2% a in en Se nn ernnennnn Eee ee ee ee a re een a een eh ee a en ne ee a nes rote nern re Te na en nz ee nennen nern nee Ines % N. a, ii ı % % ee I a? > r 3 gi —t D 42 | RS ll Il Bi 2 N | } | { gi ‚ 5 au rn Be Se > AUS DEN WANDERJAHREN EINES NATURFORSCHERS. ‚xhsonian instz , une, AVU 1% 1,1) NE TE6 Patlona| Museu" | } + Pal 5 E HEN j | f u Ale | Jasie AR e Rn We I: 7 ar - re us re / AUS DEN WANDERJAHREN EINES NATURFORSCHERS,. REISEN UND FORSCHUNGEN IN AFRIKA, ASIEN UND AMERIKA, NEBST DARAN ANKNUPFENDEN, MEIST ORNITHOLOGISCHEN STUDIEN. VON ERNST HARTERT. vi. (MIT 15 TAFELN.) IN COMMISSION BEI: R. FRIEDLÄNDER & SOHN, CARLSTRASSE 11, BERLIN; R. H. PORTER. 7ı PRINCES STREET, CAVENDISH SQUARE, LONDON. MARTINUS NIJHOFF, ’SGRAVENHAGE, HOLLAND. GEDRUCKT VON HAZELL, WATSON, AND VINEY, LD., AYLESBURY, ENGLAND. 1901-1902. ALLE RECHTE, BESONDERS DAS DER ÜERBERSKTZUNG, VON VERFASSER VORBEHALTEN ! ” — habeat bonam pacem, Qui sedet post fornacem ?” MEINEN LIEBEN GASTFREUNDEN WEISSER, BRAUNER UND SCHWARZER FARBE, IN VIER ERDTHEILEN, IST DIES BUCH IN FREUNDLICHER ERINNERUNG GEWIDMET. “Ihr Freunde reicht im Geist die Hand Damit es sich erneue, Der alten Freundschaft heil’ges Band, Das alte Band der Treue.” VORREDE. AS Leben der meisten heutigen Naturforscher lässt sich in drei Abschnitte theilen: die Lernjahre, die Wanderjahre, und die der selbstschaffenden Thätigkeit, die eigentlichen Arbeitsjahre. Die ersteren werden meist durch Schule und Universität ausgefüllt. Ihnen folgen mehr oder minder bald die Wanderjahre—der Glanz- punkt im Leben Vieler, dem einen Glück und Freude, Erfolg und Ruhm, dem andern Enttäuschung, Noth und selbst den Tod bringend, für den Forscher, der zugleich auch Naturfreund ist, aber stets unvergesslich. Was könnte man auch vergleichen mit dem ersten Anblick tropischer Inseln, die vor dem trunkenen Blick dem Meere entsteigen, mit dem Eintritt in eine neue Welt, zumal wenn noch das Feuer der Jugend die Adern durchströmt. Aus diesen Wanderjahren habe ich im Folgenden erzählt. Es sind nur meine Tropenreisen, in Afrika 1885-86, in Asien 1887-89, nach Curacao, u.s.w., 1891, und schliesslich ein Frühlings- ausflug nach Marokko und Tenerife, 1901, die ich beschrieben habe. Wohl könnte ich mancherlei erzählen von den Wäldern, Dünenbergen und Seen Östpreussens, ‘von Adlerhorst und Nachtigallenschlag, Pürsch, Schnepfenstrich und Entenjagd, von tollkühnen Fahrten auf der Ostsee, vom Kampf mit Sturm und Eisschollen, von Tagen und Nächten in den Sümpfen der Haffs, von Fahrten mit den wetter- festen normanischen Fischern an den Vogelklippen der Canalinseln, und andres mehr— doch dazu gehört mehr Zeit und schriftstellerische Neigung und Begabung, als ich sie besitze. Die Veröffentlichung der meisten dieser Berichte von den genannten vier Reisen hätte nach Ansicht vieler meiner Freunde eher erfolgen sollen, Ich hatte jedoch keine Zeit dazu. Auf meine vu (vi ) Wanderjahre folgten Jahre steter Arbeit. Es gab vieles zu lernen, es kam die Zeit, eine Stellung und ein Heim zu schaffen. Das Buch konnte daher nur nebenbei, allmälig entstehen. Das späte Erscheinen ist in meinen Augen aber auch kein Fehler. Einige Theile liegen seit Jahren fertig da, zu andern waren umfangreiche Tagebücher, Notizen, und Entwürfe vorhanden, sodass es schliesslich nur eines Entschlusses und einiger Zeit bedurfte, um alles druckfertig zu machen. Eine Dringlichkeit lag nicht vor, da ich die mir wichtig erscheinenden ornithologischen und andern Resultate schon veröffentlicht hatte, ausserdem mein Reisegefährte Staudinger gleich nach unsrer Rückkehr Zeit fand, über die erste der hier beschriebenen Reisen ein Buch zu schreiben. Die Zeit und spätere Erfahrung haben dazu beigetragen, manches Urtheil zu reifen, zu berichtigen, den Blick zu erweitern, auch Schärfen abzuschleifen, doch habe ich überall meine Meinung frei und unverfroren geäussert, gleichviel ob sie der herrschenden Ansicht entspricht oder nicht. Dadurch, dass mein liebenswürdiger Chef, Herr Dr. Walter von Rothschild, den Vorschlag machte, mein Manuskript zunächst in den “ Novitates Zoologicae” zu drucken, wurde ich aller Weitläufigkeiten mit Verlegern, u.s.w., überhoben, und die Arbeit wurde ohne Weiteres einem grossen Leserkreise zugänglich. Ich bin daher meinem Herrn Chef dankbar für seinen Vorschlag, ebenso für die auch für dies Werk gestattete Benutzung seiner reichen Bibliothek und gewaltigen Sammlungen. Dadurch, dass der Druck in einer englischen Druckerei erfolgte, wurde die Korrektur besonders mühevoll, und Druckfehler, namentlich in Bezug auf Interpunktion, konnten kaum ganz vermieden werden. In der Liste der “ Errata ” sind nur einige der vielleicht störenden Fehler verbessert. Da ich alle Korrekturen, u.s.w., allein zu besorgen hatte, musste ich die noch von mir in der Schule gelernte alte deutsche Orthographie anwenden. Die Schreibweise geographischer Namen habe ich im allgemeinen so angenommen, wie sie offiziell in den Kolonien angewandt wird. Bei Namen in unzivilisierten Ländern, deren Schreibweise wir nicht kennen (wenn sie überhaupt eine solche haben !), habe ich stets die Vokale wie im Deutschen, die Konsonanten wie im Englischen geschrieben. Dadurch wird eine ziemlich inter- national gleichartige Aussprache erzielt, es wird das umständliche und noch nicht einmal genaue dseh für j vermieden, x wird weich, s dagegen scharf, wie in fast allen Sprachen ausser dem Deutschen. Da ich als Naturforscher reiste, sah und urtheilte, ist das Buch in (ix) erster Linie für Naturforscher geschrieben. Die Kapitel, welche den Reiseverlauf beschreiben, Land und Leute schildern, geographische, politische und koloniale Fragen streifen, geschichtliche Ueberblicke u.a.m. geben, dürften aber auch für weitere Kreise von Interesse sein, die in sich geschlossenen Anhansskapitel, welche zoologische und botanische Ergebnisse meiner Forschungen behandeln, sind für Speecialisten bestimmt. Es kam mir nicht darauf an, sensationelle Schilderungen zu entwerfen, sondern Thatsachen zu verzeichnen. Die Beschreibung aufregender Abentheuer und detaillierte Jagdgeschichten habe ich eher vermieden, als gesucht. Das Buch ist für gereifte Menschen, nicht für die unreife Jugend geschrieben. Als einen besondern Vorzug betrachte ich es, dass mein Bild nicht als Titelkupfer erscheint, wie das heutzutage so sehr üblich ist. Auch habe ich vermieden, dem Leser, der doch nur darüber lächelt, auf dem Titelblatt die Kenntniss aufzudrängen, von welchen wissenschaftlichen Gesellschaften ich zahlendes, korrespondierendes oder gar Ehren-Mitglied bin. Wie der Leser ersehen kann waren meine Reisen nicht eitel Lust und Freude, aber überwunden sind die Sorgen und schweren Stunden, zurückgeblieben die Erinnerung an den Zauber tropischer Natur, an des Südens warme Sternennacht. Allen denen, daheim und in der Ferne, die da leben und im Grabe ruhen, die mir verholfen haben, meine Reisen auszuführen, und die mich im Verlaufe derselben unterstützten, ist mein Dank bewahrt. Die einzelnen Theile erschienen wie folgt in den “ Novitates Zoologicae ” : I. Abschnitt, Kapitel 1-8, pp. 3-136: Vol. VIII., pp. 222-355, October 1901. I. Abschnitt, Kapitel 9-10, pp. 137-147: Vol. VIII., pp. 383-393, December 1901. II. Abschnitt, Kapitel 1 und 2, p. 151 bis 171: Vol. IX., pp- 141-160, April 1902. II. Abschnitt, Kapitel 2, pp. 172-199, Kapitel 3-5, pp. 200-250: Vol. IX., pp. 193-272, Juli 1902. III. und IV. Abschnitt, pp. 253-322: Vol. IX., pp. 273-339, Juli 1902. ERNST HARTERT, Tring, Hertfordshire, England, im August 1902. ENERAIEM. TSABSGHINTET. REISE NACH SOKOTO UND KANO IM WESTLICHEN SUDAN. 1. KAPITEL. SEEREISE VON HAMBURG BIS ZUR NIGERMÜNDUNG. FLUSSFAHRTEN AUF 2 DEM NIGER UND BENUE. s P . : . , : { | : : : 3 Unsere Expedition. Auf See. Die Canaren. Die Los-Inseln; Bevölkerung, Natur. An der Kruküstee Axim. “Lome. Lagos. Ankunft im Nigerdelta. Brass. Mr. Townsend. Nigerfahrt. Erste Trennung der Expedition. Zurück nach Brass. Tornado. Schwerer Verlust. Onitsha. Lokoja. Weitere Trennung. Allein auf dem Benue. Loko. Krankheit. Entschluss zur Reise nach Sokoto. Pläne Flegels, Ziele der Expedition. Englische und deutsche Arbeit im Niger- gebiete. Umbefangenes Urtheil. Rückkehr zweier Mitglieder. 2. KAPITEL. Von Loko BIS KANO, ÜBER LAND, SOKOTO, GANDU UND DANN ZURÜCK zuM BENUE . : : 2 a 5 e y - ; - : - { 0) Aufbruch der Karawane. Trennung von Flegel. Erste Nacht auf Reise. Durch heidnisches Gebiet. Anassarawa. Habgier und kriegerischer Sinn des Statthalters. Keflii. Sklavenmarkt. Aufenthalt. Strenge Justiz. Auf der Wasserscheide. Wir betreten unerforschte Gebiete, als erste Europäer. Morgenkälte. Yesko. Korro-Kadarra-Gebirge. Faunistische Veränderung. Heidnische Urbevölkerung. Lügengewebe. Unerwünschter Aufenthalt. Kashia. Ehrenvolles Geleit. Zaria! Wir müssen Ärzte sein. Araber. Schwierige Lage. Abstecher nach Kano. Endlich fort von Zaria. Mit dem Heere von Zaria. Nachtlager im Walde. Kaura. Empfang des Sultans von Sokoto. Thierleben. Sokoto! Schwere Krankheit. Gandu. Nach Wurnu. Geier. Die Träger Herren der Situation. Rückreise. Unser Freund in Kaura. Die Träger demüthig. Elefanten. Der unbewohnte Wald. Maska. Kritischer Tag. Räuberische Stämme. Zaria wieder! Feigheit. Unser treuester Freund. Zerstörte Orte., Jagdgeräth. Jagd. Die Strasse mit Todten bedeekt. Das zerstörte Kashia. Auf den Spuren der Räuber. Sagen. Panda. Palmfrüchte. Schöne Mädchen. Tänze. Herrliche Landschaft. Unfreundlichkeit in Gitata. Keffi. Briefe aus der Heimath. Rückkehr nach Loko. Jubel. Einzugsscene. 3. KAPITEL. LoKo AM BENUE. RÜCKKEHR NACH EUROPA £ ß - e - 69 Bittere Enttäuschung. Ohnmächtige Lage. Erschwertes Sammeln. Wissenschaftliche Thätigkeit. Rings um Loko. Allein nach Anassarawa. Im Kriegslager. Heftige Scene. Nächtlicher Marsch. Ein Wiedersehen. Nach- forschungen nach Flegel. Die Muntchi. In des Löwen Höhle. Die Station zu Djibbu. Verschwendung der Waaren. Der Ajü. Abschied von Loko, xı 4. d. 10. Stromabwärts. Missionäre verschiedener Nationen. Am Grabe des Padre. Pater Luz ; ein wohlthuender Empfang. Ueppigkeit der Wälder. Brass. Lagos. Engherzigkeit unsrer Landsleute. Bittere Gefühle. Das trübe Küstenklima, Seereise, Freetown, Konsul Vohsen. Heimkehr. KarıtEeL. RÜCKBLICK UND AUSBLICK > ß © ? n 2 : & : Flegels Tod. Seine Verdienste. Die Resultate unsrer Reise. Zukunft des Haussaländer. Sklaverei im westlichen Sudan. Der Einfluss des Islam. Das egoistische Europa. Haussa und Fulbe. Klima. KarıteL. Die FAUNA DER ÜCANARISCHEN INSELN - : 5 - - Allgemeines. Zugvögel. Vermuthliche Ursachen des starken europäischen Elementes in der canarischen Vogelwelt. Irrthümliche Angaben. Verschieden- heit der östlichen und westlichen Inseln. Koenigs Theorie des amerikanischen Elementes in der Canarenfauna. (Gegengründe. Verzeichniss der Brutvögel der Canaren. Die canarische Amsel. Die Rothkehlehen. Lerchen. Acanthis. LITTERATUR ZUR ÜORNIS DER ÜANAREN . KarıteL. DIE ORNIS DER Los-InsELN . KarınkL.. ZOo0GEOGRAPHISCHE NOTIZ KAPITEL. VERZEICHNISS DER BISHER BEKANNTEN VÖGEL DES EIGENTLICHEN HAUSSA- LANDES KAPITEL. ÜEBERSICHT DER IM EIGENTLICHEN HAUSSALANDE BEOBACHTETEN NUTZ- PFLANZEN . KAPITEL. DIE WICHTIGSTE LITTERATUR ÜBER NIGER UND HAUSSALAND II. ABSCHNITT. REISE NACH SUMATRA, MALAKKA UND INDIEN. . KAPITEL. SEEREISE, DIE INSEL PENANG, ÜEBERFAHRT NACH SUMATRA UND Aur- ENTHALT DASELBST f £ ; ' £ F : : E : ; : Port Said. Im rothen Meere. Wandervögel auf See. Fahrt im Indischen Ocean. Penang. Mudafluss. Nach Sumatra. Die schmutzige Rosa. Anf Sumatra. . KAPITEL. NATURGESCHICHTLICHES AUS SUMATRA . Pflanzen. Menschen. Säugethiere. Vögel. LITTERATUR ÜBER SUMATRA, BESONDERS DELI KAPITEL. DIE InsEeL SALANGA Salanga. Herrliche Fahrt. Kapitän Weber. Zinnlager. Zinngewinnung. Ormnithologisches. . KAPITEL. DER BRITISCHE SCHUTZSTAAT PERAK Geschichte. Bevölkerung. Sakais und Semangs. Malaien. Ein zoolo- logisches Paradies. Auf dem Gunong Ijau. Die Schmetterlinge Eine neue Form von Cyrestis. Nachtschmetterlingsfang. Reisen im Innern. Schwieriger Transport. William Doherty. Marmorfelsen Gunong Pondok. Die Fleder- manushöhle. Heisse Quellen. [LITTERATUR ÜBER PERAK PAGE 151 200 204 ( xil ) PAGE 5. Karıter. INDIEN £ 3 = B 5 > : ; e : : : : 5 Bale Erster Eindruck. Caleutta. Pläne durch Krieg vereitelt. Geschichtlicher Ueberblick. Deutsche Kolonisationsversuche in alter Zeit. Auf dem Brahma- putra. Die Bevölkerung von Assam. Bei den Abor. Geschichte von Assam. Veränderungen des Flussbettes. Thierleben. Wandervögel. Entomologisches. Darjiling. Der stoische Diener. Schlechte Akklimatisationsfähigkeit Ein- geborener. Benares. Agra. Das schönste Gebäude der Welt. Delhi. Zeltlager. Rajputana. Ajmir. Der Sambar-Salzsee. Vogelleben. Mount Abu. Bombay. Heimkehr. Litteratur. III. ABSCHNITT. REISE NACH DEN INSELN DES OARIBISCHEN MEERES. 1. KAPITEL. REISE NACH WESTINDIEN UND VENEZUELA . i : : 5 - „ 8 Sehnsucht nach den Tropen. Wieder auf hoher See. Damen. St. Thomas. Faunistisches. Litteratur. Porto Rico. Venezuela. Revolution. Politische Verkommenheit. Caracas. Antimano. Deutsche Eisenbahn. Macuto. San Esteban. Curacao! Freundlicher Anblick. Entgegenkommen des Gouverneurs und Andrer. Schlechte Hotels. Venezuelanische Generale. Flora. Fauna. Aruba. Gezaaghebber. Der englische Arzt. Thierleben. Cerro Colorado. Höhle. Phosphatbergwerk. Freundlichkeit der Arubaner. Korallenrift. Lagune. Schlimme Fahrt. Bonaire. Beim Gezaaghebber. Fauna. Rückreise. Hayti. Wunderbare Begegnung. Abschied. Heimkehr. m -T Si LITTERATUR ÜBER CURAGAO, ARUBA UND BONAIRE 153} =T S1 2. KarIteL. Die VÖGEL DER INSELN ARUBA, CURACAO UND BONAIRE & : 56 Arten sicher festgestellt. Neue Formen von Coturniculus und Xanthornus. IV. ABSCHNITT. EFRUHLINGSAUSFLUG NACH MAROKKO UND TENERIFE. 1. KapıteL. REISE NACH MAROKKO UND DEN CANAREN . E ß i : : ... 293 Seereise. Gibraltar. Tanger. Casablanca. Heuschrecken. .Mazagan. Vogelleben. hKöthelfalken. Altes Porzellan. Zum Orangenwalde in der Mhoiwla. Blüthenschnee Starker Duft. Blüthenregen. Vögel. Der Oum Rbiah. Entdeckung neuer Fische. Romantisches Lager. Zum Cap Blanco. Alte Römerstadt. Am Brutplatz des Waldrappen, Comatibis eremita. Auf der Telde. Tenerife. Orotava. Icod. Don kKamon Gomez. Don Anatael Dr. Cabrera y Diaz. Heimreise. 3. KAPITEL. NOTIZEN ÜBER DIE VÖGEL DER GEGEND UM MAZAGAN IM MITTLEREN MAROKKO. 5 : i ; ; 3 } : : : i : : ; 305 Neue Amselformen. Diplootocus, eine neue Gattung. Erlanger’s Waldlaub- vogel. Die Meisen. Pyenonotus. Uferschwalben. Studien über Sperlinge. Ueber Haubenlerchen. Rabeneier. Apus afinis. Alcedo ispida. Schleiereulen. Asio nisuella. Die Formen von Falco biarmieus. Schopfibis. Die marok- kanische weisse Bachstelze. Kormorane. — ur 1 VERZEICHNISS DER TAFELN. 1. Landschaft am unteren Niger, Dorf bei Wari. (Reproduktion von Photographien von Dr. W. H. Crosse.) 2. Ein eingeborener Händler mit Familie in Onitsha, Frauen und Kinder bei Asaba am untern Niger. (Reproduktion von Photographien von Dr. W. H. Crosse Man achte u. a. auf die breiten Elfenbeinringe an den Beinen der einen Frau und auf die Haartracht.) 3. Am Strande bei Sierra Leone. (Reproduktion einer Photographie von Dr. W. Clements.) 4,5,6. Routenkarten unsrer Reisen im Haussalande. (Von mir mit einigen wenigen Veränder- ungen nach der Erman’schen, in den Mittheilungen der Afrikanischen Gesellschaft veröffentlichten Karte gezeichnet.) 7. Waldbach in Deli, Sumatra. (Reproduktion der Photographie eines verstorbenen Schweizers.) 8. Pflanzerhaus zu Pungey in Lankat, Sumatra. (Reproduktion einer Photographie.) (Zeigt die Bauart der Pflanzerhäuser, das Dach aus Atap. Der Europäer zur Linken der Pflanzer, Herr Jurtz, zur Rechten meine Wenigkeit mit einem Schmetterlingsnetz und einem 2 : x B : iR Jungen Hirsch an der Leine, neben mir der verstorbene Graf Stolberg.) 9. Battakdorf in Deli, Sumatra. (Reproduktion einer Photographie. Zeigt die Bauart von Battakhäusern. Zur Linken eine Gruppe holländischer Pflanzer, rechts Battaks.) 10. Sumatranischer Elefant in Serdang. (Reproduktion einer Photographie.) 11. Am Fusse des Gunong Ijau, Perak, Malakka. (Reproduktion einer Photographie. Die Stelle ist ein trefllicher Schmetterlingsfangplatz. Der Eingeborene ist ein Tamile.) 12. Der Kinchinjunga von Darjiling aus gesehen. (Reproduktion einer in Darjiling gekauften Photographie.) 13. Die zwei neuen Fische aus dem Oum Rbiah, Barbus harterti und Barbus rothschildi. (Zeichnung von den Typen, von J. Green.) (Ausserdem befinden sich im Texte viele Abbildungen, die an Ort und Stelle Erklärung gefunden haben.) San Kanaum zu! * u 12 ABSCHNITT. REISE NACH SOKOTO UND KANO IM WESTLICHEN SUDAN. 1. KAPITEL. SEEREISE. FLUSSFAHRTEN AUF DEM NIGER UND BENUDE. Der zwölfte April des Jahres 1885, ein Sonntag, war einer jener feuchtkalten Tage, mit denen Hamburg so reichlich gesegnet ist. Gegen Mittag setzte sich unter den Hochrufen der auf dem Quai versammelten Freundesschaar die Coanza, ein kleiner aber sehr seetüchtiger Dampfer der Liverpooler, “ English and African Steamship Company” im Hamburger Hafen in Bewegung. An Bord befanden sich die Mitglieder und die gesammte Ausrüstung der von der nunmehr aufgelösten “ Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland ” ausgesandten Niger-Benuö Expedition. Unsre kleine Truppe bestand aus Robert Eduard Flegel, dem Leiter des Unter- nehmens, Dr. Gürich als Geologen und Botaniker, Dr. Richard Semon als Arzt und sogenanntem wissenschaftlichen* Zoologen, dem Ingenieur Thiel zur Führung unsrer Dampfbarkasse, und meiner Wenigkeit, der ich als Volontär die Reise behufs zoologischen Sammelns und verschiedener Studien mitmachen wollte. Paul Staud- inger, der Sohn des grossen Entomologen und weltberühmten Insektenhändlers, war schon nach Lagos vorausgeeilt, da auch er die Expedition aus Reiselust und zu Sammelzwecken begleiten wollte. Ausserdem hatte Flegel zwei Schwarze mit sich, haussanische Karawanenführer, die in Berlin in bekannter Weise verhätschelt und sogar dem Kaiser, den Zeitungen zufolge als “ Haussafürsten,” vorgestellt worden waren. Ausser unserm zahlreichen Gepäck, Waffen, Munition, Tauschwaaren und Geschenken der Deutschen Regierung an die Sultane von Sokoto und Gandu hatten wir eine eiserne Dampfbarkasse, den “ Dr. Heinrich Barth” und ein “ zerlegbares,” aus drei Theilen bestehendes, aber sehr unpraktisches Flussboot mit uns. Da diese auf Deck befestigt waren, gewährte die Coanza einen etwas ungewohnten, übermässig vollgepackten Anblick. Am 14°" passierten wir die Meerenge von Dover, und die in hellem Sonnenschein uns entgegenleuchtende englische Küste, an der wir ganz nahe vorüberfuhren, mit ihren weissen, von schwarzen Feuersteinadern durchzogenen Kreidefelsen und der schon frischgrünen Wiesenbedeckung, sowie die hellen Häusergruppen von Deal und Dover machten einen prächtigen Eindruck auf uns Neulinge, die wir meist noch nie eine fremde Küste geschaut. Als wir den Aermelkanal verliessen, fing das Schiff an zu rollen, und fast alle Passagiere wurden seekrank, meine Nerven aber waren damals noch so stark, dass * Da damals die “ Systematik” in Deutschland unter den Zoologen zunftmässig nicht für wissen- schaftlich galt, bedeutete das ungefähr so viel, dass unser Reisegefährte auf keinem Gebiete besondere systematische Kenntnisse hatte. (9 ich nichts davon zu leiden hatte, und meinen Kameraden die “schönen, langen Wellen der Bai von Biscaya” anzupreisen pflegte. Es war offenbar, dass wir uns in der Zugzeit der Vögel befanden, denn wir sahen grosse Züge von finkenartigen Vögeln, Schwalben, Kiebitze und andre Vögel nach Norden ziehen, und einige rasteten auf unserm Schiffe, theilweis zu müde oder apathisch um es wieder zu verlassen. Sie wurden nachts meist ein Raub von Katzen oder Ratten. Es ist erstaunlich, wie viele Vögel auf diese Weise ihr Leben einbüssen, und wie weit draussen im Ocean man sie häufig sieht. Immer wärmer wurde es und am 21. Abends tauchten die schwarzen Fels- massen der Insel Tenerife aus dem Meere auf, die oberen Parthien in Wolken gehüllt, über denen wie ein am Himmel schwebender gigantischer Zuckerhut der Gipfel des Pico de Teyde sichtbar ward. Uns war alles neu, alles interessant, die gespensterhaft über die Wellen schwebenden Sturmvögel und Sturmtaucher, das sonndurchglühte Land mit den lässigen, dunkeläugigen Bewohnern, Stadt und Gärten. Wir konnten in Sta. Cruz auf Tenerife und in Las Palmas auf Gran Canaria einige Stunden bleiben—unvergessliche Stunden für die unter uns, welche zum ersten Male ein südliches, sonniges Land betraten. Auch manchen mir interessanten Vogel sah ich, wie Anthus bertheloti, den Pieper der Canaren, den hellen Thurmsegler und scheue Raubvögel. In den Gärten der Städte orgelte der “ Capirote” der Insulaner, von dem unser grosser Landsmann Alexander von Humboldt schreibt, dass er ein diesen Inseln eigenthümlicher Vogel sei, mit einer unvergleichlichen Gesangesgabe, während es doch in der That die in unseren heimathlichen Wäldern überall häufige Schwarzkopfgrasmücke, Sylvia atricapilla, ist, freilich nächst unsern beiden Nachtigallen-Arten der schönste Sänger unseres Landes. Ungern verliessen wir die lieblichen Inseln, und dampften bald gen Süden weiter. Die Fahrt in diesen warmen Breiten, das sonnebeschienene Meer mit seinen Quallen und fliegenden Fischen, die hellen Mondscheinnächte, das leuchtende Wasser, alles vereinigte sich, solche Tage zu den schönsten des Lebens zu gestalten. Am 26. April, wieder einem Sonntage, sahen wir zum ersten Male die afri- kanische Küste am Horizonte auftauchen. Es war die kleine Insel Gore, mit Stadt und Festung. Fast vegetationslos erschien die Insel, denn vom Schiffe aus konnten wir nur eine einsame Dattelpalme und die Krone einer Cocospalme erkennen, nur an den hohen, hinter dem Städtchen emporragenden, mit einer altmodisch aussehenden Festung gekrönten Felsen sah man hier und da grüne Flecke und eine Anzahl gewaltiger, aber blätterloser Affenbrotbäume, Adansonia digitata. Wie man von der Lage und Trockenheit des Ortes erwarten kann, ist er recht gesund, aber neuerdings hatte das gelbe Fieber oder eine ähnliche ansteckende Fieberform sich eingefunden und namentlich in den Kasernen der Festung viele Opfer gefordert Die Bewohner gehören meist dem Stamme der Yoloff an, doch ist ein grosser Theil, wie in allen Küstenorten, aus verschiedenen Stämmen gemischt. Am 28. April wurde die Wärme zuerst unangenehm fühlbar. In der Nähe des grünen Vorgebirges sahen wir viele Hunderte von Delphinen, von denen einige fast drei Meter hoch aus dem Wasser schnellten. Ein dunkler Streif im Osten zeigte die Nähe des Landes an, ein Schmetterling und eine Calosoma kamen an Bord. Sturmvögel waren häufig, lauter Thalassidroma wilsoni, die wir südlich der Canaren stetig bemerkten, während wir nördlich desselben unsere Thalassidroma pelagica allein beobachteten. Auf eine ganze Strecke, hunderte von Metern in die Länge und Breite, sahen wir am Mittag die Oberfläche des Meeres in Bewegung und schäumend von Millionen und aber Millionen kleiner (5) Fische, deren wir leider keine habhaft werden konnten. Am 29. tauchten die hohen, über und über mit tropischer Vegetation bedeckten Los-Inseln vor uns auf. Die Coanza ging im Hafen von Tumbo, einer dieser Inseln, vor Anker, wo Herr Colin aus Stuttgart eine prachtvolle Faktorei besass, während sich Zweighandelshäuser von ihm auf dem gegenüberliegenden Festlande befanden. Dort war die deutsche Flagge gehisst worden, aber wie man später sagte irrthüm- licher Weise, da die Franzosen ältere und unanfechtbare Rechte besässen. Ausser der Colinschen Niederlassung befand sich auf Tumbo damals noch eine französische Faktorei, letztere beim Dorfe Konakri, erstere beim Orte Bulbine. Mit grosser Freude folgten wir der Einladung Herrn Colins, zwei Tage, d.h. solange die Coanza hier vor Anker lag, seine Gäste zu sein. Da konnten wir zum ersten Male in einem wahren Tropenlande wandeln, und nie werde ich diese Tage vergessen. Die Inseln bestehen grossentheils aus verwittertem Tuff, von Rotheisenerz und Brauneisenstein durchzogen, und von einer Lage sandigen rothen Tones bedeckt, Die Pflanzenbedeckung ist sehr reich. Am Strande sieht man hier und da kleine, aber nirgend weit ausgedehnte Mangrove-Dickichte, unter den Bäumen zeichnen sich aus die Riesen Westafrika’s, die “ Seidenbaumwollbäume,” Ceiba buonopozxense oder Eriodendron anfractuosum, die schattenspendenden, damals gerade mit den wohlschmeckenden Früchten reich beladenen Mangobäume, Oelpalmen, Cocospalmen, Melonenbäume (Carica papaya), Adansonien, Kautschuk liefernde Ficus-Arten, beide Arten Bananen und viele uns unbekannte Formen. Im Unterholze bemerkten wir manche schön aber stark duftende Blumen, was ich besonders erwähne, da der durch fehlerhafte Beobachtung entstandene und durch ein Diehterwort weit verbreitete Aberglaube, dass die Tropen nur “Blumen ohne Duft und Vögel ohne Sang ” hätten, noch immer in zahllosen Köpfen spukt. Das Klima ist nach Herrn Colin recht gut. Die in keinem vegetationsreichen Tropenlande fehlenden Fieber sollen verhältnissmässig mild und selten auftreten, Ausser im April, der der heisseste Monat ist, soll die Temperatur nicht weit über 30° Celsius steigen, Nachts auf 24° und mehr sinken. Die Bevölkerung gehört dem Stamme der Susu an. Ihrer Religion nach sind es Mohamedaner, aber sie haben viel aus ihrer heidnischen Vorzeit beibehalten, und unterscheiden sich sehr von den meisten anderen mir vorgekommenen Mohamedanern, indem sie gar wenig von der islamitischen Würde und dem gemessenen Betragen der meisten Bekenner des Islam an sich haben. Sie machen aber einen sehr gutmüthigen Eindruck, und wenn auch ihre Gesichter mit dem bekannten Typus der Westküsten-Neger uns wenig anmuthen, so kann man doch an den kraftvollen Gestalten seine Freude haben. Gesang und Tanz lieben sie ungemein. Mondhelle Nächte werden zum grössten Theile durchtanzt. Jung und alt, Mann und Weib standen in einem Kreise auf freiem Platze in der Mitte des Dorfes, jauchzend, lachend, mit einer grossartigen Virtuosität in die Hände klatschend, und unter dumpfem Trommel- schall, der auf einem ausgehöhlten Baumstamme ausgeführt wurde. Fast noch grösseren Lärm verursachten auf einem dohnen-artigen Bügel lose aufgereihte Stücke von Kürbisschalen, die ständig hin- und hergeschüttelt wurden, auch spielten drei junge Menschen anf einer kleinen mit Saiten bezogenen Zither. In der Mitte des Kreises tanzten einzelne maskierte Männer, häufiger aber ein oder mehrere Frauen. Der Tanz ist wild und besteht in einem Stampfen mit den nackten Sohlen, raschem Avancieren und Zurückeilen mit vorgebeugtem Oberkörper, wobei mit den Füssen nach hinten, oft bis an das Gesäss hin, ausgeschlagen wird. In der Hand wurde meist ein Tuch geschwenkt, Manche Tänzerinnen sprangen bis (69 zur Erschöpfung umher und wurden nicht selten halb mit Gewait aus dem Kreise gezogen, wenn die Kraft auszugehen schien. Zu all diesem knallten die langen Vorderladerflinten unaufhörlich. Aus den Läufen sprühte das miserable Hamburger Pulver in einem Funkenregen umher, und es beunruhigte uns nicht wenig, dass ein Mann mit dem offenen Pulverfass im Arın mitten darin stand. Es wurden an einem Abende zwei Fässer Pulver verknallt, auch hinderte hier der Islam den reichlichen Genuss von “Rum”— ebenfalls unglaublich billiges Hamburger Fabrikat —nicht in mindesten. Am nächsten Tage sahen wir einen andern Tanz, der von kürzlich beschnittenen Mädchen ausgeführt wurde. Die Beschneidung der Clitoris (arabisch Zumbür) wird hier allgemein, wie in vielen Gegenden Afrika’s und Asiens, z.B. im Somalilande, auf eine höchst rohe Weise vorgenommen. Diese Susu- Mädchen schienen etwa 14 bis 15 Jahre alt zu sein. Sie kommen dann in die Lehre einer alten Frau, die sie beschneidet und in allerlei für das spätere Leben nützlichen Künsten unterrichtet. Der Tanz wurde am heissen Nachmittage in einem höchst malerischen Kostüm ausgeführt. Der grössere Theil des Körpers von den Hüften abwärts war von einer Art von Rock eingehüllt ; darüber sass ein perlenbesetzter Gürtel und auf dem Hintertheil hing eine Art von mit Muscheln und Glöckehen bunt verziertem Gehänge, während der wohlgeformte Oberkörper mit den drallen Brüsten nur einigen Perlenschmuck trug. Der Tanz bestand aus einem Marschieren im Kreise, unter graziösen Bewegungen und Windungen des Körpers, wobei mit einem langen Stab fortwährend bald rechts bald links auf- gestossen wurde. Dabei ward auf dem ausgehöhlten Baumstamm und mit den oben beschriebenen Klappern ein Höllenlärm vollführt, und nach Schluss des Tanzes in knieender Stellung der alten Frau und den Trommlern gedankt. Diese anstren- genden Tänze werden etwa zwei Monate geübt, und nachher werden die Mädchen als heirathsfähig angesehen. Die dabei getragenen Kostüme werden wahrscheinlich in der Familie vererbt und es soll ausserordentlich schwierig sein ein solches zu erlangen. Die Thierwelt des Los-Inseln ist reich. Sehr kleine Rinder ohne Höcker, aber mit langen Hörnern werden vom Dubreka-Flusse her eingeführt, die Hündchen sind klein und hässlich, die Hühner hübsch, aber klein und legen sehr kleine, gelbe Eier. Auf einigen der Inseln soll eine kleine Meerkatzenart vorkommen. Die Vogelwelt ist reich,* dürfte aber wegen des Mangels an ausgedehnten Urwäldern mancher Arten des Festlandes entbehren. Ueber die Insekten ist nichts bekannt. Während unsres Aufenthaltes sahen wir wenig Schmetterlinge, weil es eine sehr trockene Zeit war, doch waren Spinnen, Centipeden und Asseln sehr häufig. Der Strand war auffallend arm an Muscheln. Eine greuliche Plage ist der den Tropen Amerikas entstammende, jetzt an der ganzen Westküste von Afrika gemeine, an den grossen Strömen weit in’s Innere reichende und neuerlich auch im Osten bis zu den Seen hin sich mehr und mehr ausbreitende Sandfloh. Die Füsse der Neger, besonders der Knaben, auf Tumbo waren oft schensslich durch diese Plage enstellt. Am 1. Mai verliessen wir das liebliche Eiland wieder und setzten unsre Fahrt gen Süden fort. Vom 4. bis 6. Mai hatten wir das oft beschriebene, den Neuling ungemein fesselnde Schauspiel der Anwerbung von “ Kruboys.” Ganze Flotillen von Kanus kommen vom Strande her und umschwärmen das Schiff, bald klettern die schwarzen Gesellen an Deck und das Anwerben beginnt. Iu der Nacht des 5. Mai erlebten wir das erste tropische Gewitter, einen “ Tornado ” von seltener * Siehe weiter unten : “ Die Ornis der Los-Inseln,” (7) Heftigkeit, d.h. ein Gewitter, begleitet von starken Windstössen und oft wolken- bruchartigem Regen. Wir sahen das immerhin seltene Schauspiel des “ St. Elm’s Feuers ” auf beiden Masten und an den Spitzen der obersten Raaen, die wie Nadeln in der Nähe einer Electrisirmaschine von angezogener Elektrieität leuchteten. Immer blieb nun die sandige Küste mit Wäldern, Negerdörfern und europäischen Faktoreien in Sicht. In Axim konnten wir zwei Stunden an Land gehen, und hier war es, wo ich zum ersten Male ein Stück Urwald, wie ich es mir vorgestellt hatte, betrat. Mit schwerem Herzen musste ich auf ein Eindringen in denselben verzichten. Bei Lome (Bay-Beach) lernten wir die berüchtigte westafrikanische Brandung kennen, in der unser Boot umschlug und wir ein sehr unerwünschtes Wellenbad nahmen das einen von uns in ernste Gefahr brachte. Wir besuchten hier mehrere deutsche Faktoreien, in denen wir mit grosser Herzlichkeit aufgenommen wurden. Das Leben in diesen Plätzen ist nicht beneidenswerth. Der sandige Strand und das niedrige, schattenlose Ufergebüsch müssen bald erschrecklich langweilig werden, das Geschäft ist uninteressant und erfordert wenig Geist, Jagdausflüge in’s Innere sind nicht Jedermann’s Sache, zudem mangelt es dazu an Zeit und Mitteln, der Verkehr ist spärlich und ohne viel Abwechselung, dabei ist die ganze Küste sehr ungesund. Hier erreichte uns die traurige Nachricht vom Tode Nachtigall’s,ider auf der Rückkehr nach Europa an Bord eines Dampfers dem Fieber erlegen war. Wenige Tage nachher lagen wir Lagos gegenüber auf der Rehde. Dort stiess Paul Staudinger zu uns, und Flegel miethete elf Schwarze als Diener, Feuerleute und Köche. Er brachte auch einen mohamedanischen, des Schreibens kundigen Mallam, der sich Davis Abdurhamani nannte, mit, den er im Verkehr mit den Sultanen und Häuptlingen zu benutzen gedachte, der aber nur während der Fahrt auf dem Niger bei uns blieb. In Benin, wo wir einige Stunden auf der Rehde lagen, kaufte Flegel ein 62 englische Fuss langes, aber schon ziemlich altes Kanu. Am 19. Mai endlich erreichten wir das Ziel unserer Seefahrt, die Brass-Mündung des Niger. Staunend betrachtete ich den majestätischen Strom, die endlosen, nach dem Innern des Landes zu immer höher werdenden, gleichsam aus dem Meere steigenden Waldungen, über denen der majestätische Geierseeadler seine Kreise zog, und unwillkürlich rief ich aus “ Welch schönes Land, wie reich muss es sein an Leben und unentdeekten Wundern der Natur, wie reich und lohnend wird unsre Arbeit sich gestalten!” Der biedere Capitän der Coanza aber, der, wenn auch vielleicht nicht die Worte, so doch den Sinn derselben verstanden hatte, legte mir seine Hand auf die Schulter und sprach ; “Oh yes, my young friend, but ‘death in every flower of the African coast’!” Und wirklich, eine traurige Wahrheit liegt in diesen Worten. Wenn man die immer wachsende Reihe der Opfer des Klimas von Westafrika überblickt, und wenn man hört und sieht wie viele der Europäer dort noch| immer ihr Leben einbüssen, so ist man wohl geneigt zu glauben : “Der Tod schlummert in jeder Blume Afrikas.” Freilich ist es nicht überall so wie hier, denn der Unterlauf des Niger ist zu normalen Zeiten unstreitig noch die ungesündeste Gegend der Erde. In Brass wurde unsre ganze Expedition von Mr. Townsend, Agent der Firma Hatton & Cookson, mit einer unvergleichlichen Liebenswürdigkeit gastlich aufgenommen. Er stellte uns sein Haus, Lagerräume und Arbeiter zur Verfügung und handelte in jeder Weise aufopfernd freundschaft- lich, sodass Jeder von uns ihm zum grössten Dank verpflichtet ist. Wir hatten in Brass natürlich mit dem Ausrüsten für den Aufbruch in’s Innere, dem Instandsetzen des Dampfers, Zusammensetzen des Flussbotes und Er Theeren des Kanus unendlich viel zu than, und besonders der praktische Thiel arbeitete mit unermüdlicher Ansdaner. Es zeigte sich hier an der auffallenden Verschiedenheit der Leistungsfähigkeit der Einzelnen, dass Gelehrsamkeit allein für einen Forschungsreisenden in einem uneivilisierten Lande nicht genügt, und dass ein bischen manuelle Geschicklichkeit im Augenblicke oft alles Andere aufwiegt. Dank unserer angestrengten Thätigkeit konnten wir schon am 22. Mai nach herzlichem Abschied von unserm lieben Gastfreund und andern Bekannten, unsre Fahrt antreten. Flegel war von einer fast fieberhaften Ungeduld und sein einziger Gedanke schien zu sein: Vorwärts, hinein in’s Innere ! Hoffnungsvoll dampften wir durch den tiefen Akassa-Creek, an Akassa, dem Hauptorte der späteren “ Niger Company,” damals noch National African Company genannt, vorüber, durch die weiten Mangrovewälder in den eigentlichen Niger hinein. Unsere Dampfbarkasse war leider viel zu klein für uns sechs Europäer. Die vor der Maschine befindliche Cabine war schon für einen Mann klein genug, hinter der Maschine aber befand sich auf Deck unser eigentlicher, von Segeltuch umspannter Wohnraum. Auf- und nieder klappbare Bretter dienten nachts als Betten, am Tage als Tische oder Ruhebänke. Der dazwischen befindliche freie Raum war kaum weiter als der in einer gewöhnlichen Schiffskabine, man kann sich also unschwer vorstellen, dass unser Leben, da wir in diesem Raume alles thun mussten, nicht besonders “comfortable” war. Besonders wenn man einmal etwas mehr als Essen, Trinken, Schlafen und Ankleiden that, wenn ich z. B. Vögel abbalgte, machte sich der Raummangel sehr fühlbar. Trotzdem waren wir glücklich genug, und Scherz und frohe Rede halfen uns über alle Unbequemlich- keiten, von denen das Fehlen von Mückennetzen die schlimmste war, hinweg. In dem seitwärts angebundenen flachen Hamburger Boote und in dem geschleppten Kanu hatten sich die beiden mit Flegel in Deutschland gewesenen Madugaus, der Mallam und vierzehn als Diener, Heizer, Köche und Lootsen dienende Neger, so gut es ging, bequem zu machen. Mit Freunden sahen wir, dass wir trotz der schweren Last sehr rasch stromaufwärts dampften. In der Nähe der Nichols-Inseln, d.h. ungefähr so weit wie der Einfluss von Ebbe und Fluth deutlich reicht, ging der Mangrove-Wald allmälig in gewaltigen gemischten Hochwald über, in dem wir die alles überragenden Eriodendren, einen uns unbekannten Riesenbaum mit scharlachrothen Blüthen, Pandanus, tanartige Lianen und Wein- und Ölpalmen unterscheiden konnten. Von hervorragender Schönheit fanden wir namentlich die Oelpalmen mit ihren oben abgerundeten, eylindrischen Kronen und rothen Fruchtbüscheln. Häufig passierten wir nun Ortschaften, in und bei denen Bananen und Plantanen (Musa paradisiaca und sapientum), Collocasia, Zuckerrohr, Yams, Mais und Cassave angebaut waren. Die Häuser waren niedrig, flach und viereckig wie die Abbildung zeigt. Bei Sonnenuntergang gingen wir stets vor Anker, denn das Fahrwasser ist unregel- mässig und unsicher, und unser Lootse war unzuverlässig. Die Thierwelt des Deltas und der Urwälder des unteren Stromes ist jedenfalls eine sehr reiche. Ihre Arten dürften die weit an der Küste verbreiteten sein. Bei unserer eiligen Fahrt bekamen wir fast nur Vögel zu sehen, unter denen mehrere Arten Nashornvögel, die mit laut rauschendem Fluge, unter häufigen Flügelschlägen, einer dem anderen folgend wie die Indianer auf dem Kriegspfade, von Ufer zu Ufer flogen, kreischende graue Papageien, bunte Königsfischer und der düstere Schattenvogel (Scopus umbretta) besonders aufhielen. in den nächsten Tagen fuhren wir mehrfach auf sogenannte “Snags,” im Hutchinson & Co. Paternoster Row, London RD) Flussbett versunkene entwurzelte Bäume, auf und kamen dadurch, dass das Kanu bei dem plötzlichen Anhalten heftig gegen den Dampfer stiess und arge Beschädig- ungen erlitt, in Gefahr. Dies zu verhindern banden wir es nun auch fest seitwärts an, sodass wir mit dem weissen Boot auf der einen, dem pechschwarzen Kann auf der andern Seite, einem wundersamen breiten Fahrzeuge glichen. Zu dem mehr- fachen Auffahren kam der Bruch der ganz unbrauchbaren Stenerkette, die wir bald durch eine solche aus Stricken ersetzen mussten. Die eiserne war infolge der wechselnden Temperatur Mittags etwa zwei Fuss zu lang, nachts aber so eng, dass man sie kaum in Bewegung setzen konnte. Oberhalb der “ Seven Villages,” deren wir freilich nur fünf bemerken konnten, reichte das Wasser nicht mehr gleichmässig bis an den Wald hinan, sondern an beiden Ufern zeigten sich ausgedehnte, theilweise mit spitzem, starren Grase bestandene Sandbänke. War vorher das Thierleben das wir bemerkten wenig reich, so boten uns diese Sandbänke wenigstens etwas Vogelleben dar, vor allen Dingen war die überaus reizende Nigerbrachschwalbe, die seltene Galachrysia ceinerea, häufig. Kaum jemals habe ich einen anmuthigeren Vogel gesehen. Sie ist auf den Sandbänken des Niger und Benu& und an geeigneten Stellen an den Nebenflüssen des Benu& weit in’s Haussaland hinein mehr oder minder häufig. Ohne Scheu trippelt sie vor dem Beobachter umher, und zur Brutzeit fliegt sie dem Eindringling, wie bei uns die Kiebitze, fast an den Kopf, und kriecht, wenn man sich in bedrohlicher Nähe der Eier befindet, angstvoll den Schnabel aufsperrend, und sich fluglahm stellend auf dem Bauche dahin. Am 26. und 29. Mai gelang es mir, die bis dahin nicht bekannten Eier, die ohne Nest in einer kleinen Vertiefung im Sande liegen, zu finden. Ihre gelblich fahlbraune Färbung macht es sehr schwer, sie zu bemerken, und das Suchen auf dem blendenden, glühenden Boden ist ziemlich anstrengend. Den ersten flachen Höhenzug sahen wir bei Atani am 27. Mai. Bei Abudji zeigt sich schon anstehender Sandstein, bei Iddah nähern sich stattliche Hügel dem Strom. Je mehr das Land einen hügeligen Charakter annimmt, desto mehr tritt der Urwald zurück. Bei Onitsha erweitert sich der Strom gewaltig, die Scenerie ist abwechslungsreich und schön, der Strom oft über tausend bis 1200 Meter breit. Bei Iddah treten die Felsen wieder näher an das Ufer. Wir sahen häufig Flusspferde und Krokodile im Wasser. Die Bevölkerung des unteren Stromlaufes besteht aus heidnischen Küstenstämmen, Männer wie Frauen sind breitnasig, nach unsern Begriffen unschön, lärmend, frech, fast nackt oder mit europäischen Hüten, Röcken oder Hosen unkleidsam, affenartig behangen. Sie sind zwar stark und gross gebaut, aber von der Siphylis häufig arg mitgenommen. Bei Iddah bemerkten wir zuerst den aus dem Innern stammenden mohamedanischen Einfluss. Ein Theil der Männer trug hier schon die langen, stattlich aussehenden, in Haussaland oder Nupe gefertigten “ Toben,” die Leute verstanden zu grossem Theile die Haussasprache und betrugen sich anständiger, ruhiger, würdevoller. Der Einfluss des Islam ist in diesen Ländern entschieden veredelnd, der Contrast zwischen den heidnischen, nur sehr theilweise zum Christenthum bekehrten Stimmen des Nigerdeltas—man braucht nur an die haarsträubenden Greuel der Beninleute und die Wildheit der Brassleute zu erinnern—und den Bekennern des Islam am oberen Flusslaufe ist ein gewaltiger. Am 31. Mai passierten wir Beaufort Island und gingen Abends bei Igbegbe an der Mündung des Benuö vor Anker. Am 1. Juni statteten wir der Stadt Lokoja, dem Einfluss des Benuö gegenüber, einen Besuch ab, und dieser Tag ist deswegen besonders in unserer Erinnerung, weil an ihm die meisten von uns heftig am Fieber (10) erkrankten, während die übrigen, einschliesslich Herrn Flegels wenige Tage später nachfolgten. Jedenfalls rührte dies besonders von dem Mangel an Mückennetzen her, die Flegel für unnöthig hielt. Am 2. Juni fuhren wir den Benu& aufwärts, aber schon am Mittage stellte sich die Unmöglichkeit heraus, mit dem viel zu grossen Tiefgang unseres Dampfers, etwa 14 Meter, den Benu& bei dem augenblick- lichen Wasserstande hinaufzufahren. Flegel beschloss daher die Expedition zu trennen. Er sandte das Kanu und das sog. zerlegbare* Boot unter Führung von Semon mit Gürich, Staudinger und den beiden Madugus den Benu& hinauf nach Loko. Flegel selbst fuhr mit Thiel und mir wieder nach Brass zurück um den Rest der Waaren und der Ausrüstung zu holen. Die Fahrt von der Benuö-Mündung nach Loko unter Dr. Semon wird von den drei Herren als fürchterlich geschildert. Alle litten nacheinander heftig am Fieber, und beklagten sehr das Fehlen irgendwelchen Getränkes ausser abgekochtem Fluss- wasser, sowie leichterer europäischer Nahrungsmittel. Nicht einmal ein einziger der so angenehmen “ Biseuits” war vorhanden. Dazu kamen die grössten Schwierig- keiten mit den Bootsleuten, die nur mit vieler Mühe zum Gehorsam zu bringen waren. Semon und Staudinger schreiben ihre Widerwilligkeit wohl mit Unrecht dem Einflusse des Agenten der Niger Company zu. Diese traurige Fahrt bis Loko dauerte 10 Tage. Unterdessen eilten wir mit dem “Dr. Heinrich Barth” wieder zur Küste, Von Brass aus sandten wir Berichte in die Heimath und machten alles fertig zur zweiten Auffarth, nachdem wir zwei Kanus gekauft und beladen hatten. Mein Zustand auf der Thalfahrt war so bedenklich gewesen, namentlich war die Schwäche nach dem Fieber so gross, dass Flegel mir rieth, heimzukehren, da gerade ein englischer Dampfer Brass anlief. Da ich mich jedoch z. Z. wieder ganz wohl befand, wies ich den Gedanken, ohne irgend etwas geleistet zu haben zurück- zukommen, ohne Bedenken von mir. In Brass hatte ich etwas Zeit, mich in der Nähe umzusehen. Den Strand fand ich überaus reich an Krabben und allerlei anderem Gethier, und jedenfalls würde ein Zoologe hier manche Arbeit finden. Sonst ist Brass für den Sammler ein sehr ungünstiger Ort. Das Land ist flach, niedrig, sumpfig, nur hier und da passierbar, und alles mit diehtem, unwegsamen Walde bedeckt. Fast aller Verkehr findet zu Wasser statt, sodass man von der reichen Thierwelt nur wenig zu erbeuten vermag. Von Säugethieren kommen Leoparden, eine kleine Antilopenart und Affen vor, Python-Schlangen sollen nicht selten sein. Ausser dem prächtigen Geierseeadler (Gypohierax angolensis) fesselte mich vor Allem ein kleiner Singvogel, Andropadus virens mit Namen, dessen Gesang einer der schönsten ist, die ich in den Tropen gehört habe. Seine weithinschallenden, prachtvollen Strophen erinnerten mich bald an die orgelnden Gesänge der Schwarzkopfgrasmücke, Sylıia atricapilla, bald an die getragenen Flötentöne der Singdrossel. An trüben Tagen den ganzen Tag, sonst vorzugsweise Abends und Morgens tönte der Wald bei Brass vom Gesange des Andropadus virens wieder. Er sitzt dabei unbeweglich in grossblättrigen Laubkronen und ist mit seinem olivengrünlichen Gefieder äusserst schwer zu sehen. Am 18. Juni brachen wir zum zweiten Male von Brass auf, und kamen diesmal rascher und besser vorwärts. Am 23. erreichten wir Onitsha, wo Flegel und ich einen Besuch beim Häuptlinge Anezoun machten. Der Weg führte anfangs durch etwa 24 Meter hohes Gras, dann durch Wald, an der englischen Mission vorbei * Dieser Ausdruck wurde für uns zum Scherzwort, denn das Boot hatten wir wohl mit Mühe zusammen- gebracht, aber es war eine Unmöglichkeit, es wieder zu zerlegen, Sein Zweck war somit verfehlt. (ıT) in das Dorf, das mitten zwischen und unter Cocospalmen, Mangobäumen nnd Bananenhainen stand. Das Haus des Häuptlings, in dem wir empfangen wurden, war wenig ausgezeichnet. Es bildete ein aus Lehm gebautes längliches Rechteck. Ringsum an den Wänden befanden sich Lehmbänke. An der einen Schmalseite sass auf mehreren bunten Decken der Hänptling, hinter ihm hing eine rothe Decke, anscheinend um seine Gestalt besser hervorzuheben. Anezoun war in mittleren Jahren, mittelgross mit hoher Stirn und freiem Blick, aber einer kleinen, unschönen, eingebogenen Nase. Auf dem Kopfe trug er einen sehr hohen rothen Fez, an dem sich vorn ein messinenes Diadem mit grossem blauen Stein (oder Glas ?) befand. Am Unterkörper hatte er zwei Kleider, das obere von Seide, auf dem Oberkörper eine Jacke, an Hals und Füssen Korallenketten mit Glöckehen, die Füsse nackt. Er handhabte eine grosse Glocke und einen langen Fliegenwedel.- Alle Untergebenen, auch die andern Häuptlinge, knieten beim Eintreten nieder und berührten sehr deutlich, sodass der Staub dran klebte, mit der Stirn den Boden. Einer der Unterhäuptlinge machte beim Eintreten allerlei sonderbare Bewegungen, scharrte mit den Füssen wie ein kampflustiger Hund und verdrehte den Körper, ehe er sich setzte. Trotz vielen Schiessens und Länutens erschienen nur zwei Unterhäuptlinge während wir warteten ; wir hatten daher Zeit uns in dem Raume umzusehen. Gegenüber der Eingangsthür befand sich der Eingang zu Anezoun’s Gemächern. Die Wände, an denen muntere Eidechsen (Agama colonorum) herumliefen, waren ringsum mit roher Ornamentik in Form von in den Lehm hineingearbeiteten Kreisen, Bögen und Spitzen solcher Gestalt NASEN versehen. Or Om 07.0, © GEN GES ENGEN Inmitten des Raumes standen 4 kleine Bäume, deren Bedeutung wir nicht erfuhren. Neben des Häuptlings Sitz war ein hoher, oben abgerundeter Pfahl, von dem Flegel vermuthete er solle einen Penis darstellen, daneben ein oben verdickter, mit Lehm und Federn und herunterhängenden dünnen Holzketten geschmückter Pfahl. In der Ecke sahen wir ein aus Zweigen geflochtenes länglichrundes Geräth und eine riesige Ruthe, deren Bedeutung uns ebenfalls Niemand erklären konnte. In einer andern Ecke lagen Trommeln, mit Fell überspannte Stammabschnitte. Wir sassen auf leeren Geneverkisten zur Linken des Häuptlings, einige seiner Leute hockten zu seiner Rechten und rösteten Maiskolben an einem Feuer. Ein Sklave, den Anezoun an Flegel schenkte, legte seine Kleider ab und setzte sich völlig nackt zu seines Häuptlings Füssen. Erst am folgenden Tage erschienen alle “ chiefs” vollzählig unter Glockengeläute, das hier überhaupt eine grosse Rolle spielt, da ein Häuptling nur von einem Glockenträger begleitet ausgeht. Flegel schloss nun mit Anezoun etwa folgenden Vertrag: Deutsche sollten ebenso gut wie die Engländer landen und Land erwerben dürfen, Handel treiben und alle Rechte der Eingeborenen und Engländer haben, und werden vom “ Könige” (Anezoun) beschützt, dessen Nachfolger das gleiche thun müssen. Seine Rechte darf Anezoun nieht an irgend Jemand anders übertragen, ohne den Deutschen Kaiser befragt zu haben. Dieser Vertrag wurde thatsächlich vom “ Könige ” Anezoun und sechs “ chiefs ” sowie der “ Königin” —die übrigens nicht Anezoun’s Frau ist, und ein eigenes Haus bewohnt— mit Kreuzen, von zwei schwarzen Händlern als Zeugen, Flegel und mir unterzeichnet. Diese ernst genommene Sache verlor (12) später allen Werth, nachdem die Engländer, ehe eine Bestätigung dieses Vertrages von der dentschen Regierung erreicht werden konnte, beide Nigerufer als britischen Besitz erklärt und der “ Royal Niger Company ” zur Verwaltung übergeben hatten. Thatsache bleibt es freilich, dass die Eingeborenen eine deutsche Faktorei und Concurrenzverkehr zwischen den Europäern gern gesehen hätten, weil sie sich davon Handels-Vortheile versprachen. Die Bevölkerung von ÖOnitsha, die auf nebenstehender Reproduktion einer Photographie von Dr. W. H. Crosse herrlich veranschaulicht ist, ist heidnisch, doch hatten die Missionen eine Anzahl Zöglinge. Die Männer sah man häufig mit Steinschlossflinten, die Kolben nach oben, über der Schulter, nur selten mit Pfeil und Bogen. Schöne Wälder dehnen sich ringsum ans, in denen Botaniker und Zoologen ein reiches Arbeitsfeld finden würden. Am 27. Juni traf uns ein schwerer Verlust. Ein Tornado von ungewöhnlicher Heftigkeit brach rascher als Flegel erwartet hatte, und während wir uns noch mitten im Strome an einer der gefährlichsten, durch Felsenriffe beengten Stelle mit starker Strömung befanden, über uns herein. Flaschen, Gläser, Teller wurden im Nu fortgefegt, die Wellen schlugen in das eine Kanu, und nur ein sofortiges Kappen der Taue, die es an den Dampfer befestigten, konnte uns vor dem Kentern des letzteren bewahren. Das Kanu versank sofort. Ausser dem Untergang von vielen unserer Vorräthe, wie Tabak, der für den Handel sehr wichtig ist, und Perlen, von kondensierter Milch, Kakao, Kaffee, Biseuits, einer Anzahl von Barometern, Thermometern, Hypsometern und anderen Instrumenten, traf mich persönlich ein für mein ornithologisches Arbeiten schwerwiegender Verlust, indem ein Centner feinen Vogeldunstes, anderer Schrot, Pulver und Patronen zu meiner Sammelflinte versanken, ein Verlust den ich nicht ersetzen konnte, wenn auch in Lokoja ein englischer Missionär mir für vieles Geld einige Pfund groben Schrotes überliess, wofür ich noch sehr dankbar sein musste* Ausserdem versank fast all mein Spiritus ! Die auf diesen dies ater folgende Nacht war zauberhaft. Nichts erinnerte an den gewaltigen Gewittersturm. Der Mond beschien mit seinem diamantenen Lichte den breiten Strom und seine Ufer, die Frösche führten überaus laute Konzerte aus, die uns an die Heimath erinnerten,f und der sonderbare Rhynchops Havirostris strich in der Dämmerung über die Wellen, während in der Ferne das Schnauben der Flusspferde erklang, und allerlei fremdartige Stimmen, namentlich von Cicaden, aus den Wäldern ertönten. Flegel wünschte nun Eggan, weiter stromaufwärts, zu besuchen, da der Benu& noch nicht genng Wasser für unsern Dampfer zu haben schien, während er mir den Auftrag ertheilte mit den beiden Kanus nach Loko zu gehen. Als Dolmetscher diente mir sein Diener, der am Guinea-Wurm litt, den er allmälig weiter aus seinem Fusse herauszog. Die Bootsleute wurden theils in Lokoja selbst, theils in Gande angeworben, und es war daher nicht zu verwundern, dass ich zum grössten Theil dieselben Leute bekam, mit denen Semon so viel Aerger gehabt hatte, wovon ich aber nur ein unbestimmtes Gerücht gehört hatte. Es schien denn auch, als * Ein ornithologischer Sammler kann sofort ermessen, was für ein Hinderniss für mich während der ganzen Reise der Munitionsmangel war. Ein ordentliches Sammeln ist unmöglich, wenn man mit Patronen sparen muss und nicht die geeigneten feinen Schrote besitzt. Zu meiner Doppelflinte (Caliber 28) hatte ich nur zwei oder drei Dutzend Metallpatronen, die ich immer wieder laden musste | T Ein Zoologe, der lange in Westafrika gereist ist, läugnet “ Froschkonzerte” in jenem Lande, wäre er aber am Niger gereist, würde er sie kennen gelernt haben. Ich habe leider versäumt, einige dieser Musikanten einzufangen, doch glaubte ich, sie befänden sich in oder an dem Wasser, während Passarge (“ Adamana ”) meint, sie sässen auf den Bäumen, Harrer * A. Do. Wander. x. N.” x ar EIN EINGEBORENER HÄNDLER MIT FAMILIE IN ONITSHA. FRAUEN UND KINDER BEI ASABA AM UNTEREN NIGER. Paternoster Row, London. Hutchinson & Co Cs) sollte ich ebensolchen Unannehmlichkeiten entgegengehen, denn die Lokoja-Leute führten ihre erste Aufgabe, nämlich aus Stangen und Matten Dächer über die Kanus zu bauen, wie es schien widerwillig, langsam und schlecht genug aus, doch hatte ich während der Fahrt nicht über sie zu klagen. Ich hatte nun, da ich einen vollen Tag und zwei Nächte in Lokoja bleiben musste, Gelegenheit, mir diesen, infolge seiner Lage am Einflusse des Benuö wichtigen Handelsplatz etwas besser anzusehen. Der von den Eingeborenen, theils Nupe, theils Yoruba und Haussa, bewohnte Theil sieht leidlich sauber aus, jedes Gehöft ist von Zäunen und Hecken umgeben. Sowohl die englische Missions- gesellschaft, als auch eine französische, die weisse Mäntel tragenden Väter der Soeiet@ des Missions Africaines zu Lyon, hatten sich in Lokoja angesiedelt, es gab mehrere wohlhabende, unabhängige schwarze Händler und die Niger-Company hatte grössere Depots, heute sogar eine nicht unbedeutende Militärstation. Schon während unsres ersten Besuches hatten mehrere von uns den Berg Patte oberhalb Lokoja bestiegen, aber nur Gürich und ich hatten den Gipfel erreicht, Staudinger litt schon am Fieber. Der Berg scheint sich erheblich verändert zu haben. Im Jahre 1841 fanden Stanger und Vogel ihn mit Dörfern des Kakanga Stammes dicht besetzt, die eine Art von unabhängigem kleinen Staate bildeten, in steter Fehde mit den Bewohnern der Ebene lebten, von denen sie Sklaven zu rauben pflegten, gelegentlich aber durch einen Einfall der Fulbe ihrer geraubten Schätze wieder verlustig gingen. Auf der Höhe fand Vogel einen grossen Reichthum an Fruchtbäumen und gutes Futtergras.* Dörfer und Fruchtbäume waren 1885 verschwunden, nur dichtes Gestrüpp und mittelhohe Bäume bedeckten die Abhänge, aber das kurze gute Gras fanden wir noch vor. Letzteres ist es auch vielleicht, das die Antilopen anzieht, denn sie sollen hier häufig sein. Die westafrikanische Pferdeantilope, Hippotragus eqwinus gambianus, und die graziöse Geschirrantilope, Tragelaphus seriptus, wurden mehrfach von Engländern hier erlegt, auch ver- sicherten Eingeborene und Missionäre, dass wilde Büffel vorkämen. Die Aussicht von dem Patte f ist grossartig. Die grosse Wasserfläche der Benuö-Mündung, umsäumt von üppig grünen Flächen, bildet ein Panorama das im Norden vom King William Gebirge, mit langen tafelförmigen Bergen, im Süden von einer aus rundlich geformten Erbebungen bestehenden Hügelkette, und gerade vor uns von dunklen Gneissfelsen begrenzt ward. Landeinwärts, nach Westen zu, schienen lichte Haine mit ausgedehnten Urwäldern abzuwechseln. Infolge des eigenthümlichen Verhältnisses unserer Expedition zu der Niger- Company, wovon später die Rede sein wird, und des Auftretens ihres Agenten in Lokoja Herrn Flegel gegenüber, machte ich jenem Herrn keinen Besuch. Der englische Missionär war zwar freundlich aber sehr kühl, und die katholischen Missionäre wohnten zu weit vom Strome, wo unsere Kanus mit ihrer werthvollen Ladung lagen, daher nahm ich die Gastfreundschaft des mohamedanischen Häupt- lings von Lokoja für die anderthalb Tage bis zur Abreise nach Loko in Anspruch. Dieser gutmüthige und gebildete Mann, der mehrere Sprachen, auch sehr gut englisch sprach, bewohnte einen ganzen Häuser- und Hütten-Komplex. Das mir angewiesene Häuschen war luftig und hoch und enthielt ein eisernes Feldbett. Ich wurde gut bewirthet und unterhielt mich sehr interessant mit meinem Wirthe, aber eine seiner Frauen, eine noch sehr junge Person, interessierte sich in geradezu schamloser Weise für mich, und suchte mich fortwährend durch Rede und Zeichen * Allen and Thomson, “ Narrative of the Expedition to the Niger in 1841,” pp. 343, 344. j Patte soll Berg bedeuten, (14) zu unterhalten, wovon ich jedoch nichts verstand, ja ich ergründete nicht einmal in welcher Sprache sie zu mir redete. Das jedenfalls ungehörige Benehmen ergrimmte den Häuptling sehr, und er setzte ihm ein Ziel, vermuthlich indem er die Frau irgendwo einsperrte, denn ich sah sie nicht wieder. Das Haus der katholischen Missionäre liegt auf einem Hügel, südlich des Patte. Ich fand unter den Ordensbrüdern wohlunterrichtete Leute, und besonders machte mir der Pater Ph. Fiorentini, ein Italiener, den Eindruck eines bedeutenden Mannes mit vielseitigen Interressen und von herzlicher Liebenswürdigkeit. Auf meiner Rückreise im folgenden Jahre sollte ich nur noch sein Grab wiederfinden. Die katholische Mission liegt vermuthlich unweit der Stelle, wo 1841 die “ Model- Farm ” errichtet wurde, die aber, obwohl für die damalige Zeit auf das beste vorbereitet und geplant,* schon im selben Jahre, nach grossen Opfern und Verlusten an Geld und Menschenleben von allen Europäern wieder verlassen wurde und bald verfiel. Am 30. Juni um 8 Uhr Morgens konnte ich Lokoja verlassen. Nach ein- stündiger Fahrt durch das von Wassergeflügel (worunter Sterna minuta) belebte, schilfreiche Mündungsgebiet des Benu& erreichten wir Gande, wo die Bootsleute einen lebhaften Handel anfingen. Da sie die für mein noch unvollendetes Regendach nöthigen Matten angeblich in Lokoja gelassen hatten, sandte ich zwei Mann nach dort zurück, indem ich ihnen bedeutete, wenn die Matten nicht binnen 3 Stunden zur Stelle wären, würde ich in Lokoja bleiben, da ich Zeit genug hätte. Nach kaum zwei Stunden waren die Matten da und das Dach wurde zu meiner Zufrieden- heit hergestellt. Weit kamen wir diesen Tag freilich nicht, aber die Nacht, die wir auf einer Sandbank oberhalb Gande zubrachten, war eine jener mondhellen Tropennächte, die das Entzücken aller Reisenden sind. Die dunklen, auf dem hellen Sande um grosse Feuer gelagerten Gestalten der Ruderer gewährten einen malerischen Anblick. Am folgenden Tage waren wir schon mit Tagesanbruch in Bewegung. Es war aussergewöhnlich kühl, die Berge bei Lokoja waren in tiefschwarze Wolken gehüllt, aus denen Blitz auf Blitz herniederfuhr, und in das ferne Rollen des Donners mischte sich das Brausen eines heftigen Windes, der unserer Fahrt aber nicht hinderlich war. Während ich unthätig im Boote lag, erfreute ich mich am Anblick der herrlichen Geierseeadler (@ypohieraw angolensis), schneeweisser Silberreiher und Seidenreiher, Schildraben und Scheerenschnäbler (Rhynchops), die den Strom auf- und abzogen. An einer geeigneten Stelle wollte ich einen kleinen Jagdaustlug machen, während die Ruderer sich erholten, aber meine Kniee begannen zu zittern, mein Kopf zu schmerzen—wieder nahte ein Fieberanfall, sodass ich bald fast ohne Beute zum Boote zurückkehren musste. Die Ufer waren hier theil- weise mit riesigen Urwäldern bedeckt. Am 2. Juli hörten wir am rechten Ufer etwa eine halbe Stunde lang lebhaftes Gewehrfeuer. Nach Aussage der Leute im nächsten Dorfe war es ein Gefecht zwischen den Bassa und Attagarra, von denen die ersteren nur Pfeil und Bogen, die letzteren aber Gewehre führen. Im Dorfe Bohu rasteten wir zwei Stunden, und kauften ein. Ich sah viele zahme Enten, aber nur, wie überall in diesen Gegenden, die aus Amerika eingeführte Moschusente, Cairina moschata. Die Bevölkerung war überall bereit, uns Lebensmittel zu verkaufen, und die Bootsleute feilschten mit ihnen in afrikanischer Weise, indem sie von hohen Angeboten oft auf den fünften oder sechsten Theil derselben herab- gingen, wobei zahllose Betheuerungen und Anrufungen Allahs laut wurden. Die Bewohner waren meist schon Mohamedaner, zum Theil noch Heiden. Mir tiel * Siehe Allen and Thomson, Narr. Exp. Niger, Band IL,, pp. 130, ff. (los) besonders die sonderbare Haartracht der Frauen auf, die häufig aus einem hohen, in der Art eines baierischen Raupenhelmes befestigten Wulst in der Mitte des Kopfes besteht, während die Seiten des Kopfes glatt rasiert sind, häufig auch aus lauter kurzen, spitzen Zöpfen. Im Dorfe Hedeia (Gürichs Adda) wurden wir vom Häuptling Ondijt besonders freundlich begrüsst. Unweit des Dorfes Amara machte ich gegen Dunkelwerden nur mit einigen feinen Schrotpatronen versehen einen Gang in den Wald, um kleine Vögel zu schiessen, und stiess auf eine grosse Affenheerde, anscheinend Paviane, die mir auf den Bäumen folgten und nicht übel Lust zu haben schienen, mich anzugreifen, da ich unvorsichtiger Weise einen von ihnen verwundet hatte. Leider bot sich mir nie wieder Gelegenheit, Paviane mit geeigneter Munition zu erlegen. Den nächsten Tag war ich infolge meines Fiebers sehr schwach. Abends trugen mich die Bootsleute auf eine Sandbank, wo ich herrlich schlief, in warme Decken gehüllt, und “den Himmel über mir zum Zelt.” Als wir am 6. Juli gegen Abend Loko erreichten, war ich wieder wohl und munter. Die Gegend wird etwas unterhalb von Loko offener, weniger bewaldet, die den Strom bisher begleitenden flachen Sandsteinrücken haben aufgehört. In Loko, das ich somit in sieben Tagen, ohne jedes Aergerniss mit den Leuten, erreicht hatte, war ich schmerzlich überrascht, meine Kameraden in sehr traurigem Zustande zu finden. Gürich und Semon lagen ganz danieder und Staudinger, der sie pflegte, war auch keineswegs wohl. Die Kranken beklagten besonders den Mangel an leichten europäischen Nahrungsmitteln und waren über einige von mir mitgebrachte Biscuits von Huntley & Palmers sehr erfreut. Die Zeit meines Aufenthaltes in Loko dauerte bis zum 12. August, also etwa fünf Wochen. Während dieser Zeit sammelte ich fleissig Vögel und Käfer, aber der Mangel an Spiritus ermöglichte das Sammeln von Reptilien nicht, und da ich alles Schiessen und Abbalgen selbst besorgen musste, vernachlässigte ich die zeitraubende Präparation von Säugethieren. Viele Tage gingen mir theils durch Fieber, noch mehr durch Packereien und die sonstigen Vorbereitungen zur grossen Landreise verloren. : Semon und Gürich wurden ihres Besorgniss erregenden Zustandes wegen von Flegel nach Brass zurückgebracht und von dort nach Europa gesandt, das sie beide, wenn auch noch schwach und krank, erreichten. Staudinger und ich erklärten uns auf Flegels Anfrage bereit, die Reise nach Sokoto und Gandu zu machen, die Semon und Gürich hatten ausführen sollen, während Flegel weiter stromaufwärts zog, um nach Adamaua, und von dort nach Kamerun zu gehen. Zum Verständniss des Folgenden muss ich mich hier entschliessen, den Plan der Expedition, und wie wir ihn zu ändern genöthigt waren, auseinanderzusetzen. Die Expedition hatte einen hybriden Charakter, denn Flegel verfolgte vor allen Dingen handels-politische Ziele, während wir Andern vorzugsweise, und soweit Staudinger und ich in Betracht kamen, lediglich zu wissenschaftlichen und sammlerischen Zwecken mitgegangen waren. Flegels Absicht war es, überall Handelsrechte für Deutsche zu erlangen, und Handelsverträge nach Art des in Onitsha abgeschlossenen zu machen. Ob er das Recht hatte, direkt Land als deutsche Kolonien zu erwerben, wurde mir nicht mitgetheilt, doch lag es zweifellos in seiner Absicht, dies in Adamaua vorzubereiten. Diese Pläne, so grosses Interesse ihnen auch damals entgegengebracht wurde, als die Wogen kolonialer Begeisterung höher denn jemals im deutschen Vaterlande gingen, müssen heute, bei ruhiger Ueberleguug, theils überhaupt als verfehlt, theils als in der Ausführung verfahren angesehen werden. Vor allen Dingen war es die Oeffentlichkeit, die Flegel durch (16, Vorträge und Schriften seinen Plänen gab, welche dem Unternehmen hinderlich ward, denn es war vorauszusehen, dass die Engländer, sobald sie davon hörten, ihrerseits Schritte thun würden, sich jene Gebiete zu sichern. In Vorträgen und Schriften wurden häufig die früheren Arbeiten deutscher Forscher im Niger-Benue-Gebiet hervorgehoben, die durch die Namen eines Dr. J. R. T. Vogel (nicht zu verwechseln mit dem in Wadai ermordeten Vogel, der niemals das Niger-Gebiet betrat), Dr. Heinrich Barth und Rohlfs unvergesslich bleiben werden, aber es wurde nicht betont, dass sowohl Barth als Vogel nur Theilnehmer englischer und mit englischem Gelde bezahlter Expeditionen waren, und wie viel grösser und an Opfern reicher die englischen Bestrebungen waren, die mit Unterbrechungen von 1788 bis auf die Gegenwart reichen. Im oben genannten Jahre schon bildete sich in England eine afrikanische Gesellschaft zur Erforschung des dunklen Kontinents, die zunächst Mr. Ledyard und Mr. Lucas aussandte, um von Sennaar und Tripoli den Kontinent nach Westen hin zu durchqueren, und unter Anderem namentlich über den durch Edrisi (1150), Ibn Batuta (1353) und Leo Africanus (1556) sagenhaft berühmten Niger, der von Ost nach West fliessen solle, etwas zn erfahren. Die Grösse dieser Aufgaben musste von vornherein die Unternehmungen zum Scheitern bringen. Ledyard starb schon in Cairo, Lucas kehrte unverrichteter Sache zurück. 1790 wurde Major Houghton ausgerüstet, um vom Gambia über Land den Niger zu erreichen, fand aber in Bambuk seinen Tod. Mungo Park war der erste Europäer der (bei Sego am 21. Juli 1796) den Niger mit eigenen Augen sah, den “ majestätischen Niger in der Morgensonne glitzernd, so breit wie die Themse bei Westminster, und langsam gen Osten fliessend” wie er schrieb. Im Jahre 1805 unternahm Mungo Park eine zweite Reise. Wiederum brach er vom Gambia auf, im Auftrage des Kolonialamtes, den Niger zu erforschen. Diesmal war er nicht, wie das erste Mal, allein, sondern begleitet von 42 Mann und 3 Offizieren. Diese gingen schon auf dem Landmarsche zu Grunde, nur Mungo Park selbst mit einem Lieutenant und drei Mann erreichten den Niger, den sie bis Busa befuhren, wo sie von zahlreichen Feinden angegriffen kämpfend erlagen. 1810 wurde eine Neger Namens Isaaco ausgeschickt um Nachrichten über Mungo Parks Ende zu bringen, was er trefllich ausführte. Die so gewonnene Kenntniss von einem grossen Theile des Niger führte zu der abenteuerlichen Idee, dass der Niger seine Fluthen in den Congo ergiessen müsse. Dies festzustellen wurde Captain Tuckey beordert, den Congo hinaufzufahren, während eine andere Truppe Mungo Park’s Weg einschlagen sollte, um Tuckey’s Schiffe irgendwo (auf dem Niger!) zu trefien. Man sieht hieraus, dass man damals sehr kühne Projekte hatte, aber gerade dies führte zum Verderben. Die Landreise missglückte vollständig, Tuckey’s Schiffe fuhren den Congo weit hinauf, aber die Mehrzahl der Theilnehmer an der Reise fielen dem Klima zum Opfer. Andere Versuche, die Geographie des Niger zu vervollständigen, durch Gray vom Westen, Richie und Lyon von Fezzan (!), waren ebenfalls erfolglos. 1822 durchzog Clapperton die Sahara und erreichte Sokoto, wo er von Sultan Bello erfuhr, dass er sich unweit des Niger befinde. Diese Kunde fachte den Niger- durst von Neuem an, und 1825 brach Clapperton wieder mit 3 Gefährten und seinem Diener auf, aber alle starben, nur Clapperton’s Diener, Richard Lander, kehrte nach Europa zurück, nachdem er wiederum ein Stück des Nigerlaufes erforscht hatte. 1830 wurde Richard Lander wieder ausgeschickt, und diesmal glückte es ihm in Begleitung seines Bruders von Busa an den Niger in einem offenen kleinen Kanu bis zur Mündung zu befahren, und so das lange dunkle Problem zu lösen. 17) Angeregt durch die Berichte von dem grossen Reichthum an Elfenbein in jenen Gegenden rüstete die Liverpooler Kaufmannschaft die erste anständige * Handelsexpedition, bestehend aus einer Brigg und zwei Dampfern nach dem Niger aus. 40 von den 49 weissen Theilnehmern dieser Reise fanden ihren Tod am Fieber! Lander machte noch zwei weitere unglückliche Versuche, seine Pläne auszuführen, fand aber auf der letzten Reise seinen Tod durch eine feindliche Kugel. Einer seiner Begleiter hatte diesmal den Benuö weit hinauf erforscht. Nur die Brigg kehrte nach England zurück, die beiden Dampfer wurden in Fernando Po ihrem Schicksale überlassen. Es gehörte wahrlich ein nicht geringer Muth dazu, dass schon 1841 wieder eine grosse Expedition in England ausgerüstet wurde. Diesmal war es eine der gewaltigsten Unternehmungen, die jemals zu anderen als politischen oder kriege- rischen Zwecken auf Afrika gerichtet worden sind, denn es nahmen an dieser Reise drei grosse Dampfer und 155 Europäer theil. Es sollte bei Lokoja die oben erwähnte “Model Farm” und an anderen Punkten Handelsstationen errichtet werden, ausserdem wurden Gelehrte verschiedener Fächer, unter ihnen der begabte deutsche Botaniker Vogel, mitgesandt. Auch dieses wohlgeplante Unternehmen scheiterte. Eine Station wurde wohl errichtet, da aber 41 von den Europäern in der Zeit von 2 Monaten dem Fieber erlagen, waren die übrigen vernünftig genug mit den schon ganz ungenügend bemannten Schiffen mit knapper Noth dem offenen Grabe zu enteilen. Erst 1854 hören wir von einer weiteren Expedition unter Laird, die sehr glücklich verlief, und der Ernennung eines britischen Konsular-Agenten in Lokoja, aber die Aufgabe dieses Postens, sowie die Verweigerung einer bisher von der Regierung gewährten Geldsumme als Beihülfe “zur Eröffnung der Nigerstrasse ” brachten die Bestrebungen am Niger für einige Zeit zum Stillstand. Allmälig begannen einzelne englische Handelsfirmen unabhängig voneinander Faktoreien im Nigergebiet zu errichten, da aber der Gewinn nicht ganz den zu hoch gespannten Erwartungen entsprach, schloss sich die Mehrzahl dieser Firmen zusammen zu einer Gesellschaft die den Namen “ National African Company” führte. Sie kaufte 1880 die mit viel Energie und anscheinend grossen Mitteln, unter der Begünstigung Gambettas entstandenen, schön gebauten Faktoreien zweier französischer Gesellschaften, die einen unsinnigen merkantilen Konkurrenzkampf begonnen hatten, mit schwerem Gelde auf. So bekam sie fast den ganzen Handel auf dem Niger in ihre Hände—fast nur in Brass gab es noch mehrere von der Gesellschaft unabhängige Handelshäuser. So lagen die Dinge anfangs 1885. Thatsächlich hatte eine politische Besitz- ergreifung des Niger- und Benuö-Gebietes von Seiten Englands noch nicht stattgefunden. Auf diesen letzteren Umstand baute Flegel, der von Allem wohl unterrichtet war, und auch die soeben im Fluge gestreifte Geschichte des Niger- gebietes sehr wohl kannte, seine Pläne. Jeder Unbefangene, der die kurz geschilderten, fast ein Jahrhundert langen Bestrebungen Englands, die geradezu entsetzlichen Opfer an Menschenleben und die Millionen Geldes die sie gekostet, kennt, muss sich sagen, dass es weder aussichtsvoll noch begründet sein konnte, diesen sogut wie schon errungenen Besitz den englischen Händen zu entreissen. * Es ist anzunehmen, dass die Portugiesen, die schon 1443 den Sklavenhandel an der westafrikanischen Küste begannen, Engländer, Franzosen, Amerikaner und andere lange vorher Sklavenhandel und Sklavenraub am Niger trieben. Die Einführung zahlreicher amerikanischer Produkte, namentlich Früchte, der Moschusenten, Trutbühner und des Sandflohs allein beweist den lebhaften Verkehr mit Amerika, der hauptsächlich den Zwecken des Sklavenhandels diente, 2 - (is) Man musste die Engländer geradezu für Narren halten, wenn man glaubte, dass sie ruhig zusehen würden, wie ihnen das ganze Hinterland* des Niger fortgenommen wurde. Eine genügende, auf geleistete Arbeit und gebrachte Opfer sich stützende Berechtigung von unserer Seite lag nicht vor, denn was konnten wir den englischen Opfern und Bestrebungen gegenüber anführen ? Letzteres freilich kommt weniger in Frage, denn es galt Land im Anschluss an die Kamerunkolonie zu erwerben, aber es muss hier der Wahrheit wegen betont werden, da häufig in Vorträgen und Zeitungsartikeln von deutschem Opfermuth und deutscher Arbeit im Nigergebeit die Rede war, während von denen der Engländer nichts gesagt wurde—solche Entstellungen der Thatsachen aber führen allmälig zur Entzweiung der Völker, während es eines jeden umsichtigen Mannes Streben sein sollte, das Verhältniss zwischen den zwei Brudernationen Deutschland und England zu bessern und zu erhalten. Wie dem allem nun auch sein möge, sicher war es, dass Flegel nur dann seine Pläne hätte ausführen können, wenn er sie, wie es einst Peters in Ostafrika that, geheim hielt und die Engländer am Niger überraschte. Statt aber dies zu thun, hielt er Vorträge und Berathungen mit allen Interessenten, und die Zeitungen verkündeten bald mehr oder minder unklar, aber den Gegnern klar genug, was er beabsichtigte. Es wurde daher von England aus sofort Joseph Thomson nach Sokoto entsandt, um Verträge mit dem Sultan abzuschliessen, und alle nöthigen Schritte wurden gethan, um für die Nigergesellschaft von der Regierung eine “Charter ” und Privilegien nach Art derer der weiland ostindischen Company zu erlangen. Thomson dampfte den Niger hinauf, ging ohne Aufenthalt auf dem kürzesten Wege nach Sokoto und schloss dort einen Vertrag ab, der nach Ver- sicherung der Engländer die gesammten Haussaländer dem englischen Einfluss unterwarf. Mit diesem Vertrage hat es freilich eine eigene Bewandtniss, denn der Sultan von Sokoto versicherte uns auf das ausdrücklichste, dass er den Engländern keinerlei exklusive Rechte eingeräumt hätte, und dass er deutsche Kaufleute zu Handel und Wandel willkommen hiess. (Siehe Kölnische Zeitung no. 279, 1886.) Es ist natürlich für uns nicht möglich zu entscheiden, ob der Sultan uns die Wahrheit sagte, oder ob das Abkommen das er mit den Engländern traf, anders lautete, als behauptet worden ist, aber es ist offenbar, dass das Deutsche Auswärtige Amt-— damals noch unter Bismarck—den Vertrag der Nigergesellschaft für gültig ansah, denn es wurde 1886 ein Abkommen zwischen Deutschland und England gemacht, wonach das ganze Nigergebiet der englischen Interessensphäre anheimfiel, und die Grenzlinie zwischen diesem Gebiete und der deutschen Kamerunkolonie eine Linie vom Rio del Rey bis zu einem oberhalb Yola gelegenen Punkte am Benu&ö bildete. Wenn ich nicht irre wurde dieser Vertrag in London von dem damaligen Grafen Herbert Bismarck im Auftrage des grossen Kanzlers abgeschlossen. Was etwa von der Flegelschen Expedition im Haussalande in politischer Beziehung geleistet sein mochte, wurde somit gegenstandslos, und es erscheint mir unbe- greiflich, wie dieser Vertrag, ohne auf die Rückkehr von Flegel und seinen Gefährten zu warten, abgeschlossen werden konnte, aber die eigenthümlichen Pfade der Politik sind für den Nichteingeweihten gar oft schwierig zu verstehen. Mit den bestehenden Verhältnissen müssen wir zufrieden sein, und können es auch, denn die Entwickelung des Nigergebietes hat einen glänzenden Verlauf genommen, und es ist sehr die Frage, ob sie dies in gleichem Maasse hätte thun können, * Es ist interessant zu sehen, wie dies Wort seit Mitte oder Ende der achtziger Jahre in der englischen Sprache, dis es schwierig fand ein ähnliches Wort zu bilden, Eingang fand und heute zu einem allgemein bekannten und unentbehrlichen englischen Worte geworden ist, («19 wenn verschiedene Mächte im Niger-Benuö-Gebiet Besitzungen hätten, und wenn kaufmännische Konkurrenz den Handel erschwert hätte. Die Kämpfe der letzten Jahre haben gezeigt, was für eine Truppenmacht aufgeboten werden musste, und es fragt sich sehr, ob der häufig überschätzte Handel und Reichthum jener Gegenden es verschiedenen Interessenten ermöglicht hätte, einen Konkurrenzkampf auszuhalten.* Wie nun die Dinge 1885 lagen, musste die damalige “ National African Company ” Flegels Auftreten mit banger Sorge sehen und ihm entgegentreten. Niemand konnte ihr das verargen, und es ist sehr die Frage, ob eine ähnliche deutsche Gesellschaft dem Eindringen englischen Elementes nicht viel schroffer entgegengetreten wäre. Dass einzelne Beamte sich unklug und taktlos dabei benahmen, kann nicht in Erstaunen setzen. Thatsache bleibt es, dass dieselben Männer, die Flegel selbst und dem Landen unseres Dampfers in roher Weise entgegentraten, später Staudinger und mir, nachdem sie gesehen hatten, dass wir uns einestheils nicht verblüffen liessen, und dass wir andererseits lediglich wissen- schaftliche Ziele verfolgten, mit grösster Zuvorkommenheit begegneten, wie sie auch in späteren Jahren andere deutsche Expeditionen in bereitwilligster Weise förderten. Am meisten hatte der arme Thiel auf dem Dampfer, nachdern Flegel ihn verlassen hatte, unter den Verhältnissen zu leiden. Nach dieser Abschweifung, die unvermeidlich war und den Vortheil hat, dass ich späterhin dergleichen Dinge als abgethan betrachten und unerwähnt lassen kann, und die auch dem Leser klar machen wird, dass die wissenschaftlichen Begleiter der Expedition vielfach durch den oben beschriebenen hybriden Charakter derselben zu leiden hatten und in ihren Arbeiten behindert wurden, kehre ich auf den Gang der Ereignisse zurück. Der ursprüngliche Plan Flegels war gewesen, Semon und Gürich mit den Briefen und Geschenken Kaiser Wilhelms nach Sokoto und Gandu zu senden, während er selbst nach Adamaua und von dort nach Kamerun wollte, ich aber eine Station am Benue, womöglich in Adamaua, errichten und dort zoologischen und anderen Beobachtungen und Sammlungen mich widmen sollte. Staudinger stand es, da er keinerlei Verpflichtungen hatte, frei sich eventuell einer oder der anderen Abtheilung anzuschliessen, und er hatte beschlossen vorläufig mit am Benu& oder in Adamaua zu bleiben. Da nun durch die Heimreise von Semon und Gürich Niemand für die Landreise nach Norden da war, trug Flegel zunächst Herrn Staudinger an, diese Reise zu unternehmen, der sich auch dazu bereit erklärte. Kaum war dies geschehen, als letzterer durch einen nicht gerade leichten Fieber- anfall heimgesucht wurde. Hierdurch wurde Flegel sehr besorgt, und er fürchtete derart für den Gesundheitszustand Staudingers, dass er mich ersuchte, die Reise nach Sokoto mitzumachen. Es war nicht leicht für mich, eine Entscheidung zu treffen. Ich sah wohl ein, dass der Hauptzweck meiner Reise, nämlich zoologisches Sammeln, für lange Zeit in den Hintergrund treten müsse, wenn ich zusagte, auf der anderen Seite aber reizte mich die Reise durch so weite unerforschte Gebiete und die damit verbundene Gefahr, und es war mir eine Freude, die Briefe und Geschenke unseres geliebten alten Kaisers mit an ihren Bestimmungsort zu * Ob die später von der “ Niger Company ” ausgeübten Rechte im Einklang standen mit den auf der Berliner Congo-Conferenz gewährleisteten Freiheiten für die Niger-Schiffahrt ist eine Frage, die von anderer Seite gelöst werden mag, wenn dies aber der Fall war, dann sind jene Berliner Abmachungen sehr dehnbar und verschiedentlich auszulegen. Uebrigens ist vom Beginne des neuen Jahrhunderts an die Verwaltung dieser Gebiete von der Regierung selbst übernommen, welche hoffentlich alles befriedigender handhaben wird. (20) befördern. Ausserdem hatte ich Staudinger als einen klar und logisch denkenden, energischen und furchtlosen Mann kennen gelernt, und beim Packen der Waaren- ballen für die Reise hatte ich einen Einblick in die Mittel der Expedition gewonnen, der mich sehr zum Nachdenken veranlasste. Ich hatte das Gefühl bekommen, als seien die Waaren für eine allzugrosse Theilung der Expedition—denn auch Thiel mit dem Dampfer musste unterhalten werden—ungenügend, und der fast gänzliche Verbrauch derselben innerhalb eines Jahres zeigte später, dass meine Furcht nicht unbegründet war. Mit allzu geringen Mitteln konnte auch auf einer Station nicht vie] geleistet werden. Ausserdem beunruhigte mich etwas der angeblich ziemlich waldlose Charakter des oberen Benue. Unter diesen Erwägungen, geleitet von demselben Gesichtspunkte wie Staudinger, erklärte ich Flegel, ich sei bereit, die Reise nach Sokoto mitzumachen, sofern ich mit Staudinger zusammen unter denselben Bedingungen und Rechten als in die Stelle von Semon und Gürich eingerückt betrachtet würde, und eine Stunde nachher theilte mir Flegel mit, dass Staudinger zu allem gern bereit sei.* Wir haben während der Reise in Freud und Leid gute Kameradschaft gebalten, und ich bin meinem Gefährten für manchen Dienst in schwerer Krankheit dankbar. Unter Aufsicht des Madugu mai gashin baki (des Alten mit dem Barte) und des Madugu Dan Tambari (Tambars Sohn) wurden nun die Waarenballen mit Matten und wasserdichtem Leinen umschnürt, und ersterer hatte einen besonderen Kniff sie so zu packen, dass ein etwa diebischer Träger kein Stück herausziehen konnte, ohne den ganzen Ballen zu öffnen, was bei der vielfachen Verschnürung lange Zeit erforderte. Uebrigens haben wir von Dieberei unserer Träger nicht zu leiden gehabt— kein Waarenballen und kein Stück Zeug ist uns gestohlen worden ! Die Träger, 43 an Zahl, und 3 Pferde, für uns beiden Europäer und Dan Tambari, der uns begleiten sollte, wurden von Keffi aus geholt. Ausserdem begleiteten uns 3 Küstenneger, von denen einer aus Sierra Leone, schon ein älterer Mann, der eigentlich als Koch engagiert war, trotz eines in vieler Beziehung weiten Gewissens sich durch seine Energie, seinen Muth, seine Sprachkenntnisse und seine Treue in. hervorragender Weise auszeichnete, sodass er bald unser unentbehrlicher Dolmetscher und Vertrauensmann wurde. Die beiden anderen waren weniger brauchbar, aber doch im Nothfalle zuverlässig und immer furchtlos, während ein in Lokoja angeworbener Bursche überhaupt wenig nützte und zwei Pferdeknechte schon in Keffi entlassen werden mussten. Dan Tambari war begleitet von zwei Freunden, seiner Frau und deren Sklaven, Sklavinnen und Knaben, ausserdem begleitete uns, was als besondere Ehre galt, ein Bote des Herrschers von Nupe und zogen noch mehrere Frauen und Träger mit, um unter unserem Schutze sicherer zu reisen, sodass unser Zug im Ganzen aus über 70 Menschen und 5 Pferden bestand. * Siehe: Mittheilungen der Afrikan. @esellsch. in Deutschl,, Band IV. S. 403, Band V,. S. 19 (Brief vom 25. ix. 1885 von Flegel), Band V. S. 99 (Bericht von uns). Nach der Rückkehr von Sokoto sollten wir übrigens noch “ wissenschaftliche Stationen gründen," aber infolge des Ausbleibens der von Flegel fest erwarteten Mittel konnte hieraus nichts werden. (21) II. KAPITEL. LANDREISE VON LOKO AM BENUE BIS KANO, SOKOTO, GANDU, UND ZURÜCK ZUM BENUE. Am Morgen des 12. August brachen wir von Loko auf, begleitet von den Segenswünschen der Bevölkerung. Unser Wirth, der Madaki, der alte Madugu mit dem Barte und Flegel gaben uns etwa eine Viertelmeile weit das Geleit. Dann machte die Karawane halt und Dan Tambari erhob die Hände zum Himmel, um von Allah Glück und Segen für unsere Reise und ein allseitiges Wiedersehen zu erflehen. Es war ein feierlicher Moment, und die frei und zuversichtlich zum Himmel erhobenen Blicke und Arme der Beter machten auf mich einen besseren Eindruck als das bei uns so vielfach übliche scheue Aufblicken, Ducken und Verbergen des Antlitzes. Wir nahmen nun herzlichen Abschied von Flegel und seinen Haussa-Freunden, nicht ahnend dass wir ihn nie wiedersehen sollten. Zur Routenaufnahme, mit der wir auf Flegels Wunsch sofort begannen, benutzten wir zwei gleiche, sehr gute Compasse und unsere Uhren. Die Art des Reitens war uns anfangs sehr unbequem. Zwar sassen wir auf äusserst bequemen arabischen Sätteln, aber der Schritt der Träger war zu unserer Ueberraschung rascher, als der unserer Pferde. An einen vernünftigen Trab waren letztere nicht gewöhnt, da die Haussas diese Gangart kaum kennen, und wenn wir zeitweilig galoppierten musste die Routenaufnahme an grosser Ungenauigkeit leiden. Wir mussten somit unsere Pferde erst än eine rasche mit ganz leichtem Trabe abwech- selnde Schrittart gewöhnen. Nach einer Viertelstunde, vom Thore von Loko an, hatten wir das letzte Feld erreicht und befanden uns auf schmalem, kaum fuss- breiten Pfade in lichtem Buschwalde, mit 3 bis 4 Fuss hohem Grase, aus dem zahlreiche einzeln stehende Mimosen und hohe Termitenhügel, oft bis zu 10 Fuss sich erbehend und von der gesättigt braunrothen Farbe des Lateritbodens von Loko, hervorragten. Nach etwa einer Stunde nahm der Boden, und mit ihm die der Landschaft ein so eigenartiges Gepräge verleihenden Termitenhügel eine hellgelb- liche Färbung an und wurde sandiger, nachdem wir einen breiten von einem Bache durchströmten Urwaldstreifen durchritten hatten. Während der lichte Busch an Thierleben ziemlich arm erschien, zumal man von den dort häufigen Antilopen auf der Reise nie etwas zu sehen bekam, waren solche Urwaldstreifen mit den sie durchströmenden Bächen, deren wir heute vier passierten, voller Leben. Im lichten Buschwalde bemerkte man auf der Reise selten etwas anderes als Bienen- fresser, Würgerarten (Laniarius, Dryoscopus), Raubvögel und die mit einem eigenartigen, an das “ Meckern ” der Bekassine erinnernden Klappern aufsteigende Lerche (Mirafra buckleyi), ausser Käfern aber wenig Insektenleben und keine Säugethiere. Die Waldstreifen dagegen, die für mich jedesmal einen Hochgenuss bedeuteten, tönten wieder vom Blöcken von Affenheerden, die sich über unsern Häuptern von Baum zu Baume schwangen, die Baumkronen waren voll von Vögeln, unter denen man nicht selten die prächtigen Bananenfresser mit ihren blutrothen Schwingen bemerkte, am Boden huschten Schmetterlinge hin und her und gegen Abend tönte ein tausendstimmiges Konzert von Cicaden ringsumher. Gegen 12 Uhr hatten wir das Ziel unseres ersten Tagemarsches, den Flecken Ushiarogo oder Usharogo (nieht aber Wisherogo, wie Robinson schreibt), erreicht, (22) Wir begannen hier ein System des Zühlens der Lasten, das zwar für uns sehr langweilig war, aber Eindruck auf die Träger machte und ihnen bewies, dass keine Last abhanden kommen konnte, ohne dass wir es sofort bemerkten : wir hatten nämlich alle Ballen numeriert und mit den Namen ihrer Träger in ein Buch eingetragen. Die Lasten wurden übrigens ohne Murren getragen, und es war wohl der beste Dienst, den uns die Madugus geleistet haben, dass sie dieselben so hatten schnüren lassen, wie die Leute sie liebten, nämlich gut balaneiert, mit guten Handhaben, lang und schwer. Andere Reisende, wie Robinson und ‚Joseph Thomson * hatten offenbar viele Schwierigkeiten mit den Trägern, weil den letzteren die Lasten nicht zusagten. Wie üblich erhielten wir von unserem Wirthe, der uns die Häuser geliehen hatte, Hühner und andere Nahrungsmittel zum Geschenke, wofür wir Gegengeschenke von ähnlichem, meist grösseren Werthe machten, auch lernten wir gleich das “ Tukutshi” kennen, nämlich die Sitte, dem Ueberbringer eines Geschenkes ein Geschenk zu geben, das z. B. bei Kaurispenden eine bestimmte Höhe hat. Der Ort Ushiarago liegt mitten im Walde. Am folgenden Tage hatten wir kurz hinter dem Orte einen etwa 40 Schritte breiten Strom zu passieren, den wir auf einer aus mehreren Baumstämmen gebildeten Brücke überschritten, während die Pferde schwimmen mussten. Wir versäumten den Namen des Flusses fest- zustellen, den Robinson Keraka nennt. Durch waldreiche Gegend zogen wir am folgenden Tage bis Itä, wo die Trüger sich weigerten weiterzumarschieren, obwohl wir nur von 6 bis 10 unterwegs gewesen waren. Dan Tambari bestärkte die Leute in ihrem Vorhaben, und so mussten wir nachgeben. Itä liegt inmitten dichten Waldes, und ist umgeben von einem undurehdringlichen grünen Zaun, durch den nur ein schmaler, Nachts mit Stämmen verbarrikadierter Eingang führt. Die Bewohner sind nicht Mohamedaner, sondern gehören dem heidnischen Stamme der Afo an. Ueber dem Eingangsthore zum Orte und in vielen der Häuser hingen oder standen mit Federn, Muscheln und Blättern verzierte Figuren und Büsche, denen Zauberkräfte zugeschrieben wurden, und vor dem Orte befand sich eine altarartige Erhöhung, die mit augenscheinlich von wilden Perlhühnern herrührenden Eiern geschmückt war. Meine oologische Neugier hätte mich beinahe in’s Unglück gebracht, denn als ich die Bier einer näheren Prüfung unterziehen wollte, kam ein Trupp singender, aus langen Pfeifen rauchender Männer heran, die uns sehr unfreundlich behandelten. Ob die Afo demselben Volke wie die Haussa angehören, vermochten wir nicht festzustellen. Die Verschiedenheit ihrer Sitten und Dörfer, sowie die spärlichere Kleidung— viele Männer waren nur mit einem schmalen Schurzfell bekleidet—mögen wohl Folgen ihrer Abgeschlossenheit und der Religions- verschiedenheit sein, und im Aensseren unterscheiden sie sich augenscheinlich nieht derart von den Haussas, wie die später von uns besuchten Korro und Kadarra, aber ihre Sprache war eine andere. Nahrungsmittel wurden uns nicht verabreicht, so dass wir herzlich froh waren als die vorsorgliche Sherifia, Dan Tambaris Frau, uns eine kleine Schüssel mit stark gepfeffertem, in Palmöl gekochten Reis sandte, während wir später auch einige Nahrung für unsere Diener erwarben. Die Träger schienen sich meist Essen mitgebracht zu haben, verkehrten übrigens nur wenig mit den Afo, obwohl sie sich ganz gut mit ihnen vertrugen. Immer ist das Verhältniss nicht so gut, denn die Herrscher rauben häufig Sklaven von den Afo, die ihrerseits sich durch den Ueberfall von Reisenden und Einfälle in die Haussa-Orte rächen. Auf unserer Rückreise im folgenden Jahre wurden wir veranlasst einen anderen Weg zu nehmen, da angeblich die Bewohner von Itä Träger abfingen und beraubten, * Robinson, Hausaland, pp. 48, 49, 50, (23) Ein furchtbarer nächtlicher Regen, der unsere schlecht überdachte Wohnung durchdrang, störte uns nicht wenig im Schlafe. Früh brachen wir am folgenden Morgen auf. Der schöne Urwald, den wir durchritten, triefte von Wasser, aber überall zeigten sich Thierspuren, sowie Affen und Vögel. In Itä sahen wir den Schädel eines kürzlich getödteten grossen Elefanten. Nach wenigen Stunden bemerkten wir Wall und Graben eines von Bananengärten umgebenen Dorfes mit Namen Ushini. Schon gegen elf Uhr erreichten wir den ebenfalls von Afo bewohnten Ort Ube. Derselbe ist von ausgedehnten Feldern umgeben und durch einen niedrigen, halb verfallenen Erdwall geschützt. In den Feldern waren Tauben, an den Waldrändern Perlhühner häufig, und flüchtig sahen wir einen Hasen, den wir leider nicht erlegen konnten. Auch hier war die Verpflegung eine traurige, denn erst am Abende konnten wir ein Huhn bekommen. Wir machten hier zuerst die Bekanntschaft der Furrah.* Unsere Diener waren trotz der kurzen, ihnen aber ungewohnten Märsche und infolge der mangelhaften Nahrungs- und Wohnungsverhältnisse anfangs sehr unzufrieden, gewöhnten sich aber bald an das Wanderleben. Die Fetische oder Götzen waren in Ube mit Federn und Farben geschmückte Thiergestalten aus Holz. Am nächsten Tage machten wir einen längeren Marsch, denn erst gegen 4 Uhr hatten wir die erste grössere Stadt, Anassarawa, Residenz des Herrschers der gleichnamigen Provinz, erreicht, der den Namen Sariki-n-Koto, König der Koto, führt, den er von den einen grossen Theil seines Landes bewohnenden heidnischen Koto erhalten. Der Marsch war sehr interessant, aber auch etwas anstrengender gewesen, da er durch abwechselungsreiches, felsiges Gelände führte und häufig tiefe, steile Schluchten mit reissenden Bächen zu überschreiten waren. Die von uns passierten kahlen Felsen bestanden aus Granit und Gneiss mit Glimmer, oder Conglomeraten, aber die Form der im Osten sich erhebenden Bergrücken war eine langgestreckte, tafelförmige, nicht die von Granitbergen. Über den breiten Anassarawa-Strom fuhren wir in kleinen Boten. Die Stadt sowohl wie viele der einzelnen Gehöfte sind von hohen Mauern umgeben. Sie liest in der Gabel zweier Flüsse, deren vereinigte Wassermassen bei Rumassa in den Benu& münden. Bald nach unserer Ankunft wurden uns ein Schaf, eine Ziege und allerlei andere Lebensmittel übersandt. Wir erhielten ein Gehöft des “ Turaki,” eines höheren Beamten angewiesen. Am nächsten Morgen übersandten wir die Geschenke, und machten uns selbst mit den Briefen zum Sultan auf. Unangenehm enttäuscht waren wir durch das Benehmen des letzteren, der uns von Flegel ausserordentlich gelobt worden war. Flegel gegenüber waren wir nun freilich sehr im Nachtheile. Er verstand die Landessprache, wir mussten uns eines Dolmetschers bedienen, er war allein, als unabhängiger ‘Reisender in Anassarawa, wir kamen als seine Abgesandten, Flegel hatte in dem alten Madugu maigashin-baki einen erfahrenen und treuen Berather gehabt, wir hatten in Dan Tambari einen unzuverlässigen und unbegreiflich leicht- fertigen Menschen, Flegel war mit verhältnissmässig geringen Mitteln dort gewesen, wir mit einer grossen Karawane, auf dem Wege in ferne Gegenden. Die Gelegenheit war also günstig, wie nie zuvor, hier Erpressungen auszuüben, und der Sultan glaubte sıe benutzen zu können. Wir befanden uns in einer schwierigen Lage. Von der Afrikanischen Gesellschaft auf das strengste angewiesen und von Flegel beschworen, Streitigkeiten zu vermeiden und uns überall in das beste Einvernehmen zu den Landesherren zu setzen, ohne einen genügend zuverlässigen landeskundigen Rathgeber, mit einer stets zum Striken aufgelegten Trägerbande, musste uns alles * Siehe weiter unten, (24) daran liegen, diese erste Klippe möglichst ruhig und rasch zu umschiffen. Es blieb uns also nichts übrig, als dem habsüchtigen Herrscher, der unsre Geschenke anfangs als ungenügend zurückwies, möglichst alle Wünsche zu befriedigen, um ihn uns freundlich zu erhalten. Der Sultan war ein junger, intelligenter, ener- gischer Mann, mit nicht unschönen Zügen, aber von grosser Heftigkeit, schlechtem, unruhigen Benehmen, eigenmächtig, kriegslustig und sehr habgierig, häufig gegen die heidnischen Afo und Koto kämpfend. Der von aussen durch hohe, viereckige Eingangsthürme imposant aussehende vom Sultan bewohnte Häuserkomplex war im Innern sehr einfach, in keiner Weise anders als die seiner höheren Beamten. In seinen Wohnräumen liebte der Sariki-n- Koto es, sein Lieblingspferd bei sich zu haben. Ein junger Sklave war beauftragt, dem Rosse die Fliegen abzuwedeln und ihm schleunigst eine Schale anterzuhalten» wenn es ein Bedürfniss befriedigt. Die Abende wurden uns mehrfach durch Sänger und Musikanten gestört, deren Leistungen uns wenig Genuss bereiteten. Zu zoologischen Beobachtungen blieb mir keine Zeit, doch bemerkte ich rings um die Stadt reiches Vogelleben, namentlich viele Geier (Neerosyrtes monachus) und wilde Tauben. In der Stadt fielen mir die massenhaften Haustauben auf, die wie bei uns in allerlei Färbungen auftraten und sehr häufig dicht befiederte Läufe hatten. Sie werden hier keineswegs für “ heilig” gehalten, sondern auch von Mohamedanern gegessen. Am 19. August konnten wir endlich Anassarawa verlassen und erreichten in zwei kurzen Tagemärschen Keffi, oder wie es mit seinem vollen Namen heisst: Keffi Abd-es-Senga. Da ich am Fieber litt, waren diese beiden, sonst garnicht anstrengenden Märsche für mich eine Qual. Kurz vor Kefli wurden wir überrascht durch den Anblick umfangreicher Umzäunungen mit grossen, graulichweissen, langhörnigen Buckelrindern, an denen uns schöne frische Milch angeboten wurde. Zwischen Anassarawa und Keffi sahen wir auch zuerst den schon auf den Los-Inseln, am Niger und Benuö häufig, aber immer nur einzeln oder paarweise beobachteten Schildraben (Corvus scapulatus) in grossen Flügen, nach Art unserer Krähen, in und an den Orten. In Keffi wurden wir schon am Thore von einer grossen Menschenmenge empfangen und ritten von vielen Hunderten begleitet unserem Quartier zu. Dieses bestand aus einem grossen Gehöft, in dem mehrere runde Hütten und zur Rechten eine ganze Reihe unter einem Dache liegender, aber nicht durch Thüren verbundener Zimmer sich befanden, vor denen eine überdachte Veranda hinlief. Die Besitzung gehörte einer reichen Frau, die eben abwesend war. Wir fanden hier auch einen Luxus, dem wir nur noch in den grössten Orten, wie Kano, Sokoto und Gandu wieder begegneten, nämlich einen gut eingerichteten, in einer besonderen kleinen Hütte befindlichen Abtritt. Wenn man bedenkt, dass es damals selbst noch in Deutschland und Frankreich nicht nur einzelne Bauernhäuser, sondern Dörfer gab, wo diese Einrichtung fehlte, so wird man dieses Zeichen von Civilisation zu schätzen wissen ; allerdings kennt man diesen Luxus im Haussalande in kleineren Orten nicht. Augenscheinlich gab die Grösse der Städte dazu Veranlassung, jedenfalls nicht etwa europäischer Einfluss. Kefhi ist weitläufig gebaut, und auch Felder und Sümpfe liegen mitten in der Stadt. Die Einwohnerzahl von Keffi dürfte 15 bis 20.000 betragen. Die Höhe über dem Meere muss von uns zu klein gemessen worden sein.