr berühren, sondern bereits zahlreiche, netzförmig verbundene Ausläufer zeigen. — Im Bereiche der trophischen Schicht (dem Analogon des Darm- drüsenblattes der Vögel) lässt sich die fortschreitende Thei- lung der Zellen in den netzförmig verbundenen Cylindern ver- tere Untersuchung hat auch diese Zweifel erledigt: die Muskelzelle (Muskelprimitivbündel) ist eine verlängerte Embryonalzelle. deren Kerne sich selbständig vermehren. 5 a folgen, welche die Grundlage der Leberzellen bilden. Sehr auffallend ist sie in der Grundlage des Cylinderepitheliums des Darmrohrs: in den grossen mit Dottertafeln dicht erfüll- ten Zellen, welche die Darmhöhle begrenzen, verlängert sich der Kern in querer Richtung, so dass er beinahe die ganze Breite der Zelle einnimmt; alsdann zerfällt die letztere durch Längsfurchen (ähnlich wie die Muskelzellen) in mehrere, ge- wöhnlich in sechs, Cylinder, von denen jeder sofort einen von dem Mutterkern stammenden Kern enthält. Diese Cylinder verlieren allmälig ihre Dotterkörner und setzen in dem Maasse, als der Darm an Länge gewinnt, ihre Vermehrung durch ein- fache, vom Kerne ausgehende Theilung fort. Auch an den Zellen der aus zwei Schichten (einer äusseren pigmentirten und einer inneren weissen) bestehenden Oberhaut habe ich im Bereiche des hervorwachsenden Schwanzes Vermehrung durch Theilung beobachtet. Wie bei den hier erwähnten Theilungen der Embryonalzel- len die Membranen derselben sich verhalten, in welcher Weise sie sich bei den Theilungen des Inhaltes betheiligen, sind Fra- gen, über welche ich mir eine ausführlichere Mittheilung vor- behalte. An dieser Stelle ist es nur mein Zweck, vorläufig die Aufmerksamkeit auf das Ergebniss zn lenken, dass sich in den Anlagen der verschiedenartigsten Gewebe fortschreitende Theilung vorhandener Zellen, nirgends aber das Auftreten ex- tracellularer Kerne oder extracellularer Zellen beobachten lässt. Dies gilt namentlich auch von der sogenannten hyalinen Inter- eellulargubstanz des Knorpels, von welcher es meine Beob- achtungen kaum zweifelhaft lassen, dass sie durch Verschmel- zung von Ablagerungsschichten der äusseren Zellenmembranen (Mutterzellenmernbranen) entsteht; sämmtliche Knorpelzellen sind, wie sich am leichtesten an dem Schädelgrunde wahrneh- men lässt, Abkömmlinge der durch Theilung sich vermehren- den Embryonalzellen, während in der Parietalsubstanz (Inter- cellularsubstanz) niemals Kerne oder Zellen sich bilden. Mir scheint der Satz, dass die thierischen Zellen gleich den pflanzlichen nur intracellulare Entstehung haben, eine durch eine lange Reihe eicherer Erfahrungen begründete Thesis, ge- 56 gen welche die Berufung auf unklare Wahrnehmungen: nicht in Betracht kommt. Wenn es in einzelnen Fällen nicht ge- lingt, die Zurückführung von Geweben, welche sich ihrer Form nach als Aequivalente von Zellen darstellen, auf die Embryonalzellen zu bewirken, so ist die Deutung gestattet, dass die Feinheit der Bestandtheile der Untersuchung Schran- ken setzt. Für diese Deutung haben wir einen lehrreichen An- haltspunkt in der Bildungsgeschichte der secundären Gefäss- anlagen. Die primären Gefässanlagen sind solide aus Embryo- nalzellen bestehende Cylinder, deren Rindenzellen die Gefäss- wände bilden, deren Achsenzellen dagegen sieh in Blutzellen umwandeln, Während die letzeren durch siehtbare Theilung sich vermehren, bieten die seeundären Gefässanlagen Bildungs- vorgänge dar, welche auf den ersten Blick jeder Zellen-Theorie zu trotzen scheinen. Es zeigen sich fadenförmige Ausläufer der Gefässwände (der primären Gefässe) von unmessbarer Fein- heit; diese Fäden verdieken sich, werden hohl, in den Wän- den des neuen Cylinders zeigen sich Kerne und wenn derselbe für Blutzellen durchgängig geworden, unterscheidet er sich nicht wesentlich von dem Gefässe, als dessen fadenförmiger dem Anscheine nach „homogener oder structurloser‘‘ Ausläu- fer er entstanden war. Dennoch zeigt der Zusammenhang der Erscheinungen, dass jener feine Faden ein Aequivalent von vielen Zellen sei, dass in ihm sehr verwickelte, unserer Beob- achtung sich gänzlich entziehende Bildungsvorgänge zu Stande kommen müssen, um ein der primären Gefässwand gleiches Erzeugniss zu liefern. — Auch die Entstehungsgeschichte der Nervenfasern lässt sich hier anführen; sie bilden sich, soweit die Beobachtung reicht, nicht durch Verschmelzung von Zel- lenreihen, wie Schwann vermutliete, sondern in. dem Schwanze der Froschlarven sieht man Fäden von kaum mess- barem Durchmesser (wahrscheinlich Ausläufer von Zellen), die sich allmälig verdicken und in eine oder mehrere Nervenfasern sowie in die Scheide derselben umwandeln. Auch hier liegt offenbar eine Reihe von Umwandlungen wegen Unvollkommen- heit unserer Hülfsmittel ausserhalb des Bereiches der Beob- achtung. 7 Diese Ergebnisse haben zur Pathologie eine ebenso nahe Beziehung wie zur Physiologie. Es kann kaum noch bestritten werden, dass die pathologischen Gewebeformen nur Varianten der normalen embryonischen Entwickelungstypen bilden und es ist nicht wahrscheinlich, dass sie das Vorrecht der extra- cellularen Entstehung von Zellen besitzen sollten. Die soge- nannte „Organisation der plastischen Exsudate“ und die frü- heste Bildungsgeschichte der krankhaften Geschwülste bedarf in dieser Hinsicht einer Prüfung. Gestützt auf die Bestätigung, welche meine vieljährigen Zweifel erfahren, wage ich die Ver- muthung auszusprechen, dass die pathologischen Gewebe ebenso wenig wie die normalen in ‘einem extracellularen Cy- toblastem sich bilden, sondern Abkömmlinge oder Erzeugnisse normaler Gewebe des Organismus sind. Ueber die Ganglien der Zunge bei Säugethieren und beim Menschen. Von R Remax Im Jahre 1840 (Med. Zeit. d. Ver. f. Heilk. in Preussen 1840. No.2) beobachtete ich an den feinsten Aesten des N. glossopha- ryngeus in der Zunge bei Säugethieren und beim Menschen kleine Ganglien. Ich vermisste aber solche Ganglien nicht blos an den Aesten des N. hypoglossus, sondern auch an den Zun- genästen des N. lingualis. Vor Kurzem bestätigte Kölliker (Verh. d. Würzb. phys. med. Ges. 1851. Bd. I. S. 175) nicht blos das Vorkommen kleiner Ganglien an den Zungenästen des N. glossopharyngeus, sondern auch ihr Fehlen an den Zun- genästen des N. lingualis und des N. hypoglossus. Dagegen fand er sie in der Nähe der Papillae vallatae, woselbst ich sie vermisst hatte. Das ausschliessliche Vorkommen von Ganglien an den Zun- genästen des N. glossopharyngeus, während sie an den Zungen- ästen des N. lingualis vermisst wurden, musste auffallend er- scheinen, denn es deutete auf eine Beziehung der Ganglien zu der sensoriellen Funetion der Zunge, wofür es an Analogieen fehlte. Die ähnlichen von mir beobachteten peripherischen Ganglien im Herzen (Fror. N. Notizen 1835. No. 137. Müll. Arch. 1843.), in der contractilen Wand der Bronchien (Med. Zeit. 1840. No. 2), in der hinteren Wand der Harnblase und in der Muskelwand der Gebärmutter (Med. Zeit. 1840. No. 16), sowie die von Müller schon früher (Abh. der Berl. 59 Akad. 1536) beschriebenen Ganglien der Plerus cavernosi lies- sen weit eher eine centrale Bedeutung für unwillkürliche Be- wegungen vermuthen. Auf diese theoretischen Bedenken bezo- gen sich die Zweifel, welche ich (über ein selbst. Darmnerven- system Berl. 1847. S. 30. Anm.) über die Ganglien der Zungen- äste des N. glossopharyngeus andeutete. Kölliker’s Mittheilung hat mich veranlasst, die Ganglien der Zunge (beim Kalbe, beim Schaafe und beim Menschen) von Neuem zu untersuchen. Es hat sich ergeben, dass aller- dings an den Aesten des N. glossopharyngeus, sowohl an den Schlund- wie an den Zungenästen, auch in der Nähe der Pa- pillae vallatae, kleine Ganglien vorkommen. Dagegen muss ich meine von Kölliker bestätigte Angabe, nach welcher die Ganglien an den Zungenästen des N. lingualis fehlen sollten, zurücknehmen. Sie finden sich hier ebenfalls, zuweilen auch in der Nähe der Papillen. Beim Schaafe und beim Kalbe kom- men an den stärkeren Aesten Ganglien vor, die schon mit blossem Auge sichtbar, nicht selten einen Umfang von 2'" haben. Die meisten sind jedoch sehr klein (Y,-"/,"') und sehr durchsichtig. Um sie zu finden, muss man die feinsten Nervenästehen mit dem umgebenden Bindegewebe ausschnei- den, in welchem sie im ‚Verlaufe feiner durchsichtiger Nerven von etwa "/— so’ vorkommen. Beim Menschen konnte ich an den stärkeren Zungenästen des N. lingualis keine Ganglien wahrnehmen. Ich sah vielmehr nur schr feine Ganglien an den zartesten grauen Aestchen im Innern der Zunge; ihre Auffin- dung ist hier mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Beim Schaaf und beim Kalbe habe ich Ganglien in dem vorderen Theile der Zunge bis nahe an der Zungenspitze gefunden. Im Ganzen sind jedoch, soweit sich übersehen lässt, die an den Zungenästen des N. lingualis vorkommenden Ganglien an Zahl und Umfang geringer, als die an den Zungenästen des N. glos- sopharyngeus im hinteren Theile der Zunge befindlichen. — An den Aesten des N. hypoglossus in der Zunge konnte ich auch diesmal keine Ganglien auffinden. Zuweilen bemerkte ich ne- ben Aesten des N. hypoglossus kleine Ganglien, allein sie hin- 60 gen niemals mit jenen Aesten zusammen und gehörten wahr- scheinlich zu den benachbarten Aesten des N. lingualis. Es fragt sich, ob die Ganglien der beiden Zungenhautnerven zu der sensiblen oder sensoriellen Function der Zungenhaut in Beziehung stehen. Eine solche Beziehung könnte dadurch an Wahrscheinlichkeit gewinnen, dass neuerdings von Stannius und Leydig (vergl. Leydig’s Beitr. z. mikr. Anat. der Ro- chen und Haie, Leipzig 1852. S. 115) an den Fasern des N. acusticus Ganglienkugeln beobachtet worden sind. Dennoch halte ich es für sehr zweifelhaft, dass die an den Zungenästen des N. glossopharyngeus und N. lingualis vorkommenden Gan- glienkugeln sensiblen oder sensoriellen Hautfasern der Zun- genhautnerven angehören. Die Endäste beider Nerven bilden vor ihrem Eintritte in die Papillen ein sehr dichtes Geflecht. Weder an diesem Geflechte noch innerhalb der Papillen selbst lassen sich jemals Ganglienkugeln beobachten. Ferner ist zu erwägen, dass die an den stärkeren Aesten des N. glossopha- ryngeus und des N. lingualis befindlichen Ganglien immer Hemi- ganglia sind d. h. solche, welche nicht die ganze Dicke des Nerven einnehmen, sondern ein an der Bildung des Ganglions unbetheiligtes Faserbündel vorbeistreichen lassen. Von solcher Beschaffenheit sind auch die Ganglien, die in der Nähe der Papillen gefunden werden. Weit zahlreicher sind die Hologan- glia d. h. solche, in denen sämmtliche Nervenfasern zwischen den Ganglienkugeln sich verlieren (wahrscheinlich in dieselben übergehen), jedoch zeigen sich diese Ganglien nur an den fein- sten Seitenästchen. Sie sind fast immer multipolar ®) d. h. sie stehen mit mehr als zwei Nervenästchen in Verbindung. Die letzteren unterscheiden sich sehr auffallend von den Nerven, wel- *) Man gestatte mir, den Ausdruck „multipolar“, der in der Regel blos von den Ganglienkugeln gebraucht wird, auch auf die Ganglien zu übertragen. Multipolare Ganglienkugeln in (multipolaren) sympathi- schen Ganglien habe ich beobachtet .und abgebildet (Obs. anat. et mi- erose. de system. nerv. struct. Berolinii 1838. Tab. 1. Fig. 8. 9. 10. Ob die Ausläufer blos in kernhaltige oder auch in dunkelrandige Fa- sern übergehen, bleibt noch zu ermitteln. (Vergl. Leydig Beitr. zur wikr. Anat. d. Rochen S. 119. u. Taf. IV. Fig. 9.) 61 che das Papillargeflecht bilden. Während die letzteren sehr dünne Scheiden zeigen und aus lauter dunkelrandigen Fasern beste- hen, sind die Ausläufer der Hologanglıen von sehr festen Scheiden locker umgeben und enthalten, namentlich im Be- reiche des N. lingualis sowohl beim Menschen wie beim Schaafe und dem Kalbe eine überwiegende Menge der bekannten kern- haltigen Fasern, so dass es zuweilen schwer ist, in einem sol- chen Nerven eine dunkelrandige Faser zu finden. In anderen Fällen sieht man dünne Nerven (von "/,,,"') als Ausläufer von Ganglien, welche eine feste Scheide und eine einzige dunkel- randige, von der Scheide umschlossene Nervenfaser unterschei- den lassen. Ebenso verhalten sich auch die feinen Seitenäste der an den stärkeren Aesten vorkommenden Hemiganglien. Niemals lassen sich Fasern aus einem Ganglion zu den Pa- pillen verfolgen. — Was ebenfalls gegen die Beziehung der Ganglien zu den Hautfasern der Zungenhautnerven spricht, ist der Umstand, dass ich an den Endästen des N. lingualis in der Zungenspitze beim Schaafe trotz aller Mühe, die ich mir gab, keine Ganglien finden konnte. Ich glaube auf dieses ne- gative Resultat einen Werth legen zu können, da ich an den übrigen Aesten des N. lingualis bis etwa 1 Zoll weit von der Zungenspitze die Ganglien niemals vermisste. Da die anatomischen Thatsachen der Beziehung der Zun- genganglien zu den sensiblen oder sensoriellen Hautfasern der Zungenhautnerven nicht das Wort reden, so war auf anatomi- schem Wege die Vermuthung zu prüfen, ob sie zu den Schleim- drüschen in Beziehung stehen. In dieser Hinsicht ist bemer- kenswertli, 1) dass die Zungenganglien immer in der Nähe von Schleimdrüschen oder von Ausführungsgängen derselben vorkommen; 2) dass der geringeren Zahl von Schleimdrüs- chen im vorderen Theile der Zunge (beim Schaafe und beim Kalbe) die geringere Zahl der Ganglien an den Zungenästen des N. lingualis entspricht; 3) dass sich bei den genannten Thieren an den zur Glandula mazillaris und zum Duetus Whar- fonianus gehenden Aesten des N. lingualis kleine Ganglien fin- den, während beim Menschen bekanntlich ein grösseres Gan- glion (G, mazillare) vorkommt; 4) dass in der Zungenspitze 62 des Schaafes, in welcher ich an den Aesten des N. lingualis die Ganglien vermisste, keine Schleimdrüschen vorkommen; 5) in der Wand des Schlundes und des Kehlkopfes, woselbst ich ebenfalls an den Aesten des N. glossopharyngeus und des N. laryngeus superior kleine Ganglien gefunden habe, (Med. Zeit. 1840. No. 2) die Schleimdrüschen sehr zahlreich sind; 6) dass ich beim Schaaf und beim Kalbe an der Oberfläche des Ductus Whartonianus kleine Ganglien beobachtet habe, die | mit einem den Drüsengang umspinnenden Geflechte zarter | Nerven in Verbindung stehen. Ueber die Entstehung des Bindegewebes und des Knorpels. Von R. Rema Nach Sehwann sind die Bindegewebebündel Ausläufer von Zellen, die in einem gallartigen Cytoblastem sich bilden. Henle schloss sich dieser Ansicht an und vermuthete, dass die, der Wirkung von Säuren und Alkalien widerstehenden Spiral- und Netzfasern, von welchen die Bindegewebebündel umsponnen werden, aus den Kernen der Bindegewebezellen hervorgehen. Reichert lässt das Bindegewebe aus einer Verschmelzung von Intercellularsubstanz (Schwanns Cytoblastem) mit-den Mem- branen der Bindegewebezellen sich bilden, ohne sich über die Entstehung der sog. Kernfasern (Spiral- und Netzfasern) zu äussern. Virchow) und Donders?) erklären die Spiral- und Netzfasern (Kernfasern), Donders auch die elastischen Fasern, für Ausläufer von Zellen?) und das Bindegewebe für Intercellularsubstanz. Meine im Frühling 1850 und 1851 an Froschlarven angestell- ten Untersuchungen beziehen sich auf die Entstehung der Cutis und des unterhäutigen (subeutanen) Bindegewebes. Obgleich sie noch nicht abgeschlossen sind, so veranlassen mich doch I) Verhandl. d. Würzb. phys. med. Ges. Bd. II. 1851. S. 155. "2) Köllikers u. Siebolds Zeitschr. f. wiss. Zool. 1851. S. 354. 3) Dass die sog. Kernfasern Ausläufer der embryonalen Bindege- webezellen sind, ist ein Ergebniss meiner Untersuchungen , welches ich bereits im Monat Mai 1851 in meinen Vorträgen über Histologie, so wie privatim den Herren Müller, Reinhardt und G. Simon mit- getheilt habe. 64 die Mittheilungen von Virehow und Donders, über diesen Gegenstand Folgendes zu bemerken. Gleichwie beim Hühnchen (Unt. üb. d. Entw. d. Wirbel- thiere. 2. Lief. 1851. S. 45.) ist die Anlage der Cutis und des unterhäutigen Bindegewebes in der Unterhaut gegeben. Die letztere besteht anfänglich aus einander begrenzenden Zellen, die sich durch Theilung vermehren. Diese Zellen zeigen gleich den übrigen embryonalen Zellen doppelte Membranen. Ob und wie lange die äussere Membran von der Theilung (Abschnü- rung) mit betroffen werde, ist noch unentschieden. Nach der Schliessung des Medullarrohres beginnen schon die Zellen der Unterhaut auseinander zu weichen, und zwischen ihnen sieht man schmale wasserhelle Zwischenräume. Von den Zellen hebt sich stellenweise nach Zusatz von Wasser eine äussere zartere Membran ab, während die innere festere dem körnigen Proto- plasma dicht anliegt. Behandelt man die Unterhaut mit ver- dünntem Alkohol und darauf mit verdünnter Essigsäure, so erscheinen die Zellen sternförmig: in den früher durchsichtigen Zwischenräumen sieht man ein ungemein feines und und zier- liches Netz dunkler verästelter Fasern als Ausläufer der Zellen. Dieses Netz erhält sich fortan durch. das ganze Larvenleben. Man beobachtet dasselbe sehr leicht an der dieken Unterhaut des hervorwachsenden Schwanzes. Anfänglich sind die dureh- sichtigen Maschenräume zwischen den Netzfasern sehr klein. In dem Maasse als die Unterhaut sowohl im Bauche wie im Schwanztheile an Dicke gewinnt, vergrösseren sich diese Maschenräume ein wenig: man erkennt dann, dass eine gall- ertige (durch Alkohol und Sublimatlösung erhärtende)Zwischen- substanz die Räume ausfüllt. Dieselbe reicht am Rande des Schwanzes eine Strecke weit über die verästelten Ausläufer der Zellen hinaus und zeigt an ihrer Oberfläche dicht unter der Oberhaut eine festere Beschaffenheit. Aus dieser Rinde der Zwischensubstanz bildet sich ein scheinbar homogenes Häut- chen, die Anlage der Cutis. Im Bereiche des Schwanzes er- hält es sich als glashelle Cutismembran durch das ganze Lar- venleben, Im Bereiche der Bauchhöhle dagegen verdickt es sich, zeigt dann Queer- und Längsstreifen als Andeutung der 65 mit Kernen besetzten Bindegewebebündel, welche im entwickel- ten Zustande ein sehr festes Gitterwerk als Hauptbestandtheil der Cutis bilden. So wahrscheinlich es demnach auch ist, dass jenes glashelle Häutchen aus Zellen entsteht, so ist es mir doch bisher nieht gelungen, eine besondere Zellenschicht als Anlage für dasselbe zu entdecken. Der bei weitem diekere, unter der Cutis gelegene Theil der Unterhaut bildet die Grundlage des embryonisehen unterhäuti- gen Bindegewebes. Ich sage absichtlich: des „embryoni- schen” Bindegewebes, weil ich vorläufig zwei Arten Binde- gewebe unterscheiden muss, nämlich ein gallertiges embryoni- sches und ein festes bleibendes. Die Entwickelung des ersteren lässt sich am Schwanze und in der Bauchdecke verfolgen. Es besteht aus den erwähnten sternförmigen und netzförmig ver- bundenen Zellen, so wie aus der durchsichtigen Zwischensub- stanz. Nicht alle sternförmigen Zellen werden zu Bestandthei- len des Bindegewebes. Dicht unter der glashellen Cutis-Mem- bran liegt eine Schicht sternförmiger Zellen, die sich durch ihre Grösse und die deutlich röhrige Form ihrer Ausläufer auszeichnen. Die Mehrzahl dieser Zellen füllen sich mit Pig- ment und werden zu den bekannten Pigmentzellen, andere von ähnlicher Form und Lage bleiben farblos. Die übrigen ster- nenförmigen Zellen, die sich unmittelbar an der Zusammen- setzung des Bindegewebes betheiligen, bilden an beiden Flä- chen des Schwanzes dicht unter der Pigmentzellenschicht ein ungemein dichtes und zierliches Fasernetz, dessen durchsich- tige Maschen bei oberflächlicher Beobachtung leicht für kern- lose Zellen gehalten werden können. In dem Maasse als die Fasern dieses Netzes an Stärke zunehmen, schrumpfen die Zellen, von denen es ausging, zusammen, so dass schliesslich nur kleine Auftreibungen übrig bleiben, welehe nach Zusatz von Essigsäure oder Sublimatlösung von den Kernen ganz aus- gefüllt erscheinen. Die Fasern zeigen einen röhrigen Bau: min- destens unterscheidet man einen dunkelen Rand und eine hel- lere Achse. Die Wasernetze der beiden Schwanzflächen stehen durch ein Gerüst von Fasern mit einander in Verbindung, welche pa- Müllers Archiv. 1852 v 66 rallel mit einander verlaufen und stellenweise unter spitzen Winkeln netzförmig verbunden in senkrechter Richtung die Dicke des Schwanzes durchsetzen. Da sie offenbar das Gerüste bilden, welches dem weicheren Bestandtheile des Schwanzes als Stütze dient, so nenne ich sie „Stützfasern.”') Gegen Säuren und Alkalien verhalten sie sich eben so wie die sog. Kernfasern des entwickelten Bindegewebes. Im Schwanze sind sie netzförmig verbunden (Netzfasern), in den Bauch- decken sieht man, namentlich in der Nähe des Afters zuweilen einen korkzieherförmigen Verlauf (Spiralfasern). Die durchsich- tige Zwischensubstanz gewinnt im Schwanze mit der Entwicke- lung der Froschlarven an Festigkeit, und zeigt bei ausgebildeten Larven einen streifigen Bau, zuweilen sogar Neigung in feine Fibrillen zu zerfallen; sie wird durch Säuren und Alkalien noch leichter als das bleibende Bindegewebe aufgebläht. Das streifige Ansehen der Zwischensubstanz ist namentlich an der Uebergangsstelle des Schwanzes in den Rumpf sichtbar, wo- selbst auch die kernhaltigen Stützfasern einen mehr gestreckten und parallelen, der Längsrichtung des Schwanzes entsprechen- den Lauf darbieten. In der Bauchdecke bildet das embryonische Bindege- webe während des ganzen Larvenlebens eine ziemlich dicke gallertige Schicht, deren Bau im Wesentlichen mit dem der Schwanzflosse übereinkommt. Nur sieht man hier zwischen den festen Stützfasern nicht selten durchsichtige, mit hellen ästigen Ausläufern versehene, gegen Säuren und Alkalien sehr empfindliehe (sternförmige) Zellen, von denen ich nicht weiss, welche Bedeutung sie haben, ob sie vielleicht blos farblose, den Pigmentzellen analoge Gebilde sind, oder ob sie später ebenfalls zu Stützfasern, oder gar zu Bindegewebebündeln wer- den. An eine Beziehung zu Gefässbildung ist bei diesen Zellen wohl nicht zu denken, da die Ansicht von der Entstehung von Gefässen aus sternförmigen Zellen jeder Begründung entbehrt. ?) 1) Der Name „Stützfasern“ soll nicht die Möglichkeit ausschliessen, dass diese Fasern Säfte führen, wie Virchow vermuthet. 2) In Betreff der Nerven ist die ähnliche Ansicht offenbar dadureh 67 So unbedenklich auch die Annahme erscheinen mag, dass das gallertige embryonische Bindegewebe sich in das feste blei- bende Bindegewebe umwandle, so wenig hat sich bisher der Uebergang verfolgen lassen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass zur Zeit, wenn der Schwanz verkümmert, auch in der Bauchdecke sehr rasch! das gallertige Bindegewebe schwindet, und dass im ausgebildeten Zustande die Haut mit den Bauch- muskeln nur durch wenige feste Bindeplatten zusammenhängt. Ich kann daher nur anführen, dass schon bei den jüngsten (schwanzlosen) Fröschen die Bindegewebeplatten der Bauch- decken zwar schr kurz, aber im Wesentlichen so gebaut sind, wie im erwachsenen Zustande, nämlich aus sog. Bindegewebe- bündeln bestehen, die von kernhaltigen Stützfasern (Netz- und Spiralfasern) umsponnen werden. Die Bündel gehen einerseits in die der Cutis, andererseits in die Bindegewebehülle der Bauchmuskeln ohne sichtbare Grenze über. Mögen nun diese festen Bindegewebeplatten aus einer partiellen Verdichtung des gallertigen embryonischen Bindegewebes oder aus einer Ver- sehmelzung der Cutis mit den bindegewebigen Muskelhüllen hervorgehen, so ist doch wegen ihrer dem embryonischen Bin- degewebe ähnlichen Zusammensetzung sehr wahrscheinlich, dass sie ähnlichen Bildungsgesetzen wie das letztere folgen. Nach diesen Beobachtungen, so wie nach den Untersuchun- gen von Virchow und Donders dürfte die Aequivalenz der Stützfasern (Netzfasern und Spiralfasern) mit Zellen kaum zu bezweifeln sein, allein durchaus unklar ist die genetische Be- deutung des Bindegewebes selbst. Es sind hier zwei Ansichten zu beachten: die Bindegewebebündel sind auch ihrerseits Aequi- valente von Zellen (Schwann, Henle), oder sie sind Inter- eellularsubstanz (Reichert, Virchow, Donders). Gegen die erste Ansicht und für die zweite darf die ursprünglich ho- mogene Beschaffenheit der zwischen den Stützfasern befind- lichen Zwischensubstanz nicht angeführt werden ; denn die Cutis- entstanden, dass die fadigen Anlagen derselben an ihren Theilungs- winkeln dreiseitige kernhaltige Anschwellungen zeigen, welche leicht mit sternformigen Bindegewebezellen verwechselt werden können. b* 68 Membran ist bei der Larve ebenfalls scheinbar homogen, und dennoch muss sie aus Zellen entstanden sein, die schon sehr früh von den Unterhautzellen sich abgelöst und mit einander verschmolzen haben. Dagegen könnte für die Deutung des Bindegewebes als Intercellularsubstanz auf die hyaline Sub- stanz des Knorpels hingewiesen werden, von welcher fast sämmtliche Histologen annehmen, dass sie Intercellularsub- stanz sei. Schon in einem anderen Aufsatze (in diesem Hefte) habe ich die Unrichtigkeit dieser Ansicht berührt, und ich werde an dieser Stelle einige Mittheilungen über die Entste- hung des Knorpels hinzufügen, welche für die Deutung des Bindegewebes neue Gesichtspuncte eröffnen. Die Embryonalzellen, welche die Grundlage des Knorpels bilden, sind gleich den übrigen Zellen von doppelten Membra- nen umgeben. Bei der von dem Kerne ausgehenden Theilung dieser Zellen wird nur die innere, dem Primordialschlauche der Pflanzen vergleichbare Membran von der Abschnürung betrof- fen: die äussere Membran, die sog. Mutterzellenmembran der beiden aus der Theilung hervorgegangenen Tochterzellen schwin- det nicht sogleich, sondern es lagern sich zuvor an ihrer In- nenfläche Knorpelschichten ab. Auf diese Weise entsteht eine Knorpelblase, in deren Höhle die einfache oder doppelte Pri- mordialzelle legt. Bevor die letztere fortfährt, sich zu thei- len, bildet sich auf ihrer Membran (dem Primordialschlauche) eine zweite Membran (Tochterzellenmembran), die von der nachfolgenden Theilung nicht betroffen wird, sondern gleich der ersten Membran Knorpelschichten an ihrer Innenfläche ab- lagert und eine sekundäre Knorpelblase bildet. Auf diese Weise können die primären Knorpelblasen sekundäre, tertiäre u. s. w. eingeschachtelt enthalten: immer wird sich in der Höhle der letzten (innersten) Knorpelblase die einfache oder getheilte kernhaltige, in der Regel auch Fettbläschen enthaltende Pri- mordialzelle (Knorpelkörperehen) finden. Indem die Knorpel- schichten der ineinander geschachtelten Knorpelblasen mit ein- ander verschmelzen .”) bildet sich die sog. Intercellularsubstanz, *) Kölliker erwähnt schon (Allg. Anat. Bd. II. I. S. 349), dass 69 die ich ihrer Entstehung wegen ‚‚Parietalsubstanz” nenne. Be- vor diese Verschmelzung zu Stande kommt, schwinden die Zellenmembranen. Die Parietalsubstanz ist also nicht das Er- gebniss verschmolzener Zellenmembranen, sondern geht aus den an der Innenfläche der letzteren abgelagerten Knorpel- schichten hervor: die Zellenmembranen selbst werden nach ein- ander von dem Primordialschlauche gebildet. Diese Darstellung enthält das aus einer Vergleichung der Froschlarven mit erwachsenen Wirbelthieren gewonnene Schema, dessen Durehführung je nach der späteren Festigkeit des Knor- pels oder Knochens die mannigfachsten Schwankungen darbie- tet. Die Verkalkung (Verknöcherung) bstrifft in den festeren Röhrenknochen die schon verschmolzene Parietalsubstanz wäh- rend die Primordialzelle sternförmig wird und das sogen. Knochenkörperchen bildet (Virchow). Doch können auch (z. B. in der Wirbelsäule des Frosches, in den Gelenkenden des Unterkiefers und des Hinterhauptbeins beim Rinde, in dem Brustbein und der Crista ossis ilii bei der Katze) die noch nicht ganz verschmolzenen Wände der Knorpelblasen verkal- ken. Für die bleibenden Knorpel beruhen, abgesehen von der wechselnden Zahl der Theilungen der Primordialzellen und der dadurch bedingten Binschachtelungen von Knorpel- blasen, die wichtigsten Verschiedenheiten darauf, dass nicht sämmtliche Zellenmembranen Knorpelschichten an ihrer Innen- fläche absetzen und nicht sämmtliche Knorpelblasen zu einer homogenen Parietalsubstanz verschmelzen, sondern manche, namentlich die jüngsten, ihre scharfe Begrenzung, ja selbst ihre umhüllenden Zellenmembranen durch das ganze Leben hindurch bewahren. In dieser Hinsicht bietet der Processus sich die embryonalen Knorpelzellen bei Froschlarven durch „endogene Zellenbildung um Inhaltsproportionen“ vermehren, „während zwischen ihnen vorzüglich aus den verschmelzenden Wandungen der verschiedenen Generationen von Zellen eine diekere Zwischensubstanz sich bildet.“ Auf der folgenden Seite (S. 350) behauptet Kölliker von Schaafembryonen, dass bei diesen die Zwischen- substanz grösstentheils unabhängig von den Zellenmembranen sich bildet. 70 ensiformis ‚des Brustbeins bei Kaninchen lehrreiche Belege. Derselbe lässt zwei feste Aussenschichten und eine lockere Mittelschicht unterscheiden. In den Aussenschichten hat die Parietalsubstanz das gewöhnliche Verhalten, dagegen lässt die lockere Mittelschicht, namentlich in der Nähe des freien Ran- des, noch deutlich die Zusammensetzung aus eingeschachtelten, zum Theil mit Zellenmembranen umhüllten Knorpelblasen er- kennen, Bei jüngeren Kaninchen sieht man stellenweise noch die äusseren Zellenmembranen ohne Spur einer Zwischensub- stanz einander polyedrisch begrenzen: sie bilden Blasen , welche zwei oder drei diekwandige Knorpelblasen eingeschachtelt ent- halten. Einige Knorpelblasen sind noch von dünnen Zellen- membranen umhüllt und fallen nieht selten aus den Mutterbla- sen heraus; in ihrem Centrum findet sich die Primordialzelle (das Knorpelkörperchen). Bei älteren Kaninchen sind die Knorpelblasen in ihrer Mehrzahl schon verschmolzen, allein manche Knorpelblasen entschachteln sich noch ziemlich leicht: sie sind einfach oder zu mehreren von gemeinschaftlichen Mem- branen umschlossen. An den einfachen unterscheidet man eine Zellenmembran, an deren Innenfläche eine homogene oder aus mehreren (3 bis 5) Schichten bestehende Knorpellage und in der Höhle die mit einem zarten Kern und mit Fettbläschen versehene Primordialzelle. Die Knorpelschichten unterschei- den sich von der Zellenmembran und dem Primordialschlauche nicht blos durch ihre Dieke und durch ihre lichtbrechenden Eigenschaften, sondern auch durch ein strahliges Gefüge: sie sehen aus, als beständen sie aus feinen Stäbchen, die im Sinne von Radien der Knorpelblasen gestellt sind. Der Zwischenraum zwischen den Schichten ist an manchen Stellen ganz beträchtlich, während sie an anderen Stellen schon zu- sammenfliessen. — Bei anderen Wirbelthieren (dem Rinde, dem Schaafe, dem Schweine) zeigt der Processus ensiformis auch in seiner Mittelschicht eine beinahe vollständige Ver- schmelzung der Knorpelblasen: nur die jüngsten, die Primor- dialzelle umgebenden Knorpelblasen zeigen zuweilen (beim Schweine) noch scharfe Begrenzung und selbst umhüllende l Membranen. — Ein ähnliches Interesse wie der Processus ensiformis des Kaninchens bietet der Kehldeckel des Schaafes. Hier sind die Wände der polyedrisch einander begrenzenden grössten Knorpelblasen zu einer netzförmig durchbrochenen Parietalmasse verbunden: ihre Höhle wird durch eine oder zwei sehr dickwandige Knorpelblasen von lockerem strahligem Gefüge ausgefüllt, deren kleine Höhle die meist ovale Primor- dialzelle (Knorpelkörperchen) beherbergt. Die letztere hat häufig das Ansehen, als wäre sie selbst verknorpelt, d.h. als wäre an der Innenfläche des Primordialschlauches eine mehr oder weniger dicke Schicht Knorpelmasse abgelagert: Das wäre ohne alle Analogie, da die Knorpelmasse sonst nur an der Aussenfläche des Primordialschlauches, zwischen diesem und der Zellenmembran erscheint. In der That finde ich im dickeren Theile des Proc. ensiformis beim Schweine ganz ähn- liche dickwandige ovale Primordialzellen, bei denen man sich leicht überzeugt, dass die Wand aus drei Schichten besteht, einer inneren (dem Primordialschlauche), einer mittleren (der Knorpelschicht) und einer äusseren (der jüngsten Zellenmem- bran). Die Primordialzelle ist also von einer jungen Knorpel- blase dicht umschlossen. Auch zeigen sich sowohl hier, wie in anderen bleibenden Knorpeln (den Rippen-, den Kehlkopfs- und Ohrknorpeln verschiedener Thiere) nicht selten Primor- dialzellen von jungen Zellenmembranen dieht umhüllt ohne da- zwischen liegende Knorpelschicht. Aus diesen Beobachtungen ergiebt sich die intracellulare Entstehung der Knorpelsubstanz (zwischen Primordialschlauch und Zellenmembran). Daher ist bei der Deutung des Binde- gewebes als Intercellularsubstanz eine Berufung auf den Knorpel unstatthaft. Begründet ist aber die Vermuthung der gleichen Entstehungsweise beider Gewebe durch die mannig- fachen Uebergänge, welche der Faserknorpel zu dem Binde- gewebe darbietet. Es ist daher unwahrscheinlich, dass das Bindegewebe Intereellularsubstanz sei, dagegen sehr wahr- scheinlich, dass es gleich wie die hyaline Substanz des Knorpels sich als Parietalsubstanz zu den Primordialzellen 12 des Bindegewebes verhalte, die sich in die Stützfasern um- wandeln. In einem anderen Aufsatze habe ich gezeigt, dass die extra- cellulare Entstehung der thierischen Zellen der Begründung entbehrt. Durch diese Mittheilungen muss jegliche Betheili- gung extracellularer Substanzen an der Bildung von Geweben durchaus zweifelhaft werden. 73 Ueber den Bau und die Bildung der Nesselorgane von Cyanea. Von Dr. Karsten (Hiezu Taf. II.) Seitdem Ehrenberg die Angelorgane der Acalephen und der Hydra entdeckte und in den Abhandlungen der Berliner Academie beschrieb, sind dieselben wiederholt der Gegenstand von Untersuchungen gewesen, die zwar meistens nur die durch ihn gewonnenen Ergebnisse bestätigten, doch hin und wieder auch Zweifel an der Richtigkeit einzelner Angaben aufwarfen. Nicht sowohl, um diese Zweifel als nichtig darzustellen, son- dern vielmehr um über die Wiedererzeugung der zum Fange verbrauchten Organe, die von den früheren Forschern nicht berührt wurde, einige Aufklärung zu verschaffen, erlaube ich mir meine Beobachtungen hier mitzutheilen. Es wurden die- selben während der Reise nach Venezuela an einigen windstil- len Tagen an der Cyanea — ? (Fig. 1.) angestellt. Bei dieser Meduse finden sich die Nesselorgane an den her- abhängenden, blaugefärbten Randfäden, von denen die äusser- sten fast die Länge des Halbmessers der Scheibe erreichen. Diese Randfäden unter das Mikroskop gebracht, erinnern durch die helle, durchsichtige Haut, mit der das grosszellige Gewebe überzogen ist, an den Bau der einfach schlauchartigen, röhrigen Drüsen; nur lose umgiebt diese Haut das aus kern- haltigen Zellen bestehende Gewebe, welche Zellen an den un- teren Theilen des fadenförmigen Organes meist nur mit einer wasserhellen Plüssigkeit angefüllt sind, während weiter nach dem obern Ende desselben hin der den Zellkern umgebende 74 Inhalt einzelner dieser Zellen undurchsichtig und körnig wird, andere mit kleinen Zellen angefüllt sind und dann zugleich mehr oder weniger kegelförmig über die eylindrische Oberfläche des ganzen Organes hervorragen. Diese kegelförmigen Aus- wüchse trifft man der Spitze des Fadens näher immer grösser an; ohne die Uebergänge zu beachten, würde man nicht mehr das Entstehen derselben aus einer Zelle erkennen können. Das Gewebe dieser Aeste ist nicht so hell und seine Zusam- mensetzung nicht so klar und leicht zu übersehen, wie die des Stammes, da die Mutterzellen wieder mit einer körnigen Masse angefüllt sind, in der die einzelnen Zellchen je nach der vor- geschrittenen Entwickelung dunkler erscheinen. An dem auf den Objeetträger gebrachten Faden platzten nun sehr bald an den am weitesten ausgebildeten Aesten diese endogene Zelle an der der Hüllhaut eng anliegenden Seite und es tritt aus diesem Risse ein eirundes Bläschen hervor, an des- sen zuerst herausgetretenen Spitze ein in spiraligen Windungen das Bläschen umgebender Faden befestigt ist, von dessen Ein- fügungspunkte drei nach den verschiedenen Seiten rückwärts gerichtete Stacheln ausgehen, die fast die Länge des Bläschens besitzen. Gleich nach dem völligen Hervortreten des mit einer hellen Flüssigkeit erfüllten Bläschens wendet es sich plötzlich, so, dass dann die freien Spitzen der Stacheln nach oben gewen- det sind, und wird durch die rasche Streckung des Fadens von seinem mütterlichen Behälter weggeschnellt, in welchem der Anheftungspunkt des untern Fadenendes sich befindet. Man kann diesen Faden schon in der noch geschlossenen Zelle erkennen, wo seine spiraligen Windungen deren innerer Wan- dung anliegen, während das Seeretionsbläschen mit dem Drei- zack durch dasselbe verdeckt wird. Noch nach der Entfernung der hervorgeschnellten Nesselfäden kann man die dieselben er- zeugenden, jetzt leeren Zellen, sehr deutlich an den kleinen Rissen erkennen, aus denen das eigentliche Nesselorgan her- vortrat, doch ist mir die Anheftung desselben in dieser Zelle nicht deutlich geworden, die ich im Grunde derselben vermuthe. Das ganze Gewebe wird darauf sehr bald in seine einzelnen Bestandtheile getrennt und mit der kaum noch zu erkennenden 75 Hüllhaut verflüssigt, worauf, was auch früher schon durch Pressen bewirkt werden konnte, ein im Centrum des Astes befindliches Gewebes sichtbar wird, dessen Zusammensetzung den noch nicht völlig entwickelten Aesten des Randfadens ganz gleich ist, indem es wie diese aus grösseren Zellen besteht, die kleinere Zellchen und Bläschen in einer trüben Flüssigkeit enthalten, während es von einer hellen, durchsichtigen Haut umgeben ist, die in die allgemeine Hüllhaut des Fadens über- geht. (In der beigelegten von Herrn Wagener angefertigten Zeichnung (Fig. 3.) sind einige dieser Aeste von dem Haupt- stamme getrennt, was durch den Druck des Deckgläschens während des Zeichnens vorkommt). Die Mutterzellen der Nesselorgane sind hiernach den Drü- senzellen zu vergleichen, die nach Aussen von der Tunica pro- pria, nach Innen von einer ähnlichen, wahrscheinlich aus den vergrösserten Zellkernen entstehenden, Haut begrenzt werden. In den Zellkernen (Enkelzellen) geht inzwischen eine ähnliche Bildung von Absonderungszellen vor sich, denen später die vergrösserte Haut des Zellkernes als Tunica propria dient. Das innerhalb der Drüsenzellen im eigenen Bläschen abgesonderte Seeret wird hier indessen nicht, wie bei den in der Leibes- höhle befindlichen Absonderungsorganen, nach Verflüssigung der Zellenhäute nach Innen abgesondert, sondern im Gegen- theil in den Drüsenbläschen befindlich, zugleich mit dem inner- halb derselben Zelle‘ gebildeten Angelapparate nach der Kör- peroberfläche hin ausgestossen, weshalb die einzelnen Drüsen- zellen den Hautdrüsen zu vergleichen und das ganze sich von Innen erneuernde Organ als Drüsenhaut anzusehen. Erklärung der Abbildungen auf Taf. 11. Fig. 1. Cyanea —? Fig. Randfaden derselben 280 Mal vergrössert. Fig. 3. Randfaden gepresst 280 Mal vergrössert. Fig. 4. Zellen der Randfäden 280 Mal vergrössert. Sı [>2) Beschreibung des Eingeweidenervensystems in der Teichmuschel (Anodonta). Von Dr. Kegsen, Kreisphysikus in Insterburg. (Hiezu Taf. III.) Bereits in meiner Inaugural-Dissertation: De nervis Concha- rum, Berol. 1837, habe ich eine ziemlich ausführliche Beschrei- bung der von mir entdeckten und bis dahin noch völlig unbe- kannten Eingeweidenerven der Teichmuschel gegeben, jedoch ohne Abbildung und nicht mit derjenigen Genauigkeit, womit ich sie jetzt nach wiederholten mühsamen Untersuchungen zu liefern im Stande bin. Da ich nun aus mehreren neuern Wer- ken über vergleichende Anatomie ersehe, dass meine frühere Arbeit zwar nicht ganz unbeachtet geblieben, aber doch ihrem wesentlichen Inhalte nach noch nicht allgemein angenommen ist, so erlaube ich mir hier denselben Gegenstand nochmals und zwar so darzustellen, wie er sich aus meinen neuesten Forschungen ergeben hat, und zugleich zu seiner Erläuterung die nöthigen Abbildungen beizufügen. Es wird sich daraus ergeben, dass das Nervensystem der Acephalen keine niedrige Stufe in der Thierwelt einnimmt, und dass namentlich die Eingeweidenerven von den animaler Nerven völlig getrennt sind, und selbst auf dem Magen ein sehr entwickeltes Geflecht bilden, welches mit demselben Rechte, wie der Nervus recurrens der Insekten, als sympathisches Nervensystem anzusehen ist. Vielleicht dass demnächst andere Naturforscher, welche Gele- genheit haben, grössere Seemuscheln in frischem Zustande zu untersuchen, sich entschliessen, dieselbe Untersuchung mit an- dern Gattungen der Acephalen anzustellen, woraus sich na- -- [ türlicherweise ergeben wird, dass die mir allein zugänglich gewesenen Gattungen Anodonta und Unio nicht etwa einen isolirten Standpunkt in der höhern Organisation ihres Ner- vensystems einnehmen, sondern dass die ganze Classe der Acephalen in dieser Beziehung auf einer und derselben Stufe steht. Ich muss jedoch hinzufügen, dass die Auffindung der BEingeweidenerven in den Muscheln zu den schwierigsten zoo- tomischen Arbeiten gehört, dass ein sehr scharfes Auge, grosse Beharrlichkeit und Geduld und sehr grosse Uebung, unter der Armloupe zu arbeiten, dabei unerlässlich sind. Ich habe mich stets einer sehr starken Doppelloupe mit einem Fokus von '/, Zoll bedient, und habe doch in frühern Zeiten eine sehr grosse Menge von Muschelthieren vergebens secirt; bis es mir im Mai 1337 gelang, zuerst das Magengeflecht und darauf dessen Ur- sprungsfäden zu entdecken, und dem berühmten Herausgeber dieses Archivs zur Ansicht vorzulegen, worauf ich später noch mehrere andere äusserst feine Eingeweidenerven aufgefunden habe, zuletzt in diesem Sommer die zur Bojanus’schen Drüse abgehenden feinen Fäden (Fig. 3. y). Jetzt besitze ich sämmt- liche mir bekannte Eingeweidenerven in Spiritus-Präparaten, und hofle sie längere Zeit konserviren zu können. Ein wesent- liches Hülfsmittel bei der Präparation der feinen Muschelner- ven ist die Anwendung einer verdünnten Säure, namentlich der Salzsäure, womit man die betreffenden Stellen ab und zu leise bestreicht, und dann, um die Instrumente nicht zu sehr durch die Säure anzugreifen, das Aufträufeln von Wasser aus einer kleinen Injektionsspritze. Ueberhaupt wird man in fri- schen und noch mit Wasser getränkten Exemplaren die Ner- ven leichter auffinden, als in solehen, die zuvor in Spiritus erhärtet sind. Weiss man indess schon, wo die Nerven liegen, und hat man recht grosse Exemplare, so wird man die Ner- ven auch nach vorheriger Aufbewahrung in Weingeist auffin- den können. Da bekanntlich der ganze Muschelleib mit Was- ser auf eine bisher unerklärte Art durchzogen und getränkt ist, so erscheinen viele Nervenfäden auf den ersten Anblick wie wasserhelle Streifen, was wahrscheinlich Poli zu der ir- rigen Annahme, dass es Lymphgetässe seien, verleitet hat. 78 Lässt man aber einen Tropfen verdünnte Salzsäure auf solche Stellen fallen, so werden durch Gerinnung des Eiweisses die Nervenfäden oft plötzlich, wie mit einem Zauberschlage sicht- bar, und man bedarf oft nur weniger Messerzüge, um sie in ihrem ganzen Verlaufe blosszulegen. Eine zweite Schwierig- keit bei der Präparation der Muschelnerven bilden die vielerlei schrägen Fasern, womit der Muschelleib durchzogen ist. Aus- ser den beiden grossen Sehliessmuskeln der Schalen gehen vom Fusse aus verschiedene schräge Bänder zur Schale, von denen besonders die in der Nähe des vordern Schliessmuskels sich anheftenden dicht am Schlundganglion und dessen Nerven verlaufen. Deshalb kann man schon beim unvorsichtigen Er- öffnen der Schalen durch Zerrung dieser Sehnenstreifen sehr leicht einige vom Schlundknoten ausgehende Nerven verletzen. Ist solches aber auch nicht geschehen, so ist es andererseits keine kleine Arbeit sich durch diese derben und schwer zu schneidenden Sehnenfasern ohne Verletzung der dazwischen und daneben verlaufenden feinen Nervenfäden, hindurehzuar- beiten. Selbst eine geringe Zerrung kann schon das Abreissen eines Nerven zu Wege bringen, was namentlich bei den Ur- sprungsfäden des Magengeflechts sehr leicht geschieht. Die grössern Nerven, z. B. die Mantel- und Tentakelnerven ver- laufen in einer weiten zelligen Umhüllung, die schon Poli mit Quecksilber ausgespritzt hat und die sich leicht der Länge nach spalten lässt; die feinen Nervenfäden dagegen, besonders die Eingeweidenerven, verbreiten sich in der Substanz der Or- gane selbst und sind daher um so schwieriger blosszulegen. Wenn ich jetzt versuche, den Gang meiner Untersuchung im Einzelnen zu beschreiben, so werde ich die Aufzählung der zahlreichen aus den einzelnen Knoten entspringenden Nervenfäden hier übergehen, da man ihren Verlauf auf der Kupfertafel und deren Erklärung deutlich genug erkennen kann, und da es für die vergleichende Anatomie wenig inter- essant ist die Variationen der Nervenausstrahlung bis ins feinste Detail zu verfolgen. Für mich jedoch war es un- erlässliche Aufgabe, selbst den feinsten Nervenfäden meiner Aufmerksamkeit zu widmen, da ich nur auf diesem 79 Wege ein riehtiges Resultat erlangeır konnte. Die Anzahl der von den einzelnen Ganglien abgehenden Nerven ist weit grös- ser, als man bisher glaubte, und es ist in der That ein wun- derbarer Anblick, ein so weit entwickeltes Nervensystem in einer Thierklasse zu finden, welcher man noch vor 70 Jahren (Poli) alle Nerven absprach. Zunächst habe ich den Margilischen Knoten aufs Genaueste untersucht, um namentlich die nach der Angabe früherer For- scher (Burdach, vom Gehirn, Bd. I. Taf. I. Fig. II. $. 29. und viele Andere) von ihm entspringende Nerven der Einge- weide zu finden. Nachdem ich dieses an wenigstens 50 Exem- plaren gethan und sämmtliche Nerven soweit verfolgt hatte, bis sie sich in den Muskeln und Sehnen des Fusses und Bau- ches deutlich verloren, gelangte ich zu der festen Ueberzeu- gung, dass aus dem Margilischen Knoten nicht ein einziger Eingeweidenerv entspringt, dass viele seiner Nerven zwar den Eierstock durchdringen, aber durchaus kei- nen, auch noch so feinen Zweig ihm abgeben. Spaltet man den Kiel des Fusses von unten der Länge nach, wie Fig. 4 es darstellt, so gelangt man sehr leicht zu den vom Margilischen Knoten nach unten ausstrahlenden zahlreichen und dicken Nerven, welehe sämmtlich sieh in der Substanz des Fussmus- kels verbreiten. Wenn man hierauf die Markbinde, welche beide Hälften des Bauchknotens verbindet, durchschneidet, dann die eine Hälfte des letztern vorsichtig mit der Pineette fasst und nach aussen umlegt, so bemerkt man alsbald 5-4 dünne Fäden (Fig 3 i), welche von der Rückenfläche des Ganglions abgehen. Von diesen wird man auf den ersten An- blick glauben, dass sie für den Eierstock und andere Einge- weide bestimmt sind, da sie in gerader Richtung dahin auf- steigen. Indess ergiebt die genaueste Untersuchung das Ge- gentheil; auch sie durchdringen sämmtlich den Eierstock, ohne eich zu verästeln, wenden sich dann nach aussen, dringen zwischen die starken Sehnenfasern, welche den Bauch auf bei- den Seiten umspirmen und scheinen sich bis zur Haut zu ver- breiten, indem sie sielı zwischen der Sehnenhaut des Bauches in noch feinere Fäden theilen. Ss0 Dieses überraschende Resultat, von dessen Richtigkeit ich mich, wie gesagt, durch die sorgfältigste Präparation des Bauchknotens unter der Loupe wiederholentlich überzeugt habe, bewog mich, auch die andern Centraltheile des Nerven- systems, die Schlundganglien und den Afterknoten in derselben Art zu untersuchen. Dabei fand ich zwar ausser den schon bekannten Nervenfäden eine Menge anderer, aber kein einziger ging zu den Eingeweiden; einige feine Fäden konnte ich zwar von den Schlundknoten aus bis zur Speiseröhre verfolgen (Fig. 1. €), aber weder den dicken Nerven, welcher nach C. E. von Bär (Burdach 1, ec. Taf. I. Fig. U. sich um den hin- tern Schliessmuskel herumschlägt und bis zum Herzen gehen soll, noch die angeblich zum Magen abgehenden Zweige konnte ich als solche bestätigen. Alle endigten auf das Deutlichste in den Schliessmuskeln, dem Mantel, der Haut ete.; der lange Nerv f, welcher sich um den hintern Schliessmuskel herum- schlägt, verzweigt sich unzweifelhaft in der von Bojanus benannten Afterröhre, bis zum Saume des Mantels, wie Fig. 2 deutlich zeigt, liess sich aber nicht bis zum Herzen verfolgen. Endlich, nachdem ich an der Erreichung meines Zieles fast, verzweifelt hatte, gelang es mir die wirklichen Eingeweide- nerven der Muscheln nebst ihren Ursprungsfäden zu entdecken. Letztere entspringen aus den Verbindungsnerven zwischen den Nervenknoten und zwar sowohl aus den Nervenfäden, welche die Schlundganglien mit dem Afterknoten verbinden, b, b, als auch aus den Verbindungssträngen zwischen Schlund- und Bauchknoten, c, e. Der stärkste dieser Ursprungsfäden ist der zum Magen führende, k, welcher nicht selten noch mehrere äusserst feine Nebenfäden hat, die sich ihm anlegen, jedoch ist auch er so fein und leicht zerreissbar, dass eine sehr grosse Uebung zu seiner Darstellung gehört. Selbst die dieksten Ur- sprungsfäden sind so dünn, dass man sie schwer mit blossem Auge erkennen kann, nachdem sie bereits blossgelegt sind. Sie aber mit unbewafinetem Auge zu präpariren, halte ich für ganz unmöglich. Ein Uebelstand, weshalb man sie so schwer auffindet, liegt darin, dass man beim Blosslegen des grossen Nervenstranges d das diesen umgebende Zellgewebe sl leicht zerrt und dabei die Ursprungsfäden der Eingeweidener- ven entweder abschneidet oder abreisst, ohne den Missgriff gewahr zu werden. Der Ursprungsfaden des Magengeflechts verläuft nun durch die Leber zwischen den Läppchen der letz- tern und bildet dann auf dem Magen das auf Fig. 2 abgebil- dete feine Geflecht, an welchem man ein Ganglion, q, sehr deutlich erkennt, und von wo sich ein feiner Nervenfaden, q’ längs der vorderen Aorta in der Richtung nach dem Herzen fortsetzt. Es ist äusserst wahrscheinlich, dass sich dieser Nerv wirklich bis zum Herzen verbreitet, indess ist es mir bisher, aller angewandten Mühe ungeachtet, nicht möglich gewesen, solches bestimmt zu erkennen. Weder in der Substanz der Herzkammer noch in den Vorkammern habe ich bisher mit Sicherheit Nervenzweige erkennen können. Zwar glaubte ich öfters deren mehrere, selbst ganze Geflechte zu sehen, doch musste ich sie bei näherer Betrachtung immer wieder als Mus- keln und Sehnenfasern erkennen. Das Magengeflecht wird nun beiderseits aus dem vom Verbindungsstrange db ausgehenden Ursprungsfäden k der Art zusammengesetzt, dass der rechte Ursprungsfaden mehr an der Rückseite des Magens, der linke an dessen Bauchseite sich verästelt. Es giebt aber ausser den Nervenfäden %, k noch mehrere andere feine, aus den Verbinduugssträngen 5b, b und c, e ent- springende Eingeweidenerven, die jedoch nicht ganz konstant zu sein scheinen, wenigstens in verschiedenen Exemplaren von sehr verschiedener Dieke sind. Es sind dies erstens die feinen Nerven /, I, welche sich in die Lebersubstanz begeben ; zweitens der Nerv y, welcher aus dem Verbindungstrange b nach dem dunkeln Körper des Bojanus geht und daselbst mit dem gleichnamigen der andern Seite ein zartes Nervengeflecht bildet, dessen Darstellung aber unendlich mühsam ist; drit- tens ein dickerer und mehrere dünnere Nerven, 9, g, welcheı aus dem Verbindungstrange ce kurz vor seinem Eintritte in den Bauelhknoten in den Bierstock abgeht und sich daselbst mehrfach verästelt. Ob dieser ebenfalls ein deutliches Nerven- gellecht bildet und sich zugleich auf dem vielfach gewundenen Darmkanale verästelt. habe ich. bisher. nicht, erkennen kön- Müllers Archiv, 1812, 6 82 nen, da gerade der Eierstock zu solcher Präparation sich am wenigsten eignet. Bevor ich diese Mittheilung über die von mir entdeekten Eingeweidenerven der Teichmuschel schliesse, sei es mir er- laubt, noch auf zwei grosse, aus dem Afterganglion entsprin- gende Nerven aufmerksam zu machen, welche zwar längst bekannt, aber in ihrer Verbreitungsart meines Wissens noch nicht genügend gewürdigt sind. Es ist dies erstens der grosse Kiemennerv h, welcher an der Bauchseite des hintern Schliess- muskels nach beiden Seiten innerhalb der den Eileiter aus- kleidenden Haut verläuft, und, ohne von einer festen Umhül- lung geschützt zu sein, sich sogleich nach seinem Ursprunge in eine zahllose Menge sehr dünner, büschelförmig nebenein- ander liegender Nervenfäden auflöst, welche in der Haut des Eileiters bis zu den Kiemen verlaufen. Diese dünnen, dicht an einander liegenden Nervenfäden haben zum grössten Theile doppelte Wurzeln, welche nahe am Nervenstamme gabelför- mig zusammentreten. Eine ähnliche Art der Nervenspaltung ist mir in dem Thierreiche nieht weiter bekannt. Man kann sie unter der Loupe mit Hülfe von verdünnter Salzsäure auch ohne Präparation deutlich erkennen. Der zweite der Erwähnung werthe Nerv ist der zu den Tentakeln gehende, t, welcher, wenn man ihn unter der Loupe bis zu seinen feinern Zweigen verfolgt, in seinem Ver- laufe die grösste Aehnlichkeit mit der Verästelung der Zun- gennerven beim Menschen zeigt, die von Rudolphi fälsch- lich für Nervenenden angesehen wurde. Diese Aehnlichkeit ist deshalb interessant, weil die Tentakeln bekanntlich eben- falls Sinnesorgane sind. Ich schliesse mit dem Wunsche, dass recht bald andere Forscher die Eingeweidenerven verwandter Gattungen erfor- schen mögen, wozu sich aber nur grössere Thiere wegen der Feinheit des Gegenstandes eignen. Dann wird Cuviers Aus- spruch zu gelten aufhören, der in seinen Lecons d’Anatomie comparee von den Acephalen sagt: „nous ue savons point „encore, d’ou viennent dans ces animaux les nerfs des “ „viseeres.“ Dann wird unsre Kenntniss von der Verbreitung 83 des Nervensystems in der Thierreihe einen wesentlichen Fort- schritt erreicht haben und die Speculation immer mehr und mehr aufhören müssen, der Beobachtung voranzueilen und da- durch die richtigen Thatsachen zu verwirren. Wer an die ver- schiedenartigen, von den grössten Autoritäten ausgesprochenen Ansichten über die Bedeutung des Nervensystems überhaupt und des Bauchknotens insbesondre bei den Muscheln denkt, wird jede wirkliche Bereicherung unsrer Kenntnisse gerade in diesem Theile der vergleichenden Anatomie mit Freudigkeit begrüssen müssen, \ Erklärung der Abbildungen auf Taf. III. Fig. 1. Das Muschelthier in seiner Schale nach Entfernung der linken Schalenhältte. Fig. 2. Das Muschelthier an der Rückenseite. Fig. 3. Das Muschelthier von der Bauchseite mit aufgeschlage- nem Mantel. Fig. 4. Der Fuss des Thieres, vom Kiele aus der Länge nach gespalten, um den Bauchknoten mit allen seinen Theilen blosszulegen. .„ Leber. . Aeussere Kieme. . Innere Kieme. - Mundkiemen. Eierstock. . Vorderer Schliessmuskel. . Hinterer Schliessmuskel. . Mantel. . Magen. Herz. . Rückenspalte des Mantels. . Dunkler Körper des Bojanns. . Fuss. . Mund. . Mastdarm. . Rothbraunes Organ an der Rückenseite, Viseus testaceum nach Poli. @, «. Schlundnervenknoten. ß. Afterknoten, y. Bauchknoten. a. Verbindungsnerv der beiden Schlundknoten. SS SZ Nu Says bob b, b. Verbindungsnerven der Schlund- und Afterknoten. ec, e. Verbindungsnerven der Schlund- und Bauchknoten. d, d. d. Vordere Mantelnerven aus dem Schlundknoten. 0, d. Hautnerven des Mantels aus dem Schlundknoten. e. Mundkiemennerven. £, &. Vordere Schliessmuskelnerven. €. Speiseröhrnerv. f» f. Nerven der Afterröhre. Eingeweidenerven aus dem Verbindungsnerven ce. h, h. Kiemennerven. i, 3. Obere Hautnerven aus dem Bauchknoten. k. Ursprungsnery’des Magengeflechts aus dem Verbindungsnerven b. 1, 1. Lebernerven. »n, m. Mantelnerven aus dem Afterknoten. n, n. Hautnerven des Mantels aus dem Afterknoten. Bu; } Nerven der Eiröhre. 2, T. p. After. g. Kleines Ganglion im Magengeflechte. q.. Nervenfaden, der längst der vorderen Aorta nach dem Her- zen geht. #, t. Tentakelnerven. u, u. Hinterster Mantelnerv. v. Muskelnerven aus dem Bauchknoten. w. Ausführungsgang des Eierstocks. 0‘. Eingang zum dunkeln Körper des Bojanus. x. Hintere Schliessmuskelnerven. y. Nerven zur Bojanuschen Drüse. 3. Tentakeln. S. 79. Z. 7. 15. 20. statt Margilischen lies: Mangilischen. 85 Zwei Reihen physiologischer Versuche. Von Professor Dr. Stannıus. l. Versuche am Froschherzen. Die in den folgenden Zeilen mitzutheilenden Versuche sind in der Absicht angestellt worden, den Einfluss der Nerven auf die Herzbewegungen näher kennen zu lernen. Zu diesem Zwecke legte ich feste Ligaturen aus Seidenfäden zuerst um die Nervi vagi, später um solche Regionen des Herzens, an denen Anhäufungen von Ganglienzellen vorkommen, ausserdem aber, mit Ausschluss der Nerven, an die dem Herzen Blut zuführenden Gefässstämme und auch an die das Blut aus dem Herzen führenden Gefässe. Auf diesem Wege gelangte ich zu überraschenden, schwer zu deutenden Ergebnissen. Auf einer im Laufe des vorigen Spätsommers und Herbstes unternommenen Reise hatte ich Gelegenheit, mehre der wich- tigsten Versuche in Gegenwart ausgezeichneter Fachgenossen, unter denen ich die Herren Ecker, Gerlach, Henle, Lud- wig, Frey, Meyer, von Siebold, Stilling, Valentin, Volkmann namentlich hervorhebe, zu wiederholen. Die meisten Versuche geben ganz constante Resultate, wenige liefern variabele Ergebnisse; je häufiger ich die Ex- perimente wiederholt habe, um so mehr sind letztere ge- schwunden. i 1. Anlegung von Ligaturen aus Seidenfäden um die beiden Nervi vagi hat keinen augenscheinlichen Einfluss auf den Rhythmus der Bewegungen des Proschherzens. 2. Sind die beiden Nervi vagi durch Seidenfäden fest um- schnürt, so erfolgt, auf Application der Bleetroden des elvetro- 86 magnetischen Rotations-Apparates, mag die letztere an der Medulla oblongata, oder oberhalb der Ligaturstellen an den N.N. vagi selbst statt haben, kein Stillstand des Herzens. Werden die Eleetroden dagegen unterhalb der Ligaturstellen applieirt, so steht das Herz stille. Diese Versuche beweisen, dass die Einschnürung der Nervi vagi in Ligaturen den gleichen Einfluss hat, wie Durchschnei- dung der Nerven. 3. Wird successive um jede der drei Hohlvenen eine feste Ligatur gelegt, so schlägt das Herz ungestört fort. 4. Wird der gemeinsame venöse Sinus vor seinem Ueber- gange in den Vorhof unterbunden, so dauern die Zusammen- ziehungen des Herzens fort. Auch die drei Hohlvenen pulsiren ununterbrochen fort. Die Zusammenziehungen der Hohlvenen und des übrigen Herzens sind aber nicht mehr gleichzählig; meistens ist, vielmehr die Zahl der Zusammenziehungen der Hohlvenen grösser, als die des übrigen Herzens. In zwei Mi- nuten wurden 52 Zusammenziehungen des Herzens und 72 Zw sammenziehungen der Hohlvenen gezählt. Aus diesen Versuchen: 3 und 4 ergiebt sich, dass Hemmung der Blutzufuhr zum Herzen die Zusammenziehungs-Fähigkeit desselben nicht alsbald aufhebt. 5... Werden, nach Anstellung des Versuches 3, die Eleetro- den: des Rotations-Apparates an die Medulla oblongata ‚oder an die N. N, vagi angelegt, so steht das Herz stille. Dies Ergebniss erklärt sich leicht durch den Umstand, dass die N. N. vagi durch die Ligaturen der Venen nicht mit ein- geschnürt sind, 6. Werden, nach ‚Anstellung des Versuches 4, die Electro- den an,die N. N. vagi applieirt, so werden dadurch die Zu- sammenziehungen des Herzens ni cht sistirt. In dieser Beziehung entspricht dieser Versuch dem unter 2 mitgetheilten und zwar ist der Grund der Fortdaner ‘der Herzzusammenziehungen der gleiche, Es versteht sich von selbst, dass Application der Bleetro- den, an die N. vagi die. Zusammenziehungen der Hohlvenen cessiren macht. 87 7. Wird genau diejenige Stelle unterbunden, wo der Hohlvenensinus in den rechten Vorhof mündet, so steht das ganze Herz im Zustande der Diastole anhaltend stille. Nur die drei Hohlvenen und der Sinus ziehen sich selbständig zusammen. Einige Male ist es mir gelungen, den gleichen Erfolg durch Abschneidung des Herzens an der genannten Stelle zu erzielen ; doch vermochte ich nur zwei Mal dies Resultat zu beobachten. Die Quetschung beim Abschneiden muss die gleiche Wirkung, wie die Unterbindung gehabt haben. 8. Legt man, von dieser Uebergangsstelle des Hohlvenen- sinus in den rechten Vorhof ausgehend und zum Ostium veno- sum der Kammer vorschreitend, Ligaturen um die Vorhöfe verschiedener Frösche, so sieht man, dass der abgeschnürte Theil der Vorhöfe, nebst, dem Ventrikel immer stille steht, während der mit dem Hohlvenensinus in ununterbrochener Verbindung gebliebene Abschnitt der Vorhöfe, gleich den Ve- nen und dem Sinus, in rhythmischen Contractionen begriffen bleibt. Selbst wenn man die Unterbindung in unmittelbarer Nähe des Ventrikels vornimmt, erfolgt Stillstand des letzteren, vorausgesetzt, dass nur die äusserste Grenze des Ventrikels selbst nicht mit eingeschnürt ist. Umlegung einer Ligatur um eine beliebige Stelle der Vor- höfe hat also auf die abgeschnürten Theile des Herzens den- selben Einfluss, wie die Application der Eleetroden des Rota- tions-Apparates an die Nervi vagi oder an die Medulla oblon- gata des nicht unterbundenen Herzens. 9. Wird einem kräftigen Frosche genau um die Querfurche des Herzens, also ganz hart um die Grenze des Ventrikels eine Ligatur gelegt, so bleiben beide von einander abgeschnürte Hälften des Herzens in rhythmischen Contractionen begriffen. Die Zusammenziehungen beider sind aber weder gleichzeitig, noch gleichzählig; gewöhnlich kommen nämlich 2. bis 3 Zusam- inenziehungen der Vorhöfe und der mit ihm in ungestörter Communication stehenden Hohlvenen auf eine Contraction des Ventrikels. Die Aussenfläche des letzteren wird bei der Con- traction mehr oder minder stark gekräuselt. 85 10. Legt man, nach Anstellung des unter 7 be- schriebenen Versuches, dessen Resultat Still- stand des ganzen Herzens ist, eine Ligatur um die Grenze zwischen Kammer und Vorhöfen, welche zugleich den Bulbus arteriosus mit umschnürt, so zieht sich der Ventrikel rhythmisch lange Zeit hin- durch zusammen, während die Vorhöfein Ruhe ver- harren. In der Regel sah ich, nach Anstellung dieses Ver- suches, auch den Bulbus sich zusammenziehen; bald isochro- nisch mit dem Ventrikel, bald so, dass 4 bis 5 Zusammen- ziehungen des Bulbus auf eine einzige Contraction des Ven- trikels kamen. In einzelnen Fällen schien jedoch der Bulbus ganz bewegungslos zu bleiben. Diese letztere Thatsache, gleich der anderen, dass bis- weilen noch einzelne sehr seltene Contractionen der Vorhöfe sich zeigen, muss durch gewisse schwer zu vermeidende Un- gleichheiten bei Anstellung des Versuches bedingt sein. Die Angabe, dass die Contraction des Ventrikels von der Ligaturstelle aus abwärts, die des Bulbus dagegen aufwärts schreite, beruhet auf Täuschung; je öfter ich das Phänomen beobachtete, um so schwieriger wurde es mir, einen bestimm- ten Ausgangspunkt der Zusammenziehung zu erkennen. 11. Hat man das ganze Herz in der unter 7 geschilderten Weise zun Stillstande gebracht, so vermag es durch jeden mechanischen oder galvanischen Reiz wieder in länger oder kürzer anhaltende Contractionen versetzt zu werden. Wird in den Ventrikel eine Nadelspitze eingestochen,. so ziehen sich gewöhnlich zuerst die Vorhöfe, dann aber der Ventrikel und Bulbus zusammen; hierauf erfolgen meistens noch eine oder zwei Contractionen der Vorhöfe ohne Theilnahme des Ventri- kels. — Bisweilen geht indessen der Contraction der Vorhöfe diejenige des Ventrikels und des Bulbus voran. Schwache Reizung des Ventrikels mit der Nadelspitze oder durch Streichen seiner Aussenwand mit einer Feder oder einem dünnen Scalpel hat oft gar keine Zusammenziehung irgend eines Herztheiles der Vorhöfe bes zur Folge, während ganz ähnliche Reizung ändig eine von ihnen ausgehende, auf den ke) sg Ventrikel sich fortpflanzende Contraetion hervorruft. Der Unterschied in der Empfänglichkeit beider Herzabschnitte für äussere Reize ist also sehr gross. Während Reizung der Spitze des Ventrikels in der Regel eine einmalige, von den Vorhöfen ausgehende Zusammenziehung des ganzen Herzens bedingt, ist es mir doch auch gelungen, einige Zeit nach Anlegung der Ligatur, die Spitze des Ventrikels mit der Scheere abzturagen, oder in den Ventrikel einzustechen, ohne dass irgend eine Contraetion darauf erfolgt wäre. Werden die Vorhöfe mechanisch gereizt, so’ ziehen sie zuerst sich zusammen; dann der Ventrikel; hierauf erfolgen noch eine oder zwei Contractionen der Vorhöfe. Doch kom- men Fälle vor, wo die secundären Contraetionen der Vorhöfe ausbleiben. Reizung der Grenze zwischen Ventrikel und Vorhöfen zieht acht bis zehn Mal auf einander folgende rythmische Contrac- tionen von Ventrikel und Vorhöfen nach sich. 12. Ist auf die unter 7 bezeichnete Weise das Herz zum Stillstande gebracht worden, während die rhythmischen Con- tractionen der drei Hohlvenen fortdauern, so sistiren letztere, sobald die Eleetroden des Rotations-Apparates an die Nervi vagi gebracht werden. 13. Sobald nach Anstellung des mit 7 bezeichneten Versu- ches das Herz zum Stillstande gebracht, dann aber auf Anlass stärkerer mechanicher Reizung in einer Reihe von Zusammen- ziehungen begriffen ist, dauern diese letzteren bei Application der Eleetroden an die Medulla oblongata oder an die Nervi vagi ungestört fort, während die Zusammenziehungen der Hlohlvenen sistiren. 14. Wird nach genauer Anstellung des unter 7 beschriebe- nen Versuches eine zweite Ligatur um eine nahe gelegene Vorhofsstelle gebracht, so zieht sich das zwischen den beiden Ligaturen liegende Segment in der Regel nicht zusammen. ls ist mir wahrscheinlich , dass zwei entgegengesetzte Beob- achtungen, die ich gemacht zu haben glaubte, auf ungenügen- der Anstellung des Versuches beruhen. 15, Die durch den Versuch 14 im Zustande der -Diastole 90 stille stehenden Vorhöfe machen auf jeden örtlichen mechani- schen Reiz eine einzige, von dem Hohlvenensacke aus, nach der Grenze des Ventrikels hin fortschreitende Contraetion. Zu solcher Contraetion werden sie leichter durch Reizung von der Grenze des Sinus, als durch Reizung von der Grenze des Ven- trikels aus sollieitirt. 16, Die durch den Versuch 14 in den Zustand beharrlicher Diastole versetzten Vorhöfe werden durch Application der Electroden des Rotations- Apparates niemals zu einem allge- meinen tetanischen Krampfe sollieitirt, sondern gerathen in Zusammenziehungen, die durch längere Pausen unterbrochen sind. Ich erzielte durch Application der Eleetroden des Ro- tations-Apparates 14 Contractionen in 30 Secunden. 17. Durch die um die Querfurche des Herzens gelegte Ligatur werden, nach Maassgabe des Versuches 10, der Ven- trikel und der Bulbus zu rhythmischen Zusammenziehungen sollieitirt. Diese halten lange an. Erfolgt endlich Stillstand beider Herztheile, so: können sie durch mechanische Reizung wieder in rhythmische Contraetionen versetzt werden, die aber nach Verfluss der Reizung bald sistiren. Später sind sie noch durch Application der Electroden des Rotations- Appa- rates auf die Substanz des Ventrikels und des Bulbus zu er- zielen; niemals aber gelingt es, den Ventrikel oder den Bul- bus in allgemeinen Tetanus zu versetzen. Ich erlangte in 30 Secunden nur 14 his 15 durch zwischenliegende Pausen unterbrochene Contractionen. 15. Anlegung einer Ligatur um die aus dem Herzen her- vorgehenden Arterienstämme bringt weder das pulsirende Herz zur Ruhe, noch setzt sie das stille stehende Herz wieder in Bewegung. Eben so wenig Einfluss äussert Anlegung einer Ligatur um die Lungenvenen. 19. Wird zuerst eine Ligatur um die austretenden Arterien- stämme und dann eine zweite um den Vorhof an der Eintritts- stelle desHohlvenensinus gelegt, so erfolgt Stillstand des Her- zens, wie in Versuch 7. Wenn ich zwei Mal Fortdauer der rhythmisehen Contractionen beobachtete, so war anscheinend die Ligatur um den Sinus und nicht um den Vorhof gelegt. 91 20. Wird der Ventrikel durch einen Querschnitt unterhalb der Herzfurche abgetrennt, so zieht er sich häufig ziemlich lange nach seiner Isolirung noch rhythmisch zusammen, na- mentlich wenn er in Blut gelegt wird. 21. Werden die Vorhöfe an der Furche durch einen unvoll- ständigen Querschnitt unvollkommen von dem Ventrikel ge- trennt, also noch durch eine Brücke mit ihm in Verbindung erhalten, so bleiben beide: Vorhöfe und Ventrikel noch län- gere Zeit hindurch in rhythmischen Contraetionen begriffen. 22. Wird, nach vorausgegangener Anlegung einer Ligatur um den venösen Sinus, der rechte Vorhof durch einen Quer- schnitt vom Ventrikel getrennt, so bleibt er in rhythmischen Zusammenziehungen begriffen. Werden jetzt von der Ventri- eular-Mündung aus ringförmige Segmente durch Scheeren- sehnitte von ihm genommen, so ziehen sich diese nicht mehr zusammen, während das mit einem Theile des Sinus venosus zusammenhangende Vorhofs-Segment rhythmisch fortpulsirt. 23. Ist der rechte Vorhof selbst in der Nähe der Einmün- dungsstelle des Hohlvenensackes unterbunden, so dass ein Segment desselben mit dem nicht unterbundenen Hohlvenen- sinus in ununterbrochenem Zusammenhange bleibt, so sieht man, dass das genannte Segment nebst den Hohlvenenanfän- gen rhythmisch sieh contrahirt. Hat nun der Frosch ander- weitig ziemlich viel Blut verloren, so erkennt man oft, doch nicht immer, dass bei jeder Zusammenziehung jenes Segmentes das ganze untere Hohladersystem mit pulsirt. Namentlich er- strecken sich diese Pulsationen auch auf die Venae renales revehentes und ihre Anfänge in den Nieren. Berührung der Nervi vagi mit den Electroden des Rotations- Apparates be- wirkt Öession aller dieser Pulsationen. 24. Sobald die Hohlvenenstämme, nach Anstellung des Ver- suches 7, von Blut vollkommen ausgedehnt sind, hören sie häufig auf sich zu contrahiren; entleert man Blut, so beginnen ihre rhythmischen Contractionen von Neuem. 92 Das merkwürdigste Ergebniss dieser Versuche ist also das: dass Umschnürung irgend einer Stelle der Herzvorhöfe die Contracetionen der dem Ven- trikel näher liegenden, also abgeschnürten Vorhofs-Partieen, so wiedesVentrikels selbst dauernd hemmt; dass dagegen Umschnürung der Ventriculargrenze den zuvor in Ruhe ver- setzten Ventrikel wieder zu anhaltenden Con- tractionen veranlasst. So sehr diese Thatsachen, in Verbindung mit den übrigen hier mitgetheilten, auf die Existenz zweier nervöser Central- organe des Herzens hinzuweisen scheinen, so wahrscheinlich es immer wird, dass diese Centralorgane selbst ganz verschie- dener Natur sind, indem ‘das eine die Contractionen zu hem- men, das andere sie zu fördern scheint — so dürfte doch für jetzt eine genügende Deutung derselben schwer zu ge- ben sein. 2. Versuche mit Blausäure, Bereits vor 15 Jahren stellte ich in Berlin, in Beisein mei- nes Freundes Dr. Ohrtmann, Versuche an über die Wirkung des Strychnin, des Opium und der Blausäure, von welchen nur die ersteren bekannt gemacht wurden. Mehre damals ge- machte Beobachtungen deuteten darauf hin, dass bei Fröschen die Wirkung des Strychnins (Strychninum nitrieum) durch vor- ausgegangene oder gleichzeitige Beibringung von Blausäure paralysirt werde. Es schien mir wichtig, diese anscheinend erkannte Thatsache, welche seitdem auch anderen Forschern, unter Anderen Hermann Meyer, nicht entgangen ist, durch neue Versuche zu constatiren. Die Blausäure, deren ich mich bei den nachfolgenden Ver- suchen bediente, verdanke ich der Güte meinesCollegen, Herrn Professor Franz Schulze, der auch den meisten Experimen- ten, die ich unter Assistenz von Studirenden anstellte, bei- wohnte. Die benutzten Flüssigkeiten selbst enthielten 3,5 bis 6.5 p.Üt. wasserfreier Blausäure und waren frei von Alkohol. 95 Zunächst wurde einigen Fröschen eine Quantität dieses Gif- tes in das Herz, in die Gefässe, unter die Haut oder in die Eingeweidehöhle eingebracht. Die Frösche erschienen alsbald träge, matt, hinfällig, an- scheinend etwas betäubt; sie waren in ihren Bewegungen sehr schwerfällig; die Tendenz zu refleetirten Bewegungen war sehr gering; auf Kneipen der Zehen erfolgten keine Zuckungen. Spontane Zuckungen oder Conyulsionen blieben gänzlich aus; auch dann, wenn die Blausäure unmittelbar auf die Medulla oblongata oder das Gehirn gebracht war. Um die Modificationen, welche die Erscheinungen der Strychninvergiftung durch Beibringung von Blausäure erfah- ren, kennen zu lernen, sind folgende Versuche angestellt worden: 1. Einem Frosche, welchem zuerst Blausäure unter die Hautdecken eingespritzt war und der matt und in seinen Be- wegungen sehr schwerfällig erschien, wurde Strychnin (St. nitricum) in eoncentrirter Auflösung auf die Medulla oblon- gata gebracht. Nach Verlauf einiger Minuten erschien der rechte Schenkel auf einen Moment in Starrkrampf begriffen ; weitere, allgemeine Starrkrämpfe traten aber durchaus nicht ein. DasThier schien matt und ganz erschöpft, war auch bald darauf todt. Nach 12 Stunden war noch keine Todtenstarre wahrnehmbar; nach wieder 13 Stunden war nur der rechte Schenkel starr. 2. Einem anderen Frosche wurden eine concentrirteStrych- ninlösung und eine etwas grössere Quantität Blausäure zu- gleich in die Rückenmarkshöhle und auf die Medulla oblon- gata gebracht. Nach einigen Minuten trat ein ganz momen- tanes Strecken beider Hinterextremitäten ein, worauf das Tbier in vollständige Schlaffheit verfiel und bald starb. Nach 4'/, Stunden zuckten die Muskeln auf Application der Elec- troden des Rotations-Apparates nicht mehr, und 7 Stunden später war noch keine Todtenstarre eingetreten. ‚3. Einem anderen Frosche wurde ebenfalls Blausäure mit Stryehnin auf die blossgelegte Medulla oblongata gebracht. Es traten sehr schwache und kurz dauernde Starrkrämpfe 94 ein. Nach 6 Stunden zuckten die Muskeln nicht mehr auf Reize; aber 4'/, Stunden später war noch keine Todtenstarre vorhanden. 4. Einem vierten Frosche wurde ein Gemenge von Blau- säure und Strychninauflösung durch den After beigebracht. Nach 2 Minuten zeigte sich ein ganz leises Zittern im Ober- schenkel; hierauf im Unterschenkel, jedoch ohne alles krampf- hafte Strecken. Nach einer Stunde ruhigen Dasitzens in mattem, schlaffem Zustande erfolgte Tod. Fünf Stunden nach Beibringung der Gifte waren keine Muskelzuckungen auf elec- trische Reizung mehr zu erzielen; indessen war auch keine Todtenstarre eingetreten. Vier Stunden später dasselbe Resultat. 5. Der gleiche Versuch wurde bei einem fünften Frosche angestellt. Nach Verlauf einer Minute traten spurweise Zuckungen im rechten Schenkel ein; dann Schlaffheit und bald Tod. Nach 3 Stunden zuckten noch die Muskeln auf Reizung. Nach 4‘, Stunden wurde Verlust der Leistungs- fähigkeit der Muskeln beobachtet, aber Todtenstarre vermisst. Ebenso nach 10 Stunden. 6. Der Versuch ward aufs Neue wiederholt. Nach Verlauf von 3 Minuten trat allgemeiner Tetanus ein, welcher nach 2 Minuten spurlos verschwand und der Erschlaffung Platz machte. Tod. Nach 4 Stunden waren noch Muskelzuekungen durch Anwendung des Rotations- Apparates zu erzielen. Nach S'/, Stunden zeigte sich Verlust der Leistungsfähigkeit der Muskeln und Todtenstarre. 7. Bei einem siebenten Frosche, der zu dem gleichen Ver- suche dienen musste, zeigten sich nach 2 Minuten sehr schwache Spuren von Starrkrampf, zuerst in der einen, dann in ‚der andern Extremität; dann Schlaffheit; später trat noch ein Mal eine leise Spur von Zuckungen in den linken Zehen ein. Auf Reizung der Zehen zeigte sich nur eine sehr geringe Neigung zu Reflexbewegungen. Bald trat Tod ein. Nach 4'/, Stunden wurde Verlust der Leistungsfähigkeit der Muskeln, sowie be- ginnende Todtenstarre beobachtet. Nach 7’/, Stunden war schwache Starre vorhanden. ‘ 95 8. Bei einem achten Frosche trat keine Spur von teta- nischen Krämpfen ein. Er lag schlaf! da. Nach 4'/, Stunden zeigte sich Verlust der Leistungsfähigkeit der Muskeln, aber keine Todtenstarre. Noch nach 7 Stunden war keine Todten- starre vorhanden. Die so eben mitgetheilten Thatsachen über Hemmung der tetanischen Wirkung des Strychnins durch Blausäure, welche um so sicherer begründet sind, da das ohne Blausäure ange- wendete Strychnin an demselben Tage auf andere Frösche sehr intensiv unter Hervorrufung der bekannten Erscheinun- gen einwirkte, — regten die Frage an, ob Blausäure auf den motorischen Nerven oder auf die Muskelsubstanz selbst wirke. Zur Erledigung dieser Frage wurden folgende Versuche angestellt: 1. Die sämmtlichen für eine Hinterextremität bestimmten Nerven wurden an ihrer Austrittsstelle aus dem Canalis spi- nalis durchschnitten und isolirt; darauf ward der Schenkel amputirt. Die genannten auspräparirten, aber mit dem Schen- kel in ungestörter Verbindung erhaltenen Nerven wurden ins- gesammt in ein mit Blausäure gefülltes Gefäss so weit als möglich eingetaucht. In das Gefäss wurde von Zeit zu Zeit neue Blausäure eingegossen, um den durch Verdunstung er- zeugten Verlust zu compehsiren. Die äussersten freien Enden der in Blausäure eingetauchten Nerven wurden nun von Zeit zu Zeit mit den Eleetroden des Rotations- Apparates gereizt. Noch nach Verlauf von 3 Stunden entstanden bei Berührung der Nerven an ihren äussersten freien Enden Zuckungen in den ausserhalb der giftigen Flüssigkeit befindlichen Muskeln des Schenkels. Eine halbe Stunde später blieben sie aus. Anfangs, und zwar noch nach Verlauf von einer Stunde, zeiehneten sich die Zuckungen durch ihre Lebhaftigkeit aus, die viel bedeutender war, als an einem anderen Schenkel, dessen Nerven in destillirtes Wasser getaucht waren. 2. Andererseits wurde der zweite Schenkel desselben Frosches in einen mit Blausäure von gleicher Stärke gefüllten Glaseylinder getaucht. Nach 7 Minuten ward er herausge- nommen; aber weder bei Reizung der Nerven, noch der Mus- 96 keln mit den Eleetroden erfolgte eine Zuckung. Nachdem der Schenkel etwa 1 Minute lang der atmosphärischen Luft aus- gesetzt gewesen, konnten wieder Zuckungen erzielt werden. Er ward von Neuem in Blausäure getaucht. 17 Minuten nach erstem Beginne des Eintauchens war wieder keine Zuckung zu erzielen. Nachdem der Schenkel wieder 2 Minuten lang der atmosphärischen Luft ausgesetzt gewesen, traten auf Rei- zung abermals Zuckungen ein. Abermaliges Eintauchen in Blau- säure hatte binnen wenig Minuten vollständige Unempfäng- lichkeit der Muskeln für Reize nach sich gezogen. Die nicht mehr leistungsfähigen Muskeln befanden sich aber nicht im Zustande der Starre, sondern waren schlaff und "weich. Diese Versuche sind vielfach wiederholt und modifieirt worden. 3. Es wurden in ein und dasselbe Gefäss voll Blausäure die, wie oben geschildert, präparirten Nerven eines Frosch- schenkels und einzelne sehr reizbare Muskeln des andern Schenkels gebracht. Letztere hatten ihre Leistungsfähigkeit binnen 7-8 Minuten vollkommen eingebüsst, während die Reizung der Nerven des ersten Schenkels, dessen Muskeln selbst nicht mit Blausäure in Berührung gekommen waren, in diesen die lebhaftesten Zuekungen hervorrief. 4. Andere Male wurden von Haut entblösste Schenkel oder einzelne Glieder eines Schenkels so in ein Gefäss mit Blausäure gebracht, dass die ganz frei gelegten Hauptstämme der Nerven nebst der obersten Muskulatur in Blausäure ge- taucht wurden, während andere Abschnitte, z. B. die Tarsi. Metatarsi und Zehen, frei aus dem Gefässe heraushingen. Wurden nun die in dem Gifte liegenden Muskeln gereizt , so zuckten sie nicht mehr, wurden aber die gleichfalls von dem Gifte umspülten Nervenstämme berührt, so erfolgten die leb- haftesten Zuckungen in den Muskeln der Regio tarsi, metatarsi und der Zehen, welche letzteren von dem Gifte nicht unmittel- bar berührt waren. 5. Leicht gelingt es, den Musculus gastroenemius, an des- sen Seiten die Nerven für die Muskeln der Regio tarsi, meta- tarsi und der Zehen verlaufen, so in ein kleines Gefäss mit I Blausäure zu bringen, dass nur jener Muskel und die an ihm verlaufenden Nerven in das Gift getaucht werden, die Fuss- gegend aber frei aus dem Gefässe heraushängt. Man kann sich nun überzeugen, dass der eingetauchte Muskel sehr bald völ- lig abstirbt, während die an seiner Aussenfläche verlaufenden Nerven noch Stunden lang fähig bleiben, auf electrische Rei- zung die von ihnen abhängigen mit dem Gifte nicht in unmit- telbaren Contact gekommenen Muskeln der Fussgegend zu Bewegungen zu sollieitiren. 6. Es handelte sich nun darum, zu erfahren, ob die Blau- säure auf Nerven und Muskeln von Säugethieren ebenso wirke, wie auf die genannten Gebilde von Fröschen. Zu Versuchen erschienen mir der Nervus phrenicus und das Zwerchfell von Kaninchen am geeignetsten. Wurde das centrale Ende des zuvor durchschnittenen Nervus phrenicus eines frisch getödte- ten Kaninchens in Blausäure eingeführt, so behauptete das eingetaucht gewesene Stück des Nerven seine Leistungsfähig- keit über eine Viertelstunde lang, sobald man ein zu schnelles Eintrocknen des Zwerchfells durch Befeuchtung mit Blut ver- hinderte. Wurde dagegen ein ausgeschnittenes, sehr lebhaft reagirendes Stückchen des Zwerchfelles selbst in Blausäure eingetaucht, so hatte es seine Contraetilität binnen 4-5 Mi- nuten völlig eingebüsst. Diesen Erfahrungen gemäss darf es als eine gesicherte Thatsache betrachtet werden: dass die Blausäure, in unmittelbare Berührung gesetzt mit dem moto- rischen Nerven, dessen Leistungsfähigkeit nicht herabsetzt, dagegen tödtend auf den Muskel wirkt, mit welchem sie in unmittelbaren Contact kommt. Opium, Stryehnin und chlorwasserstoffsaures Coniin *) wirken ganz anders, wie vergleichende Versuche heraus- stellen. *) Anm. Reines Coniin wirkt wieder anders. Es bewirkt schnell Coagulation des Blutes, tödtef Nerven und Muskeln binnen wenigen Minnten und bedingt sehr bald ausgeprägte Todtenstarre. - Müllers Archiv, 1852, = 98 a. Die auf die vorhin angegebene Weise auspräparirten Schenkelnerven eines Frosches wurden, mit Ausschluss der Muskeln, in eine Auflösung von Extractum Opii aquosum, von dessen Wirksamkeit ich durch Application auf die innere Herzoberfläche mich überzeugt hatte, eingetaucht. Nach 45 Minuten waren sie vollkommen unempfänglich für den eleetri- schen Reiz und zwar so weit sie nur in die Opiumlösung ein- getaucht gewesen waren. Die Muskeln des andern Schenkels desselben Frosches, welche in das gleiche Gefäss mit Opium- lösung getaucht waren, zuckten auf die gleiche Reizung nach 2 Stunden stark und deutlich, und hatten erst nach 4, Stun- den ihre Leistungsfähigkeit völlig eingebüsst. b. Viel langsamer und beschränkter stellte die locale Wir- kung einer sehr concentrirten Strychninlösung sich heraus. Die in dieselbe eingetauchten Nerven hatten ihre Empfänglichkeit gegen den electrischen Reiz uach 45 Minuten nur an den äus- sersten freien Enden verloren; wurden diese abgeschnitten, so zuckten noch die Schenkelmuskeln auf mechanische Reizung jener Nervenstämme und dies geschah noch viel später auf Application der Eleetroden des Rotations-Apparates. Die in dieselbe Lösung eingetauchten Muskeln waren noch nach zwei Stunden durchaus leistungsfähig. — Sowohl die in Opium- lösung, als auch die in der concentrirten Lösung des Stryehninum nitrieum abgestorbenen Muskeln verfielen in Tod- tenstarre, €. „Wurden die, wie gewöhnlich auspräparirten, Nerven eines Froschschenkels in eine concentrirte Auflösung von chlorwasserstoffsaurem Coniin getaucht, so hatten sie nach 4 Minuten ihren Einfluss auf die Muskeln an den äussersten' En- den eingebüsst. Dieser Verlust des Lebens schritt in den ein- getaucht gewesenen Nerven nur langsam fort. Wurde der Oberschenkel in das gleiche Gift getaucht, so hatten nach 26-30 Minuten seine Muskeln und Nerven ihre Leistungsfähig- keit verloren. Beim Eintauchen selbst waren lebhafte Zuckun- gen eingetreten. Zu der Blausäure zurückkehrend, will ich nicht unerwähnt lassen, dass im Momente der Eintauchung der abgeschnittenen 99 Nervenenden oder des von Haut entblössten abgeschnittenen Schenkels selbst, bei den ersten Versuchen in der Regel Mus- kelzuckungen eintraten, welche fast eine Minute lang anhiel- ten, aber später niemals wiederkehrten. Da diese Zuekungen nicht beständig sich einstellten, da sie namentlich auch dann ausblieben, ‘wenn der noch mit dem übrigen Körper in Ver- bindung gehaltene, obschon von Haut entblösste Schenkel in die Flüssigkeit getaucht ward, da solche Zuckungen auch im- mer vermisst wurden, wenn einem Frosche Blausäure unter die Haut oder auf die Centralorgane des Nervensystems ge- bracht ward, so ist ihrem Auftreten anscheinend kein grosses Gewicht beizulegen. In Betreff der Todtenstarre füge ich noch folgende Bemer- kungen hinzu: 1. Wenn ich die Schenkel oder die Körper kleinerer Frö- sche, deren Muskeln durch Blausäure ihre Leistungsfähigkeit verloren hatten, in Blausäure liegen liess, so sah ich sie nie in Todtenstarre verfallen. 2. Nahm ich aber einen durch Blausäure temporär leistungs- unfähig gewordenen Schenkel frühzeitig aus der Flüssigkeit heraus und exponirte ihn der atmosphärischen Luft, so trat bisweilen noch später schwache Starre ein. Sollten diese Beobachtungen sich als ganz beständig erwei- sen, so würden sie wahrscheinlich machen, dass das Abster- ben der Nerven vor dem Muskeltode eine Bedingung des Ein- trittes der Todtenstarre ist. Der schlaffe Zustand, in welchem die in Blausäure bewahr- ten Muskeln verharren, und das Ausbleiben der Todtenstarre könnten darauf deuten, dass die Blausäure die Muskeln etwa ihrer Elastieitätsgrösse beraubte. Wäre dies der Fall, so müsste auch die Blausäure, wenigstens bei eintretender Toodtenstarre, die Muskeln in schlaffen Zustand versetzen; dies thut sie aber keinesweges. Schliesst man nämlich einen von Haut entblöss- ten und in Uebergang zur Todtenstarre begriffenen .Frosch- schenkel, an dem die meisten Muskeln auf den stärksten un- mittelbaren Reiz nicht mehr antworten und im Zustande der 7* 100 Starre unbeweglich verharren, an dessen übrigen Muskeln aber nur noch schwache Spuren von Zuckungen einzelner Faseikel zu erlangen sind, in ein Gefäss mit Blausäure ein, so erhält sich die Starre unverändert. Schliesslich sei noch erwähnt, dass ich bei mikroskopischer Untersuchung der in Blausäure getödteten Muskeln nichts Bi- genthümliches wahrgenommen habe. 101 Ueber das Wesen der Pacchionischen Drüsen. Von Professor Luscuka in Tübingen. (Hierzu Taf. IV.) Es war im Jahre 1705, als durch Paechioni*) die erste Kunde von der Existenz jener Bildungen gebracht wurde. Nach dem Zeugnisse dieses Forschers entdeckte er dieselben fast gleich- zeitig mit Mery und Fantoni. Von dem Augenblicke der ersten Wahrnehmung jener räthselhaften Gebilde an bis zur gegenwärtigen Stunde konnte, trotz vielfacher Bemü- hungen, weder über ihre Natur noch Entstehungsweise, ja nicht einmal üher ihren ursprünglichen Sitz eine zulänglich befriedigende Kenntniss erlangt werden. Pacchioni hegte anfangs die Meinung, dass sie mit von ihm angenommenen Lymphgefässen des Gehirns in Beziehung stehen. Diese An- sicht verliess er aber alsbald wieder und schrieb ihnen jetzt die Natur und Bedeutung von eigenthümlichen Drüsen zu, welche das Product ihrer Seeretion in den Längsblutleiter ergiessen. Die Vorstellung, dass in ihnen drüsige, zumal den Lymphdrüsen verwandte Gebilde gegeben seien, wurde noch- mals von mehreren Anatomen getheilt, und Malacarne will selbst einen schmierigen Saft aus ihnen gedrückt haben. Während von späteren Beobachtern die einen, mehr aus 1) Dissert. epistolaris ad Luc. Schroekium de glandulis durae me- ningis humanae, indeque ortis Iymphatieis ad piam matrem productis. Romas 1705 et Dissertatio physiologie. de dura meninge. Romae 1721. 102 Rathlosigkeit als durch eine bestimmte Ueberzeugung geleitet, diese Vorstellungsweise längere Zeit forttrugen, bezeichneten an- dere von entschieden anderer Meinung jene kleinen, rundlichen Körperchen ihrer Form nach als „‚Granulationen “, vor der Hand auf eine befriedigende Einsicht in ihre Natur und Be- deutung verzichtend. Einer selbstständigen und von den frü- heren Annahmen verschiedenen Erklärung begegnet man bei Ruysch '), welcher jene rundlichen Körnehen zu den Seiten des Längsblutleiters für grössere und kleinere Fettklümpchen ansprach. Die weisslichen, in Häufchen zusammenliegenden Körnchen auf der Spinnenwebenhaut des Gehirns erscheinen auchSömmerring ’) fast wie die Fettklümpchen in Embryo- nen. Die meisten neueren Beobachter betrachten die Paechio- nischen Drüsen als pathologische Producte, welche durch Congestiv- und Reizungszustände der Gefässhaut bedingt seien. Am nachdrücklichsten wurde die Ansicht von ihrer pathologi- schen Entstehung durch Rokitansky °) urgirt. Sie haben nach diesem Beobachter keine andere Bedeutung als die der fibroiden Verdiekung einer serösen Haut in granulirter Ge- stalt. Sie sind die Producte krankhafter Ausschwitzungen in die Spinnenwebenhaut des Gehirnes. Zur Vervollständigung des pathologischen Bildes erkannte man als feinste Elemen- tartheilchen ‚‚Exsudatkugeln- oder Fasern‘*%). Wie sich über das Wesen der Paechionischen Drüsen Mei- nungsverschiedenheiten kund gaben, so bestanden, und beste- hen zur Stunde noch solche über deren ursprünglichen Sitz. Es werden sowohl die Gefässhaut als “ie Spinnenwebenhaut und die harte Hirnhaut als die Ausgangspunkte derselben be- zeichnet. Krause °) und mit ihm mehrere der neueren Schrift- steller lassen die Paechionischen Drüsen von der Gefässhaut des Gehirns ausgehen, so wie denn mit ihm einzelne, ausser 1) Thesaurus anatomicus. Amsterdam 1737. 2) Vom Baue des menschlichen Körpers. Frankfurt 1800. V. Th. 1. Abtheilung. 3) Handbuch der spez. pathologischen Anatomie. 1. Bd. S. 714. 4) Hyrtl, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 1846. S. 562. 5) Handbuch der menschlichen Anatomie. Hanover 1843. S. 1034. u 105 der gewöhnlich angenommenen Stelle, auch die Nähe der * Flocken des kleinen Gehirns, die quere Spalte des Gross- und Kleinhirns als die Orte ihres Vorkommens anführen. Nach Cruveilhbier ') ist der wahre Sitz jener Körperchen das subarachnoideale Bindegewebe, von wo aus sie in weiterer Entwicklung an der Oberfläche erscheinen und schliesslich in das Gewebe der harten Spinnhaut dringen. Rokitansky und mit ihm die meisten Jetzigen verlegen sie, als pathologi- sche Trübungen und Verdiekungen, ihrer supponirten Ver- wandtschaft wegen mit derlei Veränderungen in anderweiten serösen Häuten, in die Arachnoidea cerebri. Nur wenige Be- obachter neigen sich der Ansicht zu, dass der primäre’ Sitz der Pacchionischen Drüsen die harte Hirnhaut sei. Doch finde ich bei Hildebrandt-Weber ?) und Anderen die Angabe, dass theils zwischen den beiden Platten der harten Haut, theils auf ihrer auswendigen Platte die Glandulae Pacchjoni ihren Sitz haben. Nach der Berichtigung so verschiedenartiger Angaben über die Natur und dem ursprünglichen Sitz der Pacchionischen Drüsen, und nach der schliesslich entschiedenen Annahme ihrer pathologischen Bedeutung seitens fast aller Schriftsteller und Lehrer der gegenwärtigen Zeit, möchte es nahezu als eine undankbare Bemühung erscheinen, dieselben von Neuem zum Gegenstande einer Untersuchung zu machen. Doch, mit der genauern Erforschung der zottenförmigen Verlängerungen der Synovialhäute, wurden auch für jenen Gegenstand neue Ge- sichtspunkte eröffnet, welche neben mehrfachen Bedenken ge- gen die bestehende Ansicht diese neuen Nachforsehungen ver- anlassten. Vor Allem aber ist es die gewonnene Kenntniss von dem ganz bestimmten, sich immer gleichbleibenden Verbrei- tungsbezirk, und von dem constanten Vorkommen der Pacchio- nischen Drüsen, was unser Nachdenken erwecken und unsere Zweifel nähren musste, Man findet jene Gebilde stets nur am 1) Anatomie descriptive I. Ed. Tom. IV. p. 597. 2) Handbuch der Anatomie des Menschen. Stuttgart 1833. TIL Bd S, 380 104 obern Rande der Halbkugeln des Grosshirns und gegen den obern Rand der grossen Hirnsichel dem ganzen Verlauf dieser Theile entlang. An dem von Krause u. A. noch bezeichne- ten Stellen finden sich wohl bisweilen den Paechionischen Drüsen äusserlich ähnliche Körperchen, welche nur in patho- logischen Veränderungen dort gelegener Gefässplexus begrün- det sind, aber mit den Pacchionischen Drüsen weder das Sub- strat, noch auch die feinere Zusammensetzung theilen. Sie liegen stets unter der Arachnoidea, sind von einem ausseror- dentlich massenhaften Epitel überzogen und zeigen auch bei aller Veränderung noch reichlich Blutgefässschlingen. Das beschränkte, sich immer gleichbleibende Vorkommen der Paechionischen Drüsen spricht entschieden gegen ihre Bil- dung durch pathologische Ausschwitzungen. Es ist in keiner Weise mit den anatomischen Verhältnissen vereinbar und durch sie erklärlich, warum an der Oberfläche des Gehirns nicht in grösserer Ausdehnung, sondern nur dem obern Rande der Halbkugeln entsprechend eine Exsudation statt finden sollte, während doch nicht allein in der nächsten Umgebung derselben, sondern über der ganzen Fläche der Hemisphären das Verhalten der Gefäss- und Spinnenwebenhaut zu einander, insbesondere nach Menge und Anordnung der Gefässe, ein we- sentlich gleicher ist. Für eine bei allen Menschen vorkommende Localisation von Congestiv- und Reizungszuständen nur an dem obern Rand der Hemisphären, dafür vermag weder die Anatomie eine Erklärung zu geben, noch sind Schädlichkeiten nachweislich, welche gerade nur, und immer nur auf jenen Stellen einwirkten. Man findet aber auch nicht, was nothwen- dige Folge einer Exsudation sein müsste — die doch nur aus der Gefässhaut statt finden könnte, da die Arachnoidea kaum Blutgefässe besitzt — dass an den Stellen der Paechionischen Drüsen die Spinnenwebenhaut fester mit der Pia mater verbun- den ist, gegentheils erkannte ich, dass eine Scheidung dort leich- ter als anderwärts zu vollführen ist, und mit der Arachnoidea stets auch die Granulationen abgezogen werden können. Darin liegt aber zugleich eine Widerlegung derjenigen, welche die 105 Pacchionischen Drüsen für eine krankhafte Veränderung der Gefässhaut des Gehirns ansehen. Wenn schon die Betrachtung der Verhältnisse an der Ober- fläche des Gehirns gegen die Entstehung der Pacchionischen Drüsen auf dem Wege einer pathologischen Exsudation spre- chen, so geschieht dies in einer noch augenfälligern Weise bei der Untersuchung jener Körperchen, wie sie zu beiden Seiten des Längsblutleiters an der inneren Fläche der harten Spinn- haut auftreten. Hier besteht nämlich eine solche Armuth ca- pillärer, eine plastische Exsudation vermittelnder Blutgefässe, dass jede andere Veränderung als die der Neubildung leichter Platz greifen wird, während dagegen stets sehr zahlreiche ur- sprünglich dort gebildete Paechionische Drüsen gefunden wer- den. Bei unbefangener Prüfung schon der angeführten That- sachen wird es wahrscheinlich, dass in der gangbaren Ansicht nur eine einseitig theoretische Auffassung gegeben sein kann. Diese wird aber durch eine detaillirte Prüfung als eine völlig irrthümliche erkannt. Da die Pacchionischen Drüsen sowohl an der Oberfläche des Gehirns, als auch an der innern Fläche der harten Haut gewisser Gegenden derselben eigenthümliche Bildungen sind, so betrachten wir gesondert: 1. Die Paechionischen Drüsen an der Ober- fläche des Gehirns. Die genaueste Kenntniss des Verbreitungsbezirks der Pac- chionischen Drüsen, und der am Orte ihres Auftretens beste- lienden normalen anatomischen Verhältnisse, wird ein um so grösseres Interesse gewähren, je mehr man nun dadurch in den Stand gesetzt wird, über ihre Entstehung und Bedeutung Aufschluss zu erlangen. Eine umsichtige an den verschieden- sten Leichen angestellte Nachforschung führte aber zu dem Ergebnisse, dass am Gehirn nur auf dem obern abgerunde- ten sogen. Sichelrande, jene kleinen, rundlichen Körperchen gefunden werden. Sie sind 80 sehr auf jene Stelle beschränkt, dass sie auch nicht zu einer Spur, weder auf jenen Flächen 106 der Hemisphären, welche in die Längsspalte schen, noch nach aussen vom Sichelrande auf den Halbkugeln des Gehirns vor- kommen. Von jenen abgerundeten Rändern aus treten grös- sere und kleinere Venen ab, welche das Blut aus der Gefäss- haut der Halbkugeln in den Längsblutleiter führen. Die Ge- fässe laufen zum Theile völlig isolirt zum Sinus, und werden beim Abziehen der harten Hirnhaut als kürzere und längere Stücke frei an der Sichel herabhängend gefunden. Die Spin- nenwebenhaut zeigt an jenen Rändern insofern ein bemerkens- werthes Verhalten, als sie auf den zum Sinus ziehenden Venen an die innere Fläche der Dura mater gelangt und die Gefässe selber umhüllt. An frischen Gehirnen vermag man an den Sichelrändern der Hemisphären über die noch injieirte Gefäss- haut stets grössere Stückchen der Arachnoidea mit Pacchioni- schen Drüsen abzuziehen, und ihrem Verlaufe auf den Venen zum Sinus zu folgen. Man überzeugt sich schon mit blossem Auge, dass die Arachnoidea die einzige Trägerin jener Ge- bilde ist, und dass an der untergelagerten Gefässhaut, wenn nicht zufällig besondere Erkrankungen derselben coneurrirten, durchaus keinerlei Veränderung zu bemerken ist. Bringt man ganz rein abgezogene, Paech. Ge. tragende Stücke der Arach- noidea, passend ausgebreitet, zur mikroskopischen Unter- suchung, so wird man sogleich gewahr werden, dass jene Granulationen in der Form von zottenartigen Ver- längerungen des Gewebes der Arachnoidea mehr weniger über deren Oberfläche hervorragen. Fig. 1. Die Arachnoidealzotten, wie ich nunmehr die Pacchio- nischen Drüsen nennen werde, sind ausserordentlich verschie- den nach Grösse und Form, und in sehr wechselnder Anzahl vorhanden. Obgleich ich dieselben bei keiner Altersstufe völ- lig vermisse, betrachte ich sie hier doch vorzugsweise nur wie sie völlig ausgebildet und noch in keiner Weise krankhaft ver- ändert, bei Individuen von 12-20 Jahren erscheinen. Je jünger die Individuen waren, um so kleiner und un- scheinbarer sind die Arachnoidealzotten; ja sie werden, wenn man auf die Untersuchung derselben nieht methodisch ausgeht, bisweilen wohl ganz übersehen werden können. Bei Leichen 107 von 16- 20jährigen Individuen fallen sie aber durch ihre weiss- liche Färbung, und dadurch, dass die Sichelränder der Hemi- sphären ein etwas unebenes Ansehen gewinnen, auch dem in die Sache nicht sehr Eingeweihten auf. Die Grösse der einzelnen Zotten geht bei dem bezeichneten Alter von der des kleinsten Mohnsamenkornes, bis zum Um- fange eines Hirsekornes. Die Zotten stehen sowohl ganz ver- einzelt, als auch dicht in Häufchen beisammen. Nicht selten sieht man an einem gemeinsamen Stiele traubenbeerähnlich eine grössere Anzahl derselben durch kurze Stielchen befestigt. Fig. 3. Am gewöhnlichsten bieten die Zotten eine kolbige oder birnenähnliche Gestalt dar, doch werden sie auch sehr oft schlauchartig in die Länge gezogen gefunden. Bei mässi- ger Vergrösserung wird wohl auch bisweilen ein lappenartiges Zerfallensein, Fig. 2, oder andere Male nur eine seichte Ein- kerbung am freien Ende der Zotte wahrgenommen. Die Zot- ten sind stets gestielt. Die Stielechen sind immer im Verhält- niss zum freien Ende ausserordentlich, für das blosse Auge oft spinnenfadenähnlich, dünn, übrigens bald kürzer bald län- ger, und oft so sehr verlängert, dass die Zotte in grösserem Kreise flottirt. Die Menge der Zotten ist oft so beträchtlich, dass die Sichelränder davon wie dicht besäet erscheinen, an- dere Male aber sparsam und so von einander abstehend, dass sie bei geringerer Grösse derBeobachtung leicht entgehen kön- nen. Die Farbe der Zotten differirt im ganz frischen Zustande und bei sehr jungen Individuen wenig vom Ansehen der Arach- noidea; bei ältern Subjeeten und zumal beim Aufbewahren in Weingeist werden sie weisslich, oft völlig milchweiss, und er- zeugen dann, wenn sie bei beträchtlicher Kleinheit und fleck- weiser Anordnung dicht gedrängt stehen, auf der Arachnoidea das Ansehen milchig getrübter, etwas rauher Stellen. Die kleinen Zotten sind fast immer solid, bei den grössern bemerkt man häufig eine völlig bläschenartige Beschaffenheit. Diese konnte ich jedoch nur bei jüngern Personen finden, während sie bei vorgerücktem Alter um so fester und derber befunden werden, je grösser sie sind. Eine für den normalen Bau der Arachnoidealzotten maass- 108 gebende, ihr Verhältniss zur Spinnenwebenhaut völlig aufklä- rende mikroskopische Untersuchung nimmt man, um zu einem überzeugenden Resultate zu gelangen, an Leichen von Indivi- duen aus den Blüthenjahren vor, an deren Gehirn und dessen Häuten keinerlei krankhafte Veränderungen bemerklich sind. Man wählt zuerst Stückehen der Arachnoidea mit möglichst kleineu Zöttchen, und breitet dieselben vorher sorgfältig und so aus, dass die Zotte über den Rand des Objectes ragt. Man wird sich durch solche Untersuchungen überzeugen, dass das völlig normale Fasergewebe der Arachnoidea, ohne irgend sei- ner Struetur fremde Elemente zu führen, sich ganz direet in verschieden gestaltete, nach der freien Fläche hingerichtete Fortsätze verlängert. Eine weiter gehende Untersuchung wird lehren, dass die sehr breiten theils homogenen, theils fein ge- streiften Bindegewebefasern der Arachnoidea convergirend aus der Ebene sich erheben und zu Stielen zusammentreten, gegen deren freie kolbige Enden sie in verschiedener Weise wieder auseinandergehen. Eine Anzahl der Fasern verläuft am Ende der Zotte bogenförmig, andere aber ragen frei über das stumpfe Ende hinaus. Es sind diess besonders die durch Breite ausgezeichneten Fasern. Diese zeigen dabei ein ‚höchst eigen- thümliches, sehr bemerkenswerthes Verhalten. Indem sie über die Oberfläche der Zotten hinaustreten, nehmen sie die ver- schiedenartigsten, kaum zu beschreibenden Gestalten an. Am häufigsten sieht man die Formen verschiedener Pflanzenblätter, cactusähnliche Gestalten; die Formen mancher Blumenkronen, rankenartig verbogene, varieöse oder geschlängelte Gestalten u. s. w. Fig. 4. Bald sind es nur einzelne solcher Anhängsel, bald so viele, dass das freie Ende der Zotte wie faserig zer- fallen erscheint. Gewöhnlich kommen sie nur am äussersten Ende, doch häufig genug auch gegen den Stiel der Zotte hin vor. Meist erscheinen sie scharf umschrieben, völlig homogen und von der Farbe und Pellueidität sehr breiter homogener Bindegewebebänder. Recht häufig aber erkennt man an ihnen auch eine zarte Längsstreifung, und sogar den Anfang zu einem wirklichen faserigen Zerfallen. In einzelnen Fällen er- kannte ich in ihnen auch einen homogenen länglichen Kern. 109 Ihre Grösse wechselt so ausserordentlich, dass sich kaum ein bestimmtes Maass angeben lässt. Als mittlere Verhältnisse erkannte ich eine Länge von 0,03 Mm. und eine Breite von 0,024 Mm. Das detaillirtere Studium jener eigenthümlich gestalteten Verlängerungen der Arachnoidealzotten führte noch zu weite- ren Resultaten. Bei Neugeborenen, bei welchen Zotten auf dem Sichelrande des Gehirns nicht vorkommen, fand ich da- gegen bisweilen jenen Fortsätzen ähnliche Formen. Der Ge- danke liegt nahe, dass hierin die Anfangsstadien für die Bil- dung der Zotten gegeben sind; diess wird fast zu einer Wahr- heit, wenn man sieht, dass an den Fortsätzen der Arachnoi- dealzotten allmälige Uebergänge vom Homogenen durch das Gestreifte bis zum völligen faserigen Zerfallen stattfinden. Mir blieb wenigstens kein Zweifel übrig, dass auf diesem Wege eine Vervielfältigung der Zotten geschieht. Gleich der Arach- noidea besitzen die Zotten ein nur mangelhaftes Epitelium. Dieses sieht man immer nur zu einzelnen Plättehen auf ihnen liegen. Ausser gröbern und feinern Bindegewebefasern und einzelnen Epitelialplättchen, fand ich in die Zusammensetzung völlig normaler Zotten niemals andere Elemente eingehen. Blutgefässe finden sich zu keiner Spur vor. Wenn diese von Krause für die Paech. Drüsen angeführt werden, so beruht diess auf einer Verwechslung erkrankter Gefässplexus mit unsern Arachnoidealzotten. 2. Die Pacehionischen Drüsen an der innern Fläche der harten Hirnhaut. Die Paechionischen Drüsen finden sich hier primär an dem- jenigen Theile des parietalen Blattes der Arachnoidea, welcher der Ausdehnung des Längsblutleiters entsprechend ausgebreitet ist. Man hat die hier vorkommenden Granulationen als der - Arachnoidea eigenthümlich, bisher völlig übersehen. Manche ältere Schriftsteller nehmen zwar der Dura mater eigenthüm- lich zukommende, aber aus ihrem Gewebe selbst hervorgegan- gene Paech. Drüsen an, verkennen aber so ihren ursprüng- 10 lichen Sitz. Die neuern Schriftsteller dagegen bezeichnen die in und an der Dura mater befindlichen Granulationen als von der Hirnoberfläche aus dahin gelangte Bildungen. Durch Druck, wähnt man, drängen die Pacchionischen Granulationen, von der Arachnoidea visceralis aus, die Faserung der harten Spinn- haut auseinander und betten sich in derselben ein, durehbohren sie und lagern sich in eigene Grübchen im Schädelknochen ein; auf diese Weise vermitteln sie auch eine regelwidrige Ad- häsion der Cerebralarachnoidea an die harte Hirnhaut. Zu einem genauen Verständnisse der folgenden Erörterun- gen muss man sich vor Allem an die Beschaffenheit der Dura mater erinnern, an den Stellen, an welchen sich die Granula- tionen vorfinden. DieFaserbündel der harten Hirnhaut treten gegen den obern Rand der Sichel, da wo dieselbe zur Bildung des Längsblut- leiters führt, als ein eigenthümliches Trabeeulargewebe hervor. Nicht nur dass man diekere und dünnere Bündel in grösseren Strecken ganz isolirt verlaufend, und über das Niveau des übrigen Gewebes hervortretend findet, bilden andere ein gan- zes Netzwerk mit zahllosen grösseren und kleinern Maschen. An vielen Stellen ist dasGewebe so angeordnet, dass grössere Räume und Canäle zwischen den Faserlagen entstehen , die sich vielfach bis unmittelbar an die äussere Fläche der Gefäss- haut des Sinus erstrecken. Hier nun ist es, wo die Arachnoi- dea parietalis ein eigenthümliches Verhalten zeigt. Während diese Membran sonst überall glatt und so fest mit der Dura mater verwachsen ist, dass Manche sie nicht abzulösen ver- möchten und daher ihre Existenz in Abrede stellten, tritt sie hier in eigenthümlicher Form zu Tage. Sie bildet nämlich überall da, wo sie die freien, isolirt vorspringenden Faser- bündel überzieht, und wo sie in die Lücken des Netzwerkes hineindringt, frei endigende zottenförmigeVerlängerun- gen. Diese gelangen einerseits in die Räume zwischen den Faserlagen nächst dem Sinus bis an die äussere Fläche ‚der Gefässhaut desselben, drängen diese vor sich her, und ragen so von ihr überzogen mehr weniger in sein Lumen; oder aber sie entwickeln sich mehr gegen das Schädeldach hin, drängen 111 die Faserung der Dura mater auseinander und bohren sich allmälig grubenartige Vertiefungen; anderntheils aber treten sie aus den Lücken heraus gegen das Gehirn zu und hängen frei von einzelnen Faserbündeln herab, so dass meist eine grössere Anzahl frei liegend zu den Seiten des Sinus gefunden wird. Bei jugendlichen Individuen sind die Zotten der Arachn. parietalis innen nur klein, und werden daher sehr leicht über- sehen; bei ältern sind sie stets mächtig, ragen tief herab, so dass sie zwischen jene der Arachn. visceralis hereingreifen, und diese sodann bei der Entfernung der Dura mater an die- ser haften bleiben, was eben bei der mangelhaften Unter- suchung zum Irrthume führte, als stammten alle Granulationen der Dura mater von der Arachnoidea des Gehirns her. Bis- weilen entwickeln sie sich in einer Mächtigkeit gegen den Sinus und das Schädeldach hin, dass sowohl dieser durch- bohrt, als jener davon obturirt werden kann. Eine genaue Erforschung der zottenförmigen Verlängerun- gen des Parietalblattes der Arachnoidea gewährt noch das besondere Interesse, nachweisen zu können, wie wenig die Paechionischen Drüsen das Ergebniss eines Exsudationspro- cesses sind, und wie sehr sie normalmässige, bestimmten Zwecken entsprechende Gebilde sein werden. Kein Gewebe ist nämlich so arm an Blutgefässen, als das der Arachnoidea, so zwar, dass viele Schriftsteller ihm geradezu dieselben ab- sprechen, Wenn man un aber auch am visceralen Blatte in dem Blutreichthume der unterliegenden Gefässhaut das Mo- inent für so häufige Exsudatbildungen ansprechen möchte, so fällt diess Moment gewiss bei der Unterlage der parietalen Arachnoidea weg. Der Form und Menge nach finden auch bei den Arachnoi- dealzotten der Dura mater vielfache und ähnliche Verschieden- heiten statt, wie bei jenen an der Oberfläche des Gehirns. Häu- figer sah ich an den Zotten der Arachnoidea parietalis die trau- benförmige Anordnung, welche in einem Falle so ausgesprochen war, dass en miniature die Formen einer Traubenmola gege- ben waren, Auch bläschenartige Zotten begegneten mir häu- figer, zumal unter jenen, welche in das Lumen des Sinus hin- 112 einragten. Die mikroskopischen Elemente sind dieselben. Man findet breite und schmale, homogene und gestreifte, sowie spi- ralig umwickelte Bindegewebefasern, sparsames Epitelium und bei den in den Sinus hineinragenden Zotten noch einen beson- deren aus der Gefässhaut gebildeten Ueberzug. Die Arachnoidealzotten pflegen mehrfache krankhafte Ver- änderungen zu erfahren. Vor Allem ist es das vorgerücktere Alter, in welchem sie verändert getroffen werden. Am häufig- sten erscheinen sie hier hypertrophisch. Die hypertrophi- schen Arachnoidealzotteu besitzen gewöhnlich eine blassgelbliche oder röthliche Farbe, eine glatte Oberfläche und eine ziemliche Festigkeit. Mit ihrer Vergrössesung bewirken die Zotten verschiedene Veränderungen der nachbarlichen Theile. Sie drängen die Faserung der Dura mater gegen das Schädeldach hin auseinander und erzeugen im Verlaufe der Zeit grubenartige Vertiefungen und selbst Löcher in dem letz- tern. Durch Druck auf die in den Längsblutleiter eintretenden Venen, sowie durch theilweise Obturation des Sinus, vermö- gen sie Cireulationsbehinderungen in den Gefässen der pia mater zu veranlassen und werden so gewiss häufig zu denje- nigen Exsudationserscheinungen Veranlassung geben, als deren Ergebniss man eben irrthümlich gewohnt ist, die Arachnoideal- zotten selbst anzusehen. Die Hypertrophie betrifft immer nur einzelne Gruppen von Zotten. Niemals fand ich alle krank- haft vergrössert, sondern stets noch kleine normalmässig ge- bildete neben ihnen. Bezüglich der feinern Zusammensetzung der hypertrophi- schen Zotten, belehrte mich dasMikroskop, dass dieselbe nicht wesentlich differirt von jener der normal grossen. Nur findet man, dass die Bindegewebebündel und die breiten homogenen Bänder viel mannigfaltiger gewunden und dichter angeordnet sind. Man begegnet auch viel zahlreichern Bündeln, welche durch Zusatz von Essigsäure ringförmig und spiralig umwun- den erscheinen, sowie denn auch häufig netzförmige Verbin- dungen von Fasern gesehen werden. (Fig. 5.) 113 Fett sieht man in den vergrösserten Zotten stets. Es findet sieh immer nur als freies vor. sowohl in ganz kleinen mole- eularen, als auch in grössern meist durch ausserordentliche Blässe ausgezeichneten Tropfen. In manchen Fällen erkannte ich eine so reichliche Fettbildung, dass fast alle Gewebs-Ele- mente in derselben untergegangen schienen. Mehrmals begeg- neten mir in Arachnoidealzotten sogenannte Corpora amylacea von kreisrunder und ovaler Form. (Fig. 5 c.) Ich fand diesel- ben auch zu wiederholten Malen in der übrigen Arachnoidea, sowohl des Menschen als verschiedener Thiere. Es erscheinen mir jene Bildungen als concentrisch geschichtete Faserstoffeon- eretionen mit aus consistentem Fette bestehenden Kernen. Als besonders erwähnenswerthe Fälle von Erkrankungen der Arachnoidealzotten nenne ieh noch die Ablagerung erdiger Bestandtheile in Form ganz kleiner zwischen die Gewebsele- mente eingestreuten Körnchen, als ein übrigens sehr seltenes Vorkommen, sowie die Ablagerung einer eigenthümlichen bräunlichen Masse. In einzelnen vergrösserten sehr dichten Zotten aus der Leiche einer hochbetagten Frau fand ich näm- lich eine Substanz von dem Ansehen eines alten Blutgerinn- sels. Unter dem Mikroskope erkannte man aber die Zusam- mensetzung aus dicht gedrängten rundlichen Körperchen von 0,006 — 0,005mm „ die einen sehr dunklen scharfen Rand und ein ganz homogenes Ansehen boten. Durch Essigsäure wurde die Masse blass, die Form und Zusammensetzung der Körperchen aber weder durch sie, noch auch durch Aetzkalilösung verän- dert. (Fig. 5 d.) Niemals begegnete mir auch in krankhaften Arachnoidealzotten eine Spur von Blutgefässen, niemals war ich ferner im Stande, in ihnen Entzündungsproducte irgend einer Art zu schen. Dagegen gewahrt man nicht selten, gleich wie an den verschiedensten Stellen des Visceralblattes der Arachnoidea, milchige Trübungen und Verdiekungen an Punc- ten, auf welchen Zotten stehen. So bestimmt sich nun aber auch die sogenannten Paechio- nischen Drüsen als normalmässige Bildungen, als zotten- förmige Verlängerungen des Gewebes der Arach- noidea ergaben, so wenig lässt sich zur Zeit ein bestimmter Müllers Archiv. 1852 8 114 Ausspruch über ihre physiologische Bedeutung thun. Bemer- kenswerth jedoch ist es, dass sie gerade da angeordnet sind, wo Blutgefässe fast völlig frei von den Sichelrändern des Ge- hirnes aus zum Sinus ziehen, zwischen welchen Theilen sie vielleicht zum Schutze der Gefässe vor Zerreissung, die Be- deutung von Haltorganen gewinnen. Jedenfalls scheint in der Lage des Hirns zum Sinus longit. beim Menschen, der Grund ihrer Existenz gesucht werden zu müssen, da sie, wie ich aus der Untersuchung vieler Thiere, des Rindes, Schweines, Scha- fes, Hundes, Kaninchens ete. weiss, bei diesen nicht vor- kommen. Erklärung der Abbildungen auf Taf. IV. Fig.1. Einfachste, kolbenförmige, Arachnoidealzotte vom Sichel- rande der grossen Hemisphäre eines 20 jährigen Individuums. Fig.2. Gelappte Form einer Zotte vom nämlichen Orte und In- dividuum. Fig. 3. Zusammengesetzte, traubenförmige Zotte von dem Parie- talblatt der Arachnoidea eines 16 jährigen Mädchens. Sämmtliche Formen sind in 30 facher Vergrösserung gegeben. Fig. 4. Arachnoidealzotte in 100 facher Vergrösserung mit ver- schieden gestalteten meist blattartigen Fortsätzen. Fig.5.a. Breite, vielfach gewundene Bindegewebefasern und Bün- del, mit zwischen gelagertem freien Fette, von einer hypertrophischen Arachnoidealzotte. b. Ringförmig und spiralig umwiekelte Bündel. Vom selben Ob- jeet nach Behandlung mit Essigsäure. e. Corpora amylacea aus einer hypertrophischen Zotte eines 40jäh- rigen Mannes. d. Elemente einer bräunlichen Masse aus hypertrophischen Arach- noidealzotten einer 70 jährigen Frau. Ueber runde Blutgerinnsel und über pigmentkugelhaltige Zellen *). Von RU RE max (Hiezu Taf. V.) Müller erwähnt in seiner Abhandlung über die Milz der pflan- zenfressenden Säugethiere (M. Arch. 1834. S. 59) rothbraune in der Pulpa vorkommende Körnchen, und giebt deren Unter- schiede von den Blutkörperchen an. In meinen diagnost. und pathog. Untersuchungen (Berlin 1845. $. 117-119) beschrieb ich aus der rothen Substanz der Milz des Kalbes Bläschen mit ei- nem bis drei rothgelben Innenkörpern, äusserte jedoch Zweifel gegen die Bedeutung der letzteren als Blutkörperchen. Darauf veröffentlichte Kölliker (Mittheil. d. Zürich. naturf. Ges. Juni 1847) eine Reihe von Beobachtungen, deren Ergebniss darin besteht, dass ‚, die Milz ein Organ sei, in welchem die Blutkörperchen massenhaft zu Grunde gehen.“ Es sollen sich nämlich die Blutkörperchen ‚in rundliche Häufchen zusam- menballen, welche schliesslich unter Auftreten eines Kernes in ihrem Inneren und einer äusseren Hülle in blutkörperchen- haltige rundliche Zellen von 0,005 —0,015'" übergehen.“ Diese Zellen sollen, indem die Blutkörperchen eine goldgelbe, braun- rothe oder schwarze Farbe annehmen, in pigmentirte Körn- chenzellen und nach dem Schwinden des Farbestoffes in farb- lose Zellen sich umwandeln. Er will diese Veränderungen bei allen Wirbelthieren und beim Menschen ‚‚mehr oder weniger deutlich“ verfolgt haben. Am „schönsten“ sollen die blutkör- *) Ein Auszug aus diesem Aufsatze ist unter der Aufschrift „über die sogenannten blutkörperchenhaltenden Zellen“ bereits im fünften Hefte des vorigen Jahrgangs dieses Archivs mitgetheilt worden. g* 116 perchenhaltenden Zellen bei den Amphibien, namentlich bei Triton, Bombinator und Rana sein, „etwas weniger schön‘ bei den Fischen, und am wenigsten bei den Säugethieren und Vögeln. Bei Fischen (Tinca, Esoxr, Perca) erwähnt er „‚bla- sige Erweiterungen“ der Gefässe von Y/,- '/,y , in welchen die veränderten Blutkörperchen vorkommen sollen. Eeker bestätigte diese Aussprüche in ihrem ganzen Umfange (Henle's und Pfeufer’s Zeitschr. f. rat. Med. Bd. IV. 1547. S. 261-265) und wies auf die blutkörperchenhaltenden Zellen hin, welche Kölliker und Hasse in dem entzündeten Gehirn einer Taube beobachtet haben sollen. (Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift Bd. IV. S.1-16.) — Gerlach (Henle’s und Pfeufer's Zeit- sehrift Bd. VU. 1848. S. 75-81) konnte die blutkörperehen- haltenden Zellen nieht in der Pulpa, sondern nur in den Malpighischen Körperchen der Milz finden; er hält sie für Mutterzellen junger Blutkörperchen, welche in die Lymph- gefässe gelangen sollen. Auch in der „embryonalen Leber‘ (weleher Thiere?) sah er ähnliche Gebilde und glaubt nun- mehr die Reichert’sche, angeblich schon durch Kölliker und Fahrner „‚factisch begründete‘“ Ansicht von dem Ent- stehen junger Blutkörperchen in der embryonalen Leber „zur Gewissheit zu erheben.‘“ An Gerlach schloss sich Sch aff- "ner an (H. u. Pf. Zeitsch. Bd. VII. S. 345-354); er hält es für gar nicht zweifelhaft, dass die Malpighischen Körperchen, die er Milzbläschen nennt, Erweiterungen von Lymphgefässen und Organe sind, in welchen Blutkörperchen entstehen. Da- gegen wurden Kölliker's Ansiehten von Landis bestätigt. (Beitr. zur Lehre v. d. Verricht. der Milz. Zürich 1347.) Kurz darauf (Gewebelehre. Mainz1S4S. S.214-215) änderte Gerlach seine Angaben über die Milz dahin, dass er den Zusammen- hang der Malpighischen Körperchen mit Arterien zugiebt, die er früher für Lymphgefässe gehalten zu haben scheint, doch beschreibt er (8.51.52) die blutkörperchenhaltenden Zellen sowohl aus der Pulpa wie aus den Malpighischen Körperchen als Bildungsheerde von Blutkörperchen; er bezeichnet mich als Entdecker jener Zellen, ohne hervorzuheben, dass ich ihren Inhalt niemals als Blutkörperchen anerkannt habe. 117 Inzwischen erhob Virchow (Archiv für pathol. Anat. Bd. I. 1547. S. 379-480) Bedenken gegen die pathologischen Angaben von Kölliker, Hasse und Ecker über das Vor- kommen blutkörperchenhaltiger Zellen in Blutextravasaten. Er scheint geneigt, diese Angaben auf eine Infiltration ver- schiedener Zellen mit Blutfarbestoff zurückzuführen (S. 385), giebt auch zu, dass Blutkörperchen sich zusammenballen und mit Faserstoff umhüllen können, allein er protestirt aus Grün- den der Analogie (S. 483) gegen die behauptete Zellenbildung um Haufen von Blutkörperchen. Reichert (Müll. Arch. 1848. Jahresbericht üb. Histologie S. 22.23.) schloss sich die- sen Deutungen an und versicherte niemals blutkörperchenhal- tende Zellen in der Milz gefunden zu haben. Kölliker beharrte bei seinen Angaben. (Zeitschr. f. wiss. Zool. 1844. Bd. I. S. 260-266.) Er will in einem Falle von Apoplezia capillaris in der Commissura mollis eines Kindes kernhaltige Zellen gefunden haben, die Blutkügelchen enthiel- ten, während andere Zellen auch Stücke von Nervenmark (!) umschlossen. Gegen Virchow’s theoretische Bedenken bemerkt er, dass er ausdrücklich auch von einer Betheiligung des Blutplasma’s an der Bildung der Zellen gesprochen und dass nach seiner Ansicht es verschiedene Arten von Zel- lenbildung geben kann. — Seitdem hat nur Lebert (in Glu- ge's pathol. Histol. Jena 1850. S. 37) einige Zweifel gegen die Kölliker’schen Angaben geäussert, wogegen Gluge selbst (a. a. O.), sowie Günsburg (M. Arch. 1550. S. 167) und Ley - dig (M. Arch. 1551. 5. 261) ihre Zustimmung zu Kölliker’s Ansichten kund geben*). Am ausführlichsten werden dieselben von Eeker vertreten (Wagner’s Handw. der Phys. Bd, IV. Lirg, 1. 5. 