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ARCHIV

für FRANKFURTS GESCHICHTE und KUNST,

Dritte Folge. Bd. IX.

M i

ARCHIV

FÜR

FRANKFURTS GESCHICHTE

UND

KUNST,

Dritte Folge.

Herausgegeben

von dem

Vereine für Geschichte und Altertumskunde

ZU

Frankfurt am IVtain.

Neunter Band.

Mit einer Tafel.

- -

FRANKFURT a. NI.

K. TH. VÖLCKER’S VERLAG. 1907.

Druckerei von August Osterrieth in Frankfurt a. M.

ausgeschieden

Stadtarchiv

Frankfurt a„

Unseren Mitgliedern

zum

fünfzigjährigen Jubilaeum des Vereins

am 30. Oktober 1907

gewidmet.

Inhalt.

Seite

I. Prof. Dr. A. Riese, Rückblick auf die Entstehung und Ent¬ wickelung des Vereins für Geschichte und Altertumskunde in Frankfurt a. M. 1857 1907 (abgeschlossen Ende 1906).

Mit einem Verzeichnis der vom Verein veröffentlichten

Schriften. S. 25 . 1 V

II. Dr. R. Jung, Frankfurter Hochschulpläne 1384 1866. Mit

Nachtrag S. 403 . 35

III. Dr. F. Schrod, Zur Geschichte der Deutschordens-Komturei

Sachsenhausen bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts . . 93

IV. Lic. K. Euler, Beiträge zur Reformationsgeschichte der Stadt

Frankfurt a. M. Erster Teil. I. Die Bornheimer Eingabe 1523 1524; II. Zur Vorgeschichte des Zünfteaufstandes

von 1525 . 157

V. Prof. Dr. I. Kracauer, Frankfurt und die französische Re¬ volution 1789 j 792 . 21 1

VI. Dr. R. Jung, Aktenstücke über die Besitzergreifung der

Reichsstadt Frankfurt a. M. durch den Fürsten Primas am 9. Sept. 1806 . 298

VII. Dr. F. Bothe, Das Testament des Frankfurter Grosskaufmanns

Jakob Heller vom Jahre 1519. Mit einer Tafel . . . 339

Geschäftliche Mitteilungen.

I. Bericht über die Tätigkeit des Vereins im Jahre 1905 III

II. Rechnungsabschluss für das Jahr 1905 . XI

III. Bericht über die Tätigkeit des Vereins im Jahre 1906 XV

IV. Rechnungsabschluss für das Jahr 1906 . XXIII

V. Verzeichnis der Mitglieder des Vereins . XXVII

VI. Verzeichnis der ipit dem Vereine in Schriftenaustausch

stehenden Vereine etc . XXXV

I.

Rückblick

auf die

Entstehung und Entwiekelung des Vereins für Geschichte und Altertumskunde

in

Frankfurt am Main 1857—1907.

Von

Professor DR- A. RIESE.

I.

Der Verein für Geschichte und Altertumskunde, der in diesem Jahre auf ein halbes Jahrhundert zurückblickt, hat während dieses Zeitraums eine äussere und innere Entwickelung durchlebt, deren Darstellung in diesem bedeutsamen Zeitpunkt seinen Freunden willkommen sein wird. Schon seine Gründung im Jahre 1857 stellt sich als eine Entwickelung bereits vorhandener Keime dar. Hat es doch in Frankfurt auch früher nicht an solchen Freunden der allgemeinen und der vaterstädtischen Geschichte gefehlt, die den Wert vereinter Kräfte zu schätzen wussten. Als J. C. von Fichard 1811 1815 das »Frankfurtische Archiv für ältere deutsche Fiteratur und Geschichte« herausgab, wurde er von gelehrten Freunden unterstützt, und 1828 tat sich eine Gesellschaft literarischer Männer zur Herausgabe der »Wetteravia« mit ihm bis zu seinem baldigen Tode zusammen. Während die durch den Freiherrn von Stein hier 1819 gegründete Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Frankfurt bald ver- liess, verdient um so mehr an dieser Stelle Erwähnung die 1837 hier gestiftete »Gesellschaft für Frankfurts Geschichte und Kunst«, die von Bürgermeister Thomas, Major von Radowitz, dem Rafaelforscher Inspektor Passavant , dem jungen Advokaten Dr. Euler u. a. begründet wurde, und deren tüchtige Feistungen in den acht Heften ihres »Archivs für Frankfurts Geschichte und Kunst« (1839 bis 1858) vorliegen, die die geschichtliche Kenntnis nicht unwesentlich förderten. Beider starb Thomas, der das belebende, anregende Element dieses Kreises war, unerwartet früh 1838, und anstatt zu einer Vereinigung in gegenseitiger Aussprache und För¬ derung kam es nur, und auch dies nur selten, zu vornehm-steifen Sitzungen mit Vorträgen, aber ohne Diskussion. Als Sekretär der Gesellschaft fungierte seit 1847 bis zu ihrem Ende Dr. F. H. Euler.

Allmählich schienen sich die Verhältnisse für gemeinsame Tätigkeit im allgemeinen günstiger zu gestalten. Im Jahre 1852 fand eine schon 1846 angebahnte Vereinigung der historischen Ver¬ eine Deutschlands in Versammlungen zu Dresden und Mainz ihren Ausdruck: die Gründung des Germanischen Museums in Nürnberg,

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des Römisch-germanischen Zentralmuseums in Mainz, des Gesamt¬ vereins der deutschen Geschichtsvereine legte von dieser auf Zusammenschluss gerichteten Tendenz im grösseren Stile Zeugnis ab; für unsere Stadt, aus der die Mainzer Versammlung zahlreichen Besuch hatte, spiegelt sie sich darin ab, dass die Gesellschaft von 1853 an rr‘it den Nachbarvereinen in Darmstadt, Mainz, Wiesbaden und Cassel zu engerem Verkehr und gemeinsamer Herausgabe der »Periodischen Blätter« sich verband.

Gelang es dieser etwas exklusiven Gesellschaft nicht, zu all¬ gemeinerer Teilnahme an ihrer nur in den Veröffentlichungen sich zeigenden Tätigkeit anzuregen, so kam von einer ganz anderen Seite her ein neuer Antrieb. Noch waren die Nachklänge der Zeit der Romantik nicht verklungen; ihre schwärmerische Begeisterung für eine edle, grosse Vergangenheit des deutschen Volks und Reiches lebte noch und übte gerade in dem Jahrzehnt der nach der Erhebung von 1848 eingetretenen Depression der Gegenwart auf Viele eine besondere Anziehungskraft aus. Dies ist der Geist, der auch die Begründung unseres Vereines veranlasste, und den wir nicht besser darstellen zu können glauben, als dadurch, dass wir die Einleitung seiner ersten »Mitteilungen« in nur wenig abgekürzter Form hier zum Abdruck bringen. Sie lautet :

»Wie abwärts im deutschen Vaterlande, so musste auch in unsrer Stadt, deren Geschichte durch die grossartigen Akte nationaler Einigung mit der Geschichte des deutschen Reiches so eng verzweigt ist, das erhöhte Gefühl für des Vaterlandes oft so glanzvolle Vergangenheit den Blick zur Betrachtung ihrer Geschichte und zur Würdigung und Werthschätzung ihrer oft lange missachteten Denkmäler und Reste jeder Art zurückwenden lassen. Gewiss aber hat an dieser erneuten Betrachtung der Vorzeit und ihrer grossen Persönlichkeiten, an dieser Erforschung und Ausbeutung ihrer Be¬ gebnisse und Denkmäler, an dieser Sammlung, Bewahrung und Erneuerung ihrer Ueberreste, das mehr oder weniger dunkle Gefühl der eignen Unzulänglichkeit, des Mangels an grossartig-politischem Leben und an wahrhaft grossen Männern und Charakteren ebenso viel Antheil, als das Interesse, durch Ergründung und Verfolgung der in die Vergangenheit zurückleitenden Fäden und Wurzeln aller Richtungen unseres modernen Lebens den wahren und inneren Zusammenhang unserer gesammten Culturzustände in einem orga¬ nischen Entwicklungsprozesse zu überschauen. Aber nicht minder hoch als diese Erschliessung eines allseitigen richtigenVerständnisses unsrer ganzen Bildungsgeschichte ist der geistige und moralische

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Gewinn anzuschlagen, welchen Geschichte und Alterthumskunde selbst für das moderne Leben vermitteln. Die Betrachtung einer insbesondere thatkräftigen, charaktervollen, kernhaften, von scharf umrissenen Persönlichkeiten belebten Vorzeit, ihres in stetigeren und ausgeprägteren Formen sich bewegenden politischen und sozialen Lebens, ihrer Sitten und Gebräuche, ihres Glaubens und Dichtens, kann nicht verfehlen einen erfrischenden und erhebenden Einfluss auf alle bürgerlichen Tugenden auszuüben und insbesondere die Liebe zum Vaterlande zu beleben und zu stärken, den Gemein¬ sinn zu befördern, der selbstsüchtigen Zersplitterung der Kräfte zu steuern und überhaupt das Geistesleben vor der erstickenden Ueber- wucherung des Materiellen mitzuschützen. Von dieser Auffassung des wohlthätigen Einflusses der Alterthumsstudien auf das Leben und von der Ueberzeugung geleitet, dass es vorerst nur, nach Art verwandter Kunstbestrebungen, darauf ankäme, durch Vereinigung und permanente Ausstellung alterthümlicher Gegenstände, ins¬ besondere aus der vaterstädtischen Vergangenheit, den Sinn für deren Schicksale und hervorragende Persönlichkeiten zu pflegen und zu verbreiten: traten im Oktober 1856 1 eine Anzahl Männer dahier in fortgesetzten Berathungen zur Gründung eines solchen Institutes zusammen, indem sie ihre Grundsätze und Anschauungen in den »Gedanken über eine Ergänzung der hiesigen Anstalten und Vereine für Geschichte und Kunst«2 niederlegten und im März des Jahres 1857 Gleichstrebenden zu geneigter Rücksichtnahme und Förderung, zugleich mit der Ein¬ ladung zu einer näheren Besprechung auf den 14. März (1857) vor¬ legten, in welcher sich der erweiterte Kreis der Theilnehmer nicht nur zu einem förmlichen Comite constituirte, sondern auch aus sich einen Ausschuss von 10 Männern bestellte, dem zugleich die ferneren Schritte zur Gründung eines förmlichen Vereins, sowie zur Entwerfung von Statuten übertragen wurden. Denn wiewohl man im Monate Mai, dem ursprünglichen Plan entsprechend, einen öffentlichen Aufruf an die Besitzer alterthümlicher Gegenstände zur Begründung einer Ausstellung und eines Museums von Alterthümern

1 Die erste protokollierte Sitzung fand am 18. Oktober 1856 in dem Osterrieth- schen Hause Rossmarkt Litt. E No. 41 = No. 18 in Anwesenheit der Herren E. von der Launitz, Dr. Euler, H. vonMeyer, C. Th. Reiffenstein, Dr. E. Harnier, Gerhard Malss jun., Moritz Gontard und A. H. Osterrieth Vater statt. Und zwar beginnt das Protokoll mit folgenden Worten: »Auf die Ansprache von A. H. Osterrieth, ob beliebt würde, dass ein Verein zur Erhaltung von Monumenten deutscher Cultur- geschichte gegründet werde, wurde einstimmig beschlossen, das Vorhaben in Ausführung zu bringen.«

2 Sie sind verfasst von Fiskal Dr. jur. A. Burkard.

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mittelst Schenkung oder zeitweiliger Abgabe derselben erlassen hatte, so fühlte man doch zu wohl, dass ohne die Gründung eines besonderen, durch persönlichen Meinungsaustausch der Alterthums¬ freunde und durch wissenschaftliche literarische Arbeiten die zur Anschauung gebrachten Antiquitäten belebenden, Vereines dem angestrebten Ziele die wahre Grundlage fehlen würde. Daher wurde in den Comitesitzungen vom 26. Juni und 13. Juli die Gründung eines Vereins zu entscheidendem Abschluss gebracht, der vorgelegte Statutenentwurf genehmigt und der endgültigen Beschlussnahme einer Generalversammlung Vorbehalten, die Ansammlung von Unter¬ schriften ins Werk gesetzt, die Verschmelzung mit dem dahier bestehenden Vereine für Frankfurts Geschichte und Kunst, sowie die Fortsetzung des von Letzterem seither mit so schönem Erfolge herausgegebenen »Archivs« in Aussicht genommen, zugleich auch die Einrichtung grösserer und kleinerer Versammlungen zum Behufe des Austausches und der Veröffentlichung historisch-antiquarischer Mittheilungen und Arbeiten und zur Anregung und Belebung des Sinnes für Geschichte und Alterthumskunde in erster Linie als Zweck und Ziel des Vereines hingestellt, dem sich in zweiter Linie dann die Ausstellung, beziehungsweise die Gründung eines Vereinsmuseums von Alterthümern in Originalien oder deren Nach¬ bildungen anreihen würde. Nachdem inzwischen etwa 170 Personen ihren eventuellen Beitritt zu dem Verein erklärt hatten, wurde in der Comitesitzung vom 9. Oktober die Berufung einer General¬ versammlung zur förmlichen Constituirung des Vereins beschlossen, wobei, unbeschadet freier Wahl, zur Besetzung des definitiven Vorstandes 7 Mitglieder in doppelter Anzahl durch das Comite vorgeschlagen werden sollten.

Mit dieser Uebersicht der Thätigkeit des provisorischen Comites und der verschiedenen Zwecke und Ziele des zu gründenden Vereins eröffnete Herr A. H. Osterrieth, einer der Mitbegründer des Vereins, die auf Freitag 30. Oktober berufene Generalver¬ sammlung.«

In dieser ebenfalls im Hause Rossmarkt 18 abgehaltenen kon¬ stituierenden Versammlung wurden die den Burkard’schen »Gedanken« entsprechenden Satzungen des Vereins festgestellt, deren Artikel 1 seinen Zweck so bestimmt :

»1. Förderung der historischen Wissenschaften im Allgemeinen durch Sammlung solcher Erzeugnisse der Vergangenheit, welche eine unmittelbare Anschauung gewähren.

2. Förderung der Kenntnis der Geschichte der Vaterstadt im weitesten Sinne des Wortes durch Sammlung des historischen

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Materials sowohl aus dem Gebiete der Literatur als der bildenden Künste und Handwerke, durch möglichste Fürsorge für die Erhaltung der noch vorhandenen Denkmäler der Vergangenheit, und durch Anregung oder Unterstützung wissenschaftlicher Arbeiten für die Geschichte Frankfurts.

3. Veranstaltung von zeitweiligen Ausstellungen hier befind¬ licher oder später hierher gelangender Altertümer, welchem Volke oder Zeitalter sie angehören mögen.

4. Weckung und Belebung des Sinnes für Geschichte und Altertum durch Mitteilungen, Abhandlungen und Vorträge in Ver¬ sammlungen oder im Druck«.

Artikel 6 besagt: »Der Verein wird mit verwandten Vereinen, besonders mit den nachbarlichen, in Verkehr treten«.

In derselben Versammlung begannen auch die Vereinsvorträge und wurde der aus 7 Mitgliedern bestehende Vorstand gewählt, der dann aus seiner Mitte die Herren Advokat Dr. jur. Ludwig Heinrich Euler zum Vorsitzenden »Direktor«, Prof. Dr. Jakob Becker zum Schriftführer, A. H. Osterrieth zum Kassier, Maler C. Th. Reiffenstein zum Konservator bestimmte. Wenige Wochen später wurde die schon länger geplante Verschmelzung mit dem älteren Vereine vollzogen und im Juni 1858 bei Herausgabe des letzten (achten) Archivheftes bekannt gemacht. Die Fortsetzung der alten Gesellschaft durch den neuen Verein mit erweiterter Grundlage wurde durch die Person des Leiters der beiden Vereinigungen, des Dr. Euler, und durch die Übernahme des Titels für die Hauptveröffentlichung »Archiv für Frankfurts G eschichte und Kunst«, innerlich und äusserlich dargetan.

Die Tätigkeit des Vereins gliederte sich nun in zwei Teile. Osterrieth wollte, wie schon gesagt, durch Anschauung Interesse erwecken und betrieb deshalb die Begründung einer Sammlung. Er stand und mit ihm andere darin in Einklang mit Dr. Burkard’s oben besprochenen »Gedanken«. Diese Sammlung sollte, verbunden mit dargeliehenen Gegenständen, öffentlich ausgestellt werden, und zwar geschah dies zweimal wöchentlich in dem Hause des Herrn Osterrieth am Rossmarkt Nr. 18, seit Dezember 1858 aber im »Steinernen Haus« am Markt. Dass sie noch nicht bedeutend war, ergibt sich aus einer in meinem Besitz befindlichen gedruckten »Übersicht der im Frühjahr 1859 ausgestellten Bildwerke und Alter¬ tümer«, unter denen sich abgesehen von Portraits, die die Dr. Senckenbergsche Stiftungsadministration hergeliefert hatte auch

die »Privatsammlung« des Herrn Osterrieth befand. Im Jahre 1 86 1 übernahm dieser überaus eifrige Mann auch die nach Reiffenstein von Dr. Heyden bekleidete Stelle eines Konservators, die er dann, zuletzt durch Dr. Ponfick unterstützt, bis 1867 inne hatte. Schon damals (zuerst 1858) kamen Frankfurter Urkunden, besonders Haus- kautsurkunden dem Verein in grosser und später immer grösserer Zahl als Geschenke zu ; schon damals bildete sich eine kleine Münz¬ sammlung; auch hatte Osterrieth schon 1858 die Stadt zu einer Bewilligung von jährlich 200 Gulden gewonnen: dies war dankens¬ wert, aber nicht dafür genügend, die von den Erben des Dr. Römer- Büchner angebotene wertvolle Sammlung von römischen, besonders Heddernheimer, und mittelalterlichen Altertümern zu erwerben, so wünschenswert ein solcher Anfang für Frankfurt gewesen wäre; die Sammlung kam in Gräflich Solms’schen Besitz nach Rödelheim und befindet sich jetzt in Assenheim. Doch hatte Flerr Osterrieth für die nach seiner Schätzung bereits »nicht unansehnliche« Samm¬ lung grössere Pläne. Im November 1861 teilte er dem Vorstande mit, dass er »zur Gründung einer städtischen Altertumssammlung ein Haus angekauft habe« : es war dies das altertümliche Haus Zur Goldenen Waage am Markt, welches durch Mietvertrag im Dezember 1862 Vereins- und Sammlungslokal wurde. Als jedoch die Stadt 1867 im Saalhof grössere Räumlichkeiten für die städtische Gemälde¬ sammlung mietete, gab sie einige derselben unserem Verein für 250 Gulden jährlich in Aftermiete. Hier war die Sammlung aber nur an jedem Samstag zwei Stunden geöffnet und wurde dement¬ sprechend wenig besucht.

Um diese Zeit legte Herr Osterrieth »wegen vorgerückten Alters« seine Stelle als Konservator nieder, die dann nicht mehr besetzt wurde; ein Mann, der wie nach seinem am 17. August 1868 erfolgten Tode ein Nachruf rühmte, zu jenen trefflichen Frankfurtern gehörte, »denen Reichtum und ein glückliches Geschäftsleben nicht die Wege zur Üppigkeit, sondern zur Kunst und Wissenschaft, zur Förderung des Gemeinwohls, zur sinnigen Naturbetrachtung und Begeisterung für alles Schöne und Gute gewiesen«.

Während die »Archäologische Sektion« des V ereins, der der Konservator Vorstand, sich nun mehr und mehr ver¬ flüchtigte, der letzte Bericht, der sie überhaupt erwähnt, berichtet im Januar 1871 nur, dass »nichts von ihr zu berichten ist«, nahm der Plan der Gründung eines Städtischen Museums eine immer greifbarere Gestalt an. Im Anfang des Jahres 1866 war er von Herrn

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Fr. ScharfF begeistert empfohlen, von den städtischen Behörden »für die mancherlei im Besitz der Stadt befindlichen Kunst- und Altertums¬ gegenstände« 1869 in Aussicht genommen, dann 1870 von Herrn Otto Cornill von neuem angeregt. Endlich fasste die Stadt den Entschluss, »in dem neuerbauten Archivgebäude neben der städtischen Gemäldesammlung auch ein Städtisches Altertumsmuseum zu be¬ gründen«. Ehe nun unsere Sammlungen auf Beschluss der General¬ versammlung vom 9. Januar 1877 diesem Museum übergeben wurden, liess sie der Vorstand, da ihre Ordnung durch die mehrfachen Umzüge etwas gelitten hatte, neu inventarisieren und katalogisieren; dieser Aufgabe unterzog sich für die Münzen Herr Lorenz F. Finger und für alles Übrige Herr Dr. A. Hammeran, dessen lehrreicher Bericht in den Mitteilungen Band V S. 421 ff. abgedruckt ist. Im Herbst 1877 wurden die Sammlungen übergeführt: die Urkunden und die Bibliothek kamen in -das städtische Archiv, alles Übrige in das neue, vom Konservator Herrn O. Cornill verwaltete städtische Historische Museum : womit, obwohl das Eigentumsrecht zunächst Vorbehalten wurde, unser Bericht über die Sammlungen sein Ende erreicht hat. Die Satzungen des Vereins wurden übrigens in Folge dieser Veränderungen revidiert; in ihrer neuen, nicht wesentlich abweichenden Fassung vom 24. Januar 1878 sind sie im Anhang zum fünften Bande der Mitteilungen abgedruckt.

Viel erfolgreicher als die durch den Mangel an Vorträgen von Anfang an der Stagnation ausgesetzte archäologische war die andere, die »Literarische Sektion«. Den statutengemässen Arbeitsplan dieser Sektion teilte Euler in den Mitteilungen Band I S. 19 f. mit, und arbeitsfreudige Gelehrte und Freunde, wie Euler selbst, Becker, Classen, Creizenach, Heyden, Kriegk, Osterrieth, Steitz, Stricker, Volger u. a. wetteiferten längere oder kürzere Zeit in seiner Aus¬ führung durch Rede und Druck. Durch erstere ging man zwar über die Art des früheren Vereins hinaus, der fast nur literarisch wirkte, aber an eine Öffentlichkeit der Sitzungen im jetzigen Sinne war zunächst noch nicht gedacht. Nur zu den jährlichen Generalver¬ sammlungen wurden sämtliche Mitglieder eingeladen,' das Geschäft¬ liche erledigten die Vorstandssitzungen ; die »Sektions-« oder »Aus¬ schusssitzungen«, d. h. die Sitzungen »der an den Arbeiten des Ver¬ eins sich näher beteiligenden Mitglieder« pflegten das wissenschaft¬ liche Gebiet. Für diesen engeren »Verein zu gegenseitiger Mit¬ teilung« waren die Vorträge berechnet, meist kurz, oft mehrere an einem Abend, die Diskussion war vertraulich und angeregt. Auch

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wurde darin über neu erschienene Schriften kurz berichtet, worin namentlich Dr. Euler einen erstaunlichen Eifer zeigte: eine schöne Sitte, die sich noch bis in die 1880er Jahre erhielt. Da aber auch von den nicht »arbeitenden« Mitgliedern zuerst einige, dann immer mehrere als Zuhörer teilnahmen, wurde 1863 die Einrichtung ge¬ troffen, »alle vier Wochen eine Ausschusssitzung wie hisher zu halten, alle 14 Tage aber eine engere Versammlung der arbeitenden Mitglieder für einzelne oder gemeinsame Arbeiten«. 1 »Ausschuss¬ sitzung« heisst also nun eine Vortragssitzung für alle Vereins¬ mitglieder; obwohl der Name nicht mehr recht passte, erhielt er sich noch sehr lange und wurde erst 1879 durch die Bezeichnung »Vereinssitzung« ersetzt. Die »engeren Versammlungen« fanden später sogar alle Samstage in Form von zwanglosen Besprechungen im Archiv statt; so noch 1884 und später. Unter diesen arbeitenden Mitgliedern bestand auch seit 1861 ein von Professor Kriegk an¬ geregter, besonders die neuen Zeitschriften enthaltender Lesezirkel; leider litt er, wie so manche ähnliche Veranstaltung, durch mangelnde Pünktlichkeit Einzelner und ging in Folge dessen ein : eine ge¬ wünschte Erneuerung lehnte der Vorstand 1879 ab. 2

Die »Ausschusssitzungen« standen in voller Blüte. In dem Jahresbericht vom 30. Dezember 1867 geht Euler ausführlich auf sie ein. In ihnen, sagt er, konzentriert sich das Vereinsleben; sie waren in der Regel von 50 und mehr Mitgliedern besucht. Die Vorträge erstreckten sich nicht nur über die Geschichte Frankfurts, sondern über das Gesamtgebiet der historischen Wissenschaften und namentlich auch über neugefundene Altertumsgegenstände. Er hegt nur den Wunsch, dass die Zahl der arbeitenden, Vortragenden Mitglieder sich vermehre, was auch eine reichere Abwechselung in den Themen der Vorträge ergeben würde. Als besonders wichtig sei genannt der inhaltreiche Rückblick auf das Vereinsleben des ersten Vierteljahr¬ hunderts, den Dr. Euler beim 25 jährigen Vereinsjubiläum am 11. Sep¬ tember 1881 in seinem Festberichte gab.

Für die Vorträge bei den Generalversammlungen wurden schon früh auch auswärtige Gelehrte bisweilen herangezogen : so Rossel in Wiesbaden 1858 und noch mehrmals, Heber (Darmstadt) 1862, Röder (Hanau) 1863, Grimm (Wiesbaden) 1875, Duncker (Hanau) 1876, Koller (Darmstadt) 1880 und noch öfter. Von Hiesigen sprachen in

1 Protokoll S. 51.

2 Vgl. Mitteilungen Band V, S. 494.

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den Generalversammlungen fast alle oben Genannten. Ein 1870 ge¬ fasster Beschluss,' längere Vorträge zu honorieren, scheint nicht zur Ausführung gekommen zu sein: zum Glück, da er ein ganz fremd¬ artiges Element in unsere nur von der Liebe zur Sache getragene Tätigkeit hineingebracht hätte. Vielmehr haben die arbeitenden Mit¬ glieder, auch unter bisweilen schwierigen Verhältnissen, sich unablässig bemüht und ihren Stolz darein gesetzt, keine Lücke in den Vortrags¬ abenden eintreten zu lassen: hat es sich doch immer bewährt, dass diese das starke Band bildeten, das den Verein auch in weniger günstigen Zeiten fest zusammenhielt. Möge es allezeit so bleiben!

Zu den Vorträgen gesellte sich aber in den Sommermonaten eine erfreuliche Ergänzung: das waren die Ausflüge in unsere damals noch schöne und freie Umgebung. Im Sommer 1858 ver¬ einigte man sich zu Spaziergängen nach der Mainlust, dem Forsthause, Bockenheim, Rödelheim, Ginnheim, Falkenstein und Homburg zum »Austausch wissenschaftlicher und antiquarischer Erfahrungen« und »gemütlich-heiterem Verkehr«. Später wurden diese Sommerspazier¬ gänge auf die Rosenau und die SimoiVsche Wirtschaft (Concordia) in Bockenheim beschränkt. Die Wintersitzungen fanden anfangs im Osterrieth’schen Hause, seit Ende 1858 in dem oben erwähnten »Steinernen Haus« statt; seit 1861 aber war das Gasthaus zum Lands¬ berg mehrere Jahrzehnte lang das regelmässige Vereinslokal, jeden¬ falls bis 1881 (Vgl. Mitteilungen VII, 17); dann wurde der Winter¬ garten, das Cafe Stoltze und seit Ende 1882 das Restaurant Palmen in der Schäfergasse das Heim des Vereins (VII, 42). 1 Der Sommer dagegen brachte nun grössere Ausflüge, die sich sogar bis an die Lahn und nach Gelnhausen erstreckten und, wenn auch 1883 einmal geklagt wird, dass die wissenschaftlichen Exkursionen des Taunusklubs die unsrigen beeinträchtigen (VII, 51), doch stets zur Befriedigung der Teilnehmer verliefen.

Um nun zu der literarischen Tätigkeit des Vereins über¬ zugehen, so geben wir hier nur eine ganz kurze Übersicht und verweisen auf das S. 25—34 abgedruckte eingehende Verzeichnis. Der Verein gab in der hier zu besprechenden Periode folgende Schriften heraus:

1. »Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertums¬ kunde«, Band I— VII, 1858 1885. 8. Anfangs vierteljährlich, später

1 Aus vorübergehenden Ursachen fanden Versammlungen 1870 im Hotel du Nord, 1872 im Hotel Drexel, 1875 im Cafe Goethe, 1877 >m Caf£ Eyssen, 1882 im Hotel Jacobi statt.

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in zwangloser Folge erscheinend, enthalten sie jeweils die Chronik des Vereins, also Sitzungsberichte, Mitgliederverzeichnisse, Nekrologe, Kassenberichte, Verzeichnisse des Zuwachses der Sammlung, der Urkunden und der Bibliothek, ferner Angabe der neuesten Literatur über Frankfurt (und im letzten Bande eine schon von Grotefend gemachte vollständige Zusammenstellung der gesamten in Zeitungen und Zeitschriften zerstreuten Frankfurtensien-Literatur), dazu auch eine grosse Menge kleinerer, zum Teil recht wertvoller Arbeiten und Miscellen. Diese Hette, mit ihren kleinen, allen Gebieten der Stadtgeschichte entnommenen Mitteilungen, sollten dieser in weiteren Kreisen Interesse erwecken und das gelang ihnen bestens.

2. »Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Neue Folge«, Bandl XI, 1860—1884. gr. 8. Die acht »Hefte« des älteren Archivs bis 1858 hatten meist Arbeiten kleineren Umfangs, darunter schon solche von Euler zur Rechts- und Verfassungsgeschichte, sowie reformations¬ geschichtliche Aufsätze von Steitz gebracht; alle Gebiete der Geschichte Frankfurts und seiner Umgebung bis zum römischen Grenzwall und auch das, was wir jetzt Denkmalpflege nennen, finden wir darin ver¬ treten. . Im Anschluss an jenes »Archiv« der älteren Gesellschaft war diese »Neue Folge« für grössere wissenschaftliche Arbeiten bestimmt und galt als die Hauptveröffentlichung des Vereins. Man sieht hier ein Bild vielseitiger, erspriesslicher wissenschaftlicher Tätig¬ keit. Vom siebenten Bande an sind dies nur Arbeiten grössten Umfangs, die meist einen ganzen Band füllen und der Wissenschaft besonderen Nutzen gewähren: wie es vorher die Steitz’schen Arbeiten zur Reformationsgeschichte, in ihrem Zusammenhang genommen, gleichfalls tun. Dass Euler in diesen Bänden mehr zurücktritt, ist daraus zu erklären, dass ihn damals die Bearbeitung Battonn’s (s. unten) sehr in Anspruch nahm.

3. »Neujahrsblatt, den Mitgliedern des Vereins dargebracht«. 1 859 1886, 26 Hefte. 4. Es sind dies die einer schweizer Sitte folgend zu Neujahr einzeln gegebenen, 1864 in 610 Exemplaren ge¬ druckten, grösseren wissenschaftlichen Abhandlungen.

4. Von besonderen Veröffentlichungen sind zu er¬ wähnen :

Battonn’s Örtliche Beschreibung der Stadt Frankfurt a. M., in 7 Bänden, 1861 1875, herausgegeben von Euler. Dieser für Frankfurter Ortskunde grundlegenden Arbeit wurde eine städtische jährliche Subvention zu teil, die anfangs (seit 1859) 250 Gulden, seit

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1862 350 Gulden und von 1865 an, bis 1876, 500 Gulden jährlich be¬ trug.1 Ausser dieser grösseren Veröffentlichung und ausser den gleich zu erwähnenden Festschriften von Becker und Kriegk gedenken wir der von Euler 1874 besorgten Herausgabe von Niedermayers Schrift über die Deutschordenskommende Frankfurt sowie der 1876 erschienenen Herausgabe des Tagebuchs des Ganonicus Königstein vom Liebfrauenstift aus den Jahren 1520 1548 durch den unermüd¬ lichen Senior Steitz.

Freundschaftliche Beziehungen zu gleichstrebenden Ver¬ einen und hier tagenden Versammlungen wurden schon frühe ge¬ sucht und gefunden. Nur einiges aus diesem Gebiete sei angeführt. Die 1859 unter Classens und Fleckeisens Vorsitz hier tagende Ver¬ sammlung der deutschen Philologen und Schulmänner begrüsste der Verein durch Zueignung von J. Beckers Schrift »Die Heddernheimer Votivhand«; der Senckenbergischen Stiftung brachte er zu ihrem Jahrhundertfest 1863 Kriegks Abhandlung »Ärzte, Heilanstalten, Geisteskranke im mittelalterlichen Frankfurt« dar. 1877. vereinigte sich der Verein mit dem neugegründeten Verein für das Historische Museum, um den Winckelmannstag (9. Dezember) jährlich durch eine akademische Feier zu begehen, zu der die Vereine der akademi?th gebildeten Lehrer, der Künstler, und seit 1886 das Freie deutsche Hochstift eingeladen wurden. Diese schöne Feier erhielt sich, bis sie der Konkurrenz der immer zahlreicheren ähnlichen Veranstaltungen eben dieses Hochstifts 1891 erlag, durch die das Bedürfnis nach kunst¬ geschichtlichen Vorträgen ausgiebig befriedigt wurde.

Im selben Jahr 1877 entsandte der Verein Herrn Dr. Grotefend nach Nürnberg zum Jubiläum des Germanischen Museums, und 1878 nahm er zum ersten mal durch denselben Vertreter an der General¬ versammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts¬ vereine und zwar in Marburg teil, ein Zeichen der Zusammen¬ gehörigkeit, das sich seitdem fast jährlich wiederholte. Im Jahre 1881 tagte diese Generalversammlung sogar vom 12. bis 15. Sep¬ tember hier gleichzeitig mit dem 25jährigen Jubiläum unseres Vereins,2 der seinen Gästen ein Heft seiner Mitteilungen (Band VI, Heft 2) verehrte und ihnen eine aus Grotefends und Holthofs

1 Der Stadtkreis, auf den die Zahlung damals überging, entrichtete sie zwar für 1876 mit 900 Mark, erhob dann aber Anstände und unterliess sie, zum erheb¬ lichen Schaden der literarischen Arbeiten des Vereins. Erst 1886 erfolgte wieder eine städtische Bewilligung, worüber weiter unten berichtet wird.

2 Vgl. Mitteilungen Band VII, S. 5, 16.

Feder stammende Einführung in die Geschichte und Kunsttopo¬ graphie Frankfurts überreichen liess.1 Seit 1882 war der Verein sogar für einige Jahre mit der mühevollen Führung der Vor¬ standsgeschäfte des Gesamtvereins betraut. Im Jahre 1882 tagte die 13. Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft dahier, im Frühjahr des folgenden Jahres der III. deutsche Geographen¬ tag; auf beiden Versammlungen war der Verein durch Delegierte vertreten. Mit dem hiesigen Buchdruckerverein und Anderen ver¬ einigte sich der Verein 1885 zu der Egenolff-Feier. Um aber die eigenen Feste des Vereins nicht zu vergessen, erwähnen wir sein Jubiläum am n. September 1881 mit Eulers inhaltreicher Festrede2 und Eulers Jubiläum nach 25 jähriger Tätigkeit als Vorsitzender oder Direktor, bei dem Viele durch begeisterte Begrüssungen und der Verein durch eine sinnige Gabe der dankbaren Verehrung Ausdruck verliehen; es wurde am 27. Januar 1883 gefeiert.

Die Mitglieder des Vereins er zählte Ende 1857: 186, 1865: 419, 1872: 389, 1882: 415 Mitglieder zahlten einen Beitrag von 3 Gulden, der 1874 auf 6 Mark abgerundet wurde,3 und gehörten allen Teilen der gebildeten Bevölkerung an. Der Verein wm populär und es wird »steigende Beteiligung« gerühmt. Später blieb sich die Zahl ziemlich gleich. Als sich dann die Zahl der Vorträge bietenden Vereine (Anfangs war dies nur noch der Geo¬ graphische Verein) vermehrte und besonders als nach den 1864 begonnenen Vorträgen des Museums das Freie Deutsche Hoch¬ stift mit in die erste Reihe trat, verminderte sich die Zahl bisweilen, erhöhte sich aber auch wieder, weniger in Folge der gedruckten Aufrufe als durch die werbende Kraft der sommerlichen Ausflüge; die Teilnahme Jüngerer wflrd mit Freude konstatiert, und 1886 er¬ reichte der Verein mit 465 seine höchste Mitgliederzahl. Es ist aber auch eine grosse Zahl beitragender Mitglieder für die vielen zum Teil kostspieligen literarischen Aufgaben des Vereins eine unbedingte Notwendigkeit.

Der Vorstand bestand anfangs aus 7 von der Generalver¬ sammlung durch Akklamation, seit der Statutenänderung von 1878 aus 10 von derselben durch Stimmzettel gewählten Mitgliedern.

1 Vgl. Mitteilungen Band VII, S. 23.

2 Das erste Jubiläum wurde von den ersten Besprechungen im Herbst 1856, das andere von der ersten Generalversammlung am 30. Oktober 1857 an berechnet.

3 Auch einige wenige Legate wurden dem Verein zuteil: 1873 von Herrn B. H. Goldschmidt 200 Gulden, 1877 von Freiherrn M. v. Bethmann 150 Gulden.

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Meist fand Wiederwahl statt. Der Vorstand verteilte die Ämter unter sich. Vorsitzender (sein Titel war »Direktor«) war in dieser ganzen Zeit Justizrat Dr. Euler, ein Mann, der ebenso Bedeutendes leistete für die Rechtsgeschichte, wie tür die Geschichte und Kultur¬ geschichte Frankfurts, der aber auch für den Verein allezeit und un¬ ermüdlich tätig war und Jahre lang fast in jeder Sitzung »einen kürzeren oder längeren, aber jedesmal anziehenden und lehrreichen Vortrag ge¬ halten hat.« Ein Stellvertreter trat auf seinen Wunsch 1880 in dem Stadtarchivar Dr. H. Grotefend hinzu. Schriftführer war 1857 der ge¬ lehrte Altertumsforscher Professor Jak. Becker, 1880 P. Joseph. Kassier war 1858 A. H. Osterrieth, dann 1868 Lorenz Finger, 1871 Höchberg, 1872 Th. Völcker, 1880 Seb. A. Scheidei, 1882 G. Reutlinger. Konser¬ vator: 1857 C. Th. Reiffenstein, 1859 Dr. Heyden, 1861 A. H. Osterrieth; nach dessen Abgang blieb die Stelle unbesetzt. Durch die Satzungen von 1878 wurden zur Erleichterung der Arbeit auch Kommissionen gebildet für Redaktion, Bibliothek, Lokalbeschaffung und Ausflüge.

Die Bibliothek, die zum grösseren Teil durch den Austausch mit anderen Vereinen entstanden war, wurde bis zu ihrer Überführung in das Archiv 1877 (s- oben) von Dr. Kelchner verwaltet.

Über die Generalversammlungen ist dem oben (S. 6 und 10) Gesagten noch zuzufügen, dass sie zuerst im Dezember, seit 1872 meist im Januar und nur selten im Februar stattfanden und dass sich an sie ein ebenso gemütliches wie durch geistvolle Trinksprüche ge¬ würztes Festmahl (dessen Preis 1867 1 Gulden 45 Kreuzer betrug) anzuschliessen pflegte, an dem wohl sechzig und mehr Herren teil- nahmen. Auch der Bericht über die Vereinskasse wrnrde in ihnen vorgetragen und Entlastung erteilt.

Der Vorstand wurde einzelne male auch zu Gutachten aufge¬ fordert, wie z. B. über das richtige Wappen von Niederrad 1866, über Zulässigkeit des Abbruchs der Johanniterkirche 1872; er gab ein Protokoll über die richtige Grabstätte von Goethes Eltern 1882, er beantragte endlich den Schutz der Grabdenkmäler des Peterskirch¬ hofs 1870, zusammen mit der Künstlergesellschaft den der kleineren Kunstdenkmäler des Doms 1867, und 1876 gemeinsam mit dem Nassauischen Altertumsverein einen Schutz gegen die Verwüstung der Saalburg.

Ein Gebiet, das der Verein damals leider noch wenig pflegte, war das der Altertümer und der Ausgrabungen. Selten wmrde ein im Stadtwald oder sonstwo im Stadtgebiet gefundener Gegenstand vorgezeigt; kaum beachtet wurden die 1867 zufällig entdeckten, nicht

unbedeutenden römischen Baureste zwischen Bockenheim und Rödel¬ heim und ein 1869 aufgedeckter römischer Grabfund im Riederwäldchen. Ein Vereinsmitglied erhielt 1869 die Erlaubnis, Grabhügel im Stadt¬ wald nach »germanischen Altertümern« aufzugraben: die dürftigen Resultate sind in den Mitteilungen Band IV, S. 19 angegeben. Die erste methodische und erfolgreiche Ausgrabung solcher Hügel süd¬ lich vom Sandhof »mittelst konzentrischer Parallelen« unternahm A. Hammeran 1875; vgl. auch dessen Zusammenstellung aller vor¬ christlichen Ansiedlungen und Fundplätze1 und deren Erweiterung in seiner 1882 in der Festschrift zur 13. Jahresversammlung der Deut¬ schen Anthropologischen Gesellschaft veröffentlichten »Urgeschichte von Frankfurt a. M.«. Erst 1879 begann endlich, und zwar durch den Taunusklub, die Ausgrabung des germanischen Gräberfeldes bei Niederursel (Mitteilungen Band VI, 9) und endlich auch (durch den Verein für das Historische Museum) die Grabungen bei Heddernheim, für deren Kartographierung der Verein 1879 eine Summe bewilligte.

Soviel über das erste Vierteljahrhundert. Am 11. September 1881 wurde das Jubiläum des Vereins im kleinen Saale des Zoologischen Gartens von einer sehr zahlreichen Versammlung festlich begangen. Auf Eulers Festrede folgten zahlreiche von Hiesigen und Auswärtigen überbrachte Beglückwünschungen; das Festmahl wurde durch humo¬ ristische historische Festlieder und eine von Bücher und Grotefend verfasste »Nuwe Zytunge« gewürzt. So hatte nach günstigem Beginn und ruhigem Fortgang diese Periode auch ein erfreuliches Ende.

II.

Das erste Vierteljahrhundert des Vereins ist mit der Feitung desselben durch Euler beinahe identisch. 1880 wurde diesem auf seinen Wunsch ein Stellvertreter im Vorsitze zur Seite gestellt in dem jüngeren Manne, dem Nachfolger Kriegk’s in der Leitung des Historischen Archivs, Dr. phil. Hermann Grotefend. Es ist schon erzählt, dass dieser 1878 die Vertretung des Vereins bei den Tagungen des Gesamtvereins einführte, er übernahm 1882 die Führung von dessen Vorstandsgeschäften, er entwarf 1884 eine Änderung der Statuten. Nach Eulers am 17. November 1885 ziemlich unerwartet erfolgtem

1 Mitteilungen Band V, 432; VI, 475.

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Tode übernahm Grotefend den Vorsitz des Vereins, allerdings nicht für lange Zeit, da er schon im September 1887 einem Rufe zur Leitung des Staatsarchivs in Schwerin Folge leistete.

Die Sitzungen behielten abgesehen davon dass die Referate über neue literarische Erscheinungen wegfielen ihren bewährten Charakter bei. Dagegen gab es in den Veröffentlichungen des Vereins bedeutende Veränderungen.

Die »iMitteilungen« des Vereins erschienen 1885, die »Neujahrs¬ blätter« 1886 zum letzten Male. Die in ersteren bisher gegebenen kleineren Aufsätze sollten in Zukunft in die Archivbände kommen, die geschäftlichen und Kassenberichte wurden ihnen beigelegt, die Referate über die Sitzungsvorträge aber kamen durch einen mit der in Trier bei J. Lintz erscheinenden »Westdeutschen Zeitschrift« abgeschlossenen Vertrag (der auch eine neue, in der Beilage für 1885, S. 6 f. abge¬ druckte Statutenänderung nötig machte) in das dieser beigegebene »Korrespondenzblatt«, und zwar zuerst 1886 in dessen fünften Band. Es geschah auf deren Vorschlag und bildete für uns eine gerade damals sehr wünschenswerte finanzielle Erleichterung; ob es in jeder Beziehung eine Verbesserung war, sei dahingestellt, jedenfalls gab es unseren Referaten weitere Verbreitung, während es ihrem wirksamen Bekanntwerden in Frankfurt eher hinderlich ist.

Die wissenschaftlichen Arbeiten konzentrierten sich nun in dem Archiv, das in »Dritter Folge« in (bis zu dem vorliegenden Bande) neun Bänden von 1888 bis 1907 erschienen ist und ausser grossen auch wieder wie vor längerer Zeit kleinere Arbeiten aufnahm, auf¬ nehmen musste, da »Mitteilungen« und »Neujahrsblätter« für diese nicht mehr in Frage kamen. Das untenfolgende Verzeichnis der Vereins¬ schriften gibt die Übersicht über den Inhalt der einzelnen Bände.

Werfen wir hier einen Blick zurück auf die stattliche Reihe der Archivbände, so finden wir eine Einheit aller dieser grösseren und kleineren Arbeiten darin, dass sie die ganze Frankfurter Geschichte im weitesten Umfang, jedoch nicht über das Jahr 1814 hinaus, be- handeln. Direkte Veröffentlichung von Urkunden und anderem Quellenmaterial finden wir nur selten; um so mehr wird in erster Linie eine lesbare, geschmackvolle, aber auf archivalischen und anderen Quellenstudien beruhende Darstellung verlangt. Die Hauptsache ist der wissenschaftliche Wert; die Anforderungen an diesen sind im Laufe der Zeit immer strengere geworden, und wir dürfen uns freuen, dass keine einzige dieser Arbeiten ganz wertlos ist, viele gut und nicht wenige von hervorragender Bedeutung sind.

2

Eine andere Publikation des Vereins ist die der Inventare des Archivs. Angeregt durch eine Umfrage Professor Lamprechts 1885 griff Grotefend diese Idee auf, und mit Hilfe eines von 1886 bis 1896 hierfür bewilligten städtischen Beitrags von jährlich 1000 Mark gelang es ihm, beim ersten Band durch die vortrefflichen Vor¬ arbeiten Kriegks sehr unterstützt, und besonders seinem Amtsnach¬ folger Dr. R. Jung, diese nützliche Arbeit in vier registrierenden Bänden und einem die Zusammensetzung der gesamten Archivbestände und die Geschichte des Archivs erläuternden Schlussbande von 1888 bis 1896 zum vorläufigen Abschluss zu bringen.

Das grossangelegte Werk von C. Wolff, R. Jung und J. Hülsen über die Baudenkmäler in Frankfurt a. M. wird seit 1895 von unserem Verein in Verbindung mit dem Architekten- und Ingenieur- Verein herausgegeben und erfreut sich beträchtlicher Unterstützungen durch die Stadt und die Dr. J. F. Böhmer’sche Nachlass-Administration; es wird im Jubiläumsjahr 1907 endlich zu seinem Abschluss gelangen.

Einem sehr erfreulichen Anlass entstammt die 1903 ausgegebene Festschrift zum 25jährigen Jubiläum des Historischen Museums. Die verschiedenen Arbeiten des in Text und Tafeln würdig ausgestatteten Werkes lassen die engen, ja freundschaftlichen Beziehungen erkennen, in denen unser Verein zur festlich begrüssten Anstalt steht; sie sollte den Dank für die vielen Anregungen aus¬ sprechen, die unser Wirken der städtischen Sammlung verdankt, an deren Entstehung, Wachsen und Gedeihen auch wir in nicht geringem Grade beteiligt sind.

In den Jahren 1904 und 1905 konnten wir unseren Mitgliedern zwei besondere Veröffentlichungen in Buchform darbieten, die sich ihres Umfanges wegen nicht zum Abdruck in der Vereinsschrift eigneten : Grotefends Königsleutnant Graf Thoranc und C. Valentins Geschichte der Musik in Frankfurt bis zum Anfang des XVIII. Jahr¬ hunderts. Das erstgenannte Werk liefert einen wichtigen Beitrag zur Geschichte Frankfurts während der französischen Besatzung im siebenjährigen Krieg, sowie durch die Beziehungen des Königsleutnants zum grössten Sohne unserer Stadt zur Goetheforschung, das andere bildet ein Gegenstück zu der von uns vor 25 Jahren veröffentlichten Geschichte unseres städtischen Theaters von E. Mentzel.

Mehrfach hatte unser Verein Gelegenheit, Schriften zur Frank¬ furter Geschichte durch finanzielle Unterstützung zum Erscheinen zu verhelfen : so dem Werke von Bing, Rückblicke auf die Frankfurter

19

Theatergeschichte 1792— 1896, H orn e’ s Frankfurter Inschriften, der 1887 wieder begonnenen aber bald aufgegebenen Neuen Folge der Bibliotheca historica, den Thudichum’schen Grundkarten, welche die uns benachbarte Gegend darstellen.

Öfter konnten wir auch von einzelnen Werken und Schriften, die in anderem Verlag erschienen, für unsere Mitglieder je ein Exemplar erwerben und zur Verteilung bringen: so von Büch er s »Bevölkerung von Frankfurt« 1886 Dank einer hochherzigen Be¬ willigung der Böhmer’schen Nachlassadministration , von Fronings »Frankfurter Passionsspielen« 1891, von Wolffs und Cumonts Arbeit über »das dritte Heddernbeimer Mithraeum« (Sonderabdruck aus der Westdeutschen Zeitschrift, Jahrgang XIII) 1894, vonQuillings »Kleinem Führer durch das Historische Museum« 1902 und endlich von Bothes »Geschichte der direkten Besteuerung in Frankfurt vor 1612« im Jahre 1906.

Leider ist es uns nicht gelungen, den von Herrn Oberbürger¬ meister Dr. Adickes angeregten Plan eines Historischen Atlas über Hessen-Nassau, Waldeck, Grossherzogtum Hessen und Aschaffen¬ burg in Gemeinschaft mit den Historischen Kommissionen in Wies¬ baden und Marburg, sowie den Vereinen in Darmstadt und Würzburg zur Ausführung zu bringen, da die von staatlichen, provinzialen und städtischen Behörden sowie von den standesherrlichen Verwaltungen gezeichneten Beiträge nicht die nötige Flöhe erreichten.

Zum Schlüsse und als Uebergang zu einem anderen Zweige unserer Tätigkeit sind als jüngste periodische Veröffentlichung die »Mitteilungen über römische Funde in Heddernheim« zu erwähnen, die bis jetzt in drei grossen Quartheften mit Plänen und Abbildungen 1894, 1898 und 1900 erschienen sind. Da nämlich das früher geringere Interesse für unsere vorchristliche Zeit (s. oben) allmählich erstarkt war, und da die Stadt den für die Inventare gewährten Zuschuss seit 1896 für die Vereinszwecke überhaupt in ^ dankenswerter Weise fortbestehen liess, konnten damit unter anderem die Ausgrabungen lebhafter gefördert werden; auch die Kommission für Kunst- und Altertumsgegenstände sowie der Verein für das Historische Museum und der unsere beteiligen sich nun an den Kosten und haben seit 1903 dafür eine gemeinsame »Ausgrabungskommission« eingesetzt. Die Funde bereichern natürlich das Städtische Museum.

Aus der Stadt, in der sich bei Kanalisierung des Weck- und Krautmarkts 1889 zu allgemeiner Ueberraschung die ersten römischen

2*

20

Reste, und zwar Legionsstempel aus der Zeit Kaiser Domitians fanden, wurden diese und die auf dem Hühnermarkt gefundenen Gegenstände in unserem »Archiv« veröffentlicht (s. S. 30); dasselbe enthält auch die grundlegende Arbeit Wolffs über die römische Zentralziegelei bei Nied; die Villa an der Günthersburg sowie auch die frühmittelalterliche Stadtmauer unter der neuen Braubachstrasse (auch dabei fanden sich römische und sogar vorrömische Reste) er¬ forschte Thomas und legte verschiedene unveränderte Stellen der¬ selben, darunter ein Tor, bloss, die hoffentlich nach Möglichkeit erhalten bleiben werden; Hammeran setzte seine Hügelgräber¬ forschung 1888 fort und berichtete darüber im Archiv. In der Stadt wurde auch sonst Einiges auf diesem Gebiete geleistet, und sind dafür Mitteilungen wie die des Herrn Junior, als er bei einem Ab¬ bruch ein Stück der zweiten Stadtmauer entdeckte, immer erwünscht.

An den in Nida (dem römischen Heddernheim) von dem Verein für das Historische Museum geleiteten Ausgrabungen (Bäder, Forum) beteiligte sich unser Verein, wie gesagt, seit 1896; sie Hessen 1896 das Domitianische Steinkastell, in den letzten Jahren unter anderen eine Erweiterung des Steinkastells und ein provisorisches Lager, ferner ausgedehnte Töpfereien, bei Praunheim Villen und ein weiteres Erdlager, sowie ebenda in den von Quilling 1901 mit Vereins- und anderen Mitteln unternommenen Grabungen ein römisches Totenfeld zur Erforschung kommen, welches alles im vierten Heft der Heddern- heimer »Mitteilungen« zur Veröffentlichung gelangt; auch Grabungen bei Niederursel wurden unterstützt.

Dies alles wurde von unserem Verein beeinflusst' und wirkte wieder auf ihn zurück. Der Eifer musste auch um so mehr wachsen, als die immer fortschreitende Bodenkultur und Bebauung dort, wenn nicht Vieles unwiederbringlich verloren gehen soll, zu schleunigem Handeln drängt.

Die Gründung der Reichslimeskommission 1892 hatte für den Verein kein direktes Interesse, wohl aber der sich bei deren Abschluss 1900 bildende »Verband west- und süddeutscher Vereine für römisch¬ germanische Altertumsforschung«, der die staatliche und die Vereins¬ tätigkeit zum Nutzen der Sache zu verschmelzen bemüht ist. Den Verband leitete anfangs unser Verein, seit 1901 der zu Darmstadt. Zu der neuen Reichskommission für römisch-germanische Forschung, die 1902 mit dem Sitz in Frankfurt, vertreten durch Professor Dr. H. Dragendorff, ihre Tätigkeit begann, stehen wir in einem hoffentlich beiderseits befriedigenden freundschaftlichen Verhältnis.

21

Auch wird dessen jährlich erscheinender inhaltreicher »Bericht über die Fortschritte der römisch-germanischen Forschung« vom Verein nach Vorausbestellung an die Mitglieder abgegeben.

In die Bezirkskommission für die Erforschung und Erhaltung der Denkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden sind auch zwei Vorstandsmitglieder des Vereins, die Elerren Jung und Padjera, 1902 gewählt worden.

Die Bibliothek des Vereins, 1877, wie erzählt, dem Archiv als Depositum übergeben und mit der des Archivs gemeinsam aufgestellt, war zum guten Teil durch Austausch mit den Schriften anderer Vereine entstanden, deren es 1858 schon 35 waren, 1871: 57, 1886: 125, 1896: 147, 1901: 158, 1905 war ihre Zahl auf 172 gestiegen. Die Schriften der entfernteren, für Frankfurter Geschichte weniger bedeut¬ samen Vereine wurden bei Vollendung der Neuordnung behufs Platz¬ ersparnis der Stadtbibliothek übergeben. Dies geschah 1885, als auch eine neue Bibliotheksordnung eingeführt wurde. Ausser dem Namens¬ katalog wurde 1897 ein Fachkatalog abgefasst, der die Benutzung erleichtert, von der unsere Mitglieder reichlichen Gebrauch machen mögen.

Die Sitzungen, seit 1882 im Restaurant Palmen gehalten, kamen dann in das Lokal der Künstlergesellschaft, als deren After¬ mieter der Verein 1894 den »Culmbacher Hof« auf der Zeil, 1897 den »Taunus« an der Bockenheimer Gasse, und endlich 1906 das von der Stadt angekaufte und erneuerte »Steinerne Haus«, die Stätte seiner frühesten Kindheit, bezog. Möge er in diesem neu gewonnenen, grossen und schönen Raum nach Beendigung der Wanderjahre weilen und wachsen. Die Vortragsabende verliefen wesentlich in der alten Weise, naturgemäss bald ruhiger, bald in lebhafterer Diskussion, durch¬ schnittlich 10 bis 12 jeden Winter. Sie betrafen die verschiedensten Gebiete unserer Forschungen und sollen hier nicht einzeln beschrieben werden. Nur eines sei erwähnt. Im Jahre 1894 wurde das »elf- / hundertjährige Jubiläum« der ersten Erwähnung der Stadt (794) durch einen zusammenfassenden Zyklus von Vorträgen über Frankfurter Geschichte gefeiert, der zahlreiche Zuhörer herbeizog und auch eine grössere Anzahl von Anmeldungen neuer Mitglieder veranlasste. Solche zusammenhängende Zyklen zu rechter Zeit könnten also öfter wiederholt werden. Die Beteiligung war überhaupt eine rege: wenige andere Vereine werden sich rühmen können, dass wie bei uns ein Zehntel ihrer Mitglieder, darunter auch Damen, sich persönlich be¬ teiligten. In den letzten Jahren wurden die Vorträge bisweilen durch

Lichtbilder illustriert. Dagegen scheinen die Abende ohne Vorträge, die zum Vorzeigen von Francofurtensien bestimmt wurden, wie sie z. ß. Flerr H. Stiebei aus seiner reichen Sammlung 1888 in so dankenswerter Weise darbot, keine längere Lebensdauer gehabt zu haben.

Die Sommerausflüge waren in manchen Jahren, wenn auch nicht in allen, ebenso zahlreich wie genussbringend. Ausser dem mehrfachen Durchwandern unserer Altstadt (die Besichtigung des neuen Rathauses wurde allerdings durch zahllose unbefugte Ein¬ dringlinge fast vereitelt) und Betrachtung der Landwehren sowie der Ausgrabungen bei Heddernheim, fanden Auflüge in die Ferne bis nach Worms, Miltenberg, Gelnhausen, Mainz, Wiesbaden, zu den Ringwällen des Taunus und nach vielen anderen Orten unter grosser, zum Teil unter recht grosser Beteiligung statt. Ausdrücklich erwähnt sei die Wanderung längs des römischen Limes auf der waldigen Flöhenkette des östlichen Odenwaldes rechts von der Mümling unter Kollers Führung 1891, und ein Besuch der neuen Saalburg 1904, wo uns Major Schramm aus Metz seine interessanten Rekonstruktionen römischer Geschütze vorführte.

Diese Ausflüge festigen oder knüpfen Beziehungen auch zu auswärtigen Vereinen; so z. B. der schöne Ausflug nach Worms 1889, die nach Höchst 1902, nach Friedberg 1903 und andere. Dass uns mit manchen der hiesigen Vereine und Anstalten gute, z. T. freund¬ schaftliche Verbindung verknüpft, sei nur kurz angedeutet. Dies kam uns auch bei verschiedenen Eingaben, zu denen wir uns gezwungen sahen, zu Gute. Einerseits wird sich ja unsere Zeit ihrer Verpflichtung zur Denkmalpflege mehr bewusst. Schon aut der Versammlung des Gesamtvereins in Hildesheim r 886 grill' Grotefend, unser Vertreter, in Gegenwart des General- Konservators Persius dieses Thema ernstlich auf. Anderseits ist so oft ein übereiltes oder unbedachtes Vorgehen bei den vielen Abbrüchen oder Umbauten in unserer, sich so rasch erneuernden Grossstadt zu beklagen. Da mussten wir manchmal mit den befreundeten Vereinen das Wort ergreifen. Was uns nicht gelang, bleibe unerwähnt; aber für die Erhaltung der hochwichtigen Sachsenhäuser Warte, des Kuhhirtenturms, des Hauses zur Goldenen Waage, des Thurn und Taxis’schen Palais, und auch unseres Steinernen Hauses, sei der Stadt auch an dieser Stelle gedankt. Mit den Vereinen in Bonn und Wiesbaden hat ferner der Verein den Südwestdeutschen Verband veranlasst, gegen einen Vorschlag, der einen grossen Teil der Altertümer und Funde unseres Gebiets dem Saalburg-Museum

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zuweisen würde,1 bei dem Minister 1901 vorstellig zu werden. Von diesem ist keine abschlägige Antwort eingelaufen.

Nun noch einiges mehr Äusserliche. Die Satzungen von 1878, im Jahre 1885 einer kleinen Änderung unterzogen, wurden infolge der bevorstehenden Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch neue Satzungen 1899 ersetzt. Die meisten Änderungen sind formeller Art; anzuführen ist nur, dass die Zahl der Vorstandsmitglieder von io auf 14 erhöht wurde, zu denen die beiden Leiter des Archivs und des Museums ständig gehören. Am 18. April 1901 wurde der Verein in das Vereinsregister eingetragen.

Die Mitglieder zahlten seit 1874 einen Jahresbeitrag von 6 Mark, der 1906 auf 8 Mark erhöht werden musste, da die Druck¬ kosten, die Lokalmiete und überhaupt alle Ausgaben sich im Laufe der Jahre erheblich gesteigert hatten. Die Zahl der Mitglieder nahm nur vereinzelte Male zu, nämlich nach dem Vortragszyklus von 1894 und durch die erfolgreichen Bemühungen des Herrn Dr. Quilling bei seinen Viele interessierenden und vielbesuchten Praunheimer Ausgrabungen 1901/02. Im ganzen blieb die Zahl konstant oder sie sank; jetzt beträgt sie 350. Die Ursache liegt in der allmählich ins Übermässige angeschwollenen Anzahl von Vereinen. Dem steht als Ermutigung die rege Teilnahme, mit der viele Mitglieder dem Vereine zugetan sind, gegenüber. Auch einige Legate, die ihm zu Teil wurden, be¬ kunden Interesse an seiner Tätigkeit: insbesondere hat ihm 1899 Herr Sanitätsrat Dr. Herxheimer 250 Mark und 1900 Herr Kom¬ merzienrat Alfred von Neufville 1000 Mark vermacht. In reichem Masse sind auch bestimmten Unternehmungen, namentlich den Praun¬ heimer Ausgrabungen, Mittel zugeflossen. Allen gütigen Spendern herzlichen Dank! Dennoch leidet der Verein stets an dem Miss¬ verhältnis zwischen der Grösse seiner Aufgaben und der Kleinheit seiner Mittel.

Zu korrespondierenden Mitgliedern ernannte der Verein von Anfang an tüchtige auswärtige Gelehrte, die sich um ihn irgend¬ wie verdient gemacht hatten; gegenwärtig beträgt ihre Zahl 6.

Die Ehrenmitgliedschaft konnte der Verein dreimal an hoch¬ verdiente Mitglieder verleihen : an Hermann Grotefend bei seiner Übersiedlung nach Schwerin 1887, an Senator Dr. Emil von Oven an seinem achtzigsten Geburtstage 1897, und bei demselben Lebens¬ abschnitt an Direktor Otto Cornill 1904.

1 Näheres vgl. Archiv, dritte Folge, Band VIII, S. XX*.

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In dem Vorstande führte den Vorsitz bis 1885 Euler, dann Grotefend, seit Ende 1887 Riese, seit 1893 Jung. Stellvertreter waren: 1880 Grotefend, 1885 Quidde, Ende 1886 Riese, Ende 1887 Donner -von Richter, 1889 Kuthe, 1893 Wolff, 1896 von Nathusius und von 1897 wieder Wolff. Schriftführer wurde nach Joseph 1886 Mappes, 1905 Lauffer. Kassier: nach Scheidei 1882 Reutlinger, 1896 Padjera.

Es ist die Aufgabe unseres Vereins, ausser der allgemeinen Be¬ lebung des historischen Sinnes insbesondere die Vergangenheit unserer Stadt und Umgegend aufzuhellen und das Interesse an diesem be¬ deutenden Gegenstände allezeit lebendig zu erhalten. Die Urkunden des Archivs und die Schätze des Museums, die Häuser und Strassen der Stadt, ihre Kunst, ihr Kunstgewerbe, ihre Literatur, ihr Volksleben, ihre nähere Umgebung und die dem Boden entlockte Kunde ihrer fernen und fernsten Vergangenheit: dies alles hat der Verein je zu seiner Zeit mit Eifer und mit Erfolg erforscht. Aber Vieles ist noch zu tun, und jeder tüchtige Mitarbeiter ist willkommen. Jeder, der dem Verein beitritt oder zu seinen Zwecken beiträgt, darf das er¬ freuende Bewusstsein haben, dass er einer guten Sache dient. Und wenn die Wichtigkeit der lokalen Forschung auch für das Ganze immer weitere Anerkennung gefunden hat, so dürfen wir die Hoffnung aussprechen, dass er auch im nächsten Halbjahrhundert eine erfolg¬ reiche Tätigkeit entfalte, zu Nutz und Ehren der Vaterstadt und dem deutschen Vaterlande.

VERZEICHNIS

der in den Jahren 1857—1907

vom

Verein für Geschichte und Altertumskunde

veröffentlichten Schriften.

A. Periodisch erschienene Schriften.

Ia Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Neue Folge. 1860—1884. 8°. 1

Band i (1860).

Zur Urgeschichte des Rhein- und Mainlandes, von Becker;

Der Kaiserpalast Salz in Franken, von Benkard;

1 Wir geben im Folgenden der Vollständigkeit halber auch eine kurze Über¬ sicht über den Inhalt der acht, von der Gesellschaft für Frankfurts Geschichte und Kunst in den Jahren 1839—1858 veröffentlichten Hefte ihres »Archivs für Frankfurts Geschichte und Kunst«, der Vorgängerin unserer Vereinszeit¬ schrift.

Heft I (1839).

Physisch-geographische Beschreibung der Umgegend von Frankfurt, von Kriegk ;

Die Kapelle im Saalhof, von v. Radowitz;

Das Fahrthor, von Hesse m er;

Elfenbeintafel aus dem IX. Jahrhundert in der Frankfurter Stadtbibliothek, von Passavant.

Heft II (1839).

Frankfurter Annalen 793—1300, von Thomas.

Heft III (1844).

Die ältesten Bauwerke im Saalhof, von Krieg v. Hochfelden;

Das Geschichtliche des Pfarrthurm- Baues, von Passavant;

Ueber den Pfarrthurm und die Baurisse zu demselben, von H es seiner;

Das Hospital zum Heiligen Geist, von Böhmer;

Reiffenberg, von Usener;

Die rothe Thüre zu Frankfurt, von Böhmer;

Das Holzpförtchen, von Hessemer.

Heft IV (1847).

Frankfurter Goldmünzen, von Euler;

Adam Elsheimer, von Passavant;

2 6

Ueber die Zeit der Entstehung Frankfurts, von Kriegk;

Die Entstehung der Salvator-Kirche zu Frankfurt, von Kriegk;

Die römische Grenzbefestigung im Taunus, von Römer;

Der Prädikant Hartmann Beyer (I) von Steitz;

Geschichte der Volkskrankheiten in Frankfurt, von Stricker;

Das Kreuztragen nach Oberrad, von Euler.

Heft V (1853).

Geschichte der Testamente in Frankfurt, von Euler;

Der Prädikant Hartmann Beyer (II), von Steitz;

Frankfurter Annalen, von Römer-Büchner;

Ueber die Platten des Merianschen Plans, von Reiffenstein;

Ueber die Frankfurter Gerichts-Ordnung von 1376, von Euler;

Frankfurter Goldgulden, von Euler;

Die Siegel der Stadt Frankfurt, von Römer- Büchner.

Heft VI 0814).

Die römischen Inschriften im Gebiete der Stadt, von Becker;

Fehde der Stadt mit den Ganerben von Bickenbach, von Usener;

Die Herren von Sachsenhausen und Praunheim, von Euler;

Der Antoniterhof, von Steitz;

Ablassbulle des Erzbischofs von Mainz für das Frankfurter Weissfrauenkloster von 1519, von Römer-Büchner;

Die Schöpfungs-Geschichte, Wandgemälde im Karmeliterkloster, von Passa¬ va n t ;

Das Haus zum Fischborn, von Reiffenstein;

Die ältesten Nachrichten über die Münze zu Frankfurt, von Euler Ausgaben bei einer Beerdigung 1788, von Malss;

Zur Geschichte der Strassenbeleuchtung, von Reiffenstein;

Das Dorfrecht von Niederrad, von Euler.

Heft VII (1833).

Frankfurter Schaumünzen, von Rüppell;

Verfassungsgeschichte der deutschen Städte, von Euler;

Ein Brief Hammans v. Holzhausen, von Steitz;

Ueber den Stadtarzt Johann von Cube, von Stricker;

Das Frankfurter Gesetz- und Statutenbuch, von Euler;

Lieder zu Ehren der Gesellschaft Limburg, von Römer -Büchner.

Heft VIII (i8;8).

Frankfurter Münzen und Medaillen, von Rüppell;

Abzeichen, Namen etc. von Dynasten, Münzmeistern und Stempelschneidern der Frankfurter Münzen, von Rüppell;

Günther v. Schwarzburgs Grabmal, von Usener;

Schloss Hagen und Schloss Haselach, von Benkard;

Ueber die Salvator-Kapelle, von Euler;

Die Anbetung der Könige, Wandmalerei im Karmeliterkloster, von Pass avant Die Fichard’schen Manuskripte, von v. Boltog;

Adam Elsheimer, von Passavant;

Die vereinigte Senckenbergische Bibliothek, von Stricker;

Inventar der Frankfurter Zeughäuser 1764—1763, von Reiffenstein; Frankfurter Münzen des 13. Jahrhunderts, von Rüppell;

Der Vogt in Frankfurt, von Euler.

27

Frankfuit als Wahlstadt der deutschen Könige und die Bartholomaeus-Kirche, von Usener;

Ueber die Verfassungsgeschichte der deutschen Städte, von Euler;

Der Vogt und Schultheiss zu Wetzlar, von Euler;

Niederlage der Bürger von Frankfurt vor Cronberg 1 389, von Römer-Büchner;

Die Ermordung des Herzogs Friedrich von Braunschweig im Jahre 1400, von Römer-Büchner;

M. Johannes Cnipius Andronicus, Schulmeisterzu den ßarfüssern 1550—1562, von S t e i tz ;

Frankfurt um die Mitte des 30jährigen Krieges, von Kriegk;

Die älteren Grundrisse und Ansichten der Stadt Frankfurt, von Gwinner;

Die Wahrzeichen von Frankfurt, von Reiffenstein;

Das alte Judenbad in Frankfurt, von Euler;

Ueber Frankfurter Turnosen, von Finger;

Ein Schneidergebot, von Oppel;

Die von Uffenbach’schen Manuskripte auf der Stadtbibliothek, von K eich ne r

Verzeichnis der Häusernamen in Frankfurt und Sachsenhausen, von Reiffen¬ stein.

Band 2 (1862).

Peter Müllers Chronik aus den Jahren 1573 1633, von Becker;

Bonames, Burg und Flecken, von R ö m e r- B ü c hner , mit Nachtrag von Euler;

Eine neuentdeckte Merian’sche Ansicht von Frankfurt aus der Zeit von 1612—1619, von Gwinner;

Die Niederländische und die Französische Gemeinde in Frankfurt, von Scharff;

Die hohe Mark im Taunus, von Scharff;

Ueber die Verfassungsgeschichte der deutschen Städte (III. Beitrag), von Euler;

Die Familienchronik Bernhard Rohrbachs aus dem XV. Jahrhundert, von Steitz;

Der Stadtschultheiss Johann Wolfgang Textor und sein Haus auf der Fried¬ berger Gasse, von Steitz.

Band _? (1865).

Zur Urgeschichte des Rhein- und Mainlandes, von Becker;

Der Kanonikus Job Rohrbach am Bartholomaeusstifte, Frankfurter Chronik vom Jahr 1494 - 1502, von Steitz;

Die Strassen der Frankenfurt, von Scharff;

Das Recht der hohen Mark mit besonderer Berücksichtigung der angrenzenden Seulberg-Erlenbacher Mark, von Scharff;

Beiträge zur Geschichte des Gollegiatstiftes Moxstadt aus dem Frankfurter Stadtarchiv, von Euler;

Angelegenheiten der reformirten Gemeinden nach den Protokollen des lutherischen Predigerministeriums 1747—1750, von Bass]e;

Die Auflösung des Grossherzogtums Frankfurt 1813, von Stricker;

Lorenz Heister 1683 1758, von Heyden;

Johann Michael von Loen, Goethes Grossoheim, von Heyden.

Band 4 (1869).

Die religiöse Bedeutung des Brückenbaues im Mittelalter mit besonderer Be¬ ziehung auf die Frankfurter Mainbrücke, von Becker;

Beiträge zur Geschichte der Befestigung Frankfurts im Mittelalter, von v. Cohausen;

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Reformatorische Persönlichkeiten, Einflüsse und Vorgänge in -der Reichsstadt Frankfurt 1519— 1522, von Steitz;

Eine neuerdings entdeckte, bisher unbekannte Auflage des grossen Merian’schen Stadtplans von 1628, von Gwinner;

Berichtigung und Fortsetzung der beiden Abhandlungen : Schaumünzen zum Angedenken’ von Bewohnern Frankfurts und Münzen und Medaillen auf geschichtliche Begebenheiten Frankfurts, von Rüppell;

Der Kampf gegen die Bücher der Juden vom Anfang des XVI. Jahrhunderts in seiner Beziehung auf Frankfurt, von Geiger;

Verzeichnis der Frankfurter Hauptleute, Stadtadvokaten und Oberpriester bis zum Jahre 1500, von Krieg k und Euler;

Ludwig von Hörnigk, ein Charakterbild aus der Geschichte der Medizin, von Stricker;

Mitteilungen über eheliches Güterrecht mit besonderer Hinsicht auf fränkisches und Frankfurter Recht, von Euler;

Urkunden zur Geschichte der Familie Frosch und ihrer Besitzungen, von Euler.

Band j (1872).

Dr. Gerhard Westerburg, der Leiter des Bürgeraufstandes zu Frankfurt, von Steitz;

Des Rektor Micyllus Abzug von Frankfurt 1533, von Steitz;

Luthers Warnungsschrift an Rat und Gemeinde zu Frankfurt 1533 und Dionysius Melanders Abschied von seinem Amt 1535, von Steitz;

Die Grafschaft Bornheimer Berg, von Schar ff;

Mittelrheinische Chronisten am Ende des Mittelalters, von Fa Ick;

Meister Eckhart in Frankfurt, von Euler.

Band 6 (1877).

Der Streit über die unbefleckte Empfängnis der Maria zu Frankfurt im Jahre 1500 und sein Nachspiel in Bern 1509, von Steitz;

Der Humanist Wilhelm Nesen, der Begründer des Gymnasiums und erste Anreger der Reformation in Frankfurt, von Steitz;

Vaterstädtisches und Vaterländisches, Auszüge aus S. G. Fingers Tagebüchern 1 79 5 1 8 1 8, von L. F. Finger;

Johann Nicolaus Körner, ein Frankfurter Naturforscher des vorigen Jahr¬ hunderts, von Schmidt;

Vierter Aufsatz über Frankfurter Medaillen, historische Münzen, für Lokal¬ gebrauch gefertigte Jettons und andere Münzen, mit Register über die vier Abhandlungen mit den Beschreibungen der Medaillen etc., von Rüppell;

Frankfurt in den Topographien und Reisebeschreibungen des XVI. und XVII. Jahrhunderts, von Stricker;

Conrat Gobel, Giesser zu Frankfurt um die Mitte des XVI. Jahrhunderts, von Schneider, mit einem Zusatz von Euler;

Nachtrag zu dem Aufsatze über mittelrheinische Chronisten etc., von Fa Ick.

Band 7 (1S81).

Sigmund Feyerabend, sein Leben und seine geschäftlichen Verbindungen, von P a 1 1 m a n n.

Band 8 (1882).

Goldmünzen des XIV. und XV. Jahrhunderts (Disibodenberger Fund), nebst urkundlichen Beiträgen zur rheinländischen Münzgeschichte, besonders Frank¬ furts, von Joseph;

Die beiden Frankfurter Chroniken des Johannes Latomus und ihre Quellen, von F r o n i n g.

29

Band 9 (1882).

Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt von ihren Anfängen bis zur Eröffnung des städtischen Komödienhauses, von Mentzel.

Band 10 ( 1883).

Geschichte der Post in Frankfurt, von Faulhaber.

Band 11 (1884).

Die Kriegs-Lazarethe von 1792—1815 und der Kriegstyphus zu Frankfurt, von W i 1 b r a n d.

lb Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Dritte Folge. 1888 1907. 1 8°.

Band 1 (1888).

Ludwig Heinrich Euler, von v. Nathusius;

Pfarrer Passavant, der Jugendfreund Goethes 1751 1827, von Dechent;

Diarium des Offizier-Corps des löblichen XI. Stadt-Quartiers 1797 1812, von Grotefend;

Frankfurt während der Mainzer Bistumsfehde 1461—1465, von Schellhass;

Frankfurts Buchbinder-Ordnungen vom XVI. bis zum XIX. Jahrhundert, von Bücher;

Die in Tübingen immatrikulierten Frankfurter 1477 1888, von Thomae;

Aus der Baseler Universitäts-Matrikel, von Thomae;

Frankfurter Studenten in Bologna, von Grotefend.

Band 2 (1889).

Das mittelalterliche Frankfurt als Schauplatz von Reichs- und Wahltagen, von Beckm ann;

Die Aufhebung des Ehezwangs zu Frankfurt 1240, von v. Nathusius;

Die Familie Rorbach, von Froning;

Johann von Soest, Stadtarzt in Frankfurt 1444—1506, von Reuling;

Zur Entstehung der Frankfurter Artikel von 1525, von Jung;

Dr. Johann Fichard 1512—1581, von Jung;

Ein Versuch Ferdinands II., die Jesuiten in Frankfurt einzuführen 1628, von Kracauer;

Frankfurter Akademiebestrebungen im XVIII. Jahrhundert, von Valentin;

Meister Johann, Maler von Bamberg, und der älteste Hochaltar des Frankfurter Domes, von Donner- v. Richter;

Neuaufgedeckte Hügelgräber des Frankfurter Waldes, von Hammeran.

Band 3 (1891).

Der Concordien-Orden, die Ehren-Medaillen, sowie die Feldzugs- und Dienst¬ alterszeichen des Grossherzogtums, des General-Gouvernements und der Freien Stadt Frankfurt, von v. Heyden;

Die Ehrenbürger der Reichsstadt und der Freien Stadt Frankfurt, von Jung;

Frankfurt und die französische Republik 1795 1797, von Kracauer;

1 Die den einzelnen Banden dieser dritten Folge mit besonderer Seiten¬ zählung angefügten geschäftlichen Mitteilungen werden in diesem Verzeichnis nicht besonders aufgeführt.

30

Voltaires Verhaftung in Frankfurt auf Befehl Friedrichs des Grossen 1753, von Jung;

Schillers Jugenddramen zum ersten Male auf der Frankfurter Bühne, I. Die Räuber, von Mentzel;

Das Römerkastell zu Frankfurt, von Ham me ran.

Band 4 1 (1S93).

»Der Prorector« und das Frankfurter Gymnasium am Ende des vorigen Jahr¬ hunderts, von Grote fend;

Schillers Jugenddramen zum ersten Male auf der Frankfurter Bühne, II. Die Verschwörung des Fiesko, Kabale und Liebe und Don Carlos, von Mentzel;

Eine Kaiserreise im Jahre 1473, von Schellhass;

Die römischen Ziegeleien von Nied bei Höchst a. M. und ihre Stempel, von Wolff;

Die in Höchst, Nied und Umgebung gefundenen antiken Münzen, von Q_uilling. Band $ (1896).

Baldemars von Peterweil Beschreibung von Frankfurt, von v. Nathusius;

Die Malerfamilie Fyoll und der Römerbau, von Donner- v. Richter.

Wanderjahre des Johann Philipp Münch 1680 1694, von Schnapper-Arndt;

Die drei ältesten erhaltenen Frankfurter Theaterzettel, von Mentzel;

Frankfurt und die französische Republik 1797 1802, von Kracauer;

Die Freilegung der römischen Gebäudereste auf dem Hühnermarkt, von Thomas ;

Römische Ziegelstempel aus Frankfurt, von Wolff;

Fränkische Funde in Frankfurt, von Quilling.

Band 6 (1899).

Frankfurts Textilgewerbe im Mittelalter, von Fromm;

Die Frankfurter Kirchenbuchführung, von v. Nathusius;

Sebastian Furck, Kupferstecher und Contrafaiter von Frankfurt, von Müller;

Frankfurt und die französische Republik 1802 1803, von Kracauer;

Die Ausgrabungen im Domhof und auf dem Weckmarkt 1896 1897, von T h o m a s.

Band 7 ( 1901 ).

Philipp Uffenbach 1566—1636 und andere gleichzeitig in Frankfurt lebende Maler, von Donner- v. Richter;

Die Frankfurter Porzellan-Fabrik im Porzellan-Hofe 1666—1773, von Jung;

Die letzten Jahre der reichsstädtischen Zeit Frankfurts 1803 1806, von Kracauer.

Band 8 (1905).

Die Landwehren der Reichsstadt Frankfurt, von Pelissier;

Zur Erinnerung an Senator Dr. Emil von Oven, von Jung.

Band 9 (190-9).

Rückblick auf die Entstehung und Entwickelung des Vereins für Geschichte und Altertumskunde in Frankfurt 1857 1907, von Riese;

Frankfurter Hochschulpläne 1384— 1866, von Jung;

Zur Geschichte der Deutschordens-Komturei in Sachsenhausen bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts, von Schrod;

1 Die von diesem Band ab in den Archivbänden veröffentlichten »kleineren Mitteilungen« werden nicht einzeln aufgeführt, sondern nur die Arbeiten grösseren Umfangs.

Beiträge zur Reformationsgeschichte der Stadt Frankfurt a. M. 1523 1525, von Euler;

Frankfurt und die französische Revolution 1789 1792, von Kracauer;

Aktenstücke über die Besitzergreifung Frankfurts durch den Fürsten Primas am 9. Sept. 1806, von Jung;

Das Testament des Frankfurter Grosskaufmanns Jakob Heller von 1519, von Bot he.

II. Neujahrs-Blätter 1859 1886. 40.

1859 : Dorf und Schloss Rödelheim, von Euler;

1860: Der Frankfurter Chronist Achilles August von Lersner, von Heyden;

1861: Die Melanchthons- und Lutherherbergen zu Trankfurt, von Steitz;

1862: Samuel Thomas von Sömmerring, von Stricker;

1865: Drei römische Votivhände aus den Rheinlanden, mit den übrigen Bronzen verwandter Art zusammengestellt, nebst einem Exkurse über Thonbilder des Zeus Sabazios, von Becker;

1864: Johann David Passavant, erste Abteilung, von A. Cornill;

1865: Johann David Passavant, zweite Abteilung, von A. Cornill;

1866: Die deutsche Schrift im Mittelalter, ihre Entwicklung, ihr Verfall, mit be¬ sonderer Rücksicht auf Frankfurt und seine Umgebung, von Scharff;

1867: Geschichte der^Dr. Senckenbergischen Stiftshäuser, von Scheidei;

1868: Grabschrift eir römischen Panzerreiteroffiziers aus Rödelheim, von Becker;

1869: Der Staatsrat G> r ^ Steitz und der Fürst Primas Karl von Dalberg, von Steitz;

1870 : Die BaugeschicL der Paulskirche (Barfüsserkirche) zu Frankfurt 1782—1813, von Stricker;

1871: Jakob Heller und Albrecht Dürer, vou O. Cornill;

1872: Das erste städtische Theater zu Frankfurt, ein Beitrag zur äusseren Geschichte des Frankfurter Theaters 1751 1872, von v. Oven;

1875: Urkunden und Schreiben, betreffend den Zug der Armagnaken 1439—1444, von W ü 1 ck e r;

1874: Zur Rechtsgeschichte der Reichsstadt Gelnhausen, von Euler;

1875 : Das Aufruhrbuch der ehemaligen Reichsstadt Frankfurt vom Jahre 1525, von Steitz;

1S76: Frankfurter Concert-Chronik 1713 1780, von Israel;

1877 : Urkunden und Akten, betreffend die Belagerung der Stadt Neuss am Rheine 1474—75, von Wülcker;

1878: Beiträge zur Kenntnis der in Frankfurt begütert gewesenen Adelsfamilien, von Freiherrn Schenk zu Schweinsberg;

1879: Die Entwicklung der Gesellschaft zur Beförderung nützlicher Künste und deren Hülfswissenschaften (Polytechnische Gesellschaft) in Frankfurt, von v. Oven und Oelsner;

1880 : Die Kapelle der H. Katharina auf der Mainbrücke zu Frankfurt mit gleich¬ artigen Stiftungen des christlichen Mittelalters, zusammengestellt von v. Oven und Becker;

1S81 : Christian Egenolff, der erste ständige Buchdrucker zu Frankfurt und seine Vorläufer, von Grotefend;

1882: Die Familie von Eschborn und ihr Zusammenhang mit der Familie von Cronberg, von Ritsert und Grotefend;

188): Die Furt am unteren Neckar, von Scharff;

1SS4: Die Bestätigungsurkunde des Domstiftes zu Frankfurt von 882 und ihre Bedeutung für das Stift, von Grotefend;

1883 86: Heddernheimer Ausgrabungen, von Donner- v. Richter und Riese.

III. Mitteilungen (an die Mitglieder) des Vereins für Geschichte und Altertumskunde 1860 1885. 8°.

Enthalten: Chronik des Vereins, Sitzungsberichte, Mitteilungen über Samm¬ lungen und Bibliothek des Vereins, Zusammenstellungen der jeweils für die

Frankfurter Geschichte wichtigen literarischen Erscheinungen, Aufsätze kleineren

Umfanges und Miszellen aus allen Gebieten der städtischen Geschichte.

Band 1: 1860;

Band 2: 1864;

Band 3: 1868;

Band 4: 1873;

Band 3: 1879;

Band 6: 1S81 ; das zweite Heft dieses Bandes war die Festgabe für die Mitglieder zum 25jährigen Jubiläum des Vereins und wurde zugleich unter dem Titel »Beiträge zur Frankfurter Geschichte« den Teilnehmern an der Frankfurter Generalversammlung des Gesamtvereins der Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 1881 überreicht;

Band 7 1883; als Beilage zu diesem letzten Band wurde a egeben: Verzeichnis von Abhandlungen und Notizen zur Geschichte Fra urts aus Zeitschriften und Sammelwerken, von Grotefend.

1'

IV. Mitteilungen über römische Funde in Heddernheim 1894—1907. 40.

Heft 1 (1894).

Die Ausgrabungen des Vereins für das Historische Museum zu Frankfurt auf dem christlichen Heddernheimer Friedhofe 1891—1892, von Q_uilling;

Töpferöfen in der Römerstadt bei Heddernheim, von Thomas;

Die Heddernheimer Helme, die etruskischen und der griechische Helm des Frankfurter Historischen Museums in ihrer Bedeutung für die Geschichte antiker Helmformen, von Donner-v. Richter.

Heft 2 (1S9S).

Reliefstatuette der Minerva aus Heddernheim, von Ziehen;

Urkundliche Mitteilungen über Heddernheim und die dortige Römerstadt von Riese;

Römische Fibeln aus Heddernheim, von Riese;

Castell und Stadtbefestigung des Römischen Heddernheim, von Woltf.

Heft 3 (1900).

Die antiken Münzen aus Heddernheim-Praunheim und Umgebung, von Q.u i 1 1 i n g ;

Römische Fibeln aus Heddernheim, Nachträge von Riese;

Die Römische Strasse von Heddernheim nach Nied und das Heidenschloss, von W 0 1 f f.

33

Heft 4 (1907).

Das römische Gräberfeld bei Praunheim, Ausgrabungen im Winter 1901 1902, von Riese;

Römische Villa mit Bad in Praunheim, von Wolff;

Bericht über die Arbeiten der Ausgrabungs- Kommission in den Jahren 1903 1906, von Wolff;

Die Töpfereien vor dem Nordtor der römischen Stadt bei Heddernheim, von Wolff;

Die Funde aus diesen Töpfereien, von Welcher;

Neue Terrasigillata-Funde aus Heddernheim, von Dragendorff.

B. Einzelne Schriften.

I. Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurt a. M. von Johann Georg Battonn. Aus dessen Nachlasse herausgegeben durch L. H. Euler. Mit Unterstützung der Stadt Frankfurt a. M. 7 Hefte. 1861 1875. 8°.

II. Die Heddernheimer Votivhand. Eine römische Bronze aus der Dr. Römer-Büchner’schen Sammlung. Von J. Becker. Festschrift zur XX. Versammlung deutscher Philologen, Schulmänner und Orientalisten. 1861. 40.

III. Aerzte, Heilanstalten, Geisteskranke im mittelalterlichen Frankfurt a. M. Von G. L. Kriegk. Festschrift zum ioojähr. Jubiläum der Dr. Senckenbergischen Stiftung. 1863.

IV. Die Deutsch-Ordens-Gommende Frankfurt a. M. Ein Beitrag zu deren Geschichte, aus dem Nachlasse des Inspektors Andreas Niedermayer, herausgegeben von L. H. Euler. 1874. 8°.

V. Tagebuch des Canonicus Wolfgang Königstein am Lieb¬ frauenstifte über die Vorgänge seines Capitels und die Ereig¬ nisse der Reichsstadt Frankfurt a. M. in den Jahren 1520 1548. H erausgegeben von G. E. Steitz. 1876. 8°.

VI. Inventare des Frankfurter Stadtarchivs. Mit Unterstützung der Stadt Frankfurt a. M. Band 1 herausgegeben von H. Grote- fend, Band 2—4 von R. Jung. 1888 1894. 8°.

VII. Das Historische Archiv der Stadt Frankfurt a. M., seine Be¬ stände und seine Geschichte. Mit Unterstützung der Stadt Frankfurt a. M. Von R. Jung. 1896. 8°.

VIII. Die Baudenkmäler in Frankfurt a. M. Herausgegeben mit Unterstützung der Stadt und der Administration des Dr. Joh. Friedrich Böhmer’schen Nachlasses von dem Architekten- und I ngenieur- Ver e in und dem Verein für Geschichte und Alterthumskunde. Band I und II bearbeitet von C. Wolff und R. Jung, Band III von R. Jung und J. Hülsen. 1896 1907. 8°.

3

34

IX. Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens des Städti¬ schen Historischen Museums in Frankfurt a. M. 1903. 40.

Die städtischen Sammlungen in reichs- und freistädtischer Zeit 1691 1866, von Jung;

Die Gründung des städtischen Historischen Museums und des Vereins für dasselbe im Jahre 1877, von Donner- v. Richter;

Ergebnisse und Aufgaben der Heddernheimer Lokalforschung, von Wolf 1;

Römische Terracotten aus unserer Umgegend im Historischen Museum, von Riese;

Das Römische Villengebäude bei der Günthersburg und die Bornburg, von Thomas;

Der Kachelofen in Frankfurt, von Lauffer;

Das Frankfurter Zinngiessergewerbe und seine Blüthezeit im XVIII. Jahr¬ hundert, von Dietz;

Frankfurter Medailleure im XVI. Jahrhundert, von Cahn.

X. Der Königsleutnant Graf Thoranc in Frankfurt a. M. Akten¬ stücke über die Besetzung der Stadt durch die Franzosen 1759 1762. Herausgegeben von H. Grotefend. 1904. 8°.

XI. Geschichte der Musik in Frankfurt a. M. vom Anfänge des XIV. bis zum Anfänge des XVIII. Jahrhunderts. Von C. Valentin. 1906. 8°.

II.

Frankfurter Hoehsehul-Pläne 1384-1866.

Von

Archivdirektor DR- R. JUNG.

<r

3*

Von je her hat Frankfurt als eine Stadt gegolten, in der der Geld¬ erwerb die Hauptrolle spielt, in der sich das Leben nur oder fast nur um materielle Interessen dreht. Die Stadt der Messen, des Buchhandels, der wirtschaftlich bedeutendsten Judenschäft, der Banken und der Börse ist hauptsächlich als Handelsplatz von Dichtern besungen, von Schriftstellern gewürdigt, von der Allgemeinheit angesehen worden, als ein Ort, in dem man geistiges Leben nicht oder nur wenig bewerte, wenn in ihr auch zufällig die Wiege des grössten deutschen Dichters gestanden habe. Nicht in Goethe, sondern in Rothschild sah man allgemein den wahren Geist Frankfurts verkörpert.

Diese communis opinio von dem Wesen der Stadt war schon im XVI. Jahrhundert ausgebildet, teils im Lob, teils im Tadel. Nur ein halbes Jahrhundert trennt die Urteile Martin Luthers und Henri Estiennes, des Mannes der Kirche und des Geschäftsmannes, der aber doch zugleich auch ein Humanist war; der eine hat die Stadt einen Aussauger des nationalen Wohlstandes gescholten, der andere als die Vermittlerin nicht nur der materiellen, auch der geistigen Güter im Weltverkehr gefeiert. In der kleinen Schrift »Von Kauffshandel und Wucher«, die 1524 in Wittenberg erschien, klagt Luther, dass Deutschland die fremden Länder durch Übernahme ihrer Waren be¬ reichere: »Rechen du, wie viel Gellts eyne Messe zu Franckfurt aus deutschem Land gefurt wird, on Nott und Ursach, so wirftu dich wundern, wie es zugehe, das noch eyn Heller ynn deutschen Landen sey. Franckfurt ist das Sylber und Gollt Loch, da durch aus deutschem Land fleußt, was nur quillet und wechft, gemuntzt odder geschlagen wird bey uns. Were das Loch zugeftopft't, so durfft man itzt der Klage nicht hören, wie allenthalben eytel Schuld und keyn Gellt, alle Land und Stedte mit Zinsen beschweret und ausgewuchert sind. Aber las gehen, es wil doch also gehen: wyr Deutschen müssen Deutschen bleiben, wyr lassen nicht ab, wyr müssen denn.« Von einem anderen, einem höheren Standpunkt feiert 1574 der welt¬ erfahrene französische Buchdrucker und Buchhändler Henri Estienne in seinem »Francofordiense emporium« die Frankfurter Messe als einen Mittelpunkt des Weltverkehrs: dort findest du alle Erzeugnisse des Gewerbfleisses, nicht nur die, welche du gesucht hast, auch eine Menge von solchen, an welche du nicht denkst und von welchen du

nie gehört hast, und in solchem Überfluss, dass du glaubst, dass sie nicht aus mehreren Orten, sondern aus allen Teilen derWelt kommen; die Messe Merkurs wird aber noch übertroffen von der Messe der Musen: in humanistischer Überschwenglichkeit nennt er sie eine Akademie und feiert die Buchgasse als das Frankfurtische Athen. Wieder ein ganz anderes Bild von dem Interessenkreis der Frankfurter, freilich derer, die zwei Jahrhunderte nach der Reformation lebten, gibt Goethe: »Wenn die nordischen freien Reichsstädte auf einen ausgebreiteten Handel und die südlicheren bei zurücktretenden Handels¬ verhältnissen auf Kunst und Technik gegründet standen, so war in Frankfurt am Main ein gewisser Komplex zu bemerken, welcher aus Handel, Kapitalvermögen, Haus- und Grundbesitz, aus Wissen- und und Sammlerlust zusammengeflochten schien.« Sprechen Luther und Estienne von dem Frankfurt der Messen, so denkt Goethes Urteil mehr an das eigentliche Frankfurt und seine Tätigkeit ausserhalb des Messgetriebes. Und wenn auch in diesem Urteil das Vorwiegen der materiellen Interessen nicht bestritten wird, so wird andererseits die Pflege der geistigen nachdrücklich betont.

Eine Darstellung der Bestrebungen für Kunst und Wissenschaft in Frankfurt wäre eine dankbare Aufgabe. Die Geschichte des geistigen Lebens in der Reichsstadt, der späteren Freien Stadt hätte mit manchen Vorurteilen aufzuräumen und würde das allgemeine Urteil über den Mammonismus und Materialismus des alten Frankfurt wesentlich berichtigen; sie würde zeigen, dass Goethes Urteil das richtige ist.

Die folgenden Ausführungen sollen einen bescheidenen Beitrag zu der noch zu schreibenden Geschichte des geistigen Lebens in unserer Stadt liefern. Sie sollen die Bemühungen oder auch nur die Anregungen vorführen, die im Laufe der Jahrhunderte gemacht wurden, um der Stadt die höchste Form einer Bildungsanstalt, die Hochschule, zu verschaffen, Bemühungen, die in merkwürdigem Wechsel von innen und von aussen kamen; sie sollen die jeweilige Stellungnahme der Stadtverwaltung und der Bürgerschaft, insbesondere der am meisten und innerlich interessierten Kreise, vorführen. Sie werden, wie ich denke, den Beweis liefern, dass es zu allen Zeiten Bürger und Fremde gegeben hat, welche den Boden Frankfurts zur Pflege höherer Interessen als der des Erwerbs nicht für ungeeignet gehalten haben ; sie werden auch zeigen, dass es einige Male gerade der Handelsstand gewesen ist, aus dessen Kreisen der Wunsch laut wurde, der Materialisierung durch das geschäftliche Leben ein Gegen¬ gewicht in der Pflege des geistigen entgegenzustellen.

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I.

Das Rechenmeister-Buch enthält unter dem 20. Februar 1384 folgenden Eintrag:

Item 8V2 gülden eyme schuler zu lauffen geyn Ludyche an den kenczler von Parys umb daz Studium von Parys geyn Franckfurt z°u legen, alss he dry wochen da lag unde eyn entworte wartete. 1

Nur aus diesem Eintrag wissen wir, dass zu Beginn des Jahres 1384 der Rat der Stadt einen Studenten als Boten mit einem Schreiben an den Kanzler der Universität von Paris nach Lüttich entsandte, dass der Student dort drei Wochen auf die Antwort des Kanzlers wartete und Mitte Februar, offenbar ohne die gewünschte Antwort, nach Frankfurt zurückkehrte, wo ihm sein kärglicher Botenlohn aus¬ gezahlt wurde. Ratsprotokolle sind aus dieser Zeit nicht vorhanden, wahrscheinlich damals noch nicht in besonderen Büchern geführt worden; auch pflegte die städtische Kanzlei die ausgegangenen Briefe nicht in eigenen Brief- oder Missivbüchern abschriftlich zu sammeln, so dass wir für den Inhalt der Botschaft an den Pariser Kanzler lediglich auf diesen Rechnungs-Eintrag angewiesen sind.

Wie das Frankfurter Stadtarchiv, so versagt auch das Archiv der Pariser Universität. Aus ihrem von Denifle und Chatelain so vor¬ trefflich herausgegebenen und kommentierten Urkundenbuch2 * * läßt sich auch nicht die geringste Spur über eine solche Verhandlung in Lüttich entnehmen ; es lässt sich nicht einmal daraus nachweisen, dass der damalige Kanzler Johannes Blanchart im Anfänge des Jahres 1384 in Lüttich sich aufgehalten hat.

Trotz dieses Mangels an weiteren Nachrichten lässt sich der Versuch des Frankfurter Rates, der Stadt eine Hochschule zu ge¬ winnen, unschwer in die Reihe der damaligen Ereignisse einordnen.5

1 Diese Notiz ist zuerst von Kriegk, Deutsches Bürgerthum im Mittelalter, Neue Folge (Frankfurt 1871), S. 126 veröffentlicht worden. Kriegk erwähnt dort kurz die vier geplanten Frankfurter Universitätsgründungen von 1384, 1540, aus der primatischen Zeit und nach 18 66, ohne nähere Begründung durch eigene archivalische Forschung.

2 Denifle und Chatelain, Chartularium universitatisParisiensis, Tom.III(Parisiis

1894); dieselben, Auctarium chartularii universitatis Parisiensis.Tom. I (Parisiis 1894).

5 Vgl. zum Folgenden : Hartwig, Henricus de Langenstein dictus de Hassia

(Marburg 1857); Aschbach, Geschichte der Wiener Universität im ersten Jahr¬ hundert ihres Bestehens (Wien I865); Thorbecke, Die Anfänge der Universität Heidelberg (Heidelberg 1886) ; Winkelmann, Urkundenbuch der Universität Heidel¬ berg, Bd. I (Heidelberg 1886).

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Die doppelte Papstwahl des Jahres 1378 brachte die Pariser Universität in eine schwierige Lage. Sie hatte sofort den am 9. April in Rom gewählten Urban VI. anerkannt, König Karl V. verlangte aber bald darauf die Anerkennung des am 21. September gewählten Gegenpapstes Clemens VII., der ein Franzose war. Die Universität schwankte; die Mehrzahl der Artisten, insbesondere die Natio Angli- cana, deren grösseren Teil die Deutschen bildeten, hielt an Urban VI. fest. Vergebens suchte ihr bedeutendster Lehrer, der Hesse Heinrich von Langenstein, die Hochschule für die Entscheidung durch eine Kirchenversammlung zu gewinnen. Im Jahre 1383 verliess eine grössere Anzahl von Deutschen die Universität, weil sie von Urban VI. nicht lassen wollten und weil Clemens VII. in einem Zwiste über die Ernennung von Examinatoren gegen sie und für die Natio Gallicana entschieden hatte; dieser Exodus wurde wesentlich durch die Be¬ mühungen des Herzogs von Österreich, seiner Wiener Universität Pariser Lehrkräfte zu gewinnen, begünstigt. Zu diesen Exulanten gehörte auch Michael de Francfordia, ohne Zweifel ein Frankfurter Kind.1 Nichts natürlicher, als dass diese Flüchtlinge den Plan fassten, in Deutschland eine Hochschule zu gründen. Während Langenstein schon bald einem Rufe an die Wiener Hochschule folgte, wurde Marsilius von Inghen von dem Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz gewonnen, um das Studium generale in Heidelberg nach dem Muster der Pariser Hochschule einzurichten; gegen Ende 1384 ging das Gesuch Ruprechts um die päpstliche Bestätigung ab.

Die Frage der Errichtung einer deutschen Hochschule wurde also noch im Laufe des Jahres 1384 zu Gunsten Heidelbergs ent¬ schieden: der in den Anfang des Jahres fallende Versuch Frankfurts war ergebnislos geblieben. Aschbach teilt leider ohne Quellen¬ angabe mit, die deutschen Lehrer hätten Paris verlassen, »zunächst mit der Absicht, in einer Stadt des deutschen Reiches sich nieder¬ zulassen und da den Grund zu einem neuen Studium generale zu legen. Frankfurt, die Reichsstadt, war anfangs für diesen Zweck ausersehen.« Diese Angabe Aschbachs findet durch den Eintrag im

1 Aus dem Chartularium der Universität Paris und aus Aschbachs Geschichte der Wiener Universität ist zu entnehmen, dass dieser Michael de Francfordia 1378 das Baccalaureat in Prag erworben hatte, 1381 einer der Prokuratoren der englischen Nation in Paris war, 1385 Magister regens der artistischen Fakultät in Wien und am 14. April 1387 Dekan dieser Fakultät wurde. Aus den Frankfurter Akten lässt sich nichts über seine Persönlichkeit feststellen.

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Rechenbuche volle Bestätigung.1 Die Vermutung liegt nahe, dass jener Michael de Francfordia die Blicke seiner Genossen auf die Vaterstadt am Maine lenkte. Dass es der Kanzler der Pariser Uni¬ versität war, den der Bote des Rates in Lüttich aufsuchte, mag ein Irrtum des Schreibers sein, denn gerade der französische Kanzler dachte ganz gewiss nicht daran, mit seiner altberühmten Hochschule nach Deutschland auszuwandern; der Adressat der Ratsbotschaft dürfte sicher zu dem Kreise der deutschen Dissidenten gehört haben.

Es war kein zu kühnes Unterfangen, wenn Frankfurt damals nach dem Ruhme strebte, die erste Hochschule im Innern Deutsch¬ lands in seinen Mauern zu gründen, nachdem Kaiser Karl IV. 1347 in Prag und die österreichischen Herzoge 1365 in Wien die ersten Universitäten an der Peripherie des Reiches errichtet hatten. Unter den deutschen Städten, die damals in mächtigen Städtebünden vereint den Fürsten drohend gegenüber standen, nahm die Reichsstadt Frankfurt als gesetzliche Wahlstadt des Reiches, als vielbesuchter Mittelpunkt des Handels und Verkehrs eine hervorragende Stellung ein. Es war die Zeit, da die inneren Schwierigkeiten überwunden waren, da die Unabhängigkeit der Stadt gesichert und ihr wirtschaft¬ liches Aufblühen durch eine Reihe kaiserlicher Privilegien gewähr¬ leistet wurde. Es liegt nahe, in dem grossdenkenden, energischen Staatsmanne, der damals die städtische Politik in erster Linie leitete, in Sigfrid zum Paradies, den Urheber des Gedankens zu suchen, die Blüte der Stadt durch die Gründung einer hohen Schule zu heben. Woran die Absicht des Rates scheiterte, darüber können nur Ver¬ mutungen vorgebracht werden, von denen nur die eine ausgesprochen sein mag, dass den flüchtigen Universitätslehrern ein fürstlicher Schirmherr willkommener erschien, als der vielköpfige Rat einer einzelnen Stadt.

Die 1384 für die Gründung einer Hochschule in Frankfurt so günstigen Zeitumstände änderten sich rasch. Bald blühten in Heidel¬ berg (1386), Köln (1388), Erfurt (1392) Universitäten auf; die Lage Frankfurts nach innen und aussen wurde durch die Niederlage der Stadt bei Cronberg (1389) eine so schwierige und brachte so ganz andere Sorgen und Arbeiten, dass in dieser Frühlingszeit deutscher

1 Vgl. Aschbach S. 37 6. Sollte Aschbachs Quelle etwa eben diese Rechen¬ buchnotiz sein, die er bei seinen mittelalterlichen' Studien im Frankfurter Stadt¬ archiv gefunden hatte oder die ihm vielleicht Kriegk vor der Veröffentlichung mitgeteilt hat ?

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Hochschulgründungen weder innerhalb noch ausserhalb der Stadt der Gedanke wieder auftauchte, hier ein Studium generale zu errichten, wofür ja auch das Bedürfnis immer geringer wurde, denn das XV. Jahrhundert Hess in den verschiedensten Teilen Deutschlands nicht weniger als io weitere Hochschulen entstehen. Und gerade das letzte Jahrhundert des Mittelalters ist für die Frankfurter Politik die Zeit, deren Bestreben immer mehr darauf ausging, im wirtschaftlichen Wettbewerb an die Spitze der deutschen Reichsstädte zu treten, denen Frankfurt schon in der politischen Bedeutung als Wahlort der Herrscher, als beliebter Versammlungsort für die Tage des Reichs und der Städte weit vorausgeeilt war. Der 1384 vergeblich gemachte Versuch, die Stadt zum Mittelpunkte auch des geistigen Lebens zu machen, hat im Mittelalter keine Nachahmung gefunden.

Der Anfang der Reformationszeit bildet auch in der Ge¬ schichte des Frankfurter Bildungswesens eine bedeutsame Epoche. Nur langsam hat um die Wende des XV. und XVI. Jahrhunderts die Wieder¬ belebung des klassischen Altertums auch in Frankfurt segensreichen Einfluss gewonnen. Es war eine Zeit der geistigen Vertiefung für die höheren Kreise der Bürgerschaft; es wäre eine lohnende, aber schwierige Aufgabe, im Einzelnen nachzuweisen, wie hier in Frankfurt das geistige Leben aufblühte, wovon der Zug nach den italienischen Hochschulen in den Patrizierfamilien, die Verinnerlichung des kirch¬ lichen Lebens unter Führung hervorragender Geistlichen wie Johannes Lupi und Konrad Hensel, die Anfänge der Buchhändlermesse bedeut¬ same Zeugnisse bilden. 1 Mit der Gründung des städtischen Gymna¬ siums im Jahre 1520 beginnen die humanistischen Studien in Frankfurt keineswegs; sie war vielmehr der Schlussstein eines Jahrzehnte dauernden Bestrebens, der neuen Wissenschaft hier eine dauernde Stätte zu bereiten, der Jugend schon die Kenntnis des klassischen Altertums zu verschaffen, die sich die Väter noch auf italienischen Hochschulen

1 Über die Frankfurter Studenten auf italienischen Universitäten vgl. meine kurze Zusammenstellung im Leben Dr. Johann Fichards im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Dritte Folge, Bd. II, 225—229. Zur Geschichte des Humanismus in Frankfurt sind in erster Linie die Steitzschen Arbeiten zur Vor¬ geschichte der Einführung der Reformation im Archiv etc., Neue Folge, Bd. III VI heranzuziehen. Unter den Inventaren des Stadtarchivs sind verschiedene Ver¬ zeichnisse von Lagern von Buchhändlern und auch Aufnahmen von privaten Büchereien bemerkenswert; das sehr charakteristische Verzeichnis der Privat¬ bibliothek des 1502 verstorbenen Stadtschultheissen Ludwig zum Paradies ist in der Festschrift der Stadtbibliothek in Frankfurt a. M. 1896 S. 136 und 138 144 be¬ sprochen und veröffentlicht.

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erwerben mussten. Die Errichtung der lateinischen Schule unter Wilhelm Nesen ist nicht nur deshalb von Bedeutung, weil jetzt die regierenden Kreise das Bedürfnis empfanden, ihre Söhne in den humanistischen Wissenschaften durch einen weltlichen, der neuen Lehre anhängenden Gelehrten unterrichten zu lassen; weit wichtiger ist es, dass die Stadt als solche sich die Aufgabe stellte, für den Unterricht der Jugend zu sorgen, der bisher in den Händen von Geistlichen und Privatpersonen gelegen hatte, dass sie eine höhere Schule gründete und die Verpflichtung ihrer Unterhaltung aus öffent¬ lichen Mitteln auf sich nahm; es sollte drei Jahrhunderte dauern, bis sie den zweiten Schritt auf diesem Wege tat: die Uebernahme des mittleren und höheren Schulwesens in städtische Verwaltung.

Die Errichtung der Lateinschule, des städtischen Gymnasiums, brachte dem Rate eine Reihe von finanziellen Sorgen; die wirtschaft¬ lichen, sozialen und besonders die politischen Verhältnisse der Stadt in den Jahren von 1520 bis 1552 waren nicht danach angetan, zu einem weiteren Schritt, zur Einrichtung einer hohen Schule zu er¬ mutigen. Anton Kirchner behauptet zwar, dass etwa in den Jahren von 1535 bis 1546 öfter von der Stiftung einer Universität die Rede gewesen, ja, dass Wolfgang Capito und Martin Bucer den Plan dazu entworfen hätten.1 Ohne Zweifel liegt hier eine Verwechslung mit den Vorschlägen vor, welche Capito dem Rate zur Hebung des Schulwesens Anfang 1535 unterbreitete und in welchen er insbesondere an die Heranbildung junger Leute zu Theologen mahnt, da »man Arzt und Juristen genug findet«; er verlangt aber für diese zukünftigen Pfarrer keine besondere Hochschule, sondern lediglich eine »etwas dapfere Underhaltung«, also die Schaffung von Stipendien.2 Aus den städtischen Akten und Ratsprotokollen jener Zeit ist nirgends der Gedanke an die Gründung einer Frankfurter Universität zu ersehen.

Mit jeder neuen Universitätsgründung wäre das Bedürfnis einer Hochschule in Frankfurt geringer geworden, wenn ein solches über-

1 Kirchner, Geschichte der Stadt Frankfurt a. M. Bd. II, 451: »Obgleich es bei dem Mangel an geistlichen Gütern dem Rathe schwer fiel, nur die Schule zu den Barfüssern in gutem Stande zu erhalten, dennoch war vor dem Religionskriege öfter von der Stiftung einer hohen Schule die Rede. Capito und Bucer hatten dazu den ersten Plan gemacht. Aber der unseelige Krieg erstickte den Entwurf in der Geburt.«

2 Capitos Denkschrift befindet sich in den Akten das Religions- und Kirchen¬ wesen betr. Bd. II, Blatt 118—126 und ist abgedruckt in "Ritters Evangelischem Denkmahl der Stadt Frankfurth am Mayn (Frankfurt 1726), Seite 329 345. Von Bucer sind keine auf die Hebung des Schulwesens bezüglichen Vorschläge bekannt.

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haupt bestanden hätte. Handel und Verkehr, besonders zu Messzeiten, brachten ein immer regeres Leben in die Stadt und wurden je länger, je mehr bestimmend für die städtische Politik nach aussen und nach innen. Reisebeschreibungen und Dichtungen des XVI. und XVII. Jahrhunderts betonen immer stärker den Charakter Frankfurts als Handelsstadt; den Auswärtigen wurde die Reichsstadt am Maine fast gleichbedeutend mit der Stadt des Mammon und bei den Einheimischen setzte sich die Anschauung fest, die Jakob Bender von Bienenthal gegen Ende des XVII. Jahrhunderts in den Worten formulierte, die Stadt sei »principaliter zu der Handlung und nicht zu den studiis gewidmet«, so dass der Titel »des Heiligen Reiches Wahl- und Handelsstadt«, welche die Chronisten Florian, Waldschmidt und Lersner ihrer Stadt gaben, fast zur offiziellen Bezeichnung wurde. Die all¬ gemeine Schätzung Frankfurts folgte durchaus der Bewertung durch Luther als Silber- und Goldloch Deutschlands und nicht der über¬ schwänglichen Lobpreisung durch Henri Estienne als zeitweiliger deutscher Gelehrten-Akademie, die ja durch den beständigen Rück¬ gang der Buchhändlermesse immer mehr zusammenschrumpfte.

Wenn englische Gelehrte, die in den Jahren 1554—1559 hier in Frankfurt vor der religösen Verfolgung in ihrer Heimat Schutz suchten und fanden, sich zu einer Art Akademie vereinigten, an der theologische, griechische und hebräische Studien betrieben wurden, so war das doch nur eine Pflege der Wissenschaft und Gelehrsamkeit, die sich auf den engen Kreis der Flüchtlinge beschränkte und mit deren Rückkehr in die Heimat wieder auf hörte.1 Sie blieb ohne jede Wirkung auf die einheimischen, tden Studien geneigten Kreise. Die späthumanistische Generation der Patrizier Johann von Glauburg und Justinian von Holzhausen, der Rechtsgelehrten Johann Fichard und Konrad Humbracht, dieser Schüler der Reformatoren Luther und Melanchthon, der Humanisten Micyllus und Zasius, entsandte ihre Söhne wieder nach Italien und auf die neu aufblühenden Hochschulen Frankreichs und Flollands. In den Familien dieser Patrizier und hohen Beamten herrschte noch ein reges geistiges Leben; 2 aber die politischen und sozialen Verhältnisse um die Wende des XVI. und XVII. Jahr¬ hunderts wurden immer ungünstiger für die Herrschaft der Musen;

1 Vgl. A brief discourse of the troubles begun at Frankfort etc., erste Aus¬ gabe von 1575, Neudruck London 1846, S. 60.

2 Z. B. in dem Kreise, der sich um den alten Fichard versammelte; Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Dritte Folge, Bd. II, 254 f.

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wie weit an diesem Rückgänge die religösen Streitigkeiten,, die wirt¬ schaftlichen Schwierigkeiten, die durch die reformierte Einwanderung hervorgerufene Übermacht der kommerziellen und industriellen In¬ teressen, die Wirksamkeit der kaiserlichen Bücher-Kommissare, der allmähliche Zerfall des Gymnasiums beteiligt -.^varen, harrt noch der näheren Untersuchung.1 Die Zeiten des Fettmilch-Aufstandes, des 30jährigen Krieges waren natürlich nicht geeignet, das geistige Leben in Frankfurt wieder auf die Höhe zu erheben, die es in der Jugendzeit des städtischen Gymnasiums erreicht hatte, die ja die Zeit der eben erst gewonnenen religiösen und geistigen Freiheit war. Hat es der Stadt auch in der zweiten Hälfte des XVI. und in der ersten des XVII. Jahrhunderts nicht an hervorragenden Gelehrten gefehlt, so kann doch erst für die Jahrzehnte nach dem grossen Kriege von einem bemerkenswerten Aufschwünge des geistigen Lebens ge¬ sprochen werden.

Zu denen, die ihn herbeisehnten, die bestimmte Vorschläge zur Hebung des geistigen Niveaus der Bürgerschaft machten, gehört der Frauensteiner Jakob Bender von Bienenthal (1644— 1694). Nach beendeten Universitätsstudien durchreiste er Holland, Frankreich und Italien; in die Heimat zurückgekehrt befasste er sich zunächst als Privatmann erst 1678 trat er in den Rat ein mit den öffent¬ lichen Angelegenheiten seiner Vaterstadt. Hellen Blickes erkannte der Vielgewanderte die rückständigen Verhältnisse der Stadt und zeichnete um 1670 verschiedene Besserungsvorschläge auf, die er¬ kennen lassen, dass er seine Wanderjahre gut ausgenutzt hatte; er legte dar, wie man sich von der reichsstädtischen Selbstgenügsamkeit frei machen und den Blick nach auswärts richten müsse. Zur Hebung des geistigen Lebens, insbesondere zur Verbesserung der Zustände im Gymnasium und in den beiden städtischen Bibliotheken, der des Rates und der des ehemaligen Barfüsser-Klosters, zur Verbesserung des Gottesdienstes durch würdige Musik machte er verständige Vor¬ schläge. So besprach er kontradiktorisch unter ausführlicher Darlegung der rationes assertionis et dubitandi die Idee, »ob nicht zu mehrerm Aufnehmen dieser Statt ein Hortus Botanicus, so Sommerszeiten auch zur Lust und Zusammenkunft gemeiner Bürgerschaft dienen mögte, anzurichten?« Er wies nachdrücklich darauf hin, welche

1 Über das Gymnasium um 1600 vgl. Liermanns Schrift über Petrejus im Programm des Goethe-Gymnasiums 1901 und Reinhardts Arbeit über Hirtzwig im Programm des Gymnasiums 1891.

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Belebung dieser botanische Garten den Wissenschaften der Medizin und der Natur bringen werde, und widerlegt den Einwurf der Gegner, ein solcher Garten gehöre in eine Universitätsstadt, mit den treffenden Worten, »dass dasjenige, was einem Ort, so auch zugleich eine Universität ist, wohl anstehet, einem andern, so keine hohe Schule hat, noch viel rühmlicher und anständlicher sei«. Benders Anregung ist ein Jahrhundert später in Senckenbergs botanischem Garten und ein weiteres Jahrhundert später in der Gründung des Palmengartens zur Tat geworden.1

Niemals ist im XVII. Jahrhundert, auch nicht gegen den Schluss desselben, als hier Männer von der geistigen Bedeutung Speners und Hiob Ludolfs tätig waren, der Gedanke der Errichtung einer Hoch¬ schule zu öffentlicher Besprechung gekommen. Er lag nahe, als 1659 der Plan des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz bekannt wurde, seine Heidelberger Universität nach Worms zu verlegen: mit Recht hat die kleine, damals arg zurückgekommene Reichsstadt diesem Vorhaben widerstrebt und darin die Zustimmung Frankfurts und anderer Reichsstädte gefunden, denn mit seiner Hochschule wollte der Kurfürst auch seine Residenz nach Worms verlegen; die Stadt schätzte aber ihre Unabhängigkeit höher als alle die Vorteile, die ihr der Kurfürst von der Aufnahme der Universität versprach.2 Der Gedanke lag wieder nahe, als im Sommer 1693 nach der Zerstörung Heidelbergs durch die Franzosen die Universität nach Frankfurt flüchtete und bis 1698 hier eine Zuflucht fand; es waren freilich nur einige wenige Professoren, welche hier die Universität vertraten, aber keine Vorlesungen abhielten, weil keine Studenten sich der Übersiedelung angeschlossen hatten.3 Der traurige Zustand, in dem sich damals die Kurpfälzische Hochschule befand, die allgemeinen Zeitverhältnisse Hessen den Wunsch, die Universität in Frankfurt

1 Merkwürdige Aufsätze und Bemerkungen die Stadt Frankfurt betreffend von Jacob Bender von Bienenthal 1669 (nebst Ergänzungsheft) in der v. Leonhardi- schen Sammlung, Kasten 27. Diese Aufzeichnungen sind nicht vollständig; z. B. auf der fehlenden Seite 388 besprach nach den Stichworten des Registers (Academie, Universität) Bender offenbar die Frage, ob für Frankfurt die Gründung einer Hochschule rätlich sei. Über Benders Vorschläge zur Verbesserung der Bibliothek vgl. Ebrard, Die Stadtbibliothek in Frankfurt a. M. S. 9 ff.

2 Vgl. R. Sillib, Über Verlegungspläne der Universität Heidelberg in den Neuen Heidelberger Jahrbüchern Bd. XIV, 2 ff., nach den Frankfurter Akten Ugb E 66 Ee.

3 Hautz, Geschichte der Universität Heidelberg Bd. II, 288 f. ; Winkelmann, Urkundenbuch der Universität Heidelberg Bd. II, 227 ff.

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zurückzuhalten, wenn er überhaupt ausgesprochen wurde, nicht an die Öffentlichkeit treten.

Wenn für die Blüte wissenschaftlicher Tätigkeit in Frankfurt um die Wende des XVII. und XVIII. Jahrhunderts an Spener und Ludolf erinnert wurde, so sei auch der Wirksamkeit Lersners und Waldschmidts mit einigen Worten gedacht. Lersners Chronik stellte der Bürgerschaft zum ersten Male in einem grösseren Werke die ge¬ samte Geschichte der alten Reichsstadt vor und regte weite Kreise des Gelehrten- und Laienstandes zum Studium der vaterstädtischen Ver¬ gangenheit an; weit nachhaltiger aber für die Belebung geistiger Bestrebungen war das Wirken Waldschmidts, denn er darf der Be¬ gründer der Stadtbibliothek als wissenschaftlicher Anstalt genannt werden, der öffentlichen Bibliothek, die 1668 durch die Vereinigung der Bücherei des Rates und der Bibliothek des ehemaligen Barfüsser- Klosters entstand, 1690 durch den Ankauf der Bibliothek des Patriziers Johann Maximilian zum Jungen einen wissenschaftlich äusserst wert¬ vollen Zuwachs erhielt und 1691 in Waldschmidt ihren ersten Vor¬ steher im Hauptamte bekam; diese städtische Bibliothek barg aber nicht nur eine reiche Büchersammlung in sich, sie stellte sich damals auch die Aufgabe, künstlerisch, geschichtlich und naturwissenschaft¬ lich interessante Gegenstände zu sammeln und sie der Bürger¬ schaft zugänglich zu machen.1 Es sei weiter an die Sammeltätigkeit der Brüder Uffenbach erinnert, von denen der ältere, Zacharias Konrad, eine vielbewunderte Privatbibliothek zusammenbrachte, der jüngere, Johann Friedrich, eine bedeutende Sammlung naturgeschichtlicher und technischer Gegenstände anlegte, die leider seiner Vaterstadt nicht erhalten werden konnte.2

Der polyhistorische Charakter des Zeitalters vom Westfälischen Frieden bis zur Tronbesteigung Friedrichs des Grossen tritt auch in dem geistigen Leben Frankfurts scharf hervor. Wie Spener als

1 Über Waldschmidts Bedeutung für die Stadtbibliothek vgl. Ebrard S. 14 ff., über seine Tätigkeit als Sammler meine Ausführungen in der Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens des Städtischen Historischen Museums in Frankfurt a. M., dargebracht vom Verein für Geschichte utid Altertumskunde (Frankfurt 1903), S. 2 ff.

2 Über die Brüder Uffenbach und ihre geistigen Bestrebungen vgl. meine kurzen Angaben in der Allgemeinen Deutschen Biographie Bd. 39, S. 132 ff; über J. F. v. Uffenbachs wissenschaftlich wertvollen Nachlass , soweit er der Universitäts-Bibliothek in Göttingen zufiel, das Verzeichnis der Handschriften im Preussischen Staate Bd. III (Berlin 1894), S. 278—299, eine Übersicht, welche einen guten Begriff von den umfangreichen Interessen dieses universal gebildeten Mannes giebt, der eine eigene Monographie verdiente.

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Theologe und Heraldiker, Waldschmidt als Naturforscher und Hi¬ storiker, Hiob Ludolf als Orientalist und Annalist der Zeitgeschichte wirkten, so vereinte Johann Friedrich von Uffenbach humanis¬ tische, naturwissenschaftliche und technische Studien in seiner aus¬ gebreiteten Tätigkeit. Sie blieb nicht auf die Studierstube beschränkt; der Geist der Zeit, der nach Zusammenarbeit auf allen Gebieten strebte, der die Koryphäen der Wissenschaften in Akademien vereinigte und in Zeitschriften zu gegenseitiger Aussprache wie in gemeinsamen wissen¬ schaftlichen Unternehmungen zusammenführte, er spricht auch aus seinen, auf den engeren Kreis der wissenschaftlich strebenden Mit¬ bürger beschränkten Bemühungen, diese zu gemeinschaftlicher Arbeit um sich zu vereinigen. Nicht als ob sein Streben gewesen wäre, die einheimischen Gelehrten in einem wissenschaftlichen Verein, in einer Art Frankfurter Akademie zu sammeln oder gar für seine Vaterstadt um eine Hochschule zu werben: sein Ziel war viel bescheidener, es war die Vereinigung einiger Gleichgesinnter zu wissenschaftlichem Geniessen in engem Freundeskreis. Die Gesellschaft, die er im November 1725 gründete, wollte nicht mehr sein als ein »wissen¬ schaftliches Kränzchen«; ihr Denkspruch: quo simplicius, eo perfectius in der Beschränkung zeigt sich erst der Meister beweist, dass der Gründer seinem Verein keine ausgedehnte Wirksamkeit zuweisen wollte. Nicht für die Öffentlichkeit war er bestimmt, nur zu gegen¬ seitiger Belehrung der Teilnehmer, zu der jeder aus seinem wissen¬ schaftlichen Arbeitsgebiet beizusteuern hatte: nicht epochemachende Forschungen, sondern quo simplicius, eo perfectius; wie für die Akademien in einzelnen Ländern, so gelte auch für einen solch engen Kreis die Wahrheit, dass Wissenschaften und Künste nur durch den Gesamtbetrieb zum Heile der Menschheit gefördert wer¬ den können. Die Verhandlungen der Gesellschaft, die sich meist auf die Gebiete der Naturwissenschaften und der Technik beschränkten und bis 1739 andauerten, sind ein schönes Zeugnis für das rege geistige Leben unter ihren Mitgliedern, die durchaus nicht alle den gelehrten Kreisen angehörten ; blieben sie auch ohne Bedeutung für die Öffent¬ lichkeit, so verdienen sie doch in einer Darstellung des Strebens nach den höheren Formen wissenschaftlicher Zusammenarbeit eine rühmende Erwähnung.1

1 Die »Wöchentliche Sammlung der in nützlichen Nebenstunden angestellten Untersuchungen der Natur und Kunst, welche zu einer vernünftigen Gemüths- Ergötzung diejenige Gesellschaft veranlasst, deren Denkspruch ist: Quo simplicius

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Die Wünsche Benders wie die Bestrebungen Uffenbachs sind ein Beweis dafür, dass es schon damals die Naturwissenschaften waren, welche in erster Linie der gebildeten Bürgerschaft der Beförderung wert erschienen, also die Wissenschaften, deren praktische Bedeutung für das Leben auch der gemeine Mann am ehesten begreifen konnte, da ihre Förderung zugleich eine Förderung der Heilkunde war. Wie Bender von Bienenthals Vorschlag der Errichtung eines botanischen Gartens in erster Linie den Nutzen desselben für medizinische Zwecke im Auge hatte, so sollte auch die grossartige und hochherzige Stiftung des Arztes Johann Christian Senckenberg vor allem der Hebung der Heilkunde in seiner Vaterstadt dienen. Die alte Klage, dass in Frank¬ furt die Wissenschaft nicht geachtet werde, hat auch Senckenberg ausgesprochen; er war aber einer der Wenigen, die den Willen zum Helfen fanden, die aus Idealismus und Menschenliebe allen Anfechtungen zum Trotz der Wissenschaft die ihr gebührende Pflege in der Vater¬ stadt verschaffen wollten. Ihm war und blieb der wissenschaftliche Teil seiner Stiftung, wie im Stiftungsbriefe vom 18. August 1763 ausgesprochen, stets die Hauptsache: das medizinische Institut mit Bibliothek, Naturaliensammlungen, botanischem Garten, chemischem Laboratorium und anatomischem Theater eine medizinische Akademie mit allen dazu nötigen Anstalten und Bildungsmitteln zur Weiterbildung der Frankfurter Aerzte, zur Heranziehung eines wissenschaftlich ge¬ bildeten Nachwuchses. Es wird stets ein bedauerliches Zeichen für den Mangel an Zusammenhang, an gemeinsamem Streben im geistigen Leben des damaligen Frankfurt bleiben, dass Senckenbergs Institut, dessen nach Goethes Urteil »keine Akademie sich hätte schämen dürfen«, nicht die vom Stifter erhoffte Teilnahme der Bürgerschaft fand, dass es nach und nach verkümmerte und erst 1817 durch die Gründung der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft mit frischem Leben erfüllt wurde. Mögen die engen Bestimmungen des Stifters einer gedeihlichen Entwicklung hinderlich gewesen sein, möge mangelndes Verständnis derer, denen das Institut in erster Linie zu Gute kommen sollte, oder die begreifliche Vorliebe der Bürgerschaft für das Kranken¬ haus die Hoffnungen Senckenbergs vorerst nicht zur Erfüllung ge¬ bracht haben, so hat die Nachwelt die Schuld der Zeitgenossen wieder gut gemacht: die kommende Ausgestaltung der medizinischen und

eo perfectius« befindet sich aus Uffenbachs Nachlass unter dessen Handschriften in der Göttinger Universitäts-Bibliothek (Nr. 13); vgl. die nähere Inhaltsangabe im Verzeichnis der Handschriften S. 282 284.

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naturwissenschaftlichen Anstalten der Stadt wird nur das ausführen, was einst der Lieblingsgedanke Senckenbergs war: eine medizinisch- naturwissenschaftliche Hochschule für seine Vaterstadt. 1

»In einer Stadt wie Frankfurt, wo drei Religionen die Einwohner in drei ungleiche Massen teilen, wo nur wenige Männer, selbst von den herrschenden, zum Regiment gelangen können, muss es gar manchen Wohlhabenden und Unterrichteten geben, der sich auf sich zurückzieht und durch Studium und Liebhabereien sich eine eigene und abgeschlossene Existenz bildet.« Mit diesen Worten hat Goethe die Zersplitterung des geistigen Lebens in Frankfurt in seiner Jugend¬ zeit trefflich gekennzeichnet und erklärt. In der Tat ist die Zahl der wissenschaftlichen und künstlerischen Eigenbrödler im Frankfurt des XVIII. Jahrhunderts eine ungemein grosse; die Scheu vor der öffentlichen Betätigung, das reichsstädtische Kastenwesen waren der Vereinigung der getrennten Kräfte gerade in den gebildeten und wohlhabenden Kreisen zum gemeinsamen Wirken nicht günstig. So ist es nicht zu verwundern, dass der Wunsch zu geistiger Zusammen¬ arbeit in einer besonderen Vereinigung nicht von den wissenschaftlich tätigen Gelehrten, sondern von den Künstlern ausging.

Wie ein Notschrei über die offizielle Misshandlung der »freien Kunst« klingt das am 2. April 1767 eingereichte Gesuch mehrerer hervorragender einheimischer Maler mit der Bitte um die Befreiung aus Handwerks- und Gewerbebanden die Maler wurden amtlich zu den Handwerkern gerechnet und waren in einer besonderen Innung vereinigt sowie um die Erlaubnis, sich unter obrigkeitlichem Schutz zu einer Maler- Akademie vereinigen zu dürfen; diese Akademie sollte nach dem Vorbilde ähnlicher Anstalten in anderen Städten haupt¬ sächlich dem Unterrichte der nach der Kunst verlangenden Jugend dienen, aber auch in einer Bibliothek, im geselligen Zusammensein den Künstlern Gelegenheit zur Belehrung und Aussprache bieten. Mit dieser Anstalt hoffen sie, den alten Ruhm Frankfurts als Kunststätte zu erhalten und zu mehren ohne öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen, denn die Künstlerschaft will dieses Institut aus eigenen Kräften und aus freiwilligen Zuwendungen der Bürgerschaft erhalten. Voller Sympathie für die Künstler und voller Verständnis für ihr Streben,

1 Vgl. Kriegk, Die Brüder Senckenberg (Frankfurt 1869), S. 242 ff. und Scheidei, Geschichte der Dr. Senckenbergischen Stiftshäuser = Neujahrsblatt des Vereins für Geschichte und Altertumskunde 1867; ferner Frankfurt a. M. in seinen hygienischen Verhältnissen und Einrichtungen (Frankfurt 1881), S. 328 ff. u. 425 ff.

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aus dem jede künstlerische Betätigung hemmenden Zunftzwange ent¬ lassen zu werden, trat Johann Friedrich von Uffenbach, den sich die Künstler als Praeses ihrer Akademie erbeten hatten, für deren Wünsche ein; mit scharfen Worten tadelte erden engherzigen kleinstädtischen Gedanken des Zunftzwanges, von dem die ganze Bürgerschaft aus Angst vor der Übersetzung der einzelnen Gewerbe und der in ihrem Gefolge drohenden starken Inanspruchnahme der milden Stiftungen ergriffen war, und wies die Lächerlichkeit eines Zunftzwanges für Künstler beredt nach; das Streben dieser Maler nach Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses in der Kunst des Zeichnens, bekanntlich der Seele der ganzen Bildkunst, sei ein löbliches Vorhaben und werde der ehedem in der Pflege der Kunst berühmten Stadt zur wahren Ehre gereichen. Stand auch der Rat dem Unternehmen, das der Stadt eine ähnliche Kunstakademie verschaffen wollte, wie solche bereits in Mainz, Augsburg und Nürnberg blühten, nicht abgeneigt gegenüber und genehmigte er auch die Befreiung der Künstler aus dem Zunft¬ zwange, so wurde doch das für die wenig bedeutende Künstler¬ gesellschaft der Stadt viel zu hoch gesteckte Ziel nicht erreicht; die Maler-Akademie kam nicht zu Stande, der Kunstschule war nur ein kurzes Dasein beschieden; der ganze Erfolg dieser hochgespannten Bestrebungen der Künstlerschaft bestand in der 1779 erfolgten Gründung des Zeichnungs-Institutes, das stets ein privates Unternehmen blieb und niemals den höheren Flug zur Weiterbildung als Kunstschule wagte.1

Dem stolzen Anfänge dieser »öffentlichen Zeichen-, Maler- und Kupferstecher-Akademie« hat der Fortgang wenig entsprochen, sei es, dass der Begründer, der Maler und Kupferstecher Cöntgen, das Institut zu seinen persönlichen Zwecken ausbeutete, sei es, dass die Bürger, die er dafür zu interessieren wusste, in spiessbürgerlicher Eng¬ herzigkeit die Anstalt nicht auf höhere Ziele zu richten verstanden. Den Kreisen der ersten »Bearbeiter«, d. h. der beitragenden Freunde und Gönner des Instituts, hatten wohl solche höhere Zwecke vorgeschwebt; sie wandten sich am 25. Juni 1781 mit dem Wunsche an den Rat, »dass

1 Über diese Künstlerakademie von 1767 und den Plan zu einer grösseren Akademie von 1781 vgl. die gründlichen Ausführungen Valentins in seiner Arbeit über Frankfurter Akademiebestrebungen im XVIII. Jahrhundert im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Dritte Folge, Bd. II, 290—312. Ich hebe aus den Akten Ugb C 31 Nr. 2, auf denen sich Valentins Studie aufbaut, nur die allgemeinen Momente hervor, die für diese Bestrebungen von Interesse sind, und verweise für die Einzelheiten auf Valentins Ausführungen.

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diese Akademie ausser den bisher bearbeiteten Fächern noch auf andere Zweige nützlicher Künste und Wissenschaften mögte erweitert werden;« sie legten zugleich den »Plan einer in der Kayserlichen und Freyen Reichs-Stadt Franckfurt zu errichtenden Akademie der freyen, schönen, bildenden Künste und nützlichen Wissen¬ schaften« vor und baten um die obrigkeitliche Genehmigung.

Wer waren diese Männer, in deren Kreisen sich der Wunsch nach einer so eigenartigen, so umfassenden Anstalt erhoben hatte? Das Begleitschreiben ist unterzeichnet: »sämtliche Bearbeiter des Instituts, in deren Namen Joh. Georg Heuser.« Ein Verzeichnis der »Bearbeiter« ist aus diesen ersten Jahren des Instituts nicht vorhanden; erst aus den Jahren 1799 und 1800 liegen Listen vor. Heuser, der aus Oesinghausen bei Gummerbach stammte und in Köln die Handlung erlernt hatte, war 1773 in Frankfurt Bürger geworden und hatte hier die Tochter des Kaufmanns Johann Nicolaus Caspari geheiratet; er war Teilhaber der Firma Wittwe Caspari und Heuser, später Joh. Georg Heuser jun., auf dem Markt in Kattun, Zitz und Leinwand, die heute noch unter dem Namen Joh. Georg Heuser jun. sei. Wittib Nachfolger blüht. Die Listen der Beitragenden von 1799 und 1800 lassen den Rückschluss zu, dass auch die Freunde von 1781 in den gleichen Kreisen zu suchen sind, in den Familien des besseren Kaufmannsstandes, welche zu den beiden reformierten Gemeinden, den bürgerlichen Vertretungen der 51er und 9 er und der Freimaurerei ein auffallend zahlreiches Kontingent stellten. Diese Männer von gleicher kirchlicher, politischer und allgemein-weltlicher Anschauung, aus den gleichen geschäftlichen Kreisen, waren es, in deren Aufträge Heuser den Behörden das von freimaurerischen Gedanken der Aufklärung, der Verbreiterung und der Vertiefung der Bildung, der Erziehung und des Zusammenschlusses zu gemeinnützigem Wirken durchwehte Pro¬ gramm unterbreitete; die einleitenden Worte: »Unter allen Einrich¬ tungen, welche sich der Mensch in dieser Welt geben kann, ist gewiss keine so sehr seiner Bestimmung angemessen, keine so edel, so wichtig als das Bestreben, Weisheit und Tugend unter seine Brüder zu ver¬ breiten,« sie lassen ebenso wie andere Anklänge in Gedanken und Worten des Schriftstückes deutlich den freimaurerischen Ursprung erkennen. In schwungvollen Worten weist es auf die Erhebung des geistigen Lebens in ganz Deutschland hin und ruft Frankfurter Bürger auf, sich von den Reichsstädten Hamburg, Augsburg, Nürn¬ berg, Bremen, von den Fürstenstädten Mannheim, Dresden, Cassel, Hanau, Weimar nicht übertreffen zu lassen: »eine Anstalt, welche

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höhere Bildung in den Künsten und Wissenschaften zum Zwecke hätte, eine Pflegschule für die künftigen Bürger, die demjenigen nützlich wäre, der nach geendigten Schuljahren sich dem Commerz, den Gewerben und Fabriken widmen oder auch als künftiger Gelehrter sich zur Academie noch reifer, als die Schule es leisten kann, vorbereiten will, eine solche Anstalt fehlt uns noch.« Ziel dieser hohen Schule ist die höhere Ausbildung für das praktische Leben, vor allem für Kaufleute, Fabrikanten, Kunsthandwerker. Im Vordergründe des Unterrichts stehen die Handelswissenschaften in allen ihren theoretischen und praktischen Zweigen, die Technologie, die Kameralwissenschaften, die Naturwissenschaften, soweit sie zur gründlichen Kenntnis der Naturprodukte führen, das Zeichnen; »auch an Unterricht in den lebenden Sprachen, der französischen, englischen und italienischen, wird es so wenig als an Gelegenheit zur Übung im Reiten, Fechten und Tanzen mangeln.« Fremde wie Einheimische, Evangelische wie Katholiken aber keine Juden dürfen teilnehmen, die Jugend zur Vorbereitung auf den Beruf, der »begüterte« Bürger »seine leeren Stunden aufzufüllen.« Diese hohe Schule für das prak¬ tische Leben will sich nicht in den Bereich der alten Universitäten eindrängen; sie betrachtet sich für diejenigen ihrer Schüler, welche sich später dem Universitätsstudium widmen wollen, lediglich als Vorberei¬ tungsanstalt, in aller Bescheidenheit, aber auch in dem Bewusstsein, dass man sich »in unseren Tagen von dem Vorurteile weit entfernt hat, als seien die Wissenschaften ein Monopol für die Gelehrten vom Handwerke. Man verlanget, dass der Kaufmann, der Buchhändler, der Fabrikant, dass jeder angesehene Bürger und Privatmann in den Wissenschaften kein Fremdling sei, dass er seinen Kopf durch sie aufgehellet und sich zum angenehmeren und lehrreicheren Gesellschafter gebildet habe.«

Dieses die Erfordernisse des praktischen Lebens, insbesondere für den Kaufmann und Gewerbetreibenden so scharf betonende Pro¬ gramm ist von Männern des praktischen Lebens entworfen ; Gelehrte hätten anders gesprochen, sie hätten die nutzbringende Wissenschaft nicht so stark in den Vordergrund gestellt, sie hätten nicht so ge¬ ringschätzig und überlegen von dem wissenschaftlichen Betrieb auf den Hochschulen, sie hätten humanistischer geredet. Die Gesuch¬ steller sind weit davon entfernt, ihre Vaterstadt mit einer neuen Universität beglücken zu wollen; im Gegensätze zu diesen wünschen sie eine Anstalt, deren Zweck lediglich der Betrieb der Wissenschaften und Künste ist, die dem praktischen Leben dienen. Dieser utili-

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taristische Zug tritt in keinem der früheren Projekte einer höheren Bildungsanstalt, bei Bender von Bienenthal, bei Senckenberg, so stark hervor wie in dem Akademieplan der Kaufmannschaft. Trotz seiner realistischen Einseitigkeit, trotz der nicht zu verkennenden Unter¬ schätzung der nur zu ideellen Zwecken betriebenen Wissenschaft und trotz der durchaus dem Geiste der Zeit entsprechenden Beschränkung auf Christen und »Begüterte« wird dieses Progamm stets ein ehren¬ volles Zeugnis des höheren Strebens bleiben, von dem damals die besseren kaufmännischen Kreise erfüllt waren.

Die Väter der Stadt, von denen lediglich die Genehmigung zur Gründung einer solchen Akademie, nicht etwa ein Beitrag aus dem Aerar erbeteff wurde, lehnten das Gesuch »aus erheblichen Ursachen« ab. Welcher Art waren sie? Die übliche Furcht, dass die Stadt doch schliesslich in die Tasche greifen müsse, wenn auch die Anstalt zunächst nur auf freiwillige Beiträge gegründet werden sollte, mag dabei die geringere Rolle gespielt haben; aus dem Wortlaut des Beschlusses, der von dem »sehr erweiterten Plan einer errichten wollenden weitläufigen Academie« spricht, ist eher zu entnehmen, dass der Rat, dem das Siechtum der Künstlerakademie noch in frischem Gedächtnis haftete, in dem auch Grosskaufleute sassen, welche die alte Abneigung gegen die Theorie nicht überwinden konnten und alles Heil lediglich von der Praxis erwarteten, an der Durchführbarkeit zweifelte. Die »erheblichste Ursache« war aber wohl die Verständnislosigkeit oder gar die Abneigung der im Rate herrschenden Patrizier, Juristen und Grosskauf leute gegenüber dem Streben der besseren Bürgerschaft nach erweiterter Bildung, das leicht zum Streben nach erweiterten politischen Rechten führen konnte; der fortwährende Kampf der beiden bürgerlichen Vertretungen, deren Kreisen die Urheber des Planes offenbar nahe standen, mit den herrschenden Ratsfamilien musste zur Vorsicht mahnen.

Verbindung von Wissenschaft und Praxis, Anwendung von Wissenschaft in der Praxis war der Grundgedanke des Akademie¬ projektes von 1781; erst 120 Jahre später ist er in Frankfurt ins Leben getreten durch die Gründung der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, deren Ziel und Lehrplan merkwürdig mit dem übereinstimmt, was die Akademisten von 1781 erstrebt hatten.

Die Ablehnung dieses Akademie-Projektes durch den Rat der Stadt konnte den Wunsch vieler Kaufleute nach einer höheren all¬ gemeinen wie fachlichen Bildung für die Jünger Merkurs nicht zum Schweigen bringen. Schon 1774 hatte der Handelsmann Samuel

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Jakob Schroeckh, der Leiter des 1771 gegründeten Handlungs-Avis- Comptoirs, der Verfasser und Herausgeber zahlreicher auf das Handels¬ wesen bezüglicher Schriften, hier in Frankfurt eine Lehranstalt für junge Kaufleute christlichen Glaubens errichten wollen, worin sie »in allen Handlungs -Wissenschaften und dazu gehörigen Erkenntnissen und Sprachen von den geschicktesten Lehr-Meistern« unterrichtet werden sollten. Der Rat begegnete diesem Vorhaben mit einem scharfen Verbot, wohl nicht, weil er ein solches Institut überhaupt nicht wünschte, sondern weil Schroeckh, ohne den Rat zu fragen, sich ein kaiserliches Privileg für seine Anstalt verschafft hatte und ihr den hochtönenden Namen »Kaiserlich Josephinische Handlungs-Academie« beilegen wollte.1 Dieses private Vorhaben eines einzelnen Kaufmanns, der es natürlich als Geschäft betreiben wollte, und die späteren Ver¬ suche seiner Nachfolger, Lehranstalten für junge Kaufleute zu be¬ gründen, zeugen von einem gewissen Bildungsbedürfnis des Handels¬ standes; sie gehören in die Geschichte des kaufmännischen Bildungs¬ wesens und sollen hier nicht weiter verfolgt werden.

Bis zum Untergange der reichsstädtischen Unabhängigkeit im Jahre 1806 ist niemals wieder der Wunsch aus der Bürgerschaft laut geworden, eine Anstalt zur Pflege der höheren Interessen zu errichten; der Rat kam nicht mehr in die Lage, einer solchen Gründung »aus erheblichen Ursachen« die Genehmigung zu versagen. Wohl ist noch einmal ein solcher Gedanke aufgetaucht, aber nicht in Frankfurt selbst, sondern von Seiten eines Fremden; sein Projekt muss schon darum erwähnt werden, weil er Friedrich Schiller für seine Frankfurter Anstalt gewinnen wollte. Als der Dichter sein zweites Semester als Professor der Geschichte in Jena begann, erhielt er am 22. Oktober 1789 den Besuch eines auswärtigen Professors der Mathematik, der in Frankfurt a. M. ein »Lyceum oder Musäum« nach Art einer Pariser Anstalt mit gleicher Benennung errichten wollte; an diesem Lyceum sollten Vorlesungen »über wissenschaftliche Dinge und schöne Kunst gehalten werden ; ein Professor sollte die Naturwissenschaften, der zweite Mathematik und Physik, der dritte die philosophischen und schönen Wissenschaften« dozieren und dieser dritte sollte niemand anders als Schiller sein. Der Unternehmer rechnete in erster Linie auf die Damen als Hörerinnen und hoffte, dass diese den Besuch seines Lyceums zur Modesache machen würden. Schiller hat den Vorschlag nicht ernst genommen; er hatte kein Vertrauen zu dem

1 Ugb A 25 Nr. 56,

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Werber und bezeichnenderweise auch »keinen Glauben an Franckfurth« als den geeigneten Ort für eine solche wissenschaftliche Anstalt;1 die Mainstadt war ihm von seinen früheren Besuchen lediglich als eine Stadt des grossen Handels und Verkehrs in Erinnerung. Mag nun Schiller jenen Vorschlag mehr als Scherz, denn als Ernst betrachtet haben, uns ist er ein weiteres Glied in der Kette der Bestrebungen jener Zeit, welche unsere als Ort des Geldes und Gelderwerbes ver¬ rufene Stadt als eine für höhere Bildungsanstalten nicht ungeeigneten Platz ansahen. Schiller dachte leider nicht so hoch von Frankfurt!