* Flegel mass einmal 310, das andere Mal 350 Meter, Robinson genau 1000 engl. Fuss, während wir es nur auf 260 Meter brachten. Keffi ist von grossem Interesse als eine der grössten, und wohl der bedeutendsten * Ueber unsere Routenaufnahme und Höhenmessungen siehe weiter unten, (25) südlicheren Handelsstadt des Haussareiches. Hier kommen die Waaren von der Küste mit den vom Norden, durch die Wüste von Tripolis her heruntergebrachten zusammen, aber die (damals meist englischen) Waaren, die von Süden kamen, gewinnen immer mehr die Oberhand. Sklaven bildeten einen der hauptsächlichsten Handelsartikel. Am Tage nach unserer Ankunft wurden 300 Sklaven auf offenem Markte feilgeboten, wenige Tage nachher zählte ich nur noch 100. Ich machte hier in Keffi eine genauere Bekanntschaft mit dem Sklavenmarkte, als jemals nachher. Wir fanden es nämlich sehr schwierig, gute Pferdeburschen zu bekommen. Es schien, als sei die Pferdepflege eine meist von Sklaven ausgeführte Beschäftigung, denn Niemand wollte sich dazu hergeben, und die Leute, welche wir in Loko dazu angeworben hatten, erwiesen sich als unbrauchbar. Wir entschlossen uns somit, dem Rathe Flegels, der uns hierauf vorbereitet hatte, folgend, einen Sklaven zu dieser Arbeit zu kaufen. So ging ich denn auf den Sklaven-Markt. Ich fand diese Arbeit nicht so schrecklich, wie sie von empfindsamen Seelen geschildert worden ist. Empörende Anblicke blieben mir erspart, eine besonders rohe Behandlung der Sklaven bemerkte ich nicht. Ziemlich bald hatte ich einen geeignet aussehenden Jüngling gefunden. Als derselbe aber am Abende zu uns gebracht wurde, zitterte er an allen Gliedern und wurde uns gefesselt übergeben. Man bedentete uns es sei die Furcht vor uns, und wir würden ihn gut bewachen müssen. Er schien zu glauben, dass wir ihn mästen und braten wollten! Dass es wirklich Furcht vor uns war, zeigte sich, als wir ihn zurücksandten und er sich bald wieder beruhigte, Solch einen Mann wollten wir nicht haben. Ich musste also, da Staudinger krank war, nochmals auf den Sklavenmarkt gehen. Diesmal war es mir weniger angenehm, denn eine Menge feilgebotener alter Weiber machten einen traurigen Eindruck. Es war weniger leicht, einen starken Burschen zu finden, da die Elfenbeinhändler mittlerweile die besten Leute ausgesucht hatten, doch führte man mich nach einiger Zeit zu einem schlanken Burschen, der nicht, wie der vom vorigen Tage, ein eingefangener Waldbewohner, sondern wegen Armuth des Besitzers, oder möglicherweise zur Strafe, irgend eines Vergehens halber, zu verkaufender, in der Sklaverei geborener Haussklave war. Diesmal liess ich ihn gleich fragen, ob er sich vor dem weissen Manne fürchtete, was er freundlich grinsend verneinte. Obwohl er viel theurer war als der erste, denn wir mussten 13 ganze Stücke Manchester-Zeug, sogenannten Croydon, für ihn zahlen, besannen wir uns nicht einen Augenblick. Wir theilten ihm mit, was wir von ihm verlangten, nämlich die Pflege unsrer beiden Pferde, auf dem Marsche das Tragen einiger leichteren Gegenstände, unbedingten Gehorsam in allen Fällen und unter allen Umständen, und versprachen ihm einen Freibrief nach Ablauf der Reise. Ihm sofort einen solchen zu geben, wäre eine grosse Thorheit gewesen, da wir den Mann durchaus nicht kannten, und wir sein Fortlaufen, schon des bösen Beispieles wegen, auf keinen Fall riskieren durften. So lange er noch rechtlich Sklave war, hätte ihm sein Fortlaufen nichts genützt, da er bald von Anderen wieder in Besitz genommen worden wäre. Igalla, so hiess der Jüngling, war mit Allem ein- verstanden, und wir haben an ihm während der ganzen Reise einen stets willigen, folgsamen, brauchbaren Diener gehabt. Ausserdem war es eine Freude zu sehen, wie er sich trotz der oft ziemlich anstrengenden Märsche und seines schweren Dienstes, bei der meist reichlichen und kräftigen Nahrung entwickelte, denn nach wenigen Monaten war er ein Bild eines kräftigen Jünglings geworden. Auch in Keffi vermochte ich nieht zu sammeln. Wieder litten wir beide an Fieberanfällen. Die Träger mussten abgelohnt, neue angeworben werden, und beim (26) Sariki* gab es wiederum unangenehme Verhandlungen, wenn auch der Herr von Keffi sich viel nobler und anständiger betrug, als sein Nachbar in Anassarawa. Wir waren in einer eigenthümlichen Lage, da die von Flegel vorausgesandten, von einem Briefe begleiteten Geschenke, die uns den Weg ebnen sollten, wohl infolge des Wortlautes des Briefes, als nicht von uns, sondern von Flegel allein kommend, und unsere Geschenke im Verhältniss zu denselben für zu klein erklärt wurden. Näheres über die langwierigen Verhandlungen und hänfigen Streitigkeiten mit den Trägern und Herrschern möge man bei Staudinger nachlesen. Auch Robinson berichtet Aehnliches. Die genaue Schilderung dieser ewigen Plackereien, die sich wie ein rother Faden durch Beider Bücher zieht, trägt zwar zum Verständniss der Lage des Reisenden in jenen Ländern bei, hat aber für Nichtbetheiligte weniger Interesse. Ich werde hinfort die Träger-Angelegenheit nur kurz, wo es nicht zu vermeiden ist, streifen. In unserer Wohnung hatte ich beim Fieber Musse, eine nächtlich lebende hellgelbe Ameisen-Art zu beobachten, die binnen zwei Tagen etwa zwei Fuss lange, knorrigen, blätterlosen Bäumen gleichende, überdachte Gänge an den Wänden baute. In den letzten Tagen unseres Aufenthaltes in Keffii wurde uns eine kleine Ueberraschung zu Theil. Eines Morgens erschien der Scharfrichter, der hier, wie auch später in Zaria und Kano, sich unserer freundschaftlich annahm, und lud uns ein, einer Hinrichtung und Handabschneidung beizuwohnen ! Er schien etwas verwundert, als wir dankend ablehnten, das interressante Schauspiel anzusehen. Unsere Diener gingen hin, und ihre Schilderungen belehrten uns, dass wir einem für uns widerlichen Anblick aus dem Wege gegangen waren. Da es keine Gefängnisse in jenen Ländern giebt, und Geldstrafen mangels Geldes nicht immer ausführbar sind, so werden strafwürdige Vergehen, wenn sie entdeckt werden, durch körperliche Züchtigung, Verstümmelung oder Hinrichtung bestraft. In einem noch so unsicheren Lande muss die uns oft schwer erscheinende Bestrafung mit anderen Augen angesehen werden, als bei uns. Man braucht nicht das Volk “teuflischer Rohheit ” zu beschuldigen, wenn man hört und sieht, dass schwerer Diebstahl mit Handabschlagung bestraft wird, zumal wenn man weiss, dass dies nicht Landessitte, sondern Vorschrift des Koran ist, der es aber auch nicht etwa aus besonderer Grausamkeit einführte, sondern bereits allgemein vorhandenen (ebräuchen entnahm. Am 3. September konnten wir endlich Keffi wieder verlassen, nachdem wir dem uns sehr freundlich gesinnten “ Barde,” einem der einflussreichsten Männer beim Sultan, herzliches Lebewohl gesagt hatten. Die letzten Stunden in Kefli wurden uns noch dadurch verbittert, dass Dan Tambari, der uns als Freund und Rathgeber mitgegeben war, durch die Unterschlagung eines Geschenkes für unsern Wirth uns beinahe in ernstliche Verlegenheit gebracht hätte. Wir schenkten dem leicht- fertigen Madugu hinfort kein Vertrauen mehr, mussten uns aber noch oft über ihn ärgern. Er war übrigens weit entfernt ‘“ Als Pionier Für Deutsch Panier ” + zu wirken, denn von all dem Wunderbaren, das er in Europa gesehen, hatte er meist nur nebensächliche Dinge zu berichten, und er gefiel sich vielmehr darin, * Titel für jede Art von Herrscher, vom “ Sariki-n-Musulmin,” dem “ Beherrscher der Gläubigen” in Sokoto bis zum Dorfoberhaupte herab. Sultan wird nur für Beherrscher von Provinzen und Staaten- verbänden gebraucht. T Flegel, Zose Blätter, S. 3 (Motto), (27) seinen Landsleuten Anekdoten und Glossen aufzutischen, als ihnen von der Macht und Grösse Deutschlands und von den Wundern europäischer Industrie vernünftige Schilderungen zu machen. Bisher hatten wir geographisch bekannte Gegenden durchzogen. Der Weg von Loko bis Keffi war schon 1881 von Flegel und später von mehreren Engländern begangen worden, und seit unserer Reise sind auf demselben wieder Zweifel, Robinson und Andere, ganz oder theilweise gezogen. Von den Mauern von Keffi an führte der Weg durch ganz unbekanntes Terrain. Die Rohlfssche Route von 1867, die ja nicht nach Zaria, sondern nach Yakoba führte, liegt bedeutend östlicher. Mehrere der von uns in den folgenden Wochen entdeekten Orte waren dem Namen nach auf einem von Rohlfs erkundeten Itinerar verzeichnet. Es sind dies : Gitäta und Kashia, während Rohlfs’ Kätulu wohl unser Katill, Rohlfs’ Funda vielleicht unser Panda sein könnte. Späterhin fällt die Strecke Igabi-Zaria mit der von Baikie (1862) zusammen, während der ganze Weg von Zaria bis Sokotö wieder ganz neu war. Diese letztere Strecke ist auch seither (bis 1901) nicht wieder von Europäern gesehen worden. Auf derselben besuchten wir etwa 36 ummanerte Städte und eine kleine Anzahl offener Dörfer, die zum Theil nur temporär sein mögen. Wir stiegen fortwährend an, bei Katill den höchsten Punkt—nach unserer Messung etwa 780 Meter, nach Robinson 2530 engl. Fuss—erreichend, von wo wir allmälig abstiegen, bis wir bei Gandu wieder auf + 150 Meter herabkamen. Kaum zwei Kilometer vom nördlichen Thore von Keffi überschritten wir wieder den Kogi-n-Anassarawa, der hier von Ost nach West fliesst. Die Träger machten schon in Agiräh, einem offenen Dorfe, nur wenige Meilen von Keffi halt, was mir diesmal ganz gelegen kam, da mein Reisegefährte einen schweren Fieberanfall hatte. Der nächste Marsch war ebenfalls kurz. Er führte durch bergiges, wald- reiches Gelände, in dem wir viele Perlhühner, kleine Antilopen, bunte Papageien- schaaren und in der Sonne prachtvoll glänzende Glanzstaare bemerkten, zum ummauerten Städtehen Balongüru. Dieser Ort wurde grossentheils von reinen Fulbe bewohnt, die durch das längere, glatte, in Zöpfe geflochtene Haar, hellere Haut und auch allerlei Gewohnheiten sehr von den Haussa abweichen, aber sich häufig genug mit ihnen vermischen. Die Gegend war herrlich, zur Rechten zogen sich grüne Hügel hin, halblinks sah man einen bedeutenden Höhenzug mit mehreren Gipfeln. Die Bevölkerung soll hier häufig von Einfällen räuberischer Stämme zu leiden haben, die Träger blieben daher mehr geschlossen zusammen und hielten ihre Waffen, theils Pfeil und Bogen, theils kurze Speere oder kurze Keulen, bereit. Wir saben uns dadurch veranlasst auch unsere Büchsen— wie gewöhnlich— zur Hand zu behalten und unsere kleine schiessfühige Macht, nämlich den “ Koch” und die drei Küstenneger mit Patronen zu versehen, während Igalla ein altes preussisches Füsilier-Seitengewehr erhielt, das zum Grasschneiden für die Pferde, und im Nothfalle zur Vertheidigung dienen sollte. Obgleich wir weder hier noch später wirklich angegriffen wurden, waren diese Vorsichtsmassregeln vielleicht doch sehr nützlich. Aın 4. September erreichten wir einen etwa 400 Meter hoch aus der Ebene emporragenden, steilen Granitberg, auf dessen Höhe das kleine Dorf Gitäta lag. Der Aufstieg zu demselben war sehr steil, und es ist mir ein Räthsel, warum die Träger ihn für nöthig hielten. Es scheint aber, als sei dies so Sitte, denn auf nnserem Rückwege wurden wir nur durch die Unliebenswürdigkeit der (28) Bewohner davon abgehalten, und Robinson (Hausaland, p. 66) musste auch hinauf klettern, ohne oben ein Haus zu erhalten. Uns wurde anfangs eine Wohnung verweigert, aber auf Wunsch eines im Thale lagernden, vielleicht auf Sklavenraub erpichten Prinzen aus Zaria, wurde uns eine Hütte überlassen, in der wir mit Mühe unsre Lasten und uns selbst unterbringen konnten. Fleisch war nicht zu haben wir schossen daher einige kleine Palmtäubchen ( Turtur senegalensis), und bekamen so, mit Reis und gerösteten Grundnüssen, ein ganz angenehmes Abendessen. Die Nacht war fürchterlich, es wetterte und goss fast so lange es dunkel war. Der Morgen war der kälteste, den wir bisher in Afrika erlebt hatten, dichter Nebel hüllte die Berge ein. Die Dorfbewohner waren theilnahmslos bis zur Unfreund- lichkeit, unsere Leute, die zum Theil keine Unterkunft gefunden hatten, froren und murrten, und erklärten, bei dem am Morgen wieder beginnenden Regen nicht marschieren zu können, worüber es zwischen den Küstennegern und einigen Trägern und Dorfbewohnern zu einer Schlägerei kam, die wir noch zur rechten Zeit, ehe mehr Schaden als eine Kopfbenle und eine blutige Lippe angerichtet war, schlichten konnten. Die Einwohner von Gitäta sind Heiden, scheinen aber die Haussa-Sprache zu sprechen. So viel wir erfahren konnten gehören sie dem Stamme der Yesko an, die vielleicht mit den Haussas zu einem Volke gehören und möglicherweise nichts als heidnisch gebliebene Haussas sind. Sie unterscheiden sich äusserlich nieht auffallend von den letzteren. Ihre Todten begraben sie im Walde und setzen ihnen kleine Grabsteine, die ich zahlreich im Thale fand. Robinson beobachtete eine eigenthümliche Scene in Gitäta. Kurz vor Dunkelwerden näherte sich ihm, als er unter dem grossen Eriodendron in der Mitte des Dorfes mit der Karawane lagerte, ein kreischender Trapp Männer, der einen etwa fünf Meter langen Balken mit einer Glocke trug und mehrere lebende Geier mit sich führte. Diese Geier wurden unter fürchterlichem Gejohle vor seinen Augen mit zur Schau getragener furchtbarer Wildheit zerhackt. Robinson war nicht im Stande, den Sinn dieser Zeremonie zu ergründen, die er für einen religiösen Akt hält. Als der Regen aufhörte und die Sonne erwärmend durch die Wolken brach, konnten wir endlich weiter ziehen und waren um neun Uhr im Thale. Wir durchzogen ein auf beiden Seiten von Hügelketten eingerahmtes Thal, mit nicht sehr hohem, grünen Grase und einzeln stehenden Büschen, Mimosen und Fächer- palmen, einigen spärlich bewachsenen, grandiosen Granitkegeln und mehreren Walddiekiehten. Wir überschritten eine Anzahl kleiner Rinnsale und Bäche. Die (Gegend ist augenscheinlich ein wahres Paradies für einen Zoologen. Vögel aller Arten, von dem grossen am Boden herum spazierenden Nashornvogel, Kronen- kranichen, Geiern und Adlern, Krähen, Staaren, blauen Bananenfressern bis zum unscheinbaren Grasschlüpfer (Cisticola) zeigten sich auf Schritt und Tritt, von Schmetterlingen aber bemerkten wir auffallender Weise fast nichts. Unsere Leute wurden wieder in Furcht gesetzt durch das Gerücht, dass das Thal fast stets von den feindlichen Abutji durchstreift würde, und die Träger vergifteten ihre Pfeile mit einem Pflanzensaft, in den sie angeblich auch Schlangen- köpfe geworfen hatten. Für uns hatten diese Angriffsgerüchte das Angenehme, dass die Leute zusammenblieben und besser marschierten. Erst gegen Abend kamen wir in einen Wald, in dem unser heutiges Ziel, das von einem tiefen Graben und einer dicken Erdmaner umgebene Dorf Sanzarä leigt. Für unsere Pferde musste erst eine Brücke über den Graben gebaut werden. Die Bewohner von Sanzarä schienen grösstentheils Heiden, zum Theil aber schon Mohamedaner zu sein, und waren sehr freundlich. In allen Häusern standen etwa vier Fuss hohe Schilde ans (29) Ochsenbaut, mit hölzernen Rahmen, die wohl weniger zur Feldschlacht, als zur Vertheidigung der Häuser und des Dorfes bestimmt sind. Am nächsten Tage marschierten wir nur zwei Stunden lang, denn im Städtchen Panda machten die Leute plötzlich Halt und wollten nicht weiter. Ihre Entschuldigungen waren sinnlos —der wahre Grund war, dass der Markt gut besetzt war und man gerade einen Ochsen schlachtete, und dass Panda den Ruf hat, schöne Mädchen zu besitzen, wovon wir freilich diesmal nichts bemerkten. Es fiel mir auf, dass viele Frauen um den kurz geschorenen Kopf einen Ring aus Zeug trugen, was ihnen ein merkwürdig dummes Ansehen verleiht. Etwa eine Meile nördlich von Panda begannen wir ein Gebirge zu ersteigen, dass ich nach dem es bewohnenden heidnischen Stamme das Korro-Gebirge taufte. Gegen 11 Uhr überschritten wir den höchsten Punkt dieses ersten Höhen- zuges in der Nähe des Dorfes Kaussam, von wo der Weg sich nur ganz unbedeutend bis zu unserem Nachtquartier unterhalb des Ortes Kukui hinabzog. Die Gegend zeigt meist nur niedrigen Buschwald. Bei Kaussam zeigte das Aneroid 704, unser Lagerplatz bei Kukui ist nach unserer Kochpunktaufnahme 600 Meter hoch, aber der im Osten liegende Fels Tshikna und andere ziemlich kahle, steile Kuppen dürften noch mindestens 400 Meter höher sein. Die Bewohner dieser Gegenden sind die heidnischen Korro. Sie weichen erheblich von des Yesko ab durch dickere Lippen, dünnere Beine mit schwachen Schienbeinen, und ganz auffallende Ent- wickelung des Gesässes bei den Frauen. Letztere tragen häufig eine Art von Lendenschurz, gehen aber in der Regel völlig unbekleidet. Um die Hüften haben sie ein dünnes Band, an das sie beim Arbeiten im Felde, nicht aber im Dorfe, augenscheinlich nieht aus Anstandsrücksichten, sondern zum Schutze, vielleicht gegen irgendwelche Insekten, vorn und hinten, oder aber nur hinten, ein Grasbüschel hängen. Bei Kukui trugen manche ausserdem noch ein ganz merkwürdiges brillenartiges “ Kleidungsstück,” nämlich zwei an einer Schnur befestigte rundliche Lappen, die auf die beiden Gesässbacken befestigt werden, indem die Schnur zwischen den Beinen durch um die Oberschenkel gebunden wird. Durch einen Korro Namens Yato aus Kukui, der uns besonders zugethan war, erhielten wir auf der Rückreise einen solchen Gegenstand, den er heimlich seiner Tochter entwendet hatte, und der jetzt im Museum für Völkerkunde in Berlin aufbewahrt wird. Wir übernachteten in einer eben zum Schlafen von zwei Personen genügend geräumigen Grashütte, die so niedrig war, dass wir kaum aufrecht darin sitzen konnten. Die lustig flackernden Lagerfeuer machten unser Bivouak recht malerisch, gegen Morgen wurden wir aber durch kleine gelbe Ameisen und einen unangenehmen, dem thaudurchfeuchteten Boden entsteigenden Geruch belästigt. Der folgende Tagemarsch führte auf langsam ansteigenden, rauhen Felsenpfaden weiter gen Norden. Das vorwiegende Gestein schien Granit zu sein, hier und da sah man Quarz mit Glimmer, und mehrfach fanden wir schwarze Turmaline. Alle Ortschaften liegen auf hohen Felsenkuppen, für Feinde ohne Geschütz völlig un- einnehmbar, oder in den Wäldern meisterlich versteckt, vor plötzlichem Angriff gesichert und die bergende Deckung ringsumher. So war auch unser diesmaliges Nachtquartier, das aus zwei Theilen von je etwa 20 und 30 Hütten bestehende Dorf Aribi beschaffen. Der umgebende Urwald hallte bis in die Nacht hinein wieder von einer Unzahl von Thierstimmen, theils offenbar von Insekten (Cicaden), theils von Laubfröschen, Vögeln und Säugethieren herrührend, aber uns zum grössten Theile unbekannt. Ein Gewitter mit furchtbarem Niederschlag brachte das interessante Concert zum Schweigen. Da Europäer noch nie in den Korro-Bergen (30) gesehen worden waren, war die Bevölkerung sehr neugierig, aber nur die auffallend hässlichen, ganz nackten, meist sehr diekbäuchigen Frauen belästigten uns etwas, während die Männer zurückhaltend waren und unser Hauswirth sich so vor uns fürchtete, dass er am ganzen Körper zitterte, als er uns begrüssen sollte. Bei den Frauen sahen wir hier wiederholt in den dicken Ober- und Unterlippen tief eingelassene, runde, tellerförmige Holzplatten, seltener solche aus Messing oder einen halbkugelförmigen Glasschmuck. In einem der Nasenflügel hatten sie oft ein längliches Korallenstück. Die Bauart von Aribi und anderen Korro-Orten war sehr eigenartig, indem immer mehrere Häuser durch Steinmauern verbunden eine Art kleiner Festung bildeten. Auf freien Plätzen in den Dörfern pflegen bunt aufgeputzte, menschen- ähnliche Götzen zu stehen, vor denen aber die Heiden hier wenig Respekt zu haben schienen. Die Art wie sie den bunten Perlenschmuck ordneten, und die Wand- SCHWARZ: UND WEISS. SCHWARZ UND WEISS. na FI 2 za g- IS Eu -.- En ....— 2 2 A Var N \ % VER 7, m m vrarzrale verzierungen mehrerer Häuser verriethen einigen Farbensinn. Die auffallendste und schönste Malerei, aus schwarz, weiss und roth bestehend, ist die obenstehend genau wiedergegebene, die den grössten Theil einer runden Hauswand bedeckte. (w = weiss, r = roth.) Am 9 September überschritten wir auf einer schankelnden Hängebrücke, die zweischen zwei Bäumen aus den grossen Blattrippen von Palmen, Lianen und dünnen Stämmen hergestellt war, den 50 bis 100 Meter breiten, mit stürkem Gefälle im ganzen ost-westlich fliessenden Gnrara, den ersten Strom der unseres Wissens nicht mehr dem Benuö, sondern dem Niger zu strömt. Wir hatten somit eine möglicher Weise in zoogeographischer Hinsicht nicht unwichtige Wasserscheide überschritten. In der That bemerkte ich zahlreiche Vogelarten erst nördlich des Korro-Gebirges, so z. B. trat die grosse flügelfleckige Taube Stietoenas guinea, deren Gegenwart man leicht bemerkt, gleich nördlich des Gurara auf, Haubeulerchen (Galerida eristata senegalensis), Rothkopfwürger (Lanius senator), mehrere Geier, mehrere Merops Arten, Nauelerus, und eine Anzahl von europäischen Wandervögeln bemerkte ich nur weiter nördlich. Ob die Wasserscheide zwischen dem Gurara und den dem Benuö zuströmenden Gewässern, oder der höchste Theil der Berge, bei Katill, die kleine Faunenscheide bildet, wissen wir nicht, ich glaube indessen, dass es mehr der ganze Bergzug ist, und dass sie nicht linienscharf gezogen werden kann. Eine zoologische Erforschung dieser Gebiete würde ohne Zweifel viele andere wichtige Thatsachen ergeben, während die Verbreitung einiger A N aa w< (31) der oben genannten Vögel, obwohl auffallend, doch vielleicht keinen zoogeograph- ischen Werth hat, sondern auf Bodenbeschaffenheit, Umgebung oder sonstige rein ‚örtliche Ursachen zurückzuführen sein dürfte. Am Nachmittage blieben wir in dem schon wieder von Mohamedanern bewohnten Dorfe Ringam Fillani, und am folgenden Tage erreichten wir den freundlichen, nicht ummauerten Ort Kashia. Unterwegs begegneten wir einer nach Keffi ziehen- den Karawane, die viele Schafe mit sich führte, und von einem Madugu Namens Jusuffa geführt wurde. Dieser erzählte uns, dass eine englische Gesandtschaft in Sokoto gewesen sei, ohne aber vom Sultan Land oder besondere Rechte erhalten zu haben. Er, Jusuffu, habe aber ein Schreiben mit sich, das er in Keffi den dort versammelten Engländern, Franzosen und Deutschen vorlesen sollte, und dass wir am besten mit ihm umkehren würden. Die Erzählungen dieses Jusuffu machten uns von vornherein nicht den Eindruck der Wahrheit. Wir schlugen sein Begehren rund ab und zogen unserer Wege, aber in Kashia stellte er sich wieder ein, und begann seine Lügen von Neuem. Er behauptete nun, der Sultan von Zaria wünsche uns nicht zu sehen, und der von Sokoto hätte sogar gedroht, dem Madugu, der uns etwa hinbrächte, den Kopf abzuschlagen. Hierdurch wurde nicht allein Dan Tambari in Schrecken gesetzt, sondern auch ein Theil der Träger weigerte den Weitermarsch, ehe wir Erlaubniss zum Einzuge in Zaria erhielten, während ein anderer Theil derselben bereit war, mit uns durch Dick und Dünn zu gehen. Da der Häuptling von Kashia, bei dem sich ein ihn völlig beherrschender Eunuch, Sklave des Sultans von Zaria, befand, uns in keiner Weise helfen wollte und konnte, und wir ihm nicht die Hälfte unseres Bigenthums anvertrauen konnten, da er sehr habgierig war, so entschlossen wir uns Dan Tambari nach Zaria zu senden, um unseren Besuch anzukündigen, und hier zu rasten, bis wir Nachricht hätten, wie man uns dort aufnehmen würde.* Kashia war damals ein blühender, von Haussas bewohnter Farmort, um den sich mehrere Trupps von Fulbehirten mit grossen Viehheerden gelagert hatten. Der Ort liegt in der Gabel zweier Ströme, ringsum ist Grasland, ohne Wald. Trotzdem wir hier reichlich Zeit hatten, war ich auch hier nicht im Stande in zoologischer Hinsicht viel zu leisten. Die Hälfte der Zeit war ich fieberkrank, und wenn ich gesund war, lag Staudinger meistens krank. Jeden Nachmittag, stets um dieselbe Zeit, gingen Tag für Tag schwere Gewitter nieder, und die waldlose Gegend war für ornithologisches Sammeln nicht günstig. Die prachtvollen Kronenkraniche waren häufig, an den Ufern der Ströme fand sich noch Galachrysia ceinerea, Hoplopterus spinosus, sowie unsere heimischen Tringoides hypoleucus, Totanus cadidris und Tringa minuta. An den Spitzen der Gräser hingen ausser- ordentlich viele Käfer, besonders aber zu vielen Hunderten verschiedene gelbe schwarzumsäumte Cetoniden-Arten, eine schwarze und eine orangegelbe, schwarz- gefleckte Art, dieich u Anzahl am Ufer des Shalıö, eines Nebenflusses des Gurara entdeckte. Am nächsten Tage litt ich am Fieber, aber Staudinger, dem ich sagte, wo ich die schöne Art gefunden hatte, machte reiche Beute, während ich am * Staudinger (p. 177) glaubte die uns hier bereiteten Schwierigkeiten auf Veranlassung einiger Beamten der englischen Gesellschaft zurückführen zu können, eine Ansicht, die ich durchaus nicht theilen kann. Offenbar kam Jusuffu von Norden her, wo man kaum von unserer Ankunft wissen konnte, am auffallendsten aber ist, dass Robinson 10 Jahre später in Kashia ähnlichen Aufenthalt hatte. Er fand den “ König,” den habsüchtigsten auf der ganzen Reise, und er wurde unter allerlei Vorspiegelungen aufgehalten, um später ohne Schwierigkeiten Zaria zu erreichen. Ueberhaupt versuchten Träger wie Herrscher an vielen Orten mit ihm genau dieselben Erpressungen und Weitläufigkeiten, mit denen sie uns, wenn auch meist mit geringem oder ohne Erfolg, belästigt hatten, 2) folgenden Tage wieder viele fiug. Staudingers Vater sandte die letztere Cetonide an den Cetoniden-Kundigen Dr. Kraatz, der sie Simorrhina staudingeri taufte. Unser Distelfalter, Vanessa cardui, flog über die Grassteppe hin. Auffallender Weise fanden wir grosse Schwierigkeiten Nahrungsmittel zu kaufen, denn es fehlte SS IN NYWER77 SRNTLLLNLL RN z : < a N 2 u, Mi IN R & SS en z E = = on = SS = en z N S 5 im 5 IN o z w [7] [7] w = w cA.60mM. & & = oO Ss > N be 5 rz S ud Huceı 77 FR mt, Ba M ZN y ‚ LACE von KashHiıa. uns an Kleingeld! Kaurimuscheln hatten wir nicht, und für unsere Zeuge war keine Nachfrage, oder sie wurden unter ihrem Werthe bezahlt. In die Zeit unseres Aufenthaltes fiel ein grosses Fest, zu dem wir unseren Trägern ein Rind schenkten. Für unsere durch die schweren arabischen Sättel scheusslich durchgerittenen Pferde war der lange Aufenthalt ein Glück, aber wir bedauerten sehr, sie im Regen stehen (33 ) lassen zu müssen, und nur selten etwas Sorghum für sie kaufen zu können, sodass sie sich meist nur von Gras nähren mussten. Die Bevölkerung von Kashia war übrigens sehr zudringlich. Interessant waren uns die Besuche der Fulbehirten. Es waren wildblickende Burschen mit hellen Gesichtern, Pfeil und Bogen in der Hand, mit einem leichten Sudanhemde, nicht mit den kostbaren, schweren Haussa- toben bekleidet, schlanke, oft reizende Mädchen mit scharfen, edlen Zügen und helleuchtenden Augen, reichlich mit Messingschmuck behangen, und alte, überaus magere, hexenartige Weiber. Am 21. September erhielten wir die förmliche Erlaubniss nach Zaria zu kommen, und konnten am folgenden Tage aufbrechen. Der Tagemarsch war ein sehr langer. Wir überschritten bald den höchsten Punkt den wir auf der ganzen Reise betraten, denn bei dem Dorfe Katill massen wir 780 Meter. Robinson mass diesen Punkt ebenfalls als den höchsten zwischen Kano und dem Benu&, mit 2530 Fuss (engl.). Erst um 5 Uhr Nachmittags erreichten wir Aduma, ein kleines von Kadarra- Heiden bewohntes Dorf. Auch hier gingen die Frauen ganz nackt, trugen aber im Freien vorn und hinten Blätter- oder Grasbüschel in der oben beschriebenen Art und Weise. Einen Unterschied zwischen den Kadarra und Korro bemerkten wir nicht. Wir sahen hier zuerst in der Sonne gedörrtes Hammelfleisch. Eine ganze gedörrte Hammelkeule, die uns vom Dorfoberhaupte geschenkt wurde, konnten wir ihres üblen Geruches wegen nicht essen, sie war aber den Trägern sehr willkommen. Am 23° erreichten wir gegen zwei Uhr das kleine Bergnest Akoro am Kaduna, einem Nebenflusse des Niger, der hier fast 200 Meter breit ist, und wild zwischen Felsen hinbraust. Am anderen Morgen überschritten wir den Fluss auf Flössen, die von der Schwere der Lasten, welche auf einem erhöhten Gerüste lagen, ins Wasser hinabgedrückt und von den schwimmenden Trägern geleitet wurden. Der ganze Uebergang dauerte volle fünf Stunden. Auf unbequemen felsigen Pfaden, die durch den häufigen Regen sehr schlüpferig geworden waren, zogen wir durch busch- und waldreiches Gelände mit reichem Vogelleben nach dem von Dawa-Feldern umgehenen Dorfe Gidan Angarba oder Libere. Hier begrüsste uns ein Bote aus Zaria, der uns im Namen seines Gebieters willkommen hiess, und auf dem Wege nach Zaria für uns sorgte. Der folgende Tag war wieder regnerisch. Der lichte Busch war auffallend reich an Vögeln und Insekten. Die eigenthümlich klappernde Lerche (Mirafra buckleyi) belebte den offenen Buschwald, aus einer Mimose erklang ein wundervoller, an einen kräftigen Nachtigallenschlag erinnernder Gesang, der vermuthlich von einem ZLaniarius herrührte, die brennend rothen Feuerweber waren häufig, Milane, Bienenfresser und Schwalben schwebten in der Luft. Käfer, namentlich Cetoniden und Longicornier hingen zahlreich am Grase, und von Schmetterlingen bemerkten wir eine grosse Charasxes-Art und einen langgeschwänzten Papilio. Am Vormittage hatten wir einen übelriechenden, langen Sumpf zu durchreiten, in dem mein Pferd zweimal ausglitt. Das arme Thier war so schwach, dass ich trotz meines Fiebers streckenweise gehen musste. Gegen Mittag blickten wir von einer Höhe in ein ausgedehntes, mit zahlreichen Fächerpalmen (Borassus fabelli- jormis L., “ ginginya” der Haussas *) geschmücktes Thal hinab, in dem die grosse, ummauerte Stadt Gilku (Robinson’s “ Gierko ”), auf dem jenseitigen Ufer eines bedeutenden Stromes, der zum Kaduna fliessen soll, liest. Diesmal fuhren wir zur Abwechselung in Kanus hinüber. Am nächsten Tage zogen wir bis Ribako, * In Nordost-Afrika Dum- oder Dompalmen. Dieser Name rührt nicht, wie Staudinger meint, von der säulenartigen Gestalt mit der schönen Krone her, sondern ist ein arabisches (oder fellachisches) Woıt. D} (34 ) oder Libako,* ebenfalls einer grossen ummauerten Stadt, dann passierten wir den festen Ort Rikoka (auch Likoka genannt), die grosse Stadt Igabe, das Dorf Birni-n- Danutshi und erreichten endlich am 29. September das grosse Zaria. Zwischen Rikoka und Igabi trafen wir wieder auf einen grossen Strom, Shicka mit Namen (Robinson schreibt Shika), zwischen Igab@ und Birnin Dautshi war das Terrain sehr sumpfig. Der südlich von Gilku strömende Fluss wurde uns als “ Luafi oder Kaduna” bezeichnet, also mit demselben Namen wie der Fluss bei Akoro. Auch Robinson nennt den Strom bei Gilku den Kaduna und fügt hinzu, dass er bis Gilku vom Niger aus während 4 Monaten mit beladenen Booten befahren werden kann. “ Lifun” und Kaduna werden schon von Rohlfs als synonym bezeich- net, der aber auch den südlichen Strom so nennt. Jedenfalls vereinigen sich die beiden Ströme und münden vereint oberhalb Egga in den Niger. Wir machten auf einem Hügel Halt von dem man die gewaltige, durch die zahlreichen über das Häusermeer emporragenden Kronen der Melonenbäume, Dattel-, Oel- und Fächerpalmen aus der Ferne einem Walde gleichende Stadt Zaria über- blickte. Der Sultan war uns bishierher mit 100 Reitern entgegengeritten, aber nach mehrstündigem Warten wieder heimgekehrt, als die Sonne zu heiss hernieder- brannte Es war dies wohl nicht nur Neugier, wie Staudinger meint, sondern es war damit wie ich verstand, eine Ehrung seiner Gäste beabsichtigt. Es war der in allen mohamedanischen und vielen anderen orientalischen Ländern übliche “ Istikbäl,” das Entgegenkommen, um einen Gast oder Besucher zu grüssen, bald nur in einem kurzen Schritte, bald im meilenweiten Anmarschieren mit Truppen und zu Pferde bestehend. Statt seiner selbst hatte der Herrscher uns nun eine Reiterschaar mit Trommlern und Paukenschlägern entgegengesandt, deren Ankunft wir an dem Hügel erwarten sollten. Die Träger nahmen in einem kleinen Bache ein Bad, viele entnahmen ihrem ausser unseren Lasten noch mitgeführten Bündel reine Kleider, und dann ordneten sie sich in eine lange Reihe, an deren Spitze wir uns setzten. So zogen wir denn in stattlichem Zuge in Zaria ein. Der dabei voll- führte Lärm war unbeschreiblich. Die Trommler und Paukenschläger bearbeiteten ihre Instrumente mit förmlicher Wuth, wobei einige noch riefen und sangen, die Träger stimmten improvisierte Lobgesänge, theils auf uns, theils auf die Stadt Zaria an, und fast die ganze Jugend und viele grosse Leute begleiteten und folgten uns rufend, johlend, kreischend, wobei die Mädchen namentlich das auch im ganzen Orient nur zu bekannte “lullilooing” hören liessen, d. h. ein unbeschreiblich gellendes, im höchsten Diskant ausgestossenes, tremulierendes Schreien. Alt und Jung kam aus den Häusern, um die Ursache des Lärms zu erfahren, und manche Frau eilte erschreckt wieder davon, als sie zwei weisse Männer in sonderbarem, nach mohamedanischen Begriffen unanständigen, eng anliegenden Kostüm sah, denn die Erinnerung an den letzten Besuch von Europäern in Zaria, die auch wohl weniger aufgefallen waren, da sie arabische Kleidung trugen, war bei der Bevölkerung augenscheinlich nicht mehr vorhanden. Der Sariki-n-makira, d.h. der Oberste der Schmiede, einer der wohlhabendsten Leute der Stadt, war beauftragt worden, uns zu beherbergen, aber das uns zuerst angewiesene Quartier, in das wir erst hineinkonnten, nachdem die uns umringende Menschenmenge mit Stockschlägen von einigen Reitern vertrieben worden war, behagte uns nicht, wir bekamen aber nach einigem Warten ein freieres, luftigeres Gehöft. Das Gastgeschenk unseres Wirthes bestand aus 2 Schafen, einem riesigen schwarzen Puter, etwa 30 Perlhuhneiern, einer grossen Furrahkugel, einer Schüssel * Robinson nennt Ribako ein Dorf, was es 1855 nicht war, ( 35 ) Reis, einer Schüssel Milch, einer Frucht des Melonenbaumes, und einer Menge Sorghum für die Pferde. Bald nachher sandte der Sariki-n-Fada, d. h. der Oberste des Rathes ein Schaf und eine Menge Reis, und Abends kamen wieder zwei grosse Schüsseln gekochten Mehlbreis mit Sauce. So war denn also vorläufig für unsern Unterhalt gesorgt. In Zaria wurden wir von dem Sultan mit grosser Freundlichkeit empfangen, und unsere Geschenke, obwohl sie in Anbetracht der Bedeutung des Herrschers kaum im Verhältniss zu den in Kefii und Anassarawa sesebenen standen, wurden gern und zufrieden angenommen. Der Sultan und sein Galadima, d.h. eigentlich Schwertträger, Titel eines der Minister in allen Haussa-Residenzen, sandten uns je einen grossen weissen Ochsen. Zu den Beamten standen wir in sehr gutem Verhältnisse, namentlich fanden wir in dem Sariki-n-fada einen intelligenten, und ausserdem bildschönen Mann. Leider wurde der angenehme Eindruck der ersten Tage in Zaria bald verwischt, denn wir fanden den schönen Sariki-n-fada, sowie unsere anderen Freunde unglaublich energielos, und unseren liebenswürdigen Wirth einen gierigen, habsüchtigen, wenn auch nicht geradezu schlechten Mann. Der Sultan, obwohl ganz mit unserem Plane, nach Sokoto zu gehen, einver- standen, rieth uns dringend ab, die Reise allein zu unternehmen, und wünschte, dass wir ihn begleiten sollten, wenn er mit Truppenmacht nach Sokoto zöge, um dem Herrscher den jährlichen Tribut zu zahlen. Unser alter Trägerführer, der anfangs mit einer kleinen Schaar von Leuten bereit war, mit uns überall hinzugehen, verliess plötzlich Zaria, und die übrigen Träger wurden durch die übertriebenen Schilderungen angeblicher Gefahren auf dem Wege nach Sokoto so ängstlich gemacht, dass sie nicht mitgehen wollten, auch schien es ihnen unan- genehm zu sein, gegen die Wünsche des Sultan’s und des Sariki-n-fada zu handeln. So blieb uns nichts übrig, als zu warten. Die Stadt Zaria, oder Zozo, Residenz des Statthalters der gleichnamigen Provinz, ist schon von älteren Reisenden, und neuestens von Robinson beschrieben, am besten und wie mir scheint am treffendsten, aber von Staudinger, der unseren langen Aufenthalt sehr ausführlich geschildert. Da ich diesen Schilderungen nichts hinzufügen kann, darf ich mich darüber sehr kurz fassen. Zaria nimmt einen ungeheueren Flächenraum ein. Robinson schätzt die hohe, aber an manchen Stellen zu unserer Zeit schon sehr schadhafte, jetzt aber anscheinend noch mehr verfallene Umfassungsmauer auf zehn englische Meilen, was gewiss eher unterschätzt als überschätzt sein dürfte. Die Einwohnerzahl wird von Staudinger nach allgemeinen Eindrücken auf 40 bis 50,000 geschätzt, während Robinson, zehn Jahre später, 25 bis 30,000 angiebt. Beide Angaben machen keinen Anspruch auf Genauigkeit, doch dürfte die Einwohnerzähl eher ab, als zugenommen haben. Nur die Hälfte des von der Ringmauer umschlossenen Areals ist mit Gehöften bedeckt, deren jedes in der Regel aus mehreren, von einer Erdmauer umgebenen Hütten besteht ; die andere Hälfte besteht aus Feldern, uud zahlreiche Gehöfte waren 1885 und ’86 verlassen und verfallen. Die Häuser sind meist runde Hütten, mit den Stengeln der Dawa und mit langem Grase gut gedeckt. Das einzige Ameublement besteht in der Regel aus einem an der Wand befestigten Lehmsopha, das häufig durch ein darunter in einem ofenähnliechen Loche ange- brachtes Feuer erwärmt wird. Dieser Luxus ist im Haussalande weit verbreitet, wurde von uns aber auf das energischste abgewiesen, denn nicht nur war die Temperatur uns auch ohne Feuer hoch genug, sondern wir hassten namentlich auch den die Hütte erfüllenden Rauch, da ein Abzug nach aussen nicht zu existieren (36 ) pflegt. Im Palaste des Sultans, der hoch, nach arabischer Art gebaut ist, befinden sich prächtige Räume, aber für den Europäer ist das in den meisten derselben, wie auch in Kano, herrschende Halbdunkel nicht angenehm, und es fehlt uns an frischer Luft. Eine Moschee mit Minaret, wie Ulapperton sie beschreibt, gab es nicht mehr, die Moschee hatte aber ein grosses, gewölbtes Kuppeldach, das den hiesigen’ Baumeistern unsägliche Mühe machen muss. Unser Freund Massaül besass ein hohes zweistöckiges Haus. Der Markt war reich besucht, und obwohl er eigentlich von Tagesanbrach bis Sonnenuntergang dauert, ist er doch nur in den heissesten Mittagsstunden lebhaft, eine in allen grösseren Haussastädten übliche Sitte, die alle Fremden überraschte, da man in Europa das Gegentheil anzunehmen scheint. Unser Aufenthalt in Zaria war weniger angenehm, als er unter anderen Umständen hätte sein können. Der dringende Wunsch, die übernommene Aufgabe bald zu erledigen, liess uns nicht zur Ruhe kommen, und die Verhandlungen mit den Trägerführern, dem Sariki-n-fada und anderen Beamten nahmen viel Zeit in Anspruch. Dazu kam, dass wir beide mehrfach fieberkrank waren, und ich litt ausserdem noch an einem äusserst schmerzhaften, langwierigen Zahngeschwür. Dass wir nicht immer gesund waren, war vielleicht nicht zu verwundern, denn die sanitären Verhältnisse der Haussa-Städte sind sehr traurig. Inmitten der meisten derselben befinden sich grosse Teiche, oft mehr Sümpfe, und so lag auch ganz in unserer Nähe ein solches Gewässer, aus dem auch unser schönes, klares Wasser eine Zeit lang geholt wurde, bis wir zu unserm Entsetzen fanden, dass man todte Pferde und anderen Unrath in diesen Sumpf warf! Die Todten werden ebenfalls in den Höfen begraben, sodass man sich fast in jedem Gehöft auf einem Kirchhofe befindet. Die Leichname werden nicht einmal sehr tief vergraben, was wir auf folgende Art bemerkten. Ueberall wo wir nicht, wie in Keffi, Sokoto und Kano, Abtritte vorfanden, liessen wir, wenn wir längere Zeit uns am Orte aufhielten, Latrinen graben, wobei unsere Leute wiederholt auf ziemlich frische Gerippe stiessen. Von Besuchern wurden wir oft ungebührlich belästigt. Sie waren zwar immer ruhig und insofern bescheiden, als sie abgeschlagene Bitten ebenso wie erfüllte ruhig hinnahmen, aber ihre Neugier und ihre Beharrlichkeit bei uns zu hocken war oft eine harte Probe für unsere Geduld, die nicht immer aushielt. Zahlreich waren auch die Bitten um Medizin. Nur zu gern gaben wir davon was wir konnten, und halfen hier wie anderswo manchen Leuten mit Chinin gegen Fieber, Opium gegen Diarrhöen, Pillen und Rieinus-Oel gegen Verstopfung, die kein einheimischer Doktor hatte heben können— nicht einmal mit sieben eingegebenen Koransprüchen— und Kampferspiritus gegen rheumatische Schmerzen. Letzterer wurde besonders bewundert, und wir stellten, da unser Vorrath nicht reichte, mit Senf und Ameisen ein Surrogat von wunderbarer Kraft her, das fast dieselben Wirkungen zu haben schien. Zu unserm Bedauern mussten wir freilich auch oft die Bittenden auf Allah verweisen, der allein in ihrem Falle helfen könne, theils wegen der wunderbaren an uns gestellten Forderungen, theils wegen Mangel grösserer Medizinvorräthe und medieinischer Kenntnisse. Namentlich in zwei Fällen war uns dies schmerzlich. Im einen bat eine hübsche junge Frau um eine Medizin um lebende Kinder zu bekommen, da die ihrigen immer todt geboren würden, im anderen wollte ein Mann, der seinen Fuss verloren hatte, einen neuen von uns haben. Der arme Krüppel kam ganz hoffnungsvoll zu uns, da Dan Tambari, der in Berlin künstliche Glied- massen gesehen aber falsch verstanden hatte, ihm gesagt, wir könnten so etwas (a7) ganz schön wieder herstellen. Es war mitleiderregend solche Leute mit getäuschten Hoffnungen traurig abziehen zu sehen, denn anf Allah’s Hülfe hatten sie wohl schon zu lange vergeblich gebaut. Sehr amüsant war eines Abends der Besuch einer Tochter des Sultans, die sich heimlich im Dunkeln, von einer Sklavin begleitet zu uns begeben hatte, um, wie sie sagte, werthvolle Schmucksachen zu kaufen. Zur Einleitung dieses Geschäftes brachte sie zwei fette Hühner mit. Augenscheinlich war es vorzugsweise die Neugier, die sie zu uns gelockt hatte. Trotz ihrer Neugier war sie sehr zurück- haltend, und wir bekamen von ihr nichts als die zierlichen Hände und Füsse, und die über dem dunklen Schleier sichtbaren, meist züchtig niedergeschlagenen, nur zuweilen aufleuchtenden, schönen Augen zu sehen. Die Frauen geniessen hier übrigens mehr Freiheit, als in andern mohamedanischen Ländern. Abends sahen wir mehrere male gewöhnlichere Mädchen miteinander, oder von jungen Burschen begleitet, singend durch die Strassen ziehen, und nur die vornehmen Frauen trugen Schleier, ja man sah selbst diese in den Gehöften und Häusern oft unverschleiert, ohne dass sie durch Männerblick als geschändet angesehen wurden. Der interessanteste Besuch war der zweier Araber. Der eine, Jüngere, befand sich auf der Reise, und war sehr gut über die Franzosen in Tripolis, sowie über den Mahdi unterrichtet. Beide kannten die Hauptstädte Europa’s dem Namen nach, waren aber nicht, wie Robinson meint, dort gewesen. Der andere, ältere, war in Zaria ansässig, und jedenfalls war er es, der auch Robinson besuchte. Es dauerte einige Zeit, ehe wir mit dem alten Massaül, wie er sich nannte, näher bekannt wurden, als wir aber erst erkannt hatten, dass er zuverlässiger war, als unsere Haussa-Freunde, schlossen wir uns bald mehr an, und er wurde uns später einer der treuesten und nützliehsten Freunde, den wir auf afrikanischem Boden kennen lernten. Seit langen Jahren lebte er in Zaria, wohin er als junger Mann von Tripolis gekommen war, um Geld zu verdienen. Seine Unternehmungen waren fehlgeschlagen, und er war zu stolz, um arm zu seinen Landsleuten zurückzukehren. So hatte er sich schliesslich hier niedergelassen, wo er den unternehmenden Arabern ein werthvoller Unterhändler war, und zwar ganz gut verdiente, aber nicht genug, um etwas erhebliches zu ersparen. Mit Wehmuth pflegte er von seiner Heimathstadt Ghadames, von dem blauen Mittelmeere und den Schiffen zu erzählen, die er in seiner Jugend gesehen hatte, und suchte aus seinem Gedächtnisse einzelne italienische oder französische Brocken hervor, die wir aber nicht immer gleich verstanden, da seine Aussprache etwas sonderbar war. Sehr dankbar war er für Geschenke von Zucker, Thee und Kaffee, wofür er uns mit einem für uns ebenso grossen Luxus-Artikel, nämlich Weizenbrot, prachtvoll durehgebacken, aber ganz hart, nach Art von Schiffsbrot oder Zwieback zubereitet, erfreute. Massaüls Haus war, wie schon erwähnt, zweistöckig, aber wir zogen es vor in seinem Hofe zu sitzen, wo er allerlei würzige Kräuter, wie Dill und Fenchel pflanzte und auch Weizen zu bauen pflegte, der nun freilich längst geerntet war. Massaül hatte auch die einzigen mit Schlüsseln verschliessbaren Thüren, die wir hier sahen. Die Thüren sind im Haussalande nicht an Angeln beweglich, sondern ruhen oben und unten mit einem eisernen oder hölzernen Zapfen in einem Stein oder Balken, worin sie sich leicht drehen lassen. Dies scheint ein uralter Gebrauch zu sein, denn fast alle Thüren im Orient sind in dieser Weise befestigt, und man sieht dieselbe Bauart bei uns noch oft an alten Scheunenthoren und selbst an neueren Gartenthüren. Uebrigens haben die echten Haussa-Wohnungen keine Thüren, die meist recht niedrigen Thüröffnungen werden mit Matten verhangen ( 38 ) oder zugestellt. Thüren sind nur in den grossen Städten durch die Araber bekannt geworden, Die Thüröffnungen sind an echten Haussa-Häusern meist so niedrig, dass man nicht aufrecht hindurch gehen kann, aber die “Saure” oder “Sauri ” genannten Durchgangshäuser, die häufig ein Gehöft abschliessen, haben an zwei Seiten hohe Thüröffnungen. Die Eingeborenen benutzen diese Saures gern am Tage, zum Unterhalten, oder zur Abwicklung von Geschäften, Fremde pflegen darin zu warten, und zuweilen lässt man auch Pferde darin stehen, oder Sklaven darin schlafen. Obwohl es nach Landesbegriffen nicht sehr würdevoll sein mochte, benutzten wir diese Durchgangshäuser, die immer Juftiger und heller waren, gern zum Schlafen, wenn wir einen andern Eingang in das Gehöft, durch Niederlegen eines Stückes der Umzäunung oder anderweitig herstellen konnten. Es gab dann zuweilen komische Auftritte, wenn ein Bekannter des Hauses, der nicht wusste, dass wir die Saure bewohnten, nach alter Gewohnheit hindurch wollte, und sich plötzlich von zwei Weissen angeschnanzt sah, oder Abends gar unsanft zurück- befördert wurde. Nicht uninteressant war das Vogelleben in der Stadt. Die Stadtmauer und die Mauer am Rande eines Teiches bei des Sultans Palast boten ein eigenartiges Bild dar, wenn auf ihnen heilige Ibisse, schwarze Kormorane (Phalacrocorax afrieanus), weisse kleine Kuhreiher, vollgefressene Aasgeier und braune Milane friedlich nebeneinander in der Mittagssonne ruhten. Die Kuhreiher (belböla der Haussa) schoss ich manchmal des Abends, wenn sie in grossen Flügen ihren Schlafplätzen zuzogen. Kropfstörche sah man oft und sie sollen sogar auf alten Baümen inmitten der Stadt nisten. Sperlinge (Passer diffusus oceidentalis?) waren selten und scheu und nisten nie an den Häusern, wie die Haussperlinge bei uns, sondern in den Palmenkronen. Stietoenas guinea, die grosse flügelfleckige Taube, nistete ebenfalls in Zaria. In den Hütten nistete hier und da eine kleine rothe Amadine (Zagonostieta sp.), die ich leider zu sammeln versänmte. Unser Aufenthalt wurde immer weniger angenehm. Der Markt war zeitweilig so ärmlich bestellt, dass wir nicht einmal Reis bekommen konnten, und unsere Waaren wurden nicht mehr gewünscht. Die Zeuge konnten nur noch unter ihrem Werthe verkauft werden, da sie von allen Trägern und von uns direkt in Menge in den Handel kamen. Von Schmuckgegenständen aus Glas und von Glasperlen hatten wir nur wenige Sorten, keine Abwechselung, und nur die weniger beliebten Farben ; Zinnspiegel wollten die Leute kaum noch zur Hälfte dessen berechnen, was sie nach Flegel gelten sollten. Hierdurch wurde ein interessantes Streiflicht auf die gern überschätzte kommerzielle Bedeutung der Hanssastädte geworfen, und unsre Mittel wurden dadurch bedeutend verringert. Eine ganze, abwechselungs- reiche Serie von nächtlichen Störungen wurde uns zu Theil. Staudinger wurde zweimal von nächtlich lebenden Ameisen überfallen, die gerade über sein Bett marschieren wollten, Hühner versuchten bei Beginn der Dunkelheit mit grosser Hartnäckigkeit über und neben uns anfzubaumen, halbwilde Hunde schlichen sich in die Hütte, und einer derselben leckte einen ganzen für die Reise bestimmten Topf mit eingekochter Butter aus. Es war unmöglich, Träger nach Sokotö zu bekommen. Alles war dagegen, selbst der alte Massaül rieth uns unter vier Augen dringend ab, da wir getödtet werden würden. Wir beharrten trotz alledem auf unserm Plan, mussten jedoch wohl oder übel warten, bis der Sultan von Zaria mit Heeresmacht nach Sokoto aufbrach, um den jährlichen Tribut dorthin zu bringen. Dann sollten wir mit ihm ziehen, und es würde dann, so wurde uns versichert, nicht schwierig sein, Träger (39) zu bekommen. Um die Zeit nicht nutzlos verstreichen zu lassen, entschlossen wir uns, ohne Säumen nach Kano zu ziehen, um diese berühmte, grosse Stadt, wohl damals die bedentendste Handelsstadt der Haussastaaten, kennen zu lernen, und von dort nach Zaria zurückzukehren. Unser alter Freund Massaül schloss den grösseren Theil unsrer Waarenballen in seinem Gewölbe ein, und am 23%" Oktober verliessen wir Zaria.. Obwohl wir beide krank waren, ich namentlich durch die Zahnschmerzen und Fieber sehr heruntergekommen war, waren wir doch froh erregt, wieder weiterzukommen. Die Gegend war meist stark bebaut, trotzdem sah man überall Vögel der verschiedensten Arten. Auf den Wegen und Feldern lief eine helle Form der Haubenlerche, die mir sofort, wie das Tagebuch angiebt, durch ihre blasse Färbung auffiel, herum (Galerida eristata senegallensis). Ausser- dem verzeichnet mein Tagebuch eine “Lerche ohne Haube,” die ich leider nicht sammelte, da ich zu unwohl und schwach war, auch wohl das sich daran knüpfende Interesse damals nicht in seinem vollen Umfange zu würdigen verstand, wie es ja leider so häufig geht. Zuerst sah ich hier den prächtigen Merops nubieus, der mit lauten, hellen Rufen über dem Buschwald schwebte. Nicht selten war die lang- schwänzige Mandelkrähe (Coracias abyssinicus), Kronenkraniche, Glanzstaare, allerlei Raubvögel, und von heimischen Arten junge Motacilla flava, oder campestris rayi und Totanus glareola. Mein Zustand wurde so schlecht, dass ich wenig beobachtete und mich apathisch von meinem kleinen Pferde weitertragen liess. Am 28°" war ich etwas besser, und als wir am 29**, zufällig meinem Geburtstage, die schier endlos scheinende Stadt Kano vor uns sahen, fühlte ich mich zum ersten Male nach wochenlanger Krankheit wieder wohl und kräftig, und blickte heiter in die Zukunft. Von einem reichgekleideten, hübschen Jüngling geführt, ritten wir gegen sieben Uhr morgens durch das düstere Thorgewölbe, das durch die dicken, wohl 50 Fuss hohen glatten Mauern führte, in Kano ein. Mehr als eine halbe Stunde lang ritten wir durch abgeerntetes Feld, ehe wir die ersten Hütten erreichten. In einer der Vorstädte wurde uns ein dem “ Madji,” einem der ersten Minister, gehöriges Gehöft mit einer verschliessbaren Saure und drei Häusern angewiesen. Dem Bilde Seite 100 in Robinson’s Buch “ Hausaland” nach zu urtheilen, hat er dasselbe, oder ein ganz ähnliches Grundstück bewohnt, aber in seiner Beschreibung giebt er die Zahl der Wohnungen anders an, als auf dem Bilde. Hatten wir schon in der Umgebung der Stadt mit den vielen offenen Farmorten, hin- und herziehenden Karawanen und einzelnen Leuten Zeichen regen Lebens bemerkt, so machte vollends die Grösse der Stadt mit den schier zahllosen runden Haussa-Hütten und vielen hohen, eckigen arabischen Gebäuden, Moscheen und den festungsartigen Wohnungskomplexen der Machthaber einen grossen Eindruck auf uns. Schon am ersten Abende zeigte es sich, dass man hier besser und üppiger, lebt, als in anderen Haussastädten. Das nationale Gericht, der “ country-shop,” wie die Küstenneger es nennen, war hier wohlschmeckender, kräuterreicher als sonst, und die Sauce enthielt eine sehr gute, an Teltower Rübchen erinnernde kleine Wurzel. Wir bekamen frisches, vortrefliches Weizenbrot und kleine, auffallend an heimische Sandtorten erinnernde Kuchen, ein Araber aber schickte uns sogar eine Ente, die in einem nudelartigen Mehlgericht geschmort war. Mit dem “ Madji,” dem “Gofa” und anderen Beamten standen wir uns bald vortrefllich, und sie zeigten sogar lebhafte Freude über unsere nicht einmal besonders reichlichen Geschenke, der “ Galadima ” aber und der Sultan selbst schienen wenig befriedigt, anscheinend weil eine Frau des alten Madugu mai-gashin-baki übertriebene Erzüh- lungen von unserm Reichthum, und Beschreibungen von den Geschenken gemacht. (40 ) J hatte, von deren Vorhandensein sie keinerlei Ahnung haben konnte. Ihr Gewissen musste ihr wohl nachher geschlagen haben, denn sie verliess Kano, als wir erschienen, woran sie freilich wohlthat. Der Sultan sandte uns Gegengeschenke, und versicherte uns seiner Freundschaft, benahm sich aber stolz und kühl. Was wir von seinem “ Palaste ” zu sehen bekamen, imponierte uns wenig, dagegen umsomehr das Haus des “ Galadima,” ein grosses moscheeartiges Gebäude, das mit seinem kuppelförmigem gewölbten Dach und runden Bögen sowie sechs messingenen (oder goldenen ?) an der Decke angebrachten Halbkugeln, seinem Baumeister alle Ehre machte. Beim Sultan mussten wir vor der Andienz ungebührlich lange auf dem Hofe warten, wobei wir durch das’Gebrüll eines Hofnarren belästigt wurden. Angenehmer war die Unterhaltung mit einem Araber, am meisten aber erfreute mich der Anblick einer Schaar einer prächtigen langschwänzigen Art der Glanzstaare, Lamprotornis aeneus, die ich hier zum ersten Male in den Bäumen inmitten der Königsburg von Kano beobachtete. Später sah ich den Sultan nur noch einmal, auf folgende Art. Ich erfuhr, dass er mit zahlreichem Gefolge und seiner gangen Armee hinausziehen würde, um einige Tage in einem nahen “ Sansanne” (Kriegslager) zu verbringen, von wo er zur Tributzahlung nach Sokotö weiterziehen wollte. Der Tag war eine Art Volksfest. Der Auszug wurde Panisäu genannt, und war die überall beliebte vorläufige Bewegung die man im Orient als Nakl-i-safar kennt, und die bald kleinere, bald grössere Dimensionen annimmt, und oft mit Heeresschau und Prachtentfaltung verbunden ist. Der Ursprung dieser Sitte ist mir nicht bekannt, aber sie war schon im grauen Alterthum beliebt. Selbst die franziskaner Mönche in Kalifornien pflegten ein Zeltlager unter den Mauern des Klosters aufzuschlagen, und darin eine Nacht zu verbringen, ehe sie eine Expedition unternahmen. Hier war der Panisau im grossartiges Schauspiel. Schon vor Tagesanbrach zog das Volk in hellen Haufen zum Thore hinaus, ich ritt in Begleitung des “ Kochs ” auf starkem, von unserem Wirthe geliehenen Pferde hin. Vor der Stadt wimmelte es geradezu von Neugierigen und Bewaffneten aller Art zu Fusse. Viele davon hatten Gewehre, vom modernen Hinterlader englischer Konstruktion, zu dem regelmässig die Patronen fehlten, bis zur kurzen Plunderbüchse mit trichterförmiger Mündung und uraltem Steinschloss, noch aus dem Jahrhundert des dreissigjährigen Krieges stammend. Diese unsicheren Waffen wurden unter Entfaltung grossen Muthes, der ja hier, wo es keine Feinde gab, leicht zur Schau getragen werden konnte, häufig geladen und in die Luft abgefenert. Von irgendwelcher Ordnung war vorläufig bei diesem Fussvolk keine Rede. Anders bei der Reiterei. Diese war in wohlgeordneten Abtheilungen, anfangs links dann rechts vom Wege aufgestellt. Die Abtheilungen, von ungleicher Stärke, meist aber von 30 bis 80 Mann, standen in einem spitzen Winkel zum Wege, den der Sultan kommen sollte. Vor der Front befanden sich Musikanten mit langen metallenen Trompeten, Trommeln und anderen Instrumenten, und ein Offizier ritt ordnend und befehlend auf und ab, ganz ähnlich wie bei uns vor einer Parade. Die verschiedenen Abtheil- ungen waren angeblich die Kontingente der verschiedenen Städte und Ortschaften des Kano-Reiches. Die Reiter waren alle gut gekleidet, trugen meist rothbraune Lederstiefel und waren mit Lanze und Schwert bewaffnet. Die Anführer zeichneten sich durch reichere und namentlich reichlichere Kleidung aus und waren besonders um den Leib herum erstaunlich dick angethan. Ich sah hier auch zum ersten Male die von Denham und Ölapperton, Barth und Anderen beschriebenen Wattepanzer- Reiter, die aber keine besondern Abtheilungen bildeten, sondern hier und da unter Gen) den Reitern auffielen. Eine Bedeutung für die Feldschlacht dürften sie nicht haben, denn sie sind viel zu schwerfällig und ungelenk, um zur Geltung zu kommen. Die Panzer machten mir fast alle den Eindruck grossen Alters und waren vielfach geflickt. Ich nahm auf einem geeigneten Hügel Platz und wartete der Ankunft des Hofes. Der Madji sorgte dafür, dass die in ihrer Schaulust rücksichtslosen Städter uns nicht belästigten. Bald wurden in der Ferne Schüsse hörbar, die näher und näher kamen, eine gewaltige Staubwolke, aus der Gesang, Geschrei, Trommel- schlag, und Trompetengeschmetter erklang, wälzte sich heran. Ohne besondere Ordnung, bald im Galopp, bald im Schritt, ritt der Zug vorbei. Der Sultan und die Minister und Höflinge waren reichlich und bunt bekleidet, und boten ein farbenprächtiges, ganz an orientalische Prachtentfaltung erinnerndes, 'hochinteres- 220 santes Bild dar. Die meisten der reicheren Herren hatten einen Vorläufer mit sich, der vor, oder bei raschem Tempo hinter dem Pferde lief und bunte Decken über der Schulter, zuweilen auch ein Schwert oder Gewehr in der Hand trug. Zahlreiche, meist ziemlich junge Sängerinnen begleiteten den Zug. Sie ritten nach Art der Männer, waren in bunte Gewänder gekleidet und viele mit einem die ganze Person umhül- lenden, nur vorn geöffneten Schleier umgeben. Sie liessen fleissig ihre Stimmen, aber jede für sich, in eintönigem, lauten Gesange erschallen. Auch andere Frauen begleiteten den Zug, und Sklaven trugen allerlei Hausgeräth, darunter eine Anzahl von Bettgestellen aus Palmblattrippen, die wenig zu dem sonst prächtigen Schauspiel passten, das übrigens auch durch den Mangel an Ordnung und den dichten Staub etwas beeinträchtigt wurde. Ich begrüsste den Sultan und den Galadima nach europäischer Art, und schloss mich dann mit dem Madji dem Zuge an, da der letztere mich dringend hierzu aufforderte, und ich ihm gern gefällig sein wollte. In dem nahen Dorfe war eine Art von Burg, in der der Sultan mehrere Tage wohnte. Ich machte ihm meine Aufwartung, er war aber zu müde, mich zu sehen, und bat mich, mit seinem guten Willen und seinen freundlichen Grüssen zufrieden zu sein, mich im Hause des Galadima zu ruhen, und dort zu essen. Nach langem Warten, das ich nicht vorausgesetzt hatte, erhielt ich einen angeblich besonders für mich gekochten Mehlpudding mit Fleisch, jedenfalls das beste derartige Gericht, das ich im Haussalande gegessen habe. Das noch frische, sehr kräftige Pferd des Madji brachte mich dann rasch nach Kano zurück. Am 1. November besuchten wir den reichsten Araber der Stadt, Alhadi Massaül ans Tripolis, den ich schon am Tage zuvor gesehen hatte. Obgleich wir unsern Besuch dort eigentlich einem Missverständnisse zu verdanken hatten, bereuten wir ihn nicht. Wir wurden sehr liebenswürdig aufgenommen. Die Häuser des arabischen Viertels waren alle hoch, viereckig, mit Fenstern und verschliessbaren Thüren. Der Raum, in dem wir empfangen wurden, war, obwohl nur aus Lehm gebaut, sehr hoch, oben mit Fenstern und Luftlöchern versehen, weiss getüncht, mit hohen verzierten Bögen und einer in die oberen Stockwerke führenden hölzernen Treppe. An den Wänden befanden sich Deckenlager und bequeme, weiche Leder- kissen, auf denen wir Platz nahmen. Eine angenehme Kühle herrschte in dem Raume, in dem verschiedene andre Araber und Haussaleute sich befanden. Bald nach unserer Ankunft kam der Madji zu einem kurzen Besuche, und wurde mit dem lauten Rufe “el Madji” ehrfurchtsvoll begrüsst. Er schien erfreut, uns hier zu sehen. Als er fortgegangen, wurden wir mit starkem, aber furchtbar süssem (42) Kaffee bewirthet und zum Essen eingeladen. Wir bedauerten sehr, aus Mangel an Sprachkenntnissen uns nur Jangsam und schwerfällig durch Dolmetscher unterhalten zu können, denn mehrere der Araber verstanden selbst die Landessprache nur wenig. Vor dem Essen wurden alle Neger, mit Ausnahme von Dan Tambari und dem als Dolmetscher nöthigen Koch, hinausgeschickt, aber es versammelten sich ungefähr ein Dutzend Araber. Das Essen, von dem der Hausherr zuerst kostete, wurde uns mit grosser Zuvorkommenheit zuerst gereicht. Es gab einen am Spiess gerösteten Hammelbraten, Fleisch in einer kräuterreichen scharfen Sauce, flache Brode, eine Art von Pfannekuchen aus Weizenmehl, ein kaltes, sehr schönes, aus Furrah, Honig und Milch bestehendes Getränk, Stücke Zucker, die vor unsern Augen mit Messer und Hammer von einem Zuckerhut abgehackt wurden, in reizenden Tassen servierten Thee und kühles Wasser. Mit dem letzteren machte ich einen faux pas, indem ich eine Schale köstlichen, aus einem fernen Brunnen geholten Wassers für ein Fingerwaschbecken hielt, wie es nach den Fleischgerichten, die wir mit den Fingern essen mussten, herumgereicht wurde, doch wurde der Verstoss in keiner Weise übel genommen, ja nicht einmal darüber gelacht. Ein Gericht wurde vom Hausherrn, nachdem er es gekostet, als ungeniessbar wieder fortgeschickt. Nach dem Mahle, das die Araber mit grosser Eile verschlangen, während sie die Getränke sehr langsam einsogen, wurde eine grosse, mit rothem Tuche und metal- lenen Platten ausgeschlagene Truhe geöffnet, die zu drei Vierteln voll von Maria Theresia-Thalern war, dann wurde ein Snider-Repetier-Gewehr und andre Waffen bewundert, und allerlei Fragen ausgetauscht. Alle Araber waren aus Tripolis und über Bornu nach Kano gekommen. Sie machten auf uns einen sehr angenehmen Eindruck, und der Verkehr mit ihnen that uns sehr wohl. Später wurde Staudinger auf der Strasse von einem uns fremden Araber-Mischling mit Sand beworfen und beleidigt, und hätte beinahe einen blutigen Kampf herbeigeführt. Nur mit Mühe gelang es ihm nachher, den unsinnig wüthenden Koch abzuhalten, den Gegner zu erschiessen, der beim Sultan selbst verklagt wurde, und eine Prügelstrafe erhielt. Kano ist meines Wissens bisher von Europäern nur sechs mal besucht worden. Vor nunmehr etwa 50 Jahren von Barth, 1862 von Baikie, 1881 von Matteucei und Massari, 1585 von uns, 1893 von Monteuil, 1894 von Robinson. Barth, Staudinger Monteuil und Robinson haben gute Beschreibungen von Kano gegeben. Baikie’s Notizen über Kano sind verloren gegangen, die Publikation der beiden Italiener habe ich nicht gesehen. Alle Reisenden stimmen darin überein, dass Kano eine der bedeutendsten und wahrscheinlich die bedeutendste Handelsstadt des Sudan ist. Der Markt ist grösstentheils mit Landeserzeugnissen und europäischen, vom Mittelmeere her durch dlie Araber, auf langem beschwerlichen Wege, durch die Sahara, herabgebrachten Waaren angefüllt. Auf dem ungeheueren Wege von Tripolis nach Kano, auf den drei bis neun Monate verwendet werden, kommen nach Robinson jährlich etwa 12,000 Kameelladungen nach Kano! Diese Waarenmassen kommen auf zwei Wegen, dem einen direkt nach Norden, über Zinder und Asben, dem anderen über Kuka, oder Kukaua, wie die Stadt von den Haussa genannt wird, Bilma und Murzuk. Die letztere war zur Zeit unseres Besuches (1885) die fast ausschliesslich benutzte. Heutzutage ist dies vielleicht anders geworden, denn das damals friedlich und milde von eingeborenen Sultanen regierte Kuka wurde inzwischen von Rabbah, einem früheren Sklaven und späteren Statthalter und Feldherrn des Mahdi, mit Waffengewalt eingenommen und von Grund aus zerstört. 1895 war dieser Weg geschlossen, und kein Araber wagte ihn zu gehen. Wir wissen heute noch wenig (4) über die Zustände in Bornu, aber der Weg durch dieses Land ist voraussichtlich für Europäer noch nicht rathsam. Den Franzosen liegt es ob, diese Gebiete, die in ihre Interessensphäre fallen, wieder zu eröffnen und gangbar zu machen. Der andere, über Asben, der grossartige Resultate für einen sammelnden Zoologen, namentlich in Bezug auf Wirbelthiere, verspricht, ist stets gefährlicher gewesen, und angeblich sogar für Araber gefahrvoll, da die wilden Tuareg-Horden, die vom Raube zu leben scheinen, jeden Europäer und manchen Araber angreifen und berauben. Unter diesen Umständen ist anzunehmen, dass mit der Zeit die noch 1895, nach Robinson, sehr schwach vertretenen, dureh die Engländer oder Franzosen an die Westküste gebrachten Waaren mehr Eingang und Bedeutung in Kano erlangen werden. In jeder kommerziellen und industriellen Hinsicht ist Kano wichtiger, als Sokoto, das eben nur als Residenzstadt des Sarikin-Musulman obenan steht. Namentlich ist der Fremdenverkehr in Kano ein grösserer. Hier macht der Mekkapilger halt, hier trifft man Angehörige aller Nationen von Tunis bis Adamaua, vom Senegal bis zum Tsad-See. Monteuil meint, dass jährlich fast 2 Millionen Menschen durch Kano passieren, was freilich kaum glaublich erscheint. Die ansässige Bevölkerung dürfte zwischen 60 und 100,000 Seelen betragen. Von allen Handelsartikeln ist die Kolanuss einer der wichtigsten, dann folgt das Salz, aus den Sebcha-lagern von Asben und Bilma, dann Lebensmittel und Industrie- Erzeugnisse. In der Nähe von Kano befinden sich die besten Webereien und Färbereien, wo namentlich mit Indigo hervorragend gefärbt wird, dann wird auch Leder, Eisen und Silber verarbeitet. Geschäfte in Elfenbein und Straussenfedern werden meist in den Häusern, nicht auf offenem Markte, abgeschlossen. Sklaven werden bald mehr bald weniger angeboten. Pferde, Esel, oft auch Kameele, können gekauft werden. Brot ist während der Wintermonate zu haben. Es ist aus Weizen hergestellt, der auf der Nordseite der Stadt gebaut wird und gut gedeiht. Das auf dem Markte feilgebotene Brot ist meist derart gepfeffert, dass man besser thut, es von bekannten Familien zu beziehen, womöglich von Arabern, deren Geschmack etwas mehr mit dem des Europäers harmoniert. Unter Brot darf man sich übrigens keineswegs unsre Art von Brot vorstellen : es ist meist hart wie Schiffsbrot, aber sehr wohlschmeckend. Vielerlei Süssigkeiten, aus Mehl, Honig, Zucker und Grundnüssen, werden stets feilgeboten. Von Tunis her werden vorzugsweise Zeuge, Zucker, Pulver, Nähnadeln, Perlen aus Glas, Korallen, Nelken und andre Gewürze, sowie Waffen nach Kano gebracht. Das lebhafte Treiben auf dem Markte ist von Barth und Anderen unübertrefllich geschildert worden. Für uns war der Besuch des Marktes immer mit grossen Schwierigkeiten verbunden, denn um uns her entstand bald ein solches Gedränge von Alt und Jung, dass es unmöglich war, das interessante Treiben in Musse zu beobachten, und genügende Erkundigungen einzuziehen. Es half auch nichts, dass der Sultan uns Henkersknechte schickte, die mit langen Stecken die Neugierigen fortprügelten, denn dann entstand, zumal wenn man selbst einmal ungeduldig wurde und eine heftige, bezeichnende Handbewegung machte, eine solche Panik, ein solches Durch- einanderrenen und Uebereinanderfallen von Käufern, Verkäufern und Verkäuf- erinnen, mit Milch und Butter und Honig und all den andern schönen Sachen, dass erst recht nichts zu sehen war. Es wäre viel vernünftiger gewesen, wenn wir, wie andre Reisende, uns bei solchen Gelegenheiten arabischer Kleidung bedient hätten. Leider ist Kano sehr ungesund, was wohl besönders dem vielen stagnierenden (4) Wasser inmitten der Stadt und dem gänzlichen Mangel an Abflüssen zuzuschreiben ist. Eine Stadt vom Umfange und der Bevölkerung von Kano kann ohne eine Spur von Abzugskanälen in einem heissen Klima unmöglich gesund sein. Die Bevölkerung von Kano ist mehr nochals in anderen Haussastädten tolerant und auf das praktische Leben gerichtet, tüchtig im Handel und geübt im Betrügen. “ Wilde” kann man die Bewohner von Kano noch weniger, als andre Haussas nennen, und ein “ Naturvolk ” sind sie auch nicht. Mit manchem äusseren Schliff und sonstigen Vortheilen sogenannter Bildung haben sie auch manche schlechte Eigenschaften der Civilisation angenommen. Die Frauen und Mädchen von Kano zeichnen sich durch Tüchtigkeit in der Küche und im Hauswesen aus, und sind im Verkehr gefällig und praktisch, aber viele von ihnen sind noch lockerer als an andern Haussaorten und waren uns gegenüber bisweilen recht zudringlich. Die Justiz wird in Kano scharf gehandhabt. Abends um 9 Uhr ertönt ein Kanonenschuss, und wer nach diesem Zeichen noch von den Aufsehern auf der Strasse getroffen wird, wird durchgeprügelt und bisweilen lebensgefährlich verletzt. Hierdurch sollen nächtliche Diebstähle und Räubereien verhütet werden. In keiner andern Stadt fanden wir diese Polizeistunde. Im Kriegslager des Sultans wohnte Staudinger der Köpfung dreier gefangener Heiden bei, die angeblich spioniert hatten, obwohl wir nicht begreifen konnten, was sie etwa auskundschaften wollten. Die Köpfe wurden einfach mit dem Schwerte abgehauen. Am 5. November verliessen wir Kano, vom Sultan und unserm Wirthe reichlich mit Kauris beschenkt. Der Rückmarsch nach Zaria war wenig interessant und ungemein heiss. Die Felder waren abgeerntet, alle Vegetation schien zu verdorren. Wald mangelte der Gegend vollkommen und nur selten spendete eine Tamarinde kühlenden Schatten. Durch tiefen Sand stampften langsam die Hufe der Pferde dahin, und die interessante Erscheinung hochaufwirbelnder und buchstäblich mit Windeseile über den Boden hinlaufender Sandhosen bot sich oftmals dem erstaunten Auge dar. Wir beide, besonders aber Staudinger, litten auf dieser Reise wieder am Fieber. Im Thale von Dan Soshia war ein grosses, weithin mit Zuckerrohr bebautes sumpfiges Gelände, in dem sich viele Vögel aufhielten. Mehrfach bemerkte ich den merkwürdigen, kurzschwänzigen Gaukeladler (Helotarsus ecaudatus) und erlegte den vom Raube grösserer Vögel lebenden Schopfadler (Spizaötus oceipitalis). Glanzstaare und Raken verschiedener Arten belebten die Tamarinden, Haubenlerchen liefen am Boden und allerlei Tauben waren häufig. Einmal sah ich Sylvia hortensis, auffallend waren zahlreiche bunte Eidechsen an den Mauern und Häusern (meist Agama Arten) und grosse Chamäleons. Leider machte der Mangel an Spiritus es uns unmöglich, davon ordentlich zu sammeln. Ein ganz kleines von mir in einem Küferglase mitgenommenes Chamäleon erwies sich als eine unbekannte Art, konnte aber des jugendlichen Zustandes wegen nicht beschrieben werden. Die Orte zwischen Kano und Zaria sind fast alle von starken Mauern umgeben, und häufig sind die Marktplätze vor den Thoren. Blaufärberei ist eine wichtige Industrie, und die ganze Gegend ist angebaut. Am 10. November erreichten wir Zaria wieder. Zwei von unseren Leuten begrüssten uns freudig am Thore, und auf dem ganzen Ritte zu unsrer Wohnung wurden wir durch laute Zurufe bewillkommnet, besonders aber war ich der Gegenstand ausgelassener Freude, namentlich von Seiten der Frauen. Erst am Abend sollte sich dies aufklären. Ich war nämlich todtgesagt worden: ein Einwohner von Zaria hatte gesehen wie ich begraben wurde, und es war meine (45 ) dicke Backe, an der ich gestorben war. In derartigen Lügen sind die Haussas sehr bewandert, und sie erzählen sie so ernst, dass man sie immer glaubt. Als wir in Zaria ankamen, hofften wir, nun endlich gen Sokoto aufbrechen zu können, aber erst am 9. December konuten wir Zaria wieder verlassen ! Der Sultan wohnte diese ganze Zeit in dem Dorfe Bassaua, nördlich der Stadt, in einem einfachen Gehöft. Die lange Wartezeit in Zaria war sehr unangenehm. Vergebens bemühten wir uns, Träger zu bekommen, um ohne den Sultan abzumarschieren, Krankheit und Mangel an Kleingeld, wie früher, belästigten uns mehr oder minder. Nur zuweilen konnte ich einen Spazierritt machen und einige ormithologische Beobachtungen anstellen. Eine unerfreuliche neue Zugabe zu der Last von Unannehmlichkeiten war die Läuseplage. Es war uns nämlich, da wir immer, aus Mangel an Zelten, in den Häusern der Eingeborenen wohnten, nicht möglich gewesen, die Kleiderläuse von uns fern zu halten. Es kommen hier die auch in Europe bekannten drei Arten von Läusen vor, besonders aber Kleider- und Kopfläuse sind ungemein häufig. Zum Glück waren es nur die ersteren, die uns bisweilen belästigten, und die wir mit dem besten Willen nicht immer vermeiden konnten, solange wir auf der Reise waren. Besonders war dies in Zaria der Fall. Selbst das Waschen der Kleider tödtete nicht immer die lästigen Parasiten. Wir stellten ohne Mühe fest, dass Jedermann im Haussalande mehr oder minder von diesen Thierchen leidet, selbst die grossen Sultane nicht ausgenommen. Es mag hier jedoch gleich bemerkt werden, dass Flöhe im Haussalande nicht vorzukommen scheinen, während sie an der Küste bekannt, wenn auch sehr selten sind. Nach mannigfachem Aerger brachen wir endlich am 9. December in nörd- licher Richtung hin auf, aber die Träger, die sich nicht von den Freuden und Fleischtöpfen von Zaria trennen wollten, marschieren nur etwa eine Viertelmeile weit, und wir mussten dort in einem Fulbedorfe Namens Tukkurtukkur übernachten. So wenig zufrieden wir hiermit auch waren, waren wir doch gut aufgehohen und erhielten gute Verpflegung, der Häuptling der Ortes war sogar so um unser Wohl bedacht, dass er auch Brennholz sandte, eine kleine Aufmerksamkeit, die uns bisher noch nie zu Theil geworden war, und deren Unterlassung uns häufig Mühe und Zeitverlust verursacht hatte. Am 10‘ brach auch der Sultan von Zaria auf und wir legten einen tüchtigen Marsch zurück. Die grosse Karawane, die mit dem Sultan nach Norden ziehen sollte, hatte sich noch nicht gesammelt und ‚Jeder lief, wie es ihm passte, dem nächsten Orte zu. So ging es bis zur ziemlich bedeutenden Stadt Maska, dem ersten Orte in der Provinz Kadjena wo sich der Heereszug ordnen sollte, und wo wir daher wieder fünf Tage liegen blieben. Das Gelände war wellig, in den Tnal-Sohlen zogen sich häufig ausgedehnte Sümpfe hin, die wir umgehen mussten. Zwei Monate früher soll dies Terrain unpassierbar gewesen sein. Die Abflüsse dieser Sümpfe schienen nach Norden zu gehen. Vielfach wurde in dieser Gegend Baumwolle angebaut. Bei Giwa sah ich in einem Gebüsch einen sehr merkwürdigen Vogel mit viel roth, den ich nicht wieder finden konnte. Das einzige woran ich bei seinem Anblick erinnert wurde, war ein Trogon. Alle Orte waren übrigens überfüllt, das Trinkwasser war nicht überall gut und oft nur in ungenügender Menge zu erhalten. Unsere Leute hatten sich alle mit grossen Kürbisflaschen versehen, die sie füllten, so oft sich Gelegenheit dazu hat. Staudinger und ich hatten an Dysenterie erinnernde Diarrhö-Anfälle, die jedenfalls dem Wasser zuzuschreiten waren, ich litt ausserdem stark amı Fieber ( 46 ) und war zeitwilig unfähig zu aller Arbeit, ja ich bedurfte der Hilfe, wenn ich zu Pferde stieg! In Maska erholte ich mich wieder. Am 17. kam der Sultan von Zaria nach Maska, das nun so voll war, das ein grosser Theil der Armee, sowie ihrer Begleiter und Sklaven im Freien vor den Thoren übernachten musste. Die Grassteppe ringsum wurde in Brand gesetzt, wahrscheinlich, damit sie nicht lauernden Feinden zum Versteck dienen könne, denn die Gegend sollte sehr unsicher sein, und unsere Träger waren voller Furcht. Während die Tage heiss und sonnig waren, sank die Temperatur gegen Morgen bis auf S und sogar bis auf 6° Celsius herab, und der kalte Harmattan, der von Norden her über die Felder brauste, machte uns am frühen Morgen oft eisig erschauern. Am 19'", gegen vier Uhr Morgens, brachen wir auf. Die Träger waren in geschlossenem Zuge auf dem Marsche, Staudinger in der Nachhut, ich an der Spitze. Unheimlich sah die schwarze, verkohlte Steppe aus, ringsum brannten Wachtfeuer, und mit dumpfem Brausen schienen sich von allen Seiten Menschen und Pferde aus der Stadt zu ergiessen, alle nach Norden zu weiterhastend. Leider war es unmöglich, die Anzahl der Menschen, die diesen Zug mitmachten, zu erfahren, oder auch nur annähernd zu schätzen, da sie nie bei einander waren, sondern einen schier endlosen, oft wohl eine Meile langen Zug bildeten. Am Morgen waren wir fast die Ersten, nur Reiterei schien vor uns zu sein, aber die Träger seufzten über die schweren Lasten und gingen nur verhältnissmüssig langsam, so dass wir allmälig vom Sultan mit seinem Gefolge, seinem ganzen Fussvolk, Sklaven und Weibern überholt wurden. Der Zug selbst war so gemischt wie nur denkbar. Voran ritt eine Abtheilung wohlbewaffneter, ungepanzerter Reiter, unter Führung des Kronprinzen, darauf folgten viele ungeordnete Reiter, unter ihnen auch einige der schwerfälligen, nutzlosen Panzerreiter, die in ihren dicken Wattepanzern gewaltig schwitzten, und sich recht unglücklich zu fühlen schienen. Einige der Reiter trugen Gewehre, theils alte Steinschlossflinten, theils neuere Percussions- sewehre und Hinterlader englischer Konstruktion, zu denen aber meist die Patronen fehlten, oder knapp bemessen waren. Vor den Pferden der Prinzen und Würden- träger liefen Büchsenschützen und Diener, die bunte Decken über den Schultern trugen. In der Mitte des Zuges marschierte, oder, besser gesagt, hastete das Fussvolk in langem Gänsemarsche, oder wo das Gelände es gestattete, in einer Doppelreihe dahin. Es bestand grösstentheils aus Bogenschützen, nur wenige trugen Wurfspeere und Gewehre. Zweifellos wären bei einem Kampfe die Bogenschützen am werthvollsten gewesen, denn die mit Gewehren bewaffneten Leute waren sehr ungeübt mit ihren Waffen, und hatten wenig Munition, und das Terrain hätte der Reiterei nur verhältnissmässig selten Gelegenheit zu einer wirk- samen Entwickelung geboten. Ausser diesen Truppen wurde eine Menge gefangener, meist alter Sklaven und Sklavinnen mitgeführt, die ersteren in Reihen an den Hälsen zusammengefesselt und meist Bündel von Kauris, Gewehren oder Stoffen tragend, die Frauen fast alle alt und hässlich. Die Sklaven sammt ihren Lasten waren zur Tributzahlung bestimmt. Dazu kamen zahllose Frauen und Haussklaven oder Diener. Das Privatgepäck des Sultans wurde auf sieben Dromedaren mit- geführt, und hinten im Tross befand sich eine Rinderheerde unter dem Schutze des Sariki-n-Paua, des Obersten der Schlächter. Der Sultan selbst war von zahlreichen, vornehmen, prächtig gekleideten Reitern und ebenfalls Musikanten und berittenen Sängerinnen umgeben, vor und hinter ihm lief mit Gewehren und Bogen bewaffnete Infanterie unter berittenen Anführern. Die donnernden, dumpfen Paukenschläge, die posaunenartig schmetternden, (47) abgerissenen "Töne der bis zu sechs Fuss langen Blechtrompeten und die heulenden Laute der Kuhhörner, begleitet von dem näselnden Gesang der Sängerinnen und dem schauerlichen Gebrüll des Hofnarren, der manchmal wirklich rasend geworden zu sein schien, vereinigten sich zu einem so betäubenden und zugleich so auf- regenden Lärm, wie man es sich überhaupt nur vorstellen kann. Der Narr schien bei unserm Anblick in ganz besondere Aufregung zu gerathen, und machte mit einer langen Lanze gefährliche Scheinangriffe auf uns, während er schäumenden Mundes unsre Macht, unsern Reichthum und andere schöne Eigenschaften pries, wobei er uns mit allen möglichen Namen wie “ Geldleute,” “ Flintenleute,” “Christenmänner ” (Nazarener), ‘“ Kraftmenschen,” “ Sultansfreunde,” “ Fleisch- esser,” “ Almosengeber ” und dergl. mehr belegte. Am Abend war er einer der ersten, die sich ein Almosen für diese Belästigung erbaten. Ihm schlossen sich einige der Sängerinnen an, die uns schon mehr interessierten und nicht belästigten. Zum Theil ritten sie frei und mit unverhüllten Gesichtern, zum Theil aber sassen sie unter einem die ganze Person umhüllenden Baldachin, wie in einem Zelte, und hatten die Gesichter tief verschleiert. Alle ritten nach Art der Männer. Tambari versicherte uns, dass sie neben ihrem Singen auch noch dem Sultan und den Grossen zu Lust und Kurzweil dienten, da es nicht gute Sitte sei bei solchen Herren, die rechtmässigen Frauen den Strapazen eines Feldzuges auszusetzen, auch ‘wenn kein Kampf stattfände. Ein Angriff wurde übrigens von Vielen für sehr wahrscheinlich gehalten, und hätte, wenn gut geleitet, auch von einem an Zahl nur geringen Feinde bei der grossen Länge des Zuges immerhin erhebliche Verluste herbeigeführt. Eine Entfaltung des Heeres in dem oft unebenen und mit Buschwald und Gras bedeckten, stellenweise sogar noch sumpfigen Gelände, wäre selten möglich gewesen. Nach einem fast fünfzehnstündigen Ritt erreichten wir eine hochgelegene Grasfläche, auf der das ganze Heer sich gelagert hatte. Ein bewegteres Bild als dies gewaltige Heerlager im afrikanischen Busch lässt sich kaum denken. Die bewundernswerth fleissigen Frauen bereiteten das Essen für die müden Herren, und an dem Bache, der am Fusse des kleinen Plateaus sich hinschlängelte, drängte einer den Andern zurück, und es gab manchen empörten “ Allah”-Ruf und manchen kleinen Streit. Zahllose Feuer fammten zum sternenklaren Nachthimmel auf. Allmälig nahm das Gebrause der Menge ab, die Abendrufe der frommen Beter verstummten, die helllodernden Flammen sanken in glühende Häufchen zusammen —nur-hier und da flackerte es noch knisternd auf, hier und da entrang sich der Brust eines Mallam ein traumverworrenes, heiseres Allah akbar, und aus der Ferne scholl das widerliche Geheul der Hyänen zu uns. Nur wer zuerst gekommen war, und der Sultan und die Grossen hatten aus Gras und Zweigen hergestellte Hütten, die Mehrzahl, und so auch wir, lagerten unter freiem Himmel. Die vorsorgliche Sherifia, Dan Tambaris vortreflliche Gattin, empfing uns mit einer fein gewürzten “Furrah,” und später erhielten wir etwas von unsern Dienern hergestelltes Essen. Schon war Alles zur Ruhe gegangen, und nur die Schild- wachen standen an Bäume gelehnt um das Lager herum, als wir noch Barometer und Thermometer ablasen, ehe wir uns; auch auf den Boden hinstreckten. Die Nacht war bitter kalt, und trotz der dicken Decken froren wir wie bei einem heimischen Biwak im Spätherbste. Am frühen Morgen ging es weiter. Die Gegend zeigte denselben Charakter, nur einzelne kleine Felsgruppen wurden sichtbar, auf deren einer ich einen grossen Affen, vermuthlich einen Pavian sah. Die Stadt Paskari, in der wir übernachteten, wurde von fremdartig aussehenden (48) Leuten bewohnt, die sich zwar freundlich, aber wild und laut betrugen, und woh einem besonderen Stamme angehören mussten. Hier betraten wir den Staat Samfarä. Am 21°" marschierten wir bis zu den Felsen von Kotorkoshi, die sich unvermittelt in grandioser Höhe steil aus der Ebene erheben. Solche isolierte Granitberge sind charakteristisch für viele Gegenden des westlichen Sudan und wurden schon von Barth beschrieben. Um die Felsen von Kotorkoshi liegen einige Dörfer. Staudinger wurde vom Galadima von Samfara gesagt es seien 101 Orte, mir theilte unser Wirth am Orte selbst mit, es seien wohl 70 Dörfer. Beide Angaben dürften unerhörte Uebertreibungen sein, wie denn überhaupt diese Orte ein beliebter Gegenstand der Aufschneiderei zu sein scheinen, um einige elende Gefechte, die hier von den Herrschern von Sokoto und Samfara geliefert wurden, grösser und bedeutender erscheinen zu lassen. Die Bewohner dieser Orte scheinen unruhige Köpfe zu sein. Schon Barth erwähnt (Travels | Dise. N. d C. Africa, v.4. p. 183), dass sie sich unter den Schutz der räuberischen Stämme vom Südrand der Wüste gestellt hatten, und zur Strafe von den Herrschern von Sokoto und Katshena überfallen wurden. Etwa um das Jahr 1865 wurden sie wiederum, weil sie Tribut verweigert hatten, gezüchtigt, und 2000 (?!) Sklaven weggeführt. Ein Sohn des Sultans von Sokoto soll dabei getödtet sein. An den mehr oder minder unzugänglichen Wänden der Felsen von Kotorkoshi horsteten grosse Geierarten, sowie eine grosse Falkenart, jedenfalls ein Vertreter der Wanderfalkengruppe, und ein Thurmfalke. Der grösste der Felsen hat von den darauf nistenden Geiern den Namen “ Mikia ” erhalten. Von Kotorkoshi brachte uns ein weiterer Tagemarsch nach Rawia, dann nach Tshambarawa. Wegen der Menge von Menschen, die in diesen Orten zusammenströmten, war es oft schwierig, gute Quartiere und Lebensmittel zu bekommen, und die bereitwillig versprochene Fürsorge des Sultans liess häufig genug auf sich warten. In Tshambaräwa verlebten wir den Weihnachtsabend. Mit der vorletzten der drei Flaschen Rothwein, mit denen wir die Reise in Loko angetreten hatten, bereiteten wir mit einigen Gewürzen und Zucker einen heissen Punsch oder Glühwein. Nachdem der Feuertrank, von dem auch die Christen unter unsern Dienern eine Probe erhielten, uns mit neuer Kraft erfüllt hatte, legten wir uns zur Ruhe, aber noch lange weilten die Gedanken in der fernen, kalten Heimath, wo man auch unserer unter dem strahlenden Tannenbaum gedachte. Die Gegend war ziemlich offen, und trug einen wenig tropischen Charakter. Palmen waren nicht häufig, aber die schönen Tamarinden, der Baum “ Korunja,” mit Blättern wie unsre Kornelkirsche, die hohe “ magaria” mit wohlschmeckenden Früchten, und andere Bäume standen einzeln verstreut in der Ebene. Die Fluss- betten waren fast alle ausgetrocknet, das Wasser nicht immer klar. Am ersten Weihnachtstage sahen wir zuerst das Bett eines mächtigen, in vielen Windungen die Ebene durchziehenden Stromes, in dem sich jetzt nur einige Lachen zeigten. Das Thal wurde hier fruchtbarer, und hatte ein reicheres Thierleben. Grosse Heerden vorn schwarz und hinten weisser Schafe, die wir aus der Ferne für die ebenfalls hier zahlreichen Kronenkraniche gehalten hatten, weideten in den Thälern, riesige Kropfstörche und der prächtige “ Nimmersatt ” (Tantalus ibis), Sporenkibitze, weisse Ibisse und Schwarzhalsreiher, sowie grosse Schaaren nordischer Strandläufer belebten das Flussbett. Am 28%" erreichten wir Kaura, die wichtige Haupt- und Residenzstadt des Staates Samfarä, die noch nie (49 ) von einem Europäer betreten worden war. Das hübsche Kaura liest auf demi hohen Ufer des Stromes, auf zwei Seiten von trockenen, mit Buschwald bewach- senen, aus Gneis mit Glimmer bestehenden, niedrigen Höhenrücken begrenzt. Die Bevölkerung ist wesentlich verschieden von der der Gegenden von Zaria und Kano, im Ganzen im Aeussern wilder, unzivilisierter, aber viel mehr mit Fulbe-Blut durchsetzt. Auch die Sprache ist hier mehr Fulbe, als Haussa, und selbst die Haussa benutzen viele Fulbeworte und sprechen einen etwas rauheren Dialekt. Ausserdem sahen wir dort zuerst Karawanen von Salzhändlern aus der Wüste. Es waren mit Negerblut vermischte Tuareg, die nach Angaben der Haussa aus “ Absin,” wie sie “ Asbin” aussprachen, kamen und Salz zum Verkaufe brachten. Sie ritten meist anf hohen, leichtfüssigen Dromedaren, oder gingen zu Fuss, um beladene Esel und Ochsen anzutreiben. Sie wurden auch hier als Fremdlinge betrachtet und sprachen eine Allen unbekannte Sprache. Selten begrüssten sie uns, meist aber äusserten sie laut ihr Erstaunen, uns bald für Araber, bald für etwas ihnen ganz fremdes, aber nur selten für “Nazarener” erklärend. Viele betrachteten uns offenbar mir empörten, wild fanatischen Blicken, und wären wohl zufriedener gewesen, wenn sie uns in ihrer heimischen Wüste unter vier Augen angetroffen hätten. In Kaura erhielten wir vom Herrscher von Samfara einen starken, schwarzen, kurzhörnigen Stier zum Geschenk. Die Anwesenheit des Sultans von Zaria, seines Gastes, hinderte den Fürsten, uns zu begrüssen, aber er bat uns ihn in seinem Hause zu besuchen. Da Staudinger krank war, ging ich allein hin und fand in dem schon bejahrten Herrn einen sehr liebenswürdigen, ja wohl den angenehmsten der uns bisher vorgekommenen Statthalter. Da ich der erste Weisse war, den er erblickte, war er sehr neugierig, und ich musste ihm viel erzählen von unsern Städten mit all den Wundern der Industrie, den Wagen, die mit Dampf fahren, von unsern mächtigen Armeen und vielen Feuerschlünden, unserm ehrwürdigen alten Kaiser, und vielen andern, vor allem auch unsern wechselnden Jahreszeiten, dem tiefen Schnee zur Winterszeit, und den eisbedeckten Gewässern, über die man sicheren Fusses gehen könne. Für alles hatte der Mann Interesse, aber seine vielen Fragen waren oft schwer zu beantworten. Unter anderen fragte er nach einem Glase, mit dem man in das Herz der Menschen sehen könne, um zu erfahren, ob sie gut oder böse seien, das ich ihm nun freilich nicht geben konnte. Er war auch krank und hat um Mediein gegen Rheumatismus und fistelartige Löcher am Gesäss, sowie zur Hebung seiner geschwächten Manneskraft—da er viele hübsche junge Frauen habe. Auch da konnten wir seine Wünsche zu unserm Bedauern nur sehr theilweise befriedigen, doch war er auch für das wenige herzlich dankbar. Ueberhaupt betrug er sich taktvoller und fürstlicher, als die meisten seiner Kollegen, obwohl es bei ihm weniger zeremoniell, einfacher und patriarchalischer zuging, als in andern Residenzstädten ähnlichen Ranges. Von Kaura aus zogen wir ungefähr in der Richtung des vielfach gewundenen Stromes weiter und erreichten nach etwa einer Stunde das Städtchen Yankabba, so genannt nach einer häufigen Palmenart, aus deren jungen Stauden ein leinenartiger Stoff gefertigt wird. Am Mittage kamen wir endlich nach Dangoga oder Gida-n- Goga, wo der Sultan von Sokoto, der “ Beherrscher der Moslem ” Hof hielt, um den Tribut und die Huldigungen seiner Statthalter entgegenzunehmen, und sehnlichst auf uns wartete. Am ersten Tage sollten wir nicht viel zur Ruhe kommen, denn nach der formellen Visite beim Osiri, dem seither verstorbenen, intelligenten ersten Minister, bei dem uns der Sariki-n-Fada einführte, mussten wir alsbald zum Sultan, 4 ( 50 ) “der nicht dulden wollte, dass seine Gäste unbegrüsst im selben Orte mit ihm schliefen.” Der Sultan sass mit zurückgeschlagenem Schleier auf einem grossen, mit vielen schönen Decken belegten Rohrgestell. Nur wenige seiner Würdenträger waren zugegen. Er begrüsste uns mit grosser Lebhaftigkeit, indem er uns unzählige Male die Grüsse “ marhabha, marhabbi,” “ barka,” “ sand,” und “ läfia” zurief und sich dann nach unseren Frauen und Kindern und dem Ergehen unsers Kaisers erkundigte. Am folgenden Tage liessen wir die Zündnadelgewehre und andern Geschenke blank putzen, reinigen, und überhaupt zur Uebergabe in Stand zu setzen. Am 30. December zogen wir in möglichst feierlichem Aufzuge, die Geschenk unter unsre Diener und Träger vertheilt, wieder zum Sultan, der diesmal von zahlreichem Gefolge umgeben war. Alle Geschenke erregten seinen hohen Beifall, um meisten aber interessierte ihn der wirklich schön ausgestattete und vortrefllich abgefasste Brief des Kaisers, dessen Schreiber, der “kaiserliche Mallam” volles Lob gespendet bekam. Der Inhalt des Briefes fand ebenfalls vollen Beifall. Der Sultan erklärte, dass Angehörige unsres Volkes überall in seinem Lande zu Handel und Wandel willkommen sein sollten, dass er ihnen allen Schutz angedeihen lassen werde, und allen ihren Wünschen entgegenkommen werde, nur Land verkaufen wolle er nicht. Dies habe er auch der englischen Gesandtschaft abgeschlagen und ihnen auch keine Monopole zugestanden, obwohl sie ihm alle herzlich willkommen seien. Nach diesen Versicherungen muss also angenommen werden, dass entweder die angeblichen Verträge mit der Niger-Company nicht bestanden, oder dass der Sultan uns in einer kaum denkbaren Art und Weise belogen hat. Alles verlief übrigens in gewünschter Weise, nur ein von Flegel übersandter arabischer Brief, von dessen Inhalt er uns leichtfertiger Weise nichts mitgetheilt hatte, hätte uns beinahe eine grosse Verlegenheit bereitet. In demselben waren nämlich alle Geschenke Stück für Stück aufgezählt. Wäre nun das geringste davon auf der langen und schwierigen Reise verloren gegangen, so wären wir, da wir doch Ersatz nicht schaffen konnten, in übler Lage gewesen. Der Brief enthielt auch überflüssige Redensarten, die nicht geeignet waren, das für uns in unsrer Lage so wichtige Ansehen zu erhöhen. Dessenungeachtet verlief alles nach Wunsch, und wir kehrten befriedigt nach Hause zurück. Ein böser Fieberanfall hinderte mich, das zur Zeit lebhafte Treiben in Gida-n- Goga genügend zu beobachten. Von den vielen Stattbaltern interessierte uns am meisten der schöne junge Herrscher von Gobir, einem der Grenzländer im Norden des Hausalandes. Da die Gobirri Jahr für Jahr räuberische Einfälle in die Hausastaaten machen, so ist es von vornherein klar, was auch Staudingers Erkundigungen bestätigten, dass dieser Fürst nur einen unbedeutenden Theil des eigentlichen Gobir beherrscht, und hauptsächlich eine nominelle, nicht wirkliche Herrschaft über die unbotmässigen Bewohner der Südrandes der Sahara ausübt. In der Neujahrsnacht brannte unser Nachbargehöft ab, und nachdem wir durch Niederreissen der Zäune unser Grundstück gesichert hatten, machten wir mit der letzten Flasche Wein einen dünnen Punsch und feuerten um Mitternacht eine Salve ab, zum Entzücken unsrer Leute. Im Orte wurden mehrere Strausse gehalten, die regelmässig ihrer Federn beraubt wurden. Dass der Strauss irgendwo in der Nähe wild vorkommt, wurde auf mein Befragen verneint. Mehrere Arten süsser Näschereien und die im Norden des Gebietes vielfach gebauten Gurken, eine Art von länglicher Wassermelone (?), (51) Zwiebeln und Knoblauch wurden uns ebenfalls mehrfach geschenkt. Die Sünger- innen des Sultans von Kano besuchten uns eines Tages und erfreuten uns mehr durch ihre theilweise hübschen Gesichter und prachtvolle, malerische Kleidung, als durch ihren unschönen, eintönigen Gesang. Ihr Führer, ein Eunuch, trug den grössten Turban, den ich je gesehen habe, und der eine ganze Sammlung von Nippsachen landesüblicher Art enthielt. Die Eunuchen zeichnen sich hier zu Lande meist durch derartige riesige Turbane aus, wie wir wiederholt beobachteten. Die Träger hatten uns in letzter Zeit weniger Aerger bereitet, ja sie zeigten sich fröhlich und amüsant, wenn wir in die Orte einrückten, oder wenn der Herrscher von Zaria uns begegnete. Sie tanzten dann in wunderbarer Weise hin und her und hantierten ihre Lasten spielend auf und nieder, wozu sie mit lauter Stimme Loblieder auf ihre Herren sangen. Da sie auch den Sultan von Sokoto begrüssen durften, waren sie hier einmal zufrieden. Dan Tambari bereitetete uns wieder Aerger durch Bettelei beim Sultan, und durch alberne Klatschereien von unsern Misshelligkeiten mit den Trägern. Staudingers Forderung an den Sultan, die letzteren zu ihrer Pflicht zu ermahnen, hatte wenig Erfolg, denn die Träger erhielten nur den “ Rath,” ihren Herren treu zu bleiben—wir aber wurden gebeten unsere Leute gut zu halten, eine unseres Erachtens sehr überflüssige und unangebrachte Bitte. Am 4. Januar brachen wir wieder von Dangoga auf, und überschritten den fast 600 Schritte breiten Strom oberhalb der offenen Stadt Boko, wo wir über- nachteteu. Dort fanden wir grosse Blaufärbereien und sahen die Bereitung der “ daudaua” oder ‘“dodoa”— Kuchen, die zu Saucen sehr brauchbar sind, aber in frischem Zustande einen ekelhaften Geruch verbreiten. Die Gegend war belebt von Vögeln der verschiedensten Art. Auf den Bäumen in den Orten horsteten Marabus (Leptoptilus erumenifer), in und an den Flussbetten standen weiss und roth leuchtende Nimmersatte (Tantalus ibis), und liefen graziöse Strandläufer hin, während Sporenkibitze mit ihrem hellen Rufen die Luft erfüllten, und hier und da ein düsterer Schattenvogel (Scopus) auflog, um geräuschlosen Fluges wieder in den Ufergebüschen zu verschwinden. Weihenarten (meist Circus macrurus) strichen dicht über den Boden hin, alte Freunde aus der Heimath, nämlich Haubenlerchen (Galerida eristata senegalensis) und gelbe Bachstelzen (Motacilla campestris rayi) trippelten auf den Wegen, und von den Büschen erklang das bekannte Locken des Wiesenschmätzers (Pratincola rubetra) und des Roth- kopfwürgers (Lanius senator). In Boko nistete zahlreich die grosse flügelfleckige Taube (Columba guinea), und bunte Nectarinien, vermuthlich Nectarinia pulchella, belebten die Kanya Bäume. Als wir am andern Morgen in aller Frühe wieder aufbrachen, war es bitter kalt, und die Landschaft war in dichten Nebel gehüllt. Man glaubte kaum in den Tropen zu sein, bis plötzlich laut kreischend ein Flug grüner Halsbandloris (Palaeornis doeilis) oder langschwänziger Glanzstaare (Lamprotornis caudatus) und schwarz- und weisser Nashornvögel aus einer Baumkrone auflatterte. Beide Vogelarten bevorzugten hier augenscheinlich die blätterlosen, gewaltigen, dick- stämmigen Affenbrotbäume (Adansonia) die wir bisher nur einzeln gesehen hatten, die hier aber der Landschaft durch ihre Häufigkeit ein eigenartiges Gepräge verliehen. Graziöse kleine, auf dem Boden hintrippelnde Kaffertauben (Vena capensis) erfreuten uns nicht selten, Adler und Milane schwebten hoch über dem Gelände. Infolge des seit Oktober ausgebliebenen Regens war das Insektenleben gering. Aeusserst selten nur sah man einen kleinen Schmetterling—Lycaenide (E23 oder Pieride—oder einen Käfer, nur die Adansonien zeigten Spuren des Frasses grosser schwarz und gelber Bockkäfer (Diastocera trifasciata Fabr.), deren Flügeldecken und vertrocknete Körper wir häufig fanden. Fast alle höheren Bäume waren entlaubt, aber eine stark duftende Akazie war in grellem Kontrast mit gelben Blüthen bedeckt, und wie zum Trotze blühte saftstrotzend und frisch im dürrsten Sande die diekblättrige Calotropis procera. Häufig begegneten wir wiederum den Salzkarawanen aus den Oasen der Sahara, deren Mitglieder aus Wüstenstämmen bestanden, und hier alle als “ Absins” bezeichnet wurden. Sie waren alle einfach, theilweise sogar ärmlich gekleidet, doch war der Körper immer in einen langen blauen oder weissen Rock gehüllt, und die Meisten trugen den bis hart unter die Augen reichenden Gesichtsschleier. Sie ritten auf schlanken Kameelen, einige auf Pferden und Ochsen. In der grossen Stadt Gora wurden wir sehr gastlich aufgenommen. Der Häuptling, der noch nie einen Europäer gesehen hatte, sandte uns reichliche Nahrungsmittel. Am Mittage hatten die Träger unter einer grossen Tamarinde (tsämia der Haussa) Halt gemacht, auf der ich in einer Höhe von 40 bis 45 Fuss einen grossen Geier-Horst gewahrte, aus dem ich es mir nicht nehmen liess, eigen- händig das Ei des Geiers (Necrosyrtes monachus) zu heben. Der siebente Januar brachte uns nach Yankaiwä. Der Marsch führte durch sumpfreiches, in der Regenzeit weithin unter Wasser stehendes Gelände, an und auf dessen zahlreichen Teichen sich gewaltige Vogelschaaren aufhielten. An den schlammigen Ufern liefen die langen Stelzenläufer, Himantopus himantopus, mit ihren rothen Beinen und beträchtliche Flüge nordischer Strandvögel, als Totanus glareola und ochropus, glottis und calidris umher, über die grossen Blätter, einer schönen weissblühenden Wasserrosenart stelzte die interessante Parra africana dahin, auf dem Wasser- spiegel lagen schwarze Massen von Enten, vorzugsweise Sareidiornis melanotus, weniger Dendroceygna viduata und Nettapus auritus, auch ein Flug europäischer Kriekenten, Anas crecca, und über all diesem Leben strichen majestätischen Fluges riesige Marabus, Schwarzhalsstörche, Weihen und andere Raubvögel, die nicht sicher erkannt werden konnten, dahin. Ornithologen und Jäger! werden ermessen, wie schwer es mir wurde, hier vorüberzuziehen, aber ich konnte mich aus mancherlei Gründen, zu denen mein sehr geschwächter Gesundsheitszustand und der Mangel an Jagdmunition gehörte, nicht auf längeres Verweilen zu Jagdzwecken in dieser Gegend einlassen. Am 8. machten wir einen langen Marsch bis Jansoköa, auf dem wir die nahe bei einanderliegenden Städte Nasaräwa, Dshigarra, Tumbo durchzogen. In Yansoköa schlief der Statthalter von Bautshi oder Yakobä, einer der volkreichsten Städte der Haussastaaten, in demselben Gehöfte, das uns angewiesen wurde. Er war, angeblich wegen unnützer Kriegszüge und ungenügender Tributzahlung, entsetzt und wurde nun, nach Landessitte den einen Arm an den Hals gefesselt, wie ein Sklave nach Sokoto geführt, wo er wahrscheinlich auf Jahre oder für immer ein gezwungenes unthätiges, aber ganz bequemes Schmarotzerleben am Hofe des Oberherrschers führen wird. Am 9" rasteten wir auf Bitten unserer Leute in Yansoköa, was uns Gelegenheit zu einem ornithologischen Ausfluge gab, auf dem eine Nistkolonie des prächtigen Merops bullocki beobachtet werden konnte, die ganz den Nistkolonien anderer 3ienenfresser glich. Am folgenden Morgen wollten wir früh abmarschieren, aber die Träger, die wie gewöhnlich nach einem Ruhetage fauler waren als sonst, kamen erst spät, und eine Sklavenjagd hatte den ganzen Ort in Aufregung gebracht. Der uns mitgegebene Sultausbote Saki führte mehrere seinem Herrn gehörige Sklaven GE) und Sklavinnen mit sich. Von den ersteren war nun einer entwichen. Es wurden daher die Thore verschlossen und junge Männer durchliefen mit schlanken, mittel- grossen Hunden die Stadt, um den Entwichenen zu suchen. Da derselbe nur ein Auge hatte, scheint es mir unglaublich, dass er, wie behauptet, nieht gefunden wurde. Als wir schliesslich mit unserer Karawane an das Thor kamen, fanden wir es noch mit einem grossen interessanten Schloss verschlossen. Es wurde uns bedeutet, wir müssten warten, bis der Beamte mit dem Schlüssel käme. Da diese Zumuthung in einer etwas hochfahrenden Weise gestellt wurde, und die Träger gleich einen Vorwand hatten, umzukehren und noch einen Tag zu ruhen, wurde ich ungeduldig und brach zum Aerger der Thorhüter das ganze Schloss mit Hülfe meines Hirschfüngers ab, sodass wir ungehindert weiter ziehen konnten. Am Flussufer schoss Staudinger ein Stück des interessanten Klaffschnabels, Anastomus lamelliger, den wir bisher noch nicht bemerkt hatten. Am 11“ zogen wir von Rara, an den Mauern der Städte Gundus, Idamboai und Gondoshi vorbei nach Garin-sarikin-hadna, dem “ Dorf des Heidenhäuptlings,” unweit Sokoto. In den letzten Tagen war es am Tage sehr heiss geworden, und die Nächte wareu nicht mehr so bitter kalt, da der Harmattan, der die letzten Wochen hindurch von Norden her geweht, fast ganz aufgehört hatte. Die Gegend war sehr bewohnt, und in der Nähe der Orte sassen häufig wohlgeformte Fulbefrauen und verkauften saure Milch und Furrah. Von Rara nach Sokoto zieht sich eine ganze Reihe von grösseren und kleineren Seen hin, die in der Regenzeit einen grossen Umfang haben. Das “Dorf des Heidenhäuptlings” trägt seinen Namen mit Recht, denn es wird in der That von zwei heidnischen Häuptlingen, Brüdern, und ihren Leuten bewohnt. Die beiden Brüder sind riesige Männer mit ungeheueren Brustkästen, und die grössten Leute, die wir in Afrika sahen. Sie leisten mit ihren Leuten dem Sultan Heerfolge, und sollen zu seinen besten Truppen gehören. Es ist eines der vielen Zeichen von Toleranz bei den Haussa, dass sie heidnische Krieger für sich kämpfen lassen. Am nächsten Morgen zogen wir nach Sokoto. Die Gegend war belebt, zahlreiche schwarze, weisse, braune und gelbe Dromedare weideten auf den dürren Feldern. Lange dauerte es, bis wir der Hauptstadt ansichtig wurden, die aus der Ferne einem grünen Walde ähnlicher sieht als einer ausgedehnten Stadt. Sie liegt auf einem steinigen Hügel, an dessen Nordseite der Strom in westlicher Richtung ein ausserordentlich fruchtbares Thal durchfliesst, in dem prächtiger Reis, Weizen, Maniok, Gero und Dawa gebaut wird. Besonders auffallend waren die vielen künstlich bewässerten Zwiebelfelder und Gurkenbeete. Die Felder der einzelnen Besitzer waren ordentlich durch kleine Steinwälle oder Erddämme getrennt. Sokoto befand sich zur Zeit unsres Aufenthaltes in demselben Zustande wie es von Barth geschildert wird. Die Mauer war namentlich im Norden stark zerfallen, viele Gehöfte standen leer, manche waren im Verfall begriffen. Der Aufenthalt des Sultans ist wie zu Barth’s Zeiten jetzt meist in Wurno oder Wurnu, der neueren Residenz, nur einige Monate in Sokoto selbst. Es kann sich dies Verhältniss seit Barth’s Zeit nieht sehr zu Ungunsten von Sokoto geändert haben, sonst würde letzteres noch weit mehr heruntergekommen sein. Thatsächlich ist es noch immer ein bedeutender Ort, und nirgend, auch nicht in Kano, war ein so bedeutender Pferdemarkt, worüber Staudinger eingehend berichtet. Thon- und Eisenindustrie scheint auch in Sokoto mehr zu blühen als in Kano. Die Bevölkerung der Stadt ist nach Barth aus vielen Stämmen gemischt, was auch der flüchtige Anblick schon (54) zeigt, aber der Fremdenverkehr, mit Ausnahme von Salzhändlern aus der Sahara, ist augenscheinlich gering im Vergleiche zu Kano. Wir blieben vier Tage in der Stadt. Ornithologisch interessant war namentlich das an Strand- und Wasservögeln reiche Flussthal, in dem wir ganze Schaaren von Klaffschnäbeln (Anastomus lamelliger), Haubenlerchen und weisse Bachstelzen bemerkten. Auch in der Stadt selbst gab es viele Vögel. In eigens dazu auf- gehängten Nisttöpfen brütet die grosse flügelfleckige Taube (Columba guinea), auf alten Baobab-Bäumen der gewaltige Marabu (ZLeptoptilus erumenifer) und der sudanesische Schmutzgeier (Necrosyrtes monachus), während reizende Amadinen in den Büschen herumhüpften. Am 17. Januar verliessen wir Sokoto, und erreichten nach viertägigem Ritte Gandu, oder Gando. Diese Reise war für mich eine schwere, denn ich bekam einen ernstlichen Anfall von Schwarzwasserfieber. Während ich sonst, solange ich ritt, immer munter war, und nie ermüdete, überfiel mich an einem dieser Tage eine furehtbare Schwäche und ein anüberwindlicher Schwindel. Ich musste absitzen und rahte im Schatten einer Tamarinde aus. Eine Art von Weinkrampf machte mich für wohl fünf Minuten unfähig zu sprechen. Ich sah bald ein, dass ich ernstlich krank war, und dass meine einzige Rettung Ruhe sein würde, die ich nur in Gandu finden konnte. Ich ritt daher weiter und am folgenden Tage allein, von zweien oder dreien unserer Leute begleitet, so früh wie möglich nach Gandu hinein, wo ich mehrere Tage schwer krank lag, mich dann aber, besonders als nach sehr reichlichem Genuss von Honig reichliche Oeffnung eingetreten war, rasch wieder erholte. Der Sultan von Gandu war sehr freundlich, und vor der Abreise konnte ich ihn noch begrüssen, während sonst Staudinger allein hingehen musste. Da die von Flegel sehr unkluger Weise auf dem Wasserwege “ vorauf” gesandten Geschenke noch nicht angekommen waren, und der Sultan wohl nicht sehr an die Ankunft derselben glaubte, so gab es wiederum allerlei Schwierigkeiten, und die uns darge- botenen königlichen Geschenke fielen sehr ärmlich aus. Im Uebrigen betonte auch hier der Sultan, dass er den Engländern gegenüber in keiner Weise verpflichtet sei, und dass unsern Landsleuten ebenso wie jenen sein Land zu Handel und Wandel offen stehe. Von der Unsicherheit der Gegend zeugt, dass nur wenige Meilen von der Residenz Wüstenstiämme einen Ort plünderten (sie wurden als “ Kabbi ” * bezeich- net) und dass wir darauf aufmerksam gemacht wurden, dass wir in unserm Quartier — mitten in der Stadt—uns vor Pferdedieben hüten sollten! Thatsächlich machten wir mit diesem Gelichter keine Bekanntschaft, aber das langgezogene, schauerliche Geheul der grossen gefleckten Hyänen und die Frechheit der lärmenden, halbwilden Hunde, von denen Staudinger einen mit dem Säbel erschlug, störte unsere Nacht- ruhe nicht selten, auch waren die Termiten nicht gerade angenehme Hausgenossen. Die Hitze wurde in Gandu sehr gross und machte sich besonders dadurch fühlbar, dass in dem engen Thale kein Lufthauch zu spüren war. Ornithologische Beobachtungen konnten bei meinem Zustande nicht angestellt werden, doch mag erwähnt werden dass der graziöse Nauelerus riocouri häufig in der Gegend beobachtet wurde, und auch andre Raubvögel häufig waren. Am 30. Januar rückten wir von Gandu ab. Die fruchtbare Niederung war voll von Zuckerrohr und Zwiebelfeldern, Heerden kräftiger Rinder weideten fast überall. * Barth, IV., p. 163, sagt die alte Form des Namens sei Kabi, jetzt aber sei in Schrift und Sprache die Form Kebbi eingeführt, wir aber hörten nur “Kabbi” sagen. Es ist noch heute mit diesen Einfällen von Norden genau wie vor 50 Jahren, (55) Auf den Rücken derselben bemerkten wir den schwarzen Plilostomus senegalensis, der mit dem weissen Kuhreiher, dem belbela der Haussa, Bubuleus bubuleus der Ornithologen, das Amt des im Haussalande viel selteneren eigentlichen “ Maden- hackers,” der Buphaga africana und erythrorhynchus, versieht. Salzhändler, wie immer als Asbins oder Absins bezeichnet, trafen wir auch hier auf dem Marsche. Sie gaben an von dem Orte Malle fern im Westen hergekommen zu sein, andere behaupteten weit im Norden den “ Quorra ” zu überschreiten, und bis in die Gegend von Timbuktu zu ziehen. In ihrem Lande sei nicht Wald, nicht Feld, nur Sand und Salz. Wenn wir annehmen, dass das Mall& mit Barth’s Melle, oder den Resten jenes alten Reiches, zusammenfällt, so stimmen jene Angaben überein. Am 31. übernachteten wir in Shagari. In der Nähe stiessen wir auf einen jetzt nur noch aus Tümpeln bestehenden Strom, der ohne Zweifel Flegels Tureta ist, obwohl wir keinen Namen dafür erfuhren. Dieser Fluss ist nicht, wie Flegel meinte, im Versiegen, sondern zur Regenzeit ein mächtiges Gewässer. Nach der schwülen Hitze der letzten Tage war es besonders überraschend, dass am 2. Februar, an welchem Tage wir wieder Sokoto erreichten, ein heftiger Nordost- sturm wehte, bei einer Kälte, die unsre Finger blau und steif machte, so dass es Mühe kostete, zu schreiben. Dabei wehte der Sand uns in Augen, Mund und Nase, und die Gegend war wie in einen Schleier gehüllt, sodass wir froh waren, als der Wind nachliess.. Gleich nachher brannte die Sonne mit ganz besonderer Heftigkeit. Wieder mussten wir drei Tage in Sokoto bleiben, und zwar ohne diesen Auf- enthalt geniessen zu können. Nur einmal machte ich einen Ausflugan den Fluss wo mich ein reiches Vogelleben entzückte. Phalacrocorax africanus fischte in Reihen in den Tümpeln, Anastomus lamelliger und Tantalus ibis standen am Ufer, Motaeilla vidua und flava trippelten munter umher, und in der Luft schwebte der graziöse Nauelerus riocouri. Ich erstieg hier auch einen, wiederum auf einer Tamarinde stehenden Geierhorst, der ein Dunenjunges von Necrosyrtes monachus enthielt. Die Alten waren so wenig scheu, dass sie wenige Meter von mir aufhakten und meinem Treiben anscheinend neugierig zusahen. An todten Pferden beobachtete ich Schaaren von grossen Geiern. Einer von ihnen glich aus der Ferne vollkommen unserm Gyps fulvus, andere waren an ihren gefleckten Flügeln unschwer als alte @yps rüppelli zu erkennen, eine dritte Art war ein mächtiger Ohrengeier (Otogyps). Ein Schrotschuss auf letzteren blieb wirkungs- los. Ausserdem betheiligten sich auch die kleineren Necrosyrtes und halbwilde Hunde an dem eklen Schmause. In Sokoto war es lebhafter als vorher, denn viele Leute waren aus Samfara zurückgekehrt, manches früher verlassene Gehöft wurde wiederhergestellt und ausgebessert. Wiederum gab es Schwierigkeiten mit den Trägern, die insofern Herren der Situation schienen, als es andre Träger nicht gab, und wir ganz auf sie angewissen waren. Wir mussten daher trotz möglichster Festigkeit und zur Schau getragener Sicherheit diplomatisch und vorsichtig handeln. Dazu kam, dass unsre Waaren sehr zusammen zu schmelzen begannen, und wir ernstlich auf jede Ausgabe sehen mussten. Da unser Vorrath von englischem Salz aufgebraucht war, kauften wir von dem ziemlich theueren, grau-roth aussehenden und dabei scharf und etwas brackisch schmeckenden Sebcha-Salze. Das Pferdefutter wurde immer theurer, ja es war auf dem Marsche oft kaum möglich, genug zu bekommen. Am 6. Februar zogen wir von Sokoto nach der Residenz Wurnu. Der Abstieg zum Gülbi-n-Sokoto ging einen steilen, steinigen Hügel hinunter, an dem viele (56 ) Kameele weideten. Der halb trockene Strom wurde ohne Mühe überschritten, und nun ging es durch dicht bevölkerte, fruchtbare Gegend weiter. Bei einem Dorfe sahen wir zahme Strausse weiden, und au einigen langgestreckten kleinen Seen trafen wir wieder ein überreiches Vogelleben. Enten verschiedener Arten zu vielen Hunderten, über dreissig Anastomus lamelliger und eine Schaar von Pelikanen. Wiederum mussten wir vierzehn Tage in Wurnu liegen. Diese volkreiche Stadt hat mir im Ganzen wenig gefallen. Man hätte denken können, dass sie infolgeihres neueren Datums und ihrer schon ein halbes Jahrhundert dauernden Bevorzugung durch die Sultane etwas vor dem alten Sokoto voraus habe, es ist mir aber nicht gelungen dies zu finden. Die Stadt ist enger zusammen gebaut, als Sokoto, fast alle Grundstücke sind kleiner, und man bemerkt nicht ein einziges so imposantes Gebäude wie es deren viele in Sokoto giebt, dabei ist es dumpf und heiss, am Südende der Stadt zieht ein stinkender Graben hin, und im ganzen ist der Ort unsauberer, als audre grosse Haussastädte. Der Sultan war sehr liebenswürdig. Er sandte uns Nahrungsmittel und einige andre Geschenke, und jeden Abend erschienen fünf prächtig gekleidete, meist sehr hübsche, von dem überreichlich bekleideten Ober-Eunuchen geführte Sklavinnen, die in mächtigen schwarzen Holzschüsseln riesige Reispuddings trugen. Da diese aus feinem Reis bereitet waren, und in einer an Fleischstücken reichen, stark gewürzten Sauce schwammen, waren sie auch für einen Europäer ein gesundes und recht angenehmes Essen. Von der überreichen Spende hatten unsere Leute natürlich den meisten Nutzen, denn wir konnten kaum die Hälfte eines solchen Puddings verzehren, und sehnten uns doch auch bald nach etwas Abwechselung. Aehnliche Massen eines kühlenden Getränkes pflegte der Osiri, der mächtigste Minister des Reiches, uns um die Mittagsstunde zu schicken. Der Sultan empfing uns auch wiederholt in Audienz, was aber immer nur auf dem Instanzenwege durch den Osiri und Sariki-n-Fada geschehen konnte. Ausser den Begrüssungsformeln sprach er nie direkt zu uns, sondern redete in der Fulbesprache, die von Tambari in Haussa und von unserem Koch in Englisch übersetzt wurde. Es ist Sitte der Sultane, möglichst vor Zeugen und Fremden gegenüber, auch wenn sie ihre Sprache verstehen —der Sultan sprach gut Haussa—durch einen Andern zu sprechen. Mit den habsüchtigen und unzuverlässigen Trägern hatten wir wieder allerlei Schwierigkeiten, über die man bei Staudinger nachlesen kann. Da ich mich über dieselben beschwerte, befahl der Osiri im Namen des Sultans, es solle keiner die Stadt ohne seine Erlaubniss verlassen, es schien aber als hätten die Leute wenig Respekt davor, da dennoch mehrere verschwanden. Ueberhaupt fehlte es hier wie fast überall im Lande nicht an guten Worten, aber durchaus an Energie und Kraftentfaltung irgendwelcher Art, sodass wir unsere sonst so liebenswürdigen Gastgeber oft geradezu hassten und verachteten. Auch hier hatte ich wiederholt Fieberanfülle. Die ersten Tage benutzte ich zu Ausritten auf die die Stadt beherrschenden Hügel. Letztere waren überaus kahl und mit steinigem Geröll bedeckt. Thierleben bemerkte man dort fast garnicht, nur eine kleine schwarze Laufkäferart huschte über den Boden und kleine Flüge der finkenartigen Lerche Coraphites leucotis waren nicht selten, auch sah ich einmal einen Steinschmätzer an mir vorüberfliegen, dessen Art ich nicht feststellen konnte. Von dem Hügel im Südosten, von wo man die Stadt prächtig übersieht, nahm ich beifolgende Skizze auf, die von der Barth’schen in manchen Punkten abweicht. Gegen das Ende unsres Aufenthaltes sahen wir auch ein Beispiel der Landes- (Ce) justiz. Drei Fillani, die Strassenraub getrieben hatten, wurden stranguliert, dann auf Pfähle gesteckt und aufrecht auf dem grossen Markte aufgestellt. Es war ein greulicher Anblick, die dick geschwollenen nackten Gestalten über dem Boden schweben zu sehen, während eine Geierschaar auf das baldigst bevorstehende Platzen der Haut wartete, namentlich mein Pferd entsetzte sich so vor dem Anblicke und dem Geruche, dass es nur mit Mühe wieder zu beruhigen war. Als ich von diesem Ritte nach Hause kam, sah ich einen kleinen, ziemlich dunklen Wanderfalken mit grosser Furchtlosigkeit vor den umstehenden Leuten an der Stadtmauer Amadinen fangen. Eine Turmfalkenform war übrigens auch häufig. j N \ N, All N in MN WE, Dr u YW, go OmteN ZI Ian Ir 7 ZZ 7 7, m Nm \ IS RNLLULEUNN am sg LU um UM; m ua De STEInNIGE HücEL MIT TIEFEN SCHLUCHTEN. 