130-160). Bei Säugethieren und Vögeln sollen die blutkörperchenhaltenden Zellen der Milz selten sein, bei den Amphibien sollen die Malpighischen Körperchen fehlen und *) Vergl. Leydig's Beiträge zur mikr. Anat. u. Entw, der Rochen und Haie, Leipzig 1852. In der Milz der Rochen und Haie vermisste Leydig trotz allem Suchen die blutkörperchenhaltenden Zellen (S. 62) Dagegen fand er in der Leber Pigmentmassen, die er auf Blutkörper- chen zurückführt (S. 58). 118 dafür grosse Haufen solcher Zellen vorkommen. Auch bei den Fischen leugnet Ecker gegen Bardeleben und Schaffner die Malpighischen Körperchen und meint, dass die dickwandi- gen, mit Blutkörperchen und Pigmentkörnern erfüllten, den Arterien anhängenden Capseln, die namentlich bei Tinca sehr häufig sind, fälschlich für Malpighische Körperchen gehalten worden sind. Er selbst erklärt dieselben „mit Kölliker für Extravasateunterder Arterienscheide, fürfalsche Aneurysmen der Arterien“ (8.152). Ecker bestätigt auch Gerlachs Angaben von dem Vorkommen: blutkörper- chenhaltender Zellen in der Leber bei Säugethier-Embryonen, glaubt jedoch, dass sie ihre Entstehung ‚‚kleinen Extravasa- ten‘ verdanken *). Für Gerlach’s Deutungen ist nur eine Be- merkung von E. H. Weber anzuführen (Bericht üb. d. Verh. d. k. sächs. Ges. d. Wiss. zu Leipzig, Math. phys. Kl. 1550. I. 8. 25-27). Derselbe beobachtete zuweilen in den Leberzellen bei Fröschen gelbe Inhaltskörperchen und vermuthet, dass dieselben sich in Blutkörperchen umwandeln und auf ähnliche Weise in die Blutgefässe hinübertreten, wie das Thierei aus dem Eierstock in die Höhle der Bauchhaut und in die Tuba. Es giebt also zwei Theorieen über blufkörperchenhaltende Zellen. Nach der einen (der Bildungs-Theorie) sind diese Zel- len die Bildungsstätten junger Blutkörperchen, nach der an- deren (der Untergangs-Theorie) sind sie Untergangsstätten von Blutkörperchen. Nach meinen Untersuchungen (vgl. Müll. Arch. 1851. Hft.5. S.480-483) entbehren beide Theorien der Begründung. Ich wage zu behaupten, dass die Angaben über das Vorkommen blut- körperchenhaltiger Zellen in der Milz, der Leber und anderen Organen auf Täuschungen und falschen Zusammenstellungen beruhen. Sie lassen sich auf zwei Fehlerquellen zurückführen. Es bilden sich nämlich zuweilen nach dem Tode der Thiere innerhalb der Gefässe runde Blutgerinsel, welche leicht für *) Vergl. Rud. Wagners Icones physiologieae, herausgegeben v. Ecker, Lfrg. I. 1351. Taf. VL, auf welcher die angeblichen Aneurys- men: der Arterien in der Milz des- Schleies, sowie die blutkörperchen- haltenden Zellen abgebildet werden. 119 blutkörperchenhaltige Zellen gehalten werden können. Ande- rerseits finden sich bei vielen Wirbelthieren, am häufigsten bei Fischen und Amphibien, in den genannten Organen ausser- halb der Blutgefässe als Bestandtheile des Zellen-Parenchyms pigmentkugelhaltige Zellen, deren Inhalt zuweilen mit Blut- körperchen einige Aechnlichkeit darbietet. Es scheint mir nicht zweifelhaft, dass die runden Gerinsel gesehen und für Zellen gehalten, und dass die pigmentkugelhaltigen Zellen als Um- wandlungsstufen jener vermeintlichenZellen betrachtet worden sind. So entstand die Untergangs-Theorie Kölliker’s und Ecker’s. Die Bildungstheorie dagegen beruht auf der un- richtigen Voraussetzung, dass die in Zellen enthaltenen Pig- mentkugeln in das Blut übertreten und sich in Blutkörperchen umwandeln (Gerlach, Weber). 4. Die runden Blutgerinnsel. In der Milz eines Schleies (Tinca chrysitis) fandich 24 Stun- den nach dem Tode (im Monat März 1550) runde farblose bla- sige Körper von Y/,;, bis /;, L. Durchmesser, deren Inhalt aus mehreren (drei bis zwanzig) unzweifelhaften Blutkörper- chen bestand. Die letzteren waren weniger stark gefärbt, als im frischen Zustande, allein sie zeigten in Form und Grösse, in der Beschaffenheit des Kernes so wie in ihrem Verhalten gegen Wasser, Säuren und Alkalien die vollkommenste Ueber- einstimmung mit den Blutkörperchen desselben Thieres. Neben ihnen war aber in den Bläschen niemals ein Kern sichtbar. Da ich die blutkörperchenhaltenden Bläschen Tages zuvor in der frischen Milz nicht gesehen hatte, so wurde mir sofort wahrscheinlich, dass dieselben runde Blutgerinnsel seien. Für diese Deutung hatte ich einen Anhaltspunkt in Beobachtungen, die sich sehr leicht an Hühnerembryonen vom zweiten Brüt- tage anstellen lassen. Ich meine nämlich dieBlutinseln, welche in den weiten Gefässräumen der Area pellucida und Area opaca erscheinen, und früher in der Entwickelungsgeschichte des Blutes und der Gefässe eine unverdiente Rolle spielten. Karl Ernst v. Baer (über Entw. d. Thiere, 'Thl. 11. 1837. 5. 120. Anm.) erkannte sie zwar als Blutansammlungen und 120 als Folgen der durch Oeffnung des Bies gestörten Blutbewe- gung; allein er glaubte, dass die Inseln immer „Ableitungen” haben, d.h. dass sie aus flüssigem Blute bestehen. Nach mei- nen Beobachtungen (Unt. üb. d. Entw. d. Wirbelth. 1. Lief. 1850. S. 23. $. 2.) sind sie aber runde oder langgezogene, in- nerhalb der Gefässe entstandene Blutgerinnsel, und man kann ihre Entstehung an frischen Embryonen, deren Herz sich noch lebhaft zusammenzieht, direet beobachten. Sie zeigen sich immer zuerst in den Gefässnetzen des Schwanztheils des Embryo, die vom Herzen am weitesten entfernt sind; wenn sie nicht den grössten Theil der Blutkörperchen einschliessen und die Gerinnung langsam fortschreitet, erscheinen bei ab- nehmender Thätigkeit des Herzens ähnliche runde Gerinnsel im Rumpftheile der Area pellueida in der Nähe der Abgangs- stelle der Art. und Vena omphalo-mesenterica. Dagegen wer- den sie im Kopftheile der Area pellueida immer vermisst, da hier die Bewegungen des Herzens, die länger dauern als die Gerinnung des Blutes, das Zustandekommen der Gerinnsel verhindern. Die Gerinnsel sind von verschiedener Grösse und enthalten zwanzig bis hundert Blutkörperchen. Zuweilen ha- ben sie einen durch den Faserstoff gebildeten dünnen und so glatten Ueberzug, dass man versucht werden könnte, ihn für eine Zellenmembran und die Gerinnsel für „„blutkörperehen- haltende Zellen” zu halten. An diese Gerinnsel des Hühnchens wurde ich zunächst er- innert, als ich die zierlichen runden mit Blutkörperchen erfüll- ten Bläschen in der Milz des Schleies erblickte. Doch war die vorliegende Leiche zu weiteren Untersuchungen nicht zu benutzen, da bereits in dem Blute eine Veränderung eingetre- ten war, die ich zuvor andeuten will, bevor ich in der Be- schreibung fortfahre. Diese beim Schlei immer, 'bei anderen Fischen zuweilen, binnen 24 Stunden nach dem Tode eintre- tende Leichenveränderung des Blutes besteht darin, dass’ die Blutkörperchen, ohne ihren Umfang und ihre Gestalt zu verändern, innerhalb der Gefässe und des Herzens ihren Farbestoff verlieren und dass in dem Maasse, als dies ge- schieht, dieke Bündel von blutrothen Krystallen in den Ge- 121 fässen und dem Herzen erscheinen. Die Krystalle haben die Gestalt von Nadeln und eine Länge von Y,,, bis Y,, Linie. Wo sie vereinzelt vorkommen, bemerkt man, dass sie schmale, dünne, an beiden Enden zugespitzte Täfelchen bilden. Sie lösen sich nicht im Serum, allein mit grosser Leichtigkeit in Wasser, Alkohol, Aether, Säuren, Alkalien und in Koch- salzlösung. Nur in gesättigter Zuckerlösung widerstehen sie einige Minuten lang der lösenden Wirkung des Wassers. Durch diese Eigenschaften unterscheiden sie sich von denjenigen blut- rothen Krystallen, welche Virehow (Archiv f. path. Anat. Bd. I. 1847. S. 407-420) beschrieben hat. Sie erhalten sich in der Regel nur bis zum zweiten Tage nach dem Tode: bei ein- tretender Fäulniss verschwinden sie wiederum. Löst man sie auf einer Glasplatte in Wasser und lässt die Lösung an der Luft verdunsten, so erscheinen zuweilen wiederum theils ver- einzelte gelbrothe Nadeln, theils sternförmige Gruppen soleher Nadeln, die sich gegen Wasser, Alkohol, Aether u. s. w. ähn- lich wie die ursprüngliehen Krystalle verhalten. Diese noch- malige Krystallisation kommt nieht zu Stande, wenn viele, nicht dem Blute angehörige Bestandtheile (Zellen, Fettkugeln u. dgl.) der Lösung beigemischt sind. In einem Falle sah ich beim Schlei 48 Stunden nach dem Tode neben den nadelförmi- gen Krystallen sehr kleine rhombische, ähnlich denjenigen, welche Virchow (a.a. O. Taf. II. Fig. 7. u. 11.) abgebildet hat: So weit sich bei ihrer grossen Seltenheit und Kleinheit beurtheilen liess, waren sie in Wasser und Aether ebenso löslich wie die nadelförmigen. Beim Schlei habe ich die letz- teren niemals, bei anderen Fischen häufig vermisst. Wo ich sie vermisste, da fehlte auch die spontane Entfärbung der Blutkörperchen. Bei einem Barsch (Perca fluviatilis) und bei einer Plötze (Leneiscus erythrophthalmus) fand ich die nadel- förmigen rothen Krystalle schon zwei Stunden nach dem Tode in den Blutgefässen der Nieren, der Milz, der Leber, der Kie- men, in den grossen Arterien- und Venenstämmen und im Herzen. Die Löslichkeit war in diesen Fällen noch grösser, als beim Schlei: die Krystalle der Milz und der Niere lösten sich schon in der geringen Menge Flüssigkeit, welche das zer- 122 bröckelte Parenchym lieferte, sie waren daher nur innerhalb der Gefässe zu beobachten, was bei Anwendung eines gelinden Druckes keine Schwierigkeit hatte. Nach 24 Stunden waren sie nicht mehr zu finden. In dem oben erwähnten Falle, in welchem ich beim Schlei in der Milz runde Blutgerinnsel zu bemerken glaubte, war die so eben beschriebene Leichenveränderung bereits eingetreten, d.h. die freien Blutkörperchen ‚gänzlich, die in den muth- maasslichen Gerinnseln eingeschlossenen zum Theil entfärbt, daher ein sicheres Ergebniss nicht zu erlangen. Die Unter- suchung eines frischen Schleies bestätigte aber vollkommen meine Vermuthung. Ich schlitzte dem noch lebenden Thiere die Bauchdecke auf, und machte einen Einschnitt in die Milz: das aus der Schnittfläche ausströmende Blut gerann auf der Glassplatte zu einer zusammenhängenden Masse, die keine runden Blutgerinnsel enthielt. Ebenso verhielt sich das auf gleiche Weise aus den Nieren, aus der Leber, den Kiemen gewonnene Blut. Diese Nachsuchungen mochten etwa eine halbe Stunde dauern. Als ich nach Verlauf derselben wieder zu der Milz zurückkehrte und aus eınem frischen Einschnitt Blut auf eine Glasplatte träufelte, blieb das Blut auf derselben flüssig und zeigte bei 250facher Vergrösserung eine sehr grosse Menge zierlicher runder Blutgerinnsel von der verschiedensten Grösse (von "/,;, bis /,, Linie). Sie umschlossen fast sämmt- liche Blutkörperchen, die überhaupt in der ausgeflossenen Masse zu finden waren, und das Serum enthielt nur wenige freie Blutkörperchen. Unter den Gerinnseln, die drei bis dreissig Blutkörperchen enthielten, liessen sich drei Arten un- terscheiden: die einen bestanden aus zusammengeballten Blut- körperchen, die auf eine nicht erkennbare Weise zusammen- gehalten wurden, andere zeigten eine die dichtgedrängten Blut- körperchen umhüllende Membran, und wieder andere bestan- den aus einer hellen homogenen Substanz, dem geronnenen Faserstoff, in welchem die Blutkörperchen, ohne sich zu be- rühren, zerstreut lagen. Die letzte Art der Gerinnsel war am meisten geeignet, eine Verwechselung mit (blutkörperchenhal- tenden) Zellen herbeizuführen und die Aehnlichkeit stieg, wenn 123 das Gerinnsel zufällig auch eine farblose Blutzelle umschloss, der man die Rolle des Kerns zutheilen konnte. Die Blutkör- perchen hatten in den Gerinnseln durchaus die Farbe und die Gestalt der freien frischen Blutkörperchen: beim Zusatz von Wasser entfärbten sie sich innerhalb der Gerinnsel und liessen den granulirten Kern erkennen. Essigsäure hatte dieselbe Wir- kung und sprengte die dünne Wand derjenigen Gerinnsel, die aus dicht gedrängten Blutkörperchen bestanden und von einer dünnen Schicht Faserstoff umhüllt waren. Ganz ähnliche Ge- rinnsel fand ich auch in dem Blute, das ich nunmehr aus einer frischen Schnittfläche der Niere gewann: allein ich vermisste sie durchaus in dem Blute der Leber und der Kiemen. In dem Herzen fand ich nunmehr feste zusammenhängende Gerinnsel, und der flüssigeTheil des Blutes enthielt keine runden Gerinn- sel: dasselbe gilt von dem Blute, das sich aus den ersten Schnittflächen der Milz und der Nieren (vor der Gerinnung) in die Bauchhöhle ergossen hatte. Auch 24 Stunden nach dem Tode waren nur in der Milz und den Nieren die runden Blut- gerinnsel zu finden: sie waren viel weicher als im frischen Zu- stande und etwas weniger entfärbt, als die im Serum enthal- tenen freien Blutkörperchen. Um die Bedingungen kennen zu lernen, unter welchen die runden mikroskopischen Blutgerinnsel sich bilden, untersuchte ich eine grosse Menge Fische (Esoz lucius, Cyprinus Carpio, Abramis blicca, Gadus lota, Acerina cernua, Perca fluviatilis) ; allein weder bei einem anderen Fische, noch bei Fröschen, noch bei Vögeln (Tauben, Hühnern, Gänsen), noch bei Säuge- thieren (Kaninchen, Schweinen, Schaafen, Ochsen) wollte es mir gelingen, die runden Gerinnsel wiederzusehen. Auch habe ich vom März bis zumJuli bei sehr verschiedenen Temperatur- graden der Luft, acht Schleie von verschiedener Grösse auf mannigfache Weise getödtet, ohne die Gerinnsel zu finden. Endlich ist es mir um die Mitte Juli bei einem 16 Zoll langen Sehleie wieder geglückt, die Bildung der Gerinnsel in der Milz _ und den Nieren zu verfolgen (bei 14° R.). Das Thier zeigte, als ich ihm die Bauchdecken auflschlitzte, nur noch matte Bewegungen und geringen Widerstand. Das 124 aus den Schnittflächen der Milz und der Nieren fliessende Blut gerann auf der Glasplatte zu zusammenhängenden Massen und enthielt keine runden Gerinnsel. Ich öffnete nunmehr das Herz: es enthielt grosse zusammenhängende, aber keine runden mi- kroskopischen Gerinnsel. Ich untersuchte wiederum Blut aus frischen Schnittflächen derMilz und der Nieren: es gerann noch gleichwie früher auf der Glasplatte. Ebenso verhielt sich Blut, das ich nunmehr aus der Vena cardinalis posterior ausfliessen liess, die das Blut aus den Nieren zurückführt: es bildete auf der Glasplatte ein weiches zusammenhängendes Gerinnsel. Seit dem Oeffnen der Bauchhöhle waren nun beinahe drei Viertel Stunden verflossen: eine frische Schnittfläche der Milz und der Nieren lieferte jetzt füssigesBlut, das nicht auf derGlasplatte gerann, sondern bei mikroskopischer Untersuchung zierliche runde Gerinnsel zeigte. Doch vermisste ich in diesem Falle diejenige Art von Gerinnseln, in welchen der Faserstoff einen überwiegenden Bestandtheil bildet; ich fand nur solche, die entweder aus runden zusammengeballten (durch Faserstoff zu- sammengehaltenen) Haufen von Blutkörperchen bestanden, oder von einer faserstoffigen Membran eingehüllt waren. Als ich uach dem Auffinden der Gerinnsel in der Milz und den Nieren wiederum das Blut in der Vena cardinalis posterior unter- suchen wollte, hatte es bereits ein zusammenhängendes Ge- rinnsel abgesetzt. In der Leber und den Kiemen fand ich auch diesmal keine runden Gerinnsel. — Tages darauf waren die runden Blutgerinnsel in der Milz und den Nieren noch zu fin- den: allein sie waren so gänzlich entfärbt, dass ich sie ohne besondere Aufmerksamkeit kaum bemerkt haben würde. — An demselben Tage tödtete ich einen Schlei von beinahe glei- cher Grösse in derselben Weise; allein nirgends liessen sich runde Gerinnsel finden, weder kurz nach dem Tode, noch am folgenden Tage. Es ist mir sehr wahrscheinlich, dass die von mir bisher . blos beim Schlei beobachteten runden Blutgerinnsel unter ge- wissen Umständen, deren Ermittelung mir noch nicht gelun gen ist, auch bei anderen Thieren, namentlich beim Frosch, sich bilden, von Kölliker, Ecker u. A, beobachtet und für 125 blutkörperchenhaltende Zellen gehalten worden sind. Obwohl nun die beschriebenen Gerinnsel eine solche Bedeutung nicht haben, so müssen wir uns doch die Frage vorlegen, ob sie auch während des Lebens entstehen. Es ist mir nicht gelun- gen. in der Milz oder in den Nieren des Schleies Gebilde zu entdeeken, die ich mit Sicherheit für alte, während des Lebens entstandene runde Blutgerinnsel hätte halten können. Ich werde weiter unten mannigfache pigmentkugelhaltige Zellen und fächerförmige Pigmentbläschen beschreiben, die in der Milz und den Nieren des Schleies vorkommen, aber zugleich zeigen, dass ihr Inhalt eine Zurückführung auf Blutkörper- chen nicht gestatte. Eine unüberwindliche Schwierigkeit für diese Zurückführung bildet die Lage jener pigmenthaltigen Gebilde; sie finden sich nicht frei in den Gefässen, sondern in Kapseln eingeschlossen, die mit Gefässen in keiner offenen Verbindung stehen. Wollte man auch annehmen, was jeden Grundes entbehrt, dass die Kapseln aneurysmatische abge- schnürte Erweiterungen der Gefässwände sind, oder dass ihr Inhalt aus Blutmassen besteht, die nach Zerreissung der Ge- fässwand in die bindegewebige Kapsel eingedrungen, so bliebe doch unbegreiflich, wie entweder innerhalb der extravasirten Blutmasse eine Sonderung in (fächerförmige) Gerinnsel ent- standen sei, oder wie die in den Gefässen entstandenen Ge- rinnsel sich mit einander vereinigt aus der Gefässhöhle in die Umgebung ergossen und dort einen Pigmenthaufen gebildethätten. Es ist aber noch ein anderer Fall denkbar: es könnten runde Blutgerinnsel während des Lebens in den Gefässen (der Milz, der Nieren) entstehen, und daselbst sich in pigment- kugelhaltige Bläschen umwandeln, ohne die Gefässhöhlen zu verlassen. Auf diese Hypothese könnte man Kölliker’s An- gaben beziehen, welcher den Uebergang von blutkörperchen- haltenden Zellen (Gerinnseln ?) in Pigmentzellen (pigmentkugel- haltige Bläschen?) auch innerhalb der Gefüsse beobachtet zu haben glaubte. Mir ist es, wie schon erwähnt, niemals ge- lungen, in den Gefässen der genannten Organe pigmenthaltige Gebilde zu beobachten, und Kölliker’s Angabe muss umso- mehr Bedenken erregen, da er einen ununterbrochenen Ueber- 126 gang der angeblich in den Gefässen enthaltenen Pigmentkörper in den Inhalt der eingekapselten Pigmenthaufen behauptet. Mir ist daher wahrscheinlich, dass die weiter unten zu beschrei- benden streifigen Pigmentablagerungen in den Gefässscheiden für den Inhalt von Gefässen gehalten worden sind. *) Andererseits könnte es auffallend erscheinen, dass gerade in der Milz und in den Nieren des Schleies von mir die runden Gerinnsel beobachtet worden, und dass in diesen beiden Or- ganen, wie ich zeigen werde, die Pigmenthaufen so zahlreich sind, die nach Kölliker’s und Ecker’s Deutung Blutextra- vasate sein sollen. Es lässt sich aber zunächst entgegenhalten, dass in der Leber, die beim Schlei nicht minder reich an Pig- menthaufen ist, in allen drei von mir beobachteten Fällen die runden Gerinnsel vermisst wurden. Noch entscheidender ist das Verhalten des Bluts in der Vena cardinalis posterior, die das Blut aus den Nieren zurückführt. Während in dem Herzen bereits grosse Gerinnselvorhanden waren, erschien das aus der V. card. post. ausströmende Blut noch flüssig und gerann erst auf der Glas- platte. Ich erinnere mich einer ähnlichen Beobachtung, die ich vor etwa 7 Jahren an der Leiche eines Kaninchens machte, *) Nach den Beobachtungen von H. Meckel werden im Blute bei Wechselfieberkranken Pigmentkörner und pigmenthaltige Zellen ge- funden (deutsche Klinik 1850. No. 50, vergl. Prager Vierteljahrschrift 1851. Bd. III. Anal. S.17). Ob und in welcher Weise diese Beobach- tung mit der von Heschl (Zeitschr. d. Ges. d. Wiener Aerzte 1850. Juli, vergl. Prager Vierteljahrschrift 1851. Bd. II. Anal. S. 18) hervor- gehobenen Pigmentbildung in der Milz bei Wechselfieberkranken zu- sammenhängt, bleibt noch zu untersuchen. Vielleicht können unter ab- normen Verhältnissen pigmenthaltige Zellen aus dem Parenchym ge- wisser Organe z. B. der Milz in das Blut eindringen. Das Vorkom- men pigmenthaltiger Zellen im Blute würde noch nicht beweisen, dass sie daselbst entstanden sind. (Vergl. Virchow über farblose, pigmentirte und geschwänzte, nicht speeifische Zellen im Blute, im Arch. f. path. Anat. Bd. II. 1849. S.587.) Wenn aber, wie Virchow annimmt, der Inhalt farbloser Blutzellen sich in Pigmentkörnehen um- wandelt, so hat dieser Fall mit der fraglichen Bildung von Blutgerinn- seln während des Lebens sicher nichts gemein, dem ich behufs Beobachtungen über die Wiedererzeugung der Blutkörperchen wiederholte Blutentziehungen gemacht hatte. Einen Tag nach dem, in Folge der Blutentziehungen eingetre- tenen Tode des Thiers machte ich die Leichenöffnung: wäh- rend in dem Herzen schon grosse Gerinnsel sich zeigten, war das aus den Venen der Bauchhöhle ausströmende Blut noch flüssig und gerann vor meinen Augen. Es steht demnach fest, dass die Gerinnung des Blutes nach dem Tode unter Umstän- den nicht gleichzeitig in allen Gefässen erfolgt, sondern später in den Venen der Bauchhöhle als im Herzen. Ob der Grund dieser Verschiedenheit in einem verschiedenen chemisch-physi- kalischen Verhalten des Blutes oder in verschiedenen äusseren Einwirkungen liege, die von den das Blut umgebenden Orga- nen, zunächst von den Gefässwänden ausgehen, ist zweifel- haft. Eben so fraglich ist, ob derselbe Grund, welcher die Gerinnung verspätet, auch die Form der Gerinnung ver- ändere und in gewissen Organen, z. B. in der Milz und den Nieren, runde Blutgerinnsel erzeuge. Jedenfalls glaube ich nach den oben vom Schlei mitgetheilten Beobachtungen annehmen zu dürfen, dass der Grund der veränderten Gerinnungs- form nicht in einer schon während des Lebens vorhandenen Beschaffenheit des Blutes selbst, sondern in einer während des Todes stattfindenden Einwirkung der Umgebung liege; denn sonst wäre nicht einzusehen, weshalb das unmittelbar nach Eröffnung der Bauchhöhle aus der Milz und den Nieren entleerte Blut nicht runde Blutgerinnsel bildete, sondern die letzteren erst nach einiger Zeit in den Gefässen entstanden. Nehmen wir an, dass bei veränderten Spannungsverhältnissen der Blutgefässwände irgend eine Flüssigkeit in die Gefäss- höhle transsudirt, welche sich mit dem noch nicht geronnenen Blute nicht mischt, sondern dessen Strom unterbricht, so wer- den bei eintretender Gerinnung unzusammenhängende Gerinn- sel sich bilden, die innerhalb der Gefässe um so mehr eine kuglige Gestalt annehmen müssen, da sie während ihrer Ent- stehung in einer durch die Zusammenziehung der Gefässe be- Jingten rollenden Bewegung sich befinden. Die Umstände, unter welchen die runden Gerinnsel in der Milz und den Nieren des Schleies erscheinen, bereehtigen uns demnach nicht zu der Annahme, dass diese Organe eine be- sondere Fähigkeit oder Neigung besitzen, während des Lebens unter normalen Verhältnissen solche Gerinnsel in sieh zu bil- den*). Dieselben müssen vielmehr als eine Leichenerscheinung angesehen werden. Wenn Kölliker und Ecker, wie kaum zu bezweifeln, diese Gerinnsel gesehen und die pigmentkugel- haltigen Zellen (der Milz und der Nieren) für eine weitere Umwandlungsstufe derselben gehalten haben, so lag in dieser Zusammenstellung, ganz abgesehen von der behaupteten Ent- stehung ‚‚blutkörperhaltender Zellen‘, eine Willkür, deren Rechtfertigung wir nunmehr zu erwarten haben. Die von Kölliker und Hasse (Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift Bd. IV. S. 10) in dem künstlich erzeugten Bluterguss des Gehirns einer Taube beobachteten körperchenhaltenden Entzündungskugeln, welche von Kölliker und Eeker in der Regel als Stützpunkte für die Untergangstheorie der blutkör- perchenhaltenden Zellen benutzt werden, finden nach meinem Dafürhalten durch die von mir so eben mitgetheilten Wahr- nehmungen ihre Erledigung. Es scheint mir nach Ansicht der Zeichnung (a. a. ©. Taf. I. Fig. 10.) kaum zweifelhaft , dass Kölliker und Hasse runde Gerinnsel vor Augen hatten, die in diesem Falle wahrscheinlich ausserhalb der Gefässe ent- *) Bemerkenswerth ist, dass Virchow, welcher die pathologische Bildung von Gerinnseln in Blutgefässen beim Menschen einer ausführ- lichen Untersuchung unterworfen hat, nirgends runde mikroskopische Gerinnsel beschreibt. (Virchow über die acute Entzündung der Ar- terien im Archiv f. pathol. Anat. Bd. I. S. 272—278.) Dagegen weiss ich aus einer mündlichen Mittheilung meines Kollegen Reinhardt, dass derselbe das in einer Eierstocks-Cyste ergossene Blut aus kleinen Gerinnseln bestehend fand. Hier ist auch eine Beobachtung von Ru- dolph Wagner anzuführen. (Nachricht. v. d. Ges. d. Wiss. zu Göt- tingen 1851. No. 8. S. 103.) Derselbe brachte gereinigte Darmstück- chen vom Frosch, die mit geronnenem Tauben- und Kalbsblute gefüllt waren, in die Bauchhöhle eines lebenden Hahnes. Nach 40 Tagen zeigte die schwarzbraune eingetrocknete Blutmasse Anhäufungen von Farbestofl, „zum Theil zellenartig von Hüllen umgeben“. Es scheinen sich hier runde Blutgerinnsel gebildet zu haben. 128 standen waren und daher ‚auch andere Körner umschlossen. Bemerkenswerth ist, dass Kölliker bei der ersten Wahrneh- (Hlenle’s Zeitschr. 1846) die fraglichen Gebilde nur als „‚Ku- geln‘“ bezeichnete. Später (1549. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 1. Taf. XIX. Fig. 3, 4) beschrieb und zeichnete er, ohne den wich- tigen Unterschied hervorzuheben, in einem Falle von Apo- plexie beim Menschen blutkörperchenhaltende ‚Zellen‘ mit deutlichen „‚Kernen“. Ich erlaube mir, falls der Inhalt aus Blutkörperchen und nieht aus Pigmentkugeln bestand, gegen die Kerne misstrauisch zu sein oder zu vermuthen,, dass die- selben von aussen her auf dieselbe Weise in die Gerinnsel gelangt sind, wie das Stück ‚,‚Nervenmark‘“, welches Kölli- k er in einer dieser „schönen Zellen‘ beobachtete. Ueberhaupt ist es wahrscheinlich, dass in den Fällen, in denen Kölliker die Schönheit der Zellen hervorhebt, runde mit faserstoffigen Membranen umhüllte Gerinnsel vorlagen: in der That haben die letzteren ein zierliches Ansehen und sind wohl geeignet, sogar das Auge so erfahrener Beobachter, wie Kölliker und Ecker, zu täuschen, wenn nicht ihre Aufmerksamkeit auf die Entstehungsweise jener Gebilde gelenkt ist. Vielleicht war ich selbst früher bei ähnlichen Irrthümern betheiligt: bei Ka- ninchen und Pferden, denen ich wiederholte Blutentziehungen gemacht hatte, fand ich im Blute farblose Bläschen, welche mehrere Blutkörperchen einschlossen. Ich hielt diese Bläschen damals für Zellen. Jetzt ist mir wahrscheinlich, dass dies ebenfalls blutkörperchenhaltende Gerimmsel waren, deren Ent- stehung- dureh die Blutentziehungen erleichtert wurde. B. Pigmentkugelhaltige Zellen bei erwachse- nen Wirbelthieren. 1, Säugethiere. An den Verästelungswinkeln der Arte- rien finden sich in der Milz, wie Müller gezeigt hat (M. Arch. 1834) die sogenannten Malpighischen Körperchen. Sie beste- lien aus einer bindegewebigen Scheide oder Kapsel, die mit der gleichartigen Scheide der Arterie innig, zusammenhängt, und aus einem weichen Parenchym, das die ganze Höhle der Kap- Müllers Archiv. 1852, 9 130 sel ausfüllt und durch die bekannten kernhaltigen und fein- körnigen Zellen gebildet wird. Wenn man die Malpighischen Körperchen als „‚Milzkapseln‘‘ oder „‚Milzbläschen“ bezeichnet, so muss man sich vergegenwärtigen, dass die kapselförmige oder blasige Beschaffenheit blos der Scheide zukommt, dass dagegen das Parenchym selbst keine eentrale Höhle oder Lücke zeigt. Am besten dürfte der Name „‚Follikel“ sich zur Bezeichnung dieser räthselhaften Gebilde eignen*). Das Vorkommen der Bestandtheile, aus denen das Parenchym der Malpighischen Follikel besteht, ist nicht auf die letztern beschränkt. Unter- sucht man nämlich «die Arterien, die zu den Follikeln führen, so findet man nicht selten diffuse, zuweilen streifige Ablage- rungen von ähnlichen Zellen, wie sie das Parenchym der Fol- likel bilden, zwischen den Scheiden und den Arterienwänden. Dieselben Bestandtheile finden sich auch bekanntlich in der sogenannten Pulpa der Milz d. h. in den Zwischenräumen zwischen den kapillaren Netzen der Gefässe. Man kann also in der Milz einerseits bindegewebige und fasrige Bestandtheile (Blutgefässe, Lymphgefässe, Nerven, elastische und eontractile Balkenfasern) und andererseits zellige Bestandtheile unter- scheiden, aus denen das Parenchym besteht. Das letztere er- scheint demnach in dreifachen Lagerungsverhältnissen, nämlieh als eingekapseltes Parenchym innerhalb der Malpighi- schen Follikel an den Verästelungswinkeln der Arterien, als Sch eidenparenehym im Verlaufe der Arterienscheiden und alsintereapillares Parenchym innerhalb der sogenannten Pulpa. Schon diese Zusammenstellung zeigt, dass die Kapsel *) Diese Bezeichnung ist von Kölliker neuerdings (Verhandl. d. Würzburg. physiol. med. Ges. 1851. S. 183) für ähnliche Gebilde be- nutzt worden, die sich nach Kölliker in den Wänden der Tonsillen und Balgdrüsen der Zunge finden. Kölliker weist selbst auf diese Aehnlichkeit hin, die auch für die Peyerschen Kapseln gilt. Alle diese Organe, die vielleicht eine ganz verschiedene physiologische Bedeutung haben, kommen darin mit einander überein, dass sie Zellenhaufen bil- den, die von einer bindegewebigen Kapsel eingeschlossen sind. Bei dieser Vebereinstimmung kann vorläufig ein gemeinsamer Name fest- gehalten werden. 131 der Follikel nieht den wesentlichen Bestandtheil derselben bil- det, ebenso die Vergleichung verschiedener Säugethiere. Denn die Kapsel ist am festesten bei den Pflanzenfressern, dagegen bei fleischfressenden Thieren (Hunden nnd Katzen) und häufig auch beim Menschen so schwach und so wenig geschlossen, dass eine Grenze zwischen den Follikeln und dem Scheiden- parenchym häufig kaum wahrzunehmen ist, vielmehr beide in einander übergehen. Das zellige Parenchym der Milz ist bei Säugethieren und beim Menschen in der Regel weiss, und wo es grössere abge- schlossene Ansammlungen bildet, wie in den Malpighischen Follikeln, da lässt sich” nicht erkennen, dass Blutgefässe in dasselbe eindringen. Zuweilen zeigt es eine eigenthümliche durch Pigmentbildung bedingte Veränderung seiner Bestand- theile, welche von Müller bemerkt worden ist. Ich habe diese Veränderung am häufigsten beim Rinde, in seltenen Fäl- len beim Schaafe, Schweine und Kaninchen, jedoch bisher nie- mals beim Menschen angetroffen. Im Centrum der Parenchym- kugel, von welcher die Kapsel des Malpighischen Follikels aus- gefüllt wird, sieht man nämlich nach Anwendung eines gelinden Druckes schon bei 15 bis 20facher Vergrösserung einen dun- kelen braunrothen Punect und nach Sprengung der Kapsel über- zeugt man sich, dass die centrale Färbung erzeugt wird durch kernhaltige Parenchymzellen , deren Inhalt nicht wie gewöhn- lich durchaus farblos und feinkörnig ist, sondern ganz oder zum Theil durch 1-3 gelbrothe oder braunrothe Kügelchen gebildet wird, die den Blutkörperchen in der Regel an Grösse ein wenig nachstehen. Ausser der röthlichen Färbung und der runden Form bieten sie aber keine andere Achnlichkeit mit Blutkörperchen dar. Namentlich fehlt ihnen immer die abge- plattete münzförmige Gestalt der Blutkörperchen, ihr Farbestoff ist intensiver, ins Braune oder’ Saffrangelbe spielend und wird ihnen in der Regel weder durch Wasser noch durch ‚Essig- säure entzogen; sie haben eine bedeutende Festigkeit, so dass sie zuweilen nach Anwendung von Druck ‚die Zellenmembran durchbrechen und mit Bewahrung der bezeichneten. Eigen- schaften in Wlüssigkeiten umherschwimmen, in welchen ‚die 9* 132 Blutkörperchen aufgelöst oder doch wegen Entfärbung un- kenntlich geworden. Niehts berechtigt uns anzunehmen, dass der Inhalt der beschriebenen pigmenthaltigen Zellen durch Infiltration von Blutfärbestoff während der Untersuchung oder nach dem Tode seine Färbung erhalten habe. Denn man sieht die pigmenthaltigen Zellen in ganz frischem Zustande bei Be- handlung mit Flüssigkeiten (Blutserum, Zuckerlösung), in wel- chen die Blutkörperchen ihre Gestalt, ihren Umfang und ihre Färbung bewahren. Auch lässt sich nicht bemerken, dass der Zusatz von Flüssigkeiten, welche den Blutkörperchen den Farbestoff entziehen, die Färbung des Inhalts der pigmenthal- tigen Zellen verstärke oder ändere. Hat man sich durch ver- gleichende Prüfungen von dieser Thatsache überzeugt, so kann man sich ‘die Untersuchung der pigmentkugelhaltigen Zellen erleichtern, wenn man sich des destillirten Wassers bedient, das den (fast unvermeidliehen) Blutkörperchen den Farbestoff ent- zieht und die Färbung des Inhaltes jener Zellen um so schärfer hervortreten lässt. Bei Anwendung dieses Verfahrens wird es in der Fällen, in weleher das Parenchym vieler oder einiger Bälge eine centrale Färbung darbietet, in der Regel gelingen, auch unter den Parenchymzellen der Arterienscheiden und der sog. Pulpa einige zu finden, deren Inhalt aus Pigmentkügelchen von der oben angegebenen Beschaffenheit oder aus feinen zahl- reichen Pigmentkörnchen besteht, Zuweilen zeigt sich in der Scheide der Arterien ein streifiger oder fleckiger Niederschlag von feinen Pigment-Körnchen, der sich durch Wasser nieht ausspülen lässt, ohne dass man Zellen oder Kerne bemerkt. Die beschriebenen pigmentkugelhaltigen Zellen sind diesel- ben, welche ich zuerst (diagn. u. pathog. Unters. 1845. $. 117) und zwar damals blos aus der Pulpa des Kalbes beschrieben habe. Ich muss annehmen, dass diese Zellen (ebenso wie die blutkörperchenhaltenden Gerinäsel) von Kölliker, Ecker, Gerlach u. A. für blutkörperchenhaltende Zellen gehalten worden sind; denn trotz aller Mühe ist es mir niemals gelun- gen, in dem Pareuchym andere Zellen aufzufinden, deren In- halt eine grössere Uebereinstimmung mit Blutkörperchen ge- zeigt hätte. Freilich, wenn man von der Meinung befangen 133 ist, dass die in den erwähnten Pigmentzellen enthaltenen Pig- mentkugeln aus Blutkörperchen entstanden oder dazu bestimmt sind, sich in Blutkörperchen umzuwandeln, wenn man die eine oder. die andere Meinung begründet glaubt durch andere Be- obachtungen, so wird man selbst über handgreifliche Schwie- rigkeiten leichter hinweggehen. In einem Falle fand ich die Milz eines Ochsen von unge- wöhnlicher Dunkelheit. Nachdem der Blutfarbestoff durch Wasser ausgespült war, zeigte sich in der Pulpa eine ausser- ordentlich grosse Menge braunrother,, glatter, homogener Ku- geln, die theils viel grösser, theils auch kleiner waren als Blutkörperchen; sie lagen nicht in Haufen beisammen, sondern ohne Ordnung zerstreut. Es war nicht schwer sie freizuma- machen, allein niemals gelang es, umhüllende Membranen wahr- zunehmen. Dieser Fall erinnerte lebhaft an Müller’s Be- schreibung, nach welcher die Pulpa aus lauter braunen Kör- nern besteht. Durch Vircho w’s Untersuchungen gerieth ich auf die Vermuthung, dass die braunen Körner aus stockendem oder ausgetretenem Blute entstanden seien. Die chemische Untersuchung war dieser Vermuthung durchaus nicht günstig; denn die Körner entfärbten und lösten sich nicht in Wasser, Alkohol, Aether, Essigsäure, Salzsäure, auch nicht in Schwe- felsäure, in welcher nach Virchow der Blutfarbestoff auf allen Umbildungsstufen vollkommen löslich ist. Diese Angabe Virehow’s habe ich an der Milz des Menschen in vier Fäl- len bestätigen können. In schwarzen inselförmigen Stellen der Milz von T’yphusleichen — Zustände, die durch stocken- des oder extravasirtes Blut bedingt werden — fanden sich braune oder schwarze Pigmentkörner, die sich nieht in Wasser und Essigsäure, wohl aber in Schwefelsäure mit Leichtigkeit lösten. Von der Leber der erwachsenen Säugethiere und des Men- schen ist meines Wissens nicht behauptet worden, dass sie blutkörperchenhaltende Zellen enthielte. Ich will daher nur der Vollständigkeit wegen und im Hinblick auf das Verhalten der Leber bei anderen Wirbelthieren, namentlich den Fischen und Amphibien, bemerken, dass nach meinen vielleicht nicht 134 oft genug wiederholten Forschungen Pigmentablagerungen an den Wänden der Blutgefässe oder der Gallengänge in der Leber des Menschen und der Säugethiere nieht gefunden wer- den. In den Leberzellen des Menschen finden sich zuweilen neben farblosen Fetttröpfehen gelbe oder gelbrothe Körner, allein ihre Beschaffenheit überhebt uns der Pflicht zu beweisen, dass sie nicht entstehende oder untergehende Blutkörperchen seien. 2. Vögel. Die Klasse der Vögel bildet ein unergiebiges Feld für die Theorieen und die Kritik der blutkörperchenhal- tenden Zellen. Die letzteren sollen in der Milz der Vögel nur selten gefunden werden. (Eeker in Wagner’s Wörterbuch Ba. IV. S. 149.) Diese Angabe, die gegenüber den Behaup- tungen von der physiologischen Wichtigkeit der angeblich blutkörperchenhaltenden Zellen viel Auffallendes hat, stimmt durchaus mit den Ergebnissen meiner an vielen Hausvögeln angestellten Untersuchungen insofern überein, als in der That das Parenchym der Milz nur höchst selten Pigmentablage- rungen darbietet. Eine scharfe Grenze zwischen Follikeln und dem übrigen Parenchym giebt es hier nicht, da den ersteren die geschlossene Capsel in der Regel fehlt, ihre bindegewebige Umhüllung vielmehr in die Scheide der Arterien übergeht. Wo ich pigmenthaltige Zellen vorfand, (einmal bei der Taube und der Gans) da enthielten sie nur sehr kleine gelbe Körn- chen oder Kügelchen, die kaum so gross waren als der Kern eines Blutkörperchens. Niemals aber fand ich eine Zelle, in welcher sich ein oder gar mehrere Blutkörperchen erkennen _ liessen, was bei der ovalen Form und der Kernhaltigkeit der letzteren wohl keine Schwierigkeiten gehabt hätte. Auch in der Leber erwachsener Vögel vermisste ich durchaus das Vor- kommen pigmentkugelhaltiger Zellen, deren Inhalt als Blut- körperchen hätte gedeutet werden können. 3. Amphibien. Meine Untersuchungen sind an Fröschen (Rana temporaria und esculenta), Salamandern (Triton cristatus), Eidechsen (Lacerta agilis) und Nattern (Coluber natrix) ange- stellt worden. Bei den zuletzt genannten Amphibien finden sich nur höchst selten pigmentkugelhaltige Zellen, dagegen sind sie beim Salamander ziemlich häufig. am häufigsten beim Frosch, 135 und ich habe um so mehr Veranlassung auf das Verhalten jener Zellen bei dem letzteren Thiere ausführlich einzugehen, da nach Kölliker’s und Eckers Versicherung gerade beim Frosch die blutkörperchenhaltenden Zellen ‚am schönsten ‘ beobachtet werden sollen. Zerreisst man die Substanz der Milz eines Frosches und behandelt dieselbe mit Blutserum oder mit einer Zuckerlösung, welche die Farbe und Gestalt der Blutkörperchen nicht merk- lich verändert, so findet man in der Flüssigkeit neben den be- kannten ovalen Blutkörperchen nicht selten eine nicht unbe- trächtliche Anzahl kleinerer runder gelbrother Körper, welche ınan auf den ersten Blick versucht sein kann, für ‚kleinere Blutkörperchen zu halten. Bei näherer Betrachtung wird man jedoch finden, dass diese gelbrothen Körper in ihrer Farbe nicht vollkommen mit den wahren Blutkörperchen überein- stimmen und dass sie niemals die der letzteren eigenthümliche Abplattung zeigen. (Vergl Fig. 1,2u.3.) Setzt man zu der Zuckerlösung so viel Wasser hinzu, dass den grossen ovalen Blutkörperchen der Farbestoif entzogen und der Kern in ihnen deutlich wird, so bemerkt man, dass sich die kleineren, run- den gelbrothen Körper sehr verschieden verhalten. Einige ver- lieren zwar gleich den ovalen Blutkörperchen ihren Farbestoff und verwandeln sich in farblose Blasen, in welchen ein ein- facher oder doppelter kernähnlicher Körper zum Vorschein kommt. Betrachtet man diesen Körper ‘genauer, so findet man, dass seine Aehnlichkeit mit dem Kern der ovalen Blut- körperchen verschwindet; er ist nämlich unregelmässig wal- zenförmig, von sehr dunkelen Conturen von den lichtbrechen- den Eigenschaften des Fettes und zeigt nicht die Granulatio- nen, welche an dem Kerne der ovalen Blutkörperchen. erschei- nen. Zuweilen sind zwei solcher Innenkörper vorhanden und dann liegen sie nicht (wie die Kerne doppelkerniger Zellen), in verschiedenen Abtheilungen der entfärbten Blase, sondern bilden einen Winkel mit einander oder kreuzen sich gar, wäh- rend sie die Höhle der Blase beinahe ganz erfüllen. Neben diesen durch Zusatz von Wasser sich entfärbenden gekernten Pigmentblasen finden sich andere ähnliche Pigmentblasen , die 136 weder in Wasser noch in verdünnten Säuren sich entfärben und endlich runde, dunkelrothe Kugeln von gleicher Grösse, die weder nach Zusatz von vielem Wasser oder Säuren ihren Farbestoff verlieren, noch einen kernähnlichen Innenkörper erblicken lassen. Ich brauche wohl kaum zu bemerken, dass man sich bei diesen Beobachtungen nicht täuschen lassen darf durch diejenigen wahren Blutkörperchen, welche beim Zusatz von Wasser in dem Maasse sich verkleinern, abrunden und mit Farbestoff sättigen, als andere Blutkörperchen sich ent- färben. Bei längerer Einwirkung des Wassers, das schliesslich sämmtlichen Blutkörperchen den Farbestoff entzieht, werden die Unterschiede derselben von den gekernten und kernlosen Pigmentblasen immer hervortreten. Unvollkommene Beobachtungen dieser Pigmentblasen, die allerdings mit den Blutkörperchen einige Aehnlichkeit darbie- ten, haben offenbar den Ausspruch veranlasst, dass sich in der Milz mehr kleinere Blutkörperchen finden, als in anderen Organen. Es hält aber nicht schwer, sich von der Unrichtig- keit dieses Ausspruches zu überzeugen. Beobachtet man näm- lich frische Schnittflächen der Milz und die aus den durch- schnittenen Blutgefässen ausfliessenden Blutströme, so wird man finden, dass solche kleinere gefärbte Körper, wie sie oben beschrieben worden, in den Blutgefässen nicht vorkom- men, dass vielmehr die Blutkörperchen in den Gefässen der Milz sich schlechterdings nieht anders verhalten, als in anderen Theilen des Körpers, dass sich aber von den Schnittflächen, besonders nach Anwendung eines Druckes, kleine runde Pig- mentkugeln oder Pigmentblasen ablösen und den Blutströmen beimischen, daher leicht für Bestandtheile derselben gehalten werden können. Die fernere Untersuchung ergiebt, dass die beschriebenen theils gekörnten theils kernlosen Pigmentkugeln oder Pigment- blasen Bestandtheile des Parenchyms und zwar in Zellen ent- halten sind, die weder in den Gefässen, noch in aneurysma- tischen Anhängen derselben ihre Lage haben. Betrachtet man einen dünnen Schnitt der frischen Milz, so sieht man schon bei 15 facher Vergrösserung zerstreute pigmentirte (ockergelbe 137 oder dunkelbraune, zuweilen auch schwärzliche) runde Flecke in der von bluthaltıgen Gefässen durchzogenen Substanz zer- streut; diese Flecke verschwinden nicht nach Zusatz von Was- ser, welches den Blutfarbestoff ausspült, werden durch con- centrirte Säuren (Essigsäure, Salzsäure, Salpetersäure, Schwe- felsäure) nur wenig, am meisten durch Aetzkalilauge entfärbt, durch welehe sie eine lichtgelbe Farbe erhalten. Sie werden durch Haufen kernhaltiger Zellen gebildet, deren Inhalt theils farblos ist, theils aus Pigmentkugeln besteht. Die farblosen Zellen sind immer die kleinsten, in der Regel etwa von "/,,,'' im Durchmesser, die pigmentkugelhaltigen Zellen dagegen sind grösser und erreichen einen Durchmesser von '/,,'" und dar- über. Der Inhalt der farblosen Zellen besteht aus sehr zahl- reichen dieht gedrängten runden Körnchen, die den Zellen ein sehr zierliches Ansehen und dabei eine grosse Aehnlichkeit mit den farblosen Parenchymzellen der Milz anderer Wirbel- thiere verleihen, der Inhalt der pigmenthaltigen Zellen besteht bald aus sehr zahlreichen kleinen gelblichen runden Körnern, die an die Cblorophylikörner der Pflanzen erinnern, bald aus weniger zahlreichen grösseren Kugeln oder Blasen von ver- schiedener Farbe und Grösse, ' Gelbrothe, ockergelbe, rost- braune, schwärzliche Kugeln finden sich nebeneinander in der- selben Zelle, zuweilen neben kleinern gefärbten oder farblosen Körnern. Unter diesen Kugeln finden sich auch die oben be- schriebenen mit walzenförmigen farblosen Innenkörpern ver- sehenen Pigmentblasen, die mit Blntkörperehen zuweilen eine überraschende Achnlichkeit zeigen. Solcher Pigmentblasen fand ich immer nur eine oder zwei oder drei in einer kern- haltigen Zelle neben anderen kleineren schwächer gefärbten Pigmentkugeln. Sie haben eine bedeutende Festigkeit, so dass sie nach einem auf die Zelle ausgeübten Drucke aus derselben hervortreten und der Wirkung des Wassers. zuweilen auch der der verdünnten Säuren ziemlich lange und jedenfalls län- ger widerstehen, als die Blutkörperehen. von denen sie sich immer durch geringeren Umfang, durch den Mangel an Ab- plattung, durch die runde Form und in der Regel auch durch die dunklere Farbe unterscheiden, 138 Die beschriebenen Pigmenthaufen finden sich im Verlaufe diekwandiger Arterien, an den Verästelungswinkeln derselben. Sie werden niemals von Blutgefässen durchsetzt, sondern lie- gen zwischen denselben im Bindegewebe eingebettet, das je- doch keine scheidenförmigen Kapseln um den Pigmenthaufen bildet. Aehnliche kleinere Häufchen pigmentkugelhaltiger Zellen finden sich theils den Wänden der Blutgefässe aufsitzend, theils in den Zwischenräumen zwischen den sehr weiten Ka- pillargefässen. Alle diese Pigmenthaufen enthalten immer auch eine grössere oder geringere Anzahl farbloser körniger Paren- chymzellen und sind otfenbar nur veränderte Bestandtheile des Parenchyms. Und zwar entsprechen die grössten an den stär- keren Arterien befindlichen Haufen den Malpighischen Folli- keln der übrigen Wirbelthiere, von denen sie sich blos durch den Mangel einer festen bindegewebigen Kapsel unterscheiden. Die drei Formen oder Abtheilungen des Parenchyms, welche wir oben bei den Säugethieren unterschieden haben (das ein- gekapselte, Gefässscheiden- und intercapillare Parenehym), sind demnach auch beim Frosch vorhanden. Allein sie gehen ohne scharfe Grenze in einander über. Die Milz des Frosches un- terscheidet sich demnach hauptsächlich dadurch von der Milz der Säugethiere, dass in dem Parenchym eine überwiegende Menge pigmentkugelhaltiger Zellen neben farblosen Zellen vorkommen und dass die Pigmentkugeln zuweilen einige Aechn- lichkeit mit Blutkörperchen darbieten. Ein Uebergang der letzteren in die erstern oder umgekehrt findet aber nicht statt, wie ich weiter unten zeigen werde. Schon Kölliker giebt an, dass das Vorkommen der an- geblich „blutkörperchenhaltenden‘ Zellen in der Milz der Frö- sche grossen Schwankungen unterworfen ist. In der That ist es zuweilen schlechterdings unmöglich, in den pigmentkugel- haltigen Zellen des Parenchyms Pigmentblasen zu finden, wel- che mit Blutkörperchen auch nur die geringste Achnlichkeit hätten, während sie in anderen Fällen mit Leichtigkeit gefun- den. Ebenso schwankt auch die Menge, die Grösse und die Farbe der Pigmentkugeln bei verschiedenen Individuen so sehr, dass es mir bisher nieht gelingen wollte, ein normales Verhal- 139 ten in dieser Hinsicht zu ermitteln. Wovon diese Schwan- kungen abhängen, lässt sich ebenfalls nicht angeben. Ich habe zwar, gleich Kölliker, bei hungernden Fröschen öfter eine grosse Menge Pigmentkugeln und Pigmentblasen gefunden, als bei solchen, die aus dem Freien gebracht wurden. Doch habe ich nicht selten auch an so eben eingefangenen Fröschen eine nicht geringe Menge Pigmentkugeln und Pigmentblasen an- getroffen. Auch die Leber des Frosches ist in vielen Fällen sehr reich an pigmentkugelhaltigen Zellen, die letzteren sind ent- weder zerstreut in der Leber zu finden, oder sie folgen dem Laufe der Blutgefässe und der Gallengänge, ohne deren Höh- len zu erfüllen; sie sind in der Regel grösser als die normalen Leberzellen. Gelbrothe kernhaltige, den Blutkörperchen ähn- liche, Pigmentblasen von der oben bei der Milz beschriebenen Beschaffenheit als Inhalt von Pigmentzellen der Leber gehö- ren zu den grössten Seltenheiten. Wenn sie vorkommen, sind sie niemals in dem Blute der Lebergefässe anzutreffen; viel- mehr finde ich, das letztere, wenn ich die Pigmentkugeln des Parenchyms fernhalte, ebenso wie das der Milz, durchaus nieht verschieden von dem Blute anderer Organe. Blutkörper- chenhaltende Zellen konnte ich weder in dem Blute, noch in der Substanz der Leber finden. In der Mehrzahl der Fälle ist der Inhalt der pigmentkugelhaltigen Zellen der letzteren so beschaffen, dass eine Verwechselung oder Vergleiehung mit Blutkörperchen nicht leicht möglich ist. Er besteht nämlich aus mehreren braunen oder schwarzen Kugeln, die eine sehr feste Wandung und einen beim Zusatz von Wasser zur Mole- eularbewegung neigenden körnigen Inhalt unterscheiden lassen. Gruppen solcher Kugeln findet man nicht selten in der Sub- stanz der Leber, ohne dass man im Stande ist, umhüllende Zellenmembranen darzustellen. Dennoch lässt sich nicht behaupten, dass in diesen Fällen die Zellenmembran auch während des Lebens fehle. Aus dem Verhalten der Milz wird es wahrscheinlich , dass die pigmentkugelhaltigen Zellen der Leber aus normalen Le- berzellen entstehen, indem der farblose, aus Körnchen der 140 Fettkugeln bestehende Inhalt der letzteren sich in Pigment- kugeln umwandelt. Die Untersuchung der Leber giebt nicht in allen Fällen Anhaltspunkte für diese Vermuthung. In man- chen Fällen vermisst man durchaus Uebergänge von den nor- malen Leberzellen zu den pigmentkugelhaltigen Zellen. Zuwei- len findet man jedoch die meisten Leberzellen, namentlich in der Nähe der pigmentirten Zellenhaufen vergrössert und mit grossen goldgelben Fettkugeln erfüllt, die man als Uebergangs- stufen zu den übrigen Pigmentkugeln und Pigmentblasen be- trachten kann. Ich muss in Betreff der Zweifel, welche in dieser Hinsicht die Untersuchung der Leber bei erwachsenen Fröschen übrig lässt, auf die weiter unten folgenden Beobach- tungen über die pigmentkugelhaltigen Zellen der Froschlarven verweisen. Von der Menge und Farbe der pigmentkugelhaltigen Zellen hängt die Farbe der Leber ab, die den grössten Schwankun- gen unterworfen ist. — E. H. Weber (Berichte über die Verhandl. d. sächsischen Gesellsch. d. Wiss. zu Leipzig 1850. 5. 22) beobachtete, dass Frösche, welche im Zimmer überwin- tert hatten, im Frühling eine dunklere Farbe zeigten, die all- mälig wieder einer helleren Platz machte. Ich habe ebenfalls im Februar und März in etwa zehn im Zimmer überwinterten Fröschen eine sehr dunkle schmutzigbraune oder grüne Farbe, verbunden mit auffallender Zusammensehrumpfung, gesehen. Drei überwinterte Frösche, die keine feste Nahrung erhielten, zeigten mir noch im Mai dieselbe Beschaffenheit der Leber. Dagegen zeigte sich zu derselben Zeit eine viel geringere Pig- mentbildung in der Leber solcher Frösche, die aus dem Freien gebraeht wurden. Andererseits finde ich bei Fröschen, die mehrere Wochen im Zimmer ohne Nahrung zugebracht haben, auch während des Sommers sehr dunkele Färbung und Ver- schrumpfung der Leber. Daher scheint es mir zweifelhaft, ob die reichlichere Pigmentbildung, wie E. H. Weber anzuneh- men scheint, periodisch und an eine bestimmte Jahreszeit ge- bunden sei. Vielmehr glaube ich annehmen zu müssen , dass Mangel an Nahrung und au Bewegung zu allen Zeiten des 141 Jahres, so auch während des Winterschlafs, Pigmentbildung und Zusammensehrumpfung der Leber erzeuge. 4. Fische. Diese Klasse der Wirbelthiere bildet ein sehr ergiebiges Feld für Täuschungen und Enttäuschungen in Be- treff der. blutkörperchenhaltenden Zellen. Den passendsten Ausgangspunkt für die Untersuchung scheint mir hier der Schlei (Tinca chrysitis) abzugeben, bei welchem sowohl in der Milz, wie in der Leber, den Nieren, dem Eierstock, dem Bauchfell, zu jeder Zeit eine grosse Menge pigmentkugelhalti- ger Zellen oder Bläschen angetroffen werden. Die Milz des Schleies ist dunkler gefärbt, als irgend ein Organ des Körpers. Diese dunkele Farbe rührt nieht blos von den sehr diehten und weiten mit Blut angefüllten Gefässen her, sondern von zahlreichen sehr grossen, zuweilen schon mit blossem Auge sichtbaren gelben oder rostbraunen ziemlich festen Follikeln (von /,-'/;'"); die durch Wasser fast gar nicht, durch Säuren, wie Essigsäure, Salzsäure, Salpetersäure, auch durch Schwefelsäure in der Regel sehr wenig oder gar nicht, amı meisten durch Aetzkali entfärbt werden. Das letz- tere verwandelt jene Follikel in eine weiche, hellgelbe Masse, deren Farbe und Consistenz durch Zusatz von Säuren keine weitere Veränderung erleidet. Die Follikeln finden sich in grosser Zahl an den Verästelungen der Arterien, sowohl an den Verästelungswinkeln, wie im Verlaufe derselben, dicht an der Aussenfläche und ‘sind von derselben bindegewebigen Scheide fest umhüllt, welche die Arterien allerwärts begleitet. Doch fand ich sie zuweilen auch in den Scheiden dünnwandi- ger Blutgefässe, die ich für Venen halten musste. Da die Arte- rien und Pollikel im frischen Zustande eine bedeutende Festig- keit haben, so hält es nicht schwer, die Aeste einer Arterie mitsammt den anhängenden runden oder ovalen Kollikeln aus- zuschälen; bei löfacher Vergrösserung erhält man alsdann bei- nahe dasselbe Bild, welches Müller in seinem "bekannten Aufsatz (M. Arch, 1834) von den Malpighischen Follikeln der Milz der Siäugethiere geliefert "hat, nur mit dem Unterschiede, dass beim Sehlei die anhängenden runden oder ovalen Follikel weit zahlreicher und gefärbt sind (Fig. 4): Die Gefässe, an 142 - denen die Follikel sich finden, zeigen immer einen durchaus un- unterbrochenen von Blut erfüllten Kanal, keine Spur von aneu- rysmatischer oder varieöser Erweiterung. Ebensowenig sieht man jemals die Höhle der Kapsel des Follikels in die Gefäss- höhle übergehend; vielmehr liegen die pigmentirten Follikel immer in der Scheide der Gefäse, durch die ganze Dicke der Gefässwand von der Höhle der letzteren getrennt. Zuweilen entsteht der Anschein, als ziehe sich der Inhalt des Follikels in die Höhle eines Gefässes hinein. Bei genauerer Betrach- tung findet man aber, dass dies streifige Ansammlungen von ähnlichen Pigmentmassen sind, welche neben dem Gefässe in der Scheide desselben verlaufen. Hat man eine Zucker- lösung angewendet, welche den Blutfarbestoff nicht auswäscht, so wird man immer neben dem gelben festen Pigmentstreifen den blutrothen beweglichen Inhalt des Gefässes beobachten, Ich habe diesen Gegenstand mit grosser Aufmerksamkeit ver- folgt, weil ich vermuthe, dass diese Pigmentstreifen, die dem Gefässwandparenchym der höheren Wirbelthiere entsprechen, von Kölliker für Gefässe gehalten worden sind, in denen er blutkörperchenhaltende Zellen zu sehen glaubte, — Ausser den grösseren in bindegewebigen Kapseln eingeschlossenen, den Arterien anhängenden pigmentirten Follikeln und den an dieselben sich anschliessenden pigmentirten Parenchymstreifen sieht man noch kleinere Pigmentzellenhäufehen in den Zwi- schenräumen zwischen den sehr weiten Kapillargefässen zer- streut; sie entsprechen dem intercapillaren Parenchym der höheren Wirbelthiere. Die beschriebenen pigmentirten Follikel sind von Kölli- ker und Ecker als veränderte Blutextravasate gedeutet wor- den. Ich muss mich gegen diese Deutung erklären. Zuweilen sieht man Blutansammlungen in der Milz, die man für Extra- vasate halten kann, Jedoch zeigt die weitere Untersuchung, dass es Ansammlungen frischer Blutkörperchen in weiten dünnwandigen Gefässen (Venen) sind. (Wie leicht, übri- gens beim Schlei und anderen Fischen Extravasate wäh- rend des Todes sich bilden, sieht man an den Kiemen. Hier zeigen sich nicht selten grosse runde, sehr zierliche Blut- 143 klumpen an den Gefässen der Kiemenbüschel, dicht unter dem Häutehen, das dem Epithelium als Unterlage dient. Man ist sicher, diese Blutklumpen hervorzurufen, wenn man den Fisch dadurch tödtet, dass man seinen Kopf an eine Tischkante schlägt. Dieselbe Wirkung bringen wahrscheinlich in anderen Fällen die Zukungen hervor, welche mit dem Absterben des Thieres verbunden sind). — "Niemals finde ich in der Milz Zustände, die als Uebergangsstufen jener Extravasate zu den Pigmentzellen gedeutet werden könnten. Spaltet man die Kap- sel eines Follikels, so wird man selbst bei Anwendung einer Zuckerlösung, welche die Blutkörperchen nicht entfärbt, nie- mals im Innern der Kapsel ein Blutkörperchen und noch viel weniger kernhaltige Zellen finden, deren Inhalt sich wie Blut- körperchen verhielte. Ueberhaupt gehört es zu den grössten Seltenheiten, kernhaltige Zellen in den Follikeln zu finden, und wenn dies gelingt, so besteht der Inhalt diesser Zellen ausser dem Kern aus farblosen Körnchen oder aus gelben oder rost- farbenen Kugeln, welche mit Blutkörperchen nicht die geringste Aehnlichkeit haben; sie sind nämlich niemals abgeplattet, nie- mals von der regelmässig ovalen Gestalt der Blutkörperchen, sondern rund oder höckerig, bald viel kleiner, bald viel grös- ser als Blutkörperchen, von sehr dunkelen Conturen begrenzt und in ihrem Innern sieht man bei guter Beleuchtung diehtge- drängte durchscheinende Körperehen. Gegen Wasser und Säuren sind diese Pigmentkugeln in der Regel ganz unempfind- lich; zuweilen nehmen sie unter Einwirkung von Säuren eine höckerige oder traubenförmige Gestalt an, als wollten sie in kleinere Körperchen zerfallen. Auch der Schwefelsäure wider- stehen sie zuweilen, während sie in anderen Fällen durch die- selbe entfärbt werden. Häufiger als pigmentkugelhaltige Zel- len mit Kernen sieht man kernlose wasserhelle Bläschen, deren Inhalt in der Regel durch drei, oft auch durch weniger oder mehr Pigmentkugeln von ungleicher Grösse gebildet wird, so dass in einem Bläschen nicht selten sehr grosse und sehr kleine Kugeln zusammen vorkommen. Solche Pigmentkugeln fallen beim Zerreissen einer Kapsel in grosser Menge auch ein- zeln heraus, Ich glaube jedoch bezweifeln zu müssen, dass sie 144 frei in den Kapseln liegen. Denn wenn ich eine unverletzte Kapsel von nicht zu grossem Umfange ein wenig zusammen- drücke, so sehe ich häufig die gelben Pigmentkugeln zu meh- reren, in der Regel zu dreien, in Bläschen eingeschlossen. (Vergl. Fig. 9 B.) In seltenen Fällen gelang es mir, Pigment- kugeln mit kernähnlichen Innenkörpern zu finden; sie lagen zu zweien in einer gemeinschaftlichen sehr festen, der Essig- säure grossen Widerstand leistenden Hülle, waren weit grösser als Blutkörperchen, und wurden durch Wasser gar nicht, durch Säuren, namentlich durch Schwefelsäure, nicht immer entfärbt. Es war unmöglich, sie für Blutkörperchen zu erklären. Aus- serdem finden sich eine grosse Menge farbloser fächerförmiger Körper von den verschiedensten Formen, in deren Fächern gelbrothe runde Körper liegen. Es scheint mir zweeklos, eine erschöpfende Beschreibung der mannigfachen Formen zuge- ben, welche diese fächerförmigen Pigmentkörper darbieten.. Es genüge die Versicherung, dass es mir niemals gelungen ist, an dem Inhalte dieser Pigmentkörper Eigenschaften zu entdecken, die ihre Zurückführung auf blutkörperchenhaltende Gerinnsel möglich mashten. Einige Formen, die mir besonders auffallend schienen, habe ich abgebildet (Fig. 6); ihr Inhalt ist vielleicht für Blutkörperchen gehalten worden. Ich muss annehmen, dass auch diese Gebilde Umwandlungen pigmentkugelhaltiger Parenchymzellen sind. Bemerkenswerth ist, dass ich nieht selten in den eingekapselten Pigmentfollikeln zwischen ‚den pigmentkugelhaltigen Bläschen Psorospermien beobachtet habe (Fig. 9 B). Ich habe sowohl geschwänzte, wie unge- schwänzte Psorospermien gesehen. Noch häufiger sehe, ich langgezogene birnförmige ähnlich denjenigen, welche Müller (M. Arch. 1841. Taf. XVI. Fig. 4) von den Kiemen bei Cypri- nus Rutilus abgebildet habe. Diese birnförmigen Psorospermien waren immer einzeln in weiten ovalen Kapseln eingeschlossen. Die kleinen Doppelbläschen vermisste ich nieht selten an den birnförmigen Psorospermien, die innerhalb ovaler Kapseln vorkamen (Fig. 5), allein die Vergleichung mit den ausgebil- deten Formen, die in anderen Fällen in der Milz vorkamen, (Fig. S) liess über die Deutung. keinen Zweifel aufkommen, 145 In allen Fällen, wo Psorospermien in der Milz vorkamen, zeigten sich auch ähnliche Formen derselben auf den Kiemen. Bei einem jungen 10 Zoll langen Schlei enthielt die Milz weisse sehon mit blossem Auge sichtbare, zum Theil verästelte und mit geschichteten Wänden versehene Schläuche oder Blasen, die ganz von birnförmigen Psorospermien erfüllt waren. Die Leber und die Nieren des Schleies enthalten in der Regel pigmentirte Follikel von gleichem Umfange und ähnli- cher Zusammensetzung, wie die Milz dieses Thiers. Nur sel- ten sah ich Fälle, wo die Leber oder die Nieren oder beide Organe gegen die Milz in dieser Hinsicht zurückstanden. In der Leber finden sich die Follikel sowohl im Verlaufe der Blutgefässe wie der Gallengänge, und zwar vermisst man sie fast niemals in den Wänden derjenigen Gallengänge, welche ausserhalb der Leber zu dem Ductus eysticus verlau- fen. Die Untersuchung bietet auch hier keine Stütze für die Annahme, dass die Pigmentmassen veränderte Blutextravasate seien. So oft es gelingt, in der bindegewebigen Scheide eines Gallenganges, in welcher die Pigmentfollikel ihre Lage haben, Blutgefässe zu den letzteren zu verfolgen, überzeugt man sich, dass sie nur in der Wand der Follikel sich verästeln, ohne in das Innere einzudringen oder gar aneurysmatische Erweite- rungen zur Aufnahme der Follikel zu bilden. Blutkörperchen- haltende Zellen werden auch hier nieht gefunden und die ver- schiedenen Formen der Pigmentkugeln zeigen sich wie bei der Milz in Zellen oder fächerförmigen Bläschen eingebettet. Das- selbe gilt von den in den Nieren sowohl an den Wänden der Blutgefässe als der Harnkanälchen vorkommenden pigmentir- ten Follikeln. Eine Verwechselung derselben mit den Malpi- ghischen Gefässknäueln ist nicht leicht möglich und der Ueber- gang der einen in die anderen durchaus nicht nachzuweisen. Wenn die Pollikel der Milz Psorospermien enthalten, finden sich die letzteren auch in denen der Nieren. Ich sah in den Nieren des Schleies kleine Kapseln (von ’/,,"), die drei Ab- theilungen zeigten; die mittlere wurde durch ein birnförmiges Psorospermion eingenommen (Fig. 5 a), die beiden seitlichen durch Pigmentkugeln. Auch in grösseren eingekapselten Pig- Müllers Archiv, 1852, 10 146 menthaufen von Y,,'’, die den Gefässwänden aufsassen, sah ich zwischen Pigmentkugeln ovale Bläschen mit birnförmigen Psorospermien. Aehnliche Bläschen sah ich auch einzeln in den Gefäüsswänden (Fig. 7). In einem Falle fand ich an einem diekwandigen Blutgefässe von '/,,"’” Durchmesser gegenüber einem Pigmentfollikel ein mit der Gefässwand verwachsenes Bläschen von eirca '/,,"', das von ungeschwänzten Psorosper- mien (M. Arch. 1841. Taf. XVI. Fig. 3) ganz erfüllt war. Die Pigmentzellen sind beim Schlei zuweilen auch im Eier- stocke und zwar in dem bindegewebigen Stroma zwischen den Eiern anzutreften. Sie haben auch hier dieselbe Zusammen- setzung wie in der Milz, der Leber und den Nieren. Nicht selten glaubt man zu finden, dass ein Pigmentzellenhaufen in einer Erweiterung eines Blutgefässes enthalten sei, indem von den meist unregelmässigen nicht eingekapselten Haufen strei- fige Fortsätze ausgehen, die dem Laufe der Gefässe folgen ; allein bei vorsichtiger Untersuchung gelangte ich immer zu dem Ergebniss, dass der Pigmentstreifen nicht in der Höhle des Gefässes, sondern neben demselben in der Scheide dessel- ben sich befinde. Nichts ist mehr geeignet allen aufgestellten Hypothesen über das Verhältniss der Pigmentzellenhaufen zu den Blutgefässen entgegenzutreten, als die Untersuchung der Falten des Bauch- fells beim Schlei; hier finden sich sehr häufig zierliche Pig- menthaufen, die aus maulbeerförmigen Körpern bestehen, im Laufe der Gefässe und zwischen denselben. Unbegreiflich ist, wie Ecker diese Pigmenthaufen für ‚‚unzweifelhafte‘‘ Blutex- travasate erklären konnte. Mir scheint es unzweifelhaft, dass sie nicht Blutextravasate sind. Ihre Pigmentkugeln haben nieht die geringste Aehnlichkeit mit Blutkörperchen und nie- mals gelingt es, einen solchen Haufen innerhalb eines Gefäs- ses wahrzunehmen, ein negatives Ergebniss, dass bei der Durchsichtigkeit des Objectes und bei der Deutlichkeit der Ge- fässwände hier volle Sicherheit gewährt. — Auch beim Aal (Muraena anguilla) finde ich sowohl im Eierstock wie in den Platten des Bauchfells ähnliche Pigmenthaufen wie beim Schlei. i 147 Die Vergleichung des Schleies mit andereu Fischen bietet interessante Ergebnisse für die Beurtheilung der vorliegenden Frage. Vor Allem empfehle ieh die Untersuchung des Hech- tes (Esor lucius). Hier findet man in der Leber fast niemals eine Spur von Pigmentbildung. Dagegen finden sich in der Milz immer sehr kleine schwarze oder schwarzbraune Pigmenthäufchen an den Arterien, wo beim Schlei die grossen gelben oder rothen Follikel liegen. Wären die Pigmenthaufen extravasirte veränderte Blutmassen, so wäre es in der That sehr wunderbar, dass sie beim Hecht immer und durchweg auf einer anderen Stufe der Umwandlung betroffen werden, als beim Sehlei. Die schwarzen Pigmenthäufehen des Hechtes ent- halten keine blutkörperchenhaltende Zellen, sondern schwarze oder braune Kugeln und zeigen in der Regel keine kapselför- mige Umhüllung, sondern liegen frei in dem Bindegewebe neben den Gefässstämmehen und zwischen den Kapillaren ähn- lich wie beim Frosch. Wenn sie in den Nieren vorkommen, was nicht immer der Fall ist, haben sie genau dieselbe Be- schaffenheit, wie in der Milz. Im Eierstocke habe ich sie im- mer vermisst. Andererseits zeigen die übrigen von mir untersuchten Cy- prinoiden, namentlich der Karpfen (Cyprinus Carpio), in Bezug auf die Pigmenthaufen eine grosse Aehnlichkeit mit dem Schlei. Die Milz des Karpfens ist dunkelroth, die Farbe haupt- sächlich durch die Blutgefässe bedingt, die ein Netz von sehr weiten scharf begrenzten Kapillaren bilden: man sieht das letztere schon bei 20facher Vergrösserung, wenn man Zucker- lösung anwendet. Der Durchmesser der Kapillaren beträgt beinahe ’/,,", der Durchmesser der farblosen Zwischenräume kaum etwas mehr. An den Arterien und zwar schon an dem Stamme ausserhalb der Milz sieht man in den Scheiden grosse gelbe Pigmentmassen, deren Farbe von der des Blutes sehr ab- sticht; sie begleiten die Verästelungen der Arterien bis in die Substanz der Milz hinein und werden dort vereinzelt ange- troffen, Sie bestehen aus geblen Pigmentkugeln, die fast sämmt- lich grösser und fester sind als die Blutkörperchen, dem An- schein nach frei liegen, nur selten zu mehreren von einer farb- 10* 148 losen dünnen Membran eingeschlossen erscheinen und in die- sem Falle zuweilen einen farblosen Kern neben sich wahrneh- men lassen. Zwischen den Kapillargefässen, so wie auch in den Scheiden der Arterien finden sich kernhaltige farblose Zel- len von vielen kleinen runden Körnchen erfüllt, welehe durch ihre lichtbrechenden Eigenschaften und ihr Verhalten gegen Aether sich als fetthaltig erweisen. Sie bilden zuweilen einen streifigen weissen Belag an den Arterienwänden, der schon bei schwacher Vergrösserung sichtbar ist. Sie wechseln mit gelben Streifen ab, die aus Pigmentkugeln bestehen. Sowohl die weissen wie die gelben Streifen liegen in der sehr weiten, das Gefäss locker umgebenden Scheide zwischen dieser und dem diekwandigen Gefässe. In der Regel sind die pigmentir- ten und die weissen Streifen, wo sie aneinander grenzen, scharf von einander gesondert. In anderen Fällen gelingt es, Ueber- gänge von den farblosen Zellen zu prigmentkugelhaltigen zu sehen, ähnlich wie dies vom Frosch beschrieben worden. Hier sind viele Täuschungen möglich; namentlich kann man die Pigmentstreifen der Scheide leicht für Blutgefässe halten, de- ren Inhalt mit veränderten Blutkörperchen erfüllt ist. Allein niemals findet man in den Pigmentmassen freie Blutkörper- chen oder blutkörperchenhaltende Zellen. Die in kernhaltigen Zellen enthaltenen grossen Pigmentkugeln verwandeln sich nach längerer Einwirkung von Wasser in eine farblose unre- gelmässig körnige Masse; die Zellen werden dadurch den farb- losen körnigen Zellen ähnlich, nur dass sie weit grösser sind. Pigmentkugelhaltige kernhaltige Zellen finden sich zuweilen auch vereinzelt in den Zwischenräumen zwischen den Kapilla- ren neben kleinen farblosen granulirten Zellen. — In der Leber des Karpfens fand ich sowohl in den Wänden der Zel- lengänge, wie der Blutgefässe, zahlreiche grosse runde, ovale, langgezogene, streifige Pigmenthaufen. An den Gallengäugen innnerhalb der Leber sah ich gestielte grosse schon mit blossem Auge sichtbare Follikel, deren solider bindegewebiger Stiel mit der Scheide zusammenhing, sie waren von Pigment- haufen erfüllt, die gleich den übrigen Pigmentmassen dieselbe Zusammensetzung zeigten, wie die ähnlichen Gebilde der 149 Milz. — In den Nieren waren die Pigmenthaufen spärlich oder fehlten auch gänzlich. Bei der Karausche (Cyprinus Carassius) zeigte sich das Ver- halten der Milz durchaus ähnlich wie beim Schlei. Bei der Plötze (Leueiscus erythrophthalmus) sind in der Regel die Pigmenthaufen in der Leber und den Nieren spär- lich. Nur in einem Falle enthielten die letzteren fast ebenso- viel wie die Milz. In dieser zeigen sie sich als kleine gelb- braune Anhänge der Arterien. Die Pigmenthaufen sind klei- ner als beim Schlei, aber zuweilen noch zahlreicher und zeigen in Bezug auf ihre Form und Lage auffallende Unterschiede (Fig. 9A). Bemerkenswerth ist, dass das Parenchym die aus einer scheinbar durchaus homogenen Membran gebildete Kap- sel zuweilen nicht ganz ausfüllte. Auch sind die Follikel da- durch ausgezeichnet, dass sie fast immer deutliche ungeschwänzte Psorospermien in beträchtlicher Menge enthalten, die ohne alle nachweisbare Ordnung zwischen den pigmentkugelhaltigen Zellen liegen (Fig. 9. B). Die letzteren zeigen hier häufiger als beim Schlei einen wandständigen Kern. Hier gelang es mir einmal, nach Anwendung eines Druckes, die Pigmentkugeln aus den Follikeln in die Gefässhöhle überzutreiben. Doch war der Druck stark genug, um eine Zerreissung der Gefässwand wahrscheinlich zu machen. — In den Pigmentfollikeln der Nieren fand ich ebenfalls Psorospermien von gleicher Form, wie in der Milz und auf den Kiemen. Die Güster (Abramis Blieca) zeigt eine blasse beinahe pig- mentlose Leber, kleine Pigmenthaufen in der Milz und den Nieren, Die Quappe (Gadus Lota) ist ausgezeichnet durch eine weisse pigmentlose Leber und eine sehr dunkelrothe Milz, die viele Pigmenthaufen enthält; sie folgen dem Laufe der dick- wandigen Arterien und bestehen aus runden kernhaltigen Zellen, die sämmtlich kleiner sind als die Blut- körperchen und ockergelbe oder schwarze Körn- chen von verschiedener Grösse enthalten. Die von mir untersuchten Percacei (Perca fluviatilis und Acerina cernua) zeigen eine auflallende Uebereinstimmung unter 150 einander in Bezug auf das Verhalten der Pigmentbildung in der Milz, der Leber und den Nieren. In den beiden zuletzt genannten Organen werden die Pigmenthaufen entweder ganz vermisst, oder wo sie vorkommen, sind sie sehr klein und in ihrer Farbe und Zusammensetzung denen der Milz durchaus ähnlich. Beim Kaulbarsch (Acerina cernua) zeigen sich nicht selten im Laufe der Arterien farblose eingekapselte aus granulirten Zellen be- stehende Follikeln, die den Malphighischen Follikeln der Säuge- thieredurchausähnlich sind ; wenn sieauch Pigmenthaufen enthal- ten, was nicht immer der Fall ist, so nehmen dieselben blos das Centrum des Zellenhaufens ein, ähnlich wie bei den Säugethieren. Dasselbe gilt auch von dem Barsche (Perca flwviatilis). Die Pigmenthaufen bestehen hier entweder aus kernhaltigen mit Pigmentkörnchen erfüllten Zellen oder aus Pigmentkugeln, die zu mehreren in gemeinschaftliche Bläschen eingehüllt sind. Doch scheint eine andere Abtheilung der Percacei sich anders zu verhalten, da bei Uranoscopus in der Milz nach Ecker sehr grosse Pigmenthaufen vorkommen, die er für Blutextra- vasate hält. €. Entstehung und Umwandlung pigment- kugelhaltiger Zellen. Im Monat April 1850 bemerkte ich bei Gelegenheit von Untersuchungen über die Entwickelung der Leber bei Frosch- larven (R. temporaria), die in meinem Zimmer aus den Eiern sich entwickelt und die äusseren Kiemen noch nicht verloren hatten, dass die netzförmig verbundenen, aus Zellen beste- henden Cylinder, aus welchen gleichwie beim Hühnchen die Leber entsteht”), in unregelmässigen Abständen kernhaltige Zellen enthielten, die nicht gleich den übrigen Zellen von farb- losen Fettkugeln, sondern von einer Anzahl (zwei bis zehn und darüber) gelbrother oder dunkelbrauner Kugeln erfüllt waren. Diese pigmentkugelhaltigen Zellen waren in der Regel *) Vergl. meine Untersuchungen über die Entwickelung der Wir- belthiere, 2. Liefrg. Berlin 1851. 151 grösser als die fettkugelhaltigen, und zeigten sich immer am Rande eines Lebereylinders, so dass sie an die beinahe gleich- breiten Blutgefässe grenzten, welche gleich den Lebereylinderu ein Netz mit einander bildeten. Die in den Leberzellen ent- haltenen Pigmentkugeln waren sämmtlich viel kleiner als die in dem Blute vorhandenen Blutzellen und viel stärker gefärbt. Auch zeigte ihr Farbestoff in der Regel grossen Widerstand gegen die Wirkung von Wasser und Säuren. Sie waren nicht alle von gleicher Grösse und Färbung; in manchen Zellen fanden sich grosse neben kleinen, hellgelbe neben dunkelrothen. Die meisten Pigmentkugeln waren kernlos; einige zeigten jedoch einen kernähnlichen Innenkörper, ähnlich wie dies oben von den kernhaltigen Pigmentblasen des erwachsenen Frosches beschrieben wurde. Dadurch kam zuweilen eine allerdings überraschende Aehnlichkeit mit Blutkörperchen zu Stande. Im Verlaufe desselben Sommers (1350) gelangte ich schon zu der Ansicht, dass diese Pigmentblasen nicht in das Blut über- gehen und dass die Pigmentkugeln in den Leberzellen nur im unfreien Zustande der Larven sich bilden. Andere Beschäfti- gungen verhinderten mich jedoch damals, diesen Gegenstand genauer zu verfolgen. Im Monat April dieses Jahres (1851) wurden mir aus dem Freien einige Hundert Froschlarven (R. temporaria) von unge- fähr gleicher Entwickelungsstufe gebracht, die nur ein Kiemen- loch, demnach schon Lungenathmung hatten. Ich untersuchte sofort etwa zwanzig Larven und fand bei allen die Lebersub- stanz durchaus weiss und die kernhaltigen Leberzellen von grossen farblosen Fettkugeln erfüllt. Diese Fettkugeln erwie- sen sich als fetthaltige Bläschen; denn bei der Behandlung mit Aether gelang es, ein flüssiges Fett aus den, Kugeln auszutrei- ben und die letzteren in Bläschen umzuwandeln, deren zarte Wand ein körniges Ansehen zeigte. (Die Fettkugeln verhielten sich in dieser Hinsicht wie die tafelförmigen Dotterkörner der frühesten Entwickelungsstufe, aus denen sie hervorgehen. Diese Dotterkörner haben nämlich einen zierlich geschichteten Bau, zerstückeln sich bei fortschreitender Theilung der Em- bryonalzellen, in denen sie enthalten sind, und entledigen sich 152 beim Zusatz von Essigsäure ihres Fettes, das in Form von Tropfen hervorquillt, während eine farblose durehsichtige feste Hülle zurückbleibt). Nach dieser Untersuchung sonderte ich die übrigen sehr munteren Larven in drei beinahe gleiche Gruppen. Zwei Grup- pen brachte ich in tiefe grosse Näpfe von gleichem Umfange, die bis zu gleicher Höhe mit Flusswasser gefüllt waren. Aus der dritten Gruppe bildete ich mehrere kleinere, die ich in ziemlich flachen mit demselben Flusswasser gefüllten Suppen- tellern unterbrachte. Von dem Tage ab wurde in sämmtlichen Gefässen täglich das Wasser erneuert, die Thiere lebten ohne feste Nahrung etwa sechs Wochen; in dieser Zeit zeigten sie auffallende Abmagerung und Abnahme ihrer ursprünglichen Munterkeit, die in den Tellern aufbewahrten in höherem Maasse, als die in den Näpfen lebenden. In der sechsten Woche traten häufige Todesfälle ein, denen nicht selten hy- dropische Anschwellung des Bauches vorausging, Nur eine kleine Schaar erlebte die achte Woche in einem höchst kläg- lichen Zustande. — In der ersten Zeit untersuchte ich täglich, später alle 2 bis 3 Tage eine Anzahl Larven, um die Verän- derungen der Leber und der Milz zu verfolgen. Diese Veränderungen machten sich in der Leber schon am fünften Tage der Unfreiheit und des Hungers bemerkbar. Einzelne Leberzellen zeigten sich vergrössert und die in ihnen enthaltenen Fettkugeln zeigten sämmtlich oder zum Theil eine goldgelbe oder gelbrothe Farbe, ohne die lichtbrechenden Ei- genschaften des Fettes verloren zu haben. Nach dieser Zeit war es nicht schwer, die Umwandlung der Fettkugeln in (fett- lose) Pigmentkugeln oder kernhaltige Pigmentblasen zu ver- folgen, deren Kern die lichtbrechenden Eigenschaften des Fet- tes darbot. Diese Ermittelung wurde dadurch erleichtert, dass täglich die Menge der Leberzellen zunahm, deren Fettkugeln jene Veränderung darboten, und man immer Gelegenheit hatte, sämmtliche Umwandlungsstufen in einer und derselben Leber, ja zuweilen in einer und derselben Zelle, neben einander zu beobachten. In den Fällen, in welchen die Pigmentkugeln kernähnliche Innenkörper zeigten, kam zuweilen eine über- 153 raschende Aehnlichkeit mit Blutkörperchen zu Stande — wenn man nämlich nur das allgemeine Schema der kernhaltigen Blutkörperchen im Auge hatte. Verglich man aber die gekern- ten Pigmentblasen der Froschlarven mit ihren eigenen Blut- körperchen, so zeigten sich dieselben Unterschiede, wie sie oben von der Milz des erwachsenen Frosches beschrie- ben worden. Es gab indessen hier Fälle, in denen die Pig- mentblasen zwar nicht die Grösse und die abgeplattete Gestalt der Blutkörperchen, allein einen Innenkörper zeigten, der mit einem wahren Nucleus die grösste Aehnlicehkeit hatte und der Pigmentblase das Ansehen einer gefärbten Zelle verlieh. Ob wir deshalb die Pigmentblasen als Zellen zu betrachten ha- ben, kann hier unentschieden bleiben. Mich beschäftigte nur die Frage, ob sie (die Pigmentblasen) die Leberzellen verlas- sen und in das Blut übertreten oder nicht. Es ist mir niemals gelungen in dem Blute solche kleine Pigmentblasen zu finden *). *) Da die Pigmentblasen sich durch ihre dunklen Conturen, Farbe, Gestalt und Grösse auffallend von den Blutkörperchen unterscheiden, so mussten sie auch, falls sie in das Blut übergingen, während des Lebens in den Gefässen des Schwanzes sichtbar werden. Allein ich habe sie hier gleichwie in dem Blute der Leber immer vermisst. Bei dieser Gelegenheit bemerke ich, dass ich Froschlarven, um den Blut- lauf im Schwanze ungestört beobachten zu können, mit Chloroform oder mit Bittermandelwasser (Ag. Amygd. amar.) regungslos mache. Ich setze eine Larve in ein mit Wasser gefülltes Uhrglas und schütte einige Tropfen Chloroform oder Bittermandelwasser hinzu, so- bald das Thier auf die Berührung seines Körpers keine Bewegungen mehr zeigt, bringe ich dasselbe auf eine Glasplatte. War die Einwir- kung nicht zu stark, so dauert die Blutbewegung in sämmtlichen Ge- fässen des Schwanzes fort und man kann eine halbe Stunde lang und darüber ein Blutgefäss betrachten und sämmtliche durchgehende Kör- per mustern. Anfänglich ist die Bewegung des Blutes in der Regel beschleunigt, dann verlangsamt sie sich allmälig, bis das Thier wieder Bewegungen zeigt. Tritt eine Stockung in vielen Gefässen ein, so muss man, um den Tod des Thieres zu verhindern, dasselbe sofort in frisches Wasser bringen. In der Regel ermuntert es sich alsdann und bleibt zu weiteren Beobachtungen und Versuchen benutzbar. Auch bei Embryonen von Fischen habe ich auf gleiche Weise die Bluthewegung untersucht. 154 Vielmehr fand ich, dass in den Pigmentblasen der kernähuliche Innenkörper schwindet, während in der Höhle der Blase kleine dunkele Körnchen erscheinen, die mit der Zeit die ganze Pig- mentblase ausfüllen können. Auf diese Weise entstanden die dunklen körnigen Pigmentblasen, welche nach Verlauf einiger Wochen in grosser Menge in der Leber gefunden wurden und den Inhalt von Zellen bildeten. Die pigmentkugelhaltigen Zel- len sonderten sich alsdann mit grosser Leichtigkeit aus ihrer Verbindung mit den übrigen Zeberzellen und man konnte da- her in den Irrthum verfallen, zu glauben, dass sie in dem Blute enthalten waren. Doch war der Irrthum leicht zu entdecken, auch war leicht zu bemerken, dass die Veränderung der Le- bersubstanz nicht auf die Bildung der pigmentkugelhaltigen Zellen beschränkt ist. Sämmtliche Leberzellen zeigten viel- mehr eine auffallende Abnahme ihrer Fettkugeln an Zahl und Umfang, so wie eine Infiltration mit gelbrothem oder braun- rothem Farbestoff. Diese Umwandlungen waren vom achten Tage ab zum Theil schon dem blossen Auge, oder doch bei schwacher Vergrösserung sichtbar; es erschienen nämlich rothe verein- zelte Punkte in der Leber (pigmentkugelhaltige Zellen), die sich durch Wasser nicht auswaschen liessen, dann vermehrten und vergrösserten sie sich, bis die Leber in der dritten Woche eine braune Farbe, ähnlich wie bei Säugethieren, annahm. Schon von dieser Zeit ab war eine Verschrumpfung der Leber zu bemerken, die weit grösser war, als die des übrigen Kör- pers. In der vierten Woche wurde die Leber schwarzbraun, dann schwarzgrün, und bei dieser Farbe verblieb sie, bis sie kurz vor dem Tode zum Umfange einer kleinen Erbse zusam- menschrumpfte. In der Milz gingen gleichzeitig ähnliche Veränderungen vor; doch begannen sie erst später als in der Leber und be- standen darin, dass die in den Parenehymzellen der Milz ent- haltenen kleinen farblosen Fettkügelchen sich in Pigmentkügel- chen von gleicher Grösse umwandelten. Zwischen den in verschiedenen Gefässen aufbewahrten Gruppen war in Bezug auf die Schnelligkeit der Pigment-Me- tamorphose ein Unterschied bemerkbar; in den grösseren Ge- 155 fässen kam sie später zu Stande, als in den kleineren Gefäs- sen. Ob dabei die freiere Bewegung der Thiere oder die ver- hältnissmässig grössere Menge des Wassers oder beides wirk- sam war, vermag ich nicht zu entscheiden. Ausser dieser Beobachtungsreihe habe ich eine grosse Menge Larven der verschiedensten Altersstufen theils unmittel- bar nach ihrer Einfangung, theils in verschiedenen Zeiten nach derselben untersucht. Ueberall hat sich der Satz bestätigt, dass bei Froschlarven, die aus dem Freien kommen, die Pigment- kugeln in den Zellen der Leber fehlen, dass sie erst nach meh- reren Tagen unfreien Lebens aus den farblosen Fettkugeln entstehen, während dass Fett sowohl in diesen Kugeln, wie in den nicht mit Pigment sich füllenden Leberzellen schwindet, dass sie als Pigmentkugeln zuweilen einen farblosen (fettähn- lichen) Innenkörper zeigen und dadurch einige Aehnlichkeit “mit Blutkörperchen erhalten, dass sie aber niemals in das Blut übergehen, sondern mit dunklen Körnern sich in dem Maasse füllen, als die Leber bei fortdauernder Unfreiheit und Hunger zusammenschrumpft. Wie ich oben gezeigt habe, werden bei erwachsenen Frö- schen auch im freien Zustande derselben Pigmentkugeln in der Milz und der Leber gefunden und nehmen nicht blos während des Winterschlafes, sondern zu allen Zeiten des Jahres im Zustande der Unfreiheit und des Hungers an Menge zu, wäh- rend das Fett schwindet. Hält man diese Ergebnisse mit den bei Froschlarven gewonnenen zusammen, so ergiebt sich, dass zwar die Umwandlung von Fettkugeln bei den erwachsenen Frösehen nicht zu den abnormen Erscheinungen gehört, dass aber ihre übergrosse Vermehrung bei erwachsenen Fröschen und ihre Entstehung bei Froschlarven unter abnormen äusse- ren Einflüssen zu Stande kommt. E. H. Weber hat in dem schon erwähnten Aufsatze (Be- richte der Gesellsch. der Wiss. zu Leipzig 1850. I. S. 15) auf unbeständige Farbenveränderungen die Aufmerksamkeit ge- lenkt, welche die Leber bei Hühnerembryonen darbietet. Da ich seit 10 Jahren alljährlich eine grosse Anzahl Embryonen untersuche, so sind diese Schwankungen der Farbe mir eben- 156 falls aufgefallen. Ich habe aber immer diejenigen Zustände für pathologisch gehalten, in welchen die Leber entweder ganz oder zum Theil eine starke gelbe oder braune Pigmentirung ihrer Substanz darbot, die durch Färbung des Inhaltes der Leberzellen bedingt wird, denn ich fand diese auffallenden Färbungen immer am stärksten ausgesprochen in der Leber derjenigen Embryonen, die in der letzten Woche der Bebrü- tung im Ei gestorben waren, ebenso bei Hühnchen, die nach dem Auskriechen noch einen sehr grossen Dottersack hatten und binnen wenigen Tagen starben. So hatte ich mich seit Jahren daran gewöhnt, krankhafte Zustände der Leber als ur- sächliche oder begleitende Erscheinungen des Todes zu be- trachten. Weber’s Mittheilungen haben diese meine Ansicht durchaus nicht wankend gemacht. Dagegen bin ich seit mei- nen Beobachtungen und Versuchen an Frosehlarven auf die Vermuthung gekommen, ob nicht die häufigen Todesfälle und Leberkrankheiten bei den Hühnchen daher rühren, weil die Eier in den Brütöfen nicht so häufig umgewendet werden, als dies von Seiten der Henne geschieht. Ich lasse nun die Eier im Brütofen mindestens drei bis vier Mal des Tages umwenden und in der That scheinen verhältnissmässig weit mehr Hühnchen auszukriechen, als in den früheren Jahren. Ich habe schliesslich noch einige Bemerkungen über die Be- ziehung des Farbestoffes der pigmentkugelhaltigen Zellen zu dem Farbestoff der Blutkörperchen vorzubringen. Virchow hat in der oben erwähnten Abhandlung die Ansicht verthei- digt, dass sämmtliche Farbestoffe der thierischen Organe aus einer Umwandlung des Blutfarbestoffes hervorgehen *). Eine allgemeine Gültigkeit kann diese Ansicht wohl keinenfalls be- anspruchen. Bei Froschlarven (Rana esculenta und lemporaria) zeigen sich Farbestoffe in der Oberhaut, bevor noch Blutkör- *) Vergl. auch Virchow über Hämatoidin und Bilifulvin, in den Verh. der Würzb. Ges. Bd. I. S. 303. 157 perchen vorhanden sind, und im Schwanze der Larven von Hyla viridis hat man Gelegenheit zu beobachten, dass gold- gelbe sternförmige Pigmentzellen an Stellen vorkommen, zu welchen die Blutgefässe nicht gelangen, da die letzteren nicht (wie bei Rana) ein bis zum Rande des Schwanzes reichendes Netz, sondern nur in der Nähe der Wirbelsäule einige kurze Schlingen bilden. Auch färbt sich die äussere Schicht der seeundären Augenblase (die Anlage der Choroidea und des Stratum pigmenti), beim Hühnchen schon am vierten Tage der Bebrütung, zu einer Zeit, zu welcher kapillare Verästelungen von Blutgefässen in der Umgebung der Augenblase noch nieht wahrzunehmen sind. Es scheinen daher manche, vielleicht der atmosphärischen Luft am meisten zugängliche, Gewebe des Kör- pers die Fähigkeit zu besitzen, unabhängig von dem Farbestoffe des Blutes Pigmente zu bilden. Auch ist zu bemerken, dass das Vorkommen des Blutfarbestoffes im Liquor sanguinis, ohne welches ein Uebergang des Farbestoffes in die Gewebe un- denkbar ist, noch nicht nachgewiesen worden. Andererseits sprech endie von Virchow angeführten Thatsachen dafür, dass der Färbestofl extravasirter Blutkörperchen in farblose Gewebe dringen und sich daselbst in andere Pigmente unı- wandeln kann. Wie in dieser Hinsicht die von mir beschriebe- nen pigmentkugelhaltigen Zellen sich verhalten, vermag ich nicht zu entscheiden. Einige Beobachtungen lassen sich an- führen, die der Entstehung des Pigments aus dem Farbestoffe der Blutkörperchen vielleicht nicht ungünstig sind. Wie ich zu- erst durch meinen Freund du Bois-Reymond erfuhr, hat der Chemiker Mitscherlich die noch nicht veröffentlichte Beobachtung gemacht, dass die Blutkörperchen des Frosches während des Winterschlafes farblose Runzeln und Einkerbun- gen zeigen. Ich habe diese Beobachtung wiederholt und ge- funden, dass ausserdem bei anderen Fröschen in den Blut- körperchen während des Winterschlafes neben dem Kerne runde farblose Lücken sich zeigen (vergl. Fig. 20). Mehrere Frösche zeigten blos Runzeln, andere blos Lücken. Nie- mals salı ich bei demselben Frosch Lücken und Runzeln zu- 158 gleich *). Da während des Winterschlafes die Pigmentbildung in der Leber und der Milz sehr stark ist. so könnte man die Vermuthung aufstellen, dass sie der Entfärbung der Blutkör- perehen ihr Entstehen verdanken. In gleichem Sinne könnte man die oben mitgetheilte Beobachtung deuten, nach welcher bei den Fischen, namentlich beim Schlei, wo die Pigmentbil- dung so reichlich ist, die Blutkörperchen mit so auffallender Leichtigkeit nach dem Tode sich ihres Farbestoffs entledigen. —- Bei den Froschlarven, bei welehen ich den Uebergang der in den Leberzellen enthaltenen Fettkugeln in Pigmentblasen verfolgte, habe ich überdies bemerkt, dass am fünften oder sechsten Tage der Unfreiheit, sobald die ersten pigmentkugel- haltigen Zellen sich zeigten, die Leber eine stärkere Anfüllung der vielleicht erweiterten Gefässe mit flüssigem Blut darbot, als bei Larven, die aus dem Freien kamen. Ich fand zwar auch grosse unregelmässige Blutgerinnsel in den Gefässen, allein sie schienen mir erst nach Eröffnung der Bauchhöhle während der Untersuchung entstanden zu sein; Extravasate konnte ich dagegen niemals bemerken. Wenn demnach in der Leber der unfreien Larve jederzeit aus unbekannten Gründen (vielleicht wegen verlangsamter Herzthätigkeit und Erschlaf- fung der Venenwände) eine grössere Menge Blutkörperehen verweilte, als im normalen Zustande, so läge es nahe, die Entstehung und Zunahme des Pigmentes in den Leberzellen mit der „„Stockung‘‘ des Blutes in Verbindung zu bringen. Andererseits ist das chemische Verhalten der Pigmentkugeln diesen Vermuthungen nicht günstig. Nach Virchow’s Bemer- kung zeigt der veränderte Blutfarbestoff immer eine grosse Empfindlichkeit gegen Schwefelsäure. Die Pigmentkugeln der Froschlarven, so wie die der erwachsenen Wirbelthiere werden aber, wie oben erwähnt worden, in vielen Fällen selbst von Schwefelsäure wenig oder gar nicht entfärbt. So geneigt ich *) So eben (am 1. November) finde ich bei einigen Froschlarven, die seit dem Monat Juli bei mir ohne feste Nahrung ihr Dasein ge- fristet haben, ohne sich weiter zu entwickeln, an sämmtlichen Blut- körperchen ähnliche farblose runde Lücken in dem Farbestoffe, wie sie bei erwachsenen Fröschen während des Winterschlafes vorkommen. 159 daher bin. eine Beziehung der abnormen Pigmentbildung zu Veränderungen der Blutkörperchen und zu Abweichungen der Blutbewegung anzuerkennen, so wenig scheint es mir erwie- sen, dass die hier beschriebenen Pigmentbildungen auf eine Umwandlung des Blutfarbestoffes zurückzuführen seien. Die Verfolgung des hier versuchten experimentalen Weges dürfte die Lösung dieser Frage möglich machen, an welche sich meh- rere für die Pathologie interessante Probleme knüpfen. Die Ergebnisse der vorstehenden Untersuchungen lassen sich in folgenden Worten zusammenfassen: 1. Die Angaben, nach welchen in der Milz, der Leber und anderen Organen der Wirbelthiere und des Menschen blutkör- perchenhaltende Zellen unter normalen Verhältnissen vorkom- men, sind dadurch entstanden, dass pigmentkugelhaltige Zel- len, wahrscheinlich auch blutkörperchenhaltende runde Ge- rinnsel,. als blutkörperchenhaltende Zellen gedeutet worden sind. Solche Zellen finden sich nicht in den genannten Orga- nen und sämmtliche auf das Vorkommen jener Zellen bezüg- liche Angaben (auch die pathologischen) sind aus ähnlichen Täuschungen entstanden. 2. Weder die Milz, noch ein anderes Organ kann demnach auf Grund jener Wahrnehmungen als Bildungsstätte (Ger- lach), oder als Untergangsstätte (Kölliker) für Blutkör- perchen betrachtet werden. 3. Die pigmentkugelhaltigen Zellen sind bei manchen er- wachsenen Fischen und Amphibien eine so häufig vorkom- mende Erscheinung, dass sie als normal bezeichnet werden müssen. Doch lehren Versuche an Froschlarven, dass in den Zellen der Leber und der Milz bei Mangel an Bewegung und an Nahrung aus Fettkugeln sich Pigmentkugeln bilden, die nicht in das Blut übergehen; erwachsene Frösche zeigen, bei Mangel an Bewegung und Nahrung, so auch während des Winterschlafes, eine auffallende Vermehrung der Pigmentbil- dung auf Kosten des Fettes, namentlich in der Leber. 4. Blutkörperchenhaltende Faserstoffgerinnsel entstehen in 160 den Blutgefässen der Milz und der Nieren beim Schlei (wahr- scheinlich auch bei anderen Wirbelthieren zuweilen) nach dem Tode. Ihre Entstehung zeigt sich verbunden mit verspätetem Eintritt der Gerinnung in den Venen der Bauchhöhle, und es ist bisher kein Grund zu der Vermuthung vorhanden, dass sie auch während des Lebens sich in den Gefässen der Milz und der Nieren bilden und in pigmentkugelhaltige Bestandtheile dieser Organe sich umwandeln. Erklärung der Abbildungen auf Taf. V. Fig. 1. A. Eine pigmentkugelhaltige Zelle aus der Milz eines noch im Winterschlaf begriffenen Frosches (März). n. Der mit einem Kernkörperchen versehene farblose Nuclens. x. Zwei gelbrothe mit dunkelrandigen kernähnlichen Innenkör- pern versehene Pigmentblasen. 2. Eine mit zwei Innenkörpern versehene Pigmentblase. y. Kleinere schwach gefärbte Pigmentkugeln. B. Eine freigewordene einkernige Pigmentblase nach Behandlung mit Essigsäure. €. Eine zweikernige Pigmentblase, in welcher nach Einwirkung von Essigsäure die kernähnlichen Innenkörper sich kreuzen. Fig. 2. A. Eine pigmentkugelhaltige Zelle aus der Milz eines an- deren Frosches (März); sie enthält einen farblosen langgezogenen mit drei Kernkörperchen versehenen Nucleus und zwei Pigmentblasen. B. Ein frisches Blutkörperchen, in dessen gefärbtem Inhalte man neben dem Kerne eine (während des Winterschlafes sichtbare) farblose runde Lücke oder Höhle bemerkt. Fig. 3. Eine pigmentkugelhaltige Zelle aus der Milz eines Fro- sches (im Monat August), ausser dem farblosen Nucleus nur eine grös- sere Pigmentblase und mehrere kleinere Pigmentkugeln enthaltend. Fig. 4. Eine aus der Milz eines 16 Zoll langen Schleies (Tinca ehrysitis) hervorgezogene Arterie mit ihren Aesten, an welchen die pigmentirten Follikel (die Malphighischen Körper, Kölliker’s und Eceker’s Blutextravasate) hängen; an den stärkeren Gefässen erkennt man schon bei dieser schwachen Vergrösserung, dass sich die Pigment- massen in den Scheiden der diekwandigen Arterien befinden. Fig. 5. Ein kleiner von einer Kapsel umschlossener pigmentirter Follikel aus der Milz eines Schleies; er enthält drei ovale Bläschen, von denen jedes ein birnförmiges Psorospermium umschliesst; nach 161 rechts sind auch einige von den pigmentkugelhaltigen Bläschen angedeu- tet, welche im Uebrigen die Kapsel erfüllten. Fig. 6. Pigmentbläschen aus verschiedenen Pigmenthaufen der Milz des Schleies. Sie zeigen sämmtlich farblose Höhlen, in welchen die Pigmentkörper enthalten sind. Nur ein Bläschen (B) zeigt neben den Höhlen einen farblosen Körper, der einem Nucleus ähnlich ist; ein Bläschen (A) zeigt grosse Ungleichheit der Höhlen und Pigmentkugeln; eines (C) nur drei von einer breiten Schicht einer farblosen festen Masse umgebene Höhlen; das grösste (D) zeigt sehr viele Höhlen. Fig. 7. Drei ovale Bläschen, birnförmige Psorospermien enthal- tend, aus der Niere eines Schleies; das eine Bläschen (C) zeigt auffal- lende Verdickungen seiner Wand; ein anderes (B) zeigt Einschachtelung zweier kleinerer Bläschen und ein drittes (A) zeigt zahlreiche Pigment- kugeln neben den Psorospermien. Fig. 8. Birnförmige mit vollständigen Doppelbläschen versehene Psorospermien aus schlauchförmigen Cysten in der Milz eines Schleies, bei welchem sich ähnliche Psorospermien auch auf den Kiemen und in den Nieren finden. b Fig. 9. A. Arterien, zahlreiche pigmentirte Follikel in ihren Schei- den enthaltend, aus der Milz einer Plötze (Leneiscus erythrophthalmus). B. Ein Abschnitt eines solchen Follikels; nach Anwendung eines gelinden Druckes sieht man die Pigmentkugeln zu mehreren, häufig zu dreien, in Bläschen eingeschlossen, zwischen denselben ungeschwänzte Psorospermien. Nachtrag. Die Verhandlungen über die blutkörperchenhaltenden Zellen sollen, wie es scheint, eine grosse Ausdehnung erhalten. Köl- liker bemüht sich in der so eben erschienenen zweiten Hälfte des zweiten Bandes der mikroskopischen Anatomie (Leipzig 1852 S. 253-295) seine früheren Aussprüche mit einigen Abänderun- gen zu vertheidigen. Die Bildungsgeschichte der blutkörper- chenhaltenden Zellen in der Milz giebt Kölliker (S. 267. 268) fast unverändert wieder; allein er erklärt (S. 283), auf die Bil- dung solcher Zellen keinen grossen Werth zu legen; es sei sicher, dass viele Blutkörperchen in der Milz zu Grunde gehen, ohne jemals in Zellen eingeschlos- sen gewesen zu sein. Dennoch wird auf derselben Seite Müllers Archiv. 1852, 11 162 (8. 283) und auf der folgenden (S. 284) die Ansicht von dem Untergange der Blutkörperchen in der Milz als „Vermu- thung“ und als „Hypothese‘“ bezeichnet, ja sogar die Aufstellung der letzteren entschuldigt. Das ist mir räthsel- haft: wenn es blutkörperchenhaltende Zelen giebt, wenn sie auf die angegebene Weise entstehen, wenn andere Blutkörper- chen auch auf andere Weise in der Milz zu Grunde gehen, dann kann ja von Vermuthung oder Hypothese nicht die Rede sein. Eine neue Beobachtung, welehe Köllik er mittheilt (S. 263), bezieht sich auf das Vorkommen von Blutgefässen im Innern der Malpighischen Follikel der Milz. Nachdem Frei im Innern der Peyer’schen Follikel Kapillargefässe gefunden hat (vergl. Kölliker’s mikr. Anat. Bd. II. 2. Hälfte, S. 184), ist es Köl- liker gelungen, in einem Falle auch im Innern eines Malpi- ghischen Follikels der Milz bei einer Katze Kapillargefässe zu sehen. Diese Wahrnehmung. würde die Möglichkeit eröffnen, dass in den Follikeln der Milz Blutergüsse eintreten können. Ob sie in der That eintreten, bliebe noch zu beweisen und wenn sie eintreten, wäre zu beweisen, dass die Blutkörperchen sich mit Zellenmembranen umhüllen u. s. w. Ich verweise in dieser Hinsicht auf meine oben gemachten Mittheilungen und will abwarten, ob Kölliker im Stande sein wird, meine Wahrnehmungen mit seinen Ansichten in Einklang zu bringen. Ueber functionell verschiedene und räumlich getrennte Nervencentra im Froschherzen. Von F. Bıpoer in Dorpat. (Hierzu Taf. VT.) Die Einwürfe, welche in neuerer Zeit gegen die Deutung er- hoben wurden, die Ed. Weber dem Einflusse der Vagus- nerven auf das Herz gegeben hatte, veranlassten mich bereits’ im vorigen Jahre Herrn Dr. G. Rosenberger zu einer ex- perimentellen Untersuchung dieses Gegenstandes aufzufordern. Die Resultate dieser Arbeit, die nicht nur die vollste Ueber- zeugung von der Richtigkeit der Weber’schen Auffassung ge- währte, sondern auch auf manches Neue in der Wirkung und anatomischen Verbreitung der Herznerven des Frosches auf- merksam machte, wurden in R.’s Inauguralabhandlung (de centris motuum cordis disquisitiones anatomico-physiologieae, Dorpati 1850) niedergelegt. Leider war es nicht möglich, diese Gelegenheitsschrift mit einer Abbildung der in derselben erläu- terten anatomischen Verhältnisse auszustatten, und R. hatte daher die Absicht, diejenigen Ergebnisse seiner Arbeit, von denen zu erwarten stand, dass sie ein über die Zwecke einer Inauguralschrift hinausgehendes Interesse haben dürften, zu einem deutsch geschriebenen mit einer Tafel zu versehenden Journalartikel umzuarbeiten. Die Ausführung dieses Planes hat der frühzeitige T'od des durch Gaben des Geistes wie Ei- genschaften des Herzens gleich ausgezeichneten jungen Mannes unterbrochen, und mir fiel dadurch die Aufgabe zu, die Erst- YL% 164 lingsfrüchte selbständiger Forschung eines werthen Schülers und Freundes, nach abermaliger Revision derselben, den Fach- genossen vorzuführen, mit dem Wunsche, dem früh Abberufe- nen dadurch ein das gewöhnliche Schicksal der Dissertationen überdauerndes Andenken zu sichern. -In- Bezug auf die rhythmischen Bewegungen des Herzens werden folgende Sätze, die schon anderweitig hinreichend be- gründet worden sind,. hier vorläufig ohne erneuerten Beweis als feststehend angenommen. Die zur Erreichung eines be- stimmten Ziels harmonisch zusammentreffende Action der zahl- reichen Muskelbündel des Herzens muss von einem reguliren- den Centrum abhängen, dass nicht ausserhalb, sondern in dem Herzen selbst liegt, und höchst wahrscheinlich in den Ganglien desselben zu suchen ist. Dieses Centrum wird in seinen auf die Herzmuskeln gerichteten Impulsen durch den N. vagus gezügelt, so dass gesteigerter Einfluss des letzteren Verlang- samung der Herzschläge, ja völliges Aussetzen derselben her- beiführt, dagegen aufgehobene Einwirkung des Vagus auf das Herz, — z. B. Durclischneidung desselben auf beiden Seiten, bei Fröschen sowohl als Säugern — die in den Herz- ganglien liegenden motorischen Impulse in dem Maasse ent- fesselt, dass das nunmehr ungebändigte und so zu sagen im Sturmschritt fortrasende Herz früher oder später in Erschöp- fung verfällt und damit den Tod des Thieres bedingt*). Neben der rhythmischen von äusseren Einflüssen nicht un- mittelbar bedingten, obgleich durch dieselben vielfach modifi- eirten Bewegung zeigt sich an dem blossgelegten Herzen noch eine andere Art von Zusammenziehungen, die durch directe äussere Einwirkungen und nur durch diese hervorgerufen wird. *) Eine nähere Auseinandersetzung dieses Verhältnisses und Wider- legung der Ansichten, die über die Ursache des nach Durchschneidung beider Vagi eintretenden Todes bisher vorgetragen wurden, bietet sich in: ©. Fowelin, de causa mortis -post nervos vagus dissectos instantis, dissert. inaugural. Dorpati 1851. 165 Ist das blossgelegte Herz eines Frosches nach längerer oder kür- zerer Fortsetzung seiner rhythmischen Schläge allmälig so weit ermattet, dass dieselben nicht anders als in grösseren Interval- len sich folgen, so bringt eine Berührung des Ventrikels mit der Nadelspitze sogleich eine Zusammenziehung nicht blos des gereizten Muskelbündelchens, sondern des ganzen Herzens hervor. Auch dieser Erfolg wird nur durch die Annahme eines Nervencentrums im Herzen verständlich, indem nur durch Vermittelung eines solchen der auf einen einzigen Punkt der Herzsubstanz einwirkende Reiz über das Gesammtorgan ver- breitet werden kann. Diese Art der Herzcontraetion, die nach den Gesetzen des Reflexes zu Stande zu kommen scheint, kann daher eine reflectirte genannt werden. Ihre Unterscheidung von der rhythmischen ‚Contraction wird nicht allein dann leicht, wenn der äussere Reiz unmittelbar nach Beendigung einer rhythmischen Zusammenziehung applieirt wird, wodurch diese Reflexaetion in das Intervall zweier rhythmischen Schläge fällt, sondern wesentlich noch durch den Umstand unterstützt, dass die rhythmische Zusammenziehung immer an der Vor- kammer beginnt, und von hier auf die Herzkammer übergeht, während die reflectirte durch Neigung des Ventrikels hervor- gerufene Zusammenziehung entweder auf diesen beschränkt bleibt, oder von hier aus auf den Vorhof sich fortsetzt und an diesem erlischt. Mechanische Reizung der Vorhofswand kann zwar auch eine Contraetion des ganzen Herzens hervor- rufen, weil aber in solchem Fall die im Vorhofe beginnende und mit der Kammerzusammenziehung endende Action von den rhythmischen Herzbewegungen kaum zu trennen ist, so las- sen wir sie vorläufig bei Seite liegen. Beide Arten von Herzbewegung wurden zwar schon bisher dazu benutzt die Anwesenheit und Wirksamkeit eines Nerven- centrums im Herzen selbst darzuthun; doch lag in den bis- herigen Erfahrungen kein Grund vor, diese verschiedenen Wirkungen verschiedenen Centralapparaten zuzuschreiben, und man brauchte die Uebertragung so verschiedener Nervenwir- kungen auf ein und dasselbe Nervencentrum durchaus nicht für bedenklich zu halten. Die folgenden Erfahrungen werden da- 166 gegen darthun, dass diese verschiedenen Actionen auch von verschiedenen Centren ‚abgeleitet werden müssen, Wenn man durch Anwendung des magneto - eleetrischen Rotationsapparates auf einen oder auf beide Vagusnerven den vollkommenen Stillstand des Herzens in der Diastole hervor- gerufen, also die Wirksamkeit des im Herzen liegenden Ner- vencentrums, so weit dieselbe sich durch rhythmische Muskel- contractionen ausspricht, vollständig inhibirt hat, kann man durch Reizung des Ventrikels mittelst einer Nadelspitze, sofort eine Zusammenziehung des ganzen Ventrikels bewirken. Die- ser Erfolg, bei Fröschen wie bei Säugern z. B. jungen Katzen, ein ganz constanter und sicherer, ist, wie bemerkt, ohne Be- theiligung eines Nervencentrums gar nicht denkbar, und lie- fert demnach den Beweis, dass der hemmende Einfluss des Vagus aufs Herz nur einen Theil der dem Nervencentrum des- selben eigenthümlichen Actionen aufhebt, den andern dagegen durchaus nicht beeinträchtigt. Ist durch einen in der Bahn des Vagus fortgeleiteten magnetischen Reiz das Herz zum Stillstand gebracht, und wird nun nicht der Ventrikel, sondern ein Vorhof mit der Nadel gereizt, so wird, falls nicht die Nadel ausserordentlich tief in die Herzsubstanz eingedrückt wird, die Ruhe des Herzens durchaus nicht unterbrochen. An dem Vor- hofe können hiernach die zur Bewirkung von Reflexactionen erforderlichen Mittel nicht vorhanden sein, und wenn mecha- nische Reizung desselben, mit oder ohne gleichzeitige Einwir- kung der Electrieität auf den Vagus, eine am Atrium begin- nende und am Ventrikel endende, also mit der rhythmischen ganz übereinstimmende Contraetion bewirkt, so können wir nun kaum zweifeln, dass in solehem Falle nur der Erfolg der Reizung des die rhythmischen Bewegungen hervorrufenden Nervencentrums, und nicht eine Reflexbewegung im eigentli- chen Sinne vorgelegen habe. Schon diese Erfahrungen würden in Betreff des Froschher- zens zu der Annahme berechtigen, dass die an der Scheide- wand der Vorhöfe bisher beachtete Ganglienmasse zwar die rhythmischen Zusammenziehungen dieses Herzens, nicht aber die reflectirten Bewegungen desselben ermitteln könne. Denn 167 würde ihr auch die letztere Bedeutung zukommen, so müsste trotz der Sistirung der rhythmischen Herzaetionen auch von dem Vorhofe aus mit gleicher Leichtigkeit und Sicherheit wie von dem Ventrikel Reflexbewegung hervorgerufen werden können; da dies nicht der Fall ist, so muss — was bisher noch nicht hervorgehoben wurde — auch an dem Ventrikel Ganglienmasse, und zwar nur solche, die Reflexactionen zu vermitteln vermag, gelegen sein. Diese Argumentation lässt sich noch auf andere Weise be- kräftigen. Theilung des Froschherzens in verschiedenen Rich- tungen ist schon längst als Mittel benutzt worden, die Lage des die rhythmischen Bewegungen bedingenden Centralorgans zu bestimmen (Volkmann in Müll. Arch. 1844. S. 426). Wird das Herz durch einen raschen Schnitt in der die Vorkammern von der Kammer trennenden (Querfurche getheilt, so setzen jene ihre rhythmischen Contraetionen ungehindert fort, wäh- rend letztere völlig regungslos bleibt, aber durch jede leise Berührung zu einer Contraction veranlasst wird. Wenn dieser Erfolg des Experiments nicht immer mit gleicher Bestimmt- heit hervortritt, wenn mitunter auch der Veutrikel rhythmi- sche Zusammenziehungen zeigt, so liegt dies — was weiter unten noch näher erläutert werden wird — nur daran, dass der Sehnitt nicht immer an der passenden Stelle geführt wird. Jedenfalls ist jenes Resultat’ der Quertheilung des Froschher- zens, das wir häufig in der schlagendsten Weise hervortreten gesehen haben, ein unzweifelhafter Beweis dafür, dass das Centrum der rhythmischen Herzbewegungen, obgleich dessen Wirkungen auf den Ventrikel sich ausdehnen, doch nicht an diesem selbst liegen könne; dass dagegen an letzterem ein an- deres die refleetirten Bewegungen bewirkendes Centrum ent- halten sein müsse, dessen Einfluss auf den Vorhof, wenn vor- handen, wenigstens wieder sicher ist. In diesen Erfahrungen lag eine dringende Auiforddrungg; die anatomischen Verhältnisse der Herznerven des Frosches einer erneuerten Untersuchung zu unterwerfen. Denn was bisher über dieselben veröffentlicht worden ist, erschien nun nicht mehr genügend zum’ Verständniss der immer weiter sich spal- 168 tenden physiologischen Thatsachen. Wenn wir auch Budge, (Wagner’s Handwörterb. Bd. II. S. 450) die Entdeckung ver- danken, dass dem Froschherzen Nervenfasern nur in der Bahu des Vagus zugeführt werden, so beschränken sich die Anga- ben dieses Autors über deren Verhalten im Herzen selbst auf die Erwähnung eines Plexus, den beide Rami cardiaci in der Mitte der Vorhöfe bilden, zweier von hier ausgehenden Fäden, die sich in der Scheidewand der beiden Atrien vertheilen, und von denen der linke (?) ein deutliches aber sehr kleines Gan- glion zeige. Aus vorangeschiekten Bemerkungen (z. B. a. a. O. S. 425) geht hervor, dass Budge auch dem Ventrikel obgleich sparsamere Nervenelemente als den Atrien zuschreibt, aber Näheres über deren Vertheilung wird nicht angegeben. Lud- wig (Müll. Arch. 1548 S. 140) hat nicht blos den Verlauf der Herznerven auf der Scheidewand der Vorhöfe schon genauer beschrieben, sondern auch bemerkt, dass dieselben gegen den Ventrieularrand verlaufen und sich rasch auf letzterem ver- ästeln. Aber auch dies schien in Bezug auf die oben angereg- ten Fragen nicht mehr hinreichend, und es war daher zu ver- suchen, ob nicht die Anatomie den vorausgeschrittenen phy- siologischen Erfahrungen erklärend nachzufolgen vermöge. Bei Wiederaufnahme dieses auch von uns schon früherhin behandelten Gegenstandes bedienten wir uns nunmehr sowohl frischer als vorher getrockneter Herzen. Jeder dieser beiden Wege hat seine besonderen Vortheile. An dem getrockneten Herzen ist durch das vorangehende Aufblasen das Septum und die äussere Wand beider Vorhöfe auf das Maximum ihrer Ausdehnung entfaltet und dadurch durchsichtiger geworden, als es im frischen Zustande jemals herzustellen ist. Mit Leich- tigkeit lässt sich aus einem getrockneten Herzen das Septum in seiner ganzen Ausdehnung und in Verbindung mit den nächstauliegenden Parthieen der Vorhofs- und Kammerwan- dungen darstellen, und ein solches Präparat gewährt nach Benetzen mit Wasser die befriedigendste Einsicht. Aber es lassen sich die beiden Nerven der Scheidewand auf diesem Wege nicht bis zu ihrer Quelle, den an den grossen Venen liegenden Rami cardiaci der Vagusnerven verfolgen; ja nicht 169 einmal der Plexus derselben am oberen Rande des Septum zwischen den beiden Atrien ist hierbei mit Sicherheit darzu- stellen, weil zum Zwecke des Aufblasens des Herzens Liga- turen an allen mit demselben zusammenhängenden Gefässen angelegt werden müssen, die bei der Kürze besonders der un- teren Hohlvenen und der Lungennerven immer hart am Herzen zu liegen kommen. Will man daher ein zusammenhängendes Bild von dem Ge- sammtverlaufe der Herznerven des Frosches gewinnen, so muss man die Untersuchung am frischen und in seinen natür- lichen Verbindungen gelassenen Herzen machen, ja sie kann selbst an dem noch zuckenden Organ vorgenommen werden. Wir stimmen Ludwig ganz bei, wenn derselbe die Unter- suchung vom linken Atrium‘ zu beginnen empfiehlt. Man thut am besten die äussere Wand desselben der Länge ‚nach zu spalten, wodurch das Septum mit seinen beiden Nerven sicht- bar wird; durch vorsichtige Wegnahme der Vorhofswand las- sen sich letztere leicht sowohl nach oben gegen die Rami car- diaci der Vagi als gegen den Ventrikel verfolgen. Schon mit unbewaffnetem Auge kann man sich davon überzeugen, dass die beiden gleichstarken Herzäste des Vagus an der Vorhofs- wand zusammentreffend sich zu einem Knoten oder Plexus vereinigen, aus welchem zwei F äden von verschiedener Dicke hervorgehen, die divergirend am vorderen und hinteren Rande der Scheidewand verlaufen. Der vordere ist dünner und län- ger, der hintere kürzer und stärker, beide aber bilden, sobald sie mit dem Septum an den Rand der Kammer gelangt sind, jedenfalls eine starke sehr kenntliche Anschwellung, von der es auffallen kann, dass sie nicht schon früher mit besonderem Nachdruck hervorgehoben worden ist. Man sieht aus ihr mit- unter schon mit blossem Auge mehrere weissliche Streifen in die Substanz des Ventrikels sich fortsetzen. Zur genaueren mikroskopischen Untersuchung lassen sich die Herznerven des Frosches ihrem ganzen Verlaufe nach mit dem Septum und den nächstanstossenden Parthieen des Ven- trikels aus dem frischen Herzen herausnehmen, womit man jedoch bis zum Schwächerwerden der rbythmischen Contrac- 170 tionen warten muss, weil die dazu nöthigen Schnitte sonst allzu unsicher werden. Wenn man zugleich dafür Sorge ge- tragen, die Rami cardiaci der Vagusnerven eine kleine Strecke vor ihrem Zusammentritt auf den Atrien freizulegen und mit herauszunehmen, so kann man an einem und demselben Prä- parate nicht allein die Hauptstämme der Herznerven vollstän- dig übersehen, sondern auch die Zweige derselben eine nicht unbeträchtliche Strecke weit verfolgen. Von allen zu der mi- kroskopischen Untersuchung dieses Gegenstandes vorgeschla- genen chemischen Agentien können wir nach unseren Er- fahrungen keinem einzigen einen besonderen Vortheil nach- rühmen. Bei vorher getrocknet gewesenen Präparaten, die im Allgemeinen durch ihre grosse Klarheit sich empfehlen, wird das Bedürfniss nach einem das Präparat durehsichtiger ma- chenden Mittel kaum empfunden werden. Bei frisch angefertig- ten Präparaten ist allerdings nicht selten eine grössere Durch- sichtigkeit sehr wünschenswerth; aber wenn durch sorgfältiges Ausbreiten und den Druck des Deckblättchens dieser Mangel sich nicht beseitigen lässt, so wird man von chemischen Mit- teln vergebens vollständige Abhülfe erwarten. Am besten wirkt noch Essigsäure, die alle Bindesubstanz durchsichtiger macht, und eine etwa 5°, haltige Lösung von Aetzkali, die das Muskelgewebe entfärbt. Letztere Flüssigkeit hat aber wieder den Uebelstand im Gefolge, dass auch die Ganglien- kugeln so unscheinbar werden, dass sie kaum sich auffinden lassen. Wir geben daher dem Benetzen des Präparates mit Wasser, das man durch Zusatz von Salz und flüssigem Ei- weiss zu künstlichem Blutserum gemacht hat, bei der vorlie- genden Untersuchung den entschiedenen Vorzug vor allen an- dern dazu empfohlenen Mitteln. So lange die für das Herz bestimmten Vaguszweige an den oberen Hohlvenen hingehen, geben sie weder neue Aeste ab, noch zeigen sich in ihnen Ganglienkugeln. Sobald sie aber an der äusseren Fläche der Atrien in dem Zwischenraume zwi- schen den vereinigten Lungennerven und dem gemeinschaft- lichen kurzen Stamm aller Körpervenen angelangt sind, treten sie zu einem, Plexus und Ganglion zusammen, dessen zahl- ——— 171 reiche Zellen gewöhnlich eine schon mit unbewaffnetem Auge deutliche Anschwellung bilden. Aus dieser selbst oder unmit- telbar vor ihr gehen mehrere zum Theil noch von Ganglien- kugeln begleitete Fäden auf den Venensack. Innerhalb dieses Ganglions, das eben so häufig ein Continuum bildet, als die von Ludwig (a.a. ©.) hervorgehobene vollständige Tren- nung in zwei Seitenhälften darbietet, lässt sich die Plexusbil- dung leicht verfolgen. So gross auch die hierin statt findende Mannichfaltigkeit ist, so findet sich doch regelmässig ein sol- cher gegenseitiger Faseraustausch, dass die beiden auf das Septum sich fortsetzenden Nerven aus beiden Rami cardiaci ihre Fasern beziehen. In der Regel wird der hintere (obere) kürzere und stärkere Scheidewandnerv mehr von dem linken, der vordere (untere) längere und dünnere mehr von dem rechten Ramus cardiacus gebildet. In einem Falle ging aus diesem Gan- glion oder Plexus ein einziger stärkerer Nervenstamm hervor, der erst in der Nähe des Ventrikels sich in zwei Zweige spal- tete, deren verschiedene Stärke ganz dem oben angeführten Gesetz folgte. Auf ihrem Verlauf in der Scheidewand zeigen diese beiden Nerven wiederum reichliche Ganglienformation, die aber im Einzelnen grosse Verschiedenheiten darbietet, indem die Ku- geln entweder vereinzelt liegen und auf der ganzen Strecke ohne erhebliche Unterbrechung sich folgen, oder in grössere und kleinere Gruppen mit dazwischen liegenden ganglienlosen Parthieen gesammelt sind. Immer aber, welches auch vorher das Verhältniss der Kugeln zu den Fasern gewesen sein mag, erscheint an beiden Nerven nahe vor ihrem Uebergang in den Ventrikel ein mikroskopisches Ganglion, von welchem aus dieselben in einer kurzen Strecke ganglienlos zu dem ringför- migen klappenartigen Wulst sich fortsetzen, der den Ueber- gang in den Ventrikel bezeichnet. Auf diesem Wege geben beide Scheidewandnervenstämme mehrere feine, oft nur aus zwei Primitivfasern bestehende, Aestehen ab, die gewöhnlich bei ihrem Abgange am Hauptstamme, nicht aber im weiteren Verlaufe mit Nervenzellen versehen sind. Diese Aestchen 172 endigen übrigens nicht an dem Septum selbst, sondern setzen sich in die äussere Wand der Atrien fort. Die schon mit unbewafinetem Auge deutlichen grauweissen Anschwellungen, welche die Scheidewandnerven jederseits an der Atrioventrieularklappe bilden, bieten unter dem Mikroskop eine erneuerte Einlagerung sehr zahlreicher Ganglienkugeln dar. Für den Ventrikel sind dies aber auch fast die einzigen Stellen, an denen Nervensubstanz nachzuweisen ist.” Denn obgleich von diesen beiden Kammerganglien mehrere Zweige ausgehen, die in verschiedener Richtung in die Substanz des Ventrikels eindringen, so zerfallen die Elemente derselben doch so rasch in die feinsten Fasern, dass dieselben schon in geringer Entfernung vom Ganglion sich dem Auge ganz ent- ziehen. Daher findet man denn auch, wenn die Substanz des Ventrikels Stück für Stück unter das Mikroskop gebracht wird, nur in den jenen Ganglien zunächst anliegenden Par- thieen Nervenfasern, an entfernteren Stellen nicht. Ebenso sind Ganglienkugeln ausser an den besagten zwei Stellen in keinem Theile des Ventrikels nachzuweisen. Wenn man diese Anordnung der Ganglien im Froschherzen mit dem oben angeführten Resultat der Quertheilung desselben vergleicht, so kann es nicht zweifelhaft bleiben, dass, wenn Ganglien das Centrum der rhythmischen sowohl als refleetir- ten Herzcontractionen sind, die im Septum liegende Kugel- masse nur jene hervorrufe, während die Ganglien an der Atrienventrieularklappe nicht rhythmische, sondern nur reflec- tirte Bewegungen vermitteln. Nur unter dieser Voraussetzung wird es verständlich, dass nach statt gehabter Quertheilung die Atrien mit dem früheren Rhythmus zu schlagen fortfahren, während der Ventrikel unbeweglich liegen bleibt, aber bei Reizung mit einer Nadelspitze sich sofort in seiner Totalität einmal zusammenzieht. Wenn nach soleher Quertheilung der Ventrikel rhythmische Contraetionen zu zeigen fortfahren sollte, so kann man steh durch die anatomische Untersuchung gewöhnlich bald überzeugen, dass der Schnitt zu weit nach oben gegen den Vorhof geführt war, und dass mit dem unter- sten Theile des Septums auch die untersten der ihm eigen- 173 thümlicehen Anhäufungen von Ganglienmasse an dem Ventrikel zurückgeblieben ist. Ob der Schnitt richtig geführt war, ergiebt sich ohne mikroskopische Untersuchung schon daraus, dass die Oeffnung des getrennten Ventrikels einfach ist; ist sie nämlich doppelt, so wird dies durch den übrig gebliebenen Rest des Sep- tums bewirkt und ist ein Zeichen, dass noch Vorhofsganglien- masse ınit dem Ventrikel in Verbindung geblieben ist. Wird durch Wegnahme dieses Restes von Septum die statt gehabte Quertheilung zwischen Atrium und Ventrikel vervollständigt, so hören die rhytlimischen Zusammenziehungen des letzteren sofort auf. Aus dem Angeführten ergiebt sich, dass das Centrum der rhythmisehen Herzactionen nicht eine in einen einzigen Ort zusammengehäufte Ganglienmasse, nicht ein einziges compac- tes Organ sein kann, sondern in mehrere verschiedene Heerde getheilt sein muss, die in der Regel zu einer gemeinsamen Wirkung eombinirt werden, aber auch getrennt von einander ihre Herrschaft über gewisse Bezirke der Herzmuseulatur aus- üben. Hiermit stimmt die Vervielfältigung der im Septum vorhandenen Ganglienansammlungen überein, und wir finden in diesen Thatsachen nicht allein einen Beweis für die Richtig- keit der unter dem Namen der „‚polydynamischen‘ verworfenen Ansicht über das Centrum der rhythmischen Herzbewegungen, sondern wir bekennen überdies, nach den bisherigen unbe- strittenen Erfahrungen über das Verhältniss anderer Par- thieen des Nervensystems zu gewissen combinirten Muskel- actionen, z. B. der Medulla oblongata zu den Athembewegun- gen, in der „‚compaeten‘“ einigen Masse solcher Nervenorgane eine anatomische Erklärung ihrer physiologischen Wirkung nicht finden zu können. Gleicherweise aber geht aus jener Zerfällung des das Herz beherrschenden Öentrums hervor, dass ein experimenteller Beweis für dessen Bedeutung in der Art, dass durch seine Entfernung der Wegfall der rhythmischen Actionen bewirkt werde, nicht in vollkommener Weise ge- führt werden kann. Zwar werden nach Bloslegung des Sep- tums durch Spaltung des linken Vorhofs die rhythmischen Herz- bewegungen nicht gestört; aber die Wegnahme aller Vorhofs- 174 ganglien ist an dem noch zuckenden Muskel entweder nicht voll- ständig, oder nur mit so tiefen Eingriffen in dessen Organisa- tion zu bewerkstelligen, dass es zweifelhaft bleiben muss, ob die folgende Sistirung der rhythmischen Bewegungen der Be- seitiguug der Nervencentra oder dem gestörten Zusammenhang der Muskelbündel zuzuschreiben sei. Um so entschiedener lässt sich dagegen in der Regel dar- thun, dass die reflectirten Bewegungen der Herzkammer von den. in dem Ventrieularrande gelegenen beiden Ganglien ab- hängen. Schneidet man nämlich von der von den Atrien be- reits getrennten Kammer diesen Rand ab, so hat keine Rei- zung derselben eine Zusammenziehung ihrer ganzen Muscula- tur zur Folge, sondern wie bei irgend einem aus einem Muskel der animalen Sphäre hergenommenen Stücke zuckt nur das von dem Reiz unmittelbar getroffene Muskelbündel. Anderer- seits, wenn man, von der Spitze zur Basis der Kammer fort- schreitend, Stücke der letzteren abträgt, reagiren zwar diese Stücke auf einen angebrachten Reiz nicht durch allseitige Contraction, aber der noch übrige gegen den Ventrieularrand gelegene und also mit den Ganglien in Zusammenhang geblie- bene Theil der Kammer zieht sich bei jeder Berührung voll- ständig zusammen. — Wie aus solchen Erfahrungen die Be- ziehung dieser Ganglien zu der Reflexaetion der Kammermus- keln bervorgeht, so folgt aus ihnen noch, dass, obgleich lei- tende Nervenfasern nur an beschränkten Stellen des Ventri- kels sich anatomisch mit Sicherheit darlegen lassen, sie doch überall vorhanden sein müssen, weil von allen Stellen aus die reflectirte Action sich hervorrufen lässt. Auch Ganglien- masse scheint noch, manchen Erfahrungen nach, in andern als den bezeichneten zwei Stellen des Ventrikels angenommen werden zu müssen. Denn nach Abtragung des Ventrieular- randes mit seinen Ganglien zeigte sich in einigen Fällen doch noch Reflexbewegung an der abgetrennten Kammer. Obgleich dies darauf hinzuweisen scheint, das ausser den er- wähnten Ganglien noch anderweitig im Ventrikel Kugelmasse vorhanden sei, so haben wir doch, auch bei der sorgfältigsten Durehmusterung soleher Ventrikel, nirgends Ganglien in den- 175 selben nachweisen können. Wenn wir von dem Räthselhaften dieser letzteren Erscheinung absehen, so darf nach dem Ergebniss der grossen Mehrzahl der auf jene Ganglien ge- richteten Versuche behauptet werden, dass an ihnen ein ent- schiedener Beweis dafür sich führen lässt, dass auch in einem Ganglion die Uebertragung von centripetalen auf centrifu- gale Fasern statt finden könne, dass es sich also auch in dieser Beziehung den Centren des animalen Nervensystenis anschliesst. . Rücksichtlich der Bedeutung, welche diese Ganglien, denen wir die Vermittelung von reflectirten Zusammenziehungen des Ventrikels zuschreiben mussten, für die bei normalem Lebens- gange wirksamen Actionen des ganzen Herzens haben, wür- den sich manche Vermuthungen äussern lassen. Statt diesen nachzugehen, wollen wir auf die Erwähnung der Thatsache uns beschränken, dass Exstirpation der beiden Ventricular- ganglien aus dem frischen noch zuckenden Froschherzen die Theilnahme des Ventrikels an den rhythmischen Actionen des ganzen Organs weder aufhebt, noch in merklicher Weise ab- ändert. Dieses auffallende Faetum beweist, dass die Fort- pflanzung des von den Vorhofsganglien ausgehenden Impulses auf die Muskulatur des Ventrikels nieht in der Nervenbahn, die durch Ventrieularganglien hindurchführt und nach Beseiti- gung derselben völlig unterbrochen werden muss, erfolgen kann; und es ist vielmehr sehr wahrscheinlich, dass die be- reits von Remak (Müll. Arch. 1850 $. 