Die Kriegszeiten um die Wende des XVIII. und XIX. Jahrhunderts waren eigentlich solchen Bestrebungen nicht so ungünstig, wie man meinen sollte; denn gerade in diesen Jahren des politischen Nieder¬ gangs zeigt sich ein lebhafter Aufschwung des geistigen Lebens inner¬ halb der Bürgerschaft, die jetzt viel mehr denn früher in der reichs¬ städtischen Abgeschlossenheit mit der grossen Welt in fortwährende Wechselbeziehungen trat. Die Zeit der Aufklärung, die Blüte der nationalen Litteratur und nicht zuletzt die Ideen der französischen Revolution kommen endlich in weiteren Kreisen zu Geltung und Wirkung. Ein freierer Geist zieht in Kirche und Schule ein; unter der Führung aufgeklärter Männer wie Hufnagel und Friedrich Max von Günderrode wird der Grundstein einer städtischen Schulverwaltung gelegt, die dem Drange derZeit nach Verallgemeinerung der Bildung, nach Befreiung von konfessionellen Schranken, nach der richtigen Vorbildung für das praktische Leben verständnisvoll entgegenkommt. Dem Stadtsäckel freilich durften damals keine grossen Zumutungen gestellt werden; er war durch die langen Kriegsjahre erschöpft und nur durch Zuwendung freiwilliger Beiträge gelang es 1803, die erste öffentliche Schule für die Kinder des besseren Bürgerstandes, die Musterschule, mit realem Lehrplan zu gründen.

II.

Es kam die Zeit, da die Stadt ihre Jahrhunderte alte, mit so grossem Stolz und Selbstbewusstsein gewahrte Unabhängigkeit auf¬ geben und sich als Glied in das unnatürliche Gefüge eines Rhein¬ bundstaates einordnen musste. Man mag über die fürstliche Herrschaft

1 Der Brief Schillers an die Schwestern von Lengefeld vom 23. Oktober 1789 ist die einzige Quelle für den Plan; zur amtlichen Behandlung in Frankfurt ist er nicht gediehen.

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der Jahre 1806 1813 noch so abfällig urteilen: man wird ihr zu¬ gestehen müssen, dass sie für die Pflege des geistigen Lebens ein ganz anderes Verständnis hatte als der reichsstädtische Rat oder gar die Vertretung der Bürgerschaft, dass sie in dieser Pflege eine staatliche und kommunale Aufgabe gesehen hat, für die ebenso wie für die anderen auch die öffentlichen Mittel in Anspruch zu nehmen seien. In allen seinen früheren Stellungen hatte sich Karl von Dalberg als warmherziger Förderer von Kunst und Wissenschaft gezeigt, hatte er allen Bildungsbestrebungen ein verständnisvolles und freigebiges Entgegenkommen bewiesen. Die Erwartungen, welche die Frank¬ furter in dieser Beziehung auf ihn setzten, hat er nicht getäuscht. Der Fürst hatte kaum die Regierung der Stadt angetreten, als ihm der junge Jurist Johann Friedrich von Meyer in der folgenden kurzen Denkschrift einige Vorschläge zur Hebung des geistigen Lebens in seiner Vaterstadt unterbreitete:1

»Unterthänigstes Pro memoria.

Seine Hoheit möchte die Gnade haben mich zum Com- missarius zu ernennen, um zu untersuchen und zu berichten, was sich in hiesiger Stadt ausser den bereits bestehenden und dem Vernehmen nach dem Consistorio neuerdings unter¬ gebenen Schulanstalten für Künste und Wissenschaften thun lässt, indem schon mehrere dahin abzweckende Institute vor¬ handen sind, welche ohne grosse Kosten sich verbessern und nutzbar machen lassen, andere gleichfalls leichtlich neu ein¬ gerichtet werden können, wovon ich demnächst die Leitung selbst zu besorgen hätte.

Dahin gehört insonderheit:

1. Die öffentliche Bibliothek, welche ein besseres Local und bessere Ordnung nöthig hat, womit auch die Dombibliothek vereinigt werden könnte, und wozu große Beyträge von hiesigen Personen zu erwarten sind.

2. Wiederbelebung des Buchhandels der ehemaligen Buch¬ händlermesse.

1 Meyers Promemoria habe ich bereits in meiner Arbeit über die städtischen Sammlungen in reichs- und freistädtischer Zeit 1691 1866 (Festschrift zur Feier etc. des Städtischen Historischen Museums in Frankfurt a. M., dargebracht vom Verein für Geschichte und Altertumskunde 1903) S. ti ff. abgedruckt und zum Teil auch besprochen. Des Zusammenhanges wegen kann ich nicht umhin, hier einige der dortigen Ausführungen z. T. wörtlich zu wiederholen oder näher zu erläutern.

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3- Museum oder Naturalien- und Kunstcabinet, wozu bei¬ der Bibliothek selbst ein kleiner Anfang vorhanden ist, und welches von Privatpersonen bereichert werden würde, wenn gehörige Einrichtung und Aufsicht vorhanden wäre.

4. Die vorhandene Zeichnungsacademie.

5. Beförderung des Flors der bildenden Künste überhaupt.

6. Die botanische und anatomische Anstalt in der Sencken- bergischen Stiftung.

7. Eine seiner Zeit zu errichtende Sternwarte etwa auf dem bequem gelegenen Eschenheimer Thurm.

8. Beförderung und Aufsicht öffentlicher Vorlesungen in verschiedenen Fächern, welche theils von durchreisenden Ge¬ lehrten, theils von hier ansässigen gehalten werden könnten und wirklich gehalten werden, zur etwanigen Grundlage einer künftigen hohen Schule oder Academie.

9. Beförderung nützlicher und schöner Erfindungen in mechanischen Künsten u. s. w.

J. F. von M e y e r.«

Der sich hier mit so starkem Selbstgefühl als Wiederbeleber des geistigen Lebens anbot, hatte kein Amt, aber eine Meinung. Der 35jährige war der Besten einer unter dem jungen Frankfurt.1 Ihm hatte das Studium der Juristerei, dem er sich auf den Wunsch des Vaters gewidmet hatte, nicht genügt, der Philologe Heyne in Göttingen hatte ihn zum ausgezeichneten Kenner des klassischen Altertums herangebildet, er hatte Archäologie und Kunstgeschichte, Philosophie und Naturwissenschaften studiert, bevor er sich dem juristischen Berufe zuwendete. 1803 hatte er die Leitung der Bühne seiner Vaterstadt übernommen, voll hohen Strebens, der dramatischen Kunst eine würdige Heimstätte in seiner Vaterstadt zu bereiten ; er hat bald erfahren müssen, wie wenig die Wirklichkeit des Bühnen¬ lebens seinen hohen Idealen entsprach.

Dieser Idealismus spricht auch aus seinen Vorschlägen; er führt sich aber mit einem durchaus fruchtbaren Gedanken ein : Kunst und Wissenschaft sind in erster Linie durch die Verbesserung der be¬ stehenden, in zweiter durch die Schaffung neuer Institute zu fördern; der weitere Gedanke der Konzentrierung und Vertiefung des geistigen

1 Vgl. über ihn den trefflichen Artikel von G. E. Steitz in Herzogs Rcal- Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Band IX, S. 507 ff.

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Lebens durch die alten und neuen Anstalten unter einheitlicher Leitung klingt durch. Es war das erste Mal, dass der Leitung der Stadt solche Vorschläge gemacht wurden, welche die Aufwendung öffentlicher Mittel für die Pflege von Kunst und Wissenschaft forderten, dann aber auch die Steuerung privater Beiträge in sichere Aussicht stellten.

Für einige der Vorschläge waren die vorausgegangenen politischen Umwälzungen geradezu die Voraussetzung ihrer Durchführbarkeit, so für die Vereinigung der vor wenigen Jahren säkularisierten Bibliotheken der Stifter und Klöster und für die Wiederbelebung des Buchhandels, dessen Niedergang die vom Kaiser eingesetzte Bücher-Kommission verschuldet hatte; für alle aber wurde aus¬ drücklich oder stillschweigend der Bruch mit dem reichsstädtischen Grundsätze gefordert, dass alle diese schönen Dinge aerario nichts kosten dürfen.

Meyer gedenkt in erster Linie der städtischen Bibliothek, der Anstalt, die dem wissenschaftlich arbeitenden Bürger das Rüstzeug liefern sollte; sie befand sich gerade damals nach Räumlichkeit, Ordnung und Benutzungsmöglichkeit in recht trauriger Verfassung, die um so mehr nach Besserung verlangte, weil gerade jetzt die Gelegenheit gegeben war, die Bestände der Anstalt durch die geist¬ lichen Büchereien beträchtlich zu erweitern.1 Die Wiederbelebung des Buchhandels und der Büchermesse war ein alter Wunsch der Frankfurter Patrioten, die aus dem Mittelpunkt des Handels und Verkehrs auch ein litterarisches, geistig produzierendes Centrum machen und die Leipziger Konkurrenz mit Ehren bestehen wollten. Nun folgt der Vorschlag, aus den in der Stadtbibliothek vorhandenen kleinen Gegenständen der Kunst und Natur ein besonderes »Museum oder Naturalien- und Kunst-Cabinet« zu bilden; es ist unseres Wissens das erste Mal, dass hier Bedürfnis und Möglichkeit der Errichtung eines städtischen Museums erörtert werden, dessen Weiterentwickelung wesentlich von privaten Zuwendungen erhofft wird.2 Auch in der Verbesserung der Cöntgenschen Zeichnungs- Akademie, die lediglich von privater Unterstützung lebte, sieht Meyer ein Mittel, für die Pflege der Kunst zu wirken; war sie doch die einzige Anstalt, in

1 Über den damaligen Zustand der Stadtbibliothek vgl. Ebrard, Die Stadt¬ bibliothek in Frankfurt a. M., S. 3 1 f.

2 Vgl. hierzu meine oben angeführte Arbeit über die städtischen Samm¬ lungen S. 12.

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welcher die Heranwachsende Jugend in die Kunst und das Kunst¬ handwerk eingeführt wurde. Aber die Kunst nicht nur der Jugend und nicht nur im Unterricht; die bildenden Künste überhaupt sollten gefördert werden: Meyer denkt hierbei wohl an die Vergebung staatlicher Aufträge. Weitere Vorschläge denken an die Ausbildung und Nutzbarmachung der wissenschaftlichen Anstalten Senckenbergs, des botanischen Gartens und des anatomischen Theaters, die bei dem drückenden Geldmangel der Stiftung zu verkümmern drohten. Diese naturwissenschaftlichen Institute sollen um ein weiteres in der Nachbarschaft, durch eine Sternwarte auf dem Eschenheimer Turm vermehrt werden. In dem nun folgenden 8. Vorschläge der Ein¬ richtung öffentlicher Vorlesungen enthüllt Meyer sein letztes Ziel: die Frankfurter Hochschule, die er allerdings noch in recht weiter Ferne sieht, aber in absehbarer Zeit für erreichbar hält; einstweilen sollen Vorlesungen auswärtiger und heimischer Kräfte der Verbreitung und Vertiefung des wissenschaftlichen Interesses in der Bürgerschaft dienen und diese über den Stand der Wissenschaften auf dem Laufenden halten. Auch in der direkten Forderung der Errichtung einer »hohen Schule oder Academie« ist Meyer der erste, der sie kurz und bündig aufgestellt hat. Er schliesst das kurze, skizzenhafte Programm mit der Forderung, auch die praktischen Künste, die Technik nicht zu vergessen.

»Der Verfasser scheint mir ein Mann von Einsichten und guten Gesinnungen zu sein«, so urteilte Dalberg in dem Inskript, welches Meyers Promemoria der Ober-Curatel der Lehranstalten zum Gut¬ achten überwies. Sie goss Wasser in Meyers Wein; die Mitglieder der »Fürstlich Primatischen Ober-Curatel des Erziehungs- und Studienwesens«, der mit den Frankfurter Verhältnissen auf das ge¬ naueste bekannte Geheimrat Friedrich Max von Günderrode und der ehemalige Professor der Mainzer Universität Geheimrat Nicolaus Vogt, erklärten sich gegen Meyers Vorschläge. In ihrem schon am 6. Dezember an den Fürsten erstatteten Bericht bestreiten die beiden Herren zunächst die Notwendigkeit der Ernennung eines besonderen Kommissars: da die Ober-Curatel nach ihrer Dienstanweisung die Verpflichtung hätte, »von allen Lehranstalten, öffentlichen Bibliotheken und Kunstwerken ohne Ausnahme die Einsicht zu nehmen und un¬ mittelbar darüber an uns (den Fürsten) zu berichten, was ihnen nützlich und rathsam scheint«, so sei die »nebenher anzustellende Kunst- Commission« überflüssig und der Ober-Curatel eingreifend. Auch den sachlichen Vorschlägen Meyers stehen die Herren skeptisch

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gegenüber: das städtische Aerar kann weder direkt noch indirekt Mittel abgeben, der Bürgerschaft dürfen bei den geldknappen Zeiten keine Privatbeiträge angesonnen werden, w7enn man auch für eine bessere Zukunft wieder auf »die bekannte Freigebigkeit des hiesigen Publicums« bauen dürfe; die Vorschläge bedürften im einzelnen einer gründlichen Erwägung auf ihre Durchführbarkeit in Bezug auf Zeit, Räumlichkeiten und äussere Verhältnisse. Der Bericht der Curatoren machte den Eindruck, dass sie, denen offiziell der Fürst die Pflege von Kunst und Wissenschaft in seiner Landeshauptstadt anvertraut hatte, durch die Einmischung eines Privatmannes peinlich berührt wurden und hauptsächlich aus diesem Grunde zur Ablehnung seiner Vorschläge rieten. In einer besonderen Aufzeichnung be¬ zweifelt Günderrode die Möglichkeit, Kunst und Wissenschaft in diesen harten Kriegszeiten zu fördern, zumal hier in Frankfurt, »wo bisher der Kunstsinn so wenig und das nur vereinzelt sich tätig erwies, wo das, was von Kunstvorrat zum öffentlichen Gebrauch zusammengebracht werden könnte, an Zahl und Gehalt gleich un¬ bedeutend sein würde«.

Immerhin muss anerkannt werden, dass beide Herren die Ver¬ wendung öffentlicher Mittel für die Förderung geistiger Bestrebungen nicht grundsätzlich ablehnten. Ob und welcher Bescheid dem Antrag¬ steller von Seiten des Fürsten zu Teil wurde, ist aus den Akten nicht zu entnehmen; zweifellos sind seine Vorschläge dem Fürsten im Gedächtnis geblieben. Man ist versucht, sie mit der Gründung des »Museums« im Jahre 1808 in Zusammenhang zu bringen; lag doch der Schwerpunkt der Tätigkeit dieses vom Fürsten und Nicolaus Vogt gegründeten Pivatvereins, der alles zusammenfassen sollte, was geistig arbeiten und geniessen wollte, gerade in der »Beförderung und Auf¬ sicht öffentlicher Vorlesungen in verschiedenen Fächern,« die Meyer als »Grundlage einer künftigen hohen Schule oder Academie« ge¬ wünscht hätte. 1

Mit der Gründung des Museums hat Dalberg zweifellos weitere Kreise der wohlhabenden und gebildeten Bürgerschaft für künstlerische und wissenschaftliche Bestrebung und Betätigung gewonnen; er hat diese Kreise, die bisher ihre geistigen Genüsse getrennt gesucht hatten, zu gemeinschaftlichem Geniessen zu vereinigen gesucht. Der

1 Ueber das Verhältnis Dalbergs zu dem geistigen Leben in Frankfurt vgl. den vortrefflichen, vielfach mehr andeutenden als ausführenden Abschnitt in Darmstaedters Grossherzogtum Frankfurt S. 3 5 5 ff.

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Entwicklung zu einer Hochschule war dieser private Verein nach seiner Organisation und Zusammensetzung selbstverständlich nicht fähig; dieses Ziel suchte der Fürst auf einem ganz anderen Wege zu er¬ reichen, und es wäre wohl auch erreicht worden, wenn die politischen Ereignisse seiner Herrschaft nicht ein baldiges Ende bereitet hätten.

Nicht weniger als drei höhere Lehranstalten hat die rührige Regierung des bildungsbegeisterten Landesherrn in wenigen Jahren geschahen: das Lyceum, die Architektonische Schule, die Medizinisch¬ chirurgische Spezialschule.

Dass die Bürgerschaft solche höhere Lehranstalten gewünscht hätte, ist nicht bekannt; ihr Verlangen, soweit es an die Öffentlichkeit trat, ging auf höheren Unterricht für das praktische Leben, nicht für die Wissenschaften. Im Jahre 1808, das ja auch durch die Schaffung der Handelskammer von besonderer Bedeutung für die Frankfurter Kaufmannschaft geworden ist, hat eine Stimme aus deren Kreisen einige Wünsche ausgesprochen, die charakteristisch für die Bestrebungen des Handelsstandes nach besserer Ausbildung seiner Jünger sind; sie forderte einen Lehrstuhl für Handlungswissenschaften am Gym¬ nasium (!), eine »Technologische Lehranstalt« für die Handwerker, nach dem Muster der Lehranstalt der Patriotischen Gesellschaft in Hamburg, die Förderung der Zeichenschule zur Heranbildung von Zeichnern und Kupferstechern für Buchschmuck, um den Frankfurter Verlag zu Leistungen zu befähigen, wie sie das Bertuch’sche Landes¬ industrie-Comptoir in Weimar erreicht hatte.1

Von diesen Wünschen hat Dalbergs Regierung eigentlich nur die »Technologische Lehranstalt« in der Architektur-Schule einiger- massen erfüllt. Was sie der Stadt in den beiden anderen höheren Bildungsanstalten gab, ist nicht von der Bürgerschaft verlangt worden, entsprach vielmehr der Initiative der Regierung und war mehr zum Besten des gesamten Landes gedacht als zur Förderung seiner Hauptstadt.

Die älteste dieser höheren Schulen war die noch zu Zeiten des Primatialstaates errichtete Architektonische oder Architektur- Schule; die Dienstanweisung ihres Leiters, des Archikten Philipp Jakob Floffmann, ist vom 7. September 1808 datiert. Diese der Ober- Schulkuratel (V. Giinderrode und Vogt) unterstellte Anstalt war »zur Bildung praktischer Künstler und Handwerker« bestimmt. Der Unter-

1 Vgl. die sehr beachtenswerte Übersicht über Lage und Bedürfnisse des Frankfurter Handels im Jahre 1808 von Cleminius im «Allgemeinen, besonders Frankfurter Handlungsbriefsteller« etc., in der Jaegerschen Buchhandlung erschienen.

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rieht in Arithmethik, Geometrie, Mechanik leitete das Studium ein; dann folgten praktische Übungen im Zeichnen von Bauplänen und Zimmermannsrissen, in der Konstruktion von Hang- und Spreng- werken, in Entwürfen von Möbeln, Zimmerverzierungen und Garten¬ anlagen; diesen praktischen Unterricht begleiteten Anweisungen im Steinschnitt (coup de pierre), in der Perspektive, in der Nivellierung für Land- und Wasserbau. In diesen Hauptfächern unterrichtete der Direktor; als Nebenfächer galten Chemie und Naturlehre, sowie Geographie und Mythologie (!), in welchen Disziplinen Dr. Molitor unterrichtete. Die Schule zählte in ihrer Blütezeit 60 Schüler; als die Regierung des Grossherzogtums die Mittel zum weiteren Ausbau nicht gewährte, und der Schule die ihr zugewiesenen Räume im katholischen Gymnasium, dem ehemaligen Dominikaner-Kloster, ent¬ zog, beschränkte sich der Leiter auf den Unterricht von nur 12 Schülern in seinem eigenen Hause. Die Konskription und die Werbung von Freiwilligen im Frühjahr 1814 entzogen dieser kleinen Schar wieder einige Schüler und so ist die Anstalt, ohne besonders aufgelöst zu werden, von selbst eingegangen. Es ist im höchsten Grade bedauerlich, dass der freistädtische Senat es nicht verstanden hat, aus diesem Kern eine grössere Baugewerkschule zu entwickeln.1 Dalberg, dessen Schul¬ gesetz vom 1. Februar 1812 jedem der Departementshauptorte eine solche Schule schenken wollte, hat die Realien in ihrem Werte für das praktische Leben ganz anders zu schätzen gewusst als die Frank¬ furter Regierung vor und nach ihm.

Die höchste Lehranstalt des Grossherzogtums sollte nach dem Schulgesetz die Landesuniversi.tät bilden. Wohl bestand schon in Aschaffenburg eine Hochschule, die als die Fortsetzung der ehemaligen Mainzer Universität galt, aber ein in jeder Beziehung kümmerliches Dasein führte. Die Absicht des Landesherrn ging dahin, diese Hoch¬ schule zur Landesuniversität auszubauen, sie durch »mehrere nach Orten gesonderte Spezialschulen« zu vervollständigen; der Grund für diese lokale Trennung der Fakultäten war die Möglichkeit die Spezialschulen für die Rechtsgelehrsamkeit und die Heilkunde der Aschaffenburger Hochschule fehlte die medizinische Fakultät gänzlich

1 Über diese Architektonische Schule ist nur weniges bekannt ; den Lehrplan und die Lehrer gibt kurz der Staatskalender der Jahre 1810—1813 an. Ein kurzer Bericht Hoffmanns und seine Dienstanweisung in den Akten des Senats G 32, Nr. 2, Anlageband zu Tom. I und II. Das Verhältnis zum privaten Zeichnungs-Institut ist unklar; Hoffmann hatte bis 1809 den Unterricht im architektonischen Zeichnen an diesem Unternehmen.

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mit schon bestehenden Anstalten und Gebäuden in Wetzlar und Frank¬ furt zu verbinden.

Bestandteile dieser grossherzoglichen Universität ihre lokale Auseinanderreissung war ein Hohn auf diese Bezeichnung sollten aber auch die neugegründeten »Lyceen« in Frankfurt, Fulda und Aschaffenburg bilden, nach dem Gesetz »Uebergangsanstalten von den Gymnasien zu den einzelnen Berufswissenschaften, welche mit dem Kirchen- und Staatsdienste in unmittelbarer Verbindung stehen; sie sollen durch das Studium der Historie, der Philologie, Philosophie, Mathematik, Naturgeschichte, Naturlehre und der allgemeinen Ency- clopädie den Geist des Studierenden zu einer höheren intellectuellen Cultur erheben und ihn zu einer wissenschaftlichen Behandlung der wichtigsten Gegenstände des menschlichen Denkens gewöhnen«.1

Im November 1812 wurde die Frankfurter Anstalt, das Lyceum Carolinum, wie es nach dem Landesherrn genannt wurde, eröffnet; es fand in einem Flügel des Senckenbergischen Stiftshauses, also am »Karlstor«, Unterkunft; diese lokale Trennung vom Gymnasium am noch unvollendeten Neubau der lutherischen Hauptkirche sollte wohl auch den Charakter als selbständige Anstalt scharf betonen, wie das Siegel mit der Schrift »Universitas Carolina, Lyceum Lrancofurtanum« es als Teil der Landeshochschule kennzeichnete. Diese unglückliche Schulbildung, eine Zwischenstufe zwischen Schule und Hochschule, mit der Form des Unterrichts der Universität, mit der Disziplin der Schule, mit dem Lehrplan halb der Hochschule, halb der Gymnasial¬ prima erfreute sich unter der Leitung des mit Goethe enge befreundeten Alt-Frankfurter Juristen Fritz Schlosser2 einer Reihe ausgezeichneter Lehrkräfte, wie der Philologen Mathiae und Grotefend, des Natur¬ wissenschaftlers Poppe, des Historikers Friedrich Christoph Schlosser;3

1 So das Schulgesetz vom 1. Februar 1812 im Grossherzoglich Frankfurtischen Regierungsblatt Bd. I, S. 6 29 ff. Eine ausführliche Beschreibung der Anstalt gibt die »Kurze Nachricht von dem Grossherzoglichen Lyceum Carolinum in Frankfurt, Oktober 1812«; vgl. dazu Darmstaedter S. 231. Reichen Stoff bieten die Akten des Consistoriums (Gymnasium X und XI) und besonders die des Lyceums selbst, die sich im Stadtarchive befinden; für die Aufhebung 1814 kommen Acta Sen. L 33 Nr. 1, Tom. I in Betracht.

2 Vgl. über ihnFrese,Goethe-Briefe aus Fritz Schlossers Nachlass(Stuttgart 1877).

3 Vgl. über diese Gelehrten Liermann in der Festschrift zur Einweihung des Goethe-Gymnasiums 1897 S. 19 ff. Da Direktor Dr. Liermann demnächst eine aus¬ führlichere Abhandlung über das Lyceum veröffentlichen wird, so habe ich mich auf obige kurze Ausführungen beschränkt, zumal die Berechtigung des Lyceums als »Hochschule« eine fragwürdige ist.

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von den 7 Professoren waren nur 2 im Hauptamte am Lyceum be¬ schäftigt, die anderen waren hauptamtlich Lehrer am Gymnasium. Zu seinen Schülern es zählte im zweiten Semester, Februar 1813, deren 15 gehörten junge Frankfurter, die in der Geschichte des Geisteslebens der Stadt eine ehrenvolle Stellung errungen haben, wie der Historiker Johann Friedrich Böhmer und der Mediziner Johann Michael Mappes.

Im Gegensätze zu den Spezialschulen betrieb das Lyceum die Fächer der allgemeinen Bildung, welche die Spezialschulen als erledigt voraussetzten; beide Arten von Anstalten ergänzten sich, die eine war ohne die andere zwecklos. Als mit dem Grossherzogtum auch die Spezialschulen fielen, war den Lyceen das Urteil gesprochen. In Frankfurt hat sich keine Stimme gefunden, die sich für die Erhaltung dieser Anstalt ausgesprochen hätte; durch Beschluss des Senates vom 27. September 1814, der einem diesbezüglichen Gutachten der Ober- Schul- und Studien-Inspektion entsprach, wurde das Lyceum am Schlüsse des Sommersemesters aufgehoben; die Schüler der erste Kursus war ausnahmsweise schon im Herbst 1813 nach einem Jahre entlassen worden, der zweite Kursus hatte gerade das erste von den beiden vorschriftsmässigen Jahren vollendet mussten in das Gym¬ nasium übertreten.

Wir kommen zur höchsten Lehranstalt des Landes, zur Universität, von der uns aber nur der Frankfurter Teil beschäftigen soll: die »Grossherzogliche Medizin isch-chirurgische Schule in Frank¬ furt«, wie ihr offizieller Titel lautet; auch ihr Siegel bestimmt deutlich das Verhältnis zur Landesuniversität : »Universitas magn. ducat. Franco- furt. facultas medico-chirurgica.« 1 Die grossherzogliche Verordnung über die Dotation und Organisation der Lehranstalten vom 25. Januar 1812.2 erklärte es für zweckmässig, »das Grossherzogtum Frankfurt in Beziehung auf wissenschaftliche Veredlung als ein Ganzes zu be¬ trachten und dasjenige zu benutzen (jedoch nach dem Sinne ihrer

1 Beschrieben von Roemer-Büchner im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Heft 5, S. 190. . Auch die folgenden Ausführungen sollen keine Geschichte dieser Teiluniversität geben, sondern nur mit einiger Ausführlichkeit die Stellung von Alt-Frankfurt zu der ihm aufgedrungenen Bildungsanstalt betonen. Vgl. Darmstädter S. 214 f. und Stricker, Geschichte der Heilkunde S. 198.—. Auch diese kurzlebige Anstalt verdiente eine eigene .Geschichte. Von den Akten des Stadtarchivs kommen in Betracht : Acta Sen. L 8 Nr. 6 und 7, M 14 Nr. 6 Lit. V Fasz. 7; die Akten der Anstalt selbst scheinen verloren,

2 Regierungsblatt Bd. I, S. 641 ff.

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ursprünglichen Stifter), was in jedem Departement in dieser Hinsicht wirklich besteht . . . Die Hauptstadt Frankfurt, in Beziehung auf höhere Ausbildung der Arzneiwissenschaft, besitzt grosse Beförderungs¬ mittel durch ihre milden Stiftungen, Krankenhäuser, Waisenhäuser, botanischen Garten und anatomische Einrichtung der berühmten Senkenbergischen Stiftung.«

Gegen die Absicht des Landesherrn, seine medizinische Schule nach Frankfurt zu verlegen und die Senckenbergische Stiftung für deren Zwecke zu benutzen, erhob sich in Frankfurt selbst ein scharfer Widerspruch. Am 30. Mai 1812 hatte der Präfekt von Günderrode in seinem Berichte über die Lage des Departements Frankfurt die Errichtung der Schule in kurzen Worten angekündigt, ohne selbst zu dieser Lrage Stellung zu nehmen. Der Departementsrat, dem bei seinem ersten Zusammentreten dieser Bericht erstattet wurde, liess es sich nicht nehmen, sich ausführlich über diesen Plan des Fürsten zu äussern. In seiner Antwort warf er die Frage auf, ob denn eine so grosse und kostspielige Reform des Bildungswesens in Frankfurt nötig sei. Er bezweifelte die Notwendigkeit, das bisher private Volksschulwesen zu verstaatlichen, neue Schulgebäude dafür zu er¬ richten, Eltern und Kindern einen Zwang für bestimmte Schulen aufzuerlegen die Berufung brauchbarer Lehrer zu den schon vor¬ handenen genüge; man könne ihnen ja gewisse Vorschriften für die Hygiene in ihren Räumen machen. Das Gymnasium genüge allen Ansprüchen und darf zu den besten Schulanstalten Deutschlands gezählt werden. Diese Einwendung galt der nicht genannten Neuerung des Lyceums. Sprach die Versammlung in Bezug auf die beabsichtigten Reformen im Schulwesen nur Zweifel aus, so erklärte sie sich scharf gegen die Gründung einer Hochschule in Frankfurt. Das ausführliche Gutachten des Departementsrates ist so bezeichnend für die Stimmung des höheren Bürgerstandes in der Universitätsfrage, dass es die wörtliche Wiedergabe lohnt.1

„Was nun aber inbesondere die Errichtung einer medicinischen Special-Schule dahier in Frankfurt betrifft, deren Anlegung sehr nahe bevorsteht, so verdient diese Idee, besondere Special-Schulen statt der seit Jahrhunderten in Deutschland und anderen Reichen bis auf den heutigen Tag üblich gewesenen und noch zum Teil mit grossem Ruhm bestehenden Universitäten zu errichten, eine ganz besondere Prüfung.

1 Das Gutachten befindet sich in den Akten Ugb B 37 Nr. 28, abschriftlich auch in Ugb B 89 Nr. 13.

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Kein Land kann wahrhaftig mehrere Gelehrte und besonders in allen Wissenschaften erfahrene Männer aufzählen als Deutschland, und allgemein hat man diese grosse Anzahl seinen vortrefflichen höheren Lehranstalten zugeschrieben. Diesem folgt England, dessen Lehranstalten mit den deutschen am nächsten Zusammen¬ treffen, und diesem steht erst Frankreich in der Zahl gelehrter Leute weit hintenan. Auch findet sich, der Regel nach, dass ein französischer Gelehrter ausser seinem Hauptstudium in anderen Fächern der Gelehrsamkeit fremd, ja öfters ganz unwissend ist. Kein Mensch kann indessen den Franzosen eben die Geistesfähig¬ keiten absprechen, die den Deutschen und Engländern angehören. Wenn nun aber die Franzosen dennoch in der Anzahl gelehrter Männer gegen diese beiden andern Nationen Zurückbleiben, so muss wohl der Grund davon in einer weniger guten Einrichtung ihrer Schulen und Gymnasien, wie auch in der in diesem Reich üblichen Special-Schulen mit zu suchen seyn. Schon dieses macht ihre Ein¬ führung bedenklich ! Wenn wir aber auch den Special-Schulen alle die Vorzüge der deutschen Universitäten einräumen wollen warum soll ein junger Mensch dasjenige an mehreren Orten erlernen, was er nach der dermaligen Einrichtung der deutschen Universitäten an einem Ort ganz bequem und ohne besonderen Kostenaufwand erlernen kann?

In einem grossen Reich, wie Frankreich, bei einer Population von so vielen Millionen Menschen, wo in grossen Städten mehrere Special-Schulen zugleich befindlich sind, mögen diese Studien- Einrichtungen wohl bestehen. Allein in einem kleinen Staat wie der unserige, bei der so geringen Anzahl Studirender, die sich kaum auf 50 bis 60 belaufen wird, wo noch eine jede Special- Schule an einem besonderen Ort ihren Sitz aufschlagen soll, muss diese Einrichtung grossen Schwierigkeiten unterliegen. Wie sehr wird nicht dem jungen Mann sein Studium für Nebenwissenschaften, welche er dermalen auf unsern deutschen Universitäten so bequem mit seinem Hauptstudium verbinden kann, erschwert, ja öfters gar unmöglich gemacht werden? Wie kann z. B. aus einer solchen Special-Schule ein Planeten-Entdecker Dr. Olbers1 hervorgehen, der zu Göttingen mit seinem Studium der Medizin das der Mathe¬ matik und besonders der Astronomie unausgesetzt verbinden konnte?

Und wie sehr muss der Eifer des Lehrers erkalten, wenn er sich gezwungen sieht, bey einer so kleinen Anzahl Studirender den leeren Stühlen seines Auditoriums zu dociren? An einen

1 Dr. med. Heinrich Wilhelm Mathias Olbers 1758—1840, der Entdecker der Planetoiden Pallas (1802) und Vesta (1807).

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Zuwachs auswärtiger studirender junger Leute kann nicht gedacht werden, denn zuverlässig werden auswärtige Eltern das Studium ihrer Kinder auf grossen Universitäten, wo sie alles zugleich er¬ lernen können, den einseitigen Special-Schulen vorziehen und somit die Hoffnung, auswärtige junge Leute anzuziehen, aufgegeben werden müssen. Nach der dermaligen Verteilung der Special- Schulen unseres Landes ist dabei an die protestantischen Geist¬ lichen nicht einmal gedacht worden, und diese müssen dann auf andern fremden Accademien ihren Unterricht zu erhalten suchen.

So sehr alles dieses beherziget zu werden verdient, so ganz besonders verdient die Localität Frankfurts für die medicinische Schule einer weitern Erwägung. Wenn das Dr. Senkenbergische Bürger-Hospital und die dabei befindliche Anatomie nebst Bo¬ tanischen Garten dem angehenden Mediziner besondere Vorteile gewährt, so werden diese Institute, besonders das erstere, dem¬ selben dennoch erst dann ganz nützlich, wenn er den Grund seiner Wissenschaft auf Universitäten gelegt hat und nach Be¬ endigung derselben alsdann unter der Aufsicht des Arztes die Anwendung desselben versuchen will. Bedenkt man dagegen, wie teuer die Wohnungen und die Bedürfnisse aller Art in Frankfurt sind, dass arme Eltern bey Abgang anderweitiger Unterstützungen durch die Teuerung des Orts schon abgehalten werden müssen, ihre Söhne medizinische Wissenschaften erlernen zu lassen, und erwägt man weiter, wie viele Zerstreuungen sich einem jungen, in der Welt noch unerfahrnen Menschen darbieten, wodurch er, sich selbsten überlassen und ohne alle Aufsicht, sehr leicht an den Rand seines Verderbens, besonders bey der täglich hier mehr einreissenden Unsittlichkeit, geführt wird, so kann man den Wunsch nicht unterdrücken, daß die neue Studieneinrichtung überhaupt, insbesondere aber die Etablirung der medizinischen Schule dahier eine Abänderung zum Besten der Studirenden erhalten möge.

Da Seine Königliche Hoheit der Grossherzog nun einmal die Stiftung dieser Special-Schulen beschlossen und als ein grosser Beförderer der Wissenschaften die dazu erforderliche Fonds aus¬ zusetzen geruht haben, so ist der einzige Wunsch des Departements¬ raths, dass dieselben nur so zweckmässig wie möglich verwendet werden mögten. Er glaubt sich aber überzeugt, dass die Vereinigung dieser gestifteten Special - Schulen in einem Ort, wie die Stadt Wetzlar, für die Lehrer sowohl als Studirende, ja für die arme, in den tiefsten Nahrungsverfall geratene Stadt selbsten am vorteil¬ haftesten sein würde, in welcher mit wenigen Kosten bei dem grossen Unwert der Häuser alle Lehrsäle und öffentliche accademische Anstalten eingerichtet, besonders aber die Lehrer und Studirende

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wohlfeil leben können ; dabey würde den Einwohnern ein neuer Erwerbszweig aufkeimen, durch welchen ihrer täglich mehr zu¬ nehmenden Armut Gränzen gesetzt und Mittel zu ihrem Wieder¬ aufkommen verschafft würden.«

Wer waren die Männer, die in dieser an byzantinischen Er¬ scheinungen aller Art so reichen Zeit der wohlwollenden Absicht des Landesherrn so scharf entgegentraten? Das Gutachten ist unter¬ zeichnet von dem Freiherrn J. P. v. Leonhardi, Dr. J. G. Grambs, P. Jassoy, Johann Noe du Fay, J. H. Mülhens, J. C. Schnerr, J. B. Schweitzer, J. F. Wüstefeld, G. F. Clausius von Vertretern der Alt-Frankfurter Grosskaufmannschaft und Intelligenz, die zweifel¬ los die Ansichten der gebildeten Bürgerschaft wiedergeben: Spezial¬ schulen nach französischem Muster sind im Allgemeinen zu verwerfen, im Besonderen aber ist Frankfurt als Handels- und Grossstadt kein geeigneter Ort für eine Hochschule irgend welcher Art, seine Hülfs- mittel in der Senckenbergischen Stiftung und den Krankenanstalten eignen sich nicht zum Unterricht für Studierende, eher und das Auftreten dieses Gedankens hier zum ersten Male ist von besonderem Interesse zur Weiterbildung von Studierten. Es ist nicht bekannt, ob der Präfekt höheren Orts über die einheimische Abneigung gegen die zu gründende Teiluniversität berichtet hat; da sich Günderrode zwei Jahre später gegen die Fortdauer der Spezialschule ausgesprochen hat, darf angenommen werden, dass ihm sein Departementrat aus dem Herzen gesprochen hat.

Auf keinen Fall hat sich der Grossherzog beirren lassen ; seine Gründung sollte ja weniger der Hauptstadt, als dem ganzen Lande zu Gute kommen; die Verhältnisse in Frankfurt lagen so günstig, dass die Staatskasse wenig mehr als die Gehälter für die Lehrkräfte aufzubringen hatte. Es bedurfte nur der Erbauung eines chemischen Laboratoriums und einer Übereinkunft mit der Senckenbergischen Administration, welche ihre Institute der Anstalt unentgeltlich zur Benutzung überliess.

Am 9. November 1812 wurde die medizinische Fachschule eröflnet. Mit dem Direktor, dem Gynäkologen Wenzel, erteilten 9 Professoren und 1 Dozent, alles angesehene Ärzte und Gelehrte, den Unterricht; er fand im Senckenbergischen Stiftungsgebäude statt, das jetzt für kurze Zeit das rege wissenschaftliche Leben erfüllte, von welchem der Stifter einst geträumt hatte. So entgegenkommend sich seine Stiftung erwies, so wenig Verständnis und Förderung fand die Schule von der grössten Krankenanstalt der Stadt, dem

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Heiliggeist-Spital; die Verwaltungs-Kommission weigerte sich hart¬ näckig, eine Klinik für die Professoren einzurichten, welche die Vor¬ gesetzte Behörde der Schule, die Generalkuratel des öffentlichen Unterrichts, als die Grundbedingung für das Gedeihen der Anstalt erklärte. Auf die Zahl der Schüler brauchte sie nicht gerade stolz zu sein : das erste Semester brachte nur 42 Studierende, immerhin bei der geringen Grösse des Landes, dessen Mediziner sie heran¬ bilden sollte, ein nicht zu verachtender Anfang.

Ihm folgte bald das Ende. Das zweite Semester konnte noch unterrichtet werden ; als das dritte beginnen sollte, stand die Stadt im Zeichen des Mars, der die Musen verdrängte. In der Nacht vom 1. auf den 2. November 1813 räumten die letzten Franzosen die Stadt und rückten die ersten Truppen der Verbündeten ein. Die Professoren und wohl auch die Studenten stellten sich zur Pflege der Verwundeten zur Verfügung; die praktische Arbeit liess wenig an den theoretischen Unterricht denken. Trotzdem versuchten die Lehrer ihre angefangenen Vorlesungen weiterzuführen. Zu ihrem schmerzlichen Erstaunen erhielten sie aber am 3. Januar 1814 von der Generalkuratel des öffentlichen Unterrichts die Mitteilung, dass das von den Verbündeten eingesetzte General-Gouvernement die Anstalt durch Verordnung vom 30. Dezember 1813 aufgehoben habe. Die Motive dieser Verfügung waren rein finanzieller Art: die Stadt war inzwischen aus dem Grossherzogtum ausgeschieden, die Stempel- Einnahmen waren nach Aufhebung des verhassten Enregistrements in Frankfurt wie anderwärts beträchtlich verringert, die zur Dotation der öffentlichen Unterrichtsanstalten auf den Stempelertrag ange¬ wiesenen Mittel fehlten.

Nun rief der Direktor Geheimrat Wenzel die gewichtige Ver¬ wendung des Chefs der Centralverwaltung der von den Verbündeten eroberten Länder an, des Ministers Freiherrn Karl vom Stein. Die Aufhebung des Instituts gerade in diesen Zeiten der Not und des Krieges, wo es so nützlich wirke, sei unbegreiflich, die Fortdauer oder Wiederherstellung für die Stadt Frankfurt nur mit geringen Opfern verbunden, mit etwa 12000 Gulden, denn die nötigen Lehr¬ anstalten seien ja schon vorhanden. In einem Erlasse an das General-Gouvernement vom 15. Januar trat denn auch Stein für die Erhaltung der Schule ein, die ja, wie er irrig bemerkte, keine ganz neue Schöpfung des Grossherzogtums sei, sondern, wenn auch nicht in der gegenwärtigen Ausdehnung, schon in Senckenbergs Stiftung bestanden habe. Am 26. März forderte das General-Gouvernement

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den Senat auf, einige patriotische Mitglieder mit dem Direktor Wenzel erwägen zu lassen, in welcher Art die Anstalt weitergeführt werden könne, die gerade jetzt, da der Krieg so viele Opfer an Ärzten und Wundärzten gefordert habe, zur Heranbildung von ärztlichem Ober- und Unterpersonal so notwendig sei.

Mit Beschluss vom 31. März verwies der Senat diese Auf¬ forderung an seine Deputation zum Bericht; die Direktive, die der Beschluss des Senates gab woher das Geld nehmen? liess zwar von vorn herein keine günstige Antwort, aber doch nicht eine so scharfe Ablehnung der Schule im Besonderen und einer Universität im Allgemeinen erwarten, wie sie in der Antwort des Senates an das General-Gouvernement vom 1. November 1814 vorliegt.1

»Unter den vielen nachteiligen Anstalten, welche Nachahmungs¬ sucht aller französischen Institute in dem ehemaligen Grossherzogtum Frankfurt einführte, nimmt die medicinische Special-Schule nicht den untersten Platz ein. Denn sowie eine in mehreren Städten zer¬ streute Universität an sich schon den Wissenschaften keinen Vorteil bringen kann, indem dadurch der im Wortverstande einer Universitas ausgesprochene Hauptzweck der deutschen Universitäten die Vereinigung mannigfaltiger Wissenschaften an einem und demselben Orte und die dem Studirenden dadurch gegebene Gelegenheit, ausser seinem Hauptstudium auch in andern Wissenschaften sich Kenntnisse zu erwerben gänzlich verloren geht, so muss besonders die von dem vorigen Herrn Grossherzoge gestiftete sogenannte Landes-Universität, wovon hiesige medicinische Special-Schule einen Theil ausmachte, den nachtheiligsten Einfluss auf gelehrte Aus¬ bildung haben. Der Director des Lyceums, Ober-Schul- und Studien- Rath Herr Dr. Schlosser äusserte sich in einem bei einer andern Ver¬ anlassung an uns erstatteten Berichte über diese Special-Schule also:

Da die Special - Schulen im vollständigsten Gegensatz gegen unsere deutsche Universitäten nur eine höchst einseitige Bildung zu einseitigen Zwecken bezielen und daher in ihrem Begriffe schon antiscientivische Anstalten waren, so musste dadurch alle wissenschaftliche Bildung organisationsmässig

1 Verfasser dieses in den Akten des Senates M 14 Nr. 6 Lit. V Fasz. 2 im Konzept befindlichen Berichtes ist der Ratsschreiber Dr. F. M. Starck; an der end- giltigen Fassung hat, wie die Korrekturen beweisen, Günderrode mitgewirkt. Er deckt sich im Wesentlichen mit einem von Günderrode gezeichneten und wohl auch verfassten Gutachten der Ober-Schul- und Studien-Inspektion vom 12. April 1814 in den genannten Akten, ist aber in Bezug auf die medizinische Spezialschule viel ausführlicher und schärfer als dieses Gutachten.

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untergraben werden . welches jetzt aufhört, nachdem

die glückliche Erneuerung des deutschen Vaterlandes dem französischen Unwesen der Special-Schulen ein Ziel gesetzt hat etc.

Indem wir diesem Urteil vollkommen beipflichten, müssen wir ebenfalls die bereits geschehene Aufhebung dieser ohnehin nie zu einigem Flohr gekommenen Anstalt für sehr heilsam und wohl- thätig erkennen. Wenn also der Director derselben, Herr Geh. Rath Wenzel, dessen Verdienste als Gelehrter und praktischer Arzt wir nicht misskennen, in einer an Seine Excellenz den Herrn Minister Frhr. vom Stein gerichteten Vorstellung die Fortdauer dieses ächt französischen Instituts als nützlich und wohlthätig und die Mittel zu dessen Erhaltung als bereits vorhanden oder leicht zu verschaffen dargestellt und Seine Excellenz hochsich dadurch bewogen gefunden haben, das Fortbestehen dieser Anstalt zu em¬ pfehlen, so gründet sich diese Empfehlung offenbar auf der von Seiner Excellenz ausgedrückten, aber unrichtigen Voraussetzung, »dass die Schule notorisch auf einer Senkenbergischen Stiftung be¬ ruhe«, indem diese Stiftung einen ganz andern Zweck hat, nehmlich den der Unterhaltung eines Hospitals kranker vermögenloser Bürger, während dem das damit verbundene medicinische Institut des ver¬ storbenen Dr. Senkenberg einen sehr beschränkten Fond hat, wovon die Zinsen vorschriftsmässig an die daselbst die Vorlesungen be¬ sorgende hiesige Ärzte und zu Bestreitung weiterer darauf haftender Kosten nach wie vor entrichtet und verwendet werden müssen. Und wenn Herr Geh. Rath Wenzel in jener Vorstellung anfuhrt, dass in hiesiger Stadt Entbindungs-Anstalten, ein anatomisches Theater, Naturalien - Cabinette, botanischer Garten, eine Stadt¬ bibliothek, Krankenhäuser, ein Irrenhaus, kurz alles, was eine solche Gelehrten - Bildungsanstalt als unentbehrlich voraussetzt, bereits existirten , so darf hiergegen nicht unbemerkt bleiben, dass alle diese Anstalten, wenn solche auch wirklich alle vorhanden wären, doch denjenigen Grad von Vollkommenheit nicht haben und nicht haben können, wie man solche auf den deutschen Universitäten sucht und findet.

Denn was

i. die En tbindungs- Anstalten betrifft, so genügen zwar solche dem Bedürfnisse der Wöchnerinnen, indessen bestehen sie nur in einigen Accoucheurs und Hebammen, welche letztere ein dafür besoldeter Arzt theoretisch und practisch anzuweisen hat, wie man dergleichen in jeder Stadt von einigem Belang findet. Eine eigene Entbindungs- Anstalt nach dem damit gewöhnlich verbunden werden¬ den Begriff existirt aber nicht. Ebenso verhält es sich mit

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2. den dahier vorhanden seyn sollenden Naturalien-Cabinetten, man müsste denn ein unbedeutendes Cabinett in der Dr. Senken- bergischen Stiftung und einige bei Privatpersonen, welche solche zu ihrem eigenen Vergnügen angelegt haben, befindliche Cabinette darunter verstehen wollen.

So wie denn auch

3. der in der Dr. Senkenbergischen Stiftung befindliche botanische Garten und

4. das eben daselbst befindliche anatomische Theater, welche ihrem Zweck und ursprünglichen Bestimmung gemäs zur Vorbe¬ reitung auf den academischen Unterricht dienen sollen und dienen, dem Bedürfnis der Studirenden nicht genügen können.

Ebenso verhält es sich auch

5. mit der im Dr. Senkenbergischen Stift befindlichen medi- cinischen und hiesigen Stadtbibliothek und

6. dem Irrenhaus.

Erstere kann den Umfang nicht haben, dass ein gelehrter Arzt volle Befriedigung daraus schöpfen könnte, und letzteres, nur eine Anstalt für Unglückliche, möchte zu einem gründlichen Studium der Psychologie wohl auch nicht genügen.

So wie denn auch

7. die Krankenhäuser zur Aufnahme der Armen bestimmt, ihrer Bestimmung nicht entzogen und die für deren Unterhaltung angewiesenen Fonds nicht zu anderen Zwecken verwendet werden dürfen, wenn nicht die Wohlthaten, die ihnen jährlich von privatis zufliessen, gänzlich entzogen werden sollen.

Alle diese Anstalten entsprachen ihrem Zweck nehmlich Nothleidende zu erquicken und dem die Universität besuchen wollen¬ den Jüngling Anleitung zu seiner fernem Ausbildung zu geben, ihn mit den nothdürftigsten Anfangsgründen der Wissenschaft bekannt zu machen und so einen Grund zu legen, auf welchem der Studirende auf der Universität durch Anhörung wirklich wissen¬ schaftlichen Unterrichts fortbauen kann, um sich so zum Gelehrten oder practischen Arzt auszubilden vollkommen. Aber den Unterricht zu erschöpfen, den Studirenden zum brauchbaren Manne auszubilden, dies war nie Absicht noch Zweck bei diesen Anstalten und kann es auch selbst bei veränderter Absicht nie werden. Und doch soll dieses der Zweck der Special-Schule sein.

Nimmt man noch hinzu, dass sämtliche Lehrer der medicinischen Special-Schule, um sich und den Ihrigen den nöthigen Unterhalt zu verschaffen, zugleich practische Ärzte sind und sein müssen, indem nicht zu vermuten steht, dass eine solche Zahl Studirender sich je dahier einfinden wird, welche den Lehrern durch Zahlung der

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Honorarien die ärztliche Praxis entbehrlich machen wird, so bedarf es wohl keiner Bemerkung, dass die Lehrer diejenige Zeit auf das Studium ihrer Wissenschaft nicht verwenden, mithin die Fort¬ schritte in der Theorie nicht machen können, welche man bei Professoren und öffentlichen Lehrern mit Recht ansprechen kann.

So würde also, wenn sich auch ein Fond zur Erhaltung dieses Instituts ausmitteln liess, welche nach Herrn Geh. Raths Wenzel eigener Angabe nur an Besoldung der Lehrer jährlich 12000 fl. Rheinisch erfordern würde, dasselbe immer hinter allen deutschen Lehranstalten weit Zurückbleiben, alles gründliche Studium verbannen, dadurch der Wissenschaft mehr schaden als nützen und, man darf es nicht bezweifeln, so wie bisher auch ferner dem Spotte nicht entgehen. Aber auch bei dem hiesigen Publicum möchte die Beibehaltung eines so kostspieligen, überdies allgemein als schädlich anerkannten, rein französischen und schon deswegen verhassten Instituts einen sehr üblen Eindruck machen, und jede auch die geringste Verwendung öffentlicher Gelder, deren Zurathe- haltung durch die letzten Jahre leider immer dringender geworden ist, uns den gerechten Vorwürfen hiesiger Bürgerschaft aussetzen. Überdies fällt, nachdem von Einem Hohen General-Gouvernement der drückende und deswegen allgemein mit Recht gehasste Ein- registrirungs-Stempel aufgehoben worden, jeder Fond weg, woraus diese Anstalt, wenn solche für nützlich gehalten werden dürfte, ihre Subsistenz ziehen könnte. Zwar meint Herr Geh. Rath Wenzel, dass der Ertrag des städtischen Stempels, welcher noch dazu erhöht wer¬ den müsste, hierzu verwendet werden könne. Allein der Ertrag dieses Stempels, der nicht die geringste der städtischen Intraden ist, ist zu Bestreitung anderer unentbehrlicher Bedürfnisse zu wesentlich nöthig, als dass derselbe, ohne ein merkliches Deficit zu verspüren, zu einem fremdartigen Zwecke verwendet werden dürfte.

Nimmt man zu allem angeführten noch die Lage hiesiger Stadt als einer reinen Handelsstadt, deren Flor nur im Empor¬ kommen des Handels sich gründen kann und wissenschaftliche gelehrte Bildung anderen Städten überlassen muss, die hohen Preise aller Lebensbedürfnisse, welche jeden Ausländer vom Besuchen der Schule abhalten muss, die viele Gelegenheit zu Zerstreuungen, welche dem Studium höchstnachtheilig sind, die Reitze zur Verführung, die in grossen Städten immer grösser sind, als in kleinen, so streitet alles gegen das Wiederaufleben dieser bereits aufgehobenen Anstalt, wohingegen nichts, auch nicht einmal mit einigem Schein, zum Vorteil der Schule angeführt werden kann.

Wenn wir daher aus allen angeführten Gründen Hohes General-Gouvernement geziemend bitten müssen, es bei der bereits

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im vorigen Jahre geschehenen Aufhebung dieser französischen Anstalt zu belassen, so erfüllen wir dadurch nicht allein eine heilige Pflicht gegen das hiesige gemeine Wesen, sondern auch die Er¬ wartungen des gesamten Publicums, und leben der Überzeugung, Ein Hohes General-Gouvernement werden diesen Gründen geneigte Berücksichtigung nicht versagen.«

Diese Äusserung des Senates enthält alle Gründe, welche der Departementsrat zwei Jahre vorher gegen die medizinische Spezial¬ schule vorgebracht hatte, aber ausführlicher und schärfer gefasst; er fügt aber noch einige kräftige Einwendungen hinzu, wie die Mängel der hier vorhandenen Institute, die Abneigung der Bürgerschaft, die Knappheit der Mittel und besonders seinen Trumpf: die Pflege des Handels ist unsere erste Pflicht, die Pflege der Gelehrtenbildung müssen wir desshalb anderen Städten überlassen es ist der alte reichsstädtische Standpunkt Benders von Bienenthal; die Stadt ist »principaliter der Handlung, nicht den studiis« bestimmt. Dieser Standpunkt kommt in der Antwort des Senates mit um so grösserem Gewicht zur Geltung, da hier nicht Bürger wie im Departementsrat eine Ansicht äussern, sondern die Regierung der Stadt selbst es ausdrücklich ablehnt, die Wiederbelebung der Spezialschule und über¬ haupt Universitätspläne unter die kommunalen Aufgaben aufzunehmen.

Sie hat das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Zweifellos war der Gedanke, auf die Stiftung Senckenbergs eine höhere ärztliche Lehranstalt aufzubauen, ein gesunder, praktisch durchführbarer. Dass die grossherzogliche Spezialschule nicht die richtige Lösung der Frage war, darf zugegeben werden; aber ein anderer Weg zur Ausführung des guten Gedankens ist nicht versucht worden. Weniger die Geldfrage, als der teutonische Hass jener Tage gegen alles, was französische Vorbilder mehr oder minder nachahmte er spricht beredt genug aus der Antwort des Senates! hat die medizinische Schule spurlos untergehen lassen und hat es nicht verstanden, aus diesem Keim, was doch so nahe lag, etwa eine Anstalt zur prak¬ tischen Fortbildung der jungen, von der Universität entlassenen Ärzte hervorgehen zu lassen.

Die Frankfurter Zeitgenossen haben die Aufhebung der Anstalt nicht bedauert, sondern mit Genugtuung begrüsst; ich wüsste wenigstens dem Hohne eines städtischen Syndicus, der da meinte: »So zwecklos und verderbend war aber auch kein Institut unter dem Monde«, ja von der »in favorem von etlichen Barbier-Gesellen« ge¬ gründeten Spezialschule sprach, keine Gegenäusserung zur Seite zu

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stellen.' Auch in Kirchners Ansichten von Frankfurt, die 1818 er¬ schienen und mit liebevoller Ausführlichkeit gerade die Leistungen auf geistigem Gebiete behandeln, wird man vergebens nach einem Worte des Bedauerns über das Aufhören der Anstalt suchen, ver¬ gebens aber auch nach einem Wunsche, dass der Stadt eine medi¬ zinische oder sonstige hohe Schule erstehen möge.

Es wird Niemandem einfallen, die Reform des höheren Unter¬ richtswesens im Grossherzogtum Frankfurt mit den gleichzeitigen Bestrebungen in Preussen, deren schönste Frucht die Errichtung der Berliner Universität war, vergleichen zu wollen; dazu sind die Ver¬ hältnisse viel zu verschieden: dort der vom Unglück niedergebeugte, seine Wiedererhebung auch durch die Pflege des Geisteslebens plan¬ voll vorbereitende Nationalstaat, hier das rheinbündnerische, künstlich zusammengeschweisste Grossherzogtum von Napoleons Gnaden, das in staatlicher Grossmannssucht sein Heil in der schablonenhaften Nachahmung von Einrichtungen des Protektorstaates suchte und die deutsche Eigenart gerade auf dem Gebiete des Bildungswesens voll¬ ständig verkannte; dort Wilhelm von Flumboldt, hier Karl von Dalberg! Immerhin hat Dalberg grosse Verdienste um die Hebung des Bildungswesens in seiner Hauptstadt sich erworben; die teu¬ tonische Reaktion nach seinem Sturz hat auch sie undankbar ver¬ gessen und so manch guten Keim zertreten, der eine nützliche Pflanze zu werden versprach.

Nur wenige der Zeitgenossen haben das erkannt.

Der verdiente Wenzel und mit ihm der Freiherr vom Stein fanden bald einen Gesinnungsgenossen, der selbst ein Alt-Frankfurter, aber frei von jeder spezifisch Frankfurtischen Befangenheit einer Ausgestaltung des Senckenbergischen Instituts zu einer medizinisch¬ naturwissenschaftlichen Bildungsanstalt das Wort redete; es war kein anderer als Goethe in seiner 1 8 1 6 erschienenen Schrift »Kunstschätze am Rhein, Main und Neckar«.1 2 Er wünschte nicht nur die Ver¬ besserung der Bibliothek und des botanischen Gartens, die Einrichtung von chemischen, physikalischen, anatomischen Vorlesungen und

1 Immerhin darf aus der in der nächsten Anmerkung angeführten Schrift entnommen werden, dass die Freunde des Senckenbergischen Stiftes mit der Auf¬ hebung der medizinischen Spezialschule auch so manche Hoffnung auf eine bessere Entwickelung ihres wissenschaftlichen Institutes aufgaben.

2 Gegen Goethes Darstellung der damaligen Verhältnisse in der Sencken¬ bergischen Stiftung erhebt die 1817 bei Wenner erschienene Schrift »Das Sencken- bergische Stift« scharfen Widerspruch.

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Übungen für die Chemie sei in dem neu und zweckmässig er¬ bauten Laboratorium der medizinischen Schule, das jetzt leer stehe, ein trefflicher Raum gegeben er eröffnete einen weiteren Ausblick auf die mögliche Ausgestaltung des wissenschaftlichen Lebens in seiner Vaterstadt mit den Worten, die seine Landsleute mahnen, auch hierin mit der Zeit fortzuschreiten: »Die einer solchen Wendung entgegenstehenden Schwierigkeiten sind nicht unbekannt; es lässt sich ihnen aber mit einem Wort begegnen: dass einer freien Stadt ein freier Sinn gezieme und dass man bei einem erneuten Dasein, um die Spuren ungeheurer Übel auszulöschen, sich vor allen Dingen von veralteten Vorurtheilen zu befreien habe. Es geziemt Frankfurt, von allen Seiten zu glänzen und nach allen Seiten hin thätig zu sein. Freilich gehört theoretische Betrachtung, wissenschaftliche Bildung den Universitäten vorzüglich an, aber nicht ausschliesslich gehört sie ihnen. Einsicht ist überall willkommen. Man erkundige sich, welchen Einfluss die Universitäten in Berlin, Breslau, Leipzig auf das praktische Leben der Bürger haben, man sehe, wie in London und Paris, den bewegtesten und thätigsten Orten, der Chemiker und Physiker gerade sein wahres Element findet, und Frankfurt hat gar wohl das Recht, nach seinem Zustand, seiner Lage, seinen Kräften für so löbliche Zwecke mitzueifern.«

Es wäre unbillig zu verkennen, dass die Frankfurter, wenn sie auch in chauvinistischer Abneigung die nach französischem Vorbild geschaffenen Anstalten der fürstlichen Regierung fallen Hessen, in ihrer Freude über die wiedererlangte Selbständigkeit, über die neue, die Mitwirkung der Bürgerschaft in der Leitung des Gemeinwesens gewährleistende freisinnige Verfassung die Förderung des geistigen Lebens nicht vergessen haben. Auf diesem Gebiete kam der hervor¬ stechendste Zug der ersten freistädtischen Jahre, die Vereinstätigkeit, die sich jetzt erst, da so viele gesellschaftliche und politische Vor¬ urteile abgestreift waren, so schön entfalten konnte, vielleicht am schönsten zur Geltung. Man braucht nur an die Gründung der Ge¬ sellschaft zur Beförderung der nützlichen Künste und veredelnden Wissenschaften (Polytechnische Gesellschaft) im Jahre 1816, an die Errichtung der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft im Jahre 1817 zu erinnern; man bedenke, dass Staedels Kunstinstitut Ende 1816 ins Leben trat und dass der Plan, der einzigen wissen¬ schaftlichen Anstalt der Stadt, ihrer Bibliothek, eine würdige ffeim- stätte zu schaffen, damals seiner Ausführung entgegenreifte. In schönem Wetteifer waren alle Kreise, die am geistigen Leben arbeitend oder

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geniessend beteiligt waren, bestrebt, Kunst und Wissenschaft in der neugewonnenen Friedens- und Freiheitszeit zu pflegen. Mit Wohl¬ gefallen, ohne leitend und bevormundend wie die rheinbündnerische Regierung eingreifen zu wollen, Hessen die städtischen Behörden ihre Bürger gewähren und mit Stolz und Selbstbewusstsein gingen diese an die schöne Friedensarbeit, aber auch mit naiver Überschätzung ihres Könnens auf geistigem Gebiet. Niemand hat damals das Be¬ dürfnis nach einer Universität empfunden oder wenigstens öffentlich ausgesprochen.

III.

Frankfurt dem Handel, die Universitätsstädte der Wissenschaft das war auch der allgemeine Standpunkt der freistädtischen Zeit. Sie dachte um so weniger daran, in einer neuen Hochschule einen neuen Anziehungspunkt zu schaffen, da sie einen solchen ganz anderer Art gewonnen hatte: in ihrer Eigenschaft als Sitz des Bundestages mit seinem Gefolge von internationaler Diplomatie. Das Leben und Treiben dieses neuen Gesellschaftskreises, welcher auch die mass¬ gebenden Frankfurter Familien der höheren Klassen in seinen Bann zog, machten den heimischen Boden nicht geeigneter für eine Uni¬ versität, als er bisher war; politisch und gesellschaftlich wäre auf die Dauer das Bestehen einer selbstbewussten Hochschule am Sitze des Bundestags nicht möglich gewesen. Wenn in dieser Periode »Akademie«-Pläne auftauchten, so handelte es sich entweder wie 1840 um die Bildung eines Privatvereins, welcher derif gebildeten Publikum die Ergebnisse der modernen Wissenschaft in Vortrags- und Dis¬ kussionsabenden mitteilen wollte, oder um Ausbau und besseres Zu¬ sammenwirken bestehender Anstalten und Vereine für Kunst und Wissenschaft oder wie 1844 und 1849 um die Errichtung einer »Anstalt für wissenschaftliche Handelsstudien«, die aber wohl nur als höhere Handelsschule gedacht war. Je häufiger sich die Wünsche der Bürger¬ schaft in den politischen und literarischen Zeitungen und Zeitschriften, die das bewegte Leben der jung-deutschen Zeit gerade in den 30er Jahren hier aufspriessen liess, äussern konnten, um so lebhafter wurde auch von Zeit zu Zeit die Diskussion über die Hebung des geistigen Lebens in der Stadt. Nirgends aber, so viel ich sehe, hat man damals das Fehlen einer Universität beklagt und darin einen Grund gefunden, dass Frankfurt so wenig in geistiger Beziehung bedeutete ; Kunst und

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Wissenschaft sollten lediglich von der gebildeten Bürgerschaft selbst mehr beachtet und gepflegt werden; weiter gingen die Wünsche nicht.1

Als das Jahr 1848 die Blicke von ganz Deutschland auf Frank¬ furt und das dort tagende Parlament lenkte, tauchte wieder der Plan auf, in der Hauptstadt des Bundes eine Hochschule zu gründen. Er ist nicht aus der Bürgerschaft hervorgegangen; diese war damals durch die politischen Ereignisse und durch die lokalen Verfassungs¬ fragen viel zu fieberhaft erregt, als dass derartige Gedanken, für deren Ausführung ruhige Zustände, politische Befriedigung die Vor¬ aussetzungen waren, hätten Platz greifen und Teilnahme erregen können. Da damals die Augen aller Kreise des deutschen Volkes erwartungsvoll und hoffnungsfroh auf Frankfurt gerichtet waren, da die verschiedensten Wünsche aller Stände vertrauungsvoll dem Parlamente übergeben wurden, so wurde die freie Stadt, der Sitz der Nationalversammlung, auch der Ort der Tagung für eine Reihe von Versammlungen der verschiedensten Berufskreise. Schon 1846 hatte hier die Germanisten-Versammlung, ein glänzendes Parlament deutscher Wissenschaft, getagt; in den Tagen vom 27. bis zum 29. August 1848 trat ein anderer Gelehrten-Kongress hier im Holländischen Hof zusammen, der nach den teilnehmenden Persön¬ lichkeiten und nach dem Gegenstand der Beratung in einem ge¬ wissen Gegensatz zur Versammlung der Germanisten im Kaisersaale von 1846 stand. War hier das zünftige Gelehrtentum, geführt von den hervorragendsten Lehrern deutscher Hochschulen an der Arbeit, um sich über fachwissenschaftliche Arbeiten auf den Gebieten der deutschen Litteratur und Sprache, der Geschichte und des Rechtes zu besprechen, so waren es jetzt jüngere Gelehrte, zum Teil Führer im politischen Kampf, welche den alten Hochschulen eine neue, höhere gegenüberstellen wollten, die »Allgemeine deutsche freie aka¬ demische Universität«, als deren Sitz Frankfurt a. M. in Aussicht genommen war. Sie sollte im Gegensatz zu den bestehenden Hoch¬ schulen, welche, nach Verfassung und Lehre unfrei, nur der Bildung künftiger Staatsdiener, nicht der Fortbildung der Wissenschaft dienten und zu Landesuniversitäten für einzelne Gegenden herabgesunken seien, »durch Schrift und Lehrvortrag den philosophischen Organismus der Wissenschaft darstellen, dessen Prinzip die Selbstbestimmung und

1 Von grossem Insteresse ist z. B. die Diskussion zwischen dem Telegraphen (Gutzkow?) und dem Konversationsblatt Anfang 1837 über das »Frankfurter Museum, was es war, ist und sein könnte«.

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Selbsterzeugung des Menschengeistes ist ; vom Begriff aus oder aus dem Wesen der menschlichen Natur sollen die einzelnen Wissen¬ schaften als die vernünftigen Gesetze und Grundlagen der Lebens¬ verhältnisse dargestellt und der Entwickelungsprozess der Idee soll in der Geschichte geschildert werden«.

Schon 1840 hatte Arnold Rüge diesen Plan, »eine Akademie der freien Wissenschaft, eine Philosophie ohne die abgeschmackten praktischen Zöpfe, zu stiften . . . um dem zunehmenden Obscuran- tismus unseres Vaterlandes eine wirksamere Opposition entgegen¬ zusetzen«, in Dresden verwirklichen wollen’; erhatte bei der sächsischen Regierung den gleichen Misserfolg wie bei der ganzen Nation, an die er sich im Vorworte seiner Halleschen Jahrbücher von 1841 gewendet hatte.1 Jetzt, da Deutschland zu neuem Leben erwache und allenthalben der Ruf zur Umgestaltung der deutschen National¬ erziehung erschalle, schien ihm und seinen freigesinnten Freunden der Augenblick gekommen, das Institut mit Hilfe des deutschen Parlaments ins Leben zu rufen. In einer von ihm, A. Adler in Worms, Moriz Carriere in Giessen, Ludwig Feuerbach in Bruckberg, Karl Grün in Trier, dem Abgeordneten K. Nauwerk, Ludwig Noack in Oppenheim, August Peters in Dresden und Georg Zimmermann in Worms Unterzeichneten Denkschrift,2 wandte er sich an die wissenschaftliche Welt und teilte ihr darin gleich den Entwurf der Satzungen des neuen Institutes mit.

Ein am 29. August in der Didaskalia, der litterarischen Beilage des Frankfurter Journals, erschienener Arkikel sprach den dringenden Wunsch aus, dass sich Frankfurt diese Gelegenheit nicht entgehen lasse, diese Universität zu gewinnen; der alte, schon in der fürstlichen Zeit ausgesprochene Gedanke, dass die Stadt schon mit ihren Städelschen und Senckenbergischen Stiftungen der neuen Hochschule eine nicht zu verachtende Morgengabe mitbringe, wurde als vor¬ nehmstes Argument dafür ins Gefecht geführt.

1 Arnold Ruges Briefwechsel und Tagebuchblätter aus den Jahren 1825 1860, herausgegeben von Paul Herrlich (Berlin 1886), Bd. I, S. XXXIII f. und S. 205 (Brief an Rosenkranz vom 14. Mai 1840). Rüge selbst nahm übrigens am Frankfurter Kongress nicht Teil ; er hielt sich während seiner Tagung in Wien auf.

2 Denkschrift zur Gründung einer freien akademischen Universität. Zugleich als Einladung zu einem am 27., 28. u. 29. August d. J. zu Frankfurt a. M., im Gasthof zum Landsberg stattfindenden wissenschaftlichen Kongress. Frankfurt a. M., Verlag von Johann Valentin Meidinger, 1848. 16 Seiten in 8°. Vgl. dazu und über den Verlauf des Kongresses die lokalen Zeitungen wie Journal mit Didaskalia und Freistädter.

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Weniger günstig dachte der Kongress selbst über Frankfurt als die Herberge des neuen »Musterinstitutes« gegenüber den »22 alten Ruinen«. Die Versammlung tagte am 27., 28. und 29. August im Holländischen Hof; Noack hielt die Eröffnungsrede, Peters übernahm den Vorsitz. Es waren meist jüngere Gelehrte anwesend, besonders solche, welche aus den verschiedensten Gründen Veranlassung hatten, sich über die bisherigen Universitäten und ihre Erhalter, die Regierungen, zu beschweren; ausser den Unterzeichnern der Denk¬ schrift werden als anwesend genannt : S. Deutsch aus Wien, G. Kinkel aus Bonn, F. Kapp aus Hamm, F. Th. Vischer aus Tübingen; auch studentische Vertreter aus Leipzig und Breslau fehlten nicht. In etwas anderen präziseren Worten die Empirie hatte über die abstrakte Idee gesiegt, wie es im Bericht heisst als in der Denk¬ schrift wurde der Zweck der Anstalt in ihrem Statut dargelegt: über die Notwendigkeit der neuen Anstalt wurde nicht gesprochen, nur über ihre Einrichtung. Als Ort für die neue »allgemeine, deutsche, freie, akademische Universität, d. i. Universität und die mit ihr vereinigte Akademie« wusste man in erster Linie keinen geeigneteren Ort als Wien, den Sitz der Regierung, von der direkt oder indirekt alle Massnahmen ausgegangen waren, durch welche den Teilnehmern die Freude an den alten Universitäten ver¬ gällt worden war, aber doch auch wieder die Stadt, deren Bürger einen vielbewunderten Kampf gegen die Reaktion geführt hatten. Erst in zweiter Linie, wenn Wien die beiden Grundbedingungen für die Errichtung des Werkes Unabhängigkeit und Geldmittel nicht erfülle, soll der gewählte Ausschuss mit Frankfurt oder Ham¬ burg oder Nürnberg verhandeln. Auf die Beschlüsse des Kongresses soll hier nicht weiter eingegangen werden: sie galten nur als vor¬ läufige, doch wurde der gewählte Ausschuss angewiesen, »die demo¬ kratische Grundlage unbedingt festzuhalten«. Diese Marschroute bezeichnete kurz und treffend den Geist, der die Verhandlung beherrschte; dem Hochgefühle aber, das die Teilnehmer beseelte, gab der Bericht des Frankfurter Journals in seinen Schlussworten einen schwungvollen Ausdruck : »Die Männer der freien Wissenschaft, unter denen wir so manche bekannten Namen gefeierter Schrift¬ steller und Dichter, scharfsinniger Kritiker und freidenkender Gelehrten begegnen, trennten sich in einmüthiger, freundschaftlicher Stimmung nach fröhlich stattgefundener gemeinschaftlicher Abendunterhaltung beim Glase Wein und nahmen frohe Aussichten auf Verwirklichung ihrer kühnsten Wünsche und Hoffnungen mit nach Hause, die er-

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freuliche Zuversicht, dass von nun an die freie Selbstbestimmung und ungehinderte Entwickelung der Wissenschaft, welche von so vielen alten Universitäts-Korporationen ins Exil hinausgetrieben worden, endlich einmal in Deutschland eine Freistatt und sichern Zufluchtsort, einen segensreichen Wirkungskreis und erspriessliche Thätigkeit in der neuzugründenden Werkstätte des freien Menschen- Geistes finden und uns das hohe Gut der vollen Gedankenfreiheit zu Theil werde.«

Diese hochgespannten Erwartungen gingen nicht in Erfüllung. Es ist mir nicht bekannt, in welcher Weise der gewählte Ausschuss dem Aufträge nachgekommen ist, mit den zum Sitze der künftigen freien Universität auserkorenen deutschen Städten, zunächst mit Wien, Verhandlungen anzuknüpfen; für unsere Zwecke genügt die Ver¬ sicherung, dass an den Senat der Freien Stadt Frankfurt der Ausschuss, in offizieller Form wenigstens, nicht herangetreten ist. Offenbar hat der Kongress sich in der Erwartung, dass die Öffentlichkeit dem Plane allgemeines Interesse entgegenbringen werde, gewaltig getäuscht. Die Frankfurter Zeitungen aus dem August und September lassen deutlich erkennen, dass in Frankfurt selbst diese Bestrebungen keinen Widerhall fanden; kein Frankfurter von Bedeutung hat an der Versammlung Teil genommen; die Zeitungen berichten wohl über ihren Verlauf, die Didaskalia erwärmt sich auch in einer Reihe von Artikeln über den Gedanken, eine solch neue Hochschule zu gründen, und erweitert ihn ins Uferlose, bis zur Reformierung des gesamten deutschen Unter¬ richtswesens mit einem Reichs-Unterrichtsministerium an der Spitze aber nach Schluss der Versammlung ist das Interesse für den Erfolg ihrer Pläne erloschen. In Frankfurt selbst konzentrierte sich die öffentliche Aufmerksamkeit in den letzten August- und ersten Sep¬ tembertagen auf die Vorbereitungen zur Einberufung einer kon¬ stituierenden Versammlung für die Revision der städtischen Verfassung ; was dann die Septembertage der Stadt und dem ganzen Deutschland an Aufregungen brachten, ist bekannt. Bezeichnender Weise ist das Parlament niemals in irgend einer Weise mit diesem Traume gelehrter Schwarmgeister befasst wTorden ; er ist in den Herbststürmen des Jahres 1848 vergessen worden.

Die 50er Jahre waren in Frankfurt erfüllt von dem Bestreben, die Verfassung von 1816 zeitgemäss zu verbessern, und als dies ge¬ schehen war, ging man endlich auch an die Hebung der durch die politischen Wirren so lange vernachlässigten kommunalen Einrich¬ tungen. Nicht dass das geistige Leben in diesen Jahren zurück-

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gegangen wäre; die Entstehung mehrerer Vereine für künstlerische und wissenschaftliche Zwecke, die lebhafte Tätigkeit der älteren zeigen, dass auf den Gebieten der Wissenschaften und Künste mindestens kein Stillstand oder gar Rückschritt zu verzeichnen ist;* 1 die Bewilligung von öffentlichen Mitteln für solche Zwecke beweisen, dass die Stadt¬ verwaltung mehr und mehr auch die Pflege dieser geistigen Be¬ strebungen in den Kreis der kommunalen Aufgaben zog. Wiederum war es der Wunsch, diese vielfachen, aber vereinzelten geistigen Arbeiten in einem Brennpunkte zusammen zu fassen, ihnen zugleich Centrum und Krönung zu geben, der am Ende der 50er Jahre einen Frankfurter Bürger veranlasste, die Öffentlichkeit zur Errichtung einer Hochschule in Frankfurt aufzurufen.2

Als sich ganz Deutschland zur Jahrhundertfeier der Geburt Friedrich Schillers rüstete, als gerade in der Bundeshauptstadt, dem Hauptorte der deutschen Einheitsbestrebungen, die Wogen der Be¬ geisterung hoch gingen, nahm Dr. Otto Volger, damals Lehrer der Mineralogie und Geologie an der Stiftung Senckenbergs, den Plan Arnold Ruges und seiner Genossen von 1848 wieder auf: den alten Universitäten, die lediglich Staatsdiener-Bildungsanstalten geworden sind, in deren Pflege die einzelnen Staaten wetteifern, die also der Ausdruck staatlicher Sonderbestrebungen sind, die von Stammesver¬ schiedenheiten wie staatlichen Sonderbeziehungen unabhängige freie Hochschule für ganz Deutschland entgegenzustellen, nicht mit Hülfe der Regierungen, sondern aus dem Volke heraus geschaffen. Nur diesen Grundgedanken teilt Volger mit seinen Vorgängern; Ziel und Ein¬ richtung seiner Hochschule sollten ganz andere sein: »Das Freie Deutsche Hochstift soll einen freien Gelehrtenhof und eine freie

1 Das hat auch Otto von Bismarck, der preussische Gesandte am Bundestag lebhaft anerkannt, als er dem Minister von Manteuffel die Pflege des wissenschaft¬ lichen Verkehrs zwischen Preussen und Frankfurt mit dessen weiterer Umgebung als eines der Mittel anempfahl, diese Gegenden mit Preussen in engere Beziehungen zu bringen. Vgl. Bismarcks Bericht vom 27. Dezember 1852 bei Poschinger, Preussen im Bundestag etc. Bd. I, 170.

1 Das Freie Deutsche Hochstift für Wissenschaften, Künste und allgemeine

Bildung zu Frankfurt a. M. Vorläufiger Entwurf eines freien Anregungs- und Lehr¬ vereins zur Vertretung der gesamten Deutschen Bildung als einheitlicher Geistes¬ macht und zur Belebung des Selbstgefühls im Deutschen Volke. Allen vaterlands¬ liebenden Bürgern und Pflegern geistigen Strebens in allen Ständen als Aufruf zum Beitritte vorgelegt von G. H. Otto Volger, Frankfurt, Sauerländer, 1859. Vgl. dazu die Berichte über die Verhandlungen des Freien Deutschen Hochstifts etc. Erster Jahrgang. Frankfurt 1861.

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Hochschule darstellen, und alle Wissenschaften, Künste und allgemeinen Bildungsrichtungen unseres Gesamtvolkes umfassen. Dasselbe soll bestehen aus einer freien und unbeschränkten Vereinigung von Männern, welche den Zweck dieses Stiftes, die Geltendmachung der deutschen Wissenschaft, Kunst und allgemeinen Bildung als einheitlicher Geistes¬ macht des deutschen Gesammtvolkes nach Aussen und Belebung des Bewusstseins dieser Macht und unserer Volkseinheit nach Innen heilig zu halten geloben.« Jeder, der sich für solche Idee interessiert, kann Mitglied des Instituts werden; die Mitglieder, die sich als Vertreter und geistige Förderer irgend einer Wissenschaft u. s. w. beteiligen, bilden eine besondere Klasse und haben Anspruch auf den Namen »Deutschmeister«. Sie bilden für die einzelnen Wissenschaften u. s. w. besondere Vereinigungen unter dem Namen »Deutschvereine«, und diese Vereine sind in der Verfassung des Hochstiftes das, was bei den alten Hochschulen die Fakultäten sind. Die Tätigkeit der Stiftung erstreckt sich auf die Fierausgabe einer Zeitschrift über alle Gebiete deutscher Wissenschaft und Kunst, die Abhaltung von Lehrgängen und Einzelvorlesungen am Stiftungsort, die Veranstaltungen von Aufführungen und Schaustellungen künstlerischer Art, die Pflege von Sammlungen und Bibliotheken usw. Für diese das ganze geistig arbeitende und interessierte Deutschland umfassende Richtung gibt es keinen günstigeren Boden, kein durch reiche Hilfsmittel so vor¬ bereitetes Feld wie in der Bundesstadt Frankfurt a. M. ; in den hier vorhandenen Vereinen und Anstalten zur Pflege der Wissenschaften und Künste besteht dem Wesen nach bereits eine freie Hochschule; ihr fehlt nur noch die Form.

Diese kurze Inhaltsangabe von Volgers ursprünglichem Programm genügt vollständig zur Würdigung dieses phantastischen Planes und der hochfliegenden Ideen seines Urhebers; mit diesem Plochschul- Projekt verglichen, stand der Traum einer freien Universität der 1848er der Ausführbarkeit bedeutend näher. Volgers überspannte Pläne kehren nur in bedeutend ernüchterter Form in den Satzungen des am Schillerfeste vom 10. November 1859 gegründeten Freien Deutschen Hochstifts wieder: die freie Flochschule ist aufgegeben, die neue Stiftung ist lediglich ein Verein zur Pflege deutscher Wissen¬ schaft, Kunst und allgemeiner Bildung mit dem Wohnsitz Frank¬ furt a. M.; er »erstrebt zur Kräftigung der einheitlichen Geistesmacht und zur Erweckung des Selbstgefühles des deutschen Gesamtvolkes die Schäftung eines deutschen Sammelpunktes für alle freie Thätigkeit in Wissenschaften, Künsten und allgemeinen Bildungseinrichtungen«.

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Der Gründer dieses Vereins hat freilich später immer wieder dessen Charakter als »freie, von allen sonderstaatlichen Zuschnitten unbe¬ rührte Hochschule« betont; aber auch seine begeistertsten Anhänger haben sich darunter keine Anstalt gedacht, welche in den Wettbewerb mit den Universitäten treten oder gar diese ersetzen könnte. Für uns scheidet natürlich dieser Verein mit seiner Entstehung aus der Betrachtung aus; nur seine Vorgeschichte gehört hierher.

Der Gedanke aber, eine wirkliche Hochschule, nicht im Gegen¬ satz zu den alten Universitäten, sondern als gleichberechtigtes Glied in ihrer Kette, in Frankfurt zu errichten, tauchte sieben Jahre später wieder auf, in einer traurigen Zeit, da fast alle Frankfurter an der Zukunft ihrer Stadt verzweifelten, die ihr köstlichstes Gut, die staatliche Unabhängigkeit, eben verloren hatte. Die neue Frankfurter Hoch¬ schule von 1866 sollte eines von den Mitteln sein, die da Ersatz für das Verlorene geben, die Blüte der Stadt in ihren neuen Verhältnissen sichern sollten. Diese Idee trat nicht in Frankfurt selbst, sondern in einer neuen, in Offenbach erscheinenden Zeitung an die Öffentlichkeit, einer Zeitung, welche sich die Aufgabe stellte, an der Versöhnung auf der jetzt gegebenen Grundlage des unter Preussens Führung geeinten Deutschlands an der Überbrückung der Mainlinie mitzu¬ wirken; dass die Idee von Frankfurt aus in das neue Blatt gekommen ist, darf als gewiss angesehen werden; wer ihr Urheber war, wird sich nicht mehr feststellen lassen.

Am 26. September 1866 brachte die zweite Probenummer von Emil Pirazzis »Main- Zeitung« einen Artikel über die Einverleibung Frankfurts in die preussische Monarchie und ihre Folgen für die Stadt; »in civilisatorischer Beziehung«, heisst es da, »ist zu erwarten, dass die tüchtigen wissenschaftlichen Bestrebungen, welche seither in Frankfurt sich mühsam emporkämpften, mit den Hülfsmitteln eines grossen Gemeinwesens rasch zur erfreulichsten Blüthe gedeihen und dass Frankfurt die jüngste, aber nicht die kleinste deutsche Hochschule in seinen Mauern sehen wird. Statt fremder Diplomaten werden dann die Berühmtheiten deutscher Wissenschaft, statt wälscher Lakaien fröhliche Musensöhne aus allen Gauen des grossen Vater¬ landes die Stadt Goethes und Börnes beleben.«

Ein Wort zur rechten Zeit so begrüsste das Frankfurter Journal, das ja damals als einzige politische Zeitung in Frankfurt erschien und als altes Organ der Gothaer den Tendenzen der neuen Main-Zeitung nicht ferne stand, am 9. Oktober diese Anregung. Seit Jahren ist dies, so wurde näher ausgeführt, der Lieblingswunsch eines

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grossen und nicht des schlechtesten Teiles der Bürgerschaft; die Hochschule kann uns einen Ersatz geben für das, was wir verloren haben; keine Stadt eignet sich besser für eine Universität wie Frankfurt: nicht zu klein für städtische Annehmlichkeiten, nicht zu gross, um die wissenschaftlichen Interessen der Dozenten und Stu¬ denten zu beeinträchtigen; gesundes Klima, anmutige Lage im Mittelpunkt Deutschlands; lebhaftes wissenschaftliches Streben, Biblio¬ thek, Spitäler, Sammlungen in vorerst ausreichenderWeise vorhanden; ungezwungener Verkehr, angenehme Art des Leben; die preussische Regierung wird nicht widerstreben: die Universität wird auf die geistigen Strömungen in Süddeutschland, für das Frankfurt ein Kulturmittelpunkt ist, einwirken, sie wird den Anschluss des Südens an den Norden in ihrer Weise fördern; die alte Kaiserstadt, die allein unter den Annektierten ideelle Güter verloren hat und keinen materiellen Ersatz braucht, wird vor dem Schicksal bewahrt, eine obskure, wenn auch durch Handel und Verkehr blühende Provinzial¬ stadt zu werden; der ruhmreichen Vergangenheit wird eine nicht unwürdige ruhmreiche Zukunft folgen; mit allen Kräften muss nach diesem Ziel gestrebt werden: mit neuer Tatkraft wird auch neue Hoffnung und neue Lebensfreudigkeit zu uns zurückkehren.

Mit diesem Artikel, der natürlich aus denselben Kreisen, vielleicht aus derselben Feder geflossen ist, wie die erste kurze Anregung in der gesinnungsverwandten Main-Zeitung machte sich das Frankfurter Journal zum Träger der Agitation in der Öffentlichkeit. Wenige Tage später stimmte eine Korrespondenz aus Marburg lebhaft zu: in den dortigen Universitätskreisen freue man sich bereits auf die bevorstehende, für selbstverständlich gehaltene Verlegung der kleinen, kaum lebensfähigen Provinzialhochschule in die Grossstadt; aber prompt bestritt ein Eingesandt aus Marburg diese Freude: im Gegenteil, die Universitätsprofessoren seien erschrocken über die Aussicht, in das teure Frankfurt übersiedeln zu müssen, unmöglich könnten dort Dozenten mit geringem Gehalt und Studenten mit geringem Wechsel bestehen. Die Marburger Bürgerschaft aber geriet durch diese Zeitungsnachrichten in lebhafte Bewegung: sie ersuchte ihren Stadtrat, die nötigen Schritte zu tun, damit die Einwohnerschaft Marburgs über das Schicksal ihrer alten Universität beruhigt werde. Und auch im benachbarten Giessen bekam man Angst; man be¬ fürchtete, dass des Ministers von Dalwigk angebliche Absicht, die dortige Hochschule eingehen zu lassen, nun erst recht zur Aus¬ führung komme, dass Oberhessen, das Schmerzenskind des Gross-

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Herzogtums, jetzt Enklave im preussischen Gebiet, durch den Verlust seiner Universität noch mehr wie schon jetzt zum Sumpf werde, umgeben von wohlgepflegten blühenden Ufern.

Bald beteiligte sich auch die Berliner Presse an der Erörterung der Angelegenheit. Während die National-Zeitung in einer Korre¬ spondenz aus Marburger Professorenkreisen sich für den Plan er¬ wärmte, während die Kreuz-Zeitung mit Gründen politischer Klug¬ heit lebhaft dafür eintrat die rasche Verschmelzung der Rhein¬ lande mit den alten Provinzen sei durch nichts so sehr gefördert worden wie durch die Gründung der Universität Bonn bezweifelten die Norddeutsche Allgemeine und auch die Kölnische Zeitung, die ja in jener Zeit sich der Stadt Frankfurt nicht gerade wohlwollend gesinnt zeigte, dass es in der Absicht der Regierung liege, Frankfurt auf diese Weise zu entschädigen; sie werde eher auf dem Gebiete des Handels und des Verkehrs ihr Entgegenkommen zeigen.

In Frankfurt selbst stockte damals das kommunale Leben voll¬ ständig; die Vertretungen der Bürgerschaft durften nicht tagen und von den Verhandlungen des Senates war die Öffentlichkeit ausge- geschlossen. Da in den Protokollen und Akten des Senates keine Spur von dieser Angelegenheit zu finden ist, so muss angenommen werden, dass sich diese höchste kommunale Verwaltungsbehörde wenigstens offiziell nicht damit befasst hat. Nur von zwei Frank¬ furter Körperschaften wissen wir, dass sie in die Agitation für eine Hochschule hineingezogen worden sind. Die Handelskammer hielt eine solche höhere Bildungsanstalt für eines der Mittel, die geeignet seien, für das Leben in Frankfurt neue Centralpunkte zu schaffen; von ihrem Standpunkte aus schien ihr aber ein Polytechnicum besser für unsere Stadt passend als eine Hochschule nach dem Muster der bestehen¬ den Universitäten, ein Polytechnicum, »das freilich allen Anforderungen der Gegenwart an eine derartige höhere Bildungsanstalt zu genügen im Stande sein müsste, und für das sich auch in den Bestrebungen der zahlreichen wissenschaftlichen Vereine Frankfurts, in ihren reichen Sammlungen und bewährten Lehrkräften bereits Grundpfeiler vor¬ finden, die zu ihrer Vereinigung nur der organisatorischen Hand und der Mittel zum weiteren Ausbau entgegenharren, um die Verwirk¬ lichung jenes Gedankens in würdigster Weise herbeiführen zu helfen.«1

1 Jahresbericht der Handelskammer für 1866 S. 27. In den Akten und Protokollen der Handelskammer findet sich nach freundlicher Mitteilung des Herrn Dr. Altmann keine Spur von Verhandlungen über diese Frage.

Die Kreise des Handels und der Industrie dachten also begreiflicher Weise an eine Anstalt, die den von ihnen vertretenen Interessen des praktischen Geschäftslebens eher entspräche als eine rein wissen¬ schaftlichen Zwecken dienende Hochschule. Man wäre nun versucht, die Anschauungen der gelehrten, der wissenschaftlich tätigen Kreise in der Stellungnahme des Freien Deutschen Hochstiftes zu erkennen ; das aber würde zu falschen Schlüssen führen. Diese Kreise waren damals nur zu einem geringen Teil an der Tätigkeit der neuen Stiftung beteiligt; sie stand vollständig unter dem Einfluss ihres Gründers und Obmannes, dessen eigenartige Leitung der Tätigkeit des Hochstifts den meisten und besten Frankfurter Gelehrten ge¬ linde gesagt nicht richtig erschien. In der Verhandlung der Ver¬ waltungssitzung vom 16. Oktober 1866, welche sich mit der Hoch¬ schulfrage beschäftigte, ist nichts anderes zu erkennen als Dr. Volgers Ansicht: »dass das von der hiesigen Presse ersehnte Institut, falls dasselbe eine Vorbereitungsschule für künftige Staatsdiener werden solle, mit der Tendenz des Freien Deutschen Hochstiftes als eines allgemeinen Sammelpunktes für jegliche freie Tätigkeit auf wissen¬ schaftlichem und künstlerischem Gebiete nichts gemein habe, eher derselben entgegengesetzt sei; dass aber im anderen Falle diese Anstalt nicht jetzt erst geschaffen zu werden brauche, sondern in dem Hoch¬ stifte bereits existiere und nur ihrer weiteren Ausbildung entgegen sehe.« Die Gesamtsitzung des Hochstiftes am 21. Oktober machte sich diese Ansicht zu eigen und beschloss, die bestehenden wissen¬ schaftlichen Vereine zu grösserer Teilnahme an den Arbeiten der Stiftung einzuladen womit natürlich eine Hochschule als Arbeits¬ stätte der Wissenschaft für Frankfurt als unnötig erklärt war.1

Ob andere Kreise, insbesondere die der akademisch Gebildeten, sich für den Gedanken erwärmten, ist mir nicht bekannt; ich wüsste nur einen Brief Theodor Billroths aus Zürich an Dr. med. Eiser in Frankfurt als Beleg dafür anzuführen, dass in ärztlichen Kreisen schon an bestimmte Berufungen gedacht wurde: »Wollen Sie mich einst in Frankfurt haben an die Zukunftsuniversität, so komme ich gern; doch muss es bald sein, sonst werde ich zu alt.2

1 Schriftbericht der Sitzungen des Verwaltungsrates des Freien Deutschen Hochstifts 1865—1866 in der Registratur der Stiftung; über die Gesamtsitzung der Bericht des Frankfurter Journals vom 26. Oktober, da ein Protokoll in der Registratur nicht mehr vorhanden ist.

2 Briefe von Theodor Billroth, 6. Auflage, 1902, S. 74.

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Es bleibt noch die Frage, wie der wichtigste Faktor in dieser Angelegenheit, die Preussische Staatsregierung, über die Frage der Gründung einer Universität in dem neuerworbenen Frankfurt gedacht hat. In den Akten über die Verhandlungen, welche Vertreter der städtischen Verwaltung im Herbst 1866 in Berlin über die Stellung Frankfurts innerhalb der Monarchie geführt haben, wird in keiner Weise eines solchen Projektes gedacht, woraus zu entnehmen ist, dass diese Frage in jenen langwierigen Verhandlungen nicht erörtert wurde. Ebensowenig "taucht sie in den späteren Verhandlungen der Jahre 1867 1869 über die Vermögensauseinandersetzung zwischen Staat und Stadt auf; da sich diese Verhandlungen um die Frage drehten, wie die Regierung die Stadt für den Verlust eines Teiles ihres bisherigen Eigentums zu entschädigen habe, so lag es nahe, in den Akten nachzuforschen, ob nicht unter den Mitteln der Entschädigung auch die Gründung einer Hochschule von der einen oder anderen Seite in Anregung gebracht wurde. Verschiedene Stimmen der Berliner Presse lassen aber erkennen, dass die Angelegenheit in Regierungs¬ kreisen besprochen wurde, und dass diese dem Plane zwar nicht ab¬ lehnend, aber kühl gegenüber standen. Ein im Stadtarchiv befindlicher Brief des Staatsministers Freiherrn von Patow, der 1866 Civilgouverneur in Frankfurt war und der Stadt auch ferner eine wohlwollende Gesin¬ nung bewahrte, legt direktes Zeugnis für solche Erwägungen inner¬ halb der Regierung ab: das vom 5. März 1869 datierte, an Dr. Georg Varrentrapp gerichtete Schreiben erklärt, dass »die Errichtung, wenn nicht einer Universität, so doch einer grossartigen Handels- oder poly¬ technischen Schule« für Frankfurt in Erwägung gezogen worden sei.

Es ist mir nicht bekannt, ob die Angelegenheit noch nach dem Oktober 1866 in der Öffentlichkeit wieder zur Sprache gebracht worden ist; es bleibt auffallend, dass die Erörterung darüber, die im Oktober so lebhaft war, mit einem Male abbricht und nicht wieder aufgenommen wurde. Wahrscheinlich hat man sich bald davon überzeugt, dass die Preussische Staatsregierung der Verwirklichung dieser Universitätswünsche schon bald nach ihrem ersten Auftreten in der Öffentlichkeit sich abgeneigt zeigte. Ein Artikel des Journals vom 25. Oktober warnt vor sanguinischen Hofinungen: die Sache will überlegt sein, man soll die in Frankfurt vorhandenen Grund¬ lagen an Instituten und Vereinen nicht überschätzen, was kann und will die Stadt bieten? Und zu gleicher Zeit war in der Kölnischen Zeitung zu lesen, dass Frankfurt sich keine Hoffnung auf eine Universität machen solle. Damit schloss die öffentliche Erörterung.

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Wenn wohl auch in privaten Kreisen, vielleicht auch hier und da in der Presse der Wunsch ausgesprochen wurde, die vielen in Frankfurt vorhandenen Anstalten, Sammlungen und sonstigen Mittel der Bildung zu gemeinsamer, konzentrierter Wirkung zu bringen, wenn auch die Schaffung einer Hochschule als das ideale Ziel solcher Bestrebungen hingestellt wurde, die Öiientlichheit hat diesen Ge¬ danken nicht weiter erörtert. Die drei ersten Jahrzehnte nach der Einverleibung der Stadt in die Preussische Monarchie waren auch wenig günstig für solche Ideen. Die Neuordnung der gesamten städtischen Verwaltung, die Durchführung grosser kommunaler Auf¬ gaben, die teils durch die Ereignisse des Jahres 1866 in Rückstand geraten waren, teils von der fortschreitenden Zeit und dem beständigen Wachstum der Stadt neu aufgestellt wurden, nahmen die öffentliche Aufmerksamkeit und die städtischen Mittel vollständig in Anspruch; aber auch der erfreuliche Aufschwung von Handel und Industrie in den 70er und 80er Jahren stärkte die alte Vorliebe der Frankfurter für das Erwerbsleben und wieder schien der alte reichs- und frei¬ städtische Gedanke : Frankfurt in erster Linie dem Handel an Boden zu gewinnen, das Bedürfnis nach einer Hochschule wurde im Hin¬ blick auf die benachbarten aufblühenden Anstalten dieser Art ver¬ neint, die grosse Stadt mit ihren teuren Lebensbedingungen, mit ihren vorwiegend auf den Erwerb gerichteten Interessen allgemein als ein ungeeigneter Boden für eine Universität angesehen.

Wenigstens für eine Universität nach dem Muster der alten Hochschulen, die lediglich der wissenschaftlichen Ausbildung im engeren Sinne dienen sollten, ihren Schülern aber zu wenige Kennt¬ nisse und zu wenig Verständnis für das praktische Leben mitgäben. Mit dieser Klage über die ungenügende Ausbildung auf den alten Uni¬ versitäten begründete im Jahre 1892 Otto Kanngiesser am Schlüsse seiner Betrachtungen über Frankfurts Gegenwart und nächste Zukunft1 seinen Vorschlag, in der als Geldstadt verrufenen Geburtsstadt Goethes, in dem an Mitteln der Anregung so reichen Frankfurt eine Anstalt zu schaffen, die einen neuen Hochschul -Typus darstelle, die, Universität und Polytechnicum vereinend, unter Benutzung der vielen zersplittert arbeitenden, schon vorhandenen Institute und Vereine der höheren Ausbildung für das praktische Leben diene. Kanngiessers Ruf nach einer solchen Hochschule ist zunächst ohne Echo verhallt.

1 Frankfurts Gegenwart und nächste Zukunft. Eine Denkschrift von Otto Kanngiesser. Frankfurt 1892.

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Bald nach dem Erscheinen der Denkschrift Kanngiessers be¬ gannen in Deutschland die Bestrebungen nach Weiterbildung des kaufmännischen Unterrichtswesens, als dessen letztes Ziel die Handels¬ hochschule aufgestellt wurde; Kanngiessers Vorschläge hatten, so nahe das ihrer ganzen Tendenz lag, an eine solche Anstalt nicht gedacht. Wie aus dem Kreise dieser Bestrebungen die jüngste und stolzeste Bildungsanstalt Frankfurts, die Akademie für Sozial- und Handels-Wissenschaften, hervorgegangen ist, die in so glücklicher und eigenartiger Weise der Wissenschaft und der Praxis, dem vor¬ wärts strebenden Kaufmann wie dem die Universitätsbildung er¬ gänzenden wollenden Beamten dient, das soll hier nicht näher dar¬ gelegt werden,1 da diese Ausführungen nicht in den Kreis der neuesten Akademiepläne hineinführen sollen. Wohl aber dürfen sie zum Schlüsse darauf hinweisen, wie diese jüngsten Frankfurter Hochschul- Gedanken unbewusst die Pläne der Akademisten von 1781 wieder aufgenommen haben und wie schliesslich doch ihr Grundgedanke keine Universität für die Wissenschaft allein, eine Hochschule für das praktische Leben nach mehr als einem Jahrhundert siegreich durchgedrungen ist.

1 Vgl. die Denkschrift des Magistrates vom Mai 1899 in den Mitteilungen aus den Protokollen der Stadtverordneten-Versammlung der Stadt Frankfurt a. M., Band 32, 1899, S. 277; ferner die Schriften: A. Voigt, Die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften zu Frankfurt a. M. (1899), und: Die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften in Frankfurt a. M., 4. Auflage (1902).

III.

Zur Gesehiehte der Deutsehordens- Komturei Saehsenhausen bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts.

Von

DR- F. SCHROD.

Gelegentlich einer früheren Arbeit ', in der ich nachzuweisen suchte, dass die Gründung der Frankfurter Deutschordens-Niederlassung spätestens im Jahre 1212 erfolgte, hatte ich öfters Veranlassung, die Resultate Niedermayers1 2 nachzuprüfen, und nicht selten stiess ich auf Missverständnisse und ungenaue, ja direkt falsche Angaben. Deshalb erweisen sich auch Regesten, z. B. in den Urkundenbüchern von Reimer und Lau, die nur nach Niedermayer rekonstruiert sind, in den meisten Fällen als unrichtig oder mindestens anfechtbar. Hierher gehören Nachrichten, die sich beziehen auf Okarben und Lichen, Wachenbuchen, Gross-Gerau, Preungesheim, Wetzlar, Lieblos, Geln¬ hausen, Eschbach, Somborn und Bieber.3 Vorliegende, nur auf ur¬ kundlichem Material aufgebaute Arbeit darf daher in vielen Punkten als Ergänzung, bezw. Berichtigung des Niedermayer-Eulerschen Buches gelten.

I.

Die Besitzungen der Komturei.

A. Innerhalb Frankfurt-Sachsenhausen und seiner Gemarkungen.

1. In Sachsenhausen

kommt in erster Linie das Deutsche Haus in Betracht, mit seinem weitausgedehnten Gebäudekomplex, der schon im 12. Jahrhundert der grösste von ganz Sachsenhausen war. Ausser dem Spital und

1 Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins 1905 p. 3 3 ff.

2 Die Deutsch-Ordens-Commende Frankfurt a., M. Ein Beitrag zu deren Geschichte, aus dem Nachlasse des Inspektors Andreas Niedermayer, herausgegeben im Namen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde zu Frankfurt a. M. von Euler, Frankfurt 1874. (Im folgenden kurz mit »Niedermayer« citiert.)

3 Codex diplomaticus Moenofrancofurtanus. Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt, herausgegeben von J. F. Böhmer, Neubearbeitung von F. Lau, zwei Bände, Frankfurt 1901 und 1905. (Im folgenden kurz mit »Lau« citiert.) Vgl. I. 36. 53. 158. 326. 472. 478. 327. 343. 957. 394. 479. 558. 948. 958.

9 6

der der hl. Maria geweihten Kirche sind die Kapellen der hl. hl. Elisabeth1 * und Anna1 zu erwähnen.

1273 schenkt Marquard Bluel alle seine Güter in Sachsen¬ hausen.3

In demselben Jahre verkauft Ritter Hart mudv. Sachsenhausen 5 Morgen Gerstenland und einen Zins von 4 Malter Korn, der von 4 Morgen fällt. 4 Drei Jahre später verkauft er mit Einwilligung K. Rudolfs eine am Main gelegene reichslehnbare Hofstätte mit einem steinernen Haus nebst Garten für 50 Mark, nachdem er dafür andere Sachsenhäuser Güter dem Reich zu Lehen aufgetragen hatte. 5 Höchst¬ wahrscheinlich ist dieses Haus dasselbe, das die Komturei 1297 an Walther v. Kronberg verpachtet, 6 da Ritter Konrad Schwabe, neben dem das betr. Haus liegt, auch Bürge der Verkaufsurkunde von 1276 ist. 1305 verkaufen zwei Söhne Hartmuds dem DO. Zinsen von 15 Schillingen, 58 Denaren und 1 Kapaunen für 6 Mark.7

Von seinem neben dem DH. gelegenen Hof hatte der Frank¬ furter Schultheiss Heinrich v. Praunheim der Komturei jährlich 20 Denare und 1 Huhn zu zahlen. Diesen Zins erlässt ihm der Orden 1301 gegen Überweisung eines anderen von Heinrichs Bürgeler Besitzungen. 8

Von dem Frankfurter Dekan Heinrich Mein stammen Zinsen von einem Badehaus und einigen neben diesem liegenden Häusern. Ein mit den Erben des Dekans ausgebrochener Streit wurde 1323 zugunsten der Komturei entschieden.9

Unter den 1332 vom DO. an das Bartholomäusstift verkauften Zinsen befand sich eine Gült von 9 Schillingen, die von Lotzen Haus in der Lorgasse fiel. 10

1 Zuerst 1270 erwähnt, Lau 296. Als Zeit ihrer Erbauung findet man ca. 1250,

1269/70 und 1320 (!) angegeben.

1 Zum erstenmal genannt bei Gelegenheit der grossen Überschwemmung

von 1342, Quellen zur Frkf. Gesell. I. 5. 140. 156. Nach Battonn, Örtliche Be¬ schreibung der Stadt Frankfurt a. M. VII. 38 wurde sie 1485 erbaut (!), nach anderen ca. 1250.

5 Lau 325.

* Lau 315.

* Lau 366 (bei Niedermayer 27 falsch). 369. 372.

6 Lau 705.

7 Lau 859.

8 Lau 791. Vgl. 608, 609 und unten p. in.

Lau II. 207.

10 Lau II. 446.

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1339 verpachtet die Komturei einen Hof mit allem Zubehör an den Frankfurter Bürger Dietrich Prinkstag für einen jährlichen Zins von 4 Mark,' und diesen Hof gibt Dietrich 1343 an einen gewissen Gottfried für 12 Schillinge weiter.1 2

1349 pachtet der Bäcker Wenzel ein Backhaus, das nahe bei der Elisabethkapelle an der Mauer liegt, vom DO. für eine jährliche Gült von 4 Pfund Heller.3

1351 stiftet Konrad zu Löwenstein Seelenmessen für seine ver¬ storbenen Familienangehörigen, indem er der Komturei einen Zins von 1 Mark, 2 Hühnern und 1 Kapaunen schenkt. Der Zins lastet auf drei an der Brückenscheuer gelegenen Häusern.4

Vor Sachsenhausen lag der Sandhof, jene schöne und alte Ordensbesitzung.5

1285 wird eine beim Riedhof gelegene Wiese der Komturei erwähnt.6

Zum späteren Seehof und der Hohenräder Mühle legte der DO. 1288 den Grund, indem er einen Fischteich am sog. Fersbrunnen kaufte. Diese neue Erwerbung war Reichslehen, daher gaben die Verkäufer zum Ersatz dem Reich andre in der Nähe liegende Äcker zu Lehen auf.7 Mit dem aus diesem Weiher abfliessenden Wasser betrieb die Komturei später ihre am Fuss des Mühlbergs gelegene Mühle, die gewöhnlich nach einem jetzt ausgegangenen Dörfchen Hohenräder Mühle genannt wird und deren letzte Überreste erst 1901 abgetragen wurden. Zweifellos aber hat die Mühle nicht, wie Battonn VII. 35 annimmt, schon zu der ersten Münzenbergischen Stiftung gehört, ich vermute vielmehr, dass sie erst 1325 vollendet war, als der DO. seine 3 Schiffmühlen verkauft.8

In dem an Sachsenhausen anstossenden Reichswald oder Königs¬ forst der Dreieich hatte die Komturei mancherlei Rechte. Schon

1 Urk. im Frkf. Stadtarchiv.

2 Das.

3 Das.

4 v. Pettenegg, Die Urkunden d. DO. -Zentralarchivs zu Wien 1244. Nieder¬ mayer 69 kannte nach einem Lagerbuch aus der Mitte des 14. Jahrhunderts noch

5 in der Oppenheimer Vorstadt liegende dem DO. zinspflichtige Hofstätten.

s Lau 30.

6 Lau 501. Lau vermutet in diesem Hof »zu dem Rode« Niederrad. Jedenfalls ist dies dieselbe Wiese, die auch 1278 (Lau 403) und 1338 (Böhmer, Cod. Moenofrancofurt. 555) begegnet.

7 Lau 543. 546.

8 Lau II. 279. Vergl. unten p. 102.

7

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das Spital von 1193 durfte hier jederzeit 1 Wagen Holz holen.1 Friedrich II. erhöhte dieses Beholzungsrecht auf täglich 2 Wagen und erteilte dem DO. ausserdem das Weiderecht.2 Nur einen Wagen täglich gestattet 1293 K. Adolf.3 Auch Kaiser Ludwig stellt hierüber mehrere Urkunden aus, 1320 erlaubt er dem Orden wöchentlich 6 Wagen,4 1332 4 Fuder FIolz.5 1338 schenkt er der Komturei den Langenbruch, ein stattliches Stück des Reichswaldes zwischen der Oppenheimer Strasse und dem Röderbruch bei Niederrad, wofür in der DO. -Kirche für den Kaiser und seine Gemahlin jährlich eine Seelenmesse gehalten wurde.6

Das Privileg von 1332 wiederholt Karl IV. 1349, 7 und da der Frankfurter Rat den DO. in seinen Rechten am Wald zu schmälern suchte, erliess er in demselben Jahre von Nürnberg aus an den Rat ein Schreiben, in dem er diesem seine Handlungsweise verwies.8

Auch der eben erwähnte Röder bruch wTar im Besitz des Ordens. Er lag zwischen Niederrad und dem Frauenweg (an ihm war der Sandhof gelegen) und bildete ursprünglich einen sumpfigen Teil des Reichswaldes, 1233 hatte ihn K. Heinrich der Komturei geschenkt.9 Schon früh war der DO. wegen dieses Besitztums in Streitig¬ keiten verwickelt. Battonn I. 233 kannte ein Zeugenverhör aus dem Jahre 1251, das zum Nachteil der Komturei ausfiel. 1269 beauftragt K. Richard den Frankfurter Scbultheissen, den DO. in seinen Rechten zu schützen,10 und 1273 kam ein Vergleich zwischen der Komturei und dem Bartholomäusstift zustande, dessen Resultat war, dass der Orden in Zukunft an das Kapitel nur den Neunten, nicht aber den Zehnten zu zahlen habe.11

1 Lau 30.

2 Lau 55. $6.

5 Thomas, Frkf. Annalen im Archiv f. Frkf. Gesch. u. Kunst II. 190.

4 Lau II. 143.

5 Lau II. 428. Regesten Ludwigs d. B. 1421.

6 Böhmer 555. Der Bruch ist genau beschrieben.

7 Reg. Karls 1069, Arch. Frkf.

8 Reg. Karls 1171, Arch. Frkf., Pettenegg 1231.

9 Lau 100.

10 Lau 293.

11 Lau 318. Einen ähnlichen Prozess führte das Kapitel auch mit dem Schultheissen Heinrich, Lau 467. 615, dabei als Zeuge auch ein Vertreter des DO. Über den Streit vgl. Arch. f. Frkf.Gesch. 6, 65 ff., Battonn a. a. O., Niedermayer 26, Neujahrsbl. d. Vereins f. Gesch. u. Altertumskunde zu Frkf. a. M. 1884, p. 16.

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2. Frankfurt.

Im Jahre 1222 schenkt Elisabeth, die Witwe des Frankfurter Schultheissen Johannes und Cunos II. von Münzenberg, dem DO. einen Hof.1

1270 vermacht Wicker auf der Brücke, Sohn des Harpern von Offenbach, und seine Frau Gisela u. a. zwei Höfe und Häuser neben der Brücke.2 Wegen dieses Testamentes kam es zwischen der Komturei und Wicker, der sich nach Giselas Tod zum zweiten Male verheiratet hatte, zu einem Streit, der 1279 durch Vermittelung einiger Frankfurter Schöffen und Dominikaner beigelegt wurde: das eine Haus erhält der DO. sofort nach Wickers Tod, das zweite erst nach seiner Frau Ableben, falls diese ohne Kinder bleibt.3

Von einem dem Orden gehörigen Hause auf dem Korn markt erhielt der Ritter Hartmud v. Sachsenhausen 1 Schilling. Die Ab¬ lösung dieses Zinses sowie eines anderen von 5 Schillingen von dem Hause des Richters Dietrich erfolgt 1273.4

Das Haus zur weiten Tür stammte von dem Schuhmacher und Frankfurter Bürger Ruprecht und seiner Frau; beide hatten unter gewissen Bedingungen ihr ganzes Vermögen geschenkt.5 1280 verpachtet die Komturei das Haus für einen Zins von 10 Mark,6 und 8 Jahre später wird über diese Verpachtung eine neue Urkunde ausgestellt.7

Einen Zins von 3 Mark auf dem der Judenschule benachbarten Hause des Juden Gottschalk kauft 1288 der DO.-Priester Heinrich von Rödelheim.8 Derselbe Bruder erwarb auch das Haus zum

1 Lau 57. Kriegk, Gesch. v. Frkf. 47 gibt das Regest falsch wieder. Die Schenkung bei Niedermayer 32 von 1289 ist ein Missverständnis der Lau 560 gedr. Urkunde. Nach Niedermayer 20, Arch. f. Frkf. Gesch. N. F. 1, 379 der Goldne Schwan in der Friedbergerstrasse. Über Elisabeths Familien Verhältnisse vgl. Mitteil. d. Oberhess. Geschichtsver. 1905 p. 55.

2 Lau 296.

3 Lau 410 in 2 etwas von einander abweichenden Fassungen, die jede in 2 Expl. vorhanden sind. Reimer, Urkundenbuch zur Gesch. d. Herren von Hanau I. 329 hat 1269.

* Lau 315. Nach Niedermayer 82 besass der Orden 1331 2 Häuser am Kornmarkt.

5 Dies wurde noch 1288 bekundet, .Lau 554. Wo dies Haus lag, vermag ich nicht zu sagen. Vgl. Lau 557 Zus., vielleicht ist es eines der Arch. f. Frkf. Gesch., N. F. 1 p. 378 genannten drei Schuhhäuser.

6 Lau 439. Vgl. 426.

7 Lau 557.

8 Lau 556.

7 *

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schwarzen Hermann. Hs lag in der Höllgasse1 und gehörte ursprünglich den Rittern v. Praunheim-Sachsenhausen.2 * 1292 bekam das Mainzer Stift des heiligen Gingolf von Ritter Heinrich einen auf diesem Hause lastenden Zins von 15 Schillingen angewiesen 5 und verkauft ihn 1294 an Bruder Heinrich4 und 1295 für 18 Mark an den DO. 5 Letzterer wird wohl auch in den Besitz des 1288 von Heinrich gekauften Zinses gekommen sein, zumal Heinrich 1295 die Komturei zu seiner Universalerbin ernannte.6

1297 weist Ritter Walter v. Kronberg dem DO. einen von ihm erkauften Zins von 1 Mark auf ein Frankfurter Haus an.7

1300 geht das DH. einen Zinstausch (20 Denare) mit Wigel Frosch ein. Die betr. Zinsen liegen auf dem Hause Werner Selzers, das neben Wigels Hof liegt, und dem Hause Konrads von Heldenbergen.8

1302 vermacht die Hebamme Dina ihr in der Fahrgasse ge¬ legenes Haus, das einen Zins von 8 Schillingen erbringt.9

1307 schenkt Erenbrecht v. Praunheim u. a. sein Haus am Rössb ühel.10 11

In der Töngesgasse besass der DO. einen Hof und Gut, von dem Peter Bere 1320 einen jährlichen Zins von 6 Schillingen und 1 Kapaunen gibt."

1320 wird zum erstenmal das Komposteil »curia fratrum Teutonicorum« genannt,12 ebenso 1350.13

1332 verkauft der DO. für 13 Mark 1 Mark Zins von zwei Häusern in Frankfurt und Sachsenhausen an das Bartholomäusstift. Genannt wird dabei Rulen von Wetzlar Haus in der Steingasse.'4 Dasselbe geschah 1333 für 13 Pfund Heller mit einem Zins von

1 Arch. f. Frkf. Gesch. N. F. 1, 365. Es gab auch einen Schwarzehermanns- brunnen, Lau 771. Nach Niedermayer 82 zinsten 1331 6 Häuser in der Höllgasse.

a Lau 283. (1268.)

5 Lau 62t. Vgl. 608. 609. 791.

4 Lau 659.

5 Lau 682.

6 Lau 683. Vgl. 685.

7 Lau 705.

8 Lau 770.

9 Lau 812. Ein Haus in der Fahrgasse bewohnte ca. 1350 ein Maler Johannes und bezahlte dafür dem DO. 14 Schillinge Zins, Niedermayer 82.

10 Liebfrauenberg? Lau 883.

11 Lau II. 144.

12 Battonn II. 14 1.

U Battonn VII. 29. 82.

*4 Lau II. 446.

IOI

i Pfund Heller, der auf dem Hause genannt Frederunen des Krämers Peter lag.1

1336 hören wir bei dem Verkauf eines Hauses in der Krüc hin¬ gas se, dass es mit 11 Schillingen für den DO. beschwert ist.2

1 Hufe Land in der Frankfurter Gemarkung hatte Kaiser Friedrich II. bereits 1221 geschenkt.3

Im Lindau, einem ausgerodeten Reichswald dicht vor Frankfurt, besass der DO. eine Wiese, von der er dem früheren Schultheissen Wolfram eine jährliche Rente von 3 Malter und 2 Mött Korn be¬ zahlte. Diesen Zins löst die Komturei 1268 ab.4 Ferner hatte der Orden im Lindau einen 2V2 Morgen umfassenden Garten, den er 1288 gegen eine jährliche Abgabe von 13 Schillingen und 2 Ka¬ paunen verpachtete.5

Vor dem ßockenheimer Tor besass der DO. einige Äcker. Auf ihnen lastete nach 1284 eine Rente von 6 Schillingen, die an einen Altar der Bartholomäuskirche fiel.6

2 Morgen lagen bei dem Weingarten an der »fliessenden Bach.« Diese Äcker verpachtete die Komturei 1289 zusammen mit dem Hof »uff der Eidern« an Eckehard, den Sohn Emmerichs de ortis. Als Pachtzins hat der Genannte jährlich an St. Jakob 4 Schillinge und 2 Gänse, und an St. Martin 4 Schillinge und 9 Vs Denare zu zahlen.7 8 Jedenfalls sind dies die Güter, wegen derer 1315 ein Streit mit Konrad ad hortos geschlichtet wurde.®

Über andere Frankfurter Besitzungen der Komturei Sachsen¬ hausen fehlen sichere Nachrichten. Jedenfalls lagen auch die quaedam bona, von denen der DO. bis 1268 dem früheren Schultheissen Heinrich einen Zins von 30 Denaren zahlte,9 in Frankfurt. Dasselbe gilt von omnia bona immobilia sive possessiones, die der Frankfurter Bürger Wolfram 1277 schenkt,10 von der Schenkung eines anderen

1 Lau II. 451.

2 Lau II. 585.

3 Lau 55.

Lau 287.

s Lau 545.

6 Lau 495, späterer Zusatz. Nach Niedermayer 82 besass der DO. 1331 hier auch ein Haus.

7 Kopie von 1392 im Arch. Frkf.

8 Lau H. 42.

9 Lau 287.

10 Lau 382.

102

Wolfram aus dem Jahre 1289* und von der Schenkung der Begine Adelindis vom April 1 3 5 1,1 2 sowie endlich von mehreren nicht näher bestimmten Zinsschenkungen.

Im Main besass der DO. die Fischereigerechtigkeit,3 K. Rudolf verpachtet sie 1285 der Komturei zu dem bisherigen gewöhnlichen Zins bis auf Widerruf.4 5 Ebenso 1293 K. Adolfs und 1341 Kaiser Ludwig, wobei wir hören, dass der Zins an den kaiserlichen Saal (Saalhof) zu zahlen ist.6 Mit dem Schöffen Jakob Knoblauch, dem der Saalhof verpfändet war,7 geriet die Komturei wegen des Fron¬ wassers in einen Streit, der im September 1342 beigelegt wurde,8 und einen Monat später erlässt auch der Kaiser eine Verordnung zugunsten des Ordens, in der er gebietet, diese Verleihung weder anzufechten, noch den Zins höher zu treiben.9

Drei Schiffmühlen, die der DO. auf dem Main hielt, verkauft er 1325 für 50 Mark an den Bäcker Starkerat. Gleichzeitig pachtet letzterer das zum Betrieb notwendige Wasser und eine Hofstätte mit dem dazugehörigen »Wych«, wohin die Mühlen während des Winters gebracht werden, für einen Zins von 14 Malter Korn. Als Unterpfand setzt er eine ewige Gült von 1 Mark auf zwei Stein¬ häusern in der Fischergasse.10

1 Lau 561.

2 Pettenegg 1254. Lersner, Frkf. Chronik II. 197.

5 Diese, meist Fronwasser, auch Fischentze genannt, bildete Jahrhunderte hindurch den Gegenstand lebhafter Streitigkeiten zwischen dem DO. und der Stadt Frankfurt. Sie erstrekte sich, wie wir aus späteren Urkunden wissen, auf den Fluss zwischen Oberrad und Niederrad, genauer vom Roden- oder Königsbach bis zum Frauenbach gegenüber dem Gutleuthof, und umfasste auch Äcker und anderes Zubehör.

4 Lau 500. Nach Niedermayer 74 betrug der Zins 13 Malter Korn.

5 Lau 638.

6 Böhmer 576, Kopialb. (Der Comendthurey Franckfurth a. M. Documenten Buch, Kgl. Staatsarchiv zu Stuttgart) fol. 149.

7 Zahlreiche Urkunden hierüber in den Regesten Ludwigs d. B.

8 Böhmer 579.

9 Böhmer 580, Kopialb. 148 b.

10 Lau II. 279. Starkerat starb zwischen 1350 (Reimer III. 77 Zus.) und 1356. Im Mai 1356 zieht die Komturei bereits das Unterpfand ein und vertauscht im folgenden Jahre V* Mark davon. Urk. im Arch. Frankfurt.

io3

B. Die Besitzungen der Komturei ausserhalb Frankfurt-

Sachsenhausen.

i. Linksrheinische Besitzungen.

Weinheim, Hessen, südwestlich Alzey.

Der Grund zu den DO. -Besitzungen in Weinheim wurde nicht erst 1282, 1 sondern schon 9 Jahre früher gelegt. Der Ritter Werner v. W. schenkt 1273 dem Orden seine gesamten Weinheimer Liegen¬ schaften. Doch erhält sie die Komturei erst nach seinem Tode, 2 3 zunächst zahlt Werner einen jährlichen Zins von 1 Schilling Heller und 2 Kapaunen. Auch werden verschiedene Bestimmungen getroffen behufs Erwerbung des dem Reichskämmerer Philipp von Falkenstein- Münzenberg gehörigen Gerichtes durch den DO., aus denen zu ersehen ist, wie sehr der Komturei daran lag, das Weinheimer Gericht in ihre Hände zu bekommen.5 Aber erst 10 Jahre später erhält sie es von Philipp,4 und erst 1287 bestätigte der Oberlehnsherr, der Pfalz¬ graf Ludwig, diese Übertragung. 5 Nach Werners Tode liess sich der Orden diese Schenkung von dessen Bruder Berlewin, der Wormser Kanonikus und Propst von Neuhausen ist, bestätigen.6 Ebenso be¬ stätigen 1305 die Söhne des verstorbenen Pfalzgrafen Ludwig die Schenkung ihres Vaters,7 und dasselbe tun 1331 die Pfalzgrafen Rudolf II. und Ruprecht.8

Berlewin hatte schon vorher dem DO. Güter geschenkt. Im Jahre 1281 hatte er seinem Bruder das freie Verfügungsrecht über seine Weinheimer Güter gegeben,9 aber schon ein Jahr später wider¬ ruft er diese Verfügung und schenkt dem DO. die von seinen Eltern ererbten Güter in und um Weinheim.10 Im selben Jahre schenkt auch Werner dem Orden mit Einwilligung Philipps von Falkenstein einen

1 Niedermayer 30.

2 Starb vor 1300, Lau 752.

3 Lau 316.

* Lau 475.

5 Lau 527.

6 Lau 752. Kopialb. fol. 219.

7 Lau 860.

8 Lau II. 420.

9 Kopialbuch fol. 219.

10 Lau 460.

ro4

Turm,1 nachdem er auch dessen Lehnsherrn, den Pfalzgrafen Heinrich, um seine Zustimmung gebeten hatte. 2

Gewisse Güter hatte Werner gleichzeitig dem Pfalzgrafen Ludwig •und dem DO. geschenkt; da aber nachgewiesen wurde, dass die Schenkung an letzteren die frühere war, verzichtete 1292 der Pfalz¬ graf zugunsten des Ordens auf diese Güter.3 Andre Liegenschaften, die Werner 1281 für 100 Pfund Heller vom Alzeyer Cisterzienser- kloster zum Himmelsgarten gekauft hatte,4 übergab er für dieselbe Summe 1282 dem DO.; letzterer verpachtet sie ihm wieder für einen jährlichen Pachtzins von 7 6 Malter Korn.5

Unter andren Zinsen und Gütern vermacht Werners Schwester, Gertrud von Weinheim, 1304 dem DO. auch solche in Weinheim; sie behält sich nur deren Nutzniessung vor, solange sie lebt. Es sind dies ein Haus nebst Garten, 4 Morgen Weinberge, V2 Morgen Acker, 12 Malter Korn, 4 Kapaunen und 5 Pfund Heller.6

1306 schenken vier genannte Inklusen dem DO. ihren ganzen Besitz mit Ausnahme eines Hofes mit dazugehörigem Obstgarten, der an den Weinheimer Pfarrer Konrad von Alzey verpachtet ist und erst nach dessen Tod den Erben zufällt. Von den Erträgnissen dieser Pacht leben Osa und Rensa, für den Lebensunterhalt der beiden anderen, Ottilie und Gertrud,7 * hat der DO. zu sorgen. Nach beider Tode fällt ihr gesamter Nachlass dem DO. zu, stirbt eine von ihnen, so hat der Orden, abzüglich 10 Malter Korn und Va Fuder Wein, für die überlebende zu sorgen*

Alzey, Hessen.

1282 schenkte Werner v. Weinheim eine Mühle und 12 Morgen Wiesen.9 Ausserdem besass der Orden noch zwei Höfe nebst Haus und Zubehör in Alzey. Den einen Hof verpachtete er 1287 gegen nötige

1 L. 469.

2 L. 468.

3 L. 607.

4 Kopialb. f. 223.

s Das. 219b.

6 L. 844. Nach Niedermayer 135 lagen diese Güter in Preungesheim.

7 Jedenfalls die schon erwähnte Schwester Werners und Berlewins, die übrigen 3 werden ebenfalls Geschwister von ihnen sein.

s L. 878. Diese Summe genügt wohl, um eine Person zu unterhalten, also wird die überlebende ebensoviel, beide zusammen das Doppelte erhalten haben.

9 L. 470.

io5

Sicherheit für 40 kölnische Schilling an einen Alzeyer Bürger.1 1348 wird ein Streit über diesen Hof geschlichtet, der Bocksbartshof2 genannt wird, indem der Edelknecht Simon auf alle Ansprüche an den DO. verzichtet; er erhält eine Abfindungssumme von 5 Pfund Heller.3

1328 verpfänden der Edelknecht Omiche v. Weinheim und Johann Setze dem DO. die Hälfte ihres Hofes vor der Spiesspforte für 8 Schilling und 14 Pfund Heller. Das Einlösungsrecht der Verpfänder wird ausdrücklich gewahrt.4

Partenheim und Vendersheim, Hessen, nordwestlich Wörrstadt.

Wann und wie der DO. hier Güter erwarb, ist nicht ersichtlich. 1303 werden sie gegen solche der Komturei Mainz in Okarben aus¬ getauscht, wobei die Komturei Sachsenhausen noch 19 Mark hinzufügt.5

Freimersheim, Hessen, südsüdwestlich Alzey.

Die uns bekannte Gertrud von Weinheim schenkt hier 1304 eine Erbrente von 5 Malter Korn.6

Mauchenheim, bayerische Pfalz, nordöstlich Kirchheimbolanden.

In derselben Urkunde wird dem DO. auch eine Erbrente in M. überwiesen, die ihm jährlich 17V2 Malter Korn, 4 Kapaunen und io Schilling Heller eintrug. Der Geldzins und die Kapaunen fielen von einem Haus und Garten, 6 Malter Korn von 8V2 Morgen Land, von denen 5 infra juxta Wernherum militem lagen. Die übrigen 11V2 Malter waren von einem Hof und andren genau beschriebenen Äckern zu zahlen.7

2. Rechtsrheinische Besitzungen der Komturei. a) Links des Mains.

Anm. Nicht begütert war der DO. in Gross-Gerau, wie Lau 158 will. Diese Urkunde ist für die Johanniter in Nidda ausgestellt : Baur, Ur¬ kunden zur hess. Gesch. I. 102. Wagner, Wüstungen I. 232 »verbessert« in DO. zu Nidda und endlich Niedermayer 167 in DO. zu Frankfurt. Nach freundlicher Mitteilung des Darmstädter Archivdirektors Dr. Frhrn. Schenk zu Schweinsberg.

' L. 522, ergänzt nach Kopialb. f. 2.

2 Also hiess der Alzeyer Bürger von 1 287 Bocksbart, nicht Poespart,wie L. 522 will.

3 Kopialb. f. 3 b.

4 Das. 3.

s Lau 835. Vgl. unten p. 127.

6 Lau 844.

7 Lau 844.

106

Oberrad, Hessen-Nassau, südöstlich Frankfurt.

Die uns schon bekannte Elisabeth (oben p. 99) verkaufte 1225 der Komturei für 20 kölnische Mark ihren Weinberg in Oberrad.1 Doch geht er erst in Ordensbesitz über, wenn sie das Geld verlangt und dasselbe innerhalb zweier Monate bezahlt ist.2 3

Erzhausen, Hessen, nördlich Darmstadt.

Der Ritter Hartmud von Sachsenhausen verkauft 1273 ^em Orden alle seine Besitzungen in und um5 Erzhausen mit Ausnahme einer Wiese. Es werden Bürgen gestellt, deren Verpflichtung so lange dauert, bis seine Schwester (Niedermayer hat Schwägerin) für ihren Erbanteil befriedigt ist.4

Trebur, Hessen, westnordwestlich Darmsta.dt.

1273 vermacht Marquard Bluel dem DO. alle seine Güter, wo¬ runter auch eine halbe Hufe in Trebur ist. Dafür erhält er lebens¬ längliche Pension und Wohnung im Deutschen Haus zu Sachsenhausen.5

Hohensachsen, Baden, südlich Weinheim a. d. Bergstrasse.

1292 schenkt Pfalzgraf Ludwig II. dem DO. die Kirche und das Patronat zu H.; doch soll der jetzige Inhaber der Kirche, solange er lebt, in seinen Rechten unbehindert sein.6 Zwei Monate später, im Juli desselben Jahres, gibt Mechtilde ihre Zustimmung zu dieser Schenkung,7 und 1296 wird sie von ihren Söhnen, dem Pfalzgrafen Rudolf I. und Ludwig, bestätigt.8

Münster, Hessen, nordöstlich Dieburg.

Der Dieburger Bürger Heinrich Lule, der uns noch mehr be¬ gegnen wird, verkauft 1294 mit Zustimmung seiner Nachkommen

1 Arch. f. Frkf. Gesch. 6, 207 hat Niederrad.

2 Lau 72. Niedermayer 101 kennt noch mehr hiesige Güter.

3 in terminis, nicht inter minis. Niedermayer 27 hat, wohl nach Thomas, »in den Steinbrüchen«.

Lau 315. Voigt, Geschichte des Deutschen Ritterordens I. 51, 2 hat 1276. Hartmud schenkte auch in Sachsenhausen, oben p. 96. Auf p. 27 gibt Niedermayer dieses Regest zweimal. Eine genaue Beschreibung dieser Besitzungen findet sich nach ihm 106 in einem Ackerbuch von 1331.

s L. 325. Er lebt noch 1284, Lau 487. Schenkte auch in Sachsenhausen, p. 96.

6 L. 610.

7 Lau 613.

8 Lau 700.

107

dem DO. von einer Hufe Einkünfte von 5 Malter Getreide, 7 Unzen Heller und mehreren Hühnern.1

Dieburg, Hessen.

Der schönste Ordensbesitz in der Dieburger Gemarkung war wohl die Kistelberger Mühle, die gewöhnlich die Mühle Kistelberg, ab und zu auch Münstermühle genannt wird. Sie wird bald als bei Dieburg, bald als bei Münster gelegen bezeichnet. Ihre Erwerbungs¬ geschichte ist nach Niedermeyer »etwas verwickelt«, und über ihre definitive Erwerburg »lassen uns die Akten im unklaren«. Ersteres stimmt, das zweite nicht.

Ursprünglich gehörte diese Mühle den Münzenbergern, schon 1239 begegnet sie als ihr Eigentum.2 Ansprüche und Rechte an ihr hatten, wie aus dem folgenden hervorgeht, das Frankfurter Bartho¬ lomäusstift und zwei Dieburger Familien. Die eine, ein altes Adels¬ geschlecht, wurde gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts durch die Familien Groschlag und Aumann repräsentiert. Rudolf Groschlag war Münzenbergischer Vogt. Die Oberhäupter beider Familien waren gemeinsam mit der Kistelberger Mühle belehnt, doch resignierte Aumann mit seinen drei Söhnen, worauf Ulrich II. v. Münzenberg 1253 Rudolf allein mit ihr belehnte. Das Frankfurter Stift, das über diesen Vorgang ebenfalls eine Urkunde ausstellte,3 hatte seine Rechte für jährlich 5 Schillinge leichter Denare ebenfalls an Rudolf abgetreten.4

Rudolf sollte jedoch nicht lange im ungestörten Besitz der Mühle bleiben. Denn die andere Familie, deren Recht bei dieser Übertragung offenbar nicht genügend berücksichtigt wurde, betrat den Klageweg. Diese Familie bestand aus den vier Brüdern Eberhard (v. Hüttengesäss), DO. Bruder in Sachsenhausen, Johann, Pfarrer in Rossdorf, Friedrich Ocalp5 und Heinrich Lule; die beiden letzteren waren Bürger in Dieburg. Friedrich wandte sich an Ulrichs Neffen, Werner I. v. Falkenstein, und dieser schreibt 1266 an Heinrich, seinen

1 Lau 651. Nach Nied. 166 war die Komturei auch in dem oberhess. Münster (südwestl. Butzbach) begütert. Waren diese Besitzungen wirklich von Gela Welgele und ihrem Gemahl Heinrich geschenkt, so ist diese Schenkung vor 1321 erfolgt, denn in diesem Jahre ist Gela bereits Witwe. Lau II. 168.

2 Arch. f. hess. Gesch. und Altertumskunde 8, 230.

3 Kopialb. fol. 68.

4 Lau 175. Oder 1254? Dass Ulrich die Mühle 1254 dem DO. verlieh (Thomas im Arch. f. Frkf. Gesch. 1839 p. 119), beruht auf einem Missverständnis.

5 Niedermayer p. 120 hat DO.-Bruder Stalp.

io8

Schultheissen im Hain, er habe Kenntnis genommen von der Über¬ tragung der Mühle Kistelberg an Rudolf; Heinrich sollte sie jedoch namens Friedrich Ocalps dessen Brüdern Johann und Eberhard über¬ geben und dafür sorgen, dass diese die Mühle mit den dazugehörigen Gütern ebenso unbehelligt besitzen könnten wie ihr Bruder Heinrich Lule.' Das Bartholomäusstift übertrug seine Rechte nun auch an Friedrich und Johann,1 2 sodass die Mühle jetzt vollständig im Besitz jener vier Brüder ist. Und zwar besass wie aus dem folgenden her¬ vorgeht, Friedrich mehr als die Hälfte, Johann ein Viertel.

Der DO., der durch Eberhard Anspruch auf einen Teil der Mühle hatte, suchte nun auch die übrigen Teile an sich zu bringen. Zunächst erkaufte er einen Teil Friedrichs vom Bartholomäusstift für eine jährliche Rente von 5 leichten Schillingen. 3 Den anderen, grössten, ihm zustehenden Teil, nämlich die Hälfte der Mühle, hatte Friedrich 1284 der Dieburger Pfarrei übertragen.4 Die Pfarrei war im Besitze der Dieburger Minoriten,5 die jährlich 1 Malter Korn von der Mühle bezogen,6 und letztere verkaufen daher 1293 ihren Teil der Mühle nebst 8 Morgen Wiesen, die in der Bach7 liegen, dem DO. für 40 Pfund Heller. Wie wichtig dem Orden der Erwerb gerade dieser Rechte war, sieht man daraus, dass der Kauf u. a. in Anwesenheit des Mainzer Erzbischofs und Ulrichs v. Hanau abge¬ schlossen wurde:8 Ulrich war einer der Münzenbergischen Erben.

Johannes, der den 4. Teil der Mühle besass, trat seine Rechte 1287 an den Orden ab.9 Im nächsten Jahre werden die Bedingungen, unter denen dies geschah, fixiert. Johannes erhält eine lebenslängliche Rente von 2 Talenten Heller und je 5 Malter Weizen und Roggen, muss aber dafür für allen Schaden, von dem die Mühle zu seinen Lebzeiten betroffen wird, aufkommen. Nach seinem Tode erhält eine nahe Verwandte von ihm, Jutta Flougen, der er Rechte an seinem Teil übertragen hatte, und eines ihrer Kinder von dem DO. eine

1 Steiner, Bachgau III. 1829 p. 172 Nr. 67; ergänzt nach Kopialb. fol. 183, hier ohne Datum. Scriba, Reg. d. Provinz Starkenb. p. 45, 479 gibt das Regest falsch wieder.

2 Zu erschliessen aus dem Folgenden., vgl. Lau 510. 537.

3 Lau 510.

4 Steiner Nr. 69.

5 Das. p. 30.

6 Lau 644.

7 Offenbar ein Flurname. Steiner p. 174 hat Deibach, Lau 644 Derbach.

8 Lau 644.

8 Lau 537.

io9

Rente von je 3 Malter Weizen und Roggen ausbezahlt. 1 Am 6. Juni 1295 werden diese Bedingungen von neuem aufgezeichnet, doch mit folgender Änderung, bezw. Erweiterung. Die Rente an Johannes wird in 2 Raten ausbezahlt, nämlich am 1. Januar und an Michaelis (29. September); nach seinem Tode wird eine Seelenmesse für ihn gehalten, und ausserdem fallen an diesem Tage je 2 Malter Weizen und Roggen den DO. -Brüdern zur Pietanz.2 Doch scheint dieser neue Vertrag irgend eine Partei immer noch nicht befriedigt zu haben, denn am 13. September, also noch vor dem Termin, an dem Johannes die Hälfte seiner Rente erhalten sollte, tritt eine letzte endgiltige Abmachung in Kraft, nach der Johannes, Jutta und ihre Tochter Ymma gegen den ansehnlichen Betrag von 63 Pfund Heller alle ihre Rechte an dem 4. Teil der Mühle Kistelberg definitiv an den DO. abtreten.3

Und endlich gestattet 1294 Ulrich von Hanau, dass auch Hein¬ rich Lule seinen Teil der Mühle dem DO. verkauft,4 nachdem schon 4 Jahre vorher auch Philipp und Werner von Falkenstein-Münzenberg hierzu ihre Einwilligung gegeben hatten.5

Den Besitzwechsel dieser Mühle, ihren Übergang zunächst in den alleinigen Besitz der vier Brüder und dann in die Hände des DO., hatten ihre früheren Inhaber sehr ungern über sich ergehen lassen. Die Familie Groschlag hatte sofort einen Prozesf angestrengt, der 1269 schon schwebte,6 aber jedenfalls zu ihren Ungunsten ausfiel. Doch vorsichtigerweise liess sich der DO. noch im Jahre 1288 von den Aumanns ihre schon vor 1253 erfolgte Resignation nochmals bestätigen.7 Und somit war der DO. jetzt im Besitz der vollständigen Mühle Kistelberg. Schon 1296 verpachtet er sie mit seinen sonstigen Dieburger Gütern an den dortigen Bürger Friedrich Hartrad und seine Frau auf beider Lebzeiten; doch können sie die Pachtgüter jederzeit an den Orden zurückgeben. Die Pächter müssen dem DO. jährlich 13 Pfund Heller Pfennige, 4 Lämmer, 40 Malter Roggen, 20 Malter Weizen und V2 Malter Mehl nach Sachsenhausen liefern, und zwar je die Hälfte dieses grossen Pachtzinses an Michaelis und

1 Lau 550, Niedermayer p. 120 hat 1280. Steiner 78 hat Flozzen.

2 Lau 672.

5 Lau 681.

4 Lau 645.

5 Lau 573.

6 Steiner 68.

^ Lau 549. Steiner 72 hat 1287.

IIO

Walpurgis (i. Mai). Für etwaigen Schaden des Pachtgutes sind sie verantwortlich.1

Friedrich scheint auf dem Grund und Boden der Mühle neue Gebäude errichtet und auch sonst reformatorisch gewirkt zu haben, denn 1316 erhält er für die Abtretung verschiedener Güter, auf die wir noch zurückkommen, und für die Besserung der Mühle und ihres Zubehörs vom DO. 35 Pfund Heller.2 Es ist wohl anzunehmen, dass Friedrich bald gestorben ist, denn 1326 und 1329 sehen wir seinen Sohn Heilmann u. a. auch im Besitz dieser Mühle; er gibt dem DO. für alles zusammen eine jährliche Pacht von 45 Malter Korn und 5 Pfund Heller.3

Wie schon aus dem letzten hervorgeht, besass der DO. in Dieburg ausser der Mühle Kistelberg noch andere Güter. Der grosse Pachtzins, den Friedrich Hartrad 1296 bezahlt, bezieht sich auch auf andere Liegenschaften. Im selben Jahr vermacht derselbe Friedrich und seine Frau dem DO. eine halbe Hufe zur Pietanz, von der er 7V2 Morgen schon beim Tode des einen Ehegatten erhält, die übrigen 7V2 beim Tode des anderen.4 Ferner besass der Orden hier eine zweite halbe Flufe Land, ein Haus und mehrere Äcker, die 1297 an den Vogt Rudolf Bekenhube für eine jährliche Abgabe von 4 Malter Korn verpachtet waren.5 1314 kauft der Orden eine Erbrente von 6 Pfund Hellern, die von den näher beschriebenen Gütern des mehr¬ erwähnten Friedrich fallen.6 Letzterer verkauft 1316 dem DO. u. a. seinen neben der Mühle Kistelberg liegenden Hofplatz mit mehreren Gebäuden für 35 Pfund Heller.7 Es ist anzunehmen, dass Heilmann, der Sohn Friedrichs, diesen Besitz wieder gepachtet hat, denn der Zins, den er 1326 und 1329 dem Orden zahlt, bezieht sich nicht nur auf die Mühle, sondern auch auf andere Güter; letztere betrugen 1329 31 Morgen Acker- und 13 Morgen Wiesenland und lagen »unter der Schrannen an der Stadt«.8

1 Lau 703.

1 Lau II. 54.

3 Steiner 84. 85. Lau II. 34L Steiner 85 und Scriba p. 84, 913 lassen Heil¬ mann diesen Zins vom DO. erhalten!

Lau 703.

5 Lau 717.

6 Lau 968, Regest. Nach Niedermayer p. 118 wird 13x9 »einiges« erkauft.

7 Lau II. 54. Niedermayer 121 hat eine Scheuer und 1416.

8 Steiner 85.

III

Bürgel, Hessen, nordöstlich Offenbach.

Der Grund zu den Bürgeler Deutschordensbesitzungen wurde im Jahre 1301 gelegt: Die Komturei erlässt dem Frankfurter Schul- theissen Heinrich von Praunheim einen jährlichen Zins von 20 Denaren und 1 Huhn, der von Heinrichs neben dem Deutschen Haus in Sachsenhausen gelegenem Hof fiel, und erhält dafür einen Zins von dessen Bürgeler Gütern angewiesen in Höhe von 27 Denaren.1

Klein-Auheim, Hessen, südsüdöstlich Hanau.

Schon vor 1316 war der Orden hier begütert. Dies erfahren wir 1336 bei der Beilegung eines Rechtsstreites über ein nach Krotzen¬ burg dingpflichtiges Gut. Friedrich von Karben, zum Schiedsrichter gewählt, entscheidet zugunsten des Ordens; er erklärt, der DO. sei schon mehr als 20 Jahre dessen rechtmässiger Besitzer und solle es auch fernerhin bleiben.2 1343 verkauft Kraft von Langsdorf dem DO. eine jährliche Kornrente von 8 Malter Seligenstädter Masses für 32 Mark Pfennige. Die Güter, von denen dieser Zins fällt, sind genau beschrieben.3

Dornheim, Hessen, westlich Darmstadt.

1323 verkauft der Edelknecht Dietrich von Preungesheim der Komturei Einkünfte von Vs Hufe und der Hälfte eines Hofes. Die Einkünfte betragen jährlich je drei Malter Weizen und Hafer, 2 Ka¬ paunen und 40 Heller.4

Der Deutschordenswald.

Östlich und südlich von Offenbach a. M. besass der Orden einen grossen zusammenhängenden Waldbestand. Wir müssen 4 selbständige Stücke unterscheiden, die auch bezüglich der Art und Zeit ihrer Er¬ werbung auseinander zu halten sind. Fast alles scheint ursprünglich im Besitze der Münzenberger und ihrer Verwandten gewesen zu sein. Bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist die Erwerbung

1 Lau 791. Battonn VII. 91. Aren. f. Frkf. Gesch. 6, 65. Vgl. oben p. 96.

2 Lau II. 540.

3 Baur, Urkunden zur hess. Gesch. I. 391. Scriba, Reg. d. Prov. Starken¬ burg, 2. Ergänzungsheft 365. Niedermayer 115. Überall zu 1343, das Kopialb. fol. 1 hatte ebenfalls ursprünglich 1343, »verbessert« aber dann in 1323. Daher diese Zahl bei Lau II. 205.

4 Reimer II. 257. Lau II. 231. Beide haben nach Niedermayer Dörnigheim. Sollte nicht Dorheim (nordöstlich Friedberg) oder Bornheim gemeint sein?

1 12

des Waldes durch den DO. abgeschlossen, aus späterer Zeit hören wir nichts mehr von Zuwachs desselben. Wie gross er war, zeigt der Homannsche Atlas von 173 5 1 sehr gut, obwohl er ihn m. E. zu sehr nach Westen schiebt. Noch heute gibt es südlich von Offen¬ bach einen Deutschherrnweiher.2

1. Der ßonserwald bei Rembrücken, Hessen, südöstlich Offenbach.

Dieses Stück Wald, das neben dem Hengeshorn-Wald lag, verkaufte Gisela, die Witwe Ulrichs von Babenhausen (Seitenlinie der Hagen-Münzenberger) mit ihren Kindern Werner, Ulrich und Jutta 1323 dem DO. für 20 Pfund Heller.3

2. Der Grafenwald bei Obertshausen, Hessen, südöstlich Offenbach.

Den Grafenwald erhielt der DO. 1328 vom Reichskämmerer Philipp von Falkenstein- Münzenberg und seiner Tochter Bertha ge¬ schenkt. Dafür mussten in der DO. Kirche jährlich 4 mal, zu jeder Quatemberzeit, Seelenmessen gelesen werden für Philipp, seine Ge¬ mahlin und Tochter, für Thomas von Rheineck, Raugraf Heinrich und Siegfried von Eppstein nebst Gemahlinnen, sowie für Weirich von Duna; ferner musste sich der Komtur verpflichten, jedesmal, also 4 mal im Jahre, seinen Ordensbrüdern je 1 Mark zu Pietanz zu stiften.4

Aus Urkunden, die noch zu erwähnen sind, kennen wir die Vorgeschichte dieser Schenkung. Mit der Hälfte des Waldes war Raugraf Heinrich belehnt, ihm kaufte der DO. den Wald ab, worauf dieser ihn in die Hände Philipps v. Falkenstein resignierte, der nun den ganzen Wald dem Orden schenkte. Letzterem scheinen aber von der raugräflichen Seite Schwierigkeiten bereitet worden zu sein. Denn Heinrichs Sohn Philipp bestätigte die Abtretung erst nach Empfang einer Summe Geldes. Dafür musste er aber auch nicht weniger als 3 Verzichtsurkunden ausstellen, die eine 1342, 5 die beiden anderen gemeinsam mit seiner Gemahlin Agnes 1343.6 Die Tatsache,

1 Nr. 107, Frkf. Territ.

2 Vgl. Offenbacher Zeitung vom 1. Dez. 1904.

3 Lau II. 228.

+ Das. 325.

s Kopialb. fol. 43 b.