1, 2, 3,4, Vorstädte. D. Dorf Gidan Serikin Agades nach Barth. M. Der Haupt-Marktplatz. S. Schlucht in der Stadt. (Der Fluss fliesst in der Pfeilrichtung.) Am 20. Februar endlich verliessen wir Wurnu. Der Sultan hatte eine Anweisung an den Statthalter von Zaria gesandt, uns eine Million (sambar alif) Kauri zu zahlen—wovon wir natürlich nur einen sehr geringen Theil jemals zu sehen bekamen. Da der Sultan mit derlei Zahlungsbefehlen übrigens ziemlich freigebig zu sein scheint, so ist es vielleicht nicht immer leicht für seine Statthalter, seine Wünsche vollauf zu befriedigen. Eigenthümlich war die Begründung der Zahlung in Zaria, anstatt schon hier : Es würde uns nicht möglich sein, Träger für die Kauris zu bekommen, und wir könnten in Zaria mehr Sachen kaufen, als hier, da dort mehr Industrie wäre. Der wirkliche Grund war jedenfalls lediglich Geiz oder thatsächlicher Mangel an Geld. Als Erinnerung an Wurnu nahmen wir einige aus Maria Theresa Thalern gefertigte Schmuckstücke mit, die der Seriki-n-makira, unser Gastfreund aus Zaria (58) angefertigt hatte, der hier mehrere Monate, und zwar sehr gegen seinen Wunsch, für den Sultan arbeiten musste. Vom Thore von Wurnu an ritten wir volle dreiviertel Stunden, ehe wir das Ende der Vorstädte erreichten. Dürch welliges Gelände und über ein nicht unbedeutendes Flussbett hin kamen wir gegen zwei Uhr nach Yassaura oder Yessaura, einer grossen Stadt, wo der Thronerbe von Sokoto residierte, der übrigens eine gewichtige Persönlichkeit von grossem Einflusse zu sein schien. So zufrieden wir auch mit unserm ersten Tagemarsche sein konnten, so bitter wurden wir am folgenden Tage enttäuscht. Reiter sprengten in die Stadt und berichteten, dass ein heidnischer Stamm unweit von Gidan Goga auf dem Marsche gegen Sokoto beobachtet worden sei, und dass er alle Städte vernichten wolle. Es erhob sich Kriegsgeschrei und grosse Trommeln wurden gerührt, ein reitender Bote wurde nach Wurnu gesandt, um die Botschaft zu überbringen, aber von irgend einem zweckmässigen Plan und einem Angriff auf die Feinde, die mit einigem Mnthe SILBERSCHMUCK. leicht hätten überrumpelt werden können, war keine Rede. Nur Worte und grenzen- lose Angst der furchtsamen Leute war das Resultat der uns höchst unwillkommenen Nachrichten. Den Trägern kam dies recht gelegen, und auch der Thronfolger rieth dringend, nicht in den Rachen des Feindes zu laufen. Es blieb uns also nichts übrig, als zu bleiben, da wir die Träger nicht mit Gewalt vorwärts bringen konnten. Der Rasttag gestattete, einen Ausgang an die nahen kleinen Landseen zu machen, die sich als ein Dorado für Jäger und Vogelfreunde erwiesen, obwohl ich ohne Hund und Ortskenntniss, und nur mit einer Vogelflinte bewaffnet, nur wenig Beute machen konnte. Am überraschendsten war der Anblick einer wohl 150 Stücke zählenden Schaar von Tantalus ibis, die mit ihrem prächtig weiss und rosenrothen Gefieder an Pracht fast einer Flamingoschaar glichen, mich aber nicht annähernd auf Schuss- weite heranliessen, obwohl diese Vögel einzeln gar nicht scheu zu sein pflegen. Auf dem Wasser lagen Massen von Sareidiornis melanotus und Chenalopex aegyptiacus, einzelne Plectropterus und grosse Flüge von Anas erecca und querquedula — echte Tropenbewohner zusammen mit Wanderern aus der Heimath. Am Ufer waren Zimantopus kimantopus und Totanus calidris häufig, ebenso Totanus glareola. Die eigenthümlich laufende Parra war hier und da zu sehen, ein grosser Raubvogel, vermuthlich ein Schopfadler, schwebte in der Luft, Haubenlerchen liefen auf den Wegen und der schöne Lamprotornis aöneus tummelte sich in den Baobabs und 59) Tamarinden. Einmal schwirrte vor meinen Füssen eine Wachtel auf, die ganz den Eindruck unserer heimischen Art machte, die ich aber leider nicht erlegte und trotz allen Suchens nicht wiederfinden konnte. Am Abend hatten wir, statt eines Gefechtes mit den Räubern, denen wir gern die Wirkung unserer Büchsen ad corpora demonstriert hätten, das Schauspiel eines Kampfes des Trägerführers Giwa (der “ Elefant”) mit Yakada, unserm Boten aus Nupe. Der Grund war Eifersucht, wegen des schamlosen Weibes des Giwa. Diese hübsche, aber leichtfertige und ungetreue Person wurde von ihrem Manne am späten Abend in der Hütte des Yakada versteckt gefunden. Die ganze Angelegenheit endete mit einer Durchprügelung des Yakada sowohl als des Weibes, da ein Schwertangriff des Boten auf den Giwa ohne Resultat blieb. Es war dies nicht das einzige Mal, dass diese Frau uns Aerger bereitete—ihr Mann nämlich versuchte uns für das Vergehen des Yakada, “der unser Sklave sei,” verantwortlich zu machen— sondern ähnliche Fälle kamen mehrfach vor, und einmal blieb Giwa mehrere Stunden auf der Suche nach ihr fort. Am nächsten Tage stellte sich heraus, dass das Kriegsgerücht fast ganz erlogen gewesen sei, und so zogen die Träger leichten Herzens weiter. Binnen kurzem passierten wir die Stadt Maigajera, dann die nahe beiein- anderliegenden Städte Gondoshi, Idamboai und Kundus. Wir hatten somit unsre alte Route wieder getroffen. Früh am Nachmittage erreichten wir das bekannte Rara. An den Sümpfen war wieder ein wundervolles Vogelleben. Zu den früher beobachteten Arten gesellte sich Machetes pugnax, noch im grauen Reisekleid, ebenso Gaukeladler (Helotarsus ecaudatus) und Schopfadler. Die Hitze war sehr drückend, immer mehr trocknete das Land aus, das Wasser wurde immer schlechter. Brausende Wirbelwinde führten häufig Staub und Sandhosen über die Felder. Auf den uns schon von der Herreise bekannten Wegen zogen wir rüstig weiter und waren am 26. Februar wieder in Gora. In der Nähe von Yansokoa, an der Grenze von Samfara und Sokoto, änderten wir den Weg, indem wir uns mehr in der Nähe des Flusses hielten, und die volkreiche Stadt Bakura auf diese Weise kennen lernten. In Rini befand sich bei unsrem Nachtquartier ein grosser Affenbrotbaum, auf dem sich mehrere Marabuhorste mit beinahe flüggen Jungen befanden. Diesen Baum hatten sich die weissen Kuhreiher, belbela der Haussa, Bubuleus bubuleus, zum Schlafplatz erkoren. Schaar auf Schaar zog bei Beginn der Dunkelheit heran, und es schien, als sei nicht ein einziges Plätzchen mehr übrig, als nach vielem Getöse sich alles geordnet und beruhigt hatte. Viele der Vögel mussten wieder abziehen, um auf anderen Bäumen Unterkunft zu finden, eine ziemlich spät gekommene kleine Schaar weisser Ibisse jedoch behauptete ihre Plätze trotz heftigster Remonstrationen von Seiten der Reiher. Der schliesslich ganz schneeweiss bedeckte Baum bot einen grotesken Anblick dar. Am andern Morgen war nur noch der Boden ringsum weiss übertüncht, denn mit Tagesanbruch entfernten sich alle Reiher wieder, um ihrer Nahrungssuche nachzugehen. Von Gora aus gingen wir nicht wieder über Paru, Boko und Dan Goga, sondern nahmen den kürzeren Weg über das kleine Oertchen Magami, von wo wir durch unbewohntes Gelände gen Kaura zogen. Am 28. Februar, nach Ueberschreitung mehrerer Terrainwellen und eines steil ansteigenden, zum Strome hin allmälig abfallenden Höhenzuges, kamen wir am Nachmittage wieder in Kaura an, wo ein Feuer das Innere des Palastes und viele Häuser zerstört hatte. Der Statthalter des aufblühenden Kaura war wiederum von grosser Liebens- ( 60 ) würdigkeit. Dies war für uus von -besonderm Werth, da wir der langwierigen Scherereien mit den Trägern überdrüssig waren und beschlossen hatten, irgend etwas zu thun, um sie los zu werden, oder zu besserer Folgsamkeit zu zwingen. Der Statthalter war von seinem Oberherrn, dem Sultan von Sokoto angewiesen, uns mit einer Eskorte zu versehen und für unsre sichere Ankunft in Zaria zu sorgen. Er nahm diesen Befehl freudig entgegen und erklärte, dass er auch ohne dies alle unsre Wünsche nach Kräften befriedigen würde, da wir seine Freunde seien. In der That nahm er sich unserer Sache an und schenkte uns ein starkes Dromedar, das im Stande war, den grössten Theil unsrer Träger-Lasten auf- zunehmen, deren Zahl ja schon sehr zusammengeschmolzen war. Wir waren fest entschlossen, lieber den Rest der Waaren zu verschenken oder vor den Augen der Träger zu vernichten, als uns weitere Schwierigkeiten machen zu lassen, sobald sie jedoch sahen, dass wir ihrer nicht mehr bedurften, waren sie die demüthigsten und willigsten Geschöpfe die man sich denken konnte. Was daher das Dromedar nicht auf sich nehmen konnte, übernahmen einige wenige der besseren Träger, denen wir aber jetzt strikte Bedingungen machten, die sie annehmen mussten. Die übrigen Träger lungerten nun bettelnd um uns herum, waren zu allen kleinen Dienstleistungen auf einen Wink bereit und priesen singend unsere Grossmath und Güte, wenn wir in die Städte einrückten. Unser Wüstenschiff marschierte, ein Bild des Phlegma, langsam aber stetig ab, es dauerte jedoch einige Tage, ehe wir, oder vielmehr die Kameeltreiber, gelernt hatten, die Lasten ordentlich aufzuschnüren, und die Eigenheiten des Thieres zu verstehen, das sich nur ungern beladen liess und beim Niederlegen und Aufstehen ein greuliches Gebrüll ausstiess, das uns anfangs förmlich erschreckte, späterhin jedoch nieht wenig belustigte. Vom Sultan von Kaura nahmen wir herzlichen Abschied und versprachen ihm, dem nächsten unsrer Landsleute der sein Land besuchen würde, seine Wünsche, nämlich ein Paar gute Revolver, zwei schöne Doppelflinten, einige schmuck- reiche gerade Schwerter und ein Fernrohr, mitzutheilen. Leider hat bis heute noch Niemand wieder den Weg nach Kaura gefunden. In Kaura sahen wir auch einen fast weissen “ Asbin,” der ein reiner Tuareg gewesen sein dürfte. Uebrigens gab Tambari an, dass deren viele im Winter nach Kano kämen, die ebenso weiss wie wir seien. Der “Asbin” in Kaura erzählte, dass das meiste Salz nach Haussaland aus “Balma” gebracht würde. Dies ist zweifellos das bekannte Bilma in etwas andrer Aussprache. Er erzählte, dass seine Heimath in der Nühe von Borät sei, und dass er über Issa, Moriki, Sabo-n-Birni und Arsorori dahin gelangte. Da er nur wenig Haussa verstand und wir, ebensowenig einer unsrer Leute, kein Wort seiner Sprache kannten, war die Unterhaltung etwas langwierig. Uebrigens war auch dieser Mann anscheinend ein Mohamedaner. Am 8. März kamen wir wieder nach Paskari. Das Land begann, trotzdem von Regen noch keine Rede war, das Frühlingsgewand anzulegen. Viele (Gewächse, die seit Oktober kahl gestanden hatten, begannen zu grünen oder zu blühen. Die Dodoa-Bäume schmückten sich mit rothen Blüthenbüscheln, andre Mimoseen mit kleinen gelben Blüthen, ein überaus angenehmer, stark würziger Duft erfüllte die Luft seit Tagen, vermuthlich von einer Mimosenart herrührend. Die Tauben hatten sich gepaart und gurrten überall paarweise herum, einige europäische Vögel zogen entweder schon wieder der Heimath zustrebend durch, oder der Paarungstrieb hatte sie lebhafter gemacht, denn zuerst bemerkte ich hier Wiedehopfe, die ihr anheimelndes hup-hup-hup munter hören liessen, und (61) dreimal vernahm ich im Walde den Ruf des Pirols. Auch der Boden bedeckte sich wieder mit frischem Grün, und das Insektenleben, von dem man im allgemeinen annimmt, dass es durch die ersten Regen aus ihrer Puppenruhe geweckt wird, wurde schon lebhaft. Nachts hörte man ein Cicadengezirpe, wie wir es seit den Korro-Bergen nicht gehört, und hier und da sah man grüne und schwarz und weisse Papilio-Arten dahingaukeln. Schon von Kaura an hatten sich uns verschiedene Frauen und reisende Händler mit Traglasten angeschlossen, um unter dem Schutze unserer Waffen den grossen Wald, in dem wir im December mit dem Zaria-Heere gelagert hatten, zu durch- schreiten. Eine von Kaura mitgegangene Eskorte, bestehend aus einer kleinen Truppe schnellfüssiger Bogenschützen, hatte uns bald wieder verlassen. Mit Tagesanbruch zogen wir von Paskari ab und marschierten bei furchtbarer Hitze bis Abends neun Uhr, ohne mehr als hier und da fünf bis zehn Minuten, und Mittags eine Stunde zu ruhen. Unsre Hoffnung Maska zu erreichen war vergebens. Der vor drei Monaten zwar von Menschen belebte, sonst aber dürre, todt aussehende Busch-Wald war ergrünt und von zahlreichen Cicaden und Schmetterlingen belebt. In der Nähe eines Teiches, in dem wir unsre Pferde tränkten, und von dessen übelriechendem, braungelben Wasser wir ebenfalls tranken, sahen wir unverkennbare Elefantenspuren, und unser Koch bemerkte mehrere grosse Antilopen. Es lässt dies auf eine weite Ausdehnung des unbewohnten Waldgebietes schliessen. Nach sechs Uhr wurde es unmöglich, Uhr und Compass zu erkennen, aber gegen acht Uhr ging der Mond auf, der ein wenig den Waldpfad erhellte.e Um neun etwa trafen wir auf die Vorhut der Karawane und sahen, dass Alle zu ermüdet waren, um weiter zu marschieren. Sie hatten schon Lagerfeuer angezündet, und so blieb uns nichts übrig, als uns ebenfalls, in unsre Decken gehüllt, auf den Boden zu strecken. In wenigen Stunden erreichten wir am andern Morgen die Stadt Maska. Für mich war es die höchste Zeit, denn ein starker Fieberanfall hatte mich wieder gepackt, und ein unerhörter Kopfschmerz betäubte mich derart, dass ich mich kaum noch auf dem Pferde halten konnte. In Maska brach ich beim Absitzen zusammen, kaleidoskopische Schreckensbilder begannen vor meinen Augen zu tanzen, meine Bluttemperatur erreichte das Maximum. Im Augenblicke war ich mir nicht bewusst eine böse Krisis in überstehen, und nur das eine war mir gegenwärtig, dass der Diener Braima neben mir sass und mir unermüdlich erneuerte Compressen lauwarmen Wassers, die ich für Eisumschläge hielt, auf die Stirn legte. Eine vierundzwanzigstündige völlige Ruhe that eine solch gute Wirkung, dass ich schon am folgenden Tage wieder weiterreiten konnte, womit ich den Umständen nach noch sehr zufrieden sein durfte. Dieser schwere Fieberanfall war der letzte Besorgniss erregende während der Reise, und meine Gesundheit wurde von nun ab im allgemeinen immer besser. Auch hier in Maska war wieder die Bevölkerung in Angst wegen einer Einfalles feindlicher Stämme. Hatten weiter im Norden die Gobirri und Kabba die Gemüther erregt, so verbreitete hier das Volk der Maradi Furcht und Schrecken. Die Thore der Stadt waren am Morgen verschlossen und bewacht, und allen Ernstes war man auf einen Angriff gefasst. Als sich bis Mittag nichts gezeigt hatte wurden die Thore geöffnet. Wir erhielten einen ortskundigen Führer, der uns westlich des früheren Weges über die ziemlich ausgedehnte, fest ummauerte Stadt Yelloa nach Bieh führte. Ueberall fanden wir die offenen Farmorte verlassen, meistens die thönernen, 6—8 Fuss hohen, riesigen Urnen ähnelnden Getreidespeicher eingeschlagen, um bei der ( 62 ) eiligen Flucht den Inhalt rascher herausholen zu können. Die Landbewohner hatten sich in die festen Städte geflüchtet, nur die Fulbehirten, die mit ihren Heerden in den Städten keinen Platz fanden, verliessen sich auf ihre Waffen oder ihre Flüchtig- keit, und einige bildhübsche, von bewaffneten Hirten begleitete Fulbemädchen sahen wir furchtlos zur Stadt wandern, um dort Milch zu verkaufen. Am 12. März erreichten wir wiedern das altbekannte Zaria, wo wir, wie früher, wieder einen unerwünschten Aufenthalt von vollen 16 Tagen hatten. In der That schien es, als ob wir uns schon etwas an das mahana-Leben Afrikas gewöhnt hätten, denn diese Zeit, obwohl wir von Tag zu Tage fort wollten und nichts als Aerger hatten, kam uus garnicht lange vor. Die grosse Kauri-Zahlung, die der Sultan von Sokoto dem Herrscher von Zaria aufgetragen hatte, war er, wie wir bald einsahen, garnicht im Stande zu leisten, wir mussten uns daher mit einem kleinen Wegegeld und zwei Pferden begnügen, die zusammen nicht die Hälfte der Schuld deckten. Um den Statthalter nicht ins Unglück zu bringen und endlich fortzukommen, erklärten wir uns hiermit zu- friedengestellt. Kriegsgerüchte liefen von allen Seiten ein, und dass sie diesmal nicht -erlogen und eingebildet waren, davon sollten wir uns bald überzeugen. Thatsache war es jedenfalls, dass die Maradi oder Gobirri die feste Stadt Kiarana angegriffen hatten und zurückgeschlagen worden waren, und dass auch der Statt- halter von Katshena eine Feldschlacht geschlagen hatte. Alle Details waren so ungenau oder wiedersprechend, dass sie besser verschwiegen bleiben. Ferner war der uns wohlbekannte Ort Kashia niedergebrannt, viele der Männer erschlagen und fast alle Sklaven und Weiber geraubt worden. Der Statthalter von Zaria liess nun auch Kriegslärm schlagen, aber nur ungern gaben die Männer ihr Geschäft auf und nur schwerfällig leisteten sie die Heerfolge. Als endlich eine ganz ansehnliche Truppenmacht zusammen war, zog sie unter Führung des Galadima vor die Thore. Mit lautem Prahlen und Waffengerassel, bei dumpfem Paukenschlag und unter dem Wehklagen der Abschied nehmenden Frauen ging der Aufbruch vor sich, aber unsere Freunde machten sich uns in hohem Grade verächtlich dadurch, dass sie nichts thaten, als die heissen Stunden des Tages mit den Waffen in der Hand in einem nahen Tamarindenhain zu verschwatzen, und am Abend ruhig wieder heimkehrten. Dieses lächerliche Schauspiel wiederholte sich Tag für Tag, während die Horden des Aruna das offene Land raubend und mordend durchzogen. Unter den Umständen war es selbstverständlich, dass wir die dringende Bitte, mit in den “Krieg” zu ziehen, abschlugen, während ich wenigstens unter andern Umständen gern geholfen hätte die Räuber zu züchtigen. Zu meinem Erstaunen fanden wir es garnicht schwer, soviele Träger anzu- werben, wie wir nur wollten. Seit Kaura waren sie gefügig wie nie zuvor. Es war leider nicht möglich, unser Dromedar mit nach Süden zu nehmen, da diese Thiere in den niederschlagreicheren Waldgebieten, zumal in der herannahenden Regenzeit, nicht leben können, und auch nicht auf dem steinigen Boden der Korro-Berge gut fortkommen können. Wir machten es daher unserm alten Freunde Massaül zum Geschenke, der darüber bis zu Thränen gerührt wurde. Seit er seine Heimath Tripolis für immer verlassen hatte, war er nicht Besitzer eines Dromedars, das übrigens in Zaria einen hohen Werth besass, gewesen. Laut rufend dankte er uns und Allah in der Höhe für die Gnade, welche das Glück seiner Jugend wieder vor seine Augen führte. Uebrigens waren wir dem braven Manne zu grossem Danke verpflichtet. Er war uns stets ein aufrichtiger und wirklich uneigennütziger Freund und Berather gewesen, wir verdankten ihm (63) manche Auskunft und manchen Rath, sowie viele kleine Gefälligkeiten, vor allen Dingen aber hatte er einen grossen Theil unsrer Habe monatelang sicher und treu, ohne eine Gegenleistung für uns aufbewahrt, während wir nach Sokoto und Kano gezogen waren. Auch zum Vorschuss jeder verfügbaren Summe Geldes erklärte er sich bereit, auf irgend einen Schuldschein hin. Alles dies war um so mehr anzuerkennen, als die Landesbewohner fast überall habgierig und geizig waren, wir von den Europäern am Niger nur sehr theilweise Freundschaft erfuhren, und selbst unsre deutschen Landsleute in Lagos auf unsrer Rückreise eine Unchristlichkeit und Kleinlichkeit zeigten, die in schroffem Gegensatze zu dem Gebahren dieses Mohamedaners stand. Aehnliche Erfahrungen hatte 35 Jahre früher Alfred Brehm in Khartum gemacht. (Siehe A. E. Brehm’s Reiseskizzen, pp. iv and 99—101.) Am 21 März, nach einer Reihe von furchtbar schwülen Tagen mit bewölktem Himmel, brach ein heftiges Gewitter mit leichtem Regen los, der erste Niederschlag seit Oktober. Von Abkühlung war aber noch keine Rede. Wieder mussten wir einige Tage nutzlos warten, weil die Träger nicht im Stande waren, für das als Vorschuss erhaltene Zeug Muscheln zu bekommen, womit sie theils Schulden abzahlen, theils Reisevorbereitungen treffen wollten. Auch uns ging es ähnlich. Obwohl wir viel Zeug auf den Markt sandten, mangelte es zuweilen so an Kleingeld, dass wir uns nicht genügend satt essen konnten! Am letzten Tage kam es noch zu einer Schlägerei zwischen unsern Dienern und den Trägerführern. Wieder war das leichtsinnige, verliebte und ungetreue Weib des Giwa die Ursache, und nur unser rechtzeitiges Hinzukommen verhinderte Blutvergiessen, das für uns wieder neuen Aufenthalt bedeutet hätte. Am 283. März konnten wir endlich das uns nachgerade verhasst gewordene Zaria verlassen. Massaül sandte in der Frühe ein Frühstück und begleitete uns bis an den Strom. Hier nahmen wir den herzlichsten Abschied von unserm Freunde und ich schäme mich nicht zu sagen, dass ich sehr gerührt war, und dass mir lebenslang das Bild vor Augen schwebt, wie die Karawane am Ufer hielt und der alte Mann mit überströmenden Augen die Hände zum Himmel erhob und mit lauter Stimme den Segen Allah’s für unsere glückliche Weiterreise erflehte. Wie gewöhnlich am Anfange einer Reise, zogen wir nicht weit, sondern machten schon in Birni-n-Bautshi Halt. Ornithologisch interessant war mir die Häufigkeit der Sporenkibitze (Lobdivanellus albiceps), die auf den trockenen Feldern laut pfeifend umherliefen. Das im Herbste so unbequeme Sumpfgelände bis Igabi bot nun keinerlei Unbequemlichkeiten dar, und rasch erreichten wir den Ort. In einem Waldstreifen sahen wir den prachtvollen blauen Bananenfresser (Musophaga violacea), der grosse Bienenfresser (Merops nubicus) schwebte laut rufend über dem Buschwald, und manche andere Vögel erfreuten Auge und Ohr. Auch mehrere Antilopen sah ich, doch wurden sie durch den Lärm der Karawane zu früh flüchtig, um sie zu erkennen. In Igabi passierte mir ein Versehen, das ich, wie auch Staudinger, nicht verschweigen mag, da es in hohem Grade bezeichnend ist für die religiöse Duldsam- keit der Landesbewohner. In der Nähe unsrer Wohnung befand sich ein eingezäunter Platz, in dessen Mitte ein grosser thönerner Topf eingegraben war. Da diese Einrichtung grosse Aehnlichkeit mit unserm früher erwähnten Abtritt in Keffi “hatte, so zögerte ich nicht, sie am Abend als solche zu betrachten, zumal es bei der Art unsres Gehöftes und den zahlreichen Besuchen, nicht leicht war, einen andern ungenierten Platz zu finden. Bald nachher beschwerte sich unser freund- ( 64 ) licher Wirth, der Obermetzger (Nariki-n-Paua = Metzgerfürst), dass seine Moschee. in schrecklicher Weise verunreinigt worden sei. In manchem andern mohamelda- nischen Lande hätte dies Versehen böse Folgen gehabt, hier aber genügte eine aufrichtige Entschuldigung und Erklärung, um die Sache ein für allemal zu erledigen Von Igabi zogen wir über Ribako nach der grossen Stadt Gilku. Unsere Märsche gingen rasch von Statten, denn die Wege waren trocken und hart, und kein Flusslauf bot uns Schwierigkeiten dar, da die Ströme nun entweder ganz ausgetrocknet waren, oder nur aus einer flachen Rinne bestanden, die eben genug Wasser zu einem erfrischenden Trunke oder einem flüchtigen Bade enthielt, und ohne Schwierigkeiten durchritten werden konnten. Das Flussthal von Gilku mit seinen Fächerpalmen machte auch jetzt einen hübschen Eindruck, obwohl es nicht so grün war, wie früher. Die Fächer-Palmen (ginginja) waren mit grossen runden, dunkelgelben Früchten bedeckt, deren zähes, faseriges Fleisch aromatisch duftete und einen sehr guten, nur etwas (nach Art der Mango) terpentinartigen, Geschmack hatte. Gegen Mittag begegneten wir einer grossen, aus vielen Eseln und Trägern bestehenden, unter der Führung eines Arabers stehenden Elfenbeinkarawane, die nach Zaria zog. Viele Fulbehirten hatten sich mit ihren Heerden in dem fruchtbaren Thale niedergelassen, sodass wir wieder frische Milch und !Butter erhielten. Den Ort Gida-n-Angarba (oder Libere) fanden wir verlassen und theilweise zerstört, die thönernen Getreidespeicher eingeschlagen. Die Horden des Aruna, eines gefürch- teten Freibeuters, hatten den Ort überfallen. Da die Einwohner rechtzeitig von dem Ueberfall Kunde erhielten, wurden nur einige Frauen und alte Männer geraubt, die angeblich durch einen kühnen (?) Angriff auf die Räuber wieder zurückerobert wurden, es wurden jedoch werthvolle Vorräthe und Vieh weggenommen. Die Bewohner flohen in den zwischen Felsen verschanzten alten Ort Libere, den sie fortan bewohnen wollen. Derselbe ist viel besser gelegen und war früher grösser, wurde aber vor längerer Zeit durch den Statthalter von Zaria wegen mangelnder Tribut-Zahlung zerstört. Leider ist diese verderbliche Art der Justiz von Seiten der Herrscher nichts Ungewöhnliches in diesen Ländern. Anstatt wieder in Akoro zu übernachten, wurden wir aus einem uns nicht bekannten Grunde in den nahe bei Akoro gelegenen kleinen Ort Gida-n-Maihalbi geführt, der ebenfalls angegriffen und theilweise zerstört war. Der Kaduna schäumt hier über ein felsiges Bett, und die Landschaft ist stellenweise ausser- ordentlich malerisch. Trotz des starken Gefälles sind gerade hier Krokodile sehr häufig. Wir sahen mehrere kleinere Stücke, und die Leute klagten über Kinderraub von Seiten dieser Ungeheuer. Sehr interessierte es uns, hier einen zu Jagdzwecken dienenden Vogelkopf zu sehen. Der Schnabel eines Bucorax mit dem Schädel war getrocknet, der letztere mit Leder überzogen und ein künstlicher Hals daran befestigt, an dessen unterem Theile sich ein kleiner Spiegel befand. Diesen künstlichen Vogel befestigt der Jäger an seinem Kopfe und kriecht nun mit Schutzledern an den Knieen durch das hohe Gras, sodass nur der Vogelkopf über dasselbe hinaus sagt. Auf diese Weise werden Antilopen, Kraniche und anderes Wild beschlichen und mit meist vergifteten Pfeilen erlegt. Der Zweck des Spiegels am unteren Theile des Halses ist mir rüthselhaft. Die Haussa schreiben ihm ganz besonderen Nutzen zu. Nach der Art wie er angebracht wird, kann er nicht etwa dazu dienen, das Wild darin zu erblicken, man sollte ihn also eher für hinderlich, als für nützlich halten. Vergebens bemühten (65 ) wir uns hier, dies interessante etlinographische Stück zu erwerben, es gelang aber Staudinger später in Loko ein ähnliches zu kaufen, das sich im Museum für Völkerkunde zu Berlin befindet. Da nun kein sumpfiges Terrain uns mehr hinderte, die kürzesten und bequem- sten Wege zu wählen, liessen wir Aduma, wo wir auf der Hinreise übernachtet hatten, östlich von uns liegen und rasteten gegen Abend am höchsten Punkt des Landes, den wir betraten, bei dem Dorfe Katill. Auf diesem Marsche sahen wir zuerst unverkennbare Spuren von der Mordlust der Räuberbande des Aruna, denn zu beiden Seiten des Weges sahen wir erschlagene Männer liegen. Sie waren offenbar vor wenigen Tagen getödtet, denn noch war der Gestank fürchterlich, die von der Gluth der Sonne gedörrte Haut umgab den Körper wie schwarzes Leder, und die Geier und Hyänen hatten ihre Mahlzeiten noch nicht beendet. Angeblich waren die Räuber vor uns, und wir waren darauf vorbereitet, mit ihnen zusammen- zutreffen. Das Dorf Katill selbst sahen wir nicht. _ Es war uns zu spät und wir waren zu müde, den beschwerlichen Weg dahin zu machen, sandten aber den Koch hin, der in seiner drastischen Weise berichtete, der Ort wäre schmutzig, die Bevölkerung unschön und dumm, alle Weiber hätten dicke Bäuche und seien durchaus nicht, oder nur mit ein paar Blättern bekleidet. Einige junge Bunsche kamen an unser Lager und benahmen sich scheu und zurückhaltend. Mehrere freundliche Fulbefrauen verkauften uns frische Butter. An unserm Lagerplatze fanden wir enge Grashütten vor, deren eine Staudinger bezog, während ich es verzog, die herrliche Nacht unter freiem Himmel zu verschlafen. Früh am andern Morgen brachen wir auf und hatten unsre Karawane in guter Ordnung beisammen. Eine Menge von Frankolinen (F. bicalearatus) lud zur Jagd ein, und in aller Eile erlegten wir genug für das Abendbrot. Ueberhaupt sahen wir viele Vögel. Grosse Geier, die wir sonst fast nur in der Nähe der hohen Felsen, ihrer Brutplätze, bemerkten, waren durch die Leichen zahlreich angelockt. Am Wege trafen wir auf viele, lauter männliche Leichname. Augenscheinlich waren es friedliche Wanderer gewesen, die ihrer Habseligkeiten beraubt und nutzlos gemordet waren, Die Hyänen und Geier hatten sie greulich zugerichtet und einzelne Glieder oft weithin verschleppt. Unsere Haussa kümmerten sich nicht im min- desten um ihre erschlagenen Landsleute, die unbedeckt dalagen, nur zwei oder drei, vielleicht im Streit gefallene Freibeuter waren etwas abseits vom Wege mit Gras und Steinen zugedeckt. Es schienen Fulbe zu sein. Kashia war kaum wiederzu- erkennen. Die Häuser und Umzäunungen waren niedergebrannt, und was noch stand war mehr oder minder beschädist. Von dem lebhaften Treiben im vorigen Sommer war nichts zu sehen. Der früher so hochfahrende, unliebens- würdige Häuptling sass ein Bild des Jammers, seiner Frauen und Sklavinnen beraubt, auf seiner Schwelle. Sein Berather aus Zaria, sowie die meisten seiner Sklaven lagen erschlagen im Busch. Wie uns erzählt wurde hatte ein Fulbe, dem der Häuptling seine Rinder fortgenommen, die Leute des Aruna aus Rache herbeigerufen zu einer Zeit, da die meisten waffentragenden Männer auf einem Raubzuge in den Bergen der Ungläubigen abwesend waren. Der Beamte aus Zaria soll mit wenigen Mann den Feinden külın entgegen gegangen sein, doch wurde er mit 15 Anderen erschlagen. Die Räuber nahmen über 400 Frauen und 16 Männer gefangen mit sich und raubten viel Getreide und Pferde. Es hiess, sie seien nach Ringam Fillani gezogen, und ich hatte einige Hoffnung, mit ihnen zusammenzutreffen, aber schon beim Abmarsche von Kashia erhielten wir andre Nachrichten, und sahen nichts mehr von den Schandthaten des Aruna, b) ( 66?) Was wir über diesen Ränberführer erfuhren war derart mit märchenhaften Uebertreibungen durchsetzt, dass es uns nicht möglich war, den vielleicht nur kleinen Kern der Wahrheit herauszuschälen. Es hiess, dass er zwischen sieben Felsen ebensoviele Städte mit ausgedehnten Feldern besitze, so gross, dass eine Belagerung unmöglich sei, dass er selbst so gross und dick sei,—Dicke gilt in den meisten Gegenden Afrikas als ein Zeichen von Reichthum—dass er ein Pferd benöthige, das jedes Maass an Grösse übersteige, ein Pferd das ihn 100 Sklaven gekostet habe, dass er eine Hand wie eine Männerbrust, einen Arm wie einen Weiberschenkel habe, einen Speer aus den Stamnie der Dattelpalme führe, und dass seine Stärke daher rühre, dass er allabendlich ein ganzes Schaf verzehre. Auch sollte er natürlich unverwundbar sein, und dergleichen Unsinn mehr. In Ringam Fillani sahen wir eine Menge Ingwer zum Verhaufe ausgeboten. Da wir Hühner und Ziegen nicht wohlfeil genug bekommen konnten, bildete ein nicht übler Kronenkranich .(Balearica pavonina) mit etwas “asha,” einem hirse- ähnlichen Korn, unsre Abendmahlzeit. Durch gebirgiges Terrain, tiefe, waldige Schluchten mit Rinnsalen klaren Wassers, vorbei an mehreren in Walde versteckten heidnischen Dörfern, kamen wir nach Aribi und Kukui, wo wir wieder im Freien übernachteten, wie auf der Hinreise. Wir waren sehr erfreut, dass ein Mann Namens Yato, der uns früher allerlei versprochen hatte, unserer gedachte und uns Lebensmittel sowie das interessante, oben erwähnte brillenförmige, einzige Kleidungsstück der Frauen, und ein im Gürtel getragenes Kampfmesser schenkte. Staudinger sah einen Mann mit einem Bastkleide Es war das glaube ich das einzige Mal, dass wir dergl. sahen, was ja auch sehr natürlich ist, da die berühmten sudanischen Baumwollenstoffe so viel besser sind. In andern Theilen von Afrika, z. B. am Congo und in Gabun, wo keine so ausgedehnte Baumwollindustrie besteht, sind Baststoffe häufig. In Kukui und Aribi wurden heidnische Feste gefeiert, die vermuthlich mit dem Beginne der Regenzeit in Verbindung zu bringen sind, und bei denen warmes, aus gegohrener Dawa (Sorghum) bereitetes Bier bis zum schweren Rausche getrunken wurde. In Aribi, wo wir ein schwach gewordenes Pferd verschenkten, wurden wir von dem Häuptling mit je einem Dorfe beschenkt, in denen wir Herr über Leben und Tod sein sollten. Der Einladung diese Dörfer am folgenden Tage zu besuchen kamen wir nicht nach, da uns an solchem Besitze nichts liegen konnte, übrigens ist es wahrscheinlich, dass diese Gabe nur in der Trunkenheit gemacht wurde, oder dass es mit den betreffenden Orten einen besonderen Haken hat, vielleicht dass sie erst von uns erobert werden sollten. Unser Freund Yato von Kukui kam nochmals am späten Abend im Katzenjammerstadium zu uns und bat um eine Mediein gegen den Tod. Der Abstieg in das Thal ging sehr rasch, denn schon gegen 9 Uhr erreichten wir Panda. Wir kamen an nur wenigen von Heiden bewohnten Dörfern vorbei, doch sollen noch viel mehr abseits vom Wege, tief versteckt im Walde liegen. Das fruchtbare Thal von Panda mit seinen vielen Palmen machte auch diesmal einen herrlichen Eindruck auf uns. Der aromatische Duft einer mit reifen Früchten bedeckten Fächerpalme war über hundert Meter weit bemerkbar. In den Urwaldstreifen war ein reiches Thierleben, und wir sahen auf den Marsche viele Schmetterlinge und Raupen. Eine Menge von Fulbehirten, die in der nassen Jahreszeit nicht weit von Kano wohnen, hatten sich jetzt in dem weidereichen Thale niedergelassen. Die Männer waren ziemlich zurückhaltend, aber die Frauen zutraulicher. Einige (67) bildhübsche Mädchen von einer wunderbaren, natürlichen Grazie, mit schlanken Körpern und klassischen Büsten besuchten uns gegen Abend und schenkten uns frische Milch. Der reiche Schmuck aus Messing, kleinen Muscheln und Glasperlen hob sich geschmackvoll von der braunen Haut ab. Anfangs waren sie etwas schüchtern, wurden aber bald vertraut, und baten uns um Messingketten, die wir ihnen um Schultern und Hüften hängten. Während sie bei uns in dem geräumigen Hause sassen, standen die mit Pfeil und Bogen bewaffneten Männer in der Thür und lugten von Zeit zu Zeit hinein, ob ihren Mädchen kein Unheil geschehe. Letztere merkten wohl, dass es uns fern lag, ihnen ein Leid zugefügen, und dass wir nur bedauerten, dass unsre Unterhaltung nicht fliessender war. Weder die Fulbemädehen noch wir beherrschten die Haussasprache vollkommen. Am Abende begann die heidnische Bevölkerung von Panda zu tanzen, und bis tief in die Nacht hinein war von Schlafen für uns nicht viel die Rede. Die Männer und einige wenige Frauen stampften unablässig in einem grossen Kreise um einen Trommelschläger herum. Die Männer sangen mit lauter sonorer Stimme, oft chorartig, und jeder hatte zwei Gegenstände, Knochen, Holzstücke, Messer oder dergl., mit denen sie durch Aneinanderschlagen einen vieltönigen, betäubenden Lärm verursachten. Einige Frauen liessen dabei das unbeschreiblich durchdringende, tremulierende, vom Meerbusen von Guinea bis zum ostindischen Archipel bekannte Rufen hören, das Burton bezeichnend “ lullilooing ” nennt. Prachtvoll war der Marsch durch das schöne Thal. Zweispornige Frankoline und Perlhühner waren so häufig, dass wir ohne viel Mühe mehr als genug zum Abendessen für uns und unsre Diener erlegten. Mehrere Geschirrantilopen sahen wir und ich erfreute mich an schönen blauen, rothflügligen Bananenfressern. Da ich mich auf der Jagd verspätet hatte ritt ich zuletzt allein hinter der Karawane her. Am Fusse der Felsennestes Gitata angekommen ritt ich ohne Weiteres den steilen Berg hinan, bis in den wohlbekannten Ort hinein. Auf meine Frage nach unsern Leuten und meinem Kameraden wurde mir in wenig höflicher Weise bedeutet, dass alle am Fusse des Berges seien und dort das Lager aufgeschlagen hätten. Da ich nicht allein ohne Decken und Nahrung hier bleiben wollte, und die Bevölkerung keineswegs entgegenkommend war, musste ich wieder hinunter, wobei ich mein ermüdetes Pferd die halsbrecherischen steilen Pfade hinab meist am Zügel führte In der That hatten die Bewohner erklärt, kein Haus für uns zu haben, sodass Staudinger, um nicht Streit herbeizuführen, und das lästige Bergsteigen zu vermeiden, das Lager unter einem grossen Baume im Thale aufgeschlagen hatte. Trotz meiner wieder angeschwollenen Backe und eines leichten Fiebers ging ich vom Lager aus doch noch einmal auf die Jagd. Das interessanteste, das ich ausser den oben erwähnten Vögeln sah, war eine Grabstätte —die einzige, die mir im Haussalande vorgekommen ist. Inmitten eines lichten Waldstreifens befanden sich zahlreiche längliche, kaum bemerkbare Hügelchen, auf denen an einem Ende grosse Steine lagen, in deren Mitte ein irdener Topf stand. An einem der Grabhügel ragten zwei lange Antilopenhöruer aus der Erde, auf einem andern stand eine aufgerichtete, etwa in Form eines Meilensteines behauene weisse Quarzplatte Offenbar war dies eine heidnische Grabstätte, denn die mohamedanischen Haussa kennen dergleichen nicht, sondern haben die unangenehme, und jedenfalls mit zu der Ungesundheit ihrer Städte beitragende Sitte, die Todten in den Orten selbst, meist in den Höfen, zuweilen ober unter den Häusern zu begraben. Dies geschieht gewöhnlich in aller Stille bei Nacht, nnd alle Spuren des Begräbnisses werden verwischt. (68) Uebrigens war die Nacht prachtvoll, und wir entbehrten keineswegs das schützende Dach. Noch um Mitternacht hatten wir 27° Celsius. Das einzige unangenehme war eine Störung durch Ameisen, die auch einige der Neger überfielen. Am folgenden Tage hiess es wieder einmal, wir würden überfallen werden, denn das Volk von Abutshi, das uns schon auf der Hinreise bedroht haben sollte, aber durch ein geheimnissvolles Brummen in der Luft abergläubisch gemacht von dem Angriff Abstand genommen hatte, sei wieder gegen uns ausgezogen. Wahrscheinlich war nichts wahres daran, denn wir sahen keinen Feind, dagegen begegneten wir einer grossen, von wohlbewaffneten Arabern geführten, von Musik begleiteten Elfenbeinkarawane, die vom Benue nach Kano zog. Am 12. April kamen wir nach Kefli. Wir waren nicht wenig erstaunt, dass dem elenden Dan Tambari hier grosse Ehren erwiesen wurden. Er hatte nämlich auf der Hinreise hier den grössten Theil seines Besitzes verschwendet und sich sehr durch seine Freigebigkeit beliebt gemacht. Leider mussten wir wieder vier Tage in Kefli bleiben. Die Nächte waren hier entsetzlich schwül, und mich plagte mehrere Tage ein heftiger Muskelrheumatismus, der mir allen Schlaf raubte. Endlich ging ein schweres Gewitter nieder, das Menschen und Thiere ausserordentlich erquickte. Merkwürdiger Weise war auch mein Rheumatismus nun verschwunden und kehrte nicht wieder. In Keffi wurden wir übrigens im allgemeinen sehr herzlich empfangen, und überall gab man hier in lauten Ausrufen das Erstaunen kund, dass wir “ Nazarener” in Sokoto und Kano gewesen waren, und nun wohlbehalten wiederkehrten. Die Träger wollten auch hier, wie überall in grossen Städten, möglichst lange verweilen, als wir sie aber endlich zum Aufbruch gebracht hatten, waren sie recht willig. Laut singend, von der weiten Reise prahlend, zogen sie in die Dörfer ein, und unserer Diener bemächtigte sich allmälig eine ausgelassene Freude, da sie sich der Heimath zu nähern begannen. In Kefi ward uns noch eine unverhoffte Freude zu Theil: wir erhielten Briefe aus der Heimath, die freilich neun Monate alt waren, und auch Nachricht von Flegel. Letztere war fast ebenso so alt, und enthielt auch einige Instruktionen für die Reise, die nun freilich etwas sehr post festum kamen! Er hatte geglaubt, sein Brief würde uns auf der Hinreise noch in Keffi erreichen, wozu er aber viel zu spät von Loko abgesandt worden war. Anassarawa fanden wir stiller und leerer als im Herbste, denn der Statthalter mit seinen Beamten und einem grossen Theile der männlichen Bevölkerung befand sich, wie auch der Herrscher von Keffi, im Kriegslager, einige Meilen von der Stadt entfernt. Zu unserm Leidwesen erfuhren wir, dass der alte Jüger in Loko, der einzige unsrer dortigen Bekannten, der Wald und Wild kannte, und mit dem ich beabsichtigt hatte, viele Ausflüge zu machen, in einem Kampfe gegen die Afo gefallen sei. Obwohl mit einem Snider-Gewehr bewaffnet wurde er, nachdem er mehrere Heiden getödtet hatte, durch einen Steinwurf zu Boden gestreckt. Als dies geschah flohen die feigen Kameraden und der arme Jäger wurde erschlagen. Kopf, Hände und Penis wurden von den Siegern im Triumphe fortgetragen, doch befanden sich die Gewehre jetzt augenscheinlich im Besitze des Sultans von Anassarawa, was ich nicht recht verstehen konnte. Durch schönes, reichbewaldetes Gelände, das im frischen Grün prangte, marschierten wir nach Ube. Auf einer Jagd nach Perlhühnern sah ich mehrere Antilopen und einen kleinen Hasen, den ich auch diesmal nicht schiessen konnte, da ich gerade lud. (69) Am 20. April kamen wir wieder in Loko an, das wir am 12. August des vorigen Jahres verlassen hatten. Wohl war es ein befriedigender Augenblick, und wohl schlugen unsre Herzen rascher, als wir durch den Buschwald in der Ferne den leuchtenden Wasserspiegel des Benuö schimmern sahen, und als wir bald nachher, von einer Schaar von Trommelschlägern eingeholt, unter dem ‚Jubel der Bevölkerung und heftigem Geknatter unserer sämmtlichen Schusswaffen— wir drückten heute gern ein Auge zu bei dieser Verschwendunge—in dem altbekannten Loko wieder einrückten. Freundlich wurden wir von unsern Bekannten begrüsst und bezogen wieder die alten Quartiere. Wir waren fröhlich und guter Dinge, denn vor uns lag— wie wir glaubten—eine sorglose Zeit, die wir ganz zu wissenschaftlichem Sammeln ausnutzen konnten. IEI 2 KAPITER. LOKO AM BENUE UND RUCKKEHR NACH EUROPA. Leider wurde unsre Freude bald gedämpft, und eine bittere Enttäuschung wurde uns zu Theil. Wir hatten mit Flegel verabredet, dass wir nicht nur unser persönliches Eigenthum, soweit wir es nicht mitgenommen hatten, sondern auch reichlich Waaren für unsern Unterhalt bei unsrer Rückkehr nach Loko vorfinden sollten. Man kann sich daher unsern Schrecken denken, als wir fanden dass nichts da war ! Nur zwei Koffer mit Kleidern, zwei Kaffeemaschinen (ohne Kaffee !) einige leere Flaschen und Sammelgläser und eine Kiste mit grauem Pflanzenpapier fanden sich vor! Das werthvollste von unserm Privateigenthum, die Waaren, Pulver, Spiritus und selbst Tisch und Stühle, sowie andre zur Bequemlichkeit eines Buropäers beitragende Gegenstände fehlten. Wir waren in einer traurigen Lage. Es fehlte uns an Mitteln zum Unterhalte, wir konnten den Trägern und unsern Dienern nicht die ihnen gegebenen Versprechungen erfüllen, wir hatten fast aller Bequemlichkeiten zu entbehren, hatten keine Instrumente zu wissenschaftlichen Untersuchungen, mir fehlte Spiritus und Jagdpulver ! Dieser Tag war der traurigste auf unsrer ganzen Reise, selbst Krankheit und Schmerz hatten uns nicht so schwer getroffen. Später erfuhren wir von Thiel, der nicht wusste was wir mit Flegel verabredet hatten, dass er auf Flegels Befehl unsre Sachen nach Djibbu am mittleren Benu& gebracht habe. Eine Erklärung dafür fehlt uns, aber selbst wenn Flegel Gründe für seine Handlungsweise hatte, so war es sinnlos, dass der Spiritus fort war, während die Gläser und Tuben in Loko blieben ! Loko war gegen das Vorjahr heruntergekommen. Unser Wirth, der noch der wohlhabendste Eingeborene im Orte war, war nicht im Stande, uns Zeug oder Kauri zu leihen, der schwarze Agent der Niger-Company erklärte kein Recht zum Leihen zu besitzen, und unsere Mittel waren nahezu erschöpft. Die Träger waren schliesslich bereit, eine Anzahl unsrer Pferde in Zahlung zu nehmen, nachdem wir ihre kleinen Schulden im Orte übernommen hatten, (70) Wir begannen bald, so gut die Umstände es gestatteten—ich ohne Spiritus und mit mangelhafter Munition—man denke !—zu sammeln. Leider wurde mein Kamerad hier längere Zeit von einem Malaria-Leiden und schmerzhaften Geschwüren befallen, sodass seine Schmetterlingsammlung recht unbedentend blieb, obwohl die Gegend für einen Sammler durchaus nicht ungünstig sein konnte. Da es mir, wie gesagt, an Alkohol fehlte, und ich keinen Präparator hatte, beschränkte ich mich fast ganz auf das Sammeln von Vögeln und Käfern. Mit unsrer Beköstigung sah es ziemlich schwach aus, aber erlegte Vögel und Antilopen halfen uns aus. Bald sollten wir wieder die Freude haben, Europäer zu begrüssen : ‚Jos@ Zweifel, der berühmte Entdecker der Nigerquellen, ein geborener Schweizer, und Charles Mac-Intosh, beide Agenten der Nigerkompagnie, trafen in Loko ein. Da sie von unsrer traurigen Lage gehört hatten, beschenkten sie uns in frenndlichster Weise mit Conserven, Kaffee, Rothwein, Cacao und einigen Schafen. Man sieht, dass die Männer, die Flegels Plänen so rücksichtslos entgegen- traten, einem in ihren Augen harmlosen wissenschaftlichen Reisenden menschlich und sogar herzlich begegnen konnten. Von Loko aus durchstreifte ich die Umgegend nach allen Richtungen hin. Hauptsächlich führten mich meine Ausflüge dahin, wo ich interessante Vögel erwartete, also in die Wälder und an den Strom. Häufig besuchte ich den Häupt- ling des Gida-n-Maihalbi, d.h. des Dorfes der Pfeilschützen, wo ich gewöhnlich auf seiner Matte ein halbes Sıündehen ruhte, und einen Becher “kunnu,” eines angenehmen säuerlichen Getränkes aus Wasser, Hirsemehl und Tamarindensaft, trank. Dann ritt ich in das grössere, zwei deutsche Meilen in nordöstlicher Rich- tung gelegene Dorf Afuräh, das grösstentheils, aber nicht nur von mohameda- nischen, freundlichen Haussa bewohnt wurde. Etwa eine Meile nordöstlich des Dorfes der Mai-halbi traf ich schon auf ein heidnisches Dorf, dessen Bewohner mich brüllend umringten und auf meinen mohamedanischen Gruss und eine Frage nach einem Trunk Wassers lachend und in mir unverständlichem Idiom entgegneten. Es wurde mir in Loko gerathen, dieses Dorf nicht mehr allein zu besuchen. Die Heidendörfer auf dem südlichen Ufer des Benu& lieferten früher viele Früchte und andere Sachen nach Loko, da aber einige ihrer Leute von einem ruchlosen Anassarawa- Prinzen gefangen und verkauft waren, trauten sie sich nicht mehr oft herüber, und auch wir wurden bei unsern Besuchen dort mit Misstrauen empfangen. Vergebens suchte ich nach den Ruinen des ehemaligen “ Dagbo” alter Karten, das doch in unmittelbarer Nähe des heutigen Loko gelegen haben muss, während Loko, gleichen Namens, früher auf der gegenüberliegenden Insel im Benuö gelegen hat. Strom- abwärts fand ich nur die Ruinen eines kleinen Farmortes. In ostnordöstlicher Richtung in der Entfernung von etwa 13 (nicht $) Meilen fand ich die Reste ausgedehnter Umfassungswälle, diese aber lagen weit vom Strome entfernt, auch kannte Niemand in Loko den Namen “ Dagbo.” In diesem Ruinenfelde, wo nur niedriger Buschwald stand, waren Antilopen, und zwar TZragelaphus seriptus, Kobus kob und Hippotragus equinus gambianus nicht selten. Aobus kob ist überall sehr häufig, und ihre Gehörne sieht man bei den heidnischen Stämmen überall. Eine vermuthlich noch unbeschriebene Form von Oryx leucoryx kommt ebenfalls vor. Ich sah ihre Hörner in Lokoja, und habe noch ein abgeschältes Hornstück, das ich in Loko erhielt. Am 15. Juni, nachdem wir den Pfingstabend bei unserm Freunde Zweifel in grosser Gemüthlichkeit verbracht hatten, brach ich nochmals, nur von unserm Sklaven Igalla, dem gelbhäutigen Sklaven Sherifias aus dem Akpoto Stamme und (1) unserm Koch begleitet, auf Sherifias Pferdehen nach Anassarawa auf. Der Anlass zu dieser kleinen Reise war folgender. Den wiederholten dringenden Bitten des Sultans nachkommend, und um Mittel zu einer besseren Existenz zu bekommen, hatten wir unsre noch übrigen beiden Pferde nach Anassarawa gesandt, wo Tambari sie dem Sultan übergeben hatte, der jedoch nichts dafür gezahlt hatte. Wir erhielten keinerlei Nachricht, und wollten die Sache wenigstens aufgeklärt haben. Zuerst musste der wohlbekannte Ring von Feldern, der Loko umgiebt, dureh- schritten werden, in dem sich verschiedene Tauben, namentlich Turtur albiventris und erythrophrys, und Schaaren körnerfressender Singvögel, Penthetria macrura, Ploceus euceullatus und andre aufhielten, die an den reifenden Achren der Penieillaria und des Sorgkum beträchtlichen Schaden thaten, und beständig durch lärmende Wachen verscheucht wurden. Nach einer Stunde erreichten wir den ersten Urwald- streifen, an dessen Rande Perlhühner und Frankoline lockten. In dem Waldstreifen rieselte ein silberheller Bach, der einen frischen Trunk gewährte, und in den hohen Baumkronen mischten sich die dumpfen Rufe des grossen Helmvogels (Corythaeola ceristata) in das Blöcken scheuer Meerkatzenheerden. Dann kam wieder lichter Buschwald. Dieser bedeckt den grössten Theil dieser Landstriche und besteht zumeist aus einer Anzahl von Akazienarten, Anona senegalensis, Strychnos spinosa, Parkia biglobosa, und anderen Sträuchen und Bäumen. Hohe, bis zu vier Meter ansteigende, meist aber niedrigere Termitenhügel, den Ruinen gothischer Bauwerke ähnelnd, drücken der Landschaft ein eigenartiges Gepräge auf. Durch diesen lichten Buschwald ziehen üppige, von Bächen durchströmte Urwaldstreifen hin. Nach kurzer Rast in dem Haussadorfe Ushiarogo ging es weiter, bis wir am späten Nachmittage das von heidnischen Afo-Negern bewohnte grosse Dorf Ushiambisa erreichten. Zur Wohnung wurde mir ein wahres Labyrinth von Hütten angewiesen, das nur einen Eingang hatte, durch den jeder Bewohner und Besucher kriechen musste Mit Absicht sage ich kriechen, denn die Thüröffnungen sind hier allgemein so niedrig, dass man nicht aufrecht hindurch kann. Dadurch wird wohl die nächtliche Kälte, aber auch alle frische Luft abgehalten. Das Innere der ersten Hütte, in das ich gelangte, war zur Hälfte von sehr kunstlosen, Menschen oder Affen ähnelnden, mit Federn geschmückten Lehmfiguren eingenommen. Darauf führte der Weg noch durch zwei fernere Hütten und über kleine Hofräume, bis ich in einen grösseren Hof gelangte, in dem mehrere Wohnungen waren. Eine derselben war wieder eine “saure,” d. h. ein Durchgangshaus, und führte in das für den Koch bestimmte Quartier, eine andere war von mehreren sehr hässlichen Weibern, eine dritte von einigen Knaben bewohnt, und die vierte, grösste und luftigste war für mich reserviert. Obwohl ein S Fuss hoher thönerner Getreidetopf und die rohen Dach- stützen viel Raum einnahmen, war doch reichlich Platz für mein Lager vorhanden, Die sehr freundlichen Frauen besorgten Salz und rösteten uns Maiskolben, während ich mit dem Koch das Labyrinth wieder verliess und auf eine erfolgreiche Perlhuhn- jagd ging. Ushiambisa ist früher, wie die Reste ausgedehnter Umwallungen und Trümmer von Gebäuden zeigen, viel grösser gewesen, aber vor einer Reihe von Jahren vom Herrscher von Anassarawa wegen Unbotmässigkeit “ gegessen ” worden, wie die Haussa sagen. Diese Art der Bestrafung, durch die die Landesherren ihr eigenes Gebiet verheeren, ist früher schon erwähnt worden. Besonders heidnischen Ortschaften gegenüber wird sie rücksichtslos angewandt. Die Bewohner von Ushiambisa sind bessere Jäger als die Haussa. Ich sah dort viele Hörner und Schädel von Schweinen, Geschirrantilopen und Wasserböcken (72) (Kobus kob und Hippotragus equinus gambianus), und das Fell eines kürzlich mit einem Giftpfeil erlegten Aobus-Weibehens. Die Frauen überraschten mich auch Abends mit einem Gemüse, in dem Speckstücke schwammen. Sie rührten von einem Pinselohrschwein (Potamochoerus) her, das von den Mohamedanern nicht gegessen wird. Vor dem Schlafengehen suchten mich die Weiber durch ungraziöse Tänze zu erheitern, an denen ich aber keinen Geschmack finden konnte, zumal ich müde war. Am folgenden Morgen brachen wir schon um 34 Uhr auf, um in der Morgenkühle zu marschieren. Kurz hinter dem Orte tauchten wir auf steil abfal- lendem, beschwerlichen Pfade in tiefes Walddunkel ein, in das kein Strahl des herrlichen, magischen Mondlichtes, das sonst die Nacht erhellte, eindrang. Ich liess das Pferdchen führen und ging zu Fuss, bis wir ein unheimlich dahin rau- schendes, dunkles Gewässer erreichten. Der Koch ging voran, um die Tiefe zu prüfen und berichtete, dass es gerade so tief sei, dass ich durchreiten könne. Dies ging auch anfangs ganz gut, beim Hinaufreiten auf das andre Ufer aber glitt der Gaul aus, und stürzte rückwärts mit mir in den Bach. Mit Hülfe der Leute kam ich sowohl als das Pferd zwar bald wieder heraus, aber ich hatte nun mehr als genug von der Morgenkühle, denn Kleider, Flinte und Revolver waren nass, und der Sattel hatte durch das Wasser die doppelte Schwere angenommen. So musste ich denn, schon um nicht allzu sehr zu frieren, wieder zu Fuss gehen. Klappernd vor Kälte lief ich den aus der düsteren Schlucht auf ein offenes Grasland führenden Pfad hinan, wo die Nacht mit ihren Schatten von uns wich. Als wir bald darauf wieder in einen Waldstreifen traten, ging die Sonne in vollem Glanze auf, und mit ihr kam die Wärme wieder. In vollen Zügen genoss ich die Grossartigkeit des afrikanischen Urwaldes, in dem bunte Bananenfresser und Nashornvögel loekten, Affen blökten und auf dem Wege zwischen zahlreichen Führten verschiedener Antilopenarten auch die frischen Spuren einer Elefantenfamilie zu sehen waren. Um 7% Uhr erreichten wir Ube, dessen heidnische Bewohner uns schon „weimal Gastfreundschaft gewährt hatten, nun aber in Folge eines Angriffes der Einwohner von Abutsha (oder Abadja) in den zwischen Felsen verschanzten Ort Indu geflüchtet waren. In den reifenden Getreidefeldern thaten sich die Vögel (namentlich Webervögel) gütlich, nur ein alter Elefantenjäger war soeben ange- kommen, um hier für den geldgierigen Sultan zu jagen. Durch die wundervolle Berglandschaft ging der Marsch weiter bis Anassarawa, das wir gegen Abend erreichten. Wir fanden es leerer denn je, da beinahe die halbe Einwohnerschaft im “sansanne” oder Kriegslager sich aufhielt. Freund Tambari fand ich krank, von heftigem Rheumatismus und einem bösen Husten geplagt, ein Bild des Jammers vor. So konnte ich ihm nicht allzu böse sein, obwohl er das möglichst dumme gethan hatte: nämlich die Pferde dem Sultan gegeben, und nun mit den Weibern schwatzend, unthätig auf der Bärenhaut lag. Bei seiner Wirthin, der hübschen, schlanken, hellbraunen Frau des “Sariki-n-Pana” (des Schlächter- hänptlings), deren Mann im sansanne war, fanden auch wir Quartier. Am folgenden Tage, so hiess es, zöge der Sultan zum Kampfe aus, daher vergnügte ich mich auf der Jagd, und brachte den Rest des Tages in der kühlen Wohnung zu. Ich bekam reichlich Besuch, unter Andern von einem Prinzen aus Sokoto, der mir erzählte, der brave Osiri sei gestorben, und einem sehr intelligent aus- sehenden jungen Schriftgelehrten, der mir einige kurze Grussbriefe an unsere Freunde in Kano, nämlich den Madji und die reichen Araber, Alhadi Massaul, Alhadi Abubaker und Babande verfasste, die ich unterzeichnete. Am nächsten Morgen liess ich mich über den westlichen Flussarm setzen, (73) und ritt in das in nordwestlicher Richtung am Fusse felsiger Hügel errichtete Kriegslager (sansanne). Der Sariki-n-Paua führte mich alsbald zum Sultan. Dieser war ob eines Streites mit dem Madaki von Keffi in grosser Erregung und lärmte in recht ordinärer Weise in seinem Hofe herum. Er begrüsste mich freundlich, war aber empört darüber, dass der Koch gleich mir mit einer Flinte in den Händen vor ihm sass. Er behauptete, dass ich, der Weisse, thun könne, was ich wolle, aber ein Neger dürfe nicht mit einem Gewehr vor ihm sitzen. Es entstand ein Handgemenge, um dem Koch das Gewehr zu entreissen, aber es gelang, die Sache zu schlichten, ohne dass ich dem Eigensinn des Sultaus nach- gab. Darauf begann eines jener überlangen “palaver,” wie man allgemein in Westafrika solche Verhandlungen nennt, aber das Resultat waren nur neue Verspreehungen, mit denen ich schliesslich nach einer heftigen Scene abzog, da ich nicht zu guter letzt noch unsre bisher friedlichen Beziehungen zu den Haussa- fürsten abbrechen durfte, was zum Mindesten thöricht und unklug gewesen wäre. Gegen Abend trafen wir wieder in Anassarawa ein, wo ein wildes Perlhuhn wieder ein angenehmes Nachtmahl abgab. Da wir alle einen Marsch in der Kühle der Nacht für angenehmer hielten, marschierte ich schon um Mitternacht, als der Mond in diamantenem Glanze aufging, ab und verabschiedete mich von der freundlichen Wirthin und Tambari mit einigen Geschenken. Das Wasser des Kogi-n-Anassarawa war gefallen, so dass wir ihn durchwaten konnten, und die frische Morgenluft wirkte so belebend, dass wir in flottem Tempo vorwärts kamen. Der Morgen war entzückend schön. Während noch das er- bleichende Mondlicht über dem zur Rechten sanft ansteigenden Lande lag, schienen sich die wildzackigen Gipfel der zu meiner Linken steil aufsteigenden Afo-Berge zu vergolden, um dann für Augenblieke in fenerrothem Liehte zu erglühen, bis die wärmende Sonne wie ein Fenerball darüber emporstieg und die Nacht gewichen war. Ohne Aufenthalt ging es an Ube vorüber bis zum Bache von Ushiambisa, wo wir einen Trunk kühlen Wassers thaten und für einige Minuten die Glieder streckten. Trotz des kühlen Morgens waren die Mittagsstunden ungemein heiss, und zwischen Ushiambisa und Ushiarogo plagte uns eine kleine Bienenart, die zwar nicht sticht, aber durch ihr Herumkriechen an und in Hals, Nase, Ohren und Mund ihre Opfer, die sie zu Hunderten überfällt, greulich peinigt. Uebrigens traf ich sie in Afrika nur hier an. In Ushiarago ruhten wir etwa anderthalb Stunden und assen einige in Bananenblättern gekochte “ maididi” mit Honig. Da mein kleines Rösslein mich schier nicht mehr von der Stelle befördern konnte, hing ich ihm nur meine langen Reitstiefeln über, und marschierte in leichten Haussa- Schuhen in 24 Stunden bis Loko. Ein schweres Gewitter zog herauf und gerade krachten. die ersten Donnerschläge, brauste der Wirbelwind über die Felder und fielen die ersten Tropfen, als wir Loko wieder erreichten. Am 21. Juni sollten wir endlich die Freude haben, Herrn Thiel mit dem “ Dr. Heinrich Barth” herandampfen zu sehen. Es war eine grosse Freude, den alten Kameraden wieder zu begrüssen, aber die Menge der neuen Nachrichten aus dem Vaterland, Briefe und Zeitungsauschnitte, war fast zu viel für uns. Zu unserm Bedauern erhielten wir auch von der afrikanischen Gesellschaft die lakonische Mittheilung, dass “die Reichsregierung keine weiteren Mittel bewilligt habe, und wir uns daher mit Flegel behufs sofortiger Rückkehr nach Deutschland in Verbindung setzen ” möchten. Es blieb also nichts übrig, als zurückzukehren, denn zu einem längeren 5) Aufenthalt an günstigem Orte, zu wissenschaftlichen Zwecken, hatten wir keine Mittel mehr zur Verfügung. Dass dies unsre Freude gewaltig dämpfte, kann man sich vorstellen. Ehe wir Loko verliessen, erfüllten wir eine uns im höchsten Grade angenehme Pflicht, nämlich den Sklaven Igalla zu befreien. Es war dies eine interessante, aber im übrigen einfache Ceremonie, die von Staudinger und mir anderwärts beschrieben worden ist. Der gute Bursche war stattlich und stark geworden und wäre uns gern bis ans Ende der Welt gefolgt, aber wir dachten nicht daran, ihn als Staffage unsrer Personen nach Deutschland zu schleppen, wo er nur verhätschelt und verdorben worden wäre. Er verliess uns indessen nicht eher, als bis wir den englischen Dampfer wieder in Brass bestiegen, von wo er dann mit Thiel wieder nach Loko zurückkehrte. Ehe wir den an uns ergangenen Befehlen zufolge zur Küste zurückkehrten, hielten wir es für unsre Pflicht, den Benu& hinauf zu dampfen, um nähere Erkundi- gungen über Flegel einzuziehen. Obwohl die Flussfahrt in keiner Weise anstrengend war, gehört sie nicht zu meinen angenehmen Erinnerungen. Mücken und Sandfliegen waren eine furchtbare Plage, an Sammeln und jagen war nicht zu denken, nur selten sah man in weiter Ferne ein Hippopotamus, und der einzige Sport war das Schiessen von Krokodilen, deren wir einige mit unseren Mauserbüchsen erlegten. Dazu kam, dass mich wieder ein heftiges Fieber ergriff. Den versuchten Schikanen einiger Agenten der Nigergesellschaft begegneten wir durch ein ruhiges und bis zur Ueberhebung festes Auftreten, immer unsre Eigenschaft als Männer der Wissenschaft betonend, und hatten die Genugthuung, unsre anfänglichen Gegner entweder zu entwaffnen oder sogar in kameradschaftliche Freunde umzuwandeln. Am 29. Juni kamen wir in das Gebiet der kriegerischen Muntchi. Vor einem Dorfe legten wir an und kauften Holz und Lebensmittel. Der Häuptling hat uns, ihn zu besuchen. Da ich noch nicht wohl war, besuchten Staudinger und Thiel ihn allein, und fanden ihn sehr freundlich. Er besass eine mit Kreuzen unter- zeichnete Abmachung mit der Nigergesellschaft, wonach er sein Land der letzteren abgetreten haben sollte. Von’ dem Inhalte dieser Schrift behauptete er jedoch keine Kenntniss zu haben, und erklärte, er sei das Opfer eines Schwindels. Wir hatten keine Ahnung, dass dieser Haüptling mit seinen Leuten einen Engländer ermordet hatte, wofür er bald darauf erschossen wurde. Nicht lange nachher verloren die Engländer hier noch zwei Leute, die aber durch den hervorragenden Muth des jungen Charles MacIntosh, und später durch die Kanonen der Niger- gesellschaft gebührend gerächt wurden. Am 2. Juli erreichten wir Djibbu. Spät am Abend kam ein Zug mit Fackeln durch die Dunkelheit an’s Ufer: der alte Madugu Mai-gashi-n-baki und zwei von Loko aus von uns an Flegel gesandte Boten. Letzterer hatte nicht versucht, den damals noch unerforschten und wichtigen Weg nach Kamerun einzuschlagen, sondern hatte sich mit endlosen Unterhandlungen mit dem Herrscher von Yola und andern Häuptlingen aufgehalten. Ausserdem hatte er furchtbar an Fieber und Lähmungen gelitten. Flegel hatte in Djibbu Gebäude errichtet, die uns, oder Anderen, als Station dienen sollten. Eine riesige Saure, ein Vorrathshaus und ein grosses, langes Haus mit vier nur durch Fensteröffnungen verbundenen Abtheilungen, waren zwar nicht übel gebaut, aber ohne Fussböden und zum Theil noch unfertig. Ausserdem wären sie, in einer offenen, baumlosen Gegend gelegen, für eine zoologische Station ganz (75 ‚ungeeignet gewesen. Ueberhaupt sahen wir auf der ganzen Reise von Loko her keinen Urwald mehr. Von Waaren fanden wir nur wenig vor, und weder mein Pulver, noch die wissenschaftlichen Instrumente befanden sich hier. Vermuthlich waren sie in Bakundi am Tarabba, einem Nebenflusse des Benuö, wo Flegel ebenfalls ein Gebäude hatte errichten lussen, und eine Art von Depot hatte, das unter Leitung eines seiner Vertrauten stand. In Bezug auf Flegels Freunde waren wir freilich skeptisch, denn er war den Eingeborenen gegenüber allzu vertrauensselig, während er Europäern nieht selten mit Misstrauen begegnete. Die Angaben des alten Madugu im Barte waren in Bezug auf Waaren sehr verworren, und wir konnten uns nicht der Ueberzeugung verschliessen, dass er mit denselben leichtfertig und verschwenderisch umgegangen war. Wir waren sehr begierig, auch Bakundi zu besuchen, wo Löwen nach Flegels und Tambaris Angabe häufig sein sollen, aber leider war der Tarabba noch sehr flach, und ein Versuch durch die zahlreichen Untiefen desselben bis Bakundi zu kommen, konnte bei dem Mangel an Holz und den vielleicht feindlichen Eingeborenen an den Ufern leicht verhängnissvoll werden, wie wir uns überzeugten, und eine Landreise war uns zu kostspielig und langwierig. In Djibbu fanden wir auch Skelette des von Dr. Vogel entdeckten Fluss- säugethieres des Benu&, des “ Aju” der Eingeborenen, vor, der indessen weiter nichts als der bekannte, wenn auch seltene Manatus senegalensis sein soll, der auch bei Bakundi ziemlich häufig ist. Wir kehrten nun nach Loko zurück, das wir nach wenigen Tagen auf Nimmerwiedersehen verliessen. Ungern schied ich von den Wäldern, die noch so manche unbekannte Thierart bergen, und herzlich verab- schiedeten wir uns von Herrn Zweifel. Sehr betrüht war über unsere Abreise Dan Tambari’s Frau Sherifia, deren stete Zuneigung, Gefälligkeit und Dankbarkeit für alle kleinen Geschenke, Schutz und Freundlichkeiten von unsrer Seite, uns manche Annehmlichkeit verschafft hatte. Die gute Frau weinte bitterlich, und ihre Zukunft war wohl auch nicht rosig, denn ihr edler Gatte hatte all ihr Vermögen durchgebracht, und schien nicht geneigt, ein arbeitsames Leben zu führen. Am Tage unsrer Abfahrt kam er von Anassarawa uud erklärte ohne Weiteres, mit uns nach Deutschland zurückzukehren. Schliesslich mussten wir ihn vom Dampfer entfernen lassen, und die ihm gelassenen Geschenke, die ihn wenigstens einige Zeit lang vor Noth schützten, vermochten seinen Schmerz und seine Wuth nur halb zu besänftigen. Am 10. Juli kamen wir nach Rumassa, wo der Kogi-n-Anassarawa in mehreren Armen mündet. Die Bevölkerung ist zum grössten Theile noch heidnisch. Der Häuptling erklärte einen Brief des Sariki-n-Anassarawa, der angab, dass wir hier Elfenbein für unsre Pferde vorfinden würden, für die grösste Lüge! Besonders erstaunt waren wir hierüber gerade nicht mehr. In Lokoja besuchte ich wieder meinen alten Freund, den Häuptling Mew, der wohl und munter war. Den hochgebildeten Pater Fiorentini von der katholischen Mission fand ich nicht mehr—man hatte ihn vor sechs Monaten begraben. Die übrigen vier Priester freuten sich über unsern Besuch, und verplauderten eine gemüthliche Stunde mit uns. Es war ein wunderbares Nationalitätengemisch : ein Franzose, ein Italiener, ein Schweizer und ein Ire. Die englische Missionsgesellschaft liess hier grossartige Bauten anlegen, die mir als solche wirklich imponierten. In Onitsha besuchten wir wieder den Häuptling und wohnten bei den katholischen Missionären, Luz und Hong, die aber einer andern Gesellschaft, als die in Lokoja, angehören, Während jene zu (76) den Weissmänteln aus Lyon gehören, sind diese von der Pariser Verbrüderung des “ Saer& coeur,” ete., ausgesandt. Wir fanden in dem Pater Luz einen sehr gebildeten, duldsamen und liebenswürdigen Mann. Er galt auch später bei den Engländern für den bedeutendsten der katholischen Missionäre am Strome. Die kleine Gemeinde bestand grösstentheils aus schwachen Knaben, die auf dem gegenüberliegenden Ufer, wo sie zu Menschenopfern verkauft werden sollten, aufgekauft waren. Namentlich bei Asaba sollten diese Opfer damals noch furchtbar grassieren, auch sollen die Stämme im Innern, östlich von Onitsha, Cannibalen sein. Flegel hat dies stets behauptet, Pater Luz und einige der Onitsha-Händler machten uns hierüber ebenfalls die allerbestimmtesten Angaben, sodass wir nicht daran zweifeln können. Uebrigen sandten einige der Häuptlinge ihre Kinder zu den katholischen Missionären zum Unterricht. Ich konnte nicht umhin, obwohl ich im Allgemeinen kein unbedingter Bewunderer der Missionsthätigkeit bin, die Hingabe namentlich auch in Bezug auf Krankenpflege—dieser Missionäre an ihren Beruf, und ihre Wichtigkeit als Kulturapostel anzuerkennen und zu bewundern. Eine geringere kulturelle Bedentung scheint mir die seit langen Jahren hier thätige “Church Missionary Society ” der Engländer zu haben, was wohl vorzugs- weise daran liegt, dass sie hier zumeist schwarze Missionäre von geringer Bildung benutzt, und dass auch das hinausgesandte Material an Europäern nicht immer mit der Umsicht gewählt wurde, mit welcher die Katholiken ausgesucht waren. Aehnliche Beobachtungen habe ich auch im Orient gemacht, und viele Reisende stimmen mit mir überein, doch folgt hieraus natürlich nicht, dass der katholischen Mission überall gleiches und ungetheiltes Lob gesungen werden kann. Es sei nur an die Priesterwirthschaft auf den Philippinen erinnert. Wir fühlten uns bei unsern Gastfreunden in Onitsha überaus wohl, und fast wähnten wir wieder daheim zu sein, als wir an sauber gedeckter Tafel mit allen möglichen Genüssen unsrer europäischen Kultur bewirthet wurden, um uns herum ein ordentliches Ameublement, Bücher und die Laute der Heimath. Durch die in grossartiger Ueppigkeit prangenden Urwälder des unteren Stromes kamen wir am 15. oder 16. Juli wieder in Brass an, wo wir mit alter Herzlichkeit von unserm edlen Freunde Townsend und unserm lebenslustigen Landsmanne Sohnke begrüsst wurden. Nach drei Tagen fuhren wir weiter nach Lagos, das mich sehr interessierte, da es die erste grössere europäische Kolonie war, die ich auf afrikanischem Boden kennen lernte. Bedauerlicher Weise wurde uns der Aufenthalt hier in empörender Weise durch die Engherzigkeit einiger unsrer Landsleute verbittert. Als wir nämlich uns von Flegel trennten, gingen wir natürlich ohne baares Geld ins Innere, und alle Mittel der Expedition waren durch Flegel in Lagos deponiert worden. Infolge eines Zerwürfnisses mit dem einen Handelshause war das Geld auf ein andres Haus übergegangen, und Flegel hatte nicht daran gedacht, dafür zu sorgen, dass uns bei unsrer Rückkehr das Nöthige ausgezahlt würde. Infolge dieses formellen Fehlers weigerte sich nun der kleinliche Mensch, der das betreffende Haus vertrat, uns das Reisegeld nach Europa zu verabfolgen, obwohl wir uns vollkommen legitimieren konnten, ja nicht einmal eine mir persönlich gehörende kleine Summe, die ich Flegel zur Aufbewahrung in Brass übergeben hatte, und worüber ich die Quittung in Händen hatte, konnte ich erhalten! Sogar an äusserlicher Höflichkeit liess der Vertreter jenes Hauses es fehlen, und der deutsche Konsul erklärte sich ebenfalls ausser Stande uns zu helfen! Wir wären nun in einer unerhörten Lage gewesen, wenn nicht Staudingers Vater, als umsich- ie u Di HArIERD N D. WANDErT 8. N. Tar. 8: AM STRANDE. BEI SIERRA LEONE. (77) tiger Geschäftsmann, seinem Sohne in Lagos einen Kredit gegeben hätte. Mit diesem eben ausreichenden Gelde konnten wir weiter reisen. Näheres über die Kleinlichkeit einiger unserer Landsleute in Lagos findet man bei Staudinger mit Nennung der Namen, die ich aber nicht wünsche hier wieder der Vergessenheit zu entreissen. Eine solche Engherzigkeit wie hier in Lagos ist mir nie im Leben wieder vorgekommen, und ich machte in späteren Jahren wesentlich andre Erfahrungen. Die “Winnebah,” einer der kleinsten Dampfer der Liverpooler Linie, führte uns der Heimath zu. Unter Kanonendonner stachen wir in See, denn der bisherige Vice-Gouverneur von Lagos, Sir Alfred Moloney, C.M.G., befand sich an Bord. Er hatte eine Sammlung von Lepidopteren bei sich, die allein 200 Arten von Heteroceren enthielt, von denen später eine ganze Anzahl als neue Arten beschrieben wurden. Areas moloneyi, Anaphe moloneyi, Cossus moloneyi wurden ihrem Entdecker zu Ehren benannt. Wir waren von dem Küstenklima nicht besonders erbaut. Der Himmel war oft tagelang gleichmässig bewölkt und es regnete viel. Wir vermissten den herrlichen Sonnenschein des Innern, wo selbst in der Regenzeit ein Tag ganz ohne Sonne kaum vorkommt, und wir froren. Obwohl ich noch auf der Nigerfahrt mehrere Fieberanfälle gehabt hatte, blieb ich nun davon verschont. In der That schien das Fieber meinen Körper mit dem Tage des Abschiedes vom schwarzen Kontinente verlassen zu haben, und auch in der Heimath hatte ich nie wieder davon zu leiden. Wenige sind darin so glücklich wie ich, und namentlich mein Reisegefährte, der zwar im Lande selbst viel weniger krank gewesen war, als ich, hatte während der Seereise, und noch später in Deutschland an sehr kritischen Fiebern zu leiden und “kämpfte wochenlang zwischen Leben und Tod” wie er selbst schreibt. Am 3. August kamen wir nach Freetown, der Hauptstadt der Kolonie Sierra Leone. Der damalige deutsche Konsul Herr Vohsen (jetzt Inhaber des früher Reimerschen geograpbischen Instituts in Berlin) begrüsste uns mit grösster Liebens- würdigkeit, und gern kamen wir seiner Einladung nach, die Nacht in seinem hübschen Landhause, inmitten üppiger Vegetation, zuzubringen. Die Umgegend von Freetown entzückte mich sehr, und die in späteren Jahren dort von dem Engländer Dr. Clements und von Dr. O. Staudingers Sammlern gemachten lepi- dopterologischen Sammlungen haben gezeigt, ein wie reiches Feld diese Gegend für einen Zoologen ist. Die beifolgende Tafel zeigt den malerischen Strand bei Freetown. Sie ist von einer Photographie meines Freundes Dr. Clements hergestellt. Nur langsam setzten wir unsre Fahrt fort, denn die Winnebah konnte lange nicht die programmässige Knotenzahl machen, da wir gegen einen steifen Passatwind anzukämpfen hatten, und unzählige kleine Häfen anlaufen mussten. Eine will- kommene Unterbrechung war das Anlaufen von Gran Canaria, wo wir wieder einen herrlichen Tag verlebten. Wir liefen dann Plymouth und Hävre an. An beiden Orten hatten wir Zeit genug, die Städte zu besehen, und am 29. August fuhren wir in die Elbe ein. Da die Fluth uns günstig war, erreichten wir in verhältnissmässig kurzer Zeit den Hafen meiner Vaterstadt, die ich vor 16} Monaten verlassen hatte. (18). IV. KAPITEL. RÜCKBLICK UND AUSBLICK. “] with mournful tread Walk the deck, my Captain lies Fallen cold and dead.” WALT WHITMAN. Kaum drei Wochen nach unsrer Rückkehr wurde der unterseeische Telegraph bis Lagos fertiggestellt, und eine der ersten Depeschen, die er beförderte, ja vielleicht die erste nach Deutschland, war die vom Tode Robert Eduard Flegels. Herr Thiel fand ihn sehr durch Dysenterie und Fieber geschwächt und in hoffnungsloser Stimmung in Jola. In einer ausserordentlich raschen Fahrt gelangte Thiel mit dem Kranken nach Brass, wo mehrere europäische Aerzte von im Strome liegenden Kriegs- und Handelsschiffen sich um ihn bemühten, ohne dass es ihnen gelang, ihn am Leben zu erhalten. Dort ruht er nun für immer unter den im Seewinde rauschenden Palmen, am Eingange jenes gewaltigen Wasserweges, mit dessen Erforschung sein Name stets verknüpft sein wird. Wer mit der afrikanischen Entdeckungsgeschichte vertraut ist, wird Flegels Verdienste zu würdigen verstehen. Er war ein edler Charakter und ein Mann von grosser persönlicher Liebenswürdigkeit, namentlich ein begeisterter Deutscher. Sein Patriotismus und sein Wunsch, Deutschland einen mächtigen Platz als koloniale Macht in Afrika einnehmen zu sehen, erfüllten ihn derart, dass er darüber bisweilen alles andre vergass. Er war ein Mann voll von schöngeistigen Ideen, und wer ihn näher kannte musste ihm gut sein. Seiner neuen Aufgabe—als Leiter einer vielköpfigen Expedition—war er allerdings nicht gewachsen, worunter wir in vieler Hinsicht zu leiden hatten. Jedenfalls waren seine Hoffnungen und Pläne, wie ich schon vorher ange- deutet habe, von vornherein unerfüllbar und unausführbar, da sie einen Konkurrenz- kampf in kommerzieller und politischer Hinsicht gegen die Engländer bedingten. Dieser Aufgabe war Flegel allein nicht gewachsen, und auch wenn die Kaufmann- schaft Hamburgs und Bremens ihn unterstützt hätte, wäre es eine grosse Frage gewesen, ob die Engländer aus ihren wohlverdienten, hart erworbenen Positionen hätten herausgetrieben werden können. Was seine und unsre grosse Expedition anbetrifft, so ist eigentlich allein der von Staudinger und mir ausgeführte Plan als geglückt zu betrachten. Unsere Reise nach Sokoto und Gandu war den uns ertheilten Instruktionen gemäss ausgeführt worden, und wir bemühten uns, während derselben in wissenschaftlicher Beziehung möglichst viel zu leisten. Wenn diese Leistungen bescheidene sind, so lag das daran, dass einestheils das Reisen mit einer grossen Karawane im Haussalande für einen Europäer, namentlich wenn er ein Neuling im Lande ist, nicht ganz leicht ist, dass wir vielfach von Krankheit befallen waren, und dass wir schliesslich hauptsächlich nach Afrika gegangen waren, um zoologische Sammlungen und Beobachtungen zu machen. Wie bekannt hatten wir nur auf Bitten Flegels die Rolle übernommen, die den erkrankten Herren Semon und Hawr: RIND WW ANDERJ. E. NZ Tax. A 10°- 8° go Pandero YESKO Kadill (Heiden) 780% | Be KADARRA " N 3 N Ukashia. 650’ w X N iW N A\ 50 Ba) Gt Pe | Se com __——- At S ( Langgestreckte Ss N Stro" Rücken) Sa Sa S SS Si 2 SS KORRO ER | y 52 au PorfaufThoher Felsenkauppe ni RES DA Ss > | ‚ all S - A NER — mc Flug SS PU kai (Heiden) . li cher S N Kaussam| o a ‚Jrunor“ 2 IS S (Wim Thal soll liegen: elsIshikna, | ASS Gongoma, Kaberkco, ut bet SS 0.Koho) — Sanzara (Heiden) i a S OBalonguru 3 Ydgira 3 — higpelig — S Dre N Sı N | IS B S Ra I Ss 8 E = | 3 Lamingap D> R = D N S g 170% ( DerKogin Anassarawa miindet bei HRınasa „ ir. den Benue:) ( Zwischen. Ita und Ushini sehr hoher Urwald ) Spiambisa (Heiden.). Reiseroute im Haussalande |]. SE IS S IS S AN nn I, —— 10° | | | | | | | | Tr | | iS N | S | N | S S | TR 19 | BES > 1} RS | Q S S is Q | S | > I NS | | > le IS D a | Q | z ” % NG Se > S Se ——$0| 1° 120- Harıerı A, D. Wanvers. m. N. Tar 5. 70 Al Ru N v : AN N Guasai RyE - Oma, a eb | > NY ß Ry RER, flacher Strom SS EN NV Bkefi-n -dgur a Say | RS Ns GZ Y / | R SS v Matobi | S KITTS ZN ED: IN Marktplatz ("südlich Bebeshi., nördlich\ Suo.) 1 (Nördlich von Zaria der Flecken Tuekskurtukkur, 3 Stunden N.0. | die kleine Stadt Bassaua ) | o) j = 5 un | De | Viel sumpfig es — (207%) N > Gelände elän.de \ Jgabi (5608) Rn | ‚grosser Hluss, --- OrRoka ıS im März fast trocken Th x & Rebako (570m) | ASS 70) y ( bedeutender Fluls . piber® soll in den Kaduna Hliessen.) I} | | | 55 Kadımd L ec -2007% | | (15 Sumpf: | | Masstab 1: 1000000 atill | BF {4 Atlometer: Koz 2) 70 20 30 40 50 70 Reiserout eim Haussalande I. Harrer —— = ——+ - t HH = Krlometer: | SI S 0 10 20 30 40 50 | NR N 60 i Be Tal AT we ( Wellig nie To iimpein. Wohlge, vpfle ge Felder.) u. Baumwollfelder) Fluss Ralingora KATSHENA, (Bei Paskari viele Dörfer Tureta OGaurapart lessode, Huga, & Haus. SAL Ö Reiseroute im Haussalande I. (79) Gürich zuertheilt worden war, und wir waren daher für diese Aufgaben nur ungenügend vorbereitet. Die geographischen Resultate der Sokotö-Reise gipfeln in der von Herrn Erman nach unsern Kompassaufnahmen und Hypsometerbeobachtungen hergestellten Karte, die in dem 5. Bande der Mittheilungen der Afrikanischen Gesellschaft veröffentlicht wurde. Sie beruht lediglich auf einer sorgfältigen Kompassaufnahme des Reiseweges und Notizen der Tagebücher. Wie Erman (vergl. seine Begleitworte zu der Karte von Paul Staudinger und Ernst Hartert, S. 14, Band 5 der Mtth. d. Afrik. Gesellschaft, 1887) bemerkt, ist die Aufnahme des Reiseweges von “ befriedigender Genauigkeit,” während das topographische Detail viel zu wünschen übrig lässt. Letzteres muss dem unbefangenen Beurtheiler nur natürlich erscheinen, denn wir wussten nicht, dass wir berufen sein würden, eine geographisch wichtige Reise zu machen, und hatten uns darauf nicht vorbereitet. Die beifolgenden Karten sind von mir, mit einigen Weglassungen von Angaben, die für den vorliegenden Zweck unwichtig erschienen, und einigen Zusätzen nach der Erman- schen Karte gezeichnet. Unser Weg von Loko bis Keffi ist mit geringen - Abweichungen der schon vorher von Flegel kartographisch niedergeleste. Die ganze Strecke von Keffi bis Ribako ist neu. Wenn wir annehmen, dass Ribako Baikie’s Rubbu ist, so ist Ribako-Zaria, sicher aber (nach Erman) Igabi-Zaria mit Baikie’s Route von 186% identisch. Zaria-Kano ist grösstentheils, aber nicht ganz mit den Routen früherer Reisenden identisch. Die ganze Route von Zaria bis Sokoto ist durchweg neu. Zum ersten Male perührten wir Kaura, die bedeutende Hauptstadt der Provinz Samfara. Dieser Weg ist auch bis 1901 noch nicht wieder begangen worden. Auf dieser Strecke (Zaria bis Sokoto) allein wurden durch uns 47 Ortschaften, darunter viele grosse, ummauerte Städte, zum erstenmale von Europäern betreten, und so bekannt gemacht. Viele derselben waren in einigen von Flegel mündlich erkundeten, sehr unsicheren “ Itineraren,” oft in mehr oder minder entstellter Form—z. B. ist statt Kaura immer “Daura” angegeben— genannt worden, und wurden erst durch uns festgelegt. Meteorologisch beschränkten wir uns auf Morgens und Abends vorgenommene Thermometer- und Barometer-Ablesungen, die ich meistentheils aufzeichnete, und die Staudinger in seinem Buche abgedruckt hat. Ein Theil derselben ging leider mit einem meiner Tagebücher unterwegs verloren. In geologischer Hinsicht können wir nicht von Ergebnissen sprechen, da wir nur sehr geringe geologische Kenntnisse hatten, und wegen Mangels an Trägern eine geologische Sammlung nicht anlegen konnten. In botanischer Hinsicht beschränkten wir uns im Grossen und Ganzen daranf, die auffallenden Bäume und die wichtigeren Nutzpflanzen kennen zu lernen. Von letzteren brachte ich einige Früchte und im Tagebuche gepresste Blätter und Blüthen heim, die mit ausgiebigster Hilfe von Prof. Ascherson und Dr. Hennings bestimmt wurden, und die sich im botanischen Museum in Berlin befinden. Eine Uebersicht der Pflanzen gab ich in Petermann’s Geogr. Mittheil. 1887, Heft VI. Diese Uebersicht gab ich lediglich nach meinen eigenen Erfahrungen und Erkundigungen bei obengenannten Herren. In einem Kapitel in Staudinger’s Reisewerke (p. 626) hat mein Reisegefährte noch einmal in ausgedehnter Weise die von ihm und mir beobachteten Pflanzen und namentlich deren Verwendung durch die Haussa besprochen, botanische “ Berichtigungen ” (80) befinden sich aber nicht in diesem Kapitel. In einem besonderen Abschnitte werde ich weiterhin noch eine knappe Uebersicht geben, die auf unsere beiden Artikel und einige seitherige Erfahrungen gestützt ist, und somit auch denen zu Gute kommt, die nicht Petermann’s Mittheilungen und Staudinger’s Werk zur Hand haben. Die Lokalitäten sind aus dem vorhergehenden Reisebericht und aus den beigegebenen Karten ersichtlich. Zoologisch konnte auf der Reise selbst nur ganz vorübergehend gesammelt werden. Meine Sammlungen beschränkten sich vorzugsweise anf Vögel und Käfer, während Staudinger sich auf Schmetterlinge und Käfer beschränkte Was auf anderen Gebieten der Zoologie gesammelt wurde, ist nicht der Rede werth. Ueber die Vögel der ganzen Reise gab ich nach meinen Sammlungen und Beobachtungen einen Ueberblick im Journal für Ornithologie für 1886, und werde weiter unten eine Uebersicht aller für das eigentliche Haussaland bekannten Arten geben. Die Bearbeitung der gesammelten Vögel ist leider die einzige einigermassen zusammenhängende, auf Material gestützte, in zoogeographischer Hinsicht vielleicht nicht ganz unwichtige Veröffentlichung über unsere zoologischen Sammlungen geblieben. ‚Die Schmetterlingsammlung Staudingers kam natürlich in die Hände seines Vaters, doch ist leider nichts darüber geschrieben worden. Die wenigen von mir gefangenen Lepidopteren erhielt der verstorbene Sammler Honrath, der mich vor meiner Reise darum gebeten hatte. Er hat ebenfalls nichts darüber veröffentlicht. Die von mir gesammelten, ziemlich zahlreichen Coleopteren erhielt einem vorhergegangenen Versprechen gemäss der leider so früh verstorbene eifrige Sammler Dr. Richter in Pankow bei Berlin, dessen Sammlung nun in alle Winde zerstreut ist, die von Staudinger gefangenen Käfer wurden durch das Geschäft seines Vaters verkauft. Von Publikationen über unsre garnicht unbedeutende Käferausbeute ist mir nichts bekannt, als die Beschreibung einer neuen von mir bei Loko gefangenen Saprinus-Art und die der prachtvollen bei Kashia zur Regenzeit häufigen Cetonide, die Simorhina staudingeri genannt wurde. Ueber die Bevölkerung, ihre Sitten, Eigenschaften, Trachten, Industrie und Handelsverhältnisse habe ich in verschiedenen Vorträgen und Artikeln in einschlägigen Zeitschriften allerlei Mittheilungen gemacht (siehe Litteraturver- zeichniss), das Ausführlichste und Beste darüber findet man jedoch im Zusammen- hange in Staudingers Reisewerk. Unwillkürlich wird man die Frage aufwerfen : was ist noch in jenen Ländern zu thun, und was wird ihre Zukunft sein ? Die Antwort auf die erste Frage muss natürlich lauten, dass die Haussaländer in naturwissenschaftlicher Hinsicht noch fast eine terra incognita sind. Ein zoologischer Sammler würde namentlich in den nördlichen, trockeneren Gebieten zoogeographisch interessante Sammlungen machen können. Noch reicher, namentlich in entomologischer Hinsicht, würde seine Ausbeute in den Korro- Bergen sein, deren waldige Flussthäler und Schluchten an Thieren aller Art überreich sind, oder bei Panda im Gebiete der Yesko. Auch schon unweit von Loko am Benu£, etwa bei Itä, Ushiambissa und Ub&, würde man viel Neues erbeuten. Loko selbst ist ebenfalls ein guter Sammelplatz, nur sollte man nicht wie wir mitten im Orte wohnen, sondern sein Zelt oder Gebäude ausserhalb des Dorfes errichten, wo man ungenierter und näher an den Sammelplätzen ist. Der ausgedehnte Feldbau und die weiten Grasflächen bei Loko sind ein Nachtheil, da sie einen grossen Zeitverlust und viele Kraftver- geudung mit sich bringen. Vor allen Dingen sollten Säugethiere und Reptilien (81) gesammelt werden, auch wären die Süsswasserfische äusserst wichtig, und am Benn& leicht in grosser Menge zu erlangen, wenn man nicht, wie ich, das Missgeschick hat, den Spiritus zu verlieren. Die Zukunft der Haussaländer kann ich mir nur als eine sehr bedeutende denken. Es wohnt in denselben, in Gestalt der heutigen Haussa, ein sehr kräftiges, vielversprechendes Volk. Obwohl uns die helleren, hübscheren, muthigeren, kriegerischeren, streng islamitischen Fulbe sympathischer sein müssen, so dürften doch die mehr friedlichen, duldsameren, arbeitsameren, weichmüthigeren Haussa infolge ihres grossartigen Handelstalentes und ihrer Freude am Besitze für eine friedliche Entwickelung in zukünftiger Zeit von grösserer Bedeutung sein. Mit vielen Fehlern behaftet—der Lügenhaftigkeit, Unzuverlässigkeit, Unbeständigkeit und Habgier der meisten afrikanischen Stämme—sind sie doch frei von vielen Lastern der Orientalen, und durchaus als mässig zu bezeichnen. Der Schnapsgenuss, dem fast alle Küstenstämme huldigen, ist ihnen so gut wie fremd geblieben, das entnervende Rauchen von Opium oder Hashish kennen sie nicht, in erotischer Hinsicht sind sie leichtsinnig und kindisch, aber ohne Raffiniertheit und Unnatürlichkeit. Obwohl sie roh und gefühllos sind (wie unsre Vorfahren es auch waren !) finden wir nicht die unerhörte Grausamkeit und die Menschenopfer wie bei den Beninleuten, oder manchen der wilden Stämme von Innerafrika.. Im Verhältniss zu andern Negern sind sie bildungsfähig und vorgeschritten, und der Islam hat ihnen jene Art von Selbstachtung bewahrt, die so vielen heidnischen Stämmen und leider auch bekehrten Christenstämmen abgeht. Was ihnen vorzugsweise fehlt, ist eine kräftige Regierung. Eine strenge Hand, die sie kurz am Zügel hält und die richtigen Wege führt, aber auch vor ihren Feinden schützt, oder sie vielmehr lehrt, sich selbst vor denselben zu schützen, thut ihnen noth. Es dürfte, nach den jetzigen politischen Konstellationen in jenen Gegenden, vorzugsweise England sein, dem diese Aufgabe zufallen wird, und nach allem, was ich von englischer Kolonisation kennen gelernt habe, glaube ich wohl, dass England etwas aus den Haussaländern machen wird. Meines Erachtens wäre es ein grosser Fehler, wenn man den Missionären in den mohamedanischen Haussaländern Vorschub leistete. Der Islam ist für Stämme von dem Bildungsgrade der Haussa und in diesem Lande so angemessen, und von so gutem Binflusse, dass man ihm hier nicht entgegen- arbeiten sollte. Die Missionsthätigkeit möge sich in den heidnischen Gebieten des Nigerdeltas ausbreiten—solchen Greueln wie den von Benin und Ashanti zu steuern ist ein Verdienst um die Menschheit. Wenn wir auch die christliche Religion für moralisch höher halten, als den Islam, so dürfen wir doch dessen veredelnden Einfluss auf die Mittelafrikaner nicht verkennen. Es ist ein Irrthum zu glauben, dass die Sklaverei eine Bedingung des Islam, und in der mohamedanischen Religion begründet sei. Die Sklaverei hat seit uralten Zeiten und fast überall bestanden, und besteht heute noch in fast allen Erdtheilen, ja selbst in vielen europäischen Kolonien, wo sie nur da im allgemeinen unterdrückt wurde, wohin Auge und Arm der machthabenden Weissen reicht. Die empörendsten Grenel der Sklaverei, nämlich der Aufkauf und der Transport über den Ocean, in ein fremdes Land, zu harter Arbeit, blieben unsern Vorfahren, den christlichen Europäern, vorbehalten. Als die mohamedanische Religion begründet wurde, bestand die Sklaverei und wurde als ein bestehender Gebrauch acceptiert, ebenso wie die vielfachen Härten und Grausamkeiten des Koran keine Neuschaf- fungen sind, sondern zur bestehende, sanktionierte Rechte und Gebräuche. Jedem, der sich die Mühe giebt, sich darüber zu informieren, wird dies sofort klar werden. 6 er Man vergleiche nur die Gesetze, und Sitten der alten Gueber. Gegen viele Unsitten machte der Koran tapfer Front. Es ist keineswegs zu leugnen, dass der Sklavenfang, Sklavenstransport und Sklavenhandel, wie er heutzutage von Arabern, Fulbe und Haussa betrieben wird, viele Grausamkeiten mit sich bringt. Namentlich dient die Erwerbung von Sklaven leider nur zu oft zu einem Vorwand zu einem Kriegs- oder besser Raubzuge in die benachbarten oder im eigenen Lande selbst liegenden heidnischen Gebiete. Diesen Schändlichkeiten müsste eine europäische Kolonialregierung in den Haussa- ländern mit kräftiger Hand stenern, es würde aber die denkbar grösste Thorheit sein, wenn man dort durch ein Dekret vom grünen Tische plötzlich “ die Sklaverei abschaffen” wollte. Ohne Sklavenarbeit kann dies Land nicht ohne Weiteres bestehen. Man würde ausserdem die ganze bessere Bevölkerung in Empörungs- zustand versetzen, einer grossen Menge von Leuten eine Freiheit geben, die sie theils nicht schätzen, theils aber übel anwenden würden. Erst nach vielen Jahren allmäliger eivilisatorischer Thätigkeit könnte man die Sklaverei abschaffen. Wenn den Raubzügen zum Sklavenfange gesteuert würde, so würde vorläufig genug geschehen sein. In weit späterer Zeit würde dann erst ein Gesetz erlassen werden können, dass von Sklavinnen geborene Kinder frei würden, und es würde die Sklaverei so bald verschwinden. Uebrigens werden die im Besitze befindlichen Sklaven im allgemeinen sehr gut behandelt. Nicht selten werden sie in wichtige Staatsämter eingesetzt, als Statthalter bedeutender Orte verwendet, oder zur Beaufsichtigung von Statthaltern grosser Städte benutzt, schöne Sklavinnen werden nur zu oft die Lieblingsfrauen ihrer Herren. Nur in grösster Noth, oder wenn sie sich etwas zu Schulden kommen liessen, werden sie verkauft. Sie sind auch keineswegs rechtlos. Als wir von Kaura nach Zaria zogen, warf sich uns auf der Reise eine Frau zu Füssen, die unsern Schutz beanspruchte. Sie war eine von ihrem Herrn geheirathete Sklavin, die aber nicht die gewünschte Nachkommenschaft geboren, und dadurch die Liebe ihres Herrn verscherzt hatte. Anstatt nun, wie er es nach Behauptung der Frau hätte thun sollen, sich selbst dies zuzuschreiben, traktierte er sie mit Prügeln und Verwünschungen, weshalb sie floh und unsern Schutz anflehte. Wir erfuhren denn alsbald, dass ihr Herr solange das Recht habe, sie zurückzufordern, als sie von uns selbst beansprucht würde, sobald wir sie aber verkauften, und der Kauf in legaler Weise abgeschlossen wäre, hätte der frühere Besitzer kein Recht mehr, sie zurückzufordern. Da sie fürchtete verfolgt zu werden, mussten wir rasch handeln, und verkauften sie coram publico einem unsrer Leute zum Scheine. Als dann bald nachber mehrere Berittene kamen, um sie zu fordern, war es zu spät. Sie folgten uns allerdings bis Zaria, wo sie ihr Recht vom Sultan beanspruchten, sie wurden aber abgewiesen, und die Frau kam, wenn ich nicht irre, in den Besitz des Sultans. Roh behandelte Sklaven können beim Kadi oder Sultan selbst klagen und werden anscheinend gerecht behandelt. (Man lese “ Slavery in Zanzibar,” Standard 24. 4. 