78) hervorgehobene netzartige Verbindung der Muskelbündel des Herzens die Ue- bertragung der iin Vorhofe beginnenden Zusammenziehung auf die Kammermuskeln vermittelt. Ja es darf hiernach wohl selbst die Frage aufgeworfen werden, ob überhaupt im Ge- biete solcher netzartigen Muskeln das Auftreten verbreiteter Oontraectionen nach blos localer Reizung jedesmal der Mitwir- kung eines Centralorgans Zugeschrieben zu werden braucht, ob solche Contractionen wirklich immer nach den Gesetzen des Rellexes zu Stande kommen, und ob nicht wenigstens häulig der Zusammenhang der Muskelbündel zu so ausgebrei- teten Wirkungen hinreieht. Hiermit würde auch die oben er- 176 wähnte Erscheinung von allseitiger Zusammenziehung der ge- trennten Kammer nach Entfernung ihrer Ganglien verständlich werden. An die mitgetheilten Erfahrungen über die verschiedene Bedeutung der im Froschherzen vorhandenen Ansammlungen von Ganglienmasse liessen ısich manche Fragen anknüpfen, deren Beantwortung von der mikroskopischen Anatomie die- ser Herznerven zu erwarten wäre. Denn die Beschränkung des von dem Vagus ausgehenden Einflusses auf die Vorhofs- parthieen der Nervenzellenmasse; so wie der von den Kam- merganglien vermittelten Reflexactionen auf die Muskulatur der Kammer allein, müssen in bestimmten Verhältnissen der Vagusfasern zu den Nervenfasern des Herzens, und in ver- schiedenen Beziehungen der letzteren zu ‘den Herzganglien ihren Grund haben. Wenn das Froschherz schon bisher we- gen der in seine Actionen gewonnenen Einsicht zu einer Un- tersuchung seiner Nervenelemente vielfach aufgefordert hatte, so musste es nunmehr um so lockender erscheinen, den anato- mischen Bedingungen der im Obigen erörterten Erscheinungen weiter nachzugehen. Aber wir haben, wie nach früheren®, so auch nach neueren Versuchen der Art, Ludwig’s Bemer- kung, dass mit dem Mikroskop allein die hier zu lösenden Fragen nicht erledigt werden können, und dass nur von neuen Untersuchungsmethoden Aufklärung in diesem Gebiete zu er- warten sei, zu wohl begründet gefunden, als dass wir meinen sollten, durch einige fragmentarische Daten, die sich an die bisherigen mikroskopischen Untersuchungen der Herznerven des Frosches würden anschliessen lassen, den Gegenstand för- dern zu können. Erklärung der Abbildungen auf Taf. VI. Sie stellt das aus dem frischen Froschherzen herausgeschnittene Septum mit seinen netzartig durchflochtenen Muskelbündeln aa, dem dazwischen sehr deutlich auftretenden Epithelium der inneren Herz- oberfläche bb, den in den Ventrikel hineinsehenden freien Rand e, und den nächstangrenzenden Stücken des Ventrieularrandes dd dar. Das 177 bei 100maliger Vergrösserung entworfene Bild musste schon der Raum- ersparniss wegen zum Theil schematisirt werden. Die Nerven sind zwar in der bei jener Vergrösserung sichtbaren Stärke, aber auf % etwa ihrer Länge verkürzt dargestellt. e. Ramus cardiacus vagi der rechten Seite. f. Ramus cardiacus vagi der linken Seite. 9. Gangliöser Plexus beider Rami cardiaci. h. Vorderer Scheidewandnerv. . Hinterer Scheidewandnerv. k k. Hauptganglienmasse, welche beide Scheidewandnerven vor ihrem Uebergang in den Ventrikel darbieten. 2 I. Ventrikularganglien, aus welchen Zweige in die Muskelbündel der Kammer eintreten, aber sehr bald dem Auge sich entziehen. Müllers Archiv, 1862, 178 Ueber einen aus eylindrischen Zellen zusammengesetzten Epithelialkrebs. Von F. Bınpver in Dorpat. In der neuesten Geschichte der sogenannten bösartigen Ge- schwülste, der von J. Müller mit dem Namen „Krebs“ zu- sammengefassten Neubildungen wiederholt sieh die anderwei- tig schon öfters gemachte Erfahrung, dass ein in einer frühe- ren Wissenschaftsperiode aufgestellter Begriff durch die ver- vielfältigte und tiefer eindringende Kenntniss der unter dem- selben gesammelten Erscheinungen mannichfache Umgestal- tungen erleiden, oder selbst in engere Grenzen eingeschlossen werden muss. Von den Kriterien der krebshaften Geschwülste ist das physiologische, ihre Bösartigkeit, d. h. das von ihrem Entwickelungsgange unzertrennliche Weitergreifen und der Uebergang in einen Zerstörungsprocess, der endlich auch dem Gesammtorganismus so verderblich wird, dass selbst die Ent- fernung der afficirten Parthie denselben nicht zu retten ver- mag, für den wissenschaftlichen Gebrauch immer unsicherer geworden. Denn die Wissenschaft kann mit der Thatsache, dass es Geschwülste von so verderblichen Folgen, sich nicht genügen lassen und muss vielmehr nach den Bedingungen dieser Bösartigkeit fragen: Diese Frage ist aber trotz der mehrfachen Antworten, die auf dieselbe ertheilt worden sind, zur Zeit noch keinesweges erledigt, und am wenigsten durch die Hypothese einer krebshaften Dyserasie; ja selbst die durchgreifende Gültigkeit jenes Hauptmerkmals der Bösartig- keit ist zweifelhaft geworden, seitdem von der „Heilbarkeit“ 179 einer Krebsgeschwulst zu sprechen nicht mehr für ein Zeichen „falscher Diagnose‘ gilt, und der innere Vorgang bei solcher Heilung vielmehr der Forschung zugänglich zu werden begonnen hat. — In ähnlicher Weise hat auch das anatomische Kriterium der Krebstumoren, die Anordnung der histologischen Elemente derselben, von der Sicherheit und Zuverlässigkeit, die ihm im Beginn dieser Art von Untersuchungen beigelegt wurde, nicht wenig eingebüsst. Stellte sich hierbei auch gleich Anfangs die Ueberzeugung heraus, dass es dem Krebs eigenthümliche Ge- webeelemente nicht giebt, dass vielmehr dieselben Elementar- formen, die in die Zusammensetzung der normalen Gewebe eingehen, auch zum Aufbau der krebshaften Bildungen ver- wendet werden, so glaubte man doch in der Anordnung und Gruppirung dieser Elemente Abweichungen von den normalen Verhältnissen nachweisen zu können, die bei der Unterschei- dung zwischen gut- und bösartigen Geschwülsten als Leiter benutzt werden dürften. Aber nicht allein die Schwierigkeit in Feststellung und Anwendung solcher leitenden Grundsätze ist namentlich durch die neuesten Verhandlungen über die sogenannten Alveolarkrebse und ihre mehr als zweifelhaft gewordene Bösartigkeit dargethan, sondern selbst die Gültig- keit solcher Grundsätze ist erschüttert worden, seitdem man die Epithelialkrebse, deren maligne Natur in manchen Fällen zwar zweifelhaft geblieben sein mag, in anderen und zahlrei- chen Erfahrungen aber entschieden dargethan ist, als einfache Hypertrophieen normaler Epithelialbildungen aufzufassen be- gann, und eine vom gesunden Bau der betroffenen Organtheile wesentlich abweichende Anordnung ihrer Elemente nicht dar bieten liess. 5o unerfreulich dieser Zustand von Unsicherheit nicht blos der Wissenschaft als solcher, sondern eben so wohl der ihrer Aufgabe und Stellung vollkommen bewussten und eben deshalb nach wissenschaftlichen Gründen ihres Urtheilens und Handelns begierigen ärztlichen Kunst sein muss, so ist es nicht die Absicht dieser Zeilen, die Beseitigung dessen zu versuchen, was allem Anschein nach erst in einer nicht allzu nahen Zu- kunft seiner völligen Erledigung entgegensieht. In einem so 12 * 150 wiehtigen Gebiete aber dürfte jeder und selbst der kleinste Beitrag zur Feststellung der für dessen Beurtheilung nutzbaren Gesichtspunkte nicht ohne Interesse sein, und in dieser Vor- aussetzung sollen hier die angedeuteten für die Lehre von den Krebsgeschwülsten wichtigen Momente im Anschluss an einen eoncreten Fall einer kurzen Erwägung unterworfen werden. Eine 50jährige Frau war am 17. Januar d. J. in das hiesige Kreishospital aufgenommen, und von da an wegen hartnäcki- gen Durchfalls behandelt worden, ohne dass weder Anfangs noch späterhin Störungen in anderen wichtigen Organen zu entdecken waren. Es gesellte sich im weiteren Verlaufe des Durchfalls, der durch kein Mittel sich beseitigen liess und nur ein Paar Male auf kurze Zeit gemässigt werden konnte, Oedem der unteren Extremitäten hinzu, das mehr und mehr hinauf- stieg und sich über den ganzen Körper ausbreitete; es zeigte sich weiterhin Oedem der Lungen und Hydrothorax, und der Tod erfolgte am 12. April unter den Erscheinungen der äusser- sten Erschöpfung. Erbrechen hatte während der ganzen Krankheit niemals statt gefunden. — Bei der Section fand man, ausser Erscheinungen allgemeiner Blutleere neben eben so allgemeiner ödematöser Anschwellung, in keinem Organ erhebliche pathologische Veränderungen. Namentlich waren im Darmkanal nirgends Geschwüre vorhanden, und nur die Solitär- drüsen des Colon zeigten eine dunklere Färbung, die gegen den Mastdarm hin immer intensiver wurde, und der Schleimhaut an einzelnen Stellen ein getigertes Ansehn gab. Der Magen war am Fundus stark injieirt; am Pylorusende zeigte sich eine krebsige Masse von weicher Consistenz mit injieirter Ober- fläche, durch welche übrigens die Pylorusöffnung durchaus nicht verengt wurde. Dieser krebshaften Entartung wegen kam der Magen in meine Hände, indem mein geehrter College von Samson die wichtigeren pathologischen Leichenbefunde in der unter seiner Leitung stehenden Hospitalklinik mir regelmässig zur ferneren Untersuchung zusendete. Die vor- stehenden Notizen sind daher auch dem in dem Hospitale über diesen Fall geführten Journale entnommen; die Entartung am Magen wurde aber für mich um so mehr Gegenstand einer 181 genauen Untersuchung, als die Anatomie der Carecinome mich bereits seit längerer Zeit in besonderem Grade interessirte, und ich keine Gelegenheit zu ihrer näheren Kenntniss unbenutzt gelassen hatte. Es begann die Entartung an der vorderen Magenwand, kurz vor dem Pylorus, und ging über denselben in das Duo- denum hinüber. Sie hatte eine Biscuitform, so dass an der Stelle der Einschnürung, die gerade auf dem Pylorusringe auf- sass, ihre Breite etwa '/," Par. betrug, während von den bei- den ziemlich gleich grossen und jederseits einem Kreise von 1°/," Durchmesser gleichkommenden Hälften die eine der Ma- gen-, die andere der Dünndarmwand angehörte. Diese Ge- schwulst war von der gesunden Schleimhaut durch eine ziem- lich scharfe Grenze abgesetzt, und erhob sich 1-1'/,"' über die gesunde Schleimhautfläche; beide scheibenförmigen Ab- theilungen derselben waren in der Mitte eingesunken, und hier auch röthlich 'gefärbt, während die übrige Geschwulstfläche grauweiss erschien. Die Consistenz der Geschwulst war an der Oberfläche gering, an den eingesunkenen Parthieen fast breiartig, so dass die Masse dem leicht hinübergeführten Seal- pellstiele folgte; die übrigen Parthieen waren ziemlich derb und fest, so dass sie mit dem Messer sich schneiden liessen, Auf einem gegen die Schleimhautfläche senkrecht geführten Schnitte bot die Geschwulst bei gleichmässig weissgrauer Farbe eine zwischen 1'/,—2''' wechselnde Dicke. Bei weitem der grösste Theil derselben liess sich auf der Muskelhaut leicht hin- und herschieben und vollständig von derselben abpräpa- riren. Nur an den der eingesunkenen Mitte entsprechenden Parthieen hatten die scheibenförmigen Hälften der Geschwulst bereits begonnen sich in die Muskelhaut einzudrängeu, und liessen sich daher auch hier nicht unversehrt von letzterer abheben. Wurde jedoch mit Zurücklassung einiger Kleiner Partikeln die krankhafte Masse von der Muskelhaut entfernt, so liess sich schon mit unbewaffnetem Auge die Ueberzeugung gewinnen, dass die Muskelbündel selbst nicht ganz unversehrt waren, dass ihre Continuität durch die zwischen sie hinein- wachsende Masse noch nirgends aufgehoben war, dass man es 182 also mit einer Entartung zu thun hatte, die in der Schleim- haut ihren Anfang genommen haben musste, und erst stellen- weise in die anstossende Muskelhaut sich eingesenkt hatte. An der Peritonealseite der betreffenden Organtheile war in Uebereinstimmung hiermit auch keine Spur einer krankhaften Veränderung wahrzunehmen. Bei der mikroskopischen Untersuchung des die Magen- schleimhaut betreffenden Theiles der Geschwulst liess sich an letzterer von dem normalen Bau dieser Membran nichts mehr finden. Obgleich die an die Geschwulst unmittelbar anstossen- den Parthieen derselben auf perpendiculären sowohl als hori- zontalen Schnitten die Magendrüschen in ihrer gewöhnlichen Anordnung als pallisadenartig neben einander gelagerte Röh- ren oder als deren gruppenweise zusammengestellte Lumina darboten, so war in der Geschwulst selbst nichts zu finden, was auch nur im Entferntesten an jenen Bau erinnerte. Die ganze Masse vielmehr sowohl in ihren oberflächlichen weichen als in ihren tiefen festeren Theilen bestand aus Zellen, deren bei weitem grösste Zahl in Gestalt, Grösse und sonstigen Eigen- thümlichkeiten mit demjenigen Cylinderepithelium überein- stimmte, das die freie Fläche der unversehrten Magenschleim- haut bedeekte. Die Zellen nämlich, meistens 0,00068'' Par. lang und an der Basis des Conus grösstentheils einen Durch- messer von 0,0002’ darbietend, besassen ziemlich in der Mitte ihrer Länge einen dunkeln ovalen Nucleus, der mitunter die Zellenmembran zu beiden Seiten etwas hervordrängte, und gewöhnlich 1-2 Kernkörperchen enthielt; ferner eine entweder abgestumpfte oder spitz auslaufende, höchst selten wohl auch in zwei Enden verlängerte Spitze, und einen feinkörnigen durch Essigsäure nur wenig sich klärenden Inhalt. Dieselben Zellen fanden sich auch in entschiedenem Uebergewicht in den tiefe- ren Schichten der Geschwulst und zwar bei ausdrücklicher und möglichst sorgfältiger Vermeidung des Hinzutretens der in den oberflächlichen Parthieen enthaltenen Zellen. Ueber die Lagerung und Anordnung dieser die Geschwulst bildenden eonischen oder eylindrischen Zellen konnte ich nichts Sicheres ermitteln. Denn es wollte mir auf keine Weise auch nicht 185 nach vorherigem Trocknen gelingen, durch blosses Schneiden und ohne weitere Präparation so dünne Schichten zu gewin- nen, als zu einer Untersuchung der Formelemente in diesem Sinne erforderlich gewesen wäre; in den erwähnten war das arsprüngliche Lagerungsverhältniss der Zellen aber natürlich schon gänzlich verändert. — Neben diesen conischen Zellen kamen auch platte rundliche oder eckige Zellen vor; wo meh- rere derselben neben einander und zu einer Masse verbunden sich zeigten, namentlich wenn ihr Durchmesser nicht über 0,0002” P. hinausging, war es freilich sehr wahrscheinlich, dass auch hier blos die dem Beobachter zugewendeten Basen einer zusammenhängenden Gruppe conischer Zellen vorlagen. Wo sie aber einzeln erschienen und einen Durchmesser von 0,0003’ und mehr besassen, blieb es nicht zweifelhaft, dass es wirk- lich Zellen waren, welche die bestimmte ausgeprägte eylindrische Form nicht angenommen hatten. Die Zahl dieser runden Zel- len war aber gegen die überwiegende Menge entschieden eylindrischer Zellen unverhältnissmässig klein. Auch in den- jenigen Theilen der Geschwulst, die sich zwischen die Muskel- bündel eingesenkt hatten, fanden sich dieselben Formelemente. In den bereits erweichten und fast zerfliessenden Theilen erschienen aber ausserdem obgleich wenig zahlreiche grosse Körnchenzellen, von durchschnittlich 0,00057'' Durchmesser, und von Fettmolekeln dicht erfüllt; ferner sogenannte Fett- aggregatkugeln, an denen die ursprüngliche Zellenmembran nicht mehr nachweisbar war, und endlich auch gänzlich iso- lirte Fettmolekele. — Von den den Krebsgeschwülsten sonst eigenen Fasergeweben waren weder die höheren Entwicke- lungsstufen, vereinzelte geschwungene Fasern oder Faserbün- del, noch auch die gestreifte und gefaltete Bindesubstanz nach- zuweisen. Dagegen durften als jüngere Stufen dieses Gewebes die freilich auch nur spärlichen gesehwänsten Körper ange schen werden, welche zwischen den erwähnten Elementen in sehr verschiedener Grösse und Form sich fanden, und von denen gegenwärtig wohl zur Genüge dargethan ist, dass sie nicht der Krebsflüssigkeit, sondern dem Krebsgerüste angehö- ren, und nichte Anderes sind als künstliche Trennungen der 184 noch lockeren Verbindung jener primären Zellen, welche zu Bindesubstanz zu verwachsen begannen und ihre Kerne noch erhalten hatten. Dieses spärliche Gerüste von Bindegewebe bildete ohne Zweifel auch das Lager für die capillären Blut- gefässe, deren Gegenwart zwar unter dem Mikroskop: nicht mit Sicherheit sich nachweisen liess, aber wegen der injieirten Oberfläche der Geschwulst nicht zweifelhaft war. Nicht anders war das Resultat der mikroskopischen Unter- suchung des in der Duodenalschleimhaut wurzelnden Theiles der Geschwulst, auch hier wurde sie aus econischen Zellen ge- bildet, zwischen welchen weit sparsamere rundliche Zellen sich fanden. Von traubigen Brunnschen Drüsen, die in den dieht an die Geschwulst anstossenden Parthieen der Duodenal- schleimhaut äusserst schön ausgebildet erschienen, war in der Geschwulst selbst nichts zu finden. In den ihr zunächst be- nachbarten Brunnschen Drüsen war aber der Beginn der auch auf sie übergehenden Entartung dadurch bezeichnet, dass ihre Acini in einem gedunsenen Zustande sich befanden und stär- kere Dimensionen zeigten als in der übrigen Duodenalschleim- haut; zwischen den Drüschen fanden sich hier auch weissliche hirsekorngrosse Massen eingelagert, in denen alle erwähnten Elemente der Geschwulst nachzuweisen waren. In der erweich- ten Mitte der Geschwulst traten auch hier Körnchenzellen auf, und das Verhältniss zur Muskelhaut des Duodenums war dem oben vom Magen erwähnten ganz ähnlich. Nach dem äussern Ansehn sowohl wie nach den Textur- verhältnissen dieser Geschwulst durfte man wohl kein Beden- ken tragen, sie für eine krebshafte zu erklären. Das gleich- förmige speckartige grauweisse Ansehn der festeren Parthieen, ans denen sich bei den geringen Dimensionen der Geschwulst der sonst so charakteristische Krebssaft freilich nicht in. erheb- licher Menge herausdrücken liess; der Durchbruch des mittle- ren Theils der Geschwulst durch die Epitheliumdecke, der zwar nicht durch eine scharfe Grenze zwischen der getrennten Schleimhaut und der krankhaften Wucherung, wohl aber durch 185 den bereits statt gehabten Substanzverlust bezeichnet war, der in der breiartigen Consistenz und Eingesunkenheit der mittle- ren Parthieen beider Seitenhälften, so wie durch die hier feh- lende Lage eines regelmässigen Epitheliums sich kund gab ; — endlich der Umstand, dass die Geschwulst fast nur aus dicht an einander gelagerten Zellen mit spärlicher Intercellularsub- stanz und den unverkennbaren Spuren eines sich dazwischen lagernden Fasergerüstes bestand — dies alles war Grund genug, die vorliegende Production ein Carcinom zu nennen. Zwar hatten sich hier die den Careinomen sonst gewöhnli- chen Mutterzellen nicht beobachten lassen, welche als Beweise der endogenen Zellenbildung, so wie als Mittel des raschen Wachsthums und eben dadurch auch der Bösartigkeit der Ge- schwulst gelten. Indessen ist hiervon ein Grund gegen jene Diagnose um so weniger herzunehmen, als solche Zellen in manchen und namentlich den weichsten und durch ihr rasches Wachsthum besonders bösartigen Krebsformen eben- falls entweder ganz fehlen oder doch sehr sparsam vor- kommen. Ihre Abwesenheit dürfte aber in diesem Falle um so weniger bedeuten, wenn wir die Species berücksichtigen, der dieses Careinom zugezählt werden musste. Nicht allein der Sitz dieser Geschwulst an einem vom Epi- thelium bekleideten Organ, oder das entschiedene Ausgehen derselben von der Schleimhaut, sondern mehr noch das Be- stehen aus Elementen, die ganz mit denen des normalen Epi- theliums der ergriffenen Membran übereinstimmten, war näm- lich Grund genug, dieses Produkt den Epithelialkrebsen anzu- reihen. Auffallend war nur die Form der Zellen, welche die Hauptmasse der Geschwulst bildeten. Denn nicht nur mir war bisher eine Geschwulst von diesem Charakter nicht vorgekom- men, sondern auch in Allem, was bisher über die histologischen Verhältnisse der sogenannten Epithellalkrebse von anderen Autoren veröffentlicht worden ist, findet sich nichts, was dar- auf hinwiese, dass die Hauptmasse dieser Produkte auch aus einer Wiederholung und Wucherung eylindrischer Zellen beste- hen könne. 50 suchte Ecker, dem wir die ersten, die nähere Kenntniss 186 der Epithelialkrebse begründenden, Mittheilungen verdanken (Tübinger Arch. f. physiol. Heilkunde 1344 S. 330), darzuthun, dass manche Lippenkrebse nur aus den normalen aber hyper- trophischen Gewebetheilen der Lippe, namentlich des Epithe- liums derselben, hervorgehen, und konnte also an dieser Stelle auch keine anderen Zellenelemente, als die mit den verschiede- nen Entwiekelungsstufen des geschichteten Plattenepitheliums übereinstimmenden gefunden haben. Rokitansky weist den Epithelialkrebsen ihren Sitz auf fast allen Schleimhäuten und den allgemeinen Decken an (Handb.d. pathol. Anat. Bd. I. Wien 1846 S. 355) und fügt hinzu, dass die genauere Untersuchung dieser Aftergebilde beweise, dass sie ganz und gar aus Zellen bestehen ‚die ‚‚bisher‘‘ in jeder Rücksicht den Epidermidalzellen oder den grösseren Epithe- lialzellen der Pflasterformation an und für sich, wie auch be- züglich ihrer Entwickelung, analog erscheinen. Als weitere Entwickelung solcher Zellen erwähnt er eine Verlängerung in einer Richtung mit Umgestaltung zu einem verschobenen Pa- rallellogramm, oder einem bandförmigen an beiden Enden in eine kurze Spitze endigenden Blättchen, oder zu einer Mutterzelle, in der eine zweite Generation von Zellen statt findet. Von einer Verschiedenheit der die Epithelialkrebse bildenden Zellen nach Maassgabe des verschiedenen Epithe- liums ist hier also nicht die Rede, und Rokitansky schreibt vielmehr allen derartigen Wucherungen dieselben Formele- mente zu. Ein eigenes umfangreiches Kapitel widmet auch Lebert (Physiologie pathologique Tom I. Paris 1545 Pag. 5) den Epi- thelial- und Epidermidalgeschwülsten, führt indessen von erste- ren auf Flächen, die ein Cylinderepithelium besitzen, nur eine im Uterus von ihm beobachtete Geschwulst auf, die auch nur aus grossen platten Zellen bestand, von denen auf Taf. X in Fig.1 eine Abbildung gegeben wird. Er erklärt es übrigens für einen Irrthum, diese Geschwülste für krebsartig zu halten, da sie, wenngleich reeidivirend, doch nicht eine „‚infeetion cancereuse‘* hervorbringen könnten. — Indem Virchow derselben An- sicht über die Natur dieser Geschwülste folgte, konnte er 187 keinen Anlass finden in seiner treffllichen Arbeit über den Krebs (Arch. für pathol. Anat. Bd. I. Berlin 1847 5. 94) solche Epithelialbildungen eigends zu berücksichtigen, und wenn derselbe die Modificationen in der Form der Krebszellen erläu- ternd, auch von einer Ausziehung der ursprünglich runden Form nach zwei Riehtungen spricht, und dieselbe auf Taf. 11. Fig. 2 abbildet, so sind hiermit doch keine dem Cylinderepi- thelium entsprechende Zellenformen gemeint. Bruch (Diagnose der bösartigen Geschwülste, Mainz 1347 S. 156) erwähnt von der mikroskopischen Untersuchung einer von ihm „Markschwamm des Magens‘ genannten Geschwulst, die in der Schleimhaut sass, von der Muskelhaut scharf abge- setzt, wiewohl ihr fast anhängend war, und mit kugeligen acinösen (?) Wurzeln in sie hineingriff, "dass sie bei weitem grösstentheils aus eigenthümlichen, schmalen, länglich zuge- spitzten mit einem mittleren Kerne versehenen Körperchen be- stand, die eine überraschende Aehnlichkeit mit den Zellen des Cylinderepitheliums hatten, häufig an einem Ende abgestumpft und sogar in Reihen und Gruppen an einander befestigt wa- ren. Da jedoch Essigsäure die Hülle fast spurlos löste, wurde Bruch selbst zu der Vermuthung geleitet, dass nicht eine wahre Zellenmembran anwesend war, sondern dass Streifen oder Plättchen von Blastem den Anschein einer Hülle erzeugt hätten; und spätere Untersuchungen haben dieses Urtheil be- festigt. Hier hatten also nicht körperliche Elemente des Krebs- saftes, sondern nur Fetzen des Krebsgerüstes vorgelegen, und die in letzterem eingebetteten Zellen waren also auch hier rundlich gewesen. — An einer ferneren Stelle (S. 435) erwähnt B., indem er seine über die Epithelialgeschwülste gemachten Erfahrungen resümirt, dass im Ganzen der Typus eines nor- malen Gewebes in ihnen vorwalte; die Zellen sollen im Ver- hältniss zum Kerne weiter als andere Krebszellen, Talrig, eckig, verzogen, derber und in Essigsäure unlöslicher sein. Er fügt hinzu, dass er eine Hautgeschwulst, die Epithelialzellen (der Form nach) enthielte, ein faseriges Gerüste besässe ete. unbe- denklich für bösartig ansehen würde. Aber von einer Ver- schiedenheit in der Form solcher Epithelialzellen findet sich 188 nichts angemerkt, und Bruch scheint den obigen Angaben gemäss immer nur Zellen des Plattenepitheliums im Sinne ge- habt zu haben. ; In der pathologischen Gewebelehre von Günsburg (Leip- zig 1845 Bd.I. S. 212) wird eine Krebsgeschwulst am Magen erwähnt, deren Schichten aus geschwänzten Zellen mit einem „Kopf“, der in allmäliger Verjüngung oder plötzlich in das Schwanzende überging, und werden dergleichen Zellen auch auf Taf. III. Fig. 17 abgebildet. Da der Verfasser jedoch hin- zufügt, dass diese Zellen die faserig erscheinenden Gerüste bildeten, so ist eben hiermit ausgesprochen, dass es nicht eigentlich Zellen des Krebssaftes, sondern nur „‚geschwänzte Körper‘ und Bruchstücke jungen Bindegewebes waren, die von Günsburg als Elemente angesehen werden, welche im Uebergange zu „wirklichen Krebsfasern ‘‘ begriffen sind. Im zweiten Bande desselben Werkes S. 369 ist von Hypertrophie des Cylinderepitheliums auf der Darmschleimhaut die Rede; es heisst ferner, dass solche auch am Magen vorkomme, und den Grund zur Bildung von Wärzchen, Falten und Wülsten lege, ja es ist auch von Polypen die Rede, die aus bleibender pleonastischer Neubildung vom Oylinderepithelium hervorgehen sollen. Indessen ist solche Neubildung weder an diesem Orte mit krebshaften Geschwülsten in Verbindung gebracht, noch ist bei der vorhergehenden Aufzählung der in diese Ge- schwülste eingehenden Formelemente von Cylinderepithelien die Rede. Es scheint demnach die oben mitgetheilte Erfahrung die erste zu sein, durch welche dargethan wird, dass eine krebs- hafte Geschwulst ihrer Hauptmasse nach aus einer blossen Aneinanderlagerung von eylindrischen mit Epithelialzellen vollkommen übereinstimmenden Zellen bestehen kann, und es bleibt nur übrig, uicht allein diese Textureigenthümlichkeit, sondern auch die übrigen anatomischen Verhältnisse der Ge- schwulst zu beleuchten, um dadurch zu einem möglichst voli- ständigen Urtheil über die Gesammtnatur dieser Production zu gelangen. & Zunächst müsste nämlich gefragt werden, welches histolo- 189 gische Merkmal dieselbe von einer einfachen Hypertrophie des Cylinderepitheliums unterscheide und als Krebsmasse charak- terisire. Ich kann hierauf nicht anders antworten, als durch die Hinweisung auf das zwischen den Gruppen der wuchernden Epithelialeylinder sieh bildende junge Bindegewebe, das seine Gegenwart und Entwickelungsstufe durch die geschwänzten Körper darthut.. Es kann dies natürlich nicht so verstanden werden, als ob ich im Widerspruch mit der oben geäusserten Ueberzeugung, in diesen Körpern oder im Fasergerüste über- haupt etwas dem Krebs Eigenthümliches und unter allen Um- ständen denselben Auszeichnendes und Charakterisirendes er- blickte, Im Gegentheil bin auch ich der Ansicht, dass gerade die Zellen als Träger und Vermittler der Neubildung und des Wachsthums der Geschwulst, die krebshafte Natur derselben begründeten. Damit aber die Fähigkeit der Zellen zu solcher wuchernden Production zur Wirklichkeit werde, musste auch das Material zur Neubildung in reichlicher Menge dargeboten werden. Dazu ist eine vermehrte Menge von Blutgefässen er- forderlich, die daher auch in allen Krebsgeschwülsten zu der Schnelligkeit ihres Wachsthums in geradem Verhältniss steht, und in dem wuchernden Fungus hämatodes ihren Gipfelpunkt erreicht. Blutgefässe aber und Bindesubstanz sind überall in der thierichen Organisation so innig an einander geknüpft, dass die Gegenwart der einen die gleichzeitige Anwesenheit der andern bedingt. In unserem Falle, wo zwar in dem mi- kroskopischen Bilde Blutgefässe nieht mit Sicherheit aufgefun- den werden konnten, wo deren Gegenwart aber aus der Farbe der frischen Geschwulst unzweifelhaft hervorging, würde ich, selbst wenn letzteres Merkmal gefehlt hätte, aus der Anwesen- heit der auf Bindesubstanz zu beziehenden körperlichen Ele- mente auf das Vorhandensein von Blutgefässen zu schliessen mich für berechtigt gehalten haben. Dieses Junge Bindegewebe, das zwischen und mit den Gruppen der wuchernden Epithe- lialeylinder entstanden war, bildete also höchst wahrscheinlich das Lager für die gleichzeitig neu entstehenden Blutgefässe. Der Stoff zur Neubildung wurde daher nicht blos von einer Seite den bereits bestehenden Zellen dargeboten, sondern trat 190 von allen Seiten zu der wuchernden Masse heran. Weil über- dies letztere nicht durchweg frei an der Schleimhautfläche lag, sondern eben von jenem jungen Bindegewebe durchsetzt wurde, so konnte sie nicht nach_Art des Schleimhautepithe- liums abgestossen werden, sondern musste sich anhäufen und eine Geschwulst bilden, welche die Bedingungen ihres Wachs- thums — sofern letzteres nicht von anderer Seite beschränkt wurde — mit jeder neuen Exsudation und Zellengeneration vermehrte. Wenn ich auf die Gegenwart von Blutgefässen nur aus der rothen Farbe der Geschwulstoberfläche schloss, ohne die Ge- fässe selbst unter dem Mikroskop nachgewiesen zu haben, so könnte hiergegen vielleicht eingewandt werden, dass von Bruch (a. a. ©. 8.25 u. 52) der Beweis geliefert sei, dass in Careinomen Blutströme ohne andere selbstständige Wand als die des umgebenden festern Blastems, also als blosse Blutrinnen vorkommen, ja dass für die Bildung der Blutgefässe das Gesetz gelte, dass das Blut immer früher als die Gefässe entstehe. Indessen abgesehen davon, dass hierdurch das gegenseitige Bedingtsein auch der Blutrinnen und des Bindegewebes noch keinesweges widerlegt wäre, so muss ich bekennen, dass, so lange eigene überzeugende Erfahrungen hierüber sich mir nicht dargeboten haben, ich einer Ansicht mich nicht anschliessen kann, die mir im Hinblick auf die früheren Schicksale solcher vermeintlichen Blutrinnen sehr bedenklich erscheint. Ueberdies werden nach der Ansicht von Bruch solche Blutrinnen nur in eben entstehenden und rasch wachsenden Produktionen zu erwarten sein; unsere Geschwulst aber gehörte nicht in diese Kategorie. Ehe dies dargethan wird, muss die Frage aufgeworfen wer- den, wodurch etwa die regelmässige eylindrische oder koni- sche Form der die Hauptmasse dieser Geschwulst bildenden Zellen bedingt war, dies giebt Veranlassung, das in jüngster Zeit so vielbesprochene Gesetz der „analogen Bildung‘ in die Betrachtung hineinzuziehen. Hat der Charakter des Gewebes, in welches hinein ein pathologisches Exsudat statt findet, An- theil an der Richtung, welche dies Exsudat bei seiner Orga- 191 nisation einschlägt, oder nieht? Ich glaube, dass auch die in diesem Falle beobachteten Verhältnisse einer bejahenden Frage auf jene Frage nicht günstig sind. Allerdings hat hier eine aus eylindrischen Zellen gebildete Krebsmasse an einem von Cylinderepithelium bekleideten Organe statt gefunden. Aber wie häufig sind an demselben Orte oder an anderen von Cy- linderepitheium bedeckten Organen Krebsmassen beobachtet worden, die von solcher regelmässigen Gestaltung der in sie eingehenden Formelemente nichts zeigten. In der grossen Menge der bisher beobachteten und mit dem Mikroskop durch- forschten Fälle hatte also das vorhandene Cylinderepithelium nicht vermocht, dem Exsudat die Richtung. vorzuzeichnen, in welcher es sich entwickeln sollte. Es würde daher auch in unsrem Falle sehr gewagt sein, die regelmässige Form der neu sich bildenden Zellen dem Einfluss des bereits vorhandenen Epitheliums zuzuschreiben, wenn man nicht zugleich nachzu- weisen vermöchte, von welchen Umständen dieser Einfluss in allen früheren Fällen gehemmt und unterdrückt war. Eben so wenig dürfte aber die regelmässige Form der selbst in den tiefsten Lagen der Geschwulst vorkommenden Zellen von dem Druck und der Feuchtigkeit allein herzuleiten sein, welchen Umständen man die verschiedene Gestalt der Epithelien und Krebszellen wohl auch zugeschrieben hat. (S. Virchow’s Arch. I. S. 106 u. 107.). Ich glaube vielmehr, dass auf eine Er- klärung des Zustandekommens der hier beobachteten offenbar typischen und nicht blos zufälligen Gestaltung der Elemente einer Geschwulst eben so wohl zu verzichten ist, als wir dem Grunde des Typus in der organischen Natur überhaupt nicht nachzugehen vermögen. Mit der Entwiekelung eylindrischer Zellen hatte indessen auch in diesem Careinom der Zellenbildungsprocess sein Ende noch nicht erreicht, In den weicheren Parthieen derselben fanden sich Körnchenzellen, die, wenn man auch zugeben wollte, dass nicht alle den Inhalt solcher Zellen bildenden Körnchen Fettmoleküle sind, doch jedenfalls mit überzeugen- den Gründen von Virchow und Reinhardt als eine Stufe in der bedeutungsvollen Rettmetamorphose der Zellen erwiesen 192 sind. Es darf demnach auch für unsern Fall behauptet werden, dass aus den eylindrischen Zellen durch die Fettmetamorphose die ungleich grösseren und rundlichen Körnchenzellen hervor- gegangen waren. Wenn nun aber diese Metamorphose mit der Decrepidität der Zellen zusammentrifft, wenn sie auf ein Ab- sterben und eine beginnende Auflösung und Zerstörung der- selben hinweist, wenn sie eben deshalb für Krebsgeschwülste im Ganzen oder für einzelne Theile derselben das Ende des steten Anwachsens und den Beginn eines Heilungsprocesses bezeichnet, der freilich wohl nur ausnahmsweise zum erwünsch- ten Ziele führen mag, so darf auch unser Fall dahin interpre- tirt werden, dass. das Auftreten der gedachten Elemente die Auflösung der pathologischen Zellen einleitete, und somit die Beseitigung der krankhaften Ablagerung vorzubereiten begann. Befand sich hiernach unsere Geschwulst bereits in dem Sta- dium des Stillstandes oder gar der Rückbildung, und hatte sie bei ihrem verhältnissmässig geringen Umfange durchgehends diese Stufe erreicht, so dass nicht, wie dies bei voluminöseren Geschwülsten häufig der Fall ist, ein Theil derselben zur Rückbildung hinneigte, während ein anderer noch weiter fort- wuchs, — so wird dadurch auch verständlich, dass Mutter- zellen, diese sonst so beständigen Elemente der Krebsge- schwülste und unzweifelhaften Zeichen fortgehender Neubil- dung, hier nicht mehr anzutreffen waren. Denn ich kann die Ueberzeugung nicht verhehlen, dass auch ich die endogene Bildungsweise neuer Zellen für die allein erwiesene, und, weil ich verschiedene Wege für die Entstehung gleicher organischer Formen mir nicht vorzustellen vermag, auch für die allein be- rechtigte, alle anderen Theorien dagegen, mögen sie zur „Klümpchentheorie“ oder anderswie formulirt sein, für irr- thümlich halte. Wenn daher in einer Krebsgeschwulst die eudugens Zelleubilduug nicht nachgewiesen werden kann, so kann dies, meiner Meinung nach, entweder den Grund haben, dass die erwähnte Periode der Decrepidität in dem Zellenleben und das Ende der Neubildung bereits eingetreten ist, oder dass gegentheils, wie ich dies in den weichsten und besonders stark wuchernden Formen von Markschwamm gewöhnlich 193 gefunden habe, die Neubildung so ausserordentlich schnell erfolgt, die Mutterzellen ihren Inhalt so schnell frei werden lassen, und eben deshalb so ausserordentlich zarte Membranen haben, dass man bei der zur mikroskopischen Untersuchung erforderlichen Vorbereitung sie massenhaft zerstört, und daher hier nur selten von junger Zellenbrut erfüllte Mutterzellen an- trifft. Hiermit soll natürlich nicht geleugnet werden, dass solche ‚„„‚Klümpchen‘ und andere amorphe Niederschläge oder Coagula in dem Krebssafte vorkommen; geleugnet wird nur, dass sie in einem ursächlichen Verhältniss zu den in dem Krebssaft vorhandenen und hinzukommenden Zellen stehen. Jene Fettmetamorphose der Zellen stand aber auch nach “iner andern Seite im Zusammenhang mit den an unserer Ge- schwulst beobachteten Erscheinungen. Die Körnchenzellen fanden sich nämlich nur an den erwähnten Stellen der krank- haften Produktion; die festeren Parthieen ermangelten dieser Elemente gänzlich. Da nun aber auch jene Stellen ursprüng- lich sicherlich eine grössere Consistenz besessen hatten, so war ohne Zweifel die in deren Zellen statt findende Umwand- lung zugleich das Mittel zu ihrer Erweichung. Denn die jene Umwandlung begleitende anfängliche Vergrösserung der Zellen setzte eine vermehrte Exsudation in den betreffenden Theilen voraus, während der später hinzutretende Verlust der Zellen- membran, also das Zugrundegehen der festen Formbestand- theile der Geschwulst, so wie das dadurch bedingte Freiwer- den des flüssigen an Fetttröpfehen reichen Zelleninhalts mit verdoppeltem Angriffe den früheren Zusammenhang der Ge- schwulstelemente lockern musste. Während nun aber das Produkt solcher Fettmetamorphose der Krebszellen, bei Car- einomen, die von der freien Körperoberfläche entfernter liegen, sich als rahmartiger Inhalt von Cavernen innerhalb der Ge- schwulst darstellt, und bei grösserer Ansammlung durch den Druck auf die Höhlenwand dieselbe endlich durchbricht und sich nach aussen entleert, #0 konnte Letzteres in unserem Falle ungleich einfacher erreicht werden. Die von dem Epithelium des Verdauungskanals durch keine scharfe Grenze abgesetzte Geschwulst, die eben deshalb bis an die freie Oberfläche des Müllers Archiv. 1852, 13 194 Darmkanals reichte, konnte die Produkte der in und mit ihren Zellen statt gehabten Metamorphosen unmittelbar nach aussen schaffen. Es bedurfte dazu nicht erst des Durchbruchs orga- nisirter, die Krebsmasse deckender Gebilde, nicht der. ver- schwärenden Zerstörung. Es fehlten daher auch alle auf einen solchen Process hinweisenden Zeichen: es fehlten Eiterkörper- chen und jedes Zeichen der Verjauchung, es fehlten harte Ränder und speckige Oberfläche, die Folgen der die Geschwür- bildung begleitenden oder bedingenden Exsudation coagulabler Flüssigkeiten, es fehlten Granulationen, ja es fehlte eigentlich auch eine wunde Oberfläche, da selbst an den eingesunkenen Stellen der Geschwulst eylindrische obgleich nicht regelmässig angeordnete Zellen eine epitheliumartige Hülle bildeten. Ein Durchbruch der Krebsgeschwulst nach aussen, Entleerung des Krebssaftes und Substanzverlust in Bezug auf die Geschwulst selbst hatte also auch hier statt gefunden, aber in einer Weise, die von den über den Fortgang und die weiteren Schicksale der Careinome gangbaren Vorstellungen sehr verschieden ist. In eine Vergleichung des eben geschilderten Vorgangs bei der Erweichung und dem Aufbruch unserer Geschwulst mit der sonst hierüber vorgetragenen und zum Theil einander wider- sprechenden Ansichten näher einzugehen, ist hier nicht der Ort; doch kann ich mir nicht versagen, wenigstens dies zu be- merken, dass ich die bereits von J. Müller angedeutete Be- ziehung des Reticulum im Krebs, wo ein solches vorkommt, zu einer beginnenden Erweichung und Verflüssigung der krank- haften Ablagerung und die auf solche Weise bewerkstelligte Bildung von Höhlungen im Innern von Krebsgeschwülsten nach vielfachen eigenen Erfahrungen bestätigen muss; dass ich die von Rokitansky nur vermuthete, von Virchow und Reinhardt aber durch zahlreiche und mühevolle Unter- suchungen begründete Beziehung des Reticulum zur Fettum- setzung des Zelleninhalts für eine wesentliche Bereicherung der pathologischen Histologie halte, dass aber jene Umsetzung in der Form des Reticulum sich nur dann ausprägt, wenn sie in einer Krebsgeschwulst grössere Zellengruppen betrifft, und nicht auf einzelne zerstreute Zellen beschränkt ist; und dass 195 endlich, weil Letzteres häufig, ja gewöhnlich der Fall ist, fast in jedem Krebssafte Körnchenzellen, Fettaggregatkugeln und einzelne Fettmolekeln angetroffen werden. Ja ich bin sogar der Meinung, dass, wo überhaupt von der Erweichung eines harten Krebses die Rede sein darf, und nicht vielmehr eine von Anfang an saftreichere und eben deshalb weichere Masse der Beobachtung vorlag, die Fettmetamorphose der Krebs- zellen der bis jetzt allein nachgewiesene Weg solcher Umwand- lung ist. Wenn ich hiermit einem Ausspruche von Bruch, der das Reticulum Müller’s ganz anders deutet, und die Fett- metamorphose der Zellen nur unter grossen Einschränkungen gelten lassen will, entgegentrete, so muss ich mich demselben um so entschiedener anschliessen, wenn er die Verschwärung und Verjauchung von dem Wesen des krebsigen Processes ausschliesst und vielmehr als Erscheinungen darstellt, die unter gewissen Umständen zwar eintreten können, aber keinesweges unausbleiblich sich einstellen müssen. Ja nicht einmal zum Aufbruch der Krebsmasse nach aussen gehört nothwendiger Weise Atrophie oder Verschwärung der bedeckenden Par- thieen; denn es kann, wie unser Fall lehrt, ein Hautkrebs auch ohne jene Vorgänge mit seiner Masse nach aussen gelan- gen und Substanzverluste vermitteln ohne Verjauchung. Es wurde vorhin bemerkt, dass der hier analysirte Epithe- lialkrebs bereits aufgehört hatte sich zu vergrössern, und theil- weise sogar auf dem Wege zur Heilung begriffen war. Zwar war deshalb seine Bösartigkeit nicht zu bestreiten, da sie ihre unverkennbaren Spuren zurückgelassen hatte; wohl aber durfte dieselbe hiernach eine beschränkte genannt werden, Und wenn dieses Urtheil über den Lebensgang der Geschwulst zunächst aus der lettmetamorphose ihrer Zellen sich ergab, so fand dasselbe in anderen histologischen Verhältnissen derselben seine fernere Bestätigung. Aus den bisherigen Untersuchungen über die Krebsgeschwülste darf nämlich mit Bestimmtheit der Grundsatz gefolgert werden, dass ihre Bösartigkeit um so grösser ist, je mehr ihre Formelemente auf der Stufe pri- märer, indifferenter und zu neuer Zellenproduction benutzter Zellen verharren, und von den typischen und ausgebildeten 13* 196 Gestalten der normalen Gewebeelemente entfernt bleiben, — um so geringer dagegen, je mehr ihr Gewebe aus Elementen besteht, die dem Typus der normalen Bildungen folgten, und das Endziel der bezüglichen Verwandlungen bereits erreichten. Als Beleg hierfür lassen sich namentlich die Faserkrebse an- führen, welche neben dem Uebergewichte ihrer zu den ent- wickelteren Stufen des Bindegewebes fortgeschrittenen Ele- mente eine entschieden weniger schlimme Natur haben als andere Krebsformen. Eben so gehören hierher diejenigen im Gesicht und namentlich an den Lippen vorkommenden Epi- dermidalgeschwülste, die fast ausschliesslich aus grossen und platten dicht auf einander geschichteten Zellen bestehen, und als solehe bekannt sind, die nur langsam sich vergrössern, oft längere Zeit auf derselben Stufe sich erhalten, daher später zum Durchbruch kommen, also überhaupt weniger gefahrdro- hend sind als andere Formen. Der Analogie nach dürfte man vermuthen, dass Aehnliches auch für eine Geschwulst würde gelten müssen, in welcher ein Uebergewicht solcher Zellen angetroffen werden sollte, die mit den Formen des ausgebilde- ten Cylinderepitheliums übereinstimmten, und der vorliegende Fall liefert den empirischen Beweis, wie für das Vorkommen solcher Geschwülste überhaupt, so für die weniger schlimme Natur derselben im Besonderen. Für diesen Charakter der Geschwulst hätte man einen fer- neren Beweis vielleicht auch in dem Umstande suchen können, dass sie während des Lebens gar kein Erbrechen veranlasst hatte, wie man auch früherhin den Alveolarkrebs des Magens zu den weniger bösartigen Krebsformen zählte, weil Erbre- chen nieht in dem Maasse wie bei anderen Magenkrebsen zu seinen ceonstanten Symptomen gehörte. Indessen muss ich mich, so weit meine eigenen Erfahrungen reichen, zu der An- sicht Bruch’s bekennen (Zeitsch. für rat. Mediein. VII. 3.), dass für das Eintreten jenes Symptoms keinesweges die Krebs- geschwulst des Magens als solche und unter allen Umständen von Bedeutung ist, sondern nur deren Antheil an einer etwai- gen Verengerung der Pylorusöffnung. Wenn daher eine durch blosse Hypertrophie der Muskelhaut oder der sogenannten 197 Tunica propria bedingte Verengerung der Ausgangsöffnung des Magens bei gänzlicher Abwesenheit krebshafter Deposita, oder gar schon der mechanische Einfluss krankhaft. vergrös- serter Organe heftiges Erbrechen nebst weiteren Nachtheilen erzeugte, und sehr bedeutende Krebsmassen dagegen, wenn sie nicht gerade die Pylorusöffnung beeinträchtigen, ganz ohne Erbrechen bestehen können; — so ist es nicht befremdlich, dass auch unsere Geschwulst von jenem Symptom nicht be- gleitet war, da sie, wenngleich auf dem Pylorus sitzend, bei ihren geringen Dimensionen jene Magenöffnung nicht in sicht- licher und nachweisbarer Weise beeinträchtigte. Und so waren in diesem Fall auch die erschöpfenden Durchfälle, der dadurch herbeigeführte allgemeine Hydrops und der endliche Tod aus Schwäche sicherlich nicht von der Krebsgeschwulst am Magen herzuleiten, sondern hatten andere Bedingungen, deren Erläu- terung nicht hierher gehört. Ist es schliesslich erlaubt, das Resultat der mikroskopischen Untersuchung unserer Geschwulst nochmals zu überblicken, und damit den Weg zu vergleichen, den sie in ihrer Entwicke- lung zurückgelegt, als auch den Einfluss, den sie auf den Ge- sammtorganismus gewonnen hatte, so wird sich die Ueber- zeugung festhalten lassen, dass, ob es gleich keine speecifischen Krebszellen oder andere den Krebsgeschwülsten allein und ausschliesslich zukommenden Formelemente giebt, nichtsdesto- weniger die Anordnung der Texturtheile in den Careinomen — obgleich vielfache Verschiedenheiten darbietend — doch nicht blos diese Gattung von Geschwülsten im Allgemeinen hinreichend charakterisirt, sondern auch die besonderen Eigen- thümlichkeiten derselben, die Schnelligkeit ihres Wachsthums, das Ziel, zu dem ihre Elemente auf ihrem Entwickelungsgange hinstreben, und somit den Grad der verderblichen Einwirkung auf den Gesammtorganismus mit Bestimmtheit erkennen lässt. Es darf zuversichtlich ausgesprochen werden, dass die mit Sorgfalt und Umsicht geführte histologische Untersuchung sol- cher Geschwülste über den pathologischen Charakter derselben den Aufschluss giebt, der nicht allein die Diagnose sicher stellen, sondern auch die Prognose begründen und darnach 198 das ärztliche Handeln bestimmen kann. Denn die Bösartigkeit der Careinome hat ihren nächsten Grund in dem wuchernden Zellenleben, das, fast ausschliesslich auf die Production neuer Zellen gerichtet, nur einen Theil derselben zu den weiteren Entwickelungsstadien fortschreiten lässt. Sie steht daher im umgekehrten Verhältniss zu den nachweisbaren höheren Aus- bildungsstufen der Zellen, und letztere können unter Umstän- den nicht blos der Bösartigkeit Grenzen setzen, sondern selbst die Rückbildung der ganzen krankhaften Produktion einleiten. Was sonst noch die schlimme Rückwirkung auf den Organis- mus bedingen kann, der Sitz der Carcinome an edlen Organen und die Störung dieser gehört — so bedeutungsvoll solche Verhältnisse auch für den Arzt sind — doch so wenig zum Wesen dieser Geschwülste, dass hierauf näher einzugehen nicht die Aufgabe dieser Zeilen sein darf. 199 Messungen über Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven. Von H. Hermnonrz. Zweite Reihe. (Hiezu Taf. VII.) Ich habe in der ersten Reihe“) meiner Untersuchungen über die Zeitverhältnisse der Muskel- und Nerventhätigkeit durch die eleetromagnetische Zeitmessungsmethode nachgewiesen, dass die mechanischen Wirkungen der Muskeln in Folge einer Ner- venreizung später eintreten, wenn die Reizung ein längeres Stück des Nerven zu durchlaufen hat, ehe sie zum Muskel hingelangt. Die genannte Methode. bietet allerdings die besten Garantien dar, wo es sich um sichere Ausführung genauer Messungen handelt, hat aber den grossen Nachtheil, das an- geführte Resultat nur durch ausgedehnte und mühsame Reihen von Versuchen heraustreten zu lassen, welche wegen ihrer langen Dauer auch eine besonders günstige Beschaffenheit des Froschpräparats verlangen. Die andere graphische Zeitmes- sungsmethode, deren Anwendung in jener Abhandlung eben- falls schon erwähnt ist, und deren Wesen darin besteht, dass der Muskel während der Zuckung die Grössen seiner Verkür- zung auf einer bewegten Fläche aufzeichnet, liess dagegen eine viel einfachere und leichter auszuführende Nachweisung der Fortpflanzungszeit in den Nerven hoffen, und da mir dies wichtig genug erschien, unternahm ich es die Sache in dieser ”) Archiv 1850. 8, 276, 200 Weise durchzuführen, und hatte einen vollkommen günstigen Erfolg. Die Art, wie die Versuche anzustellen sind, habe ich schon in der vorigen Abhandlung, a.a. ©. 8.358, kurz angedeutet. Ein Stift, der durch den zuckenden Muskel gehoben wird, zeichnet auf einer mit gleichförmiger Geschwindigkeit bewegten Fläche eine Curve, deren verticale Coordinaten den Verkürzungen des Muskels, deren horizontale der Zeit proportional sind. Als Anfangspunkt dieser Curve wollen wir denjenigen ihrer Punkte festsetzen, welcher dem Augenblicke der Reizung des Muskels oder seines Nerven entspricht. Lassen wir nun zwei Curven nacheinander zeichnen, und sorgen wir dafür, dass zur Zeit der Reizung der Zeiehenstift immer genau dieselbe Stelle auf der Fläche einnimmt, so werden beide Curven denselben Anfangspunkt haben, und es wird sich aus der Congruenz oder Nichteongruenz ihrer einzelnen Theile beobachten lassen, ob die verschiedenen Stadien der mechanischen Wirkung des Muskels in beiden Fällen gleich oder ungleich spät nach der Reizung eingetreten sind. Den Apparat, welchen ich zu diesen Versuchen gebraucht habe, theile ich für die Beschreibung in drei Theile, deren jeder ziemlich unabhängig vom andern ist. Diese sind: 1. Die Verbindungsstücke des zeichnenden Stiftes mit dem Muskel. 2. Das Uhrwerk, welches den Zeichencylinder in gleich- mässige Umdrehung versetzt. 3. Die Vorrichtung zur rechtzeitigen Auslösung des elec- trischen Schlages, welcher den Nerven durchfährt. Ein Durchschnitt des Apparats ist in Fig. 1 dargestellt, die Figuren 2 u. 3 stellen einzelne Theile desselben dar. Ich habe zu diesen Versuchen wiederum den Wadenmuskel des Frosches mit dem dazu gehörigen Hüftnerven gebraucht. Der Muskel wurde in demselben von Glaswänden eingeschlos- senen und mit Feuchtigkeit gesättigtem Raume aufgehängt, wie bei den früheren Versuchen *). Sein Nerv wurde ebenfalls *) S. Archiv 1850. S. 286 und Abbildung Taf. VIII. Fig. 1 u. 2. 201 wieder über die vier dort befindlichen Drähtegelegt, durch welche es möglich war, bald der einen, bald der andern Nervenstelle von aussen her einen electrischen Schlag zuzusenden. In unserer Fig. 1 sind von den Theilen des früheren Apparats abgebildet: das Brett BB, die Säule CD, welche mit einer anderen ihr glei- chen die Glasglocke trägt, in welcher der Muskel aufgehängt ist, der Haken e und der viereckige Rahmen f, Alles entsprechend den gleiehnamigen Theilen der Taf. VII. Fig. 1 d. Jahrg. 1850. Der Zweck des Apparats fordert, dass die zeichnende Spitze nur verticale Bewegungen machen könne, in horizontaler Rich- tung aber unverrückbar sei. Das hätte ich dadurch erreichen können, dass ich sie an einem Schlitten befestigte. Wenn ein solcher aber sicher gehen soll, bietet er stets eine ziemlich beträchtliche Reibung dar, und es schien mir rathsam, diese so viel wie möglich zu beseitigen, weil ihre Grösse zu veränder- lich ist, und störende Unregelmässigkeiten in der Bewegung der Spitze hätte hervorbringen können. Ich habe deshalb vor- gezogen, die letztere an einem zusammengesetzten Hebel zu befestigen. Zwei Säulen EF, von denen nur eine in der Zeich- nung sichtbar ist, tragen den bei F um eine horizontale Axe beweglichen Hebel FG. Bei G@ ist an diesem, wiederum um eine horizontale Axe drehbar, der Hebel GH befestigt, welcher mittelst der Klemmschraube d die zeichnende Spitze trägt. Da beide Hebel um horizontale Axen drehbar sind, können sich ihre Theile und so auch die zeichnende Spitze h nur in Verti- ealebenen auf und nieder bewegen. Um alle seitliche Schwan- kungen der Drehungsaxen möglichst zu verhindern, geschieht die Drehung in Spitzen, und diesen ist eine ziemlich grosse Entfernung von einander gegeben. Der grössere Hebel FG ist in Fig. 2 von oben gesehen dargestellt. FF sind die Köpfe der ihn tragenden Säulen; sie sind von Stahlschrauben, welche in Spitzen auslaufen und durch Gegenmuttern festgestellt wer- den können, durchbohrt. Die Spitzen greifen in kegelförmige Vertiefungen des Hebels ein. Auf dieselbe Weise ist bei G@ die Axe des kleineren Hebels in dem grösseren befestigt. Durch die Mitie des Hebels GF bei a geht eine Stahlschraube, deren untere Spitze in einer kegelförmigen Vertiefung des 202 Rahmens f ruht. Letzterer wird durch zwei in einander grei- fende Häkchen, deren oberstes iu die Achillessehne eingehakt ist, vom Muskel getragen. Wenn sich dieser zusammenzieht, hebt er also den Hebel GF, und mit ihm die zeichnende Spitze. Der Druck, mit dem sich diese gegen den kreisenden Cylinder legt, kann durch das Gewichtchen e regulirt werden, welches an dem horizontalen Querarme 55 verschiebbar ist. Je näher es dem Hebel GH steht, desto weniger, je weiter, desto stär- ker drückt es die Spitze an. Diese Befestigungsweise der zeiehnenden Spitze entspricht sehr vollständig den Erfordernissen des Versuchs. Da die Be- rührungsfläche der reibenden Theile sehr klein ist, und sie sich nur wenig gegen einander verschieben, so ist die Reibung an den Befestigungsstellen sehr gering, und kann selbst klei- ner, als die der zeichnenden Spitze werden. Allerdings ist bei dieser Befestigungsweise die verticale Erhebung des Zeichen- stifts nicht ganz genau proportional den Verkürzungen des Muskels, aber das kommt bei unseren jetzigen Versuchen nicht in Betracht. Dagegen haben wir den Vortheil, dass in der Zeichnung die verticalen Höhen auf das Doppelte vergrössert erscheinen. Den zweiten Theil des Apparats bildet das Uhrwerk, wel- ches den Zeicheneylinder in eine Umdrehung mit gleichförmi- ger Geschwindigkeit versetzen soll. Diese Aufgabe streng zu lösen, ist der praktischen Mechanik bisher noch nicht gelun- gen. So vollkommen man die Uhrwerke mit springendem Gange herzustellen weiss, so wenig ist das bei denen der Fall, welche sich ununterbrochen gleichförmig drehen sollen. Das Kegelpendel, welches man gewöhnlich als Regulator des Ganges gebraucht, lässt sich allerdings so herstellen, dass die Dauer seiner ganzen Umlaufszeit mit der grössten Regelmässigkeit ihren eonstanten Werth behält. Man braucht es nur so schwer zu machen, dass es bei der Drehung durch das Uhrwerk nur sehr kleine Kreise um die Verticallinie beschreibt. Aber leider lässt sich die Gleiehförmigkeit der Bewegung innerhalb eines jeden einzelnen Umlaufes durch kein Mittel gewährleisten. Das Pendel kann nämlich je nach der Grösse und Richtung des 203 ersten Anstosses bald Kreise, bald Ellipsen um die Verticale beschreiben, und wenn dies letztere der Fall ist, so dreht es sich, und mit ihm das ganze Uhrwerk, schneller in den Punk- ten der Bahn, wo es der Verticale näher, als in denen, wo es ihr ferner ist. Da sich die Drehungsgeschwindigkeiten an ver- schiedenen Punkten der Bahn umgekehrt verhalten, wie die Quadrate der Abstände von der Verticale, so können jene schon bei geringen Graden der Elliptieität sehr verschieden sein. Verhalten sich z. B. die Axen der Ellipse zu einander wie 7 zu 5, so wird die Drehungsgeschwindigkeit an den End- punkten der kleinen Axe fast doppelt so gross sein, als an denen der grossen. Wo nun, wie im Kymographion, ein Um- gang des Zeicheneylinders vielen Umgängen des Pendels ent- spricht, wird eine kleine periodische Ab- und Zunahme der Drehungsgeschwindigkeit des Cylinders nicht sehr stören. Bei unseren Versuchen treten aber strengere Anforderungen ein. Der Cylinder in dem zu beschreibenden Apparate macht 6 Um- drehungen in der Sekunde. Bei einem elliptisch schwingenden Kegelpendel von einer Sekunde Umlauf würden also die gan- zen Umlaufszeiten des Cylinders abwechselnd grösser und kleiner werden. Unsere Versuche bedingen aber, dass die Drehungsgeschwindigkeit des Cylinders nicht um "/,,. ihres ganzen Werthes variire. Ein solcher Fehler würde bei einer elliptischen Bahn des Pendels entstehen, wo die grosse zur kleinen Axe sich wie 201 zu 200 verhält. So kleine Abwei- chungen von der Kreisform können wir beim Kegelpendel weder erkennen noch verhindern. Allerdings muss der ver- einigte Einfluss der Reibung und des Gewichts ein elliptisch schwingendes Pendel allmälig in eine Kreisbahn überführen, falls das Räderwerk und die Befestigungsweise des Pendels nicht an einer Stelle seiner Bahn regelmässig wiederkehrende Ungleichmässigkeiten darbietet. Das letztere scheint aber kaum zu vermeiden, besonders bei der gewöhnlichen Aufhängung des Pendels auf zwei senkrecht gegen einander gestellten Schneiden. Hier müssten namentlich die Drehungsmomente und die Reibung für die Drehung des Pendele um beide 204 Schneiden gleich sein. Das erstere würde sich wohl durch be- sondere Hülfsmittel erreichen lassen, das Letztere kaum. Bei dieser Lage der Sachen möchte es misslich mit unserem Versuche ausgesehen haben, wenn nicht glücklicherweise die Zeitdauer, während welcher wir die Umdrehuugsgeschwindig- keit von genau bestimmter Grösse brauchen, sehr klein wäre, Y,-, Sekunde. Wenn also auch die Drehungsgeschwindig- keit des Uhrwerks langsame Schwankungen ihrer Grösse zeigt, so brauchen wir das nicht zu fürchten, falls wir nur die Zeitpunkte erkennen können, wo sie genau den geforderten Werth hat. Ich habe deshalb das Kegelpendel als Regulator des Uhrwerks aufgegeben, es aber in abgeänderter Form bei- behalten, als Mittel, die Grösse der Umdrehungsgeschwindig- keit zu erkennen. Ausserdem habe ich das Uhrwerk so ein- gerichtet, dass die Schwankungen seines Ganges nur sehr langsam vor sich gehen können. Um den letzteren Zweck zu erreichen, ist an der Axe ik Fig. 1, welche den Zeicheneylin- der J trägt, eine schwere, mit Blei ausgegossene Schwung- scheibe befestigt, von einem Pfunde Gewicht. Bei dem gros- sen Beharrungsvermögen dieser Scheibe ändert sich die Ge- schwindigkeit ihrer Drehung nur sehr langsam, wenn die trei- benden Kräfte des Uhrwerks etwas grösser oder kleiner wer- den. Von den Pfannenlagern der Axe ik befindet sich das obere zwischen Zeicheneylinder und Schwungscheibe in einem starken Messingbalken, von dem in der Zeichnung Fig.1 nur der Querschnitt vu erscheint. Unten endet die Axe in der Spitze %, welche in einer kegelförmigen Vertiefung des oberen Endes der Schraube vo ruht. An der unteren Seite der Schwung- scheibe K sind zwei Flügel mm angebracht, welche in einer kreisförmigen zum Theil mit Oel gefüllten Rinne LMML lau- fen. Die Flügel können um eine senkrechte Axe gedreht wer- den, welche durch die Schwungscheibe hindurchgeht, und oberhalb bei » mittelst eines besonderen Schlüssels gestellt werden kann. Die Rinne LMML kann höher und niedriger ge- stellt werden; im Mittelpunkte der Scheibe nämlich, welche ihren Boden bildet, ist die Schraubenmutter oo angebracht, welche auf den äusserlich der Röhre NN eingeschnittenen 205 Schraubengängen läuft. Durch die verschiedene Stellung der Flügel m und der Rinne kann der Widerstand, welchen das Oel der Bewegung der Flügel entgegensetzt, und dadurch auch die Geschwindigkeit des Uhrwerks innerhalb ziemlich weiter Grenzen beliebig geändert und regulirt werden. Ich habe die in Oel laufenden Flügel den sonst als Hemmung gebräuchli- chen Windflügeln vorgezogen, weil sie bei viel kleineren Di- mensionen dasselbe leisten. Die Axe ik trägt an ihrem unteren Ende das Getriebe / von 12 Zähnen, in welche das Rad O von 48 Zähnen eingreift. In der nach unten verlängerten Axe dieses Rades ist eine ho- rizontale Queraxe r angebracht, an welcher die Schwungkugeln AA hängen. Letztere bilden das Kegelpendel, welches zur Mes- sung der Geschwindigkeit dienen soll. Sie hängen, während der Apparat ruht, neben einander herab; wird er aber in Be- wegung gesetzt, und erreicht eine gewisse Geschwindigkeit, so entfernen sie sich von einander, und zwar desto mehr, je schneller er sich dreht. Wir können annähernd voraussetzen, dass die ganze Masse der Kugeln in ihrem Schwerpunkte con- centrirt sei, dass also eine jede in ihrer Bewegung einem ein- fachen Pendel entspreche, dessen Länge ! gleich der Entfer- nung ihres Schwerpunktes vom Aufhängungspunkte wäre. Nennen wir ferner die Schwerkraft g, die Umdrehungszeit t, und « den Winkel, welchen die Verbindungslinien der Kugel- centra und ihres Aufhängungspuuktes mit der Verticale ma- chen, so ist 4n? 1 cose ai 8 Bei ruhigem Herabhängen der Kugeln ist der Winkel « gleich 4° 50. Aus der Formel ergiebt sich, dass wenn sich die Kugeln bei 1'/,maliger Umdrehung in der Sekunde von einander lösen sollen, die Länge des einfachen Pendels Z gleich 111 Millime- tern sein muss. Die entsprechende Entfernung der Kugelmit- telpunkte vom Aufhängungspunkt wurde dem ungefähr gleich gemacht, und dann mittelst der Schraubenmuttern ss so lange abgelindert, bis das Uhrwerk, wenn es bei sehr geringer Ent- fernung der Kugeln von einander ging, die verlangte Anzahl t? 206 von Rotationen machte. Dazu mussten die Kugeln um einige Millimeter gesenkt werden. Es ergiebt sich ferner aus obiger Formel, dass wenn die Drehungsgeschwindigkeit nur um '/,,, ihres Werthes diejenige übertrifft, bei welcher sich die Kugeln von einander lösen, der Winkel « auf 7° 26’ wachsen muss, so dass schon die Kugeln mehr Distanz zwischen sich lassen, als die Länge ihres Halb- messers beträgt. Wählt man nun zur Anstellung der Versuche solehe Zeiträume, wo die Kugeln weniger als ihren Halbmes- ser Distanz zwischen sich lassen, so ist man sicher, dass die Drehungsgeschwindigkeit bei den verschiedenen Versuchen nicht um "/,,. ihres Werthes varürt hat. Der übrige Theil des Uhrwerks, welcher nicht mitgezeichnet ist, enthält nur noch ein Räderwerk zur Vervielfachung der Bewegung und das treibende Gewicht. Obgleich das Räder- werk sehr gut und genau gearbeitet ist, und alle Umstände, welche einen gleichförmigen Gang sichern können, berücksich- tigt wurden, schwankt die Geschwindigkeit des Ganges fort- dauernd langsam auf und nieder, und zwar um etwa '/,, des ganzen Werthes, wie man aus den Bewegungen der Kugeln schliessen kann. Der Zeicheneylinder befindet sich auf dem oberen Theile der Axe ik. Er ist von dem hiesigen Mechanikus Herrn Re- koss, der auch die übrigen Theile des Apparats gebaut hat, äusserst genau eylindrisch aus Glas geschliffen worden. Ein passend abgeschnittenes Stück aus einem dicken, nahe ceylin- drischen Champagnerglase wurde in die Metallfassung einge- setzt, welche später den Cylinder halten sollte, mittelst dieser auf der Axe ik befestigt, so auf die Drehbank gesetzt, ge- schliffen und polirt. Dadurch wurde eine Cylinderfläche erhal- ten, welche ohne das geringste Schwanken sich auf ihrer Axe dreht. Die Fassung besteht aus zwei Messingscheiben zz und yy, welche die Grundflächen des Cylinders bilden, und in der Mitte durch ein röhrenförmiges Stück vereinigt sind. In die Röhre passt die Axe ik genau hinein. Ein Vorsprung in ihrem In- neren entspricht dem Ausschnitt der letzteren, den man am 207 oberen Ende sieht, und verhindert die Drehung um die Axe. Mittelst der Schraubenmutter ö, deren unteres scheibenförmiges Ende zwischen die beiden Platten zz und tt eingeschlossen ist, kann der Oylinder fest gegen die Axe angezogen werden. Um ihn mit Russ anlaufen zu lassen, löst man die Schraube ;, nimmt ihn ab, und befestigt ihn auf einer ähnlich geformten Axe, welche sich zwischen den Armen einer Gabel dreht. Indem man ihn dort mit der Hand in Rotation versetzt, hält man ihn über eine Lichtflamme und lässt ihn ganz dünn mit Russ anlaufen. Wenn die Russschicht zu diek ist, werden die Striche in ihr zu breit. Nachher überträgt man ihn wieder auf die Axe ik, indem man ihn nur bei dem Knopfe ö anfasst, am den Russüberzug nicht zu verwischen. Der Theil des Apparates, welcher dazu dient die eleetri- schen Schläge rechtzeitig auszulösen, ist theilweise in Fig. 1 sichtbar, und ausserdem von oben gesehen mit dem anstossen- den Theile des Randes der Schwungscheibe K in Fig. 3 dar- gestellt worden. Er ruht auf einem Messingkreuz, dessen län- geres Stück (RR Fig.3) an den Enden mit Ringen und Klemm- schrauben versehen, von den Säulen CD getragen, und an die- sen auf- und abgeschoben werden kann. Das kürzere Kreuz- stück 00 Fig. 1 dient nur dazu die Schrauben «, und «, auf- zunehmen. Auf den längeren Schenkeln des Kreuzes sind ver- tieal hervortretende Stücke gg befestigt; diese sind in ihrem oberen Theile von Schrauben yy durchbohrt, zwischen deren Spitzen sich das Brettchen PP dreht. In Fig. 1 ist mit y der Punkt der Durchschnittsfläche bezeichnet, welcher der Dre- hungsaxe angehört. Durch die Schrauben «, und «, wird der Spielraum der Drehung so weit als zulässig ist, be- schränkt. Auf der oberen Seite des Brettchens PP nehmen zwei senkrechte Metallplatten die in Spitzen drehbare Axe 9,03 zwischen sich. Am Ende 9, derselben, welches der Schwungscheibe K zugewendet ist, befindet sich ein senkrecht stehender Hebelarm, dessen oberes Ende « sich zu dem obe- ren Rande der Scheibe K hinüberbiegt, und von einem Vor- sprunge » dieses Randes getroffen werden kann, wenn das entsprechende Ende des Brettchens P sich bis zur Kuppe der 208 Schraube «, gesenkt hat. Wird dagegen das hintere Ende des Brettchens bis zur Berührung der Schraube «, herabgedrückt, so geht der Daumen » an dem Hebel «. vorbei, ohne ihn zu berühren. Eine Feder #8 zwischen dem Querstück des Kreu- zes 00 und dem Brettchen P strebt die erste jener Stellungen herbeizuführen. In der Axe 9, 9%, befinden sich zwei Draht- klemmen z und 2. Die letztere enthält einen Kupferdraht, dessen amalgamirtes Ende in das Quecksilbernäpfchen 7 einge- taucht, die andere x dagegen enthält eben solehen Draht, des- sen Spitze aus Platina besteht, und auf dem Platinaplättchen t ruht. Letzteres steht unterhalb des Brettehens mit der Draht- klemme &, und durch den darin befestigten Draht mit dem Quecksilbernäpfchen d in leitender Verbindung. Die Axe %, %, hatin der hier gezeichneten Stellung ein geringes Ueber- | gewicht nach der Seite der Dräthe »{ und An, und deshalb stützt sich die Platinaspitze des ersteren mit gelindem Drucke auf das Plättchen £ So lange dies geschieht, sind demnach die Näpfe d und n leitend verbunden, so wie aber der Dau- men z gegen den Hebel « stösst, wird die Leitung bei Zun- terbrochen. Durch die Näpfe d und 7 hindurch wird der Strom eines Daniell’schen Elements geleitet, in dessen Kreis gleichzeitig eine Drahtspirale No. 1 eingeschaltet ist. Diese liegt in einer zweiten solchen Spirale No. 2, deren Enden mit dem Nerven in Verbindung gesetzt sind. In dem Moment also, wo der Daumen z gegen den Hebel « stösst, wird der Strom in No. 1 unterbrochen, und dadurch in No. 2 ein indueirter Strom erregt, welcher den Nerven durchfährt. Dass zwischen dem Moment der Unterbrechung des inducirenden und der Entwickelung des inducirten Stromes keine messbare Zeit ver- geht, habe ich nachgewiesen in einer Abhandlung: „über die Dauer und den Verlauf der durch Stromesschwan- kungen indueirten eleetrischen Ströme (Poggen- dorffs Ann. Bd.83. S.505). Der Moment des Stosses fällt also mit dem Moment der Nervenreizung zusammen. Es ist ferner klar, dass bei unveränderter Stellung des Zeichenstiftes dieser bei Ausführung einer zweiten- Zeichnung im Augenblicke des Stosses, also auch der Reizung, genau dieselbe Stelle des Cy- 209 linders berühren wird, wie das erste Mal, dass also auf’ dem Cylinder der Anfangspunkt der zweiten Zeichnung genau mit dem Anfangspunkte der ersten zusammenfallen wird. Der Faden, welcher von d über den eylindrischen Quer- balken g nach z hingespannt ist, dient dazu den Zeichenstift so lange von dem Cylinder entfernt zu halten, bis die Zeich- nung ausgeführt werden soll. Sein unteres Ende ist um den runden Stahlstab »$ herumgelegt, so dass es sich bei Drehun- gen des letzteren entweder auf- oder abwickelt. Zwei Klemm- schrauben » und z halten den Stab in seiner Lage. Man wik- kelt den Faden gerade so weit auf, dass sich die Zeichenspitze vom Cylinder entfernt, wenn sich das Ende P, des Brettehens senkt, sich dagegen anlegt, wenn sich P, senkt. Die Axe #,9, muss so viel Reibung haben, dass bei den Bewegungen des Brettehens ?,P, kein Klirren zwischen den Platinatheilen der Unterbrechungsstelle eintreten kann; denn die kleinste und kürzeste Lösung ihrer Berührung würde so- gleich eine Zuckung zur Folge haben. Die Reibung kann dureh Anziehen der Schraube bei 9, regulirt werden, auf deren Spitze die Axe hier sich dreht. Um das Brettchen mög- lichst sanft fallen zu lassen, sind die oberen Enden der Schrau- ben ae, und «, mit Leder überzogen. Da der Daumen z den Hebel «x wohl mitunter noch, während das Brettchen fällt, ergreifen könnte, muss gesorgt werden, dass dies nur bei der- selben Stellung der Scheibe K geschieht, bei der es nach voll- endetem Falle. geschehen würde. Zu dem Ende muss die Stossfläche des Hebels bei x eine auf der Axe yy senkrechte Ebene bilden, und die des Daumens muss solche Gestalt ha- ben, dass sich entweder diese ganze Fläche auf einmal anlegt, oder doch keiner ihrer Theile eher als die Spitze. ‘Sind diese Bedingungen erfüllt, so kommt es nicht darauf an, welche Lage das Brettehen zur Zeit des Stosses hat. Die Versuche werden in folgender Weise ausgeführt. Zu- nächst bezeichnet man den Punkt des Cylinders, welcher dem Augenblicke der Reizung entspricht. Zu dem Ende lässt man den Zeichenstift sich an den Oylinder anlegen, und dreht die Schwungscheibe ganz langsam, bis ihr Daumen den Hebel « Müllers Archiv. 1852, 14 210 berührt. $o lange hat der Stift eine horizontale Linie gezeich- net; in dem Augenblicke der Berührung aber löst sich der indueirte Strom aus, der Muskel zuckt und dieser Zuckung entspricht auf dem Cylinder eine einfache Verticallinie, vor- ausgesetzt, dass man den Cylinder langsam genug verschiebt, um seine Stellung während der Dauer der Zuckung nicht merklich zu verändern. Es ist klar, dass diese Verticallinie an der Stelle gezeichnet wird, wo der Stiftin dem Augenblicke des Zusammenstosses von Hebel und Daumen, d.h. im Au- genblicke der Reizung steht. Der Hebel «, welcher durch das Anstossen des Daumens aus seiner verticalen Stellung etwas entfernt worden ist, wird in diese zurückgeführt, so dass sich der inducirende Strom wiederum schliesst. Die Enden der indueirten Spirale No. 2 verbindet man mit dem Ende des Nerven, von welchem zu- nächst die Reizung ausgehen soll. Den Knopf & drückt man herunter, um den Zeichenstift vom Cylinder zu entfernen, und den Hebel « vor der Berührung des Daumens zu schützen, und lässt dann das Uhrwerk sich in Bewegung setzen. Sobald man bemerkt, dass die Schwungkugeln sich zu trennen anfan- gen, kann die Zeichnung ausgeführt werden. Zu dem Ende lässt man das Brettchen ?,P, sich senken, wobei sich ‚auch der Zeichenstift anlegt. Nun geht der Daumen nicht mehr an dem Hebel vorüber, sondern trifft ihn, wirft ihn um und be- wirkt dadurch die Zuckung, deren Verlauf auf dem Cylinder sich aufzeichnet. Gleich nachher entfernt man den Zeichenstift vom Cylinder, indem man den Knopf & wieder herabdrückt, und hält das Uhrwerk an, natürlich nicht plötzlich, weil sonst die heftig bewegte Schwungscheibe die Axen zerbrechen würde, sondern langsam, z. B. durch Andrücken des Fingers gegen den cylindrischen Umfang der Scheibe. Man findet nun auf dem Cylinder die erste Curve gezeichnet. Ich pflegte mit einer Staarnadel zwei gekrümmte, sie berührende Häkchen in die Russsehicht einzuzeichnen, um sie später sicher von der zwei- ten noch erst auszuführenden Curve unterscheiden zu können. Und zwar setzte ich diese Häkchen so an den auf- und ab- steigenden Theil der ersten Curve, dass sie von der zweiten 211 abgewendet standen. Hatte ich also zuerst das dem Muskel entferntere Nervenstück gereizt, so setzte ich die Häkchen an die Rückseite, wie in Fig. 7, hatte ich das nähere gereizt, an die: Vorderseite der gezogenen Linie, wie in Fig. 6. Um die zweite Curve zu zeichnen bringt man das andere Nervenstück in die Leitung des inducirten Stroms, stellt den Hebel « wieder vertical und verfährt ganz wie vorher. Je schneller man die betreffenden Handgriffe ausführen lernt, desto sicherer ist man, das zweite Mal die Reizbarkeit des Muskels nicht merklich verändert zu finden, was für das Ge- lingen des Versuchs eine wesentliche Bedingung ist. Die so angefertigten Zeiehnungen kann man aufbewahren. Zu dem Ende befestigt man den Cylinder wieder in der Gabel, auf der man ihn angerusst hat, und rollt ihn auf einer ange- hauchten Fischleimplatte ab von der Art, wie sie die Kupfer- stecher zum Copiren der Zeichnungen gebrauchen. Durch das Anhauchen wird die Leimplatte etwas klebrig und hält den Russ des Cylinders fest, so dass sich die Zeichnung von der eylindrischen auf die ebene Fläche abwickelt. Das Leimblatt kann man mit der berussten Seite gegen ein nasses weisses Papier legen, wo es anklebt. Die Curven erscheinen dann weiss auf schwarzem Grunde, und sind sehr deutlich sichtbar. Die Curven haben im Allgemeinen die Gestalt, welche ich schon in der zur ersten Abhandlung gehörigen Tafel Fig. 3 dargestellt habe. Wenn ich die Hebel, welche den Zeichenstift tragen, durch möglichst zarte Einstellung der Spitzen, um welche sie sich drehen, sehr leicht beweglich machte, erschien auch derselbe häufige Wechsel econvexer und concaver Stellen, wie an jener abgebildeten Curve, bedingt, wie man sich ent- sinnen wird, durch die senkrechten Schwankungen, welche die angehängten Metallmassen unter dem Einflusse der Blasticität des Muskels vollführen. Bei den Versuchen, wo die Curven zur Darstellung der Fortpflanzungszeit im Nerven gebraucht werden sollten, zog ich es aber vor, die Schrauben, um wel- che die Hebel sich drehen, etwas fester zu ziehen, um mich gegen kleine seitliche Schwankungen der Zeichenspitze mög- lichst sicher zu stellen. Dadurch wurde die Reibung an den 14* 212 Axen grösser, und die Wechsel von Convexitäten und Con- cavitäten demgemäss seltner, weil die Schwankungen des Ge- wichts durch die stärkere Reibung schneller vernichtet wurden. Ehe wir die Curven gebrauchen, um daraus Schlüsse auf die Fortpflanzungszeit in den Nerven zu machen, ist es nöthig die Veränderungen zu kennen, welche durch die allmälige Abnahme der Reizbarkeit des Präparats an ihnen hervorge- bracht werden. Vergleicht man Curven, welche derselbe Mus- kel bei Reizung derselben Nervenstelle hinter einander ge- zeichnet hat, so findet man anfangs nur eine geringe Abnahme der Höhe der Zuckung, es werden sämmtliche verticale Ordi- naten proportional verringert, während Länge und Gestalt der Curve unverändert bleiben. Erst in den späteren Stadien der abnehmenden Reizbarkeit wird auch die Dauer der Zusam- menziehung geändert, und zwar, was man vielleicht nicht ver- muthet haben möchte, sie wird nicht kürzer sondern länger. In Fig. 4 sind zwei solche Curven eopirt, und passend auf einander gelegt. Die horizontale Abseissenaxe ab entspricht in dieser und den folgenden Figuren der Linie, welche der Muskel ohne Zuekung gezeichnet haben würde; die senkrechte ac bezeichnet den Zeitpunkt der Nervenreizung. Die vertiealen Höhen der Originalzeichnung sind der Deutlichkeit wegen verdoppelt worden, betragen also das Vierfache der wirklichen Zusammenziehung des Muskels. Auf der Abscissenaxe be- zeichnet ah die Länge des Cylinderumfangs, und entspricht einem Zeitwerthe von '/, Sekunde. Die Theile zwischen A und b fallen deshalb in den Originalen wieder mit dem Anfang der Zeichnung zusammen. Die ausgezogene Curve der Fig. 4 war die erste einer längeren Reihe, welche einer der angewandten Muskeln gezeichnet hatte, die punetirte dagegen die letzte. Wir bemerken zunächst, dass die höchste Erhebung der ersten Curve bei k, grösser ist, als die der zweiten bei k,; ferner, dass das Maximum %, später nach der Reizung eingetreten ist als k,. Noch auffallender wird der Unterschied beider Curven beim Sinken; die zweite nähert sich der Abscissenaxe viel langsamer als die erste. Während die Einbiegung der ersten bei m, sich fast an die Absceissenaxe anschliesst; in anderen 213 Fällen sogar unter sie hinabsinkt, bleibt die entsprechende der zweiten bei m; ziemlich hoch darüber. Ebenso liegt auch das ganze hintere Ende der ersten Curve unter der zweiten, bis sich endlich beide bei fortgesetzter Zeichnung asymptotisch der Abseissenaxe anschliessen würden. Je weiter die Reizbarkeit sinkt, desto mehr verschwindet die Einbiegung bei m», desto langsamer und gleichmässiger sinkt die Curve von ihrem Gip- felpunkte ab. Schliesslich bemerke ich noch, dass diese Ver- änderungen in allen Fällen, wo ich eine grössere Reihe von Versuchen mit demselben Muskel ausführte, in ganz ähnlicher Weise eingetreten sind, wie in dem abgebildeten Beispiele. 'Wir entnehmen: aus dem eben Gesagten: eine Vorsichts- maassregel. Gesetzt, wir hätten zuerst die Eintrittsstelle des Nerven gereizt, und es wäre die ausgezogene erste Curve der Fig. 4 gezeichnet worden, dann hätten wir eine weiter vom Muskel entfernte Nervenstelle gereizt, und es wäre eine Linie ähnlich der punktirten Curve entstanden, so würden wir nicht wissen, ob die Verspätung der zweiten Curve gegen die erste von der längeren Fortpflanzungszeit im Nerven oder von der verminderten Reizbarkeit herrührt. Wir müssen also bei un- seren Versuchen entweder stets die entferntere Stelle des Ner- ven zuerst reizen, so dass die Fortpflanzungs-Differenz in den Nerven und die Aenderung der Reizbarkeit in entgegengesetz- tem Sinne einwirken, oder besser nach einander mehrere Cur- venpaare zeichnen lassen, bei denen abwechselnd die Reizung der näheren und der ferneren Nervenstelle vorangeht. Sind die thierischen Theile recht kräftig und frisch , so ist die Gestalt der Doppeleurven ganz gleich, bei welcher Ner- venstelle man auch mit der Reizung beginnen mag. Jede Zeichnung besteht dann aus zwei Curven von congruenter Gestalt, die in horizontaler Richtung um ein gewisses Stück gegen einander verschoben sind, wie in Fig. 5, und zwar so, dass diejenige Curve, welche bei Reizung der näheren Nerven- stelle gezeichnet worden ist, auch dem Zeitpunkte der Rei- zung näher liegt als die andere. In Fig. 5. entspricht die Curve adefg der Reizung der näheren, adepy der ferneren Nervenstelle. Die Bedeutung der übrigen Buchstaben und die 214 ° Grössenverhältnisse sind in dieser und den folgenden Figuren ganz wie in Fig.4. Beide Curven haben genau gleiche Höhen, Längen, kurz genau congruente Gestalt, und unterscheiden sich nur dadurch, dass alle Theile der einen um ein gleiches Zeittheilchen später ausgeführt worden sind, als die entspre- chenden Theile der andern. Hat man es mit thierischen Präparaten zu thun, ‚deren Reizbarkeit von einer Zuckung zur folgenden sich merklich verringert, so werden die beiden Curven nicht mehr ganz genau congruent. Im Anfang besteht diese Aenderung, wie ich an- geführt habe, nur darin, dass die senkrechten Ordinaten kleiner werden, ohne dass sich die horizontalen verlängern. Wird nun zuerst die nähere Nervenstelle gereizt, also die Curve adefg Fig. 5 zuerst gezeichnet, dann die zweite @depy, und sind deren sämmtliche Ordinaten etwas kleiner geworden, so ent- fernt sich dadurch das Stück d von d, und p von f, während sich < dem e nähert. Es bekommt dann die Doppelcurve das Ansehn von Fig. 6, worin die Häkchen bei d, e und f die zuerst gezeichnete Curve bezeichnen. Fängt man dagegen mit der Reizung der entfernteren Stelle an, so senkt sich d zu J, und f zu , während sich e von & entfernt, wiein Fig. 7. Die Häkchen bei d, e und bezeichnen hier durch ihre Stellung die Curve der entfernteren Nervenstelle als die erstgezeichnete. Lässt man also eine Reihe von Doppeleurven zeichnen, wäh- rend man die Reihenfolge der beiden Nervenstellen in Bezug auf die Reizung stets wechselt, so bekommt man Zeichnungen, welche abwechselnd der Fig. 6 und 7 ähnlich sehen. Sinkt die Reizbarkeit noch weiter, so dass sich die Curven auch immer mehr zu verlängern anfangen, so werden die Abweichungen ihrer Gestalt meist zu bedeutend, als dass es noch lohnte, Doppeleurven zeichnen zu lassen. Wenn wir die Doppelcurve Fig. 5 betrachten, so geht aus ihr hervor, dass die beiden in ihr verzeichneten Muskelzuckun- gen in Bezug auf Stärke, Dauer und Verlauf der einzelnen Stadien der Zusammenziehung ganz gleich gewesen sind. Nur ist die eine später nach der Reizung eingetreten als die andere. Da nun in beiden Fällen die Einrichtung des Apparats und 215 die mechanischen Kräfte des Muskels ganz dieselben gewesen sind, so kann die Verspätung der Wirkung in dem einen Falle nur von der längeren: Fortpflanzung im Nerven hergerührt haben. Ganz dasselbe sehen wir in den Curven Fig. 6 und 7. Obgleich hier die Abnahme der Reizbarkeit merklich wird, ist deren Einfluss doch noch nicht im Stande den Zeitunterschied, welcher von der Fortpflanzung im Nerven herrührt, zu ver- decken, es sind auch hier noch alle Stadien der Zuckung bei Reizung der entfernteren Stelle später eingetreten, als bei der der näheren. Ein besonderes Interesse bieten namentlich die der Fig. 7 ähnlichen Curven, weil sie nachweisen, dass auch in solehen Fällen die Zuckung von der entfernteren Stelle aus später eintritt, als die von der näheren, wo sie bei einem höheren Grade von Reizbarkeit ausgeführt ist, als die letztere. Es wird dadurch der Einwand widerlegt, dass die Abweichung der Curven in Fig.5 auch nur wie die in Fig. 4 von einer Verschiedenheit der Reizbarkeit herrühren möchte, indem viel- leicht die entferntere Nervenstelle stets weniger reizbar sei als die nähere. In Fig. 7 hat gerade die Zuckung, welche von der entfernteren Stelle aus erregt ist, eine grössere Höhe (s. den Gipfel bei %), entspricht also einem höheren Grade der Reiz- barkeit, und doch behält der Unterschied in der Lage beider Curven denselben Sinn. Der grosse Vortheil der beschriebenen Methode besteht darin, dass man in jeder einzelnen Zeichnung zweier zusam- mengehörigen Curven unmittelbar aus ihrer Gestalt erkennen kann, ob der Muskel in beiden Fällen gleichmässig gearbeitet habe, während wir dasselbe bei der eleetromagnetischen Zeit- messungsmethode nur aus einer langen Reihe von Einzelver- suchen entnehmen konnten. Was den absoluten Werth der Fortpflanzungsgeschwindigkeit betrifft, so lassen sich die hori- zontalen Abstände der beiden Curven nicht mit sehr grosser Genauigkeit messen; doch finden sich die Werthe jener Ge- schwindigkeit ungefähr ebenso gross, wie nach der früheren Methode, In Fig. 5 z. B. ist der horizontale Abstand ungefähr 1", die Länge des Cylinderumfangs, entsprechend '/, Sekunde, ist 85,7", also die Abseissenlänge für 1 Sekunde 514,2", 216 Die Länge von 1"” entspricht also "/,,,, Sekunde. Die Länge der Nervenleitung war 53"®; daraus folgt die Fortpflanzungs- geschwindigkeit von 27,25 Metern in der Sekunde. Der wahr- scheinlichste Werth aus den früheren Versuchen war 26,4 Meter. Am Schlusse meiner früheren Abhandlung habe ich’durch die eleetro-magnetische Messungsmethode die Veränderungen der Zuckungsdauer und der Fortpflanzungszeit der Reizung untersucht, welche eintreten, wenn man den Nerven auf Eis legt, und habe gefunden, dass beide Zeitgrössen dabei be- trächtlich zunehmen. Dasselbe lässt sich leieht durch die zeichnende Methode nachweisen. Die Zuckungseurven behalten dieselbe verticale Höhe, welche sie hatten, ehe der Nerv auf Eis lag, bekommen aber eine viel grössere horizontale Aus- dehnung. Ohne besondere neue Einrichtungen des Apparats kann man allerdings die Temperaturunterschiede nicht so con- stant machen, dass Doppeleurven von übereinstimmender Ge- stalt erhalten werden könnten. Der Zeitunterschied für die Fortleitung im Nerven wird aber gleichzeitig so vergrössert, dass die beiden Curven trotz ihres Mangels an Congruenz doch immer im richtigen Sinne von einander abweichen. Berichtigungen zu der früheren Abhandlung im Jahrgang 1850. S. 281. Z. 8. v. o. statt Fig. 4. lies „Fig. 3“. S. 303 in der Tabelle unter Versuch No. 5. Differenz der Ausschläge statt 0,99 lies 93,90. S. 305. in der Tabelle unter Versuch No. 8. Differenz der Ausschläge statt 85,1 lies „65,1“. Untersuchungen: über die Temperaturverhältnisse des Menschen im gesunden und kranken Zustande. Von Dr. Felix von BAERENsPRUNG, Privatdocent in Halle. (Zweiter Artikel). $. 1. Ueber die Empfindung von Frost und Hitze. Die ältesten Beobachter, Fahrenheit, Boerhaave u. A. nahmen an, dass während des Fieberfrostes die Körperwärme gesunken sei; aber schon de Haen berichtigte diesen Irrthum, und später haben Gavarret, Tourrel, Gierse es bestä- tigt, dass im Froststadium die Temperatur eine gleiche und selbst grössere Höhe erreichen könne, wie in dem darauf fol- genden Hitzestadium. Meine später mitgetheilten Messungen bestätigen dies gleichfalls, indem sie durchschnittlich als den Gipfelpunkt der Eigenwärme das Ende des Froststadiums feststellen. Diese Erscheinung, dass nämlich trotz objeetiv ge- steigerter Körperwärme der Kranke doch Frost empfindet, hat eine doppelte Erklärung gefunden. Nach der einen sind die Empfindungen von Frost und Hitze rein subjeetive d. h. verschiedene Zustände der centralen Empfindungssphäre, denen objective Veränderungen nicht zu entsprechen brauchen. Nach der zweiten Erklärung entspre- chen ihnen analoge Veränderungen in der Peripherie des Kör- pers. Wo der Kranke Frost empfindet, soll die Temperatur der Körperoberfläche, besonders der Extremitäten und des 218 Gesichtes gesunken sein; wo er Hitze empfindet, soll sie ge- steigert sein. Diese Annahme, derzufolge das Frost- und Hitzegefühl also nicht von der Temperatur des Blutes, son- dern von der Temperatur der Haut abhängt, schien eine wich- tige Bestätigung zu erhalten durch die Untersuchungen von E. H. Weber, wonach es eben nur die Hautnerven sind, welche das Gefühl von Wärme und Kälte vermitteln. Es ist bekannt, dass während 'eines heftigen Fieberfrostes die Körperoberfläche dieselben Veränderungen zeigt, welche sie durch äusserlich einwirkende Kälte erfährt: dieselbe Blässe, denselben Kollapsus, die Gänsehaut, dieselbe Abnahme der Temperatur, welche die Hand des Arztes selbst als eine wahre Marmorkälte empfindet, und welche nieht scheinbar, sondern thermometrisch messbar ist. Die Temper. in der Hohlhand fand ich bei Gesunden zu 25-29,5 im Fieberfrost — 22-26 N n „ ind. Fieberhitze — 30-32,5. Richter (Häsers’s Archiv) will die Temperaturabnahme einzelner Körperstellen während des Frostes zuweilen noch viel bedeutender gefunden haben, so dass der Unterschied vom Hitzestadium selbst 15°R. betrug. Diese Abnahme der Temperatur in den äusseren Theilen hat wesentlich ihren Grund in einer Contraction der Gefässe und des elastischen Gewebes, wodurch das Blut daraus ver- drängt und mehr in den inneren Theilen und den grösseren Venenstämmen angehäuft wird. Da das Blut das wichtigste Wärmevehikel ist, so muss mit dem Blute auch die Wärme der äusseren Körpertheile sich vermindern. Es steht also fest, dass in vielen Fällen während des Fie- herfrostes die Wärme der äusseren Körpertheile sinkt, und während des Hitzestadiums sich über die Norm erhebt. Der Annahme aber, dass grade hierin die Ursache jener Empfin- dungen zu suchen sei, setzt die Erfahrung folgende richtige Gründe entgegen: 1) Keineswegs entspricht in allen Fällen einem subjeetiven Kältegefühl auch eine objektive Wärmeabnahme der Extremi- täten und der Haut. In leichteren Fieberparoxysmen empfindet ” ” ” 219 der Kranke Frost, aber seine Haut fühlt sich warm an und zeigt auch am Thermometer eine höhere Erwärmung. In vie- len Fällen wechseln Frost und Hitze in kurzen Intervallen ab, während diesem Wechsel kein ähnlicher in der Temperatur der Körperoberfläche entspricht; und selbst in den höchsten Graden von Frostparoxysmen zeigt sich gewöhnlich nur An- fangs die Blässe, die Gänsehaut und die Kälte der Extremi- täten, der Nase, der Lippen etc.; später erwärmen sich alle diese Theile wieder, erscheinen der Hand des Arztes selbst glühend heiss und dennoch dauert die Frostempfindung leb- haft fort. 2) Auf der anderen Seite kommt oft das lebhafteste Hitzegefühl vor, während die Körperoberfläche ‚sich eiskalt anfühlt. In heftigen Fällen der Cholera fand ich die Temperatur in der Mundhöhle = 21°R. „ „ auf der Haut der Brust = 24° „ » in der Hohlhand =9j) ” » im Mastdarm = 990 und trotz dieser sehr bedeutenden Abkühlung innerer und äusserer Körpertheile empfinden die Kranken einen unlösch- baren Durst und eine so lebhafte Hitze, dass sie keine, noch so leichte Bedeckung auf sich zu ertragen vermögen. Diese Thatsachen lehren mithin, dass die Empfindungen von Frost und Hitze in der That rein subjeetiv sind. Natür- lich zeigt es eine um so bedeutendere Störung in der Funktion der empfindenden Nervensphäre an, je mehr die subjeetive Wahrnehmung mit dem objectiven Thatbestande in Missver- hältnies steht, und es ist daher kaum zu verwundern, dass solche Fälle, wo der Kranke bei objectiv sehr gesteigerter Temperatur Frost empfindet, oder umgekehrt bei gesunkener Temperatur Hitze empfindet, wie ersteres in den heftigsten Fieberparoxysmen und beim Brande innerer Theile, letzteres bei der asiatischen Cholera der Fall ist, auch in prognosti- scher Beziehung zu den bedenklichsten gehören. 220 & 2. Temperatur beim Wechselfieber. Das Verhalten der Temperatur beim Wechselfieber wird sich am besten aus den folgenden genau untersuchten Fällen ersehen lassen. Erster Fall. Tertiana anteponens. Ein 24jährigerMann bekam nach den gewöhnlichen Vorboten am 7. April Mittags 1 Uhr einen heftigen Fieberfrost. Am 9. erfolgte ein zweiter Fieberanfall gegen 11 Uhr Vormittags. Die Apyrexien waren gleich von vorn herein ganz rein und die gastrischen Erscheinungen beschränkten sich auf eine leicht belegte Zunge und einen bitteren Geschmack. Die Temperaturbestimmungen sind sämmtlich unter der Achsel gemacht. Ort der Messung Krankheitsverlauf. Dat. | Stunde |Puls B 10. 4.)2pm. | 80|14| Achsel | 29,75 Yvesp. | 76 | 14 » 29,6 11.4. |7 mat. | SS » 2 Apyrexie. Verordnung: Pulv. febrifug. Unzeri. Noch keine Frostempfindung. Etwa um 10 Uhr stellte sich ein 9 ,»,,|100 » 30 heftiger Frost ein, welcher bis llam. |112|22 > 33,1 {nach 12 Uhr dauerte. Um 11 Es Uhr waren Gesicht und Extre- 1 pm. | 120 | 30 22 33 mitäten des Kranken bleich und 4pm.|112 » 32,6 kühl, der Rumpf von natürlicher "Wärme. Um 4 Uhr befand sich der 6 » [116 » 32,25) Kranke noch im Stadium der lOvesp.| 92|16 » |31, 12. 4. | Inoct. | SS|1S » 3 fand ich die Haut feucht. In l der Nacht starker Schweiss bis zum folgenden Morgen. Be Kopfe; um 6 Uhr 7 mat. | 100 5 30,3 2pm.| 96/14 » N) < Ivesp. | 80/12 > 29,75 Apyrexie. 13.4.|ömat.| »|ı6| » [29,3 1 |? mat. | 108 | 18 N E leichtes Frösteln. Um 5% Uhr Schüttelfrost. ‚2 Dat. | Stunde 13. 4. |9 mat. 10 am. lpm. 5pm. Yvesp. 14. 4. |7 mat. lpm. Yvesp. 15. 4.10 am. Yvesp. 16. 4. | 7 mat. lpm. övesp. 17. 4.|5 mat. 1 » lpm. Ivesp. 18. 4.17 mat. lOvesp. 19. 4.7 mat. Ipın. ö}vesp. 22. 4.17 mt. 2 pm. Jvesp. 23. 4.|7 mat. Ipm. |Pvesp. | Puls g ee Temp: Krankheitsverlauf. 108 125 | Achsel 1 MEET 116 | 22 ». 3325| 3 19032 S 33,1 den 107 ) 32,2 Schweissstadium. 104 » 31,3 85 » 180,3 92 14 » 30,2 % Apyrexie. 76 | » 29,6 105 | 20 » 32,9 | Hitzestadium. 96 | 16 » [31 Schweissstadium. 72 14 » 29,8 ; b e |.» 19% Kentah Sa 80|14 » 29,4 30.6 Kein Anfall; aber der Kranke >’ (empfand den Tag über wieder- 30,3 (holt Frösteln und Ziehen im 30 Rücken. 29,2 Der Kranke nimmt noch ein- 29,2. (mal Chinin sulphur. Gr. xij. 29,6 29,6 28,8 2) Der Kranke verbraucht wäh- 90, rend des Tages. 29,4 Cort. Chin. 5j- 29,2 Cort. Cinnamom. 5j. 29,4 Opii puri. Gr. ij. 29,75 129,4 Hieran knüpfen sich folgende Betrachtungen: 1) Die Temperatur zeigt sich bereits kurz vor dem Beginne eines jeden Fieberparoxysmus erhöht, d. h. che der Kranke eine aubjective Frostempfindung hat; denn am 11. zeigte das Thermometer um 9 Uhr bereits 30°, während der Frost erst um 10 Uhr sich einstellte und am 13. zeigte es; Morgens 7 Uhr 222 bereits 31,25, während sich der Schüttelfrost erst um $Y/, Uhr einstellte. Die pathischen Veränderungen im Körper erreichen also eine gewisse Höhe, ehe sie sich durch abnorme Empfin- dungen verrathen. 2) Unter lebhafter Frostempfindung des Kranken steigt sodann die Temperatur ausserordentlich schnell und erreicht gegen Ende des Froststadiums ihre grösste Höhe. Denn am 11. erhob sich die Temperatur innerhalb zwei Stunden um 3,1° und am 13. innerhalb drei Stunden um 2°, 3) Während des Stadiums der trockenen Hitze bleibt die Temperatur eine Zeit lang auf fast gleicher Höhe und nimmt dann gegen das Schweissstadium hin langsam ab. Denn am 11. war die Temperatur von 11-1 Uhr nur um 0,1 und von 1-4 Uhr um 0,4 gesunken. Am 13. war die Tempe- ratur von 10-1 Uhr nur um 0,15, von 1-5 Uhr um 0,9 ge- sunken. 4) Während der Dauer des Schweisses sinkt die Tempe- ratur ungleich schneller, denn am 11. war sie von 6-10 Uhr Abends um 0,75 und am 13. von 5-9 Uhr Abends um 0,9 ge- wichen. Nichtsdestoweniger bleibt am Ende des Schweisssta- diums die Temperatur immer noch erheblich über die Norm. Die Angaben anderer Beobachter bestätigen im Allgemeinen die meinigen*). Gierse fand die Temperatur im Froststadium fast eben so hoch, als im Hitzestadium. Während des Schweis- ses fand er zwar eine Abnahme, aber nur eine mässige und selbst am Ende des Schweissstadiums in einem Falle noch 32,8°. Schmitz (de calore in morbo d. i. Bonn 1849) fand in zwei Fällen die höchste Steigerung der Temperatur beim Uebergang des Kältestadiums in das Hitzestadium. Tourrel fand die Temperatur im Fieberfrost um 0,2- 2° höher, als in der’ Hitze. 5) Zimmermann behauptet, dass während der Apyrexie die Temperatur nur dann erhöht sei, wenn das Fieber mit *) Zimmermann giebt ebenfalls an, dass schon vor dem Ausbruch des Fiebers die Temperatur erhöht sei. gastrischen Komplikationen verbunden sei; in gewöhnlichen Fällen dagegen sei sie die normale, oder selbst etwas niedriger. Nach meinen Beobachtungen befindet sich die Temperatur während der Apyrexie in einem ununterbrochenen Sinken, so dass sie beim Beginnen derselben konstant höher ist, als zu Ende. Im Beginn fand ich die Temperatur immer noch be- trächtlich über der Norm; vor dem Anfang des neuen Paroxys- mus selbst unter der Norm. So sank z. B. die Temperatur während der Apyrexie vom 12. zum 13. innerhalb 22 Stunden um 1°; in der folgenden Apyrexie innerhalb 14 Stunden um 0,7°; in der folgenden innerhalb 13 Stunden um 0,4°, Die nachstehende Beobachtung enthält eine weitere Bestä- tigung des eben Gesagten: : Zweiter Fall. Tertiana anteponens. Friedrich G., 22 Jahr alt, aus Memel, hat vor einigen Jahren mehrere Wochen lang an einem Tertianfieber gelitten. Am 3. März wurde er in Behandlung genommen während des dritten Anfalls einer neuen Tertiana. Am 5. wiederholte sich der Anfall. Die Intermission am 4. völlig rein; der Milztumor bedeutend. w- Dat. Stunde Kö 5 Ort der Temp. Krankheitsverlauf. | | I IMeesuue| 3.8. |svesp. 58 Achsel 22,3 | Schw PETE 4.3.7 mat.| 68 » 31,5 Ilam.| 72 » 31,5 5>pm.| 76 » 50,5% Apyrexie. Ivesp.| 72 nn .129,7 5.3.|7 mat.| 72 » 29,25 Um 11 Uhr empfand d. Kranke , Frösteln, um 12 Uhr Schüttel 11 am. | 100 » 30,4 |frost. Das Stadium der trock- pm. 108 » 32,8 | nen Hitze dauerte von 12}, bis 2 ’ gegen 3 Uhr Nachmittags; der Ivesp. | 92| » 31,9 | Schweiss fast bis zum andern 6. 3.|8 mat. | 80 » . 30,7 | Morgen. Die Beobachtung wurde nicht | to ortgesetzt. 224 In’diesem Falle sank also während der Apyrexie innerhalb 24 Stunden die Temperatur stätig um 2,25°R., sie belief sich zu Anfang der Apyrexie um 2° höher, ‘zu Ende derselben um 0,25 niedriger als das normale Mittel. In anderen Fällen, wo die Apyrexien unrein waren, d.h. wo auch während derselben die Fiebererscheinungen fort- dauerten, habe ich allerdings die Temperatur über der Norm gefunden, + Dritter Fall. . Tertiana anteponens. Franziska R., 20 Jahr alt, erkrankte am 15. März unter den Erscheinungen eines Lungen- und Magenkatarrhs verbun- den mit Schmerz und Eingenommenheit des Kopfes und leich- ten Fiebererscheinungen, die an den folgenden Tagen etwas Typisches zeigten, an den gleichen Tagen remittirten, an den ungleichen exacerbirten. Beim Gebrauche des Unzerschen Fieberpulvers wurden die Paroxysmen allmählig heftiger, die Intermissionen reiner; aber der Kopfschmerz verschwand nicht ganz und die Zunge blieb gelblich belegt; die Milz war nur wenig angeschwollen. Am 28. bekam die Kranke 12 Gran Chinin; dennoch erfolgte am 29. ein schwacher Anfall, mehre Stunden früher, als die vorhergehenden, welche etwa eine Stunde anteponirt hatten. Am 30. wurde die Dosis Chinin wiederholt. Am 31. blieb der Anfall aus und die Herstellung erfolgte nun schnell, za = | Ort der Fa ich ask Dat. | Stunde |Puls = Messung Temp. Krankheitsverlauf. 19, 3.|7 mat.| 60 Ken 30,5 Die Exacerbation war etwa 7 um 11 Uhr Morgens eingetre- Tvesp. | 68 » 31,25 | ten und gegen 3 Uhr Nachmit- Ivesp. | 68 2, 31,1 |tags hatte ein leichter Schweiss “ begonnen. 20.3. |7'mat.| 52 > Sl50shlre ze llam.| 60 » 30,8 U 4 IN 5 . nreine Apyrexie. Ivesp. | 60 » 30,5 a 21. 3.17 mat.) 64/12 » 30,83 llam.| 83/30 » 32,6 | Paroxysmus, der um 10 Uhr 0193 399 \mit mässigem und bald vorüber- au &e 2 2 gehendem Frost begann und um Yvesp. | 68 ie 31,7 |3 in das Schweissstadium trat. [2 [52 [271 2 | Dat. | Stunde lpu: A A Temp. Krankheitsverlauf. 22. 3.|7 mat.| 68|. | Achsel 31,1 il am.|. 72 R 30,6 Unreine Apyrexie. Yvesp. 56 » 30,2 93, 3.!7 mat.| 64 » 30,7 H vor dem neuen Anfall. ll am.| 96 24 Mb? 32,05 Paroxysmus Ivesp.| SO/1S| » 31,95 24.3.|7 mat.| 68| » 31,2 dvesp.| CO|II|l », 129,9» Äpyrexie, 25. 3.|7.mat.| 64)14| » ‚129,9 gvesp. SL 16 5 31.6 EBEOSYENIUS, Schweiss. | 5 r Br: Vom 26. bis 2. April waren die 3.4.| Jam. | 64 » 29,4 Messung, unterbrochen worden. 4pm., 72 » 29,5 Rekonvalescenz. Am 4, April wurde die Kranke gesund ent- Ivesp. | 60 ».. 11292 lassen. Bei dieser Kranken sank also während der Apyrexie die Temperatur niemals bis zur Norm herab, sondern blieb immer beträchtlich erhöht, obwohl eine stätige Abnahme bis zum Beginn des nächsten Paroxysmus ebenfalls ersichtlich ist. Jede spätere Apyrexie hat durchschnittlich eine geringere Tempe- ratur, als die vorhergehende. Bemerkenswerth ist die grosse Unbeständigkeit des Pulses. 6) Betrachtet man nach den vorstehenden Beobachtungen das Verhalten der Körperwärme in dem Zeitraume, welcher einen Paroxysmus und die dazu gehörige Apyrexie umfasst, so ergiebt sich, dass sie ein Maximum und ein Minimum er- reicht, dass das Maximum mit dem Ende des Frost- oder dem Anfange des Hitzestadiums, dass das Minimum mit dem Ende der Apyrexie zusammenfällt. Die Temperaturkurve für diesen Zeitraum hat also einen kurzen aufsteigenden und einen lan- gen absteigenden Schenkel. Durch eine solche Kurve kann man sich den Typus des Tertianfiebers sinnlich dargestellt denken. Vergleicht man sie mit der Kurve, welche die Tem- peratürschwankungen des Gesunden in einem 2mal 24 stündi- gen Zeitraume darstellt, so sieht man, dass sie von derselben durchaus abweicht. Im normalen Zustande erreicht, wie wir Müllers Archiv. 1852, 15 226 gesehen haben, die Temperatur in je 24 Stunden ein doppeltes Maximum und ein doppeltes Minimum. Das grösste Maximum fällt in die Nachmittags-, das grösste Minimum in die Nach- mitternachtsstunden; das kleinere Maximum in die Vormittags-, das kleinere Minimum in die Mittagsstunden. Hier trittt an die Stelle dieser doppelten Hebung und Senkung nur eine ein- zige, welche sich nicht nach den Tageszeiten, sondern nach dem Ausbruch des ersten Fieberparoxysmus richtet. Der in- termittirende Tertiantypus kann daher nicht auf den Typus des gesunden Lebens zurückgeführt, nicht als eine blosse Stei- gerung desselben betrachtet werden; sondern von dem Augen- blick der Erkrankung an ist ein abnormer Typus an die Stelle des normalen getreten. Leider erstrecken sich meine Beobachtungen nicht über Quotidian- und (Quartanfieber. Nur in einem pathologisch sehr interessanten Falle von duplieirtem Wechselfieber habe ich einige Messungen angestellt, aber leider so sparsam, dass sie kein sehr vollständiges Bild der Temperaturverhältnisse gewähren. Vierter Fall. Tertiana duplicata. Marie K., 27 Jahr alt, von schwächlichem Körper, hatte schon längere Zeit an den Erscheinungen eines chronischen Magenkatarrhs gelitten. Am 12. April erkrankte sie nach dem Scheuern der Wohnung mit heftigem Frost und Kopfschmerz. Am andern Morgen befand sie sich zwar besser, aber am Abend wiederholte sich das Fieber, Dazu gesellten sich reis- sende Schmerzen in den Muskeln des ganzen Körpers und die Zeichen einer stärkeren Magenreizung. Diese Erscheinungen dauerten während der folgenden Tage fort, aber die Fieber- paroxysmen wiederholten sich nur am 15., 17. und 19. Am 20. trat abermals ein Anfall ein und von nun an hatte die Kranke täglich einen Anfall, aber so, dass die Anfälle am 21., 23. und 25. heftiger waren und Morgens um 9 Uhr eintraten , während die schwächeren Anfälle am 20., 22. und 24. erst um 11 Uhr eintraten. Am 26. kein Anfall, -aber am 27. wieder ein heftiger Anfall. Jetzt wurde Chinin gegeben, wonach die Anfälle aus 227 blieben, die Kranke aber noch längere Zeit eine grosse Schwä- che zurückbehielt. Dat. | Stunde Puls rem Krankheitsverlauf. 20. 4.|Tvesp. | 92 Achsel | 30,3 | Pie Kranke wurde erst am 20. 20. 4 ae . ne er K die Klinik aufgenommen. 21.4. |S mat.| SO » 130,5 11 am. | 120 » 32,4 Starker Paroxysmus um 9 Uhr. |vesp. | 100 5) 31,5 |[Nasenbluten, unreine Apyrexie. 22.4./8 mat.| SS » 180,9 11 am. | 112 » 32,3 5pm.| 96 » 31,2 ( Schwacher Paroxysmus um 11 Ivesp.| 80 » 3 Uhr, unreine Apyrexie, 23.4.7 mat.| 76 » 1302 ) 10 am. | 116 » 32,75 } Starker Paroxysmus. 25.4.7 mat.| SO » 30,5 } Unreine Apyrexie. 11 am. | 120 » 32,5 | Starker Paroxysmus. Nasen- 4pm. | 100 a a % 93 ne], tom. 3 x 80,5 Ziemlich reine Apyrexie. 237.4.|7 mat.| S0 » 29, Da die Messungen nicht immer zu übereinstimmenden Stun- den angestellt werden konnten, so spricht sich in denselben die Ungleichheit der abwechselnden Fieberparoxysmen weniger deutlich aus, als dies bei der Beobachtung am Krankenbette der Fall war. Nichtsdestoweniger fallen die höchsten Tempe- raturgrade in die starken, weniger hohe in die schwachen Pa- roxysmen, Da die Apyrexien unrein waren, so blieb auch während derselben die Körperwärme über der Norm. 7) Was die Temperatur während der Rekonvalescenz be- trifft, so erwähnt Zimmermann, dass dieselbe normal oder unter der Norm sei. Die von ihm mitgetheilten Messungen be- stätigen das Letztere fast durchgehends und mein erster und dritter Fall bieten gleichfalls Belege dafür. , In dem ersten Falle giebt der 4. Tag nach dem letzten Paroxysmus die nie- drigste Temperatur, auch am 7. ist sie noch normal gesunken, während an dem 8, sich wieder eine Steigerung bemerkbar 15 * 228 miacht, mit dem Aufhören der Temperatursteigerung kehren dann auch die gewöhnlichen täglichen Schwankungen des ge- sunden Lebens zurück. Für die Thatsache, dass während der Reconvalescenz fie- berhafter Krankheiten die Temperatur gesunken ist, werden sich in der Folge noch weitere Belege finden. Schliesslich muss noch auf einen praktischen Nutzen auf- merksam gemacht werden, welchen die Temperaturbeobach- tungen bei Wechselfieberkranken ohne Zweifel haben. Sie können dazu dienen, sehr schwache Paroxysmen zu erkennen, welche sich der gewöhnlichen Beobachtung entziehen. In mei- nem ersten Falle hatte die Kranke während der Apyrexie am 16. Chinin genommen und der folgende Anfall blieb aus, aber das Thermometer zeigte nichtsdestoweniger eine deutliche Stei- gerung der Temperatur. Es deutete dieser Umstand offenbar auf ein Fortbestehen des intermittirenden Krankheitsprocesses, welches zu einer Wiederholung des Chinins auffordern musste. Erst als diese geschehen war, erfolgte keine neue Vermehrung der organischen Wärme. Diese Thatsache widerlegt zugleich die von Hales aufgestellte, aber schon von de Ha£n bestrit- tene Behauptung, dass die China eine Steigerung der Eigen- wärme bewirke, > Exanthematische Fieber. Es ist in der Natur der akuten Exantheme begründet, dass ihrem Ausbruch ein heftiger Fieberparoxysmus vorhergeht, dass derselbe mit dem Ausbruch des Exanthems nachlässt; dann aber Fiebererscheinungen von wechselnder Stärke das fortbestehende Exanthem begleiten und mit den Phasen seiner Entwiekelung ein gewisses Verhältniss einhalten. Am deut- lichsten spricht sich dieser Charakter bei den Pocken aus, wo diese Stadien unter dem Namen des Eruptionsfiebers, der Ex- anthembildung und des secundären oder Eiterungsfiebers be- kannt sind, nach dessen Verschwinden dann mit der Eintrock- nung der Pusteln die Rekonvalescenz beginnt. Durch die Beobachtung, der Temperatur lässt sich dieser 229 Wechsel im Verlaufe der Krankheitserscheinungen noch genauer verfolgen, und es haben auch bereits Andral, Roger und Andere durch zahlreiche Messungen das Verhalten der Eigen- wärme im Wesentlichen festgestellt. Bouillaud, Andral und Roger fanden sehr übereinstimmend, dass die Tempe- ratur im Beginne der Krankheit am höchsten sei; am 2. und 3. Tage nach erfolgter Eruption am niedrigsten, dann allmäh- lig Steige und um den 7. bis 9. Tag eine Höhe erreiche, wel- che der anfänglichen zuweilen nur wenig nachsteht. Auch die von Schmitz (de ealore in morbo) mitgetheilten Messungen stehen hiermit vollkommen in Einklang. In Fällen ächter Variola war die sekundäre Temperaturerhöhung immer ersichtlich, bei Varioloiden fehlte sie oder war nur gering. Im Eruptionsfieber stieg die Temperatur in dem einem Falle auf 32,2, fiel nach vollendeter Eruption auf 30,2 und erhob sich gegen den 9. Tag wieder auf 31,7. Während der Rekonvale- scenz sank sie unter die Norm. Fünfter Fall. Varioloides. Robert S., 23 Jahr alt, wurde am 14. Januar in die Kli- nik aufgenommen, Er klagte seit dem vorigen Tage über schr heftigen Kopfschmerz, Ziehen in allen Gliedern, besonders im Rücken, über leichte anginöse Beschwerden und eine seit gestern anhaltende lebhafte Frostempfindung. Die Haut fühlte sich mässig warm an, aber das Thermometer zeigte unter der Achsel 33,5°R. Ich machte die anwesenden Studirenden darauf aufmerksam, dass, obgleich hier nar die Erscheinungen eines katarrhalischen Leidens ausgebildet seien, doch eine so hohe Steigerung der Temperatur bei katarrhalischen Fiebern nicht vorzukommen pflege, und dass daher wohl ein exanthematischew Process vorliege. Am andern Morgen war eine sehr auffallende Remission aller Erscheinungen eingetreten, und auf der Haut zeigten sich einzelne rothe Papeln, die sich allmählig zu Va- rioloiden entwickelten. Die Zahl derselben blieb gering. Am 7. Tage begannen sie einzutrocknen. Ein sekundäres Fieber wurde nicht beobachtet. 230 Dat. | Stunde Puls 5 Messung Temp. Krankheitsverlauf. 14. 1. | 7vesp. | 116 | 32 | Achsel | 33,5 | Eruptionsfieber. 10vesp.| 116 » 199,0 15.1.|9 mat. | 84|20 » 31,05 4pm.| soli6| » 130,7 Ivesp.| 76 | 18 » 30,4 16.1. |S mat. | 76|16 » [80,3 Svesp. | 72|14 » 180,6 17.1.|Smat.| 6|4| » 130,5 | Das Exanthem im Stadium der Papelbildung. Das Exanthem im Stadium der Bläschenbildung. 9vesp.| S0|18 » 130,7 18. 1.|7 mat.| 76/16 » 30,4 20.1.|7 mat.| 80/16 ». [80,75 llam.| 84/16 » 30,75 4pm.| 88 18 7 30,85 | Das Exanthem im Stadium Ivesp. | 88| 16 » 30,8 fder Pustelbildung. 21.1.|7 mat.| 80|16 » 130,6 9vesp. | SO|16 » 30,8 24. 1. |9vesp. | 68|16 » 129,9 26.1.|1lam.| 64|16 » 29,3 Das Exanthem im Stadium der Verschorfung. Rekonvalescenz. In diesem Falle hatte also die Temperatur im Eruptions- fieber die sehr bedeutende Höhe von 33,5 erreicht, die höchste, welche mir überhaupt vorgekommen ist. Mit dem Erscheinen des Exanthems sank sie ungemein rasch, so dass sie sich innerhalb 12 Stunden um 2,45 und innerhalb der folgenden 12 Stunden wieder um 0,65 verringerte. Um diese Zeit erreichte sie ihren niedrigsten Stand und erhob sich dann langsam und mit geringen Schwankungen (morgenlicher Abnahme, abend- Ticher Zunahme) bis sie um den 6. und 7. Tag, wo die Eiter- bildung in den Pocken sich vollendete, etwa 1° über die Norm erreichte. Während der Eintrocknung der Pocken sank sie dann zur Norm und einige Tage später unter die Norm herab. Bemerkenswerth ist das auffallende Missverhältniss zwischen der Heftigkeit des Eruptionsfiebers und der schwachen Exan- thembildung, da die Zahl der zur Entwickelung kommenden Pusteln sich nur auf 50-60 belief. Auch in anderen Fällen ist 231 dieses Missverhältniss bemerkt worden. Dagegen scheint die Intensität des secundären Fiebers in gradem Verhältniss zur Intensität der Eruption zu stehen und daher mit Recht den Namen des Eiterungsfiebers zu führen, wofür klinische Erfah- rungen sprechen. War es in dem vorigen Falle höchst unbe- deutend, so erreichte es in dem folgenden Falle von confluiren- den Pocken eine nicht unbeträchtliche Höhe. Sechster Fall. Varioloides confluentes. Hermann A., 17 Jahr alt, als Kind geimpft, war am 3. December mit einem Pockenkranken in Berührung gewesen, erkrankte am 15. Abends unter lebhaften Fiebererscheinungen ; am 17. zeigte sich eine reichliche Eruption über den ganzen Körper, die sich an den folgenden Tagen noch verstärkte, und allmählig zu confluirrenden Pocken gestaltete. Am 24. waren alle Pocken mit Eiter gefüllt; an den Beinen erschienen sie durch Blutaustritt schwarz. Dabei sehr bedeutende Gesichts- geschwulst und anginöse Beschwerden. Vom 24. bis 27. be- ständiges Frösteln; am letzteren Tage Schüttelfrost. In dem alkalischen Urin ein reichliches Sediment von Phosphaten (keine purulenten Materien!), Am 27. begann die Verschor- fung der Pusteln. Nachlass der Fiebersymptome und der Ge- schwulst. Am 12. Januar konnte der Kranke aus der Kur entlassen werden. Da die Behandlung in seiner Wohnung ge- schah, so konnten die Messungen nicht zahlreicher sein. Ort .d. Dat. | Stunde Puls zZ Mes- |Temp. Krankheitsverlauf. sung 18. 12.|10am. | 84! 24|Achs. | 30,7 19. 12.| 9am.| 80,20» ar > | Allmählige Zunahme des Fie- » bers mit fortschreitender Ent- j g [wiekelung des Exanthems. , 21.12.) 9am.| 92,4 25. 12.|11am.| 88/24 24.12.| 9am.|100/)26| » [31,3 25. 12.| 9am.|108 30) » 131,7 Tvesp. 12036 » 32,15 | Starke abendliche Exacerba- 26.12.| 9am.|104 %6| » | 31,75 ffionen. övesp. | 120 40| » 32,6 232 Dat. | Stunde Puls = Mes- Temp. Krankheitsverlauf. . rs Höchste Steigerung des Eite- 27. 12.|S mat. | 116.36 |Achs. | 32,5 rungshebers. Svesp. 120 » 132,9 28. 12.| 9am.|100 %4| » a! Abnahme des Fiebers mit der Svesp. |100 25| » [31,7 Verschorfung 30.12.) 9am.| 34 120| » 31,1 >. 1.| Jam.| 6414| °» 1|29,5 | Rekonvalescenz. Die höchste Steigerung des Eiterungsfiebers trat also in diesem Falle erst am 11. Tage der Eruption oder am 13. der Krankheit ein. Die Temperatur stieg an diesem Tage auf 32,9, nachdem sie von dem Tage der Eruption an in allmähliger Zunahme begriffen war. Vom 27. Abends bis 28. Morgens sank sie darauf um 1,1, ohne dass irgend eine erhebliche Schweisssekretion statt gefunden hätte, welche durch Verdun- stung diese schnelle Abkühlung von der Haut aus zu erklären im Stande wäre. Diese Thatsache liefert also einen Beweis dafür, dass das schnelle Sinken der Temperatur im Krisen- stadium des Fiebers nicht allein die Folge des kritischen Schweisses sei. Die Temperatur sinkt, weil die Bedingungen der gesteigerten Wärmebildung erloschen sind. Bei dem Scharlach und den Masern scheint der Unterschied der Temperatur vor und nach dem Erscheinen des Exanthems viel geringer zu sein, als bei den Pocken. Die Temperatur bleibt nach der Eruption sehr erhöht. Wir besitzen keine aus- führlichen Beobachtungsreihen, aber aus den Messungen von Currie, Nasse, Andral, Roger, Schmitz ergiebt sich doch, dass die Temperatur beim Scharlach auf die höchsten überhaupt vorkommenden Grade steigen könne, dass sie diese hohen Grade meist schon in den ersten Tagen der Krankheit erreiche, längere Zeit hindurch sehr erhöht bleibe, dann lang- sam sinke und während der Desquamation auf die Norm, während der Rekonvalescenz oft unter die Norm falle; in Fällen einer secundär auftretenden Wassersucht aber eine abermalige Steigerung erfahre. Bei den Masern steigt die Temperatur niemals so hoch und 233 bleibt auch nicht so lange erhöht. Während sich nach Roger das Temperaturmittel auf 31,5 belief, betrug es bei den Masern nur 30,8; während beim Scharlach sich die Temperatur acht Tage lang auf einer Höhe erhielt, die zwischen 31,2 und 31,8 schwankte, senkte sie sich bei den Masern gewöhnlich schon am 4. oder 5. Tage auf das normale Maass herab. Eine Aus- nahme hiervon machen nur die Fälle, wo sich die Masern mit einer Entzündung der Respirationsorgane verbinden. Aus den Untersuchungen von Roger ergiebt sich ferner, dass bei den exanthematischen Fiebern ein gewisses Verhält- niss obwalte zwischen der Erhöhung der Eigenwärme und der Wichtigkeit der Krankheit. Bei Pocken, Scharlach und Ma- sern waren die tödlich verlaufenden Fälle zugleich diejenigen, bei welchen die Maxima der Temperatur beobachtet worden waren. Dieses Verhältniss bezieht sich natürlich nur auf die- jenigen Fälle, bei denen der Tod während des Eruptionssta- diums erfolgt, nicht auf die, bei denen er Folge der Nach- krankheiten war. Ein ähnliches Verhältniss zeigte sich auch zwischen der Temperatur und der Intensität des Exanthems. Wo es sich am stärksten entwickelt zeigte, war auch die Tem- peratur am höchsten. Ueber die Temperatur bei den Rötheln hat Schmitz einige Beobachtungen mitgetheilt, aus denen sich ergiebt, dass sie während des Eruptionsfiebers den höchsten Grad erreicht und nach erfolgter Eruption eine stätige Abnahme erfährt. Meine eigenen, an Masern- und Scharlachkranken ange- stellten Messungen übergehe ich, da sie nicht zahlreich genug sind, um die bereits bekannten Thatsachen zu erweitern. Da- gegen mögen noch einige Messungen Platz finden, welche die Temperaturverhältnisse beim Erysipelas erläutern. Siebenter Fall. Erysipelas capitis. Die Krankenwärterin W., 45 Jahr alt, bekam am 18. Febr. Nachmittags 3 Uhr Frost und Halsschmerz, wobei sich die Lymphdrüsen des Halses angeschwollen zeigten. Abends $ Uhr hatte sie mässige Hitze; am folgenden Tage hatte das Fieber sehr zugenommen und sich mit lebhafter Dyspno&ö und hefti- gem Kopfschmerz verbunden. Am 20. war eine Rose ausge- 234 brochen, die den grössten Theil des Gesichts und einen Theil des behaarten Kopfes einnahm, an den folgenden Tagen ver- blasste und schon am 25. wieder verschwunden war, ein Oedem des Gesichts und eine Exfoliation der Epidermis zurücklas- send, die sich langsam verloren. Dat. | Stunde Puls 5 v- Temp. Krankheitsverlauf, 18. 2. |Svesp. | 100 | 26 | Achsel | 30,65 19. 2.|9 mat. 116 | 36 » 31,5 £ Eruptionsfieber. Svesp. | 120 | 40 » [81,8 20. 2.|9 mat. | 108 | 30 » 181,3 Svesp. | 104 | 26 » 131,5 -\9 mat.| 9620 » 30,7 2 22.2.|9 mat.| SS|16 » 30,5 4.2.|8S mat.| 80| 16 » 30,4 Das Exanthem verblasst. Das Exanthem in seiner Blüthe. Dieser Fall lehrt, dass, wie bei den übrigen akuten Exan- themen die Temperatur im Beginne der Krankheit den höch- sten Grad erreicht und nach dem Ausbruch des Exanthems wieder sinkt. Sie liefert somit wieder einen Beweis für die Unrichtigkeit der neuerdings so oft aufgestellten Behauptung, dass das Erysipelas eine örtliche Krankheit sei und eine ört- liche Behandlung erfordere. Der vorstehende Fall zeichnete sich nicht durch bedeutende Heftigkeit aus. In anderen Fällen steigt die Temperatur viel höher und bleibt auch längere Zeit sehr erhöht, wenn die lokalen Erscheinungen eine grössere Intensität gewinnen. Achter Fall. Erysipelas capitis. H. 30 Jahr alt, kam am 5. Juni in Behandlung, als eine sehr intensive Kopfrose seit 24 Stunden bestand. Stunde |Puls 5 Krankheitsverlauf. Dat. Temp. 5. 6. | 10 am. | 100 6.6.| 9am. | 100 7. 6./10 am. | 92 321 Die Messungen wurden in der Mund- >” [höhle angestellt. 