Das. 43. 43 b.

1 13

dass Philipp nur gegen Bezahlung verzichtete, befremdet um so mehr, als er sich und Agnes in der Urkunde vom 19. Juli 1343 mit einem gewissen Stolz als Mitbruder des DO. bezeichnet.1

1337 erwirbt der Orden von einem Ritter Stöcker zwei Wiesen¬ stücke im Grafenwald; für das eine muss er 3 Pfund Heller bezahlen, das andere erhält er geschenkt.2 1342 entscheidet der Dekan der Frankfurter Bartholomäuskirche als päpstlicher Konservator der DO. Privilegien einen Streit zwischen unserer Komturei und den Steinheimer Schöffen. Um was sich dieser Prozess drehte, geht aus dem Doku¬ mente nicht hervor. Eine von späterer Hand geschriebene Anmerkung besagt, dass es sich um den Viehtrieb im Grafenwald, also um das Weiderecht handele. Wieweit dieser Zusatz das richtige trifft, lasse ich dahingestellt; der Urkunde selbst können wir nur ent¬ nehmen, dass sich der DO. durch irgend einen Spruch des Stein¬ heimer Schöffengerichts in seinen Rechten verletzt fühlte und Be¬ schwerde erhob. Der genannte Privilegienbeschützer des Ordens lud darauf die Schöffen vor und verhörte sie; nach Leistung eines Reinigungseides wurden sie freigesprochen, mussten jedoch die Prozesskosten tragen.3

3. Der Wald bei Hausen, Hessen, südöstlich Offenbach.

Dieser Wald nebst den dazu gehörigen Stücken Land gehörte dem Mainzer Karthäuserkloster, und letzteres verkauft ihn 1337 dem DO. für eine Erbrente von 16 Malter Korn. Der Wald wird als an den Grafenwald anstossend bezeichnet; er liegt auf beiden Seiten der Rodenbach, der heutigen Rodau, und wurde »gemessen, begangen und beweiset von der Kundschaft des Dorfes Hausen«.4 Die 16 Malter Korn wies der Orden, nach Niedermayer 122, dem Kloster von seinen Gütern in Weilbach zu.

4. Der Hainbachwald bei Heusenstamm, Hessen, südöstlich

Offenbach.

Auch dieser Wald war Münzenbergisches, später Falkensteinsches Eigentum; ungefähr in seiner Mitte lag der heute noch bestehende Wildhof. Der Wald spielte schon bei der Gründung der Komturei eine Rolle. Zusammen mit anderen Stücken ging er damals nicht

1 Das. 43. Über diese Institution vgl. Voigt I. 337 ff.

2 Lau II. 613.

3 Kopialb. 44 b.

4 Lau II. 602.

8

- 1 14 -

in DO. -Besitz über. Jetzt aber, nach mehr als 130 Jahren, gelang es dem Orden, auch diesen schönen und grossen Besitz zu erwerben.

1343 verkaufen Ulrich III. von Hanau und seine Gemahlin Adelheid ihren Teil des Hainbachwaldes, nämlich den oberen Hain¬ bachwald, dem DO. für 780 Pfund Heller.1

Am 6. Juni 1344 verkauft auch Philipp v. Falkenstein-Münzen¬ berg d. Älteste nebst Gemahlin und Schwester dem DO. seinen Teil des Hainbachwaldes für 550 Pfund Heller.2 Bereits 21 Tage später, am 27. Juni, beurkundet Cuno von Falkenstein, dass dieser Verkauf mit seiner Einwilligung geschehen sei,3 und umgekehrt erklärt 1345 wiederum Philipp, für sich und seine Erben von neuem Verzicht leistend, seine Zustimmung zu Cunos Erklärung.4 Beide nennen sich Neffen.

Ausserdem stellen 1345 noch Ulrich und Cuno über diesen Verkauf eine Urkunde aus, und zwar in zwei Exemplaren, die sich nur dadurch unterscheiden, dass in der einen Ulrich, in der anderen Cuno an erster Stelle genannt wird. Sie treten für 750 Pfund Heller ihre Rechte an den Orden ab, nämlich Wald, Feld, Wiesen, Wasser und Weide , doch mit Ausnahme des W i 1 d b a n n r e c h t e s. 5 6 Dass auch sonst die Falkensteiner nicht den ganzen Wald und nicht alle Rechte an ihm dem DO. überliessen, zeigt eine Urkunde von 1347. In diesem Jahre gestattet Cuno seinen Bauern in Offenbach auf ihre »Bitte und Notdurft«, von dem Walde zwischen Heusenstammer- und Rodauerstrasse dem DO. eine Hufe zu verkaufen/

b) Rechtsmainische Besitzungen der Komturei.

Anm. Nicht begütert war die Komturei Sachsenhausen in Wiesbaden,

wie Niedermayer 17 will. W. gehörte zur Ballei Koblenz; Voigt I. 64.

Auch noch nicht in Somborn, wie Lau 948 nach Niedermayer angibt.

Letzterer hatte eine Vorurkunde vor sich (Reimer II. 100), die er offenbar

missverstand.

Ober-Mörlen, Hessen, nordwestlich Friedberg.

Schon K. Philipp hatte dem DO. das halbe Patronatsrecht der Pfarrkirche zu O- geschenkt. Vielleicht fand diese Schenkung auf

1 Reimer II. p. 626.

1 Kopialb. 176. 1 76 b , zwei am selben Tag ausgestellte Urkunden, die un¬ wesentlich von einander abweichen und sich gegenseitig ergänzen.

3 Das. 176 b.

4 Kopialb. 178.

5 Das. 176 b. 177 L

6 Das. 178 b.

1 1 5 -

dem grossen Fürstentag zu Würzburg-Nordhausen im August 1207 statt, wo die Grafen von Ziegenhain dem Orden, d. h. der Ballei Flessen, die Reichenbacher Kirche schenkten.1 Philipps Nachfolger bestätigte diese Schenkung zweimal, 1213 und 12 18. 2 *

Die andere Hälfte der Kirche erhielt die Komturei 1220 von Eufemia, Gräfin von Kleeberg, und zwar erfolgte diese Schenkung durch ihren Erben Herzog Leopold von Österreich und Steiermark. Unter den Zeugen bemerken wir Heinrich von Ybach, den späteren Komtur von Sachsenhausen. 1

Schon ein Jahr vorher hatte Erzbischof Siegfried II. von Mainz den DO. im Besitze dieser Rechte bestätigt, wobei er die ausdrück¬ liche Bedingung stellte, dem Pfarrer ein ausreichendes Einkommen zu gewähren.4 Ebenso geben die Pröpste des Mainzer Mariengreden¬ stiftes ihre Zustimmung.5

Auch die Herren von Isenburg hatten Rechte an dieser Kirche, und diese überträgt 1220 Heinrich von I. nebst Gemahlin mit Ein¬ willigung des Diözesanbischofs an den DO.6 Die Bestätigungsurkunde ihres Enkels Ludwig, worin dieser am 23. März 1274 auch auf den Zehnten verzichtet, den die Komturei schon länger als 40 Jahre be¬ sitze, wird acht Tage später wiederum von K. Rudolf bestätigt.7 Zwei Jahre vorher hatte auch Gerlach von Limburg die Schenkung seiner Vorfahren anerkannt.8

1281 schenkt Konrad Weingärtner aus Friedberg dem Orden Äcker und Weinberge in Obermörlen.9 1308 kauft unsere Komturei von der Mainzer Liegenschaften für 13 Mark.10 1340 hören wir von einer Ordensbesitzung, Hofraite nebst Zubehör, die der Friedberger Bürger Johannes gepachtet hat für einen jährlichen Zins von

1 Böhmer-Ficker, Reg. imp. 159. Ausserdem urkundet Philipp nur noch einmal für den DO., daselbst 132.

1 Lau 39 u. Zusatz.

5 Lau 39 Zus. Ein Nachkomme von ihr liegt 80 Jahre später im Streit mit der. Komturei, Lau 765.

4 Lau 39 Zus. Voigt I. 506.

> Die Urkunde von Dietrich und Arnold ohne Datum im Kopialb. 72. Lau 39 Zus. legt nach Würdtwein, Dioec. Mog. III. 60 die eine ins Jahr 12:9. Werners Urk. bei Lau 195; es handelt sich natürlich um Obermörlen.

6 Lau 39 Zus.

7 Lau 330 und Zus.

s Lau 302.

9 Lau 453.

10 Lau 91 1.

8*

1 1 6

7 Schillingen, i Mesten Öl und 2 Hühnern.1 Auch der Frohnhof, der das Reichsburglehen des Friedberger Burgmannes Ulrich von Hanau war, ging in Ordensbesitz über, er ertauschte ihn gegen seine Güter zu Nieder- und Oberdorfelden. 1346 genehmigt Kaiser Ludwig diesen Tausch, er entbindet den Fronhof von allen Leistungen und schenkt ihn vollständig abgabenfrei dem DO.2

Im Jahre 1296 gewann die Komturei einen Prozess gegen die Ritter Frank von Mörlen, Gerhard von Hüftersheim u. a. Letztere waren dem DO. den Rottzehnten aus der Gemarkung von Obermörlen zu liefern verpflichtet, hatten ihn jedoch offenbar ohne Einwilligung des Ordens gegen eine Saline zu Wisselsheim vertauscht. Die Komturei bestand natürlich auf ihrem Recht, und es entstand ein Streit, der endlich durch Vermittlung Philipps des Älteren von Falkenstein und des Friedberger Burggrafen Ruprecht von Karben geschlichtet wurde, und zwar zugunsten des Ordens.3 Einen anderen Zwist hatte 1341 der Orden mit den Vorfahren eines heute noch bestehenden Adels¬ geschlechtes, mit den Löwen von Steinfurt, über den Zehnten von zwei Äckern, dem Wasselen- und des heiligen Kreuzes Acker. Der Schiedsrichter, Priester Eigel von Gambach, zog von den verschie¬ densten Seiten Erkundigungen ein und fällte den Spruch, dass der Orden die Hälfte der Zehnten zu beanspruchen habe, die andere Hälfte falle nach Ostheim.4 *

Nieder-Wöllstadt, Hessen, südlich Friedberg.

Der bereits 1212 verstorbene Cuno I. von Münzenberg hatte die Kirche mit dem Patronat, dem Zehnten und allem übrigen Zubehör geschenkt. Seine Erben bestätigten diese Schenkung, 1253 Philipp I. von Falkenstein, 1255 Ulrich II. von Münzenberg. s 1253 tat dies auch Erzbischof Gerhard von Mainz und sein Domkapitel,6 und diesem Beispiel folgte am 10. Juni 1255 Werner, Propst des dortigen Marien¬ gredenstiftes,7 um 14 Tage später dem DO. auch die Besetzung dieser Kirche mit Ordensgeistlichen zu gestatten.8

1 Urk. im Grossh. Haus- u. Staatsarchiv zu Darmstadt. Kopialb. 77 b hat 1350.

2 Diese Urkunde ist sehr oft gedruckt und verzeichnet, ich erwähne nur Reimer II. p. 677.

5 Lau 260.

4 Darmst. Arch., Kopialb. 74 b.

s Lau 176. 1 9 r . 192.

6 Lau 172.

7 Lau 194.

8 Lau 195.

1 17 -

Gegen Ende des Jahres 1274 trat der Orden wegen Ankauf des Rottzehnten mit Werner von Falkenstein-Münzenberg in Unterhand¬ lung. Letzterer war dazu bereit, und auch der Mainzer Erzbischof hatte bereits die Erlaubnis dazu erteilt,1 da traten plötzlich von irgend einer Seite Schwierigkeiten ein, die Verhandlungen zerschlugen sich, und am 1. Juli 1275 musste der DO. die Erklärung abgeben, der Kauf sei nicht perfekt geworden und die Komturei habe keinerlei Anspruch auf diesen Zehnten.2

1268 erfahren wir, dass Niederwöllstädter Güter des Klosters Ilbenstadt dem DO. zinspflichtig sind.3

Die Witwe Adelheid Weingärtner zu Friedberg hatte dem DO. 1V2 Hufen Ackerland in Niederwöllstadt verkauft. Ihr Schwiegersohn erhob Ansprüche auf diese Güter, zog sie jedoch 1300 auf Einschreiten des vom Papst zum Beschützer der DO.-Privilegien ernannten Dekans des Frankfurter Bartholomäusstiftes zurück.4 Andere Rechtshändel folgten. Nachdem Werner von Falkenstein-Münzenberg der Komturei wiederholt das Besthaupt erlassen,5 erhob das Kloster St. Alban zu Mainz Anspruch auf diese Abgabe. Der DO. protestierte natürlich, und beide Parteien beschliessen 1302, ihre Sachen zwei Schieds¬ richtern vorzulegen;6 über den Ausgang dieses Streites sind wir nicht unterrichtet.

Obwohl sich die Falkensteiner auch hier als Wohltäter und Förderer der Komturei bewiesen, muss sich Philipp der Ältere darüber beklagen, dass seine Rechte inbezug auf den ihm zustehenden Bede- weizen vom DO. verletzt wurden, und dass es hierüber zwischen ihnen zu einem Zerwürfnis kam. Indes kam 1305 eine Einigung zustande. Philipp und sein Sohn Werner verzichten auf diese Abgabe, dagegen muss sich die Komturei verpflichten, in Niederwöllstadt künftig keine Güter mehr käuflich zu erwerben. Grundbesitz, den sie durch fromme Schenkungen erhält, muss sie verpachten, und zwar an solche Leute, die Gewähr dafür bieten, dass Philipps Rechte gewahrt werden.7 Bereits im folgenden Jahre konnte diese letzte

1 Lau 345.

2 Lau 357.

3 Nach dem Repertorium des Darmst. Arch., die Urkunde selbst war 1903 nicht zu finden.

+ Lau 763.

s Lau 730 (1298).

6 Lau 803.

7 Lau 866.

i iS -

Bestimmung in Kraft treten, indem der Orden zwei neben dem Kirch¬ hof liegende Häuser nebst Hof und Scheune für einen jährlichen Zins von 2 Pfund Denaren und 4 Hühnern an Konrad Milde in Pacht gibt, ferner hat der Pächter den Herren von Bellersheim, die das Gericht in Händen haben, jährlich 2 Hühner und auch die sonstigen rechtlichen Abgaben zu entrichten.1

1315 schenkte Philipp der Ältere der Komturei ein bei ihrem Hof gelegenes Stück Land2, 1317 genehmigt er einen Landaustausch3, der 2 Jahre vorher zwischen dem DO. -Pfarrer in Niederwöllstadt und der dortigen Dorfgemeinde abgeschlossen wurde.4 Einen ähnlichen Tausch endlich gestattete er 1340.5

Eckenheim, Hessen-Nassau, nördlich Frankfurt.

Auch hier hatte Cuno I. von Münzenberg (f 1212) den Grund zu den Ordensbesitzungen gelegt, indem er der Komturei die ansehn¬ liche Schenkung eines jährlichen Einkommens von 1 10 Malter Korn zuwandte; diese Korngült fiel von 11 Hufen Land, die in Münzen- bergischem, bezw. Falkensteinschem Besitz blieben.6 1287 erhielt die Komturei von Elisabeth, der Witwe des Mainzer und später Frank¬ furter Bürgers Konrad Kolbe aus Hochheim7, 120 Mark, deren Zinsen zu gewissen angegebenen Zwecken verwendet werden sollen. Mit diesem Geld, d. h. mit 117 Mark, erkauft nun der DO. von Werner von Falkenstein die 11 Münzenbergischen Hufen, die schon seit mindestens 75 Jahren mit jener Abgabe an den Orden belastet waren; doch muss er versprechen, diesen Grundbesitz nie zu ver- äussern.8

1252 schenkte K. Wilhelm dem Orden die Kirche und das Patronat zu Eckenheim, und zwar auf die Bitte seines dem DO. an- gehörigen Armenpflegers Heinrich.9

1 Lau 876.

2 Lau II. 24.

3 Das. 43.

4 Das. Zus. Diese Urkunde ist in der von 1317 enthalten, Kopialb. 187.

5 Kopialb. 187 b. Der DO. erhält 1 Morgen in loco dicto Anzogenstein, wo liegt dies ?

6 Lau 524—526.

7 Konrad und seine Frau erwiesen sich noch mehr als Wohltäter der Komturei Sachsenhausen (Lau 461, 478, 486), ferner der Komturei Mainz (Lau 854) und des Klosters Tielencal (Lau 299, 461). Er wohnt zuletzt im Deutschen Haus, Lau 554.

8 Lau 524 26. Thomas 164 hat 1280.

"> Reimer I. p. 205.

Über diese und Preungesheimer Güter kam es zu einem Konflikt zwischen dem DO. und Philipp dem Älteren von Falkenstein. Letzterer übergab die Führung seiner Sache dem Frankfurter Dekan Philipp, und so unterzogen sich 1315 der Dekan und der DO.-Priester Wigand der Mühe, verschiedene Einwohner von Eckenheim über die genau beschriebenen strittigen Äcker und Zehnten zu verhören, worauf sie feststellen konnten, dass der Zehnte teils nach Preungesheim, teils nach Eckenheim zu zahlen sei.1 Nach Niedermayer 137 wurden die Felder 13 30 von neuem gemessen, gesteint und ihre Zehnten verzeichnet.

Als Besitznachbar wird der DO. in Eckenheim 1310, 1314, 1337 und 1340 erwähnt.2

Holzburg, Wüstung3 nordöstlich Usingen.

In diesem jetzt verschwundenen Ort besass der DO. eine Kapelle mit ihrem Patronat; die Kapelle war Filiale der Pfarrkirche zu Ober¬ mörlen. Sie wurde nicht von K. Philipp geschenkt, auch nicht von Friedrich II. 1213 bestätigt,4 sondern erst 1218 von letzterem geschenkt.5 6 1220 erwirbt die Komturei auch die Rechte der Isenburger. Diese Abtretung und ihre öftere Anerkennung, auch durch die Mainzer Geistlichkeit, erfolgte genau wie in Obermörlen (oben p. 115).

Rödelheim, Hessen-Nassau, westnordwestlich Frankfurt.

Auch in den Besitz der hiesigen Kapelle nebst Zubehör und dem Zehnten kam der DO. durch eine Schenkung Friedrichs II. 1219/ Er behielt sie 56 Jahre lang; 1275 ging er mit Erlaubnis K. Rudolfs und des Erzbischofs Werner von Mainz folgenden Tausch ein. Er tritt die Kapelle an Werner I. von Falkenstein ab und erhält dafür von diesem die Pfarrkirche zu Preungesheim.7

1278 kauft der DO. von Hermann von Bierstadt V* Hufe Acker¬ land, 2V2 Morgen Wiesen und die Hälfte von drei Hofstätten.8 1304 vermacht der Edelknecht Cuno von Preungesheim dem Orden eine

1 Lau II. 23.

1 Reimer II. Nr. 99. 140. 492. 561.

3 Wagner, Wüstungen I. 9. 32. 309.

4 Niedermayer 168. Es war eine Kapelle, nicht Kirche, wie Niedermayer verschiedentlich will.

5 Lau 39 Zus. Die Hälfte der Kapelle.

6 Lau 48. Von 2V2 Wiesen steht in dieser Urkunde nichts, wie Nieder¬ mayer 134 angibt, dagegen in einer von 1278. Lau 398.

7 Lau 344. 347. 348. 350. Vgl. p. 122.

s Lau 398.- Bei Niedermayer 134 falsch.

120

jährliche Rente von »i ferto Denaren« von seinem Hot und seinen übrigen Rödelheimer Gütern.1

Nach Niedermayer 134 betrugen die Ordensbesitzungen ca. 1350 17 Morgen und 2 Viertel Ackerland, 6 Morgen Wiesen. Sie ertrugen 8 Malter Korn und 6 Schillinge. Doch hatte der Orden von seinen Rödelheimer Gütern auch Abgaben zu entrichten, so seit 1316 an das Kloster Padershausen einen jährlichen Zins von 2 Mark.2

Hüftersheim, Wüstung5 bei Obermörlen, Hessen, nordnordöstlich Friedberg.

Wie in Obermörlen und Holzburg hatte Heinrich von Isenburg mit Genehmigung des Diözesanbischofs auch hier die als Filiale zu Obermörlen gehörige Kapelle (nicht Kirche, wie Niedermayer will) mit dem Patronatsrecht geschenkt. Wie die beiden anderen Schen¬ kungen, so bestätigte dessen Enkel Ludwig auch diese, sowie den Zehnten, den der DO. schon über 40 Jahre besitzt, 1274; und diese Urkunde wurde wiederum von K. Rudolf bestätigt.4

Bornheim, Hessen-Nassau, nordnordöstlich Frankfurt.

Neben anderen Schenkungen, die zu bestimmten Zwecken ver¬ wendet werden sollen, schenkt die Witwe Gunos II., Elisabeth, 1222 auch 7 Hufen in Bornheim, das Vorwerk genannt. Vorderhand geniesst sie noch alle Güter für einen jährlichen Pachtzins von 10 Schillingen.5 Die Ritter von Heusenstamm, 4 Brüder, machten jedoch dem DO. einen Teil dieser Bornheimer Schenkung und auch andere daselbst vom Orden käuflich erworbene Güter streitig, und 1280 einigte man sich dahin, verschiedene Mainzer Geistliche in dieser Sache zu Schiedsrichtern zu wählen.6 1281 wird der Prozess in erster Instanz vor dem Geistlichen Gericht in Mainz ausgetragen. Die Güter, um die sich der ganze Streit dreht, sind genau beschrieben. Auf einen Teil von ihnen, nämlich 1 Flof und 23 Morgen, verzichten die Heusenstammer. Über die übrigen wurde noch keine Einigung erzielt, sondern man beschloss, einen neuen Schiedsmann zu

! Lau 847.

2 Lau II. 44. Baur I. 260. Bei Pettenegg p. 244 Nr. 932 falsch. Nieder¬ mayer 1 1 2 hat statt Rödelheim Petterweil.

5 Wagner I. 39.

4 Lau 330 und Zus.

5 Lau 57.

6 Lau 433.

1 2 I

wählen.1 1282 verzichten die Ritter auch auf ihre letzten Ansprüche, sodass der DO. damit nicht nur die Schenkung der Elisabeth definitiv gewann, sondern auch noch 6 Hufen Land mit den dazu gehörigen Höfen.1 3

Einen weiteren Zuwachs erfuhren die Ordensbesitzungen durch den Frankfurter Bürger Giselbert von Friedberg, der 1296 dem DO. Güter in Heldenbergen und Bornheim vermacht, im Gesamtwerte von 100 Mark.5

Bergen, Hessen-Nassau, nordöstlich Frankfurt.

Elisabeth schenkte 1222 auch hier Güter, und zwrar 1 Hof mit 7 Hufen Land.4 Hiervon verkaufte der DO. 1261 dem Kloster Haina 4Hufen;s unter den übrigen Ländereien, die erbehielt, waren zweifellos auch Weinberge, wie sich aus dem folgenden ergibt. 1337 schenkt Adelheid von Bergen, Schwester des DO. -Bruders Culmann, der Komturei 3 Viertel Morgen Weinberge, die neben dem DO.-Weinberg liegen. Sie erhält die Weinberge wieder in Pacht für einen jährlichen Zins von 1 Schilling Heller.6 Auch Culmanns Erbteil brachte dem Orden Güter in Bergen ein, 1343 wird ein diesem Bruder gehöriger Acker erwähnt.7

1350 kauft der DO. von Hannemann Becker eine Rente von 2 Malter Korn auf 6 Morgen Acker für 15V2 Pfund Heller.8

Preungesheim, Hessen-Nassau, nördlich Frankfurt.

Auch hier erwarb der Orden seine ersten Besitzungen 1222 durch Schenkung der mehrerwähnten Elisabeth; es waren ein Hof, 4 Hufen und 5 Morgen Weinberge.9 Auf ihren Wunsch verzichtet 4 Jahre später ihr Stiefvater Konrad von Steinach auf diese und andere Güter,10 II und noch 125 1 vidimiert das Kloster Anrsburg diese Verzichtsurkunde.“

1 Lau 451. Dass das Vorwerk bei Bornheim lag, erfahren wir erst aus dieser Urkunde. Man darf daher mit Lau nicht Vurwere lesen, sondern Vurwerc.

I Lau 458. Diese Güter sind bei Lau 451 einzeln aufgezählt.

3 Lau 702.

* Lau 57.

s Lau 235. Niedermayer 20 hat 1267.

6 Lau II. 629.

7 Reimer II. 620.

s Kopialb. 57 t>. Nur z. T. richtiges Regest bei Reimer III. p. 60 Zus.

Lau 57. Auf den Irrtum Niedermayers, dass er Gertrud von Weinheim 1 304 hier schenken lässt, wurde schon p. 104 aulmerksam gemacht.

10 Kopialb. 15. Lau 74. Bei Niedermayer 134 falsch.

II Lau 74 Zus.

122

Im Jahre 1274 kauft die Komturei von Ritter Winter von Preungesheim 13 Morgen und 2 Hufen, das Vrich genannt,1 wobei Winter verspricht, zum Ersatz für diese reichslehnbaren Güter dem Reich seine Eigengüter in Langendiebach aufzutragen.2 Nachdem letzteres geschehen, bestätigt der Burggraf von Friedberg 1276 diesen Verkauf,3 auch K. Rudolf selbst stellt noch im selben Jahre hierüber eine Urkunde aus.4 5 Diesen Verkauf erwähnt Winter 1281 in einer Urkunde, die er für seinen Ganerben Erwin von Preungesheim aus¬ stellt,3 und auch letzterer muss von seinen Preungesheimer Gütern dem DO. seit 1285 den Zehnten entrichten.6

Im Jahre 1275' tritt der Orden, wie wir bereits wissen, seine Rödelheimer Kapelle an Werner von Falkenstein ab und erhält dafür von diesem die Pfarrkirche zu Preungesheim; ferner kauft er ihm zwei Drittel des dortigen Zehnten ab, für den Werner dem Reich 6 Eigenhilfen auftragen muss.7 1283 resignierte Simon, Rektor der Praunheimer Kirche, nachdem er Bischof von Worms geworden war, auf die Pfarrei zu Preungesheim.8

Am 1. Juni 1275 übergibt die Witwe Mechtilde dem DO. einen Hof und 34 Morgen.9 Einige Tage später wird dieser Verkauf vom Frankfurter Bartholomäusstifte bestätigt, dem der Orden einen jähr¬ lichen Pachtzins von 1 Pfund Denaren zahlt; verpachtet die Komturei diese Güter weiter, so beansprucht das Stift ferner als Besthaupt 5 Schillinge. 10 Letztere Abgabe lastete auf den Ordensgütern bis 1295, wo sie die Komturei für 3 Mark ablöste.11

1279 hat der DO. Zins an Wicker zu zahlen.12

Der Konflikt der Komturei mit Philipp von Falkenstein, bei dem es sich auch um Preungesheimer Güter handelte, wurde schon p. 1 19 berührt. Eine neue Feststellung der Zehntgehörigkeit, sowie

1 Auch Freicht u. ähnlich (Flurname).

2 Lau 333. Niedermayer 134 hat 15 Morgen und 1273, dieses falsche Regest haben Reimer I.p. 353 und Lau 326 übernommen.

5 Lau 370.

+ Lau 373.

5 Reimer I. p. 429.

<5 Lau 505.

7 Lau 344. 345. 347 351-

* Lau 477. Lau hat Praunheim.

“> Lau 355. Das Regest ist nur z. T. richtig.

10 Lau 356.

11 Lau 677.

12 Lau 410.

123

Messung und Steinung dieser Güter fand nach Niedermayer 137 im Jahre 1330 statt, und über die Pfarrzinsen kannte er einen Akten¬ faszikel von 1340.

Als Besitznachbar wird der DO. 1314 und 1339 erwähnt.1

Oppershofen, Hessen, ostsüdöstiich Butzbach.

Auch hier war die Komturei, wenn auch nur kurze Zeit, begütert, und zwar ebenfalls infolge' eine Schenkung Elisabeths. Der Verzicht ihres Stiefvaters von 1226 bezieht sich auch auf Güter in Oppershofen,2 3 und noch 1257 vidimiert der DO. für das hier begüterte Kloster Arnsburg diese Urkunde.5 Der Orden wird also inzwischen die betr. Güter an Arnsburg veräussert haben.

Hulshofen, Wüstung4 bei Okarben, Hessen, südlich Friedberg.

Wegen der hiesigen Ordensbesitzungen kam es zu einem Streit mit dem Pfarrer von Langendiebach, Walther von Eschborn, der 1232 gütlich beigelegt wurde.5 Von demselben Walther kauft der DO. vier Jahre später Güter für 5 Mark,6 1304 von dem Frankfurter Krämer Heinrich Rufus 1 Hufe und 7V2 Morgen Land,7 1317 xh Hufe von Elisabeth von Hulshofen und deren Kindern,8 und endlich 1334 1 Hufe von Heinrich von Kalsmunt für 54 Mark.9

Rödgen, Hessen, nördlich Friedberg.10 H i r z b a c h, W üstung 1 1 bei Obermörlen, Hessen, nordwestlich Friedberg.

Po hl- Göns, Hessen, nordwestlich Butzbach.

In diesen drei Orten war der DO. schon mindestens seit 1234 begütert; u. a. besass er in den beiden ersten den vollständigen

1 Reimer II. 138. 542.

2 Kopialb. 15. Lau 74. Vgl. p. 121.

3 Baur, Urkundenbuch des Klosters Arnsburg Nr. 72 gibt die vidimierte Urkunde falsch wieder. Lau 74 Zus. hat 1251.

4 Wagner I. 334.

> Lau 95.

6 Lau 1 10.

7 Lau 842.

s Lau II. 86.

.9 Lau II. 503.

10 Lau sucht dieses Rode anderswo. So aber schon Wagner I, 309.

11 Wagner I. 308. Lau identifiziert diesen Ort mit den heutigen Hirzbacher Höfen bei Marköbel, nordwestlich Hanau.

Zehnten, in Pohlgöns JA desselben. Auch diese Einkünfte bestätigte Ludwig von Isenburg 1274 in einer Urkunde, die ihrerseits wieder von K. Rudolf bestätigt wird.’

Lang- Göns, Hessen, südlich Giessen.

Auch hier besass der Orden seit mindestens 1234 einen Teil des Zehnten (V5)> der in der eben genannten Urkunde gleichfalls bestätigt wurde, denn Ludwig verzichtete auf alle Rechte, die er dem DO. eine zeitlang streitig gemacht hatte.

1255 vermacht der Wetzlarer Bürger Hartrad Blido dem DO. u. a. alle seine Besitzungen in Langgöns und gibt ihm schon zu seinen Lebzeiten einen jährlichen Zins von 1 Malter Getreide.1 2 Auf diese Güter erhoben Heinrich von Herlisheim und seine Brüder Ansprüche, die sie erst 1281 definitiv zugunsten des Ordens aufgaben.3

1256 schenkt Ritter Ekkehard von Göns dem DO. seine Güter4 * 6 7, und auch über diese hatte der Orden im Laufe der Zeit eine Menge Anfechtungen und Rechtshändel zu bestehen, die fast 20 Jahre an¬ dauerten. Ritter Hermann Halbeir von Kleeberg verzichtete schon 1300 definitif auf seine Ansprüche an 1 Hufe3, anders aber die Nach¬ kommen jenes Ekkehard. Zunächst legten Richard von Göns und der DO. ihre Sache zwei Wetzlarern vor. Diese entschieden 1300 zugunsten des Ordens, ein Urteil, mit dem sich auch Richard zufrieden gab.6 Aber nicht lange, denn seine sechs Brüder, die inzwischen herangewrachsen waren, erhoben jetzt ihrerseits Ansprüche, und Richard schloss sich ihnen wieder an. Doch 13 n verzichten alle zusammen auf ihre Ansprüche7, was aber die jüngeren Brüder nicht hinderte, einige Jahre später ihre Ansprüche von neuem zu erheben. Aber auch diesmal hatten sie kein Glück, sie mussten 1318 abermals Verzicht leisten.*

Niedermayer 168 kannte eine Beschreibung der Langgönser Ordensgüter von 1331, und über Besitz- und Zehntverhältnisse von 1331 60 existiert ein besonderer Aktienfaszikel.9

1 Lau 330 u. Zus.

2 Lau 200.

> Lau 444.

4 Lau 204.

' Lau 765.

6 Lau 758.

7 Lau 942 und Zus.

s Lau II. 107.

Nach dem Repertorium des Darmst. Arcb., der Faszikel war 1903 nicht zu finden.

125

Düdelsheim, Hessen, nördlich Büdingen.

Das Kloster Seligenstadt verpachtet 1253 dem DO. hier 1 Hufe für einen jährlichen Zinz von 4 Unzen. Ausserdem lastet ein Best¬ haupt auf diesem Gut.1

Wetzlar, Rheinprovinz.

Auch in Wetzlar, das später als selbständige Komturei zur Ballei Hessen gehörte, war die Komturei Sachsenhausen begütert. Whe in Langgöns hatte Hartrad Blido 1255 auch hier alle seine Güter dem DO. vermacht.2

Eine Wetzlarer Dame, Kunigunde von Driedorf, hatte in ihrem Testament neben den Frankfurter Dominikanern3 auch die Komturei Marburg und Sachsenhausen mit Legaten bedacht. Nach ihrem Tode erhoben jedoch ihre Erben Protest; ihre Neffen, die Herren von Holz¬ hausen, konnten aber 1286 zum Verzicht auf ihre Ansprüche bewogen werden.4 Darauf wiesen die Testamentvollstrecker den beiden Ordens¬ häusern ihre Anteile zu, d. h. sie stellten am 27. April 1288 hierüber eine Urkunde aus5, scheinen aber dann versucht zu haben, die Aus¬ zahlung des Nachlasses zu hintertreiben. Denn die Komturen von Marburg und Frankfurt wandten sich mit einer Beschwerde an den Abt von St. Pantaleon, der vom Papst zum Beschützer des DO.- Privilegien ernannt war, und letzterer forderte am 14. Juli die Wider¬ spenstigen unter Androhung der Exkommunikation auf, ihre Pflicht zu erfüllen.6 Diesen Erlass schickte der Abt an den Magister Gottfried, Kanonikus an St. Johann in Mainz mit dem Befehl, ihn den Testaments¬ vollstreckern zuzustellen; Gottfried kam noch vor dem 23. diesem Befehl nach7, worauf der DO. wohl in den Genuss seiner Rechte eintrat. Nach Niedermayer 169 wurde für Kunigunde eine Seelen¬ messe gelesen, und von ihrem Vermächtnis erhielten die DO.-Brüder jährlich V2 Mark zur Pietanz.

Rendel, Hessen, südsüdöstlich Friedberg.

Ritter Ekkehard von Göns, dem der DO. beträchtliche Güter in Langgöns verdankte, schenkte 1256 auch alle seine Rendeler Güter.

1 Lau 178.

2 Lau 200.

3 Lau 341 Zus.

4 Lau 506.

s Lau 541.

6 Wyss, Urkundenbuch der DO. -Baliei Hessen I. 367.

7 Wyss I. 370.

126

Doch fällt die Hälfte derselben nach seiner Gemahlin Tode an die Erben ihres Bruders.1 1323 entscheidet der Kantor der Frankfurter Kirche einen Streit des DO. mit den Erben des Frankfurter Dekans Heinrich Mein in Rendel dahin , dass der Ordpn rechtmässiger Empfänger einer Gülte von 1 Malter Korn sei.2

Glaub erg, Eiessen, nordwestlich Büdingen.

Schon vor dem Jahre 1257 vermachte Godebold von Düdels¬ heim und seine Frau Hildburg dem DO. ihr Haus mit dem gesamten lebenden und toten Inventar, sowie 2 Morgen Weinberge und 3 Morgen Ackerland; hiervon zahlen sie zu ihren Lebzeiten dem Orden 1 Schilling Zins. Gleichzeitig treffen sie noch verschiedene Be¬ stimmungen für ihren evtl. Eintritt in den DO.3 Die Ansprüche, die Ludwig von Isenburg zeitweilig auf diese Güter erhoben, trat er 1258 an den Orden ab.4 *

Über andre Glauburger Güter, die ebenfalls von dem erwähnten Ehepaar stammten, kam es zu einem Prozess zwischen dem Kloster Arnsburg und dem DO.; die Vorgeschichte dieses Streites, wie sie sich aus dessen Beilegung im Jahre 1257 ergibt, ist folgende. Godebold und Hildburg hatten dem Kloster verschiedene genau beschriebene Güter vermacht, jedoch deren Nutzniessung zu ihrer Lebenszeit dem DO. eingeräumt. Godebold war inzwischen gestorben und seine Witwe gestattete jetzt 1257 dem DO., diese Güter für einen an Arnsburg zu zahlenden jährlichen Zins von 2 Pfund Wachs auch nach ihrem Tode behalten zu dürfen. ' Für die bauliche Erhaltung der Besitzungen hat Arnsburg zu sorgend

Gondsroth, Eiessen-Nassau, südwestlich Gelnhausen.

Von hiesigen Ordensgütern hören wir zum erstenmal bei einem Rechtsstreit, der zwischen den Erben des Ritters von Selbold und dem DO. ausgebrochen war und 1267 sein Ende fand.6 Noch 1359 wird der Orden hier als Besitznachbar erwähnt.7

1 Lau 204.

2 Lau II. 207. Baur I. 347. Vgl. p. 96.

3 Lau 222, er datiert »vor 1258 Okt. 10«, da aber Godebold schon 1257 Febr. 22 (Lau 211) gestorben war, so ist diese Urkunde noch weiter zurückzudatieren.

4 Lau 223.

s Lau 21 1.

6 Lau 271.

7 Reimer III. Nr. 281.

127

Okarben, Hessen, südlich Friedberg.

Hier und in Lichen kaufte der DO. 1269 je 1 Hufe und 1 Hof vom Mainzer Mariengredenstift für 106 Mark.1 Die früheren Eigen¬ tümer, die diese Güter an das Stift verkauft hatten, erheben Ansprüche auf dieselben, verzichten jedoch 1270 vor dem geistlichen Gericht zu Mainz.2 3

Die Güter, die die Mainzer DO. -Komturei hier besass, erwarb die Frankfurter Komturei 1303 durch Tausch.’

Lichen, Wüstung4 bei Rodheim, Hessen, südwestlich Friedberg.

Auf die erste Fussfassung des DO. in Lichen wurde soeben hingewiesen.

1280 geht der Orden einen Tausch mit dem Mariengredenstift zu Mainz ein, er tritt hiesige Güter ab und erhält dafür 1 Hof in Berkersheim mit Zubehör. Da die abgetretenen Ordensbesitzungen jedoch einen höheren Wert repräsentierten als die neuerworbenen Güter, erhielt die Komturei vom Stift noch 17 Mark ausbezahlt.5 1281 schenkt Konrad Weingärtner aus Friedberg eine Wiese in Lichen.6

Kloppen heim, Hessen, südlich Friedberg.

Im Jahre 1269 tauscht Guda, Witwe des Ritters Gerhard von Mörlen, ihre Kloppenheimer Güter gegen Ordensbesitzungen in Heldenbergen aus.7 1281 machen Ermbrecht von Praunheim und seine Frau ein Testament zugunsten des DO., 1282 treffen sie ver¬ schiedene Änderungen: sie vermachen der Komturei u. a. ihre Be¬ sitzungen in Kloppenheim und Praunheim, doch behalten sie sich für den Notfall das Verfügungsrecht über einen Teil derselben vor. Bei dem Tode des einen Ehegatten erhält der DO. bereits die Hälfte der Güter.8

1323 ertauscht der Orden von Ritter Johann von Vilbel eine Hufe in Kl. gegen 40 Morgen in Mittelkarben.9

1 Kopialb. 5. Baur I. p. 95. Lau 36 hat nach Niedermayer 1209.

2 Baur I. p. 95.

3 Lau 835. Vgl. oben bei Partenheim und Vendersheim p. 105.

4 Wagner I. 339.

5 Lau 451. 436.

6 Lau 433.

1 Lau 294.

8 Lau 441. 462.

9 Lau II. 213. Bei Niedermayer 161 falsch, er kennt noch eine Erwerbung von 1348. Mittelkarben- ist jedenfalls das mittlere der drei Karben, also das heutige Grosskarben.

Heldenbergen, Hessen, südöstlich Friedberg.

1269 tritt der DO. seine Liegenschaften zu Heldenbergen im Tausch für Kloppenheimer Güter an die erwähnte Witwe Guda ab.' 1296 vermacht der Frankfurter Bürger Giselbert von Friedberg Güter, die zusammen mit anderen in Bornheim gelegenen einen Wert von 100 Mark repräsentierten.1 2 Wigand von Buches verkauft 7 Jahre später dem Orden 1 Hof, 1 Garten und 3V2 Hufen weniger 6V2 Morgen Land für 178 Mark.3

Gelnhausen, Hessen-Nassau.

1273 schenkt der Gelnhäuser Bürger Hertmar und seine Frau Irmgard dem DO. ihren Teil (W) der Wiesenmühle, wofür ihnen der Orden eine lebenslängliche Rente von 1 1 Malter Korn und 3 Malter Weizen nach Gelnhausen liefert.4 1322 verpachtet der Orden die Mühle an den Gelnhäuser Schöffen Johann von Crainfeld für 9 Malter Korn und 2 Malter Weizen.5

1273 hören wir von 1 Morgen Weinberge, dessen Einkünfte eine Witwe vom DO. bezieht.6

Der Frankfurter Bürger Arnold von Glauberg hatte an seinen Neffen Gerhard Scheie eine Forderung von 300 Pfund Heller. Als Gerhard gestorben war, ohne seine Schuld zu tilgen, erhielt Arnold

1302 von dessen Tochter Elisabeth Güter zu Meerholz und 1 Flaus am Holztor in Gelnhausen überwiesen.7 Diese Besitzungen kauft

1303 der DO. von Arnold für den obigen Betrag, der innerhalb der nächsten 6 Jahre zu bezahlen ist,8 und 13 n überträgt Elisabeth, die inzwischen Begine geworden ist, ihre Rechte an den Orden.9 *

1 304 kauft die Komturei vom Kloster Meerholz ein neben dem ehemals Arnoldschen gelegenes zweites Haus für 8V2 Pfund Denare."' Ein drittes Haus nebst Hof und ihren sonstigen Gelnhäuser Besitz schenkt 13 n die Begine Kunigunde; sie pachtet alles wieder gegen

1 Lau 294.

2 Lau 702. Vgl. oben p. 121.

3 Lau 822.

+ Lau 317.

5 Lau II. 190. 1. 344. 479 nach Niedermayer noch 2 Schenkungen von 1277. I283*

6 Lau 324.

7 Lau 809.

8 Lau 818. 819. Thomas 209 und Böhmer 330 haben 1300.

9 Lau. 945 Zusatz. Ich glaube nicht, dass dies eine neue Erwerbung ist.

,0 Lau 838.

129

eine jährliche Abgabe von 6 wetterauischen Denaren.1 Die Rechte, die die Stadt Gelnhausen an einem dieser Häuser hat, kauft der DO. 1334 für 20 Pfund Heller.2

Hüttengesä ss, Hessen-Nassau, nordwestlich Gelnhausen.

Gegen Zusicherung einer lebenslänglichen Leibrente hatte die Witwe Luckard Zangelin dem DO. eine Summe Geldes geschenkt, mit dem die Komturei 1273 2 Hufen, 4 Morgen Gerstenland, 6 Morgen Wiesen und 1 Hof in Hüttengesäss kauft. Gleichzeitig hören wir noch von anderen dortigen Ordensgütern, die früher Siegfried von Breitenbach gehörten.3 Dieser Vertrag wurde 1294 von Luckards Tochter und zwei Hammelburger Bürgern bestätigt.4

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts besass die Komturei hier 3 Hufen und 1 Viertel weniger 5 Morgen Land, 6 Morgen Wiesen, sowie 20 weitere Morgen Land bei dem Weissenberg. Dies alles war an den Schultheissen Johannes von H. verpachtet für 1 Malter Weizen, sowie 1 Malter Korn, 4 Gänse, 8 Hühner, 1 Fastnachtshuhn und 35 Schillinge. Ais Johannes in Not geriet, wurde der Pacht¬ vertrag 1348 etwas gemildert.5

Lützellinden, Rheinprovinz, südwestlich Giessen.

1274 kauft der DO. hier Güter vom Kloster Schiffenberg, die einen jährlichen Ertrag von 9 Malter weniger 1 Mött Korn und 6 Schillinge weniger 3 Denaren liefern.6

Lieblos, Hessen-Nassau, nordwestlich Gelnhausen.

1274 kauft der DO. hier 1 Hof von Konrad Schlehdorn.7

Niederkleen, Rheinprovinz, südöstlich Wetzlar.

Dass hier Ordensgüter lagen, zeigt 1278 ein Rechtsstreit, bei dem die Gegenpartei auf alle Ansprüche zu Gunsten des DO. verzichtet.8

1 Lau 945.

2 Lau II. 496.

3 Lau 324.

4 Lau 679.

5 Reimer II. Nr. 745.

6 Lau 332. Thomas 153 und Niedermayer 27 geben das Regest falsch wieder. ~i Lau 342. Lau hat nach Niedermayer noch zwei Regesten zu 1274 und

1312 : 343. 957-

8 Lau 400. Bei Niedermayer 168 falsch.

9

130

Berkersheim, Hessen-Nassau, nördlich Frankfurt.

Gegen Abtretung seiner Güter zu Lichen erhält der DO. 1280 vom Mainzer Mariengredenstift einen Hof in Berkersheim.1

Der Frankfurter Bürger Volmar von Nied verkauft dem Orden hiesige Güter, und als Berthold Lugener Ansprüche auf sie erhebt, wird er 1293 durch das Schöffengericht abgewiesen.2 *

Praunheim, Hessen-Nassau, nordwestlich Frankfurt.

1281 vermachen Ermbrecht von P. und seine Frau dem DO. alle ihre beweglichen und unbeweglichen Güter zu P. und Kloppen- heirnP 1282 treffen sie verschiedene Änderungen in ihrem Testament,4 und 1307 wiederholen sie die Schenkung ihrer Praunheimer Güter vor den Frankfurter Schöffen.5

Rodheim, Hessen, südwestlich Friedberg.

Seine hiesigen, jedenfalls nicht sehr bedeutenden Besitzungen hatte der DO. an Konrad Weingärtner aus Friedberg verkauft, und letzterer schenkte dieselben 1281 wieder dem früheren Inhaber.6

Nieder-Mörlen, Hessen, nordwestlich Friedberg.

Wie in Obermörlen und Rodheim schenkte Konrad Weingärtner 1281 auch seine hier gelegenen Äcker und Weinberge.7

Ritter Frank von Linden verkauft dem Orden 1 Hufe für 67 Mark. Dieser Verkauf wird von seinen Verwandten 1315 an¬ erkannt,8 und der Frankfurter Ritter Volrad muss mit seiner Frau Hedwig hierüber noch eine besondere Urkunde ausstellen, obwohl sie in der anderen miteinbegriffen waren.9

Eschbach, Hessen, südöstlich Homburg.

1281 erwarben sich Friedrich von Eschbach und seine Frau im Deutschen Haus zu Sachsenhausen eine lebenslängliche Pfründe, indem

1 Lau 431. 436. Vgl. oben p. 127.

2 Lau 631. Reimer I, 706 nach Niedermayer 137: ca. 1290.

? Lau 441.

4 Lau 462. Vgl. oben p. 127.

5 Lau 883. Niedermayer 132 kennt eine Verpachtung dieser Güter v. 1333. 2 Vorurkunden von 1318 und 1335: Reimer II. 195. 446.

6 Lau 453. Die Gesell, dieses Ortes s. Arcli. f. hess. Gesell. 9, 125 ff. Betreffs Obermörlen vgl. p. 115.

7 Lau 453.

8 Lau II. 22.

f Arch. Darmst. u. Kopialb. 74 L

- 1 3 1

sie dem DO. alle ihre Güter schenkten.1 Nachdem die Ansprüche eines Dritten auf 4 Morgen vor dem Mainzer geistlichen Gericht zurückgewiesen sind, erneuerte der Vogt Arnold diese Schenkung vor dem Gericht zu Eschbach.2 *

Neuenhain, Hessen-Nassau, südöstlich Königstein.

Unter den von Friedrich v. Eschbach geschenkten Besitzungen befand sich auch ein in Neuenhain gelegener Morgen Weinberg, dessen Besitz dem DO. von der dortigen Gemeinde angefochten wurde, indem letztere ihn als eine 1293 gemachte Schenkung für ihre Kapelle in Anspruch nahm. Die Komturei wandte sich indes an einen päpstlichen Judex, den Frankfurter Dekan, vor dem 1303 seitens der Deutschen Herren die Rechtmässigkeit ihres Besitztitels festgestellt wurde.5

Ober-Wöllstadt, Hessen, südlich Friedberg.

Wie in so vielen Orten hören wir von hiesigen Ordensgütern zum erstenmale bei einem Prozess. 1293 erwählen der DO. und das Kloster St. Alban in Mainz den Frankfurter Dekan Ditnrar und den Mainzer DO.-Komtur Petrus zu Schiedsrichtern in ihrem Streit über den Rottzehnten.4 Diese fällen 1294 das Urteil zugunsten der Kom¬ turei Sachsenhausen, indem sie den Zehnten dem Ordenspfarrer in Niederwöllstadt zuweisen. s 40 fahre später, 1335, tritt der Orden seinen Kirchenzehnten an das erwähnte Mainzer Kloster ab und erhält dafür eine jährliche Rente von 10 Malter Korn.6

1312 kauft die Komturei von Edelknecht Ruprecht von Karben 1 Hof und 4 Hufen 1V2 Morgen Ackerland für 227 Mark. Von weiteren 10 Morgen erhält der Verkäufer jährlich 7 Scheffel Weizen.7 Die von Ruprecht gekauften Güter verpachtet der Orden bereits 1313 an Wenzel von Bruchenbrücken.8

1 Ober- oder Niedereschbach ? Lau 820: 1303 vor 22 Jahren. Nach dem Zusatz bei Lau wäre aber die Schenkung noch früher erfolgt.

2 Lau 820 Zus. Lau 558 hat nach Niedermayer einen Kauf in Niederesch¬ bach von 1288.

I Lau 820. Niedermayer 144 hat noch einen Güterkauf von 1345 durch »Komtur Eckh«.

4 Lau 628.

5 Lau 665.

Lau II. 526.

7 Lau 956. ?

8 ßaur I. p. 328.

9*

Wachen buchen, Hessen-Nassau, nordwestlich Hanau.

1293 verkauft Wigand von Heldenbergen dem DO. einen Obst¬ garten und V* Hufe genau beschriebenen Geländes. Diese Güter, die immer ungeteilt beisammen bleiben müssen, verpachtet der Orden wieder an Wigand für einen jährlichen Pachtzins von 7 Malter Korn.1

Ginheim, Hessen-Nassau, nördlich Bockenheim.

Vor 1297 trat der DO. 1 Morgen tauschweise an Heinrich Steinhäuser ab,2 und 1306 kauft er 1 Hufe für 57 Mark.3

Niederursel, Hessen-Nassau, nordwestlich Frankfurt.

1300 kauft die Komturei 6 Hufen Land, 6 Morgen Wiesen, 1 Hofstätte und 1 Scheuer für 20 Gulden.4 1342 schenkt Adelheid von Bergen (vgl. p. 121) die jährlichen Einkünfte von 4 Malter Korn, die ihr seither der Frankfurter Bürger Heilmann Schnabel von 3 Hufen weniger 1 Viertel Land lieferte.5

Langenselbold, Hessen-Nassau, nordöstlich Hanau.

1300 gewann der Orden durch Tausch 9V2 Morgen Land. Das Rückkaufsrecht beider Parteien wird gewahrt.6

Schwa Ibach, Hessen-Nassau, südöstlich Königstein.

Im selben Jahre verkauft Dietrich von Eschbach, Kanonikus in Ilbenstadt, der Komturei V2 Hufe Land.7

Bockenheim, Hessen-Nassau, nordwestlich Frankfurt.

Um 1300 war der DO. hier begütert und hatte seine Besitzungen verpachtet.8

Friedberg, Hessen.

Wie das Deutsche Haus zu Marburg und das Kloster Arnsburg9 erhält 1312 auch unsere Komturei ein Privileg, das ihr Haus, das sie in der Hankgasse zu Friedberg käuflich erworben, von allen Steuern, Abgaben und Leistungen befreit.10

1 Lau 634. Infolge eines Fehlers bei Niedermajrer hat Lau dasselbe Regest auch unter Nr. 53 zu 1219.

2 Lau 714.

3 Lau 875.

4 Baur I. 299. Niedermayer 140 gibt einen Zeugen als Verkäufer an.

5 Baur I. 553.

6 Lau 761.

7 Lau 769. Infolge eines Fehlers bei Niedermayer hat Lau II. 90 dasselbe Regest zu 1317.

8 Lau 833.

9 Foltz, Urkundenbuch d. Stadt Friedberg I. 187. 190.

10 Lau 951, Friedb. UB. 191. Letzteres 147 hat noch eine ähnliche Urk. zu 1302.

133

Meerholz, Hessen-Nassau, südwestlich Gelnhausen.

Unter den 1302 von Elisabeth Scheie an Arnold von Glauburg verpfändeten und 1303 vom DO. gekauften Gütern befanden sich auch Wiesen und 5V2 Morgen Weinberge zu Meerholz.1

Weilbach, Hessen-Nassau, nordöstlich Hochheim a. M.

1313 verpachtet Erzbischof Peter von Mainz der Komturei seine Güter und den Zehnten in Weilbach und Wiek er gegen eine jähr¬ liche Abgabe von 131 Malter Korn, 2 Malter Erbsen, 24 Sack Hafer, 3 Pfund Heller und 3 Fuder Wein; an diesem Zins gehen jedoch 10 Malter Korn ab, die der DO. dem Kloster Bleidenstadt zu liefern hat.2 Ein wegen des Zehnten mit dem Weilbach er Pfarrer ausge¬ brochener Streit wird 1315 gütlich beigelegt.3 1318 wird die Urkunde von 1313 kopiert.4 Die damals dem Orden verpachteten Güter hatte Peter dem Mainzer Karthäuserkloster vermacht; 1325 übergab sie der DO. dem Kloster und ging gleichzeitig mit ihm noch einen Wiesen¬ tausch zu Weilbach, bezw. Wiek er ein.5

1316 tauscht der Orden Wiesen in Weilbach und Wicker aus, u. a. mit Gottfried V. von Eppstein.6

Im Jahre 1321 kauft die Komturei Sachsenhausen vom Deutschen Haus zu Mainz 25 Morgen Land.7

1324 verkauft der Ritter Dietrich Randecker mit seinen Erben dem DO. ein Gut. Er verspricht, die Einwilligung seines Eppsteiner Lehnsherrn einzuholen, und setzt den jetzigen Pächtern Termine, innerhalb derer das Gut der Komturei auszuliefern ist.8 Das Geld, mit dem der DO. diese Besitzung erwarb, hatte die Limburger Bürgerin Cunzela von Hofheim geschenkt, der Pachtertrag beläuft sich auf 40 Malter Korn.9 1339 verpachtet der Orden das Gut mit Geneh-

1 Lau £09. 818. 819. 945 Zus. Vgl. oben p. 128.

1 Lau 966. Die Güter hatte Peter 1312 gekauft, vgl. auch Weller, Hohcn- lohisches TJB. II. p. 381 f., Nr. 27—29, 42.

3 Lau II. 26.

4 Lau 966.

> Hohenlohisches UB. II. p. 387 Nr. 52. Sauer, Cod. dipl. Nassoicus 1 3 p. 133, Nr. 1800. Lau II, 268.

6 Lau II. 63 u. Anm.

7 Lau II. 183.

8 Lau II. 257.

9 Lau II. 259. Cunzela starb 1321 und wurde in Sachsenhausen in der DO. -Kapelle der hl. Elisabeth begraben. Noch ca. 1700 war ihr Grabstein erhalten. Wölfl' u. Jung, Die Baudenkmäler in Frankfurt a. M. I. 190. Nach Niedermayer 144 hat sie auch in Sossenheim Güter geschenkt.

134

migung Gottfrieds V. an dessen Bauern,1 und 1340 bestätigt Gottfried einen zwischen Gozold von Erlenbach, Rudolf von Bierstadt und dem DO. abgeschlossenen Vergleich.2 Auf diesem Gute lastete die Erb¬ rente von 16 Malter Korn, die der Orden seit 1337 für das vom Karthäuserkloster gekaufte Stück Wald bei Hausen (vgl. p. 113) an dieses zu zahlen hatte.

Wiek er, Hessen-Nassau, nordöstlich Hochheim a. M.

Die Nachrichten, die uns über die hiesigen Ordensbesitzungen aus den Jahren 1313, 1316 und 1325 überliefert sind, sind bereits bei Weilbach eingeflochten.

Fauerbach, Hessen, südöstlich Friedberg.

Gerburgeheim, Wüstung,3 bei Friedberg.

Strassheim, Wüstung,4 südwestlich Friedberg.

1314 waren verschiedene näher beschriebene Äcker, die in den drei genannten Orten lagen, an den Friedberger Bürger Fridebert von der Rusen verpachtet, der dem Orden als jährlichen Pachtzins

4 Malter Roggen, 3 Malter Weizen und 1 Mark Denare nach Frankfurt liefern musste.5

Bleichenbach, Hessen, nordwestlich Büdingen.

1314 pachtet Ritter Wigand v. Buches vom DO. 1 Hufe Land für eine jährliche Pachtabgabe von 4 Malter Korn Gelnhäuser oder

5 Malter Frankfurter Masses.6

Gross -Karben, Hessen, südlich Friedberg.

Wie in Rödelheim hatte der DO. auch von seinen hiesigen Gütern seit 1316 einen jährlichen Zins von 2 Mark zu entrichten.7 1323 tritt der Orden 40 Morgen Land an Ritter Johann v. Vilbel ab und erhält dafür von diesem 1 Hufe in Kloppenheim.s

1 Sauer 1 5, 2179.

1 Sauer I3, 2189. Vgl. Lau II. 612. 615.

3 Wagner I. 324.

* Daselbst 332.

s Lau 967, Friedb. DB. 196.

,6 Kopialb. 33 b. Baur V. p. 297 hat diese Urkunde zu 1340, so auch Nieder- mayer 171.

7 Lau II. 44. Vgl. p. 120.

s Lau II. 213. Vgl. oben p. 127.

i35

H a u sen, Hessen-Nassau, nordwestlich Frankfurt.

1316 schenkt der Frankfurter Bürger Wigand Kalnihuser und seine Frau für ihren in den DO. eingetretenen Sohn 1 Hof und 2 Hufen Land in Hausen, bezw. den einem Kinde zustehenden Teil ihres Nachlasses.1

Geiss-Nidda, Hessen, südwestlich Nidda.

1320 vermacht Ritter Wolfram v. Sachsenhausen und seine Frau der Komturei eine Rente von 3 Malter Korn zur Pietanz, wofür ihnen ein ewiges Anniversar gehalten wird.2

Vilbel, Hessen, südlich Friedberg.

1320 überweist der Orden dem Frankfurter Dominikanerkloster eine jährliche Rente von 1V2 Hufen für das Anniversar der Drudela, der Frau des DO.-Bruders Giso v. Weilbach.3

1323 verkaufte Ritter Johann v. Nauheim und seine Frau Bertha dem DO. für 30 Mark 7 Malter als ewige Korngült von 2 Hufen, die zu dem sog. Steinmetzengute gehören.4 Diese Hufen haben». 1333 zwei Brüder in Pacht. Ausser der genannten Korngült lastet noch ein Besthaupt auf dem Gut.5 Die andere Hälfte dieses Gutes kaufte die Komturei 1350 zu demselben Preise von Bertha und ihren Kindern, sodass der DO. das Steinmetzengut jetzt vollständig in Händen hatte.6

Ober -Hörgern, Hessen, nordwestlich Münzenberg.

Im Jahre 1321 pachtet eine Witwe Metza vom DO. einen Hof mit Zubehör zu Landsiedelrecht.7

Niederdorfelden, Hessen-Nassau, nordwestlich Hanau.

Der uns von Sachsenhausen und Rendel her bekannte Dekan Heinrich Mein (vgl. p. 96 u. 126) hatte nach Niedermayer 153 auch hier Äcker geschenkt; von ihren Erträgnissen waren 3 Malter Korn zur Pietanz bestimmt.

1 Lau II. 57.

2 Lau II. 155. Battonn 7, 10.

5 Lau II. 158. Niedermayer 150.

+ Kopialb. 63 b. Dieses 4 Hufen umfassende Gut wird 1307 für 14 Malter Korn von dem Ritter Hartmann von Kl een an Heinrich Steinmetz verpachtet, Kopialb. 64. Daher wohl sein Name. Auch die Brüder von 1333 heissen Hermann und Heilmann Steinmetz.

5 Kopialb. 63.

6 Kopialb. 63 *\

1 Lau II. 160.

i]6

1324 schenkt Cunzela von Hofheim iVl Hufen, die eine Pacht von 20 Malter Korn einbrachten. 1 1346 vertauschte die Komturei

hiesige Güter.2

Rossbach, Hessen, südwestlich Friedberg.

1323 geht der Orden einen Tausch mit Siegfried von Breiden- bach ein. Der DO. tritt 1V2 Hufen und 5 Viertel Ackerland ab und erhält dafür 27 Morgen Äcker und Weinberge, die oberhalb der Weide von Wöllstadt liegen, und für die fehlenden 19 Morgen und 1 Viertel 38 Pfund Heller.3

Eschersheim, Hessen-Nassau, nördlich Frankfurt.

Der Edelknecht Dietrich von Preungesheim schenkt hier 1323 ein jährliches Einkommen von 8 Gänsen von dem Burgberg.4

Büdesheim, Hessen, südöstlich Friedberg.

Der Frankfurter Bürger Albert bei dem Grabborn schenkt 1324 zu seinem Anniversar 1 Flufe ie zur Hälfte dem Cisterzienserkloster Haina und dem DO. unter folgenden Bedingungen. Er pachtet die Flufe wieder für jährlich 2 Schillinge, und nach seinem Tode erhält seine Tochter Jutta eine lebenslängliche Rente von 6 Malter Korn.5

Nied, Hessen-Nassau, westlich Frankfurt.

Heddernheim, Hessen-Nassau, nordwestlich Frankfurt.

Eddersheim a. M., Hessen-Nassau, südwestlich Höchst.

Wie in W eilbach und Niederdorfelden schenkt Cunzela v. Hofheim 1324 auch in diesen drei Orten Güter. In Nied alle ihre Besitzungen, die 26 Malter Korn ertrugen. Ferner gab sie Geld, mit dem von Ritter Dietrich Randecker Ländereien erkauft wurden, in Heddernheim von 4 Malter und in Eddersheim von 2 Malter Pachtertrag.6

Mittel-Gr ündau, Hessen, nordwestlich Gelnhausen.

1313 verkauft der Gelnhäuser Bürger und Schöffe Wortwicus Brosse der Begine Zisa Rentwig von Fulda eine Leibrente von

1 Lau II. 259. Niedermayer 153 hat Oberdorfelden gegenüber dem urkund¬ lichen Unterdorfeiden.

2 Reimer II. 677. Vgl. bei Obermörlen und Oberdorfelden, p. 1 1 6 und 138.

5 Lau II. 206.

4 Lau 231. Vgl. oben p. in.

5 Lau II. 244.

6 Lau II. 259.

i37

io Malter Korn, 6 fallen von einer Mühle, 4 von seinem Teil eines Hauses, das Hildiger gepachtet hat und bewohnt.1 Über den vierten Teil dieses Hauses kommt es zum Prozess zwischen Zisa und dem Gelnhäuser Bürger Reimbold von Spiegelberg, der 1323 vor dem Gründauer Schöffengericht ausgetragen wird: Zisa wird abgewiesen und Reimbolds Eigentumsrecht anerkannt.2

1340 beschäftigt dieses Haus abermals das Schöffengericht. Der Gelnhäuser Bürger Fritz Stephan scheint im Laufe der Zeit in den vollständigen Besitz des Hauses gekommen zu sein, worauf er eine auf diesem lastende Korngült von 11 Malter an Siegfried von Breidenbach verkaufte. Als letzterer starb, erwarb der DO. jene Gült von dessen Sohn. Diese Tatsache wurde 1340 festgelegt und das Urteil gesprochen, dass der Orden im rechtmässigen Besitz des Gutes sei und mit ihm als seinem Eigentum nach Belieben verfahren könne.3

Beienheim, Hessen, nordöstlich Friedberg.

Hier besass der DO. einen Hof und 2 Hufen Land, die 1343 Ruprecht Bader gepachtet hat. Er gibt dem Orden als jährlichen Pachtzins zwischen Maria Himmelfahrt und Geburt 24 Malter Korn, 12 Malter Weizen, 4 Gänse, 4 Hühner und an St. Martin 4 Schillinge, sowie 1 Fastnachtshuhn. Gleichzeitig verzichten zwei Brüder von ihm auf alle Rechte, die sie auf diese Güter zu haben glaubten.4 *

Marköbel, Hessen-Nassau, nordöstlich Hanau.

1345 verkauft Ritter Wigand Feude von Assenheim der Komturei 12 Malter jährlicher Korngült von 2 Hufen für 108 Mark.s

Gronau, Hessen-Nassau, nordwestlich Hanau.

Wie gross die hiesigen Ordensgüter waren, wissen wir nicht, auch nicht, wann und wie sie erworben wurden. 1346 und 1350 wird der DO. als Besitznachbar erwähnt.6

1 Kopialb. 182.

2 Das.

3 Das. 183. Über Siegfried vgl. p. 129 uud 136.

+ Das. 57 b.

> Reimer II. 662.

6 Reimer II. 676. III. p. 83 Nr. 77 Zus.

Oberdorfelden, Hessen-Nassau, nordwestlich Hanau.

Hier besass die Komturei einen Hof. Diesen trat sie zusammen mit einem Gut zu Niederdorfelden 1346 an Ulrich von Hanau ab und erhielt dafür mit kaiserlicher Erlaubnis den Fronhof zu Obermörlen.1

Horbach, Hessen-Nassau, südwestlich Gelnhausen.

Wie schon öfters, z. B. in Hulshofen, Langgöns, Gondsroth, Niederkleen, Oberwöllstadt, Klein-Auheim, gibt auch in Horbach ein Rechtsstreit die erste Kunde von Ordensbesitzungen. Im Jahre 1351 wird er durch einen Vergleich beendet.2 3

II.

Erwerbung und Verwaltung des Vermögens. Äussere Beziehungen der Komturei. Die Bewohner des Deutschen Hauses.

Wie die Gütergeschichte zeigt, hatte sich die Deutschordens¬ komturei Sachsenhausen in kaum 150 Jahren einen riesigen Grund¬ besitz erworben. Die Komturei war, abgesehen von Sachsenhausen und Frankfurt selbst, in mindestens 87 Ortschaften begütert, bezw. lagen in oder bei ihnen Immobilien, die dem DO. grundpächtig, zinspflichtig waren. Diese 87 Orte gehören heute dem Gebiete vier deutscher Bundesstaaten an. Sieben von ihnen bestehen nicht mehr: Holzburg, Hüftersheim, Hulshofen, Hirzbach, Lichen, Gerburgeheim, Strassheim. Von den übrigen 80 liegen 43 in hessischen (Ober¬ hessen 27, Starkenburg n, Rheinhessen 5), 35 in preussischen Pro¬ vinzen (Hessen-Nassau 32, davon 1 linksmainisch, Rheinprovinz 3), je 1 in der bayerischen Pfalz und in Baden. Die Ostgrenze dieser Orte bildet Gelnhausen, die südliche Hohensachsen an der badischen Bergstrasse, im Westen ist die ausserste Grenze der pfalzbayerische Ort Mauchenheim, im Norden die alte Reichsstadt Wetzlar. Die

1 Reimer II. 677. Vgl. bei Obennörlen und Niederdorfelden, p. 1 1 6 und

136. Auf Niedermayers Verwechslung zwischen Ober- und Niederdorfelden habe ich p. 136 hingewiesen.

3 Pettenegg 1261.

1 39

meisten und bedeutendsten Besitzungen der Komturei lagen in dem fruchtbaren Gebiet nördlich des Mains, in der Wetterau im weitesten Sinne, die begrenzt ist von Taunus und Vogelsberg, von Lahn-, Main- und Kinzigtal.

In den meisten Orten war der DO. wirklich begütert, d. h. er besass hier Grundstücke. Höfe, Häuser, Scheunen, Mühlen, Äcker, Wiesen, Wald etc. Weinberge z. B. in Weinheim, Oberrad, in beiden Mörlen, Bergen, Preungesheim, Glauberg, Gelnhausen, Neuen¬ hain, Langenselbold, Meerholz, Rossbach, Weilbach, vielleicht auch in Wicker. Kirchen bezw. Kapellen besass die Komturei in Hohen¬ sachsen, Niederwöllstadt, Eckenheim, Preungesheim, in Obermörlen, Elolzburg und Hüftersheim, in Rödelheim nur bis 1275. Ausser in Sachsenhausen und auf dem Main hatte der Orden Mühlen in Alzey, Dieburg und Gelnhausen. In Weinheim besass er das Gericht, einen Fronhof in Obermörlen.

Das Einkommen der Komturei floss in erster Linie aus den Erträgnissen dieser Besitzungen. Sodann sind Pachtabgaben und kirchliche Einnahmen hierher zu rechnen, Ablass-, Opfer- und Mess¬ geld, ferner eingezogene Straf- und Bussgelder. Eine weitere Einnahme¬ quelle war die Hinterlassenschaft verstorbener DO. -Brüder1 oder deren Vermögen bezw. elterliches Erbteil.2 Am meisten brachten aber Schenkungen, Vermächtnisse, fromme Stiftungen ein, und zwar sowohl an Gütern und Liegenschaften als Einkünften und Rechten. Auch Geldsummen erhielten die Deutschen Herren zugewendet3, deren Verwendung oft festgelegt war. Meist werden Ländereien gekauft, oder es wird ein neuer Priester unterhalten (vgl. unten p. 152) oder ein Ewiglicht gestiftet.4 Nicht zu vergessen ist die Schenkung kost¬ barer Geräte für gottesdienstliche Handlungen.5

Oft gehen die geschenkten Güter erst nach dem Tode des Wohltäters in die Hände des Ordens über; ist der Schenker ein Ehe- oder Geschwisterpaar, so erhält die Komturei beim Tode eines Teiles zunächst erst die Hafte.6 Meistens behalten sich die Schenker die Nutzniessung vor, sie bewirtschaften die Ländereien bis zu ihrem

1 Lau 280. 683. 685. Pettenegg 1251.

2 Lau 522. 762. II. 57. 394.

3 Lau 296. 324. 453. 526. 541. II. 259.

4 Lau 57. 526.

5 Lau 296.

6 Lau 441.

140

Tode selbst und geben dafür der Komturei eine bestimmte jährliche Abgabe, gehen also eine Art Pachtvertrag mit dem Orden ein.1

Schenkungen ohne Gegenleistungsverbindlichkeit für den Orden linden sich verhältnismässig selten; in solchem Falle fehlt nie die Versicherung, dass man die Schenkung zu seinem Seelenheile gemacht habe.2 Gewöhnlich stiftet man sich eine Seelenmesse3 und den DO. - Brüdern eine Pietanz,4 oder das betr. Objekt kommt dem Spital zugute.5

Meistens legen die Schenkungen der Komturei bestimmte Ver¬ pflichtungen auf. Hierher gehört das erwähnte Lesen gewisser Messen. Am häufigsten gewährt der DO. dem Wohltäter oder einem Verwandten von ihm eine Leibrente, die erst mit dem Tode des Betreffenden erlischt.6 Oder man zieht für den Rest seines Lebens ins Deutsche Haus und erhält hier vollständigen Lebensunterhalt.7 Bringt man noch eigene Bedienung mit, so muss man selber für diese sorgen.8 Manche wahren sich ausdrücklich die Möglichkeit ihres Eintrittes in die DO. -Bruder- und Schwesterschaft.9 Andre behalten sich das Verfügungsrecht über ihr Vermögen oder einen Teil desselben vor, namentlich für den Fall der Not,10 11 oder machen zur Bedingung, dass ein Teil der Schenkung nach ihrem Tode in die Hände von Verwandten übergehe."

Besonders interessant sind die Besitzungen, Einkünfte und Rechte, die die Komturei durch Kauf erwirbt, da sie ein Bild von den Geld¬ mitteln geben, die ihr für solche Zwecke zur Verfügung standen. Die hauptächlichsten, nach Jahren geordnet, stelle ich hier zusammen. 1225. 20 Mark, Oberrad.

1269. 106 » Okarben und Lichen.

1276. 50 » Sachsenhausen.

1282. 100 Pfund Heller, Weinheim.

1287. 1 17 Mark, Eckenheim.

1 Lau 57. 200. 222. 316. 945. II. 168. 244. 629.

2 Lau 30. 48. 470. 702. 812. 883. Pettnegg 1234.

3 Lau 57. 472. 526. 610. 672. 705. 844. 847. II. 155. 168. 231. 325. 555. Pettnegg 1244.

* Lau 472. 610. 672. 703. II. 155. 168. 325.

> Lau II. 168.

8 Lau 317. 324. 382. 550. 672. II. 244. 259.

7 Lau 323. 453. 554. 820.

8 Lau 433.

9 Lau 222. 554.

10 Lau 462. 561.

11 Lau 204.

1293- Pfund Heller, Dieburg.

1295. 63 » » »

1300. 20 Gulden, Niederursel.

1303. 300 Pfund Heller, Gelnhausen.

1303. 178 Mark, Heldenbergen.

1303. 19 » Karben.

1304. 8V2 Pfund Pfennige, Gelnhausen.

1305. 18 Mark, Sachsenhausen.

1306. 57 Mark, Ginheim.

1308. 13 » Ober-Mörlen.

1312. 227 » Ober-Wöllstadt.

1315. 67 » Nieder-Mörlen.

1316. 35 Pfund Heller, Dieburg.

1323. 20 » » Bonserwald.

1323. 30 Mark, Vilbel.

1334. 52 » Hulshofen.

1334. 20 Pfund Heller, Gelnhausen.

1336. 5 Mark, Hulshofen.

1337. 3 Pfund Heller, Grafenwald.

1343—45. 780 + 55° + 75° Pfund Heller, Hainbachwald.

1343. 32 Mark, Klein-Auheim.

1345. 108 » Marköbel.

1348. 5 Pfund Heller, Alzey.

1350. 15V2 » » Bergen.

1350. 30 Mark, Vilbel.

Die betreffenden Urkunden zeigen, dass der Orden diese oft grossen Summen immer sofort bar ausbezahlte. Nur einmal ist die Komturei nicht in der Lage, 300 Pfund Heller sofort flüssig zu machen, und sie verpflichtet sich, die Summe innerhalb der nächsten 6 Jahre in Raten von je 50 Pfund abzuzahlen.1 Geht das Objekt nicht sofort in Ordensbesitz über, so braucht die Komturei den Betrag auch nicht sofort zu bezahlen.2

Meist kauft der DO. nur gegen Stellung besonderer Sicherheit. Entweder muss sich der Verkäufer verpflichten, fremde Ansprüche selber abzuwehren, bezw. für den durch fremde Ansprüche dem Orden ent¬ stehenden Schaden aufzukommen,3 oder die Komturei lässt sich Bürgen

1 Lau 818. (1303).

2 Lau 72.

> Lau II. 602. Reimer II. 626.

stellen, evtl, mit der Verpflichtung zum Einlager in eine Frankfurter Herberge.1 Für Beschädigung des Gutes ist noch der Verkäufer verantwortlich.2 Bei den meisten käuflichen Erwerbungen lässt sich ein zielbewusstes Vorgehen des DO. bemerken, z. B. bei der Mühle Kistelberg in Dieburg, bei dem grossen Ordenswald (p. in ff.), bei dem Gericht zu Weinheim, auch bei dem Steinmetzengut in Vilbel. Oft nimmt der seitherige Inhaber das verkaufte Gut sofort wieder in Pacht. 3

Auch durch Nichtwiedereinlösen ihr verpfändeter Liegenschaften erwarb die Komturei manches.4 Endlich sind Tauschverträge 5 hierher zu rechnen. Hierbei war es dem DO. entweder darum zu tun, wie bei einem Kauf seine Güter zu zentralisieren und abzurunden oder kleinere Besitzungen, die wenig ertrugen und dazu noch weit ablagen, loszuwerden. Einigemale bilden die Güter, die die Komturei in Tausch gibt, ein Plus gegenüber denjenigen, die sie eintauscht, so dass sie noch Geld erhält, mit diesem Tausch also einen Verkauf verbindet.6 Auch das Gegenteil kommt vor, dass die Komturei noch Geld hinzufügt.7

Eigentlicher Verkauf von Ländereien durch den Orden, Verkauf in gewöhnlichem Sinne ist überaus selten,8 ein Umstand, der in Ver¬ bindung mit den vielen Käufen und Pachtungen,9 die sich der DO. gestattet, ein günstiges Licht auf die Finanzen und die Verwaltung der Komturei wirft. Dazu kommt noch eine fast vollständige Steuer- und Abgabenfreiheit 10 und zahlreiche Zollbefreiungen. Zwar waren diese meist dem Orden im allgemeinen erteilt, dass sie aber auch Sachsenhausen zugute kamen, zeigt die Aufnahme z. B. einer pfalzgräflichen Zollbefreiung zu Eürstenberg und Bacharach in das jetzt im Kgl. Staatsarchiv zu Stuttgart auf bewahrte Kopialbuch unserer

1 398. 524. 543. 875. II. 257. Kopialb. 176 b. Ähnlich auch bei Tausch¬ verträgen, Lau 294.

2 Lau 550.

5 Lau 634. Kopialb. 219 L

4 Kopialb. 3.

> Lau 296. 344 ff. 714. 761. 770. 791. 835. II. 43. 206. 213. 526. Reimer 11. 677. Kopialb. 187 b.

6 Lau 431. 436. II. 206.

7 Lau 835.

8 Lau 235. II. 279. 446. 451.

9 Lau 178. 500. 510. 537. 638. 966. Böhmer 576.

10 Lau 602. 951.

143

Komturei.1 Gleichzeitig gestattet diese Tatsache einen erfreulichen Schluss auf den Handel und Güterverkehr der Komturei.

Finanzielle Belastungen, die aus Pachtung, Kauf, Schenkungen etc. erwuchsen, werden nach Kräften vermindert, indem man Zinsen und andere Abgaben gegen eine entsprechende Entschädigungssumme abzulösen sucht.2

Eine Berechnung des gesamten Güterbesitzes der Komturei ist unmöglich, da die Urkunden nur verhältnismässig selten die Grösse eines geschenkten, gekauften, verpachteten Gutes angeben, sich viel¬ mehr immer in allgemeinen Ausdrücken bewegen wie bona, immo¬ bile etc. Wir müssen aber annehmen, dass der Grundbesitz, den sich die Komturei innerhalb der ersten 150 Jahre erwarb, ein ganz riesiger war, dies zeigt schon ein flüchtiger Blick in die Gütergeschichte.

Sehr lange wurden die Besitzungen nur von Sachsenhausen aus verwaltet. Von der Entstehung der späteren Ämter und Kastereien ist während des 13. Jahrhunderts noch nichts zu bemerken, mit Aus¬ nahme von Gelnhausen, wo die Tatsache, dass der DO. 1273 einen Weinberg selbst bebaut,3 auf die Existenz einer dortigen Filiale schliessen lässt. Eine gewisse natürliche Grundlage für die Errichtung von Ver¬ waltungsunterabteilungen bot der Komturei der frühe Besitz der ge¬ nannten Kirchen und Kapellen; es lag auf der Hand, dass der DO. zunächst seinen Geistlichen die Aufsicht über die umliegenden Güter übertrug. In der Tat finden wir, während der Zins von Dieburger Gütern noch 1314 nach Sachsenhausen zu liefern ist,4 5 bereits 1305 die ersten Spuren einer grösseren DO. -Niederlassung in Niederwöllstadt. s Bald begegnen wir auch offiziellen Bezeichnungen wie Komtur und Deutsches Haus zu Weinheim, 6 Pfarrer und Brüder des Flofes zu Niederwöllstadt,7 * Deutsche Herren von Mörlen.s 1314 ist ein Zins entweder in das Haus zu Sachsenhausen oder Gelnhausen abzuliefern,9 1348 nach Gelnhausen. 10

1 1251 erteilt, 1258 erneuert; Koch-Wille, Regesten d. Pfalzgrafen am Rhein >75. 696. Die Erneuerung wird von zwei Koblenzer Geistlichen vidimiert, und diese Urk. findet sich ohne Datum im Kopialb. Fol. 136.

2 Lau 287. 315. 677. 779.

3 Lau 324.

4 Lau 968.

5 Lau 866.

6 Lau 878, natürlich nicht Weinheim an derBergstrasse! Kopialb. 3 zu 1328.

7 Kopialb. 187. 1 87b zu 1 315/17 und 1340.

s Kopialb. 74^ zu 1341.

9 Kopialb. 33 L

10 Reimer II. 727.

i44

Wie weit der Orden seine Güter selbst bewirtschaftete und wie weit er sie verpachtete, ist nicht mehr festzustellen. In Fällen letzterer Art sind Erbverpachtungen' (jure hereditario), Verpachtungen auf Lebzeiten des Pächters2 (ad tempora vitae suae, usque ad obiturn) und endlich einfache Verpachtungen3 zu unterscheiden, worunter ich solche ohne Zeitangaben verstehe, wo also der Pachtvertrag jederzeit gelöst werden konnte. Manchmal ist auch die Erbverpachtung be¬ schränkt, z. B. auf höchstens zwei Erben.4

Zu den Pachtverträgen auf Lebenszeit sind in gewissem Sinne auch die bereits erwähnten zu zählen, wo man der Komturei Güter vermacht, sie aber noch bis zu seinem Ableben gegen eine bestimmte Abgabe selber bewirtschaftet. Ähnliche Bestimmungen begegnen auch bei Kaufverträgen. Manchmal wird ausdrücklich betont, dass das Gut zu einer Hand bebaut werden soll,s gewöhnlich ist es einfach jure colonatus, jure colonatorio,6 nach Landsiedelrecht verpachtet.7

Wie bei Ankäufen, so verfährt der DO. auch bei Verpachtungen sehr vorsichtig. Auch hier verlangt er oft Stellung besonderer Sicherheit, indem er sich für den Fall unpünktlicher oder unge¬ nügender Zinszahlung bestimmte Einkünfte des Pächters anweisen8 oder bestimmte Güter zum Unterpfand setzen lässt.9 Nichtzahlung der Zinsen hebt den Vertrag und alle Rechte des Pächters auf, das Pachtobjekt fällt an den Orden zurück.10 Doch wird auch, wenn der Pächter in Not gerät, der Pachtvertrag etwas gemildert." Für evtl. Schaden des Gutes sind die Pächter verantwortlich.12 Die Kosten im Interesse des DO. vorgenommener Ausbesserungen brauchen sie je¬ doch nicht zu tragen, die Komturei vergütet, kauft die Besserung,'3 auch wird sie bei Vermächtnissen besonders in Anschlag gebracht.'4

1 Lau 271. 439. 545. 717. II. 190.

2 Lau 703. 705. II. 160.

3 Lau 876. II. 449. ßaur I. 328. Kopialb. 74b zu 1350.

4 Lau 522.

5 Lau II. 449.

6 Lau 876. Baur I. 328.

7 Lau II. 160. Reimer II. 745. Baur V. 297. Kopialb. 33 b.

8 Lau 439. II. 279. Urk. im Arch. zu Frkf. zu 1349.

9 Lau 522. II. 190. Kopialb. 33 b.

10 Reimer IV. 810. Kopialb. 74 b, 181 b.

11 Reimer II. 745.

12 Lau 703.

n Lau II. 54.

14 Lau 705.

145

Nicht selten entstehen wegen der Besserung Prozesse.1 Bei Nichtzahlung des Pachtzinses erhält der Pächter auch für die Besserung keine Ent¬ schädigung, sie fällt ebenso wie das bebaute Gut an den Orden zurück.2

An Abgaben kommen Geld- und Naturalzinsen vor. Letztere sind sehr mannigfaltig, zunächst Erträgnisse der Halmfrüchte Korn, Weizen, Hafer, dann Mehl, Erbsen, Wein, Wachs, Öl, endlich Llühner, Gänse, Kapaune, seltener Lämmer. Beide Arten von Zinsen treten sowohl zusammen, als für sich allein auf.

Erhebe- und Fälligkeitstermine sind circumcisio domini, Petri Cathedra, Fastnacht, Lätare und media quadragesima, Pascha, octava Paschae, Walpurgis, Johannis bapt. nativitas, Jacobus, Matthaeus, Michaelis, Gallus, Allerheiligen, Martini, die Zeit zwischen Marien Himmelfahrt und Geburt5 und zwischen Marien Geburt und Michaelis.4 Einmal steht es im Belieben des Pächters, den Zins entweder zwischen Marien Himmelfahrt und Geburt, den beiden Frauentagen, abzuliefern oder am Gallustage.s Grosse Beträge werden manchmal in zwei Raten bezahlt, so am i. Januar und Michaelis,6 Pascha und Martini,7 Michaelis und Walpurgis,8 zwischen Marien Himmelfahrt und Geburt und an Martini.9

Eine Menge Konflikte, Streitigkeiten und Prozesse war natürlich unausbleiblich. Zahl und Art derselben zeigt die Gütergeschichte.

Kaiser und Könige haben fast ununterbrochen mit der Komturei teils in rein geschäftlicher, teils mehr persönlicher Verbindung ge¬ standen. So Heinrich VI.,10 Philipp,11 Friedrich II.12 und sein Sohn Heinrich,13 Wilhelm von Holland, 14 Richard, 15 Rudolf,16 Adolf,’7

1 Lau II. 42.

2 Urk. im Arcb. zu Darmstadt zu 1340, Kopialb. 74 b.

3 Lau 717. II. 244. Reimer I. 346. II. 662.

4 Kopialb. 219 b.

5 Lau II. 602. ß Lau 672.

7 Kopialb. 2 = Lau 522.

8 Lau 703.

9 Kopialb. 57b zu 1343.

10 Lau 30.

11 Lau 39.

12 Lau 39. 48. 55. 56. o Lau 100.

14 Reimer I. 280.

!S Lau 293.

16 Lau 330 Zus. 341. 350. 351. 372 f. 300. 546.

37 Lau 638. Thomas 190.

10

146

Ludwig der Bayer,1 Karl IV. 2 Abgesehen von kleineren Gegen¬ königen vermissen wir nur Otto IV., Konrad IV., Albrecht und Heinrich VII.

Während letzterer, im Frankfurter Dominikanerkloster zum König gewählt, bei seinem Aufenthalte in Frankfurt auch in diesem Kloster wohnte, pflegte Ludwig der Bayer anfangs bei den Johannitern,3 später in Sachsenhausen bei den Deutschherren Wohnung zu nehmen. Doch stieg er auch im Braunfels ab, und 1324 nennt er drei Frank¬ furter seine lieben Wirte,4 ebenso den bekannten Jakob Knoblauch 1338 bis 1346.5

Zum erstenmal seit Friedrich II. bedient sich Kaiser Ludwig in seiner Reichspolitik wieder in hervorragender Weise Angehöriger des DO. Die Deutschmeister Konrad von Gundelfingen und Wolfram von Nellenburg, und zeitlich zwischen beiden der Land¬ komtur von Franken, Heinrich von Zipplingen, genossen sein volles Vertrauen, sie waren seine Geheimen Räte.6 Dass die einfluss¬ reiche Stellung dieser Männer nicht spurlos an der Frankfurter Kom¬ turei vorüberging, ist mehr als selbstverständlich. Denn einmal ist ausser Heinrich auch Konrad, bevor er die Würde des Deutschmeisters erlangte, Landkomtur der Ballei gewesen, zu der Sachsenhausen gehört.7 Zweitens sind für den Kaiser, indem er die Inhaber der beiden wichtigsten deutschen Ämter des Ordens zu seinen politischen Ratgebern macht, bei seinem überaus häufigen Aufenthalt in der Kaiserstadt am Main nähere Beziehungen zur dortigen Komturei eine ganz normale und notwendige Folge, und mehr als einmal war das DH. zu Sachsenhausen der Ort wichtiger politischer Ereignisse und folgenschwerer Beschlüsse.

Von hier aus erliess Ludwig 1324 die sog. Sachsenhäuser Appellation, jene berühmte Antwort auf den dritten Prozess Johanns XXII., unter deren Zeugen wir auch den Komtur von Sachsen- hausen, Kraft von Sulz, finden. Ein antipäpstlicher Erlass in einer

1 Lau II. 143. 428. Böhmer 555. 576. 580. Reimer II. 677.

2 Reg. Karls 1069. 1171.

3 Lau II. 10. Reg. Ludwigs d. B. 71.

+ Lau II. 248. Reg. 710.

s Reg. 1917. 2482.

6 Pflugk-Harttung, Der Johanniter- und DO. im Kampfe Ludwigs d. B. mit der Kurie, p. 72 ff.

7 Ersterer wird sogar einmal Landkomtur 211 Frankfurt genannt, Hohen- lohisches UB. II. 339.

147

Hauskapelle des DO., ein für die Politik des Ordens und seiner höchsten Vertreter sehr bezeichender Vorgang. Doch ist er nicht das erste Zeichen näherer Beziehungen Ludwigs zu unserer Komturei, wie v. Pflugk-Harttung annimmt, schon vier Jahre früher sind solche zu bemerken.1

Bei der Einung zwischen dem Kaiser und Balduin von Trier, die im Dezember 1331 in Frankfurt erfolgte, finden wir unter den beiderseitigen Vermittlern Deutschherren, auf erzbischöflicher Seite den Komtur von Trier mit zwei DO. -Rittern, auf kaiserlicher den Deutschmeister und den Landkomtur von Franken. Auf der beiden letzteren Bitten transsumiert Ludwig einige Tage später die Goldene Bulle Friedrichs II. von 1221, und zu Beginn des Jahres 1332 erteilt er unserer Komturei ein Beholzungsrecht im Reichswald.2 3

Zum zweiten Male lenkt Sachsenhausen die Augen auf sich: Jenen Reichstag vom August 1338, der einen so glänzenden Markstein für den politischen Aufschwung der deutschen Fürsten darstellt, hielt der Kaiser im dortigen DH. ab. Abermals ist der Landkomtur anwesend, und auch diesmal kargt Ludwig nicht mit seinem Dank für solch treue Gesinnung.5 Fast gleichzeitig mit der Verkündigung der papstfeindlichen Beschlüsse dieses Tages heften päpstliche Kommissare die Bannbulle gegen Ludwig und seine Anhänger an die Frankfurter Kirche an. Ob aber tatsächlich, wie v. Pflugk-Harttung annimmt,4 die Deutschen Herren den Gottesdienst einstellten Frankfurt ist im Interdikt möchte ich bezweifeln. Denn einmal ist bei der äusserst nationalen und kaisertreuen Haltung des Ordens nicht anzunehmen, dass er sich in dieser kampffrohen Zeit an den Erlass des Papstes kehrte, und zweitens war der DO. durch päpstliche Privilegien ausdrücklich von Bann und Interdikt ausgenommen.5

Als im März 1339 zu Frankfurt die zweite Aussöhnung des Kaisers mit Johann von Böhmen stattfand, finden wir unter den kaiserlichen Räten, die die Beilegung des Zwistes beschwören, wiederum den Deutschmeister und den Landkomtur von Franken.

Am 19. Juli desselben Jahres transsumiert der Deutsch -

1 Lau II. 143. Reg. 402.

2 Lau II. 428. Reg. 1421. Vgl. oben p. 98.

3 Reg. 1945.

4 a. a. O. p. 112 nach Latomus.

5 Voigt I. 357. 364.

IO

148

meist er in Frankfurt mit dem Erzbischof von Mainz und dem Bischof von Speyer zwei der englischen Politik entsprungenen Verträge, und am 22. fand in sacristia monasterii fratrum Theut. domus in Sassen- husin die notarielle Beglaubigung derselben in Gegenwart der zwei genannten Bischöfe und mehrerer weltlicher Fürsten statt.1

Ausser dem von 1339 lässt Kirchner auch 1344 einen Reichstag im DFL stattfinden.2

Als im November 1346 bei Gelegenheit einer Zusammenkunft des Kaisers mit seiner aus Plolland zurückkehrenden Gemahlin wiederum deutsch-englische Beratungen stattfanden, weilte abermals der Deutschmeister als kaiserlicher Unterhändler in Frankfurt.

Ich glaube auch die Fälle, wo Kaiser Ludwig von Frankfurt aus preussische Ordensangelegenheiten erledigt 3 oder für andre Kom- tureien Vergünstigungen erlässt oder sie in ihren Rechten schützt,4 nicht ausser acht lassen zu dürfen. Sicher sind auch diese Dokumente nicht ohne Mitwirkung unsrer Komturei ausgefertigt worden.

Von Dynasten und Fürsten, zu denen die Komturei Sachsen¬ hausen Beziehungen hatte, kommen an erster Stelle die Pfalzgrafen am Rhein5 6 in Betracht, sodann das Haus der Münzenberg-Falken¬ steiner, deren Oberlehnsherr der Pfalzgraf war, und ihre Verwandten. Das Verhältnis der Münzenberger zum DO. wurde bei der Gründungsgeschichte15 eingehend behandelt; ich verweise hier noch¬ mals auf Elisabeth, die mehrerwähnte Gemahlin Cunos II., und ihren Stiefvater.7 8 Einmal treten die Herren von Babenhausen, eine Seitenlinie der Hagen-Münzenberger, mit der Komturei in Berührung, s umso öfter die Falkensteiner.9 Weniger wiederum die Herren von Hanau,10 der zweite Hauptstamm, in dem sich die Münzenberger in weiblicher Linie fortpflanzten, die den Falkensteinern verwandten

1 Neues Arch. d. Gesellsch. f. alt. dtsch. Geschichtskunde, B. 23 p. 350. 352.. Mitteil, aus dem Stadtarch. in Köln, Heft 6 (1884) P- 30 Nr. 1587.

2 Gesell, d. Stadt Frkf. I. 168.

3 Reg. 1916. 1966. 2530. Add. I. 2808. 2831. 2832. III. 3536.

4 Reg. 688. 1950. 2098. 2176. 2269. Add. I. 2809. 2846. III. 3394.

s Lau 527. 607. 610. 613. 700. 860. II. 420. Vgl. auch Koch-Wille, Regesten d. Pfalzgrafen.

6 Mitteil. d. Oberhess. Geschichtsver. 1905.

7 Lau 57. 72. 74.

8 Lau II. 228.

9 Lau 176. 260. 344 ff. 469. 475. 525. 555. 573. 591. 730. 866. II. 24.43 Zus. 325. Kopialb.

10 Lau 555. 645. 716. Reimer II. 624. 634. 689.

149

Raugrafen zu Boineburg1 und die Dynasten von Eppstein.2 Ferner finden wir gelegentliche Beziehungen zu den Landgrafen von Messen,3 zu den Grafen von Isenburg,4 Sleeberg,5 * Limburg,7 Nassau7 und dem Herzog von Österreich und Steiermark.8

Von Rittern aus dem Gebiete der weitausgedehnten Ordens¬ besitzungen erwähne ich die von Hohenfels, Weinheim, Kronbcrg, Holzhausen, Heusenstamm, Preungesheim, Sachsenhausen, Steinfurt, Lössberg, Nauheim, Kalsmunt, Mörlen, Göns, Linden, Selbold, Buches.9

Dasselbe gilt natürlich von zahlreichen Bürgern und Einwohnern vor allem der Städte und Ortschaften, in denen die Komturei begütert war. Aber nicht mit den Einwohnern allein, auch mit den Behörden ihrer Wohnorte trat die Komturei oft in direkte, meist geschäftliche Verbindungen. So mit den Stadtbehörden von Frankfurt (auch mit der dortigen Judengemeinde),10 Friedberg, Gelnhausen, Wetzlar, Glau¬ berg, Giessen, Alsfeld, Herborn, Dieburg, Alzey, mit den Gemeinden von Neuenhain, Niederwöllstadt etc.

Bei Streitigkeiten kommen u. a. in Betracht die Schöffengerichte von Mauchenheim, Vilbel, Gründau, Steinheim, Bergen, ferner das geistliche Gericht zu Worms und sehr häufig das zu Mainz.

Überhaupt unterhielt die Komturei Sachsenhausen rege Be¬ ziehungen zu der Mainzer Geistlichkeit, besonders zu den Stiftern und Klöstern der Karthause, zu St. Mariengreden, zu St. Gingolf und St. Alban,11 natürlich auch zur dortigen DO. -Komturei. 12

Vom Frankfurter Klerus erwähne ich die Karmeliter, Domini¬ kaner und Minoriten,13 besonders aber treten die Geistlichen des Bartholomäusstiftes unzähligemal in irgend einer Beziehnng zum DO. auf,14 was sich z. T. dadurch erklärt, dass der Frankfurter Dekan

1 Kopialbuch 43 f. zu 1342 und 1343.

2 Lau II. 63. Sauer 1 3 , 2179. 2189.

5 Lau 332.

4 Lau 39 Zus. 223. 330.

5 Lau 39 Zus. 765.

* Lau 302.

~i Lau 578.

8 Baur I. 68.

9 Ein Buches ist 1320 Komtur, s. unten p. 153.

10 Lau 556.

11 Lau 95. 431. 621. 682. 433. 628. II.* 268. 602.

12 Lau 454. 534. 665. 835. 911. II. 183.

13 Kopialb. 57L Lau 201. 376. 410. 201. 393. 462.

14 Lau 244. 318. 510. 615. II. 26. 144. 446.

150

öfters die Eigenschaft eines päpstlichen judex und Konservators der DO. -Privilegien bekleidet.1 * Auf dieselbe Ursache sind auch Beziehungen zwischen der Komturei und dem Abt von St. Pantaleon in Köln zurückzuführen.1 Von sonstigen auswärtigen Stiftern und Klöstern seien genannt die zu Wetzlar, Friedberg, Seligenstadt, Arnsburg, Haina, Ilbenstadt, Sion, Schiffenberg, Konradsdorf, Dieburg, Meerholz, Selbold, Padershausen, Tiefental, Schmerlenbach.

Ausserdem hat die Komturei noch in vereinzelten Fällen mit Pfarrern der Umgegend und auswärtigen Kanonikern zu tun. Ich erwähne schliesslich noch einige Inklusen und Beginen. 3

Von Päpsten kommen Gregor IX. und Klemens IV. in Betracht.4 * Von anderen hohen Kirchenfürsten der Erzbischof von Trier und der Bischof von Metz und Speyer,3 der Wormser6 und der ehemalige Bischof von Regensburg.7

Konflikte mit ihrem Diözesenbischof blieben auch unserer Kom¬ turei im Anfänge nicht erspart. Honorius III. (1216—27) musste schon zu Beginn seines Potifikates die Ballei Franken energisch in Schutz nehmen,8 9 und der 1221 dem Mainzer Erzbischof gegenüber einge¬ gangene Verzicht des Ordens auf gewisse Vorrechte geschah, um dem Erzbischof »enger verbunden zu sein.«’ Doch brachte dieses Entgegenkommen der Komturei keine allzugrossen Vorteile, 1234 verhängt der Erzbischof das Interdikt über die Deutschen Herren zu Sachsenhausen, sodass die Hilfe des Papstes angerufen werden muss.10 Erst 20 Jahre später findet eine Einigung statt,11 jetzt herrscht voll¬ ständiger Friede zwischen der Komturei und ihrem Bischof.12 Noch 1290 wird ein ähnlicher Vergleich geschlossen, 13 und zur Zeit

1 La 779. Baur I. 552. Pettenegg 1254. Kopialb. 44 b.

3 Wyss I. 367.

5 Lau 878. 945. Pettenegg 1254.

4 Lau 103. 280.

$ Lau 56. Vgl. Mitteil. d. Oberhess. Geschichtsver. 1905, 48 ff. Der Bischof von Speyer auch 1339, s. p. 148.

6 Lau 477.

7 Lau 247.

s Voigt I. 352.

9 Guden, Cod. dipl. IV. 869 zu 122 ... , 1221 nach v. Nathusius, Die Deutschmeister vor 1232, p. 27. Vgl. Lau p. 30 Antn.

10 Lau 103. f

11 Lau 172. In diesem Sinne ist Voigt I. 507 zu berichtigen.

13 Lau 344—48. 966.

U Kopialb. 92 L

Ludwigs d. B. weilt der Erzbischof von Mainz im Deutschen Hause zu Sachsenhausen.1

Was das Verhältnis der Komturei Sachsenhausen zum DO. im allgemeinen betrifft, so wurde auf ihre Beziehungen zum Deutschen Haus in Mainz bereits hingewiesen. Mit der Marburger geht unsere Komturei bei einem Prozess gemeinsam vor.2 Beamte, vorher Kom¬ ture in Flörsheim und Marburg, treffen wir später in derselben Stellung in Sachsenhausen, umgekehrt ist ein Frankfurter Komtur später Komtur in Marburg. Ein Landmeister in Preussen ist vorher Hauskomtur zu Sachsenhausen gewesen.3

Von hohen Ordensbeamten sind in Frankfurt nachweisbar 1276 Bischof Johannes von Litthauen, 1290 ein Bischof Christian, 4 * 1272 und 1273 der Hochmeister Anno von Sangerhausen, 1287 Hochmeister Burkard von Schwanden und 1280 jedenfalls auch der Hochmeister Hartmann von Heldrungen. s Von Deutschmeistern Konrad von Nürn¬ berg 1261, 6 Gerhard von Hirzberg 1279, 7 vielleicht Konrad von Feucht¬ wangen 1287 und 1295.8 Ferner 1331, 1339 und 1346 der kaisertreue Wolfram von Nellenburg.9 Der Landkomtur von Franken 1331, 1338 und 1339. 10 Endlich 1331 auch der Komtur von Trier nebst Be¬ gleitung.11

Ordenskapitel fanden in Sachsenhausen statt 1272, 1273, 1287, 1292, 1300.12

Der Sachsenhäuser Konvent war lange nicht so zahlreich wie der zu Marburg, der noch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts aus 25 bis 30 Ordensherren bestand,13 auch sind, abgesehen von dem einen Fall, zu dieser Zeit aus dem DH. zu Sachsenhausen keine höheren

1 Vgl. oben p. 148.

2 Wyss I. 367, oben p. 125.

3 Vgl. die Liste der Komture und Hauskomture, p. 153.

4 Lau 366. Niedermayer 49.

> Lau 303. 310. Natürlich der Hochmeister, nicht Deutschmeister. Lau 530. Lau 431, Hartmann urkundet in Mörlen.

6 Lau 235.

7 Lau 410.

s Lau 525. 683.

9 Vgl. oben p. 147 h

10 Daselbst. Nach Voigt I. 664 ff. waren dies ausser Heinrich von Zipplingen Herbrand von Smehingen und Friedrich von Urbach.

11 Oben p. 147.

12 Lau 203. 310 Zus. 530. Zeitschr. d. hist. Vereins für das württemb. Franken 1852 p. 85. Hohenlohisches UB. I. 539.

13 Heldmann in d. Zeitschr. d. Vereins f. hess. Gesch. u. Landeskunde, N.F. 2041.62.

152

Ordensbeamten hervorgegangen, wie dies in Marburg fast Regel war. Die DO. -Statuten1 schreiben als Mindestzahl 12 Brüder vor, und tat¬ sächlich wurde dieses Minimum im 13. Jahrhundert in Sachsenhausen kaum überschritten. Nach Bücher2 betrug die durchschnittliche Zahl der Ritterbrüder nicht mehr als 8 bis 10, Priester 3 bis 4, dazu kam noch eine kleine Zahl Halbbrüder und Ordensschwestern und eine grössere Schar von Bediensteten. 1324 sind ausser dem Komtur 4 Priester und 9 Brüder bezeugt, sowie »die andren Bruder gemein- lich des vorgenanten Hußes zu Sachsenhusen«.3

Die allmähliche Zunahme der Zahl der Priester ist genau zu verfolgen. Anfangs begnügte man sich mit einem, aber infolge reicher Dotierungen konnte bereits 1222 ein zweiter4 5 und seit 1287 ein dritter Ordenspriester unterhalten werdend 1324 finden wir vier, aber in derselben Urkunde wird bereits die finanzielle Basis für den Unterhalt eines fünften Priesters geschaffen.6 Auffällig ist, dass alle diese Stiftungen von Frauen oder richtiger von Witwen herrübren.

Das Amt eines Hauskomturs begegnet offiziell, soviel ich sehe, erst 1324,7 * doch ist das Bestehen dieses Amtes zweifellos schon für das 13. Jahrhundert in Anspruch zu nehmen. Andernfalls ständen wir vor der merkwürdigen Erscheinung, dass die Komturei mehreremale gleichzeitig zwei Komture nebeneinander hätte. Nur einmal avanziert ein Hauskomtur zum Komtur. Eine Liste dieser Beamten befindet sich unten.

Von sonstigen Hausämtern finden wir den Schmied,* Trapier,9 Zins-,10 11 Küchenmeister,” Kellner12 und Müller.13 Von einem Ober¬ reiter, den Kirchner I. 234 seit frühester Zeit im DFI. wohnen lässt, habe ich zwar keine Spur gefunden, doch darf man wohl die Existenz von mehr als den erwähnten Ämtern annehmen.’4

1 ed. Perlbach 1890, 13. Ordensregel p. 41.

2 Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. im 14. und 15. Jahrhundert p. 514.

5 Lau II. 259.

4 Lau 57.

5 Lau 526.

6 Lau II. 259.

7 Daselbst.

* Lau 325. 382. 550.

9 Lau 875. Baur I. 299. Lau II. 207. 228. 244. 259. 503. Pettenegg 1234. Kopialb. 183.

10 Baur I. 299.

11 Voigt II. 683. Lau II. 207. 228. 239. 325.

11 Lau II. 259. 503.

o Reimer III. 56.

Über diese Ämter vgl. Voigt I. 255 fl.

153

Was endlich Halbbrüder und Ordensschwestern1 betrifft, so ist deren Zahl sehr unsicher. Letztere müssen aber später ziemlich zahlreich gewesen sein, denn um die Mitte des 14. Jahrhunderts baut man ihnen von einer Stiftung des reichen Wickcr Frosch einen eigenen Konvent, das St. Katharinenkloster.2 3

Beilage I.

Komture und Hauskomture von Sachsenhausen.

Eine Berichtigung zu Lersner 1706 II. 101, 1734 II. 164 und Batlonn VII. 85. Die Zitate beziehen sich auf die erste und letzte urkundliche Erwähnung.

a) Ko m ture.

1. Heinrich von Ybach 1221— 1238.5

2. Konrad 1257 Januar.4

3. Gerhard 1257 Februard

4. Ludwig von Schwalbach 1270 1280 Juni.6

5. Anselm von Witzelbach 1280 Dezember 1297.7 8

6. Konrad Lumpo von Flörsheim i3oo-i3i6.s

7. Berthold von Buches 1320.9

8. Kraft von Sulz 1322 1328. 10

9. Heinrich von Löwenstein 1332 1333. 11

10. Culmann von Bergen 1339 1340. 12

1 Das. 330 ff. Solche Brüder und Schwestern werden erwähnt Lau 222. 325. 453. 554. Pettenegg 1254. Ein verheirateter Bruder Lau II. 158. Auch auswärtige Adlige Hessen sich mit ihren Frauen in die DO. -Bruderschaft aufnehmen. Vgl. Voigt I. 337 ff., oben p. 1 1 3 .

2 Voigt I. 343. Wolff und Jung I. 229.

3 Lau p. 30 Anm., Lau 1 1 5 . Schon 1220 erwähnt, oben p. 113.

4 Lau p. 101 Anm.

5 Lau 21 1.

6 Lau 296. 436.

7 Lau 439. 705.

8 Lau 769. II. 44. Vorher Komtur in Flörsheim, Heldmann p. 108.

9 Lau II. 158. 1317— 1319 Komtur in Marburg, Wyss III.

10 Lau II. 190. 325.

11 Lau II. 446. 451.

12 Urk. im Arch. Frkf., Reimer II. 537 (Konrad von Bergen). 1314 Haus¬ komtur. 1337 1343 Bruder, Reimer II. 489. 629. Vgl. oben p. 121.

154

11. Otto von Mühlhofen 1348. 1

12. Volz von Brensbach 1349 1359. 2

b) Hauskomture (vgl.- p. 152). t. Luther von Pirmont 1284 1288.3

2. Konrad von Hallstadt oder Bamberg 1292 12944

3. Winrich 1300 13034

4. Culmann von Bergen 13 14.6

5. Conrad Wise 1324.7

Beilage II.

Alphabetisches Ortsverzeichnis, zugleich Inhaltsverzeichnis zur Gütergeschichte.

Seite

Seite

Alzey ....

104

Fauerbach

134

Beienheim

.... 137

Frankfurt .

99

Bergen ....

1 2 1

Freimersheim

105

Berkersheim .

. . . . 130

Friedberg . . .

i32

Bleichenbach .

I34

Bockenheim .

I32

Geis-Nidda . .

*35

Bornheim .

1 20

Gelnhausen . .

1 28

Büdesheim

. . 136

Gerburgeheim

134

Bürgel ....

iii

Ginheim

i32

Glauberg . . .

126

Dieburg

107

Gondsroth . .

126

Dornheim . .

in

Gronau . .

737

Düdelsheim

.... 125

Gross-Karben

134

Eckenheim

1 18

Hausen, Hessen .

. . 113

Eddersheim

.... 136

Hausen, Hessen-Nassau

i35

Erzhausen .

106

Heddernheim

136

Eschbach . . .

.... 130

Heldenbergen . .

1 28

Eschersheim .

.... 136

Heusenstamm . .

”3

1 Kopialb. 3 t>. Zu 1345 hat Niedermayer einen Komtur Eckh. Vgl. p. 131. 1 Urk. im Arch. Frkf., Kopialb. 75.

5 Lau 487. 530. 1278—1282 Bruder, Lau 410. Kopialb. 219b. r Lau 6io, Baur I. 208. Hallstadt liegt nördlich Bamberg. 1299 Land¬ meister in Preussen. Voigt, Namenkodex d. DO. -Beamten in Preussen, p. 4.

5 Lau 770. 818. 1292 1294 Bruder, Lau 621. 659.

6 Kopialb. 33 b. Später Komtur.

7 Lau II. 259. Später Komtur in Marburg, Wyss III.

i55

Seite

Hirzbach . 123

Hohensachsen . 106

Holzburg . 1x9

Horbach . 13S

Hüftersheim . 120

Hüttengesäss . 129

Hulshofen . 123

Klein-Auheim . 1 1 1

Kloppenheim . 127

Langenselbold . 132

Lang-Göns . 124

Lichen . 127

Lieblos . 129

Lützellinden . 129

Marköbel . 137

Mauchenheim . 105

Meerholz . 133

Mittel-Gründau . 136

Münster . 106

Neuenhain . 13 1

Nied . 136

Niederdorfelden . 135

Niederkleen . 129

Nieder-Mörlen . 130

Niederursel . 132

Nieder-Wöllstadt . . . . 116

Oberdorfelden . 138

Ober-Hörgern . 135

Ober-Mörlen ....

Seite

. . 114

Oberrad .

106

Obertshausen ....

1 1 2

Ober-Wöllstadt . . .

. . 131

Okarben .

127

Oppershofen ....

. . 123

Partenheim ....

Pohl-Göns ....

. . 123

Praunheim ....

13°

Preungesheim

1 2 1

Rembrücken ....

1 1 2

Rendel ......

125

Rodheim .

13°

Rödelheim ....

. . X19

Rödgen .

. . 123

Rossbach .

136

Sachsenhausen. , . . .

95

Schwalbach ....

132

Strassheim .

i34

Trebur .

106

Vendersheim ....

. . 105

Vilbel .

i35

Wachenbuchen . . .

132

Weilbach .

i33

Weinheim .

103

Wetzlar .

125

Wicker .

134

IV.

Beiträge zur Reformationsgesehiehte der Stadt Frankfurt a. M.

ERSTER TEIL.

Von

Lic. theol. KARL EULER.

Vorbemerkung.

I. Die Bornheitner Eingabe 1523 1524.

II. Zur Vorgeschichte des Zünfteaufstandes von 1525.

<r

f

Vorbemerkung.

Die wichtigste handschriftliche Quelle für die Entwickelung der Reformation in Frankfurt a. M. ist Tom. I und II der Akten des Religions- und Kirchenwesens, die sich im Frankfurter Stadtarchiv befinden. Hier sind die meisten wichtigeren Schreiben, Eingaben der Bürgerschaft, Kundgebungen des Rates, Erlasse einzelner Fürsten, vor allem Albrechts II. von Mainz zusammengestellt. Aber diese Aktensammlung weist doch noch bedeutende Lücken auf. Aus dem Schriftenwechsel wegen der Sachsenhäuser und Bornheimer Angelegenheit (1523 ff) fehlen wichtige Schriftstücke. Die Apologie des Rates (1526) ist weder als Original, noch als Kopie, noch als Entwurf vorhanden. Auch der auf die Apologie folgende Schriften¬ wechsel ist unvollständig. Die Angelegenheit der Barfüsser, sowie die der Karmeliter (1329) ist überhaupt nicht erwähnt.

Diese Lücken füllen die übrigen im Frankfurter Stadtarchiv befindlichen Quellen nur sehr unvollkommen aus. Zwar bieten die Reichstagsakten, die Akten und Urkunden des Bartholomäusstiftes, des Liebfrauenstiftes, des Leonhardstiftes, sowie die Chroniken und annalistischen Aufzeichnungen eine ganze Reihe wertvoller Ergän¬ zungen. Auch die kurzen Notizen der Bürgermeisterbücher und der Ratschlagungsprotokolle geben zum Teil Andeutungen über das Fehlende. Aber das alles kann doch niemals den Mangel an Akten selbst ersetzen.

Diesem Mangel abzuhelfen, bietet sich eine bisher unbekannte Aktensammlung dar, die das K. K. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien aufbewahrt. Sie findet sich dort mitten unter den Beständen des ehemaligen Kurerzkanzlerarchivs, die 1851 52 mit den Bundes¬ akten nach Wien gekommen waren. Sie wurden damals zu Schiff von Aschaffenburg nach Wien gebracht, wobei leider ein Teil der¬ selben durch Schiffsunfall verloren ging. Unter den geretteten Be¬ ständen findet sich nun auch jene, für die Reformationsgeschichte von Frankfurt so wichtige Aktensammlung.

Diese Sammlung bildet einen ziemlich starken Schweinsleder¬ band in Folio, 676 Seiten stark. Der Rücken des Bandes zeigt die mit Tinte von alter Kanzlistenhand geschriebene Aufschrift:

»1521 Francfurter Lutherisch sect betr.«

Der Deckel des Schweinslederbandes trägt auf der Vorderseite oben rechts den, wahrscheinlich von derselben Kanzlistenhand geschriebenen Titel:

»Franckfurdisch handelung »die lutterische Sect vnnd »Anders Belangend«

»V 20«

Ausserdem finden sich unter diesem Titel auf derselben Seite noch eine Reihe von Aufschriften, die aber alle von moderner Hand stammen.

Den Inhalt dieses lose gehefteten Bandes bilden 119 grössere und kleinere Schriftstücke und ein Druck. Die grössere Hälfte dieser 1 1 9 Schriftstücke, die alle nur von der kirchlichen Bewegung in Frankfurt a. M. handeln, war von den verschiedensten Seiten aus an die erzbischöfliche Kanzlei eingelaufen, die kleinere Hälfte war von ihr ausgegangen. Nach Jahren verteilt sind an Schriftstücken vor¬ handen: für das Jahr 1407 1 Schriftstück, für 1523 2, für 1524 3, für 1525 20 (und 1 Druck), für 1526 14, für 1527 1, für 1529 57, für 1530 5, für 1531 11, für 1532 5. Unter diesen Schreiben sind nun alle diejenigen, die im Namen des Kurfürsten ausgegangen waren, hier stets als Entwürfe vorhanden, die aber meist durchkorrigiert und so für die Reinschrift fertiggestellt sind. 1 Fast alle Akten tragen auf der Rückseite Kanzleibemerkungen, die den Inhalt kurz angeben. Die Aufeinanderfolge der Akten ist nicht immer chronologisch. Eine Zählung der einzelnen Blätter ist vorhanden, aber nur bis zum 250. Blatte und auch bis dahin nicht ganz ohne Fehler. Zwischen dem 147. und 148. Blatte wurde ein Blatt nicht mitgezählt, das auf Bl. 162 folgende Blatt wurde wieder als Bl. 162 gezählt. Bl. 21 und 22, 24—27 sind herausgenommen und nicht wieder eingelegt worden. Der Grund des Fehlens dürfte sich aus Bl. 23 ergeben. Darnach bedurfte man der herausgenommenen Akten als Beleg zu einem Schreiben des Kurfürsten Albrecht an den Erzbischof von Trier.

1 Einige der hier als Entwürfe vorhandenen Akten finden sich im Frankfurter Stadtarchiv als Ausfertigungen vor. Sie haben die wörtliche Abschrift der hier durchkorrigierten Entwürfe.

161

Der Inhalt der herausgenommenen Akten bezog sich nach dem ganzen Zusammenhang auf die Streitigkeiten zwischen Bürgerschaft und Geistlichkeit in Frankfurt kurz vor Ausbruch des Zünfteaufstandes 1525. Aus einem ähnlichen Grunde dürfte auch bei Bl. 250 plötzlich die Zählung der einzelnen Blätter abbrechen. Nach Bl. (268), einem Schreiben der Mainzer Räte an den Kurfürsten (vom 18. Juli 1530) mussten nämlich diese Räte dem in Augsburg auf dem Reichstag befindlichen Kurfürsten »die ganze handlung, wes in der franckfur- dischen Sachen der lutterischen seckt halber gehandelt und in Schriften hin und widder ergangen seindt« zusenden. Der Kurfürst bedurfte dieser Akten, um die grosse Anklageschrift (s. w. u.) herstellen zu lassen. Ein Teil der Schreiben, die nach dem 18. Juli 1530 noch in der Frankfurter kirchlichen Angelegenheit gewechselt wurden, wurde später wieder dieser ganzen Sammlung beigelegt, jedoch ohne dass die unterbrochene Blattzählung wieder aufgenommen wurde.

Im Folgenden soll nun der Inhalt dieser Aktensammlung in die bisher bekannte Reformationsgeschichte von Frankfurt a. M. ein¬ gegliedert werden. Um dabei die Citierung zu erleichtern, wird diese ganze Wiener Sammlung stets mit W bezeichnet, für die nach Bl. 250 noch folgenden 91 Blätter wird dabei am besten in der be¬ gonnenen Blattzählung fortgefahren, nur werden jene 91 Blätter stets in ( ) citiert, also Bl. (251), Bl. (252). 1 2

I. Die Bornheimer Eingabe 1523 1524/

Die kirchliche Bewegung in Bornheim ist in den bisherigen Darstellungen der Frankfurter Reformationsgeschichte nur kurz be¬ handelt worden.3 Der Grund liegt wohl in der mangelnden Kenntnis

1 Im Folgenden werden die einzelnen Blätter von W citiert, ohne jedesmal »Bl.« hinzuzufügen, also W i, W 2, etc.

2 Abkürzungen :

Qu II = Quellen zur Frankfurter Geschichte, herausgegeben von Grotefend, II. Band:

Chroniken der Reformationszeit, bearbeitet von Jung, 1888.

BB = Bürgermeisterbücher

Ratschl.-P. = Ratschlagungsprotokolle im Frankfurter Stadt-

RK. = Akten betr. das Religions- und Kirchenwesen | archiv.

FRKS = Reichskammergerichtsakten

3 Balth. Ritter, Evangel. Denkmal d. Stadt Frankfurt a. M. 1726. S. 70; Anton Kirchner, Gesch. d. Stadt Frankf. II (1810) S. 21; Qu IIS. 57, Anm. 1 u. S. 80, Anm. 1.

11

162

der Akten. W liefert uns nun zu der Bornheimer kirchlichen Be¬ wegung einige Beiträge, die uns in einen Teil jener Bewegung einen weiteren Blick tun lassen.

Bornheim, seit 1475 zu Frankfurt gehörig,1 wurde von der Frankfurter Geistlichkeit versehen.2 Die Bevölkerung des Dorfes blieb von der allgemeinen religiösen Bewegung, die seit 1520 auch in Frankfurt Fuss gefasst hatte, nicht unberührt. Die Anfänge dieser Bewegung reichen in Bornheim bis in das Jahr 4522 zurück. Am 30. Juni 1322 hatten die 3 Taunusritter Marx Lösch von Möllnheim, Georg von Stockheim und Emmerich von Reifenstein ein Schreiben3 an die Bornheimer gerichtet mit der Aufforderung: »das ir der tyrannischen vermeintlichen geistlichen der stat Franckenfurt, die das wort gottes und die heiligen evangelia nit lyden wollen, noch selbst tun predigen, darumb wollet dieselbigen tyrann iren zehenden selbst sarneln lassen, so ir umb und by euch habt nit entnemen, be- huszen, warten, noch infuren.« Diese Aufforderung war bei den Bornheimern auf fruchtbaren Boden gefallen. Dietrich Zobel,4 * General¬ vikar in Mainz, hatte zwar sofort ein scharfes Mandat an die Born¬ heimer erlassen, um die Aufforderung der Ritter wirkungslos zu machen. Aber Zobels Vorgehen bewirkte nur, dass jetzt der Rat von Frankfurt sich der Sache annahm. Letzterer sah in Zobels Vor¬ gehen einen Eingriff in seine Rechte und beschloss in der Ratsver¬ sammlung vom 4. Juli 1522 eine Deputation nach Mainz zu senden, s die die Zurücknahme des Zobelschen Mandates erwirken sollte. Al- brecht hob denn auch nach einigen Verhandlungen wirklich jenes Verbot auf. Die Aufforderung der 3 Taunusritter aber hatte im Verein mit andern Briefen derselben Ritter aus jener Zeit gleichwohl zur Folge, dass den Geistlichen zu Frankfurt »ire zehend uf dem feld, auch in der von Francfurt dorfen als Bornheim verpoten sein worden, im felde liegen plieben, und zum teil vom vie veretzet und verwüst und zum teil verbrant worden«.6

1 Schulin, die Frankfurter Landgemeinden, herausgegeben von Jung (1895), S. 47 ff.

2 Schulin, a. a. O. S. 289.

3 Der ganze Brief ist abgedruckt bei Steitz, Reformat. Persönlichkeiten, Ein¬ flüsse und Vorgänge in der Reichsstadt Frankfurt a. M. 1 5 19 1522 (Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Neue Folge, IV. Bd„ S. 135); das Original des Briefes RK I Bl. 29.

,4 Gudeni Cod. dipl. II S. 431.

s BB 1522 Bl. 17.

6 Aus der Augsburger Anklageschrift W (279 a u. b).

163

Während des Winters 1522—23 scheint in der Bornheimer Be¬ völkerung Ruhe geherrscht zu haben, wenigstens melden die Quellen nichts gegenteiliges. Aber im darauffolgenden Frühjahre machte sich bei ihnen der Unwille über die schlechte kirchliche Versorgung wieder laut bemerkbar und verdichtete sich zuletzt zu einer Klage¬ schrift, die sie am 5. Mai 1523 dem Rat in Frankfurt übergaben.1 Diese Klageschrift ist in W erhalten,2 zeitlich das erste Schriftstück dieser Quelle, mit dem sie sich in den Gang der Reformations¬ bewegung in und um Frankfurt eingliedert, zugleich das erste erhaltene Schriftstück überhaupt, das uns einen Blick tun lässt in die Klagen, Wünsche und Bedürfnisse des Frankfurter Landgebietes.

Fasst man den Inhalt dieser Eingabe näher ins Auge, so berührt einen von vornherein angenehm der ruhige, sachliche Ton, wodurch sie sich von den späteren zahlreichen Eingaben der Sachsenhäuser abhebt. Die Gedanken dieser Eingabe waren in Kürze folgende: In einer früheren Schrift3 hätten sie schon einmal dem Rate dargelegt, dass sie so viele Zehnten zu bezahlen hätten, dass sie mit der Hälfte dieser Zehnten schon einen eigenen Priester unterhalten könnten »damit ein gemein auch mit dem gotsdienst und den sacramenten versehen were«. Diese Verhältnisse hätten sich nicht nur nicht ge¬ bessert, sondern wenn sie eines Priesters bedürften, müssten sie diesen noch eigens »verlonen«. Aber auch dann bekämen sie noch nicht einmal einen Priester. So sei es im letzten Jahre vorgekommen, dass 10 12 Personen ohne priesterlichen Beistand hätten sterben müssen. Der Pfarrer fordere aber gleichwohl wie alljährlich von der Kirche 3 Pfund Heller, von der Gemeinde 1 Pfund Heller, Holz und 4/s Hafer. Da sie nun aber selbst kein Holz haben und der Pfarrer kein Pferd sich hält, wollen sie weder Holz noch Hafer, auch kein Geld mehr geben »dweil er nun nichts darumb tut und heit, wollen wir ime auch nichts halten und geben«. Der Schluss der Eingabe spricht dann die Bitte aus, der Rat möge diese Dinge bedenken und ihnen Rat und Hilfe spenden. Das waren die Gedanken dieser Eingabe. Man sieht, es sind noch ähnliche Gedanken, wie sie einst die Taunusritter in ihnen wach gerufen hatten. Es sind keine stür- misch-reformatorischen Pläne, die sie da entwickeln, sondern es ist der menschlich so natürliche und begreifliche Wunsch nach einem

1 BB 1523 Bl. 1 a.

2 W 14 a u. b.

3 Nicht erhalten.

II

164

tüchtigen Pfarrer, dem sie das Seine geben wollen, der aber auch ihnen in Not und Tod, in guten und bösen Tagen zur Seite stehen solle.1

Für die nächste Wirkung dieser Eingabe, sowie für den weiteren Gang der ganzen Angelegenheit sind wir vor allem auf die kurzen Bemerkungen der Bürgermeisterbücher angewiesen. Darnach hatte der Schritt der Bornheimer doch nicht ganz den erwünschten Erfolg. Zunächst beschloss 2 der Rat am Tag der Eingabe diese selbst dem Kapitel zu St. Bartholomäus, das demnach die Gemeinde kirchlich zu versehen hatte, vorzuhalten. 8 Tage später gab das Kapitel und der Pfarrer von St. Bartholomäus Antwort, worauf der Rat beide, die Bornheimer wie den Pfarrer, auf wieder über 8 Tage zu sich beschied.3 Mittlerweile aber war das kaiserliche Edikt vom Reichstage zu Nürnberg gekommen,4 die Ratssitzungen waren mit weitergreifenden Beratungen ausgefüllt. Erst am 2 6. Mai gehen die Ratsfreunde5 zu dem Pfarrer von St. Bartholomäus und den Bornheimern und am n. Juni melden die Bürgermeisterbücher: 6 »den von Bornheim sagen, das sie einem pferner geben, wes sie ime schuldig sien, desglichen sol ein pferner auch tun was billich ist, damit sie ein eigen priester hetten und dem vom zehend belonet wurde.« Der Rat unterstützte also amtlich das Verlangen der Born¬ heimer nach einem eigenen Priester, der Pfarrer aber, Peter Meyer, war einstweilen noch nicht gesonnen nachzugeben.

Dagegen kam ein anderer wichtiger Schritt des Rates den Wünschen der gesamten Bürgerschaft7 wie auch der Bornheimer in jenen Tagen weit entgegen. Durch die oben besprochene Eingabe klang, wenn auch leise und unausgesprochen, so doch vernehmbar die Klage über die drückenden Zehnten und Erbzinsen, die die Vor¬ fahren »aus guter meinung ime (dem Pfarrer) nit als aus einer gerechtigkeit sonder gutwilligkeit gegeben und gereicht haben,« und die man, besonders wenn die Gegenleistung des Pfarrers fehlt, drückend empfindet.8 Da tat wenige Wochen später, am 23. Juni 1523, der Rat von Frankfurt den kühnen Schritt und beschloss: »alle gult

1 Vgl.Kriegk, Frankfurter Bürgerzwiste und Zustände im Mittelalter S. 142 144.

2 BB 1523 Bl. 1 a.

3 BB 1523 Bl. 3 a.

4 Qu II S. 70 Anm. 6.

5 BB 1523 Bl. 7 b.

6 BB 1523 Bl. 12 a.

? Kriegk, a. a. O. S. 142.

s W 14 b.

165

uf ein ablosung zu brengen geistlich und weltlich«.1 Zunächst liess er sein Vorhaben mündlich durch Ratsfreunde den Geistlichen mit- teilen.2 Am 14. Juli liessen daraufhin die 3 Stifter durch ihre Scho- laster antworten, man solle diese »Werbung« schriftlich geben.3 Der Rat beschloss noch am gleichen Tage diesem Wunsche zu willfahren und am 27. Juli melden die Ratschlagungsprotokolle (II. Bl. 81 b): »als die hern uf den stieften begeren inen die Werbung so die rats- fründ by inen der ewigen gulten getan haben, inen dasselb schriftlich zu geben, domit sie ire mitgesellen so zu Rom in der fürsten hof sien und anderswo resideren« benachrichtigen, Beschluss: »inen das verzeichnus geben und darnach ir gemute wyter vernemen doch darinn sitzen inwendig der statt«.

Die Stifter erhielten nur jenes Verzeichnis, davon dann offenbar Abschriften denen zugesandt wurden, die es anging. Dabei scheint das vom Rat beschlossene Verzeichnis in die erzbischöfliche Kanzlei gekommen zu sein. W. enthält wenigstens neben der Bornheimer Eingabe vorn 5. Mai 1323 ein solches,4 * von der Hand des Frankfurter Stadtschreibers Marsteller hergestelltes Verzeichnis der einzelnen Punkte, die bei der Zinsablösung in Betracht kommen. Dieses Ver¬ zeichnis ist zwar nicht datiert, aber man wird kaum fehlgehen, wenn man es für das vom Rat versprochene Verzeichnis ansieht, denn die spätere Zinsablösung vom 1. Jan. ij26s nimmt ausdrücklich die 3 Stifter aus, was hier nicht der Fall ist, und bestimmt auch eine andere Taxe für die Ablösung. Andere Zinsablösungsvorschläge aber als die von 1523 und 1526 können für W nicht in Betracht kommen, da W schon mit dem Jahre 1532 abschliesst.

Die Vorschläge nun, die der Rat nach diesem Exemplar von W macht, sind folgende: 1. Der Rat der Stadt Frankfurt hat 1439 das Recht erlangt, dass Käufer und Verkäufer liegender Güter und ewiger Zinsen nur vor dem Rat unterm Stadtsiegel »aufgift6 und werschaft«7 leisten sollen. Alle ewige Zinsen nun, die nach 1439

1 BB 1523 Bl. 15 a, vgl. zum folgenden Qu II S. 71 f.

2 BB 1523 Bl. 16 b, 17a u. b.

5 BB 1 523 Bl. 24 b, 25 a.

4 W 10—13.

s Qu II S. 100 Anm. 1, Kirchner II S. 53.

6 aufgift = resignatio (J. G. Scherzius, gloss. germ. med. aevi, herausgegeb. von Oberlin, pars prior 1781).

7 werschaft = Sicherstellung, Gewährleistung (Lexer, mittelhochd. Hand¬ wörterbuch 1878).

1 66

jenem Statut gemäss aufgerichtet sind, sollen künftighin aufhören. Zinsbriefe und Bürgschaften, die aber vor Aufrichtung jenes Statuts gemacht wurden oder die ein anderes Siegel als das der Stadt tragen, unterstehen hinsichtlich ihrer Giltigkeit der Entscheidung des Rates, Schultheissen oder der Schöffen. 2. Alle ewigen Zinsen sollen ab¬ gelöst werden können und zwar mit der Summe, die der Zinsbrief angiebt. Fehlt hier die Angabe einer Summe, so soll es hier wie mit den Zinsen gehandhabt werden, für die kein Brief vorhandeu ist; bei letzteren soll je 1 Gulden mit 15 1 Gulden Frankfurter Währung abgelöst werden können. Bei Streitigkeiten steht dem Zinsreicher der Rechtsweg offen. 3. Damit vom Zinsherr durch Vor¬ enthaltung der Hauptbriefe kein Unrecht versucht werde, muss auf Verlangen des Zinsreichers der Zinsherr eidlich bekräftigen, dass er die Briefe nicht vernichten oder wissentlich hintanhalten will. 4. Wenn bei ewigen Zinsen je 1 Gulden mit mehr oder weniger als 15 Gulden erkauft worden war, so fällt zwar ebenfalls der Zins weg, aber die Hauptsumme wird für eine Schuld gerechnet, von der der Zins¬ reicher jährlich 1 Gulden abzuzahlen hat, bis die Hauptsumme bezahlt ist. Will der Zinsreicher auf einmal alles bezahlen, soll es auch erlaubt sein. 5. Auch bei Gütern sollen alle Erbzinsen ablösbar sein. Ist im Brief keine Summe angegeben, so soll auch hier jeder Gulden mit 15 Gulden abgelöst werden können. 6. Jede Ablösung muss dem Zinsherrn Vi Jahr vorher angezeigt werden; geschieht das nicht, so darf die Ablösung nicht erfolgen. 7. Vor der Ablösung sind alle bis dahin laufenden Zinsen zu entrichten. 8. Diese Artikel gelten für alle Bewohner des Frankfurter Gebietes. 9. Im Zweifelsfalle entscheidet der Rat, der Schultheiss oder die Schöffen.

Das waren die bedeutungsvollen Vorschläge des Rates. Der klare Blick, den der Rat hiebei zeigte, fehlte den Geistlichen. Sie zogen die Entscheidung über die ganze Frage in die Länge und suchten sich den Verpflichtungen zu entziehen, bis der stürmische Gang der Ereignisse von 1525 doch einen Teil der Geistlichen zwang in ähnliche Bestimmungen zu willigen.

Die Entscheidung über diese ganze Angelegenheit stand aber in Frankfurt einstweilen noch dahin. Andere Ereignisse drängten sich in den Vordergrund. Im Dom vertrat Peter Meyer in seinerWeise die Sache der Altgläubigen, in der Katharinenkirche predigte Dietrich Sar¬ torius die neue Lehre. Im September 1523 kam ein scharfes Edikt des

1 1526: 20 Gulden.

167-

Kurfürsten, das lutherische Lehre und lutherische Bücher streng verbietet. Die Macht der Altgläubigen war trotzdem in ständigem Sinken begriffen. Ja, am 24. Nov. 1523 meldet das Bürgermeisterbuch:1 »als das capitel zu sanct bartholomes pitt, zu verfugen, dasz sie sicher in die mette geen mögen. Das so viel müglich fürkomen und auf den zunften ansagen.« Am 5. Januar 1524 regten sich auch die Bornheimer wieder. Sie klagten2 dem Rat, sie hätten »nit mehr dan 1. mesz uf die cristnacht gehapt.« Wieder werden sie vom Rat be- schieden,3 ihre Klagen schriftlich zu stellen. 8 Tage später bringen sie diese Klageschrift4 5 über die Herren vom Kapitel zu St. Bartholo¬ mäus; der Rat übergibt letzteren gleich die Schrift. Der Inhalt dieser neuen Bornheimer Eingabe ist leider nicht bekannt, ebenso¬ wenig der der Antwort des Bartholomäuskapitels. Nur das eine können wir aus der Angabe der Bürgermeisterbüchers schliessen, dass die Antwort des Stiftsherrn irgend etwas Bedenkliches enthalten haben muss. Denn als diese Antwort in der Sitzung des Rates am 21. Jan. verlesen wurde, entschied man: der Rechtskundigen Rat einholen. Der Erfolg dieser neuen Eingabe war jedenfalls gering. Als nun aber auch eine weitere Klage6 vom 10. Mai 1524 wieder nur den Erfolg hatte, dass der Rat sie dem Kapitel vorhielt, da machten die Bornheimer ihre Drohung wahr und verweigerten den Zehnten. Nun war das Spiel umgekehrt. Die Stifftsherrn klagten7 jetzt beim Rat. Der Rat »behandet« den Bornheimern die Schrift, damit sie Antwort geben können. Mittlerweile aber hatten sich in Frankfurt selbst die Ver¬ hältnisse stark geändert. Die Predigten des der neuen Lehre an¬ hängigen Dietrich Sartorius waren nicht ohne Einfluss auf die Bürger¬ schaft geblieben und hatten die Stimmung gegen die altgläubigen Geistlichen wesentlich beeinflusst.8 Die Sachsenhäuser hatten sich ebenfalls gerührt und in ihren Schriften gleich einen schroffen, drohenden Ton angeschlagen.9 Auch der Rat selbst hatte allerhand Zwistigkeiten mit den Geistlichen wegen ihrer Weigerung des Fron¬ dienstes, wegen des Burglehens, wegen des Holzes. Als nun noch

1 BB 1523 Bl. 59a.

2 BB 1523 Bl. 71a.

3 BB 1523 Bl. 71 a.

4 BB 1523 Bl. 73 a.

s BB 1523 BI. 76a.

6 BB 1524 Bl. 3 a.

" BB 1524 Bl. 30b.

8 W (287 b, 279 a) s. u.

5 Vgl. ihre erste Eingabe, abgedr. bei Ritter S. 67 fr.

1 68

am 1 6. August 1524 ein Schreiben von Mainz kam,' das den Rat wegen der Heranziehung der Geistlichen zum Frondienst beim Boll¬ werkneubau zur Rede setzte, beschloss der Rat von Frankfurt die verschiedenen Streitpunkte mündlich zu erledigen und noch am selben Tage einige seiner Mitglieder zum Kurfürsten zu senden.

Kurz nach Abreise dieser Gesandschaft lief die Antwort der Bornheimer auf die Anklage der Stiftsherrn ein. Diese Antwort ist uns in W erhalten.1 2 Es ist interessant, sie mit der ersten Eingabe zu vergleichen. Dort ist es noch eine ruhige, sachliche Darlegung ihrer Klagen, allerdings in die Drohung ausklingend: Wenn der Pfarrer seine Pflicht nicht tut, bezahlen wir auch keinen Zehnten mehr. Hier in dieser Antwortschritt klingt aber ein anderer Ton durch, dem man deutlich die gesteigerte Erregung anmerkt. Sie erinnern darin an ihre früheren Schritten, in denen sie dargelegt haben, wie sie oftmals an Sonntagen und Festtagen des Gottesdienstes und der Sakramente entbehren müssen »in ansehung und betrachtung, das vor allem die gnad und das wort gots (dardurch wir armen zum gotsdienst gefordert) pillich herfurgezogen werden soll.« Man lasse sie gehen »als die unvernünftigen thier« und vernachlässige sie in ihren grössten Nöten. Nichsdestoweniger verlangen die Geistlichen von dem, was man mit saurem Schweisse verdienen müsse, alle möglichen Gefälle. Und wenn das Stift jüngst über sie, die Born- heimer, geklagt, dass man sich sperre den Zehnten zu geben, so könne doch jeglicher »Christverständiger« ermessen, das »sich nemant belonung zu geben eigent, er vertiene ine dann.« Ihre Vorfahren hätten den Zehnten jedenfalls auch nur dazu gestiftet, dass sie einen Pfarrer bekämen, der ihnen das heilige Evangelium predige. Denn mit dem Predigen und Singen der Geistlichen in Frankfurt in der Bartholomäuskirche sei ihnen nicht gedient. Ebensowenig sei ihnen mit einem Mönch oder Priester geholfen, den der Pfarrer nach seinem Gefallen auswähle und der, wenn er am nötigsten sei, nicht komme. Und wenn das Kapitel erklärt, den Zehnten zu geben verlange weltlich und geistlich Recht, so hätte es dabei »wes geistlichen dargegen zu thun eigent, anzuzeigen in furgesz gestellt.« Deshalb sei ihre dringende Bitte, der Rat möge Einsehens haben, dass sie einen ehrbaren, ge¬ schickten, eigenen Pfarrer bekämen. Diesem wollten sie gerne geben was ihm gebühre.

1 BB 1524 Bl. 33 a u. b.

2 W 15a 1 6 b .

169

Dies war die Antwort der Bornheimer auf die Klage des Ka¬ pitels. Die Frage nach dem Verfasser dieser mit gewandter, geübter Schrift geschriebenen Antwort dürfte kaum ganz beantwortet werden. Unterschrieben ist sie nur: »ein gantze gemeine des dorfs Bornheim«, also wie bei der ersten Eingabe der Sachsenhäuser mit ausdrücklicher Betonung der Einhelligkeit der gesamten Gemeinde. Mit letzterer Schrift hat sie auch den Duktus der Handschrift, sowie das Papier (gleiches Wasserzeichen !) gemeinsam. Eine weitere Andeutung, wo der Verfasser bezw. Schreiber zu suchen sei, darf man vielleicht noch einer kleinen Korrektur, die in der Antwort vorkommt entnehmen. Es heisst nämlich in der Mitte: »dan vnns ist mit des pharhers prediget oder der geistlichen singen alhie zw franckfurt in sant Bartbolomaeus Kirchen .... nicht beholfen«. Das Wort alhie ist nun im Original durch-, bezw. unterstrichen. Das lässt darauf schliessen, dass der Verfasser oder wenigstens der Schreiber in Frankfurt und nicht in Bornheim zu suchen ist. Und wenn duch der Inhalt nicht so scharf gehalten ist wie in jener Eingabe der Sachsenhäuser, so richtet er sich doch vor allem gegen den Pfarrer an St. Bartholomäus, Peter Meyer. Man wird daher die Frage nach der Verfasserschaft dieser Eingabe der Bornheimer etwa dahin beantworten dürfen, dass der Verfasser den Kreisen, aus denen die erste Sachsenhäuser Eingabe stammt, sehr nahe verwandt ist.

Die Antwort der Bornheimer aber sandte der Rat1 seinen Freunden nach Aschaffenburg sofort nach, damit dort auch die Born¬ heimer Angelegenheit gleich erledigt werden könne. Nach dem Bericht, den die Freunde nach ihrer Rückkehr am 23. August 1324 in der Ratssitzung gaben,2 wurde aber die Erledigung noch weiter hinausgeschoben, bis der Kanzler, der zur nächsten Messe nach Frankfurt kommen wollte, die ganze Sache untersucht und die beiden Parteien verhört habe. Wie diese Untersuchung ausfiel, wissen wir nicht, die Quellen berichten darüber nichts. Dass aber keine end- giltige, beide Teile befriedigende Entscheidung getroffen wurde, geht schon daraus hervor, dass am 4. Oktober schon wieder eine Eingabe der Bornheimer dem Rate vorlag,3 die das Verlangen nach einem eigenen Pfarrer aufs neue wiederholte. Diesmal fügt das Bürgermeisterbuch4

1 BB 1524 Bl. 34b.

2 BB 1524 Bl. 33 b, 36a.

3 BB 1524 Bl. 48 b. Die Eingabe selbst fehlt.

4 BB 1524 Bl. 48 b.

170

der üblichen Bemerkung: dem Kapitel die Schrift geben, ernst hinzu: »und sagen sich onclaghaft zu halten, damit ein erbar rat nit das zu clagen geursacht werd«. Die Erregung im Volke war demnach noch im Steigen begriffen. Die Stiftsherrn aber, die der Ausfall des Zehnten auf das empfindlichste berührte, wandten sich jetzt an ihre Vorgesetzten in Mainz und diese schrieben1 an den Rat von Frankfurt (11. Okt. 1524): Das Vorgehen der Born- heimer sei unziemlich und dürfe vom Rat nicht gestattet werden, die Bornheimer müssten ihre Gefälle entrichten. Hätten sie Mangel an Gottesdiensten, sollten sie sich an die Vorgesetzten des Kapitels wenden, diese würden sich dann der Sache annehmen. Vor allem aber sei nötig, dass der Rat im ganzen Gebiete seiner Herrschaft dafür sorge, dass alle Gefälle bezahlt würden.

Damit war die Bornheimer Angelegenheit einstweilen entschieden. Im nächsten Monat (24. Nov. 1524) sandte der Rat2 3 dem Schultheiss von Bornheim einen Ratsfreund, damit dieser einen Vergleich mit dem Kapitel vermittele. Bis zum Ausbruch des Zünfteaufstandes treten die Bornheimer Angelegenheiten zurück.

IL Zur A^orgeschichte des Zünfteaufstandes

von 1525.

Der Zünfteaufstand in Frankfurt a. M. vom Jahre 1525 ist bereits Gegenstand einer ganzen Reihe von eingehenden Darstellungen und Untersuchungen gewesen.5 Die Zeit vor Ausbruch des Aufstandes dagegen, die Jahre 1523 1525, hat, abgesehen von den Darstellungen bei Ritter4 und Kirchner,5 keine eingehende und zusammenhängende Schilderung gefunden. Nun enthält W, abgesehen von den Notizen, die sich aus den verschiedenen Antworten6 auf die Ratsapologie von 1526 ergeben, nicht weniger als 12 Aktenstücke, die sich alle auf die Jahre 1524 und 1525 beziehen. Diese Akten sind aber in ihrem

1 Zettel nach W 17 b.

2 BB 1524 Bl. 65 a.

3 Die Literatur ist angegeben: Qu II S. 174 Anm. 1.

4 Balth. Ritter, Evangel. Denkmal 1726 S. 66—76.

s Ant. Kirchner, Gesch. der Stadt Frankfurt a. M. II 1810, S. 20 27.

6 W 79h; 91h; 105 122.

vollen Werte erst zu würdigen im Zusammenhang mit der ganzen Vorgeschichte des Zünfteaufstandes. Es dürfte daher hier der gegebene Ort sein, auf diese Vorgeschichte etwas näher einzugehen.

Steitz hat in einigen Abhandlungen1 die Verhältnisse in Frank¬ furt bis zum Weggang Nesens am Anfang des Jahres 1523 eingehend geschildert. An diesem Zeitpunkt wird daher am besten die Darstel¬ lung beginnen, um zunächst die Persönlichkeit des Dietrich Sartorius näher zu beleuchten und nachher die Entwicklung in Frankfurt zu schildern bis zum Ausbruch des Aufstandes. Damit dürfte dann die Entwicklungslinie, an deren Ende jener stürmische Ausbruch jahrelang gesteigerter, im geheimen fortwährend genährter Erregung liegt, gezeichnet sein, soweit dies der gegenwärtige Stand unserer Quellen zulässt.

1.

Im Frühjahr des Jahres 1523 scheint in der Entwicklung refor- matorischer Gedanken und Ideen in der Reichsstadt Frankfurt ein völliger Stillstand eingetreten zu sein. Von der Zeit vor diesem Stillstand hat Steitz in seinen verschiedenen Aufsätzen ein schönes Bild gezeichnet. Darnach ist der Anfang des Entstehens und Werdens reformatorischer Strömungen in Frankfurt charakterisiert durch den Einfluss humanistischer Gedanken, durch die Briefe Huttens, durch das Wirken Nesens, durch den Besuch Luthers, durch die Predigten Hartm. Ibachs, durch das Auftreten Hartmuths von Kronberg und der 3 Taunusritter. Diese schönen Anfänge fanden aber im Laufe der Jahre 1522 1523 jähen Abschluss. Nach Sickingens Sturz löste sich das Verhältnis Huttens zu seinen Frankfurter Freunden, Hart¬ muths Schloss war schon im Okt. 1522 zerstört worden, er selbst musste Jahrzehnte in der Ferne bleiben, die 3 Taunusritter ver¬ stummten, die Predigten Ibachs hatten schon in der ersten Hälfte des März 1522 auf hören müssen. Auch Nesen verlässt Frankfurt, wie es scheint, um Ostern 1523.2 Das Feld in Frankfurt war jetzt frei für die Gegner der neuen Lehre. Meyer,3 Cochläus,4 Dieten- berger5 schienen im Kampfe gesiegt zu haben.

1 Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Neue Folge (1869) IV. S. 57 ff. (»Reformator. Persönl. etc.«); VI S. 36 ff. (»Der Humanist Willi. Nesen«),

2 Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Neue Folge VI S. 125.