1900.) In Fragen über Sklaverei und Islam sollten übrigens nur Forscher gehört werden, die ohne Absicht und Voreingenommenheit dieselben erörten können, nicht aber Missionäre, die mit der ausgesprochenen Absicht, den christlichen Glauben zu verbreiten und zu glorificieren, sowie die Sklaverei zu unterdrücken, beobachten und berichten. Nach meinen Erfahrungen hat der Islam einen erhebenden Ein- fluss auf heidnische Neger, und ganz entschieden steuert er dem allgemeinen Schnapsgenusse. Was Robinson in Chapter IX. seines “ Hausaland,” pp. 127-141, über Sklaverei sagt, ist immerhin lesenswerth, wenn auch einige seiner Informa- (83 ) tionen durchaus nicht mit unsern Erfahrungen übereinstimmen, was er aber in Chapter XIII. über den Islam schreibt, ist von sehr zweifelhaftem Werthe. Dass die mohamedanische Bevölkerung irgend eines Theiles des Hausaländer dem Trunke ergeben sei, ist nicht der Fall. Die Angaben von Binger (ef. Nineteenth Century, September 1895, p. 444) scheinen mir unglaublich, und was Joseph Thomson in Good Words, 1886, p. 27 über die Pyramiden von Schnapsflaschen schreibt, bezieht sich sicherlich auf heidnische Dörfer, und auch Captain Lugard (siehe Robinson’s “ Hausaland,” p. 189) urtheilt augenscheinlich nur nach seiner ostafrikanischen Erfahrung, oder ohne Ueberlegung, wenn er es als eine Aufgabe der Europäer betrachtet, zuerst den Islam niederzubrechen. Ueberhaupt klingen seine Worte, wie sie dort von Robinson eitiert werden, in einer Weise egoistisch, wie sie selten gehört werden, indem er das Niederwerfen des Islam für nöthig erklärt, “um den englischen Produkten Eingang zu verschaffen”! Wahr ist es wohl, dass die allen andern Nationen an Civilisation voranschreitenden Weissen die Länder der farbigen Völker nur darum in ihren Besitz nehmen, und die, welche damit nicht einverstanden sind, als Rebellen zusammenschiessen, um dem alten Europa Absatzgebiete zu schaffen, und die eigene Wohlfahrt zu erhöhen, aber selten wird dies so unverfroren ausgesprochen. Forscher und Missionäre gehen in der Regel in bester Absicht, voll idealen Sinnes in ferne Lande, “ Wissenschaft und Menschenwohl ” auf ihre Banner schreibend, und wir können uns damit trösten, dass den Afrikanern unter europäischer Herrschaft eine bessere Zukunft blühen wird, denn sich selbst über- lassen bekriegt ein Stamm den andern, knechtet ein Volk das andre, und im übrigen gilt in Afrika auch für die Europäer das Wort: “Wer die Macht hat, hat das Recht,” das immer zutrifft, so sehr es auch bemäntelt sein mag. (Interessant ist: Baratieri, in Deutsche Revue, Apr. 1901, 81.) Ob nun, wie Robinson meint, die Haussa auch ohne den Islam ihre heutige vorgeschrittene Kultur in Afrika erreicht haben würden, das ist freilich schwer zu beantworten, da wir leider von den früheren Zuständen des Landes nicht gehörig unterrichtet sind. Jedenfalls haben schon vor der Eroberung durch die Fulbe, die dem Lande den Islam aufzwangen, gewaltige Städte und eine für Afrika hohe Stufe der Kultur bestanden. Die Haussa jedoch dürften ebenfalls spätere Einwanderer in diese Länder sein. Als die Ureinwohner (soweit wir dies verfolgen können) möchte ich jene heidnischen Stämme in den Bergen und Wäldern, die Korro und Kadarra, ansehen. Sie erscheinen ganz verschieden von den Haussa in Sprache, Aussehen, Sitten. Sie wurden jedenfalls von den Haussa aus dem grösseren Theile des Landes vertrieben, und zogen sich in die schwer zugänglichen Berge und Wälder zurück, wo sie sich auch nach der Eroberung durch die Fulbe behaupteten. Die Herkunft der Haussa ist nicht sicher bekannt. Ihrer eigenen Tradition nach kamen sie aus dem fernen Osten, jenseits Mekka her. Man glaubt die Sprache dem hamitischen Sprachstamme zuzählen zu müssen, und es ist möglich, dass die Haussa einige Verwandtschaft mit den Berbern haben, zu denen Ja auch die Tuareg gehören. Mir machten die Tuareg den Eindruck, als seien sie weniger von den Haussa verschieden, als die heidnischen Bergstämme, welche echte Westafrikaner sind. Die Eroberung im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts durch Othman Dan Fodio, der 1807 (1222 der Hedjra) durch Aufruf zum heiligen Kriege für Allah und den Propheten die Fulbe entflammte, und alles Land vom Südrande der Sahara bis zum Benu& unterwarf, ist wahrscheinlich nicht so grossartig gewesen, wie man im allgemeinen glaubt, denn es ist sicher, das die Fulbe schon vorher fast ebenso zahlreich das Land bewohnten, und dass der Islam schon weitverbreitet war, (84) auch haben augenscheinlich die nördlichen Haussa selbst auf Seite der Fulbe gestanden. Der Ursprung der Fulbe ist noch unbekannter, als der der Haussa, doch geben sie selbst an, vom Osten gekommen zu sein. Ihre Ueberlieferung, dass sie von den Beni Israel (Juden) abstammen, ist wohl unrichtig, da ihre Sprache keine semitischen Elemente oder auch nur Anklänge hat. Am eivilisatorischen Werke in den Haussaländern dürften sich ausser den Engländern auch Deutsche und Franzosen zu betheiligen haben. Erstere kommen mit den Haussa und Fulbe in Adamaua und oberhalb Jola am Benuö zusammen, wo es gilt, nachdem die kriegerischen Männer von Buba-n-Djidda durch die Expedition von Uechtritz und Passarge die Macht europäischer Waffen in heilsamer Weise kennen gelernt haben, wieder friedliche Verbindungen anzuknüpfen. Den Franzosen wird es obliegen, die Stämme im Süden der Sahara, die räuberischen Gobirri und Maradi zur Ruhe zu zwingen und von Einfällen in die Gebiete von Sokoto Gandu und Kano abzuhalten. Dass es bei alledem nicht ohne Kämpfe abgehen wird, ist wohl sicher,* aber ich bin geneigt, zu glauben, dass die Engländer am Niger, mit den Küstenstimmen, den Yoruba und Anderen, sowie vielleicht auch am Benue, einen viel schwereren Stand haben werden, als in den eigentlichen Gebieten von Sokoto, Kano, Zaria, u.s.w., wo auch das offenere Gelände europäischer Taktik zugänglicher ist. Als Basis für wissenschaftliche Forschungen, namentlich für die unendlich interessante zoologische Erforschung der Oase Asben, inmitten der Sahara, von der wir nur erst die Ränder kennen, und vom Gebiete des Tsad-Sees, werden die Haussaländer später ebenfals wichtig sein. „Jedenfalls, ich wiederhole es, verdienen sie eine in vieler Hinsicht besondere Beachtung in Afrika, und ihre eingehende zoologische, geologische und botanische Erforschung steht noch aus. ' Das Klima der Haussaländer ist sicher angenehmer und weniger verderblich, als das des unteren Niger, aber dennoch gehört es zu den bösesten Klimaten, die wir kennen. Inu neuerer Zeit haben Reisende und Kaufleute es im allgemeinen besser ertragen, was wohl vorzugsweise daher kommt, dass sie vorsichtiger leben. Während im Osten (Indien) die Europäer Kleidung und Comfort sorglichst aus- studieren und wählen, liess man in dem so viel ungesünderen Westafrika zu meiner Zeit alle Vorsicht ausser Acht, und es soll noch heute vielfach wenig besser sein Man ging zu warm, oder übertrieben wenig bekleidet, trug leichte Kappen oder Mützen statt schattender Mark-, Stroh- oder Filzhüte, schlief ohne Vorsicht und trank häufig zu viel Spiritus, statt leichter, kühlender Getränke und hatte wenig Mückennetze. Trotz aller Vorsicht aber ist das Land, und namentlich das Nigerdelta, höchst ungesund, und noch immer behält der melancholische Matrosengesang seine Giltigkeit :— “Beware, beware of the Bight of Benin, A few come out, though many go in.” * Nachdem dies geschrieben wurde\haben schon Kämpfe gegen Gandu und Yola stattgefunden ! Es ist zu hoffen, dass England etwas duldsam vorgeht, und namentlich den Hetzereien der Missionäre kein Ohr leibt, wenn es aber zum Kampfe schreitet auch energisch vorgeht. Es ist wahrlich kein Grund zum- Kriege, dass ein Missionär, der dort nichts zu thun hatte, aus Kano ausgewiesen wurde, wie die Tageszeitungen berichteten. (85 ) V. KAPITEL. DIE FAUNA DER CANARISCHEN INSELN. Die Canarischen Inseln, in geringer Entfernung vom afrikanischen Festlande, etwa gegenüber der Wüsten-Zone, die wir als die Südgrenze des paläarktischen Faunengebietes betrachten, haben von jeher das Interesse der Zoogeographen, und insbesondere das der Ornithologen in Anspruch genommen. Wir besitzen denn auch eine stattliche Reihe von Arbeiten über die Vögel dieser Inselgruppe, aber eine einigermassen erschöpfende, planmässig durchgeführte Erforschung der Inseln hatte auffallender Weise nie stattgefunden, bis Ende des vorletzten und am Anfange des letzten Decenniums des verflossenen Jahrhunderts die Engländer Meade-Waldo, und Tristram, namentlich aber auch Professor Koenig, diese Inseln derartig durch- forschten, dass sie nun im Grossen und Ganzen als eine ornithologisch bekannte Inselgruppe angesehen werden können. Koenigs Arbeit im Journal für Ornithologie 1890, und Meade-Waldo’s Arbeiten in der englischen ornithologischen Zeitschrift Ibis geben ein ausserordentlich klares Bild der Canaren-Ornis. Des ersteren Arbeit ist die eingehendste und sorgfältigste von allen, und namentlich in biologischer Hinsicht hervorragend, während der letztere im /brs 1893 die beste Liste der canarischen Vögel gab, nachdem er alle Inseln, auch Fuertaventura und Lanzarote besucht hatte. Wie die geographische Lage der Inselgruppe von vornherein erwarten lässt, ist ihre Ornis im allgemeinen der der mediterranen Subregion am ähnlichsten. Alle Beobachter haben jedoch das Vorwiegen des europäischen Elementes in der Vogelwelt betont, und gewiss nicht gahz mit Unrecht. Dasselbe rührt von zwei Ursachen her. Erstens von der Nähe der iberischen Halbinsel und dem trotz der südlicheren Lage gemässigten, weil durch die maritime Lage erheblich gemilderten Klima. Zweitens daher, dass (obwohl der Vogelzug dort nicht so stark ist wie in Marokko, bei Tanger) die Inseln in der Zugrichtung vieler europäischen Vögel liegen, und von vielen Wanderern besucht werden. Während diese das afrikanische Festland sämmtlich mit dem Nahen des Frühlings verlassen, und während dort etwa zurückgebliebene Individuen aller Wahrscheinlichkeit nach zu Grunde gehen würden, mag das mildere Klima der Canaren sie leicht zum Verweilen unter für den Weiterzug ungünstigen Witterungsverhältnissen veranlasst haben, und etwa bleibende Paare mussten sich infolge der sehr geringen Anzahl von Feinden aus der Thierwelt und des erträglichen, gleichmässigen Klimas leicht ansiedeln können, Wenn ich sage, dass die Canaren in der Zugrichtung vieler europäischen Vögel liegen und von vielen Wanderern besucht werden, so steht das zwar einiger- massen im Widerspruche mit den Beobachtungen von Koenig und Hartwig, ich kann aber meinen Ausspruch vollkommen rechtfertigen. Hartwig bestreitet das Vorkommen von Zugvögeln auf Madeira, das in vieler Hinsicht faunistisch mit den Canaren verwandt ist, überhaupt, und Koenig sagt “ich behaupte geradezu, dass die eanarischen Inseln von paläarktischen Vogelformen auf dem Zuge nur ganz zufällig getroffen und aufgesucht werden, und dass von regelmässigen Zugvogelerscheinungen daselbst überhaupt nieht die Rede sein kann.” Dieser (86 ) Auffassung widersprechen die Beobachtungen Andrer, namentlich die von Meade- Waldo, der sich über vier Jahre auf den Inseln aufhielt, und dessen Beurtheilung dieser Frage daher viel massgebender sein mass, als die eines noch so begabten und erfahrenen Reisenden, der sich nur einige Monate daselbst befand. Es steht fest, dass Turdus musicus ein regelmässiger, sogar oft sehr häufiger Wintergast auf den Bergen ist, obwohl nicht tiefer zu Thal als 1800 englische Fuss beobachtet. Turdus pilaris wurde einmal beobachtet. Turdus merula ist ein sehr häufiger Brutvogel, nach Meade-Waldo aber kommen zuweilen Zuzüge von Wanderern, meist Männchen, an! (Da die Amsel der Canaren verschieden von der Europas ist, wäre es erwünscht gewesen, dass Exemplare von den angeblichen Wanderern präpariert worden wären. Beim “ Beobachten” ohne nebenhergehendes Sammeln leidet die Wissenschaft meistens, wie wir dies an den Arbeiten von Bolle, Hartwig, u.a. sehen, während man z.B. an Koenigs Art zu forschen ein Beispiel nehmen kann.) Saxicola oenanthe ist Herbstdurehzügler, tritt aber etwas unregelmässig auf, Pratincola rubetra und rubieola scheinen nur ausnahmsweise, aber öfters im Herbste vorzukommen. Rutieilla phoenicurus und tithys berühren die Insel im Herbste und im Frühjahr, fitkys etwas zahlreicher. Ich sah beide Arten in Cabreras Sammlung. Cyanecula wolfi wurde zweimal bei Laguna erbeutet, ebenda nach Cabrera eine C. sueeica. Sylvia atricapilla ist ein sehr häufiger Brutvogel, ausserdem aber werden die Inseln von grossen Massen europäischer Zugvögel derselben Art besucht. Sylvia hortensis will Cabrera einmal erbeutet haben, P’hylloscopus trochilus kommt nach demselben Autor gelegentlich vor. Von Phylloscopus sibilatrix ist ein Stück festgestellt worden. Motacilla alba ist ein gar nicht ungewöhnlicher Wintergast, Anthus trivialis zweimal festgestellt. Oriolus galbula ist ein zwar unregelmässiger, zuweilen aber sehr zahlreich erscheinender Frühlingsdurchzügler. Lanius senator wurde einmal mit Sicherheit beobachtet. Muscicapa grisola und atricapilla kommen gelegentlich vor. Hirundo rustica erscheint regelmässig im Herbst und Frühling, oft in Menge, bleibt aber gewöhnlich nur ein bis zwei Tage. Chelidonaria urbica kommt nicht regel- mässig, aber doch häufig genug vor, und war im Winter 1900-1901 sehr häufig. Cotile riparia wurde nur 1890 und 1891 festgestellt. Biblis rupestris wurde mehrfach von Cabrera erbeutet, ist aber von sehr unregelmässigem Vorkommen. Sturnus vulgaris ist ein regelmässiger, wenn auch spärlicher Wintergast auf sämmtlichen Inseln. Wenn er in der That, wie uns Koenig, nach Berichten Anderer, mittheilt, mit östlichen Winden vom afrikanischen Festlande herüber- kommt, so ist er dennoch ein europäischer Wandervogel, denn in Marokko brütet nur Sturnus unicolor. Coracias garrula kommt bisweilen vor. Merops apiaster erscheint manchmal als Durchzugsvogel im Frühjahr. Der Kukuk kommt als unregelmässiger Frühjahrsgast durch. Im Frühlinge 1890 hielten sich viele Kukuke einige Tage hindurch auf, die (nach Waldo) alle sehr klein und dunkel waren, also vermuthlich einer afrikanischen Subspecies angehörten. Acrocephalus arundinaceus (=turdoides) und Iynz torquilla wurden nenerdings erlest, und von mir in Dr. Cabreras Sammlung untersucht. Alauda arvensis kommt jeden Winter bei Laguna und an andern ebenen Stellen vor, aber meist nur in spärlicher Anzahl. Asio brachyotus ist ein seltener Winterbesucher. Buteo buteo brütet und erscheint zahlreich als Wandervogel! Pernis apivorus ist ausserordentlich selten. Cerchneis vespertinus war im Frühling 1890 bei Orotava häufig. Sula bassana ist zuweilen sehr zahlreich auf der See zu sehen. Ardea cinerea ist im Winter gemein, bleibt auch bisweilen den Sommer über, ohne dass (87) Ardeola minuta wurde in Orotava gefangen. Eine Schaar von 14 Anas boschas sein Nisten festgestellt wurde. Botaurus stellaris kommt gelegentlich bei Laguna vor. weissen Störchen überwinterte in der Ebene von Laguna 1890-91. ist in nassen Zeiten häufig. Spatula elypeata wurde einmal geschossen. Anas erecca ist in regenreichen Wintern nicht selten, wenn auch weniger zahlreich als die Stockente. Ein kleiner Flug von Fuligula ferina hielt sich im Winter von 1889 auf. Mareca penelope wurde einmal festgestellt. Die Wachtel ist ein massenhafter Brutvogel, scheint aber auch durchzuziehen, obwohl die Berichte darüber nicht ganz bestimmt und übereinstimmend sind. Porzana‘ porzana, pusilla intermedia* und parva, Crex crex, Gallinula chloropus, Fulica atra kommen mehr oder minder regelmässig im Winter vor, obwohl die trockenen und felsigen Inseln fast nur bei Laguna für solche Vögel ein halbwegs verlockendes Gelände haben. Squatarola squatarola ist ein regelmässiger, auf den westlichen Inseln sogar sehr häufiger Wintervogel. Aegialitis hiatieula zieht regelmässig zweimal im Jahre durch, Charadrius morinellus wird zuweilen in Flügen bemerkt, Vanellus vanellus ist ein regelmässiger, zuweilen sogar sehr zahlreich auftretender Wintervogel. Strepsilas interpres ist häufig. Gallinago gallinago und Tringa alpina kommen bisweilen in Menge vor, Tringa minuta und ferruginea (= sub- arquata) selten, Machetes pugnax und Calidris arenaria seltener. Ebenso wurden Totanus ochropus, glareola, totanus, littoreus, Limosa lapponica und limosa, Numenius arguatus des öfteren beobachtet, manche regelmässig jedes Jahr, Numenius phaeopus sogar massenhaft. Vier Arten von Möwen wurden im Winter festgestellt, wie auch Alca torda. Fratereula arctica wurde mehrfach erbeutet,t Pufinus anglorum ist im Winter oft sehr häufig auf dem Meere. Es ist somit das Vorkommen von über 70 europäischen Zugvogelarten festgestellt, von denen viele regelmässig, einige sogar in grosser Menge vorkommen. Von Turdus merula und Sylvia atricapilla erfahren wir, dass sie sehr häufige Brutvögel auf den Inseln sind, ausserdem aber massenhaft auf dem Zuge erscheinen. Diese Beobachtungen stehen also in vollstem Einklange mit meiner Theorie über die Ursache des starken europäischen Elementes in der canarischen Vogelwelt. Alle bisher genannten Fälle des regelmässigen oder unregelmässigen, massen- haften, selteneren, oder vereinzelten Auftretens von europäischen Zugvögeln sind als sicher beglaubigt anzusehen. Ausserdem sind aber noch eine ganze Anzahl von Angaben in der Litteratur, namentlich der älteren, verzeichnet, die der Bestätigung bedürfen, und sich zu grossem Theile auf europäische Zugvögel beziehen. Busto y Blanco erwähnt Gyps uleus, seine Angaben sind aber unzuverlässig und es lag ihm wohl kein Exemplar vor. Ledru erwähnt (I. p. 175) einen Vultur ourigourap, nach Buffon’s pl. enl. 427, aber es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Ledru, wie so manche andre ältere Forscher, den jungen Neophron perenopterus für eine andre Art hielt. Es ist also ganz unrichtig, Neophron pileatus (oder besser Necrosyrtes pileatus) zu eitieren, wie Cabrera (p. 29) es gethan hat! “ Aguila naeria” wird von Mompö (p. 243) angegeben, aber es kann keinem * Der älteste Name der Art ist Aallus pusillus Pall. Reise III. p. 700, 1776. Dieser Name bezieht sich auf die entschieden blassere östliche Form. Der Name der dunkleren europäischen Unterart muss daher sein Porzana pusilla intermedia. Rallus intermedius Hermann, Obs. Zool. I. p. 198, 1804 ist natürlich älter, als Rallus bailloni Vieillot, Nouv. Diet. Hist. Nat. xxviüi. p. 548, 1819 | Die europäische Form zieht im Winter bisin den Transvaal, wo aber auch, wie in einigen Theilen von Ost- und Südwestafrika, eine dunklere, gesättigter gefärbte Form Standvogel ist. Einen gleichen Fall haben wir mit Apus apus und Apus barbatus. f Ich sah Exemplare in Dr, Cabreras Sammlung und bei Don Ramon Gomez, (88) Zweifel unterliegen, dass eine Verwechselung mit Buteo buteo vorliegt, denn letztere Art bleibt unerwähnt, und der sogenannte Adler soll “ bastante comun ” sein und seine zwei Eier an Felswänden ausbrüten (ef. Cabrera, p. 30)! Milvus korschun wird von älteren Autoren genannt, doch dürfte Verwechselung mit jüngeren Milvus milvus vorliegen. Ueber die auf den canarischen Inseln vorkommenden (? brütenden) Wander- falken sind wir noch im Unklaren. Meade-Waldo ist (in seiner letzten Arbeit 1893) fest überzeugt, dass der dort von vielen Autoren beobachtete Falke Falco punieus sei, während Cabrera sowohl F. peregrinus als “ F. barbarus” anführt, aber nur von letzterer Form scheint ihm ein vermuthlich auf Gran Canaria erlegtes Stück vorgelegen zu haben. Falco subbuteo wurde von Berthelot (p. 60, ohne Belege) erwähnt, und vielleicht nur darauf stützt sich die Nennung der Art bei Serra y Moratin. Öabrera nennt Falco aesalon einen seltenen Wanderer, der sich gelegentlich im April und Mai zeigen soll, doch scheint ihm kein Exemplar vorgelegen zu haben ! Er behauptet, dass Ledru und Viera die Art anführen, aber Ledru hat dies nicht gethan ! Ausser andern Raubvögeln nennt Ledru noch einen “ petit oiseau de proie, & plumage rougeätre, et ressemblant ä l’Epervier,” und dazu fügt Sonnini in einer Fussnote : “ Peut-&tre l’öpervier commun dans son jeune äge, ou une espece d’&merillon.” Hiernach zu behaupten, Ledru habe Falco aesalon eitiert, ist doch ganz unmöglich ! Die Art ist also vorläufig zu streichen. Astur palumbarius wird von Mompö als ziemlich häufig und auf grossen Bäumen nistend erwähnt, aber diese Angabe beruht ohne Zweifel auf einem grossen Irrthum ! Aeltere Autoren nennen auch zwei Arten von Cireus, die ja wohl gelegentlich vorkommen könnten, aber es fehlen vorläufig alle Beweise dafür ! ““ Noctua minor Briss.,” d. h. Athene noetua, wird von Serra als bei Tequeste auf Tenerife vorgekommen erwähnt, aber das Exemplar gehörte vielleicht der nordafrikanischen Unterart an. Pieus minor ist von zweifelhaftem Vorkommen. Er wird von Busto y Blanco genannt, Tristram glaubt ihn auf Tenerife, Meade-Waldo auf Gomera gesehen zu haben. Es ist merkwürdig, dass er dann niemals erbeutet wurde Wenn sich der Kleinspecht wirklich auf den Canaren als Brutvogel erweisen sollte, dann handelt es sich wahrscheinlich um eine besondere Unterart. (recinus viridis wird von Viera, Webb & Berthelot und Serra genannt, aber alle Angaben beruhen vielleicht auf einem Fehler, und es mangelt jeder Beweis! Aeltere Autoren nennen Caprimulgus europaeus und ruficollis, aber da keiner der energischen und begabten Sammler der Neuzeit, auch nicht Cabrera, ein Stück gesehen hat, sind diese Angaben vorläufig als unbewiesen zu betrachten. Cabrera will bei Laguna eine Hirundo savignyi erbeutet haben, ich sah aber in seiner Sammlung nur ZZ. rustica, uud auf ein auffallend rothbäuchiges Frül- lingsstück von rustica, sicher aber nicht auf die echte egyptische sarignyi, dürfte sich die Angabe beziehen. Alcedo ispida wurde von älteren Autoren mehrfach, auch noch von Godman, genannt, aber neuerlich niemals beobachtet. Haleyon rufiventris befindet sich nach Bolle in einem Exemplar in der Sammlung eines Herrn Binna. Es verlohnte sich für einen Forscher, der längere Zeit auf Canaria weilt, diesem “ Kabinette” und dem Haleyon nachzuspüren, der möglicherweise aber doch nicht dort erlegt, sondern als Balg nach der Insel gebracht sein könnte ! (839) Immer noch tritt die Behauptung vom Vorkommen von Spechtmeisen auf Tenerife auf, aber neuere Forscher haben trotz aller Aufmerksamkeit die Angaben von Ledru und Bolle nicht bestätigen können, die übrigens ganz unsicher sind, weil Keiner die Sitta erlegt hat. Troglodytes parvulus wird von Cabrera nach Ledru aufgezählt (p. 39, no. 51), aber ich vermag die Angabe bei Ledru nieht zu finden ! Die Angabe dürfte falsch sein. Die von Cabrera (no. 64) ausser Sylvia conspieillata auch noch angeführte (nach “ Berthelot, Bolle, Godman und Ledru”) Sylvia subalpina ist niemals vorgekommen—es handelt sich lediglich um Verwechselung mit conspieillata, wie Cabrera aus der vorhandenen Litteratur wohl hätte ersehen können. So giebt es noch einige andre, theils zweifellos falsche, theils unbewiesene, ganz vague Angaben früherer Schriftsteller, die meist von Cabrera wieder ange- führt werden. Es verlohnt sich kaum, sie alle hier wieder zu erwähnen, aber es muss betont werden, dass es nur durch Mitzählung vieler solcher Arten, die sicher oder wahrscheinlich nie auf den Inseln vorkamen, möglich ward, dass Cabrera seine Liste, gegenüber der absolut unanfechtbaren Zahl von 146 Arten bei Meade-Waldo, auf 241 brachte! Mit Hinzurechnung der nenerlichst bekannt gewordenen und der nicht allzu unglaubwürdigen älteren Angaben kann man heute wohl ungefähr 160 bis 170 Arten, sicher aber nieht über 200 Vogel als sicher auf der Inselgruppe beobachtet annehmen, wovon etwa 65 sichere Brutvögel sind. Betrachten wir nun zunächst das süd-mediterrane oder nordafrikanische Element in der canarischen Vogelwelt, so werden wir bemerken, dass dasselbe, wie die Lage der Inseln bedingt, nicht ganz unbedeutend ist, wohl aber bedeutend geringer, als es bei der Nähe der Inseln am Festlande zu erwarten sein könnte. Zur Erklärung dieser Erscheinung genügt aber die Kenntniss der Thatsache, dass Inseln niemals eine ebenso grosse Artenzahl haben, wie die nahen Kontinente, dass die Canaren—z. Z. wenigstens—im allgemeinen wenig üppigen Baumwuchs haben, und dass vielleicht einige der zu erwartenden Formen auf Kosten europäischer Formen mangeln könnten. Eine sehr in die Augen springende Thatsache ist es ferner, dass die Zahl der nordafrikanischen Formen auf den östlichen Inseln Fuertaventura und Lanzarote sehr viel grösser ist, als auf den übrigen, sodass man getrost behaupten darf, dass diese beiden Inseln in einem auffallenden Gegensatze zu den andern, den westlichen Inseln der Gruppe stehen. Inwieweit dies lediglich auf die mehr wüstenähnliche Beschaffenheit der östlichen Inseln und die Nähe des afrikanischen Festlandes zurückzuführen ist, oder ob es sich hier um eine zoogeographisch wichtigere, mit dem geologischen Alter der Inselgruppen in Verbindung stehende Differenz handelt, wage ich keineswegs zu entscheiden, da Meade-Waldo uns hierüber wenig mittheilt, der gründliche Koenig die östlichen Inseln nicht selbst kennen lernte, und ich, mangels eigener Beobachtung, mich darüber noch nicht äussern kann. Die folgende Liste wird zeigen, wie sehr die Ornis von Fuertaventura und Lanzarote von der der andern Inseln abweicht, und welche Formen wir als rein nordafrikanisch oder nordafrikanischen Ursprungs ansehen können. Pratincola dacotiae Meade-Waldo (Ibis, 1889, p. 504, Pl. XV., 1893, p. 188). Bisher mit Bestimmtheit nur auf Fuertaventura nachgewiesen, doch glaubt Meade-Waldo sie zuerst an der festländischen Küste von Marokko, in der Provinz Sus gesehen zu haben ! (9%) Erithaeus rubecula und superbus und Sylvia atricapilla, ebenso Regulus, scheinen auf den östlichen Inseln ganz zu fehlen, desgleichen die canarischen Finken, Tauben, u.a.m. (Das Fehlen andrer Pratineola-Arten und aller echten Steinschmätzer auf den Canaren [nur Sawieola oenanthe ist als seltener und unregelmässig erscheinender Zugvogel bekannt !], die doch so sehr viele Lebensbedingungen für dieselben zu bieten scheinen, ist ganz ausserordentlich auffallend !) Parus caeruleus teneriffue Lesson. (Koenig, .J. f. 0. 1890, p. 362, Taf. IV.) Von Tenerife, Gran Canaria und Gomera bekannt. Parus caeruleus palmensis Meade-Waldo. (Ibis 1889, pl. 16). Auf Palma die vorige ersetzend. Parus caeruleus ombriosus Meade-Waldo. (Ibis 1890, pl. 13) Anf Hierro die vorigen vertetend. Parus caeruleus degener subsp. nov. Fuertaventura und Lanzarote. Von Parus caeruleus ultramarinus aus Marokko, Algier und Tunis durch geringere Grösse und blassere Färbung unter- schieden. (Cf. Meade-Waldo, Ibis, 1893, p. 190.) Ich konnte eine von Tristram gesammelte Serie des Liverpooler Museums untersuchen. Alle diese Inselformen stehen der nordafrikanischen Parus ultramarinus am nächsten! Ich stimme übrigens Erlanger (J. f. 0. 1899, p. 311) bei, indem ich letztere nur als Subspecies von P. caeruleus auffasse. Die südspanischen Blaumeisen verbinden eaeruleus und xltramarinus in merklichem Grade. Lanius algeriensis koenigi subsp. nov. Schon aus der von mir hier angewandten Bezeichnung geht hervor, dass dies eine der nordafrikanischen Form nächststehende Subspeeies ist. Sie hat das Missgeschick gehabt, fast in jeder Arbeit anders betitelt zu werden! Bolle führte sie 1854 als Lanius excubitor, 1857 als meridionalis auf. So nannte sie auch Dresser später, vielleicht ohne Exemplare untersucht zu haben. Meade-Waldo und Koenig kamen der Wahrheit am nächsten, indem sie die canarischen Würger ganz richtig als Lanius algeriensis anführten, und zwar haben beide mit geübtem Blick (vergl. Journ. f. Orn. 1890, p. 361, Ibis 1893, p. 191) erkannt, dass Unter- schiede zwischen canarischen und nordafrikanischen Stücken bestehen. Dresser hat nun später in dem Supplementbande zu seinem unsterblichen Werke “ Birds of Europe” den canarischen Würger mit grosser Bestimmtheit als Zanius fallax bezeichnet, und sich so wieder von dem weit riehtigeren Standpunkte Koenigs und Meade-Waldo’s entfernt. Seine Untersuchungen müssen bei schlechter Beleuchtung des Abends oder an nebligen Wintertagen im Britischen Museum stattgefunden haben, und die von ihm wohl bemerkte geringere Grösse schien ihm nicht der Beachtung werth. Lanius algeriensis koenigi unterscheidet sich von dem ihm sehr nahestehenden Z. algeriensis algeriensis nur durch hellere, blassere Färbung der Oberseite und geringere Grösse, auch zeigen in der Regel Schwingen und Schwanzfedern eine etwas geringere Ausdehnung der weissen Farbe. Von dem räumlich weit entfernten fallax, der von Abyssinien über Palästina verbreitet ist, unterscheidet sich Z. algeriensis koenigi durch die viel dunklere, der von L. algeriensis algeriensis nahekommende Färbung der Oberseite und bedeutend geringere Grösse. In wieweit Z. /allax und L. dealbatus, sowie auf der anderen (91) Seite Z. meridionalis in denselben Formenkreis wie ZL. algeriensis gehören, wage ich z. Z. nicht zu entscheiden. Als Typus von %oenigi betrachte ich den Vogel von Tenerife. Es scheint, wie Meade-Waldo schon angiebt, dass Stücke von Fuertaven- tura und Graciosa noch um einen Grad heller sind, als die von Tenerife und Gran Canaria, die Flügellänge ist aber dieselbe. Meade-Waldo erwähnt auch sandfarbene Aberrationen von Fuertaventura, dies aber dürften nur junge Vögel gewesen sein, die auch bei Lanius dealbatus sandfarben sind. Die canarische Form ist benannt zu Ehren Professor Koenigs, dessen Eifer wir seine berühmte Arbeit über die Canaren im Journal für Ornithologie 1590 verdanken. (Von L. dodsoni ist koenigi durch geringe Grösse und andre Merkmale unterschieden.) Petronia petronia madeirensis fehlt den östlichen Inseln. Acanthis cannabina tritt auf den östlichen Inseln in einer blasseren, auf den westlichen in einer dunkleren und grossschnäbligen Subspecies auf. (Vergl. weiter unten, Liste der Brutvögel der Canaren.) Der wilde Kanarienvogel, Fringilla teydea, sowie die verschiedenen Formen von #. canariensis fehlen den östlichen Inseln. Letztere stehen dem nordafrikanischen spodiogenys und koenigi näher, als unserem caelebs. Erythrospiza githaginea ist eine durchaus nordafrikanische Form, die weder nördlich des Mittelmeeres, noch südlich der Sahara vorkommt. Calandrella pispoletta rufescens steht der nordafrikanischen minor ausser- ordentlich nahe. (Siehe weiter unten.) Corvus corax canariensis steht dem nordafrikanischen, €, c. tingitanus ganz ausserordentlich nahe. Apus murinus brehmorum Hart. ist eine nordafrikanische Form, allerdings auch in Südspanien als Brutvogel bekannt. Von Neophron percnopterus ist dasselbe zu sagen. Bine häufig beobachtete Falkenform ist noch nicht festgestellt, Meade-Waldo aber glaubt, dass es der nordafrikanische Falco punicus sei. Der dunkle Oerchneis tinnunculus canariensis ist der Brutvogel auf allen westlichen Inseln, nach Waldo auch auf Lanzarote (! ?), während auf Fuertaventura eine kleinere, helle Form brütet ! Otis undulata fuertaventurae ist eine der nordafrikanischen nahe verwandte, aber dunklere Form, die auf Gran Canaria beobachtet wurde, auf Fuertaventura aber häufiger Brutvogel ist. Cursorius galliceus ist jedenfalls als rein nordafrikanische Form zu bezeichnen. Sie brütet nur auf den östlichen Inseln, Fuertaventura und Lanzarote ! Haematopus capensis ist die einzige tropisch afrikanische Species, welche die Canaren als regelmässiger Brutvogel bewohnt. Da es ein Seeküstenbewohner ist, ist dies nicht von Bedeutung, und wir können somit dem Urtheile aller Forscher beistimmen, dass die Ornis der Uanaren frei von tropisch afrikanischen Elementen ist. Uebrigens kommt dieser Austernfischer nur auf Fuertaventura und Lanzarote vor! Pterocles arenarius brütet auf Fuertaventura und Lanzarote, kommt aber auf Gran Oanaria nur ausnahmsweise vor. Phoenicopterus roseus soll den Fischern auf den östlichen Inseln wohlbekannt sein, ist aber auf den westlichen noch nicht nachgewiesen. Professor Koenig hat nun noch eine Theorie zur Sprache gebracht, der ich mich leider nieht anzuschliessen vermag, und deren Annahme die Fanna der (9) canarischen Inseln in ein ganz falsches Licht bringt. Ich meine die Behauptung des Vorhandenseins eines amerikanischen Elementes in der Canarenfauna, das sich, wie ich nachweisen werde, lediglich aus einem Betrug, dem unser Freund zum Opfer fiel, und mehreren unhaltbaren Schlüssen zusammensetzt. Die Gründe für den Glauben des Vorhandenseins eines amerikanischen Elementes sind nach Koenig (t.c. p. 297 und 337) folgende : 1. Das Auftreten eines Schmetterlings : Danais (oder besser Anosia) plerippus. 2. Das Vorkommen eines andern Schmetterlings, des Danais (oder besser Limnas) chrysippus, und seiner Aberration aleippus. 3. Das einmalige Vorkommen einer auf die Insel Cuba beschränkten Eule, (Glaueidium siju. 4. Die grosse Aehnlichkeit von Regulus tenerifae mit dem amerikanischen kegulus satrapa. : 5. Das Vorkommen von Pufinus obscurus als Brutvogel an den ostamerikan- ischen Küsten und auf den Canaren. Betrachten wir diese Umstände nun kritisch. 1. Kann aus dem von Jahr zu Jahr hänfigeren Auftreten des aus Amerika stammenden Danais plexippus, wie es von Koenig geschieht, auf einen Flug über den atlantischen Ocean geschlossen werden ? Meines Erachtens ganz gewiss nicht, denn diese Art verbreitet sich seit langer Zeit— Koenig sagt selbst dass sie nach Staudinger in Asien (freilich ein weiter Begriff) schon vor 100 Jahren Eingang zefunden habe—über fast den ganzen Erdball. Mit Ausnahme des asiatischen und afrikanischen Festlandes finden wir sie heutzutage überall in warmen Ländern— sie ist z. B. auf den Inseln im Stillen Ocean sehr gemein, inmitten der Malakka-Strasse gefangen, öfters auch in Spanien und wiederholt selbst in England vorgekommen. Es handelt sich bei diesem in Amerika oft in unglaublichen Massen auftretenden Schmetterling (siehe “ Insect Life,” V. p. 206) um einen ganz ausnahmsweisen Fall von Weiterverbreitung, die mit der Ver- breitung ihrer Futterpflanze (Asclepias) durch den Schiffsverkehr zusammenhängt, aber zur Begründung eines amerikanischen Elementes in der Canarenfauna ganz unbrauchbar ist. Mit demselben Rechte könnte man sagen, dass das Vorhandensein von Sperlingen und Grünlingen in Neuseeland ein europäisches Element in der Vogelwelt Neuseelands bedeute. Das von Jahr zu Jahr häufigere Auftreten dürfte aber in der sehr raschen Vermehrung dieses ungeheuer assimilationsfühigen Falters selbst seine Ursache haben, vielleicht auch mit dem gesteigerten Schiffsverkehr zusammenhängen. (Vergl. u. a. Scudder, “ The Butterflies of E.U.S. aud Canada,’ I. pp. 727-37 ; Holland, “ Butterfly Book,” p. 83.) 2. Mit Bezug auf Danais chrysippus und seine Aberration aleippus, die hier und da die häufigere ist, ist Professor Koenig ganz falsch berichtet worden, denn dieser Schmetterling ist zwar in der alten Welt weit verbreitet, nämlich über Afrika und Griechenland und das tropische Asien, bis über die Inseln des Stillen Oceans—noch bis zu den Mariannen hinauf, kommt aber in Amerika überhaupt nicht vor! Die Art ist übrigens von Danais plexippus himmelweit verschieden, vielleicht sogar generisch zu trennen. 3. Mit der eubanischen Eule ist Koenig betrogen worden. Dass gerade einem so wahrheitsliebenden Forscher dies begegnen musste, ist tragisch. Wie wir durch Tristram nnd Meade-Waldo (/dis 1891, p. 616 ; 1892, p.182; 1893, p. 186) erfahren, hat Don Ramon Gomez, von dem Koenig die Eule erhielt, ihnen zugestanden, dass sie von Cuba (lebend) herübergebracht sei, ja sogar versprochen, Koenig (9 ) die Wahrheit über den Fall mitzutheilen, was leider aber nicht geschah. Der Fall ist also ad acta zu legen. 4. Regulus tenerifae (= satelles) hat eine auffallende Aehnlichkeit mit dem nordamerikanischen Aegulus satrapa. Diese Aehnliehkeit ist hochinteressant, sie kann aber nicht zu dem Schlusse berechtigen, dass A. Zenerifae “ein direkter Abkömmling der westlichen Halbkugel” se. Man kann bei so nahe verwandten, einander vertretenden Formen, die meistens am besten als Unterarten aufgefasst werden, aus der Aehnlichkeit nie ohne Weiteres auf die direkte Abstammung schliessen, wenn nicht die geographische Verbreitung eine solehe Theorie unter- stützt. Mit demselben Rechte könnte man ja dann von der japanischen Acredula und dem japanischen Nxcifraga annehmen, dass sie direkte Abkömmlinge der ähnlichen Formen aus Europa, Acredula rosea und Nueifraga caryocatactes caryocatactes, wären, weil die ihnen geographisch nächsten sibirischen Formen verschiedener aussehen. Trotzdem wird man hier vielmehr annehmen müssen, dass die nordasiatische Form sich in West- (resp. Nord-) Europa und Japan in sehr ähnlicher Weise umgebildet hat. Ebenso mit diesen Goldhähnchen : Die Annahme, dass die weitverbreitete Alegulxs-Form Europas und Nordasiens sich in Amerika und auf den Canaren in ähnlicher Weise umgeformt hat, ist eine viel begründetere Annahme, als dass der amerikanische satrapa nach den Uanaren gewandert und dort in die heutige canarische Form umgewandelt worden sei, eine Form die in vielen Merkmalen zwischen satrapa und regulus steht. 5. Das Vorkommen von “ Pufinus obseurus” an beiden Seiten des Atlantie würde nicht für eine Verbindung von Amerika mit den Canaren entscheidend sein, da diesem Vogel als ausgesprochenem Seevogel das Meer, das Landvögel trennt, zum Verbindungswege wird. Ausserdem aber ist die Form von Pufinus obscurus, welche die Canaren bewohnt, von der der amerikanischen Ostküste verschieden, und ähnelt mehr der Form der neuseeländischen Meere. Vergl. Rothschild und Hartert, in NovitArEs ZOOLOGICAE, 1899, p. 196, wo die Verbreitung dieser Formen folgendermassen angenommen wurde, obwohl mit Bezug auf die Form des indischen Oceans noch Zweifel bestanden, und auch die Verbreitung des echten obscurus nach Süden noch unsicher blieb: a. Puflinus obscurus obseurus, Stiller Ocean. b. 5 > auduboni, Ostküste von Nordamerika. & en r subalaris, Galapagos Inseln. d. ss 5 barlloni, afrikanische Küsten und Inseln. e. 7 " assimilis, Australien und Neuseeland. Die Form der Canaren ist also verschieden von dem auduboni der Ostküste Nordamerikas, wie auch von dem paeifischen typischen obseurus, und ist von uns provisorisch als dazlloni bezeichnet worden. Nach diesen Betrachtungen glaube ich, dass Jeder mit mir darin überein- stimmen muss, dass von dem vermutheten Vorhandensein eines amerikanischen Elementes in der Fanna der Canaren nicht die Rede sein kann. Zur Vervollständigung des Bildes der canarischen Vogelwelt füge ich nun noch ein Verzeichniss aller bisher bekannten Brutvögel der Canaren an, wobei ich soweit als möglich in Bezug auf Nomenklatur und lokale Formen meinen heutigen Standpunkt vertrete. Meade-Waldo’s und Koenigs Arbeiten liegen mir dabei vor- zugsweise zu Grunde. Man wird ersehen, dass hierbei einige nicht uninteressante Themata zur Besprechung gelangen. (9) DIE BRUTVÖGEL DER CANAREN. l. Turdus merula cabrerae subsp. nov. Sehr häufiger Brutvogel: Die canarische Amsel muss von der europäischen Amsel subspecifisch getrennt werden. Die Amsel der canarischen Inseln ist im allgemeinen verhältnissmässig kurzflüglig und kurzschwänzig, die Schnäbel sind orange-farben und etwas grösser. Die Weibchen sind nach Canon Tristram (/bis 1889, p. 19) und Professor Koenig (J. f. 0. 1890, p. 393) auffallend dunkel, dazu kommt noch, dass die canarischen Amseln im Vergleich zu den europäischen schlechtere Sänger sind und weniger Eier (2 bis 3, oft sogar nur 1!) (Zdis 1893, p. 187) legen. Diese letzten beiden biologischen Momente werden nur der Vollständigkeit halber erwähnt, ohne dass ich ihnen viel Gewicht bezüglich des subspeeifischen Werthes der canarischen Amsel beilege, da es ja bekannt ist, dass die Gesänge vieler Vögel individuell und lokal oft sehr verschieden sind, und dass viele südlichere Vögel weniger Eier legen, als ihre Artgenossen in nördlicheren Ländern. Das Kapitel über die Formen der Amsel ist jedoch nicht so einfach, wie es beim Vergleiche der Canarier allein mit einigen Europäern scheinen könnte. Zunächst kommen die marokkanischen Amseln in Betracht, die in der geringeren Flügellänge denen von den Canaren zu gleichen scheinen, und auch keine so schönen Sänger sind, wie unsre heimischen Vögel. Es liegt mir jedoch z. Z. noch kein genügendes Material vor, um diese Form mit einiger Sicherheit zu beschreiben. Dann kommt hinzu, dass auch in Europa möglicherweise nicht alle Amseln gleich sind. In Toskana sind sehr röthliche Weibchen vorherrschend. Ein schwedisches Männchen im Tring Museum hat einen Flügel von 136 mm., während deutsche Männchen Flügel von 130 bis 132, englische 123 bis 133, canarische 128 bis 129, ein nordmarokkanisches nur 125 mm. Flügellänge haben. Der Unterschied in den Schwänzen ist sehr unbedeutend, aber die canarischen Vögel haben recht kurze. Nun giebt es noch eine “ Turdus merula var. syriaca,” welche Hemprich und Ehrenberg in den “Symbolae Physicae” folgendermassen beschreiben : “Turdus Merula syriaca ab europaea differt: rostro digilisque validioribus, cauda longiore. NRemigum quarta longissima. NRostrum album. Speeimen unicum habuimus.” Sharpe (in Seebohm’s Monograph of the Turdidae, Theil VII.) erwähnt ein auffallend graues, dem von Turdus merula intermedia ähnelndes Weibehen vom Libanon. Es würde sonach scheinen, dass wir bis auf weiteres wenigstens unterscheiden können : Turdus merula merula, Europa. (Typus Nordeuropa). cahrerae, canarische Inseln und vielleicht (oder noch ein andre ”„ 2 Form in Nordafrika ?) Nordwestafrika. (Typus Tenerife). r „ syriaca, Syrien und Palästina (?). (Typus Syrien). „ Intermedia, Uentral-Asien. (Typus Thian Shan). » „ mazxima, Kaschmir. (Typus Kaschmir). Turdus merula cabrerae ist benannt zu Ehren des Doktor Anatael Cabrera y Diaz, dessen fleissiges Sammeln, zumal in der Hochebene von Laguna auf Tenerife, so viele für die Inseln neue Vogelarten ergab, und der einen nicht unwichtigen Katalog der canarischen Vogelarten herausgegeben hat, ( 95) 2. Pratincola dacotiae Meade-Waldo. Brutvogel auf Fuertaventura. (Das Fehlen aller Saxicola-Arten in dem ganzen Archipel ist sehr merk- würdig. Webb & Berthelot führen Pratineola rubicola als auf Tenerife beobachtet an und sie wurde auch von Cabrera erbeutet, ist aber nar ein gelegentlicher Wanderer.) 3. Erithacus rubecula superbus Koenig. Brutvogel auf den Gebirgen von Tenerife und Gran Canaria, während auf Palma, Gomera und Hierro eine hellkehlige Form brütet. Es ist unmöglich, diese hochinteressante Form ohne eine eingehendere Besprechung vorübergehen zu lassen, zumal sie von Dresser in dem Supplement- bande zu seinen “Birds of Europe,” nicht anerkannt wurde! Dresser sagt daselbst, dass schon vor der Publikation Koenigs Mr. Meade-Waldo ihm Stücke dieser Form sandte, um sein Urtheil über deren Artberechtigung zu erfahren ; er habe ihm damals gesagt, dass diese Form nicht artlich zu trennen sei, und er halte diese seine Ansicht auch heute noch aufrecht. Als Grund dafür giebt Dresser an, dass man in England Stücke finde, die in Dunkelheit der rostrothen Kehle denen von Tenerife gleich kämen. In letzterer Bechauptung liegt nun allerdings einige Wahrheit, wenn man aber etwas sorgfältiger untersucht, wird man finden, dass sich englische Stücke auch anderweitig von den Brutvögeln von Tenerife und Gran Canaria unterscheiden. Ausserdem sind frisch vermauserte Stücke aus England von frisch vermauserten swperbus sehr verschieden, und abgeriebene englische Exemplare den abgeriebenen von Tenerife und Gran Canaria sehr unähnlich. Nur wenn man ein tiefrothes, frisch vermausertes englisches Stück mit einem von Tenerife oder Gran Canaria in abgeblasstem, abgetragenem Kleide vergleicht, wird man allerdings keinen Unterschied in der rostrothen Färbung der Kehle finden, ja man kann sogar aus England ein lebhafter rostrothes Stück heschaffen, als ein ganz abgetragenes von Tenerife. Koenig war der erste, der der interessanten Rothkehlchenform, die auf Tenerife brütet, völlige Würdigung angedeihen liess, indem er ihr Gefieder, Nest, Eier und Lebensweise eingehend beschrieb, und ihr einen specifischen Namen gab. Unter seiner Bezeichnung “ superdus” wird denn auch dies Rothkehlchen für immer in der Ornithologie bekannt bleiben. Vor Koenig haben allerdings schon mehrere Forscher diese dunkelkehligen Rothkehlehen bemerkt und im Drucke darauf aufmerksam gemacht. Schon 1810 sagt Ledru (Voy. Tenerife, etc., I. p. 182), dass die Syleia rubecula von Tenerife lebhaftere Farben (couleurs plus foncees qui celui de France) habe, eine Notiz, die späteren Forschern entgangen zu sein scheint. 1872 schreibt Godman (Zbrs p. 175), dass die Rothbrüste der Azoren denen aus “ Süd-Europa” glichen, welche heller als die “britischen oder nordeuropäischen Stücke seien, während die von Madeira und den Canaren mit der dunklen nordischen Form identisch” seien. Godman hat also hier in ganz klarer Weise auf den Unterschied englischer und kontinentaler Rothkehlehen aufmerksam gemacht, und die dunkle Kehle der Brutvögel von Tenerife bemerkt. Im Uebrigen freilich sind seine Angaben inkorrekt, denn erstens erklärt er auch die Madeira-Vögel für dunkelkehlig während sie in der That ebenso hell wie die südeuropäischen sind, ausserdem identificiert er Britannien mit Nordeuropa. ( 9 ) Dieser Irrthum ist englischen Ornithologen oft passiert, denn vielfach liest man bei Vergleichungen von “unsern typischen englischen Vögeln,” in Fällen, in denen der Typus nach Skandinavien, nicht aber nach England zu verlegen ist. Man liess es sich eben früher nicht träumen, dass die alten Freunde in Wald und Feld etwa anders benannt werden müssten, als mit den linnaeischen Namen, unter denen sie von jeher bekannt waren. Die Rothkehlehen Englands zeichnen sich jedoch vor denen des kontinentalen Europa durch dunkler rostrothe Kehle, mehr rothbraune Oberseite, sowie durch dunklere und ausgedehnter braune Körperseiten aus, und müssen subspeeifisch unterschieden werden. Auch Tristram (/bis 1889, p. 2) hebt Unterschiede der dunklen Form von Tenerife hervor, von der er sagt, dass sie noch dunkler als die “ dunkle nordische ” Form sei, und sagt, dass die Stücke von Gomera zur Form mit heller rother Kehle gehören. In einer späteren Publikation (/dis 1890, p. 72) indessen bestreitet Tristram die Verschiedenheit des Rothkehlehens von Tenerife. Seine daselbst erwähnten “sorgfältigen Vergleichungen ” müssen doch nur flüchtig gewesen sein, sonst hätte er nicht die Exemplare von Palma mit denen von Tenerife und Canaria zusammen als dunkelkehlig bezeichnet. Das von ihm erwähnte dunkelkehlige andalusische Stück kann immerhin wie englische Stücke, aber nicht wie die von Tenerife gewesen sein! Eine wirklich sorgfältige Untersuchung hätte auch noch andre Merkmale gezeigt. Wie wir durch Dresser erfahren, wusste auch Meade-Waldo von diesen Unterschieden. Er liess sich zwar von Dresser abhalten, die Form zu benennen, gebrauchte aber später Koenigs specifischen Namen unbeirrt in seinen Veröffent- lichungen. (Ibis 1893, p. 188.) Weiter unten werde ich die Unterschiede zusammenfassen, die zwischen diesen Formen bestehen, ich muss aber bemerken, dass die Färbung sowohl der Kehle als der Oberseite einigermassen variiert, und dass einzelne Stücke der englischen und kontinentalen Form mitunter kaum zu unterscheiden sind, jedoch werden die Unterschiede klar, wenn man eine Serie frisch vermauserter, zur selben Jahreszeit erlegter Exemplare vergleicht. Die Form superbus ist meist viel deutlicher ausgeprägt, und kaum je zu verwechseln, wenn man sie ordentlich studiert. Ich konnte, in dem ich allein nach dem Farbenton der Kehle ging, alle canarischen Stücke, mit Ausnahme eines einzigen, auf den ersten Blick aus dem die Art enthaltenden Glaskasten im Britischen Museum, an einem trüben Wintertage herausnehmen. . Man wird mich nun vielleicht fragen, warum ich denn Erithaeus superbus nur als Subspecies aufzähle, und so die von Koenig und Meade-Waldo betonte Artverschiedenheit anzweifle. Ich muss darauf erwiedern, dass ich mich in keiner Weise mit den Anschauungen dieser hervorragenden Beobachter in Gegensatz bringe, sondern dass nur meine Auffassung vom Artbegriff eine etwas andere ist. Dies wird Jedem klar werden, der sieht, dass ich auch alle die Meisen der Canaren nur als Subspecies auffasse. Subspecies sind geographische Vertreter eines Formenkreises, deren Unterschiede entweder nicht scharf genug ausgeprägt sind, um nach denselben alle Individuen zu erkennen, oder deren Merkmale solche sind, die in dem betreffenden Formenkreise veränderlicher Natur sind, und zu lokalen Veränderungen neigen. Ein Merkmal also, das in einer Gattung, oder sagen wir unbestimmter in einem gewissen Formenkreise, ein in systematischer Hinsicht wichtiges ist, kann iı einer andern Gruppe sehr belanglos sein. Es ist also nöthig, eine Gruppe erst soweit zu studieren, dass man weiss, welche Merkmale (97) in derselben von Bedeutung sind, ehe man sich entscheiden kann, ob und inwieweit man es mit Unterarten oder mit alten, tiefer begründeten Arten zu thun hat, auch wenn sie einander geographisch ausschliessen. Auf das Maass der Unterschiede kommt es dabei weniger an, denn es giebt grundverschiedene Arten, die äusserlich nur sehr schwer zu unterscheiden sind, während manche evidente Unterarten viel deutlicher verschieden sind. Alle die Merkmale nun, welche das Rothkehlchen von Tenerife und Gran Canaria so auffallend kennzeichnen, können in der Gattung Erithacus nicht allzu hoch angeschlagen werden. Die Schnabelform variiert überall individuell, sodass einzelne Individuen aus Europa von denen von Tenerife darin nicht zu unterscheiden sind. Die Färbung der Kehle und Oberseite, sowie der Körperseiten und des Unterkörpers neigen auffallend zu lokalen Abänderungen, die Eier, obwohl sehr auffallend, werden bisweilen von einzelnen Exemplaren aus andern Gegenden fast erreicht, der schlechtere Gesang ist kein specifischer Charakter, zumal nicht in dieser Gruppe, wo gewisse Gegenden (wie bei den Finken und Drosseln) bessere Sänger haben als andere, auch ist der Unterschied im Gesange nicht so gewaltig, wie ich mich persönlich im Fichtenwalde oberhalb von Icod de los vinos überzeugte. Ich fasse nun die Unterschiede der drei westpaläarktischen Formen, die ich z. Z. unterscheiden kann, zusammen. Erithacus hyrcanus gehört ebenfalls in diesen Formenkreis, aber mir liegt nur ein sehr geringes Material vor, auch sind die Unterschiede oft genug anderweitig hervorgehoben worden. Was Radde in der “Ornis Caucasica” darüber sagt, ist sehr lehrreich, wenn auch vielleicht nicht in allen Details genau. a. Erithacus rubecula rubecula. Das rostroth der Kehle und Vorderbrust am hellsten, die Oberseite heller als bei den andern beiden Formen, die Mitte des Unterkörpers ausgedehnt weiss, in frischem Gefieder stets mit mehr oder minder deutlichem rahmfarbenen Hauch, buchtförmig in das Rostroth der Vorderbrust hineinragend. Unterschwanzdecken bräunlichweiss, Füsse hellbraun, Schnabel braun, Wurzel des Unterschnabels hell. Eier in der Regel ohne den geringsten bläulichen Schimmer. Gesang gut. Aufenthalt in Wäldern und Gehölzen. Brutgebiet: Europa (mit Ausnahme der britischen Inseln) und der Nordrand von Afrika, Madeira, Palma, Gomera und Hierro, nach Godman auch die Azoren. Stücke aus der letzteren Inselgruppe sollten noch genauer untersucht werden. Es ist mir nicht gelungen, einen Unterschied zwischen europäischen Stücken verschiedener Gegenden zu finden, ebenso wie die von Tunis, Madeira, Palma, Gomera und Hierro mir nicht in irgend einer Weise verschieden zu sein scheinen. Die individuelle Variation ist indessen nicht ganz gering. Man findet überall hellere und dunklere Stücke, und gelegentlich ist das Roth der Kehle und das Braun der Oberseite kontinentaler Exemplare und britischer Stücke kaum zu unterscheiden, das einzige Exemplar der Rothschildschen Sammlung aus England jedoch, das ich als typische rudecula ansprechen müsste, ist im Herbste geschossen, also höchstwahrscheinlich ein vom Kontinente stammender Zugvogel. Die von Vater Brehm benannten “ Subspecies ” scheinen mir nicht als solche unterscheidbar, entbehren übrigens auch des bei wahren Subspecies bestimmenden geographischen Momentes. Erwähnen muss ich aber, das alle Exemplare der Brehmschen Sammlung auf der Oberseite tief rothbraun erscheinen. Diese Färbung scheint - ‘ (9%) hier lediglich eine infolge der lange Zeit ungenügend gewesenen Aufbewahrungsart entstandene zu sein, wie es mir überhaupt scheint, dass alte Stücke eine tiefer rothbraune Farbe annehmen. Im Journal für Orn. 1897, p. 249, stellt Prazak eine Gebirgsform unter dem Namen Erithacus rubecula major auf, die unter Anderem ein ausgedehnteres Roth auf der Unterseite, einen reiner weissen Bauch und dunklere Oberseite, sowie röthlicher olivenbraune Schwanzdecken haben soll. Unter den von mir untersuchten Gebirgsvögeln kann ich solche Unterschiede nicht nachweisen, und ich kann daher diese angebliche Form nicht anerkennen, bis von anderer Seite bestätigende Untersuchungen gemacht sind. b. Erithacus rubecula melophilus subsp. nov. Unterscheidet sich von a. durch gesättigtere, mehr rostbraune Oberseite, was namentlich auf Bürzel und Oberschwanzdecken auffällt, durch in frischem Gefieder viel dunkler rostrothe Kehle. Die Körperseiten sind gesättigter und ausgedehnter braun, sodass weniger weisse Färbung am Unterkörper übrig bleibt, die Unterschwanzdecken sind hellrostfarben. Gesang sehr gut. Dazu ist diese Form ein unermüdlicher Sänger, der namentlich seinen “ Herbstgesang ” mit auffallender Unermüdlichkeit und grossem Feuer vorträgt. Er beginnt damit schon im September, im Oktober aber ist er in vollem Sang. Er sitzt dann mit Vorliebe auf den Dächern von Gebänden und Zäunen, and schmettert von da sein reizendes Lied in die Herbstluft hinein. Ueberhaupt hält er sich nicht nur in Wäldern und Gehölzen auf, sondern bewohnt besonders auch die Gärten, und lebt gern in unmittelbarer Nähe der Häuser. Sein Nest legt er sehr oft erhöht an. Man findet es an Gebänden, sehr gern in Heuschobern, im Epheu an den Mauern und Stämmen, in offenen Baumhöhlen, ja sogar innen in Gewächs- häusern, und ausnahmsweise in unbenutzten Stuben, wenn er durch eine offenes Fenster hineingelangen kann. Er ist einer der häufigsten Vögel Englands, und beim Volke der beliebteste Vogel, den Jeder kennt und liebt, und dem Niemand ein Leid zufügt. Er spielt auch in Gedichten und Kindergeschichten häufig eine Rolle. Wegen seiner auffallenden Sangesfreudigkeit habe ich ihm obigen Namen beigelegt. Brutgebiet : Meines Wissens nur die britischen Inseln. Die von Tristram erwähnten andalusischen Exemplare kenne ich nicht. Gelegentlich sind alte Vögel auf der Kehle so dunkel, dass sie darin canarischen superbus sehr ähneln, sie sind jedoch stets an andern Merkmalen zu erkennen, wenn die Färbung der Kehle dazu nicht genügt. c. Erithacus rubecula superbus. Die Oberseite ist etwas dunkler als bei «., in abgetragenem Gefieder auffallend grau, viel weniger rothbraun als bei 4. Die Kehle ist tiefer rothbraun als bei a. und Ö. und von einem andern Ton, mehr dem “ tawny ” von Ridgway (Nomenelature of Colours, Pl. V. fig. 1) gleichend, aber lebhafter und mehr roth, während die Form a. ungefähr dem “ ochraceous” (Pl. V. fig. 7) und Form d. dem “tawny ochraceous ” (fig. 4) entspricht. Auf der sonst sehr schönen Tafel im Journal für Ornithologie sind die Farbentöne zu sehr ziegelroth, nicht bräunlich genug, ausgefallen. Die Körperseiten sind sehr hell, ebenso hell oder noch heller als bei a, und die Mitte des Unterkörpers ist ausgedehnt rein weiss, ohne die geringste Spur von Rahmfarbe. Das weiss der Unterseite reicht uicht buchtförmig in das rostrothe (9) Kehlschild hinein, welches in einer convexen Linie abschneidet. An den Seiten der Vorderbrust scheint das Rostrothe nicht ganz so weit nach hinten zu reichen, an den Kopfseiten aber ist die Vertheilung der Farben ganz dieselbe. Der Schnabel ist gestreckter, im Ganzen, aber durchaus nicht immer, mit weniger hakenförmiger Spitze. Schnabel und Füsse sind dunkler braun, ersterer fast rein schwarz, an der Wurzel nur wenig heller. Die Eier haben immer einen bläulichen Ton. Der Gesang ist etwas schlechter, nicht so abwechselnd, sondern etwas mehr abgerissen, kürzer. Brutgebiet : Die Berge von Tenerife und Gran Canaria, ungefähr oberhalb 2000 Fuss. Litteratur: Godman, in Z/bs 1872, p. 175 ; Tristram, 7bis 1889, p. 2; 1890, p- 72; Meade-Waldo, /bis 1889, p. 516; 1893, p. 188; Koenig, Journ. f. Orn. 1889, p. 183 ; 1890, p. 383-393, Taf. III. (Vogel), Taf. VIII. (Eier). In Rothschildschen Museum liegt mir z. Z. folgendes Material vor: 33 englische Stücke, meist von Sussex und Tring. 46 vom europäischen Kontinente, von Schweden bis Italien und Griechenland aber leider noch nicht aus Spanien. 4 von Madeira (Schmitz) und 1 von Tunis (Erlanger). 9 von Tenerife, von Koenig, Don Ramon Gomez, Floericke, und von mir (im Fichtenwalde bei Icod) gesammelt. 21 Europäer in der Brehmschen Sammlung, worunter ein sehr blasser Spanier. Ausserdem untersuchte ich die grosse Serie im britischen Museum zu London, und früher die der Sammlungen von Dresser, Professor Koenig und Graf Berlepsch. ’ 4. Erithacus rubecula rubecula L. Häufiger Brutvogel auf Gomera, Palma und Hierro. Unterschiede von Nordeuropäern bisher nicht festzustellen. 5. Sylvia conspicillata Marm. Häufig auf allen Inseln, von der Küste bis zu Höhen von 6000 Fuss. — Sylvia subalpina wurde irrthümlich von Webb & Berthelot, Bolle und Godman angegeben. Leider wiederholte Cabrera diesen Irrthum noch wieder 1893,* 6. Sylvia melanocephala leucogastra (Ledru). Häufiger Brutvogel (nach Meade-Waldo), wie es scheint auf allen Inseln, aber mehr in den höheren Lagen. Merkwürdiger Weise haben frühere Forscher, selbst Koenig und Meade-Waldo, die auffallenden Unterschiede zwischen europäischen und nordafrikanischen Individuen nicht bemerkt. Das Sammetköpfchen von Tenerife und Gran Canaria unterscheidet sich vom typischen Vogel durch seine viel geringere Grösse, d. h. Flügel und Schwanz, bei gleichgrossem Schnabel, etwas bräunlichere Oberseite und viel dunklere, mehr bräunlichere Körperseiten und Unterschwanzdecken. Den äusseren Steuerfedern fehlen die ausgedehnten weissen Spitzen, welche, wie auch die Aussenfahne, hellschmutziggrau sind. Mir liegen * Während diese Arbeit sich im Drucke befand beschrieb Tschusi (Orn. Monatsber. 1901, p. 130) die Form von Madeira und den Canaren als Sylvia conspieillata bella. Ich kann seine angeblichen Unterschiede nicht bestätigen, obwohl mir ein anscheinend ausreichendes Vergleichungsmaterial von Tenerife, Palma, Spanien, Tunis und den Capverden verliegt. ( 100 ) zwei Stücke vor, die von dem Sammler (Floericke) als “ ?” und “d& juv.” bezeichnet sind, die aber das Gefieder der Männchen tragen und den Eindruck alter Vögel machen. Falls Floericke’s Bestimmung des Geschlechtes richtig wäre, würden die Weibchen den Männchen ähnlich sehen, also den Weibchen von melanocephala ganz unähnlich sein, was nicht anzunehmen ist. Bis auf weiteres bin ich geneigt diesen Vogel nur als Subspecies von S. melanocephala anzusehen. Uebrigens war das als ? bezeichnete Stück anfünglich als d etikettiert, das Zeichen d aber nachher erst mit Bleistift gestrichen, und dafür ? gesetzt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Ledru’s Name für die canarische sammtköpfige Grasmücke zu benutzen ist. Ledru, Voy. Tenerife, ete., I. p. 182, führt für Tenerife ausser Sylvia atricapilla noch an : “La fauvette A töte noire et ä bord des yeux rouge,” und nennt sie Motacilla leucogastra, anscheinend nach einem Manuskriptnamen im Pariser Museum, wo seine Sammlungen deponiert wurden. Wenn auch Ledru’s Diagnose kurz und nach heutigen Begriffen sehr ungenügend ist, so ist sie doch im Sinne derer von Linn& gehalten, und treffender und sicherer als mauche von Linne’s Diagnosen, die wir heutzutage rückhaltslos anerkennen. 7. Sylvia atricapilla L. Nach Angabe aller Autoritäten unterscheiden sich die regelrecht gezeichneten Individuen der Canaren äusserlich in keiner Weise von der europäischen Form, und auch ich habe an den wenigen untersuchten Stücken keinen Unterschied bemerkt. Genauere Studien an-grösserem Material wären jedoch interessant, da die canarischen Schwarzplättchen einige auffallende Eigenthümlichkeiten haben : l. Es tritt— wenigstens auf Palma und noch häufiger auf Madeira—in beiden Geschlechtern, meist aber beim Männchen, eine auffallende melanistische Aberration auf, die man heinekeni genannt hat. Diese Aberration ist anderwärts nicht bekannt. Ihr Vorkommen auf den Canaren ist wiederholt bezweifelt worden, Cabrera aber erbeutete sie mehrfach auf Tenerife, und in der Caldera von La Palma ist sie nicht selten. 2. Die Eier, die bei uns eigentlich nur in zwei Färbungstypen vorkommen, variieren in einer anderswo ganz ungeahnten Weise. Einzelne Varietäten sind so abweichend, das man sie nur mit Mühe wiedererkennt. Ausserdem scheint auch der Gesang ein durchweg hervorragender zu sein, während man in Europa neben ebenso guten Sängern auch viele schlechtere antrifft. Man muss also beinabe glauben, dass in der Natur der atlantischen Schwarz- plättchen Eigenheiten sind, die wir in Europa an der Art nicht bemerken, und man könnte immerhin annehmen, dass aus solchen, vermuthlich von der “ Lokalität,” d. h. dem von ihnen bewohnten Lande, ausgehenden Eigenthümlichkeiten sich allmälig durch alle Individuen der Gegend hindurch eine lokale Verschiedenheit heranbildet, welche sie zur Subspecies oder Species stempelt. Es wird daher eine Aufgabe späterer Ornithologengeschlechter sein, hierauf ein Augenmerk zu haben. Möglicherweise wird in diesem Falle jedoch die Ausbildung einer feststehenden Form durch häufigen Zuzug und durch Mischung kontinentaler Wanderer verhindert. Uebrigens sollte noch ein grösseres Material untersucht werden, ehe ein endeültiges Urtheil gefällt wird. Es sei noch bemerkt, dass Sylvia atricapilla auch auf den Capverden, die ja (101) noch manche palaearktische Brutvögel * haben, häufig brütet. Schon Keulemans (Nat. Tijdschr. Dierk. III. pp. 363, 364) bemerkte, dass viele Stücke dort eine gelb- braune Kehle hatten, was von dem Pollenstaub der Blüthen einer Alo& herrührte. Solche Exemplare wurden von Boyd Alexander (/bis 1898, pp. 81, 279) als Sylvia gularis beschrieben. Die Nichtigkeit dieser vermeintlichen Form hat Salvadori (Ann. Mus. Civ. Genova, 2, XX. (XL.) p. 290) nachgewiesen. Exemplare von den Capverden (Santiago) und aus Kleinasien im Rothschildsehen Museum zu Tring bestätigen Graf Salvadori’s Nachweis. Ueber die S. heinekeni ist unsre Kenntniss übrigens noch nicht abgeschlossen. Cabrera nennt sie eine “klimatische Varietät,” und sagt ihre Eier seien auch verschieden. Es scheint indessen sicher, dass diese Vögel nur gelegentliche Aberrationen sind, und nicht im Paaren leben !f 8. Regulus tenerifae Seeb. (satelles Koenig). Häufiger Brutvogel auf allen westlichen Inseln. Cabrera zählt R. eristatus, madeirensis und satelles auf. Sein “eristatus” ist natürlich das canarische Goldhähnchen, das den Namen tenerifae tragen muss, madeirensis will er nur im Gebüsche beobachtet haben, und satelles führt er als ihm nur durch Koenigs Beschreibung bekannt, an. Seine drei Namen dürften daher wohl auf einen zu reducieren sein. 9. Phylloscopus rufus canariensis (Hartwig). Es ist merkwürdig, dass frühere Beobachter weder den eigenthümlichen Gesang des canarischen Laubsängers bemerkten, noch sein verschiedenes Aussehen. In der That ist er in den Schwingenverhältnissen, der Färbung und dem Gesange weit verschieden von unserm “ Zilpzalp.” Zuerst hat Hartwig im Journal für Ornithologie 1886, p. 486 den von unsrer Form so verschiedenen Gesang beschrieben, die auffallende Färbung der Unterseite erwähnt, und die Form von Tenerife Phyllopneuste rufa canariensis genannt. Die Angabe Hartwigs, dass sie grösser sei als unser Zilpzalp ist aber irrthümlich, denn sie ist sehr viel kleiner. 1889, im Zdis, p. 21 hat Canon Tristram dieselbe Form als PAylloscopus ‚Fortunatus beschrieben. Seine Diagnose ist nicht besser, als die von Hartwig. Tristram beschreibt den Gesang sehr gut und giebt ein gutes Kennzeichen an, nämlich das Verhältniss der zweiten zur achten Schwinge. Die dunklere Färbung der Läufe und Füsse dagegen, sowie die grössere Länge der vierten und fünften, gegenüber der dritten und vierten Schwinge bei unsrer europäischen Form, sind nicht stichhaltig. Sonderbarer Weise hat auch Tristram die so viel geringere Grösse und auffallend verschiedene Färbung unerwähnt gelassen, und auch Koenig, der die lokalen Unterschiede der canarischen Vogelformen im allgemeinen am meisten studiert hat, sah sie nicht, ebensowenig Meade-Waldo. Thatsächlich ist der canarische Vogel so sehr vom typischen rufus verschieden, dass ich ihn nur zögernd als Subspecies von letzterem auffasste. Ich entschloss mich dazu aber doch nach Vergleich von jungen rwfus im Herbstgefieder. * Sylvia conspieillata, Passer salieicola, Alaemon alaudipes, Ammomanes einetura (einctura \), Columba livia, Coturnir eoturnie (?capensis!), Buteo buteo, Milvus korschun, und einige Strandvögel. Siehe Alexander, Ibis 1898; Salvadori, Ann. Mus. (iv, Genova, XL. pp. 2833-312. + Während dieser Artikel sich im Drucke befand erschien Tschusis Beschreibung der Form von Madeira als Sylvia atrieapilla obseura, neue Subspecies, abgesehen von der Aberration heinekeni, Die Stücke von Madeira sollen sich durch mehr braunen Farbenton von europäischen Individuen unterscheiden ! (Orn. Monatsber. 1901, p. 130). ( 102 ) Phylloscopus rufus canariensis Hartw. (= fortunatus Tristr.) unterscheidet sich folgendermassen von Ph. rufus rufus: Er hat kleineren Körper und kürzere Flügel. Er ist auf der ganzen Oberseite sehr viel dunkler und brauner. Die Unterseite ist im Frühjahr viel bräunlicher. Zur Brutzeit erlegte Stücke sind etwa ebenso so bräunlich, wie echte rufus, die im Oktober und November, also im frischen Herbstkleide, erlegt sind. Die zweite Schwinge, die bei PA. rufus rufus meist viel länger ist als die achte, oder ihr höchstens gleicht, ist bei der canarischen Form kürzer als die achte Der ganze Flügel ist breiter, weniger spitz, da der Abstand zwischen den Hand- und Armschwingen ein geringerer ist. Dies dürfte im Zusammenhange stehen mit der sedentären Lebensweise der canarischen Form, die nie wandert, während unsre Form alljährlich vom Norden Europas bis in die Tropen Afrikas zieht, ja einzelne sogar bis in das Kapland ; nur ganz ausnahmsweise wurden in den wärmeren Theilen Englands einzelne Stücke im Winter angetroffen. Der Gesang ist ganz verschieden von dem unsrer Form. Nur mit Mühe konnte ich Anklänge an das “tilm telm” der heimischen Form aus der niedlichen Strophe in den Gärten bei Puerto Orotava, wo der Vogel sehr häufig ist, heraus- hören. Es ist mir unbegreiflich, wie einem Beobachter dieser Unterschied im Gesange entgehen kann. Die Nester stehen nach Angabe aller Beobachter meist hoch, nur Koenig fand sie sowohl hoch als niedrig, während jedoch bei der mitteleuropäischen Art die Nester fast stets auf dem Boden, oder doch höchstens, ausnahmsweise, bis zu drei und vier Fuss hoch stehen. Es liegen mir von mir selbst bei Orotava, von Floericke bei Laguna und von Scott Wilson auf Palma gesammelte Stücke, im ganzen acht, aus verschiedenen Jahreszeiten, und 39 Phylloscopus rufus rufus zum Vergleiche vor. Die Flügel von Phylloscopus rufus canariensis messen etwa 49—55 mm., und zwar augenscheinlich die der Weibchen ungefähr 50, die der Männchen 54 bis 55 mm. Britische und westdeutsche PAhylloscopus rufus rufus haben eine Flügellänge von etwa 55 bis 60 mm., also durchschnittlich 5 mm. mehr, indem die Weibehen Flügel von 55, die Männchen von 60 mm. haben. Nur im Herbste erlegte Stücke, deren Brutheimath wir nicht kennen, zeigen bisweilen etwas kleinere Maasse. Östliche Vögel, wie auch schwedische, ostpreussische, sind noch grösser, die Männchen haben Flügel von 63 bis 67 mm. Dies ist Phyll. rufus pleskei Floer. Strieklands drerirostris und Blanfords Aabessinieus scheinen auf Stücken im Wintergefieder begründet zu sein und gehören jedenfalls hierher. Beide Namen beziehen sich wahrscheinlich schon auf die östliche, grössere Form und könnten für pleskei gebraucht werden. Homeyer beschrieb noch einen brehmi aus Südenropa. Es fehlt mir an südeuropäischem Material, aber ich bin geneigt zu glauben, dass es sich auch hier um das frische Herbstgefieder handelt, obwohl ich drehmi noch keineswegs ad acta gelegt zu sehen wünsche. Dr. Cabrera erwähnt Ph. rufus und fortunatus, von denen die letztere Art ihm unbekannt ist. Aus der Beschreibung von Tristram hätte er aber ersehen können, dass /ortunatus der früher als rufus bekannte Vogel der Canaren ist. Ueber den hohen Standort des Nestes vergl. noch : Harris, Essays d‘ Phot., p- 74, pl. XV., 1901. ( 103 ) 10. Parus caeruleus degener Hartert. (Siehe oben.) Nur auf Fuertaventura und Lanzarote. ll. Parus caeruleus teneriffae Lesson. Tenerife, Gran Canaria und nach Meade-Waldo auch Gomera. 12. Parus caeruleus palmensis Meade-Waldo. Palma allein. Diese Meisen sind in Dressers Supplementbande zu den “ Birds of Europe” ausgezeichnet abgebildet. 13. Parus caerulus ombriosus Meade-Waldo, Nur Hierro. 14. Motacilla boarula canariensis subsp. nov. Im Ornithologischen Jahrbuche XI. (1900), p. 223, beschriebHerr von Tschusi die Gebirgsbachstelze von Madeira unter dem Namen M. boarula schmitzi. Diese Form von Madeira ist sehr auffallend. Sie unterscheidet sich von M. boarula boarula durch die verdüsterte Färbung der Oberseite, namentlich der Kopfseiten, wo der Supereiliarstreif fast oder ganz verschwindet und der weisse Wangenstreif in verminderter Ausdehnung erscheint. Der Flügel und Schwanz sind etwas länger. Die nach Tschusi schwärzeren Flügel und lebhafter gelbe Unterseite kann ich nicht immer bestätigt finden. M. boarula canariensis (Typus Mus. Tring, d ad. Esperanza, Tenerife, 22. III. 1901, Floeriecke coll.) steht zwischen M. d. boarula und M. b. schmitzi. Sie ist nicht so dunkel auf der Oberseite, wie die letztere, die Ohrgegend ist lange nicht so schwärzlich, aber viel dunkler als bei typischen Europäern, der Superciliarstreif und der Wangenstreif sind reduziert. Die Grösse ist etwas bedeutender als bei Europäern und vielleicht ebenso bedeutend wie bei schmitzi. Auf die bedeutendere Grösse der canarischen Stelze hat schon Meade-Waldo hingewiesen, ihr aber leider keinen Namen beigelegt. Wie ©. L. Brehm und Koenig schon richtig beobachtet haben entsteht die schwarze Kehlfärbung nicht etwa durch die so selten wirklich stattfindende “Umfärbung,” sondern durch Mauser der Kehlfedern! Einen durchgehenden Unterscheid in der Färbung zwischen Vögeln aus “ Tieflandsgegenden ” und “Gebirgen” in Europa kann ich weht finden, überhaupt ist die Art nirgend in Europa reiner Tieflandsvogel! Ich kann vorläufig nur unterscheiden : Motacilla boarula boarula : Europa. „ „ eanariensis: Canaren. Düstere Kopfseiten, grösser. schmitzi: Madeira. Noch düsterer, besonders oben. > „ melanope:: Nordasien. Viel kürzerer Schwanz. Ich konnte untersuchen : Madeira : Den Typus von schmitzi, den mir der liebenswürdige Autor geliehen, ein d ad. im Brit. Museum, ein ? aus Koenigs Sammlung, ein $ im Brit. Museum. Canaren : 2 d 2 2 im Museum zu Tring, 2 d 1 $ aus dem Museum Koenigs, 2 im Brit. Museum. Europa : 35 Brehm Sammlung, 13 weitere im Museum zu Tring, Asien (melanope): 49 in Tring. „ „ ( 104 ) 15. Anthus campestris (L.). Auf Fuertaventura im Frühling, also dort wohl Brutvogel. 16. Anthus bertheloti Bolle. Nach Meade-Waldo auf allen Inseln. Letzterer Ausdruck ist wohl ungenau, denn die Art fehlt doch auf Fuertaventura und den andern östlichen Inseln! Es ist unbegreiflich, wie Hartwig die Art mit Anthus pratensis (J.f. O. 1886, p. 473) verwechseln konnte. 17. Lanius algeriensis koenigi Hart. Aufallen Inseln. (Siehe oben.) 18. Carduelis carduelis subsp. Der Stieglitz ist ein häufiger Brutvogel auf allen Inseln, seltener auf den östlichen. Die canarischen Exemplare sind sehr klein. Auf die Unterarten des Stieglitzes werde ich an andrer Stelle zurückkommen.* 19. Acanthis cannabina meadewaldoi subsp. nov. Der canarische Hänfling von der Insel Tenerife unterscheidet sich von der typischen (nordeuropäischen) Form durch grösseren Schnabel, dunkler braunen Rücken, kürzeren Flügel und Schwanz. Der Schnabel ist dieker und etwa 2 mm. länger als bei nordeuropäischen Stücken. Flügel (d ad.) 77 bis 78:5 mm., gegen 80 bis 85 bei Nordeuropüern, Schwanz 53 bis 55 mm. Das Roth der Brust ist sehr schön, lebhaft und voll. Der Hänfling von Tenerife (Typus d ad. Esperanza, 22. III. 1901) ist ver- schieden von dem von Nordafrika und Madeira durch seinen grossen Schnabel und dunklen Rücken. Auf diese letztere Form kann nieht etwa Brehms Name minor verwandt werden, obwohl sie ebenso kurzflüglig ist, wie die Form von Tenerife, denn Brehm giebt für seine minor nur an, dass sie kleiner sei mit kleinerem Schnabel, und keinen Fundort! Die einzigen Stücke seiner Sammlung aber (soweit sie mir vorliegt) die als minor bezeichnet sind, sind aus Renthendorf, und die Nordafrikaner haben keine kürzeren Schnäbel als die deutschen Stücke. Brehms minor bezieht sich also lediglich auf etwas kleinere Stücke der typischen Form, und die Nordafrikaner entbehren vorläufig eines Namens. Ich nenne die Form von Tenerife zu Ehren des Ornithologen E. G. Meade- Waldo, dem wir eine interessaute Notiz verdanken, die besagt, dass die Hänflinge von Fuertaventura von denen von den westlichen Inseln abweichen, indem sie wenig oder gar kein Roth haben. Dies haben die Stücke seiner Sammlung, die ich nntersuchen durfte, bestätigt, und es scheint, das die von Fuertaventnra nicht nur weniger roth haben, sondern auch noch kleiner sind, also auch wieder von den Nordafrikanern abweichen. Untersuchung grösseren Materiales ist nöthig, um diese Formen zu klären. * Während des Druckes beschrieb Tschusi den Stieglitz von Madeira als Carduelis carduelis nana Nach der Beschreibung des Autors möchte ich annehmen, dass die Form von den Canaren auch zu nanı zu ziehen ist, doch fehlt es mir z.7, an genügendem Vergleichsmaterial. ( 105 ) 20. Serinus canariensis (L.). Gemein überall, ausser auf Fuertaventura und Lanzarote. 21. Passer hispaniolensis (Temm.). Auf Canaria und den östlichen Inseln gemein, auf Tenerife eingeführt, ohne sich aber daselbst verbreitet und lange festen Fuss gefasst zu haben. (Oh über die unsinnige Einführungssucht, die so viel Schaden anrichtet !) 22. Petronia petronia madeirensis Erlanger. Ueberall häufig, mit Ausnahme der östlichen Inseln. Ich habe eine Anzahl von Exemplaren aus Madeira im Britischen Muserm und aus Professor Koenigs Sammlung verglichen, und vermag keinen Anhaltspunkt zur Unterscheidung der canarischen und madeirensischen Formen zu finden. Die Canarenvögel müssen also meiner Meinung nach als P. p. madeirensis bezeichnet werden. Erlanger hat in seinen hochwerthvollen Beiträgen zur Avifauna Tunesiens vier Formen des Steinsperlings unterschieden. Leider ist das Kolorit auf den mir vorliegenden vier Exemplaren der Tafeln des Journ. f. Orn. nicht genau, namentlich bei der “typischen” Form viel zu hell, also verfehlt. Auch die Unterschiede von P. p. madeirensis sind sehr wenig auffallend, es handelt sich fast nur um etwas dunklere Oberseite und Kopfseiten, die Grösse ist nicht verschieden, Eine viel deutlicher erkennbare Form ist die von Kaschmir. Dieselbe ist womöglich noch langflügliger, als die von Palästina, der Schnabel ist beinahe so stark, aber sie ist nicht ganz so blass und sandfarben. Man kann somit wohl trennen : 1. Petronia petronia madeirensis: Sehr dunkel. Flügel 90—95 mm. Madeira und Canaren (Typus: Madeira In Mus. Tring ; Tenerife, E. Hartert coll., Ramon Gomez und Floericke coll.). 2. Petronia petronia barbara : Etwas heller, verwaschener, Schnabel stärker als no. 2. Flügel 90—100 mm. (nach Erlanger). 3. Petronia petronia puteicola: Viel blasser, Schnabel enorm. Flügel 100—103 mm. Palästina. 4. Petronia petronia intermedia, subsp. nov: Fast so blass wie no. 3, Flügel 103—106 mm. Kaschmir (Typus Gilgit!) u. Kandahar. 5. Petronia petronia brevirostris: Schnabel kleiner, Gefiederfärbung etwas heller. Ostsibirien (Typus Argun). 23. Fringilla canariensis canariensis Vieillot. Tenerife, Canaria, Gomera. , $) 24. Fringilla canariensis palmae Tristr. Palma. Beide Formen gehören mit der von Madeira und den Azoren zu einer Art, sind aber subspecifisch zu unterscheiden. 25. Fringilla teydea Webb et Berth. Nur in den Tannenwäldern der Insel Tenerife, und jetzt ziemlich selten. ( 106 ) 26. Erythrospiza githaginea (Licht.). Die östlichen Inseln und Gran Canaria. Die Vögel der Canaren scheinen denen des Festlandes zu gleichen. Bei diesen Vögeln ist es besonders wichtig, Stücke aus derselben Jahreszeit zu vergleichen, 27. Emberiza miliaria L. Häufig auf allen Inseln. 28. Calandrella pispoletta rufescens (Vieill.). Dies ist der Name der folgerichtiger Weise der canarischen Form der Stummellerche beigelest werden muss. Vieillot beschrieb sie im Tubleau Encyclop. et Method. I. p. 322 unter dem Namen Alauda rufescens nach einem Exemplare, das von Mauger (auch Maug£ geschrieben), dem Begleiter von Ledru, von Teneriffe mitgebracht war. Die von Bonaparte in den Comptes- Rendus Hebdom. des Scances de l’ Acad. des Sciences, Vol. XXXVIII p. 67 (1854) in einer Anmerkung erwähnte Alauda tigrina (Vergl. auch Bolle im Journ. f. Orn. 1857, p. 291) von Vieillot ist nirgend publieiert. Mein belesener Freund Conte Tommaso Salvadori machte mich auf Pucheran’s Notiz in Rer. et Mag. de Zool. 1854, p. 64 aufmerksam, woraus hervorgeht, dass Alauda tigrina nur ein Museumsname, und zwar ein Synonym von Alauda rufescens ist. Auffallender Weise ist weder Alauda rufescens noch tigrina im X11I. Bande des “Catalogue of Birds” erwähnt, wodurch ich dazu kam, das Synonym canariensis zu schaffen. Die Litteratur von Calandrella pispoletta rufescens ist somit folgende : 1810: Alauda arvensis (errore), Ledru, Voy. Tönerifte, etc. I. p. 182. 1523: Alauda rufescens, Vieill., Tabl. Enc. et Meth. I. p. 322. (Tenerifte). 1854: Alauda rufescens (etiquetee tigrina), Puch., Rev. et Mag. de Zool. 1854, p. 64. 1554: Alauda tigrina, Bonap., Compt. Rend. Scances Acad. Paris, XXXVII. p- 67, Anmerkung. (Noch in Paris). 1857 : Alauda brachydactyla (errore), Bolle, Journ. f. Orn. V. p. 290. 1857 : Alauda tigrina (irrthümlich als Synonym von brachydactyla betrachtet!), Bolle, Journ. f. Orn. V. p. 291. 1872: Alauda brachydactyla (errore), Godman, Ibis III. p. 209. 1876: Alauda brachydactyla u. pispoletta, Mompö, Ann. Soc. Esp. Mist. Nat. V. p. 249. (Alauda arvensis mehrerer Autoren dürfte auch auf Verwechselung beruhen, was aber nicht immer zu ermitteln ist, da ja Feldlerchen im Winter auch vorkommen !) 1893: Onlandrella minor, Meade-Waldo, /bis p. 194. (Ebenso bei Dresser und mehreren andern neneren Autoren). 1901: Calandrella pispoletta canariensis, Hart., Bull. B. O. Club, Mai 1901, p- 64. (Die von Finsch im J./.O. 1864, p. 412, als von den Canaren kommend beschriebene Pyrrhulauda modesta gehört nicht hierher, sondern ist offenbar eine wirkliche Pyrrhulauda mit falschem Fundorte. Ich gedenke darauf später zurückzukommen.) Nach Stücken von der Hochebene von Laguna auf der Insel Tenerife beschrieb ich im Bull. Brit. Orn. Club, no. LXXX. p. 64, Mai 1901, die canarische ( 107 ) Stummellerche unter dem Namen Calandrella pispoletta canariensis. Ich gab als Unterschiede an: die rothbraune Oberseite und geringe Grösse, etwas schlankeren Schnabel, wie bei daetica, und die Fleekung der Vorderbrust, die gröber als bei minor, aber nicht so grob wie bei baetica ist. Ich habe durch das Zuvorkommen der Museumsvorstände zu Liverpool und Manchester eine Reihe von Stücken von Gran Canaria, Lanzarote und Fuertaventura untersuchen können, und bin zu dem Resultate gekommen, dass alle diese Lerchen, von den östlichen wie von den westlichen Inseln, anscheinend zu einer Form gehören, die sich durch die gröbere schwarze Fleckung (d. h. ausgedehntere dunkle Federmitten) auf der Oberseite und Vorderbrust, und geringere Flügellänge von der sehr nahestehenden m?zor von Tunis und Algier unterscheiden. Die so sehr auffallende roströthliche Färbung der Vögel von Tenerife rührt von der Beschmutzung durch den rothbraunen Ackerboden von Laguna her! Ich habe dies durch Waschung mit Spiritus und Benzin festgestellt. Möglicherweise nähern sich zwar die Stücke der östlichen Inseln mehr der minor, aber nur durch genaue Vergleichung von frisch vermauserten Herbstvögeln von den verschiedenen Inseln kann dies festgestellt werden. 29. Pyrrhocorax graculus (1.). Bisher nur anf Palma beobachtet, wo er ein gemeiner Brutvogel ist. ) {>} o 30. Corvus corax canariensis Hart. & Kleinschm. Der canarische Rabe ist ein häufiger Brutvogel auf den Inseln. Ob die Raben von Fuertaventura und Lanzarote zu C. e. canuriensis oder zu (. c. tingitanus gehören, kann bei der grossen Aehnlichkeit dieser Formen nur mit Hülfe grossen Materiales festgestellt werden. Ich konnte keine Stücke von den östlichen Inseln untersuchen. In den Nov. Zoor. VIII. p. 45 (1901) beschrieben Kleinschmidt und ich den canarischen Raben als Corvus corax canariensis. Wir haben seitdem mehr Stücke von Tenerife (Don Ramon Gomez und Floericke coll.) verglichen und finden, dass die canarische Form sich von (©. c. tingitanus, wovon wir ein sehr schönes Material von Marokko (gesammelt von Riggenbach, Hartert und Floericke) und Tunis (Erlanger, Spatz) untersuchen konnten, durch längeren, gestreckteren, schwächlicheren Schnabel (wo gleich stark, da länger, wo gleich lang, da schwächer), und mehr corax-ähnliche, weniger geschlossene Federränder unterscheiden. In der Regel, aber wohl nicht immer, sind auch die Kehlfedern länger. Im Vergleich zu Corvus corax hispanus Hart. u. Kleinschm. sind die canarischen Raben, namentlich am Schnabel, merklich kleiner und schwächlicher gebaut. 3l. Apus murinus brehmorum Hart. Diese Form des blassen Seglers ist ein sehr häufiger Brutvogel auf den östlichen Inseln, aber auch keineswegs selten auf den meisten oder allen andern Inseln. Auf Tenerife allerdings ist sie sehr viel seltener als Apus wnicolor. Während letzterer fast überall sehr häufig war, bemerkte ich den durch seine Grösse bald auffallenden Apus murinus brehmorum nur in und bei der Stadt Santa Cruz und in Laguna. Ich beschrieb die Form brehmorum auf Seite 233 des vierten Bandes der neuen vielköchigen Ausgabe von Nanmanns unsterblichem Werke (1901). Der typische ( 108 ) blasse Segler Apus murinus murinus (pallidus Shelley ist synonym) bewohnt Egypten (Typus) bis zum Persischen Meerbusen hin—die genauere Verbreitung vermag ich nicht anzugeben. Die Form drehmorum, die sich durch erheblich dunklere Allgemeinfärbung und möglicherweise etwas längere Flügel (?) von Apus murinus murinus leicht unterscheiden lässt, bewohnt Madeira (Typus in Tring), die Canaren, Marokko bis Tunis und Südspanien. Sie ist, wie die viel grössere Häufigkeit auf den östlichen Inseln andeutet, wohl von Marokko auf die Inseln der Glücklichen gelangt. Ich habe hier, gegenüber früherer Gewohnheit, Apus apus und murinus artlich getrennt. In Anbetracht des Umstandes, dass beide in Südspanien und Nordafrika, nach eingehenden Mittheilungen von Whitaker und andern englischen ÖOrnithologen, nahe beieinander, aber in getrennten Kolonien brüten, scheint anzudenten, dass sie mehr verschieden sind, als wir ihrem Aussehen in Sammlungen nach glauben dürfen. Ich versichere auch dass ich beide leicht im Fluge unter- seheiden konnte, als ich sie am gleichen Tage—apxs auf dem Heimzuge, murinus brehmorum am Brutplatze—in Marokko sah. Nach meiner jetzigen Anschauung würden wir somit haben : 1. Apus apus apus: Europa bis Nordafrika. Dunkler als 2. 2. Apus apus pekinensis: Der grössere Theil des asiatischen Festlandes. Blasser als 1. 3. Apus murinus murinus : Egypten bis zum Persischen Golf. Blasser als alle andern Formen. 4. Apus murinus brehmorum : Madeira, Canaren, N.W. Afrika. Dunkler als 3, fast so dunkel wie 2. 3 und 4 unterscheiden sich von 1 und 2 durch merklich ausgedehnteren weissen Kehlfleck. Dass der echte apus (no. 1) wirklich auf den Canaren vorkommt, ist vorläufig zu verneinen. Alle älteren Berichte, die ihn nennen, verwechselten ihn mit der blasseren Form. Es ist ja möglich, ja sogar nicht unwahrschinlich, dass apus auf dem Zuge bisweilen die Inseln berührt, wenn aber Canrera die Bälge und Eier beider Arten (S. 36) von den Canaren haben will, s» peruht dies auf einem Irrthum. Ich erinnere nicht, in seiner Sammlung die dunkle Art gesehen zu haben, die mir als besonderm “Cypselidisten,” der ich nun einmal sein soll, doch sicher gleich aufgefallen wäre. Nach den Angaben der meisten kompetenten Autoren ist der blasse Segler auf den Canaren ein Zugvogel, der während einiger Wintermonate abwesend ist. Wenn diese Beobachtung auch wohl nicht anzuzweifeln ist, so fehlt mir doch jeder Anhalt zur Lösung der Frage, wohin diese Vögel ziehen. Cabrera hat übrigens auch einen Apus melba im Mai erbeutet, der seine Sammlung so lange ziert bis er von den Motten zerstört sein wird. So viel ich weiss ist das der einzige bekannte Fall seines Vorkommens. 32. Apus unicolor Jard. Der “einfarbige” Segler ist auf den Canaren sehr häufig, die Angaben der Autoren sind aber nicht sorgfältig, denn man kann daraus nicht ersehen, ob er, wie ich jedenfalls glauben möchte, auf den östlichen Inseln fehlt. Auf Tenerife ist er sehr häufig, besonders auf dem Lande und in der Nähe von Orotava, wo ich leicht—zum Erstaunen der Anwesenden—einige herrliche Exemplare mit einer Stockflinte erlegen konnte. ( 109 ) Seit den Mittheilungen von Dohrn (1871) wissen wir, dass Einfarbsegler auch auf den Uapverden leben, aber ich war erst neuerdings, durch die verdienstliche Sammlung Boyd Alexanders, im Stande Exemplare von dort zu untersuchen. Diese zeigen, dass wir es auf den Capverden nicht mit Zugvögeln dieser Art, sondern mit einer eingesessenen Unterart derselben zu thun haben, wie auch die Forschungen von Alexander beweisen, der diese Vögel an den Felswänden brütend fand. Die Vögel von St. Nicholas, einer der Capverden, im Museum zu Tring bilden den Typus der neuen Unterart, die ich Apus unicolor alexandri subsp. nov. benenne, zu Ehren des Captain Boyd Alexander, der mit, grossem Geschick zuerst eine wirklich genügende, beinahe abgeschlossene* Kunde von der Ornis der Capverden erwarb. Hiermit machte er mir persönlich unbewusster Weise eine Freude, denn seit langen Jahren habe ich wegen der ungenügenden Kenntniss von der Ornis der Capverden versucht, von dort Vögel zu bekommen, und sogar früher einem begüterten Ornithologen angeboten, dort für ihn zu sammeln, worauf letzterer nicht einging, weil er nicht so viel Interessantes erwartete, wie die Inseln thatsächlich beherbergen. Apus unicolor alexandri unterscheidet sich im allgemeinen Gefiederton von Apus unicolor unicolor von Madeira und den Canaren wie Apus murinus brehmorum von Apus apus apus, und besonders auffällig ist auch die weit ausgedehnte helle, grauweisse Kehlfärbung, während bei A. wnicolor unicolor nur die obere Kehle heller ist, zuweilen in’s weissliche zieht. Sonst ist die hellere Färbung der Capverdenform besonders an der Unterseite, am Kopfe, Halse, den Unterflügeldecken und am Schwanze auffallend. Es ist zu verwundern, dass Alexander diese Unter- schiede nicht bemerkte, wenn er überhaupt eine Vergleichung vorgenommen hat. Mir liegen zum Vergleiche mit den im November erlegten Vögeln von St. Nicholas vor: 4 von Madeira, August und September (Schmitz coll.), 3 von Tenerife, von mir im April 1901 erlegt, 1 von Tenerife, April (Floericke coll.), ausserdem untersuchte ich die Serie im Britischen Museum. 33. Dendrocopus major canariensis Koenig. Brutvogel auf Tenerife und Gran Canaria. Ziemlich selten. (Vergl. Nov. ZooL. Vol. VII. 1900, p. 528.) 34. Upupa epops L. Häufig, besonders zahlreich aber auf den östlichen Inseln. Nach den von mir gesehenen Stücken bezweifle ich, dass sich der Wiedehopf der Canaren auch nur subspecifisch von dem typischen epops unterscheiden lässt. Ich bin auch bisher noch nicht im Stande gewesen Erlangers U. e. pallida zu erkennen, und ich bin überzeugt, dass diese vermeintliche Unterart auf einem Irrthum beruht. 35. Strix flammea subsp. Als ich (Nov. Zoor. Vol. VII. 1900, p. 534) die interessante Schleiereule von Madeira als Strix Hammea schmitzi beschrieb, vermuthete ich, dass vielleicht * Man vergleiche Graf Salvadoris Artikel in den Ann. Mus, Civ. Genova. vol. XL., p. 283, der zeigt, wie wenig Alexander noch zu entdecken übrig gelassen hatte, (1105) auch die canarischen Inseln von derselben bewohnt würden. Dies ist entschieden nicht der Fall. Ich habe in Dr. Cabrera’s Sammlung mehrere Schleiereulen von Tenerife untersucht, die weisse Unterseite hatten, und sehr der westenropäischen Strive flammea kirchhofi ähnelten! Untersuchung und Vergleichung grösserer Serien in einem europäischen Museum ist nöthig zum Verständnisse diese Form. Wahrscheinlich giebt es auf allen (wenigstens den grösseren) Inseln Schleier- enlen als Standvögel. Auf den meisten Inseln sind sie selten, in der Hochebene von Laguna aber ziemlich häufig. (Meade-Waldo, Uabrera, Scott Wilson). 36. Asio otus canariensis Madarasz. Die auf den (ob auch auf den östlichen bezweifle ich doch entschieden !) Inseln recht häufige Ohreule wurde von Madarasz in den Orn. Monatsber. benannt. Es ist in der That erstaunlich, dass die Ornithologen, die über die Canaren geschrieben haben, die Ohreule nicht früher abgetrennt haben. Selbst Koenig, der doch die von ihm erlegten Vögel sorglich studiert hat, sah keine Unterschiede. Ich bemerkte die geringe Grösse und dunkle Färbung sofort an den ausgestopften Stücken in Cabreras Sammlung, auch Floericke (in litt.) fiel dies auf, und Madarasz (Orn. Monatsber. IX. 1901, p. 54) beschrieb die Form sehr zutreffend. Er macht auf die dunkle Allgemeinfärbung, geringere Grösse, und den Umstand aufmerksam, dass das lichte Feld der Basishälfte an der ersten Schwinge durch ein dunkles Band getheilt ist! Dies finde ich bei einem Stücke des Liverpooler Museums (Tristram coll.) bestätigt, während es bei über 36 von mir untersuchten europäischen Exemplaren fehlt! 37. Neophron percnopterus L. Häufig auf den meisten Inseln. 38. Tinnunculus tinnunculus canariensis Koenig. Brutvogel auf den westlichen Inseln, angeblich auch auf Lanzarote. 39. Tinnunculus tinnunculus subsp. ? Auf Fuertaventura nistet eine kleinere und hellere Form, die vermuthlich mit der der nördlichen Sahara übereinstimmt. Nach Meade-Waldo käme auf dem nahen Lanzarote wieder die dunkle Form vor, was wirklich sehr eigenthümlich wäre. 40. Buteo buteo subsp. Häufiger Brutvogel auf den westlichen Inseln. Ob auf den östlichen auch ?! Die Bussarde von den Üanaren sind sehr klein, sie scheinen auch nicht annähernd so vielfach zu variieren, wie die von Uentraleuropa. Die Frage von den Rassen der Bussarde ist aber zu schwierig, um sie nach dem mir vorliegenden Material, reich wie es zwar ist, schon einigermassen zu lösen. Zwei mir vorliegende, auf Tenerife erlegte, aber vom Sammler nicht auf das Geschlecht hin untersuchte Vögel haben eine Flügellänge von 36 cm. Es dürften Männchen sein. Professor Koenig theilt mir mit, dass seine Weibchen von Tenerife Flügel von 385 bis 40 em. Länge haben. Stücke von Madeira scheinen grösser und (? immer!) dunkler zu sein. Maasse gebe ich nicht, da ich den Geschlechtsbestimmungen (iiı) nicht immer traue. Deutsche Bussarde (Buteo buteo) sind grösser als die von den Canaren, während Italiener (Rom) meist (?) kleiner, die von Sardinien aber noch kleiner sind! Männchen von Sardinien in Tring haben Flügel von nur 345 cm., Weibchen in Tring und in Koenigs Sammlung von nur 365 em.! Bei der bedeutenden Farbenvariabilität sind grosse Serien nöthig, um darauf ein Urtheil zu basieren. Auf alle Fälle scheinen südliche Bussarde durchgängig kleiner zu sein, als nordische, und dies zu wissen ist schon ein Gewinn. 41. Accipiter nisus (subsp. ?). Der Sperber ist ein nicht seltener Brutvogel. Nach Untersuchung eines ? von Tenerife gehört er nicht zu der dunklen, nur wenig differenzierten Form granti von Madeira, scheint aber einen etwas (eirca 1 cm.) kürzeren Flügel zu haben, als kleine typische »zszxs. Nur ein reiches Material kann die Frage dieser Form befriedigend klären. 42. Milvus milvus (L.). Häufiger Brutvogel. Canarische Stücke sollen dem typischen milvus gleichen 43. Pandion haliastus (L.). Nicht selten. 44. Columba livia L. Häufiger Brutvogel. 45. Columba bollei Godm. Tenerife, Gran Canaria, Gomera, Palma. Diese und die folgende Art bilden mit Columba trocaz von Madeira eine Gruppe von Tauben, die den Atlantiden allein eigen zu sein scheinen. Noch vereinzelter steht ringzlla teydea, während fast alle andern Formen mehr oder minder mit festländischen verwandt sind, vielleicht noch Pratincola dacotiae ausgenommen, sowie die Finkengruppe, Regulus tenerifae und der Kanarienvogel. 46. Columba laurivora Webb & Berth. Palma und Gomera. 47. Turtur turtur (L.). Nicht selten. 48. Caccabis rufa australis Tristr. Canon Tristram (/dis 1839, p. 28) beschrieb das Rothhuhn der Insel Gran Oanaria als neue “ Varietät.” Seine Angaben über die Unterschiede vermag ich indessen nur in sehr geringem Grade zu bestätigen. Er hat nur ein Stück, ein Männchen, mitgebracht, auf dem Markte von Las Palmas aber noch 29 verglichen, die er leider nicht abbalgte, die aber alle in Dimensionen und Färbung über- einstimmten. Von den angegebenen Unterschieden kann ich nach Vergleichung des Typus, für dessen Ansicht ich Dr. Forbes, dem Direktor des Liverpooler (112) Museums, sehr zu Dauk verbunden bin, nur die wirklich sehr anffallende Grösse des Schuabels für einen erkennbaren Charakter einer Lokalform halten. Der Hinterkopf ist allerdings im Vergleiche zu englischen und französischen Stücken um einen geringen Ton lebhafter, mehr roströthlich. Die Färbung der Oberseite ist aber bei vielen Stücken aus England, Frankreich und Spanien genau obenso, und das angeblich viel breitere schwarze Kehlband ist nicht das geringste bischen breiter, als bei irgend welchen europäischen Stücken. Der Lauf ist vielleicht ein bis 2 mm. länger, als bie Engländern und Franzosen, aber nicht länger als bei Spaniern. Hieraus geht hervor, dass die Untersuchung eines grössern Materials von Gran Canaria immerhin wünschenswerth wäre, dass aber australis anscheinend als Unterart aufrecht erhalten werden muss, wegen des grossen, hohen Schnabels. Seoane (Mdm. Soc. Zool. France VII. p. 92, 1394) trennte die nordspanische Form des Rothhuhnes als Caecabis rufa hispanica. Mir vorliegende Stücke von Madrid, Malaga und Aguilas bei Murcia unterscheiden sich von Vögeln aus Frankreich, den Alpen und England lediglich durch etwas lebhafter rothen Nacken. Hierin gleicht ihnen der Typus von «australis, wie Tristram auch schon hervorhob. Falls Sevanes Caccabis rufa hispanica, als eine Form “avec des teintes plus foncees, une taille plus forte, des formes plus lourdes et la gorge gris perle,” aufrecht erhalten werden kann, dann würde sie allerdings auf Nord- und Nordostspanien beschränkt sein, denn die von mir untersuchten Vögel haben nur einen auffallend lebhaft rothen Hinterkopf. Ich untersuchte 9 Spanier, 1 Alpenvogel, 8 Franzosen und 12 Engländer. Nach Tristram ist die Form der Azoren der von Gran Canaria gleich. Das Rothhuhn kommt einzig allein auf Gran Canaria vor. Im Catalogue of Birds XXIIL. p. 120 ist ein Stück als auf “Tenerife,” von Meade-Waldo gesammelt, erwähnt. Dies beruht auf einem Irrthum, denn Meade-Waldo selbst bestätigt ausdrücklich, dass diese Art einzig und allein auf Gran Canaria vorkommt, wo sie natürlich Standvogel ist. 49. Caccabis petrosa koenigi. In Tenerife, Gomera and Lanzarote. 50. Coturnix coturnix (? subsp.). Auf allen Inseln häufig. öl. Pterocles arenarius (Pall.). Nur auf Fuertaventura Brutvogel ! 52. Otis undulata fuertaventurae Rothsch. & Hart. Brutvogel auf Fuertaventura und Lanzarote. Leicht von Otis undulata undulata zu unterscheiden. 53. Oedienemus oedicnemus (L.). Häufig auf allen Inseln am meisten aber anf den östlichen Inseln. Eine genaue Untersuchung einer Serie wäre erwünscht. Die Form der Canaren könnte mit Reichenow’s saharae, einer etwas kleineren und blasseren Rasse aus Tunis, die aber unserem Vogel ausserordentlich nahe steht, übereinstimmen, (113% 54. Cursorius gallicus (Gm.). Zahlreicher Brutvogel auf Fuertaventura und Lanzarote. 55. Aegialites cantiana (Lath.). Auf allen Inseln, viel häufiger auf den östlichen. 56. Haematopus moguini (Bp.) (=capensis). Ein zwar nicht häufiger aber regelmässiger Brutvogel auf den östlichen Inseln. 57. Scolopax rusticola L. Brutvogel in allen Wäldern der westlichen Inseln. Eine genaue Untersuchung dürfte subspezifische Unterschiede ergeben. 58. Sterna fluviatilis Naum. Brutvogel auf den westlichen Inseln. g 59. Larus cachinnans Pall. Standvogel auf allen Inseln. 60. Pufinus obscurus bailloni Bp. Standvogel, aber nicht sehr zahlreich. In Nov. Zoor. VI. p. 196, Rothschild und ich haben obigen Namen für die eircum-afrikanische Form von P. obsceurus angenommen, vielleicht aber muss die der Atlantiden noch besonders benannt werden. 61. Pufinus kuhli (Boie). Häufig. 62. Bulweria anjinho (Heineken). Standvogel. Oceanodroma castro ist wohl ebenfalls Brutvogel auf entlegenen Riffen. 63. Pelagodroma marina (Lath.). Selten. Nach unsern bisherigen Betrachtungen können wir folgende Resultate nochmals zusammenfassen : 1. Die Fauna der Canaren besteht aus europäischen und nordafrikanischen (mediterranen) Elementen. 2. Tropisch afrikanische Elemente sind in der Ornis nicht nachweisbar. (Dasselbe vermag ich von den Lepidopteren zu behaupten, wovon ich bei Herrn Sydney Crompton eine grosse Sammlung durchmusterte.) 3. Da europäische Zugvögel häufig auftreten, lässt sich annehmen, dass das milde und an Feinden arme Inselgebiet viele veranlasst hat, sich dort anzusiedeln, wo sich manche dann zu leicht erkennbaren lokalen Unterarten entwickelt haben. 4. Ein amerikanisches Element ist nicht nachweisbar. 8 (114) 5. Trotz einiger auffallenden Aehnlichkeiten (Tinnunculus, Apus, Serinus canarius, Petronia, Sylvia atricapilla aberr. heinekini, u.a.m.) sind die Unterschiede zwischen der Ornis von Madeira und der der Canaren oft sehr bedeutende. (Vergl. z.B. Strix, Regulus, Motacilla, Fringilla, Acanthis, Columba, u.a.m.) 6. Die Ornis der westlichen Inseln ist von der der östlichen (Fuertaventura und Lanzarote), die sich faunistisch eng an Nordafrika anschliessen, radikal verschieden. Das Studium der lokalen Vogelformen der Canaren ist bisher von den meisten Forschern sehr vernachlässigt und auf die leichte Achsel genommen worden, und noch immer fehlt es in den meisten europäischen Sammlungen von vielen oder allen der Inseln an genügendem Material zum Studium der Formen. Litteratur zur Ornis der Canaren. Lepru: Voyage aux Iles de Tenerife, la Trinite, Saint Thomas, u.s.w., Vol. I. pp. 177-185. (1810). (Eine sehr unkritische und fehlerreiche Liste, die auch durch die Zusätze von Sonnini nur wenig gewann. Da von den meisten Arten, die durch Sterne gekennzeichnet sind, Exemplare in das Pariser Museum geliefert worden waren, hätte die Liste besser ausgearbeitet sein können. Immerhin aber gebührt Ledru das hohe Verdienst, zuerst auf die interessante Ornis der Inseln hingewiesen zu haben.) ViErRA Y Cravio: Dieccionario de Llistoria Natural de las islas Canarias. 1866 nach einem in den Jahren 1799 und 1800 verfassten MS. gedruckt. (Bolle erwähnt des MS., das er vielfach benutzte und citierte, auf p. 268 des Journ. f. Orn. 1857.) Wese, BERTHELOT ET Moquin-TanDon : Ornithologie canarienne. (Aus dem grossen Werke: Histoire Naturelle des iles Canariennes, Paris 1836-1850.) BoLzz : “ Bemerkungen über die Vögel der canar. Inseln.” In Journ. f. Orn. 1854, p. 447 f., 1855, p. 171 ff. BoızLe: “ Anthus berthelotü, in Journ. f. Orn. 1562, p. 357. BoLz£ : “ Zweiter Beitrag zur Vogelkunde der canar. Inseln.” In Journ. f. Orn. 1857. Borte : “ Ueber den wilden Kanarienvogel.” In Journ. f. Orn. 1858, p. 125 ff. Bustro y Branco: Topografia medica de las islas Canarias. Sevilla 1864. (Enthält einen kompilierten Abschnitt über die Fauna Canaria. S. 103-105 enthalten eine Liste von 77 Vögeln, aber nur die latein. und canarischen Namen. Die Schreibweise der ersteren ist meist unglaublich falsch. Die ganze Liste enthält keinerlei Nachweise und kann nicht als zuverlässig angesehen werden.) Gopman : “Notes on the Resident and Migratory Birds of Madeira and the Canaries.” In Zbis 1872, p. 158 ff. GREEFF: Madeira und die canarischen Inseln in naturwiss. besonders zool. Beziehung. Marburg, Inaugurationsrede, 1872. (In ornithologischer Hinsicht werthlos.) MANRIQUE SAAVEDRA: KElementos de Geografia & Historia Natural de las Islas Canarias. Las Palmas 1873. (115) BERTHELOT : Oiseaux Voyageurs et Poissons de Passage. Paris 1875-1876. (Enthält, Vol. I. pp. 50-81 mehrere Kapital über canarische Vögel, aus des Autors eigener Erfahrung auf den Inseln.) Momro : “Catalogo de las Aves de Tenerife.” In Anales de la Soc. Espanola de Hist. Nat., V. pp. 242-258, 1876. (In der manche Bestimmungsfehler enthaltenden Liste sind 63 Arten genannt. Der Verfasser kannte anscheinend keine Litteratur.) GunDLACH: “Aves de las Islas Canarias.” In der Revista de Canarias, 1. no. 25, 8. Dezember 1879. (Mir nur nach Citat von Cabrera bekannt.) SERRA Y Moranın: “Ornitologia Canaria.” In Kevista de Canarias, Vols. I. II. IV. no. 12 von 1379, no. 35 von 1880, no. 36 von 1880, nos. 48 von 1880 und 79 von 1882. (Mir ebenfalls nur durch Citat von Cabrera bekannt.) Reıp: “Notes on the Birds of Teneriffe.” In /dis 1887, p. 424 ff., 1888, p. 73 ff. MEADE-WALDo: “ Notes on some Birds of the Canary Islands.” In Zdrs 1889, palere MEADE-WALDo : “ Further Notes on the Birds of the Canary Islands.” In Ibis 1889, p. 503 ff. MrADE-WaALDo: “List of Birds observed in the Canary Islands.” In 7drs 1893, p- 185 ff. (Die vollständigste bis dahin erschienene Liste, die zumal deshalb werthvoll ist, weil der Verf. alle Inseln besuchte, auch Hierro, Lanzarote und Fuertaventura.) Trıstram : “Orn. Notes on the Island of Gran Canaria.” In 7dis 1889, p. 1 ft. Trıstram : “Notes on the Island of Palma.” In /ds 1890, p. 67 ff. Harrwig: “Die Vögel Madeiras, mit Notizen über einige auf Tenerife beobachtete Vögel.” In Journ. f. Orn. 1836, p. 452 ff. Koenıg : “ Vorläufige Notizen.” In Journ. f. Orn. 1889, pp. 182, 183. KoenıG : “Ornith. Forschungsergebuisse einer Reise nach Madeira und den canarischen Inseln.” In Journ. f. Orn. 1890, pp. 257-488, Taf. 1-8. (Diese umfangreiche Arbeit behandelt u.a. die Nidologie, Oologie, und Lebens- weise der canarischen Vögel wie keine andre.) Cabrera (Don Anatael Cabrera y Diaz): Catälogo de las Aves del Archipielago Canario. In Anales Soc. Esp. de Hist. Nat. (Madrid), Vol. XXII. 1893. (Diese interessante Arbeit scheint bisher in England und Deutschland so gut wie unbekannt geblieben zu sein. Sie stützt sich auf eine werthvolle Sammlung von Vögeln von Tenerife, die der Verf. während seines langjährigen Aufenthaltes auf der Insel angelegt hat, und fleissige Compilation aus der Litteratur. Im April 1901 hatte ich das Vergnügen, den liebenswürdigen Dr. Cabrera kennen zu lernen, und unter der Führung dieses gelehrten Forschers seine Sammlung zu sehen. Namentlich ist dieselbe reich an seltenen Gästen und Brutvögeln von der Hochebene von Laguna, und enthält viele Vögel, die für Tenerife sonst nicht bekannt waren. Leider hat der Autor infolge Raummangels und weil er sich neuerdings der Entomologie zugewandt hat seine Sammlung dem wissenschaftlichen Institute in Laguna geschenkt, wo sie dem sicheren Verderben preisgegeben ist! Ein Theil stand bei meinem Besuche in ungenügend schliessenden Schränken, ein andrer frei auf Tischen herum, und der letztere war von den Motten schon stark angegriffen, der Schädigung durch Staub und Licht nicht erst zu gedenken! Dr. Cabreras werthvolle Liste kann des dabei entfalteten (116 ) Fleisses wegen nicht genug gepriesen werden, und die Bestimmungen seiner Arten sind fast immer richtig, sie leidet aber an zwei Fehlern : viele alte Angaben sind zu vertrauensselig hingenommen, auch wo sie ganz unglaublich waren, und es wurden, wohl theilweise infolge von Missverständnissen, mehrere Vögel unter zwei Namen erwähnt, wie z.B. Phylloscopus rufus und fortunatus, Sylvia con- spieillata und subalpina, Regulus eristatus und satelles.. So konnte der Autor auf die viel zu hohe Zahl von 241 canarischen Vögeln kommen.) Nach Cabreras Liste sind keine eingehenderen Arbeiten mehr über die canarische Ornis erschienen. In den Nov. Zoor. I. p. 639 (1894) beschrieben Walter Rothschild und ich die Kragentrappe von Fuertaventura als Houbara fuertaventurae. In den Orn. Monatsber. 1901, p. 54, beschrieb Madarasz die Ohreule als Asio canariensis, im Bull. B. O. Club 1901, Mai, benannte ich die Stummellerche Calandrella pispoletta canariensis. H. E. Harris: Essays and Photographs. Some Birds of the Canary Islands and South Africa. Ninety-two illustrations. London, 1901. (Photographien von Vögeln nach dem Leben, Nestern, und Landschaftsbildern von Fuertaventura und der Nord küste von Tenerife, amüsanter Text.) (Im April 1901 war ich im Stande der Insel Tenerife einen kurzen Besuch abzustatten. Die Kürze der Zeit gestattete mir nur verhältnissmässig wenige Arten zu sammeln und zu beobachten, ich kaufte aber einige (meist aus der Gegend von Laguna) für das Tring Museum von Herrn Floericke, der dort monatelang gesammelt hatte, andre von Ramon Gomez.) VI. F , * Sharpe ist vollkommen im Rechte, wenn er in Daubenton’s Abbildung die Borneo-Form erkennt. Sie ist zu deutlich, um ilım dies abstreiten zu können, da ich aber strikte Priorität in der Nomenklatu anwende, ohne nach dem Sinne der Namen zu fragen, so wende ich ruhig den Namen javana für die Form von Borneo an. Solche und schlimmere Irrthümer in den Fundorten waren bei den ältere Schriftstellern schr häufig, ja sie kommen leider auch jetzt noch bisweilen vor, ( 182 ) 72. Halcyon concreta (Temm.). Nicht häufig, von Hagen nie beobachtet. In seiner Lebensweise (.J. f. O. 1889 p- 365) sehr von andern Alcediniden abweichend. Die Gattung Caridagrus, die Salvadori (Z.r.) annimmt, hat vielleicht einige Berechtigung (Hart., Salvad.). 73. Carcineutes pulchellus (Horsf.). Nach Hagen bei Labuan nicht selten (Hag.). 74. Ceyx rufidorsa Strickl. Selten (Hag., Salvad.). 75. Eurystomus orientalis (L.). Ueberall ziemlich häufig. Ich fand ihn nicht so erepuseular wie andre Beobachter (siehe .J. f. 0. 1889 pp. 364-5). In den Mägen fand ich stets nur Käfer, meist Copris-Arten, Longicornier, Melolonthiden u. a. m., Hagen fand darin auch grosse Hemipteren (Hart., Hag., Salvad.). 76. Batrachostomus auritus (Gray). Dieses mich so besonders interessierende herrliche Thier habe ich nie beobachten können, Dr. Hagen aber erhielt ein Stück von Eingeborenen. Er meint es sei bis- lang noch nicht auf Sumatra gefanden, es wurde aber zuerst (1829) von Sumatra und nochmals von Hay (1841) als “ Bombyeistomus fullertonii” von dort beschrieben (Hag.). 77. Batrachostomus stellatus (Gould). Salvadori erwähnt ein d von Glen Bervie Estate (Salvad.). Ss. Caprimulgus macrurus Horst. Sehr häufig. Ihr weittönendes Rufen wird von Kelham treffend mit dem Klingen verglichen, das ein über eine dünne Bisfläche in Sprüngen hineilender Stein hervorbringt, die Malaien aber vergleichen es mit dem durch Hammerschläge auf ein leichtes Metall hervorgebrachten Klang. Sie erzählen, dass der Vogel ein verwandelter Mensch sei. Ein Goldschmied verstand es, aus unechten Metallen eine goldähnliche, dem Gold im Klange gleichende Mischung zu machen. - “ Hört ihr nicht den echten Klang” rief er den Leuten zu, indem er mit einem Hammer auf das unechte Metall schlug. Einst versuchte er auch einen mächtigen “gedambai” (Zauberer) zu betrügen, der ihn zur Strafe in einen Vogel ver- wandelte, und seit jener Zeit klingt der metallische Ton aus der Kehle des ruhelosen Verwandelten, zur Erinnerung daran, dass böse Thaten auf Erden bestraft werden. Daher heisst der Caprimulgus auch “ tetampa,” d. h. der Gold- schmied. (Vergl. Tierreich Lief. I. p. 54). (Hart., Hag.) 79. Caprimulgus indicus jotaka (Temm. & Schleg.). Salvadori erhielt ein Stück von Bekri Estate, 12. i. 1889 (Salvadori, p. 8 seines Artikels). (183 ) »0. Macropteryx longipennis (Rafin.) Nistet, und zwar in klemen. Gesellschaften, anf Bäumen isoliert stehender Baumgruppen, seltener an den Rändern alter Wälder, und ist garnicht selten. Hagen erhielt ihn aus Siak, beobachtete ihn aber merkwürdiger Weise nicht in Deli (Hart., Salvad.). s1. Macropteryx comata (Temm.). Von mir nur bei Batu Sankahan im Januar erlegt, wo die Art nicht selten war. Hagen erhielt sie nur aus Serdang, und nennt sie selten (Hart., Hag.). 