235 Neunter Fall. Erysipelas capitis. Aug. W. 22 Jahr alt, hat seit gestern eine leichte Kopf- rose; wenig Fieber; nur etwas Frösteln. Dat. | Stunde [Puls E Temp Krankheitsverlauf, 15. 6.| 9am.| SO |20 | 30,6 4 r Svesp.| 92 31,1 nn ra geschahen in der Ach- Die Höhe, welche die Temperatur beim Erysipelas erreicht, scheint also mit der Intensität des Exanthems in gradem Ver- hältniss zu stehen; denn in beiden Beziehungen übertraf der $. Fall den 7. und der 7. den 9. 8.4. Typhöse Fieber, Eine so hohe Steigerung der Temperatur, wie sie bei den exanthematischen Fiebern beobachtet wird, scheint beim Ty- phus nicht vorzukommen. Hildenbrand gab an, dass sie nicht über 32° hinaufgehe. Wenn dies für die grosse Mehrzahl der Fälle auch seine Richtigkeit hat, so kommen doch auch Ausnahmsfälle vor, denn Roger beobachtete 32,8, Traube 33,1, und Currie will ein Mal sogar 33,55 gefunden haben. Die Temperatur bleibt aber länger, als dies bei anderen Krankheiten der Fall ist, auf einer immerhin nicht unbeträcht- lichen Höhe. Dem Verlauf des Typhus entsprechend, erhält sie sich zwei bis sechs Wochen beständig 1-2° über der Norm; erfährt aber während dieses Zeitraums Schwankungen, welche theils dem Entwickelungsgange des Krankheitsprocesses, theils den typischen Remissionen und Exacerbationen desselben angehören. Was die ersteren anbetrifft, so steigt die Temperatur wäh- rend des Frostes, welcher den Krankheitsprocess einleitet, schnell (Gavarret). Während der nachfolgenden Hitze bleibt sie erhöht und nimmt sogar noch allmählig zu, so dass sie erst im nervösen Stadium ihr Maximum erreicht. Wann 236 dies geschieht, hängt von dem Verlaufe jedes einzelnen Falles und den auf der Höhe der Krankheit sich entwickelnden Lokalleiden ab. So erreichte die Temperatur in den von Schmitz und Traube mitgetheilten Fällen ein Mal ihr Maxi- mum am $., ein ander Mal am 15., ein drittes Mal erst am 23. Tage der Krankheit. Die Temperatur folgt auch hier genau der Intensität des Fiebers, steigt mit der Zunahme, sinkt mit der Abnahme desselben. Von dem Zeitpunkte des Maximums ab sinkt in gewöhnlichen Fällen die Temperatur sehr allmäh- lig; ein plötzliches Sinken scheint bei der Seltenheit kritischer Entscheidungen im Typhus nicht leicht vorzukommen. In zwei lethal verlaufenden Fällen von Schmitz stieg die Temperatur einige Stunden vor dem Tode wieder fast bis zur Höhe des Maximums. Die Schwankungen, welche den typischen Exacerbationen und Remissionen des Fiebers entsprechen, bestehen in einer abendlichen Zunahme und in einer morgenlichen Abnahme der Temperatur. Diese Schwankungen haben eine verschiedene Grösse. In dem einen von Traube mitgetheilten Falle wurde die Temperatur in der Exacerbationszeit durchschnittlich einen ganzen Grad höher gefunden, als in der Remissionszeit. In dem folgenden, freilich nur fragmentarisch beobachteten, Falle belief sich der Unterschied niemals so hoch. Zehnter Fall, Typhus abdominalis. Ort.der Messung Temp. Krankheitsverlauf. Dat. | Stunde ‚Puls = [27 4.10. |9 mat. | '92|18| Achsel |31,4 2pm. 92 > 31,3 | Der 31 jährige Kranke war Er bereits 9—10 Tage krank, als Qvesp. |100122| » 131,7 |er am 4. October in Behand- 5. 10.|9 mat. | 96|18 5 31,4 lung kam. Der Verlauf war ei jim Allgemeinen leicht, die 2pm. | 92|18 » 31,4 | Diarrhöen mässig, der Cha- | 5pm.| 96 > 31,5 rakter des Fiebers der torpide, 5 r Nachts Delirien; Tags Betäu- Svesp. 100/20) » 31,7 bung. ‚ Die Behandlung ex: 10vesp. 108|24| » [31,75 MIERERT: a Ad a M hg egen den 10. hatte sich eine 6. 10.| 9 mat.| SS) 14 » 131,5 | Hypostase der Lungen und am 237 Dat. | Stunde |Puls & Issum Temp. Krankheitsverlauf. 14.10. /9 mat. |112)24| Achsel| 31,6 |14- eine Hepatisation des rech- x Es 35 ten unteren Lungenlappens aus- Svesp. | 120 | 32 » 92 gebildet. (Senegainfusum mit 30.10.'9 mat. | 56 » 29,3 Lig. Ammon. anisat). Am 30. BE; Se ‚befand sich der Kranke seit ivesp. | 60/14 » 129,3 etwa 8 Tagen in der Rekon- 4. 11.|10 mat. sa » 129,5 | valescenz. 1) In diesem Falle betrug also die grösste Differenz zwi. schen Remission und Exacerbation 0,4. 2) Die Exacerbation begann am 5. October gegen 5 Uhr ‘ Nachmittags und war um 10 Uhr Abends noch im Zunehmen. 3) Bemerkenswerth ist ferner, dass trotz einer Komplika- tion mit Pneumonie die Temperatur nicht höher als 32° stieg. Diese Steigerung fiel auf den 20. Tag der Krankheit. 4) Während der Rekonvalescenz war die Temperatur etwas unter der Norm. — In einem andern Falle, über den ich aus früheren Stadien keine Messungen besitze und welcher sich durch besonders profuse Durchfälle ausgezeichnet hatte, fand ich in der Rekonyaleseenz bei grosser Abmagerung des Kör- pers die Temperatur auf 28,8 gesunken. Roger hat darauf aufmerksam gemacht, dass beim typhö- sen Fieber der Kinder ein eigenthümliches Missverhältniss zwi- schen Temperatur und Pulsfrequenz vorkomme, in der Art, dass eine hohe Steigerung der Teinperatur mit geringer Be- schleunigung des Pulses zusammenfalle; und er glaubt hier- nach im Stande zu sein, die oft so schwierige Diagnose der- artiger Krankheitszustände sichern zu können. Für den Er- wachsenen hat dies jedenfalls keine Gültigkeit, sondern es findet, wie in dem eben mitgetheilten Falle, eher das Gegen- theil statt, d. h. mässige Steigerung der Temperatur bei gros- ser Pulsfrequenz, Der Puls zeigt aber in verschiedenen Fällen von Typhus eine überaus schwankende Beschaffenheit. Wäh- rend er zuweilen die höchste überhaupt vorkommende Frequenz erreicht, bleibt er in anderen Fällen selbst hinter der Norm zurück. Diagnostische Schlüsse werden also nicht darauf zu begründen sein. 238 Von der scheinbaren Wärme Typhuskranker und der Ent- wieckelung des Calor mordax wird später die Rede sein. Dt Einfache Reizfieber. Die in Folge der Einwirkung äusserer, vorübergehender Reize auf den vorher gesunden Körper sich entwickelnden Fieber (Wundfieber, Wurmfieber, Zahnfieber ete.); ebenso die unter dem Namen der Eintagstieber, einfach remittirender Fie- ber bekannten, ferner diejenigen, welche sich zu katarrhalischen Affektionen der verschiedenen Schleimhautgebiete hinzugesellen (katarrhalische Fieber), sind unter sich so verschiedener Art, dass man über das Verhalten der Temperatur bei ihnen ebenso wenig allgemein gültige Thatsachen aufstellen kann, als über ihren Verlauf. Die im Folgenden mitgetheilten Messungen von Kranken, die an fieberhaften Katarrhen litten, scheinen zu beweisen, dass bei derartigen Affektionen die Temperatur nicht diejenige Höhe erreicht, welche nach der verhältnissmässig grossen Puls- beschleunigung erwartet werden könnte. Der Grund dieser Erscheinung mag zum Theil darin liegen, dass bei den katar- rhalischen Fiebern die Thätigkeit der Haut von Anfang an ge- steigert zu sein pflegt und damit eine ergiebige Quelle der Abkühlung gegeben ist. Ort der | Messung; p- Krankheitsverlauf. & Dat. | Stunde |Puls| 3 en 6. 3.9 mat.| 148 | 60 Achsel 31,3 | Knabe von 15 Jahr. Cath, bronch. febr. 136 | 40 » 32,35 | Knabe von 7 Jahr. Cath, bronch. febril. ur 120 | 26 » 31,9 Mann von 19 Jahr. _Febr. gastrie. - catarrh. 17. 10, 110 mat.|132)42| » [31,3 | Mann von 22 Jahr. Febr. ephemera. 112 » 32 Mann von 23 Jahr. Angina catarrh. febr, 22.10. 120 » 31,3 | Mann von 25 Jahr. Febr. ephemera. B- 239 & 6" Entzündungsfieber. Eilfter Fall. Pneumonia sinistra. Ein 4 jähriger Mann von kräftigem Körper erkrankte Abends den 12. März unter Schüttelfrost, Husten, Dyspnöe, Auswurf rostfarbener Sputa. Am 14. Morgens in ärztliche Behandlung genommen, fand sich bei ihm eine Hepatisation der linken Lunge. | = Dat. | Stunde Pas |z 8 Krk Temp. Krankheitsverlauf. 14. 3: |12mer.| 108 | 36 | Achsel| 3 39,75 on | Danach Tartar. stibiat. Gr. vj. Ivesp. | 120 |36 » 133,1 Ag. destillat. ZVj. 15. 3.|7 mat. |100|24 » 32 2stündl. 1 Esslöffel. 2pm. | 108 » z ‚25 5 12 Schröpfköpfe. 1Ovesp.| 120 | 38 » 16. 3.|6 mat. | 100 |32 » 10 am. | 100 | 32 » 2pm, 2 Um 9 Uhr: Aderlass von 143. 8 S Aderlass von 12 5. - r > 155 y w [7 10vesp.! 116 36 allg 32,6 | In d. Nacht mässiger Schweiss. r |" | A Pulvis Doveri. 17.3.|S mat.| 9622| » 13% 23 9 Ind. Nacht starker Schweiss. 18.3.|8mat.| 8018|» 131,5 | Keine Sputa, 20.3. 19 mat.| 64 15 » 29,4 | Die Hepatisation hat sich ge- > theilt, ohne dass eitrige Sputa | Tvesp. | -60 15 »' 128,7 eingetreten sind, also durch Re- 2.3. | Tvesp. | 60.12 » 29,1 [rorztion. Das Fieber, welches die Pneumonie begleitete, zeigt also einen remittirenden Charakter: die Temperatur war in den Abendstunden konstant höher, als in den Morgenstunden. Der Unterschied belief sich am 4. Tage der Krankheit auf I’R. Trotz eines wenige Stunden vorher ausgeführten Aderlasses stieg die Temperatur am 3. Tage der Krankheit auf die sehr bedeutende Höhe von 35,1, und auch die Anwendung örtlicher Blutentziehungen und eines zweiten Aderlasses konnte die wie- derholte Steigerung der Temperatur nicht verhüten., Mit dem Ausbruch des kritischen Schweisses am 6. und 7. 240 Tage der Krankheit (kritisch, weil die Resorption des Exsu- dats mit ihm parallel ging), fand eine schnelle Abnahme der Temperatur statt, und nach vollendeter Zertleilung der Krank- heit war die Temperatur unter die Norm gesunken. Bemerkenswerth ist noch, dass am 6. Tage die Frequenz des Pulses und der Athembewegungen schon deutlich gesun- ken war, während die Temperatur noch eine ansehnliche Höhe bewahrt hatte. Zwölfter Fall. Ein 34 Jahr alter Mann von kräftigem Körper erkrankte in der Nacht vom 13-14. Mai; Schüttelfrost; am andern Mor- gen brennend heisse Haut, Husten, rostfarbene Sputa; tympa- nitischer Schall unter dem rechten Schulterblatt. | Ort der Weidung Temp. Krankheitsverlauf. Dat. | Stunde len 2 "je 2 q 9 n 9,75| Aderlass v. 165. Tart. stib. 14. 5. 9 mat. | 120 [36 | Mund [32,75 Leichte Transpiration. Hepa- 15. 5.| 2pm.| 11236 » 132,25 | ]isation des rechten Lungenflü- gel$ ist ausgebildet. r 9 6) 31.75| Am Morgen des 16. Exacer- 16. 5. 1,2 ml EZ 140 4 Du bation des Fiebers; Ausbrei- tung der Hepatisation, Ader- lass von 16 5. Nachmittags etwas Schweiss im Gesicht. Am 17. derselbe Zustand., 15. 5. | 5pm. | 120 | 40 » 32,1 | Am 18. warme, duftige Haut, im Gesicht Schweisstropfen. Am 19. kritischer Schweiss und Urin. Die Hepatisation zertheilt sich schnell ohne alle Sputa, 2 Am 20. vollkommen gutes Be- finden. Schnelle Genesung. 90. 5./9 mat.| 68 [52 5 > 8 Dieser Fall gleicht dem vorigen ausserordentlich darin, dass auch hier die Zertheilung der Hepatisation am 7. Tage der Krankheit erfolgt, ohne dass Sputa eocta ausgeworfen werden, also durch vollständige Resorption des Exsudats. Die Temperatur erreichte hier zu Anfange der Krankheit einen weniger hohen Grad, als im vorigen Falle, sank deut- lieh nach dem zweiten Aderlass, stieg dann am folgenden En ——— 241 Tage wieder und fiel dann am S. Tage schnell bis unter die Norm, während sich die Entzündung unter kritischen Erschei- nungen zertheilte. Dreizehnter Fall. Eine Frau von 48 Jahren erkrankte am 13. October, Mor- gens mit heftigem Schüttelfrost, der von 9-10'/, Uhr dauert. Darauf lebhafte Hitze, heisse trockene Haut, Husten, Dyspno&, blutige Sputa. Ort der Messung Temp. Krankheitsverlauf. Dat. ‚Stunde |Puls 2 | 1 "a r z 13. 10. .|108'35! Mund |32,3 | Darauf ein Aderlass von 103, an. ESS |, Mon ’° | während dessen Ohnmacht ein- trat. Unmittelbar nachher: 14. 10. 9mat.|116| | » 132,2 | Dyspno& viel geringer als ge- N 1 stern. „10. A 130.6 | Die Nacht war gut gewesen, MAN, OR HIR |28 4 06 Die Pneumonie Fertheilt sich schon wieder. Die Kranke hat etwas Schweiss gehabt. 17. 10. 10 am.| 100 ». 129,8 Die Hepatisation zertheilt sich langsam. Die Kranke schwitzt \ | alle Nächte, 18. 10. 10 am.| 96 |28 » 29,9 | Wie gestern, Die Zertheilung der Pneumonie erfolgte in diesem Falle mehr durch Lysis, daher fand auch die Temperaturabnahme langsamer statt, als in beiden vorigen Fällen. Vierzehnter Fall. Ein Mann von 47 Jahren ist seit 14 Tagen an einer Lungenentzündung krank, welche durch die ungünstigen äusseren Lebensverhältnisse einen asthenischen Charakter an- genommen hat. Der Kranke delirirt, macht Koth und Urin unter sich. Die rechte Lunge ist hepatisirt; Puls weich, klein. Müllers Archiv, 1852, 16 242 Ort der Erle Messung Dat: Puls 2 Temp. Krankheitsverlauf. r 22. 3. |Tvesp. |136 |40 | Achsel 32,5 | Darauf wurden ihm 105 Blut _ | gelassen. 7:vesp. 140 | 40 ». 132,5 |nach dem Aderlass. 23.3.8 mat. |136 36) » |31,6 |ist sehr unruhig. >pm. 136 48 » Ep 24.3.| 6pm.\144 58| » 131,2 | Der Kranke ist ganz soporös h Ss und hat wieder unter sich ge- 7 pm. | 136 , 60 » [82,2 macht. Die Messungen wurden nicht fortgesetzt. Der remittirende Fiebercharakter sprach sich am 23. und 24. wieder aus, indem die abendliche Temperatur um 0,5 und 1,0 höher gefunden wurde, als die morgenliche. Bei alten Leuten scheint die Temperatur einen weniger hohen Grad zu erreichen, obgleich bekanntlich die Gefahr, welche die Pneumonie dem Leben bringt, bei ihnen viel grös- ser ist. Die beiden folgenden Messungen, in zwei Fällen sehr intensiver Pneumonie und auf der Höhe der Krankheit (beide am 3. Tage) angestellt, scheinen dies zu beweisen. Fünfzehnter Fall. Frau von 54 Jahren. Pneumonia deztra lobi superior. Ge- stern ein Aderlass. Puls. Resp. Ort der Messung.. Temp. 96 25 Achsel 30,8. Sechszehnter Fall. Frau von 71 Jahren. Pneumonia deztra. Die Kranke ge- nas später. Puls. Resp. Ort der Messung. Temp, 1322 30 Achsel. 30,8 Offenbar hat das Organ, welches der Sitz der das Fieber begleitenden Entzündung ist, einen wesentlichen Einfluss auf den Grad und den Modus der Temperatursteigerung. Roger ist durch seine Beobachtungen über diesen Gegenstand zur Aufstellung gewisser Sätze gelangt, welchen indessen nur eine ungefähre Richtigkeit zuzuerkennen ist. Er sagt: en 243 1) Die Wärme ist in den Gehirn-Krankheiten geringer, als in denen der Brust- und Unterleibsorgane. 2) Die Wärme ist bei der Entzündung des Gehirns weniger hoch, als bei der Entzündung der Gehirnhäute. 3) Die höchsten Temperaturen kommen vor bei ‚der typhö- sen Dothienenteritis, bei der Pneumonie und: Meningitis. 4) Wenn im Verlaufe einer sich durch Gehirnaffieirungen charakterisirenden Affektion bei, einem Kinde von 1-14 Jahren die Temperatur Anfangs über die Norm steigt, in einem zwei- ten Stadium dagegen auf 28,5—28, also unter die Norm sinkt (besonders wenn gleichzeitig die Zahl der Pulse und Respira- tionen sich vermindert); in einem dritten Stadium aber die drei geschwächten Funktionen von Neuem an Kraft gewinnen, so kann man mit Sicherheit auf einfache oder granulose Me- ningitis schliessen. 5) Da das typhöse Fieber das einzige ist, bei welchem eine beträchtliche Erhöhung der Temperatur mit einer mässigen Beschleunigung des Pulses statt finden kann, so folgt daraus, dass wenn bei einem kranken Kinde, dessen Puls nicht mehr als 100 Schläge macht, mittels des Thermometers in der Ach- selhöhle 32 — 32,8 findet, man hiernach allein und ohne weitere Nachforschung fast mit Sicherheit eine Dothienenteritis diagnos- tieiren kann. Bei der einfachen Enteritis erreicht die Tempe- ratur nicht leicht einen höheren Grad als 31,2 6) Wenn bei einem Kinde, dessen Respiration und Puls ansehnlich beschleunigt sind, das Thermometer 32 32,3 zeigt, s0 kann man, ohne Furcht sich zu täuschen, Pneumonie anneh- men. Die Messung kann auch zur Diagnose von der Bronchi- tis beitragen, da bei dieser die Temperatur niemals einen so hohen Grad erreicht. So zalılreich die Messungen Roger’s auch ken so halte ich sie doch nicht für hinreichend, das Verhalten der Tempe- ratur ‚bei den einzelnen Krankheiten mit solcher Genauigkeit zu formuliren. Auch die am meisten typisch verlaufenden Krankheiten haben in Bezug auf den Gang und Charakter ‚des Fiebers und. des begleitenden Entzündungsprocesses immer 16* 2 244 noch eine so grosse Breite, dass es unmöglich ist, alle einzel- nen Fälle in denselben Rahmen zu fassen. Meine eigenen, bei vielen fieberhaften Entzündungskrankheiten angestellten Mes- sungen zeigen, dass in dieser Hinsicht die grössten Verschie- denheiten vorkommen, da sie aber keine fortlaufenden Beob- achtungs-Reihen darstellen, so übergehe ich sie und theile schliesslich nur einen Fall von granulöser Meningitis mit, aus dem hervorgeht, dass das von Roger für diese Krankheit aufgestellte Gesetz jedenfalls Ausnahmen zulässt. Siebenzehnter Fall. Hydrocephalus acutus. Ein 1'/,jähriger Knabe erkrankte am 22. Februar Morgens. Erbrechen, Stockung der Nieren- und Darmsekretion. Leib eingezogen. Pupillen sehr reizbar. Somnolenz, von Konyul- sionen unterbrochen, Haut mässig heiss. Die Messungen wurden im After vorgenommen. Ort der Messung Temp. Krankheitsverlauf. Dat. | Stunde [Puls g 22.2. |11 am. | 120 After | 30,6 he 4 c ie Respiration unregelmäsig Svesp. | 132 | 36 ” 30,7 und unterbrochen. Blutigel. Calomel. In der Nacht Stei- al -|gerung aller Erscheinungen. 23. 2. |3 mat. |120 » 130,75 an interrumpirt. 4pm. | 140 | 40 » 32,1 | Es war Paralyse eingetreten. Pupillen weit und unempfind- lich. Knirschen mit den Zäh- nen. Haut sehr heiss Ivesp. | 156 | 36 » 32,4 | Unwillkürliche Kothausleerung. En folgenden Morgen starb das ind. In diesem Falle war während des konvulsiven Stadiums der Krankheit die Temperatur sehr mässig gesteigert, aber nicht, wie Roger angiebt, unter die Norm gesunken. Mit dem Eintritt der Paralyse stieg plötzlich die Temperatur sehr bedeutend und diese Steigerung nahm bis zum Tode noch zu. Die Zahl der Pulsschläge vergrösserte sich mit fortschreitender Krankheit fast stätig; die Zahl der Respirationen war während des ganzen Verlaufes sehr bedeutend, aber ganz unregelmässig 245 und wie es in allen ähnlichen Fällen zu sein pflegt, traten län- gere Pausen ein, in denen das Kind scheinbar zu athmen ver- gass und auf die dann eine Anzahl sehr schnell folgender In- spirationen folgte. $. 7. Hektisches Fieber. Das hektische Fieber, über welches mir ausser den meini- gen noch Messungen von Schmitz und Donne vorliegen, zeichuet sich im Allgemeinen dadurch aus, dass bei Kleinheit aber bedeutender Frequenz des Pulses und der Respiration die Steigerung der organischen Wärmeeine verhältnissmässiggeringe ist. Bei dem langsamen Verlaufe des Fiebers erhält sich diese Steigerung aber oft mehrere Monate permanent. Die sehr deut- lichen Remissionen und Exacerbationen des Fiebers während der Morgen- und Abendstunden, welche dem hektischen Fie- ber eigen sind, werden auch durch entsprechende Tempera- turschwankungen ausgedrückt; welche hier bedeutender sind, als bei den übrigen remittirenden Fieberformen. Dem Tode geht gewöhnlich eine ansehnlichere Erhöhung der organischen Wärme kurze Zeit vorher. Die beiden nachstehenden Fälle enthalten die Belege für diese Behauptungen. Achtzehnter Fall. Phthisis pulmonum. Ein 35jähriger Mann, einer tuberkulösen Familie entspros- sen und seit zwei Jahren brustkrank; in hohem Grade abge- magert, leidet er seit 2 Monaten an den Erscheinungen eines hektischen Fiebers. Die physikalische Untersuchung weist aus- gedehnte Zerstörungen beider Lungenflügel nach. Kolliquative Nachtschweisse und Diarrhöen. “ Dat. | Stunde ab 8 eng Temp. Krankheitsverlauf. 14. 3. | Tvesp. | 1038| 30 | Achsel| 30,8 15. 3.|8 mat. 96122 » [29,5 Der Kranke nahm während \ lieser Zeit täglich etwa 3 Gr. Avesp. | 1121281 » 130,7 (Opium. 16:3.|8 mat.| '88|25| .» 139,7 246 Ort der Messung, Dat. | Stunde [Puls 2 Temp. Krankheitsyerlauf, 16. 3. | Svesp. | 120 | 36 | Achsel | 31 Die letzteMessung wurde etwa 17. 3. | 8 mat. | 100 |25 » 30,1 BES; unden nor daneHRTEn: 20. 3. | 8 mat. | 100 | 30 » 29,5 yfgestellt. Die Sektion bestä- y tigte die Diagnose einer Phthi- Tvesp. | 12044 » 180,9 j amato. 21. 3. |10vesp.| 140 | 62 » 31,5 Der für die Morgenstunden genommene durchschnittliche Temperaturwerth beträgt also 29,7, der für die Abendstunden 30,85, die Differenz also 1,15. Es erfolgte also während der Nacht in Folge der starken kolliquativen Schweisse eine sehr erhebliche Abkühlung. Die kurz vor dem Tode gemessene Temperatur war die höchste, welche überhaupt beobachtet wurde. Dennoch steht sie im auffallenden Missverhältniss zu der enormen Puls- und Respirationsfrequenz. Neunzehnter Fall. Phthisis pulmonum et intestinalis. Ein 27jähriges Mädchen, seit 8 Monaten krank. Es lassen sich tuberkulöse Verschwärungen in den Lungen, dem Kehl- kopf und Darm diagnostieiren. Kolliquative Schweisse und Durchfälle. Dat. Ste Puls 3 en Temp. Krankheitsverlauf. 24. 6.| 10am.| s0|24| Achsel | 29,9 E 25.6.| 9am.| 8012| » 129,8 ncetienm und Oplam "haben Tvesp. | 9298 » 30,3 Schweisse und Durchfälle nach- 26. 6.| 9am.| 76 ae 2 12. 7.|10am.| 92|25 » 29,4 Sehr starke kolliquative Tvesp. | 108 |32 4 30,5 eg sehr profuse Expec- 13. 7. | 10 am. | 100 |28 » 29,5 14. 7. | Tvesp. | 120.130 » 180,6 | 15. 7. [10 am. |112 |24 » 29,5 Tvesp.|128|32| »' [30,5 | 247 Dat. |Stnde Puls 5 en Temp. Krankheitsverlauf. 25.7.| 9am.!112/25| Achsel|30,1 | Zerfliessende Schweisse; un- RT | 100 | 39 » 1909 willkürliche Darmentleerungen. Yvesp. | 124 | 40 » 180,5 5. 8. | 10 am. | 108 | 32 » 129,75 Svesp. | 120 | 36 » _|830,8 7.S.| 9Jam.|108|32! » 129,65 Ba 2 HR Die letzte Messung etwa 6 8. $./8 mat. | 144 |50 » 31,7 |Stunden. yor.dem Tode. Der Unterschied zwischen morgenlicher und abendlicher Temperatur ist also auch in diesem Falle sehr deutlich und zwar nimmt er mit dem Fortschritt der Krankheit immer noch zu, denn die Differenz beträgt durchschnittlich: während des Juni 0,5°, # „ Juli 1,0°, > „ August 1,1%. Auch in diesem Falle stieg die Temperatur kurze Zeit vor dem Tode um ein Beträchtliches, und erreichte hier ihren höchsten Stand. Puls und Respiration zeigten eine verhältniss- mässig sehr bedeutende Frequenz. 88. Resultate der Temperaturbeobachtungen in fieberhaften Krankheiten. Dass die Temperatur bei fieberhafter Erkrankung des Kör- pers regelwidrig gesteigert sei, ist eine Thatsache, welche man seit derselben Zeit kennt, wo man überhaupt anfing die orga- nische Wärme thermometrisch zu bestimmen. Unter den älte- ren Aerzten haben Boerhave, besonders aber sein Schüler de Haön diese Kenntniss durch eine grössere Reihe von Be- obachtungen gefördert. Später war es vorzüglich Bouillaud, welcher das Thermometer in die Praxis einzuführen und die Intensität des Fiebers darnach zu messen versuchte. Zahlreiche 248 Beobachtungen, welche die neueste Zeit geliefert hat, haben die Kenntniss dieses Gegenstandes in vielen Punkten erweitert. 1) Die höchste Steigerung der organischen Wärme, welche in Krankheiten vorkommt, scheint auf 34°R. bestimmt werden zu können. So beobachtete Gierse beim Wechselfieber 33,16, Thomson bei den Pocken 33,3; ich bei derselben Krankheit 33,5, Bouillaud bei fieberhaften Krankheiten zuweilen 33,6, Roger bei Gehirnentzündung 34°R. Es fehlt zwar nicht an Angaben noch höherer Wärmegrade, die indessen bei der Un- gewissheit über den Werth der angewendeten Thermometer nicht zuverlässig sind. So will Zimmermann beim Wech- selfieber ein Mal 34,4, Arnold bei biliösen Fiebern 34,67, Prevost beim Starrkrampf 35, Currie beim Scharlach 35,5 und Stieglitz bei derselben Krankheit selbst 37°R. gefunden haben. Die zuverlässigen Beobachtungen gehen aber nicht über die oben angeführte Grenze hinauf. Es darf also wohl ange- nommen werden, dass das Fortbestehen des Lebens sich nicht mit einer höheren Erwärmung verträgt. 2) Eine zweite Frage ist die, wie lange der Organismus eine so bedeutende Steigerung der Temperatur erträgt? In die- ser Beziehung ist die Thatsache von Wichtigkeit, dass die höchsten Temperaturen nur bei solchen Fiebern beobachtet sind, welche sich durch kurze Paroxysmen auszeichnen, näm- lich bei den intermittirenden und exanthematischen Fiebern, wogegen bei solchen Fieberformen, welehe ihrer Natur nach einen langsameren Verlauf nahmen, bei den remittirenden, typhösen, entzündlichen, hektischen Fiebern niemals die höch- sten Werthe zur Beobachtung kommen. Es steht also im All- gemeinen die Dauer des Fiebers und die dabei stattfindende Steigerung der Temperatur in einem umgekehrten Verhältnisse. Während die acuten Exantheme das eine Endglied der Reihe bilden und bei geringster Dauer die höchste Temperatur zei- gen, bildet das hektische Fieber das andere Endglied: längste Dauer bei geringer Steigerung der Temperatur. In den von mir beobachteten Fällen betrug die längste Dauer einer Temperatursteigerung 249 „von 33’R. und darüber 4 Stunden (Intermittens 1. Fall) , en 4 Tage (Pneumonia 11. Fall) an) BE = „ 11°, (Typhus 10. Fall). Geringere Temperaturen von 30-31°, wie sie besonders beim hektischen Fieber anhaltend vorkommen, verträgt der Orga- nismus ohne Zweifel Wochen und Monate lang. Meine Beob- achtungen lassen mich hier im Stich, wie denn die in der vor- stehenden Skala angegebenen Maximalwerthe natürlich auch keine absolute Gültigkeit haben können. 3) Was das Verhalten der Temperatur in den einzelnen Stadien des Fiebers betrifft, so ergiebt sich, dass sie schon vor dem Eintritt des Schüttelfrostes zu steigen anfängt, wäh- rend der Dauer desselben sehr schnell steigt und gegen Ende des Froststadiums ihre grösste Höhe erreicht. Dies scheint wenigstens beim Wechselfieber als Regel zu gelten (1. Fall), während bei den remittirenden Fiebern das Maximum erst auf der Höhe des Hitzestadiums eintritt (10., 11. Fall). Während des Stadiums der trocknen Hitze bleibt die Temperatur anhal- tend gesteigert, erfährt aber eine doppelte Reihe von Schwan- kungen, von denen die eine dem besonderen Krankheitsver- laufe, die andere den täglichen Remissionen und Exacerbatio- nen angehört. Die letzteren falleu natürlich bei den Fiebern mit kurzem Hitzestadium fort. Mit der kritischen oder lytischen Entscheidung des Fiebers sinkt die organische Wärme schneller oder langsamer auf oder unter das normale Maass. In Fällen kritischer Entscheidung ist man geneigt gewesen, diese schnelle Abkühlung lediglich auf Rechnung der Verdunstung des Schweisses zu schieben; aber die exanthematischen Fieber, besonders die Pocken, lie- fern den Beweis, das eine ebenso schnelle Abkühlung ohne alle Schweisssekretion mit dem Erscheinen der Hauteruption eintreten könne (5. Fall). 4) Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, dass die Beobach- fung der organischen Wärme nicht allein einen Beweis für das Vorhandensein von Fieber, sondern auch einen Maassstab für die Intensität desselben liefert; dass allen Schwankungen im Verlaufe des Fiebers ähnliche Schwankungen der Temperatur 250 entsprechen und dass daher der Krankheitsprocess zweckmäs-, sig durch eine Curve veranschaulicht werden kann, in der die beobachteten Temperaturwerthe als Ordinaten verwendet werden. Durch die Beobachtung der Temperatur sind wir einerseits im Stande, sehr schwache Fieberparoxysmen, welche sich .der gewöhnlichen Beobachtung entziehen, zu ermitteln (4. Fall); andererseits die Gefahr heftigerer Paroxysmen annähernd ab- zumessen. Es lässt sich nicht bezweifeln, dass eine bedeutende Steigerung der organischen Wärme (also eine bedeutende In- tensität des Fiebers) das Leben mehr bedroht, als eine gering- fügige. Roger beobachtete bei den mit Pocken, Scharlach und und Masern behafteten Kindern, dass die tödtlich ablaufenden’ Fälle fast immer solche waren, welche sich durch die höchsten Temperaturen ausgezeichnet hatten. 5) Die Temperatur folgt auch genau den typischen Schwan- kungen des Fiebers. Bei den Fiebern mit remittirendem Typus ist die Tempera- tur in den Abendstunden höher, als in den Morgenstunden, und zwar scheint die Zunahme Nachmittags gegen 5 Uhr zu beginnen und um 10 Uhr noch fortzudauern (11. Fall). Der Unterschied zwischen Exacerbation und Remission be- trägt zwischen 0,4 und 1,1°R., wobei der merkwürdige Um- stand hervorzuheben ist, dass mit abnehmender Lebenskraft dieser Unterschied grösser zu werden scheint (19. Fall), eine Thatsache, die, wenn sie sich ferner bestätigen sollte, in der Beobachtung eine Analogie finden würde, dass bei hungernden Thieren der Einfluss der Jahreszeit um so entschiedener hervor- tritt, je mehr die Lebenskraft durch den Hunger erschöpft ist. Da die Temperatur auch im Zustande der Gesundheit regel- mässige quotidiane Schwankungen macht, so liegt die Ver- muthung nahe, dass die Schwankungen des remittirenden Krankheitstypus auf diese zu beziehen, vielleicht nur als Stei- gerungen derselben zu betrachten sein möchten; aber während dort die Temperatur gegen die Nacht hin steigt, und im Laufe des Tages abnimmt, finden wir beim Gesunden umgekehrt die Temperatur am Tage höher als in der Nacht. Beim Gesunden 251 steigt und fällt die Temperatur zwei Mal in der Zeit von 24 Stunden; beim Fieberkranken hat bis jetzt eine solche dop- pelte Welle nicht nachgewiesen werden können. Noch mehr als der remittirende entfernen sich die inter- mittirenden Typen von dem Typus des gesunden Lebens. Bei den Tertianfiebern findet im Laufe von 2 Mal 24 Stunden nur noch eine einzige Steigerung und Senkung statt und diese scheint, wie die vielen anteponirenden und postponirenden Fälle beweisen, gar nicht mehr von der Tageszeit abhängig zu sein. 6) Während der Reconvalescenz fand ich in allen Fällen die Temperatur unter die Norm gesunken, um \,, °/, bis 1°, und nur langsam wieder zur normalen Höhe aufsteigend. 7) In Fällen, wo die fieberhafte Erkrankung einen tödt- lichen Ausgang nimmt, pflegt dem Tode eine bedeutende Stei- gerung der Temperatur unmittelbar vorherzugehen (17., 18.. 19. Fall). 5) Schliesslich mögen sich einige Betrachtungen hier anrei- hen über das Verhältniss, welches zwischen der Steigerung der Temperatur und den übrigen Erscheinungen beim Fieber vorausgesetzt werden darf. Alle sogenannten Fiebersymptome deuten darauf hin, dass beim Fieber der Stoffverbrauch regel- widrig gesteigert ist: die Beschleunigung der Cireulation und des Respirationsprocesses, die vermehrte Ausscheidung von Harnstoff und Harnsäure durch die Nieren, von Kohlensäure durch die Lungen, die schnelle Abmagerung und Gewichts- abnahme des Kranken: alle diese Erscheinungen deuten un- zweifelhaft darauf hin, dass die Abnutzung der organisirten Materie im Fieber ungewöhnlich zugenommen hat, während zugleich die Assimilation neuen Nahrungsstoffes vermindert oder ganz aufgehoben ist. Es liegt aber zugleich die Vermuthung nahe, dass eben diese Steigerung des Stoffverbrauches als die Ursache der ver- mehrten Wärmebildung anzusehen sei. Man hat seit einiger Zeit aufhören müssen, den Sauerstoff der eingeathmeten Luft als die einzige Quelle der organischen Wärme zu betrachten. Ohne Zweifel liefert der lebendige Stoffwechsel neben dem 252 Oxydationsprocesse noch eine ganze Reihe anderer, wenn auch weniger ergiebiger Wärmequellen, und man wird daher die organische Wärme nicht blos als Produkt einer Verbrennung, sondern der ganzen Summe chemischer Processe zu betrach- ten haben, welche mit der Gewebsmetamorphose parallel laufen. Wie sehr diese Processe beim Fieber an Stärke gewinnen können, lässt sich annähernd aus der Schnelligkeit schätzen, mit der die Temperatur unter Umständen steigt. In meinem ersten Falle stieg die Temperatur beim Beginne der Paroxys- men das eine Mal binnen 5 Stunden um 4’R.; das andre Mal binnen 2 Stunden um 3,1°. Welch ein bedeutendes Wärme- quantum gehört dazu, um einen Centner Fleisch und Blut in- nerhalb einer Stunde um *, bis 1'/,° zu erwärmen! Ein Sinken der Körperwärme erfolgt nie so schnell, als ein Ansteigen ; selbst nicht zu der Zeit der kritischen Entscheidung, denn unter meinen Fällen befindet sich keiner, in welchem die Temperaturverminderung innerhalb einer Stunde mehr als '/R. betragen hätte (1., 2., 5. Fall). Um zu entscheiden, wie viel Wärme der Körper blos in Folge der Ausstrahlung an die kältere ihn umgebende Luft abgiebt, habe ich einen Sterbenden kurz vor dem Tode gemes- sen und die allmählige Abnahme der Temperatur nach dem Tode bestimmt. Die Leiche befand sich in einem Lokale, des- sen Temperatur 12,5° betrug; das Thermometer wurde in der Achselhöhle durch einen Hautschnitt in die Muskeln geführt. Der an Hodentuberkulose leidende, sehr abgezehrte Kranke starb um 3 Uhr Nachmittags, also '/, Stunde, nachdem seine Temperatur bestimmt worden war. Stunde |Temp. 2% pm.|30,3 | Durehschnittlich kühlte sich also der Körper 4% pm. |28,9 |in jeder Stunde um 1,3°R. ab. Der lebendige 6 pm. 25,3 | Körper strahlt unstreitig viel mehr aus, weil 7; pm.|22,6 | das an der Peripherie abgekühlte Blut bestän- 10 vesp. 19 dig durch wärmeres ersetzt wird. Dazu kommt 12 noet.|17,1 |noch die Verdunstung des Schweisses als eine S mat.| 12,5 | zweite, sehr erhebliche Ursache der Abkühlung. | | Man sieht also, dass wenn der Körper zur Zeit der kritischen Entscheidung stündlich um '/,° Wärme verliert, die wärmebil- denden Processe noch mit grosser Lebhaftigkeit fortdauern müssen. In der Rekonvalescenz, wo die Abnutzung offenbar am geringsten, die Assimilation neuen Nahrungsstoffes am gröss- ten, ist die Temperatur am niedrigsten. Wir haben also die gesteigerte Körperwärme gleich den übrigen Fiebersymptomen auf einen vermehrten Umsatzprocess der Gewebe zurückbezogen. Es fragt sich, ob vielleicht die erhöhte Wärme ihrerseits wieder als Ursache mancher das Fieber begleitenden Erscheinungen betrachtet werden darf. Man könnte geneigt sein, der durch die Wärme bedingten Aus- dehnung des Blutes eine gewisse Bedeutung beizulegen, aber bekanntlich verändert sich das Volumen von Flüssigkeiten bei verschiedenen Temperaturen so äusserst wenig, dass ein Un- terschied von zwei bis drei Graden ganz ausser Acht gelassen werden kann. Wichtiger mag der Einfluss sein, welchen das verschieden erwärmte Blut auf die Irritabilität der Nerven ausübt. Die gesteigerte Reizbarkeit der meisten Fieberkranken würde sich hieraus erklären lassen, wenn nicht den gleichzei- tig vorhandenen qualitativen Veränderungen der Blutmasse eine viel grössere Bedeutung für die Deutung der Nervenfunetions- störungen zugeschrieben werden müsste. 8.9. Temperatur bei der Cholera. Während das die meisten akuten Krankheiten begleitende Fieber mit einer Steigerung der organischen Wärme verbun- den ist, geht der eigenthümliche Collapsus, welcher das Stadium algidum der asiatischen Cholera charakterisirt, mit einer Abnahme derselben einher. Die Hand des Untersuchen- den glaubt in schweren Fällen am Gesicht und den Extremi- täten der Kranken eine wahre Eiseskälte zu empfinden ; aber das Thermometer ergiebt, dass die Körperwärme nur um einige Grade und höchstens bis zur Temperatur der umgebenden Luft herabgesunken ist. Unter den älteren Beobachtungen sind be- 254 sonders die von Czermak, unter den neueren die von Roger und Doy&re hervorzuheben. Ersterer fand, dass die Tempe- ratur in der Mundhöhle bis 15°, an den Extremitäten bis 14° sinken könne, an den übrigen Theilen des Körpers aber immer höher bleibe. Auch Roger, Reinhardt und Leubuscher gewannen das Resultat, dass, während fast in allen andern Fällen die Mundhöhle wärmer als die Achselhöhle gefunden wird, bei der Cholera dies Verhältniss sich umkehre. Roger fand die Temperatur in der Mundhöhle immer 3-6°R. niedriger, als in der Achselhöhle; die Temperatur der letzteren war höch- stens bis auf 25, die der Hohlhand bis auf 17°R. gesunken. Diese Beobachtungen scheinen also zu beweisen, dass die Temperatur in den versehiedenen Theilen des Körpers ungleich- mässig in den vom Herzen entferntesten Theilen am schnell- sten sinke. Wenn sich dies so verhielte, so würde auch in den inneren Theilen des Körpers eine höhere Temperatur als an seiner Peripherie vermuthet. werden müssen. Die hierüber vorhandenen Messungen sind sehr sparsam und geben noch dazu ein widersprechendes Resultat. Buchheister und Noodt bestimmten die Memifärakn des frisch gelassenen Urins auf 22-28’R.; Roger die Temperatur des Blutes, wie es aus der Armvene floss, auf 24,5, während Czermak angiebt, das Blut immer 1-3° wärmer gefunden zu haben, als den wärmsten Theil der Körperoberfläche. Zim- mermann bestimmte in zwei sehr schnell tödtlich verlaufenden Fällen die Temperatur des Mastdarms und fand sie zu 31,2 und 31,4°R., während die Temperatur in der Mundhöhle nur 26 und 26,8 betrug. Wenn es erlaubt ist, die Temperatur der Säfte des Körpers als die der inneren Theile zu betrachten, so haben also die erstgenannten Beobachter dieselbe immer noch unter der Norm gefunden, während sie nach dem letztgenann- ten Beobachter die Norm nicht unbeträchtlich übersteigen soll. Natürlich beziehen sich alle bisher gemachten Angaben nur auf das Stadium algidum der Cholera; während des Reak- tionsstadiums steigt natürlich die Tremperatur sehr ansehnlich und kann selbst die höheren Grade der Fieberwärme erreichen (Doyere). Meine eigenen Messungen ergebe [SS [Si n nun Folgendes: Zwanzigster Fall. Cholera. Knabe von 17 Jahren. Ort der Puls| $ |Messung Stunde a Temp. | je 24,7 25,1 29,3 3pm. fehlt Mund | Brust | After Mund Hand Brust After 10 am.| 80 |20 23,25 27,75 26 29,5 Krankheitsverlauf. Stad. algidum. Cyanose, Puls- losigkeit, lebhafte Kälte des Ge- sichts, der Zunge, der Extre- mitäten. Herzschlag matt, 120. Resp. sehr unregelmässig. Bre- chen und Laxiren heftig. Stad. reaetionis; Haut gleich- mässig warm, aber nicht heiss. Brechen und Laxiren haben aufgehört, die Urinsekretion ist zurückgekehrt, etwas Stu- por, Einundzwanzigster Fall. Cholera. Mann von 40 Jahren. 14. 12, fehlt Mund | 22,5 15. 12.| 9am. »ı| 127 15. 12.| 6pm. » 124,5 Stad. algidum. Blau, kalt, puls- los vorübergehende Reaktion. Abermals starker Collapsus. Der Kranke starb. Zweiundzwanzigster F all. Cholera. Knabe von 16 Jahren. 16. 5. | 100 |20.| Mund | 29,7 er Brust | 26,25 ‚Achsel| 29,1 | 19. 5. 108 14| Mund | 30,75 | ı | Leichter Anfall, Haut mässig warm, mur Gesicht und Extre- mitäten kühl, Zunge warm, Cya- nose gering. Stad. reactionis. Haut mäs- sig heiss. Gehirnthätigkeit auf- geregt. Durchfall dauert fort. Dreiundzwanzigster Fall, Cholera, Mann von 65 Jahren. 14. 5. 8 mat.| 10026 | Hand | 24 | klein | \ Mund | 21,25 | | Brust | | 1 | | After 238,5 Vierundzwanzigster Fall. ‚fehlt | | 40 | Hand | 22,5 ] | Brust | 27 ( 20. “ Stad. algidum seit 6 Stunden. Der Kranke eiskalt, eyanotisch, 26,25 (bricht und laxirt. Cholera. Mann von 34 Jahren. Stadium algidum seit fünf Stunden eyanotisch, sehr kalt, Fünfundzwanzigster Fall. Cholera. Mann. & | Ort der © Messung Temp. Krankheitsverlauf. Dat. |Stunde |Puls 67) [SC} 10. 5. fehlt Mund |2 Brust |26 Stadium algidum. Achsel| 26,5 Sechsundzwanzigster Fall. Cholera. Mann von 69 Jahren. b 9 14. 12.| 3pm.fehlt Mund | 26,5 Stadium algidum. Blau, kalt, 15. 12.| 9am. » [22,3 ppulslos, starb 15. 12. hor. pm. 2. llam, » 23,3 Siebenundzwanzigster Fall. Cholera. Mann von 55 Jahren. 14. 12.| 2pm. 120 Mund | 24,4 Stadium algidum. Haut sehr jeRlE, Hand | 21,2 kalt und klebrig; starke Cya- klein R b | MAchsel 26,3 nose; starb, Achtundzwanzigster Fall. Cholera. Mann von 26 Jahren. Stadium typhosum. 7. Tag 6410| Brust 26,5 |[der Krankheit. Kopf sehr be- nommen, Haut kühl. Der Achsel) 27,3 [Kranke starb bald darauf so- I 1} | | porös. Neunundzwanzigster Fall. Cholera. Mädchen. 12. 5.|10 am.| 120/44 | Mund | 28,5 Eh Brust |23,3 klein Stadium algidum. Blau und 5 kalt. Scheide| 29,3 | Dreissigster Fall. Cholera. Mädehen von 25 Jahren. fehlt|48 | Mund | 26,5 Brust | 24,25 Scheide| 28,1 Stadium algidum. Blau, kalt, pulslos. 9 257 Einunddreissigster Fall. Cholera. Frau von 36 Jahren. i Dat. | Stunde |Puls Hi san a Krankheitsverlauf. 18. a pm. [fehlt 18| Mund [97 | Stadium algidum ; seit 12,Stun- | den; cyanotisch; Haut mat- | Brust | 26 schig, kühl; starker Durchfall, kein Erbrechen. Zweiunddreissigster Fall. Cholera. Frau von 66 Jahren. | Stad. algidum seit 18 Stunden; | H kalt, pulslos, eyanotisch ; Hände | fehlt 35) Brust | 26 und Füsse marmorkalt, Zunge kühl, Körper warm; Durchfall, aber kein Erbrechen. Dreiunddreissigster Fall. Cholera. Mädchen von 25 Jahren. | | 136 20 | Hand | 21,9 } Stad. algidum; sehr heftig. Vierunddreissigster Fall. Cholera. Mädchen von 17 Jahren. | | Stadium typhosum. I4ter Tag | der Krankheit. Haut warm | 92/20| Mund |26 trocken; Zunge trocken; Zähne Brust |28 uliginös. Die Kranke ver- E mochte den Mund nicht ordent- | Scheide) 30,6 ich zu schliessen, sonst wäre | die Temperatur wohl höher ge- kommen. Zu den vorstehenden Beobachtungen bemerke ich zuvörderst, dass die Messungen in der Hohlhand auf die Weise ausgeführt worden sind, dass der Kranke das Thermometer möglichst vollständig in der geballten Faust einschloss; die Messungen auf der Haut der Brust aber nach einer später zu beschrei- benden Methode. Es ergaben sich folgende Resultate: 1) Während des Stadium algidum sinkt die Temperatur an allen Theilen des Körpers, welche für die Messung zugänglich sind, aber sie sinkt ungleichmässig. Die Temperaturverminde- rung war am bedeutendsten in der Hohlhand, am geringsten im After und in der Scheide. Die Mundhöhle zeigte zwar in den meisten, aber doch nicht in allen Fällen eine niedrigere Temperatur als die Brust und die Achsel. Die einzelnen Or- gane ergaben in dieser Beziehung folgende Reihe: Müller's Archiv. 1802. 17 ; After a rn Brust [Achsel| und e Scheide Minimum im Stadium algidum der 21,2 | 21,25| 23,8 | 26,3 | 28,1 Cholera. Mittelwerth im Stadium algidum der | 99,3 | 24,9 |25.6 |27,3 | 28,8 Cholera. { Mittelwerth bei Gesunden. 28,4 | 29,7 1283 29,6 | 30 2) Die Temperatur macht an demselben Theile des Kör- pers und bei demselben Individuum beträchtliche Schwankun- gen, die oft schon während der Dauer einer Messung beob- achtet werden, noch häufiger, wenn man das Thermometer im Verlaufe mehrerer Stunden wiederholt an dieselbe Stelle ap- plieirt (21. und 26. Fall.) 3) Im Reaktionsstadium der Cholera steigt die Temperatur wegen des sich hinzugesellenden Fiebers über das normale Maass. Entwickelt sich noch ein typhöser Zustand, so wird dabei die Temperatur manchmal über und manchmal unter der Norm gefunden. Dieser Verschiedenheit entsprechen auch die übrigen Krankheitserscheinungen, welche sich in einigen Fäl- len von Choleratyphoid als Fieber, in anderen als Collapsus charakterisiren. 4) Die Frage, ob während des algiden Stadiums die Wärme der inneren Theile unverändert, oder wie Zimmermann will, sogar gesteigert sei, würde” vielleicht durch zahlreichere Mes- sungen des frisch gelassenen Blutes oder durch Messungen an Leichen, die in diesem Stadium starben, zu lösen sein. Da ich keine derartigen Beobachtungen gemacht habe, so muss ich auch die Frage offen lassen. Faktum ist nur, dass an al- len peripherischen Theilen die Wärme sinkt, indessen deutet der Umstand, dass die Beobachtung um so höhere Werthe ergiebt, je mehr sie an Stellen des Körpers angestellt wird, welche eine eingeschlossene Lage haben, allerdings darauf hin, dass die Wärme des Herzens und der grösseren Einge- weide wahrscheinlich nicht erheblich vermindert sein wird. Nur bei einem im Stadium algidum gestorbenen Individuum habe ich die Temperatur der Bauchhöhle untersucht, indem 259 ich 5 Stunden nach dem Tode das Thermometer zwischen die Darmwindungen schob. Es stieg hier noch auf 26,5. Die Ursache der Temperaturabnahme in allen peripherischen Theilen ist wohl ohne Zweifel in der stockenden Cirkulation zu suchen. Die Verdunstung und Ausstrahlung auf die Haut dauern fort, während von Innen her keine neue Wärme zuge- führt wird. Da aber diese bedeutende peripherische Abküh- lung nothwendig auch auf die inneren Theile zurückwirken muss, so würden die wärmebildenden Processe schon gestei- gert sein müssen, wenn sich die Temperatur derselben nur auf der normalen Höhe erhalten sollte. Wahrscheinlich liegen aber grade der gestörten Cirkulation wegen auch diese Processe wesentlich danieder. Die ausserordentliche Athemnoth der Cholerakranken deutet darauf hin, dass die Oxydation der Blutmasse eine mangelhafte sei und die Versuche von Doy&re liefern den direkten Beweis, indem sie eine Verminderung der Kohlensäureexhalation ergeben haben. Alle diese Thatsachen sprechen für die Annahme, dass im Stadium algidum der Cho- lera die Temperaturabnahme nicht blos eine peripherische, sondern eine allgemeine — und dass also auch die Wärme der inneren Theile gesunken sei — vielleicht nur unerheblich — jedenfalls aber wohl nicht gesteigert. 5) Hieran knüpft sich die Frage, ob es denkbar sei, dass die Choleraleichen eine höhere Temperatur besitzen, als die Cholerakranken, dass also die Körper sich nach dem Tode erwärmen. Bekanntlich ist diese Annahme von vielen älteren Aerzten gemacht, von den neueren fast ohne Ausnahme für eine Fabel erklärt worden. Ich selbst habe es mehrfach erfah- ren, dass während mich die Eiseskälte des Kranken erschreckte, dies unmittelbar nach dem Tode gar nicht in gleichem Maasse der Fall war, und erkläre mir diese überraschende Erschei- nung dadurch, dass die dem Tode vorangehende Paralyse die Contraktion der Blutgefässe aufhebt, dadurch ein Wiederein- strömen des Blutes in die sich erweiternden Gefässe der Haut gestattet und so eine gleichmässige Vertheilung der Wärme zur Folge hat. Die höhere Erwärmung der Haut müsste hier- nach aleo schon vor dem Tode eintreten. Meine Erfahrungen 260 spreehen entschieden zu ‘Gunsten dieser Ansicht, und es ist auch von anderen Aerzten dieses dem Tode vorangehende Warmwerden der Cholerakranken hervorgehoben worden. Bekanntlich gesellen sich auch zu einigen anderen Krank - heiten der Unterleibsorgane eine gewisse Reihe von Erschei- nungen, die man mit der Bezeichnung ‚‚Collapsus‘‘ zusammen- zufassen pflegt. Die Aehnlichkeit mit manchen Symptomen der asiatischen Cholera ist mehrfach hervorgehoben wordeu. Hierher gehört die Inkarceration des Darms. Die Individuen werden dabei bleich, selbst in gewissem Grade cyanotisch, auffallend kühl, die Gesichtszüge verändern sich, der Puls wird klein oder verschwindet fast. Nasse giebt an, dass auch das Thermometer eine Abnahme der organischen Wärme nach- weise, und es war mir interessant, diese Beobachtung in zwei Fällen bestätigt zu sehen. Fünfunddreissigster Fall. Hernia incarcerata. | &| Ort der |, B Dat. | Stunde [Puls & Messung Temp. Krankheitsverlauf. Mann von 41 Jahren. Die I Einklemmung bestand seit 4 14. 11. |7vesp.| 6012| Achsel| 29,3 Stunden. Haut kühl, Puls sehr klein; heftiges Würgen und y Erbrechen. Sechsunddreissigster Fall. Hernia incarcerata. 25. 10.| 2pm.| 56 |20] Achsel | 29,4 Frau von 53 Jahren. Die Ein- klemmung seit 6 Stunden. Haut kühl; grosse Unruhe, Stöhnen u. Erbrechen. Es sind bereits 20 3 Blut gelassen. Nach der Applikation zweier Tabakskly- 4pm.| 56 » 299 stiere (jedes von 3j herb Nicot.) “= [wurde d. Puls kleiner; 26. 10.) 9am.| SO » |30,3 [viel Hitze u. Durst (Peritonitis). 27. 10.|10am.|120 132) » 131,1 |Nach der Herniotomie u. nach- dem wieder 12 3 Blut gelassen u. 48 Blutegel applieirt waren. | | | 261 So unbedeutend in beiden Fällen die Abnahme der organi- schen Wärme war, so ist es doch von Wichtigkeit, sie in Be- gleitung derselben Erscheinungen auftreten zu sehen, wie bei der asiatischen Cholera. Die in dem zweiten Falle beobachtete seceundäre Steigerung der Temperatur hängt von dem hinzuge- tretenen Entzündungsfieber ab. $ 11. Temperatur bei der Zellgewebsverhärtung der Neugeborenen. Auch bei dieser Krankheit verbindet sich mit den Erschei- nungen eines allgemeinen und schnell überhand nehmenden Collapsus eine Verminderung der organischen Wärme. Die erste genauere Mittheilung hierüber finde ich in den Vorlesun- gen von Scehönlein im Jahre 1839, worin es heisst: ‚In demselben Verhältniss, als Induration und Blauwerden zuneh- men, mindert sich die Temperatur. Wenn die Farbe noch gelblich ist, so ist die Temperatur um 3-4° vermindert; ist sie schon violett, so fühlen sich die Kranken marmorkalt, wie Leichen an, so dass der Thermometer, der bei Neugeborenen 30-31°R. zeigt, auf 15-20°R. herabsinkt.‘* Die zahlreiehsten Beobachtungen rühren von Roger her (Arch. gen. Mai 1845). Bei 19 Kindern sank die Temperatur auf 26,4, bei 7 sogar bis auf 20,85°’R. in der Achselhöhle herab; der Durchschnitt von 52 Versuchen betrug 24,8°R. Diese Wärmeabnahme betrifft ebensowohl die äusseren, als die inneren Theile des Körpers. Gleichzeitig wird die Respiration schwach, kaum bemerkbar und verlangsamt sich bis auf 14; ebenso wird der Herzschlag schwach, undeutlich und sinkt auf 110, 100, selbst 60 Schläge in der Minute, In Bezug auf die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung mag es erlaubt sein, an die zuerst von Beequerel und Brechet ausgeführten Versuche zu erinnern, aus denen sich ergeben hat, dass bei künstlich verhinderter Hautsekretion die Temperatur der Thiere ausserordentlich schnell sinkt. Sollte nicht die Annalıme gestattet sein, dass die Stelle, welche in jenen Versuchen der luftdichte Firniss vertritt, hier von dem 262 pathologisch veränderten Zellgewebe übernommen wird, wel- ches die Oberfläche des ganzen Körpers wie mit einem Panzer umgiebt. Ich besitze über die Zellgewebsverhärtung der Neugeborenen keine eigenen Temperaturbeobachtungen, benutze aber diese Gelegenheit, um an einen diagnostischen Irrthum zu erinnern, der durch Berücksichtigung der Temperaturverhältnisse sicher vermieden werden kann. Es kommt zuweilen bei Neugebore- nen sowohl, als bei etwas älteren Kindern ein schleichendes Erythem vor, welches eine der Sklerose sehr ähnliche Ver- dichtung der Haut und des Unterhautzellgewebes setzt und daher oft mit der echten Sklerose verwechselt wird. Die Ver- wechselung ist insofern von Bedeutung, als dieses Erythem eine viel weniger ungünstige Prognose giebt, als die Sklerose, und es sind gewiss manche der Fälle, wo die letztere geheilt worden sein soll, auf das erstere zu beziehen. Der Thermo- meter kann hier als diagnostisches Hilfsmittel dienen, denn bei der Sklerose sinkt die Temperatur und beim Erythem ist sie gesteigert. Ich bin zwei Mal in dem Falle gewesen, Kinder, bei denen eine Sklerose diagnostieirt worden war, auf ihre Tem- peratur zu untersuchen und fand beide Male eine Zunahme statt einer Abnahme. In beiden Fällen wurde die Diagnose „,Ery- them‘ durch den günstigen Ausgang der Krankheit bestätigt. $. 12. Temperatur bei der Blausucht und bei organischen Herzfehlern, Zu den Krankheiten, bei denen die organische Wärme ge- sunken ist, wird in der Regel auch die Blausucht gerechnet. Ich glaube aber, dass sich diese Annahme auf wenige und wahrscheinlich nicht sehr zuverlässige Messungen stützt. Unter Anderen führen Caillot, Laennee und Gintrac die Tempe- raturabnahme unter den Symptomen der Blausucht an, ebenso Piorry, welcher sich auf einige Messungen von Favre stützt, denen zufolge die Temperatur der Handfläche auf 36 Cels. und der Mundhöhle auf 38° Cels. (28,8 und 30,4°R.) gesunken sein soll. Diese Zahlen drücken aber gar keine Abnahme, sondern 263 im Gegentheil eine Zunahme der organischen Wärme aus. Ebenso sagt Schönlein: die Temperaturverminderung sei nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv und in der Hand zeige der Thermometer selten mehr als 25°. Hätten die genann- ten Aerzte sich mehr mit Tremperaturmessungen beschäftigt, so würde ihnen nicht entgangen sein, dass die von ihnen an- gegebenen Werthe bei Gesunden gar nichts Ungewöhnliches sind. Louis hält die Abnahme der Temperatur für keine konstante Erscheinung, indem er sie unter 7 Fällen nur 4 Mal gefanden haben will. Schmitz fand bei einem 7jährigen Blausüchtigen die Temperatur ein Mal normal und ein anderes Mal gesunken. Ich habe Gelegenheit gehabt, drei Individuen mit exquisiter angeborener Blausucht und das eine derselben zu wiederholten Malen auf ihre Temperatur zu untersuchen. Dazu kommen noch zwei Fälle, über die ich Beobachtungen in den nachge- lassenen Papieren des Dr. Gierse gefunden habe: Siebenunddreissigster Fall. Cyanosis congenita. Ort der Dar Messung Stunde |Puls B Temp. Krankheitsverlauf. 15. 6.!11am.|100| | Mund |30,4 (1848) 14jähriger Mensch, körperlich 28. 11.| 2pm.| 9224| Mund | 30,2 a SE ziemlich Zu ent- (1849) wickelt, Die physikalische Untersuchung ergiebt Erweite- | \Achsel | 80 rung beider Herzhälften und 25. 6.'11 am.| 100/94 | Mund |30,7 ein systolisches Blasegeräusch | | in der ganzen Herzgegend ne- (1850) | \ ben reinen Herztönen, 18. 3. 10. am.|100|192| » 130,5 (1851) | | Achtunddreissigster Fall. Cyanosis congenita. | | 19jähriges Mädchen, sehr \ schwächlich. Hypertrophie des 17. 9.| Apım.) 100 28) Mund |30,1 rechten Ventrikels; systoli- | [sches Geräusch in der ganzen Präcordialgegend. 264 Neununddreissigster Fall. Oyanosis congenita. Dat. |Stunde/Puls & Messung Temp. Krankheitsverlauf. 25. 10.11 am.| 10828 | Mund |30,1: | _?jähriger Koabe. Die physik. R Untersuchung ergiebt eine be- Achsel| 29,7 aeutende Erweiterung des rech- Brust |28,3 |ten Herzens, aber ganz reine Herztöne, Vierzigster Fall. Cyanosis congenita. (Gierse.) 14. 4.|10 am.| 96|25| Mund |30,1 | Sjähriger Knabe. Die physik. Achsel \s Untersuchung lässt keine Ver- chsel |29,9 Ferösserung, aber ein systoli- » 4pm.| 90/26| Mund |30,1 |sches Geräusch in der ganzen Einundvierzigster Fall. Mund » 13. 4.| 9am.| 70/18 16.4.| 9am.) 64/185 Herzgegend erkennen. Cyanosis congenita. (Gierse.) 31jähriger Mann. Die phy- 29,7 |sikalische Untersuchung er- ® giebt gar nichts Abnormes am 29,7 (Herzen und den grösseren Ge- fässen. Die Temperatur wurde also in dem letzten Falle normal, in den vier übrigen Fällen gesteigert gefunden. Die Steigerung belief sich bei der einen Messung sogar auf einen ganzen Grad. Temperaturabnahme wurde nicht ein einziges Mal beobachtet. Vielleicht ist die Annahme von dem Sinken der Temperatur Blausüchtiger nur dadurch entstanden, dass Morgagni, der die Krankheit zuerst beschrieben hat, und nach ihm die mei- sten Schriftsteller angeben, dass Blausüchtige ausserordentlich empfindlich gegen die Kälte sind und dass sie fast beständig an Frösteln leiden. Das Letztere kann auch ich vollkommen bestätigen, aber es hat mit der messbaren Wärme gar nichts zu thun. Auch habe ich nie gefunden, dass sich die Haut Blausüchtiger schlangenartig anfühle; sondern sie war in den von mir beobachteten Fällen gleichmässig warm. Die Meinung von dem kalten Blute Blausüchtiger stammt aus einer Zeit, als man ihnen nach der fehlerhaften Bildung des Herzens eine amphibische Natur zuschreiben zu müssen glaubte, und auch in der breiten und kulbigen Form der Na- gelglieder und Nägel eine Annäherung an den Typus der Frösche zu erkennen meinte. Auch dieses bekannte Symptom löst sich aus dem Wesen der Blausucht ohne Wunder auf, es ist die natürliche Folge der kapillaren und venösen Hyperämie, welche sich begreiflich an solchen Theilen besonders bemerk- bar machen muss, die nach allen Seiten hin freie Flächen haben und einer Ausdehnung daher am meisten fähig sind. Aus demselben Grunde sind auch die Lippen, die Ohren, Schamlefzen und die Zunge dick und kulbig. Ueber die Temperatur solcher Herzkranker, die an später entstandenen organischen Fehlern leiden, besitzen wir eine Anzahl Beobachtungen von Donn&, aus denen sich zu ergeben scheint, dass die Temperatur bei derartigen Kranken sich sehr verschieden verhalten könne. In 5 Fällen betrug dieselbe durchschnittlich: 28,3 — 29,5 — 29,3 — 30,4 — 30,6°R.; da aber alle nähere Angaben über die Natur des Herzfehlers mangeln, so lässt sich nicht ermitteln, wodurch so ansehnliche Verschie- denheiten bedingt waren. Auch ich habe eine Anzahl Herz- kranker untersucht und ebenfalls sehr ungleiche Werthe ge- funden. Ist es gestattet, aus so wenigen Beobachtungen schon Schlüsse abzuleiten, so scheint sich herauszustellen, dass bei denjenigen Formen von organischen Herzleiden, welche mit einer Hypertrophie des linken Ventrikels oder beider Ventrikel verbunden, also von einem grossen Pulse begleitet sihd, die Temperatur über das normale Maass erhöht ist, dagegen bei denjenigen Formen, welche mit einer Erweiterung des rechten Ventrikels verbunden, und von einem kleinen Pulse begleitet sind, die Temperatur normal oder unter die Norm gesunken ist. Folgende Beobachtungen geben die Belege dafür. Zweiundvierzigster Fall. Vitium_cordis. = | Orta. Dat. | Stunde |Puls| % | Mes- |Temp. Krankheitsverlauf. = | sung 7 | \ Sur 2ljährıger Mann. Diagnose: | ’ ? Hypertrophie beider Ventrikel 1. 10. | ‚100124 |Mund |30,5 "und Insuflicienz der Aorta- | | klappen. Puls gross, hart, schnell. 266 Dreiundvierzigster Fall. Vitium cordis. Stunde Puls 2 Ort der Messung Temp. Krankheitsverlauf. Dat. R 17. 12.| 2pm.| 132/24 Achsel | 30,2 | 24jähriger Mann. Diagnose: Hypertrophie des linken Ventri- kels und Insufficienz der Aorta- klappen. Puls gross und hart. » » ,108120) .» |30,2 Jnach einem Aderlass von 10 5. Vierundvierzigster Fall. Vitium cordis. 26jähriger Mann. Diagnose: Hypertrophie des Herzens und Insuffieienz mit Stenose der Aortaklappen. Pulsmässiggross. tv In w 6pm.| 6020| Achsel | 29,7 Fünfundvierzigster Fall. Vitium cordis. 22\ Achsel cienz der Mitralklappe und Di- latation des rechten Ventrikels. 15jähriger Knabe mit Insufli- 22. 2.| 7Tpm.| 84 29,9 Sechsundvierzigster Fall. Vitium cordis. 15. 10.\11am.|112|22 | Mund |29,1 \ 5ljährige Frau mit a p cienz der Mitralklappe und Di- Achsel| 29,3 lalation des rochtenyenkiiköls, eyanotische Gesichtsfarbe, be- deutende Leberhyperkmie, Dys- ) pno&; kleinem und sehr unre- 5. 10. 11 am.| 120 | 24 » 129,3 Jgelmässigem Pulse. 8. 13. Temperatur bei der Bleichsucht. Siebenundvierzigster Fall. Chlorosis. 25 jähriges Mädchen, die schon 22. 10.| 2pm.| 9624| Mund |29,5 } seit 14 Tagen Tinctur, ferri po- mati gebraucht. Achtundvierzigster Fall. Chlorosis. | 13 jähriges Mädchen, die schon $.1. | 9am.!| 100 |22 Achsel 29,9 }seit 4 Wochen die Tinet. ferri k pomati gebraucht. | Neunundvierzigster Fall. Chlorosis. Dat. | Stunde |Puls & ng Temp. Krankheitsverlauf. I 13 jähriges Mädchen, sehr 12: 1) 2pm.| 9220| Achsel| 30,2 | bleichsüchtig mit starkem Non- nengeräusch. Funfzigster Fall. Chlorosis. e 23jähriges Mädchen. Leichter 9 D) J g chte 23.1. | 10 am. | 50 18| 2 29,9 Fall verbunden mit Cardialgie. Einundfunfzigster Fall. Chlorosis. %. 1.| dam. | 144 »| » [30,051] '21jähriges Mädchen. Intensi- 2, 2.| 3pm. ver Fall. Zweiundfunfzigster Fall. Chlorosis. 8, 1. 2 pm. | 12020] N 129,25 | 20jähriges Mädchen mit sehr starkem Nonnengeräusch, Dreiundfunfzigster Fall. Chlorosis. 15.2. | 4pm. | 100 | 15] x 129,85 | 20 jähriges Mädchen, sehr chlo- rotisch. Vierundfunfzigster Fall. Chlorosis. jus|a| » |30,15 16 jähriges Mädchen, sehr chlo- rotisch. Fünfundfunfzigster Fall. Chlorosis. 29,92 | 14 jähriges Mädchen, seit 5 Wochen chlorotisch; aber die Krankheit ist jetzt in der Ab- nahme nachEisengebrauch.Non- nengeräusch noch vorhanden, aber die Wangen röthen sich. Seehsundfunfzigster Fall. Chlorosis. | 29,95 17 jähriges Mädchen, sehr chlo- rotisch. vorstehenden, an zehn bleichsüchtigen Mädchen 23. 2.|35pm.| 92|15| » | | | | ol 12 2.3.| 2pm.| 112) |» Aus den angestellten Messungen folgt, dass die Temperatur bei der Chlorose etwas über die Norm erhöht zu sein pflegt; denn die 268 Durchschnittszahl beträgt 29,93, während die Durchschnittszahl für die Temperatur gesunder Frauen (in der Achsel) auf 29,6 bestimmt wurde. Die Beobachtungen von Donne& hatten dasselbe Resultat, aber im Einzelnen noch höhere Werthe ergeben. Seine an sechs Kranken angestellten Messungen haben folgende Mittel- werthe ergeben: 29,6 — 29,6 — 29,34 - 30,2 — 30,4 — 30,7; also einen Durchschnittswerth von 30,05, der von dem meinigen kaum abweicht. Bemerkenswerth ist das Missverhältniss, welches zwischen dieser so geringfügigen Steigerung der Eigenwärme und der grossen Beschleunigung des Pulses besteht und auf das wir später noch ein Mal zurückkommen werden. Individuen, die an anderen chronischen Krankheiten leiden, habe ich wiederholt untersucht, ohne dass ich bis jetzt zu gül- tigen Resultaten gekommen wäre. Atrophische Kinder und Erwachsene, die in Folge chronischer Verdauungsstörungen abgezehrt waren, habe ich zuweilen von gesunkener Tempera- tur gefunden, in anderen Fällen aber nicht; denn wenn der- artige Zustände länger dauern und einen höheren Grad errei- chen, so entwickelt sich ein fieberhaftes Leiden und damit eine höhere organische Wärme. Ueber Diabetes und Bright- sche Krankheit, wo von Donne& die Temperatur zuweilen sehr gesunken gefunden wurde, habe ich keine eigenen Beob- achtungen. $. 14. Temperatur entzündeter Körpertheile. Bei allen bisher betrachteten Krankheitsformen hatte die Temperatur des ganzen Körpers eine Abnahme oder Zunahme erfahren. Es giebt andere, in denen sie nur local verändert gefunden wird. Wie sich in dieser Beziehung die Entzündung verhalte, ist trotz vielfältiger Versuche immer noch ein Gegenstand der Controverse. Hunter hatte bekanntlich in einigen Versuchen keine Zunahme der Temperatur, in anderen eine geringe und 269 niemals eine höhere als 0,6°R. gefunden. Beequerel fand in einem Falle die Temperatur eines serophulösen Geschwürs 3°R. höher, als die des Mundes. Gierse fand bei der durch Sinapismen erregten Entzündung keine Zunahme, bei auderen Formen von Entzündung der Haut, des Mastdarms und in ent- zündeten Wunden eine geringe Zunahme, welche niemals 0,75°R. überstieg. Meine eigenen Beobachtungen ergaben das- selbe Resultat: Siebenundfunfzigster Fall. Erythema artefactum. Auf verschiedene Stellen meines Körpers legte ich Sina- pismen, liess dieselben etwa '/, Stunde liegen, bis sie ein sehr heftiges Brennen verursachten, mass dann die Temperatur mittels des später zu beschreibenden Apparates und verglich sie mit der Temperatur entsprechender gesunder Hautstellen. | & Ortd. Dat. | Stunde Puls) & | Mes- |Temp. Krankheitsverlauf. sung 13. 10.|Svesp. | SO | Io here 27,1 | vor Legung eines Senfpflasters. » \Ivesp. 80 | \ » 127,1 |nachLegung eines Senfpflasters. 15. 10. | Svesp. | | Brust|28 |vor Legung eines Senfpflasters. » Ivesp. | | » 23 |nachLegung eines Senfpflasters. Achtundfunfzigster Fall. Morbilli. 2jähriges Kind; 3. Tag der Krankheit; das Exanthem in der Blüthe. 1156 |64 | Achsel | |Bauch Da die Temperatur der Haut des Bauches und der Brust bei gesunden Individuen zwischen 27 und 28 schwankt, so war also die mit Masern bedeckte Haut 2°%/,° R. wärmer als die normale. 32,05 30,75 Neunundfunfzigster Fall. Scarlatina. 25jähriger Mann; 3. Tag der Eruption. Brust und Bauch sind von dem Exanthem bedeckt, das Gesicht ist frei. Fieber äusserst gering. 270 | = Ort der ,n, Dat. | Stunde Puls g a Tem Brust 29,25 Er 29,5 27. 10.| 4p > 96 " Achsel |30,4 | | \ | Gesicht | 28,5 Die Temperatur wurde also an den Stellen, wo das Exan- them stand, 1-1,25° höher, als im Gesicht gefunden, wo das Exanthem fehlte und etwa 2° höher, als an der Haut Ge- sunder. Achter Fall. Erysipelas faciei, Der schon früher erwähnte Kranke. 5. 6. |10 am. | 100! Mund |32,5 | Stirn [30,5 | Brust | 30,25 Die Temperatur der entzündeten Haut war also 0,25° höher, als die der nicht entzündeten Hautstellen und etwa 3° höher, als die Temperatur der Haut bei gesunden Individuen. Sechszigster Fall. "Phlebitis cruralis. 32jährige Frau, seit $S Tagen krank, Das ganze linke Bein ist geschwollen, der Unterschenkel lebhaft geröthet, sehr heiss anzufühlen und schmerzhaft. 14. 9.| 10 am. | 120|26| Mund. | 30,8 Achsel. | 30,7 Linker Unter- schenkel.| 29,5 Rechter Unter- schenkel.| 23,5 In diesem Fall war also der entzündete Theil 1° wärmer, als der entsprechende nicht entzündete Theil und etwa 2° wär- mer, als der entsprechende Theil bei gesunden Individuen. 271 Aus diesen Beobachtungen folgt also, dass es Entzündungen giebt, bei denen keinerlei Temperaturerhöhung beobachtet wird; und andere Entzündungen, bei welchen der entzündete Theil sowohl wärmer gefunden wird, als der entsprechende Theil gesunder Individuen, als auch wärmer, als der entspre- chende nicht entzündete Theil desselben Individuums. Die Ent- zündungen letzterer Art sind zumeist die mit Fieber verbundenen. Soweit kann das Resultat nicht bezweifelt werden. Es fragt sich aber ferner, ob die gesteigerte Wärme entzündeter Theile die Folge einer vermehrten Anhäufung oder einer vermehrten Produktion sei; ob also der entzündete Theil selbst seine Wärme bilde oder ihm dieselbe nur mit dem Blute zugeführt werde? Das Blut ist der wichtigste Träger der organischen Wärme; ein entzündeter Theil nimmt mehr Blut auf, als ein nicht entzündeter; folglich nimmt ein entzündeter Theil auch mehr Wärme auf und wird unter gleichen Umständen von der Peripherie her weniger abkühlen. Die gesteigerte Wärme der Entzündungsheerde ist also wohl unzweifelhaft zum grossen Theil eine Folge der Blutanhäufung. Möglicherweise wird aber daneben auch mehr Wärme producirt. Die organische Wärme als ein Resultat des Stoffwechsels wird nicht in die- sem oder jenem Theile des Körpers, sondern in allen Theilen zugleich, in den einzelnen aber wahrscheinlich in sehr unglei- cher Menge gebildet; da aber alle Theile durch das kreisende Blut in immer erneuerter Verbindung stehen, so muss sich ihre Temperatur ausgleichen. Die Wärme des Blutes ist offen- bar die Resultante aus allen den Faktoren, welche die einzel- nen Gewebe liefern. Hieraus folgt, dass mit Ausnahme der peripherischen Theile des Körpers, welche dureh Ausstrahlung und Verdunstung eine beständige Abkühlung erfahren, alle inneren Theile nahezu gleiche Temperatur besitzen müssen. Kleinere Temperaturdifferenzen erhalten sich aber trotz dieser beständigen Ausgleichung, wie die von allen Beobachtern be- stätigte Differenz zwischen der Temperatur des rechten und linken Herzens und die von mir gefundene höhere Wärme des schwangeren Uterus beweisen. Es könnte also auch der Fall eintreten, dass ein entzündetes Organ eine höhere Wärme be- 272 sässe, als alle benachbarten, dass es der wärmste Theil des ganzen Körpers sei. Wäre dies je mit Sicherheit beobachtet worden, so würde dadurch unwiderleglich bewiesen sein, dass dieses Plus an Wärme von dem entzündeten Organe selbst be- reitet wäre. Alle bisherigen Beobachtungen lehren aber nur, dass der entzündete Theil wärmer, als der entsprechende nicht entzündete Theil ist, sie lehren aber nicht, dass er wärmer als das Blut ist. Im Gegentheil, da man meist peripherische Organe zur Untersuchung gewählt hat, fand man sie meist ansehnlich kälter, als das Blut oder die inneren gesunden Organe. Die einzige entgegenstehende Beobachtung ist die von Beeque- rel, welcher eine entzündete scrophulöse Geschwulst um 2,1°R. wärmer fand, als die Mundhöhle desselben Individuums; aber hier ist die Differenz viel zu gross, als dass man nicht glau- ben sollte, dass ein Fehler bei der Beobachtung untergelaufen wäre. Nach allem diesen halte ich es bis jetzt für unerwiesen. dass ein entzündeter Theilselbstständig eine höhere Wärmebilde. $. 15. Temperatur gelähmter Körpertheile. 1) De Haön beobachtete bei einer apoplektischen Frau, dass die gelähmten Theile bedeutend an Wärme verloren. Der Unterschied zwischen dem nicht gelähmten betrug 10°R. 2) Earle fand bei einem Manne, dessen linker Arm durch eine Quetschung des Armnervengeflechts gelähmt war, eine gemperaturdifferenz von 9,3°R. zwischen der gesunden und der Telähmten Hand. 2 3) Derselbe fand bei einem Mädchen, die in Folge einer Durchschneidung des Ulnarnerven eine Lähmung des 4. und 5. Fingers bekommen hatte, diese immer kälter, als die übrigen Finger. Derselbe Autor giebt ferner an, dass ihm noch mehr als 25 Fälle bekannt seien, wo die Temperatur gelähmter Glieder erniedrigt gefunden wurde. Dagegen fanden Becquerel und Brechet bei einem he- miplegischen Manne keine Temperaturverschiedenheit zwischen der gelähmten und der gesunden Seite. ® 5) Schmitz bestimmte die Temperatur in folgenden fünf a 273 Fällen von Paralyse: Allgemeine, beiderseitige Lähmung, wahrscheinlich in Folge von Bluterguss im Rückgrathskanal. Die Temperatur der gelähmten Theile ist etwas vermindert; die Verminderung nimmt zu mit der Lähmung und nimmt ab mit dem Nachlass derselben. 6) Halbseitige Lähmung bei einem Epileptischen. Die kranke Seite ist durchgehends kälter, als die gesunde. Die Differenz beträgt in der Ellenbuge S°R. 7) Hemiplegie. Die kranke und gesunde Körperhälfte ha- ben gleiche Temperatur; nur in der Achselhöhle zeigt sich eine sehr geringe Differenz. 5) Rechtsseitige Paresis. Die kranke Seite ist durchgehends etwas kälter, als die gesunde. In der Kniekehle beträgt der Unterschied 1,5. 9) Lähmung des linken Arms in Folge von Apoplexie. Die gelähmte Hand ist 9° kälter, als die gesunde. Unter diesen neun Fällen befinden sich also zwei, in denen keine Temperaturverminderung der gelähmten Theile beob- achtet wurde; in allen übrigen Fällen war die Temperatur ge- sunken; zuweilen sogar bis auf 15 und 17°, also wenig höher geblieben als die Zimmerwärme. Einundsechssigster Fall. Paraplegie. 29 jähriges Mädchen, seit 1'/, Jahren aus unbekannten Ursa- chen an Beinen, Blase und Mastdarm ad sensum und ad motum gelähmt. Puls an der Poplitäa ist unverändert, a &| Ort der | Dat. | Stunde Puls & ode Temp. \ — 21.10. 4pm.| 76 14 | Achsel |29,8 Die Zeipniameßtuie betrug 15° R. rechte Kniekehle| 21,75 , am rech- \ | knöchel | 18,2 am linken | Fuss- | | knöchel \17 | ‚ten Fuss- | | | I Müllers Archiv, 1852, 18 274 Zweiundsechszigster Fall. Paraplegie. 33jähriges Frauenzimmer, seit 10 Jahren an den unteren Extremitäten gelähut; Blase und Mastdarm sind frei. Die Lähmung nur ad motum; aber es finden beständig zitternde zuckende Bewegungen in den gelähmten Theilen statt. Puls an der Poplitaea vorhanden. Datum Stunde Puls ä a Temp. Krankheitsverlauf. 9.1. | 3pm.| S4/]20), Mund 129,9 | Die Zimmerwärme betrug 16°R. Die gelähmten Theile Achsel |29,9 | fühlten sich kalt an, wurden rechte aber im Bette bald wärmer. Kniekehle| 23 linke Kniekehle| 23,5 rechter Fuss- knöchel | 13,2 linker Fuss- knöchel | 18,5 Dreiundsechszigster Fall. Paralysis brachialis. 40jähriger Mann; leidet seit 9 Wochen an einer vollständi- gen Lähmung der rechten Hand in Folge von Ueberanstren- gung. Die gelähmte Hand ist auffalleud kühl anzufühlen. Der Puls an der gelähmten Seite unverändert. linke Hand 128,6 rechte Hand 15,6 19. 10.| 2pm.| 68/12] Mund 29,9 | | | Vierundsechszigster Fall. Hemiplegia. 40jähriges Mädchen, seit 8 Monaten auf der ganzen linken Körperhälfte gelähmt. Dabei. sind Kontrakturen und sub- 275 jektive Schmerzempfindungen in den gelähmten Theilen vor- handen. Datum |Stunde/Puls A rt Temp. 3. 10. 2| 14) Mund |29,6 | 1 rechte | Hand 28,6 | linke | | Hand 28,3 | \ rechte | Kniekehle; 27,5 linke | Kniekehle! 27,6 15.12. 108 |24| Mund 130,5 | rechte | Kniekehle! 28 | linke | Kniekehle| 24,5 \ rechte Fuss- knöchel |25 | linke Fuss- | knöchel | 18 linke | Fuss- BEN rücken |17 Krankheitsverlauf. Der Puls scheint auf der gelähmten Seite kleiner, als auf der gesunden Seite. Ende November trat spon- taner Brand des linken Fusses bis zur Mitte der Wade hinauf ein. Die bran- digen Theile sind kalt, un- empfindlich, aber der Sitz sehr heftiger Schmerzen. Die Kranke starb in der Folge und die Sektion er- gab eine entzündliche Ge- hirnerweichung in der Um- gegend eines alten Blutex- travasates in der rechten Gehirnhälfte. Unter vier von mir beobachteten Fällen sind also drei, in denen die Temperatur der gelähmten Theile niedriger und einer, in dem sie gleich oder sogar um ein Geringes höher gefunden wurde, als in den gesunden Theilen. In dem letzteren Falle sank zwar später die Temperatur des gelähmten Beines eben- falls, aber erst nachdem dasselbe von Sphacelus befallen wor- den war und jede Bluteirkulation darin aufgehört hatte. 18 * 276 Im Ganzen sind also unter 13 Fällen 3 (also etwa der vierte Theil) beobachtet, in denen die Temperatur der gelähmten Glieder nicht gesunken war. Sie bilden also jedenfalls die Ausnahme, und die anderen die Regel. Ueber die Ursachen dieser Verschiedenheit fehlen alle Andeutungen. Mein letzter Fall war ein solcher, bei dem die gelähmten Theile sieh in Folge der fortbestehenden centralen Reizung in einem Zustande dauernder Contraktur befanden. Ob dasselbe auch bei den beiden Fällen von Becequerel und Schmitz statt fand, ist nicht angegeben. Alle drei Fälle waren übrigens Hemiplegien. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle verlieren also die gelähmten Theile an Wärme. Dass dieser Verlust sehr schnell eintritt, davon habe ich mich in einem Falle überzeugt, wo eine Frau, welche die Nacht mit dem Kopfe auf dem Arm gelegen hatte, mit einer Lähmung des Arms erwachte und so- gleich zu mir kam. Der gelähmte Arm war bedeutend kälter; die genaueren Zahlen habe ich aber nicht angemerkt. Was die Ursachen der Temperaturabnahme betrifft, so kann die doppelte Möglichkeit gedacht werden: entweder beruht sie nur auf mangelnder Zufuhr, oder sie beruht auf mangelnder Produktion von Wärme. Ersteres würde anzunehmen sein, wenn sich erweisen liesse, dass ein gelähmtes Glied weniger Blut empfängt, als ein gesundes; aber aus dem Pulse wenig- stens lässt sich dies nicht erweisen. Ich habe bei Hemiplegi- schen den Radialpuls auf beiden Seiten gewöhnlich ganz gleich gefunden; nur in wenigen Fällen auf der gelähmten Seite etwas kleiner. Andere Aerzte wollen ihn im Gegentheil grös- ser gefunden haben. Die Angaben sind eben verschieden, je nachdem man sich vorstellte, dass eine gelähmte Arterie durch die Blutwelle stärker ausgedehnt werden müsse, oder dass sie sich schwächer kontrahiren müsse. Einen Unterschied im Lumen der Arterien habe ich bei frisch entstandenen Lähmungen nie bemerkt, bei veralteten Lähmungen findet man die Arterie allerdings kleiner, aber dies steht in gradem. Verhältnisse mit der allgemeinen Atrophie solcher Glieder. Nur eine Form von Lähmung giebt es, bei der die Blutzu- fuhr entschieden vermindert oder ganz gehemmt ist: es sind 277 dies die Lähmungen in Folge von Entzündung und Obliteration der Arterien, welche gewöhnlich schnell in Brand übergehen. Die schnelle Abkühlung solcher Glieder wird von allen Beob- achtern hervorgehoben; aber derartige Fälle sind bekanntlich selten. In der Mehrzahl der Fälle ist wohl die Blutzufuhr zu den gelähmten Theilen nicht, oder doch nicht ansehnlich ver- mindert. Dagegen giebt es Gründe für die Annahme, dass die Wechselwirkung zwischen Blut und Geweben in gelähmten Theilen vermindert sei: gelähmte Theile bleiben im Wachs- thum zurück, die Nägel an den Fingern und Zehen hören auf zu wachsen; gelähmte Theile schwitzen nicht, Sinapismen ete. wirken viel schwächer, Wunden und Geschwüre heilen lang- samer etc. Da man nun die Erzeugung der organischen Wärme als eine Folge dieser Wechselwirkung zu betrachten hat, so ist es wahrscheinlich, dass auch sie vermindert sei; und dass die Temperaturabnahme gelähmter Glieder eben hierin ihren Grund habe. Eine dritte mögliche Ursache, dass die periphe- rische Abkühlung gelähmter Glieder gesteigert sei, entbehrt aller Wahrscheinlichkeit. $. 16. . Ueber die scheinbare Wärme bei Kranken. Dem Gefühle von Wärme und Kälte, welche der Arzt empfindet, wenn er seine Hand auf die Haut der Kranken legt, entsprechen keinesweges immer die durch das T’herno- meter gefundenen Werthe. Eine durch ein Senfpflaster geröthete Hautstelle fühlt sich heiss an, die gesunde Haut daneben nur mässig warm und doch ergiebt die Messung, dass beide Stellen gleiche Tempe- ratur haben. Bei manchen Hautentzündungen, bei intensiven Fiebern, besonders solchen mit asthenischem Charakter, steigert sich die Hitzeempfindung in der aufgelegten Hand zu einem wahr- haften Brennen, so dass man die Berührung nur einen Augen- blick ertragen zu können glaubt, und dennoch zeigt das Ther- mometer in den intensivsten Fällen der Art keine grössere Zunahme, als um 2-3°R. 278 Während des Fieberfrostes, noch mehr aber im asphykti- schen Stadium der Cholera fühlt sich die Haut des Kranken kalt, selbst eisig an und dennoch beträgt die wirkliche Ab- kühlung auf der Brust höchstens 4 und an den Extremitäten höchstens 7°R. Es fragt sich, worin dieses auffallende Missverhältniss be- gründet sei. Das verschiedene Wärmegefühl, welches uns die Berührung lebloser Gegenstände giebt, hängt von zwei Umständen ab, nämlich von dem Grade ihrer Erwärmung und von ihrem Wärmeleitungsvermögen. Ein Körper kann sich immer nur warm anfühlen, wenn er wirklich wärmer, und kalt anfühlen, wenn er wirklich kälter ist, als die Hand, die ihn berührt. Alles andere gleichgesetzt wird er uns um so kälter oder um so wärmer erscheinen, je mehr seine Temperatur nach der einen oder nach der anderen Seite von der Temperatur unserer Hand abweicht. Aber zwei verschiedene Körper, auf dieselbe Temperatur erwärmt, geben uns doch einen verschiedenen Eindruck von Wärme. Ein 40° warmes Metall erscheint uns ungleich wär- mer, als ein 40° warmes Stück Holz, weil das Metall, als der bessere Wärmeleiter seine Temperatur schneller mit der un- serer Hand ausgleicht, d.h. mehr Wärme in unsere Hand überströmen lässt, als das Holz in einem gleiehen Zeit- momente. Umgekehrt erscheint uns Metall von 10°R. viel kälter, als Holz von gleicher Temperatur, weil ersteres unserer Hand in derselben Zeit mehr Wärme entzieht, als das Holz. Da die Temperatur in der Hohlhand eines Gesunden durch- schnittlich 28,1°R. zu betragen pflegt, so werden uns alle Kör- per, die eine geringere Temperatur haben, kühl erscheinen und die guten Wärmeleiter verhältnissmässig am kältesten. Alle Körper dagegen, die eine höhere Temperatumhaben, wer- den uns warm erscheinen und die guten Wärmeleiter verhält- nissmässig am wärmsten. Diese Sätze können nicht ohne Weiteres auf die lebenden Körper angewendet werden, denn es ist undenkbar. dass etwa 279 das Gewebe der Kutis heute ein schlechter und morgen ein guter Wärmeleiter sei. Was aber in todten Körpern die Ver- schiedenheit des Stoffes, des Aggregatzustandes ete. bewirkt, das bewirkt in lebenden Körpern die veränderliche Anhäufung und Bewegung des Blutes. Je mehr Blut sich in erweiterten Kapillaren der Haut ansammelt, und je schneller es durch immer neues ersetzt wird, desto mehr Wärme wird an die kältere Umgebung übergehen. Im Allgemeinen muss die Wärmeausstrahlung gemessen werden können durch die Schnel- ligkeit, mit welcher das Quecksilber in einem auf die Haut gesetzten Thermometer steigt; denn wenn in einem gewissen Zeitraume mehr Wärme in das Quecksilber überströmt, als in einem anderen gleich langen Zeitraume, so wird es während des ersteren einen um so grösseren Weg in der Röhre zurück- legen. Wenn also eine Hautstelle mehr Wärme ausstrahlt, als eine zweite, so wird das auf die erstere applieirte Thermome- ter schneller seinen höchsten Rand erreichen, als wenn es auf die zweite Hautstelle applieirt wird. Dass es sich so verhalte, hat schon Gierse gelegentlieh seiner Versuche über die Ent- zündungswärme beiläufig bemerkt. Es kam aber darauf an, den Beobachtungen einen hinreichenden Grad von Genauigkeit zu geben. Es wurde eiu Thermometer mit einer kleinen Glas- glocke so umgeben, dass der Rand der Glasglocke mit der Spitze der Thermometerkugel in derselben Ebene sich befand, die Skale aber aus .der in der Mitte durchbohrten Glasglocke hervorragte. Die Glocke wurde nun auf den zu untersuchenden Körper- theil gesetzt, so dass nur die Spitze der T’hermometerkugel die Haut berührte. Da das Thermometer in dem Boden der Glocke etwas beweglich war, so konnte es leicht um ein Ge- ringes höher oder tiefer gestellt werden. Auf diese Weise ist man im Stande, in allen Fällen eine genaue gleiche Berüh- rungsfläche zwischen Haut und Thermometer herzustellen, was das nothwendigste Erforderniss ist. Fürs Zweite wird die Quecksilberkugel auf diese Weise vor jeder Art von Luft- strömungen geschützt und mit einer ruhenden Luftschicht umgeben, welche, da sie selbst mit erwärmt wird, die Abküh- 280 lung der Kugel beschränkt. Mit dem Beginne einer jeden Be- obachtung wurde nun von Minute zu Minute genau die Höhe des Quecksilberstandes angemerkt und die Beobachtung nicht eher geschlossen, bis sich derselbe binnen 5 Minuten nicht mehr verändert hatte. Das Thermometer war ein sehr empfind- liches. Auf diese Weise wurden nun Werthe gewonnen für die absolute Wärmehöhe der untersuchten Hautstelle und Werthe für die Schnelligkeit, mit welcher das T'hermometer diese Höhe erreichte. Die letzteren haben natürlich nur eine relative Gültigkeit, sie würden für ein jedes andere Thermo- meter, für jede andere Methode es anzuwenden verschieden ausgefallen sein. Absolute Werthe für die vom Körper in einer gegebenen Zeit ausgeströmten Wärme zu erhalten — so wichtig sie für die Physiologie wäre — sehe ich bis jetzt keine Möglichkeit ein. Etwa ein bekanntes Volumen Wasser mit der Haut in Berührung zu bringen und die Zeit zu bestimmen, in welcher es sich um 1°R. höher erwärmt, woraus sich dann bei der bekannten Wärmekapaeität des Wassers die ausgeströmte Wärme berechnen liesse — ist deshalb ganz unthunlich, weil das kältere Wasssr sofort verändernd auf das Kapillarnetz der Haut zurückwirken müsste. Also in Ermangelung von besseren theile ich im Folgenden meine auf die angegebene Weise erhaltenen Resultate mit: 1. Wärmeabgabe bei Gesunden. Die Messungen I- VI sind auf der Brust, VII am Ober- schenkel, VIII am Unterschenkel angestellt, und zwar I-IV bei einem 27jährigen, V bei einem 20jährigen, VI bei einem 2Sjährigen, VII bei einem 27jährigen gesunden Manne. VII bei einem 32jährigen Frauenzimmer, die an Phlebitis litt, der- selben, deren Temperaturbestimmungen bereits im 60. Falle mitgetheilt sind. Da dieselbe zugleich etwas fieberte, so gehört sie streng genommen nicht in diese Kategorie. Die Messung geschah am gesunden Unterschenkel. 281 "u9JeJLımoax] Up ur Jena op me « ef urgl pun « 20°[ ur oI po “uopnumy est ur „g‘gT pum uopnumm G‘CL Ur SFT YLmruyosya.mp os[e Po Im nn um 6L | "um ST “ur GT | "Ur ET | ur 97T | urn 9r| ur FI |UN LT ut ur ur ur ur ur ur ur cp Let SSL | HELL | nghret I ocer 91 "IIIA "IIA "IA "A "AT STILE IT I :U0A Yonınz So UELI OAUOLWPWOULIIT, TOP ur dOqjısyoand) sep osje 2188] SC % rel c'eel 0&-FI |IITA e'Tel 08 SI-FI |IIA LT] C'& DSSEFITA 1o8% ee sI-H A SL YeIcL ae 0°-#l Al “a SRESI-EI u eegslcrTe 6I-Cı II ga‘a| os eLı-at I ing | # | be ege| G’sal Fise| Fise| e'sal a'scl Sacı'ıal gralesııa 2algı’de| c'zlcz'gel 9x Tal ııa Ita 20 s‘9al 2'9alec‘9z F9elca‘9el 196. S‘cal 9°ca, acacıFel ers suragrtracrra[erel 2‘rel ga sıa wre are 2el 69a ca‘9el C‘9a Ca salca'sa0a'8aca'sacasalcı'se Sal G'ralcı'ıcı ga FLe| ra cı'gelca‘gz sel @sc a'sc| a'saicı'sel ı’sel Sal sra 2a g'rel FLc ac 2eler‘gz erisagı'saler'sa[cı'szl 2°87, 2’8aleo'sach'scı eise Tisalestuaarız eraleaız ga gg cz g'sal g'sal v'sel Esz| 1'82| G'raler | Gel 2120896 sel sel Sal sa) 622 6'La| S'za) Hra| Fird| ara] 6°95 lez’galcrcz 070% ol selaulalalnlelalılolsls]| 2] 9] ce uognurm Aop [ywZz 282 :9JJ9TO.LIO PusIg UIsYDOy UULS AOJWOULIOUT Sep SSep “yars Iqalwıo os ‘751 uassowsad apumjsnz usopunzyuo wm spe ‘uopunsas ur [YOMOS JIOLTL, 9A[PSAOP wnnpIAIpUT uogqjpswop Toq oM “usunmuwsnz op] uosruofoıp ueur APIS « Lo ur oI po uopmumy OT UI „EI UoA yoımyugssmpinp Yonınz So uaura DATISYVONT) Sep ne] dep usSunpunzyurf uap 194 OST 9799] “Yautpaaaq AaLLıoA OIM osro M ?q[psaıp puny | 9°08 | 9°08 | 9°08 | 9°08 | 9°08 | sog | «og | «ea | 29-61 | IX c'6 | g'65 | g'6a | 0'6a| g'sa | F'6a | Eon | ach | 6a 2'85 | c'8a | a's5 | 1a ea | g'9a | der | 7% GIe-HL | IX 123 | Tıa | 1728| 126 | 28 |6'98 | 2°96 | S'9@ | 1'906 | viea | e'oa | 296 | Focal 0X ss| 86| sel sol sel 6'2a | s'2a | 92a | era | 2'986 | 198 | ca | +2 187@1 | XT are Fe ee N erTr Tel 7 i ua I |-smunz "uOpIOM UOWWMOUHS.IOA ANBYUIIS USPPUNZFU2 IBUGOT Ayps aop uw 481 Sumssom ap pun soppeg 's Sop wmnprampuy oJoywyoq 210D/ spjadıshus yuu sup Iyrgaq yoııpuo IIX Fumssom arcı (EA '09) "Y9punzyuo Iyeyga] s7192747 oA o8J0,] ur aoqu um joyuoyos -10}u[) oyur doc] "oNey uagas.ıa JITA Funssom op Joyuayasaaguf]) dayıpaı uassap Yıprwad sumnpmıpur uagjos -sop PAYUOYDSLNU[) UOyU We JS IX Sunssop rc] "Ypunzyus aagswydjuag us yoamp speyuogs 4240| um Anery ap age “ae uomuousS1oA JIA Sunssom aıp yanz urp 104 ‘y[eIsoFur Sumnprarpup uoqjossop Toyuoms.10gO wm 981 X Zunssom OL] 'UspaoMm 727810A Funpunzyugg ur aojswydzuag ur ıpanp zoqw wm ne arg] “em om -wouoßIloA [ Funssopy op yanz wep 19q “L2IsoFur swunnprarpup uagjpssop 4snagg aap uw Ist XI Sunssom ar] "uodumpunzjuopney] Tag ogusgrewam A "7 283 16a | Tea | 16a | 6% 285 | s'sa | 1‘8a | e'2a | c'9a | c’ra | Ia-PI | IIIAX 9°62 | a | 1°6a | 28a | E'sa 22a | Ta |etaa | Ca|cea| 1a-FI | AX ge \erue | ya \era| 26 | 998 | 98 | ıea| Fa 2'ac | C‘0a-91 | TAX oz | Fa | era | aaa | u | 28a | eis | stıa | si9a | 314 la eouche gelatineuse (glashelle Schicht) qui dans l’oeuf revet en dehors la masse vitelline“‘. —- Hiernach ist aber die An- sicht Kölliker’s (Annal. d. se. natur. 1846. T. 5. p. 218), als entstehe der Mantel bei Amauroweium Nordmanni und Aplidium yibbulosum erst nach der Dotterfurchung um den Embryo, wi- derlegt. Auch möchte ich nicht zweifeln, dass es die in Rede stehende Schicht sei, die von v. Beneden (Mem. s. l’embryo- genie, l’anat. et la physiol. d. Aseidies, in Mem. d. l’acad. de Bruxelles, T. 20. p. 37) für die Eiweissschicht des Eies ange- sehen worden ist, obwohl schonM.Edwards auf die Möglich- keit, leicht in diesen Irrthum zu verfallen, aufmerksam macht. 2) Dotterfurchung und Embryo. Ohne Zweifel werden die Eier, wie es schon Cuvier be- hauptet, und v. Baer mit überzeugenderen Gründen darzuthun gesucht hat, in der sogenannten Kloake befruchtet, in welche der Samenkanal und der Eileiter dicht bei einander münden. Da man aber in diesem Raume bei den Phallusien niemals in der Entwickelung begriffene Eier antrifft, wie dies doch bei den zusammengesetzten Ascidien gewöhnlich der Fall, so ist wohl nichts wahrscheinlicher, als dass die Eier bald nach der Befruchtung ausgeleert werden, und dass ihre Entwickelung erst ausserhalb des Mutterleibes beginnt. Zwei bis drei Stunden etwa, nachdem der Samen mit den Eiern in Contact gebracht worden, stellt sich die Furchung des Dotters ein. Sie geht, während der ersten Stadien wenig- stens, nach einer sehr regelmässigen Progression von statten. Ich glaube mich ziemlich sicher überzeugt zu haben, dass jede Furchungskugel, nach vollendeter Theilung, von einer äusserst feinen Hülle umkleidet sei. Bei Zusatz von mit Essigsäure geschwängertem Wasser, sieht man diese Hülle von dem auf einen kleineren Raum sich zusammendrängenden Dotterinhalte allmählig als selbstständige Membran sich abheben. Was aber die hellen bläschenförmigen Kerne innerhalb der Furchungs- kugeln betrifft, so glaube ich zu dem Resultate gekommen zu sein, dass sie bei jeder bevorstehenden neuen Theilung schwin- den, und erst nachdem diese zu Ende gebracht worden, wie- der neugebildet zum Vorschein kommen. Statt ihrer bemerkt 315 man in jeder in der Theilung begriffenen Kugel eine ganz eigenthümliche Anordnung der Dottermoleküle. Es haben sich nämlich letztere in dichte Streifen geordnet, die aus der Tiefe vom Mittelpunkte aus radienförmig nach allen Seiten gegen die lichtere Peripherie der Kugel gerichtet sind, und von zwei Irradiationscentren auszugehen scheinen. Sind nach beendeter Theilung die Kerne innerhalb der neuen Furchungskugeln zum Vorschein gekommen, so hat sich auch jene strahlige Streifung verloren, und es finden sich die Dotterkörner in den Kugeln, nun wieder ohne sichtliche Ordnung dicht neben einander ge- lagert. Alle diese Erscheinungen stehen aber mit der neuern Ansicht über den Furchungsprocess, wie sie zuerst von Rei- chert (in dies. Archiv. 1846. p. 196.) entwickelt worden ist, im Einklang. { Die glashelle Schicht über dem Dotter, die wir eben als die dem unbefruchteten Eie beigegebene Uranlage des künf- tigen Mantels kennen gelernt haben, nimmt nieht den minde- sten Antheil an diesen durchgreifenden Umwandlungen der Dottermasse; sie bleibt, ohne irgend eine Veränderung zu er- fahren, der Eihaut dicht angelagert. Vor Ablauf der ersten vier und zwanzig Stunden nach der Befruchtung trifft man in den meisten Eiern den Embryo in der bekannten cercarienförmigen Gestalt, mit mehr oder min- der entwickeltem Schwänzchen an. Er ist vom Mantel, der die noch ganz unveränderten grünen Gebilde enthält, umhüllt, und durch einen mit Flüssigkeit gefüllten Zwischenraum von der Eihaut geschieden. Die Substanz des Leibes und Schwänz- chens besteht aus Zellen; wenigstens unterscheidet man letz- tere an der Oberfläche dieser Theile deutlich. Die Zellen sind polygonal, enthalten Körner und noch ausserdem einen Cen- tralkern. Die Achse des Schwänzchens ist aus grösseren rec- tangulären, einfach hinter einander gereihten, ebenfalls mit einem Centralkern versehenen Zellen zusammengesetzt, und erhält hierdurch ein quergestreiftes oder gegliedertes Ansehen *). *) Dies Gefüge der Schwanzachse aus grossen rectangulären Zellen, ist an den Embryonen von Amauroucium Nordmanni und Aplidium zuerst von Kölliker (I. c. p. 221. Fig. 43) nachgewiesen worden. 316 Ueber die Bildung des Schwänzchens sind die Ansichten getheilt. NachM.Edwards soll die peripherische Portion des Embryo, in einem Stücke gleichsam, als Schwänzchen sich vom Leibe abschnüren. Kölliker folgt einer ähnlichen Ansicht, wenn er behauptet, dass das Schwänzchen nicht nach Art eines Fortsatzes hervorwachse, sondern als ein bestimmter Theil des Blastems, gleich anfangs in seiner ganzen Länge, sich vom Leibe absondere. Nach v. Beneden dagegen keimt das Schwänzchen als kurzer Vorsprung hervor, der sich erst nach und nach verlängert. Ich kann nicht auders als dieser letzteren Meinung beistimmen. In der That zeigt sich das Schwänzchen, nach meinen Beobachtungen, bei jüngeren Em- bryonen im Verhältniss zum Leibe, noch sehr kurz und dick, obwohl es schon in einen leichten Bogen gekrümmt erscheint. Später wird es immer länger und schlanker und umfasst den Leib in immer grösserem Bogen, bis es zuletzt so herange- wachsen ist, dass es mit seinem Endtheil den Vorderleib des Embryo umschlingt. Kurz bevor die Ausbildung der Larve vollendet ist, erleidet das Schwänzchen merkwürdige Umwandlungen. Es höhlt sich nämlich seine Achse, indem das ganze Zellengefüge derselben allmählig schwindet, in einen Kanal aus. Dieser mit gleich- zeitiger Verflüssigung des Zelleninhalts vergesellschaftete Aus- höhlungsprocess scheint immer von den beiden, in gegenseiti- gem Contaet mit einander stehenden Wandungen je zweier Zellen und zwar an mehreren Stellen zugleich, auszugehen, und dehnt sich immer weiter aus, bis zuletzt, durch das In- einanderfliessen der einzelnen Hohlräume, der gedachte Kanal in der ganzen Länge der Achse zu Stande gekommen ist. Mitt- lerweile aber scheint sich die aus kleineren Zellen zusammen- gesetzte oberflächliche Schicht der Schwanzachse in eine aus Längsfasern bestehende Muskellage umgewandelt zu haben, durch deren Thätigkeit jene raschen Bewegungen des Schwänz- chens hervorgerufen werden, die man an den Larven nach der Geburt wahrnimmt. Gegenwärtig äussern sich diese Bewe- gungen nur in zeitweise auftretenden, in der letzten Periode der Larvenentwickelung immer häufiger werdenden Zuckungen 317 des Schwänzchens. “In Folge dieser Zuckungen reisst endlich die Eihülle ein, und es schlüpft so die Larve gegen die dreis- sigste Stunde etwa nach der Befruchtung aus. Noch ein Punkt darf hier nicht übergangen werden. Er betrifft die beiden dunkeln Pigmentflecke, die man am Rücken der Larvenembryonen beobachtet, aber zu voreilig, wie mir scheint, für Augen angesehen hat. Zunächst sieht man nur einen einzigen Pigmentfleck genau in der Mittellinie des Rük- kens erscheinen. Hinter diesem und mehr seitwärts, wird bald ein zweiter grösserer (s. Fig.1,e.) sichtbar. Es ist mir nie gelungen, ein brechendes Medium an diesen Pigmentflecken zu entdecken, aber eben so wenig war es mir möglich, das optische Bild in der nächsten Umgebung dieser Flecke, das ich in der eben eitirten Figur treu wiederzugeben mich bestrebt habe, auf eine zufriedenstellende Weise zu deuten. So viel ist sicher, dass beide Pigmentflecke, die in der Larve noch immer von einander gesondert bleiben (s. Fig. 2.), bei der Metamor- phose einander ganz nahe rücken, und während der Entwik- kelung der jungen Aseidie, als eine scheinbar einige, dicht unter dem Nervenknoten gelagerte Masse, noch lange Zeit fortbestehen. Endlich aber zerfällt diese Masse in die zwei ursprünglichen oder auch in mehrere Stücke, und gelangt so in den Blutstrom, in welehem man sie noch einige Zeit hin- und hertreiben sieht, bis sie zuletzt gänzlich sich auflöst und verschwindet. Dieses lange, weit über das Larvenleben hin- ausreichende Fortbestehen der Pigmentflecke scheint mir mit der ihnen zugeschriebenen Function nicht in Einklang gebracht werden zu können. Vorläufig bleibt also ihre wahre Bedeu- tung noch räthselhaft. 3) Larve. (s. Fig. 2.) Der Leib der ausgeschlüpften Larven ist länglich, hat zwei schwach gewölbte Seitenflächen, und ist an seinem vorderen Ende mit drei sehr kurzen, wie es scheint saugnapfartig ver- tieften Fortsätzen versehen, Zwei davon liegen höher und einander seitlich gegenüber, der dritte von der Mitte des Vor- derleibes entspringende, mehr unterwärts. Mittelst dieser Fort- sätze, die man schon am Embryo in Form von konischen 318 Vorsprüngen antrifit (s. Fig. 1, ce.), setzt sich die Larve an den geeigneten Boden fest, um ihre Metamorphose zu bestehen. Diese von M.Edwards zuerst gesehenen und ganz richtig ge- deuteten Fortsätze, deren Anwesenheit auch durch Kölliker bestätigt wird, sind von v. Beneden, wie es scheint, ganz übersehen worden. In Bezug auf die Mantelhülle des Schwänzchens' sei hier noch angeführt, dass sie zuletzt mit einem flossenartig ausge- breiteten, wahrscheinlich horizontal gestellten Anhange endet. Die wahre Beschaffenheit dieses Anhangs ist anfangs um so schwerer zu erkennen, als man ihn nur selten in seiner ganzen Breite unter dem Mikroskope zu Gesicht bekommt. Daher scheint es mir, als sei der geisselförmige Fortsatz, in den nach v. Beneden die Mantelhülle des Schwänzehens bei den Larven von Ascid. ampulloides (l. c. Pl. 2) auslaufen soll, ein ähnlicher, nur stärker entwickelter, und von der Känte aus gesehener Anhang. 4) Metamorphose und Entwickelung. Die Veränderungen, die das Schwänzchen unmittelbar nach der Anheftung der Larve erleidet, sind im Ganzen schon von M.Edwards der Natur gemäss aufgefasst worden. Nach die- sem Forscher zieht sich nämlich die contractile Centralportion oder die Achse des Schwänzcheus aus seiner Mantelhülle all- mählig heraus und tritt zuletzt in den Leib der Larve, so dass die Hülle als leere, in einer spätern Zeit abfallende Scheide zurückbleibt. Was aber aus der also zurückgezogenen Achse ferner wird, darüber geben die Untersuchungen von M. Ed- wards keinen Aufschluss. Nach meinen Beobachtungen ist das Herauslösen und Zu- rückziehen der, wie wir sahen, mit ihrer Wurzel tief in den Leib der Larve eingesenkten Schwanzachse, nur das Vorspiel zu dem Verkümmerungsprocesse, dem sie bald darauf unter- liegt. Unmittelbar nachdem sie sich zurückgezogen, findet man die Schwanzachse noch ganz wohlerhalten in der hinteren Ab- theilung des nun grösser gewordenen Leibes. Hier liegt sie spiralig in einen Knäuel eingerollt, den man mittelst vorsich- tig verstärkter Compression, anfangs noch ziemlich leicht aus 319 dem Leibe herauszudrücken und zu entrollen vermag. Wäh- rend nun die Entwickelung der jungen Ascidie beginnt, zer- fällt der Knäuel zunächst in viele dicht neben einander ge- drängte Läppchen und verkümmert nun nach und nach auf diese Weise, dass die Läppchen bis auf winzige Ueberbleibsel immer kleiner und seltener werden. Zuletzt verschwinden auch diese Ueberbleibsel. Anfangs nimmt der also im Verkümmern begriffene Knäuel noch, wie früher, die ganze hintere Leibes- abtheilung der sich entwickelnden Aseidie ein. Später, wo er schon sichtlich kleiner geworden, findet man ihn mehr auf die linke Seite hingerückt, neben der Speiseröhre (s. Fig. 3). Aus dem eben Vorgetragenen ergiebt sich also, dass v. Be- neden die Erscheinungen beim Herauslösen des Schwänz- chens aus seiner Hülle, nicht richtig aufgefasst hat, indem er diesen Act, den seine Abbildungen übrigens recht gut veran- schaulichen, auf einer Absorption des Schwänzchens beruhen lässt. Hätte Hr. v. Beneden den Verkümmerungsprocess des Schwänzchens in allen seinen Phasen erkannt, so wäre es ihm ferner nicht lange zweifelhaft gewesen, was das nicht näher zu bestimmende Organ (l. ce. Pl. 3. Fig. 11 und 12 e.), das man im Hinterleibe der Aseid. ampulloides während der ersten Ent- wickelungszeit antrifft, eigentlich vorstelle. Er hätte es als- bald für das verknäuelte, bereits in Läppchen zerfallene Schwänzechen erkannt. Sehr bald, nachdem das Schwänzchen in den Leib getreten, und letzterer zum Theil schon dadurch an Umfang zugenom- men hat, verschwinden auch die drei Anheftungsfortsätze der Larve, während mittlerweile der Mantel des sich entwickeln- den Thiers sich mit seiner ganzen unteren Fläche an den Boden festsetzt. Aus der Leibesmasse, und zwar mitten von der Bauchfläche, wachsen nun drei Fortsätze anderer Natur hervor, die immer tiefer in den Mantel dringend bis dicht au seine Oberfläche reichen. Zweie derselben laufen von einander divergirend nach vorne, der dritte erstreckt sich gerade nach hinten. Diese hohlen Fortsätze sind die ersten Andeutungen jenes mit selbstständigen Wandungen versehenen, dichotomisch verzweigten Cefässsystems, das den Mantel bei allen Phallu- 320 sien durchzieht '). Bald sieht man diese Fortsätze länger wer- den und gabelig sich in die ersten Aeste theilen, deren Enden kolbenförmig angeschwollen sich zeigen. Es schreitet die Zer- ästelung nun in dichotomischer Weise immer weiter fort, und stets findet man die späteren Endzweige auf die eben ange- zeigte Art erweitert. Bei jungen sich entwickelnden Aseidien, die auf normale Weise, d. h. mit der ganzen unteren Mantel- fläche sich angeheftet haben, sieht man später, wenn die Man- telgefässe schon vielfacher verzweigt sind, sämmtliche Aeste und Zweige wagerecht und radienförmig, nach allen Seiten gegen den Umkreis des Mantels hin sich erstrecken. Bei In- dividuen dagegen, die als Larven keinen oder nieht den geeig- neten Standort zur Anheftung finden konnten, deren Entwik- kelung aber nichtsdestoweniger vorschreitet”), erscheinen die ursprünglichen Mantelgefässe, die drei oben angeführten Fort- sätze nämlich, so wie ihre späteren Aeste nach den verschie- densten Richtungen, meist nach unten gekrümmt. Auch scheint es, als werde durch die eben gedachten ungünstigen Verhält- nisse der ferneren Verzweigung ein baldiges Ziel gesetzt. Solche Individuen mögen dann vor der Zeit zu Grunde gehen. Es ist aber die wahre Bedeutung der Mantelgefässe, wäh- rend der ersten Perioden, um so leichter zu verkennen, als man selbst dann, wenn das Herz erschienen und der Kreislauf 1) Nach Kölliker’s genaueren Untersuchungen (l. e.), besteht dies Gefässsystem überall aus Doppelgefässen, die dicht neben einander verlaufend, in gleichem Schritte sich zerästeln, und bis in die feinsten Endzweige, wo ein gegenseitiger Uebergang zwischen beiden statthat, einander begleiten. Nach meinen Untersuchungen geschieht dieser Uebergang auf die Weise, dass die letzten Zweige beider Gefässe schlingenförmig in einander umbiegen. Alle diese Beobachtungen wer- den auch durch die Entwickelungsgeschichte, wie wir sehen werden, vollkommen bestätigt. 2) Ein noch auffallenderes Beispiel, wie wenig die Entwickelung sich in ihrem Gange aufhalten lässt, zeigt sich an einzelnen Larven, die ihre Eihülle nicht durchbrechen konnten, und deren Metamorphose sich dennoch eingestellt hat, wie man dies an dem verknäuelten Schwänzchen und den im Hervorkeimen begriffenen Mantelgefässen erkennt. . 321 sich eingestellt hat, noch nicht die mindeste Spur einer Blut- strömung in ihnen wahrnimmt. Dazu kommt noch, dass der Mantel so durchsichtig ist, dass man seine Contouren leicht übersieht, und der Vorstellung Raum giebt, als reichen die viel schärfer sich demarkirenden Gefässe über seine Grenze hinaus, während sie doch von ihm umhüllt sind. Man kann sich daher anfangs nicht erwehren, die Mantelgefässe für Sto- lonen oder Ausläufer, durch deren Hülfe die junge Asecidie sich an ihren Standort immer stärker zu befestigen sucht, zu halten. Diese Ansicht erscheint um so wahrscheinlicher, als mehrere Aseidien (Cynthia papillata.z. B.) in der That durch verzweigte Stolonen den fremden Körpern ansitzen. Von die- sem Irrthume kommt man zurück, wenn später die Cireulation in den Mantelgefässen sich einstellt. Zunächst sieht man zwar eine nur wenige Körner enthaltende Blutsäule unregelmässig in ihnen hin- und herschwanken. Später aber, wenn die Ver- zweigungen sich vervielfältigt haben, das Blut an Körnern reicher geworden ist, und der Kreislauf rascher vor sich geht, verwandelt sich die Oseillation in eine regelmässige Strömung. Zu dieser Zeit haben sich die ursprünglich noch ganz einfachen Hauptstämme und Aeste schon verdoppelt, während ihre gegen die Peripherie des Mantels gerichteten kolbenförmig erweiter- ten Endzweige noch einfache Röhren sind. In jenen grössern, ganz schon wie beim erwachsenen Thiere einander begleiten- den und gleichen Schrittes mit einander sich zerästelnden Dop- pelgefässen strömt nun das Blut in zwei entgegengesetzten Richtungen, in dem einen Gefässe gegen die Endzweige hin, in dem anderen zum Herzen. Kurz vor der Theilung der letz- ten Aeste in die Endzweige sieht man diese beiden Ströme bogenförmig in einander übergehen. Dagegen ist in den jedes- maligen Endzweigen noch keine continuirliche Blutströmung zu beobachten. Es dringen zwar auch in sie Blutkörner, diese stagniren aber öfter, und häufen sich zuweilen übermässig an. Nur zeitweise sieht man sie in Fluss kommen, und in einen oder den anderen der gedachten Ströme wieder zurückkehren. Alles dies dauert so lange, bis die Verdoppelung sich ‚auch auf die Endzweige erstreckt. Die Ursache der beiden entge- Müllers Archiv. 1852 21 gengesetzten Blutströme ist aber leicht zu ermitteln, da jedes der Doppelgefässe, wie die Beobachtung lehrt, in das ent- gegengesetzte Ende des Herzens mündet. Da ferner das Herz sehon bald nach seinem Erscheinen periodisch nach zwei ent- gegengesetzten Richtungen hin pulsirt, so sieht man auch bei jedem derartigen Wechsel den Blutstrom in jedem Gefässe in die entgegengesetzte Direetion umschlagen. Den Mantelgefässen, so wie sie in ihrer primitiven Anlage erscheinen, sehr analoge Fortsätze hat auch v. Beneden an der Aseid. ampulloid., bald nach dem Zurückziehen des Schwänzchens, hervorwachsen sehen. Sie sollen indess nach kurzem Bestehen wieder eingehen. Sind diese Fortsätze mit den Mantelgefässen der sich entwickelnden Phallusien identisch, so steht die letztere Angabe mit den oben mitgetheilten Beob- achtungen im Widerspruch. Ascid. ampulloid. ist höchst wahr- scheinlich eine Cynthia, Es sprechen dafür die knorpelharte Mantelhülle, der faltige Athemsack und die doppelt vorhan- denen, ganz wie bei den Cyuthien angeordneten Zeugungs- organe. Im Mantel der Cynthien sind meines Wissens noch keine Gefässe nachgewiesen worden. Fehlen die Gefässe, so haben die von v. Beneden gesehenen Fortsätze eine andere Bedeutung. Sind sie zugegen, so dürfte die Angabe in Betreff des baldigen Verschwindens der Fortsätze, auf einem Irrthume beruhen *). Ueber die erste Entwiekelungsperiode habe ich wegen man- cher Schwierigkeiten, die einer befriedigenden Erkenntniss sich in den Weg stellen, nicht ganz die gehofften Aufschlüsse erhalten. Dennoch stehe ich nicht an, die hier einschlagenden Beobachtungen , so unvollkommen sie auch sein mögen, in gedrängter Kürze mitzutheilen. Man wird erkennen, dass sie *) Man wird übrigens die hervorkeimenden Mantelgefässe nicht leicht mit den höchst räthselhaften, proteusartig bald sich hervorstrek- kenden, bald wieder zurücktretenden und gänzlich verschwindenden Mantelfortsätzen verwechseln, welche M.Edwards während der Ent- wickelung des Amauroucium proliferum beobachtet und ausführlich be- schrieben hat. 323 auch mit den Angaben von v. Beneden, in Betreff einzelner Punkte übereinstimmen. Bald nachdem die: drei hohlen Fortsätze, die Anlagen der künftigen Mantelgefässe erschienen sind, unterscheidet man im Leibe, ausser den aus der Larve herübergenommenen Theilen, den beiden jetzt nahe neben einander gerückten Pigmentflecken und dem verknäuelten Schwänzchen nämlich, eine Höhlung, die den künftigen Athem- oder Kiemensack darstellt. Dicht hinter diesem zeigt sich die erste Andeutung des Nahrungs- schlauehes, der in Form eines schlingenförmig umgebogenen und überall gleichweiten Kanals erscheint. Die ganze hintere Leibesabtheilung ist von dem Knäuel des Schwänzchens aus- gefüllt. Später erbliekt man an der Rückenfläche, auf der zweiten unter dem Mantel gelagerten und deutlich gesonderten Leibes- schieht drei Oeffnungen, über die der Mantel noch undurch- brochen weggeht. Die eine liegt genau in der Mitte am vor- deren Leibesende, die beiden anderen stark seitwärts und ein- ander diametral gegenüber im mittleren Leibestheil. Die vor- dere etwas grössere entspricht der künftigen Ingestions- oder Athemöffnung, die beiden hinteren sind bestimmt, die künftige erst in einer viel späteren Periode aus der Verschmelzung bei- der hervorgehende Auswurfsöffnung zu vertreten. Zu‘ dieser Zeit hat sich auch der Nervenknoten ausgebildet, den man als ein längliches Gebilde, mitten auf dem Rücken und dieht über den beiden Pigmentfleeken sehr wohl unterscheidet. Neben ihm sieht man auch die ersten Andeutungen der künftigen ver- striekten Muskelstränge des Leibes. Zugleich ist auch schon die Bauchfurche angelegt worden. Der Nährungskanal hat sieh weiter entwickelt. Er liegt jetzt schon grösstentheils unter dem Athemsacke und beschreibt eine vom Grunde des letzteren beginnende und bis dicht an die linke Auswurfsöffnung rei- chende Krümmung. Man unterscheidet an ihm drei Abtheilun- gen, die in den Athemsack mündende Speiseröhre, den Magen und den Darm. Bald darauf treten in der Wand des Athemsackes die ersten Athem oder Kiemenspalten (Stigmates branchiaux M. Edw.), 21* 324 in Form von vier runden mit schwingenden Cilien versehenen Oeffnungen auf. Ihre Vertheilung ist vollkommen symmetrisch, indem je zweie auf den beiden entgegengesetzten Seiten des Athemsacks, und zwar dicht hinter einander und unter der respectiven Auswurfsöffnung liegen. Schon v: Beneden (l.c. p. 44. Pl. 3. Fig. 11, ff.) hat diese Oeffnungen beobachtet und ihre wahre Bedeutung ganz richtig aufgefasst. Am spätesten scheint das Herz sich zu bilden. Es stellt anfangs einen noch sehr kurzen, rechterseits neben dem Magen oder vielmehr neben der Bauchfurche liegenden Schlauch dar, der sich durch seine undulirende, noch sehr träge Bewegung verräth. Es ist vollgepfropft mit Blutkörnern, die abwechselnd hin- und hergeschoben werden. Es dauert nicht lange, so bricht auch der Mantel über den dreiLeibesöffnungen, deren Rand mittlerweile durch Einschnitte uneben geworden ist, durch, und hiermit tritt die junge Aseidie mit der Aussenwelt in Verkehr, indem sie von nun an geschickt wird, Nahrungsstoffe und das zur Respiration nöthige Wasser aufzunehmen. Schon vorher hat sich aber die zweite Leibes- schicht jederseits, in dem ganzen Bereiche, den die beiden Kiemenöffnungen einnehmen, von dem ihr an allen übrigen Stellen noch dicht anliegenden Athemsacke, in Form eines nach aussen gewölbten Daches abgehoben. Dieses Dach um- schliesst sonach einen Raum, der mittelst der Kiemenöffnun- gen einerseits in den Athemsack, andererseits durch die re- spective, jetzt auf dem Scheitel des Daches angebrachte Aus- wurfsöffnung nach aussen führt. Die Endportion des unterdess länger gewordenen Darms krümmt sich aber zu dieser Zeit um den Grund des Athemsackes herum nach oben, und mün- det zuletzt mittelst des Afters in den linken der eben erwähn- ten Räume*). Auf diese Art ist es möglich gemacht, dass das durch die vordere Leibesöffnung in den Athemsack eingezogene Wasser durch die Kiemenöffnungen in die beiden Räume ge- langt, und durch die Auswurfsöffnungen ' wieder ausgeleert *) Es werden die beiden Räume später noch einmal zur Sprache kommen. 325 wird, während die unverdauten Speiseüberreste bloss in den linken Raum gelangen, durch dessen Oeffnung sie nach aussen geschafft werden. Man erkennt bald deutlich, dass das Herz rascher und zu- gleich abwechselnd nach zwei entgegengesetzten Richtungen pulsirt, und dass das Blut, das man schon früher an einzelnen Stellen des Leibes oscilliren sah, jetzt in einer bestimmten, obgleich noch sehr einfachen Bahn umhertreibt. Diese Bahn besteht in einem Bauchstrom und einem Rückenstrom, beide durch zwei Querströme jederseits mit einander verbunden, von welchen der eine um die vordere Leibesöffnung, der andere innerhalb der zwischen den beiden respeetiven Kiemenöffnun- gen gelagerten Brücke der Athemsackwand wahrzunehmen ist. Was den Mantel anlangt, so ist schon vorher angeführt worden, dass die ursprünglich in ihn eingebetteten grünen Bläschenaggregate später in die Körner desselben sich um- wandeln. Diese Umwandlung beginnt erst nach der Metamor- phose, und besteht darin, dass die grünen Gebilde, indem ihre zellige Structur allmählig schwindet, kleiner, farbloser, eckiger werden und so immer mehr die künftige Gestalt an- nehmen*). Erst später erscheinen jene grossen, rundlichen, dünnwandigen Zellenräume, die bekanntlich dicht neben ein- ander gedrängt die Mantelsubstanz im erwachsenen Thiere ausfüllen (vergl. Köllikerl. c.). Anfangs ist ihre Zahl noch gering, später nimmt sie zu, während zugleich die Zellenräume grösser werden, so dass die feinere Structur des Mantels auf diese Weise sich immer mehr vervollständigt. Meinem Vorsatze zufolge werde ich nun unter den Organen theils nur die berücksichtigen, deren fernere Ausbildung an sich interessant ist, theils nur solche, die bisher verborgen geblieben oder nicht genügend erforscht worden sind, und über deren Bau die Entwickelungsgeschiehte mehr Aufklärung zu geben im Stande ist. Wir beachten zunächst den Athemsack,, über dessen feinern *) Merkwürdigerweise nimmt man die nämliche Umwandlung der grünen Gebilde auch an der als leere Scheide zurückgebliebenen und später abfallenden Mantelhülle des Schwänzchens wahr. 326 ‚Bau im ausgebildeten Thiere Folgendes in Erimmerung zu bringen ist. Bekanntlich erscheint seine Innenfläche durch eine Menge rechtwinklig auf einander stossender Längs- und Quer- leisten in reetanguläre Fächer getheilt. Sie ist ausserdem mit zahlreichen, mit Cilien versehenen Papillen besetzt, von denen sich immer eine einzelne auf jeder Kreutzungsstelle der Leisten vorfindet. Der Boden jedes Faches ist von vier bis sechs schmalen Längsspalten, den Kiemenspalten (stigmates bran- chiaux M. Edw.) durchbrochen, um deren Rand ein aus zahl- reichen Cilien bestehender Wimpersaum sich hinzieht. Die Brücken zwischen diesen Spalten sind hohl, und nehmen das ihnen von einem Theile der ebenfalls ausgehöhlten Leisten zu- strömende der Respiration bedürftige Blut auf, das, nachdem es die nöthige Umwandlung erfahren, von einem andern Theil der Leisten wieder aufgenommen und weiter vertheilt wird. Es sind somit die Spalten und die Brücken zwischen ihnen am wesentlichsten bei der Athmung betheiligt. Durch das Ci- lienspiel um die Ränder der Spalten strömt immerfort frisches in den Athemsack eingezogenes Wasser dicht an den Brücken vorbei. Bekanntlich aber führen die Spalten in einen grossen Binnenraum (chambre thoracique et cloaque M. Edw.) zwischen Athemsack und zweiter Leibesschicht, welcher durch den Aus- wurfs- oder sogenannten Aftersipho nach aussen mündet. Von allen diese complieirte Struetur des Athemsacks bedin- genden Theilen, bilden sieh die wichtigsten, nämlich die Kie- menspalten und die Brücken zwischen ihnen zuerst. Denn wir sahen die Spalten schon in der frühesten Entwickelungs- periode jederseits als zwei rundliche Oeffnungen auftreten. Auch wurde erwähnt, dass in den Brücken schon eine Blut- strömung sich eingestellt hatte. Auf diese zwei Paar Oeffnun- gen, die sich mittlerweile verlängern und spaltenähnlicher werden, bleibt der Athemsack noch längere Zeit hindurch be- schränkt. Endlich entstehen jederseits in der Brücke zwischen ihnen zwei neue Oeffnungen, und bald darauf tritt hinter der ursprünglichen hinteren Spalte noch eine Oeffnung hinzu, so dass die Zahl sämmtlicher Oeffnungen jetzt schon fünfe beträgt. So successiv nach einander und in Reihen geordnet, brechen 327 bald eine Menge Oetfnungen in rascher Folge auf den beiden Seitenhälften des Athemsacks durch, Zuerst bildet sich neben und über der ersten Reihe eine zweite, hierauf über dieser eine dritte, und so immerfort andere Reihen, bis die Mittel- linie des Rückens erreicht ist. In ähnlicher Aufeinanderfolge treten auch nach abwärts von der ersten Reihe ausgehend, der Bauchfurche immer näher kommende Reihen von Oeffnungen auf. Gleich den ursprünglichen erscheinen alle diese Oeffnun- gen anfangs als kleine mit schwingenden Cilien besäumte Lücken, und unterliegen auch bei ihrer allmähligen Erweite- rung ‘den nämlichen Formveränderungen wie jene, indem sie immer mehr in Spalten sich ausziehen. Dass mit der fort- schreitenden Vergrösserung des Athemsacks später auch die Zahl der Spalten in jeder Reihe wächst, und dass auch zwi- schen den älteren immerfort neue Reihen entstehen, ist leicht vorauszusehen. Bald nachdem der Athemsack auf diese Weise in seinem ganzen Umfange durchbrochen worden, findet man die Spalten, die mit ihrem längeren Durchmesser früher nach der Querachse des Athemsacks gelagert waren , schon wie im erwachsenen Thiere, nach der Längsaxe desselben gestellt. Auf der inneren Fläche der Quer- und Längsbrücken zwischen den Spalten haben sich unterdess auch schon viele der mit sehwingenden Cilien besetzten Papillen entwickelt. Das Blut strömt rasch und in reichlicher Menge durch sämmtliche Brücken. Weiter habe ich den .Athemsack in seiner Ausbildung nicht verfolgen können. Seinem gegenwärtigen noch lange. nicht vollendeten Baue nach gleicht er aber auffallend dem Athem- sacke der zusammengesetzten Aseidien. An diesem Beispiele bewährt sich wiederum der oft ausgesprochene und durch die Erfahrung bestätigte Satz, dass die höheren Gattungen einer bestimmten Thierordnung, wenigstens in Betreff einzelner Organe, vorübergehend Form- und Strueturverhältnisse zei- gen, die der niedern Gattung bleibend, d.h. im ausgewach- senen Zustande zukommen. Man wird sich erinnern, dass die drei anfangs noch unter dem Mantel verborgenen Leibesöffnungen, nach dem Erschei- nen der ersten Kiemenspalten und des Herzens, nach aussen 328 durchgebrochen waren, wodurch die junge Aseidie in den Stand gesetzt war, Nahrungsstoffe und Wasser zur Respiration aufzunehmen. Diese Oeffnungen bilden sich nun nach und nach zu kurzen vorspringenden Röhren, zu den Siphonen aus. Die Mündung des Athemsipho, der schon anfangs die beiden hinteren oder Auswurfssiphonen an Umfang übertrifft, zeigt sich bald durch das Erscheinen von acht Läppchen, wie im erwachsenen Thiere, gefranzt. An allen Siphonen unterscheidet män unter dem Mantelüberzuge jetzt sehr leicht die Cirkel- fasern, durch deren Wirkung sie zeitweise geschlossen werden. Aussen über den Cirkelfasern zeigen sich auch einzelne Längs- faserbündel, Fortsetzungen der jetzt schon verstrickten, über die zweite Leibesschicht verlaufenden Muskelbündel. Vor Allem interessant ist aber das spätere Schicksal der beiden hinteren Siphonen, die nach langem Bestehen zuletzt in den einfachen Auswurfssipho, wie wir ihn vom erwachsenen Thiere kennen, verschmelzen. Während der Periode nämlich, in welcher am Athemsacke die Vermehrung der Kiemenöffnun- gen rasch vor sich geht, sieht man die beiden Siphonen all- mählig gegen die Mittellinie der Rückenfläche rücken und zu- letzt einander so nahe kommen, dass nur noch eine-schmale Brücke sie trennt. Ist der Athemsack völlig durchbrochen worden, so verschwindet auch diese Brücke. Statt der beiden früheren findet man nun einen einzigen, genau auf der Mitte des Rückens und dicht hinter dem Nervenknoten gelagerten Auswurfssipho, dessen Mündungsrand, wie beim erwachsenen Thiere, schon mit sechs Läppchen versehen ist. Die Anwesenheit zweier Auswurfssiphonen in früherer Zeit hat aber nichts Ueberraschendes, wenn man sich dessen erin- nert, was in Betreff der beiden Räume, die sich über den ur- sprünglichen Kiemenspalten gebildet hatten, vorher angeführt worden ist; sie stellt sich vielmehr als eine Nothwendigkeit heraus. Es wurde dort nachgewiesen, dass beide Räume da- durch entstehen, dass die zweite Leibesschicht in dem Bereiche jener Oeffnungen sich von dem in den übrigen Gegenden ihr noch eng anliegenden Athemsacke abhebt. Dieses gegenseitige Ablösen beider von einander erfolgt nun während der fort- 329 währenden Bildung neuer Spalten am Athemsacke in immer grösseren Strecken. Demzufolge rücken auch die Grenzen der beiden Räume immer weiter vor, bis sie zuletzt, wenn der Athemsack überall durchbrochen worden, am Rücken zusam:- menfliessen, und auf diese Art jener oben besprochene Binnen- raum entsteht, den wir zwischen Athemsack und zweiter Lei- besschicht beim erwachsenen Thiere antreffen. Ist dies ge- schehen, so bedarf es nicht mehr zweier Siphonen, es genügt an einem. Und in der That fällt die Entstehung des einfachen Auswurfssipho mit der Bildung des erwähnten Raums in den- selben Zeitpunkt. Ich wende mich nun zu einem Organ, das bei allen Phal- lusien den ganzen Nahrungskanal vom Munde bis zum After umgiebt, und als compacte, wie mit kreideweissen Punkten dicht übersäete Masse von honiggelber Färbung sich darstellt. Von der Mehrzahl der Zoologen, worunter auch eine bedeu- tende Autorität (v. Siebold vergl. Anatom. $. 296), ist dies Gebilde für die Leber angesprochen worden: eine Ansicht, die mir um so zweifelhafter erscheint, als ein bisher entgangenes, später zu beschreibendes Organ auf diese Bedeutung vielleicht mit grösserem Rechte Anspruch macht. Das in Rede stehende Gebilde besteht aus lauter hellen, runden, ziemlich derbwan- digen Bläschen, angeblich die einfachen Drüsensäckchen, in denen die Galle bereitet wird. Jedes Bläschen ist, wie es scheint, von einem durchsichtigen Fluidum prall ausgedehnt, in dessen Centrum man ein solides Conerement in Form eines Kerns bemerkt. In den grösseren Bläschen erscheint der kreide- weisse Kern aus zwei bis drei rundlichen, dicht an einander gefügten Abtheilungen zusammengesetzt, in den kleineren ist er vollkommen sphärisch*). Nach meinen Beobachtungen lie- gen die Bläschen ohne alle Verbindung ganz vereinzelt neben *) Bei Phallusia monachus zeigen die runden Kerne eine dichte con- centrische Streifung, was auf eine in Schichten vor sich gehende Ab- lagerung hinweist. In vielen Bläschen findet sich dicht auf dem Kern noch eine Druse von blättrigen oder nadelförmigen Krystallen. Zu- weilen enthält ein oder das andere Bläschen statt des Kerns einen grossen prismatischen Krystall mit pyramidenförmig zugespitzten Enden. 