3 Dr. Peter Meyer, Pfarrer an St. Bartholomäus (dem heutigen Dom), s. Qu II Index sub: Meyer.

■t M. Spahn, Joli. Cochläus (1898).

5 H. Wedewer, Joh. Dietenberger (1888).

172

Aber nicht lange sollten sie sich ihres Sieges freuen. Noch im selben Jahre erstand ihnen in Dietrich Sartorius ein Gegner, der vielleicht nicht so scharf, aber nachhaltiger als Ibach den Kampf wieder aufnahm. Dietrich Sartorius ist daher diejenige Persönlich¬ keit, deren Wirken in Frankfurt näher betrachtet werden muss. Dass dies bisher nur in geringem Masse geschah, lag wohl an der Spär¬ lichkeit der Quellen. Indessen ergibt sich doch aus dem Zusammen¬ halt von W mit den im Frankfurter Stadtarchiv .vorhandenen, hier¬ hergehörigen Akten sowie aus den Notizen, die Fichard,1 Severus2 und in neuerer Zeit Schnorr von Carolsfeld3 sowie Falk4 gesammelt haben, ein etwas reicheres Bild, wenigstens von der Frankfurter Wirksamkeit des Sartorius, als es bisher gezeichnet wurde.

Über das frühere Leben des Sartorius wissen wir nur wenig. Severus nennt ihn in der Geschichte der Pfarrei St. Ignatius in Mainz:5 »M. Theodoricus de Nassau« und Fichard redet in seinen Annalen von ihm als dem Theodoricus Nassave. Darnach scheint Sartorius aus dem Nassauischen gebürtig gewesen zu sein. Über seinem weiteren Lebensgang bis 1521 liegt Dunkel. 1521 hat er nach Severus eine Pfarrstelle bei St. Ignatius in Mainz angetreten, in der ihm 1523 Joh. Feierdag folgte. Es ist dabei nicht ganz klar, ob Sartorius nur zeitweiliger Verweser, oder ob er wirklich Pfarrer hier war. Wahrscheinlich war er nur Pfarrverweser, denn in der Rechtfertigungsschrift,6 die Hamrnan von Holzhausen später wegen Sartorius einreichte, hat der Frankfurter Stadtschreiber am Rande bemerkt (zu dem Namen Sartorius): »der etwan ein verweser der pfar zu Mentz zu St. Ignacius gewest ist,« eine Bemerkung, die der Schreiber in die ursprünglich hier stehende: »der etwan ein pterner zu M. etc.« hineinkorrigiert hatte. Sonst bringt Severus unter der Überschrift: »ad parochiam St. Ignatii, zu dem buwe und zu den bruder- schaften und was dem buwe fellig ist«, nur noch die eine Notiz über Sartorius:7 »Anno 1521 in praesentiaM. Theodorici de NassawPharhern

1 Qu II S. 240.

2 In den «Severus -Gamansischen Fragmenten« der Mainzer Stadtbibliothek.

3 Archiv für Literaturgeschichte XII (1884) S. 26—39. Ferner Schnorr von Carolsfeld, Erasmus Alberus (1893).

■' Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. 3. Folge. VI S. 326 h Hier sind auch noch die Notizen zu nennen, die Balth. Ritter in seinem »Evangel. Denkmal« gibt.

5 Sev.-Gam. a. a. O. S. 64.

6 RK I Bl. 144.

r Sev.-Ganr. a. a. O. S. 160.

*73

et anderer ßuwemeister und zwölfen rationes datae et ab ipso scriptae, subscriptis illis duodecim viris.« Über das weitere Leben und Wirken des Sartorius in Mainz sind wir auf Vermutungen angewiesen, die aber erwähnt werden müssen. So hat Schnorr von Carolsfeld 1 wahrscheinlich gemacht, dass Philipp Stumpf von Eberbach mit Sartorius befreundet war und dass Eberbach auf diese Weise in den Besitz jenes Briefes gelangte, den Erasmus Alberus wahrscheinlich Ende 1523 an Sartorius geschrieben und worin er sich über die »spongia» des Erasmus Rotterdamus ausgelassen hatte. Ob nun Eberbach und Alberus, die beide auf der Universität in Mainz waren, noch gleichzeitig mit Sartorius dort weilten oder nicht, darüber lässt sich nichts gewisses sagen. Auf jeden Fall sehen wir Sartorius schon in dieser Zeit im Verkehr mit Männern, die der neuen Lehre so nahe standen, dass beide Eberbach und Erasmus 1522 in Wittenberg zu finden sind. Dass dieser Verkehr auf Sartorius nicht ohne Einfluss geblieben war, zeigt am besten sein späteres Wirken in Frankfurt.2

Wann nun dieses Wirken in Frankfurt begann und wann also der Weggang des Sartorius von Mainz erfolgte, darüber sind wir wieder auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung angewiesen. Beides fand kaum vor Hammans von Holzhausen im Frühjahr 1523 erfolgter Rückkehr vom Reichstag zu Nürnberg statt, auf dem Hamman Frankfurt zu vertreten hatte. Denn Hamman schreibt in der oben schon erwähnten Rechtfertigungsschrift:3 »nach dem eine lange zeit her hie zu sant Katharin feiertags nachmittag zu predigen gewohnheit gewest ist, aber dasselbig zu Zeiten von ettlichen lang zeit ungeschick- lich bescheen, das meisterin und convent mir als patron solche ange¬ zeigt, dem nach bin ich aus guter christlicher meinung hern Ditthrichen Sartorium dohin zu bewegen verursacht, den ich gebeten das Evan¬ gelium und wort gottes getrewlich zu verkündigen.« Setzt man nun das Datum des Amtsantrittes etwa für die 2. Hälfte des Jahres 1523 an, so dürfte dies auch zu der Bemerkung stimmen, die die »wieder¬ antwort« (vom Jahre 1526) enthält:4 Sartorius habe »ungeverlich«

1 Archiv für Literaturgeschichte a. a. O. S. 26 ff.

2 Eberbach wurde im April 1525. bald nach dem Weggang des Dietrich Sartorius von Frankfurt, vom Rate dieser Stadt als evangel. Prädikant in Aus¬ sicht genommen, aber der Plan kam nicht zustande (Steitz, Das Aufruhrbuch der ehern. Reichsstadt Frankfurt 1875 S. 31 Anm. 3; Qu II S. 92). Mit Alberus trifft Sartorius in Ursel wieder zusammen.

3 RK I Bl. 144.

4 W 106 a.

174 ~

ein Jahr lang öffentlich gepredigt. Da ihm Ende des Jahres 1524 das Predigen untersagt wurde, so muss sein Amtsantritt mindestens in der 2. Hälfte des Jahres 1523 erfolgt sein. Diese Annahme eines 1 bis iVsjährigen Wirkens in Frankfurt wird endlich noch bestätigt durch Fichard, der von dem Predigtamt des Sartorius in der Katha¬ rinenkirche sagt:1 »cui sesquiannum plus minus ille satis fideliter praefuit.« Über die Gründe seines Weggangs von Mainz lässt sich nichts bestimmtes aus den Quellen sagen. Nur soviel steht fest, dass sein Weg¬ gang zeitlich mit dem Umschlag der kirchlichen Politik des Kurfürsten Albrecht zusammenfiel.2 Albrecht hatte sich nach der Niederlage der Ritterschaft wieder enger an die katholischen Fürsten angeschlossen. Im Früjahr 1523 verlässt nun Capito, im gleichen Jahre auch Hedio, Mainz. So hat die Annahme nichts unwahrscheinliches, dass der der neuen Lehre so nahe stehende Sartorius gerne dem Ruf Hammans folgte, nach Frankfurt ging und dort zuerst Vikar an St. Bartholomäus wird und dann zugleich ein Predigtamt an der Katharinenkirche antrat.3

Über die Art und Weise der Bestallung des Sartorius haben wir zwei Versionen. In der Apologie des Rates von 1526 heisst es:4 5 her Diether hat bei uns in sant Katharinen kirchen etzlich zeit den Jungfrauen im selben closter, als wir bericht worden, mit wissen Ewer churfürstlichen gnaden vicari gepredigt«. Die »wiederantwort« bestreitet dies.’ Dietrich hätte allerdings, als er in Frankfurt predigte, derartiges »ausgeen lassen,« aber als diese Bemerkung vor den General- vicar gekommen sei, sei dieser »des gar nit gestendig gewesen, sonder hat uns in Schriften, die man zeigen kan, zum höchsten ver¬ neint«. Diese ganze Frage ist für uns nicht mehr mit voller Sicherheit zu entscheiden, denn beides, die Apologie wie die »wiederantwort« sind Parteischriften. Nur so viel geht mit Sicherheit hervor, dass über Dietrich das Gerücht verbreitet war, als ob er mit Wissen des Generalvikars angestellt worden sei.

Wie es nun aber auch mit Zeitpunkt und Art und Weise der Bestallung des Sartorius sich verhalten haben mag, darüber kann nach den übereinstimmenden Angaben von W kein Zweifel mehr sein, dass das Wirken des Sartorius weit bedeutender, weit ein-

1 du II S. 240.

2 Vergl. zum Folgenden: H. Haupt, Beitr. zur Reformationsgeschichte der Reichsstadt Worms (1897) S. 24.

3 du II S. 240.

* W 84 a.

5 W 105 a.

i75

greifender war, als es die Andeutungen bei Ritter und Kirchner ahnen lassen, ja dass seine Predigten der Quellpunkt einer ganzen Reihe von Anschauungen sind, die wir nachher beim Volke wiederfinden. Hartmann Ibach hatte einst den Kampf gegen einzelne Aussenwerke der alten Lehre aufgenommen, hatte gegen Cölibat und Erbzinsen gepredigt, hatte gesagt:1 »wan man den Feuer die brend entzeugt, so verlescht es selbst; also wan man den pfaffen kein zins, zehend und andere underhaltung mer gibt, vergehen sie selbst«. Dietrich Sartorius dagegen griff die Zentralpunkte der alten Lehre an. Darin stimmen sowohl die Angaben des Cochläus,2 * wie die der »wiederantwort,5 wie die der Augsburger Anklageschrift4 überein. Und zwar scheint er dies in ruhigerer, vorsichtigerer, aber um so nachhaltigerer Weise getan zu haben als einst Ibach in stürmischem Eifer. Fichard wenigstens, der von 1512—1581 lebte, beschreibt ihn:5 »vir minime malus et valde modestus« und fährt fort: »cuius vestigiis utinam ingressi fuissent, qui6 postea sunt illum sequentibus annis insecuti, minus fortasse molestiarum jam haberemus«. Zu dieser Charakteristik stimmt dann auch, dass Sartorius sich trotz der starken Anfeindungen der übrigen Geistlichkeit über ein Jahr halten konnte, während Ibach, der doch auch den Schutz Hammanns genoss, nach 3 Predigten schon weiter wandern musste.

Wie haben wir uns nun den Inhalt der Predigten des Sartorius im einzelnen zu denken? Über eine Reihe von Gedanken, die Sartorius seinen zahlreichen7 Zuhörern von der Kanzel der Katharinen¬ kirche aus vortrug, sind wir genau unterrichtet. Cochläus8 sowohl wie die »wiederantwort« 9 berichten, dass Sartorius die Lehre : die Messe sei ein Opfer, scharf bekämpft habe. Gochläus schreibt: »das her Diether Sartoris vil mals lutherisch und wider K. M. Mandat zu s. Catherina gepredigt hat, des solt man wol zeugen genug finden unter den priestern, auch unter fronten leyen. Es ist aber jetzt nit sicher wider lutherische prediger daselbst zu reden. So hat decanus

1 Aus der Augsburger Anklageschrift W (279 a).

2 W 91a.

W 105 a, b, 106 a.

4 W (279 a, b).

5 Qu II S. 240.

6 Gemeint sind Dion. Melander und seine Kollegen.

7 Vgl. W 106 a : »so nun auch dieses predigen hern Dietherichs . . . vor groszer Versammlung des volcks bescheen ist«, ähnlich auh RK I Bl. 141 a.

8 W 91a.

9 W 105 b.

176

S. Bartholomei sein eigen haintschrift, darin öffentlich ketzerei be¬ kennt contra sacrificium missae«. Und in der »wiederantwort« heisst es: »Item nämlich hat Sartorius gepredigt das die mesz kein opfer sei«. Daraus geht mit Sicherheit hervor, dass Sartorius die Lehre vom Messopfer bekämpft habe. Das Messopfer aber ist der Mittelpunkt des römischen Kultus, von prunkendem Glanze umgeben. Bekämpfte also Sartorius diesen Punkt der römischen Lehre, dann musste er sich schon weit von der alten Lehre entfernt haben. Es ist daher kein Wunder, wenn Cochläus dies als einziges und wichtigstes Element der Predigten des Sartorius anführt.

Ausser diesem wichtigsten Punkte führt die »wiederantwort« noch 4 andere Stücke der Lehre des Sartorius an: Er leugnet das Eegfeuer und die Fürbitten der Heiligen, er verlangt, dass das Salve abgetan werde, und gesteht der Gemeinde Pflicht und Recht zu, sich ihren Pfarrer zu erwählen. Das Fegfeuer verspottete er und sagte: »er forcht sich sovil vor dem fegfeuer als ein meidlin, das gern danzet, für der bankein«. Von den Fürbitten der Heiligen sagt er: »das die heiligen nach irem absterben für uns nit bitten sollen, das ist auch beweiszlich«. Vom Salve endlich verlangt er: »Das salve sei abz'uthun.« Das Salve,1 das seinen Namen von der marianischen Antyphon salve regina hat und als Vespergebet für die Trinitatiszeit vorgeschrieben war, war in jener Zeit zu einer Art Volksandacht ausgewachsen. Sartorius, dem die »wiederantwort« noch vorwirft, dass er Zins und Stiftung, die zum Salve gehörten, und die er jährlich wegen seines Vikariates an St. Bartholomäus abzuliefern gehabt hätte, nie abgeliefert habe, scheint gegen diesen Punkt des katholischen Gottesdienstes besonders stark geeifert zu haben. Denn gerade das Salve gab später Anlass zu zahllosen Streitig¬ keiten. Besonders stark rechnet ihm zuletzt die »wiederantwort« seine Lehre über das Piarrwahlrecht der Gemeinde an. Er habe »uffrurischer weisz geprediget, ein gemein solt und mag ein pfarher erwelen« und aus dieser Lehre seien die vielen Auflehnungen und Streitigkeiten der Sachsenhäuser entstanden.

Das ists, was wir über das Lehren und Predigen des Dietrich Sartorius wissen. Es sind wesentlich negative Momente, die hierauf¬ gezählt werden. Wie weit nun seine positive Lehre ging, ob eine solche überhaupt vorhanden war, oder ob er mehr verwerfend als erneuernd, mehr zerstörend als aufbauend vorging, mit einem Wort, ob wir

1 V. Thalhofer, Hdbch. der kath. Liturgik II (1890) S. 431 f.

ihm mit Recht den Namen eines Reformators der Reichsstadt bei¬ legen können, das können wir einstweilen mit Sicherheit noch nicht entscheiden. Die Tatsache, dass die Quellen, die von seinen Gegnern verfasst sind, lediglich negative Lehrmomente aufzählen, drängt einem allerdings die Vermutung auf, dass bei seinen Predigten mehr die Kritik und Verwerfung der alten Lehre als die Darbietung neuer, reinerer Lehren in den Vordergrund trat. Oder hätte ein Mann wie Cochläus positive neue Lehren des Sartorius mit Schweigen über¬ gangen ?

Aber mögen nun diese Predigten mehr verwerfend oder mehr aufbauend gewesen sein, das eine lässt sich nicht bestreiten bei einer genaueren Betrachtung der Frankfurter Geschichte von 1523 1524, dass das Wirken jenes Mannes tatsächlich einen weitgehenden Einfluss auf das Volk ausgeübt hat.

TL

Wie hat sich nun während der Anwesenheit und des Wirkens des Dietrich Sartorius der Lauf der Ereignisse in Frankfurt zunächst gestaltet ?

Im Hochsommer1 des Jahres 1523 war der erste bedeutsame Versuch des Rates,2 die soziale Lage des Volkes durch Ablösung der Erbzinsen zu erleichtern, ins Stocken geraten. Die Schuld lag bei der Geistlichkeit. Sie zog die entscheidende Antwort hinaus. Der Druck dieser Lasten war also beim Volk noch vorhanden. Die Stimmung des Volkes gegen den Klerus wird darum keine besonders günstige gewesen sein. In dieser Zeit oder in den Monaten kurz vorher mag Sartorius sein Amt angetreten haben.

Abgesehen von den Verhandlungen wegen der Zinsablösung verlief der Sommer sonst ziemlich ruhig. Wir hören nichts von Sartorius. Auch Carinus, Nesens Nachfolger, scheint nicht besonders hervorgetreten zu sein. Erst Ende August wird es unruhiger. Zwischen Peter Meyer und Hans Hammerschmidt von Siegen, einem der späteren Führer des Aufstandes, war ein Streit ausgebrochen.3 Meyer hatte sich offenbar in seiner Predigt am 23. August nicht mässigen können. Daraufhin war er von Hans von Siegen am

1 S. zum folgenden Qy II S. 80—83, bes. d. Anm. a S. S. 165 f.

5 BB 1523 Bl. 33b.

12

178

gleichen Tage noch »uberlaufen« worden. Meyer beklagte sich nun schriftlich beim Rat. Hans von Siegen gab Antwort darauf und die Folge war,1 dass zu Meyer Ratsfreunde abgesandt wurden, die ihn ernstlich verwarnten : »sich siner unschicklichen predigen zu maissen, domit nit ufrure im folk entstee«. Die letzten Ursachen dieses Streites melden uns die Quellen nicht. Im mächsten Monat hatte Meyer schon wieder Streit.2 Diesmal war einer seiner Kaplane sein Gegner, der sogar mit Gewalt gegen Meyer vorgehen wollte. Meyer musste den Schutz des Rates anrufen und nach einmaligem Verhöre des Kaplans schien die Sache wieder ausgeglichen worden zu sein. Auch hier müssen wir uns wieder bescheiden. Wir kennen weder den Namen des Kaplans noch den Grund des Streites. Dagegen finden wir im nächsten Monat eine Spur, die möglicherweise auf das Wirken des Sartorius zurückweist. Die Abneigung des Volkes gegen die Messe ist schon so gross geworden, dass das Kapitel zu St. Bartholomäus sich veranlasst sieht, am 24. November 1523 beim Rate nachzusuchen,3 er möge dafür sorgen, dass man unbedroht und unbelästigt in die Messe gehen könne. Man wird kaum fehlgehen, wenn man hier eine erste , halbverdeckte Spur des Wirkens des Satorius findet, der ja so sehr den Wert der Messe bestritt und ihre hohe Bedeutung leugnete.

Jene Bitte des Kapitels ist übrigens auch charakteristisch für die Stellung des Rates in dieser Zeit. Noch traut man von Seiten der altgläubigen Geistlichkeit ihm einen derartigen Erlass zu. Und ein anderes Ereignis jener Zeit zeigt auch, dass der Rat noch nicht daran dachte, offen für die Reformation Partei zu nehmen. Am 7. Jan. 1524 wird nämlich vom Rate beschlossen,4 bei den Geistlichen eine »bete messe anregen mit einer procession.« Nach dem Tagebuch des Kanonikus Königstein war der Anlass dazu die damals herrschende schlimme Witterung.5 Andrerseits suchte auch der Rat den Schimpfe¬ reien auf der Kanzel, wie sie von Meyer besonders berichtet werden, vorzubeugen und sandte am 25. Februar 1524 Ratsmitglieder6 »zu allen predicanten .... ine zu sagen nichts dan das Evangelium zu predigen und inen das mandat derohalb anzeigend, wie gepredigt

1 1523 Bl. 34a.

2 BB 1S23 Bl. 42a.

3 BB 1523 Bl. 59a.

BB 1523 Bl. 71 b.

5 Qu II S. 78.

« BB 1523 Bl. 85 s.

i?9

werden sol.« Noch charakteristischer ist der Bericht der BB 1 vom io. März 1524. Meyer hatte nämlich auf der Kanzel gegen die offenbar immer mehr um sich greifende Überschreitung der Fastengebote geeifert »und fast sere ungeschicklich sich uf der cantzeln erzeigt, wie man fleisch esse und bratwurst.« Die Ratsfreunde werden deshalb wieder zum Kapitel gesandt und sollten »mit ernst mit ine redden, sich der wort, so zu uffruhre dienen, zu maissen, sunder wo iemant fleisch es, solichs den burgermeistern anzeigen und nit die stat als Ketzer uf der cantzeln uszrufen.« Der Rat als Beschützer der Fasten¬ gebote, darum besorgt, dass die Stadt nicht als ketzerisch bekannt werde, auf der Bartholomäuskanzel Meyer, starr gegen alle Neuerungen sich verschliessend und so stürmisch gegen die neue Lehre eifernd, dass der Rat im aufgeregten Volke einen Aufruhr befürchtet das ist das Stimmungsbild in der Reichsstadt Frankfurt um die Mitte des Jahres 1524. Nur scheinbar fehlt im Rahmen dieses Bildes die Persönlichkeit dessen, der am eifrigsten die neue Lehre verbreitet: * Sartorius. Denn dass dieser doch auch in dieser Zeit schon mit dem damaligen Bürgermeister Hamman von Holzhausen als der schlimmste Gegner der alten Lehre angesehen wurde, zeigen die Mandate und Mahnungen, die Anfang Juni von Mainz kamen. Der Kurfürst hatte ein Mandat2 gegen die lutherische Lehre in Frankfurt anschlagen lassen. Dieses Mandat war verunreinigt und ein Zettel daruntergeheftet worden: der Kurfürst sei selbst ein Ketzer. Als nun der Rat der Täter nicht habhaft werden konnte, schrieb der Kurfürst wieder und warf dem Rate Lässigkeit vor. Nun sandte der Rat3 einige seiner Mitglieder nach Mainz hinab, um wegen dieser und anderer Differenz¬ punkte mit dem Kurfürsten zu unterhandeln. Diesen setzte Albrecht hart zu wegen des lutherischen Predigers zu St. Katharin. In der gleich nach der Rückkehr der Gesandten abgehaltenen Ratschlagung4 erbot sich der Bürgermeister Hamann von Holzhausen, er wolle selbst schriftlich antworten, auch Sartorius solle eine eigene schriftliche Antwort geben. Am nächsten Tage, 14. Juni, ist die Antwort der beiden schon geschrieben, wenige Tage später geht sie mit einem Begleitschreiben des Rates nach Mainz. Alle 3 Schreiben sind uns

1 BB 1523 Bl. 89a.

1 Dieses Mandat haben wir nicht mehr, wir kennen es nur aus der Antwort des Rates RK I 141 f. und aus BB Bl. na, b (9. Juni 1524).

I BB 1524 Bl. 12a.

■t Ratschi. P II Bl. 86a., RK I 141 f.

£2*

erhalten.1 Der Rat beruft sich in seiner Antwort vor allem darauf, dass er alle Prediger gemahnt habe, sich des kaiserlichen Mandats und der Ratsmandate gemäss zu halten, »wo das nit gescheen, wurden sie lud der mandata gestraft.« Harnman schildert in seinem Schreiben nur das Tatsächliche, wie er als Patron der Katharinenkirche von der Meisterin des Katharinenklosters um einen tüchtigen Prediger ersucht worden sei und deshalb Sartorius berufen habe. Das interessanteste unter jenen 3 Schreiben ist zweifellos das des Sartorius. Er erwidert darin auf die Vorwürfe des Kurfürsten, wegen »des lutherischen, ungeschickten Predigers zu St. Katharin,« er wisse nichts davon, dass er der göttlichen Schrift, päpstlichen oder kaiserlichen Mandaten zuwider gepredigt habe. Zum Beweise dafür beruft er sich auf den ganzen Konvent zu St. Katharin. Würde man finden, dass er doch jenen Schriften zuwider gepredigt habe, wolle er das über sich ergehen lassen, was jene Schriften gebieten. Bis dahin ist die Veranwortung des Sartorius äusserst vorsichtig gehalten. Nun aber, da er auf seine Gegner zu sprechen kommt, spürt man deutlich seine Erregung und Erbitterung über jene hindurch. »Aber das hab ich erfaren, dasz mir meine predigt zu mermalen von ettlichen villeicht aus onverstand, hasz oder onfleisz des Zuhörers zum ergsten auszgelegt;« er habe deswegen oft gebeten, dass seine Gegner ihm das, was ihnen in seiner Rede und Weise ungebührlich erscheine, um Gottes und der christlichen Liebe willen nicht verhalten sollten, er wolle es gerne annehmen. Wer waren diese Gegner? Der schärfste unter ihnen war jedenfalls Meyer, dessen Eifern auf der Kanzel auch das Begleit¬ schreiben des Rates bezeugt.

Mit diesem Vorgehen der geistlichen Obrigkeit gegen Sartorius war für ihn die erste, noch verhältnismässig ruhigere Zeit seines Wirkens in Frankfurt vorüber. Seine Predigten gegen die Missbräuche der alten Lehre begannen zu wirken. Seine Gegner, Meyer voran, hatten ihn längst als Anhänger der neuen Lehre erkannt und standen gegen ihn auf. Aber auch Sartorius blieb nicht allein in diesem Kampf. Das Volk nahm grossenteils für ihn Partei. Der Streit für oder gegen Sartorius, für oder gegen die neue Lehre beginnt. Die Kampfspuren sind den nun rasch sich drängenden Eingaben, Klagen, Wünschen des Volkes wie den kurzen Notiz^e,. der Bürgermeister¬ bücher deutlich aufgeprägt.

1 Holzhausens Schreiben RK I Bl. 144, das des Sartorius RK 1 Bl. 149 (abgedr. bei Ritter, ev. Denkm. S. 63 f.), das des Rates RK I Bl. 141 ft.

1 8 r -

III.

Gleich in der ersten Julihälfte des Jahres 1524 merkt man deutlich, wie die Erregung gegen die Geistlichkeit wuchs. Zunächst entstand eine gewisse Spannung zwischen Rat und Geistlichkeit. Die Geistlichkeit hatte noch immer keine endgiltige Antwort auf die Ablösungsvorschläge des Rates gegeben. Der Rat suchte aber mittler¬ weile praktisch doch schon so manches durchzusetzen. So hatte der Rat eingeführt, dass die »werschaftsbriefe« nicht mehr unterm Propstei¬ siegel, sondern unterm Stadtsiegel in der Ratskanzlei ausgestellt1 würden. Nun klagt das Bartholomäuskapitel, jene Briefe würden ihnen vorenthalten, das Volk aber wolle keine Zinsen mehr bezahlen, wenn es die Briefe nicht sehe. Diesmal verspricht der Rat noch die Briefe auszuhändigen.2 3 Einige Tage später, am 14. Juli, verlangt der Rat, dass die Geistlichen wie die andern Bürger beim Bollwerkneu¬ bau Frondienst leisten.5 Da damit wieder ein weiteres Vorrecht der Geistlichen hinfällig geworden wäre, so leisteten die Geistlichen keinen Dienst mit Berufung auf ihre verbrieften Rechte. Als nun am 21. Juli 1524 eine Eingabe4 der Sachsenhäuser einlief, der Rat möge ihnen beim Bartholomäuskapitel zu einem tüchtigen Pfarrer ver¬ helfen, da stellte sich der Rat auf ihre Seite und unterstützte ihr Gesuch.

Mit dieser ersten Eingabe der Sachsenhäuser ist nun der erste Vorstoss gemacht in dem mit steigender Erbitterung wegen der Besetzung der Pfarrstelle zu Sachsenhausen geführten Kampfe, der sich bis dicht vor den Ausbruch des grossen Aufstandes hinzog. Die Sachsenhäuser, ein zäher, derber Volksschlag, der den jenseits des Maines wohnenden Teil der Frankfurter Bürgerschaft bildete5 und der den Ausbruch des Aufstandes zu einem guten Teil mit veranlasste,6 traten jetzt auf einmal mit derselben Forderung hervor, wie sie bisher nur die Bornheimer dem Rat vorgetragen hatten und verlangten an Stelle des vom Bartolomäuskapitel vorgeschlagenen Pfarrers einen anderen. Diese ihre erste Eingabe zeigt gleich in charakteristischer Weise, wie die Sachsenhäuser in den Kampf eingrifFen; die Eingabe

1 W 37-43.

2 1324 Bl. 18b. Ratschi. P II Bl. 86a, b. RK I Bl. 126-127.

3 BB 1524 Bl. 21 b.

BB 1524 Bl. 24a, die Eingabe selbst: RK I Bl. 40 f.. abgedr. bei Ritter a. a. O. S. 67 f.

5 Vgl. Wedewer, Joh. Dietenberger S. 64.

6 Vgl. Kriegk, Bürgerzw. etc. S. 152.

182

lässt an Schärfe nichts zu wünschen übrig. Der Grund dazu' war folgender. Der Pfarrer an der Kirche zu den drei Königen, Wilkin Stein, war gestorben. Das Kapitel wollte nun den der alten Lehre ergebenen Jacob Selzer, auch Frank genannt, zum Kaplan an jener Kirche bestellen. Diesen aber wollten die Sachsenhäuser nicht, sie wollten einen, der sich zur neuen Lehre bekannte und vor allem »den rechten Text und Grund der evangelischen Lehre« predigte. Der Rat ermahnte1 denn auch das Kapitel ihnen einen »geschickten pferner zu geben, zu vermiten ufrur und widderweil«. Das Kapitel aber blieb bei der Ernennung Selzers. Als dieser jedoch nach Sachsen¬ hausen kam (24. Juli), forderte gleich ein Einwohner von Sachsenhausen, Peter Lomp, dem Pfarrer den Schlüssel ab und dieser wagte nicht ihn zu verweigern. Das Kapitel klagte nun sofort . beim Rat und drohte sich nach Mainz zu wenden. Die Sachsenhäuser, deswegen vor den Rat geladen, wussten jedoch diesen zu überzeugen, dass Selzer zu untauglich sei, und der Rat ermahnte wiederum das Kapitel sich nach einem bessern umzusehen. Diesmal ging denn auch das Kapitel2 darauf ein. Zudem musste am 25. Juli Selzer,3 von seinen Anhängern gewarnt, mit einem Nachen aus der Kirche über den Main fliehen; das Volk hatte sich zusammengerottet und drohte ihn zu erschlagen. Als nun aber 8 Tage wieder verstrichen, ohne dass das Kapitel sich rührte, schlugen die Sachsenhäuser selbst beim Rat (9. Aug.) Matthis Ullmann oder Dietrich Sartorius vor. Der Rat unterstützte das Gesuch zu Gunsten Ullmanns, der sich ohnedies um die Pfarrei beworben hatte.4 Das Kapitel aber bestimmte weder den einen noch den andern, sondern Konrad von Steinheim, und als dieser vor den Sachsenhäusern bald schon wieder weichen musste, einen bisherigen Kaplan an St. Bartholomäus, Job. Rau,5 6 der streng alt- gläubig war. Die Folge war natürlich, dass die Erbitterung in Sachsenhausen täglich stieg.

Aber auch in Frankfurt ging die Bewegung nicht zurück. Hier war es vor allem Meyer, der die Wut des Volkes immer mehr gegen sich entfesselte. Ein grelles Licht auf diese Stimmung des Volkes gegen ihn wirft eine Klageschrift/ die er am 6. September 1524 an den

1 BB 1524 Bl. 24a.

2 BB 1 524 Bl. 26a.

3 RK I Bl. I5S-

* BB 1524 Bl. 30a.

s RK I Bl. 157-158.

6 RK I Bl. 42.

i83

Rat einreicht. Er schreibt darin : Als er am vergangenen Freitag mit 2 anderen Priestern zu der Bornheimer Pforte hereingegangen sei, habe Wilhelms Eidam (d. i. Hans von Siegen)1 vor seinem Haus ein Spottlied auf ihn gesungen: »Der Pfarrherr auf der Pfarr, der Pfarr- herr auf der Pfarr.« Auch sonst habe ihn derselbe oft verunglimpft. »Ist es nit genunk, das man in fasnachten und hochzeiten das gespot mit eim pfarhern treibt und dantzt noch dem lied, das widder sein ehr und glimpf gemacht ist; darüber darf ich durch kein gassen geen, man schreit mich an als ein juden.« Sogar Brot und Wein werde ihm jetzt schon vorenthalten. Wenn der Rat seine Gegner nicht ernstlich strafe, müsste er sich nach Mainz wenden. Der Rat beschloss denn auch die Lästerer zu verhören und ihnen »zu wege zu sagen.«2 * Aber man sieht, die Stimmung des Volkes richtet sich jetzt schon vor allem gegen Meyer, in dem das Volk den Hauptgegner aller Neuerungen sieht. Sowohl das im Sommer von Mainz aus gegen Sartorius eingeleite Verfahren, als auch die in diesen Tagen einge¬ troffene ablehnende Entscheidung des Erzbischofs5 in der Frondienst¬ frage mochten das Ihrige dazu beigetragen haben, die Erbitterung des Volkes zu reizen.

Die Stellung des Rates war noch immer die gleiche wie von Anfang an. Nach beiden Seiten suchte er den schlimmsten Ausbrüchen zu wehren. Und einstweilen tat er dies noch mit Erfolg. Das zeigte sich z. B. in der Frage wegen des Feilhaltens und Verkaufens der Bücher. Die Frankfurter Messen waren für den damaligen Buchhandel von grosser Bedeutung, Bücher aller Art fanden hier starken Absatz und von hier aus weitgehende Verbreitung. Wie wichtig das für die Ausbreitung der neuen Lehre war, sah man auch in Frankfurt wohl ein.4 Und so sandte man kurz vor Beginn der diesmaligen Herbstmesse eigens mainzische Räte5 nach Frankfurt, um beim Rate

1 H. Hammerschmidt von Siegen war der Schwiegersohn Wilhelm Ruddels, eines buchbenders und buchfurers, s. Qu II S. 199 u.: Grotefend, »Chr. Egenolf, der erste ständige Buchdrucker in Frankfurt und seine Vorläufer« 1881.

2 BB 1524 Bl. 41a.

5 BB 1524 Bl. 35 b.

4 Qu 10. Februar 1525 teilte Ferdinand dem Statthalter, Margr. Phil, von Baden, ein Schreiben Campeggis mit, worin Ferdinand von Campeggi darauf auf¬ merksam gemacht wird, dass zu Wittenberg neue Bibeln gedruckt worden seien und jetzt in Frankfurt verkauft werden sollten; der Margraf solle dem Vorbeugen. Beide Schreiben sind im Kreisarchiv in Speyer, Reichsakten in gen., fase. 3.

5 BB 1524 Bl. 42 a. Das Beglaubigungsschreiben für die Gesandten ist zw. RK I Bl. 42 u. Bl. 42. Auf der Rückseite dieses Schreibens steht der Entwurf der Ratsantwort.

184

das Feilhalten von »luterischen und derglichen stnehebucher« zu unter¬ sagen und zu verlangen, dass die Verkäufer gestraft werden. Der Rat aber ging keineswegs darauf ein, sondern unterschied und ent¬ schied: Schmähschriften feilzuhalten wird bei hoher Strafe verboten, aber mit den »lutterischen bucheren haben sich viel vernemen lassen,

ob sie nit das heilig Evangelium feil haben sollen . so sei es

itzt in der mesz, dasz man mit fugen nit darin sehen kond on mirglichen onrat.« Sei es nun, dass der Rat wirklich schon soweit für Luther Partei ergriff, sei es, was wahrscheinlicher ist, dass der Rat bei der gegenwärtigen Stimmung des Volkes tatsächlich Unruhen befürch¬ tete, er blieb in dieser Frage den Gesandten gegenüber fest. Der Schluss des Entwurfes, der die Ratsantwort an die Gesandten enthält, endet mit dem, die damalige Stimmung so mancher Kreise in Frank¬ furt kennzeichnenden, melancholischen Wort: »quit dico, nescio; ibunt, quo poterant; quo non poterant, ibi stabunt, non habebit bonum exitum.«

Mittlerweile aber war die Pfarrbesetzungsfrage in Sachsenhausen keineswegs zur Ruhe gekommen. Die Sachsenhäuser beruhigten sich so wenig mit der Ernennung Raus, dass sie Anfang September mehr als 50 Mann1 stark zum Bartholomäuskapitel zogen und dort drohend einen anderen Pfarrer, wenn möglich Dietrich Sartorius ver¬ langten. Es wiederholt sich jetzt wieder ganz das alte Spiel. Das Kapitel klagt beim Rat. Der Rat verhört die Sachsenhäuser und verbietet ihnen ein solches Vorgehen. Sie versuchen es noch einmal am 19. September mit einer schriftlichen Eingabe2 beim Kapitel: Rau sei schon 2 mal bei ihnen als Kaplan gewesen, 2 mal sei er an St. Peter in der gleichen Stellung gewesen und überall habe er wieder weichen müssen wegen seines »trotzigen, neidischen gemutes«. Als er das letzte Mal bei ihnen war, habe er gar einen ehrbaren, betagten Mann verwundet und geschlagen. Das Kapitel, das be¬ hauptet,3 inzwischen von Mainz aus Anweisung bekommen zu haben, nur streng altgläubige Pfarrer anzustellen, sendet am 21. September diese neue Eingabe mit der Antwort Raus darauf und eigenen4 Be¬ merkungen hiezu wieder an den Rat und verlangt in energischem Tone, der Rat solle das Kapitel in seinem Recht beschützen, denn es sei des Kapitels und nicht der Sachsenhäuser Recht die dortige

1 RK I Bl. 162 c; BB 1524 Bl. 42 a (10. Sept. 1524).

2 Die vom Kapitel an den Rat gesandte Kopie findet sich RK I Bl. 156.

3 RK I Bl. 158 a.

RK I 157—158 (vom 21. Sept. 1524); ferner: BB 1524 Bl. 45b.

iSj

Pfarrstelle zu besetzen. Der Rat, der beide Schreiben den Sachsen¬ häusern zur Beantwortung übergab, bekam diesmal von dort eine unvermutete Antwort. Am 2 6. September versammelten sich die Sachsenhäuser auf dem Pfarrkirchhof und Dieter Kol kündigte im Namen der Gemeinde Rau die Pfarrstelle auf.1 Damit hatten die Sachsenhäuser de facto das Pfarrbesetzungsrecht des Kapitels hinfällig zu machen versucht. Aber das Kapitel, keineswegs gewillt so leichten Kaufes jenes Recht fahren zu lassen, protestierte2 sofort am nächsten Tage beim Rat, verlangte dass Ham. von Holzhausen, der ihnen zu¬ wider sei, aus den Verhandlungen mit den Sachsenhäusern ausscheide, verweigerte die von den Sachsenhäusern verlangte Anstellung des Sartorius, bestimmte trotz allem Rau für die Kirche in Sachsenhausen und drohte endlich mit Mainz. Die ganze Lage war somit auf einem recht kritischen Punkte angelangt. Die Rechtsfrage war aufgeworfen. Das Kapitel pochte auf sein verbrieftes Recht, die Sachsenhäuser, wie gleich ihre nächste Hingabe zeigt, auf das göttliche Recht. Was sollte der Rat tun? Zunächst versuchte er es noch einmal mit Be¬ schwichtigungen. Er liess das Kapitel bitten, es möge »um fried- liebens willen« einen Kaplan anstellen, der den Sachsenhäusern genehm sei,3 und den Sachsenhäusern liess er sagen,4 sie sollten mit Rau noch einstweilen Geduld haben. Aber damit war gar nichts gebessert. 8 Tage später kam dann auch eine Antwort von den Sachsenhäusern an den Rat,5 die nur den einen Erfolg hatte, dass dem Kapitel die Geduld jetzt riss und es die ganze Angelegenheit nach Mainz vor seine geistlichen Oberen brachte, zugleich mit dem am gleichen Tage eingelaufenen, scharf gehaltenen Bornheimer Schreiben, das ja auch in drohendem Tone einen Pfarrer verlangte (s. o.).

Jenes letzte Schreiben der Sachsenhäuser enthüllt klarer als ihre Eingaben zuvor die ganze Lage diesseits und jenseits des Maines in Frankfurt. Schärfer als je spricht sich hier das durch den Widerstand des Kapitels nur um so entschlossener betonte Verlangen aus nach einem Prediger, »der den lutern und claren text des evangelions prediget und an tag brecht.« »Unangesehen«, meinen die Sachsenhäuser in ihrem Schreiben weiter, »das ein gemeine,

1 RK I Bl. 160a.

2 RK I Bl. 160-161.

5 BB 1524 Bl. 46 b.

4 BB 1524 Bl. 47 a.

5 RK I Bl. 162 a, b, c, d [das auf Bl.. 162 folgende Blatt wurde nicht numeriert] vom 3. Okt. 1524.

1 86

wie dan sant Martins und ander mer heiligen legend clerlich anzeigen, ein pharher zu erwelen haben, wir dannoch uns derselben friheit begeben und umb ein frommen lidlichen pharherr gebeten ... das aber von eim Capittel angezeigt wirt, das inen von der oberkeit keinen unkentlichen oder der neuen uffrorischen lere anhengig auf- zunemen verboten sei, haben wir nit onpillich zu erachten, und sy lern von uns das unser sinne, gemute oder meinung einichen neuen lerer oder gezankmacher an stat eines pharhers anzunemen. . . . das sie aber her diederichen wie sie in irer letzten schrift melden vor ver- dechtlich oder ein ufrorische prediger achten, mag mit der groszen menge und horer synner predigeten . . . genugsamlich . . . bezuget . . . werden, das er sich nicht anders dan der heiligen geschrift und den claren text des evangelions befliszen, welches evangelion uns doch nicht anders dan den fridden und -einigkeit leren tut. Derhalben die gemelten geistlichen herin die warheit vilmals uf ein sit setzen, dem evangelio irs geitz und geltsacks halben zu wiederleben. Und das sie witer . . . hern hamann von hultzhosen . . . vor furdechtlich achten und schelten, das kan ime mit der warheit nemant erbars zumeszen, dan er ist uns . . . nit bystendig . . . gewesen, sunder uns ... so heftig ime geziempt den fridden gebotten, darab e. f. w. und ein yeder vorstendiger erkunden mögen, was onwillen, ufror, und zwei¬ tracht die geistlichen zu machen geneigt sint . . . Aber uf unser vilfaltig bitten und begeren ist uns vom dechant in montlicher ant- wurt begegnet, das man uns kein pharher, der uns angeneme oder gefellig sy, geben werd, dan wo wir jetzt einen pharher unsers gefallens bekomen, wulten wir furter aber derglichen haben, darusz e. f. w. und ein iglicher cristverstendiger woil zu ermessen haben, was fridlebens die gedachten hern suchen, dan der natuer, wir wollen der geschrift und pillichkeit geschwyhen, ist zu wieder, fruchtparlich lere von einem der nit liebgehalten ist, zu emphaen; dan wer nit geliebt, dem wird nit geglaubt«. Bezüglich des Besetzungsrechtes heisst es noch: »went fürsten, hern, stedte und andere so amter usz oberkeiten zuverliehen haben, alweg firbithen etwa vor bekente, erbar und geschickte personell, enstet derohalben, den verlihern an iren amptern zu keinem nachteil, darumb kein beschonung zu abschlag unserer bitt! . . . Aber uns tut billich bewundern, warumb uns armen in unserm erbarn und notturftigen begehren . . . zuwider¬ gelebt und in soliche Sachen von e. f. w. nit basz gescheen wird, so doch unser furnemen gegen den groszern theil der gantzen gemeine dieser stadt Franckfurdt und nit allein hie von diesen bürgern sunder

i87

gegen allen Normbergern, Augspurgern, Straszpurgern und andern . . . personen gotlich und rechtlich erkant wirt«. Am Schluss des ganzen heisst es, nachdem vorher noch eine Anzahl Untaten Raus aufgezählt worden waren: »So nu ein pharher von der gemeine erhalten werden musz, auch eine gantze gemeine dieser stadt Franck- furt und Sachsenhausen alweg in frondiensten und andern wie pillich gehorsam (so doch die geistlichen als am tage ligt der Sachen zu¬ wider sein) und wir nichts anders haben wollen als einen pharher unsers gefallens,« deswegen möge der Rat dieses Schreiben beherzigen und Einsehens haben.

Der prinzipielle Teil dieser Eingabe ist bedeutsam. Seine Be¬ deutung tritt am meisten hervor, wenn man den Eingang und die beiden ersten Artikel aus dem Entwürfe, den Jung mitgeteilt hat,1 damit vergleicht. Wir finden hier, in dieser Sachsenhäusereingabe, zum erstenmale Anschauungen, die wir später in jenem Entwürfe als bestimmte Forderungen wieder erkennen. Die Forderung des i. Artikels (Pfarrwahlrecht der Gemeinde) ist dem ganzen Schreiben der Sachsenhäuser eng verwandt.2 Die Forderung des 2. Artikels, dass die Geistlichen bürgerliche Lasten übernehmen sollen, wird zwar noch nicht ausgesprochen, aber sie klingt schon an. Und der Tenor der Einleitung zu jenen n Artikeln findet im Schreiben der Sachsenhäuser schon manche verwandte Töne, man vergleiche nur, was von den altgläubigen Geistlichen und von dem Evangelium gesagt wird.

Die Stimmung in Frankfurt war jedenfalls zur Zeit dieser Ein¬ gabe bis zu einem gefährlichen Grade schon erhitzt. Die Bornheimer verlangen drohend einen Pfarrer ihres Gefallens und verweigern die Zinsen. Der Rat war gespalten; eines seiner bedeutendsten Mitglieder als der neuen Lehre verdächtig und nicht unparteiisch genug vom' Bartholomäuskapitel bei Verhandlungen mit den Sachsenhäusern ab¬ gelehnt. Die Sachsenhäuser verlangen ebenfalls einen Pfarrer, der das reine Evangelium predigt, bekommen ihn nicht und stellen schon dem Rat Aufruhr und Unruhen in Aussicht.3 Nun war ja vom Dom¬ kapitel Mainz angerufen worden. Und Mainz sprach. Aber die Antwort fiel (ii.Okt.) eigentümlich aus: scharf gegen die zinsverweigernden

1 Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. 3. Folge, II S. 198fr.: es ist der früheste Entwurf zu den 46 Art., den wir haben.

2 S. o. S. 176.

3 Vgl. bes. den Schluss ihrer Eingabe vom 3. Okt. an den Rat; »wo e. f. w. nit einsehens haben, das durch sollich der geistlichen onpillich handlung ... die lenge, so etwan das geblude erhitzt, nochteyl und onrad geben mocht«.

1 88

ßornheimer,1 2 verhältnismässig milde gegen die Sachsenhäuser.* Zwar gibt man diesen die Untauglichkeit Raus nicht zu, stellt ihn sogar als »gute exemplar person« hin, aber man fordert doch das Bartholomäus¬ kapitel auf, bis zum 21. Dezember einen anderen Pfarrer für Sachsen¬ hausen zu suchen, inzwischen solle der Rat die Sachsenhäuser anweisen, solange mit Rau Geduld zu haben. Den Grund für diese merkwürdig milde Entscheidung gibt ein Schreiben3 der Sachsenhäuser an den Rat vom 25. Oktober an. Die Sachsenhäuser hatten darnach kurz zuvor selbst auch Abgesandte nach Mainz geschickt, um dort noch einmal nachdrücklich einen Pfarrer zu verlangen. Dabei hätten sie erfahren, dass die Kapitelsgesandten gesagt hätten: »das sie von uns (d. Sachsenh.) nichts zu clagen wissen.« Die Sachsenhäuser fügen aber selbst in ihrer Eingabe an den Rat weiter hinzu: »ob aber nu die geistlichen zu hinterruck der unsrigen geclagt und ire Sachen ge¬ schmückt, haben e. f. w. in zugeschickter des Churfürsten, unsers g. h. von mentze, schrift 4 genugsamlich verstanden.« So wird es denn Vorsicht und Klugheit gewesen sein, die die geistliche Obrig¬ keit nach Einblick in die ganze Lage die Antwort so mild abfassen Hessen. Die Sachsenhäuser aber hatten ihre Eingabe vom 25. Oktober gleichwohl mit der Drohung geschlossen: »Wollen . . . des versehen, Johan Rau werd sich nit widder unsern wyllen by uns finden.« Rau kam aber trotzdem und hielt Gottesdienst. Was geschah? Raus Kanzel wurde mit Steinen umlegt, einer nahm das Weihwasser, ein anderer schoss während der Predigt. Nun aber riss auch dem Rate die Geduld. Als Rau sich beklagte, wurde nach den BB beschlossen:5 »Johan Ruwen sagen, die warheit furzubringen und nit allem geschwetz zu glauben, auch nit ursach zu ufruhr zu geben.« Der Rat erkannte endlich, dass, wenn es so weiter gehe, man nicht mehr ferne vom Aufruhr sei und es ergingen am 3. November scharfe Verordnungen6 an die Prediger wie an das Volk. Den Predigern wird verboten Worte zu sagen, aus denen Aufruhr entstehen könne. Dem Volk wird geboten, die Fastengebote zu beobachten und üble Nachreden zu unterlassen. 5 Tage später erfolgte ein noch schärferes 2. Edikt:7

1 S. S. 170.

2 BB 1524 Bl. 52 a, die ganze Antwort selbst findet sich W 17a u. b.

3 RK I Bl. 164.

+ Gemeint ist W 17.

s BB 1524 Bl. 55 b.

6 BB 1524 Bl. 58b.

7 BB 1524 Bl. 60a.

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»allen predigern zusamen verboten und inen sagen das Evangelium zu predigen und sich ander Stichwort und werk zu enthalten, dan ein erbar rat werde sie nit für unserm gnedigisten hem von mentz be¬ schützen noch beschirmen wo man rechts gegen inen begeren und sie annemen werde.«

IV.

Mit dem Edikt des Rates vom 8. November war die ganze Lage in eine neue Phase gerückt. Denn jenes Edikt beweist nicht nur, wie wenig das erste Edikt vom 3. November genutzt hat und wozu die Kanzel benützt wurde; es zeigt auch nicht nur, für wie gefährlich der Rat jetzt die Stimmung im Volke ansah: denn wenn der Streit der Geistlichen und der Gegensatz der alten und neuen Lehre keinen Einfluss auf das Volk gehabt hätte, würde der Rat doch kaum so rasch jenes 2. Edikt nach dem ersten erlassen haben. Jenes 2. Edikt lässt uns vielmehr auch vermuten, dass es in dieser Zeit war, als dem Sartorius vom Rate das Predigen so sehr erschwert wurde. Gegen wen sollte sich sonst der Schlusspassus des Ediktes richten, dass der Rat die Prediger nicht mehr vor dem Kurfürsten beschützen werde? Mit dieser Predigterschwerung für Sartorius und dessen wahrscheinlich bald darauf folgenden Entlassung war aber eine ganz neue Lage geschaffen, deren Ernst sich sofort in dem nun folgenden Schriftenwechsel ausdrückt.

Am 15. November melden die BB:1 »als die prediger hern an- brengen und antzeigen des buchdruckers eyden Loy Schuhmacher der harnescher Lux Kürszner und andere so sie zu reden etlicher artickel halber gesetzt haben und etliche trawe wort sich haben lassen hören; daruf sie begeren ob sie ein erbar rat schützen oder schirmen wolt, wo nit so wollen sie an ein ort ziehen, do sie sicher sien«. Beschluss: »der rat wol sie schützen und schirmen so viel ine mogelich sy, wo nit so wol man sie zytlich warnen und wol man die personen, so die angetzeigt werden, auch verhören und zu wege sagen«. Auf was spielt das an? Die Predigerherren sind die Dominikaner, die unter dem Priorat Dietenbergers noch am treuesten an der alten Lehre festhielten.2 Nun findet sich in den Akten des Religions- .und Kirchenwesens eine Eingabe,3 auf deren Rückseite

1 BB 1524 Bl. 62 a.

2 S. Wedewer a. a. O. S. 41, 81—83.

3 RK I Bl. 136.

190

der Stadtschreiber bemerkt hat: »wes die Evangelischen dem lese- meyster zu den predigern geschrieben haben«. Diese Eingabe selbst, ungewandt und ungefüge in Schrift und Stil, besagt in ihrem Ein¬ gang:1 Lyeber lesmeyster so ich nechst fergangen sondach bye vch frontlychest berychth halber mit sampt andern züeyrn kristelichen brodern vrsach halber vuer foderung dye ir in eyner predigen gedan habet off aller sein dach, dorinne gemelt etliche art der geschryfft, dye ir dahyn gezüongen habt zu beweren dasz zuo hellen syn, das dach wydder die gotliche geschryfft«. Daraus geht hervor, dass am Sonntag nach Allerseelentag 3 Männer, die sich zu Eingang jener Eingabe »christliche Brüder«, nach der Unterschrift derselben Eingabe: »evangeliche Brüder« nennen, dem Lesemeister der Prediger, d. i. dem Lektor der Dominikaner Vorhaltungen gemacht haben über den Inhalt seiner Predigten am Allerseelentag. In jener Predigt hätte er behauptet, dass es 2 Höllen gäbe, und hätte diese Behauptung gestützt durch Schriftstellen, die er »dahin gezwungen« habe. Nun wollten sie ihm aber mit Stellen aus der hlg. Schrift beweisen, dass er unrecht habe. In 5 Artikeln führen sie diesen Vorsatz dann aus. Mit jener Lehre von den zwei Höllen wollte der Dominikanerlektor aber offenbar die Lehre vom Fegfeuer beweisen, deren Unrichtigkeit dann die 3 evangelischen Brüder bestritten.2 In welchem Jahre mag sich das alles abgespielt haben? Der ganze noch freundlich gehaltene Ton weist auf die Zeit vor Ausbruch des Aufstandes, auch durften ja nach diesem die 3 Orden in Frankfurt (Dominikaner, Carmeliter, Barfüsser) überhaupt nicht mehr predigen.3 Das weist uns in das Jahr 1524. In diesem Jahre war der obengenannte Sonntag nach Allerseelentag der 6. November. Am 6. November hätten also dann die 3 evangelischen Brüder den Lesemeister mündlich wegen seiner Predigt zur Rede gesetzt und in der darauf folgenden Woche schriftlich. Das stimmt aber alles genau zu der oben mitgeteilten Notiz aus den BB, nach der die Dominikaner sich beklagen über Artikel, um deren willen man sie zur Rede gesetzt habe. Nach dem allem dürfen wir nun nicht nur der Datierung zustimmen, die Jung4 für jene Eingabe der evangelischen Brüder bestimmt hat, nämlich November 1524, sondern können noch genauer sagen, diese Eingabe

1 Buchstäblich citiert.

2 Vgl. die Stellung des Sartorius zu dieser Lehre S. 176.

3 W 91b, 113 a (282 a).

'' Arch. III. F. Bd. 2 S. 202.

muss zwischen dem 6. und 15. November geschrieben, in die Hände der Dominikaner und von da in die Hände des Rates gelangt sein.

Nun wird auch klar, weshalb gerade in jener Zeit so rasch hintereinander 2 scharfe Edikte des Rates an alle Prediger ergangen waren. Die Predigten der Altgläubigen am Allerseelentage, die auf das Fegfeuer Bezug nahmen, hatten bei dem der neuen Lehre zu¬ gewandten Volke sehr viel Unruhe hervorgerufen. Daraufhin hatte der Rat das 1. Edikt gleich am nächsten Tage, am 3. November erlassen. Am nächsten Sonntag, 6. November, hatte sich die Unruhe nicht nur nicht gelegt, sondern war, wahrscheinlich wieder durch Predigten und Gegenpredigten, verstärkt worden. Nun erging am Dienstag darnach am 8. November, das 2. schärfere Edikt des Rates wiederum an alle Prediger. In diesen Tagen hatten dann jene evangelischen oder christlichen Brüder ihre Eingabe dem Lesemeister zugesandt. Wer sind diese evangelischen Brüder? Die oben mit¬ geteilte Notiz des Bürgermeisterbuches nennt sie: es sind des buch- druckers eyden Loy Schuhmacher der harnescher Lux kürszner. Der erste und letzte dieser Namen ist mit Sicherheit zu erkennen; des buchdruckers eyden ist Hans von Siegen, der nachherige Führer im Aufstand (s. S. 183, Anm. 1.) Mit ihm wird häufig zusammengenannt: Lux kürszner, der letzte der hier mitgeteilten Namen; es ist Laux oder Lucas Kürschner,1 den Königstein in seinem Tagebuch mit Hans von Siegen u. a. zusammen als »die Obersten von der Gemein« bezeichnet, die alle eine bedeutende Rolle im Aufstand spielen. Wer mit »Loy Schuhmacher der harnescher« gemeint ist, bleibt dunkel. Ob damit ein Mann, ein Schuhmacher Loy (die rheinische Aus¬ sprache für Louis = Ludwig), der vielleicht der harnescher genannt wurde, oder ob damit 2 Leute gemeint sind, ein Schuhmacher Ludwig und einer, der seines Zeichens Harnischfeger war, muss dahingestellt bleiben.2 Es genügt zu wissen, dass 2 der späteren Haupträdelsführer im Aufstand hier sich selbst zusammen als evange¬ lische oder christliche Brüder bezeichnen.3

1 Qu II S. 88, 199.

1 Der ebenfalls mit Hans von Siegen, Lux Kürschner öfter zusammengenannte Schneider Nikolaus Will, den man meist Krieger nannte [s. Kriegk, a. a. O. S. 507 Anm. 109] dürfte es kaum sein. Eine andere Möglichkeit wäre: es ist ein Bewohner der Harneschergasse (= kleiner Kornmarkt), s. Battonn, Örtl. Beschreibung der Stadt Frankfurt, Heft 5 S. 101.

* Ein weiteres Beispiel für die damalige Stimmung einzelner Kreise ist die Auf¬ lösung der Brüderschaft der Schneiderknechte, die Königstein allein mitteilt Qu II S. 81.

192

Fassen wir das Resultat der bisherigen Untersuchung kurz zusammen. Zwischen dem 6. und 15. November 1524 tauchen in Frankfurt zum ersten Male evangelische oder christliche Brüder auf. Diesen Namen legen sie sich selbst bei. Zwei dieser evangelischen Brüder können wir mit Sicherheit als die Führer des Aufstandes erkennen: Hans von Siegen und Lux Kürschner. Bei ihrem ersten Auftreten geben sie sich zugleich als Bekämpfer der Lehre vom Fegfeuer., also eines Teiles der alten Lehre zu erkennen. Sie bekämpfen sie mit Stellen aus der heiligen Schrift. Als ersten Art. stellen sie dabei in ihrer Eingabe auf: »paulos lernt uns bouwen uf das foliement der profeten und zwelf paten wie Joh 14 und Gal 7, was geschryben ist uns zur 1er und wan ein engel fom himel uch anders lernt glaub nit«.

Aus dem eben Gesagten ergeben sich zwei Fragen. Einmal: weist dieses erste Vorkommen der evangelischen Brüder auf einen engeren Bund? oder ist es nur eine zufällig hier gebrauchte Bezeichnung, die ja in jener Zeit vor dem Bauernkrieg häufig war? Und dann: woher kommen diesen Leuten die Gedanken, die sie gegen die Lehre vom Fegfeuer ins Feld führen? vor allem der eines Kampfes gegen diese Lehre selbst?

Die Antwort auf die erste Frage lassen wir einstweilen dahin¬ gestellt, die Besprechung der nächsten Eingabe führt ohnedies darauf zurück. Die zweite Frage aber können wir jetzt schon mit ziemlicher Bestimmtheit beantworten. Die Gegenschrift auf die Apologie weist auch hier den rechten Weg. Dort1 heisst es ausdrücklich, dass Sartorius derjenige war, der die Lehre vom Fegfeuer damals in Frankfurt bekämpft habe. So lässt sich denn auch hier der Gedanke nicht von der Hand weisen, dass wir in der Eingabe der evangelischen Brüder vor allem eine Wirkung der Predigten des Sartorius zu sehen haben.

Die enge Beziehung des Sartorius zum Volk lässt sich noch viel stärker nachweisen. Am 24. November, also etwas mehr als 14 Tage nach dem 2. Ratsedikt an die Prediger, melden die BB:2 »als die liebhaber des wort gottes und christlicher warheit schreiben des predigers halb hern diethers zu St. Katherinen«. Und am nächsten Tage melden die Ratschlagungsprotokolle:3 »als die schrift

1 W ]c>5 b.

2 BB 1524 Bl. 65 a.

3 Ratschi. P II Bl. 91a.

*93

der cristenlichen liebhaber verleszen und im besten bedacht worden, was für antwort zu geben sy, dweil darin ein gemeine underschreibung ist und nit verstanden werden mage, wer die schrift gedieht habe; und ist beschlossen zu erkunden, wer die dichter und clager syen und ine sagen sich zu subscribiren und darnach einer antwort ent- schliessen. Darnach war also an den Rat wieder eine Schrift ge¬ kommen, die die Unterschrift hatte: liebhaber des wort gottes und cristlicher warheit, deren Verfasser unbekannt war, deren Inhalt wieder von Sartorius handelte. Die Quellen melden uns nicht das Resultat der beschlossenen Untersuchung, gleichwohl können wir die Verfasser mit ziemlicher Bestimmtheit benennen. Wir haben eine Schrift,1 auf die alle obigen Angaben auch betreffs der Unter¬ schrift passen und die sich auch sonst nach ihrem Inhalt genau in die damalige Zeit einfügt. Diese Schrift besagt in ihrem Eingang, dass sie, die Unterzeichner, durch Gottes Gnade 2 Prediger an der Katharinenkirche gehabt hätten, die beide das hlg. Evangelium »on- vermengt« mit menschlichen Satzungen gepredigt hätten. Nun hätten aber etliche diese verklagt, als predigten sie wider päpstliche und kaiserliche Mandate. Der Rat habe ihnen dann Schutz und Schirm aufgesagt. Mit jenen zwei Predigern ist jedenfalls Hartm. Ibach, dem ja auch der Rat nach der dritten Predigt Schutz und Schirm aufgesagt hatte, und Sartorius gemeint. Von letzterem heisst es nun weiter: «als wir nun zwo predigen gemangelt und wes die ursach erfragt, ist uns zu antwort gefallen, er werde dargeben sein predigen sol zu ufrure dienen und ketzerisch sein, derhalben er bis uf weiteren e. f. w. bescheit nit predigen wil«. Der Rat kenne ja den Neid des heim¬ lichen Feindes und wisse, dass er heimlich und öffentlich alles dahin lenke, dass es zu Aufruhr komme. Sie lästern nicht nur Gott und sein heiliges Wort, sondern auch alle, die dahin gehen und es hören; das sei eine Beschimpfung für fromme Männer. Weil nun aber Gottes Wort sagt, dass die Verfolger nicht mit Waffen, sondern mit dem Wort, das da gehet aus dem Munde Gottes, geschlagen werden sollten, so wollten sie, obwohl mancher »usz menschlicher hitzigkeit nit wenig zur tat bewegt werde«, doch ihres Untertaneneides nicht vergessen. Sie hofften bisher, Gott werde jene erleuchten, darum hätten sie auch »fruntlich und usz brüderlicher liebe mit inen reden wollen«, aber ihr Herz blieb verstockt; »haben alle unsere gut tat und fruntlich erzeigung lugenthaftig nach irer art, als ob wir gewelt-

' RK I Bl. 117 f.

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liehen mit inen zu handeln understehen und uns verbonden haben sollen an bracht«. Jeder Christ wisse nur, dass man ohne das Wort Gottes nicht leben könne, daher sei ihre demütige Bitte »ge- melten prediger bis zu entlichem beschlusz laut kais. M. angeschlagen Mandat das luter wort gottes onverdunkelt nach göttlicher uszlegung zu predigen schützen und schirmen«.

Auch diese Eingabe gibt mit nicht zu verkennender Deutlichkeit die Spuren der letzten Kämpfe und Bewegungen wieder. Zwei Sonn¬ tage haben die Verfasser dieser Eingabe der evangelischen Predigt »gemangelt.« Am 8. November war nun das zweite Ratsedikt ergangen, das dem Sartorius das Predigen so sehr erschwerte, wenn nicht un¬ möglich machte, am 24. November lief nach den BB diese Eingabe ein, dazwischen liegen die zwei benannten Sonntage. Dass Sartorius ketzerisch und aufrührerisch predige, war ja die alte Anklage seiner Feinde, die Sartorius schon in seiner Verteidigungsschrift am 14. Juni widerlegen musste. Andererseits können wir auch hier einen Blick tun in die Stimmung der Anhänger des Sartorius : wie bei den Sachsenhäusern das »geblude erhitzt« ist, so sind auch hier in Frank¬ furt selbst einige der Anhänger des Sartorius »usz menschlicher hitzigkeit« schon jetzt bereit zum Losschlagen. Dass sie aber auch noch freundlich mit den Gegnern haben reden wollen, bezieht sich wohl auf jene Eingabe an den Lesemeister mit ihrem »frontlychest berycht«, und das »lugenthaftig etc. anbracht« wohl auf die Klage und Anzeige der Dominikaner beim Rat am 15. November. Was nun jene vorgebracht haben über die.Unterzeichner der Eingabe, ist sehr bedeutsam. Zunächst seien die Unterzeichner angeklagt worden, als ob sie mit den Dominikanern gewalttätig handeln wollten. Das stimmt zu der Bemerkung der BB (1524, Bl. 62 a), dass die Über¬ bringer der Eingabe an den Lesemeister etliche Drohworte haben hören lassen. Weiter haben die Dominikaner dem Rat angezeigt, als hätten »wir uns verbonden«. Dieses »wir« aber bezieht sich wie das vorhergehende sowohl auf die Verfasser der Eingabe an den Lesemeister wie auf die letzte Eingabe vom 24. November. Damit geben die Verfasser dieser letzten Eingabe zu, dass sie identisch seien oder sich für identisch halten mit den Verfassern der Eingabe an den Lesemeister. Von beiden aber wird hier die gegen, sie er¬ hobene Anklage der Dominikaner wiedergegeben: sie hätten sich verbündet. Mehr erfahren wir nicht. Es wird weder gesagt, wie der Bund entstand, noch worin er bestand. Auffällig schnell gehen die Verfasser über diesen Punkt hinweg, sie tun ihn nur mit dem Worte

i95

»lugenthaftig« ab, das ja aber auch schon für die Anklage des gewalt¬ tätigen Vorgehens galt, und betonen nachher nur noch besonders stark, dass sie ihres Eides gegen den Rat nicht vergessen wollen.

Der ganze Tatbestand ist demnach folgender: Die Verfasser der Eingabe an den Lesemeister, die sich evangelische oder christliche Brüder nennen und die wir als die nachherigen Führer im Aufstande erkannten, als : Hans von Siegen und Lux Kürschner, dieselben sind identisch mit den Verfassern der zweiten Eingabe vom 24. November, nur nennen sie sich hier Liebhaber des Wortes Gottes und der christlichen Wahrheit. Diese Männer, Hans von Siegen und sein Kreis, geben hier zu, dass man gegen sie die Anklage einer ge¬ heimen Verbindung erhoben habe und dass einige unter ihnen schon zu Tätlichkeiten geneigt seien. Das ist der erste Hinweis auf eine engere Verbindung und Zusammengehörigkeit der Liebhaber des Wortes Gottes und der christlichen Wahrheit am 24. November 1524. Wie weit nun diese Verbindung ging, wer sie gestiftet hat, welche Ziele und Zwecke sie hatte, wissen wir nicht. Einstweilen verlangt sie nur die Predigt des reinen Wortes Gottes durch Sartorius und bekämpft in bitterem Hass die Gegner der neuen Lehre.

Das war also die Lage Ende November 1524 in Frankfurt. Die zukünftigen Führer des Aufstandes haben sich zum Teil schon zu¬ sammengeschlossen. Es geht nicht mehr bloss das Gerücht,1 sondern es wird die bestimmte Anklage gegen sie erhoben wegen Geheim¬ bündelei. Der, dessen religiöse Lehren wir bei ihnen wiederfinden, Dietrich Sartorius, war in der Zeit, als die Anfänge jenes Bundes sich zeigten, vom Rat auf Drängen seiner Gegner zum Schweigen verurteilt und konnte nicht mehr predigen. Die Liebhaber des Wortes Gottes und christlicher Wahrheit treten für ihn ein und bitten den Rat, er möge ihm wieder gestatten zu predigen, und gestehen dabei zu, dass ihre Erregung schon so gestiegen sei, dass einige bereits zu Tätlichkeiten übergehen wollen. Die ganze Lage war also in Frank¬ furt ähnlich, wie schon im Monat zuvor in Sachsenhausen. Hier wie dort ein gewisser Zusammenschluss, hier wie dort ein Teil der Leute schon zu Tätlichkeiten geneigt, hier wie dort halten die Führer diese Elemente offenbar noch zurück. Um diese Zeit war es, dass Westerburg nach Frankfurt gekommen war. Damit aber war die Entwickelung in ein neues, letztes Stadium eingetreten.

1 Kriegk, Bürgerzw. a. a. O. S. T 54.

13*

196

V.

Gleich zu Beginn des Jahres 1525 brachen die Kämpfe mit unverminderter Kraft wieder los. Sachsenhausen war zunächst wieder der Kampfplatz, die Besetzung der dortigen Pfarrstelle der Kampf¬ preis. Am 6. Dezember 1524 hatte Bischof Wilhelm von Strassburg, Verweser1 des Erzstiftes Mainz, dem Rat von Frankfurt geschrieben,2 das Bartholomäusstift habe »Johann Sartoris genannt von Honburg« präsentiert. Dieser »arm auch eins redlichen erbarn wesens und gelert« habe bis »an das sechzehend jar in viel ansehenlichen Stetten die pfar regirt«, sei jetzt noch einmal in Mainz examiniert und als tauglich für die Pfarrstelle von Sachsenhausen befunden worden. Der Rat möge ihn wie d^is Bartholomäuskapitel schützen »von meniglich unbeleidigt, unturbirt und unbelestigt« halten. Der ganze Apparat, der diesmal, jedenfalls mit Absicht, in Szene gesetzt worden war2 half aber nicht lange. Am 3. Januar lag schon dem Rat eine Eingabe der Sachsenhäuser 3 vor. Sie wollten Herrn »diether, vicarius zu st. Bartholome.« Der Rat beschloss: »in der ratschlagung furnemen, auch inen der gemein sagen zu Sassenhusen, eine gemein zu Frank¬ furt musz sich doch mit einem pferner lyden, der ine auch nit wol zu dulden sy.« Diese Notiz ist eine wichtige Ergänzung zu den Vorgängen vom November 1524 und bestätigt die obigen Vermutungen. Dietrich Sartorius ist darnach nicht mehr Prediger zu St. Kathärin, sondern nur noch Inhaber eines Vikariates zu St. Bartholomäus.4 In seiner ersteren Stellung konnte ihn der Rat nicht mehr dulden, eben wegen des Inhaltes seiner Predigten. Zugleich ersehen wir aus dieser Notiz noch etwas anderes. Sie zeigt, wie weit die Anhänglichkeit des Volkes an den beliebten Prediger reichte. Erst treten die evangelischen Brüder für ihn ein, aber ohne Erfolg. Gerade diese Kreise wollen ihn aber offenbar unter keiner Bedingung verlieren, darum machen ihn die ähnlich gesinnten Sachsenhäuser zu ihrem Kandidaten, trotzdem sie früher schon einmal vergeblich um ihn gebeten hatten, und suchten diesmal mit allem Nachdruck ihn zum Pfarrer zu gewinnen. Ja, ein Teil der Sachsenhäuser zog am gleichen Tage noch selbst zum Bartho¬ lomäuskapitel und bat auch dort um Dietrich Sartorius. Das Kapitel

1 Seit Oktober 1524, vgl. ADB 43. Bd. S. 205 207.

1 W 18.

3 BB 1524 Bl. 74a.

+ S. o.

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meldet dies dem Rat1 und dieser beschloss: die Sachsenhäuser sollten sich mit dem eben erst ernannten Johann Sartoris zufrieden geben. Zwei Tage später am 5. Januar 1525 übergibt das Kapitel dem Rat einen Brief der Sachsenhäuser an Dietrich Sartorius.2 Leider ist uns dieser Brief, der vielleicht wertvolle Aufschlüsse hätte geben können, nicht erhalten. Die BB geben nur noch dazu die dunkle Notiz : »nach dem zettel fragen, ob sie den haben, und in Ratschlagung furnemen, und das Capitel selbst auch nit insehens haben, das solcher unrat furkomen werde.« Dass es mit diesem »unrat« sich aber um äusserst ernste Dinge handelte, lässt gleich der Eintrag vom nächsten Tage (6. Januar) in den BB3 erkennen: »als dechan und capitel st. Barteimes Stifts der Sachsenheuser halben schryben, anzaigend die handlung so die Sachsenheuser donnerstags nach Innocentum umb die salve zeit geübt mit irem pfarherr. Beschluss: nach den Sachsen¬ heusern, so die sach und bese handlung furen und sonderlich denen, so for dem capitel erschienen sein, schicken und mit inen irer aidt, treu und pflicht halben vleissig reden, sie deren darzu hievorigen der freund Werbung, befelchs und mainung eins erb. raths herindern, auch von inen befragen, was sie zu Vertreibung des examinirten pharhers vor ursach und ob sie die spraech gesucht und betraifung der bucher herfurziehen wurden; inen sagen, davon abzusten, dann solichs Ursachen nit so grosz, dasz sie eigens gewalts einsemlichs furzunemen haben und etliche freund ordnen den pharher in seiner predig zu hören; die freund auf morgen mit den Sachsenheusern zu reden .... den geschickten der capitels sagen den hern pharher zu Sachsenhausen auf sein pharr zu gehen heissen.« Aus dem allem ergibt sich, dass jetzt schon wieder bedenkliche Stürme in Sachsen¬ hausen tobten. Die Menge hatte dort, offenbar aus Wut über die absagende Antwort, die sie am 3. Januar auf ihre Bemühungen er¬ halten hatte, sich am 5. Januar abends an Joh. Sartoris tätlich ver¬ griffen und wollte ihn vertreiben, als er von der Abendandacht kam oder dahin ging. Dieser war dann ins Bartholomäusstift geflohen, die Sachsenhäuser in erbitterter Stimmung zurücklassend. Der Rat suchte wieder zu beschwichtigen, so gut es ging, wollte eine Predigt des Pfarrers anhören lassen, um Recht oder Unrecht der Sachsen¬ häuser Klagen zu erkennen, und gebot dem Pfarrer auf seine Stelle

1 BB 1524 Bl. 74b.

1 BB 1524 Bl. 75 a.

5 EB 1524 Bl. 75a, b, 76a.

198

zurückzukehren. Vielleicht deuten aber so manche Ausdrücke des obigen Berichts wie »spraech gesucht«, »betraifung der buchet«, »irer aidt, treu und pflicht halben vleissig reden« darauf hin, dass jetzt schon Andeutungen gefallen seien, die einen Aufstand deutlicher als bisher in Aussicht stellten. Die ganze Angelegenheit kam dann in der Ratschlagung1 am 9. Januar noch einmal vor und hier be¬ richtete der Stadtadvokat Dr. Äd. Knoblauch über die inzwischen angehörte Predigt des Johann Sartoris: sie sei »gelert, erlich und löblich« gewesen. Der Beschluss hierauf fiel aus wie stets bisher: die Sachsenhäuser sollten von ihrem Vorhaben abstehen bei der er¬ wiesenen Tüchtigkeit ihres Pfarrers, neu war nur die Begründung: »es habe auch ein erbar rath ine kein pfarherr zu geben oder zu entsetzen.« Damit nimmt der Rat zum ersten Male zu der ja früher vom Kapitel schon aufgeworfenen Rechtsfrage Stellung. Das Kapitel hatte auf seinem verbrieften Rechte, die Pfarrei zu besetzen, bestanden. Die Sachsenhäuser selbst behaupteten, es sei Recht der Gemeinde. Der Rat sagt einstweilen, ihm stehe überhaupt dabei kein recht¬ licher Einspruch zu. Auch auf diesen Bescheid hin blieben die Sachsenhäuser die Antwort nicht schuldig, sie nahmen am 12. Januar Kerzen und Geld vom Altar und verteilten es auf der Fischerstube.2

So begann in Sachsenhausen das verhängnisvolle Jahr 1525 in Sturm und Unruhe, sein Beginn eine dunkle Weissagung der nächsten Zukunft.

Unter noch schlimmeren Zeichen ging man in Frankfurt selbst aus dem Jahre 1524 in das nächste hinüber. In Sachsenhausen handelte es sich doch bei allem Streit noch um eine prinzipielle, wichtige Frage. Der Frankfurter Bartholomäusplatz dagegen sah in der auf den Neujahrstag folgenden Nacht die wüstesten Szenen zwischen Klerikern und Laien, die anscheinend lediglich aus Streitlust vom Zaun gebrochen waren. Gerade dieser Streit, einer von vielen nur, zeigt besonders deutlich, wie weit bei Priestern und Laien die gegen¬ seitige Erbitterung schon gestiegen war, und wessen die Priester alles fähig waren. In jener Nacht waren auf dem heutigen Dompl'atz Bürger und Priester hart aneinander geraten. Der Grund lag nach der Angabe des Cochläus3 bei den Bürgern in ihrem »vorgeenden hochmut, rumor und klopfen und puchen an der geistlichen heuser.« Einige Priester Hessen sich das nicht gefallen, wurden mit den Bürgern

1 Ratschi. P II Bl. 93 a. BB 1524 Bl. 78 a. Die Haupttäter waren die später öfter hervortretenden »Peter Lomp und der Schulmeister«.

2 BB 1524 Bl. 79a.

5 W 91 b. 87 b.

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handgemein, und es wurden »etlich burger by nechtlicher weil nieder¬ geschlagen, durch die backen geschnitten.« Letzteres geschah nur deshalb, wie Cochläus begründend hinzufügt, »auf das man sie zu morgen erkenne.« Dahin war es also in Frankfurt schon Anfang Januar 1525 gekommen! Als nun Dechant und Kapitel sich über das Vorgehen der Bürger beklagten,1 den Schutz des Rates verlangten und »verdroestung begern, wes sie sich versehen sollen, so der listig häuf über hant neme,« liess der Rat ernst zurücksagen: »die teter . . . an¬ zuzeigen und ine zu entdecken, ein erb. rath habe gar kein gefallens und ine (den Kapitelsherren) auch das backen schnyden furhalten, dasz sie für solche handlung syen, damit hinfur kein onrat erwachs und wenn sie derhalben klagen (nämlich in Mainz), dasz sie ein erb. rath lassen zuhoren.« Mit dieser Antwort war aber das Kapitel nicht zu¬ frieden, weshalb es am 19. Januar eine freundlichere und bessere Antwort begehrte.2 Die Täter könnten sie aus leicht begreiflichen Gründen nicht nennen, der Rat aber könne sie jedoch durch seine Scharwächter mit Leichtigkeit in Erfahrung bringen. Bei den Geistlichen war jetzt offenbar die Angst aufs höchste gestiegen, so sehr, dass sie sich fürchteten die Namen der Täter anzuzeigen. Sie mochten ahnen, dass die Tage ihres bisherigen Schaltens und^Valtens gezählt seien.

Als nun am 15. Januar noch eine neue Untat in Sachsenhausen hinzugekommen, auch der Pfarrer angegriffen und verwundet worden war von drei Leuten, da wusste das Bartholomäuskapitel sich nicht mehr zu helfen. Es griff wieder zum letzten Mittel und wandte sich nach Mainz. Von dort sandte man den Kanzler Konr. von Westhausen und den Amtmann von Höchst, Joh. von Hattstein. In den Ver¬ handlungen3 mit ihnen am 24. Januar versprach der Rat zum Schutz der Geistlichen allen möglichen Fleiss anzuwenden. Dies veranlasste zunächst weitere Auseinandersetzungen4 des Rates mit den Sachsen¬ häusern und hiebei merkte der Rat mit Schrecken, wie gefährlich die Sachen in Sachsenhausen standen, ja, dass man am Vorabend eines Aufruhrs stehe, wenn es so weiter gehe. Er machte deshalb am 31. Januar dem Kapitel folgenden Vorschlag:5 die Sachsenhäuser wollten Johann Lullus, der gegenwärtig an Stelle des verwundeten Sartoris die Pfarrstelle bei ihnen versehe; diesen Lullus möge man

1 Ratschi. P II Bl. 92a, b, vgl. auch W 35 36.

2 BB 1524 Bl. 81 b, die Schrift selbst W 33 34.

3 BB 1524’Bl. 83 a, b.

4 BB 1524 Bl. 85 a, RK I zw. Bl. 39 u. 40 nicht foliiert.

s BB 1524 Bl. 85, 87 a, b.

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bei ihnen lassen. Um aber Sartoris unterzubringen, wolle der Rat die erste Stelle, die er zu verleihen habe, jenem Sartoris geben. Werde eine Stelle, deren Präsentationsrecht dem Kapitel zustehe, eher frei, solle das Kapitel diese Sartoris geben; der Rat sei aber auch bereit, Gesandte mit dem Kapitel zu Bischof Wilhelm zu senden und dort die ganze Angelegenheit zu erledigen. Das Kapitel, das wohl einsah, wie nötig eine Besserung der Verhältnisse in Sachsenhausen sei, aber zugleich befürchtete, durch ein Eingehen auf die Vorschläge des Rates sich eines Rechtes zu begeben, schrieb1 drei Tage darnach ausführlich über diese Verhandlungen an den Bischof Wilhelm nach Mainz, bat um Rat und meinte, man könne das alles vielleicht, wie auch der Rat vorschlug, am besten auf einem »gütlichen tag« mit Frankfurter Rats¬ gesandten zusammen in Mainz erledigen, wobei man auch andere Streitpunkte zum Austrag bringen könnte. Dieses Schreiben des Kapitels, in W erhalten, zeigt mit seinen ausführlichen Darlegungen deutlich die Angst und den Eifer des Rates, der durch seinen Einblick in die gefährlichen Sachsenhäuser Verhältnisse auf einmal selbst un¬ ruhig zu werden begann. Der Bischof antwortete2 gleich am nächsten Tage, am 4. Februar und bestellt Rat und Kapitel auf den nächsten Montag Abend (6. Februar) nach Aschaffenburg zu sich. Dieser Tag kam aber nicht zu stände. Der Rat, mittlerweile zu einem anderen Entschluss gekommen, schlug dem Kapitel vor, die Sache in Frank¬ furt selbst zu erledigen, und für diesen Fall ihm, dem Rat, die Kollation der Sachsenhäuser Pfarrstelle selbst abzutreten, denn die Sachsenhäuser seien auch des Johann Lullus schon überdrüssig ge¬ worden und wollten einen anderen Pfarrer. Am 6. Februar berichten3 dies die Herren vom Kapitel dem Bischof Wilhelm und fragen an, wie sie sich dieser neuen Verschiebung der Verhältnisse gegenüber verhalten sollen. Der Bischof antwortet4 am 9. Februar, sie sollten dem Rate sagen, eine solche Entscheidung könne nur von ihm, dem Bischof, gefällt werden, sie (die Kapitelsherren) müssten sich daher erst noch an diesen wenden (!). Bischof Wilhelm, durch den Briet des Kapitels vom 6. Februar ja schon darüber unterrichtet und einer Benachrichtigung nicht mehr bedürftig, wollte mit dieser der Wahr¬ heit nicht ganz entsprechenden Auskunft offenbar Zeit gewinnen, um

1 W 28 u. 30.

3 W 29.

3 W 20.

4 W 19.

201

Kurfürst Albrecht selbst zu fragen. Aus einer Bemerkung der »wieder¬ antwort« 1 geht auch hervor, dass Bischof Wilhelm den Kurfürsten wirklich gefragt hatte und dass dieser »dapfere, wichtige und genüg¬ same Ursachen angezeigt, warumb es nit gut, füglich und nützlich were,« dem Rate gerade jetzt die Kollation zu überlassen. Der Kur¬ fürst befürchtete, der Rat könne Prediger der neuen Lehre anstellen.

Während durch dieses Befragen des Kurfürsten die entschei¬ dende Antwort Wilhelms in der wichtigen Kollationsfrage noch eine Weile auf sich warten liess und viel kostbare Zeit verloren ging, wurden die Sachsenhäuser ungeduldig, besonders da dort noch ein neuer Streitfall hinzugekommen war. Vier Bewohner von Sachsenhausen »Heller Henn, Peter Lomp, der junge Fischer und der kindermeister« waren vom Dechant zu St. Bartholomäus beleidigt worden. Dem Dechant wurde aufgegeben, Sonntags nach der Predigt von der Kanzel aus die Beleidigung zurückzunehmen. Da dieses der Dechant nicht tat, reichten die Vier am 6. Februar eine Schrift beim Rat ein, worin sie sich heftig über den Dechant beklagten und verlangten, dass er die versäumte, öffentliche Zurücknahme nachhole.2 * * Der Erfolg dieser Eingabe geht nicht ganz klar aus den Quellen hervor. Wichtiger aber noch als diese ist eine neue Eingabe,5 die die ganze Gemeinde zu Sachsenhausen am 21. Februar an den Rat gelangen liess und die, wie alle Schreiben aus jener Zeit kurz vor Beginn des Aufstandes, von hohem Interesse ist. Die Sachsenhäuser schreiben nämlich : »wie wol nach abgang unsers pferers e. f. w. wir nit allein sondern auch das capitel umb einen getruen lerer des wort gottes, das dan ein sterkung unserer seelen ist, zu vil malen und mere, dan wir nach gotlicher Ordnung schuldig demutiglich angesucht und gebeten haben, doch e. f. w. alwegen dermaszen, das ein erb. rath solichs nit sonder das capitel zu tun haben uns abgewiesen, aber onangesehen solchs abschlagens auch angezeigten Ursachen, sint wir doch von e. f. w. ratsfreunde nechst vergangen sontag nach karoli vermanet, das wir den Satorem, der .... vil bass mit einer geigen oder pfiffen uf der gassen hofieren dan das wort gottes prediciren kan, vor unsern sele sorger zu halten geboten.« Obwohl sie sich nun in »dinst, bede, wachen, hüten und rysen [s. Art. 2 des Entwurfes,

1 W 112b.

2 RK I Bl. 168. Am Schluss dieses Schreibens kommt zum ersten Mal das

am Schluss des Artikelentwurfes (Arch. 3. F. 2. Bd. S. 201) stehende »unver-

lengert antwort« vor.

J RK I Bl. 182, BB 1524 Bl. 92 b.

202

Areh. 3. F., 2. Bd., S. 199 f.] dem Rat gegenüber stets gehorsam ge¬ zeigt und in allen Supplikationen nur um das göttliche Wort gebeten hätten, sodass sie sich vor den »liebhabern gütlicher warheit der stette Nürnberg, Augsburg, Ulm, Straßburg, Speier, Worms« keineswegs zu schämen brauchten, so seien sie doch von den Dienern des Rates »treulosz und meineidig leut ohnverschult« gescholten worden. Sie hätten aber doch dem Bischof keinen Eid geleistet und seien ihm deshalb auch nicht pflichtig. »So stet unserer sele Seligkeit nit in oberkeit sondern in dem wort, welches kinder gottes in warem glauben dasselbigen und kein ufrur durch sein gnade geberen ist, welche gnad niemant dan got allein geben kan und in dem fall wir got mer dan den menschen gehorsam zu sein schuldig.« Jener Sartoris hätte dann noch »lügenhaftig« gesagt, einige von ihnen hätten das Opfer vom Altar genommen, »damit er gern ein ufrur under uns, als wir glauben darumb geschickt sei, erwecken wollte.« Auf ihre, der Sachsenhäuser, Kosten wollen sie einen ordentlichen Prediger, sie hoffen, es sei auch »ein funklin gotlichs worts« im Rat und seinen Dienern erschienen und werde deshalb auch den Sachsen¬ häusern nicht entzogen.

Diese Eingabe der Sachsenhäuser vom 21. Februar erinnert inhaltlich wie stilistisch auffallend an ihre grosse Eingabe vom 3. Okto¬ ber vorigen Jahres. In beiden Schreiben wird betont, wie sie bisher willig ihre Untertanenpflichten erfüllt haben, in beiden wird Bezug genommen auf die Liebhaber des göttlichen Wortes in anderen Städten, in beiden wird ein vom Kapitel bestellter, ihnen aber nicht genehmer Pfarrer bekämpft. Dietrich Sartorius wird hier nicht mehr erwähnt, es findet es sich auch keine Anspielung auf ihn; es scheint also, dass er im Laufe des Januar oder Februar bereits nach Ursel gegangen ist, wo wir ihm im März wieder begegnen werden. Aber noch ein anderer, wichtigerer Unterschied tritt zwischen der Eingabe vom Oktober 1524 und dieser vom Februar 1525 hervor. Dort war die Front- und Kampfstellung lediglich gegen das Bartholomäuskapitel gerichtet, hier dagegen ist die Kampfstellung nach zwei Seiten hin zu erkennen, noch immer gegen das Kapitel, zu gleicher Zeit aber auch halb und halb gegen den Rat, wie so manche Ausdrücke dieser letzten Eingabe erkennen lassen. Das Gefechtsbild beginnt sich also wesent¬ lich zu verändern. Es ist inzwischen eine Entwicklung eingetreten, die ihre Spitze zum erstenmale gegen den Rat richtet. Die Liebhaber des Wortes Gottes, die in der Zeit des Predigtverbotes, das an Sartorius ergangen war, sich zusammengeschlossen haben mögen, treten

203

für Sartorius ein, aber sie wenden sich noch nicht gegen den Rat. Zu dieser Stellung kommt es erst hier in Sachsenhausen. Die Ursachen hiervon können wir aus dem Schreiben herauslesen. Der Rat hatte auf Veranlassung des Kanzlers den Streit zwischen dem Kapitel und den Sachsenhäusern schlichten wollen. Gerade an jenem Sonntag, den das Schreiben der Sachsenhäuser nennt, hatte der Rat den Joh. Sartoris bei seiner Predigt durch Ratsfreunde abhören lassen. Schon dabei war es zu sehr ernsten Szenen gekommen, 1 »das ein erb. rath zu besorgen hett, wo ire Weisheit vellicht ernstlicher mit inen zu handeln oder ine anzutasten understunde, das inen und uns grosser merklicher onradt und geferlichkeit darusz entsteen mochten.« Als nun im Anschluss an jene Anwesenheit der Ratsfreunde bei der Predigt des Sartoris der Rat die Besetzungsfrage in seine Hand nahm, da war er prinzipiell schon Gegner der Sachsenhäuser geworden, die ja das Pfarrwahlrecht der Gemeinde beanspruchten. Etwas von diesem Vorhaben des Rates mochte durchgesickert sein und den ersten Aus¬ druck dieser allerdings noch nicht zugespitzten Gegnerschaft haben wir nun in der Eingabe vom 21. Februar vor uns. Von hier aus dürften sich Ausdrücke wie: »das wir got mer dan den menschen gehorsam zu sein schuldig« [s. Artikelentwurf, Arch. 3. F., 2. Bd., S. 199, Einl.], »das licht der Wahrheit in inen noch nit ufgegangen« in dieser Eingabe erklären. Der Rat gab auch auf diese Eingabe die alte Antwort,2 die Sachsenhäuser mögen Geduld haben und Antwort beim Kapitel verlangen.

Die Stimmung des Volkes, einmal gegen den Rat gewandt, verschlimmerte sich unter dem Einfluss anderer Vorgänge jetzt von Tag zu Tag. Zunächst dürfen wir nicht vergessen, dass in dieser Zeit Westerburg schon in Frankfurt weilte und seine Minen zu legen begann. Dazu kam ein Brief H. Kremers über Rau und eine Predigt Meyers vom 12. März. Der letzte Stoss der den Stein ins Rollen brachte, war der Ausgang der Ratsverhandlungen mit dem Kapitel vor Bischof Wilhelm.

Schon Jung 3 hat auf die Bedeutung hingewiesen, die dem Briefe Eleinr. Kremers gerade in dieser Zeit zukommt. Die Bemerkungen Jungs lassen sich noch ergänzen. Am 13. März schrieb4 nämlich

1 Aus dem Bericht des Kapitels an den Bischof, W 28 a, b.

2 BB 1524 Bl. 92 b.

3 Arch. 3. F. 2. Bd. S. 202 f.

4 RK I Bl. 184.

»Henrich Kremer jungk samt etliche seine evangelische brüdern zu Ursel« an »Hans von Sigen samt seine christlich brüdern zu Frank¬ furt«. In diesem Schreiben berichtet Kremer, wie der »gottlos, blind, elendig, verstockt mensch Johan Rau« sie verklagt habe. Rau ver¬ lästere ausserdem auch den Dietr. Sartorius. Letzteren zu verteidigen gebühre auch den Sachseirhäusern. Mit Rau aber müssten Hans von Siegen und die Seinen Abrechnung halten, wenn sie das nicht täten, sei zu besorgen, dass ihnen Nachteil daraus entstände. Um die Ver¬ lästerungen Raus besser zu kennzeichnen, habe Kremer dessen Schrift beigelegt. Dieses Schreiben Raus ist aber nichts anderes als eine Klageschrift 1 an den Kurfürsten von Mainz. Darin beklagt sich Rau, dass man in Oberursel auf seine Pfarrei einen lutherischen Prädi¬ kanten, D. Sartorius aufgenommen habe, den man von Frankfurt geholt habe. Sartorius, der zu Frankfurt schon an St. Katharin lutherische Irrtümer gepredigt habe und sie jetzt wieder in Ober¬ ursel predige, hange nun alles an, auch die Obrigkeit von Oberursel, denn diese lasse ihn, den rechtmässigen Pfarrer, nicht auf seine Pfarrei.

Diese beiden Schreiben sind ein wertvoller Beitrag zur un¬ mittelbaren Vorgeschichte des Zünfteaufstandes. Sie schliessen zu¬ gleich eine ganze Reihe von Einzeltatsachen, die sich Ende 1524 und Anfang 1525 ereigneten, zur Kette zusammen. Sie zeigen, dass Dietr. Sartorius von Frankfurt nach Oberursel geholt wurde, dass er mit seinen Predigten dort rasch ebensolches Ansehen gewann wie in Frankfurt und dass auch dort seine Anhänger vor allem sind : die evangelischen Brüder. Sie zeigen aber auch, dass die Vereinigung evangelischer oder christlicher Brüder, der wir in Frankfurt im No¬ vember begegneten und die seit dieser Zeit nicht mehr offen her¬ vorgetreten war, jetzt noch in Frankfurt bestand, ja dass die evange¬ lischen Brüder in Frankfurt mit denen zu Ursel eine enge Verbindung darstellten, die die alte Lehre bekämpfte und für die angefeindeten Prediger der neuen Lehre eintrat.

Die Angelegenheit mit Rau nimmt nun aber eine merkwürdige Wendung.2 Drei Tage nach Absendung des Schreibens Heinr. Kremers, am 16. März, lässt der Bürgermeister Hammann von Holzhausen den Kaplan Joh. Rau in den Römer entbieten. Rau ging in den

1 RK I Bl. 185.

2 Der ganze Bericht findet sich in einem Schreiben des Kapitels an den Bischof Wilhelm, das über die Ereignisse bis inkl. 16. März berichtet: W 35h

205

Römer und fand dort einige Urseler und zahlreiche Frankfurter Bürger, die alle verlangten, Rau solle sofort anzeigen, was Herr Dietrich in Frankfurt für Irrtümer gepredigt habe, durch die die Gemeinde aufrührerisch geworden sei, wie dies Rau in seiner Bitt¬ schrift an den Kurfürsen behauptet habe. Rau beschwerte sich, »so ilents unverwants fusz die Irtumb anzuzeigen«, er sei guter Zuver¬ sicht auf Forderung des Bürgermeisters in den Römer gekommen und hätte derartiges nicht erwartet. Auf diese ausweichende Antwort hin begehrten die Urseler und die Frankfurter Bürger, man solle Rau gefangen legen, damit er nicht aus Frankfurt entfliehe. Auch der Bürgermeister liess ihn jetzt hart an und sagte: »Er (Rau) und der pharher Petrus Meyer machen allen ufrur in Frankfurt, und entlieh gesagt : woll er nit Zusagen zu Frankfurt einwendig acht tag antwort zugeben, solt er lugen wie er aus dem Römer kom. Also hat der Johann Ruwe usz forchten Versprechung getan«. Rau ging nun wieder zum Kapitel, meldete dort, was ihm geschehen sei, gab aber entgegen seinem Versprechen keine Antwort. Dagegen be¬ klagte1 er sich am 21. März beim Rat und der Rat beschloss, jenen Bürgern, die ihn auf dem Römer »ungepurlich mit Worten gehalten« solche Dinge zu verbieten.

Die Verbindung der evangelischen Brüder hatte also rasch und sicher gewirkt. Die Frankfurter evangelischen Brüder, Hans von Siegen und sein Kreis, hatten es offenbar Hammann von Holzhausen gesagt und dieser hatte das weitere veranlasst. Als nun aber die 8 Tage verstrichen waren, ohne dass die Antwort Raus einlief, rührten sich sofort die Ankläger und schrieben an den Rat. Leider ist auch dieses Schreiben nicht auffindbar. Wir haben darüber nur die Notiz in den BB : 2 »als die liebhaber gotlicher warheit in irer Unterschrift über hem Joh. Rauhen schryben«. Beschluss: »inen sagen sich sol- licher Schriften an eim erb. rathe zuenthalten, wo sie aber an herrn Johan Rauhen etwas zu sprechen oder zu herfordern hetten, solichs an enden und orten sich gepurt zu tun und furzuwenden«. Was also die Schrift enthält, wird nicht gesagt, jedenfalls blieben die Forderungen der evangelischen Brüder durch diese Ratsentscheidung unbefriedigt, ihr Zorn über Rau blieb ungekühlt, die Stimmung gegen den Rat musste wachsen. Die ganze Angelegenheit wurde nur neuer Zündstoff für die bald auflodernde Flamme.

1 BB 1524 Bl. 100 b.

3 BB 1524 Bl. 104a, b.

20 6

Gleichzeitig mit diesem Durcheinander, den Raus Anklage gegen Sartorius zur Folge hatte, spielten sich die Vorgänge ab, die durch Meyers Predigt hervorgerufen worden waren.1 Meyer hatte am 12. März die Kanzel wieder zu wüsten Schimpfereinen benutzt und musste, bedroht von der Wut des Volkes, schon am 15. März fliehen. Zwei Zuhörer seiner Predigt vom Sonntag hatten ihm den Tod ge¬ schworen.2 Als er später noch einmal um Ratsgeleit bat, wurde es ihm in der Sitzung vom 4. April abgeschlagen.3

Die Wirren, die Rau und Meyer in Frankfurt entfesselt hatten, wirkten auf die ohnehin schon sehr erregte Stimmung der Bürger zweifellos in hohem Grade verschärfend ein. Mehr aber als diese beiden Vorgänge, ja mehr als alles, was in der letzten Zeit vor¬ gefallen war, wirkte der Ausfall der Verhandlungen, die zwischen Rat und Geistlichkeit vor dem Bischof in Mainz geführt wurden, auf die Bürgerschaft ein.

Bischof Wilhelm hatte schon am 25. Februar dem Rate ge¬ schrieben4 und Ratsfreunde für die Woche nach Oculi mit den Ver¬ tretern der Geistlichkeit zu persönlichen Ausgleichsverhandlungen vor sich geladen. Dort sollten neben anderen Streitpunkten auch die Sachsenhäuser Angelegenheit endgiltig geregelt werden. In Sachsenhausen hatte sich inzwischen der Streit um die Pfarrbe- setzung insofern weiter entwickelt, als die Sachsenhäuser jetzt wieder einen neuen Kandidaten hatten: Friedr. Dillenburger. Dieser bat5 in einem Schreiben an den Rat vom 17. März, der Rat möge ihn bei seiner Bewerbung unterstützen. Und am 19. März schrieben die Sachsenhäuser6 selbst um ihn: der Stadtschreiber hätte ihnen zwar zwei Tage zuvor einen anderen vorgeschlagen, aber der sei, wie sie inzwischen erfahren hätten, »bitzigk«, auch »unterweise er die armen, unverständigen Weiber, die Heiligen wie Gott anzubeten.« Sie wollten daher nicht diesen, sondern Dillenburger, damit sie »solchs nachlaufens

1 Diese Vorgänge sind ausführlich nach den Quellen dargestellt: Qu II S. 83 Anm. 1 , s. auch Arch. f. F. G. u. K., N. F. Bd. 4, S. 170.

2 Diese Notiz befindet sich in W 54 b.

5 BB 1524 Bl. 108 a. Nach dem Eintrag in die Protokolle des Stifts zu St. Peter und Alexander in Aschaffenburg [diese Protokolle finden sich jetzt noch dort im Stiftsarchiv, sie reichen von 1525 1802] vom 4. Oktober 1525 liess Meyer einen Teil seiner Habe bei diesem Stift hinterlegen.

< W jif (Entwurf), RK I Bl. 183 (Ausfertigung).

5 RK I Bl. 186.

« RK I Bl. 187.

207

enthoben und am wort gottes unverhindert bleiben.« Diese Eingabe der Sachsenhäuser zeigt wieder die Unterschrift: »bittend e. f w. umb ohnverlengert antwort.« (s. S. 201, Anm. 2). Die Sachsenhäuser sind des Wartens müde, ihre Geduld ist erschöpft.

Am 16. März war nun schon in der Ratssitzung1 beschlossen worden, Ratsfreunde nach Mainz zu senden. Am 21. März wurde dann noch besprochen,2 was in Mainz alles behandelt werden sollte und man kam zu dem Entschluss, auch die Frage der ewigen Zinsen wieder aufzugreifen und womöglich eine Lösung herbeizuführen suchen.

Auch das Kapitel hatte sich sorgfältig für die Verhandlungen in Mainz gerüstet. Es hatte, bald nachdem Rau auf dem Römer so hart angelassen worden war, etwa am 17. oder 18. März an den Bischof geschrieben und die verschiedenen Vorfälle der letzten Zeit von dem nächtlichen Kampf am 1. Januar an bis zur Aufsagung von Schutz und Schirm an Meyer am 16. März ausführlich dargestellt3 und seine eigene Antwort auf die ihnen nicht genügende des Rates vom 19. Januar beigelegt.4 In einem anderen Schreiben5 hatte das Kapitel noch in 8 Punkten die Streitpunkte aufgezählt, die sich allmählich von 1523 an bis jetzt in der Frage der Ablösung der Erbzinsen, des Neubaues der dem Stift gehörigen Häuser, der Währschaftsbriefe, der Eintrei¬ bung der Zinsen für die Geistlichen, der Zinsverweigerung und des Frondienstes angesammelt hatten.

Über die Verhandlungen selbst haben wir keine genauere Nach¬ richt, wir wissen nur, dass am 24. März, Nachmittags, auf einmal ein Schreiben der Ratsgesandten von Mainz einlief, worauf sofort Sitzung6 und Ratschlagung abgehalten wurde, über deren Verlauf und Ergebnis wir aber ebenfalls nicht unterrichtet sind. Nur ein einziges in W vorhandenes Blatt7 zeigt in sehr flüchtig geschriebenen, kaum lesbaren Notizen kurze Aufzeichnungen aus den Verhandlungen selbst, die aber nur die bisher bekannten Vorgänge wiederholen. Aber über den Erfolg der Verhandlungen sind wir um so genauer unterrichtet. Der Bischof fasste nämlich die Erträgnisse dieser Verhandlungen in eine lediglich

1 BB 1524 Bl. 100a.

2 BB 1524 Bl. 101 a.

3 W 35 36.

4 W 32—34.

5 w 37 43-

6 BB 1524 Bl. 104a.

7 W 54.

2o8

für das Kapitel günstige »nottel« zusammen,1 2 die die Ratsgesandten nach ihrer Rückkehr am 30. März in der Ratssitzung vortrugen.3 Darnach wäre der einzige greifbare Erfolg gewesen, dass die Sachsen¬ häuser Dillenburger versuchsweise als Pfarrer bekamen, in fast allen anderen Punkten hätte der Rat nachgeben müssen, besonders die Zinsablösungsfrage, die Frondienstangelegenheit etc. wären nur zu gunsten der Geistlichen ausgefallen und zu Ungunsten des Rates und der Bürgerschaft. Man hätte auf die Zinsablösung verzichten müssen, die Geistlichen hätten »werschaft und Vererbung« (s. S. 165) zwar auf der Ratskanzlei, aber, unter ihrem eigenen Siegel geben dürfen, die Geistlichen bräuchten wie bisher keinen Frondienst zu leisten, wenn alle anderen Bürger es müssen. Bei diesem Ausfall der Verhandlungen war man deshalb auch in der Ratssitzung vom 30. März sofort geneigt: »die nottel so der Statthalter begriffen hat, abzuslagen, doch umb guter dinge willen in der Ratschlagung fürnemen.« In dieser am 31. März gehaltenen Ratschlagung wurde beschlossen:3 »als die Ver¬ handlungen zwuschen Dechant und Gapitel zu st. Bartholomeus am einen und dem rath anderntheils für den hochwirdigen fürsten und h. h. Wilhelm bischof zu Straszburg etc. Statthalter des Stiefts Mentz u. g. h. und alle gebrechen in ein abscheidt oder nottel verfaszt, dieselb verfaszte nottel nit annemen, aber den abscheid, so die verordente wie der begriffen ist, annehmen umb fridlebens willen, domit der Statthalter sehe, das ein erb. rath ye zu dem fridden ge¬ neigt sy.« Es ist uns noch das Konzept4 der Antwort des Rates an den Bischof erhalten, aus dem hervorgeht, dass der Rat in der Sachsen¬ häuser Angelegenheit und zwei anderen weniger wichtigen Punkten die Verhandlungen nach Ostern fortsetzen wolle »aber in den andern artikeln, sonderlich unsere freiheit betreffen, wissen wir (der Rat) diszmals one rechtlich erkentnus nit abzusten.«

Das war also der Erfolg jahrelanger Bemühungen, endloser

Verhandlungen, zahlloser Scbriftenwechsel. Die Geislichkeit gab

nicht nach und der Rat, wenn er auch protestierte, hatte nichts

erreicht. Es war somit so gut wie nichts gewonnen. Am schlimmsten

war das Volk daran, das mit diesem vorläufigen Abschluss der %

1 Der Entwurf zu dieser »nottel« findet sich W 50 53, am meisten korrigiert ist darin der Abschn. über die Zinsablösung. Abschriften dieses Entwurfes finden sich RK I Bl. 213 18 u. Barthol- Stiftsakten u. Urk. No. 4032.

2 BB 1524 Bl. 106 b.

3 Ratschi. P. II Bl. 94 a.

4 RK I B. 174.

209

Verhandlungen jahrelang gehegte Hoffnungen mit einem Male in ein Nichts zerflattern sah.

Das war das Bild der ganzen Lage in Frankfurt am Anfang des Aufruhrmonats April 1525. War es nun wahrscheinlich, dass bei der furchtbaren Gereiztheit und Erbitterung, die sich allmählich im Volke gegen die Geistlichkeit angesammelt hatten, bei dem allmählichen Auflodern des Aufruhrs an anderen Orten, bei dem Drängen und Schüren einzelner Männer wie Westerburg innerhalb Frankfurts selbst, dass da das Volk schweigend seine drückenden Lasten weitertragen und trotz der starren, gegen alle Verbesserungsvorschläge ablehnenden Haltung der Geistlichkeit und der schwächlichen Haltung des Rates auf dem Boden des Rechtes bleiben und in Gehorsam gegen Obrigkeit und Gesetz verharren würde? Gleich die nächsten Wochen zeigten, dass es nicht so kam. Dass aber der Ausfall der letzten Verhand¬ lungen und die schwächliche Haltung des Rates hiebei die letzte Veranlassung waren, die lang verhaltene, oft mühsam nur unterdrückte Erbitterung des Volkes nicht nur gegen die Geistlichkeit, sondern auch gegen den Rat selbst zur Entladung zu bringen, zeigt am besten der Inhalt des von Jung als einer der Entwürfe zu den 46 Artikeln nach¬ gewiesenen 1 i-Artikelbriefes, sowie der Gang der nächsten Ereignisse.

Auf die Verwandtschaft einzelner Teile des n-Artikelbriefes mit den Eingaben der Sachsenhäuser und den Eingaben der Liebhaber des Wortes Gottes ist schon hingewiesen worden. Von diesen 11 Artikeln selbst richten sich 5 Artikel der Hauptsache nach gegen die Geistlichkeit (1., 2., 3., 6., 10.), 5 ebenso gegen den Rat und seine Massnahmen (4., 5., 7., 8., 9.), 1 Artikel endlich gegen die Juden. Die 3 ersten Artikel stellen die ältesten Forderungen dar: Pfarrwahlrecht der Gemeinde, Heranziehung der Geistlichen zu den bürgerlichen Lasten, Ungiltigkeit der Erbzinsen, für die Brief und Siegel nicht nachgewiesen werden kann. Diese 3 Forderungen waren in den letzten Verhand¬ lungen in Mainz völlig zurückgewiesen worden. Die beiden nächsten Artikel betr. des Schutzes der Armen gegen das Aufkäufen von Korn und Wein, sowie betr. der Abgaben beim Herrichten von Treppe und Kellerloch richten sich gegen die bisher vom Rat beobachteten Massnahmen. Der 6. Artikel betr. Beseitigung unsittlicher Zustände richtet sich in erster Linie gegen die Geistlichkeit, dann auch gegen Laien. Der 7., 8. und 9. Artikel richtet sich wieder gegen den Rat mit der Forderung der Verminderung des »Ungeldes« an Korn und Wein, und der Besetzung des Gerichts und der Bürgermeisterämter je zur Hälfte aus der Handwerkerzunft. Der 10. Artikel richtet

M

210

seine Hauptspitze wieder gegen die Geistlichkeit; Ablösung der Erb¬ zinsen, wenn Brief und Siegel vorhanden. Es war klar, dass das Volk mit den gegen den Rat gerichteten Forderungen erst zuletzt hervortreten durfte, erst dann, wenn die Erbitterung aufs höchste gestiegen und alles sonach reif für einen Aufstand war. Wann war dieser Zeitpunkt gekommen? Eben jetzt nach dem Bekanntwerden der Verhandlungen mit Mainz. Wenige Tage darnach werden die Artikel eingereicht.

Damit ist die Vorgeschichte des Aufstandes beendet. Der Kampf beginnt. Die Wut des Volkes beherrscht einstweilen das Feld.

V.

Frankfurt und die französische Revolution

1789-1792.

Von

Professor DR- I. KRACAUER.

e*

14*

Kriegk hat zwar in seinem Aufsatz »Custine und die Erstürmung Frankfurts am Main durch die Franzosen im Jahre 1792« 1 diesen so bedeutsamen Abschnitt der Frankfurter Geschichte schon be¬ handelt, trotzdem schien mir eine nochmalige Bearbeitung aus mehreren Gründen geboten. Kriegk war eine Reihe wichtiger Akten¬ stücke, Denkschriften und Zeitungsabschnitte entgangen ; sodann hat er die Erlebnisse der Frankfurter Abgesandten in Paris nur so oben¬ hin berührt. Auch leidet seine Darstellung darunter, dass er die Geschehnisse aus dem Rahmen der Zeitgeschichte loslöst. Die Stellung der Stadt Frankfurt zur französischen Revolution, ihr Verhältnis zu Kaiser und Reich, die Politik des Rates in jener verhängnisvollen Zeit ist nicht gebührend gewürdigt. Meine Absicht war, diese Lücken auszufüllen.

Zugleich soll diese Arbeit die Einleitung, und den ersten Teil zu meinen früheren, den Zeitraum von 1796 bis 1806 behandelnden Veröffentlichungen bilden.2

Der Ausbruch der französischen Revolution wurde auch in Deutschland mit Jubel begrüsst. Der weltbürgerliche und zugleich humane Charakter, mit dem sich ihre Anfänge schmückten, hatte ihr in der Literatur ein mächtiges Terrain erobert, und das Evan¬ gelium des Genfer Reformators hatte in Frankreich kaum eifrigere Jünger gefunden als unter den Dichtern und Philosophen Deutschlands. Selbst die ersten blutigen Taten der siegreichen Revolution ver¬ mochten nicht, die Begeisterung für sie zu trüben.

Es wäre wunderbar genug gewesen, wenn nicht auch in Frank¬ furt weite Kreise der Bevölkerung diese allgemein in Deutschland herrschende Stimmung geteilt hätten. Das Misstrauen gegen gekrönte

1 G. L. Kriegk, Deutsche Kulturbilder aus dem achtzehnten Jahrhundert (Leipzig 1874) S. 192 262.

2 Erschienen in Band III, V, VI und VII der dritten Folge dieser Zeitschrift.

214

Häupter, die Abneigung, in ihre Dienste zu treten, zeichneten, wie wir von Goethes Vater wissen, gerade den Frankfurter aus. Das reichsstädtische Bürgertum hatte sich stets gegen die über¬ triebenen Vorrechte des Adels, gegen dessen Bevorzugung im Staats¬ und Heeresdienst, gegen den unglaublichen Hochmut, mit dem er auf die anderen Stände herabsah, mit aller Entschiedenheit aufgelehnt. Hier in Frankfurt hatte das Bürgertum im Beginn des achtzehnten Jahrhunderts in lang anhaltendem Kampf seine politische Gleich¬ berechtigung erlangt; jetzt sah es, wie auf einer weit grösseren Bühne in weit grösserem Umfang der Kampf um dieselben hohen Güter entbrannt war. Wo es sich darum handelte, den Feudalstaat in Stücke zu schlagen, das Übergewicht des Adels zu brechen, da dürfen wir keinen Augenblick zweifeln, auf wessen Seite die Sym¬ pathien der Frankfurter Bürger standen.

Leider sind wir hierüber bei dem Mangel an Nachrichten höchst dürftig unterrichtet; den Organen der öffentlichen Meinung, den Zeitungen,1 war die Möglichkeit, sich über die Pariser Vorgänge unbefangen zu äussern, durch eine scharfe Zensur benommen. Immer¬ hin entschlüpft ihnen doch bei mancher Gelegenheit ein Ausdruck der Zufriedenheit über die Wendung der Dinge in Frankreich. Wenn das Frankfurter Journal2 von den französischen Edelleuten spricht, die ihres Vermögens beraubt umherirren, so äussert es kein Mit¬ leid mit ihnen: »Diese kleinen Herren«, schreibt es, »haben die ver¬ abscheuungswürdige Rolle grosser Despoten gespielt, ihre Untertanen mit Lasttieren in eine Klasse gesetzt und dadurch die lang schlafende Rache gereizt; aber auch des Unschuldigen schont die Volkswut nicht.« Auch die weitere Entwickelung der Ereignisse begleitet das Journal mit Wohlwollen; es feiert den zuerst von ihm verkannten Mirabeau als den grossen Mann und widmet ihm nach seinem Tod Worte hoher Anerkennung. Erst das Überhandnehmen der extremen Richtung lässt es befürchten, dass »die Zügellosigkeit die Säule der Freiheit stürzen wird, die sie befestigen will«, lässt es wünschen, »dass keine Schwindelköpfe die Nation leiten möchten, damit sie nicht zu weit gehe und dadurch das Gute verderbe, das sie jetzt

1 In Frankfurt erschienen damals 3 politische Zeitungen: das Frankfurter Journal, das Frankfurter Staatsristretto und die Oberpostamtszeitung, die aber nicht der städtischen Zensur unterstand, da sie das offiziöse Blatt des Hauses Thurn und Taxis war. Zu diesen Blättern kommt 1793 das französische Journal de Francfort.

* Vom x. September 1789.

215

dadurch stiften könne, wenn alles ins gehörige Gleichgewicht ge¬ setzt werde.« 1

Unbeirrt von den Stimmungen der Bürgerschaft ging die städtische Regierung in der auswärtigen Politik ihre eigenen Wege. Man wäre im Irrtum, wollte man glauben, dass sie die Staatsum¬ wälzung in Frankreich sehr beunruhigt hätte. Weder in den Rats¬ protokollen von 1789 bis 1792, noch sonstwo wird der Revolution gedacht oder gar die Befürchtung geäussert, dass dem städtischen Gemeinwesen von ihr Gefahr drohe, und wo der Rat sich doch mit Vorkehrungen gegen das Übergreifen der Revolution in die Rhein¬ gegenden befasste, wurde er nur durch Anstoss von aussen dazu ver¬ anlasst. So überraschten ihn die Ereignisse des Oktober 1792 völlig.

Es wäre unrecht, wenn man dem Rat daraus den Vorwurf einer unbegreiflichen und unverantwortlichen Kurzsichtigkeit machen wollte. Er teilte durchaus die Ansicht über die Weltlage, die damals wohl in Deutschland allgemein verbreitet war.

Ein Land wie Frankreich, in dem alle Grundlagen der öffent¬ lichen Ordnung wankend geworden waren, das sich in selbst¬ mörderischem Kampf zerfleischte, dessen reguläres Heer in Auflösung begriffen war, schien zu allem eher als zu einem Angriffskrieg ge¬ eignet. Unternahm es aber in wahnsinniger Verblendung wirklich einen solchen, was wollten seine wilden, ungeordneten, zuchtlosen Haufen gegen die Truppen des Kaisers, des Königs von Preussen und der Fürsten des deutschen Reiches bedeuten? Die Tage von Rossbach und von Minden würden sich nur wiederholen.

Ausserdem durfte doch Frankfurt beim Ausbruch eines Reichs¬ krieges auf den Schutz des Kaisers sicher rechnen. Es war ja die Wahl- und Krönungsstadt der deutschen Kaiser, und das Bild der kaiserlichen Macht war durch die beiden kurz aufeinander folgenden Krönungen Leopolds II. (am 9. Oktober 1790) und Franz II. (am 7. Juli 1792) besonders lebhaft vor Augen getreten. .

Der Rat glaubte ausserdem die Stadt durch das benachbarte Mainz, das stärkste Bollwerk des Reiches am Rhein, gedeckt; auch gewährte es eine gewisse Sicherheit, dass ihr Gebiet mit seinen acht

l

1 Dns Frankfurter Ristretto ist in seinen Urteilen viel zurückhaltender als das Journal; wo dieses offen Partei für Ludwig XVI. nimmt, sich über seine Flucht freut, seine Gefangennahme beklagt u. s. w., begnügt es sich damit, die Tatsachen einfach, ohne jede Bemerkung zu berichten; erst von Mitte 1792 ab tritt es mit seiner Entrüstung über die Greuel der Revolution offen hervor.

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Dörfern' an das der mächtigsten Fürsten des westlichen Deutschland, nämlich des Landgrafen von Hessen-Darmstadt und des Landgrafen von Hessen-Kassel, stiess, deren Heere unzweifelhaft zu den besten des Reiches zählten und wohl auch bereit waren, die Stadt zu schützen, wie sie auch Ende September 1790 ihre Truppen zur Sicherung der Wahl und Krönung Leopolds II. im benachbarten Bergen zusammen¬ gezogen hatten.

So von allen Seiten gedeckt, sah der Rat ruhig der Zukunft entgegen. Er vermehrte nicht die Garnison der Stadt, obgleich sie kaum ausreichte, die umfangreichen Wälle zu besetzen, und liess die Festungsgräben und die Befestigungswerke in dem alten, vernach¬ lässigten Zustand.

So unbesorgt der Rat im Grunde auch war, er hütete sich doch, die Machthaber in Paris durch irgend eine Massregel zu reizen, bemühte sich vielmehr während dieses Zeitraumes, die strikteste Neutralität zu bewahren. Schon das Handelsinteresse der Stadt ver¬ langte dies. Denn die Frankfurter Messen wurden von französischen Kaufleuten stark besucht; die Stadt galt, wie es in einer Denkschrift aus dieser Zeit heisst, als der vorzüglichste Kanal, durch den die Erzeugnisse des südlichen Frankreichs Porzellan, Seide- und Mode¬ artikel nach dem Innern Deutschlands gelangten, und ansehnliche Frankfurter Kapitalien waren in Frankreich investiert. Diese Vorsicht entsprach auch durchaus der traditionellen Politik des Rates, deren vorwaltender Zug von jeher kluges Zurückhalten und sorgfältiges Abwägen aller Umstände war.

Von den Beschlüssen der französischen Nationalversammlung im August und November 1789 waren die geistlichen Stände des ober- und kurrheinischen Kreises, die auf französischem Gebiet Be¬ sitzungen hatten, am schwersten betroffen worden. Nichts Geringeres als der völlige Umsturz der Jahrhunderte alten hierarchischen Ordnung und die Herstellung einer Kirchenverfassung drohte ihnen, in der von

1 Linksmainisch : Oberrad und ursprünglich s/ 4 von Niederrad. Nach dem Vergleich vom 29. August 1668 hatte die Stadt 3 Jahre, der Deutsche Orden 0 1 Jahr abwechselnd die Regierung über das Dorf; rechtsmainisch Bornheim, Hausen und Bonames, Dortelweil und Niedererlenbach in der Wetterau und die Hälfte von Niederursel. Gewisse Rechte standen der Stadt Frankfurt gemeinsam mit Kurmainz in den Dörfern Sulzbach und Soden zu. S. Moritz, Versuch einer Ein¬ leitung in die Staatsverfassung der oberrheinischen Reichsstädte, Teil I, S. 261 ff.

217

ihren Herrschaftsrechten, ihren Einkünften usw. nicht mehr die Rede war. Aber auch in ihren eigenen Gebieten fühlten sich die geistlichen Herren nicht mehr sicher. Überall waren da Zündstoffe genug, die einer revolutionären Propaganda Erfolg verhiessen. Dem geknechteten Landvolk, das unter Abgaben aller Art litt, winkte jetzt das ver¬ führerische Bild der neuen Freiheit, die alle gutsherrschaftlichen Lasten beseitigt hatte; auch das Bürgertum, tief unzufrieden mit dem den Aufgaben der Zeit nicht gewachsenen geistlichen Regiment, machte aus seiner Sympathie für die Revolution kein Hehl.1

So erschienen auch die geistlichen Stände zuerst auf dem Plan zur Abwehr der sie bedrohenden Gefahr und suchten hierbei auch die Mitwirkung Frankfurts nach. Solange es sich nur um allgemeine Sicherheitsmassregeln handelte, widerstrebte auch der Rat nicht. Demnach beabsichtigte er, durch das kurfürstlich mainzische Edikt vom 7. September 1789 bestimmt,2 gegen »die Überläufer, Vagabunden und das liederliche Gesindel, das diese öffentliche Gärung zu eignem Vorteil zu benutzen weiss«, scharf einzuschreiten, die Fremdenpolizei in Stadt und Land zu verschärfen, Tag- und Nachtwachen mit Schiess¬ waffen zu versehen usw. Auch der gerade 11m diese Zeit in Frankfurt zusammengetretene Oberrheinische Kreistag beschäftigte sich an¬ gelegentlichst mit der Reinhaltung seines Gebietes von verdächtigen Elementen. Auf Antrag der geistlichen Stände beschloss er sogar »Spezialstreifungen durch Wälder und Durchsuchung aller abgelegenen Mühlen«,3 wozu Frankfurt als Mitglied des Kreises seine Mit¬ wirkung Zusagen musste. Der Kreistag verpflichtete ferner seine Stände zur schärfsten Beaufsichtigung der politischen Tageszeitungen, damit sie nicht das gefährliche Gift der neuen Ideen ihren Lesern einimpften. Auch diesem Beschluss musste sich der Rat fügen und seine wahrlich zahme Presse noch mehr knebeln. Und so schärfte er dem Frankfurter Journal und dem Frankfurter Ristretto ein, »keine Anzüglichkeiten gegen hohe Häupter, .... unglimpfliche, zweideutige, oft scherzhafte Anzeigen von vorgeblichen Aufwieglungen oder Widersetzlichkeiten benachbarter Untertanen gegen ihre Obrig¬ keiten einzurücken, in Fällen aber, wo von solchen Unruhen zu

1 Über die Zustände und die Stimmung in Mainz s. Häusser, Deutsche Geschichte seit dem Tode Friedrichs des Grossen, I S. 426.

2 S. Politische und militärische Verhandlungen 1789—1806 Nr. 1 im Frank¬ furter Stadtarchiv. Diese Aktenbestände werden weiterhin lediglich mit der Nummer der einzelnen Faszikel angeführt.

3 1. c. Nr. 2.

2lS

berichten wäre, auch stets der Nachteile, die daraus für die Bürger erwüchsen, zu gedenken«.1 Und da auch die dritte in Frankfurt erscheinende Zeitung, die Oberpostamtszeitung,2 vom Thum und Taxisschen Oberpostamtsdirektor Freiherrn von Vrintz - Berberich gleiche Verwarnung erhielt, so befand sich die Frankfurter Presse wahrlich in keiner beneidenswerten Lage. Am sichersten für sie war es auf alle Fälle, entweder die politischen Ereignisse mit völligem Stillschweigen zu übergehen oder, wo dies nicht tunlich, sie ohne Bemerkung zu berichten, es dem Leser selbst überlassend, welche Stellung er dazu nehmen wollte. Vergebens wäre das Bemühen, aus den Frankfurter Blättern jener Tage ein zutreffendes Bild von den politischen Vorgängen am Rhein und im westlichen Grenzlande zu gewinnen.

Zu einer Zeit, wo man gerade in Frankfurt diesen mit fieber¬ hafter Spannung folgte, beobachten die Zeitungen der Stadt entweder ein völliges Stillschweigen hierüber oder speisen die Leser mit dürftigen, zusammenhangslosen Notizen ab. Zur Entschädigung dafür enthalten sie die ausführlichsten Berichte über die Zustände in Warschau und Stockholm, über die Ereignisse auf dem österreichisch-türkischen Kriegsschauplatz. Konstantinopel und die junge nordamerikanische Republik erfreuen sich besonderer Berücksichtigung. Wenn trotzdem immer noch beim Rat von verschiedenen Seiten Klagen gegen die Frankfurter Presse einliefen,3 so trug nicht diese die Schuld daran, sondern die allzugrosse Empfindlichkeit der Machthaber diesseits und jenseits des Rheines. Beschwerte sich doch die Würzburgische Regierung darüber, dass das Frankfurter Journal einen ihrer Erlasse nur auszugsweise mitgeteilt habe! In dieser Verkürzung erblickte sie eine Flerabwürdigung der Obrigkeit! Und der preussische Stadtkommandant von Loukadou wollte den Zeitungen die Aufnahme von Nachrichten vom Kriegsschauplätze überhaupt verbieten, weil sie vom Laienpublikum gar zu leicht falsch aufgefasst würden.4 Fürwahr, der Notschrei der Frankfurter Redakteure aus dieser Zeit war nur zu sehr berechtigt.

1 Ratsbeschluss vom 13. Oktober 1789. S. auch Ugb E 100 Nr. 30.

2 Eigentlich »die Frankfurter Kaiserliche Reichs-Ober-Post-Amts- Zeitung«.

5 Näheres hierüber in den Zensurakten Ugb A 24 Nr. 108, m, 122, 12811. s.w. Unter den Beschwerdeführern befinden sich der Bischof von Speyer, der Kgl. sardinische Baron O’Cahill, der Fürst von Lichtenstein, die Stadt Köln, die Stadt Strassburg und andere.

4 1. c.

219

Je mehr sich die Gegensätze zwischen dem monarchischen Europa und dem revolutionären Frankreich zuspitzten, um so schwieriger wurde die Lage des Frankfurter Rates. Die geistlichen Fürsten verlangten jetzt ein gemeinsames, entschiedenes Auftreten gegen die Revolution. Mitte Juni 1791 trat der Bischof von Worms, der besondere Beschützer der Emigranten, an den oberrheinischen Kreis mit dem Verlangen heran, einen starken Kordon kreisständischer Truppen an der Grenze zusammenzuziehen, um die französischen Emissäre und Jakobiner fernzuhalten. Dem widersprach aber der städtische Vertreter auf dem Kreistage, Flerr von Günderrode, nach¬ drücklich und auch erfolgreich.

Gerade jetzt, um die Mitte des Jahres 1791, hatte der Rat auch alle Ursache, sich des Wohlwollens der Nationalversammlung zu versichern, da er von ihr die Wiedererstattung der im Siebenjährigen Krieg für die französischen Truppen verauslagten Summen erhoffte.1

Wenn schon diese entschiedene Opposition gegen den Bischof von Worms in Paris ein günstiges Vorurteil für die Stadt erwecken musste, so noch viel mehr ihre Flaltung gegen die Emigranten. Anders¬ wo, besonders von den geistlichen Fürsten am Rhein, waren sie mit offenen Armen aufgenommen und auf jedwede Weise begünstigt und verwöhnt worden. In Frankfurt aber kam der Rat der Bitte des französischen Ministers des Auswärtigen Montmorin, die Intrigen der Emigranten zu hintertreiben, bereitwilligst nach. Wo diese nur an¬ klopften, überall fanden sie verschlossene Türen. Dies erfuhr zuerst das Haupt der Emigranten selbst, der Graf von Artois, der Bruder Ludwigs XVI. Sein Gesuch, ihm gegen ein Unterpfand von Juwelen 200000 Gulden aus dem städtischen Pfandhaus zu leihen, ward kurzer Hand abgeschlagen,2 desgleichen das Anerbieten eines Koblenzer

1 Frankfurt hatte im Siebenjährigen Krieg, als die Stadt von den Franzosen besetzt war, ihnen 974178 Rationen, jede zu 12 resp. zu 16 sous geliefert, aber bis dahin keine Bezahlung erlangt. Jetzt erboten sich Pariser Bankhäuser und sogar ein kurpfälzischer Hofrat um die Wette, der Stadt gegen entsprechende Provision die fragliche Summe zu verschaffen. Der Rat zog es aber vor, durch einen der angesehensten Bürger, Schweizer, den er nach Paris sandte, mit ein¬ flussreichen Mitgliedern der Nationalversammlung direkt darüber zu verhandeln. Schweizers zweimonatlicher Aufenthalt daselbst war ohne den gewünschten Erfolg. Weder der französische Staatsrat noch die Nationalversammlung wollten die Schuld anerkennen, da die Stadt zur unentgeltlichen Verpflegung der zu ihrem Schutze dienenden Truppen verpflichtet gewesen sei. Näheres hierüber in Nr. 2a (30 Akten¬ stücke).

a Ratsbeschluss vom 12. Mai 1791.

220

Handelshauses, vom städtischen Zeughaus Kanonen zum Einschmelzen zu kaufen,1 weil der Rat darin nur einen Versuch der Emigranten sah, sich auf diesem Umweg Kriegsmaterial zu verschaffen. Und als diese gar Miene machten, in der Stadt einen Werbeplatz zu einer Invasion nach Frankreich zu errichten, da ging er scharf gegen sie vor. Dem Oberstleutnant Chartick und anderen Werbeoffizieren des Grafen von Artois verbot er den Aufenthalt in der Stadt; über den Marquis de Mesle verhängte er eine dreitägige Haft, weil er einen Bürgerssohn angeworben hatte, und verwies ihn dann aus seinem Gebiet. Als ferner eine Abteilung Rekruten, die zu dem Korps der königlichen Prinzen stossen sollte, durch Frankfurt geführt wurde, Hess er sie nebst ihren Führern festnehmen und nicht weiter ziehen. Ja der Rat verbot den Kaufleuten geradezu, Gelder oder Effekten der Emigranten in Verwahrung zu nehmen oder überhaupt mit ihnen in geschäftliche Verbindung zu treten.2 Freilich hatten diese eine solche Behandlung durch ihr Auftreten in der Stadt zum Teil selbst verschuldet. Ihr zügelloses Treiben und der anmassende Ton gegen die Bürger hatten den Rat im April 1792 zu einem besonderen Erlass genötigt, in dem er die ungeladenen Gäste in die Schranken des Anstandes zurückwies. 3

Diese wenig entgegenkommende Haltung des Rates gegen die Emigranten wurde in den leitenden Kreisen Frankreichs wohl an¬ erkannt. Der interimistische Minister des Auswärtigen, Delassart, dankte Mitte November 1791 dem Rat »für seine weise Haltung« und hoffte, dass er auch in Zukunft den Emigranten weder Waffen noch Munition liefern würde.4

Im Gegensatz zum offiziellen Frankreich aber waren die revo¬ lutionären Kreise jenseits des Rheins, besonders im Eisass, trotz alledem von einem unausrottbaren Misstrauen gegen die Stadt erfüllt. Wessen beschuldigte man sie da nicht! Sie dulde Emigranten und Werbeoffiziere in ihren Mauern, gestatte das Tragen der weissen Kokarde, die als Demonstration gegen die neue Ordnung in Frank¬ reich galt; sie habe auf Wunsch des Kurfürsten von Mainz Strass¬ burger Schiffern die Flagge mit der Aufschrift »Liberte nationale ou

1 Nr. 3.

2 Näheres hierüber im Memoire presente ä la Convention Nationale avec les picees justificatives par les Deputes de la ville libre d’Empire de Francfort-sur- le-Mein S. 10—12. S. auch Ratsbeschluss vom 29. Dezember 1791.

3 Memoire S, 14.

+ 1. c.

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mourir!« abnehmen lassen.1 Am meisten tat sich in Gehässigkeiten, die auch vor Verleumdungen nicht zurückschreckten, die revolutionäre Partei Strassburgs hervor, die ihre Vereinigung in der Konstitutions¬ gesellschaft hatte. Ihr Organ, der Strassburger Courier, warf dem Rat geradezu Bruch des Völkerrechtes vor, wofür er vom Ministerium eine scharfe Rüge verdiene ; der französische Resident Barozzi aber, der dies alles dulde, sei durch einen Patrioten zu ersetzen. Ja sie forderte, dass Marschall Luckner, wenn er nach Eröffnung des Feld¬ zuges in Frankfurt einzöge, eine starke Kontribution dort erhebe. Und die »Strassburger Zeitung« blieb hinter dem Courier nicht weit zurück, auch sie schrieb Hetzartikel gegen die Stadt, deren Blätter »rasend aristokratisch« seien und die Franzosen als eine Bande von Dieben, Verrätern und Mordbrennern hinstellten.2

Was half es, dass sich der Rat über diese die Wahrheit völlig entstellenden Hetzartikel bei der Munizipalität Strassburgs beschwerte! Sie erklärte sich bei der bestehenden Pressfreiheit ausserstande, »die Zeitungsschreiber in Schranken zu halten«, und überliess es dem Rat, den Verleger des Blattes gerichtlich zu belangen.3

Die Erbitterung der Konstitutionsgesellschaft gegen Frankfurt war begreiflich. Sie, »die Hauptschmiede der rebellischen Schriften«4, hatte sich gerade Frankfurt zum Ort ihrer Propaganda ausersehen und in zahlreichen dorthin gesandten Schriften die Bürger aufgefordert, nach dem Beispiel der Franken ihre Sklavenketten zu zerreissen und eine Volksherrschaft zu errichtend Aber ihre revolutionäre Saat fiel

1 Nr. 5.

2 So in der Nummer vom 10. Oktober 1792.

3 S. Briefwechsel mit Sjrassburg und dem französischen Residenten in Frank¬ furt über verschiedene falsche oder verleumderische Artikel der Strassburger Zeitung gegen Frankfurt in Nr. 8 und 13. Die Zeitung war übrigens wegen ihrer »bitteren Anzüglichkeiten gegen hohe Häupter« in Frankfurt in allen Buchhandlungen und in der Esslingerschen Lesegesellschaft verboten (Schöfifenprot. vom 17. Aug. 1791 und Ugb A 24 Nr. 127).

4 Als solche bezeichnet sie der kursächsische Polizeidirektor in einem Schreiben an den Älteren Bürgermeister (vom 22. März 1792), in dem er vorschlägt, alle deutschen Polizeidirektionen sollten mit einander in Korrespondenz treten, um der revolutionären Seuche Einhalt zu tun; Nr. n.

3 Eine Reihe solcher Schriften : »Das allerneuste katholische Katechismus¬ büchlein. Rom, auf Kosten der Propaganda 1791«; ferner: »Merkwürdige Reise des Papstes in den Himmel, in die paradiesischen Gerichtshöfe und in die Hölle; Galerie der pfälzischen Dienerschaft ; Letzter Ruf der freigewordenen Franken an die unterdrückten Völker; Allgemeiner Aufstand oder vertrauliches Rundschreiben an die benachbarten Völker, um sie zu einer heiligen heilsamen Empörung aufzu¬ muntern« (Nr. 5 und 11) erwähnt der Rat in einem Schreiben an die Dresdner Polizei.

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in Frankfurt auf steinigen Boden; die Empfänger der aufreizenden Schriften lieferten sie an den Rat aus und dieser regte sich nicht weiter darüber auf, tat auch keinen Schritt, um den Strassburgern das Handwerk zu legen. Er kannte zu gut die in der Bürgerschaft herrschende Stimmung.1 »Wir haben es für zuträglicher gehalten«, schrieb er später2 3 * der kursächsischen Polizei, »mit Verboten nur spar¬ sam hervorzutreten, damit nicht ein zu merkbares Entgegenarbeiten nur noch grössere Aufmerksamkeit errege«.

Diesen Standpunkt vertrat der Rat auch nachdrücklichst im März 1792 bei den Beratungen des oberrheinischen Kreistages über die vom Kaiser zur völligen Unterdrückung der Pressfreiheit vor¬ gelegten Anträge. Darnach sollten nicht nur die Bücher, sondern auch Schauspiele, Gemälde und Kupferstiche auf ihren staats- und religionsfeindlichen Charakter hin geprüft worden. Das Ungeheuer¬ lichste aber war der Vorschlag, alle Druckereien, die sich in Reichs-, Universitäts- und grösseren Hauptstädten befänden, der besseren Beaufsichtigung wegen überhaupt aufzuheben. Mit aller Entschieden¬ heit sprach sich der Vertreter Frankfurts gegen derartige Anträge aus, »die der Geistesentwicklung und dem Fortschreiten der Wissen¬ schaft zum empfindlichsten Druck und Hemmung gereichen würden, ohne dass man die dadurch bezweckte Absicht erreiche«; und so fielen diese kulturfeindlichen Bestrebungen, zumal da noch andere Stände Frankfurt unterstützten.

Mit dem Anfang des Jahres 1792 wurde der Rat bald vom kaiserlichen Gesandten, dem Grafen Schlick, bald vom mainzischen General Gmelin, bald vom Grafen Morsan, preussischem Kammer¬ herrn und zugleich Bevollmächtigtem des Adels Frankreichs5, benach¬ richtigt, dass die Jakobiner durch ihre Sendlinge die Stadt zum

1 Im selben Schreiben nach Dresden heisst es ... . »Die hiesige Bürgerschaft ist weit entfernt, das Vorzügliche ihrer Verfassung zu misskennen und an solchen Neuerungen Geschmack zu finden .... Immerhin mögen solche Broschüren auch-// in Frankfurt Liebhaber und Neugierde finden, ohne dass die Polizei davon Kenntnis erhält, aber dies ist nicht zu verhindern, da bei einer Stadt, die dem Handel ihren Wohlstand verdankt, die Erhaltung der Freiheit des Handels eine der vorzüg¬ lichsten Rücksichten sein muss«.

2 Am 22. März 1792.

3 Er nennt sich »Commissaire de la Noblesse fran^aise« (Bei Chuquet

heisst er Marsan). Auch die hessische Regierung in Hanau warnte den Rat von

Frankfurt vor den republikanischen Emissären (Nr. 14).

223

Mittelpunkte des »auszustreuenden Samenaufruhrs« erkoren hätten, um in erster Reihe die elsässischen, lothringischen und hessischen Truppen fahnenflüchtig zu machen. Der mainzische Minister Albini wusste sogar von zwei sich dort aufhaltenden weiblichen Emissären des Jakobinerklubs, die unheilvolle Pläne gegen Frankfurt und Mainz schmiedeten, und verlangte die Beschlagnahme ihrer Papiere.' Aber die angebliche Gräfin Monzeville aus der Champagne entpuppte sich als eine Modistin aus Metz, die während der Frankfurter Messe ihre Waren feilhielt, und die andere Emissärin als ihre Dienstmagd. Obgleich ihre Papiere nichts Verdächtiges ergaben, so erhielten beide doch die Weisung, die Stadt binnen drei Tagen zu verlassen, ein Gesuch um Gestattung einer achttägigen Frist ward abgeschlagen. So reiste Frau Monzeville voller Ingrimm nach Paris; die Gelegenheit, sich an dem Rat für die ihr zugefügte Beleidigung zu rächen, sollte sich ihr bald bieten.1 2

Diese fortwährenden Denunziationen mussten den Rat um so mehr aufregen, als Frankfurt wegen der bevorstehenden Kaiserwahl wieder einmal in den Mittelpunkt der deutschen Ereignisse gestellt war. Die grosse Verantwortung, die der Rat in dieser Zeit auf sich zu nehmen hatte, spornte ihn zu besonderer Wachsamkeit an. Eine Art von Geheimpolizei ward wieder eingerichtet zur schärferen Kontrolle der Fremden, besonders der Franzosen,3 die Torposten wurden mit besonders zuverlässiger Mannschaft besetzt und die Stadttore früher als sonst geschlossen. So gesichert konnte die Wahl des neuen Reichsoberhauptes erfolgen. Mitte Juni 1792 erschienen die Bevoll¬ mächtigten der Kurfürsten in der Stadt; am 5. Juli war der Wahltag, und Franz, König von Ungarn und Böhmen, ward einstimmig als Franz II. zum Nachfolger Leopolds auf dem deutschen Thron erwählt.

Glänzende Tage erlebte jetzt Frankfurt. Feste wechselten mit wichtigen Konferenzen ab, die seit Mitte Juli zwischen der öster¬ reichischen und preussischen Diplomatie unter Zutritt Mallets, des Abgesandten Ludwigs XVI., in Frankfurt abgehalten wurden.4 Bereits am 20. April hatte der französische Herrscher Österreich und Preussen den Krieg erklären müssen, doch währte es geraume Zeit, bis beide Staaten Frankreichs Herausforderung gebührend beantworteten. Nur

1 Nr. 10 und 12.

1 Nr. 15.

3 Die 1790 vom Schatzungsamt eingesetzte Geheimpolizei scheint nur kurze

Zeit bestanden zu haben.

4 Häusser I, 363.

224

langsam setzten sich die Heere der Verbündeten in Bewegung; erst am 19. August ward die Grenze Frankreichs überschritten und damit der eigentliche Feldzug eröffnet. Ob jetzt noch angesichts der Be¬ mühungen der beiden deutschen Grossstaaten, auch das Reich in den Krieg mithineinzuziehen, der Frankfurter Rat das ängstlich befolgte System der Neutralität weiter behaupten könnte, erschien mehr als zweifelhaft. Wie dem auch war, jedenfalls wollte er verhüten, dass Handel und Verkehr, die Quelle des Wohlstandes der Stadt, durch den Krieg litten. Keine Mühe liess er sich verdriessen, um dieses Ziel zu erreichen. Ende August bestürmte er durch Deputationen die preussischen und österreichischen Heerführer, die Schiffahrt auf dem Rhein vor Belästigung oder Störung zu schützen; sein Vertreter auf dem Reichstag zu Regensburg, Herr von Selpert, hatte diesem eine Denkschrift »Bemerkungen über das V erbot des Kommerzes im deutschen Reichskrieg« zu übergeben; die wichtigsten Reichsstädte wie Bremen und Hamburg, Nürnberg, Regensburg, Köln, Aachen und noch andere lud er zu gemeinsamem Vorgehen ein.1 Und die Bemühungen der Stadt sind auch nicht ohne Erfolg geblieben.2

Inzwischen machte die Kanonade bei Valmy dem Vordringen der Preussen unter dem Herzog von Braunschweig ein Ende; um die Mitte September trat er den Rückzug an den Rhein an und gab damit das ganze linke Rheinufer schutzlos den Franzosen preis. Diese ergriffen nun keck und zuversichtlich die Offensive. Von Landau aus setzte sich General Custine mit 18000 Mann in Bewegung und erschien am 30. September vor Speyer. Mit leichter Mühe warf er den unfähigen mainzischen Obersten Winkelmann mit seiner geringen Schar zurück und nahm die Stadt mit ihren reichen Magazinen und bald darauf Worms ein. Von beiden Städten wurden unter Drohungen hohe Summen erpresst, und als Worms diese zur bestimmten Frist nicht ganz zahlen konnte, nahm Custine angesehene Bürger als Geiseln mit sich.

Die Nachricht von dem Vordringen Custines an den Rhein, der Überfall der beiden Reichsstädte erregte überall Angst und

1 Reichstagsakten 1792. Am 22. Oktober erhält Selpert abermals die Anweisung, für die »Offenlassung des innocenten Kommerzes und der freien Handel- und Wechselgeschäfte« zu wirken.«

2 Artikel 7 des Reichstagsbeschlusses vom 22. März 1793, durch den der Reichskrieg beschlossen ward, bestimmte die Freilassung des Handels mit der französischen Republik abgesehen von den für Konterbande erklärten Waren , falls diese auch dazu bereit wäre.

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Schrecken. Allgemein war die Ratlosigkeit; kein Gedanke an Wider¬ stand regte sich, nur schleunigste Flucht vor dem früher so verächtlich behandelten Feinde war die allgemeine Losung. Der Landgraf von Hessen-Darmstadt, die Kurfürsten von Mainz und von Köln verliessen eiligst ihre Länder, und der Kurfürst von der Pfalz unterhandelte sogar mit dem Feinde um Neutralität.1

Auch den Frankfurter Rat hatten die Ereignisse völlig über¬ rascht. Auf die Kunde von der Einnahme der beiden befreundeten Reichsstädte und dem Heranrücken der Franzosen2 beschloss er in ausserordentlichen Sitzungen am 3. und 5. Oktober, zu denen auch die Syndici zugezogen wurden, nach Oppenheim, Darmstadt, Mannheim unverzüglich vertraute Leute zu schicken. Sie erhielten die Anweisung, an diesen Orten Nachrichten über die Stärke des französischen Heeres, seine Bewegungen u. s. w. einzuziehen und sie nötigenfalls per Stafette einzuschicken; gleichzeitig suchte der Rat bei der darmstädtischen und der mainzischen Regierung zu erfahren, wie sie einem etwaigen feindlichen Angriff zu begegnen gedächten.3 Aber die Beantwortung dieser Frage hatte für den Rat nur theoretischen Wert. Er hatte zwar bereits die waffenfähige Mannschaft aus den Dörfern einberufen und das grobe Geschütz zum Teil auf die Wälle bringen lassen, beschloss aber in der Sitzung vom 5. Oktober, alle Verteidigungsmassregeln einzustellen. Die Bürgerkapitäne (Vorsteher der 14 Stadtquartiere) hatten jetzt den Bürgern von Haus zu Haus einzuschärfen, beim Fieranmarsch der Franzosen sich still und ruhig zu Hause zu halten, »damit keinem einzelnen und dem gemeinen Wesen im ganzen da¬ durch Unannehmlichkeiten . . zugezogen würden.«4 Die Bürger¬ schaft war womöglich noch friedlicher als der Rat gestimmt. Auf ihr dringendes Verlangen ward das Geschütz von den Wällen wieder in das Zeughaus zurückgebracht. Fast war es ihr zu viel, dass jetzt nachts Patrouillen die Stadt durchzogen und dass das Kriegszeugamt verlangte, die Bürger sollten selbst ihre pflichtmässigen Wachen über- *

1 Häusser I, S. 408 ff. »La terreur etait dans FEmpire et les Allemands precipitaient au devant des Francais pour faire leur soumission«. Chuquet, l’expe- dition de Custine S. 109.

2 Die Reichsstadt Worms, die Ende Dezember 1791 ihre Gelder und Akten in Frankfurt der grösseren Sicherheit wegen deponiert hatte, liess sich jetzt erstere zur Bezahlung der ihr auferlegten Kontribution wieder zurücksenden.

3 Ratsprotokoll vom 1., 3., 5. Oktober.

4 1. c. vom 5. Oktober. Die Beamten des Ackergerichtes erhielten gleiche Anweisung.

15

nehmen und keine Stellvertreter schicken.1 Man begriff einfach den Ernst der Lage nicht, lebte noch immer in dem Wahne, dass die Beziehungen der Stadt zu Frankreich in bester Ordnung seien.2 Hatte man doch eben erst wieder unzweideutige Beweise von neutraler Gesinnung gegeben; man hatte hessischen das städtische Gebiet durchziehenden Bataillonen das Uebernachten in der Stadt abgeschlagen und den Mainzern die Ueberlassung von Geschützen und Artilleristen verweigert. Aergerlich genug war es freilich, dass in dieser kritischen Zeit die Strassburger Blätter von neuem ihren Feldzug gegen die Stadt eröffneten.3 In diesen Hetze¬ reien lag doch ein gewisses System, und überschritt ein französisches Heer unter Führung eines jakobinisch gesinnten Generals den Rhein, so mochte Frankfurt sich hüten.