82. Collocalia fuciphaga (Thunb.). Bei Batu Sankahan im Januar häufig (Hart.). s3. Calyptomena viridis Raftl. Selten (Hag., Salvad.). 84. Cymborhynchus macrorhynchus lemniscatus (Rafll.). Cymborh. malaccensis Salvad., Atti R. Ace. Se. Tor. IX. p. 425 (1874). Cymborh. lemniscatus Salvad., Boll. Mus. Torino, XI. p. 8 (1896). Der Vogel mit den glänzenden, goldig moosgrünen Augen und dem himmel- blauen, unten gelben Schnabel ist trotz des etwas barocken Aussehens geradezu entzückend, und jedem Sammler thut es leid, diese Pracht beim Trocknen der Balges verschwinden zu sehen. Der Vogel ist an den Rändern und Wegen im älteren Walde, namentlich in der Nähe von Flüssen, an deren Ufern er sein mit seitlichem Einflugsloch versehenes Nest aufhängt, gar nicht selten. Er, wie auch Kurylaemus ochromelas, hat einen ganz eigenthümlichen, klirrenden Gesang, den die Malaien mit dem durch die Blätter herabfallenden Regen vergleichen, weshalb sie diese Vögel “ burong hudjan-hudjan” (in Deli nach Hagen “ tjutjuran-utjan ”), d. h. so viel als “ Regenvogel,” nennen (Hart., Hag., Salvad.). Die hier angewanelte lateinische Bezeichnung der sumatranischen Form ist jedenfalls die richtigste. Latham (Gen. Syn. 1. 2, p. 664) beschrieb seinen “ (Great-billed Tody ” ohne Fundort. Salvadori (2.c.) beschrieb die Malakkaform als verschieden, indem er annahm, dass die Abbildung bei Latham wegen des darin fehlenden weiss am Schwanze nicht darauf, sondern nur auf die Borneoform bezogen werden könne. Obwohl es ganz unsicher ist, ob dies auf Ungenanigkeit des Malers oder Unvollständigkeit des Exemplares zurückzuführen ist, oder mit Absicht geschah, haben wir doch Salvadori zu folgen, der den Namen zuerst beschränkte, und die Malakkaform abzutrennen, nur muss für die letztere der ausdrücklich auf dem ganz gleichen Vogel von Sumatra beruhende Name lemniscatus gebraucht werden, obwohl in der Originalbesehreibung des letzteren (Trans. Linn. Soc. XI1I. p-. 175) das unterscheidende weiss am Schwanze auch nicht erwähnt wurde. Wir haben es zweifellos mit drei Unterarten zu thun, nämlich: 1. Oymbirhynchus macrorhynchus macrorhynchus (Gm.). . Todus macrorhymnehus Gm., Syst. Nat. I. p. 446 (ex Latham). COymbirhynehus macrorh. salwadorii Hartert, .J. f. O. 1389 p. 358. Hab. Borneo. Schwanz ohne weiss, nur ausnahmsweise mit ganz beschränkten weissen Flecken an den Innenfahnen der änsseren Stenerfedern, allerdings nicht nur bei jungen Vögeln, N\ (184 ) 2. Cymbirhynchus macrorhynehus lemniscatus (Raftl.). Eurylaemus lemniscatus RaM., Trans. Linn. Soe. XTII. p. 175. Cymborhynehus malaccensis Salvad., Atti R. Ac. Se, Tor. IX. p- 425 (1874). Hab. Tenasserim, Malakkalıalbinsel, Sumatra. Schwanz mit weissen (uerflecken anf den Innenfahnen der Stenerfedern, mit Ausnahme der mittelsten. 3. Oymbirhynehus macrorhynehus afinis Blyth. C, aflinis Blyth, Jowm. As. Soc, Beng. XV. p. 312. Hab. Arrakan und Pegu (Birma). Schwanz mit weissen @nerflecken, die an den äusseren Stenerfedern sich über beide Fahnen erstrecken, innere Armschwingen mit rothen Flecken an den Spitzen. 55. Eurylaemus javanicus Horsf. Diesen in Deli ziemlich seltenen Vogel erlegte ich nur einmal am 20 December bei Medan. Hagen erhielt ihn in neun ‚Jahren nur wenige Male (Hart., Hag., Salvad.). 86. Eurylaemus ochromelas Rafll. Diese Art fand ich überall, nur nicht an der Küste, sehr häufig. Die überaus bunten Schnäbel aller dieser Arten, namentlich die von Cymborhynchus, verändern sich beim Trocknen des Balges natürlich sehr zu ihrem Nachtheil (Hart., Hag., Nalvad.). s7. Corydon sumatranus (Rafll.). Nicht besonders selten. Abends am muntersten (Hart., Hag.). 88. Pitta moluccensis P. L. S. Müll. Diese Pitta ist im dichten Walde nnd Buschwalde, wenn es nur dicht genug ist, recht häufig. Wenn man sie se am Boden laufen sieht, sehen sie garnicht auffallend aus, während sie fliegend und todt am Boden liegend, auch wenn sie spitz auf den Beobachter zulaufen, mit ihren grellen Kontrastfarben sehr auffallen (Hart., Hag.). (FPritta megarhyneha Schl. erhielt Hagen aus Siak. Die Art war bis dahin nicht von Sumatra bekannt.) s9. Pitta mülleri Bp. Von Hagen als etwas seltener als die vorige angegeben (Hag.). 90. Pitta boschi Müll. & Schleg. Dieser prachtvolle Vogel wurde von Hagen mehrfach erbentet (Hag.). 91. Hirundo rustica gutturalis (Scop.). Während meines Aufenthaltes in Sumatra, also Oktober bis Februar und März sehr häufig. Wenn Hagen angiebt, dass die Art in Häusern brütet, so beruht das auf einem Irrthum, denn sie ist lediglich Zugvogel, und 7. jaranica ist die dort brütende Art. Was Dr. Hagen //. rustiea nennt ist H. r. gutturalis (Hart., Hag., Nalvad.), (185 ) 92. Hirundo javanica Sparrm. Brütet unter und in Häusern und ist nicht selten (Hart.). 93. Artamus leucorhynchus (1..). Ich traf diesen eigenartigen Vogel nur einmal in einer kleinen Sehaar an, Salvadori erhielt mehrere (Hart., Salvad.). 94. Perierocotus xanthogaster (Raftl.). Von mir ./..f. 0. 1889 p. 353 irrthümlich unter dem Namen P. Hammifer angeführt (Hart., Hag., Salvad.). 95. Pericrocotus igneus Blyth. Häufig, während die vorige Art im allgemeinen selten zu sein scheint (Hart., Has.). 96. Pericrocotus cinereus Lafr. Warde von mir im Winter nicht selten gefunden (Hart.). 97. Lalage terat (Bodd.) Nach Hagen nur vereinzelt, von mir nicht beobachtet (Haeg., Salvad.). 98. Lalage culminata (Hay). Nach Hagen nur vereinzelt und ziemlich selten (Hag.) 99. Graucalus sumatrensis (S. Müll.). Ziemlich selten in Deli (Hart., Hag.). 100. Dissemurus platurus (Vieill.). Diese Form des flaggenschwänzigen Drongo ist in Deli häufig. Hagen theilt ein malaiisches Märchen mit, das auffallend an unser niederdeutsches Märchen vom Wettlauf zwischen dem Hasen und Igel erinnert. Der Krah (Cercopitheeus eynomolgus) und der Drongo wetteten miteinander, wer schneller laufen könne, der Kantjil (Tragulus kantjil) oder die Schnecke. Die Wette wurde zu Gunsten der Schnecke entschieden, da überall wohin das schnellfüssige Kantjil kam, schon eine Schnecke aus dem Grase guckte, die das einfältige Thier für dieselbe hielt weil sie gerade so aussah (Hart., Hasg.). 101. Chaptia malayensis Hay. Nach Hagen in liehten, buschigen Wäldern nicht selten (Hag., Salvad.). 102. Buchanga stigmatops Sharpe. Hagen giebt an, ein Stück aus den Ländern der Karo-Battaks erhalten zu haben, dass aber die Art in den Ebenen von Deli nicht von ihm wahrgenommen wurde. Von Klaesi in den Padangschen Hochländern gesammelte Stücke im Tring Museum scheinen allerdings vollkommen mit dem Typus von stigmatops überein- zustimmen (Hag.). (186 ) 103. Buchanga leucogenys Walden.. Unter diesem Namen habe ich ein von mir in der Deli Ebene geschossenes Stück angeführt und habe keinen Grund an meiner Bestimmung zu zweifeln, obwohl ich das Exemplar jetzt nicht mehr untersuchen kann (Hart.). 104. Lanius bentet Horsf. Hagen führt ihn an von Deli, Serdang, dem Tobah Plateau und den Karoländern Salvadori erhielt vier Stücke (Hag., Salvad.). 105. Lanius tigrinus Drap. Labuan, Glen Bervie Estate (Hag., Salvad.). — 106. Hemipus obscurus (Horsf.). Nicht häufig, aber auch nicht selten (Hart., Hag.). 107. Chalcostetha insignis (‚Jard.). Salvadori erhielt die Art in 2 Exemplaren, Hagen nur von Siak, nicht in Deli, wo sie selten sein muss (Hag., Salvad.). 108. Anthreptes malaccensis (Scop.). Nach Hagen überall sehr häufig. Ich sah sie anch oft, versäumte aber leider, auf die noch unsichere rhodolaema zu achten (Hag.). 109. Anthreptes rhodolaema Shell. Von den beiden von mir im Journ. f. Orn. 1889 p. 350, erwähnten Männchen befindet sich jetzt eins im Tring Museum, welches entschieden zu Shelley’s rhodolaema gehört. Es ist jedenfalls nicht wissenschaftlich, diese Form mit Stillschweigen zu übergehen. Unter den sehr vielen mir vorliegenden und in den letzten Jahren mir durch die Hände gesangenen A. malaccensis habe ich nur Stücke von Mergui (Bingham coll.), Malakka (native coll.), Pabang (Osten der Malakkahalbinsel, Waterstradt coll.), und Sumatra (Deli, Hartert coll.), gesehen, die völlig mit Shelley’s Diagnose von A. rhodolaema übereinstimmen. Sie alle unterscheiden sich auffällig durch die folgenden Merkmale: Die Kopfseiten, namentlich die Federflur hinter dem Auge, sind ziegelroth, anstatt grünlich olivenfarben wie bei malaccensis. Die oberen Flügeldecken (mit Ausnahme des glänzend purpurblauen Schulterfleckes) und der grössere Theil der Scapularen sind lebhaft ziegelroth. Die Kehle ist mehr röthlich, besonders an den Rändern, die Brust viel mehr grünlich, weniger gelb, die verlängerten Brustbüschel von einem blasseren, weniger goldigen Gelb. Vielleicht sind auch die Flügel im Durchschnitt etwas kürzer (?) An mehreren dieser Orte scheinen zugleich auch Stücke der bekannteren Form, des typischen A. malaccensis, vorzukommen, z. B. in Malakka, Pahang, Deli (?) So leicht kenntlich diese beiden Arten auf der Malakkahalbinsel und in Sumatra auch sind, so wird es damit doch etwas schwieriger auf den Inseln. In Borneo z, B. kommen Exemplare vor (Belegstücke in Tring, N. W. Low coll., und (187 ) im Britisch Museum), bei denen die Kopfseiten stark röthlich überlaufen sind, während die Brust ebenso lebhaft gelb ist wie bei typischen malaccensis. Die Exemplare von den zwischen Basilan und Britisch Nord-Borneo hinziehenden Sulu Inseln sind A. rhodoluema ausserordentlich ähnlich, denn die Unterseite ist ebenso grünlich wie bei der letzteren, die Kopfseiten fast, wenn auch keineswegs ganz so roth, die Flügel ebenfalls beinahe ganz so roth. Diese Stücke stehen Sharpe’s chlorigaster (zuerst von Negros beschrieben) sehr nahe. Auf der Insel Celebes haben wir dann eine unten noch dunklere Form, celebensis genannt, welche sich nach den kleinen Sunda-Inseln hin erstreckt und weiter nach Westen wieder heller wird, sodass ich z. B. die von Sumbawa nicht von typischer ehlorigaster unterscheiden kann, während die von Sumba der celebesischen Form zu gleichen scheint, die von Bali aber schon zu malaccensis gerechnet werden kann. Auf Luzon tritt an Stelle von A. malaccensis chlorigaster die graukehlige griseigularis, die ich auch nur als Subspecies auffassen möchte. Wir würden nun also folgende Formen kennen : 1. Anthreptes malaccensis malaccensis : Brust lebhaft gelb, Kopfseiten grün- licholivenbraun : Malakka (Typus), grosse Sunda-Inseln bis Bali. 2. Anthreptes malaccensis chlorigaster : Brust grünlich, Kopfseiten grünlich- olivenbraun. Negros (Typus) und andre der südlicheren Philippinen, meist aber selten. Hierzu sind wohl auch alle die von Palawan zu rechnen. 3. Anthreptes malaccensis wiglesworthi subsp. nov.: Kopfseiten fast so roth wie bei rhodolaema, Unterseite wie bei chlorigaster (siehe oben). (Meinem zu früh verstorbenen ornithologischen Freunde Wiglesworth gewidmet, der mit A. B. Meyer zusammen in den “Birds of Celebes” interessante Notizen über diese Gruppe gab.) Sulu Inseln. Typus Tring Museum, Sulu 1. v. ’83, Powell coll. Alle Stücke von den Sulu Inseln, die ich sah, sind ohne Zweifel zur gleichen Form zu rechnen. 4. Anthreptes malaccensis celebensis: Noch mehr olivengrünlich auf der Brust, sonst wie chlorigaster. Celebes (Typus) und umliegende Inseln. 5. Anthreptes malaccensis subsp.? Wie schon bemerkt kommt auf den kleinen Sunda-Inseln eine Form vor, die der chlorigaster ganz zu gleichen scheint, doch ist anzunehmen, dass man sie in irgend einer Weise wird unterscheiden können. 6. Anthreptes malaccensis griseigularis : Vertritt die andern Formen auf Luzon (Typus), und ist leicht an der wirklich grauen Kehle zu erkennen. 7. Anthreptes rhodolaema : Unterscheidet sich wie oben angegeben und scheint neben typischer malaceensis vorzukommen. Mehr Kenntniss über diese Form ist erwünscht! Ein von mir mit dem zu rhodolaema zu zählenden Z in Deli (‚Januar 1888) erlegtes ? ist aus über einem Dutzend von mir vorliegenden ? des typischen malaccensis unschwer durch grünlichere Unterseite zu unterscheiden. 110. Chalcoparia singalensis (Gm.). Nicht selten (Hart., Hag., sub nomine Anthreptes phoenicotis). 111. Aethopyga siparaja (Ratfll.). Nach Hasen “selten aber überall” (Hag.). {o} oO 112. Cinnyris hasselti (Temm.). Nicht selten (Hag.). ( 188 ) 113. Arachnothera affinis modesta Eyton. Nach Hagen in den höheren Lagen häufig (Hag., sub nomine A. afinis). (Diese Form vertritt in Malakka und Sumatra die auf Java beschränkte typische «afinis.) 114. Arachnothera longirostris (Lath.). Nach Hagen seltener als die vorige. Labnan (Hag.). 115. Diecaeum sumatranum (ab. Ziemlich häufig (Hart., Hae.). 116. Dieaeum chrysorrhoeum Temm. Da diese Art weit verbreitet ist nnd Hagen sie von dem nahen Siak, ich von Solok bekam, so ist an ihrem Vorkommen in Deli kaum zu zweifeln. 117. Dicaeum trigonostigma (Scop.). Ziemlich selten, Deli und Serdang (Hae.). 118. Pycnonotus goiavier analis (Horst.). Ausserordentlich häufig (Hart., Hag., Salvad.). 119. Pycnonotus simplex Less. Diese Art wurde von mir am 1 December 1888 erlegt (Hart.). 120. Pycnonotus salvadorii Slarpe. Deli, einzeln (Hart., Salvad.). 121. Trachycomus ochrocephalus (Gm.). Recht häufig und ein prachtvoller Sänger (Hart., Hag.). 122. Criniger phaocephalus (Hartl.). Von mir einmal erleet (Hart.). 123. Criniger gutturalis (Bp.). Von Hagen einmal erlegt (Hag.). 124. Hemixus malaccensis (Blyth). Von mir mehrmals erbeutet (Hart.). 125. Rubigula dispar (Horsf.). Nach Hagen nicht häufig (Hag.). Die Verbreitung dieser Art ist auffällig, denn sie soll nur von Java (Typus) und Sumatra bekannt sein. _Sumatranische Stücke sollten in grösserer Anzahl untersucht werden. Sie sind vielleicht ein wenig dunkler (?). ( 189 ) 126. Microtarsus melanocephalüs (Gm.). Deli-tua, seltener (Hag.). 127. Chloropsis viridis zosterops Vig. Ziemlich häufig im Gelaube der Bäume (Hart. sub nomine Phyllornis mülleri, Hag.). Es ist nothwendig, einige Worte zur Klärung dieser Gruppe von Blattvögeln zu sagen. Man hat bisher unterschieden : Chloropsis viridis: Java, mit türkis-blauem Schulterfleck. Chloropsis zosterops: Sumatra (Typus), Malakka und Borneo, mit malachit- grünem Schulterfleck. In den Ornithologischen Monatsberichten V1., 1898, p. 93, benannte ich dann noch die Form der Insel Nias : Chloropsis zosterops parvirostris. Eine erneute Revision des mir im Rothschildschen Museum vorliegenden Materials nöthigt mich vier Formen anzuerkennen, die selbstverständlich nur als Unterarten aufgefasst werden können. Wer mit dieser Eintheilung nicht ein- verstanden ist, muss alle unter einem Namen vereinigen. Ich unterscheide : I. Chloropsis viridis viridis (Horsf.), Java. Turdus viridis Horsf., Trans. Linn. Soc. XIII. (1822) p. 148. (Beschreibung eines jungen Vogels, Kennzeichen ganz ungenügend, aber Fundort Java, Typus noch im Brit. Mus. Jedenfalls der älteste Name und mit Berufung auf den “ Typus” wohl anzunehmen, im Einverständniss mit Sharpe, Finsch u. a. m.) Meliphaga javensis Horsf. t.c. p. 152 (Deser. nulla, lediglich Neubenennung von Turdus cochinchinensis und malabaricus Gmelin (!—der Name wäre in keiner Weise zu berücksichtigen, wenn nicht der “Typus” vorhanden wäre und der Fundort Java angegeben wäre). Chloropsis sonnerati Jard. & Selby in “ synopsis specierum ” vor Tafel V. Ill. Orn. (1826). “In India et insulis” (sic!) Der Ausdruck “ flexuris nitide viride caeruleis” scheint auf diese Form hinzudeuten. Phyllornis mülleri Temm., Pl. Col. Livr. 81 (1829) (Java). Die javanische Form ist durch den, durch die kleinste Serie der oberen Deckfedern gebildeten, türkisblauen Schulterfleck des d leicht kenntlich. II. Chloropsis viridis zosterops Vig., Sumatra. ? Chloropsis gampsoryrhynechus Jard & Selby, ‘ synopsis specierum ” vor. Taf. V. Ill. Orn. (1826). (Hab.: In India ?) (Der Name kann sich nach dem Ausdruck : “ flexuris viride-caeruleis ” eigentlich nur auf die javanische oder allenfalls die sumatranische, nicht auf die von Borneo beziehen.) Chloropsis zosterops Vig. App. Mem. Life Raffes p. 674 (Deser. nicht für ( 190 ) die Form bezeichnend, aber Typus von Sumatra vorhanden. Der Name kann also für die sumatranische Form angewandt werden.) Durch deutlich bläulichgrünen bis grünlichblauen keineswegs aber türkis- blauen Schulterfleck gekennzeichnet. III. Chloropsis viridis parvirostris Hart., Nias. Chloropsis zosterops parvirostris Hart., Orn. Monatsber. 1898 p. 93 (Nias). Von €. v. zosterops durch kleineren Schnabel zu unterscheiden. dd Nias: culm., 21, 22; height at base, 7, 7 ; width at base, 9, 9 mm. ddd Deli und Padang, Sumatra: culm., 23.8, 24, 25; height at base, 7.5, 8, 8; width at base, 10, 10, 11 mm. ? Nias: culm., 23; height, 7.6 ; width, 9:5 mm. ? Padang, Sumatra: culm., 24 ; height, 9 ; width, 10 mm. IV. Chloropsis viridis viriditeetus subsp. nov., Borneo. Bisher stets mit zosterops verwechselt, aber durch den lebhaft smaragdgrünen, auf der Oberseite jeden bläulichen Schimmers entbehrenden Schulterfleck unter- schieden. Borneo. Vermuthlich sind auch die Stücke von der Malakkahalbinsel hierherzuziehen, aber es zeigt sich bei ihnen zuweilen ein leichter blauer Schimmer, sodass ich darüber (bei geringem Material) noch im Zweifel bin. Typus von €. v. vöriditectus: d Baram, Everett coll. 128. Chloropsis icterocephala (Less.). Ebenso häufig wie vorige, nach Hagen (Hag., Salvad.). 129. Choropsis cyanopogon (Temm.). Nicht gerade selten [Hart. (partim), Salvad.]. 130. Aegithina tiphia viridis (Bp.). Sehr häufig, aber nicht überall (Hag., in meiner Liste vergessen). 131. Aegithina * viridissima (Bp.). Nach Hagen etwas seltener (Hag.). 132. Dendrophila frontalis (Sw.). Garnicht selten nach Hagen (Hag.). 133. Irena criniger Sharpe. In Deli selten (Hart., Hag.). 134. Malacopteron * cinereum (Eyton). Salvadori erhielt ein Stück von der Glen Bervie Estate (Salvad.). * Sharpe (Bull. B. O. Club XII. p. 54, März 1902) schlägt vor den Namen Malacopteron Eyton (P. 7. 8. 1839 p. 103) durch Setaria Blyth (1844) zu ersetzen, weil es schon eine Käfergattung Malacopterus Sw. (1835) giebt! Solche nomenklatorische Aenderungen dürfen nicht vorgeschlagen werden, denn sie sind es, die unsre Nomenklatur in Verruf bringen und ihre Stabilität zur Unmöglichkeit machen. Malacopteron und Malacopterus sind zwei leicht zu unterscheidende Namen, und nur die Emendation ihrer Schreibweise, nicht ihre ungekünstelte Annahme kann Unzulänglichkeiten mit sich bringen. Setaria dagegen ist schon lange vor 1844 in der gleichen Form für eine Würmergattung vergeben. (191 ) 135. Malacopteron magnum Eyton. Wurde von mir bei Tuntungan erlegt (Hart.). 136. Macronus ptilosus Jard & Selby. Wurde von Hagen in Serdang nicht selten gefunden (Hag.). 137. Mixornis gularis (Rafll.). Dieser durch den lauten monotonen Pfiff recht auffallende Vogel wurde von mir in Deli und Lankat nicht selten gefunden (Hart.). 138. Orthotomus cineraceus Blyth. Sehr häufig in den Lalangflächen und Buschdickichten (Hart., Hag.). 139. Cisticola cisticola (Temm.). Von mir in Deli wiederholt gesehen und als Beleg-Exemplar mitgebracht (Hart., Salvad.). 140. Garrulax bicolor Hartl. Diese schöne, auf die Gebirge Sumatras beschränkte Art war im oberen Theile des auf die Battak-Hochebene führenden Tschinkam-Passes häufig (Hart.). 141. Cittocinela macroura (Gm.) Keineswegs selten (Hag., Salvad.). 142. Copsychus saularis musicus (Rafl.). Dieser allgemein geschätzte Sänger ist sehr häufig (Hart., Hag., Salvad.). 143. Turdus obscurus Gm. Kommt zweifellos als Zugvogel vor, obwohl in keiner der drei Listen. Ich sah Stücke von Siak und Solok. 144. Alseonax latirostris (Raftl.). Mehrfach von mir erbeutet (Hart.). 145. Hypothymis azurea (Bodd.). “ Nicht häufig” (Hag.). 146. Niltava grandis Blyth. Hagen giebt an, ein Stück von der Hochebene erhalten zu haben (Hag..). 147. Philentoma pyrrhopterum (T.). Nach Hagen in Serdang nicht selten (Hag..). 148. Rhipidura javanica (Sparrm.). Nach Hagen im Schilfgebüsch zwischen Medan und Labuan häufig (Hag.). ( 192 ) 14. Motacilla boarula melanope (Pall.) Die östliche Form unsrer Gebirgsbachstelze ist in Deli im Winter nicht selten. Sie wird dann nicht nur auf den Sandbänken der Flüsse, sondern auch auf den Wegen und an der Meeresküste bemerkt (Hart., Salvad.). 150. Limonidromus indicus ((Gm.). lu Labuan nicht selten (Hag.). 151. Anthus rufulus malayensis (Eyton). Iın December in Deli von mir häufig angetroffen (Hart., Salvad. sub nomine Anthus rufnlus). 152. Passer montanus (1.). In Medan und Umgegend sehr zahlreich. Angeblich wurde die Art von Singapore her eingeführt. Hagen führt irrthümlicherweise Passer domestiens au, eine Art die nicht in Sumatra vorkommt. Die “ Haussperlinge ” in Penang und Singapore sind ebenfalls /. montanus [Hart., Hag. sub nomine Passer domestieus “ Brisson ” (sie), errore]. 153. Ploceus atrigula Hodgs. Ausserordentlich häufig (Hart. sub nomine Ploceus baya, Hag. sub nomine 5 YJ%, 5 Ploceus baya, Salvad.). 154. Munia oryzivora (1.). Ziemlich häufig, nach Hagen’s Meinung vielleicht auch eingeführt, was mehr als wahrscheinlich ist (Hag., Salvad.). 155. Munia maja (1..). Sehr zahlreich und zuweilen schädlich in den Reisfeldern (Hart. sub nomine Dermophrys maja, Hag., Salvad.). 156. Munia punctulata nisoria (Temm.). Häufig. -[ Hart. sub nomine Amadina punctulata (sie), Hag. sub nomine Munia punetularia]. 157. Munia acuticaudata Hodgs. Von Hagen für Deli festgestellt (Hag.). 158. Munia leucogastra (Blyth). Wurde von Hagen für Deli und somit zuerst für Sumatra nachgewiesen (Hag.). 159. Calornis chalybea (Horsf.). Sehr häufig, in grossen Schwürmen, oft in Menge in den Höhlungen grosser 3iäume brütend, Obstbäumen manchmal sehr schädlich (Hart., Hag., Salvad.). 160. Sturnia sturnina (Pall.). Von Hagen in der Regenzeit in grossen Schwärmen beobachtet. Hagen scheint die Art zuerst in der Litteratur von Sumatra erwähnt zu haben, im Britisch Museum befindet sich aber auch ein schon von Wallace dort gesammeltes Stück (Hag.). (193 ) 161. Gracula javanus (Cuv.). Der “ Beo” der Battaks, “ Tjiong ” der Malaien, ist ausserordentlich häufig und seiner vortreflichen Sprachvermögens wegen als Käfigvogel sehr geschätzt. Sumatranische scheinen von typischen Javauern nicht abzuweichen. Finsch (Notes Leyden Museum XX1 p. 14) beschrieb die Form der Batu-Inseln (Tello-Tello) als species als Gracula batuensis. Mir vorliegende Stücke, gesammelt von Herrn Raap, haben die Hautlappen des Hinterkopfes keineswegs so breit, wie Finsch sie beschreibt und abbildet, und ich kaun nicht finden, dass sich diese Stücke anders, als durch die immer mehr oder minder deutlich an der Basis zusammengewachsenen Hautlappen, was bei typischen jaranus nur sehr selten annähernd so vorkommt, von letzterer unterscheiden. Auch die Flügelspiegel sind nur durchschnittlich breiter. Nach meinen Anschauungen sind natürlich batuensis, intermedia, palawan- ensis und andre Formen mehr nur als Unterarten von javanus zu betrachten. 162. Oriolus maculatus Vieill. Häufig (Hart., Hag. sub nom. ©. indicus, Salvad. sub nom. coronatus). 163. Oriolus melanocephalus L. In grossen Mengen bei Labuan, vor Hagen nicht von Sumatra nachgewiesen (Hag., Salvad.). 164. Oriolus xanthonotus Horst. Vereiuzelt und selten (Hag.). 165. Corvus macrorhynchus Wagl. Salvadori erwähnt einen jungen Vogel als wahrscheinlich zu dieser Art gehörig (Salvad.). 166. Corvus enca subsp. Eine Krähe aus der enc# Gruppe ist in Deli sehr häufig, aber ich bin mir nicht klar über den Namen, den sie zu tragen hat. Der Name validus kann nicht für sie anwewandt werden, da er sich auf eine verschiedene Form von Halmahera bezieht [ Büttik. Notes Leyden Mus. XVI1L (1897) p. 185], aber der in neuerer Zeit dafür gebrauchte Name Zenuirostris von Moore scheint auch ganz unsicher zu sein. Wenn letzterer nicht angewandt werden kann muss die Form einen neuen Namen erhalten (Hart., Hag.). 167. Dendroeitta oceipitalis (Müll.). Typischer Gebirgsvogel, der niemals in der Deli-Ebene vorkommt, aber in den Battakbergen wohl nicht selten sein dürfte (Hag.). 168. Platysmurus leucopterus (Temm.) Im oberen Deli, bei St. Cyr Estate, und in Serdang nicht selten (Hart., Hag.). 169. Treron nipalensis nasica Schleg. “ Nicht sehr häufig ” (Hag., Salvad. sub nomine T. nipalensis). Die bisherige Annahme zweier guten Arten, Treron nipalensis und T. nasica, wie sie von verschiedenen Autoritäten (Salvadori, Cat. BD. XXI p. 34) gemacht 13 ( 194 ) worden ist, kann nach dem von mir untersuchten Material nicht aufrecht erhalten werden. Man muss entweder Büttikofer folgen, der* beide ohne weiteres vereinigt, oder den wahrscheinlich richtigen Mittelweg einschlagen, der darin besteht, auf den grossen Sundainseln eine von der typischen festländischen 7. nipalensis wenigstens im männlichen Geschlechte durch lebhafter gelbe Unterseite und dunkler rothbraune Unterschwanzdecken unterscheidbare Unterart anzunehmen. Untersuchungen grösseren Materials sind allerdings noch zu machen. 170. Sphenocercus oxyurus (Temm.). Nach Hagen nicht in der Küstenebene, aber auf dem Plateau von Tobalı nicht selten (Hag.). 171. Osmotreron griseicauda (Schleg.). Nach Hagen gemein (Hag. sub nom. Treron pulverulenta). 172. Osmotreron vernans (1..). Diese auch nach Hagen gemeine Art traf ich sehr häufig an (Hag., Hart., Salvad.). 173. Osmotreron olax (Temm.). Nach Hagen auch gemein, von mir massenhaft angetroffen. Diese wie audre grüne Tauben sind sehr schmackhaft und stets eine sehr willkommene Abwechselung in einem Lande, wo man sonst nicht allzu viele Fleischgerichte zur Auswahl hat (Hag., Hart.). 174. Butreron capellei (Temm.). Sehr häufig. Nach Hagen würden oft ganze Bootsladungen dieser Thiere, die an der Küste gefangen waren, lebend nach Deli gebracht und dort für 15 cents verkauft (Hart., Hag.). 175. Carpophaga badia (kafll.). Von Hagen in Serdang erbentet (Hag.). Hagen führt auch €. perspieillata an, aber diese Bestimmung dürfte auf einem Irrthum beruhen, da (. perspieillata nur auf den weit entfernten Molukken vorkommt. Wahrscheinlich ist damit €. aenea gemeint, denn diese Art wird anderwärts mit dem von Hagen angegebenen malaiischen Namen “ prgam ” bezeichnet. 176. Ptilinopus jambu (Gm.). Von Hagen in grossen Flügen in den Baumwipfeln des dichtesten Urwaldes beobachtet (Hag., Salvad.). 177. Turtur tigrinus (Temm.). Ungemein häufig. Fast jeder Malaie hält diese Thierchen im Käfig, um die Männchen miteinander kämpfen zu lassen und sich an ihrem Rucksen zu erfreuen. Mitunter werden Wetten gemacht, wessen Taube am öftesten ruft (Hart., Hag., Salvad.). * Notes Leyden Museum XXI pp. 266, 267. (1959) 178. Geopelia striata (L.). Scheint nur auf dem Bergplateau zu wohnen (Hag.). 179. Chalcophaps indica (L.). Nicht selten (Hag., Salvad.). 180. Rollulus roulroul (Scop.). Im lichten Walde nicht gerade selten (Hag., Salvad.). 181. Excalfactoria sinensis (L.). Nicht gerade häufig (Hag., Salvad.). 182. Turnix pugnax (L.). In den Lalangflächen häufig. In meiner Liste vergessen (Hag., Salvad.). 183. Lophura rufa (Rafl.). Nach Hagen in alten Wäldern ein sehr häufiges Thier (Hag. sub nomine Euplocamus vieilloti und nach Büttikofer als neu für Sumatra angegeben— wurde aber 1822 von Raflles als Phasianus rufus von Westsumatra beschrieben, 1879 von Dubois als Kuplocamus sumatranus beschrieben und von Carl Bock dort gesammelt). Die Unterschiede zwischen sumatranischen und malakkauischen Stücken bedürfen noch der Bestätigung. 154. Argusianus argus (L.). Nur noch in alten Urwäldern, dort aber, und besonders an den Häugen der Berge ein recht häufiger Vogel, der durch sein gewaltiges, auffallendes Geschrei, das wie nalıw, knatıw oder knaü klingt, jedem Beobachter sofort auffällt. Weder Hagen noch ich haben Jemanden gekannt, dem es gelungen wäre, diesen grossen Vogel zu schiessen. Hagen sowohl als ich sind trotz aller Mühe (ieh versuchte das Anpürschen nach allen Regeln der Kunst in Sumatra und Perak) nie auf ihn zu Schuss gekommen. Hagen wiederholt die Erzählung, dass sie auf ihren Tanzplätzen—freien, von allem Pflanzenwuchs gereinigten Stellen im Walde, wo sie sitzen und ihre Balzspiele ausführen—derart gefangen würden, dass man messerscharfe Bambusstäbe in den Boden steckte, an denen sie sich bei ihren Bemühungen sie fortzuschaffen selbst den Hals durchschnitten. Ich habe schon früher meine Gründe angegeben, warum ich dies für ein einfaches Märchen, oder sagen wir malaiisches Jägerlatein halte. Ich füge hinzu, dass es weder Hagen selbst noch einem mir bekannten Engländer in Perak gelang, auf diese Weise Argusfasanen zu fangen, dass (die angeblich auf diese Weise gefangenen Hähne, die nicht selten den Pflanzern angeboten und verkauft werden, nach Versicherung meiner Gewährsleute mit dem Messer geschnitten sind, wie das der mohamedanische Malaie mit allem gefangenen Wild thut, und dass (wie auch Hagen berichtet) es feststeht, dass viele (in Perak und Borneo desgleichen) in Schlingen gefangen werden. Es dürfte also letzteres, das Schlingenfangen nämlich, die Art sein, auf welche alle Stücke in den Besitz der Malaien gelangen. Ich wiederhole, dass der grünhalsige Pfau (Pavo muticus) noch nicht in Sumatra nachgewiesen wurde, obwohl er verschiedentlich für die Insel angegeben worden ist, aber vermuthlich irrthümlicher Weise. ( 196 ) 15. Gallus ferrugineus (Gm.) Recht häufig (Hart., Hag.). | Grant, Cat. D. Brit. Mus. XXI, vennt das wilde Huln Gallus gallus. Diese Nomenklatur ist unrichtig, deun Liune’s Phasianus gallns ist das europäische ©) Haushuhn. Mit einiger Berechtigung könnte man vielleicht Phasianus pusillus L. ex Albin (/. gallus var. e) annehmen, denu dies stellt das kleine, noch in Eugland und anderwärts gezüchtete, kampflustige “ Bautamhuln ” dar, wovon Albin sagt: “The original breed of these fowIs are brousht from Bantam iu India,” allein auch hier wird nur eine Haushuhnrasse benannt, und die in der Diagnose (ex Albin) besonders hervorgehobenen laugbefiederten Läufe verbieten den Namen pusillus für das wilde Huhn mit ganz unbefiederten Läufen anzuwenden. Man thut daher am besten Gmelin’s Namen ferrugineus (ex Sounerat— China) auzunehmen. ] 156. Charadrius fulvus (Gm.). Nicht selten, an der Küste sowohl, als auf unbewachsenen Flächen im Innern (Hart., Hag., Salvad.). 157. Aegialitis mongolica (Pall.). “ Auf den Schlammfedern an der Küste ” (Hag., Salvad.). 158. Aegialitis geoffroyi (Wagl.). (Salvad.). 159. Tringoides hypoleucus (L.). Gemein (Hag., Salvad.). 190. Totanus glareola L. “Sandbäuke und Ufer der Flüsse ” (Hag.). 191. Totanus calidris Gm. “ Seltener” (Hag.). 192. Terekia cinerea Güld. “ Häufig” (Hag.). 193. Numenius arquatus L. (?). Häufig an der Meeresküste, nach Hagen. Ich bin der Ansicht, dass es sich hier um Numenius phaeopus rariegatus handelt, den ich an den Küsten von Penang, Malakka und Salanga in Menge beobachtete, und der sich dort gerade so betrug, wie Hagen seinen Nvm. argquatus schildert. Ich habe mich iu Sumatra nicht mit der Strandvogeljagd befasst, die ja meist nur Wandervögel und wenig zoogeographisch interessante Formen ergiebt. 194. Gallinago stenura Kuhl. Ich schoss eine Anzahl im Januar auf der Rennbahn bei Medan (Hag., Salvad.). (197) 195. Amaurornis phoenicura (Penn.). Auf sumpfigen Stellen, ja überall wo sieh nur eine Andentung eines Sumpfes findet gemein (Hart., Hag., Salvad.). 196. Hypotaenidia striata (1.). “ Paarweise nnd in kleinen Trupps in Sümpfen ” (Hag., Salvad.). 197. Limnobaenus fuscus (l..). “ Nicht häufig” (Hag., Salvad.). o J 198. Rallina superciliaris (Eyt.). Ich brachte ein Exemplar mit, das ich, Gray, Hume, Oates u. a. folgend, als A. euryzonoides bestimmte (Hart.). 199. Gallinula chloropus I. (? subsp.). “ Nicht sehr häufig ” (Haeg.). 200. Leptoptilus javanicus (Horsf.). ‘“ Am Seestrande sehr häufig” (Hag., Salvad.). {a} 201. Ardea sumatrana Raftl. Selten und vereinzelt (Hart., Hag.). 202. Ardea cinerea 1. Am Meeresstrande nicht selten (Hae., Salvad.). 203. Phoyx purpurea manillensis (Meyen). Nach Hagen in der Küstenebene selten, desto häufiger aber auf dem Platean (Hag, snb nomine Ardea purpurea, Salvad.). 204. Bubulcus coromandus (Bodd.). “Zu gewissen Zeiten häufig” (Hasg.). e: > £: 205. Nyeticorax nycticorax (L.). Einmal von Hagen erbeutet (Hag.). 206. Butorides javanica (Horsf.). Wohl nicht selten. Hieranf dürfte sich auch Hagen’s * Ardea macrorhyncha Gonld” beziehen (Hag., Salvad.). 207. Pelecanus ?. n ” Hagen sah mehrfach vereinzelte Pelikane, ohne aber einen zu erbenten. ( 198 ) 208. Podiceps fluviatilis Tunst. Nach Hagen häufig am Tobah-See. (Es wäre möglich, dass es sich um eine der östlichen Snbspeeies handelte) (Hag.). 209. Sterna longipennis Nordm. ? Salvadori erhielt aus Langkat zwei Exemplare die er als wahrscheinlich zu dieser Art gehörend anführt (Salvad.). 210. Sternula sinensis (Gm.). Mehrere Exemplare aus Langkat (Salvad.). (Hagen führt an “ Sterna alba? Tinne.” Auch ich sah an der Küste, vom Dampfer aus, eine Seeschwalbe in Menge, aber jedenfalls handelt es sich nicht um “ Sterna alba.) 211. Asarcornis scutulata (S. Müll.). Diese seltene Ente wurde von Hagen oft erlegt. Er fand sie an verborgenen, abgelegenen Sümpfen im Walde (Hag.). (Salvadori versäumte auch in Cat. B. Brit. Mus. XXVII p. 60, Hagen zu eitieren, denn er nennt Sumatra nur mit einem Fragezeichen als Heimath dieser Art.) 212. Dendrocygna arcuata (Cuv.). Nach Hagen sehr häufig (Hag.). Ueber die Reptilien von Deli hat ebenfalls Hagen interessante Mittheilungen gcceben, besonders über ihre Lebensweise. Ich sammelte eine ziemliche Anzahl von Schlangen und Eidechsen, die an den verstorbenen Herpetologen Dr. Fischer in Hamburg gesandt wurden, doch ist über dieselben nichts veröffentlicht worden. Von Coleopteren giebt Hagen eine lange Liste von Namen. Dass unter den von ihm gesammelten Arten sich manches neue befand, ist selbstverständlich, denn in jedem tropischen Lande kaun man noch zahlreiche neue Käfer erbeuten, nur felılt es meist an einer sachgemässen Bearbeitung derselben. So ging es auch den von mir gemachten Käfersammlungen, die namentlich an kleinen unscheinbaren Arten reich waren. Nach Dr. Richter’s Tode, in dessen Sammlung die von mir gesammelten Käfer leider nur mit dem Fundorte “Sumatra” (die genauere Lokalität und Angabe des Sammlers wurde von Dr. Richter als “ überflüssige Pedanterie ” vernachlässigt) etikettiert worden waren, beschrieb Dr. J. Faust, der berühmte Cureulioniden-Speeialist, in der Stettiner Yntomologischen Zeitung, 1892, pp: 184-228, eine Anzahl der neuen von mir in Deli gesammelten Rüsselkäfer. Ueber die Lepidopteren gab uns auch zuerst Hagen einige Mittheilungen, aber die umfassendste und weitaus vollständigste Arbeit über die Rhopaloceren ist die von L, de Niceville und L. Martin: “A List of the Butterflies of Sumatra, with special reference to the species ( 199 ) oceurring in the north-east of the island. By L. de Nieeville and L. Martin” in Journal of the Asiatic Society of Bengal LXIV, Part II, No. 3, 1895, pp. 357-555. Es werden darin nicht weniger als 756 Arten genannt. Um die Heteroceren hat sich neuerlich namentlich Heinrich Dohrn verdient gemacht, der theils selbst in Deli sammelte, theils dort sammeln liess. Die zahlreichen neuen Formen sind zum Theil schon in der Stettiner entomologischen Zeitung beschrieben worden. (Merkwürdiger Weise scheinen die doch zweifellos viel Neues und Interessantes aufweisenden Süsswasserfische bisher vernachlässigt worden zu sein.) LITTERATUR ÜBER SUMATRA, BESONDERS DELI. Für diejenigen Leser, die sich eingehender mit Sumatra, insbesondere der Naturgeschichte von Deli, beschäftigen wollen, möge die folgende Litteratur n. a. genannt werden : W. Marsden : The History of Sumatra. London 1811. Junghuhn : Die Battaländer auf Sumatra. Berlin 1847. Sal. Müller : Bijdragen tot de Kennis van Sumatra. Leiden 1846. B. Hagen: Rapport über eine im December 1883 unternommene wissen- schaftliche Reise an den Toba-See. In Töjdsehr. Taal-, Land- en Volkenk. 1886 pp: 3283-86. B. Hagen: Reise nach dem Toba-See. In Petermann’s Geogr. Mittheil. 1883. E. Modigliani : Il lago Toba e il paese dei Batacchi nell’ isola di Sumatra. In Bollet. Soc. Geogr. It. Ser. III, Vol. IV. E. Hartert: In Journ. f. Orn. 1889. (S. oben.) B. Hagen: Die Pflanzen- und Thierwelt von Deli. In Tijdschr. Kon. Ned. Aardrijkskundig Genootschap, 1890, Pl. 240 und p. 578. (S. oben.) Vorderman : Les Oiseaux de Sumatra. In Töjdschr. Ned. Ind. XLIX (1890). T. Salvadori : Catalogo collez. uecelli di Deli. In Bollet. Mus. Torino XI, 1896. (S. oben.) J. v. Brenner: Besuch dei den Kannibalen Sumatras. Erste Durchquerung der unabhängigen Batak-Lande. Würzburg 1894. (Mit vielen Illustrationen, Tafeln und Karten. Enthält auch viele Mittheilungen über Deli.) Veth, Hasselt, und Snelleman : Midden Sumatra. Leiden 1881-92. B. Hagen: Verz. d. v. mir auf Sumatra gefangenen Rhopaloceren. In Zris (Dresden), VIl p. 1 (1894). De Niecrille J: Martin: List of the Butterflies of Sumatra. In Journ. As. Soc. Bengal LXIV (1895). (S. oben.) (Andre wichtige, meist die Avifauna der Westseite betreffende Arbeiten sind die von Raffles (Trans. Linn, Soc. XII), Tweeddale (Ibis 1877), Ramsay (P. Z. 8. 1580), Salvadori (Ann. Mus. Genora XIV, 1879.— Ann. Mus. Genova (2) Il, 1887. Op. eit. (2) XII, 1891.—u. a. m.), Forbes (Natur. Wanderings), Nicholson (Ibis 1882-3), Büttikofer (Notes Leyden Mus. IX, 1857.) u. a.). ( 200 ) IIl. KAPITEL. DIE INSEL SALANGA. Da wo die Halbinsel Malakka von ihrer nord-südlichen Richtung scharf nach Südosten umbiegt, zwischen dem 7. und 8. Grad nördlicher Breite, liegt in geringer Entfernung vom Festlande die etwa sieben Meilen lange und höchstens 3} Meilen breite Insel Salanga. Eigentlich ist es ein kleiner Archipel von Inseln, die wie die Trümmer der nord-südlich verlaufenden Bergketten «des nördlichen Theiles der Malakkahalbinsel in das Meer geschleudert sind, und deren grösste Insel Salanga ist. Auf Karten wird sie auch * Junk Ceylon ” oder gar * Junk Seylon ” genannt, aber dieser Name ist gänzlich unbekannt, während dagegen im Verkehr meist der Name Tonka (oder Tongkah), nach der kleinen Hanptstadt, oder der siamesische Name Puket üblich ist und nur die Nordspitze als Salanga oder Salanz bezeichnet wird. Die Insel gehört zu Siam und wird von einem Statthalter, dem Rajah- (oder Phya-) Puket verwaltet. Zur Zeit meines Besuches lebte der Rajah “ herrlich und in Freuden ” in Penang, während ein Deutscher, der Kapitän Johann Weber, die Verwaltung in Händen hatte. Ohne von dem keineswegs besonders guten Klima zu leiden lebte er mit seiner Frau, einer Engländerin aus Penang, und seinen Kindern damals schon 15. Jahre auf der Insel. Er hatte dort die Macht eines Königs und regierte so stramm und erfolgreich, dass im Anfange der achtziger ‚Jahre der König von Siam es wagen konnte, der früher übel berüchtigen Pirateninsel seinen Besuch abzustatten. Kurz vor meinem Besnche begannen wieder einige Seeräuber ihr Wesen zu treiben, es gelang aber dem Kapitän Weber vier der Anführer zu fangen, die er gefesselt nach Kedah sandte, wo sie ohne Weiteres hingerichtet wurden, und seitdem war es wieder sicher geworden. Zur Sicherung der Insel steht Herrn Weber eine aus Siamesen, Bengalesen und Malaien bestehende, wohl bewaffnete und einexerzierte Polizeitruppe zur Verfügung, von der er jeden Morgen eine starke Wache vor seinem Hause aufziehen lässt und nach kurzer Musterung in verschiedene, jeden Tag besonders bestimmte Theile der Insel zur Ueberwaehnng der Wege und Minen abziehen lässt. Der südliche Theil der Insel birgt reiche Zinnminen, die dazu beigetragen haben, Salanga zu einem besonders werthvollen, reiche Steuern einbringenden Theil des siamesischen Reiches zu machen. Etwa wöchentlich geht von Penang ein von einem malaiischen Kapitän geführter, mit Chinesen beladener Dampfer nach Tonka, um mit Zinnbarren gefüllt zurückzukehren. Mancher der Kulis lässt in dem fenchtheissen Thale von Tonka und bei den nicht seltenen Cholera-Epidemien sein Leben, trotzdem aber ziehen immer neue Arbeiter guten Muthes dahin, indem sie sich glücklich schätzen, aus ihrem übervölkerten Vaterlande fortzukommen und hohen Lohn verdienen zu können. Ursprünglich war die Bevölkerung von Salanga rein siamesisch, und nur an den Küsten wohnten Schiffahrt, Fischerei und Seeranb treibende Malaien. Wann und wie zuerst Chinesen nach Salanga kamen, ist mir nicht bekannt, aber es ist wahrscheinlich, dass sie früher, wie auch in Perak, auf eigene Faust gewaltsam eindrangen. Die Zahl der Chinesen nahm so zu, dass sie 1882, nach Weber, schon 40,500 betrag, während die der Siamesen nur noch etwa 1500, die der Malaien kanm 500 erreichte, ein Verhältniss, das sich seitdem noch mehr zu Gunsten der ( 201 ) Söhne des himmlischen Reiches geändert hat. Ein besonders freundschaftliches _Verhältniss zwischen den ruhigen, gutmüthigen Siamesen im Innern der Insel und den Chinesen, die überall da sich finden, wo es etwas zu verdienen giebt, und den Süden der Insel allein bewohnen, besteht noch heute nicht. Mancher Seeraub und manche blutige Greuel verdüstern die Geschichte der Insel, seit aber eine geordnete, energische Verwaltung eingeführt worden ist und ein siamesisches Kriegsschiff in der Bucht von Tonka vor Anker liegt, ist völlige Ordnung eingetreten und die reichen Einkünfte aus den Zinnminen machen Salanga zu einem Edelstein in der Krone des Königs von Siam. Einer Einladung von Kapt. Weber, den ich in Penang kennen lernte, Folge leistend, fuhr ich im Jahre 1588 nach Tonka hinüber. Die Fahrt war ausserordent- lich lieblich. Pustend und schnaubend entwand sich der kleine Dampfer dem Gewimmel von Schiffen, Djunken und kleinen Booten im Hafen von Penang, um durch die spiegelglatte, sonnenbestrahlte Fluth an der Küste der Malakkahalbinsel entlang nach Norden zu dampfen. Wir passierten die waldumschlossene Mündung des Muda, undentlicher, verschwommener wurden die grünen Hüzel des reizenden Pulu Pinang, klarer traten die hohen Berge im Innern von Kedah hervor, nm bald wieder zu verschwinden. Zahlreiche, vom Gestade bis zu den Höhen bewaldete, mit felsigen Klippen abwechselnde Eilande traten in den Gesichtskreis und verschwanden wieder in dem tiefblauen Meere, in dem hier und dort eine kleine, buntgeringelte giftige Seeschlange und zartgefärbte Quallen, und ab und zu ein Haifisch sichtbar wurden. Und wie prächtig war erst die Nacht! In dem erqnickenden Gefühle wohlthuender Wärme konnte man stundenlang an Deck liegen, ohne die Augen zu schliessen, denn an ein Schlafen in der kleinen, dumpfen Kajüte war nieht zu denken. Noch immer wurden Inseln passiert, die schwarzen Ungethümen gleich auftauchten und verschwanden. Ueberall zog der Dampfer eine leuchtende Bahn in die Fluth, aber in der Nähe der Felsen, an denen die Wogen sich mit unheimlichem Donnern brachen, war das Meer mit grünen Algen angefüllt, die ein eigenartiges, grünlich phosphorisches Leuchten hervorbrachten. An diesen selben Felsen wird auch der “ agar-agar” (oder, akka-akka), der Aueus saccharinns der Botaniker, gewonnen, der nicht nur von Siamesen und Chinesen, sondern auch in Europa seleeentlich in der Küche wie Gelatine oder Hausenblase verwandt wird. Am Vormittage des nächsten Tages wurde unser Ziel erreicht. Die Einfahrt in die Bucht von Tonka ist überaus lieblich. An einer kleinen, waldigen, mit Kokospalmen umsäumten Insel entlang dampfend erbliekt man vor sich eine rmhige, sonnige, von kleinen “ Sampangs ” belebte und mit einem siamesischen Kriegsdampfer geschmückte Bucht, die mit saftig grünen Mangrovebüschen umsäuamt ist, und hinter der sich hohe Berge erheben. Zwischen den Booten und Djunken schiesst ein grosses europäisches Boot hervor, in dem wir unter schützendem Segeldach einen Europäer gewahren, den Kapitän Weber, der uns in seinem Reich willkommen heisst und in sein gastfreies Haus einführt. Die Insel ist von Nord nach Süd von Hügelreihen durchzogen, die in dem Kau Maitu Sibsong 550 Meter erreichen, meist jedoch nur 100 bis 150 m. hoch sind. Zwischen den Bergketten liegt flaches, zum Theil sumpfiges Gelände. Die Berge waren früher alle dicht bewaldet, in nenerer Zeit aber wurden sie, namentlich in den Zinnminengegenden im Süden der Insel, durch Axt und Feuer entblösst, sodass diese Theile in den trockenen Monaten ein ödes Ansehen haben und für den Entomologen nichts bieten, ( 202 ) Der Boden ist fruchtbar. In den tiefen Lagen wird Reis und Zuckerrohr gebaut, Kokos- und Arekapalmen gedeihen gut, Rotans geben vortreflliches Material zu Stöcken, Bambusrohr erreicht stellenweise eine Höhe, wie kaum irgend wo sonst. Die Westküste ragt in hohen, steilen Klippen, hier und da mit hohen Dünen abwech- selnd, aus dem Meere empor, während die dem Festlande zugekehrte Ostküste flach ins Meer verläuft, sodass bei Ebbe weite Watten blosgeleet werden, die dann von Chinesen wimmeln, welche in ihrer bekannten Vorliebe für alles im Wasser lebende Gethier hier reiche Ernte für ihre Tafel halten. Schaaren von Sumpf und Wasser- vögeln, zumal im Winter viele Zugvögel aus dem Norden, theilen sich mit den Bezopften in die Beute. Flach ist auch die Meerenge zwischen Salanga und dem Festlande, die in ihrer Breite zwischen einer ganzen und kaum einer achtel Meile schwankt. Sie kann daher eine faunistische Grenze nicht bilden, und in der That ist die Fauna von Salanga nur ein etwas ärmeres Abbild von der der Malakka- halbinsel. Die reichen Zinnlager liegen im Süden der Insel. Die zinnführende Schicht ruht auf einer Unterlage von schwerem Thon und ist, wie auch die darüberlagernde Alluvialschicht, von sehr verschiedener Mächtigkeit, meist aber ziemlich dünn. Die Gewinnung des Zinns geschieht auf folgende Art. Zuerst wird mit breiten Hacken die überlagernde Erde gelockert und fortgetragen. Aus den so entstehenden, meist 5 bis 25 oder 30 Fuss tiefen, selten noch tieferen Löchern wird die zinnführende Sandmasse herausbefördert und ausgewaschen. Dies alles wird auf die allerein- fachste Weise bewerkstellist. Der Kuli trägt auf den Schultern einen Rotan oder eine Art von Joch (wie die Milchleute in Hamburg haben, oder wie man Wassereimer in einigen Theilen Norddeutschlands trägt), das aber immer elastisch ist, und woran flache Körbe hängen, auf denen die schwere Erde liegt. Mit dieser, in Anbetracht der tropischen Hitze nicht geringen Last Jäuft der Chinese in einem Halbtrabe auf langen hübnersteigartig behauenen Stämmen oder Laufbrettern aus der Tiefe in die Höhe und wirft die Zinnerde in breite hölzerne Rinnen, in denen sie von Wasser überströmt wird, das die leichteren Thon- und Mergeltheile fortschwemmt. Das Wasser wird durch chinesische, höchst sinnreich konstruierte Wasserräder und unendlich lange Kettenpumpen heraufbefördert. Der so gewonnene Zinnsand wird in grossen Windöfen mit Holzkohlen aus- geschmolzen. Grosse lederne Blasebälge schüren die Gluth. Die magische Beleuchtung des glühenden Metalls, die infernalische Hitze und die schweiss- triefenden, gelbbraunen, nackten Gestalten vor dem Feuer bringen einen Eindruck hervor, der lebhaft an das kindliche Bild erinnert, das man sich von der Unterwelt zu machen pflegt. Das geschmolzene Zinn wird in gleichgrosse Formen gegossen, wodurch Abwiegen und Transport sehr erleichtert werden. Alles Zinn von Tonka geht zunächst nach Penang. Andere Produkte von Bedeutung liefert die Insel nicht. Herrn Weber gebührt das Verdienst auf Salanga, wo auch früher schon der bekannte Davison eifrig sammelte, eine reiche Vogelsammlung angelegt zu haben. Dieselbe gelangte in die Hände von August Müller, dem jetzigen Inhaber der “ Linnaea ” genannten Naturalienhandlung, und er veröffentlichte auf Grund dieser Sammlung im Journ. f. Orn. 1882 die Arbeit betitelt: “Die Ornis der Insel Salanga.” Der Liste von 155 Arten vermochte ich während meines etwa dreiwöchentlichen Aufenthaltes zwar eine Anzahl von Arten hiuzuzufügen, die jedoch den Charakter der Ornis nicht ändern. Ich bin indessen keineswegs mit allen Angaben und Schlussfolgerungen Dr. Müllers in obiger Arbeit einverstanden, Von Details möchte ich Folgendes bemerken, ( 203 ) N0.23, p. 358, © Copsychus mindanensis” muss ('. saularis musicus heissen, denn die philippinische Form allein ist die echte mindanensis. Verf. erwähnt die Form musicus garnicht, sondern spricht nur von saularis und mindanensis! Die angegebene Verbreitung ist daher ganz irreführend. No. 5, p. 361, sollte Motacilla boarula melanope heissen. No. 6, p. 361, sollte Anthus rufulus malayensis genannt werden. No. 54, p. 384, ist als neue Art Criniger cabanisi beschrieben. Nur ein Exemplar dieser dem Criniger griseiceps der Beschreibung nach sehr nahe stehenden Art lag vor, während zwei andre Stücke als Oriniger griseiceps bestimmt wurden. Eine erneute kritische Untersuchung des Oriniger cabanisi wäre erwünscht. No. 112, @eeinus weberi, von dem ich auch Stücke erbeutete, scheint nicht von Geeinus vittatus zu trennen zu sein (vergl. Cat. B. XVILI. pp. 48, 50). In vielen Fällen ist die Nomenklatur, namentlich in Bezug auf die Gattungs- namen willkürlich und heutzutage nicht haltbar. Was die am Schlusse der Arbeit mitgetheilten “ Ergebnisse ” betrifft, so ist zunächst zu bemerken, dass die Zahlen der salanganischen Vögel, die in anderen Thiergebieten vorkommen bei kritischer Nachbestimmung einige Aenderung erfahren würden, und wenn nun gar aus der Stückzahl der gesandten Formen Schlüsse auf die Häufigkeit derselben, und daraus zoogeographische Folgerungen gezogen werden, so kann ich zu den Ergebnissen kein Vertrauen haben. Es wird sich nach dem Beobachtungstalent und den Lieblingsplätzen der Sammler, namentlich der zum Jagen verwandten Eingeborenen richten, welche Vögel vorzugsweise dem Blei derselben zum Opfer fallen, und da weiss jeder reisende Sammler, dass den farben- prächtigen, sowie auf der andern Seite den leicht zu schiessenden Arten eine besondre Bevorzugung zu Theil wird. Wie wenig auf die Stückzahl von Arten gegeben werden kann geht aus folgendem Beispiel hervor: Von dem zahlreich auf der Insel brütenden Passer montanus wurden nur sieben Stück gesandt, von dem häufigen Pyenonotus analis (p. 379) nur fünf, von dem bunten Anthreptes malaccensis (p. 375) nicht weniger als 189, wovon 157 alte Männchen, von der prächtigen /rena puella, die ich auf der Insel nicht zu sehen bekam, da sie nach Hörensagen nur zu gewissen Jahreszeiten vorkommt, volle 75 Stück, von dem auffallenden Orzolus (p. 390) ebenfalls 70 Exemplare. Wenn Dr. Müller auf Grund rein ornithologischer Untersuchungen eine 200- geographische Grenze im südlichen Tenasserim leugnet, so ist er im Irrthum. Im allgemeinen trägt die Ornis und die ganze Thierwelt von Tenasserim einen von der der Malakkahalbinsel recht verschiedenen Charakter, und zwar derart, dass der südlichste Zipfel von Tenasserim noch viele typisch malakkanische Formen hat, die dem übrigens Tenasserim aber fehlen. Das indo-birmesische Gebiet kann als eigne kleine Provinz betrachtet werden, die bis nach Cachar, aber nicht bis in die Tiefebene des Brahmaputra, und südlich bis in das südliche Tenasserim reicht. Scharf und starr sind natürlich diese Grenzen nicht, sie sind das überhaupt nirgends, wo es sich nicht etwa um weit entfernte Inselgebiete, oder durch wüstenartige Gebiete (Sahara), rauhe Hochplateaus (Thibet) oder enorme Gebirge (Anden) getrennte Länder handelt, wo ebenfalls noch Uebergänge vorkommen. Bei Inseln ist es übrigens ausser der Tiefe und dem geologischen Alter der trennenden Meeresflächen auch in ganz bedentenden Grade die Entfernung, wie sich an zahllosen Beispielen nachweisen lässt, obwohl Wallace den Werth der Entfernungen leugnet. Wallace stützte diese Theorie aber auf Trugschlüsse, indem er unter Anderem bei Japan die angebliche nähere Verwandtschaft mit Westeuropa, als mit Nordasien hervorbob, ( 204 ) Das ist natürlich ein Irrthum, denn die japanischen Formen gleichen nie den westenropäischen, sondern sie haben sich nur von denen des Kontinentes manchmal in analoger Weise wie die des Westens entfernt, indem z. B. aus helleren und grösseren sibirischen Formen an beiden Endpunkten dunklere und kleinere hervor- singen, die aber nie einander völlig gleichen. Was nn die Ornis von Salanga betrifft, so liegt nichts vor, in ihr lediglich das zu sehen, was sie ihrer geographischen Lage nach sein muss, nämlich ein Anslänfer des nördlichen Theiles der Malakkahalbinsel. Es ist nieht anzunehmen, dass Vogelarten ihr allein eigenthümlich sind. (Geeinus weberi ist nicht haltbar, und der C'riniger dürfte, wenn überhaupt trennbar, auch auf dem Festlande vorkommen, IV. KAPITER, DER BRITISCHE SCHUTZSTAAT PERAK. Etwa gegenüber der Tabakslandschaft Deli auf Sumatra liegt zwischen 3° 45° und 5° 29’ nördlicher Breite an der Westseite der Halbinsel Malakka der unter britischer Schutzherrschaft stehende malaiische Staat Perak, der sich nach Mitte der 90” Jahre mit andern Staaten zum Verbande der “Confederated Malayan States” zusammengeschlossen hat. Was den Namen Perak anbetrifft, so wird das # am Ende des Wortes wie in manchen malaiischen Worten nieht ausgespro- chen, dient aber dazu das « kurz und scharf werden zu lassen, wobei jedoch der Ton auf der ersten Silbe bleibt. Das Wort heisst auf deutsch Silber und steht ohne Zweifel mit dem Metallreichthum des Landes (namentlich Zinn) in Verbindung. Die ältere Geschichte von Perak, wie wir sie aus den Ueberlieferungen der Malaien kennen, ist vielfach mit Sagen durchwebt. So viel ist wohl sicher, dass die hentigen malaiischen Einwohner nicht die Ureinwohner sind, sondern dass sie mit Gewalt eindrangen und vermuthlich die heute noch in den ausgedehnten Waldungen des Innern lebenden Sakai und Semang verdrängten. Im sechzehnten ‚Jahrhundert sassen Sultane aus dem Hanse der Herrscher von Malakka und ‚Johore auf dem Throne von Perak, von denen die hentigen Fürsten abzustammen behaupten. In dieser Zeit schon fanden wiederholte Einfälle der kriegerischen und raublustigen Atchinesen von Sumatra her statt. Mit Europäern scheinen die Perakaner nicht vor dem Jahre 1650 in Berührung gekommen zu sein. Um diese Zeit errichteten die Holländer eine Faktorei im Perakflusse und erwarben durch einen Vertrag mit den Atchinesen, die sich als die Herren von Perak ansahen, das Monopol des Zinnhandels, der schon damals nicht ohne Bedeutung war, und heute den grössten Reichthum des Landes ausmacht. Schon im zweiten Jahre wurde die Faktorei zerstört, die Holländer bis auf den letzten Mann ermordet. Ein Jahrhundert lang versuchten die Holländer ohne Erfolg festen Fuss in Perak zu fassen und wurden schliesslich Ende des achtzehnten Jahrhunderts von den Engländern unter Lord Camelford endgültig aus Perak vertrieben. Zeitweilig hatten die Holländer die nahe der Küste gelegene Insel Pangkor erobert und befestigt, auf der noch jetzt die Ruinen ihrer Befestienngen zu sehen sind. Im Jahre 1518 wurde ein grosser Theil der Halbinsel Malakka von den Siamesen unterjocht und auch Perak erobert, ( 205 ) aber wenige Jahre nachher wurde die Unabhängigkeit des Staates unter britischem Protektorate durch einen Vertrag zwischen der Ostindischen Uompagnie und der siamesichen Regierung garantiert. Es scheint indessen, dass «die Engländer sich vorläufig nicht sonderlich um ihren Schutzstaat kümmerten, denn erst im Jahre 1574 benutzten sie innere Zwiste und Seeräubereien an den Küsten, um energisch einzugreifen. Ein englischer Resident und ein Assistant-Resident, deren Rechte und Obliegenheiten durch einen Vertrag festgesetzt wurden, wurden “zum Beistand des Sultans” eingesetzt, wie es heisst auf Bitten des Letzteren. Trotzdem scheinen diese Einrichtungen doch nicht ganz nach Wunsch der Einwohner gewesen zu sein, denn schon im folgenden Jahre, 1875, wurde der Itesident, ein Mr. Birch, von deu Malaien beim Baden ermordet. Sofort wurden Truppen von Indien und China gesandt, und nicht ohne blutige Kämpfe wurde die Macht der Eingeborenen gebrochen und Ruhe und Ordnung hergestellt. Der Sultan Abdullah wurde mit dreien seiner Häuptlinge nach den Seychellen verbannt, der Ex-Sultan Ismail als Gefangener nach Johore transportiert, der Sohn eines früheren Regenten aber, der Raja Muda Yusuf, ein schwaches, willfähriges Werkzeug der Engländer, zum Herrscher eingesetzt. Im Jahre 1377 wurde der von Borneo her sowohl als erfahrener Beamter, wie auch als Förderer der Wissenschaft, namentlich der Botanik und Zoologie, bewährte Sir Hugh Low zum Itesidenten ernannt. Unter diesem hervorragenden Beamten wurde das Land bald zu einer Musterkolonie und erreichte einen solchen Grad der Sicherheit, dass man dort sicherer als in sehr vielen Gegenden von Buropa war. Sir Hugh Low, der auch mir und anderen Zoologen mit grösster Zuvorkommenheit entgegenkam, nahm 1890 seinen Abschied und sein Nachfolger wurde der durch langjährigen Dienst in den Straits Settlements erfahrene und in weiten Kreisen durch seine vortreflichen Wörterbücher der malaiischen Sprache bekannte Swettenham. Man erreicht Perak ebenfalls von Penaug aus auf kleinen, raschen Dampfern, die entweder nach Port Weld, nach der Mündung des Perakflusses oder nach Matang fahren. Port Weld liegt an der Mündung des Sapetang und ist durch eine Eisenbahn mit Thaiping, der eigentlichen Hauptstadt, verbunden. Matang ist seit dem Bau der Bahn fast vergessen, auf den Strömen Perak und Kinta erreicht man das Innere des Landes. Das Land wird von zwei Bergketten durchzogen. Die höhere derselben, die bis zu S000 Fuss (?) ansteigen soll, ist das gewaltige Rückgrat der Malakkahalbinsel, und bildet die östliche Grenze, die niedrigere dagegen liegt näher der Malakkastrasse und scheint nicht über 5450 Fuss zu erreichen, meist aber viel niedriger zu sein. Sie ist ganz isoliert, und hat nur einen kurzen Verlauf. In ihr liegt der allen Zoologen bekannte Gunong Ijau, d. h. der grüne Berg, etwa 4600 Fuss hoch, der eine hochinteressante Fauna hat, die durch Wray, Doherty, den Verfasser dieses und Butler zu wiederholten Malen erforscht wurde. Die Hauptmasse der Bevölkerung von Perak bilden vielleicht heute schon die Chinesen, die zur Zeit meines Aufenthaltes mit den Malaien an Zahl etwa gleich waren. Sie sind am zahlreichsten in den Minengegenden, im Larut- und Kinta- distrikt, vertreten, aber auch anderwärts sind der Handel und verschiedene Gewerbe in ihren Händen. Obwohl die Erzeugnisse der Chinesen, wie z. B. Schuhe, Kleider, Holz- und Metallwaaren, alle etwas Rohes und Unfeines an sich haben, kaun man die Leute doch zu fast allen Arbeiten gebrauchen, und ihre Zuverlässigkeit ist durchaus lobenswerth. Dagegen sind die Malaien zu indolent und oft zu eingebildet, ( 206 ) um tüchtig zu arbeiten, und sie halten ihre Versprechen in Bezug auf Zeit nur selten, da ein oder zwei Tage ihnen ganz dasselbe sind. Ausser den Chinesen sieht man gelegentlich Tamilen und andre Indier, letztere meist in der Schutztruppe. Die ethinologisch interessantesten Bewohner von Perak sind die Ureinwohner, nämlich die Sakais und Semangs. Es ist nicht ganz leicht, bei unsrer geringen Kenntniss von diesen Menschen, zu bestimmen mit welchen Stämmen diese wenig bekannten kleinen Völker am nächsten verwandt sind, doch sollen die letzteren, die in der That sehr dunkel sind und krauses, wolliges Haar haben, unzweifelhaft reine Negritos sein. Es ist wohl zweifelhaft, ob Sakais und Semangs unter sich nahe verwandt sind. Erstere sind weit in der Malakka-Halbinsel verbreitet, und die Kubus auf Sumatra (s. Forbes, Wanderings of a Naturalist, pp. 233-6) dürften ihnen stammverwandt sein. Sie haben sehr helle Hautfarbe und langes, welliges aber nicht wolliges, krauses Haar. Beifolgende Photographie, die von Mr. Wray aufgenommen wurde, zeigt einen Trupp Sakais im Innern von Perak. Die Sakais leben in Perak in allen ausgedehnten Waldungen zerstreut in rohen ( 207 ) Palmblatthütten. Ihre Bekleidung besteht einzig und allein aus einem Stücke von Rindenzeug oder gelegentlich europäischen Stoff um die Lenden, ihre Bewaffnung aus dem “ Sumpitan ”” oder langen Blasrohr und Speeren mit Spitzen aus Bambus- rohr. Das mit grosser Sorgfalt aus Bambu hergestellte, bis zu 10 Fuss lange Blasrohr * ist ihre Hauptwaffe, denn es wird zum Entsenden vergifteter Pfeile benutzt, deren nervenlähmendes Gift auch grossem Wilde sofort verderblich wird. Die Pfeile laufen mit einer Palmenmarkführung und treffen auf 30 bis 40 Schritte mit grosser Sicherheit, darüber hinaus aber nicht mehr genau. Auf 30 Schritte trafen mehrere Sakais, die ich bei Kinta traf, eine Visitenkarte jedes Mal. Der Sumpitan der Malaien wird von den Sakais selbst “Boho” genannt. Ehe durch den Einfluss der Engländer dieser Unfug abgeschafft wurde, wurden die schenen und furchtsamen Sakais und Semangs von den mohamedanischen Malaien, da sie ja ungläubige Hunde sind, verfolgt und zu Sklaven gemacht, ihre Frauen gefangen und zu Konkubinen genommen. Es wird erzählt, dass ein malaiischer Datu (Häuptling), als angeordnet wurde, dass zur Elefantenjagd ein Erlaubnissschein zu lösen sei, fragte ob ein solcher auch zum Sakaifangen nöthig sei. Die Semangs sollen weder feste Wohnsitze noch Wohnungen haben. Sie durchziehen in kleinen Trupps die Wälder, auf dem Boden, oder gelegentlich auf Bäumen und in Kalksteinhöhlen schlafend, von der Jagd und von Früchten lebend. Sie haben ausser den Blasrohren auch Pfeil und Bogen. Sie haben, wie die Sakais, keine eigentliche Religion, aber Wald und Felsen, Luft und Wasser denken sie sich mit bösen und guten Geistern bevölkert. Auch die Malaien sind sehr aberglänbisch, und oft erinnern ihre Sagen und kindlichen Einbildungen an deutsche Ammen- märchen und alte Ueberlieferungen. Auf den Gräbern denken sie sich einen “ hantu ” (Geist) mit weisser Haut und in weissem Gewande sitzen, der sich durch üblen Geruch verräth, und den man fliehen muss, zumal wenn er mit klagendem Gestöhne die Luft durchzieht. Auf allen hohen Bergen, deren Spitzen in Wolken- schleier gehüllt sind, wohnen hantus, die den, der ihre Wohnsitze betritt, tödten und fressen, Felsenhöhlen und hohle Bäume sind oft von Gespeustern bewohnt, ein Knochengerippe durchzieht mit gespenstischem Gefolge und von kläffenden Hunden begleitet, unter Jauchzen und Hohngelächter den Wald—wie Hackelberg der wilde Jäger bei uns. Will man einem Feinde Unglück bringen, so braucht man nur das Fleisch eines * Kraduku” (Nyeticebus tardigradus) unter seinem Hause zu vergraben. Das Fleisch der Spechte heilt alle Brustkrankheiten. Die nominellen Herrscher des Landes, die Malaien, lernt der Fremde meist sehr wenig keunen. Eine gewisse Verschlossenheit, die ganz verschiedene Denkweise, der mohamedanische Glaube, alles trägt dazu bei, dass man von ihrem Charakter und ihren intimeren Sitten wenig erfährt. Die Dörfer der Malaien sind überaus malerisch. Die Häuser sind stets von hohen Fruchtbäumen, wie Durian, Rambutan, Anona-Arten, Cocospalmen, u. a. umgeben und beschattet, und bei keinem Hause fehlt der stark riechende weisse Jasmin (Jasminum sambac), die Liebesblume, das Symbol der Liebe der Malaien. Für den Zoologen ist Perak ein Paradies, wie es schöner nicht gedacht werden kann. Die Faunaist überreich, von den höchsten Thierklassen bis zu den niedersten, ja ich kann versichern, nirgend eine so reiche und dabei so abwechselnde Fülle von Thierleben beobachtet zu haben. In den ausgedehnten Wäldern sollen Elefanten vorkommen, sicher aber finden sich Nashörner, Tapire, Bären, Tiger ; zahlreiche Affenarten, unten denen eine Hylobates-Art und ein Semnopithecus sich auszeichnen, * Ein von mir mitgebrachtes befindet sich im Museum für Völkerkunde in Berlin. ( 208 ) sind häufig. Ein wilder Ochse, Sapi der Malaien, Bos gaurus (? subsp.) bewohnt die tiefliegenden Wälder, und vermuthlich kommt auch Bos sondaieus vor. Auf den Felsenbergen, wie z. B. auf dem Marmorberge Gunoug Pondok, kommt der “ Kambing-utan ” (d. h. Waldziege) vor, der Nemorrhoedus sumatrensis,* wenn auch selten, vor. Kleine Sängethiere sind sehr häufig. Die Vogelwelt ist wundervoll reich und noch ungenügend bekannt. Eine Anzahl von Formen ist bisher nur von dem etwa 4600 Fuss hohen Gunong ljau bei Thaiping bekannt. Dort sammelte zuerst Mr. Wray, dann ich. Auf'meine Veranlassung sammelte neuerdings ebenda Mr. Butler, dem es gelang, noch zwei prächtige neue Formen, nämlich einen Eurylaemiden (Sertlophus rothschildi) und einen Grünspecht (Geeinus rodgeri) zu entdecken. Die Ebenen von Perak haben dieselben Fauna wie die Tiefländer weiter nördlich und südlich auf der Malakkahalbinsel. Die eigenthümlichen Formen finden sich auf den Bergen. Die auf dem Gunong Ijau entdeckten Arten sind zum Theil nur von dort bekannt, aber eine vor Kurzem von Herrn Waterstradt auf dem gewaltizen Gunong Tahan in Ostmalakka gemachte und an das Rothschildsche Museum gelangte Vogelsammlung zeigt, dass mindestens ein Theil dieser Formen auch auf andern Bergen der Halbinsel vorkommt. Der Gunong Ijau oder grüne Berg, wie er treffend genannt wird, erhebt sich nahe bei der Stadt Thaiping. Auf seiner Spitze liess der Resident ein prächtig gelegenes Landhaus errichten, in dem er und gelegentlich fieberkranke Oftiziere und deren Damen, oder auch wisseuschaftliche Reisende sich erholen. Die Aussicht von der Höhe ist bezauberud. Ueber die mit Wald bedeckten dunklen Berghänge und das hellgrüne Thal, in dem Thaiping wie Spielzeug auf- gestellt erscheint, schweift der Blick hinaus auf das glänzende Meer mit den grünen Inseln, die in der Ferne am Horizonte verschwimmen. Am Tage sind der Wald und (lie Lichtungen belebt von Vögeln. Laut hallt das Geschrei der Nashornvögel— unter ihnen der wunderbare Abinoplax vigil—durch die Bäume, während manche kleine Vögel lieblich singen, namentlich aber der Copsychus durch seinen flöten- artigen Gesang erfreut. Durchdringend schnarrend, oder zirpend, wie * zirrrzirrrrr- zerrrrr ” sitzt der grüne, im dichten Laubwerke nicht leicht zu entdeckende Psilopogon pyrolophus auf den Zweigen, pfeilschnell, mit sausendem Geräusche, streicht der geschwindeste aller Flieger, der stachelschwänzige Segler Chaetura gigantea f über die Spitze des Berges dahin, über schattigen Waldwegen sitzt der seltene Serilophus rothschildi$ ; gemächlich, oft in allerlei Stellungen, etwa wie Schwanzmeisen bei uns, sich aufhängend und herumkletternd, durchstreifen Schaaren von Sibia simillima unter langgezogenem Pfeifen die Büsche, an den rothen Blüthen einer auf den Liehtungen häufigen, wohl eingeführten Zlibiseus-Art hängen leise zwitschernd die schönen Aethopyga wrayi, eine Nectarinien-Art die hier häufig ist, aber noch nirgend anders beobachtet wurde, an Baumstämmen hämmert der in Europa bisher nur in den Museen zu Tring und London vertretene Gecinus rodgeri,g wie ein Donnerkeil schiesst ein Wanderfalk oder der schwarze * Die Form von lerak, von der ich kein Exemplar untersuchen konnte, und das zur Zeit meines Auf- enthaltes dort wohl noch in keinem Museum existierte (die europäischen Zoologen waren 1888 noch nicht auf den Standpunkt gelangt, auch bei den Säugethieren die lokalen Formen zu studieren), ist neuerdings (Proc. Zool, Soc, Lond. 1900 p. 675 von A. 1. Butler als N. swettenhami abgetrennt worden und wird wohl in Zukunft als Nemorrhoedus sumatrensis smwettenhami Butl. geführt werden. Am Gunong l’ondok wird das Thier auch (unlogischer Weise, da es vermuthlich nie in Höhlen lebt) “ Kambing-grun ” (d. h, Höhlenziege) genannt. ' T Auch Chaetura eochinchinensis ist von Herrn Wray einmal in Perak erbeutet worden. Ich habe das Exemplar selbst in Tring zur Untersuchung gehabt. t Hartert und Butler in NOVITATES ZOOLOGICAE V. p. 508 (1898). $ Siehe NOVITATES ZOOLOGICAE V, (1898) p. 508. VAMVIVW MVY3d NVPI ONONND S3G 3SSNI NY “CN 5, AALRUVET (209) malaiische Adler, Neopus malayensis, unter das gefiederte Völkchen, das hier in so vielen Formen haust. Einen ausserordentlichen Schmuck verleiht dem Lande Perak die an Arten und Individuen ungemein reiche Schmetterlingswelt. Ich habe bisher noch kein Land gesehen, in dem die Schmetterlinge so auffallend und belebend die Gegend schmückten ; selbst nicht eine Quebrada au der Nordküste von Venezuela zeigt solche Schmetterlingspracht, sicher kein Theil Afrikas oder Nordindiens. Die Könige der Schmetterlingswelt sind ohne Zweifel die Ornithopteren, vor allen die sehr lokal verbreitete, herrliche, sammtschwarze, mit goldgrünen farnblattartigeu Zeichnungen geschmückte Ormithoptera brookiana,* die wohl als der nobelste aller Falter bezeichnet werden kann. Ich hatte die Freude in Kinta eine ganze Anzahl zu fangen. Auch die häufigeren, auch Blumen in Gärten und an Strassenrändern besuchenden, gelb und schwarzen Ornithopteren (Troides aeacus und rufeollis), gewähren einen prächtigen Anblick, wenn sie mit ihrem kräftigen Fluge die Luft durchsegeln oder auf einer Blüthe ruhen. Viel wunderbarer aber als alle andern Tagfalter sind die //estien, die man oft schwankenden, weichen, unsicheren Fluges auf windstillen Waldwegen umhergaukeln sieht. Die mächtigen, weiss und schwarzen, dünnen, seidenpapierartigen Flügel und der schwache Körper erlauben ihnen nicht im Freien zu fliegen, denu sie können keinem Winde widerstehen. Wenn sie so langsam einhergeschwankt kommen, machen sie einen geisterhaften Eindruck, der Jedem auffällt. Sie heissen daher bei den Malaien auch * Kupu kupu hantu,” d. h. Gespenstschmetterling. Sie sind übrigens leicht zu fangen, wem sie nicht zu hoch fliegen. Zwei Arten, Zestia Iynceus und Hestia linteata sind in Perak nieht selten. Von ersterer kommt eine dunklere Form in den Bergen vor, wie es scheint aber nicht als konstaute Form, sondern neben typischer Zyreeus, diese in den höheren Lagen nur theilweise (?) ersetzend. Aehnlich sieht die viel kleinere Ideopsis daos im Fluge aus, fällt aber ihrer Kleinheit wegen nicht so sehr auf. Sie wird in überraschender Weise von dem Weibehen der Ylymnias künstleri, das bisher noch Unicum in Sammlungen zu sein scheint, nachgeahmt. Dies merkwürdige, in Distant’s “ Rhopalocera Malayana” ‚sehr schön abgebildete Stück der früher Hon- rathschen, jetzt in London befindlichen Sammlung steht in der Grösse zwischen Hestia und Ideopsis, kann also als “ Mimikry ” von der einen oder andern Gattung angesehen werden. Die Gattung Klymnias weist eine Anzahl von wenigstens in einem Geschlechte “ mimetischen ” Arten auf. Eine von mir im Passe von Kwala Kangsar, der zur Zeit meines Aufenthaltes noch an beiden Seiten von dichtem Walde eingefasst war, und wo daher eine Unmenge von Schmetterlingen zu sehen war, gefangene Klymnias Art wurde von Honrath als Ylymnias harterti beschrieben und scheint, wenn eine gute Art, nur nach dem typischen Exemplare bekannt zu sein, ebenso ist eine von Doherty auf dem Gunong Jjau entdeckte Apatura noch Unikum, wie manche der Heteroceren. Im Kintalistrikte sahı ich im hohen Walde einen grossen Schmetterling mit graugelben Vorderflügeln fliegen, die ihrem Fluge nach eine Ornithoptere sein musste, ebenso eine grosse graue und gelbe Saturnide. Diese beiden Lepidopteren konnte ich bisher nicht identificieren. Ausser Zlestia und /deopsis bevölkert noch ein ganzes Heer andrer Danaiden die Thäler von Perak, namentlich die bunten Euploeen und vor allen die prächtig blaue, aber ausserordentlich häufige Euploea midamns und die nahezu ebenso * Die Malakka Form unterscheidet sich im weiblichen Geschlechte auffallend von der typischen brookiana von Borneo, und ist daher exakter als Zroides brookiana albescens Rothsch. (Nov. ZooL. 1895 p. 199) zu bezeichnen. Der Gattungsname Troides ist statt des bekannten und schönen Namens Ornithoptera anzuwenden. 14 (210 ) gemeine Kuploea diocletianus. Diese Danaiden fallen wegen ihres langsamen Fluges und ihrer Farbenpracht dem Sammler gleich in den ersten Tagen in Menge zum Opfer, er sollte aber sehr aufmerksam sein, deun mehrere Papilios ahmen sie so auffallend nach, dass man sie ohne Erfahrung leicht verwechselt. Verhältnissmässig häufig sind in Perak die grossen Zeuxidien und Amasidien, ja es gelang mir, das seltene Weibchen der Amasxidia aurelius (Uram.) zu fangen. Es scheint mir erheblich von der typischen Form von Sumatra abzuweichen, und sollte wohl subspeeifisch getrennt werden. Einer der buntesten Schmetterlinge ist auch der wundervolle Thaumantis pseudaliris, den ich mehrfach erbeutete. Von besondrer Farbenpracht sind unter andern die zahlreichen Papilio-Arten, die artenreichen, im Walde lebenden Zuthalien, Hypolimnas bolina und misippus, eine Menge blauer und feuerroth leuchtender Zyeaeniden, auf den Bergen auch Limenitis, Rhinopalpa, Clerome, die vielfach geschilderte, auf der Oberseite blau und orange- farbene, bunte, im Sitzen aber einem trockenen Blatte unglaublich ähnelnde Aallima, Doleschallia und viele andre, die hier nicht alle genannt zu werden brauchen. Besonders anziehend sind auch die starken, ungemein rasch fliegenden Charazxes, von denen mehrere kleine gelbe und mittelgrosse braune Formen sehr häufig sind, während auch der herrliche grosse, gelbe Charawes delphis nicht selten ist. An feuchten Wegstellen, Exkrementen und Flussufern kann man Charazes oft in Menge fangen, doch wird man dort fast nur Männchen erhalten. Die wohl an und für sich auch selteneren Weibchen sind weniger flüchtig und mischen sich nicht in (diese Schwärme, sie müssen daher mühsam aufgesucht werden, was etwas mehr Erfahrung verlangt. Durch die von fast allen übrigen Tagfaltern abweichende Ruhestellung fallen die landkartenartig gestrichelten Cyrestis Arten auf. Sie sitzen nämlich nicht mit zusammengeklappten Flügeln, sondern ganz ausgebreitet wie ein Spanner (Geometride) da, meist auf dem Boden, an feuchten Stellen, seltener anf Blättern. Während in der Ebene Oyrestis nivea niralis* häufig ist, nimmt auf den Bergen, auf dem Gunong Ijau in Perak etwa von 2500 Fuss an, und in Sumatra schon von 1800 bis 2000 Fuss an, unterhalb des Tschinkampasses bis in die Berge des Battakplateaus, eine ganz verschiedene, viel dunklere Art ihre Stelle ein. Diese wurde zuerst von Sumatra als Cyrestis irmae,. später wieder von Staudinger als maenalis var, sumatrensis (sie!) beschrieben. Als ich diese dunkle Form in Perak sammelte, interessierte sie mich ihrer Verbreitung, wegen sehr, und ich hielt sie für neu, da ich sie nicht in Distant’s “ Rhopalocera Malayana ” fand. Als ich dann die ähnliche Form in den Battakbergen fing, fiel mir sofort die dunklere Färbung auf, und ich verglich sie mit Freund Martin mit den Perakstücken. Wir erkannten sie damals als verschieden, aber wir wurden später von Staudinger belehrt, die Form sei eben von ihm beschrieben und die von Perak und Sumatra seien gleich. Da ich mich für diese Schmetterlinge besonders interessiere, salı ich die Serien im Rothschildschen Museum durch und fand nun, dass allerdings die Formen von Sumatra und Perak verschieden sind. Ich benutze daher die Gelegenheit, die noch ohne Namen umherfliegende Form von Perak wie folgt zu beschreiben : Cyrestis irmae martini subsp. nov. Im allgemeinen weniger schwarz als die typische Form von Sumatra. Die schwarze Färbung längs des Costalrandes weniger ausgedehnt, sodass das Weiss bis hart an den Costalrand tritt. Die schwarzen Linien, welche die Flügel querüber * Oyrestis nivoa nivea bewohnt Java, alle) von vorn nach hinten durchziehen, sind merklich schmäler, was namentlich an dem breiten Streifen, der zunächst dem Körper sich befindet, auffällt. Auch die Hinter- flügel haben weniger Schwarz als bei ©. irmae irmae, namentlich fällt die grössere Ausdehnung des dreieckigen weissen Feldes nahe dem oberen Theile des Aussen- randes auf, ebenso die des weissen Feldes längs des Abdominalrandes. Die beiden weissen Linien längs des Aussenrandes sind gröber und stets ununterbrochen und deutlich, bei €. irmae irmae dagegen feiner, oft undeutlich und unterbrochen, auch in der Regel nicht so rein weiss, sondern mehr graulich. Bei beiden Formen sind die Weibchen grösser und lichter. Hab. Berge von Perak, Malakkahalbinsel. Typus in Mus. Tring, Gunong Ijau 2-3000 Fuss, Butler coll., März 1893. Oyrestis irmae irmae &: Cyrestis irmae martini &: Die Synonymie der beiden Formen ist also wie folgt : A. Oyrestis irmae irmae Forbes. Cyrestis irmae Forbes, A Naturalist's Wander. in the E. Archipel. p. 274 (1885) (Palembang Res., Sumatra) ; Waterhouse, Aid II. (1889) Pl. 176, 2. | f Cyrestis Maenalis var. Sumatrensis Stauding., Yxot. Tragf. I (1888) p. 153, ınmı Text (Sumatra). Cyvestis irmae De Nie@ville, Journ. Bombay N. H. Soc. 1891 p. 358 (detailed deseription) ; De Nice- ville & Martin, Journ. As. Soc, Beng. LXTV (2) p- 430. 1 N ‚ (R'arhas' >, al: oa vv Hab. Berge von Sumatra: Hoedjong in Palembang (Forbes), Battakberge von kaum 2000 Fuss bis zum Plateau (Martin, Paul Staudinger, Hartert eoll.), Fort de Kock (in Mus. Tring), Loeboeh Rajah in W. Sumatra (Erickson coll.). B. Oyrestis irmae martini Hart. Cyrestis irmae (partim) De Nieeville, Journ. Bombay N. I. Soc. 1891 pp- 358, 360 (speeimens coll, by Wray in the Perak Hills) ; De Nie£ville & Martin, Journ. As. Soc. Beng. LXIV (2) p: 430 (partim—Perak). Hab. Gunong ]jau in Perak, 2800-4500 Fuss, uud wahrscheinlich auch viele N) andre hohe Berge in der Malakkahkalbinsel (Wray, Doherty, Hartert, Curtis, Butler coll.). Die Art ist nach meinem liebenswürdigen Freunde, dem Entomologen Hofrath Dr. L. Martin, in dessen gastfreiem Hause ich zweimal unvergessliche Wochen verlebte, benannt. Sehr häufig sind auch einige Pieriden, namentlich in den Ebenen die grosse, an einen gewaldigen Aurorafalter (Pieris cardamines) erinnernde Hebomoia glaneippe die überaus zahlreichen gelben Terias Arten, die etwas selteneren Catopsilien und Dercas, auf den Bergen die schönen und seltenen Delias. Am frühen Morgen trifft man auf den Wegen auch manche Arten der tag- fliegenden Agaristiden und Chalcosiden, von denen nur ein Theil in den heisseren Tagesstunden munter ist. Im allgemeinen ist der Artenreichthum in den höhergelegenen Bergwäldern geringer, als in den heissen Thalwäldern, aber die Arten der Thäler sind mehr oder minder weit verbreitet, während in den Bergwäldern stark localisierte, z. Theil bisher nur vom Gunong Ijau bekaunte Formen vorkommen. Ich war sehr bestrebt, auch Nachtschmetterlinge zu sammelu, wohl wissend, dass sich unter ihnen noch viele unbekannte Formen befinden mussten. Abend für Abend stellte ich meine Lampe an das offene Fenster, aber in den prachtvollen, mon«dhellen Nächten kanı fast nichts zugeflogen. Da zog eines Abends ein dichter, feuchter Nebel aus dem Thale herauf, den ganzen Berg wie mit einem weissen Mantel umhüllend. Wie durch ein Wunder kamen fast mit dem Nebel zugleich einzelne, dann viele Dutzende von Nachtfaltern aller Grössen in das erleuchtete Zimmer. Meine einzigen beiden Tödtungsgläser genügten nicht und ich konnte nur einen Theil der Aukömmlinuge fanzen, da ich keinerlei Hülfe hatte, und doch fing ich in kurzer Zeit weit über hundert Stück. Mein sonst —namentlich auch als Koch—sehr brauchbarer Diener schlief einen derartig todtenähnlichen Schlaf, dass ich ihn auf keine Weise zur Hilfe heranziehen konnte. Er musste heimlich Spirituosen oder Opium getrunken haben. Der Mann war ein katholischer Christ aus Goa, und fühlte sich als solcher vollauf berechtigt zu trinken, indem er mit Bedauern auf die dieses Genusses entbehrenden Mohamedaner herabsah. Da er sich stets im allerungelegensten Augenblicke betrank und dann mit andern Dienern und Eingeborenen Streit zu bekommen pflegte, musste ich ihn eutlassen und einen baumlangen Moslem miethen, der durchaus zuverlässig und treu war, aber im Kochen und sonstigen nützlichen Arbeiten, auch im Schmetterlingsfangen, dem Trinker leider weit nachstand. Ein vielstimmiges Cicadenkonzert erfüllte am Gunong Ijau die Luft in den Abendstunden an heissen Tagen in betäubender Weise. Während einige der Cicaden zirpen und leise schnarren, haben andre unglaublich laute, scharfe Pfeiftöne, deren einzelne Noten oft so lange anhalten, dass man sie kaum für den Ton eines Insekts halten kann. Am merkwürdigsten von allen aber ist eine, deren quäkendes Geschrei genau wie das allen Eltern nur zu bekannte Getön einer lauten Kindertrompete klingt. Leider gelang es mir nicht, dieses Musikanten habhaft zu werden. Es ist das auch sehr schwierig, denn am Tage singen die meisten Cicaden nicht, und es ist kaum möglich, sie aus den hohen Baumwipfeln zur Nachtzeit herabzuholen. Ebensowenig erbeutete ich eine Froschart, die in einem kleinen, über bemooste lelsblöcke rieselnden Bache lebte, und ein tiefes Stöhnen von sich gab, das mich zuerst recht erschreckte, da es genau klang wie das schmerzliche Seufzen eines leidenden Menschen. (213) Auch Schmetterlinge giebt es, die Töne hervorbringen. Mehrere grosse Hesperiden-Arten bringen beim Aufliegen einen an den Klang kleiner Castagnetten erinnernden Ton hervor. Eine Noetnide mit schön selbrotlien, ringsum gran bestäubten Vorderflügeln mit 2 schwärzlichen Querstreifen, mit gelbrothen Hinter- flügeln und ebensolcher Körperbefiederung bringt einen sehr deutlichen sanft zirpenden Ton hervor. Ich war bemüht, verschiedene Theile von Perak kennen zu lernen, aber ich heeine den nur allzu gewöhnlichen Fehler so vieler Reisenden, indem ich zu viel umherzog. Es wäre viel weiser gewesen, wenn ich möglichst lange an einem einstigen Orte, etwa am Gunong Ijau, geblieben wäre, aber es war auch nicht immer möglich, die Häuser ohne Störung lange zu bewohnen und ein Zelt hatte ich damals nicht, Ich setzte viel Hoffnung auf das Innere, da ich aber dort keine grossen Höhen erreichen konnte—die gründliche Erforschung der hohen Berge im Osten und Norden von Perak steht heute noch aus— wurde ich etwas enttäuscht nnd sah meinen Irrthum zu spät ein. Von Port Weld aus führt eine vortreflliche kleine Eisenbahn nach Thaiping, der eigentlichen Hauptstadt, wo sich eine Bank, ein naturwissenschaftliches Museum. ein Hötel, ein hübscher Club und andre Errungenschaften der Civilisation befinden, Der nominelle Herrscher von Perak, der Sultan, wohnt in Kwala Kangsar, wo auch der britische Resident den grössten Theil des Jahres zubringt. Ein Franzose unterhielt eine Postkutsche, die täglich von Thaiping nach Kwala Kangsar fuhr und die Postsachen und Passagiere beförderte. Der Weg nach Kwala Kangsar führt anfangs durch eine weite fruchtbare Ebene, in der ausgedehnte “sawas,” d. h. nasse Reisfelder, mit Gruppen von Durian und anderen Fruchtbäumen abweehseln. Unter den Bänmen stehen ruhig und friedlich die einfachen Atap-Hütten der Malaien, aus den sawas und Wasser- lachen erheben (lie riesigen “ Kerbaus,” die fast haarlosen Wasserbüffel, ihre Köpfe mit den gewaltigen Hörnern und tückisch blickenden kleinen Augen. Der Weg eleicht in seiner Vortreflichkeit den besten C'hansseen Deutschlands. Grandios wird die Landschaft wo die Strasse in den ersten der parallelen Bergzüge der Halbinsel eintritt. Die Hänge sind auch hente noch mit hohem Walde beileckt, der allerdings schon vielfach gefallen ist und Theeplantagen Raum gemacht hat. Wo die Strasse ansteigt liess der “ Baas,” d. h. der französische Rosselenker, die Eingeborenen anssteigen, was er meist erst durch eine Fluth von Schimpfworten in mindestens drei Sprachen erreichte, und etwa eine Viertelstunde nebenher laufen, bis die Höhe erreicht war. Von da ab ging es dann in fröhlichem Trabe durch den Pass von Kwala Kangsar in malerischen Windungen zu Thal, und plötzlich öffnet sich der Blick auf den raxenden Kalksteinfelsen Gunong Pondok, der mit seinen grotesken Formen, seinen weissen, höhlenreichen Marmorwänden und riesigen Stalaktiten in grandioser Pracht aus dem ewigen Grün emporsteigt. In der Nähe liegt das schmutzige Dörfechen Padang Ringas, von wo der Weg «dann wieder durch eine Ebene führt, die der bei Thaiping «leicht, nur etwas mehr 3usch und Wald zeigt. Diese Postfahrt ist gleich schön bei Nacht wie bei Tage. Während die bunten Vögel und Schmetterlinge und die flüchtigen Affenschaaren, zumal im Pass von Kwala Kangsar, die prächtigen Baumformen und das tiefe, satte Grün dden Reisenden am Tage entzücken, ist die Fahrt bei Nacht fast noch schöner. Im Allgemeinen herrscht tiefe Stille, nur hier und da wird ein henlender Eulenruf oder das glockenähnliche helle Klingen einer Nachtschwalbe (Caprimulgus (214) merurus) laut, nur hier und da tönt das dumpfe Schlagen eines Tamtams und das Geklapper hölzerner Trommeln aus einem Dorfe herüber. Das blauschwarze Himmelsdach mit seinem zahllosen Sternenheer spannt sich majestätisch über die Erde, aus der warme Dünste in die lieblich kühle Nachtluft emporsteigen. l.euchtkäfer huschen von Busch zu Busch, und einzelne Dörfer und Häuser sind, phantastich von flackerndem Feuerschein beleuchtet— plötzlich aber an einer Biegung des Weges sieht man sich aus allen Träumereien, zu denen die tropische Nacht so gern verleitet, gerissen, denn man erblickt europäische Strassenlaternen mit Petroleum und wird von einem bärtigen bengalischen Krieger mit vorgestrecktem Gewehr angerufen. Das ist der Anfang des Städtechens Kwala Kangsar. Von Kwala Kangsar aus wanderte ich zu Fuss in den Kintadistrikt, während mein Gepäck auf dem Flusse befördert wurde. Grosse Schwierigkeiten machte der Transport meiner Sachen im Innern des Kintadistriktes, besonders von Batu Gadja nach Gopeng. Fuhrwerk war nicht zu bekommen und Niemand wollte freiwillig tragen. Früher war es üblich gewesen, dass Träger gewaltsam gepresst wurden, aber der humane Resident hatte dies auf das Strengste verboten. Als ich schon ganz verzweifelte, überhaupt mit meinen Kisten und Sammlungen nach Kinta zu kommen, bot sich mir unter der Hand ein bengalischer Unterofhzier der Polizeitruppe an, Träger zu besorgen. Wie ich nachher erfuhr, presste er sie ohne Wissen seiner Vorgesetzten mit Gewalt unter Androhung furchtbarer Strafen, und im Walde musste ich mit dem Revolver zum Weitergehen drohen, bis die Leute fast die Mitte des Weges erreicht hatten, von wo an sie sehr verenügt und froh des ihnen versprochenen hohen Lohnes weiter- eingen. In Kinta hatte ich bald die Freude, den prächtigsten aller Schmetterlinge, die schon oben erwähnte Ornithoptera brookiana in Anzahl zu fangen. Man musste sich förmlich auf den Anstand nach derselben stellen, und der Fang glich einer interessanten Jagd. Obwohl entomologisch ausserordentlich reich—ich fand u. a. eine mir vorher nur einzeln auf Wegen laufend vorgekommene Mormolyce* in Anzahl an der Unterseite grosser Baumschwämme sitzend und manche andre interessante Form— war der von mir besuchte Theil des Kintadistriktes ornithologisch nicht so interessant wie der Gunong Ijau. Ich blieb daher nicht so lange dort, wie ich eigentlich sewollt hatte. Statt der schwierigen und unbequemen Rückreise zu Fuss mit den kaum zu bekommeden Trägern wählte ich den längeren und kostspieligeren, aber viel angenehmeren Wasserweg. In 24 stündiger Fahrt brachte mich eine freilich schr holpernde Büffelkarre auf miserablem Wege nach Kota Baru, wo ich eine Prau miethete. Bei tropisch hellem Mondschein fuhr ich dann den Strom hinunter, der bald träge und ruhig fliesst, bald mit stromschnellenartiger Geschwindigkeit dahin schiesst. Unmöglich kann man sich etwas mehr malerisches denken, als diese Nacht. Die schlanken braunen Bootslente spähten mit adlerscharfem Blick die bald tief schwarze, bald vom glänzenden Mondlichte getroffene Fläche entlang, oft hart an Felsen vorbei glitt das Boot sicher dahin, Berge, Wälder und kleine Fischer- dörfer zogen im nächtlichen Schweigen vorüber. Es war zu schön, zu traumhaft um zu schlafen, aber als es zu tagen begann war es bitter kalt. Von dem kleinen Orte Telok-Anson brachte ein Dampfer mich über Penang nach Port Weld zurück. In Thaiping machte ich sehr interessante Bekanntschaften. In Mr. Wray, dem Curator des Perak Museums lernte ich einen vielseitig kenntnissreichen Maun * Der “Gespenstlaufkäfer” mit ganz blattartig flachem Körper, langgestrecktem Kopfe und blatt- förmig erweiterten Flügeldecken, (215 ) kennen, der ja auch durch seine herrlichen ornithologischen Entdeekungen—ich erinnere an die ihm zu Ehren benannte Aethopyga vwrayi, Aleippe peracensis, Trochalopterum peninsulae—bekannt ist. Das Museum war in trefHicher Ordnung und veranschaulichte schon damals die Flora und Fauna des Staates Perak in musterhafter Weise. Schade schien es mir nur zu sein, dass das reiche dort vor- handene Material doch verhältnissmässig wenig wissenschaftlich ausgebeutet wnrde. Auch schienen die Europäer im allgemeinen in Perak nicht allzu viel Interesse für das Museum zu haben. Wenn ich dort war sah ich höchstens einige herumbum- melnde Chinesen in den Museumssälen. Von Bedentung war für mich die Begegnung mit dem berühmten Reisenden und Entomologen William Doherty aus Uineinnati. Es war wohl kein Wunder, dass ich mich zu diesem hochgebildeten Forscher, der schon damals fast ganz Asien südlich des Himalaya von Kleinasien und Persien bis Birmah, Java, Borneo und Sumba bereist hatte, hingezogen fühlte. Wir schlossen rasch Freundschaft und verabredeten eine gemeinschaftliche Reise in den Himalaya. An dem Gunong Pondok befinden sich mehrere Höhlen, deren grösste, von den Eingeborenen Gowa genannt, von unzähligen Fledermänsen bewohnt wird. Von Padang Ringas kann man diese Höhle in zwanzig Minuten erreichen, aber der grösste Theil des Weges ist eine Kletterei an beinahe senkrechten Felswänden, was nach einem Regen wegen der Sehlüpfrigkeit des Kalksteins nicht ganz un- gefährlich ist. Schon etwa hundert Fuss unterhalb der Höhle bemerkt man den penetranten Geruch, der auffallend an einen “ Affenkasten ” in einer schmutzigen Menagerie erinnert. Weiterkletternd steht man plötzlich vor dem Eingang einer geräumigen Höhle. Eine Blendlaterne und die Dammarharzfackeln der Führer werden angezündet und hinab geht es in den tiefen Schlund. Alsbald beginnt es sich an der Decke zu regen, es quiekt und schwirrt, dunkle Fledermausgestalten huschen hin und wieder—jetzt leuchtet der helle Strahl hinein in den dunklen Schacht : da rauscht es fast betänbend auf und zu hunderten flattern die gestörten Thiere heran, sodass man unwillkürlich das Gesicht mit dem linken Arm bedeckt, und mit dem rechten den Spazierstock schwingt. Alsbald hat man einige der unglücklichen Thiere zu Boden gestreckt, graue Hufeisennasen mit wunderlichem, wülstigen Gesichte und maulwurfsartig kleinen Angen. Der Boden ist holprig und hoch, in den Vertiefungen auf mehrere Meter hin mit dem Kotlı der Fledermäuse bedeckt. Man sinkt über die Knöchel hinein und kann den Stock bis an die Handhabe hineinstossen. Wie viele Jahrtausende mag der Koth sich hier schon angesammelt haben! Der Geruch wird furchtbar, dabei ist es ausserordentlich schwül. Die hohen Wölbungen, die zackigen tiefschwarzen Wände, die langen Stalaktiten, aus denen es langsam und stetig herabtropft, der dunkelgraue unebene Boden, die mit betänbendem Rauschen geisterhaft hin und her fliegenden Flughäuter — alles zusammen macht einen wunderbaren Eindruck. Die Höhle dürfte wohl 300 Meter lang sein und macht hinter ihrer Mitte eine Biegung. Ueberall giebt es Fledermäuse, in einer kleinen Seitenhöhle aber fand ich nicht die graue Hufeisennase, sondern eine fruchtfressende Art in Menge. In so dichten Schaaren strömten sie daraus hervor, dass sie mir zu Dutzenden gegen den Körper taumelten. Dieselbe Art schoss ich auch am Eingange der Höhle. In einer ganz kleinen Nebengrotte erbeutete ich eine dritte Form, eine grosse schön gelb behaarte Hufeisennase, die sonst der grauen zuerst erbeuteten sehr ähnlich sah. Die Leiber der Thiere waren zum Theil dicht mit Läusen bedeckt. Am Eingange der Grotte sah ich einige Salanganennester, die aber unerreichbar waren, (216 ) Im Kintadistrikte sah ich mitten im Walde, mitten in der granitischen Umgebung, steile Kalksteinfelsen mit Höhlen und Zacken. In den kleineren Höhlen nistete die schöne /Rrundo badia, deren geschlossene Erdnester eine Art von Vorhalle haben. Im Sultanat Kedah soll sich ein hoher Kalkberg mit vielen, zum Theil sehr anseedehnten Höhlen befinden. Der penetrante Geruch der Fledermanshöhle war schwer zu beseitigen. Kleider, Schuhe, nnd der Körper selbst mussten alsbald in den klaren Bach, der hinter Lady Weld’s Bungalow, wo ich wohnte, vorbeifloss. ° Dieser Bach war überhaupt eine entzückende Badestelle, er brachte Kühlung an heissen Tagen, lieferte Triuk- und Waschwasser und an seinen Ufern wimmelte es an sonnigen Tagen von farbenprächtigen Faltern. Hier war überhaupt das denkbar schönste Sammel- gebiet, aber die Unwegsamkeit der Wälder war hinderlich und der Platz galt leider wohl mit Recht für sehr ungesund. Uebrigens ist der Fledermaus-gnano (Tahi Klawer der Malaien) ein enter, ziemlich feuriger Dünger. Eine Eigenthümliehkeit des Kinta-Distriktes sind die zahlreichen warmen (Quellen. Einen solchen “ Suneei hanskat” besuchte ich von Kinta aus. Der Weg führte auf guten Strassen über den breiten Strom “ Sungei radjah ” durch das Dorf Singerä, vorbei am Hause des Fürsten Datu Domba, nach dem Kampong Tandjong, von dort auf schmalen Waldwesen zwischen malerisch zerklüfteten, höhlenreichen Kalksteinbergen dahin, und zuletzt durch ein ausgedehntes, in chinesischen Händen hefindliches Zinnminenwerk hindurch. In einem kleinen Thale sprudelt dort etwa 50° bis 60° Celsius heisses Wasser theils aus sumpfigem Boden, theils aus einem Felsloche heraus, und bildet dann einen grossen, lauwarmen, sumpfigen Teich. Das Wasser roch merklich nach Schwefelwasserstoffgas und hatte einen bitteren, fanligen Geschmack. Die Eimgeborenen behaupten, es heile -rheumatische und andere Leiden, und dass Elefanten, Nashörner und andre Thiere die heissen Quellen oft besuchten. Von letzterem konnte ich bei dem von mir besuchten warmen Teiche nichts bemerken, sah auch keinerlei Spuren davon. Nach Herrn L. Wray hat sich die westliche Küstenlinie von Perak, wie ans einer tiefen Bohrung zweifellos hervorgeht, in verhältnissmässig nener Zeit um mehr als hundert Fuss gesenkt. Wenn diese Beobachtung feststeht, so muss die Malakka- strasse früher viel schmäler nnd flacher gewesen sein. Dies würde die grosse faunistische Uebereinstimmung des östlichen Flachlandes von Sumatra mit den Ebenen der Malakkahalbinsel erklären. Merkwürdig ist jedoch, dass die malaiische Tradition behanptet, dass einige Hügel nahe der Mündung des Perakflusses früher von Meer umgebene Inseln gewesen seien. Dies scheint sehr plausibel zu sein, denn der Detritus des Flusses im Verein mit dem stetig wachsenden Mangrovenwalde könnten leicht und rasch die zwischenliegenden Thäler ausgefüllt haben. Das Mündungsgebiet des Perakstromes besteht so wie so meist aus mit Mangrove, Nipapalmen und andern Seewasser- pflanzen bestandenen Brackschlammsümpfen. Stets werde ich mit hohem Vergnügen auf meinen zweimaligen Anfenthalt in dem grandiosen Perak zurückblicken. Dem wissenschaftlich gebildeten Residenten und vielen andern englischen Kolonisten—nur einen Mann von deutscher Abkunft traf ich, der natürlich auch sehr freundlich war—der Sammler Künstler lebte nicht mehr—bin ich sehr zu Dank verpflichtet für das überall gezeigte liebenswürdige Entgesenkommen. Gan? besonders lernte ich die vortrefllichen Wegebauten schätzen, die in grossem Gegensatze standen zu denen von Deli, wo die Regierung ( 217 ) sich um nichts dergleichen kümmerte. Ueberhanpt war die Ordnung in diesem musterhaften englischen Schutzstaate ausgezeichnet. Die Natur bietet kaum irgendwo dem Sammler und Beobachter eine reichere Fülle dar. Das Klima von Perak ist tropisch heiss, und daher nicht frei von Fieber und Dysenterie, ste:t aber im allgemeinen nicht in schlechtem, sondern in gutem Rufe. Auf dem Gunong Ijau und andern Bergen ist es herrlich kühl, nachts oft empfindlich kalt. Auch in der Ebene sind die Nächte meist etwas kühler. Eine bestimmte, scharf begrenzte Regenzeit scheint nicht zu bestehen, d. h. es regnet in allen Monaten. Nach Wray sind die Monate September bis December in der Regel am recenreichsten, Februar, März, Juni und Juli am trockensten. Ich kann indessen versichern, dass ich im Juni und Juli bei im alleemeinen wundervollem Wetter viele heftice Gewitter erlebt habe. LITTERATUR ÜBER PERAK. 1. 2. Wray jun.: Notes on Perak, with a Sketch of its Vegetable, Animal and Mineral Products. (Compilel by order ofthe Perak Government, to accompany the exhibits sent by the State of Perak to the Colonial and Indian Exhibition, 1586.) (Enthält viele interessante Mittheilungen.) 2,3. WM. E. Maxwell: The History of Perak from Native Sonrces, and The Dutch in Perak. 4. I 1. Swettenham : Some Acconnt of the Independent Native States. (Die letztgenannten drei Schriften habe ich nur in Penang und Perak in Händen gehabt, später nicht mehr zu sehen bekommen.) 5. Distant: NRhopalocera Malayana. London and Penang 1882-86. (Mit 46 ausgezeichneten Farbentafeln. Bine unentbehrliche Grundlage für das Studium der Schmetterlinge der Malakkahalbinsel.) 6. Kelham: Ormithological Notes made in the Straits Settlements and in the Western States ofthe Malay Peninsula. In /d/s, 1881. 7,8,9. R. D. Sharpe : On Birds colleeted by Mr. L. Wray in Perak. In the Proceedings of the Zoological Society of London, 1S86, 1587, 1588. 10. 