330 einander. Zuweilen glaubte ich auf der Wand einzelner Bläs- chen ein feinmaschiges Netzwerk zu unterscheiden, ohne aber über dessen Bedeutung ins Klare gekommen zu sein. Welchen Zweck dieses ganze Gebilde zu erfüllen habe, ist um so schwe- rer zu entscheiden, als auch seine Entwickelungsweise, wie wir sogleich sehen werden, nicht die gewünschte Aufklärung darüber giebt. Nahe liegt der Gedanke, es für ein Reinigungs- organ, eine Niere anzusehen, was mit den Depositis innerhalb der Bläschen recht wohl in Einklang zu bringen wäre”), Dann aber müssten auch Ausführungsgänge an ihm zu entdeeken sein, von denen ich nicht die geringste Spur antreffen konnte. Die erste Andeutung dieses Organs erscheint zur Zeit, wo das nur noch auf sehr wenige Läppehen redueirte Residuum des Larvenschwänzchens seinem völligen Schwinden rasch entgegengeht. Dicht neben diesen Läppchen sieht man zuerst ein kleines, rundes, transparentes Bläschen, völlig schon von der Beschaffenheit wie die Bläschen im ausgebildeten Organ erscheinen. Auch ist bereits der runde kreideweisse Kern im Centrum desselben sichtbar. Das Bläschen wächst nun immer mehr heran, und nimmt zuletzt, wenn. das Residuum des Schwänzchens verschwindet, dessen Stelle links neben der Speiseröhre ein, Später bildet sich neben dem ersten Bläschen ein zweites, hierauf ein drittes und so immerfort noch andere, bis der ganze hintere Leibesraum zwischen der Speiseröhre, dem Magen und dem Darm, von einem Haufen solcher isolir- ter, auf den verschiedensten Altersstufen stehender Bläschen ausgefüllt ist. Noch später sieht man einzelne Bläschen ent- fernt von dem grossen Haufen, um einzelne Stellen des Nah- rungskanals entstehen. In einigen Bläschen zeigt sich der Kern doppelt, in anderen ist er mit der vorerwähnten Druse blätt- riger Krystalle besetzt. Ob die Bläschen schon gleich anfäng- lich mit den Kernen auftreten, wie es hier geschildert worden ist, oder ob die Kerne, wie es der Theorie nach wahrschein- licher ist, erst später aus der Flüssigkeit der Bläschen sich *) Auf diese Bedeutung scheint schon d. Chiaje (Animal. inverte- brati d. Sieilia eiteriore T.3.), dem die Coneremente nicht unbekannt geblieben sind, anzuspielen. j 331 niederschlagen, das lasse ich unentschieden. Nur ‚selten habe ich beim ersten Erscheinen der Bläschen den Kern fehlen sehen. Weiter als angezeigt, konnte das Organ in seiner Ausbildung, die nach dem eben Mitgetheilten indess klar vor Augen liegt, nicht verfolgt werden. Es bleibt mir zuletzt ein noch unbekanntes Organ zu be- trachten übrig, das wegen seiner versteckten Lage im erwach- senen Thiere nur theilweise zur Ansicht kommt. Es besteht aus einem über den ganzen Darm verbreiteten System zahl- reicher feiner Kanäle, die theils mit eylindrischen, theils und meistens mit kolbenförmig erweiterten, oft noch an einzelnen Stellen ihrer Oberfläche saekförmig hervorgestülpten Blind- beutelehen beginnen, hierauf vielfach mit einander anastomo- siren, und so die Darmwand in Form eines dichten Netzes umspinnen. Zuletzt sieht man sie in Zweige und ‚Aeste sich sammeln. Vorzüglich reichlich finden sich diese Kanäle inner- halb des starken , längs der Innenfläche des Darms vom Ma- gen bis fast zum After verlaufenden Wulstes , der noch ausser- dem von den Bläschen des vorher erwähnten Organs dicht angefüllt ist. Die Zertheilung der Aeste und Zweige, die wäh- rend ihres Verlaufs häufig bogenförmige Krümmungen, nach Art der Vasa vorticosa des- Auges etwa, beschreiben, und an einzelnen Stellen ampullenartig anschwellen, ist dichotomisch, der Inhalt der Blindbeutelchen ‚und Kanäle wasserhell. So viel über dies Organ im erwachsenen Thier, über dessen fer- neres Verhalten die Entwickelungsgeschichte folgenden nähern Aufschluss giebt. Sehr früh, schon vor dem Erscheinen der ersten Kiemen- spalten und des Herzens, zeigt sich am Anfange des Darms, gleich hinter dem Magen ein eylindrischer, gegen sein freies önde hin etwas keulenförmig verdickter, durchweg homogener Fortsatz, der quer zur linken Seite bis in ‘die Nähe der hier gelegenen Endportion des Darms sich erstreckt. So wächst dieser Fortsatz ohne eine merkliche Veränderung langsam heran, bis man ihn endlich in mehrere, von seinem freien Ende ausgehende, nach allen Richtungen zum Darm sich be- gebende, und über den letzteren verlaufende Aeste gespalten 332 antrifft.. Bald findet man auch diese Aeste gabelförmig in Zweige getheilt, die schon durch häufige Anastomosen ein den Darm umstrieckendes Flechtwerk bilden. In dieser Weise schreitet die Zerästelung immer weiter fort, während die Netze auf dem Darm immer dichter werden, bis zuletzt auch die oben erwähnten Blindbeutelchen an den Netzen zum Vorschein kommen. An den Zweigen unterscheidet man jetzt auch die characteristischen Krümmungen während ihres Verlaufs, und stellenweise die ampullenartigen Erweiterungen. Bemerkens- werth ist noch, dass zu dieser Zeit, wo das Organ freilich erst im einfachsten Grundriss vor Augen liegt, der Haupt- stamm der Kanäle, der ursprüngliche Fortsatz nämlich, so wie seine Aeste, noch immer als homogene solide Stränge sich darstellen, während man an den Blindbeutelehen und den zu Netzen verbundenen Zweigen schon die Wandung und das Lumen zu unterscheiden glaubt. Es ergiebt sich also hiernach, dass das aus verzweigten Kanälen bestehende Organ mittelst eines Ausführungsganges in den Darm, als dessen Anhang es schon bei seiner ersten Anlage erscheint, mündet. Der ganze Bau desselben spricht für eine Drüse, deren in den Blindbeutelchen bereitetes Secret, nach der Einsenkungsstelle des Ausführungsganges in den Darm zu schliessen, wahrscheinlich für die Verdauung ver- wendet wird. Ob aber das wasserhelle Secret Galle, und die Drüse somit eine Leber sei, muss zur Zeit freilich noch in Frage gestellt bleiben. Erklärung der Abbildungen auf Taf. VII. Fig. 1. Embryo einer späteren Periode. Es sind bereits zwei Pigmentflecke zugegen. a. Leib. — b. Anfang des Schwänzchens. — c,e. Die beiden oberen in der Bildung begriffenen Anheftungsfortsätze der Larve. — d. Vorderer Pigmentfleck. — e. Hinterer Pigment- fleck. Fig. 2. Larve auf der Seite liegend. a,a. Mantelhülle mit den in sie eingelagerten noch unveränder- ten grünen Gebilden. — 5,5. Achse des Schwänzchens. — 333 e,c. Hohler Kanal der Achse. — d. Der flossenförmige hori- zontal gestellte Anhang, in den die Mantelhülle des Schwänz- chens sich zuletzt ausbreitet. — e. Vorderer Pigmentfleck. — f. Hinterer Pigmentfleck. — 8. Oberer rechter Anheftungs- Fortsatz. — h. Unterer Anheftungsfortsatz. "Fig. 3. Die sich entwickelnde Phallusie aus einer Periode, wo die drei Leibesöffnungen bereits zu ganz kurzen Siphonen sich ausge- bildet haben. a. Weit offener Athemsipho. — b,b. Die beiden hinteren oder Auswurfssiphonen im verengerten Zustande. — c. Nerven- knoten mit vier Nervenstämmchen. — d. Speiseröhre. — e. Magen. — f. Darm (seine Endportion krümmt sich um den Grund des Athemsacks nach oben, gegen den linken Aus- wurfssipho). — g. Im Verkümmern begriffener, in Läppchen zerfallener Knäuel des Larvenschwänzchens. — h,h,h,h. Die vier ersten Kiemenöffnungen am Athemsack@, mit den Brük- ken zwischen ihnen. — i. Die dunkle scheinbar einige Pig- mentmasse unter dem Nervenknoten. — k. Bauchfurche. — 1,1. Mantel. 334 Bemerkungen über mehrere Körpertheile der Coecilia annulata. - Von H. Raruke. (Hiezu Taf. IX.) Die sonderbar gebildeten wurmförmigen Geschöpfe, welche unter dem Namen der Coeeilien eine Familie der nackten Am- phibien ausmachen, aber eine lange Zeit den Schlangen bei- gezählt wurden, sind zwar bereits von einigen der ausgezeich- netsten Anatomen, namentlich von Cuvier, Tiedemann, Johannes Müller, A. F. Mayer und Th. Bischoff auf ihre Organisation untersucht worden, doch haben die von diesen Männern darüber bekannt gemachten Bemerkungen sich nur auf die Hautbedeckung, einige Sinneswerkzeuge, das Ske- let, die plastischen Eingeweide und den vergänglichen Kiemen- apparat der genannten Thiere bezogen. Auch sind die Unter- suchungen an den erwähnten Organen fast sämmtlich nur bei C. lumbricoides und C. hypocyanea angestellt worden. Als einen weiteren Beitrag zu der Kenntniss von dem Kör- perbaue dieser merkwürdigen Geschöpfe will ich daher in den nachstehenden Zeilen einige Bemerkungen veröffentlichen, die ich bei der Zergliederung eines wohlerhaltenen 1’ 1” 3”' (rhei- nischen Maasses) langen weiblichen Exemplars von Coecilia annulata zu machen Gelegenheit hatte, zumal weil sie auch das Hirn- und das Gefässsystem betreffen, über welche Kör- pertheile der Coecilien ausführlichere Mittheilungen bisher noch fehlten. Bemerkungen über verschiedene. Körpertheile der Coeeilien haben bekannt gemacht besonders: ’ 335 Cuvier in den Lecons d’anatomie comparee, Joh. Müller in der Zeitschrift für Physiologie von Tiedemann und 'Dreyiranus. Bd. IV. Heft1. Tiedemann in demselben Hefte der angeführten Zeitschrift. A. F. J. C. Mayer in derselben Zeitschrift Bd. III. ferner in den Noya acta naturae curiosorum T. XII. und in seinen Analecten für vergleichende Anatomie (Erste Sammlung, Bonn 1835). Th. Bischoff in Joh. Müller’s Archiv. Jahrgang von 1838. Heft 4. J. G. Fischer in seinem Amphibiorum nudorum neurologiae specimen primum (Berolini 1843), worin sich eine Beschreibung und schöne Abbildung einiger Nerven der (, annulata befindet. J. de Muralto in seinen Exereitationes medicae (welches Werk ich aber nicht habe benutzen können). Die Epidermis fand ich ziemlich diek und ähnlicher- massen, wie manche Pflasterepithelien, aus mehreren Lagen tafelförmiger Zellen zusammengesetzt, die bis 0,0015” massen, im Verhältniss zu ihrer Breite eine ziemlich grosse Dicke hat- ten, fünf- bis sechseckig waren, und insgesammt mehr oder weniger deutlich einen Kern erkennen liessen. Der zunächst darunter liegende Theil der Hautbedeckung, der abwechselnd weisse und bläulich-schwarze Ringel bildete, bestand in einer etwas diekeren und lederartig festen Schichte, die der Haupt- sache nach aus einem Geflechte äusserst zarter Bindegewebs- fasern und in dieses Geflechte eingebetteten Körpern von einer bieonvexen, oder auch fast kugelrunden sehr regelmässigen Form zusammengesetzt war. Die angeführten Körper hatten bis 0,0050" zum grossen Durchmesser, lagen ziemlich nahe bei einander, waren nur in einer einfachen Lage ausgebreitet, ka- men sowohl in den weissen, als in den bläulich-schwarzen Abschnitten der Hautbedeekung vor, zeigten eine sehr scharfe Begrenzung, und leisteten einem auf sie angebrachten Drucke viel Widerstand, ehe sie zerplatzten. Ein jeder stellte eine mässig dicke, glasartig-durchsichtige und etwas spröde Kapsel dar, deren Inhalt gelblich und krümmlig war. Ausserdem liess sich in der Mitte eines jeden bei refleetirtem Lichte ein runder dunkler Fleck erkennen, den mitunter in einer grösseren oder geringeren Ausbreitung mehrere sehr zarte concentrische Kreis- linien umgaben. Nicht jedoch war dieser Fleck, der übrigens 336 nicht durch Essigsäure angegriffen wurde, ein Zellenkern, sondern schien ein Theil der Wandung des Körpers und jeden- falls der Epidermis zugekehrt zu sein. Ob er etwa nur der optische Ausdruck einer kleinen Oeffnung war, und ob ein ganzer solcher Körper nur die Bedeutung eines Drüsenbalges hatte — was an frischen Exemplaren der Coeeilien wohl ohne besondere Schwierigkeiten wird entschieden werden kön- nen — muss ich dahin gestellt sein lassen. Die Fasern des Bindegewebes, welche die beschriebenen Körper einschlossen, waren ziemlich lang, sehr dicht zusammengedrängt und gleich- sam verfilzt. Die dunkele Farbe der bläulich-schwarzen Ringel bildete ein sehr zartes, aber sehr unregelmässiges Netzwerk oder vielmehr Geäder, das aus sternförmigen Pigmentzellen, deren Strahlen geschlängelt verliefen und sich mehrfach theil- ten, zusammengesetzt war. Die vorhin beschriebenen rund- lichen Körper waren von diesem Geäder und dem Bindege- webe so umsponnen, dass nur diejenige Stelle eines solchen Körpers, an welcher sich der oben erwähnte dunkle Fleck befand, und deren nächste Umgebung, davon frei gelassen wa- ren. Auf die beschriebene zweite Schieht der Hautbedeckung folgte noch eine dritte, die meistentheils etwas dicker, als jene war, und der Hauptsache nach aus Bündelu gröberer Bindegewebsfasern bestand. Diese Bündel setzten einige we- nige Lagen zusammen, und waren so geordnet, dass sie, wie ich es auch bei anderen Amphibien und bei Fischen in dem Corium gefunden habe*), abwechselnd in der einen Lage einen longitudinellen, in der nächst folgenden einen transversellen Verlauf machten. Eingeschlossen in dem Bindegewebe der drit- ten Schicht der Hautbedeckung und in nicht grossen Entfer- nungen von einander befanden sich Schleimdrüsen, von denen die umfangreichsten 0,0190” zum grössten Durchmesser hatten. Die bedeutendsten von ihnen kamen in dem hinteren Drittel des Leibes vor, hatten die Form von mässig dicken biconvexen Linsen, und zeigten eine Zusammensetzung aus mehreren dicht *) Entwickelungsgeschichte der Schildkröten. Braunschweig 1848. S. 146—150. 337 + an einander angeschlossenen und um eine gemeinschaftliche Achse gruppirten Lappen. Die in den beiden vorderen Drit- teln des Leibes vorhandenen hatten sehr verschiedene Grössen und Formen: auch waren viele von diesen, namentlich die kleineren, nieht gelappt, sondern erschienen als ganz einfache Drüsenbälge. Alle Drüsen der dritten Hautschicht aber hatten eine weiche Beschaffenheit und liessen sich leicht zerdrücken und zerreissen. — Schilder habe ich eben so wenig, wie Mayer in der Hautbedeckung von C. Annulata auffinden können. Das Gehirn (Fig. 5 bis S) hatte eine Länge von 4'/,'" bei einer Breite von 1°/,"', da wo diese Dimension am grössten war. Gebildet war es völlig nach dem Typus anderer nackten Amphibien: in Hinsicht seiner ganzen Gestalt aber hatte es die meiste Aehnlichkeit mit dem des Hypochthon, indem es, wie bei diesem, langgestreckt war und seinem grössten Theile nach sich einer Walze annäherte. Das grosse Gehirn war hin- ten nur um ein Geringes breiter als vorn, von seiner Mitte ein wenig von der rechten und linken Seite flach eingebuchtet, und von vorn bis beinahe zu seiner Mitte durch einen spalt- förmigen Einschnitt, weiter nach hinten an seiner obern Seite durch eine tiefe Längsfurche in die beiden Seitenhälften ge- schieden. Ungefähr auf der Grenze ihres ersten und zweiten Drittels liess jede Seitenhälfte des grossen Gehirns eine seichte, bogenförmig gekrümmte, und mit der Convexität nach vorn gekehrte Querfurche bemerken, wodurch von ihr ein dicker und beinahe ovaler Riechnervenkolben (Lobus olfactorius) ab- geschieden war, der aus der Mitte seines vorderen Endes einen nur dünnen und kurzen Riechnerven aussendete (Fig. 5, 6 und 7a.). Der Hirntrichter war eben so, wie bei anderen nackten Amphibien, mit seinem Ende nach hinten gerichtet und an der unteren Seite stark abgeplattet. Seine Länge betrug ungefähr um die Hälfte mehr, als seine grösste Breite. In der Form hatte er, von unten angesehen, eine Aechnlichkeit mit einem Oblong, war aber vorn etwas schmäler, als binten (Fig. 5 .e.). Die dieht vor ihm abgehenden Sehnerven waren dünner, als die Riechnerven (Fig. 5d.). Der Hirnanhang (Glandula pitui- 29 Müller's Archiv. 1852, 338 taria) war mässig gross (Fig. 5f.). Derjenige Theil des Ge- hirns, welcher der Vierhügelmasse des Menschen entsprach (Fig. 5d. und Fig. 7e.) hatte mit dem Hirntrichter eine ziem- lich gleiche Länge, war aber stark gewölbt und besass die Form eines der Länge nach halbirten doch an dem einen Ende zugespitzten Ovals: sein dünneres Ende war nach vorn gerich- tet. und seine obere Seite liess in der Mittelebene nur eine schmale, sehr seiehte, wie überhaupt nur schwach angedeutete Längsfurche erkennen. Sein dünneres und nach vorn gekehr- tes Ende ging in einen kurzen und schmalen, aber ziemlich hohen leistenartigen Fortsatz über, der in der Seissura longi- tudinalis cerebri zwischen den Hemisphären des grossen Ge- hirns versteckt lag und mit einer nach oben gekehrten, aber ebendaselbst versteckten kleinen Ausweitung endigte (Fig. 7d.) In dieser Ausweitung selbst befand sich eine kurze und ziem- lich breite Längsspalte, durch die ein starkes, der Vena magna cerebri des Menschen entsprechendes Gefäss hindurchging. Die lippenartigen Ränder der angeführten kleinen Spalte deu- teten vermuthlich, wenngleich nur äusserst schwach, die Tha- !ami optiei an. Das kleine Gehirn (Fig. 7f.) erschien von oben betrachtet als ein schmaler, ziemlich dicker und einigermassen wie ein Hufeisen gekrümmter Streifen, der hinter der Vier- hügelmasse von der einen Seitenwand der vierten Hirnhöhle zu der anderen herüberging, und in der Mittelebene des Kör- pers an seinem hinteren oder freien Rande einen kleinen bo- genförmigen Ausschnitt hatte. Von ihm ging schräg nach unten und vorn zur unteren Wandung des verlängerten Mar- kes ein ziemlich diekes Marksegel (Valvula magna cerebri) herab. Die Rautengrube der vierten Hirnhöhle (Fig. 7.) war verhältnissmässig viel kleiner, als namentlich bei den Fröschen und Salamandern, auch nicht gleicherweise, wie bei diesen Thieren, länglich-kartenherzförmig, sondern erschien vielmehr, wie bei den Schlangen, als eine bogenförmig gekrümmte und in der Mitte breitere Querspalte. Das verlängerte Mark (Fig. 5n. und Fig. 6f.) war eben so, wie bei anderen nackten Amphi- bien, beinahe gerade und an der unteren Seite abgeplattet. Gegen das grosse Gehirn wares an der unteren Seite durch | | | 339 eine ziemlich tiefe Querfurche abgegrenzt, — Die beiden Sei- tenhöhlen des Gehirns (Fig. 7) erstreekten sich auch in die Riechnervenkolben, "waren aber im Verhältniss zu ihrer an- sehnlichen Länge im Ganzen nur sehr enge. Zunächst dem Boden einer jeden Seitenhöhle erschien an deren inneren Wan- dung ein langer, mässig dieker und glatter Wulst, der von dem hinteren Ende der Höhle bis zu dem Riechnervenkolben reichte und ein Ganglion von ähnlicher Art darstellte, wie man es auch in dem Gehirn beschuppter Amphibien findet. Als Streifenhügel ist derselbe seiner Lage und Verbindung wegen nicht zu deuten. Wenn diess aber der Fall ist, so fehlt bei den Coecilien der Streifenhügel: denn ausser jener gang- liösen Ansehwellung fand ich in den Seitenhöhlen des Gehirns keine weiter (Fig. 7e.). — Die Plerus ctorordei der Seiten- höhlen bestanden in 2 dünnen häutigen und von Blutgefässen durchzogenen Blättern , die ihrer Form nach sich einigermassen mit den schaufelförmigen Geweihen alter Elennthiere verglei- chen liessen, jedoch aus ihrem Rande nicht einfache Sprossen, sondern mehrere (bis 15) in einer Reihe auf einander folgende verschiedentlich lange und mehr oder weniger verzweigte band- artig-platte Aeste aussendeten, von denen jeder einzelne End- zweig nur eine einzige Gefässschlinge enthielt. Die grössten Aeste hatten eine grössere Höhe, als das Blatt oder der Stamm, von dem sie ausgingen: alle Aeste aber waren mit ihrem Stamme in einer und derselben Ebene ausgebreitet. Der ganze Plexus war eonform der Höhle, die ihn einschloss, langgestreckt, reichte von dem einen bis zu dem anderen Ende derselben, erstreckte sich also nach vorn auch in den Riech- nervenkolben, und war mit seinem Stamm nach unten, mit seinen Aesten nach oben gerichtet. Aus dem Stamme ging ein kurzer, aber ziemlich starker Venenast hervor, der unter dem vorhin beschriebenen wulstförmigen Ganglion des Seiten- ventrikels durch ein besonderes rundliches Loch, das Analogon eines Foramen Monroi hindurchdrang, worauf er sich mit einem gleichen Venenaste der anderen Seitenhälfte unter der Spaltöffnung, die sich vor der Vierhügelmasse in der oberen Wandung des grossen Gehirns befand, zu der Vena magna 22* 340 cerebri vereinigte. Eben daselbst bestand auch eine Verbin- dung zwischen diesem Blutgefässe und den Venenästen eines kleinen Plerus choroideus, der in der Höhle der Vierhügel- masse (dem Aquaeduetus Sylvi) seine Lage hatte, und aus zwei kleinen neben einander liegenden und in der Form den Hirschgeweihen ähnlichen Körpern zusammengesetzt war. Nachdem der angegebene Venenstamm durch die erwähnte Spaltöffnung aus dem Innern des Gehirns hervorgetreten war, theilte er sich in 2 auf beide Seitenhälften der Schädelhöhle vertheilte Schenkel, die zwischen der Vierhügelmasse und den hinteren Enden der Hemisphären des grossen Gehirns nach aussen, hinten und unten verliefen, um wahrscheinlich unmit- telbar in die Jugularvenen überzugehen. — Der Aquaeduetus Syleii und die vierte Hirnhöhle waren durch das grosse Mark- segel vollständig von einander geschieden. — Die Decke der vierten Hirnhöhle (Fig. Ge. und Fig. $) bestand in einem ge- fässreichen Blatte, das, wie bei anderen nackten Amphibien, nur ein verdickter Theil der weichen Hirnhaut war. Sie liess drei in einer Reihe neben einander liegende Abschnitte unter- scheiden, und von diesen hatte der mittlere, der schon für sich allein beinahe vollständig die Rautengrube schloss, unge- fähr die Form eines Halbmondes, indess die etwas kleineren seitlichen Abschnitte, die nach aussen und vorn gerichtet wa- ren, die Form von Fächern hatten. Von dem mittleren Ab- schnitt bot eine jede Seitenhälfte an ihrer unteren Seite zwei Reihen vorspringender kurzer Rippen oder Leisten dar, näm- lich eine vordere und eine hintere Reihe. Die Rippen der hin- teren Reihe verliefen divergirend nach aussen und hinten, die der andern Reihe nach aussen und vorn. Die beiden seitlichen Abschnitte aber, die dünner, als der mittlere waren, zeigten eine ähnliche Faltung, wie ein gewöhnlicher Fächer, wenn er halb zusammengelegt ist. Ohne Zweifel war diese blattartige Decke in frühester Lebenszeit ähnlich geformt gewesen, wie bei den Fröschen für immer, also länglich-herzförmig, war aber späterhin, indess die Rautengrube eine Verkürzung er- fuhr, von vorn und hinten zusammengeschoben worden, hatte S4l sich dabei falten müssen, und hatte ausserdem in ihrem mitt- leren Theile auch eine Resorption erlitten. Der übrige Theil der weichen Hirnhaut war äusserst zart. In vielen von seinen feinsten Gefässzweigen lagen wohlerhal- tene Blutkörner so vereinzelt, dass ihre Form und Grösse ge- nau erkannt werden konnten. Sie waren länglich-ellipsoidisch, (nieht spindelförmig) und hatten meistens eine Länge von 0,0015”. — An der harten Hirnhaut liessen sich nirgend solche Kalkkrystalle auffinden, wie an ihr namentlich bei den Frö- schen und Kröten vorkommen. Die Speiseröhre und der Magen zeigten äusserlich keine Abgrenzung gegen einander, sondern gingen unmerklich in einander über; an ihrer inneren Fläche aber liess sich, wie ich weiterhin noch näher angeben werde, eine Grenze zwischen ihnen unterscheiden. Beide waren ganz geradlinigt, überhaupt walzenförmig, und zusammen 6" 4" lang. Diejenige Abtheilung des Darmkanals, welche für dieSpeiseröhre zu halten war, hatte eine sich allenthalben ziemlich gleich bleibende, im Gan- zen aber nur geringe Weite. Nach hinten reichte sie 4’ über das Herz hinaus und endete gegenüber dem vorderen Rande der Leber. Der Magen hatte eine Länge von 3’ 7’ und un- gefähr in seiner Mitte eine Weite von 3’ in den Querdurch- messern , verengte sich von da aus ganz allmählig gegen seine Enden, jedoch stärker gegen das hintere, als gegen das vor- dere Ende, und besass eine dickere Wandung, als die im Gan- zen eugere Speiseröhre. Der Dünndarm (Fig. 2b,b.) war nur 36" lang, mässig geschlängelt, und vorn, wo seine Querdurchmesser 3" ‚betrugen, 80 weit, dass er über den Pförtner nach allen Seiten ziemlich stark vorsprang, nach hin- ten aber »chr stark verengert. Der Diekdarm (Fig. 2e, Fig. 3b. und Fig. 4a,b.) hatte eine Länge von 1''5"'. Vorn betrug seine Weite den (Querdurchmessern nach 3'/,"', nach hinten verengte er sich trichterförmig in so hohem Grade, dass sein Ende ungefähr nur zum vierten Theil 30 weit, als sein Anfang war. Zum grössten Theil verlief er ganz gerade von vorn nach hinten: in der Nähe seines hinteren Endes aber war er unter einem starken Bogen nach unten und vorn um- 342 gekrümmt. Dieser sein umgebogener Theil ging über in eine röhrenförmige und ganz gerade Kloake (Fig. 3e. und Fig.4e.) die 1’' 6” lang, also selbst noch etwas länger, als der Dieck- darm war, und sich durch diese ihre bedeutende Länge von der Kloake aller anderen damit versehenen Wirbelthiere auf- fallend auszeichnete. Vorn hatte sie eine Weite von kaum 3’", also eine geringere, als der Dickdarm an seinem Anfange: nach hinten verengte sie sich ziemlich stark. — In der Speise- röhre bildete die Schleimhaut mehrere einfache Längsfalten, die im Ganzen nur dünn und niedrig waren. Drei von ihnen aber hatten sich an ihrem Ende so vergrössert, dass sie hier eben so viele erheblich dicke und hart anzufühlende Wülste darstellten, die ziemlich gleich weit von einander entfernt lagen, und von denen der grösste 3’ lang war. In dem Magen war die Schleimhaut sehr viel dicker und weicher, als in der Speiseröhre. In der vorderen Hälfte desselben bildete sie 8 ziemlich hohe und dieke Längsfalten, die äusserst fein man- schettenartig gefaltet waren und aus ihren beiden Seiten in grosser Zahl sehr zarte Ausläufer aussendeten. In der hinteren Hälfte des Magens, gegen die sich die beschriebenen Längs- falten allmählig verloren, bildete die Schleimhaut ein sehr engmaschiges Netzwerk, dessen Maschen aber unregelmässige Formen hatten. An dem Pförtner befand sich eine ringför- mige mässig hohe und mit ihrem etwas ausgezackten freien Rande nach hinten gerichtete Falte der Schleimhaut. In der vorderen Hälfte des Dünndarms, dessen Wandung im Ganzen etwas dünner, als die des Magens war, bot die Schleimhaut 12 zickzackförmig verlaufende zarte Längsfalten dar, die seit- lich viele sehr kleine Ausläufer aussendeten, In der hinteren Hälfte desselben Darmstückes bildete sie ein zierlicheg eng- maschiges Netzwerk. Eine Klappe von ähnlicher Gestalt, wie die des Pförtners, aber von geringerer Höhe, befand sich an dem Ausgange des Dünndarmes. In dem Dickdarm, dessen Wandung im Ganzen nicht dicker, als die des Dünndarmes war, bildete die hier dünnere Schleimhaut ein Netzwerk, des- sen Maschen eine grössere Weite, als die des in dem Dünn- darme vorhandenen hatten, aber hie und da gleichsam ver- 343 wischt erschienen. Die Wandung der Kloake war ungefähr eben so dick, wie die des Magens, also etwas dicker, als die des Diekdarms. Ihre Schleimhaut bildete viele sehr verschie- dentlich hohe und auch verschiedentlich lange Längsfalten. Ausserdem aber bildeten die Schleimhaut und die Zellhaut der Kloake hinter der Mitte dieses Körpertheiles 4 verschiedentlich grosse Anschwellungen, die sich fest anfühlen liessen, mit ihrem grössten Durchmesser eine Richtung von vorn nach hin- ten hatten, und je 3 bis 4 von vorn her zu ihnen hingehende dünne Längsfalten der Schleimhaut in sich aufnahmen. Zwei von ihnen hatten die Form von Doppelkegeln und waren nur 2" lang. Die beiden anderen aber hatten eine Länge von 5 bis 5'/,", reichten über jene weit nach hinten hinaus, waren vorn am dicksten und erschienen hier schräg abgestutzt, verloren aber von da aus nach hinten immer mehr an Dicke. Ihre Lage zu einander war von der Art, dass eine Linie, die durch alle so hindurchgegangen wäre, dass sie den dicksten Theil einer jeden getroffen hätte, eine Spirale beschrieben haben würde. Durch die angeführten- Anschwellungen war die Höhle der Kloake an einer Stelle so verengt, dass die in sie hineinge- langten Stoffe hier einige Zeit zurückgehalten werden mussten, ehe sie durch den After ausgestossen werden konnten. — Longitudinelle und quere Muskelfasern waren an dem ganzen Darmkanale und der Kloake deutlich zu erkennen. Am dick- sten waren die von ihnen zusammengesetzten Schichten an dem Magen und der Kloake. — Befestigt war die Speiseröhre an ihre Umgebung durch ein lockeres Bindegewebe. Erst hinter ihr und dem Herzen begann die von einer serösen Haut, dem Bauchfell, umkleidete Rumpfhöhle, die sich bis an das Ende der Kloake erstreckte. Für den Magen und den Darm fand sich ein zartes und mässig breites von dem Bauchfell gebildetes Gekröse vor, das sich von dem Anfange des ersteren bis an das Ende des letzteren hinzog. Von ganz eigenthümlicher Art aber war die Einhüllung der Kloake. Sie bestand nämlich in einer mässig dicken fibrös-häutigen Scheide, die besonders in ihrer oberen oder dem Rücken zugekehrten Wandung viele von dem fibrösen Gewebe eingeschlossene, ohne Unterbrechung 344 sich von vorne bis hinten erstreckende, und eine mehr oder weniger grosse Breite besitzende dünne Bündel von glatten Muskelfasern enthielt. An den beiden Enden der Kloake ging sie in die Substanz dieses Körpertheiles über, oder war viel- mehr daselbst mit dessen Substanz ringsum verwachsen, sonst aber schloss sie ihn nur lose ein. Ihre beiden Flächen waren von einer serösen Haut bekleidet, und zwar die äussere, die nirgend weiter, als nur an ihrem hinteren Ende mit der Lei- beswand verwachsen war, von einem Theile des Bauchfells, das auch für die Kloake ein schmales und als eine Fortsetzung des Gekröses erscheinendes Haltungsband bildete. Die innere Fläche der Kloakenscheide aber war von einer besonderen se- rösen Haut bekleidet, die ausserdem auch die Kloake selbst umkleidete, indem sie an den Enden jener Scheide auf dieselbe überging, doch nirgend für diese ein besonderes Haltungsband zusammensetzte. Der Raum zwischen der Kloake und deren Scheide erschien völlig abgeschlossen: namentlich führte aus ihm weder nach der Oberfläche des Leibes, noch auch in den Raum des von dem Bauchfell gebildeten Sackes eine Oeffnung hin. Der Umstand, dass bei der Coecilia annulata die unge- wöhnlich lange Kloake in einer besonderen Scheide eingeschlos- sen ist, die longitudinelle und in der Gegend des Afters an die Wandung der Rumpfhöhle angeheftete Muskelbündel be- sitzt, deutet darauf hin, dass bei diesem Thiere die Kloake durch ihre Scheide zum Theil nach aussen hervorgetrieben oder ausgestülpt werden kann. Hierzu kommt noch, dass dieses Thier, wie ich weiterhin darthun werde, einen besonderen Muskel besitzt, durch den die Kloake, wenn sie etwa hervor- gestülpt worden ist, wieder in den Leib zurückgezogen werden kann. Wenn daher Bischoff an einem in Weingeist aufbe- wahrten Exemplar von ©. annulata aus dem After Etwas her- vorhängen sah, was man nicht für ein männliches Glied halten konnte, und wenn Fitzinger an Bischoff die Versicherung gab, dass eben so auch der Theil ausgesehen habe, welcher bei Nitzsch an einer Coecilia aus dem After hervorhing, so kann das Hervorhängende in beiden Fällen wohl nur ein her- ausgestülpter Theil der Kloake gewesen sein. Bischoff'selber 345 hat gemeint, es sei diess die umgestülpte Abdominalblase (Harnblase) gewesen*). Dieser Ansicht aber steht, wie es mir scheinen will, der Umstand entgegen, dass namentlich bei ©. annulata die Kloake zu lang ist, als dass durch sie die vorn mit ihr zusammenhängende Abdominalblase nach aussen hervordringen und äusserlich sichtbar werden könnte, und dass ferner die Kloake durch ihren Musculus Retractor und das Hal- tungsband ihrer Scheide mit anderen Körpertheilen zu innig verbunden ist, als dass sie ihrer ganzen Länge nach und mit ihr auch die Ahdominalblase nach aussen hervorgestülpt wer- den könnte. In dem Magen und dem Darm befand sich bei dem von mir zergliederten Exemplar eine aus Sand und Thon zusammen- gesetzte Erde, in der auch einige sehr kleine Glimmerplättehen vorkamen. Nur Erde ist auch von Anderen in dem Darmkanal der Coeeilien gefunden worden. Die Leber, die 4'' hinter dem Herzen und 3” von dem vorderen Ende des Körpers entfernt lag, hatte eine Länge von 3" 6", Ihre Breite betrug 3°," und blieb sich allenthalben beinahe gleich. Wie bei Coecilia lumbricoides und C. hypocya- nea nach Tiedemann’s und J. Müller’s Angaben, war sie durch sehr tief gehende und quer gerichtete Einschnitte in eine Reihe von mässig dicken tafelförmigen Lappen getheilt, die mit ihrem freien Rande nach unten und hinten gerichtet waren und einander dachziegelförmig deekten. Die Zahl dieser Lap- pen betrug 32. Die Seitenränder der Leber waren mässig scharf, die dem Magen zugekehrte Seite schwach eoncav, die der Bauchwand zugekehrte Seite ziemlich stark convex. Jene erstere Seite aber war nicht die eigentlich obere, obgleich sie nach oben gewendet war, sondern genau genommen die ur- sprünglich linke, so wie die convexe die ursprünglich rechte Seite: denn das Haltungsband, welches die Leber mit dem Magen vereinigte — eine zarte und mässig breite, aber an- sehnlich lange in der Mittelebene des Körpers von dem Magen abgeliende Falte des Bauchfells, — war nicht an die nach *) J. Müller's Archiv. Jahrgang von 1838. Seite 354 346 oben gekehrte Seite, sondern an den rechten Rand derselben befestigt. Auch gingen die erwähnten Einschnitte dieses Ein- geweides von dem linken gegen den rechten Rand desselben hin, welchen letzteren sie beinahe erreichten. Ein zweites Hal- tungsband der Leber, bestehend ebenfalls aus einem Theile des Bauchfells, ging von demjenigen Rande derselben, an wel- chen das erstere Band befestigt war, zu der Mittellinie der Bauchwand herab. Die Substanz der Leber war recht fest, ihre Farbe gelblich-grau. Die Gallenblase lag sehr nahe dem hinteren Ende der Leber an deren nach oben gekehrten Seite, war dieser Seite enge angeheftet, besass eine rundliche Form, und hatte einen Durchmesser von 3"’. Durch einen Duectus eysticus, der nur eine Länge von 1’' hatte, stand sie unter einem sehr spitzen Winkel mit einem 3'/,"' langen Ductus he- patieus in Verbindung: beide Kanäle aber gingen in einen 10" langen Duetus choledochus über, der sich in den Dünndarın in einer sehr geringen Entfernung von dem Magenpförtner aus- mündete. Eingehüllt war der Ductus choledochus zum grossen. Theil von einer weisslichen und etwas lockeren Substanz, die einen ungleichseitig dreieckigen , lang ausgezogenen, 10'’ langen und mässig dieken Körper bildete, sich an dem ganzen Duectus choledochus hinzog, mit dem Scheitel an die Leber grenzte und an seiner Basis mit dem vordersten Theil des Dünndar- mes verwachsen war. Wohl ohne Zweifel war dieser Körper eine Bauchspeicheldrüse. Die Milz lag dicht an der rechten Seite der Bauchspeichel- drüse unter dem hintersten Theil des Magens. Sie hatte eine Länge von 4'/,"', die Form einer Olive, und eine ähnliche, jedoch weit mehr in Ockergeib übergehende graue Färbung, als die Leber. Mit ihrem einen Ende war sie nach vorn, mit dem anderen nach hinten gerichtet. Den Kehlkopf habe ich nicht untersucht, weil ich ein Prä- parat von der Coecilia, das ich für meine zootomischen Vor- träge gemacht hatte, nieht verderben wollte. Die Luftröhre war 2'' lang, völlig geradlinigt und von vorn nach hinten ein wenig erweitert, doch im Ganzen nur enge, Ihre nur dünne 347 und durchsichtige Wandung enthielt eine beträchtliche Zahl von knorpligen Halbringen, die sehr nahe auf einander folg- ten, sehr zart und sehr biegsam waren, und im Verhältniss zu ihrer Länge eine ziemlich grosse Breite hatten. Die Lage- rung dieser Knorpelstücke war von der Art, dass sie an der oberen Seite der Luftröhre einen mässig breiten Längsstreifen von blos häutiger Beschaffenheit übrig liessen. Gegenüber dem hinteren Ende des Herzens theilte sich der Stamm der Luft- röhre in zwei viel dünnere und sehr kurze, nämlich kaum 1" lange Aeste, die ebenfalls noch einige Knorpelringe enthielten. Der rechte von diesen Aesten ging gerade in das vordere Ende, der linke etwas hinter dem vorderen Ende der Lunge seiner Seite über. Die Lungen selbst waren, wie bei Coecilia glu- tinosa, ©. hypocyanea und nach einer Bemerkung von Mayer auch bei C. lumbricoides an Länge sehr ungleich, indess sie nach Tiedemann’s Angabe bei C. lumbricoides gleich lang sein sollen. Die rechte Lunge war 2’' 4’ lang, die linke hin- gegen nur 4"', Jene hatte die Form einer etwas abgeplatteten Walze, war vorn, wo ihre grössten Querdurchmesser 2'" be- trugen, am dicksten, wurde nach hinten ein wenig dünner und endete stark abgerundet, also weder zugespitzt, wie es nach Tiedemann bei €, Iumbricoides der Fall sein soll, noch bla- senartig erweitert, wie bei €. hypocyanea. Die linke Lunge hatte eine unregelmässig länglich-ellipsoidische Form und 1'/,"' zum grössten Querdurchmesser. Befestigt war die rechte Lunge beinahe ihrer ganzen Länge nach (nämlich von ihrem vordern bis beinahe zu ihrem hinteren Ende) durch eine zarte und mässig breite Palte des Bauchfelles, die von dem langen Hal- tungsbande der Leber ausging und als eine seitliche Fortsez- zung desselben betrachtet werden konnte. Die linke Lunge hingegen besass hinter dem zu ihr gehörigen Aste der Luft- röhre nur ein sehr kurzes und schmales Haltungsband, das von dem vordersten Theil des Magens abging. An der innern Fläche des rechten Lungensackes verlief von vorn nach hinten, da, wo sich äusserlich an ihm sein Haltungsband hinzog, eine Leiste, die ein Paar lange Gefässzweige (wahrscheinlich eine Arterie und eine Vene) einschloss, und vorn anschnlich hoch 348 und ziemlich diek war, nach hinten aber allmählig niedriger, wie auch ein wenig dünner wurde. Ihr gegenüber befand sich an der nach aussen und unten gekehrten Seite des Lungen- sackes eine ähnliche, doch etwas dünnere Leiste. Beide aber sendeten nach entgegengesetzten Richtungen und unter rechten Winkeln in grosser Anzahl etwas zartere Leisten aus, die sich so verhielten, dass sie zusammen mit den beiden erwähnten longitudinellen Leisten ein Netzwerk zusammensetzten, das sich von dem einen bis an das andere Ende des Lungensackes erstreckte. Die Zellenräume, die von diesem Netzwerk einge- schlossen waren, und von denen meistens je 8 in einem Kreise neben einander lagen, hatten an ihrem Eingange eine mehr rundliche, als eckige Form, und waren in dem vordern Theil des Lungensackes ziemlich tief, wurden aber gegen das hintere Ende desselben allmählig etwas flacher. Ihr Grund war häufig durch sehr zarte Leisten zweiter Ordnung in einige wenige kleinere und sehr flache Zellenräume getheilt. Der linke Lun- gensack gewährte auf seiner inneren Fläche einen ähnlichen Anblick, wie der rechte: nur traten in ihm zwei besondere Längsleisten als Stämme für die übrigen weniger deutlich, als in jenem hervor. — An dem Grunde der beschriebenen Zel- lenräume war die Wandung beider Lungensäcke nur dünn und halbdurchsichtig: Die Nieren hatten eine viel grössere Länge, als bei den nackten Amphibien anderer Gattungen: denn sie erstreckten sich von dem zweiten Drittel der Kloake bis in die Gegend des Herzens und hatten eine Länge von 9’, obgleich das ganze Thier nur wenig über 13” lang war. Dagegen waren sie in Uebereinstimmung mit der Form des ganzen Körpers nur sehr schmal: denn ihre grösste Breite betrug nur 1’’. Auch waren sie in ihrer vorderen Hälfte nur sehr dünn, hinten aber bei- nahe so diek, wie breit. Ihr innerer Rand, mit dem sie an die Aorta und die hintere Hohlvene angrenzten, zeigte eine Reihe auf einander folgender flacher Ausschnitte, die um so tiefer waren, je weiter sie nach vorn lagen: dagegen erschien ihr äusserer Rand geradlinigt. Die schwach -gelblichen Harn- kanälchen, die in den Harnleiter unter rechten Winkeln und 349 in mässig grossen Entfernungen von einander übergingen, wa- ren ziemlich weit, stark gewunden und zu Bündeln, die in einer einfachen Reihe hinter einander lagen, zusammengewik- kelt. Zwischen ihnen befanden sich viele verhältnissmässig recht grosse Malpighische Gefässknäuel. Der Harnleiter war ganz farblos und durchsichtig, aber deutlich erkennbar, im Verhältniss zu der Niere mässig diek, und im Verhältniss zu seiner eigenen Höhle, wie sich auf gemachten Querdurch- schnitten bemerken liess, ziemlich dickwandig. Er lief an dem äusseren Rande der ganzen Niere entlang, bog sich dann aber an dem hinteren Ende dieses Organs, indem er noch eine Strecke von 7’ über dasselbe hinausging, unter einem spitzen Winkel nach vorn um, und begab sich nunmehr zum vorderen Ende der Kloake, um sich in diese auszumünden. Die Nebennieren besassen eine goldgelbe Farbe und waren zwar nur sehr schmal, dafür jedoch bedeutend lang. Sie reichten von dem vorderen Ende der Nieren bis auf das letzte Drittel derselben: doch bestand nur die vordere Hälfte einer jeden in einer zusammenhängenden Masse, denn ihre hintere Hälfte war in viele Stücke zerfallen, die von einander mehr oder weniger weit entfernt in einer Reihe auf einander folgten. Jene zusammenhängende Masse lag neben dem innern Rande der Niere, diese Stücke aber befanden sich meistens an der unteren Seite der Niere und schienen, wie die Neben- niere der Frösche, gleichsam in die Substanz derselben hin- eingesprengt zu sein. Gegenüber den Harnleitern mündete sich in den Anfang der Kloake, wie bei anderen nackten Amphibien, eine Harn- blase oder Abdominalblase (Fig. 3f.). Dieselbe hatte in ihrer Form eine Aehnlichkeit mit einer Olive, war jedoch länglicher und in ihrem zusammengezogenen Zustande einige Mal der Quere nach zusammengeknickt. Ihre Wandung war im zusammengezogenen Zustande ziemlich dick, fein gerunzelt, und eben so, wie es bei anderen nackten Amphibien der Fall ist, schr reich an Blutgefässverzweigungen. Ihre Lage hatte sie unterhalb des Dickdarms auf einem muskulösen Körpertheil (Fig. 39. und Fig. 4d.), der beinahe die Form eines Weber- 350 schiffes besass, aber flacher als ein solches war, und eine Länge von 9” bei einer Breite von 2’ hatte. Mit dem einen Ende ging dieses Gebilde in das vordere Ende der Kloake über, mit dem anderen, das zugespitzt erschien, war es nach vorn gerichtet. Mit seiner nur mässig convexen Seite lag es auf der Bauchwand der Rumpfhöhle, an die es durch ein sehr schmales, aber dickes Band, das es nach der ganzen Länge seiner Mittellinie von dieser ausgesendet hatte, befestigt war: mit seiner nur wenig concaven Seite war es der Harnblase und dem Diekdarm zugekehrt. Ausser einer Bekleidung von dem Bauchfell liess es eine dünne fibröse Hülle erkennen. Zum bei weitem grössten Theile aber bestand es aus zwei beinahe spindelförmigen Muskelbäuchen, die von einander durch einen schmalen mit Bindegewebe angefüllten Zwischenraum geschie- den waren, und deren Fasern ein ähnliches Aussehen, wie die des Darmkanales hatten, also zu den organischen Muskelfasern gehörten. Eine Höhle war in ihm nirgend zu bemerken. Nach der ganzen Beschaffenheit und der Befestigung dieses Körper- theiles zu urtheilen, besteht seine Verrichtung höchst wahr- scheinlich darin, dass es die Kloake wieder zurückzieht, wenn dieselbe durch ihre Scheide verkürzt oder zum Theil heraus- gestülpt worden war. Ob übrigens dasselbe bei allen Arten von Coecilia vorkommt, und ob es nicht allein bei den weib- lichen, sondern auch bei den männlichen Exemplaren dieser Thiere vorhanden ist, würde in Zukunft noch erst zu ermit- teln sein. — Zwischen dem so eben beschriebenen muskulösen Gebilde und der Harnblase befand sich eine dreieckige Falte des Bauchfells, die mehrere von dieser Blase abgehende Ve- nenäste zu dem vorderen Ende jener Muskelmasse hinleitete, wo sich dann dieselben zu einem gemeinschaftlichen Stamme, nämlich zu der Vena epigastrica vereinigten. Die Eierstöcke waren etwas über 2’ lang, den Quer- durchmessern noch höchstens nur 1’ dick, gerade gestreckt, und durch ziemlich breite ringförmige Einschnürungen in einige auf einander folgende Stücke abgetheilt, die im Allgemeinen die Form von Walzen hatten. Sie lagen unter den Nieren zu beiden Seiten des Gekröses und reichten vorn bis in die Ge- gend des Magenpförtners. Befestigt war ein jeder durch ein vom Bauchfell gebildetes langes, aber nur schmales Haltungs- band an die untere Seite der Niere derselben Seitenhälfte. Im Innern liess er nirgend eine Höhle bemerken, sondern schien völlig dicht zu sein, was mich deshalb befremdete, weil die Eierstöcke anderer nackten Amphibien häutige Schläuche dar- stellen, die entweder ganz einfach, oder durch Scheidewände in etliche Kammern getheilt sind. Die Eier hatten eine weisse Farbe, eine rundliche Form und eine verhältnissmässig ziem- lich beträchtliche Grösse, indem ihre Durchmesser bis 0,0200" betrugen. Umstriekt fand ich die einzelnen Eier von einem höchst engmaschigen und zierlichen Gefässnetze, in das eine gefärbte Flüssigkeit, welche ich in die hintere Hohlvene inji- eirt hatte, hineingedrungen war. Der Inhalt der Eier bestand nieht hauptsächlich aus solchen an den Ecken abgestumpften Täfelehen, wie man in den Eiern der Frösche, Kröten und Molche findet, sondern hauptsächlich aus kugelrunden Form- elementen, die meistens 0,0005’, höchstens 0,0006’ zum Durch- messer hatten, und wahrscheinlich nur in Folge der Einwir- kung des Weingeistes fein-granulirt erschienen. Ausserdem aber waren in den einzelnen Eiern 2 bis $ zerstreut liegende rundliche Körper vorhanden, deren Durchmesser bis 0,0070" betrug, und die der Hauptsache nach aus dicht gedrängt bei- sammenliegenden dünnen, spiessförmigen und spindelförmigen Formelementen von 0,0005 bis 0,0009" Länge bestanden. Diese Elemente eines jeden solchen Körpers waren übrigens so ge- ordnet, dass sie mit ihrem einen Ende der Mitte, mit dem anderen der Oberfläche desselben zugekehrt lagen. Essigsäure, Salzsäure und kaustisches Kali lösten sie nicht auf. Von den Eierstöcken und hinter denselben von den Nieren hingen an langen, aber nur schmalen Falten des Bauchfelles zwei goldgelbe Fettkörper herab, die sich von der Gegend des Pförtners bis an das hintere Eude der Rumpfhöhle er- streckten, im Ganzen nur eine mässig grosse Breite und Dieke hatten, und durch Einschnürungen unvollständig in viele auf- einander folgende Abschnitte getheilt waren. a Die Eierleiter (Fig. 3d,d. und Fig. 4e.) bestanden in zwei 352 walzenförmigen und höchstens ”/, Linie dieken Kanälen, die nach der ganzen Länge der Nieren ohne die mindesten Schlän- gelungen verliefen, dureh das Bauchfell beinahe ganz dieht an den äusseren Rand dieser Organe angeheftet waren, an dem hinteren Ende derselben zusammen mit den Harnleitern sich nach unten und vorn umbogen, darauf noch eine kurze Strecke neben der Kloake nach vorn verliefen, und sich endlich neben den Harnleitern in das vordere Ende der Kloake ausmündeten. An seinem vorderen Ende besass ein jeder Eierleiter eine spalt- förmige Längsöffnung, aber keine auffallende triehterförmige Erweiterung. Vorn war seine Wandung dünn und durchsich- tig, weiter nach hinten wurde sie allmählig dieker, verlor ihre Durehsichtigkeit und nahm eine weisse Farbe an: noch weiter nach hinten (ungefähr am letzten Drittel des Eierleiters) zeigte sie im Verhältniss zu der Höhle des Organs eine beträchtliche Dicke. In dem weissgefärbten längeren Theile des Eierleiters enthielt seine Wandung eine Schicht sehr nahe bei einander liegender rundlicher Drüsenbälge, die bis 0,0060" zum Durch- messer hatten, Von einer Clitoris liess sich keine Spur auf- finden. Das Herz lag 1” 11"’ weit von dem vordern Ende des Körpers entfernt und hatte eine sehr längliche Form: denn seine Länge betrug 9"', hingegen seine grösste Breite in der Nähe des hintern Endes der Vorkammer nur 2'/,''. Die Vor- kammer war an ihrer obern Seite etwas länger, als an der untern, griff mit derselben über das vordere Ende der Kam- mer nach hinten etwas herüber, und erschien an dieser Seite der Quere nach stark gewölbt. An ihrer untern Seite aber besass sie der ganzen Länge nach eine tiefe Rinne, die von dem Stamme des ganzen arteriellen Systems ausgefüllt wurde. Im Uebrigen verhielt sich die Vorkammer so, dass sie aus der Nähe ihres hintern Endes nach vorn etwas schmäler und dünner wurde, vorn aber stumpf abgerundet endigte. Die viel kleinere Kammer hatte die Form eines im Verhältniss zu sei- ner Grundfläche mässig langen Kegels; ihre nach hinten ge- richtete, jedoch ein wenig nach der linken Seite umgebogene Spitze war durch ein kurzes fibröses Band an den Herzbeutel 353 angeheftet. Für sich allein gemessen war die Kammer 4'/,"", die mit geronnenem Blut stark angefüllte Vorkammer 5/,""' lang. — Eine Scheidewand ist von Einigen der Vorkammer der Coeeilien abgesprochen worden. Bei dem Exemplar aber, welches ich zergliederte, konnte ich eine solehe, wie schon früher A. F. Mayer bei Coec. lumbricoides ganz deutlich erkennen. Zwar erschien sie nur als eine sehr zarte und durch- sichtige Membran, hatte jedoch eine grössere Festigkeit und Stärke dadurch erlangt, dass in ihr dünne, obwohl verschie- dentlich feine fibrösartige Fäden ausgebildet waren, die ein Netzwerk von sehr engen und unregelmässig gestalteten Ma- schen zusammensetzten. Ein sehr kleines Loch, das sich in ihr zunächst der untern Wandung der Vorkammer und in einiger Entfernung von dem vordern Ende derselben befand, war so beschaffen, dass ich in Ungewissheit blieb, ob es für ein natürliches, oder für ein bei dem Entfernen des festgeron- nenen Blutes entstandenes gehalten werden durfte. — Der Herzbeutel war mit dem untern und den seitlichen Theilen seiner Wandung durch Bindegewebe dieht an die Leibeswand angeheftet. Der aus der Kammer des Herzens hervorgehende einfache Arterienstamm (der Truncus arteriosus communis), war in eini- ger Entfernung von derselben, nämlich da, wo er durch die vordere Hälfte der für ihn an der Vorkammer vorhandenen Rinne hindurchlief, zu einem kleinen ein Ellipsoid, oder bei- nahe eine kurze Spindel darstellenden Wulste (Bulbus arterio- sus) angeschwollen, dessen Achse der Achse des ganzen Kör- pers parallel war. Diesen Wulst mit eingerechnet, hatte der Truncus arteriosus eine verhältnissmässig sehr bedeutende Länge; denn von seinem Ursprunge aus der Herzkammer lief er in gerader Richtung 1” 1"’ weit nach vorn, ehe er sich in ähnlicher Weise, wie bei den Fröschen und andern Batrachiern, in zwei einfache Wurzeln für die Aorta theilte, nachdem er für die Lungen zwei besondere Seitenzweige abgegeben hatte. Auch die beiden Wurzeln der Aorta machten einen ungewöhn- lich langen Verlauf nach vorn: denn sie verliefen nahe bei einander erst ebenso, wie ihr Stamm, unterhalb der Luftröhre, Müllers Archiv 1852, 23 354 dann zu beiden Seiten derselben unter der Speiseröhre bis beinahe zu dem Kopfe, ehe’ sie sich nach oben und hinten umbogen, um unter der Rückenwand des Leibes wißder nach hinten zu gehen. Aus dem Bogen, den eine jede Aortenwurzel dieht hinter dem Kopfe an der rechten oder linken Seite der Speiseröhre bildete, sendete sie nach oben zwei mässig dicke Aeste aus. Der eine von diesen war nur sehr kurz, verlief schräg nach vorn und oben, entsprach der Carotis communis anderer Thiere, und theilte sich in 2 untergeordnete Aeste, von denen der eine eine sehr kurze Strecke nach seinem Ur- sprunge als eine Carotis cerebralis in die Hirnschale eindrang, der andere als eine Carotis facialis sich an den oberflächlicher gelegenen Theilen des Kopfes verbreitete und unter andern einen sehr in die Augen fallenden langen Zweig abgab, der zur Kehle ging, sich bis zu dem Kinnwinkel erstreckte, und für die Muskeln der Kehle und der Zunge bestimmt war. Der andere aus dem Bogen der Aortenwurzel ausgesendete Ast war etwas dünner, als jener erstere, lief schräg nach hinten und oben, und verbreitete sich an die Muskeln und die Haut des Nackens. — Die beschriebene Beschaffenheit der in dem obigen angeführten Gefässe lässt erkennen, dass ihr: Verhal- ten während der Entwickelung von demjenigen sehr abweichen muss, welches die entsprechenden Gefässe bei andern darauf schon näher untersuchten Thieren, insbesondere aber bei sol- chen Amphibien, welche einen mehr oder weniger langen Hals erhalten, dargeboten haben. Denn anstatt dass bei andern sol- chen Thieren diejenigen Schlundgefässbogen (oder Kiemenge- fässbogen), welche sich in 2 paarige Aortenwurzeln umwan- deln, mit dem Herzen immer weiter nach hinten rücken und sich von dem Kopfe weit entfernen, dagegen die Carotiden, die mit ihnen zusammenhängen und anfänglich nur eine sehr geringe Länge haben, mehr und mehr ausgesponnen werden, begeben sich bei der Coecilie jene Schlundbogen nicht von dem Kopfe fort, sondern verbleiben in der Nähe desselben, verlän- gern sich aber, während das Herz nach hinten rückt, sehr be- deutend; dagegen werden bei ihr in Folge hiervon die Caroti- den nicht lang ausgesponnen, sondern behalten für immer eine 355 sehr geringe Länge. — Die absteigenden Theile der beiden Aortenwurzeln, die übrigens an Dicke einander durchaus gleich waren, verliefen erst in der Nähe der Rückenwand des Leibes zu beiden Seiten der Speiseröhre, darauf, indem sie einander näher kamen, über der Speiseröhre und verbanden sich end- lich unter dem vierzehnten Wirbelbeine, oder, was damit gleich- bedeutend war, gegenüber der vordern Hälfte des Herzens unter einem sehr spitzen Winkel zu dem Stamme der Aorta. Ihre Verbindung lag also viel weiter nach vorn, als bei vielen andern Amphibien, welcher Umstand wohl in einem Zusam- menhange damit stehen dürfte, dass bei den Coeeilien die Nie- ren überaus lang sind und sehr weit nach vorn reichen. Auf ihrem Wege sendeten die absteigenden Theile der Aortenwur- zeln mehrere kleine Zweige an den vordersten und dem Halse angehörigen Theil der Leibeswände, die Speiseröhre und ver- muthlich auch an die Luftröhre. Die Aorta verlief zwischen den beiden Nieren, mit densel- ben enge verbunden, bis an das hintere Körperende, und sen- dete eine Menge von Zweigen aus. Nach oben gab sie in einer einfachen Reihe hintereinander eben so viele kurze Zweige ab, als die Zahl der Wirbel betrug, unter denen sie ihren Ver- lauf machte, und jeder von diesen Zweigen spaltete sich an je einem Wirbel in 2 Seitenzweige, die den Intercostal- und Lum- balarterien anderer Thiere entsprechen. Seitwärts schickte sie eine Menge in 2 Reihen vertheilter kleinerer Zweige an die Nieren, Geschlechtswerkzeuge und Fettkörper ab. Nach unten ferner sendete sie eine Reihe unpaariger Zweige für die Ver- dauungswerkzeuge aus. Der vorderste von diesen untern Zweigen war der grösste, entsprang beinahe gegenüber dem bintern Ende des Magens und der Leber, und entsprach der Arteria coeliaca anderer Thiere. Es hatte derselbe eine ziem- lich grosse Dicke und Länge, stieg innerhalb des Gekröses in einem nach hinten gerichteten starken Bogen zu dem hintern Ende des Magens herab, und zerfiel hier in einige Zweige, von denen der stärkste am Magen nach vorn verlief; ein zweiter zur Leber, ein dritter zur Milz und zum Pancreas gingen. Auf die Art. coeliaca folgten 5 weniger lange und weniger dieke 23° 356 Arteriae mesentericae, die durch das Gekröse zum Dünndarm gingen, und sich in der Nähe des letztern in einige Aeste und Zweige spalteten, die aber nicht ein Maschenwerk zusammen- setzten. Hinter diesen Gefässen begaben sich noch 7 kürzere Arteriae mesentericae zu dem Diekdarm, die sich aber, obgleich auch sie durch einen Theil des Gekröses hindurchgingen, doch erst auf dem Darm selbst verzweigten. — In dem hintersten Theile der Leibeshöhle sendete endlich die Aorta noch zwei paarige und auf beiden Seitenhälften vertheilte Aeste, die eine mässig grosse Dicke hatten, zu der Kloake und der Harnblase, auf welcher letztern sich dieselben besonders stark verzweigten. Für die Lungen fanden sich zwei Arterien vor, und diese entsprangen getrennt von einander aus dem Truncus arteriosus dicht vor dem Bulbus derselben, liefen erst zu beiden Seiten dieses Gefässstammes eine Strecke von 2 Linien nach vorn, krümmten sich darauf unter einem sehr kleinen Bogen nach hinten um, und gingen endlich gegenüber der Spitze der Herz- kammer auf die Lungen über. Weit complieirter als das arterielle war das venöse Gefäss- system. Dicht unter den absteigenden Theilen der Aortenwur- zeln verliefen zu den Seiten der Speiseröhre zwei Jugularvenen, die jene Theile etwa drei Mal an Weite übertreffen, wie über- haupt eine verhältnissmässig sehr ansehnliche Weite haben. Ueber ihre Verzweigung an dem Kopfe konnte ich mir keine genaue Kenntniss verschaffen; es schien mir aber diese Ver- zweigung von ähnlicher Art zu sein, wie die der Carotiden. In ihrem Verlaufe nahmen sie kleine Zweige von unten her aus der Speiseröhre, von oben her aus der Leibeswand auf. Ihr Ende befand sich gegenüber der Basis der Herzkammer. Ent- gegen kamen ihnen von hinten her zwei andere Venenstämme, von denen der eine der hintern Hohlvene anderer Thiere ent- sprach, der andere aber, den ich in Ermangelung eines bessern Namens, die vordere Nierenvene nennen will, eigenthümlicher Art war. Alle diese 4 Venenstämme vereinigten sich dann über dem Herzen zu einem kurzen und in der Mittelvene des Körpers gelegenen Schlauche,; der an seinem Anfange oder obern Theile ziemlich weit war; von da aus sich allmählig 357 trichterförmig etwas verengte, eine schräge Richtung von oben und hinten nach unten und vorn hatte, und endlich in den hintern Theil der rechten Vorkammer des Herzens überging (Fig-1h). Die hintere Hohlvene, die ich mit Karmin, der in Wasser aufgelöst worden war, vollständig injieirt hatte, entsprang, wie bei den Fischen und Amphibien im Allgemeinen, nur aus den Nieren und den Geschlechtswerkzeugen. Ihr Stamm lag dicht unter der Aorta descendens zwischen den Nieren, begann schon in der Nähe der hintern Enden dieser Organe, verlief dann, enge von denselben eingeschlossen und an Weite immer mehr zunehmend, nach vorn, verliess sie aber in geringer Ent- fernung von dem hintern Ende der Leber (nämlich ungefähr auf der Grenze der vordern und hintern Hälfte der Nieren) und begab sich nunmehr, indem er an der rechten Seite des Dünndarms herablief, zu dem hintern Ende der Leber. An demjenigen Rande der Leber, an welchem deren Haltungsband angeheftet war, ging darauf die Hohlvene oberflächlich weiter nach vorn, indem sie aus der Substanz dieses Eingeweides mehrere in einer Reihe hinter einander liegende Zweige auf- nahm, und sprang endlich etliche Linien über die Leber nach vorn vor, um zu dem Herzen zu gelangen. Aus den Nieren nahm der Stamm von beiden Seiten mehrere sehr kurze, in zwei Schenkel getheilte und verschiedentlich grosse Zweige, aus den Eierstöcken und den Fettkörpern eine Menge weit längerer Zweige auf, welche letztere durch die Haltungsbänder dieser Körpertheile hindurch liefen und sich an jene Venen- zweige der Nieren anschlossen. Der andere hintere Gefäss- stamm, oder derjenige, welchen ich vorhin die vordere Stirn- vene genannt habe, war kürzer und dünner, lag vor jenem erstern unter der Aorta descendens zwischen den vordern Hälften der Nieren, und ging, mit seinem hintern dünnern Ende neben dem Pancreas in den erstern Stamm, wo dieser schon die Nieren verlassen hatte, hingegen mit seinem vor- dern diekern Ende in den mit der rechten Vorkammer zusam- menhängenden Venensack über. Von den Seiten her nahm er, auf gleiche Weise wie die hintere Hohlvene, in 2 Reihen meh- 358 rere sehr kleine quergelagerte Zweige aus den Nieren, den Eierstöcken und den Fettkörpern auf. — Nach dem Ange- führten wird also bei der Coecilie die hintere Hohlvene, die bei anderen Amphibien von Jacobson mit dem Namen der V. renalis revehens bezeichnet worden ist, durch 2 Gefäss- stämme vertreten, die aber mit einander in einer innigen Ver- bindung stehen. Als eine sogenannte V. renalis advehens kam ein kurzer Venenstamm vor, der in dem hintersten Theil des Körpers begann und sich an dem hintern Ende der Nieren in zwei symmetrisch dünne Aeste spaltet, die auf der obern Seite dieser Organe nach vorn verliefen, sich aber bald endigten. Demungeachtet erhielten die Nieren aus der Leibeswand eine verhältnissmässig bedeutende Quantität venösen Blutes, und zwar durch eine ansehnliche Zahl von kleinen Venen, die vom Rücken herkamen. Hinter dem Herzen gingen nämlich aus der Gegend der Wirbelsäule von der Rückenwand des Leibes eben so viele kurze und dünne einfache Venen herab, als die Aorta descendens Zweige zum Rücken hinaufgesendet hatte, und verliefen neben diesen Arterienzweigen so, dass immer je eine von ihnen mit einem dieser Arterienzweige gepaart er- schien. Sie führten aus der Rückenwand der Leibeshöhle das Blut zurück, wendeten sich vom Rücken aus, wie sie von vorn nach hinten auf einander folgten, unregelmässig abwechselnd bald nach der rechten, bald nach der linken Niere hin, und gingen endlich auf die nach oben gekehrte Seite der Nieren über. Hier angelangt, theilte sich dann eine jede solche Vene in einen nach hinten und einen nach vorn gerichteteten Ast, die nunmehr sich in der Substanz der Nieren weiter verzweig- ten und in ihr auch endigten. Die Injectionsmasse, die ich in die hintere Hohlvene und die vordere Nierenvene hineingetrie- ben hatte, war aus den Zweigen derselben in die Verzweigun- gen mehrerer von diesen kleinen Venen, welche Blut vom Rücken her den Nieren zuführten, übergegangen, woraus sich entnehmen liess, dass die Verzweigungen dieser kleinen Venen innerhalb der Nieren zum Theil unmittelbar in die Verzwei- gungen der Hohlvene und der vordern Nierenvene übergingen. Eine Vena azyga und V. hemiazygea fehlten gänzlich. Sie 359 wurden aber vertreten durch die vielen kleinen Venen, welche sich vom Rücken zu den Nieren begaben, Das Blut der untern Wand der Leibeshöhle ging in eine lange einfache Vena epigastrica über, die, wie bei andern nackten Amphibien von der Harnblase, auf der sie mit meh- reren Zweigen entsprang, und ausserdem auch von dem Re- tractor der Kloake herkam, darauf in der Mittelebene des Körpers zwischen dem Bauchfell und den Muskeln der Bauch- waud geradeweges nach vorn verlief, und in die Leber über- ging. In diese drang sie vor deren Mitte ein, nachdem sie an dieselbe weiter nach hinten schon zwei in mässig grosser Ent- fernung von einander liegende einfache Aeste abgesendet hatte. Sowohl jenes Ende aber, als auch diese Aeste, liefen durch das vom Bauchfell gebildete lange Band hindurch, welches von der Mittellinie der Bauchwand zur untern Seite der Leber ging, und schienen sich dann in diesem Organe selbst zu verzweigen. Für die Rückführung des Blutes, welches dem grössten Theile des Darmkanales zugegangen ist, begann ein Venen- stamm auf der hintern Hälfte des Diekdarms, wo er mit dem Stamm ‘der V. renalis advehens zusammenzuhängen schien. Derselbe verlief von da aus geradesweges erst dicht auf der obern Seite des Diekdarms, dann in einiger Entfernung von dem Dünndarm innerhalb des Gekröses nach vorn, nahm un- terwegs auch einen der Milz und der Bauchspeicheldrüse an- gehörigen Zweig, desgleichen einen andern vom Magen kom- menden und an diesem von vorn nach hinten laufenden Zweig auf, ging nunmehr an der Bauchspeicheldrüse vorbei, und senkte sich endlich als Pfortader neben der hintern Hohlvene, doch in einiger Entfernung von derselben, in die Leber ein. Ihr vorderes Ende war weiter als die hintere Hohlvene, wo diese die Leber erreichte. Was endlich die Lungenvenen anbelangt, so wollte es mir leider nicht gelingen, mit Sicherheit die Frage zu entschei- den, ob sie für sich allein in das Herz und zwar in die linke Vorkammer ‚desselben übergehen. Indess lässt sich aus der Gegenwart von zwei Vorkammern mit grosser Wahrschein- lichkeit folgern, dass sie dort sich ausmünden, 360 Erklärung der Abbildungen auf Taf. IX. Fig.1. Das Herz in natürlicher Grösse von der untern Seite an- gesehen. a,a die Vorkammer; 5 die Kammer; ce und d der Truncus arteriosus communis; e,e die Lungenarterien; f die rechte Vena jugu- laris; g die hintere Hohlvene; % der Abzugskanal, in den jene beiden Venen und noch einige andere übergehen. Fig.2. Ein Stück des Darmkanales in natürlicher Grösse. a Ende des Magens; b,b Dünndarm; ce Anfang des Dickdarms. Fig. 3. Der Dickdarm, die Kloake und noch einige andere Theile von der rechten Seite angesehen. Sie sind in natürlicher Grösse ab- gebildet worden. a Ende des Dünndarms; b Dickdarm; ce Kloake; d,d der hintere Theil des rechten Eierleiters; e der hintere Theil der rechten Niere; f die Harnblase; g der Retractor cloacae. Fig.4. Die Kloake nebst deren Retractor von der untern Seite angesehen. Die mit ihnen abgebildeten Theile des Diekdarms und rechten Eierleiters sind etwas nach der rechten Seite hingezogen wor- den. a Ein Theil des Dickdarms; 5 das bogenförmig gekrümmte Ende desselben; ce der Eierleiter; d der Retractor eloacae; e die Kloake; f die Afteröffnung. Fig.5. Das Gehirn von der untern Seite angesehen und zwei Mal vergrössert dargestellt. a Riechnerv; b Riechnervenkolben; e mittlerer Theil des grossen Gehirns; d Sehnerv; e Hirntrichter; f hinteres Ende des grossen Gehirns; g Hirnanhang; % verlängertes Mark; # Rücken- mark. Fig.6. Das Gehirn von der obern Seite angesehen. a Riechnerv; b Riechnervenkolben; ce übriger Theil der Hemisphäre des grossen Ge- hirns; d Vierhügelmasse; e Decke der vierten Hirnhöhle; f verlänger- tes Mark. Fig. 7. Das Gehirn, an dem die obere Wandung der Seitenhöhlen und die Decke der vierten Hirnhöhle fortgenommen worden sind. a Riechnery; 5 Riechnervenkolben; ce Ganglion der Seitenhöhle; d die kleine Anschwellung, in welche die fast schnabelförmige Verlängerung der Vierhügelmasse übergeht; f kleines Gehirn; g verlängertes Mark. Fig. 8. Die stark vergrösserte Decke der vierten Hirnhöhle von der obern (oder äussern) Seite angesehen. a ihr mittlerer Theil; b,5 ihre seitlichen Theile oder fächerförmigen Flügel. 361 Experimente über die Stase an der Frosch- schwimmhaut. Von Dr. H. Weser in Giessen. Die Lehre über den Mechanismus der unter gewissen Bedin- gungen stattfindenden Anhäufung und Stockung der Blutkör- perchen in den Kapillaren ist ein wunder Fleck in der Expe- rimentalpathologie. Wie käme es sonst, dass ein Phänomen, das jedem Mikro- skopiker zugänglich ist, so viele Deutungen erfahren konnte, als es diesem geschah? Man ist daran, den Begriff Entzündung aus der Pathologie zu streichen. Man hat Recht. Denn was kann uns Entzün- dung sein, wenn wir nicht wissen, was ihr Mechanismus ist? Die Differenzen zwischen den Autoren sind aber hierüber noch so gross, dass neben den Hypothesen von Henle und Brücke, die den Mechanismus der Stase als eine abnorme Aeusserung der durch die Herzaction und die Gefässe gesetz- ten Bedingungen des Kreislaufs schildern, andere von in jeder Beziehung gleichgewissenhaften Forschern (Müller, Vogel, Vierordt, Virchow, A. Förster) bestehen, die jener mechanischen Bedingungen bei Erklärung dieses Processes nicht bedürfen. Man diseutirte oft genug die Frage, ob sich Gewebe ent- zünden können, die keine Gefässe haben. Warum wurde noch nicht gefragt, ob sich Stase bilden könne in Geweben, die zwar Gefässe nebst Inhalt besitzen, in denen aber keine Cireulation besteht? In der That ist dies der Weg, um die Beziehungen der me- 362 chanischen Bedingungen des Kreislaufs zu dem Mechanismus der Stase kennen zu lernen. Man muss zugeben, dass wenn Stasen unter übrigens gleichen Bedingungen ebensowohl bei Ausschluss der Herzaction wie bei freier Cireulation sich erzeugen lassen, die Brücke’sche sowohl wie die Henle’sche Hypothese fallen muss. Wir hoffen im Folgenden zu zeigen, dass man dies kann. Zuerst aber will ich auf ein Phänomen aufmerksam machen, das mir die Idee an die Hand gab, nach künstlicher Aufhe- bung der Circulation in der Schwimmhaut den Versuch zur Hervorbringung von Stasen zu machen. Ich hatte mir, um einen vollkommenen Ueberbliek der Er- scheinungen während der Einleitung von Stasen zu haben, zur Regel gemacht, stets eine neben einem Venenstamme verlau- fende. Arterie beide möglichst nahe ihrem Eintritt in die Schwimmhaut zugleich in das Sehfeld zu bringen und die Stelle gut zu fixiren, damit keine Verwechslung vorkomme, wenn ich sie etwa momentan aus dem Gesichte verlöre, Um auch etwaigen Irrthümern in Folge der Cireulationsstörungen, die durch gewaltsame Bewegungen des Thiers manchmal erzeugt werden, vorzubeugen, durchschnitt ich entweder den N. ischia- dieus oder machte die Frösche durch Aether oder Zerstörung von Hirn- und Rückenmark fühllos; (im letzteren Falle muss man natürlich den irgend bedeutenden Blutverlust vermeiden.) Trug ich nun Kali oder Ammoniak in verdünnter Lösung auf das betreffende Schwimmhautfeld auf, so sah ich manch- mal sehr auffallend, manchmal weniger kurz nach dem Ein- tritte der gewöhnlich beschriebenen Anfaugssymptome der ent- stehenden Stase folgendes bis jetzt weniger berücksichtigte Phänomen. Es stand, während durch den verengten Arterien- stamm kaum hie und da ein Blutkörperchen zu dem Entzün- dungsheerde gelangte, in der in Betreff ihres Durchmessers unveränderten Vene, das seit einiger Zeit langsamer fliessende Blut plötzlich still, floss dann kurze Zeit oseillirend vor- und rückwärts und kehrte endlich, während die Arterie so verengt war, dass man die Contouren ihres keine Blutkörperchen füh- renden Kanals kaum erkennen konnte, in einem constanten 363 Strome aus dem strotzend gefüllten Venenstamme, der nun von der längs der Zehe verlaufenden Vene mit Blut gespeist wurde, in seine Zweige und endlich Kapillaren zurück. Diese Stromumkehrung in der Vene dauerte in den eclatantesten Fällen so lange fort, bis in allen von der Lösung getroffenen Schwimmhautpartieen die Kapillaren und Venen strotzend ımit Blutkörperchen gefüllt waren und somit die Stase bestand. Die Arterien verharrten derzeit noch in Contraetion und wa- ren meist sehr schwer sichtbar. Dieselbe Umkehrung des Ve- nenblutstroms beobachtete ich, wenn auch lange nicht so exquisit und überhaupt viel seltner, wenn ich durch sehr eoncentrirte Kochsalzlösung Stase erzeugte. Ja, nachdem ich einmal aufmerksam auf diese Sache war, konnte ich mich bei jeder durch irgend einen dazu brauchbaren Stoff erzeugten Stase mindestens in den Venen dritter und vierter Ordnung von der constanten Umkehrung des Blutstroms in ihnen, nach- dem sich die ersten Spuren des Stockens der Circulation in den Kapillaren gezeigt hatten, deutlich überzeugen. Dies war mir um so auffallender, als bekanntlich die meisten und na- mentlich die durch Kochsalz erzeugten Stasen nieht mit Ver- engerung, sondern mit Erweiterung der Arterien einhergehen. Denn hierdureh schien mir bewiesen, dass die durch Verengung der Arterien entstehende Verminderung des Druckes von Seite der zuführenden Gefässe, wie sie bei den durch Kali oder Am- moniak erzeugten Stasen statthat, nicht die Ursache der Um- kehrung des Blutstroms in den Venen sein konnte. Wie war es also möglich diese Erscheinung durch den Me- chanismus der Circulation, in so weit dieser von der Herzaction und den Durchmesserverhältnissen der Gefässe abhängt, zu erklären? Trotzdem durchmass ich alle Gattungen von Gefässen eines Schwimmhautfeldes vor und nach Erzeugung solcher Stasen zu wiederholten Malen; ich konnte aber niemals Anhaltspunkte zur Erklärung obigen Phänomens hierdurch gewinnen. Ent- weder also lagen diese in den Gefässen ausserhalb des Be- reichs der Schwirumhaut (ähnlich den bei gewaltsamen Bewe- gungen des Frosches durch Compression grösserer Gefäss- 364 stämme entstehenden Cireulationsstörungen), oder es hatten weder die Gefässe, noch die Herzaction direct oder indireet Antheil an der Entstehung desselben. Letztere Vermuthung schien mir dem Experimente zugänglicher, da es sich zur vor- läufigen Prüfung derselben nur um Beantwortung der Frage zu handeln schien: ob man dies Phänomen, nämlich Umdrehung des Venenblutstroms unter den oben angegebenen Bedingungen, auch bei aufgehobener Cireulation erzeugen könnte. In der That ist dies die- selbe Frage, als die nach den Vorgängen, die zu beobachten sind, wenn man nach dem irgendwie bewerkstelligten Stillstand des Bluts in den Ge- fässen der Schwimmhaut Stase erregende Stoffe auf diese aufträgt. Um dies bewerkstelligen zu können, umschnürte ich einen Froschschenkel, dessen zu benutzende Schwimmhautfelder ich vorher unter dem Mikroskope auf das normale Verhalten ihrer Circulation geprüft hatte, so mittelst eines breiteren Bandes, dass der Kreislauf unterhalb vollständig aufgehoben war; was übrigens nicht augenblicklich im ganzen Systeme, sondern zu- erst in den Venen, dann in den Kapillaren und endlich in den Arterien eintritt. Der Hauptgrund hiervon liegt offenbar in der Contractilität der letzteren. Es entsteht nämlich in dem abgeschnürten Theile, wie man dies in der Schwimmhaut be- obachtet, ein eigenthümliches Arterienspiel. Es contrahiren sich diesse Gefässe und erschlaffen dann wieder ziemlich rasch abwechselnd, besonders in ihren Stämmen, und in Folge des- sen wird das Blut bald aus ihnen ausgetrieben, und bald wie- der in sie aufgenommen. Wartet man nach der Umschnürung einige Zeit, so bemerkt man, wie nach und nach die Contrac- tionen schwächer werden, bis endlich die Arterien constant erweitert bleiben und jede Spur von Bewegung des Blutes verschwunden ist. Dies nun ist der Moment, wo man zur Auf- tragung des zu prüfenden Stoffes schreiten kann. Noch siche- rer geht man aber, wenn man gleich nach Umschnürung des Schenkels den N. ischiadieus durchschneidet, oder den Frosch anästhesirt oder ihm Hirn- und Rückenmark zerstört. In 365 allen diesen Fällen erschlaffen erstlich sogleich die Arterien, es kommt somit das Blut früher zu vollkommenem Stocken in den Gefässen, und zweitens ist man dadurch vor den Cireula- tionsstörungen geschützt, die durch gewaltsame Bewegungen, wenn das Thier Schmerz empfindet, eintreten könnten. Uebri- gens ist es vollkommen gleichgültig für das Gelingen der dem- nächst zu beschreibenden Experimente, ob und welche der eben angegebenen Vorsichtsmaassregeln gebraucht wurden, besonders überzeugte ich mich hiervon in Betreff der vielfa- chen Eingriffe in das Nervensystem, die ich eben vorschlug; keiner derselben modifieirt im Wesentlichen den Mechanismus der Stasen bei freier Cireulation, keiner derselben modifieirt die Resultate meiner Experimente. Wichtiger ist der Zeitpunkt, den man zum Auftragen des zu prüfenden Stoffes wählt. Es ist am besten, wie ich schon sagte, möglichst bald nach eingetretenem vollkommenen Still- stand der Circulation in der Schwimmhaut zu operiren. Es stellt sich nämlich nicht selten etwa 4-8 Stunden nach vorge- nommener Umschnürung in dem seither stockenden Blute wie- der Bewegung ein. Und zwar rückt in diesen Fällen ganz ohne äussere mechanische Veranlassungen ebensowohl, als ohne bemerkbare Aenderungen in den Durchmesserverhältnis- sen der Gefässe, das Blut aus den Arterien und Venen in die Kapillaren; in ihnen häufen sich die Blutkörperchen nach und nach an, es schwindet immer mehr die Blutflüssigkeit; kurz die ganze Schwimmhaut gewinnt das Ansehen, als sei Stase in ihr erzeugt worden, obgleich doch aufs sorgfältigste jeder reizende Einfluss vermieden war. Auffallend bleibt nur, dass meist diese Stasen keine sehr hochgradige Füllung der Kapil- laren mit Blutkörperchen zeigen und dass sie sofort nach Lö- sung der Schenkelligatur, — sollte dieses auch erst nach mehr als 60stündigem Bestehen derselben geschehen — wieder ver- schwinden, ohne dass man dabei irgend welche Metamorphose der betreffenden Blutkörperchen beobachten könnte, während doch diese bei Stasen, die man wie gewöhnlich mittelst Auf- tragens gewisser Stoffe in der Schwimmhaut erzeugt hat, keine 60 Stunden auf sich warten lassen. 366 Rascher erzeugt man die eben beschriebene Stase, wenn man die unter dem Mikroskope ausgespannte‘ Schwimmhaut des umschnürten Schenkels an der Luft trocknen lässt, oder gar sie der Ofenwärme aussetzt. Aber auch die schönsten Bilder solcher Stasen sind unhaltbar, sobald die Schenkel- ligatur entfernt wurde und die Schwimmhaut wieder befeuch- tet wird. Von eben so geringer Dauer nach Lösung der Schenkel- ligatur erweist sich die mechanische Stase, welche erzeugt wird, wenn man den Schenkel des Frosches so umschnürt, dass nur die Arterie frei bleibt. Man sieht nach dieser Proce- dur das Blut in den strotzend gefüllten Arterien und Kapilla- ren der Schwimmhaut noch nach vielen Stunden stossweise vorwärts rücken. Dies dauert überhaupt so lange, bis durch die Herzaction die Blutflüssigkeit aus den Gefässen ausgepresst ist und diese allesammt strotzend mit Blutkörperchen gefüllt sind; wobei übrigens gar manches Extravasat zu beobachten ist. Löst man nun oder auch erst einige Tage später die Li- gatur, so stellt sich alsbald die Cireulation wieder her. Um- schnürt man dagegen den Schenkel so, dass nur die Vene frei bleibt, so entstelt selbst nach mehreren Tagen keine Stase. Es zeigt sich, dass die Schwimmhautgefässe sowohl Blutflüs- sigkeit als Körperehen enthalten. Bemerkenswerth für diese Versuche ist noch, dass es sich als vollkommen einerlei für das Gelingen derselben erweist, ob der N. ischiadieus mit umschnürt wurde, oder frei blieb, oder unterhalb durchschnitten wurde. Dies wäre somit das Thatsächliche über die nächsten Fol- gen der Schenkelligatur an Fröschen. Die Erklärungen des- selben müssen wir verschieben. Es schien aber von Wichtig- keit das Gegebene vorauszuschicken, da es sich um Experi- mente bei Ausschluss der Herzaction handelt, die hiernach rascher beurtheilt werden können. Beschliessen wir nun die Beschreibung unserer Methode, so haben wir nur noch zu be- merken nöthig, dass wir sogleich nach vollkommenem Still- stand der Cireulation in der Schwimmhaut diese auf die oben angegebene Weise einstellten und nun mittelst eines Glasstück- Fr Bet he u U U 3067 chens die chemisch reine Spbstanz anfänglich in verdünnter und dann in eoncentrirter Lösung auftrugen. Die Resultate meiner Experimente zeigen nun, dass man in der That auf diesem Wege Aufschluss über die Natur jener Umkehrung des Blutstroms in den Venen erhält. Zugleich aber ergiebt sich Neues über den Mechanismus der Stase, denn es erscheint jenes Phänomen innig mit diesem verwebt. Wir fanden nämlich, dass eine Menge von Substanzen und darunter alle die, welche gewöhnlich die Experimentatoren zur Erzeugung von Stasen an der Froschschwimmhaut benutzen, im Stande sind, das durch die oben beschriebenen Vorbereitun- gen in den Gefässen der Schwimmhaut stockende Blut in Be- wegung zu setzen und zwar in der Art, dass es sowohl von Seite der Arterien als Venen den Kapillaren zuströmt und dort seine Blutkörperchen absetzt, während die Flüssigkeit aus diesen verschwindet; dass also diese Substanzen, trotz des Ausschlusses der Herzaction, Stase zu erzeugen vermögen. Dass ferner andere Substanzen sich vollkommen indifferent gegen das in den Gefässen stockende Blut verhalten und dass endlich wieder andere zwar das ruhende Blut in den Schwimm- hautgefässen in Bewegung setzen, aber dennoch nicht im Stande sind, Stase zu erzeugen. Ich will nun die zu diesen Angaben nöthigen Erörterungen machen. Trägt man kaustisches Kali oder Ammoniak, beide in ganz verdünnter Lösung, oder heisses Wasser, mässig verdünnte Essigsäure, Kochsalz, Harnstoff, Salpeter, einfach kohlensaures Natron, Ohlorcaleium, die fünf letzteren in kalt gesättigter Lösung, auf die nach obigen Angaben präparirte Schwimmhaut auf, so beobachtet man Folgendes. Alsbald entsteht ein leb- haftes Strömen des Bluts in den Arterien und Venen des be- treffenden Schwimmhautfeldes und zwar nach den Kapillaren hin; also in den Arterien wie normal bei freier Cireulation, in den Venen in umgekehrter Richtung. Zugleich hat sich auch in den Kapillaren das Blut in Bewegung gesetzt. Es rücken die Blutkörperchen in ihnen immer dichter aneinander, es werden neue zugeführt. Die Blutflüssigkeit schwindet, blos 368 Körperchen füllen die Kapillaren ‚aus, indem sie sich aneinan- der legen, sich nicht mehr bewegen und ihre Contouren nicht mehr erkennen lassen. In derselben Weise füllen sich nun auch die kleinen Venen und Arterien, während die Zufuhr aus deren Stämmen unbeirrt fortdauert und diese hinwiederum aus den neben den Zehen verlaufenden Gefässen mit Blut gespeist werden. Kurz es entsteht eine ganz reguläre Stase, nicht un- terscheidbar von der bei freier Cireulation durch dieselbe Sub- stanz erzeugten. Auch verhält sich dieselbe nicht wie die anfangs geschil- derten. Denn wenn man auch sogleich nach Beendigung des eben beschriebenen Processes die Schenkelligatur wieder löst, so hat dies auf das Fortbestehen der Stase keinen Einfluss. Sie verhält sich, als wäre sie bei freier Cireulation eingeleitet worden; während in den von der Lösung nicht getroffenen Schwimmhautpartieen sogleich die normale Circulation wieder eintritt. Prüft man nun das Verhalten der obengenannten Sub- stanzen unter denselben Bedingungen bei freier Cireulation, so findet man, dass sie ohne Ausnahme auch unter diesen Um- ständen Stase erzeugen. Ob sich aber diese Stasen, mögen sie bei freier oder bei aufgehobener Cireulation erzeugt worden sein, nach einiger Zeit unter dem Auftragen von Wasser wie- der lösen oder nicht, dies hängt theils von der Concentration der angewandten Lösung, theils noch von anderen nicht ganz erörterten Verhältnissen ab. Trat die Lösung nicht ein, so beobachtet man die bekannten Metamorphosen der angehäuf- ten Blutkörperchen. Ihre Masse entfärbt sich, lässt Kerne in sich entdecken, wird nach und nach dünnflüssiger , oseillirt durch den andringenden Blutstrom der nicht von der Stase ergriffenen Gefässe, und löst sich zuletzt ganz auf, so dass die in ihr gebetteten Kerne in den freien Blutstrom mit fort- gerissen werden. Es hat somit die vollkommenste Analogie zwischen den bei freier Cireulation und den bei Ausschluss der Herzaction er- zeugten Stasen statt. Ja auch in Betreff der vielbesprochenen Kapillargefässerweiterungen lässt sich dies sagen. Sie sind noch weniger bei den bei aufgehobener Cireulation erzeugten 369 Stasen nachzuweisen. Bemerkenswerth ist ausserdem, dass bei den durch Kali oder Ammoniak erzeugten Stasen der bekannte Contraetionsact der Arterien, besonders der grösseren, erst zu beginnen scheint, nachdem sich das Blut schon in Bewegung gesetzt hat. Jedenfalls aber übt derselbe keinen fördernden Einfluss auf die Entstehung der Stase, da sein rapider Eintritt das Blut aus den Arterien nach beiden Seiten austreibt, wo- durch unregelmässige Strömungen erzeugt werden, die mit unserem Phänomen nichts zu thun haben. Dagegen gewinnt bald nach Vollendung des Contractionsactes die Strömung nach den Kapillaren wieder die Oberhand und durchsetzt die verengten grösseren Arterien unbeirrt. Trägt man kalt gesättigte Lösungen von Zucker, oder Blut- laugensalz, oder Bittersalz auf die nach obigen Angaben prä- parirte Schwimmhaut, so entsteht ebenfalls der vorhin beschrie- bene Process der Anfüllung der Gefässe der von der Lösung getroffenen Schwimmhautpartie. Sobald man aber die Schen- kelligatur entfernt, stellt sich überall wieder Cireulation her. Bei freiem Kreislauf aufgetragen, erzeugen diese Lösungen keine Stase, wohl aber Verlangsamung der Cireulation in den Kapillaren mit Ueberfüllung derselben mit Blutkörperchen ; kurz eben das, was man Üongestion nennt. Dieselbe Eigen- schaft besitzen auch die Schwefel-, Salpeter-, Salz- und Phos- phorsäure, aber nur in höchst verdünntem Zustande. Da- gegen verhalten sich die letzteren in concentrirtem ganz eigen- thümlich. Bei freier Cireulation aufgetragen, zeigen sie zunächst das Bemerkenswerthe, dass man mittelst ihrer keine Stase erzeugen kann. Hatte man sie sehr concentrirt an- gewandt, so wird natürlich die Schwimmhaut mit Allem, was darin ist, augenblicklich mortifieirt, und dann sieht man aller- dings mehr weniger veränderte eollabirte, difforme, braunrothe ihre Kerne stäbchenartig zeigende Blutkörperchen in einzelnen Gefässen selbst massenweise stecken, aber dies kann man nicht Stase nennen. Trägt man dagegen etwas vorsichtiger auf, so findet man alsbald die grösste Anzahl der so eben noch in Folge des höchst verdünnten Anftragens der Säuren Müllers Archiv. 1852. 24 370 reichlich Blutkörperchen führenden Kapillaren plötzlich leer werden. Dabei erscheint die Substanz der Schwimmhaut trü- ber für durchfallendes Licht, weisser anämischer für reflectir- tes; in den tiefern Schichten derselben besteht die Cireulation noch fort; die erweiterten Arterienstämme führen reichlich Blut zu, die Venen ab, und dennoch verliert sich nur selten ein einzelnes Blutkörperchen in die oberflächliche Schiehte der Kapillaren und fährt rasch durch sie durch. Prüft man die- selben Substanzen bei aufgehobenem Kreislauf, so findet man, dass sie anfänglich, nämlich bei grosser Verdünnung ihrer Lösung, das Blut zu den Kapillaren strömen machen, ganz wie die übrigen. Trotzdem aber bringt man es nicht dazu, dass sich die Gefässe vollkommen mit Blutkörperchen füllen, mag man nun längere Zeit zuwarten ohne aufzutragen, oder mag man dies von Neuem thun. Kurz es steht nach einiger Zeit diese Strömung nach den Kapillaren und schlägt dann sofort beim Auftragen concentrirterer Säuren in die entgegen- gesetzte um. Es entleeren sich die Kapillaren und kleinen Ve- nen und Arterien ziemlich rasch von Blutkörperchen, während die Stämme derselben das Blut aus dem von der Lösung ge- troffenen Schwimmhautfelde herausführen in die neben den Zehen verlaufenden Gefässe. Alles dies geht vor, ohne dass man irgend welche andere Aenderung des Durchmessers der betreffenden Gefässe, als etwas Erweiterung der Arterienstämme beobachten könnte. Löst man nun die Schenkelligatur, so stellt sich das oben beschriebene Bild wieder her. Endlich führe ich eine Anzahl Stoffe hier auf, welche sich sowohl bei freier, als bei aufgehobener Circulation vollkom- men indifferent gegen den Mechanismus des Kreislaufs verhiel- ten. Es sind dies: phosphorsaures Natron, Borax, Alaun, Tannin, arsenige Säuren und Gummi mimoae. Alle wurden in kalt gesättigter Lösung geprüft. Ebenso verhielt sich destil- lirtes Wasser. Auch ein schwacher eleetrischer Strom durch die Schwimmhaut geleitet, erzeugte keine Stase. Wohl aber erregte er bei Ausschluss der Herzaction Strömungen des Bluts in den Gefässen, indem er die Arterien zur Contraction anregte. Sehen wir nun, welche Resultate sich aus diesen Experi- menten in Betreff des Mechanismus der Stase ergeben, so mö- gen diese in folgenden Sätzen ausgedrückt sein. Wir fanden: 1) dass die Herzaction und das Bestehen des Kreislaufs nicht als nothwendige Bedingungen des Entstehens von Stasen zu betrachten sind, da wir Stasen bei künstlich erzeugtem Stillstand der Cireulation erzeugen konnten; 2) dass solche Stasen in allen Dingen denen bei freier Cir- eulation durch dieselben Stoffe erzeugten analog sind; 3) dass das Zustandekommen solcher Stasen abhängig ist von gewissen Bewegungserscheinungen, die man an dem Blute in den betreffenden Gefässen wahrnimmt, wenn man den Kreislauf vor Application des Stase erzeugenden Stoffes auf- hören macht; 4) dass demnach die Cireulation bei Einleitung von Stasen durch die oben genannten Stoffe Bewegungserscheinungen in den betreffenden Gefässen larvirt, die nie zu Tage treten, wenn man den Kreislauf vorher aufhebt; 5) und endlich, dass man also die Erscheinungen bei Ein- leitung gewisser Stasen bei freier Cireulation als Resultanten zweier das Blut bewegenden Momente zu betrachten habe. Alle diese Thesen bedürfen einiger Erörterung. Dieselbe ist aber erst möglich, nachdem ich die Natur jenes von uns er- kannten Bewegungsmomentes dargelegt haben werde. Dies werde ich demnächst versuchen. Ueber das Verhalten der Carotidenstäimme des Huhnes während ihrer Entwickelung. Von H. Raruke. Vor ungefähr anderthalb Jahren hatte ich in diesem Archiv die Vermuthung geäussert, dass die starke Arterie, welche bei den Vögeln an der untern Seite der Halswirbel ihren Verlauf macht und bei einigen Arten derselben paarig, bei andern un- paarig ist, in genetischer Hinsicht wohl nieht der Carotis com- munis der Säugethiere entsprechen dürfte, sondern dass bei ihnen für gleichbedeutend mit den Carotidenstämmen der Säugethiere ein Paar sehr dünner Arterien würde anzusehen sein, die in ähnlicher Weise, wie jene Gefässtämme der Säuge- thiere, neben den herumschweifenden Nerven und den Drossel- venen durch den Hals hindurchgehen. Ob indess diese auf eine Analogie in den Lagerungsverhältnissen der letzteren Arterien begründete Vermuthung, wie annehmlich sie auch — mir we- nigstens — erscheinen mochte, richtig sei oder nicht, liess sich nur mit Hülfe der Entwickelungsgeschichte entscheiden. Aus den Resultaten der Forschungen aber, welche bis dahin bei den Vögeln über die Entwickelung ihrer Arterien ange- stellt waren, konnte eine solche Entscheidung nicht gegeben werden, weil sie dazu nicht ausreichten. Ich liess daher spä- ter, sobald es nur geschehen konnte, Hühnereier ausbrüten und verfolgte nunmehr den Gang, welchen bei dem Hühnchen jene verschiedenen Gefässe in ihrer Entwickelung nehmen. Das Ergebniss meiner Untersuchungen war nun aber dieses, dass die beiden grossen Arterien des Huhnes, welche zum 373 grösseren Theile dicht unter den Halswirbeln desselben zum Kopfe hingehen, um sich in ihm weiter zu verbreiten, meiner Vermuthung zuwider in der That den Carotidenstämmen der Säugethiere gleichbedeutend sind. Am fünften und sechsten Tage der Bebrütung kann man in dem Halse des Hühnchens zwei mässig dicke Arterienstämme erkennen, die seitlich und weit von einander ihre Lage haben, zum grossen Theil neben den Venae jugulares ihren Verlauf machen und vorn in die Schädelhöhle eindringen, um sich auf und in dem Gehirn zu verbreiten, überhaupt aber sich grade so verhalten, wie bei den Säugethieren die Carotidenstämme auf einer gewissen frühen Entwiekelungsstufe. Bald nachher biegen sie sich, indem sie an Länge sehr zunehmen, nach oben so aus, dass sie zwei langgestreckte Bogen bilden und mit ihrer Mitte der Wirbelsäule immer näher kommen. Am ach- ten Tage der Bebrütung liegen sie mit ihrem mittlern Theil schon unter den Wirbeln des Halses und nahe bei einander, dagegen in einiger Entfernung von den Nervwi vagi und Venae Jugulares. Am zehnten Tage liegen sie mit ihrer Mitte schon eine mässig lange Strecke ganz dicht bei einander, worauf sie in den nächstfolgenden Tagen, während sie mit dem Halse an Länge immer mehr zunehmen, sieh auch in einer immer grös- seren Länge an einander dieht anschliessen. Indem sie aber die Nerwi vagi und Venae jugulares immer mehr verlassen, ent- stehen neben diesen zwei andre Arterien des Halses. Am ach- ten Tage der Bebrütung bemerkte ich von demselben erst schwache Andeutungen. Bei einem Hühnchen aber, das um einen Tag älter war und dessen Arterien ich mit einer Abrei- bung von Karmin in Wasser injieirt hatte, waren sie schon sehr deutlich wahrnehmbar, doch viel dünner als die beiden andern Arterien, und zwar in ihrer Mitte am dünnsten, was auf eine Entstehung einer jeden aus zwei ursprünglich ge- trennten und nachher zusammenwachsenden Hälften hindeutete. Dem Angeführten zufolge sind also die beiden starken Arte- rien, welche bei vielen Vögeln zum Theil dicht neben einander unter den Halswirbeln verlaufen, in Wirklichkeit, wie man allgemein angenommen hat, gleichbedeutend mit den Caroti- 374 denstämmen der Säugethiere, hingegen die beiden sehr dünnen Arterien, welche bei den Vögeln neben den Nerx vagi und Venae jugulares verlaufen und hinten, wie die ersten, aus den Arteriae anonymae hervorgehen, vorn aber mit Zweigen von jenen zusammenhängen, später entstandene Gefässe, denen von den Arterien der Säugethiere keine in morphologischer Hin- sicht entsprechen. Bei andern Vögeln verläuft unter den Halswirbeln nur ein einziger grosser Arterienstamm, der in der Regel aus einer linken, ausnahmsweise aus einer rechten Art. anonyma hervor- geht, vorn aber sich in zwei Aeste theilt, die sich divergirend zu den beiden Seitenhälften des Kopfes begeben und sich an ihm verzweigen. Mit Wahrscheinlichkeit lässt sich annehmen, dass dieser Gefässstamm, den man die Carotis communis pri- maria genannt hat, aus zweien von einer linken und einer rechten Art. anonyma ausgehenden Carotidenstämmen, die all- mählig mit ihrer Mitte nach den Halswirbeln hinaufrückten und nacher zusammentrafen, in einer ähnlichen Weise, wie die Art. basilaris verschiedener Wirbelthiere aus zweien Vertebral- arterien, gleichsam zusammengeschmolzen ist, und dass, nach- dem die beiden Stämme verschmolzen waren, der hintere Theil des einen durch Resorption verloren gegangen ist. Auf eine solche Entstehungsweise desselben lässt sich mit einer um so grösseren Wahrscheinlichkeit schliessen, als nach den Beob- achtungen von Meekel und Nitzsch bei Ardea stellaris, bei der gleichfalls ein solcher starker unpaariger Arterienstamm unter den Halswirbeln vorkommt, dieser mit zwei Schenkeln von einer linken und einer rechten Art. anonyma abgeht. Aehnlich, wie bei denjenigen Vögeln, bei welchen unter den Halswirbeln nur ein einziger Arterienstamm vorkommt, ver- halten sich die Halsarterien auch bei den Krokodilen. Es lässt sich daher vermuthen, dass ihre Entwickelung bei den letztern Thieren in einer ähnlichen Weise vor sich geht, wie bei den erstern, und dass also auch bei jenen, wie bei diesen, der unter den Halswirbeln verlaufende unpaarige Arterienstamm den beiden Carotidenstämmen anderer Vögel und der Säugethiere entspricht. > Ueber Flinmerbewegung in den Uterindrüsen des Schweines. Von Dr. Leyvıc. (Hiezu Taf. VIII. Fig. 4.) Bei wirbellosen Thieren kennt man verschiedene Beispiele von Flimmercilien auf den Sekretionszellen der Drüsen, ich erinnere in dieser Beziehung z. B. an die so entwickelten Wim- perhaare in der Leber von Cyclas und an die Flimmerhärchen in der Niere der Acephalen. Was die Drüsen im Bereiche der Wirbelthiere betrifft, so ist meines Wissens nur das Epitel in den Nieren der Fische und Reptilien, sowie der W olff’schen Körper bei Eidechsen als flimmernd constatirt. In der Niere der Vögel glaubt Gerlach (Geweblehre $. 301)'ein Mal mit Sicherheit beim Huhn Flimmerbewegung gesehen zu haben. Für die Säugethiere aber liegt bis jetzt keine Angabe über Flimmerbewegung in Drüsen vor und es mag deshalb hier mitgetheilt werden, dass die Uterindrüsen des Schw ei- nes aufihrer ganzen Innenfläche lebhaft wimpern. Diese Beobachtung wurde gelegentlich gemacht, als ich in einem histologischen Cursus die Uterindrüsen des genannten Thiers zur Demonstration präparirt hatte. Herr Dr. Nylan- der, der seinem Präparate kein Wasser zugesetzt hatte, be- merkte das Cilienspiel zuerst, worauf sich auch die anderen anwesenden Herren, nachdem sie mit neuen, ohne Wasserzu- satz behandelten Drüsen versehen waren, sich von dem Phä- nomen überzeugten. — Ich erlaube mir über den feinen Bau 376 der Gebilde, um welche es sich handelt, noch einige detail- lirte Angaben beizufügen. Die Glandulae utriculares des Schweines können mit Leich- tigkeit dargestellt werden. Man schneidet ein Stückchen Ute- russchleimhaut in senkrechter Richtung weg, breitet es aus und die Drüsen sind als grauliche, gewundene Kanäle für das freie Auge deutlich sichtbar, und will man sie recht in die Augen springend machen, so setze man Essigsäure zu, worauf die Drüsen weiss werden und sich in der vollkommen hell ge- wordenen Substanz der Schleimhaut aufs schärfste abzeichnen. Schon für das blosse Auge oder noch besser unter ganz gerin- ger Vergrösserung erweisen sie sich als geschlängelte Kanäle, die bei einem Breitendurchmesser von 0,024-0,05'" und bei einer Länge, welche bis auf 6’ geschätzt werden kann, sich mehrmals, doch nicht zu oft, theilen, mit dem blinden Ende nicht über die Schleimhaut hinausragen und mit etwas verbrei- teter Oeffnung in die Uterushöhle einmünden. Mit Rücksicht auf die Schlängelung der Kanäle darf erwähnt werden, dass sich die Drüsen in etwas verschieden verhalten, je nachdem man sie aus einem trächtigen oder nicht trächtigen Uterus entnimmt, denn, während im letzteren Falle ihr Aussehen nicht wenig an Schweissdrüsen erinnert, indem die Enden der Kanäle zu grossen Drüsenknäulen aufgerollt sind und auch der übrige Theil’des Kanales in enge Windungen und Verschlin- gungen gelegt ist, erscheinen die Drüsen in der gallertartig verdickten Schleimhaut des trächtigen Uterus mehr gestreckt, die Windungen sind zwar nicht vollständig ausgeglichen, aber die Knäuel wenigstens sind geschwunden und man kann die blinden Enden der Drüsen, wie es die beigegebene Figur zeigt, leicht hin und her geschlängelt sehen. Geht man auf eine nähere Betrachtung des Drüsenbaues ein, so ergiebt sich, dass jede Uterindrüse bei Vorhandensein eines klaren, deutlichen Lumens aus einer Faserhaut und einem Flimmerepitel besteht. Was die Faserhaut oder die sogenannte Tunica propria anlangt, so kann sie hei einfacher Beobachtung als nichts Anderes aufgefasst werden, als die scharfgezeichnete Begrenzungsschicht des Bindegewebes, welches die Drüsen- 377 zellen umgiebt, eine Anschauung, wie sie bekanntlich Rei- chert zuerst für die Tunica propria der Drüsen insgesammt ausgesprochen hat. Hier in unsrem Falle ist das Grundgewebe der Schleimhaut eine weiche, helle, von Flüssigkeit sehr durch- tränkte Bindesubstanz, welche im kräftigen Zustande des Ute- rus durch Aufnahme einer klaren Gallerte bedeutend aufge- lockert wird, so dass das Bindegewebe zu grossen Maschen sich ausdehnt, innerhalb derer nur äusserst blasse Streifen verlaufen, die sich netzförmig verbindend zum Theil als Aus- läufer von spindelförmigen Zellen gesehen werden. Auch eigen- thümliche, rundliche, concentrisch geschichtete Bildungen, ganz vom Aussehen des übrigen Bindegewebes, von 0,0120 — 0,024’ Grösse, einzeln oder in Gruppen beisammen liegend, machen sich in. den Bindegewebsmaschen bemerklich. Nach Essigsäure- zusatz erblasst das ganze Bindegewebe und die Gallerte im höchsten Grade, nur einzeln zerstreute Kernelemente kommen zum Vorschein, und constant in den fraglich geschichteten Bil- dungen markiren sich in Ringen um ein gemeinsames Centrum gelagerte Kerne, Die Drüsenzellen, welche von der Faserhaut umschlossen sind, zeigen sich frisch untersucht in Form eines Cylinderepi- tels mit Flimmerhärchen. Der Zelleninhalt ist blass, feinkör- nig und die rundlichen 0,0024 —0,003'" grossen Kerne schim- mern im nicht alterirten Zustande der Zellen nur undeutlich durch, treten aber nach Wasserzusatz, wobei die Zellen rasch aufquellen und ihre Gestalt und Aussehen beträchtlich verän- dern, schärfer hervor. Was die Cilien betrifft, so sind sie zwar sehr zart, aber deutlich sichtbar und erstrecken sich durch die ganze Länge des Drüsenkanales bis zum blinden Ende. Die Flimmerbewegung ist auch ziemlich energisch und lange an- dauernd, denn sie konnte selbst noch anderthalb Tage, nach- dem der Uterus herausgeschnitten war, in einzelnen Kanälen wiederholt gesehen werden, Doch muss, wie schon aus Obi- gem hervorgeht, Wasserzusatz vermieden werden, wenn sie nicht fast augenblicklich zugleich mit der Veränderung der Zellen verschwinden soll. Auch das Lumen des Drüsenkana- les, welches in den frischen Drüsen so deutlich ist und bis 378 0,0160”’ im Durchmesser haben kann, verliert sich dann voll- ständig. Bezüglich des Lumens habe ich noch anzumerken, dass es entweder blos von einer hellen, klaren Flüssigkeit er- füllt ist, in der die Cilien spielen, oder dass sich auch geformte Theile darin finden können in Gestalt scharfeonturirter Klümp- chen von fettartigem Aussehen, die verschieden gross sind und bei Zusatz von Natronlösung erblassen. Beim Schlusse dieser Mittheilung über das Vorkommen von Flimmerbewegung in den Uterindrüsen des Schweines darf wohl als Vermuthung ausgesprochen werden, dass auch die Uterindrüsen anderer Säugethiere und des Menschen analoger- weise vielleicht flimmern, und besonders möchte ich die Auf- merksamkeit auf die Harnkanälchen der Säugethiere von neuem in dieser Beziehung gelenkt wissen, ob dieselben denn doch nicht, trotz aller bisherigen negativen Beobachtungen in ganz frischem Zustande und bei Vermeidung aller alterirenden Einflüsse ein Flimmerepitel besitzen! Erklärung der Abbildung. Taf. VII. Fig. 4. Ende eines Drüsenkanales aus der Schleimhaut eines trächtigen Uterus, bei starker Vergrösserung. a. Das Bindegewebe der Schleimhaut. b. die sogenannte Tunica propria. c. das Flimmerepitel. d. das Drüsenlumen. . die fettartigen Klümpchen in demselben. Ir7 379 Untersuchungen über die Pycnogoniden. Von Dr. Wıruern ZENKER. (Hiezu Taf. X.) Nachfolgende Untersuchungen wurden an Exemplaren von Pyenogonum littorale und Nymphon gracile angestellt, die ich theils frisch aus dem Kattegat bei Gothenburg, theils in* Weingeist aus dem Berliner anatomischen Museum erhielt. Die Pyenogoniden haben einen meist deutlich gegliederten Thorax mit 4 Fusspaaren, ein scharf abgesetztes ungegliedertes rudimentäres Abdomen und einen undeutlich abgesetzten Kopf mit weit vorgestrecktem Rüssel, 4 Augen und 1-3 Paar Glied- maassen. Es sind dies die Scheerenfühler (antenne -pinces Latr ; pates-mächoires M. Edw.; mandibles Leach; Kaufüsse Phil.), die Taster und die accessorischen Füsse (oviferous legs Leach; Pieds accessoires oviferes M. Edw). Nach der Be- schaffenheit dieser Gliedmaassen des Kopfes werden die Gat- "tungen unterschieden. Angaben über diese Thiere findet man in folgenden Schriften: Leach, Zoologieal Miscellany 1814. Vol. I. P. 33 und 43. Pl. 13 und 19. — Johnston, Miscellanea Zoologiea im Ma- gazine of Zoology and Botany. Vol. I. 1837. P. 368. Pl. 13. — Milne Edwards, Histoire naturelle des Crustaces. Tom II. P. 530. Pl. 41. Fig. 6. 7. — Quatrefages, M&moire sur l’or- ganisation des Pyenogonides in den Ann. d. se. nat. 1845, Ser. III. TomeIV. P.69. Pl.T. u. II. — Goodsir, Deseriptions of some new species of Pyenogonidae, in New Edinburgh Journal. Tome 32. P. 136. Pl. III. und Deseriptions of some new Crustaceous Animals, found in the Firth of Forth, ibidem 350 Tome 33. P. 363. Pl. VI. — Philippi, über die Neapolitani- schen Pyenogoniden in Wiegmann’s Archiv 1843. Bd. I. S. 175. Taf. IX. — Kröyer, Naturhistorisk Tidsskrift. Bd. II. 1840. S. 299. Taf. III. Gehen wir nun zur anatomischen Darstellung über. 1. Die Haut. Die Haut besteht aus Chitin, ist bei einigen Arten glatt und klar, bei anderen rauh und undurchsichtig. So ist bei Pyenogonum littorale die ganze Haut mit Wärzchen übersäet, unter deren zelliger Oberfläche sich Höhlungen befinden, wel- che vielfach verästelt, aber nicht anastomosirend, aus der Lei- beshöhle entspringen. In ihnen findet man die drüsigen An- hänge der Magenwandungen, angefüllt mit Fettkügelchen, wie "sie in dem Abschnitte über den Magen beschrieben werden. In der Mitte der Thoraxsegmente befinden sich grössere Hervorragungen, ähnlich dem Augenhügel. Sie bestehen gleich- falls aus Zellen, die aber mit grossen Fettkörnern angefüllt sind. Diese scheinen jedoch nicht mit den drüsigen Anhängen des Magens in Verbindung zu stehen. Es mögen also alle diese Warzen und besonders die grossen zur Fettabsonderung dienen. 2. Nervensystem (Fig. 1. Nymphon gracile. Fig. 2. Pyenogonum littorale). Nach Quatrefages besteht das Nervensystem von Ammo- thea pycnogonoides und Phozichitus spinosus aus 4 Bauchgan- glien, die einander innig berühren und einem Gehirn, welches unterhalb des Augenhügels liegt und Verbindungsstränge nach dem ersten Bauchganglion abschickt. Bei Nymphon gracile sind die Bauchganglien (B) durch paarige Verbindungsstränge (C) getrennt; auch der Schlund- ring ist sehr deutlich zu erkennen. Jedes Bauchganglion be- steht aus 2 symmetrischen Lappen, das letzte hat noch einen dritten (EZ) zwischen aber hinter denselben. Es scheint dies die Andeutung eines rudimentär gebliebenen abdominalen Ner- vensystemes für das rudimentäre Abdomen zu sein, zu dem es auch einen Nerven (e) abschickt. Das Gehirn besteht aus 3 Abtheilungen, einer oberen (denı Augengehirn) (0) für den Ursprung der Augennerven, einer vorderen (D) für die Scheerenfühler- (db) und Tasternerven (ee), endlieh einer hinteren für die Nerven der accessorischen Füsse (dd). Aus der vorderen entspringt auch ein medianer Rüsselnerv (@), der sich vielleicht zu einem sympathischen Nervensystem begiebt; doch verhinderte die grosse Menge von Muskeln im Innern des Rüssels, in diese Verhältnisse tiefer einzudringen. In Pyen. litt. (Fig. 2) ist das Nervensystem ziemlich gleich angeordnet. Die Verbindungsstränge sind, entsprechend der Körpergestalt dieses Thieres, kürzer, die Ganglien breiter. Das auf meiner Tafel nach 2 übereinstimmenden Präparaten dargestellie Nervensystem eines Thieres noch ohne accessori- sche Füsse zeigt ein noch unausgebildetes Gehirn. Das Augen- gehirn scheint mit der hinteren Abtheilung verwachsen zu sein, die vordere entbehrt der Nerven für die Scheerenfühler und Taster, schiekt dagegen ein Nervenpaar (aa) in den Rüssel. Beim Hervortreten der accessorischen Füsse mögen noch Ver- änderungen eintreten. Da die Scheerenfühler und Taster ihre Nerven aus dem Gehirn erhalten, so sind sie als Antennen zu betrachten, ent- sprechend den Scheerenfühlern und Kiefertastern der Arach- niden *). *) Die Scheerenfühler aller Arachniden erhalten ihre Nerven aus dem vorderen Theil des Gehirns. Die Tasterneryen dagegen entsprin- gen nach Newport (Philosophical transactions 1843 P. 260 Pl. 12) bei Butus afer aus der Bauchganglienmasse; ebenso scheint es aus Tulk’s (Annals of natural history T. XII. 1843. P. 324. Pl. 5. Fig. 31) Abbildung des Nervensystems von Phalangium opilio hervorzugehen. Doch sollte nicht durch die gedrängte Gestalt der Nervenmassen eine Verzerrung dieser Verhältnisse eintreten können? Ich halte dennoch die Taster der 3 Arachnidenfamilien für entsprechende Gliedmaassen, sehe aber dieselben bei den Pyenogoniden unzweifelhaft durch einen Gehirnnerven versorgt. 382 Bemerkenswerth ist noch die Erscheinung von eigenthüm- lichen runden Körperchen im Innern der Ganglien (Fig. 9). Sie haben die Grösse von Ganglienzellen oder etwas darüber und sind wahrscheinlich aus ihnen hervorgegangen. Sie zeigen in einer hellgrauen Masse eine eoneentrische Streifung, von der sich oft noch ein etwas dunklerer ungestreifter feinkörniger centraler Kern absetzt. Am meisten Aehnlichkeit haben sie mit den Corpuseulis amylaceis aus dem Ependyma des mensch- lichen Gehirns, welche Kölliker (in seiner mikroskopischeu Anatomie Bd. I. 1. Hälfte S. 501. Fig. 151 (2) abbildet, bis auf den gewiss sehr wesentlichen Unterschied, dass sie deren scharfe Umrisse nicht haben, vielmehr nur von gleicher licht- brechender Kraft sind wie die übrige Ganglienmasse. Ich fand sie in beiden Species so häufig, dass ich sie kaum für eine pathologische Erscheinung halten kann. Von Sinnesorganen kennen wir nur die 4 einfachen Augen, welche, wie auch Quatrefages meint, keine Linsen zu ent- halten, vielmehr nur von Pigment ausgekleidete Becher zu sein scheinen. Sie liegen auf einem besonderen Hügel (Fig. 50), der bei Nymphon gracile in eine Spitze endigt, und der Stirn anderer Gliederthiere entspricht, hier aber durch die starke Ausbildung und horizontale Richtung des Rüssels nach oben gedrängt erscheint. Die Augen stehen übrigens so, dass das Thier oberhalb seines Körpers volle 360° überblickt. Die Au- gen sitzen auf einem besonderen Augengehirn, das sich ent- weder birnförmig vom Gehirn erhebt, oder sich nur auf des- sen oberer Seite befindet. Augennerven scheinen nicht vorzu- kommen. 3. Cireulationssystem. Der Existenz und Bewegtheit der Blutkörperchen wird schon von Johnston, Milne Edwards und Quatrefages Erwähnung gethan. Milne Edwards spricht daher von einer „eirculation vague“; Quatrefages dagegen glaubt die Exi- stenz besonderer Cireulationsorgane völlig ableugnen zu kön- nen, indem er die peristaltischen"Bewegungen des Darms und seiner Blindsäcke für die einzige Ursache der Blutbewegung 383 anerkennt. Dieselben vertheilen das Blut und die Nahrungs- stoffe so gleiehmässig durch den ganzen Körper, dass ein be- sonderes Cireulationsorgan überflüssig erscheint. Dennoch zeigte sich mir bei Nymphon graeile an der Stelle, wo man es der Analogie nach suchen durfte, ein schlauchför- miges Herz, freilich nur da deutlich, wo es durch den Rhyth- mus des Herzschlags sich von den übrigen Organen unter- schied. Bei den Blindsäcken des Darms herrscht nämlich für jedes Paar ein besonderer pristaltischer Rhythmus, welcher am Darm selbst nach vorn fortschreitend sich mit den übrigen vermischt. Es wird daher in der Bewegung des Darms nur beim letzten Fusspaar ein deutlicher Rhythmus hervortreten, weiter vorn verschwinden. Daher sind die schwachen Umrisse des Herzens in der Gegend des letzten Fusspaars, wo sie durch den abweichenden Rhythmus des Herzschlags ausgezeich- net sind, leicht zu erkennen; weiter vorn aber lassen sie sich wegen des fortwährenden unregelmässigen Wechsels der übri- gen Contouren nicht mehr verfolgen. Die Wandungen des Herzens enthalten platte verzweigte Muskelfasern, sind sehr dünn und durchsichtig. Sie sind die einzigen Wandungen im Cireulationssystem. Ob ausser Nym- phon graeile noch andere Pyenogoniden ein Herz haben, weiss ich nicht, konnte es auch für Pyenogonum tittorale nicht ent- scheiden. Als Athemorgane können vielleicht die oben. besprochenen Höhlungen in der Haut betrachtet werden. 4. Verdauungsapparat (Fig. 5). Eigentliche Kiefer fehlen den Pyenogoniden vollständig. Als Hülfsorgan des Mundes zum Festhalten der zu verzehren- den Gegenstände bestimmt, finden sich bei manchen Gattun- gen die oben erwähnten Scheerenfühler, wie bei den Arachni- den überhaupt; anderen fehlen auch diese, Dagegen ist der Mundrand ausserordentlich ausgebildet und in einen weit vor- gestreckten muskelreichen Rüssel verwandelt. In Kröyer’s Darstellungen der Jugendzustände von Nymphon gracile erkennt man denselben bereits als ziemlich hervorragende Warze, so 384 dass hierdurch Latreille’s*) Vermuthung zurückgewiesen wird, der Rüssel sei durch Verschmelzung der Oberlippe mit einem Kieferpaar entstanden. Der Rüssel ist sehr verschieden gestaltet, dreieckig kurz bei Pallene brevirostris, prismatisch und sehr lang bei Ammothea Carolinensis, schnabelförmig nach unten gebogen bei Pyenogonum littorale. An der Spitze des Rüssels ist der Mund (5«, 3 und 4). Er gleicht dem der Hirudienen, indem er von 3 congruent-drei- eckigen Zähnen (3a, 4a) geschlossen wird. Der eine Zahn ist oben, die beiden andern rechts und links befestigt; sie treten in der Mitte mit ihren Spitzen zusammen und geben so der Mundöffnung eine 3strahlige Gestalt. Die Ränder dieser Zähne werden von einer festen bandförmigen Chitinplatte (35, 4b) gebildet, die an der Spitze des Zahnes am weitesten hervor- tritt und sich in den Winkeln, wo zwei Zähne zusammenstos- sen, mit einer Art Schleife von dem einen auf den andern hin- überschlägt (3e). Bei Nymphon gracile springt wieder der äusserste Rand dieser Platte stark vor und ist auf seiner Kau- fläche dicht mit kurzen nach vorn gerichteten Haaren besetzt (3e,&c). Auf der anderen Seite springt der muskulöse Theil des Zahnes nach vorn heraus (4a), indem er noch eine starke vielleicht zum Kauen dienende Ecke bildet. Die in ihm liegen- den Muskeln (42) heften sich an die obere und vordere Flä- che des Rüssels, öffnen die Zähne nach vorn und schliessen sie wieder nach hinten. Die Zähne selbst hängen durch eine ver- dünnte Stelle in der Chitinhaut mit der übrigen Rüsselmasse nicht unbeweglich zusammen. Eine zarte Epidermis (3d), die sich in den Mundwinkeln von einem Zahn zum andern begiebt, zeigt die Grösse der eigentlichen Mundöffnung, welche nie ge- schlossen wird. Diese Schilderung gilt für Nymphon gracile; in andern Ar- *) Latreille, Regne animal 1829. Tome IV. Pag. 276. note 3. Le siphon d’une grande espece du sous - genre Phoxichile, apportee du cap de Bonne-Esperance par feu Delalande, m’a offert des su- tures longitudinales de maniere qu’il me parait compos€ du labre, de la languette et de deux mächoires, le tout soud@ ensemble. Les palpes sont des lors ceux de ces mächoires. 385 ten mögen Abänderungen vorhanden sein. In Pyenogonum littorale z. B. fehlte der vorspringende Rand an der Chitinplatte mit seiner Kaufläche uud seinen Haaren. Bei allen Arten scheint jedoch, nach den, wenn auch oft nur skizzenhaften, Ab- bildungen zu schliessen, der Mund dieselbe 3eckige, 3strahlige Gestalt zu haben. Der Oesophagus*) (5bed) füllt den Rüssel und Kopf aus und erstreckt sich bis in die Augengegend; anfangs weit und geräumig, dann sich verengend, bis er durch den nervösen Schlundring tritt und sich in den blindsackreichen Magen er- giesst. Er besteht aus 3 Theilen von ziemlich gleicher Länge, die man wohl als Mundhöhle (), Schlund (e) und Speise- röhre (d)) bezeichnen kann. Der ihn einschliessende Rüssel be- hält seinen eigenthümlichen Bau, indem 3 Längswulste die Stelle der obigen 3 Zähne einnehmen. Die Stelle, wo die bei- den unteren zusammenstossen, erscheint beim Anblick des Kopfs als eine dunkle von vorn nach hinten breiter werdende Linie. Sie wurde für die Speiseröhre gehalten und gab Veran- lassung zu den durchaus irrigen bisherigen Darstellungen der- selben. Der vorderste Theil des Oesophagus oder die Mundhöhle ist ziemlich gleiehmässig weit und au den Wänden mit rück- wärts gebogenen Häkchen besetzt, welche die Speisen nach hinten zu drängen vermögen. Drüsenzellen finden sich in den Wänden nicht, wenn auch die Ansatzstellen einer grossen Zahl von Muskeln oft so aussehen. In einem von Sars an der nor- wegischen Küste gesammelten Exemplar von Nymphon gracile fand ich diesen Raum mit einer grossen Portion unzermalmter Speise kropfartig angefüllt. Einige harte Substanzen fanden sich darunter, so auch 2 Exemplare einer der Gattung Textu- laria verwandten Polythalamie. Der Hauptbestandtheil war eine braune körnige Masse, wahrscheinlich von der Rinde des Blasentangs abgerieben, der noch zahlreiche Vorticellen und *) Ich bezeichne mit diesem Namen den Theil des Darmkanas zwischen Mund und Magen. Ob die Bezeichnungen Oesophagus, Ma- gen und Mastdarm einer theoretischen Betrachtung des Darmkanals der Gliederthiere entsprechen, bleibe einstweilen unerörtert. Müllers Archiv. 1862, 25 386 Navicellen aufsassen. Es scheint daher die Nahrung von Nymphon gracile aus animalischen und vegetabilischen Stoffen gemischt zu sein. Nach hinten verengt sich dieser kropfartige Theil mehr und mehr und geht in den mittleren Theil des Oesophagus oder den Schlund über, in welchem die Speisen zermalmt werden. Die Wände dieses mittleren Theiles sind mit hornigen Quer- leisten besetzt, welche sich bogenförmig über die ganze Breite der erwähnten Wülste (6 und 7) erstrecken. Sie werden durch mehrere Reihen zahlreicher Muskel bewegt, deren einer seine Sehne (75) neben der vorderen, der andere an der hinteren Kante der Leiste befestigt. Auf ihrer vorderen Kante tragen sie eine dichtgedrängte Reihe steifer Borsten (7d), deren ga- belförmige Spitzen nach vorn in das Innere des Schlundes hineinragen. In meinem sehr grossen Exemplar von Nymphon gracile sind diese Borsten 0,100’ lang, die Leisten aber 0,003’ breit und die Zwischenräume 0,005'", so dass etwa 12 Borsten- schichten an jeder Stelle übereinander liegen. In den Ecken der Wülste sind die Borsten kürzer, reichen dort aber am weitsten nachvorn. Nicht nur, dass jede Leistemitihren freien Enden weit nach vorn gebogen ist, es finden sich auch noch unvollständige Leisten (6c), deren mittlerer Theil fehlt, die aber das Borsten- system in den Eeken noch ein gutes Stück vorschieben. Diese Anordnung bewirkt ein Zusammendrängen der Speisen nach der Mitte, wo sie dann wohl nur durch die Spitzen des Bor- tensystemes zerrieben werden, ohne swischen die Borsten selbst zu dringen. Hier werden also die Speisen eigentlich zerbürstet und vielleicht feiner als in irgend andern Thieren zerstückelt. Rechnet man sparsam auf jeden Wulst 70 Leisten mit durch- schnittlich 70 Borsten, so erhält man eine Zahl von 14700 Bor- sten im Rüssel der Pycnogoniden. Ich bin nicht der Erste, der diesen Apparat gesehen hat; denn sicher muss die Aeusserung von Quatrefages, er habe im Oesophagus Wimperbewe- gung gesehen, hierauf gedeutet werden *). *) Quatrefages sagt in den Comptes rendus Tome 19. 1844. P. 1152: Toute la surface interne de l’oesophage est gamie de eils vibratiles. 387 Der dritte Theil des Oesophagus oder die Speiseröhre ist eng und versteckt, scheinbar ohne besondere Function und tritt durch das Nervenhalsband hindurch in den Magen. Eine genaue Grenze des Schlundes gegen dieselbe lässt sich nicht angeben. Der Magen geht von der Augengegend gerade in bis den Schwanz, indem er auf diesem Wege 5 (bei manchen nur 4) Paar Blindsäcke abgiebt, welche bis in die letzten Glieder der Füsse und der Scheerenfühler dringen und deren Bedeutung als Verdauungsorgane sowie ihre starke peristaltische Bewe- gung schon Milne Edwards und Quatrefages dargethan haben. Sie entsprechen durchaus den Blindsäcken am Magen der Spinnen. In frühester Jugend sind diese Blindsäcke noch nicht vorhanden. Die Wandungen des Magens bestehen, wie überall bei den Gliederthieren, aus muskulösen und drüsigen Schichten. Die ersteren sind die Träger der peristaltischen Bewegungen und enthalten wahrscheinlich Längs- und Ringmuskeln. Die drü- sige Schicht dagegen ist das eigentliche Verdauungsorgan und besteht aus Zellen, deren ursprünglich klarer Inhalt durch eine Menge sehr kleiner Fettkügelehen getrübt wird. Diese drüsige Schicht schiekt aber auch von ihrer ganzen äusseren Oberflä- che am Magen selbst wie an den Blindsäckon nach allen Sei- ten drüsige Anhänge ab. Sie dringen in die Haut und verästeln sich in den oben erwähnten Höhlungen derselben, deren blinde Endigungen durch zellige Warzen an der Oberfläche der Hau bezeichnet werden. e Doch spricht er sich in den Ann. d. se. nat. IV. P. 72 hierüber folgendermaassen aus: Jai dit d’ailleurs que l’interieur de cet oesophage &tait entiörement couvert de cils vibratile.. En effet, ayant vu un de ces animaux avaler une gorgee de liquide, je distinguai un mouvement vibratoire analogue A celui, que determinent les cils dans le canal intestinal des Anndlides, des Nömertes ete, Toutefois, comme la presence de eils vibratiles chez le Pyenogonides sersit un fait unique dans ce que nous savons des Artieulös proprement dits, je suis le premier ü recon- naitre, que cette observation a besoin d’&tre eonfirmde par de nou- velles recherches et que je puis avoir &t& trompe par quelque illusion. 25 388 Der Mastdarm endlich geht durch den Schwanz gerade zu dessen Ende, zum After. Letzterer ist eine vertieale Spalte, über welche die seitlichen Parthieen noch etwas hervorragen. Der Mastdarm wird durch 2 schräg laufende Schliessmuskeln geschlossen. Blindsäcke sah ich an ihm nicht. Der Sehwanz endet übrigens bald spitz wie bei Nymphon gracile, bald breit wie bei Pyenogonum littorale, und ist bei Zetes zweigliedrig. Ausser den erwähnten Magenanhängen kommen keine Abson- derungsorgane vor. 5. Geschlechtsorgane. Die Pyenogoniden sind getrennten Geschlechts. Die bis- herige Unterscheidung der Geschlechter nach dem Vorhanden- sein oder Nichtvorhandensein der accessorischen Füsse ist eine unrichtige*). Das Zoosperm auf meiner Tafel (8) ist aus einem Pycenogonum littorale mas. mit accessorischen Füssen. Es folgt daraus, dass die Bezeichnung ‚,eiertragende Füsse“ nicht vollständig entsprechend ist, dass dieselben besser allge- meiner „‚accessorische Füsse‘‘ genannt werden können. Wel- che Bedeutung diese Füsse haben mögen, vermag ich übrigens noch nicht anzugeben. Die Thiere ohne accessorische Füsse sind geschlechtlich noch unausgebildete Männchen oder Weib- chen, wie es z: B. alle Exemplare von Nymphon gracile waren, die ich im Juli aus dem Kattegat sammelte. Pyenogonum lit- torale dagegen fand sich geschlechtsreif, die Weibehen in be- deutender Ueberzahl, so dass unter den vielen von mir unter- *) Es ist schon von Kröyer erkannt worden, dass auch Männchen mit accessorischen Füssen versehen sind. Er sagt über Nymphon, Ze- tes und Pallene in seiner Zeitschrift Bd. I. S. 107, 116 und 118: „Ma- xillae posterioris paris in utroque adsunt sexu“; dagegen S. 121 und 125 über Phozichilidium und Pyenogonum: solis feminis. Wir sehen aber, dass auch Pyenogonum zu der ersteren Reihe gestellt werden kann, und schliessen daraus wohl nicht voreilig, dass in allen Pyeno- gonidengattungen dasselbe Verhältniss stattfindet. Ein neues äusseres Merkmal kann ich leider nicht an die Stelle des alten, nun entkräfte- ten, setzen. Kroyer führt an, dass bei den Männchen die accessori- schen Füsse kürzer und dieker, bei den Weibchen länger und ‚schlan- ker seien. 