Den Rat überkam jetzt die Ahnung, dass die Dinge vielleicht doch nicht so glatt für die Stadt verlaufen würden. Nur so erklärt sich der Befehl, den er in diesen Tagen den Torwachen erteilte, keinen Bürger ohne besonderen Erlaubnisschein herauszulassen. Bei Verlust des Bürgerrechtes ward gerade den Reichsten geboten, in der Stadt zu bleiben, da man vielleicht ihre Unterstützung nötig haben würde. Wirklich naiv mutet uns ein weiterer Beschluss des Rates an, wenn sich ein französisches Heer den Mauern nähere, ihm Deputierte entgegenzuschicken, »um sich nach der Ursache dieses Heranrückens und allenfallsiger Intention zu erkundigen.« 4

1 Ratsprotokoll vom 3. Oktober.

2 So schreibt das Frankfurter Ristretto in der Nummer vom 8. Oktober, nachdem es von der Einnahme von Worms und von Speyer in kühlem Tone berichtet hat: . . . »Das Vorrücken der französischen Truppen .... hat zwar in den angrenzenden Orten natürlicherweise grosse Sensation machen müssen, es werden darüber so viel falsche und widersprechende Nachrichten ausgestreut, dass man sich in den entfernteren Gegenden die verkehrtesten Vorstellungen machen muss« etc Also auch jetzt noch nicht die leiseste Andeutung, dass Frankfurt viel¬ leicht das Schicksal der beiden befreundeten Reichsstädte teilen* könne.

3 In der Tat mochten wohl einige Artikel des Ristretto, die sich gegen die Ausschreitungen der Revolution wandten, in den Kreisen der Jakobiner Anstoss erregt haben. Sein Pariser Korrespondent hatte den 10. August einen Tag der Greuel genannt, die Nacht vom 2. zum 3. September »eine würdige Enkelin der Bartholomäusnacht, ein Scheusal für die Nachwelt«; vom 29. Septemker schrieb

es: »Robespierre hat alle Räuber und Mörder in seinem Anhang . jeder

zittert für sein Vermögen, Jammer aller Art bedeckt nun Paris« u. s. w.

4 Ratsprotokolle vom 5. Oktober 1792 und »Kurze und authentische Nachricht von der Besitznehmung der Reichsstadt Frankfurt a. M. durch die Fränkischen Truppen«.

22y

Die Franzosen unter Custine liessen nicht mehr lange auf sich warten. In der Frühe des 19. Oktober vernahm man Kanonen¬ donner vor den Wällen der Festung Mainz; zwei Tage später war dieses Bollwerk des Reiches durch die Kopflosigkeit und militärische Unfähigkeit des Kommandanten und die fast an Verrat streifende Feigheit der Untergebenen im Besitz Custines.1 Der ganze Südwesten Deutschlands war jetzt wehrlos in der Gewalt der französischen Heerführer. Entsprachen deren Handlungen jetzt dem in Paris ge¬ predigten Evangelium von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, dann war für die Revolution auch in den rechtsrheinischen Landen ein weites Feld gewonnen.2 * Die Zukunft Europas hing davon ab, welchen Händen die erhabenen und lauteren Ideen der Revolution anvertraut waren. Die nächsten Tage mussten hierüber Gewissheit bringen.

Noch während der Verhandlungen wegen der Übergabe von Mainz hatte Custine zwei Truppenabteilungen gegen Frankfurt geschickt.5 Die kleinere unter dem Obersten Houchard traf am 22. Oktober um 7 Uhr früh von Höchst aus vor dem Bockenheimer Tor ein. Die ihm entgegengeschickte Ratsdeputation beruhigte er mit der Erklärung, dass er durchaus friedliche Absichten hege,4 denn, sagte er, »nous ne faisons pas la guerre au peuple, nous ne la faisons qu’aux tyrans et despotes«, er erwarte noch andere Truppen und wünsche vor der Hand nur Lebensmittel und Holz gegen bare Bezahlung. Nachdem die Deputierten mit Houchard auf das Wohl der Freiheit und Gleichheit hatten trinken müssen, begehrte er mit einigen Offizieren durch die Stadt bis zum Affentor zu reiten, wo er die andere, von Süden herannahende Trappenabteilung zu treffen hoffe.5 Die Deputierten hatten nichts dagegen einzuwenden, waren aber sehr unangenehm davon berührt, dass sein Gefolge auf dem Wege zum Affentor

1 Noch am 7. ©ktober hatte das Ristretto geschrieben : »In Mainz ist alles entschlossen, sich bis auf den letzten Blutstropfen zu verteidigen.«

2 »II fallait, pour Ander la liberte francaise, faire la revolution dans I’Empire ; il fallait dicter des lois aux despotes, leur arracher leur sceptre et courber leur tete orgueilleuse ; il fallait apporter aux nations leur propre Gouvernement par un voeu libre et spontane« etc. Chuquet 1. c. S. uoff.

3. Für das Folgende vergl. Chuquet, l’expedition de Custifie, S. 109 ff. undKriegk.

4 Und doch hatte er seine Geschütze gegen das Tor richten lassen.

5 Siehe den Bericht des Ratsdeputierten von Loen in Nr. 18 und in Memoires posthumes du general Francais comte de Custine rediges par un de ses aides de camp. S. 154 ff.

U*

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einen ehemaligen französischen Offizier, einen Emigranten, festnahm und ihn den französischen Wachen übergab.1 Houchards Truppen verhielten sich inzwischen den ganzen Vormittag und einen Teil des Nachmittags ruhig vor dem Bockenheimer Tor. Während die Offiziere sich das Essen gegen Bezahlung aus den Gasthöfen der Stadt kommen Hessen, hatten die Gemeinen Feldküchen aufgeschlagen und kochten dort angesichts einer zahlreichen auf den Wällen und vor dem Tore neugierig zusammengeströmten Menge ihre Mahlzeiten ab. Fleisch, FIolz, Ftafer und Stroh sowie die Kessel hatte man ihnen ebenfalls gegen Bezahlung geliefert. Bald entwickelte sich zwischen ihnen und den Einwohnern ein freundlicher, zwangloser Verkehr, ihr Erscheinen beunruhigte nicht weiter, man vermutete, dass sie auf einem Zuge gegen den Landgrafen von Hessen oder den Kurfürsten von Mainz begriffen seien.2

Dieser »angenehme Irrtum«3 sollte nicht von allzulanger Dauer sein. Um 3 nachmittags zeigte sich am Affentor der Vortrab der angekündigten zweiten Abteilung unter General Neuwinger, der nach Überschreitung des Rheines bei Oppenheim seinen Marsch durch das darmstädtische Gebiet genommen hatte. Auch ihm gingen Rats¬ deputierte entgegen. Allen ihren Fragen ausweichend bemerkte er nur, er habe ein Schreiben des kommandierenden Generals Custine dem Rat im Römer abzugeben, und forderte4 für sich und seine Truppen Einlass in die Stadt. Auf den Einspruch der Deputierten liess er die Truppen bis vor das Tor rücken. Die Zugbrücke ward zwar jetzt aufgezogen, aber als Neuwinger Geschütze gegen sie auf- fahren liess, wollten die Deputierten es nicht zum Äussersten kommen lassen, und die Zugbrücke ward wieder herabgelassen. Nunmehr rückten die Franzosen in Stärke von 3000 Mann durch das Affen- und durch das Bockenheimer Tor in Schlachtaufstellung5 mit

1 Nach Kriegk S. 194 (s. auch Memoires S. 154/5) hätte der Rat ihnen gestattet, die städtischen Gasthäuser nach Emigranten oder französischen Aristo¬ kraten zu durchsuchen und die Offiziere wären auch, von Ratsherren begleitet, in einige Gasthäuser gegangen, hätten dort drei Männer verhaftet und mit sich geführt. Ähnlich Chuquet S. 115, der sie aber nur von einem Offizier verhaften lässt. Worauf sich übrigens Chuquets Behauptung stützt 1. c., eile (la ville) avait fait saisir ä la foire les brochures hostiles ä la Revolution, ist mir unbekannt.

2 Memoires S. 156.

3 1. c.

4 Über die Vorgänge am 22. Oktober s. auch Memoires S. 159 ff. und Memoire S. 5 ff.

5 Memoires S. 157, »ils furent formes en bataille«.

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klingendem Spiel und Singen revolutionärer Lieder ein und machten auf dem Rossmarkt Halt, bis ihnen bei den Bürgern Quartiere ange¬ wiesen wurden. Der Einmarsch selbst vollzog sich in musterhafter Ordnung.1 Unmittelbar darauf erschien Neuwinger im Römer und übergab dem Bürgermeister das »an die Räte des Volkes in Frank¬ furt« gerichtete Schreiben Gustin es. Sein lakonisch abgefasster Inhalt wirkte geradezu verblüffend. Er warf ihnen darin vor, dass sie den Plänen der Emigranten Vorschub geleistet hätten, wodurch er sich veranlasst sehe, eine von General Neuwinger näher zu bestimmende Brandschatzung von ihnen zu fordern. Dieser habe ausserdem die dem Kaiser von Österreich und dem König von Preussen gehörenden Gelder, die in der Stadt verwahrt würden, an sich zu nehmen.2 Das Schreiben schloss mit den Worten: »Meine Forderungen sind nur massig im Verhältnis zu den ungeheuren Kriegskosten, die uns durch den unseren grausamsten Feinden verliehenen Schutz verursacht worden sind.« 3

Die Höhe der Kontribution setzte Neuwinger auf 2 Millionen Gulden (4 Millionen Livres) fest, die spätestens bis zum Mittag des nächsten Tages bezahlt sein mussten.

Es wäre nicht zu verwundern gewesen, wenn der Rat über das Custinesche Ansinnen die Fassung verloren hätte. Dem war aber nicht so. Er hoffte, dass der General, wenn man ihm durch unum- stössliche Tatsachen die Nichtigkeit der Beschuldigungen bewies, seinen Irrtum erkennen und die harten Massregeln zurücknehmen werde. Deshalb ging noch am Abend des 22. Oktober eine Depu¬ tation nach Mainz, um Custine einen vollständigen Auszug aller uns bereits bekannten Verfügungen gegen die Emigranten zu überbringen

1 Üb.er den Einmarsch der Franzosen berichtet der Moniteur vom 5. November (Nr. 310): Les Francais n’ont pas trouve d’ennemis sur les remparts de Francfort Lear entree dans cette ville ressemblait moins ä une conquete qu’ä une reception- fraternelle. Les portes leur ont ete ouvertes et le detachement est entre au son du Ca ira cheri et au milieu des acclamations (wovon unsere Quellen schweigen) des

bons habitants de Francfort . On 11’a jamais traite des vaincus avec tant

d’egard et jamais vainqueurs n’ont ete si cordialement recus.«

2 Diese Gelder, von Sorel in L’Eurqpe et la Revolution fran$aise auf 14000000 francs veranschlagt, waren aber schon vorher in Sicherheit gebracht worden.

3 Nach der Übersetzung aus dem französischen Original in »XXXIII Akten¬ stücke, die von dem Französischen General Custine an die Reichsstadt Frankfurt am 22. Oktober 1792 geforderte und zum Teil bezahlte Brandschatzung von zwei Millionen Gulden betreffend«. Frankfurt am Main, gedruckt bei Varrentrapp und Wenner. Nr. I.

und die Aufhebung der Kontribution zu verlangen.1 Aber auch mit der Möglichkeit rechnete der Kat, dass die Dinge nicht so einlach lagen und dass Custine auf seinem Ansinnen bestehen würde. Deshalb forderte er, um rasch in den Besitz von Geldmitteln zu gelangen, noch am Abend des 22. Oktober durch öffentlichen Aufruf die reichen Bürger auf, der Stadtkasse ihre verfügbaren Gelder gegen Empfang von 4% Obligationen schleunigst zur Verfügung zu stellen.2 Der Aufruf an die Bürgerschaft hatte überraschenden Erfolg. Von frühester Morgenstunde an drängte sich alles, Reiche und auch Minder¬ bemittelte, zum Rechneiamt. »Die Hände reichten dort kaum aus,« so berichtet uns ein Augenzeuge, »um die Gelder in Empfang zu nehmen«. Gegen Mittag waren bereits 600000 Livres zusammen.

Die Truppen waren inzwischen bei den Bürgern untergebracht, die durch öffentlichen Anschlag ermahnt wurden, sich gegen sie nicht zu Tätlichkeiten hinreissen zu lassen.3 Die Frankfurter hatten jetzt Müsse, ihre ungebetenen Gäste näher zu betrachten. Welcher Unterschied zwischen ihnen und den Soldaten der deutschen Heere! Das, was diese auszeichnete, das sorgsam gepflegte Äussere, die peinliche Genauigkeit und Gleichmässigkeit der Montierungsstücke, der gepuderte Kopf, der gewichste Zopf und Bart, all dies suchte man vergebens bei den französischen Nationalgardisten. Sie trugen blaue Röcke mit roten Aufschlägen und Troddeln und weiss- und rot-gestreifte Beinkleider. Ein grosser Teil verschmähte aber die Uniform und ging in bunt zusammengestellter, defekter und nicht gerade sauberer Kleidung einher; die Pistolen, die viele im Gurte stecken hatten, verliehen ihnen ein romantisches Aussehen.

Den alten Zopf der Disziplin, wie er noch in den Heeren der verrotteten Monarchien herrschte, hatten sie längst von sich geworfen. Mit der Pfeife im Munde ward exerziert, ebenso zur Wache ge¬ gangen, wobei das Brot auch wohl am Bajonett aufgesteckt und das Fleisch am Gewehrriemen befestigt war. In den freien Stunden ward fleissig in den Stadtgräben geangelt. Die Unzufriedenheit mit

1 S. XXXIII Akt. Nr. II : Antwortschreiben des Magistrats zu Frankfurt an den Herrn General Custine zu Protokollen der Jahre 1791 und 1792.

2 Nr. 4.

3 In der Bekanntmachung, die in später Abendstunde (»nachts um 9 Uhr«) erfolgte, heisst es, »der Rat schmeichle sich annoch sehr, dass die Sache durch den Weg der fleissigsten und mühsamsten, unablässigen Unterhandlung in solchen Weg eingeleitet werde, dass man sich eines gewünschten Erfolges erfreuen und das zum Grunde liegende Missverständnis glücklich gehoben werde«.

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zu gestrengen Vorgesetzten machte sich nicht nur in Worten sondern auch in Tätlichkeiten Luft.

Die reguläre Infanterie machte hingegen einen besseren Hin¬ druck und die Kavallerie und Artillerie konnten sogar vor einem kritischen Beurteiler bestehen. Den Kitt zwischen diesen bunt zusammengewürfelten, ungleichen Truppenteilen bildete eine wirkliche Begeisterung für die revolutionären Ideen, die ihrem Handeln einen gewissen Schwung verlieh. Mit dem Eifer von Aposteln suchten sie in lebhaften Debatten in den Wirtshäusern diesseits und jenseits des Maines ihre Zuhörer zu ihren freiheitlichen Lehren zu bekehren. Mit Stolz rühmten sie in ihrer harten elsässischen Mundart denn ein grosser Teil von ihnen waren Elsässer , dass sie keine Sklaven¬ ketten trügen, vielmehr als Republikaner für die Sache der Freiheit und Gerechtigkeit das Schwert führten. Darum tadelten sie alle Offiziere wie Gemeine laut und öffentlich die den republi¬ kanischen Grundsätzen zuwiderlaufende Behandlung Frankfurts.1

Während man noch die Rückkehr der Deputation aus Mainz erwartete, überraschte Neuwinger den Rat durch ein Manifest, in dem er die alten Beschuldigungen wiederholte und der beliebten Phrase »Krieg den Palästen, Friede den Hütten« eine neue Auslegung gab. Die Kontribution sollte nicht »von unseren lieben Freunden, den Bürgern, Beisassen und Einwohnern der freien Stadt und Republik Frankfurt am Main, noch weniger von den bürgerlichen Stadtkollegien und bürgerlichen Magistratspersonen«, sondern nur von den hiesigen Patrizierfamilien und den begüterten Stiftern, Klöstern, fürstlichen und adeligen Häusern getragen werden.2 Auf diese Weise hoffte Neuwinger die Bürgerschaft, wie es bereits in Mainz geglückt war, der Revolution rückhaltlos in die Arme zu führen. Eisiges Still¬ schweigen war die Antwort der Bürgerschaft; keine Deputation aus ihrer Mitte erschien bei Neuwinger, um ihm für die Befreiung aus hartem Joch zu danken. Diese Art von Volksbeglückung, die sich mit Brandschatzungen und brutalen Gewalttaten einführte, hatte zu wenig Verlockendes.

Den Groll darüber, dass sein Liebeswerben an dem gesunden Sinne der Bürger gescheitert war, liess jetzt Neuwinger an deren

1 S. Memoires S. 150: on lui (Custine) objectait . . . que ce procede etait contraire aux principes affiches par les nouveaux Francais qui promettaient amitie et fraternite ä tous les peuples etc.

2 Nr. V der XXXIII Aktenstücke.

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Vertretern aus. Die Abgesandten des Rates1 hatte er am Mittwoch (24. Oktober), wenn auch sehr ungnädig, empfangen und unter Drohung entlassen2, die der Bürgerschaft aber nicht einmal an¬ genommen. So blieb nichts anderes übrig als ihm, da er durchaus noch am selben Tage »etwas Geld in Händen haben wollte«, ihm um 6 Uhr abends 300000 livres zu geben.

Kurz vorher war die städtische Deputation von Mainz zurück - gekehrt und überbrachte Custines schriftliche Antwort auf das Gesuch der Stadt. Den ihm vorgelegten Aktenstücken über das neutrale Verhalten der Stadt hatte er keinen Wert beigelegt,3 im Gegenteil, 1 darin nur einen Beweis ihrer Schuld erblickt, denn, folgerte er mit ganz eigentümlicher Logik, die vielfältigen Verfügungen gegen die Werbungen der Emigranten bewiesen nur, dass gerade in der Stadt zahlreiche Werbungen stattgefunden hätten, und dass es dem Rat ernstlich am Willen gefehlt habe, sie zu unterdrücken. Ebensowenig habe die unter seiner Aufsicht stehende Presse irgend einen Beweis von Anhänglichkeit an die französische Nation gegeben, vielmehr durch ihre Artikel falsche Vorstellungen von deren Grundsätzen verbreitet. Trotzdem solle sich der Rat nicht vergebens an ihn gewandt haben. Die französische Nation mindere die Kontribution auf 1 500 000 Gulden herab, er rate aber, mit deren Zahlung nicht mehr zu zögern.

In diesen wie auch in späteren Schreiben zeigte Custine, wie gut er sich den Phrasenschatz der jakobinischen Presse angeeignet hatte und mit deren Schlagwörtern umzugehen verstand. Es finden sich darin die Phrasen von den Segnungen der Revolution, die nur ungerecht angemasste Gewalt zerstört habe, ganze Völker in ihre Rechte wiedereinsetze, nur Verräter ihre Rache empfinden lasse und einen Teil der Kosten zu dem lästigen Krieg nur auf solche werfe, welche entweder dazu aufgefordert oder ihn nicht zu verhindern ge¬ sucht hätten oder geschehen liessen, dass die Volksbegriffe ge¬ täuscht würden u. s. w., u. s. w. Nunmehr entpuppte sich »der Franken Bürger und General der republikanischen Armee«, wie sich Custine mit Vorliebe nannte, als Demagoge. Alle Künste liess er spielen,

1 Im Aufträge des Rates war Seeger zweimal bei ihm erschienen, zuerst allein, dann in Begleitung des Herrn von Barkhausen.

1 »Wie ein wildes Tier«, heisst es in Seegers Bericht, »lief er im heftigsten Zorn die Stube auf und ab.« Das erstemal hatte Seeger aus Furcht vor Neu- wingers Wutausbrüchen vor ihm die Flucht ergriffen.

3 1. c. und Memoires S. 164.

um die Gunst der niederen Stände in Frankfurt zu gewinnen und sie womöglich zur offenen Auflehnung gegen die Obrigkeit aufzureizen,1 eine willkommene Gelegenheit, das Staatswesen Frankfurts völlig umzugestalten. Sich am eigenen Phrasenschwall berauschend, schmei¬ chelte er der Menge und stellte sich als ihr natürlicher Beschützer gegen die Reichen2 und gegen die unerträgliche Gewalt hin, unter der sie schmachte.

Diese schweren Anklagen gegen sein Regiment, hinter denen offenbar die Strassburger Jakobiner und die Frankfurt feindlich gesinnten Mainzer Kiubisten3 * 5 steckten, konnte und durfte der Rat nicht still¬ schweigend hinnehmen, wollte er sie nicht als wahrheitsgemäss er¬ scheinen lassen. Vor allem musste das Phantom zerstört werden, als ob sich in Frankfurt eine unüberbrückbare Kluft zwischen arm und reich, einer herrschenden Klasse und einer unterdrückten, rechtlosen Menge auftäte. Deshalb übergab eine Deputation des Rates, der sich der französische Resident Barozzi angeschlossen hatte, Custine eine Denk¬ schrift, aus der er das wahre Wesen der städtischen Verfassung ent¬ nehmen konnte, dass sie keinen Unterschied der Stände kenne, der Adel keine besonderen Vorrechte geniesse, zu allen öffentlichen Lasten bei¬ tragen müsse, wie jeder andere Bürger, daher die Kontribution nicht auf ihn abgewälzt werden dürfe u. s. w., u. s. w. Die Denkschrift erinnerte Custine auch an seine beim Einfall in Deutschland gegebene Versicherung, dass er gegen die neutral gebliebenen Stände nichts Feindliches vorhabe; seine eigenen Truppen könnten ihre Verwunde¬ rung darüber nicht verbergen, einen Freistaat gebrandschatzt zu sehen, der zu allen Zeiten mit der französischen Nation in freund¬ lichstem Vernehmen gestanden habe.

Aber Custine konnte nicht mehr zurück. Er hatte am 23. Oktober von Mainz aus dem Präsidenten der Nationalversammlung trium¬ phierend berichtet, dass das republikanische Fieer in Frankfurt ein-

1 S. Memoires S. 1 66.

2 Nach der Proklamation vom 24. sollten jetzt diese die Kontribution tragen.

S. auch den Aufruf vom 25. »an die Räte des Volkes« (Nr. XII der XXXIII Akten¬

stücke).

5 Über diese s. Klein, Gesell, von Mainz während der ersten französischen Okkupation 1792—1793, S. 157 199. Die hervorragendsten unter ihnen waren der berühmte Reisende Förster, Professor Boehmer von Worms, Sekretär Custines und Redakteur der Mainzer Zeitung, Stamm aus Strassburg, Custines Adjutant, Professor Metternich aus Trier, Vizepräsident der »Gesellschaft der Freunde für Freiheit und Gleichheit« (kurzweg Klub genannt), Dorsch, früher Professor der Theologie in Strassburg, und andere.

gezogen sei und er der Stadt eine Kontribution von 2 Millionen Gulden als Strafe für die Begünstigung der Emigranten auferlegt habe.1 Diese Kontribution wieder zu erlassen, das verbot seine masslose Eitelkeit; das verbot seine Verflechtung mit den Frankfurt feindlich gesinnten Jakobinern und den Mainzer Klubisten, das verbot vor allem die Leere seiner Kriegskasse. Deshalb erwies er sich allen Vorstellungen gegenüber unzugänglich. Die Abgeordneten, die er am Nachmittag des 25. empfing, fuhr er hart an; die ihm von Barozzi eingereichte Denkschrift wollte er nicht annehmen, da ihm die städtische Verfassung sehr gut bekannt sei; er brauche bloss an den plutokratischen Charakter der Schatzung (Vermögenssteuer) zu erinnern.2 Immerhin hatten die Denkschrift und die Versicherung der Deputierten ihn soweit überzeugt, dass er die den bürgerlichen Mitgliedern des Rates zugestandene Befreiung von der Kontribution jetzt auch auf dessen adlige Mitglieder ausdehnte. Dafür wollte er den in der Stadt begüterten adligen sowie fürstlichen Häusern eine ihren Gesinnungen gegen Frankreich entsprechende Brandschatzung auferlegen. Auch rückte er jetzt mit neuen Anklagen hervor. Er be¬ schuldigte die Frankfurter Bankiers, durch ihre Finanzoperationen das Bargeld aus Frankreich gezogen und in die Kassen der französischen Prinzen geliefert,3 ferner falsche Assignaten in Umlauf gesetzt zu haben.4

Alle Entgegnungen schnitt er mit der Bemerkung ab: »Ich werde weder sengen noch plündern, ich kenne meine Leute, ich werde meine Geiseln nehmen und werde sie nicht lange behalten.« Nur gegen Auslieferung des städtischen Geschützes samt Munition5 wollte er die Kontribution auf eine Million Gulden ermässigen. So kehrte die Deputation abermals unverrichteter Sache nach Frankfurt zurück.

1 Memoires S. 172.

2 Nach Seegers Bericht in Nr. 21. Die Schatzung betrug V 3°/o des Ver¬ mögens. Eine schreiende Ungerechtigkeit war, dass die Vermögen von 15 000 Gulden und darüber hinaus nur eine Pauschalsumme von 50 Gulden zu entrichten brauchten.

3 Nr. XVI 1. c.

4 Diese Anschuldigung ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass der An¬ gestellte eines Frankfurter Handelshauses deswegen in Strassburg verhaftet, aber bald darauf, da sich seine Unschuld herausstellte, freigesprochen worden war. S. Nr. XIII der Akt.

5 Mit Recht verwundert sich der Verfasser der Memoires, dass Custine, der doch sonst vor Gewalt nicht zurückschreckte, sich nicht des städtischen Ge¬ schützes bemächtigt und auch später dies verabsäumt habe. Bei seiner Über¬ macht hätte er ja etwaigen Widerstand der Bürger leicht unterdrücken können.

Der Rat gab noch immer seine Sache nicht verloren, aber¬ mals versuchte er Custine in einem Schreiben 1 davon zu überzeugen, dass die Kontribution durchaus ungerechtfertigt sei, und gebärdete sich Neuwinger gegenüber, als ob er einen Erfolg von dem Schreiben erwarte; aber dieser nahm darauf nicht Rücksicht und erzwang am 2 6. Oktober unter Drohungen die Zahlung einer zweiten Rate von 150000 livres mehr konnte er vom Rat nicht herauspressen, da dieser jetzt mit Custine selbst über das Schicksal der Stadt ver¬ handeln wollte.

Am Mittag des 27. Oktober hallten die Strassen Frankfurts von starkem Trommelschlag wider. Die Bürger waren daran zu sehr gewöhnt, um dem anfangs irgend welche Beachtung zu schenken, da die Franzosen bei allen möglichen Anlässen, wie beim Austeilen der Brot- und Fleischrationen, die Trommel zu rühren pflegten. Diesmal aber wollten sie gar nicht damit aufhören, und so verbreitete sich das Gerücht in der Stadt, die Hessen ständen vor Sachsenhausen. Mit dem Rufe : »Sacre Dieu, les foutus Aristocrates sont arrives!« eilte jetzt die Garnison zum Alarmplatz auf dem Ross¬ markt. Die einzelnen Soldaten boten dabei einen fast komischen Anblick dar. Der eine hatte noch die Schüssel mit der warmen Mittagssuppe, von der er aufgeschreckt war, in der Hand; der andere trug seinen Brotvorrat an einen Strick gereiht auf dem Rücken, der dritte führte ein Säckchen Reis mit sich ; die meisten hatten Brot und Fleisch auf dem Bajonett aufgepflanzt. Aber anstatt der Hessen rückte Custine an der Spitze einer grösseren Truppen - macht2 und in Begleitung seines »Interpreten« Boehmer in die Stadt ein.

Eilig strömte die Menge zum Römer, wohin Custine seine Schritte lenkte, neugierig, den neuen Josua zu sehen, »vor dem die Mauern der deutschen Festungen einstürzten«.3 Sein auffallendes Äussere, der gewaltige Schnurrbart, die listigen, stets unruhigen und überall umherspähenden Augen, sowie seine Prophezeiungen von dem Ende des deutschen Kaisertums haben sich tief dem Gedächtnis der Zeitgenossen eingeprägt.4 Mit berechnender Herablassung behandelte

1 Ausführlich wiedergegeben bei Kriegk S. 201.

2 Ihre Stärke wird verschieden angegeben , bei Kriegk auf 1 >00 Mann, Chuquet spricht von un millier de soldats; dazu kam noch ein starker Artilleriepark.

3 Chuquet S. 119.

4 Kriegk S. 203, Memoires 110— in. Chuquet S. 120.

er die Menge, durch eine Proklamation, die er jetzt anschlagen liess, hollte er sie völlig zu gewinnen.1

Aber nicht wegen Prophezeiungen und Proklamationen war er nach Frankfurt gekommen, er führte jetzt seine frühere Drohung aus und liess sieben der reichsten Kaufleute als Geiseln in sein Quartier bringen.2 Darauf hielt er auf dem Rossmarkt Abrechnung mit der Garnison wegen ihrer Parteinahme, für die Bürger. Bei Todesstrafe verbot er ihr, sich in die Politik zu mischen. Zur Busse verlegte er sic in die Umgegend der Stadt; ihre bisherigen Quartiere bezog ein Teil der mitgebrachten Truppen.

Auf die Kunde von dem Einmarsch Custines in Frankfurt kehrten die Abgesandten des Rates, die dieser bereits am Morgen nach Mainz geschickt hatte, auf halbem Wege um und suchten noch am selben Tag, allerdings vergebens, beim General vorzukommen.

Erst am folgenden Tag war er für sie zu sprechen, blieb aber unerbittlich, selbst auf die Verwendung Neuwingers hin, der gegen die Aussicht auf eine »Erkenntlichkeit« 3 den Abschluss eines Über¬ einkommens zwischen der Stadt und Custine zu befürworten versprach, wonach dieser gegen Zahlung von ioooooo livres die Stadt räumen und ihr für die Zukunft Schutzbriefe ausstellen sollte.4

Custine war weit davon entfernt, auf ein solches Übereinkommen einzugehen, ja er steigerte noch seine Forderungen.

Jetzt verlangte er zu den zwei Millionen Gulden noch die Herausgabe des 24 pfundigen Geschützes, dazu noch Schuhe und Tuch; diese Leistung allerdings versprach er zu bezahlen. Nur eine Frist von 4 Stunden wollte er zur Befriedigung seiner Forderungen gewähren, sonst drohte er mit der alsbaldigen Abführung der Geiseln.

1 Ihr Wortlaut beiKriegk S. 202. Auch hier spielte er sich wieder als Beschützer der Unterdrückten auf und befreite jeden, der weniger als 30 000 Gulden im Ver¬ mögen besässe, von der Kontribution.

2 Es waren dies die drei Bankiers Jakob Willenter, Bethmann-Hollweg und Heinrich Gontard, die Handelsleute Jakob Schweizer, Elias Ehrmann, Anton Brentano und der kaiserliche Hoffaktor und Schutzjude Michael Speyer. Willemer, dessen Frau hochschwanger war, wurde am nächsten Tage von Custine entlassen. (Nach Kriegk S. 205 deshalb, weil er preussischer Agent war und die Republik damals noch besondere Rücksicht auf Preussen nahm, s. auch Chuquet S. 120 Anmerk. 2). Dafür ward der Handelsmann Heinrich Catoir als Geisel genommen.

5 Nr. 21.

4 Die ursprüngliche Absicht, durch ein Geschenk von 100000 Talern Custine zum Abschluss des Vertrages zu bestimmen diesen Auftrag hatten die nach Mainz geschickten Deputierten liess man fallen. Später hat der Rat jeden Bestechungsversuch entschieden in Abrede gestellt. (Nr. XVIII in XXXIII Aktenst.)

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So in die Enge getrieben, versuchte der Rat Custine mit der schrift¬ lichen Erklärung zu beschwichtigen, dass er bereit sei, eine Million Gulden zu zahlen, aber mit den Worten: »Ich will keine Noten, ich will Geld haben« wies er das Schriftstück zurück. Die festgesetzte Frist von 4 Stunden war längst verstrichen, der Abend rückte heran, ohne dass Custine befriedigt worden wäre, aber die Geiseln wurden nicht fortgeführt. Die Zwischenzeit hatte er zur Abfassung eines militärisch-politischen Expose benützt, das wiederum in dem uns bereits bekannten bramarbasierenden Ton abgefasst war.1 Bemerkens¬ wert war darin nur der Schlusssatz, der den Rat einlud, mit der Republik ein Bündnis zu schliessen, »das nichts auf der Erde trennen soll«. Gegen 7 Uhr abends beschied er die Abgesandten zu sich und liess ihnen sein Expose als Antwort an den Rat vorlesen. Er selbst bemerkte hierbei, man werde schon jetzt genügend erprobt haben, dass man durch Zögern nichts Gutes bewirke, sondern die Sache nur noch verschlimmere; seien bis 8 Uhr früh des nächsten Tages die 2 Millionen Gulden nicht völlig bezahlt, so werde er die Summe weiter erhöhen.

Die Entscheidung lag jetzt in den Händen der gemischten Kriegskommission (auch gemischte Deputation genannt), eines engeren Ausschusses, den der Rat bereits am 25. mit weitumfassenden Vollmachten eingesetzt hatte, um die Verhandlungen mit Custine zum Abschluss zu bringen.2 * *

Da die Lage verzweifelt schien, und die kurpfälzische Regierung, die man um Beistand angegangen, den Rat einstweilen keiner Antwort gewürdigt hatte,5 befürchtete die Deputation, dass längeres Sträuben die Sache noch verschlimmern würde. Sie wies daher das städtische Rechnei-

1 Ausführlich wiedergegeben bei Kriegk S. 206, zum Teil bei Chuquet S. 120. Am Schluss leistet sich Custine noch die Phrase, dass die Republik dem stolzen Despoten, der das deutsche Reich beherrsche, die Überzeugung beibringen werde, dass es sein eigenes Interesse erfordere, seine Staaten mit Weisheit zu regieren und die so lang verkannten Grundsätze der Vernunft und Philosophie einmal an¬ zunehmen. Dies ist der Kriegsplan, den die französische Republik sich vorgezeichnet hat. 25 Millionen Menschen müssen umkommen und ihre Städte und Felder müssen in Staub und Asche verwandelt werden, ehe dieser Vorsatz von ihr aufgegeben wird.«

2 Zu ihm gehörten sowohl Mitglieder des Rates als auch der beiden bürger¬

lichen Kollegien, dazu noch der allgemein geschätzte Syndikus Seeger.

5 Sein Minister von Oberndorf antwortete erst am 9. November . . . »Der Bittschrift würde entsprochen worden sein, wenn nicht absonders dazu bewegende

Umstände in gegenwärtigem Fall und Zeitpunkt ein gegründetes Bedenken erregt hätten«.

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amt an, die zu einer Million livres fehlende Summe um 11 Uhr abends an Custine zu zahlen mit dem Versprechen, die zweite Million so rasch wie möglich folgen zu lassen, so dass er baldigst eine Million Gulden in Händen hätte.1 Custine war damit einverstanden und zog jetzt mildere Saiten auf. Er bewilligte für die Zahlung der zweiten Million Gulden einen Ausstand bis zu zehn Monaten unter Abzug der bereits geleisteten Lieferungen, verhiess sogar seine Fürsprache beim Konvent um deren völligen Erlass und bestand auch nicht mehr auf dem Anschluss der Stadt an die Republik. Er hatte endlich eingesehen, dass die sozialen und politischen Zustände des kleinen Gemeinwesens einer revo¬ lutionären Propaganda nicht günstig waren. Alle sonstigen Gegen¬ sätze in der Bevölkerung waren jetzt verschwunden ; als einheitlich geschlossene Masse fühlte sie sich dem Fremdling gegenüber, dessen pomphafte Proklamationen im schreiendsten Gegensatz zu seinen Handlungen standen. Sogar die Armen verschmähten die Gelder, die ihnen Custine hatte zuwenden wollen, da sie Eigentum der Stadt wären, worüber nur der Rat verfügen dürfe. Und erst gar die Sachsenhäuser ! Man hatte ihn wohl versichert, dass ihn die un¬ verdorbene, urwüchsige Bevölkerung jenseits des Maines mit offenen Armen empfangen würde.2 Aber gerade bei ihnen er hatte 1 5 Sachsenhäuser zu sich beschieden holte er sich eine unverhohlene, derbe Absage; die Freiheitskokarden, die er unter sie hatte verteilen wollen, wiesen sie zurück.3

Auch einem unbefangenen Beobachter der Ereignisse, dem Grafen Gorani,4 der sich in jenen Tagen in der Stadt auf hielt und, weil er ein glühender Anhänger der neuen Ideen war, sich über deren Ent¬ weihung durch Custine entrüstete, fiel es auf, dass gerade die ärmsten Klassen Frankfurts über den Einfall der Franzosen am erbittertsten

1 Nr. XXII in XXXIII Aktenst.

2 Der Verfasser der Memoires S. 216 spricht von dem »faubourg de Saxeti- hauscn qui est habite par une classe fort grossere.«

5 »Le bon sens grossier de ces gens simples ne lui plut que mediocrement« 1. c. S. 207. Die Märe von 40 Metzgern mit ihren Hunden, die überall Custine folgten, um ihn zu töten, wenn er etwa den Befehl zur Plünderung geben sollte (Kriegk S. 203 und nach ihm Chuquet S. 189), braucht nicht erst widerlegt zu werden.

-t Geb. 1744 in Mailand aus altem italienischen Adel, Freund Beccarias, machte er sich frühzeitig durch seine Schritten gegen den Despotismus bekannt, wofür ihm die Nationalversammlung auf Baillys Vorschlag das Bürgerrecht erteilte. Wegen seiner republikanischen Gesinnung ward er aus seinem Vaterland verbannt, ausser¬ dem mit Einziehung seiner Güter bestraft.

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seien; nirgends erblicke man trotz der gegenteiligen Versicherung des Moniteur1 die dreifarbige Kokarde, und dem Pflanzen von Freiheits¬ baumen habe sich das Volk mit allen Kräften widersetzt.2

Dank den wiederholten Mahnungen des Rates zur Ruhe3 und der vortrefflichen Mannszucht, die sich Neuwinger besonders angelegen sein liess,4 hören wir kaum von irgend welchen Ausschreitungen auf beiden Seiten ; zwischen den Bürgern und der Besatzung entwickelte sich nach und nach ein ganz leidliches Verhältnis, das noch dadurch begünstigt ward, dass ein Teil der Truppen als Elsässer des Deutschen kundig war. Auch das städtische Militär vertrug sich gut mit den Franzosen. Gemischte Patrouillen, aus beiden Nationen zusammen¬ gesetzt, durchzogen nachts die Stadt zur Aufrechterhaltung der Ordnung. So konnten auch Flandel und Wandel trotz der fremden Besatzung ungestört ihren Gang fortgehen;5 allerdings nahm sich Neuwinger heraus, die Geschäftsbücher verschiedener Bankhäuser zu revidieren, ob sie etwa preussische oder österreichische Gelder in Verwahrung genommen hätten. Nur für die Frankfurter Presse, die ja ohnedies nicht auf Rosen gebettet war, waren jetzt trübe Tage angebrochen. Um allen Schwierigkeiten zu entgehen, hatten die drei Blätter es vorgezogen, einstweilen ihre Tätigkeit einzustellen. Erst am 27. erschienen sie wieder, offenbar auf Custines Befehl, da ihr Ausbleiben unliebsames Aufsehen erregen musste; und jetzt erfuhren ihre Leser auch in einer Notiz von -wenig Zeilen, dass Frankfurt von den Franzosen besetzt sei! Mit der Feststellung dieser Tatsache war der Fall auch erledigt. Keine Erörterung ward weiter daran geknüpft! Gleich am ersten Tage ihres Wiedererscheinens sollten die Frankfurter Zeitungen empfinden, dass die Revolutions-

1 In Nr. 320, die von der Zuneigung der guten Einwohner Frankfurts für die Sache der Revolution spricht, und dass man in der Stadt überall die Trikolore flattern sehe.

2 Moniteur Nr. 328.

5 Nr. XI und XV in XXXIII Akt., Nr. 17.

4 S. Kriegk S. 195.

5 Es liegt etwas Wahres in der Behauptung des Korrespondenten des Moniteur (Nr. 320): Les braves qui composent le detachement de Francfort joignent ä la fierte republicaine toute Famabilite de leur nation.« Über die be¬ sonders rühmliche Aufführung der französischen Offiziere vergl. Briet von Goethes Mutter an ihren Sohn vom 1. Januar 1793. Auch die Frankfurter Blatter rühmen die Mannszucht der Franzosen; sie betonen besonders, dass »kein Einwohner in seinem Privateigentum gekränkt worden ist«. Wie sehr sie übrigens für die Stadt gegen Custine Partei nahmen, zeigt die von Chuquet S. 120 mitgeteilte Anekdote,

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Helden die Presse nicht minder oder vielleicht noch ärger zo knebeln verstanden, als die »verrotteten Monarchien«. Boehmer, Custines Handlanger, verbot im Aultrage seines Herrn dem Journal und dem Ristretto, später auch der Oberpostamtszeitung, irgend einen politischen Artikel aufzunehmen, der nicht von ihm oder Custine abgefasst sei;1 zu Mustern hätten sie sich die Mainzer Zeitungen zu nehmen und bei jeder Gelegenheit das nunmehrige Glück und Wohl der franzö¬ sischen Nation zu rühmen.

Custine war nicht sparsam mit seinen Einsendungen. Schon am 29. Oktober prangte an der Spitze des Journals und des Ristretto sein »Aufruf an die gedrückte Menschheit in Deutschland u. s. w.«, in dem er ihr im Namen seiner Nation Verbrüderung und Freiheit anbot; diesem folgte ein wutschnaubender Artikel gegen den Landgrafen von Hessen-Kassel, den Tyrannen und Tiger, den Fluch der deutschen Nation u. s. w., dann der Aulruf an die österreichischen und preussischen Truppen, der sie unter den verlockendsten An¬ erbietungen zur Fahnenflucht aullorderte, u. s w. u. s w.

Um nicht etwa den Verdacht auf kommen zu lassen, dass diese aufreizenden Artikel ein Echo seiner Gesinnungen seien, liess der Rat durch seine Vertreter in Wien, Regensburg und Wetzlar an zu¬ ständiger Stelle erklären, dass er nicht mehr Herr seiner Presse sei.2

Die gemischte Deputation war inzwischen Tag und Nacht beschäftigt, die zweite Million livres aufzubringen.3 Den Gedanken, den Geiseln eine erhöhte Beisteuer aufzuerlegen,4 musste sie aufgeben, da Bethmann in deren Namen erklärte, eher wollten sie sich weg¬ führen lassen, als diese leisten. Auch verbot Custine ihre höhere Besteuerung.5 So musste man sich an die »Reichen« halten, d. h. nach der Interpretation Custines an diejenigen, die mehr als 30000 Gulden im Vermögen hatten. Auf diese Weise und auch

1 Nr. 17.

2 1. c.

3 Das »Verzeichnis der Zeichner von Interimsobligationen zu dem Anleihen« u. s. w. befindet sich Nr. 19 und 20.

4 1. c. Nr. 21.

s Nr. XXa und XXII in XXXIII Akt. Die Darstellung des Rates in Nr. XIX, wonach die Geiseln erklärt hatten, dass sie sich gerne einen längeren Arrest, auch selbst die Abführung gefallen lassen wollten, wenn solche der Stadt zum Besten gereichen könne, entspricht doch nicht ganz der Wahrheit.

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durch Vorschüsse, die die Deputation zum Teil selbst hergab, gelang es ihr, der französischen Kriegskasse die zweite Million livres am 31. Oktober abzuliefern. Unmittelbar darauf wurden die Geiseln in Freiheit gesetzt.1

Vergebens hatte die Kommission auf Erlass der zweiten Million Gulden gehofft. Trotzdem Neuwinger, Böhmer, Barozzi, teils durch in Aussicht gestellte, teils durch bar ausgezahlte Summen gewonnen,2 sich eifrigst für die Stadt verwendeten und trotzdem der Rat an die »unbeschränkte Grossmut« Custines appellierte, blieb dieser unerbittlich. So musste sich die Kommission schriftlich verpflichten, die zweite Million Gulden in 6, beziehungsweise 10 Monaten unter Abzug der Lieferungen zu zahlen. Dagegen gewährte er dem Rat eine andere Bitte. Er nahm in einem besonderen Erlass die Bewohner, das Eigentum und den Handel der Stadt in seinen Schutz und machte Offiziere und Gemeine für etwaige Gewalttätigkeiten verantwortlich.3 Am 30. Oktober reiste Custine, zufrieden mit den Ergebnissen seines Beutezuges, von Frankfurt ab, zuvor aber hatte er noch der Juden¬ schaft und der Thurn und Taxisschen Postverwaltung die Zahlung hoher Geldsummen auferlegt. Der Rat war aber nicht gesonnen, diese Vergewaltigung ruhig' über sich ergehen zu lassen. Gerade die militärischen Kreise der Republik verurteilten sie auch scharf. Eine Reihe höherer Offiziere erbot sich aus freien Stücken, für den Rat beim Konvent einzutreten ; General Wimpfen, der Führer der fran¬ zösischen Truppen am Niederrhein, hatte bereits seine Stimme für die Stadt beim Konvent erhoben und dabei noch an die vortreffliche Pflege der französischen Verwundeten in Frankfurt während des sieben¬ jährigen Krieges erinnert. Jetzt arbeitete der Graf Gorani, ebenfalls aus eigenem Antrieb, eine Denkschrift gegen Custine aus. Aber die gemischte Deputation hielt es der Würde der Stadt für angemessener, die Führung ihrer Sache nicht anderen zu überlassen, sondern sie selbst in die Hand zu nehmen und beim Nationalkonvent als oberster Instanz über Custine Beschwerde zu führen. Wie oft hatten nicht die französischen Volksvertreter emphatisch auf der Rednerbühne

1 Im Moniteur Nr. 320 findet sich die ganz falsche Angabe, dass 12 Frank¬ furter Geiseln nach Mainz weggeführt worden seien, weil ihre Bücher ergeben hätten, dass sie den Feinden Gelder vorgestreckt hätten. Barozzi, der zum Juden gestempelt wird, wird ebenfalls unter den Geiseln aufgeführt.

2 Barozzi hatte 1500 Louisdors erhalten; Neuwinger wurden 1000 versprochen, Böhmer gab man für die Dedikation einer Schrift 100 Louisdors.

3 Nr. XXXIII 1. c. Der Schutzbrief ist am 2. November ausgestellt.

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versichert, dass der Krieg, den das verjüngte Frankreich gegen die alten, verrotteten Monarchien rüste, in einem neuen Geiste geführt werden müsse, dass die Republik nimmer zu Brandschatzungen greifen würde, dass die Geissei des Krieges nur die »Tyrannen und Volksunterdrücker« treffen sollte. Musste nicht der Nationalkonvent, sobald er einen wahrheitsgetreuen Bericht über die Vorgänge erhielt, der Stadt ungesäumt Genugtuung verschaffen, wenn er nicht seine eigenen Grundsätze verleugnen wollte?

So beschloss die Kommission, zunächst zwei Abgesandte, den Syndikus Seeger und den Handelsmann Engelbach, nach der fran¬ zösischen Hauptstadt zu senden.1 Jener eignete sich zum Unter¬ händler wegen seiner genauen Kenntnis der städtischen Verhältnisse und wegen seines juristischen Scharfsinnes, dieser wegen seiner Verbindungen mit zahlreichen Pariser Geschäftshäusern. Von dem Konvent sollten sie nicht nur die Rückgabe der bereits gezahlten Million Gulden und Annullierung des für die zweite Million aus¬ gestellten Schuldscheines verlangen, sondern auch die Zusicherung, dass die Stadt von Lieferungen, Kontributionen u. s. w. in Zukunft verschont bliebe. Eine Denkschrift2 ward ihnen zur Verteilung an den Konvent mitgegeben, die unter Beifügung von beglaubigten Aktenstücken den unzweideutigen Beweis von der stets neutralen Haltung der Stadt während der Zeit von 1789 bis 1792 ergab. Am 4. November gegen 7 Uhr Abends verliessen Seeger und Engelbach Frankfurt.

Ungewiss ihres Erfolges traf die Kommission Anstalten, die zweite Million Gulden zusammenzubringen. Dazu mussten jetzt auch der gesamte Klerus und diejenigen Reichsstände, die Be¬ sitzungen in der Stadt hatten, beisteuern.3 Die fast an Drohung

1 Dass er Custine um Erlaubnis dazu ersucht habe, wie Sorel, L’Europe et la Revolution frangaise III, 109 110 schreibt, lässt sich nicht nachweisen. Ungenau schreibt dieser auch, dass sie nach Paris geschickt worden seien, »afin de solliciter de la Convention la remise du second million.«

2 Sie wurde zuerst in Paris gedruckt, später in Frankfurt von Varrentrapp & Wenner. Ihr Titel lautet: Memoire presente ä la Convention nationale avec les pieces justificatives par les deputds de la ville libre d’Empire de Francfort-sur-le- Mein concernant la contribution militaire de deux millions de florins, imposüe ä la dite ville au nom de la rdpublique Frangaise. (A Paris de l’imprimerie de la

Veuve Herissaut . Nov. 1792 . ). Beigefügt war der Briefwechsel des

Rates mit Neuwinger und Custine zur Aufklärung des französischen Publikums über die der Stadt widerfahrene Behandlung.

3 Nr. 22.

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streifende Andeutung, dass man, falls sie Schwierigkeiten machten, dies Custine berichten und ihn um Ermässigung der Kontribution angehen müsste, verfehlte ihre Wirkung nicht. Die Juden sollten mit 150000 Reichstalern herangezogen werden, die sie auch zahlen wollten, in der Hoffnung, dass darin die ihnen bereits von Custine auferlegte Summe mitenthalten sei.1

Der Monat November verlief im Vergleich mit der voraus¬ gegangenen aufgeregten Zeit verhältnismässig ruhig; Handel und Verkehr litten nicht viel unter dem Krieg, da Custine allen Fuhr¬ leuten und Schiffern, die Güter aus den angrenzenden Ländern nach Frankfurt bringen wollten, Schutz für ihre Person und ihre Waren feierlich zugesagt hatte. 2 Die Anwesenheit der starken Garnison brachte den Handelsleuten und den Handwerkern manchen Verdienst. Nur einmal, am 5. November, wäre es fast zu einem Zusammenstoss zwischen Bürgerschaft und Besatzung gekommen, als Neuwinger auf Custines Befehl »von seinen Freunden« das schwere Geschütz samt Munition verlangte. Der Rat schlug das Gesuch ab, liess aber vor¬ sichtigerweise durch die Bürgerkapitäne 3 den Bürgern von Haus zu Pfaus ansagen, sich ruhig zu verhalten, wenn die Franzosen es eigen¬ mächtig wegnehmen sollten! Aber die Menge kehrte sich nicht an das Gebot, sie strömte, zum Widerstand entschlossen, zum Zeughaus zusammen. Neuwinger wagte nicht, Gewalt anzuwenden, er be¬ ruhigte die Bürger, indem er alles für ein Missverständnis erklärte, und Custine liess die Sache auf sich beruhen.

Die Brandschatzung Frankfurts war nur die Vorläuferin anderer. Mangel an Geld trieb den französischen Feldherrn, die nähere und fernere Umgebung der Stadt, die nassauischen und hessischen Gebiete heimzusucheri und auch den wetterauischen Klöstern Rockenburg, Arnsburg, Ilbenstadt und Engelthal Besuch abzustatten. Überall war der Weg seiner Truppen durch Brandschatzungen und Mitnahme von Geiseln bezeichnet, ein wenig geeignetes Mittel, die rechts¬ rheinische Bevölkerung für die Ideen der französischen Revolution zu entflammen. Nirgends stiessen die Franzosen auf Widerstand, da die preussischen Truppen noch in Koblenz standen und die Hessen ihre Streitkräfte noch nicht gesammelt hatten. Nur die Saline

1 1. c.

2 Die betreffenden Bekanntmachungen Custines stehen in Seämtlichen Frank¬ furter Zeitungen vom 26. November.

3 Nr. 17.

1 6*

244 -

Nauheim, deren Salzvorräte sich die Franzosen aneignen wollten, wurde von einer kleinen hessischen Abteilung gegen eine i4fache feindliche Übermacht verteidigt. Die Ffessen ergaben sich dem Obersten Flouchard erst, als die letzte Patrone verschossen war. Prahlerisch Hess Custine die Gefangenen durch die Strassen Frankfurts führen, um den Bürgern zu zeigen, dass die so gefürchteten Blessen den Franzosen erlegen wären. Aber er verfehlte damit völlig seinen Zweck. Der Zug der Flessen gestaltete sich zu einem wahren Triumphzuge; jedermann bot ihnen Geld und Erfrischungen an und prophezeite den Franzosen Schlimmes, wenn sie erst der gesamten hessischen Macht gegenüberstehen würden.1

Trotz all dieser üblen Erfahrungen hielt Custine mit grosser Zähigkeit noch immer daran fest, den Frankfurtern einen neuen Geist einzugiessen, und ersuchte den General Beauharnais um Sendung »politischer Apostel, guter Republikaner, die mit Kraft reden und

schreiben« . »Unser Klub zu Mainz«, heisst es im Schreiben

an ihn, »ist schon recht glänzend, aber wir brauchen Männer für Frankfurt, .... um dort die französische Revolution zu predigen«.2 3 * Und damit nicht genug, auch durch Broschüren, Aufrufe u. s. w. suchten Custine und die Mainzer Klubisten besonders auf die Hand¬ werker einzuwirken. Und was war der Erfolg all dieser Bemühungen? Ein Sendschreiben5 der Zünfte der Stadt an Custine, von sämtlichen Zunftmitgliedern unterzeichnet, in dem sie ihm auch den letzten Rest von Hoffnung auf ihre Bekehrung raubten. Sie äusserten in ihm hohe Befriedigung mit ihrer Obrigkeit, »die alle Lasten gemeinsam mit ihnen trägt«, mit den Reichen in der Stadt, »die mit allen Kräften bemüht sind, das Elend der Armen zu lindern«; sogar mit den Abgaben, die äusserst gering seien, erklärten sie sich einverstanden. Sie beteuerten Custine, dass sie alle glücklich, alle zufrieden seien.

1 »Wart nor«, rief man den Franzosen zu, »wenn die fezze Kerle, die Hesse, erseht emol beisamme sinn, dann kriecht euch schinösiges Lumpengesinnei aach noch alle die Krenk. Die wern euch noch io Klaftern tief in den Erdbode neinschmeisse ; das sinn keine Pfaffesoldate wie die Meenzer.« S. die Erstürmung von Frankfurt durch die Flessen am 2. Dezember 1792 S. 4. Anm. Kriegk S. 214L Chuquet S. 126 ff.

1 Der Brief findet sich im Frankfurter Journal vom 10. Dezember 1792.

3 Es hat die Aufschrift: »Die Bürger von Frankfurt an den fränkischen

Bürger und General Herrn Custine. Beigefügt waren die einen ganzen Band

füllenden Unterschriften der einzelnen Zunftmitglieder. Auch einige französische Blätter, wie das Supplement ä la Chronique de Paris vom 30. November, ver¬ öffentlichten das Schreiben.

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und schlossen mit dem Wunsch, »dass die fränkische Nation mit ihrer neuen Verfassung so glücklich sein möge, als wir mit der unsrigen waren. Also erwarten wir von Ihnen, dass sie uns bei dem für uns schätzbarsten Gut unserer bisherigen Verfassung und unserem davon abhangenden Wohlstand unverkürzt lassen«. Ebenso nachdrücklich protestierte ein Frankfurter Schlossermeister, Philipp Auerbach, in einem Sendschreiben an den Vorsitzenden des Mainzer Freiheitsklubs gegen Custines völkerbeglückende Ideen.1

Diese offene Absage erbitterte Custine und die Klubisten nicht wenig. Von jetzt ab war Frankfurt in Acht und Bann getan und in einer Menge von Pamphleten schütteten sie ihren Hass gegen »das Aristokratennest« aus, worauf man in Frankfurt die Antwort nicht schuldig blieb. Aber nicht nur Leute vom Schlage des eitlen und prahlerischen Stamm und des unklaren Böhmer beteiligten sich an diesem Pressfeldzug gegen Frankfurt, sondern auch der berühmte Förster, der sich doch sonst von der Durchschnittsmasse der Klubisten vornehm abhob. In seiner »Antwort eines freien Mainzers an den Frankfurter, der mit dem Franken Custine gesprochen hat,« stellt er als unumstössliche Tatsache hin, dass der Frankfurter Rat falsche Assignaten in Umlauf gesetzt habe, um den Kredit der Republik zu untergraben und durch einen Staatsbankerott den Bürgerkrieg in Frankreich zu beschleunigen. Und er, der noch kurz vorher die

1 Einen Auszug davon giebt Kriegk S. 212. Ein anderes Sendschreiben hat den Titel : Zuruf eines deutschen Bürgers an den Führer der Franzosen. In einem gleichzeitigen, gereimten »Aufruf zur Ruhe an den General Custine von einem jungen Frankfurter Bürger» heisst es:

Strophe 6: »Auf, lasst uns der Vorsicht danken,

Dass der General der Franken Uns bisher noch nicht befreit !

Denn ein solcher Volksbefreier Ist wahrhaftig viel zu teuer,

Denn er bringt uns schlechte Zeit.«

Strophe 10 enthält die Mahnung:

»Wollt ihr hier als Freunde wohnen,

Müsst ihr nur das Zeughaus schonen,

Dann sind euch die Bürger hold.

Wollt ihr Freunde sein und Brüder,

Gebt uns unser Geld nur wieder,

Und dann gehet, wann ihr wollt!«

Dieser »Zuruf eines deutschen Bürgers an den Führer der Franzosen«, der Custine bittere Wahrheiten sagte, wurde in vielen Blättern abgedruckt.

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Brandschatzung der Stadt als ungerecht verurteilt hatte, er recht¬ fertigte sie jetzt durchaus, denn damit fordere Custine nur einen Teil des so sündlich aus Frankreich genommenen Reichtums zurück.

Längeres Schweigen gegen diese Anklage wäre einem Ein¬ geständnis der Schuld gleichgekommen.

Daher gingen die Geschäftsleute der Stadt, schon aus Besorgnis für ihre Handelsbeziehungen mit Frankreich, den Rat an, den Ver¬ leumdungen von amtlicher Seite entgegenzutreten.1 Dieser verhiess jetzt durch öffentlichen Anschlag vom 24. November eine Belohnung von 200 1000 Reichstalern demjenigen, der den Nachweis führen könne, dass Einwohner Frankfurts falsche Assignaten angefertigt oder in Umlauf gebracht hätten; der gleiche Betrag wurde auch von einer Reihe Frankfurter Handelshäuser ausgesetzt.2 Wie zu erwarten war, meldete sich niemand mit einer Anzeige und dies machte die Verleumder etwas kleinlaut.

In Frankfurt hatte man sich mit dem Gedanken vertraut ge¬ macht, dass die Franzosen den ganzen Winter hindurch bleiben würden, denn die rauhe Jahreszeit war bereits angebrochen, ohne dass man viel von kriegerischen Unternehmungen der Preussen und der mit ihnen verbündeten Hessen vernommen hätte.

Seit dem Weggang Neuwingers, den Custine zu den Opera¬ tionen im Felde verwenden wollte, war in der zweiten Woche des November van Helden Stadtkommandant geworden. Von Geburt Holländer, hatte er- sich im Dienst seines Vaterlandes den Ruf eines kenntnisreichen Ingenieuroffiziers erworben, doch scheint er in den holländischen Wirren 1787 den in ihn gesetzten Erwartungen nicht entsprochen zu haben. Er flüchtete nach Frankreich und trat dort in das Heer ein. Rasch stieg er hier von Stufe zu Stufe. 1787 noch Kapitän, wurde er im August 1792 Oberst und Generaladjutant im Generalstab der Rheinarmee, einen Monat später Generalmajor. Ihn hielt Custine für den geeignetsten Offizier zur Verteidigung Frankfurts. 3

1 Nr. 17.

2 Von verschiedenen Seiten wurde Förster besonders eingeladen, sich um die ausgesetzte Belohnung zu bewerben.

3 Custine . . . le trouvait trfes valeureux, avec une grande intelligence pour la ddfense des places.« Chuquet S. 188 Anm. 1.

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Allerdings gab es auch Leute, die wenig von ihm hielten; sie schrieben seine rasche Beförderung in erster Reihe seinem ge¬ schmeidigen und skrupellosen Charakter zu.1 Jedenfalls haben sie ihn hierin mit Unrecht verdächtigt, wie sein ganzes Auftreten in Frankfurt zeigte. Seine humane, wohlwollende Gesinnung, seine strenge Gerechtigkeitsliebe, vor allem aber seine Unbestechlichkeit eine damals seltene Eigenschaft machten ihn hier bei hoch und niedrig beliebt und geschätzt, so dass der Rat auf das Gerücht hin, dass er für einen anderen Posten ausersehen sei, Custine dringend bat, ihn ja in Frankfurt zu lassen.2 Dass es ihm freilich, wie seine Gegner behaupteten, an Entschlossenheit gebrach und er in kritischen Augenblicken leicht den Kopf verlor, wird sich später zeigen.

Endlich in der letzten Woche des November 1792 hatten sich die Verbündeten über den Winterfeldzug verständigt. Als Ziel schwebte ihnen die Wiedereroberung Frankfurts und die Vertreibung der Franzosen bis über den Rhein vor. Während die Landgrafen von Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel, die ihre Mitwirkung zu¬ gesagt hatten, ihre Streitkräfte um Giessen und Marburg sammelten, waren die Preussen unter dem Herzog von Braunschweig von Koblenz aufgebrochen, dem rechten Lahnufer entlang marschiert und hatten Fühlung mit den darmstädtischen und hessischen Truppen erlangt. Auch Custine hatte Mitte November Verstärkungen, ungefähr 10000 Mann unter Kellermann, an sich gezogen; trotzdem war er mit seinem 24000 Mann starken Heer dem der Verbündeten, das 30—34000 Mann zählte, bei weitem nicht gewachsen. Als er am 25. genauere Nachrichten über die Annäherung des Feindes erhielt, zog er seine gesamte Streitmacht bis auf die Garnisonen von Frankfurt und Homburg zwischen Oberursel und Höchst zusammen;3 an letzterem Ort nahm er sein Hauptquartier. Seine Stellung bot ihm manche

1 Ausserordentlich ungünstig urteilt über ihn sein Zeitgenosse, der Verfasser der Mdmoires II. S. 129. Er nennt ihn : un grand raisonneur plat, intrigant, spricht von seinem caractere souple et bas u. s. w. Über seine militärischen Leistungen urteilt Chuquet wenig günstig.

2 Im Schreiben an Custine vom 27. November spricht der Rat von der harmonie des rapports qui s’est dtablie entre lui et nous, von der bonne conduite des troupes etc. Nr. 17. Die treffliche Mannszucht der Truppen muss sogar der Verfasser des franzosenfeindlichen Gedichts: »Begebenheiten der Deutschen und Franzosen im Jahre 1792« anerkennen.

3 S. Berliner Kalender 1844 S. 71, Mümoires S. 125, Chuquet S. 185.

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Vorteile: der rechte Flügel lehnte sich an Höchst und den Main, der linke an den Taunus und Oberursel, in dessen Nähe sich Oberst Houchard mit 4000 Mann verschanzt hatte, die Ortschaften Soden und Sulzbach mit ihren Verhauen und Schanzen schützten die Front. Freilich deckte diese Stellung nicht mehr Frankfurt, das jetzt auf sich selbst angewiesen war, ein Fehler, den die Verbündeten wohl ausnutzten.

Van Helden hatte den Befehl erhalten, das nordöstlich von Frankfurt gelegene Bergen mit einem Beobachtungsposten zu besetzen, der sich aber vor der feindlichen Übermacht nach Frankfurt zurück¬ ziehen sollte. Zugleich verhiess ihm Custine baldige Verstärkung an Mannschaft und Geschützen; auch empfahl er ihm, sich der städti¬ schen Kanonen mit Gewalt bemächtigen und das städtische Militär zu entwaffnen.1 Im Fall seiner Niederlage sollte zwar van Helden scheinbar Anstalten treffen, die Stadt zu behaupten, auch gegen den Widerspruch der Bevölkerung,2 in der Nacht aber den Rückzug nach Oppenheim antreten. Von französischer Seite hat man später diese von Custine getroffenen Massregeln aufs schärfste getadelt. Gerade in diesem kritischen Zeitpunkt, wo sein Feldherrntalent auf eine ernste Probe gestellt wurde, habe er völlig den Kopf verloren und seine militärische Unfähigkeit durch prahlerische Drohungen und durch zweideutiges Spiel zu bemänteln gesucht.3 Es konnte ihm unmöglich verborgen geblieben sein, dass Frankfurt das erste Angriffs¬ objekt der Verbündeten war. Wollte er es ernstlich halten, dann bot ihm die die Stadt beherrschende Bergener Höhe eine vorzügliche Verteidigungsstellung. Oder wollte er einer Feldschlacht ausweichen und sich nach Mainz zurückziehen, ohne jedoch Frankfurt preiszugeben, dann musste er van Helden ausreichende Truppen und genügendes Geschütz zu einer erfolgreichen Verteidigung der Stadt zur Verfügung stellen. Doch Custine tat weder das eine noch das andere; untätig

1 Das Schreiben Custines aus Mainz den 27. November ist abgedruckt in M£moires S. 130— 13 1.

2 Er sollte diesen durch Drohungen oder Versprechungen niederschlagen, en disant aux habitants que si les Prussiens vous attaquent, la nation frangaise payera les dommages; mais que si la ville bouge vous mettrez tout ä feu et ä sang; 1. c. S. 133.

3 Der Verf. der Memoires bemerkt hierbei (S. 127) . . on peut assurer que le genAral en chef des arm£es de la rüpublique frangaise avait entibremenf perdu la tete, dans un moment cependant eile lui £tait trfes necessaire. Damit vergl. Chuquet S. 186, Anm. 3, der der Ansicht ist, Custine hätte unbedingt die Stadt Frankfurt aufgeben müssen.

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verharrte er in der einmal gewählten Stellung, den Angriff der Feinde erwartend und seine Untergebenen durch einander völlig wider¬ sprechende Befehle verwirrend.

Der Führer der verbündeten Truppen, der Herzog von Braun¬ schweig, wagte nicht sofort mit seiner gesamten Streitmacht Custines Hauptstellung bei Höchst anzugreifen, wodurch er mit einem Schlag den französischen Heerführer mattgesetzt und Frankfurt befreit hätte. Im Geist der alten, bedächtigen Taktik scheute er sich, den festen Platz Frankfurt hinter seinem Rücken im Besitz der Feinde zu lassen. Deshalb teilte er sein Heer, um zu gleicher Zeit Frankfurt zu berennen und Custine über den Rhein zurückzuwerfen. Die erste Heeres¬ abteilung, ausschliesslich Preussen, bei denen sich auch der König befand, war von Limburg aus über Oberselters gegen Homburg vor¬ gerückt, dort traf sie am 29. ein, fand aber den Platz von den Franzosen bereits geräumt.1

Die zweite Abteilung, aus den hessischen Truppen und dem preussischen Korps des Generals Kalkreuth bestehend, war am 26. November von Gießen aufgebrochen und erreichte über Butzbach und Friedberg am 28. Bergen. Der Ort ward sofort angegriffen und nach kurzem Widerstand, wobei der preussische Leutnant Starkloff fiel, genommen und besetzt. Ein Teil der Franzosen, die sich im Rat¬ haus postiert hatten, fiel in Gefangenschaft, der Rest floh nach Frank¬ furt. Auch eine französische Reiterpatrouille an der FriedbergerWarte wurde teils niedergesäbelt, teils bis zu den Wällen Frankfurts verfolgt.2

Noch am Nachmittag des 28. November schickte Kalkreuth den Oberstleutnant Pellet mit einem Trompeter in die Stadt, um van Helden zur Übergabe aufzufordern, wofür ihm und der Garnison der Besitz ihrer Effekten zugesichert ward. Wie zu erwarten, wies der Kommandant diese Zumutung zurück unter Hinweis darauf, dass Custine in seiner Nähe sei.3

1 Über den Marsch der Verbündeten s. Oberpostamtsztg. vom 17. Dezember und Journal vom 18. Dezember.

2 Memoires S. 1 39. Ausführlicheres über die Erstürmung Bergens im »Krieg mit Frankreich«, Hauptjournal vom Hess. Corps d’armdes 1792, 1793, Tom I, fol. 257 vom 25. November, im Marburger Archiv, und Journal vom ersten Feldzug des hochlöbl. leichten Infanterie-Bataillons 1792 (ebenfalls im Marburger Archiv), S. 14 15. Hier wird die Zahl der Gefangenen auf 2 Offiziere und 62 Mann an¬ gegeben, dort auf 70.

3 Das Folgende unter Benützung der offiziellen Darstellung: Authentische Nachricht vom Übergang der Reichsstadt Frankfurt aus französischen Händen an die deutschen . . . Kriegsvölker.

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Die unerwartete Ankunft der Verbündeten, deren einzelne Truppengattungen von den Wällen aus deutlich zu unterscheiden waren, versetzte Frankfurt in hohe Aufregung. Mochte die Aufführung der Besatzung und ihres Kommandanten noch so musterhaft sein, sie waren doch Fremde und Feinde, und draussen standen die, mit denen man durch die Bande gemeinsamer Sprache und Abkunft, gemeinsamen Fühlens und Denkens verbunden war. Besonders die niedrigen Stände und die Schuljugend1 und auffallenderweise auch die Juden2 3 gaben sich ihren Empfindungen rückhaltlos hin, jubelnd umringten sie den preussischen Stabsoffizier und geleiteten ihn, indem sie fortwährend riefen: »Es lebe der König von Preussen! Nieder die Franzosen!« bis zur Behausung des Stadtkommandanten.

Die doch nur dem Kriegsgebrauch entsprechende Aufforderung des preussischen Generals zur Übergabe bezeichnete Custine als eine »Unverschämtheit, auf die man nur mit Ironie antworten könne«.5 Nie dürfe, schrieb er van Heiden, ein Republikaner mit Sklaven, mit Handlangern der Despoten kapitulieren, er habe nur zwischen Sieg oder Tod zu wählen. Wenn Frankfurt sich rühre, solle er die Stadt in Brand stecken und das städtische Militär entwaffnen.4 Dem General Kalkreuth aber schrieb er gleichfalls von Höchst in hochtrabendem Tone, er würde ihm in Person die Antwort des französischen Stadt¬ kommandanten überbringen.

Die Verbündeten mussten somit annehmen, dass Custine zum Angriff übergehen würde,5 aber den prahlerischen Worten folgten keine Taten; ruhig Hess er die Vereinigung der beiden preussischen Heeresabteilungen geschehen : die preussischen Truppen, die bisher bei den Hessen gestanden hatten, stiessen am 29. zum Hauptkorps unweit Homburgs. Die Hessen selbst blieben bei Bergen und Bornheim.

1 Das Konsistorium wies daher die Schulmeister an, die Schuljugend vor dergleichen »gefährlichem und unanständigem« Schreien zu bewahren.

2 »Auch jüdische Knaben und Knechte hatten sich beim Einreiten des preussischen Trompeters an den Toren befunden und durch ihr unsittliches Be¬ tragen (!) manchem guten Bürger Anlass zu Ärgernis gegeben«, schreibt Steitz. Übertreibend schreibt van Helden (M£m. 1. c.): »les Juifs . . . ont fait £clater tant de joie que si leur Messie etait arrivd ä Francfort, ces Israelites n’auraient pu en montrer davantage.« S. auch Chuquet S. 190.

3 Memoires S. 137 in seinem Schreiben an van Helden.

4 »Ils rampent devant la force, eh bien, il faut en montrer pour faire ramper les capitalistes ä Francfort« 1. c.

5 Journal vom ersten Feldzug 1. c.

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Ihr Vortrab war jetzt bis an die Wälle der Festung herangekommen.1 Custine hatte nichts unternommen, sie daran zu hindern, sein heraus¬ fordernder Hochmut hatte auf einmal grosser Verzagtheit Platz gemacht; er erwog bereits den Gedanken einer Niederlage oder wenigstens der Preisgabe Frankfurts und des Rückzuges nach Mainz.2 Wie aber beides gegenüber dem Nationalkonvent beschönigen, in dessen Augen jede Niederlage ein Verbrechen war, das seine Sühne auf dem Schafott finden musste? Custine zeigte sich jetzt in seiner ganzen Skrupellosigkeit und Verlogenheit. Wie aus eigenem An¬ trieb, nur um einen Beweis seiner persönlichen Freundschaft zu geben, aber offenbar mit Wissen und auf Veranlassung des Vaters, erschien am 28. November Custines Sohn bei van Helden und schilderte ihm stark übertreibend die Gefahren, von denen er bedroht sei; als einzige Rettung empfahl er ihm die Räumung Frankfurts. Als jedoch der junge Custine auf Befragen erklärte, dies sei nur seine persönliche Ansicht, aber weder ein Befehl noch ein Rat seines Vaters, wagte van Helden nicht, im Widerspruch mit dessen früherer Weisung Frankfurt aufzugeben. So entging er der ihm arglistig gestellten Falle; Custine hatte offenbar ihn als Sündenbock für die Räumung Frankfurts und den dadurch bedingten Rückzug nach Mainz benutzen wollen.3

Van Helden war also, auf die verheissene Unterstützung Custines bauend, entschlossen, Frankfurt zu halten. Aber es fehlte ihm an Artillerie, und der Rat verweigerte ihm sowohl seine Geschütze als auch die Schlüssel zum Zeughaus,- aus dem er die Munition entnehmen wollte, und blieb dabei, auch als van Helden in Begleitung mehrerer Offiziere im Römer erschien, um seiner Forderung mehr Nachdruck zu geben.4 Mit Schrecken nahm der Rat wahr, dass van Helden es auf eine Beschiessung der Stadt wolle ankommen lassen. Den Vorstellungen

1 Journal 1. c.

2 S. sein Schreiben vom 29. November an den Kriegsminister in Memoire des deput£s de Francfort etc. ä la Convention nationale au sujet de la reprise de la ville S. 5 und Mdmoires S. 146.

3 S. Mdmoires S. 140 ff. Einen anderen Zweck konnte der Besuch des jungen Custine nicht haben; denn treffend bemerkt der Verfasser der Mem. S. 141 : »II est peu ordinaire qu’on aille faire des visites d’amitie encore moins de politesse ä travers les coups de fusil.« Man berücksichtige auch Custines Verhalten gegen die Stadt in dieser Zeit, das ebenfalls kein günstiges Licht auf die »principes de moralit£ du g£n£ral Custine« wirft.

4 S. Authentische Nachricht S. 2 und Metzlers Bericht über die Vorgänge in Frankfurt am 28. November, Nr. 29 = Anlagen zum Protokoll der Geh. Kriegs¬ deputation 1792—1796 Nr. 120a, 120b, 120c.

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gegenüber, dass die Stadt in keinem verteidigungsfähigen Zustande sei und bei einer Beschiessung das Schlimmste zu erwarten habe, wies er auf den gemessenen Befehl Custines hin. Die Versicherung, dass die französische Nation allen daraus entstehenden Schaden ersetzen würde, klang zu unwahrscheinlich, um ernst genommen zu werden.

Da beschloss der Rat, auf eigene Faust zu handeln. Er schickte zwei Deputierte zu Kalkreuth, um ihm das Schicksal der Stadt ans Herz zu legen. Nachts um n Uhr wurden sie von diesem in Bergen empfangen; er versicherte, dass er vor der Hand nichts gegen die französische Besatzung unternehmen, ihr sogar, was er am Nach¬ mittag nicht zugestanden hatte, gern freien Abzug mit gesamter Habe bewilligen wolle, um die Stadt nicht den Schrecken einer Erstürmung auszusetzen. Doch müsse van Helden den folgenden Mittag also den 29. November die Stadt räumen, da bis dahin die Hauptarmee unter dem König selbst eintreffen werde und das Weitere nicht mehr von ihm abhänge.1 Kalkreuth hatte sogar in der Erwartung, dass van Helden auf sein Anerbieten eingehen würde, die bis nach Frankfurt vorgeschobenen Vorposten wieder eingezogen, um den Abzug der französischen Garnison zu erleichtern. Morgens 2 Uhr überbrachten die Deputierten diesen Bescheid dem Stadtkom¬ mandanten, der merkwürdigerweise sich über den eigenmächtigen Schritt des Rates nicht ungehalten zeigte, im übrigen aber von seinen Entschliessungen nichts verlauten liess.

Dies Schweigen deutete der Rat in günstigem Sinne; er rechnete schon so sicher auf den friedlichen Abzug der Franzosen, dass er jetzt Deputierte ernannte, die den preussisch - hessischen Truppen entgegengehen und ihren Führer ersuchen sollten, die Stadt mit aller Einquartierung zu verschonen.

In der Bevölkerung hatte inzwischen die Erregung immer mehr zugenommen und stürmische Auftritte waren zu befürchten. In der Stadt befanden sich viele fremde Handwerksgesellen, ihrer Herkunft nach überwiegend Preussen, Hessen, Braunschweiger, die vor den Toren ihre Landsleute wussten und voller Ungeduld deren Einmarsch entgegensahen.2

1 Auth. Nachr. S. 3.

3 Ein hessischer Offizier schreibt von Bergen am 30. November: »Die Bürger wünschen sämtlich nichts mehr, als dass wir vor den Toren erscheinen, um uns zum Einmarsch behilflich zu sein, und ich hoffe, dass wir durch die seit einigen Stunden mit den Bürgern angefangene Unterredung vielleicht morgen in den Besitz der Stadt kommen«. Krieg mit Frankreich, Teil II, S. 1445 1457.

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Bereits kam es in den Wirtshäusern zwischen der Bevölkerung und der Garnison zu heftigem Wortwechsel, ja vereinzelt sogar zu Tätlichkeiten. Wie leicht konnten daraus die schlimmsten Folgen für die Stadt entstehen! Auch van Helden war die Erregung der niederen Klassen nicht entgangen; er ersuchte den Rat, dafür zu sorgen, dass die Bürgerschaft sich ruhiger verhalte, da er bereits am 28. November von »dem gemeinen Volk (populace) die grössten und unleidlichsten Zudringlichkeiten und Begegnungen habe erfahren müssen«. 1

Daraufhin gingen verschiedene Ratsmitglieder mit den Bürger¬ kapitänen in die einzelnen Quartiere und in die Wirtshäuser, warnten vor »ebenso unzeitigen als gefährlichen Freudensbezeugungen« und empfahlen den Bürgern »jenen Anstand und jene Stille, die sie zu ihrer Ehre stets bisher bei allen Anlässen bewahrt hätten«.2 *

Mit den Juden machte man kurzen Prozess. Weil sie bei dem Erscheinen des preussischen Parlamentärs mit in das allgemeine Vivatschreien eingestimmt hatten, sperrte man sie in der Judengasse ein und besetzte die Tore durch Mannschaften der städtischen Garnison. Erst als die jüdischen jungen Burschen sich über diese Einsperrung »zu ungebärdig zeigten«, nahm man die Wache wieder zurück.’

Die Nacht des 28. verlief ruhig. Gemischte Patrouillen, aus französischem und städtischem Militär bestehend, durchzogen die Stadt, um jeder Unordnung zu steuern, während die französische Garnison auf den Wällen kampierte. Im Ernstfall war sie auf sich allein angewiesen. Denn die Truppen der Stadt in Stärke von 10 Infanteriekompanien4 und 1 Artilleriekompanie, zusammen 800 Mann und 46 Offiziere, hatten die strenge Weisung, neutral zu bleiben und sich beim Anrücken der Verbündeten von den Wällen und Toren sofort zurückzuziehen.

Der 29. November brachte zwar nicht die Entscheidung, dafür aber Aufregung und kriegerischen Tumult innerhalb der Mauern.

1 Am 30. November schreibt er an Custine (Memoires S. 51): »II n’est pas bien difficile d’apercevoir qu’ils (sc. les bourgeois) sont tres agit£s d’inquietudes« etc.

1 Ratssitzung vom 28. und 29. November.

5 Ratssitzung vom 30. November. Doch sollten sie sich beim Ein- und Ausmarsch fremder Truppen nicht versammeln, sich alles Schreiens und öffentlicher Äusserungen und aller ungebührlichen Neugier enthalten.

4 Nämlich 3 Stabs- und 7 Feldkompanien; nur diese letzteren waren mili¬ tärisch einigermassen brauchbar.

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Van Helden unternahm den Versuch, sich mit Gewalt des städtischen Geschützes zu bemächtigen, und beauftragte damit eine Truppen¬ abteilung unter Führung zweier Offiziere. Bereits hatten diese die verschlossenen Tore des im Rahmhof befindlichen Zeughauses auf¬ gesprengt, da warf sich die von allen Seiten zusammenströmende Volksmenge, darunter viele Metzger mit Äxten und Sachsenhäuser mit Schusswaffen, auf sie, so dass die völlig eingeschüchterten Franzosen von ihrem Vorhaben abstanden. Ein von der Hauptwache eiligst geschicktes Kommando des städtischen Militärs kam den Be¬ drohten zur rechten Zeit zu Flilfe, und der allgemein beliebte Ratsherr Olenschlager suchte die Aufgeregten zu beruhigen. Da goss die Ankunft des Generaladjutanten van Heldens frisches Öl in das schon erlöschende Feuer. Seine Versicherung,1 man wolle nur das im Rahmhof aufbewahrte Fleisch abholen, begegnete allgemeinem Hohn, von allen Seiten erhoben sich Stöcke und Fäuste. Nur mit Mühe entzog ihn Olenschlager der Menge und brachte ihn auf der Haupt¬ wache in Sicherheit. Jetzt stürzten sich erregte Haufen auf die Zeil zur Wohnung des Stadtkommandanten, wohin sich inzwischen Ab¬ gesandte des Rates verfügt hatten. Auf die drohenden Volksmassen vom Fenster aus zeigend erklärten sie, dass sie bei einer gewaltsamen Wegnahme des Geschützes ausser stände seien, die Ruhe in der Stadt aufrecht zu erhalten. Van Helden liess sich einschüchtern und die Truppenabteilung zog vom Zeughaus zurück. Mit diesem Erfolg zufrieden, zerstreute sich allmählich die Menge; sie hatte das Gefühl ihrer Macht erlangt und wusste, dass sie jetzt die Lage beherrschte.

Da erscholl der Ruf: »Custine in Frankfurt!« Und in der Tat, um 4 Uhr Nachmittags betrat er in Begleitung vieler Offiziere den Römer, sich nur mit Mühe den Weg durch die ihm folgenden Scharen bahnend,2 3 die ihm voller Aufregung das Geleite gaben. Offenbar war er auf die Kunde von den Vorfällen des Vormittags nach Frank¬ furt geeilt, um die Menge zu züchtigen und das städtische Geschütz an sich zu reissen. Wer beschreibt aber die Überraschung der beiden Bürgermeister, als Custine mit keinem Worte des Auflaufes gedachte, von dem ihm doch van Helden genauen Bericht erstattet hatte,5

1 Für das Folgende s. Memoires S. 142 und den Bericht Olenschlagers und Moors in Nr. 21.

2 Authentische Nachricht S. 4. Memoires S. 144 und Nr. 29 = Anlage zum Protokoll der Geh. Kriegsdeput. 1792—1796, Nr. 117a.

3 Memoires S. 152.

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sondern als einzigen Zweck seines Kommens angab, dem Rat anzu¬ zeigen, dass er zur Behauptung seiner Stellung eine Schlacht mit den Verbündeten wagen müsse! Dem fügte er die feierliche Versicherung bei, dass Frankfurt, wie immer auch das Schlachtenglück ausfallen werde, vor aller Gefahr gesichert bleibe, denn »kein Schuss wird auf die Stadt geschehen«, die Garnison solle im Fall seiner Niederlage in aller Stille abziehen. Im übrigen hatte er für den Rat und den Bürger¬ meister nur Worte vollster Anerkennung wegen der zur Aufrecht¬ erhaltung der Ordnung getroffenen Massregeln; er versprach, ihrer besonders rühmend beim Nationalkonvent zu gedenken, den er bereits um Nachlass der Kontribution angegangen habe.

Als er von Frankfurt schied und noch die Munitionswagen mit sich nahm, da war auf einmal die Stimmung zu Gunsten Custines umgeschlagen. Besonders die Volksmassen fühlten sich nicht wenig geschmeichelt, dass er stets respektvoll, entblössten Hauptes durch ihre Mitte schritt.

Der Rat hatte nichts Eiligeres zu tun, als die feierliche Zusage Custines durch den Druck allgemein bekannt zu machen. Für ihn war kein Zweifel mehr, dass die französischen Truppen die Stadt ohne Kampf räumen würden. Er besorgte nur, dass die niederen Klassen sich zu Gewalttätigkeiten gegen die Abziehenden hinreissen lassen könnten. Sicher würde dann der Konvent Repressalien an den Frankfurter Abgesandten in Paris üben oder sie wenigstens zur Siche¬ rung der noch zu zahlenden Kontribution als Geiseln festhalten. 1 Wie hätte er ahnen können, dass Custine doppelzüngig genug war, den ängstlich um Verhaltungsmassregeln bittenden van Helden auf seinen früheren Befehl zu verweisen! Was dieser als gerade denkender Soldat nur als eine Aufforderung, die Stadt zu halten, auffassen konnte. Darin liess er sich jetzt nicht weiter beirren, auch als ihm Custines Generaladjutant aus Mainz wohlverstanden nur privatim riet, aus Frankfurt abzuziehen, wobei Custine seinen Rückzug decken würde.

Sobald dieser erkannt hatte, dass van Helden allen seinen Fallstricken entging, gebärdete er sich nunmehr, als habe ihn nie der geringste Zweifel, ob er die Stadt halten solle, beschlichen, und schickte am 30. November zwei Munitionskasten nach Frankfurt mit

1 Deshalb wurde in Sachsenhausen ein Reisewagen Tag und Nacht bereit gehalten, damit ein Kurier im gegebenen Fall schleunigst nach Paris gesandt werden könnte, um den Vertretern anheimzustellen, ihre Rückreise sogleich anzutreten.

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dem Bemerken, dass van Helden sonst nichts mehr brauche. Fast wie Hohn klang die Warnung in dem sehr lakonisch abgefassten Schreiben, einen Geschützkampf nicht herauszufordern.

Für alle Gegenvorstellungen, wie berechtigt sie auch waren, war er taub oder begegnete ihnen mit Ironie und Beleidigungen. Weist van Helden in dem sehr erregten Schriftwechsel an Gustine auf die gärenden Volksmassen hin, so empfiehlt er ihm, mit Feuer und Schwert gegen die Stadt vorzugehen; bemerkt darauf van Helden, dass er unmöglich bei seiner geringen Truppenzahl zugleich mit den Bürgern und den äusseren Feinden kämpfen könne, so wirft ihm Custine geradezu Feigheit vor. Meldet er ihm am i. Dezember die Ankunft starker feindlicher Kavallerie, so wird ihm der höhnische Bescheid, Kavallerie könne weder Gräben noch Mauern übersteigen, als ob nicht, wie van Helden richtig bemerkte, der Feind manchmal Kavallerie vorschickte, um seine Absichten zu maskieren. »Mit Ruhe und Kaltblütigkeit«, meinte Custine, würde van Helden aller Schwierig¬ keiten Meister werden. Aber ausser diesem wohlfeilen Rat sandte er ihm doch eine Verstärkung, nämlich 50 reitende Jäger, dazu das Ver¬ sprechen, dass seine bei Rödelheim postierten 4 Bataillone den Preussen und Hessen, falls sie Frankfurt angriffen, in den Rücken fallen würden.

Mit trüben Ahnungen sah van Helden den nächsten Tagen entgegen. Er hatte seine Lage keinesfalls zu schwarz geschildert. In erster Reihe war der Zustand der Befestigungswerke ganz veraltet. Frankfurt liegt ja in der Ebene und wird im Norden, Nordosten und Süden von Höhen beherrscht, die die Stadt bei dem gänzlichen Mangel an Aussenwerken dem Feuer der feindlichen Artillerie schutzlos Preisgaben. Der Hauptwall mit seinen 15 Bastionen stammte noch aus dem siebzehnten Jahrhundert und war nicht nach den An¬ forderungen der fortgeschrittenen Befestigungskunst umgestaltet worden; er war noch durch einen Niederwall (fausse-braie) gedeckt. Die Brustwehr erreichte nur die Höhe von 2V2 3 Fuss oder fehlte ganz. Ein schlechtes Mauerwerk zu beiden Seiten (escarpe und contreescarpe) stützte den Wall, den man bei der geringen Höhe von 4—5 Fuss ganz bequem, ohne Zuhilfenahme von Leitern, ersteigen konnte. Alle Werke trugen sichtlich den Stempel des Verfalls an sich, da man sie seit geraumer Zeit nicht hatte ausbessern lassen. Ein Teil davon war den verflossenen Sommer sogar abgetragen worden.1

1 Berliner Kalender S. 94 Anmerk., nach van Heldens Prise de Francfort S. 53, Chuquet S. 188.

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Der breite Hauptgraben vor dem Wall hatte durchschnittlich eine geringe Tiefe und war leicht zu durchwaten; stellenweise war er sogar ganz trocken, denn vom Main aus erhielt er kein Wasser, da seine Sohle höher lag als der Strom, er bekam nur Zuflüsse von dem Gelände im Norden her, die aber im Sommer sehr spärlich flössen. Die vor ihm liegende Feldbrustwehr (Rondenweg) bot keine Stütze für die Verteidigung; ebenso wenig schützten die spitz zulaufenden Werke (ouvrages en forme de fleche) die Tore vor der Wirkung der Artillerie, da sie nicht hoch genug angelegt waren. Sah man von der Flussseite ab, auf der die Stadt ganz ungedeckt war, so zählte sie nicht weniger als sieben Haupttore, die mit ihren unzulänglichen Ausfallspforten (poternes) die Verteidigung eher er¬ schwerten, während die davor befindlichen kleinen Brücken . dem Feinde das Überschreiten des Grabens und das Ersteigen der Böschungen erleichterten. Unmittelbar an die Festungswerke, ja bis zur Feldbrustwehr stiessen Weingelände, Hecken, Land- und Garten¬ häuser. Hier konnte sich der Feind, ohne bemerkt zu werden, fest¬ setzen und mit seinem Feuer den ganzen Wall bestreichen.

Was sonst an Verteidigungsmitteln zur Verfügung stand, musste van Heldens Hoffnungen noch mehr herabstimmen. Im ganzen zwei Geschütze mit je dreissig Patronen damit liess sich nicht lange kämpfen. Die Garnison zählte annähernd 1800 Mann Infanterie, teils Linientruppen,1 teils Nationalgarde,2 zwar voll guten Willens, aber erst vor kurzem ausgehoben und ohne alle Kriegserfahrung, die auch den meisten ihrer Offiziere abging. An Reiterei standen van Helden nur die 50 Custineschen Jäger zur Verfügung. Er hatte, wie bereits erwähnt, in unbegreiflicher Fahrlässigkeit auf Bitten des Rates die beim Nahen der Flessen eingeführte Torsperre wieder aufgehoben.3 Da der

1 Nämlich 1 Bataillon, das 82. (ci-devant Saintonge) mit den beiden Geschützen.

2 3 Bataillone, das 7. (des Vosges), das 5. (du bas Rhin), das 10. (de la haute Saöne).

3 Was ihm von französischer Seite mit Recht vorgeworfen wird (M6m. 165). Andere Vorwürfe, z. B. dass er nicht die angesehensten Ratsmitglieder als Geiseln für die Sicherheit der Garnison habe festnehmen lassen, richten sich von selbst. Schon der Versuch gegen das Zeughaus hatte klar gezeigt, dass die Menge jeder Gewaltmassregel mit Gewalt begegnen würde. Die Strassenauftritte in Brüssel im Dezember 1789 und in Nancy 1790, in denen die erregten Massen in blutigem Kampf den Sieg über die regulären Truppen erfochten hatten van Helden war selbst Zeuge dieser Kämpfe gewesen hatten einen tiefen und nachhaltigen Eindruck in ihm zurückgelassen (Memoires S. 153, Chuquet S. 190). Zugleich draussen vom Feinde und innen von der Menge bedroht, glaubte er nur durch Nachgiebig¬ keit gegen sie sich halten zu können.

17

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30. November ein Feiertag (Frankfurter Buss- und Bettag) war, strömten die feiernden Handwerksburschen haufenweise zu den feind¬ lichen Truppen, ihren Landsleuten, hinaus, nach der Friedberger Warte, nach Bornheim und Bergen. Hier wurden sie wohl aufge¬ stachelt, nicht nur müssige Zuschauer zu bleiben, wenn es zum Angriff kommen sollte; schon vernahm man von ihnen Äusserungen, dass, wenn die Franken Widerstand leisteten, sie selbst dem Feinde die Tore öffnen würden, um die Stadt vor der Beschiessung zu bewahren.

Die Zeit bis zum 2. Dezember verstrich ohne erheblichen Zwi¬ schenfall. Zwar hatten am 1. Dezember Custines Truppen vor Tages¬ anbruch die Nidda überschritten und sich bei Bonames in zwei Treffen aufgestellt, waren dann aber über Preungesheim nach Höchst zurück¬ marschiert.* 1 Die Verbündeten erwarteten jetzt, dass die Franzosen sich noch weiter zurückziehen würden, und wollten ihnen dazu ge¬ nügend Zeit lassen, um die Stadt keiner Gefahr auszusetzen.2 Als aber Custine dazu keine Anstalten traf und auch in seiner Stellung bei Höchst verharrte, beschlossen sie ihrerseits zum Angriff überzu¬ gehen. Der Anstoss dazu ging vom preussischen Oberstleutnant Rüchel aus, der sich in diesem Feldzug als einen der unternehmungslustigsten Offiziere des preussischen Heeres zeigte. Er arbeitete auch den Plan zum Angriff auf Frankfurt aus, der nach manchen Einwendungen des Herzogs von Braunschweig angenommen wurde. } Danach sollte die ganze preussische Heeresmacht, verstärkt durch die hessische Brigade Cochenhausen, die Gegend von Rödelheim und Höchst, woher Custine hervorbrechen konnte, beobachten und zugleich den Angriff auf Frank¬ furt unterstützen, während Hohenlohe die Aufgabe zufiel, Houchard bei Oberursel anzugreifen und ihn von Custine abzuschneiden. Die Darmstädter standen zur Reserve bei Vilbel.

1 S. Krieg mit Frankreich, Hauptjournal etc.

1 Memoires S. 162.

5 Berliner Kalender S. 97/98. Auch Luchesini schreibt am 2. Dezember an Schulenburg und Alvensleben von Frankfurt aus: »Ruchei qui a mene toute Fexpedition sur Francfort contre l’avis et le gre du duc de Brunsvik etc. in Akta des Kgl. Geh. Staatsarchivs betreff, die Einnahme der Stadt Frankfurt a. M. Rep. N. Frankreich (Luchesini). Chuquet (S. 192) rühmt ebenfalls an Rüchel den Geist der Initiative und schreibt von ihm sogar: »Jeune encore, atnbitieux, plein d’une flamme qu’il communiquait ä son entourage il aurait peut-etre change le sort de la guerre s’il avait eu le commandement.«

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Der Sturm auf die Stadt wurde auf die Frühe des 2. Dezember festgesetzt und sollte in 4 Kolonnen zu Wasser und zu Lande er¬ folgen. Die erste Kolonne (2 Bataillone Kospoth und Hanau und das darmstädtische Chevauxlegersregiment Döring) sollte bei Offen¬ bach den Main überschreiten, die Infanterie auf Fähren, die Kavallerie unter Benutzung der Furt,1 und sich um 7 Uhr früh in Sachsen¬ hausen festsetzen; man hatte erfahren, dass die Wasserpforten offen und unbesetzt waren.

Auch die zweite Kolonne (ebenfalls ein Bataillon Kospoth) sollte von der Wasserseite angreifen. Sie hatte auf verdeckten Schiffen mainabwärts zu fahren, am Metzgertor zu landen und von da sich gegen das Allerheiligentor zu wenden, um dem Feind in den Rücken zu fallen.2

Die Hauptaufgabe fiel den beiden anderen Kolonnen zu. Die dritte unter dem Generalmajor Hanstein (erstes und zweites Bataillon Leibregiment, zweites Bataillon Leibgarde, Grenadierbataillon Esch- wege, leichtes Infanteriebataillon Lenz) sollte um 6 Uhr früh zwischen Bornheim und Seckbach zum Abmarsch bereit stehen und gegen das Allerheiligentor rücken. Zur selben Zeit sollte auch die vierte Kolonne (erstes und zweites Bataillon Gardegrenadiere, erstes Bataillon Leib¬ garde, Grenadierbataillon Prinz von Hessen-Philippsthal, eine Abteilung Jäger und Gardes du Corps unter den Generälen Biesenrot und Wurmb) an der Friedberger Warte sich in Bewegung setzen, um das Friedberger (Neue) Tor anzugreifen. Beiden Kolonnen ward Kavallerie unter dem General Dalwigk und dem Obristen Schreiber sowie auch Artillerie beigegeben. Im ganzen mochten die hessischen Sturm¬ abteilungen, die durch darmstädtische und preussische Reiterei verstärkt waren, 6000 Mann betragen. Den Oberbefehl führte Oberstleutnant Rüchel. Sein Angriffsplan war folgender: 5 »Zunächst sind die etwa in den Vorgärten aufgestellten feindlichen Posten zu werfen; flüchten sie auf den Zugbrücken in die Stadt, so versuchen die Verfolger, mit ihnen zugleich einzudringen. Bleiben aber die Tore verschlossen, so wird die Artillerie vorgezogen, um sie einzuschiessen. Die Jäger und die leichte Infanterie postieren sich hinter die Gärten in die Nachbarschaft beider Tore, um die Franzosen durch lebhaftes Feuern in genügender Entfernung zu halten. Inzwischen legen die Zimmer-

1 »Wobei sie sich in acht nimmt, dass sie nicht ersäuft.«

2 Krieg mit Frankreich, Hauptjournal S. 263, und Ditfurth. Die Erstürmung Frankfurts u. s. w. S. 11.

17*

26o

leute Bohlen über die Streckbalken der Zugbrücke, um der Infanterie das Überschreiten des Grabens zu ermöglichen. Die Kavallerie hat die aus der Stadt Fliehenden zu verfolgen und ihnen den Rückzug abzuschneiden. Niemand soll ohne Befehl aus Reih und Glied treten ; jeder Exzess wird bei Todesstrafe verboten.«

Noch vor Tagesanbruch hatten die dritte und vierte Kolonne J die ihnen angewiesenen Stellungen eingenommen und harrten der Ankunft der preussischen Hauptarmee. Endlich um 7 Uhr, eine Stunde nach der festgesetzten Zeit, erschien diese bei der Friedberger Warte. Trotz dieser Verzögerung waren die Aussichten auf eine Überrumpe¬ lung des Feindes noch immer günstig. Ein dichter Nebel hatte seinen verhüllenden Schleier zwischen Festung und Angreifern aus¬ gebreitet; unter seinem Schutze hätte man völlig unbemerkt in die Stadt eindringen können, da der Feind in sträflicher Nachlässigkeit weder Posten ausserhalb der Wälle aufgestellt, noch die Zugbrücken aufgezogen hatte. Aber man Hess die kostbare Zeit unbenützt ver¬ streichen, um die Ankunft des Königs abzuwarten, der erst um 8 Uhr eintraf, und auch da führten die Bedenken des Herzogs von Braun¬ schweig einen weiteren Aufschub herbei. Noch im letzten Augen¬ blick schreckte er vor dem Angriff zurück und Hess die bereits in Marsch befindlichen Truppen wieder halt machen. Erst die entschiedenen Gegenvorstellungen Rüchels bestimmten Friedrich Wilhelm II., den Weitermarsch zu befehlen.1 Aber inzwischen war es fast neun Uhr geworden; die höher gestiegene Sonne hatte den Nebelvorhang zerrissen und zeigte den Franzosen auf den Wällen den heranrückenden Feind. Der Vortrab war kaum eine viertel Stunde von den Wällen entfernt, da verbreitete sich der Ruf: Die Tore sind offen! »Die ganze Kolonne fing also zu laufen an«, schreibt der Ver¬ fasser des Hauptjournals, »und ungeachtet hierbei einige blessiert und getötet in der Strasse fielen, so geschah es doch in der grössten Ordnung.« Fast wäre es der Spitze 2 Offizieren und 25 Garde¬ reitern geglückt, über die herabgelassene Zugbrücke und das geöffnete Tor, aus dem soeben ein Wagen gefahren war, in die Festung einzudringen, da es war kein Augenblick mehr zu ver¬ lieren wurden die Franzosen auf die Gefahr aufmerksam, zogen die Zugbrücke auf, schlossen das Tor und feuerten auf die Reiter und die im Laufschritt ihnen folgenden Jäger. Da die Hessen weder

1 Berliner Kalender S. 106, Ditfurth S. 12. Chuquet S. 193, der die Scene zwischen Rüchel und dem Herzog sehr dramatisch schildert.

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Leitern noch Faschinen bei sich hatten, verbargen sie sich hinter Gartenhäusern und Hecken, von dort aus das Feuer lebhaft erwidernd.1 Der Weg war somit für die nachrückenden Abteilungen frei, die man noch immer im Wahn gelassen hatte, dass das Friedberger Tor offen sei.

Das Grenadierbataillon von Hessen-Philippsthal kam zuerst dort an und erkannte zu spät den Irrtum. Unbegreiflicherweise blieb der Prinz von Hessen-Philippsthal mit seinem Bataillon, anstatt in dem vorzüglich dazu geeigneten Gelände Deckung zu suchen, auf der Chaussee vor dem äusseren Graben stehen und zwang dadurch auch das ihm unmittelbar folgende i. Bataillon Gardegrenadiere, auf der Chaussee Halt zu machen. So standen nun die braven Truppen eng gedrängt, von den Mauern und Gebäuden auf beiden Seiten des Weges eingeschlossen, fast wehrlos dem Feind gegenüber, der hinter der Brustwehr, den Kugeln fast unerreichbar, seine Geschosse in die dichten Massen herabsandte.2 Erst als nach halbstündigem Feuern der Prinz verwundet, eine Reihe Offiziere und Soldaten gefallen und die Munition verschossen war, brach das Grenadierbataillon durch die Einfriedigungen der Landstrasse durch, um sich dem feindlichen Feuer zu entziehen, während die Gardegrenadiere zurückgezogen wurden,3 um dem jetzt herbeigeholten Geschütz Platz zu machen. Als das Bataillon des Generalleutnants von Benning hierbei in Un¬ ordnung geriet, schrie dieser ihm zu, dass er dem ersten, der nur einen Schritt wiche, den Degen durch den Leib rennen würde. Diese Drohung wirkte. Inzwischen begann zum Glück für die Hessen den Franzosen die Munition auszugehen, und so kam das Gefecht auf kurze Zeit zum Stehen.

Endlich eröffnete die preussische und hessische Artillerie das Feuer gegen das Friedberger Tor und die Zugbrücke, aber die Ge-

1 Journal vom ersten Feldzug des hochlöbl. leichten Infant.-Bataill. 1792 und des hochlöbl. Feld-Jägerkorps von 1792 S. 17.

Das Folgende hauptsächlich nach »Krieg mit Frankreich, Hauptjournal 2. De¬ zember und Authentischen Nachricht etc. S. 5 ff., Ditfurth S. 13 ff.

2 Memoires S. 164: Les Fran^ais qui daient postes sur les remparts tirerent sur dies comme ä la sible (cible) et sans nuls dangers etant couverts eux-memes du feu qu’on pouvait leur opposer par les parapets .... und Journal des Feld- jäg. 1. c. : »Der Feind Hess beim Schiessen nichts als die Hüte sehen und selbst im Augenblick des Abdrückens kam zuletzt nicht mehr der Kopf, sondern das Gewehr zum Vorschein, welches aber dennoch, da es in der Richtung der Kolonnen ab¬ gedrückt wurde, grossen Schaden tat.«

3 Kriegk S. 223.

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schütze waren so ungeschickt aufgestellt, dass die Bedienungsmann¬ schaft den feindlichen Kugeln ein leicht erreichbares Ziel war und immer wieder ersetzt werden musste. Nur die in die Stadt fallenden Geschosse richteten an einigen Stellen, im Fronhof, im Dominikaner¬ kloster und in der Judengasse, etlichen Schaden an.

Auch die dritte Kolonne hatte bis jetzt keinen Erfolg aufzuweisen. Als sie das Allerheiligentor verschlossen und die Wälle besetzt fand, suchte sie alsbald, ungleich der vierten Kolonne, Schutz hinter einer Gartenmauer, und so gesichert wartete sie unter geringem Verlust die Ankunft einer hessischen Batterie ab.

Die beiden ersten Kolonnen, die den Angriff zu Wasser machen sollten, waren auch noch nicht zur Stelle, da die Kähne bei dem niedrigen Wasserstande mehrmals auffuhren,1 sie trafen erst gegen 11 Uhr Vormittags ein. So nahm der Angriff wider Erwarten nicht den erhofften Fortgang. Die Stürmenden hatten kein Fussbreit Boden gewonnen, und jetzt gab van Helden den Befehl, je eins seiner beiden Geschütze an das Friedberger und an das Allerheiligen Tor zu bringen.

In diesem kritischen Augenblick ward den Belagerern von der Stadt aus Hilfe geboten, die das Schicksal des Tages in erster Linie entscheiden half. Wenden wir uns nun zu den Vorgängen, die sich seit Beginn des Angriffs innerhalb der Mauern abgespielt hatten.

Kaum hatte der Rat von der Annäherung der Hessen gehört, als er zur Sitzung zusammentrat. Da ihm die Erregung der unteren Volksklassen wohl bekannt war, liess er die Einwohner durch die Bürgerkapitäne, durch die Achtundzwanziger und durch Ratsmit¬ glieder dringend zur Ruhe ermahnen und warnte sie auch davor, die Häuser zu verlassen,2 eine Warnung, die für viele zu spät kam; denn ein grosser Teil der Bevölkerung war bereits in den Kirchen es war der erste Adventssonntag zum Gottesdienst versammelt.

Das plötzliche, nicht enden wollende Salvenfeuer und der Donner der Geschütze machte der Andacht ein Ende; ängstlich stürzte alles aus den Kirchen und eilte inmitten des Flagels der auf die Dächer niederprasselnden Geschosse in die Behausungen, dort Türen und Läden schliessend und Feuereimer und alles zum Löschen Erforderliche in Bereitschaft haltend. Alsbald sah man auf den Strassen keinen

1 Andere geben als Grund für die Verspätung an, dass das Regiment Kospoth den als Signal verabredeten Schuss nicht gehört hatte.

2 S. Bericht des Ratsmitgliedes Rothhan in Nr. 21 und Bericht der Acht¬ undzwanziger 1. c.

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einheimischen Bürger mehr, dafür waren sie jetzt von zahlreichen Handwerksburschen belebt, die sonst am Sonntag müssig in den Herbergen zu liegen pflegten und nun in grösseren und kleineren Trupps besonders über die Zeil zogen. Dort befand sich im Roten Haus Heldens Hauptquartier, dort standen als Reserve ein Bataillon Freiwillige und 2 Kompanien Linientruppen mit den beiden Vier¬ pfündern, während 200 Mann Sachsenhausen, 80 Mann die Brücke mit dem Brückenturm, der Rest der Mannschaft die Wälle besetzt hatte.

Einstweilen verhielten sich die Handwerker noch ruhig, bald aber wurden sie dreister und dreister und mischten sich in den Kampf ein. Sie entrissen den vom Wall in die Stadt zurücklaufenden Franzosen, die keinen Widerstand leisteten, die Gewehre, um zu verhindern, wie sie sagten, dass sie der Stadt Schaden zufügten; anderseits verwehrten sie ihnen den Zutritt zu den Wällen, so dass die dort befindliche Mannschaft, die sich bereits verschossen hatte, ohne Patronen blieb. Hingegen stiegen sie selbst auf die Wälle, schlugen einzelne Soldaten zu Boden oder entwaffneten sie.1 Den Oberstleutnant Du Rossel hielten sie gewaltsam dort zurück, damit er "nicht Verstärkungen hole. Je heftiger die Kanonade der Ver¬ bündeten wurde, um so mehr stieg die Erbitterung über den Wort¬ bruch der Franzosen, die ungeachtet aller feierlichen Versicherungen das Verderben der Stadt herbeiführen wollten. Flutartig schwoll die Menge um den Römischen Kaiser an, wo sich van Helden befand; laute Verwünschungen drangen zu seinem Ohr. Und als nun gar ein Kommando Franzosen in ungefährer Stärke von hundert Mann die Kanonen von der Zeil an die Tore bringen wollte, erschollen Rufe: »Wir wollen nicht die Stadt, in der wir arbeiten und unser Brot haben, zu Grunde schiessen lassen!« Und die Handwerksburschen warfen sich auf die Pferde vor den Geschützen, durchschnitten die Zugstränge, schlugen die Räder von den Lafetten ab und schleiften die Kanonenrohre von der Elefantengasse bis zur Peterskirche, wo sie liegen blieben. Eine in unmittelbarer Nähe befindliche starke französische Truppenabteilung wagte nicht, der Menge zu wehren.2 Van Helden wollte zwar der von den Volkshaufen eingeschlossenen Geschützmannschaft Nationalgardisten und Linientruppen zur Hilfe schicken, aber diese kamen gar nicht einmal an Ort und Stelle. Die auf der Zeil niederfallenden Geschosse jagten ihnen einen derartigen

1 Nach van Heldens Bericht vom 2. Dezember in Nr. 21.

2 Bericht der Achtundzwanziger in Nr. 21.

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Schrecken ein, dass sie schleunigst wieder Kehrt machten und durch das Bockenheimer Tor einem so gefährlichen Ort entflohen. Die hier und auf dem angrenzenden Wall aufgestellten Posten sowie zahlreiche Nationalgardisten folgten ihrem Beispiel. Vergebens ver¬ suchte van Helden den tumultuarischen Auftritten am Friedberger Tor durch persönliches Eingreifen ein Ende zu machen ; zweimal wollte er sich zum Friedberger Tor begeben, zweimal führte man ihn ge¬ waltsam zurück, wobei ihn schon einzelne Kugeln streiften.1 Um seine Truppen zu entmutigen, sprengte man überall aus: »Van Helden ist gefallen, der Feind ist in der Stadt!«2

Im Roten Haus erwarteten ihn bereits der Ältere Bürgermeister und Dr. Schweizer und machten ihm dringende Vorstellungen über sein Verhalten, das im direktesten Widerspruch mit Custines Ver¬ sicherungen stände, und forderten die Einstellung der Verteidigung. So im Innern bedrängt, den Feind vor den Toren, ohne Aussicht auf Entsatz, denn der auf den Katharinenturm geschickte Fourier hatte nur feindliche Truppen bei Höchst gesehen, gab van Helden den Gedanken an weiteren Widerstand auf und entschloss sich zu kapitulieren. Unter dem Vorwand, ihn vor jeder Gewalttätigkeit zu schützen, in Wirklich¬ keit aber, um alle seine Schritte zu überwachen, wichen von jetzt ab die Abgesandten der Stadt nicht mehr von der Seite van Heldens.

Die beiden Trompeter, ein französischer und ein städtischer, die van Helden an die Tore schickte, um dem Feind seine Absicht kund zu tun, kamen nicht dazu, ihren Auftrag auszuführen. Der wachhabende Offizier am Allerheiligentor liess den städtischen Trom¬ peter Rauch, der weder Uniform trug, noch eine Ordonnanz bei sich hatte, auch keinen schriftlichen Befehl vorzeigen konnte, nicht hinaus und bedrohte ihn sogar mit der Pistole, als er unter dem Tor¬ gewölbe zu blasen begann. Da mischten sich die durch den heftigen Wortwechsel herbeigelockten Handwerksgesellen in den Streit; sie entrissen dem Offizier die Pistole, entwaffneten die sehr schwache Wache, wobei einige Bürger, die sich ihrer annehmen wollten, miss¬ handelt wurden, erbrachen den Eingang zu den Torgewölben, und ein Zimmergeselle schlug den Kloben, um den die Kette der Brücke geschlungen war, heraus, so dass diese niederfiel.3 Zwar begab sich

1 Nach van Heldens Bericht 1. c.

2 Chuquet S. 197.

3 Über die Ereignisse am Allerheiligentor s. den schriftlichen Bericht des Stadttrompeters Rauch, den wir unserer Darstellung zu Grunde gelegt haben, Repert. 1. c und Authent. Nachricht. S. 7, M£moires S. 168—169. Die Darstellung

265

jetzt der Trompeter auf die Zugbrücke, aber weder die Franzosen noch die Hessen beachteten sein Blasen. Diese ergossen sich viel¬ mehr über die Zugbrücke in die Stadt und rissen den Trompeter mit sich.

Ähnliche Auftritte spielten sich am Friedberger Tore ab. Noch bevor der französische Trompeter, dem van Helden einen Offizier beigegeben hatte, dort ankam, hatte die aus 20 Mann bestehende Torwache ihren Posten verlassen und war auf der Flucht von Hand¬ werksburschen entwaffnet und zerstreut worden, worauf diese die Tore öffneten und mit schweren Schmiedehämmern die Ketten der grossen Zugbrücke entzweischlugen, die nun donnernd niederfiel. Hierauf riefen sie den im Bethmannschen Gartenhaus postierten hessischen Grenadieren unter Schwenken der Hüte und Kappen zu, in die Stadt zu kommen.

Während dieser tumultuarischen Vorgänge war der französische Trompeter auf den Wall unweit des Tores gelangt und fing zu blasen an. Aber nur die in seiner Nähe befindlichen französischen Soldaten stellten das Feuern ein,1 die andern, die das Signal wegen des Geschütz¬ donners nicht vernehmen konnten, fuhren damit fort, bis der Ruf unter den Hessen erscholl: «Das Tor ist auf, vorwärts!« »So war auch die ganze Kolonne pele mele in vollem Lauf nach demselben«, der Generalleutnant Benning an der Spitze.« Die am Wege liegenden Toten und Verwundeten steigerten die Wut der Hessen dermassen, dass sie schworen, keinen Pardon zu geben. Mit dem Rufe: »Tod dem Kustinus!« drangen sie in die Stadt. Sie hatten noch nicht 50 Schritte zurückgelegt, als ein französischer Offizier ohne Hut und Degen in Begleitung eines Trompeters der Kolonne entgegenstürzte und im Aufträge van Heldens die Kapitulation anbot.2 Der General¬ leutnant wies sie jetzt zurück, doch gab er dem Parlamentär eja^n Offizier mit, um die Anerbietungen des Stadtkommandanten zu hören.

dort weicht am Schluss von der Rauchs ab. Nach jener hätte er die Signale nicht auf der Zugbrücke, sondern unterm (Tor-) Gewölbe abgegeben.

1 S. Verhör des Bäckermeisters Johann Martin Dörr in Nr. 21, womit der Bericht in Authent. Nachr. S. 6, nach dem der Trompeter nicht hinausgelangt wäre, nicht übereinstimmt. Ditfurth S. 17 bemerkt, dass bereits kurz nach halb zehn Uhr die kleine für Fussgänger bestimmte Brücke am Friedberger Tor herab¬ geschossen war. Die Bedenken dagegen s. im Berliner Kalender S. 118 Anm.

2 Nach van Heldens Bericht wäre dieser Offizier seiner Uhr und Börse beraubt und misshandelt worden, bis sich endlich ein hessischer Offizier seiner annahm. Die deutschen Berichte schweigen hierüber.

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Bald füllte sich die Stadt mit den eingedrungenen Preussen und Hessen, die die ihnen schon vorher angewiesenen Strassen und Plätze besetzten. Nur die französischen Liniensoldaten leisteten noch Widerstand; einige schossen sogar aus den Zimmern ihres Quartieres herab, während die Nationalgardisten Waffen und Tornister wegwarfen und durch das Mainzer und Bockenheimer Tor oder auch über die Brücke nach Sachsenhausen entflohen; die Wut, mit der die Hessen anfangs alles, was ihnen in den Weg kam, ohne Erbarmen niederhieben, 1 trieb zur Eile an; waren doch sogar einige Stadtsoldaten, unter ihnen der Artillerieleutnant Steller, von den Hessen, die sie für Franzosen hielten, durch Bajonettstiche ver¬ wundet worden. Aber lange dauerte das blinde Wüten nicht, bald machten die hessischen Offiziere und die Bürger dem Gemetzel ein Ende. Als sie ihre Bedränger in Lebensgefahr sahen, siegte das Mitleid über jeden Rachegedanken; das soeben erlittene Un¬ gemach war vergessen und nicht ohne eigene Lebensgefahr warfen sie sich im Verein mit einigen Ratsmitgliedern2 zwischen Verfolger und Verfolgte und baten für deren Leben. Sie verbargen viele Fliehende den ganzen Tag über in ihren Wohnungen, bis die Gefahr vorüber war; anderen, die im Strassengewinkel der Altstadt nicht aus noch ein wussten, zeigten sie den nächsten Weg, um aus den Toren zu entkommen.3 So war der Verlust der Franzosen bei alledem nicht bedeutend. Auf den Wällen und in den Strassen der Stadt zählte man nur 41 Tote und 129 Verwundete.4

Die Reiterei der Sieger hatte sich trefflich bewährt und die Fliehenden weit über die Tore hinaus verfolgt. Die wenigen fran¬ zösischen Reiter hatten sich gleich bei Beginn des Kampfes auf das andere Ufer des Maines gerettet.

■f Die siegreichen Truppen wurden von den Bürgern mit lautem Freudengeschrei empfangen ; aus den Fenstern flatterten ihnen weisse Tücher zum Empfang entgegen; man umarmte und küsste sie

1 So auch in der Bendergasse vier Franzosen, die sich unter Fässern ver¬ borgen hatten.

2 Der Ratsherr Rothhan hatte, von hessischen Offizieren unterstützt, nicht weniger als 12 Franzosen das Leben gerettet ; Nr. 21, damit vgl. auch MSmoires S. 170.

3 Ursprünglich fälschlich auf 154 in Authent. Nachrichten S. 8 angegeben. S. auch Verzeichnis der am 2. Dezember von Bürgern beschützten französischen Soldaten und Offiziere in Nr. 27. Kriegk gibt die Zahl der Verwundeten auf 139 an, ebenso Chuquet.

4 Näheres bei Kriegk S. 227.

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sogar.1 Und als der preussische König und der Herzog von Braun¬ schweig mit ihrem Gefolge die Stadt betraten, kannte der Jubel keine Grenzen mehr.2

Doch man hatte noch keine Zeit, die Huldigungen der Be¬ völkerung entgegenzunehmen. Nachdem die Wälle vom Feinde gesäubert waren, führte der Herzog die Truppen sofort den Scharen Custines entgegen, die, durch den Geschützdonner auf die der Frank¬ furter Garnison drohende Gefahr aufmerksam gemacht, in Stärke von 8000 Mann unter Neuwinger über die Nidda gesetzt hatten und nun im Eilmarsch gegen Frankfurt rückten.

In Bockenheim angelangt, belehrten den General die ihm in zügelloser Flucht entgegenstürzenden Nationalgardisten, denen die preussische Reiterei dicht auf den Fersen war, dass er zu spät ge¬ kommen sei. Dennoch hatte er die Kühnheit, seinen Marsch fort¬ zusetzen, Frankfurt sogar durch einen Parlamentär zur Uebergabe aufzufordern, und sein Vortrab wäre beinahe durch das offen stehende Bockenheimer und durch das Galgen Tor in die Stadt eingedrungen, da wurden noch im letzten Augenblick die Zugbrücken aufgezogen und von den Wällen aus auf ihn gefeuert. So zog sich Neuwinger nach kurzem Kampf vor dem Tor wieder zu Custine nach Höchst zurück.3 Dieser nahm jetzt zwischen Bockenheim und Rödelheim Stellung. Aber er hatte seine Fanfaronaden völlig vergessen4 und ging nicht zum Angriff über. Den Verbündeten ihrerseits fehlte auch dazu der Mut, und so beschränkten sich beide Teile auf einen Artilleriekampf, der sich bis 3 Uhr Nachmittags hinzog, ohne nennenswerte Verluste auf beiden Seiten. Dann ging Custine all¬ mählich über die Nidda nach Rödelheim zurück, von da aus erreichte er unter dem Schutz der inzwischen hereingebrochenen Dunkel¬ heit Höchst, nachdem er sämtliche über die Nidda führenden Brücken hatte zerstören lassen. Noch im Lauf der Nacht brach er nach Kastei

1 S. auch Ditfurth S. 9. Der Premierleutnant Müller vom hessischen Garderegiment, der das Hauptjournal vom 8. Oktober bis 2. Dezember führte, berichtet hierüber: »Sobald wir in das Tor traten, kamen uns viele Leute entgegen; alle Häuser waren voll Leute, die der Kolonne Beifall klatschten und unaufhörlich riefen : »Vivat, es leben die tapferen Hessen

2 Luchesini schreibt darüber an Schulenburg: »II (sc. Friedrich Wilhelm II) a 6t£ accueilli avec des acclamations qui surpassent toute imagination.« S. auch Mümoires S. 170.

3 1. c. S. 170; Oberpostamtszeitung vom 3. Dezember.

4 Er hatte sofort auf die Kunde von der Einnahme Frankfurts ein sehr herausforderndes Schreiben an Friedrich Wilhelm II. gerichtet. (Luchesini 1. c.).

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und Mainz auf, um den Hauptstützpunkt seiner Macht, für dessen Besitz er jetzt fürchtete, rasch zu erreichen.

Gleichzeitig mit den Kämpfen um Frankfurt fand der Angriff Hohenlohes auf Houchards Stellungen statt. Die von diesem an¬ gelegten Verschanzungen1 wurden beschossen, zugleich rückte eine hessische Abteilung von Bommersheim und Eschbach gegen Ober¬ ursel vor. Da brach Houchard aus Furcht vor einer Umzingelung das Gefecht ab,2 zog seine Truppen aus den Verschanzungen und aus Oberursel heraus und erreichte in Eilmärschen über Soden, Oberhöchstadt, Sulzbach den Main und schliesslich das Hauptkorps Custines.3

Am Nachmittag4 kehrten der König von Preussen und der Herzog von Braunschweig vom Kampfplatz nach der Stadt zurück. Jetzt erst konnte man übersehen, welche Verluste man beim Sturm auf die Stadt erlitten hatte. Von den Hessen waren 7 Offiziere und 75 Unteroffiziere und Gemeine gefallen, an Verwundeten zählte man 93 Mann und 9 (nach anderer Angabe 11) Offiziere, darunter den Prinzen von Hessen-Philippsthal, der bald darauf den Verletzungen erlag.5 Der Verlust des Feindes an Toten war also, wie bereits er¬ wähnt, viel geringer, dagegen war der grösste Teil der Besatzung, 1158 Mann und 44 Offiziere, darunter van Helden, gefangen ge¬ nommen; fast wäre dieser gar in Folge einer Verwechslung mit Custine der Wut der Hessen zum Opfer gefallen. Ausserdem ge¬ rieten noch die beiden Geschütze und zwei Fahnen in die Hände der Sieger.

Der Heldenmut der Flessen, den sie sowohl beim Ausharren in ihrer gefährdeten Stellung als auch beim Sturme selbst bewiesen hatten, fand bei Friedrich Wilhelm II. und dem Landgrafen Wilhelm IX., der am 6. Dezember in Frankfurt eintraf, gebührende Anerkennung. Die Unteroffiziere und Gemeinen der beim Sturm beteiligten Regimenter

1 Ungefähr ein Kilometer südlich von der Hohen Mark, auf der Raven- steinschen Karte vom östlichen Taunus als Custines Schanzen angegeben.

2 Näheres hierüber in der Oberpostamtsztg. vom 7. Dezember.

3 Memoires S. 174. Die Oberpostamtsztg. gibt, wohl übertrieben, die Zahl der gefallenen Hessen auf 140, die der Verwundeten auf 200 an. Houchards Verlust an Verwundeten beziffert sich auf 400. Die beim Kampf um Oberursel erbeutete Nationalfahne ward nach Berlin gebracht.

4 Die Zeit wird verschieden angegeben. Nach Memoires S. 188 um 4 Uhr, nach anderen um 5 Uhr.

5 Darnach sind die Zahlenangaben in Häussers Deutsch. Gesch. I 433 zu berichtigen; auch die Zahl der Gefangenen ist bei ihm zu hoch angegeben.

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erhielten Geldgeschenke.1 Die Offiziere wurden mit Beförderungen und Orden belohnt, so ward Rüchel zum Obersten und Regiments¬ inhaber ernannt, ausserdem erhielt er den Roten Adlerorden und eine Amtshauptmannschaft. Auch für die Witwen und Waisen der Gefallenen ward Fürsorge getroffen. Ferner hatte der König 100 Dukaten zur Verteilung unter die Handwerksburschen bestimmt, die das Tor geöffnet hatten.2

Am nächsten Tag brach die vereinigte Armee der Verbündeten zur Verfolgung Custines auf, aber sie erreichte ihn nicht mehr, und bald hatte er die schützenden Wälle von Mainz zwischen sich und den Verbündeten. Diese besetzten jetzt den ganzen Rheingau und das untere Maingebiet; von Biebrich und Mosbach bis über Frank¬ furt hinaus dehnten sich die preussischen Linien, zu ihrem Schutze wurden zwischen Wicker und Flörsheim verschiedene starke Ver¬ schanzungen angelegt, während das linke Mainufer bis zur Mündung in den Rhein von den darmstädtischen Truppen gedeckt wurde. So blieb den Franzosen auf dem rechten Rheinufer, abgesehen von der Festung Königstein, nur noch Kastei, und bald ward auch dieses eingeschlossen, der erste Schritt zur Wiedereroberung von Mainz.

All diese Erfolge knüpften sich an die Einnahme Frankfurts und machten sie zu einem militärisch hochbedeutsamen Ereignis. Noch grösser war der moralische Gewinn des Sieges. Das durch die vielen Unfälle des bisherigen Feldzuges herabgedrückte kriegerische Selbst¬ gefühl der Verbündeten erwachte von neuem und stärkte sich an dieser einzigen kräftigen Waffentat im ganzen Feldzug. Die Tapfer¬ keit der Hessen und Preussen hatte sich ihres alten Ruhmes würdig gezeigt, während Custines Feldherrnruhm und das militärische Prestige seines Heeres bedeutende Einbusse erlitten hatte.3

1 Jeder Unteroffizier erhielt 1 Konventionsgulden, jeder Gemeine 30 Kreuzer (Frkft. Ristretto vom 8. Dezember).

2 Der Zimmermann, ein Heilbronner, der das Friedberger Tor geöffnet hatte, erhielt nicht nur 15 Dukaten, sondern auch die Erlaubnis, sich in den preussi¬ schen Landen unentgeltlich niederzulassen.

3 Häusser I, 433/4. Sehr bezeichnend schreibt aus Frankfurt am 3. Dezember Major Tauentzien an Schulenburg : »Grace au ciel qu’enfin nous allons reparaitre dans le monde avec l’eclat qui accompagnait le nom prussien«, und Luchesini an diesen : »Cette victoire a rdtabli ia gloire des armes« (Akten des Geh. Staatsarchivs in Berlin 1. c.). Albert Sorel äussert sich inL’Europeet laRevolution francaise III. 179 über dieses Ereignis: L’effet de cette retraite fut d£sastreux . . . Les Francais cessörent de paraitre invincibles et le prestige de Custine s’evanouit«.

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Während man im Lager der Verbündeten jubelte und voll froher Aussichten in die Zukunft blickte, schwankte die Stimmung im Frankfurter Rat zwischen Freude und Besorgnis. Zwar standen jetzt wieder deutsche Kanonen auf den Wällen Frankfurts, aber das Kriegsglück ist launisch und konnte die Stadt abermals in die Gewalt der Franzosen bringen. Und dann wären die Umstände, unter denen die Befreiung der Stadt erfolgt war, nur zu leicht gegen sie aus¬ zubeuten gewesen. Es Hess sich nicht leugnen, dass van Flelden durch das Eingreifen der Bevölkerung zur Übergabe gezwungen worden war; stand nicht zu besorgen, dass er dem Kriegsminister und dem Nationalkonvent zu seiner Entlastung die Ausschreitungen im grellsten Lichte darstellen würde? Welche Wirkung würde dieser tendenziös gefärbte Bericht1 auf die so leicht erregbare französische Nation ausüben? Zunächst waren die ihrer Rache am leichtsten Erreichbaren, die noch in Paris weilenden Abgesandten der Stadt, wohl am meisten gefährdet. Die gemischte Deputation hatte zwar gleich beim Einrücken der Verbündeten einen Kurier schleunigst nach Paris geschickt, um den Abgesandten die jüngsten Ereignisse mitzuteilen und ihnen die sofortige Abreise anheim zu stellen;2 ob ihnen aber diese möglich war, blieb ungewiss.

Bei dieser Sachlage war es ein Gebot nicht nur der Humanität, sondern auch der Klugheit, sich der gefangenen und verwundeten Franzosen bestens anzunehmen. Sobald der Rat wahrnahm, dass die Sieger sich um diese wenig kümmerten, wandte er ihnen die grösste Sorgfalt zu. Er Hess die Verwundeten auf Tragbahren in die Lazarette

* In Nr. 26 sucht sich van Helden vor allem von dem Vorwurf zu rechtfertigen, dass er nicht, wie es seine Pflicht gewesen wäre, sich inmitten seiner Truppen bewegt und diese angefeuert hätte, sondern sich in seinem Zimmer von den Magistratspersonen festhalten und »einschläfern« liess. Der General Wimpfen urteilte über sein Verhalten am 2. Dezember: »il se conduisit en franc £colier« (Chuquet S. 202 und 203). Ein schwacher Trost für ihn war, dass dagegen die Sieger, der Herzog von Braunschweig, der Landgraf von Hessen, der Prinz Louis Ferdinand u. s. w. ihm viel Schmeichelhaftes über seine Verteidigung gesagt hätten. Er behauptet ferner, dass er dem Offizier in Begleitung eines Trompeters den Auf¬ trag gegeben hätte, nur mit dem feindlichen General zu sprechen, sans lui donner d’ailleurs d’autre mission quelconque.« Den Verlust der gegnerischen Seite gibt er auf 200 an, sein eigener Verlust, bemerkt er, würde nur gering gewesen sein, wenn die Menge »n’avait pas fusille et assommü notre bonne garnison.«

2 Wenn der Rat in der offiziellen Authentischen Nachricht sich darauf steifte, dass er die Deputierten unbesorgt in Paris gelassen habe, so entspricht dies nicht ganz der Wahrheit.

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bringen, stellte ihnen die städtischen Chirurgen zur Verfügung und versorgte sie mit guter Kost, ja sogar mit Geld.1 Der bewährte Wohltätigkeitssinn der Frankfurter Bürger verleugnete sich auch jetzt nicht. Von allen Seiten erhielten die Verwundeten und Ge¬ fangenen Wäsche, wollene Decken und Kleider, Rotwein und Er¬ quickungen aller Art, den Offizieren bot man sogar, als sie von Frankfurt abgeführt wurden, Geldunterstützungen an.2

Am Tage nach dem Siege begab sich eine städtische Deputation in feierlichem Staatsaufzug nach dem Roten Haus, dem Absteige¬ quartier Friedrich Wilhelms II., um ihn, den mächtigsten Beschützer und Erhalter der deutschen Reichsverfassung und der deutschen Freiheit, zur Ankunft in Frankfurt zu beglückwünschen und ihm dabei das übliche Ehrengeschenk an Wein und Hafer anzubieten. Der König nahm die Deputation sehr gnädig auf und bezeugte seine Zufriedenheit mit dem bisherigen »patriotischen Benehmen des Rates und der Stadt«, die er, wie er hinzufügte, von unangenehmen Gästen befreit habe.3 Als sie aber an den König das Ansinnen stellte, dass die kriegführenden Mächte die Neutralität der Stadt gewährleisten sollten, da wurde er merklich kühler und verwies sie auf den schriftlichen Weg. Noch am selben Tag erhielt er vom Rat eine Denkschrift, die auf die kritische Lage der Frankfurter Abgesandten in Paris hinwies und mit den Worten schloss: »Wir glauben nicht eine unsern Reichspflichten entgegenlaufende Bitte zu wagen, wenn wir Ew. Majestät ersuchen, durch eine mit den französischen Generälen zu vereinbarende Abkunft die Stadt vor ähnlichen Auftritten zu bewahren.«4 5

Auch der Herzog von Braunschweig, der ebenfalls ein Ehren¬ geschenk erhielt, ward um Bewilligung der Neutralität angegangen.

Noch ehe dem Rat ein Bescheid darauf zu teil wurde, richtete er sein Handeln so ein, als ob er bereits im Besitz der so heiss

1 Bericht Rothhans in Nr. 21.

1 Goethes Mutter schreibt am 14. Dezember ihrem Sohn: »Die Blesierten

und Gefangenen muss man fragen, was die Franckfurther an ihnen gethan haben,

das all zu erzählen, reichte kein Riess Papier aus.« (Briefe von Goethes Mutter u. s. w. S. 9.) Die Mehrzahl der gefangenen Offiziere dankte bei ihrem Weggang aus Frankfurt dem Rat, dass er ihnen erwiesen habe »les marques les plus genereuses de la plus grande humanite en nous forcant d’accepter ce qui pouvait nous efre n6cessaire« und wünschte nur, ihm all dies wieder vergelten zu können (Nr. 21).

5 1. c. 17.

< Nr. 21 .

ersehnten Neutralität sei. Er lehnte das Gesuch beider Herrscher um Überlassung von Pulvervorrat und einiger Kugelformen gegen bare Bezahlung »aufs standhafteste« ab;1 das Verlangen, ihnen vier Vierundzwanzigpfünder zu leihen, beantwortete er mit der Bitte, die Stadt mit dergleichen Anträgen gänzlich verschonen zu wollen.2 Nicht einmal die Besichtigung des Geschützes und des Zeughauses ward gestattet. Und als die preussischen Ingenieure gegen bare Bezahlung 200 Arbeiter und Zimmerleute begehrten, um den unlängst abgetragenen Wall am Galgentor herzustellen und die Sachsenhäuser Warte in verteidigungsfähigen Zustand zu setzen, erhob der Rat auch dagegen Einspruch, da solche Veranstaltungen von den Franzosen leicht als Feindseligkeiten angesehen werden könnten.3 Ja, nicht einmal Platzpatronen zur feierlichen Bestattung der beim Sturm ge¬ bliebenen hessischen Offiziere wollte er hergeben, und als sie der Zeugwart doch verabfolgt hatte, ward ihm bedeutet, »sich dergleichen eigenmächtige Handlungen bei zu erwartender Strafe nicht mehr zu erlauben.«4

Aber den Gipfel des »Neutralitätssystems« erreichte der Rat durch seine ablehnende Haltung in der Frage des Hessendenkmals. Friedrich Wilhelm II. wollte nämlich zur dauernden Erinnerung an die Befreiung der Stadt vor dem Friedberger Tor, wo der Kampf am blutigsten gewesen war, den gefallenen Hessen ein Denkmal errichten und Hess den Entwurf und mehrere auf dem Denkmal anzubringende Inschriften dem Rat zur Auswahl vorlegen. Gegen die Errichtung des Denkmals konnte dieser füglich nichts einwenden, doch bat er den König, es womöglich ausserhalb des Frankfurter Gebietes auf¬ zustellen und von den eingesandten Inschriften eine die Stadt am wenigsten blossstellende »besttunlichst auszuwählen«. Doch der König berücksichtigte nur den letzten Wunsch, und so steht das Denkmal doch an der ihm zukommenden Stelle, aber die Inschrift gedenkt mit keiner Silbe der Beteiligung der Frankfurter Bevölkerung an der Ruhmestat, ja sogar der Name der Stadt ist umschrieben.5

1 Ratsprotokoll vom 4. Dezember.

2 Desgl. vom 9. Dezember.

3 1. c. vom 6. Dezember . . »Und so hat man sie (die Arbeiter) aus dem Hessischen genommen.«

+ 1. c. I

5 Eine genaue Beschreibung des Denkmals bei Kriegk 231, Baudenkmäler von Frankfurt II, 395, wo auch die Inschrift und die Namen der Gefallenen stehen. Statt Francofurtum ist Trajectum ad Moenum gesagt.

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Dass jetzt gerade die Edikte gegen die Emigranten mit dra¬ konischer Härte verschärft wurden, steht mit all diesem im Zusammen¬ hang. Der Aufenthalt in der Stadt ward ihnen, wenn sie Vormittags eintrafen, nur bis nach dem Mittagessen, wenn sie Nachmittags kamen, nur bis zum nächsten Morgen gestattet.1

Wie zu erwarten, antwortete der König auf das Neutralitäts¬ gesuch des Rates ablehnend.2 3 Er erinnerte ihn an die letzten Beschlüsse des Reichstages, »an die deutsche Verfassung, deren wesentlichster Grundsatz die vollkommenste Unterwürfigkeit der durch sie beglückten Stände unter die Entscheidung des Reichstages sei«, und sprach die Hoffnung aus, dass der Rat sich den Obliegenheiten eines treuen und patriotischen Reichsstandes stets unterziehen werde u. s. w.

Aber auch die Klubisten in Mainz sorgten nach Kräften dafür, dass Frankfurt nicht in den Besitz der Neutralität kommen sollte. Die Wiedereroberung der Stadt, der Rückzug Custines vor den Heeren der Verbündeten hatten in ihren Kreisen arge Enttäuschung hervorgerufen. Der Glaube an die Unüberwindlichkeit der Freiheits¬ kämpfer, mit der sie immer geprahlt hatten, war zerstört, wenn man die Niederlage als die natürliche Folge von' Custines Hinterlist und Unfähigkeit und nicht vielmehr als das Werk des abscheulichsten Verrates hinstellte, dessen Opfer die arglosen Franzosen geworden waren. Deshalb Hess die Mainzer Presse gleich nach dem Fall der Stadt in Zeitungen und Flugschriften wutschnaubende Artikel gegen die feige Mörderbande in Frankfurt los.5 Der Führer der Pressmeute war Custines Sekretär Böhmer. Schon in der Mainzer National- zeitung vom 3. Dezember lieferte er einen Bericht über die Erstürmung Frankfurts, in dem es wörtlich heisst: .... »Plötzlich wurden die Franzosen von einem mit Mordgewehren aller Art versehenen Haufen von Frankfurter Banditen überfallen mit einer Wut, deren nur ein Frankfurter Reichsstädter fähig sein kann, gemisshandelt und in solcher Anzahl getötet, dass von zwei Bataillonen der grösste Teil ein Opfer dieser Henkersknechte wurde. Die fränkischen Krieger setzten sich mutig entgegen, waren aber zu schwach, um 8000 bis 10000 bewaffneten Bösewichtern Widerstand zu leisten. Diese letzteren machten die Artillerie der Franken dadurch unschädlich,

1 Ratsbeschluss vom 10. Dezember. Diese Verordnung wurde auch auf die Dörfer ausgedehnt. Eine Ratskommission ward mit der Visitation der Gast¬ häuser betraut.

2 Datiert vom 7. Dezember.

3 S. hierüber auch die Bemerkungen in M£moires S. 182 ff.

18

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dass sie die Pferde vor den Kanonen teils abschnitten, teils töteten.« Auf Antrag der Klubisten1 ward sogar in Mainz am 4. Dezember eine feierliche Messe »für unsere in der Reichsstadt Frankfurt meuchelmörderisch umgebrachten fränkischen Bürger« abgehalten.

Bald erfuhr die entsetzte Welt nähere Einzelheiten über die angeblichen Mordszenen des 2. Dezember. Was nur die überhitzte Phantasie an Greueln aussinnen konnte, ward den »infernalischen Frankfurter Bösewichtern« zugeschrieben. In Bingen erzählte man sich schaudernd, wie Frankfurter und Sachsenhäuser die Franzosen in den Betten erwürgt, die Metzger ihnen den Leib aufgeschnitten, die Weiber siedendes Wasser auf sie geschüttet, während ihre Männer auf sie geschossen, die Pferde vor den Kanonen in Stücke zerhauen hätten u. s. w.2 Aber den Preis in dem allgemeinen Sturmlauf gegen Frankfurt trug doch Custines Adjutant Stamm davon, der die Wieder¬ eroberung Frankfurts ein Gegenstück zur Bartholomäusnacht und der sizilianischen Vesper nannte. Selbst Custine war dieser Artikel 3 zu stark, so dass er ihn öffentlich verleugnete und Stamm erklären musste, er habe ihn in seiner Eigenschaft als »Bürger«, nicht als Custines Adjutant verfasst.

Begierig griffen die Strassburger Zeitungen diese Verleumdungen auf. Von hier aus fanden sie rasche Verbreitung4 in den Pariser Blättern und erregten einen Sturm der Entrüstung und Erbitterung,

1 Memoires S. 183.

2 S. Nr. 29 Beilage 15 aus einem Brief eines Bingers an einen Frankfurter. Weitere Ausfälle gegen Frankfurt finden sich in »Geschichte der französischen Er¬ oberungen und Revolution am Rheinstrom, vorzüglich in Hinsicht auf die Stadt Mainz« S. 299 ff., ferner »Die alten Franzosen in Deutschland« S. 224 ff. Im »Bürgerfreund« 15. Stück versteigt sich der unter den Klubisten sehr einflussreiche Metternich zu folgender Leistung: »Deutsche, flucht euren Frankfurter Landsleuten und streicht sie aus der Reihe eurer Mitbewohner aus; sie dürfen nicht länger unter euch genannt werden, so wie General Custine sorgen wird, dass die Stelle, wo jetzt Frankfurt steht, ein schauerlicher Schutthaufen und ein Denkmal der Grausamkeit und Verräterei für die lange Nachkommenschaft sein werde.«

3 Er erschien in der Mainzer Nationalzeitung am 6. Dezember. Sein Schluss lautete höchst pathetisch: »Frankfurter, diesen Tag werdet ihr nicht aus den Jahr¬ büchern eurer Geschichte auslöschen! Buben auf der Strasse werden euch anspeien, der Name Frankfurt wird der Nachwelt ein Abscheu sein; der Franke ist verab¬ scheuungswürdig, der euch ansehen kann, ohne euch zu erwürgen ; euch und euren Namen zu vertilgen, sei der Schwur, den jeder freie Mann auf dem Vaterlandsaltar ablegen wird, ich tue es freiwillig und werde ihn halten.«

4 Auch die Schwäbische Chronik vom 11. Dezember schrieb: »Die Aus¬ würflinge der Frankfurter Bürgerschaft haben die Hände mit Frankenblut besudelt und mit Tigerwollust die Tapferen morden helfen.«

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zugleich aber ein leidenschaftliches Rachegefühl gegen »das perfide Frankfurt.«1

Custine selbst hatte sich nicht sehr beeilt, seinen Bericht über die Ereignisse am 2. Dezember nach Paris abzusenden. Der sonst so Schreibselige liofSs 3 beziehungsweise 5 Tage verstreichen, bis er zur Feder griff. Anscheinend wollte er Zeit gewinnen, um sich die Rolle zurecht zu legen, die er in der ihn so nahe berührenden Angelegen¬ heit vor der Öffentlichkeit spielen wollte.2 Die dem Kriegsminister eingesandte Darstellung war eine Verteidigung seiner eigenen vor¬ trefflichen Anordnungen, deren Misslingen dem unfähigen, »vielleicht verräterischen« van Helden in die Schuhe geschoben wird.

Von den Frankfurtern erwähnt er nur nebenbei, dass sie auf die Truppen gefeuert hätten,3 obgleich ihm van Helden kurz vorher aus¬ drücklich das Gegenteil versichert hatte.4 Dagegen beschäftigt sich sein Brief an den Vorsitzenden des Nationalkonvents fast ausschliess¬ lich mit dem bemerkenswerten (insigne) Verrat der Frankfurter.5 »Dreihundert unserer Waffenbrüder«, heisst es in dem Schreiben, »sind, glorreich für die Sache der Freiheit kämpfend, unter den Messern der Mörder gefallen.6 Ich schicke dem Nationalkonvent eines jener Messer, das ein Soldat überbracht hat, dem es geglückt war, den Schrecken des Gemetzels in Frankfurt zu entgehen. Die Messer waren sämtlich von derselben Form; beinahe 10000 Menschen waren damit bewaffnet« u.s.w. Aber Custine weiss auch zu melden,

1 Das Journal de la correspondance des amis de la rdpublique (Nr. 140) veröffentlichte einen Brief aus Strassburg vom 4. Dezember, in dem es heisst: . . . »On peut evaluer la perte de cette journüe (2. Dezember) ä 1200 hommes au moins qui n’ont pas £te vaincus, pas du tout battus, mais assassin£s et egorges barbare- ment par un nombre dix fois plus fort de traitres et de vrais cannibales.«

2 Der Verfasser der allerdings Custine feindlichen Memoires argwöhnt mit Recht, dass er absichtlich mit seinem Berichte gezögert habe, um die gegen Frankfurt ausgesprengten Gerüchte sich mehr verbreiten zu lassen. (Mim. S. 194.)

? Memoires S. 194.

4 Im Schreiben an Custine spricht van Helden ausdrücklich von les bons citoyens, les braves et honnetes citoyens de Francfort und beschuldigt nur die Juden und die Fremden der Ausschreitungen.

5 Mdmoires S. 199 ff., abgedruckt im Moniteur Nr. 346 und 349, zugleich mit dem lügenhaften Bericht Custines über die Kämpfe bei Bockenheim und Ober¬ ursel. S. auch Tagebuch S. 200.

6 Das alberne Märchen von den Mordmessern rührt vielleicht davon her, dass die Hessen an ihren Gewehren messerartige Bajonette trugen, von denen wohl eins in die Hände der Franzosen gefallen sein mochte. Eine andere, weniger wahrscheinliche Vermutung findet sich bei Chuquet S. 203 Anmerk. 2.

iS*

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dass der abscheuliche Verrat sogar von deutscher Seite verdammt würde und den preussischen König aufs tiefste entrüstet hätte; er habe die Bürger entwaffnen lassen und verboten, dass drei von ihnen zusammen in den Strassen« sich blicken Hessen. In heuchlerischem Tone empfahl er noch die Frankfurter Abgesandten der Menschlich¬ keit des Konventes, »ihre Freiheit, ihre Sicherheit wird mir die süsseste Belohnung sein.« Um den Schmerz über den Fall Frankfurts zu mildern, erhöhte er den Verlust der Feinde in den Kämpfen am 2. Dezember ins Ungeheure, auf _|200 Mann, während er den eigenen abgesehen von den in Frankfurt Gefangenen nur mit 300 Mann bezifferte.

Die Mainzer und die von ihnen bedienten Blätter wurden unter¬ dessen nicht müde, ihren Lesern weitere Grausen erregende Einzel¬ heiten von dem Massacre des 2. Dezember aufzutischen. Vergebens ersuchte der Rat Custine, den Verleumdungen der Mainzer Blätter ein Ende zu machen. Hochfahrend antwortete er, er habe Wichtigeres zu tun, als sich mit Zeitungsfehden zu befassen. Er, derselbe Mann, der erst kurz vorher in Frankfurt die Zeitungen unter strengste Zensur gestellt und in Mainz jede ihm missliebige Pressäusserung bei Strafe des Stranges verboten hatte, bekannte sich auf einmal als Anhänger unbedingter Pressfreiheit.1 Weitere Mahnungen des Rates, doch der Wahrheit die Ehre zu geben, beantwortete er damit, dass er sich jeden ferneren Schriftwechsel verbat.2

So musste der Rat selbst handeln, da sich in manchen links¬ rheinischen Orten schon die Wirkung der Verleumdungen zeigte.3 Zunächst suchte er durch die Presse die irregeleitete öffentliche Meinung zu belehren. Die Munizipalitäten von Strassburg, Weissen- burg, Hagenau, Colmar und Landau, das Direktorium des Departements Unterrhein erhielten von ihm einen ausführlichen Bericht in fran¬ zösischer und deutscher Sprache über die Erstürmung Frankfurts mit der Bitte, ihn überall auf Kosten der Stadt bekannt zu machen. Auch sah er sich nach gewandten Federn um, die die Angriffe der

1 Memoires S. 193.

2 Im Antwortschreiben vom 23. Dezember auf das Gesuch des Rates vom 20. heisst es, entweder habe der Rat von dem Attentate gegen die Garnison nichts gewusst, dann sei er seines Amtes unwürdig, oder es wissentlich nicht verhindert dann verdiene er den ganzen Zorn der französischen Nation, »wenn anders man dasjenige hassen könnte, was nur verachtungswürdig ist.«

3 So wurden in Bingen die Keller der Weinhändler untersucht, um allen für Frankfurt bestimmten Wein zu konfiszieren, vgl. Nr. 21.