2. Hartert: Zur Ormithologie von Perak. In Journal für Ornithologie, 1589, pp. 379-407. Hl. %. Hartert and A. L. Butler: Notes on Birds from Perak. In NovirArEs Z90LOGICAR V. (1S9S) pp. 06-5 (ef. auch Bull. B. Orn. Club VIL p. 50). V. KAPITEL. INDIEN. In Penang traf ich Ende Juli mit William Doherty zusammen, und gemeinsam machten wir die Fahrt dureh die Bai von Bengalen, vorbei an dem vulkanischen, ranchenden Barren Island und dem dieht bewaldeten, wolkenragenden Peak von Narecondam, der alleinigen Heimath des kleinen Nashornvogels Alhytidoceros narcondami. Da lag es mun vor uns, das an historischen Erinnerungen so reiche nnd sarennmwebte Land. Aber der erste Anblick ist nicht vielversprechenl—Naugor, (218 ) eine flache, mit‘ Büschen, niedrigen, schlammbedeckten Bäumen und Gras bewachsene Insel, an der früher gewöhnlich die Leichen frommer Hindus strandeten und die daher von Tigern wimmelte ; dann die trübe, graugelbliche, schlammige Wassermasse des weiten Hugli, die nur manchmal durch die mächtig hinaufrollende Fluthwelle in Aufruhr gebracht wird ; dieselbe läuft infolge der Verengerung des Flussbettes gewaltig auf, sodass sie zuweilen eine Höhe von 25-30 Fuss erreicht und den Booten ein Schrecken wird. Die Ufer sind flach und uninteressant, Möwen und Seeschwalben beleben den Strom, wie man sie ähnlich allerorten an den Flussläufen sieht. Die tiefen, durch Deiche geschützten Sunderbuns, wie das Delta heisst, liefern Heu und Reis und haben viele Ziegeleien, sind aber auch auf grosse Strecken hin mit diehtem Gebüsch und hohem Grase bedeckt, in denen Tiger und Rhinoceros häufig sind. Eine unglaubliche Menge von Bekassinen, und zwar Gallinago stenura und Gallinago gallinago bietet zur Herbst- und Winterzeit für einen geübten Flugschützen eine herrliche Jagdgegelenheit. Langsam passierten wir eine quer über den Strom laufende Untiefe, auf der zahlreiche Unglücksfälle stattgefunden haben. Das furchtbarste war der Verlust zweier gewaltiger Seedampfer, der Ethel und Agamemnon, die während des abyssinischen Feldzuges der Engländer hier aufliefen und angeblich binnen zehn Minuten bis an ihre obersten Raaen verschwanden. Der Boden der Untiefe soll triebsandartig seine Opfer gleichsam in sich hineinsaugen. Die Scelente nennen die gefürchtete Sandbank “ James and Mary,” nach zwei angeblich dort versunkenen Schiflen : das ist aber eine Fabel, denn “ James and Mary” ist lediglich Verdrehung des indischen “ juma mari,” d. h. des Zusammentreffens der Gewässer. Weiter stromaufwärts wird es interessanter, die zudringlichen Weihen (Milzus govinda) die in Caleutta so überaus zahlreich sind, Krähen (Corvus splendens) und andere Landvögel beginnen sich zu zeigen, und die ersteren lassen sich auf den Raaen des Dampfers nieder. Näher der Stadt wird es schön. Kurz vor dem Hafen liegt auf dem rechten Ufer der ausgedehnte botanische Garten, auf dem linken der Palast des Königs von Oudh, der seines Thrones entsetzt hier viele Jahre gleichsam in der Verbannung lebte und sich unter anderem damit unterhielt, einen an Seltenheiten und Prachtexemplaren reichen zoologischen Garten zu unterhalten, der nach seinem Tode verauktioniert wurde. Sobald wir im Hafen von Caleutta angekommen waren empfingen uns die weniger angenehmen Zugaben der “Civilisation,” in Gestalt der zoliamtlieben Durchsuchung des Gepäcks, der Waffeneinfuhrstener und der Wohnungsfrage. In Bezug auf die letztere waren wir vom Glücke begünstigt, denn wir fanden ganz nahe am grossen indischen Museum, in einer Seitenstrasse der grossen, freien Chowringhee Road, ein kleines, ruhiges, sauberes Boarding-house, wo wir fast wie in einer Familie lebten, unser zahlreiches Gepäck unterbringen konnten, und erheblich ungestörter, freier und billiger, als in einem grossen luxuriösen Hotel (die kleinen sind in Caleutta nicht empfehlenswerth) lebten. Ein besondrer Zufall wollte es, dass hier noch ein andrer Ornithologe wohnte, mein späterer Freund E. C'. Stuart S. Baker, der nunmehr rühmlichst bekannte Erforscher und Oologe der Berge von Cachar. Noch heute bedauere ich, dass ich seiner Aufforderung, ihn in Cachar zu besuchen, nicht Folge leistete. Auch sonst war der Aufenthalt in der Riesenstadt Caleutta für mich, der ich zum ersten Male dort war, unendlich interessant. Die grossen Bazaars mit ihrem vielgestaltigen Völkergemisch, und das ganze Leben der Indier, die Abendpromenaden der weissen Welt bei den Konzerten in dem Eden Garden, wo (219 ) trotz. des Gewimmels und des Schmetterns der Militärmusik viele hunderte von riesigen Fruchtfledermäusen, den sogenannten fliegenden Füchsen, die Fruchtbäume plünderten, die Polo-Spiele auf dem Maidan—alles das fesselte mich nicht wenig. Im reichen, schön eingerichteten Museum wurde ich auf das liebenswürdigste empfangen von dem Direktor, dem nun verstorbenen, wissensreichen, vielgereisten Dr. Wood-Mason. Daselbst machte ich ferner die Bekanntschaft von Willy Sclater, dem jetzigen Direktor des Kapstadtmuseums, von dem berühmten Lepidopterologen de Nieeville, und anderen Zoologen. Im Museum bereicherte ich meine Kenntnisse auf ornithologischem und lepidopterologischem Gebiete. Am zoologischen Garten, der prachtvoll gehalten war, wohnte damals noch der sogenannte Vater des Gartens, ein deutscher Grosskaufmann der Indigobranche Namens Schiller, der mir ein überaus lehrreicher Führer war und der fast jedes Thier gezähmt hatte. Grosser Liebenswürdiekeit erfreute ich mich auch von Seiten Herrn Gerlichs, des grossgeistigen Generalkonsuls des Deutschen Reiches, in dessen Hause ich später auch den damals sehr bekannten Feuilletonisten und Reisenden Hugo Zöller antraf. Mit letzterem machte ich mehrere kleine Touren durch die Stadt. Ein grosser Genuss war auch der Besuch des botanischen Gartens mit seinen herrlichen Baumgruppen, vor allem dem weltberühmten heiligen Feigenbaum mit (damals) 132 Luftwurzeln, einem Durchmesser von 132 zu 120 Schritten, bei einem Stammumfang von 42 Fuss, und einer Krone von 850 Fuss Umfang. Eine grosse Enttäuschung aber wurde uns zu Theil. Unser Plan von Darjiling aus das Hochgebirge, womöglich bis nach Thibet hinein zu erforschen, wurde durch den eben ausgebrochenen Sikkimkrieg von 1858 unmöglich gemacht. Wir beschlossen daher Ober-Assam und die Patkai Hügel südlich des Brahmaputra zu besuchen. Der Ankauf von einem Zelt, Munition, und allerhand andern Ausrüstungsgegenständen, sowie von einigen Lebensmitteln, nahm einige Zeit in Anspruch, wozu noch die schwüle Sommerhitze kam. Hier bekam ich auch meinen ersten Fieberanfall, nachdem ich fast ein Jahr in den Tropen gewesen war. Er fesselte mich 3 Tage an das Haus, hatte aber sonst keine Folgen und blieb das einzige Fieber, das ich je im Orient hatte. Ob ich es von Perak mitgebracht oder mir in Caleutta zugezogen—was mir wahrscheinlicher—vermochte ich nicht festzustellen. Uebrigens ist die feuchte Hitze in Caleutta wirklich aufreibend. Ich empfand sie indem Häusermeer noch mehr als in dem treibhausartigen Sumatra, wo doch wenigstens mehr Ozon war. Wie der ganze Orient, so ist auch Calentta der scharfen Gegensätze voll. Die an den m-hr als eine halbe deutsche Meile grossen Platz, den Maidan, angrenzenden Gebäude sind theilweise von palastartiger Pracht und die nahen enropäischen Stadtviertel scheinen den Namen “ Stadt der Paläste ” für Caleutta zu rechtfertigen. Aber man braucht nur nach Norden oder Osten in die Strassen der Eingeborenen einzudringen, so wird das Bild wesentlich anders. Es sind meist niedrige Gebäude, oft nur Hütten zu nennen, in denen eng zusammen eine bunte Bevölkerung haust. Das Leben in den Geschäftsstrassen ist aber ein sehr reges, und wohl verlohnt es sich die “ Bazaars,” d. h. die Handelsstrassen des Volkes zu durchstreifen, obschon die Luft daselbst nicht immer zum besten ist. Von europäischen Erzeugnissen ist in Caleutta so ziemlich alles zu haben, namentlich imponierte mir aber ein Waffen- und Munitionsgeschäft und eine ausgezeichnete Buchhandlung. Als ein vielleicht unbedeutendes, aber für Reisende nicht un- ( 220 ) wichtiges Industrieerzeueniss erwähne ich die “ Bisenits,” oder wie wir sagen “ Shiffszwieback,” die in Europa wohl nirgend in solcher Vortrefllichkeit und Vielseitiekeit und dabei nicht so billig hergestellt werden, wenigstens habe ich auf keinem Schiffe so gute gesehen. Wir versahen uns mit einer Quantität für die Reise nach Assam. Da Calentta erst unter britischer Herrschaft zu einer Weltstadt herangewachsen ist, hat es keine alten monumentalen Tempelbanten, weder der Moslems noch der Hindus. Interessant ist es jedoch in der grossen Moschee Ghulam Mohameds zur Gebetstunde die Menge der Frommen zu Allah beten zu sehen. Für den Neuling in Indien ist auch der Besuch einiger Hindutempel anziehend genug, da er einiges von dem eigenartigen, uns so fremden (ultus zeiet. Der grosse Rammathtempel ist wegen der wunderliehen Mischung seiner Banstile bemerkenswerth. Der im Süden gelegene Tempel der Todesgöttin Kali ist der abentenerlichste. Nur vom Eingange her durfte ich das schenssliche Bild der Götzin sehen, dessen Kopf ein Drittel der ganzen Grösse einnimmt. Die vier Arme triefen von Blut und zwei halten je ein Messer und einen abeeschnittenen Menschenkopf. An dem stereotypen, schmutzstarrenden, mit Kuhdünger und Asche besehmierten Fakir am Bingange fehlte es auch nicht. Nicht wenig interessierte mich das Vorelleben inmitten der Stadt, namentlich die überaus zahlreichen Milane (Milous gorinda). Man sieht sie überall und sie brüten zu Tausenden auf und an den Häusern und anf Strassenbäumen. Nie sind so frech, dass sie auf den Schiffen im Hafen und anf den offenen Balkons einiger Häuser in unbewachten Augenblicken Fleisch und Brot von den gedeckten Tischen stehlen. Hier in Caleutta war es, wo ich zuerst darauf aufmerksam wurde, dass (diese und andre Raubvögel im gewöhnlichen Fluge die Beine nach hinten ausgestreckt tragen, nicht im Fersengelenke angewinkelt, dass also die Fänge in den Unterschwanzdecken mehr oder minder verborgen sind. Als ich dies zuerst in der Deutschen Ornithologischen (Gesellschaft bekannt machte, wurde diese Beobachtung als eine ganz ansser- ordentliche betrachtet. Es stellte sich aber bald herans, dass es die allgemeine Beinhaltung aller Raubvögel sei, die nnr gelegentlichen Ausnahmen unterliegt. Namentlich in dem- an guten Beobachtern so reichen England fand meine Mittheilung sehr bald Zustimmung, so z. B. von Seiten der Falkner. Es hat sieh über die Frage der Beinhaltung der Raubvögel eine ganze Litteratur entwickelt, die namentlich im Journal für Ornithologie, den ornithologischen Monatsberichten und im /bös zu finden ist. Nächst den Milanen fesselten mich die hübschen Meinahs (Aecridotheres tristis), und die kleine indische Krähe, Coreus splendens. Diese Krähen sind unglaublich frech. Ihr Geschrei wird oft genug lästig, und Theile des prachtvollen Eden-Gardens, in denen sie zu Tausenden schlafen, gleichen eher dem Vorhofe der Hölle als dem Paradiese, wenn die Krähen Abends zu Rüste gehen. Zahlreich sind auch die indischen Sperlinge, Passer domestieus indieus, die von der nordenropäischen Form nur durch etwas lebhaftere Farben, namentlich reiner weisse Backen, und etwas geringere Grösse zu unterscheiden sind. In der Nähe des Fleischmarktes sieht man immer Geier, Psendogyps bengalensis, und auf dem Thore vor dem viceköniglichen Palast erblickt man den Itiesenstorch, Leptoptilus argala, unbeweglich ruhend, als sei er selbst eine Statue, wie der Löwe, den er sich zum Sitze auserkoren, nnd den er von Zeit zu Zeit mit weisser Farbe übertüncht. Von der ungeheneren Ausdehnung von Calentta macht man sieh schwer einen (BBi) Begriff. Die Einwohnerzahl ist nur etwa 850,000 aber von diesen Menschen wohrit die Mehrzahl in niedrigen Hütten, anstatt wie in Europa in himmelragenden Etagenhäusern. Die Schiffahrt ist gewaltig, denn Indien hat verhältnissmässig wenig gute Häfen und Caleutta monopolisiert den Handel der ganzen Stromgebiete des Ganges und des Brahmaputra. Eine unvermeidliche Folge davon ist das Zusammenkommen eines Matrosengemisches in den Hafenvierteln, wie es nirgend schlimmer gefunden werden kann, obwohl ja jede grosse Hafenstadt darin der andern ähnelt. Das wüste Treiben in einer solchen Hafenkneipe schildert Rudyard Kipling in seiner ergreifenden Ballade von Fisher's Bearding-house in grellen, aber ausserordentlich treffenden Farben. Caleutta ist eine englische Gründung. Im Jahre 1686 wurde der Ort von englischen Kaufleuten gegründet, und 1689 wurde ihnen der Platz zur Erbauung einer befestigten Faktorei vom Grossmochul überwiesen. Die Engländer waren die dritte europäische Nation, die in Indien Fuss fasste. Zuerst hatten die damals meerbeherrschenden Portugiesen ein grosses Kolonialreich, namentlich an den Küsten Südindiens, gegründet. Ihre Herrschaft aber war brutal und unklug. Es waren nicht Kaufleute und Pflanzer, sondern Ritter, Soldaten und zelotische Priester, die das Gros jener Kolonisten bildeten. Die eingeborenen Herrscher und Völker mit einer uralten, von der der Europäer freilich sehr ver- schiedenen Kultur und Litteratur galten ihnen nichts. Sie eroberten sich das Land und zwangen den unglücklichen * Wilden ” mit Feuer und Schwert ihre für den Kulturzustand und die Denkweise der Indier keineswegs gemachte Religion auf. Sie waren also die Feinde des ganzen Landes, und mit der Schwächung ihrer Macht wurde es ihnen unmöglich, die Herrschaft über das ungeheuere Indien weiter zu begründen und zu erhalten. Ihre Macht in Indien wäre daher auch ohne die Rivalität der andern europäischen Mächte nicht von Bestand gewesen, (denn sie hatten von vornherein zu ehrgeizige Pläne.* Albuquerque allein machte eine rühmliche Ausnahme. Von der ganzen portugiesischen Herrschaft ist nichts geblieben, als drei kleine Stücke an der Westküste von Südindien, mit einer verkommenen, schnapstrinkenden, aber christlichen Bevölkerung und einem unbedeutenden Handel. Die Holländer griffen zuerst in das portugiesische Handelsmonopol mit Indien ein. Nie vertrieben in muthigen Kämpfen ihre Vorgänger aus den wichtigsten ihrer Positionen und wurden während des siebzehuten Jahrhunderts die bedeutendste Seemacht der Welt und die grösste Handelsmacht mit dem Orient. Die Holländer waren unübertroffene Kaufleute und mischten sich nicht in religion und Lebensweise der Eingeborenen, aber ihr System war absolutes Handelsmonopol, zu dessen Erreichung und Erhaltung sie kein Mittel scheuten, blutige Kriege lieferten und den Wohlstand ganzer Inseln mit unerhörtem Egoismus vernichteten, und rücksichtslose Zwangsarbeit. Eine solche Methode konnte wohl mit Erfolg auf beschränkten Inselgebieten, aber nicht leicht über ein so aus- gedehntes Land hin wie Indien durchgeführt werden, ausser mit Hülfe gewaltiger und unverhältnissmässiger kriegerischer Rüstungen. Da die Holländer nun zu starrköpfig und zu kurzsichtig waren, ihre Methode zu ändern, so verloren sie bald ihre Macht vor dem Ansturm englischer Konkurrenz. Anfangs wurden die Engläuder von den Portugiesen und noch erfolgreicher von den Holländern geschlagen, Die Schlachten zu Wasser und zu Lande, die damals im fernen Osten geschlagen wurden, sind fast unzählbar. Die Engländer hatten * Siehe W, W. Hunter, Zhe Imperial Gazetteer of India ( 223%) an vielen Orten des Archipels Fuss gefasst, aber sie wurden von dort durch die Holländer vertrieben und warfen nun ihr Augenmerk zielbewusst auf das konti- nentale Indien. Die Engländer bewiesen eine zähe Ausdauer und Anhänglichkeit an ihre Pläne, sie begnügten sich im Anfang damit, unter der Herrschaft der Moghuln, ohne in die Kämpfe der verschiedenen Stämme einzugreifen, sich zu entwickeln, und sie ehrten die Sitten und Gebräuche des Landes. Sie wurden vom mächtig emporstrebenden Heimathlande mit Mitteln und Macht unterstützt —sie wurden aber auch zweifellos vom Glücke und allerlei günstigen Umständen, die sie meisterhaft ausnutzten, begünstigt, und so entstand das heutige, britische Indien. Die Engländer haben sich aber auch nach Besiegung der Holländer nicht immer ungestört entfalten können. Mehrere europäische Nationen versuchten noch in Indien einzudringen und theilzunehmen an dem dortigen Kolonialbesitz. Am gefährlichsten waren wohl ohne Zweifel die französischen Unternehmungen von 1604 bis 1719. Glänzend war ihre Geschichte, ruhmreich ihre Thaten. Ernstlich dachten einige der französischen Gouverneure daran, auf den Trümmern der Moghulherrschaft ein neues Kaiserreich zu errichten, und die Organisation in den französischen Niederlassungen soll musterhaft gewesen sein. Aber es fehlte den treflichen Männern an genügendem Vertrauen und an unentwegter Unter- stützung aus dem Heimathlande, wo man leichfertig nach dem alten Sprichworte “ans den Augen aus dem Sinn” zu handeln schien, und wo das korrumpierte Herrscherhaus kein Verständniss für koloniale Dinge besass, sondern in Europa seinen Glanz und seine Macht zu erhöhen strebte. Weniger bekannt ist es, in welcher thatkräftigen Weise auch die Deutschen mit den andern Nationen zu rivalisieren versuchten. Kaiser Karl VI. von Deutschland und Oesterreich war es, der 1722 die ostindische Ostende-Kompagnie gründete. Diese Handelsgesellschaft war keines- wegs eine nnr auf dem Papiere stehende Gründung, eine “ Schattenjagd,” wie sie Carlyle im 1. Bande seiner Geschichte Friedrichs II. von Preussen, Seite 555-7, schildert. Carlyle’s lebhafte, phantasiereiche Schilderungen entsprechen nicht den Thatsachen. W. W. Hunter berichtet in seinem /mperial Gazetteer of India in allen Einzelheiten von den hinausgesandten Schiffen und den beiden von den Dentschen, unter Leitung von in den holländischen und englischen Kolonien erfahrenen Personen gegründeten Niederlassungen, die denen der andern Nationen gefahrdrohende Konkurrenz zu machen begannen. Aber Holländer, Engländer und Franzosen sahen mit Neid und Hass auf die neuen Eindringlinge. Die damaligen Seemächte wollten nicht, dass auch Deutschland eine Flotte und überseeische Kolonien haben sollte. Die Ostende-Kompagnie wurde für Jahre der Spielball der europäischen Diplomaten, und schliesslich opferte Kaiser Karl VI. dies kühne und grossartige Unternehmen seinen Hausinteressen schmählich auf—er suspendierte die Rechte der Gesellschaft auf sieben Jahre, und die Seemächte sorgten dafür, dass sie nie wieder gewährt wurden. Dafür erhielt der Kaiser die Pragmatische Sanktion ! Auch Friedrich der Grosse machte einen Versuch, Preussen zu einer Seemacht zu gestalten, indem er sich Östfrieslands bemächtigte, Emden in einen grossen Hafenplatz umwandeln liess, und 1753 die “bengalische Handelsgesellschaft ” gründete, nachdem er schon vorher ähnliche Unternehmen patronisiert hatte. Aber diese Versuche endeten unglücklich. Die Mittel in dem von Kriegen zerfleischten Lande waren nicht gross genug um die anfänglichen Misserfolge wieder gutzumachen. Der König war zu stark in seinem eigenen Lande in Anspruch (#223) genommen, um kräftig genug für seine Kolonien gegen die andern Mächte auftreten zu können. Die deutschen Pioniere hatten auch keine Erfahrung und auch die indischen Herrscher fürchteten den erneuten Wettstreit der vierten europäischen Macht und sprachen sich gegen die Deutschen aus. Der Nawäb von Murshidabäd schrieb den englischen Kolonisten, er würde allen ihren Handel aufheben, wenn sie die neuen Ankömmlinge Fuss fassen liessen (Hunter, Op. eit.). Sie kamen aber dennoch, und fanden Indier wie Europäer bereit, mit ihnen zu handeln, sodass offizielle Verbote dagegen erlassen wurden. Von da ab begnügten sich die Deutschen über ein Jahrhundert lang, innerhalb der fremden Kolonien Handel zu treiben, bis vor kaum 20 Jahren die koloniale Begeisterung im deutschen Volke gleichsam aufloderte, und die deutschen Kolonien gegründet wurden. Dass die andern Nationen längst den Rahm auf der Erde abgeschöpft hatten, ist bekannt, und Indien war unwiederbringlich verloren, denn dort war die grösste britische Kolonie, das gewaltige “ British India” entstanden, das trotz gelegentlichen Geschwätzes in den Zeitungen auf felsenfesten Grund gebaut ist. Diese kurze Abschweifung zeigt, dass nicht nur das indische Volk, sondern auch die europäischen Völker eine unendlich reiche, einst auf indischem Boden sich abspielende Geschichte haben. Ueberall in Indien wird man an historische Ereignisse gemahnt, und so kann der Reisende nicht umhin, ihrer gelegentlich zu erwähnen. Nach mehrwöchentlichem Aufenthalte in dem heissen Caleutta brach unsre kleine Gesellschaft endlich nach Assam auf. Wir waren unsrer vier, Doherty und ich, ein als Koch und allgemeiner Diener engagierter Mohamedaner und ein kastenloser Bengalese als Abbalger—dazu eine übergrosse Menge von Gepäck- stücken, wenn ich recht erinnere 36 Stück für uns Beide. Ausgezeichnet war die Bahn, und als der breite Ganges bei Damukdea auf einer riesenhaften Fähre im abendlichen Dunkel überschritten wurde ward ein luxuriöses Diner serviert. Man glaubte sich auf einem Landsee zu befinden, wenn man von der Fähre hinausblickte in die nur schwach von Monde erleuchtete Landschaft, denn man sah nichts als rasch vorüberströmende Wassermassen, und in weiter Ferne einen Streifen hellen Landes. Unwillkürlich dachte ich zurück an den Niger, den ich vor etwa zwei Jahren befahren hatte, aber dessen Grösse verschwand gegen diesen gigantischen Strom, und mein amerikanischer Reisegefährte glaubte selbst den Mississippi kleiner nennen zu müssen—ein schwerer Entschluss für einen Amerikaner ! Wo der Strom, in zahlreichen Armen durch eine weite, aus alluvialem Schwemmlande bestehende Ebene sich windend, bei Dhubri von Osten kommend nach Süden umbiegt, verliessen wir die Bahn und betraten einen Flussdampfer, der uns langsam stromaufwärts führte. In den vollauf gefüllten Flussarmen dampften wir nahe am Ufer entlang, das wohlgeordnete, durch niedrige Wälle und Hecken getrennte Weideplätze, Reis, Zuckerrohr, und namentlich ‚Jutefelder zeigte, die von Ferne jungen Korbweidenpflanzungen nicht wnähnlich sehen. Weiter stromaufwärts treten die schon immer in der Ferne sichtbar gewesenen Hügel näher an den Fluss und die Gegend wird waldreicher und zugleich etwas spärlicher bevölkert. Während der langsamen Auffahrt wurde fast gar kein Thierleben beobachtet. Die bräunlichgelbe, enorme Wassermasse strömte in fast unabsehbarer Ausdehnung rasch dahin. Die Luft war heiss, schwül und ungesund, die Hügel und Berge schienen in einen ewigen Nebelschleier gehüllt zu sein. Nur einmal, ( 224 ) oberhalb Tezpur, wurden in nordwestlicher Richtung ausgedehnte Schneeflächen und gewaltige Bergkuppen mit nackten Felswänden und Gletscherfeldern auf wenize Minuten sichtbar. Die elektrische Spannung ist im August fast durchweg eine grosse. Fast kein Tag, keine Nacht vergeht ohne heftige Niederschläge, die fast immer mit starken Gewittern verbunden sind, aber nach solehen Wettern scheint in rascher Folge die Sonne glühend herab, bis ein neues rauschendes und donnerbrausendes Zwischenspiel kommt. Der Dampfer hielt bei Tezpur am Nordufer und bei Ganhati am Südufer lange genug, um diese Orte flüchtig kennen zu lernen. Bei dem seither vom Erdbeben dem Boden gleich gemachten uralten Tezpur erhoben sich damals noch zahlreiche Ruinen alter Hindutempel. Sie sollen von Mohamedanern zerstört worden sein, aber es ist zweifelhaft, ob Mir Djumla’s Truppen bis hierher vordrangen, und die zum Theil wohlerhaltenen Götterfiguren deuten mehr auf eine Zerstörung durch Birmesen hin. Sie wären von Mohamedanern am gründlichsten zerstört worden. Es wird auch behauptet, dass hier am Stromesufer niemals mehr gewesen sei, als damals, und dass alle diese Reste von dem alten Tezpur, das früher am Strome lag, jetzt aber tiefer im Lande liegt, hergeschleppt worden sind, ein Werk, dessen Vollendung entweder durch Kriege, oder infolge mangelnder Energie aufregeben wurde. Bei Gauhati, auf dem Südufer, noch jetzt einem «der bedeutendsten Orte am Brahmaputra, von wo die Strasse in die Berge von Shillong abgeht, zeugen die Trümmer ungeheurer Ringmauern von dem Umfang in früheren Zeiten. Einige alte Tempel fallen durch ihre Bauart auf. An einen thurmartigen Hanptbau lehnen sich niedrige, steinerne Gebäude, die ganz die Formen der in den Sunderbuns bei Caleutta üblichen Hütten mit gewölbten Dächern haben und aussen sorgfältig gearbeitete Steinfigaren zeigen, unter denen Wischnu, verschiedene weibliche Gestalten, der Baum des Lebens und das langschnäuzige Gavial- krokodil * zu erkennen sind. Riesige alte Wasserreservoire sind mit einer grünen Pflanzendecke überzogen, aus denen rothe und weisse Wasserlilien heraufleuchten. Weit bedeutender als die in Gauhati befindlichen Tempel sind die der Kumaika geweihten Tempelbauten auf den Hügeln südlich von Gauhati, zu denen der Sage nach eine von den Göttern selbst gebaute Strasse durch den Urwald hinaufführt. Noch jetzt wird der Kumaika-Tempel in der trockenen „Jahreszeit von grossen, weitherkommenden Pilgerschaaren besucht. Das heutige Gauhati gilt für sehr ungesund. Cholera und Malaria sind häufig, und ausserdem war dort vor kurzem eine eigenthümliche Krankheit, das sogenannte schwarze Fieber aufgetreten, das unter den Eingeborenen 1887 viele Opfer gefordert hatte. Diese Fieberform soll früher in den Garobergen endemisch und auf jene Gegend beschränkt gewesen sein. Kurz oberhalb des Ortes Bisnath änderte sich die Bauart der Wohnungen auffallend. Es waren aus einem einfachen Geflecht gebildete, auf hohen Pfählen nach Art der Battakhäuser errichtete Hütten—wir hatten das (Gebiet der Miri erreicht. Das Aussehen der Miri erinnert schon etwas an das der Uhinesen, und in der That stehen sie auch in Verwandtschaft mit der tibetischen Völkergruppe. Ihre ursprünglichen Wohnsitze sind in den Bergen, die sie verliessen, um sich in der warmen Flussebene niederzulassen. Eigenthümlich sind die Sitten und Gebräuche (dieses Stammes. In der Nähe von Sadiya starb während meines Aufenthaltes dort ein junger Miri Häuptling. Er wurde in einem bunt bemalten, aus hartem Holze gefertigten Sarge auf Pfählen aufgebahrt, vor dem Sarge stand ein Speer mit Schild, * Gavial ist die in Europa übliche Schreibweise, aber das Wort wird in Assam Garrjal gesprochen. ( 225 ) und darüber hing der grosse Hut aus Korbgeflecht. Wahrscheinlich geschieht ähnliches nur in besonderen Fällen. Die nordöstliche Ecke von Assam und die umliegenden Berggegenden werden von einer ganzen Anzahl von verschiedenen Stämmen bewohnt, im allgemeinen aber ist das Land dort von ausgedehuten, theils alten, theils noch ziemlich jungen Wäldern bedeckt, und die Bevölkerung sehr dünn. Dafür ist das Land auch für den Jäger und Naturforscher um so interessanter. Die nördlich vom Dihingflusse gelegenen, wildreichen alten Waldgebiete sind nur spärlich bewohnt von Dums und Khamptis, nach Osten zu auch von Singphos, während südlich vom Dihing die im ungetheilten Besitze der Nagas befindlichen Hügel- und Bergländer liegen.* Die friedlicheren Khamptis der Ebene werden von den in den östlichen Bergen wohnenden Bär Khampti verachtet und als Sklavenvolk bezeichnet. 1839 kämpften sie gegen die Engländer, deren vorgeschobene Garnison in Sadiya sie abschnitten, Nach ihrer Besiegung wurden sie jahrelang von den Engländern und den sklaven- raubenden Abor-Mishmi verfolgt, bis die ersteren sie gegen die Räuber zu schützen und allmälie in die heutigen ruhigen, meist von Reisban lebenden Dorfbewohner zu verwandeln begannen. Sie gehören dem Shan-Volke an und sind Buddhisten, wie auch die Singphos, die erst vor Kurzem aus dem Osten hier eindrangen. Die Frauen der Khampti und Singpho gehen bekleidet, die der ersteren meist mit weissen und blauen Kleidern, die der letzteren meist ganz blau mit weissem Kopftuche. Die Nagafrauen tragen gleich den Männern nur ein sehr kleines Zeugstückehen vor der Scham, sonst sind sie aber unbekleidet, wenn man nicht zahlreiche rothe, aus den gespaltenen Zweigen eines weidenähnlichen Strauches gefertigte Ringe die dicht über einander um Leib, Arme und Beine getragen werden als Kleidung ansieht. Häufig haben sie auch blaue Tatuierungen am Körper. Die Häuptlinge der Naga tragen mit Eberzähnen verzierte Kappen. Die religiösen Anschauungen der Naga sind sehr primitiv. Viele machen sich überhaupt keine Vorstellungen von einem Leben nach dem Tode, doch besteht eine Art von Ahnenkultus, wie auch eine Verehrung böser, quälsüchtiger Geister. In dem Marang oder öffentlichen Gemeindehause werden in vielen Gemeinden die Schädel der Todten aufbewahrt. Man sieht jetzt vielfach Gewehre bei den Naga, die ursprünglichen Waffen aber sind einfache Lanzen, die zu Wurf und Stoss dienen, dazu kurze Schwerter und Pfeil und Bogen. Hirsche werden getrieben und mit Lanzen erlegt. Der Name Naga wird von Vielen von dem hindustanischen Worte Nanga, d. h. nackt, abgeleitet, Andre bringen ihn mit den Naga der alten Sanskritlitteratur in Zu- sammenhang, die gleich den Takshaks ihren Namen infolge ihrer Verehrung von Schlangen und Drachengestalten führten und zu den Zeiten Hinön-Tsiangs noch mächtige Reiche in Indien bildeten. Jedenfalls nennen die Naga sich selbst nicht Naga, sondern bezeichnen sich mit verschiedenen Stammesnamen. Die bei Margherita lebenden nennen sich Namsang, andere, nach Bastian, Nokha. Die bei Margherita wohnenden Naga sind sehr friedlich und treiben Handel mit Federvieh, Gemüse und Schweinen. Sonntags kommen sie gleich den Khamptis und Singphos aus den Wäldern zum Markte. Das höchste Ziel ihrer Wünsche ist immer Opium zu erhalten, und Spirituosen trinken sie mit innig zur Schau * Der folgende Abschnitt ist mit einigen Veränderungen meinem am 4. Mai 1889 in der Gesell- schaft für Erdkunde zu Berlin gehaltenen Vortrage (siehe Verhandlungen der @es. 1599 no. 4 und 5) entnommen. 15 ( 226 ) getragener Wonne, je süsser und stärker desto besser. Ein erbsengrosses Stück Opium oder ein Glas Genever, in das man vor ihren Augen einen Löffel Zucker oder Syrup gethan hat, macht sie überglücklich, aber noch lange nicht zufrieden, denn wenn man ihnen das eine giebt fordern sie jedesmal auch das andere, und man kann sicher sein, dass sie bald wiederkommen und um grössere Gaben bitten, wenn man sie einmal beschenkt hat. Die Nagahäuser sind immer erhöht anf Pfählen gebaut, Schweine und Hühner tummeln sich unter ihnen herum, in den nahen Wäldern die unangenehmen halbwilden Büffel. An den Dächern nisten massenhaft die kleinen Segler Tackornis infumatus. Dem Fremden gegenüber, der ein Nagadorf besucht, verhalten sich die Bewohner meist kühl bis zur Unhöflichkeit, und sie zeigen nie die Zudringlichkeit der Neger und Abor. Nurdie Mädchen machen manchmal eine Ausnahme. Auskünfte erhielten wir fast nie von den Naga, auch verstanden sie nur sehr wenig hindustanisch. Wie fast alle Völker sind die Naga und übrigen assamischen Stämme auch grosse Liebhaber von Fischen, die sie auf verschiedene Art fangen. Nicht selten werfen sie Gift ins Wasser und greifen die betänbten Fische mit den Händen. Flache Flussbuchten dämmen sie ab und schöpfen das Wasser aus dem abzedämmten Theile heraus, wie die Malaien, die Weiber und Kinder sperren kleine Bäche durch gewöhnliche, nebeneinander gelegte Keusen ab. Die Beische Macht reichte 1888 weder südlich- von Mareherita, noch nördlich von Sadiya so weit, wie man nach den Karten erwarten dürfte. Ausser den auf allgemeinen Karten bezeichneten Grenzen des von den Briten beanspruchten Gebietes, das sie sich auch durch Verträge oder siegreiche Kämpfe gesichert haben, ist noch eine sogenannte “ inner line ” festgelegt worden. Diese Linie wird allmälig verschoben, aber über dieselbe hinaus darf nur selten ein Europäer seinen Fuss setzen. Diese “inner line” begann während der Zeit meines Aufenthaltes schon etwa eine Stunde Weges südlich von Margherita, wenige Meilen nördlich von Sadiya und vom Nordufer des Brahmaputra bei Dibrughar. Auch wir erhielten trotz der besten Empfehlungen nicht Erlaubniss sie zu überschreiten und kamen auch nur ein oder zweimal auf unsern Streifzügen über dieselbe hinaus. Die verrätherische Gesinnung der Naga uud der Unabhängigkeitssinn der Mishmi und Abor haben mehr als eine Tragödie herbeigeführt, und man kann es der Regierung nicht übelnehmen, dass sie Forschungsreisende verhindert, in die geführlichen Gegenden zu gehen, wo ihr Gepäck und ihre Waffen leicht die Habsucht der Eingeborenen erregen könnten. Die Regierung ist bestrebt, die Dorfgemeinden möglichst sesshaft zu machen, denn sie sind gewöhnt, immer nur auf frischgerodetem Boden zu pflanzen und weiterzuziehen, wenn rings um ihren Ort der Boden “abgepflanzt” ist. Daher sind auch die Karten oft ungenau, die übrigens auch sonst viele Mängel zeigen. Noch interessanter und viel weniger bekannt als die vielfach ganz friedlichen Naga, und noch heute für den Reisenden ganz unzugänglich, sind die Mishmi und Abor, die nördlich von Sadiya, an den Abhängen des östlichsten Theiles des Himalaya wohnen. Der gefürchtetste Stamm der ersteren sind die Chulikota Mishmi wie sie von den Assamesen genannt werden, oder Midhi wie sie sich selbst nennen. Der hauptsächlichste Pass auf dem sie in’s Thal kommen, führt unweit des Fort Dikrang, wo ich mit Doherty im Zelte wohnte und sammelte, durch den Wald, war aber zur Zeit meines Aufenthaltes daselbst des vielen Wassers wegen ungangbar. Erst Ende November oder anfangs Dezember, mit Beginn der Trocken- heit, pflegen die ersten Mishmi sich zu zeigen, und um diese Zeit werden die Wachen und Patrouillen verstärkt, die Wege von Sadiya zu den Forts durch Abhauen des Gere) Grases und emporgeschossenen Buschwerks gangbarer gemacht. Diese “ Forts ” bestehen aus einem festen steinernen Thurme, der in einem von Pallisaden umgebenen Hofe, inmitten einer Lichtung steht. Jener erwähnte Pass führt an steilen Hängen auf schmalem Grat entlang, wo wenige Männer ein Vorwärtskommen leicht hindern können, ja an einer Stelle muss man an einer glatten Felswand entlang, an der Löcher für Füsse und Hände angebracht sind. Mishmi und Abor sind gute Jäger. Sie sind es, die gelegentlich die Felle des seltenen Takin, Dudorcas taxwicolor Hodgs., einer Art von grossen Bergantilope, zu Thal bringen. Ihnen verdanken wir auch die wenigen bekannten Stücke des prachtvollen Bergfasanen Zophophorus sclateri, und sie bringen grosse Mengen von Geweihen verschiedener Hirscharten, nämlich von Cervus aristotelis, porcinus und duvauceli, sowie auch Bärenhäute nach Sadiya zu Markte. Es unter- liegt keinem Zweifel, dass in den Bergen dieser Stämme ein guter zoologischer Sammler noch viele Entdeckungen machen würde, denn ein Land, das solche wunderbare Thiere wie Budorcas tawicolor und Lophophorus scelateri beherbergt, muss auch in anderen Gruppen viele speeialisierte Formen haben. Ein anderer Zweig der Mishmi, die Digaru-Mishmi, die beim heiligen Bramakund wohnen, sollen viel zugänglicher sein. Noch westlich von den Mishmi wohnen die Abor, die seit 1854 zuerst wieder im Jahre 1584 von den Herrn ‚J. F. Needham und W. B. Mellor aus Sadiya besucht wurden. Beide Herren lernte ich in Sadiya kennen, und sie erzählten mir oft von ihrer interessanten Tour. Needham machte dieselbe im Auftrage der Regierung, und sein Bericht wurde für den privaten Gebrauch der Behörden gedruckt. Da er nicht im Buchhandel erschienen und in Europa so gut wie unbekannt ist, gebe ich Einiges daraus im Auszuge oder in freier Uebersetzung wieder.* Der Besuch galt den ganz jenseits des britischen Schutzgebietes gelegenen Dörfern Membo, Gina, Romkhong, Monku und Balek. Das Unternehmen wurde allgemein als sehr gefährlich und wohlgelungen betrachtet. Man gewinnt den Eindruck, dass die Abor sehr stark von sich eingenommen, hochmüthig, muthig und eigenmächtig sind. Sie scheinen vor den Engländern wenig Respekt zu haben, aber sie empfingen Needham, der Mr. Mellor, einen Unteroflizier, 6 Sepoys, eine Ordonnanz und 22 Miris und Dums als Bootsleute, Träger und Diener mit sich führte—immerhin nur 8 mit Gewehren bewaffnete Leute—sehr freundlich. Sie gaben ihnen Schweine und Hühner, Reis und einen entsetzlichen, aus einer von den Abor “anyat” genannten Pflanze bereiteten Schnaps, versprachen auch einen der halbwilden Mithuns (Dos frontalis) zu schlachten, dessen Einfangen aber nicht gelang. Dabei aber riefen sie ihren Gästen zu, dass sie filzig geizig seien, denn wenn sie, die Abor, nach Sadiya kämen, erhielten sie keine Geschenke, sondern würden misstrauisch angesehen und nicht geachtet. Die guten Leute bedachten dabei nicht, dass es ein Verschiedenes ist, zweimal während eines halben Jahrhunderts einen einzelnen Fremden zu bewirthen, als alljährlich Tausende von Eingeborenen. Die Neugier und Belästigung war unglaublich, jedenfalls schlimmer als in den unbekanntesten Gegenden Afrikas, wo doch entweder Furcht und Respekt vor dem Weissen, oder taktvolle Zurückhaltung stattfindet. Needham und Mellor konnten kaum essen, und auf Vorwürfe wurde * Der im November 1884 erstattete und in der Regierangsdruckerei in Calcutta unter der Chiffre 2 H.—7 D.—1885 gedruckte Bericht wurde mir gegenüber von Herın Needham nur erwähnt, und kam mir erst später in Caleutta in die Hände, ( 228 ) nur geantwortet: “ Wir wollen aber in dein Zelt kommen. Was kommst du hierher wenn du nicht besehen sein willst? Wir wollen dich sehen und anfassen, magst du nun wollen oder nicht. Wir sind hier in unserm Lande, und wenn wir auf deinem Bette sitzen wollen, so können wir es thun.” Die Weissen mussten sich halb ausziehen, um zu zeigen, dass sie wirklich weisse Hant am ganzen Körper hatten, sie mussten ihre Stiefel ausziehen, um zu beweisen, dass sie Füsse hatten, die Abor steckten die Finger in die europäischen Speisen, verboten den Europäern, sich mit Seife zu waschen, denn der Seifenschaum sei so ekelhaft, dass sie, die Abor, ihn nicht sehen möchten. Nachts kamen sie in’s Zelt und hielten ihnen brennende, qualmende Fackeln beinahe in’s Gesicht, um zu sehen wie sie im Schlafe ausschauten. Weder freundliche Ermahnungen noch Widerstand fruchteten. Besonders die Frauen waren sehr zudringlich und höchst unanständig. (Auch die Nagafrauen scheinen sehr zudringlich und sinnlich, dabei aber gutmüthig zu sein. Unweit von Margherita wurden Doherty und ich, als wir in ein sonst nicht von Europäern besuchtes Dorf kamen, von den Frauen betätschelt und befasst, während die Männer zurückhaltend, beinahe unfreundlich waren.) Sie sind nicht hübsch, aber immer fröhlich und ausgelassen, sodass sie stets freundlich erscheinen. Sie sind kurz, starkknochig, mit dicken Gliedern. Das Haar tragen sie kurzgeschnitten wie die Männer und Chulikotta (d. h. kurzhaarigen) Mishmi. Ihr einziges Kleidungsstück ist ein kurzer Rock, der vom Nabel bis etwa sieben Uentimeter oberhalb der Kniee reicht. Viele haben senkrechte Einschnitte über beide Lippen und Mundwinkel. Die Mädchen leben sehr frei. Sie tragen unter dem “Kleide” einen Holzring um den Leib, der vorn 5-6 runde Messingplatten trägt. An heissen Tagen und bei der Feldarbeit bildet dies ihr einziges “ Kleidungsstück.” Sie haben auch kleine hölzerne, lose Gamaschen und lieben allerlei Schmuck und Firlefanz. Ihre Zähne sind kohlschwarz. Sie lieben ungemein Tanz und Gesang und bemühten sich angelegentlichst, auch die Europäer zu Tanz und Gesang zu bewegen. Jedes Dorf hat seinen “ Mirii,” eine Art Medizinmann oder Zauberer, der den abergläubischen Leuten Sand in die Augen streut und mit den Geistern (Oju) verkehrt. Die grossen Häuser mit hohem Strohdache sind innen fast dunkel, und es brennen ohne Unterlass Feuer darin. Die Dörfer liegen an wohl ausgewählten, fast unzugänglichen Orten. Die Todten werden je in einer kleinen Hütte in zusammengekauerter Stellung, wie sie im Mutterleibe liegen, beeraben. Jedes wichtige Gespräch wird in dem ungeheuren Gemeindehause, Mosup genannt, gehalten. Die ledigen Burschen schlafen darin, und die Wände sind mit Thierschädeln geschmückt. Das Mosup im Dorfe Membo mass 80 zu 10 englische Yards und hatte 24 Feuer. In diesem Gebäude musste Needham mit nahezu 500 Menschen, in Qualm und Lärm stundenlang, ja fast zwei Tage hindurch, die Klagen und Wünsche der Abor hören. Diese waren mannigfach. Sie hätten nicht genug Land, denn manche Felder lägen so weit vom Orte, dass der beste Theil des Tages mit den Wegen zu und von dem Dorfe nach den Feldern hinginge. Dies fand Needham bestätigt, aber da die Abor ihre Nachbarn knechten und vergewaltigen, ja als ihre Sklaren bezeichnen, so kann die englische Regierung ihnen nicht gut Wolınsitze in deren Lande anweisen. Sie klagten darüber, dass sie beim Betreten von Sadiya entwaffnet, und dabei oft schlecht behandelt würden, dass die Dhums ( 229 ) im Dibongflusse fischten, der ihr alleiniges Eigenthum sei, dass sie, die Abor, nur in kleinen Trupps über den Dibong gehen dürften, und man ihnen Forts dicht an ihre Grenze baue, entlaufene Sklaren nicht zurückgebe, endlich dass sie in Sadiya keine Herberge besässen, während die Mishmi eine hätten, und dass sie nicht genug “Posa” bekümen. Letzteres ist eine Geldsumme, die ihnen die Engländer zahlen, damit sie sich ruhig verhalten und andre Stämme von den britischen Grenzen abhalten sollen. Der Nutzen dieser Art von Abgabe (als solche scheinen die Abor sie zu betrachten) wird sehr verschieden beurtheilt. Aber die Vertheilung der Stämme wie wir sie heute in Assam finden ist neu, und die dünne, spärliche Bevölkerung der fruchtbarsten Theile von Assam, eines Landes das noch dazu den grossen Vortheil hat, dass von ihm ein gewaltiger Wasserweg das ganze Jahr hindurch zur Küste offen steht, ist das Resultat grosser Umwälzungen und blutiger Kriege. Dies veranlasst uns unwillkürlich einen raschen Blick auf die Geschichte von Assam zu werfen. Der berühmte chinesische, buddhistische Pilger Hiuön-Tsiang, der in der ersten Hälfte des siebenten Jahrhunderts nach Christus durch Indien reiste, fand in dem westlichen Theile des heutigen Assam das grosse, reichbevölkerte, arische Königreich Kamrup, das noch mächtig war, als der Afghan-Herrscher von Bengalen um das Jahr 1489 seine Eroberungsgelüste bis Assam erstreckte. Schon von dieser Zeit an dürfte der Niedergang Assams datieren. Die Eroberer erreichten zwar nichts für sich, denn ihr Heer wurde durch die fieberbringenden Sümpfe des Brahmaputra und infolge der Unbekanntschaft mit dem Gelände fast, zertrümmert, aber sie brachten dem angegriffenen Lande schweren Schaden bei. Sie schnitten die Verbindung mit dem Aussenlande ab, sie vernichteten das Königreich Kamrup, in die beunruhigte und geschwächte, schutzlose Ebene fielen die wilden Bergvölker aus Norden, Süden und Osten plündernd ein, verschiedene Stimme gewannen zeitweise die Oberhand, bis sie von anderen wieder erdrückt wurden. Auf den Trümmern von Kamrup errichteten die Koteh—von denen der heutige Name des Staates Kuch Behar herrührt, und deren Nachkommen noch die benach- barten Provinzen, namentlich Rangpur, bewohnen—eine Herrschaft von einiger Dauer. Um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts aber war schon ein der Shan- Gruppe angehörendes, nicht arianisches Volk, die Ahams, die zu dem Namen Assam Veranlassung gaben, mächtiger. Um die Mitte des siebzehnten Jahrhundert waren sie das herrschende Volk, wurden aber unaufhörlich von den Sklavenraub treibenden Bergvölkern des Nordostens beunruhigt. Sie nahmen nach und nach die Hindu- religion an. 1662 sandte der eroberungssüchtige Moghul-Kaiser Aurungzib von Delhi seinen bewährten Feldherrn Mir Djumla gegen Assam, aber seine Armee ward in der Regenzeit durch Krankheiten dezimiert, die Unbekanntschaft mit der Gegend veranlasste Mangel an Proviant und nur mit ungeheueren Verlusten gelang es ihm, unter fortwährenden Angriffen der aus dem Schutze der ihnen wohlbekannten Wälder auftauchenden und rasch wieder verschwindenden Feinde, die grössere Hälfte seines Heeres zu retten. Die furchtbarste Invasion in Assam war die der Birmesen unter den Herrschern von der Dynastie Alaung-Payas Ende des achtzehnten und Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Anfangs wurden die Birmesen von den streitenden Assamesen zu Hilfe gerufen, aber—wie gewöhnlich in solchen Fällen—massten sie sich bald die Macht über Sieger und Besiegte an, und mit all’ der kalten Grausamkeit und Rücksichts- losigkeit wie sie vorzugsweise den Stämmen chinesischen Ursprungs eigen ist, ( 230 ) drangen sie Alles verheerend vor, Menschen mordend und in die Sklaverei führend, eine Landesverwüstung hervorbringend, wie sie nachdrücklicher nicht vorkommen kann. Die Annexion durch die Briten 1826 machte diesem mörderischen Treiben ein Ende. Infolge der Fruchtbarkeit des Bodens breitete sich mit grosser Schnellig- keit dichter Wald wieder über die unter Kultur gewesenen Gegenden aus, und wo vor einem Jahrhundert volkreiche Dörfer inmitten üppiger Felder lagen, da wuchert jetzt undurehdringliches Dickicht, von dem uralten seit Menschengedenken nicht berührten “ Urwalde” nur durch geringere Mächtigkeit der Stimme und andre Hauptholzarten unterschieden. Sehr interessant ist es, die gewaltige Arbeit des Brahmaputra an seinen Ufern zu beobachten. Nirgend mögen sich heutzutage grossartigere Flussarbeiten vor den Augen des Menschen vollziehen. Der Brahmaputra führt grosse Mengen von Detritus mit sich, das Wasser ist in der Regenzeit dunkelbraun, und jeder feste Punkt giebt Gelegenheit zur Inselbildung. Dampfer, die zur Nachtzeit wegen der Gefährlichkeit und Veränderlichkeit des Flussbettes stets vor Anker gehen, sitzen nicht selten morgens mit dem Achtertheil auf Grund, der sich während der einen Nacht infolge des Widerstandes des Schiffes durch Ablagerung von Detritus bildete. Durch solche massenhaften Ablagerungen steigen die Ufer und das Flussbett fortwährend an, sodass sich bereits zu beiden Seiten des Stromes hinter den alluvialen Uferbänken unter dem Wasserspiegel des Stromes liegendes, fruchtbares, aber meist sumpfiges und der Gefahr von Ueberschwemmungen ausgesetztes Marschland befindet. ‘Die Ablagerungen aber finden natürlich nicht überall statt, sondern an derjenigen Flussseite, wo die Strömung minder stark ist. Auf diese Weisen bauen sich weite Strecken, ganze Quadratmeilen allerfruchtbarsten, besonders für die Kultur der ‚Jute (Corchorus olitarius) geeigneten Landes auf. Zwischen Dibrugarh und Sadiya sind Orte, die über eine englische Meile vom Ufer liegen, und deren älteste Bewohner sich noch erinnern, in ihrer Jugend das Wasser vor ihren Hütten aus dem Strome geschöpft zu haben. In gleichem Maasse, oder mehr noch nimmt der Strom aber an den der Strömung am meisten ausgesetzten Ufern hinweg. Sadiya verkleinert sich von Jahr zu Jahr. Zollweise, fussweise bröckelt und stürzt das Ufer ein. Es machte uns viel Vergnügen, dieser Zerstörungsarbeit zuzusehen, und besonders freuten wir uns auf den Moment, wo die Hütte eines alten Fakirs erreicht wurde, der gelobt hatte, nicht wieder den etwa tischerossen Platz zu verlassen, auf dem er unter einem Mattendach hauste. Unthätig sass er dort, die gläubigen Frauen versorgten ihn mit Essen und reinigten den Platz, während die Männer den Fanatiker, wie es mir schien, eher mit Mitleid und Verachtung, jedenfalls aber gleichgültig ansahen. Wir dachten viel daran, was unser Fakir thun werde, wenn die Fluth ihn erreichte, aber das Wasser begann zu fallen, sodass für diesmal die Gefahr oder besser gesagt die fatale Alternative für ihn vorüber war. Besonders schlimm erging es der “Great Eastern Railway.” Ihr ehemaliger Endpunkt bei Kushtia am Ganges wurde vom Strome verlassen, während die grossartigen Stationsbauten bei Goalanda, an der Vereinigung von Ganges und Brahmaputra, trotz eines Aufwandes von 130,000 Pfund Sterling zu ihrer Sicherung, vor etwa 20 Jahren fortgerissen wurden. Kipling giebt in seinen Dridge- Builders (The Day's Work, p. 1) eine interessante Schilderung einer Gangesfluth. Wegen der vielen jahreszeitlichen Veränderungen der Flussbetten hat die “ Eastern Railway ” mehrfach nur sogenannte fliegende Stationen, leichte Bretter- buden, errichtet und legt die Schienen in der trockenen Jahreszeit auf leichten ( 231) Unterlagen über den Sand der zurückgewichenen Flussläufe, um Passagiere und Frachtgut in die Nähe der Dampfer zu bringen. Die Kälte der von den Himalaya-Gletschern gespeisten Zuflüsse des Brahma- putra hat ohne Zweifel Einfluss auf das Klima Ober-Assams. Dibrughar ist merklich kühler als die wenige Meilen vom Strome entfernten Theepflanzungen. Als ich auf der Jagd bei Sadiya aus dem Waldesschatten heraus an das sonnebeschienene Ufer des Tengapani trat, wehte es mich so eisig kalt an, dass ich zuerst glaubte, es überfiele mich ein Fieberfrost. Auf den Dampfern kann es in Ober-Assam empfindlich kühl sein, wenn man am Lande nach der Punkah ruft. Für einen Botaniker muss Ober-Assam noch ein unendliches Arbeitsfeld bieten. In weiteren Kreisen ist es bekannt dadurch, dass es eine der Gegenden ist, in denen die Theepflanze wild vorkommt. Der assamische Theebusch, Thea assamica, unterscheidet sich von der chinesischen Art oder Unterart, Thea sinensis, und eine vermuthlich dritte Form wird wild in den Bergwäldern der südlichen japanischen Inseln gefunden. Die Theekultur ist heutzutage die allerwichtigste in Assam. Der grössere Theil der arbeitenden Bevölkerung von Ober-Assam ist mit der Theekultur beschäftigt, aber die Eingeborenen des Landes arbeiten nicht gern, und es werden daher Massen von centralindischen Kulis nach Assam geführt, dessen spärliche Bevölkerung diese Zufuhr aus den übervölkerten Centralprovinzen noch sehr gut vertragen kann. In Unter-Assam ist Jute das Hauptprodukt. In Ober-Assam werden auch Kohlen und Petroleum gefunden. Erstere sind sehr gut und werden auf den Flussdampfern gebrannt, das Petroleum dagegen soll nur mittelmässig sein. Die scheinbar endlosen Wälder, die grosse Strecken von Ober-Assam bedecken, nehmen in den Bergzügen südlich des Brahmaputra schon bei viel geringeren Höhen, als dies im Himalaya der Fall ist, einen andern, weniger tropischen Charakter an. Die dichten Gebüsche des Unterholzes hören auf und der Wald nimmt mehr das Aussehen des oft beschriebenen Terai-Gürtels der Südabhänge des Himalaya an, die Mannigfaltigkeit der Baumarten nimmt ab und man wird mehr an nordeuropäische Waldungen, als an einen ‘tropischen Urwald’ erinnert. Die Thierwelt von Ober-Assam ist ganz besonders reich. Die tropischen Wälder der Ebene beherbergen wilde Elefanten und Nashörner, Arhinoceros unicornis, und der Tiger ist ziemlich häufig. Letzterer wird fast garnicht gefürchtet, da er an den Büffelkälbern und am Wilde so reichlich Nahrung findet, dass er sehr, sehr selten zum Menschenfresser wird. In der Nähe von Margherita fand ich sehr oft Tigerlosung und Tigerspuren, und es gehört zu meinen interessantesten, aber auch ärgerlichsten Erinnerungen, dass ein starker Tiger in der kaum angebrochenen Dämmerung eines Abends in bester Schussweite vor unsrer Wohnung, dem Regierungs = “ Resthouse,” auf dessen Verandah ich sass, vorüberschritt, mir aber dadurch entging, dass die Leute auf der Rückseite des Hauses Lärm schlugen, sodass der Tiger fortlief, ehe ich mit der geladen auf meinem Bette liegenden Büchse zur Hand war. Ausser den wilden Büffeln sind auch die den Eingeborenen gehörenden halbwilden Büffel sehr häufig. Obwohl in der Regel ganz harmlos, sind sie keineswegs immer so, und ich kann aus Erfahrung verrathen, dass es nicht angenehm ist, von ihnen über den Haufen gerannt zu werden, wobei es meist noch übler abgehen mag, als bei mir, der ich mit einer durchschlagenen Lippe, Brustschmerzen und dem Verluste eines Schmetterlingsnetzes davon kam. Für den ‚Jäger ist es nicht immer angenehm in der Nähe von Dörfern mit Büffeln zusammenzutreffen, da man nicht ohne weiteres weiss, ob man es mit wilden ( 232 ) oder zahmen Thieren zu thıun hat. Ist man vorsichtig mit dem Schiessen, so entgeht einem die Beute, wenn es ein wildes Thier ist, schiesst man eilig, so kann es passieren, dass der Büffel gezeichnet ist, und es folgen Unannehmlichkeiten mit den Eingeborenen und Schadenersatzzahlung. Ausserdem machen die Büffel die in der Regenzeit durchweichten Wege völlig ungangbar. Vielleicht weniger häufig als der Tiger ist der Leopard. Auch dieser ist in Assam fast niemals Menschenfresser, aber angeschossen oder sonst in die Enge gebrieben ist er äusserst gefährlich, wie mein Freund Stuart Baker durch den Verlust seines linken Armes erfahren musste. Uebrigens ist die Jagd auf grosses Wild in Indien entweder sehr kostspielig und umständlich, oder aber nicht ungefährlich. Will man guten Erfolges sicher sein und hat man die Mittel dazu, so zieht man mit Shikaris (eingeborenen Jägern) und Elefanten und einer Menge von Treibern aus, Zelte und Proviant für längere Zeit mitnehmend. Dann kann man allerdings leicht grosses Wild zur Strecke bringen. Die Pürsche zu Fuss ist zeitraubend und bisweilen gefährlich, aber die schönste Jagdart, die man sich denken kann. Für den Fremden, der Land und Leute wenig kennt, ist sie nicht so erfolgreich, wie für den mit der Gegend vertrauten Kolonisten. Unter den Engländern giebt es viele hervorragende Pürschjäger, die auch fast alle hervorragende Schützen sind. Der unter Umständen sehr lohnende Anstand ist wegen des mitunter sehr unbequemen Rückweges in dunkler Nacht auf ungebahnten oder schlechten Wegen und wegen der quälenden Mücken und Fiebergefahr nicht für Jedermann zu empfehlen. Merkwürdiger Weise habe ich selbst gerade in Assam mit der von mir sonst sehr geschätzten Anstandsjagd wenig Glück gehabt. Von Hirscharten kam der grosse Aristoteleshirsch vor, der Sumpfhirsch, Cervus duvauceli, und der von den Engländern recht bezeichnend “ Barking Deer,” d. h. bellender Hirsch, genannte Cervulus muntjac. Letzteren bemerkte man am häufigsten. Der schwarze tibetanische Bär, mit dem weissen Brustschilde, Ursus thibetanus, war nicht sehr selten. Affen waren sehr häufig. Unvergesslich werden mir die Morgen sein, wenn ich auf der kleinen Lichtung des Forts am Grenzflusse Dikrang aus dem Zelte trat in die frische, nebelfeuchte Luft, wenn vor mir um ein Feuer in malerischen Gruppen die frierenden Sipoys, kleine, zähe Gurkhas lagen, den Nachtthan von den Snidergewehren trocknend und in schweigender Ruhe die Huka, die kleine nationale Wasserpfeife kreisen liessen, und dann vom nahen Walde her von allen Seiten das Heulen und Bellen der Langarmaffen, Hylobates hooluk, erklang. Gewaltig ist der Lärm, den sie vollführen, aber sie stehen darin doch dem Siamang, Hylobates syndactylus, von Sumatra, nach. Von diesem schönsten aller Langarmaffen unterscheiden sich die Hoolucks dadurch, dass sie weisse Haare an der Stirn haben, und die Weibehen—und vielleicht auch zuweilen Männchen- bräunlich sind. Diese Affen werden sehr zahm und sind schöne, interessante Thiere in der Gefangenschaft, aber keineswegs immer leicht zu erhalten. Auch ist ihr furchtbares Geheul unter Umständen nicht besonders angenehm. Ein andrer nicht seltener, schöner Affe ist der Kappenlangur Semnopithecus pileatus. Jr war weniger scheu, als die Hoolucks, und allenfalls auch mit der Sehrotflinte zu erlegen. Ich rathe indessen davon ab, grössere Affen mit Schrot zu schiessen. Sie gehen bisweilen schwer verwundet hoch in die Baumkronen, wo sie dann trotz wiederholter Schüsse nicht mehr zu erlangen sind. Ein so elend ver- wundeter oder sterbender Affe ist ein peinlicher Anblick. Man thut daher besser, ( 233 ) Affen mit der Büchse zu schiessen. Selbst wenn dann das Thier nur verwundet ist kann man fast immer, auch in den denkbar höchsten Bäumen, einen weiteren und tödtlichen Schuss anbringen. Von Fledermäusen erbeutete ich etwa 6 Arten, (die grossen “ fliegenden Hunde ' aber traf ich in Ober-Assam nicht an. Besonders häufig war Scotophilus temmincki mit rostrothem Pelze. Nur eine Txpaia kam mir vor. Einmal erbeutete ich die interessante Urxa canerivora, die nicht selten sein soll. Zu meinem Bedauern bekam ich nichts von dem indischen Wildhunde, Canis rutilans, zu sehen, der Schakal, Canis aureus, aber war bei Sadiya häufig, im ausgedehnten Walde aber scheint er nicht zu leben. In Sadiya wurden die Schakale durch den Raub unserer Hühner und durch das plötzlich vor den Fenstern ausgestossene, diabolische Geheul lästig, das wohl Vergnügen macht, wenn man wacht, aber nicht, wenn man damit aus dem Schlafe geweckt wird. Im Brahmaputra sah ich mehrmals den Ganges-Delphin, Platanista gangetica. Sehr charakteristisch für die Wälder in Ober-Assam sind die Eichhörnchen, besonders das mit dem Schwanze dreiviertel bis vierfünftel Meter lange Rieseneich- horn, Sciurus giganteus, das auch einen guten Braten abgiebt, und die kleineren, unsere deutsche Art nur wenig an Grösse übertreffenden Seiurus erythraeus und ‚ferrugineus, sowie das ganz kleine, kaum wieselgrosse Sciurus maclellandi. Die Vogelwelt ist ausserordentlich reich. Von den eigentlichen Brutvögeln fallen im Walde namentlich die Lärmdrosseln, Garrulax leucolophus, rothbraun mit weissem, gehäubten Kopfe, und Garrulax pectoralis nebst dem ihm sehr ähnlichen @. moniliger, auf. Schaarenweise durchstreifen die ersteren das Unterholz der Wälder, die Nahrung grösstentheils am Boden suchend. Wenn man sich einem Trupp dieser Vögel nähert, so beginnt gewöhnlich erst einer, dann hier und dort ein andrer durchdringend zu pfeifen, und plötzlich bricht die ganze Schaar in ein betäubendes Leiern, Flöten und Lachen aus, das acerescendo-fortissimo plötzlich abbricht, um nach einer Pause etwas weiterhin von Neuem zu beginnen. Die andern beiden Arten sind mehr Baumvögel. Von den langschnäbligen Pomatorhinus-Arten, die ebenfalls durch ihr lautes, gackerndes und huppendes Geschrei im dichten, wildverwachsenen Gebüsche auffallen, erbeutete ich die ziemlich seltenen ?. maclellandi und P. hypoleueus. In den offenen Buschstrecken war der rothbäuchige Bülbül, Molpastes pygueus, sehr gemein. Den heimischen Meisen glich in ihrem Gebahren der Parus einereus, und Sitta cinnamomeiventris und frontalis sind echte Kleiber, nur sind die Lock- stimmen sehr viel feiner. Es würde zu weit führen, hier alle Vögel zu erwähnen, die ich beobachtete. Ich verweise auf meine Arbeit in Journal für Ornithologie 1859 und erwähne nur noch wenige besondere Thatsachen. Am 4. September traf ich bei Margherita eine Schaar von Nashornvögeln, die sich durch auffallende Furchtlosigkeit auszeichneten. Ich schoss vier davon, von denen aber einer in einer Astgabel hängen blieb, sodass ich nur 3 erhielt. Es war der überaus seltene Anorbhinus tiekelli austeni, wie diese Form heissen muss. Sogar der nahe Verwandte A. tekelli aus Tenasserim war damals in Europa nur im Britischen Museum vertreten, aber vom austeni war nichts als der von Motten halbzerfressene Typus in demselben Museum bekannt. Eins der von mir erlegten Exemplare ist jezt im Berliner, zwei im Rothschildschen Museum. Nahezu in derselben Gegend schoss ich den sehr seltenen Merohleraw melano- ’ ( 234 ) leueus. Ich bemerkte einen kleinen Trupp von 5 oder 6, von denen ich drei auf einen Schuss erlegte, aber nur zwei fand. 3ei Sadiya war, namentlich in den Guavenbäumen ein seltener Langschwanz- sittich, Palaeornis finschi, in ungeheuren Schaaren mit Palaeornis rosa zusammen anzutreffen, deren Beobachtung und Jagd mir ungemeine Freude bereitete. Man muss Schaaren von Tausenden von Papageien gesehen haben, um zu begreifen, wie schön ihr Anblick, wie gewaltig ihr Lärm ist. Sehr häufig war die himalayanische Baumelster, Dendroeitta himalayensis. Ihre wechselvollen, bald krächzenden, bald pfeifenden Töne hört man fast immer im lichten Walde. Auf Fruchtbäumen sieht man sie oft in grosser Anzahl. Sie giebt übrigens ein geniessbares Gericht ab. Die hübschere Dendroeitta frontalis fand ich nur bei Sadiya. Sie ist überall seltener. Die auffallendere und buntere Dendrocitta rufa bemerkte ich in Ober-Assam garnicht. Die wundervolle licht- grüne, in Sammlungen in ein helles blau ausbleichende Cissa chinensis, die unzweifelhaft zu den Corviden gehört, traf ich im Hügellande bei Margherita an, aber selten. Im letzten Drittel des September ergoss sich ein Wanderzug nordischer Vögel in das Brahmaputrathal. Nach dem 20. September wurde Megalurus palustris sehr häufig, die schon vorher, aber weniger häufig angetroffene Pratincola rubicola maura wurde um dieselbe Zeit sehr gemein. Am 30. schoss ich Oyanecula sueecica. Nach dem 20. erschien Zuseiniola fuscata, eine Menge verschiedener Bachstelzen- arten, Anthus agilis und Palaeornis finschi. Von europäischen Vögeln erlegte ich auch Passer montanus, der in Ober-Assam damals ganz den indischen Haussperling, Passer domesticus indicus, vertrat, Upupa epops, der vom 10. Oktober an sehr gemein war, Astur palumbarius im Jugendkleide am 4. November, Ciconia nigra am 22. Oktober, Gallinago gallinago und Totanus calidris in Menge. Ueber die Fische und Reptilien von Assam vermag ich nieht ein Wort zu sagen, da ich sie nicht sammelte, aber ich bemerkte von letzteren weniger als in Perak und Sumatra. Ganz besonders zog mich die Insektenwelt an. Mein entomologisches Sammeln gestaltete sich namentlich durch meinen Reisegefährten so hervorragend anziehend für mich, da er aus seinem überreichen Schatze von Kenntnissen und Erfahrungen gern mittheilte und auf interessante Probleme und Thatsachen hinwies. So konnte ich mit ihm gemeinsam Beobachtungen machen über das Auftreten der verschiedenen Generationen der Schmetterlinge, die verschiedenen Generationsformen, über zahlreiche Fälle von oft verblüffender Mimikry, über Schutzfärbung, über den Geruch vieler Arten, und andere Dinge mehr. Obwohl wir schon lange wissen, dass, ja sogar auch in unsern Breiten, Fälle von Saisondimorphismus vorkommen—Jedermann kennt z. B. den Fall von Vanessa prorsa und levana und der beobachtende Sammler kennt den Unterschied zwischen Stücken von Papilio machaon der ersten und zweiten Generation—waren es doch Doherty und de Nieeville, die durch zahlreiche Beobachtungen an Ort und Stelle, in Indien, feststellten, dass die Bruten sehr vieler Schmetterlinge in der Trockenzeit und Regenzeit, oder in der wärmeren und kälteren Zeit, sich auffallend unter- scheiden, ja dass manche früher für verschiedene Arten gehaltene Formen nur (die jahreszeitlichen Unterschiede darstellten. So 2. B. Junonia asterie und almana, Nelanitis leda und ismene,j Mycalesis mineus und visala, Orsostriaena mandata und mandosa. Den Beobachtungen von Doherty und de Nieeville gegenüber verhielteu sich anfangs einige der fruchtbarsten englischen Artbeschreiber sehr ablehnend, aber jetzt haben sie sich längst eines Besseren belehrt, und es wird jetzt sogar nicht selten ( 235 ) eine Form, z. B. von Charaxes und Teracolus. als jahreszeitliche Verschiedenheit erklärt, ohne dass der Beweis dafür durch Beobachtungen an Ort und Stelle erbracht worden ist. So geht man von einem Extrem in das andere. Einen unglaublichen Fall von Anpassung erlebten wir eines Abends im Esszimmer. Ich sah an der Wand ein Stück Vogelschmutz, das vorher nicht dort gewesen war. Doherty und ich standen davor, sahen hinauf und stritten uns, ob es ein Nachtschmetterling oder sonst etwas lebendes oder Vogelschmutz sei—schliesslich berührte Doherty es und davon flog eine Noctuide, die wir nie wieder sahen. Ein Fall von wahrer Mimikry drängte sich mir sehr drastisch auf. Von Dr. Richter und andern anf die interessante Familie der (leriden aufmerksam gemacht, versäumte ich keine Gelegenheit diese kleinen Käfer zu sammeln. Eines Tages glaubte ich auf einem Baumstamme eine mir schon öfter vorgekomene Cleriden-Art zu sehen, aber als ich sie ergriff erhielt ich einen so intensiv schmer- zenden Stich, dass ich alsbald wusste, dass ich ein Exemplar der von dem Ülerus nachgeahmten Hymenopterenart der Familie Mutillidae—beinahe erbeutet hätte ! Die meisten Arten der Schmetterlingsgattung Plymnias können als nachahmende Arten angesehen werden. Ich war besonders glücklich im Fange dieser Thiere. Schon in Perak hatte ich zwei von dem verstorbenen Honrath als neue Arten beschriebene Stücke, von denen das eine meinen Namen erhielt, gefangen. An Leopardenkoth fing ich bei Margherita mehrere Stücke der seltenen Zlymnias vasıka, die auf der Unterseite eine auch dort von.uns gefangene Delias nachahmt. Ebenfalls bei Margherita und Sadiya fingen Doherty und ich die nur in wenigen Sammlungen vertretene, seltene Klymnias (oder Dyetis) pealei, deren Weibchen auch, ich glaube zuerst, erbeutet wurde. Es ist in dem Journal of the Asiatie Society of Bengal, Band 58, Tafel 10, abgebildet. Am Dikrangflusse nördlich von Sadiya fing ich eine neue Apatura Art, die von meinem Reisegefährten als Potamis (oder Apatura) ulupi beschrieben, und ebenda abgebildet wurde. Der Typus dieser, soweit bekannt bisher nicht wieder erbeuteten Art befindet sich in der Staudingerschen Sammlung. Eines Tages fand ich eine kleine Rhopaloceren-Puppe, die ich mitnahm. Nach 3 Tagen entpuppte sich eine schöne Poritia. Sie wurde von Doherty als Poritia (Massaga) harterti beschrieben und abgebildet. Späterhin find ich auf der Verandah meines lieben Gastfreundes Dr. Martin in Sumatra eine Poritia, die ich mit Porztia phalaena Hewitson von der Malakka-Halbinsei identificierte, und von der sich “ Massaga harterti” garnicht zu unterscheiden schien. Ob sich die beiden mir so eigenartig in die Hände gefallenen Stücke wirklich unterscheiden, kann in der Staudingerschen Sammlung festgestellt werden. Bei der grossen Entfernung der Fundorte voneinander ist kaum anzunehmen, dass beide Stücke ganz gleich sind. Auch das sumatranische Exemplar befindet sich in der Staudingerschen Sammlung. Ganz überraschend war mir in Assam der starke Duft einiger Schmetterlinge. Wohl jedem tropischen Sammler ist der starke Geruch der männlichen Euploeen bekannt. Namentlich die gemeine Euploea midamus riecht sehr stark, und den meisten Leuten entschieden sehr unangenehm, auch viele Papilionen und die grossen gelben Ornithopteren riechen mehr oder minder eigenthümlich, eine assamische Delias riecht gut, die meisten Klymnias-Arten schwach angenehm, Lethe mekara ziemlich stark, schön veilchenartig, einige Callidulae duften merklich. Alles dies ist jedoch nichts im Vergleiche zu OCalliana pieridoides. Diese ( 236 ) ausserordentliche, grosse Hesperide mit schneeweisser Oberseite war vor unsrer Reise nach den Nagabergen nur in einem einzigen Exemplar in Grote’s indobirmanischer Sammlung bekannt. Wir erbeuteten bei Margherita mehrere Männchen. Doherty und ich glauben auch das Weibchen, von brauner Farbe, gesehen zu haben, erbeuteten es aber nicht. Ich weiss nicht, ob es seither beschrieben worden ist. Die Art ist Vertreterin einer besonderen Gattung, die zu der Tagiades-Gruppe der Hesperiden gehört. In dem dunkelsten Waldesschatten fliegen die so auffallenden Männchen lanesam und lässig in den Nachmittags- stunden herum, sich dann und wann mit ausgebreiteten Flügeln, wie andere Arten der Tagiades-Gruppe, Geometriden und die Arten der Tagfaltergattung Cyrestis hinsetzend.. Am Vormittage sitzen sie still an der Unterseite von Blättern. Das merkwürdigste an diesen Thieren aber ist, wie schon gesagt, der Geruch. Der ganze Körper und die Flügel dieses Schmetterlings sind durch- drungen von einem starken und überaus lieblichen Duft, der etwa die Mitte hält zwischen dem der Vanille und dem des Heliothrop. Doherty bemerkte diesen (Geruch sogar einmal als das Insekt an ihm vorüberflog. Dies habe ich zwar nicht bemerkt, Thatsache ist aber, dass die Finger stundenlang duften wenn man einem frischgefangenen Stücke den Thorax eingedrückt, und dass die todten Exemplare in den Düten trotz Anwendung von Naphthalin noch wochenlang ihren Geruch behalten. Ein ähnlich starker und so lieblicher Geruch ist noch bei keinem andern Schmetterling beobachtet werden. Wir konnten nicht feststellen, wo eigentlich die Duftorgane lagen, aber ich möchte glauben, dass der Geruch namentlich den Tibien und dem Körper entströmt, vielleicht auch mögen sich Duftschuppen auf den Flügeln befinden. An den mit männlichen Blüthen bedeekten Papaya-Bäumen machten wir in der Abenddämmerung ausgezeichneten Fang an Sphingiden. Viele Nachtschmetter- linge fingen wir im erleuchteten Zimmer oder Zelt, andre (namentlich zahllose Pyraliden) lockten wir durch Aasgeruch an, indem wir Zeuglappen mit Wasser begossen in welchem Vogelkadaver verfault waren. Auch durchschwitzte Unter- jacken fanden einige Liebhaber, namentlich Geometriden und Pyraliden. Im ganzen recht befriedigt von meinem Aufenthalte in Ober-Assam—obwohl die Sammlungen nicht allzu reichhaltig waren—fuhr ich gegen Ende November den Brahmaputra wieder hinunter. Das Landschaftsbild hatte sich ganz wesentlich verändert. Während bei der Auffahrt im Sommer die Luft schwül war und häufige Gewitter tobten, die Nächte so heiss waren, dass man schlecht schlief, zumal die Moskitos sehr lästig fielen, war jetzt die Temperatur angenehm, die Nächte sogar sehr kühl, die Luft klar, weite Fernblicke gewährend. Die erstaunlich weite Wasserfläche der Regenzeit war in eine schmale Wasserader zusammengeschmolzen, zu deren Seiten sich fast unabsehbare, in der Sonne blendend schimmernde Sandbänke ausdehnten, belebt von zahlreichem Vogelvolk, unter dem sich Scharen phlegmatischer Pelekane auszeichneten, von vielen Hunderten einer kleinen, sehr langschnäuzigen Gavialart, grossen und zahlreichen kleinen Schildkröten. Das Krokodil geht nicht bis Sadiya stromaufwärts. Es erscheint schon nur noch selten bei Dibrughar. Auch sonst ist das Thierleben im Strome reich. Es mangelt nicht an wohlschmeckenden Fischen, auch eine Garneelenart ist sehr gut zu essen. Unionen sind so zahlreich, dass sie an einigen Orten zum Kalkbrennen dienen. In der klaren Luft hoben sich im Norden über diehtbewaldeten Bergzügen die schneebedeckten Gipfel des Himalaya gegen den blauen Himmel ab, am Harrerr “A. D. WANDERT. [ ir, Ay_* En DER KINCHINJUNGA VON DARJILING AUS. ( 237 ) herrlichsten oberhalb von Tezpur. Voll Bewunderung hingen meine Blicke an dem herrlichen Bilde und unwillkürlich zog glühend ein Verlangen dureh die Brust, jene Höhen zu erforschen, denn noch nie hat sich eines Europäers Fuss jenen so klar im Sonnenglanze herüberleuchtenden Schneefeldern genaht, noch fast nichts ist über jene Riesenberge bekannt. Ihre Höhen sind nur aus der Ferne gemessen, namentlos stehen die meisten von ihnen, nur mit Nummern bezeichnet, auf den mit Hilfe von intelligenten Panditen hergestellten Karten. Ich konnte es nicht übers Herz bringen, wieder nach Caleutta zu gehen, ohne das berühmte Darjiling gesehen zu haben. Von Dhubri fuhr ich daher nach Parbadipur, wo ich die nach Darjiling führende Bergbahn bestieg. Die Schönheiten dieser Bahnstrecke sind oft gepriesen, und in der That gehört sie zu den schönsten der Welt, aber die unabsehbaren Waldmassen wirken doch etwas einförmig, die Bahn von La Guaira nach Caracas und andre sind daher schöner und wechselreicher durch die stete Abwechslung von Blicken aufs Meer, über Felsen und Wälder. In Darjiling nahmen Lepeha-Frauen meine schweren Koffer auf die Schultern, etwa wie man Tornister trägt, und eilten so rasch, dass man kaum folgen konnte, meinem Quartier zu, dem ausgezeichneten “ Sanatorium,” einer Art von Re- convalescentenheim und Krankenhaus in guter Lage. Ich kannte keine Hoteladresse und wollte nicht zu theuer wohnen—so folgte ich einem mir en passant gegebenen Rathe, und ging dorthin. Der liebenswürdige Arzt, der auch ein guter Entomologe war, gestattete mir den Aufenthalt, da ich ja aus dem ungesunden Assamthale kam, und ich war damit sehr zufrieden. Die Gesellschaft war nicht zahlreich, aber sehr angenehm, Niemand schien sehr krank zu sein. Ein General, der im Kampfe mit den Thibetanern seinen linken Arm verloren hatte, logierte auch im Sanatorium. Er ging schon allein im Garten spazieren. Als ich ankam war es spät am Nachmittage, und ich sah im Norden endlose Bergmassen, deren Häupter mit Nebel umgeben waren. Aber welch ein Bild am andern Morgen! In Erwartung des Anblicks der höchsten Berge der Erde hatte ich nur mässig geschlafen, und ich trat schon aus dem Hause, als der Tag anbrach. Da stoben die Wolkenschleier auseinander, und in einer ganz unerwarteten Höhe trat die weisse Spitze des Kuntjindjunga hervor. Mir stockte der Athem— war das eine Fata Morgana ! ?—nein, da trat die ganze gewaltige Kette klar heraus, sodass man die Abstürze der Gletscher und die Schneefelder, und die sich übereinander thürmenden Rücken und Spitzen, sowie die ausgedehnten bewaldeten Beree in grösserer Nähe mit einem Male übersehen konnte. Das übertraf alles an Gewaltigkeit, was ich je geträumt, und nie werde ich jenes Morgens vergessen. Bei ruhiger Ueberlegung freilich sagte ich mir, dass es so sein musste, denn der Gipfel des Kuntjindjunga überragte meinen etwa 7800 Fuss hohen Standort noch fast um weitere 20,000 Fuss! Ich war übrigens sehr vom Glück begünstiet, indem es Tag für Tag schönes helles Wetter blieb, sodass ich am Tage im hellen Sonnenschein, und sogar nachts im zauberischen Mondschein jene Kuppen, die in ernster Majestät wie aus einer andern Welt herunterschauten, bewundern konnte. Besonders interessant waren mir die Besuche bei einem leider kurz nachher verstorbenen Sammler, dem Dänen Otto Möller in der schönen Theepflanzung Tukvar, wo ich seine ebenso werthvolle Biersammlung, wie Rhopaloceren-Sammlung besah. Die letztere ist jetzt im Tring Museum enthalten, aber ich weiss nicht, in wessen Händen sich erstere befindet. Auf dem Kirchhofe zu Darjiling befindet ( 238 ) sich das stattliche, von der “ Asiatie Society of Bengal” gestiftete Grabdenkmal eines im Dienste der Wissenschaft gestorbenen Forschers, des berühmten Reisenden und Philologen, des Ungarn Usoma de Köros, der zu Darjiling im Jahre 1842, nach seiner Rückkehr aus Tibet im jugendlichen Alter von 44 Jahren seinen Tod fand. Bald musste ich Abschied nehmen von den herrlichen, Iuftigen Höhen, und eilte wieder hinab in die heisse Gangesebene. Während der Eisenbahnfahrt war es von besonderem Interesse, die grosse Zahl von Raubvögeln, namentlich Schreiadler, Baza, Butastur, Pernis, Spizaetus limnaetus und Bussarde zu beobachten. Die indische Ebene ist im Winter ein wahres Dorado für Raubvögel. In Oaleutta empfing mich auf dem Bahnhofe mein Abbalger. Ich hatte ihn von Dhubri direkt nach Caleutta geschiekt. Dort wohnte seine Frau, die er vor seiner Abreise nach Sumatra, wohin ich ihn mitnehmen wollte, sehen wollte— zudem besass er keine warmen Kleider und wäre daher wohl in Darjiling, wo es Abends und Morgens recht kühl war, erkrankt. Es entspann sich etwa folgendes, in einem furchtbaren Gemisch von englisch und hindustanisch geführtes Gespräch : “Ich freue mich, Dich zu sehen, doch wie kommt es, dass Du heute hier bist, da ich doch gesagt hatte, ich würde schon vor einer Woche wiederkommen ?” “Da Du nicht am von Dir bestimmten Tage kamst, glaubte ich Du würdest später kommen, und bin daher zu jedem Zuge hierhergekommen, Herr, und ich habe, wie Du siehst, recht gedacht.” “Schön, wie geht es Dir? Hast Du deine Frau wohl angetroffen ? ” “ Danke, Herr, mir geht es sehr gut, indessen meine Frau ist gestorben.” “Oh, das thut mir leid! Woran starb sie denn ? ” “ Vermuthlich an der Cholera.” “So! Nun bist Du wohl sehr traurig ? ” “ Ach nein, Herr, das passiert uns ja allen einmal. Nur, Herr, hätte ich gern etwas Geld, denn ich habe viel zu bezahlen gehabt, für ihr Begräbniss nämlich, und ich möchte etwas für meine Kinder zum Leben zurücklassen.” “ Gut, komme morgen früh um 8 in mein ‘ Boarding House.” ” Mein philosophisch denkender Freund, der mir in Assam gute Dienste geleistet hatte, war leider in der Zukunft eine grosse Enttäuschung für mich. Er konnte offenbar das Klima in Sumatra nicht vertragen, und ich musste ihn, wenn ich ihn nicht elend zu Grunde gehen lassen wollte, mit ziemlichem Kostenaufwand nach Caleutta zurücksenden. Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, zu bemerken, wie wenig oft die Eingeborenen tropischer Länder anderen Klimaten, als denen worin sie geboren, widerstehen können. In Westafrika erkrankten alle unsre von der Küste stammenden Neger im Innern mehr oder minder oft und ernstlich, wenn auch nicht tödtlich., In dem eben erwähnten Falle konnte ein Bewohner des feuchtheissen Calcutta das doch garnicht so sehr unähnliche Klima von Sumatra nicht vertragen. Auf Salanga klagte mein Diener Achmed aus Penang, die Luft sei so trocken, dass seine Haut völlig austrocknete, und er würde bald sterben. In einer Theepflanzung in Perak starben viele Kulis in einer Höhe von 2 bis 3000 Fuss, die im Thale ganz wohl gewesen waren. Vorzügliche Akklimatisationsfähigkeit zeigen in allgemeinen die Chinesen, aber man darf nicht übersehen, dass auch von ihnen viele erkranken und sterben, nur wird wenig Wesens davon gemacht, denn für jeden abgehenden Chinaman sind Dutzende vorhanden, die gern den offenen Posten wieder einnehmen, . Ueber die ( 239 ) Verluste an Kulis befrage man nur die Pflanzer in Sumatra, die frisches Land bebauten, und die Zinnmineninhaber in Perak und Salanga. Meine Wahrnehmungen während meines zweiten Aufenthaltes in Sumatra und Perak sind vorher schon mitgetheilt. Die Heimreise machte ich nicht wieder direkt von Penang zu Schiffe, sondern über Caleutta und durch Nordindien, sodass ich die historisch interessantesten Theile des Wunderlandes wenigstens flüchtig kennen lernte. Wenn auch die Reise leider nur kurz sein konnte, und sich daher wenig Gelegenheit zu ornithologischen Forschungen hat, so gehört diese Indienfahrt doch zu den schönsten Erinnerungen meines Reiselebens. Von der Howrah Station führte mich die Bahn im weiten Gangesthal nach Benares, der religiösen Metropole des Hinduthumes. In Clark’s Hötel fand ich vorzüsliche Unterkunft, nur war, wie überall in Indien, die Bedienung mangelhaft. Der Europäer reist nämlich fast stets mit mindestens einem Diener, der die Stiefel wichst, die Zeugschuhe weisst, seinem Herrn bei Tische aufwartet und andre Dienste leistet, die man in Europa von Hausdienern, Stubenmädchen oder Kellnern erwartet. Reist man nun ohne Diener, so wird man oft über die Achsel angesehen, und die Angestellten der Hötels thun nur das Nöthigste, und auch dazu bedarf es manchmal energischer Ermahnungen. Es fiel mir indessen nicht ein, für die Reise durch Nordindien einen besonderen Diener zu miethen, und ich kam mit etwas Energie und Augenzudrücken ganz gut durch. Bei der Table-d’höte bemerkte ich (an der Aussprache des Englischen, das er aber auf das vollkommenste beherrschte) einen Deutschen, dem ich mich vorstellte, Es war ein rheinischer Kaufmann mit dem seltenen Namen Müller, der nicht wenig erstaunt war, als ich ihm mittheilte, dass ich den Namen schon irgendwo gehört haben müsse. Er war ein wohlunterriehteter und lustiger Gesellschafter, und wir beschlossen eine kurze Zeit zusammen zu reisen. Das Hötel lag in Sekrole, der europäischen Ansiedlung, fast vier englische Meilen vom eigentlichen Benares entfernt. Wir besuchten daher die heilige Stadt erst am nächsten Morgen. Was mich in Benares am meisten überraschte war das Gemisch der drei grossen Religionen des Ostens, das sich vielfach seigt. Ich hatte nicht so viel mohamedanische und buddhistische Züge erwartet. Ehrfurcht ergriff uns vor den zahllosen Zeugen Jahrhunderte langer, rein orientalischer Kultur, bewundernd betrachteten wir den frommen Glauben der Pilger, aber neben dem Erhabenen und der reinen Frömmigkeit starrten uns auch, wie leider mehr oder minder an vielen Pilgerstätten, Finsterniss, Laster und Schmutz, Begehrlichkeit und Wichtigthuerei der Priester entgegen. Am meisten wird der dritte Gott der Hindudreiheit, Shiva, der Zerstörer und Wieder-Erschaffer zugleich, in Benares verehrt, und zwar vorzugsweise in der Gestalt des “ lingam,” der in roh menschlicher Auffassung das Symbol der Fort- pflanzung darstellt.* Im engsten, bevölkertsten Viertel der Stadt steht das unbedeutende Bauwerk des “Goldenen Tempels,” von einer Marathafürstin gestiftet. In jedem seiner drei Hallen erhebt sich ein grosser Lingam, dem sich nur die Priester nahen dürfen. Die zahllosen Gläubigen werfen Reis und Blumen auf die Symbole, und die Priester schwemmen diese Gaben von Zeit zu Zeit mit einem Strome heiligen Gangeswassers ab. Das von den Lingams abfliessende Wasser sammelt * Der lingam hat die Gestalt eines abgerundeten Obelisken. ( 240 ) sich in dem “ Brunnen der Erkenntniss.” Man kann sich den Gestank dieses mit sich zersetzenden Vegetabilien gemischten Pfuhles vorstellen, trotzdem aber strömen Tausende von Wallfahrern hin, um von dem heiligen Wasser einige Tropfen zu erhaschen. An Heiligkeit wird der Brunnen der Erkenntniss nur vom Manikarnika-Brunnen übertroffen, dessen Wasser selbst die schwerste Sünde abzuwaschen im Stande ist. Können wir auch die Lingamverehrung noch erfassen, so ist es uns doch unverständlich, was die in obscöner Weise behanenen Steine in manchen Ecken der Strassen und die widerwärtigen Darstellungen an einem kleinen nepalesischen Tempel selbst mit der Shiva-Verehrung zu thun haben. Das ist schon wieder ein Zeichen des Versinkens alter Kultur in Laster und Schmutz, ein bis zu thatsächlichem Wahnsinn leitender Fanatismus. Nirgend zeigt sich das Hinduthum so interessant, aber auch nirgend so abschreckend wie in Benares. Sehr verwunderlich erschien mir die Verehrung der heiligen Kühe. Wir konnten nicht genug staunen darüber, wie begeistert die Frommen vor den Kühen zu Boden sanken, ihnen Blumengewinde darbietend. Die heiligen Thiere benahmen sich nur leider garnicht im mindesten würdig, sondern so gewöhnlich wie die stumpfsinnigste europäische Kuh. In blöder Ruhe frassen sie die ihnen geopferten Blumenguir- lander, oder ruhten wiederkäuend im Allerheiligsten, das selbst ein Gläubiger nicht betreten durfte, ja sie scheuten sich nicht einmal, die Symbole und Bildwerke der Gottheiten selbst zu beschmutzen. Von andern Kühen unterschieden sie sich nur durch die Frechheit, mit der sie sich durch die Menschen drängten, und zum Theil durch ihre Fettheit. Eine Enttäuschung war der weltberühmte Affentempel, denn wir sahen nur einige Dutzende, nicht aber “ Tausende” von überfütterten, widerlich faulen Macacus rhesus in den Nischen und auf den Mauern sitzen. Der fromme Brahmine erlaubt ihnen auch jetzt noch seine Kornböden, Obstbäume und Tische zu plündern. Am berühmtesten ist in Benares die Fahrt auf dem heiligen Strom, zur Morgenstunde, wenn Jung und Alt die religiösen Waschungen im Ganges vor- nimmt. Auf eine Länge von zwei englischen Meilen steigt das rechte Ufer wohl beinahe hundert Fuss an, und dieses Steilufer ist durch zahlreiche breite Steintreppen überwunden, zu deren Häupten sich eine endlos scheinende Reihe von Tempeln und Palästen erhebt. Viele von den letzteren gehören indischen Fürsten, die nur selten darin wohnen, aber womöglich darin sterben wollen. Die meisten Tempel sind von hindostanischer Bauart und dienen dem Hinduthum, aber der schönste von allen schien mir die am östlichen Ende stehende Moschee Kaiser Aurungzibs mit ihren schlanken, hohen Minarets. Mehr als die Bauten noch fesselt vielleicht das Treiben amı Fusse derselben, am Rande des Wassers. Da sieht das staunende Auge Tausende von Hindus aller Kasten und Sekten, jeden Alters und Geschlechtes die Waschungen vornehmen. Dinige liegen bequem am Ufer, andere stehen bis an die Brust im Wasser und streeken die Arme unter lautem Beten hoch gen Himmel, einige trinken das göttliche Nass, andere waschen den ganzen Körper, oder begnügen sich, das Haupt zu betränfeln. Wer das Geld dazu hat badet unter Baldachinen oder grossen, flachen Schirmen, die Vornehmen wandeln auf bunten Teppichen an das Ufer heran. Zwischen alle dem sieht man vielfach Gruppen von Leidtragenden Scheiterhaufen umstehen, auf denen Leichen, Körper und Gesicht in Tücher fest verhüllt, ver- brannt werden, um die Asche dem Strome zu übergehen. Trotz der sehr strengen Verbote aber kommt es doch noch bisweilen vor, dass Arme, die das theuere (241 ) Brennholz nicht bezahlen können, die Leichen unverbrannt, oder nur leicht angeröstet in den Fluss werfen—doch mag es wenig Europäer gehen, die noch heute eine Leiche im Ganges treiben sehen. An vielen Stellen melden Gedenksteine, dass eine fromme Wittwe sich pflichtgetreu dem “ sati,” dem freiwilligen Fenertode unterzogen, ein Gebrauch, den auch die Polizei schon lange nicht mehr gestattet. In der Stadt fällt ausser den Hindutempeln und mohamedanischen Moscheen eine kleinere Anzahl von buddhistischen Tempeln auf—Reste entschwundener Zeit, denn Jahrhundertelang herrschte die Lehre Buddhas mit ihren schönen Moral- lehren und ihrer Nirwana neben der brahminischen Religion. Später wandten sich die Bewohner wieder mehr der alten Religion zu, aber dies muss entschieden als ein Rückschritt bezeichnet werden. Die reine, alte buddhistische Religion war an erhabenen Lehren reich, und es unterliegt keinem Zweifel, dass sehr vieles der christlichen Religion auf den Buddhismus zurückzuführen ist. Keine Religion, mit Ausnahme der christlichen, kommt der buddhistischen an Moral und Schönheit gleich. Dagegen ist der heutige, phantastische Götzendienst der Hindus, der übrigens nicht mehr die alte brahminische Lehre darstellt, sondern aus einem Gemisch von Brahmanenthum und Buddhismus entstanden ist, eine elende Ver- kommenheit zu nennen, aber sie scheint dem unwissenden Volke sympathischer zu sein, als jene philosophischen, hohen Lehren, die es nicht zu würdigen verstand, und die Priesterschaft ist zufrieden, wenn sie nur ihre Macht einigermassen aufrecht erhält, und speist die Menge mit Firlefanuz und Humbug. Solche und ähnliche Erwägungen drängen sich unwillkürlich auf, wenn man diese merkwürdigste aller Städte, mit ihren 1454 Tempeln und 270 Moscheen durchwandert. Da war es wohl nicht schlimm, dass die Mohamedaner einige hunderte (oder gar mehr?) von Tempelu in frommer Wuth zerstörten. Ausser den Tempeln und Palästen der Fürsten am heiligen Ufer sind übrigens fast alle Ecken mit Heiligenbildern oder in mystischer, oft obscöner Weise behauenen Steinen oder Säulen geschmückt. Die Strassen im Innern der Stadt haben etwas unheimliches Manche der Gebäude sind stattlich, die unteren Facaden mit Bildern und Reliefs geschmückt, aber man sieht wenig davon, denn die Strassen sind eng, die oberen Stockwerke soweit vorspringend, dass sie sich fast berühren, es mangelt an Luft und Licht, und die Atmosphere und Temperatur in den Häusern ist daher oft schrecklich. Für ornithologische Beobachtungen ist Benares nicht besonders geeignet, denn die Stadt selbst und ihre Bewohner sind zu fesselnd, doch sah ich hier zum ersten Male den gelbschnäbligen weissen Schmutzgeier, Neophron percnopterus ginginianus, eine östliche Form des europäischen Schmutzgeiers. Von Benares führte mich das Dampfross über 300 englische Meilen weiter gen Westen nach Agra, der Stadt des Moghulkaisers Akbar des Grossen, die durch ihre unerreichbare, schöne Taj Mahal, das schönste Bauwerk der ganzen Welt, die entzückende Itimad-ud-Daula, das Mausoleum Kaiser Akbars zu Sikandrabad, die Ruinen von Futtehpore Sikri und andre Gebäude berühmt ist. Man muss die Taj Mahal gesehen haben, um zu verstehen, welehen Eindruck ein Gebild von Menschenhand auch auf Gemüther machen kann, die sonst weniger Verständniss für architektonische Schönheiten haben und mehr für die Eindrücke der Natur empfänglich sind. Es ist ein zu Marmor gewordener Traum aus der Märchenwelt des Orients, titanenhaft entworfen und ausgeführt mit der Sorgfalt eines Juweliers. Es ist wie eine sinnbestrickende Fata Morgana, und namentlich wenn man den feenhaften Bau aus transparentem Marmor im hellen Mondlicht 16 (242 ) schaut, scheint es einem fast unmöglich, dass das alles Wirklichkeit ist, sd berückend wirkt die mit Orangenblüthenduft geschwängerte, lieblich warıne Luft und der blaue Nachthimmel im Verein mit dem gewaltigen Triumph sarazenischer Baukunst. Keine europäische Sprache vermag solche Schönheit, solche Reinheit der Formen zu schildern. Bezaubert wie ich war von dem Marmormärchen, konnte mein au ornitho- logisches Beobachten gewöhntes Auge doch nieht umhin, sich auch zu weiden an dem kraftvoll eleganten Flug eines Paares des Falco juggur, der die ragenden Minarets am Jumnaufer zu seinem Sitze erkoren und von da aus auf Tauben und Strandvögel im Flussbett stiess. Bei meinem zweiten oder dritten Besuch der Taj Mahal kam ich zufällig darauf, einige Arbeiter, die an einer Reparatur der Kuppel arbeiteten, zu fragen, was in der grossen Kuppel sei, worauf ich die überraschende Antwort erhielt : hunderttausende von Thieren. Das genügte, um mich auf der übrigens recht schwanken, und nur für gänzlich schwindelfreie Leute gangbaren Leiter, die schliesslich in eine Strickleiter überging, nach oben zu begeben. Ich fand denn wirklich die Angabe bestätigt, denn das Innere der Kuppel, in die man dureh eine kleine Thür gelangen kann, war von unzählbaren Fledermäusen, Taphozous longimanns, bewohnt. Es war die Höhle des Gunong Pondok in Perak im Kleinen, und der Dünger lag fast einen Fuss tief. Das Mausoleum von Sikandrabad, das einst den Kohinoor enthielt, ist aus rothem Sandstein erbaut. Die weiten Gärten, «lie das Mausoleum umgeben, sind der Aufenthalt zahlreicher Singvögel, die in der baumlosen weiten Ebene ringsum sonst wenig Nistplätze finden. Wiederum dampften wir 100 englische Meilen weiter, nach Delhi, der einstigen Hauptstadt der Moghulherrschaft, jener Stadt, deren Boden vielleicht mehr Blut getrunken hat, als irgend eine andre Stadt der Welt. Das über 45 englische Meilen weite Trümmerfeld, mit den noch zum Theil prachtvoll erhaltenen Palästen, Harems, Bädern, und dem hoch in die Lüfte ragenden Riesenthurm Kutab Minar, in dessen Nischen Tauben und Spatzen nisten, macht einen niederschmetternden Eindruck—welche Arbeit ist hier vergeudet, welches Leid hat hier geherrscht. Von besonderem Interesse ist das Leben und Treiben in der Stadt, von Gebäuden die gewaltige Jami Masjid, der Palast des letzten Moghulkaisers, mit der gewaltigen Audienzhalle, in der einst der berühmte Pfauenthron stand, und die schöne Perlenmoschee. Der Pfauenthron ist von dem Perser Nadir Schah geraubt, die Sılberfiligrandecke 1759 von den Mahrattas eingeschmolzen. Ein Abstecher nach Sikandra, wo ich eine Vogelsammlung von der Wittwe eines Ofhiziers kaufte, gab mir Gelegenheit den Luxus eines auglo-indischen Zeltlagers kennen zu lernen. Die malerischen Leinwandpaläste hatten wasserdichte Fussböden, Veranden, gutes, leichtes Ameublement, daneben Badezelte, Küchenzelte in einiger Entfernung. In solchem Gezelte lieben die Europäer mit Recht oft Wochen oder Monate in der kühlen und trockenen Jahreszeit, auf Jagdtouren und im Manöver zu wohnen. Von Delhi fuhr ich hinab in das aus unabhängigen Fürstenthümern bestehende Rajputana, das nicht zu “ British India” gehört, sondern nur in einer Art von Schutzbündniss mit Grossbritannien steht. Die Landschaft ist wesentlich anders, als die der Uentral-Provinzen, der Nordwestlichen Provinzen und der bengalischen Ebene, denn der grössere Theil von Rajputana ist Wüste, nur der südöstliche, zwischen den beiden das Land im Südosten durchziekenden Bergzügen, und südlich derselben, ist fruchtbarer, kann ( 243 ) aber auch den wüstenartigen Charakter nicht verleugnen. Auch die Bergzüge sind grösstentheils vegetationslos. Das Land ist fast überall nur dünn bevölkert, das Thierleben dafür aber um so reicher, soweit es dem Oharakter des Landes entspricht. Von der Balhın sieht man häufig Heerden des graziösen Blackbuck’s der Engländer, der Aztelope bezeartica, und gelegentlich die entzückenden Gazellen, Gazella bennetti. Auch der Nilgao, Portax pictus, ist nicht selten, obwohl man ihn nicht von der Bahn aus sieht. Häufig sind die wilden Pfauen, und vieles Wild ist recht zahm, weil es von den Rajputen, meist frommen Hindus, geschont wird. Von Vögelu fallen die Sandflughühner und überhaupt mehr wüstenbewohnende Formen auf. Die Bewohner des Landes sind meist schöne, stattliche Gestalten, mit reichlicherem Bartwuchs als die meisten andern Stämme. Sie geben viel auf Formen und Äusserlichkeiten, aber sie sind auch eingebildet und überheben sich gern. Nie sind die aristokratischsten und edelsten unter den indischen Stämmen. Merkwürdiger Weise aber haftet gerade an diesem Stamme der Makel der Servilität und kampflosen Unterwerfung, als im fünfzehnten Jahrhundert der Islam auf Indien einstürmte. Gerade einer der Vorfahren des an Ahnen reichsten der indischen Fürsten, der seinen Stammbaum bis in das mytlische Alterthum zurückführen kann, des männlich schönen Malharajah Madho Singh von Jaipur war es, der ohne Widerstaud zu den Moguln überging, und sich im ihren Dienst stellte. Blutige Erbfolgekriege zerfleischten später das Land. Heute ist Jaipur, wo ich zuerst Halt machte, der wohlgeordnetste und bestregierte der unabhängigen Staaten. Die Stadt Jaipur steht erst seit dem Jahre 1725 an ihrer jetzigen Stelle. Die alte Hauptstadt von Rojputana war Amber, einige Meilen nördlich von Jaipur am Ufer eines malerischen, blauen Sees gelesen, in dessen Mitte sich ein märchenhaftes Wasserschloss erhebt. Nichts giebt Aufschluss darüber, warum Amber verlassen wurde. Es ist kaum glaublich, dass es uur infolge einer Despotenlaune geschah, sondern wahrscheinlicher, dass irgend eine Weissagung, ein angeblicher göttlicher Wunsch vorlag, denn die Lage vou Amber ist vortheilhafter, als die des heutigen Jaipur. Die verlassene Stadt Amber mit ihren für die Ewigkeit gebauten Steinhäusern, die wie eine alte Raubritterfeste auf der Höhe des Felsens thronende Burg, machen einen wie verzauberten Eindruck. Zwei Jahrhunderte haben die Stätte wenig verändert. Der Geist der mannhaften alten Rajputen scheint sie noch zu durchwehen. Nur die Eidechsen sind zahlreicher, als in bewohnten Gebäuden, Schakale hausen ungestraft zwischen den Mauern, wilde Pfauen schmücken die Dächer, kraftvolle Falken thronen auf den Schlosseszinnen, aus den Mauerritzen wachsen Bäume, wilde Rosen und Akazien, und epheuartige Schlinggewächse wachsen hinein in die Thüren und Fenster. Nur hier und da ist ein Stück Dach in Trümmer gesunken, hier und da eine Mauer geborsten. Man glaubt in einer verwunschenen Stadt zu sein, die Ruhe und Stille wirken fast unheimlich. Das neue Jaipur ist nicht annähernd so fest und stattlich gebaut, doch ist der Palast des Maharajah mit seinen Elefanten-Marställer und den zahlreichen Reit-, Wagen- und Circus-Pferden, dem heiligen See mit den Krokodilen und Wasservögeln, und der Park mit einem fürstlich eingerichteten, hübschen Museum und einem sehr stattlichen Thiergarten recht schenswerth. In dem letzteren fielen mir namentlich stattliche indische Nashörner, die schön gewaschen, eingeölt, und so zahm waren dass ich auf dem einen reiten konnte, auf. Dann war besonders ein indischer Löwe ( 244 ) und eine ganze Serie von starken Tigern bemerkenswerth, die fast alle vor ihrer Gefangenschaft Menschenfresser gewesen waren. Interessanter aber als alles andre in Jaipur und Amber war mir der Ausflug nach dem heiligen Felsenthale Gulta. Der Maharajah stellte mir auf meine Bitte Dromedare und Elefanten zur Verfügung—wie er das mit irgendwie empfohlenen Fremden immer thut—und nach einem längeren Ritte über fliegenden Sand—echte Wüste— wurde das zwischen schwarzen Felswänden liegende Thal erreicht. Alles ist mit Aberglauben umgeben. Aus dem einen Felsen sickert eine Art Erdpech, dem sonderbare Fähiskeiten zugeschrieben werden, eine ganze Anzahl widerlicher Fakire wohnen bei den Tempeln—das abentenerlichste aber sind die zahllosen Affen: nicht die hässlichen, fetten Makaken von Benares, sondern schöne graue Thiere, mit schwarzen, von einem weissen Barte eingerahmten Gesichtern, die Hanumans der Indier, Semnopitheeus entellus der Zoologen. So zahlreich und so frech, so heilig sind sie in Gulta, dass man sich ihrer Zudringlichkeiten kaum erwehren kann und dass man unwillkürlich daran denken muss, wie es einem ergehen würde, wenn man einem ein Leid anthun würde—denn keine Hand würde einem beistehen gegen die heiligen Thiere. Das Affenthal wird wenig besucht, aber es hinterlässt wohl von allem was es in Indien giebt einen der bleibendsten und abenteuerlicbsten Eindrücke. Von Jaipur fuhr ich nach dem reizenden, gemüthlichen, malerisch gelegenen Ajmir, wo eine weitläufige Verwandte von mir verheirathet war. Da ihr Mann eine einflussreiche Stellung einnahm, bekam ich hier auch einen guten Einblick in das gesellige Leben der Beamten und Militärkreise, wovon ich bisher wenig gesehen hatte, denn in den Grenzgebieten von Ober-Assam gab es keine “ Gesellschaft,” in Oaleutta hatte ich nur bei Deutschen verkehrt und in Darjiling und anderwärts gar keine Bekannte gehabt. Ajmir war früher ein unabhäugiger rajputanischer Staat, jetzt aber eine britische Enklave inmitten der Rajputana, mit einer Garnison von einem Bataillon Jäger und einiger Kavallerie und ausgedehnten Eisenbahnwerkstätten. Die Stadt Ajmir liegt in einem von kahlen Bergrücken eingeschlossenen Thale und wird an einer Seite von einem See von fünf englischen Meilen im Umfange, an der andern von einem fast vegetationslosen Felsenrücken begrenzt. Es ist unbeschreiblich schön, am Abend bei Sonnenuntergang auf dem See zu gondeln, in dessen blauen Fluthen sich die an seinen Ufern stehenden Marmorpavillons und dunklen Bäume, sowie die scharf am Himmel abgezeichneten Bergzüge spiegeln. Jetzt, im Februar, war der See belebt von vielen Podiceps eristatus und minor, die von den Offizieren der Garnison ihrer weissen Unterseite wegen gejagt wurden, woraus die Damen sich Muffe und Mützen für die Heimath machen liessen. Von Enten und anderem Wassergeflügel bemerkte ich Nettapus coromandelianus, Mareca penelope, Anas crecca, Aythia nyroca, Fuligula fuligula, Phalacrocorax carbo, alle aber übertraf an Zahl das schwarze Wasserhuhn, Zulica atra, das in ungeheueren Schaaren auf dem Wasser lag. Über der Stadt liegt das “ Fort,” eine durch ihre Lage auf steilem Felsen gewaltige Festung, von deren Höhe man einen wundervollen Ueberblick über die benachbarten Höhenzüge und das fruchtbare Theil von Ajmir hat. An diesen Felsen hält sich der mächtige Gyps fulvus fulvescens Hume auf und nistet auch wohl sicher noch an ihnen, es gelang mir aber trotz vieler Mühe nicht, einen besetzten Horst zu finden oder zu erfragen. Ebenso wenig glücklich war ich auf dem hohen Felsrücken, der sich auf der (245 ) andern Seite der Stadt hinzieht. Dieser Höhenzug ist fast kahl. Die vorherr- schende Pflanze ist eine Armleuchter-Euphorbie, die gerade damals prächtig mit kleinen, dunkelrothen Blüthen geschmückt war, während in der Ebene langstachelige Akazien die häufigste Baumart bilden. Die Aussicht von dem Bergrücken war noch grossartiger, als die vom Fort aus. Das Hinaufklettern bot keinerlei Schwierigkeiten dar, aber der Kamm war bisweilen so schmal, dass man nur mit Vorsicht darauf gehen .konnte und dass ich bei dem herrschenden Winde vorzog, stellenweise auf allen Vieren zu kriechen, um nicht hinuntergeweht zu werden. Ausser Geiern, einer Thamnobia und einer’ Steinschmätzerart bemerkte ich auf dem Felsrücken keine Vögel, während die Büsche und Biume am Fusse desselben von Vögeln belebt waren. Besonders häufig waren die kaum drosselgrossen Argya malcolmi. Der indische Volksmund nennt diese und verwandte Arten die “ sieben Schwestern ” und behauptet, dass sie sich immer in Gesellschaften von sieben Stück herumtreiben. Dies ist zwar oft, aber keineswegs immer der Fall, das aber haben sie nach des Indiers Ansicht mit Schwestern gemein, dass sie stets und immerwährend miteinander in Zank und Streit begriffen sind. Es ist jedoch kein ernster Streit, sondern nur Gezeter und Herumjagen, und plötzlich sehen wir Einigkeit in die Familie kommen und einmüthig strebt sie einem Erbsenbeete zu, wo sie, entgegen ihrer sonstigen und der ihnen vermöge ihrer systematischen Stellung den Büchern zufolge zukommenden Nahrung, die jungen Erbsen verschlin- gen. Da plötzlich treibt: sie ein sausender Stein zur Flucht. Er rührt her von der Schleuder des “ Erbsenjungen,” der in jedem grösseren Garten gehalten wird, um die Vögel zu verjagen. Er gehört zu jedem Garten, wie der Brunnen zum Hofe, die Matte vor die Thür, und der Bhisti oder Wasserträger zu jedem Hause. Er ist auch nicht abzuweisen, nicht abzuschaffen, so gern man es auch möchte. Es wäre unerhört, ihn “ elend verhungern zu lassen,” wie man bald hören würde. Und doch ist er ein “Humbug,” und dient nur zur Störung. Die Vögel wissen ganz gut, dass seine Schleuder nicht trifft und das sein Geschrei keinen Schaden thut. Seinen gellenden Ruf lässt er meist nur hören, wenn sein Herr auf der Verandah einen Mittagsschlaf machen will, oder die Dame im Garten lustwandelt, und er vertilgt an Früchten vielleicht mehr als die Vögel, nur den grünen Papageien wird er manchmal ernstlich gram, wenn sie ihm keine Guaven reif werden lassen, und mit ihnen liegt er denn auch meist im Kampfe. Das Interessanteste waren meine Ausflüge nach dem heiligen See von Pokhar oder Pushkar, und zum Sambhar Salz See. Der Weg nach Pokhar führt über die fast vegetationslose Berekette, die die Oase von Ajmer von der grossen indischen Wüste trennt. An den Hängen sind die hübschen Hanumanaffen, Semnopithecus entellus, häufig. Da sie ausserordentlich heilig sind, darf man ihnen nichts zu Leide thun und deshalb sind sie manchmal geradezu frech. Jenseits der Hügel liegt inmitten der Wüste ein stiller See. Zwischen Wasserlilien tummeln sich zahlreiche Enten. Da an dem heiligen Orte kein Schuss fallen darf, sind sie sehr zahm und man kann Fuligula leucophthalmus und rufina, Spatula celypeata, Chaulelasmus streperus und Nettapus coromandelianus von den Balkonen der den See rings umgebenden—kein Platz ist leer geblieben— Villen und Paläste füttern, nur Anas crecca schien ihre Scheuheit zu bewahren. In dem See kann man jede Siinde abwaschen, und besonders scheinen die Frauen die Waschungen für nöthig zu erachten, wobei sie von einer Menge von Priestern in eigenthümlicher Weise unterwiesen werden—man sagt die Unsittlichkeit der Priester sei hier besonders arg. Unter den Tempeln in Pokhar ist der merkwürdigste ein dem Brahma (246 ) geweihter. Obwohl Brahma der höchste aller Götter ist, ist doch der kleine Tempel hier der einzige in ganz Indien. Aus diesem Grunde finden endlose Wallfahrten frommer Pilger hierher statt, aber der abentenerliche und wüste Kultus andrer Götter hat doch den rohen Gemüthern des Volkes mehr zugesagt als die nüchterne, geläutertere Brahmaverehrung, und so kam es, dass alle andern Götter zahllose Tempel haben, und Brahma der Göttervater nur den einen kleinen Tempel zu Pohkar besitzt. Wie in den meisten Hindntempeln durfte ich nur die Vorhalle betreten, von wo man die Statue des Gottes im Halbdunkel des Innern nur nndentlich erkennen konnte. Ich musste mich der Schuhe entledigen, und meine Verwandte, die dazu nicht geneigt war, wurde auf einen Stahle hineingetragen. An einem ekelhaften Fakir fehlte es im heiligen Pushkar natürlich auch nicht. Anf der Rückfahrt genossen wir einen unerwartet schönen Blick auf den See von Ajmir, der sich dem von dem Bergrücken herabkommenden Beschaner überräschend schön darbietet. In ornithologischer Hinsicht war der Ausflug nach dem Sambhar Salzsee viel interessanter, zumal ich dort auch Gelegenheit hatte zu schiessen. In dem mit Kiche und Schlafsofas ausserordentlich bequem eingerichteten Eisenbahnwagen meiner Verwandten rollten wir langsam der Station Sambhar zu, die an einer sich von der Station Phalera abzweigenden Nehenlinie liegt, welche wesentlich zum Salztransporte dient. Man sah anfangs nur trockene Flächen, spärlich bestanden mit langdornigen Akazien und Tamarisken, und der frisch und saftig im dürren Sand gedeihenden Celotropis, hier und da tiefe Brunnen mit Schöpfrädern, aber kein Anzeichen eines nahen Sees. Endlich tauchten Banm- nnd Hänsergruppen anf und Felder, eingezäunt mit grünen Hecken der dornigen, armlenchterartigen, riesigen Wolfsmilchstaude, Kuphorbia royleana der Botaniker. Die niedrigen Lehmhänser waren beschattet von heiligen Feigenbäumen, den Symbolen der Fruchtbarkeit, und einzelnen Dattelpalmen. Rechts in der Ferne erblickte man einige Enropäerhänser mit wohlgepflesten Baumgärten—der Ort Sambhar. Nach kurzem, lehrreichem Besuch bei dem sehr liebenswürdigen ersten Beamten, der die Gewinnung und Ansfuhr des Salzes leitet, kehrten wir zurück zu unserm auf ein unbenutztes Nebengeleise geschobenen Eisenbahnwagen, wo wir das Abendessen einnahmen und daun unsere Betten herrichteten. Die Nacht war herrlich. Heller Mondschein lag über dem Gelände, prachtvoll hoben sich die dunkeln Baumgruppen von dem weissen, schimmernden Sandboden ab. Tiefe Stille ringsumher, nur vom Dorfrande her klang zuweilen schrecklich anfgellend das schanerliche Gehen] der dort anf Beute ausgehenden Schakale, und mit zornigem Gekläffe antworteten die wüthenden Dorfhunde. Früh am andern Morgen begannen wir uns zu regen und zur Jagd fertig zu machen. Ein eisig kalter Nordwind fuhr über die schutzlose Ebene. Es mochten nur etwa 8° Celsius sein, eine nach der Hitze des vorigen Tages sehr empfindliche Temperatur. Auf einem Handwagen rollten wir auf einem schmalspurigen Betriebs- wege dem See zu, der sich allmälig in seiner ganzen Ausdehnung vor uns zeigte. Es war eine weite, von der Bahn durchzogene, hier und da durch trockene Stellen, schmale Erd- und Sanddämme nnd Gruppen arbeitender Indier unterbrochene Wasserfläche, die sieh nach Nordosten endlos anszudehnen schien, während sich im Osten und Südosten kahle, zerrissene Felsrücken in wunderbarer Dentlichkeit in der klaren indischen Winterluft abhoben. Und welch ein Vogelleben ringsumher ! Miächtige Ranbvögel zogen über uns hin, Krähen (Coreus splendens) krüchzten (247 ) bei den Hütten, und in den Kronen der Akazien eirrten wilde Lachtauben— die Stammeltern unsrer zahmen TLachtauben. Aber an den Ufern der offenen Seefliche wimmelte es. Da sah man Schaaren von langbeinigen Stelzenläufern (Himantopus), Wasser- und Strandläufern und Kampfhähnen (Machetes pugnaz) im grauen Reisegefieder ihr Wesen treiben. Die ganze flache Wasserfläche ist wie besät mit grossen weissen Flecken, die wir durch das Fernglas mit Stannen als Zehntausende, ja Hunderttausende von Flamingos erkennen ! In raschem Tempo rollen wir soweit wie möglich in den ganz flachen See hinein, dann pürsche ich mich hinter einem niedrigen Erdwall gebiickt im kalten Wasser watend an die Flamingos an—lang und milhsam ist der Weg—endlich nimmt die einzige sich bietende Deckung ein Ende. Langsam hebe ich den Kopf: da sind sie. Sehnee- weiss und rosenroth in schimmernder Reihe, soweit rechts und links das Auge reieht—-einer der schönsten Anblicke, die es für einen Naturforscher giebt. Nahe genug zum Beobachten, zum Entzücken, aber doch zu weit für den Schrotschuss, und eine Büchse hatte ich nieht bei mir. Nirgend mehr die geringste Deckung ! So blieb mir nur noch übrig, durch Abfeuern des Gewehres mir den Anbliek der sich erhebenden Massen zu verschaffen. Unbeschreiblich ist die Pracht der weiss und rosenroth in der Sonne schimmernden Flüge, und in hoher Luft scheint die schnat- ternde Schaar im blauen Aether magisch hinzuschwimmen. Erst am Abende gelang es nach vieler vergeblichen Mühe auf dem Anstande ein Paar der schenen Flamingos für die Sammlung zu erbeuten. Aber auch sonst gab es des Interessanten fast zu viel. Bei den spärlichen Bänmen in den nahen Feldern fing der elegante kleine Grauwürger, Lanius lahtora, Mäuse, in der Ferne spazierten gewaltige Saruskraniche, (Gras .antigone, silbergran mit blntrothem Kopfe umher. Bei unsrer Annäherung erhoben sie den Kopf und entflohen mit hellen, trompetenartigen Rufen. Die Bingeborenen sehen es ungern, dass man den Vogel tödtet, und erzählen, man solle aus Barmherzigkeit stets auch den andern Gatten schiessen, wenn man einen von einem Paare erlegt hat. Andern- falls schreie der Ueberlebende Tag und Nacht nach dem verlorenen Genossen nnd schlage in seinem Kummer solange mit dem Kopfe auf den Erdboden, bis er todt sei. So gross sei die Liebe der Paare zu einander. Ganz besonders anziehend aber war die Menge der wohlbekanuten heimath- lichen Vogelgestalten. Wohl wnsste ich, dass es zum Theil geographische Vertreter der Vögel der Heimath waren, doch aber kamen auch mir unwiderstehlich, wie einst Alfred Brehm am Nil, die Worte Kerners aus dem schönsten Stndentenliede in den Sinn: Da grüssen ihn Vögel, bekannt über'm Meer, Sie kamen von Fluren der Heimath hieher. Die Vögel sie kennen sein väterlich Haus— Und Liebe die folgt ihm, die geht ihm zur Hand, So wird ihm zur Heimath das ferneste Land! Und wahrlich, da schwatzte der muntere Staarmatz, da wippten weisse und gelbe Bachstelzen, da schritt der bewegliche Wiedehopf einher, dort nickt die sandfarbene Haubenlerche—alle so vertraulich, als wollten sie erzählen von der alten Heimath, wie die Liebe daheim sich gesehnt, wie der Buchenwald im Lenz ergrünte und die Nachtigallen so entzückend schlugen, wie sie den todten Helden- kaiser in’s Grab gesenkt und wie der junge kaiserliche Aar mit hohem Muthe den Thron der Väter bestiegen. So schweifen die Gedanken fort in die weite, weite Ferne, da plötztich saust es herab wie ein Geschoss aus Himmelshöhen : dicht vor ( 248 ) meinen Augen schlägt der graziöse Turumti der Hindustanen, der graue rothköpfige Falco chiequera, eine der munteren Schwalben, die die Luft erfüllen. Damit bin ich zurückversetzt in die Wirklichkeit, in des Augenblicks Realität: das Gewehr an die Schulter und das Blut des herrlichen Falken, der neben seinem Opfer reeungslos zu Boden sinkt, fürbt den weissgelben Sand. Stundenlang noch wurde gejagt, beobachtet. Der Abend naht, ermüdet sitzen wir im Schatten eines mächtigen Salzhaufens, begeistert schweift der Blick umher, um Abschied zu nehmen von dem grandiosen Bilde. Ein kleiner Adler führt herab unter die beunruhigten, quakend und pfeifend hin- und herstreichenden Enten- schaaren und streicht mit einer Krickente in den Füngen etwas mühsam den kahlen Felsen von Mata Pahar zu, wo er sich auf der Spitze eines kleinen der Sakumbra Devi, der Schutzgöttin der Tjuhan Radjputen geweihten Tempels zu leckerem Mahle niederlässt. Mit einem begeisterten “Auf Wiedersehen ” nahm ich Abschied vom Sambhar Salzsee und seinen Vögeln. Wohl sah ich die letzteren noch manches Mal wieder, theils in den Schränken der Museen, theils anderswo in Wald und Feld, aber Indien nicht—bis heute. Auch das liebe Ajmir musste ich verlassen und gen Süden führte mich das Dampfross weiter. Kurz vor Mitternacht hielt der Zug auf der Station Aboo Road. Meine Verwandte hatte brieflich Pferd und Führer bestellt, damit ich sogleich während der Nacht auf den Berg Aboo, die höchste Erhebung der Aravalli Berge reiten könne. Indessen fand ich weder Pferd noch Führer vor. Der Mann, an den geschrieben worden war, war nicht zu finden, und es dauerte lange, bis ich Pferd und Führer auftrieb. Letzterer kannte den Weg nicht gut, und erst als der Mond aufging kamen wir auf den rechten Weg. Der Ritt war prachtvoll. Die vom Monde beleuchteten, mit niederem Walde bedeekten Schluchten und Hänge boten ein herrliches Bild, die Luft war angenehm mild und von würzigen Düften erfüllt. Schliesslich hatte ich noch allerlei kleine Abenteuer. Der Führer, der zugleich auch einen Koffer von mir trug, hatte ermüdet einen Richtweg durch die Büsche eingeschlagen und war mir abhanden gekommen. Da ich in den Büschen ein (Geräusch hörte und dachte, es könne dem Manne etwas zugestossen sein, stieg ich ab, mein Pferd an einem Busche anbindend. Statt des Führers fand ich mehrere, um ein niedergebranntes Lagerfeuer liegende Arbeiter, aus denen ich nach einigen >emühungen herausbekam, dass mein Mann hier nicht vorübergekommen sei. Also zurück zum Pferde. Richtig, da stand es—erschrak aber bei meinem Anblick, riss sich los und trabte gemüthlich den Berg hinauf. Durch die Büsche kriechend schnitt ich ihm den Weg ab und legte mich auf die Lauer. Es gelang mir auch richtig dem Thiere in die Zügel zu fallen und meinen Weg gemüthlich fortzusetzen. Die Sonne ging auf und erlenchtete allmälig die Aravalliberge. Die Vogelwelt wurde munter. Es ertönten die Gesänge der Bülbüls und das Rufen einen wilden Huhnes, Galloperdix spadicea, das hart am Wege abstrich, und die bunte Baumelster, Dendroecitta rufa, hier heller als in Bengalen, erfreute das Auge. Das Plateau des etwa 5650 Fuss hohen Mount Aboo ist mit Häusern und Gärten bedeckt und hat einen sehr schönen See und den wunderbaren Jain-Tempel. Dieser Tempel ist im Innern mit ganz herrlichen Marmorschnitzereien überreich verziert und bildet ein architektonisches Kleinod, das in der Regel allein den Reisenden veranlasst, in diesen öden, wüstenähnlichen Theilen Rajputanas anzuhalten und die Spitze der steinigen, kahlen Aravalliberge zu ersteigen. Die Jains sind eine ( 249 ) aus den buddhistischen Zeiten übriggebliebene Sekte. Sie erheben sich hoch über die heutigen Hindus durch die von ihnen gepredigte Moral. Sie glauben, dass ihre früheren und zukünftigen Zustände aus ihrem eigenen Lebenswandel resultieren und verehren eine Anzahl verstorbener, edler Menschen als Heilige. Nach zweitägigem Aufenthalte stieg ich wieder hinab in’s Thal. Etwa 4090 Fuss hoch fand ich eine überaus lieblich duftende, unsre wilden Rosen weit an Duft übertreffende, rahmfarbige Wildrose in Blüthe. Es ist die eigentlich dem Himalaya angehörende Rosa inzoluerata Roxbr., die hier weit von ihrer Heimath in den Aravallibergen gleichsam in der Verbannung lebt. Ein unvergessliches Schauspiel bot der Fuss des Berges dar. Die Ebene war weithin wie mit rother Gluth bedeekt:: ausgedehnte Wälder von Butea frondosa standen in rother Blüthenpracht, und in diesem rothen Blüthenmeere tummelten sich Tausende von gleichfalls rothen Rosenstaaren, Pastor roseus, nach echter Staarenart mit gar vielem Schwätzen und Pfeifen umher. Vierhundertundvierundzwanzig englische Meilen weiter noch nach Süden, und Bombay war erreicht. Die Bahn ist nicht so gut, wie die in Bengalen, und die Hitze war garnicht gering, denn der eigentliche kühle, wunderbare indische Winter ging zu Ende und die heisse Zeit stand vor der Thür. Bombay ist eine schöne Stadt und hat ausgedehnte Promenaden am Seestrande. Der Hafen ist prachtvoll und sicher. In der Bevölkerung fallen Ualeutta gegenüber die vielen buntgekleideten Parsis auf, die bekanntlich ihre Todten in den “ Thürmen des Schweigens” bestatten, wo sie von zahlreichen Geiern aufgefressen werden. Aus ihrer persischen Heimath durch die Unduldsamkeit der mohamedanischen Eroberer vertrieben, fanden die Parsis vor Jahrhunderten in Indien eine neue, ihnen zusagende Heimath. Sie sind meist wohlhabend und gebildet und zeichnen sich auch durch gute Sitten aus. In Bombay ist ein grosser Theil des Handels in ihren Händen. An bedeutenden Denkmälern einheimischer Baukunst fehlt es in Bombay ganz, dafür aber gleichen die meisten Staatsgebäude prunkenden Palästen, auch unter den Privathäusern befinden sich prächtige Bauten. Ueberaus fesselnd ist das rege Volksleben, und die Viertel der Eingeborenen machen einen entschieden reinlicheren Eindruck als die von Caleutta. Meine Zeit war beschränkt. Nur einen kleinen Ausflug konnte ich noch nach der etwa 6. Meilen entfernten Insel Elephanta machen, um die dort befindlichen berühmten Felsentempel zu besuchen. Diese Tempel bilden künstliche Höhlen, die mit ihren Säulen und dem reichen Bildwerk aus dem massiven Felsen ausgehauen sind. Trotz der derben, massigen Konstruktion der Säulen und übermenschlich grossen Götterbilder ist nichts plump und unschön, wenn auch die Götzen, namentlich die 19. Fuss hohe Kolossalbüste der indischen Dreifaltigkeit, abenteuerlich genug aussehen. Die aus zwei hohen Hügeln bestehende Insel trägt den Schmuck reicher tropischer Vegetation. Wie herrlich die ragenden Palmyrapalmen und die heiligen Banianenbäume mit ihren Luftwurzeln, wie abenteuerlich die riesigen Euphorbien mit ihren starren Armen ! Morgen hiess es Abschied nehmen von all der Pracht. Zum letzten Male hörte ich den Bülbül singen, schaute den bunten Eisvögeln nach, die über das Mangrovegebüsch hinschossen, erfreute mich an den fenerglänzenden Buprestiden und bunten Faltern, und wohl wurde es mir wehmüthig um’s Herz. Auf dem österreichischen Lloyddampfer “ Eleetra” verliess ich das Zauberland Indien. Vom rothen Lichte der im Meere versinkenden Sonne beschienen verrannen 250 ) Bombay und der Palmenstrand in eine graue Linie, in weiter Ferne hoben sich die zackigen Umrisse der Ghätberge wie zu einem Scheidegrusse am Abendhimmel ab. Es ging der lieben Heimath zu, und zu den Lieben daheim. Der Gedanke schwellte die frohe Brust, aber er konnte nieht die gleichzeitig aufkeimende und nie wieder erloschene Sehnsncht unterdrücken, noch einmal die weiten Wälder durchschreiten zu dürfen, noch einmal das silberne Mondlicht um die Minarets der Taj Mahal fliessen zu sehen, noch einmal Indien wiederzusehen ! Die Heimfahrt war angenehm und recht lustig. In Aden hatten wir einen halben Tag Zeit und besuchten die berühmten “ Tanks,” in denen das selten fallende Regenwasser gesammelt wird. Von Vögeln sah ich Neophron perenopterus, Milzus, eine kleine Unterart des Haussperlings* und den gelben Passer luteus, Steinschmätzer und Haubenlerchen. Mein Interesse erregten die kräftigen Gestalten der Somalneger, nnd mehr noch die der arabischen Juden. Dies dürften die direkten Ueberreste der alten, einst in Arabien wandernden ‚Juden sein, unverändert, wie sie vor mehr als 2000 Jahren waren, in demselben Klima das sie erzengt, mit derselben Kleidung und Sprache. In ihren langen, weissen Burnnsen waren sie ans der Ferne von Arabern nicht zu unterscheiden. Ich bedanerte, nicht länger in Aden bleiben zu können, denn das Klima war gesund und trocken, die Natur von grotesker Schönheit, die Fauna noch verhältnissmässig wenig erforscht. Neun war mir der Anblick von Kameelen, welche Wagen zogen. Das sah erotesk aus. Bisher hatte ich nur Reit- und Lastkameele kennen gelernt und nur von solchen gehört. Im rothen Meere wurden wir von einem Sandsturme heimgesucht, die Temperatur nahm aber schon merklich ab. In Snez kam der liebenswürdige, joviale, damalige Korvettenkapitän, jetzige Kontre-Admiral z. D.