389 suchten Exemplaren nur eins, das ich in Weingeist conservirt, mitgebracht hatte, sich als männlich erwies. Bestimmt kann ich daker nur sehr wenig über die Ge- schlechtsorgane sagen. Die Bierstöcke und Hoden schicken wie der Darm Blind- säcke in die Füsse ab, in deren vorletztem Glied ich noch bei Nymphon graeile und Pyenogonum littorale Eier und weiter hin- auf Zoospermien fand. In die Scheerenfühler verzweigt sich der Geschlechtsapparat nicht. Die Zoospermien (8) sind fadenförmig, allmählig von oben nach unten dünner werdend, aber doch bestimmt einen ganz kurzen dünnen Schwanz absetzend. Nach ihrer Lagerung zu schliessen, ist die männliche Genitalöffnung im hinteren Theile des Körpers. Die Entwickelungsformen dieser Samenfäden waren durch den Weingeist bereits unkenntlich geworden. In Weicbhen mit Eiern sah ich niemals ähnliche Fäden, so dass ich nicht an die Existenz eines Receptaculi seminis glaube. 5. Entwickelung. Die Furchung der Eier ist nach Kölliker (Müll. Archiv 1843. S. 136) bei den Pyenogoniden eine totale. Die 4 Augen zeigen sich zuerst im Ei entwickelt. Das junge Thier hat nach Kröyer nur 3 Paar Gliedmaassen, die Schoorenfühler und das erste und zweite Fusspaar. Auch Pycnogonum littorale hat in der Jugend Scheerenfühler, die es später verliert, dagegen hat Nymphon graeile nicht von Jugend auf die Taster. Es wäre daher wohl möglich, dass man eine unentwickelte Form für eine ganz andre Gattung halten könnte, und ist daher bei Aufstellung neuer Gattungen die höchste Vorsicht anzuwenden. 6. Stellung im System der Gliederthiere. Die 4 einfachen Augen und die 8 Füsse: der Mangel eigent- licher Kiefer und die besondere Function der Scheerenfühler und Taster; der borstenführende Schlund, der sich auch bei den Spinnen findet, und der blindsackreiche Magen: alles dies leitet uns, die Pyenogoniden für Arachniden zu halten. Das rudimentäre Abdomen und der Mangel an Athemorganen ist 390 kein Grund sie zu den Crustaceen zu stellen, denn bei den Tardigraden findet sich dasselbe. Die Entwickelung hat viel Aehnlichkeit mit der der Crustaceen, doch auch mit der der Acarinen. Wir glauben mithin, dass unsere Pyenogoniden in der Nähe der Acarinen eine innerhalb der Klasse der Arachniden eigne Familie bilden müssen, die jedoch mit den Tandigraden sowohl wie mit den eigentlichen Spinnen in einer gewissen Verwandt- schaft stehe, Erklärung der Abbildungen auf Taf. X. Fig. 1. Nervensystem von Nymphon gracile. A. Gehirn; Al vordere; A2 hintere Abtheilung. B. (I., I., IH., IV) Bauchganglien; C Verbindungsstränge; D Schlundring; E rudimentäres Abdominalganglion; 0 Augengehirn. a. Unpaarer Rüsselnerv; bb Nerven für die Scheerenfühler; cc für die Taster; dd für die accessorischen Füsse; «ßyd für die Füsse; e unpaarer Abdominalnerv. Fig. 2. Nervensystem von Pyenogonum littorale. Dieselben Bezeichnungen wie in Fig. 1. Fig.3. Mund von Nymphon gracile (von vorn). «a Zähne, muskulös; 5 einspringende Chitinplatte; e Haare, wel- ie die 2strahligen Zwischenräume schliessen; d Mundrand, Umschlag der äusseren Körperhaut; ce weitere Umschläge der Chitinhaut; /f un- gefähre Schnittlinie von Fig. 1. Fig. 4. Dasselbe (von der Seite). a Zähne; b einspringende Chitinplatte; ce vorspringende Chitin- leiste mit den Haaren; d gelenkartige Verdünnung der Chitinhaut; e Kaumuskeln (schräg gegen die Ebene des Schnitts verlaufend ): Fig.5. Ganzer Kopf von Nymphon gracile von oben, A Rüssel; B Scheerenfühler; C Taster; D accessorische Füsse; 0 Augenhügel; P erstes Fusspaar. a Mund; bed Öesophagus; 5 Mundhöhle; ce Schlund; d Speise- röhre; e Magen; f Blindsäcke. Fig.6. Eine Fläche des Schlundes (öc) von Nymphon gracile. a Rüsselwandungen; 5 bogenförmige borstentragende Querleisten; c unvollständige Querleisten. Fig. 7. Borstenleisten von Nymphon gracile. a Leisten 0,003” breit, 0,001”! diek; 5b angeheftete Sehnen; e verbindende Haut 0,005 breit; d Borsten 0,100 lang, 0,0005" dick. 391 Bei Pyenogonum littorale sind die Leisten 0,0020” breit, 0,010'” dick, die Verbindungshaut 0,004 breit, die Borsten 0,0600” lang, 0,0008 dick. Fig. 8. Ein Zoosperm von Pyenogonum littorale mas. 0,064” lang; 0,0005” dick. a Kopf, lang und ungleich diek; 5 Schwanz, kurz und dünn. Fig.9. Ein Corpusculum amylaceum (??) aus einem Ganglion von Pycnogonum littorale ; 0,002” gross. Fig. 10. Höhlung in der Chitinhaut. a Haupthöhlung, Schnittfläche; b Verästelungen; ec ein Stück der eingeschlossenen Drüse. 392 Sur la reproduction des nerfs et sur la structure et les fonetions des ganglions spmaux. Par A. WALLER, m. M LER. 8 eteN). Depuis les experienees de Fontana sur la production de tuyaux nerveux dans la ceicatrice, qui unit les deux bouts d’un nerf divise, malgr&e les nombreuses experiences faites depuis par Schwann, Steinrück, Müller, Günther et Schön, et autres, il ne me parait pas que la question de la reproduc- tion des nerfs ait fait aucun progres. Fontana a observe que les deux honts etaient r&unis par des tuyaux nerveux de nou- velle formation, et ses observations sont indubitablement cor- rectes. Il est important de se rappeler que tous les debats, qui ont eu lieu par rapport & la reproduction et ä la regenera- tion des nerfs, ont eu lieu seulement sur la regeneration des tuyaux dans la cicatrice. Tous les observateurs influenees probablement par ce qui se passe dans les autres tissus, se sont bornes a examiner simplement les tuyaux nerveux dans la eieatriee laissant de cöte l’examen des bouts peripheriques. C'est cependant dans cette partie qu’on trouve la clef pour resoudre toutes les questions de reproduction de la sub- stance nerveuse, et ces discussions par rapport ä la reunion *) Communique A l’Academie des Sciences de Paris. Novembre. 1851, et Fevrier 1852. 393 des fibres motrices et sensitives d’un bout ä ceux du m&me nom dans l’autre, Mes experiences m’ont donne pour resultat, que les an- ciennes fibres d’un nerf divise ne recouvrent ja- mais leurs fonetions originelles, et que la repro- duetion d’un nerf ne se fait pas seulement dansla eieatrice ellem&me, mais jusque dans les ramifi- eations terminales. { Pour s’assurer de ce fait fondamental, il faut examiner sur une grenouille, les ramifications d’un nerf glossopharyngien en- viron 3 ou 4 mois apres la section. On trouvera alors, s’il y a reunion, que les papilles fongiformes eontiennent presque toutes des tuayaux au 3me degre d’alteration; ce n’est que rare- ment qu’on peut apercevoir une fibre de nouvelle formation, qwil est du reste impossible de confondre, soit avee des fibres desorganisees, soit avec des fibres normales d’une autre source. Les fibres nouvelles nous presentent les caracteres suivants: elles sont tr&s päles et transparentes, ne presentent point de double contour, leur diametre est tres inegal, tantöt tres de- lie, tantöt renfl@ ou variqueux comme les fibres de la moelle; leur grandeur @gale environ la 6me ou la Sme partie d’un tu- yaux neryeux d’une grenouille developpee. Au moyen de ces caracteres, il est facile de les distinguer des aneionnes, desor- ganisees ou normales; mais si ou les compare aux fibres ner- veuses des papilles fongiformes de la jeune grenouille lors de la premiere apparition de la langue apres l’&tat de tetard, on voit qu’elles leur ressemblent de point en point. A mesure qu’on remonte des nerfs papillaires ä des branches plus volumineuses, ces fibres nouvelles deviennent de plus en plus abondantes, presentant toujourg les memes caracteres, et occupant la m&me situation; e’est-A-dire, interposees nu intercalees entre les fibres anciennes qui possedent encore une membrane tubulaire contenant des granules noires. Dans toutes mes recherches ä cet eflet, je n’ai jamais pu apercevoir une fibre nouvelle situee dans linterieur d’un tuyau ancien. Avant que la r&union a lieu et qu'il existe des fibres nou- velles dans la eicatrice, on ne les apergoit point parmi les fibres 394 desorganisees. Au bout de neuf mois j’ai trouve des fibres nou- velles dans presque toutes les papilles fongiformes, mais elles presentent toujours les m&mes caracteres que ei-dessus, etjamais je n’ai encore vu des fibres reproduites ni dans la grenouille, ni dans le chien, atteindre la grosseur, le diametre egal et les contours bien marques des fibres aneiennes. La partie intermediaire qui reunit les deux parties preee- dentes se compose de tuyaux dont les diametres ne sont que la 3me ou la 4me partie de ceux qui composent la portion centrale. Dans les mammiferes, & cause de la durete de la ei- catrice qui reunit les deux bouts, et de la quantite de tissu fi- breux quis’y trouve, il estimpossible d’isoler les fibres nerveuses des autres; mais sur la grenouille les fibres nerveuses sont dejä completement isolees des tissus environnants, et il est facile d’enlever le nerf, de maniere & avoir toute la partie de nouvelle formation avee une partie des bouts superieurs et inferieurs. Etal& sous le mieroseope il presente la partie superieure tout a fait normale. Une contraetion subite marque ä l’oeil nu la terminaison du bout central. Sous le mieroscope la difference entre les tuyaux anciens et nouveaux n’est pas moins tranchee. Car tandis que lestuyaux anciens mesurent environ Y;,99 depouce les tuyaux nouveaux ne sont que Y/;599 de pouce. Les tuyaux nouyeaux ne mantrent aucune difference jusqwä ce quils at- teignent le bout inferieur, ou la distinetion est encore plus tranchee que pour le bout superieur, car & ce point on aper- goit les tuyaux desorganises de la partie peripherique joints aux tuyaux nouveaux. Des experiences semblables sur les mammiferes et les oi- seaux m’ont demontre que la reproduetion des fibres et le re- tablissement des fonctions d’un nerf divise s’aceomplisse exac- tement de la m&me maniere. Si on divise un nerf vague sur un jeune chien, au bout de 12 jours on trouve que la partie inferieure du nerf est comple- tement desorganisee, que le contenu des fibres est tout converti en grains noirs ou en parcelles irregulieres presque opaques. En meme temps les tuyaux membranenx eux memes sont en par- tie detruits, et la substance desorganisde qu'ils renfermaient se 395 trouve €parse et repandue entre les tuyaux qui restent et sous le nevril&me. Si on examine les m&mes parties au bout d’un mois, on les trouve dans un etat tout different. Presque toute la substance desorganisee a et& enlevee et les tuyaux membraneux detruits, en meme temps qu’en place des anciennes fibres, se trouvent des fibres toutes nouvelles, possedant tous les caracteres de jeunes fibres. Examinees dans leur etat naturel ou avec l’addition de l’eau leur vraie structure n’est pas si aise A reconnaitre, ä cause de leur aspect gris, de l’adherence intime des uns aux autres et de leur manque de tout contour double, on pourrait les prendre pour les tuyaux aneiens simplement prives de leur contenu. Mais dans les acides organiques et notamment dans l’acide acetique concentre, on possede une veritable pierre de touche pour les distinguer des autres tissus. Apres cette addition la masse se trouve composee de fibres embryonnaires, qui sont päles d’une structure finement granulee, possedant probable- ment une membrane externe mais qui est presque dissoute par lacide, ne presentaut jamais les doubles contours de fibres normales, d’un diametre ordinairement de 0,"”002, offrant ä des intervalles variables d’environ 0,””045 des noyaux fusi- formes d’environ 0,””02 de longueur paralleles ä laxe de la fibre, et les unes aux autres, ce qui du reste ost une conse- quence de la position parall&le des fibres nerveuses elles m&mes. Sur le nerf desorganise tel qu’il se presente 12 jours apres la section, on ne rencontre jamais rien de pareil A ces fibres embryonnaires, et tout ce qui reste des membranes tubulaires est un tissu amorphe sans nucleus et qui se dissout dans l’a- cide acetique sans laisser aucun residu. Le tissu cellulaire qui entoure les nerfs presente des noyaux quil est facile de distinguer de ceux des fibres nerveuses, en ce qu'ils sont moins longs, plus &pais, sont repandus irregulie- rement sur la surface de la membrane, ne montrant aucune approche en parallelisme, et le tissu lui m&me ne se gepare point en fibres eylindriques. Les fibres gelatineuses ou de Remak qui presentent la möme structure et les m&mes r&aetions que les jeunes fibres 396 x nerveuses n’existent pas en quantite appreciable dans le trone du vague avant son &panouissement sur l’&sophage. Dans toutes ces experiences je me sers d’un animal sur lequel je fais la section des nerfs aux intervalles sus mentionnes, et quels que soient les nerfs divises je garde ceux du m&me nom du cöte oppose pour terme de comparaison. Je me sers de preference de jeunes animaux & cause de la plus rapide regeneration des nerfs, et avant de les sacrifier je m’assure d’ayance au moyen du galvanisme que le nerf a en partie regagne ses fonctions. La regeneration des fibres nerveuses du sympathique se fait exactement de la m&me maniere que dans les autres nerfs, tant par rapport ä la structure des fibres nouvelles qu’ä l’epoque de leur formation. Le nevrileme me parait jouir un röle important dans la re- generation des fibres nerveuses. Tandis que les parties ner- veuses subissent toutes les alterations decrites cette membrane reste encore intacte. On s’assure de cela aisement sur une grenouille dans laquelle les nerfs des papilles fongiformes sont desorganises depuis plusieurs mois. Le nevrileme forme alors une poche presque vide, mais conservant encore sa grandeur ordinaire, comme lorsqu’il contenait le faisceau nerveux. Le neyrileme qui recouvre les faisceaux separes d’un nerf jouit de 14 m$me faculte, comme on voit sur les nerfs car- diaques moyens ou inferieurs apr&s la section du vague. Le nevrileme dans ce cas forme un eylindre ereux et transparent, renfermant quelques grains noirs, autour de ce faisceau et d’autres provenant des ganglions cervicaux inferieurs. C'est probablement ä l’absence de cette membrane apres la resection d’une portion d’un nerf qwil faut attribuer la difference bien connue de la partie intermediaire et linferieure et l’imperfeetion dans le retablissement des fonetions. Pendant que tous ces phenomenes s’observent dans la struc- ture intime du nerf a P’oeil nu on n’apercoit qu’une faible alte- ration dans ses proprietes physiques. Au bout de 15 jours on trouve quil a perdu une partie de son aspect blane naere, qwil a une teinte rosee et qu'il a augmente faiblement de vo- lume,. Cet aspeet rose s’observe jusque dans les ramifications 397 deliees. Ces changemens atteignent le maximum dalteration aut bout d’un mois. Dans le pigeon les choses se font de la m&me maniere. Au bout de 3 jours apr&s la section du seiatique j’ai trouve le bout inferieur de la partie superieure fix€ aux parties sub- jacentes, presentant un renflement forme par une exsudation g&- latineuse, dans laquelle on apercevait dejä des fibres nerveuses nouvelles. Au bout de six semaines j’ai constate sur le pigeon, qu’une grande partie des fibres nouvelles du nerf vague formait des tuyaux nerveux & doubles contours. L’acide acetique demon- trait encore des fibres a nucleus en grande abondance. Les fibres de Remak existent du reste en quantite notable dans le vague normal de pigeon, mais le diametre des jeunes fibres n’etait encore dans ce cas que la moitie de celles des fibres saines de l’autre cöte*). Experiences sur les ganglions. En appliquant le procede de section que j’ai eommunigue ü lacademie des sciences, & l’etude des nerfs qui presentent sur leur trajet la structure ganglionaire je suis parvenu & des resultats de nature & £claireir sur leurs fonctions, et sur quelques faits restes jusqu’a present presque inexplieables dans la physiologie. Quoiqu’aucune question en Physiologie ait soulevee plus de debats que celle de la nature des fonetions des corps ganglio- naires, la science est loin de posseder encore des faits exacts relativement & influence qu’ils exereent. Les deux hypotheses des anciens, l’une qui les regardait comme des centres d’inner- vation, lautre qui les considerait simplement comme un moyen mecanique pour l’arrangement des fibres sont encore soutenues avec de faibles modifications de part et d’autre. Le premier, celui de Winslow et de Bichat, est encore *) Jai constatt au bout de 24 heures apr&s la division d’un scia- tique du pigeon que deja ses fonctions motrices sont affaiblies. Au bont de deux jours et demi l’irritation du nerf ne fait plus contracter la jambe et alors on apergoit que les fibres nerveuses sont de- sorganistes, 398 celui de Bidder, Volkmann et Kölliker, tandis que le second & ete maintenu par Valentin dans ses travaux sur le sympathique. Sans entrer iei plus loin dans cette discussion, je remar- querai, que suivant qu’on se borne a envisager la question sous le point de vue physiologique ou anatomique on a adopte Pune ou l’autre opinion. Ainsi si on considere seulement les effets de lirritation mecanique des fibres du sympathique, comme dans les experiences de Valentin, on regardera ce systeme comme completement subordonne au centre ce£rebro- spinal, mais si au contraire on se restreint a la structure par- tieuliere des ganglions, ä l’aspect different des leurs nerfs, et enfin & la ressemblance entre les corpuseules ganglionaires, avec ceux de la moelle et du cerveau, on adoptera l’opinion de lindependance plus ou moins complete de leurs fonetions. Le plus grand obstaele sans contredire & aucune generalisa- tion sur la structure ganglionaire se trouvait jusqu’iei A expli- quer l’existence sur les racines sensitives des nerfs spinaux de ganglions semblables quant A leur structure intime aux gan- glions du sympathique. Les experiences ei dessous, outre l’avan- tage de nous donner de nouveaux faits positifs, nous permet- tsant de ramener ä une seule et m&me loi toute la strueture ganglionaire. Comme j’ai deja demontre*), un nerf queleonque separe de son centre cerebro -spinal se trouve change au bout de plu- sieurs jours, dans toutes ses conditions mieroscopiques et phy- siques jusqu’ä ses extremites peripheriques. La question, qui se presente alors est de savoir jusqu’a quel point la m&me loi s’applique aux nerfs qui presentent sur leur trajet une structure ganglionaire, A cet egard mes experiences sur les ganglions spinaux re- pondront d’une maniere non-equivoque; que lorsque la section d’un nerf sensitif spinal se fait au dessus de son ganglion, la desorganisation ne se transmet jamais au delä du ganglion. Apres avoir mis & nu les racines d’un nerf spinal, et les *) Philosophical transaetions of the Royal Society. Part 2. 1850. 399 avoir coupees au dessus du ganglion de maniere & conserver une partie de la racine en connection avec le ganglion, et apr&s avoir garde l’animal pendant 10 & 12 jours j’ai obtenu les re- sultats suivans. [ 1. La partie de la raeine sensitive attachee ä la partie su- perieure du ganglion est tout & fait desorganisee de la m&me maniere que lorsqu’un nerf est coupe ä sa partie peripherique. 2. Lorsqu’on suit le nerf dans l’interieur du ganglion, on trouve que ses branches desorganisees se subdivisent dans le corps en se melangeant avec d’autres fibres tout & fait normales. 3. Le melange des fibres normales et desorganisees se fait d’une maniere variable et dans toutes les proportions. 4. Lorsqu’on trace un faisceau desorganise dans linterieur du ganglion, ses fibres paraissent se terminer dans une collec- tion de eorps ganglionaires egalement alteres, ne paraissant eonsister que d’une membrane externe indistinete et attenude, videe de son contenu. 5. Les fibres normales qui restent paraissaient prendre leur origine par des filaments libres, courts et tres fins dans les eorps ganglionaires. L’elimination des autres fibres nerveuses en r&duisant Je nombre des fibres nerveuses dans le ganglion, est un grand avantage pour reconnaitre les origines des fibres inferieures. 6. Toutes les fibres qui sortent du ganglion con- servent leur &tat normal. Au bout d’un mois et plus, dans un jeune chien ou chat, l’etat des fibres inferieures est le m°me qu’au premier jour. La regeneration des fibres supe- rieures entre le ganglion et la moelle se fait de la maniere or- dinaire. 7. Les fibres motrices sont completement desorganisees jusqu’& leurs extr&mites. On peut verifier la m&me chose en galvanisant ce nerf au moment de la section; on obtient des eontractions dans les museles d&pendants, mais au bout de 4 jours la m&me irritation n’&veille plus aucune eontraction des muscles. 8. Lorsqu’on se borne ä eouper la raeine posterieure seu- 400 lement sans leser l’anterieure, aucune fibre ne se desorganise dans le nerf mixte au dessous du ganglion. 9, Lorsque le nerf est coupe au dessous du gangliou toutes les fibres se desorganisent. L’extirpation du ganglion produit le m&me effet sur le nerf que la section du nerf imme- diatement au dessous. 10. Le nerf dont je me sers presque toujours pour ces ex- periences est la deuxieme paire cervicale. Sur ce nerf le gan- glion spinal est situe deux A trois lignes hors du canal verte- bral et sur les chiens et les chats, Surtout sur les jeunes ani- maux & cause du moindre developpement des apophyses et des muscles de la nuque, il est tr&s facile de couper et de galva- niser, les racines sensitives et motrices, m@me isolement, en dehors du canal vertebral sans aucun danger pour la vie de l’animal. A cet effet le meilleur guide est de suivre a sa source la branche oecipitale interne de cette paire. 11. Cette partieularite de ce nerf dont les physiologistes n’ont point encore tir& partie, nous permet de repeter toutes les ex- periences de Bell, de Müller, sur les racines spinales sans aucun des phenome£nes de paralysie et de stupeur qui compliquent ces experiences sur les mammiferes, apres la denudation de la moelle £piniere. En outre ces experiences ne causent pas la mort de l’animal. 12. Comme le nerf occipitalinterne vient uniquement de la deuxieme paire cervicale, qui est de nature mixte jusqu’ä la nuque, ou il est exelusivement sensitif, il nous offre toutes les facilites pour les experiences. La section de la racine ganglionaire cause la paralysie com- plete de sensation du sus-dit nerf, mais avec la conservation complete de son pouyoir moteur. La section de la raeine an- terieure, lui laisse la grande sensibilite qui lui est propre. Le pouvoir moteur qui existe encore apres, diminue graduellement a cause de la desorganisation de ces fibres, et est perdue au bout de 4 jours, epoque ä laquelle on apercoit distinetement la desorganisation des fibres. Les m&mes resultats s’obtiennent soit qu’on galvanise le nerf A sa partie peripherique, ou ä sa partie centrale. Mais dans toutes les combinaisons qu'il est pos- 401 sible a faire & ces experiences, nous obtenons comme resultat invariable que les fibres sensitives au dessous du ganglion ne s’alterent jamais tant qu’elles sont‘en connection avee les cor- puscules ganglionaires. Ces observations nous permettent d’expliquer d’une maniere satisfaisante les r&sultats de M. Magendie sur la section de la 5me paire, ou la nutrition de l’oeil fut intacte apr&s la sec- tion au dessus du ganglion, et l’oeil desorganise apres la section au dessous du ganglion. Je me bornerai quant ä present & ce court expose de mes obseryations sur les ganglions spinaux. Dans une occasion prochaine je les traiterai plus en detail, en m&me temps je de- erirai mes experiences sur le nerf vague et sur le nerf sympa- thique, qui me permettent dejä de rattacher & une loi generale tous ces differens ganglions. Müllers Archiv. 1852, 26 Die Anatomie der männliehen Brustdrüsen. Von Professor Luscuxa in Tübingen. Bei Erwägung der gegenwärtigen Kenntniss über jene Theile, muss es nahezu scheinen, dass mit der Annahme ihrer physio- logischen Bedeutungslosigkeit fast jedes Interesse für eine ge- nauere Erforschung derselben verloren gegangen sei. Man be- gnügt sich mit der Ansicht, dass in ihnen eine Andeutung der ursprünglichen Geschlechtsindifferenz, die Spuren des für die Generationssphäre beider Geschlechter gleichmässigen Bil- dungstypus gegeben sei. Und doch — es knüpft sich an ihre Betrachtung nicht allein eine wissenschaftliche Seite bezüglich der Metamorphosen eines der ursprünglichen Anlage fremd gewordenen Gebildes, sondern, sie kann auch einen gewissen practischen Werth ansprechen. Dieser dürfte vor Allem in einer genaueren Bestimmung der Lagerungsverhältnisse der Brust- warze gelegen sein, als desjenigen 'Theiles der männlichen Brustdrüse, von welchem aus Messungen des Thorax gemacht, und die Verbreitungsbezirke von Brustorganen festgestellt werden. Denn gerade über diesen Punkt entbehrt die Wissen- schaft zur Stunde jeder sichern Grundlage. Ohne irgend einen objectiven Halt, wie dieser sich nur auf nachgewiesene Zah- lenverhältnisse gründen kann, ist es jetzt fast üblich gewor- den, ohne Weiteres die Brustwarze und resp. die Brustdrüse des Mannes auf die vierte Rippe zu versetzen und darnach weitere Bestimmungen zu machen. Bei Gelegenheit der Untersuchung der Lage des Herzens zu einzelnen Bestandtheilen der Brustwand an der Leiche, fand ich häufig Differenzen in der relativen Lage der Brustwarze 403 und damit aber auch die Gewissheit ihres wandelbaren Sitzes. Durch zahlreichere eigens auf diesen Gegenstand gerichtete Untersuchungen hoffe ich durch die Aufstellung numerischer Verhältnisse, eine gewisse Norm aufgefunden zu haben. Es wurden 60 wohlgebaute Männer verschiedenen Alters zur Untersuchung*) gewählt. Diese ist etwas delikater als es auf den ersten Blick erscheinen möchte. Um vor Missgriffen bewahrt zu sein, ist es vor Allem nöthig, eine Stellung ein- nehmen zu lassen, bei welcher weder die Haut noch die Mus- keln der Brust irgend verzogen werden. Die sitzende oder aufrecht stehende Position erscheint als die geeignetste. Fer- ner hat man vor Abzählung der Rippen durch Druck die Brustwarze zu fixiren, und endlich durch wiederholte Unter- suchungen derselben Individuen die Wahrnehmungen zu con- troliren. Die genaue Untersuchung an Lebenden Behufs der Aufstellung maassgebender Zahlenreihen ist für die Praxis ungleich werthvoller, als die Bestimmungen an der Leiche, weil sehr häufig, wie ich fand, hier durch die Todtenstarre der Muse. pectorales majores die Brustwarzen verrückt werden. Unter 60 Beobachtungen lag die Brustwarze: 44 Mal im vierten Interstitium, also zwischen der vierten und fünften Rippe, 6 Mal auf der fünften Rippe, 5 Mal auf der vierten Rippe, 2 Mal zwischen der fünften und sechsten Rippe. Bei den Fällen von Lagerung der Brustwarze zwischen zwei Rippen findet es sich oft, dass sie bald dem untern Rande der einen, bald dem obern Rande der andern Rippenäher gerückt ist. Sehr bemerkenswerth ist ferner noch die häufig auf beiden Seiten verschiedene Lage der Brustwarze, so dass die eine tie- fer, die andere höher gelagert gefunden wird. Differenzen be- stehen auch viel Mal in der Entfernung der Brustwarzen von der Mittellinie des Sternums. Der Unterschied beträgt nicht *) Die Assistenzärzte des hiesigen Krankenhauses, die Herren Dr. Seitz und Schmid hatten die Freundlichkeit, mich durch Beiträge hierin zu unterstützen. 26* 404 selten 1-2 Centimeter bei einem durchschnittlicken Abstande von zwölf Centimetern. Die Form der Brustwarze und ihre Grösse, sowie Umfang und Färbung des Warzenhofes zeigen die grösste Mannigfal- tigkeit. Die Warze ist bald sehr prominirend, wie zitzenartig verlängert, bald ganz platt und kaum über das Niveau der übrigen Haut hervortretend. Die Oberfläche wird sowohl ganz glatt gesehen, als auch durch eine beträchtlichere Entwicklung der Papillen wie fein gelappt oder gefurecht. An den Leichen vieler Individuen, zumal jüngerer Männer, gelang es mir, aus der Brustwarze einige sehr kleine Tröpfehen einer wasserhel- len Flüssigkeit hervorzupressen, welche ich auch bei Durch- schnitten des Drüsengewebes an einzelnen Punkten gewann. Das Fluidum enthält als Formbestandtheile sehr zahlreiche Molekularkörnchen, sodann rundliche fein granulirte Körper- chen von 0,004-0,006””, Sphärische, blasse, bald fein granu- lirte, bald ganz homogen erscheinende Körper mit einem meist excentrisch gelagerten Kern wurden nie vermisst. Während jene granulirten Körperchen, welche augenscheinlich diesen grössern gegenüber die Bedeutung von Nuclei haben und sich auch den Kernen jener entsprechend chemisch verhalten, nur sehr klein sind, messen diese 0,012"® ; Essigsäure löst die Hülle auf, indess die Kerne nicht angegriffen werden. Am Lebenden konnte, wegen Empfindlichkeit des Theiles, eine Compression der Brustdrüse nicht bis zum Heraustreten einer Flüssigkeit gesteigert werden. Am Warzenhofe fällt neben der mehr weniger bräunlichen Färbung die Prominenz der Talgdrüsen in Form kleiner Hök- kerchen auf, welche sowie die gewöhnlich vorhandenen Haare vorwiegend gegen den äussern Rand der Areola zu sitzen pfle- gen. Die Epidermis ist am Warzenhofe sehr zart; stärker finde ich sie über den Warzen, an welchen sie durch die Ein- lagerung zwischen die Papillen bei querer, durch die Basis der letztern geführten Durchschnitten, eine sehr zierlich netzför- mige Anordnung zeigt. Bei solchen Durchschnitten findet man zugleich das Vorhandensein von 8-10 rundlichen, von concen- trischen Epidermisschichten umgebene Oetfnungen, welche meist 405 die Ausführungsgänge kleinerer auch in der Warze gelegener Talgdrüsen, zum geringeren Theil aber die oft noch durch- gängigen Ausmündungen der Drüsenacini bezeichnen. Die Papillen sind in der Brustwarze im Verhältniss zu ih- rem Umfange äusserst zahlreich. Es finden sich nicht nur ein- fache, sowohl schmale als breite, sondern auch zusammenge- setzte Papillen, Oefters sieht man eine mit breitem Fusse auf- sitzende Papille, welche gegen ihre Spitze hin in 2-3 kleinere getheilt ist. Die Blutgefässe bilden in den Papillen schmale und breite, häufig zugleich spiralig gewundene Schlingen. Sehr selten sieht man, was an den Papillen der Fingerspitzen so häufig gefunden wird, Gefässconvolute. Die schmalsten Ge- fässe messen 0,008"" und erstrecken sich bis ganz in die Spitzen der Papillen. Im nicht injieirten und blutleeren Zu- stande erscheinen sie bisweilen ganz glashell und mit feinen Contouren. Im blutgefüllten Zustande sah ich sowohl an den Papillen der Brustwarze als an jenen der Fingerspitzen nicht, wie ich gegen R. Wagner*) bemerken muss, nur eine einfache Reihe von Blutkörperchen in ihnen, sondern stets mehrere ne- ben einander. Wenn die durch gelungene künstliche Injeetion nach Form und Anordnung gleichmässig wie im nicht injieir- ten Zustande sich darstellenden Schlingen, sich nicht auf das Bestimmteste als Gefässe nachweisen liessen, so würde man man- “che derselben, bei noch einigem Glauben an die Existenz von Endschlingen der Nerven, unfehlbar für solche erklären, zumal wenn die Gefässchlinge glasshell und da und dort etwas aus- gebuchtet erscheint. Allein das einzig Maassgebende, die In- jeetion belehrt, dass, wo eine Schlingenbildung in den Papillen der Haut vorkommt, sie dem Gefässsysteme angehört. Wie aber verhalten sich die Nerven, welche in nicht gerin- ger Menge zur Brustwarze treten, zu deren Papillen? Diese Frage gewann durch R. Wagner’s Verkündigung von eigen- thümlichen „Corpuseula tactus“ ein ganz besonderes Interesse. Ich liess es an Nichts fehlen, was der genannte Forscher als *) Nachriehten von der königl. Gesellschaft der Wissenschaften 1852. No. 2. 8,23. a.a 0. 406 zu ihrer Darstellung förderlich bezeichnete. Ich versuchte mich zuerst in der Darstellung der Tastkörperchen der Fingerspitzen, und muss gestehen, dass ich Bildungen sah, welche nahezu mit Wagner’s Beschreibung der Corpuscula tactus übereinstimmten, ohne dass ich jedoch im Stande gewesen wäre, mit Bestimmt- heit eine Nervenfibrille im Zusammenhange mit ihnen zu er= kennen. Trotzdem aber waren mir die Formen zu auffallend, als dass ich an der eigenthümlichen durch Wagner bezeich- neten Art der Nervenendigung gezweifelt hätte, bis mir durch gefällige Mittheilung von Professor Arnold Präparate zu Ge- sicht kamen, die zu Zweifeln an der Sache führen mussten. Ich sah an sehr gelungenen Injectionen mitunter Anordnungen der Gefässe, z. B. mehrere in der Quere über einander gela- gerte Windungen derselben, welche sehr an die von Wagner beschriebene Form des Corpusceulum tactus erinnerten. Ja, in einem Präparate war es kaum zu verkennen, dass das Corpus- culum tactus theilweise injieirt war. Ein weiteres Bedenken drängt sich aber noch mit der Thatsache auf, dass je vollen- deter die Injection ist, um so weniger Formen vorhanden sind, welche an Wagner’s Corpusculum tactus erinnern. Ich bin weit entfernt, durch diese Bemerkungen Wagner ’s Entdeckung zu nahe treten zu wollen, sondern möchte damit nur die Schwierigkeit einer vollgültigen Nachweisung derselben kund geben. An der Brustwarze und am Warzenhofe suchte ich vergeb- lich nach Formen, welche eine Aehnlichkeit mit jenen Corpus- eula tactus dargeboten hätten. Dagegen gelang es mir zu wie- derholten Malen eine Endigungsweise der Nerven zu sehen, die ich anderwärts noch nicht traf. An mehreren Papillen der Warze fiel mir ganz gegen ihre Spitzen hin eine kölbehenartige Bildung auf, welche mit ihrer Längenachse der Längenachse der Papille entsprach. Das Gebilde mit einem grössten Durch- messer von 0,009"" zeigte ein mit convexem Rande versehe- nes oberes Ende, und lief dünner werdend gegen die Basis der Papille hin. Einige Mal sah ich sehr scharf ausgeprägte, con- centrisch angeordnete, wie membranöse Hüllen um das kolbige Ende. Dieses letztere erinnerte sehr an die Endigungsweise 407 der Nervenfibrille im Paeinischen Körperchen. Eine Nerven- faser bis zu ihrer Endigung in eine solche kolbenförmige Spitze gelang mir nur ein Mal in dem Grade wahrzunehmen, dass ich einen Werth auf die Beobachtung legen konnte. Die Nervenfaser war aus der Theilung einer Primitivfaser in zwei Fibrillen hervorgegangen. Die zweite Theilungsfaser lief quer von der senkrecht in die Papille aufgestiegenen ab. Da ich nicht im Stande bin, das bezeichnete Verhalten der Nerven in den Papillen der Brustwarze nach Belieben herzustellen, so will ich diese Beobachtung noch nicht für eine zureichende erklären, sondern sie einfach nur zur Berücksichtigung für nachfolgende Beobachter mittheilen, weil ich glaube, dass zur endlichen Auf- klärung über die so schwierig zu erforschende Endigung der Nerven jeder Beitrag nützlich sein kann, falls er nur einer Na- turanschauung entnommen ist. Sowohl im Warzenhofe als in der Warze finden sich sehr zahlreich organische Muskelfasern, wie dies schon von Köl- liker*) erkannt wurde. Ich finde sie hier ähnlich angeordnet, wie sie von jenem Forscher beim Weibe gesehen wurden, nur dass sie weniger massenhaft sind. Kreisföürmig angeordnet sind sie im Hofe, mehr netzförmig verbunden und die Aus- führungsgänge umgebend, finde ich sie in der Warze. Das Parenehym der männlichen Brustdrüse liegt sehr verborgen im Unterhautzellgewebe und ist bisweilen so unbe- deutend, dass es aus den umgebenden und es zum Theile durchsetzenden Fettläppchen kaum herauszufinden ist. Gering ist seine Masse immer zu nennen, indem sie für die gewöhnli- chen Fälle kaum 10 Gran wiegt. Der Betrachtung mit dem blossen Auge erscheint das Parenchym als eine weissliche, dieht faserige, sehr resitente Masse, an welcher keinerlei be- stimmte Anordnung in Läppchen und dergleichen zu erkennen ist. Dagegen findet man da und dort bei Durchschuitten rund- liche, hirsekorngrosse, bläschenähnliche Gebilde, welche häufig leicht bersten und etwas Flüssigkeit austreten lassen. Andere Male sieht man schlauchähnliche 1 Millimeter breite, 2-4 Mil- *) Mikroskopische Anatomie. II. Bd. 1. Hälfte. S. 14 408 limeter lange Gebilde, welche in Gänge auslaufen, welche man bis in die Brustwarze hinein verfolgen kann. Bei der mikroskopischen Untersuchung findet man: 1) Eine faserige Grundlage. Es wird diese durch Bindege- websfasern, elastische Fibrillen und organische Muskelfasern zusammengesetzt. Das Bindegewebe ist der weitaus überwiegende Be- standtheil. Dasselbe bildet ein sehr dicht gewobenes Stroma, und zeichnet sich vor Allem dadurch aus, dass hier, wie nicht leicht in einem anderen Theile des gewordenen Individuum, so zahlreich neben einander die Entwickelungsformen seiner Elemente erkannt werden. Mit dem Mangel einer bestimmten Function aller Beziehung der Brustdrüse des Mannes scheint es fast, dass die bildende Thätigkeit sich hier in der Produc- tion des Bindegewebes an der Stelle der eigentlichen Drüsen- gebilde äussere. Wenn diese in den Blüthenjahren noch reich- lich auch beim Manne gesehen werden, so schwinden sie in spätern Jahren immer mehr, indem an ihre Stelle das Binde- gewebe tritt. Man gewahrt hier in dem eigenthümlichen Vor- gange, dass die in den Drüsenräumen enthaltenen Körperchen die Grundlage für die Bildung von Fasern werden, mit deren Zunahme nicht allein die Höhlen der Acini schwinden , sou- dern auch ihre Ausführungsgänge in Zellstoffstreifen verwandelt werden, wie dies Krause!) schon geahnt hat, wenn er be- merkt: dass man in der Brustdrüse des Mannes weissliche etwas glänzende, die Richtung der Gänge andeutende Zellstoff- streifen finde. Im Irrthum aber ist der ehrenwerthe Beobachter, wenn er nebenbei bemerkt, „dass überall keine Höhlen in der Brustdrüse des Mannes bestehen.“ Eine genauere Verfolgung der Entwicklung des Bindege- webes war mir bei Gelegenheit dieser Untersuchungen von besonderem Werthe im Hinblick auf die Lehre Virchow’s?), welcher in dem Bindegewebe nur eine Intercellularsubstanz 1) Handbuch der menschlichen Anatomie. 2. Auflage. Hannover 1843. S. 727. z 2) Verhandlungen der physikalisch - medieinischen Gesellschaft in Würzburg. II. Bd. S. 150 ff. 409 sieht, während die sogenannten Kernfasern und die elastischen Fasern als aus den Bindegewebskörperchen der Autoren her- vorgegangen betrachtet werden. Für eine zureichende Würdigung der.Frage, ob in den ge- wöhnlich sogenannten Bindegewebsfasern nur eine Intercellu- larsubstanz gegeben sei, welche zu den Bindegewebskörperchen in einem ähnlichen Verhältnisse stehe, wie die Grundsubstanz der Knorpel zu den Knorpelkörperchen, müssen wir erstens die Umwandlungen des isolirt bleibenden Bindegewebskörper- chens, und zweitens sein Verhalten zu anderen seines Gleichen untersuchen. Isolirte Bindegewebskörperchen d. h. Formbestandtheile, welche man noch gewohnt ist, als die Grundlage für die Bil- dung der Bindegewebsfibrille anzusehen, finden sich in ver- schiedenenen Formen der Umbildung zur Faser, fast in jedem Objecte des männlichen Brustdrüsengewebes. Sehr leicht und in grösserer Menge gewinnt man sie aber auch in der von der innern Fläche der Fascia lata abgeschabten Masse*), Hier insbesondere wurde mir die Art ihrer ersten Bildung sehr klar. Man findet nämlich in vielen Objeeten unregelmässig geformte Massen einer äusserst feinkörnigen Substanz, in welcher sich dunkeleontourirte, kreisrunde und elliptische Körperchen fin- den, von einer durchschnittlichen Länge von 0,009". Bei vie- len dieser Körperchen sieht man deutlich einen Kern von einer blassern fein granulirten Rindensubstanz umgeben. Bei man- chen ist diese Substanz nur erst nach einer Richtung um den Kern angelagert, so dass ganz die Formen gegeben sind, wie man sie als die Anfangsbildung der Zelle zu bezeichnen be- liebte, wo die sich bildende Membran gleich einem Uhrglase auf dem Kerne, dem Uhrgehäuse vergleichbar, aufsitzt. An den meisten Pormbestandtheilen, welche in jenem Protoplasma liegen, sieht man aber die Verlängerung der peripherischen Substanz nach zwei Richtungen hin, so dass damit der Anfang der Bildung der sogenannten geschwänzten Körper zu erken- *) Ich wählte absichtlich Substrate vom völlig gewordenen Indivi- duum, um gerade die für dieses giltigen Verhältnisse aufzufinden. 410 nen ist. Bringt man Essigsäure zum Objecte, so verschwindet die Moleeularmasse und die Rindensubstanz der Körperchen, und man sieht nur noch einzelne dunkel eontourirte Kerne als Rest. \ Neben den bezeichneten. Formelementen, in welchen man gewiss ungezwungen die Suecessionen der Bildung der Binde- gewebskörperchen sehen kann, indem die Moleeularmasse die erste geformte Grundlage ist, aus welcher demnächst die Kerne hervorgehen, aus welchen erst durch Umlagerungen aus eben jedem Protoplasma die jetzt aus Kern und sogenannter Hülle bestehenden Bindegewebskörperchen geworden sind, findet man schon mehr weniger zu Fasern verlängerte Gebilde. Zur Ver- folgung der Entwicklung isolirter Bindegewebskörperchen zu Fasern kann die von Virchow empfohlene Methode des vor- herigen Kochens der Theile nieht wohl Anwendung finden, da hierbei gerade jene Formen abhanden kommen, auf deren Un- tersuchung es hauptsächlich ankommt. Bei der Entwicklung der anfangs elliptisch gestalteten Bin- degewebskörperchen zur Faser fand ich im Wesentlichen den schon von Th. Sehwann erkannten Bildungstypus. Man findet als nächste Formen mehr weniger spindelförmig gestaltete Körper, die in den allmäligsten Uebergängen zur Faserbildung tendiren. Als Regel sah ich durch die Verlänge- rung je nur eine Fibrille hervorgehen, wiewohl ich auch Thei- lungen des einen oder anderen Endes in 2 oder 3 Fasern nicht selten wahrnahm. Ein Zerfallen aber in eine grössere Anzahl von Fasern, so dass aus dem spindelförmigen Körper ein gan- zes Faserbündel geworden wäre, dafür habe ich kein Beispiel finden können. Als eine selten vorkommende Art der Bildung zeichnete ich Beispiele ab, wo die Rindenschichte des Binde- gewebskörperchens nur nach einer Richtung hin sich in eine Faser verlängerte, während das andere Ende durch den Kern eingenommen war. Je mehr die Verlängerung des Bindege- webskörperchens zur Faser fortschreitet, um so mehr nimmt der Kern an Umfang ab, bis er schliesslich ganz verschwindet. Fälle sind gewiss jedem Beobachter vorgekommen, wo in einer in ihrer Mitte noch etwas aufgetriebenen Faser einige 411 Körnehen oder grössere Reste des Nucleus auflielen, als Be- weise seines allmäligen Schwindens mit der weiter gediehenen Faserbildung. Das chemische Verhalten des mehr weniger in der Faser- bildung begriffenen Bindegewebskörperchen ist um so bemer- kenswerther, als man über seine Natur gegenüber jenen Form- bestandtheilen, durch deren Vermittelung die elastischen Fa- sern werden, dadurch Aufschluss erhält. Essigsäure und Aetz- kali bringen die Rindenschichte, die Membran der Autoren, alsbald zum Verschwinden, während der Kern noch Wider- stand leistet. Ist die Bildung der Faser bereits weiter gedie- hen, so findet man auch den jetzt mangelhaft gewordenen, nie- mals sich faserartig verlängernden Kern durch die genannten Mittel zerstörbar. Darin liegt der Hauptunterschied von der elastischen Faser, die schon in ihrem ersten Entstehen der Essigsäure und dem Aetzkali widersteht, wie die verschiede- nen sogenannten verlängerten Kerne nach Behandlung man- chen Bindegewebes mit Essigsäure beweisen, Kerne, welche ich, was ich schon hier bemerken will, nicht als Theile der Bindegewebskörperchen halten kann, sondern ihnen eine schon ursprünglich verschiedene Natur zuerkennen muss. Wenn es nun nach dem Zeugnisse der Beobachtung nicht in Abrede zu stellen ist, dass Bindegewebsfasern durch die Entwicklung isolirter Bindegewebskörperchen entstehen , so frägt es sich weiter, durch welcherlei Vorgänge die Bildung der bündelförmig angeordneten Zellstofffasern vermittelt werde. Hier lehrte mir die Untersuchung zwei Modificationen eines und desselben Bildungsprocesses kennen. Erstens die Binde- gewebskörperchen reihen sich longitudinal aneinander und verschmelzen untereinander. Durch die Verschmelzung einer nur einfachen Reihe jener Körperchen entstehen breite band- artige Fasern, an welchen man von Stelle zu Stelle einen mehr oder weniger scharf gezeichneten granulirten Kern findet, Derlei Formen zeigen die grösste Aehnlickeit mit embryonalen Nervenfasern, welche so weit geht, dass unter Umständen eine Unterscheidung kaum möglich sein dürfte. Solche bandartige 412 Fasern finde ich mit Zwisky ') übereinstinnmend im Thrombus; ich fand sie in den Granulationen, und erkannte sie in diesen Tagen in einer jungen auf einer Pseudomembran aufgelagerten Exsudatschichte, in welcher ich ausser diesen Bildungen noch sehr zahlreiche isolirte Bindegewebskörperchen in verschiede- nen Stadien ihrer Verlängerung zu Fasern vorfand. Die band- artigen Fasern zeigten sich schon zum Theil in feinere Fibril- len zerfallen, und boten auch wohl schon einen stellenweisen Defect der Kerne dar. Die Formen stimmten sehr überein mit der von Gerlach ?) gegebenen Abbildung. Zweitens, es tritt eine grössere Anzahl von Bindegewebs- körperchen, entsprechend der Bildung von breitern, stärkern Bindegewebsbündeln streifenartig zusammen. Bei dieser Art der Bildung, welche ich mehrmals sehr deutlich im Faserge- rüste der männlichen Brustdrüse sah, findet man einmal die Bindegewebskörperchen in mehreren Reihen über- und neben- einander und linear aufgereiht, theilweise schon zu bandarti- gen Fasern verschmolzen. Andere Bindegewebskörperchen sind noch völlig isolirt, und ohne bestimmte Ordnung zwischen die anderen hineingestreut. Bisweilen sieht man neben ihnen Form- elemente, welche einer Rindenschichte entbehrend, als Kern- gebilde, oder richtiger als Körperchen sich herausstellen, an welcher nicht jener formelle Gegensatz von zweierlei Substanz zu erkennen, wie an dem bereits zur Faser sich entwickelnden Bindegewebskörperchen. Dieses Stadium der zur Faserbündel- bildung vereinigten Bindegewebskörperchen bekommt man seltener zu Gesicht. Meist ist bereits schon ein weiteres Zer- fallensein mit feineren Fibrillen vorhanden. Fügt man zu sol- chen Formen Essigsäure hinzu, so verschwindet die Faserung, und es bleiben häufig mehr weniger faserartig verlängerte Ge- bilde, oder bei vollständigem Zerfallensein wirkliche, sehr freie, dunkle Fasern, die sogenannten Kernfasern, zurück. Ihre Zahl steht bei weitem nicht im Einklange mit der Menge der Bindegewebskörperchen, welche der Beobachtung der ersten 1) Die Metamorphose des Thrombus. Zürich 1545. 1) Handbuch der Gewebelehre. S. 90. Fig. 31. 413 . Bildung eines Faserbündels gemäss, zu seiner Entstehung zu- sammengetreten sein müssen. Noch viel bemerkenswerther aber ist es, wenn man an Bindegewebsbündeln nach Zusatz von Essigsäure durchaus keine sogenannten Kernfasern zum Vorschein kommen sieht. Es liegt darin wohl nicht ein Be- weis, dass hier die Fasern nicht durch Vermittelung besonderer Formelemente geworden sind, sondern dass sich eben bei Bil- dung solcher Bündel keine Formen betheiligten, welche der Entstehung der Kernfasern zu Grunde liegen. Dass aber diese aus besondern, von den Bindegewebskörperchen verschiedenen Formelementen hervorgehen, beweist einfach schon die Ge- schiehte der Entwickelung eines isolirten Bindegewebskörper- chens zur Faser. Man ist durchaus genöthigt anzunehmen, dass wo immer in Bindegewebsbündeln sogenannte Kernfasern vorkommen, dieselben aus besonderen aber neben und gleich- zeitig mit den Bindegewebskörperchen zu Fasern sich entwik- keluden Elementen hervorgingen. Diese sind aber von jenen, soviel ich bis jetzt sehen konnte, schon der Form nach da- durch verschieden, dass man an ihnen keine Rindensubstanz gegenüber einem Kerne unterscheiden kann, sondern dass sie vielmehr nur den letztern darstellen. Wenn von Andern mit- getheilt wird, dass auch die sogenannten Kernfasern des Bin- degewebes, gleichwie die elastischen Fasern, zu welchen sie sicher zu zählen sind, aus Körpern sich entwickeln, an denen Kern und Rindenschichte zu unterscheiden seien, so will ich kein Misstrauen in die Angaben anerkannt guter Beobachter setzen, indem ich bemerke, -dass ich mich bis jetzt noch nicht davon überzeugen konnte. Nicht selten begegnet man bei Untersuchung des Bindege- webes dünnen und dickeren Streifen einer fast homogenen auch nicht den Anschein von Faserung darbietenden Substanz, in welcher runde und elliptische Kerne ohne bestimmte Ord- nung eingelagert sind. An anderen Formen dieser Art erkennt man aber schon den Anfang eines Zerfallens in gröbere und feinere Fasern. Hätte ich nur solcherlei Bildungen im Auge, ich würde unbedingt mit Virchow in jener structurlosen Sub- stanz eine schliesslich faserig zerfallende Intercellularsubstanz 414 [3 annehmen. Allein mit der mir anderwärts unzweifelhaft ge- wordenen Verschmelzung der Bindegewebskörperchen zu ho- megenen, später faserig zerfallenden Bändern, zwischen wel- chen von vorn herein von den Bindegewebskörperchen ver- schiedene Formen sich zu den sogenannten Kernfasern entwik- keln, erschliesse ich mehr, als ich es beweisen kann, dass es dort ebenfalls zur Verschmelzung der nur unregelmässiger ver- theilten Bindegewebskörperchen gekommen ist. So sehr ich nun einerseits nach den dermaligen Deutungen meiner Wahrnehmungen die Entstehung von Bindegewebe durch die Vermittellung besonderer Formelemente, also eine mittelbare Bindegewebsfaserbildung annehmen muss; so stehen mir andererseits aber auch vielfache Beobachtungen zu Gebote von einer unmittelbaren Bindegewebsfaserbildung, wie ich jener gegenüber diejenige Art der Entstehung der Zell- stofffäden nennen möchte, bei welchen ohne alle Vermittlung besonderer Formelemente die Fasern aus der unmittelbaren Spaltung, aus dem direeten Zerfallen eines mehr weniger starren Blastems hervorgehen. Diese Bildungsart konnte ich bisher in einer für mich befriedigenden Weise nur an pathologischen Blastemen verfolgen. Sehr schön sah ich sie an den zu knor- pelharten Platten sich umwandelnden Auflagerungen, wie sie so häufig auf der Milzkapsel, auf dem Bauchfell, auf der Pleura ete. gesehen werden. Sehr bestimmt überzeugte ich mich auch von dem direeten Zerfallen des Blastems zu zellstoffähnlichen Fasern am Gewebe eines Polypen des äusseren Gehörganges. Von der Art des Zerfallens habe ich mich bei Untersuchung eines Gallertkrebses der Leber*) völlig überzeugend belehren können. Wenn sich, wie es bei dem bezeichneten Krebse der Fall war, in den durch die Faserung gebildeten Zwischen- räumen Zellen entwickeln, so ist Virchows Auffassung des Bindegewebes als eine Intercellularsubstanz eine volle Wahrheit. Elastische Gewebselemente finden sich in der Brust- drüse des Mannes sehr reichlich in Gestalt der feinsten Fibril- *, Virchow’s Archiv. Bd. IV. Heft 3. 415 leg. Man sieht auch von ihnen hier die verschiedensten Eut- wicklungsformen. Sehr häufig begegnet man .etwas in die Länge gezogenen, dunkeleontourirten,, theils gerade gestreck- ten, theils mehrfach gebogenen Körperchen. An ihnen konnte ich bis jetzt keinen bestimmt ausgeprägten Kern, sondern höchstens einzelne Moleeularkernchen sehen. Die meisten er- scheinen ganz homogen und gegen Essigsäure völlig un- empfindlich. Schon durch diese Qualitäten sind sie gänzlich verschieden von den Bindegewebskörperchen, welche ihre Rin- denschichte durch Essigsäure einbüssen. Die meisten elasti- schen Formbestandtheile des Brustdrüsengewebes sind feinste Fibrillen, welche vielfach gekrümmt, meist isolirt, selten durch Verbindungszweige verschmolzen sind. Bei feinen mittelst des Doppelmessers aus der ganzen Dieke der Brustdrüse gewon- nenen Objeeten überzeugt man sich zureichend von ihrer nicht gleichförmigen, sondern stellenweise dichteren Anordnung. Von dem Hohlsein solcher elastischen Fasern konnte ich mich ebensowenig überzeugen als davon, dass die ihrer Bildung zu Grunde liegenden Formelemente Hohlgebilde — Zellen — seien, und kann damit in Uebereinstimmung die Vorstellung Virchow’s in keiner Weise theilen, dass in ihnen Ernäh- rungssaft leitende Röhrenapparate gegeben seien. Die glatten Muskelfasern sind in der Brustdüse der untergeordnetste Faserbestandtheil. Sie kommen indessen ent- schieden vor, und zwar nicht allein als isolirt mehr weniger in die Länge gezogene spindelförmige Fasern mit länglichem, stabförmigen Kerne, sondern auch in schmalern und breitern Bündeln, an denen, wenn dies vorher nicht schon deutlich ist, auf Zusatz von Essigsäure die Beschaffenheit und Anordnung der Kerne sehr überzeugend zu Tage kommen. Diese contrac- tilen Faserzellen Kölliker’s gewinnt man, zum Beweise, dass sie dem Objeete nicht aus dem Warzenhofe oder der Brust- warze zufällig beigemischt wurden, aus den äussersten, unter der Haut gelegenen Partieen des Drüsengewebes. Als eine Ergänzung zur Lehre von der weiblichen Brustdrüse will ich noch bemerken, dass es mir gelang, sie auch dort nachzuwei- sen. Besonders deutlich sah ich sie ein Mal im interstitiellen 416 Gewebe der äussersten Läppchen der Brustdrüse eines im ach- ten Monate der Schwangerschaft verstorbenen Mädchens. 2. Drüsengebilde. Die der weiblichen Brustdrüse so reichlich zukommenden in kleinere und grössere Läppchen gruppirten Drüsenbläsehen finden sich beim Manne in um so geringerer Menge und um so modifieirter, je mehr er jenseits der Blüthenjahre ist. Eine Anordnung der verhältnissmässig sparsamen Acini zu Läppchen besteht hier nicht. Es treten immer nur einzelne Bläschen durch kürzere oder längere Stiele zu einem gemein- samen weiteren Gange zusammen. Der Untersuchung mit blossem Auge bei Durchschnitten des Parenchyms ergeben sich die Aecini haltigen Stellen als bläschenartige meist leicht berstende Prominenzen; die weiteren Gänge stellen sich, zu- mal wenn sie durch Verschmelzung von Bläschen umfänglicher geworden sind, als zarte, bis in die Brustwarze hinein zu ver- folgende Schläuche dar. Sehr häufig weist das Mikroskop im Gewebe Stellen nach, welche mehrfach ausgebuchtete, dick- wandige Blasen darstellen, an welchen nur theilweise noch ein permeabler Gang besteht, während der zur Brustwarze zie- hende Abschnitt bereits zu einem Zellstoffstrange obliterirt ist. Gar nicht selten gewinnt man Objecte, an welchen in einer grösseren Lücke die den Drüsenblasen eigenen Formelemente liegen. Es ist in diesen Fällen bereits zur Identifieirung der sehr faserig gewordenen Wandungen mit einander verschmol- zener Acini mit dem Fasergerüste des Parenchyms gekommen, in welchem man auch den ehemaligen Gängen entsprechend angeordnete Zellstoffstreifen findet, als Ausdruck ihres Unter- gegangenseins in der Faserbildung durch Metamorphose der in ihnen enthalten gewesenen Elemente. Durch die Verschie- denheit der Stadien der im Untergange begriffenen Aecini wird die höchst ungleichförmige Beschaffenheit der letzteren bedingt, indem sie an der einen Stelle dem Schwinden nahe sind, wäh- rend sie an anderen noch in völliger Integrität bestehen, und weiterhin in der Form grösserer, rundlicher durch Verschmel- zung einer Anzahl von Bläschen entstandener Hochgebilde vorhanden sind. Die Grösse, sowohl der ganz isolirten,, als 417 der zu einem weiteren Gange mit einander verbundenen Bläs- chen wechselt sehr. Die kleinsten häufig kolbenartig gestalte- ten und in einen dünnen Gang auslaufenden Bläschen boten einen grössten Durchmesser von 0,05”® dar. Die grössten zeigten eine Breite von 0,1””, Die Wandungen sind meist ausgezeichnet faserig und besitzen eine Dicke von 0,004-0,006 U, Es sind sowohl elastische als auch feinste Zellstofffasern, wel- che den Wandungen eigenthümlich sind. Ausserdem findet man aber auch bogenförmig angeordnete Faserzüge, welche zwei und mehrere Bläschen umziehen. Wenn an solchen Acini die Ausführungsgänge bereits geschwunden sind, und ihre fa- serigen Wände weniger scharf von der Umgebung abgesetzt sind, dann gewinnen derlei Stellen sehr viele Aehnlichkeit mit dem Stroma mancher Krebsformen, deren Lücken von Zellge- bilden vollgepfropft sind. Der Inhalt sowohl der völlig geschlossenen als auch jener noch mit Gängen versehenen Bläschen ist sehr beachtenswerth Bei vielen findet man als innerste Auskleidung ein Plättchen- Epitelium. Die meisten Plättchen, welche reichlich schon beim Abschaben der Schnittfläche des Drüsenparenchyms gewonnen werden können, sind polygonal und tragen einen fein granu- lirten Kern. Die geringere Anzahl ist kernlos und glashell. Mehrmals sah ich Ausführungsgänge mit dem deutlichsten Cy- linderepitel; wie denn auch diesem angehörige einzelne Form- elemente häufig in mikroskopischen Objeeten der Drüse gese- hen werden. Ganz erfüllt sind die meisten Bläschen von rundlichen, sehr fein granulirten 0,004-0,006””" messenden Körperchen, welche durch Essigsäure kaum verändert, durch eoncentrirte Aetzkali- lösung aber sogleich aufgelöst werden unter Zurücklassung einzelner Moleeularkörnchen. In manchen Bläschen sieht man unter jenen Körperchen Formelemente, die mit den Bindege- webskörperchen in ihrem Uebergange zur Faserbildung alle Aehnlichkeit haben. Man findet um sie, als Kerne, eine nach zwei Richtungen hin verlängerte, durch Essigsäure ver- schwindende Rindenschicht, welche bei manchen schon in be- trächtlicher Länge zur Faser ausgezogen ist. Mir ist es bei Müllers Archiv. 1852. 27 418 langer Betrachtung aller Veränderungen im Brustdrüsengewebe kaum zweifelhaft geblieben, dass schliesslich jene Formelemente im Innern der Bläschen nach Obliteration von deren Ausfüh- rungsgängen, und nach dem Schwinden des Epitelium zu Fasern sich umgestalten. Es hat dieser Vorgang nichts Auffallendes, wenn man sich an die Verödungen mancher fötalen nach der Geburt bedeutungslos &ewordener Theile erinnert, wenn man sieht, wie hier ursprüngliche Hohlgebilde zu soliden Strängen werden. Mit jener Veränderungsweise ganz im Einklange steht es auch, dass bei hochbetagten Männern das Brustdrüsengewebe nur noch sehr wenige, in manchen Fällen vielleicht gar keine Bläschen mehr enthält, dagegen ein viel diehteres, durch bo- gige Faserzüge, gleich manchem Krebsstroma, ausgezeichnetes Ansehen besitzt. 419 Ueber das Arteriensystem von Simia Imuus. Untersucht von Dr. Fr. Wıru. Tueıe in Bern. (Hiezu Taf. XI. Fig. 1 und 2.) Anfangs December 1551 erhielt ich rasch hintereinander 4 Ex- emplare von Simia Inwus, welche in einem neuerdings in Bern verweilenden Affentheater als Künstler thätig gewesen waren, Alle 4 waren der Tubereulose erlegen, welche sich im Lymph- systeme, in den Lungen, in der Milz, in der Leber entwickelt hatte. Es waren 2 Männchen und 2 Weibchen; ein Männchen und ein Weibchen waren noch ziemlich jung. Ich hatte das zuerst erhaltene Exemplar injieirt, und fand einige Eigenthüm- lichkeiten des Arteriensystems, die vielleicht aber nur indivi- duelle sein konnten. ‘Ich injieirte und präparirte daher auch die 3 anderen Exemplare, und bin dadurch in den Stand gesetzt worden, eine Beschreibung des normalen Verlaufs der Arterien bei Simia Inuus zu geben. Um den Vergleich mit dem menschlichen Baue zu erleich- tern, habe ich auch beim Affen die aufrecht stehende Stellung angenommen. Arteria pulmonalis, Aorta adscendens, Arcus aortae. Aus dem abgeplatteten, an der breiten Spitze stark einge- kerbten Herzen kommt rechter Seits die Arteria pulmonalis, welche in den rechten und linken Hauptast sich theilt und durch das Lig. arteriosum mit der Aorta an der gewöhnlichen Stelle verbunden ist, linker Seits die Aorta. Die Aorta adscendens giebt die beiden Kranzpulsadern des Herzens. Die Coronaria dextra ist nur ein kleiner Ast, der 21° 420 sich am rechten Vorhofe und am obern vordern Theil der rechten Vorhofs-Kammer verbreitet. Die Coronaria sinistra ist bedeu- tend grösser und zerfällt alsbald nach dem Ursprunge in den vordern und den umgeschlagenen Ast. Der Rumus anterior verläuft längs der Scheidewand zur Einkerbung an der Herz- spitze und wendet sich von da nach links über die Spitze des linken Ventrikels; er giebt starke Zweige an beide Ventrikel. Der Ramus eircumjleeus verläuft in der horizontalen Furche, zuerst zwischen Vorhof und Kammer der linken Seite, dann aber auch zwisehen den nämlichen Theilen des rechten Her- zens bis zum rechten Herzrande, und versorgt durch Zweige, welche nach oben und unten abgehen, das linke Herz und den hintern Abschnitt des rechten. Einer von den Aesten verläuft in der hintern Längsfurche des Herzens nach abwärts. Aus dem Anfangstheile des Arcus aortae, dem dritten Rük- kenwirbel gegenüber entspringt eine Anonyma und gleich dane- ben eine Subelavia sinistra. Beide Stämme sind am Ursprunge einander ganz nahe, ja bei dem einen Exemplar kann man fast richtiger sagen, es entspringe nur. ein grosser Stamm aus der Aorta, welcher sogleich am Ursprunge in die Subelavia sinistra und die Anonyma zerfällt. Die Anonyma giebt dem ersten Rückenwirbel gegenüber die Carotis sinistra ab, wendet sich dann etwas rechts und theilt sich /,-°/,' weiter oben in die Carotis und Subelavia der rechten Seite, Carotis. Die Carotis communis steigt bis zur Mitte des Kehlkopfs in die Höhe, und zerfällt hier in die Carotis externa et interna. Aus ihr kommt als regelmässiger Ast die kleine 7’hyreoidea inferior. Dieselbe geht oberhalb der Mitte der Carotis communis ab, und verbreitet sich am untern Theile der Schilddrüse, so wie an Luftröhre und Speiseröhre. Bei einem Exemplar ist sie auf der rechten Seite weit grösser als gewöhnlich, dagegen auf der linken sehr klein. Carotis interna. Sie ist kleiner als die externa; nur am Ursprunge scheint sie der letzteren nicht nahe zu stehen, weil der Anfang, wie beim Menschen, in der Länge von 3 bis 4 Linien konisch oder 421 trichterförmig gestaltet ist. Sie verläuft schwach gebogen, ohne einen Ast abzugeben, zum Canalis carotieus, geht durch die- sen und zur Seite des Keilbeinkörpers nach vorn, macht hinter dem Sehnervenloche eine sehr rasche Umbiegung nach hinten und darchbohrt sogleich die harte Hirnhaut, so dass sie in der Vertiefung zwischen den vordern und mittlern Hirnlappen und dem Chiasma nervorum opticorum das Gehirn erreicht. Sie giebt sogleich, nachdem sie die harte Hirnhaut durchbohrt hat, die Ophthalmica ab; hierauf folgt die kleine Communicans pos- terior, von der auch eine Choroidea abgehen muss, da ich nie- mals eine gesonderte Choroidea fand; zuletzt theilt sich die Carotis interna in die beiden gleich starken Endäste, die Art. Jossae Syleü und die Art. corporis callosi. Ophthalmiea. Nur bei dem älteren Männchen habe ich ihre einzelnen Aeste verfolgt. Sie tritt an der Aussenseite des Op- tieus mit diesem zugleich durch das Sehloch, wendet sich dann über den Sehnerven weg an dessen Innenseite, verläuft zwi- schen den obern und innern geraden Augenmuskel nach vorn und theilt sich zuletzt in die Frontalis und Supraorbitalis. Eine Art. centralis retinae habe ich nicht wahrnehmen können, aber gewiss nur in Folge ungenügender Injection. Die übrigen Aeste der Ophthalmica sind: Lacrymalis. Dieser ansehnliche Ast geht da ab, wo die Ophthalmica den Sehnerven kreuzt, und zerfällt alsbald in einen grössern in die Schädelhöhle gelangenden Ast, und einen klei- neren nach vorn verlaufenden Zweig, der sich in der Thränen- drüse, im Rectus externus und im Umfange des äusseren Augen- lidwinkels verbreitete. Der grössere Ast, welcher in seiner Verbreitung dem vordern Aste der Meningea media ent- spricht, dringt durch ein Loch oben an der äusseren Augen- höhlenwand, zwischen dem Stirnbein und dem grossen Keil- beinflügel, in die Schädelhöhle, befindet sich beim Eintritte in die Schädelhöhle an der Hervorragung, welche der Fossa Syl- vii des Gehirns entspricht, und verläuft von hier aus in eine Knochenfurche über die Schuppe des Schläfenbeins und über das Scheitelbein nach oben und hinten, indem sie sich an der harten Hirnhant verästelt. — Das Loch in der Augenhöhlen- 422 wand und die verästelte Gefässfurche findet sich gleichmässig auf beiden Seiten bei allen 4 Exemplaren, und ein paar Mal sah ich noch die abgerissene Arterie in dem Loche stecken. Die gleiche Beschaffenheit der Knochen finde ich aber auch am Schädel von Simia maimon und Simia macacus, so dass wahrscheinlich bei allen Affen ein zur Meningea media zu zäh- lender Ast von der Ophthalmica abgeht. Rami musculares. Alsbald nach der ZLaerymalis entspringt ein Muskelast für den ZLevator palpebrae und den Reectus oculi superior, und weiterhin geht der Hauptmuskelast ab, welcher sich an den übrigen Muskeln des Augapfels verbreitet, zugleich aber auch rückwärts laufende Zweigelchen zu den fibrösen Theilen am Seheloche abschickt. Ciliares. Gleich beim Eintritte in die Augenhöhle kommen 3 starke Ciliares von der Ophthalmica, und noch einige andere kommen von dem Hauptmuskelaste. Dieselben verlaufen auf dem Opticus nach vorn zum hintern Umfange des Augapfels, und durchbohren hier, in eine Anzahl kleinerer Zweige getheilt, die harte Augenhaut. Ethmoidalis geht von der Ophthalmica ab, während diese an der inneren Wand der Augenhöhle verläuft. ‚Supraorbitalis verbreitet sich in der Stirngegend. Frontalis giebt die Palpebrales internae und eine Angu- laris ab. Arteria communicans. An allen 4 Gehirnen, und zwar gleich- mässig auf beiden Seiten, war diese nur ein dünner Ast. Nach rückwärts verlaufend mündet er in die aus der Theilung der Basilaris hervorgehende Art. cerebri posterior. Arteria fossae Syleü. Sie verläuft in der gleichnamigen Furche und verbreitet sich am vordern und mittlern Hirnlappen. Arteria corporis callosi. Sie wendet sich nach vorwärts und einwärts in die Spalte zwischen den beiden vordern Hirnlap- pen, und hier fliessen die rechte und linke Arterie zu einem unpaaren Aste zusammen, ohne aber an Dicke zuzunehmen. Diese gemeinschaftliche Art. corporis callosi ver- läuft zwischen den beiden vordern Hirnlappen nach vorwärts, biegt sich über das Balkenknie nach oben und hinten und ver- 423 sorgt beide vorderen Hirnlappen, so wie den Balken. — Bei dem zuerst untersuchten -Gehirn hatte ich den Verlauf der Balkenpulsader nicht näher untersucht; bei den 3 andern entstand dieser unpaare Ast auf die genannte Weise. Ich trage daher kein Bedenken, diese Bildung als die normale zu be- zeichnen. — Während beim Menschen die beiden vordern Hirnpulsadern nur durch den einfachen oder mehrfachen Ra- mus communicans anterior in Verbindung stehen, wiederholt sich bei /nuus nach vorn die nämliche Bildung, welche nach hinten so allgemein durch das Zusammentreten der Vertebralis zur Basilaris zum Vorschein kommt. Carotis esterna. Einen nach hinten sehenden Bogen bildend, dessen Krüm- mung beim Beugen des Kopfes zunimmt, verläuft die Carotis erterna nach oben, hinten und aussen bis unter das Unterkie- fergelenk, wo sie sich in ihre beiden Endäste theilt. Sie wird nach unten vom Digastricus, nach oben von der Parotis bedeckt. Ausser einigen Muskelästen, namentlich für den Sternocleido- mastoideus und für die vom Griflelfortsatze kommenden Mus- keln, giebt die Carotis externa folgende Aeste ab: T’hyreoidea superior, Laryngea, Glosso-maswillaris, die sich einige Linien vom Ursprunge in die Lingualis und Mawillaris externa theilt, Pharyngea, Occipito-aurieularis, welche sich in die Oceipitalis und Auricularis posterior theilt, Parotideae, Temporalis, Maxil- laris interna. Thyreoidea superior. Sie entspringt gleich am Abgange der Carotis externa, und ist ein stärkerer Ast als die Thyreoidea inferior. Sie verbreitet sich am obern Theil der Schilddrüse und die Gefässe beider Seiten anastomosiren vor der Luftröhre mit einander; sie giebt aber auch Zweige an den untern Theil des Schlundkopfs und an die Muskeln dieser Gegend. Laryngea. Diese kleine Arterie entspringt sechs Mal ge- trennt aus der Carotis externa, gleich oberhalb der T’hyreoidea superior; nur ein Mal ist sie abwärts auf die T’hyreoidea supe- rior gerückt, und ein Mal höher hinauf auf die @losso - mawil- laris. Sie tritt zwischen Zungenbein und Schildknorpel, vom Hyothyreoideus bedeckt, zum Kehlkopfe. 424 Glosso-mawillaris. Diese findet sich bei allen 4 Exem- plaren auf beiden Seiten als ein oberhalb der Zaryngea abge- hender Stamm, der einige Linien weit nach innen und oben verläuft, ohne Aeste abzugeben, und sich dann in die Zingua- lis und Mawillaris externa theilt. Nur ein Mal kam die Laryn- gea von der Glossomaxillaris. a) Lingualis. Diese verläuft, vom Zungenbeinzungen- muskel bedeckt, längs des Zungenbeins nach vorn, kommt an die Unterfläche der Zunge, wo sie mit dem Nervus hypoglossus, nach aussen vom Genioglossus nach vorwärts geht, bis sie sich am hintern Ende der Unterzungendrüse in die Sublingualis und Profunda theilt. Am Zungenbeine giebt die Lingualis kleinere ° Aestchen an die Muskeln, doch habe ich keinen besonderen als Ramus hyoideus zu bezeichnenden Zweig unterscheiden kön- nen. Es gehen ferner an der Zungenwurzel mehrere Zweige derselben zum Geniohyoideus und Genioglossus, und es entspringt hier eine einfache oder getheilte Dorsalis linguae zur Zungen- wurzel. Sublingualis. Diese verlässt alsbald den Nervus hypoglossus, und verläuft in Begleitung eines Zweiges des Nervus lingualis zwischen dem Genioglossus und der Unterzungendrüse nach vorn bis zur Anheftung des Zungenbändchens am Unterkiefer. Sie giebt den genannten Theilen, dem Mylohyoideus und der Mundschleimhaut Zweige. — Bei 3 Exemplaren waren die Zungenarterien beider Seiten gut mit Injeetionsmasse gefüllt, und bei allen 3 war die linke Sublingualis ein weit stärkerer Ast, als die rechte. Bei dem vierten Exemplare, dem jüngeren Weibehen, hatte sich die rechte Zingualis nieht gehörig gefüllt, so dass ich über die Grösse der rechten Sublingualis nichts ‘ Sicheres weiss; die Sublingualis sinistra war aber relativ ein eben so starker Ast, wie bei den 3 anderen Exemplaren. Die ansehnlichere Grösse der linken Sublingualis von der rechten wurde also in drei Fällen bestimmt beobachtet, und fand im vierten Falle wahrscheinlich statt. Die Sublingualis sinistra dringt aber an der Innenfläche' der Unterkiefercommissur, da wo beim Menschen die Spina mentalis interna sich befindet, in einen Kanal, welcher sich vorn ziemlich in der Mitte der Un- terkiefereommissur öffnet und verbreitet sich in der linken Hälfte der Unterlippe. Von diesem Verlaufe der Sublingualis sinistra habe ich mich bei dem älteren Männchen durch Auf- meiselung des Knochenkanals, worin die gefüllte Arterie liegt, überzeugt. Bei dem jüngeren Männchen dringt die linke Sub- . lingualis in die Vertiefung an der Innenfläche des Kinns, und aus dem Loche an der Vorderfläche des Kinns kommt ein nicht gefülltes Gefäss heraus, welches sich in der linken Hälfte der Unterlippe verbreitet. Von den beiden Weibchen konnte ich, als ich auf dieses Verhältniss aufmerksam geworden war, nur noch die grob gereinigten Unterkiefer untersuchen. Bei beiden dringt ein ansehnlicher gefüllter Arterienast in die Ver- tiefung auf der Innenfläche des Kinns, der nur eine Fortsetzung der Sublingualis sinistra sein kann; doch scheint sich die Fort- setzung des Gefässes innerhalb des Knochenkanales nicht gefüllt zu haben, denn an der Vorderfläche der Unterkiefercommissur sehe ich zwar die Oeffnung des Kanals, aber kein gefülltes Gefäss. Profunda linguae. Diese verläuft mit dem ZHypoglossus im Innern der Zunge nach vorn bis zur Zungenspitze und ver- sorgt durch zahlreiche Zweige die betreffende Zungenhälfte. Der Stamm ist an der Zungenspitze ganz dünn geworden, und eg zeigt sich keine bemerkenswerthe Anastomose, weder zwi- schen den Stämmen beider Seiten, noch zwischen ihren Aesten. b) Maxillaris externa. Diese dringt zwischen den Un- terkiefer und die Unterkieferdrüse, verläuft hier nach vorn bis zum vordern Rande des Masseter, und theilt sich hier in zwei gleich grosse Aeste, welche über den Unterkieferrand ins Ge- sicht treten, einen hinteren und einen vorderen. Ihre Aeste sind : Tonsillaris zur Mandel. Rami musculares an den Pterygoideus internus und Digas- trieus. Rami glandulares. Bald nach dem Ursprunge geht ein gros- ser Drüsenast für die Unterkieferdrüse von der Maswillaris ew- terna ab, dem sich weiterhin noch einige kleinere zugesellen. Submentalis. Dieser anschnliche Ast verläuft in der Unter- kinngegend nach vorn, versorgt den Mylohyoideus und den vor- 426 dern Bauch des Digastrieus, und entsendet ein paar Zweige über den Kieferrand zur Unterlippe. Ramus posterior s. muscularis steigt zwischen dem Rande des Masseter und der Backentasche in die Höhe, versorgt den Masseter und Buceinator und giebt kleinere Zweige an den hinteren Umfang der Backentasche. Ramus anterior s. labialis verläuft vorderhalb der Backen- tasche nach oben bis unter die Augenhöhle. Er giebt mehrere kleine Zweige an die Backentasche und eine kleine Zabialis inferior ab; sein wichtigster Zweig aber, welcher am Lippen- winkel abgeht, ist die Labialis superior. Die Unterlippe erhält ihre Arterien für die linke Hälfte, wie schon angeführt, aus der Sublingualis sinistra. Die Arterien der rechten Unterlippenhälfte konnte ich bei dem älteren Weib- chen und dem älteren Männchen genauer’ verfolgen. Bei jenen gelangt die rechte Submentalis in der Kinngegend in die Unter- lippe, steigt hier bis in die Nähe des freien Lippenrandes in die Höhe, wendet sich dann als Zabialis inferior nach aussen, und setzt sich um den Lippenwinkel herum noch in die Ober- lippe fort. Bei dem Männchen gelangen einige Aeste der Sub- mentalis über den Unterkieferrand seitlich in die Unterlippe, und ausserdem 2 kleine Zweige aus der Maxillaris externa. Pharyngea. Diese entspringt immer ganz unten von der Innenseite der Carotis externa, oder selbst aus dem T'heilungs- winkel der Carotis communis, steigt am Seitenrande des Schlund- kopfs vorderhalb der Carotis interna in die Höhe, und versorgt den obern Theil des Schlundkopfs, namentlich auch dessen Seitenwand bis zur Tuba Bustachii hin. Occipito-aurieularis. Sie entspringt unterhalb der Mitte der Carotis externa, geht nach aufwärts und rückwärts, indem sie sich mit der tiefer liegenden Carotis interna kreuzt, und erreicht die Schädelbasis an der Vereinigung des Schläfenbeins mit dem Hinterhauptsbeine. Hier theilt sie sich in die Oceipi- talis und Auricularis posterior. a) Oceipitalis. Diese verläuft zwischen dem Digastricus und Sternocleidomastoideus, weiterhin zwischen der obern und untern halbkreisförmigen Linie des Hinterhauptbeins nach hin- ten, die Muskeln dieser Gegend versorgend und mit der Cervi- calis profunda anastomosirend. Ein Zweig derselben durch- bohrt aber die Schädelknochen und verbreitet sich hinter dem Felsenbeine als Meningea in der harten Hirnhaut. b) Auricularis posterior, stärker als die Oceipitalis, verläuft in einer Knochenrinne, ganz von der Parotis bedeckt, hinter dem knöchernen Gehörgange nach aussen, gelangt so zum hinteren Umfange des knorpligen Gehörgangs, und giebt Aeste an die Parotis, an den Gehörgang und an die Ohren- muschel. Parotideae. Zwei grössere Aeste für die Ohrspeicheldrüse entspringen, der eine unterhalb, der andere oberhalb der Ocei- pito-auricularis. Temporalis. Sie steigt vor dem äusseren Ohre über den Jochbogen in die Höhe, und lässt folgende Aeste unterschei- den: a) Rami masseterici, ein grösserer und einige kleinere; b) Transversa faciei verläuft längs des unteren Randes des Jochbogens, c) Rami parotidei in den oberen Theil der Drüse; d) Auricularis anterior an den korpligen Gehörgang und zum vorderen Rande des Ohres; e) Temporalis media, welche ober- halb des Jochbeins die Faseia temporalis durchbohrt; f) Tem- poralis superficialis verläuft oberflächlich nach oben und vorn bis zur Aussenseite der Augenhöhle. Maxillaris interna. Sie verläuft an der Innenseite des Unterkieferhalses zwischen den Flügelmuskeln, weiterhin zwi- schen Pterygoideus externus und Temporalis, Biegungen bildend, nach vorn, innen und oben zur Fossa pterygomasillaris. Ich fand folgende von ihr abgehende Aeste: ! a) Mehrere Rami artieulares am Unterkiefergelenke. b) Alveolaris inferior, ein ansehnlicher Ast, tritt in den Un- terkieferkanal. c) Meningea media, kleiner als die Alveolaris inferior, ent- springt dieser gegenüber und steigt gerade nach aufwärts zur Gegend des Foramen ovale. Durch dieses tritt ein Zweig in die Schädelhöhle, und nimmt bier in der harten Hirnhaut den Verlauf nach oben und hinten, wie der hintere Ast der Menin- gea media des Menschen, Die Fortsetzung der Arterie verläuft 428 an der Wurzel des Flügelfortsatzes, und zwar an der Innen- seite des Pterygoideus internus nach vorn, und versorgt die Schleimhaut am Dache des Schlundkopfs. d) Rami musculares. Erst gehen ein Paar kleine Muskel- äste von der Mawllaris interna ab. In der Mitte ihres Verlau- fes giebt sie dann einen in der‘Schläfengrube aufsteigenden Muskelast ab, welcher der Fortsetzung des Stammes an Dicke gleich kommt. Dieser grosse Muskelast giebt eine Arteria masseterica, eine Pterygoidea, eine Temporalis profunda anterior ab, und endigt als Temporalis profunda posterior, die ein sehr starker Ast ist. Endlich geht in der Fossa pterygo -mawillaris noch die ansehnliche Buceinatoria ab. Zuletzt theilt sich die Mawillaris interna noch in: e) Alveo- laris superior; f) Pterygo-palatina; g) Sphenopalatina; h) In- ‚Freorbitalis. Subelavia. Die Subelavia verläuft zwischen dem ‚Sealenus antieus und medius nach aussen und giebt 5 Aeste in folgender Reihenfolge ab: Costocerviealis, Vertebralis, Mammaria interna, Transversa scapulae, Transversa colli. Die Costoverticalis ist bei 2 Exem- plaren der erste Ast, die Vertebralis bei den beiden anderen. Hierauf folgt die Mammaria interna; doch ist diese auch ein Mal mit der Transversa scapulae zusammen der letzte Ast der Subelavia. Die Transversa colli entspringt regelmässig als letz- ter Ast; doch geht sie auch vor der Transversa scapulae ab. Costocervicalis. Sie tritt ohne Ausnahme in den ersten Zwischenrippenraum, dicht neben der Wirbelsäule, giebt so- gleich die Intercostalis suprema für den ersten und zweiten Zwischenrippenraum ab, dringt dann als Cervicalis profunda zwischen erster und zweiter Rippe nach hinten und steigt in der Nackengegend, auf den Semispinales und den Multifidus spi- nae aufliegend, nach oben bis in die Hinterhauptsgegend, wo sie in den Obliqui capitis und in den Reeti capitis postiei endigt. Vertebralis. Diese tritt am sechsten Halswirbel in den Querfortsatzkanal, giebt am Halse kleine Aeste ab an die von den Querfortsätzen entspringenden Muskeln, durchbohrt an der gewöhnlichen Stelle die harte Hirnhaut, und vereinigt sich 429 4-6 Linien vom Rande des Pons Varoli zur Basilaris, welche über die Brücke nach vorwärts verläuft. Gleich nach dem Eintritte in die harte Hirnhaut giebt die Vertebralis die soge- nannten Arteriae spinales ab, von denen die vorderen grösser sind, und eine ziemliche Strecke am Rückenmark absteigen, bis sie mit anderen Aesten zusammenfliessen. Dann folgt die Arteria cerebelli inferior posterior. (Die Arterien des Rückenmarks habe ich ein Mal, bei ziem- lich gelungener Injection untersucht und Folgendes gefunden: Die vordere Fläche des Rückenmarks erhält am Halse 4 Aeste von der linken Seite und einen fünften von der rechten, in der Rückengegend 2 Aeste von der linken und einen dritten von der rechten Seite; am Lendentheil des Rückenmarks end- lich traten noch 2 Aeste hinzu. Diese verschiedenen Aeste bil- den einen mittleren, im Ganzen unpaaren Stamm, der nach oben mit den Spinales anteriores in Verbindung steht. Auf der hinteren Fläche des Rückenmarks ist kein Längsgefäss vor- handen, sondern ein grossmaschiger Arterienplexus. Nur an Einer Stelle sehe ich hier einen arteriellen Zweig zu diesem Plexus treten). Aus der Basilaris kommt sogleich die Arteria cerebelli infe- rior anterior. Dann folgen zahlreiche kleine Zweige für die Brücke, weiterhin die Arteria cerebelli superior. Gleich darauf theilt sich die Basilaris in die beiden Arteriae cerebri posterio- res, in welche die kleinen Rami communicantes aus der Carotis interna einmünden, so dass der Circeulus Wülisii wie beim Men- schen gebildet wird. Mammaria interna. Sie verläuft hinter dem Sternalende des Schlüsselbeins weg und geht dann parallel dem Brustbein- rande, einige Linien von demselben entfernt, bis zum Knorpel der letzten wahren Rippe herab, wo sie sich in den Ramus museulo-phrenieus und epigastrieus theilt. Hoch oben giebt die Mammaria einen starken Ast ab, der zwischen dem Schlüssel- beine und der ersten Rippe nach aussen tritt, und sich im Ur- sprunge des Sternocleidomastoideus und des Pectoralis major ausbreitet, ja selbst als Acromialis endigt, ausserdem aber auch einen Zweig nach oben zum Oesophagus und zur Luftröhre - 450 sendet. Weiterhin schickt die Mammaria in jeden Zwischen- rippenraum eine Arteria sternalis nnd eine Arteria intercostalis anterior. Der Ramus musculo-phrenicus verläuft wie beim Men- schen. Die Epigastrica superior geht hinter dem Rectus abdo- minis abwärts, versorgt die Oberbauchgegend und steht in der Nabelgegend nur durch ganz feine, aber dem blossen Auge sichtbare Zweigelchen mit der Zpigastriea inferior in Ver- bindung. Transversa scapulae. Dieser starke Ast verläuft vor dem Scalenus anticus nach aussen zum oberen Rande des Schulterblattes. Von ihr geht zunächst eine kleine Cervicalis adscendens ab, welche vor dem Reetus capitis anterior major und dem Longus colli in die Höhe steigt. Von ihr geht ferner ein Ast zwischen Schlüsselbein und erster Rippe hindurch zum Pectoralis major. Ein anderer Ast, welcher der Cervicalis superfeialis entspricht, tritt an den vorderen Rand des Cueul- laris und an den Levator scapulae.. Am oberen Rande des Schulterblattes zerfällt die Arterie in mehrere Zweige; ein Theil derselben verbreitet sich im Subscapularis, die übrigen dringen zugleich mit den Nerven in die Obergrätengrube und breiten sich hier aus. Einer der letzteren Zweige trat in dem einen Falle durch die Ineisura scapularis wieder aus der Ober- grätengrube heraus und verbreitete sich ebenfalls im Subsca- pularis. Transversa colli. Diese geht hinter dem Scalenus anti- cus weg über den Hals der ersten Rippe nach aussen, und trifft hier auf den Serratus magnus, der nicht blos von den Rip- pen, sondern auch von den 5 unteren Halswirbeln entspringt, verläuft parallel den Fasern dieses Muskels zum oberen Win- kel des Schulterblattes und steigt von hier aus an der Basis des Sehulterblattes nach abwärts als Dorsalis scapulae. Die ganze starke Arterie versorgt wesentlich den ‚Serratus magnus. So wie sie nämlich an der ersten Rippe diesen Muskel erreicht, giebt sie einen aufsteigenden und absteigenden Ast ab. Der grössere aufsteigende Ast folgt dem Ursprunge des Halstheiles des Ser- ratus bis zu den obersten Halswirbeln hinauf; es liegt dieser Ast zur Seite des Halses zwischen der Cervicalis profunda nach 431 hinten, den Cervicalis adscendens nach vorn. Der absteigende Ast, welcher nicht immer gleich stark ist, verläuft am Ur- sprunge des Rippentheiles des Serratus magnus nach unten, Es giebt dann weiterhin der Stamm der Transversa colli noch mehrere auf- und absteigende Zweige an den Körper des Mus- kels. Die Dorsalis scapulae versorgt ausserdem die am hinte- ren Schulterblattrande angehefteten Muskeln. Axwillaris. Ausser einem unbeständigen Aste an der Subscapularis ge- hen nur 4 Aeste aus der Auillaris ab: Thoracica communis, Subscapularis, Circumflexa humeri posterior et anterior. Thoracica communis, der zuerst abgehende Ast, ver- breitet sich in den Brustmuskeln. Subscapularis. Diese bildet regelmässig mit der Cireum- Nlexa humeri posterior einen kurzen gemeinschaftlichen Stamm. Sie theilt sich in den Ramus eireumflexus und descendens. Jener steigt zwischen Teres major und Anconaeus longus am Rande des Schulterblattes herab, und versorgt diese Muskeln, so wie die Muskeln der Untergrätengrube. Der Ramus descendens breitet sich im Subscapularis, Teres major und Latissimus dorsi aus, und anastomosirt mit der Dorsalis scapulae. Auch die An- conaei erhalten Aeste aus der Subscapularis. Circumflexa humeri posterior. Nur bei einem der 4 Exemplare entspringt sie auf beiden Seiten isolirt aus der Azillaris, aber dieht neben der Subscapularis; bei den 3 arfderen bildet sie mit der Subscapularis einen kurzen gemeinschaftli- chen Stamm. Sie verläuft wie beim Menschen und versorgt den Deltoideus und die Anconaei. Circumflexa humeri anterior. Sie entspringt unterhalb der posterior und der Azillaris und verläuft wie beim Menschen. Bei dem einen Exemplare ist sie auf beiden Seiten sehr an- sehnlich, weil sie zugleich als Muskelast am Oberarme absteigt, den Biceps und Coracobrachialis versorgend: Brachialis. Eine solche existirt bei einem Weibchen und bei einem Männ- chen gar nicht, indem sich die Awillaris am zweiten Drittel des Oberarms sogleich in eine Radialis und Y/lnaris theilt. Bei den 432 beiden anderen Exemplaren erfolgt die Theilung in Radialis und Ulnaris in der Mitte des Oberarmes; hier erstreckt sich also die Brachialis vom Rande der Achselhöhle bis zur Mitte des Oberarmes. Dass bei allen 4 Exemplaren Varietäten der Drachialis vor- gelegen hätten, das kann ich um so weniger annehmen, weil auch an den hinteren Extremitäten ohne Ausnahme ein hoher Abgang des einen Gefässes stattfindet. Ich nehme daher an, dass die beim Menschen so häufig vorkommende Varietät bei ‚Simia Inuus die Regel ist, dass nämlich die Brachialis sehr kurz ist und sich bereits in der Mitte des Oberarmes in die Vorder- armäste theilt. Der Ursprung der beiden Vorderarmäste aus der Azillaris ist dann als Varietät anzusehen. Die Brachialis giebt einige Muskeläste an den Biceps und Brachialis, und ausserdem die Profunda humeri. Dieselbe bildet übrigens bei dem einen Exemplare auf beiden Seiten, bei einem anderen auf der lin- ken Seite einen gemeinschaftlichen Stamm mit der Subscapu- laris und der Oireumflexa humeri posterior. Von diesem Stamme trennt sich erst die Subscapularis und dann zerfällt er in Cir- cumjlexa und Profunda. (Auch beim Menschen kommt diese Varietät häufig vor). In dem einen Falle von Abgang der Radialis und Ulnaris aus der Awillaris entspringt die Profunda aus dem Anfange der Ulnaris, woraus folgt, dass die Ulnaris hier die Fortsetzung der Auillaris, die Radialis aber als höher entsprungener Ast angesehen werden muss. — Die Prafunda brachü verläuft übrigens wie beim Menschen in Begleitung des Nervus radialis. Sie versorgt die Anconaei und endigt als Cel- lateralis radialis. Radialis. Dieselbe verläuft am Oberarme oberflächlicher als die UI- naris, wendet sich am Ellenbuge nach der Radialseite, verläuft zwischen der Speiche und dem Supinator longus nach unten, und theilt sich unterhalb der Mitte des Vorderarms in 2 Aeste, einen schwächeren Ramus dorsalis, einen stärkeren Ramus vo- laris, die jedoch bis zum Handgelenke auf der Volarseite neben einander verbleiben. 433 Am Öberarme kommen von der Radialis mehrere Muskel- äste, und eben so giebt sie am Vorderarme mehrere Muskel- äste ab. Radialis reeurrens. Diese geht unterhalb des Ellenbugs von der Radialis ab, entweder direct aus derselben, oder aus einem Verbindungsaste, welchen die Radialis hier in die Tiefe zur Ulnaris abschickt, oder aus der /nterossea, wenn diese von der Radialis abgeht. Ramus dorsalis. Derselbe dringt zwischen der Handwurzel “und den Sehnen der Daumenstrecker auf den Handrücken, bil- det hier ein Rete dorsale, aus welchem Interosseae dorsales ab- gehen, ein starker Ast aber dringt au der Basis der Mittel- hand zwischen dem zweiten und dritten Mittelhandknochen in die Hohlhand und verbreitet sich hier in den Museuli Interossei. Ein Arcus volaris profundus existirt nicht. Ramus volaris. Diese giebt oberhalb des Handgelenks eine querverlaufende Art. carpea ab, verläuft zwischen Flexor ra- dialis und Palmaris longus über das Lig. carpi volare proprium in die Hohlhand, versorgt die Daumenmuskeln, und bildet dann in der Nähe der Köpfehen der Mittelhandknochen den Arcus volaris, in welchen die Ulnaris einmündet. Aus dem der Radialis angehörigen, Theile des Hohlhandbogens entspringen 3 Interosseae volares für die 3 ersten Zwischenknochenräume, und diese theilen sich unterhalb der ersten Fingergelenke in je 2 Digitales wolares. Ulnaris. Diese verläuft am Oberarme und am Ellenbuge mit dem Nervus medianus; sie wendet sich aber unter dem Ellenbuge auf die Ulnarseite, und verläuft nun mit dem Nervus ulnaris zur Hohlhand. Sie giebt am Oberarme und am Vorderarme Muskeläste ab, und ausserdem kommen von ihr: Collateralis ulnaris am Oberarm. Ulnaris recurrens unterhalb des Ellenbugs. Interossea communis, Ramus dorsalis geht unten am Vorderarme ab und trägt mit zur Bildung des Rete dorsale bei. Ramus volaris, der Endtheil der Ulnaris, versorgt die Mus- Müllers Archiv, 1852. 28 434 keln des kleinen Fingers, giebt die vierte Interossea volaris ab für den vierten und fünften Finger; und vereinigt sich hierauf mit dem Arcus volaris aus der Radialis. Ein tiefer Hohlhand- ast zur Bildung eines Arcus profundus existirt nicht. Interossea. Diese theilt sich sogleich in eine Interossea posterior und anterior, von denen die letztere stärker ist, und nach unten einen Ramus perforans abgiebt, welcher zum Rete dorsale her- absteigt. Ich habe aber d’e Interossea als einen Ast der Ulnaris be- zeichnet, welcher unterhalb des Ellenbugs abgeht. Meine Un- tersuchungen könnten aber fast eben so gut berechtigen, die Interossea als einen Ast der Radialis zu bezeichnen. Denn unter den 8 untersuchten Extremitäten war drei Mal die ganze Interossea ein Ast der Radialis. An einer vierten Extremität gab die Radialis unter dem Ellenbuge einen sehr starken Ast ab, welcher sich mit einem von der Ulnaris kommenden Aste zur Interossea verband. An einer fünften Extremität kam zwar die Interossea posterior aus der Ulnaris, die Interossea anterior dagegen ging von der Radialis ab und nahm nur einen kleine- ren Ast aus der Ulnaris auf. Die beiden letzteren Fälle kamen an den beiden Extremitäten des nämlichen Thieres vor. Von dem Ursprunge der Interossea ist es abhängig, ob die Radialis und Ulnaris einander gleich sind, oder ob die erstere der stärkere Ast ist. Aorta thoracica. Aus derselben kommen: Intercostales. Dieselben gehen vom hinteren Umfange der Aorta nahe bei einander paarig ab, und wenden sich spitz- winklieht nach aufwärts, um in ihren Zwischenrippenraum einzutreten. Die oberste /ntercostalis aortica tritt in den dritten Zwischenrippenraum. Die Intercostales beider Seiten, welche an einer der drei letzten Rippen verlaufen, entspringen ohne Ausnahme bei allen 4 Exemplaren mit einem kurzen gemein- schaftlichen Stamme von der hinteren Fläche der Aorta. Ein Mal fand sich auch ein gemeinschaftlicher Stamm für die vierte und fünfte Imtercostalis der rechten Seite. 435 Bronchiales. Eine Bronchialis communis geht regelmässig von der Intercostalis dexrtra prima ab, die deshalb bedeutend grösser ist, als die folgenden. Ein Mal fand sich auch eine ge- sonderte Bronchialis sinistra, welche unmittelbar aus der Aorta entsprang. Oesophageae. Aus dem vorderen Umfange der- Aorta treten 2-4 Aeste in die Speiseröhre. Aorta abdominalis. Dieselbe verläuft vom Aortenschlitze des Zwerchfells an auf der Wirbelsäule nach unten bis vor den letzten Lendenwirbel, wo sie sich in die beiden /lacae communes theilt. Coeliaca, Mesenterica superior , Mesenterica inferior, Renales, Spermaticae, Lumbales, Sacralis media sind die aus der Aorta abdominalis abgehenden Aeste. 1) Coeliaca. Sie geht aus dem Anfangstheile der Aorta rechtwinklicht nach vorn ab, und giebt ausser den Hauptästen immer einige Rami panereatiei ab. Bei 2 Exemplaren theilt sich die Coeliaca blos in die Gastrica superior und Lienalis; bei ihnen ist die Hepatica ein Ast der Mesenterica superior. Bei dem älteren Weibchen giebt die Coeliaca zuerst die Hepatica ab, die Fortsetzung aber theilt sich dann in Gastrica superior und Lienalis. Bei dem älteren Männchen endlich sind die Coe- liaca und die Mesenterica superior zu Einem Stamme verschmol- zen, von welchem sich zuerst die Mesenterica abtrennt. Ich vermag daher über das normale Verhalten der Coeliaca nichts Bestimmtes auszusagen. Hepatica. Dieselbe stammt ein Mal aus der Coeliaca, zwei Mal aus der Mesenterica superior. Im vierten Exemplare theilt sich der Truncus eoeliaco-mesenterieus in die Coeliaca und Me- senterica superior, und aus der Coeliaca kommt die Hlepatica. Sie giebt immer eine ansehnliche Panereatico - duodenalis, so wie mehrere Aeste an das Pancreas, und theilt sich hierauf in die Hepatica dextra und sinistra. Die Hepatica dextra giebt die Art. vesieulae felleae ab; von der Hepatica sinistra stammt (we- nigstens bei 2 Exemplaren) die Phrenica sinistra. — Die Gas- troduodenalis oder wenigstens die G@astroepiploica destra ist kein Ast der Hepatica. Dieselbe stammt bei 3 Exem- 28 * 436 plaren aus der Mesenterica superior. Bei dem vierten Exemplare mit dem Truncus coeliaco-mesenterieus habe ich mir über den Ursprung der Gastro-epiploica dextra nichts angemerkt; doch darf ich daraus noch nicht schliessen, dass sie hier wie beim Menschen sich verhalten habe. Gastrica superior, welche von der Cardia aus längs der kleinen Curvatur des Magens verläuft, kommt der Lienalis an Stärke beinahe gleich. Lienalis. Dieselbe verläuft am Rande des Pancreas nach links, giebt mehrere Rami pancreatiei, mehrere Lienales , 4-5 Arteriae breves an den Magengrund, und endlich die Gastro- epiploica sinistra. 2) Mesenterica superior. Bei 2 Exemplaren entspringt dieselbe in gleicher verhältnissmässiger Entfernung unterhalb der Coeliaca, wie beim Menschen, beim dritten Exemplare ist sie der Coeliaca ganz nahe gerückt, beim vierten Exemplare endlich mit dem Truncus coeliaco-mesentericus ist sie auf die Coeliaca selbst gerückt, und ist der zuerst abgehende Ast. Der e:ste Ast der Mesenterica superior ist die Gastro - epi- ploica dextra, welche sogleich die Pancreatico- duodenalis infe- rior abgiebt, dann an der grossen Curvatur des Magens nach links verläuft und mit dem gleichnamigen linken Gefässe die grosse Anastomose bildet. Die Mesenterica superior entsendet dann aus der convexen Seite des Bogens 6 bis 9 grössere Arteriae intestinales zum Dünndarm und endigt eigentlich als Zleocolica am Ende des Dünndarms und am Anfange des Diekdarms. Aus der eonca- ven Seite ihres Bogens geht nur Eine Colica ab, deren Aeste sich am aufsteigenden und am queren Grimmdarme verbreiten. 3) Mesenterica inferior. Dieselbe entspringt hoch oben, etwa in der Mitte der Aorta abdominalis, zerfällt alsbald in einen Ramus adscendens und descendens, die sich wiederum thei- len, und so entstehen 4 grössere Aeste, welche sich am Colon descendens bis zum Mastdarme hin verbreiten. Die Haemorrhoi- dalis superior zum Mastdarme ist nur der Endzweig des vierten grösseren Astes. 4) Renales. Sie entspringen unterhalb der Mesenterica su- 457 perior und sind bei allen 4 Exemplaren auf beiden Seiten nur einfach vorhanden. Ein Mal entspringt die rechte etwas hö- her, als die linke. Die Renalis dextra giebt in allen 4 Exem- plaren die starke Phrenica dextra ab. Die Renalis sinistra giebt nur ein Mal eine kleine Phrenica sinistra ab und die eigentliche Phrenica sinistra stammt auch in diesem Falle von der Hepa- tica sinistra. Die Renales geben ferner die Suprarenales ab; denn unmittelbar aus der Aorta entspringen keine Aeste für die Nebennieren. Es kommt ferner ein einfacher oder auch mehrfacher Ramus uretericus aus jeder Renalis. 5) Spermaticae. Diese entspringen in der Mitte zwischen der Mesenterica superior und inferior; zwei Mal am vorderen Umfange der Aorta, zwei Mal dagegen ganz seitlich, und zwar Beides bei beiden Geschlechtern. Die Spermaticae sind wenig- stens verhältnissmässig, wenn nicht vielleicht selbst absolut, grösser als beim Menschen. Die linke entspringt zwei Mal höher als die rechte; beim dritten Exemplare kommt sie selbst aus der Renalis sinistra, beim vierten Exemplare dagegen geht aus der linken Spermatica ein Ast nach oben zur Niere. — Die Spermatica geht vor dem Ureter weg nach unten und aussen, giebt Aestchen an den Ureter und an das Bauchfell zwischen Niere und Becken, und tritt dann zum Hoden oder ins Lig. uteri latum. 6) Lumbales. Sie kommen, mit Ausnahme jener über dem letzten Lendenwirbel verlaufenden, unmittelbar aus der Bauch- aorta, und die gleichnamigen Arterien beider Seiten entspringen immer mit einem kurzen gemeinschaftlichen Stamme von der hinteren Fläche der Aorta. Ein Mal stammt auch die Lumba- lis ima unmittelbar aus der Aorta. 7) Sacralis media, von der verhältnissmässigen Stärke wie beim Menschen, entspringt bei 3 Exemplaren 3-5 Linien oberhalb der Theilung in die Iliacae communes von der hinte- ren Fläche der Aorta; beim vierten Exemplare dagegen geht sie aus dem Theilungswinkel der Aorta ab. Indem sie über die Mitte des Heiligbeins bis zum After nach unten verläuft, giebt sie nach beiden Seiten die Lumbalis ima ab, wenn diese 438 nicht aus der Aorta selbst abgeht, und weiterhin dann seitliche Aeste zu den Heiligbeinlöchern. Iliaca communis. Sie bildet einen Stamm von °%,-1'" Länge, welcher sich dann in die kleinere Hypogastrica und die grössere Iliaca ev- terna theilt. Sie giebt keinen Ast ab, wenn nicht die Ileolum- balis aus ihr stammt, was sehr häufig zu geschehen scheint, oder vielleicht selbst die Regel ist. Denn bei einem Exemplare kommen die Jleolumbales beider Seiten, bei einem zweiten kommt die linke, bei einem dritten kommt die rechte Tleolumbalis aus der Iliaca communis. Sonst entspringt die Zleolumbalis bei einem Exemplar auf beiden Seiten, bei einem zweiten links aus der Tliaca externa, und nur ein einziges Mal nimmt sie rechts aus der Hypogastrica den Ursprung. Hypogastrica. Die Aeste der Hypogastrica sind: Obturatoria, Saerales late- rales, Umbilicalis, Vesicales, Glutaea, Ischiadica, Uterina sive Vesicales inferiores, Pudenda. Nimmt man auf den Durchmes- ser der Gefässe Rücksicht, dann kann man die Pudenda als den Ausläufer der Hypogastrica ansehen. Obturatoria. Sie ist verhältnissmässig weit stärker als beim Menschen. Bei beiden Weibchen entspringen die Obtura- toriae aus der Hypogastrica; bei den beiden Männchen kommt die Obturatoria ein Mal links, ein Mal rechts aus der Hypo- gastrica, und zwei Mal ist sie ein Ast der Iliaca externa. Nachdem die Obturatoria Zweige an den Levator ani abgege- ben hat, zerfällt sie immer in 2 Hauptzweige, die man als Ramus internus und externus bezeichnen kann. a) Der kleinere Ramus internus tritt, wie die Obturatoria des Menschen, durch das eiförmige Loch aus der Beckenhöhle heraus zwischen den Obturator externus und die Anzieher des Schenkels. b) Der stärkere Ramus externus tritt über das Schaambein weg, zwischen dem /liaco -psoas und den Adductores femoris, an den Oberschenkel, dringt hier nach innen zwischen die Anzie- her und den Obturator ewternus, versorgt die Schenkelanzieher 439 und die Ursprünge der vom Zuber isch kommenden Muskeln mit Zweigen, und anastomosirt mit dem Ramus internus. Bei dem älteren Weibchen auf beiden Seiten, bei dem jün- geren auf der rechten Seite giebt die Obturatoria die ansehn- liche Epigastrica ab, welche hier an der Zliaca externa gänz- lich fehlt. Während also beim Menschen die Obturatoria so häufig auf die Zpigastrica rückt, rückt hier umgekehrt die Epigastrica auf die Obturatoria. lch untersuchte die beiden Weibchen zuerst, und hätten mir nieht noch andere Exemplare zu Gebote gestanden, dann hätte ich die Stellverrückung der Epigastrica auf die Obturatoria als die Regel ansehen müssen. Allein bei den beiden Männchen ist die Epigastrica auf beiden Seiten ein Ast der /liaca externa, und obwohl die Obturatoria ein Mal rechts, ein Mal links ebenfalls aus der /laca externa abgeht, so bleibt die Epigastrica doch von der höher oben ab- gehenden Obturatoria getrennt. Ich kann daher den Ursprung der Epigastrica aus der Obturatoria nur als eine, wahrschein- lich häufig vorkommende Varietät ansehen; denn eine ge- schlechtliche Differenz, an die man nach dem Mitgetheilten zunächst denken könnte, ist doch zu unwahrscheinlich, da keine der beiden Arterien eine besondere Beziehung zu den Geschlechtstheilen hat. Sacrales laterales. Bei 2 Exemplaren ist der erste Ast der Hypogastrica eine Sacralis lateralis. Umbilicalis. Dieselbe geht in allen Fällen erst nach der Obturatoria von der Hypogastrica ab. > Vesicales. Mit der Umbiliealis verlaufen immer ein Paar Aeste zum oberen Theile der Harnblase. Weiterhin entsprin- gen aber auch noch andere Vesicales aus der Hypogastrica. Glutaea. Dieselbe geht bald vor, bald nach der Umbilica- lis von der Hypogastrica ab. Sie tritt durch den Hüftbeinaus- schnitt nach hinten, steigt am Darmbeinkörper in die Höhe und versorgt die Glutaei, schickt aber auch Zweige bis zum Tuher ischüi. Ischiadica. Bevor die Hypogastricd in die Pudenda über- geht, giebt sie am Sitzbeinausschnitte die kleine Ischiadica ab, welehe mit dem Nervus ischiadieus verläuft und sich an den 440 Auswärtsrollern des Oberschenkels, so wie an den Ursprüngen der Untersehenkelbeuger verbreitet. So verhält sich die Zschia- dica bei beiden Weibchen und auf der rechten Seite des einen Männchens. Auf der linken Seite dieses Männchens theilt sich die Hypogastrica in einen vorderen und hinteren Hauptast, und der hintere zerfällt, nachdem er kleine Sacrales laterales abge- geben hat, innerhalb des Beckens in die Ischiadica und Glutaea. Bei dem zweiten Männchen findet sich rechterseits auch ein gemeinschaftlicher Stamm für die Glutaea und Ischiadiea, der oberhalb des Muse. pyriformis aus der Beekenhöhle tritt und sich dann in die beiden Aeste theilt, linkerseits dagegen ent- springt die Ischiadica isolirt aus der Hypogastrica und tritt mit der Pudenda unterhalb des Pyriformis aus der Beckenhöhle heraus. Uterina. Bei beiden Weibehen entspringt die Uterina am Ende der Hypogastrica, aber doch oberhalb der Ischiadica. Sie giebt eine Vaginalis ab, desgleichen einen Ast zur Bartholin- schen Drüse und verbreitet sich in der Gebärmutter bis zum Eierstocke. Vesicales inferiores. Da, wo die Uterina bei dem Weibchen abgeht, entspringen bei beiden Männchen Arterien aus der Hypogastrica, die sich am Blasengrunde, an den Saa- menbläschen und an der Prostata ausbreiten. Pudenda. Diese grosse Arterie tritt unterhalb des Pyri- Jormis aus der Beckenhöhle heraus, gelangt aber sogleich wie- der in dieselbe hinein, und verläuft an der Seite des Afters vorbei unter dem Schaambogen. Neben dem After oder mehr in der Dammgegend giebt sie einen ansehnlichen, auch wohl getheilten Ast ab, welcher sich am After (Haemorrhoidalis ex- terna), in der Dammgegend, so wie an den äusseren Geschlechts- theilen ausbreitet. Beim Männchen folgt dann eine ansehnliche Art. bulbosa, welche sich am Muse. bulbocavernosus, so wie an dem voluminösen Bulbus urethrae verbreitet. Unter dem Schaambogen theilt sich dann die Pudenda in eine Profunda et Dorsalis penis s. elitoridis. } Tliaca externa. Sie nimmt den gewöhnlichen Verlauf zum Schenkelringe. 441 Der Abgang von Aesten aus der /laca externa verhält sich sehr ungleich bei den 4 untersuchten Exemplaren. Die Cireum- ‚flexa ilium und die Epigastrica, welche sich wie beim Menschen verbreiten, kommen allerdings als Aeste der Zlaca externa vor; doch ist darüber Folgendes zu bemerken. Die Circumflexa ilium ist bei Simia Inuus nicht constant ein getrennt entsprin- gender Arterienast; sie scheint bisweilen von der Zleolumbalis ersetzt zu werden. Eben so ist die Epigastrica nicht immer ein Ast der Iliaca erterna, sondern auch wohl ein Ast der Hypo- gastrica. Kommt sie aber aus der Iligca externa, dann geht sie schon ein Paar Zolle oberhalb des Schenkelbogens aus der- selben ab. Dagegen gehört ausnahmsweise die Obturatoria in den Bereich der /liaca externa, und dieselbe geht dann nicht, wie es beim Menschen die Regel ist, von der Epigastrica ab, sondern sie entspringt getrennt und zwar oberhalb der Epi- gastrica, obwohl diese schon entfernt vom Schenkelbogen abgeht. Das speeielle Verhalten der Iliaca externa bei den 4 Exem- plaren war folgendes: a) Bei dem jüngeren Weibehen giebt sie rechts gar keinen Ast ab, links nur die Epigastrica. b) Bei dem älteren Weibchen geht dicht am Ursprunge die Tleolumbalis ab, und am Bauchringe giebt sie einen kleinen Ast an die Bauchwände nach aussen. ce) Bei dem jüngeren Männchen giebt die linke /liaca die Obturatoria, die Epigastrica, die Cireumjlexva ilium, die rechte Iliaca dagegen die Epigastrica und Circumjlexa ilium. d) Bei dem älteren Männchen kommt rechts die Obturatoria, Epigastrica, Circumflexa ilium, links die Tleolumbalis,! Epigas- trica, Öircumjlexa ilium aus der Iliaca e.xterna. Cruralis. Sie nimmt den gewöhnlichen Verlauf in der Rinne zwischen den Unterschenkelstreckern und den Anziehern des Oberschen- kels, wobei sie nach unten vom Sartorius bedeckt wird; am unteren Drittel des Oberschenkels durchbohrt sie dann den Adductor magnıs und wird Poplitea. Ausser mehreren Muskel- kelästen, die an verschiedenen Stellen von der Cruralis abge- 442 hen, sind als beständige Aeste derselben zu nennen: Circum- flexae femoris, Profunda femoris, Musculo-artieularis (?), Pediaea. Cireumflexa femoris externa versorgt die Unterschen- kelstrecker und giebt auch wohl einen Ast zur Aussenseite des Darmbeins. Sie entspringt bei dem einen Weibchen auf beiden Seiten, bei dem älteren Männchen rechts als getrennter Ast oberhalb der anderen Cruraläste; in den anderen Fällen dagegen bilden beide Circumflevae einen gemeinschaftlichen Stamm, mit welehem auch wohl noch die Profunda femoris vereinigt ist. a Circumflexa femoris interna versorgt die Anzieher des Schenkels. Ich habe sie an keiner der»$S untersuchten Ex- tremitäten als gesonderten Ast abgehen sehen; sie ist mit der Circumflexa externa, oder mit der Profunda femoris, oder mit beiden vereinigt. Profunda femoris. Nur bei dem jüngeren Weibchen ent- springt sie auf beiden Seiten als gesonderter Ast, welcher un- terhalb der Cireumflexae abgeht. Sonst ist sie mit der Cireum- ‚flexa interna vereinigt, oder sie bildet mit beiden Circumflexae einen gemeinschaftlichen Stamm, welcher die Fortsetzung der Cruralis an Dicke übertrifft. Die Profunda femoris versorgt die Anzieher des Oberschenkels und giebt Rami perforantes zu den Beugern des Unterschenkels. Musculo-articularis. Sie geht ganz unten von der Oru- ralis ab, ehe diese zur Poplitea wird, steigt oberflächlich an der Innenseite des Oberschenkels herab, und verbreitet sich durch viele Aeste an der Innenseite des Knies bis zum Schien- beinhöcker hin. Pediaea. Diese starke Arterie entspringt an allen $S Ex- tremitäten am unteren Ende der Oruralis vor deren Uebergang in die Poplitea. Sie verläuft an der Innenseite des Oberschen- kels und des Knies in der Richtung der Cruralis fort, tritt un- terhalb des Knies über den hinteren Rand des Sartorius her- vor und wird ganz subeutan, kommt am zweiten Drittel des Unterschenkels auf die Innenfläche der Tibia zu liegen, wendet sich weiter unten über die Crista tibiae weg auf die Vorder- seite des Unterschenkels, dringt hier oberhalb des Lig. trans- 443 versum in die Tiefe zum Zig. interosseum und gelangt zwischen Tibialis anticus und Extensor digitorum communis auf den Rücken des Fusses, wo sie, vom Eitensor digitorum brevis bedeckt, in ihre Endäste sich theilt. Der Verlauf des Stammes sowohl wie die Verbreitung der Aeste ist an allen S untersuchten Extre- mitäten ganz übereinstimmend. Nur in Betreff des ersten Astes, nämlich der schon oben beschriebenen Arteria musculo- artieu- laris, kommen Varietäten vor. Bei den beiden Männchen ist diese Musculo-artieularis ein gleich am Ursprunge abgehender Ast der Pediaea; bei dem älteren Weibchen dagegen kommt sie auf beiden Seiten oberhalb der Pediaea aus dem Ende der Cruralis. Bei dem jüngeren Weibehen habe ich den Ursprung der Museulo-articularis nicht besonders notirt, und vermuthe daher, dass sie auch hier aus der Cruralis gekommen ist. Daraus folgt, dass ich nur eine Wahrscheinlichkeit ausdrücken wollte, wenn ich oben die Museulo-artieularis als einen Ast der Cruralis aufführte; vielleicht ist sie doch regelmässig ein Ast der Pediaea. In der Mitte des Unterschenkels oder auch erst etwas tiefer abwärts giebt die Pediaea einen Ramus posterior ab, der sich auf die Hinterseite des Schienbeins wendet, und hier bis zur inneren Seite des Fussgelenkes herabsteigt. Anderthalb bis zwei Zoll oberhalb des Fussgelenkes ent- springt aus der Pediaea die Tarsea interna, welche ganz ober- flächlich über den Rücken der Fusswurzel zum ersten Zwi- schenkriochenraum verläuft. Hier giebt sie die Interossea prima ab, welche sich sogleich in die Digitales plantares für die erste und zweite Zehe theilt, dringt alsdann zwischen den ersten und zweiten Mittelfussknochen in die Fusssohle, wendet sich über den zweiten Mittelfussknochen weg in den zweiten Zwischen- knochenraum als /nterossea secunda, und theilt sich in die Di- gitales plantares für die zweite und dritte Zehe. Hierauf giebt die Pediaea oberhalb des Fussgelenkes eine Malleolaris externa et interna ab, von denen die externa weit an- sehnlicher ist. Dann folgen Zweige an den Kixtensor digito- rum. brevis, Die Fortsetzung der Pediaea auf dem Rücken des Fusses 444 kann man als Tarsea externa bezeichnen. Dieselbe theilt sich sogleich in einen Ramus internus und externus. Der Ramus in- ternus begiebt sich in den zweiten Zwischenknochenraum, schickt gleich an der Basis der Mittelfussknochen einen durch- bohrenden Ast in die Fusssohle, dringt vorderhalb der Mitte des Mittelfusses in die Fusssohle, geht hier hinter dem Köpf- chen des dritten Mittelfussknochens nach aussen in den dritten Zwischenknochenraum als Interossea tertia, und giebt die Di- gitales plantares für die dritte und vierte Zehe. Der Ramus externus tarseae externae theilt sich am Fusswurzel - Mittelfuss- gelenke in 2 Aeste, welche im dritten und vierten Zwischen- knochenraum nach vorn verlaufen, nachdem sie an der Basis der Mittelfussknochen einen durchbohrenden Ast in die Fuss- sohle abgeschickt haben. Die im dritten Zwischenknochen- raum verlaufende Arterie dringt vor der Mitte des Mittelfusses in die Fusssoble, wendet sich hinter dem Köpfchen des vier- ten Mittelfussknochens weg in den vierten Zwischenknochen- raum als Interossea quarta, und giebt die Digitales plantares an die vierte und fünfte Zehe. — Die durchbohrenden Aeste der Tarseae anastomosiren in der Fusssohle, an der Basis der Mittelfussknochen, mit einander und mit dem Ende der Tibia- lis postica, und versorgen die Museuli interossei und die ober- flächlichern weichen Theile dieser Gegend. Poplitea. Sie verläuft in bekannter Weise durch die Kniekehle bis unterhalb des Kniegelenks, giebt hier die Tibialis antica oder die Tibialis postica ab, und zerfällt bald nachher in die andere Tibialis und die Peronea. Aus der Poplitea entspringen mehrfache Muskeläste zu den Unterschenkelbeugern, ferner die zwei Gemellae, welche ge- trennt abgehen oder auch einen kurzen gemeinschaftlichen Stamm bilden. Ferner kommen die nämlichen Artieulares genu aus der Poplitea, wie beim Menschen. Tibialis antica. Sie dringt zwischen den beiden Unter- schenkelknochen nach vorn, giebt eine ansehnliche Tibialis re- currens posterior zur Gegend des Popliteus, eine Tibialis recur- rens anterior zum Kniegelenke, und verbreitet sich dann in den 445 Muskeln auf der Vorderseite des Unterschenkels, ohne aber bis zum Fussgelenke hinab zu steigen. Peronea. Sie verläuft hinter der Fibula nach unten, giebt zahlreiche Muskeläste ab, namentlich an den Soleus und an die Peronei, durchbohrt nach unten das Lig. interosseum und ver- breitet sich noch auf der Vorderseite des Unterschenkels bis zu den Knöcheln herab, wo sie mit den Malleolares aus der Pediaea anastomosirt. Tibialis postica. Sie verläuft hinter der Tibia nach ab- wärts, die Muskeln versorgend, und dringt nur mit einem mäs- sigen Aste hinter den inneren Knöchel weg in die Fusssohle, wo sie die Fusswurzel versorgt und mit den durchbohrenden Aesten der Pediaea anastomosirt. Sie giebt keine Aeste zu den Zehen, da diese insgesammt von der am Oberschenkel entsprungenen Pediaea versorgt werden. Ich will schliesslich diejenigen Punkte in der Arterienver- theilung von Simia Inuus hervorheben, welche im Vergleich mit den übrigen Säugethieren von Interesse sind. Zu dieser Vergleichung waren vor Allem Barkow’s detaillirte Arbeiten über die Arterien verschiedener Säugethiere zu Rathe zu zie- hen, namentlich in den Acta Acad. Caes. Leop. Carol. Nat. Our. Vol. XX. P. 608. seggq. und in den Anatomischen Abhand- lungen. Breslau 1851. S. 66-112. Leider sind mir Barkow’s Disquisfliones eirca originem et deeursum arteriarum mamma- lium nieht zur Hand, 1) Die Thyreoidea inferior enspringt, wie bei so vielen Säu- gethieren, aus der Carotis communis, und nicht aus der Sub- clavia. 2) Die Meningea media ist in einen Ramus anterior und pos- terior zerfallen. Der Ramus posterior kommt aus der Mawilla- ris interna; der Ramus anterior ist ein Zweig der Laerymalis und dringt durch das Augenhöhlendach in die Schädelhöble. Diese Anordnung ist wahrscheinlich eine Bigenthümlichkeit der Affen. 3) Die Vereinigung der beiden Arteriae cerehri anteriores zu 446 einer einfachen Arteria callosa hat Inuus mit Cercopithecus sa- baeus, Arctomys eitillus, mit Marder, Tiger, Lama, Haase, Pferd gemein. x 4) Den direeten Ursprung der Laryngea superior aus der Carotis externa, der bei Inuus Regel ist, fand Barkow auch bei Meles vulgaris. 5) Die Glossomawillaris, eine beim Menschen nicht so gar seltene Varietät, kommt bei I/nuus regelmässig vor. Bei ande- ren Säugethieren findet sich diese Vereinigung der Lingualis und Mawillaris externa nicht. 6) Die Verbreitung der den Unterkiefer durchbohrenden Sublingualis in der Unterlippe kommt auch anderwärts vor. Nach Barkow dringt beim Schweine die Sublingualis neben der Commissur des Unterkiefers in ein besonderes Loch, bildet eine Anastomose mit der Alveolaris inferior, versorgt den Hundszahn und die Schneidezähne und tritt aus dem For. men- tale heraus in die Unterlippe (Acta Acad. Caes. Vol. XX. P. 610). Nach Barkow nımmt ferner bei Aretomys Citillus die Submentalis einen Ast der Sublingualis auf, worauf die Sub- mentales beider Seiten zu Einem Stamme zusammenfliessen, welcher durch die Unterkiefersymphyse zur Mitte der Unter- lippe dringt. (Ib. P. 618.) Aechnlichkeit hiermit hat auch der beim Menschen bisweilen vorkommende Fall, dass die Sublin- qualis die letzten Aeste der Submentalis liefert und über den Kinnrand zur Unterlippe gelangt. Bemerkenswerth ist aber daneben bei /muus die seitliche Asymmetrie, insofern näch mei- nen Untersuchungen nur die Sublingualis sinistra diesen Ver- lauf nimmt. 7) Die Vereinigung der Oceipitalis und Auricularis, welche beim Menschen nur als Varietät vorkommt, ist bei I/nuus die Regel. $) Der Durehtritt der Cervicalis profunda zwischen den bei- den ersten Rippen in die Nackengegend findet sich ebenso beim Pferde. Beim Schweine und beim Pecari dringt die Cervicalis profunda sogar zwischen der 2. und 3. Rippe nach hinten. 9) Die hohe Theilung der Brachialis in 2 Vorderarmarterien scheint eine Rigenthümlichkeit aller Quadrumanen zu sein, da 447 Meckel und Stannius das nämliche auch von Callithrix, Hapale, Sphine, Lemur und anderen anführen. Doch kommt diese hohe Theilung nach Stannius auch bei Delphinus pho- caena vor. 10) Der Arcus volaris profundus fehlt Inuus und scheint überhaupt nur beim Menschen neben dem Arcus volaris super- ‚fieialis vorzukommen, - 11) Die 3 letzten Intercostales und alle Lumbales haben bei Inuus immer einen kurzen gemeinschaftlichen Stamm für die gleichnamigen Arterien beider Seiten. Für die Intercostal- und Lumbaläste der Aorta bei den Säugethieren lässt sich eine ge- wisse Reihenfolge aufstellen, welche mit der vollständigen Trennung der gleichnamigen Aeste beider Seiten: beginnt und, von unten nach oben fortschreitend, mit der Vereinigung aller gleichnamigen Aeste endigt. Beim Menschen sind regelmässig alle Intercostales und Lumbales getrennt; nur ausnahmsweise findet sich ein gemeinschaftlicher Stamm in der Brust- oder Lendengegend, am häufigsten jedoch für die letzten Zumbales aortieae; bei Phoca annellata haben alle Lendenarterien, mit Ausnahme der beiden ersten, gemeinschaftliche Stämme (Bar- kow); — beim Tiger verhalten sich alle Lumbales so (Bar- kow); — beim Haasen die letzte Intereostalis und alle Lum- bales (Barkow); — beim Eichhörnchen die zwei letzten In- tercostales und alle Eumbales (Barkow); — bei Simia Inuus die 3 letzten Intercostales und alle Lumbales ; — beim Schweine endlich entspringen nach Gurlt alle Intereostales aorticae mit gemeinschaftlichen Stämmen für das rechte und linke Gefäss. 12) Die Arteriae museulares abdominis laterales, jene Aeste der Aorta, welche Barkow bei so vielen Säugethieren aus verschiedenen Ordnungen nachgewiesen hat, fehlen bei /nuus eben so, wie beim Menschen. 13) Die Phrenicae kommen nicht direet aus der Aorta; die rechte ist ein Ast der Renalis dexvtra, die linke ein Ast der Hepatica. 14) Die Gastroepiploica dextra stammt von der Mesenterica superior, und nicht von der Hepatica. 15) Die Obturatoria tritt nur mit dem schwächeren Aste 448 auf gewöhnliche Weise durch das eiförmige Loch; ihr grösse- rer Ast geht von dem Schaambein weg an die Innenseite des Oberschenkels. 16) Die Epigastrica scheint sehr häufig aus der Hypogastriea und zwar aus der Obturatoria zu entspringen, 17) Ganz ungewöhnlich ist das Verhalten jener Arterie, die ich Pediaea genannt habe. Dieselbe versorgt fast den ganzen Fuss; den Rückentheil desselben vollständig, und in der Fuss- sohle wenigstens die Zehen; sie entspricht daher ebensowohl dem Ende der Tibialis antica als dem Ende der Tibialis postica des Menschen. Diese Pediaea entspringt bei Inuus ohne Aus- nahme schon aus dem Ende der Cruralis. In Cuvier’s Ana- tomie comparee T. 6. p. 162 giebt Duvernoy an, dass die Cruralis beim Magot und bei den Makis sich hoch oben in die Tibialis antica und postica theile, ohne nähere Angabe des Ver- laufs. Ich muss es daher dahin gestellt sein lassen, ob etwa unter der Tibialis antica das von mir als Pediaea bezeichnete Gefäss verstanden wird; jedenfalls existirt die eigentliche Ti- bialis antica neben der Pediaea. — In mehrfacher Beziehung erinnert die Theilung der Cruralis bei Phoca annellata an Inuus. Nach Barkow (Anat. Abhandlungen S. 54) theilt sich näm- lich die Cruralis in: a) Poplitea, welche als Tibialis antiea und postica den Unterschenkel versorgt, und 5) Arteria tibialis pos- tica superfieialis, ein starkes Gefäss, welches an der Innenseite der hinteren Extremität absteigt und in die Fusssohle ge- langt, wo sie die Zehenarterien abgiebt. Aechnlich in Ursprung, Verlauf und Vertheilung verhält sich auch bei Auchenia lama eine Arteria tibialis postica superficialis. (Ebendas. S. 93.) 15) Ganz ungewöhnlich ist endlich der Verlauf der Inter- osseae plantares. Erklärung der Abbildungen. Taf, XI. Fig. 1 und 2. Fig. 1. Ausbreitung der Arterien der hinteren Extremität bei Si- mia Inuus. A. Symphysis ossium pubis. B. Innere Seite des Unterschenkels. €. Plantarfläche des Fusses. 449 1. Aorta abdominalis. 2. Iliaca communis. 3. Hypogastrica. 4. Obturatoria, welche sich in 5. Ramus internus und 6. Ramus exter- nus theilt. 7. Iliaca externa. 3. Epigastrica. 9. Profunda femoris mit der Circumflexa femoris interna. 10. Cruralis superficialis. 11. Pediaea. 12. Hinterer Ast der Pediaea. 13. Vorderer in die Tiefe dringender Ast der Pediaea. 14. Interossea secunda aus Tarsea in- terna. 15. Interossea lertia aus Tarsea externa. 16. Interossea quarta aus Tarsea externa. 17. Tibialis postica. 18. Anastomosen zwischen der Tibialis postica und den Arteriae perforantes der Tarseae. Fig. 2. Vorderer Ast der Pediaea. 1. Ramus anterior Pediaeae. 2. Tarsea interna. 3. Interossea plantaris prima. 4. Interossea plantaris secunda. 5. Tarsea externa. 6. Interossea plantaris tertia. 7. Interossea plantaris quarta, Miillers Archiv. 