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feindlichen Presse erfolgreich bekämpfen sollten.1 Zugleich ver¬ anstaltete er eine eingehende Untersuchung über die Vorgänge am 2. Dezember und verhiess 1000 Louisdors (24 ooo livres) demjenigen, der glaubhafte Beweise von einem Komplott gegen die Franzosen und von der Anfertigung von Mordwaffen beibringen könnte. Die Bürgerkapitäne, die Achtundzwanziger,2 die Gastwirte der besonders von den Handwerkern besuchten Herbergen, die Anwohner des Friedberger und des Allerheiligentores u. s. w., sie alle wurden ver¬ hört, um die Personen zu ermitteln, die etwa gewalttätig gegen die französische Besatzung vorgegangen wären. Die Untersuchung, die sich bis zum Anfang des Jahres 1793 hinzog, bestätigte nur, dass »die Bürger sich stumm, still, leidend an dem verhängnisvollen Tag verhalten hatten«; nur ein Schreiber am Ackergericht und ein Stadtsoldat erschienen kompromittiert;3 sämtliche Ausschreitungen waren von den fremden Handwerksburschen ausgegangen. Aber in erster Reihe ausschlaggebend musste das Zeugnis derjenigen sein, die an den Ereignissen des zweiten Dezember handelnd und leidend Anteil genommen hatten, der gefangenen und verwundeten Franzosen selber. Ihre protokollarisch aufgenommenen Aussagen entlasteten die Bürgerschaft völlig, wie auch die eidlichen Versicherungen der städtischen Ärzte und Chirurgen, die Verletzungen nur durch Säbel¬ hiebe und Bajonettstiche, nicht aber durch Messer feststellten.

Noch grösseren Eindruck musste aber machen, dass sich jetzt die gefangenen Franzosen eifrig für die Stadt rührten. Offiziere und Gemeine, Linientruppen und Nationalgardisten ohne Unterschied beeilten sich, in einer Reihe mit zahlreichen Unterschriften versehenen Erklärungen das gegen die Stadt gesponnene Lügengewebe zu zer- reissen.4 In einem am 12. Dezember von Marburg aus datierten

1 Ratssitzung vom 24. Dezember: Der Buchhändler Wenner sei zu sondieren, ob er nicht jemanden ausfindig zu machen wüsste, der allenfalls unter einem fingierten Namen die letzten Ausfälle des Stamm nach Verdienst abzufertigen Lust hätte.

2 Eine Finanzkontrollbehörde, s. Moritz, Staatsverfassung der Reichsstadt Frankfurt, I 315.

5 Nr. 17. Letzterer sollte die Menge gegen die Franzosen aufgereizt haben.

4 Die Oberpostamtszeitung vom n. Dezember und das Frankfurter Journal vom 14. enthalten nicht weniger als 7 solcher Erklärungen. In der ersten Erklärung, unterzeichnet von einigen Offizieren des 82. Regiments, heisst es unter anderem : »Wer klagen sollte (über die Frankfurter), verdient nicht, den Namen Mensch zu tragen.« Die fünfte Erklärung ist unterzeichnet von den Freiwilligen und den Linientruppen der drei Bataillone Vogesen, Saintonge und Obere Saöne. Siehe auch Memoire, Anhang Nr. 6—12.

27S

Schreiben an Custine stellten sie es als ihre Ehrenpflicht hin, den Verleumdungen entgegenzutreten, »die nicht auf hören wollen, unsere Freunde und Brüder der Menschlichkeit, die braven Frankfurter, zu verfolgen«. Ein Schreiben gleichen Inhalts schickten französische Offiziere, ebenfalls von Marburg, an den Vorsitzenden des National¬ konventes, und van Helden beteuerte dem Kriegsminister die Unschuld der Bürger an den Ausschreitungen, die lediglich auf die Handwerker und Juden zurückzuführen seien.1 Nur die in Hanau gefangen gehaltenen Offiziere weigerten sich aus uns unbekannten Gründen, der Stadt die gewünschte Ehrenerklärung zu geben.

Aber all diese Zeugnisse genügten dem Rat noch nicht; er verfiel auf ein ganz eigenartiges Mittel, um den Konvent von seiner Schuldlosigkeit zu überzeugen. Er bat den Landgrafen von Hessen- Kassel, der gerade in diesen Tagen in Frankfurt anlangte, 12 Mann der gefangenen Garnison nach Paris zu senden, damit sie dort die gehässigen Anklagen gegen die Stadt widerlegten. Zwar meinte der Landgraf, über Verleumdungen müsse man sich hinwegsetzen welche Flut von Schmähungen hatte er selbst nicht über sich ergehen lassen müssen ! doch überliess er die Entscheidung Friedrich Wilhelm II.2 Aber dessen Antwort lautete ablehnend.3 Auch von einer Auswechslung der beiden seit dem 7. Dezember in Paris ge¬ fangen gehaltenen Frankfurter Abgesandten gegen den in der Festung Ziegenhain internierten van Helden wollte er nichts wissen, da ein solches Verfahren gegen alle Kriegsgesetze verstiesse. Doch beruhigte er den Rat über das Schicksal seiner Deputierten; er habe Custine wiederholt geschrieben, dass die in Deutschland gefangenen fran¬ zösischen Offiziere dasselbe Los wie jene in Paris zu gewärtigen

1 Wie wir wissen, hatte van Helden bereits am 2. Dezember die Juden grosser Ausschreitungen bezichtigt, und dieser Vorwurf ward von seinen Offizieren wieder¬ holt. Auch bei Chuquet (S. 195, 196 und 197) kehrt dieser Vorwurf unbegreif¬ licherweise wieder, obgleich schon Custine nicht daran hatte glauben wollen. Die Juden baten in einer Eingabe (»Dringende, eilfertige, unterthänige Bitte und Vor¬ stellung unser, der hiesigen jüdischen Bau- und Kastenmeister und gesammter Juden¬ schaft Imploranten«) den Rat um Schutz vor diesen Verleumdungen, der ihnen auch gewährt wurde. Ein von ihm in die Blätter eingerückter Aufsatz nahm sich der Juden an. Der Rat machte van Helden noch besondere Vorstellungen hierüber. Näheres hierüber siehe in meinem Aufsatz in Geigers Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland, Band III, S. 284 ff. : Ein angebliches Attentat der Frank¬ furter Juden gegen die Truppen des Generals Custine im Jahre 1792.

2 Siehe Gehorsamster Bericht über die Bekomplimentirung des Herrn Land¬ grafen zu Hessen-Kassel in Nr. 17 und 21.

5 1. c. datiert vom 12. und 15. Dezember.

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hätten. Es stehe doch zu erwarten, dass Custine den Kriegsminister davon verständigt haben würde.

Dass sich der Rat in seiner schwierigen Lage an den König von Preussen, nicht aber an seinen natürlichen Beschützer, das Reichs¬ oberhaupt, wandte, hatte seine guten Gründe. Er hatte dem Kaiser gegenüber kein reines Gewissen. Über seinen Kopf hinweg hatte er ja Abgesandte nach Paris geschickt, um mit dessen Feinden zu verhandeln. Zum Glück hatte man in Wien keine Ahnung davon, sonst hätte wohl der Vertreter der Stadt am Kaiserlichen Hof, der Herr von Pilgram, am 12. Dezember nicht nach Frankfurt berichtet, dass man an allerhöchster Stelle mit dem Betragen des Rates und der Bürgerschaft, »die sich mit Klugheit und Anhänglichkeit an die Reichsverfassung benommen« und dem Feinde die Geschütze ver¬ weigert habe, durchaus zufrieden sei.1 Aber das allzurege Interesse des Kaiserlichen Ministeriums für die Stadt war dem Rat nicht sehr willkommen. Er hütete sich wohl, den verlangten »ausführlichen pflichtgemässen Bericht an Kais. Majestät von den Vorfällen in der Stadt seit Oktober unter Beifügung aller von Custine erlassenen Verordnungen« zu schicken, begnügte sich vielmehr damit, nur einige Exemplare der offiziellen »Authentischen Nachricht« ein¬ zusenden, »da man bei den gegenwärtigen unruhigen Zeitumständen und daher entstehenden, häufigen Geschäften nicht in der Lage sei, den ohnehin sehr weitläufig ausfallenden Bericht schon jetzt einzureichen.«2

Überhaupt wurde nach der Ansicht des Rates von dem an¬ geblich patriotischen Benehmen der Frankfurter am 2. Dezember zu viel Aufhebens gemacht; es fing an, ihm recht peinlich zu werden, da es den Gegnern neuen Stoff zur Erhärtung ihrer Beschuldigungen bot. Deshalb war er nicht wenig aufgebracht, als in Regensburg, dem Sitz des Reichstags, um die Mitte Dezember ein Aufruf an die

1 Selpert hatte erst am 9. Dezember durch den brandenburgischen Gesandten die Einnahme Frankfurts erfahren. Er schreibt am selben Tage dem Rat: »Der ganze Reichstag nimmt an allen frohen Begebenheiten von Frankfurt den erfreu¬ lichsten Anteil und sieht mit mir den weiteren glücklichen Folgen mit grösstem Vergnügen entgegen.« Am n. berichtet er, dass sowohl der österreichische als auch der preussische Gesandte ihn das besondere Wohlgefallen ihrer Höfe an dem klugen, vorsichtigen, patriotischen Benehmen des Rates und der Bürger haben erkennen lassen. Beide Höfe versicherten zugleich Rat und Bürgerschaft jederzeit ihrer Huld und Gnade (Reichstagsakten 1792).

2 Schöffenprotokoll vom 22. Dezember. Der Bericht an den Kaiser wurde erst im Februar 1793 abgesandt.

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deutschen Biedermänner erschien, der zu einer Erkenntlichkeit für die herzhaften Bürger aufforderte, die in Frankfurt der kombinierten Armee das Tor eröffnet hätten. Auch deren Witwen und Waisen sollten bedacht werden. Der Rat hielt den Fall für so wichtig, dass er eine besondere Stafette nach Regensburg schickte und Selpert, den reichsstädtischen Vertreter, scharf rügte, dass er einen solchen bedenklichen Vorgang nicht sofort nach Frankfurt berichtet, ihn überhaupt geduldet habe; er solle sofort die Sistierung der Sammlung bei den Behörden veranlassen und den in Regensburg erscheinenden Zeitungen die Gegenerklärung zusenden, die bereits am 17. Dezember die Frankfurter Zeitungen gebracht hatten. Und so las man im Hauptblatt Regensburgs1 unter der Rubrik »Aus Teutschland«, dass Frankfurter Bürger nicht bei der Erbrechung der Tore mitgewirkt hätten, sondern die fremden Handwerksburschen; jene verdienten also keine Belohnung, noch viel weniger hätten sie eine solche er¬ wartet, diese aber seien schon vom Sieger belohnt worden. Diese Erklärung musste die Lobredner der patriotischen Frankfurter etwas verlegen machen.

Die Bürgerschaft Frankfurts hatte sich im Laufe des Winters 1792 zu 1793 von den Schrecken der Belagerung sehr rasch erholt; der Puls des öffentlichen Lebens schlug lebhafter als je; der eine Zeitlang zurückgehaltene Drang nach Lebensgenuss brach wieder stark hervor und suchte Befriedigung; ein ausserordentlich lebhaftes Treiben entwickelte sich in den Hauptstrassen und auf den öffent¬ lichen Plätzen. Allerhöchste, höchste und hohe Herrschaften hatten sich in der Stadt eingefunden : der König von Preussen mit dem Thronfolger Friedrich Wilhelm , der Prinz Louis Ferdinand, der Herzog von Sachsen-Weimar und Gemahlin, der Herzog von Braun¬ schweig, für einige Zeit auch der Landgraf von Hessen-Kassel u. s. w., dazu die Menge von militärischen und diplomatischen Würdenträgern und von Fremden, die durch die Fülle dessen, was Frankfurt jetzt bot, dorthin gezogen wurden. Militärische Schauspiele,2 Konzerte,

1 Die Regensburger »Historische Nachrichten der Neueren Europäischen Begebenheiten« LIII. Stück. S. auch Reichstagsakten 1792.

2 Besonderes Aufsehen und viel Bewunderung erregten die vier Bataillone preussischer Garde, wegen ihrer glänzenden, von Silber strotzenden Uniform »Silbermänner« genannt. »Prächtig gemustert, in Silber galonniert, mit und ohne Manschetten .... mit dem scharf gekniffenen preussischen Adlerblick und

Lustbarkeiten aller Art drängten sich ; oft ging es geräuschvoller zu als selbst zur Krönungszeit; besondere Anziehungskraft übte das Theater aus, dessen Räume sich jetzt als zu klein erwiesen.* 1 Und wenn auch der Handel unter der Einwirkung des Krieges allmählich zu leiden begann, so zogen doch andererseits viele Kreise der Bevökerung, in erster Reihe die gewerblichen, mancherlei Nutzen aus den un¬ ruhigen Zeiten. Das Zusammenströmen so vieler Fremden brachte manchen Verdienst, die zahlreichen Bedürfnisse der Truppen der verbündeten Heere verschafften den Handwerkern vielerlei Beschäfti¬ gung und Nahrung; die Branntweinhändler machten glänzende Ge¬ schäfte.2

Bei alledem sehnte man sich aus diesen unruhevollen Zeiten heraus, und der Wunsch nach Frieden war in der Bürgerschaft all¬ gemein.3 Noch fühlte man sich vor den Franzosen nicht sicher, solange sie Mainz in Händen hatten.4 Noch waren die Verhand¬ lungen der nach Paris geschickten Deputierten mit dem National¬ konvent nicht zum befriedigenden Abschluss gelangt. Und so lebte man in beständiger Unruhe und Unsicherheit.

Um die damalige Lage der Stadt ganz zu verstehen, bedarf es eines Rückblicks auf die Schicksale der beiden Frankfurter Abgesandten in Paris.

gespitztem Schnurrbart«, so schildert sie uns der Konditor Joh. Anton Engelhard in seinen Aufzeichnungen über die Ereignisse der Jahre 1792--1801 (Chroniken 68 des Stadtarchivs).

1 Das Frankfurter Nationaltheater war am 22. Oktober, also am Tage des Einzuges der Franzosen, eröffnet und sofort wieder geschlossen worden. Die Wiedereröffnung erfolgte, nachdem Custine die Stadt verlassen hatte, Ende Oktober. Jetzt wurde das Theaterpersonal durch die aufgelöste Mainzer Truppe verstärkt. Über den Theaterbesuch schreibt die Frau Rat ihrem Sohne nach Weimar Neujahr 1793: . . . »Das Hauß ist ziemlich groß, aber vorjetzt meistentheils zu klein. So einen Specktakel wie am 2ten Christtag habe ich noch nicht (selbst die Krönung nicht) drinnen erlebt über 2000 Menschen mußten zurück, man konnte keinen Apfel zur Erde werfen.« (Briefe von Goethes Mutter u. s. w. S. 12 und Engelhard S. 3.)

2 Reges Leben herrschte stets vor den Branntweinläden, »wo die Sponton- spieße reihenweise wie unsere Feuerhaken und Leitern angelehnt standen, bis der wachthabende Unteroffizier da drinnen zuvor seinen martialischen Schluck getan hatte.« Engelhard 1. c.

3 »Er (Gott) schenke uns den edlen Frieden, diß ist mein und der Wunsch von Vielen Tausenden«, schreibt die Frau Rat am selben Tage ihrem Sohne (1. c.)

4 Dieselbe schrieb am 19. Dezember nach Weimar: »So lange aber Maintz nicht in deutschen Händen ist, dürfen wir noch nicht Viktoria rufen und die Wolfshaut noch nicht feil bieten« (1. c. S. 10).

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In der späten Abendstunde des 4. November hatten, wie bereits erwähnt, Seeger und Engelbach Frankfurt verlassen und kamen bei den schlechten Wegen erst in der Frühe des 10. in Paris an.1 Ihre Ankunft fiel in eine Zeit der grössten politischen Aufregung. Noch zitterte das Entsetzen über die Septembermorde allgemein in den Gemütern nach; die Absetzung des Königs, die Umwandlung der Monarchie in eine Republik, die Parteikämpfe in der neu zusammen¬ getretenen Volksversammlung, dem Nationalkonvent, hielten die Bevölkerung in höchster Erregung. Diese steigerte sich noch, als die Republikaner gegen Ludwig XVI. die Anklage auf Verrat und Verschwörung erhoben und ihm den Prozess machten.

Die Abgesandten erkannten alsbald die Schwierigkeit ihrer Auf¬ gabe und mussten billig zweifeln, ob sie mit ihren Wünschen bei einer Versammlung Gehör finden würden, in der der Hass und die Erbitterung der Parteien die Sache der Gerechtigkeit kaum zu Wort kommen lassen würde. Dabei war noch zu berücksichtigen, dass Frankfurt bei der Pariser Presse schlecht angeschrieben war. Es galt als ein despotisch verwaltetes, von den »Aristokraten« ausge¬ sogenes Gemeinwesen, dazu voll üblen Willens gegen die freiheit¬ lichen Bestrebungen und ihre Vorkämpfer, die republikanischen Heere, und auch in der Bevölkerung fanden Seeger und Engelbach starke Vorurteile gegen Frankfurt. Aber all die Schwierigkeiten spornten sie nur zu verdoppelter Tätigkeit an. Mit Recht durften sie von sich sagen: »Wir haben uns keine Ruhe gegönnt und keinen Augenblick unbenützt gelassen, wenn es galt, der Sache der Stadt zu dienen.« Die ersten Tage nach ihrer Ankunft brachten sie teils mit dem Abgeben der Empfehlungsschreiben an die bedeutendsten Bank- und Geschäftshäuser der Hauptstadt sowie an einzelne Mitglieder des Nationalkonventes, teils mit der Drucklegung des bereits in Frank¬ furt abgefassten Memoire zu, das sie aber nach dem Rat »eines mit den hiesigen Verhältnissen kundigen Mannes« entsprechend abänderten. Sie hofften damit, wie sie Lebrun, dem Minister des Auswärtigen, schrieben, den Nationalkonvent von der Grundlosigkeit aller gegen den Rat erhobenen Beschuldigungen zu überzeugen und ihn zu be¬ stimmen, der Stadt die ihr von Rechts wegen gebührende Neutralität

1 Das Folgende zum grössten Teil nach ihren Berichten in Nr. 24 (3 Bände) : »Acta als Beilage zu den von den nach Paris gesandten Deputierten . . . erstatteten Relationen gehörig.« Die Berichte wurden übrigens der grösseren Sicherheit wegen unter Deckadresse abgeschickt. Das Hotel, in dem Seeger und Engelbach ab- stiegen, hiess zufällig Hotel de Francfort.

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zu gewähren. Zugleich ersuchten sie den Präsidenten des National¬ konvents um die Erlaubnis, in einer Sitzung die Sache der Stadt Vorbringen zu dürfen. Er beantwortete ihr Gesuch sofort in höf¬ lichster Form und setzte ihr Erscheinen vor dem Konvent auf den 14. November fest.

In welcher Gemütsverfassung die Abgesandten um 2 Uhr Nach¬ mittags den Sitzungssaal betraten, welchen Eindruck die Versamm¬ lung auf sie machte, die den Brennpunkt des allgemeinen politischen Interesses bildete und von der nicht nur das Geschick Frankfurts, sondern das von ganz Europa abhing, darüber berichten Seeger und Engelbach leider nichts.

Der Empfang, der ihnen im Konvent zu teil wurde, war über Erwarten wohlwollend. Die , angeborene französische Höflichkeit und Ritterlichkeit verleugnete sich auch hier nicht. Man Hess sie nicht vor der Schranke la barre) des Saales stehen , sondern führte sie unter Beifallklatschen in den Saal selbst. Mit gespannter Aufmerksamkeit und unter tiefem Stillschweigen folgten die Volks¬ vertreter der sorgfältig vorbereiteten Rede Seegers,1 deren Schwung und Pathos auf französische Hörer berechnet war. Die Töne, die er anschlug, mussten in einer solchen Versammlung ein Echo finden.2 Er stellte die Vaterstadt als ein Gemeinwesen hin, in dem die Frei¬ heit ihren Sitz aufgeschlagen habe. »Die Pressfreiheit, um die ihr so lange gekämpft habt«, rief er ihnen zu, »besitzen wir schon längst. Dank ihr konnte in Frankfurt eine Reihe philosophischer Schriften erscheinen, die die neuen politischen Ideale zum ersten Male geoffenbart haben«. Sodann verteidigte er den Rat gegen den Vorwurf, die Emigranten begünstigt und eine aristokratisch gesinnte Zeitung geduldet zu haben. »Unsere Zeitungen«, bemerkte er hierzu, »sind um nichts aristokratischer als die Hälfte der in Paris erscheinenden«. In kluger Weise behandelte er sehr schonend Custine, der nur den

1 Wir haben nicht weniger als drei Entwürfe dafür, von denen die beiden ersten wegen ihrer Ausfälle gegen Custine zurückgelegt wurden.

2 Wir geben den Anfang der Rede: »Citoyens representants de la Nation francaise ! La Republique de Francfort se präsente la premiere entre tous les Etats de l’Europe devant la Republique francaise et vient reclamer sa justice. Vous entendrez ses Organes avec bienveillante attention. Ce n’est pas sur l’etendue du territoire que vous mesurez votre interet pour les nations et pour les cites etrangeres, c’est sur la valeur des hommes qui les habitent, c’est sur le degre de ,1a liberte qui ennoblit leur existence. Or, citoyens, Francfort est un etat libre dont l’in- dependance n’est limitee que par les liens de la Confederation Germanique qui nous unit ä des princes, ä des rois, mais sans nous subordiner ä aucun d’eux« etc. etc.

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Verleumdungen der Feinde der Stadt zu leicht nachgegeben habe. Wie sehr aber diese mit der Republik sympathisiere, zeige deutlich der Empfang ihrer Truppen am 22. Oktober. »Wie Brüder sind sie aufgenommen, wie Kinder behandelt worden«. Mit grossem Nach¬ druck verwies er hierbei auf das Memoire1 er legte es auf den Tisch des Sitzungssaales , aus dem das wohlwollende Verhalten Frankfurts gegen die französische Nation unzweideutig hervorgehe. Er schloss seine Rede mit der Bitte um Ersatz der ersten Million Gulden, um Vernichtung der Schuldscheine für die zweite Million und um Zusicherung des Schutzes während der Dauer des Krieges. »Dann werdet ihr beweisen, dass alle friedfertigen Nationen sich voll¬ kommener Ruhe inmitten eurer kriegerischen Veranstaltungen2 er¬ freuen können.« I

Reichen Beifall erntete Seeger bei verschiedenen Stellen seiner Rede. Er und sein Begleiter wurden sogar eingeladen, unter den Volksvertretern Platz zu nehmen, und erhielten die Erlaubnis, von jetzt ab den Sitzungen des Konvents beizuwohnen.3 * 5 Alsdann erfolgte die Erwiderung des Präsidenten. Er erklärte, die Versammlung könne nicht ohne die zwingendsten Gründe die Massnahmen eines so ver¬ dienten Pleerführers wie Custine verurteilen, der bereits so viele Beweise von Menschlichkeit und Gerechtigkeit in Deutschland ge¬ geben habe. An und für sich entspreche die Auferlegung einer Kon¬ tribution durchaus den Kriegsgesetzen, nur dass sie nicht, wogegen Custine mit Recht eingeschritten sei, auf den ärmeren Teil der Bevölkerung abzuwälzen sei. Aber da die Republik nur auf den ewigen Grundsätzen der Gerechtigkeit ihre Macht errichten könne, so werde sie Europa ein Beispiel ihrer Unparteilichkeit geben und die Beschwerden der neuen Brüder, die das französische Volk soeben in Frankfurt erworben habe, sorgfältigst berücksichtigen.

In Gegenwart der Gesandten eröffnete nun der Präsident die Debatte. Der Antrag eines Volksvertreters, die Petition sogleich zurückzuweisen, ging nicht durch, wohl aber der, sie dem gesetz¬ geberischen und dem diplomatischen Ausschuss zur Berichterstattung zu übergeben. Damit mussten sich die Abgeordneten einstweilen zufrieden geben und sie waren es auch. »Wir sehen mit Vergnügen«,

1 S. Seite 242.

2 Das Konzept der Rede befindet sich in Nr. 24 unter Discours ä prononcer

ä la Convention Nationale de la Republique francaise, abgedruckt ist sie im

Moniteur 1792, Nr. 321, ungenau in der Oberpostamtszeitung vom 23. November.

5 Es wurde ihnen »honneur de seance« zu teil.

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schrieben sie am 15. November nach Frankfurt,1 »dass eine sehr ansehnliche Zahl für unsere gute Sache eingenommen ist, der Minister des Auswärtigen, der des Inneren (Roland) und der Justizminister.«

Eine Reihe von Federn regte sich schon für die Stadt. Das Konventsmitglied Roederer,2 an den die Abgeordneten besonders empfohlen waren, sandte dem Journal de Paris geschickt abgefasste Artikel, um Stimmung für die Stadt zu machen und besonders die Beschuldigung wegen Anfertigung falscher Assignaten zu widerlegen, und gerade jetzt übergab Graf Gorani dem Konvent seine Schutz¬ schrift für Frankfurt,3 »das mit bewunderungswürdiger Weisheit regiert wird und sich gegen uns stets so benommen hat, dass es auf unsere Dankbarkeit Anspruch hat.« In den Pariser Blättern er¬ schien der flammende Protest des Ministers Roland gegen die unge¬ rechte Kontribution, die die erhabenen Grundsätze der Revolution verletze und in der »unsere Feinde und die Priester einen anschau¬ lichen Beweis dafür sehen, dass wir Briganten sind, die Freunde und Feinde auf gleiche Weise plündern.«

Aber auch die Gegner der Stadt rührten sich, zunächst die Häupter der jakobinischen Partei im Bunde mit dem Kriegsminister und dem Marineminister, die Custine nicht fallen lassen wollten. Das einflussreichste Blatt der Partei, der Moniteur, stellte sich der Stadt und ihren Vertretern, »die hier so unermüdlich ihre Ränke schmieden«,4 von vorherein feindlich gegenüber. Mit aller Schärfe trat es für die Berechtigung der Kontribution ein, sofern sie nur nicht von den Ärmeren getragen würde, denn Custine und seine Begleiter, bemerkt es, sind doch nicht als Reisende sondern als Krieger nach Deutschland gekommen, »der Krieg der Republik aber

1 Die Briefe liefen durchschnittlich 6 Tage.

2 Der bekannte Staatsmann und Schriftsteller, Advokat bei dem Parlament von Metz, das ihn 1789 in die Nationalversammlung entsandte. Dort machte er sich durch seine Reden für die Pressfreiheit, die Reform des Richterstandes u. s. w. besonders bemerkbar; zpäter ward er Syndikus des Seinedepartements. Beim Sturm auf die Tuilerien am xo. August 1792 schützte er den König. Er hatte eine Frankfurterin, Regina Luise von Guaita, zur Frau.

3 Petition ä la Convention Nationale de France pour les habitants de la ville de Francfort par Joseph Gorani, citoyen francais. De Francfort 6 Novembre 1792, abgedruckt im Moniteur Nr. 328 und Nr. 329 vom 23. und 24. November. In Nr. 329 befindet sich auch Reponse du ministre de Pinterieur (Roland) au ministre des affaires etrangeres aux reclamations de la ville de Francfort-sur-le Mein du 18 Novembre 1792 . . .

4 1. c. Nr. 339 vom 4. Dezember.

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muss schrecklicher als jeder andere sein, um so kürzer wird er als¬ dann sein. Wehe der unzeitgemässen Humanität, die etwa verlangt, seine Schläge zu mindern ! ... Auf Kosten der Nation darf man nicht den Grossmütigen spielen . . . Frankfurt ist ein Glied des deutschen Reiches, hat aber auf dem Reichstag nie seine Stimme für die Republik erhoben. Es gibt vor, eine freie Stadt zu sein . . . aber Frankfurts Freiheit gleicht der einer Republik von Bibern inmitten habsüchtiger Jäger; sie besteht darin, Reichtümer sammeln zu dürfen, die früher oder später die Beute der gekrönten Jäger, der Österreicher oder der Preussen, sein werden, wie es der Siebenjährige Krieg beweist.«

Zum Unglück für die Sache Frankfurts tauchte gerade jetzt in Paris die Frau Monzeville mit ihrem Gatten auf. Wir wissen, dass der Rat sie auf das Drängen des Kurfürsten von Mainz ausgewiesen hatte, ohne ihr Zeit zu lassen, ihre Angelegenheiten zu ordnen; später hatte er auf ihre Effekten, die sie bei dem Gastwirt Lippert zurücklassen musste, wegen ihrer Wechselschulden Arrest gelegt. Als sie Ende 1792 im Vertrauen auf den Schutz des ihr gewogenen Erbmarschalls Grafen von Pappenheim nach Frankfurt zurückkehrte, ward sie zum zweiten Male ausgewiesen;1 der französische Resident Barozzi hatte es abermals verschmäht, sich ihrer anzunehmen. Wie übel sie gegen diesen und den Rat gesinnt war, können wir uns leicht vorstellen. Jetzt schien ihr der Augenblick günstig, Rache an beiden zu nehmen. Die jakobinische Presse machte ihre Privat¬ angelegenheit zur öffentlichen. Zunächst erlag ihren Angriffen Barozzi; er wurde wegen seiner Schlaffheit des Postens in Frankfurt enthoben. Dann richtete sie ihre Angriffe gegen den Rat selbst. Sie verlangte vom Minister des Auswärtigen Genugtuung für die ihr zugefügte Schmach; in ihrer Person sei die Ehre der Nation beschimpft und zugleich das Völkerrecht verletzt worden. Sie stellte sich als die wegen ihrer freiheitlichen und patriotischen Gesinnung von den Emigranten Verfolgte hin, den Rat aber als Handlanger »der Mainzer Pfäfflein und des königlichen Souveräns von Koblenz«. Nichts Ge¬ ringeres forderte sie, als dass der Minister bei den Tyrannen von Frankfurt ein Schadloshaltung von 150000 livres für sie beanspruche.

1 Schöffenbeschluss vom 29. Juni: » . sollte sie aber wirklich im

Schutz des Pappenheim sein, dieses dem hohen Kurfürstenkollegium anzeigen und sich zugleich gegen alle aus dergleichen Vorfällen entspringen könnenden Nachteile bestens abstrahieren«.

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Die von den Blättern vielfach besprochene Beschwerdeschrift der Frau Monzeville erregte in Paris ein für die städtischen Abgesandten peinliches Aufsehen. Villars, der Vertreter Frankreichs in Mainz, hatte ihr ausdrücklich bescheinigt, dass sie lediglich wegen ihrer politischen Gesinnung aus Frankfurt ausgewiesen worden sei. Der diplomatische Ausschuss befasste sich jetzt mit ihrer Angelegenheit und machte den Abgesandten ernste Vorstellungen darüber. Diese verteidigten den Rat nicht gerade glücklich. Da weder Barozzi noch der frühere französische Minister am Mainzer Hof, deren Schutz sie angerufen hatte, sich für sie geregt hätten, so sei der Frankfurter Rat zu ihrer Ausweisung berechtigt gewesen, zumal da ihr nach Ablauf der Messe ein Anspruch auf Verlängerung des Aufenthaltes in der Stadt nicht zustand. Ausserdem beriefen sie sich darauf, dass Frau Monzeville, weit entfernt die angebliche Patriotin zu sein, als politisch verdächtig Landau habe verlassen müssen.

Im Grunde regte der Monzevillesche Fall Seeger und Engel¬ bach nicht sonderlich auf. Durch eine reichlich bemessene Geld¬ entschädigung, die sie dem diplomatischen Ausschuss in Aussicht stellten, wenn der Frau wirklich Unrecht geschehen sei, konnte man über ihn hinwegkommen. Dagegen stiessen sie jetzt bei diesem Aus¬ schuss und im Konvent auf andere Schwierigkeiten, die ihnen schier unüberwindlich schienen. In beiden Körperschaften zählte die Auf¬ fassung viele Anhänger, dass Frankfurt als ein vom Kaiser abhängiger Stand, mithin als ein Feind der Republik zu betrachten sei, jeder Krieg gegen den Kaiser sei zugleich ein Reichskrieg, in dem kein einzelner Reichsstand als neutral zu behandeln sei; auch die Kurpfalz, Württemberg, Hessen-Darmstadt und noch andere Stände, die in dem Kriege neutral bleiben wollten, müssten mit ihren Gesuchen abgewiesen werden. Als einzigen Ausweg aus allen Bedrängnissen, der zugleich auch in der Kontributionsfrage zum gewünschten Ziel führen würde, empfahl man Seeger und Engelbach, die Verbindung mit Kaiser und Reich ein für allemal zu lösen und wie das benachbarte Mainz sich der französischen Republik anzuschliessen.

Vergebens führten die Abgesandten gegen »diesen fürchterlichen Grundsatz«1 alle möglichen staatsrechtlichen Gründe an, vergebens

1 So nennen sie ihn im Schreiben vom 22. November. Auch der Moniteur vertrat diesen, wenn er in Nr. 339 unter »Melanges sur la contribution de Francfort« schreibt : »Vous m’objectez toujours la constitution de l’Empire? Eh bien, affranchissez- vous. Vous ne l’osez pas ? Eh bien, payez, nous vous affranchirons. Car il est reconnu que la constitution germanique et la Republique frangaise ne peu vent subsister ensentble.«

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beriefen sie sich auf die Bestimmungen des westfälischen Friedens, der doch von Frankreich selbst gewährleistet worden sei. Sie fanden wenig Gehör. Und so begreifen wir, dass, wie die Zeit verstrich, ohne dass Seeger und Engelbach merklich vorwärts kamen, es der Rat für nötig hielt, ihnen drei weitere Deputierte nachzuschicken, den Schöffen Günderrode, den Handelsmann Müller, Mitglied des Einundfünfzigerkollegs, und den Handelsmann Jordis.1 25000 Gulden wurden ihnen »zur nötig findenden Verwendung« zur Verfügung gestellt. Am 22. November trafen sie in Paris ein.

Die Tätigkeit oder vielmehr die Kabalen, wie es die Gegner nannten, der so verstärkten Deputation machten sich auch bald be¬ merkbar. Einzelne hauptstädtische Blätter traten jetzt wärmer für Frankfurt ein; sie betonten besonders, dass es sich von allen Ver¬ bindungen gegen die Republik ferngehalten habe, ferner, dass es im wohlverstandenen eigenen Interesse Frankreichs liege, durch Gross¬ mut und Achtung vor fremdem Eigentum die Völker Deutschlands für sich zu gewinnen.2 Und dass gerade in diesen Tagen ein Schreiben des Generalleutnants Wimpfen von der Niederrheinarmee im Kon¬ vent verlesen wurde, in dem er die der Stadt Frankfurt widerfahrene Behandlung scharf verurteilte,3 mochte immerhin einen gewissen Eindruck erzielen; freilich war er als Gegner Custines bekannt. Dieser verfocht immer noch in seinen Berichten an den Kriegs¬ minister4 die Berechtigung der Kontribution unter allerlei Ausfällen gegen Frankfurt, dabei kräftig unterstützt von der jakobinischen Presse. Vergebens schickten die Deputierten einen Artikel nach dem andern den Blättern zur Berichtigung. Tatsache war doch, dass man in Frankfurt weder die dreifarbige Kokarde angenommen, noch Freiheitsbäume gepflanzt, noch auch die Forderung des Moniteur erfüllt hatte, die Bevölkerung in Urwählerversammlungen zu berufen und ihr dort alle Rechte, besonders aber die Wahl der Obrigkeiten, zu übertragen. Und so weigerten sich der Moniteur und andere Zeitungen, die Entgegnungen der Deputierten aufzunehmen.5 Sieges-

1 Ursprünglich auch noch den Handelsmann Alesina von Schweitzer.

2 So in der Zeitung Liberte, Egalite, Gazette Nationale de France Nr. 243.

3 S. auch Chuquet S. 122; daselbst findet sich auch das in gleichem Sinne abgefasste Schreiben Desportes’ an den Kriegsminister.

4 So besonders im Schreiben vom 19. November, worin Custine von sich rühmt, dass der Geist der Gerechtigkeit ihn beseele . . . »la droiture de mon äme m’ont garanti des pieges qu’on pouvait chercher ä me tendre«.

5 Nur das Supplement de la Ghronique de Paris war dazu bereit (Nr. 341). Es nahm auch die Erklärung der Frankfurter Zünfte vom 5. November auf.

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gewiss verkündeten sie: »Die Freunde echter Volksfreiheit und der Ehre der französischen Republik denken gar nicht daran, dass der Konvent Custine dementieren werde, indem er die Kontribution der Stadt Frankfurt, d. h. den Bankiers und Aristokraten, herausgibt.«1 Und im Diplomatischen Ausschuss erklärte ein Mitglied, Rühl, in drohen¬ der Sprache den Deputierten geradezu, dass sich dreissig Abgeordnete der Departements des Rheines, der Mosel und der Maas mit ihm vereint hätten, um ihre Mission zum Scheitern zu bringen. Vielleicht wusste auch Rühl davon, dass gerade in diesen Tagen der Finanz¬ minister Custine mitteilte, die Frankfurter Deputierten würden, ohne ihre Millionen zu bekommen, abreisen müssen.2 So schreiben denn diese am 29. nach Frankfurt: »Vom Fortgang unserer Geschäfte können wir nichts Tröstliches berichten.«

Die Einnahme Frankfurts durch die Flessen und Preussen am 2. Dezember änderte auch für die Abgesandten die Lage der Dinge völlig. Schon am 5. Dezember gegen n Uhr nachts erhielten sie durch Eilboten die Nachricht von diesem wichtigen Ereignis. Noch kannten sie nicht die näheren Umstände, unter denen die Erstürmung der Stadt erfolgt war, aber der Schlusssatz ihres Briefes vom 6. Dezember: »Hoffentlich enthält der Bericht Custines nichts über diesen Vorfall, worüber man unserer armen Stadt Vorwürfe machen kann« zeigt uns, dass sie nicht ohne richtige Vorahnung der Zukunft entgegensahen.

Als sie am nächsten Tag dem Minister des Auswärtigen die ihnen gewordene Kunde mitteilten, zeigte sich dieser nicht sonderlich überrascht und erregt, da Custine schon einige Tage vorher dem Kriegsminister als unmöglich hingestellt hatte, die Stadt bei einem etwaigen Angriff zu halten.

Am Abend des 8. Dezember traf im Kriegsministerium in Paris der Bericht Custines ein, der die Vorgänge vom 2. Dezember in der uns bekannten verleumderischen Färbung schilderte. Seine Wirkung zeigte sich sofort. Noch in derselben Nacht wurden die fünf Depu¬ tierten aus dem Schlaf geweckt. Vor ihrem Bett sahen sie den

1 Nr. 339, woselbst es atfch heisst, dass in Frankfurt nur die Patrizier herrschen, ... et autres pieces aristocratiques, les riches et les seuls riches y sont en possession des premieres magistratures«.

* Chuquet S. 123.

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General der Pariser Nationalgarde, Santerre, in Begleitung von Offi¬ zieren. Unter Hinweis auf eine Ordre des Vollziehungsausschusses (comite executif) kündigte er den Erstaunten Hausarrest an und liess drei Offiziere zur Bewachung zurück. Vergebens forschten sie nach dem Grunde ihrer Verhaftung, jede. Auskunft ward ihnen verweigert. Der Minister des Auswärtigen, bei dem sie sich über den Bruch des Völkerrechtes beschwerten, wich einer Antwort aus, indem er nur bemerkte, dass ihre Sache vor dem Konvent alsbald verhandelt werden würde unter strengster Beobachtung der Loyalität und Gerechtigkeit.

Dass ihre Verhaftung mit der Einnahme der Stadt in Zusammen¬ hang stände, daran zweifelten die Deputierten nicht. Doppelt froh waren sie jetzt, dass sie nicht am 5. Dezember von Paris heimlich abgereist waren, wie ihnen der Rat anheimgestellt hatte, weil sie damit den Gegnern freies Spiel gelassen hätten. In der Haft wurden sie übrigens mit grösster Rücksicht und Zuvorkommenheit behandelt.1 »Unser Arrest«, schrieben sie am 14. Dezember, »ist der leidlichste und wir können die Höflichkeit und Bescheidenheit der uns zu¬ gegebenen Offiziere, die unser Zimmer selbst fast nie betreten, sondern sich nur im ihrigen halten und mit uns speisen , nicht genug rühmen.« Weder wurden ihre Papiere versiegelt noch ihre Korrespondenz überwacht; sie erhielten die gewünschten Zeitungen und konnten ungehindert Besuche empfangen. So erhielten sie auch durch einen vertrauten Freund Kunde von allen Ereignissen der Aussenwelt. Sie erfuhren, dass in der Sitzung des Konventes vom 9. Dezember der Präsident den Volksvertretern ein Schreiben des Ministers des Auswärtigen verlesen habe, worin die Frankfurter ver¬ dächtigt wurden, VerrA an den französischen Truppen geübt und Custine verhindert zu haben, einen eben so sicheren wie glänzenden Erfolg über die Feinde zu erringen; der Vollziehungsausschuss habe deshalb die Frankfurter Deputierten einstweilen in ihrem Hotel fest¬ nehmen und bewachen lassen, damit sie, falls die Anklagen gegen die Stadt gerechtfertigt seien, dem Konvent so lange als Geiseln dienten, bis er völlige Genugtuung erlangt hätte. Schweigend ver¬ nahmen die Volksvertreter den Bericht, nur bei der Verlesung der

1 Der Minister des Auswärtigen hatte den Kommandanten der Nationalgarde ausdrücklich angewiesen, sie zu behandeln »avec tonte la decence et les egards düs au caractfere des dütenus et qu’une nation grande et nereuse ne refuse pas müme ä ses ennemis«; und am 24. schreiben sie Santerre: Unsere Behandlung ist gut; »les personnes distingu£es et honnetes que vous avez daignü mettre chez nous de sauvegarde nous rendent notre Situation plus supportable«.

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Stellen, in denen Custine die Frankfurter mehr als verblendet1 denn als verbrecherisch hinstellte und ihre Abgeordneten der Flumanität des Konventes empfahl, durchlief lautes Murren die Versammlung.2

Bald erfuhren die Pariser weitere Einzelheiten über die angebliche Hinschlachtung der Truppen am 2. Dezember. Das von Custine eingesandte Messer verfehlte dabei seine Wirkung nicht. In den Zeitungen und auf den Strassen hörte man nur noch von dem »Massacre in Frankfurt« sprechen. Das Ungeheuerlichste ward den Lesern und Hörern aufgetischt und auch geglaubt. Besondere Teilnahme erregte das Schicksal des Bataillons Saintonge. Angeblich hatte es sich mit dem Mut der Verzweiflung gewehrt, bis die letzte Patrone verschossen war und sich dann ganz von Blut bedeckt, einen Wall von Leichen um sich den Feinden ergeben, die es aber im Bunde mit der Be¬ völkerung erbarmungslos niedermachten. Ja die Verräter und Kanni¬ balen hätten nicht einmal die Frauen der Soldaten verschont, sondern sie in Stücke gehackt (elles ont 6te hachees en pieces), einem Ge¬ fangenen beide Hände abgehauen3 u. s. w. Es schien erwiesen, dass die Verschwörung gegen die französischen Truppen von langer Hand vorbereitet war, und die Pariser Zeitungen verlangten entrüstet strengste Ahndung.

Es muss rühmend anerkannt werden, dass weder die französische Regierung noch die Volksvertretung sich von der hochgehenden Er¬ regung der Massen fortreissen liess, sondern die Angelegenheit mit Besonnenheit behandelte. So fand auch in der Sitzung vom 12. De¬ zember, in der Custines Kriegsführüng besprochen wurde, der Antrag des Volksvertreters Drouet, das schuldige Fankfurt in einen Aschen¬ haufen zu verwandeln, keine Unterstützung. Man wollte die An¬ geklagten nicht ungehört verdammen, ihnen nicht die Möglichkeit, sich zu rechtfertigen, rauben.

Die Deputierten fanden sich rasch in die gänzlich veränderten Umstände. An die Ausführung ihrer eigentlichen Mission dachten sie nicht mehr; für die Stadt stand jetzt Höheres auf dem Spiel als

1 »aveuglis«, so druckt der Moniteur ab. Im Originalschreiber) Custines heisst es »£gares«.

2 Diese Stellen haben »sichtbaren Unwillen« erregt, schreiben die Deputierten am 11. Dezember.

5 Die Deputierten sandten die die Ereignisse des 2. Dezember besprechenden Zeitungsartikel aus den Annales patriotiques, dem Courrier des 84 departements, dem Moniteur, Journal du soir, Journal de Paris etc., nach Hause, damit sich der Rat ein Bild von der Stimmung der Pariser Presse machen könne.

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die zwei Millionen Gulden ; es handelte sich nunmehr darum, ihre Ehre zu retten und sie von dem beschimpfenden und zugleich so gefährlichen Verdacht zu reinigen. An ihre eigene Sicherheit dachten sie dabei erst in letzter Linie. Sie wollten daher von der Verwendung des Königs von Preussen1 oder des Herzogs von Braunschweig für ihre Freilassung nichts wissen, hielten jedes diplo¬ matische Eingreifen von dieser Seite sogar für recht bedenklich, weil dadurch der Verdacht neue Nahrung erhielte, dass der Rat im Ein¬ verständnis mit den Feinden der Republik stände. Es galt vielmehr, aus eigener Kraft sich aus den Bedrängnissen herauszuwinden.

Zunächst wandten sich die Deputierten an Custine selbst; sie konnten ja unmöglich wissen, dass er der alleinige Anstifter dieser Verwicklungen war. Sie baten um seine Fürsprache, denn, bemerkten sie am Schluss ihres Schreibens, »es muss ja den Gesinnungen eines so grossen Führers (capitaine) widersprechen, das Unglück einer Stadt zu sehen, das nur durch wenige herbeigeführt worden ist«. Zugleich übersandten sie dem Minister des Auswärtigen den offiziellen Bericht des Rates über die Einnahme der Stadt, den sie soeben erhalten hatten, nebst den an sie gerichteten Privatbriefen aus Frankfurt, in denen vielfach von der Rettung der fliehenden Franzosen vor ihren Verfolgern, von der Pflege der Verwundeten in den städtischen Plospitälern die Rede war. Diese Briefe wurden auf Bitten der Deputierten auch dem Nationalkonvent und dem Vollziehungs¬ ausschuss vorgelegt. Aber der erwartete Erfolg blieb einstweilen aus. Der Minister des Auswärtigen schrieb ihnen am 17., dass nichts den Eindruck zerstören könne, den verschiedene wohl beglaubigte Ausschreitungen (mauvais procedes) eines grossen Teiles der Frank¬ furter Bevölkerung gegen die Truppen der Republik erzeugt hätten. So beschränkten sich die Deputierten einstweilen darauf, alle Volks¬ vertreter, an die sie Empfehlungen hatten es waren nicht weniger als 84 sowie den Vorsitzenden des Konvents und Lebrun durch ein Zirkularschreiben zu bitten, das Urteil über Frankfurt bis zur Verlesung ihrer ausführlichen Rechtfertigungsschrift zu verschieben. Sie ersuchten aber die Geheime Deputation in Frankfurt, ihnen

1 Der Rat hatte zuerst Friedrich Wilhelm II. ersucht, dem Konvent die Freilassung van Heldens gegen die der Deputierten anzubieten, was aber der König zurückwies. Dieser hatte, wie wir wissen, sich damit begnügt, Custine davon zu verständigen, dass die gefangenen französischen Offiziere dasselbe Los wie die Deputierten haben würden.

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möglichst bald amtlich beglaubigte Dokumente über die Ereignisse vom Eintreffen der preussisch-hessischen Truppen bis zur Erstürmung der Stadt zu senden. Bis all diese beschafft werden konnten, mochte wohl Zeit vergehen, viel zu viel für die ungeduldig harrenden Ab¬ gesandten. Man beschloss daher, zwei geeignete Persönlichkeiten, den Buchhändler Wenner und den Handelsmann Meyer,1 nach Paris zu schicken, um den Deputierten das schon zur Verfügung stehende Rechtfertigungsmaterial zu überbringen und ihnen überhaupt »auf alle dienstliche Wege zu Händen zu gehen«. Der Rat dachte in erster Reihe daran, dass sie an Stelle der Deputierten, die ja infolge des Arrestes keine Bewegungsfreiheit hatten, die Besuche bei den einzelnen Mitgliedern des Konventes, den Zeitungsredaktionen u. s.w. fortsetzen und, wenn es die Umstände erheischten, auch Reisen unternehmen sollten.

Nicht ohne Besorgnis sah man Wenner und Meyer abreisen; die Geheime Deputation hatte ihnen ausdrücklich erklärt, dass ihre Mission keinen offiziellen, sondern nur privaten Charakter habe, weshalb man sie, wenn ihnen in Paris etwas zustiesse, ihrem Schicksal überlassen müsste. Am 25. Dezember trafen sie in Paris ein. Allmäh¬ lich langten die von den Deputierten sehnlichst erwünschten Zeug¬ nisse über die Haltung des Rates und der Bürger in der verhängnis¬ vollen Zeit an. Darunter befand sich die Adresse der in Marburg gefangenen Offiziere an den Nationalkonvent, die Schreiben ver¬ schiedener französischer Soldaten sowie van Heldens an den Rat, ferner van Heldens Zuschrift an Custine, worin er diesen beschwor, alles aufzubieten, »um den guten und braven Bürgern Frankfurts Gerechtigkeit zu erweisen«. Von entscheidender Bedeutung waren aber die Atteste der Chirurgen über die Art der Verwundungen der in den Spitälern behandelten Franzosen und die Beerdigungsliste, aus der sich die Zahl der am 2. Dezember auf den Wällen und in den Strassen der Stadt Gefallenen ergab. Wie schrumpften da mit einem Male die ungeheuerlichen Beschuldigungen zusammen! Anstatt 1200 von den Bürgern grausam Hingeschlachteter nur 41 vor dem

1 Johann Friedrich Wenner war der Sohn des Buchhändlers Johann Konrad Wenner, des Mitgliedes des Neuner-Kollegs und der Gemischten Kriegsdeputation, welche die Verhandlungen mit den städtischen Abgeordneten in Paris zu leiten hatte ; Heinrich Anton Meyer war der Sohn des Handelsmanns und Mitgliedes des Einundfünfziger Kollegs Johann Anton Meyer. Wenner hatte verwandtschaftliche, Meyer geschäftliche Beziehungen in Paris. Näheres über Wenner bei Gwinner, Kunst und Künstler in Frankfurt a. M., S. 540.

Feinde Gefallene, dazu etwa 129 (139) Verwundete! Und wie hatte sich die Bürgerschaft sowohl dieser als der fliehenden Franzosen angenommen ! Das so aufregende Märlein von den angeblich zur Niedermetzelung der Truppen eigens angefertigten 12000 Messern fand jetzt seine natürliche Erklärung. Das waren ja nur eine Art von Bajonetten, die die hessischen Jäger auf ihre Gewehre zu schrauben pflegten. Auch die ausgesetzte Belohnung für den Nachweis eines Komplottes hatte noch niemand verlangt! All diese Aktenstücke (an Zahl 22) wurden dem Memoire beigefügt, dessen Stilisierung Roederer übernommen hatte. Mit der Drucklegung begannen die Deputierten am Schluss des Jahres; doch hatten sie schon früher eine Anzahl besonders wichtiger Stücke den bedeutendsten haupt¬ städtischen Blättern,1 den Ministern und den Mitgliedern des National¬ konventes eingesandt. So viele Zeugnisse verfehlten auch ihre Wirkung nicht und bereiteten allmählich den Wechsel in der Stim¬ mung gegen die Stadt vor. Zwar wies noch immer eine Reihe von Redakteuren die Aufnahme der Rechtfertigungszeugnisse zurück,2 aber die Wahrheit war bereits im Anmarsch; einzelne Zeitungen erhoben schon, allerdings noch schüchtern, ihre Stimme für die Stadt Frankfurt oder warnten wenigstens vor übereilten Beschlüssen, da die Berichte offenbar übertrieben seien, bis dann zuletzt selbst der Moniteur sich zu dem Bekenntnis bequemte, dass die Akten¬ stücke den Beweis für die humane Flaltung der Frankfurter gegen die französischen Truppen gebracht hätten.

Eine Wirkung der Aktenstücke zeigte sich übrigens gleich, die Lage der Deputierten wurde jetzt erleichtert, Lebrun gestattete ihnen am Schluss des Jahres auf ihre Bitte, in Begleitung eines Wachoffiziers ihre Flaft zu verlassen, um frische Luft zu schöpfen. Bald durften sie auch ohne Aufsicht mit der Aussenwelt verkehren. Deshalb kehrten auch Wenner und Meyer Ende Dezember nach Frankfurt zurück.

So traten die Deputierten mit etwas mehr Floffnung in das neue Jahr ein. Am 6. Januar war der Druck des Memoire mit

1 Sie führen auf : Moniteur, Chronique de Paris, Patriote fran^ais, Annales Patriotiques, Journal du soir, Courrier des Departements, Gazette nationale, Journal de Paris, Journal des D£bats de la Socidte des Jacobins, Mercure universel, Journal de Perlet.

2 Im Courrier de Strasbourg wärmte der »unversöhnliche Feind« Daniel Stamm immer wieder das Märchen von den 22 Zoll langen Messern auf und stellte die Frankfurter als »von dem wilden hessischen Landgrafen gedungene Banditen« hin.

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seinem Anhang, den 22 Entlastungsdokumenten (pieces justificatives), vollendet, nach der Ansicht Seegers »ein Meisterstück von Klarheit und Ordnung und Eloquenz«. Seine Sprache war männlich, denn »die Stärke des Tones, welche darin herrscht, haben wir nicht nur der Würde und Ehre einer freien Reichsstadt, sondern auch der der beleidigten Unschuld gebührenden Genugtuung angemessen geglaubt«, schreibt Seeger am 8. Januar an die Geheime Deputation. Das geschriebene Original sandten sie an den Minister des Auswärtigen. Nicht weniger als 6000 Exemplare Hessen sie drucken ; eine grosse Anzahl davon hatten sie für die Minister, für die vornehmen Gönner der Stadt, für die Munizipalität und die Sektionen der Hauptstadt, sowie für die wichtigsten politischen Blätter bestimmt.1

Das Anerbieten des französischen Publizisten Beaulieu, einen für die Zeitungen besonders geeigneten kurzen Auszug zu machen, nahmen sie gerne an, »da kein Deutscher Französisch zu schreiben imstande ist, so wie es die jetzige französische Welt allein haben will.«

Mit dem Eindruck des Memoire glaubten die Deputierten zufrieden sein zu dürfen, »die Fassung und der Ton erhält allgemeinen Beifall« schrieben sie am 12. Januar nach Hause. Doch mussten sie sich noch eine Zeitlang gedulden. Der Prozess des Königs Hess ihre Angelegenheit in den Hintergrund treten und verschob einstweilen die Entscheidung. Diese Frist benutzten die Feinde der Stadt, um noch in letzter Stunde den Deputierten den Erfolg streitig zu machen.

Am 19. Januar erschien in dem Korrespondenzblatt der Jakobiner wieder ein äusserst gehässiger Artikel, von nicht weniger als 102 Soldaten des 5. Bataillons Niederrhein unterzeichnet, gegen die

1 Nähere Angaben hierüber finden sich in unseren Akten unter: Distribution du memoire du 8 12 Janvier 1795. Danach waren bestimmt 780 ä la Convention nationale, 60 au d^partement de Paris, 48 aux 48 sections, 12 au commandant gönöral, 48 aux 48 bataillons, 15 (?) ä la Municipalitö, 15 au comitö diplomatique. Folgenden Zeitungen wurden Exemplare geschickt: Annales Politiques, Auditeur national, Assemblöe nationale, Chronique de Paris, Cröole patriote, Courrier des Departements, Gazette nationale, Journal des Jacobins, Journal de Paris, Journal de Perlet, Journal de Prudhomme, Journal frangais, Journal des lois, Journal de Passemblee electoriale aux Jacobins, Journal du soir, Mercure universel, Moniteur, Patriote frangais, Republicain franfais ; ferner aux banquiers, dann 50 Exemplare dem Jakobinerklub und 25 dem Cordelierklub, sodann wurden Exemplare nach Strass¬ burg und den grösseren Orten des Elsasses sowie nach Genf, Neufchatel, Rouen, Bordeaux, Lyon, Clermont, Chälons s. Marne, Cambray, Dunkerque, La Rochelle, Amsterdam und London gesandt.

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»Frankfurter Mörder«, die sich voller Wut mit Feuerwaffen und Äxten auf sie gestürzt, die Fahnen zerrissen, die Tore dem Feinde geöffnet hätten u. s. w. Der Artikel schloss mit den Worten: »Dies ist die völlige Wahrheit.« War da nicht zu befürchten, dass ein durch so zahlreiche Unterschriften erhärtetes Zeugnis den guten Ein¬ druck des Memoire verwischen würde ?

Am 21. Januar, am selben Tage, wo Ludwigs XVI. Haupt auf dem Schafott fiel, fand man im Diplomatischen Ausschuss Zeit und Ruhe, über das Schicksal der Frankfurter Abgesandten endgültig zu entscheiden. Diese selbst verbrachten den geschichtlich denkwürdigen Tag in grösster Aufregung. Denn das Gerücht war zu ihnen ge¬ drungen, dass am Hinrichtungstage Ludwigs XVI. sich die Greuel der Septembermordtage wiederholen würden und auch sie als Opfer ausersehen wären. Santerre, der diese Gerüchte nicht für grundlos hielt, hatte daher den sie bewachenden Offizieren befohlen, bei der Annäherung von Volkshaufen gegen ihr Hotel bis 300 National¬ garden zu ihrem Schutz heranzuziehen.1 Zum Glück waren alle Besorgnisse ungerechtfertigt und auch die Sitzung des Diplomatischen Ausschusses nahm einen für sie günstigen Ausgang.

Einstimmig ward beschlossen, dem Konvent ihre sofortige Frei¬ lassung zu empfehlen. Im Auftrag des Diplomatischen Ausschusses hatte Guitton-Morvan2 das Referat für die am nächsten Tag statt¬ findende Sitzung des Konventes übernommen. Er bewies darin, dass der Stadt Frankfurt ein Bruch des Völkerrechts unmöglich vor¬ geworfen werden könne, und stellte dann an die Versammlung die Frage, ob die Haft der Deputierten noch länger aufrecht zu halten sei; schon vorher hatte er es durchgesetzt, dass eine zweite Frage, die sich daran anschliessen sollte, ob sie als Geiseln für die Bezah¬ lung der zweiten Million noch festzuhalten seien, nicht erörtert wurde. Noch einmal platzten jetzt in erregter Debatte die Gegensätze aufeinander; die alten Anklagen und Verleumdungen gegen Frank¬ furt wurden von den Jakobinern eifrig wieder hervorgeholt und ver¬ fochten. Bourdon3 stellte sogar den Antrag, die Fleere der Republik

1 Die Deputierten heben wiederholt hervor, wie höflich und verbindlich sich Santerre stets gegen sie gezeigt habe, ebenso die ihnen beigegebenen Offiziere. Sie beschenkten diese beim Abschied mit goldenen Uhrketten und Tabatieren.

2 Generaladvokat des Parlaments von Dijon, 1792 Präsident der National¬ versammlung, Anhänger der Bergpartei.

3 Zuerst Advokat, dann Schullehrer. Er hatte als Volksvertreter am Sturm auf die Tuilerien am 10. August teilgenommen.

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sollten gegen Frankfurt ziehen und die Stadt zur Rache für die be¬ gangenen Frevel dem Erdboden gleichmachen. Dies erschien selbst den Gegnern Frankfurts als zu weitgehend. Es erhob sich heftiges Murren; der Abgeordnete Mailhe erwiderte entrüstet, dass ein freies Volk Akte der Barbarei nur mit Akten der Humanität beantworten dürfe. Und als noch Guitton das Unsinnige und zugleich Gefährliche des ßourdonschen Vorschlages darstellte und beantragte, die Ver¬ sammlung solle ihn als eine Beleidigung der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit zurückweisen, erfolgte von vielen Seiten Zustimmung. Der Konvent beschloss darauf, die Deputierten sofort in Freiheit zu setzen, da sie sich nichts hätten zu schulden kommen lassen, was als eine Verletzung des Völkerrechtes anzusehen wäre.1 2

Aber erst am 24. fühlte sich der Kriegsminister bewogen, den Arrest aufzuheben. Noch ein Tag, den sie mit Abschiedsbesuchen bei den verschiedenen Ministern und dem Präsidenten der National¬ versammlung verbrachten, verging, ehe sie die Reisepässe erhielten. Wenige Augenblicke später verliessen sie Paris.

Die Deputierten gestanden sich selbst, dass der eigentliche Zweck ihrer Sendung gescheitert war. In der Kontributionssache hatten sie nicht das Geringste erreicht, und die Denkschriften und die zahl¬ reichen Entlastungszeugnisse für die Stadt hatten doch nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Die Schuld oder die Unschuld der Stadt an den Ereignissen des 2. Dezember war noch immer eine offene Frage geblieben; dies hatten die Deputierten beim Abschied deutlich genug von den massgebenden Stellen zu hören bekommen, besonders von dem ihnen stets feindlich gesinnten Marineminister und vom Minister des Auswärtigen.3 Und die Deputierten wussten auch, dass

1 Der Beschluss lautet: La cönvention Nationale aprds avoir entendu le rapport de son comite diplomatique qu’elle avait Charge de lui rendre compte de la reclamation des ddputds de la ville de Francfort au sujet de l’arrdtd du conseil exdcutif qui les tient en etat d’arrestation, considdrant que les informations prises ne laissent aucun soupcon d’infraction au droit des gens de la part de ces ddputds et consequemment aucun motif de continuer les mesures de precautions que les circonstances avaient pu autoriser, ddcrete que l’arrestation des dits ddputds est levde, Charge le conseil exdcutif de les faire mettre sans ddlai en libertd.

2 Danach ist Kriegks Darstellung (S. 209), dass es den Deputierten gelungen sei, die Stadt in den Augen des Konventes zu rechtfertigen, und dass dieser die

Unschuld der Stadt an den Vorgängen des 2. Dezember in dem Dekret vom 22. Januar 1793 ausdrücklich hervorgehoben habe, zu berichtigen.

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sie ihre Befreiung nicht sowohl der Gerechtigkeit ihrer Sache, als der unermüdlichen Tätigkeit ihrer Freunde, vor allem dem einfluss¬ reichen Roederer,1 Pradel, Mellinet,2 3 Gorani zu verdanken hatten. Aber vor der Hand liess sich nichts machen; die Nachricht von der abermaligen Einmischung des Königs von Preussen, der ihretwegen van Helden und zwölf seiner Offiziere in die strengere Haft von Ziegenhain hatte abführen lassen, hatte wieder böses Blut gemacht, so dass die Bürger von Lyon, die eine Bittschrift an den Konvent für Frankfurt bereits aufgesetzt hatten, diese jetzt zurückzogen.

Aber wenn sie auch für den Augenblick selbst nichts mehr für die Stadt tun konnten, so blieben ihnen doch gute Freunde in Paris zurück, die versprochen hatten, für sie zu wirken. So hatte sich Pradel erboten, eine Anzahl Artikel »nach Zeit und Gelegenheit« zu verbreiten und darin die gegen den Rat erhobenen Beschuldigungen zu widerlegen, und Roederer wollte »aus Eifer für Gerechtigkeit und Moral und aus Anhänglichkeit für die Vaterstadt seiner Frau« Pradels Wirksamkeit mit allen Kräften unterstützen. Vielleicht konnte man wenigstens die Neutralitätserklärung der Stadt von Seiten der Repu¬ blik durchsetzen, wie dies der Graf Gorani, der wieder in Paris war, in einer abermaligen Schutzschrift5 für die Stadt vom Konvente verlangte. Ob aber auch Kaiser und Reich ihre Einwilligung dazu geben würden, darüber mussten erst spätere Unterhandlungen Auf¬ schluss bringen.

_ ' t

1 Da Roederer jede Art von Belohnung zurückgewiesen hatte, schlugen die Deputierten vor, ihm das Bürgerrecht anzubieten.

2 Advokat aus Nantes und Mitglied des Konvents.

3 Sie ward am 24. Januar im Konvent verlesen.

VI.

Aktenstücke

Uber

die Besitzergreifung der Reichsstadt Frankfurt a. M. durch den Fürsten Primas

am 9. September 1806.

Herausgegeben

von

Archivdirektor DR- R. JUNG.

Am Schlüsse seiner Arbeit über die letzten Jahre der reichs¬ städtischen Zeit Frankfurts 1803 1806, welche diese Zeitschrift vor sechs Jahren brachte,1 konnte Herr Professor Dr. Kracauer nur kurz auf die denkwürdige Feierlichkeit eingehen, in welcher am 9. Sep¬ tember 1806 die Reichsstadt von einem Vertreter des französischen Kaisers den Vertretern des Fürsten Primas Karl von Dalberg über¬ geben wurde. Zur Ergänzung jener Darstellung sollen die folgenden Blätter eine Reihe urkundlicher Zeugnisse aus den Akten des Stadt¬ archivs bringen, welche sich auf den Akt der Übergabe und auf die ersten Beziehungen der neuen Untertanen zu ihrem neuen Landes¬ herrn und seiner Regierung erstrecken. Nicht nur die Wichtigkeit des Ereignisses, welches einen Markstein in der Geschichte der Stadt bildet, lohnt die wörtliche Wiedergabe dieser Aktenstücke; gerade aus dem Wortlaut dieser letzten Äusserungen des Rates der Reichsstadt und der ersten des Magistrates einer fürstlichen Stadt spricht beredt die Stimmung der Frankfurter von damals, die sich nach schweren vier¬ zehnjährigen Leiden resigniert einem unabwendbaren Geschicke fügten, das höhere Gewalt über sie verhängt hatte, und die von der sympathi¬ schen Persönlichkeit des neuen Fürsten bessere Zeiten erhoffen durften, des wohlbekannten Fürsten, der auch den patriotischsten Reichsstädtern nicht als Usurpator, sondern höchstens als das kleinere Übel erschien, dem die Geschicke der Stadt anheimfallen konnten. Es w7äre töricht, an die ersten offiziellen Begrüssungen zwischen dem Fürsten und dem Rate der Stadt den Masstab deutsch-nationalen Empfindens anzulegen; dieses darf man damals in der Zeit zwischen Austerlitz und Jena in Süd- und Westdeutschland nur bei den wenigen Besten und nur als glimmen¬ des Feuer unter der Asche suchen. Mag auch so mancher der ehren¬ festen Alt-Frankfurter Patrizier und Beamten, denen die Leitung der Stadt anvertraut war, die Faust in der Tasche geballt und in den Ruf: Es lebe der Kaiser Napoleon, es lebe der Fürst Primas! welcher die Übergabe am Vormittage des 9. September 1806 im Kaisersaal

1 Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Dritte Folge, Band VII, S. 242 300.

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beschloss, nicht eingestimmt haben die offiziellen Kundgebungen hatten mit der vollendeten Tatsache zu rechnen und auch nach Form und Inhalt nur die damals bei solchen Anlässen üblichen Gefühle des Glücks und der Freude zu atmen. Dass die Begrüssung des neuen Herrn durch seine getreuen Frankfurter diese Gefühle doch zu über¬ schwänglich aussprach, soll freilich nicht bestritten werden; die Sym¬ pathie des Lesers wird nicht auf ihrer Seite, sondern auf der des bürgerfreundlichen Fürsten sein. Die gleichzeitigen Ergüsse des Nürn¬ berger Rates, dessen Stadt am 15. September 1806 ebenfalls durch einen französischen Bevollmächtigten dem König von Bayern über¬ geben wurde, stehen auf derselben Höhe wie die des Frankfurter Rates und der Bürgerlichen Kollegien.'

Die hier mitgeteilten Aktenstücke beschränken sich auf die Vorbereitung und Veranstaltung des feierlichen Aktes der Übergabe; sie beginnen mit der Ankunft des französischen Kommissars Lambert am 18. August und enden mit den Berichten der Vertreter des Rates und der Bürgerlichen Kollegien über die Begrüssung des neuen Landesherrn nach der Übergabe der Stadt. Sie beziehen sich nicht auf die Neuordnung der Verfassung und Verwaltung der Stadt, für welche kurz vor und nach der Besitzergreifung Rat und Kollegien dem Fürsten oder seinen Beamten ausführlich ihre Wünsche kund gaben und fürstliche Beamte Gutachten einzelner Frankfurter und auch Nicht-Frankfurter Persönlichkeiten einholten; aus diesen bisher wenig beachteten Vorverhandlungen ist das Organisations-Patent vom 10. Oktober 1806 hervorgegangen. Diese Bemühungen der fürstlichen Beamten, die städtische Verfassung und Verwaltung den Forderungen des Rates anzupassen und den einheimischen Behörden ihre Selbst¬ verwaltung so weit möglich der Staatsverwaltung gegenüber unver¬ sehrt zu bewahren, verdienten um so eher eine besondere Darstellung, als dieses Übergangsjahr 1806 in P. Darmstaedters trefflichem Buche über das Grossherzogtum Frankfurt nach der Anlage dieses Werkes nur ganz flüchtig behandelt werden konnte.

Die einzelnen Stücke sind dem Protokoll des Rates und des Schöffenrates, den unter Ugb B 87 verzeichneten Akten des Rates und den Akten des 51er Kollegs F 110 und 1 1 3 entnommen, die sich sämtlich im Frankfurter Stadtarchiv befinden.

1 Vgl. Schrötter, Die letzten Jahre der Reichsstadt Nürnberg und ihr Übergang an Bayern, in den Mitteilungen des Vereins lür Geschichte der Stadt Nürnberg, Heft 17 (1906), S. 1 177.

303

Bei den Verhandlungen über die Besitzergreifung der Stadt wie in den ersten Beziehungen Frankfurts zu seinem neuen Fürsten tritt die Persönlichkeit des Syndicu s Primarius D r. jur. Karl Friedrich Seeger scharf hervor: er führte die Verhandlungen mit dem französischen Kommissar Lambert; er hatte als Vertreter der Reichsstadt das Wort bei dem Akt der Übergabe zu ergreifen; er ist der Verfasser der ersten Begrüssung, welche der Rat an den Landesherrn richtete; er war es, von dem hauptsächlich der Fürst Primas in Aschaffenburg sich über die reichsstädtischen Verhältnisse unterrichten Hess und der dann in einer ausführlichen Darstellung vom 16. September 1806 die Wünsche des Rates in Bezug auf die Ordnung der staatsrechtlichen Verhältnisse und der neuen Gemeindeverfassung dem Landesherrn vortragen durfte. Man würde dem um Frankfurt, um seine zweite Heimat hochverdienten Manne bitteres Unrecht tun, wenn man ihn lediglich nach den hier veröffentlichten Aktenstücken, die von seiner Hand stammen, zumal nach ihrer knechtischen Form und ihrer lakaienhaften Gesinnung beurteilen wollte ; er war eben ein Kind seiner Zeit, die an solchem Byzantinismus nichts zu tadeln fand. Dem Andenken des trefflichen Mannes, der von 1792, von dem Beginne der Revolutions- und Kriegsjahre an immer mehr als der leitende Staatsmann der Reichsstadt erscheint, glaube ich es schuldig zu sein, an dieser Stelle einen kurzen Abriss seines Lebens und Wirkens im Dienste Frankfurts vorauszuschicken.

Karl Friedrich Seeger wurde am 9. März 1757 in Oettingen als der Sohn des Fürstlich Oettingenschen Hof-, Regierungs- und Kon- sistorialrats Johann Daniel Seeger geboren. Weder die Akten des Frankfurter Stadtarchivs noch die des Stuttgarter Staatsarchivs geben Auskunft über seine Jugendbildung und Studienzeit. 1775 ist Seeger Lic. juris und Advokat in Tübingen. 1779 bewarb er sich um die vierte juristische Professur an der Herzoglichen Militär-Akademie, der Karlsschule, in Stuttgart; er reichte zu diesem Zwecke dem Herzog eine Probeschrift über das Thema »Sind scharfe Gesetze einem Staate verträglich?« ein, ohne aber zunächst damit Erfolg zu haben. 1781 erhielt er einen Ruf als Professor der Jurisprudenz nach Erlangen, und kurz darauf kam die Berufung als Professor an die Karls¬ schule; erzog die letztere vor und lehrte bis 1783 an dieser Anstalt. In diesem Jahre wurde er als Syndikus von der Reichsstadt Frankfurt berufen und trat als jüngstes Mitglied in das Collegium der Syndiker ein. In diesem ruhte das eigentliche Schwergewicht der Verwaltung. Die Syndiker, zu welchen man meist auswärtige Juristen und Ver-

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waltungsbeamte wählte, hatten den Rat nicht nur in juristischen, sondern auch in den administrativen Angelegenheiten zu beraten und diese zur Beschlussfassung in der vielköpfigen Ratsversammlung vorzubereiten; je schwieriger und verwickelter die Geschäfte der höchsten Regierungsbehörde wurden, um so einflussreicher wurden die Syndiken Seeger wusste sich bald eine angesehene Stellung unter seinen Kollegen zu verschaffen ; in den schwierigen Jahren der Revolutionskriege 1792—1806, während deren er 1798 zum Syndicus Primarius vorrückte, besonders in den Verhandlungen mit Frankreich und bei der Säkularisierung der geistlichen Güter tritt er am meisten unter seinen Kollegen hervor. Durch die im Jahre 1792 erfolgte Heirat mit der Tochter eines der angesehensten Bankiers, Johann Friedrich Schmid, trat er in die engsten Beziehungen zu den mass¬ gebenden Kreisen seiner neuen Heimat. Die Geschichte Frankfurts in den wechselvollen Zeiten von 1792 bis 1796 ist eigentlich die Ge¬ schichte von Seegers Tätigkeit. 1792—1793 hatte er die gefährliche Aufgabe, seine Stadt in Paris gegen die Anschuldigungen zu verteidigen, welche die Jakobiner wegen der angeblichen Ermordung französischer Soldaten bei der Einnahme der Stadt am 2. Dezember 1792 erhoben, und um die Ermässigung der ihr auferlegten harten Brandschatzung zu bitten. 1797 war er wieder zur Vertretung der Frankfurter Inter¬ essen in der französischen Hauptstadt. 1802 1803 hatte er die Übernahme der Besitzungen der Stifter und Klöster und die Neu¬ ordnung der kirchlichen Verhältnisse der Katholiken zu bearbeiten und 1806 bei dem Übergang der Stadt an den Fürsten Primas <|je Verhandlungen mit dessen Behörden über die durch die Einverleibung in den Primatialstaat nötigen Abänderungen der Verfassung, der Verwaltung und des Gerichtswesens der Stadt zu führen. Ihn, als den besten Kenner der städtischen Verhältnisse, als den bisherigen Kopf ihrer Leitung, berief Dalberg Ende 1806 als Geheimen Rat und Referendär in die ausfdrei Mitgliedern bestehende General- Kommission, welche die Oberaufsicht über die Selbstverwaltung der Stadt führen sollte, ihren Wirkungskreis aber so ausdehnte, dass diese Selbstverwaltung immer mehr zum Schatten herabsank und der Kommission auch die unbedeutendsten Angelegenheiten zur Ent¬ scheidung überlassen musste. Seeger vertrat in dieser Behörde das alte städtische Element, während der Freiherr von Eberstein das rück¬ sichtslos durchgreifende rheinbündnerische Beamtentum verkörperte; der Vorsitzende der Kommission, der Konferenzminister Graf Leopold von Beust, kam weniger in Betracht. Seeger, der keineswegs ein

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Verteidiger der alten rückständigen Kommunalpolitik war, sondern den Fortschritt und die Besserung der kommunalen Zustände, aller¬ dings in gemässigtem Tempo, erstrebte, hatte den fürstlichen, vor¬ wärts drängenden Beamten gegenüber einen nicht leichten Stand. Als Ende 1810 mit dem Inkrafttreten der Verwaltungsordnung für das neugegründete Grossherzogtum Frankfurt die General-Kom¬ mission sich auflöste, wurde Seeger Mitglied des Grossherzoglichen Staatsrats und hatte in diesem meist das Referat über juristische Angelegenheiten; er ist der Urheber der am i. Januar 1813 in Kraft getretenen Gerichtsverfassung für das Grossherzogtum. Seine Tätig¬ keit in dieser Behörde bot ihm nicht mehr viel Gelegenheit, für die Frankfurter Stadtverwaltung tätig zu sein, für die er 27 Jahre lang mit der grössten Kenntnis und Auszeichnung gewirkt hatte. Der Gross¬ herzog Karl von Dalberg ehrte den verdienten Beamten durch die Verleihung des Adels und des Kommandeurkreuzes seines Kon- kordien-Ordens. Bald nach dem Zusammenbruch des Grossherzog¬ tums starb Seeger am 6. Dezember 1813 im Schmidschen, später Mummschen Hause ; er endete angeblich in geistiger Umnachtung durch Selbstmord.

1. Anmeldung des mit der Übergabe beauftragten französischen Kommissars Lambert bei dem Rate.

1806 Aug. 18.

Francfort le 18 aout 1806.

L’inspecteur aux revues des trouppes, commissaire gdneral de S. M. l’Empereur des Francois Roi d’Italie ä Messieurs Les Membres du Senat de Francfort.

Messieurs,

J’ai l’honneur de vous informer qu’en vertu des pouvoirs qui m’attribuent le caractere de Commissaire general de S. M. PEmp. des Francois Roi d’Italie, je suis Charge d’effectuer la remise des dtats, villes et territoires qui d’aprds le traite de la confeddration du 12 juillet dernier sont ddvolus ä S. A. E. Le Prince Primat.

* La ville et le territoire de Francfort s’y trouvant compris j’ai besoin, Messieurs, que vous me fassies connoitre de la maniere la plus exacte quelles sont ses dependances, que vous me donnids la de- nomination de chacune avec leurs limites et que vous y joignids tous les documens et explicacions que vous jugerds propres ä m’aider dans

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30 6

le travail pr^paratoir de l’operation importante qui m’est confi^e. II entre, Messieurs, dans mes obligations d’empecher qu’on ne porte atteinte ä Pautorite des magistrats actuellement existants, en anticipant sur des droits dont l’exerc.ice ne pourra etre acquis que par l’acte de prise de possession.

Agreds, Messieurs, l’hommage de ma trfes haute consid^ration.

Lambert,1

2. Antwort des Rates auf Lamberts Anmeldung.

1806 Aug. 18.

A Monsieur Lambert

Inspecteur aux revues des trouppes et commissaire general de S. M. l’Empereur des Francois Roi d’Italie

ä l’hotel d’Angleterre.

Monsieur,

Nous venons de recevoir la lettre que vous nous avez fait l’honneur de nous ecrire pour nous annoncer les pouvoirs dont vous etes chargds par S. M. l’Empereur des Francois Roi d’Italie pour la remise de notre ville et de son territoire ä S. A. E. le Prince Primat. Ouelque douloureux qu’il soit pour nous de devoir renoncer ä une Constitution qui jusqu’ici a fait le bonheur de nos administres et le notre, nous sentons vivement l’obligation qui nous est impose d’obdir ä la volonte supreme du Grand Monarque dont vous etes l’organe.

C’est dans ces sentimens, Monsieur, que nous avons l’honneur de joindre ci-pres une note prdcisde sur les dependances de notre ville qui nous esperons remplira l’objet de votre demande prealable.

Veuillez agrder, Monsieur, les assurances de notre parfaite con- siddration.

Les bourgmaitres et magistrats de la ville libre d’Empire de Francfort.

le 18 aoüt 1806.

1 Dieser Beamte der französischen Militärverwaltung war von Marschall Berthier am 8. August als General-Kommissar zur Übergabe der dem Fürsten Primas durch die Rheinbunds-Akte überwiesenen Territorien bestimmt worden. Er hatte schon am 17. August gleich nach seiner Ankunft versucht, sich mit dem älteren Bürgermeister von Holzhausen in Beziehung zu setzen, ihn aber nicht in seiner Wohnung angetroffen. Am 18. August beschloss der Rat, von Holzhausar und Metzler zu Lambert zu senden, um sich nach seinen Aufträgen zu erkundigen ; inzwischen lief das Schreiben ein, worauf von Holzhausen und Seeger sich zu Lambert begaben. Nach ihrer Rückkehr wurde Lamberts Anzeige mit dem folgenden Schreiben beantwortet, das weder im Schöffen- noch im Ratsprotokoll < erwähnt wird.

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3. Schöffenratsbeschluss über den Bericht der zur Begrüssung des Fürsten ausgeschickten Ratsdeputation.1

1806 Aug. 22.

Herr Schöff Dr. Schweizer und Herr Synd. Primarius Seeger referirten mündlich und umständlich : daß von Ihro des Herrn Fürsten Primatis Hoheit sie auf das herablassenste empfangen, zur Mittags-Tafel gezogen und voraus von den Gnädigsten Gesinnungen gedacht Ihrer Hoheit gegen hiesige Stadt versichert und überzeugt worden seyen :

Ad Senatum und wird beyden Herrn Deputatis wegen über¬ nommener Mission verbindlicher Dank erstattet.

4. Bericht der bürgerlichen Deputierten über ihren Besuch beim Fürsten Primas am 24. August.2

1806 Aug. 29.

Hochlöblicher B ii r g e r a u s s c h u s s !

In Gemäsheit des uns am 22. dieses zugegangenen verehrlichen Auftrags begaben wir Unterzogene uns Sonnabends den 23. nach

1 In dem Wettlauf um die Begrüssung des neuen Landesherrn war der Rat nicht der erste. Am eiligsten von allen Körperschaften hatte es die Ganerbschaft Alt-Limpurg; ihr Vertreter, der frühere Schöffe Johann Karl von Fichard, war schon beim Fürsten gewesen, als dieser noch in Regensburg weilte. Am 13. August kam Dalberg nach Aschaffenburg und empfing dort den Besuch des Schöffen von Riese als des Vertreters der Gesellschaft Frauenstein. Das Vorgehen beider Gesellschaften, deren politische Sonderrechte bei der Einverleibung der Stadt in den Primatialstaat stark gefährdet waren, hat nicht wenig verschnupft: es geht dies aus den Aufzeichnungen »eines ehemaligen Ratsgliedes« (offenbar des damaligen Syndikus, späteren Senators Büchner) hervor, welche Römer-Büchner im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Heft 5 (1853), S. in 124 veröffentlicht hat. Am 15. August beauftragte der Schöffenrat auf Antrag Schweitzers diesen Herrn, sich bei dem Primatischen Geheimrat von Roth zu erkundigen, ob dem Fürsten die Absendung einer »solennen« Ratsdeputation genehm sei ; auf die Auskunft, daß der Fürst keine solche feierliche Abordnung wünsche, aber einige Ratsherrn gern annehmen werde, wurden am 18. August Schweitzer und Seeger dazu bestimmt. Beide Plerren wurden am 20. August vom Fürsten Primas in Aschaffenburg empfangen; ein schriftlicher Bericht über diese erste Begegnung zwischen den Vertretern der alten Regierung und dem neuen Souverän liegt nicht vor, sondern nur der oben mitgeteilte Eintrag im Protokoll des Schöffenrats. Zu derselben Zeit wie die Ratsdeputation war auch eine Abordnung der Frankfurter Judenschaft am fürstlichen Hoflager erschienen. Als letzte kamen dann am 24. August die Vertreter der beiden Bürgerlichen Kollegien nach Aschaffenburg.

1 In der gemeinschaftlichen Sitzung der beiden Bürgerlichen Kollegien der Einundfünfziger und Neuner am 22. August wurden die verschiedenen Gutachten der gemischten geheimen Deputation zur eventuell nötigen Abänderung der städtischen

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Aschaffenburg, um des Herrn Fürsten Primas Hoheit Namens beider löbl. Bürgerlichen Collegien die Ihnen als künftigem Landesherrn ge¬ bührende Devotion zu bezeigen.

Wir hatten auch sogleich Tags darauf die Gnade, zu einer Privat¬ audienz bei Sr. Hoheit zu gelangen und mit überaus vieler Güte em¬ pfangen zu werden. Und nachdem wir Höchstdemselben den Zweck unserer Absendung eröffnet hatten, erkundigten Sie sich näher um den Wirkungskreis der, wie uns schien, Ihnen dem Namen nach wohlbe¬ kannten bürgerl. Collegien. Wir erwiederten darauf, dieser Wirkungs¬ kreis bestehe hauptsächlich darin, dass diese Collegien über die Fest¬ haltung der Verfassungsgrundgesetze der Stadt so wie über deren Finanzen zu wachen und alle deren Einnahme und Ausgabe zu controlliren hätten. Diese Einrichtung schien Sr. Hoheit ganzen Beifall zu haben, indem Sie erklärten, wie Sie die Finanzen für einen Gegenstand ansähen, welcher jeden Einzelnen interessire und also die unmittelbare Mit¬ wirkung der Bürgerschaft erfordere. Überhaupt machten Se. Hoheit über diese Art von Volksvertretung solche Aeuserungen, welche die Zuversicht gewähren können, dass bei diesem Theil unserer Verfassung keine wesentliche Veränderung getroffen werden wird.

Hierauf giengen wir zu der mit obigen zunächst in Verbindung stehenden Aeuserung über, wie nemlich zu wünschen sey, dass Se. Ho¬ heit in hiesiger Stadt wenigstens einen Theil des Jahrs über residiren möchten, indem aus dieser unmittelbaren landesherrlichen Aufsicht für das hiesige gemeine Wesen sehr grose Vortheile gewonnen werden würden. Allein unser Erstaunen war nicht gering, als Se. Hoheit hierauf erwiederten, dass Sie dahier zu residiren nicht gedächten, indem Sie durch Ihre Gegenwart den Handel stören würden, welches doch gleich¬ wohl Ihrer Absicht zu wider sei. Wir antworteten hierauf, dass die Gegenwart eines Fürsten, wie Se. Hoheit, weder den Handel noch

Verfassung und Verwaltung vorgelegt und beschlossen, in dieser Angelegenheit in vollem und offenstem Vertrauen mit dem Rate Hand in Hand zu gehen; doch beanstandeten sie sofort, dass unter den Vorschlägen des letzten Gutachtens betr. Organisation der Zivil- und Justizbehörden die Schaffung eines längst gewünschten und in anderen Handelsstaaten längst bestehenden Handlungsgerichtes fehle. Die engere Deputation der beiden Kollegien wurde beauftragt, nach ihrem Gutbefinden eine Abordnung an den Fürsten Primas zu senden; ihr Bericht ist schriftlich abge¬ stattet worden, kam aber erst am 15. September im Plenum zum Vortrag. Es braucht nicht besonders darauf hingewiesen zu werden, dass der Fürst vom Be¬ stehen einer Bürgervertretung mit Verständnis und Sympathie Kenntnis nahm und keine Spur absolutistischer Tendenzen blicken liess; mit Erstaunen dürfte Dalberg von den Vertretern der reichsstädtischen Bürgerschaft vernommen haben, dass es deren sehnlichster Wunsch wäre, den Landesherrn in ihren Mauern residieren zu sehen wegen der »unmittelbaren landesherrlichen Aufsicht über das hiesige gemeine Wesen«. Einen so warmen Willkomm hatte der Fürst wohl kaum erwartet.

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irgend einen andern Stand stören, wohl aber in allen Zweigen des gemeinen Wesens Segen verbreiten könnten ; dass dergleichen Aeuserungen von Gegentheil, falls sie, wie wir zu glauben Ursache hatten, von hier aus sollten gemacht worden seyn, nur aus trüben Quellen fliesen könnten und dass wir es uns im Gegentheil zur Gnade ausbitten wollten, unseren Committenten und der ganzen Bürgerschaft die frohe Nachricht mit¬ bringen zu dürfen, dass Se. Hoheit unsere Stadt mit Ihrer Gegenwart beglücken würden. Diese Aeuserung schienen Se. Hoheit sehr gnädig aufzunehmen und erwiederten darauf, dass, wenn dies wirklich die Ge¬ sinnung der Bürgerschaft sei, Sie dahier wenigstens zum Theil zu residiren nicht abgeneigt seien; worauf wir dann unsere Versicherung wieder¬ holten und noch verschiedentlich Gelegenheit nahmen, uns desfalls ein bestimmtes Versprechen zu erwirken, welches wir auch zu erhalten das Glück hatten.

Ob wir nun gleich gewünscht hätten, über mehrere Gegenstände so weit, als es die erste Audienz zugelassen haben würde, mit Sr. Hoheit ins Detail einzugehen, so erlaubte uns dies die Kürze der Zeit nicht und wir können also als das Resultat unseres ferneren Gesprächs mit Sr. Hoheit nichts weiter berichten als die Zusicherung, dass Se. Hoheit alles, was bürgerl. Collegien nach ihren Pflichten fernerhin thun würden, genehmigen, überhaupt provisorisch alles in hiesiger Stadt auf dem bisherigen Fusse belassen und in keinem Zweige der Staatsverwaltung irgend eine Aenderung treffen würden, bis Sie sich genau von allem unterrichtet und das Ganze überschaut haben würden, indem keine Veränderung theilweise stattfinden solle.

Übrigens sind wir von Sr. Hoheit beauftragt worden , unsere Committenten Ihrer Gnade und Wohlwollens zu versichern.

Frankfurt am Main den 29. Aug. 1806.

S. M. Bethm ann.

Dr. Johann Martin Stark.

5. Bericht des Syndicus Primarius Seeger über seine Verhandlung mit Lambert über den Akt der Besitzergreifung.1

1806 Sept. 5.

Referirte Herr Synd. Seeger: Er habe sich gestern auf Ver¬ langen des Kays. Herrn Commissaire Lambert und nach’ Auftrag des ältern Herrn Bürg, zu ersterem begeben, um über einige die bevor¬ stehende Besitzergreifung der hiesigen Stadt betr. Gegenstände Eröf-

1 Dieser Bericht wurde am 5. September im Schöffenrat verlesen und ad Senatum verwiesen.

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nungen zu vernehmen. Das Resultat dieser Besprechung seye gewesen, dass Herr Commissaire Lambert sich am Ende geäussert habe, bey diesem Besitzergreifungs-Akt sich darauf zu beschränken, den Hochedlen, Rath, in corpore, „comme representant la generalite de touts les habi- tants du pays de Francfort“, wie Er sich in dem Entwurf des abzu¬ haltenden procfes verbal auszudrticken vornehme, hiernach anzuweisen dergestalt, dass Er diese Handlung mit einer Anrede anfangen, Seine Vollmacht verlesen, den proces verbal ebenfalls ablesen und solchen Selbst von den Ftirstl. Primas’schen Herrn Commissarien und den beyden regierenden Bürgermeistern unterzeichnen lassen, dass einer der Fürstl. Primas’schen Herrn Commissarien ebenfalls eine kurze Rede an Einen Hochedlen Rath halten und solche demnächst nomine Senatus beant¬ wortet werden möge. Senatui bliebe alsdann überlassen, die Art und Weise, wie dieser Akt zur allgemeinen Kenntniss und Nachachtung zu publiciren und was gegen den nunmehrigen neuen Landesherrn zu beobachten sey, sofort zu beschliessen und auszuführen.

Unmittelbar nach der Besitznahme der hiesigen Stadt werde ebendieselbige auch in Ansehung der dem Herrn Fürsten Primas Hoheit zugefallenen Wertheimischen und Rieneckischen Lande in eben dem¬ selben Local durch Abgeordnete dieser beyder Länder, deren Zahl Er aber nicht höher als auf 3 4 bestimmte, vor sich gehen.

Des Herrn Mardchal Augereau Excell.1 würden mit Ihrem Etat- Major, so wie Herr Minister Bacher2 mit Ihrem Legat. Secretaire gegen¬ wärtig seyn.

Zum Local wünsche Er ein hinlänglich geräumiges, wenn man anders, wie Er gewünscht hätte, keine Kirche dazu bestimmen wollte, in welcher das ganze Publikum Zutritt gefunden haben würde. Wenn der Tag bestimmt seyn werde, wolle Er das im Römer ausersehene Zimmer besehen und, wie die Placirung zu machen sey, näher verabreden. Übrigens werde die Handlung bey offenen Thüren Vorgehen und in dem Römer selbst und in der Nähe desselben, so viel der Raum zu¬ lasse und die Ordnung, Jedermann zugelassen werden müssen.

Referent stelle nun anheim, was hierauf weiter beschlossen werden

wolle.

1 Marschall Augereau, Herzog von Castiglione, Kommandant des VII. franzö¬ sischen Armeecorps, hatte mit seinem Stabe vom 8. Februar bis zum 3. Oktober sein Hauptquartier in Frankfurt.

2 Der französische Resident Hirsinger hatte Frankfurt Anfang August ver¬ lassen, um seine neue Stellung als bevollmächtigter Minister am Würzburgischen Hofe anzutreten. Sein Vorgänger Bacher, der 1801 französischer Geschäftsträger am Regensburger Reichstage geworden war, hatte diese Stellung mit der Auf¬ lösung des Reichstages verlassen, war nach Frankfurt übergesiedelt und hatte hier Ende August die Zensur der Zeitungen im Aufträge des französischen Ober-Kom¬ mandos übernommen.

6. Anzeige Lamberts von dem bevorstehenden Akte, Wünsche wegen der einzuladenden Behörden und des Ortes.

1806 Sept. 5.

Praes. den 5ten Septbr 1806. Abends 9 Uhr. v. Holzhausen Cons. Sen.

Messieurs,

Francfort le 5 Septembre 1806

J’ai l’honneur de vous informer qu’en consequence des ordres de S. M. l’Empereur qui viennent de m’etre transmis par S. A. S. le Prince Alexandre Ministre Plenipotentiaire pour l’echange des ratifications du traite de confederation conclu ä Paris le 12 Juillet der, j’effectuerai tres incessamment la remise des Pays £chus ä S. A. Eme le Prince Primat. Cette solemnit^ doit avoir lieu en prdsence du Senat, et teile est sa nature, que s’agissant d’un acte etranger aux attributions ordinaires du Senat et ä celles des deux Colleges, vous jugerez sans doute convenable que les membres de ces deux Colleges qui representent la Bourgeoisie, y soient appelles.

Je vous ferai connoitre le nombre des autres assistans; et comme cette reunion se composera d’environ 150 Personnes appellees de droit, independamment de celles qu’il est ä desirer que le Local puisse permettre de recevoir, j’ai l’honneur de vous inviter ä designer et ä faire disposer de suite un Emplacement assez vaste tel que l’Eglise de Ste Catherine, dans le cas la salle du Senat ne suffiroit pas : Je n'ai pas encore fixe le jour de la remise, mais eile ne sera differ^e au delä de mardi ou mercredi prochain.

J’ai l’honneur, Messieurs, de vous saluer avec la plus haute consid^ration.

Le Commissaire general de l’Empereur

Lambert.

M. M. les Bourguemaitres et Magistrats de Francfort.

7. Beschlüsse des Rates über die Veranstaltung des Aktes.

1806 Sept. 6.

Samstag den 6. September 1806.

Als bey diesem extraordainairem Rathsitz, so mit Zuziehung der Herren Syndicorum gepflogen worden, die Relation des Herrn Syndici Seeger de hesterno, die mit Herrn Commissaire Lambert vorgewesene Besprechung wegen der nächster Tagen bevorstehenden Besitznehmung hiesiger Stadt verlesen worden und Derselbe weiter mündlich über dasjenige, so Er dieserhalben mit Herrn Geheimen Legationsrath

von Roth1 und Herrn Directorial-Rath Idstein2 als verordneten Fürstlich Primasischen Herren Commissarien gesprochen habe, mündliche Eröfnung gethan, hingegen auch ein von dem Herrn Commissaire general Lambert später, nemlich erst gestern Abend 9 Uhr an den älteren Herrn Bürgermeister erlassenes Schreiben vorgekommen, durch welches die Adhibirung Bürgerlicher Collegiorum bey der vorhabenden Besitz- Ergreifung bezielet würde:

Es ist bey dem Herrn Commissaire general sowohl als bey des Herrn Marechal Augereau Excellenz durch Herrn Synd. Prim. Seeger und Herrn Senatoren! Müller geeignete Vorstellung zu thun und bey solchen der Versuch zu machen, von dergleichen bey öffentlichen Verhandlungen niemal gewöhnlich gewesenen Zu¬ ziehungen zu abstrahiren. 3

Desgleichen wäre Herr Synd. Prim. Seeger zu ersuchen, bey des Herrn Ministri von Albini Excellenz4 und bey dem Herrn Geheimen Rath von Roth Sich um deren möglichste Unterstützung zu verwenden.

1 Johann Richard von Roth, der frühere kurfürstlich Mainzische Gesandte beim Oberrheinischen Kreis ; er wurde nach dem Beginn der primatischen Herr¬ schaft Direktor des Schöffen-Appellationsgerichtes in Frankfurt, bekleidete diese Stellung auch unter der grossherzoglichen Herrschaft und starb am 31. Dezember 1812 als Grossherzoglich Frankfurtischer Wirklicher Geheimer Rat. Über seine juristische, politische und publizistische Tätigkeit vgl. den Artikel v. Schuhes in der Allgemeinen Deutschen Biographie Bd. XXIX, S. 315. Die beiden fürstlichen Kommissare waren am 23. August in Frankfurt eingetroffen und wurden vom Rate in der üblichen Weise komplimentiert, d.lh. vonfeiner Abordnung willkommen geheissen.

2 Anton Franz von Itzstein (nicht Idstein), einer kurmainzischen Beamten¬ familie entstammend, war damals Landesdirektorial-Rat in Aschaffenburg und wurde nach der Besitzergreifung Frankfurts Ober-Polizeidirektor in dieser Stadt und 1808 Spezial-Kommissar für die dortige Judenschaft. 1813 wurde er als Nachfolger von Roths Präsident (Direktor) des Frankfurter Appellations-Gerichtes. Als 1815 F. M. von Günderrode Stadtschultheiss wurde, musste Itzstein seine Stellung auf¬ geben und als Pensionär der Stadt in den Ruhestand treten. Er starb am 7. Juni 18x6 in Schwetzingen, wohin er zum Besuche seines jüngeren Bruders, des bekannten Politikers Johann Adam von Itzstein, gekommen war.

3 Es ist bezeichnend, dass der Rat selbst bei diesem Akte, der ihm für immer seine Souveränetät nehmen sollte, so ängstlich darauf bedacht war, allein als die regierende Behörde der Stadt zu erscheinen. Das Einholen der Wünsche des Marschalls Augereau auch in nichtmilitärischen Angelegenheiten und die stete Rücksichtnahme auf seine Person ist nicht nur aus der hohen militärischen Stellung Augereaus zu erklären, sondern ebenso gut aus dem Bestreben des Rates, den über den Erlass der bekannten Proklamation vom 19. August gegen den Rat erbitterten Marschall wieder zu versöhnen.

4 Franz Josef Freiherr von Albini, der frühere kurmainzische und spätere Grossherzoglich Frankfurtische Staatsminister, der am 8. Januar 1816 als schon ernannter Präsident des noch nicht eröftneten Bundestages starb; vgl. über ihn den Artikel Majers in der Allgemeinen Deutschen Biographie Bd. I, S. 220.

Im Fail nun Herr Commissaire Lambert von seinem Vorhaben nicht abzubringen wäre, so ist sodann fordersamst der Kayser-Saal statt des bereits aptirten Wahl-Zimmers einzurichten und zur be¬ vorstehenden Besitz-Ergreifung in Bereitschaft zu halten.

Als dann genannte beyde Herrn referirten, wie nach vielem Hin- und Wiederreden Herr Commissarius Lambert endlich den Vorstellungen des Raths Gehör gegeben, des Herrn Feld-Mareschalls Augereau Excellenz aber, zu welchem sich Herr Senator Müller allein begeben und wohin der Herr Commissaire Lambert alsbald nachgefolgt, geäussert habe, die Bürgerlichen Collegia als Zeugen der erfolgenden Besitznahme zu adhibiren, so wurde beschlossen:

Durch die beyde Herren Bürgermeister Collegia civica be¬ nachrichtigen zu lassen : dass sie an dem zur Besitznahme annoch zu bestimmenden Tag sich in corpore einzufinden hätten, um zu hören und zu sehen, wie hiesige Stadt durch den Kays, französischen Commissaire general an die Fürstlich Primasische Herren Bevoll¬ mächtigte übergeben und wie selbige hiernächst von diesen in Besitz genommen werden würde.

In gleicher Absicht wären auch durch die Herren Bürger¬ meister die 14 Bürger-Capitains nebst den 28er11 bestellen zu lassen, um der Possessions-Ergreifung hiesiger Stadt mit anzuwohnen.

Nachdem nun solchergestalt noch ein und andere Verfügungen, welche vor, bey und nach der Besitz-Ergreifung zu reguliren und des näheren zu bestimmen sind, in Vorschlag gekommen, so wurde resolviret:

x. Des Herrn Feld-Marechal Augereau Excellenz durch Herrn Senator Müller in schicklichen Ausdrücken bezeugen zu lassen, dass, obgleich Senatus bey dieser Handlung keine Disposition habe, Wohlderselbe sich jedoch sehr geehrt finden werde, wenn Se Ex¬ cellenz mit dero gesammten Etat Major nach der von dem Herrn Commissaire Lambert dazu gegebenen Hofnung der gedachten Handlung beizuwohnen geruhen wollten; desgleichen dem Herrn Minister Bacher und dessen Legations-Secretaire durch den Rath¬ schreiber eben dieses in ähnlichen Ausdrücken eröfnen zu lassen.

2. Löblichem Bau-Amt zu committiren : für Einrichtung des Kayser-Saals' zum Behuf des vorzunehmenden Actus ehebaldigst besorgt zu seyn, und wenn solcher behörig aptiret, dem Herrn Commissaire general Lambert wie auch den Fürstl. Primasischen Herren Commissariis vorzeigen zu lassen.

3. Wäre durch Herrn Senator Müller bey dem Herrn Com- mandanten zu vernehmen: ob am Tage der Besitznahme allein Kayserl. Französisches Militaire oder aber auch hiesige Soldatesca zu nöthiger Bewachung der Zugänge an und in dem Römer und

3M

zu Verhütung der vorfallen könnenden Unordnungen zu adhibiren? sofort das Zweckdienliche desfalls zu concertiren.

4. Wären zum Empfang und Rückbegleitung der hohen Französischen Generalität sowohl als der Kays. Französischen und Fürstl. Primasischen Herren Commissariorum die vier jüngste Herren Senatores zu deputiren und ersagte Herren successive, so wie sie ankommen werden, durch zwey Herren Senatoren bey Eingang des Römers gegen den Kasten-Hof über zu empfangen und in das Wahlzimmer, woselbst mit einigen schicklichen Er¬ frischungen, jedoch ohne Zubereitung oder Besezzung einer Tafel, oder sonst einigen Trunck aufzuwarten, Löbl. Recheney-Amt hiermit der Auftrag ertheilt wird, zu begleiten, auch daselbst so lange Zeit zu unterhalten, biss die Handlung ihren Anfang nimmt, wor¬ auf die sämmtliche vier Herren Raths - Deputirten dem Zug der Herren Commissarien und der Generalität vorzutretten und solche in den Kayser-Saal einzuführen, auch jeden einzuladen haben, auf denen angewiesenen Pläzzen sich niederzulassen. Desgleichen ist Herr Minister Bacher durch eine Canzley-Person zu empfangen und in das Wahl-Zimmer zu begleiten.

5. Am Tage der Besitznahme hätte sich ein Hochedler Rath nebst denen Herren Syndicis, auch Canzley-Director und Rath¬ schreiber in Mantel und Umschlag in der Rath-Stube zu ver- sammlen, . fort nach Ankunft derer Herren Commissariorum in den Kayser-Saal auf die bereitete Pläzze zu begeben und daselbst den Anfang der Handlung abzuwarten, bey welcher

6. dem Herrn Synd. Primär. Seeger die von denen respective Kays, und Fürstl. Primasischen Herren Commissarien abgehaltene Reden mit einer schicklichen Gegen-Rede zu erwiedern hiermit der Auftrag ertheilet wird.

7. Ist die Rückbegleitung des Herrn Marechal Augereau nebst Etat major, derer Herren Commissaires, wie auch des Herrn Minister Bacher durch dieselbe Herren Raths-Deputirte und respect: Canzley-Person zu beobachten.

8. Haben die Einspänniger und Trompeter im Römer auf¬ zuwarten. Endlich ist

9. alsbald nach erfolgter Besitznahme eine solenne Depu¬ tation, in den Personen der beyden regierenden Herren Bürger¬ meister und Plerrn Sindici Primarii Seeger bestehend, mit einem unterthänigsten Schreiben an des Herrn Fürsten Primas Hoheit, dessen Aufsatz Herr Synd. Seeger ebenfalls zu übernehmen ersuchet werden, abzuordnen und es dahin einzurichten: dass Solche wo möglich, noch am nemlichen Tag zur Audienz und Überreichung ersagten Schreibens angemeldet werden mögte; Übrigens aber

3*5

io. von einer abseiten des Herrn Commissarii Lambert in Antrag gebrachten öffentlichen Bekanntmachung des Raths in Ge- mäsheit der von Herrn Syndico Seeger referirten Besprechung, so Er mit den Fürstl. Primasischen Herren Commissarien über diesen Gegenstand gepflogen, zu abstrahiren.

8. Festsetzung des Aktes auf Dienstag den 9. September durch Lambert, Truppenaufgebot zur Aufrechthaltung der Ordnung.

1806 Sept. 6.

Praes. den 7ten Septr. 1806. ' v. Holzhausen Cons. Sen.

Messieurs

Francfort le 6 7bre 1806

J’ai l’honneur de vous informer que mardi prochain 9 du cou¬ rant a dix heures du matin je ferai en presence du Senat et des auto- rites convoquees Jpar ses soins la remise ä S. A. E. le Pce Primat de la ville, du territoire et des dependances de Francfort. Mr. le Comman- dant de la Place doit avoir recu les ordres de S. E. le Mjl Augereau et vous pouvrez, Messieurs, lui faire demander le nombre d’hommes que vous croirez necessaire pour la Police du Local qui devra etre partagee avec les troupes nationales.

J’ai l’honneur, Messieurs, de vous saluer avec la plus haute con- sideration

Le Cre Gal de l’Empereur Lambert.

M. M. Les bourguemaitres et Magistrats de Francfort.

9. Aufforderung des Rates an die Bürgerlichen Kollegien zur Teilnahme an dem Akt.

1809 Sept. 8.

Actum Frankfurt am Main Montag Vormittags den 8ten September 1806.

Praesentibus : Duobus Dominis Consulibus:

Domino Scabino ab Holzhausen, S. C. M. C. act. et Domino Senatore Doctore Hofmann.

Von Seiten loebl. bürgerlicher Collegien:

Herrn Dris und 5i§ers Joh. Martin Starck,

9er Handelsmannes Streng.

In Gemässheit verehrl. Raths-Conclusi vom 6n dieses seyen beide Herrn Bürgermeister beauftragt worden, Collegia civica zu benach-

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richtigen: dass sie morgenden Dienstag, Vormittags io Uhr, sich in Corpore einzufinden hätten, um zu hören und zu sehen, wie hiesige Stadt durch den Kaiserlich französischen Commissaire gfineral an die Fürstlich Primasische Herren Bevollmächtigte übergeben und wie selbige hiernächst von diesen in Besitz genommen werden würde.

Bürgerliche Herrn Deputirte bathen um Abschrift gegenwärtigen Protokolles, welche verwillget worden.

In fidem

J. J. Böser, Stadt-Canzl. Accessist.

10.

Weitere Beschlüsse des Rates über die Veranstaltung des Aktes.

1806 Sept. 8.

Montag den 8. Septemb. 1806.

Als der ältere Herr Bürgermeister bey diesem mit Zuziehung derer Herren Syndicorum abgehaltenen Rathsitz

1) das Benachrichtigungs-Schreiben des Herrn Commissaire General Lambert vom gestrigen dato, die auf morgenden Dienstag vorzunehmende Besitz-Name hiesiger Stadt betr., vorbrachten; zugleich

2) wegen der allenfalls morgenden Vormittag geschlossen zu haltenden Boutiquen in dem Römer Vortrag thaten;

3) eröfneten: dass Bürgerliche Collegia Abschrift sowohl des vor¬ gestrigen Raths-Conclusi als dem Lambertischen Schreibens und anheute gefassten Conclusi verlangten:

Beruhet

ad x) auf sich, und hätte ein Hochedler Rath Sich morgen früh 9 Uhr in der Rothe Stube zu versammeln.

ad 2) Wäre Löbl. Recheney-Amt zu committiren: die Bou¬ tiquen - Innhaber von dem morgenden Act zu avisiren und den¬ selben lediglich anheim zu geben : ob sie ihre Boutiquen schliesen oder aber offen halten wollten?

ad 3) Wäre zwar civicis Extract des vorgestrigen Conclusi zuzustellen, von Communication des Lambertischen Schreibens und heutigen Raths-Beschlusses aber, welch letzterer bloss Polizey : und keine oeconomische Gegenstände, es müsste denn das denen Herren Commissariis zu offerirende Frühstück und die zum Auf¬ warten erforderliche wenige Bedienten, ingleichen die Behängung des Kayser-Saals, dahin gerechnet werden, betreffe, zu abstrahiren ; als*welches Collegiis civicis zu eröfnen Dominis Consulibus hiermit der Auftrag ertheilet wird.

Herr Senator Müller referiret: die Invitation des Herrn Marechal Augereau Excell., welchen er Unpässlichkeit halber nicht sprechen

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hönnen, durch den Herrn General-Adjutanten Garnier mündlich be¬ sorgt zu haben:

Beruhet auf sich.

Als ebenderselbe weiter referiret: mit dem Herren Cammandanten wegen der auf morgenden Tag zu bestellenden Wache dahin die Über¬ einkunft getroffen zu haben, dass ein französisches Commando in einem Ober-Officier und 50 Mann bestehend und von der hiesigen Mannschaft ein gleiches Commando dazu adhibiret würden :

Es ist Löbl. Kriegs-Zeug- Amt hiervon Nachricht zu geben, um dieses Commando zu reguliren und selbigem einzuschärfen, genaue Aufsicht zu halten, dass in das Zimmer, woselbst der Actus vorgehet, niemand eingelassen werden möge, biss alle zu demselben gehörende und respective erforderte Behörden ihre Pläzze ohngestört eingenommen haben werden, alsdann aber über¬ haupt keine Weibs-Person oder Handwerks-Bursche, sondern nur Personen, die von Stand zu seyn scheinen, passiren zu lassen.

Als auch vorkäme: Ob der Herr Commissaire General Lambert durch einen Stadt-Wagen abzuholen, und Herr Synd. Primarius Seeger die Intention der Fürstl. Primasischen Herren Commissariorum eröfnete : wie dieselbe sich geäusert, den Kayserl. Französischen Herrn Commissaire abholen zu wollen:

Beruhet zwar, der gegebenen Erläuterung halber, auf sich ; jedoch wäre durch Herrn Schöffen von Riese die nähere Ge¬ sinnung des Herrn Commissaire desfalls vernehmen zu lassen ;

Zu Empfang und Rück-Begleitung des Herrn Minister Bacher und seiner Legations-Secretaire

wurde der Stadt-Canzley-Substitutus Franck bestimmt.

In Ansehung des Plazzes, wo die leeren Kutschen sich biss zum Rückzug aufzuhalten hätten

wurde der freye Plaz um die Barfüsser-Kirche ausersehen.

Als auch noch vorgebracht worden, wie dem Verlaut nach als¬ bald nach beschehener Besiznahme der Fürstl. Primasische Herr Minister Freyh. von Albini Excell. Sich im Römer einfänden und Senatui einen Vortrag thun würden:

Es wäre Ihro Excell. bey Ihrer Ankunft durch zwey der zum Empfang der übrigen Herren Commissariorum ernannten vier Herren Senatorum zu empfangen und durch das Wahl-Zimmer in den Kayser-Saal zu begleiten und nach Endigung des Vortrags, welchen Herr Syndicus Primarius Seeger durch eine schickliche, kurze Gegenrede nomine Senatus zu beantworten hätte, es eben so bey deren Weggehen zu halten.

Desgleichen wären gedacht Ihro Excell. durch eine besondere Raths-Deputation, wozu Herr Schöff von Oienschlager und Herr

Senator von Glauburg hiermit ernannt werden, zu beglückwünschen und, falls dieselbe Sich als Gouverneur hiesiger Stadt geriren würden, durch dieselbe die hiesige Stadt-Schlüssel, ingleichen eine Wache .der hiesigen Soldatesca zu offeriren, auch sich zum Em¬ pfang der Parole zu erbieten; in welcher Absicht sich die Herren Staabs- und sämmtliche Ober-Officiers der hiesigen Garnison bey mehrgedacht Sr Excellenz zu praesentiren hätten.1

11. Protokoll über den Akt der Besitzergreifung.2

1806 Sept. 9.

Actum Frankfurt am Main auf dem Römer, .raane, den 9. September 1806.

Praesentibus von Sr. Hoheit des Fürst Primas Herrn Geheimen Legationsrath v. Roth,

Herrn Direktorialrath Itzstein und

Justitz-Senats und Kommissions-Sekretair Fertig.

Nachdem auf vorgängige mehrere mündliche Besprechungen mit dem k. k. französischen Generalkommissair, Herrn Lambert, und nach wechselseits geschehener Auswechselung der Vollmachten benannter Herr Kommissair den Tag zur Besitznahme der Stadt Frankfurt nebst Gebiet vermög eines an nebenbenannte Herrn Kommissarien erlassenen Schreibens vom 5ten dieses auf Dienstag den 9. September 1. J. be¬ stimmt hat, so begaben sich dieselben diesen Morgen zu gedachtem Herrn Kommissair nach dessen geäusserten Wunsche in sein Logis, in

1 Diese Beschlüsse vom 8. September bilden die vorletzte Regierungshand¬ lung des souveränen Rates; ihr folgt als letzte die Aufnahme der Tochter des emeritierten Rektors Purmann als Konventualin des Weissfrauen-Kloster. Als sich der Senat Dienstag den 9. September wieder versammelte, war die Besitzergreifung der Stadt für den neuen Landesherrn bereits erfolgt.

2 Dieses Protokoll befindet sich nicht in den Akten des Stadtarchivs, weil es dem Rate nicht mitgeteilt worden ist. Ich gebe den Abdruck wieder, welchen der Hofkammerrat P. A. Winkopp in dem 1806 bei J. C. B. Mohr in Frankfurt erschienenen ersten Bande (S. 217 226) seiner Zeitschrift »Der Rheinische Bund« mit fürstlicher Genehmigung veröffentlicht hat.

Nach einer Aufzeichnung des Ratsschreibers blieben dem Akte der Schultheiss Dr. Moors, die Schöffen Fleischbein von Kleeberg und Dr. Kingenheimer, Senator Dr. Metzler, Binding des Rats und Kanzleidirektor Dr. Böhmer wegen Krankheit fern. Von den städtischen höheren Beamten waren die fünf Syndiker und Rats¬ schreiber Dr. Maus anwesend.

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dem Gasthofe zum Englischen Hof genannt, und fuhren nach io Uhr in zwei Chaisen, der k. k. Herr Kommissair mit seinem Sekretair be¬ sonders und nebenbenannte nach ihm an den Römer.

Hier wurden dieselben von dem allda postirten französischen und frankfurter Militair salutirt, die Trommeln gerührt und von einer Magistratsdeputation beim Aussteigen empfangen und in dem angeord¬ neten Saale auf dem Römer eingeführt.

In diesem Saale waren in ihrem Amtskostüme sämmtliche Magistrats¬ personen und die Mitglieder des bürgerlichen Collegii der sogenannten 5ieer nebst dem Chef des frankfurter Militairs versammelt; auch fand sich der ganze Generalstab des kaiserl. königl. französischen Herrn Marschalls Augereau, welcher selbst aber wegen Unpässlichkeit nicht beiwohnen konnte, nebst mehreren k. k. französischen Offiziers und sonstige viele Personen allda ein.

Herr Kommissair Lambert und die diesseitigen Herrn Kommissarien nahmen ihren Sitz an einem oben in dem Saal besonders empor ge¬ stellten Tische, wo Herr Kommissair Lambert den mittleren Sitz, die diesseitigen Herrn Kommissarien zur Rechten und der k. k. französische Herr Gesandte Bacher zur linken Seite desselben Platz nahmen.

Herr Kommissair Lambert, nachdem er vorerst erklärt hatte, dass alle Vorträge und die Verhandlungen in französischer und deutscher Sprache abgelesen werden würden, eröffnete den Besitznehmungsakt mit einer wohlverfassten Rede, worinn im Allgemeinen die Grossthaten des Stifters der rheinischen Konföderation und die Vortheile geschildert wurden, welche hieraus für diesen Staat noch zu erwarten seyen und die insbesondere Frankfurt unter der Regierung seines neuen Fürsten sich zu versprechen habe. Hierauf wurden durch den französischen Sekretair beiderseitige Vollmachten, so wie auch der Proces verbal verlesen.

Und nachdem nun auch all dieses in deutscher Sprache vorgetragen war, wurde der Proces verbal zuerst von dem k. k. Herrn Kommissair Lambert, dann von den Fürst - Primatischen Kommissarien in sechs Ausfertigungen unterzeichnet und gesiegelt; hierauf erstatteten letztere, Namens Ihres höchsten Souverains, dem Beschützer der rheinischen Konföderation, Kaiser und König Napoleon, den öffentlichen Dank ; ein gleiches beobachteten dieselben gegen den Fürsten von Neuchatel und Valengin als bevollmächtigten Minister zur Auswechslung der Rati¬ ficationen des Vertrags vom 12. July 1. J. und vereinigten damit den Ausdruck der besonderen Erkenntlichkeit gegen den k. k. französischen Besitz-Einweisungs-Kommissair Herrn Lambert.

Es schien zugleich zwekmässig, die Rede des k. k. Herrn Kom- missairs Lambert zu erwiedern und die glücklichen Aussichten zu entwickeln, welche aus der neuen Ordnung der Dinge im Allgemeinen

und insbesondere für die Stadt Frankfurt hinsichtlich der vortrefflichen Gesinnungen Ihres neuen Regenten zu erwarten sind.

All dieses bezwekte die von den diesseitigen Herrn Kommissarien in französischer Sprache abgehaltene Rede, welche vorberührtermassen hierauf auch in Deutsch verlesen wurde.*)

Diesemnach legte man den Bürgermeistern und Rath die Voll¬ machten zur Uebernahme des Besitzes und der damit in Verbindung stehenden Verfügungen vor und liess solche durch den Kommissions¬ sekretair verlesen. Ein gleiches geschah auch mit den Patenten ; die Affigirung derselben an allen herkömmlichen Orten wurde den Bürger¬ meistern aufgetragen, zugleich aber auch verfügt, dass solche alsbald an der Thür des Rathhauses (Römer) durch den Secretarium Commissionis angeheftet werden sollten, welches derselbe in Beiseyn eines frankfurter Offiziers sogleich bewirkte.

Auf Aufforderung der Fürst - Primatischen Herrn Kommissarien wurde von den Bürgermeistern Anton Ulrich Carl v. Holzhausen und J. Isaac Hofmann, und dem Senior der bürgerlichen Kollegien Joh. Peter Frhr. v. Leonhardi, so wie auch von dem Vorsteher des Rechnungs¬ wesens, 1 Jakob Friderich Goullet, Handtreue an Eidesstatt geleistet.

Hierauf erklärten der Syndikus Seeger Namens des Magistrats und der gesammten Bürgerschaft die unbegränzte Unterwerfung unter den Willen Sr. Majestät des Kaisers Napoleon in der anliegenden Rede**) und drukte die Empfindung der allgemeinen Freude und Zufriedenheit darüber aus, dass die Stadt Frankfurt der Regierung Sr. Hoheit des Fürst-Primas übergeben worden zu seyn das Gltik habe.

Nachdem nun auf diese Art der Besitz-Uebergabs-Akt vollkommen geschlossen war, ersuchte mehr erwähnter Herr Kommissair Lambert die diesseitigen Herrn Kommissarien, Sr. Excellenz dem Herrn Staats¬ und Konferenz-Minister Freiherrn v. Albini hievon ‘alsbaldige Kenntniss zu geben, worauf dann der Herr Direktorialrath Itzstein Hochdenselben hievon zu benachrichtigen übernahm.

Herr Direktorialrath Itzstein begab sich sogleich zu dem in dem Ivompostell wohnenden Herrn Staats- und Konferenz-Minister Freiherrn v. Albini Excellenz und kam ohnverweilt mit Hochdenselben an den Römer zurück, wo Dieselbe unter dem Trommeischlag des paradirenden französischen und frankfurter Militairs, so wie von vier Deputirten des Magistrats beim Aussteigen empfangen und in den versammelten Saal eingeführt wurden.

Hochdieselbe nahmen den von dem französischen Kommissair

*) Man findet sie in deutscher Sprache unter Ziffer i.

**) Sie ist unter Ziffer 2 abgedrukt.

1 d. h. des Neuner-Kollegs.

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Herrn Lambert inzwischen verlassenen Sitz an dem Emportische ein und erklärten Ihre Sendung nach vordersamst von dem Kommissions¬ sekretair verlesener Ihrer höchsten Vollmacht den sämmtlich ver¬ sammelten städtischen Autoritäten, worauf lautes Vivat: es lebe Kaiser Napoleon, es lebe der Fürst Primas, erschallte.

Der Herr Syndikus Seeger als Organ der städtischen Autorität hielt hierauf eine Danksagungs-Rede, womit sich dieser Akt um 12 Uhr Mittags geschlossen hat, und Se. Excellenz des Herrn Staats- und Konferenz-Minister von den Mitgliedern des Magistrats bis an den Wagen begleitet wurden und unter gleich obbemeldter militairischen Ehren-Bezeugung das Rathhaus (Römer) verlassen haben.

In fidem

Hugo Philipp Fertig, Justitz-Senats und Kommissions-Sekretarius.

Beilage 1.

Beauftragt von Seiner Hoheit dem Fürsten Primas, Unserem gnädigsten Herrn, die aus allerhöchstem Befehle Sr. Majestät des Kaisers Napoleon und kraft der Bevollmächtigung Sr. Durchlaucht des Herrn Fürsten Alexander, Fierzogen von Neuchatel und Valengin, durch den hierzu ernannten Commissaire General Herrn Lambert so eben bewirkte Uebergabe der Stadt Frankfurt zu übernehmen, empfinden wir die hohe Pflicht, gegen Seine Majestät den Kaiser und König Napoleon, den Beschützer der rheinischen Konföderation, Namens Unseres gnädigsten Herrn des Fürst Primas die Gefühle des lebhaftesten und innigsten Dankes in tiefester Ehrfurcht und Rührung auszudrUcken.

Eine gleich angenehme Obliegenheit ist es für uns, dem Fürst Alexander, Herzoge von Neuchatel und Valengin, die schuldigste Dank¬ sagung abzustatten und damit unsere lebhafte Erkenntlichkeit gegen den Herrn Commissaire General Lambert zugleich zu verbinden.

Wir erkennen es für ein vorzügliches Glük und Ehre, das Organ Unseres Fürsten bei einer so denkwürdigen Handlung zu seyn, die eine neue Epoche für diesen Theil der Staaten ausmacht, welche Glieder der geschlossenen Konföderation sind, und von welchem Zeitpunkte an auch das Glük und Wohl Frankfurts, dieser in vielfältiger Erwägung höchst interessanten Stadt, fester und dauerhafter begründet werden wird.

Gross sind die Begebenheiten, die das Zeitalter ausfüllen, in welchem zu leben wir bestimmt sind. Die Entwiklung so mancher in vorderen Jahrhunderten liegenden Keime des Uebels und der ZerstÖhrung musste in unsere Tage fallen und lehrte uns in den traurigsten Erfahrungen, dass das Staatssystem, unter welchem wir lebten, dem veränderten

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Zustande der übrigen europäischen- Staaten nicht mehr gemäss war. Die unermesslichen Thaten Napoleons, dessen Beispiel die bewunderten Nationen der Vorzeit und ihre glorreichen Anführer nicht aufzuweisen haben, der in einem Blicke Jahrhunderte zu übersehen scheint, haben jenen Umschwung der Völker bewirkt, an dessen Einfluss auch wir Theil zu nehmen berufen sind.

Deutschland hatte schon lang die Kraft und Stärke nicht, welche einer Nation zukommen.

Durch seine geographische Lage berufen zu den glüklichsten Er¬ wartungen, allein gelähmt in seiner Thätigkeit durch die Gegenwirkungen in seinem Innern , preissgegeben wie es das Schiksal aller Staaten ist, denen Einheit des Willens und Kraft der Ausführung fehlt, dem Einfluss und der Politik mächtiger Mitstände oder fremder Mächte, je nachdem sie für gut fanden, das Kriegstheater in Deutschland aufzu- schlaeen, konnte dieses Volk nur immer mehr und mehr an Selbst- ständigkeit, am politischen Gewichte verlieren und war allen den zerstöhrenden Folgen unterworfen, die davon unzertrennlich sind.

In der That ! werfen wir einen Blik auf die lezten Jahrhunderte, und wir sehen dieses Reich gegen seinen Willen in alle Kriege ver¬ wickelt stets zum Schauplatz der blutigsten Schlachten bestimmt und immer Provinzen opfernd, um nur auf wenige Jahre Ruhe zu erkaufen.

Deutschlands Verfassung war in ihrem Ursprung ein Werk der Weisheit unserer Väter, sie war das Resultat reifer und oft theuer erworbener Erfahrung : allein diese Verfassung war nur auf innere Ruhe, auf Frieden, jenen Schutzengel des Handels und des Glüks der Völker, berechnet ; gegen äussere Bedrohung und Gewalt vermogte sie nach so vielen Erschütterungen nichts, und um ein erobernder Staat zu seyn, mangelten ihr jene Staatseinrichtungen und jene Centralkraft, die einzig grosse Thaten hervorbringen und in der kriegerischen Laufbahne allein Lorbeeren zu ernden vermögend sind.

Unter Napoleons des Grossen mächtigem Einfluss ist nun jene Umwandlung zu Stand gekommen, welcher der rheinische Bund sein Daseyn verdankt, der uns ein glükliches Loos verkündet. Welches Nationalglük dürfen wir von dessen hohem Genie und dessen erhabensten Eigenschaften uns versprechen!

Die Gebiete der Konföderation werden nun, in engerer Verbindung lebend, nicht mehr so wie vorhin jedem Einbruch offen stehen und der Kriegslust preisgegeben seyn. Sein mächtiger Schutz wird die Segnungen des Friedens über uns bringen, alle Quellen des Wohlstandes und der Volksglükseligkeit neu beleben und die Handlung, dieses edelste Kleinod der Völker, dieses moralische Band, durch welches die ent¬ ferntesten Nationen sich einander angehören und einen wechselseitigen

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beglückenden Austausch der Nationalprodukte bezwecken, auf jene Stufe der Höhe setzen, worauf solche mit Recht zu stehen verdient.

Se. Hoheit der Fürst Primas werden Ihrer Seits mit rastlossem Bestreben diese beglückenden Aussichten befördern; das Wohl seiner Staaten ist das einzige Ziel seiner heissesten Wünsche, und der Tag, wo er seinem Volke eine Wohlthat erweisen, die Industrie befördern und die Quellen der Volksglükseligkeit vervielfältigen kann, ist für das edle Herz dieses mit Recht geliebten Fürsten der schönste Tag und süsseste Genuss.

Durchdrungen von der grossen Wahrheit, dass der Flor des Handels mit dem Glük der Stadt Frankfurt in engster Verbindung steht, wird er diesem Zweige seine stets unermüdete Sorge widmen.

Bei allen diesen grossen Gesinnungen und wichtigen Unter¬ nehmungen dürfen wir der glüklichsten Resultate um so mehr uns schmeicheln, indem der beste Fürst in der Güte des Herzens und den tiefen Einsichten unseres erhabenen Koadjutors eine mächtige Stütze stets finden wird.

Gewiss, meine Herren Bürgermeister und Rath und Mitglieder der Bürgerkollegien ! wenn Sie wie wir Zeuge so vielfältiger wohlthätiger Handlungen gewesen wären, womit die Regierung dieses Fürsten be¬ zeichnet ist wenn Sie wie wir aus eigener Erfahrung den unermiideten Fleiss in Aufsuchung der Mittel, sein Volk glüklich zu machen, bewundern könnten wenn Sie wie wir die Humanität, die edle Herablassung und die hinreissende Fürstengüte näher kenneten : Sie würden mit uns schon einen Fürsten als ihren Vater lieben, den sie jezt nur als ihren Herrn verehren, und mit uns würden Sie die höchste Vorsehung um dessen längste Lebensdauer mit dem innigsten Gefühle anrufen.

Die Zeit ist aber nicht fern, wo Er unter Ihnen erscheinen wird, und Sie werden sich überzeugen, dass wir nur in schwachen Zügen das Bild dieses Vaters des Volks und verehrten Fürsten auszuführen vermögten. Bis dahin finden Sie, meine Herren! in dem verehrten Staatsminister dieses erhabenen Fürsten, dem Freiherrn v. Albini, den Depositair der höchsten Gesinnungen und des höchsten Zutrauens, und sicher dürfen wir Ihnen nicht erst die grossen Verdienste ins Gedächtniss rufen, welche die Zeitgenossen in diesem verehrten Staatsmanne all¬ gemein schon anerkannt haben, aber das wollen wir doch bemerken, dass die Gefühle seines Herzens, dass seine warme Liebe für Gerechtig¬ keit eben so gross, als ausgezeichnet seine Talente sind.

Mit allem Grunde haben Sie diesemnach sich eine glükiiche Zukunft zu versprechen, und uns wird es stets eine beglückende Erinnerung seyn, die Vorsager dieser frohen Zukunft gewesen zu seyn.

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Beilage 2.

Mit Unterwerfung verehren wir die Staatsveränderung, welche in diesem Augenblik über das gemeine Wesen vollzogen ist, das unserer Verwaltung bisher anvertraut war. Der mächtige Wille des grossen Monarchen, dessen Organ Sie, Herr General-Kommissair sind, ist für uns, unsere sämmtlichen Mitbürger und Angehörigen unabweichliches Gesetz.

Indem wir uns von den Verhältnissen trennen, in denen uns bis jetzo vergönnt war, für ihr Wohl zu wirken, belebt uns die tröstende Hoffnung neu aufblühenden Glüks, das ihnen von der Weisheit und Milde des erhabenen Souverains beschieden ist, für den Sie, hoch¬ ansehnliche Herrn Kommissarien des Durchlauchtigsten Fürsten Primas, den Besitz unserer Stadt und Gebiets annehmen.

Mit diesen Hoffnungen und Gefühlen legen wir die Erklärung unserer Submission, Treue und Anhänglichkeit, in unserm eigenen und aller unserer Mitbürger und Angehörigen Namen, in ihre Hände ehrfurchtsvoll nieder.

Möchten Sie bei dem verehrten Fürsten, in welchem auch wir jetzt unsern und der Unsrigen höchsten Regenten und gnädigsten Landesvater unterthänigst verehren dürfen, der Unbegränztheit dieses Vertrauens durch Ihr Zeugniss Gerechtigkeit wiederfahren lassen, von welchem wir durchdrungen und wobei wir die Ausleger von Gefühlen sind, welche Aller Herzen erfüllen.

Empfangen Sie endlich, im Namen des durchlauchtigsten Fürsteu Primas, den Ausdruk unsers tiefsten Danks für den Beweis landesväter¬ licher Huld, womit Ihro Hoheit uns gnädigst anzuweisen geruhen, unsere Amtsfunktionen, bis auf weitere höchste Anordnung, fortzusetzen. Feierlich geloben wir, diese theure Pflicht zu erfüllen. Von diesem Augenblicke an uns der Gnade würdig zu machen, welche der beste Fürst uns durch Sie zusichern zu lassen geruhet, soll und wird uns heilige Pflicht seyn.

12. Besitzergreifungs-Patent des Fürsten Primas Karl von Dalberg.

1806 Sept. 9.

Wir Carl von Gottes Gnaden Fürst Primas der Rheinischen Con- föderation, souveräner Fürst von Regensburg und Aschaffenburg etc. etc.

Nachdem im Gefolge der errichteten rheinischen Conföderation Uns die Stadt Frankfurt nebst dem dazu gehörigen Gebiete mit voller Souveränität zu Theil geworden, Uns auch die Souveränität Uber das auf der rechten Mainseite gelegene fürst- und gräflich Löwenstein-

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Wertheimische Gebiet und die Grafschaft Rienek, sammt den in Unsern bisherigen und den ebengenannten neuerlich zugefallenen Landen ein¬ geschlossenen reichs-ritterschaftlichen, Teutsch- und Malthäser-Ordens- Besitzungen, auch dahin angränzenden ritterschaftlichen Gütern über¬ wiesen und von Kaiserlich-Königlich-Französischer Seite in wirklichen Besitz übergeben worden ist: so finden Wir Uns gegenwärtig bewogen, die volle Souveränität über die Stadt Frankfurt, derselben Umfang und Gebiet sowohl, als auch die Souveränitäts -Rechte über die übrigen vorgedachten Länder, Herrschaften und Besitzungen in wirkliche Aus¬ übung zu bringen, befehlen demnach und wollen, dass von nun an die Souveränität darin in Unserm Namen ausgeübt und verwaltet werde.

Wir bestätigen zugleich provisorisch alle öffentliche Authoritäten und Beamten in ihren Amtsverrichtungen, von welchen insgesammt Wir Uns eine fortgesetzte treue Pflichterfüllung versprechen. Unser eifrigstes und unermüdetes Bestreben wird seyn, mit landesväterlicher Sorgfalt für das Wohl dieser Unserer neuen Unterthanen, welche in vorbesagter Maass Unserer Souveränität unterworfen sind, zu wachen, mit gewissenhafter Genauigkeit eine gleiche Gerechtigkeitspflege zu handhaben und allen Klassen der Bürger Unsern landesherrlichen Schutz angedeihen zu lassen, von welchen Wir Uns versehen, dass dieselben Uns mit jener Treue, Anhänglichkeit und Gehorsam werden zugethan seyn, die Wir mit Recht zu erwarten haben und welche vereint mit Unsern Bemühungen die sicherste Bürgschaft des allgemeinen und individuellen Glückes gewähren.

In Urkunde Unsrer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei¬ gedrücktem Hofkanzley-Insiegels.

Aschaffenburg den 20. August 1806.

(L. S.) Carl

vt. Freiherr v. Albini.

Publicatum Frankfurt den 9ten September 1806.

13. Begrüssungsschreiben des Rates an den Fürsten Primas.1

1806 Sept. 9. An

des Durchlauchtigsten Fürsten Primas

Hoheit. Aschaffenburg.

Durchlauchtigster Fürst Primas,

Gnädigster Herr, Herr !

Die Vorsehung hat das Glük Frankfurts in Eurer Hoheit Hände gelegt. Heute haben die Höchstverordneten Commissarien Eurer Hoheit

1 Entwurf von der Hand Seegers.

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von dieser Stadt und ihrem Gebiet den Ihnen von dem Kays. Franzö¬ sischen Herrn General-Commissaire Lambert übertragenen Besitz in Höchstdero Nahmen übernommen.

Erlauben Sie, Gnädigster Herr, Herr ! dass wir durch unsere beyden Bürgermeister von Holzhausen und D. Hoffmann und unseren Syndicum primarium D. Seeger vor Höchstdenenselben den Ausdruk der tiefsten Submission, Treue und Verehrung wiederholen dürfen, welchen wir bey jener feyerlichen Handlung bereits gegen Höchstdero Commissarien in unserm und im Nahmen aller unserer Mitbürger und Angehörigen ge¬ lobt haben.

Von Höchstdero Weissheit, Güte und Grossmuth erbitten und hoffen wir das Glük des unserer Fürsorge bissher anvertrauten gemeinen Wesens mit einer Zuversicht, welehe jede Empfindung über den Verlust einer Verfassung vertilgt, deren Handhab- und Verwaltung biss jezt unsere Pflicht war; sie belebt uns mit dem frohen Vorgefühl jener landesherr¬ lichen Milde, welcher sich die übrigen unter Höchstdero weisem Scepter vereinigten Staaten erfreuen.

Möchten wir bald so glüklich seyn, Eurer Hoheit höchste Person in unsern Mauren unterthänigst zu verehren und die Gesinnungen, welche von nun an alle Bürger dieser Stadt mit Euer Hoheit als ihrem ver¬ ehrtesten Fürsten und Souverain in heiligen Banden vereinigen, durch unverkennbare Beweise der Unbegrenztheit jener tiefsten Devotion mit der That selbst bewähren zu können, mit welcher wir uns zu unter¬ ziehen die Gnade haben

Eurer Hoheit

unterthänigste und treugehorsame Bürgermeister und Rath der Stadt Frankfurt.

Frankfurt den 9, Sept. 1806. exp. eodem Bingel.

14. Ratsbeschluss betr. Anschlag des Fürstlichen Besitz¬ ergreifungs-Patentes.

1806 Sept. 9.

Dienstag den 9. Septembr. 1809.

Nachdem anheute durch die Herren Commissarien Sr Hoheit des Fürsten Primas die hiesige Stadt in wirklichen Besiz genommen worden und Sich nach deren Endigung gesammte Raths-Glieder wieder in die Raths-Stube verfüget, so referirten der ältere Herr Bürgermeister: dass die von ernannten Herren Commissarien mitgetheilte Höchst Fürst). Patente an den gewöhnlichen Pläzzen der Stadt wie auch den Stadt- Thoren affigiret worden seyen. Ein gleiches attestirt Herr Schöff Dr.

Schweizer qua Deputatus Senior Löbl. Land-Amts und Acker-Gerichts auf den hiesigen Dorfschafften und sonst gewöhnlichen Pläzzen inner¬ halb der Landwehren geschehen zu seyn :

Es ist den Ftirstl. Primasischen Herren Commissariis mittelst Berichts hiervon Nachricht zu geben.

Vy. Verfügung des Staatsministers Frh. von Älbini betr. Auf¬ richtung von Hoheitszeichen an den Grenzen des Stadtgebietes.1

1806 Sept. 9.

Prs. d. 10. Sept. 1806 Frh. von Wiesenhütten ex Consul. Sen.

Bürgermeister und Rath dahier werden die Behörde unverzüg¬ lich anweisen, damit mit Zuziehung des Stadt-Geometers Bunzer2 die Hoheits-Plöcke mit dem bereits gefertigten Wapen Sr. Hoheit des Fürst- Primas alsogleich an die gehörigen Plätze der Stadt Frankfurter Grenzen aufgestelt werden. Wie solches geschehen, darüber wird Anzeige ge- wärtigt.

Frankfurt, den 9. September 1806.

Frhr. v. Albini.

16. Verfügung des Staatsministers Frh. von Albini betr. Anschlag des Fürstlichen Besitzergreifungs-Patentes.

1806 Sept. 10.

Prs. d. 10. Sept. 1806. Frh. von Wiesenhütten ex Cons. Sen.

Bürgermeister und Rath dahier werden dafür sorgen, damit durch die Behörde in denen zu dem souveränen Gebiet von Frankfurt gehörigen Ortschaften, als nämlich : Niedererlenbach, Dortelweil, Hausen, Bonames, Niederursel, Ober- und Niederrad, dann Bornheim die Besitznams-Patente an dem Rathhauss und an den sonsten herkömlichen Stellen angeheftet werden; darüber wird Bürgermeister und Rath Anzeige erstatten. Frankfurt, den 10. Septbr. 1806.

Frhr. v. Albini.

1 An den Pflöcken war als Wappen das alte knrmainzische Rad angebracht ; darunter stand »Souveränes Gebiet des Fürst Primas« und auf der Rückseite der Pflöcke »Rheinische Konföderation«.

2 rectius: Bunsen.

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17. Verfügung des Staatsministers Frh. von Albini betr. Weg¬ lassung der Beziehungen auf kaiserliche Privilegien in den Titeln der öffentlichen Blätter und Gesuche um Erneuerung

dieser Privilegien an den Fürsten Primas.

1806 Sept. 10.

Prs. d. 10. Sept. 1806 Frh. von Wiesenhütten ex Cons. Sen.

Bürgermeister und Rath dahier hat zu verfügen, dass künftig in allen erscheinenden öffentlichen Blättern die Beziehungen auf Römisch Kaisserl. Privilegien und Authorisationen weggelassen werden. Es ist hiernächst die Sache der privilegirten und authorisirten unter Producirung ihrer Privilegien deren Erneuerung von Eminentissimo unterthänigst nachzusuchen.

Frankfurt, den 10. September 1806.

Fhr. v. Albini.

18. Bericht des Rates an den Staatsminister Frh. von Albini

betr. Vollzug seiner Verfügungen.

1806 Sept. 10.

An des Herrn Minister Freiherrn von Albini Excell. nomine domini Consulis Senioris.

Gehorsamster Bericht.

In schuldigster Befolgung der anheute überkommenen hohen Ministerial- W eisungen

1) die Anschlagung der Höchsten Besitz-Ergreifungs-Patente in hiesiger Stadt und auf den Dorfschaften betr.

2) die Sezzung der Hoheits - Plöcken an den hiesigen Grenzen und

3) die Verständigung der Zeiturigs-Redacteurs wegen nicht- mehrigem Bezug auf Kays. Privilegia bey Attribuirung der Zeitungen und Renovation der Privilegien

soll ich gehorsamst zu berichten ohnverfehlen: dass

ad 1) bereits gestern das erforderliche besorget und davon sogleich Nachmittags die zu Besitznahme hiesiger Stadt verordnete Herren Commissarien laut Anlagen benachrichtiget worden.

ad 2) dass man mit Sezzung der Hoheits-Plöcken würklich beschäftigt seye und alsbald nach deren Beendigung umständlich zu berichten ohnverfehlen werde und dass

ad 3) sämmtlichen Redacteurs der hiesigen Zeitung der Inn- halt der Hohen Weisung bekannt gemacht und sie zu deren genauen Befolgung angewiesen worden.

Frankfurt d. 10. Sept. 1806.

19. Bericht der an den Staatsminister Frh. von Albini abge- ordneten Deputation des Rates.

1806 Sept. 10.

Gehorsamster Bericht.

Die nach der Übergabe der Stadt an Ihro des Fürsten Primas Hoheit angeordnete Bekomplimentirung Sr Excellenz des Herrn Staats-Ministers Freiherrn von Albini betr.

Euer Hoch wohl- und Wohlgebohrnen haben wir die Ehre, den Erfolg des in Betref der Bekomplimentirung Ihro des Herrn Staats-Ministers Freyherrn von Albini Excellenz vorgestern grosgünstig ertheilten Auf¬ trags ganz gehorsamst dahin schriftlich zu berichten.

Nachdem wir nähmlich gleich nach der gestrigen feierlichen Über¬ gebung unserer Stadt an Ihro des Herrn Fürsten Primas Hoheit bey ernanntem Herr Minister uns anmelden lassen und uns zu dieser Audienz die Stunde auf den Nachmittag V24 Uhr angewiesen worden, glaubten wir bey dieser Gelegenheit Hochdemselben die Gesinnungen Euer Hochadl. Gestr. und Herrl. im wesentlichen dahin näher bekannt machen zu müssen, dass

»nachdem unser nunmehriger gnädigster Landesherr uns einen ersten Beweiss Ihrer väterlichen Huld dadurch gegeben, dass Höchst- dieselbe an Ihrer statt das Wohl des hiesig gemeinen Wesens in der Regierungkunst so geübten und wohlthätigen Händen wie weltkundigermassen diejenigen Ihrer Excellenz anvertraut, wir Ihnen vorn Rath unterthänigst zu bezeugen beauftragt seien, wie sehr derselbe sich und der ganzen Bürgerschaft dieserwegen Glück zu wünschen Ursache fände. Demnächst aber sollten wir in dessen Nahmen die pünctlichste und schuldigste Befolgung aller derjenigen Befehle zusichern, welche Hochdenselben künftig anhero zu er- theilen gefällig seyn würde. Wir sollten ferner die Ehre haben, Ihnen die Schlüssel der Stadt-Thore anzubieten und uns (wobey ich, der ältere Deputirte des Zeug-Amts zugleich auf diese Eigen¬ schaft mich berufen) für heute die Parole selbst zu erbitten, die sie übrigens künftig dem Major oder dem Adjutanten der Garnison zuzutheilen belieben würden. Auch seien zu gebührender Aus¬ zeichnung der Wohnung Ihro Excellenz 2 Schildwachen davor beordert worden und müsse ich, schon gedachter älterer Zeug- Amts-Deputirter für die Staabs- sowie für das ganze Corps der Officiers besagter Garnison die Erlaubniss und Bestimmung einer gelegenen Zeit erbitten, Ihro Excellenz unterthänigst aufwarten zu dürfen und endlich wollen wir das ganze hiesige Stadtwesen zu Ihrem mächtigen Schutze und Fürsprache bey des Fürsten

Primas Hoheit, Unsere Herrn Kommittenden aber so wie uns selbst zu ferneren und höchstschäzbarsten Wohlwollen auf das angelegent¬ lichste empfohlen haben.«

Die gütige Aufnahme dieses Vortrages vermögen wir nicht genug zu rühmen, wie solches demjenigen, was sogleich hierauf und sonst noch von Ihro Excellenz uns zu Theil geworden und wir hier folgen lassen, mit mehrerem zu entnehmen sein wird.

Erstlich bezeugten Hochdieselben Sich ungemein sensible für die durch unsere Mission von Seiten des Raths Ihnen »bewiesene Attention und gedachten ausserdem sogleich, dass, was die Schlüssel beträfe, sie solche in guten Händen glaubten und darinnen belassen wollten. In Ansehung der Schildwachen bemerkten Sie, dass Sie zwar für ihre Person gerne von aller Auszeichnung abstrahirten, dass Sie* jedoch hierbey auf Ihren Karakter der Vorstellung des Landesfürsten Rücksicht nehmen müssten und sich also diese Auszeichnung abzuweisen nicht erlauben könnten. Im Vorbeigehen führen wir hier an, dass man diese Schild¬ wachen schon einige Stunden zuvor hatte auftretten. lassen, und dieser Umstand allerdings nicht übel aufgenommen worden zu seyn geschienen. Das sämtliche Corps der Officiers wollten Sie mit so gröserem Ver¬ gnügen bey sich empfangen, als Sie, wie Sie sich ausdrückten, Selbsten zum Militair gehörten und Truppen gegen den Feind angeführt hätten,1 doch wollten Sie die älteren Glieder des gedachten Officiers-Corps, wenn ihnen dieser Besuch zu beschwerlich werden sollte, davon gerne loszählen und bestimmten übrigens hierzu die Stunde diesen Vormittag zwischen n und 12 Uhr. Zur Parole gaben Sie uns für gestern Carl und Frank¬ furt und führten anbey an, dass Ihro Hoheit selbige auf ganze Monathe auszugeben pflegten und so nach Verlauf einer solchen Zeit jedesmal bey Ihnen zu erfragen seyn würde.

Demnächst liesen aber Ihro Excellenz ausser vorerwähnter Be¬ antwortung unserer Anträge sich noch folgendermassen heraus.

Sie hätten nehmlich am gestrigen Morgen bey der allgemeinen Versammlung und in Gegenwart der Fremden nicht über jeden Punct so deutlich sich zu erklären für gut finden können und wollten daher Euer Hochadl. Gestr. und Herrl. noch ausdrücklich zu hinterbringen uns aufgeben, dass, wenn sie gleich die bisherigen Verrichtungen des Magistrats hiesiger Stadt Nahniens Ihrer Primasisclien Hoheit noch für die Zukunft verlängert und Ihn dazu authorisirt hätten und nahmentl. auch hierunter die Vergebungen der Stadt-Stellen und Diensten jedoch mit dem Vorbehalte begriffen seyn sollte, dass die erwählten Subjecte

1 Im Herbst 1799 als kurmainzischer Generalfeldzeugmeister und Führer des von ihm organisierten Landsturms.

O O T ) ) 1

nochmals Ihnen präsentirt würden, Sie dennoch solche Authorisation eigentlich dahin noch näher verstanden und modificirt wissen wollten, dass, wenn sowohl von ganz wichtigen inneren Ereignissen als etwa von ferneren der Stadt angemuthet werden wollenden Gelderlegungen und dergl. die Rede entstünde, wie auch wenn irgend eine in das Verhältniss derselben zu auswärtigen Mächten und Staaten einschlagende Angelegen¬ heit von grösserem Belange sich ereignete, Sie allerdings davon unter¬ richtet und darum befragt zu werden gewärtigten.