-Strauch an Bord mit einem lebenden Didunenlus strigirostris, der gleich einen Freundsehaftsbund zwischen uns knüpfte. Im Kanal von Smez brachen wir einen Schraubenflügel, wodurch wir im Mittelmeere fast wrack wurden, sodass wir von Brindisi nach Triest geschleppt wurden. Trübes Regenwetter empfing mich im. alten Europa, bitterkalt war es, als ich über Wien dem Rheine zueilte. LITTERATUR. W. W. Ihrnter : The Imperial Gazetteer of India. London, 1877. (Das beste Werk über Indien und eins der hervorragendsten aller Bücher iiberhaupt.) €. E. Lischke : Tagebuch auf einer Reise nach Ostindien. Bonn, 1886. (Enthält einige interessante Notizen und Schilderungen.) ve. Leipziger : Sechs Monate Indien. Leipzig, etwa 1590, (Ueber die Fauna geben die von Blanford herausgegebenen Bände der “ Fanna of British India,” die Säugethiere von Blanford, Vögel von Oates und Blanford, Lepidoptera Heterocera von Hampson bearbeitet, über die Tagschmetterlinge de Nieeville’s “ Butterflies of India” die vollständigste Auskunft.) * So geschrieben vor etwa zehn Jahren, II. > ABSCHNERT. REISE NACH DEN INSELN DES CARIBISCHEN MEERES. (253 ) RERAPITEI: SZEEREISE, ST. THOMAS, PORTO RICO, VENEZUELA, DIE HOLLÄNDISCHEN INSELN, SAN DOMINGO, RÜCKREISE. Wessen Haupt jemals die tropische Sonne beschienen und das silberne Licht der liegenden Mondsichel geküsst hat, der sehnt sich zurück in die heisse Gluth, und zurück nach den Küssen des bleichen Mondes. So erging es auch mir, und am 1. Mai des Jahres 1892 fuhr ich wiederum die Unterelbe hinab, auf einem Dampfer der westindischen Nebenlinie der Hamburg-Amerikanischen-Packetfahrt Aktiengesellschaft. Die Reise unterschied sich insofern von meinen früheren, als mich diesmal meine Frau begleitete. Venezuela war unser hauptsächliches Ziel, wo wir die Sierra Nevada von Merida und die an der Küste gelegenen holländischen Inseln Curacao, Aruba und Bonaire bereisen wollten, uns namentlich der Ornithologie und dem Insektensammeln widmend. Nach ruhiger Fahrt bei schönem, wenn auch kaltem Wetter kamen wir am dritten Mai vor Hävre an, wo eine sommerliche Hitze herrschte. Kaum war die hohe See am nächsten Tage wieder gewonnen, so begannen die “schönen, langen Wellen” des atlantischen Oceans dass Schiff gewaltig in Bewegung zu setzen. Das Gespenst der Seekrankheit begann umzugehen, und meine Frau verfiel ihm nur zu bald, aber auch leidlich seefeste Leute wie ich wurden ein wenig angefasst. Eine ganze Woche dauerten der Wind und die hohe See fort, die mehrfach das Betreten des Decks namentlich den Damen zur Unmöglichkeit machte, da Wellen über Wellen über Bord schlugen. Das war bei weitem die schlimmste Reise, die ich bisher gemacht hatte, und doch hatte ich schon vier lange und mehrere kürzere Seereisen im atlantischen und indischen Ocean hinter mir. Der Kapitän und die Bedienung waren liebenswürdig und tadellos, aber der kleine Dampfer liess in Bezug auf Verpflegung und Küche manches zu wünschen übrig, denn die westindische Nebenlinie der grössten Dampfschiffgesellsehaft der Welt konnte sich in keiner Weise mit den berühmten, luxuriösen Dampfern der New Yorker Linie messen. Am achten Tage nach der Abfahrt von Hävre wurde es ruhiger. Die Damen begannen die Schönheiten der Seereise zu würdigen und die Tage und Abende an Deck zuzubringen. Wir waren eine gemüthliche und heitere kleine, ganz deutsche Gesellschaft, alle Kajütenpassagiere für Venezuela und St. Thomas bestimmt. Die Seereise bot im ganzen wenig Bemerkenswerthes. Meiner Frau war so vieles Neu, aber auch die erfahrenen Tropenreisenden unter uns begrüssten mit Freude wieder das Aufsteigen der südlichen Sternbilder, bespöttelten das im Verhältniss zu den überschwenglichen Schilderungen älterer Reisenden so unscheinbare südliche Kreuz, ( 254 ) eimpfanden die wohlthuende Wärme, die sich von Tag zu Tage steigerte, und sogen mit Wonne die reine Seeluft ein, die meinen vom Staube der Londoner Museen und Bücher bedeckten Lungen so wohl that. Von Vögeln sahen wir schon lange nichts mehr. Im Kanal und in den ersten Tagen nach Hävre hatten wir zahlreichen Besuch von Rauchschwalben, die zumeist an Bord blieben und umkamen, und einigen andern Vögeln, unter denen ein im schönsten Frühlingskleide prangender Heuschreckensänger, Locnstella naeria, den meine Frau mit einer Flobertpistole schoss. Bald kamen wir in die Region des Sargassım, wovon wir, was bei der raschen Dampferfahrt nicht ohne Mühe war, manche Stücke auffischten, aus denen wir eine ganze Sammlung von kleinem Gethier auslasen. Nach dem Passieren des Wende- kreises erfreuten uns auch die schönen Segelquallen, von den Seeleuten in deu meisten Sprachen “ portugiesische Kriegsschiffe ” genaunt. Am 19. Mai begrüssten wir wieder Land, und bald fuhren wir au den kühn geformten Bergen der Inseln St. Johns und St. Thomas entlang in den freundlichen, von Hügeln umralımten Hafen der letzteren Insel ein. Auf St. Thomas zeigten sich freundliche Orte mit rothen Dächern, Felder, Gärten, und ausgedehuter Busch, der mit weissen und gelben Blüthen bedeckt war, St. Johns mit malerischer geformten Bergzügen aber weist noch viel Wald auf. Alles praugte infolge der herrschenden Regenzeit in frischem Grün, während in der Trockenzeit alles wie versengt ist, und man kaum einen grünen Schimmer an den Hängen bemerkt, ausser wo noch hoher Wald stehen geblieben ist. St. Thomas gehört zur Gruppe der Virgin-Islands, oder Jungfern-luseln (nicht aber virginischen Inseln wie man gelegentlich im Deutschen liest), von denen Vieques und Culebra früher zu Spanien gehörten, St. Thomas und St. Johns noch zu Dänemark, Tortola und Virgin Gorda zu England gehören. Die Inseln sind offenbar die Spitzen einer submarinen Verlängerung der Gebirge von Porto Rico. Die Tiefe zwischen den verschiedenen Inseln der Gruppe und Pto. Rico beträgt nur 6 bis 20 Faden. Die höchsten Erhebungen finden sich auf Tortola mit 1780 engl. Fuss und auf St. Thomas mit 1550 Fuss. Mit Ausnahme der durch einen unge- heuren Abgrund von mehr als 2000 Faden getrennten Insel St. Croix ist die ganze (zruppe nach den Beobachtungen von Schomburgk und Scott in Jangsamem Steigen begriffen. Das Gestein gehört der eretaceischen Periode an. Das Klima ist sehr gleichmässig und warm, und daher gesund. Die mittlere Jahrestemperatur ist nach Eggers 272° ©. Auch die Tagestemperatur ist sehr gleichmässig, die Unterschiede betragen selten mehr als 5. Auf den höheren Bergen ist es etwa 3-4 kühler. Fast immer weht eine leichte Brise, die oft stark wird, ja verheerende Orkane sind nur zu häufig. Im allgemeinen ist es trocken, und sehr selten fällt soviel Regen wie erwünscht ist. Die Vegetation ist ziemlich reich. An den sandigen, meist aus unzähligen Partikeln zerriebener Muscheln und Korallen bestehenden Ufern sieht man eine üppige Vegetation von Bäumen, Gesträuchen und kleineren Pflanzen, die auch in den trockensten Zeiten gewöhnlich ein frisches, grünes Anschen haben. Ueber dem vielartigen Buschwerk ragen Bäume wie Chrysobalanus icaco, Canella alba, Hippomane muneinella, Coccoloba uwifera, (Cocos nucifera und andre empor. Auf den über den sandigen Uferstrecken emporragenden felsigen Klippen bemerkt man eine andre, meist nur aus niedrigem Buschwerk bestehende Vegetation. Viele der Büsche haben lederartige Blätter. Unter dem Einflusse der herrschenden Winde erscheinen alle diese Büsche an vielen Stellen nach einer Richtung hingebogen, ( 355 ) äwerghaft verkümmert, wie kriechend, zuweilen an den Spitzen wie gekappt oder zerfetzt. In dieser Vegetation fallen Melocactus communis und Agare americana besonders auf. An wenigen Orten, wo sich sumpfige Lagunen gebildet haben, finden wir die echt tropische Mangroveformation, meist aus Rhizophora mangle, Lagunenlaria racemosa, Conocarpus und Aoicennia bestehend. Weiter im Innern, etwa ein Drittel der Inseln bedeckend, hat sich eine andre trockene Gestrüpp- formation herangebildet, die Eggers die Urotonformation nennt. Die Schluchten der Berge allein beherbergen noch eine stattlichere, waldartige Vegetation, in der die Eriodendren (Ceiba) besonders auffallen. Alles übrige ist kultiviert. Zuckerrohr gedeiht üppig, aber die alten Zuckersiedereien stehen infolge der Aufhebung der Sklavenarbeit und der niedrigen Zuckerpreise verödet da. Ueberhaupt sind Handel und Wandel sehr heruntergegangen, und die Kohleustation, der ausgezeichnete, vor den schwersten Stürmen geschützte, schöne Hafen und die wohl eingerichteten Docks sind wohl heutzutage das Wichtigste an der Insel St. Thomas. Unter deu Erzeugnissen ist “ Bay-Rum” zu nennen. Die Stadt ist entzückend gelegen, aber ihre unkleidsam europäisch angethane Negerbevölkerung, mit all dem Schmutz, dem Odeur und der Gleichgültigkeit der schwarzen Rasse, sowie die Europäer fast aller Nationen, unter ihnen auch nament- lich in neuerer Zeit eine Anzahl von Deutschen, entbehren jeder Originalität. Als Geld kursiert der mexikanische Dollar, neben ihm aber auch nordamerikanisches und europäisches Geld, und auf der Post herrscht wie in einigen holländischen Kolonien der Unfug, dass das am wenigsten vertretene Geld des Mutterlandes, also hier das dänische, verlangt wird. Einige Kaufmannsfirmen geben auch kleine Scheidemünze in Gestalt von Werthmarken aus, die der Fremde immerfort mit erhält, aber natürlich an keinem andern Orte der Welt wieder gebrauchen kann. Die durch die geringe Tiefe zwischen St. Thomas und Porto Rico manifestierte Zugehörigkeit der ersteren zu der letzteren grossen Insel lässt es erklärlich erscheinen, dass es eine eigene St. Thomas-Avifauna kaum giebt. Die Vögel von St. Thomas sind vielmehr die allgemein über die antillischen Inseln verbreiteten Formen und stimmen am meisten mit denen von Porto Rico überein, obwohl immerhin ein sehr intensives Studium ergeben würde, dass ein oder zwei der Landvögel (vermuthlich u.a. die Certhiola oder besser ('oereba) sich subspeeifisch unterscheiden lassen. Ausser den weit verbreiteten und portoricensischen Formen findet man auf St. Thomas auch ein ganz eigenthümliches südlicheres Element, das den Gedanken au einstige Beziehungen zu Curacao aufkommen lässt. Wir finden nämlich einen kleinen Papagei, Conurus pertina.w, der nur noch auf Curacao vorkommt, einen Stärling, Icterus culgaris (? subsp.), eine Schopfwachtel, Kupsychorty.x sonninit. Es ist nun allerdings sehr wohl möglich, dass der beliebte Papagei und der seines Gesanges wegen ebenfalls vielfach lebend gehaltene /eterus eingeführt worden sind, ja auch für den Zupsychortyx ist dies schon vermuthet worden und wirklich ganz wahr- scheinlich, aber wir haben keine geschichtlichen Nachweise für diese Theorie, und es ist immerhin beachtenswerth, dass sich auch noch andre Affinitäten der curacao- nischen und St. Thomas Ornis nachweisen lassen, nämlich das Vorkommen von Formen, die zwar auch auf Porto Rico und andern Inseln, aber nicht auf einer Reihe von dazwischen liegenden kleinen Antillen gefunden werden. St. Thomas ist verhältnissmässig sehr arm an Arten, aber manche derselben sind sehr häufig. Da unser Dampfer sich nur zwei halbe Tage aufhielt, konnte ich mir keine Jagderlaubniss verschaffen, deren Genehmigung erst nach zwei bis drei Tagen hätte eintreffen können. Ich musste mich daher darauf beschränken, ( 256 ) anf der kleinen Insel, auf der die Kohlenstation liegt, mit einer Zimmerpistole zu schiessen, was mir nur 12 Stück Vögel in 6 Arten einbrachte.* Eine unvergessliche Freude war es für mich, hier zum ersten Male Kolibris lebend zu sehen und zu schiessen. Das war ja der Hauptzweck meiner Jagd hier. Etwa zehn Minuten lang war ich mit einem jungen Kaufmanne, der schon Jahre lang in Südamerika gewesen war, einen Bergpfad hinangegangen, als er rief: “Da ist schon einer!” Unmittelbar darauf sah ich einen dunklen Körper vorüber sausen, an dem keine Farben zu erkennen waren—dann stand er einen Moment vor einer Blume und war im nächsten in derselben Art wie ein Schwärmer wieder verschwunden. Drei oder vier Minuten vergingen, bis wir ein andres Stück—oder dasselbe— kommen sahen. Diesmal nahm es auf einem Zweige Platz, und alsbald leuchteten blau und grün schimmernde Farben von ihm auf—da klang aber auch schon das kleine Pistol wie ein Peitschenschlag, und in der nächsten Sekunde hielt ich den schillernden Körper eines Kulampis holosericeus in der Hand. Wieder war einer der Träume erfüllt, die mich jahrelang umgaukelt hatten. Ein Naturforscher, der ähnliches erfahren, wird verstehen wie ein so unbedeutendes Ereigniss, ein Wunsch, den man sich selbst, befriedigt, das Gemüth mit Genugthuung. erfüllen kann. Ich fand den kleinen Vogel ziemlich häufig und war erstaunt, ihn bis in die Dämmerung der Insektenjagd nachgehen zu sehen. Die Mägen der erlegten Stücke enthielten kleine Insekten, meist Käfer. Der Vogel wird in St. Thomas “ Doctor-bird ” genannt. Ausser den Kolibris schoss und beobachtete ich die ersten Tyranniden, einen Finken und die zierlichen kleinen Täubehen, Columbigallina passerina. Einige benachbarte Klippen waren von braunen Pelikanen, einer Szla-Art, Seeschwalben und einer schon seit mehreren Tagen häufig bemerkten kleinen Sturmvogelart belebt. Von Schmetterlingen sah ich nur einige ganz häufige gelbe Captosilien, Käfer überhaupt nicht. Dagegen waren schillernde Eidechsen überall häufig. Wie viel St. Thomas von seiner indigenen Fauna verloren hat ist nicht festzustellen, wir können aber von vornherein annehmen, dass es beträchtlich ist. Wegen der Fiebergefahr wurden im vorigen Jahrhundert ausgedehnte Waldungen niedergebrannt, und der grössere Theil der Insel ist wenigstens zeitweilig unter Kultur gewesen. Durch die Untersuchungen dänischer und andrer Forscher wissen wir— was übrigens leicht bemerkt werden kann—dass eine Anzahl von Land- schnecken todt zu Millionen gefunden werden, aber nicht mehr lebend vorkommen. Was die Vögel anbetrifft so haben wir eine Angabe von Ledru f aus den Jahren 1796-98, wonach auf St. Thomas 16 Vogelarten vorkamen, von denen wir nur einen Theil identificieren können. Indessen geht aus Ledru’s Angaben nicht hervor, wie viel er selbst beobachtet hat. Es scheint als wenn er einige nur nach Gmelin anführt, andre aber, die er vielleicht auf den Canaren erbeutet hatte, ganz irrthümlich nennt. Der kleine Papagei mit dem Goldkopfe, den er Psittacus tu Gm. nennt, ist wahrscheinlich unser Conurus pertinax. Turdus musieus ist natürlich eine falsche Bestimmung, ebenso Fringilla linota. Columba passerina ist unsre heutige Columbigallina passerina. Das frühere Vorkommen einer Todus-Art ist sehr wahrscheinlich, aber das Vorhandensein von sieben Kolibriarten ist kaum anzunehmen. * Statt der freilich sehr nützlichen Zimmerpistole wandte ich in ähnlichen Fällen neuerdings eine Stockflinte an und empfehle sie meinen Genossen für dergleichen Zwecke. t Voyage aux lles Teneriffe, La Trinite, Saint-Thomas, Sainte-Croix et Porto-Ricco, 1810, vol. ii. p. 38, Eiıcs Lirterarur ÜBER Sr. Thomas. Andrc-Pierre Ledru : Voyage aux iles de Teneriffe, La Trinite, Saint-Thomas, Dainte-Uroix et Porto-Rieeo. Vols. I, II. Paris, 1810. (Band 2, p. 38, Litte der Vögel von St. Thomas). Robert Swift and John Cassin: Catalogue of Birds from the Island of St. [> $. Thomas, West Iudies. In Proceed. Acad. Nat, Sci. Philadelphia for 1860 p. 374 (1861). (Alfred aud Edward Newton’s Mittheilungen über die Vögel von St. Croix im Ibis 1559 pp. 59, 135, 252 und 365 enthalten viel von St. Thomas und sind sehr leseuswerth.) baron H. F. A. Eggers: Flora of St. Croix and the Virgin Islands. In Bull. U.S: Nat. Mus., No. 13, 1879. Am 20. Mai lag unser Schiff vor San Juan de Pto. Rico. Die Stadt liest malerisch auf einer Landzunge, deren Spitze durch ein altes Fort gekrönt ist. Der Hafen ist eine ausgedehnte Bucht, die aber des im allgemeinen sehr flachen Wassers wegen nur sehr unbequem und schwierig zu befahren ist. Da die andre Seite der Halbinsel eine flache Koralleufelsküste ist, an der die Wogen heftie brauden, so ist die Stadt leicht zu vertheidigen und hätte, wenn sie nur in einigermassen schneidiger Hand gewesen wäre, nicht so leicht den Amerikanern übergehen werden dürfen. Die achtzehn Meter hohen und stellenweise bis zu neun Meter dieken Schutzmauern gegen das Meer, die den grössten Theil der Stadt umgeben sind eines jener grossartigen Werke, wie sie in den Tropen nur zur Zeit der Sklavenarbeit, unter Zwang und Brutalität hergestellt werden konnten. Heutzutage fehlt es mit dem Zwange auch au Arbeitslust und Energie. San Juan ist eine alte, aus dem fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert stammende Stadt. Der alterthümliche Stiel der Oonquistadoren ist noch überall zu erkennen. Die Häuser sind aus dicken Steinen flach und niedrig erbaut, erst in neuester Zeit hat man begonnen zwei- bis dreistöckige Häuser zu errichten. Die Strassen sind meist mit Zierelsteinen gepflastert und waren schon 1592 Abends besser beleuchtet als viele englischen Städte. Der Handel besteht vorzugsweise in der Ausfuhr von Kaffee und Tabak, Zucker und Kakao kommen erst in zweiter Linie. Das Geld bestand zur Zeit der spanischen Herrschaft aus spanischer und mexikanischer Münze. Alles andre Geld wurde nur zu sehr niederem Kurse angenommen und von den die Hauptmünze ausmachenden mexikanischen Dollars wurden nur die von 1855 oder älterem Datum angenommen, alle mit neueren ‚Jahreszahlen waren verboten und wurden konfisciert. Da alles Gut durch die viel zu kleine Douane musste, so konnte bei einigermassen grosser Hafenfrequenz nur während weniger Tagesstunden Ladung gelöscht werden. Diese Umständlichkeiten dürften nunmehr von den Amerikanern beseitigt sein. Die Bevölkerung von ganz Pto. Rico ist sehr dicht, 264 auf die englische (Quadratmeile, und besteht meist aus Abkömmlingen von Spaniern und Mischlingen; während reine Neger viel seltener sind als iu St. Thomas und auf vielen andern westindischen Inseln. Die Zahl der Geistlichen fiel mir besonders in San Juan auf. Die Spanierinnen, die man aber am Tage, solange die Sonne scheint, fast garnicht auf der Strasse sieht, tragen die kleidsame heimische Mantilla. Die indianischen Ureinwohner, die dereinst die malerische Insel bewohnten, sind längst dahin und spärlich ist unsre Kenntniss von ihnen, aber einige noch häufige Bea ‘ ( 258 ) ’ ’ Musikinstrumente, die “ Macara,” die “ Guicharo” und Nesertrommeln aus aus- gehöhlten Baumstämmen, die letzteren vielleicht mit Unrecht, werden ihnen zugeschrieben. Da auch hier die Jagderlaubniss nur mit Umständen und Zeitaufwand zu erlangen war, unternahm ich einen Ausflug nach der San Juan gegenüberliegenden, theilweise bewaldeten und weniger bewohnten Ebene. Ein Mitreisender, der gut spanisch sprach, begleitete mich, aber die kleine Exkursion verlief nicht ganz nach Wunsch. Durch heftige Regenböen und das weithin ganz seichte Wasser, mit dessen Verhältnissen die für ziemlich viel Geld gemietheten Bootsleute entgegen ihren Versicherungen garnicht vertraut waren, wurde die Fahrt theils einigermassen gefährlich, theils ungemein verlangsamt, und als wir endlich das Ufer erreichten, hatten wir noch ein weites, mit Mangroven und niedrigem Buschwerk bestandenes, sumpfiges Gelände zu durchwandern, was wiederum fast eine Stunde in Anspruch nahm, ehe wir festes Land betraten. Nun waren wir in üppig bewachsener Land- schaft, in der wir an den Fuss einer in kühnen, steilen Kegelreihen sich hinziehenden Hügelkette vordringen konnten, die mir aus Korallenkalk zu bestehen schien, aber bewaldet war. Bei der Kürze der Zeit konnten die Resultate nur gering sein, aber wir erbeuteten doch etwa ein Dutzend Vögel, und ich machte die Bekanntschaft einiger sehr interessanten Arten, nämlich der Kolibrigattung Lampornis, der seltenen, auf Pto. Rico beschränkten Mimoeichla ardesiaca, einer Mimus-Art und anderer. Am 22. Mai kamen wir nach Mayaguez. Die Gegend machte einen ländlichen, sehr hübschen Eindruck. Am Meere zieht sich eine aus Korallenkalk bestehende Hügelkette hin, weiter im Innern aber ragen hohe Berge andrer Formationen empor. Fast die ganze Gegend ist angebaut. Mangos, Ananas, Bananen, Orangen, Cocos- nüsse, Goldpflaumen und andre Früchte gedeihen vortrefllich. Die Ausfuhr von Mayaguez soll sich fast ganz auf Kaffee beschränken. Vögel schienen z. Z. selten zu sein. Am nächsten Tage dampften wir nach dem Städtehen Ponce, wo wir eines katholischen Feiertages wegen drei Tage liegen bleiben mussten. Das Panorama war hier prachtvoll. Hohe Berge ragten hinter der Stadt empor, uns gegenüber lag die spielzeugartig aussehende kleine Insel Cardones mit einem Leuchtthurm, wie ein Modell, und in der Nähe derselben ragten die Masten eines grossen dort gestrandeten Dampfers aus den über der Untiefe schiumenden Wogen. Schwere Gewitter, die sich an den Bergen entluden, boten ein grandios schönes Naturschauspiel dar. In andrer Hinsicht war Verschiedenes weniger angenehm. Es war drückend heiss, das Schiff rollte stark, die Mücken waren lästig, sodass besonders die Damen zu leiden hatten. Der langen Seefahrt müde dürstete ich vach Thaten, aber da ich ohne Jagderlaubniss nicht an der Landungsbrücke mit meinem Gewehr landen konnte, musste ich auf’s Gerathewohl seitab von der Stadt ( 259 ) auf den Strand laufen, wobei einmal das Boot Wasser schöpfte, und beinahe in der Brandung gekentert wäre. Die Gegend war mit dichtem Strandgebüsch, Gras und lichtem Buschwalde bewachsen. Der Aufenthalt am Lande entschädiste reichlich für die anstrengende und gefährliche Fahrt, denn ich lernte einige der interessan- testen Vogelformen des Landes kennen. Ziemlich häufig war der entzückende Todus hypochondriacus. Unbeweglich und aufrecht wie ein Eisvogel sassen diese wundervollen kleinen Geschöpfe mit halb aufwärts gerichtetem Schnabel auf den Zweigen und konnten ohne Mühe unterlaufen und mit der Flobertpistole herab- geschossen werden, nur war es schwer, sie überhaupt zu bemerken. Mit der Jagdflinte waren sie nicht gut zu erbeuten, denn die ungemein dünne Haut brauchte nur einen sehr schwachen Schuss, und wenn man nicht ganz nahe dabei war, konnte man das Thierchen in dem hohen Grase nicht finden. Der Flug des Todus ist geradeaus hinschiessend wie bei einem Eisvogel. Hochinteressant waren mir auch die schwarzen (rotophagen, die mich in ihrem Wesen sehr an die altweltlichen Centropus erinnerten. Ihr Fleisch wird, namentlich von den Franzosen, die fast jeden Vogel und in Westindien auch die Flederinäuse ungemein für die Küche schätzen, gern gegessen, und man nennt diese Vögel hier wegen ihres stark gebogenen, an eine orientalische Nase erinnernden Schnabels Juden. Durch einen besondern Glückszufall gelang es mir auch, ein Stück der nur auf Pto. Rico vorkommenden, ausserordentlich seltenen Dendroica adelaidie zu schiessen. Eine eintägige Fahrt brachte uns am 27. Mai auf die Reede von La Guaira, der bekanntesten Hafenstadt Venezuelas und einer der heissesten Seestädte. Das Panorama von La Guaira ist von grossartiger Schönheit. Nur einen ganz schmalen Küstenstreifen übriglassend ragt das karibische Küstengebirge (oft auch die Küstenkordillere genannt) steil, anscheinend beinahe senkrecht bis zu Höhen vou 2500 Metern empor. Zu Füssen des Gebirges hängt auf Felsenvorsprüngen die Stadt La Guaira. Die Häupter der Berge sind meist in dichte Wolkenmassen gehüllt, deren dunkle Schleier sich während des grösseren Theils des Jahres nur selten lüften, um das Bild in voller Schönheit erscheinen zu lassen. Sehr unerfreulich war es für uns zu erfahren, dass wieder eine jener Revolu- tionen ausgebrochen sei, die einander in diesem unseligen Lande fast ununterbrochen folgen. Ungeachtet der Liebenswürdigkeit und Ritterlichkeit von Vertretern der besseren Klassen empfingen wir von den Venezuelanern als Nation einen erbärm- lichen Eindruck. Das sogenannte Militär ähnelte mehr einer Räuberbande als Soldaten. Wichtigthuerei, Selbstsucht, Verrath und Gesetzlosigkeit—das waren die Züge, die uns entgegentraten. Das war keine Revolution, mit der man Sympathien haben konnte, kein “Volk, das in edlem Zorne auflodernd die Sklavenketten durchbrach,” sondern ein unseliger und dabei miserabel geführter Parteikampf. Für uns war die Sache sehr unaugenehm. Die Einfuhr und das Tragen von Waffen waren erschwert und z. Z. ganz verboten, alle Pferde und Maulthiere wurden von der gerade am Ruder stehenden Partei gepresst, die Sicherheit im Lande liess zu wünschen übrig. Am Tage vor unsrer Ankunft war auf den Bahuzug auf der Fahrt nach Caracas geschossen worden, die Angreifer aber zurückgeschlagen, auf einem Waldwege wurden vor unsern Augen harmlos dahinspazierende Negerjünglinge von Soldaten aus dem Hinterhalte überfallen und mit Gewalt zum Militär gepresst, meinem Vetter wurden Flintenkugeln in das Haus geschossen und die Kühe auf der Weide erschlagen, um den Soldaten zur ( 360 ) Nahrung zu dienen. Die Leutnants dieser Armee sahen ganz aus wie Graf Erbach sie beschreibt : “ Verbummelte Obersekundaner, im knappen Sommerröckehen, in weiten ausgefranzten Hosen, einen Strohhnt auf dem langen Haar, einen mit Bindfaden an der dreifarbigen nationalen Schärpe befestigten Schleppsäbel an der Seite.” Auch die Generale, deren Zahl Legion zu sein schien, hätten wir eher für Feldwebel oder Arbeitervögte gehalten, obwohl manche von ihnen schöne, männliche Gesichter hatten. Unwillkürlich kam man dazu, zu fragen : Land Bolivars, Land der kühusten Kämpfe zur Abschüttelung des unerträglichen und ungerechten spanischen Jochs, wohin hat deine blutig errungene Freiheit dich geführt? Die grosse Phrase von 1759 ist bei dir zum Hohn geworden— verachten würden dich deine Helden, ein Miranda, Bolivar, Ribas, Marino, Arismendi und Ibarra, wenn sie dich heute schauen könnten. Nur so lange die tyrannische Fanst des “ Ilustre Americano,” General Antonio Guzman-Blanco dir im Nacken sass, gab es eine Entwickelung für dich. Alles was in Venezuela an zeitgemässen Gesetzen, an vernünftigen Einrichtungen, wissenschaftlichen Instituten, imposanten Gebäuden und dergl. besteht, rührt vom Tyrannen Guzman-Blanco her. Selbst ein demokratischer Freiheitsschwärmer wird gestehen müssen, dass diesem Volke zur Zeit nur die Ruthe eines Tyrannen frommt. Es mnss erst erzogen werden, der Freiheit würdig zu sein—wozu freilich der bedeutende Guzman-Blanco nicht der geeignetste Mann war, da sein straffes und untzbringendes Regiment leider nicht von kleinlicher Selbsterhebung und von Bigennutze frei war, Wohl würde es sich lohnen, einen Blick auf die Geschichte Venezuelas zu werfen, aber dies ist schon zu oft von berufenerer Feder geschehen. Meine Frau und ich benutzten den Aufenthalt in La Guaira zu einer Falırt nach der Hauptstadt Caracas. Diese Bahnfahrt ist von überwältigender Schönheit. Anfangs gewährt sie zahlreiche Blicke auf das blaue Meer, dann bietet sie enorme, steile Abstürze dar, das Bild bei jeder Windung wechselnd—kühne Felspartien mit starrer Kaktusvegetation, grüne Waldmassen, gefährlich kühne Ueberfüh- rungen, an schwindelnden, schaurigtiefen Schluchten, durch Tunnels und lachendes Blüthengebüsch. Die Wagen waren leidlich bequem, meist offen, und der Zug daher unerhört, die Gesellschaft höflich und heiter. Die Bahn von La Gnaira nach Caracas ist von englischen Ingenieuren gebaut und gehörte einer englischen Gesellschaft. Das oft beschriebene Caracas blieb ein wenig hinter unsern Erwartungen zurück. Von den Carakenierinnen, die als die schönsten Frauen der Welt, als die “ edelsten Schöpfungen der Natur” gepriesen worden sind, sahen wir nicht genug, von unangenehmem Gesindel aber zu viel—aber es war doch wenigstens Uaracas ! Mit grosser Zuvorkommenheit zeigte mir der vor Kurzem verstorbene Professor Dr. Ernst, ein engerer Landsmann von mir, das Museum und die Universität. In ersterem schienen die indianischen Alterthümer bei weitem das Wichtigste zu sein, während mir die zoologischen und namentlich die ornithologischen Sammlungen sehr wenig imponierten. In dem in reizendem Thalkessel gelegenen Städtchen Antimano besuchten wir den deutschen Ministerresidenten, Grafen von Kleist- Tychow, mit seiner liebenswürdigen Gemahlin, und verbraehten unvergessliche Stunden in dem schönen, einst Guzman-Blanco gehörigen Landhause und Garten. Während des Frühstücks umsummte ein Kolibri (Phaöthornis augusti) die Blumen- vasen auf der luftigen Verandah. Von dem nahen Bergwalde her ertönte im lokomotivenartiges Pfeifen, und es bedurfte einiger Zeit mich zu überzeugen ( 261 ) dass es nicht von einer Dampfmaschine, sondern von einer Cicade herrühre. So laute Töne dürfte kein andres Insekt der Welt hervorbringen. Interessante Zeugen deutschen Industriefleisses boten die Werkstätten der “ Gran Ferro Carril” zu Palo Grande bei Caracas, die von Deutschen gebaut und geleitet wurde. Leider mussten wir schon nach zwei Tagen wieder hinunter nach La Guaira, doch als wir unten ankamen hiess es, dass wir noch einen Tag bleiben würden. So konnten wir noch einen Ausflug mit der kleinen Strandbahu nach dem .lieblichen Seebadeorte Macuto machen. Entzückend liegt Maento am Fusse des bewaldeten Gebirges. Die Alamela, eine lange Strandpromenade, ist ein herrlicher Weg und in ganz Venezuela berühmt, uns entzückte aber noch viel mehr ein anderthalbstündiger Marsch in einem fast trockenen Flussbette in die Berge hinein. Hier bewunderten wir die ungekünstelte tropische Vegetation und fingen bunte Schmetterlinge. Zum ersten Male sah ich hier einige der grossen schillernden blauen Morphiden über die Felsblöcke hinschweben. Am nächsten Tage dampften wir weiter nach Puerto Cabello, wo wir von meinem Vetter Tams herzlich empfangen wurden, und alsbald mit ihm nach dem berühmten, in einem Flussthale voll tropischer Vegetation gelegenen San Esteban fuhren. San Esteban übertraf wirklich unsre Erwartungen. Noch heute gedenken wir mit Entzücken der dunklen Waldparthien der Berge, die das Thal umgeben, der ausgedehnten Kakaopflanzungen, der graziösen Senorita Starke, der dunklen Indianermädehen in den Berghütten, der Kolibris, die die Gartenblumen um- summten, der bunten Schmetterlinge, der warmen Tropennacht mit ihrer üppigen Schönheit, der “Königin der Nacht,” die auf der Gartenmaner ihre betänbend duftenden Kelche erschloss, und vor allen Dingen auch unsres lieben Wirthes. Aber wir konnten Alles nur im Fluge streifen, wie ein schöner Traum zog es an uns vorüber. Mein Vetter rieth uns dringend, augenblicklieh nieht das Land zu bereisen, sondern erst die holländischen Inseln zu besuchen, auf die wir es ja auch besonders abgesehen hatten. Mit einem herzlichen “ auf Wiedersehen, auf länger = trennten wir uns, aber unsre Wünsche gingen nicht in Erfüllung. Am 8. Juni, morgens gegen 64 Uhr, fuhren wir in den Hafen von Curacao ein. Aneenehm wurden wir überrascht, als im dämmernden Morgenscheine die malerischen Felsen von oben bis unten mit frischem Grün bedeekt aus dem Meere aufstiegen. Nach den Beschreibungen von Martin und Peters (Journal für Ornithologie 1592 S. 105) hatten wir nur kahle, düstergraue Berge erwartet. Als wir das Schilf verlassen woliten, hielt uns ein heftiger Regen an Bord zurück. Die Stadt erschien wie ausgestorben, denn Niemand begiebt sich in Curacao beim Regen auf die Strasse, und die meisten Läden blieben geschlossen, bis es aufhörte zu regnen. Das zeigt, dass Regen dort nicht häufig ist, und es war in der That ein aussergewöhnlich nasses Jahr, in dem wir diese Inseln besuchten, während Professor Martin ein ganz ausnahmsweise trockenes Jahr zu seiner Reise wählte und Peters’ Beschreibungen, die nach einem sehr flüchtigen Besuche entworfen sind, mit den seinigen sehr übereinstimmen. Den Schilderungen von der trostlosen Dürre und kaum erträglichen Hitze gegenüber, die unsre Vorgänger entworfen haben, können wir nur mit Begeisterung von unserm Aufenthalte anf diesen Inseln sprechen und nur mit Vergnügen darauf zurückblieken. Der fast immerwährende Sonnenschein, die wunderbar klare, Anrehsichtige Luft, die gesunde und warme, durch den beständie wehenden ( 262 ) Passatwind gekühlte, nie zu wunerträglicher Hitze steigende Temperatur, die malerische Abwechselung von zockigen Felsen und blauer See, deren wilde randung den weissen Gischt an den Korallenklippen zum Himmel empor schleuderte—alles bot uns unvergessliche, reine Freuden dar. Was können dagegen die Unbequemlichkeiten in den schlechten Hotels * und mit den gänzlich mangelnden Transportmitteln bedeuten ! Durch das besondre Entgegenkommen des Gonverneurs, Herrn Harry Barge, eines entfernten Verwandten meiner Frau, und durch von ihm erhaltene Empfeh- lungen wurde uns allerdings mancherlei erheblich erleichtert, aber auch sonst fanden wir überall gefälliges Entgegenkommen. Wie in so vielen überseeischen Kolonien europäischer Mächte ist auch um den Besitz von Curacao schon mancher Tropfen Blut geflossen. Anscheinend im ‚Jahre 1527 wurde es von den Spaniern besetzt und somit den damals dort lebenden Eigenthiimern, karibischen Indianern, die heutzutage vom Erdboden verschwunden sind, weggenommen. 1634 eroberten es die Holländer, denen es im westfälischen Frieden 1648 endgültig abgetreten wurde. 1807 wurde es von den Engländern genommen, nach dem Friedensschluss aber wenige Jahre nachher (gleichwie Java, Sumatra und andre Inseln) wieder an Holland zurückgegeben. „Jetzt bildet Curacao mit den nahen Inseln Aruba und Bonaire und den kleinen Antilleninseln St. Martin, St. Enstatins und Saba die sogenannte Kolonie Onracao, oder holländisch Westindien. Die drei Inseln Aruba, Curacao und Bonaire gehören nicht, wie Trinidad, in eeologischer Hinsicht zum venezuelanischen Festlande, sondern haben trotz ihrer Nähe am Festlande eine eigene Formation. Sie sind hier und da von alten, zum Theil noch in bedeutender Ausdehnung erhaltenen Korallenriften umgeben, innerhalb deren sich ruhige Lagunen hinziehen, auf deren Grunde man die Pracht tropischer Korallenbänke bewundern kann. Sie sind an ihren Gestaden umgürtet von und zum grössten Theile bedeckt mit einer ddieken Schicht von Korallenkalk, ihre innern Theile bestehen jedoch aus sedimen- tärem Gestein, das an mehreren Stellen von vulkanischen Felsen durchbrochen ist. Curacao ist die grösste der drei Inseln, nämlich 56 englische Meilen lang und 13 breit. Willemstad, mit einem herrlichen, ausgedehnten Hafen, ist die Haupt- stadt der kleinen Kolonie. Es ist eine ziemlich wohlhabende und sicherlich die reinlichste, wenigstens äusserlich appetitlichste Stadt, die wir in Westindien zu sehen bekamen. Die Gebäude sind allerdings meist auffallend plump, massig und eeschmacklos gebaut. Ausser von zahlreichen Negern und Mischlingen wird die Insel meist von Holländern, Abkömmlingen von Spaniern und Venezuelanern bewohnt. Die grosse Masse des Volkes ist katholisch, die Holländer aber meist protestantisch. Die sebräuchlichste Sprache ist das Papiamento, das aus einem Gemisch von spanisch, holländisch, indianisch, portugiesisch und englisch entstanden ist, aber noch zumeist an spanisch erinnert. Holländisch wird ziemlich allgemein, spanish sehr viel verstanden, die Gebildeten aber sprechen auch englisch. Mehrere Firmen, auch * Herr Verschuur, den wir auf Curacao trafen, macht in seinem interessanten Artikel in Ze tour du monde (1893) eine übertriebene Schilderung von den Hotels. Wir haben schon in englischen “ country- inns ” gewohnt, die weder reinlicher noch sonst besser waren, und namentlich das Essen war—obwohl recht wenig luxuriös—immer so, dass ein gesunder Mensch davon leben konnte. Es ist nur belletristische Licenz, wenn Verschuur von einem schrecklichen, undefinierbarer, möglicherweise aus Negerfleisch beste- henden Ragout spricht, dass ein “ savant allemand ” mit seiner Frau verzehrte, während er sich nicht dazu entschliessen konnte, die beiden Apotheken, waren deutsch und ein Ostpreusse ans dem mir aus der Jugendzeit so wohlbekannten Städtchen Fischhausen bei Pillau unterhielt eine Bierkneipe, wo man für nur einen Gulden * eine Flasche echtes Münchener Bier bekam. Der biedere, sehr gefällige Mann, der früher Soldat in Surinam gewesen war und ein bewegtes Leben hinter sich hatte, war nieht wenig erstaunt, dass ich seinen Heimathsort und die ganze Umgebung auf das genaueste kannte—es war ihm das noch nicht vorgekommen, seitdem er in Amerika war. Wer kennt auch Fischhausen ! Infolge der oft wechselnden, aber immer strengen Einfuhrzölle in Venezuela —die beinahe die einzigen Staatseinnahmen bilden—ist Curacao ein wichtiger = o Kate. st. Maulims Mal (foeeilia). Stapelplatz, von dem auch jedenfalls, wenn auch nieht in demselben Maasse wie aus Trinidad, oft Schmuggelhandel getrieben wird. Bei den steten Revolutionen, mit denen Venezuela so reich gesegnet ist, finden auch viele Venezuelaner in Curacao einen sicheren Aufenthalt, und es mag wohl wahr sein, dass, wie in Trinidad, manches politische Komplot auf Curacao geschmiedet wird. Während unsres Aufenthaltes waren die Hotels voll von venezuelanischen Generalen, Leuten die, eine im ersten Augenblicke bestechende Grandezza mit graziösen Handbewe- gungen und derlei angenehmen Tand abgerechnet, etwa auf der Bildungsstufe preussischer Unteroffiziere stehen mochten. Ausser seinem bedeutenden Zwischenhandel hat Curagao auch einige wichtige Erzeugnisse, nämlich den berühmten Likör, ohne dessen Existenz wohl die * Verglichen mit den Preisen, die man im südlichen Amerika und anderwärts dafür zahlt nich theuer, ( 264 ) weniesten Leute den Namen der Insel kennen würden, Dividivi, d. h. die Schoten des Dividivibaumes, die zum Färben und Gerben verwandt werden, und früher Aloö, deren Ausfuhr aber bedeutend nachgelassen hat und fast gänzlich anfzuhören droht. Die Vegetation der Insel ist im allgemeinen sehr spärlich. Die Felsen sind stellenweise beinahe vegetationslos oder nur mit niederem Gestrüpp bedeckt, der Christoffel aber, der höchste Berg der Insel, ist bis zam Gipfel mit Büschen und >äumen bedeckt, ja man kann allenfalls sagen bewaldet. Die Charakterpflanzen der Insel sind die Kakteen und die Dividivibäume. Von den ersteren sind am auffallendsten die bisweilen armleuchterartig verästelten, bis zu zehn, fünfzehn und zwanzig Fuss aufragenden (erens-Arten, die einen ausserordentlich starren Eindruck machen. Hänfiger noch sind die niedrigeren, oft Gebüsche bildenden und zu undurehdringlichen Umzäunungen verwandten Opuntien, die sehr unangenehm werden, da sie sich mit kaum elanblicher Energie an die Kleider heften und die Haut «durehdringen. Die in feine Spitzen endigenden Stacheln sind wohl die Ursache «davon, dass man ihnen immerfort näher kommt, als man meint. Oft glaubt man eben vorbeizukommen, aber da hängt schon ein ganzer handerosser Zweig an der Hose—beim Zurückspringen berührt man einen andern Ast nnd beim Entfernen der lästigen Anhängsel verwundet man die Finger. Auf dürren Felsen findet man zuweilen die einer stacheligen Melone ähnelnden Melocactxs in mehreren, auf jeder Insel anderen Arten. Die akazienähnlichen Dividivibäiume sind meist in der Richtung des Passat- windes gebogen, oft zerzanst und ärmlich belanbt. Nur in den Gärten, namentlich da, wo sich natürliche Süsswasserquellen finden, trifft man eine üppigere Vegetation an. Da gedeihen dann allerlei tropische Frucht- bäume, Zuckerrohr und Hirse (Sorghum), die die Hanptnahrung des Volkes bildet. Die Fruchteärten bei Hato, wo ein kleines Wasserreservoir ist, sind sehenswerth, und bei Savonet, am Fusse des Christoffelberges, sind die ausgedehntesten Pflan- zungen der bitteren Orangen, aus deren Schalen der berühmte Onracaolikör bereitet wird. Die meisten dieser Schalen werden zetrocknet und nach Holland geschickt, nur die zwei deutschen Apothekerfirmen fabrizieren an Ort und Stelle Curacao. Das Wabrikat der einen übertrifft allen in Europa gemachten Unracao an Wohl- geschmack, das der andern aber ist minderwerthig. Bei Savonet sind auch Dattelpalmen angepflanzt, Tamarinden sieht man an vielen Orten, hier und da Manzanillenbänme, Morinden, einzelne Briodendren. Am (hristoflel wachsen mehrere Orchideenarten. Dort fand ich einen mehrere Meter dicken, alten Erioden- dronbaum, in dessen Holz ein riesiger Hirschkäfer lebte. Die Thierwelt ist spärlich, aber sehr interessant. Ausser den kosmopolitischen Wanderratten und Hausmäusen konnte ich von Mammalien nur eine weitverbreitete, Fledermanusart feststellen, und einen Hasen. Dieser Hase wird allgemein als “ Kaninchen ” bezeichnet, was unrichtig ist, denn er lebt nicht in Höhlen, sondern ruht wie unser Hase am Tage frei in einem Lager. Mehrfach traf ich das Thier an, aber immer wenn ich nicht zum Schiessen fertige war. Nur auf Aruba gelang es mir, ein Exemplar zu schiessen, auch sah ich dort mehrere Felle. Ich beschrieb die Art im ersten Bande der Novırarzs Zoorocicar als Lepus nigronuchalis. Sie gehört offenbar zur Gruppe der südamerikanischen Hasen, Lepus brasiliensis, von denen sie sich aber durch den schwarzen Hinterhals leicht unterscheiden lässt. Von Hausthieren haben die auch massenhaft wild vorkommenden “ Kabrieten,” eine langbeinige, dürre Ziegenrasse, einige Bedentung, da sie allein der ärmeren (265 ) Klasse Fleisch bieten und auch in der Küche der Europäer nnentbehrlich sind. Schafe, Rinder, Esel und Pferde findet man nur auf den grösseren Pflanzungen und in Willemstad in beschränkter Zahl. Die Vogelwelt ist recht zahlreich vertreten. Am Sehlusse werde ich eine vollständige Liste der bekannten Formen geben. Sehr häufig sind die Bidechsen. Fast überall begeenet man diesen schlanken, zum Theil in prächtigen Farben schillernden Thierehen. Es ist nicht ganz leicht, sie zu fangen, und namentlich die grösseren, beinahe fusslangen Arten erlest man am besten mit dem Schrotschuss einer mit dem allerfeinsten Schrote geladenen Flobertpistole. Die kleinen Wunden sind nicht zu sehen, und wenn man wirklich ein Exemplar zerschiesst, kann man leicht andre beschaffen, die die Arten alle häufig zu sein scheinen. Ein grosser Leenan, /yuana tnberenlata, und vielleicht sogar noch eine zweite Art, sind nicht selten, aber sehr schen. Die Neger schätzen sie als Leckerbissen und fangen sie mit Hilfe von Hunden. In der Quelle bei Hato und in dem nahen Wasserreservoir lebt in ziemlicher Menge ein kleiner, der Insel eigenthümlicher Fisch, Poecilia vandepolli, von dem ieh mit leiehter Mühe mit dem Schmetterlingsnetze eine Anzahl fangen konnte. Sehr charakteristisch für Unracao sind die vielen Landschnecken. Papa uva und Cyelostoma megachilum bedecken Steine und Kakteen, Sträucher und Bänme in oft überraschender Menge. Käfer sind im allgemeinen selten, doch fing ich unter anderen am Christoffel in einer Pfütze, in einem sonst trockenen Flussbette, zwei oder drei Arten von Wasserkäfern und an einem Eriodendron eine grosse Hirschkäferart. Schmetter- linge sind selten. Auf den windumwehten Höhen können sich Tagfalter nicht halten, an geschützten Orten nur sieht man einige gelbe Catopsilia und Lyeueniden. Noctuiden und andre kleinere Nachfalter sind mehr vertreten, aber auch, wie der spärliche Pflanzenwuchs erwarten lässt, nieht reich an Arten. Mehr als die Insekten fallen die Einsiedlerkrebse auf, die man in allen Grössen mit den verschiedensten Seemnscheln auf dem Rücken herumlaufen sieht. Sie ersteigen sogar die Berge, sodass man überall Seemuscheln antrifft. Von Mücken hat man wenig oder earnicht zu leiden. Das Leben des Meeres ist ungemein reich nnd würde Stoff zu vielen Untersuchungen bieten. Ausser zahlreichen Exkursionen in die nähere Umgebung von Willemstad wurdep mehrere grössere Touren von mir unternommen. Das Reisen ist jedoch nicht immer leicht, da die Europäer dort fast nie Reisen machen, und ansser der Familie des Besitzers von Savonet kennt kaum Jemand den Christoffel aus näherer Anschanung. Durch die grosse Zuvorkommenheit des Herrn van der Linde Sehotboreh, Besitzer des schönen Savonet, wurde uns erlaubt, das dortige Wohnhans, am Fusse des Uhristoffel, eine Woche lang als unser eigen zu betrachten. 33 Stunden fuhren wir in einem zu enormem Preise gemietheten Wagen dorthin. Fast alles prangte in frischem Grün, namentlich fielen uns an den Wegrändern Stechapfel, Immergrün (?) und Passionsblumen (?) auf, sowie eine kleine, anemonenartige, schön gelbblühende Pflanze. In der Nähe von Savonet ist infolge der grösseren Feuchtigkeit und der geschützten Lage eine üppigere Vegetation. Savonet liegt etwas erhöht, fast immer weht eine leichte Brise, und der Aufenthalt in dem Hause lässt nichts zu wünschen übrig. Ein reichlicher Viehstand giebt Gelegenheit, viel Milch zu trinken, und an Fleisch von Geflügel und Ziegen fehlte es nicht, Limonen, Tamarinden und andre Früchte sind reichlich zu haben. Die Aussicht ist köstlich. Von der Höhe des Christoffel, dessen ( 266 ) Besteigen übrigens keine besondern Schwierigkeiten bietet—nur die alleroberste kleine Felsenspitze ist ohne Spitzaxt oder sonstige Hilfsmittel nicht zu erreichen— ist das Panorama unvergleichlich schön, denn man kann an klaren Tagen die ganze Insel Cnracao überblicken. Eine einstündige Wagenfahrt brachte uns später nach Brakkeput an der “Spanischen Bucht,” dann eine ebenso lange Fahrt in einem Ruderboote nach dem alten Fort Beekenburg, einem massiveu, eine Felskuppe krönenden Thurm mit Schiessscharten. Ein weiterer kurzer Gang führte dann zu dem ausgedehnten (Juarantänehospital von Beekenburg. Seit 15 Jahren war keine Gelegenheit gewesen, es zu benutzen, und so ward uns durch die Zuvorkommenheit des Gouverneurs gestattet dort zu wohnen. Das geräumige, für 300 Menschen bequem und sauber eingerichtete Haus liegt hoch über dem Meere und ist ein köstlicher Aufenthalt. Die Umgehung ist wild zerklüftet, zu Füssen rollt das weite Meer, und im Hintergrund erhebt sich der steile Tafelberg. Geschützte Buchten geben vortreflliche Gelegenheit zum Baden. In der Niederung an der “Spanischen Bucht ” gedeihen allerlei Früchte, unter ihnen die köstlich erfrischende, wenn auch übermässig süsse “ Nispero.” Vor allen Dingen aber traf ich bei Beekenburg einen für Curacao ganz neuen Vogel, eine weiter unten beschriebene Form des Coturniculus savannarım, und erbeutete andre mir sehr werthvolle Arten. Hato mit seiner Quelle und der Tropfsteinhöhle wurde in einem Tagesmarsche von Willemstad aus besucht. Bei dieser Exkursion begleitete mich ein an Fusswanderungen gar nicht gewöhnter österreichischer Handlungsreisender— Beweis genug, dass die Angaben von Martin und Peters über die Gefahr (!) von Fusstouren in der Mittagshitze übertrieben sind. Wir waren den ganzen Tag unterwegs. In der Höhle war die Hitze allerdings furchtbar, aber selbst meinem Gefährten bekam der Ausflug sehr gut, obwohl er anı nächsten Tage einigermassen steif und müde war. Am 21. Juni fuhren wir auf einer “ Balandra,” d.h. einem venezuelanischen, einmastigen Boote nach Aruba. Die See ging hoch und der Aufenthalt in der kleinen Kajüte musste mit seekranken Farbigen getheilt werden— also eine gräss- liche elfstündige Fahrt für meine garnicht seefeste Frau. Auf Aruba, in Oranjestad, wurden wir vom “ Gezaaghebber” (Untergouverneur) und dem englischen Arzte, Dr. Coates Cole, einem Manxman, überaus freundlich empfangen. Letzterer bot uns Gastfreundschaft an, die wir gern annahmen, da von irgend etwas, das an Gasthöfe erinnert, keine Spur vorhanden ist. Der Gezaaghebber hatte allerdings ein völlig leeres Haus für uns bereit gestellt, da wir aber keine Möbeln mitgebracht hatten, und Dienstboten weder mitbrachten, noch in Aruba miethen konnten, zögerten wir nicht einen Augenblick das freundliche Anerbieten des Arztes anzunehmen. Aruba ist die trockenste und im allgemeinen am wenigsten bewachsene der drei holländischen Inseln. Sie ist etwa 25 bis 30 englische Meilen lang und 5 bis 7 Meilen breit. Der dem Winde abgekehrten Südwestküste ist ein an mehreren Stellen unterbrochenes Korallenriff vorgelagert, das spärlich mit Büschen bewachsen ist und einer Anzahl von Seevögeln zum Brutplatze dient. Die innerhalb des Riffes sich hinziehende Lagune ist meist von geringer Tiefe und daher an manchen Stellen von wunderbarer Schönheit, denn man sieht auf dem weissen Korallengrunde grosse Muscheln, Seesterne und andres Gethier in bunten, vorherr- schend blauen und rothen Farben prangen und silbern leuchtende Fische und Quallen darüber hineilen. Das Wasser ist so klar und durchsichtig, dass man meint, man könne nach den Thieren greifen, was freilich arge Täuschung ist, denn es ist doch meist mehrere Meter tief, ( 267 ) Die Dividivi-Bäume sind auf Aruba kümmerlicher als auf Curacao. Die Cereen erreichen oft eine stattliche Höhe, fehlen aber auf den kahlen Plateans, dageren aber sind dort die Melonenkaktus-Arten auf weite Strecken hin vorherr- schend. Einige der steinigen Plateaus sind von abschreckender Dürre, mehrere der Hügel jedoch ziemlich dieht mit Busch bewachsen. Der höchste Punkt, der Yamanota, ist etwa 600 Fuss hoch. Die Temperatur soll nach Blackburn zwischen 78 und 90° Fahrenheit schwanken, mag aber gelegentlich beide Extreme übersteigen. Die Zahl der Weissen auf Aruba ist sehr gering. In der schwarzen Bevölkerung ist mehr Indianerblut vorhanden, als auf den Schwesterinseln. Die ursprünglichen indianischen Bingehorenen sind vor Jahrhunderten ausgestorben, oder wohl besser gesagt von den Europäern ausgerottet, ihre Reste mit den Weissen und Negern N. C 30 engl. A. lan T 2.4. Gueit.) verschmolzen. An den Felsen finden sich an manchen Orten, wie auch an je einer Stelle auf Curacao u. Bonaire, alte indianische Zeichnungen. Ziegen und Schafe sind die eigentlichen Hausthiere zu Nahrungszwecken, Esel dienen zum Transport. Kühe und Pferde sind nur in wenigen Stücken vorhanden. Die wilde Thierwelt ist der des venezuelanischen Festlandes mehr ähnlich, als die von Curacao und Bonaire. Von Sängethieren kommen nur Wanderratte, Hansmans, eine Fledermaus und Lepus nigronuchalis vor. Unter den Vögeln ist der Ausge- zeichnetste der prächtige, auch Theile von Venezuela bewohnende Papagei Chrysotis ochroptera. Die Erforschung der Vogelwelt war besonders reizvoll, da ich völlig unbebautes Feld betrat. Eidechsen waren ebenso häufig wie auf Curacao. Die Klapperschlange, Crotalus horridus unicolor Lidth, muss sehr selten sein, denn ich sah nicht ein einziges Stück. Professor Martin erzählt, dass er von dem eigentlichen, von den Ein- geborenen oft besungenen Frosch keine Exemplare erhielt, wohl aber eine andre ( 268 ) Froschart den Rana copii (?) Ich stellte sofort Erkundigungen an, erhielt aber immer zur Antwort, dass es nur eine Froschart gäbe, die ich denn auch von Neger- jungen erhielt und selbst an etwas feuchteren Orten unter Steinen garnicht selten fand. Es ist Paludicola brachyops, ein reizender Frosch, der mit seinen goldenen Augen einen wirklich prachtvollen Eindruck macht. In der einzigen Quelle der Insel, bei Fontein, die ich nicht besuchte, lebt eine Subspecies der Poeeilia von Uuracao, die Poeeilia vandepolli arubensis. Mehrere der Reptilien sind Vertreter der Uuracaoformen. Einige Bedentung hat Aruba durch seine mineralogischen Reichthümer erlangt. Die sedimentären Gesteine sind an zahlreichen Stellen von Graniten durchbrochen, die viele goldhaltige Qnarzadern haben. Vorherrschende Gesteine sind Syenit, Phosphyrit, Schiefer, Hornblende, Diorit. Früher wurde an verschiedenen Stellen Gold gegraben, aber die Quantität ist gering, die Gewinnung mühselig, und die Abgaben für Goldausfuhr so beträchtlich, dass heutzutage auf Aruba Niemand mehr Gold gräbt. Dagegen wird ziemlich viel Salz gewonnen, und die an zwei Stellen gefundenen ausgedehnten Phosphatlager sind von Bedentung. Innerhalb der Lagune, bei ‘Boca St. Nicolas, hat die Aruba-Phosphaat- Maatschappij eine eiserne Laudungsbrücke gebaut, an der ziemlieh grosse Schiffe anlegen können. Hier wird der auf dem Üerro Colorado gewonnene Phosphat verschifft, der von hervorragender Qualität ist. Wir besuchten die Guanominen an einem auffallend kalten Tage. Als wir die schmale Pferdebahn, die Cerro Colorado mit dem Landungsplatze verbindet, entlang rollten, fror uns gewaltig. Leider war ein kleiner Thermometer, den wir mitgenommen hatten, zerbrochen, sodass wir die Temperatur nicht messen konnten. Erst nach 10 Uhr wurde es wärmer. An der Nordküste der Halbinsel Cerro Colorado branden die Wellen mit ungeschwächter Kraft und schleudern, wo sie in enge Schluchten hineinstürzen, den Gischt in gewaltige Höhen hinauf. Es ist ein grandioses Schauspiel, diese Brandung zu beobaehten. Oft bildet die durchscheinende Sonne Regenbogen in den aufstiebenden Wasserstaubwolken. Sonst ist das Gelände des Cerro Colorado überaus öde — nichts als grosse Steinblöcke, kleines Geröll und niedrige Kaktusstauden bieten sich dem Ange dar. Der Direktor der Phosphatgesellschaft, Herr Ewertz, hat trotzdem an seinem Hanse einer feenhaften kleinen Garten geschaffen, in dem er die köstliehsten Blumen verschiedener Klimate und malerische Schlinggewächse zieht. Eine Tropfsteinhöhle lohnt sieh schon des Besuches. Es fehlt nieht an schönen Parthien darin, gefällie geformte Becken enthalten kühles, krystallklares Wasser. Da aber die Höhle ganz nahe unter der sonnendurchglühten Oberfläche liegt, ist die Hitze in der Höhle furchtbar, namentlich in einigen Seitengängen fast unerträglich dumpf. Im “Ruy francais,” einer malerischen Felsenschlucht auf dem Wege nach Cerro Colorado, waren an betäubend duftenden, blühenden Jasminbäumen die rothbrüstigen und grünen Kolibris, namentlich aber die ersteren (Chrysolampis mosquitus) häufig. In einem für Aruba ziemlich gut mit Bäumen und Büschen bestandenen Thale bei Sabaneta erlegte ich mehrere der grossen Papageien, Chrysotis ochroptera. Die schönste Fahrt, die wir machten, war die nach einem bei Sabaneta gelegenen Korallenriff, wo zwei Arten von Seeschwalben brüteten, die zahlreiche Eier hatten. (Siehe den ornithologischen Anhang.) Einen grossen Theil der Insel lernten wir durch einen Ritt nach dem im Norden gelegenen Daimari kennen—Dr. Cole und ich auf Pferden, meine Frau auf einem sehr eigensinnigen Esel. Als wir in später ( 269 ) Nacht zwüekritten hatten die Neger an den Wegen Johannisfener angezündet. Es war ein merkwürdiges Schauspiel, und es berührte uns eigenartig, hier auf einer Felseninsel im Antillenmeere den in den Bergen Schlesiens in der Kindheit gekannten Gebrauch wiederzusehen, weniger schön aber war es, dass der Esel meiner Frau es darauf absah, so nahe wie nur irgend möglich an den Flammen einherzugehen. Nicht einmal Schlagen und Stossen brachte ihn davon ab, und bei den leichten Kleidern, die meine Frau trug, war das nicht sonderlich angenehm. Ein Ausflug zur Erlangung der grossen Fregattvögel, die zahlreich in einem Mangrovewalde in der Lagune übernachteten, zu andern Jahreszeiten auch wohl brüteten, war zwar sehr erfolgreich, aber anstrengend und mit unerwarteter Gefahr verbunden. Dr. Cole, der Sohn des Gezaaghebbers und ich fuhren bei ruhirem Wetter noch vor Tagesanbruch ab und erreichten den Schlafplatz der gewalticen Vögel, als es eben hell geworden war. Noch sassen Dutzende von Fregatten auf den jäumen, und es war ein grossartiger Anblick wie sie die mächtigen Schwingen entfalteten und rauschend über uns hinzogen. Ohne Mühe erlegten wir mit vier Schüssen drei Stück und später noch zwei mehr. Hier waren auch die braunen Pelikaue häufig, die sehr vertraut und leicht zu schiessen waren. Als wir die ltückfahrt autraten, machte sich ein heftiger Gegenwind auf, und nur mit Aufwendung aller unsrer Kräfte vermochten wir zu verhindern, dass wir über das Korallenriff gegenüber von Oranjestad hinausgetrieben wurden in die weite See. Nur durch die hervorragende bootsmännische Tüchtigkeit Dr. Cole’s, der seiner Zeit in Oxford ein berühmter Ruderer war, wurde dies verhindert, denn sowohl der junge Arubaner als ich waren nur halbwegs geübte Ruderer. Durchnässt und ermüdet kehrten wir heim, und meine Frau hatte dann das etwas zweifelhafte Vergnügen die stark moschusartig duftenden Riesenvögel mit mir abzubalgen. Ueberall auf Aruba kam mau uns mit grösster Zuvorkommenheit entgegen. Der liebenswürdige Gezaaghebber, von spanisch-holländischer Abstammung, lud uns zu einem Diner ein, das in verschiedener Hinsicht originell war. Mit peinlicher Sorgfalt waren bei der Tafelordnung alle verheiratheten Paare, den Gastgeber nicht ausgenommen, und solche die es eventuell noch werden konnten, nebeneinander gesetzt. Den Beginn des Mahles bildete ein riesiger Schildkrötenpie, der nur leider dadurch unserm Geschmacke nicht ganz entsprach, dass er sehr stark gezuckert war. Die Zahl der Gerichte war übermässig gross und es dauerte eine lange Zeit bis wir an das Ende kamen. Die Teinperatur in dem Raume war dann nach und nach recht hoch geworden. Lobenswerth anzuerkamen war, dass man nicht zu schweren Getränken genöthigt wurde, sondern mit einigen Gläsern Rothwein und reichlichem, sehr guten, das haunptsächlichste Tischgetränk bildenden Wasser davonkam. Besonders freundlich zeigte sich auch Herr Bourjon, der Lootse der Phosphatgesellschaft, bei dem wir zwei Nächte schliefen, und Mr. Blackburn, der Chemiker derselben Gesellschaft. Nach sechzentägigem Aufenthalt auf Aruba glaubten wir einen genügenden Ueberbliek über die Ormis der Insel gewonnen zu haben und benutzten daher die günstige Gelegenheit mit einem Regierungssegelboot nach Curacao zurückzugehen. Die Fahrt war trotzdem schlimmer als die Hinreise. Der heftige Passatwind wehte uns gerade entgegen, sodass wir beständig hin und herkreuzen mussten. Hoch hob sich das Schiff auf jede Welle empor und stiess dann mit lautem Schlag auf das Wasser nieder, sodass es durch und durch erdröhnte, bald Jagte es auf einer, bald wieder auf der andern Seite über die Wogen hin. Keinem der Passagiere war ( 270 ) dabei zeheuer. Ausser uns waren noch zwei junge Nonnen, die sich sehr würdig betrugen, und ein Priester, der wie ein wildes Thier heulte und brüllte, an Bord Trotz der für meine Frau geradezu schrecklichen Reise machten wir in Curagao nur eine kurze Pause und begaben uns sogleich wieder auf die auf uns wartende Balandra, um nach Bonaire zu segeln. Da diese Fahrt wenig besser war, waren wir so drei schlimme Tage und Nächte auf See. Während des grössten Theiles dieser Zeit war meine Frau nicht im beneidenswerthesten Zustande, während ich, mit Ausnahme des ersten Tages, wo ich auch seekrank war, die Schönheiten der Seefahrt voll genoss. Auf den Balandren fehlt es übrigens fast an jedweder Art von Bequemlichkeit—nieht einmal Waschbecken und sonstige uns nöthig dünkende Geräthe waren vorhanden. Bonaire besteht aus zwei recht verschiedenen Theilen, einem westlichen, gebirgi- gen, und im allgemeinen besser bewachsenen, der im ganzen an die Umgebung von Savonet auf Uuragao erinnert, und einem östlichen, sehr niedrigen, flachen, der äusserst dürr und öde ist und an Dürre nur von den trockenen Plateaus auf Aruba erreicht wird. In dem kleinen Orte Kralendijk residiert der Gezaaghebber, der uns mit grosser Freundlichkeit in seinem wunderhübschen, geräumigen Hause aufnahm. Eine kleine Schwierigkeit bot hier, wie auch anderwärts, die Frage, wo wir Vögel abbalgen sollten, denn unser lieber Gastgeber, Mijnheer van den Brandhoft, hatte eine grosse Furcht vor unserm Arsenik. Indessen wurde uns schliesslich eine luftige Stube zu ebener Erde gewährt. Ausser Kralendijk mit dem Vorort Nikeboko hat Bonaire noch einen im Norden gelegenen grösseren Art, Rincon, sonst aber kaum etwas, das auf den Namen Dorf Anspruch machen kann. Im Jahre 1885 hatte Bonaire etwas über 4000 Einwohner, und diese Zahl hat sich nur unbedeutend vermehrt. Unter der Bevölkerung herrschen ganz dunkle Mischlinge und reine Neger vor. Ausser allerhaud unbedeutenden Artikeln besteht die Ausfuhr von Bonaire besonders aus Salz, Ziegen und Eseln, die hier häufiger sind als auf den andern Inseln, Dividivi und früher Aloöharz. Die Sprache ist dasselbe Papiamento wie auf Unragao, die kleine Hautevolde aber spricht nicht nur holländisch, sondern auch englisch und etwas spanisch. Die ausgedehnten “ Saltpans” befinden sich im Süden der Insel. Dort sind endlos scheinende, ganz flache “ Pekelmeere,” in denen auf flachen, kraterähnlichen Hügelchen viele hunderte von Flamingos brüten. Auf schier endlos scheinender Fahrt durch die ödesten Theile der Insel erreichte ich, von einem Polizisten begleitet, diesen Salzlaugesse und wanderte darin bis zu den Flamingonestern hin. Die Beine wurden krebsroth, die Schuhe gingen auf dem scharfen Korallen- grund in Fetzen. Während bei mir diese beschwerliche Tour keine Folgen hatte, hänteten sich die Beine meines Begleiters unter einem schmerzhaften Processe danach. Ausser den Pelikanen sind diese flachen Gewässer auch von Reihern, Möwen, Seeschwalben und Strandläufern belebt. Da es gänzlich au Deckung fehlte, und ich leider die auf CUuragao und Aruba unbenutzt gebliebene Büchse unkluger Weise in Curagao gelassen hatte, konnte ich keinen Flamingo erlegen, doch fand ich einige Eier. Die aus salzhaltigem Lehm gebauten Nester waren ganz steinhart geworden, sodass ich von Nest zu Neste springend mich am Brutplatze fortbewegen konnte, was bei dem gerade dort sehr wechselnden, manchmal tieferen Wasser und dem gerade dort scharfzackigsten Korallengrunde ein grosser Vortheil war. Ich brachte mehr Vögel beim, als wir bequem abbalgen konnten, obwohl (271) ich gerade bei diesem Ausfluge vom Jagdglück nicht begünstigt wurde. Ich verlor einige grosse Möwen in der Brandung am Nordstrande, hatte schauderhaftes in Curagao erhaltenes Pulver, und schoss schliesslich in einer Weise vorbei, wie es sonst bei mir nicht vorkommt—endlich aber bekam ich doch die meisten der mir Ri Mein, ncoyo9o I WE: [e} % 4 0 Sorten Se RS > Monairı begegneten Arten mit einiger Beharrlichkeit. Zweifellos aber kann die Liste der Strandvögel von Bonaire noch erheblich vermehrt werden. Die ergebnissreichste unsrer Touren war die nach Fontem. Hier ist eine Süsswasserquelle, deren Wasser in einem grossen Bassin gesammelt wird und von da aus einen grossen, wohlunterhaltenen Obst- und Gemüsegarten bewässert. Mit unsern Gastgebern fuhren wir nach Fontein, wo wir «daun etwa eine Woche blieben. Unser weniges Gepäck, bestehend ans einem Handkoffer, einem “ Quatre ” oder einheimischen, sehr bequemen Bettgestell, fast ganz wie der “ charpoy ” in Indien, einem Paar Wasserstiefeln, einem Kochtopf und etwas Tischgeräth—alles übrige fand sich in Fontein vor—wurde auf einer Eselkarre hingeschafft, wofür wir, man höre und staune, 14 Gulden zahlen mussten. Fontein ist ein idyllischer Aufenthalt für Jeden, der Sinn für Naturschönheiten hat. Das Landhaus liegt wie eine Einsiedelei hochoben an dem steilen Absturze eines Kalksteinplateaus. Eine gewaltige, aus 40, theils aus dem Felsen wchanenen, theils aus grossen Quadern hergestellten Stufen bestehende Treppe führt hinauf. Die ganze Anlage stammt noch aus den Sklavenzeiten, heute wäre sie unmöglich herzustellen. Sie ist dadurch unbequem, dass die Stufen so hoch und weit sind, dass man sie nur mit je zwei Schritten nehmen kann, “endlos” aber, wie Martin sie nennt, ist sie mir nie erschienen. Manchen Tag habe ich sie wohl 4 bis 5 mal mindestens erstiegen, und selbst meine Frau hat es ebenso oft am Tage wethan. Grosse, oft eigenartig geformte, scharl- kantige Felsblöcke sind in grosser Anzahl von der Felswand abgestürzt und geben der Umgebung ein wildromantisches Ansehn. Der Blick vom Wohnhause hinunter auf die grüne kleine Oase, und dann über kaktusbedeckte Felsrücken auf das weite, blaue Meer ist von hervorragender Schönheit. Der Garten war zur Zeit unsres Aufenthaltes entzückend. Die Kokospalmen, Papayabäume und Limonen hingen voller Früchte, grosse * Flamboyants ” prangten im scharlachrothen Blüthenschmuck, die Allee von Dattelpalmen hing voller Datteln, die allerdings noch unreif waren. Das Vogelleben war ungemein reich. Nur hier traf ich zahlreich den “ Tjutjubi spagnol ” der Eingeborenen, Margarops, dessen Vorkommen hier von hohem zoogeographischen Interesse ist. Er zerstörte die Papayafrüchte, die er gänzlich auffrass, und war so erpicht darauf, dass er den Früchten sogar bis in das Haus nachkam. Die sonst auf der Insel nicht seltene Columba gymnophthalmus wurde bei Fontein ganz durch die nur hier beobachtete Columba portoricensis vertreten. Hier erbeutete ich auch eine neue Form von Amazonenpapageien, die ich als Chrysotis rothschildi beschrieb. Dieser Papagei war hier recht häufig, aber leider z. Z. in der Mauser und in schlechtem, abgetragenenı Gefieder. Auch war es keine Kleinigkeit, den ziemlich scheuen Vögeln an dem wildzerrissenen Steilabsturze des Plateaus, wo sie sich fast ausnahmslos aufhielten, nahezukommen, und wenn ein Stück erlegt war bedurfte es meist einer weiteren Kletterei, bis man es in den Händen hatte. Die Serie, die ich zusammenbrachte repräsentiert also ein nicht geringes Mass von Arbeit, aber die Freude am Erfolge und die herrliche Aussicht und frische Luft machten alle Anstrengungen zum Vergnügen. Ornithologisch war Bonaire überhaupt am interessantesten, da es mehr antillisch ist, als Curagao und Aruba, und vor unsrer Erforschung ornithologisch völlig unbekannt war. Unser Aufenthalt in Fontein war ganz romantisch. Das Haus war leider sehr verfallen. Weder Fensterläden noch Thüren schlossen ordentlich, und als es eines Nachts regnete, mussten wir unsre Betten mehrfach rücken, bis wir ein trockenes Plätzchen fanden, wo es nicht durchregnete Wir hatten keinerlei Dienerschaft mit. Bei Tagesanbruch stand der alte Neger, der die Plantage beaufsichtigte, in der Thür und setzte eine grosse Flasche mit Ziegenmilch neben unsre Betten, brachte auch gewöhnlich ein geschlachtetes Huhn, Eier und Früchte mit. Wir lebten davon und von den wohlscheckmenden Tauben, ja meine Frau bereitete auch eine gute Rothschildsamazonensuppe, die mit einigen Gemüsen aus dem Garten gewürzt garnicht zu verachten war, Meine Frau bereitete das ganze köstliche Mahl in (273 ) dem einen von uns glücklicherweise mitgenommen Kochtopfe. Das Feuer loderte zwischen zwei Steinen, und (das Feuermaterial bildete selbstgesammeltes Holz und Reisig. Wo die Quelle aus dem Felsen sickert ist ein gemauertes und überdachtes Badebassin gebaut, wo man bequem ein kühles Bad nehmen konnte. In dem grossen Reservoir badeten die niedlichen sechwarzbraunen Töchter des Plantagen- aufsehers, mit einem weissen Hemde und einer Cigarette bekleidet, ganz natürlich und ungeniert vor unsern Augen, und es war recht spassig, ihren C'apriolen in dem seichten Wasser zuzusehen. Wir hätten den ungebundenen Aufenthalt hier gern noch länger fortgesetzt, aber wir hatten weitere Pläne, und so sagten wir dem lieblichen Platze Lebewohl, auf Nimmerwiedersehen, und bald verliessen wir auch Bonaire. Die Rückfahrt nach Curacao war prachtvoll—ruhige See, über uns ein wolkenloser blauer Himmel, anfangs im Anblicke der prächtigen Strandlinien von Bonaire, dann der Felsen von Curacao, und dabei war das Schiff fast leer. Wieder in Uuragao angekommen erhielten wir schlechte Nachrichten aus Venezuela. Mein Vetter rieht entschieden, unsre leise noch zu verschieben, und da bald darauf Nachrichten aus Europa eiutrafen, die unsre Heimkehr erwünscht machten, nahmen wir den nächsten Dampfer der Hamburgischen Gesellschaft, die “ Flandria,” und fuhren wieder dem kalten Norden zu. Da in Puerto Cabello aller Handel stockte, legte das Schiff dort nieht mehr an. In La Guaira lagen wir nur anderthalb Tage. Es war auffallend kühles Regen- wetter. Ein deutsches, ein englisches und ein spanisches Kriegsschiff lagen im Hafen. Die Offiziere der deutschen * Arkona” kamen an Bord der “ Flaudria,” und mit dem Arzte der ersteren machte ich einen Ausflug an Land, badete in kühlem Bergbache mit hübschen Wasserfällen und schoss mehrere Vögel mit der kleinen Pistole. In dunkler Nacht Abschied von Venezuela. Wieder legten wir in Ponce auf Porto Rico an, wo ich nochmals Jagen konnte, Daun dampften wir nach Haiti, sodass wir noch eine der grossen Antillen wenigstens flüchtig kennen lernen konnten. Prächtig war die Fahrt durch die von waldigen Hügeln umgebene Bucht von Samana. Vor Sanchez gingen wir vor Anker. Ein heftiges Gewitter mit furchtbarem Regen entlud sich gegen Abend. Infolgedessen wurde der schwere, gelbe Lehmboden so durehweicht, dass wir bei einem Ausflug an Land am nächsten Morgen fast bis an die Kniee einsauken. Die Luft war schwül und heiss, farbenprächtige Schmetterlinge flogen durch die Büsche, und ziemlich viele Vögel zeigten sich. An dem buchtigen Ufer waren Schwärme von braunen Pelikanen und weissen Seidenreihern sichtbar. Auf den Steinen am Ufer sass und pfiff, gerade wie bei uns der wohlbekannte Flussuferläufer, sein amerikanischer Verwandter Totanus macularins. Im Walde erlegte ich Minus gileus, den schönsten der Todus-Arten, Todus subulatus, der den portoricensischen Todus hypochondriacus vertritt, den merkwürdigen Dulus dominicensis, der in den Löchern riesiger alter Bäume brütete, und allerlei audre kleinere Vögel. In grosser Höhe an den Hügeln flogen mit kreischendem Geschrei mehrere Amazonen, ohne Zweifel Chrysotis ventralis. Auch sie Bekanntschaft einer mit blasenziehendem Safte gefüllten Pflanze machte meine Frau, wurde aber noch eben durch freundliche Negerkinder vor den hübschen Blättern gewarnt, die sie pflücken wollte. Ein sehr unangenehmes Insekt—ich bekam kein Stück zu sehen—zerstach mir beim zweiten Ausfluge durch die Strümpfe meine nur mit leichten Schuhen bekleideten Füsse greulich. Sie juckten und schwollen an, sodass ich am nächsten Tage keinen Ausflug hätte machen können. 18 ( 274 ) Der Besuch des Ortes Sanchez bot wenig Interessantes. Die Neger waren ziemlich zudringlich und frech. Wir wollten Briefmarken kaufen, aber der Post- beamte war nicht aufzutreiben, würde aber “ wahrscheinlich morgen” zu treffen sein. Als meine Frau und ich allein einen lehmigen Pfad entlang wateten, hatte ich eine jener denkbarst unerwarteten Begegnungen, die mir im Leben merkwürdig oft zugestossen sind: Uns entgegen kam ein Herr im weissen Tropenanzug : wir sahen uns an und riefen uns unsre Namen zu; er war ein Tabakpflanzer, in dessen gastfreiem Hause ich in Sumatra vor 3 ‚Jahren mehrere Tage gewohnt hatte. Leider waren seine grossartigen Unternehmungen in Deli fehlgeschlagen, und so hatte er zeitweilig Dienste als Zahlmeister auf einem Dampfer genommen, der am Morgen eingelaufen war und nun neben der “ Flandria” lag. Nach zwei Tagen erreichten wir wieder St. Thomas. Ein Orkan war avisiert worden, aber er ging an uns vorüber. Ein in St. Thomas liegender Dampfer der Royal Mail Steamship Company war gehörig mitgenommen worden. Etwas wehmüthig nahmen wir in St. Thomas Abschied von dem letzten Stückehen der westindischen Inselflur, das wir sahen. Die Rückreise bot nichts Bemerkenswerthes. Am 6'" September, nach vier- zehntägiger Fahrt, liefen wir in den Hafen von Hävre ein. Hier hörten wir von dem Wüthen der Cholera in Hamburg. Ich musste sofort über Sonthampton nach London, meine Frau fuhr mit einer kranken Reisegefährtin, unsern lebenden Papageien, den Sammlungen und Cacteen über Paris nach Deutschland zurück. Die Vogewelt der Inseln Curagao, Aruba und Bonaire wird im folgenden Kapitel behandelt werden. Das erneute Studium des gesammelten, grösstentheils im Rothschildschen Museum zu Tring aufbewahrten Materials ergiebt die Nothwendigkeit der Neubenennung von noch zwei diesen Inseln anscheinend eigenthümlichen Vogelformen. Ueber die Reptilien der drei Inseln. Wie schon erwähnt sind die Reptilien der Inseln sehr zahlreich und in die Augen springend. Sowohl Herr I.R.H. Neervoort van de Poll, der Zoologe der holländischen Expedition unter Professor Martin, als ich sammelten Reptilien. Dr. Th. W. van Lidth de Jeude veröffentlichte eine Liste in den Notes of the Leyden Museum (ix.), und Herr G. A. Boulenger gab mir die Namen der von mir gesammelten Arten, die ich hier folgen lasse. Ausserdem schrieb Cope in den Proc. Am. Phil. Soc. xxii., 1884 (1885) über einige Arten von Uuragao. Ich brachte die folgenden Arten heim, nach Boulenger’s Bestimmung: Aruba: Gonatodes vittatus, Anolis lineatus, Onemidophorus arubensis, ausserdem einen Batrachier : Paludieola brachyops, den “ dori” der Eingeborenen. Curagao: Phyllodactylus julieni, Anolis chrysolepis und Thecadactylus raypi- caudus, die * Pega-pega” der Eingeborenen, sowie eine Schlange, Liophis triscalis. Bonaire: Gymnodacetylus antillensis (der allen drei Inseln eigenthümlich ist), Anolis leachii, Cnemidophorus murinus. Die Landschnecken der Inseln. Herr Edgar A. Smith veröffentlichte in den Proc. Malacol. Soc. 1898 der von mir gesammelten und schon bekannt gewesenen Arten, die ich hiermit wiedergebe:: Curacao: Bulimulus elongatus, Cerion uva, Cylindrella raveni, Pupa longurio, Cistula raveni, Tudora megacheila. (275) Bonaire: Cylindrella raveni, Tudora aurantiaca, Pineria bonariensis und Neosubulina harterti, die letzteren beiden von mir entdeckt. Aruba: Bulimulus elongatus, Cerion uca. (Die letztere bin ich sicher, auch auf Bonaire gesehen zu haben, versäumte aber, Exemplare mitzubringen, sodass also der Beweis noch fehlt.) EINIGE LITTERATUR ÜBER DIE INSELN CURAGAO, ARUBA UND BONAIRE. l. Eenige westindischen Kolonien na de Emancipatie. Fraissinet, Amsterdam, 1879. 2. Guragao. J. Kuyper, in Tijdschr. aardrijksk. genootschap. 1382. 3. On a Collection of Birds made by Messrs. Benediet and Nye, ete., Island of Curagao. R. Ridgway, in Proc. U.S. Nat. Mus. for 1884 pp. 173-7. 4. Kaart van het Eiland Curacao, ete. Amsterdam, 1586. 20 x 24 zoll. 9. Bericht über eine Reise nach Niederländisch West-Indien und darauf gegründete Studien. A. Martin, Professor für Geologie an der Universität zu Leiden. Mit 4 Karten, zahlreichen Tafeln und Holzschnitten. Leiden 1888. 6. On a Collection of Reptiles and Fishes from the West Indies. 7h. W. van Lidth de Jeude, ın Notes Leyden Museum 1X (1887) pp. 129-39. 7. Die Vögel der Insel Uuracao nach einer von Herrn Cand. Theol. Ernst Peters daselbst angelegten Sammlung. HH. von Berlepsch, in Journ. f. Orn. 1892 pP. 62. 8. Aruba Phosphate. Thos. Blackburn. London 1887. 9. D’Ile de Curacao. M. @. Verschuur, in Le Tour du Monde, 5 August 1893. 10. Allerlei Beobachtungen während einer Reise nach Westindien. Claudia Hartert, in Gefiederte Welt, XXII. Jahrgang (1893), nos. 8, 9, 10. 11. On the Birds of the Islands of Aruba, Curagao and Bonaire. Ernst Hartert, in Zdös 1893: 1 Tafel und 1 Karte. 12. A Flying Trip to the Tropies. A record of an ornithological visit to Colombia and Curacao. Wirt Robinson. Cambridge, U.S.A., 1595. (Prächtig illustriert, behandelt aber Curacao nur kurz.) 13. On the Land-shells of Curacao and the Neighbouring Islands. KYdgar A. Smith, in Proc. Malacological Soc. Ill. 3 December 1898 pp. 113-16. II. KAPITEL. DIE MIT SICHERHEIT FESTGESTELLTEN VOGEL DER INSELN ARUBA, CURACAO UND BONAIRE. LITTERATUR. 1658. ZRochefort : Histoire natur. et morale des iles Antilles de l’Amerique p- 163 ist gesagt, dass sich auf Aruba “ les plus beaus et les plus petits” von allen Kolibris finden. 1874. Lawrence: Description of a New. Species of Humming-Bird from Curagao. In Ann. Lyec. New York X p. 13 (Chlorostilbon caribaens). ( 276 ) 1583. Lawrence: Description of a new Parrot from Bonaire. In Annals New York Acad. Seiene. 11, no. 12, p. 381. (Uhrysotis canifrons, von dem ich nachgewiesen lıabe, dass er gleichartig ist mit Ohrysotis ochroptera.) 1584. Aidgway: On a Üolleetion made by Messrs. Benedict and Nye on Curagao. In Proc. U.S. Nat. Mus. pp. 173-7. (‚Himus gileus rostratus, Dendroica rufopileata, leterus curagaoensis beschrieben. Im ganzen 6 Arten aufrezählt.) 1888. K. Martin: Bericht über eine Reise nach Niederländisch West-Indien. Pp. 119 (Curagao), 141 (Aruba). (Nur wenige Vogelarten sind erwähnt, aber es ist sehr anerkennenswerth, dass der Geologe auf dem ihm fern liegenden Gebiete doch einige Beobachtungen von Werth machte. Seine ganz bestimmte Angabe, ‘“ dass weder der (onurus pertinax von Uuragao, noch die Conurus-Art mit schwefelgelben Wangen von Bonaire auf Aruba angetroffen wird, sondern eine dritte, von beiden verschiedene mit grauen Wangen ” wurde durch mich bestätigt. Im ganzen führt Martin von Uuragao 9 Arten an, von denen 3 richtig bestimmt wurden, von Aruba zwei nicht sicher bestimmte, von Bonaire eine richtig und eine nicht bestimmte Vogelart.) 1802. 4. v. berlepsch: Die Vörel der Insel Unracao. In Journ. f. Orn. pp- 61-104. (Gefolgt von Mittheilungen des Sammlers, Ernst Peters, nach dessen Tagebuch.) 18 Arten festgestellt. (Der Verf. war seit Jahren auf die holländischen Inseln aufmerksam geworden und sandte daher Herrn Peters, der sich z. Z. in Pto. Cabello aufhielt, zur Erforschung der 3 Inseln nach Curacao. Aus den vorherigen Angaben ist ersichtlich, ein wie unbebantes Feld Herr Peters noch vorfand. Es kann daher nicht Wunder nehmen, dass er einige Entdeckungen machte —Berlepsch beschrieb nach seiner Sammlung Coereba uropygialis, Buteo albi- caudatus colonus und Tinnunculus sparrerius breripennis —aber bei einiger Energie hätte er mehr als 15 Arten sammeln müssen. Einige der interessantesten Arten, wie Columba yymnophthalmos u.a., sandte er nicht ein. Demgegenüber ist die Zahl der von ihm “ erkundeten ” und “ beobachteten ” Arten sehr gross. Er zählt deren 57 Arten auf, doch können ausser den 18 eingesandten und von Berlepsch definierten Arten nur noch etwa 4 oder 5 davon als mit Sicherheit festgestellt betrachtet werden.) 1593. 2. Hartert: Ou the Birds of the Islands of Aruba, Curacao und Bonaire. In /bis, 1893, pp. 289-338. Plates VILL, IX. (Enthält die Itesultate meiner Reise auf den Inseln.) 155. Wirt Robinson : A Flying Trip to the Tropies. (Dies anziehend geschriebene, prachtvoll, u.a. mit herrlichen Farbentafeln von Keulemans ausgestattete Buch behandelt auch des Verf. und seiner Frau kurzen Aufenthalt auf Uuragao, giebt eine Liste von 23 erbeuteten und beobachteten Vögeln (unter denen nur Totanus macularius von mir nicht erlegt) und eine sehr gute Liste der Litteratur über Curacao. Der Verf. erlegte Columba gymnophthalmos nahe bei der Stadt. Zcterus wanthornus curasaoönsis ist sehr schön abgebildet. LISTE. l. Mimus gilvus rostratus Ridgw. Häufig auf den drei Inseln. Unterschiede zwischen den Stücken von den drei Inseln kounten nicht festgestellt werden. Der starke Schnabel unterscheidet (A) diese Form leicht von den zahlreichen anderen Unterarten dieser Art. Dr. “ Tintjubi,” wie der Vogel bei den Einwohnern heisst, ist ein ausgezeichneter Sänger. Die Eier fand ich auf Curagao Mitte Juni. 2. Margarops fuscatus (snbsp. ?). Nur Bonaire. Es war eine grosse Ueberraschung für mich, diesen typisch westindischen, anf dem südamerikanischen Kontinente gänzlieh fehlenden Vogel auf Bonaire, und zwar nur in der Plantage Fontein, sehr häufig anzutreffen. Noch mehr wuchs meine Verwunderung als ich seiner Zeit im Britischen Musenm feststellte, dass die Bonaire Stücke keineswegs der räumlich nächsten Form, dem Margarops fuscatus densirostris der kleinen Antillen angehören, sondern anscheinend nicht vom typischen Jascatrrs der Grossen Antillen zu unterscheiden sind. Ich mnss allerdings bemerken, dass eine nähere Untersuehung doch vielleicht eine subspeeifische Trennung ermöglichen dürfte, indessen kann ich das z. Z. nicht entscheiden, da diese Vögel während unsres Aufenthaltes auf Bonaire in so stark abgetragenem Gefieder waren, dass weder die genauen Maasse von Flügeln und Schwanz genommen werden konnten, noch der genaue Farbenton festgestellt werden konnte. In ihrem abgetragenen Zustande erscheinen die Bonaire Stücke alle sehr blass und kurzflüglig. Unter dem Namen “ Tjutjubi spagnol” als Obstfresser bekannt. Ansserordentlich vertraut, nach Früchten bis in’s Zimmer kommend. 3. Dendroica petechia rufopileata Ridgw. Sehr hänfig auf Curacao und Bonaire, aber ziemlich selten anf Aruba. Auf den ersteren beiden Inseln fast überall anzutreffen, auf Aruba aber nur an wenigen Stellen von mir bemerkt. “Para de misa” genannt. Dies heisst Mess- oder Kirchenzogel, nicht aber Kirchenvater wie Peters meint. Zweifellos gehört diese Form dem Formenkreise von petechia und aestiva au, der in eine Menge von Unterarten zerfällt. Am ähnlichsten sieht dieser Form die Dendroica petechia capitalis von Barbados. Es liegen mir von dieser Gruppe z. Z. 145 Stücke im Rothehildschen Musenm vor, von denen 25 von mir selbst gesammelt sind. Hierher gehört auch als Unterart aureola Gould von den Galäpagos Inseln. (Siehe Nov. Zoor. 1899, pp. 147, 148.) Bei alten 24 ist die ganze Kopfplatte kastanienbrann, wie beifolsende Skizze zeiot. 4. Coereba flaveola uropygialis Berlp. Ebenfalls sehr häufig auf Curacao und Bonaire, aber seltener auf Aruba. Auch hier dürfte es einer entwickelungsgeschichtlichen Natnrauffassung entsprechen, von einer in mehrere geographische Formen zerfallenden Art, anstatt von so und so vielen Arten zu sprechen, sodass für mich kein Zweifel herrscht, das alle einander ( 278 ) vertretenden Formen dieser Gattung mit alleiniger Ausnahme der ganz schwarzen (. atrata, trinär zu benennen sind. Diese reizenden, zutraulichen kleinen, hübschen Vögelchen werden “ Barica geel,” d. h. Gelbbrust genannt. Ihr Gesang ist weder lant, noch besonders anziehend. Er besteht aus einem häufig wiederholten, nicht sehr langen, metallischen Gezwitscher. Die Eier nahm ich auf Curacao. Von (',fareola in seinen verschiedenen Formen liegen mir z. Z. im Tring Museum 125 Stücke mit Fundorts angaben vor, von denen 43 von mir erlegt sind. 5. Coturniculus savannarum caribaeus subsp. nov. ©. ©. savannarum sarannarum dieto simillimus sed omnino minor, rostro minore, neenon pilei lateribus brunnescentioribus. Hab. Bonaire, Curacao. (Typus d ad. no. 164 Hartert coll., Bonaire, 11. vii. 1892, Mus. Rothschild.) Sehr ähnlich dem typischen Coturnieulus sarannarum von Jamaica, mit dem ich die Form früher (/bös 1893 p. 327) unter dem Namen Ammodromus savannarım vereinigte, aber kleiner, namentlich der Schnabel erheblich kleiner. Der Oberkopf, der in der Mitte durch eimen rahmfarbenen Streifen eetheilt wird, ist nicht so schwärzlich, sondern mehr bräunlich. Länge (im Fleisch gemessen) 110—112, Flügel 56—58, Schwanz 41-43, eulmen 94—104, gonys 6—6#, metatarsus 15} mnı. Coturnieulus sarannarum sacannarıım in Mus. Tring und London (British Museum) messen: Flügel 583—61, Schwanz 393—403, culmen 103—113, gonys 7— 4, metatarsus 191—20 mm. Die von Ridgway, DB. N. and Middle Amer. ]. p. 206, für Stücke von Jamaica und Porto Rico angegebenen Flügelmaasse sind nach meiner Messungsmethode bei angedrücktem Flügel entschieden zu klein. Bei seiner Methode zu messen würden die Flügel meiner Exemplare von Bonaire und Ouracao 52—55 mm. messen. Auch das Vorkommen dieser grossantillischen Form (der typische Ü. sarannarım bewohnt Jamaica und Porto Rico) auf den holländischen Inseln ist von hervor- ragendem Interesse. Ich fand sie zuerst ziemlich häufig in einer Fläche hohen Grases auf Herrn Hachette’s Pflanzung auf Bonaire, dann auch bei Beekenburg auf Curagao in einem steinigen, mit hohem Grase und Büschen bestandenen Thale. Auf Bonaire “Para de cerro,” Felsenvogel (Para das Wort für Vogel im Papiamento) oder “ Raton de cerro,” Felsenmaus (Raton = männliche Mans, cerro = Fels). Wenn ich im Zbis 1893 p. 327 von “ Aruba Stücken” sprach, so war das natürlich ein “ lapsus calami ” für Bonaire Stücke. 6. Brachyspiza capensis insularis Ridgw. Sehr häufig auf Curacao, dagegen sehr selten auf Arzba, und auf Bonaire nicht vorkommend. Das einzige auf Aruba erbeutete Exemplar hat einen auffallend dieken Schnabel, was aber wohl nur ein individueller Charakter ist. Lokalname : “Ohonchorrongai.” Finde Juli fand ich zwei Eier in offenem Neste. Dies ist der Vogel, den Berlepsch und ich als Zonotrichia pileata bezeichneten. Ridgway hat ihn seiner geringen Grösse und längeren Schnabels, sowie blasseren Färbung halber als insularis abgetrennt. Die Unterschiede sind sehr fein, doch finde ich sie bestätigt. Der specifische Name muss capensis sein. Ridgway trennt diesen Formenkreis generisch von Zonotrichia unter dem Namen Brachyspiza! Auf die Unterschiede der Curagao Stücke von capensis (sub nomine pileata) hat schon Berlepsch (Z.c.p. 82) hingewiesen, Vergl. auch Hartert, /dis 1893 pp. 295 und 314, 7. Euetheia bicolor sharpei Hart. Iruba, Curacao und Bonaire. Auf allen drei Inseln ziemlich häufig. Die Form dieser Inseln wurde von mir zu Ehren des hervorragendsten lebenden Systematikers der Ornithologie benannt. 8. Xanthornus xanthornus curacaoensis (Ridgw.). Ziemlich häufig auf Cxracao, wo ich eine Serie sammelte, ebenso auf Aruba, wo ich auch mehrere erbeutete, aber etwas seltener auf Bonaire, wo ich ihn in Käfigen und im Freien sah, aber nicht erlangte. Stücke von diesen Inseln unter- scheiden sich von typischen zanthornus eigentlich nur durch den grösseren Schnabel. Die von mir gesammelten Arnbaner nähern sich der kontinentalen Form durch etwas kleinere Schnäbel, aber da ich nur wenige vergleichen konnte, bedarf diese Thatsache weiterer Bestätigung. Unter dem Namen “Trupial cacho,” d. h. Hundetrupial, bekannt, auf Aruba auch “ Gonzalito ” genannt. Als die “typische Lokalität” von Xanthornus zanthornus haben wir Cayenne (ex Buffon) anzusehen, denn Gmelin’s Angabe “ Mexico ” ist jedenfalls auf einen 7 fr X. x. wanthornus & ad. X. w. euragaoensis L ad. (Orinoko). (Curacao). Irrthum zurückzuführen. Ein Balg (No. 32769) im U.S. National Museum der von Verreaux mit ‘ Mexique ” bezeichnet ist, beweist garnichts, denn Verreaux war selbst für seine Zeit, in der man noch nicht so viel wie heutzutage auf genaue Fundortsangaben Werth legte, unverzeihlich leichtfertig mit seinen Lokalitäten. Originaletiketten hatten die Vogelbälge damals meist nicht, oder wenn sie sie hatten wurden sie entfernt und mit Verreaux’s Handelsetiketten versehen, und als Fundort am liebsten der Ort niedergeschrieben, von dem die Art beschrieben wurde. Etiketten mit Verreaux’schen Lokalitäten sind sehr oft falsch (Beweise zahlreich in vielen Museen—u. a. im British Museum) und daher stets als unsicher anzusehen. 9. Xanthornus icterus ridgwayi subsp. nov. N. 7. ieterus dieto persimilis sed rostro validiore, pedibus majoribus dis- tinguendus. Hab. Aruba, Curagao. Typus: d ad. Aruba 26. 6. 1592. Ich habe fünf Exemplare von Aruba und Curagao mit 20 Stück vom Orinoko und Cumana in Venezuela vergleichen können, die ich als typisch ansehen darf, bis ein Vergleich mit Cayenne Exemplaren stattgefunden hat, und finde, dass die Form von Aruba und Uuragao kräftiger ist, mit erheblich grösserem Schnabel und stärkeren Füssen, Das Culmen misst 31—34} gegen 264—39 und selten 30 mm. ( 280 ) der Schnabel ist an der Wurzel etwa 15 gegen 12—13 mm. hoch, der Metatarsus ist etwa 1—2 mm. läuger. Die Unterschiede der Schnäbel seigt die von meiner Fran angefertigte Zeichnung sehr gut. Die Stücke von Carnpano (ein Exemplar !) und Santa Marta haben etwa so grosse Schnäbel wie die neue Inselform, und gehören vielleicht dazu. ‚Jedenfalls ist die von mir untersuchte Serie genüsend, um die Verschiedenheit zu beweisen. Auf anscheinend vorhandene kleine Unterschiede in Flügel- und Schwanzlänge gehe ich nicht ein, da meine Stücke sehr abgerieben und daher schlecht messbar sind. Die Form ist benannt zu Ehren Robert Ridgway’s, des berühmten amerikanischen Ornithologen. Nanthornus seterus ridgwayi bewohnt (Curagao und Arnba, fehlt aber auf Bonaire ganz. Man findet ihn nnr, wo einiger Baumwauchs ist, und da er als Käfigvogel sehr beliebt ist, wird ihm sehr nachgestellt. Merkwürdigerweise kommt diese Form (oder doch sicher eine Form von /eterus ieteras) auch auf St. Thomas vor, ist aber möglicherweise dort eingeführt, denn diese wegen ihres A.2i. ieterus Sad. X, i. ridgwayi g ad. (Orinoko). (Aruba, type). herrlichen, flötenden Gesanges sehr geschätzten “ Trupiale ” werden viel in Gefangen- schaft gehalten. Die Unterarten dieser Art bedürfen noch weiteren Stndinms. 10. Hirundo rustica erythrogastra (Bodd.). Wandervogel aus Nordamerika, bisher nur auf Curacao festgestellt, aber wohl auch gelegentlich anf den andern Inseln vorkommend. 11. Myiarchus brevipennis Hart. Anf allen drei Inseln an Orten mit Baumwuchs nicht selten. Wohl nur Unterart von Myiarchus tyrannulus, es bedarf aber eingehenderen Studinms, als das mir z. Z. zu Gebote stehende Material erlaubt, um diesen Formenkreis klar- zulegen, und daher habe ich provisorisch die binäre Bezeichnung dieser Form beibehalten. 12. Sublegatus glaber Scl. & Salvin. Ebenfalls auf allen drei Inseln erbeutet. 13. Elainea martinica riisi Sel. Ich traf diesen Vogel nur auf dem Christoffelberge auf Curagao an. Die erbenteten Stücke gehören der westindischen, auf St. Thomas heimischen Form an, die von der der kleinen Antillen und den des siidamerikanischen Festlandes etwas abweicht. Meine Frau glaubt bestimmt, diese Art auch auf Bonaire gesehen zu haben, es wurde aber kein Stück erbenutet, ( 281) 14. Tyrannus dominicensis Gm. Der hübsche, lebhafte “ Pitirri ” ist auf Curacao und Bonaire recht häufig, doch sah ieh nur einmal ein Paar auf Aruba, das ich leider nicht erlegen konnte. Auch hier finden wir wieder den echten 7. dominicensis und nicht die Subspecies der kleinen Antillen (7. dominicensis rvostratus) als Bewohner dieser merkwürdigen Inseln. Der Name Pitirri oder Pipirri ist ein treflliches Klangbild seines Rufes. Unter ähnlichen Namen sind diese Vögel fast überall bekannt. 15. Chrysolampis mosquitus (L.). Häufig auf allen drei Inseln. Mit einer durch ein angeschranbtes Messing- rohr verlängerten Flobertpistole konnten meine Frau nnd ich eine hübsche Serie zusammenbringen. Ueber die richtige Schreibweise des Namens und die Schwanzfärbang der ‚Jungen und Weibchen lese man das /bis 1893 p. 299 von mir gesagte, 16. Chlorostilbon caribaeus Lawr. Auch dieser wunderhübsche, goldgrün erglänzende Kolibri war auf allen drei Inseln nieht gerade selten. Der Goldglanz des Gefieders ist bei frisch vermanserten Männchen sehr stark, bei andern nur schwach oder garnicht bemerkbar. 17. Conurus aeruginosus arubensis Hart. Aruba! Unterscheidet sich vom festländischen Conurus aeruginosuns aeruginosus nnr durch etwas hellere Färbung der Stirn, Kopfseiten und Kehle, und vielleicht auch durchschnittlich etwas längeren Schwanz. Einzelne Exemplare sind bisweilen nicht zu unterscheiden. Dieser lebhafte, die kahle Landschaft ungemein belebende kleine Papagei ist recht häufig auf Aruba, aber reeht scheu. Er nährt sich von Früchten, namentlich denen von Cerexes und Melocaetus. Er legt seine Nester meist in alten Ameisen- nestern an, die er zu diesem Zwecke aushöhlt, aber auch in Baumlöchern und— nach Angabe Bingeborener—an einigen Felswänden auch in Felsenlöchern. 18. Conurus pertinax (I..) Curacao! Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass die Verbreitung dieses Papageien eine höchst merkwürdige ist. Er findet sich nämlich nur anf den Inseln Uuragao und St. Thomas! Es ist gänzlich ausgeschlossen, dass er etwa nach Curacao eingeführt ist, denn er ist dort zu hänfig, auch ist der Umstand, dass er in seiner Färbung zwischen aeruginosus und zanthogenius steht— wie Curacao auch zwischen Aruba und Bonaire liegt— Beweis dafür, dass er hier seine eigentliche Heimath hat. Anders ist es mit St. Thomas. Dort soll der Vogel selten sein, und da er vielfach lebend gehalten und exportiert wird, ist die Möglichkeit vorhanden, dass er auf St. Thomas eingeschleppt ist. Auf Curagao ist er nicht selten, namentlich aber bei Savonet häufig, wo man sein Geschrei den ‚ganzen Tag über vernimmt. Als Käfigvögel sind diese Vögel sehr unterhaltend. Meine Frau brachte zwei mit nach Suropa, von denen einer heute noch lebt, ( 282 ) 19. Conurus pertinax xanthogenius Bp. Bonaire! Bonaparte beschrieb (onurus zanthogenius nach einem Stück ohne Vaterlandsangabe im Leidener Museum. Dies trägt ganz den Charakter einer bei Papageien so häufigen Aberration mit abnormer Ausbreitung der orangegelben Färbung, und wurde als solche aufgefasst. Da aber meine Stücke von Bonaire auf Bonaparte’s Beschreibung passten, sandte ich eines derselben an Herrn Dr. Büttikofer, derzeit in Leiden, der mir schrieb, es gliche in jeder Hinsicht dem Typus von Conurus zanthogenius. Auf Büttikofers Autorität hin konnte ich Bonapartes Namen für die Bonaire-Vögel gebrauchen, durch die Freundlichkeit von Herrn Dr. Finsch aber habe ich nun auch den Typus untersuchen können, und finde die Sache ganz richtig. Ich habe sie hier (onurus pertinax zanthogenius genannt, um die nahe Verwandtschaft von perfinax und zanthogenius zu zeigen, will jedoch nicht unterlassen zu bemerken, dass vielleicht auch pertinar nur Sub- species von aeruginosus, arubensis, und andern mehr ist. Anseinandersetzungen darüber würden hier zu weit führen. Dieser Papagei ist nicht selten, ja man kann sogar sagen, er ist sehr häufig auf Bonaire, wo nur Baumwauchs ist. Bei C. p. pertinax ist nur die Stirn, bei €. p. zanthogenius der ganze Oberkopf gelb, wie beifolgende Skizze zeigt. KUN TEREERNN N. 4 Conurus p. pertinazx. C. p. zanthogenius. ». 