1852, 29 Einiges über die Wirkung des Musculus obliquus superior oculi, Von Dr. Wıraeım Busch, Die sehr verschiedenen Meinungen, welche unter den Anato- men und Physiologen über die Wirkung des oberen schiefen Augenmuskels herrschen, begründen sich einmal auf Vermu- thungen, die seine Wirkung a priori von seinem Verlaufe ab- leiten wollten, sodann aber auf Versuche, bei denen die Orbita erbrochen, und der Muskel in der Richtung nach seinem Ur- sprunge hin angezogen wurde. Man sollte glauben, dass es gerade bei diesem Muskel ausserordentlich leicht sein müsste, die Wirkung und demnach seinen Einfluss auf die Richtung der Pupille zu bestimmen, indem seine Sehne ja durch die Rolle befestigt ist, so dass bei Anziehungen des Bauches in beliebiger Richtung stets derselbe Erfolg stattfinden müsste, indem jedesmal der Punkt des Bulbus, an welchem sich die Sehne befestigt, nach der Trochlea hin bewegt wird. Will man aber bei einem Organe über Bewegungen experimentiren, wel- ches wie der Augapfel in einer knöchernen Höhle liegt, die überall von lockerem, sehr fettreichem Zellstoffe ausgekleidet ist, so dass der letztere für den Bulbus ein weiches, genau anschliessendes Lager bildet, in welchem er sich bewegen muss, so darf nichts von den umgebenden Theilen weggenom- men werden. Geschieht dieses, so wird leicht das Experiment getrübt, indem die Nachbartheile aus ihrer natürlichen Lage gedrängt werden, und der bewegte Theil an einer Stelle nicht den gewohnten Widerstand findet. Da sich nun in dem fraglichen Muskel ein einziger Nerv verzweigt, so können wir ihn in Thätigkeit setzen, ohne dass 451 irgend Etwas in der Orbita aus der Lage gebracht würde, wenn wir die Schädelhöhle eröffnen und den N. trochlearis reizen. ‚Jedenfalls verdienen die Resultate, welche durch die- sen Versuch gewonnen werden, den Vorzug vor den Experi- menten, welche mit Verletzung der Augenhöhle angestellt werden. Dem M. obliquus superior begegnen wir in der Thierwelt bei allen Wertebraten mit Ausnahme des Amphioxus und der Myxinoiden, jedoch nicht überall in derselben Gestalt, da unter den Säugethieren schon bei den ächten Cetaceen die Rolle ver: loren geht und beim Löwen und Tiger nach Rudolphi eine Spaltung der Sehne vorhanden ist, deren beide Hälften die Sehne des reetus superior umfassen. Von den Vögeln an ent- springt er, da ihm die Rolle fehlt, nieht mehr hinten in der Nähe des Sehnervenloches, sondern vor der vorderen oder inneren Wand der Orbita; aber auch hier wird er dieselbe Bedeutung und Wirkung haben, wie bei den höheren Wirbel- thieren, indem sein Verlauf ohngefähr dem der Sehne des Muskels von der Trochlea bis zum Bulbus bei dem Menschen entspricht. Die genaueste anatomische Untersuchung über den Verlauf des obern schiefen Augeumuskels beim Menschen hat wohl Hück angestellt, besonders in Beziehung auf den Theil des Muskels von der Rolle an bis zum Insertionspunkte an den Bulbus. Er machte nämlich an dem festgefrorenen Kopfe eines apoplektisch Verstorbenen sechs Linien hinter der vorragendsten Stelle der Hornhaut, parallel mit den Flächen der Iris einen senkrech- ten Querdurchschnitt durch beide Augenhöhlen. Bei diesem Schnitte wurde nichts von den den Muskel umgebenden Theilen weggerissen, wie es bei den gewöhnlichen Präpa- rationen immer geschieht, und so fand er denn, dass die Sehne von der Trochlea an, nieht wie gewöhnlich angegeben wird, nach aus- und abwärts sich wendet, sondern dass sie ganz horizontal nach hinten und aussen verläuft, so zwar, dass sie über den höchsten Punkt des Bulbus hinweg- geht und sich 1'/,'" hinter seinem grössten Umfange, 3" hinter Anheftung des reetus superior befestigt. 29% 452 Die Wirkung dieses Muskels wurde von Rosenmüller und Weber so gedeutet, dass der Bulbus nach vorn und innen . gedreht wurde, so dass sich die Pupille abwärts und einwärts wendete. Albin, Sömmerring, Müller und Bell lassen ihn hingegen die Pupille nach unten und aussen drehen. Jo- hannes Müller überzeugte sich davon, indem er den Muskel in der Augenhöhle vorsichtig blosslegte, ohne dass das Auge von seinem Fettpolster verrückt wurde, und ihn dann in der Richtung seines Ursprunges anzog. Dabei sah er immer das Auge im Segmente eines Cirkels nach unten und ein wenig nach aussen rollen. Bell, welcher vielfache Versuche über diesen Gegenstand angestellt hat, geht davon aus, dass er es den vier geraden Augenmuskeln zuschreibt, die Achse des Auges willkürlich zu verändern und es nach jedem Punkte des Gesichtskreises hinzudrehen; indem da, wo die Action eines einzelnen nicht hinreicht, die combinirte Thätigkeit mehrerer es ausführt. Da nun zur Ausführung dieser Bewegungen die vier recti ausreichen, so will er den beiden obliquis ausschliess- lich die unwillkürlichen Bewegungen vindieiren. Sie seien ge- genseitige Antagonisten, indem der obere der Pupille die Riehtung nach unten und aussen, der untere nach oben und innen gebe. Ehe wir seine Experimente besprechen, muss ich schon darauf aufmerksam machen, dass diese Bewegungen durchaus nicht die einzigen unwillkürlichen sind, welche das Auge vor- nimmt, sondern dass es unwillkürlich nach jeder nur mögli- chen Richtung, nach oben, unten, aussen, innen und den zwi- schen diesen Richtungen fallenden Diagonalen, ja selbst um seine Längsachse gedreht wird, sobald wir nur den Kopf nach der entgegengesetzten Seite neigen, ohne willkürlich das Auge folgen zu lassen. Schon beim Menschen kann man sich davon überzeugen, wie auch von Vielen schon darauf aufmerksam gemacht ist, indem man ein Aederchen auf der Conjunctiva eines Anderen fixirt, und nun den Kopf nach der Seite neigen lässt, wobei man dann bemerkt, dass diese Ader ihre Lage zu dem Hori- zonte nicht verändert, indem der Bulbus unwillkürlich die ent- 453 gegengesetzte Rotation macht als der Kopf. Am allerdeutlich- sten sind diese unwillkürlichen Bewegungen bei den Knochen- fischen, da der Winkel, um welchen das Auge sich hier rotirt, ein viel bedeutenderer ist, als bei den höheren Wirbelthieren. Dass ein anderer Muskel, als der rectus superior das Auge nach oben riehtet, wenn diese Bewegung unwillkürlich voll- bracht wird, folgert Bell daraus, dass man dann das Auge weit höher hinter die Palpebra schieben könne, als man dies willkürlich zu thun im Stande sei; indem man es nie so weit nach aufwärts rollen könne, dass die Pupille oder gar die Hornhaut sich hinter dem oberen Augenlide verstecke. Es ist wahr, dass man bei Einschlafenden, bei Sterbenden, wenn beide Augenlider noch etwas von einander klaffen, durch den offenen Spalt das Weisse des unteren Segmentes der Selero- tica bemerkt, während Cornea und Pupille hinter dem oberen Augenlide versteckt liegen. Dabei muss man jedoch berück- sichtigen, dass in diesen Zuständen das Lid wie ein Schirm herabgefallen ist, und dass umgekehrt, wenn wir willkürlich versuchen, das Auge so weit als möglich nach oben zu stellen, der Impuls, welcher dem reetus superior mitgetheilt wird, auch den levator palpebrae superioris trifft und ebenso das obere Augenlid stark in die Höhe gezogen wird, so dass die Cornea nicht dahinter gleiten kann. Halten wir dagegen mit dem Dau- men einem uns gegenüberstehenden Menschen das obere Au- genlid des einen Auges nur mässig fest, so dass es nur das obere Viertheil des Bulbus beschattet, und heissen ihn dann nach oben blicken, so bemerken wir sogleich, dass bei dieser rein willkürlichen Bewegung das Auge sich hinter der leicht herabhängenden Gardine versteckt. Umgekehrt sehen wir bei vollständigen Paralysen des Theiles des facialis, welcher den orbieularis palpebrarum versorgt, z. B. nach Durchschneidung desselben, wie es bei einzelnen Operationen im Gesichte nicht zu vermeiden ist; wo also das Schliessen des Auges unmöglich ist, wo das untere Augenlid eetropisch herabhängt, das obere hingegen, ganz unter der Herrschaft des Antagonisten, näm- lich des levator palpebrae superioris gestellt ist, und stark in die Höhe gezogen erscheint; — bei solchen Paralysen bemer- 454 ken wir, wenn der Kranke das gesunde Auge schliesst, auf dem entgegengesetzten zwar ein Rollen nach innen und oben, aber kein Verstecken hinter dem oberen Augenlide. Aus diesen nur aphoristisch angeführten Thatsachen scheint mir zur Genüge hervorzugehen, dass zu dem Verbergen der Cornea hinter dem oberen Augenlide, wie es bei allen Versu- chen, das Auge zu schliessen, beim Blinzeln, beim Einschlafen, beim Sterben, geschieht, es nothwendig ist, dass das obere Augenlid zu gleicher Zeit herabsteigt, indem, wenn dasselbe so weit nach oben gehalten ist, als es beim Aufwärtsblicken geschieht, ein Verschwinden der Cornea nicht stattfindet, dass also die unwillkürlichen Bewegungen keine ausgiebigere Rotation des Bulbus hervorbringen als die willkürlichen. Den Beweis, dass noch andere Muskeln als der rectus supe- rior das Auge unwillkürlich in die Höhe richten können, fand Bell in einem Versuche, in welchem er diesen Muskel bei einem Kaninchen durchschnitt, und wo nun der Bulbus nach mechanischer Reizung in der Richtung nach oben rollte. An- dererseits beobachtete er, dass ein Affe, dem er den obliquus superior durchschnitten hatte, und ein anderer, dem das Glei- che beim inferior geschehen war, eben so gut wie ein gesunder, das Auge willkürlich in die verschiedensten Richtungen brin- gen konnte: Erfahrungen, die freilich sehr zu Gunsten seiner Theorie sprechen. Um nun die Action der einzelnen schiefen Angenmuskeln zu beweisen, stellte er einmal Versuche am menschlichen Ca- daver an, die ihn zu dem oben erwähnten Resultate führten, dass der superior die Pupille nach unten und aussen, der infe- rior nach innen und oben richte, sodann machte er aber auch Experimente an lebenden Thieren. Er legte bei einem Kanin- chen einen dünuen Faden um die Sehne des oberen obliquus und befestigte daran eine kleine Glasperle, welche durch ihr Gewicht die Sehne ein wenig herauszog. Bei Berührung des Auges mit einer Feder, wobei also die Pupille sich nach innen und oben richtete, sah er das Kügelchen in die Höhe steigen, und bei Wiederholung des Versuches, als er die Glasperle in die Hand nahm, wurde der Faden mit einiger Gewalt den 455 Fingern entzogen. In diesem Versuche war bei der Bewegung des Bulbus nach innen und oben die Action des obliquus supe- rior offenbar, und Bell hätte demgemäss annehmen müssen, dass die Wirkung dieses Muskels die obengenannte Stellung des Augapfels sei. Er raisonnirt aber auf eine entgegengesetzte Weise: Da der obliquus superior hier augenscheinlich agirt hat und da trotzdem die Pupille nicht nach unten und aussen stand, so müssen wir annehmen, dass hier beide schiefe Mus- keln zugleich gewirkt haben und zwar so, dass der untere den oberen überwältigt, und das Auge ganz nach seiner Wirkung gestellt hat. In der That eine etwas kühne Folgerung. Ein neues Experiment bestärkte ihn jedoch in seiner Meinung. Er durchschnitt den obliquus superior auf einem Auge und bewegte nun vor demselben die Hand; sogleich drehte sich die Pupille stark nach innen und oben, während das andere Auge eine kaum bemerkbare Bewegung nach dieser Richtung hin zeigte. Hieraus schliesst er, dass der untere obliquus in seiner Action, den Augapfel in die Höhe zu wälzen an Kraft gewinnt, so- bald der obere sein Antagonist durchschnitten ist. Bei diesem Experimente hege ich einigen Zweifel , indem auch bei unver- letzten Thieren, wenn man mit der Hand den Bulbus zu be- rübren droht, der letztere sofort sich hinter dem Augenlide zu verstecken sucht. Ausser Bell hat sich besonders Hück mit Vorliebe mit diesem Gegenstande beschäftigt. Er glaubt den Grund der Meinungsverschiedenheit über die Wirkung der schiefen Augen- muskeln besonders darin suchen zu müssen, dass man jeden Muskel als für sich und unabhängig von der Thätigkeit der anderen Augenmuskeln wirkend dachte, und dass man diese Wirkung auf die gerade nach vorn gerichtete Stellung an- wandte. Eine solche Stellung müssen wir aber als Ausgangs- punkt festhalten, indem wir zuerst bestimmen, nach welcher Richtung der Augapfel von jedem Muskel aus dieser einen Stellung gebracht wird. Als die bequemste hat sieh dabei natürlich immer die Stellung gerade nach vorn herausgestellt, und auch nur in Bezug auf sie ist die Wirkung der geraden Augenmuskeln bestimmt worden; denn wenn wir dem internus 456 die Wirkung beilegen, die Pupille in horizontaler Richtung nach innen zu drehen, so meinen wir aus der Stellung gerade nach vorn, während die übrigen Augenmuskeln nur in so weit angespannt sind, dass ein Abweichen nach einer anderen Richtung nicht stattfinden kann. Hück hat, wie wir schon oben gesehen, ermittelt, dass die Sehne des obliquus superior horizontal nach dem Bulbus verlaufe. Denkt er sich also die Augenachse durch die reeti in irgend einer Richtung festgestellt und lässt den obliquus supe- rior für sich wirken, so müsste eine Achsendrehung des Au- ges stattfinden d. h. eine Drehung um die Längsachse nach innen. Diese Vorstellung hat in der That etwas sehr Anzie- hendes, indem jedem Augenmuskelpaare, oder richtiger je zwei Antagonisten in einem Auge dadurch eine der drei Hauptachsen angewiesen würde, um die eine vollständig bewegliche Kugel rotirt werden kann: nämlich dem oberen und unteren gerade die Achse von aussen nach innen, dem externus und internus die verticale Achse von oben nach unten, und den beiden schiefen die Längsachse von vorn nach hinten. Da nun diese Drehung um die Längsachse beim Lebenden nachweisbar ist (der Um- fang derselben beträgt nach Hück bei der Neigung des Kop- fes zur Seite 25°, im Ganzen also 50°) und die schiefen Mus- keln bei jeder Stellung der Augenachse den Zenith und Nadir des Bulbus als Tangenten berühren, so glaubt er ihnen diese Wirkung vindieiren zu müssen. Wenn dieses wirklich richtig ist, so sind die obliqui jeden- falls Vorsteher einer unwillkürlichen Bewegung; denn willkür- lich können wir die Drehung des Auges um die Längsachse nicht bewerkstelligen. Wir bemerken diese Bewegung ausser bei den Neigungen des Kopfes nach der Seite nur in den aus- serordentlich seltenen Fällen von Nystagmus, wo das Auge auf diese Weise umhergerollt wird. Den rectis würden dann ausser den willkürlichen Bewegungen noch die unwillkürlichen Rotationen nach aussen, innen, oben und unten bei Neigun- gen des Kopfes nach den entgegengesetzten Richtungen ver- bleiben. Es ist Schade, dass Hück, der so sehr schöne Betrach- 457 tungen über die Nothwendigkeit der Achsendrehung zum deut- lichen Sehen angestellt hat, keine Experimente zum directen Beweise seiner Ansicht gemacht hat, indem er nur von dem anatomischen Verlaufe der obliqui aus schliesst, dass ihnen diese Wirkung zukomme. Die beiden Ansichten von Bell und von Hück sind wohl jetzt unter den Anatomen und Physiologen die einzigen sich gegenüberstehenden; sehr auffallend ist es daher, dass ein Mann wie Dieffenbach, der von allen Chirurgen der Neu- zeit wohl die grösste Erfahrung über Durchschneidung der widernatürlich contrahirten Augenmuskeln hat, mit der Be- hauptung auftritt, dass der obliquus superior der Pupille die Richtung nach innen und oben gebe. Er will nämlich beob- achtet haben, dass das eben nicht sehr seltene Schielen nach innen und oben durch Durchschneidung des musculus trochlea- ris entweder für sich oder in Verbindung mit dem internus ge- hoben werde, und schliesst deswegen zurück, dass die Wir- kung jenes Muskels die eben angegebene sei. Diese auf dem Felde der Pathologie gewonnene Erfahrung stimmt, wie wir gleich sehen werden, mit den Resultaten unserer Experimente überein. Mir schien jedoch früher die Dieffenbach’sche Behauptung so unwahrscheinlich, dass, als ich vor einigen Jahren zum ersten Male das Experiment über die Wirkung des trochlearis anstellte, es hauptsächlich geschah, um die Unhaltbarkeit derselben zu beweisen. Da meine Versuche an Leichnamen bei aufgebrochener Or- bita mich bald überzeugten, dass ich auf diesem Wege nicht zu genügenden Resultaten gelangen würde, so schlug ich den Weg des Experimentes durch Reizung des patheticus mittelst des galvanischen Stromes ein. Ich nahm hierzu bald ein ganz einfaches Plattenpaar, bald eine Kette von mehreren Elementen; bei der letztern hat man nur den Vortheil, dass die Reizung eine stärkere, folglich die Bewegung des Bulbus eine grössere und leichter zu bestimmende ist. Ich wählte als die am leich- testen zu beschaffenden Thiere Kaninchen, und zwar machte ich meine ersten Versuche am lebenden Thiere; hier ist aber bei der Isolirung des feinen Nerven das viele Blut, welches 458 sich bei Eröffnung der Schädelhöhle und Entfernung des Ge- hirns ergiesst, sehr hinderlich, deswegen tödtete ich später die Thiere mittelst eines einfachen Schnittes durch den Hals, und erbrach dann schnell die Schädelhöhle. Der Schädel ist bei diesen Thieren so weich, dass man bei nur einiger Fertigkeit im anatomischen Präpariren, nach der Tödtung denselben öffnen, den vorderen Theil des Gehirns entfernen und den Nerven isoliren kann, ehe die Reizempfänglichkeit des Nerven abgestumpft ist. — Ich erhielt auch bei den ersten Versuchen jedes Mal Zuckungen des Bulbus, ohne jedoch be- stimmen zu können, nach welcher Richtung die Pupille dabei gedreht wurde. Die Bewegungen, welche das kleine Organ bei galvanischer Reizung eines Nerven ausführt, sind so rapide, dass man sich über die Richtung derselben nicht Rechenschaft geben konnte, so dass von den mich bei diesen Versuchen unterstützenden Freunden selten zwei in ihrem Ur- theil über die Stellung der Pupille übereinstimmten. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, stekte ich eine feine Insecten-Nadel gerade mitten durch die Cornea hindurch in das Auge. Sie befand sich in der Richtung der Längsachse des Bulbus; ihr wurden die Bewegungen, welche der Bulbus machte, mitgetheilt, aber da der Knopf der Nadel weit von der Pupille entfernt war, so musste er bei den Zuckungen des Bulbus einen weit grösseren Bogen beschreiben, als der Mittel- punkt der Pupille, so dass man bei diesem grösseren Aus- schlage viel leichter über die Bewegungen des ganzen Organs urtheilen’ konnte, Der Erfolg entsprach ganz der Erwartung; von jetzt war bei jedem Versuche unter allen Anwesenden die- selbe Meinung, nämlich, dass der Bulbus nach innen und oben gerollt werde, denn diesen Weg beschrieb die Nadel deutlich. Das Experiment ist von mir häufig wiederholt worden und hat jedes Mal dasselbe Resultat gehabt, so dass die Action des obliquus superior im Rollen des Auges nach innen und oben eonstatirt ist. Eine andere Frage war aber, ob gleich- zeitig mit dieser Bewegung nicht auch noch eine Achsendre- hung im Hück’schen Sinne stattfinde, und eine solche konnte natürlich an der rechtwinklig auf der Cornea befestigten Nadel + 459 nicht bemerkt werden, indem bei einer etwaigen Achsendre- hung diese nur sich etwas um ihre Längsachse bewegt haben würde, was bei dem grossen Ausschlage, den die Nadel nach innen und oben macht, nieht wahrzunehmen möglich ist. Um diesen Punkt festzustellen, wurde eine etwas lange und feine Nadel rechtwinklig eingebogen,, so zwar, dass der kür- zere Schenkel der der Spitze entsprechende, der längere der vom Knopfe ausgehende war. Diese Nadel wurde ebenfalls gerade mitten in der Cornea befestigt, so, dass der längere Schenkel perpendikulär nach unten hing. War daher die Ach- sendrehung abhängig von der Wirkung des obliquus, so musste bei einer Reizung des Nerven dieses Muskels der frei herab- hängende Theil der Nadel wie ein Pendel nach aussen oder nach innen schlagen. A priori liess sich jedoch schon sagen, dass, fände eine solche Bewegung statt, diese jedenfalls nach aussen geschehen müsste, indem das Auge selbst durch den superior um die Längsachse nach innen rotirt werden müsste. Der Versuch lehrte, dass bei jeder Schliessung der Kette an dem trochlearis der untere Schenkel der Nadel eine ziemlich beträchtliche Abweichung nach aussen zeigte, so dass das Rollen um die Längsachse nach innen ebenfalls vom obliquus superior bewirkt wird. Nach diesen ausserordentlich einfachen und sehr leieht zu wiederholenden Versuchen ist es klar, dass die fragliche Wir- kung des Muskels eine complicirte ist, indem er ein Mal den Bulbus nach innen und oben dreht, dabei aber zugleich ihn eine kleine Rotation um seine Längsachse machen lässt. Der letztere Theil der Bewegung ist beim lebenden Menschen nur unwillkürlich, indem wir nicht im Stande sind, bei ruhig ge- haltenem Kopfe die Augen diese Drehung machen zu lassen. Ob aber das Rollen nach innen und oben, welches der obli- quus superior bewirkt, ebenfalls ein unwillkürliches ist, lässt eich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ebensogut könnte diese Bewegung des Auges beim Einschlafen ete. vom oculomotorius abhängig sein; denn eine Reizung des Stammes dieses Nerven hat einen ziemlich ähnlichen Erfolg. Um hier über Willkür- lichkeit oder Unwillkürlichkeit zu entscheiden, müsste man 460 bei einem Thiere die geraden Muskeln sämntlich durchschnei- den, und nun beobachten, ob es im Stande sei, mittelst der zwei unversehrten schiefen das Auge nach Willkür zu bewegen. Die Versuche, die ich deswegen an einigen Haus -Säugethieren anstellte, hatten kein Resultat, da die meisten dieser Thiere einmal keine grossen Bewegungen mit ihren Augen vornehmen, sodann aber, weil sie ausser den sechs Augenmuskeln des Menschen noch den sogenannten retractor bulbi besitzen, wel- cher selbst nach Durchschneidung der vier reeti noch im Stande ist, das Auge gerade zu erhalten. Das einzige Thier, welches zu diesem Versuche geeignet ist, einmal, weil es sehr lebhafte Rollbewegungen des Auges während des Lebens vornimmt, sodann aber, weil es genau dieselben Muskeln besitzt, wie der Mensch, ist der Affe. Leider habe ich aber bis jetzt kein lebendes Exemplar zu diesem Versuche mir verschaffen kön- nen, so dass ich einstweilen die Frage über die Willkür der Bewegungen nach innen und oben noch unentschieden lassen muss. Ueber die Theorie der zusammengesetzten Farben. Von H. HeLmuourz. Die Lichtstrahlen verschiedener Wellenlänge und Farbe unter- ‚scheiden sich in ihrer physiologischen Wirkung dadurch we- sentlich von den Tönen verschiedener Schwingungsdauer und musikalischer Höhe, dass je zwei der ersteren, gleichzeitig auf dieselben Nervenfasern einwirkend, eine einfache Empfindung hervorbringen, aus welcher auch das geübteste Sinnesorgan nicht mehr die einzelnen zusammensetzenden Elemente erken- nen kann, während zwei Töne durch ihr Zusammenwirken zwar die eigenthümlichen Empfindungen der Harmonie und Disharmonie erzeugen, aber dabei doch stets vom Ohre einzeln empfunden und erkannt werden. Diese Vereinigung der Ein- drücke zweier verschiedener Farben zu einem einzigen neuen Farbeneindruck ist offenbar ein rein physiologisches Phänomen und hängt nur von der eigenthümlichen Reaetionsweise des Sehnerven ab. Objeetiv im rein-physikalischen Gebiete findet eine solche Vereinigung niemals statt, die Strahlen verschiede- ner Farben gehen vielmehr stets ohne allen gegenseitigen Ein- fluss nebeneinander her, und wo sie dem Auge auch vereinigt erscheinen sollten, sind sie durch physikalische Mittel doch stets von einander zu scheiden. Die Untersuchung des Zusammenwirkens der Farben hat auf die Lehre von den Grundfarben geführt, aus denen alle andere combinirt wären, oder wenigstens combinirt werden 462 könnten. Man hat diese Lehre aber von Anfang an nur auf eine einzige Art von Erfahrungen gegründet, nämlich auf die- jenigen, welche durch die Mischung der Farbstoffe gewonnen waren und von denen man stets annahm, dass sie dieselben Resultate geben müssten, wie die Zusammensetzung des ge- färbten Lichtes selbst, eine Annahme, deren Unrichtigkeit ich im Folgenden nachzuweisen beabsichtige. Schon Plinius spricht davon, dass die ältesten griechi- schen Maler mit vier Farbstoffen alles darzustellen gewusst hätten, während man in seiner Zeit deren vielmehr besässe und damit doch nicht so viel, wie Jene, leistete. Leonardo da Viueci, ebenso berühmt als wissenschaftlicher Bearbeiter der Malerei, wie als Künstler, kennt noch nicht die Lehre von den drei sogenannten Grundfarben, er nennt ausserSchwarz und Weiss, welche jedoch nicht im eigentlichen Sinne Farben wären, vier, nämlich Gelb, Grün, Blau und Roth. Die nach- her allgemein angenommenen drei Grundfarben, Roth, Gelb und Blau, finden sich, und zwar, wie es scheint, als eine da- mals allgemein anerkannte wissenschaftliche Thatsache, einem Versuch zur Classification der Farben und Farbstoffe von Waller zu Grunde gelegt in den Philosophieal Transactions des Jahres 1686, also noch vor Newtons Untersuchungen über die Zerlegung des weissen Lichts durch das Prisma, zu einer Zeit, wo man eben noch keine andere Methode, Farben zusammenzusetzen, kannte, als die Mischung der Farbstoffe, Auch in den späteren Versuchen, die natürlichen Farben nach ihrer Zusammensetzung aus den genannten drei Grundfarben zu classificeiren, von Castell, dem Astronomen Mayer, Lambert, Hay, Forbes *) wird überall die Mischung der Farbstoffe zu Grunde gelegt. Als Repräsentanten der Grund- *) P. Castell Farbenelavier. Mayer in Göttinger gel. Anzeigen. 1758. St. 147. J. H, Lambert Beschreibung einer Farbenpyramide. Berlin, 1772 (darin ist auch die ältere Literatur zusammengestellt). D. R. Hay Nomenclature of Colours. J. D. Forbes in Philosophical Magazine vol. XXXIV. p. 161. 463 farben, und zur Darstellung der zusammengesetzten Mischfar- ben gebraueht Mayer Zinnober, Königsgelb, Bergblau, Lam- bert Carmin, Gummi Gutti und Berliner Blau, welche schon reinere Mischungen geben, und Hay, dessen Geschicklichkeit in der Wahl und dem Gebrauche der Farben für diesen Zweck Forbes besonders rühmt, Carmin, Chromgelb und französi- sches Ultramarin. Einige Physiker versuchten es auch, den drei Grundfarhen eine objeetive Existenz anzuweisen. Es war zuerst Mayer, der die Ansicht aufstellte, den drei Grundfarben könnten wohl dreierlei verschiedene Arten Licht, ein rothes, ein gelbes und ein blaues entsprechen, deren jedes Strahlen von allen Abstu- fungen der Brechbarkeit lieferte. Es wäre demnach an jeder Stelle des Speetrums rothes, gelbes und blaues Licht gemischt, die sich aber nicht durch ihre Brechbarkeit unterschieden und sich deshalb durch das Prisma nicht trennen liessen. Am rothen Ende des Speetrums sollte das rothe Licht über- wiegen, am blauen das blaue, in der Mitte das gelbe. Dieselbe Ansicht wurde später von D. Brewster aufgestellt, und die- ser berühmte Physiker glaubte durch Absorption in gefärbten durchsichtigen Mitteln die Trennung der verschiedenen Arten des Lichts in allen Theilen des Spectrums wirklich bewerk- stelligen zu können.‘ Newton hatte nach seiner Entdeckung der Zusammen- setzung des weissen Lichtes aus farbigem, sieben Hauptfarben im Spectrum angenommen: Roth, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett. Er wählte diese Zahl wahrscheinlich wegen der Analogie, die er zwischen den Farben und den musikali- schen Intervallen der Durtonleiter suchte, und die er auch der bekannten Eintheilung seiner siebenfarbigen Scheibe zu Grunde legte. Wohl nur deshalb hat er Blau und Indigoblau unter- schieden. Dass er diese Unterscheidung gerade in den blauen Farbentönen vornahm, liegt wohl daran, dass die meisten Prismen die blaue Hälfte des Speetrums unverhältnissmässig ausdehnen, und Newton die Breite der Farbenstreifen un- mittelbar mit den musikalischen Intervallen vergleichen wollte. Uebrigens musste er sich mit sehr unvollkommenen Apparaten 464 behelfen, und konnte deshalb auch nur wenige Beobachtungen über die Resultate künstlicher Vereinigung von zwei oder meh- reren prismatischen Farben anstellen, welche im Ganzen mit den aus der Mischung von Farbstoffen entnommenen überein- zustimmen schienen. Auch er benutzt daneben die Resultate der Vermischung farbiger Pulver. Newton hat seine Spectra stets mit Sonnenlicht dargestellt und nicht die Methoden angewendet, welche nöthig sind, um ganz vollständige Trennung der verschiedenfarbigen Strahlen zu erhalten, deshalb auch nicht die Fraunhofer’sehen Linien im Sonnenlichte gesehen. Wollaston *) stellte zuerst ein so reines Spectrum dar, dass einige dieser Linien darin ‘gesehen werden konnten. Er blickte nach einer feinen Spalte, wel- che Tageslicht einfallen liess, durch ein sehr gutes Flintglas- prisma mit unbewaffnetem Auge hin, und sah, wie es un- ter diesen Umständen in der That der Fall ist, vier gut abge- grenzte Farbenstreifen im Speetrum: Roth, Gelbgrün, Blau und Violett. Es ist nämlich der Uebergang von röthlichem Orange durch Orange und Gelb in Gelbgrün, der von Grün in Blau, und von Blau in Violett im Flintglasspeetrum so schnell, dass er ohne Anwendung eines vergrössernden Fernrohres dem Auge fast verschwindet. Dabei begrenzen die Fraunhofer’schen . Linien @ und 4 das Violett auf beiden Seiten sehr scharf, der Uebergang von Grün in Blau wird durch die Linien b und F markirt, und der an sich schon sehr schmale Streifen des reinen Gelb ist im refleetirten Himmelslichte verhältniss- mässig lichtschwach, so dass es gegen das stärkere Roth und Grün zurücktritt, und diese beiden Farben unmittelbar anein- ander zu grenzen scheinen. Wollaston nimmt deshalb vier Grundfarben an: Roth, Grün, Blau, Violett. Thomas Young tritt Wollaston’s Beschreibung des Speetrums bei und verändert darnach seine Theorie des Far- bensehens, welche er zuerst auf die gewöhnlich angenommenen drei Grundfarben : Roth, Gelb und Blau gegründet hatte, in- dem er dafür jetzt Roth, Grüm und Violett setzt, wobei man *) Philos. Transact. 1802, P. II. p. 378. 465 voraussetzen muss, dass er gewusst habe, aus prismatischem Roth und Grün lasse sich Gelb, aus prismatischem Grün und Violett Blau mischen. Die erwähnte Theorie von Young ist wichtig, weil darin den drei Grundfarben eine bestimmte phy- siologische Bedeutung untergelegt wird. Er nimmt an, dass die an der Oberfläche der Retina‘ gelegenen Theilchen eigen- thümlicher Schwingungen fähig wären, und dass an jeder Stelle Theilchen von dreierlei verschiedener Schwingungsdauer sich nebeneinander vorfänden, entsprechend den Oseillations- geschwindigkeiten der drei Grundfarben, Violett, Grün und Röth, welehe in Verhältniss wie 7, 6 und 5 ständen. Wäre die Schwingungszahl eines Lichtstrahls 5, so würde er blos auf die rothempfindenden Nervenenden wirken, wäre sie 5Y,, so würde er gleichzeitig die roth- und die grünempfindenden anregen, und dadurch die gemischte Empfindung des Gelb her- vorbringen u. 8. w. Uebrigens habe ich ebensowenig wie Forbes, bei New- ton’s Nachfolgern bis in die neueste Zeit Versuche über die Mischung einzelner prismatischer Farben gefunden. Es scheint, dass man die Sache stets‘ durch die Mischversuche mit farbigen Pulvern als vollständig erledigt angesehen hat. Ja, man hat sich sogar durch abweichende Resultate, welche der Farben- kreisel gab, nicht darauf aufmerksam machen lassen, dass hier Schwierigkeiten verborgen liegen. Die Zurückführung der Farben auf drei Grundfarben hat bei den verschiedenen Beobachtern dreierlei verschiedenen Sinn: 1. entweder, dass die Grundfarben solche seien , aus denen alle möglichen anderen zusammengesetzt seien, oder sich min- destens zusammensetzen liessen ; 2. oder, wie bei Mayer und Brewster, dass die Grund- farben dreierlei objeetiven Arten des Lichtes entsprächen ; 3. oder, dass sie, wie bei Thomas Young, dreierlei verschiedenen Grundempfindungsarten der Schnervenfasern ent- sprächen, aus denen die übrigen Farbenempfindungen sich zu- sammensetzten. Auf die zweite Ansicht und die Gründe, wodurch Brewster Mlillers Archiv. 1852, 30 466 sie zu stützen versucht hat, werde ich an einem anderen Orte zurückkommen, und glaube, im Stande zu sein, diese Gründe zu widerlegen. Die beiden anderen Ansichten müssen aber jedenfalls an den prismatischen Farben, als den reinsten und gesättigsten, welche wir kennen, geprüft werden. Das soll die Aufgabe vorliegenden Aufsatzes sein. Das Mittel, dessen ich mich bedient habe, um sämmtliche Combinationen aus je zwei einfachen Spectralfarben herzustel- len, ist folgendes: Ich schneide in einen schwarzen Schirm zwei hinreichend schmale (‘/, Linie breite) Spalte ein, welche zusammen ein V bilden. Beide sind unten 45° gegen den Ho- rizont geneigt, stossen mit ihren unteren Enden zusammen und schliessen somit einen rechten Winkel zwischen sich ein. Nach diesen Spalten sieht man aus genügender Entfernung (12 Fuss) durch ein Fernrohr und Prisma hin. Das Prisma ist dieht vor dem Objectivglase des Fernrohrs in der Stellung der kleinsten Ablenkung befestigt, und die Kante seines brechenden Winu- kels steht vertieal. Es ist bekannt, dass man durch ein verti- cales Prisma, nach einem verticalen Spalte blickend, ein reeht- eckiges Spectrum sieht, in welchem die Farbenstreifen und die Frauenhofer'schen Linien vertical verlaufen. Sieht man durch ein verticales Prisma nach einem schiefen Spalte, so bekommt das Speetrum die Form eines schiefwinkeligen Pa- rallelogramms, mit zwei horizontalen und zwei dem schiefen Spalte parallelen Seiten. Die Farbenstreifen und Fraunhofer- schen Linien laufen natürlich hier auch dem Spalte parallel. Sehen wir nach unserem zusammengesetzten Winkelspalte, so deeken sich die Speetra seiner beiden Schenkel theilweise, und da in dem einen die Farbenstreifen von oben links nach unten rechts, im andern von oben rechts nach unten links verlaufen, so. durehschneiden sie sich gegenseitig unter rechten Winkeln. Jeder Farbenstreifen des einen schneidet in dem beiden Spec- tren gemeinsamen Felde jeden des andern, und wir bekom- men somit gleichzeitig sämmtliche Combinationen, welche aus je zwei einfachen Farben gebildet werden können. Da es darauf ankommt, die Spalte in ihrer ganzen Aus- dehnung gleichmässig zu erleuchten, kann man direetes Son- "467 nenlicht nicht, wohl anwenden, und muss sich mit refleetirtem Lichte des Himmels, oder mit dem einer gleichmässig von der Sonne beschienenen: weissen Fläche begnügen. Diese Erleuch: tungen reichen aber in der Regel auch vollkommen aus. Das von mir angewendete Flintglasprisma, dem Hrn. Pro- fessor Neumann zugehörig, liess bei Anwendung von Sonnen- licht und einem feinen Spalte eine sehr grosse Zahl der feine- ren Fraunhofer’schen Linien sehen. In dem Spectrum des’ eben beschriebenen, etwas breiteren Winkelspaltes waren wenigstens die stärkeren noch deutlich sichtbar , namentlich die von Fraunhofer durch die Buchstaben 4,2, D, E,b, F, @ und H bezeichneten. . Die Anwesenheit dieser Linien giebt zunächst die Bürgschaft dafür, ‚dass /in dem Speetrum jedes einzelnen Schenkels die verschiedenfarbigen Strahlen nielit über einander greifen konnten, dass ich es also mit wirklich reinen Farben- strahlen zu thun hatte, und zweitens erleichtern sie sehr: die Orientirung in dem gemischten Felde, durch welches man sie deutlich verlaufen sehen kann. Mein Fernrohr hat ein Faden- kreuz aus zwei sich rechtwinkelig kreuzenden Fäden, diese stellte ich den dunkelen Linien ‚der beiden sich deckenden Speetra parallel. Die Fäden bezeichnen dann nach dem oberen und unteren Rande des lichten Feldes zu, wo ungemischte Far- ben liegen, ‚unmittelbar die beiden reinen Farben, welche ‘an ihrem Kreuzungspuncte gemischt sind. Es ist nöthig, die relative Intensität der gemischten Farben ändern zu können. Das bewirkte ich, indem ich das Prisma aus seiner verticalen Stellung in eine mehr oder weniger schiefe brachte. Seine Fassung, mit der'’es an das vordere cylindri- sche Ende des Fernrohrs befestigt war, liess sich um dieses als Axe drehen, und es konnte so in jede: beliebige Stellung gegen den Horizont gebracht werden. Um zu erläutern, wie dadurch die Lichtintensität des Speetrums ‘geändert werde, beschränken wir unsere Betrachtung zunächst auf einen einzi- gen Spalt. Die Lichtintensität des Spectrums hängt von. der Menge Licht ab, die durch den Spalt auf das Prisma und Fernrohr fällt, und von dem scheinbaren Flächenraum des Speetrums, zu dessen Beleuchtung diese Lichtmenge verwendet 30 * 468 wird. Die Liehtmenge, welche überhaupt einfällt, ändert sieh nicht, wenn wir das Prisma um die Axe des Fernrohrs dre- hen, wohl aber der erleuchtete Flächenraum des Spectralbildes. Letzterer hat, wie schon oben bemerkt ist, die Gestalt eines Parallelogramms. Zwei seiner Seiten sind der Spalte parallel und stets eben so lang, wie die Spalte selbst im Fernrohr er- scheint. Die beiden anderen Seiten stehen senkrecht auf der Kante des brechenden Winkels, und ihre Länge hängt nur von der zerstreuenden Kraft des Prisma ab. Das Spectrum bildet also ein Parallelogramm, dessen Seiten constant sind, dessen Winkel aber durch Drehung des Prisma um die Axe des Fernrohrs geändert werden können. Bekannte Sätze der elementaren Geometrie lehren, dass der Flächeninhalt eines solchen Parallelogramms am grössten ist, wenn es rechte Win- kel hat, und desto kleiner wird, je schiefer die Winkel wer- den. Da nun eine gleiche Menge Licht eine kleinere Fläche heller erleuchtet, als eine grössere, so muss die scheinbare Helligkeit des Spectralbildes am kleinsten sein, wenn es ein Rechteck ist, d. h. wenn die brechende Kante der Spalte pa- rallel ist, und desto heller werden, je grösser der Winkel zwi- schen beiden wird. Die beiden Schenkel unsers Winkelspaltes geben, durch ein verticales Prisma gesehen, zwei gleich helle Spectren, weil die Richtung der brechenden Kante mit beiden den gleichen Winkel von 45° macht, drehen wir aber das Prisma um die Axe des Fernrohrs, so wird der eine Winkel grösser, der andere kleiner, und es variiren dabei die beiden Speetren in jedem beliebigen relativen Verhältniss ihrer Helligkeit. Je heller man auf diese Weise ein Spectrum macht, desto näher rücken seine Farbenstreifen zusammen, um daher die Reinheit der Farben nicht zu sehr zu beeinträchtigen, ist es rathsam, stärkere Unterschiede der Helligkeit nicht auf die bisher beschriebene Weise hervorzubringen, sondern durch an- dere Mittel. Sehr leicht geschieht dies, indem man dünnere oder diekere, geölte oder nicht geölte Papierblättchen hinter die eine Spalte setzt. Diese lassen nur einen kleinen Theil 469 des auffallenden Lichtes durchscheinen ,; während ‚durch die andere Spalte das ungeschwächte Himmelslicht einfällt. Hat ınan sich in der beschriebenen Weise ein Feld herge- stellt, welches mit den Mischfarben je zweier reiner Spectral- farben bedeckt ist, so wird man sich bald überzeugen, dass man die Färbung namentlich der weisslicheren Stellen dieses Feldes zu beurtheilen unfähig ist, ‚so lange man gleichzeitig gesättigte Farben: daneben hat. Es ist also durchaus nöthig, die Stellen, über deren Farbe man urtheilen will, getrennt von den übrigen zu betrachten. Wenn man mit dem Fernrohr beobachtet, ist das Mittel dazu sehr einfach, Man stelle das Fadenkreuz auf die fragliche Stelle ein und entferne sich mit dem Auge ein bis zwei Fuss vom ÖOeculare. Aus dieser Entfernung sieht man nur eine sehr kleine Stelle des farbigen Bildes durch das Ocular hindurch, deren Farbe man unbehindert durch die Gegensätze blenden- derer Farben beurtheilen kann. Die Fäden des Fadenkreuzes und ihre Kreuzungsstelle findet man, wenn man fernsichtig genug ist, auch bei dieser Entfernung des Auges leicht wie- der, wenn nicht, doch mit Hülfe eines schwachen Concavgla- ses, welches der Accommodation des Auges passend nachhilft. Um die beobachtete Farbeneombination schnell wiederfinden und einem Anderen zeigen zu können, bringe ich in dieser Entfernung vom Oculare ‘des Fernrohrs einen verstellbaren dunkelen Schirm mit einer kleinen runden Oeffnung an, durch welches das Auge nach dem Oculare des Fernrohrs hinzuse- hen hat. Will man statt der zusammengesetzten Farbe wieder die beiden eonstituirenden einfachen schen, so lässt man von einem Anderen erst die eine, dann die andere Spalte be- decken, 80 dass immer nur eine der beiden gemischten Farben stehen bleibt, oder man schaltet zwischen das Auge und die Oeflnung im Schirm, ‘wodurch es nach dem Oculare hinsieht, ein zweites kleines Prisma ein, welches statt des einen hellen Fleckes im Oculare zwei mit getrennten Farben erscheinen lässt, Zur sicheren Bestimmung sehr weisslicher Mischfarben ist es vortheilhaft, ein weisses, weiss erleuchtetes Papierblatt rings um die Oefinung des Oculars anzubringen, und. mit 470 dessen ‘Farbe die beobachtete Farbe zu vergleichen. "Auch habe ich bemerkt, dass dass Auge bei längerer Betrachtung sehr weisslicher Mischfarben für feine Farbenunterschiede un- empfindlich wird, und es rathsam ist, es zuweilen eine Zeit lang ausruhen, oder auf den Gegenständen der Umgebung herumschweifen zu lassen. Bei erneuerter Beobachtung (der Mischfarbe’ sieht‘ man dann oft eine farbige Beimischung des scheinbaren Weiss deutlich, die man vorher nicht mehr erken- nen konnte, und die bei längerer Betrachtung auch wieder verschwindet. Auf diese Weise ist es möglich, sämmtliche Combinationen zweier prismatischen einfachen Strahlen in allen Abstufungen ihrer relativen Stärke herzustellen und ungestört von andern Farbeneindrücken zu betrachten. Meine Beobachtungen; deren Hauptpuncte ich mir von mehreren anderen, in Beurtheilung der Farben geübten Personen bestätigen liess, um nicht dureh etwa vorhandene: subjective Fehler meiner Augen getäuscht zu werden, haben folgende von den bisherigen Ansichten zum Theil auffallend abweichende Resultate gegeben. 1. Roth giebt mitOrange ein röthlicheres Orange, mitGelb Orange; die gemischten Farben unterscheiden sich nicht merk- lich von den Abstufungen des Orange, die in dem. einfachen Spectrum vorkommen. Mit Grün giebt es ein Gelb, welches, weniger gesättigt, fahler ist, als das einfache Gelb, und bei vorwaltendem Roth durch Orange in Roth, bei vorwaltendem Grün durch Gelbgrün in Grün übergeht. , Mit den grünblauen Tönen des Speetrums entsteht eine fleischfarbene, mit den him- melblauen eine rosarothe Farbe, welche bei überwiegendem Blau in weissliches Violett, mit überwiegendem Roth in Car- minroth übergeht. Vereinigt man endlich das Roth mit weiter nach dem Ende des Speetrums hin gelegenen indigoblauen oder violetten Strahlen, so bekommt man ein immer dunkleres und gesättigteres Purpurroth. 2. Orange mit Gelb giebt ein gelblicheres Orange, mit Grün ein fahles Gelb, mit Blau fleischfarbene Töne, die bei Indigo und Violett in Carminroth übergehen. 3. Gelb mit Grün giebt ein grünliches Gelb, ähnlich den 471 dazwischen gelegenen Farbentönen des Spectrums. Mit Him- melblau giebt es ein schwach grünliches Weiss , mit In- digoblau reines Weiss, mit Violett ein schwach fleisch- farbenes Weiss, was bei überwiegenderem Violett in weiss- liches Violett, bei überwiegenderem: Gelb in weissliches Gelb übergeht. 4. Grün giebt mit Blau Grünblau, mit Indigo ein Hell- blau, welches aber viel matter und weisslicher ist, als das des Speetrums, ebenso init Violett Hellblau, 5. Blau mit Indigo giebt die zwischenliegenden Töne, mit Violett ein Dunkelblau, was aber weniger gesättigt ist, als das Indigo des Speetrums. 6. Indigo mit Violett die zwischenliegenden Töne. Die auffallendste und von den bisherigen Ansichten abwei- ehendste Thatsache ist die, dass unter den Farben des Spee- trums nur zwei vorkommen, welche zusammen reines Weiss geben, also Complementärfarben sind, und dass dies Gelb und Indigoblau sind, zwei Farben, aus deren Verbindung man bis- her fast immer Grün entspringen liess. Das Gelb, was man zu dieser Mischung gebraucht, ist ein sehr schmaler Strich im Speetrum, zwischen den Linien D und E gelegen, und etwa dreimal so weit von E, als von D entfernt, ein Gelb, welches weder in das Orange, noch in das Grünliche zieht und unter den Pigmenten am. besten ‚durch das chromsaure Bleioxyd (Chromgelb) wiedergegeben wird. Das dazu gehörige Blau hat eine grössere Breite und umfasst die Abstufungen dieser Farbe, welche Newton und Fraunhofer als Indigo bezeichnen, etwa von derMitte zwischen den Linien F und @ bis gegen @hin, Unter den Farbstoflen giebt dunkles Ultramarin diese Farbe aber besser wieder, als das mehr violette Indigo. Hat man die Mischungsfarben durch zwei gleich helle Spectra. eines Elintglasprismä hervorgebracht und zur Erleuchtung das Licht der Wolken gebraucht, so ist esıgerade die Mitte zwischen den Linien F und @, welche für das Weiss die richtige Licht- intensität hat. ‘Nach dem Violett und der Linie @ zu wird das Blau immer lichtschwächer , und hier muss es daher rela- tiv zum Gelb verstärkt ‘werden, ‘um Weiss zu geben, Aus 472 diesem Grunde fällt z. B. im Spectrum eines weisslich blauen Himmels das Weiss nahe der Linie @. Auch das hellere Blau des Spectrums mehr nach der Linie F hin giebt mit reinem Gelb, und das Violett mit einem etwas in das Grünliche zie- henden Gelb bei passender Abgleichung ihrer relativen Inten- sitäten Farbentöne, welche dem Weiss sehr ähnlich werden, aber doch immer einen Anflug von Färbung behalten. Sie zie- hen meist in das Fleischfarbene, Bläuliche und Grünliehe hin- über, zuweilen ist es auch schwer, der Färbung einen bestimm- ten Namen zu geben, aber niemals ist es mir gelungen, aus diesen Farben ein klares, reines Weiss zu erhalten. Wenn die Untersuchung mit vollkommeneren Instrumenten ausgeführt würde, als es die meinigen waren, welche dem Felde der zusammengesetzten Farben eine grössere Flächenausdehnung zu geben erlaubten, würden sich die Grenzen der weissgeben- den Strahlen wahrscheinlich genauer angeben lassen, weil die Vergleichung der Farbentöne grösserer Flächen viel leichter und schärfer auszuführen ist. Durch die weissgebenden Strahlen wird die ganze Breite des Speetrum in drei Abtheilungen getheilt. Deren erste, die rothe, entspricht, wenn man die Verhältnisse der Lichtschwin- gungen mit denen der Schallwellen vergleicht, etwa dem In- tervalle einer kleinen Terz, die mittlere grüne einer grossen Terz, und die dritte violette ist etwas kleiner als eine kleine Terz. Farben der ersten und zweiten verbinden sich zu gelben Tönen mit Uebergängen in Roth, Fleischfarben, Weiss und Grün, solche der zweiten und dritten zu blauen mit Ueber- gängen in Grün, Weiss und Violett, solche der ersten und dritten zu purpurrothen mit Uebergängen in Fleischfarben, Rosa und Violett. Was die Zusammensetzungen von drei einfachen Farben betrifft, so dürfen wir wohl voraussetzen, dass Weiss nur dann entstehen kann, wenn Strahlen aus den drei verschiede- nen Abtheilungen des Spectrum passend vereinigt werden. Es lässt sich wenigstens nicht annehmen, obgleich man natürlich durch das Experiment nicht alle möglichen Combinationen erschöpfen kann, dass z. B. die gelben oder gelblichen Far- 4753 ben, welehe aus solchen der rothen und grünen Abthei- lung entstehen, durch weiteren Zusatz von einer oder meh- reren Farben, welche diese Abtheilungen enthalten, Roth, Gelb oder Grün, in Weiss übergehen sollten. Eben so ist es mit den Mischungen der grünen und violetten, so wie mit denen der rothen und violetten Abtheilung. Dagegen gelingt es, Weiss aus ziemlich mannigfaltigen Combinationen solcher drei Farben zu bilden, welche aus allen drei Abthei- lungen gleichzeitig entnommen sind. Ich habe dazu einen schwarzen Schirm mit drei Spalten gebraucht. Zwei waren parallel unter 45° gegen den Horizont geneigt, und standen in solcher Entfernung von einander, dass durch das Prisma aus der gewöhnlichen Entfernung gesehen, das Violett des einen auf das Roth des andern fiel. Den Spalt, welcher das Violett giebt, muss man etwa doppelt so breit machen, als den an- dern, weil sonst das Violett zu lichtschwach gegen das Roth wird. Ein dritter Spalt, der das Grün zur Mischung geben sollte, wurde rechtwinkelig gegen die beiden ersteren zwischen ihnen eingeschnitten, so dass die drei Spalten zusammen einem liegenden Z ähnlich wurden. DasSpectrum des dritten schnei- det rechtwinkelig durch den Purpurstreif, den die beiden an- dern geben, und erzeugt eine Reihe von Mischfarben , aus de- nen man leicht die weisseste Stelle aussuchen kann. Durch Drehung des Prisma um die Axe des Fernrohrs lässt sich das Verhältnisss der gemischten Farben dann so abgleichen , dass man reines Weiss bekommt. So erhält man Weiss aus Roth, Grün und Violett, welche man zu drei Paaren von Comple- mentärfarben verbinden kann, nämlich einfaches Roth und zusammengesetztes mattes Blaugrün, 5% Grün ,, R Purpurroth, I, Violett A mattes Gelb. Auffallend ist hierbei, dass die Complementärfarben des einfachen Roth und Violett sich von gewissen Farbentönen des Speetrum nur durch ihr minder gesättigtes Aussehn unterschei- den, und dennoch die ersteren mit einfachem Roth und Violett Weiss geben , letztere nicht. Newton’s wenige Beobachtungen über die Zusammen- 474 setzung je zweier prismafischer Farbeiı stimmen mit ‚meinen! Angaben überein. Er giebt an, die primitiven Farben könn- ten durch Vereinigung der beiderseitigen Nachbarfarben wie- dergegeben werden*), so z.B. Orange durch Roth und ‚Gelb, Gelb durch Orange und Grüngelb, Grün durch Grüngelb und Meergrün, oder auch, aber weniger gut, durch Gelb und Blau (eyameum), Blau durch Meergrün und Indigoblau. Ausserdem hat er Purpurroth aus Roth und Violett dargestellt. Weiss hat er nur durch je drei Farben, Roth, Violett und Grün er- halten, und damit es gut gelinge räth er sogar, Spectra mit unvollkommen getrennten Farben anzuwenden. Dabei mischen sich dann noch mehr 'als drei Einzelfarben. Dagegen wird man bemerkt haben, dass meine Angaben über das Zusammenwirken der prismatischen Farben erheblich von denen abweichen, welche man aus der Mischung von Farb- stoffen gewonnen hatte. Namentlich, dass Gelb und Blau nicht Grün, sondern höchstens ein schwach grünliches Weiss geben sollten, widerspricht der tausendjährigen Erfahrung aller Maler auf das entschiedenste. Der Grund des Widerspruchs wird aber durch eine kurze Ueberlegung, wie Farbstoffe auf das Licht wir- ken, klar werden. Farbstoffe, wie alle gefärbte Körper, welche wir in grösseren Stücken von regelmässigem Gefüge besitzen, z. B. der krystallinische Zinnober, das krystallisirte chrom- saure Bleioxyd, das Kobaltglas, aus welchem die Smaltefar- ben gemacht werden , sind durchsichtig oder wenigstens durch- scheinend. Fällt Lieht auf sie, so wird von ihrer äusseren Oberfläche zunächst ein Theil desselben als weisses Licht reflectirt, ein anderer geht in das Innere, wird hier durch un- gleichmässige Absorption der ihn zusammensetzenden einfachen Strahlen farbig, wird an der hinteren Begrenzungsfläche des Körpers refleetirt, und kehrt nach vorn zum Auge des Beob- achters zurück, der eben wegen der Farbe dieses vorgedrun- genen und im Körper selbst reflectirten Lichts diesen gefärbt sieht. Zerpulvern wir dagegen einen Farbstoff, so sieht der *) Leetiones optieae. P. II. S. I. Prop. IV. und Optice Lib. I. P. II, Prop. TV, 475 Beobachter von dem»aüuffallenden Lichte nicht blos das in sein Auge zurückkehren , was an der vorderen und hinteren Ober- fläche der obersten; Lage von Pulvertheilchen, sondern auch, was von der zweiten, dritten u. s. w.. reflectirt ist.!; Eine ein- zelne ebene Glastafel reflectirt‘ von senkrecht 'einfallendem Licht nur '/,,;, zwei solche '/,,, sehr viele: fast'alles.. Wir kön- nen daraus schliessen, dass:von: dem Licht, welches auf feines weisses Glaspulver fällt, nur der kleinste Theil von den zu oberst liegenden Theilchen, ein bei weitem grösserer, von den _ tieferen refleetirt wird. Ebenso wird es'sich bei gefärbten Pul- vern verhalten müssen, wenigstens mit denjenigen Arteı der einfachen Strahlen, deren: Farbe: sie tragen, ‚und. welche sie ohne Absorption hindurchzulassen pflegen; das meiste Licht dieser Art wird aus den tieferen Schichten kommen und durch eine grössere Anzahl von Pulvertheilchen hindurchgegangen sein. Wie wird es sich‘ nun verhalten, wenn. wir Pulver von verschiedener Farbe mischen, z.B. gelbes und blaues? Die oberflächlich gelegenen blauen Theilchen werden blaues, die oberflächlichen gelben ‘gelbes Licht geben ‚beides zusammen wird sich zu Weiss oder grünlichem Weiss vereinigen. Ganz anders ist es aber mit dem Lichte, welches aus der Tiefe zu- rückkehrt. Dies muss abwechselnd dureh‘ gelbe und durch blaue Theilehen hindurchdringen ‚es wird ‚also 'aus.der Tiefe nur solches Licht zurückkehren, welches sowohl von‘ den blauen als auch von den ‚gelben: durchgelassen wird, Blaue Körper pflegen grünes, blaues und violettes Lieht'in merklicher Menge durchzulassen, gelbe dagegen rothes, gelbes und grü- nes. Durch beide zugleich. geht ‚also nur grünes, und es kann aus der Tiefe des gemischten Pulvers nur grünes Licht zurück- kehren. Da nun die von den oberflächlichen Theilen des Pul- vers refleetirte Lichtmenge nach dem. vorher Gesagten viel kleiner zu sein pflegt, als die aus der Tiefe zurückkehrende, so wird das Grün der letzteren bei weitem überwiegen und die Farbe der Mischung bestimmen. Wenn wir also zu einem blauen Pulver gelbes hinzumischen, wird die Farbe der Mischung «weniger dadurch verändert, dass zu den Parbestrahlen des blauen 'Pulvers sich noch solche des 476 gelben hinzu addiren, als vielmehr dadurch, dass von jenen Farbestrahlen noch der violette und blaue Theil verloren geht, und nur das Grüne übrig bleibt. Daher pflegen Mischungen zweier Farbestoffe von etwa gleicher Helligkeit auch dunkler zu sein, als ihre Constituenten, namentlich dann, wenn letz- tere solche Farben darbieten, welche in der prismatischen Reihe weit aus einander liegen, und deshalb wenig gemein- same Farbenstrahlen enthalten. So giebt Zinnober und Ultra- marin statt des Rosa, welches der Zusammensetzung ihres Lichts entspricht, ein etwas in das Violette ziehendes Schwarz- grau. Die vorstehende Theorie der Farben gemischter Farbstoffe ist’einfach abgeleitet aus allgemein anerkannten physikalischen Vorstellungen, erklärt die Erscheinungen, so weit ich sehen kann, vollständig und weiset nach, dass Mischung der Farb- stoffe und Zusammensetzung der Farben zwei durchaus ver- schiedene Vorgänge sind, und dass die durch die erstere ge- wonnenen Erfahrungen durchaus keinen Schluss auf die letz- tere gestatten. Nur wenn wir es mit zwei im Speetrum wenig von einander abstehenden Farben zu thun haben, giebt die Zusammensetzung des farbigen Lichts fast dieselben Resultate, wie die Mischung der Pigmente, weil dann die zusamengesetzte Farbe den zwischenliegenden Farbentönen des Speetrums ähn- lich ist. Es giebt aber zwei andere Methoden das von Pigmentfar- ben kommende Licht zusammenzusetzen, bei denen man Re- sultate erhält, welche ganz den bei der Zusammensetzung ähn- licher prismatischer Farben erhaltenen entsprechen. Die erste dieser Methoden ist die Vereinigung der Farben auf dem Far- benkreisel. Man hat längst bemerkt, dass sie andere Resultate giebt, als die Mischung der Pigmente. Ich wiederholte die Versuche mit Gelb und Blau. Für ersteres wendete ich ent- weder Gummi Gutti oder Chromgelb an, für letzteres Berg- blau oder Ultramarin. Bei schneller Umdrehung erhält man ein reines Grau. Sehr frappant stellt sich der Unterschied beider Methoden heraus, wenn man die Mitte der Scheibe mit der Mischung beider Pigmente anstreicht, am Rande dagegen 477 Sectoren mit den reinen Pigmenten. Dann sieht man beim schnellen Umdrehen der Scheiben in der Mitte Grün, am Rande Grau. Jenes ist viel dunkler als letzteres, wie es nach der oben gegebenen Theorie erwartet werden musste. Die andere Methode habe ich noch nicht beschrieben gefun- den, kann sie aber als sehr bequem empfehlen. Sie ist zugleich von dem Uebelstande frei, dass die Mischfarben das graue Ansehn wie auf den: Farbenscheiben bekommen; man kann durch sie vielmehr wirklich Weiss aus complementär gefärbten Pigmenten‘ erzeugen. ‘Man stelle eine Glasplatte mit planen und parallelen Flächen senkrecht auf einer Tischplatte auf, und lege vor ihr eine gefärbte Oblate hin. Diese sieht man in der Glasplatte gespiegelt, und der scheinbare Ort ihres Spie- gelbildes ist jenseits der Platte und ebenfalls auf der Ober- fläche des Tisches. Man kann nun genau an dieselbe Stelle, wo sich scheinbar die gespiegelte Oblate befindet, eine andere eben so grosse aber anders gefärbte hinlegen, welche der Be- obachter durch das spiegelnde Glas hindurch sieht. Sein Auge wird dann von zweierlei Strahlen getroffen, welche beide von ganz demselben Körper auszugehen scheinen, die einen dem durchgegangenen, die anderen dem gespiegelten Lichteangehörig. Es erscheint ihm deshalb eine Oblate, derenFarbe aus denen der beiden wirklich vorhandenen Oblaten zusammengesetzt ist. Um den Versuch bequem anzustellen, braucht man nur ein ganz kleines, möglichst dünnes planparalleles Glasplättchen anzuwenden, welches man etwa in der Entfernung des deut- lichen Sehens über der Tischplatte und senkrecht gegen diese befestigt. Man sieht von oben schief dureh das Plättchen nach der Tischplatte hin, und legt sich die Oblaten an passende Stellen, um die Vereinigung ihrer Farben hervorzubringen. Je näher man beide der imaginären Durchschnittslinie der Ebene des Tisches und der Glastafel schiebt, desto schiefer fallen die Strahlen auf die Platte, desto weniger gehen durch, desto mehr werden refleetirt, so dass dann die Farbe des reflectirten Lichts die überwiegende wird. Umgekehrt über- wiegt die Farbe des durchgehenden Lichts, wenn ınan die Oblaten von jener Durchsehnittslinie entfernt, und man kann 478 auf diese Weise sämmtliche Abstufungen der relativen Stärke in der Zusammensetzung hervorbringen. Man giebt bei diesem Versuche entweder beiden Oblaten einen schwarzen Grund, oder wenn man weissliche Farbenverbindungen hervorbringen und mit reinem Weiss vergleichen will, der einen, am besten der helleren von beiden, einen weissen, der anderen einen schwarzen Grund. Bei der Beobachtung durch das Glasplätt- chen erscheint dann die Oblate in der zusammengesetzten Farbe auf weissem Grunde. Es versteht sich, dass man so die Far- ben von allen beliebigen gefärbten Flächen, auch von gefärb- ten Gläsern zusammensetzen kann. So zusammengesetzte Farben zeichnen sich durch Helligkeit und Klarheit sehr vor den durch Mischung der Farbstoffe er- haltenen aus, und stimmen auch nicht immer der Art nach mit diesen überein, sondern geben: vielmehr dieselben Resul- tate, welche wir aus der Vereinigung prismatischer Farben gewonnen hatten. Namentlich geben Blau und Gelb nicht Grün , sondern Weiss. Als Repräsentanten des Gelb brauchte ich Papierscheibehen, welche ich mit hellem Chromgelb oder Gummi Gutti getuscht hatte. Unter den blauen Farbstoffen gab, ebenfalls auf solche Scheibehen aufgetragen, ein schön himmelblaues Kobaltblau mit den beiden Arten des Gelb rei- nes Weiss, künstliches Ultramarin röthliches Weiss, und hel- les Berliner Blau ein schwach grünliches Weiss. Zinnoberroth mit Blau combinirt giebt Rosa, dasselbe Roth mit Grün giebt Gelb u.s.w. Kurz es weisen diese Versuche nach, dass nicht blos die einfachen Farbenstrahlen des Speetrums andere Ge- setze des Zusammenwirkens haben, als man bisher allgemein angenommen hatte, sondern dass ganz ähnliche Gesetze auch für die zusammengesetzten Farben der Pigmente gelten, und es scheint mir nicht zweifelhaft zu sein, dass diese neuen Ge- setze an die Stelle der älteren, auf die Mischung der Farbstoffe gegründeten zu setzen seien, Man wird dabei am besten von der Vereinigung einfacher Farben des Sonnenspeetrums ausgehen, weil diese den reinsten und vollkommensten, schon bei geringer Lichtintensität fast blendenden Eindruck von Farbe machen, gegen den alle Pig- 479 mentfarben matt und grau aussehen. Schon Newton hat als Regel aufgestellt, dass eine jede einfache Farbe durch eine Vereinigung ihrer beiden nächsten Nachbarfarben wiedergege- ben werden könne. Meine eigenen Untersuchungen bestätigen dies‘, ich muss aber zugleich hinzufügen, dass der Abstand der eombinirten Farben nicht sehr gross sein darf, wenn die zu- sammengesetzte den zwischenliegenden Abstufungen des Spec- trams ähnlich sehen soll. Namentlich ist dies im mittleren Theile des Speetrums' der Fall. Roth ‚und Gelb giebt ein Orange, dessen Ansehen dem des einfachen Orange vollstän- dig gleich erscheint, ‘und ebenso’ können die aus Blau und Violett zusammengesetzten Arten des Indigoblau wohl kaum vom einfachen: Indigoblau unterschieden werden. Dagegen giebt schon Gelbgrün und Blaugrün ein Grün, dessen Farben- ton dem des prismatischen mittleren Grün zwar entspricht, welches aber entschieden weisslicher und matter ist, so dass das einfache Grün nur aus solchen Farben gemischt werden kann, die sieh fast gar nieht im Ansehn von ihm unterschei- den, Gelb und Blau erscheinen in dieser Beziehung weniger empfindlich, als Grün. Ersteres setzt sich noch ziemlich gut aus Orange und Gelbgrün zusammen, wird aber sehr fahl aus Roth und Grün, letzteres wiederum lässt sich gut aus Blau- grün und Indigo zusammensetzen, ‘wird aber sehr matt aus Grün und Violett. Was die Endfarben des Speetrams, Roth und Violett, betrifft, so lässt sie Newton in seinem Farben- kreise sich aneinanderschliessen, und unterwirft sie dann auch der besprochenen Regel der Vereinigung von benachbarten Farben. In der That kann man aus Indigoblau und sehr we- nig Rotlı eine Art Violett erzeugen, welches aber immer mehr in Weiss oder Rosa zieht, als das einfache Violett. Viel un- vollkommener noch erscheint meinem Auge die Nachahmung des Roth durch Orange und Violett; ihre Combination geht immer in die carminrothen Töne oder in Weiss hinüber, und es ist mir nicht gelungen, eine erträgliche Nachahmung des reinen Roth zu erhalten. Stellten wir uns also die Aufgabe, sämmtliche Farbentöne des Spectrums durch Zusammensetzung möglichst weniger ein- 480 facher Farben nachzuahmen, so brauchen wir dazu min- destens fünf der letzteren, nämlich: Roth, Gelb, Grün, Blau, Violett. Indessen muss ich es noch dahingestellt sein lassen, ob diese ganz vollständig genügen und ob nicht bei vortheilhafteren Apparaten, wo es möglich wäre, grössere Felder nebeneinander mit den entsprechenden zusammengesetz- ten und einfachen Farben zu erleuchten, ein geübtes Auge Unterschiede erkennen würde, welche in meinem Apparate nieht mehr erkennbar waren. Wollte man sich aber auf drei Farben beschränken, so würde man dazu am besten die drei einfachen Farben wählen, welche sich am wenigsten gut nach- ahmen lassen, nämlich Roth, Grün und Violett, dann aber ein Gelb und Blau erhalten, welches den Farben unserer Pig- mente gegenüber allerdings noch gesättigt erschiene, mit dem Gelb und Blau des Speetrums aber nicht verglichen werden könnte. Es sind dies die drei Grundfarben, welche Thomas Young als solche vorgeschlagen hat. Weniger gut würde Roth, Grün und Blau passen; das gemischte Violett würde bei dieser Auswahl schlechter werden, als das gemischte Blau bei der ersteren. Die gewöhnlich gewählten drei Grundfarben Roth, Gelb und Blau sind aber durchaus unzureichend , weil man aus ihnen nimmermehr Grün erzeugen kaun. Wir werden demnach auch die Lehre von den drei Grund- farben, als den drei Grundqualitäten der Empfindung, wie sie Thomas Young aufgestellt hat, fallen lassen müssen. Entstände die Empfindung des Gelb durch die gelben Strahlen des Spectrums nur deshalb, weil dadurch gleichzeitig die Empfindung des Roth und Grün angeregt würde, und beide zusammenwirkend Gelb gäben, so müsste genau dieselbe Empfindung auch durch eine gleichzeitige Einwirkung der rothen und grünen Strahlen erregt werden können; indessen wird durch die letzteren niemals ein so glänzendes und lebhaf- tes Gelb erzeugt, wie es die gelben Strahlen geben. Ebenso ist ’es mit dem Blau, welches aus Grün und Violett, oder dem Violett, welches aus Blau und Roth zu mischen wäre. Um in diesem Sinne die Lehre von den Grundfarben festzuhalten, müsste man mindestens fünf solche hinstellen. Dagegen würden 481 drei Grundfarben wohl genügen, um in dem Sinne von Lam- bert und Forbes die matten und verhältnissmässig unreinen Farben der Naturkörper wiederzugeben und zu classifieiren. Nur würde es für eine sichere, wissenschaftliche Classification doch nöthig werden, eine andere Methode für die Zusammen- setzung der Farben zu gebrauchen, als die Mischung der Pigmente. Bei der Vereinigung von je zwei einfachen Farben treten uns zwei neue Farbeneindrücke entgegen, nämlich Weiss und und Purpurroth, mit ihren Uebergangsstufen in die vorher ge- nannten einfachen Farben. Das Purpurroth gehört zu den ge- sättigten Farben, welches nicht anders als aus dem äussersten Roth und Violett dargestellt werden kann, ohne an seinem Glanze zu verlieren. Das Weiss dagegen kann auf unendlich verschiedene Weise dargestellt werden, ohne dass das Auge ein Weiss von dem andern zu unterscheiden vermöchte. Wir erhalten es z. B. aus einfachem Gelb und Blau, aus einfachem Roth, Grün und Violett, oder aus diesen fünf einfachen Far- ben zusammengenommen; und ausserdem aus den mannichfal- tigsten eomplieirteren Combinationen. Es wird deshalb als indifferentes Lieht den Gegensätzen der Farben gegenüberge- stellt. Die übrigen Combinationen je zweier einfacher Farben erscheinen dem Auge als Uebergänge der einfachen Farben und des Purpur in Weiss, aber sie verhalten sich doch in weiteren Zusammensetzungen, wie oben angeführt ist, wesent- lich anders als es die Spectralfarben durch hinzugefügtes weis- ses Licht abgeschwächt thun würden. Zum Schluss gebe ich folgende kleine Tabelle zur Ueber- sicht über die Combinationen je zweier Farben, bei welcher ich die fünf Farben zu Grunde lege, durch deren Vereinigung die Farben des Speetrum genügend gut wiedergegeben werden können. In der ersten Horizontal- und ersten Verticalreihe stehen die einfachen Farben, welche vereinigt worden sind; die daraus zusammengesetzten Farben finden sich, wo sich die betreffende Horizontal- und Verticalreihe schneiden. Müllers Archiv. 1852 ehren um. |) > E ra (eb) & rs Roth | Purpur | Rosa |Mattgelb | Orange Roth Gelb Rosa Weiss |Gelbgrün] Gelb | Grün |Blassblau | Blaugrün| Grün Blau |Indigblau| Blau Violett | Violett Beitrag zur Anatomie und Physiologie des Auges der Krebse und Fliegen. Von Dr. GortscHe in Altona. (Hierzu Taf. XI. Fig. 3—5). (Briefliche Mittheilung an den Herausgeber). Meine Untersuchungen über Krebs -Augen habe ich emsig fortgesetzt und bin dabei zu Resultaten gekommen, die von der gewöhnlichen ‚Ansicht etwas abweichen; weshalb ich so frei bin , Ihnen in nuce meine Ergebnisse mitzutheilen. Dies Schema ist aus meinen sehr sorgfältig, durch das Prisma bei ”°/, gezeichneten Bildern zusammengestellt, und diese Zeich- nungen lassen sich jeden Augenblick controlliren durch die Präparate, welche ich in Glycerin bewahre, so dass über die Richtigkeit des Bildes kein Zweifel zu erheben ist. Die Cornea zeigt bei den teckigen wie bei den Geckigen Facetten häufig einen Eindruck in der Mitte und bei durch- scheinendem Licht dort einen helleren Punkt, Astacus fluv. et marin.; Galathea strigosa, Dorippe lanata et sima, Squilla mantis, Orangon vulgaris; bei gekochten wie bei Exempla- ren in Spiritus sieht man sehr häufig durch alle Facetten Striche nach der Diagonale gehen, welche bei den 6ecki- gen Facetten auch die Seiten halbiren. Der Crystallkörper der Autoren würde a,b,c meiner Figur sein; dieser Theil wird oben flach gefunden, meistens aber mit einer mehr oder minder spitzen Warze versehen, a, welche sich an die Cornea | b. Astacus fluviat. anheftet, so dass diese Warze häufig ? c aussicht, wo L- I die unter der Cornea sitzende Haut fetzig 31° 484 ausgerissen darstellt. Diese eiweissartige Hülle ee bis /, wel- che die Verbindung des Crystallkörpers mit der Cornea vermit- telt, und welche in g Fortsätze zwischen die Crystallkörper hinunterschickt, ist das Netz, welches sich aus Crangon so leieht als Gitter darstellen lässt. Wie in Crangon, so in Gala- thea habe ich nach Abnahme der Cornea die Crystallkörper flach mit rundlichem Eindruck gesehen; die Kanten dieser Hülle sind etwas solider. Wenn nun die flache unter der Cornea sich anlegende Fläche dieser Hülle nicht loslässt, sondern die- selbe tiefer unten reisst, so zeigt die innere Seite der Cornea auf ihren 4 eckigen Facetten, unregelmässig 4eckige oder rund- lich abgerissene Häutchen welche glatt ausgetieft sind und im Centrum einen liehten (Mohnsamen grossen — Senfkorn grossen bei °°/,) Punkt haben. Diese Hülle scheint bis f zu gehen, d. h. nur die Basis des Crystallkörpers zu umfassen, wenigstens sieht man dort gewöhnlich einen Absatz. b, e ist der Crystallkörper der Autoren. d,c sind häufig durch Far- bennüance unterschieden, Palaemon Squilla, Orangon vulgaris, Galathea; mitunter ist b von c gar nicht unterschieden weder durch eine Linie, noch durch Farbe, Astacus fluviat., marin. ; Cancer Pagurus; Dorippe; Squilla mantis, — so dass man nicht annehmen kann, b stecke scheidenartig in c (was mir Will anzunehmen scheint). Mehr oder minder findet sich an den Seiten von e, oder in den häutigen Fortsätzen zwischen den Crystallkörpern Pigmentmoleküle deponirt. Bei Palaemon geht der prismatische Körper d,ce unten in 3, gewöhnlich 4 Buckeln aus, welche kleine Valleculae zwischen sich haben; das Prisma von Palaemon zerfällt grade in 4 kleinere Prismen, und jeder Buckel ist die untere Fläche, während die Valleeu- lae die Trennungslinie ist; bei Astacus ist es unregelmässig abgeschnitten; an e setzt sich nach hinten und umfasst das äusserste Ende der verschmälerte Stiel d; — die Sehnerven- faser der Autoren, — der sich bei Orangon auch öfter in 2 Theile der Länge nach theilt. Dieser Stiel d ist ein ziem- liches Stück isolirbar und durch die Hülle A, die ihn umklei- det, manchmal schr sichtbar, und scheint mir in Verbindung zu stehen mit der ganz wunderlichen 4seitigen Doppelpyra- 485 mide, welche in ö gezeichnet ist. — Bei Cancer pagurus habe ich mehrere Male den Stiel d in ö übergehen sehen, besitze auch ein solches Präparat, aber bei Astacus, Palaemon, Gala- thea ist es mir nieht gelungen, davon mich ganz sicher zu über- zeugen. — Diese Doppelpyramide oder langgezogenes Octaö- der ist gerippt und steht mit seiner hinteren Spitze, welche dünner als die andere scheint, mit der eigentlichen Retina in Verbindung. Der 4kantige Schlauch h,h bis h’ trennt das eine Auge von dem andern Auge ab; bei h’ macht er gewöhnlich an seinen Kanten und in der Mitte Falten, welche sich in die Retina einsenken; diese Basis ist mit schwarzem Pigment stark versehen; daher kommen die 4seitigen Zeichnungen von Schwarz bei Galathea strigosa, oder die rothen Vierecke auf der Retina der Fliegen. Vom Hummer besitze ich ein Präparat, wo sich Jie Retina reihenweise in Papillen X erhebt, welche den Fel- dern der einzelnen Augen entsprechen *). Begleitet werden diese Papillen von einer Körnerschicht, unter der sich der eigentliche Sehnery in vielfachen Verschlingungen ausbreitet. Dies macht die halbkuglige Fläche des sogenannten Bulbus der Sehnerven. Ich besitze 2 Präparate von einer macerirten Re- tina, von Lupea dicantha, wo die Körnerschicht zum Theil zer- stört ist, und deshalb die Schlingen des plexusartig sich zer- theilenden Sehnerys gut zum Theil zu sehen sind; gegen den Rand hin laufen die Nervenstränge mehr parallel und wo sie nahe genug zusammenliegen, treten von den Scheiden der Ner- ven Stränge zu einander über, wodurch eine gitterartige Fläche entsteht, auf der sich dann die Körnerschieht und die Pigment- moleküle befinden. Bei Galathea habe ich gesehen, wie ein grösserer Nervenast sich mit Pigmentmolekülen umgiebt und sich in Bündel theilt, welche zu eben so vielen einzelnen Au- gen oder deren Schläuche gehen. Zwei Worte werden hinreichen, um Sie augenblicklich das- *) Das beifolgende Präparat besehen Sie gefälligst mir 390—50 ma- liger Vergrösserung, um erst die Reihen (ähnlich einem gehäufelten Kartoffelfelde) zu finden, dann mit 300fäacher, und Sie werden leicht die Papillen in Reih und Glied sich über die Körnerschicht hervor- heben sehen, zumal wenn das Licht etwas gedämpft ist. ’ 486 selbe sehen zu lassen; ein Auge, gleichviel ob gekocht oder in Spiritus, bricht meist bei der Seetion in der Mitte der Schlauchparthie; Sie haben einerseits Cornea und anhängend Crystallkörper und die Stiele derselben in den Schläuchen ; auf dem Bulbus nervus optiei bleibt eine schwarze Schicht und ein Theil der abgebrochenen Schläuche. Um die Crystallkör- per besser zu sehen und leichter auseinander zu bekommen, bepinsele ich ein Stückchen von der Masse mit Acetum con- centratum, und um das Pigment durchsichtig zu machen, d. h. das intensive Schwarz wegzunehmen, betropfe ich den schwar- zen Theil mit Acid. nitrie. concentratum, wodurch Alles braun- gelb wird. Mit einem dünnen Deckplättchen bringe ich Alles unter eine Vergrösserung von °°/ und erhalte ohne Mühe meine Resultate; meine Präparate sind dann in Wasser abge- spült und in Glycerin aufgebracht, welches letztere manche Theile z. B. die Cornea zu durchsichtig macht, weshalb der Mittelpunkt der Facetten an solchen Präparaten weniger sicht- bar ist. Das Fliegenauge verträgt weder Essig noch Salpeter- säure und die Trachealschläuche, welche am frischen Auge durch ihre Luft im Innern so ausgezeichnet sichtbar sind, werden durch Glycerin unsichtbar, weil sie ihre Luft verlie- ren; dagegen lassen sich die Crystallkörper der Fliege mit der Cornea in Verbindung sehr gut aufbewahren, wovon ich weiter unten sprechen werde. Die Cornea ist weit härter, zeigt äusserlich schon bei auf- fallendem Licht den vertieften Mittelpunct, und ihre innerste Lamelle ( gleichsam die Descemetsche Haut) ist weit leichter glatt abzutrennen, wie das ja auch so leicht bei den Nacht- schmetterlingen und bei Vanessa Jo, Atalante u. A. ist. Dieses dünne Häutchen ist «. Unter x kommt wieder das Verbin- dungshäutchen e,e, welches den konischen Theil des Crystall- körpers a bei f umfasst, und eben so finden sich membran- artige Fortsätze zwischen den Crystallkörpern, welche nach hinten zu bei Dorippe so bedeutend werden, dass bei einem Querbruch aller Crystallkörper man eine wabenartige Fläche sieht, auf der die Wände der Zellen sehr dick geworden wä- ven, so dass die Wände der Crystallkörper sich nicht mehr 487 berühren; es wäre indess möglich, dass der Spiritus, in dem diese Krebse aufbewahrt waren, etwas dazu beitragen kann, — ich hatte nur immer 1 Exemplar von solchen Exoticis zur Verfügung. — b, e und d verschmelzen in eins; d müsste hier schon den Nervenfaden der Autoren bedeuten. d steht mit ö in Verbindung, ist wieder der prismatische quergeriefelte Körper, welcher solide ist und einem Balken gleicht. % ist der die Augen von einander isolirende Schlauch, dessen Vorder- ende eben so wie bei Astaeus ete. in Contiguität mit den mem- branartigen Fortsätzen zwischen den Crystallkörpern steht. : ist schwer zu isoliren und muss wohl dicht von seinem Schlauche, nachdem dieser sich aus seiner urnenförmigen Erweiterung verengi, umschlossen werden, indem er die Riefen von i an- nimmt und die Valleculac dieser Riefen auf seiner Aussenseite mit Pigmentmolekülen belegt, wodurch z. B. bei Dorippe diese Zeichnung so scharf hervortritt, welche in Cancer pagurus schwierig zu sehen ist, eben so wie in Zyas aranea, da das Pigment nichts zur Deutlichkeit hinzuthut; es ist aber eben so da-vorhanden, wie in den kleinen Nautilograpsus minutus und Lupea. Unten auf dem Schlauch %' finden sich die Fält- chen und die Anheftung an die Körnerschicht der Retina, die Pigmentmoleküle, die plexusartige Ausbreitung des N. opti- eus und die Zwischenfasern des Neurilems. Wenig abweichend hiervon ist Squilla Mantis, aber ebenfalls habe ich 5 und e von d nicht getrennt gesehen, und « hat sich zu einer rundlichen (nicht warzenförmigen) Basis abgestumpft, a,b, e, dist hier nicht mehr unterscheidbar, also wohl auch bei anderen Krebsen nur als unterscheidbare Partieen dessel- ben Crystallkörpers, nicht als verschiedene Theile zu betrach- ten. Die Spitze von d hängt mit dem Körper i zusammen, der sich mit Salpetersäure isoliren liess, wie sich auch die kleinen Pıgmentstreifen, welche diesen Schlauch 4 der Länge nach an den Kanten bekleiden, abtrennten. Dieser problematische Kör- per ö ist nach unten spitz und dringt in die Körnerschicht der Retina. Mangel an Material hemmen einstweilen die weiteren Beob- achtungen, die ich aber stets fortsetzen werde bei Astacus 488 und Cancer pagurus, oder was ich eben frisch hier anschaf- fen kann. Auf die Deutung dieser Theile im Krebs-Auge ist vor der Hand wohl noch zu verzichten, doch scheint mir soviel aus meinen Untersuchungen hervorzugehen, dass die plexusartige Ausbreitung des Sehnerven, mit seiner Körnerschicht und sei- nen Papillen (die ich freilich nur ganz deutlich beim Hummer darstellen kann) — Retina zu bezeichnen ist, und das nächste Analogon würde wohl die Retina des Fischauges sein. Das facettirte durchsichtige Gebilde, die Cornea der Autoren — welchen Ausdruck Bergmann und Leuckart in ihrer „‚ana- tomisch - physiologischen Uebersicht des Thierreichs ‘* S. 487 anfechten, und die Retina würden eigentlich also die beiden einzigen Gebilde des Auges sein, welche eine Analogie der Theile des Wirbelthier-Auges und des Krebs-Auges einleiten könnten; die Zwischenparthieen sind bis jetzt gewaltig dun- kel. Das ganze Hummer-Auge umschliesst äusserlich, von dem Rande der Retina anfaugend bis an das hintere Ende des Cry- stallkörpers reichend, eine faltige schwarze Membran — Zo- nula Zinnü (?); das Fliegenauge umgiebt äusserlich ein Tra- chealgefässsystem als luftgefüllte Cylinder — Choroidea? —; ich weise alle solche Namen-Spielereien von der Hand; jedes Organ ist sui generis und die Bauart eines analogen Organs der einen Thierklasse darf unmöglich einer anderen Thier- klasse als constant gleichsam aufgezwungen werden. — So viel des Anatomischen, nun ein physiologisches Experiment. Die Umdrehung des Bildes auf der Sclerotica im rothen Kaninchen - Auge lässt sich im Fliegen- Auge folgendermassen darstellen, und ich besitze ein derartiges Präparat unter Gly- cerin, was alle meine Bekannte schon in Erstaunen gesetzt hat. Ich nehme das Auge einer eben getödteten Fliege (mein Präparat ist zufällig Musca vomitoria), trenne die hintere Wand, so dass ich nur die Cornea mit der optischen Einrichtung habe; ich halte diese Cornea an einem Ende fest und entferne mit der Beerschen Staarlanze die rothe Parthie des Auges, d.h. alle Schläuche oder Sehnervenfasern der Autoren. Diese reis- sen am Ansatz ab, au dem hinteren Ende der Crystallkörper 489 und vor mir liest jetzt die sammtartige röthliche Höhlung der Cornea — das heisst: die Cornea mit allen Crystallkörpern, deren hintere Pigmentbekleidung mit dem Schlauch so weit abgerissen ist, dass das Licht durchgehen kann. So weit ist nun das Präparat mit einiger Geschicklichkeit leicht zu ma- chen; aber nun ist, wie im Kaninchen-Auge, ein Raum hinter der Linse und eine durchsichtige Hinterwand herstellig zu machen, das ist noch weit leichter, aber es gelingt ohne Ver- letzung selten, so dass das Herstellen von Präparaten Ihnen zur Demonstration schwerer gelingen wird, während zur eige- nen Verständigung Sie sich leicht genügen können. Sie legen nemlich die Cornea mit der convexen Seite auf eine trockne Glasplatte — doch muss so viel Feuchtigkeit unter der Cornea sein, dass sie an der Platte haftet — legen ein sehr dünnes Deckgläschen auf das Präparat und sehen zu, dass Sie ein Luftbläschen in der Höhlung der Cornea absperren, was häu- fig gelingt (aber ist nicht elegant), wenn man das Deckgläs- chen etwas aufdrückt; dabei macht die Convexität der Cornea Falten und zwischen diesen Falten bleibt leicht ein Luftbläs- chen hängen, und wenn die Crystallkörper nicht verdrückt sind, ist Ihr Präparat in Ordnung. Jetzt legen Sie Ihr Prä- parat unter das Mikroskop und sehen 6eckige Facetten, dann müssen Sie das Rohr so hoch schrauben, dass Sie die hintere Rundung der Crystallkörper sehen, aber nicht ganz scharf einstellen. Wenn Sie nun eine Stahlfeder (deren Spitze etwas auseinander gebogen ist, um das Bild deutlicher zu erkennen) oder irgend Etwas zwischen den Spiegel Ihres Mikroskops und das Objeet bringen, so sehen Sie dieses Bild in allen Facetten ganz klar, und zwar in der Richtung, wie Sie den Gegen- stand halten, also kehrt das Crystallkörperchen des einzelnen Vliegen-Auges das Bild eben so gut um als die Linse des Kaninchen-Auges. Rücken sie den Gegenstand tiefer gegen den Spiegel, so erscheint das Bild doppelt in jeder Faecette, einmal deutlich, das zweite Bild zwar auch deutlich aber etwas verworfen, so dass z. B. die Fliege (Musca vomitoria) eine Breite von 1 Zoll deutlicher Sehweite hat, dann fängt sie an mit jedem Auge doppelt zu sehen. Dieses entstehende Bild in 490 den Facetten der Augen, oder vielmehr an den Basen der Crystallkörper ist nun nicht ein leiser Schatten, sondern ein vollkommen scharfes Miniaturbild, welches z. B. an den Stahl- federn die eingekerbten Verzierungen des Spaltes oder die kleinen Schlitze höchst genau wiedergiebt. Sie werden mir zugeben, dass dies Faetum sehr überraschend ist. Mit mei- nem Präparat vor mir lese ich nun aus Bergmann und Leuckart 8.488: „Es ist wohl anzunehmen, dass der Ge- siehtseindruck jedes Mal nur an der Spitze der Kegel wahr- genommen werden könne‘ — und weiter unten — ,, wäre „nun bei den Arthropoden das Sehen auf dieselbe Weise ver- „mittelt, wie bei den Wirbelthieren, entstände auch bei ihnen „hinter den einzelnen brechenden Körpern nach den Gesetzen „der Dioptrik ein umgekehrtes Bild der äussern Gegenstände, „dann wäre eine deutliche Gesichtsvorstellung ganz unmöglich. „Einmal wäre dann die relative Lage der einzelnen Punkte „(nicht etwa das ganze Gesichtsfeld) verkehrt, was zu ganz „irrigen Anschauungen führen müsste, dann aber auch würden „— was den ersteren Uebelstand zum Theil beseitigen möchte „— nicht einmal die Bilder als Bilder pereipirt werden kön- „nen, sondern blos als hellere und dunklere einfarbige Flecke, „da ein jeder Crystallkegel nur mit einer einzigen Nervenfaser „in Zusammenhang ist und solche, nach den Gesetzen der „Nervenphysiologie, niemals mehrere gleichzeitige Eindrücke „isolirt zu leiten vermag. Um ein Bild, nicht einen Punkt, zur Perception zu bringen, muss beständig eine grössere Menge „von Sehnervenfasern zugleich in Thätigkeit sein.“ S. 489: „Wir begnügen uns mit dem Hauptresultat, was im Allge- „meinen gewiss richtig, dass derselbe Punkt immer,,nur (bei „relativer Ruhe des Punktes und des Auges) von einem ein- „zigen Kegel zur Perception gebracht werde, dass ferner „auch durch einen jeden einzelnen Kegel in demselben Zeit- „abschnitte nie mehr als ein einziger Punkt zur Empfindung „kommen könne. Ein Punkt aber repräsentirt nur einen ali- „quoten Theil eines Bildes, das wir beständig aus mehr oder „minder zahlreichen neben einander liegenden Punkten zu- „sammengesetzt uns denken müssen.“ „Das zusammenge- 491 „setzte Auge ist ein Auge, dessen Nervenfasern keine Retina „bilden, sondern vereinzelt bleiben und einzeln sich je mit „einem optischen Medium verschen.‘“ S$. 492 unten: ‚In den „einfachen Augen der Insekten werden die Objekte umge- „kehrt; in den zusammengesetzten bleiben sie aufrecht.‘ Wer den fadenartigen Theil, welcher von der hintern Flä- che der Crystallkörper im Fliegenauge in seiner lockeren Scheide nach der Ausbreitung des Nerv. optiei zu hinläuft, für eine Sehnervenfaser ansieht, der kann diese Sätze nicht unter- schreiben, weil dieser von mir angegebene Versuch total dem widerspricht, und in diesem Falle befinden sich fast alle deut- schen Physiologen. Milne Edwards hat in seiner Histoire naturelle des Crustaces I. p. 119. schon einige Bedenken über diese Sehnervenfaser geäussert, ausIhrer Anmerkung zu Will’s Aufsatz ( Archiv 1843 S. 350 und 351) entnehme ich, dass Sie den prismatischen Körper i in der schlauchartigen Scheide gesehen haben. Da ich mich blos mit der Untersuchung von Krebs-Augen und Fliegen-Augen in dieser minutiösen Weise beschäftigt habe, obschon ich von den übrigen Insekten eirca 60-70 Präparate der Augen besitze, so kann ich noch nicht die Will’schen Angaben controlliren, auch werden diese bei- den Abtheilungen Fliegen und Krebse wohl den ganzen Som- mer meine Thätigkeit in Anspruch nehmen, wenn ich nicht aus Mangel an Material mich zu andern Thieren wenden muss; aber ich möchte doch gern, dass der Versuch mit dem Flie- genauge von Ihnen etwas beleuchtet würde, um selbst zu einer festeren Basis für die Beurtheilung des Sehens bei andern In- sekten zu kommen. An der hintern Fläche der Crystallkörper im Fliegenauge kehrt sich sicher das Bild um, weil das Bild dem Objeet in der Lage gleich ist, und da das Mikroskop das Objeet einmal umkehrt, so muss hier eine doppelte Um- kehrung stattfinden, einmal durch das Mikroskop und vorher durch den parabolischen Orystallkörper. Entsteht nun bei » (Fig. 5) ein umgekehrtes Bild, so ist die Frage, wird das ganze Bild von x durch den Stiel zur Retina und zur Perception bei y hingeleitet oder wirkt dieser dünne Stiel gleichsam wie ein Diaphragına und giebt er nur einen Theil des Bildes bei © nach 492 y? — Die Optik wird wahrscheinlich die Frage beantworten können, warum eine solche Linse in einer bestimmten Entfer- nung vom Object ein doppeltes Bild giebt, und warum das zweite Bild schmäler und mit dem ersten Bilde convergent ist, aber fast in derselben Deutlichkeit. An meinem Praparat zei- gen circa 120 Augen, welches fast mein Sehfeld im Mikroskop deckt, dasselbe Bild in derselben Richtung; wenn also die über 120 Crystallkörper gespannte, durch die Glasplatte oben flachgedrückte, luftenthaltende Glycerinblase diese optischen Erscheinungen nicht hervorbringt, so muss ein aliquoter Theil des Fliegenauges bei x die der Facetten gleiche Zahl Bilder entwickeln, und nun ist es die Aufgabe der Physiologie zu zeigen, wie auf der Retina y ein musivisches Bild entwickelt wird, und wie dann von der Linse @, die ein vollständiges Bild z zeigt, in y nur der Punkt z/n erscheint, wie dann von der Linse b, die dasselbe Bild z zeigt, in y ebenfalls nur ein Punkt z/n erscheint, der aber nicht der der Facette a ist, mit einem Worte, dass von 120 Facetten, die dasselbe Bild zeigen, durch den Stiel des Crystallkörpers jedesmal ein verschiedener Punkt aber in geordneter Reihenfolge nach y geleitet wird, um das musivische Bild auf der Retina zusammenzusetzen. Anmerkung des Herausgebers. Leeuwenhoek, Baker, Brants und zuletzt Gruel "hatten die von den Hornhautfacetten erzeugten Bildchen mit dem Mikroskop betrachtet. Die Kegel dabei zugleich zu benutzen, scheint mir neu zu sein; das Experiment von Gottsche gelingt leicht. Brants (Tijd- schrift voor nat. Gesch. 1843) lässt das Sehfeld musivisch aus den Bildchen zasammengesetzt werden, er hat aber die Schwierigkeit, wel- che in der Vervielfachung der Bildchen liegt, nicht beachtet. Ein zu- sammengesetztes Bild aus solchen vielen Bildchen setzt voraus, dass eine Einrichtung da ist, dass nur der centrale Theil jedes Bildchens zur Perception kommen kann. Wenn aber der in der Achse jedes der kleinen Apparate ungebrochen durchgehende Theil des Lichtes allein zur Empfindung gelangt, so entsteht wohl ein musivisches Bild, aber nicht eigentlich eine Zusammensetzung aus einzelnen Bildchen. TE 493 Ueber die Tastkörperchen, Corpuseula tactus. Von Rudolph Wasser. (Hiezu Taf. XII. und Taf. XIT. Fig. 1—3.) Ueber die in der Haut des Menschen vorkommenden, bisher unbekannten Organe, in welche allein die letzten Ausbreitun- gen der Hautnerven einzudringen scheinen, habe ich die ersten Mittheilungen nach den gemeinsamen Untersuchungen von Herrn G. Meissner und mir der Königl. Soeietät der Wis- senschaften in Göttingen vorgelegt. Zunächst schien es wichtig, eine Reihe von Abbildungen zu liefern. Die auf Taf. XII. gegebenen Zeichnungen sind alle nach der Natur und nach leicht herzustellenden Präparaten an Er- wachsenen von Herrn Meissner entworfen. Nur Fig. 9 ist nach einer Skizze von mir ausgeführt und hinzugefügt worden, weil hier der Ursprung der Nerven in der Haut eines vier- jährigen Kindes besonders schön zu verfolgen war. Ich schicke den nachfolgenden Bemerkungen die Erklärung der Figuren voraus. Fig. 1,2,3,4,5 stellen die Tastkörperchen innerhalb der Papillen aus der Haut der Volarfläche der letzten Fingerglie- der (wie sie sich in allen 5 Fingern ziemlich gleich verhalten) mit den hineintretenden Nerven bei ungefähr 400maliger Ver- grösserung dar. Die ganze Epidermis (Hornschieht und Rete Malpighi) ist entfernt. Fig. 1. a. Rand der Papille mit feinen Einkerbungen, wie der Rand auch in Fig. 3, 4, 5, 6 zeigt. Diese Einkerbungen sind das Bette, die Insertionsstelle der tiefsten Schicht ovaler 494 Zellen der Oberhaut. Man sieht die Einkerbungen öfters als blasse Querlinien sich über die Oberfläche einer Papille strek- kenweise ausbreiten. b. Feine, etwas geschlängelte kernartige Fasern in die Substanz der Papille eingebettet. cec. Ein Tastkörperchen liegt am Ende der Papille und geht genau bis an den Rand der Spitze. Man erblickt auf dem- selben scharfe, quere, dunkel contourirte Streifen, immer je zwei Streifen zusammengehörig und unter sich parallel. Die Streifen im Ganzen laufen jedoch nur selten und parthieenweise ganz parallel. Oefters laufen sie radiär, wie von einem Punkte aus. Wie verschieden die dunkeln Streifen laufen, zeigt be- sonders Fig. 3. d. Kleine helle Punkte, wie Körnchen, auf den Tastkör- perchen zerstreut, bald häufiger als sie (s. Fig. 2), bald auch sparsamer (Fig.3). Scheinen auch öfters ganz zu fehlen (Fig. 5). ee. Zwei doppelt contourirte Nervenfasern treten aus der Basis der Papille zur Basis des Tastkörperchens und hier in das Innere. Die eine Fibrille wird bei * schmaler, blasser, verliert die doppelten Contouren, erscheint wie abgeschnürt und theilt sich hierauf in zwei Aeste. Fig.2,3,4,55 zeigen die eintretenden dunkel- und häu- fig noch deutlich doppelt contourirten Nerven; diese sind an der Basis der Papille einfach in Fig. 2 und 4, doppelt schon bier in Fig. 3 und 5. Der Nerv Fig. 4 theilt sich noch ausser- halb des Tastkörperchens, der eine der beiden Nerven 5b* Fig. 5 bereits innerhalb des Tastkörperchens. In Fig. 3 tre- ten die Nerven seitlich in das Tastkörperchen. Fig. 6. Drei Papillen von der Volarfläche des letzten Fin- gerglieds, von denen die zwei höheren « und 5 mit Gefäss- schlingen versehen sind und durch natürliche Injeetion gefüllt erscheinen. Sie überragen in der Regel die zwischen ihnen befindlichen Nervenpapillen (c), welche Tastkörperchen ent- halten. Das Tastkörperchen mass hier '/,,' in der Länge, "/go' in der Breite. Die Nerven d massen '/,,"', während die Gefässe in der Gefässschlinge '/,,,''' massen. Fig. 7. Drei ähnliche Papillen von der Dorsalfläche des 495 erstern Glieds des Zeigefingers, wo das’ Tastkörperehen nur Yo lang und "/,39"' breit ist. Fig. 6 und 7 ungefähr 300 Mal vergrössert. Fig.8. Ein Querschnitt von drei Papillen in der Ebene der Volarfläche des Zeigefingers geführt. Man sieht in « und b die beiden durchschnittenen Schenkel der beiden Gefäss- schlingen, in der Tiefe die Windungen derselben in Folge na- türlicher Injection gefüllt. In ce erscheint eine quer durchschnit- tene Nervenpapille. Der Umkreis der innersten durchbroche- nen Linien bezeichnet den äusseren Umfang des Tastkörper- chens. Man sieht innerhalb dieses Umkreises mehrere durch- schnittene Nerven und keine Spur von Gefässen. Bei d ist der Durchschnitt eines Ausführungsgangs einer Schweissdrüse. Die Papillen sind von der durch Zusatz von Natronlauge be- sonders am Rande aufgequollenen kernhaltigen Zellen des Rete Malpighi umgeben. Vergrösserung ungefähr 300 Mal, Fig. 9. Querdurchschnitt durch die Volarfläche eines letz- ten Fingerglieds aus einem 4jährigen Kinde. Der Schnitt ist in der Richtung der Längsaxe des Fingers, in welcher Rich- tung häufig die Tastkörperehen in besonderer Menge in die Schnittfläche fallen. Hier sind deren drei, a, 5b, c, zu sehen, welche bis an denRand der Papille gehen, während die Schlinge der Gefässpapille d nicht so weit dringt. Man sieht die Ner- ven aus den unter der Cutis im Unterhautzellgewebe strei- chenden Fibrillen (e, e) senkrecht emportreten und in augen- fälliger Weise, bei * und **, sich theilen und zu den Tastkör- perchen gehen. Bei f sind einige Zellen des Rete sitzen geblie- ben, Die Tastkörperchen waren hier meist regelmässig eiförmig und massen "/,,— /,0 in der Höhe, "/,o' in der Breite, die feinsten Nerven massen am Ende '/;o- /soo , die Gefässschenkel der Schlinge Yo". Alle Präparate sind mit Natron causticum dilutum behandelt. Es war meine Absicht, den hier publieirten, von der Hand des Herrn Meissner gefertigten Abbildungen eine grössere 496 Abhandlung über Bau und Verbreitung der Tastkörperchen beizufügen. Aber mehrere Umstände verhinderten mieh daran. Zunächst bin ich nicht im Stande gewesen, den im Bülletin unserer Societät der Wissenschaften *) gelieferten Beobachtun- gen viel Neues hinzuzufügen. Auch mein junger Freund, G. Meissner, ist durch anderweitige Beschäftigungen abge- halten worden. Ich habe zwar im Laufe der letzten Oster- ferien noch eine Anzahl Hautstellen untersucht. Aber ohne neue Methoden der Untersuchung wird man wohl über mehrere wesentliche Punkte der hier in Betracht kommenden feineren Strukturverhältnisse nicht weiter gelangen. Die Topographie der Tastorgane aber durch die gesammte Hautoberfläche zu verfolgen, ist ein so weitschichtiges Unternehmen, dass ich die dazu nöthige Zeit nicht finde und hoffe, es werde diese Aufgabe von Andren gelöst werden. Ein weiterer Grund, weshalb ich nicht gern von Neuem ausführlich über den Gegenstand sprechen will, sind die Con- troversen mit Kölliker, welche durch dessen jüngste auf die neue Entdeckung bezügliche Arbeit nur vermehrt und mehr verwickelt worden sind **). Es ist im Interesse der Wissen- schaft, dass sich ein öffentliches Urtheil bilde und Andere die Streitpunkte entscheiden. Hoffentlich geschieht dies zum Theil durch A. Ecker, welcher für die neue Auflage der Zcones physiologicae eine auf eigenthümliche Untersuchungen basirte Darstellung dieser Verhältnisse geben wird, aus welcher mir derselbe gütigst Einiges mitgetheilt hat. *) Nachrichten von der Georg August’s Universität und der Kö- niglichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen (Beilagsblatt zu dem gelehrten Anzeiger. Februar 2. 1852). „Ueber das Vorhan- densein bisher unbekannter eigenthmlicher Tastkörperchen (Corpuscula tactus) in den Gefühlswärzehen der menschlichen Haut und über die Endausbreitung sensitiver Nerven von R. Wagner uud G. Meissner.“ ** „Ueber den Bau der Cutispapillen und die sogenannten Tast- körperchen R. Wagner’s.“ Aus der Zeitschrift für wissensch. Zoo- logie von C. Th. von Siebold und Kölliker. IV. Bd. I. Heft. 1852. (Dies Heft scheint bis jetzt noch nicht ausgegeben. Der Güte des Herrn Verfassers verdanke ich einen Separat-Abdruck). 497 Da der Herausgeber der illustrirten medieinischen Zeitung, Herr Dr. Gustav Rubner, eine Zusammenstellung meines Berichts an die Soeietät der Wissenschaften und der jüngsten Publikation Kölliker’s gegeben hat, so finden die Leser, wenn ihnen die Originalquellen nieht zur Hand sind, das Wesentliche hier beisammen *). Kölliker nimmt noch jetzt Endschlingen von Nerven in den Papillen an. Er will in mindestens sechs Fällen Schlin- gen mit aller Bestimmtheit gesehen haben. Mir ist es bis heute nicht gelungen, nur ein einziges Mal eine solche Endschlinge wahrzunehmen. , Eben so wenig ist dies G. Meissner und nach brieflichen Mittheiluugen, A. Ecker, Brücke und Günsburg gelungen. Nie sah ich auch, wie Kölliker we- nigstens in einzelnen Fällen sah und abbildet, dass die Ner- ven über die, Tastkörperchen (Axenkörperchen Kölliker’s) hinausgehen. Kölliker spricht aus, ich hätte geirrt, indem ich behaup- tete, die von ihm in seiner mikroskopischen Anatomie Bd. I. Fig. 12 und 13 gezeichneten Nervenschlingen seien Blutgefäss- schlingen. Indess muss ich auch hier bemerken, dass nach brieflichen Mittheilungen von Brücke, Ecker, Günsburg, Gerlach und Dr. Marcusen, so wie nach der mündlichen Angabe Eduard Weber’s, alle die genannten Forscher meine Meinung theilen, auf der ich auch jetzt noch beharre. Jedoch will ich darauf keinen harten Vorwurf gründen, ob- wohl es immer wichtig ist für die Vorsieht, die man anwen- den muss, indem es, selbst bei grosser Vertraulichkeit mit histologischen Untersuchungen, passiren kann, Nerven für Gefässe anzusehen. Als ich im vorigen Jahre zum Behuf der öffentlichen Vorlesungen über Anatomie die Haut vornalım, war ich selbst nahe daran, diesen Irrthum zu theilen. Ich hatte Herrn G. Meissner ersucht, einige Untersuchungen an Hautdurchschnitten zu machen. Derselbe zeigte mir jene lee- ren Gefässchlingen nach mehrmaliger Behandlung mit Rea- gentien und war auch geneigt, sie für Nervenschlingen zu halten. *) Illustrirte medieinische Zeitung: I. Bd. Heft IV. Müllers Archiv. 1852, 3 498 Ich war zweifelhaft und äusserte: ‚wir müssen erst Injektio- nen machen, ehe wir sicher wissen, dass dies keine Gefässe sind. „Aber die Aehnlichkeit mit Nervenprimitivfasern war so gross und Kölliker’s Behauptung so positiv, dass ich doch verleitet wurde, in einer damals gerade im Druck befindlichen kleinen Abhandlung*), mich zu Gunsten der Nervenschlingen in den Hautpapilien auszusprechen. Kölliker behauptet neuerdings, ‚„‚dass die Nervenröhren äusserlich an dem Axenkörperchen entweder bis zur Spitze der Papille oder bis nahe an dieselbe heraufgehen.‘“ Ich be- streite dies und glaube fortwährend (wie es auch Meissner fand und abbildete und wie es ebenso Ecker anzusehen scheint), dass die Nerven wirklich in die Substanz des Tast- körperchens eintreten. Was das Verhältniss der Gefässe zu den Papillen betrifft, so ist Gerlach, brieflicher Mittheilung zufolge der Meinung, „‚dass in jeder Papille eine Gefässschlinge vorkomme.‘“ „Dies Ver- hältniss,‘ schreibt mir Gerlach, „‚ist ganz konstant und meine Erlanger Freunde, Will und Dittrich, haben sich auf das Unzweifelhafteste von der Richtigkeit überzeugt.“ Ich behaupte indess wenigstens für die Hand und insbesondere die Finger, dass die zahlreicheren Papillen allerdings Gefässsehlingen, da- für aber keine Tastkörperchen enthalten, eben so auch, dass nur in die Papillen mit Tastkörperchen Nerven eintreten. Jedoch giebt es allerdings eine Art sparsamer vorkommender Papillen, welche breiter sind und ein Tastkörperchen mit Nerven, daneben, etwas getrennt, eine Gefässschlinge enthal- ten. Ich nenne diese Papillen „Zwillingspapillen,‘ weil sie am freien Ende einen Einschnitt haben und sich deutlich als aus einer Gefäss- und Nervenpapille zusammengewachsen ergeben. Es freut mich in A. Ecker einen achtbaren Ge- währsmann anführen zu können, welcher mit diesen An- sehauungen ganz übereinstimmt. *) Bericht über die in Triest angestellten Beobachtungen an Zit- terrochen von Billroth, Meissner und R. Wagner. Nachrichten der @. A. Universität ete. 1851. Nro. 14. October 20. S. 188. 499 Dagegen will ich gern zugeben, dass über die Struktur der Tastkörperchen selbst noch nichts abgeschlossen ist. Wenn ich behauptete (jedoch mit Restrietionen in Bezug auf die Schwierigkeit der Sache) die Tastkörperchen beständen aus einem Systeme übereinander gesehichteter Platten, so will ich gern zugeben, dass dies nur so aussehen kann. Eben so we- nig möchte ich aber mit Kölliker als sicher annehmen, dass die von mir „Tastkörperchen“, von Kölliker „Axenkörper‘‘ genannten Gebilde aus einem Strange von homogenem Binde- gewebe und einer äusseren Lage von unentwickeltem elasti- schen Gewebe in Form spindelförmiger Zellen bestehen. Den Bau dieser Gebilde zu erforschen wird erst gelingen, wenn man sie isolirt, aus der Papille herausgeschält, zerfasern und und bei sehr starken und klaren Vergrösserungen untersuchen gelernt hat. Die Frage ist noch eine offene. Ich bin so wenig damit zur Entscheidung gekommen als Ecker. Dagegen beharre ich um so mehr auf einer Vergleichung mit den Pacini’schen Körperchen, seitdem mir mein College Herbst die im Schnabel der Vögel vorkommenden gezeigt hat, welche ich freilich nur flüchtig gesehen habe, welche mir aber auch, wie die Tastkörperchen, der Quere nach gestreift scheinen und in ihrem Aussehen sehr lebhaft an diese Gebilde in der menschlichen Haut erinnerten. Es muss jetzt vor Allem die Topographie der Tastkörper- chen vorgenommen, ihre geographische Verbreitung über die ganze Haut verfolgt, es müssen die Grössen und Struktur- verschiedenheiten einer Analyse unterworfen werden. Kölli- ker hat in seiner neusten Arbeit einige schätzbare Beiträge über das Vorkommen dieser Organe in der Zunge und in den Lippen geliefert. Nicht blos hier aber sind die Nervenendi- gungen zu untersuchen, sondern überall, wo wir deutliche*® Empfindungen wahrnehmen, auf den Schleimhäuten, in den Zähnen ete. Ich habe die Tastkörperchen zunächst sorgfältiger nur von den Fingerspitzen aus gegen (die Vorderarme untersucht und gefunden, dass sie an Zahl und Grösse immer mehr abneh- 29% 32 500 men, je weiter man sich von der Volarfläche der letzten Fin- gerglieder entfernt, wo sie jedenfalls am entwiekeltsten sind. Ausserordentlich viel sparsamer kommen sie an andren Haut- stellen vor und in der Haut des Rückens habe ich allerdings bis jetzt vergebens nach ihnen gesucht. Hier sind alle Papil- len sehr klein. Jede Papille enthält ganz deutlich eine ein- fache bogenförmige Gefässschlinge. Nerven habe ich neben den Gefässschlingen nie beobachtet. Interessant war mir das Verhältniss der Cutis unter den Nägelu, welche bekanntlich sehr empfindlich ist. Wurde der Nagel an mit Leim und Zinnober oder Carmin injieirten Fin- gern durch Maceration oder ganz kurzes Eintauchen in kochendes Wasser entfernt — ein Verfahren, welches ich auch zur Ablösung der Epidermis und zur Aufsuchung der Tastkörperchen unter gewissen Restrietionen empfehle — so liessen sich die Längsfalten der Cutis im Nagelbette (Leist- chen des Nagelbetts) sehr schön untersuchen; sie wurden durch Behandlung besonders mit verdünnter Natronlösung recht durchsichtig. Merkwürdiger Weise konnte ich jedoch in diesen Hautkämmen durchaus keine Nerven auffinden. Es erhoben sich die Membranen mit etwas breiterer Basis und liefen dann wie eine Messerklinge in einen scharfen Rand aus, an welchem hier und da kleine zottenartige Fortsätze sassen. Sehr schöne Ge- fässschlingen liefen bis nahe zum Rande. In der That kann man diese Hautkämme (Leistchen des Nagelbettes) als zu Membranen verwachsene Gefässpapillen betrachten, in ihrem Ansehen den zackigen Rückenkämmen der Tritonmännchen vergleichbar. Ich will mit denen nicht streiten, welche Lust haben, sehr feine, marklose Nervenästchen auch hier zu ver- muthen. Ich halte es aber für besser, unsichtbare Nerven vor »der Hand nicht zuzulassen und nur diejenigen feinen Fäden für Nerven zu nehmen, welche das charakteristische Merkmal derselben, doppelte Contouren zeigen oder doch sich unmittel- bar von doppelteontourirten Fibrillen ableiten lassen, eine Maxime, welche für die Nerven eben so nöthig ist, als die, nur solche Röhren für capillare Gefässe zu erklären, welche 501 man mit Blutkörperehen gefüllt sieht, oder von den Stämmen aus mit gefärbten Massen injieirt hat. Im Nagelbette verbreiten sich die Nerven erst unterhalb des Ursprungs der Gefässkämme, wo es mir aber bis jetzt nieht gelang, ihr Verhalten zu erforschen, weshalb ich nicht weiss, ob hier Tastkörperchen vorkommen oder nicht. Wie leicht man sich täuschen kann, hat mich die eigene Erfahrung gelehrt. Hatte ich von injieirten Fingern auf die oben be- schriebene Weise den Nagel entfernt und mit Pinsel und Wasser die noch anklebenden Reste der Malpighischen Zellen- schicht, so erschienen öfters bei Querschnitten zwischen den Gefässpapillenkämmen kleine rundliche Körper , welche leb- haft im ersten Augenblick an Tastkörperchen erinnerten. Ich glaubte schon eine neue Form dieser Gebilde entdeckt zu ha- ben, bis ich mich überzeugte, dass ich mit nichts Andrem zu thun hatte, als mit kleinen Ueberresten der Malpighischen Schieht, welche in den Vertiefungen der Hautkämme sitzen geblieben waren. Wie leicht man sich, auch bei langer Uebung, über so- genannte Nervenschlingen täuschen kann, ist mir im Herbst vorıgen Jahres recht klar geworden. Der Wunsch, wenigstens an einem sensiblen Nerven die eigentliche Endigungsweise der Fibrillen zu entdecken, trieb mich zur Untersuchung der be- kannten freien Flossenstrahlen bei Trigla, welche so mächtige Nerven erhalten. Ich hatte zu dem Endzweck quere Durch- schnitte gemacht. Es zeigten sich die Nerven unter der Haut wie Knospen, blumenkohlartig mit höchst deutliehen Endschlin- gen. Bereits demonstrirte ich meinen jungen Freunden, die mich nach Triest begleitet hatten, wie wichtig es schon des- halb sei, sich sorgfältig mit Zootomie zu beschäftigen, um immer solehe Objekte zu wählen, welche uns für physiologi- sche Fragen in der feineren Anatomie die sicherste Auskunft versprechen. Wir machten Zeichnungen. Dann kam mir wie- der der Zweifel und ich rief meinen verehrten Freund Johan- nes Müller herbei, der in einem benachbarten Zimmer seine wundersamen Entdeckungen über die Schnecken gebährenden Holothurien verfolgte. Auch dieser war überrascht, als er in 502 das Mikroskop sah, wie deutlich die Schlingen an den End- büscheln waren. Er rieth jedoch sogleich zu einer andren Un- tersuchungsmethode und so fanden wir denn bald die Täu- schung. Die durchschnittenen Primitivfasern hatten sich alle so umgebogen, dass die Enden lauter Schlingen mit: dicht aneinander liegenden Sehenkeln darstellten. Ich kann und will hier nicht auf physiologische Momente eingehen. Ich verlange vor Allem eine weitere Aufklärung in histologischer und topographischer Hinsicht, die Beantwortung einer Reihe von Fragen, welche sich von selbst aufdrängen. Bleiben wir zunächst bei der Hand stehen, so ist hier noch genug zu thun. Da an den Fingern keine Muskeln vorkom- men, so fragt es sich, wie und wo werden die starken Ner- ven der Finger verwerthet? Bis jetzt kennen wir zwei Haupt- systeme von Organen, zu denen Nerven treten. Ein oberfläch- lich gelagertes System, die Tastkörperchen , scheinen alle die- jenigen Primitivfasern zu absorbiren, welche in die oberste Schicht der Cutis auf der Volarfläche, besonders in den Pa- pillarkörper, eintreten. Ein zweites, tiefer liegendes System bilden die Paeinischen Körperchen. Sind diese beiden Systeme für besondre Erscheinungen des Tastgefühls bestimmt? Giebt es ausserdem Nervenfasern, welche zu den Gefässen treten? An den Endschlingen habe ich niemals solche bemerkt. Gleich- wohl sind die Capillargefässschlingen einer sehr grossen Aus- dehnung fähig. Untersucht und mischt man die Gefässschen- kel der Schlingen bei anämischen Subjeeten und bei Erhäng- ten, so findet man den Durchmesser oft um das Drei-, Vier- ja Fünffache verschieden. Ich müsste mich sehr irren, oder es ansprechen für Untersuchungen, auch Aufschluss über die In- nervationsprovinzen der Gewebe, über die relative Abhängig- keit und Unabhängigkeit der Capillargefässe von den Nerven, über Irritabilität der Gefässwände, über Congestion und Ent- zündung. Ueber das Verhältniss der Nerven zu den Muskel- faserzellen, besonders in anatomischer Hinsicht, versprechen die Finger ebenfalls Aufschluss zu geben. Wird ein Theil der Nervenfibrillen, welche nieht von den Pacinischen Körperchen und den Tastkörperchen absorbirt werden, z. B. für die orga- 503 nischen Muskelfaserzellen an den Haarbälgen des Rückens des ersten Fingerglieds verwendet? Wie verhalten sich die Nerven in dem empfindlichen Hautgewebe unter dem Nagel? Bekommen die so zahlreichen und ansehnlichen Schweissdrü- sen auf der Volarfläche der Finger Nerven und welcher Art sind sie? Alle andren Stellen der Haut sind auf ähnliche Fragen zu durchforselien und die nervenärmeren, wie z. B. der Rücken, bieten gerade wegen der einfacheren Bedingungen wieder ein eigenthümliches Interesse, In der Zunge, am Penis, an der Clitoris müssen gewiss wieder eigenthümliche Verhältnisse vorkommen? Hier kommen Nerven vor, welche, wie der Trigeminus und Glossopharyngeus gesonderte Provinzen mit Fi- brillen versehen, Wie mögen sich diese in den verschiedenen Zungenpapillen verhalten? Gegen eine Folgerung, welche ich aus den anatomischen Thatsachen über die Endausbreitung der Primitivfasern der Volarfläche der Finger zog, hat Lotze mit seinem bekannten kritischen Scharfsinn einen beachtenswerthen Einwurf erho- ben*). Ich empfehle den Lesern des Archivs den ganzen Ab- schnitt ,„‚von den anatomischen und physiologischen Hülfsmit- teln des Tastsinns“ in Lotze’s oben „angeführtem Werke nachzulesen. Ich benutze diese Gelegenheit, um eine hierher gehörige Stelle aus einem Briefe meines verehrten Freundes E.H. We- ber bekannt zu machen: „Kölliker hat mir Unrecht gethan, wenn er S. 40 seiner mikroskopischen Anatomie behauptet, dass die von mir gege- bene Erklärung der Erscheinung, dass wir unter gewissen Umständen 2 Berührungen unsrer Haut als eine einzige em- pfinden ad absurdum führe, weil zu Folge meiner Erklärung der Sinn für Oertlichkeit ein sehr wechselnder sein müsste und zwar scharf an den Grenzen auch der grössten Empfin- dungskreise, und wenn er der Czer mak schen Idee den Vor- *) Lotze, megicinische Psychologie oder Physiologie der Seele. Leipzig 1852. S. 401. 504 zug giebt, dass sich die Empfindungskreise verschiedener Fasern interferiren. Kölliker hat übersehen, dass ich die- sen scheinbaren Widerspruch selbst auf eine viel einfachere und naturgemässere Weise gelöst habe als Özermak. Ich sage S.527 Zeile 17 von unten: „„‚damit 2 gleichzeitige auf die Haut gemachte Eindrücke örtlich als 2 in einem gewissen Abstande von einander liegende Eindrücke unterschieden werden, scheint erforderlich zu sein, dass die Eindrücke nicht nur auf 2 ver- schiedene Empfindungskreise gemacht werden, sondern auch, dass zwischen diesen noch ein Empfindungskreis oder mehrere Empfindungskreise liegen, auf welche kein Eindruck gemacht wird.“ Es ist also nach meiner Vermuthung anzunehmen, dass man nur eine Berührung empfindet, wenn die Spitzen eines Zirkels 2 benachbarte Empfindungskreise berühren. Vielleicht ist es aber schon möglich 2 Berührungen zu unterscheiden, wenn ein unberührter Empfindungskreis dazwischen liegt, ob- sehon es wohl sein kann, dass, damit man den Abstand der zwei berührten Orte der Haut deutlich empfinde, 2 oder noch mehrere Empfindungskreise zwischen den berührten Empfin- dungskreisen liegen müssen, ungefähr so, wie wir 2 sehr feine parallele Linien als eine sahen, wenn sie sich berühren, dage- gen als 2 zu empfinden anfangen, wenn ein kleiner Zwischen- raum sie trennt und sie endlich deutlich als 2 wahrnehmen, wenn der Zwischenraum eine gewisse Grösse erreicht. Die schwarzen Linien sind hier das, was dort die berührten Em- pfindungskreise sind, die weisse Linie zwischen beiden ist das, was dort der unberührte Empfindungskreis ist. Die Vor- stellung von der Existenz eines unberührten Empfürdungskrei- ses zwischen den berührten erzeugt die Vorstellung der räum- lichen Trennung derselben. So wie uns die zusammenfliessen- den Linien als eine diekere Linie erscheinen , so erscheint uns der Eindruck der berührten zusammenfliessenden Empfindungs- kreise länglich. Der Eindruck eines einzigen Empfindungs- kreises scheint uns rund, nicht länglich zu sein.‘ Bei dieser der Erfahrung entsprechenden Vorstellung ver- schwindet der scheinbare Widerspruch und diese Erklärung 505 hat bei weitem den Vorzug vor. der von Czermak, denn die Natur geht nieht mit der Bildung der Nervenfäden so ver- schwenderisch um, dass sie eine Menge von Nervenfäden bil- den und dieselben so ineinander legen sollte, dass sich ihre Wirkungen gegenseitig stören und aufheben, Das ist offenbar eine ganz irrige Idee.‘ „Dass die Entdeckung der Theilung der elementaren Ner- venfäden in mehrere Aeste der von mir vorgetragenen Lehre nicht widerspricht ,‘“ habe ich S. 553 in der Note ausdrücklich gesagt, ‚, vorausgesetzt, dass sich jene Aeste nebeneinander in einem und demselben Empfindungskreise in der Haut endigen.‘“ „Wenn ich die von mir gegebene Erklärung nicht beson- ders hervorgehoben habe, so geschahe es, weil damals, als ich schrieb, der Einwurf von Niemanden gemacht war und es also genügte, einem solchen Einwurfe vorzubeugen.‘ „Es wird mir lieb sein, wenn Sie sich von der Anwendbar- keit meiner Erklärung überzeugen und wenn Sie Kölliker’s Irrthum berichtigen. Denn Kölliker lässt mich das Gegen- theil von dem sagen, was ich gesagt habe, nehmlich, dass man zwei Empfindungen unterscheide, wenn die Zirkelspitzen zwei verschiedene Empfindungskreise berühren.‘ So weit E. H. Weber. Ich füge den obigen Zeichnungen von G. Meissner noch einige nach Präparaten von mir gefertigte von Fr. Küpf- hardt bei, welche die oben beschriebenen Verhältnisse des Nagelbettes erläutern sollen. Taf. XIU. Fig. 1. Zwei Lamellen (Leisten) des Nagelbettes, von welchen die eine a, a, die tiefer liegende b, b grösstentheils deckt, so aber, dass die (mit Zinnobermolekeln theilweise gefüllten) Gefässschlingen der letzteren hindurchschimmern. c,c,c zottenförmige Fortsätze vom freien Rande der Lamellen entspringend. Fig.2. Einige Gefässpapillen von der Spitze des Zeige- fingers genommen, da wo die Volarfläche in die vom Nagel 506 bedeckte Region übergeht. Zwischen den Papillen a, a,a,« ist ein Fragment des Stratum Malpighi in Form eines kolbenför- gen Fortsatzes b zurückgeblieben, welcher einigermassen an ein Tastkörperchen erinnert. Fig.3. Zwei Leisten oder Lamellen des Nagelbettes im Querdurchschnitt a,@ gleichen mit ihren Gefässchlingen im Innern zwei Cutispapillen, dazwischen in b ein eiförmiges Fragment vom Stratum Malpighi. Göttingen den 7. Juni 1852. Anatomische Notizen über Synapta digitata. Von Dr. Franz Levyoıc. (Hiezu Taf. XII. Fig. 4—11). Während eines - dreiwöchentlichen Aufenthalts in Triest konnte ich es mir nicht versagen die Synapta digitata, eine dureh die Untersuchungen von Joh. Müller jetzt das Inter- esse der Naturforscher so sehr in Anspruch nehmende Holo- thurie, mir anzusehen. Es war zwar von vornherein unwahr- seheinlich, dass ich im April, dem Monate meines Verweilens in Triest, den „schneckenerzeugenden Schlauch‘ zu Gesichte bekommen würde, da Joh. Müller (über die Erzeugung von Schnecken in Holothurien, dessen Archiv 1852) ausdrücklich erwähnt, dass er im Frühlinge bei allen‘ Individuen in den Genitalien Eier fand und erst bei seinem zweiten Besuch im August auf Individuen stiess, welche den schneekenerzeugen- den ‚Schlauch enthielten; dennoch drängte es mich, die Be- kanntschaft dieses Echinodermen zu machen. Durch den von Joh. Müller namhaft gemachten Fischer in Zaole wurde ich mit mehren Transporten lebender Synapten versehen, von de- nen ich eine grosse Zahl auf schneckenerzeugenden Schlauch durchsuchte, doch vergebens, alle hatten nur den gewöhnli- chen Genitalschlauch und dieser erwies sich immer deutlich und unzweifelhaft als hermaphrodit aus, wie solches durch die schöne Arbeit von Quatrefages bekannt ist. Der geneigte Leser darf daher in den nachfolgenden Zeilen nicht erwarten, was zur Lösung der von Joh. Müller bezüglich der Schnecken- erzeugung in Holothurien gestellten Fragen beitragen könnte, ich biete nur Einzelheiten zur Kenntniss des Baues des im 508 Augenblicke so merkwürdigen Thieres, welche dazu dienen mögen, das Bild, welches uns Quatrefages und Joh. Mül- ler über die Symapta gegeben haben, zu vervollständigen. Aeussere Haut. Quatrefages (sur la Synapte Annal. d. se. nat. Tom. 17) unterscheidet an der allgemeinen Körperumhüllung der Sy- napta Duvernaea zwei Lagen, ein äusseres Epitel und darunter die eigentliche Haut. Ich finde nur den Namen Epitel für die äussere Schicht nicht ganz passend, da sie nicht aus zellen- artigen Elementen besteht, sondern ein vollkommen durchsich- tiges, homogenes Häutchen darstellt, dass sich nach Natr. caust. von der darauf vorkommenden Lage abhebt. Diese aber setzt sich zusammen aus Zellen, die entweder hell und unge- färbt sind oder ein röthliches, auch bräunliches Pigment ent- halten, dann folgen nach innen die Hautmuskeln. Mithin ver- hält sich die Haut unsres Echinodermen wie die allgemeine Körperbedeekung der Anneliden, der Helminthen, der Räder- thiere, vieler Arthropoden:: sie besteht aus einer homogenen Cutieula und einer darunter gelegenen Zellenschicht. Ueber die so charakteristischen Ankerhaken in der Haut hat Quatrefages eine schr genaue Beschreibung gegeben. Bekanntlich differiren nach den Beobachtungen von Joh. Müller diese Organe in den einzelnen Synaptenspecies, aber es scheint mir, als ob selbst in einer und derselben Species besagte Gebilde mannichfachen Formabänderungen unterwor- fen seien. So giebt Joh. Müller (anatomische Studien über Eehinodermen, dessen Archiv 1350. S. 136) an, dass die beiden Haken des Ankers bei Synapta digitata ohne Zähnelung seien — bei Synapta Duvernaea sind sie gezähnelt — ich sehe aber an den Exemplaren von Synapta digitata, deren Ankerhaken ich vor mir hatte, dass sie ebenfalls gezähnelt sind (Fig. 5) und nicht glatt, wie sie Joh. Müller an seinen Exemplaren fand. Dagegen zeigt sich mir die Kalkplatte des Ankers bei Synapta digitata ganz so, wie sie der genannte Forscher be- schreibt, als ein breites abgerundetes Blatt, kaum kleiner als der Anker, in der Mitte gross, am Umfange klein durch- 509 löchert und alle Löcher glattrandig und ohne Zähne. Der An- ker bildet vor seinem Uebergange in die Kalkplatte noch eine nach auswärts gekehrte und wieder gezähnelte Gräthe. ‘Dass die Ankorhaken mit ihren Schildehen nur die ausge- prägteste Form ist, in der die Kalkablagerung in der Haut sich darstellt, dafür sprechen die Kalkkörperchen, welche sich in der Haut des Kopfes und der Tentakeln finden. Statt der Ankerhaken erblickt man hier nur kleine ovale oder nieren- förmige, oft dicht beisammen liegende Kalkkörperchen oder auch längre, schmale, mit Höckern und kurzen Fortsätzen versehene Stücke: Es mag hier auch bezüglich des feinen Baues des Knochen- ringes, weleher den Schlund umgiebt, angemerkt werden, dass die einzelnen Abtheilungen desselben nur aus Conglomeraten kleiner Kalkstückchen zusammengesetzt sind, mit dem Kno- chenbau der Wirbelthiere demnach keine Aehnlichkeit haben, sondern sich in ihrer Struktur eher an manche Formen von Gehörsteinen anschliessen. Muskeln. Die Forscher, welche bis jetzt die Muskeln von Echinoder- men mikroskopirten,, wandten ihre Aufmerksamkeit zunächst darauf, ob Querstreifen vorhanden seien oder ob nicht, es weichen aber die darüber vorhandenen Angaben von einander ab. R. Wagner, Joh. Müller und von Siebold sahen keine (uerstreifen, Valentin bemerkte an gewissen Stellen Querstreifen, Quatrefages nahm Querrunzeln bei der Con- traction wahr. Nach dem, was ich bezüglich des feineren Baues der Mus- keln von Synapta digitata erkannte, haben wohl alle die ge- nannten Beobachter Richtiges gesehen, da sich mir die Sache folgendermassen darstellte. Die Muskeln unserer Holothurie treten unter denselben physikalischen Eigenschaften auf, wie die der Mollusken und Würmer, sie haben für das freie Auge das gleiche helle, durchscheinende, mitunter etwas bläuliche Aussehen und zerbröckeln sich eben so leicht beim Versuche sie zu zerreissen. Geht man auf ihre Elementartheile ein, so 510 kann man diekere und dünnere Muskelfäserchen unterscheiden, die Verschiedenheiten im Baue zeigen, sobald man die Ex- treme ins Auge fasst, in den Mittelformen aber gleiche Struk- tur besitzen. Die breitesten Fasern, wie man sie z. B. in den fünf, unter der allgemeinen Hautbedeckung liegenden ‚ Längs- muskelstreifen sieht, haben eine feine homogene Hülle, die besonders deutlich wird, wenn der Inhalt auseinander gerissen, nach zwei Seiten sich zurückgezogen hat, in diesem Falle setzt sich die Hülle continuirlich von einem Stücke zum andern fort. Innerhalb der Hülle liegt der primitive Muskelcylinder , der entweder vollkommen homogen sich ausnimmt (Fig. 7a) oder eine Scheidung in Mark- und Rindensubstanz (Fig. 7e) offen- bart. Erstere ist hell und homogen, letztere feinkörnig. An längeren Abschnitten soleher primitiven Muskeleylinder, die allmählich sich verjüngen,, kann deutlich wahrgenommen wer- den, dass im Falle eine Marksubstanz vorhanden war (Fig.7e), diese im dünngewordenen Theil des Muskeleylinders zugespitzt aufhört. Die schmalen Primitiveylinder, so wie die Ausläufer der breiten sind immer homogene, etwas platte Streifen, ohne weitere Differeneirung und auch ohne besondere Hülle. Ver- ästelungen der Primitiveylinder sind aber sehr gewöhnlich, besonders in den Muskeln der Eingeweide. Und die Querstrei- fung? sie ist an den Muskeleylindern ebenso wechselnd, wie die Homogenität und die Scheidung in Mark - und Rindensub- stanz, an den einen sieht man Zeichnungen der Art, in an- dern wieder keine Spur davon. Dabei muss ich anfügen, dass, wo ich auch etwas Querstreifiges sah, diese Erscheinung im- mer mehr wie eine Querfaltung oder Knickung sich ausnahm, und nieht wie bei den Muskeln z.B. der Arthropoden und der höheren Thiere auf eine innere, weitere Zerfällung des Primi- tiveylinders hinwies. Doch mag beides durch Zwischenstufen ineinander übergehen. Bezüglich der Deutung dieser Muskelprimitiveylinder ver- bleibe ich bei dem, was ich über die Muskeln der Anneliden und Weichthiere in ihrem Verhältniss zu den sogenannnten Primitivbündeln der höheren Thiere (in meinen Beiträgen zur Anatomie der Haie und Rochen $.77) ausgesagt habe; auch r 511 die Muskeleylinder der Synapta halte ich analog den dort be- schriebenen Röhren, welche in verschiedener Anzahl von einer gemeinsamen Hülle — dem Sarkolemma — umgeben, ein sogenanntes Muskelprimitivbündel zusammensetzen. Mitten in der Muskulatur z. B. der Haut trifft man auf zahlreiche Kalkablagerungen, die als scharfeonturirte läng- liche, meist nierenförmige, etwas geschichtete Körper von den Muskeleylindern sehr abstechen (Fig. 6). Sie finden sich in ähnlicher Weise, wie dies Quatrefages beschreibt und ab- bildet, auch bei Synapta Dwwvernaea. Darm und Mesenterium. Rücksichtlich der mikroskopischen Beschaffenheit des Dar- mes beschränke ich mich auf die Angaben, dass derselbe, wie schon Joh. Müller gesehen hat, auf der Aussenfläche wim- pert, dass er innen der Drüsen ermangelt, und dass er als mittlere Lage deutliche Muskeln besitzt, sich auch lange leb- haft forteontrahirt. Eine röthliche Pigmentablagerung in die Zellen des Darmes ist bald stärker, bald schwächer zu sehen, verschieden sowohl nach den Individuen, als auch bei einem und demselben Thiere an den einzelnen Darmstellen. Joh. Müller hat (Archiv 1852. S. 1) an der Synapta digi- tata einen Muskelmagen entdeckt, ich habe denselben wieder gefunden, er war im eontrahirten Zustande 5"' lang, 2" breit und grenzte sich durch seine relativ derben Muskelwände sehr bestimmt von dem zarthäutigen Darm ab. Eine andre neue Beobachtung, die Joh. Müller machte und die ich bestätigen kann, ist die Gegenwart von Muskeln im Mesenterium der Synapta. Quatrefages hatte zwar schon gesehen, wie das Gekröse sich bewegt, sich faltet und zu- sammenzieht, aber die Muskeln waren ihm entgangen, es ver- laufen aber im Mesenterium deutliche Primitivglieder von der- selben Beschaffenheit, wie ich sie oben bezeichnete, theils dicht nebeneinander, theils aüch mehr auseinandergerückt, auch sind Verästelungen und Anastomosenbildung der Primitivglieder gar nichts Ungewöhnliches, wodurch eben die so allseitige 512 Contraetion, wie sie unter den Augen des Beobachters vor sich geht, erleichtert wird *). Die Wimperorgane in der Leibeshöhle, Joh. Müller fand an der lebenden Synapta am Gekröse aufgehängt und am Peritoneum in zwei Intermuskularräumen der Körperwände Züge eigenthümlicher Wimperorgane von Y/z0'' Grösse. Sie sitzen auf Stielen und Müller nennt ihre , Form im Allgemeinen pantoffelförmig oder füllhornförmig. Man erkennt diese Organe am lebenden Thiere leicht wieder, aber schwieriger ist es, sich die eigentliche Gestalt derselben herauszusehen, doch wird man zuletzt die Bezeichnung Mül- ler’s als pantoffel- oder füllhornförmig ganz zutreffend finden. Im frischen Zustande sehe ich das Füllhorn (Fig. 4 c) aus- gekleidet von einer feinkörnigen Masse, die einzelne dunklere Pünktchen einschliesst, Essigsäure trübt die Masse und wan- delt sie in kleine Zellen um. Dieses sind die Flimmerzellen, deren feine Cilien nach einwärts schlagen. Aus der Tiefe des Füllhornes aber ragt ein Zellenhaufen hervor, der als Knopf in das Lumen vorspringt, nicht flimmert und schon ohne Es- sigsäure deutlich seine zellige Natur erkennen lässt. Die Zel- len sind rundlich, haben einen Kern, übertreffen an Grösse die Wimperzellen, und manche davon sind mitunter von dem- selben röthlichen Pigmente erfüllt, wie die Zellen der äusseren Haut des Darmes. Die flimmernden und die flimmerlosen Zel- len grenzen sich scharf ab gegen die glashelle, homogene, mit einzelnen Kernen besetzte Membran des Füllhornes und letz- tere geht continuirlich über in den Stiel des Organes, Dieser Stiel aber, welcher von derselben histologischen Beschaffenheit ist, wie die Haut des Füllhornes und über den sich Joh. Müller nicht weiter äussert, ist nach meinen Be- obachtungen niehts Anderes als ein Gefäss. Ich habe denselben *) Gelegentlich merke ich an, dass ich glatte Muskeln auch im Mesenterium mancher Reptilien gefunden habe, so bei der Landschild- kröte, beim Land- und Wassersalamander. Ich werde an einem an- dren Orte darüber näher berichten. 