Sie kamen hierauf, was letzteren Punct betrift, gleichsam beispiels¬ weise auf die ohnlängst vom Rath einstweilen bewilligte Clevische Post zu sprechen und erzählten uns, dass sie den Comrnissarius oder Vor¬ steher derselben bereits von Ihrer Meinung unterrichtet und unter andern dieser Anmassung des Herzogs von Cleve entgegengestellt hätten, wie mit gleichem Rechte auch von Ihro des Herrn Fürsten Primas Hoheit die Anstellung einer von Ihnen abhangenden Post in jenen, nehmlich den Clevischen Landen anverlangt werden könnte.1 Dann erwaehnten Sie bey dieser Gelegenheit auch, wie Sie der bisherig Kays. Post die Entfernung des vorhin. Kays. Wappenschildes und dagegen das Fürstl. Primatische nebst dem Taxischen Wappen aufzuhängen bereits insinuiren lassen.

Endlich so erforschten Ihro Excellenz noch von uns diejenigen Verhältnisse, worinnen hiesige Stadt insonderheit nach dem letzteren Deputations-Rezesse mit dem Deutschen und Maltheser Orden so wie auch mit Darmstadt und Thurn und Taxis in Absicht auf sämtliche deren hiesige Besitzungen stehe, worauf wir Ihnen dann zur Auskunft ertheilten, dass hiesige Stadt anfänglich zwar allerdings in Gemäsheit beregten Rezesses und dessen Ausdrücke zu mehrerem Rechte über selbige gelanget zu sein erachtet habe, auch nahmentlich von Regens¬ burg desfalls Insinuationen anher geschehen seien, dass aber und nach¬ dem jene Stellen wieder anders gedeutet und man desfalls seines Irrthums überwiesen worden, auch alles dieserwegen, soviel uns bekannt, wieder in die älteren Schranken zurückgetretten seie und man bey vorkommen¬ den Fällen sich lediglich an die mit jedem der obbenannten Besitzer in specie und zwar schon seit längeren Jahren bestehende Verträge gehalten habe. Doch müssen wir gestehen, dass wir durch diese Aus- kunfts-Ertheilung, wie es wenigstens deutlich geschienen, eben keines-

1 Der Rat hatte noch im Juli, als das Ende der reichsstädtischen Unabhängigkeit bereits feststand, dem Herzog von Cleve und Berg (Murat) ein eigenes Postbureau in Frankfurt zugestanden, weil er trotz des entgegenstehenden § 15 des Reichs¬ deputationshauptschlusses von 1803 das Gesuch des Herzogs als auf Napoleons Willen beruhend nicht abzulehnen wagte.

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weges ein Vergnügen bey dem Herrn Staats-Minister erregt zu haben uns schmeicheln können.1

Wir haben die Ehre mit der unbegränzten Hochachtung zu beharren Euer Hochadel. Gestr. u. Herrlichkeiten

treu gehorsamste v. Olenschlager. von Glauburg.

20. Bericht der an den Fürsten Primas abgeordneten Rats-

Deputation.2

1806 Sept. 11.

Gehorsamster Bericht.

In Gefolg des erhaltenen verehrlichen Auftrags reissten die Unter¬ zogenen den 9. um 1 V2 Uhr nach Aschaffenburg ab und zeigten ihre gegen 8 Uhr erfolgte Ankunft des Herrn Schlosshauptmanns von Pfirdt Excellenz mittelst Schreibens und abgegebener Visitencharten nebst der Bitte an, ihnen bei Ihro Hoheit gnädigste Audienz zu verschaffen. Bald hierauf erhielten wir die Antwort, dass Höchstdieselben uns den andern Morgen früh 10 Uhr zur Audienz und hernach bey der Tafel erwarten würden. Den folgenden Morgen wurde diese gnädigste Einladung durch einen Hoffourier wiederholt und zugleich bekannt gemacht, dass eine Hofequipage uns sowol zur Audienz als zur Mittagstafel abholen werde. Dieses geschähe zur bestimmten Stunde mit Zugebung von zwey Hof¬ bedienten und nach unserm Eintritt in das von dem Fürsten Primas bewohnte Flügelgebäude wurden wir von einem Hoffourier auf der halben Treppe empfangen, durch die Corridore, welche mit Hofdiener¬ schaft angefüllt waren, in die Vorzimmer geführt, in deren leztem wir mehrere Cavaliers versammelt antrafen. Nach einem kurzen Aufenthalt wurden wir von dem dienstthuenden Kammerherrn in das Audienz- Zimmer eingewiesen, wo wir Ihro Hoheit in schwarzer Kleidung mit Mantel und Umschlag, den Hut unterm Arm, stehend fanden und die Gnade hatten, das Schreiben eines Hochedlen Raths mit einer kurzen Anrede, welche Ihro Hoheit sogleich nach den ersten Perioden auf die gracieuseste Weise unterbrachen, erwiederten und gleichsam in einen Discours einleiteten, unterthänigst zu überreichen. Nach geendigter

1 Sehr begreiflich, denn hier handelte es sich um wertvolle Vermögen, welche der Stadt und somit auch der neuen Landesherrschaft entgangen waren. Allein der Grundbesitz des Deutschordens in der Stadt und ihrem Gebiet wurde nach einer für die fürstlichen Behörden damals angefertigten Aufstellung auf ca. 909» der des Johanniter-Ordens auf ca. 196 Morgen geschätzt.

2 Von Seeger eigenhändig geschrieben.

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Audienz verweilten wir noch einige Augenblicke in dem Vorsaal bey den versammelten Herrn Cavaliers und wurden nun auf dieselbige Weise durch einen Hoffourier zurückbegleitet. Die fürstliche Tafel, welche, wie uns versichert wurde, an diesem Tag gewönlich nicht gehalten zu werden pflegt, sondern aus Veranlassung dieser Deputation Eines Hoch¬ edlen Raths einzig angesagt worden seyn soll, und wobey Ihro Hoheit uns durch des Herrn Schlosshauptmanns Excellenz ausdrücklich sagen zu lassen geruht hatten, dass wir uns an derselben in die Nähe Ihres vis ä vis placiren sollten, fanden wir mit 34—36 Couverts für Herrn und Damen, unter welchen wir des franz. Gesandten Hedouville Excell., die in Aschaffenburg garnisonirenden franz. Generale und Officiere, die Herren Präsidenten von Dienheim, Graf v. Elz Excell. bemerken, besezt und fürstlich servirt. Nach aufgehobener Tafel verfügten Sich Ihro Hoheit in das Audienz-Zimmer zurück und Hessen uns in dasselbe bald hernach einführen, wo Sie die Gnade hatten, uns das anliegende gnädigste Hand¬ schreiben 1 als Recreditiv sub volante Höchstselbsten gdst. einzuhändigen und mündlich hinzuzufügen, dem Rath Ihren herzlichen Gruss zu über¬ bringen.

Wir würden uns vergeblich bemühen Worte zu finden, um die äusserst gnädige Weise, womit Ihro Hoheit allen diesen uns in Beziehung auf Einen Hochedlen Rath und unsere Stadt erwiesenen höchst ehren¬ vollen Auszeichnungen noch einen höheren Werth aufzudrücken geruht haben, sowie die Edelmuth der Grundsäze und Gesinnungen zu schildern, welche Sie für Frankfurt und in Ansehung der künftigen Ausübung Ihrer Regenten - Gewalt über die Stadt geäussert, und welche uns mit der innigsten Verehrung und Dankbarkeit erfüllt haben. Sie geruhten hiebey insbesondere soviel gegen uns insgesamt als auch gegen unterzogenen Synd. Seeger, mit welchem Sie vor der Tafel in dem Vorsaal Uber ver¬ schiedene wichtige Anliegen hiesiger Stadt unter Auf- und Abgehen Sich zu unterhalten geruht haben, mehrmals zu äussern, dass Sie hierüber die Bitten und Wünsche des Raths erwarteten, ohne Noth nichts, sondern nur dasjenige abzuändern gedächten, was man hier selbsten wünschen werde, dass Sie unserer Stadt eine freye Verfassung erhalten und so wie Sie ihre Acquisition zu machen nicht gesucht, Sich darüber nur in so ferne freuen könnten, als Sie dadurch etwas zu ihrem Wohl bei¬ tragen und wirken können würden.

In Beziehung auf den künftig an das Ober-Appellations-Gericht zu Aschaffenburg gehenden Rechtszug äusserten Sie gegen unterzogenen Synd. Seeger, dass des Herrn Min. Albini Excell. das Projekt eines Patents, welches diesen Gegenstand regulire und wobey Sie des bissherigen

1 Diese erste schriftliche Begrüssung des Rates durch den Fürsten ist leider nicht mehr vorhanden.

-1^, ¥ /Vc-v c-{. 3 2,^}.

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juris de non appellando der Stadt ausdrücklich gedachten, folglich zu erkennen gaben, dass Sie dasselbige in eben dieser Ausdehnung, wie bissher gegen die Reichsgerichte, also auch gegen Ihr Ober-Appellations- Gericht bestehen lassen würden, vorgelegt werden möge.

Den Tag Ihrer Ankunft äusserten Sie mehrmals noch nicht be¬ stimmen zu können, aber mit der sichtbaren Absicht, dadurch allen Feyerlichkeiten des Empfangs ausweichen zu "wollen, und des Herrn Staats-Raths von Wallmenich Hochwolgeb. bemerkten uns insbesondere in den stärksten Ausdrücken, dass alle Veranstaltungen, welche jener Absicht zuwieder seyn könnten, Ihrer Hoheit wahrhaft unangenehm seyn würden und daher ja unterlassen werden möchten.

Die übrige Zeit unserer Anwesenheit benuzten wir übrigens, um den vornehmsten Personen des Hofs und Chefs der departements unsere Aufwartung zu machen, und hatten das Glück von allen denjenigen, welche wir entweder zu Plause antrafen oder bey der fürstl. Tafel fanden, mit eben der Auszeichnung und Zuvorkommenheit aufgenommen zu werden, welche die gnädige und humane Gesinnung Ihrer Ploheit jedem Ihrer Diener, wenn sie auch nicht ohnehin schon deren Denkensart gemäss wäre, schon durch Ihr Beispiel zur Pflicht macht.

Schliesslich bemerken wir noch, dass gestern Nachmittag Plerr Sen. von Leonhardi, Neuner Goullet und Hofr. ITuth als Abgeordnete der bürgerlichen Collegien in Aschaffenburg angekommen sind und dass der hiesige Bürger und Kön. Preuss. Geheimer Rath Willemer die Ehre gehabt hat, ebenfalls zur fürstl. Tafel gezogen zu werden.

Gestern Abends nach 6 Uhr sind wir von Aschaffenburg zurück- gereisst und nach Mitternacht glüklich zurückeingetroffen.

Frankfurt den n. Sept. 1806.

Holzhausen. Seeger. Hofmann.

21. Bericht der an den Fürsten Primas abgeordneten Deputation der Bürgerlichen Kollegien.

1806 Sept. 12.

Gehorsamste Berichts-Erstattung.

Beeden löbl. Bürgerlichen Collegien ist es gefällig gewesen, uns die Unterzeichnete Deputirte zufolge Collegial-Schlusses vom 9ten dieses an Se. Hoheit den Herrn Fürsten Primas nach Aschaffenburg abzuordnen.

Die Absicht davon war dreyfach und zwar :

a) Sr. Hoheit das gesammte hiesige Stadtwesen, dessen Verfassung und mit dieser auch insbesondere Löbl. Bürgerl. Collegia zu höchsten Gnaden und landesherrlichem Schutz zu empfehlen ;

335

t

b) Höchst Ihnen den submissesten Dank für die provisorische gnädigste Bestätigung hiesiger Verfassung und Geschäfts- Verwaltung abzustatten ;

c) den sehnlichen und allgemeinen Wunsch gesammter Bürgerschaft und vornehmlich Bürgerl. Collegien zu erkennen zu geben, dass Se. Hoheit geruhen rnögten, die hiesige Stadt baldigst mit Höchst Ihro persönlichen Anwesenheit zu beglüken.

Zu schuldiger Ausrichtung dieser Aufträge reiseten wir sogleich Tags darauf den roten dieses Morgens xi Uhr nach Aschaffenburg ab, liesen uns bald nach unserer Ankunft bey des Herrn Obrist Hofmeisters Freyherrn von Pferdt Excellenz melden und um eine privat Audienz bey Sr. Hoheit unterthänigst bitten. Hierzu wurde der xite dieses Mittags i Uhr bestimmt. Wir wurden um diese Zeit mit Hof-Equipage zu dem Herrn Obrist Plofmeister abgeholt, von demselben um halb zwey Uhr in das Vorzimmer Sr. Hoheit begleitet und sonach von einem der in Diensten stehenden Cammerherrn in den Audienz-Saal geführt. Daselbst fanden wir Se. Hoheit ganz allein, wurden überaus gnädig und menschenfreundlich aufgenommen.

Ich, der mitunterzeichnete Senior und Director Löblichen Bürger- Ausschusses, that den der dreyfachen Absicht gemäsen Vortrag bey Sr. Hoheit, worauf Höchst Sie erwiederten :

Sie hätten sich keinesweges um die Reichs -Stadt Frankfurt beworben, vielmehr alle Versuche angewendet, um dieselbe, so wie auch Nürnberg bey ihrer Unmittelbarkeit zu erhalten. Allein die zum Theil bekannte Umstände und eine höhere Macht hätten diese Bemühungen vereitelt und den gewünschten Erfolg unmöglich gemacht. Indessen würden Höchst Sie in der hiesigen Verfassung keine wesentliche Veränderungen, in so weit es nur irgend möglich sey, vornehmen, auch nicht eher einen Beschluss fassen, bis die concurirrende Stellen über jeden in Vortrag kommenden Gegenstand mit ihren Vorschlägen und Erinnerungen genüglich vernommen und die Sache reiflich erwogen woi'den.

Wir nahmen von dieser Aeuserung zur untertänigsten Anfrage Anlass, ob die in Löbl. Bürger -Ausschuss erledigt eine und die etwa noch ferner erledigt werdende Stellen auf die bisherige Art durch die Wahl nicht einstweilen wieder ersetzet werden dürften, da Se. Hoheit die hiesige Verfassung provisorie gnädigst bestätigt hätten. Wir wurden jedoch darauf bedeutet : dass dieses noch zur Zeit ausgesezet bleiben könne , indem Höchst Sie vor der Hand keine Resolutionen ertheilen, sondern solche, um sich der Verhältnisse genau zu erkundigen, bis zu Ihro nächsten Anwesenheit in Frankfurt in Anstand lassen würden. Doch glauben wir bemerkt zu haben, dass Se. Hoheit nächstens, wiewohl ohne vorherige Bekanntmachung, hier

eintreffen werden, und vermuthen, dass durch diese stille Ankunft etwaigen Feyerlichkeiten ausgewichen werden wolle.

Bald nach den ersten Unterredungen und mit unter denselben gaben 'uns Se. Hoheit die trostvolle Versicherung, dass auf Hochdero Verwendung die noch rtlkständige Contribution der 1500 m Francs erlassen worden sey. Wir ermangelten also nicht für diese gnädigst- landesherrliche Verwendung namens der gesammten Bürgerschaft den unterthänigsten Dank zu erstatten.

Ein ganz vorzügliches Anliegen scheinet Sr. Hoheit die allmählige Tilgung der hiesigen, über alles Maas hinausgehenden Contributions- und Kriegs-Schulden und zwar auf eine den Contribuenten möglichst zu erleichternde Art zu sein. Höchstdieselben äuserte bey dieser Gelegenheit

Die Schuldenlast der Stadt Regenspurg belaufe sich auf eine Million Thaler und der Rentenbetrag auf 180 m fl. Höchst Sie hätten Sich in Betracht der dortigen Verhältnisse bewogen gefunden, vorläufig zu verordnen, dass die Hälfte dieser Renten jährlich zur Schuldentilgung verwendet werden sollte.

Ob nun durch eine gleiche Einrichtung oder auf welche schicklichere Weise der hiesigen Stadt unter die Arme gegriffen werden könne, werde sich allererst zu seiner Zeit nach reifer Prüfung unter Concurrenz der mitwirkenden Stellen beurtheilen lassen.

Da wir wahrzunehmen glaubten, dass Se Hoheit von dem Zwecke, den theils gemeinschaftlichen, theils individuellen Obliegenheiten und übrigen Verhältnissen Löbl. Bürgerlichen Collegien sowohl in Bezug auf das gesammte Stadt-Administrationswesen, als auch insbesondere in Absicht Eines Hoch Edlen Rathes nicht zureichend informirt seyen, so bemüheten wir uns, alle diese Gegenstände, so viel es die Kürze der Zeit litte, indem die Audienz nicht über eine halbe Stunde dauerte, mit möglichster Deutlichkeit auseinander zu sezen.

Bald nach 2 Uhr wurde an die Tafel gegangen, zu welcher wir gezogen zu werden, ich der Senior und Director Löbl. Bürger -Aus¬ schusses unmittelbar zur Rechten Se Hoheit, ich der Amt-Aelteste Löbl. Bürgerlichen Neuner-Collegii zur Linken und ich der Bürgerliche Con- sulent gegenüber zu sitzen die Gnade hatten.

Noch müssen wir bemerken : dass Se Hoheit während der Tafel die Frage an mich den Neuner Goullet thaten:

Ob hiesige Stadt noch mit keiner Brand- Assecurations-Casse ver¬ sehen sey?

Meine Antwort war: dass diese Anstalten schon mehrmalen in Proposition gestanden hätten, bis jezo aber noch nicht zu Stande ge¬ kommen seyen.

337

Es lasset sich also vermuthen, dass auch dieser Gegenstand hier¬ nächst in Deliberation werde gestehet werden.

Etwa um halb 4 Uhr wurde von der Tafel aufgestanden und nur noch weniges gesprochen. Wir fanden es also schicklich, Se Hoheit nicht länger aufzuhalten, sondern hiesige Stadt und Bürgerliche Collegia nochmals zu Höchsten Landesherrlichen Gnaden zu empfehlen und uns unterthänigst zu beurlauben.

Gegen halb 5 Uhr traten wir unsere Rückreise an und befanden uns noch den nehmlichen Abend vor 10 Uhr hier.

Von der uns wiederfahrenen huldvollen Aufnahme und der Aus¬ richtung des uns geschehenen verehrlichen Auftrages ermangeln wir nicht, Löbl. Bürgerlichen Collegien diesen unsern schuldigen Bericht zu er¬ statten mit der Bitte, solchen ad Acta zu nehmen.1

Frankfurt den 12. September 1806.

J., P. Fhr. v. Leonhard i.

J. F. Goullet.

G. A. Huth.

1 Aus den unter Nr. 4 und 21 abgedruckten Berichten der Vertreter der Bürgerlichen Kollegien geht hervor, dass der Fürst mit diesen Herren eigentlich viel eingehender über die städtischen Verhältnisse und insbesondere über die Finanzen gesprochen hat, als mit den Vertretern der städtischen Regierung. In den beiden Berichten tritt seine Bürgerfreundlichkeit, sein konstitutionelles Empfinden, welches eine Vertretung der Bürgerschaft als durchaus notwendiges Glied in der Staats¬ verfassung ansieht, stark hervor. Er hat diese Ansicht ja auch im Anfänge seiner Regierung, als er im Mai 1807 die Bürgerschaft zur Wahl von 28 Vertretern berief, praktisch bewährt; freilich nur auf kurze Zeit, denn in der grossherzoglichen Präfekten¬ verwaltung, die für Frankfurt am 1. Januar 1811 in Kraft trat, war für freigewählte Vertretungen der Bürgerschaft kein Platz mehr.

22

VII.

Das Testament des Frankfurter Grosskaufmanns Jakob Heller vom Jahre 1519.

Ein Beitrag

zur Charakteristik der bürgerlichen Vermögen und der bürgerlichen Kultur am Ausgange des Mittelalters.

Von

Oberlehrer DR- FRIEDRICH BOTHE.

6"

7)

Das 15. Jahrhundert ist nach der Ansicht Flamms1 eine Zeit des Niedergangs gewesen für die deutschen Städte. Und in der Tat scheinen die Zeugnisse aus manchen Städten eine solche Annahme zu stützen. So heisst es über Basel2 im Jahre 1429: Hand ouch betrachtet, das unser koufhus oede gewesen und bynahe zu einer schüren worden sie und soelichs durch die unsern zugangen ist, damitte daz sy gut zyt froemde merckte geuffnet und uebig ge¬ macht habent und daz gewerbe in unserm koufhus und in unser statt vast nidergeleit. Doch spricht diese Klage nicht von einem allgemeinen Zurückgehen von Handel und Wandel, sondern nur von einer Überflügelung des heimischen Marktes durch andere Handels¬ städte. Und wenn von dem Baseler Rate auf den finanziellen Zu¬ sammenbruch hingewiesen wird, den manche rheinische Stadt damals erlebt hatte, so darf man auch diese Äusserung nicht als Beleg für eine Rückbildung aller dortigen deutschen Städte ansehen. Lässt doch die Stelle3 eine Deutung zu, nach der ihr überhaupt keine Beweiskraft für einen Rückgang der Städte innewohnt. Man wird sie so auffassen müssen: Die Stadt Basel habe durch die Kriege grosse Kosten gehabt; daher müsse man sich beizeiten nach Deckungs¬ mitteln umsehen, damit nicht dem Stadtsäckel alles zugemutet werde; sonst könnte geschehen, was vielfach bei »ehrbaren« Städten am Rhein wegen nicht rechtzeitiger Steuererhebung eingetreten sei, nämlich dass die Stadtkasse den Verpflichtungen nicht nachkommen

1 Der wirtschaftliche Niedergang Freiburgs i. Br. und die Lage des städti¬ schen Grundeigentums im 14. u. 15. Jahrhundert. Volkswirtschaftliche Abhand¬ lungen der badischen Hochschulen VIII. Ergänzungsband III. 1905. S. 36.

2 Schönberg, Finanzverhältnisse der Stadt Basel. 1879. S. 147.

3 Schönberg a. a. O. S. 146. Als uch . . . geoffenbaret ist solicher kost, der denn gemeiner statt Basel von etlicher kriegen wegen ist zugefallen und das ouch notdürftig ist by zite zu gedenckende, wie soeliche mit dem minsten uffsatz versehen werde, umb das nit schade uf schade wachsen und die statt so swerlich bekumbert werden moechte, das ir ze leste nit beschehe, als wir hoerent sagen, daz leider gar erbern stetten uf dem Rin beschehen sie, die yecz weder gehalten noch geben moegent, das sy denn verbriefet und gelopt hand ze gebende.

342

konnte. Bekanntlich waren im Ärar der Städte in früheren Jahr¬ hunderten nur selten Überschüsse vorhanden.

Man kann im Gegenteil behaupten, dass die Handelstätigkeit in manchen westdeutschen Städten gerade im 15. Jahrhundert grosse Fortschritte gemacht hat. Und demzufolge wuchs der Wohlstand bei einem ziemlich bedeutenden Teile der Einwohnerschaft. Aus der Abnahme der Bevölkerungsziffer darf nicht immer gleich auf einen Rückgang der wirtschaftlichen Lage geschlossen werden. Viel¬ mehr können dabei noch andere Umstände mitgesprochen haben. So kann die strengere Durchführung der Zunftabschliessung schuld daran sein, so das im 15. Jahrhundert üblich gewordene Verbot der Niederlassung von Nichtbürgern in der Stadt, um Konflikte mit den erstarkten Fürstengewalten zu verhüten. Auch die Zusammenlegung von mehreren Häusern braucht nicht als Zeichen des Rückschritts gedeutet zu werden.1 Vielmehr spricht jener Vorgang dafür, dass manche reiche Bürger sich an den bisherigen Wohnungen nicht genügen Hessen, sondern mehrere Häuschen niederrissen, um sich an deren Statt ein herrliches Wohnhaus zu errichten. Ähnlich war dies auch in Frankfurt a. M. der Fall am Ausgange des 15. Jahr¬ hunderts, z. B. bei dem Bau von Gross-Stalburg. Die Bezeichnung von vielen Häusern als öde2 3 * ist m. E. nicht so aufzufassen, dass alle diese Wohnstätten wüst gewesen wären. Es waren z. T. Höfe, die nur zur Zeit der Bestellung der Äcker bewohnt waren und zur Erntezeit. Gar viele Häuser in Messstädten waren auch eigens für die Messen da; sie gehörten reicheren Bürgern, die über mehrere Häuser verfügten, und wurden lediglich an Messfremde vermietet zum Unterbringen ihrer Waren und zum Wohnen. Sonst standen sie leer.

Wenn aber doch eine Abnahme der Bevölkerung als Beweis für den wirtschaftlichen Rückgang aufgefasst werden soll, so ist z. B. für Konstanz von Nuglisch5 nachgewiesen, dass eine Verringerung der Einwohnerzahl für die ersten 6 Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts dort nicht vorhanden gewesen ist. Erst später setzte dieselbe ein, während wiederum andere Städte, wie Augsburg, gerade damals erst, zu Ende des Mittelalters, einen grossen Aufschwung nahmen. Man müsste

1 Flamm a. a. O. S. 142.

2 Flamm a. a. O. S. 140/1.

3 Die Entwicklung des Reichtums in Konstanz von 1388 1550. Jahrbücher

für Nationalökonomie und Statistik. III. F. 32. Bd. 1906. S. 371.

343

sich übrigens sehr wundern, wenn in einer Zeit der Verarmung und Verödung der Städte ein Aeneas Sylvius seine begeisterten Preis¬ lieder auf die Pracht und den Reichtum geschrieben haben sollte, die er in den deutschen Städten gesehen zu haben behauptet.1 Er, der sonst so gerne über die Rauheit und Roheit des deutschen Volks spottet,2 würde gewiss nicht von Nürnberg sprechen als von einer urbs nobilis magnificis operibus publicis ac privatis ornata, die erfüllt sei von arbeitsamen Bewohnern : omnes enim aut opifices sunt aut negociatores : hinc multae illis divitiae et magnum in Germania nomen.3 Und wie rühmt er gerade Basel! Er sagt: civium aedes partibus suis mirifice distinctae, politae adeo ac delicatae, ut ne Florentinae quidem magis. Candore omnes enitent, pictae plerumque hortos et fontes et areas singulae domus habent.4

Dass jenes Jahrhundert aber für Frankfurt a. M. keine Zeit des Niedergangs auf allen Gebieten des wirtschaftlichen Lebens gewesen ist, bedarf kaum noch des Beweises. Freilich hatte dort die Be¬ völkerungsziffer abgenommen; das Wollenweberhandwerk hatte seine höchste Blüte hinter sich,5 und die Landwirtschaft litt schwer, weil die Landesprodukte sehr niedrig im Preise standen und die Arbeit nicht lohnten. Kostete doch z. B. 1463 das Achtel Korn nur 8 ß, um die Wende des Mittelalters zur Neuzeit auch nur 12 ß oder V2 fl. Die Folge war gewesen, dass ein Teil der Bürgerschaft immer tiefer in Schulden geriet. Besonders hat die Geistlichkeit damals eine grosse Menge von Bürgern zu Schuldnern gehabt. Der ewige Zins lastete schwer, und mancher Arme hat, wenn sein Häuschen baufällig wurde, lieber sein Besitztum im Stich gelassen und ist auf und davon gegangen, als dass er noch Geld in ein Gebäude steckte, das ja doch zumeist dem Klerus gehörte.6 Das ist der andere der

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1 Schm oller, Zur Geschichte der nationalökonomischen Ansichten in Deutschland während der Reformationsperiode. Zeitschrift für die gesamte Staats¬ wissenschaft. 1860. Bd. XVI. S. 464/5.

* Voigt, Enea Silvio de Piccolomini als Papst Pius II. und sein Zeitalter. 1856. I, 157.

3 Aeneae Sylvii Piccolominei Senensis . . . opera. Basileae. (1551.) S. 436.

Scriptores rerum Basiliensium minores. Vol. I. 1752. Aeneae Sylvii Basileae descriptio. S. 367.

5 Fromm, Frankfurts Textilindustrie im Mittelalter. Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. N. F. Bd. 26. 1899. S. 63.

6 Bothe, Die Entwickelung der direkten Besteuerung in der Reichsstadt Frankfurt bis zur Revolution 1612— 14. Staats- u. sozialwissenschaftliche Forschungen XXVI, 2. Duncker und Humblot, Leipzig 1906. S. 121, 122 Anm. 6, 150 Anm. 1.

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Gründe dafür, dass gegen Ende des Jahrhunderts über 300 Häuser und Höfe in Frankfurt unbewohnt und »wüst« gewesen sind.'

Aber dennoch kann man von einem Rückgang des gesamten Wirtschaftslebens nicht sprechen. Im Gegenteil haben damals manche Bevölkerungskreise offenbar eine gesunde Fortentwickelung durch¬ gemacht. Der Rat hat denn auch sehr oft mit den regelmässigen Einnahmen den Stadthaushalt bestreiten können, ohne zu einer direkten Besteuerung der Bürger greifen zu müssen. Vor 1462 sind 30 Jahre lang keine direkten Steuern erhoben worden. Und doch hatte die Cronberger Niederlage ungeheuere Kosten verursacht,1 2 und die vielen Fehden des 15. Jahrhunderts verschlangen grosse Geld¬ summen. Vor allem hat sich die Handelstätigkeit in jener Zeit sehr gehoben,3 sowohl der Messhandel Fremder wie der Eigenhandel Frankfurter Grosskaufleute.4 * Die Zahl letzterer ist wohl nicht sehr gross gewesen. Aber es sind doch schon bisher eine Reihe von Angehörigen der Gesellschaften Laderam, Frauenstein und Limpurg bekannt, die einen regen Handel nach Venedig betrieben haben. Der deutschvenetianische Handel hatte trotz aller Hindernisse immer grösseren Umfang erlangt.3 Es waren grosse Kapitalien, die in das Geschäft gesteckt wurden, und imposante Vermögen hat das damalige Frankfurt in seinen Mauern geschützt.6 Denn nicht etwa hatten die Grosshändler ihr ganzes Hab und Gut auf das risikoreiche Unter¬ nehmen verwandt, vielmehr war ein grosser Teil des Besitzes in Frankfurt untergebracht. Dafür liegen genug Beweise vor in den

1 Bot he a. a. O. S. 118 u. * 150. Flamm a. a. O. S. 140. Ugb A 82 Nr. 5; Ugb A 93 Ee, Vorsatzblatt und fol. 2b; Ugb A. 93 Nr. 5.

2 Kriegk, Frankfurter Bürgerzwiste und Zustände im Mittelalter. I, 457.

3 Nuglisch, Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit deutscher Städte im Mittelalter. Zeitschrift für Sozialwissenschaft. IX. >1906. S. 490 ff.

Freilich ist bemerkenswert, dass der Handel mit Elsässer Weinen zurück¬ gegangen ist. Quellen zur Frankfurter Geschichte I, 164: Rorbach.

s Simonsfeld, Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig und die deutsch- venetianischen Handelsbeziehungen. 1887. II, 37; 45. 1418 müssen besonders Basel, Strassburg, Worms, Speyer, Cöln, Mainz, Frankfurt, Windsheim am venetianischen Handel interessiert gewesen sein. Reichstagsakten VIII. S. 370 Nr. 249. Ugb A 66 Nr. 47 : i486 wird nach Venedig an die deutschen Kaufleute geschrieben, dass in der Frankfurter Messe nach Ausläuten derselben aller Handel aufhören solle. Peter Ugelheimer verkündet dies »in eyn offenen Tutschen husz, auch anderszwo, damit sich eyn yeder kaufman vnd mithendeler, die dan die messen vnd merckt zu besuchen vnd gebruchen inne meynung sin«, danach richten könne.

6 Bothe a. a. O. S. 157 Anm. 2. Bücher, Die Bevölkerung von Frank¬ furt a. M. im 14. u. 15. Jahrhundert. 1886. S. 245 ff. u. X.

345

Inventaren und Testamenten. Ich werde davon in nächster Zeit mehrere veröffentlichen. Hier soll nur das Testament1 eines jener Grosshändler besprochen werden, das Jakob Hellers, der 1522 das Zeitliche gesegnet hat.

Schon 1495 war er wie sein Vater Bechtolt -unter den Höchst¬ besteuerten, wobei freilich die damalige Maximalgrenze des steuer¬ pflichtigen Vermögens, 10 000 fl., nicht erkennen lässt, wie hoch sich der Wert von seinem Hab und Gut eigentlich belaufen hat. Aber Heller war nicht etwa ein ganz ausserge wohnlich begüterter Bürger. Es hat viel reichere gegeben, und zwar in den Reihen der »Ge¬ schlechter«.2 Wie stark übrigens das Patriziat unter den Reichsten vertreten gewesen ist, geht aus einem Vergleiche der mit der Höchst¬ steuer Belegten vom Jahre 1495 3 mit den Mitgliedern der »Gesell¬ schaften« vom Jahre 1504 hervor.4 Es zeigt diese Aufstellung auch unzweifelhaft, dass die »Geschlechter« ein starkes Kontingent zum Grosshandel gestellt haben. Unter ihnen war damals der Erwerbs¬ trieb besonders entwickelungsfähig, da sie durch ihre Reisen häufig in Berührung mit Italien kamen und dort die Einträglichkeit des Handelsgeschäfts kennen lernten.5

Wie hoch müssen diese Reichsten über der Menge der Bürger gestanden haben ! Wie gross war der Abstand zwischen diesen vor¬ nehmen, prachtliebenden Herren und den armseligen Proletariern, von denen Frankfurt stets eine ziemliche Anzahl besessen hat!6 Die Stadt war damals nicht volkreich: nur 9 10000 Seelen betrug die gesamte Einwohnerschaft. Davon mussten uns die Steuerlisten überzeugen, dafür sprechen auch andere Aufzeichnungen aus jenen Jahren.7 Der Umstand, dass viele Ehen sich finden, denen weit über 10 Kinder entsprungen waren, besagt nichts dagegen: von den vielen

1 S. u. Beil. Nr. 2.

2 Bothe a. a. O. S. 157, Anm. 2. Quellen zur Frankfurter Geschichte I, 164: Johann Rorbach hatte allein für 7310 fl. Leibgedinggülten (Leibrenten) gekauft.

1 Bothe a. a. O. S. 157, Anm. 1.

4 S. u. Beil. Nr. 1. Ich habe die, welche nachweislich Handel trieben, mit *, die, welche 1495 die Höchststeuer zahlten, mit f bezeichnet. Freilich waren inzwischen manche der damaligen Steuerzahler verstorben, sodass letztere Ver¬ merke nicht vollständig sind.

5 Häpke, Zur Entstehung der grossen bürgerlichen Vermögen im Mittel- alter. Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im deutschen Reich. N. F. 29. 1905. S. 269.

6 Bothe a. a. O. S. 150fr., S. 106/7, Beil. Nr. 7.

7 Bücher a. a. O. S. 177fr., Wahlhandlungen V, fol. 84a. 1505.

346

Kindern überlebten meist kaum 1—2 die Eltern.1 Und die vielen Knechte und Mägde, die man in manchen Patrizierhäusern nachweisen kann, darf man nicht zur Norm machen. Auch waren sie meistens unter den Bedezahlern mitverzeichnet, da sie mehr als 10 fl. besassen. Wegen dieser geringen Kopfzahl der Bürgerschaft werden sich die reichen patrizischen Kaufleute um so mehr aus der übrigen, in Ein¬ fachheit und Dunkel dahinlebenden Bevölkerung herausgehoben haben.

Das Eigentum Jakob Hellers in seinem wahren Werte zu erfassen, bietet sich uns eine gute Handhabe dar. Von Jakobs Vater Bechtolt besitzen wir für einige Jahre seine gesamte bedepflichtige Habe verzeichnet,2 3 * sodass sich uns ein genauer Einblick in sein Ver¬ mögen eröffnet. Seine liegende wie seine fahrende Habe ist in ein¬ zelnen Posten aufgeführt. Man muss staunen über den gewaltigen Besitz an Liegenschaften. Waren doch 1482 nicht weniger als 420 Morgen Ackerland sein eigen; daneben 45 Morgen Wiesen und 13 Morgen Weingarten, ferner mehrere Gärten. Sodann besass er viele Häuser und Höfe. A11 Vieh wies sein Haushalt nicht weniger als 560 Schafe, 35 Schweine und Ferkel, 9 Kühe und Kälber, 6 Pferde, 2 Gänse und einen Kapaun auf. Für 300 fl. Wein, für 200 fl. Bau- und Brennholz und für 50 fl. Heu und Stroh hat Bechtolt versteuert. Es war somit einesteils sein Besitz an landwirtschaftlichem Gute sehr bedeutend, andernteils war überhaupt viel Geld in Gebrauchs¬ gegenständen angelegt, die über kurz oder lang zur Verwertung kommen sollten. Es ist hier am Platze darauf hinzuweisen, dass das von Bechtolt versteuerte Vermögen nur den direkt nutzbringenden, ertraggebenden Besitz umfasste, dass demnach der Wert der Liegen¬ schaften nicht völlig zur Berechnung gekommen zu sein braucht. Vielmehr wurde der Kapitalwert aus dem Reinerträge berechnet. Für die von mir aufgestellte Behauptung über die Geltung dieses Steuerprinzips5 kann ich jetzt einen sicheren Beweis erbringen. Im

1 Bücher a. a. O. S. 46.

2 Bothe a. a. O. S. *70/71. Bücher, Zwei mittelalterliche Steuerordnungen. Kleinere Beiträge zur Geschichte. Festschrift zum deutschen Historikertage in Leipzig. Ostern 1894. S. 159.

3 Bothe a. a. O. S. 63. Vgl. Luther Werke, Erlanger Ausg. 56, S. 12 über seine Türkenschatzung von 1542: von seinem Hause Bruno, das er für 400 fl. erkauft hatte, brauchte er nach seiner Meinung keine Schatzung zu geben, »weil ichs nichts geniesse und eitel Schuld ist.« Den Garten will er für 500 fl., die Hule

für 90 fl., ein kleines Gärtchen für 20 fl. verschätzen. Vgl. ibid. 56, S. 2: das

Gütlein Zeilsdorf, das Haus Bruno. Ibid. 65, S. 233: die Hüten.

347

Bedebuch der Niederstadt von 1509 ist hinten ein Zettel eingeklebt, auf dem Eberharts von Heussenstamm Frankfurter Besitz verzeichnet ist. Die Übersicht lautet:

Disz sint die zinsz vnd gult myn Eberhardt von Huszestam, die ich vf disen tagk zw Franckfurt hab, martini anno nono.

Item myn husz, hof, garten myt siner zugehor vf dem ros- margk, do geb ich alle iare III fl. zinsz vsz; dut mir nichts.

Item ein hof in der bockenheimer gassen, darin dry schüren; duit myr nichts, musz ich in bu halten.

Item in der selben bockenheymer gassen fünf gülden ledigs zinsz von einer schuer, zweyen zinszhuszlin vnd von einem deinen steigin.

Item in derselben bockenheymer gassen III gülden zinsz, Henritz Becker.

Item IIV2 fl. zinsz in der eschemer gassen, Jorg MargkdorfF.

Item III gülden zinsz vf dem frithof vf dem schuchhusz.

Item ein gülden zinsz in der fargassen.

Item IIIV2 fl. zinsz in der fargassen by dem grapboren.

Item XV ß zynsz von eym acker vor der fridburger (!) porten.

Item ein simern olengult.

Item ein hundert cappans.

Item vmb die dryszig gülden ein iar vsz dem husz fridburgk mit sinem zugehor.

Item der wingart zu Sassenhusen, kost mich huwer 1 acht gülden vnd VII ß ; hat mir ein fuder winsz geben.

Item VIII fl. vf stalle, Anna von Offenbach, sint verpfant Clas Stalburgern mit ander me gulten.

Item die gult vf dem salhof, ist verpfant Johann Brennern vor

IIIIc fl.

Item die myn wyse, hat myn bruder, vnd gibt iars zwen gülden vnd sex heller gult vnd schutzlon dovon, thut mir nichts.

Disz obgeschreben allesampt ist lipgeding, vszgenomen der salhof.

Item an der gult im salhof han ich zehen gülden vbergs, ist erblich.

Summa alles miteinander VID fl., bedt ein gülden vnd XVIII ß.

Die vielen Liegenschaften wurden demnach nur niedrig be¬ wertet, weil sie nach der Behauptung des Besitzers wenig einbrachten.

1 heuer.

34§

Diejenigen, die ihm »nichts tun«, die er »im Bau erhalten« musste, d. h. deren Unterhaltungskosten den Einnahmen gleichkamen, brauchten nicht versteuert zu werden. Aus einem geringen Reinerträge wurde also der Nettowert der Grundstücke zu niedrig berechnet. Wenn daher Bechtolt Heller den »Hof bei Allerheiligen« nur mit 14 h Steuer in Anschlag bringt, muss der angenommene Wert des Grundstücks nur 28 Gulden betragen haben, d. h. der Hof hatte nur 33 ß 6 h Ertrag gebracht. Somit ist zu vermuten, dass der liegende Besitz öfters nicht in seinem vollen Verkaufswerte zur Steuerleistung herangezogen worden ist. Viele Häuser der Patrizier standen, soweit sie nicht zu Messzwecken dienten, oft lange Zeit leer,1 besonders die vielen kleinen »Zinshäuslein«, die häufig hinter dem Hauptbau errichtet worden waren. Darum wird man froh gewesen sein, wenn man überhaupt Mieter bekam, und wird den Zins sehr niedrig gelegt haben.2

Deshalb wird man auch Bechtolt Hellers Besitz für grösser ansehen müssen, als die Steuersumme, 67 fl. zu halber Bede im Jahre 1482, auf den ersten Blick vermuten läßt. Wenn man einmal annimmt, dass das ganze Vermögen Fahrhabe gewesen wäre, würde er 9584 fl. besessen haben; wenn dagegen die ganze Habe aus Gülten (Wiederkaufs- und ewigen Gülten) bestanden hätte, würde er 28753 A- sein eigen genannt haben. Nun ist beides natürlich nicht der Fall gewesen. Von Gültenkapital hat er nur 7 Vs fl. gesteuert: leider ist nicht festzustellen, wie hoch es sich belaufen hat, da die ewigen, die Wiederkaufs- und Leibgedinggülten von ihm in einem Posten zu¬ sammengegriffen worden sind, während doch die letzteren nur halb soviel Steuern zahlten als die ersteren beiden. Man kann nur sagen, dass er zwischen 1620 und 3240 fl. Gültenkapital verkauft hatte. Andererseits hat sich das Bargeld und die diesem gleich besteuerte, berechenbare Fahrhabe höchstens auf 5— 6000 fl. belaufen. Aber von beweglichem Besitz wurden die Schafe und Kühe, Gänse und Kapaunen nach festen Sätzen veranschlagt, die schon im 14. Jahrhundert bestanden hatten. Nur die Schweine und Pferde wurden besteuert, »nachdem sie wert sin.«3 Somit ist wie bei dem Häuserbesitz, so auch bei den Haustieren zu wenig in Ansatz gebracht worden, wenn man den wahren Wert der Besitzstücke ins Auge fasst. Und noch mehr ist dies der

1 Bothe a. a. O. S. * 105, Beil. II, Nr. 6b.

2 Bot he a. a. O. S. 301. Anm. 2.

3 Freilich ist die Taxe niedrig genug gewesen: 6 Pferde sind mit 50 fl., 17 Schweine und 18 Ferkel mit 44 fl. angesetzt. Vgl. Bothe a. a. O. S. *180/1.

349

Fall gewesen bei dem Ackerlande und seinen Erzeugnissen. Von 14 Hufen Land hat Bechtolt nur i3A fl. gesteuert. Wenn man den Steuersatz für liegende Habe darauf in Anwendung bringt, findet man, dass die 420 Morgen Ackerland nur 756 fl. gleichgesetzt worden sind, sodass jeder Morgen noch nicht einmal auf 2 fl. veranschlagt worden ist. Und doch war am Ende des 15. Jahrhunderts der Preis eines Morgens Acker mindestens 5 fl.1, meist aber wesentlich höher.2 Manchmal wird ein Morgen damals auf 12 16 Gulden bewertet. Man sieht, das der Bodenbesitz einen weit höheren Wert repräsen¬ tiert hat, als die Steuerabgabe vermuten lässt. Da jeder Morgen gleich¬ hoch besteuert wurde, die Bonität aber ganz und gar nicht berück¬ sichtigt wurde,3 musste eine verhältnismässig niedrige Steuer erhoben werden, um die Besitzer geringerer, ertragarmer Bodenarten nicht zu schwer zu belasten. Auch für Wiesen und Weingärten bestanden feste Sätze, die, wenn sie auch wesentlich höher waren als die vom korntragenden Boden, doch noch unter der Steuer der sonstigen liegenden Habe blieben, zum mindesten bei den Weingärten. Denn diese galten damals 32—36 fl. pro Morgen, die Wiesen 16 fl. Und doch steuerten sie nur 15 alte Heller bei ganzer Bede, 20 Gulden Gültenkapital dagegen 20 alte Heller. Man sieht, dass der Landbesitz wesentlich bei der Besteuerung erleichtert war. Als Grund sind poli¬ tische Rücksichten anzunehmen; man wollte die Bodenbestellung begünstigen, da man der Bodenprodukte bedurfte, um die Stadt mit Vorräten zu füllen für etwaige Zeiten der Not. Darum Hess man die alten Sätze ruhig fortbestehen, trotzdem der Bodenwert gestiegen war. Man rüttelte überhaupt nicht gern an den einmal aufgesteliten Normen.

Somit ist der Besitz Bechtolt Hellers weit grösser gewesen, als man nach den Steuerabgaben vermuten konnte. Das Ackerland allein hat mindestens 2—3000 fl. gekostet, die 45 Morgen Wiesen etwa 700, die 13 Morgen Weingarten etwa 400 fl. Ohne dass man die zahlreichen Häuser, die vielen Schafe, Kühe, Kälber u. a. besonders behandelte Objekte in Betracht zieht, hat Bechtolt Heller an Bargeld und Fahrhabe, an Land und Gültenbesitz schon sicherlich über 10000 fl. besessen.

1 1498 verkaufen Jakob und Jorge Nuhusz viele Morgen für je 5 */« Gulden. Majorwährschaftsbücher 29, fol. 146 b, 147 a.

2 Bothe a. a. O. S. *188 ff.

5 In Haigerloch wurden die Äcker nach dem verschiedenen Ertrage ein- geschätzt, in Nürnberg die Wiesen. Bothe a. a. O. S. 33, Anm. 5. Heiden¬ hain, Städtische Vermögenssteuern im Mittelalter, Diss. Leipzig. 1906. S. 14.

350

Mit einem Teile seines Vermögens war er damals auch am Gross¬ handel beteiligt. Das besagen ja z. B. die Worte: Item M gl. han ich lygen heynder myn swager melger bluomen. Er war damals stiller Teilhaber bei der »Blumengesellschaft«, die einen lebhaften Handel nach Italien, und zwar nach Venedig, betrieb.1 Vor allem war es der Tuchhandel, mit dem sich Heller befasste. Schon sein Vater Jakob hatte diesem obgelegen; und der Grossvater, Bechtolt,2 3 hatte sich auch schon dem Handel zugewandt, obgleich er zunächst Schuh¬ macher gewesen war. Denn man muss mit Fichard5 annehmen, dass der Schuhmacher Bechtolt Heller von 1384 und der Krämer gleichen Namens von 1416 identisch sind. Übrigens war schon der »Schuch¬ wirt« Bechtolt ziemlich wohlhabend. Das Bedebuch der Niederstadt von 1389 fol. 4 besagt: Item bechtolt schuchwirt VIII V* Hb. 1 h, für die wissen frauwen XXXIII h, für die zu sant leonhart XV h. pag. iur. Item gele, sin geswie, mit yn inne, nichilhz. Er müsste demnach mindestens 510 Gulden besessen haben, wenn nämlich sein ganzes Vermögen mobiles Kapital gewesen wäre. Da dies nur zu einem geringen Teil der Fall gewesen sein kann, wird man sein Gut gewiss mit gutem Grunde auf etwa 1000 1200 Gulden schätzen dürfen. Das war aber für jene Zeit ein schöner Besitz. Wenn auch gar viele weit reicher waren, für einen Handwerker war es ein Ver¬ mögen, das ihn als einen Wohlhabenden kennzeichnet. 1392 war Bechtolt auch schon Ratsherr, eine Würde, zu der natürlich die Zunftgenossen am ehesten erhoben wurden, die in der Zunft ver¬ möge ihrer Lebensstellung eine Rolle spielten. Und dazu gehörte auch vor allem die wirtschaftliche Überlegenheit den Genossen gegenüber.

So konnte Jakob, der Sohn jenes Bechtolt, dessen Vermögen wir auf Grund seiner Bedeangabe von 1482 durchforschen können, auf 3 Generationen seiner Vorfahren zurückblicken, die dem Handel zugetane, wohlhabende Bürger gewesen waren. Im Laufe der Zeit war der Besitz ansehnlich gewachsen, sodass Jakob über ein impo¬ santes Vermögen verfügt haben muss, besonders da er der Erbe seiner Geschwister gewesen ist. Denn von den 19 Kindern4 Bechtolts, seines

1 Vgl. Bothe a. a. O. S. 157 Anm. 2. Simonsfeld a. a. O. II, 38, 68.

3 Bürgerbuch 1382: Berthold Heller von Felingin (Villingen in der Wetterau) fit civis.

3 Geschlechterregister, Fasz. Heller: aus den Bedelisten entnommen.

* Fichard, Fasz. Heller : ein Sohn war Canonicus, eine Tochter Nonne.

35i

Vaters, sind io schon jung gestorben. Die übrigen Söhne sind alle kinderlos geblieben, sodass mit Jakob, dessen Gemahlin Katharine von Melem 1518 ohne Leibeserben starb, das Geschlecht der Heller erlosch. Es ist wieder ein Beweis dafür, wie man aus der erstaun¬ lichen Fruchtbarkeit der Ehen im Mittelalter nicht den Schluss ziehen darf, dass eine sehr hohe Haushaltungsziffer der Durchschnittsfamilie angenommen werden müsse. Die Macht des Todes war eben noch grösser als die Zeugungskraft.1

Jakob hat selbst den Handel fortgesetzt; so hat er 1487 mit seinem Schwager Clas von Rückingen und mit Hans Heinrich von Oppenheim eine Kaufhandelsgesellschaft auf 6 Jahre geschlossen; und zwar hat er 3000 fl. eingelegt.2 3 1490 stand er mit Hans Steffan und Clas von Rückingen in Geschäftsverbindung: sie hatten eine Gesellschaft gebildet, die Tuchhandel und Gewandschnitt betrieb. Jakob selbst ist in Italien gewesen, wie es ja üblich war, dass sich die Kaufherren um ihre'Kontore in Venedig und Genua persönlich kümmerten.5 Die Familie Heller stand überhaupt zu Italien in engen Beziehungen. Wolf, Jakobs Bruder, war 1495 in Rom gewesen; er war magister artium und Canonicus. Auf der Rückreise wurde er zu Siena erschlagen.4 Sein anderer Bruder, Caspar, wurde 1502 zu Venedig in der Kirche S. Giovanni e Paolo bestattet.5 Ausserdem wird ein Johann Heller aus Frankfurt im Jahre 1500 als Consul der deutschen Kaufmannschaft im Fondaco zu Venedig genannt,6 im selben Jahre, wo Jakob in Italien weilte. Es kann dies nur Jakobs Oheim gewesen sein, der 1470 in Frankfurt Spitalmeister zum heiligen Geist gewesen ist.7 Auch noch damals und noch weit ins 16. Jahrhundert hinein hat ja der deutschvenetianische Handel in Blüte gestanden, trotz der Auffindung des Seeweges nach Ostindien. Italien blieb auch für Frankfurt noch längere Zeit das Land der Mode und des Geschmacks,8

1 Bücher, Bevölkerung, a. a. Ü. S. 46. Die Pest war 1502, 1507, 1519, 1520 in Frankfurt.

2 Kriegk, Deutsches Bürgertum im Mittelalter. N. F. S. 446. Die 3000 li. würden heute etwa 100 120000 Mk. entsprechen.

3 Vgl. die Horbachs: Quellen zur Frankfurter Geschichte I, 2$o. Blume: Simo n sfel d a. a. O. II, 68. Stalburg: ibid.11,68; Bronim : Kriegk a.a.O. N. F. 451.

4 Simonsfeld a. a. O. II. 68.

s Simonsfeld a. a. O. II, 68; 234.

6 Simonsfeld a. a. O. II, 207.

3 Fichard, Fasz. Heller.

8 Falke, Oberdeutschlands Handelsbeziehungen zu Südeuropa im Anfang des 16. Jahrhunderts. Zeitschrift für Kulturgeschichte. 1859. 4. Jahrg. S. 610 ff,

352

und die durch die Kriegszüge eingetretene zeitweise Unterbrechung1 der Handelsverbindungen hat den Beziehungen keinen nachhaltigen Abbruch getan. So ist auch zu vermuten, dass Jakob Heller in den letzten Jahrzehnten seines Lebens nicht ganz dem Handel entsagt hat. Wozu sollten denn auch sonst die 1000 ik gedient haben, die er bar in einem grossen und einem kleinen Säckel zur Verfügung hatte?2

Hs muss unter den genannten Umständen von Interesse sein, einen Hinblick in das Vermögen Jakob Hellers zu tun. Sein Testa¬ ment ist uns erhalten.3 Freilich ist nicht der ganze Besitzstand einzeln namhaft gemacht, aber das, was uns darüber mitgeteilt wird, ist hinreichend, dass wir uns eine Vorstellung von der reichen Habe und von ihrer Zusammensetzung machen können.

Von Häusern ist vor allem der Nürnberger Hof erwähnenswert, den Jakob selbst erkauft hatte.4 Er hat dafür im Jahre 1496 4250 Gul¬ den guter Frankfurter Währung gegeben, die er aber nicht sofort bar bezahlt hat. Denn in seinem Testamente sagt Jakob Heller, dass er 1502 2750 fl. bar entrichtet habe. Auf dem Hofe ruhten zur Zeit des Kaufs 92 fl. 18 ß Gülten = 1800 fl. Kapital. Sodann hat Jakob noch 940 fl. in dem Hause verbaut. Demnach muss man den Preis des Nürnberger Hofs bei Abfassung des Testaments auf 4250 -j- 1800 + 940 fl. veranschlagen, abgesehen von dem Wert¬ zuwachs in den Jahren 1496 bis 1519. Wie sich diese Baulichkeit in den letzten 100 Jahren entwickelt hatte und wie der Wert der Häuser infolge des Aufschwungs der Messen gestiegen war, kann man aus folgender Notiz abnehmen. Das Gebäude hiess früher der Glauburger Hof.5 Über die Bewertung dieses Besitztums zu Ende des 14. Jahrhunderts meldet das Bedebuch der Oberstadt vom Jahre 1389, fol. 64:

1 Simonsfeld a. a. O. II, 119; 122.

2 S. u. Beil. Nr. 3.

3 Cornill, Jakob Heller und Albrecht Dürer. Ein Beitrag zur Sitten- und Kunstgeschichte des alten Frankfurt a. M. um 1500. Neujahrsblätter des Frank¬ furter Altertumsvereins 1871. Es sind in dieser verdienstvollen Schrift des erst in diesem Jahre verstorbenen Verfassers auch einige Abschnitte des Hellerschen Testaments veröffentlicht und der religiöse Gehalt gewertet. Jedoch erschien es angebracht, das ganze Testament herauszugeben und namentlich die wirtschaft¬ lichen Aufklärungen, die es uns geben kann, zu betonen.

4 S. u. S. 396. In der Nähe des »Steinernen Hauses« der Melem.

5 Battonu, Örtliche Beschreibung der Stadt Frankfurt a. M. 1861 ff. III, 126. Dort Girbracht von Glauburg als Mitbesitzer genannt.

353 ~

Item Girbracht im glauburger hofe XIIV2 lb II sol. für sich vnd für sine wasen zu den wizsen frawen V sol V aide h für V guldin geldis lipgedingis, pagauit, jurauit.

Item Grede, Arnoldis dochtir.

Item von des hofis wegen Glauburg ingemeynschaft, vzgnomen waz iedermanne vor sich vnd sine gulde vnd habe geborit zudune, XXVIII sol III hll, vnd für paffingulde davone XXX sol VIII aide h, pagauit Girbracht.

Demnach wurde der Hof auf 252 Gulden geschätzt. Ausserdem ruhten auf ihm 278 Gulden Gültenkapital, sodass damals das Besitztum im ganzen 530 Gulden wert war. Man sieht, es ist ein grosser Unterschied in der Preislage: in den 130 Jahren von 1389 bis 1519 (resp. 1496) hatte sich der Gebäudewert sehr gehoben. Freilich muss man bedenken bei der Beurteilung der Summen, dass der Hof in¬ zwischen sehr vergrössert worden sein wird und dass die Kaufkraft des Geldes geringer geworden war.

Sonst sind noch der Hof Firnberg1 (!) und der Hof bei St. Peter2 im Testament namhaft gemacht. Nicht alle Häuser Bechtolts finden wir aber in Jakobs Besitz wieder. Die Viole3 hatte er 1510 für 300 fl. an den Rat verkauft, »hinden an Swarczenfels uff" dem orte neben Frauwenrade, da itzunt die under ratstobe steet, gegen dem gesess zu der Alten Wagen über und dem Frosche«.4 1514 und 1527 löste der Rat die noch auf dem Hause ruhenden Lasten für etwa 400 Gulden ab. Anstelle des alten Baus liess der Rat einen neuen errichten für eine »Liberei oder Bibliothec.« Als Heller hörte, dass das Haus »zu gemeyner Stadt notze« dienen sollte, hat er »usz milter bewegunge« 50 fl. an dem Kaufgelde nachgelassen.

Dass die liegenden Besitztümer nicht viel anders gewesen sein werden als zu Bechtolts Zeit, dafür spricht die relative Schwerfällig¬ keit des Besitzwechsels in jenen Tagen. Besonders werden die Wiederkaufgülten noch zum grössten Teil in der alten Form fort-

1 Battonn a. a. O. I, 261: Hellerhof. 1453 war der Hof Firnburg mit

13 Huben Land fiir 1475 fl. gekauft worden.

3 Botbe a. a. O. S. * 70.

3 Vgl. Bothe a. a. O. S. *70. 1482 hatte Bechtolt von diesem Hause

13 ß 3 h gesteuert. Demnach hatte er die Einkünfte aus dem Hause gleich 12 Gul¬ den, den Kapitalwert des Hauses, soweit es nicht mit Gülten belastet war, gleich 240 Gulden geschätzt.

4 Die Baudenkmäler in Frankfurt a. M., herausg. von Wolff und Jung Bd. II. 1898. S. 254.

23

354

bestanden haben. Denn nicht der Gläubiger, sondern nur der Schuldner hatte das Recht sie aufzukündigen. Übrigens sagt Jakob selbst in seinem Testamente, dass er von seinem Vater nur 500 fl. in bar und 500 fl. auf Erfurt (Wiederkaufsgülten) erhalten habe, alles andere in Erbgülten. Dazu kam natürlich noch der Grund- und Häuser¬ besitz. Dass auch Jakob noch grosse Komplexe korntragenden Ackers besessen haben muss, den er wohl meist verpachtet hatte, »um halb«, wie es damals üblich war, oder auf den er einen Land¬ siedel gesetzt hatte, soweit er ihn nicht selbst bewirtschaftete, lässt sich aus dem Vorhandensein von 1500 Achtel Korn1 auf seinen Scheuern vermuten, die er 1000 Gulden an Wert gleichsetzt, sodass 1 Achtel damals 16 ß gegolten haben muss. Wenn man bedenkt, dass in jener Zeit von einer Hufe Acker nur 7, 8 16 Achtel Korn als Pachtzins erlegt wurden,2 * so wird man auf ein grosses Areal schliessen müssen, selbst wenn man annimmt, dass unter den Korn¬ beständen vorjährige Ernteerträge mitenthalten waren. Ein Teil des Korns war ja im Interesse der Gemeinschaft aufgeschüttet. 5 Denn jeder, der 500 Gulden über Schulden »vermochte«, musste ausser dem Getreide, das er für seinen Jahresunterhalt gebrauchte, 5 Achtel »dem Rate« aufschütten, ebenso für jede folgenden 500 Gulden je 5 Achtel, bis zum Höchstvermögen von 10000 G. Je 100 Achtel sind also für den Unterhalt der Stadt in Zeiten der Not aufgespeichert gewesen von den Reichsten.4 Immerhin bleibt noch viel übrig, wenn man dieses Quantum von Jakob Hellers Vorräte abzieht. Und für seinen Haushalt wird er auch nicht alles gebraucht haben, was er auf den Speichern hatte. Im Inventar der Margarethe von Neuhaus, geh. Silberborner, vom Jahre 1509 heisst es: Summa des Einkommens 137 fl. 21 ß 8V2 h -f- 17V2 Achtel Korngülte; Summa des Zinses und der Gülte, die sie gibt: 108 fl. 2 ß; also Mehreinkommen 29 fl. 19 ß 8V2 h -f- 17V2 Achtel Korngülte. »Darzu die nutzberkeyt der vier hub lansz vnd der wingart zu seckbach vnd hy, die sie selbst buet; achten wir vngeferlich vber allen costen so vil winsz sy in irem husz notderftig sy, desziglichen auch so vil frucht vnd mer«. Wenn man von 1 Hufe 7 16 Achtel Pachtzins zahlte, muss sie etwa

1 Laut Testament von 1519. Bei seinem Tode, 1522, waren 1397 Achtel vorhanden.

2 Bot he a. a. O. S. XLI, Anm. r;. Inventar Dr. Johanns von Glauburg, 15 11.

? Bothe a. a. O. S. 56.

+ Bothe a. a. O. S. XXXVIII u. XLII.

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14—31 2 Achtel Korn Reinertrag gebracht haben, da die Pacht meist »um halb« ging oder der Pachtzins diesem Verhältnis etwa entsprach. Demnach haben die 4 Hufen höchstens 128 Achtel als Ernte ergeben. Wenn damit Margarethe Neuhaus, die doch zur Bestellung der Äcker und Weingärten ziemlich viel Knechte und Mägde gehabt haben muss, nach dem Urteil der abgeordneten Inventuraufnehmer auskam, so wird Jakob Heller nicht 1400 (1500 100) Achtel Getreide be¬ nötigt haben. Schon Bechtold hatte 1484 1400 Achtel auf den Korn¬ böden gehabt.' Man muss vermuten, dass die Heller ebenso wie die Holzhausen2 u. a. mit den Erträgen ihrer Acker auch Geschäfte gemacht haben.

An barem Gelde scheint Bechtolt wie Jakob Heller stets eine ziemliche Summe in Bereitschaft gehabt zu haben. Wenigstens weisen die Vermögensübersichten stets 1000 und mehr Gulden auf.3

Von besonderem Interesse muss für uns der reiche Schatz an Kleinodien und Geräten aus Edelmetall sein. Silber, ihm zuständig, war für 800 Gulden4 vorhanden, Kleinodien für 400 fl.; 5 letztere umfassten auch die Schmucksachen seiner verstorbenen Frau. Ausser¬ dem hat diese noch viel Perlen besessen, die alle zu einem Evangelien¬ rocke verwandt wurden für die Predigerherren ; sie wurden auf 40 fl.6 geschätzt. Glücklicherweise ist uns das Inventar Jakob Hellers auch erhalten, soweit es die zu Legaten ausgesetzten Silbergeräte, Kleinodien und das Bargeld betrifft.7 Da erfährt man denn, wie gross der Silber¬ schatz eines Patriziers der damaligen Zeit gewesen ist. Der Erwerb von silbernem Geschirr, besonders von silbernen Bechern wurde ja seitens des Rats gerne gesehen und gefördert. Denn jedem Mann und jeder Frau wurde ein silberner Becher steuerfrei gelassen. Die übrigen Silbergeräte wurden nur mit 5V2 Gulden für die feine Mark Silber in Ansatz gebracht, wenn sie im Hause benutzt wurden,

1 Bücher, Steuerordnungen a. a. O. S. 161.

2 Bothe a. a. O. S. XXXVIII.

3 Bothe a. a. O. S. *70. Testament 1519: 1000 fl.; Inventar 1522: 1000 fl. in einem Beutel; ausserdem noch viel anderes Geld, so 365 fl. in Gold, ferner Kronen, Nobel u. s. w.

4 5600 Goldmark = ca. 28oooMk. heutiger Kaufkraft. Bechtold hat 1482 schon 510 Gulden an Silbergeschirr versteuert.

s = 2800 Goldmark = ca. 14000 Mk. heutiger Kaufkraft.

6 280 Goldmark = ca. 1400 Mk. heutiger Kaufkraft.

7 S. u. Beil. No. 3.

23

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während sie verbedet werden sollten, »alsz sye wert sint«, wenn sie zu Verkauf standen.1 Der Grund für die Steuerbefreiung und Steuer¬ erleichterung war politischer Natur. In ernsten Zeiten war es von grossem Vorteil, wenn die Stadtkasse eine Anleihe bei den Bürgern machen konnte, um die durch Kriegsrüstungen, z. B. durch Errichtung von Schutzbauten und das Anwerben von Reisigen entstehenden Kosten zu bestreiten. Das Silbergeschirr wanderte dann zu einem guten Teil in die Münze. Grosse Barbestände hatte ja die Stadt nie im Ärar. Aber durch diese privaten Silberschätze, die in den Tagen der Not der Gesamtheit dienstbar gemacht wurden, hatte der Rat eine Art Kriegsschatz, einen mittelalterlichen Juliusturm. Die Last, die durch das Brachliegen der grossen Kapitalien erwuchs, ruhte dabei nicht auf den Schultern der ganzen Bürgerschaft, sondern war ent¬ sprechend der Grösse der Vermögen verteilt auf die Wohlhabenden. Um zum Erwerb solcher unfruchtbaren Besitzstücke in weiteren Kreisen anzuregen, liess der Rat für jeden Mann und jede Frau jenen Silber¬ becher steuerfrei, wenn sie ihn in ihrem Besitz hatten.2

Die Beschreibung, welche uns im Inventar von manchen der Silbergeräte gegeben wird, lässt herrliche Stücke als Jakobs Eigentum erscheinen. Ebenso waren prächtige, kostbare Ringe in grosser Zahl in seinem Nachlass, die mit herrlichen Edelsteinen geschmückt waren; namentlich Rubinen und Diamanten waren reichlich vorhanden. Jene Zeit liebte es ja die Finger mit Schmuck zu überladen. Man braucht deshalb nicht anzunehmen, dass die vielen Ringe und sonstigen Kost¬ barkeiten auch Handelsgegenstände gewesen seien. Es war eine Lieb¬ haberei, der reichen Kaufherren insbesondere, über einen reichen Tresor an solchen Schmuckstücken zu verfügen. Sie verwandte man insbesondere gern zu Vermächtnissen an liebe Verwandte und gute Freunde.3 Unterstützt wurde auch diese Vorliebe für Kleinodien durch den Rat, dessen Mehrheit und dessen Wortführer ja gerade den Kreisen angehörten, die am meisten Interesse an dem Schmucke

1 Bothe a. a. O. S. * 29.

2 Bothe a. a. O. S. 37 und passim in den Bedeordnungen, Beil. I.

3 Daniel Bromms Testament, 1501: Seiner »Tochter« (Stiefschwiegertochter) Margarethe Stalburg »minen besten rowyn«, Hans Bromms, seines Bruders, Haus¬ frau »den andern besten rowyn darnach«, seiner Schwägerin Agnes, Jacob Kühorns Hausfrau, »die grosz perle, die im ring stehet«, Jacob Kühorn, Kanzler, »minen besten dorkesz«, Siegfried Knobloch »den besten dorkesz darnach«, Siegfrieds Haus¬ frau »den ander besten rowyn darnach und das perlecrutz mit etlich rowyn und dymant«, Claus Stalburg, seinem Stiefsohne, »den besten Sophier«.

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hatten. So wurden alle Kleinode, die man »für seinen Leib« besass, im Mittelalter steuerfrei gelassen.1 Bei den im Verzeichnis aufge¬ zeichneten Kleinodien und Silbergeräten hatte es aber noch nicht sein Bewenden. Vielmehr hat Jakob noch manches besonders edle Stück seinen Verwandten und Freunden vermacht. So fiel z. B. das »vergült Trasenyfasz2 3 mit aicht Schilden« und »eyn vergulten düppel kop«,5 den er sein Lebtage gebraucht hatte, auf Wunsch von Jakobs Mutter an seine Schwester und deren Erben mit der Bestimmung, dass sie niemals verkauft, veräussert oder gebrochen werden dürften, sondern »von eynem vf den andern sterben, werden vnnd gefallen« sollten. Ferner ist sein goldner Ring, den er »täglich getragen hat«, »darin gestogen ist f Rex f Jasper f melheor f baltasar f«, nach Köln gebracht worden und dort »den helgen 3 Köngen«, Jacobs »besondern patron«, geopfert worden.4 Diese drei Heiligen wurden von den Grosskaufleuten gerne als Schutzpatrone gewählt. Waren sie doch die weitgereisten Könige des Orients, die die köstlichen Erzeug¬ nisse der fernen Länder brachten. So hat denn auch ein Claus Stal¬ burg die Anbetung der drei Magier im Karmeliterkloster malen lassen/ wo auf der linken Seite des Bildes die Karawrane zu sehen ist, wie solche sonst die herrlichen Produkte des Orients für die Grosshändler heranführte.

Wenn man auch nicht ziffernmässig das Vermögen Jakob Hellers berechnen kann, wird man doch aus den Angaben des Testaments mit Sicherheit den Schluss ziehen können, dass wir es mit einem grossen Besitze zu tun haben. Schon die Steuerdeklaration Bechtolt Hellers musste uns das Urteil abnötigen, dass jener ein recht reicher Mann gewesen sei, wenn auch freilich nicht der reichste Frankfurter seiner Zeit.6 Man wird nicht zu hoch greifen, wenn man sein Hab

1 Bothe a. a. O. S. * 26.

2 S. u. S. 400.

3 = Becher.

Auch in der Kirche zu den heiligen 3 Königen zu Sachsenhausen befand sich der Heller und Blume Wappen mit der Jahreszahl 1499. Es ist also sicher von Bechtolt und seiner Frau. Ebenso zu S. Bartholomaeus.

s Donner v. Richter, Jerg Ratgeb, Maler von Schwäbisch Gmünd, seine Wandmalereien im Karmeliterkloster zu Frankfurt a. M. und sein Altarwerk in der Stiftskirche zu Herrenberg. 1892. Passavant, Die Anbetung der Könige, Wand¬ malerei in dem Kreuzgang des ehemaligen Carmeliterklosters zu Frankfurt a. M. Archiv für Frankfurts Geschichte u. Kunst. Bd. 8, 1858.

6 A. Schulte: Wer war um 1430 der reichste Bürger in Schwaben und in der Schweiz? Deutsche Geschichtsblätter I. 1900. S. 208.

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und Gut auf 15000 fl. anschlägt, ln der Zwischenzeit hatte aber Jakob viel hinzuerworben. Besonders der Handel wird ihm grossen Gewinn eingetragen haben. Auch hat ihm seine Frau nicht weniger als 7570 fl. in die Ehe gebracht, die durch Handel erworben waren. Denn die Melem hatten ebenfalls eine Handelsgesellschaft.1 Johann von Melem, der Schwiegervater Jakob Hellers, hatte 1464 das »Steinerne Haus« erbaut,2 eine Zierde der Stadt, wie denn überhaupt im 14. u. 15. Jahrhundert in Frankfurt schöne, stattliche Bauten entstanden sind, die zumeist von Grosskaufleuten aufgeführt wurden.3 Sie mögen zur Anlage solcher burgähnlichen Gebäude durch italienische Vorbilder veranlasst worden sein.4 Von dem Heiratsgute waren Jakob 3000 fl. im Testamente seiner Frau vermacht worden.

Zunächst steht demnach fest, dass Jakob Heller zu Lebzeiten seiner Frau über mehr als 20000 fl. verfügt haben muss, die 140000 Goldmark entsprechen und sicherlich heute mindestens 700 000 M. gleichkommen würden. Und doch hat er nur 10000 fl. zu versteuern brauchen, wenigstens seit 1495. Es ist also richtig, wenn ich an der Festsetzung jenes steuerpflichtigen Maximalvermögens Anstoss ge¬ nommen habe.5

Jakobs Einnahmen müssen sich sehr hoch belaufen haben. Aus drei Quellen schöpften Heller und Seinesgleichen. Zunächst wurzelte er noch tief in der Landwirtschaft. Von seinem reichen, auf viele Hunderte von Morgen sich belaufenden Grundbesitz wird er eine ziemlich bedeutende Einnahme gehabt haben, wenn auch keine Rede davon sein kann, dass in damaliger Zeit der Acker sich mindestens mit 5—6% verzinst habe.6 Heiden hain meint, da damals bei Gültenverkäufen ein Rentenfuss von 5% üblich gewesen sei, müsse das Land mehr Reinertrag geliefert haben. War denn aber das Gültenkapital dem ganzen Werte der Besitzung gleich? Blieb nicht

1 S. u. S. 395. Bothe a. a. O. S. 66.

2 Die Baudenkmäler in Frankfurt a. M. 5. Lieferung, her. von Jung und Hülsen, S. 41.

? Quellen zur Frankfurter Geschichte I, 164: ... also man sagt, so sint die meisten grosten und köstlichsten huse, also Brunenfelsch, das Paradisz und ander mirglich husunge, von dem obgenanten handel und gewerbe der Eisesser gebuhet worden.

4 Auch der »Römer« und »Laderam« sind möglicherweise für italienische Händler erbaut, was ihnen die Namen eintrug, nach Rom und dem Lateran. Die Baudenkmäler in Frankfurt a. M. 1898. Bd. II, S. 138.

5 Bothe a. a. O. S. 70.

6 Heidenhain a. a. O. S. 32.

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ein Teil der Liegenschaft als freies Eigen übrig? Konnte nicht die Rente von diesem miterarbeitet werden? Der Rentenfuss war ja gleich hoch, mochte das Objekt, auf das die Gülte verkauft war, ein Haus, ein Acker, eine Wiese, ein Weinberg sein. Man müsste mit Heidenhain schliessen, dass auch die Häuser stets mindestens 5 6% Reingewinn gebracht hätten. Und doch standen häufig viele Häuser leer, weil es an Mietern mangelte. Beim Boden kann man aber aus der Höhe des Pachtzinses die durchschnittliche Rentabilität feststellen.1 Im Jahre 1516 galten 32 Achtel Korn für 2 Hufen Land als eine zu hohe Pacht. Es sollte »durch fruntschaft« etwas »nachgelassen« werden. Und das muss sogar recht guter Boden gewesen sein; denn selbst 24 Achtel wurden für 3 Hufen noch für eine zu strenge Pacht¬ forderung gehalten, darum wurde vom Pächter der Vertrag auf¬ gekündigt. Die Hufe wurde dann für 7 Achtel verpachtet. Demnach waren die Pachtzinse, die hier in Frage kommen, 7, 8 und 16 Achtel Korn für die ganze Hufe. Im Inventar Dr. Johanns von Glauburg ( 1 5 1 1) kommen einigemal Hufen mit 8 Achteln, aber auch einmal 4 Huben minus 1 Morgen mit nur 20 Achteln Pacht vor. Noch im Jahre 1587 wurde 1 Hufe Acker für 8 Achtel verpachtet.2 Freilich lag damals der Kornpreis schon höher. Um 1500 aber galt das Achtel etwa 72 fl.3 Da aber gewöhnlich, wenn kein bestimmter Zins fest¬ gestellt wurde, die Äcker zum Halbteil verpachtet wurden,4 demnach der sonstige Pachtsatz nicht viel vom durchschnittlichen halben Rein¬ erträge verschieden gewesen sein wird, so wäre der ganze etwa auf 6, 7, 8 und 16 Gulden anzusetzen, wenn man obige Pachtabgaben unter diesem Gesichtspunkte betrachtet. Wenn man dieselben nun als 5% des Bodenwerts ansieht, muss man die Hufe mit 120, 140, 160 und 320 Gulden anschlagen. Entsprechen die damals üblichen Boden¬ preise dieser Annahme? In der Tat kommen niedrige Preise von 4—6 Gulden für den Morgen vor. 1502 verkaufte Jorge von Martorff anClas von Rückingen 7i3/4Morgen SRuten arhaftigen Ackers imKnob-

1 Bothe a. a. O. S. XLI. Anm. 13.

2 Akten Claus Bromms: 2V2 Hufen für 20 Achtel. Dabei wurden dem

Pächter 4 5 Achtel zum Säen vorgestreckt und 20 Gulden bar, die jener im

Herbst mit Fahren und sonst abverdienen sollte. Auch 2 Fuder Stroh wurden ihm geliehen, die er im Herbst mit Stroh wiederbezahlen sollte. Der Pächter verpflichtete sich jährlich 2 Morgen zu düngen.

3 Bothe a. a. O. S. *175.

4 Bothe a. a. O. S. XLI, Anm. 13 u. S. *28. Auch Claus Stalburgs »gut

zu Breungesheim« ist »umbs halbtheil verlainet« gewesen: Inventar 1524.

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lauchs-, Rieder- und Galgenfelde für 312 fl. 2 ß guter Frankfurter Währung, den Morgen für 4 fl. 3 ß 3 h.1 Und 1498 veräusserten Jacob und Jorge Nuhusz viele Morgen Acker für 5V4 Gulden,2 ebenso Wolf Blume an Clas von Rückingen. Andererseits kommen aber Verkäufe vor, wo der Morgen Acker io2/s,5 12V2 oder 16 Gulden gekostet hat, z. B. 1476.4 1525 galt er sogar 24 Gulden, obgleich

noch 2 ß Zins darauf lagen.4 Demnach würde sich der Preis einer Hufe Acker auf 130V2, 144, 157V2, 320, 375, 480, 721 1/2 Gulden ge¬ stellt haben. Das sind aber Summen, die von den oben verrechneten wesentlich abweichen, wenn man bedenkt, dass dort die höchsten Preise nach Pachtabgaben angesetzt sind, die als zu hoch bezeichnet wurden, während in den zuletzt gegebenen Preisen die niedrigsten von dem Verkaufspreise des Morgens in grossen Arealen entnommen sind, die wegen der Grösse schwerverkäuflich waren und die nun in die Hände befreundeter Standesgenossen der bisherigen Besitzer übergingen. Man muss demnach annehmen, dass der Reinertrag nicht einmal mit 5% angesetzt werden darf; der Pachtzins hat also weniger als 2V2°/o betragen. Wesentlich höher muss sich der Nutzen aus Wiesen und Weingärten belaufen haben, i486 kostete ein Morgen Wiese 16— 17V2 Gulden.5 Im Inventar Gelbrechts von Holzhausen vom Jahre 1516 heisst es nun: »Item III morgen im raugen, die hat Axt Dottenfelt eim verkauft, das grasz, hat III Va fl. darusz bezalt vnd 1 albus vor wenkauf.« Wenn man einmal den Wiesenpreis zu Dorfeiden, wo dieser Besitz lag, dem oben genannten gleichsetzt, würde der Bruttoertrag 6,7— 7,3% gewesen sein. Wahrscheinlich war aber der Preis niedriger und demnach der Gewinn höher. Wenn übrigens derselbe Gelbrecht von Holzhausen von 4 Morgen Wiesen, »ligen vor dem dennenwald in zweyen placken, hat Hengin vf dem schafhof jars vor 1III lb.«, eine absolut wie relativ wesentlich höhere Pacht erhält als aus Ackerland, so gibt das der im Mittelalter üblichen höheren Besteuerung des Wiesenlandes recht.6 Noch ein¬ träglicher war der Weinbau. Darum wandten sich immer mehr vom

1 Majorwährschaftsbücher Bd. 29, fol. 120.

2 Ebenda Fol. 146b, 147a.

3 Ebenda Fol. 173 b: Melchior Schwarzenberg verkauft 1 */z Morgen bei der kleinen Öde an Claus Stalburg für 16 fl.

4 Bothe a. a. O. S. *188 f.

3 B othe a. a. O. S. *188.

6 Bothe a. a. O. S. 36/7.

361

Körnerbau ab und verwandelten ihre Äcker in Weinberge, sodass der Rat dagegen einschreiten musste.1

Jakob Heller muss aus seinen vielen Äckern, Wiesen und Wein¬ gärten ein reiches Einkommen gehabt haben. Die Weingärten zu Frankfurt und zu Soden baute er selbst; er hatte dazu 2 Weingärtner in Dienst. Auch die Wiesen und einen Teil der Äcker wird er selbst bestellt haben. Von den Wiesen steht diese ßewirtschaftungsform für seinen Vater fest.2 Und der grosse Vorrat an Korn3 lässt die Selbstbestellung auch bei grossen Ackerflächen vermuten. Immerhin waren diese Einnahmen nicht die wesentlichsten.

Höhere Erträge brachten die Häuser. Ich meine damit die Ein¬ künfte aus dem Vermieten der günstig belegenen Gebäude an Mess¬ fremde.4 Wenn Jakob allein aus dem Nürnberger Hofe jährlich 600 fl. und mehr einnahm, wie er in seinem Testamente erklärt, so gibt uns das einen Begriff von der Einträglichkeit des Häuserbesitzes, soweit er im Messviertel lag, wo das geschäftliche Leben auf- und abflutete. Man kann sich denken, dass Heller zu Messzeiten gern daheim war, um die wichtige Gelegenheit zum Verdienst wahrzunehmen.5

Und zuguterletzt fielen dem Grosskaufmanne die reichen Ge¬ winne in den Schoss, die der venetianische Handel brachte. Es ist ein fruchtloses Bemühen, den Unterschied zwischen dem Ertrage des Bodens und des Handels als verschwindend klein nachweisen zu wollen.6 Wer würde wohl so töricht gewesen sein, grosse Ver¬ mögen in gefährliche Unternehmungen zu stecken, wenn ihm nur ein Mehrgewinn von 1—2% gewinkt hätte gegenüber der Vermögens¬ nutzung, welche ihm im Bezug von Renten oder in den Bodenzinsen sicher und risikofrei zufloss? Und wer würde von den Frankfurtern sich auf solche Abenteuer eingelassen haben, wenn sie weniger ab¬ warfen als die Häuser in der Innenstadt? Die 600 fl., die der Nürn¬ berger Hof allein in Messzeiten an Mieten brachte, stellten schon eine Verzinsung zu 8V2% dar.7 Ausserdem hatte Heller den »Sess« im Hause; und während des übrigen Jahrs werden aus dem Ver¬ mieten der Schlafräume, der Ställe usw. noch manche Einnahmen

1 Bothe a. a. O. S. 37, Anm. 1. Kriegk a. a. O. I, 281.

2 Bücher, Steuerordnungen a. a. O. S. 136, 160. Bothe a. a. O. 62.

3 S. o. S. 355.

t Bothe a. a. O. S. XLII. Vgl. ebenda S. XXXIII.

s Cornill a. a. O. S. 5.

6 Heidenhain a. a. O. S. 31 ff.

7 S. o. S. 352.

362

zu verzeichnen gewesen sein. Die Räumlichkeiten waren gross und zahlreich, sodass i486 und 1517 die Kaiser Friedrich und Maximilian ihren Aufenthalt bei Heller nehmen konnten.1 Man wird darum nicht zu hoch greifen, wenn man dem Gebäude eine Bruttoverzinsung von 10% zuspricht. Und da sollte der kluge kaufmännische Sinn die Patrizier nicht besser beraten haben, sodass sie ihr gutes Geld an den nutzungsarmen Handel mit fernen Ländern gewagt hätten, obwohl sie durch Ankauf von gutgelegenen Häusern einen reicheren und sichereren Gewinn sorgenlos hätten einstecken können? Vielmehr ist es ganz unzweifelhaft, dass der Grosshandel weit grössere Erträge gezeitigt hat als die beiden anderen Einnahmequellen, der Bodenzins und die Bodenbestellung einer- und die Häusermiete andererseits. 15% wird man mit gutem Grunde als durchschnittlichen normalen Handelsgewinn annehmen können. Wenn 1558 ein Craft Stalburg und Jacob von Botzheim zu Hagenau von ihrem Schwager Hans Botzheim, den sie »zu ihres gemeinen Handels und Gewerbs Diener« bestellt hatten, 11000 fl. aufnahmen und sie mit 6°/o verzinsten,2 so ist das doch sicherlich ein Beweis für die wesentlich höhere Ertrag¬ fähigkeit des Handels mit Italien. Natürlich muss man von grossen Fehlschlägen absehen, durch die das ganze Handelskapital verloren gehen konnte. Solche waren z. B. das Niederwerfen der Flandels- züge durch Räuber3 und das »Vergehen der Kaufmannschaft auf dem Wasser«.4 Auch der Sturz der Konjunktur konnte alles zunichte machen, und Bankerotte waren deshalb keine Seltenheit. So hat Hellers Verwandter Wolf Blum 1483 mit 23 000 Dukaten Defizit falliert.5 An der Handelsgesellschaft war wohl auch Bechtolt Heller, Jakobs Vater, beteiligt gewesen.6 Denn Melchior Blume hatte von ihm 1000 fl. gehabt, die er natürlich in den Handel der »Blumen¬ gesellschaft«7 getan hatte.

Aber nicht nur über diese gute Vermögenslage Hellers orien¬ tiert uns sein Testament, sondern wir bekommen durch sein Studium einen Einblick in die eigenartig beschaffene Geisteswelt dieses Mannes und werden zugleich über manches unterrichtet, was zur Beurteilung

1 Battonn a. a. O. III, 127.

2 Kriegk a. a. O. N. F. S. 452.

3 Simonsfeld a. a. O. II, 43 u. 122.

1 Bothe a. a. O. S. *27.

5 Simonsfeld a. a. O. I, 38 u. 68; II, Nr. 562.

6 Bothe a. a. O. S.* 70, Beil. I, Nr. 35a.

7 Bothe a. a. O. S. 157, Anm. 2.

3^3

der kirchlichen und religiösen Fragen jener Zeit nicht unwichtig ist. Jakob Heller war eine strengkirchliche, ernste Natur. Er wurzelte fest im alten Glauben: die neue Lehre hat an ihm keinen Anhänger gefunden, vielmehr hat er sich starr konservativ verhalten. Von seiner tiefreligiösen Geistesverfassung geben uns namentlich die ausführ¬ lichen Vorschriften für die beiden Pilgerfahrten Kunde, die für ihn nach seinem Tode nach Rom, Venedig, Loretto, Einsiedeln und andererseits nach Hirzenheim,1 Worms, Aachen, Köln und Düren unternommen werden sollten. Aber die von ihm gegebenen An¬ ordnungen lassen ihn uns zugleich als einen noch tief in dem äusser- lichen Zeremonienwesen befangenen Mann kennen lernen. Er war selbst, wahrscheinlich in Handelsgeschäften, im Jahre 1500 in Rom gewesen und hatte dabei alle die Hauptkirchen und die für einen gläubigen Sohn der Kirche heiligen Altäre besucht. Damals wird er auch dreimal auf seinen Knien »de wisz marmelnstensteyg« hinauf¬ gerutscht sein, »de onser her Christosz auf ganhein ist, alsz er for pilatosz gefort wart« und wird »of icliger dropein eyn paternoster, aue maria« gesprochen haben, »ond of der lystein eyn glauben ond of der drapen metten, da dasz isengeremsz auf stet« wird er »zo allinmal 3 paternoster, 3 aue maria, eyn gluben« gebetet haben, »dan auf derselben drapen ist Jesus gefaln, alsz man noch de blutz- dropen seycht«. Er zweifelt nicht an der Wahrheit alles dessen, was er gehört hat von Wundern, die hier oder dort ein Marienbild getan hat; so spricht er von St. Hieronymus’ Altäre, neben dem ein »mergen- bild« stehe, »dasz met Sant Gregoriosz geritt (geredet) hat«. So glaubt er auch treuherzig und gehorsam die fromme Märe, dass unter dem Altar zu St. Praxedis »de sul onder stat, da gott, onser her, an gegeiselt ist wordein.« Ebenso wie die Marmortreppe aus Pilatus, Richthause mit den Blutstropfen Christi war nach seinem Glauben die Tafel in Rom erhalten, auf der der Herr mit seinen Jüngern das Abendmal gegessen hatte; ferner das heilige Kreuz von Jerusalem und der Altar, an dem die Apostel, also Petrus und Paulus, Messe gelesen hatten. Der fromme Betrug, den die Papstkirche mit diesen Dingen trieb und der Uhr die für den Klerus so gewinnbringenden Pilgerfahrten und der »heiligen« Stadt die Verehrung der stumpfund blind Glaubenden eintrug, hatte auch in Heller ein Opfer gefunden. Und bis ins kleinste schreibt er die Zahl der Gebete, den Preis der zu opfernden Kerzen, die Menge der Mitbeter vor: man blickt in die

1 Hirschheim, berühmter Wallfahrtsort im jetzigen Kreise Nidda.

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trostlosen Zustände der Papstkirche hinein, in der alle Beziehungen des Menschen zu Gott zu toten Formeln erstarrt waren. Mochte Heller noch so sehr von dem Pilgrim und den Priestern verlangen, dass sie »fliszlich mit andacht« für sein, seiner Frau und ihrer

I

beider Eltern sowie ihrer »Guttäter« Seelenheil beten sollten, man wird nicht umhin können, an der Innigkeit dieser in grosser Zahl aufgegebenen Gebete zu zweifeln, namentlich wenn ganz fremde Menschen als Mitbeter für Geld angeworben wurden. Die Marmor¬ treppe, auf der Christus zu Pilatus emporgestiegen sein soll, mussten z. B. der Priester, der Pilger und noch 3 arme Menschen dreimal hinaufrutschen, denen man für jedes Mal je 2 Kreuzer reichen sollte. Wie weihelos und oberflächlich die Priester ihr einträgliches Hand- werk zu Rom betrieben, das hätte doch Heller bei seiner Anwesenheit in der ewigen Stadt ebenso auffallen müssen wie Luther, wenn er nicht blind und befangen gewesen wäre.

Eine Bestimmung seines Testamentes wirft übrigens ein eigen¬ tümliches Licht auf die damaligen kirchlichen Zustände und trägt zur Charakterisierung des pflichtvergessenen und geldgierigen Klerus bei. Heller verordnet nämlich, dass den Kaplänen auf der Pfarre ein halbes Fuder Wein gegeben werden solle oder 10 fl., »dem armen foulk fruntlig zu sein, so se de berichten1 ond beycht horn«. Also Jakob Heller, der mit seinem ganzen Wesen noch auf dem Boden der alten Kirche stand, hielt es für nötig, die Kapläne durch eine reiche Zuwendung zu bewegen, gegen die Armen, die zur Beichte kamen, freundlich zu sein. So sehr dieser Passus für das mitleidige Herz Hellers spricht, so sehr ist er doch auch eine Verurteilung des Klerus, der auf materiellen Vorteil sah und dem armen Sünder nicht so bereitwillig die Himmelstür öffnete wie dem reichen. Mit Geld war eben in der Papstkirche viel zu machen. Wer viel in den Kasten tun konnte, dessen Seele war der Förderung durch den Priester sicher. Gute Werke, d. h. hier reiche Schenkungen, öffneten den Zugang zur Gnade. Auch Heller ist in diesem Glauben befangen gewesen, seine religiöse Anschauung wurzelt in der Werkheiligkeit.

Dieser Auffassung sind offenbar alle seine Stiftungen ent¬ sprungen. Der Tod seiner Hausfrau und die Kinderlosigkeit seiner Ehe werden ihn erst recht in dem Vorhaben bestärkt haben, von seinem reichen Gut der Kirche namhalte Zuwendungen zu machen. Besonders das Ausbleiben des Kindersegens musste ja in jenem Zeit-

1 = das Abendmahl reichen.

*

3<$5

alter der fruchtbaren Ehen leicht als eine Strafe des Himmels ange¬ sehen werden. Jakob hat es denn auch nicht daran fehlen lassen, sich Freunde mit dem ungerechten Mammon zu machen, und zwar namentlich bei Orden und Klerikern, deren Fürbitte ihm und seinen Angehörigen zu statten kommen sollte. Er war mit seiner Gattin zu mehreren Orden in enge Beziehungen getreten, sodass sie als Bruder und Schwester von den Herren auf St. Jacobsberg und auf St. Johannsberg bezeichnet und gehalten wurden. Im selben Verhältnis standen sie zu »Unser lieben Frauen zu Herzenhain« (Hirschheim) und zu den Predigerherren zu Frankfurt, in deren Seelenbuch sie geschrieben und in deren »gemen bruderschaft« sie aufgenommen waren. Schon 1502 hat er als Gegengeschenk für die ihm erwiesene Gunst, die ihm und seiner Gattin den Himmel in sicherere Aussicht stellte, den Herren zu Hirschheim ein schwarzes Pferd geschenkt. Und auch sonst hat er schon vor der Abfassung seines Testaments Stiftungen für geistliche Zwecke gemacht. Von Albrecht Dürer' hat er 1507 das berühmte Altarwerk, die Himmelfahrt und Krönung Marias, für den Thomasaltar im Predigerkloster malen lassen,1 2 ferner hat er die Kreuzigungsgruppe, den Calvarienberg, am Dome geschenkt.3 Und auf dem Ölberge zu unserer lieben Frau wird er schon früher irgend eine Stiftung gemacht haben, vielleicht eine Darstellung von Christus mit seinen Jüngern in Gethsemane; wenigstens lässt sich dies aus der Bestimmung vermuten, dass 10 fl. gegeben werden sollen, die man »by dem olenberg doselbst, wes die notturft do er¬ fordert, verbawen« solle.4 1504 hatte er auch schon zum Kirchhofe

1 Über andere Bilder von Dürer vgl. Koch, Das Dominikanerkloster zu Frankfurt a. M., 13. bis 16. Jahrhundert. 1892. S. 54. Vielleicht sind auch die er¬ haltenen Bilder Jakobs und seiner Gattin, die am Altar angebracht waren, von Dürers Hand gebessert. Historisches Museum B Nr. 267 und 269. Cornill a. a. O.

1 Cornill a. a. O. S. 18 ff. Vollendet 1509. Heller hat dafür 200 fl. be¬ zahlt, 130 Gulden waren vereinbart; Dürer schätzte sein Werk aber gar auf 300 bis 400 fl. ein. Heller hat Dürers Frau auf deren Bitte um ein »Trinkgeld« ein Kleinod verehrt. Man muss zur richtigen Beurteilung von Hellers Handlungsweise bedenken, dass er statt ca. 910 Goldmark deren 1400 gezahlt hat, statt etwa 5460 Mk. heutiger Kaufkraft etwa 8400.

3 Cornill a. a. O. S. 42.

4 S. u. S. 380. Cornill a. a. O. S. 6. So lautet die Bestimmung im eigentlichen Testament ; darin heisst es auch, dass »das Creutz uf dem pfarkirchof vnd der Olenbergk zu vnser lieben Frauen, wesz mangels daran were, versehen« werden solle. An einer andern Stelle, im Codicill, sagt er, er bestimme für ewige Ampeln 120 fl., »ein for dasz Krutz of dem parkerghof, de ander for dem olyberg zu onser libein frauen, dasz ich machen hab lassen.«

- 366

von St. Peter ein Stück Land geschenkt. Auch hat Jakob sich mit an der Ausmalung des Kreuzgangs im Karmeliterkloster beteiligt, zu der Claus Stalburg und seine Hausfrau Margarete vom Rhein die Anregung gegeben hatten.'

Dass Jakob einen für Kunst sehr empfänglichen Sinn besessen hat, muss man nach diesen an Meister der Malerei und der Plastik erteilten Aufträgen annehmen. In ihm war dieselbe Kunstliebe lebendig, die man in jenen Tagen an den Inhabern des Fondaco be¬ obachten kann, dessen Inneres und Äusseres von der Hand hervor¬ ragender Künstler ausgeschmückt worden ist.2 Auch Dürer war ja im Aufträge der Deutschen Kaufmannschaft in Venedig 1505 mit einer Arbeit betraut worden: er schuf für die nahe dem Fondaco gelegene Kirche San Bartolomeo ein Gemälde, das die Verherrlichung der Maria im Rosenkranzfeste darstellte. Ob Heller dadurch veran¬ lasst worden ist, ihm kurz darauf obigen Auftrag zu erteilen, lässt sich nicht erweisen. Immerhin liegt die Möglichkeit nahe. Auch in seinem Heim wird Heller Kunstwerke beherbergt haben, die für ihn einen hohen Wert gehabt haben müssen. Denn seiner Schwester Lukel, die im Orden der weissen Frauen zu Mainz war, vermachte er »dasz flag mergenbeld mit dem rodein mantel, mit dem graein fouder gemalt, ond roden paternoster«. Auch die Beschreibung des Messgewands und des Evangelienrocks, den er den Predigerherren fertigen lassen wollte, lässt auf ein hochentwickeltes Schönheitsgefühl schliessen. Sie sollten »fan eyn roden samet, fan dein bestein ond schonstein, of dasz allerkostlig ond richtlisz gemacht werden«. Der Evangelienrock sollte St. Jakob und Katherine, das Messgewand ein schönes Kreuz und Maria, Johannes und Maria Magdalena als Schmuck erhalten. Und zwar sollten alle Perlen seiner Frau für die Stickereien verwandt werden. Man kann sich die Kostbarkeit des Gewandes vorstellen, wenn man erfährt, dass für ein Messgewand, Evangelienrock und Chorkappe 120 fl. angelegt worden sind. Das waren demnach 840 Goldmark und nach heutiger Kaufkraft sicherlich 4200 Mk. Man wird sich nach diesem Beispiele einen Begriff machen können von der reichen Tracht, die damals in den vornehmen Bürgerkreisen üblich war. Die Inventare über das Vermögen von Patriziern jener Zeit, die uns erhalten sind, weisen denn auch edle, prächtige Gewände

1 Donner-von Richter a. a. O. S. 72.

1 Simonsfeld a. a. O. II, 109, 131. Die Fassade des neuen Fondaco wurde von Tizian und Giorgione bemalt.

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auf.1 Und auch aus Hellers Testament kann man auf verschwenderische, wenn auch gediegene Kleidung schliessen. Denn er vermacht der Hausfrau Balthasars vom Rhein eine Schaube seiner verstorbenen Gattin. Dieselbe muss demnach äusserst kostbar gewesen sein. Und aus seinem leberfarbenen schamlotenen Oberrock soll ein Messgewand gefertigt werden, während das Marderfutter verkauft und für den Erlös ein schönes Kruzifix gemacht werden soll. Natürlich ist doch an ein silbernes zu denken. Und dennoch ist wahrscheinlich noch Geld übrig geblieben.2 Von der »Köstlichkeit« der Gewänder be¬ kommt man eine Vorstellung, wenn man hört, dass 6 Ellen schwarzer Mailänder Samt zu Männerwämsern 14 fl. kosteten;3 das wären also 98 Goldmark und etwa 500 Mk. heutiger Kaufkraft gewesen. Man fühlt sich wie in eine Märchenwelt entrückt, wenn man von den kostbaren Seidengeweben, den mit Gold und Silber durchwirkten und gestickten zarten Stoffen und den feinen, edlen Glasschalen mit Malereien vernimmt, die, aus Italien eingeführt, in den Häusern der vornehmen deutschen Welt, so auch in den Frankfurter Patrizier¬ häusern, anzutreffen waren.4 Neben den ebenfalls meistens aus Italien stammenden herrlichen, getriebenen Gold- und Silberarbeiten und den farbenreichen, mit eingewebten Bildern und Wappen dekorativ wirken¬ den Wandteppichen und Banktüchern4 verliehen diese prächtigen Gegen¬ stände dem Interieur der vornehmen Bürgerhäuser trotz des sonst zumeist noch einfachen Hausrats einen prunkhaften und doch edlen, gediegenen Charakter. Man kann wirklich für diese Gesellschafts¬ kreise des ausgehenden Mittelalters die Lobeshymnen des Aeneas Sylvius5 über die Prachtentfaltung seiner deutschen Zeitgenossen in ihrer äusseren Erscheinung und im Innern der Häuser als berechtigt anerkennen. Italien hatte trefflich Schule gemacht.

Auch für eine Münzsammlung hat Heller Sinn gehabt. Daraut weisen die verschiedenen Geldsorten hin, deren im Inventar Erwähnung geschieht. Dass eine solche Liebhaberei keine Seltenheit war, darüber belehrt uns ein Passus der Bedeordnung von 1462, in dem es heisst:6

1 Z. B. das Inventar Claus Stalburgs des Reichen, 1524. Heyne, Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer. III, 229, 281.

2 S. u. S. 388. Vgl. das Porträt Jakobs u. Katharines: Cornill a. a. O.

? Job Rorbachs Tagebuch: Quellen zur Frankfurter Geschichte I, 282.

4 Inventar Claus Stalburgs 1524. Bothe a. a. O. S. 161. Falke a. a. O.

5 Schmoller a. a. O. S. 465.

6 Bothe a. a. O. S. *29.

368

Item hette eyner bobestgulden oder ander gülden montze odei silbern, sülte er verbeden, nach dem sye wert weren, und nit uszgetzogen werden vor eyn cleinheyt oder drinckfasse.

Dass Jakob Heller auch schöne Bücher zu schätzen wusste, geht aus der Stelle seines Testaments hervor, derzufolge sein guter Freund, der Ratsschreiber Oswald Hug, sich 2 3 Bücher aus seiner Bibliothek aussuchen dürfe. Diese Liebhaberei für schöne, »köstliche« Literatur¬ werke wird er von seinem Vater geerbt haben. Denn in dessen Vermögensübersicht vom Jahre 1482 heisst es: »Item buchet an¬ geschlagen an C fl. saczet XVI ß VI h.« Dass es damals eine weit¬ verbreitete, edle Liebhaberei gewesen ist, sich eine Bibliothek schöner, kostbarer Bücher anzulegen,1 geht daraus hervor, dass die Steuerrollen jener Tage in einem besonderen Passus von den Büchersammlungen handelten. So heisst es 1495 : Item bucher, die köstlich sind, soll man auch verbeden.2 Wie sympathisch Jakob Heller der Anschaffung einer Stadtbibliothek gegenüberstand, geht aus seinem Verhalten bei Verkauf der »Viole« hervor.3 Übrigens hat er auch eigenhändig Bücher abgeschrieben, deren Schönheit und Nettigkeit gerühmt wurde.4

Auch den Schmuck seines Grabes hat er sich selbst entwerfen lassen. Es sollte ein »messen pethavium« gegossen werden.5 Die Vorlage dafür war im Predigerkloster aufgehoben. So kann man doch wohl die Worte deuten: »vnd ist soligsz petafium zu den bredigern in der obern stoben obern sigenhusz, alsz her Baltasar wol weisz.«6 Vielleicht aber war die Platte schon zu Lebzeiten Jakobs hergestellt. Dem würde die Bestimmung entsprechen, dass ein

1 Hampe, Gedichte vom Hausrat aus dem XV. und XVI. Jahrhundert. Drucke und Holzschnitte des XV. und XVI. Jahrhunderts in getreuer Nachbildung II. 1899. Strassburger Hausrat:

. . . vil Bücher das ist der edelst hört Den da nyemans hoch genug mag schetzen.

2 Bothe a. a. O. S. *35.

3 S. o. S. 353. Ludwig zum Paradies schenkte seine Bibliothek dem Rate. Jung, »Ludwig von Marburg zum Paradies« in »Die Stadtbibliothek in Frankfurt a.M.« S. 135. Um 1600 verschlang das Einbinden der Bücher schon eine ziemliche Summe Geld. Bürgermeisterbuch 17. Januar 1605. Nach Bgmb. 8. Sept. 1603 mussten Pflichtexemplare von den Buchhändlern geliefert werden. In Patrizierkreisen war man aber damals dem Studium ziemlich abgeneigt. Bothe a. a. O. S. 241.

4 Gornill a. a. O. S. 12. Hüsgen, Artistisches Magazin. 1790. S. 559. Koch a. a. O. S. 5 1.

s Hüsgen, Artistisches Magazin. 1790. S. 559. Darauf ein meisterhaftes Bild des Todes.

6 S. u. S. 381.

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Goldschmied oder ein Büchsenmeister das Datum daraufstechen solle. Freilich klingt dann der Auftrag seltsam, man solle ein messen petafium machen lassen. Die Tafel ist später zerschlagen und an Juden verkauft worden.1

Und zur Verschönung des Gottesdienstes hat Heller ebenfalls beitragen wollen : auch hier sollte die Kunst mitwirken. Denn alle Sonntage zwischen Pfingsten und Ostern und alle »heilgen« Tage sollte auf seinen Wunsch nach dem Salve vor der gewöhnlichen Antiphona das regina coeli mit der gewöhnlichen Kollekte von einem Priester und den Schülern gesungen werden. Heller bestimmte, dass dem mitwirkenden Priester dafür 6 ß, dem Rektor der Schüler 1 fl. ausgezahlt werde.

Überall haben wir den Kunstfreund kennengelernt, der mit verständnisvollem Sinne seine grossen Mittel in den Dienst der edlen Künste und der Bildung stellte, wie denn überhaupt das ausgehende Mittelalter eine Zeit der geistigen und künstlerischen Vertiefung für die höheren Kreise der Bürgerschaft gewesen .ist.2

Dass Jakob dem Predigerkloster soviel Zuwendungen gemacht und ihm das herrliche Altarbild geschenkt hat, war vor allem dadurch begründet, dass er wie seine Vorfahren dort die letzte Ruhestätte finden wollte. Auch wird er sich durch die Sittenstrenge der Dominikaner angezogen gefühlt haben.3 In dem Prozesse des Pfarrers Conrad Hensel gegen den Lektor der Predigerherren Wigand Wirt hat er energisch die Partei des letzteren ergriffen, obgleich das Auf¬ treten desselben nichts weniger als einwandsfrei gewesen ist.4 Das wüste Geschrei des Dominikaners musste abstossen, wie denn auch das Volk und ein Sebastian Brant auf Seiten des würdigen Plebanus gestanden haben.5 Heller sah den Streit von einem parteiischen Standpunkte aus an. Ihn hatte der fromme, den Vorschriften nach¬ kommende Wandel der Dominikaner so eingenommen, dass er erklärte, trotzdem er in der Welt weit herumgekommen sei, habe er doch

1 Cornill a. a. O. S. 32.

2 S. o. Jung, Frankfurter Hochschulpläne 1384— 1866. S. 42. Vgl. das Inventar Claus Stalburgs 1524. Donner-von Richter a. a. O. Jung, Stadt¬ bibliothek a. a. O. S. 135 : 1502.

3 Koch a. a. O. S. 70/1.

4 Steitz Der Streit über die unbefleckte Empfängnis der Maria zu Frank¬

furt a, M. im Jahre 1500 und sein Nachspiel in Bern 1509. Archiv für Frankfurts Geschichte u. Kunst. N. F. Bd. 6. 1877. S. 21.

5 Steitz Empfängnis a. a. O. S. 19.

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kaum irgendwo eine strengere Beobachtung der Regel und eine an¬ dächtigere Gottesverehrung gesehen. Auch mag er als Ratsherr gegen Hensel ein Vorurteil gehabt haben, der öfters gegen Missstände im Rat gepredigt hatte, wodurch das gemeine Volk leicht zur Unruhe hätte verleitet werden können. In seinem Verwandten Johann vom Rhein mag sich Heller mitangegriffen gefühlt haben.1 Zu er¬ wähnen ist hier noch ein Grund zur Gegnerschaft der Predigerherren gegen Hensel. Jener warnte seine Zuhörer nicht nur vor den Predigten jener, sondern er mahnte sie auch, sie sollten ihnen keine Almosen und keine Geschenke geben. »Sie haben mehr Weins, Korns und Holzes denn alle Geistlichen in Frankfurt«. Wenn man die vielen reichen Schenkungen betrachtet, die sie von Patriziern erhielten, wie die besprochene von Jakob Heller, die von Siegfried zum Paradies2 u. a., wenn man bedenkt, dass diejenigen, welche in den Orden »gebruodert« waren,3 wie die Rorbachs, auch grosse Gaben dargebracht haben müssen,4 5 wird man jene Behauptung nicht so ungerechtfertigt finden. Jedenfalls ist aus denBedebüchern erweisbar, dass sie viele Gülten auf Bürgerbesitz ruhen hatten,s und dass in den Bürgermeisterbüchern geklagt wird, wie gerade die Predigerherren viel Gülten erwürben.

Als Freund der Dominikaner, der Ordensbrüder eines Tetzel, war natürlich Heller ein abgesagter Feind der neuen Lehre. Um so mehr muss es überraschen, dass er mit Pirkheimer und mit Cochlaeus befreundet war, als letzterer sich noch zu Luthers Lehre bekannte.6 Cochlaeus war von Pirkheimer an Heller empfohlen worden.7 Dieser hatte sich zu jeder Gefälligkeit bereit erklärt; er wies ihn an den Scholaster Fisch,8 den zweiten Prälaten (nach Cochlaeus) an der Liebfrauenkirche, denselben, der später den Dekan von St. Leonhard »Lutherisch halben« höhnte. Jener, Johannes ab Indagine, war in der Tat empört über das Irdischgesinntsein der Geistlichkeit. Er

1 Steitz, Empfängnis a. a. O. S. 23/4.

2 Koch a. a. O. S. 56. Daniel Bromms Testament, 1501: Fichard.

3 Koch a. a. O. S. 61.

4 Quellen zur Frankfurter Geschichte I, 157/8.

5 Bothe a. a. O. S. 121.

6 Steitz, Reformatorische Persönlichkeiten, Einflüsse und Vorgänge in der Reichsstadt Frankfurt a. M., von 1519 bis 1522. Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. N. F. Bd. 4. 1869. S. 79, 104, 108. Spahn, Johannes Cochlaeus. 1898. S. 69.

7 Steitz, Reformatorische Persönlichkeiten. 101: Brief des Cochlaeus an Pirkheimer, 26. Januar 1520.

8 Quellen zur Frankfurter Geschichte II, 27.

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sagte: »Nicht ganz ohne Grund wütet gegen uns das Volk. Unsere Schuld ist es, wenn wir so leben, dass unsere Schandtaten die der Schlemmer und Wüstlinge hinter sich lassen«. Aber auch Cochlaeus wurde bald aus einem Anhänger ein scharfer Gegner Luthers. Dazu beigetragen haben mag sein Umgang mit Fisch und mit den Domini¬ kanern, vielleicht aber auch sein vertrauter Verkehr mit Jakob Heller. Auch Pirkheimer wurde ja später immer gehässiger gegen Luther. Eins mag aber Cochlaeus noch mit ins feindliche Lager getrieben haben: Die Erfolglosigkeit seiner Bewerbung um die Stellung als Leiter des neuzugründenden Gymnasiums.1 Seine Gönner, zu denen doch sicherlich auch Heller gehört hat, trotzdem er 1517 aus dem Rate ausgetreten war,2 hatten ihn Nesen gegenüber nicht durchsetzen können, der besonders von Claus Stalburg dem Reichen begünstigt wurde. Nesen war dessen Privatlehrer und Reisebegleiter für seine Söhne gewesen. Mit ihnen hatte er besonders die Universität Paris besucht. Von Erasmus empfohlen,3 ist er der erste Rektor des Frankfurter Gymnasiums geworden. Und als Freund Luthers ist er es sicherlich gewesen, der die patrizischen Kreise immer mehr der Reformation zugetan machte. Heller aber war nicht zu gewinnen. Er wurzelte zu fest in den Ansichten der alten Kirche. Er wird mit Behagen den anscheinend erfolgreichen4 energischen Vorstoss des Cochlaeus gegen die neue Lehre beobachtet haben. Man kann hier hineinsehen in den Spalt, der sich auch innerhalb der patrizischen Kaste auftat. Trotzdem sonst Jakob Heller und Claus Stalburg einander nahe gestanden haben, besonders durch die Vermittlung der Margarethe vom Rhein,5 wich er in der Beurteilung der kirchlich religiösen Zu¬ stände weit von ihm ab.

Jm Rate hat Jakob sicherlich sonst eine geachtete Stellung ein¬ genommen. Mehreremal hat er den Bürgermeisterposten bekleidet.6

1 Spahn a.a. O. S. 59. Jung, Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. III. Folge. Bd. 6. 1899. S. 336.

2 Fichard nach Lersner, Chronik II, 1; S. 146.

3 Helfenstein, Die Entwickelung des Schulwesens der freien Stadt Frank¬ furt in seiner kulturhistorischen Bedeutung. 1858. S. 49.

4 S.o.E u 1 e r , Beiträge zur Reformationsgeschichte der Stadt Frankfurt a. M. S. 1 7 1 . s Fichard: Bechtolt Heller ist 1499 Zeuge bei der Eheberedung von Clas

Stalburger mit Margarethe vom Rhein gewesen, deren Grossvater er war. Jakob vermachte Margarethe einen silbernen Becher im Werte von 47 fl. = 329 Gold¬ mark ca. 1645 Mk. heutiger Kaufkraft.

6 1490 war er jüngerer, 1501 und 1513 älterer Bürgermeister. 1491 war er Schöffe.

24*

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Hr gehörte freilich seit 1502 nicht mehr zur Gesellschaft Frauenstein; dennoch wurde er noch zu wichtigen Missionen verwandt, bei denen diplomatisches Geschick und Sprachkenntnisse erforderlich waren.1 Auch als Geschichtskenner scheint er bekannt gewesen zu sein.' Dass aber auch Kaiser in seiner Behausung Quartier nahmen,2 lässt nicht nur auf die Grösse der Baulichkeit im Nürnberger Hofe und auf den Reichtum seines Besitzers, sondern auch auf seine angesehene Stellung innerhalb der Bürgerschaft einen Schluss zu.

Auch wird Jakob beim »gemeinen Manne« in Ehren gestanden haben. Man wird ihn als Wohltäter der Armen gepriesen haben. Denn sein Testament atmet einen sozialen Geist: viele Stiftungen gelten den Elenden und Bedürftigen. Da ist anzunehmen, dass Heller auch bei Lebzeiten für die mit Glücksgütern nicht Gesegneten gesorgt haben wird, wie er nur irgend vermochte. Die Worte, die er bei der Aufnahme seiner Personalien im obenerwähnten Prozesse getan hat, sind kein Beweis dagegen.3 Denn er hat nur die Wahrheit gesagt, wenn er erklärte, er hoffe sich in guten Verhältnissen zu befinden, und er lebe von den Einkünften seines Vermögens, das ihm der all¬ mächtige Schöpfer beschert habe. Man darf darin nicht ein Zeichen seines Hochmuts und des stolzen, unnahbaren Kastengeistes sehen. Wie er das Vermögen aus Gottes Hand empfangen zu haben glaubte, hat er es auch im Dienste Gottes gebraucht, hat seinen darbenden Mitmenschen davon abgegeben. Sein milder, wohltätiger Sinn trieb ihn dazu. Man sieht, es gab auch unter den Angehörigen der alten Kirche Leute, die nicht nur für Kirche und Geistlichkeit Geld hergaben.4

Es ist zunächst der dem Mitleid entsprungenen Spende für die »Franzosenleute« zu gedenken, die von der entsetzlichen Lustseuche Befallenen, welche seit dem Ausgange des Mittelalters sich in Deutsch¬ land überall ausbreitete.5 Es sollte ihnen für 6 Gulden »Fleysch vnd essenspeysz« gekauft werden. Danach muss die Zahl der Unglücklichen ziemlich gross gewesen sein. Und die Krankheit muss so heftig auf¬ getreten sein, dass sie ihre Opfer am Erwerb hinderte, sodass der Hunger unter ihnen zu Gaste war. Sodann gab Jakob 10 fl. den

1 Cornill a. a. O. S. 5. Janssen, Frankfurts Reichskorrespondenz. 1866. II, 785 fr., 836 ff'., 851 ff. Kriegk a. a. O. N. F. S. 67.

2 Cornill a. a. O. S. 4. Battonn a. a. O. III, 127: i486 u. 1517.

3 Steitz, Empfängnis a. a. O. S. 22.

4 Vgl. Luthers Klage: Schmoller a. a. O. S. 526.

3 Kriegk a. a. O. I, 527, Anm. 38. Wahrscheinlich hatte Heller die furcht¬ bare Krankheit schon in Italien kennen gelernt. Ib. S. 33.

373

»hausarmen, notdürftigen Leuten«, keinem mehr als i Ort, sodass mindestens 40 bedacht werden konnten. »Bevorab« sollten die in Frage kommen, denen Jakob und seine Hausfrau täglich gegeben hätten. Dem Almosenkasten zu St. Niclas vermachte Jakob 20 Achtel Korn, den »Guten Leuten« 12 Achtel, dem Spital zum heiligen Geist und St. Martha 20 Achtel. Ferner bestimmte er, dass man »in dem drissigisten« 6 Achtel Mehl backen lassen und es armen Leuten vor der Tür vom Nürnberger Hofe »omb gottz wein« austeilen solle. Auch sollte die Hälfte des Reingewinns aus dem Nürnberger Hofe all¬ jährlich »winterzit in der fastein huszarmen notorftigen luten, de eyn zit lank borger he gewest«, ausgeteilt werden, »in ir hanten eyn orteszgulden«. Es muss das eine grosse Summe, ein Vermögen ge¬ wesen sein, da der Bruttogewinn aus dem Hause allein schon in den beiden Messen 600 fl. und öfters mehr betrug. Besonders die Kälte sollte offenbar durch diese Guttat bekämpft werden, dieser böse Feind der Armut. Darum "wird auch als Ersatz für den Viertelgulden von einem Wäglein Holz, einem Paar Schuhe oder grauem Tuch zur Kleidung gesprochen. Hierher gehört auch die Einrichtung einer Wärmehalle1 für arme Arbeits- oder Obdachlose. Es sollte »eyn gelygen behusom by sant bartolinszkergein ond drom her« gekauft werden, darin sollte eine Stube mit einem eisernen Ofen eingerichtet werden. Geöffnet sollte diese dem »armen foulk« vom 1. November bis 22. Februar sein oder 8—14 Tage danach, »nochdem de zit kolt ist«. Oben darüber sollte ein Ehepaar wohnen, das die Aufsicht führen und die Stube heizen musste. Die beiden sollten für ihre Mühewaltung gut gelohnt werden. Zunächst hatten sie die Wohnung und die Heizung frei, ferner sollte jedes 6 8 Ellen graues Tuch und ein Paar Schuhe erhalten, dazu jeden Tag zusammen ein Ort = V* Gulden während des Winters, also 28V2 resp. 30V2 32 Gulden, wenn die Zeit um 8 14 Tage hinausgeschoben wurde. Das waren aber 199V2, 213V2, 224 Goldmark oder ca. 997V2, 1067V2, 1120 Mark mit heutiger Kaufkraft. Mit peinlicher Genauigkeit schrieb Jakob die Hausordnung vor, wie denn überhaupt strenge Ordnungsliebe und eine gewisse Pedanterie ihm eigen gewesen sein müssen. Dafür sprechen die eingehenden Vorschriften für den Pilger.

Zu erwähnen ist namentlich noch die freundliche Gesinnung, die Jakob seinen Knechten und Mägden erzeigte. Man kann hier so

1 Cornill a. a. O. S. 7 ff.: Herrgottsstube. Bat tonn a. a. O. II, 173/4. Kriegk a. a. O. I, 100.

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recht das patriarchalische Verhältnis zwischen Herren und Dienern in der guten, alten Zeit erkennen. Die alte Kochmagd sollte 12 fl. erhalten zu ihrem verdienten Lohne, den sie jahrelang bei ihrem Herren hatte stehen lassen. Er sammelte für sie, vielleicht schlug er sogar den Zins dazu. 39 fl. betrug die Summe schon im Jahre 1519, sodass die Magd mindestens 51 fl. ausbezahlt erhielt. Das war aber damals ein nettes Sümmchen, nämlich 357 Goldmark und mindestens 1785 Mk. in heutiger Kaufkraft. 33 Jahre war die Köchin in Jakob und seiner Eltern Dienst gestanden und hatte ihnen »selg lang zit getrulig ond wol gedint«. Darum setzte Jakob ihr noch ein Ruhe¬ gehalt aus, nämlich allwöchentlich 6 Schillinge, also jährlich 13 fl., »damitt se in irm alter desz basz zu leben hab«. Ferner sollte sie ein Bett, für 5—6 fl. Hausrat und für 2—3 fl. von den Kleidern ihrer Herrin erhalten. Ein anderes Mädchen, das 12 Jahr »getrulig ge¬ dint« hatte, sollte 20 fl. bekommen und ebenfalls für 2—3 fl. Kleider, ein Bett und für 5 6 fl. Hausrat. Dazu waren ihr der verdiente Lohn und 4 fl. 6 ß 5 h auszuzahlen, »so se der frauen zo haltein hat gebein«. Einen Schuldschein wird sich die Magd gewiss darüber nicht haben ausstellen lassen. Zwischen Herrin und Dienerin war damals ein Verhältnis felsenfesten Vertrauens an der Tagesordnung. Von dem andern Gesinde, Knechten wie Mägden, musste auf Jakobs Anordnung jedem ausser seinem Lohne 1 fl. für jedes Dienstjahr gereicht werden, den beiden Weingärtnern, zu Frankfurt wie zu Soden, je 1 fl., ausserdem ein altes Wams und ein paar Hosen.

Es ist, wie man sieht, eine ganze Anzahl von dienenden Leuten bei Heller beschäftigt gewesen, mit den beiden Weingärtnern 8. Der Grund dafür ist vor allem, dass die Landwirtschaft doch auch bei einem Gross¬ kaufmanne damaliger Zeit noch eine bedeutende Rolle spielte. Man darf nun aber nicht meinen, dass man deshalb die Durchschnittsziffer eines damaligen bürgerlichen Haushalts viel höher als mit 5 6 annehmen müsse. Es sind die reichen Bürger, also die mit den grossen Haushalten, doch nur in beschränkter Zahl gewesen, wie die Bedebücher ausweisen.1

Dass nicht Heller allein so freigebig und dankbar gegen seine Diener gewesen ist, bedarf nicht erst des Beweises.2 Auch vor der Reformation kannte man schon das warme Mitgefühl mit der Armut

1 Botlie a. a. O. S. *107. S. o. S. 5.

2 Vgl. z. B. Claus Stalburgs des Reichen erstes Testament von 1501: Fichard, Quellen zur Frankfurter Geschichte I, 167: Gude Rorbach. Daniel Bromms Testament 1501: Fichard.

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und den gerechten, freundlichen Sinn, wie er sich in dem patriarchalischen Verhältnis zwischen Herr und Knecht in Hellers Testamente offen¬ bart. Und dass es Sitte gewesen ist, dass die Dienenden ihr Geld zum guten Teil aufsparten, muss man annehmen. Jedenfalls wird es in damaliger Zeit oft vorgekommen sein, dass Angehörige dieses Kreises kleine Kapitalien erwarben. Sonst würden nicht die Bede- rollen des 15. Jahrhunderts stets so nachdrücklich darauf hinweisen, dass jene auch zu steuern hätten.* 1

Wenn man zurückblickt auf das Bespfochene, so erkennt man, dass Jakob Hellers Testament uns manche Aufschlüsse über die bürgerliche Kultur zu Frankfurt a. M. bei Beginn des Reformations¬ zeitalters gegeben hat. Reichtum war offenbar die Signatur in den Kreisen der Grosskauf leute; und diesem grossen Besitze wurde in hohem Masse Rechnung getragen; eine glänzende Prachtentfaltung im Hause wie nach aussen hin war die Folge. Man bedenke, dass z. B. die Kosten des Leichenbegängnisses von Hellers Frau 114 fl. betrugen, während ein Eobanus Hessus in Erfurt mit 30, in Nürnberg mit 150 fl. ein Jahr lang haushalten musste.2 Und noch 1541 spricht Luther davon, dass die Geistlichen 90—100 Gulden erhielten, früher 30.

An Hellers Beispiele kann man auch erkennen, dass die reichen Kaufherren mit der Armut ein inniges Mitgefühl gehabt haben. Sie haben sozial empfunden und ein warmes Herz für die Notleidenden gehabt, das sich in edlem Tun äusserte. Auch haben sie für die väterlich gesorgt, deren Dienste sie nutzten. Umgekehrt waren die Arbeiter durch Anhänglichkeit, Treue und Vertrauen mit ihnen ver¬ bunden. Die Denkweise beider war gesund und zeitigte ein schönes, gemütliches Verhältnis als Frucht.

Und neben ihrem emsigen Schaffen und Erraffen hatten die umsichtigen, klugen Männer noch Zeit und Lust zu politischer Tätig¬ keit: sie dienten ihrer Stadt im Rate und im Schöffengerichte oder gar als Bürgermeister, sie Hessen sich aber auch als Gesandte mit wichtigen Missionen betrauen. Und für Kunst und Wissenschaft waren sie nicht nur begeistert, sie förderten sie mit ihren reichen Geldmitteln, sie spielten den Kunstmäcen. Und sie selbst haben sich hier und da an kunstreichen Arbeiten, wie dem Abschreiben von Büchern, be¬ teiligt. Sodann mischten sich die Männer in das wechselreiche Leben, das damals auf der Weltbühne sich abspielte. Ein Jakob Heller hat

1 Bot he a. a. O. S. *18, Beil. Nr. 14 und passim. S. o. S. 346.

1 Schmoller a. a. O. S. 530, Anm. 2; S. 506,

37 6

ebenso wie ein Claus Stalburg oder ein Blasius und Hamann von Holzhausen eingegriffen in den Gang der Reformbewegung, freilich nicht fördernd, wie jene, sondern hemmend.

Und für die damals in weiten Kreisen herrschende religiöse Denkweise erbringt das Testament ein typisches Beispiel. Wie hängt der fromme, um sein Seelenheil besorgte Mann an kleinlichen Äusser- lichkeiten ! Wie genau schreibt er die Zahl und die Formeln der Gebete und die Kosten der geweihten Kerzen vor! Wie sorgsam hat er die Altäre und die Heiligen bestimmt, zu denen er Zutrauen hatte! Und kindlich beschränkt glaubt er auch an all die frommen Sagen. Keinen Hauch von dem neuen Geist spürt man. Auch die Bücher eines Geiler von Kaisersberg, die auf einen Claus Stalburg offenbar grossen Einfluss ausgeübt haben, sind Heller entweder un¬ bekannt geblieben oder haben keinen Eindruck hinterlassen. Für ihn gibt es kein Beten »im geist on bild«.1 Aberglauben und Abgötterei, Werkgerechtigkeit und sinnloses Formelwesen, das ist es, was uns aus der Aufzeichnung Hellers entgegenblickt. So aber sah es bei vielen aus; Jakob war ja noch einer der Intelligenten. Deshalb kann uns das Studium von Hellers Testament auch von der Notwendig¬ keit der Reformation überzeugen.

Eins vermisst man, wenn man das Testament Hellers durch¬ forscht : ein Bild des genussfrohen, in vollen Zügen den Freuden¬ becher des Lebens schlürfenden Geschlechts. Höchstens können uns die vielen, schönen silbernen Trinkgeschirre des Inventars eine Andeutung dafür geben. Heller selbst hat ja den grossen vergoldeten Humpen »täglich« gebraucht. Auch die vielen kostbaren Ringe und die prächtigen Gewänder sind ein Beweis für einen fröhlichen Lebens¬ genuss. Aber der wahre Charakter jener Vollmenschen der Renaissance tritt doch nicht zu tage. Ganz anders ist dies der Fall z. B. bei einem Claus Stalburg dem Reichen, der in seinem zweiten Testamente die verschiedensten Kreise seiner Mitbürger mit Geldgeschenken bedenkt »zum Vertrinken«. Der Grund mag bei Jakob Heller in seiner ernsten Gemütsart gelegen haben. Und diese wiederum war wohl mitverursacht durch die Kinderlosigkeit seiner Ehe.

1 Geiler von Kaisersberg, Der Eschen Grüdel. Von den anfallenden mönschen in dem gotsdienst. (Strassburg 1510) fol. t 5 3 b : Man solle Gott ge¬ denken »on ein leiblich ding oder bild, also das er nit gedenck ein grosz ding oder kleins, längs oder kurtzs, weisses oder schwartzes, hie oder da, in diszer oder andern statt«.

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Für die Stadt müssen Leute von Hellers Schlage ein grosser Gewinn gewesen sein. Nicht nur, dass er aus seinem Vermögen für gemeinnützige Zwecke grössere Summen hergab, wie sich das aus der testamentarischen Bestimmung kundgibt, dass ioo fl. für das Geschütz verwandt werden sollten,1 sondern auch die Einnahmen der Handwerker wurden durch die mit dem wachsenden Reichtume gesteigerten Ansprüche dieser reichen Kaufherren in der Lebenshaltung vergrössert, und viele Arme fanden somit ihr Brot.

Auf Heller darf man auch gewiss nicht beziehen, was Sebastian Frank über die Kaufleute seiner Zeit urteilt, denen er Geiz und lauter Eigennutz nachsagt.2 * * »Was für redlich Händel jetzt unter den Christen und christlichen Kaufleuten, Gesellschaften, Wucherern, Zinskäufern, Geldwechslern fürgehen, empfinden wir freilich allzumal wohl, auch das Kind in der Wiegen: das ist eitel Zinskauf, Fürkauf und das ganze Land mit unnützen Händeln, Gewaren und Hantierungen zu jedermanns Nachteil erfüllet. ff Heller wird wie die andern Frankfurter Kaufleute, namentlich auch ein Claus Stalburg, Melanchthons Freund, nur gerade Wege gewandelt sein, und schnöde Gewinnsucht, unred¬ liche Übervorteilung seiner Mitmenschen wird ihm fremd gewesen sein.

Auch ist er kein Verächter der Landwirtschaft gewesen.5 Viel¬ mehr war er selbst noch Besteller des Bodens, wie dies ja die

1 Vgl. Jung, Stadtbibliothek a. a. O. S. 135: 100 fl. zur Verbesserung des

Weges nach Praunheim, Gold- und Silbergeschirr zu Bauten. Claus Stalburgs

Testament von 1501: 400 fl. zum Bessern der bösen Wege zwischen Stadt und Landwehr.

1 Schmoller a. a. O. S. 467; 472.

5 Zwingli: Mit Arbeit will sich niemand mehr nähren; man lässt die Güter mit Gesträuch überwachsen an viel Orten und wüste liegen, dass man nit Arbeiter hat, wiewohl man Volks genug hätte, darzu ein gut Erdreich, das euch reichlich erziehen mag. Trägt es nicht Zimmet, Imber, Malvasi, Nägelein, Pome¬ ranzen, Seiden und solche Weibergeschleck, so trägt es Anken, Astrenzen, Milch, Pferd, Schaf, Vieh, Landtuch, Wein und Korn überflüssig, dass ihr dabei schöne, starke Leute erziehen möget. Schmoller a. a. O. S. 482. Bot he a. a. O. S. 261: von Luther gesagt, der ja freilich sich ähnlich äussert. Schmoller a. a. O. S. 634. Luther: Von Kaufshandlung und Wucher. 1524. (Zimmer:) Martin Luther als deutscher Classiker. 1883. III, 22: »Der ausländische Kaufhandel, der aus Kalikut und Indien und dergleichen Ware herbringt, als solch köstliches Seiden- und Goldwerk und Würze, die nur zur Pracht und keinem Nutzen dienen und Land und Leuten das Geld aussaugen, sollte nicht zugelassen werden, wo wir ein Regiment und Fürsten hätten«. Kaufen und Verkaufen sei nötig, aber man solle wie die Patriarchen nur Vieh, Wolle, Getreide, Butter, Milch und andere Dinge, »die zur Not und Ehre dienen«, verkaufen. Dass sich übrigens Luther selbst nicht von Seide, Samt und Würze freimachen konnte, lehrt Erlanger Ausg. 45, S.234.

378 -

Frankfurter Patrizier nach dem Urteile eines Zeitgenossen aus der Mitce des 1 6. Jahrhunderts ursprünglich alle und zwar ausschliess¬ lich gewesen sein sollen. In dem »Gedichte vom Neuen Adel zu Frankfurt«1 aus dem Jahre 1546 heisst es:

»Ir Stam erspringt vom Adel her,

Als nemlich Mist und feistes Schmer.«

Der Pamphletist gedenkt des »Ursprungs aus dem Dreck« und will der »frommen Bürgerschaft« von seinen »vermainten Junkern all« den Glauben beibringen,

»Das sij nit pesser sein im Fall,

Den ander Bauern mher.«

Auch Heller wird man ja zu den Patriziern rechnen müssen, wenn er auch nur den »Frauensteinern« zugehört hat und sogar dann aus dieser Gesellschaft wieder ausgetreten war. Obgleich es nun nicht richtig ist, dass alle Patrizierfamilien ursprünglich ganz der Landwirtschaft ergeben waren, so ist dies doch bei einigen der Fall gewesen. Und die übrigen, die aus dem Handwerke und dem Handel hervorgegangen sind, haben doch auch den Landbau im weitesten Sinne des Wortes und die Viehzucht gepflegt. Bei Heller, der ja nicht zu den unternehmungslustigsten Frankfurter Kaufleuten gehörte, hat die landwirtschaftliche Tätigkeit sogar einen grossen Raum eingenommen. Bei ihm wie bei allen Frankfurter Gross¬ händlern waren neben dem Kaufgeschäfte der Boden- und fernerhin der Häuserbesitz zwei wichtige Quellen des Einkommens.

1 Kriegk, Geschichte von Frankfurt a. M. 1871. S. 210.

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Beilagen.

Nr. i. Die Mitglieder der 3 „Gesellschaften“, 1504.'

Wahlhandlungen V, fol. 47 b. Disz sint die personen, so in der geselleschaft uf alten Limpurg sin uf montag nach Trinitatis anno XV c quarto. Johann More, Schultheisz ; Martin von Husenstamme ; Hamann, Gilbrecht f, Ludwigz Holtzhusen; Hert, Bernhart, Philips, Henrich, Conrat Wissze; Johann von Glauburg, Doctor f; Johann f, George f, Johann, Wicker Frosche; Henne, Jacob Stralenberg, ; Jacob Brune; Wicker, Sifrit, Johann Knobeloch; Michel Swartzenberger; Henrich, Hans f, Henrich vom Ryne; Clas Humbrecht *; Orte f, Johann, Conrat, Orte zum Jungen; Christian Folckerf; Friderich von Altzey ; Jacob f, Ulrich, Jorge f Nuhusz * ; Johann, Arnolt, Karle Reyse ; Karle, Johann Henszbergk ; Philips Sigwin, Doctor ; Jacob Geuch * f ; Bernhart Rorbach* ; Ludwig*, Jorge Martorff; Clas Stalberg*f; Henne Sasszef; Henrich Isenach; Clas von Ruckingen *f; Peter, Philips Fürstenberg; Bastian Smit; Hans Bromme*f; Wolff*f, Melchior* Blume; Henne von Det¬ tingen; Johann Holtzheymdr; Adam Schonwetter, Doctor ; Conrat Schit; Caspar von Rumpenheym; Friderich Faut*; Thomas Sossenheymer; Walter Isenberg; Eberhart von Husenstamme; Philips Keiner, genant Kaltofen; Symon Ofstender ; Hermann Wetter. Explicit 66. Die Personen der geselleschaft uf Frauwenstein : Thomas vonVenrade; Johann Rensz- dorf; Johann von Melnheym*f; Claus Schit*f; Philips Schreck; Clasz Merszfelt; Johann Kropf; Philips Dirmesteyn; Lucas Schot; Friderich Assenheymer ; Casper Schott ; Hans Loit ; Bartholomeus Beucker ; Henrich Beyer; Wolfgang Schott; Conrad Husz; Johann Kesseler ; Johann Comes ; Clas Stauff ; Johann J ekel; Conrad Keller ; Henrich Dirmestein. Explicit XXII. Disz nachgeschrieben personen sint in der Kremergeselleschaft uf montag nach Trinitatis anno XVc quarto. Henne Klopheym; Henne Adenstat; Johann Hugelin; Hartman Griff der junge ; Hans Swalbecher ; Johannes, Apotheker; Johannes Rutlingen; Henrich Rode; Otte von Belle; Jacob am Stege; Johann Boel; Conrad Langsdorf; Hans Michel¬ bach; Johannes Hamer; Henrich Wisebaume; Paulus Herbsteyn; Peter Walstat; Philips Wachbach; Lorenz Daspach; Walther Hartmann; Bernhart Weydenlich; Ulrich Dorniken; Philips Weybel, Otten eydem; Hans Gromet; Hartmann Griff der eitere; Johannes Mag, Visierer, exempt. Explicit XXVI. Vgl. Quellen zur Frankfurter Geschichte I, 276. Jakob Heller steht nicht unter den Frauensteinern ; er war 1502 ausgetreten.

1 Bücher, Bevölkerung a. a. O. 132 f.

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Nr. 2. a) Jakob Hellers Testament vom 27. März 1519.'

Er setzt die Kinder seiner Schwester Agnes, Bechtold, Margarethe, Balthasar und Johann vom Rhein, zu Erben ein. Johann vom Rhein, sein Vetter, soll den Hof und den Garten bei St. Peter nebst Haus, Scheuer, 4 Zinshäusern und der sogenannten »Kopfferscheuer« erhalten mit aller Nutzung, Hausrat und was sonst darin ist, doch ohne das Korn. Das alles soll ihm nicht höher, als im Losbuch stehe, angeschlagen werden, nämlich zu 600 fl. Ferner soll er den Bau, Stube und Kammer, auf dem Hof Firnberg, den Jakob unter dem Dach habe machen lassen, bekommen samt allem, was beim Tode Jakobs darin sei. Auch dies soll mit 600 fl. berechnet werden. Die Liegenschaften soll er aber mit allen andern Erben gleichmässig teilen. Weiter soll Johann alle fahrende Habe erhalten, die Jakob »onhinwegkgesetzt verlaszen« werde, aber ohne Silbergeschirr, Korn, Bargeld sowie die Kleinodien. Balthasar vom Rhein seien in seinem Brautlaufbriefe 1000 fl. nach Jakobs Tode zugesichert. Diese sollen nun in die Erbschaft einberechnet werden »vnd ime der gemelten tausent gülden halb von meiner verlaszen narunge nit wyther gegeben soll werden«.1 2 Jakobs Mutter hatte in ihrem letzten Willen »besc.heyden«, dass das »vergibt trasenyfasz mit aicht Schilden, wieget sex marck sieben loit, vnd eyn vergulten dtlppel kop, wieget sex margk, den ich myn leptage gebrauchen«, auf seiner Schwester Kinder und ihre Erben fallen sollten ; jene sollten dies »nit verkauften, vereuszern oder brechen, sunder von eynem vff den andern sterben, werden vnnd gefallen sali«. Dann »setzte« er »In den gemeynen notzen dieser stat Franckenfurth zu iren thtlrn, mawern, geschütz vnd ander irer notturft hundert gülden eynmal zugeben« ; »dem bawe vnser lieben Frawen« vermachte er ebenfalls 10 Gulden, »sal man by dem olenberg doselbst, wes die notturft do erfordert, verbawen«; in den Bau zum Turm von St. Bartholomaei gab er auch 10 fl., zum Bau der St. Leonhartskirche 6 fl. »Sie sollen auch alle ermanet werden, got für mich, mein hauszfrawe vnnd vnser eitern vund guttheter zu bitten«. »Setz, ordnen vnd bescheyden ich den hern vnd closter zu den predigern hie zu Franckenfurth vierhundert gülden, die sie mit rath, willen vnd wiszen meiner erben vnnd testamentarien an gult sollen legen, nemblich siebenzehen gülden gelts kaufen«. Dafür sollen sie täglich eine Lesemesse, fünfmal im Jahr eine »singende messe« und einmal ein Memorien oder Begängnis auf dem St. Thomasaltar halten, »darzu die ampel für demselben altar brennenden tag vnd nacht«. Was er im Codizill unter f Jesus J Maria f Anna für die Prediger ver¬ ordne, solle gelten. 10 fl. sollen einmal den hausarmen, notdürftigen

1 Vgl. Fichard Fasz. Heller. Mit dem Codicill hinterlegt im Predigerkloster.

2 Fichard hat sich hier verlesen.

38i

Leuten gegeben werden, keinem mehr als i Ort (= 6 ß) auf einmal; »bevorab« sollen die bedacht werden, denen er und seine Hausfrau täglich gegeben habe. »Item setz, ordnen vnd will ich, das mein erben, testamentarien vnnd truwenhendere eyn gelegen behausunge, soferre ich die in zeit meins lebens nit verordent het, mit rath eyns erbarn rats alhie zu Franckfort, die das verwilliget haben, käufen, nach nottürft bawen vnnd versehen sollen, darin eyn Stuben oder gewelb mit zweyen collischen kamyn oder mitten eyn kolefewer oder holtzhert nach nottürft zugericht werden, darin sich von wynther zeit von omnium sanctorum bis vff Cathedra Petri im tage das arm folck wormen mögen«. Ein Ehepaar soll darin wohnen, »die das die obgemeldt zeit versehen sollen vmb zimliche belonunge redlich nach nottürft versehen, verlocht vnnd vergült werden« sollen. Alljährlich soll dem Rate Rechnung gelegt werden. Alles Silbergeschirr, Korn und Bargeld und dann seine und seiner Frau goldene und silberne Kleinodien, goldene Ketten, Ringe, Edelsteine, Perlen sollen verkauft und »hausarmen, notttirftigen leuthen für duch, eyn weglin holtz, schuwe, für eyn ort brot oder eyn ort bar in die handt« gegeben werden. Vorher solle aber »die stub genugsamlich nach nottürft mit bawen vnd gulten ver¬ sehen« werden »vnd das Creutz vff dem pfarkirchof vnnd der olenbergk zu vnser lieben frawen, weszs mangels daran were«. Testaments¬ vollstrecker sollen Bechtold und Johann vom Rhein, seine Vettern, sein. Damit sie desto mehr Fleiss anwenden, bestimmt Jakob Bechtold die Wiese zu Bockenheim, die Steinheimer Wiese genannt, 4 Morgen 5 Ruten gross, und Johann 2 Zinshäuser zu Sachsenhausen zwischen Ulrichstein und Dreikönigskirche. Wenn einer seiner Erben nicht zufrieden sei, solle sein Erbe unter die andern geteilt werden, jedoch solle JA davon den 3 Stiften, den 3 Orden und 2 Jungfrauenklöstern gegeben werden in ihren Bau.

b) Codicill, 31. März 1519.

Auf allen Kanzeln in den 3 Stiften, den 3 Orden oder Klöstern, durch die Prediger, im deutschen Haus, zum heiligen Geist, zu St. Katharinen soll sein Tod verkündet und fleissig für ihn gebetet werden, »dafor in geborlich belonung sol gegeben werden«. Ein »messen pethavium« soll man auf sein Grab giessen lassen, darauf ein Gold¬ schmied oder Büchsengiesser das Datum stechen soll; sein Schild und Helm sollen unter das jüngste Gericht über dem (Thomas-)Altar,1 »da die hei gemolt ist vnd eyn hak dazo in gegossen« ist, aufgehängt werden. Ein Maler solle das Datum darauf schreiben; »und ist soligsz petafium zu den bredigern in der obern stoben obern sigenhusz, alsz her

1 »ober meyn altar«. Es scheint demnach an der Wand über Dürers Bilde das jüngste Gericht gemalt gewesen zu sein.

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Baltasar vvol wisz«. Seine Erben sollten »ein erbar manszperschoin, der eins erbern wesensz vnd stantz sey«, der das vermöge und das richtige Alter habe, nach Rom schicken für Jakob, seine Hausfrau und beider Eltern zu beten. Jede Woche solle derselbe 1 fl. erhalten oder »wasz nach gelegenheyt der zit mer erfordert«. Wenn er zu Rom, Loretto, Einsiedeln usw. still liege, solle man ihm ausserdem 1 Ivarlin täglich zur Zehrung geben. In 14— 1 5 Wochen würde die Wallfahrt beendet werden können. Darum solle man länger zu zahlen nicht verpflichtet sein. Wenn er aber von dem untengenannten Priester, der zu Rom mit ihm gehen solle, die Bescheinigung bringe, »dasz er andechtiglich vnd flisekligen disz hernachgeschriben foluirt hat ond andechtiklig for onsz gebeten ond de helge steyt flisiklig ersoucht hat«, solle man ihm eine Verehrung geben »nach Gelegenheit«. Man solle ihm einen Teil des Geldes mitgeben, soviel er bis Rom bedürfe, an die 8 fl.; sodann solle man ihm einen Brief mitgeben gen Rom, Venedig, dass er zu Rom um 12 fl., zu Venedig um 5 6 fl. finde. Man solle nach Rom und Venedig schreiben, »dasz er Im wexel dorg wexelbriff zu onpahen wiss, omb mangerly ofstonsz of der strasz, damit er kein mangel hett ond an der walfart nit ferhendert werd«. 1 Wenn er krank würde oder stürbe, solle ein anderer geschickt werden. Der Verlauf der Wallfahrt solle ihm schriftlich mitgegeben werden, damit er und der Priester in Rom ihn öfters läsen und den Willen des Testators ausführten. Man solle dem Pilgrim »eyn gout nuhe par scho mit dopelsz ^olin mitgebein, vnd von mynen altten klidern eyn wambsz, eyn altt par hosen, eyn mantel vnd rock oder im fon graem duch machen lassen.« Täglich solle er auf dem Wege 30 Paternoster, 30 Ave Maria, 3 Glauben mit Andacht für Jakobs und seiner Angehörigen Seelenheil beten. Alle Sonn- und Feiertage und sooft er sonst könne, solle er auf dem Wege messe hören, für ihr Seelenheil beten und während der Messe 30 Pater¬ noster, 30 Ave Maria und 3 Glauben andächtig beten. Die Kosten der Messen, die er für Heller habe lesen lassen, und für brennende Kerzen, die er brennen lasse, sollten ihm die Erben wiedererstatten, ebenso was er dem Priester in Rom gebe und opfere.

Weiter heisst es:

»Zorn Ersten.

Item wan er als pelgerin gein Rom ko(m)pt, sal er dan den andern dak gan beychten ond erfornsong (!)2 3 haben nach eym fromen dutzen ?

1 In einer ebenfalls eigenhändigen Abschrift (B) heisst es : omb mangerly ofstusz of der strasz, ob im brit oder gelt genomen werden, dasz er kein mangel an gelt hett.

1 Erforschung.

3 deutschen.

3^3

prister, dem (!) im gelegenheyt der helgen stett zu zigen wisz, dem er büchten sol, den er allen dak, we hernoch steit, mit im nemen sal, der in aller masz for mich, mein husfrau selgen, onser beyder altern beten sol alsz der pelgrin, dasz er in ernstlig befeln sol, ond sal der prister in zweyhein all dak desse ferzeygenisz ferlyssen, weysz sey beyde den selben dak doin soln noch inhalt, damit esz noch onser sein hayl folnbrücht werde, ond sal der selbege prister de irst oder ander misz selber lyssen, do fan im der pelgrin eyn karlin geben sal, darzu allin dak for seyn moy ond ganck auch eyn karlin geben, ond wan se de walfart zu sant Johan Latran om (!) S. Maria schala zely doin, of dan dasz der prister desz ondechtiger for onser sayl beyt, sal man im de zueyn dag iclgen 3 karlin geben for de misz ond ganck, ond sol der prister zu icliger misz, so er hört, eyn septem palmos mit der lytemey ond colicht andechteklyg for onsz beten, ond ist sach, dasz der prister mit flisz ond andacht disz meyn walfart dut, ond andechtklych for mich beyt, sol der pelgerin im eyn fl. zu Ion schenken.1

Item den anderen dak solin sey beyde, der prister ond pelgerim, samethaft zu Sant Peter monster gan, de 2. haptkerg, ond mit eynegen herzen for meyn seyl beten, dasz sich gott ober se erbarmen wol, auch for de andern obgemelt, darfor ichsz auch begern bin etc.2 dan auf Sant Petersz altar eyn misz fan Sant Peter lysen lassen, ond of dem seilen altar3 3 mesz requiem lassen lysen, der diszer prister eyn sal lassen (!) lysen, ond eyn of der Froncken4 altar, darzu iclig misz, for ond nachgeschriben, 3 wexen kerzlin ongeferlig for eyn kruzer sol darby gebrant werden, ond icligen prister fon eyner misz eyn karlin gegeben werden, ond so dorg den pelgerin ermant soln werden, for meyn seyl ondechticlig zo beden, auch mayn husfrau selgen, onser beyder altern, dasz onsz gott genedig wil sein, ond onser arme seyl5 durg sein helgesz better dut ond lyden, er am stam desz helgen Krut geliten hat, ond sein helgesz blut fergossen hat, ond durg sein grondluse barmherzikheyt onsz all onser son ferzihen ond fergeben wol, meyn seyl zu sein gottligen genad nemen, amen.