513 einige Mal weithin verfolgen können bis zurück zu grösseren Gefässen des Mesenteriums, bis zu Stellen, wo ein Gefäss sich mehrere Mal theilte und die Aeste an ihren Endpunkten in die füllhornartigen Wimperorgane anschwollen, wie solches die Figur 4 vorführt. Diese Thatsache scheint es mir möglich zu machen, die fraglichen Organe von einem allgemeinen Ge- sichtspunkt aus zu betrachten. Ich halte nämlich dafür, dass die füllhornartigen Wimperorgane der Synapta mit dem von v. Siebold bei Nephelis aufgefundenen und von mir näher beschriebenen rosettenförmigen Flimmerorgan, so wie dem von mir angezeigten, analogen arabeskenförmigen Flimmer- organ aus Clepsine (zweiter Bericht der zootomisch. Anstalt zu Würzburg 1849 Taf. TII. Fig. 1 und 2) zu einer Reihe von Bil- dungen zusammengehören und vielleicht auch schliessen sich die Wimperlappen im Wassergefässsystem der Räderthiere hier an. Man wird bei einer näheren Vergleichung der angeregten Organe von Nephelis und Clepsine die histologische Aehnlich- keit mit den fraglichen Organen der Synapta kaum verkennen können. Das rosettenförmige Organ von Nephelis hat von aussen nach innen schwingende Cilien, gerade so das äquiva- lente Gebilde von Clepsine, das Organ von Nephelis hat ausser den Flimmerlappen noch andere rundliche Zellen, mitunter auch einzelne pigmentirte. Um das arabeskenförmige Organ von Ölepsine sah und zeichnete ich auch zum Theil eine zarte Hülle, hier und da mit einem Kern, und wenn man bedenkt, dass diese Organe nur nach gewaltsamer Herausnahme aus dem Thiere in ihren angegebenen feineren Verhältnissen dar- gestellt werden konnten, so wird man es kaum gewagt finden, wenn ich annehme, dass die zarte Hülle des Organes bei Clepsine gleich ist der glashellen, mit Kernen besetzten Haut, welche als Fortsetzung des Gefässstieles das füllhornartige Organ der Synapta darstellt, und dass es bei Nephelis nur in Folge der Präparation gemangelt hat. Leider habe ich über das Gefässsystem der Synapta nur eine kaum mehr als rudi- mentäre Anschauung, ich kenne nur die beiden Darmgefässe, ferner feinere Gefässe im Gekröse und dureh Flimmern her- vorgerufene Bewegung von Blut(?)kügelchen im Hoblraume der Müllers Archiv. 1852. 33 514 Tentakeln. Wenn ich mir aber überlege, dass die Leibeshöhle mit einer hellen Flüssigkeit prall angefüllt ist, in der die Flim- merorgane arbeiten, und dass dieser Leibesraum nach Quatre- fages durch bestimmte Oeffnungen (orifice aquifere) zwisehen den Tentakeln nach aussen mündet, so kann man dem Ge- danken Raum geben, dass die Gefässe, welche an den be- zeichneten Orten, am Mesenterium und in den Intermuscular- räumen der Körperwände viele frei in die Leibeshöhle sprin- gende Ausläufer haben, durch die eben die Wimperorgane mit der Flüssigkeit in der Leibeshöhle in Beziehung treten, und da die Wimperung von aussen nach innen geht, vielleicht Was- ser in die Blutmasse einströmen lassen. Auch die Lage des vosettenförmigen Organes bei Nephelis an der Wand der seit- lichen Erweiterungen der Quergefässe (a. a. O. Fig. 15) könnte nach dieser Betrachtungsweise recht wohl auf einen Zusam- menhang des Blutbehälters an dieser Stelle mit Leibeshöhlen- räumen gedeutet werden. Mit Bezug auf die Form der Blutkügelchen mag hier auch erwähnt werden, dass ich sie bei Synapta digitata anders sehe, als sie Quatrefages von Synapta duvernaea beschrieben hat; ich erkenne innerhalb der grossen Darmgefässe nur blasse, helle Bläschen , die fast alle mit Strahlen versehen sind, wie ich sie z. B. von Corethra (Ztschrft. f, wiss. Zoolg. Bd. I. Taf. XVI. Fig.2 d) beschrieben habe. Nach Quatrefages sind sie bei Synapta dwvernaea bräunliche, das Licht stark brechende Kügelehen, auch seine Abbildung Pl. 5. Fig. VI. weist viel eher auf Fettkügelchen hin, als auf blasse Blutkör- perchen, Fortpflanzungsorgane. Durch Quatrefages weiss man, dass Synapta duvernaea von hermaphroditischer Geschlechtsbildung ist. Da in den an- deren Familien der Echinodermen die Geschlechter getrennt sind, so hat die Sache etwas Auffallendes, und von Siebold (vergl. Anatom. $.109. Anm. 22) geräth in Versuchung zu glauben, Quatrefages habe Entwickelungszellen der Sper- matozoiden vielleicht für Eier angesehen. Joh. Müller fand 515 im Frühling bei allen Individuen in, den Genitalien Eier, wo- durch ihm die Angabe von Quatrefages über die herma- phroditische Beschaffenheit dieser Holothurien bestätigt zu werden schien. Dass Quatrefages vollkommen recht gesehen hat, davon habe ich mich aufs bestimmteste überzeugt. Es sind in Syn- apta digitata die beiden Geschlechter in einem Individuum vereinigt. Die je nach der überwiegenden Entwickelung des einen oder des anderen Zeugungsstoffes mehr weisslichen oder gelbröthlichen Genitalschläuche, welche nach aussen flimmern, Muskeln besitzen und sich deutlich einschnüren, muss man, um ihren inneren Bau richtig auffassen zu können, ohne Deck- glas untersuchen. Man sieht so, dass in jedem Genitalschlauch ungefähr vier Streifen im Innern vorhanden sind, die vielfältig gekräuselt nach .der Länge verlaufen und zwischen sich bei nieht besonderer Entwickelung helle Längsräume frei lassen. Wendet man aber ein Deckgläschen an, so ändert sich das Bild dahin um, dass man vielfach verästelte Schläuche inner- halb des gemeinsamen Genitalschlauches vor sich zu haben glaubt. Diese gefalteten und gekräuselten Längsstreifen aber, die mamelons stalactiformes Quatrefages, stellen, wie ich mit genanntem Forscher sehe, unzweifelhaft die Hoden vor, denn ihr Inhalt besteht aus nichts Andrem, als aus Spermatozoiden und deren Entwickelungszellen. Die Samenelemente (Fig. 9) sind cercarienförmig mit rundlichem Köpfehen und sehr zar- tem Haaranhang, übrigens länger, als ihn Quatrefages Pl.5 Fig. II. gezeichnet hat. In manchen Individuen waren sie noch regungslos, in andren bewegten sie sich mit Seewasser ver- dünnt mit der grössten Lebhaftigkeit. Im Raume aber zwi- schen den Falten und Krausen ‚der Hoden liegen die Eier der Symapta, nicht ganz frei, wie man nach der Abbildung von Quatrefages (Pl. 5. Fig. 1) vermuthen könnte, sondern in- nerhalb einer hellen Contur, welche sich über die Dotterhaut von jedem Ei wegschlägt, was darauf hinweisen dürfte, dass der Eierstock in ähnlicher gekräuselter Weise wie die Hoden- streifen innerhalb. des gemeinsamen Genitalschlauches herab- läuft. Die Eier (Fig. 8) sind xundlich oder oval, haben eine 33* 516 scharf contourirte Haut und zwischen dieser und dem Dotter eine helle Eiweissflüssigkeit, der Dotter ist feinkörnig (bei ‚Symapta duvernaew nach der Zeichnung von Quatrefages mehr grobkörnig), hat ein deutliches Keimbläschen mit Keim- fleck. Ich weiss es mir nicht auszulegen, warum Joh. Mül- ler sagt, die Eichen der Synapta digitata seien ohne allen Keimfleck. Er zeigt sich, wo ich ihn auch immer ins Auge fasse, so klar, als nur wünschenswerth, ursprünglich einfach, kann er nach angewendetem Druck in mehrere auseinander- gehen. Was aber als eigenthümlich hervortritt, ist, dass er constant an einem Pol des Keimbläschens liegt und zwar in einer tellerförmigen Grube desselben; das Keimbläschen ferner macht mehr den Eindruck, als ob es ein heller, solider, festweicher Körper wäre und nicht ein Bläschen. Der Keim- fleck hat noch eine hellere Stelle im Innern, welche von dem- selben Aussehen ist, wie die Substanz des Keimbläschens, während der Keimfleck sich durch einen etwas schattirten An- flug davon unterscheidet und bekommt man ein Keimbläschen mit Keimfleck ganz im Profil zu Gesichte, so nimmt sich das Ganze, besonders nach Essigsäurezusatz, gerade so aus, als ob die helle Stelle des Keimfleckes ebenfalls in einer Vertie- fung des schattirten Theiles läge, also zum Keimfleck in dem- selben Lagerungsverhältniss steht, wie der Keimfleck selber zum Keimbläschen. Figur S u. 9. giebt eine getreue Dar- stellung dessen, was man unter den angegebenen Umstän- den sieht. So waren fast alle von mir untersuchten Genitalschläuche beschaffen. Einige Mal aber kamen mir Synapten unter die Hände, deren Eier sich anders darstellten: sie waren nämlich einmal ziemlich vereinzelt im Genitalschlauch und dieser vor- herrschend fast nur von Hodenmasse erfüllt, dessen Elemente aufs kräftigste sich bewegten, dann waren die Eier um ein Ziemliches grösser als sonst, hatten weder Keimbläschen noch Keimfleck und auch keinen einfachen Dotter mehr. Im Gegen- theile bot dieser das Aussehen eines unregelmässig gefurchten Dotters dar, indem er in eine verschiedene grosse Zahl kugli- ger Abtheilungen gesondert erschien, die bald auf einem Hau- 517 fen beisammen, bald mehr zerstreut lagen, keineswegs aber den Raum innerhalb der Dotterhaut ganz ausfüllten. In Fig. 10 ist ein solches Ei abgebildet. Ich wage es nicht, diesen Eiern eine bestimmte Deutung beizulegen, möglicherweise sind sie in einem Stadium der Ent- wickelung begriffen, doch kann ieh mir nicht verhehlen, dass sie auch an Eier erinnern , wie ich bei unseren Flussmuscheln öfter sah, die, nachdem sie die Furchung durchgemacht, zu keiner weiteren Entwickelung kamen, sondern ihre Furchungs- kugeln auseinanderfallen liessen und sich zersetzen. Immerhin hielt ich es für passend dieses Vorkommniss zu erwähnen, da im gegenwärtigen Augenblicke die Müller’schen Beobachtun- gen es nothwendig machen, Alles, was auf das Eileben und die Entwickelung der Synapta Bezug haben könnte, ans Licht zu ziehen. Anhangsweise will ich noch Etwas von einem sonderbaren Körper mittheilen, den ich häufig in der Synapta digitata ge- troffen habe. Schon am lebenden Thier sieht man leicht in seinem Innern frei in der Leibeshöhle, daher auch nach allen Rich- tungen verschiebbar, ein schwarzbraunes oder auch fast ganz schwarzes, auf den ersten Blick planarienartiges Gebilde durch die Haut durchschimmern. Wird die Leibeshöhle geöffnet, so fliesst es mit der darin enthaltenen Flüssigkeit aus und man hat einen platten, ungefähr 5"’ langen, bald auch grösseren oder kleineren Körper von der angegebenen Farbe vor sich. Der fragliche Körper zeigt keine Spur von Bewegung und bricht schon bei leiser Berührung in Stücke auseinander. Ein aufgelegtes Deckglas breitet ihn seiner Weichheit wegen leicht aus, ohne dass für das blosse Auge in der bräunlichen Masse etwelche Organe sichtbar wurden, nur einzelne zerstreute weisse Körnchen machen sich bemerklich. Mikroskopisch un- tersucht zeigt sich das ganze Gebilde aus zelligen Elementen, die meist rundlich, mit Pigmentkörnehen und Klümpchen ge- füllt sind und stellenweise auch faserig ausgezogen erscheinen, 518 zusammengesetzt; die vorhin erwähnten weissen Körner aber werden in verschiedenen Zuständen gesehen, die wohl als ein- zelne Entwickelungsstadien zu einander in Beziehung stehen mögen. Die einen nehmen sich aus, wie rundliche Eier mit Dotterhaut und feinkörnigem Dotter, doch ohne Spur von Keimbläschen; ihre Grösse wechselt zwischen 0,028’ u. 0,070’. Die anderen bieten das Bild regelmässig gefurehter Eier, eine verschiedene Anzahl von Furchungskugeln, jede mit hellem Kern sind von einer gemeinsamen Haut umschlossen. Die letzte Form endlich ist die eigenthümlichste, und sie ist es auch, die vielleicht ein Licht über die Bedeutung der anderen ver- breitet. Es sind Blasen (Fig. 11), dicht angefüllt mit ovalen, scharf eonturirten Körperchen, welche mit Ausnahme einiger - Punktmasse im Innern ein helles Aussehen zeigen. Es ist kaum nöthig darauf hinzuweisen, dass diese Blasen mit ihrem Inhalte sehr an Pseudonavicellenbehälter erinnern. Wo ist nun dieser schwarze planarienartige Körper mit sei- nen eingebetteten eiähnlichen Gebilden unterzubringen? Von Siebold spricht in seiner vergleichenden Anatomie S. 190. Anm. ]. von einer ganz eigenthümlichen Erscheinung bei den Lumbrieinen, von Klumpen nämlich, die aus einer zähen Masse und aus Nadeln und Borsten, die nach innen sich ab- gelöst und alsdann in die Leibeshöhle gefallen, sich zusam- menballen. Ich halte nun dafür, dass die fraglichen Körper aus der Leibeshöhle der Synapta diesen Klumpen aus der Lei- beshöhle der Lumbricinen gleich stehen und zwar bin ich zu dieser Annahme gekommen, als ich ein Mal mitten in die Zel- lenmasse des problematischen Körpers einen Ankerhaken aus der Haut eingebettet fand, der etwas verstümmelt war, auch seine Durchsichtigkeit eingebüsst und ein trübes Aussehen hatte, Ferner besteht die Zellenmasse, welche das eigentliche, wenn ich so sagen darf, Parenchym des Körpers ausmacht, aus mehr verkommenen, eingeschrumpften Elementen und was endlich die eingelagerten, eiähnlichen, gefurehten und mit pseudonavicellenartigen Körpern erfüllten Blasen betrifft, so mögen sie wohl mit den Entwickelungsstadien eines Schma- ie « 519 rotzerthieres im Zusammenhang stehen, um so mehr, als auch von Siebold (a.a. O.) erzählt, dass sich in die Nadelklum- pen in der Leibeshöhle der Lumbrieinen gewöhnlich vibrionen- artige Schmarotzer einnisten. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XIT. Fig. 4— 11. Fig.4. Die eigenthümlichen Wimperorgane aus der Leibeshöhle a Gefäss, b seine Aeste, c die füllhornartigen Erweiterungen. Fig.5. Ein Ankerhaken mit seinem Schildchen aus der Haut. Fig.6. Kalkkörper aus der Muskulatur der Haut. Fig. 7. Muskelprimitiveylinder. a ganz homogener, b quergestreifter e in Mark und Rindensubstanz gesonderter und an einem Ende verästelter. Fig.8. Eier, a frisch, b mit Essigsäure behandelt. Fig. 9. Spermatozoiden. Fig. 10. Ein Ei der Synapta, eigenthümlich verändert, ge- furcht (?) Fig. 11. Eine Blase aus den schwärzlichen Körpern, welche in der Leibeshöhle der Synapta flottiren, mit navicellenähnlichen Körpern gefüllt. Anmerkung des Herausgebers. Zu meinen Mittheilungen über die Synapta digitata ist noch nach- zutragen, dass dieses Thier auch Augen besitzt, gleichwie die Synapta lappa, wo ich sie bereits angezeigt habe. (Archiv 1850. S. 226). Es sind bei Synapta digitata 12 schwarzbraune runde Körperchen im Kreise am Munddiscus stehend, jeeines zwischen zwei Tentakeln. Bei der von Oersted beobachteten Synaptula vivipara aus Westindien sind ebenfalls Augen angezeigt, ihre grössere Verbreitung lässt sich auch aus den Abbildungen von Synapten von Chamisso, Quoy, Gaimard und Lesson schliessen. Was die Keimbläschen in den Eiern der Synapta digilata betrifft, so scheint es, dass wir sie, Leydig im Frühling, ich im Herbste in verschiedenen Zuständen gesehen haben, 520 Die von diesem Forscher beschriebenen Klumpen der schwarzbraunen Masse in der Bauchhöble habe ich sehr häufig in der Synapta digi- tata gesehen. Ich bin jedoch ausser Stande geblieben, etwas zu ihrer Aufklärung beizutragen. Aehnliche Klümpchen sind von Delle Chiaje in Holothurien gesehen. Descrizione e notomia. T. IV. p. 17. Tab. 115. Fig. 1. Ueber die Ergebnisse ausgedehnter conchyliolo- gischer Studien über die Schale der Synaptenschnecke Entoconcha mirabilis M. und ihre Eigenthümlichkeit habe ich im Monatsbericht der Akademie der Wissenschaften zu Berlin im April berichtet. Das Ausführliche enthält die besondere Schrift mit 10 Kupfertafeln. 521 Zur Streitfrage über die Gebilde der Bindesubstanz, über die Spiralfaser und über den Primordial- schädel. Von K. B. Reıcaerr in Dorpat. (Briefliche Mittheilungen an den Herausgeber). Die Mittheilungen Virchow’s „über die Identität von Kno- chen-, Knorpel- und Bindegewebs-Körperchen, so wie über Schleimgewebe‘‘ (Verhandlungen der physikal.-medieinischen Gesellschaft in Würzburg Bd. II. S. 150 u, f.) haben, wie mir scheint, die Streitfrage über das Bindegewebe und die ver- wandten Gebilde in ein neues Stadium vorgerückt, Zugleich ist der Boden für die Aufnahme der darin enthaltenen Ansicht, wie ich glauben und hoffen möchte, günstiger geworden. Sie- ben Jahre sind seit dem Erscheinen meiner Schrift über das Bindegewebe ete. verflossen. Man hat mehr Ruhe und Unbe- fangenheit bei der Beurtheilung einer Ansicht gewonnen, die nicht allein der hergebrachten Anschauungsweise widersprach, sondern sogar scheinbar sehr leicht durch ein beliebiges Bin- degewebsbündel,, durch ein in Fibrillen zerlegtes Sehnenstück zu beseitigen wäre. Auch die Gegner haben sich überzeugt, dass das gewöhnliche Bindegewebe wirklich an vielen Stellen, wie man es wohl voraussetzte, keine präformirte Faser-Textur darbietet, obschon hier das sogenannte „‚formlose Bindege- webe‘‘ aushelfen müsste. Die vorwaltende Neigung, das ge- formte Bindegewebe als ein präformirtes Fasergebilde zu be- trachten und 80 eine Brücke für den Uebergang zum contrac- tilen Bindegewebe und zur glatten Muskelfaser zu bauen, hat 522 sich einigermassen gelegt, nachdem man sich durch die Ar- beiten Kölliker’s und Anderer von der so enormen Aus- breitung einer mit der glatten Muskelfaser des Darms wesent- lich übereinstimmenden Faser überzeugt, und die letztere zu- gleich überall da vorgefunden hat, wo sonst contractiles Bin- degewebe angenommen wurde. Mit Recht bemerkt Virchow, dass man, statt auf dem Wege, den ich betreten, fortzugehen, sich ganz in die Frage nach der Faserigkeit des Bindegewebes verloren habe. Wie dieses geschehen konnte, und auf welche Weise es geschehen ist, möchte unschwer zu übersehen sein und ist überdies für die weiteren Fortschritte von zu geringem Belange, als dass man darüber viele Worte verlieren sollte. Von meiner Seite ist jedoch nur insoweit Etwas geschehen, als ich das direete Hervorgehen der Bündel und Fibrillen des geformten Bindegewebes aus elementaren Zellen nach den Er- gebnissen meiner Forschungen in Abrede stellte und zugleich zu der Ansicht gedrängt war, dass selbst die mehr oder weni- ger regelmässige Streifung des Bindegewebes nicht von prä- formirten Fibrillen und Fasern, sondern von Faltenzügen der Intercellular- oder Grundsubstanz herzuleiten sei. Ich weiss sehr wohl, dass es viel leichter ist, sowohl im Allgemeinen als auch namentlich vor Jemandem, der die Schwierigkeiten, bei der Entscheidung der angeregten Controverse nicht über- sehen will oder nicht zu übersehen vermag, die Anwesenheit präformirter Fibrillen und Fasern des Bindegewebes zu de- monstriren als das Gegentheil. Desgleichen wird man wohl voraussetzen müssen, dass das geformte Bindegewebe, bei der Eigenschaft sich nach einer bestimmten Richtung in Falten zu legen und diesem entsprechend sich in Fasern spalten zu las- sen, eine, der Verwirklichung solcher Eigenschaften entspre- chende Anordnung der Moleküle in der homogen erscheinenden Grundsubstanz besitze. Es ist endlich nicht zu bezweifeln, dass selbst die zuvor in Fasern nicht spaltbare Grundsubstanz des hyalinen Knorpels im Alter, wie z. B. bei den Rippen- knorpeln iu Fibrillen zerfallen könne. Allein darum ist es dennoch nicht erlaubt, zu sagen, -dass die Grundsubstanz auch vorher aus präformirten Fäserchen bestanden habe; darum 523 hört sie nicht auf, Intereellularsubstanz darzustellen; darum werden die Gebilde der Bindesubstanz nicht zu Faser-Gebil- den, die im histogenetischen und im histologischen Sinne un- mittelbar aus einer Zelle hervorgegangen sind. Wenn es daher auch vorkommen sollte, — wovon ich mich freilich nirgend habe überzeugen können, — dass die Grundsubstanz des ge- formten Bindegewebes (Sehnengewebe etc.) wie im hyalinen Knorpel, später in wirklich geschiedene Fibrillen zerfiele, so würde darum dieses Gebilde in dem angedeuteten histologischen und histogenetischen Sinne keine Fasergebilde darstellen, ebenso wenig als der hyaline Knorpel bei gleichem Verhalten; wir hätten vielmehr eine in Fibrillen zerfallene Grundsubstanz vor uns. Es sind also bei der Controverse über die Gebilde der Bindesubstanz die beiden Fragen genau auseinander zu halten: nämlich die nach der Faserigkeit des Gewebes im ge- gebenen Falle, und dann die, ob die Bindesubstanz- Gebilde überhaupt als Fasergebilde im histogenetischen und histologi- schen Sinne gleichzustellen seien. Ich bin einmal gegen die letztere Ansicht aufgetreten und habe ausserdem auch in Ab- rede gestellt, dass das gewöhnliche Bindegewebe irgendwo aus präformirten Fibrillen und Bündeln bestehe. Was den Cha- rakter der Bindesubstanz-Gebilde als Faser -Gebilde im histo- genetischen Sinne betrifft, so wird dadurch auch nichts geän- dert, dass die in der Grundsubstanz derselben eingebetteten Zellen unter den verschiedenen Formen, wie wir jetzt wissen, auch die Faserform annehmen. Denn das Sehnen -Gewebe wird durch seine Spiralfasern ebenso wenig ein histologisches Fasergebilde, als die hyalinen Knorpel der Cephalopoden ein sternförmiges Gebilde, weil die Kuorpelkörperchen die Stern- form angenommen haben. Erlauben Sie mir aus den Mittheilungen Virchow’s noch besonders zwei Punkte hervorzuheben , seine Ansicht über die Beschaffenheit der in den Bindesubstanz-Gebilden vorkommen- den Zellenformationen und deren Verhalten zur Intercellular- oder Grundsubstanz, sowie seine Beobachtungen über die Spiralfaser (Kernfaser). Was den ersteren Punkt betriflt, so lehren Beobachtungen, dass ursprünglich bei allen Bindesub- 524 stanz-Gebilden elementare Zellen und eine anfangs nahezu gallertartige, später fester werdende Intercellularsubstanz den histogenetischen Process einleiten. Der Umstand, dass später an den Zellenformationen die einzelnen Bestandtheile der Zel- len nicht, oder wenigstens nicht deutlich nachzuweisen sind, so wie, dass in einzelnen Bindesubstanz-Gebilden, die ich we- nigstens als solche erklären zu müssen geglaubt habe, Zellen- Rudimente gar nicht wahrzunehmen waren, hat mich dazu veranlasst, in die Histogenese der Bindesubstanz-Gebilde einen Verschmelzungsprocess zwischen der Intercellularsubstanz und den ursprünglichen Zellen aufzunehmen. Nach Virchow’s Beobachtungen stellen die Knorpelkörperchen, die Zellenkör- perchen in der Wharton’schen Sulze (Schleimgewebe V.), die Spiralfasern, die Knochenkörperchen Zellen in ihrer Integrität dar, an welchen mithin überall noch die Zellenmembran und Inhalt unterschieden werden müssen. An den Knorpelkörper- chen ist die Zellenmembran nicht jene scheinbar verdiekte Schicht der Wandung der Knorpelhöhle, die ich nach dem mi- kroskopischen Verhalten verschieden dicker, obschon feiner Schnittchen durchaus für ein rein optisches Phänomen zu er- klären genöthigt bin, sondern eine feine in dem Inhalt, der Knorpelhöhle, dem eigentlichen Knorpelkörperchen, zu unter- scheidende Membran. Die als verdickte Zellenmembran aufge- fasste (scheinbare) Schicht an der Wandung der Knorpelhöhle ist nach dem Verfasser eine veränderte Schicht der Grundsub- stanz daselbst. Wenn nun auch Virchow nicht entschieden gegen den Verschmelzungsprocess der Zellen und Intercellu- larsubstanz aufgetreten ist, so ergiebt sich doch aus dem An- geführten, dass derselbe Zellen in voller Integrität in vie- len Bindesubstanz-Gebilden statuirt, bei welchen dieses so- wohl von Anderen, als auch namentlich von mir bisher bezweifelt worden. Die Entscheidung der Frage, ob und in wie weit die in den Bindesubstanz-Gebilden so häufig wiederkehrenden Körperchen (Knorpelkörperchen in verschie- denen Formen, Knochenkörperchen, Spiralfasern, die öfters als Kerne aufgefassten Bestandtheile, die Körperchen in dem Schleimgewebe ete) noch als Zellen in voller Integrität oder 525 nur als Ueberreste nach einem vorausgegangenen Verschmel- zungsprocess anzusehen seien, ist eine der schwierigsten in der mikroskopischen Anatomie; daher ist die erneute Anregung derselben von Seiten Virchow’s durchaus an ihrem Platz. Ich halte nun zwar die Beweise Virchow’s für seine Ansicht nieht für völlig genügend. Die Erhaltung der Form der freien Knochenkörperchen und Knorpelkörperchen, das Aufquellen und Zusammenschrumpfen der letzteren bei Anwendung che- mischer Mittel und des Wassers könnte statthaben, ohne dass dabei eine Zellenmembran im Spiele ist; denn öfters hat sich mir das ganze Knorpelkörperchen beim Druck wie eine zähe, fast weiche Masse gezeigt. Dennoch ist eine Erscheinung an den Körperchen der Bindesubstanz-Gebilde sehr auffallend: es ist die oft merkwürdige Form-Veränderung derselben unter Umständen, bei welchen der Nachweis der vollen Integrität der Körperchen als Zellen mit Hilfe des Mikroskops kaum ge- lingen möchte. Wenn man bei diesen Formveränderungen die etwa erhaltenen Kerne nicht in Anspruch nehmen kann, oder, wenn man sich vorstellen wollte, dass in dem histogenetischen Processe eines elementaren Gewebes, bei welchen Zellen- und Intereellularsubstanz sich gleichmässig betheiligen , dergleichen Form-Veränderungen in dem Bindesubstanz-Gebilde auch bei Abwesenheit der Zellenmembran der Zellen und bei nur vor- handenen Zell-Rudimenten möglich sei; so scheint in allen solchen Fällen die Annahme der Zellenmembran an den Kör- perchen unvermeidlich, auch wenn dieselbe mit Hilfe des Mi- kroskopes nicht zu demonstriren wäre. Bei den Knorpelkör- perchen kommt noch der Umstand hinzu, dass, soweit ich die Sache übersehe, die Bildung der Markzellen des Knochens von denselben ausgehe, was nach meiner Ueberzeugung die unversehrte Zell-Natur der Knorpelkörperehen voraussetzen möchte, Wie sich dieses auch verhalten mag, so wird aus den Erörterungen doch ersichtlich, dass man in seinem Urtheile über die unversehrte oder verkümmerte Beschaffenheit der Bindesubstanz-Körperchen sehr vorsichtig sein müsse, und dass ich daher auch selbst in der Annahme von verkümmerten Knorpelzellen zu weit gegangen bin. Andererseits vermag ich 526 nicht, mich von der Ansicht loszusagen, dass im weiteren Ver- laufe des histogenetischen Processes der Bindesubstanz-Gebilde eine Verschmelzung der Körperchen und der Grundsubstanz vorkomme, Man findet nämlich Bindesubstanz-Gebilde, bei welchen dergleichen Körperchen gar nicht mehr vorkommen, oder doch so selten und von solcher Beschaffenheit, dass man nicht allein nicht die Zellenmembran, sondern auch keine Spur eines Inhaltes erkennen kann. Dahin gehören z. B. die Kap- seln der Vater’schen Körperchen, an welchen ich nur Kerne unterscheide, Desgleichen die Tunica propria der Drüsen-Ele- mente, welche nunmehr auch von Leydig und Kölliker für ein Bindesubstanz-Gebilde gehalten wird. Ferner ist das Ske- let (calamus) im Mantel der Loligineen nicht Horn, auch nicht Chitinsubstanz, wie Leuekart vermuthete, sondern ein Leim gebendes Gebilde und muss zu den Bindesubstanz-Gebilden gerechnet werden; ebenso verhält sich die Scheide und die daran sich festsetzende Muskelsehne. Alle diese Gebilde be- stehen aus feinen gestreiften oder ganz homogenen (ealamus), übereinander geschichteten Lamellen, in welchen keine Spur von Körperchen irgend welcher Art vorzufinden ist, obschon ihre Entstehung aus Zellen und Grundsubstanz nieht bezwei- felt werden kann. Dergleichen Beispiele lassen sich noch ver- mehren und drängen zu der Ansicht, dass im weiteren Ver- laufe des histogenetischen Processes der Bindesubstanz-Gebilde eine Verschmelzung der Zellen und der Grundsubstanz selbst bis zu einer scheinbar homogenen Masse festzusetzen sei. Als eine sehr schätzbare Bereicherung unserer Kenntnisse über die Textur der Bindesubstanz- Gebilde betrachte ich die Mittheilungen Virchow’s über die Spiralfaser, die nunmehr für das Sehnen-Gewebe dasselbe darstellen, was die Knorpel- körperchen für die Knorpelsubstanz. Ich selbst hatte mich im vergangenen Jahre mit diesem Gegenstande angelegentlich beschäftigt und war bereits zu demselben Resultat gelangt, als ich Virehow’s Abhandlung erhielt. Die Veranlassung zu diesen Untersuchungen war die Bemerkung Kölliker’s ge- wesen, dass an Querschnittehen getrockneter Sehnen deutlich die Durchschnittsflächen der Fibrillen zu erkennen seien, so 527 dass die Zusammensetzung des Sehnengewebes aus präformir- ten Fibrillen dadurch bewiesen würde, Eine Abbildung erläu- tert seine Angaben (Mikroskop. Anat. S. 217). Ich wiederholte daher die Beobachtungen solcher Sehnittchen , verfertigte sie auf Anrathen Kölliker’s etwas dicker und verglich sie zu- gleich mit Querschnittchen quergestreifterMuskelfasern. Gleich- wohl muss ich auf meinen früheren Angaben bestehen; ich finde ferner das mikroskopische Bild quer durchschnittener Muskel- fibrillen wesentlich verschieden von der quer durchschnittenen Sehnensubstanz und kann nicht umhin, die Zeichnung Kölli- ker’s für nicht naturgetreu zu erklären. Da es wohl möglich ist, dass sehr feine, diehtgedrängt bei einander liegende Fibril- len sich an mikroskopischen Querschnittchen ebensowenig markiren, wie die Lamellen in der Grundsubstanz des Knor- pels, so möchte ich auf das mikroskopische Verhalten solcher Sehnenschnittchen keinen entscheidenden Werth legen. Ande- rerseits halte ich es keineswegs, wie es Kölliker annimmt, für erwiesen, dass die Grundsubstanz der Sehnen in Fibrillen zerfallen sei, wenn auch wirklich die Querschnittchen ein punktirtes Ansehen zeigen würden, da begreiflicher Weise die feinen Fältchen der Lamellen, aus welchen die einzelnen Seh- nen-Abtheilungen zusammengesetzt zu denken sind, ein ähn- liches mikroskopisches Bild darbieten können. Nach meiner Ueberzeugung steht das Verhalten der Sehnensubstanz bei Be- handlung mit Essigsäure, Kalilösungen, worauf ich gelegent- lich hingewiesen habe, desgleichen der Umstand, dass, abge- sehen von den mechanischen Zerrungen, bei allen Mitteln, die sonst ein Zerfallen wirklicher Fasergebilde in die einzelnen Fasern herbeiführen, diese Wirkung hier nicht eintritt, im Widerspruch mit der Annahme präformirter Fibrillen. Wäh- rend ich aber von Kölliker’s punktirter Zeichnung an den Querschnittchen getrockneter Sehnen Nichts bemerken konnte, erregte die regelmässige Vertheilung der Spiralfasern , welche erst bei dickeren Schnittchen deutlich hervortreten und der Sehnensubstanz, wie Virchow sehr richtig bemerkt, die scheinbar bündelförmige Struktur verleihe, — es ist natürlich hier nicht von der Zusammensetzung der Sehne aus grösseren 528 und kleineren Strängen die Rede, — meine grössere Auf- merksamkeit. Ich untersuchte daher von Neuem fötale Sehnen bis zur vollständigen Ausbildung, und überzeugte mich sehr deutlich, nicht, wie Kölliker angiebt, dass die angeblichen Fibrillen der Sehne aus spindelförmigen Zellen hervorgehen, sondern , dass die bekannten spindelförmigen Zellen vielmehr zu Spiralfasern umgewandelt werden, während die zwischen ihnen befindliche Intercellular- oder Grundsubstanz zu der scheinbaren Fibrillen-Substanz verwendet wird, wie ich dieses schon früher mitgetheilt habe, Auch darin muss ich Virchow beistimmen, dass zur Zeit, wenn die Spiralfasern schon als lange, scheinbar cylindrische, dünne Körper auftreten, nicht selten an ihnen der Kern gesondert zu bemerken ist. Der Name „Kernfaser“ ist daher passend zu beseitigen. So hat denn die Spiralfaser aufgehört, ihre selbstständige Stelle unter den histologischen Formelementen zu spielen. Wie das Knor- pelkörperchen mit der Grundsubstanz untrennbar vereinigt zur Textur des Knorpels und verwandter Gebilde, so gehört die Spiralfaser mit der gestreiften Grundsubstanz der Sehne, Aponeurose etc. zur Textur der Sehnensubstanz. Wo nicht die ursprünglichen Zellen mit der Intercellularsubstanz gänz- lich zu einer homogenen Masse verschmolzen sind, da finden sich dieselben in vollkommener Integrität oder als Rudimente in. der verschiedensten Form und Ausbildung in den Binde- substanz-Gebilden vor, und es liegt nahe, daran zu denken, dass auch die sternförmigen Pigmentzellen in einem ähnlichen Verhältniss zu der Bindesubstanz stehen, in welcher sie an- getroffen werden. Die Streitfrage über das Bindegewebe und die verwandten Gebilde führt mich zu einigen Bemerkungen über den Pri- mordialschädel, indem ich die Ueberzeugung hege, dass die bisher übliche schroffe Scheidung der verschiedenen Binde- substanz-Gebilde eine der hauptsächlichsten Veranlassungen gewesen, die Theorie über den Primordialschädel in Aufnahme zu bringen. In der That, wenn Jemand eine Reihe Schädel von Menschen öder Säugethieren von der ersten Anlage bis zur vollständigen Verknöcherung vor sich hätte und dabei die von der Geringfügigkeit dieses Unterschiedes bei der Frage nach der skeletbildenden Schicht sieh überzeugt hätte ; — der würde wahrlich nicht auf den Gedanken gerathen sein, die einzelnen Knochen der Schädelkapsel, ja sogar die Hinter- hauptschuppe des Menschen für sich, und im Vergleich zu den Säugethieren auszwei verschiedenen skeletbildenden Schich- ten des Wirbelsystems hervorgehen zu lassen. Im Jahre 1549 hatte ich in Ihrem Archiv eine Kritik der Lehre von dem Pri- mordialschädel nach anderen und eigenen Betrachtungen gege- ben. Professor Kölliker hat darauf in die Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie (Bd. U. S. 281 sqq.) die Theorie des Primordialschädels festgehalten. Eine abermalige Prüfung des Gegenstandes führt mich zu dem Bekenntniss, dass ich von dem, was ich in der bezeichneten Abhandlung auseinan- dergesetzt habe, Nichts abzuändern brauche. Für diejenigen, welche der (Gegenstand interessirt, liegen die verschiedenen Abhandlungen zur Prüfung vor, und eigne Untersuchungen können die Entscheidung befestigen. Ueberdies finde ich in dem erwähnten Aufsatze Kölliker’s Aussprüche, welche das bisherige, so entschiedene Verfahren des Verfassers in dem Verfolge seiner Theorie bereits auffallend moderiren und sogar die Theorie selbst in Frage stellen. So bemerkt der Verfasser, dass es besser sei, vorläufig die Frage, ob die sekundären, d. h. die an hyalinen Knorpeln anliegenden Knochen des Ge siehts nur einer oder mehreren Knochen erzeugenden Schichten angehören, offen zu lassen (a. a. O. S. 283). Auf derselben Seite wird ferner hervorgehoben, dass, wenn der Verfasser auch der Ansicht sei, dass die Deekknochen der Schädelkap- sel zu einer besonderen knochenbildenden Schicht des Wirbel- systems gehören, hiermit nieht gesagt sein solle, ‚dass die in- nere (primordiale) skeletbildende Schicht ihrer Entstehung ganz fremd ist, wie ja auch sonst zwischen beiden eine ge- wisse Beziehung sich kund giebt, indem möglicherweise ihr Blastem z. Th. aus den Gefässen derselben, d.h. derer des Perichondrium des Primordialschädels und der häutigen Reste derselben stammt.“ "Solche Aussprüche leiten die Untersuchung wieder auf die, wie ich Miillers Archiv. 1852. 34 530 überzeugt bin, riehtige Bahn, und enthalten bereits den Keim zur Beseitigung der Theorie des Primordialschädels, wie sie sich in letzter Zeit ausgebildet hat. Wenn ich dennoch einige Bemerkungen hier hinzufüge, so geschieht es hauptsächlich deshalb, weil Professor Kölliker in seiner Erwiderung so- wohl zu Anfange, als zu Ende, sich auf die Uebereinstimmung mit Forschern stützt, über deren achtungswerthe Urtheile in dieser Angelegenheit mir wenigstens nach Veröffentlichung meiner Abhandlung nichts bekannt geworden ist. Zwar hat Professor Stannius in demselben Hefte des Archivs, in wel- chem sich meine Abhandlung befindet, auch die seinige „‚über die Deckknochen und die integrirenden Ossifikationen der Wir- bel einiger Knochenfische“ veröffentlicht. Gleichwohl weiss ich nicht, ob der bezeichnete Forscher auch nach Berücksichtigung meiner Erörterungen den Standpunkt festzuhalten geneigt ist, den derselbe in seiner Abhandlung eingenommen. Kölliker hat, wie ich es auch gethan, den anatomischen Thatbestand und die Bildungsgeschichte des Schädels von der vergleichend-anatomischen und der histologischen Frage ge- trennt, wenn es auch nicht zu verkennen ist, dass bei ihm die histologischen Verhältnisse den entschiedensten, wo nicht geradezu den entscheidenden Einfluss auf die übrigen Fragen gehabt haben. Allein der Verfasser vereinigt sich mit mir ausdrücklich in dem Satz, dass aus der histologisch ver- schiedenen Beschaffenheit der den Schädelknochen vorauf- gehenden knorpelartigen Zustände nicht geschlossen werden dürfe, es gehören die Knochen auch verschiedenen, skeletbil- denden Schichten an. Es ist zwar ehedem üblich gewesen, die Knochen und Knorpel des Wirbelskeletes mit Genauigkeit herauszupräpariren und bei vergleichend -anatomischen Fragen besonders zu berücksichtigen; auch wird es in Zukunft von Werth bleiben, zu wissen: welche histologische Beschaffenheit die skeletbildende Schicht des Wirbelsystems im Allgemeinen und einzelne Bestandtheile derselben insbesondere haben, wie die Verknöcherung vor sich gehe u.s.w. Wir wissen aber auch, dass eine und dieselbe skeletbildende Schicht bei ver- schiedenen Thieren die homologen Bestandtheile bei einem und 531 demselben Thiere, ein und derselbe Theil endlich bei verschie- denen Thieren mit Rücksicht auf die Textur des Bindesubstanz- Gebildes sich verschieden verhalten können. Dieses verschie- dene Textur- Verhalten kann sogar im Bereiche der unverknö- cherten Grundlage eines und desselben Knochens (Röhren- knochen etc.) vorkommen, und bei der Verknöcherung alle Substanzen, oder der eine Theil mit Erhaltung oder Verküm- merung der übrigen sich betheiligen, so dass schliesslich ein ein- ziger Knochen, wie z.B. der Hammer, in seinen verschiedenen Theilen aus verschiedenen Substanzen verknöchert hervorgeht. Der Verknöcherungsprocess der verschiedenen Bindesubstanz- Gebilde zeigt ferner gewisse Abweichungen, doch nicht, wie ich ebenfalls behauptet, und wie ich mich neuerdings von Neuem überzeugt habe, in der Ablagerung der Knochenerde, in der Bildung der Knochenkörperchen, und nur unwesentlicheren hin- sichtlich der Bildung der Markräume, Markzellen und Mark- kanälchen. Dieses Alles, so wie die Fragen, an welchem Orte einer gegebenen Grundlage der Verknöcherungsprocess beginnt, wie er in verschiedenen Theilen fortschreite ete., gehören zur Untersuchung über die Textur und Struktur der Knochen, ihrer voraufgehenden Grundlagen, ihrer Bildungsgeschichte. Auf Controversen zwischen Kölliker und mir mit Rücksicht auf diese Fragen näher einzugehen , scheint mir hier nicht der passende Ort zu sein. Denn die Theorie des primordialen Ske- letes beschränkt sich nicht auf die Untersuchung, wie sich die Textur und Struktur der Knochen verhalten, wie beschaffen die knorpelartigen Grundlagen derselben seien , auf welche Weise die Verknöcherung von statten gehe, ob sich alle Schich- ten oder Substanzen der präformirten Grundlage dabei bethei- ligen, oder eine u.s.w.; sondern sie behauptet, dass die Kno- chen des inneren Wirbelskelets der Schädelkapsel, ja selbst der Wirbel aus zwei verschiedenen skeletbildenden Schichten, einer primären und einer sekundären Belagschicht her- vorgehen, und für diese Behauptung fehlt nach meiner Unter- suchung jeder Beweis. Dass von der Bildungsgeschichte der inneren skeletbildenden Schicht und der dabei zu Rathe zu ziehenden anatomischen und histologischen Thatsachen zunächst 34% 532 die Entscheidung dieser Streitfrage abhänge, darüber sind wir Alle einig. Meine hierauf bezüglichen Beobachtungen will ich kurz mittheilen und dabei mich vorzüglich an die Schädelkap- sel der Säugethiere und des Menschen halten, zumal ich mich ganz ausser Stande fühle, die Bildungsgeschichte des Gesich- tes und die der Schädelkapsel über einen Leisten zu bringen, und Kölliker selbst die Frage in Betreff des Gesichtes nun- mehr offen gelassen hat. Kölliker hat mir ausdrücklich darin beigestimmt, dass die Schädelkapsel in dem sogenannten häutigen Zustande ein geschlossenes, kontinuirliches Ganze bilde; er nennt die Sub- stanz dieser Haut unbestimmt „‚Blastem“. Dieses Blastem ist aber bei genauer Untersuchung hauptsächlich ein Gebilde, wel- ches in ähnlicher Weise überall frühzeitig da auftritt, wo spä- ter irgend ein Bindesubstanzgebilde mit einem speeifisch-histo- logischen Charakter sich entwickelt; es ist der sogenannte noch unreife Zustand irgend eines Gebildes der Bindesubstanz. So- dann behauptet Kölliker , dieses Blastem entwickele sich, wo gehörig, zu hyalinem Knorpel, und bilde den Primordial- schädel; an der Schädeldecke dagegen soll es verschwinden, und in der oben bezeichneten Weise dafür eine neue skeletbil- dende Schicht entstehen, aus welcher die Knochen der Schä- deldecke hervorgehen. Die letztere Schicht erweise sich nach ihm als Bindegewebe mit eingestreuten Bildungszellen, durch deren Vermittelung eigentlich die zu ve:knöchernde Substanz gebildet werde, während die Zellen selbst aus jenem, von der Beinhaut ete. ergossenen Blastem, wie bei der zu verknöchern- den Substanz der Rindenschicht in den Röhrenknochen sich entwickelt haben. Nach meinen Beobachtungen muss ich es mit aller Entschiedenheit in Abrede stellen, dass zu irgend einer Zeit, sowohl beim Röhrenknochen zwischen der verknö- chernden Rindenschicht und der Beinhaut, als bei der skelet- bildenden Schicht der Schädelkapsel, ein mit dem Mikroskop zu unterscheidendes, ergossenes Blastem angetroffen werde, in welchem deren Bildungszellen entstehen und dass so auf diese Weise eine neue, zu verknöchernde Bindesubstanz gebildet werde, die für die Schädelkapsel die sekundäre Skeletschicht 933 hergebe. Es ist unschwer, sich davon, wie überhaupt von den später mitzutheilenden Thatsachen in Betrefl der Bildungs- geschichte der Schädelkapsel zu überzeugen, wenn man Durch- schnittchen getrockneter Schädelkapseln aus verschiedenen Bildungsperioden mikroskopisch untersucht. Man darf von den zum Trocknen verwendeten Schädelkapseln nur die Haut und etwa vorhandene Muskeln, niemals die Dura mater (Perich. oder Periost. der Kapsel) entfernen. Da die Wandung der getrockneten Kapsel oft sehr dünn ist, so klebe ich sie behufs der Verfertigung von Schnittehen auf Gutta-Percha. Um die Präparate noch lichter zu machen, füge ich Kalilösung 10°, hinzu. Die in Knochen sich verwandelnde Grundlage der Schä- deldeckknochen wird dadurch oft zu durchsichtig. Hier setze ich dann Jodwasser hinzu, in Folge dessen unter dem allmä- ligen Zusammenschrumpfen des Bindesubstanz - Gebildes die darin enthaltenen Körperehen deutlich hervortreten. Ist nun der häutige Zustand der Schädelkapsel in den knorp- ligen übergegangen, so beobachtet man an Durchschnittchen, dass die skeletbildende Schicht im Bereiche des angeblichen Primordialschädels in der Mitte aus hyalinem Knorpel besteht, dass derselbe auf beiden Seiten von einer mehr oder weniger dünnen, streifigen Schicht begrenzt wird, die später in die festere Rindenschicht des Knochens verknöchert und bei An- wendung der Kalilösung und des Jodwassers deutlich längliche, später in die Knochenkörperchen übergehende Knorpelkörper- chen enthält, und dass zu äusserst noch eine lichtere Sub- stanz folgt, die später deutlich Spiralfasern zeigt und als Perichondrium gegenwärtig aufzufassen ist. Die einzelnen Schichten des Knorpels, und namentlich die centrale und Rindenschicht , scheinen bei diekeren Schnittchen sich ge- genseitig scharf abzugrenzen; bei dünneren Schnitteben über- zeugt man sich jedoch deutlich, dass Zwischenschichten den Uebergang vermitteln. Nach der Decke der Schädel- kapsel setzt sich der hyalin - knorplige Theil, kontinuirlich und allmälig an Dicke abnehmend in diejenige skeletbil- dende Schicht der Schädelkapsel fort, aus welcher sich die sogenannten Deckknochen bilden. Die skeletbildende Schicht 534 erscheint hier mehr weisslich, häutig, membranartig und be- steht aus der Substanz, die ich „‚häutig - knorplig‘“ genannt habe. Schnittchen aus den Uebergangsstellen des hyalin-knorp- ligen Theiles der Kapsel zu dem häutig - knorpligen genom- men, weisen Folgendes ganz deutlich nach: Die hyalin-cen- trale Knorpelsubstanz wird allmälig dünner und hört gänzlich auf; dıe Rindenschicht zu beiden Seiten nimmt etwas an Dicke zu und geht unmittelbar in die häutig-knorplige Membran über, die Hauptsubstanz derselben darstellend; die Perichon- drien setzen sich in das Perichondrium dieser Substanz kon- tinuirlich fort. Wie die centrale hyaline Substanz gegen die eigenen Rindenschichten nicht scharf abgegrenzt ist, so auch da, wo sie aufhört und an die Hauptsubstanz des häutig- knorpligen Schädelabschnittes anstösst. Alles dieses ist deut- lich und genau zu verfolgen. Die Hauptsubstanz des häutig- knorpligen Theiles der Schädelkapsel ist von der histologi- schen Beschaffenheit wie die Rindenschicht an dem hyalin- knorpligen Theile; sie stimmt überein mit der noch nicht ver- knöcherten Grundlage der Rindenschicht an den Röhrenkno- chen. Man unterscheidet an ihr die streifige Grundsubstanz, und darin eingebettet länglich-ovale, oft, wie es mir schien, sternförmig verästelte Körperchen, die Aequivalente der Knor- pelkörperchen. Dass diese Körperchen Kölliker’s Bildungs- zellen seien, und die Grundsubstanz von ihm für Bindegewebe gehalten worden, scheint fast, doch mag ich es nicht bestimmt behaupten. Die im geformten Bindegewebe vorkommenden Spiralfasern finden sich jedenfalls hier nicht vor; sie zeigen sich erst im Perichondrium. In solcher Weise ist der häutige Zustand der Schädelkapsel in den knorpelartigen übergegangen ; an der Basis finden wir die beschriebenen hyalinen Knorpel, an der Schädeldecke den von mir sogenannten häutig-knorpli- gen Zustand. Es ist natürlich, dass, unerachtet des mikro- skopisch erkennbaren kontinuirlichen Ueberganges beider Sub- stanzen, wegen der verschiedenen physikalischen Eigenschaf- ten dem unbewaffneten Auge sich bald die Abgrenzungen der durch sie bezeichneten Regionen an der Schädelkapsel marki- ren. Diese Abgrenzungen variiren bei verschiedenen Säuge- thieren und dem Menschen; sie entsprechen aber im Wesent- 555 lichen den Abgrenzungen, welche die aus häutig - knorpliger Grundlage verknöcherten Schädelknochen gegen die Knochen des Schädels machen, die durch die Verknöcherung des hya- linen Knorpels gebildet werden. Die Näthe der einzelnen Schä- delknochen dagegen und die dadurch bewirkte spezielle Be- grenzung der letzteren sind weder in dem hyalin-, noch in dem häutig-knorpligen Theile der Schädelkapsel vorhanden. Be- sondere Bildungen an den einzelnen Abschnitten der Schädel- kapsel, so z. B. die Labyrinthe des Gehör- und Geruch -Ap- parates, Margo supraorb. des Stirnbeins ete., ferner der Durch- tritt von Nerven und Gefässen können solche Unterscheidung unterstützen, nicht aber etwa vorhandene Näthe. Wo derglei- chen Verhältnisse fehlen, da fehlt begreiflicherweise auch die Möglichkeit, einzelne Knochen von der Verknöcherung zu un- terscheiden. Der Verknöcherungsprocess beginnt zuerst in dem häutig- knorpligen Theile, später in dem sogenannten primordialen Knorpel, und durch ihn werden nun auch in beiden Theilen die Grenzen der einzelnen Knochen gegen einander mehr und mehr bestimmt. In beiden Abtheilungen der Schädelkapsel zei- gen sich die Verknöcherungspunkte zuerst in der Mitte der zu verknöchernden Substanz; es wird zuerst die Diplo&@ und die Marksubstanz verknöchert. Zu jeder Zeit kann man sich an Schnittehen, die aus der Schädeldecke nach voraufgegangener Behandlung mit Salzsäure in der oben bezeichneten Weise verfertigt werden, überzeugen, dass der mittlere Knochenstrei- fen zu beiden Seiten von noch nicht verknöcherten Schich- ten der ursprünglichen häutig-knorpligen Grundlage gedeckt wird; die nach innen gelegene Schicht ist etwas dieker. Dass die hyalin- und häutig-knorplige Grundlage der Schädelkapsel während der Verknöcherung sowohl in der Dicke, wie nach der Flächenausbreitung wachsen müsse, darüber können keine Zweifel obwalten; dass aber diese Zunahme zu keiner Zeit und an keiner Stelle durch den Erguss eines selbst mikroskopisch nachweisbaren Blastems geschehe, oder vielmehr eingeleitet werde, davon überzeugt man eich gleichfalls durch eine genaue Untersuchung der Schnittehen. Schreitet die Verknöcherung weiter vor, so beobachtet man, weil eben dieser Process in 536 dem hyalin-knorpligen Theile der Schädelkapsel später be- ginnt und langsamer von statten geht, dass überall da, wo Schuppennäthe es bedingen, nach innen von den Schädeldeck- knochen hyaliner Knorpel sich vorfindet, welcher der knorp- ligen Grundlage eines Knochens angehört, der in der Schup- pennath nach innen liegt. Kölliker sagt, ich mache es mir mit dieser Angabe leicht. Allein die Sache verhält sich nun einmal so, und ich sehe nicht ein, warum man sich hier Fes- seln anlegen solle. Wo die Schuppennäthe von der Beschaffen- heit sind, dass der aus hyalinem Knorpel verknöchernde Knochen nach aussen, und der aus häutig-knorpligem Zustande hervorgehende nach innen liegt, da findet der umgekehrte Fall statt, so in der Schuppennath zwischen dem Scheitel- beine und der Hinterhauptschuppe beim Schweine. Von Wich- tigkeit ist in dieser Beziehung, so wie überhaupt, um sich von der Richtigkeit der ganzen Lehre des Primordialschädels in vergleichend-anatomischer Beziehung zu überzeugen, die Untersuchung der Hinterhauptsschuppe desMenschen. Bekannt- lich besteht dieselbe in ihrem oberen Theile, oberhalb der Protuberanz, aus häutig-knorpliger Bindesubstanz, in ihrem unteren dagegen aus hyalinem Knorpel. Kölliker lässt auch bier beide Theile aus zwei verschiedenen skeletbildenden Schich.- ten entstehen und beide Theile so verschmelzen, wie mitunter zwei ganz verschiedene Knochen, ja selbst Hautknochen, mit Knochen des Wirbelskeletes es thun. So lange die Verknöche- rung noch nicht begonnen, zeigen die beiden Theile in der Grundlage der Hinterhauptschuppe an den Schnittchen das- selbe Verhalten, wie sonst bei dem Uebergange des hyalin- knorpligen Schädelabschnittes in den häutig-knorpligen, und zwar ausserordentlich instruktiv. Die Verknöcherung beginnt hier, in der Umgebung der Protuberanz, sowohl in dem hya- lin-, als in dem häutig-knorpligen Theile, schreitet aber an- fangs schneller in dem letzteren vor. Wegen der grösseren Dicke und Festigkeit des unteren hyalin - knorpligen Theiles bricht derselbe ‚beim Beginn der Verknöcherung und bei un- geschiekter Manipulation sehr leicht von dem oberen häutig- knorpligen Theil ab; dadurch lässt man sich verleiten, an eine Nath zwischen beiden Theilen zu denken. Wenn man mit 537 Vorsicht sich Schnittehen verschafft, so beobachtet man ganz deutlich, dass die Anfänge des Knochens im hyalin-knorpligen Theile sich kontinuirlich in die des häutig-knorpligen Thei- les fortsetzen, und überzeugt sich zugläch sehr schön, wie die noch nicht verknöcherten Deckschiehten des häutigen Knorpels in die Rindenschiehten des hyalinen Knorpels, und zwar in einer sogar auffallend diekeren Schicht nach innen, über- gehen. Ich gestehe offen, dass es mir ganz unbegreiflich ist, wie man bei solchen Thatsachen aus der Bildungsgeschichte der Schädelkapsel auch nur irgend einen Werth in vergleichend anatomischer Beziehung auf die Lehre vom Primordialschädel zu legen im Stande sein kann. Man hat zur Begründung der Lehre des Primordialschädels auch auf die Verkümmerung des hyalinen Knorpels hingewiesen. Dass dadurch Nichts für die Ansicht von zwei skeletbildenden Schichten bewiesen wird, liegt auf der Hand. Auch habe ich in meiner Abhandlung Beispiele angeführt, die den Werth einer solchen Thatsache überblicken lassen. Ueberdies ist die Verkümmerung des hyalinen Knor- pels an der Schädelkapsel höherer Wirbelthiere nur in einem geringen Grade vorhanden, wovon man sich überzeugt, wenn man die Form des hyalin-knorpligen Theiles der Schädelkap- sel mit der Form und Grösse der aus ihm hervorgegangenen Knochenpartieen vergleicht. Auf eine Täuschung, die dabei statthaben kann, möchte ich noch aufmerksam machen. Diese Täuschung kann nämlich dadurch entstehen, dass man auf die verhältnissmässig stärkere Zunahme der Schädeldecke gegenüber der Basis keine Rücksicht nimmt. Der Unterschied in dem Wachsthums - Verhältnisse beider Schädelpartieen ist jedoch nicht unbedeutend, was sich leicht aus dem Vergleich mit der verschiedenen Grössenzunahme des Gehirns in seinen oberen und unteren Theilen zu erkennen giebt. Mit Rücksicht auf den Aufsatz Kölliker’s kann ich nicht unterlassen, noch einige Angaben zu berühren, auf die der Verfasser selbst ein grösseres Gewicht zu legen scheint. Köl- liker legt einen besonderen Nachdruck darauf, dass die pri- mären Knochen, wie auch z. B. ein Wirbel, in ihrem Blastem (d. bh. wohl Knorpel) mit allen ihren wesentlichen Theilen prä- formirt (d. h, begrenzt) seien, die sekundären nicht (a. a. O.8.283). 538 Wie der Verfasser einen solchen Ausspruch noch dazu mit Nachdruck machen kann, ist mir ganz unbegreiflich. Bei den sekundären Knochen, wie K. sie nennt, wird an die Abgren- zung und die Bestimmung der Form eines Knochens durch Näthe gedacht, bei den primären Knochen an die Konfigura- tion der knorpligen Grundlage durch andere Bildungsverhält- nisse, die z. B. zufällig bei den Scheitelbeinen weniger markirt sind, doch schon bei dem Stirnbein vorgefunden werden. Ich habe diesen Punkt in Betreff der Schädelknochen schon be- sprochen. In Betreff des Wirbels ist bekannt genug, dass die Bogenstücke des Wirbels gegen den Körper, obgleich sie an- fangs durch eine Nath getrennt sind, in der knorpligen Grund- lage auch nicht die Spur einer Scheidungsgrenze besitzen. Kölliker findet es ferner auffallend, dass ich die grosse Aus- dehnung des sogenannten primordialen Knorpels bei dem Schwein, bei der Maus, und die Ausbreitung grosser Knorpel- lamellen an der Innenseite der Scheitelbeine vor vollendeter Verknöcherung so ganz unberücksichtigt gelassen habe (a. a. O0. S. 255). Allein ich habe diese Umstände nicht unberück- sichtigt gelassen; nur fühle ich mich ausser Stande, leicht zu begreifende Verhältnisse mir „unbegreiflich“ zu machen und sie nach der vorgefassten Ansicht der Lehre des primordialen Schädels zu beurtheilen. Ich finde vielmehr, dass, wenn man die Betheiligung der einzelnen Schädelknochen an dem Aufbau der ausgebildeten Kapseln beim Schweine, bei der Maus mit der beim Rinde, beim Menschen vergleicht, und die Bildung der Schuppennäthe im Auge behält, es sehr nahe liege, sich über die grosse Ausdehnung des hyalin-knorpligen Abschnit- tes der Schädelkapsel bei gewissen Thieren, desgleichen über die Ausbreitung hyalinen Knorpels an der Innenfläche der Scheitelbeine zu beruhigen. Verfolgt man, sagt endlich Köl- liker (a. a. O. S. 286), am Scheitelbein etc. den Knorpel, so sieht man, ‚‚wie derselbe, von seinem äusseren Perichondrium bekleidet, an der inneren Seite des Scheitelbeines hinzieht, und dass, wo er aufhört, eine fibröse gelbliche Lamelle als Fort- setzung seines inneren und äusseren Perichondriums gegen den Sagittalrand des Knochens hinzieht, dort denselben verlässt 539 und in der Mittellinie mit der ihr entgegenkommenden entspre- chenden Lamelle der andern Seite verschmilzt. Diese Schicht nun halte ich für eine Metamorphose der ursprünglichen häu- tigen Schädeldecke, da sie mit dem Knorpelperichondrium kontinuirlich verbunden ist, und wie dieses nach innen an die Dura mater stösst. Die Deekknochen in ihren ersten Anlagen liegen aussen an ihr, ebenso wie aussen am Perichondrium des Knorpels u.s.w.‘“ Diese Angaben enthalten, wie leicht zu übersehen, die anatomischen Stützpunkte für die Theorie Kölliker’s. Wie dieselben zu den Ergebnissen meiner Un- tersuchungeu an den mikroskopischen Schnittchen sich, verhal- ten, ist aus obigen Mittheilungen zu entnehmen. Weder das äussere noch dass innere Perichondrium des sogenannten pri- mordialen Schädelknorpels setzt sich in eine Substanz der Schädeldecke fort, an deren Aussenfläche die Schädeldeck- knochen liegen sollen, sondern die letzteren zeigen sich beim Beginn der Verknöcherung ganz deutlich in der Mitte jener Substanz, die ich häutig-knorplig genannt habe. Es liegen also anfangs sowohl nach aussen, als nach innen vor den Schädelknochen zunächst noch nicht verknöcherte Schichten dieser Substanz, die kontinuirlich durch die Nath in die hya- lin-knorplige Schädelpartie sich fortsetzt und mit den Rinden- schichten derselben ihrer Textur nach übereinstimmt. Die Pe- richondrien oder resp. Periostien beider Schädelpartieen hän- gen auch kontinuirlich zusammen, allein nur das innere Peri- chondrium (Dura mater) mit dem inneren, das äussere mit dem äusseren Perichondrium der Schädelkapsel , und dazwischen liegen in kontinuirlicher Verbindung die hyalin- und häutig- knorpligen Partieen der Schädelkapsel, aus deren Verknöche- rung die respectiven einzelnen Knochen hervorgehen. Dieses liefern die Untersuchungen an mikroskopischen Schnittchen, die allein hier entscheiden können und vor Irrthümer uns be- wahren. Wenn man dagegen nach Kölliker die an den Schuppennäthen gelegenen hyalinen Knorpellamellen von den drüber liegenden Schädeldeckknochen abzieht, die dabei zer- fasernden häutig-knorplige Substanz für Perichondrium aus- giebt, und nun, verleitet durch die Lage der Knorpellamellen 540 und durch die an der Schädeldecke auffallend starke Dura ma- ter, diese Knorpellamellen mit der daran stossenden dieken Dura mater und der noch nicht verknöcherten inneren Schicht der häutig-knorpligen Schädeldecke von den anfangs nur als Diplo@ verknöcherten Scheitelbeinen ete. und dem Perieranium künstlich abtrennt; dann gelangt man zu solchen die Theorie des Primordialschädels unterstützenden anatomischen That- sachen. Es ist besonders die Lage der Knorpellamelle in der Schuppennath und vor Allem die auffallende Stärke der als inneres Perichondrium der Schädelkapsel auftretenden Dura mater gegenüber dem Verhalten derselben an den meisten Stel- len der Basis des Schädels, welche zu einer solehen anatomi- schen Präparation einladen. Wenn man daher eine ähnliche Präparation an der Schuppe des Hinterhauptbeines beim Men- schen, oder an der Nathverbindung der Hinterhauptschuppe und Scheitelbeine beim Schwein, wo auch nach ab wärts die Dura mater eine auffallende Dieke hat, unternimmt, so lassen sich in gleicher Weise die aus häutig-knorpliger Grundlage verknöcherten Stücke der Schädeldecke nach abwärts und in- nen von der angrenzenden hyalin - knorpligen Grundlage der Schädelkapsel künstlich abtrennen, und die sogenannten sekun- dären Schädelknochen sind zu primären, die primären zu se- kundären geworden. Meine Mittheilungen haben sich mehr in die Länge gezogen, als ich es ursprünglich beabsichtigte. Allein die Angelegenheit ist für die vergleichende Anatomie zu wichtig, als dass man flüchtig darüber hinweggehen könnte, und mir schien es noth- wendig, die Widersprüche in den Angaben über die Bildungsge- schichte der Schädelkapsel und in Betreff anatomischer That- sachen genauer hervorzuheben. In vergleichend anatomischer Beziehung glaube ich die Controverse über den Primordial- schädel genau genug in meiner erwähnten Abhandlung erörtert zu haben und mag hier schliesslich nur eine Verwahrung ge- gen die Insinuation Kölliker’s einlegen, als ob die anato- mischen Thatsachen des sogenannten Primordialschädels der höheren Wirbelthiere meine gegenwärtige Deutung der Schä- deldeekknochen bei den Fischen veranlasst hätten. 54l Ueber eine orthopädische Heilmethode des Schielens. Von E. vu Boıs-Reymonp. (Aus einem Schreiben an den Herausgeber). Das Stereoskop in seinen verschiedensten Formen ist hier (in London) ganz erstaunlich verbreitet, Sogar auf den Tischen der Empfangszimmer trifft man es als Gegenstand der Neugier und Unterhaltung an. Es wird fortwährend viel Scharfsinn und Erfindungsgeist darauf verwendet, sowohl das Instrument selber zu vervollkommnen, als auch immer neue und pikan- tere stereoskopische Bilder (natürlich jetzt nur noch auf pho- tographischem Wege) zu erzeugen. Angesichts dieser mehr spielenden Bestrebungen in dem Lande der Praxis fiel mir ein, wie es eine vielleicht sehr nütz- liche Anwendung des Stereoskops gebe, von der ich noch nie habe reden hören, nämlich zur Heilung des Schielens. Es ist klar, dass, wenn überhaupt eine orthopädische Behandlung etwas gegen dies Uebel vermag, es dazu kein geeigneteres Mittel geben könne, als den Kranken häufig stereoskopische Sehübungen anstellen zu lassen. Im Grunde zwar würde dazu kein Stereoskop nöthig sein. Jedes Betrachten von Körpern in solcher Entfernung, dass die durch den Abstand der Augen bedingte Parallaxe noch einen merklichen Werth hat, müsste dasselbe leisten. Es wird es aber nicht thun, weil der Kranke kein Merkmal hat, woran er erkennen kann, dass er seine Augenaxen gerade richtig einstellt. Dass er es mit einem Körper zu thun hat, weiss er von vorn herein; das Bild des einen Auges vernachlässigt er 542 aus Angewöhnung, und wo ihn beim Urtheil über Convexität und Coneävität die Vertheilung von Licht und Schatten im Stich lassen sollte, wird er sich unwillkürlich durch leise Be- wegungen des Kopfes zu helfen wissen. Die mit dem Stereoskop angestellten Sehübungen dagegen haben den ungemeinen Vortheil, dass in dem Uebergang des Doppelbildes in eine körperliche Erscheinung ein Merkmal gegeben ist für die richtige Beherrschung der Augenaxen. Mit Hülfe dieses Merkmals wird nicht allein ein Kranker, der sich selbst kontroliren kann und will, in Stand gesetzt, sich erfolgreich zu üben. Sondern dasselbe Merkmal bietet auch denen, die die Uebungen Unmündiger zu leiten haben, ein Mittel zur Kontrole ihrer Zöglinge dar. Die Mutter kann z. B. dem Kinde das in Berlin unter dem Namen der „Napfku- chenform‘‘ bekannte stereoskopische Bild bald als erhabenes, bald als vertieftes Relief zeigen, und das Kind müsste sehr gewitzigt sein, wenn es, ohne wirklich die Bilder zu vereini- gen, und allein aus ihrer getrennten Betrachtung, die Frage beantworten lernte, ob die Form erhaben oder vertieft er- scheine. ? Eine Schwierigkeit für die vorgeschlagene Anwendung des Stereoskops möchte freilich daraus entspringen, dass es dem Schielenden wohl meist sehr schwer fallen wird, überhaupt etwas Ordentliches im Stereoskop zu schen. Ge- lingt dies doch schon denen nur schlecht, manchmal gar nicht, deren Augen durch den vom physiologischen Standpunkt aus wirklich als barbarisch zu bezeichnenden Gebrauch nur Eines Augenglases einen verschiedenen mittleren Accommo- dationszustand angenommen haben, ohne dass deshalb be- reits Schielen eingetreten wäre. Nichtsdestoweniger hat die Sache, wie mir scheint, theoretisch viel für sich, und neben der Böhm’schen Schielbrille mit einem farblosen und einem blauen Glase wird vielleicht noch einmal das Wheat- stone’sche Stereoskop würdig den Platz im Armamenta- rium einnehmen, von dem Sie einst (in Ihren Studien zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes) die parallelen Sehröhren verstiessen ..... Ueber einen neuen in der Chimaera monstrosa gefundenen Eingeweide - Wurm, Amphiptyches urna Grube und Wagener. Von Dr, Rıcm. Gumo WuaGenxenr. (Hiezu Tafel XIV. und XV.) Das in Rede stehende Thier lebt in der vorletzten Darmklap- pen- Windung; es findet sich dort meist allein, selten mit seines Gleichen zusammen, mitten unter den scharfen Muschel- bruchstücken, welche die Nahrung des Fisches auszumachen scheinen; nur Einmal fand es sich an den Kiemen, wobei je- doch bemerkt werden muss, dass der Fisch schon 12 Stunden ausserhalb des Wassers sich befand. Vorkommen. Das Tbier kam häufig vor. Unter 17 Chi- maeren fand es sich 15mal. Dass erste Exemplar wurde im Beisein des Herrn Professor Grube aus Dorpat am Ende Juli in Nizza gefunden, das letzte Mitte Dezember, als der Verfasser von dort abreiste. Mit dem in Rede stehenden Thiere fanden sich folgende Eingeweide-Würmer zusammen vor: I. Ein in der Magenwand eingekapseltes junges Distom, muthmasslich zu Distoma veliporum gehörig, noch ohne Ge- schlechtstheile. 2. Nur einmal ein Tetrarhynchus mit Schwanzblase, eben- falls in der Magenwand eingekapselt. In diesem Falle fehlte No. 1 und 3. 544 3. Oetobothrium leptogaster Leuckart in zwei Exempla- ren. In diesem einen Falle kam auch No. 1 vor. Bei allen Chimaeren wurden die Kiemen nachgesehen,, und unter 17 Fi- schen fand sich das Octobothrium nur einmal. ‚Die Farbe des Thieres ist ein schmutziges Weissgelb. Man sieht diese Farbe besonders deutlich bei sterbenden oder in Weingeist getödteten Exemplaren, oder auch wenn das Thier sich stark zusammenzieht. Daher kann man es leicht überse- hen, da der Darmschleim der Chimaere meist ebenso gefärbt ist; ist das Thier aber noch recht lebenskräftig, so ist es durchscheinend. Die Gestalt des Thieres. Im frischen Zustande ist es platt, die Ränder des an beiden Enden sich verschmä- lernden Leibes sind in Krausen gefaltet. Je grösser das Thier, um so mehr sind diese Krausen ent- wickelt, die Breite dieses Falten-Randes mochten an dem grössten gesehenen Exemplare in der Mittellinie des Thieres ohngefähr 4 mm. betragen. Die Breite der Krause verschmä- lert sich stets nach den beiden Enden des Körpers und zwar nach dem Kopfe mehr als nach dem Schwanzende. Hier endet sie plötzlich abgeschnitten, am Kopfe aber verläuft sie allmä- lig in den Körperrand. Das Schwanzende « bildet ebenfalls eine Krause, man könnte es einem Trichter vergleichen, dessen weiter Oefinungs- Rand vielfach und höchst zierlich gefaltet ist. Der Grund die- ses Trichters ist durchbohrt und öffnet sich auf der Rücken- Seite des Thieres nach Aussen. Diese kleine Oeffnung w, die nur durch einen sehr kurzen Kanal mit der Höhlung des Trich- ters in Verbindung steht, wird von dem Thiere, wenn es in Meerwasser gelegt wird, röhrenartig verlängert. Die Schwanzkrause bleibt meist ruhig, während der Kopf- theil des Thieres sich langsam bewegt. Diese Bewegung besteht meist in einer Biegung nach oben, und in bedeutender Verkürzung und Verlängerung des Halses. Das Kopfende selbst trägt eine Oeffnung, welche in einen kur- zen, ovalen, muskulösen, undurchbohrten Sack führt. Das zusammengezogene oder auch todte Thbier 545 ist voller Querrunzeln, die Seitenkrause stark gefaltet. die Schwanzkrause an den Körper herangezogen, so dass die beiden Oeffnungen des Trichters kaum zu finden sind. In die- sem Zustande liegt der grösste Theil der Seitenkrausen auf der fast platten Bauchseite*), während an den Rändern der ge- wölbten Rückenseite nur wenig von den Falten zu sehen ist. Die Grösse des Thiers. Das grösste gefundene Exem- plar mass im ausgestreckten Zustande 50 m.m. Länge und 15 m.m. Breite, das kleinste gefundene hatte im ausgestreck- ten Zustande S m.m. Länge und 1'/,m.m. Breite. Bei diesem letzteren bildete der muthmassliche Eierstock noch einen kaum gewundenen durchsichtigen Kanal, ohne bemerkbaren Inhalt, während der sogenannte Hode schon deutlich sichtbar war, eben so die beiden, später zu erwähnenden Schläuche, deren Bedeutung nicht ins Klare gebracht werden konnte. Das Ge- fässsystem zeigte sich überaus deutlich und entwickelt. I. Hautstructur. Der Rücken ist an seinem Hintertheile mit Stacheln besetzt, welche in der Haut stecken, und nur ihre abgerundete Spitze sehen lassen. Diese ist immer nach dem Kopfe zu gerichtet; die grössten Stacheln befinden sich um die Rücken-Oeffnung des Schwanztrichters. Dort stehen sie am dichtesten und ziehen sich über die ganze Breite des Rückens hinweg. Dies ist das Centrum. Von diesem laufen nur einige Querreihen bis zum freien Ende der Schwanzkrause hinab. Andere Reihen steigen nach dem Kopfende hinauf, nach und nach die Mitte des Rük- kens verlassend und sich in den Winkel haltend,, welcher von den Anfängen der Seitenkrausen des Thierkörpers gebildet wird. Sodann treten sie plötzlich sehr nahe am Kopfe über die freien Ränder der beiden Seitenkrausen auf die Bauchseite, und bilden auf zwei schulterartigen Anschwellungen, neben dem Kopfe auf der Rückenseite, eine Gruppe von ungefähr 20-40 Stacheln; je grösser das Exemplar, um so grösser ist *) Unter Bauchseite wird hier diejenige verstanden, wo die weib- liche Geschlechts-Oeffnung liegt. Müllers Archiv, 1852. 35 846 die Zahl der Stacheln, welehe sich auf dem Thiere finden, um so weiter reichen die des Rückens nach dem Kopfende hinauf, um so grösser und härter sind die Stacheln selbst. Es wurden auch bei einigen Thieren wenige Reihen klei- ner Stacheln auf der Bauchseite am Grunde des Trichters bemerkt. Die Stacheln selbst sind alle stumpf. Sie erweisen sich strukturlos. Ihre Basis, mit der sie in der Haut stecken, ist keulenförmig angeschwollen, und hat zuweilen noch einen Fortsatz, der gewissermassen die freie Spitze in der Haut wiederholt. Unter der Lupe sieht man die Stacheln schon deutlich. An den Thieren liess sich nie eine strukturlose Haut auf- finden. Das Corium oder die äusserste das ganze Thier überzie- hende Haut bestand aus schief sich durchkreuzenden Fasern. Zog man diese Membran mit der Pincette ab, so haftete ihr sehr häufig eine mit Körnchen sparsam durchsäte Masse an. Eine dieser sehr ähnliche Substanz fand sich auch zwi- schen den später zu erwähnenden Muskelfasern. Die letzten Elemente dieser dem Corium der Distomen sehr ähnlichen Haut waren feine Fasern mit glatten Contu- ren. Die eigentlichen Muskelfasern des Thiers mochten ohnge- fähr noch einmal so breit sein. il. Muskulatur. Gleich unter dem Corium, auf der Rücken- sowohl wie auf der Bauchseite, befindet sich eine starke Lage von Quermus- kelfasern, welche das ganze Thier umspinnt. Auf Querschnit- ten sieht man, dass sie auf dem Rücken etwas stärker ist, als auf dem Bauch. Gleich darunter liegen Längsfasern, welche dieinneren Organe einschliessen. In der Schwanzkrause scheinen die Längsfasern auseinander zu gehen und sich nach dem fei- nen Rande derselben hier zu verlieren. Auch dortliegt über ihnen, so viel man sehen konnte, eine schwache Lage von Querfasern. Die Muskelfasern sind platt, scheinbar rund, durchsichtig, und doppelt so breit als die Fasern des Coriums. Ihre Zwi- 947 schenräume enthalten ebenfalls eine strukturlose Masse mit Körnchen. . Die vorerwähnte Rückenöffnung des Trichters und die Eierstocks-Oeflnung an der Bauchseite scheinen einen beson- dern Schliessmuskel zu besitzen. Es bildeten nämlich die bei- den Oefinungen kleine Papillen, und man sah dieselben sich öffnen und schliessen an den in Meerwasser gelegten Thieren. II. Verdauungsapparat. Von einem Apparate, der einem Darme oder Magen ent- spräche, fand sich auch nicht eine Spur. Es scheint über- haupt, als ob ein derartiges Organ durchaus fehlte. IV. Das Gefäss-System bildete ein völlig abgeschlossenes Netz dicht unter der Aus- breitung des Dotterstocks, und liessen sich keine Mündungen nach aussen nachweisen. In der Längsachse des Thieres be- stand es aus zwei Lagen, welche den Kopfnapf, Eierstock und Hoden zwischen sich nahmen und sie vollständig umspannen. Die beiden Lagen waren durch kleine Gefässe mit einander verbunden. In den Seitenkrausen war die Gefässlage einfach, desgleichen in den Rändern des Schwanztrichters. Die Ma- schen des Gefässnetzes veränderten ihre Gestalt, je nachdem das Thier sich streckte oder sich zusammenzog. Sie bildeten im Allgemeinen Rhomben, welche in der Mitte des Thiers am grössten, am Rande, in den Krausen u. s. w. am kleinsten waren. Diese Randmaschen mochten durchschnittlich '/, der grossen Gefässmaschen betragen. Die Stärke der Gefässstämme war ebenfalls am grössten in der Mitte, am geringsten an den Rändern des 'Thiers; an der Peripherie schloss sich das Gefäss-Netz mit einer Art von schr düunem Sinus terminalis (möchte man es fast nen- nen) ab. Um den Eierstock lagen die grössten Gefässstämme. Manche Thiere zeigten 4, andere 6—8 dergleichen. Sie wa- ren selbst noch an den in Weingeist aufbewahrten Exempla- ren bruchstückweise als weisse, wellenförmige Streifen zu sehen, wenn man die Muskellagen vorsichtig entfernte. Die 35% Wandungen der Gefässe zeigten keine weitere Struktur; dass sie aber besondere Wandungen haben, geht daraus hervor, dass man an ihnen bei 200maliger Vergrösserung 2 parallele Linien jederseits wahrnimmt, welche einen hellen Raum be- grenzen. In den Gefässen fand sich eine sehr lebhafte Flimmerbe- wegung, welche nicht, wie bei den Trematoden und Cestoden von einzelnen Flimmerlappen , sondern von kurzen Cilien un- terhalten wurde, welche gleichmässig der innern Gefässwand unmittelbar aufsassen. Wenn man das lebende Thier zwischen 2 Glasplatten presst, und bei 200maliger Vergrösserung beob- achtet, so sieht man keine Körnchen oder andere Dinge in den Gefässen. Eine klare Flüssigkeit scheint von den Flim- mern fortgetrieben zu werden. Man sieht nicht überall die Cilien arbeiten, sondern stets nur an einzelnen Stellen.. Da, wo das Gefäss-System zwei Lagen hat, beobachtet man in der einen Lage eine Bewegung der Cilien nach aufwärts, in der anderen nach abwärts. Drückt man sehr stark mit dem zlase auf das Thier, so werden die Gefässe unsichtbar, lässt der Druck nach, so erscheinen die Gefässe wieder. Zieht man diesen Umstand in Rechnung, so erklärt sich vielleicht die Ruhe in den einzelnen Gefässen aus einem schwa- chen die Cilienschwingung hemmenden Drucke. Nichts desto- weniger erinnerte die Erscheinung an jenes Phänomen auf den wimpernden Kiemen der Salpen, wo die Cilien zeitweise still- stehen, um ihre Arbeit in entgegengesetzter Richtung wieder zu beginnen. Mit dieser Auffassung liessen sich eine Menge von Erschei- nungen erklären, deren Auseinandersetzung zu umständlich wäre. Der Wimperbesatz kleidet möglicher Weise nicht das ganze Gefässlumen aus, sondern nur eine Seite desselben. Die vielfachen Hindernisse, welche die Grösse des Thieres der Beobachtung entgegen stellt, machten einen sichern Aus- spruch unmöglich. V. Geschlechts-Apparat, Der Hoden. S Am Ende des zweiten Thier-Viertheils, mehr der Bauch- 549 als der Rückenflüche genähert, liegt ein kugliges Organ, wel- ches zuweilen etwas herzförmig gestaltet ist. Seinen oberen Rand berührt die letzte Eierstocks-Windung, auf seiner Rückenfläche liegt der gemeinschaftliche Dotteraus- führungs-Gang. Unter dem Mikroskop erscheint bei durchfallen- dem Lichte sein Inhalt bräunlich. Er besteht aus fadenförmi- gen Elementen, an denen sich jedoch keine Bewegung bemerk- bar machte. Ebenso scheiterten alle Versuche, diese Fäden zu isoliren. Es wurden auch diese feinen Fäden nie isolirt ange- troffen. Bei den kleinsten gefundenen Thieren waren kleine Zellen in diesem Organe sichtbar. Eierstock. In gleicher Ebene mit dem Hoden liegt ein spiralig gewun- dener mit Eiern gefüllter Schlauch in der Mittellinie des Thiers. DaseineEnde desselben berührt densogenannten Hoden. Dort ist der Schlauch dünn und enthält Körper, diemanals unentwickelte Eier ansehen kann. Es wurde kein direkter Zusammenhang mit dem Hoden wahrgenommen. Eben so fanden sich keine Samenthiere wie bei den Trematoden darin. Ein Zusammen- hang mit dem Dotterstock liess sich eben so wenig nachweisen. In weitern Verlauf wurde der Schlauch in seinen, mit der (Juerachse des Thiers paralell laufenden Windungen breiter, und die Eiermasse nahm zu. In diesem Zustande näherte er sich einer Oefinung, welche sich am Ende des ersten Thier- viertheils auf der Bauchseite befand. Hier liess sich nicht mit wünschenswerther Genauigkeit unter dem Miskroskop und un- ter der Lupe ein direkter Zusammenhang nachweisen, viel- leicht war der bedeutende Druck, dem das Thier ausgesetzt werden musste, die Ursache, nichts destoweniger muss man ihn annehmen, indem folgende Erscheinungen dafür sprechen. Bei allen Thieren fand sich stets an derselben Stelle eine Oell- nung. Bei dem in Meerwasser gelegten Thiere sah man die Oefinung sich aufthun und ein Strom weisser Flüssigkeit, wel- che Eier enthielt, trat aus ihr heraus; die Oeflnung selbst hatte stets glatte Ränder, so dass der Verdacht einer künstlichen Oeffnung nicht zu begründen war. Die Eier haben die Form eines Ellipsoids. Ihre Schaale ist dick und doppelt conturirt. 550 Der Dotter war bei allen aus einer Anzahl kugliger Dotter- Agglomerate gebildet. Diese Kugeln schienen nicht von einer Haut umgeben zu sein. Bei auffallendem Lichte sahen die Eier weiss aus, bei durchfallendem schmutzig gelb. Im Darm- schleim des Fisches fanden sich diese Eier in grossen Quanti- täten. Es wurde nie ein Embryo darin gesehen. Ebensowenig eine Keimblase oder ein Keimfleck; daran mag die Dunkelheit des Dotters Schuld sein. Der Dotterstock. Der Dotterstock liegt gleich unter dem Corium, überzieht den ganzen Rücken des Thiers, steigt hinauf bis dicht unter den Kopfnapf und herab bis zum Grunde des Trichters, an den Seiten geht er bis in die beiden Krausen und immer dem Laufe des Coriums auf denselben folgend, tritt er auf die Bauchseite, wo er in der Mitte des Thieres mit der, über die andre Seiten-Krause herabgekommenen Partie zusammentriftt. So bildet er auch dort eine zusammenhängende, wenn auch etwas dünnere Schicht, welche nur beim Kopfnapf und in der Nähe des Schwanzes unterbrochen wird, indem sich die bei- den Dotterlagen dort nicht vereinigen. Unter dem Mikroskop sieht man ihn auf dem Rücken dicht- stehende, kleine, wie aus vielen Fettbläschen bestehende, unre- gelmässige Flecken bilden, welche in der Nähe des Kopfes und Schwanzes undeutlicher, weitläufiger und kleiner werden. Auf den-Seitenkrausen sind diese Flecken sehr dicht an ein- ander gedrängt. Auf der Bauchseite stehen sie weitläufiger und bilden unregelmässige, netzförmige Figuren. Bei der Lupen-Präparation und auf Querschnitten sah man diese Dotterflecke öfters durch feine Fäden verbunden und in die Quer-Muskelschicht hinabreichen. Der Dotterstock scheint also aus traubenförmigen Drüsen zu bestehen. Sein Ausfüh- rungsgang wird aus reiserartig verzweigten, sehr feinen Gän- gen gebildet, welche man als feine sternförmige Figuren sel- ten an anderen Orten als der Mitte des Hodens auf dem Rük- ken findet, dort fliessen eine Menge feiner in scharfen Win- keln verzweigter Ausführungsgänge in einen einzigen dicken, etwas gebogenen Gang zusammen. Auf der Bauchseite fand * Il sich nichts der Art, eben so wenig konnte ein direeter Zu- sammenhang mit den übrigen Geschlechtsorganen aufgefunden werden, Der muthmassliche Keimstock. Dicht neben dem Kopfnapfe, gleich unter der Stachelgruppe, welehe sich auf den beiden schulterförmigen Polstern findet, sieht man ein Netz von Linien, welche unter dem Mikroscop helle, mit klarer Flüssigkeit gefüllte, Blasen umschliessen, deren Wände unregelmässig concentrisch gestreift sind. Die- ses anatomische Verhalten erinnert lebhaft an jene runden auf- fälligen und durchsichtigen Räume in den geschlechtsreifen Cestoden-Gliedern, welche bis jetzt noch ihrer Erklärung warten. Bei dem in Rede stehenden Thiere liegen diese Organe auf der Rückenseite, der Dotterstock scheint an dieser Stelle zu fehlen, und reichen sie ohngefähr bis zum Anfange der Längs- faserschicht herab. Der muthmassliche Keimstock erscheint nicht scharf be- grenzt, an seinen Rändern werden die ihn bildenden Bläschen kleiner und undeutlicher. Die Breite dieses Organes ist unge- fähr dieselbe, wie die des Kopfnapfes, seine Länge gleich dem Tten Theil von der Länge des Thiers. Einen Zusammenhang mit den übrigen Organen aufzufinden war bis jetzt unmöglich, und ist der Ausdruck Keimstock mit allem möglichen Vor- behalt gebraucht. Ausser diesem Organe sind noch folgende Punkte unklar geblieben: I. Hat der sogenannte Hoden ein Vas deferens und wo mündet dasselbe? Unter den Windungen des Eierstockes war öfters ein Schlauch sichtbar, der sich nie bis zu seinem Ur- sprung und Jinde verfolgen liess, Bei durchfallenden Lichte erschien er bräunlich. Sein Inhalt bestand aus Fäden, welche sehr dicht an einander gelagert waren. An diesen Fäden wurde nie Bewegung bemerkt. Der Schlauch unterschied sich nicht durch seine Stärke von dem grossen in seiner Nähe befindli- chen Gefüsse, wohl aber durch den Mangel an Cilien, durch seine braune Farbe und seinen fadigen Inhalt, 552 ll. Gerade über der Oeffnung des Eierstocks fand sich sehr häufig ein dunkler ungenau begrenzter Fleck. Unter dem Mi- kroskop enthielt er eine höchst feine Körnchen-Masse. Unter der Lupe schien sich dort eine Höhlung oder Sack zu befin- den, dessen Verhalten zum naheliegenden Eierstock sowohl als auch seine Oeffnung sich nicht nachweisen liess. In die- sem Flecke entsprangen zwei Schläuche. Sie waren unregel- mässig gewunden, parallel in ihrer Hauptachse, ihre Mündung befand sich unter dem schulterartigen Polster, in einer der Sei- tenkrausen. Jeder mündete mit einer besonderen Oeffnung, der äusserste etwas mehr nach aussen, der innerste etwas mehr nach innen. Die Schläuche hatten doppelt eonturirte Wandun- gen, und schienen samenthierartige Fäden zu enthalten, welche wiederum ohne Bewegung sich darin vorfanden. Nie trat ir- gend etwas aus diesen Schläuchen hervor, obgleich das 'Thier einem starken Druck ausgesetzt wurde. VI. Nerven-System. Dieht unter dem Kopfnapf, mehr nach der Bauchseite zu, liegt ein weisser, oblonger, platter Knoten, in dessen oberen Ausschnitt genau der Grund des Kopfnapfes hineinpasst. Von seinen zwei oberen Ecken gehen zwei feine kurze Fäden zu beiden Seiten des Kopfnapfes hinauf, von den untern steigen 2 längere und stärkere Fäden zu beiden Seiten des Eierstocks hinab; sie liessen sich bis zur Höhe des Hodens verfolgen. Es ähnelt also dies Organ dem Nervensysteme der Tetrarhyn- chen. Mikroskopisch ist dies sogenannte Nervensystem nicht untersucht. Vergleicht man mit den vorhandenen Thatsachen den Bau der Cestoden und Trematoden, so ergeben sich fol- gende Achnlichkeiten: in Betreff der Haut und Muskulatur stimmt derselbe mit dem der Trematoden überein, ebenso hat der ganze Geschlechts- Apparat einige Achnlichkeit mit dem der Distomen, dagegen fehlt ihm der bei allen Trematoden vorkommende Darm. Es müsste denn sein, dass man den Kopfnapf mit jenem einfachen Blindsacke vergleichen wollte, welcher bei einer Distomen-Gattung vorkommt. In dieser ist nämlich der grosse Kopfnapf undurchbohrt, dagegen der einem 599 Distomen-Schlundkopf ähnliche Bauchnapf mit einer Oeffnung versehen, welche in einen kurzen, mit kleinen Körnchen er- füllten Blindsack führt; indess erlaubt die Muskulatur des Kopfnapfes bei dem in Rede stehendem Trichterthier eher einen Vergleich mit einem Saugnapfe, als mit jenem dünnhäu- tigen Magen der eigenthümlichen Distomen - Gattung, welche zwischen Monostomen und Distomen den Uebergang zu bilden scheint. Durch diesen Mangel des Magens, der Form des muthmass- lichen Nervensystems und der grossen Entwickelung des Ge- fäss-Systems, welches in der grossen Oberfläche der Seiten- und Schwanzkrausen so ungemein zahlreiche und enge Ma- schen bildet, steht der Bewohner der Chimaere auch in der Nähe der Cestoden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. und XV. 1. und 2. Amphiptyches urna in natürlicher Grösse und nach dem Leben gezeichnet. 3. Das zusammengezogene Thier.. Die Haut und Theile der Muskulatur sind abgetragen um das Nervensystem zu zeigen. 4. Ein Querschnitt durch den Kopfnapf. 5. Ein Querschnitt in der Höhe der beiden Schläuche z, y. 6. Das Gefässsystem. Es ist möglich, dass es etwas zu reich ausgefallen ist. Indess hoffe ich wird man durch die Figur die Art und Weise seiner Anordnung versinnlicht finden. Es war mir nicht möglich, eine Mündung der Gefässe nach aussen zu finden, obgleich die bedeutende Wimperung-in ihnen darauf hinzuweisen scheint; die Oefinung des Schwanztrichters auf der einen Fläche des Thieres, welche man am allerehesten mit dem Gefässsystem in Verbindung setzen möchte, zeigte nie einen Zusammenhang mit den Canälen. Ebenso wenig liessen sich an anderen Orten Oeffnungen auffinden, Injectionen würden Aufschluss darüber geben. 7. Das zusammengezogene Thier vom Rücken aus geschen, a. Der Kopfuapf. a. Sein Lumen. d. Dotterstock. d. Seine zusammenfliessenden Ausführgänge. d’. Sein Hauptausführgang vom Rücken spiralig mitten auf dem Hoden sich befindend. 504 e. Eierstock. e'. Seine Windungen. Die dunklen Flecke sind Eier. e”. Ein Ei 200mal vergrössert. 1. Oefinung, aus der die Eier hervortraten. m. Keimstock? Er glich in seiner Structur durchaus den hellen Räumen, welche stets in den Gliedern von Cestoden sich finden (VE&- sieules transparentes Vanbened.) und welche in Taenia elliptica, infun- dibuliformis etc. die platten von Creplin beschriebenen Eierconglo- merate enthalten. Ich muss die Deutung dieses drüsenartigen Körpers noch unbestimmt lassen, besonders da auch die Deutung des anschei- nend analogen Körpers bei den Cestoden noch nicht durch die That- sachen erlaubt ist. n. Der Hode. n'. Ein mit braunen (Samen ?-) Fäden gefüllter Schlauch, der unter dem Eierstocke verlief und nur einige Male gesehen wurde. o. Die Haut mit ihren Anhängen. 0”, Die Stacheln. — Eine von ihnen 200mal vergrössert. 0”. Die sich schiefkreuzenden Fasern der Epidermis. 0". Die Seitenkrause. 5 q-. Die Quermuskelschicht. r. Die Längsmuskellage. u. Der Schwanztrichter. u. Seine Rückenöffnung durchschimmernd in Fig. 3. = u. y. Die beiden räthselhaften Schläuche, welche in die Fal- ten der Seiten-Krause nach aussen zu münden scheinen. z. Der Nervenknoten unter dem Saugnapfe. 3. Seine beiden Seitenstränge nach unten, 5. Desgl. nach oben. 9. Das Gefässsystem. 9. Die scheinbaren 4 Hauptstämme auf Bauch- und Rücken- seite liegend, durch quer durch das Thier gehende Aeste mit einander verbunden. 9. Die feinen Maschen an der Peripherie des Thieres. Da der Kopf sich immer vorzüglich stark einzieht und aus- streckt, so erscheinen bei dem contrahirten und etwas ge- pressten Thiere dort die Gefässmaschen sehr eng. Enthelminthiea No. Il. Von Dr. G. R. WaGeEneRr, pract. Arzt in Berlin. (Hierzu Tafel XVI.) I. Ueber Distoma dimorphum Diesing. Distoma marginatum Rud. Ja Pisa fand ich den 4. März v. J. in den Blinddärmen eines jungen Huhnes ein Distom, dessen Geschlechtsöffnung weit hinter dem Bauchnapfe lag. Die Charactere, welche von Di- stoma dimorphum angegeben werden, passen auf das meinige. (Diesing Syst. helm. vol. I. pag. 353.) Fig. 1. stellt das ganze Thier 16mal vergrössert vor und vom Bauche aus gesehen. Das Thier ist etwas über 3'’ lang, platt, sehr durchsichtig und von grünlicher Farbe. Der Kopf- napf ist der grössere und liegt mehr dem Bauche als dem Rük- ken zu. A a. Der stark gerandete Kopfnapf; hervortretende Längs- muskelfasern geben seiner Höhlung ein gestreiftes Ansehn. b. Der dicke herzförmige Schlundkopf. Er schliesst sich unmittelbar dem Kopfnapfe an. c. Der Darm. Er besteht aus zwei Blindsäcken, kein soge- nannter Oesophagus verbindet ihn mit dem Schlundkopfe. An- fangs geht er in die Höhe, jederseits neben dem Kopfnapfe eine kleine Schleife bildend. Dann geht er in leichten Schlän- gelungen herab, immer sich dicht am Körperrande haltend. Unten im Schwanz gehen die blinden Enden dicht aneinander, und lassen nur für den kurzen dünnen Stamm des Exeretions- organes /' noch Platz, um auszumünden. d. Dotterstock. Er liegt seitlich jederseits als dünner hie 556 und da ausgesackter dunkler Streifen, mehr nach dem Rücken zu und nahe dem Thierrande. Der untere Rand des Kopfnap- fes ist seine obere Grenze, der untre Rand des Keimstockes seine untere. Er schien kein traubiges, sondern ein einfach schlauchartiges Organ zu sein. Seine beiden Ausführgänge d’ trafen sich zwischen den beiden muthmasslichen Keimstöcken in der Mittellinie des Thieres. Dort bildete sich der Anfang oder Einführungsgang des Eierstockes, hervorgehend aus den kurzen Ausführgängen des Dotter-Keimstockes und des Hoden. e. Der Eierstock. Er trat gleich bei seinem Ursprunge zum Rücken des Thieres und fing dort schon seine Querwindungen an, welche sich stets in der Mittellinie des Thieres schnitten. So bildeten die Hauptwindungen mit ihren vielen secundären in der Mitte einen Stamm, von dem Quasten nach den Seiten, meist je 2 immer von einem Punkte ausliefen. Dieser Theil des Eierstockes, e, enthielt unreife Eier. Im Halse wurde sein Verlauf am verwickeltsten. Dicht unter dem Schlundkopfe wen- deten sich seine Windungen e’’ der Bauchseite zu, nachdem sie vorher streng dem Rücken gefolgt waren. Je mehr sie sich dem Geschlechtsporus / näherten, um so sparsamer wurde die Quastenbildung, um so brauner der Eierstocksinhalt. Beim Cirrusbeutel © angekommen, lief er gerade an demselben herab in die gemeinschaftliche Geschlechtsöffnung ausmündend; die bräunlichen Eier trugen auf dem spitzeren Pole ein Knöpfchen. F. Exeretionsorgan. Es bildete auf dem Rücken des Thie- res in allen 5 Exemplaren ein weites Netz aus feinen mit Körnchen gefüllten Schläuchen. Manche von ihnen verliefen ohne Anastomosen zu bilden. Sie schienen sich unten am Schwanzende in einen kurzen dünnen Ausführungsgang f' zu vereinigen der nach aussen zu münden schien. Ueber den un- teren Kopfnapfrand schloss das Exeretionsorgan in einen Bo- gen ab f". 9. Theile des Gefässsystems wurden hie und da bemerkt, so zu beiden Seiten des Halses 2 nach oben, anscheinend blind endigende Gefässe, welche sehr dicht am Rande des Thieres lagen. Ausserdem wurden noch an-anderen Orten einzelne Ge- fässe bemerkt, aber nie Wimperung. 557 h. Bezeichnet den Bauchnapf. Er besitzt nur einen dünnen Muskelwall um seine äussere Oeffnung. i. Cirrusbeutel. Er ist ein weiter Sack. Er kommt vom Rücken schräg nach unten zur Geschlechtsöffnung herab. Er steht weit ab von seinem Inhalte: k. Der Penis. Er ist mit selten stehenden runden Tuber- keln besetzt, und liegt in Form einer Schleife im Cirrusbeutel. Sein freies Ende trägt eine kleine Samenblase %'. Diese liegt unter dem Rücken. 1. Geschlechtsöffnung in Form eines schrägen Schlitzes auf einer kleinen Papille. m. m. 2 runde Körper, die Keimstöcke zu sein schienen. Sie enthielten Zellen, welche jedoch auch Zellen für die Bil- dung der Zoospermen sein konnten. Ebenso wenig liess sich ausmachen, ob n. Hode oder Keimstock war. Alle 3 Körper waren sehr klar und waren nur sie allein aufzufinden. Eine Ves. sem. in- terna liess sich nicht sehen. Die Haut des Thieres trug einen dicken strueturlosen Ue- berzug. Unter 5 in Pisa und 2 von März bis December 1851 in Nizza untersuchten Hühnern fanden sich nur einmal 5 dieser Thiere. Figur 15 stellt den idealen Querschnitt mitten durch das Thier dar. II. Ueber eine Disto mengattung, Gasterostoma v. Siebold. Fig. 2. und 3. In Lophius piscatorius wurde von Rudolphi bei seinem Aufenthalte in Triest ein Distom gefunden, welches er D. gra- cilescens nannte, nachdem schon vorher Bremser ihm dasselbe Thier in Weingeist aufbewahrt zugesandt hatte. Die Beschrei- bung, die Rudolphi in seiner Synopsis pag. 409 unter Dist. gracilescens giebt, passt genau auf ein Distom, welches in Lo- phius vorkommt, aber sich von den gewöhnlichen Distomen dadurch unterscheidet, dass es die Mundöffnung im Bauchnapfe 558 hat. Rudolphi drückt sich am obigem Orte über den Bauch- napf also aus: Semel porus ventralis, alias exiguus sed obs- curo modo magnus visus est. Diese Erscheinung hat seinen Grund in dieser eigenthümlichen Organisation des Thieres. Ich habe im Ganzen 12 Exemplare von Zophius theils in Pisa, theils in Nizza zerschnitten und habe nur 1 Mal am 11. März v. J. in Pisa das Thier in 12 Exemplaren im Duoden angetroffen. — Eine andere Art fand sich in Trigla mierolepi- dota, von welchem Fische leider nur fünf zu erlangen waren. In einem von diesem fanden sich 15 Exemplare ebenfalls im Duoden (6 Oct. 1851). In den beigegebenen Figuren ist Alles das verzeichnet, was über die Organisation der Thiere ermittelt werden konnte. Fig. 2. stellt das Gasterostomum minimum (mihi) aus Trigla mierolepidota 120mal vergrössert dar von der Bauchseite ge- sehn. Das Thier ist Imm. ungefähr lang, rund, und am s. g. Halse etwas verschmälert (8. Fig. 2b, was eine Seitenansicht bei 16maliger Vergrösserung darstellt.) Unter einer kleinen und sehr feinen Deckplatte gelegt, zog es meist den Kopf hart an den Leib. Unter solchen Verhältnissen ist Fig. 2. gezeich- net. Länge Imm., Breite des Thieres 0,25. a. Der Kopfnapf. Er war undurchbohrt und äusserlich von einem starken museulösen Ringe umgeben. Seine innere Höh- lung trug an jeder Seite 4—5 glänzende eng aneinander lie- gende Platten «', welche bei keinem Thiere fehlten. Wasser, sei es aus dem Meere oder dem Brunnen, hatte keinen Binfluss auf diese Platten. Sie waren ohne Höhlung, überaus glänzend und einfach eonturirt. Innerhalb des Saugnapfes liefen sie in Spitzen aus. Ihr freies Ende war abgerundet. Die dem Rük- ken zunächst sich befindenden Platten waren die grössten, die nach der Bauchseite zu die kleinsten. — Ueber dem Kopf- napfe, der mehr der Bauch- als der Rückenseite zu lag, befand sich eine Art von Lippe «'. c. der Magen. Ein einfacher, weiter Sack mit runden Körn- chen und Flüssigkeit gefüllt, befand sich etwas unter der Mitte des Leibes. Er stieg vom Rücken herab. Seine Contraetionen waren sehr lebhaft. Zuweilen stiess er durch den Bauchnapf 559 h seinen Inhalt in einzelnen Pulsen heraus, worauf stets eine sichtbare Verminderung seines Volumens eintrat. d. Dotterstock. Derselbe liegt mehr dem Rücken zu. Er ist traubenförmig und liegt je eine Traube auf jeder Seite. Meist ist er auf der einen Seite länger als auf der anderen. Dadurch ist auch der eine Ausführgang d' länger als der an- dere. Der erstere weicht dem Keimstocke m nach innen aus. Der andere geht hinter dem absteigenden reifen Eierstocke (also auf dessen Rückenseite) nach der Mittellinie des Thieres. Dort vereinigt er sich mit dem Ausführgange des anderen, in gleicher Höhe mit dem unteren Rande des Bauchnapfes. Dort sich in einem Punkte mit den Ausführgängen des Keimstockes m und der Hoden n vereinigend bildet er den Anfang des Eier- stockes e oder dessen Einführungsgang. e. Der Eierstock geht von diesem Punkte in eine abstei- gende Windung e’ aus, steigt sodann in die Höhe und füllt den Raum zwischen Dotter d’ Keimstock m und Magen,c mit dik- ken Queerwindungen aus. Dieser Theil des Eierstockes liegt dem Rücken sehr nahe. - Unter dem Kopfnapfe angekommen, wendet er sich nach der Bauchseite wiederum in queren Win- dungen. So geht er bis zum Magen, dort tritt er nach der Seite, wo der Penis % liegt, macht eine lange, herabsteigende Schleife e", geht an der inneren Seite des Penissackes 7 herab und mün- det in die gemeinschaftliche Geschlechtsöffnung / aus, den letz- ten Theil seines Weges ohne Windungen zurücklegend. Fig. 2. a. Ein Ei 400mal vergrössert. Es dehiseirt mit ei- nem Deckel und ist von gelblicher Farbe. An der Stelle, wo die Dottergänge d’ mit den Hoden und Keimgängen zusammenfliessen, sieht man Dotterzellen oder Körper zusammen mit sehr lebhaft sich bewegenden Samen- thieren und Keimkörpern. Alle 3 werden durch die Contractio- nen des Eierstockeinführganges mit einander verknetet. Zu- gleich finden sich hohle Körper und Ringe von gelber Masse vor, deren Aussehn an die Bischale des Thieres erinnert. Ue- ber das Schicksal des Keimzellenkernes konnte ich nichts er- fahren. Die dunklen Dottermassen verhinderten jede Einsicht in die weiteren Veränderungen im Bie. 560 /. Das muthmassliche Excretionsorgan. Es fand sich bei allen untersuchten Thieren an der Innenseite des Cirrusbeutels ein $ förmig gebogner Sack liegend. Er reichte bis zum Bauch- napfe herauf, lag in der Mittellinie des Thieres und schien an der Schwanzspitze eine Mündung zu haben. Sein Inhalt be- stand in Körnchen. Bei allen 12 untersuchten Exemplaren war er bedeutend ausgedehnt. Weiter wurde nichts von einem, dem s. g. Exeretionsorgane ähnlichen Organe gefunden. Es ist möglich, dass in dieser Distomengattung das Exceretionsorgan einen einfachen Sack bildet. Den Inhalt chemisch zu untersu- chen, gelang nicht bei diesem Distom. Wohl aber bei Distoma hystriw, was sich an den Kiemen von Merlangus carbonarius (im Septbr.) und Lepidoleprus trachyrhynchus (im Septbr.) ineystirt vorfand. *) Dort scheint das Exeretionsorgan auch nur einen einfachen Sack zu bilden, der bis in-die Mitte des Unterleibes *) Ich fand dasselbe Thier in Pisa im Februar aber in erwachse- nem Zustande im Magen von Lophius piscatorius. Da mir keine nä- heren Daten als die Dujardins bekannt sind, so sei deshalb kurz der Anordnung der einzelnen Organe Erwähnung gethan. Um den Kopf herum standen 2 Reihen von 15 —18 Stacheln, welche besonders gross waren. Am Halse und herab am Leibe waren ebenfalls starke Stacheln aufgestellt, welche nach dem Schwanze zu immer kleiner und seltner wurden. Der Verdauungsapparat ist schon von Dujardin be- schrieben. Der Oesophagus ist lang. Er reicht bis zum Bauchnapfe, der kleiner ist als der Kopfnapf. Der s. g. Schlundkopf folgt sodann, dem unmittelbar der zweischenklige bis in das Schwanzende reichende Darm sich anschliesst. Der Dotterstock liegt mit seinen Verzweigun- gen auf dem Rücken, seine beiden Hauptstämme auf den beiden Sei- ten. Er reichte vom Schwanzende bıs fast zum Bauchnapfe. Der Eierstock bildete Querwindungen und füllte den ganzen Hinterleib aus. Er mündete gemeinschaftlich über dem Bauchnapfe mit dem langen gewundnen und mit Knötchen besetzten Penis. Die Ves. sem. externa war nur klein. Sie befand sich mit dem Penis in einem beide eng- umschliessenden Cirrusbeutel. Der runde Keimstock lag dem Bauch- napfe zunächst. Die beiden eiförmigen Hoden folgten einer hinter dem andern. Zwischen beiden schien eine runde Ves. sem. interna zu liegen. — Die Eier sind sehr gross von der Form einer Bischofs- mütze. Ihre Farbe ist schwach gelb: Der spitzere Pol trägt einen Knopf. 561 hinaufragt. Dieser ist mit weisser Masse strotzend gefüllt, welche aus festen kleinen Körpern besteht von runder Form oder auch herz- treff- biscuitförmig erscheinend. Die in Wein- geist aufbewahrten Thiere wurden sorgfältig so mit Nadeln zerrissen, dass der weisse Sack des Exeretionsorgans möglichst isolirt war und sodann Herrn Dr. Lieberkühn zur Unter- suchung gegeben, um zu erfahren, ob Vanbenedens Vermu- thung, dass das Exceretionsorgan als Harnabsonderer zu be- trachten sei, richtig wäre. Das Verfahren und Resultat ist folgendes: Die Substanz wurde mit ammoniakhaltigem Was- ser extrahirt, auf Proteinsubstanz untersucht, welche nicht vorhanden war, und eingedampft. Mit N und H®N entstand beim Erhitzen nicht die rothe Farbe des Murexids, sondern die gelbe, welche man bei der Behandlung des Guanin zu beobachten pflegt. Gorup Besanez und Will in Erlangen haben auf diese Reaction hin die Anwesenheit des Guanin behauptet. (Annal. d. Chemie 1849 Jan. pag. 118.) g. Ein Theil eines Gefässes, das über den muthmassli- chen Keimstock ging. Von anderweitigen Gefässen nebst Wimperung wurde nichts gesehn. h. Der Bauchnapf mit der Mundöffnung. i. Der Cirrusbeutel. Er war sehr weit, klar und durch- sichtig und enthielt vom Rücken nach der Schwanzspitze her- absteigend 3 k. den Penis. Dieser ist mit kurzen Haaren besetzt und nicht gewunden, Sein inneres Ende trägt eine kleine runde Ves. sem. externa k’, welche mit von dem Cirrusbeutel um- schlossen ist. l. Die gemeinschaftliche Geschlechtsöffnung für Eierstock und Penis. Sie liegt dicht vor dem Schwanzende auf einer kleinen Erhabenheit. m. Der Keimstock, wie er der Lage nach scheint. Ich habe keine Zellen in ihm wahrnehmen können. Er liegt seit- lich um weniges höher als der Magen. nn. Die beiden Hoden, von denen der obere der grössere ist. Auch dort hat die Diagnose nicht nach dem Secrete ge- Müller'% Archiv. 1862. 36 562 macht werden können, da beide Organe ganz klar waren wie structurlos. o. Die Haut. Sie war gleichmässig mit kurzen feinen schuppenartigen Stacheln besetzt, welche vom Kopfe bis zum Ende des Schwanzes gleich dicht standen. Am Halse traten aber noch neue Gebilde hinzu, welche sich am besten mit platten Zotten o‘ vergleichen lassen. Sie gleichen durchaus denen, welche man an Triaenophorusköpfen sieht. Sie sind auch wie dort platt in die Höhe gerichtet, nicht über das Ni- veau der äussersten structurlosen Bedeckung hervorragend. *) *) Es finden sich überhaupt mancherlei Uebereinstimmungen in Betreff? der Hautbekleidung der Cestoden und Trematoden, womit eben nicht mehr gesagt sein soll. Abgesehen davon, dass es eine grosse Anzahl von Cestoden (wie viele Taenien und Dibothrien) giebt, welche wie manche Trematoden eine besatz- und structurlose Haut besitzen, so giebt es Cestoden, welche stachelartige Gebilde in dichten Reihen auf allen ihren Gliedern tragen, so z. B. Anthobothrium Musteli (V an - beneden) s. dessen Werk: Les vers Cestoides pl. VII. Fig. 7, wo man das Aussehn des Gliedrandes beachte. Die Stacheln dieses Thie- res scheinen weich zu sein. Ferner besitzt ein Bothriocephalus aus dem Dickdarm von Carcharius Rondeletii ebenfalls hohle dicht ste- hende Stacheln auf den Gliedern. Der mit kurzen stachelartigen Haaren besetzte Kopf dieses Cesto- den gleicht im Allgemeinen dem des Bothr. coronatus, nur besitzt er nicht vier 3- sondern vier 2theilige Gruben, deren jede an ihrem Aus- senrande nach oben hin einen Flügel trägt. Von diesem Flügel geht frei ein Muskel ebenfalls nach oben, der sich an einen ungeheuren Haken setzt, der 2 scharfe, vordere, freie, und 3 stumpfe hintere an- geheftete Fortsätze hat, welche letztere im Fleische des Kopfes sitzen, Dieser Haken sitzt stets nach aussen an je einer Grube einer. Ein kleinerer Nachbar in Form einer Gabel mit gebognem Stiele bewehrt den inneren Rand jeder Grube — ferner finden sich stachelartige Ge- bilde am Halse von Tetr. ruficollis(Eisenhardt)(longieollis Vanbene- den), welche indess nicht den Kopf zu überziehn scheinen, (wenigstens gelang es mir nie, dort sie aufzufinden, während der ganze Hals noch sein unversehrtes Vliess trug). Süsses Wasser löst diese Hautanhäng- sel schnell, oft in grossen zusammenhängenden Fetzen ab. Meerwas- ser dagegen ist ihnen weniger gefährlich. — Mehr oder minder lange Haare, welche man auch als Stacheln ansehn kann, wenn man will, finden sich am Kopfe und an den Gliedern vieler Cestoden. So am 563 Diese Zotten finden sich auch bei anderen Distomen, so z.B. bei einem Distom, was neben Dist. fallae in Uranoscopus scaber vorkommt und was Rudolphi als einen Jugendzu- stand von Dist. fallar angesehen zu haben scheint, von dem es sich unter anderm durch die Kleinheit seines Eies unter- scheidet, wenn es auch sonst ihm sehr ähnlich sieht. — Fi- gur 2.a das Ei 400mal vergrössert. Fig. 2.6. Das Thier von der Seite gesehn 16mal vergrössert. Die Buchstaben haben dieselbe Bedeutung wie in Figur 2. Fig. 2. stellt Gasterostomum gracilescens 24mal vergrös- sert vor von der Bauchseite gesehn. Die Buchstaben bezeichnen dieselben Organe wie in Fig. 2. a. Der Kopfnapf. Auch er hatte jene eigenthümliche Be- waffnung wie G. minimum. c. der Darmsack. Er war bei allen untersuchten Exem- plaren in regelmässigen Abständen eingeschnürt. Seine Aus- mündung durchbohrt ebenfalls den kleinen schlundkopfartigen Bauchnapf (h). d. der Dotterstock. Er ist gleichfalls ein traubiges Or- gan. Auf der einen Seite ist er länger als auf der anderen. Seine Ausführgänge.treffen sich zwischen dem ersten Hoden Kopfe einer Ligula (Tuba? Siebold) aus Cyprinus tinca (Pisa im Noybr.), bei einer anderen aus Scymnus rostralus, bei den Proglottis und Köpfen von Echinobothrium typus (V anBeneden), B. verticillatus, coronatus, Bothr. cornucopia ete., bei den meisten Tetrarhynchen (aus- genommen Tetrarhynchus megacephalus, reptans, elongatus), ferner bei Bothr. crassiceps, Taenia osculata, ferner bei vielen Scolices Rud., bei dem noch einen einfachen Muskelsack mit Kalkkörpern darstellen- den Cysticercus pisiformis, bei welchem dieser behaarte ‘Theil einge- zogen wird und sich zum Kopfe umbildet. Ferner bei den eben so beschaffnen Tetrarhynchen und Dibothrienlarven, welche letztere Dibo- thrien sich eben so zu entwickeln scheinen. Zuweilen treten noch wie bei dem Kopfe des Triaenophorus an diesen Dibothrien- oder Tetra- rbynchenlarven Zotten auf, welche denen den Distomen in jeder Be- ziehung gleichen, 564 (n) und dem Keimstocke (m). Die Ausführgänge dieser 3 Organe bilden den Einführgang in e. den Eierstock. Dieser steigt anfangs in der Längs- axe des Thieres auf der Rückenseite in Form einer graden Schleife herab in den Schwanz. Dann geht er in die Höhe, sich immer unter dem Rücken haltend. Seine Querwindun- gen e‘ hören auf, nicht weit unter dem Kopfnapfe. Dort wendet sich sein Lauf in schiefen eng aneinander liegenden Schleifen dem Schwanze zu. Er geht über den Magen weg, tritt in kurzen schiefen Windungen zwischen Cirrusbeutel i und Hoden rn und geht in ziemlich geradem Verlaufe zur ge- meinschaftlichen Geschlechtsöffnung 7. f. Das Exeretionsorgan? Es war nicht so deutlich sichtbar wie die Oeffnung desselben f‘. g. Von Gefässen habe ich nur Bruchstücke im Halse ohne Wimpern gesehen. Sie waren bei 24maliger Vergrösserung nicht sichtbar, weshalb sie nicht gezeichnet sind. h. Der durchbohrte sehr kleine Bauchnapf. Er lag wie bei dem vorigen Gasterostom ganz in der Haut und glich einem Schlundkopfe. i. Der grosse Cirrusbeutel. Es ist möglich, dass dieser langgestreckte vom Rücken herabsteigende Penisbehälter Ru- dolphi für einen zurückgezognen Schwanz imponirt hat. In ihm findet sich eine streifige Masse, deren Faserzüge nach unten schräg herabsteigen. Was dies zu bedeuten hat, ist mir völlig unklar. Es kommt dieselbe Erscheinung noch bei vielen anderen Trematoden vor, so z. B. bei D. appendicula- tum, mit dem die in Rede stehenden Thiere den Mangel der Ves. sem. interna gemein haben. Diese Streifen für Muskel- fasern zu halten, habe ich mich nicht entschliessen können, da ich ihre Wirkung und Structur nicht einsah und überdiess bei vielen anderen Distomen dieser selbe Raum häufig ganz durchsichtig ist. k. Der mit sehr langen Haaren besetzte zurückgezogene Penis. k'. Die sehr kleine kuglige seinem Rückenende aufsitzende Ves. sem. externa. 565 l. Die gemeinschaftliche auf einer kleinen Erhabenheit sitzende Geschlechtsöffnung. m. Der ovale Keimstock. nn. Die beiden Hoden. Diese beiden Diagnosen wurden nach dem Inhalte gemacht. o. Die mit kleinen Stacheln besetzte Haut des Thieres. Diese in ihrer Grösse und Form an die von Distoma perlatum erinnernden Stacheln hörten allmählig in der Höhe des Bauch- napfes auf. Sie waren ebenfalls mit jenen platten, die das Thier umziehende strueturlose Haut nicht oder nur sehr we- nig überragenden Organen, die ich Zotten nenne, untermischt. Die unter der Figur sich befindende Ellipse soll einen idealen Querschnitt durch die Mitte des Thieres darstellen, deren Form die eines Keiles ist, und sich nach oben zu schnell, nach unten zu langsam verjüngt. Figur 3.a stellt ein Ei 400mal vergrössert dar. Seine Farbe ist ein schönes tiefes und doch durchsichtiges Braun. Gasterostomum fimbriatum, von Siebold. Ausser diessen beiden in Meerfischen vorkommenden Ga- sterostomen habe ich auch im April d. J. eins gefunden im Hechte, was v. Siebold schon 1831 im Sander entdeckt hat und in seinem Lehrbuche Seite 129 als Gasterostomum fim- briatum auch in Perca vorkommend aufführt. Dort fügt er in Anm. 6 die Vermuthung hinzu, dass vielleicht Bucephalus polymorphus zu einem Gasterostomum gehört, da sich der Darm in dieser Larve ganz ähnlich verhält. Gasterostomum fimbriatum (Siebold) hat das Bemerkenswerthe, dass sich an seinem Kopfe 5 retractile Rüssel befinden, deren Mechanis- mus und Gestalt an die Hörner der Schnecken erinnert. Der obere oder äussere freie Theil des undurchbohrten Kopf- napfes ist mit 5 bis auf seinen Boden herabgehenden Röh- ren versehn, in deren jede ein Strang verläuft. Dieser Strang scheint mit dem gablichen hohlen Fühler in Verbindung zu 966 stehn und ihn einstülpen zu können. So gleichen diese Füh- ler auch den Rüsseln der Tetrarhynchen, nur dass ihnen Waffen daran fehlen und sie nicht einfach sind, sondern aus einem grossen und kleineren Rüssel bestehn, deren Stämme sich am Kopfe zu einem vereinigt haben. — Es ist nicht unmöglich, dass sich ein ähnlicher Apparat auch bei den bei- den anderen Gasterostomen findet, wenn auch nur rudimen- tär oder während der Entwicklung. Die Lage der Organe in diesem Gasterostom ist im We- sentlichen dieselbe wie bei den beiden vorhin beschriebnen verwandten. Das Excretionsorgan erschien als einfacher S förmig gebogner Sack, welcher durch die ganze Thierlänge verlief. Neben dieser Oeffnung im Schwanze war die des kurzen mit Härchen besetzten Penis, der in einem langen Beutel lag. Die Haut des Thieres war mit kleinen Stacheln besetzt. Der Dotterstock obschon blass war vollständig sicht- bar. Seine Lage entsprach dem analogen Gebilde in seinen Verwandten. Die beiden grossen im Hinterleibe liegenden Hoden enthielten schon die Samenzellen, der Keimstock schon die Keimkörper. Nur vom Eierstocke war keine Spur zu sehn. Diese Bildung von Samenthieren, bei noch nicht vor- handnem Eierstocke, die sich noch bei vielen anderen jungen Distomen wie von D. megastomum, veliporum ete. findet, ist ein Einwand und wie mir scheint ein sehr erheblicher gegen die Meinung von Kölliker, dass Distoma filicolle (Okenii Köll.) getrennten Geschlechts sei, besonders da er selbst sagt, dass das Fehlen der Hoden im eitragenden Thiere nicht hat be- wiesen werden können. Dass er je ein Pärchen in einer Cyste fand d. h. ein eitragendes und ein nicht eitragendes, kann ich nur bestätigen, indem ich hinzufüge, dass das s. g. Männchen öfters gar keine Hoden, sondern nur den Darm- kanal hatte; 2) dass ich in einer Cyste 2 Individuen mit we- nig geschwollnem und vollständig eilosem Hinterleibe gefun- den habe; 3) dass ich auch bewegungslose aus Fäden beste- hende braune Massen, Samenthieren überaus ähnlich, in einem Schlauche gesehn habe, der gerade in der Längsachse des H.nterleibes von einem eitragenden Individuum verlief; 4) 567 dass ein eitragendes Individuum sich auch einzeln fand. Die s. g. weiblichen Individuen boten durch die verwickelten Win- dungen ihres Eierstockes und durch ihre Dicke der mikro - skopischen Untersuchung unüberwindliche Hindernisse. Mir scheint, dass Köllikers Ansicht über D. fRlicolle nicht eher als die richtige angesehen werden kann, als bis durch alle Entwicklungsstadien . desselben der Mangel der männlichen Organe einerseits und der der weiblichen anderseits erwiesen worden ist, da bis jetzt nur Ein Fall (Distoma haematobium s. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie v. Siebold u. Köl- liker Heft I. 1852) vorliegt. Distoma coronatum, Wagener. Im unteren Theile des Darmes von Corvina nigra findet sich ein bewaffnetes Distom, von dem in Fig. 4 eine 120mal vergrösserte und in Fig. 5a von der Bauchseite gesehene und b eine 16mal vergrösserte Abbildung gegeben ist. Das Thier kam in mehreren Exemplaren vor. Seine Grösse betrug 0,5—0,75 mm. Sein Leib war rund. Der s. g. Hals verschmälerte, sich nach dem Kopfe zu. Der Bauchnapf h war ungemein klein im Verhältniss zum Kopfnapfe a. Fig. 4a. Der grosse Kopfnapf. Er ist durch eine ge- ringe Abschnürung vom Halse abgesetzt. Eine Krone von zwanzig starken Haken in einfacher Reihe umgiebt ihn (a‘). b. Der Schlundkopf setzt sich unmittelbar ihm an. Br ist becherglasförmig. Ein langer Oesophagus b’ folgt ihm. Er theilt sich in ce in die beiden Darmblindsäcke. Sie laufen an den Sei- ten des Thieres herab, liegen auf dem Rücken, sind mit Körn- chen gefüllt und reichen nicht bis zum Ende des Schwanzes, sondern hören etwas früher auf in ce’. . d. Der Dotterstock bildet 2 schmale etwas gebogne Strei- fen, auf jeder Seite einen. Sie scheinen aus einer Menge von kleinen Säcken zu bestehn. Die Lage dieses Organes ist auf dem Rücken über und neben den Schenkeln des Dar- 568 mes nach aussen. Seine Länge ist dem mittleren Drittheil der Thierlänge gleich. Seine Ausführgänge d’ kommen von oben nach unten in der Mittellinie des Thieres auf der Rük- kenseite zusammen in gleicher Höhe mit der Ves. sem. in- terna und externa. Ihr Zusammenfluss bildet wie gewöhn- lich bei den Distomen die Ursprungsstelle des Einführgan- ges (e) in den Eierstock. e. Der Eierstock bildet zuerst nach unten herabsteigend lange der Längsachse des Thieres fast paralelle Windun- gen e‘. Dieser Theil des Organes nimmt den Zwischenraum zwischen den beiden Hoden nn ein. Dann geht er unter der * Bauchfläche des einen Darmblindsackes nach der Seite. Dort füllt er den dreieckigen Raum aus, der durch den Darm- schenkel und die Aussenseite des Thieres gebildet wird. Die Längswindungen werden hier allmälig quere e’. Endlich tritt eine Querwindung fast in gleicher Höhe mit dem Darmende des Oesophagus auf der Bauchseite hinüber zu dem anderen dem vorigen entsprechenden dreieckigen Raume der anderen Seite e’’. Hier habe ich nur Querwindungen gesehen. End- lich tritt nach einigen kleinen Windungen der Eierstock zur Geschlechtsöffnung 1. Fig. 4a. Ein Ei 400mal vergrössert. f. Das Exeretionsorgan. Es bildet wie der Darm eine Ga- bel, mündete mit geradem Stamme in f‘ aus, theilte sich in der Höhe der Mitte des obersten Hoden in zwei Arme f, welche sehr ausgedehnt waren und den ganzen Rücken ein- zunehmen schienen. Die beiden Blindsäcke erreichten fast das Oesophagealende des Schlundkopfes. Von Gefässen habe ich nichts wahrnehmen können, h. Der sehr kleine Bauchnapf. k. Der Cirrusbeutel. Er war vielfach gewunden, und schien nicht vom Rücken, sondern vom Bauche her sich in einer Biegung zu erheben, und so auf einem Umwege zur Geschlechtsöffnung / zu gelangen. Ich habe keinen Penis in diesem klaren Organe gesehn. l. Die gemeinschaftliche Geschlechtsöffnung. Sie liegt dicht über dem kleinen Bauchnapfe. ‘ 569 m. Der ovale Keimstock. Er liegt mehr nach der Rücken- seite an der inneren Seite des einen Darmschenkels in ziem- lich gleicher Höhe mit dem Bauchnapfe. Seinen Ausführ- gang habe ich nicht gefunden. nn. Die beiden Hoden. Sie sind sehr gross, eiförmig und liegen auf der Bauchseite. In der Mittellinie des Thieres treten zwischen beide die ersten Windungen des Eierstockes. Sie waren mit Fäden gefüllt; n’ ist wahrscheinlich die Ves. seminalis interna. Einen Ductus deferens habe ich nicht fin- den können. Hinter den beiden Ves. seminales befindet sich der Anfang des Eierstockes. o. Die mit in gleichmässig gestellten Stachelreihen besetzte Haut. Die punetirten Linien bedeuten die einzelnen Stachel- reihen. Fig. 5. Das Thier 16mal vergrössert von der Bauchseite (a), von der Seite (b) gesehen. Man sieht den Verlauf des Darmes und den fast ganz auf der Bauchseite liegenden Eier- stock. ce. Die natürliche Grösse des Thieres. Fig. 60° 2 Haken des Kopfes 400mal vergrössert. d. Die anhaftende Basis des Hakens. Das Thier wurde in Nizza im September vorigen Jahres gefunden. Da EEE Pal EL. be ie Sa j : Pie ee! mr IR 1,7 si sl öl e ul: Sir Br Tine VE un msn) al alisl) Asia „ua inte 1 u /2 mag tg int j rn „Ki ee he 1 ü a Sb zu E At oe BC ri ve E- re arte by Dr 2) Yon MT Ts ug a [7 ir . U Te or Bere ET Et. ET BI I I PR ansılakl sh he, . FOuinend x 3 AfullrsArchhr 1833 h A r R NONE a 4 In | AS | AU. EN \ 7 NONE 4 | \N. 7 f san {ei fi n t 2 ARE ET IR DZ | I \ \ ’ Millers Archiu 1932 m. 7 Tea Al 5 Ounand dep. L N h ri Cmnand sw Fr ’ i Ä Zur Retmhulte Eee Ar ms mus A A S | ur. 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