Ond der prister ond pelgerin solin by for ond nachgeschribenen mesz selber sein ond de mit andacht of irn knehen horn, der prester6 de 7 palmos met der lyteney colicht7 ond der pelgrin XXX paternoster, aue maria, 3 globen drunder andechtlig beten, ond solin sey beyd, der

1 B : so esz folendt ist.

2 B: ond meyn sond ferzihen ond meyn seil zo sein gotligen genaden nemen.

5 Seelenaltar.

* Veronica.

5 B: durg sein helge mentzwerdong.

6 B: Doch so der prister de misz lyst, darf er de seben salmen nit beten.

7 Kollekte.

384

prister ond pelgern, for den 7 hauptaltar in Sant Petersz kergen gan ond for ilchen1 5 pater noster, 5 aue maria, eyn gluben beten, deszgligen for der golden portein auch, we he for stat, beten, ond forter den selben dak ausz (!) de helge stett drom erschein, so fil se der errichen können, mit andach for onser seil beten.

Item den andern dak soln se gan zu Sant Paulsz, de 3. hauptkerg, da lassen lysein eyn misz of dem hohein altar fon Sant Paulisz ond eyn misz requiem, ond all kergen drom her den selben dak oder auf dem selbegen weg mit andach besochen ond for onsz beten.

Item den andern dak soln se gan zu Sant Maria Maior,2 de 4. haupt¬ kerg, da of dem hohen altar eyn misz fon onser liben frauen lassen lysen, ond of sant Jeronimsz altar zu der richten hand eyn misz fon sant Jeroemus ond eyn mesz requiem lassen lysen, dan for dasz mergen- bild knehen, dasz oben neben dem hohen altar steit, dasz met sant Gregoriosz geritt hat,2 da der prister eyn salue reygina ond rygina zely mit der geuenlich colicht5 beten sal, ond der pelgerin 3 pater noster, aufe maria, eyn gluben met andacht beten soln, ond of den selben dak solin se ad sactum brexsedan4 of den altar, da de sul onder stat, da gott, onser her, an gegeiselt ist wordein, ond da 5 meysz lassein lysein fon dem lyden kriste, der eyn requiem sol sein, ond forter den dak de helge stett drom her lassein besoichen, so fil se der erlangen konen, ond beforab zo Sant Mateo, Sant Veltz5 met andach besochen ond betein.

Item dein irstein fritak, so er dar kompt, off den abent spad, solend sey beyd by Sant Johan Latran zo herberg lygein ond of dem sanstak morgesz froe in de selbe kerg S. Johansz gan ond den dak da blibein, de erste hauptkerg, der 7 kergen eyn, mit gruser andacht de selb besochen, dan ich eyn besonder genade ond andacht darzu hab, da ich selbest in iar 1500 nast perschonlich zo Rom wasz, soln sey beyd, der prister ond pelgerin, fliszlich mit andacht for onsz beten, ond of dem altar, da Sant Peter ond Paulusz hupt oben stan onder dronhimmel, eyn mesz fan S. Johann lassen lisen, darnoch eyn meysz in der kapeln darneben, lyst man gemklych6 for de seyln, sol man mir eyn misz requehem lassen lysein, ond in der kapel, da Moesz rotem7 ond de dafei, da der her dasz obetz Imsz8 mit sein Jongern auf gessen

1 = jeglichen.

2 geredet hat. Gsell Fels Rom und die Campagna. Meyers Reisebücher. 1906. Sp. 753.

3 fehlt in B.

4 B: prixsedem. Gsell Fels a. a. O. Sp. 764.

5 B: vitisz.

6 = gemeiniglich.

7 B: da moesz Rout.

& = Abendmahl.

385

hat, da in auch eyn miszrequiem lesen, de deser prister lysein sol; da noch solint sey beyde for der goldenen portein knehein ond icliger 5 paternoster, aue maria, eyn gluben beten for onser seyl ; da noch solint sey heinauf dorg de 3 goldein porten gan, zo 7 maln gan, zo icligem mal eyn pater noster, aue maria, eyn gluben spregen zom lyes- tein mal,1 ond forter in de kapel sanchta sanchutorum 2 gan, darin eyn mesz requiem lassen lysen, ond na darby ist eyn wisz marmel altarstein, darauf de aposten mesz gelisen haben, solint se mir auch eyn mesz requiem lassen lysein, allsz mit brenhen wexen kerzen, we obgemelt; da nach solint se beide de wisz marmeln stensteyg auf irhein knehen aufgain, de onser her Christosz auf ganhein ist, alsz er for Pilatosz

gefort wart, zo 3 mol aufgan of irhen knehein, icliger for mich, mein

husfr(au), onser eitern seyl beten, ond of icliger dropein eyn pater noster, aue maria spregen ond of der lystein eyn glauben, ond of der drapen metten, da dasz isern geremsz auf stet, solin se zo allin mal 3 pater noster, 3 aue maria, eyn gluben spregen, dan auf der selben drapen ist Jesus gefaln, alsz man noch de blutzdropen seycht, ond solint se noch 3 ärmentzen 3 met in nemen, de dergligen auch gan ond beten soln, den der pilgerin

icligem zo iderm mal 2 krutzer zo Ion gebein sal, seint 18 krutzer.

Dein andern dak darnach solint sey tzwen hauptkerchen besochein, zum irsten de 5. hauptkerg zo Sant Lorentzen ond de 6. hauptkerg zom helgen krutz ; zo Sant Lorenzein of Sant Lorenzen altar eyn misz fan Sant Lorenzein ond eyn misz requiem lesen lyssein, ond solint dasz grap Sant Lorenzen, Sant Steffein ond de gruft darnebein mit anducht besochein, icliger mit 5 paternoster, aue maria, eyn glubin betein.

Item danoch zom helgen krutz zo Jerosaleim gan, da of dem hohen altar eyn meyss vom helgen krutz lassein lysein, ond sofern esz sein mag, in der capeln zo Jerosalim mir eyn seylmeysz requiem lassein lysein oder sonst of eyn andern altar in der selbegen kergen, ond in der selbegen capel, Jerosalim genant, sol der prister eyn septem solmosz4 mit der lyteney, colycht, der pelgerin XXX paternoster, aue maria, ein gluben beten ond forter dein selbegen dak de helle5 stett omb desen zuo6 kergen andechtiklig besochen, ond for onser seil betein.

Item danach dein andern dak solint sey beyd de sobende hup- kerg besochen, zo Sant Sebesteon, ond off demselbein altar onden, alsz man in de gruft geyt, soln se mir 3 meysz lasen lysen, der deser prister eyn sol lysin requem, ond wan eyn der misz ausz ist, so sol

1 B : ond zoen lesten mal eyn gluben mit andacht for onser beyder sei beten.

2 sanctorum. Gsell Fels a. a. O. Sp. 417.

3 B: arm menzen = arme Menschen.

4 psalmos.

3 helge.

6 Zwei.

25

386

der prister, der de misz gelesen hat, ond der pelgerin sanpt sein prester solint mit brein1 kerzen ideszmal for eyn oder 2 krutzer drug2 de gruft gan, dasz ist dreiemol, der prester ediszmal de soben posolmen,3 lyteiney ond kolycht betein sanpt andern goutem gebet, der pelgerin so fil paternoster, aue maria, alsz er kan, deweil se dar dorg gain, for mich, mein husfrau, onser altern beten, dasz onsz gott onser sond firzig.4

Item deinselben dak soln se gan zu onser libein frauwen zo der botzschaft, lyt nit wit darfan, ond ineklig5 7 pater noster, aue maria betein, eyn glubein, ond der prister eyn salue reygena ond dasz rey- geyna cely beten ond eyn misz fan onser libein frauen lysein lassen, de conzepzione, fan englisem gruisz.

Item de 7 hauptkergen sol de prister ond pelgrin alin noch 2 mal besochein alemal mit gebet, we he for stat, ond der prister icligen dak alin sey meysz sol lysein ond de andern nit, ond sol lysein de irst zo Sant Petersz monster of der sein altar, zo Sant Maria Major, of Sant Jeronimosz altar, de ander zo Sant Johann in der kapel sanchta san- torin, de ferd zo Sant Sebastian onden by der gruft, ond sol se all Requem lysein, und se zuen de Steg zo Sankt Johan alin aufgain, alsz obgeschriben,6 ond wan sey de lyst walfart doin, soln se zuen zo Sant Gregorio, Gregorio ist eyn abtey in Sant Endreysz ire gebut, da ich itz im nesten jubeljor zo rom wasz, lysz ich mich in ihr broderschaft schriben, da sal man mir auch eyn mesz requiem lysen, de er, der prister, lysein, ond der pilgern horn, jnclich for onser seyl betein.

Item of dem gotzacker7 sol deser prister auch eyn mesz requiem lysen, we oblut.

Item darnoch of dein samstak, so se zo Sant Johan Latran geuest sein, soln sey sich schekein, dasz sey beid dein sondak darnach morgesz froe zo onser libein frauen schala zely, hinder Sant Paulus ligend, oder 3 bronnen,8 gain, darzo ich eyn besonder andacht hab, ond of hohem koraltar eyn mesz fon onser libein frauen, 2 mesz requem lassen lysen, for 3 krutzer wexen kerzen brenhein, ond den prister ernstlig befeln, for onser seyl zu betein, der der mesz eyn lysein sal, ond dorg de gruf selbest gain, darnoch zo dein 3 bronhein gan ond foln (!) denselben dak de helge stett dromher besochein ond mit andacht for onser sein beten.

1 brennenden.

2 durch.

3 psalmen.

4 B: das uns Gott gnedig und barmhertzig wol sein. Amen.

5 inniglich.

6 B: ond de Steg zo sant Johan Latram nor eyn maln sey zuein alsz ob¬ geschriben aufgan solin.

7 B : by Sant Peters kergein gelygen.

8 B: lyget by den drien bronnen.

387

Item so der pelgerin also mit andacht dese walfart mit andacht (!) folnbrucht hat, sal er dan wider hamzehen of Ancona zu, ond of onser liben trauen zu Loreto zo, ond da eyn dak steyl lygen ond onsz da in onser leben trauen capel, de metten in der kergen stat, 3 mesz lasen lysein, eyn von onser libein trauen, alsz ir de botzschaft brucht, annun- ziacionisz, ond zo end der meysz dem prister befeln, dasz reygena cely zo lysein ond darnoch 2 mesz requem, de der pelgrin alle selbest horn ond betein sal, 30 pater noster, aue maria, 3 gluben mit andacht for onser seyl,1 ond for ein karlin brenhen wexen kertzen da by brenhen,2 dein prestern all drien befeln andechteklig for onser seyl zo beten, ond icligen ein karlin geben.

Item darnoch sol er auf Fenedig zu zehein, aber da eyn dak stil lygen, ond zu Sant Helena farn ond in ir kopel ober irn grap ader

altar eyn meysz fon Sant Helena ond eyn misz requem lysein lassen,

den prister 2 marzel ond for eyn martel brennen kertzen fon wax darby brenhen. Item darnoch sal er obern arlinberk zehein zo den Eynsedeln ond eyn dak do stil lygen, eyn misz fon onser lyben frauen in irher

kapel, so metten in der cergen stet, ond eyn mesz requem for onsz

lassen lysen, mit gebet, kerzen for 3 alb., icligem prister alsz gott alsz 2 alb. zo geben ond se erman, andechtiglig for onsz zo beten, ond sal der pelgrin allen dak of der win3 (!) im hein- ond hergan XXX (30) pater noster, aue maria, 3 gluben beten met anducht for onser seyl, dasz ir gott gnedig sey.

Item darnoch in den selbegen drisexsten oder ongeferlig in 14 dagen darnoch sal aber eyn fromer manszperschoin auch obgeschriebener masz gefertiget werden tzo onser libein frauen gein Herzeinhan, zo onser liben frauen gein Wormsz, zu onser liben frauen gen Achein, sol an icligem ort lossein lysein eyn misz fon onser liben frauen ond eyn meszrequem , dein pristern befeln , ondechtiglich for mich , meyn husfrau, onser altern zo beten, deim man 2 alb. fon icliger mesz geben sal ond an icligem ort V2 lb. kerzen for onser liben frauen in zit der meysz brenhen sal, ond zu icliger mesz 3 ^ opern ond sal der pelgerin of der weg, so er dan ond dar get, allin dak auch zo icliger mesz 30 paternoster, aue maria, 3 gluben, eyn roseinkrantz ineklig for onser sil beyten, dasz ir gott genedig wil sein, amen, ond sal foruetter4 gein Durhen zo Sant Ana ond gen Coln zo den helgen 3 kongen, men besondern patron, da ich alueg eyn besonder grusz andach zu gehapt hab, da er auch mit flisz for mich beten sal, ond de prister, de ir mesz lisen, ouch erman, mit andach for mich ond min husfrau zo

1 B: dem prester for iclich mesz eyn karlin geben.

2 bei brennenden Kerzen.

3 In B : weg.

4 forter.

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beten, ond zo Durhen eyn mesz fon Sant Ana, eyn misz requem lasen lysen, ond zo Köln eyn misz fon den helgen 3 kongen of dem altar, der hinter in steyt, ond eyn mesz requem lysen lassen, fon iclicher dem prister 2 alb. gegeben saln werdein, zu icliger 3 geopert ond 1/2 lb. kerz zu icliger misz gebrent ond for den helgen 3 kongen onder den 2 messen 3 wexen kerzen fon 11/2 alb. ond in ir kasz 3 alb., allsz dorg den pelgrin geopert sol werden1 ond sol man im desz eyn abschrift mitgeben, of dasz er of den weyg, miner beger noch, sich wisz zu halten, ond im so hl zergeltz mitgeben, so fil im not ist, ongeferlig 5 oder 6 fl., ond im seinsz gangsz ond walfart nach notorf beloin ond nechtz abrechen, of dasz er desz flisiger sey, for onsz zo beten, ond beforab in zalen, wesz er for mesz, kerzen, oper auszgeben, ond sol man im mitgeben meyn ronden golden rink, dein ich deglichsz gedragen hab, darin gestogen ist f Rex f Jasper f melheor f baltesar f, den sol er in ir cassa opern, desz er eyn contschaf fan den prister, der darfor setz,2 brengen sol, dasz solig misz, oper, kertzen, rink in in ir casz geopert sei, brengen sol (!), ond ob man nit eyn geschikte rnansz perschon habein mecht, so sol man tzuo erber gistlich bekin dahin schekein, disz obgeschriben zu folnendein, dein man gnoksam belonung drom doin sol, ond se erman, andechtiklig for onsz zo betein ond in eyn abschrift mitgeben, ond sol man in disz zuen oder 3mol hefor lysen, se erman, truligt ond andechtegligen for osser (!) seyl zu beten, de de obgemelt contschaft auch brengen soinln (!).

Item so wil ich, dasz zo onser libein frauen zo Herzeinhain ge- gebein werd in iarszfreist meyn liberfarb schameluten hoseyk3 mit dem mardern fouder, darausz eyn meszgeuant gemach, dasz fouder ferkauft ond eyn schoin crutzefix ond onser b(ei)der wapen drauf machein, ond weisz darzu gehört , darfan gekauft ond gemacht werden ond wesz oberik erlust, dein hern zugestelt ond gegeben werden dorg meyn erbein ond truhenhelder, ond in fon stonden noch minern dut ferconten meyn abschiden, of dasz se mich alsz irn ingeschriben bruder begoin soln, alsz ich mich in iar 1502 of Sant Seymon ond Judae dak obent by in lisz inschriben, alsz ich in dasz schwartz pert schankt, nemlich solint sey mich began eyn sobenden ond drissigsten ond eyn iarzit 4 doin ond forter mit mir halten, alsz mit eyn andern irm bruder, ond meyn ond meiner husfrau selgen seiln lassen befoln sein in iren inegen gebet, dafor ond darzu sal man in geben XX achtel kornsz ond V fl. alsz bar.

Item den hern of Sant Jacopsz berk for Mentz beschid ich fon

1 B: ond sol der pelgrin gott fon hemel, de rnotter gottz, de helg fraue Sant Anna, de libein helgen drey kong, meyn eruelten patron, . . . bitein ond beten.

2 B : der da bey sey.

3 Oberrock.

■t Kriegk, Bürgertum a. a. O. N. F. S. 176.

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minem oder einer husfrau selgen klider fon den besten schamelut, dar fon meyn erben in eyn miszgeuant mit eym schoin krutz for fl. 3, mit 2 onsern schildein, mit sametnelein ombher eyn dumen brit ferlyst, of dasz irligst gemacht, ond darzu VI fl. alsz bar geben werden, de mich, meyn husfrau selg irlig andechtig began ond gott for onsz beten solin, nochdem wir in desz helgen ordensz bruderschaft seint.

Item meiner schuester Lukeln zu den wisein frauen in Mentz seytz ich, so sey mein dut' erlypt, in ir haint zu gebein, damit se doin ond lassein sol noch irm gefaln, V fl., ond dasz flag mergenbeld mit dem rodein mantel, mit dem graein fouder gemalt, ond roden paternoster.

Item meiner schuester Angnessein duchtter in selbem kluster icliger II fl. auch obgeschribener masz in ir hantin zu gebein.

Item in dein gemeyn confent zu wissein frauein beschid ich XX achtel kornsz, de selbegen joffern solin mich ond men husfrau begain, we by in brug ond geuonheyt ist.

Item den hern zu dein bredegern he zu Frankfurt setz, ordein ond beschid ich noch men dut in dem drissesten zo gebein eyn fouder winsz an eyn stouk ongeferlig, oder XX fl. darfour, dasz ich zo men erben stel, ond XXX achtel kornsz, desz solin sey mich begen eyn sobenden ond drissistein ond eyn iarzit don ond das iar ousz alle in alle prister in cluster meyn ond mener husfrau icliger in ir misz ge- denckein ond of ir ostein boxen1 schribein, ond der lyszmenster2 3 zo seyner breget eyn iar lanck onsz beyd ferconden ond beten lassein ond onsz in ir seylnbuch schribein ond in ir gernen bruderschaft alsz irn mitbruder5 noch lud der brif, ond halten alsz mit anderm irm bruder ouder (!) schuester, ond den general- ond profentzeolcapettel4 onser dut, we geuonheyt ist, anzigein.

Item nochdem ich in myn testament ond lystein wiln eyn ebege meysz sampt 5 seingenden messen ferordent hab sampt andern, ond darober ferschribong fon prior ond confent he zu bredegern aufgericht, wil ich, dasz XVII fl. geltz, wol ferlicht, omb fl. 400 erkauft werdein, ond fon eym profenzeal drom veruolgong erlankt zu ebegen zeten zo halten, ond for mich ond men husfrau ond onser beyder altern ond gouteter, ond for de mesz begerin sein 5 mit andacht zo beten. Da auf men erbein ond truhenhelder eyn trulisz ofseinsz solin habein.

Item so wil ich dasz meyn erbein ond truhenhelder noch minem dut, so fer ich dasz in zit mensz lybensz nit het lassein machein, fan eyn roden samet, fon dein bestein ond schonstein, of dasz allerkostlig ond

1 B: ostien box.

2 Lesemeister.

3 B: ond schuester.

4 Provinzialkapitel.

> B: ond for de mesz begern ond schuldik sein zo beyten ond betein.

390

richtlisz (!) gemacht werde eyn miszgeuant, mit eym schoin crutz, Maria ond Johannesz, ongefelig (!) omb XII fl., onden Maria Madealena, ond zu eyn ebangelienrouk, darof Sant Jacop, Sant Katerin gestikt, allsz mit onser beyden wapen iclig gemacht, dazu eyn korkop,' noch notorf gesteykt, ond solin dazu genommen werden miner husfrau selgen perlin alle, ond solint prior ond confent he zon bredigern sich ferschriben gegen mein erbein, solig ornat sampt dem krutz, euangelienrokein, Jokop, Sant Katarin ond wesz mit den® obgemelten perlin gesteikt, nit fer- usern, sonder bey desem duster zoue ebygen ziten zu behalten, ond ferornden ich dazo an korngeld fl. 80 ond ab esz noch bisz in XX fl. dazu erfordert, soln men erben ond truhenhelder auch dazu geben, damit dasz got zu lub ond in iclig kostlig gemach werde.2

Item zo dein barfoussen ond zo dein frauenbrodern icligen cluster XII achtel korns, dafor sey mich in den drissexstein eyn mal began soln, ond dasz meyn erben ferconden, ond icligen lysmenster ein fl. geben, dasz sey mich ond meyn husfrau eyn iar lank in irher pregatt 3 ferconden ond gott for onsz bitten lassen.

Item so will ich, dasz zu onser libein frauen her gestift werde, zussein pengisten ond ostern all sondak ond helge dag nach dem salue durg de Schiller gesongen werd, for dein geuonligen anteffein,4 dasz reygeyna cely mit der geuonlichen colicht, darzo man dem rechtor stiftein sol eyn fl. geltz ond dem prister, der de colicht singet, sex ß, de man wol ferligein sal, esz sey of dem Stift oder anderszua, dazo ich ferorden 30 fl. (XXX golden), mit notorfiger ferschribung fersein, ond andechtigligen gehaltein uerden.

Item setz, orden ich in de almosen Sant Niklas XX achtel kornsz.

Item dein godein luden beschid ich XII achtel kornsz.

Item dem spital zom helgen gist ond Sant Marta beschid ich XX achtel körn.

Item in de Roseinberger eynong beschid ich X achtel körn.

Item in de grusz eynong X achtel kornsz.

Item in de klin eynong VI achtel kornsz.

Item dein bekartein IIII achtel kornsz.

' Chorkappe.

2 B : ond solin zo dem krutz ond der korkapen dasz halp til mener husfrau ferlassen perlin gebrucht ond genomen werden, of dasz schonst gezert, wo aber net gnonk dazo weren, solin de perlin gar darzo gebrucht ond genomen werden, dasz zo erkentesz der hern zon bregern ond den seydenstecker stain sol. Später heisst es, nachdem er gefordert hat, dass das Gewand nie veräussert werden solle : ond of dasz beschyg, wil ich, dasz in meyner husfro ferlassein perlin gar darzo genomen ond geben solin werdein.

3 B : bregatt.

+ = Antiphona.

39i

Item in dem drissixsten sal man 6 achtel melsz bakein lassein ond armen luten for meyn duor gebein omb gottz wein ond ermanen, trulig for onsz zo betein.

Item dein kapelain of der par sal man eyn halb foder winsz oder X fl. dafor geben, wil isz1 mein erben an foukiligstein2 ist, ond se ermanen, dem armen foulk fruntlig zo sein, so se de berichten ond3 beycht horn, ond gott for onsz beten.

Item dem parher sol man so bald noch minem dout 2 fl, gebein, dasz sal er eyn iar lank meyn ond miner husfrau in seyner bredgt gedenken, dasz gemein gebet for onsz betein lassein, ond er ond sein kapelan obgemelt eyn gantz iar in irn messein , in irm memora (!) andechtiglig beten, dasz onsz gott genedik wil sein, amen.

Item Gredein fan Han,4 * miner alten kougmat,s sofer de meyn dut erlypt, setz, ferorden ich, ir zu gebein alsz bar XII fl. zo irm fer- denten Ion, dasz of dato ist 39 fl., zo dem se derwil noch ferdin wert; ond nochdem sey meyn fatter ond motter selg lange zit getrulig ond wol gedint hat, by 33 iar, wil ich, dasz ir meyn erbein er liptag lank fan den, so ich at legata6 ferordent hab, aluochen sex schiln,7 de man ir al wochen in ir hant richein ond gebein sol, damit se in irm alter desz basz zu leben hab; darzu eyn gemeyn beyt, we esz stan sol ond meynsz huszratz for 5 oder 6 fl. meynsz huszratz (!), ond for 2 oder 3 fl. miner husfrau selgen klydern geben ond fort sich goutlig fan ir ab- schidein ond zaln.8

Item Eigen, meym meytgein, nachdem sey meiner husfrau ond mir lang zit getrulig gedint hat, XII iar, darum sol man ir zu erher feranderomg geben XX fl. ond miner husfrau klyder far for(!) 2 oder 3 fl. ond eyn gemeyn bett, berit, alsz esz stet, ond huszrat for 5 oder 6 fl. ond ir eren ferdinten Ion sampt fl. 4 ß 6 5 (h?), so se der frauen zo haltein hat gebein, ir zo handen stein ond goutlig fan in zueyen ab- schiden ond zaln.

Item ander meyn gesend, knechtein ond madein, so by mir im husz sein, so ich abganhen9 bin, icligem for so mang iar, alsz mir gedint hat, eyn fl. zo seim ferdeintein loin geben sal, hettz alber10 minder

1 B: wilsz. = wie es.

2 füglichsten.

3 B: oder.

4 von Hain (Dreieichenhain).

> B : cog matt = Köchin.

6 B: Zo den legata.

7 Schillinge.

8 B: ond forter goutlich fan ir abschidein ond ir irn ferdenten Ion gotlig reychein ond geben.

9 = abgangen.

10 = aber.

392

dan eyn iar gedint, sal man im duch eyn fl. geben ond eyn mal geben fon meyn alten klidern for eyn fl. ongeferlig.

Item meyn wingarter he ond zu Sondein1 icligem geben eyn fl. alsz bar, ond icligem gebein eyn alt wambesz ond par hosen von men klydern oder in machein lassen.

Item nochden ich rniner basein Lysein, desz alten Wolff Blomen duchter, X fl. zo irher hozit zo stuher gebein, wil ich, dasz men erbein ond truhenhelder Meljern2 ond Angenessein oder irn erbein, menen fettem ond basen, icligem auch X fl., ist XX fl., auch gegebein soln werden.

Item Hansz Bischoffein, rechter, ond sein erbein setz ich noch minen dut zu werden XII achtel kornsz ond fl. 3 in gold.

Item setz, ordein ond wil ich, dasz men erbein ond truhenhelder ferordein ond machen soln lassen zuo 3 * ebig ampeln, de dag ond nacht mit oly brenhen soln, sofer ich de in zit mynsz lybesz nit aufgericht hett, eyn for dasz krutz of dem parkerghof, de ander for dem olyberg zo onser libein frauen, dasz ich machen hab lassen, derzo ich ferorden fl. 120 ft genuesser goultt,5 of beyden stiftein drom zo kauffein, oder andersua, for dasz oly; ond dem glickener, der sey all morgen ond obent anprengt, den 6 oder 8 ß zu loin gegeben sol werdein, fliszlich zo wartein, ond alsz mer dan fl. 120 de notorf darzo erfordert, sol man von meyn gotern, so ich zu den lygata ferordent hab, mer darzu nemen, damit esz noch notorft fersein ond belucht werde.

Item weysz ich for walfart ferheyssein hab ond nit auszgericht, noch lud eynsz zedelsz, in men degligen deysch lygein sol, fon ferderlig auszrichten.

Item nachdem ich mich ond ‘meyn husfrau zo dem wirdigen hern apt ond confent Sant Johansz berk, in Ringaue geligen, gebrudert hab, ond sey onsz auch ausz besondern anduch ausz s eygener beueknesz 6 zo bruder ond schuester aufgenomen, darober wir eyn brif haben mit irn insegel, of mittuoch nach corporisz Christi ao 1515 zu meyn selbesz handen obergeben etc., auch eyn brif fan irm generalcapetel, dasz sey nach onser beyder dut alsz mit andern irn brudern ond schuestern noch osern7 dut halten suln ond beten woln, damit dan de wirdigen hern, onser bruder, dasz mer orsach haben for onsz zu betein ond for de onsern, setz, orden ond beschid ich in honaert achtel kornsz zo

1 Soden.

2 Melchior.

5 zwei.

+ B : goltt.

5 ß: ond.

6 beuegensz.

7 unserm.

393

gebein, esz wer dan, dasz sey ond men erben und truhenhelder mit irher beyder wiln ond wissen sich omb so fil geltz, so esz he of der boin geylt, ferdrugen, darfor zo gebein, dasz zo wiln deszselben aptz ond confent steit; derselbe apt ond confent solint for soligsz zo dem, dasz sey for onsz beyde alsz ir mitbruder ond schuester zo doin schuldek sein, im irstein iar onsersz absterbeinsz de 4 nesten fronfasten noch¬ folgend mit figelgen1 eyner sengen2 sei ond etlig lyseinmiszrequem, derzo of dem iarszdak ossersz beyden absterbesz began lassein, ond gott for onsz alsz ir schuester ond bruder mit flysz ond andacht for onsz beten ond for onser altern ond gotteter, darfor unsz begern sein, dasz ich dasz fertruhen zu in stel.

Item so setz, orden ich, dasz man von meiner husfrau selgen besten klidern, esz sey schamelutt oder andersz, nemen sol, ond daausz machein lassen drue meszgeuant mit fin krutzein, ond an orten3 ferlyst mit sampt, eyn dumen brit, we dasz liberfarb he zu bredegern gemacht ist, mit onser beyder wapen druf gemacht, dasz eyn gein Selgenstat sampt VI fl. alsz bar gegebein, de ermant soln werdein, gott truligen alsz irsz anders4 mitbruders zo betein, ond alsz irn mitbruder begain, ond de andern 2 of Sant Johansz berk gegeben solin werdein, darfor se doin ond for onsz beten solin alsz obgeschriben; ond sol man de 3 meszgeuant he zuo bredegern lassein machen sampt den, so ich of Sant Jacopsz berk ferordent hab, ond in drom zemlig belonong geben.

Item so seytz ich Kringein Foudein ond irn lipszerben, Baltesarsz von Reinsz husfrau, eyn fan den besten miner husfrau schubein5 nach dein obgemelten, so nach minem dut fehandein sein, esz sey schamelot oder andersz, darzu zuo6 de besten holn,7 so fan mener husfrau selgen noch ferhanden sint, ond 8 nederlentz selbem becher, so ich deglisz gebrucht hab, wegent 4 marc 11 lut, ist der ausserst mit dem dekel fergoult, mit dem all se doin ond lassein sol an indracht Balzersz, irsz mansz, ader allermeklist.8

Item setz onde beschid ich, dasz man menster Oszualt Hug, Ratschriber, nach meim dut 2 oder 3 ausz menen buchern, welg im gefelig sein, geben oder folgen sal lassein.

Item so setz ich ond beschid ich Margrid fom Rin, Clusz Stalbersz

1 mitt eyner figelgen = Vigilie.

2 B: sengenden.

3 Ecken.

B : orden.

s Oberrock.

6 zwei.

/ = hoiken ? Grimm, Deutsches Wörterbuch IV, 2; Sp. 1721: mantel¬ artiger Überwurf. Oder = hol, hül Kopftuch? Lex er.

8 allermänniglich.

394

husfrau, ond ir erbein eyn langen gladen fergolten becher mit eym fousz ond dekel, weget 3 marc 15 lut.

Item sez ich Henrich von Derdorff zuo Andernach ond Bilgen, siner husfrau, fon men silber zuo gebein de klin silbern kain, weget 3 marc 4 1/2 lut, sofer se meyn dut erliben.

Item wesz ich at piasz causasz istzo1 melten Sachen in meynem testament ond lysten wiln, auch in desem meyn codizil, ferordent hab, ist men wil ond meynong, dasz man eyn icligem denselbein artekel abschrift geben sol, sich darnach haben zuo halten ond for onsz beyd ond onser altern zo beyten ond befor dein zuen pelgerin ir walfart klerlig abschriben ond in mitgebein sol.

Item nachdem ich in men testament ond lysten wiln fan eyner behusong, stoub oder geuelb, darin sich winterzit dasz arm foulk in wermen sol, ist men ernstlig meynong ond befelg, dasz meyn erben ond truhenheller solisz nach mey2 dut zuo soln richtein, wo ich andersz in zit meynsz lybensz net zuo gerich hett; ond ob ichsz zom deyl an¬ gefangen ond nit folnent hett, soln se dasz folnbrengen, nemlig eyn gelygen behusom3 by Sant Bartolinsz4 kergein ond drom her ond welben lassen ond eyn stoub mit eym isern ofen, darin 2 kolsz kameyn oder mitten eyn langer hert, dar in sterbenzit5 6 eyn holtz oder koul- fiherfi gemach werden ond sonst ander ziten de stoub gehist werden, fon aller helgen dak7 an bisz auf Katedra Petrey8 oder 8 oder 14 dag darnoch, nochdem de zit kolt ist; oben eyn wonong mit stoben camer, darin 2 erber geschikt elut, de darzuo geschikt, in gesatz, dein man nach notorf holtz oder koln zo der gemelten stoben caufen, solisz mit zo hizen, ond dazu notorf golden9 an seger 10 ortein zo kaufen, eebeklig zuo onterhalten, de 2 elut zinszfrey darin zo sezen, ond sich dasz holtz ond koln, so fil in not ist zu gebrugein, icligem 6 oder 8 ein graue duch zo eym winterklyd ond all wochen fon allrhelgendak an bisz auf Sant Pedersz dak inhen beyden ein orteszgoldein 11 for irn Ion geben, ond icligem eyn par schoe gebein; de beyd elut soln auch gelobein ond irlicht drober doin, dasz sey trulig mit holtz ond koln

1 = Itzo zo.

I B: men.

3 Behausung.

4 Bartholomaeus.

> in sterbenden Ziten = Seuchezeiten.

6 Kohlenfeuer.

7 1. Nov.

8 22. Februar.

9 Gülten.

10 sichern.

II = */4 Gulden, = 6 ß.

395

omb soln gan, nit witer, dan we obsteyt, brugen, ond morgesz de stoub nit aufdoin, esz sey eyn halb stond dag geuest, ond zuo mitag zuo elf ourein dasz folk heinauszdreybein, ond zuo eyner orein weder auf¬ doin; ond so bald man salue lut, dasz foulk wider hinauszdreybein, wider zudon, de stob allmal kern, ond solint sey beyd oder zom menstein eynsz by den lutein im dag in der stobein sein, ongefouk zuo staurein, auch zusein, kein onzugt din1 beschig, oder onrat feuhersz halber geleycht werd ; ond sol in de stoub eyn holzen cruzefix ond Johansz ond Maria mit 4 schildein, alsz de schild of dem kerghof am krutz, daby mit groben bostabein geschriben »beyt gott for Jacop Heller, Katerin fan Mehem (!), Stifter, irher beyder altern ond gotteter, ond darfor seyssz begern sein«, ond sol eyn gluklin gehenckt werden in dasz fenster, 2 dasz luftluch, 3 wan man of wil doin, sol man for eyn klinsz ludein, ond wan man tzo wil doin, we obstet, sol man aue maria lutein, ond der inwoner sprigen,4 * »betein3 eyn paternoster ond aue maria for desem krutz for Jacop Heller, Katerin fan Melhein, Stifter, ond ir altern«, ond nach den gebet dasz foulk goutlig auszwisen, ond sol man dasz dorffoulk, ond wer esz begert, drin lassen gan wermen, alsz obgeschriben, ond keinwek nemansz by nach6 oder ausz- nemik der obgemelt zit din7 lassen lügen oder schlaffein, dan alin de inuoner«.8

Er habe von dem Gelde, das seine Hausfrau »fan Irher fatter ond motter ond altern ousz Irher gehepten geselfftt« 9 bekommen habe, den Nürnberger Hof erkauft. Es seien 7570 fl. gewesen; davon gehörten ihm laut Testament 3000 fl.; 300 fl. habe seine Hausfrau »In de ir gottz ferordent«; an Erbgütern habe er 1270 fl. »angezikt nach men dut zu werden« (ihren Verwandten), »desz gebort S. Johain fl. 1000 of dem bornflykein.« Er habe also noch 3000 fl. »zo beueysein.« Da er von seinen Eltern nicht mehr als 500 fl. bar und 300 fl. »of erfortt« bekommen habe, das andere in Erbgülten, so habe er den Nürnberger Hof für das Geld seiner Hausfrau gekauft und zum Teil erbaut. Daher sollten die 3000 fl. auf dem Nürnberger Hofe »beuisen werden.« Wenn die Erben seiner Hausfrau das Silbergeschirr, das laut Testament 262 fl. 23 ß 5 h wert sei, haben wollten, solle mans ihnen zustellen und an

1 drin.

2 B: oben.

3 »dasz luftluch«: fehlt in B.

4 = sprechen.

3 = Imperativ: betet.

6 B: oder ondirn mittag.

7 drin.

8 B: drin lassen alin de inwoner.

9 B: geselschaft.

396

den 3000 fl. abziehen. Das auf dem Nürnberger Hof »bewiesene« Kapital solle mit 5% verzinst werden. »Doch meyn erben forbehalten de besseroin1 desz gemelten nürnberger houf, de ich acht mit dem seysz 2 besser dan fl. 3000, ist iV2c fl. geltz nocong, alsz mirbuszher alle mesz fl. 300, zo ziden etuesz mer, ouch eyn klinsz minder, nach lut miner bucher worden ond gefaln ist.« »Item setz, orden, wil ich, dasz meyn erbein noch minem dut alle iar oder mesz ober den nürnberger huf ond seinsz infalinsz ond dargegen auszgebensz, den zinsz oder ander unkost eyn klarlig rechenong don solin, dorg dengein,3 der noch minein dout dein huf inholt oder beseytz, we man sich zo iederzit dasz fergligen wert der gelynheit4 nach, wer eyn alszdan besezein wert, ond miner husfrauen selgen erbein for ir obgemelt til oder antil, ober allen kousten, zinsz ond goult abgezogen, ond inhen ir antil noch attuenant zosteln; sofer se andersz dasz obgemolt nit wolten annemen, dasz ich allesz zo in stel; ond wasz darober blibet, sal der halptil minen erbein werden ond gefaln, ond dasz ander halpteil solint meyn erbein ond ir nachkomen in de ir goutz5 alle iar winterzit in der fastein huszarmein notorftigen luten, de eyn zit lank borger he gewest, in ir hanten eyn orteszgolden, oder eyn weglin mit holtz zuo husz forn lassein, oder scho,6 gra duch zo klidong gebein; wo aber miner husfrau selgen erben keinsz wolten annemen, sol esz duch mit dem halben dyl in de ir gottz zo geben, we oblut, gegeben werdein soln.«

Der Nürnberger Hof sei ganz von seiner Hausfrau Geld erkauft7 und erbaut; darum sollten die 3000 fl. nur auf ihm liegen. 2750 11.

1 Besserung.

2 sess = Wohnung.

5 denjenigen.

4 Gelegenheit.

5 = in die Ehre Gottes.

6 Schuhe.

7 Majorwährschaftsbücher Bd. 29, fol. 2 b. Hans Felber von Nordelingen hait uerkauft Jacob Hellern, vnserm mitscheffen vnd Ratgesellen, Kathrinen, siner elichen huszfrauwen, vnd iren erben die besserung, recht vnnd gerechtikeiten den Nürenberger hof mit sinen inne vnnd uszgengen hinden vnd vorn mit allen be- husungen vnd zugehorungen, so etwan von Smithantwergk vnnd andern dartzu erkauft und dartzubracht worden sin, als er die mit desz Fichs gericht alhie by vns von Arnolt von Holtzhusen vnd Guden uxori für sin wissentlich erkentlich schult lute eins versigelten gerichtsbriefs mit des strengen vnd hochgelerten hern Ludwigen zum Paradisz, doctors, des richs gerichts vnd vnsers schultheiszen, anhangendem ingesigel versigelt, der vor vns verlesen wart, ergangen vnd erwonnen habe, pro censu XCII gülden XVIII ß illis habentibus. vnd sy der verkauf gescheen für IIIIM II C vnd L gülden guter etc. pagata pecunia. Nom- uertzig prolocutum. Jurauit emptor. Doch etc. Testes Hans vom Ryne, Orte zum Jungen, Schelfen, Conrat Schit. Actum sabatho post dominicam Estomihi anno XC sexto. 1500 Jakob und Katharine verkaufen 66 fl. Gülte für 1800 fl. an Hans Folcker auf der Besserung

397

habe er Hans Filwel bar gegeben (1502), 940 fl. seien noch damals ver¬ baut, »ond beforab in der Korsener husz im schnind(!)hoff‘ by fl. 500«.

Von den 300 fl., die seine Hausfrau zur Ehre Gottes bestimmt hatte, sollten 100 fl. den Erben seiner Frau gegeben werden, »de solint sey irn notorfetin oder armen frundein he ond zuo Köln zuosteln in ir hant zo feranderong irher Kinder«; 100 fl. sollten Hausarmen, not¬ dürftigen Leuten gegeben werden, a 1 Ort bar in die Hand, oder man solle ein Wäglein mit Holz hinschicken oder grau Tuch zur Kleidung oder Schuhe darum kaufen ; das dritte hundert fl. solle zu der oben¬ genannten gemeinen Stube gegeben werden.

Datum den 31. dak marzie 1519.

L. S. Jacop Heller In nornberger hoff m. p.

Item sal man nemen fan desem nachgeschriben zuo minen lygata beforab at piasz causasz, ond ist aditamento disz codizilsz mit 20 blyttern ferhandein an barem geld 1 M fl. an selber, mir tzostendik, per fl. 800, an klinoter, mir ond miner husfrau tzostendik, fl. 400, an körn XV c achtel, acht ich 1 M fl., dasz man allesz zuo gelde sal machen, ond de lygata dafon auszrichten; som fl. 3200 11. (III M IIc 11.), dasz hab ich at lygata ferordent, we hefor ond somarie hernoch stet. fl. 2621 fl. an barm geld, ond an körn 294 achtel, zuo 16 ß gerichent, faz(it) fl. 196, somarom fl. 2817, rest noch fl. 383, desz hat men husfrau in de ere gott ferordent fl. 300; rest fl. 83; ond wersz, dasz körn2 (nach¬ träglich »klyneter« hinzugefügt) auch mer dan 16 ß gelten wert, dasz alsz sol nach lut einsz artikesz hefor armen luten gegeben werden.

Item ond sein disz nachgeschriben mein lygata. zom irstein at piasz causasz ferordent: zom meyn begenkenesz in aller masz, alsz ich men

husfrau selg begreben, begain hab lassen, koust . fl. 114 ß

Item dem Rad gesetz zo irm geschutz . fl. 100 ß

Item zo onser liben frauen zom olberg ferordent . fl. 10 ß

Item den franzosein armen luten . fl. 6 ß

Item zo dem torn zo Sant Bartolmisz . fl. 10 ß

des Nürnberger Hofs. 1503 und 1504 Hans Felber vermacht dem Rate eine Gülte vom Hauptgute zu 1500 fl. auf dem Nürnberger Hofe, dafür einen Gottesacker zu kaufen und eine Kapelle zu bauen. Battonn III, 128. Vgl. Bothe, Beiträge zur Wirtschafts- u. Sozialgeschichte der Reichsstadt Frankfurt. Duncker u. Humblot. 1906. S. 20, Anm. 4. Es muss dort die Zahlung Hellers nicht als Miete, sondern als Gülte aufgefasst werden.

1 Muss heissen »Schmiedhof«. Vgl. Battonn a. a. O. III, 47 f, 126; 128: 1500. Mitteilungen des Vereins für Frankfurter Geschichte und Altertumskunde.

II, 365.

1 B : euch wersz, dasz obgeschriben körn oder klinoter mer gelten werden.

- 398 -

Item zo dem bue Sant Lenhart . fl. 6 ft

Item dein hern zu den bredegern . fl. 400 ß

Item huszarmen notorftigen luten . fl. 10 ft

Item zuo der gemein stobein ferordent: for de bu fl. 400, for holtz oder koln fl. 20, belonong fl. 6 den inuonern, den almeszhern for ir erbeyt fl. 4, som fl. alle iar fl. 30, somarom fl. (!) acht ich fl. 1200 ft Item so mansz testament ferrechen wert fl. 8 fl. (!) ond for de alttornesz, so sey man dein teste

mentare gebein wert, gericht fl. 12 . fl. 20 ft

Item den radtzszfrunden, so testementare sein werten fl. 100 ß

Item menstere Oszwalt Hug testementare ... fl. 50 ß

Item de walfart gain Rom . fl. 33 ft

Item gen Herzeinham . fl. 5 ft

Item den hern of Sant Jacop berk . fl. 10 ß

Item zuo dein wisen frauen zo Mentz . fl. 10 ft

Item dem klusser zon bredegern for win, meszgeuant,

euangelienrok, korkap fl. 80, perlen fl. 40 . . fl. 120 ß

Item zom barfessein, frauenbrudern , den 2 lysz-

menstern . fl. 2 ft

Item dasz reygeyna cely zo onser liben frauen .fl. 30 ft

Item dem parhern . fl. 2 ß

Item' den kapelan . fl. 10 ß

Item Griden, miner altten cougmatt1 . fl. 51 ft

Item Elgein, miner onder mat . fl. 20 ß

Item meyn gesin in husz,2 den 2 wingerter ... fl. 6 ft

Item Meljeor ond Angnesz blomen . fl. 20 ß

Item Hansz Beyhuff, Richter . fl. 3 ft

Item for de zuo ebig ampeln . fl. 120 ß

Item 3 meszgeuant, eynsz off Sant Jacopsz berk, de

andern 2 auff Sant Johannsz berk . fl. 14 ß

Item Fouden Kringen3 an selber p . fl. 45 ß

Item Margriden Stalbergern an selber . fl. 48 ß

Item Henrich fon Andernach seyner husfrau an selber fl. 26 ft

Item hab ich an körn heinwek besatz, we heyfor stat, 294 achtel, zo ß. 16 gerichent, fl. 196 ß.

Som fl. 2817 fl. (!) at lygata ferordeint.

Item mer de fl. 300, so mein husfrau in de ir gotz ferordent hat.

1 B: beschiden fl. 12 ond irn ferdeinten Ion fl. 39.

2 B : ond.

3 S. o. S. 393.

399

Nr. 3. Jacob Hellers Inventar. 1522, 3. Februar.

Johannes Fickart, Gerichtschreiber, hat im Beisein von Johann Frosch, Schöffen und Ratsfreund, u. Conrad Wissen, Ratsfreund, Bechtold u. Johan vom Ryn, Philipp Ugelnheimer u. Meister Johann Marsteller als Erben u. Testamentarien, der Margarethe Stalburg sowie Balthasars vom Ryn als Miterben die »in die legata gehörigen« Güter verzeichnet.

»Item ein gross silbern montz mit dem conterfei hertzog Fridrich von Saxen vff einer vnd eym adler vff der andern siten; Item III schwetz,1 vor gülden geacht, vnd eyn guldner schwatz; Item 6 silbern schwetz; Item 16 fl. Schreckenberger, 7 vor den fl.; Item III fl. an albus vnd IIV2 albus; Item IX ß 7 hl V2 hl; Item VI 1/2 fl. an albus; Item IIII fl. an leben engelisch;2 Item IIII fl. an dickpfenning; Item 365 fl an gold; Item 34 fl. an altthornus:2 Item 32 fl an ^ vnd hlr, 27 vor der fl.3

In eym roten butel:

Item 15 alt gülden; Item 1 nobel; Item 1 firtel von einer nobel; Item 1V2 endris gülden; Item 5 krönen; Item II postelet gülden; Item 1 lotrings gülden; Item V2 krön; Item 6 vergult silbern ^ ; Item 26 silbern cleyn vnd grosz; Item III torn. altf(rankfurter); Item 3 dutten schleg;4 Sa 39 fl al zusamen (in dem Beutel).

Ein gel seckel, darin cleyn butel:

Item x cleyn seckel 100 fl; Item 900 fl in dem grossen seckel.

Silbergeschirr vbergolt:

Item II vbergult schüren,5 vszgeschlagen doppel; Item II kilch, vbergult, mit deckeln; Item II schüren, mit deckeln, vszgeschlagen, hant die deckel grifen druf; Item II grosz vbergult becher, schlicht, mit deckeln mit epfeln; Item II cleyner, auch mit deckeln, vergult, han auch epfel, sind (?) vszgestochen ; wiegen alle zusammen 25 margk.

Silb ergeschir onvbergult:

Item 1 silbern kan; Item 1 silbern kop doppel; Item II silber humpicht kanen; Item II mischkan mit schlossern; Item 1 silber kan mit eyn helfant; Item X schalen; Item 4 vszgetrieben silbern salz- kannen; Item II schalen mit fussen; 1 silber deckel vber 1 glas; Item

1 Schwazer Taler, von Schwaz in Tirol.

2 Bothe, Steuer a. a. O. S. 11.

3 Gemeint ist: 27 albus für den fl. = 216 h.

4 schlecht ($) ? Oder »ducaten schleg(t)«?

s = Becher. Lexer, Mhd. Handwörterbuch.

400

i dreszenyschusel; 1 i martins geheim; II silbern leffel; Item x silber brilhusz; Item i silber korbessgen mit i zutten; Item XII leffel in eym futer, mit vergultem jungfraukop; Item XII schlecht hogbecher, ingesetzt; Item ein kintbethkopgen vff fussen; Item VIII bechelgen, ist das vnderst vergolt vnd vff epfelgen, hat i deckel vergolt; Item noch VIII beckeigen, ist der vnderst vnd der deckel vergibt wie die nesten; wiegen al zusamen 55 marck xo lot.

Item 2 holtzen becher, tamariskenholtz, vnden mit 1 silbern fus vnd oben vmblegt, vergolt mit 8 reifen silber iglicher; Item 1 holgen,2 mit silber vnden vnd oben beschlagen; Item 1 schib,3 mit 1 k (?)4 vnd einer krönen perlin; Item 1 schwartz baret mit 1 k (?)4 vnd krönen, mit perlin gestickt; Item 1 korellen paternoster mit 30 korner vnd IIII silberkorner vnd 1 silbern vbergult Jacob; Item 1 gülden rinck mit eym diamantgen ; Item 1 grosz gülden rinck mit eym safir ; Item noch 1 cleyn gülden rinck mit 1 saphirgen ; Item 1 gülden rinck mit einer diamanttafel ; Item 1 spengen mit 1 groszen perlin vnd 2 granaten und cleyn perlen vnden dran ; Item 1 gülden kelbegen 5 mit 8 steynen, diamanten vnd robin vnd perlen doby.

t

[(Auf einem Zettel):

Item 9 corallenpaternoster , klein vnd gross, wigen (!) mit eim vergalten bissemapffell,6 wigen 3 mark 12 lot; Item noch ein corallen¬ paternoster me mit silbern vergalten knöpfen vnd ein grosz angus (!) dey, wigt zusamen 11 lot; Item zwo verguldt angus dey, hat einsz etlich perlin; noch 1 silbern angus dey vnd ein silber bisemapfel, wigt 7 lot; Item ein karfunkelstein, ist in silber gefast, vnd ein rondt silbern druhen (?) an einer schwartz schnür; Item ein geschmeltz paternoster vnd ein calzedonpaternoster, noch ein klein perlenmuter paternoster mit silbern knoplin; Item 9 gülden gurtel mit senc'kelin vnd 6 saidenborten on senckel; Item zwo gurtel mit vergult sencklin vnd Spangen vnd ain schadt7 mit 3 benlin8 mit silber, vergult, wiget 1 mark 7 lot; Item

1 Triset, Trisenet : eine Schale, mit Wein und Brot überschüttet, mit Zucker und allerlei Specerei untereinander. Lexer. Schultz, Deutsches Leben im 14. und 15. Jahrhundert. 1892. S. 500.

2 hoike? Grimm IV, 2; Sp. 1721: mantelartiger Überwurf. Oder hol = hül Kopftuch. Lexer, S. 0. S. 393.

3 Schaube.

4 Kante?

3 Kälbchen?

6 Eine runde Kapsel aus Goldfiligran; darin Bisam. Harnpe a. a. O.:

Och so mustu eyn Pater noster han Eyn vergülten Byszemapfel grosz daran.

7 Scheide?

8 Bändlein?

401

3 alt borten zu gürtlen ; Ein rot bort mit vergult spangen, hat kein senckel.]

Item r gülden rinck, rundt, oder schumwer (?); Item i diamant- punctenrinck ; Item i dein rinck mit i diamantpunct; Item ein rinck mit i diamanttafel, dreyeckicht; Item noch i ringlein mit eyn diamant¬ tafel; Item noch i rinck mit i diamantpuncten; Item noch i rinck mit 2 dymantpunctlin ; Item noch i rinck mit eyrn dimantpunctlein ; Item i geschmidt ringlin mit einer robinroszen ; Item x ringlin mit eym robin vnd diamanttafel, drieckicht ; Item noch i ringlin mit i robintafeln ; Item noch i ringlin mit i robintafel; Item noch i rinck mit eyn robin wocken (!); Item noch rinck mit eyn robin wocken ; Item noch i rinck mit i robin taflin; Item noch i ringlin mit i robin tefflin; Item i ringlin mit einer lilgen, ist eyn robin, sufer vnd diamant; Item i rinck mit einer orientsperlen; Item i ringlin mit r perlen; Item noch i ringlin mit i diamanttafelgen ; Item noch V runtringlin ader drad ; i silbern tretlin ; Item i ringlin mit 2 safergen ; wiegen alle zusammen acht1 vnd III quint.

Item 1 ligend gülden ketten mit 1 spengen mit einer runden perlin, 1 robin vnd diamanttafel ; Item noch ein liegend gülden ketten; Item 1 cleyn ligend gülden ketten; Item noch 1 cleyn gülden ketten, zerbrochen; wiegen zusamen 1 marck minus eyn quinten.

Item eyn perlinschnur mit 139 perlin vnd eyn cleyn crutzgen, hat V perlin, 2 diamantteflin vnd mitten eyn robingen; Item X silbern leffel, hinden mit eichein, ist einer zerbrochen ; Item 1 silbern scheid mit 1 jungfrau vnd sin vnd siner frauen wapen; Item 1 silbern deckei¬ gen; Item sin Siegel, 1 zansticker, 1 angnus dei, darzu etlich brechsilber, wiegen III marck 6 lot; Item 1 kytten, gemacht vff futtersey(de) (?); Item 1 koppen, fusz vbergult; Item II korallen paternoster , han 1 besemappel; Item 1 holtzen paternoster mit 1 besernappel, vbergult, vnd vbergulten korner; wiegen zusamen 1 marck VV2 lot.

Item 2 brun schnor mit silbern senckel ader premen ; Item 1 grosz besemappel mit 1 pomandro (?) besun ; Item silber vbergult, allerley frauen schlosz in schnor gezogen, wigen XIII V* lot Vz quint ; Item 1 gülden dinnen rinck ; Item 1 gülden rinck mit 1 durckis ; Item 1 runden gülden rinck ; Item 1 hertzgen, vbergult, mit 1 robingen vnd granaten ; Item XVIII fl. an gold; Item bly 2 vor III fl. minus II bly ; Item 1 fl. an hlr vnd 1 alttornus; Item 1397 achtel korns.

1 fehlt mark ?

2 = Bieter, Bolleten. Vgl. Bothe, Steuer a. a. O. S.* 207.

26

Nachtrag zu Seite 85- 89.

Die auf Seite 35—91 dieses Bandes veröffentlichte Studie über Frankfurter Hochschul-Pläne lag bereits gedruckt vor, als das Freie Deutsche Hochstift aus Dr. Otto Volgers Nachlass in den Besitz eines Briefes vor» Carl Christian Jügel kam, in welchem dieser allezeit für die Förderung des geistigen Lebens begeistert eintretende Mann sich entschieden für die Errichtung einer Hochschule in Franfurt im Spätjahr 1866 aussprach. Es war eine schöne Fügung, dass Herr Oberbürgermeister Dr. Adickes in seiner Festrede zur Einweihung des Jügelhauses am 21. Oktober 1906 dieses wertvolle Zeugnis der idealen Gesinnung Jügels der Festversammlung zuerst bekannt geben konnte, ein Zeugnis, das wie kein anderes beweisen konnte, dass die Verwaltung der Carl Christian Jügel-Stiftung im Sinne des Stifters gehandelt hat, wenn sie aus den von ihm hinterlassenen Mitteln der neuen Frankfurter Hochschule, der Akademie für Sozial- und Handels¬ wissenschaften, eine würdige Heimstätte schuf.1

Der an Dr. Otto Volger, den damaligen Obmann des Freien Deutschen Hochstifts, gerichtete Brief lautet wörtlich:

Herrn Professor Dr. Volger dahier.

Frankfurt a. M. 22. Obr. 1866.

Euer Wohlgebohren wollen mir gestatten, ein paar Worte in Betreff einer Angelegenheit an Sie zu richten , die gestern im Hochstift zur Sprache gekommen ist.

Es wurde nämlich über das für unsere Stadt in ihren gegen¬ wärtigen Verhältnissen so äusserst wichtige Projekt discutiert, hier eine Hochschule zu errichten oder vielmehr eine schon bestehende zu uns herüber zu ziehen. Dabei wurde geltend gemacht, dass das

1 Vgl. das Jügelhaus, das neue Auditoriengebäude der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften zu Frankfurt a. M. und die bei seiner Einweihung am 21. Oktober 1906 gehaltenen Reden. Jena 1907. S. 18—21 eine treffliche Charakteristik Jügels, S. 21 eine kurze Inhaltsangabe des Briefes.

26

4°4

Hochstift bereits eine Solche hier vertrete, wenn dasselbe in der Weise weiter ausgebildet werden würde, so wie dies von Anfang an im Plane gelegen. Es kam nun auch die materielle Seite zur Sprache, die eine förmliche Universitaet unserer Stadt darbieten würde, und wurde von Ihnen dabei bemerkt, dass man doch eine solche Hochschule nicht als eine melkende Kuh betrachten dürfe.

Ich bin jedoch der Meinung, dass nun eine solche melkende Kuh in doppelter Hinsicht sehr erwünscht sein müsste. Denn nicht allein würde sie uns pecuniären Nutzen bringen und für den Kleinbürger ein Mittel werden, sich durch in Wohnung- und Kostnahme von Studirenden ihr Einkommen zu verbessern, sondern sie würde auch in geistiger Beziehung eine melkende Kuh für uns werden und dem leidigen Geldsack durch da» Zusammenwirken so vieler geistigen Elemente mit grossem Erfolg die Spitze bieten. Endlich aber würde dies auch das stramme Preussenthum, was uns durch Militair und Büreaucratie in Aussicht steht, um vieles mildern und dazu dienen, den echten und bewährten Bürgersinn nicht untergehen zu lassen. Man spricht jetzt viel von den grossen industriellen Unternehmungen, mit denen man Frankfurts Wohl¬ stand zu heben bemüht sein wird. Wir wollen aber nicht blos stets schachern, sondern wir wollen auch in anderen Beziehungen den alten Glanz unserer Stadt zu erhalten suchen und das würde durch eine Universität sicher in einer Weise geschehen, die selbst mit Berlin, Wien und München überwiegend zu concuriren im Stande sein würde. Was das Hochstift betrifft, so würde dieses als vermittelndes Institut, zwischen dem streng wissenschaftlichen und dem mehr belehrenden, seine bisherige Stellung nicht allein behaupten, sondern vielmehr noch heben und grössere Theilnahme erwecken.

Ich bin zu alt, um noch selbstthätig in dieser für unsere Stadt so hochwichtigen Sache mitwirken zu können ; aber ich habe es mir nicht versagen können, Ihnen meine Ansichten dar¬ über hier mitzutheilen, um, wenn, wie es die Absicht ist, die Vorsteher der verschiedenen hiesigen Institute darüber zu ver¬ nehmen, hiermit meinen Beitrag zu liefern, um die Lichtseiten des zu discutirenden Projekts hervorzuheben. Vor allem aber scheint es mir nöthig zu sein, sich über die Stimmung der Marburger Professoren wegen der Verlegung der dortigen Hochschule hieher zu versichern. Die Übersiedelung derselben hieher würde die Aus¬ führung des Projekts wesentlich erleichtern und da Marburg nicht mehr eine hessische, sondern eine preussische Universität ist, so fällt ihre seitherige Bestimmung als Landes-Universität weg, wo¬ gegen es in Preussens Interesse liegt, den südlichen Hochschulen

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gegenüber grade hier eine solche zu bilden, die jenen die Waage halten kann.

Im übrigen, werter Herr Professor, gilt das hier gesagte nur als etwas, was ich direkt an Sie richte, um Sie für meine Ansicht zu gewinnen; keineswegs aber ist es die meinige, damit in irgend einer Weise damit vor die Öffentlichkeit zu treten.

Mit grösster Hochachtung beharrend Ihr ergebener

C. J ü g e 1 Vater.

Diese charakteristische Äusserung des 83jährigen Carl Jügel, der selbst den besten Kreisen des Handelsstandes angehörte und mit offenem Blick und warmem Herzen Anteil an dem Aufblühen der Stadt nahm, die ihm eine zweite Heimat geworden war, lässt sich unschwer in die damalige Bewegung zu Gunsten einer Frankfurter Hochschule einreihen, die auf Seite 85—89 nach den dürftigen, darüber vorhandenen Nachrichten geschildert ist.

Als Jügel diesen Brief schrieb, hatte der, an welchen er ge¬ richtet wurde, bereits in entgegengesetztem Sinne Stellung genommen ; Dr. Voiger war der Ansicht, dass eine Hochschule als »Vorbereitungs¬ schule für künftige Staatsdiener« der Tendenz des Hochstiftes in keiner Weise entspreche, als »Sammelpunkt für jegliche freie Tätig¬ keit auf wissenschaftlichem und künstlerischem Gebiete« aber über¬ flüssig sei, weil eine solche Anstalt wenigstens in ihren Anfängen bereits im Hochstift vorhanden wäre. Dieser Ansicht trat die Gesamt¬ sitzung des Hochstiftes, auf welche der Eingang des Briefes Bezug nimmt, bei; nach Jügels Zeugnis war es gerade Dr. Voiger, welcher der Spekulation auf die materiellen Vorteile einer Hochschule für die Stadt mit der idealen Ansicht entgegentrat, eine solche Anstalt dürfe nicht als »melkende Kuh« betrachtet werden. Dieser Idealismus entsprang natürlich der sehr realen Erwägung, seinem Hochstifte den geistigen Wettbewerb einer Hochschule fern zu halten, welcher der Entwickelung der von ihm gegründeten Anstalt ganz andere, bescheidenere Bahnen gewiesen hätte, als die, von denen er träumte. So schrieb er auf den Brief, den er noch am 22. Oktober empfing, nachdem also das Hochstift sich Tags vorher in seinem Sinne ent¬ schieden hatte, vergnügten Sinnes sein »Erledigt 0«.

Diesen engherzigen Standpunkt bekämpft nun Jügels Brief in interessanter, weitschauender Gedankenführung, die ebenso sehr die hohe Aufgabe geistigen Wirkens für die gesamte Stadt, die grossen

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Vorteile für Staat und Stadt wie die kleinen Vorteile für den Bürger ins Auge fasst und auch nicht vergisst, dem Hochstift die vermittelnde Stellung zwischen Hochschule und Bürgerschaft anzuweisen.

Ein schöner, wahrer Idealismus spricht aus dem Briefe des Alt- Frankfurters das war Jügel, wenn auch seine Wiege nicht in Frankfurt gestanden hat. Es ist die Stimme eines hochgesinnten Mannes, der unter dem dumpfen Druck der Gegenwart die Hoffnung auf eine schöne Zukunft für Frankfurt nicht aufgab, der seine von ihm geliebte Stadt auf ein bisher vernachlässigtes Gebiet dankbarer, fruchtbringender Arbeit hinwies, sie an die Pflege des geistigen Lebens erinnerte, um dadurch der Herrschaft des »leidigen Geld¬ sackes« entgegen zu wirken.

R. J u n g.

Verein

für

Geschichte und Altertumskunde

Frankfurt am Main.

Geschäftliche Mitteilungen.

I. Bericht über die Tätigkeit des Vereins im Jahre 1905.

Erstattet in der Hauptversammlung am i. Februar 1906.

Der Verein begann das Jahr 1905 mit einem Bestände von 348 Mitgliedern. Davon haben wir durch Tod und Austritt 18 Mit¬ glieder verloren, während 10 neue hinzukamen, sodass der Verein am 31. Dezember 1905 im ganzen 340 Mitglieder zählte. In Dankbarkeit gedenken wir Derer, die uns durch den Tod entrissen sind. Vor allem wird uns unvergesslich bleiben der Schriftführer unseres Vereins Herr Wilhelm Mappes, der am 25. September in Wiesbaden nach schwerem Leiden verschieden ist. Beinahe zwanzig Jahre hat er in unserm Verein das Amt des Schriftführers mit gewissenhafter Treue verwaltet, alle Be¬ strebungen des Vereins hat er, ein echter Sohn seiner Vaterstadt, mit dem grössten Interesse begleitet und in früheren Jahren öfter durch Vorträge, durch Vorlage von Frankofurtensien aus seiner Sammlung unsere Mitglieder erfreut. Seinen Verdiensten um unseren Verein hat Herr Padjera in Abwesenheit des Vorsitzenden am Grabe ehrenvolle Worte gewidmet. Das Andenken dieses treuen Mitgliedes soll in unserm Verein unvergessen bleiben.

Der Vorstand setzte sich im abgelaufenen Vereinsjahr wie folgt zusammen:

Otto Cornill, Direktor des Historischen Museums,

Dr. jur. Alexander Dietz, Rechtsanwalt,

Professor Otto Donner-von Richter, Maler,

Dr. phil. Rudolf Jung, Direktor des Stadtarchivs,

Professor Dr. phil. Isidor Kracauer, Oberlehrer,

Dr. phil. Otto Lauffer, Directorial-Assistent am Städtischen Historischen Museum,

Wilhelm Mappes, Kaufmann,

Dr. phil. Heinrich von Nathusius-Neinstedt , Bibliothekar, Emil Padjera, Rentner

Professor Dr. phil. Eduard Pelissier, Oberlehrer,

Professor Dr. phil. Alexander Riese, Oberlehrer a. D., Christian Ludwig Thomas, Architekt,

Rudolf Welcher, Direktorial- Assistent am Städtischen Histo¬ rischen Museum,

Professor Dr. phil. Georg Woljf, Oberlehrer.

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Die Ämter waren in nachstehender Weise verteilt: Vorsitzender Herr Archivdirektor Dr. Jung, Stellvertreter des Vorsitzenden Herr Professor Dr. Wolff, Schriftführer Herr Mappes und nach dessen Tode Plerr Dr. Lauffcr, Kassenführer Herr Padjera. Der Schriftleitungs- Ausschuss bestand aus den Herren Donner-von Richter, Jung und Riese, zu denen die Herren Wolff und Lau ff er zugezogen wurden; der Orts¬ ausschuss aus den Herren Padjera, Traut und Welcher; der Ausflugs¬ ausschuss aus den Herren Kober, Padjera, Pelissier, Thomas und Welcker; der Bibliotheksausschuss aus den Herren Jung, Lauffer und Traut; der Vortragsausschuss aus den Herren Donner-von Richter, Lauffer, Pelissier und Wolff.

Von seinen Mitgliedern hat der Vorstand, wie erwähnt, Herrn Mappes durch Tod verloren. Ferner hat im Laufe des Jahres Herr C. L. Thomas seine Vorstandsmitgliedschaft niedergelegt. Da nun ausserdem auch mit Ende des Jahres 1905 die Herren Donner-von Richter, v. Nathusius und Riese infolge Ablaufens ihrer Amtsdauer ausgeschieden sind, so liegt es dem Vereine nunmehr ob, fünf neue Vorstandsmitglieder zu wählen. Ohne den Entschliessungen des Vereins in dieser Hinsicht vorgreifen zu wollen, erlaubt sich der Vorstand, die Herren Donner-von Richter, v. Nathusius und Riese zur Wiederwahl und die Herren Privatdozent Dr. Hülsen und Stadtverordneten Flauaus zur Neuwahl in den Vorstand zu empfehlen.

Die Vereinskasse befand sich nach wie vor in der bewährten Obhut des Herrn Padjera, der auch einen eigenen Bericht darüber vorlegen wird. Die Prüfung der Rechnungsführung und der Bestände ist durch die Herren Schuchard und Kober , in Vertretung des gesund¬ heitlich verhinderten Herrn Pauly, vorgenommen und hat zu keinen Aussetzungen Anlass gegeben. Indem wir den genannten Herren für ihre freundliche und erspriessliche Mühewaltung den verbindlichsten Dank aussprechen, schlagen wir dem Verein vor, die Herren Schuchhard und Kober zu ersuchen, die Rechnungsprüfung zu übernehmen, sowie die Herren Mentzel und G. Ochs zu bitten, bei jener Prüfung nötigen Falles als Ersatzmänner eintreten zu wollen.

Das Rechnungswesen bedarf hier aber, wie unsere Mitglieder aus der ihnen zugegangenen Mitteilung ersehen haben, noch einer weiteren Erörterung. Die Belastung, welche der Vereinskasse besonders durch die wachsenden Ausgaben für die Vortragsabende seit Jahren mehr und mehr entstanden ist, hat sich schon länger schwer bemerkbar ge¬ macht. Besonders sind es die Vorführungen von Lichtbildern, auf die wir, den heutigen Ansprüchen gemäss, nicht verzichten wollten, die bedeutende Geldopfer erfordern. Dazu kommt nun infolge unseres Umzuges in das Steinerne Haus, zu dem wir uns aus mannigfachen Gründen entschlossen haben, eine Vermehrung der Lokalmiete. Auch

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ist darauf hinzuweisen, dass sich im Laufe der Zeit die Druckkosten für unsere Publikationen ganz wesentlich verteuert haben, wie überhaupt alle Ausgaben mehr und mehr anwachsen.

Die Vereinskasse würde diesen vermehrten Anforderungen nur entsprechen können, wenn die für die wissenschaftlichen Publikationen aufgewandten Gelder eine Einschränkung erführen. Diesen Ausweg aber glauben wir mit Recht von der Hand zu weisen. So bleibt uns nichts übrig, als hiermit den Antrag zu stellen, der Verein wolle beschliessen, dass § 6 der Satzungen in folgender Weise abgeändert wird:

»Die Mitgliedschaft des Vereins wird durch Anmeldung bei dem

»Vorstande und durch Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrags

»von jährlich mindestens acht Mark erworben.«

In Anbetracht, dass die Erhöhung um 2 Mark nur eine geringe und dass der Jahresbeitrag selbst mit 8 Mark im Vergleich zu andern gleich¬ artigen Vereinen noch ein sehr mässiger ist, hoffen wir, dass die Haupt¬ versammlung unserem Anträge zustimmen wird.

Der Verein hielt während des Jahres 1905 zehn wissenschaft¬ liche Sitzungen ab. Die Vorträge, die auch in diesem Jahre sich möglichst innerhalb der Grenzen rein lokaler Geschichtsforschung hielten, verteilten sich in folgender Weise:

Am 12. Januar Herr Museumsassistent R. Welcher-. »Die ortsgeschicht¬ lichen Ergebnisse des Braubach-Durchbruchs.«

Am 26. Januar Herr Professor Dr. K. Schumacher aus Mainz: »Das erste Auftreten der Germanen in Südwestdeutschland.«

Am 16. Februar Herr Stadtarchivar Dr. R. Jung: »Schiller und Frankfurt.«

Am 9. März Herr Museumsassistent Dr. O. Lauffer: »Der volks¬ tümliche Wohnbau in Frankfurt (I. Teil).«

Am 22. März Herr Architekt Privatdozent Dr. J. Hülsen: »Humor in den figürlichen Darstellungen an Frankfurter Baudenkmälern.«

Am 19. Oktober Herr Architekt Privatdozent Dr. J. Hülsen: »Der alte jüdische Friedhof am Börne-Platz, ein altfrankfurter Kunst¬ denkmal.«

Am 2. November Herr Stadtarchivar Dr. R. Jung: »Die englische Flüchtlingsgemeinde in Frankfurt 1554 1559-«

Am 16. November Herr Professor Dr. /. Kracauer : »Spaziergänge und Ausflüge der Frankfurter im XVIII. Jahrhundert.«

Am 30. November Herr Oberlehrer Dr. Bothe: »Landwirtschaft, Handel und Industrie im Frankfurt des XVI. Jahrhundert.«

Am 14. Dezember Herr Museumsassistent R. Welcher: »Heddern- heimer Tongeschirre für Küche und Haus.«

Die meisten dieser Vorträge waren durch Vorführung von Abbil¬ dungen oder archäologischen Fundstücken, mehrere auch durch Licht-

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bilder illustriert. Die Sitzung vom 22. März konnten wir gemeinsam mit dem Mitteldeutschen Kunstgewerbe-Verein abhalten, und wir freuten uns, auf diese Weise die Gemeinsamkeit der Interessen auch äusserlich zu dokumentieren, die uns mit jenem Vereine überall da verbindet, wo es sich um die Erforschung und Würdigung unseres vorzeitlichen heimischen Kunstgewerbes handelt.

Allen den geehrten Rednern, die ihre Kräfte freundlichst in den Dienst des Vereins gestellt haben, versäumen wir nicht, auch an dieser Stelle den wärmsten Dank auszusprechen. Schliesslich bleibt für die Geschichte unserer Vereinssitzungen insofern eine nicht unwesentliche Neuerung zu erwähnen, als in diesem Jahre die Damen, die ja auch früher sich hin und wieder schon beteiligt hatten, in grösserer Zahl und regelmässig unsere Vortragsabende besucht haben.

Die Sitzungen des Vereins fanden wie bislang im Lokale der Künstlergesellschaft im Hotel Taunus, Grosse Bockenheimerstr. 4 10 statt. Der Vorstand hat nun beschlossen, die Gemeinschaft des Lokales mit der Künstlergesellschaft auch in deren neuem Raume im Steinernen Hause fortzusetzen. Es wird alle unsere Mitglieder mit Genugtuung erfüllen, dass wir unsere Sitzungen in Zukunft in einem historisch bedeutungsvollen Hause abhalten werden, in einem Hause, das vor beinahe 50 Jahren, als unser Verein noch in seinen Anfängen stand, seinen Vorträgen, wie seinen Sammlungen eine so überaus würdige Heimstätte geboten hatte.

Die altbewährte Übung der Familienausflüge, durch die der Verein das Interesse für die Geschichte unserer heimischen Landschaft zu beleben und zu vertiefen, sowie auch den Vereinsmitgliedern Gelegen¬ heit zu persönlichem Zusammenschluss zu geben sucht, ist auch im abgelaufenen Jahre beibehalten. Ein Tagesausflug führte den Verein am 25. Juni nach Speyer und Schwetzingen, während einige Nachmittags- ausflüge am 10. Mai der Besichtigung des Offenbacher Schlosses und der Gerbermühle, am 27. Mai dem Besuch von Dreieichenhain und am 6. September dem von Ginnheim und dem angrenzenden Teil der Frankfurter Landwehr gewidmet waren. Die Ausflugskommission, welche die Ausflüge vorbereitete, und besonders die Herren Prof. Dr. Pelissier und Welcker , die dabei freundlichst die Führung übernommen haben, verdienen den lebhaften Dank des Vereins. Ein nach Wetzlar geplanter Ausflug zur Besichtigung des Domes musste leider einmal verschoben und schliesslich ganz abgesagt werden.

Die wissenschaftlichen Publikationen des Vereins konnten im abgelaufenen Jahre in erfreulicher Weise fortgeführt werden. Von dem »Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst« erschien der dritten Folge achter Band mit einer umfassenden Arbeit von Herrn Prof. Dr. E. Pelissier über »Die Landwehren der Reichsstadt Frankfurt a. M.«

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Schon aus mehreren in unseren Sitzungen gehaltenen Vorträgen war es unseren Mitgliedern bekannt, in welch gründlicher Weise Herr Prof. Pelissier sich mit der Geschichte und der Topographie der Landwehren befasste, und der Vorstand hat umso lieber diese Arbeiten unterstützt und das daraus entstandene umfangreiche Werk in seine Publikationen übernommen, als es in der Tat zu einer derartigen Bearbeitung die höchste Zeit war. Unsere Stadt ist in einem Zustande rascher und ständiger Ausdehnung, und jemehr das heutige Stadtgebiet nach allen Seiten wächst, umsomehr ändern sich die topographischen Verhältnisse, verschwinden auch im Boden die letzten äusseren Spuren der Vergangenheit. Es ist daher durch die Arbeit des Herrn Pelissier der lokalen Forschung ein sehr wesentlicher Dienst geleistet, und wir sind überzeugt, dass unsere Mit¬ glieder mit uns in der Anerkennung für dieselbe übereinstimmen. Als nächster Band des Archivs soll im Laufe des Jahres 1906 eine auf aus¬ gedehnten archivalischen Studien beruhende, von Frau Professor Valentin verfasste »Geschichte der Musik in Frankfurt bis ins 18. Jahrhundert« erscheinen. Nachdem wir vor Jahren eine Geschichte des Frankfurter Theaters von Frau Elisabeth Mentzel veröffentlicht haben, ist es uns angenehm, jetzt unseren Mitgliedern eine Geschichte des musikalischen Lebens in Frankfurt bieten zu können, die von der Verfasserin bis etwa zur Hälfte des 18. Jahrhunderts geführt worden ist, und die zum ersten Male die bis jetzt noch wenig bekannten musikalischen Bestrebungen unserer Vorfahren im Zusammenhänge darstellt. Für den letzten Band der »Baudenkmäler« haben sich leider besondere Schwierigkeiten ergeben, weil vor allem für die Illustrationen keine brauchbaren Unterlagen vor¬ handen waren, und solche erst durch Zeichnungen und architektonische Aufnahmen beschafft werden mussten. Es ist aber jetzt das Erscheinen des sechsten Bandes im Laufe des Jahres 1906 mit Bestimmtheit anzu¬ nehmen, womit dann ein Werk seinen Abschluss erreicht haben wird, welches unserer Vaterstadt, unserem Verein und nicht zuletzt den kenntnisreichen Verfassern zur höchsten Ehre gereicht.

Weiterhin sind wir in der angenehmen Lage, dem Verein ein Werk zuzuführen, zu dessen Entstehung wir zwar selbst nicht die An¬ regung gegeben haben, dessen Thema aber ein rein Frankfurtisches ist, und dessen Autor zu unseren eifrigsten Vereinsmitgliedern zählt. Herr Oberlehrer Dr. Bothe wird demnächst in den von Schmoller und Sehring herausgegebenen »Staats- und sozial wissenschaftlichen Forschungen« eine aus langjährigen Studien entsprossene Arbeit »Die direkte Besteuerung im reichsstädtischen Frankfurt bis 1612« erscheinen lassen, ein Werk, von dem wir erwarten dürfen, dass es sich in den Kranz der Frankfurter lokalen Historiographie als neues lebensfrisches Blatt einfügen wird. Wir freuen uns daher, dass das dankenswerte Entgegenkommen der Verlagsbuchhandlung es uns ermöglichen wird, das Werk als Vereins¬ gabe an unsere Mitglieder zu verteilen.

VIII

Leider sind unsere im Verein mit den Historischen Kommissionen in Wiesbaden und Marburg sowie dem Unterfränkischen Geschichtsverein in Würzburg unternommenen Bemühungen, ein Kartenwerk über Hessen- Nassau, Waldeck, Grossherzogtum Hessen und Aschaffenburg zu Stande zu bringen, bis jetzt ergebnislos geblieben, da einer der Hauptinteressenten, nämlich das Grossherzogtum Hessen, nicht zur Mitarbeit zu gewinnen war, wenigstens haben sich die zuständigen Stellen trotz mehrfacher Ein¬ gaben nicht geneigt gezeigt, sich an dem Werk zu beteiligen. Herr Dr. Jung wird sich daher demnächst genötigt sehen, die Geschäftsführung für das Kartenwerk niederzulegen, womit denn das ganze Unternehmen leider seinen negativen Abschluss gefunden haben wird.

An der lokalen prähistorischen und frühgeschichtlichen Forschung hat sich unser Verein wie seither beteiligt. Der zu diesem Zweck zwischen der städtischen Kommission für Kunst- und Altertums¬ gegenstände, dem Verein für das historische Museum und unserem Verein geschlossene Dreibund ist bestehen geblieben. Von Seiten unseres Vereins sind die Herren Archivdirektor Dr. Jung und Professor Dr. Wolff in die Ausgrabungs-Kommission entsandt. Die Geschäftsführung derselben lag in den Händen des Herrn Prof. Wolff, welcher über die Grabungsarbeiten während des Jahres 1905 folgendes berichtet:

I. Bereits im Winter 1904/5 boten private Grabungen von Heddernheimer Ortsbürgern auf einem in der Mitte der römischen Stadt gelegenen Grundstücke uns Gelegenheit, erhebliche Teile des Grundrisses eines grossen Bades aufzunehmen, wodurch 2 früher aufgefundene gemauerte Kanäle und Gebäudereste, die in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ungenau in den Stadtplan eingezeichnet waren, erst Zusammenhang gewinnen und ihre Erklärung finden. Da auf den¬ selben Grundstücken in früheren Jahren Inschriften gefunden sind, auf welchen eine platea praetor(ia) und eine platea novi vici erwähnt wurden, so verspricht eine plan- mässige Aufnahme der Nachgrabungen wichtige Aufklärungen über die Topographie des alten Heddernheim.

II. Im Frühjahr (April bis Juni) 1905 wurden die Untersuchungen auf dem Grundstücke des Gastwirts Westerfeld wieder aufgenommen und grösstenteils vollendet. Es fanden sich nahe der Südgrenze noch zwei Töpferöfen, deren Lage beweist, dass auch nach dieser Seite die Töpferkolonie sich noch weiter auf die angrenzenden Grundstücke erstreckt. Eben dort wurden Bestandteile einer Giganten¬ säule mit Inschrift ausgegraben, deren fehlende Bruchstücke wir bei der Wieder¬ aufnahme der Grabungen noch zu finden hoffen. Zwischen der neugefundenen Gruppe von Öfen und den im vorigen Jahre aufgedeckten fanden sich Arbeits¬ räume der Töpfer, Brunnen und Trockenmauern leicht gebauter Häuser, aber weniger Abfallgruben als auf dem nördlichen Teile des Ackers. Dementsprechend war die Ausbeute von Fundstücken geringer als im Jahre 1904, wenn auch keines¬ wegs belanglos.

III. Im Herbste (Ende August bis Mitte November) wurde eine 300 m lange und 80 m breite Erweiterung des domitianischen Steinkastells nach Osten in Gestalt eines zu diesen vollkommen symmetrisch angelegten Erdkastells aus dem Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. gefunden und in ihren Umrissen festgestellt. Veranlassung

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zu diesen Grabungen hatte eine an der Westwand der Falkenhanschen Ziegelei (an der Nordseite des Praunheimer Weges) beobachtete alte Ausschachtung des Bodens gegeben.

IV. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die früher nur unter Voraussetzung vollkommener Symmetrie ergänzte Nordostecke des Steinkastells mit ihrem Eckturm und ihren Gräben exakt festgestellt. Sie fand sich völlig übereinstimmend mit dem Plane von 1898. In den Fundamentgruben des Eckturms aber konnten die 6 Pfostenlöcher eines Holzgerüstes erkannt werden, welche zeigten, dass auch beim Heddernheimer Kastell die für die älteren domitianischen Anlagen charakteristische Kombination von Holz- und Steinbau angewendet worden ist.

V. Das grosse (passagere) Erdlager hatte im Jahre 1904 wegen der Bestellung der in Frage kommenden Felder in seinem nördlichen Teile nicht vollständig er¬ mittelt werden können. Die Hindernisse dauerten auch in diesem Jahre fort; doch konnte festgestellt werden, dass die ursprüngliche Anlage sich über die gefundene Nordwestecke nach Norden hinaus erstreckt hat, und dass die auffallende Richtung der bisher gefundenen Nordseite auf eine spätere, aber von der ersten Anlage zeitlich nicht weit entfernte Verkleinerung des Lagers zurückzuführen ist.

VI. Der Graben eines dritten Erdlagers wurde im Sommer 1905 in den Gruben einer Dampfziegelei gefunden, welche fast 1 km westlich von Praunheim an der Nordseite der Elisabethenstrasse liegen. Im Herbst und Winter konnten in den östlich anstossenden älteren Ausschachtungen durch Herrn Direktorialassistenten Welcker Spitzgrabenprofile ganz gleicher Art konstatiert werden. Aus der Kom¬ bination dieser Beobachtungen mit den zuerst erwähnten ergibt sich schon jetzt, bevor noch planmässige Grabungen unternommen sind, das Vorhandensein eines rechteckigen Lagers von fast 300 m südnördlicher Breite, dessen Achsen parallel und senkrecht zu der römischen Strasse gerichtet sind.

Der von dem Direktor der römisch-germanischen Kommission des Kaiserlichen Archäologischen Institutes Herrn Prof. Dr. H. Dragendorj} herausgegebene »Bericht über die Fortschritte der römisch-germanischen Forschung im Jahre 1904« wurde vom Verein in 50 Exemplaren über¬ nommen und nach Vorausbestellung an die Mitglieder abgegeben.

In Fragen der Denkmalpflege hat sich dem Verein während des abgelaufenen Jahres nur wenig Gelegenheit zu selbständiger Be¬ tätigung geboten. Auf eine Eingabe des Vereins betreffend Freilegung des unteren Teils des Rententurms hat der Magistrat geantwortet, dass er dem Anträge noch nicht näher treten könne, da eine Höhen¬ regulierung des Mainufers wie auch eine Veränderung der westlichen Saalhoffront zur Frage stehen. Weiterhin hat sich der Verein um die Erhaltung der im Rebstock durch Herrn Chr. L. Thomas freigelegten Reste der frühmittelalterlichen Stadtmauer bemüht, die sich bei den von der Kommission für Kunst- und Altertumsgegenstände durch genannten Herrn ausgeführten Grabungen gefunden haben. Der Vor¬ stand hat in diesem Sinne eine Eingabe an den Magistrat gerichtet. Eine Antwort auf dieselbe ist bislang noch nicht erfolgt, jedoch sind die Mauerreste selbst, um sie vor Beschädigung zu bewahren, einst¬ weilen wieder zugeschüttet.

X

Bei den Sitzungen des Gesamtvereins in Bamberg ist unser Verein durch Herrn Prof. Dr. Wolff vertreten worden.

Was den Schriftentausch mit auswärtigen Vereinen angeht, so ist mitzuteilen, dass das bereits früher einmal bestehende Tausch¬ verhältnis mit dem Verein für Altertumskunde im Fürstentum Birkenfeld erneuert worden ist.

Schliesslich ist in diesem Jahresbericht noch auf ein Ereignis hinzuweisen, welches für die Entwickelung der historischen Bestrebungen in unserer Stadt, wie wir hoffen, von weittragendster Bedeutung sein wird. Es ist unseren Mitgliedern aus den Verhandlungen der Stadt- verordneten-Versammlung bekannt, dass diese den Magistrat ersucht hat, Mittel zu einer systematischen Erforschung der Frankfurter Ver¬ gangenheit und zu einer Darstellung der städtischen Geschichte bereit zu stellen ; ohne Zweifel wird der Magistrat diesem Ersuchen entsprechen, so dass auch unsere Stadt in die Reihe der Landschaften und Städte eintreten wird, welche öffentliche Mittel zu einer gründlichen Bearbeitung der eigenen Geschichtsquellen verwenden. Es steht noch nicht fest, in welcher Form diese Absicht ausgeführt wird. Voraussichtlich wird zu diesem Zwecke eine besondere historische Kommission ge¬ gründet werden, wie solche schon seit einigen Jahren in den uns benachbarten Gebieten bestehen. Unser Verein hat alle Ursache, den Arbeiten dieser Kommission den besten Erfolg zu wünschen, sind es doch Arbeiten von einem Umfange und einer Zeitdauer, welchen die Mittel und Kräfte unseres Vereins nicht gewachsen sind. Von den Veröffentlichungen dieser Kommission, deren Aufgabe zunächst wohl in der Bekanntmachung der im Archiv ruhenden Quellen nach bestimmten wissenschaftlichen Gesichtspunkten bestehen wird, dürfen wir eine bedeutsame Förderung wie der Erkenntnis unserer Stadtgeschichte so auch der Tätigkeit unseres Vereins erwarten.

II. Rechnungs-Abschluss für das Jahr 1905.

27

XII

Einnahme.

M.

Pf.

M.

Pf.

1905

An Kassa-Konto

1. Jan.

Barbestand .

139

88

An Mitgliederbeitrag-Konto

31. Dez.

Jahresbeiträge der Mitglieder ....

An Unkosten-Konto

2343

31. Dez.

Vergütung für Porti .

An Bibliothek- Konto

12

60

31. Dez.

7 Zahlungen für das Korrespondenzblatt .

An Effekten-Konto

21

31. Dez.

Zinsen des österr. Loses .

6

75

An Verlag-Konto

31. Dez.

Verkauf von Vereinsschriften .

339

An Frankfurter Gewerbekasse Konto-

Korrent A. Konto

31. Dez.

Zahlungen .

An Konto : Historisches Kartenwerk für

3700

Hessen-Nassau, Hessen etc.

31. Dez.

Zahlungen .

An Konto : Kommission für Herausgabe

300

des Werkes über die Baudenkmäler in Frankfurt a. M.

31. Dez.

Zahlung .

An Subventions-Konto

1500

31. Dez.

Unterstützung der städtischen Behörden

für 1905 .

1000

An Sparkasse-Konto

31. Dez.

Zahlung .

100

9462

23

XIII

Ausgabe.

M.

Pf.

M.

Pf.

1905

Per Bibliothek-Konto

31. Dez.

Ankauf von Büchern und Zeitschriften

127

35

Per Verlag-Konto

31. Dez.

Herstellung des Archivs, III. Folge, Band 8

und Pläne dazu .

3888

65

Per Ausgrabungs-Konto

31. Dez.

Zahlung an die Ausgrabungs - Kommission

600

Per Frankfurter Gewerbekasse Konto-

Korrent A. Konto

31. Dez.

Zahlungen .

3500

Per Unkosten-Konto

31. Dez.

Inserate . 1

89

10

400 Exemplare des Korrespondenzblattes

der Westdeutschen Zeitschrift . . .

167

40

Beitrag zum Verband süd- und west-

deutscher Vereine .

10

Beitrag zur Anthropologischen Gesellschaft

5

Lokalmiete .

250

Elektrische Beleuchtung .

35

64

Einträgen des Vereins .

7

35

Einkassieren der Mitgliederbeiträge und

Austragen der Vereinsschrift ....

68

44

Beitrag zum Gesamtverein und 15 Proto-

1

kolle der Generalversammlung in Danzig

16

50

Für Vereinsnachrichten im Korrespondenz-

1

blatt .

50

75

Druckarbeiten .

47

Schriftliche Arbeiten .

78

40

Kleine Ausgaben .

462

10

1287

'68

Per Kassa-Konto

Barbestand .

¥

58

55

9462

23

den 31

. Dezember 1903.

1

Emil Padjera,

d. Zt. Kassen füh rer.

III. Bericht über die Tätigkeit des Vereins im Jahre 1906.

Erstattet in der Hauptversammlung am 7. Februar 1907.

Die Mitgliederzahl ist im Jahre 1906 leider abermals zurück- gegangen. Von den 340 Mitgliedern, mit denen das Vereinsjahr begann, sind 13 gestorben und 19 sonst ausgetreten. Dem gegenüber sind nur 18 Mitglieder neu eingetreten, sodass die Gesamtsumme 326 am Ende des Jahres mit einem Verluste von 14 Mitgliedern abschliesst. Ange¬ sichts dieser Tatsache kann es der Vorstand nicht unterlassen, alle Vereinsangehörige dringend um die Werbung neuer Mitglieder zu bitten, damit der Verein sich auf der alten Höhe seines Mitgliederbestandes und damit auch seiner Leistungsfähigkeit halten kann.

Unter denen, die uns durch den Tod entrissen sind, gedenken wir besonders unseres langjährigen Mitgliedes, des Bibliothekars an der Stadt¬ bibliothek Herrn Dr. Heinrich v. Nathusius. In der ersten Sitzung, mit welcher wir am 18. Oktober unsere Wintervorträge begannen, widmete ihm der Vorsitzende Herr Archivdirektor Dr. Jung folgende Worte der Erinnerung :

»Lassen Sie mich an diesem Abend, welcher unsere Wintersitzungen eröffnet, zuerst eines hervorragend tätigen Mitgliedes, eines lieben Freundes gedenken, welcher uns im Laufe dieses Sommers für immer verlassen hat. Dr. Heinrich von Nathusius-Neinstedt hat es reichlich verdient, dass wir nochmals im Kreise unserer Mitglieder seiner Persönlichkeit und seiner Verdienste um unseren Verein uns erinnern !

Am 22. Juni 1851 wurde er in dem Harzstädtchen Neinstedt als der Sohn eines ausgezeichneten Elternpaares geboren. Philipp Engelhard Nathusius, der Vater, der als Kaufmann und Leiter grösserer geschäftlicher Unternehmungen begonnen, dann aber durch Studium und Reisen seine Ausbildung vollendet hatte, lebte dort seinen humanitären Bestrebungen er hatte ein »Knabenrettungs- und Bruderhaus« nach dem Muster des Rauhen Hauses in Hamburg gegründet und seiner schrift¬ stellerischen Tätigkeit, die er in den Dienst der streng konservativen und kirch¬ lichen Partei Preussens gestellt hatte; als lyrischer Dichter, als feinsinniger Nach¬ bildner B£rangers war er schon in jüngeren Jahren an die Öffentlichkeit getreten. Seine Gattin war die besonders in Norddeutschland bekannte und heute noch viel gelesene Schriftstellerin Marie Nathusius, deren Erzählungen für die Jugend und die Frauenwelt denselben Geist atmen wie die Arbeiten ihres Gatten.

Heinrich von Nathusius besuchte das Gymnasium in Quedlinburg; die Ge¬ schichte war schon damals das Fach, das ihn am meisten anzog; die reich aus¬ gestattete väterliche Bibliothek in Neinstedt lieferte ihm reichliches Material zur

XVI

Befriedigung seiner Wissbegierde. Als 1870 der Krieg ausbrach, trat er als Kriegs¬ freiwilliger in das 2. Leibhusarenregiment in Posen ein und machte mit diesem den Winterfeldzug um Orleans mit. Mit stolzer Befriedigung hat er immer auf seine Teilnahme an dem grossen Kriege geblickt und gern das eiserne Kreuz angelegt, das er sich auf einem heissen Patrouillenritt erworben hatte. Nach der Heimkehr entschloss er sich, Offizier zu werden, und verbrachte mehrere Jahre in Posen als flotter Husarenleutnant. 1874 nahm er seinen Abschied und siedelte, nachdem er mehrere Jahre als Privatmann gelebt hatte, nach Marburg über, um hier Geschichte zu studieren, aber auch um das ihm noch fehlende Maturitäts- Zeugnis zu erwerben. In Marburg war der verheiratete Student eine allbekannte und beliebte Persönlichkeit, ein fleissiger Hörer in den Vorlesungen und ein un¬ verdrossener Arbeiter in den Seminaren der Universität, in den Freuden des Studentenlebens aber ein Kommilitone, der sich uns jüngeren niemals versagte, der uns im Verein mit seiner liebenswürdigen Gattin häufig sein gastliches Haus öffnete. Im Jahre 1883 verlegte er seinen Wohnsitz nach Frankfurt a. M., weil er hoffte, hier einen Wirkungskreis für historisch-wissenschaftliche Betätigung zu finden.

1884 trat er zuerst als Volontär in den Dienst der Stadtbibliothek; seit 1893 bekleidete er die Stelle eines zweiten Bibliothekars. In den letzten Jahren trat ein altes Lungenleiden immer häufiger bei ihm auf; mehrmals musste er auf längere Zeit die Heilanstalt Naurod bei Wiesbaden aufsuchen. Im Spätherbst 1905 ging er zum dritten male hin; er hat Frankfurt, das ihm eine liebe zweite Heimat geworden war, nicht wiedergesehen. Nach langem Siechtum ist er in der Morgen¬ frühe des 14. Juli in Naurod sanft entschlafen.

Wer den Gang seines Lebens näher kennt, der weiss, dass es nicht frei war von Enttäuschungen, dass er einen tapferen Kampf gekämpft hat, dass er sich aber durch die schwersten Schicksalsschläge nicht niederbeugen liess. Seine elastische Frohnatur hat sich doch immer durchgerungen und ihn der alten lieben Arbeit für die Wissenschaft wie für seine Vereine wieder zugeführt. Ein grosser Teil dieser Arbeit aber galt uns und den Bestrebungen, denen wir dienen!

Seine politischen und gesellschaftlichen Anschauungen hatten sich in der streng konservativen, orthodoxen Luft, die ihn im Elternhause umweht hatte, und dann in dem Offiziercorps eines der ersten Kavallerieregimenter ausgebildet; es waren natürlich die Anschauungen des konservativen preussischen Adels. Schon in Marburg hatten sie durch den Verkehr mit Professoren und Studenten jeden Standes und jeder Partei viel an Starrheit verloren und auch hier in Frankfurt lernte er immer mehr, duldsam zu werden gegen die Ansichten anderer. Schwieriger wurde ihm die Überwindung seiner Anschauungen in der wissenschaftlichen Arbeit. Es wurde ihm oft schwer, in der Geschichte unserer Stadt das Werk, das Verdienst des einfachen Bürgertums zu erkennen. Für ihn war sie wesentlich die Geschichte ihrer edlen Geschlechter. In dieser Einseitigkeit wurde er anfangs bestärkt durch das Studium der Werke des von ihm hochverehrten Meisters Johann Karl von Fichard, dessen patrizischer Standpunkt ihm natürlich sehr zusagte ; in späteren Jahren hat er sich redlich bestrebt, über diesen einseitigen Standpunkt hinaus zu kommen.

Herr von Nathusius beteiligte sich sofort nach seiner Übersiedelung nach Frankfurt an der Neubearbeitung des Böhmerschen Urkundenbuchs unter der Leitung des damaligen Stadtarchivars Dr. Grotefend, dem er für die vortreffliche Einführung in das Urkundenstudium Zeit seines Lebens herzlich dankbar blieb ; es war ihm nicht vergönnt, diese Neubearbeitung, die er nach dem Abgang Grotefends selbständig übernahm, durchzuführen, da er allzuhäufig zu anderen Arbeiten abberufen wurde. Die Ordnung des reichen Archivs der Freiherren von Holzhausen,

XVII

welches auch einen Teil des Glauburgschen Familienarchivs enthält, gab ihm Ver¬ anlassung zu eingehenden Studien über die Anfänge des städtischen Patriziates und zur Geschichte zahlreicher Geschlechter des städtischen Adels. Bald erstreckte er seine in diesen Forschungen erworbenen genealogischen Kenntnisse und Fertig¬ keiten auf die Bearbeitungen von Geschichten hervorragender bürgerlicher Familien, wie der de Neufville und de Bary und vieler anderer, die aber nicht immer für die Öffentlichkeit geschrieben wurden. Eine Reihe von Studien über die topographische Entwickelung der Stadt, über die Kirchenbuchführung, über geschichtlich denk¬ würdige Druckwerke der Stadtbibliothek hat er in besonderen Abhandlungen oder auch nur in Vorträgen bekannt gegeben.

Wenn ich unseres hingeschiedenen Freundes vielleicht etwas ausführlicher gedenke, als es die Bedeutung seiner wissenschaftlichen Arbeit erfordert, so geschieht es, weil wir in ihm ein hervorragend eifriges und treues Mitglied betrauern; auf das innigste ist sein Name mit der Tätigkeit unseres Vereins in mehr als 20 Jahren verbunden. 1884 wurde er Mitglied, seit 1896 gehörte er dem Vorstande an, 1896 war er stellvertretender Vorsitzender. Einen Grundzug seines Wesens, die Hilfsbereitschaft, hat er uns in glänzender Weise bewährt: er hat sich jeder Arbeit, die ihm zugemutet wurde, auch der geringsten, unverdrossen und ge¬ wissenhaft unterzogen; man hat ihn nie vergebens gebeten; er war stets bereit einzuspringen, wenn seine Beteiligung gewünscht wurde. Zu unseren Veröffent¬ lichungen hat er eine Reihe kleinerer, aber gediegener Arbeiten beigesteuert, häufig und gut hat er an unseren Vortragsabenden gesprochen, mehrere Jahre lang hat er unsere Sommerausflüge vorbereitet und geleitet, immer aber hat er sich mit ganzem Herzen und voller Arbeitskraft an unseren Veranstaltungen be¬ teiligt : eine der beliebtesten Persönlichkeiten im Vorstande wie bei den Mitgliedern, eine heitere, gesellige Natur, ein lieber Freund! Seine Tätigkeit bei uns war ihm ebenso Herzenssache wie sein Wirken in wohltätigen und kirchlichen Ver¬ einigungen. Er war keine stille, in sich gekehrte, auf sich zurückgezogene Natur: er musste mit anderen und für andere wirken.

Lassen Sie uns das Andenken des treuen Mitgliedes, des tüchtigen Arbeiters, des lieben Menschen Heinrich von Nathusius in dauernden Ehren halten.«

Der Vorstand setzte sich im abgelaufenen Vereinsjahre wie folgt zusammen:

Otto Cornill, Direktor des Historischen Museums,

Dr. jur. Alexander Dietz, Rechtsanwalt,

Professor Otto Donner-von Richter, Maler,

Robert Flauaus, Rentner,

Dr. Julius Hülsen, Architekt und Privatdozent,

Dr. Rudolf Jung, Direktor des Stadtarchivs,

Professor Isidor Kracauer, Oberlehrer,

Dr. Otto Lauffer , Direktorial-AssistentamHistorischen Museum, Dr. Heinrich v. Nathusius-Neinstedt, Bibliothekar,

Emil Padjera, Rentner,

Professor Dr. Eduard Eelissier, Oberlehrer,

Professor Dr. Alexander Riese, Oberlehrer a. D.,

Rudolf Welcher, Direktorial-Assistent am Historischen Museum, Professor Dr. Georg Wolff, Oberlehrer.

XVIII

Die Ämterverteilung war in der Weise erfolgt, dass die Herren Dr. Jung zum Vorsitzenden,

Prof. Dr. Wolf zum Stellvertreter des Vorsitzenden,

Padjera zum Kassenführer,

Dr. Lauffer zum Schriftführer ernannt wurden.

Für den Schriftleitungsausschuss wurden gewählt : die Herren Dr. Jung, Prof. Donner-von Richter und Prof. Riese, hinzuzuziehen Prof. Wolff und Dr. Lauffer ;

für den Ortsausschuss : die Herren Padjera, Dr. Traut und Welcker ;

für den Ausflugsausschuss : die Herren Welcker , Pelissier und Flauaus ;

für den Bibliotheksausschuss: die Herren Dr. Jung, Dr. Lauffer und Dr. Traut ;

für den Vortragsausschuss: die Herren Prof. Donner-voit Richter, Dr. L^auffer, Prof. Dr. Pelissier und Prof. Dr. Wolff.

Mit dem Ende des Jahres 1906 sind aus dem Vorstande satzungs- gemäss ausgeschieden die im Jahre 1904 gewählten Herren Prof. Dr. Kracauer, Padjera und Prof. Dr. Wolff, ferner auch Herr Dr. Hülsen, der in der Zwischenzeit als Ersatzmann für den ausgeschiedenen Herrn Thomas eingetreten ist, dessen Wahlperiode jetzt abgelaufen wäre. Der Vorstand erlaubt sich, die Wiederwahl der genannten Herren zu empfehlen, indem er zugleich vorschlägt, an Stelle des verstorbenen Dr. v. Nathusius Herrn Stadtrat Dr. Ziehen zu wählen. Wir versäumen jedoch nicht, darauf hinzuweisen, dass die Neuwahlen durchaus dem Belieben der Plauptversammlung anheimgegeben sind.

Mit dem gleichen Vorbehalt regt der Vorstand an, der Verein möge die Herren Schuchardt und Kober ersuchen, auch im kommenden Jahre die Rechnungsprüfung freundlichst auszuüben, sowie die Herren Rechnungsrat Mentzel und Ochs zu bitten, erforderlichen Falles dabei die Vertretung zu übernehmen.

Die Kassenverwaltung hat sich auch im Berichtsjahre der stets aufopfernden Pflege des Herrn Padjera erfreut, der der Versamm¬ lung einen gesonderten Rechenschaftsbericht vorlegt.

Wie in den Vorjahren so sind auch in dem verflossenen im ganzen zehn wissenschaftliche Sitzungen abgehalten worden, in denen uns aus dem Kreise unserer Mitglieder folgende Vorträge dargeboten wurden :

Am 18. Januar: Prof. Dr. Dragendorff, Römische Funde an der Lippe.

Am 1. Februar (Hauptversammlung): Dr. Grossmatm, Die Erzeug¬ nisse der Frankfurter Fayencefabrik.

XIX -

Am 15. Februar: Prof. Dr. Riese, Zur Geschichte und Kultur der Rheinlande in der Römerzeit, besonders nach den Inschriften.

Am 8. März: Archivdirektor Dr. Jung, Lersners Frankfurter Chronik.

Am 22. März: Museums-Assistent Dr. Lauffer, Volkstümlicher Wohnbau in Frankfurt. (II. Teil.)

Am 18. Oktober: Archivdirektor Dr. Jung, Karl v. Dalberg und Frankfurt 1806 1813.

Am 1. November: Oberzollrevisor Moldenhauer, Aus dem Zoll¬ wesen der Reichsstadt Frankfurt am Ende des 18. Jahrhunderts.

Am 15. November: Prof. Dr. Kracauer , Das Frankfurter Militär im Feldzug 1757. (Ein Beitrag zur Geschichte der Reichsarmee.)

Am 6. Dezember : Pfarrer Battenberg, Joh. Lupi, der erste Pfarrer an der Peterskirche (f 1468) und sein Beichtbüchlein.

Am 20. Dezember : Hofrat Ah//<?r-Darmstadt, Erklärung von Denk¬ mälern der westdeutschen Steinzeit durch ausserdeutsche Ver¬ gleichstücke.

Neben dem Lohne, den jede wissenschaftliche Arbeit in sich selber trägt, dürfen alle die genannten Redner des wärmsten Dankes unseres Vereins sicher sein, den wir hiermit wiederholt zum Ausdruck bringen. Die mehrfach durch Vorzeigung von Originalstücken bezw. von Licht¬ bildern illustrierten Vorträge fanden von einer vorübergehenden Unter¬ brechung abgesehen im neu eingerichteten »Steinernen Hause« statt.

Die üblichen Sommerausflüge führten uns einmal in einer Tagestour nach Wetzlar und ferner in drei Nachmittags-Spaziergängen zum Kinzigheimer Hof, nach Hochstadt - Wilhelmsbad und nach Heusenstamm. Ein geplanter und bereits bis in die Einzelheiten vor¬ bereiteter Ausflug nach Worms musste in letzter Stunde abgesagt werden, da sich eine zu beschränkte Anzahl unserer Mitglieder zur Teilnahme gemeldet hatte. Noch ist zu erwähnen, dass einmal während des Sommers Herr Dr. Hülsen in Gemeinschaft mit Herrn Rabbiner Dr. Horowitz die Freundlichkeit hatte, die Führung eines Teiles der Vereinsmitglieder durch den alten jüdischen Friedhof zu übernehmen. Endlich wurde einmal auf der Dachlaube des »Steinernen Hauses« ein zwar nicht sehr stark besuchter aber sehr gut verlaufener geselliger Abend mit Damen veranstaltet.

Über die Veröffentlichungen des Vereins ist zu berichten, dass den im vorhergehenden Jahresbericht ausgesprochenen Absichten gemäss das Werk von Frau C. Valentin , »Geschichte der Musik in Frankfurt a. M., vom Anfang des XIV. bis zum Anfänge des XVIII. Jahr¬ hunderts« im Laufe des Jahres ausgegeben und ausserdem das Werk von Herrn Oberlehrer Dr. Bothe, »Die Entwickelung der direkten Be¬ steuerung in der Reichsstadt Frankfurt bis 1612« (Schmoller und Sering,

XX

Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, Band XXVI, Heft 2) als besondere Vereinsgabe an unsere Mitglieder verteilt worden ist. Die noch ausstehende sechste Lieferung des Baudenkmäler- Werkes konnte leider noch nicht, wie wir fest gehofft hatten, im abgelaufenen Jahre fertiggestellt werden. Da die Güte der Arbeit nicht durch eine unangebrachte Überstürzung geschädigt werden durfte, so musste die Herausgabe auch jetzt noch aufgeschoben werden. Indessen ist mit dem Druck bereits begonnen worden, und kann das Erscheinen dieser Schlusslieferung für das kommende Jahr endgültig in Aussicht gestellt werden. Ausserdem sind für das kommende fünfzigjährige Jubiläums¬ jahr des Vereins vorgesehen und bereits in den Druckvorbereitungen begriffen ein neuer Band des »Archivs für Frankfurts Geschichte und Kunst« mit einer von Herrn Prof. Dr. Riese verfassten Vereinsgeschichte und mit einer Reihe lokalgeschichtlicher Einzelbeiträge, ausserdem aber das IV. Heft der »Heddernheimer Mitteilungen« mit Arbeiten von Prof. Dr. Dragendorff, Prof. Dr. Riese, Welcher und Prof. Dr. Wolff. Mit besonderer Freude und aufrichtigem Dank können wir berichten, dass für die sachgemässe Ausstattung dieses Heftes mit Karten und Ab¬ bildungen die Kommission für städtische Kunst- und Altertumsgegen¬ stände auf unsere Bitte den namhaften Beitrag von 2000 Mark zu¬ gesagt hat.

In diesem Zusammenhänge machen wir ferner die erfreuliche Mit¬ teilung, dass die neugegründete »Städtische Historische Kommission« dem Vorstande ihre Absicht mitgeteilt hat, das im Jahre 1896 mit Ermächtigung und finanzieller Unterstützung der Stadt vom Verein herausgegebene Werk von Jung, »Das historische Archiv, seine Ge¬ schichte und seine Bestände« in neuer durch die Vermehrung der Archivbestände durchaus nötigen Bearbeitung herauszugeben, unter der Voraussetzung, dass der Verein von sich aus eine Neubearbeitung in absehbarer Zeit nicht vornehmen werde. Der Vorstand hat daraufhin aus mehrfachen offensichtlichen Gründen einstimmig beschlossen, auf die Herausgabe einer neuen Bearbeitung des genannten Werkes zu Gunsten der Historischen Kommission zu verzichten.

Über die wiederholten vergeblichen Versuche unseres Vorsitzenden, das Grossherzogtum Hessen zur Beteiligung an dem geplanten Historischen Kartenwerk zu veranlassen, ist bereits im vorigem Bericht gesprochen. Es ist daher zufolge einer entsprechenden vorhergehenden Mitteilung an die beteiligten Vereine und Korporationen das nunmehr aussichtslose Unternehmen aufgelöst werden.

Die Förderung, die der Verein der lokalen frühgeschichtlichen und römisch- germanischen Forschung angedeihen liess, ist auch im abgelaufenen Jahre so geschehen, dass der Verein in der seit Jahren geregelten Weise an den Arbeiten der Ausgrabungs-Kommission

XXI

sich beteiligt hat. Über die Ergebnisse dieser Arbeiten liegt von dem Geschäftsführer der Kommission Herrn Prof. Dr. Wolff ein Bericht vor, welcher im Dreissigsten Jahresberichte des Vereins für das Historische Museum 1907 Seite 19 22 veröffentlicht ist.

In den Fragen der lokalen Denkmalpflege hat der Verein im abgelaufenen Jahre nur zweimal Gelegenheit gehabt sich zu betätigen. Infolge von Strassenverlegungen im Osten unserer Stadt war das romanische Herrenhaus des Rieder Hofes in Gefahr, vom Erdboden zu verschwinden. Der Bezirkskonservator des Regierungs -Bezirkes Wiesbaden Herr Prof. Luthmer hat sich daher auf Anregung des Herrn Padjera mit einer Eingabe zwecks Erhaltung dieses ehrwürdigen Bau¬ werkes an den Magistrat gewandt, und unser Vorstand hat sich in Ge¬ meinschaft mit den Vorständen des Vereins für das Historische Museum und des Architekten- und Ingenieur- Vereins dieser Eingabe angeschlossen, die dann auch erfreulicher Weise von dem gewünschten Erfolge ge¬ krönt worden ist.

Ausserdem hat der Vorstand, gleichzeitig mit einer gleichlautenden Eingabe des Stadtverordneten Herrn Chr. Weib, sich zusammen mit dem Vorstand des Vereins für das Historische Museum an den Magistrat gewandt mit der Bitte, der Magistrat möge dafür Sorge tragen, dass die an den Neubau des Bürgerspitals versetzte Christusfigur nebst zu¬ gehöriger Weihe-Inschrift des alten Dr. Senckenbergischen Spitalgebäudes wieder an ihre alte Stelle zurückgebracht werde, nachdem die Erhaltung des Senckenbergischen Spitalgebäudes in dankenswerter Weise gesichert ist. Auch für diese Angelegenheit steht eine Erledigung in dem an¬ geregten Sinne in sicherer Aussicht.

Auf der diesjährigen Versammlung des Gesamtvereins, die in Wien abgehalten wurde, ist unser Verein durch den Vorsitzenden Herrn Archivdirektor Dr. Jung, der zugleich vom Magistrat deputiert war, vertreten gewesen. An dem gleichzeitig in Braunschweig tagenden Denkmalpflegetage hat dagegen leider keines unserer Vereinsmitglieder teilnehmen können.

Endlich ist über das Verhältnis des Schriftentausches mit anderen gleichstrebenden Vereinen zu berichten, dass dasselbe in alter Weise fortbestanden hat. Der Bibliothek des jungen Altertumsvereines in Wetzlar haben wir auf Wunsch gern eine Reihe unserer Vereins¬ schriften überwiesen.

Mit neuen Hoffnungen darf der Verein nunmehr die zweite Jahr¬ hunderthälfte seines Bestehens beginnen. An lohnender Arbeit wird es ihm für seine Bestrebungen nicht fehlen, denn die reiche geschichtliche Vergangenheit unserer Stadt ist so vielseitig und wird durch eine solche Fülle von Geschichtsquellen, schriftlichen Nachrichten und äusseren Denkmälern bezeugt, dass für alle Arten geschichtlicher Forschung sich

XXII

hier noch für lange Zeit ein reiches Feld der Arbeit eröffnet. Wir dürfen mit umso froherem Mute uns fernerhin dieser Forschungen an¬ nehmen, als wir wissen, dass uns dabei von nun an die Städtische Historische Kommission als treuer Gefährte zur Seite stehen wird, nicht minder aber auch, weil wir der sicheren Überzeugung sind, dass der Stolz auf unsere gute Stadt Frankfurt und die Liebe zur Heimat und ihrer geschichtlichen Vergangenheit unserem Vereine auch ferner aus dem Kreise unserer Mitbürger immer neue Freunde zuführen wird.

IV. Rechnungs-Abschluss für das Jahr 1906.

XXIV

Einnahme.

M.

Pf.

M.

Pf.

1906

An Kassa-Konto

1. Jan. !

Barbestand . .

58

55

An Mitgliederbeitrag-Konto

31. Dez.

Jahresbeitrag der Mitglieder .

2829

An Unkosten-Konto

31. Dez.

Vergütung für Porti .

36

50

An Effekten-Konto

31. Dez.

Zinsen des österr. Loses .

6

80

An Sparkasse-Konto

31. Dez.

Zahlungen .

800

An Subventions-Konto

31. Dez.

Unterstützung der städt. Behörden für 1906

1000

An Verlag-Konto

31. Dez.

Verkauf von Vereinsschriften etc. . . .

75

85

An Frankfurter Gewerbekasse Konto-

Korrent A. Konto

31. Dez.

Zahlungen .

1700

An Konto : Historisches Kartenwerk für

Hessen-Nassau, Hessen etc.

31. Dez.

Zahlung .

200

An Konto : Kommission für Herausgabe

des Werkes über die Baudenkmäler

in Frankfurt a. M.

31. Dez.

|

Zahl.Ti.cn , . . , . t

1800

8506

70

F r

inkf

urt a.

M„

XXV

Ausgabe.

M.

Pf.

M.

Pf.

1906

Per Bibliothek-Konto

81. Dez.

Ankauf von Büchern und Zeitschriften etc.

73

20

Per Verlag-Konto

31. Dez

30 Berichte: röm.-germ. Forschung . .

Honorar und Herstellung der Schrift von

9

85

1

Caroline Valentin , Geschichte der Musik etc .

2382

15

350 Exemplare von Dr. Bothes Werk Uber

die direkte Besteuerung in Frankfurt a.M.

1223

90

3615

90

Per Inventar-Konto

31. Dez.

2 Stempel .

6

Per Ausgrabungs-Konto

31. Dez.

Zahlung an die Ausgrabungs-Kommission

Per Konto : Historisches Kartenwerk für

r

600

Hessen-Nassau, Hessen etc.

31. Dez.

Rückzahlung der eingeschickten Beiträge

Per Frankfurter Gewerbekasse Konto-

1700

Korrent A. Konto

31. Dez.

Zahlungen .

Per Unkosten-Konto

1200

31. Dez.

Inserate .

400 Exemplare des Korrespondenzblattes

87

30

der Westdeutschen Zeitschrift . . .

160

_

Beitrag zum Verband süd- und west-

deutscher Vereine .

10

, -

Beitrag zum Gesamtverein und 15 Proto-

kolle der Versammlung in Bamberg .

16

50

Lokalmiete .

320

- -

Elektrische Beleuchtung .

23

82

Einträgen des Vereins etc .

Einkassieren der Mitgliederbeiträge und

14

70

Austragen der beiden Vereinsschriften Für Vereinsnachrichten im Korrespondenz-

00

0

r-H

18

blatt der W. Z .

49

03

Druckarbeiten .

22

25

Schriftliche Arbeiten .

105

57

Kleine Ausgaben .

247

10

1164

45

Per Kassa-Konto

31. Dez.

Barbestand .

147

15

8506

70

den i.

Dezember 1906.

Emil Padjera,

d. Z t. Kassenführer.

V. Verzeichnis der Mitglieder des Vereins.

Abgeschlossen am 15. Juli 1907.

Der Wohnsitz der Mitglieder ist, wenn nicht besonders bemerkt, die Stadt Frankfurt a. M.

Berichtigungen zu diesem Verzeichnis sowie Anzeigen von Wohnungsver¬ änderungen bittet man an den Vorstand zu richten.

Ehrenmitglied :

Grotefend, Hermann, Dr. phih. Geh. Archivrat, Vorsteher des Grossh. Geheimen und Haupt-Archivs Schwerin i. M. (Ernannt 5. Nov. 1887.)

Korrespondierende Mitglieder :

Falk, Franz, Dr. phih, Professor, Pfarrer und bischöflicher Archivar, Klein- Winternheim. (3. Juli 1873.)

Jacobi, Louis, Kgl. Geh. Baurat, Professor, Direktor des Saalburg- Museums, Homburg v. d. H. (6. Febr. 1878.)

Kofler, Friedrich, Hofrat, Darmstadt, (12. März 1902.)

Quidde, Ludwig, Dr. phih, Professor, München. (5. Nov. 1887.)

Freiherr Schenk zu Schweinsberg, Gustav, Dr. jur., Grossh. Kammerherr, Direktor des Grossh. Haus- und Staatsarchivs, Major ä la suite, Darmstadt. (9. Aug. 1879.)

Schneider, Friedrich, Dr. theoh, Apostolischer Protonotar, Domkapitular, Mainz. (6. Febr. 1878.)

Mitglieder:

Abendroth, Moritz, Buchhändler.

Äbt, Ferdinand August, Architekt.

Abt, Jean, Rentner.

Äbt, Karl, Rentner.

Adelmann, Georg, Buchdruckereibesitzer.

Ädickes, Franz, Dr. med. h. c., Oberbürgermeister.

Adler, Salo, Dr. phih, Direktor des Philanthropin.

Älefeld, Fritz, Chemiker.

Ändreae, Albert, Banquier.

Andreas, Ferdinand, Lehrer, Eschersheim.

Äskenasy, Alexander, Ingenieur.

Äuffarth, Franz Benjamin, Buchhandlung.

28

XXVIII

Baer, Moritz Hermann, Dr. jur., Justizrat, Rechtsanwalt.

Baer, Simon Leopold, Buchhändler.

Bangel, Ludwig, Kaufmann.

Bardorff, Karl, Dr. med., Arzt.

Bardorff, Wilhelm, Rektor.

Bartmann, Johannes, Referendar, de Bary-Jeanrenaud, Heinrich, Banquier. de Bary, Jakob, Dr. med., Sanitätsrat. de Bary, Karl, Rentner.

Battenberg, Friedrich, Plärrer.

Baumbach, Rupert, Buchdruckereibesitzer.

Beck, Gottfried, Stadtrat a. D.

Bek, Franz, Schornsteinfegermeister.

Benkard, Emil, Dr. jur., Justizrat, Rechtsanwalt.

Benkard, Frau Emilie.

Berghöffer, Christian, Dr. phil., Erster Bibliothekar der Frh. Carl v. Rothschildschen Bibliothek.

Freifrau v. Bethmann, Helene.

Freiherr v. Bethmann, Hugo, Banquier, Paris.

Bieber, Emil, städtischer Baumeister.

Bieber, Ernst, Dr. phil., Oberlehrer.

Binding, Konrad, Rentner.

Blass, Georg, Kaufmann.

Bleicher, Heinrich, Dr. phil., Professor, Stadtrat.

Bölte, Felix, Dr. phil., Professor, Oberlehrer.

Bolongaro, Karl, Kaufmann.

Bonn, Wilhelm, Banquier.

Borgnis, Franz, Rentner.

Bothe, Friedrich, Dr. phil., Oberlehrer.

Braun, Wunibald, Fabrikant.

Braunfels, Otto, Geheimer Kommerzienrat, Banquier.

Briese, Georg, Kaufmann.

Bruhn, Ewald, Dr. phil., Gymnasial-Direktor.

Brunner, Josef, Bankbeamter.

Burgheim, Gustav, Dr. jur., Justizrat, Rechtsanwalt.

Burkhardt, Franz, Architekt.

Cahn, Adolf, Kaufmann.

Cahn, Julius, Dr. phil.

Caspary, Friedrich, kgl. Baurat a. D.

Clauer, Georg, Kaufmann.

Clemm, Karl, Rentner.

Collischonn, Paul, Dr. phil., Oberlehrer. Creizenach, Ignaz, Rentner.

Cronberger, Bernhard, Lehrer.

Cuers, Hugo, Dr. phil., Professor, Oberlehrer a. D. Cullmann, R., Landgerichtsrat a. D.

Cuno, Karl, Geh. Postrat, Postbaurat a. D.

Cuntze, Dietrich, Dr. phil., Fabrikbesitzer.

XXIX

Dechent, Hermann, Dr. phil., Pfarrer, Konsistorialrat.

Demuth, Christian, Bankbeamter.

Detloff, Adolf, Buchhändler.

Dietz, Alexander, Dr. jur., Rechtsanwalt.

Dietz, Heinrich, Rentner.

Donner, Gustav, Dr. jur., Rentner.

Donner-von Richter, Otto, Professor, Maler.

Dotzert, Heinrich, Kaufmann, Oberursel.

Dragendorff, Hans, Dr. phil., Professor, Direktor der römisch -germanischen Kommission des Kaiserlichen Archäologischen Instituts.

Eckhard, Friedrich, Kaufmann. Ellissen, August, Rentner.

Emden, Heinrich, Redakteur.

Encke, Fritz, Pfarrer a. D.

Encke, Heinrich, Kaufmann.

Epstein, Jakob Hermann, Kaufmann. Eyssen, Remy, Kaufmann.

Fay, Karl Friedrich, Fabrikant.

Fehl, Otto, Dr. jur., Rechtsanwalt.

Fester, Adolf, Dr. jur., Justizrat, Rechtsanwalt. Fitz, Eugen, Pfarrer a. D.

Flauaus, Robert, Rentner.

Fleck, Otto, Oberförster.

Fiersheim, Albert, Kaufmann.

Fiersheim, Ernst, Kaufmann.

Fiersheim, Martin, Kaufmann.

Flörsheim, Leonhard Moritz, Wechselsensal. Fösser, Richard, Dr. jur., Justizrat, Rechtsanwalt, von Forckenbeck, Franz, Landgerichts-Direktor. Franck, Ernst, Fabrikdirektor a. D.

Frank, Otto, Kaufmann.

Freimann, Aron, Dr. phil., Bibliothekar. Friedleben, Fritz, Dr. jur., Justizrat, Rechtsanwalt. Froelich, Franz, Oberlandesgerichts-Sekretär. Froning, Richard, Dr. phil., Professor, Oberlehrer. Frühwirth, Alfred, Stadtbauinspektor.

Geist-Jacobi, George Pierce, Dr. med. dent.

Girgensohn, Josef, Dr. phil., K. Russ. Staatsrat. Goldschmid, Eduard, Kaufmann.

Goldschmidt, J. & S., Antiquitäten-Handlung.

Goll, Emil, Gastwirt.

Gotthold, Christian, Dr. phil., Professor, Oberlehrer a. D.

28

XXX

Gregorovius, Gottlieb, städtischer Baumeister, von Grunelius, Andreas Adolf, Banquier. Günther, Ferdinand, Kunsthändler.

Haeberlin, Justus, Dr. jur., Justizrat, Rechtsanwalt.

Haeffner, Adolf, Fabrikdirektor.

Hagen, Bernhard, Dr. med., Hofrat, Direktor des städtischen Völkermuseums. Hahn, August, Dr. phil., Professor, Oberlehrer.

Hallgarten, Robert, Dr. jur., Rentner, München.

Hammeran, Adam, Dr. phil., Privatgelehrter, von Harnier, Adolf, Dr. jur., Geh. Justizrat, Rechtsanwalt, von Harnier, Eduard, Dr. jur., Geh. Justizrat, Rechtsanwalt, von Hasenkamp, Xaver, Dr. phil., Redakteur.

Hauck, Frau Anna.

Hausmann, Franz, Dr. med., Arzt.

Heimpel-Manskopf, August, Kaufmann.

Helff, Albert, Dr. jur., Rechtsanwalt.

Hemmerich, Heinrich Ernst, Major a. D.

Hering, Robert, Dr. phil., Archivar des Freien Deutschen Hochstifts.

Hertzog, Georg, Rentner.

Heuer, Otto, Dr. phil., Professor, Direktor der Goethesammlung des Freien Deutschen Hochstifts.

Heussenstamm, Karl, Dr. jur., Bürgermeister a. D. von Heyden, Lucas, Dr. phil., Professor, Major a. D. von Heyder, Georg, Rentner.

Heyne, Julius, Kaufmann.

Hoeber, Fritz, Dr. phil.

Höchberg, Otto, Kaufmann.

Höring, Felix, Kaufmann.

Hofmann, Julius, Kaufmann.

Hofmann-Wissenbach, Wilhelm, Rentner.

Hohenemser, Paul, Dr. phil., Bibliothekar.

Holthof, Ludwig, Dr. phil., Redakteur, Stuttgart.

Holz, Richard, Kaufmann.

Holz, Wilhelm, Kaufmann.

Freiherr von Holzhausen, Georg, Kgl. Kammerherr.

Horne, Anton, Lehrer a. D.

Horovitz, Markus, Dr. phil., Rabbiner.

Hülsen, Julius, Dr. phil., Architekt.

Humser, Gustav, Dr. jur., Geheimer Justizrat, Rechtsanwalt.

Iffland, Karl, Buchbinder.

Jaeger-Manskopf, Fritz, Kaufmann.

Jassoy, August, Dr. phil., Apothekenbesitzer.

Jung, Julius, Dr. jur., Rechtsanwalt.

Jung, Rudolf, Dr. phil., Direktor des Stadtarchivs. Jung-Marchand, August, Dr. med., Sanitätsrat, Arzt, dungmann, Eduard, Kaufmann.

XXXI

Kahn jr., Bernhard, Kaufmann.

Kahn, Ernst, Dr. med., Arzt.

Kallmorgen, Wilhelm, Dri med. Arzt.

Kayser, Adolf, Dr. phil., Fabrikant, Saalfeld i. Th.

Keller, Remigius August, Buchhändler.

Kern, Otto, Kaufmann.

Kirchner, Alexander, Kaufmann.

Kirschbaum, Josef, Dr. phil., Oberlehrer a. D.

Kissner, Heinrich, Verwalter des Versorgungshauses.

Klimsch, Karl Ferdinand, Kaufmann.

Kloos, Jakob, Kaufmann.

Knauer, Jean, Buchdruckereibesitzer.

Knitterscheid, Intendantur- und Baurat.

Kober, Friedrich, Kaufmann.

Koch, Heinrich, Dr. theol., Militär-Oberpfarrer a. D.

Koch, Rudolf, Kunstmaler.

Koehler, Ernst, Buchhändler.

Korber, Johann Georg, Rentner.

Kothe, Jakob, Schreinermeister.

Kotzenberg, Gustav, Kaufmann.

Kracauer, Isidor, Dr. phil., Professor, Oberlehrer.

Krebs, Albert, Dr. jur., Rechtsanwalt.

Krug, Georg, Lehrer.

Küchler, Eduard, Kaufmann.

Küntzel, Georg, Dr. phil., Professor an der Akademie für Sozial- und Handels¬ wissenschaften.

Kugler, Adolf, Kaufmann.

Lafrenz, Hans, Bibliothekar.

Lau, Friedrich, Dr. phil., Archivar, Düsseldorf.

Lauffer, Otto, Dr..phil., Direktorialassistent am städtischen Historischen Museum. Lautenschlager, Ernst, Stadtrat.

Lemme, Emil, Architekt.

Lennhoff, Ernst, Dr. phil.

Freiherr von Leonhardi, Moritz, Rentner, Darmstadt.

Freiherr von Lersner, Alexander, Architekt.

Freiherr von Lersner, Anton, Amtsanwalt.

Leser, Wilhelm, Dr. jur., Amtsgerichtsrat.

Liermann, Otto, Dr. phil., Realgymnasial-Direktor.

Linel, Albert, Dr. jur., Rentner.

Loeffler, Rudolf, Kaufmann.

Lönholdt, Franz, Architekt.

Loewenberg, Hermann, Redakteur.

Lohr, Ernst Emil, Dr. phil., Redakteur.

Ludwig, Heinrich, Lehrer.

Luthmer, Ferdinand, Professor, Direktor der Kunstgewerbeschule.

Maass, Ludolf, Dr. phil., wissenschaftlicher Assistent am Statistischen Amt.

Mack, Robert, Kaufmann.

Majer, Alexander, Banquier.

XXXII

Marcard, Willy, Intendanturrat.

Matti, Alexander, Dr. jur., Stadtrat a. D.

May, Martin, Gerbermeister.

Mayer, Karl, Kaufmann, Offenbach.

von Meister, Wilhelm, Dr. jur., Regierungspräsident, Wiesbaden. Mentzel, Hermann, Kanzleirat.

Merton, William, Dr. phil. h. c., Kaufmann.

Merz, Julius, Professor, Oberlehrer.

von Mettenheimer, Heinrich, Dr. med., Arzt.

Meyer-Petsch, Eduard, Kaufmann.

Minjon, Hermann, Zeitungsverleger.

Moessinger, Viktor, Rentner.

Moldenhauer, Franz, Ingenieur.

Moldenhauer, Hermann, Steuerinspektor.

Mommsen, Agnes, Lehrerin.

Mouson, Johann Daniel, Stadtrat, Fabrikant.

IVehel, August, Dr. med., Arzt.

Neher, Ludwig, Kgl. Baurat, Architekt.

Neubauer, Friedrich, Dr. phil., Gymnasial-Direktor. de Neufville, Adolf, Banquier.

de Neufville, Rudolf, Dr. phil., Direktor der Metallurgischen Gesellschaft. Neumann, Paul, Dr. jur., Justizrat, Rechtsanwalt.

Ochs, Gustav, Kaufmann.

Oehler, Emil, Buchhändler.

Oehler, Gustav, Musikalienhändler. Oppenheimer, Michael, Kaufmann.

Padjera, Emil, Rentner.

Pallmann, Heinrich, Dr. phil., Direktor der kgl. Graphischen Sammlung, München. Parrisius, A., Dr., Bankdirektor.

Passavant, Ernst, Dr. jur., Stadtrat a. D.

Patrick, Josef, Ingenieur.

Pauly, Philipp, Kaufmann.

Pelissier, Eduard, Dr. phil., Professor, Oberlehrer.

Pelissier, Franz, Kaufmann.

Porte, Wilhelm, Dr. phil., Schriftsteller, Oberursel.

Quarck, Max, Dr. jur,, Redakteur.

Redner, Philipp, Saalbau-Verwalter.

Reinicke, Rudolf, Stadtbauinspektor.

Resch, Alfred Lehrer.

Reutlinger, Gustav, Vorsteher der städtischen Steuerkasse a. D. Richel, Arthur, Dr. phil., Bibliothekar.

Richter, Johannes, Landwirt.

Riese, Alexander, Dr. phil., Professor, Oberlehrer a. D.

XXXIII

Rittei, Karl, Technischer Betriebssekretär,

Ritter, Hermann, Direktor, Architekt.

Rittweger, Franz, Redakteur.

Roediger, Ernst, Dr. med., Sanitätsrat, Arzt.

Roediger, Paul, Dr. jur., Direktor der Metallgesellschaft.

Rothgeb, Georg, Maler.

Freifrau v. Rothschild, Wilhelm.

Rücker, Franz, Rentner.

Rügemer, Gustav, Stadtbauinspektor a. D.

Rumpf, Kar], Bildhauer.

Ruthe, Karl, Direktor a. D. der Frankfurter Lebensversicherungs-Gesellschaft.

Sandhagen, Wilhelm, Rentner.

Sarnow, Emil, Dr. phil., Bibliothekar.

Sarowy, Walter, Dr. phil., Oberlehrer.

Schädel, Franz, Architekt.

Schaefer, Ernst, Architekt.

Schaumann, Gustav, Stadtbaurat.

Scheele, Richard, Dr. jur., Rechtsanwalt.

Schenck, Franz, Kgl. Regierungs-Baumeister, Architekt.

Schilf, Otto, Dr. phil., Bibliothekar.

Schlesinger, Theodor Heinrich, Banquier.

Schleussner, Karl, Dr. phil., Fabrikdirektor.

Schmidberger, Heinrich, Direktor der Handelsschule für Mädchen. Schmidt-Diehler, Wilhelm, Architekt.

Schmidt-Knatz, Fritz, Dr. jur., Bankdirektor.

Schmidt-Lauer, Hermann, Maler.

Schmidt-Polex, Frau Anna.

Schmidt- Polex, Friedrich, Dr. jur., Rentner.

Schmidt-Polex, Karl, Dr. jur., Justizrat, Rechtsanwalt. Schmidt-Scharff, Wolfgang, Dr. jur., Rechtsanwalt.

Schmöle, Friedrich, Kaufmann.

Schnell, Heinrich, Rentner.

Schönemann, Julius, Dr. phil., Oberlehrer.

Schott, Simon, Börsensensal und Münzhändler.

Schrod, Friedrich, Dr. phil., Lehramtsassessor, Offenbach. Schuchhard, Karl, Buchhändler.

Schürmann, Adolf, Rentner.

Schulz, Ernst, Kaufmann.

Schwekowsky, Theodor, Kaufmann.

Schwemer, Richard, Dr. phil., Professor, Oberlehrer.

Seckel, Gustav, Kaufmann.

Seckel, Heinrich, Kaufmann.

Seeger, Georg, Architekt.

Seitz, Hermann, Kaufmann.

Sessler, Jakob, Kaufmann.

Sioli, Emil, Dr. med., Direktor der Irrenanstalt.

Sonnemann, Leopold, Rentner.

St. Goar, Isaak, Buchhändler.

Stern, Rudolf, Rentner.

- XXXIV -

Stern, Frau Theodor.

Stiebei, Heinrich, Rentner.

Stiebei, Heinrich Eduard, Rentner.

Textor, Eduard, Kaufmann.

Textor, Julius, Rentner.

Thomas, Christian Ludwig, Architekt.

Traut, Hermann, Dr. phil., Bibliothekar.

von Trenkwald, Hermann, Dr. phil., Direktor des Kunstgewerbemuseums.

Uhl, Ferdinand, Rentner.

Vaconius, Franz, Dr. phil., Pfarrer.

Valentin, Frau Karoline.

Velke, Wilhelm, Dr. phil., Professor, Oberbibliothekar, Mainz.

Völcker, Georg, Buchhändler.

Vogtherr, Karl, Kaufmann.

Waag, Hans, Regierungs-Bauführer.

Wagner, Gottfried, Kaufmann.

Waldeck, Siegfried, Kaufmann.

Weber, Karl, Verwalter der Irrenanstalt.

Wehner, Heinrich, Ingenieur.

Weismüller, Franz, Fabrikant.

Weib, Christoph, Architekt.

Welcker, Rudolf, Direktorialassistent am städtischen Historischen Museum. Wendling, Karl, Dr. jur., Amtsgerichtsrat a. D.

Werner, Moritz, Dr. phil., Oberlehrer.

Wertheimber, Julius, Banquier.

Winterfeld, Oskar, Architekt, Miltenberg.

Wolf, Karl, Pfarrer.

Wolff, Georg, Dr. phil., Professor, Oberlehrer.

Worms, Daniel, Sekretär der israelitischen Gemeinde.

Wülker-Schott, Friedrich, Kaufmann.

Wurmbach, Julius, Fabrikant.

Zeiss-Bender, Louis, Kaufmann.

Ziehen, Julius, Dr. phil., Stadtrat.

Zunz, David Adolf, Banquier.

Städtische Kommission für Kunst- und Altertums-Gegenstände. Elisabethen-Schule.

Bürgerverein, Bibliothek.

Frankfurter Anthropologische Gesellschaft.

Städelsches Kunst-Institut.

Grossh. Haus- und Staatsarchiv, Darm Stadt.

Ständische Landesbibliothek, Kassel.

Nassauische Landesbibliothek, Wiesbaden.

Stadtbibliothek, Wien.

VI. Verzeichnis der mit dem Vereine in Schriften- Austausch stehenden Vereine etc.

Abgeschlossen am 15. Juli 1907.

Diejenigen Vereine etc., deren Schriften von uns an die Stadtbibliothek abgeführt werden, sind mit * bezeichnet.

Deutsches Reich.

Aachen: Aachener Geschichtsverein.

Verein für Kunde der Aachener Vorzeit.

Ältenburg: *Geschichts- und altertumsforschende Gesellschaft des Osterlandes, Ansbach: ‘Historischer Verein für Mittelfranken.

Aschaffenburg: Aschaffenburger Geschichtsverein.

Augsburg: ‘Historischer Verein für Schwaben und Neuburg.

Bamberg: ‘Historischer Verein.

Bayreuth: ‘Historischer Verein für Oberfranken.

Berlin: Gesamt-Verein der Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine.

‘Verein für die Geschichte Berlins.

‘Verein für Geschichte der Mark Brandenburg.

Verein Herold.

Bielefeld: ‘Historischer Verein für die Grafschaft Ravensberg.

Birkenfeld: ‘Verein für Altertumskunde im Fürstentum Birkenfeld.

Bonn: Verein von Altertumsfreunden im Rheinlahde.

Brandenburg a. H.: ‘Historischer Verein.

Bremen: ‘Historische Gesellschaft des Künstlervereins.

Breslau: ‘Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens.

‘Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur.

Bückeburg: ‘Verein für Geschichte, Altertümer und Landeskunde des Fürstentums Schaumburg-Lippe.

Cassel: Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde.

Chemnitz: ‘Verein für Chemnitzer Geschichte.

Cöln: ‘Historischer Verein für den Niederrhein.

Stadtarchiv.

Danzig: ‘Westpreussischer Geschichtsverein.

Darmstadt: ‘Historischer Verein für das Grossherzogtum Hessen.

Detmold: ‘Geschichtliche Abteilung des Naturwissenschaftlichen Vereins. Dillingen a. D. : ‘Historischer Verein für Dillingen und Umgebung.

XXXVI

Donaueschingen : ‘Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar. Donauwörth: ‘Historischer Verein für Donauwörth und Umgegend.

Dortmund: ‘Historischer Verein für Dortmund.

Dresden: *Kgl. Sächsischer Altertumsverein.

Düsseldorf: ‘Düsseldorfer Geschichtsverein.

Eisenberg: "Geschichts- und altertumsforschender Verein.

Eisleben: ‘"Verein für Geschichte und Altertümer der Grafschaft Mansfeld. Elberfeld: *Bergischer Geschichtsverein.

Emden: “"Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer.

Erfurt: ‘"Verein für Geschichte und Altertumskunde.

Essen: "Historischer Verein für Stadt und Stift Essen.

Frankenthal: Altertumsverein.

Frankfurt a. M. : Freies Deutsches Hochstift.

Taunusklub.

Physikalischer Verein.

Verein für Geographie und Statistik.

Mitteldeutscher Kunstgewerbe-Verein.

Römisch-Germanische Kommission des Kaiserlichen Archäologischen Instituts. Frankfurt a. 0.: ‘Historischer Verein für Heimatkunde.

Freiberg i. S.: ‘Freiberger Altertumsverein.

Freiburg i. Br.: ‘Breisgau-Verein Schauinsland.

‘Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften.

Friedberg: Geschichts- und Altertumsverein.

Friedrichshafen: ‘Verein für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Fulda: Fuldaer Geschichtsverein.

Giessen : Oberhessischer Geschichtsverein.

Görlitz: ‘Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften.

‘Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz. Göttingen: ‘Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften, philologisch-historische Klasse. Gotha: ‘Vereinigung für Gothaische Geschichte und Altertumsforschung. Greifswald: “Rügisch-Pommerscher Geschichtsverein.

Greiz: ‘Verein für Greizer Geschichte.

Hall a. K.: ‘Historischer Verein für das Württembergische Franken.

Halle a. S.: ‘Thüringisch-Sächsischer Verein für Erforschung des vaterländischen Altertums und Erhaltung seiner Denkmale.

Hamburg: ‘Verein für Hamburgische Geschichte.

Hanau: Hanauer Bezirks-Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde. Hannover: ‘"Historischer Verein für Niedersachsen.

‘Verein für Geschichte der Stadt Hannover.

Heidelberg: Historisch-philosophischer Verein.

Heilbronn: Historischer Verein.

Hildburghausen: ‘Verein für Meining’sche Geschichte und Altertumskunde. Hohenleuben: ‘Voigtländischer altertumsforschender Verein.

Homburg v. d. H. : Verein für Geschichte und Altertumskunde.

Insterburg : "Altertums-Gesellschaft.

Jena: ‘Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde.

Kahla: ‘Verein für Geschichts- und Altertumskunde.

Karlsruhe: Badische historische Kommission.

Kempten: ‘Allgäuer Altertumsverein.

XXXVII

Kiel: "Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte.

"“Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte.

Königsberg i. Pr.: "Altertums-Gesellschaft Prussia.

Kreuznach: "“Antiquarisch-Historischer Verein.

Landsberg a. W. : "“Verein für Geschichte der Neumark.

Landshut: "“Historischer Verein von Niederbayern.

Leipzig: * Verein für die Geschichte Leipzigs.

"“Deutsche Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alter¬ tümer.

Leisnig: "“Geschichts- und Altertumsverein.

Lübeck: "“Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde.

Lüneburg: *Museumverein für das Fürstentum Lüneburg.

Magdeburg: "“Verein für Geschichte und Altertumskunde des Herzogtums und Erzstifts Magdeburg.

Mainz: Verein zur Erforschung der Rheinischen Geschichte und Altertümer. Mannheim: Mannheimer Altertumsverein.

Marien werder: "“Historischer Verein für den Regierungsbezirk Marienwerder. Meiningen: "“Hennebergischer altertumforschender Verein.

Meissen: "“Verein für Geschichte der Stadt Meissen.

Metz; Gesellschaft für Lothringische Geschichte und Altertumskunde.

Mühlhausen i. Th.: "“Mühlhäuser Altertumsverein.

München: "“Münchener Altertumsverein.

"“Historischer Verein von Oberbayern.

"Kgl. Bayerische Akademie der Wissenschaften.

Münster i. W. : "“Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens.

Neuburg a. D.: "“Historischer Verein.

Nürnberg: "“Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg.

Osnabrück: "“Verein für Geschichte und Landeskunde (Historischer Verein). Paderborn: "“Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens.

Plauen i. V.: "“Altertumsverein.

Posen: "“Historische Gesellschaft für die Provinz Posen.

Ravensburg: "“Redaktion des Diöcesanarchivs von Schwaben.

Regensburg: "Historischer Verein von Oberpfalz und Regensburg.

Rostock: "Verein für Rostocks Altertümer.

Saarbrücken: "Historischer Verein für die Saargegend.

Schmalkalden: "Verein für Hennebergische Geschichte und Landeskunde. Schwerin i. M. : "Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Sigmaringen: "Verein für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern.

Speier: Historischer Verein der Pfalz.

Stade: "Verein für Geschichte und Altertümer der Herzogtümer Bremen und Verden und des Landes Hadeln.

Stettin: "Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde. Strassburg i. E.: "Gesellschaft für Erhaltung der geschichtlichen Denkmäler des Eisass.

Historisch-literarischer Zweigverein des Vogesen-Clubs.

Stuttgart: Württembergischer Altertums-Verein.

Württembergische Kommission für Landesgeschichte.

Thorn: "Kopernikus-Verein für Wissenschaft und Kunst.

Trier: "Gesellschaft für nützliche Forschungen.

"Stadtbibliothek.

Tübingen: Schwäbischer Albverein.

XXXVIII

Ulm: * Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben.

Werden: 'Historischer Verein für das Gebiet des ehemaligen Stiftes Werden. Wernigerode: 'Harzverein für Geschichte und Altertumskunde.

Wetzlar: Wetzlarer Geschichts verein.

Wiesbaden: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung. Wolfenbüttel: 'Geschichtsverein für das Herzogtum Braunschweig.

Worms: Altertumsverein.

Würzburg: 'Historischer Verein von Unterfranken und Aschaffenburg.

Zerbst: 'Verein für Anhaitische Geschichte und Altertumskunde.

Zwickau : 'Altertumsverein für Zwickau und Umgegend.

Belgien.

Antwerpen : 'Stadtarchiv.

Brüssel: 'Societe d’archeologie de Bruxelles.

'Societü des Bollandistes.

Loewen: 'Revue d’histoire ecclesiastique.

England.

London : 'The library committee of the Corporation of London.

'The Huguenot Society of London.

Luxemburg.

Luxemburg: 'Section historique de l’Institut grand-ducal de Luxembourg.

'Verein für Luxemburger Geschichte, Literatur und Kunst.

Niederlande.

Leiden: 'Maatschappij der Nederlandsche letterkunde.

Utrecht: 'Historisch Genootschap.

Norwegen.

Christiania: 'Kgl. Norwegische Universität.

Oesterreich-Ungarn.

Brünn: 'Deutscher Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens.

Graz: 'Historischer Verein für Steiermark.

Hermannstadt: 'Verein lür Siebenbürgische Landeskunde.

Innsbruck: 'Ferdinandeum.

Klagenfurt : 'Geschichtsverein für Kärnten.

Laibach: 'Museal- Verein für Krain.

Linz: 'Museum Francisco-Carolinum.

Prag: 'Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen.

Troppau: 'Kaiser Franz Josef-Museum für Kunst und Gewerbe.

Wien: 'Altertumsverein.

'Verein für Landeskunde von Nieder-Oesterreich.

'K. K. Heraldische Gesellschaft »Adler«.

XXXIX

Russland.

Jurjew (Dorpat): *Gelehrte Esthnische Gesellschaft.

Mitau : “Kurländische Gesellschaft für Literatur und Kunst, Sektion für Genealogie, Heraldik und Sphragistik.

Riga: “Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands.

St. Petersburg: “Commission imperiale archeologique.

Schweden.

Stockholm: “Nordiska Museet.

TKongl. vitterhets historie och antiquitets academien.

Upsala :*HumanistiskaVetenskaps-Samfundet.(Historisch-philoiogisch-philosophische Gesellschaft.)

Schweiz.

Aarau: “Historische Gesellschaft des Kantons Aargau.

Basel: *Historische und antiquarische Gesellschaft.

Bern: “Historischer Verein des Kantons Bern.

Frauenfeld: “Historischer Verein des Kantons Thurgau.

Freiburg i. Ue. : “Deutscher geschichtsforschender Verein des Kantons Freiburg. Genf: *Soci6te d’histoire et d’archeologie.

Luzern: “Historischer Verein der fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug.

St. Gallen: “Historischer Verein.

Schaffhausen : “Historisch-antiquarischer Verein.

Winterthur: “Stadtbibliothek.

Zürich: “Allgemeine geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz.

“Antiquarische Gesellschaft. (Kantonale Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde.)

“Schweizerisches Landesmuseum.

4

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