2» 2 20. Chrysotis ochroptera ochroptera (Gm.). Dieser prachtvolle Amazonenpapagei, der auch an der venezolanischen Küste lebt, ist in Aruba keineswegs eine Seltenheit, aber seiner Scheuheit wegen in dem meist offenen Gelände keineswegs leicht zu erlangen. Ich erbeutete nur 3 ausgewachsene Exemplare, die eine besondre Zierde meiner Sammlung bildeten, denn obwohl dieser Papagei häufig lebend nach Europa gebracht wird, sind geschossene Stücke mit Fundortsangabe in Sammlungen ganz ausserordentlich selten, ja es dürfte sicher sein, dass es weniger solche giebt als Riesenalke. (Chrysotis canifrons Lawrence, von einem verloren gegangenen aus Aruba herstammenden Käfigvogel beschrieben, ist nichts als ockroptera. Herr Lawrence versuchte zwar im /bis 1893 p. 566 die Artberechtigung seiner canifrons aufrecht zu erhalten, ich glaube aber in meiner Antwort auf seinen Artikel im /dis 1594 dargethan zu haben, dass die vermeintlichen Gründe für die Unterscheidung von canifrons alle hinfällig sind. Merkwürdiger und bedauerlicher Weise war der Artikel des Herrn Lawrence im /dis 1893 der letzte der 123 von diesem hoch ( 283 ) berühmten Ornithologen von 1844 bis 1893 verfassten Artikel, in denen er 323 neue Species und Subspecies beschrieben hat, von denen allerdings eine Anzahl ungültig sind.) 21. Chrysotis ochroptera rothschildi Hart. Während auf Curagao (wenigstens heutzutage) überhaupt keine Amazone vorkommt, vertritt die Rothschildamazone die Chr. ochroptera ochroptera von Venezuela und Aruba auf der Insel Bonaire. Sie unterscheidet sich von ochroptera durch die folgenden Merkmale : Das Gelb der Kopfseiten reicht nicht so weit abwärts und dehnt sich nicht über das Kinn an die obere Kehle aus. Der Flügelbug, der bei ochroptera ausgedehnter und rein gelb ist, ist nicht so ausgedehnt gelb und stark mit roth gemischt, auch sind die Federn der Oberseite weniger deutlich schwarz gesäumt. Nach meinen heutigen Anschauungen muss diese Form, so leicht sie sich auch bei Vergleichung auf den ersten Blick unterscheiden lässt, als Subspecies aufgefasst werden. Bei Fontein und am Brandarisberge sind diese Amazonen nicht selten. Sie übernachten an den Felsen von Fontein. Bei Tagesanbruch fliegen sie auf Nahrung aus und kehren zwischen S und 9 Vormittags zurück, um der Ruhe zu pflegen. Dann kann man sich anpürschen und sie schiessen. Es ist dann nicht besonders schwer auf Schussweite anzukommen, aber die Schwierigkeit des Geländes, steile Wände mit scharfem, wildzerrissenen Gestein, auf dem die tropische Sonne derart brennt, dass es ganz heiss anzufühlen ist, machen die Jagd zu einer recht anstren- genden. So war ich ganz zufrieden, neun Stück zu erbeuten, von denen aber zwei in so grenlich abgetragenem und beschmutzten Gefieder und dabei noch arg zerschossen waren, dass wir nur sieben abbalgten. Alle Stücke waren übrigens in manserndem und mehr oder minder abgetragenem Gefieder und arg durch Fruchtsaft beschmutzt. Im /ds 1893 ist eine gute Abbildung der Form gegeben. 22. Stenopsis cayennensis (Gm.) Auf Aruba nicht bemerkt, aber auf Bonaire und auf Curagao. Leider erbeutete ich nur Weibehen und Junge, das alte Männchen hat bisher noch Niemand auf diesen Inseln gesammelt, aber die erbenteten Stücke gleichen den entsprechenden von St. cayennensis. Nach den Angaben des Herrn Ludwig kommen noch ein oder zwei andre Arten von Caprimulgiden auf Curagao vor (siehe Journ. f. Orn. 1892 p. 112), ich konnte aber nichts davon finden oder in Erfahrung bringen. 23. Crotophaga suleirostris Sw. Ich traf eine ganze Gesellschaft, von denen ich mehrere schoss, bei Savonet auf Curacao, wo sie heimisch zu sein schienen. Die Mägen enthielten Heuschrecken. Es ist Curacao wohl der östlichste Punkt des Vorkommens dieser Art. 24. Polyborus cheriway (Jacq.). Auf allen drei Inseln nicht selten. Lokalname “ Warawara.” Nistet in Bonaire auf Bäumen. ( 284 ) 25. Tinnunculus sparverius brevipennis Berip. uf allen drei Inseln nicht selten. Lokalname “ Kinikini,” offenbar ein Klaughild seines thurmfalkenartigen Geschreis. Brütet in Felslöchern. 26. Buteo albicaudatus colonus Berlp. Junge Vögel auf Bonaire und Curacao erbentet, auf Aruba nur gesehen aber nicht erhalten. Der sehr schene alte Vogel ist bisher noch von keinem Sammler erbeutet. worden. Es gehörte schon einiger Muth dazu, diese Inselform nach dem jungen Vogel abzntrennen und Berlepseh that dies auch nur zögernd, bedineungsweise! Die von mir mitgebraehten Stücke scheinen aber seine vermutheten Unterschiede zu bestätieen. Der alte Vogel, den ich öfters sah, schien dem alten albieaudatıs in der Farbenvertheilung zu gleichen. Er nistet am Christoffel. Dort kam ich beim Ersteigen des Berges emem alten Vogel ganz nahe, aber ich war leider gerade an einer abschüssigen Stelle, wo ich die Hände zum Klettern gebranchte, so dass ich an Schiessen nicht denken konnte. Sonst sah ich die Alten nnr dann und wann anf ganz weite Entfernungen. Wer anf der Insel einen längeren Aufenthalt nimmt wird natürlich die Alten erlangen können, nöthigenfalls dureh Ködern mit Aas. Nach Peters (vermuthlieh nach Ludwigs Mittheilungen) soll noch ein andrer Tagranbvogel auf Curacao vorkommen, ja sogar brüten. Dass auf dem Zuge noch andre Falken oder dergl. vorkommen ist mehr als wahrscheinlich, aber ich glaube nicht, dass eine weitere Art auf der Insel brütet. 27. Strix flammea bargei Hart. Diese Schleiereule gleicht bis auf ihre viel geringere Grösse am meisten der westenropüischen Strör Hammea kirchhofii (vergl. Nov. Zoor. 1900, Heft I1I.), während die westindischen und südamerikanischen Schleiereulenformen recht viel mehr verschieden aussehen. Obwohl ich diese Eule nachts hörte, konnte ich nur ein prächtiges altes Stück erlangen, das auf Wunsch des Gouverneurs für mich von Soldaten auf dem Fort Nassau gefangen wurde, wo diese Eule in Felsen und Manerlöchern brütet. Sie ist dem Gouverneur Herrn Harry Barge zu Ehren in dankbarer Erinnerung gewidmet. Angeblich soll noch eine andre Eule auf Unragao vorkommen, und auf Aruba einmal ein ganz kleines Känzchen gefangen worden sen. Bestimmtes konnte ich nieht in Erfahrung bringen. 28. Columba portoricensis Temm. (Ueber den Namen vergleiche man 7bis 1893 p. 233.) Diese rein westindische Taube traf ich nur in der Umgegend von Fontein auf Bonaire, wo ich ihrer eine Anzahl ohne Mühe erlegen konnte. Sie sass immer auf Bäumen. Die Haut ist schwarz und hat einen bittern Geschmack, was aber dem Wohlschmack ihres Wildprets wenig Eintrag thut. Nach den Mittheilungen des Herrn van der Linde Schotborgh, eines gehorenen Unracaoensers, der die Insel und ihre Vögel kennt, ist die “ Paloma preto ” (d.h. schwarze Taube) die auf dem Christoffelberge vorkommen soll, die Columba porto- ricensis, und Herr Ludwig ist derselben Ansicht. Beiden Herren zeigte ich Bälge ( 285 ) der letzteren von Bonaire. Trotz besondrer Aufmerksamkeit darauf gelang es mir nicht, am Christoffel etwas von einer grossen dunklen Taube zu bemerken. Herr Peters erwähnt noch mehrere andre Tauben nach Angaben von Herrn Ludwig oder “ Beobachtungen,” aber die Namen, die er anführt, sind Synonyme der bereits angeführten Arten, die bei den Bewohnern der Inseln unter verschiedenen Namen bekannt sind. Die Augabe vom Vorkommen von Columba plumbea dürfte auf falscher Bestimmung beruhen. Solche Bestimmungen aus dem Gedächtuisse (Exemplare wurden nicht eingesandt) bringen mehr Verwirrung in die Wissenschaft als Nutzen. 29. Columba gymnophthalmus Temm. Es war eine Überraschung sondergleichen für mich, diese Taube, deren wahre Heimath bisher unbekannt war (man glaubte sie stamme irgendwo aus Brasilien her) als Bewohner der Inselu Avxba, Onragao und Bonaire zu entdecken, wo sie regelimässiger Brutvogel ist. Herr Peters sah sie zwar, erlegte auch zwei Stück, die er sich aber von einer Katze rauben liess, und so blieb die Art bis zu meiner Reise unidentificiert. Sie heisst auf den Inseln “ Ala blanco ” und ist ihres aus- gezeichneten Fleisches wegen beliebt. Nach Peters’ Angabe kommt diese Taube auch an den Küsten von Venezuela vor, wo sie * Mauglera” genannt wird. Da aber Peters selbst die von ihm erlesten Exemplare nicht bestimmen konnte—er sagt “ vielleicht Columba speciosa? oder eine Varietät dieser Art,”—so kaun diese Behauptung überhaupt nicht erust genommen werden. Das Nest der Columba gymnophthalmus ist ein loser Bau, ähnlich dem unsrer Ringeltaube, und steht gern auf Mangrovebäumen. Die Taube ist scheu, kann aber in trockener Zeit beim Wasser auf dem Anstande in Anzahl geschossen werden. Sie hält sich gut in der Gefangenschaft. Merkwürdiger Weise erbeutete Robinson diese Art auch auf der Insel Margarita, und das Museum zu Washington besitzt ein “ um das Jahr 1573 ” (sie) auf St. Thomas erbeutetes Stück. Es ist kaum auzunehmen, dass diese Taube auf St. Thomas heimisch ist, da sie doch früheren Reisenden kaum entgangen sein könnte ! 30. Zenaida ruficauda vinaceorufa Ridew. Auf allen drei Inseln häufiger Brutvogel. Sicher nur Subspecies von vuftanda. 31. Leptotila verreauxi insularis Richm. Nur einmal auf Aruba gesehen, selten auf Curacao, wo ich nur eine erbeutete, etwas weniger selten auf bonavre. Die Stücke von diesen drei Inseln scheinen mit denen von Margarita überein zustimmen. Sie scheinen nur etwas kurzflügliger zu sein als typische verreanzz, sind sonst aber kaum zu unterscheiden ! Die Berechtigung dieser noch sehr zweifelhaften Unterart bedarf daher noch der Bestätigung. (Vergl. Proc. U.S. Nat. Mus. XVII (1895) p. 659. Durch Robinson’s Freundlichkeit liegt mir eins der Margarita Stücke vor.) 32. Columbigallina passerina perpallida Hart. Die grosse Serie, die meine Frau und ich von dieser auf allen drei Inseln häufigen, zierlichen kleinen Taube heimbrachte, setzte mich in den Stand, sie als neue Unterart zu beschreiben. ( 286 ) Dieses als “ Tortolica” bekannte Vögelchen ist überall häufig. Ausserordent- lich zahm trippelt sie auf allen Wegen umher, obwohl ihrer viele zum Essen getödtet werden. Ich fand viele Nester in Büschen und Bäumen, meist aber in den stacheligen Aesten der Opuntien und des Üerens. 33. Eupsychortyx cristatus (L.). Nicht selten auf Aruba und Curacao, fehlt aber auf Bonaire! Lokalname “Sockle,” ein Klangbild seines Rufes. Wird sehr als Wildpret geschätzt und lebend verkauft. Der Gouverneur von Uuragao hatte die Liebenswürdigkeit, uns einen grossen Käfig voll lebender zu schenken, leider aber bekamen wir ihn nicht zu sehen, da sein Bote entweder die Abfahrt des Dampfers verpasste, oder anf einen falschen Dampfer fuhr. Dies überaus schnelllaufende Hühnchen ist so leicht wie eine Wachtel zu schiessen, wenn es vor dem Schützen auftliegt, doch ist es oft sehr schwer, es zum Fliegen zu bringen, und in dem hohen Grase bekommt man sie schon garnicht zu Gesicht. Wahrscheinlich ist #. cristatus auf Aruba und Curagao beschränkt, doch mag es an einigen Orten Venezuelas eingeführt sein, wo es sonst durch #. sonnini und 7. mocquerisi vertreten wird. 34. Ardea herodias L. Mit Sicherheit nur auf Curacao festgestellt (Ridgway). 35. Ardea candidissima Gm. Auf Aruba von mir erlegt, auf Curagao und Bonaire nur gesehen. 36. Ardea tricolor Müll. Auf Aruba erlegt, auf Bonaire gesehen. 37. Butorides virescens (L.) subsp. Auf allen drei Inseln häufig an den Küsten, wo Mangrove wächst. Dies dürfte Peters’ D. striata. sein! Ich habe die Frage offen gelassen, um welche Subspecies es sich hier handelt, doch glaube ich (nach geringem untersuchten Material urtheilend), dass die hier angetroffene Form dieselbe ist, wie die von Cuba, also Dutorides virescens brunnescens Ridgw., oder ihr doch sehr nahe steht. Richmond hat von Margarita einen Dutorides robinsoni beschrieben, der aber seiner grauen Kopf- und Halsseiten halber B. ströatus näher zu stehen scheint. 38. Phoenicopterus ruber L. Der nordamerikanische Flamingo brütet in Menge in dem grossen Salzsumpfe auf Bonaire. Er wird dort “ Ohogogo ” genannt—ein Name der sich auf seine schnatternde Stimme bezieht. Auf Aruba sahen wir einen Flamingo, auf den Dr. Cole aus zu grosser Eut- fernung schoss. Vermuthlich zeigt er sich auch gelegentlich auf Curagao, doch konnte ich nichts darüber erfahren. 39. Totanus macularius (L.). Von Herrn Robinson auf Curagao geschossen, von Peters und mir am Schotte- gatt gesehen, aber nicht geschossen. Kommt zweifellos auch auf den andern Inseln vor. 40. Totanus melanoleucus (Gm.). Nur einmal drei auf Donaire gesehen, von denen ich einen erlegte. 41. Totanus flavipes (Gm.). Am 22. Juni häufig auf Aruba, wo Dr. Vole zwei für mich schoss. 42. Tringa minutilla Vieill. Nur,einmal auf Bonaire bemerkt und erlegt. 43. Charadrius squatarola L. Mehrfach gesehen und einmal geschossen auf Arzda. Wird natürlich auch auf den andern Inseln angetroffen werden. 44. Aegialitis wilsonius rufinucha Ridgw. Ich erlegte einige Stücke dieses hübschen, auf Arzda und Bonaire brütenden Regenpfeiferchens, die ich mit Ridgway’s rufinucha identificierte, den ich für wohl verschieden (wenn auch nur subspeeifisch !) von wxlsonius halte. 45. Aegialitis collaris (Vieill.). Kleine Flüge auf Bonaire bemerkt, 2 erbeutet. Die Untersuchung grösserer Serien wird vielleicht ergeben, dass es sich um eine kurzflüglige Subspeeies handelt ! 46. Himantopus mexicanus (Müll.). Schon nach Mittheilungen von Ludwig durch Peters identificiert. Ich erlegte eine Serie an der Lagune bei Savonet Curacao, und sah Flüge auf Bonaire. Kommt zweifellos auch gelegentlich auf Aruba vor. 47. Haematopus palliatus (Temm.) Ich sah einen dieser Austernfischer auf dem Riff bei Aruba und schoss auf ihn, fehlte ihn aber. Nach Ludwigs Beobachtungen wird er nicht selten an den Küsten von Curagao bemerkt. Herr Ludwig hat ihn öfters geschossen. 48. Pelecanus fuscus L. Der braune Pelikan ist eine häufige Erscheinung auf allen drei Inseln. Besonders viele sah ich innerhalb der Lagune bei Aruba. Sie sind durchaus nicht scheu, und leicht zu schiessen. Es scheint, dass sie auf keiner der drei Inseln nisten. Wird “ Alcatraz ” genannt. ( 288 ) 49. Fregata aquila (1..) Auf Bonaire wird dieser unverkenubare Vogel nach mehrfachen Mittheilungen nicht selten gesehen, auf Curacao salı ich ihn häufig, sogar über die Iusel wezfliegen, und auf „Irzba erlegte ich mehrere, wie schon erzählt. »0. Phalacrocorax brasilianus ((+m.). Grosse Flüge auf Arzba gesehen, wo sie aber so scheu waren, dass ich nicht auf Schussweite herankam. Zu zeitraubenden Bemühungen hatte ich nicht Musse, da meine Aufmerksamkeit mehr auf die zoogeographisch interessanteren Laudvögel zerichtet war. Obwohl ich kein Exemplar in die Hand bekam, glaube ich mich) doch nicht in der Art geirrt zu haben. Peters beobachtete einen Kormoran auf Curagao, der wohl auch hierher gehörte. 51. Sterna maxima Bold. An den Küsten aller drei Inseln nicht selten, und auf Aruba und Bonaire von mir gesammelt. »2. Sterna antillarum Less. Au sandigen Küsteustrecken auf Aruba und Bonarre brütend. Eude Juni schienen sie auf Aruba Bier zu haben, doch konnte ich keine finden. Ende Juli fand ich auf Bonaire halberwachsene und erwachsene Junge. Das Junge gleicht dem von Sterna minuta, als deren Vertreterin Sterna antillarum auzusehen sein dürfte. 53. Sterna dougalli Mont. Diese Seeschwalbe dürfte an vielen Orten mindestens gelegentlich vorkommen, ich habe sie aber nur auf Aruba mit Sicherheit festgestellt, wo sieh auf dem Korallenriff nicht weit von Uerro Colorado ein grosser Brutplatz befand. Die Eier waren in Gelegen von regelmässig drei Stück auf dem blossen Sande oder auf dem dichten Teppich von sukkulenten Salzstrandpflanzen niedergelegt. An einigen Stellen musste man sich sehr in Acht nehmen, keine zu zertreten, so nahe beieinander und so zahlreich fanden sich die Gelege Die Eier variieren wie die von Sterna hirundo und Sterna paradisaea, und sind denselben im allgemeinen sehr ähnlich. Die von mir auf Aruba gesammelten Bälge gleichen vollkommen denen von andern Theilen Westindieus und Mexiko. Es scheint kaum möglich zu sein, diese von den typischen dowgalli der östlichen Halbkugel zu trennen, ein eingehendes Studinm der Art mit Bezug auf seine möglicherweise trennbaren Unterarten wäre jedoch von Werth, nur fehlt dazu in den meisten Museen das nöthige Material. Saunders, dem im Britischen Museum das reichste Material vorlag, vereinigte alle Formen der Art unter dem Namen Sterna dougalli. Ohne mich z. Z. auf weiter- gehende Untersuchungen einlassen zu können, bemerke ich nur, dass einige im Rothschildschen Museum mir vorliegende Brutvögel von den Andamanen zweifellos einer kleineren Unterart angehören, die den Namen korustes oder graeilis führen muss. ( 289 ) 54. Sterna hirundo L. An den Küsten von Aruba und Bonaire, und wahrscheinlich auch auf Uuragao. Da ich meine Zeit vorzugsweise dem Sammeln der Landvögel zuwandte, und ausserdem diese Art in Mauser war, brachte ich nur zwei Bälge von Stern« hirundo mit, die nicht genügen, um festzustellen ob es sich hier um eine Unterart der hirundo handelt, oder ob die hiesige Form ganz identisch ist mit europäischen Vögeln. Vergl. Zbis 1893 p. 309. 55. Sterna anaetheta Scop. Von mir nur auf Aruba festgestellt, kommt aber selbstverständlich ausser der Brutzeit auch auf den anderu beiden Inseln gelegentlich vor. Auf dem Korallenriff, wo der Brutplatz von Sterna dougalli war, brütete auch diese Seeschwalbe in grosser Anzahl. Die Bier waren alle bebrütet und stets bestand das Gelege nur aus einem einzigen Ei, wie andre Forscher auch schon festgestellt haben. Die Eier lagen nie so frei wie die von Sterna dougalli, sondern stets in geschützten Winkeln unter Büschen, unter Steinen oder todten Muscheln, immer mehr oder minder versteckt und nicht gauz frei von oben her. Die Alten sahen in der klaren Luft über uns hin- und herfliesend von unten prachtvoll grünlichbläulich, seewasserartig gefärbt aus, während die dowgelli mit ihren pfirsichblüthenartig überflogenen Unterseiten einen grossen Gegensatz dazu bildeten. Während des Trocknens der Bälge verschwindet bei beiden Arten der zarte Farbenton der Unterseite allmälig. 56. Larus atricilla L. Mehrfach an den Küsten aller drei Inseln beobachtet. Bei längerem Aufenthalte eines Sammlers würde die Zahl der auf den holländischen westindischen Inseln vorkommenden Seevögel sich natürlich ver- mehren. Bei der verhältnissmässig kurzen Zeit meines Aufenthaltes daselbst hielt ich es für meine wesentlichste Aufgabe, die Landvögel zu sammeln und zu beobachten, und ich glaube darin einen ziemlichen Grad von Vollständigkeit erreicht zu haben. Am ehesten glaube ich, dass am Christoffel und auf Bonaire noch Landvögel unbemerkt geblieben sein können. Herr Peters hat noch verschiedene Land- und Seevögel erwähnt, die er beobachtet zu haben glaubt, aber es dürfte darauf nicht allzuviel Gewicht zu legen sein, da wir gesehen haben wie wenig seine sonstigen Bestimmungen zutrafen. Jedenfalls ist die obige Zahl von 56 Arten und Unterarten alles was bis jetzt als sicher festgestellt gelten kann. 19 IV ABSCHNIIM. FRÜHLINGSAUSFLUG NACH MAROKKO UND TENERIFE. ( 293 ) I. KAPITEL. REISE—MAROKRKO—CANARISCHE INSELN—MADEIRA— HEIMKEHR. In der letzten Märzwoche des Jahres 1901 fuhr ich auf der “ Orotava,” einem Dampfer der Forwood Linie, aus den rauchgeschwärzten Londoner Docks langsam die trübe Themse hinab. Es war aussergewöhnlich kalt für die Jahreszeit, und als wir die Docks verliessen entschwand London in diehtem Schneegestöber unsern Blicken. Im englischen Kanal und an der Südküste folgte Schneeschauer auf Schneeschauer. Das Schiff lief den malerischen kleinen Hafen Dartmouth an, um Kohlen zu nehmen. Als wir die Bucht verliessen brauste uns ein heftiger Süd- weststurm entgegen, während vorher kaum ein Lüftehen geweht hatte. Fast alle Passagiere, leider auch ich, verschwanden für mehrere Tage, deren Erinnerung schauerlich ist. Mit einiger Verspätung trafen wir in Gibraltar ein, das wir Musse hatten zu besehen. Die anfüngliche fatale Kälte hatte einer angenehmen Sommertemperatur Platz gemacht, und wir genossen Wärme nnd Sonnenschein in vollen Zügen. Wundervoll war die Ueberfahrt nach Tanger, der ersten marokkanischen Stadt, die ich betrat. Da gab es des Interessanten mehr, als man in der kurzen Zeit sehen konnte, aber die starke Beimischung europäischen Elementes nahm doch viel von der Ursprüngliehkeit der Bilder und Eindrücke. Eine kurze Fahrt an der malerischen, fast baumlosen Küste mit ihren weissleuehtenden kleinen Städten in unverfälschtem maurischen Stil brachte uns nach Casablanca. Die Schiffe liegen hier überall draussen auf der Reede. Die Landung geschieht in festen Booten, die mit Geschick dureh die Brandung der hochrollenden Wogen gerudert werden. Das ist dieselbe Brandung, die ich vor 16 Jahren an der Küste von Togoland kennen lernte, nur war sie z. Z. hier nicht so heftig. Casablanca unterscheidet sieh in vieler Hinsicht wesentlich von dem bekannten, oft beschriebenen Tanger ; es ist rein marokkanisch, Europäer sieht man nur ganz vereinzelt in den kothigen, von Mauren, marokkanischen Juden und einigen Negern, Maulthieren, Kameelen und Pferden belebten Strassen. Der auf einem freien Platze vor der Stadt abgehaltene Markt ähnelt so auffallend dem Markte in einer mittelgrossen Stadt in den Haussaländern, das ich ganz betroffen war. Das Interessanteste in Casablancz war jedoch für die meisten Passagiere der “Orotava” die Erscheinung gewaltiger Heuschreekenschwärme. Die klare, blaue Luft begann sich um die Mittagsstunde mit lichten Flecken zu füllen, die sich stetig nach Nordosten zu bewegten. Bald kamen sie näher, und man konnte sie als unaufhaltsam mit raschen Flügelbewegungen die Luft durchziehende Wanderheuschrecken erkennen, von denen manche ermattet zu Boden sanken. Immer dichter wurden die Schwärme und bald erfüllten sie die ( 294 ) Luft derart, dass man das Bild nur mit einem grossfloeckigen Schneegestöber bej blanem Himmel vergleichen konnte. Keinerlei Vögel sah ich den Flügen folgen, wie ich überhanpt bei dem vierstündigen Aufenthalte in Casablanca nur Haussper- linge sah. Nur zu rasch verliessen wir Casablanca und lagen bald auf der Reede von Mazagan, meinem vorläufigen Bestimmungsorte Schon vom Dampfer aus sah ich zu meiner Freude viele Vögel: alte Sula bassana, die von den Küsten Grossbritanniens hergekommen, um hier den Winter zuzubringen, südliche Silber- möven (Larus cachinnans) marokkanische Raben (Corvus tingitanus), die am Strande nach ausgeworfenen Fischen und dergl. suchten, Röthelfalken und Thurm- falken fast über jedem Hanse der Stadt, und Rauchschwalben. Bald ruderte ich dem Lande zu, unterwegs Herrn Rigsenbach begegnend, der mich abzuholen kam. Mazagan wird von Marokkanern und ‚Juden bewohnt, die Zahl der Europäer fast aller Nationen (meist Spanier aus Gibraltar, nur 3 oder 4 Dentsche und Schweizer) ist gering. Es war meine Absicht gewesen so rasch wie möglich von Mazagan aufznbrechen, um in einiger Entfernnng von der Küste an geignetem Orte ein Lager aufzuschla- gen und einen Einblick in das Vogelleben Westmarokkos zu thun. So rasch wie ich mir das gedacht hatte ging es nnn freilich nicht, denn ich befand mich wieder einmal in einem Lande wo manana das Wort ist, das dem Fremden am meisten auffällt. Es war jüdisches Osterfest und die Maulthiere, die wir haben sollten, wurden nicht aus dem Stalle gezogen, die Läden, in denen wir allerlei Kleinigkeiten zu kaufen hatten, waren geschlossen. So hatte ich denn Musse, Mazagan und die nächste Umgebung zu beschauen. Die Stadt selbst gab Casablanca an Originalität und Schmutz auf den Strassen nichts nach, das Leben und Treiben war sogar noch lebhafter. Als wir ankamen lagen vier Dampfer auf der Reede, zwei Deutsche, ein Franzose und ein Spanier. Interessanter aber als alles andre war mir natürlich das Vogelleben. Vor allen Dingen fällt die Menge der Röthelfalken anf, die eine ganz erstaunliche ist. Ganz besonders hinter Herrn Riggenbachs Hause nistet eine solche Menge von Röthelfalken, dass man sie den ganzen Tag über wie Schwalben anf einem Gutshofe hin- und herfliegen sieht. Vom flachen Dache aus konnte ich nahezu zwanzig Nester feststellen, von denen manche kaum zwölf Fuss voneinander entfernt standen. Ein reizenderes Bild, als ein Röthelfalkenpaar vor ihrer Nisthöhle kann man kaum im Leben der Vögel beohachten. Mit innigem Vergnügen sah ich immer wieder das schöne Männchen abfliegen, um in der Luft eine Henschrecke zu schlagen, die es dann dem Weibchen ganz vor die Füsse legte, oder auch selbst zerriss und ihm stückweise in den Schnabel stopfte. Die grossen Augen sind verhältnissmässig grösser als beim Thnrmfalken und ausserordentlich schön, ohne den tückisch stechenden, scharfen Ansdrnek von Habichts- oder Sperberaugen, und die wilde Kraft eines Adlerauges zu haben. Dabei sind alle Bewegungen kraftvoll, man möchte fast sagen edel, in auffallendem Gegensatze z. B.zu den verliebten, koketten, und dabei etwas täppischen, beinahe plumpen Bewegungen der Tauben. Seit ich 1855 die entzückende Nigerbrachschwalbe (Galachrysia cinerea) auf den Sand- bänken des Niger und Benne beobachtete, habe ich keinen anziehenderen Vogel kennen gelernt als den Röthelfalken. Viel seltener als der Röthelfalke ist der Thurmfalke, den ich in Mazagan selbst nur vereinzelt bemerkte. Er nistet hier im allgemeinen mehr an Felsen und hohen Moscheen, hält sieh mehr im Freien anf und ist viel scheuer, als der Röthelfalke, der hier meist in den Städten zu wohnen scheint, aber auch Felswände nicht (295 ) - verschmäht. Die Nahrnng der Röthelfalken wie der Thurmfalken bestand zur Zeit meines Aufenthaltes in und bei Mazagan lediglich aus Heuschrecken, die in nnendlicher Menge zu haben waren, denn tagelang zogen die Schwärme wie Schneegestöber über Mazagan hin. Nächst den Orrehneis-Arten überraschte mich der Sperling. Einer brieflichen Angabe zufolge sollte hier Passer hispanioliensis die Stelle unsres Haussperlings vertreten, und ich hatte mich gefreut, diese Art genauer beobachten zu können, die ich zufällig nur einmal im Leben, nämlich 1885 auf Gran Canaria flüchtig gesehen ‚hatte. Ich war jedoch keine Stunde in Mazagan, als ich zwar zahlreiche Haus- sperlinge, aber keine hispaniolensis gesehen hatte. In der That scheint der letztere nicht bei Mazagan vorzukommen, aber an den Ufern des Oum Rbiah ist er häufig. Ein andrer heimischer Vogel, der in grosser Häufigkeit in den Verandahs der Häuser brütet, ist die Rauchschwalbe, /Zrundo rustica. Sie waren gerade beim Nestbau, einige Weibehen begannen auch wohl schon zu legen. Ein von mir erlegtes gepaartes Paar weicht nicht von enropäischen Individuen ab. Man hat vielfach angenommen, dass südliche Rauchschwalben eine mehr röthliche Unterseite zeigen, aber dies ist ein Irrthum. Der Name 7. pagorum, der lediglich auf einem etwas mehr als gewöhnlich röthlichen Individuum beruht, ist vielfach auf solche Vögel angewandt worden, man kann sie aber weder speeifisch noch subspecifisch trennen, da ebensolehe Individuen in Skandinavien, England, Russland, Italien, Nordafrika u.a. Orten mehr vorkommen. Es sind lediglich individuelle Aberrationen, und sie sind häufiger, als man glaubt. Gleich beim Eintritt in die Stadt, als wir den Thorgang durchschritten, fielen uns zahlreiche, oft hartaneinander gedrängte, mit den Wänden zusammenstossende Seglernester auf, und bald sahen wir die Alten einschlüpfen, die sich durch ihre weissen Bürzel leicht als Apus afinis kennzeichneten. Herr Riggenbach sagte mir, er habe sie oft, aber nur in der Stadt, wo sie unter den Stadtthorbögen nisten, bemerkt aber bisher nicht geschossen, da sie für “heilig” gelten. Das ist allerdings der Fall, denn unsre Aufforderung an den Thorwärter, einige der Vögel in den Nestern zu fangen, wurde mit Entrüstung zurückgewiesen, auch Bestechung gelang nicht, denn es sei Sünde diese Vögel zu tödten. Unter den Umständen konnte ich auch keine schiessen, aber Herr Riggenbach sagte, er würde schon Mittel und Wege finden, mir Exemplare zu verschaffen. Er hat auch sein Versprechen glünzend gehalten, denn mir liegt jetzt eine Serie von wohlpräparierten Bälgen aus Mazagan vor. Ausser der Vogelwelt—namentlich Röthelfalken und Rauchschwalben —und den von dem flachen Dache wunderbar zu beobachtenden, scheinbar endlosen Henschreckenschwärmen interessierte mich noch etwas hier garnicht erwartetes in Riggenbach’s Hause: eine förmliche Sammlung von alten Delffter Porzellantellern. Diese stammt von einem vor etwa 150 Jahren bei Azimur gestrandeten holländischen Schiffe. Es gelang Riggenbach, nachdem er einmal darauf aufmerksam geworden war, eine grosse Anzahl von fast durchweg wohlerhaltenen Tellern und Tassen zusammenzubringen, denn die Landesbewohner hatten sie sorgsam aufbewahrt. “ Das merkwürdigste aber ist,” sagte er zu mir, “dass auf manchen Tellern Sätze in einer Sprache stehen, die Niemand bisher bestimmen konnte” Es genügte ein Blick, um mir zu zeigen, dass es Aufschriften in malaiischer Sprache, mit lateinischen Buchstaben geschrieben, waren, aber ich kannte doch zu wenig und hatte zuviel vergessen, um den Sinn auch nur eines Satzes recht befriedigend zu entziffern. Zweifellos war das Schiff auf dem Wege nach den Sundainseln gewesen, ( 296 ) Am zweiten Tage nach meiner Ankunft in Mazagan konnten wir endlich nach den üblichen, echt afrikanischen Verzögerungen aufbrechen. Wir ritten auf Manlthieren und hatten einen Packesel und ein Kameel, drei Leute und einen Jungen mit uns. Mein Maulthier war langsam und faul, da das anfünglich für mich bestimmt gewesene krank geworden war. Die kleine Reise führte fast den ganzen Wer—etwa fünf Stunden zu reiten— durch Ackerland, meist Weizenfelder, auf denen die Saat mehr oder minder ent und in auffallend verschiedenem Alter stand. Das Land könnte mit einiger Sorgfalt, bei einer anständigen Verwaltung und rationelleren Bewirthschaftung noch heute das sein, was es theilweise in Alterthum war, nämlich die Kornkammer Europa’s. Der fruchtbare, dunkelschokaladenfarbene Boden wird nur mit Handhacken eelockert, und die Saat ohne Düngnng hineingeworfen, das Uebrige bis zur Ernte Allah überlassen. Es ist fast zu verwundern, dass die Bevölkerung hierzu noch genug Muth und Lust besitzt, denn abgesehen von den nur allzu hänfigen Verheer- ungen durch die Heuschrecken ist überall das Ange der Stadt- und Dorfoberhänpter auf den Ertrag gerichtet, und der bessere Theil davon wird für den Sultan als Abgabe genommen, das Meiste davon soll aber in den Händen der Hänptlinge zurückbleiben. Es kann offenbar mehr von einer ofliziellen Ansranbung, als von einer Regierung in europäischem Sinne die Rede sein. In den Ackerfeldern sieht man häufig von undurehdringliehen Agaven und Kaktnsheeken nmschlossene Gärten, in denen meist Feigenbäume, in der Nähe der Stadt auch Zwiebeln, Bataten, Artischoken, Karotten und dergleichen gedeihen. Streckenweise führte der Weg über felsige, dürre Anhöhen. Bin grosser, sumpfartiger Teich war von mehreren Totanus-Arten und Stelzenläufern (/limantopus) belebt. Ueberall auf den Feldern waren Lerchen hänfig, aber anstatt der von mir erwarteten herrlich singenden Kalanderlerchen, kurzzehigen Lerchen und anderen waren es nichts und niehts als Haubenlerchen. Da meine Zeit so knapp bemessen war und ich schon eine Serie aus der Gegend besass, mein Begleiter auch mehr in Aussicht stellte, hielt ich mich nicht besonders mit der Jagd auf dieselben auf, doch sei es gesagt, dass die Stücke einer Form von Galerida theklae ange- hörten, dass aber auch eine Form von Galerida eristata dort häufig ist. Diese Haubenlerchen sangen überall lustig, der Gesang war lJant und schön, von einigen Individuen aber viel melodischer als von andern, wie dies bei allen Singvögeln vorkommt. Wiedehopfe,* die auf den Wegen liefen, Käuzehen und Steinhühner verlockten uns hier und dort zur Jagd. Heuschrecken gab es überall, aber nur nahe der Stadt sahen wir sie noch fliegen, weiterhin bedeckten sie die Wege, und in einer Niederung sah man sie sämmtlich paarweise auf einander hocken. Die Hufe unsrer Thiere tödteten streckenweise fast mit jedem Schritte mehrere Stücke und manche schlugen wir mit den Reitgerten aus der Luft herab. Um die Mittagszeit sassen wir an den Ruinen einer vor längerer Zeit auf Befehl des Sultans zerstörten und verlassenen Stadt ab. Auch dort war reiches Vogelleben: Mandelkrähen (Coracias garrula) gankelten mit ihrem rauh gackernden Rufen in der Luft, Thurm- und Röthelfalken nisteten an der verfallenden Stadt- mauer, Wiedehopfe liessen ihr dumpfes hup-hup ertönen. Es war sehr heiss, wolkenlos der Himmel. Maurisches Brot, Sardinen und ein ausserordentlich * Es hätte Erlanger's Upupa epops pallida sein sollen, aber diese vermeintliche Form unterscheidet sich in keiner Weise von typischer Upupa epops. Die vom Autor angegebenen Unterschiede sind lediglich individueller Natur, ( 297) wohlschmeckender spanischer Landwein, die grosse Flasche zu etwa 50 Pfennigen, bildeten ein angenehmes Frühstück. Bald ritten wir weiter. Am späten Nachmittage begann ein starker Wohlduft die Luft zu erfüllen, dessen Ursprung wir erst begriffen, als wir von einer Bodenerhebung herab die “ Mhoiwla” vor uns liegen sahen : eine langgestreckte Thalniederung, am Ufer eines schönen, breiten Stromes, des Onm Rbiah, und weithin mit den von Blüthenschnee bedeekten Orangenhainen bestanden. So etwas von Duft war uns noch nicht vorgekommen. Ringsum war die Gegend damit geschwängert, im Orangenhaine selbst war er anfangs fast beängstigend stark, alles durchdringend. Nieht nur die Bänme waren mit Blüthen bedeckt — nur wenige hingen voll köstlieher, saftiger Früchte-anch der Boden war damit besät, jeder Windstoss oder anderweitige Erschütterung eines Baumes beförderte einen Blüthenregen zur Erde. Man hätte glauben können, dass der Anfenthalt in diesem starken Duft uns Kopfweh machen könnte, aber wir spürten in den 5 Tagen und Nächten nichts dergleichen, ja nach 2 oder 3 Tagen merkten wir den Geruch nicht mehr, dafür waren aber alle unsre Kleider, Betten u.s.w. davon durchdrungen, und noch nach Monaten konnte man den Orangenblüthendnft an einigen meiner Kleidungsstücke walırnehmen. Unter den Bäumen schlugen wir unser kleines Zelt nnd das noch kleinere für die Leute anf. Es war paradiesisch schön und voll von Vögeln. Der köstliche Gesang der in Menge im diehten Gebüsche nistenden Nachtigallen erklang von allen Seiten, alle andern Stimmen in den Abendstunden übertönend. Amseln, Stieglitze und Girlitze waren sehr häufig, Hänflinge (Acanthis cannabina) etwas seltener, Kohlmeisen nicht selten, das Gurren der Turteltauben erklang unaufhör- lich. Waren wir auf diese Weise umgeben von heimischem, echt enropäischem Vogelleben, so mischten sich damit in anffallender Weise den Tropen entstammende und mediterrane Formen, denn aufdringlich laut erklang aus den Bäumen und Büschen das Rufen der Kurzfussdrosseln oder Bülbüls (’yenonotus) die einer rein tropischen Vogelgattung angehören, und der eigenartige, starke, wie metallisch klingende Gesang der Cettia cetti, Cetti’s Sänger. In seinem wunscheinbaren brannen Kleide ähnelt er in den Baumkronen wohl einer Nachtigall, und die Araber verwechseln ihn auch damit, denn sie sagten, auf die von mir abgebalgten (ettien zeigend, das wäre der Vogel, der des Abends und Nachts so wundervoll schön sänge, und es wäre eine Sünde, ihn zu schiessen. Recht sehr interessierten mich in systematischer Hinsieht die folgenden beiden Arten, deren Begegnung ich beschreiben werde. Am ersten Morgen erwachte ich gegen sechs Uhr und war kaum von dem unbequemen (weil für mich zu kurzen) Feldbett herabgestiegen, als ich eine Kohlmeise locken hörte. Das war mir ja sehr interessant. So sprang ich denn in Pyjamas aus dem Zelte, nach wenigen Sekunden knallte die Stockflinte und ich hielt eine Kohlmeise in Händen. Der Vogel ist in den Atlasländern meist nicht häufig, und es war mir daher unerwartet, ihn in der Mhoiwla recht häufig zu finden, während der für Nordwestafrika sonst charakter- istische Parus ultramarinus von mir nicht angetroffen wurde. Schon beim Frühstück am ersten Tage vernahm ich einen mir unbekannten, laubsängerartigen Gesang. Riggenbach glaubte ihn auch noch nie gehört zu haben. Dadurch, dass das grüne Vögelchen in den dichtbelaubten Kronen der Orangen- bäume nieht gerade leicht zu sehen, übrigens sehr flüchtig war und sich immer unerwartet zeigte, dauerte es einige Zeit, bis ich Exemplare erlangte, deren Unter- suchung ergab, dass es sich um eine dem Phylloscopus sibilatrix ausserordentlich ( 298 ) nahestehende Form, nicht aber um bonellii handelte, woran ich des Fundortes wegen gedacht hatte. Die von mir erlegten Stücke sind kaum von typischen PAylloscopus sibilatrix zu unterscheiden und stimmen mit den PA. sibilatrix flavescens genannten Tunis- stücken Baron von Erlangers überein. Ich war früher geneigt, die Möglichkeit diese Form zu trennen zu bezweifeln, und auch die von mir geschossenen frischen Stücke sind kaum gelblicher, als zur gleichen Zeit in Europa erlegte. Da der von mir gehörte Gesang, eine richtige, entfernt an den des Phylloscopus trochilus erinnernde Strophe, ganz verschieden von dem unverkennbaren, so sonderbar bezeichnenden Schwirren unsres Phyll. sibilatrix, wohl wirklich diesem Vogel angehört, scheint dieser Gesang ein interessantes biologisches Merkmal. Es ist sonderbar, dass dieser so verschiedene Gesang Herrn von Erlanger nicht aufgefallen sein sollte. Näheres über diese Form im nächsten Kapitel. Mit Hülfe einiger Araberjungen bekamen wir eine Anzahl von Geleren ver- schiedener Vögel und freuten uns an der Geschicklichkeit und den Luchsaugen, mit denen die Knaben die Nester, ebenso wie die in den Orangenbänmen sitzenden Schleierenlen entdeckten. Auf einer Dattelpalme erspähte ich ein Rabennest, und Riggenbach bedeutete einem jungen Bengel, dass ich die Eier wünsche. Nach einer Stunde brachte er sie, erhielt eine gute Bezahlung in marokkanischen Kupfermünzen und auf die zweifelnde Frage, ob wir mehr davon wollten, eine sehr bejahende Antwort. Das Resultat war, dass wir innerhalb von zwei Tagen über 0 Eier von Corvus tingitanns bekamen. Dieser Rabe war wirklich sehr häufig und schien auf fast jeder Palme, die nur vereinzelt in der Umgegend wuchsen, zu nisten. Aus den Feldern erklang oft das fröhliche “ Pickperwick ” der Wachtel— einst ein so vertrauter und täglich zu hörender Klang in den fruchtbaren Ebenen Schlesiens, nun etwas gar Seltenes für mich in den Feldern am Fusse der Chiltern Hills in England. Einige junge Spanier aus Mazagan, die auch in der Mhoiwla waren, erlegten mehrere Prancolinus bicalearatus, aber leider hörte ich erst davon, als sie schon gerupft waren! Mir glückte es nicht, meinen alten Bekannten aus dem Haussalande, das zweispornige Frankolin, aufzuthun, aber meine Zeit war auch zu kurz, um stundenlang in den Feldern herumzulaufen. Die Jägerei dieser jungen Herren war übrigens empörend. Meist beschränkten sie sich darauf, die überaus zahmen, theils in der Paarung begriffenen, theils schon brütenden Turtel- tauben zu schiessen, aber damit nicht genug, hatten sie auch noch ein paar Arabern Gewehre gegeben, die alles von einer Turteltaube aufwärts niederknallten, und dann prahlten sie mit der Zahl der erlegten Vögel. Ein elenderer Jagdbetrieb war mir noch nicht vorgekommen. Der Oum Rbiah ist ein schöner, breiter Strom, aber zur Zeit war er hoch- geschwollen, reissend, von der Farbe von Milchschokolade und dabei sehr kalt. Ich gab also den Gedanken auf, darin zu schwimmen und befriedigte mein Reinlichkeitsgefühl an dem kleinen Bache in der Nähe des Zeltes, in dem Schild- kröten bis zu respektabler Grösse und mauritanische Kröten häufig waren. Am Flusse hielt ich mich nicht lange auf, denn die sandigen Ufer waren unbelebt, weisse Silberreiher und europäische Bienenfresser, die an den Wänden des gegen- überliegenden Ufers nisteten, konnten mich nicht lange fesseln. Im Walde erwartete ich mehr, aber man verrechnet sich oft, und je überlegter man beim Sammeln zu Werke geht, desto mehr kann man sich bisweilen irren, denn während ich im Walde zwar sehr interessante Sachen erbeutete, hätte ich doch am Stromesufer J.Green del etlith A.BARBUS HARTERTI Harterr “A. Do. WanDers. x. N.” B.BARBUS ROTHSCHILDI. Tar. 18. MinternBros.imp. ( 299 ) leicht genug die daselbst nistende, kurz nachher von Meade-Waldo weiter oberhalb an diesem Strome entdeckte neue Uferschwalbe, die er Cotile mauritanica nannte, entdecken können. Es wäre freilich ein grosser Glückszufall gewesen, während eines nur etwa zehntägigen Aufenthaltes in Marokko eine neue Vogelart zu erbeuten, aber es hätte, wie gesagt, sehr leicht geschehen können, denn Riggenbach sandte Exemplare die er am Oum Rbiah, garnicht sehr weit von der Mhoiwla erlegt hatte. Etwas Werthvolles aber lieferte mir der Oum Rbiah doch. Mein verehrter Freund Dr. Günther hatte mich ersucht, ihm in Marokko, wenn meine Zeit es erlaubte, einige Barben zu fangen, da er vor über 25 Jahren fand, dass die verschiedenen Ströme verschiedene Arten dieser Fischgattung beherbergen.* Wir hatten Angeln mitgenommen, fanden aber die Zeit zu werthvoll, um uns dem ungewissen Geschäfte des Angelns hinzugeben, und ich hat daher Riggenbach den Arabern aufzutragen, uns Fische zu bringen. Sie brachten denn auch noch am selben Tage mehrere über zwei bis drei Fuss grosse Fische, aber keine Barben. Als sie daraufhin nach kleinen Fischen gefragt wurden, waren sie ganz zerknirscht, liefen so rasch wie möglich wieder zum Wasser und holten mit einem Blecheimer etwa ein Dutzend mittelgrosse Barben heraus. Das befriedigte uns, ich wählte sieben aus—die übrigen waren anscheinend dieselben—die gerade eine zu dem Zwecke mitgenommene Glaskrause füllten und nahm sie mit. Ich war ebenso erstaunt wie erfreut, als es sich herausstellte, dass die sieben Barben vier sehr voneinander verschiedenen Arten angehörten, von denen zwei neu waren. Diese wurden von Dr. Günther t als Barbus harterti und Barbus rothschildi beschrieben. Sie sind auf der beifolgenden Tafel abgebildet. Die andern beiden Arten sind Barbus reinii und B. nasıs Günther. Barbus harterti ähnelt B. reinii am meisten, unterscheidet sich aber durch neun verzweigte Strahlen in der Rückenflosse und eine unterbrochene untere Lippenfalte. (D.12. A.S oder 9. L. lat. 37. L.transv. 63/6.) Zwei und eine halbe oder drei Reihen von Schuppen zwischen der Seitenlinie und der Basis der Bauchfinne. Die Höhe des Körpers ist dreidreiviertel mal in der ganzen Länge (ohne die Schwanzflosse) enthalten, die Länge des Kopfes vier einhalb mal. Schnauze eonisch, deutlich läuger als das Auge, das 5 der Kopfeslänge misst. Mund untergeordnet, ziemlich tief gespalten, die Lippenfalte der Unterlippe lang, aber nicht mit der der andern Seite verbunden. Mundfäden vier an der Zahl, lang, viel länger als das Auge. Wurzel der Rückenflosse in der Mitte zwischen dem Ende der Schnauze und der Wurzel der Schwanzflosse, genau gegenüber der Basis der Bauchflosse. Der harte Stachel der Rückenflosse ist stark, glatt und nicht viel kürzer als der Kopf. Brustflosse kaum die Bauchflosse erreichend. Afterflosse kurz, die Schwanzflosse tief ausgeschnitten, Färbung einförmig hell silbergrau. (Siehe die untere Figur, A.) Barbus rothschildi vertritt den B. fritschii aus dem Onued Ksib. Der Mund ist wie bei B. /ritschii, aber ohne die hornige Bedeckung einer (apoeta. Die Seitenfalte des Unterkiefers ist sehr kurz. (D.12. A.Ss. L.lat. 32. L. transv. 6/5.) Der harte Stachel der Rückenflosse ist recht stark, so lang wie der Kopf ohne Schnauze, nicht gezähnelt. Zwischen der Seitenlinie und der Wurzel der Bauchflosse befinden sich zwei und eine halbe Reihe von Schuppen. Die Körperhöhe ist viermal in der Totallänge (ohne Schwanzflosse) enthalten, die des Kopfes 43 mal. Bartfäden vier an der Zahl, recht kurz, der hintere nicht länger als das * Siehe Annals and Magazine of Natural History 1874 pp. 230-32, pls. 13 und 14, + NOVITATES ZOOLOGICAE VIII, 1901, pp. 367-70, Pl. XVIII, XIX, ( 300 ) Auge, das 2 der Kopfeslänge misst und kürzer als die Schnauze ist. Beginn der Rückenflosse gegenüber der Wurzel der Bauchflosse und mitten zwischen dem Ende der Schnauze und der Basis der Schwanzflosse. Brustflosse nicht bis zur Schwanzflosse reichend. Die vorderen Strahlen der Afterflosse sehr lang, bis über die Basis der Schwanzflosse hinausreichend. Körperseiten in der Mitte mit einem schwach sichtbaren, schwarzen Längsstreifen. Von Barbus rothschildi wurden zwei 163 cm. lange Stücke mitgebracht, von Darbus harterti ebenfalls zwei, von denen das grössere 20 em. lang ist. Die Typen dieser beiden Fischarten schenkte ich dem British Museum. Die grossen Fische, zu deren Mitnahme wir keine Gefässe und nicht genug Spiritus besassen, assen wir und fanden sie sehr gut. Ueberhaupt lebten wir nicht schleeht. Der Fluss lieferte uns Fische, der Wald in dem wir lagerten köstlich saftiee Orangen, die Bewohner des nächsten Dorfes versahen uns mit gekochten Heuschrecken und wildem Honie, Eiern, Hammelfleisch oder Hühnern, Kuskus und Brod, das allerdings sehr schwer verdaulich war, und wir hatten den ausgezeich- neten, billigen spanischen Wein, Thee, Zucker, Salz, Sardinen und einige Üonserven, namentlich englische Jams, mitgenommen. Die Heuschrecken und den Honig fanden wir ausgezeichnet, aber beides zusammen war zu süsslich und widerstand bald—wir assen es eigentlich nur zusammen um einmal “ Heuschrecken und wilden Honig” «egessen zu haben. Den Thee lernte ich in zwei mir neuen Formen kennen : als einen nur dünnen Anfenss mit den erünen Blättern einer Minze (MHentha, ähnlich Mentha piperita, Pfefferminze), was vortrefllich schmeckte, oder mit den jungen Blättern der Orangenzweige gewürzt, was überaus köstlich war — wahrhaftiger Nektar, wie mein Reisegetührte sagte. Sehr romantisch sah das Lager bei Nacht aus. Im Zelt sassen wir bei einer Kerze bei der Arbeit (Etiketten oder Notizen schreibend, oder einigen Bälgen noch einen letzten Handgriff angedeihen lassend), die Gewehre waren an die Zelstange angebunden und wurden nachher, wenn wir uns schlafen legten, mit in’s Bett genommen (unter die Matratze gesteckt),* vor dem Zelte unsrer Leute brannte ein Lagerfeuer und zwischen den beiden Zelten waren vom flackernden Feuerschein unstet beleuchtet die Maulthiere, Esel und Kameel angepflöckt und kauten ihr Futter, rings aber um das kleine Lager standen oder lagen in ihre Burnusse gehüllt Wiichter aus dem nächsten Dorfe mit kläffenden, recht störenden Hunden—denn so befiehlt es der Sultan, dass die Bewohner des nächsten Ortes für die Sicherheit europäischer Reisenden sorgen, was sie auch wohlweislich thun, da sie einerseits für jedes Unglück schwer bestraft werden, andrerseits erwarten und erhalten sie nachher ein Bakschisch. Nur zu bald mussten wir die schöne “ Mhoiwla” verlassen, denn ich wollte durchaus noch den Brutplatz des berühmten “ Waldrapp,” Comatibis eremita,f besuchen und diesen merkwürdigen Vogel erlegen, dabei musste ich den nächsten Dampfer der Forwood Linie erreichen, da auf dem nächsten kein Platz frei war und ich ausserdem nur eine beschränkte Zeit von Hause fortbleiben konnte. So ritten wir denn nach einem kurzen Aufenthalt von wenigen Tagen wieder ab, natürlich nicht ohne eine echt afrikanische Verzögerung: Riggenbach’s Das Reisen ist völlig gefahrlos in diesem Theile Marokkos, aber man kann in keinem Lande vor unerwartetem Umschwung in der Stimmung der Eingeborenen sicher sein, daher ist Vorsicht immer rathsam, damit man nicht überrascht wird, ausserdem sind Gewehre hier bedeutende Werthstücke und verlohnen sich sehr des Stehlens. f Siehe NovITATES ZOOLOGICAR IV, 1897, pp. 371-512, Taf. 8-10, und den Artikel in der neuen Verarbeitung des “ Naumann,” Band VII (1900), ( 301 ) Maulthier war fortgelaufen ünd war lange nicht zu finden. Wir waren eben in Afrika, In Mazagan angekommen erfuhren wir, dass wir noch mindestens volle zwei Tage Zeit hätten—also nach eingenommenem Frühstück weiter, am Meeresufer entlaug, nach Süden zu. Der Weg bot im Ganzen wenig Interessantes dar, nur der Ritt durch die Ruinen einer römischen Stadt und ein Araberdorf war sehr interessant. Es war einst eine ausgedehnte römische Stadt, deren Umfassungsmauern, obwohl meist arg zerfallen und oft zum Bau von Häusern benutzt, sich noch ringsum verfolgen lassen. Die zahlreichen Wachtthürme sind noch alle vorhanden, manche grösstentheils eingestürzt, zum Theil aber noch merkwürdig gut erhalten. Die Wölbung eines grossen, mächtig starken Thorbogens, über dessen Trümmer der Weg führt— Niemandem fällt es natürlich ein, sie fortzuräumen—fiel erst vor kaum einem Jahre ein. Von der Geschichte dieser jedenfalls einst sehr wichtigen Stadt konnte ich nichts erfahren. An den Thürmen nistete Sturnus unicolor, und auf dem Wege sah ich kleine Flüge von Seglern, die ich für nordeuropäische Apus apus hielt, nach Norden zu vorübereilen. Sie schienen sich auf dem Zuge zu befinden. Nach ziemlich scharfem Ritte, nachdem wir mit kurzer Unterbrechung, wenn ich nicht irre zehn Stunden im Sattel gewesen waren, kamen wir in der Nähe der gewaltigen Felswände des nördlichen Cap Blanco an. Es war kühl und stürmisch geworden. Der Wind fegte heulend über die kahlen steinigen Felder und brachliegenden, nur mit einzelnen, ganz niedrigen Tamarisken und Grasbüscheln bestandenen, und vou Steinhaufen, auf denen häufig kleine Eulen (Athene noctua glaux) sassen, unter- brochenen Flächen. Ich wollte mehr wissen von dem “ Waldrapp” und eben erzählte mir Kiggenbach davon, dabei äussernd, dass wir gleich am Platze seien, dass es aber bei der hohen See kaum möglich sein werde, an den Fuss des Felsens zu kommen und daher die Aussicht, die Vögel zu schiessen, gering sei, als wir in der Ferne einen schwarzen, grossen Vogel Nahrung suchend auf und abgehen sahen. Der Feldstecher zerstörte rasch den Zweifel, ob es ein Rabe oder ein Ibis sei: es war letzteres! “ Aber,” sagte mein Gewährsmann, “die Vögel sind sehr scheu, und Sie werden nicht zu Schuss kommen—doch versuchen Sie es.” Nun, das that ich schon, herunter vom Maulthier und auf den Ibis zu war ein Augenblick. Es war ein anstrengender Gang, denn anfangs gebückt, nachher auf allen Vieren kriechend, musste ich hinter den kleinen, oft nur fusshohen Büschen Deckung suchen—so kam ich bis auf 60 Meter heran, da erhob sich der Vogel und bot mir im Abfliegen einen guten Schuss dar—ein Knall, und mit zerschossenen Flügeln wälzte er sich am Boden. Herr Riggenbach behauptet er hätte nie einen Menschen höher springen sehen, als mich, und das kann wohl sein, denn ich hatte ja den “Waldrapp ” geschossen, dann aber war er nahe bei der ragenden Felswand und nicht todt, es galt daher ihn sofort zu ergreifen ; mit Hurrah also stürmte ich darauf los und hielt bald die kostbare Beute in Händen. Und ein sehr sonderbarer Vogel ist es in der That—das Gefieder schwarz mit herrlichem, grünen, rothen und kupfernen Metallglanz auf den Flügeln, der nackte Hals mit dem Hammerkopfe und die Beine roth. (Beschreibung der Nackttheile weiter unten in den Notizen über die Vögel Marokkos.) Nun war unser Tagewerk gethan, der Abend war da. Das Zelt fanden wir schon aufgeschlagen, und bald kam eine grosse Schüssel mit Kuskus, aus der wir mit unserm “ Wirthe,” dem Häuptling aus dem nächsten Dorfe, mit Appetit assen—er mit den Fingern, wir mit unsern Löffein. Lebhaft dachte ich zurück an ( 302 ) die Abende bei unserm alten Freunde Alhadi Massaul in Zaria-im Haussalande, vor 15 Jahren. Die Nacht war scheusslich. Der Sturm nahm zu an Stärke, riss einige der Zeltpflöcke aus dem Boden, das ganze Zelt bedrohend, und trieb den feinen, dunkel schokoladefarbenen Staub des Erdbodens zu uns hinein—ich konnte mich nur mit Mühe warm halten, da wir ungenügend mit Decken versehen waren, und wir sahen am Morgen fast wie Neger aus. Das Tageslicht aber endete unser Ungemach, und früh ging es wieder zum Cap Blanco. Das ist eine gewaltige Felswand, von deren Höhe man einen weiten Blick hat, und zu deren Füssen heute wild das Meer tobte. Und ein herrlicher Platz ist es für den ÖOrnithologen. Herabgerollte Steine und bald darauf ein Schuss brachte einen ungeheueren Aufruhr hervor—da strichen ab von der Felswand zu unsern Füssen 3, 4, ja 5 schwarze Ibisse, weisse Störche entfalteten ihre mächtigen Schwingen, braune Milane rauschten hervor, Felstauben eilten klatschenden Flügelschlages seewärts, Kormorane, eine grosse undeine kleineart, stürzten sich in’s Meer, zahllose Thurm- und Röthelfalken erfüllten kichernd und schreiend die Luft, Raben flogen krächzend auf, einfarbige Staare und blasse Segler schossen die steile Wand entlang. Es war ein grossartiger, unvergesslicher Anblick, aber alles strebte seewärts, wenigstens alles das, wonach unser Sinn stand. Ich schoss mehrere Staare und Tauben, die aber theils direkt in die Tiefe stürzten, theils eben auf den Rand oben aufschlugen, aber dann im Todeskampfe oder vom Sturm gepackt hinunterfielen. Wir standen davon ab, Ibisse im Abfliegen zu schiessen, was wohl möglich, aber nur unnützer Mord gewesen wäre, und stellten uns in einer wie dazu geschaffenen Nische am Rande der Felswand, von oben halb gedeckt auf, um die über das Festland hinstreichenden Vögel zu beschiessen. Es gelang mir auch einen zweiten “ Waldrapp ” zu erlegen, und einen dritten glanzvoll vorbeizuschiessen. Der Sturm war übrigens ziemlich stark und das Schiessen daher sehr erschwert. Unser Anstand an der Felswand war leidlich bequem, aber der Raum war eng und ein einigermassen schwindliger Mensch hätte nicht in der Nische stehen können, da unmittelbar hinter uns die schauerliche Tiefe gähnte. Nach einiger Zeit waren die Ibisse so scheu geworden, dass wir unsern Anstand aufgaben. An die Nester zu gelangen war keine Möglichkeit, und so wanderten wir am Strande entlang nach Süden zu. An distelartigen Pflanzen, die hier ziemlich häufig waren, sahen wir tausende von Heuschrecken, die der Wind angeschleudert hatte, an den scharfen Blattspitzen aufgespiesst. Nach kurzer Wanderung senkte sich der Uferrand hinab, und wir konnten ohne Mühe zu einem kleinen vorgelagerten Flachlande hinuntersteigen, wo Graswuchs war und einige Palmen und Büsche standen. Dort bemerkten wir sieben oder acht “ Waldrappen ” an einer feuchten Stelle Nahrung suchend auf und ab gehen. Da es an Deckung mangelte, gelang es uns nicht, näher als auf etwa 400 Schritte an die scheuen Vögel heranzukommen. In einem hohen Gebüsch aus Feigenbäumen und einem oder zwei anderen Sträuchen rastete ein Flug von Nachtreichern (Nyeticoraw nyeticoraz), von denen ich einen im Abfliegen schoss. Dieser Vogel muss hier selten sein, denn Riggenbach hatte ihn noch nie angetroffen. In einer vor dem Winde geschützten Senke marschierten wir wieder dem Zelte zu. Hier waren einige Pieriden bäufig. Das war ausser wenigen Lycaeniden und Abends im Zelte gefangenen Pyraliden und Mierolepidopteren, sowie einem vor mehreren Tagen gesehenen Papilio (südliche Form von machaon) alles was ich von Schmetterlingen in Marokko sah. Ausser mauritanischen Kröten, zahlreichen Schildkröten in der Mhoiwla, einer fusslosen Eidechse, der hübschen Zrogonophis wiegmanni, einer sehr häufigen Ringelnatter-Art, ( 303 ) Tropidonotus viperinus, und meist auf den grossen Blättern der Agaven sitzenden Laubfröschen begegnete ich auch keinen Reptilien, obwohl man ziemlich viele Arten erlangen kann, wenn man danach forscht. Gern hätte ich noch länger die Umgegend durchstreift, wo u.a. auch Felsen- hühner häufig sein sollten, aber «der Dampfer hatte heute oder morgen in Mazagan einzutreffen und daher hiess es aufbrechen. Der lange Ritt von unserm Lagerplatze nach der Stadt war schauderhaft. Wir hatten gerade gegen einen heftigen Nordwind, der uns den Regen ins Gesicht peitschte, anzureiten, und dabei war es bitter kalt. Während wir vor einer Woche bei tropischer Hitze im Sonnenbrand nach der Mhoiwla ritten, zogen wir heute in dieke Mäntel gehüllt, mit aufgeklapptem Kragen frierend unsre Strasse. Solches Wetter soll um diese Zeit fast nie hier vorkommen. In Mazagan hatte ich noch einen vollen Tag Zeit, die Vögel vom Cap Blanco zu präparieren und alles einzupacken, ehe der schmucke, kleine Dampfer “Telde” erschien. In Mazagan lernte ich schliesslich noch einen Missionär aus dem nahen Azemur kennen. Bekehrt hatte er natürlich noch kaum einen Menschen, und es ist nichts als verlorene Arbeit und weggeworfenes, den gutmüthigen Frommen daheim aus der Tasche gezogenes Geld, in einem mohamedanischen Lande christliche Missionen zu unterhalten. Missionsthätigkeit kann nur in Ländern, deren Bewohner einer auf ethischen Grundlagen beruhenden Religion entbehren und niedrigen Lastern oder Menschenopfern fröhnen, wie es deren noch so viele giebt, gebilligt werden, aber nicht unter den Moslem.* Eine schöne, sonnige Fahrt auf der ‘“ Telde” brachte mich auf die Reede von Sta. Uruz auf Tenerife. Wie grandios leuchtete wieder der schneebedeckte Pico de Teyde aus den Wolken hervor, wie grotesk erschienen wieder die wildzerklüfteten Felsen und Schluchten mit den überall kandelaberartig aufstrebenden Euphorbien vor den berauschten Blicken. In Camacho’s Hotel hatte ich wieder eine sonderbar zufällige Begegnung. Der gewandte österreichische Oberkellner kam mir bekannt vor—wo konnte ich ihn gesehen haben, wo achtet man auf Kellnergesichter, wenn man nicht ein häufiger Gast ist? Auf der wildromantischen kleinen Insel Sark, der schönsten der normanischen Inseln, hatte er mich, als ich in den berühmten Höhlen und an den steilen Felsen das Essen vergessen und mich “ verstiegen ” hatte, vor vier Jahren ganz allein ausser der Zeit mit Speise und Trank versehen und mir—froh einmal wieder deutsch sprechen können—von der Schönheit der kleinen Insel vorgeschwärmt. Den Interessen des Rothschildschen Museums wurde ich dadurch gerecht, dass ich die Balgvorräthe des z. Z. auf Tenerife weilenden Floericke durchmusterte und interessante Serien davon kaufte. Dann ging es mit der elektrischen Bahn hinauf nach der alten Haupstadt Laguna, wo ich den englischen Ornithologen Scott Wilson traf, mit dem zusammen ich nach Puerto Orotava fuhr. Es war eine herrliche Wagenfahrt. Die nach Erlanger etwas dunklere atlantische Form des Stein- sperlings sahen wir auf Häusern sitzen, der unserm Girlitz zum Verwechseln ähnliche wilde Kanarienvogel sang in den Chausseebäumen, Schwarzkopfgras- mücken und andere Vögel jubelten in den Büschen. Da es etwa eine Woche * In England wird die Mission noch immer lebhaft gefördert, obwohl auch manche Stimme dagegen spricht. Selten wird die Missionsthätigkeit so kühn und bitter angegriffen, wie in dem eben erschienenen Buche von einer Dame, die unter dem angenommenen Namen Frances Macnab ein wirklich anziehendes Buch “A Ride in Morocco among Believers and Traders” geschrieben hat. Dagegen ist die heiseskizze ‘‘ Seventy-one Days’ Camping in Morocco ” von Lady Grove ohne Interesse und Belehrung. ( 304 ) gedauert hätte, bis ich Jagderlaubniss erhalten hätte, so musste ich darauf ver- zichten und mich beschränken, einige kleinere Vögel mit einer Stockflinte, die Niemand bemerkte, zu schiessen. Da ich damit auch die Segler leidlich sicher aus der Luft herabschoss, war das kein so grosser Verlust für mich in der kurzen Zeit meines Aufenthaltes. In der schönen Villa des Mr. Urompton bei Orotava wurden wir zum Frühstück eingeladen. Ich fing dort schöne Vanessen und Pieriden und bewunderte Cromptons sehr hübsche Schmetterlingssammlung. Nach einem angenehmen Tage in Puerto Orotava brachen wir nach Icod de los vinos auf. Die Fahrt ist eine der köstlichsten, die man sich denken kann. Der Pico de Teyde, infolge des kühlen Frühjahrs ungewöhnlich weit mit Schnee bedeckt, war fast eine Stunde lang im hellen Sonnenglanze sichtbar, die wildzerklüfteten Felsen mit den tiefeingesägten Barrancos, die Blicke auf das blaue Meer—alles vereinigte sich zu einem Genusse wie kaum eine andre Fahrt ihn bietet. Es ist bekannt, «dass Humboldt schon einen Blick auf dem Wege von Laguna naclı Orotava als den schönsten bezeichnete, den er je gesehen. Mag man nun damit übereinstimmen oder nicht—auch hierin ist der Geschmack verschieden, und ein solcher Ausspruch kann eigentlich nicht ernsthaft genommen werdenu— jedenfalls ist der Weg nach lcod unvergleichlich viel schöner und kann daher schon mit andern Wegen der Welt verglichen werden. lcod ist ein altes, kleines Städtchen, interessanter, aber viel ruhiger und weniger besucht, als Orotava. Wir machten einen kurzen Besuch bei dem riesigen Drachenblutbaum, der deu durch Humboldt berühmt gewordenen, aber nun recht traurigen von Orotava ganz in den Schatten stellt. Daun stiegen wir zu Pferde, um die dichten, über Icod gelewxenen Fichtenwälder zu besuchen, wo ich hoffte, den berühmten Teydefinken (Fringilla teyden) zu schauen. Leider wurden wir durch heftigen Regen und dichten Nebel bis auf die Haut durchnässt. Wir liessen nicht nach, sondern drangen bis hoch in die Fiehtenwälder ein, aber in den triefenden Bäumen war kaum ein Vogel laut, nur ein Rabe krächzte in der Ferne, ein Milan ward aus einer Baumkrone aufgescheucht, hier und da sah man eine Blaumeise (Parus caernleus tenerifae), und nur das dunkelkehlige Rothkehlchen (Zrithacus rubecula superbus) sang dem Unwetter gleichsam zum Trotze seiu schwermüthiges, von dem des europäischen Rothbrüstchens etwas abweichendes Liedehen. Wie begossen trafen wir gegen Abend wiederin lcod ein. Wir hatten uns nur für eine Nacht dort eingerichtet, und da wir beim schönsten Sonnenschein von Orotava abgefahren waren, nur das Nothdürftigste mitgenommen. Unsre Kleider mussten daher am Kochherd und mit heissen Eisen von der Magd Juanita mit Hülfe der halben Familie getrocknet werden, denn unser Plan in Pyjamas zum Essen zu gehen wurde durch das unerwartete Eintreffen einer englischen Herzogin mit Tochter und Gesell- schafterin vereitelt. Wir unterhielten uns ausgezeichnet mit den Damen, aber der Regen wurde immer heftiger, und bald erschien der Kutscher und erklärte, wir müssten entweder heute oder garnicht nach Orotava zurück, denn die Bäche begännen zu schwellen und die Schluchten zu füllen, und morgen dürfte die Uhaussee unpassierbar sein. Obgleich ich das noch heute für übertrieben halte, zahlteu wir kurz entschlossen unsre Zeche und fuhren hinaus in Sturm und Regen. Die Fahrt war ein bitterer Contrast gegen die Herfahrt. Wind und Regen tobten um die Wette, die Giessbäche rauschten tosend durch die Barrancos, und häufig musste der Kutscher absteigen, um erst den Weg mit der Laterne zu beschauen. Nach Mitternacht waren wir wieder in Orotava, wo wir erst nach langem Lärmen Einlass in unser Hotel erhielten. ı 305 ) Noch verlebten wir amüsante Stunden bei dem allen Besuchern von Orotava bekannten Don Ramon Gomez, dem auch mit Vogelbäleen, Biern, andern Naturalien und Antiquitäten handelnden Apotheker des Ortes. Höflich, gescheit, amüsant und ein gewaltiger Schwätzer—das war mein Eindruck von Don Ramon. Er glaubte mir mit seinen ornithologischen Kenntnissen imponieren zu können, aber in manchem Falle konnte ich ihn belehren oder berichtigen. Dann versuchte er mir einige unglaubliche Jagdgeschichten, die seine Schiesskunst beweisen sollten, auf- zubiuden, worauf ich ihm denn mit grösster Seelenruhe einige völlig unmögliche, selbsterlebte Jagdabentener aus Indien auftischte. Sein Staunen war grossartig, er erklärte schliesslich begeistert, dass ich ihm in Allem über sei, und wir schieden als die besten Freunde. In Laguna hatte ich noch das Vergnügen, den durch seine Schrift über die canarischen Vögel bekannten Don Anatael Dr. Cabrera y Diaz zu treffen und unter seiner Führung das Museum im wissenschaftlichen Institute zu Laguna zu besehen. Ich bemerkte schon früher, in wie schlechtem Zustande und wie ungenügend konserviert die auf diese Weise ihrem Untergange geweihte werthvolle Sammlung ist. Zur richtigen Zeit traf der Dampfer “ Zweena” ein, auf dem ich wieder dem alten Europa entgegen dampfte. Einen schönen Tag konnten wir noch in Madeira zubringen, das zwar mehr bewachsen, blumenreicher und freundlicher als Sta. Cruz de Tenerife ist, aber sich an Grossartigkeit und Majestät nicht entfernt damit messen kann. Die Heimreise war ruhig und sonnig, selbst der Biscayische Meerbusen war fast spiegelglatt—eine “ Jadies’ bay ” wiedie Seeleute sagten— aber im Aermelkanal war es kalt, nebelig, echtes englisches Wetter, wie es dort nur zu häufig ist. Einen Tag früher, als wir erwartet hatten, trafen wir an der Themsemündung ein, und bald rollte ich wieder durch die Strassen London’s dem Bahnhofe zu. IE KAPITEL: EINIGE KURZE NOTIZEN UBER DIE VOGEL DER GEGEND UM MAZAGAN IM MITTLEREN MAROKKO. Die folgenden Notizen über 83 Arten enthalten nur einzelne Thatsachen und Besprechung einiger sich bei Untersuchung der Bälge aufwerfenden Fragen, Als Material dazu dienten nicht nur die Vögel, die ich selbst während meines Frühlingsausfluges sammeln konnte, sondern hauptsächlich auch die von Herrn Riggenbach an das Rothschildsche Museum gesandten Sammlungen, beides zusam- men aber ist noch viel zu wenig, um davon einen vollen Ueberblick über die Ornis dieses Theiles von Marokko zu gewinnen. Nichtsdestoweniger dürften die Notizen von einigem Interesse sein, da unsre Kenntniss von den Vögeln Marokko’s noch sehr unvollkommen ist. Die weitaus vollständigste Liste marokkanischer Vögel ist die von Herrn Whitaker im /dis 1898 pp. 592-610, deren Reihenfolge ich auch hier gefolgt bin. Vielfach habe ich auch Bezug genommen auf die in systematischer Beziehung wichtigste Arbeit über die Atlasländer, nämlich die von C. von Erlanger im Journal für Ornithologie, die grossartigste Erstlingsarbeit eines Ornithologen neuerer Zeit. Die Bedeutung dieser Arbeit hat mich veranlasst, einige meiner 20 ( 306 ) Auschauung nach nicht richtige Ansichten zu besprechen. Ausserdem musste icn natürlich u.a. wiederholt Koenig’s grundlegende und biologisch einzig dastehende Arbeiten über Tunis und Algier erwähnen. Die weitverbreiteten Strandlaüfer und einige andre gewöhnliche See- und Sumpfvögel habe ich nicht erwähnt, da sie weder Anlass zu systematischen oder biologischen Auseinandersetzungen boten, noch irgend etwas zoogeographisch neues zeigten. 1. Turdus merula mauritanicus subsp. nov.—Wie schon oben bemerkt ist die Amsel in der Mhoiwla sehr häufig. Ihre systematische Stellung ist sehr interessant. Die canarische Amsel beschrieb ich als Zurdus merula cabrerae. Diese Unter- scheidung wird durch eine Serie von Herrn von Thanner (von Tenerife) und die mir gütigst geliehenen Exemplare der Tristram’schen Sammlung im Museum zu Liverpool bestätigt. Mir liegen jetzt auch Weibchen vor. Sie unterscheiden sich von denen typischer Turdus merula aus Skandinavien, Deutschland, England durch dunklere, weniger rothbräunliche Brust, stärkeren, kräftigeren Schnabel, kürzere Flügel, kürzeren Schwanz. Nun habe ich aus der Mhoiwla bei Mazagan eine wundervolle Serie von 15 Amseln erhalten, die in der Stärke des Schnabels ungefähr den canarischen gleichen, während der Flügel einige Millimeter, der Schwanz fast einen Centimeter länger ist. Die Weibchen dieser Form sind im frischen Gefieder fast schwarz, wenn abgerieben bräunlich schieferfarben. An Kehle und Brust sind die Federmitten schwärzlich, die Säume bräunlichgran, eine deutliche Strichelung ist nur an der oberen Kehle zu bemerken, und der Schnabel ist ganz orange-farben. Ganz auffallend unterscheidet sich der junge Vogel. Die Oberseite ist schierferfarben (nicht bräunlich) mit hell rostfarbenem Spitzen und Linien, die Unterseite rahmfarben mit schwarzen Spitzen und grauen Wurzeln der Federn. Der rost- braune Ton der Unterseite europäischer Amseln fehlt vollkommen. Hahnenfedrige Weibchen, die in Europa nicht ganz selten vorkommen, ähneln ihnen etwas, man muss sich aber hüten, solche zum Vergleiche mit normalen Weibchen andrer Gegenden heranzuziehen. Die syrische Amsel (zwei im British Museum, zwei von Tristram aus dem Liverpool Museum untersucht), Turdus merula syriaca, wenn zu trennen, hat einen auffallend schlankeren Schnabel als die Marokkaner, das Weibchen ist graubraun, heller, mehr bräunlich, unten viel mehr streifig. Man kann also folgende Formen wohl unterscheiden :— A. Turdus merula merula: Europa: typus Scandinavien. Schnabel des d gelb, etwa 26-7 mm., Flügel 130-35. ? mit weisslicher, braungestreifter Kehle, Brust stark rothbraun Schnabel bräunlich. B. Turdus merula cabrerae: Uanaren : typus Tenerife. (Vermuthlich auch Madeira.) Schnabel des d orange, des $ bräunlich, in beiden Geschlechtern kräftiger, stärker, Flügel und Schwanz kürzer. al. d 126-29. ? unten dunkler, besonders an Kehle und Brust. c. Turdus merula mauritanicus—Marokko: typus Mhoiwla bei Mazagan. (Amseln aus Algier und Tunis sind vielleicht auch noch wieder verschieden. Es fehlt mir an Material). Schnabel ganz so kräftig wie bei “»,” Flügel etwas länger, fast wie bei “A,” Schwanz desgleichen. $ oben schieferfarben, unten ganz ohne rothbräunlichen Ton, Schnabel in beiden Geschlechtern orangefarben. (Männchen von “B ” und ‘“c” scheinen oben tiefer, reiner schwarz zu sein als die von *A.”) Fl. d 126-32, 2 123-27. ( 307 ) D. Turdus merula syriaca: Syrien und Palästina. d wie das von “A,” nur Schnabel dünner, etwa 28-9. 2 unten graubraun, noch mehr grau, als die von “8,” ohne rothbraun an der Brust, aber heller, mehr streifig, als “ec.” dal. ca. 130. E. Turdus merula intermedia : Centralasien. d etwas grösser als alle vorigen, ? unten graulich, also etwa wie das von “nD. Fr. Turdus merula maxima : Kaschmir. Genaue Verbreitung nicht feststehend, da Unterscheidung von “E” nicht ganz festgestellt worden. Grösste von diesen Formen, noch grösser als “ 2. 2. Turdus musicus L.—Häufig im Winter. 3. Aödon luseinia (L.)—Wie schon früher angegeben ungemein häufig im Orangenhain der Mhoiwla. Ich erlegte dort ein Männchen, aber Riggenbach sandte bisher nur Stücke aus den Monaten August und September. Von den letzteren ist kaum festzustellen, ob es heimathsberechtigte Marokkaner oder Wanderer aus Europa sind. Ich kann nicht finden, dass sich der von mir erlegte Vogel von europäischen Stücken (England, Deutschland, Montenegro) unterscheidet. Der Flügel ist kürzer als bei der Mehrzahl der Europäer, aber einige Männchen aus Europa sind genau eben so kurzflüglig. Dodson sammelte Nachtigallen im April und Mai bei Casablanca, Rabat und Marrakesch. Siehe Whitaker’s Arbeit. 4. Cyanecula suecica (L.)—W intervogel. 5. Erithacus rubeeula (L.)—Wintervogel, schon vom 4. Oetober an. Augen- scheinlich kommen beide Formen vor, nämlich das typische Rothkehlehen von Nord- und Mitteleuropa, und die englische Form, Erithacus rubecula melophilus.* 6. Rutieilla phoeniceurus (L.)—Ausserordentlich zahlreicher Herbst- und Winter- vogel, vom 15. September an erhalten. 7. Rutieilla tithys (L.)— Wintervogel, aber anscheinend seltener als . phoenicurus. 8. Diplootocus moussieri (Olph-Galliard).—Im allgemeinen in Marokko ziemlich häufig (Tanger, Amsmiz, Enzel, Zarakten, Tilula, Glaoui, Ras-el-Ain, Eeru), aber bei Mazagan offenbar selten. Riggenbach sandte bisher nur ein (prächtiges) Männchen, das er am 27. ii. 1902 am Djebel Chedar, 16 Stunden 8.8.0. von Mazagan erlegt hatte. Ueber die systematische Stellung dieses Vogels kann ich nieht umhin, einige Auseinandersetzungen zu machen. Die Art wurde zuerst keineswegs ganz unrichtiger Weise, sondern augen- scheinlich mit voller Ueberlegung zu den Rothschwänzen gestellt. Im “ Extrahefte” des Journals für Ornithologie 1853 stellte dann Cabanis die Behauptung auf, dass sie näher mit den Pratincola-Arten verwandt sei, und verwies sie in die letztere Gattung, ohne jedoch seine Ansicht irgendwie zu begründen. Spätere Schriftsteller fuhren fort, sie als Rutieilla aufzufassen, bis Sharpe 1883 (Cat. B. VII p. 20) den Vogel in die Gattung Pinarochroa stellte, die bis dahin nur Rüppell’s Sazicola sordida umfasste. Im Journal für Ornithologie 1883 und 1895 gab uns dann Koenig die ersten und weitaus umfassendsten biologischen Mittheilungen über den Vogel, auf Grund deren er ihn unbedingt zu Pratincola stellt. Diese Auffassung ist ebenso anfechtbar wie die anderen. Verglichen mit Pratincola rubetra, dem ” * Mit Bezug auf meine früheren Angaben iiber den Gesang des Tenerife-Rothkehlchens möchte ich hier mittheilen, was mir zwei gute Beobachter, Herr von Thanner und Rey. Hubert D. Astley, auf Grund längerer Beobachtung schrieben: Beide fanden den Gesang von Brithacus rubecula superbus zwar von dem der europäischen Formen merklich abweichend, aber doch sofort als ein Rothkehlchengesang zu erkennen, Thanner fügt hinzu, dass die Lockstimme auffallend verschieden ist, ( 308 ) Typus des Genus Pratincola, finden wir, dass der Schnabel ganz anders geformt ist, denn er ist viel schlanker, an der Basis erheblich schmäler und durchaus dünner ; der Schwanz ist im Verhältniss zu Flügeln und Läufen länger als bei Pratincola : der Färbungscharakter ist ein ganz andrer—die ungefleckte Oberseite, der rothe Schwanz, der weisse Flügelspiegel, der Unterschied der Geschlechter sind weit mehr rutieilline als pratincole Charaktere. Die Eier sind ebenfalls ganz rutieillin; und ein Analagon zu den zwei Färbungen, grünlichblau und weisslich, giebt es auch bei Autieilla tithys, dessen in der Regel reinweisse Eier ausnahms- weise auch mit blaugrünlichem Anflug vorkommen. Nach diesen Thatsachen dürfen wir moussieri nicht mit Pratincola vereinigen. Im ganzen Aeusseren—Färbung (man vergleiche auch die weisse Stirn und Kopfseitenflecke bei Autic. phoenicura, den weissen Flügelspiegel bei tithys und mesoleuca, u.a.m.) und Schnabelblau stimmt moussier! mit Rutieilla überein, aber der Flügel ist kürzer, mehr gerundet, lange nicht so spitz, der Schwanz kürzer und schmäler. Die Schwingenverhältnisse stimmen weder mit Pratincola noch mit Rutieilla überein. Die zweite Schwinge ist nur ganz wenig länger als die Armschwingen, aber sehr viel kürzer als die dritte bis sechste, die am längsten und beinahe gleich sind. Ausserdem kommt als immerhin beachtenswerth die Lebens- und Nistweise hinzu, die wieder viel mehr mit Pratincola als mit Rutieilla übereinstimmt. Wir dürfen also nach diesen Vergleichungen unsre Art auch nicht ohne Skrupel mit Autieilla vereinigen. Untersuchen wir nun Pinarochroa, so wird uns ausser dem ganz anderen Färbungstypus (düster grau und braun, weiss und schwarzbraun, Geschlechter gleich) die grosse 1. Schwinge, der runde, kurze Flügel, kürzere, breite Schwanz, die langen starken Beine, der kräftige, höhere Schnabel sofort auffallen, und wir werden moussieri auch nicht mit Pinarochroa vereinigen können. Es bleibt daher nichts weiter übrig, als eine neue Gattung: Diplootocus nov. gen.* für unsere moussieri zu schaffen. Diese Gattung würde ich unmittelbar neben Rutieilla stellen, denn ein Rothschwänzcehen mit kurzem Schwanze und kürzerem, gerundeten Flügel (Standvogel gegenüber den meist wandernden Autieillen), und ganz Pratincola-artigen (wohl durch den Aufenthaltsort bedingten) Gewohnheiten ist die mmoussier? meines Brachtens doch. 9. Saxicola oenanthe.—-Zugvogel. 10. Sawicola stapazina.—Nur ein sehr röthliches Weibehen bisher eingesandt. 11. Pratincola rubetra.—Häufiger Wintervogel. 12. Pratineola rubicola—Ein sehr häufiger Brutvogel, wahrscheinlich aber erscheinen auf der Durchreise auch Zugvögel. Frisch vermauserte Herbstvögel haben auf der Oberseite heller bräunliche, nicht so rothbraune Federkanten, als Stücke aus England (Tring, Sussex) und Deutschland (Wesel). Im Frühjahr haben die alten Männchen schon im April eine ganz schwarze Oberseite, während sie in England noch im Mai und Juni breite braune Federkanten haben und erst im August ganz schwarz sind, auch sind die Oberschwanzdecken bei den Marok- kanern im Frühling mehr weiss, die Brust etwas heller rothbraun. Alle die Unterschiede der Frühlingsvögel können auf dem in Marokko stärkeren Abreibungs- und Verbleichungsprocess und früherer Brutzeit zu beruhen. Im Herbstkleide * Aus öumAoos, zweifach, doppelt, und &orökos, Bier legend, ( 309 ) sind diese Vögel etwas variabel und meine Serie ist nicht gross. Ich wage daher vorläufig noch nicht die marokkanische Form zu trennen, obwohl sie mir nicht ganz die typische zu sein scheint. 13. Agrobates galactodes (Temm.)— Scheint ziemlich häufig zu sein, da Riggen- bach eine Serie aus der Umgegend von Mazagan sandte. Bei Tanger häufig. Von Dodson von Marrakesch, Enzel, Ogadel und Ras-el-Ain in den Monaten April, Mai, Juni erbeutet. Marokkanische galactodes scheinen ganz typisch zu sein, gleichwie die von Algier und Tunis, während in Nordostafrika der erheblich kleinere Agrobates galactodes minor (Cab.) wohnt. Es ist nicht rathsam, die Gattung Agrobates (der Name Aödon ist unhaltbar, weil früher schon vergeben) mit Sylvia, wie Seebohm im Catalogue of Birds V. gethan hat, zu vereinigen. Wenn wir so weit gehen, müssen wir mehrere hundert andre Genera der Passeres aufgeben. 14. Sylvia subalpina Temm.—Bisher nur junge Herbstvögel von Mazagan erhalten, die ein genaues Studium der Form nicht ermöglichen. 15. Sylvia melanocephala (Gm.)— Ebenfalls nur junge Herbstvögel erhalten. 16. Sylvia orphea Temm.—Ein Herbstvogel eingesandt. 17. Sylvia atricapilla (L.)— Die Schwarzkopfgrasmücke ist ein häufiger Brut- vogel im Örangenhaine der Mhoiwla.. Von mir erlegte und von Riggenbach gesandte Stücke scheinen sich von europäischen in keiner Weise zu unterscheiden. In der Flügellänge finde ich bei europäischen sowohl als bei nordafrikanischen Stücken auffallende Variation. Der Vogel von Madeira und Tenerife ist anders. 18. Sylvia syloia (L.)—Häufig bei Mazagan im Herbste. Bisher sind mir aus Marokko nur Herbstvögel zu Gesicht gekommen. 19. Phylloscopus trochilus (L.)—Ausserordentlich häufig im September, aus welchem Monate Riggenbach eine Anzahl von Stücken sandte. Kommt auch im März und April vor. 20. Phylloscopus rufus (Bechst.)—Im Herbste (September und November) nicht selten. 21. Phylloscopus sibilatrix flavescens Erl.— Wie schon vorhin bemerkt erlegte ich in der Mhoiwla zwei Laubsänger, die durch etwas gelberen Farbenton der Oberseite und der Kopfseiten, auch etwas mehr gelbe Schattierung des Vorderhalses von den aus Skandinavien, England und Deutschland stammenden von mir ver- glichenen Stücken sich ein wenig unterscheiden. Ich bin aber noch keineswegs sicher, dass diese Unterschiede immer stiehhaltig sein werden. Die in Afrika erlegten Vögel sind vom $'" und 9" April und aus dem März, während die aus Europa aus dem Ende des April, meist aber aus dem Mai und Juni stammen. Die aus Afrika sind allein herrlichem Gefieder, die aus Europa, soweit ich sie vergleichen konnte, sind nicht mehr ganz so frisch, sie haben die Reise von Afrika her hinter sich und haben schon begonnen, sich zu paaren. Wir wissen noch nicht mit Sicher- heit, dass die Art in Afrika brütet. Loche’s Angabe kann sehr leicht auf einem Irrthum beruhen, Koenig führt sie nur als Zugvogel an und auch Erlanger hat das Brüten nicht konstatiert, die Sammlungen von Mr. Dodson aus Marokko enthielten die Art nicht. Wenn diese Vögel in Afrika brüteten, so sollten sie früher, nicht aber später, als ihre Verwandten in Europa nisten, und die Exemplare, die Erlanger und ich am 17“, st und 9 April erlegten, ebenso wie ein von Spatz am 25°“ März gesammeltes, haben ganz sicher noch nicht genistet. Erlanger sagt nieht, wieviele Stücke aus Deutschland er verglichen hat, aber es ist anzunehmen, dass seine Serie nicht sehr gross war, während er aus Tunesien nur vier Stück hatte, von denen eins albinistisch, also zum Vergleiche nicht brauchbar war. Erlanger erwähnt auch ein ( 310 ) Stück von “ Phylloscopus sibilatrix flavescens” aus der Balkanhalbinsel, das ““ zwar nicht ganz so gelb wie seine tunesischen Stücke ist, ihnen aber doch sehr nahe steht.” Auch mir liegt ein Stü:k aus Serbien vor, das von den Marokkanern und Tunesen nicht zu unterscheiden ist. Es ist am 22. April erlest. Dies würde die Theorie Erlanger’s unterstützen, dass sein Ph. sib. flavescens auch die Mittelmeer- länder bewohne, ehe aber das Brüten in Nordafrika feststeht, können wir kaum mit voller Sicherheit behaupten, das favescens eine wohlunterscheidbare Form ist. Die Unterschiede derselben können sehr wohl nur auf dem frischeren Zustande des Gefieders beruhen. Die Tafel im Journal für Ornithologie ist nicht exakt koloriert: der Tunese ist nicht gelb genug, zu grün, der deutsche Vogel entweder oben zu bräunlich, oder, wenn dem Original entsprechend, schlecht ausgewählt, da es in Deutschland lebhaftere, grüuere Stücke giebt. Meine biologische Beobachtung in der Mhoiwla bezüglich des Gesanges scheint Erlanger’s /avescens glänzend zu bestätigen. Aus diesem Grunde legte ich meine marokkanischen Exemplare in der Maisitzung des British Ornithol. Club, 1901, vor und sagte, dass ich von der Nothwendigkeit die südliche Form zu trennen überzeugt sei, weil der Gesang ein andrer sei, obwohl die Stücke “manchmal kaum von typischen europäischen szbilatrix zu unterscheiden wären.” Obwohl ich so viel Erfahrung im Beobachten habe, dass ich weiss, wie leicht ein Irrthum dem vor- sichtigsten Sammler, zumal in den dichten Kronen eines Laubwaldes, passieren kann, und mich auch keineswegs für unfehlbar halte, bin ich überzeugt, dass in diesem Falle kein Irrthum vorliegen kann. Dazu kommt noch, dass Mr. Meade-Waldo in der Maisitzung des Brit. Orn. Club mittheilte, dass er Phylloscopus sibilatrix häufig in den Wäldern des mittleren Marokko gefunden habe, dass sie aber dort einen ganz andern Gesang hätten, als in Europa. Ich hoftte eine grössere Serie’aus der Mhoiwla im Frühling 1902 zu erhalten, aber Riggenbach traf diese Vögel nicht an, und ich empfehle daher den Fall weiterem Studium. Noch bemerke ich, dass das albinistische Exemplar, welches Erlanger abbildet, auf keinen Fall “ als Beispiel dienen kann, dass die Vögel Tunesiens die Neigung haben, gelbliches Colorit anzunehmen,” oder gar “als Extrem der dortigen Coloritannahme betrachtet werden” kann. Im Gegentheil, das Stück zeigt auf den ersten Blick, dass es eine albinistische Abnormität darstellt. Zur Begründung solcher Behauptung hätte es eines grossen Procentsatzes solcher Stücke bedurft, und auch dann hätte eine Serie solcher Stücke nur bewiesen, dass tunesische Exemplare zum Albinismus neigen. Dass grüne Vögel fast immer gelbe, nicht weisse Albinos haben setze ich als bekannt voraus. 22. Hypolais pallida opaca (Licht.).—Ein häufiger Brutvogel in der Nähe von Mazagan. Von Whitaker (/bis 1898 p. 598) als “ Hypolais pallida” angeführt, die echte pallida kommt aber nicht in Nordwestafrika vor. Merkwürdigerweise soll opaca in Tunis und Algier erst südlich der Atlaskette auftreten. 23. Cettia cetti (Marm.).—In dem Orangenwalde der Mhoiwla, besonders näher am Strome, waren diese Vögel häufig. Von allen europäischen Vögeln ähneln ihnen in den Bewegungen jedenfalls die auch systematisch nicht so ganz fernstehenden Locustellen am meisten. Die echten Rohrsänger und noch mehr die viel ferner stehenden Sylvien benehmen sich ganz anders. Höchst auffallend ist der Gesang. Es ist eine kurze Strophe, etwa so lang wie ein Buchfinkenschlag, aber mit einer ganz ausserordentlichen Kraft herausgeschmettert. Er hat etwas ausgeprägt metallisches in seinem Klang und erinnert sehr entfernt an einen Theil des Schlages der Nachtigall. Da er auch bisweilen noch in der Nacht singt, verwechseln ihn die (3) Marokkaner mit der Nachtigall, die ja auch ebenso gefärbt ist. Am 9. April fanden wir ein Nest. Es stand in der Mitte eines dichten Strauches, kaum einen halben Meter über dem Boden. Es ist ungemein tief, wie das der Nachtigall, aus dürren Blättern, Gras und Wurzelfasern lose gefügt, innen aus feineren Halmen und mit weichen Federn ausgelegt. Die zwei wunderschönen, braunrothen Eier messen 17:6 x 13:9 mm. 24. Cisticola eisticola (Temm.).—Wo nur Seggen, hohes Gras und dere. wächst nicht selten. 25. “ Parus major excelsus Brehm” (Buvry, Journ. für Orn. 1857 p. 194, Wald Nrakta el Abbia im nördl. Algier). — Wie erwähnt nistete die Kohlmeise in der Mhoiwla. Ich erlegte 5, Riggenbach sandte 6, aus Algier liegt mir der “Typus” von P. m. excelsus, von Buvry gesammelt, aus Algier ferner ein von Elwes am 10. Mai bei Batna und aus Tunis ein von Hilsert erlegtes d (2. vii. ’97) vor. Ich finde, dass alle diese Vögel sich von einer bedeutenden Serie aus Schweden, Grossbritannien und Deutschland durch ein reineres, entschieden weniger grünliches Gelb der Unterseite unterscheiden. Dieser Unterschied ist recht auffallend, aber italienische Stücke scheinen denen von Nordafrika und nicht denen aus Nordeuropa zu gleichen, während solche aus Bosnien und Montenegro (beim Vergleiche einer nur kleinen Serie) dazwischen zu stehen scheinen. Durchschnittlich, aber nicht ausnahmslos, ist auch der Schnabel der Nordafrikaner kräftiger, was besonders bei denen aus der Mhoiwla auffällt (Vergl. Erlanger, J. f. ©. 1899 p. 285). Im Journal für Ornithologie 1901 p. 173 hat Hellmayr sich entschieden, vorläufig noch keine Subspecies von Parxs major abzutrennen, ich glaube aber man thut besser ?. m. excelsus noch nicht bei Seite zu schaffen. Noch weniger kann ich mich mit dem Kaltstellen von P. major blanfordi einverstanden erklären. Persische, palästinensische, und cypriotische Kohlmeisen haben so auffallend viel mehr grau auf dem Rücken, dass sie sicherlich getrennt werden müssen. Ich hatte diese Trennung ebenfalls im Manuskript vorgenommen, als Prazak’s Arbeit erschien.* Sehr auffallend ist ferner das Vorkommen unten hellgelblicher Stücke in Spanien. Man könnte diese vielleicht mit “ ewcelsxs ” vereinigen, aber sie scheinen wirklich noch weisslicher zu sein, ebenso wie solche aus Griechenland. Vom Altai liegen mir Stücke vor, die den nordeuropäischen wieder näher stehen und im Durchschnitt sehr gross erscheinen. Jedenfalls möchte ich Parus major major (Nord- und Mittel- europa mit England), P. m. excelsus (mediterrane Gebiete), P. m. blanfordi (Persien, Palästina), und P. m. aphrodite (Cypern) aufrecht erhalten und die übrigen Kohl- meisen weiterem Studium empfehlen. Die englische Kohlmeise unterscheidet sich in keiner Weise von denen Skandinaviens und Deutschlands. Die von Prazka angegebenen Unterschiede bestehen, wie schon Hellmayr richtig bemerkt, absolut nicht. 26. Motacilla alba L.—Häufiger Wintervogel. 27. Motacilla lugubris Temm.— Ebenfalls Wintervogel. 28. Motaeilla flaca L.—Desgleichen Wintervogel. Ein d mit lebhaft dunkler, fast orangegelber Unterseite vom 18. iii. 1900 wurde eingesandt. 29. Anthus pratensis (L.).—Ein Wintervogel eingesandt. 30. Anthus trivialis (L.).—Wintervogel. 31. Anthus campestris (L.).—Brutvogel, alte und junge Stücke aus verschiedenen Jahreszeiten gesandt. * Die eypriotische Kohlmeise ist nun auch noch von Madarasz als “ Parus aphrodite” beschrieben, Ich würde sie allerdings lieber mit P. major als mit P, minor verglichen baben. ( 312 ) 32. Pyenonotus barbatus Desf.—Ziemlich häufig in der Mhoiwla. Der laute, lärmende Schlag und Pfiff erinnerten mich vollständig an die Tropen, wo man Pyenonotus und Crateropus Arten mit ähnlichen Stimmen vernimmt. Die Strophe klingt voll und stark etwa, wie “ huit, huit, huit, hwitera, hwitera.” Die Vögel leben grossentheils von Früchten und lieben namentlich Orangen, die sie oft gänzlich aushöhlen. Es ist nur so ziemlich, aber keineswegs ganz richtig, dass derselbe Bülbül von Algier (wo er seltener ist) und Marokko (wo er häufiger ist) bis nach Senegambien und zum Niger verbreitet ist. Eine Vergleichung der von Riggenbach und mir gesammelten Stücke mit einer Serie vom Niger (Roth und Ansorge) und Sene- gambien zeigt, dass die marokkanische Form sich von der tropischen folgendermassen unterscheidet : Die obere Kehle ist mehr braun, nicht so schwärzlich. Die Unterkörper nicht so rein weiss. Diese beiden Unterschiede sind natürlich nur an einigermassen frischvermauserten und wohlpräparierten Stücken zu sehen. Flügel und Schwanz, namentlich der letztere, sind länger. Um diesen Unterschied zu finden muss man natürlich Männchen mit Männchen und Weibchen mit Weibehen vergleichen, denn die letzteren sind immer kleiner. Man wird dann finden, dass die Flügel der marokkanischen Form mindestens } cm., die Schwänze etwa 1 cm. länger sind. Die nordwestafrikanische Form ist also der typische barbatus (Typus Algier, synonym sind obscurus und lugubris), die tropisch westafrikanische Form aber muss Pycnonotus barbatus inornatus (Typus Goldküste, synonym «ashanteus) heissen. 33. Lanius algeriensis dodsoni Whitaker.—Ich traf leider diesen Würger nicht an, wie mir Riggenbach voraussagte, er scheint also an besondres Gelände gebunden zu sein. Riggenbach sandte eine prachtvolle Serie vom Djebel Chedar und Ouled Farsh, etwa neun Stunden von Mazagan. Wie Whitaker (Ibis 1898 p. 599) sehr richtig bemerkte unterscheiden sich diese Würger alle von Lamius algeriensis algeriensis, der in Nord-Marokko, bei Tanger, häufig ist, durch heller graue Oberseite, was besonders auf Kopf und Bürzel auffällt, und viel hellere, oft fast weisse Unterseite, die zuweilen ganz des grauen Anfluges von typischem Algier- würger entbehrt und meist ein ganz wenig rahmfarben angelaufen ist. 34. Lanius senator 1.--Der Rothkopfwürger ist ein häufiger Brutvogel in Algier, und Riggenbach sandte eine Menge junge und einige alte Vögel. In den Novitates Zoologieae 1899 pp. 415-18 machte ich einen Versuch der Unterscheidung mehrerer Formen dieses Würgers, nämlich : 1. Lanius senator senator : Europa. 2. Lanius senator pectoralis: Nordafrika. 3. Lanius senator badius: Westafrika (vielleicht Brutvogel auf Corsica und Sardinien). 4. Lanius senator paradoxus: Nordostafrika. Es scheint, dass dadius und paradorus aus- gezeiehnete Formen sind. Mit Bezug auf den nordafrikanischen Rothkopfwürger wies ich zunächst nach, dass der Name pectoralis anstatt rutilans für dieselbe zu gebrauchen sei und sprach Zweifel aus, ob diese Form überhaupt zu unterscheiden sei. Ich glaube das heute nieht mehr. Nachdem Erlanger zuerst ganz richtig darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die von Koenig (Journ. f. Orn. 1888 Tafel III, und später) mir (Katalog Vogels. Frankfurt p. 20, Anm. 156) u. a. fälschlich für unterscheidend gehaltene blassere Färbung auf dem Gefiederzustand beruhe, wurde die weniger weisse, mehr röstliche Unterseite als Unterscheidungs- merkmal hingestellt, aber ich glaube, dass auch dies kein Merkmal abgiebt, und dass man die enropäisch-marokkanisch-algierisch-tunesischen Brutvögel zu einer Form rechnen sollte. Ich habe ein nicht ganz schlechtes Material untersucht. (313 ) 35. Muscicapa grisola‘ L.—Häufiger Zugvogel. (Die sibirische Form dieses Fliegenfängers unterscheidet sich nicht von der europäischen.) 36. Museicapa atricapilla L.—Häufiger Durchzugsvogel im Herbste. Whitaker führt an ein Paar von Marrakesh, Mai! 37. Hirundo rustica L.—-Wie schon oben bemerkt nisteten Rauchschwalben in Riggenbach’s Hause und anderwärts in Mazagan. Ein gepaartes Paar, das ich schoss, unterscheidet sich in keiner Weise von typischer . rwustica, ausser dass die Flügel eine Wenigkeit (2-3 mm.) kürzer sind, ein Unterschied, der wohl kaum konstant sein dürfte. Ausserdem ist die Rauchschwalbe ein häufiger Zugvogel in Marokko. 38. Clivicola mauritanica (Meade-Waldo) (Bull. B. 0. €. XII p. 27, November 1901). —Von Meade-Waldo vom “ Wad Moorbei, Behamra” beschrieben. Riggenbach zufolge ist das dasselbe wie der Oum Rbiah, und er sandte auch ein halbes Dutzend schöner Bälge von Ouled Farsh und von unweit der Mhoiwla von den Ufern dieses Stromes. (. mauritanica ist auf der ganzen Oberseite bräunlich mausgrau, alle Federn etwas lichter an den Rändern, zumal auf dem Bürzel. Schwingen und Stenerfedern dunkelbraun mit äusserst schmalen lichteren Sänmen. Unterseite weiss, Seite, Kehle und Vorderbrust hell bräunlichgrau angeflogen. Schnabel (im Balge) schwarz, Füsse dunkelbraun. Flügel &d : 103, 1034, 105, 22 103, 104, 108, Schwanz 45-474, Schwanzausschnitt höchstens 4, Lauf etwa 10, Schnabel 6 mm. Beschreibung nach Stücken aus der Brutzeit. Am. 21. und 22. Februar fand Riggenbach eine Brutkolonie an den Uferwänden des Oum Rbiah, deren Nester 3 bis 4 Eier enthielten. Die Eier gleichen denen von Oliweola riparia und messen: 163 : 12:6, 162 : 12:5, 164: 12:7.—16°9:: 124, 169: 12, 17: 12:4.— ZT ar22gselhzlR:012:9,,316:9:012:9. 17.7: 51321501821:2113235118:57:718:3: 184: 13:5 mm. Clivicola mauritanica hat nichts mit Ü. riparia zu thun, denn die letztere hat eine viel dunklere Oberseite, weisse Kehle und ein tiefbraunes Kropfband. Ü. mauritanica gehört vielmehr in die Gruppe von (. paludieola und minor (mit welchen Arten sie auch Meade-Waldo ganz richtig verglichen hat) und steht namentlich der letzeren ausserordentlich nahe, hat jedoch eine blassere Oberseite, Flügel und Schwanz. Diese Uferschwalbe bildet somit ein sehr interessantes Element in der marokkanischen Vogelwelt. 39. Biblis rupestris (Scop.)—Ein Stück von QOuled Farsh, 3 Stunden 8. O. von Mazagan, Februar. 40. Carduelis carduelis parva Tschusi.—Der Stieglitz ist ein häufiger Brutvogel in der Mhoiwla. Marokkanische, von .Riggenbach und mir erlegte Stücke unterscheiden sich auf den ersten Blick durch geringere Grösse von der typischen nordeuropäischen Form, auch ist die Farbe des Rückens von einem etwas dunkleren, weniger rothbraunen Ton. Bei Vergleichung von Exemplaren aus Madeira (von Thanner leg.), Tenerife und Marokko kann ich keine wesentlichen Unterschiede wahrnehmen. Die Marokkaner sind daher wohl zu ©. ec. parva Tschusi (1901), Typus von Madeira, zu zählen. Am 9. und 10. April fanden wir Nester. Ein Nest mit 4 Biern (Weibchen auf dem Neste gefangen) ist aussen prachtvoll mit grünen Blättern verziert. Die 4 Eier messen 15:6: 13,16 6: 12-9, 17:5: 13, 15°1: 127 mm. Eier andrer Gelege haben etwa dieselben Maasse, bis zu 17°5: 13°) mn. 41. Serinus serinus (L.)— Ziemlich häufig in der Mhoiwla. Die Bier wurden im lockeren, mit Federn ausgelegten Nestehen gefunden. Die Gelege sind recht verschieden, einige haben eine deutlich bläuliche, andre eine etwas ralımweissliche, (314 ) jedenfalls nicht bläuliche Grundfarbe. Die Zeichnuugeu bestehen bald nur aus feinen Punkten, bald aus kritzeligen Linien und Flecken. Maasse 156: 12, 15:6 : 12 15°6: 11°8, 156: 109, u.s.w. 42. Acanthis cannabina subsp.—Eine von der nordeuropäischen typischen cannabina durch etwas geringere Grösse und dunkler braunen Rücken unterscheid- bare Form des Hänflings bewohnt Marokko. Leider ist die richtige Benennung in ein etwas schwieriges Stadium getreten. Als meine Arbeit über die Ornis der Canaren, worin ich die Form von Tenerife mit grösserem Schnabel, kürzeren Flügeln und dunklerem Rücken als typische cannabina unter dem Namen Acanthis cannabina meadewaldoi beschrieb, sandte mir Herr von Tschusi ein d von Madeira, um es mit Brehmschen Stücken zu vergleichen. Ich theilte ihm mit, dass kein Brehmscher Name darauf bezüglich sei, und er beschrieb die Madeira-Form daher als Cannabina cannabina nana. Ich gab dann noch an, dass auch die Formen von Madeira und Tenerife verschieden seien. Die von mir damals untersuchten Stücke von Tenerife zeigten grössere Schnäbel und viel dunkleren Rücken, als zwei untersuchte d von Madeira. Seither erhielt ich eine schöne Serie von Tenerife von Herrn von Thanner, die zeigt, dass beide Unterscheide nicht so konstant sind, wie ich glaubte. Nur im Durchschnitt kann ich sie an den Vögeln von Tenerife bestätigen. Von Madeira fehlt es mir aber noch an genügendem Material. Ebenso ist die Serie aus Marokko ganz ungenügend, sodass ich z. Z. nicht entscheiden kann, ob die nordwestafrikanischen Brutvögel mit einer der Formen von Madeira und Tenerife völlig übereinstimmen. Es scheint fast, als seien sie denen von Madeira am ähnlichsten. 43. Chloris chloris aurantüiventris—Am 10. April 1901 schossen wir in der Mhoiwla ein Grünlingsmännchen und erhielten die vermuthlich dazu gehörigen unverkennbaren Eier, und Riggenbeich sandte 7 im Mai 1902 erlegte Stücke. Diese Grünlinge weichen von der jetzt unter dem richtigen Namen (€. e. aurantü- ventris bekannten Form, von der mir Stücke aus Südfrankreich, Spanien und Nordmarokko (Tanger) vorliegen im allgemeinen durch etwas lichtere Färbung ab, doch haben wir ein spanisches Stück, das ihnen völlig gleicht. Die Eier messen 214: 14, 20:5: 14, 20:4 : 14:3 mm. 44. Passer domestieus (L.)—Die Sperlinge in Mazagan und wohl auch andern Städten Marokkos sind nicht wesentlich von nordeuropäischem domesticus verschieden. Es scheint allerdings, dass auf dem Rücken eine Menge weiss vorherrschend ist, während ähnliche Stücke in Deutschland und England selten sind. Der hellere Bürzel und Schwanz der vorliegenden Marokkaner dürfte lediglich auf den Einflüssen des Klimas beruhen. Es müssen noch frischvermauserte Stücke untersucht werden. Die Verbreitung des Haussperlings ist eine sehr merkwürdige. Während in Europa die Alpen ihn gegen Süden hin abgrenzen und er in Italien durch Passer domesticus italiae ersetzt wird, ist er in Marokko und Algier wieder eine gemeine Erscheinung. Er dürfte seinen Weg dorthin über Spanien, wo er nicht durch italioe vertreten wird, und die Meerenge von Gibraltar gefunden haben und soll gewaltig im Zunehmen begriffen sein. 45. Passer hispaniolensis (Temm.).—Scheint den Haussperling am Oum Rbiah, in der Mhoiwla und andern baum- und buschreichen Strichen zu vertreten. Ich kann bei Erwähnung dieses Vogels nicht umhin, einige systematische Bemerkungen zu machen. Im Journal für Ornithologie 1899 pp. 477-80 hat Erlanger die Theorie aufgestellt, dass P. hispaniolensis als Subspecies von Passer italiae aufzufassen sei. Als Grund dafür wird angegeben, dass Verfasser “ aus (315 ) Tunesien drei Sperlinge besitzt, welche der ıtalienischen Form so nahe stehen, dass er fast geneigt wäre, sie zu Passer italiae zu ziehen,” und dass “in Algerien nach Professor Koenig Passer domesticus und hispaniolensis in denselben Gegenden als Brutvogel vorkommen, beide Arten sich aber erhalten.” Das erstere ist sicher kein Beweis—eine zweifelhafte Meinung eines Autors kann doch nicht zur Stütze einer Theorie dienen! Der zweite Punkt stützt lediglich die Ansicht, dass P. domestieus nicht mit Aöspaniolensis zu vereinigen sei, woran Niemand denkt, berührt aber nicht das Verwandtschaftsverhältniss zwischen Aöspaniolensis und italiae. Ich bin nun der Ansicht, dass P. italiae als Subspecies zu domesticus zu ziehen sei, während P. hispaniolensis sicher ganz davon zu trennen ist. Meine Gründe (um nicht den strengen Ausdruck Beweis zu gebrauchen) sind : 1. P. domesticus und italiae unterscheiden sich fast durch nichts, als die graue und rothe Kopfplatte und vertreten einander geographisch. Beide haben genau dieselbe Lebensweise, 2. P. hispaniolensis lebt mit P. domesticus (and anderwärts angeblich auch mit P. italiae*) zusammen und vermischt sich trotz gelegentlicher Verbastardierungen nicht, sondern “ beide Arten erhalten sich rein.” Die Lebensweise von ?. hispanio- lensis ist im allgemeinen eine andre, als die der Hanssperlinge, nur ausnahmsweise ähneln sie sich darin. Die Haussperlinge bewohnen 2 der Regel Gebäude, die Weidensperlinge zumeist Uferdickichte, Gebüsch und Baumpflanzungen, und nisten seltener an Gemäuer und Gebäuden. 3. P. hispaniolensis unterscheidet sich von P. domesticus durch den schwärzeren Rücken, ganz rothbraunen Oberkopf, breit schwarz gestreifte Brust- und Körper- seiten, von ?. italiae durch den schwarzen Rücken und die breit schwarz gestreiften Brust- und Körperseiten. Man hat wiederholt (Wright /d2s 1864) von Bastardierung zwischen ?. d. italiae und Zispaniolensis gesprochen, ich bin aber überzeugt, dass diese vermeintlichen Bastarde meist jüngere, oder an den Seiten ausnahmsweise undentlich gestrichelte Stücke von hispaniolensis sind, obwohl sich natürlich P. d. italiae ebenso gut mit hispaniolensis paaren kann wie der typische domesticus. Was die auf Malta lebenden Sperlinge betrifft, so scheint mir die Untersuchung von 34 alten Männchen von Malta mit ebenso vielen alten Männchen, zu grossem Theile zur selben Jahreszeit erlegt, aus Spanien und Nordafrika darzuthun, dass die auf Malta brütenden Sperlinge weder P. italiae noch typische P. hispaniolensis sind, sondern eine Form von P. hispaniolensis mit schwachgestreiften Körperseiten und weniger ausgedehntem schwarzen Brustschilde. Der schwarze, nieht braunrothe Rücken unterscheidet sie auf den ersten Blick von P.d. italiae. Man kann die Maltaform folgendermassen charakterisieren : Passer hispaniolensis maltae subsp. nov. Passer tergo nigricante, pileocastaneo, corporis lateribus paullum nigrostriatis. Differt a P. italiae dieto tergo nigricante, lateribus nigrostriatis, a P. hispaniolensis dieto typico lateribus minus nigrostriatis. Hab. Malta. In Bezug auf meine Auflassung von der Verwandtschaft von P. domesticus, italiae und hispaniolensis stehe ich übrigens nicht allein da, sondern Koenig ist der gleichen Ansicht, ebenso Kleinschmidt (Journ. f. Orn. 1888 p. 62, Naumann’s umgearbeitete Naturgeschichte III, 1898, p. 370). Whitaker (Zbis 1895 p. 132— * Koenig führte 1888 ?. italiae mit grosser Bestimmtheit für Tunis an, Whitaker und Erlanger haben jedoch keine Beweise dafür. Vergl. ferner Cat. B. XII. ( 316 ) nicht 232) kommt keineswegs zu demselben Resultat wie Erlanger, sondern sagt nur, dass P. domesticus sich mit salicarius (= hispaniolensis) verbastardiere, und dass er typische P. italiae nie in Tunis angetroffen habe. Wir haben somit in Europa zu unterscheiden : P. domestieus domestieus: Europa im allgemeinen und durch Spanien bis Nordafrika, aber nicht in Italien. Pileum grau, Rücken mit viel rothbraun, Seiten ohne schwarz. P. domesticus italiae : Italien, u.s.w. Pileum rothbraun, Rücken fast ganz rothbraun, Seiten ohne schwarz. P. hispaniolensis hispaniolensis : Spanien, Nordafrika, u.s.w. Pileum roth- braun, Rücken schwarz, Seiten breit und viel schwarzgestreift. P. hispaniolensis maltae: Insel Malta. Pileum rothbraun, Rücken schwarz, Seiten schmal und weniger schwarzgestreift. 46. Eimberiza calandra L.—Der Gerstenammer ist häufiger Brutvogel. 47. Emberiza eirlus L.—Ebeufalls nicht seltener Brutvogel. Wir nahmen ein Gelege von zwei Eiern in der Mhoiwla, die 22:5 : 16:4 und 22:2 : 16°6 mm. messen. 48. Galerida theklae ruficolor Whitaker.—Haubenlerchen ! Da sind wir wieder bei dem interessantesten und noch lange unerschöpften Thema angekommen. Was nun die Haubenlerchen der Gegend von Mazagan betrifft, so brauche ich wohl nicht erst zu versichern, dass sie nicht so einfach sind, wie man bei oberflächlichem Anschauen glauben könnte. Die Haubenlerchen dieses Theiles von Marokko gehören sicherlich drei verschiedenen Formen an. Da ist zuerst, wohl die häufigste, Galerida theklae ruficolor Whitaker, sehr gut beschrieben im /bis 1898 p. 603, aus ‘“Üentral and Southern Marocco.” Sie ähnelt @. theklae theklae und “* @. theklae miramarae, wie sie von Erlanger aufgefasst wird, ist aber weniger schwärzlich, mehr rothbräunlich, jedoch garnicht blass oder sandfarbig, und der Lauf ist auf- fallend kürzer. Ausserordentlich nahe steht dieser Form Erlanger’s @. theklae harterti, und ich bin nicht im Stande, einzelne Exemplare zu unterscheiden. Es liegen mir sechs typische Zarterti vor, und nur beim Anblick der Serie fällt es auf, dass letztere im allgemeinen einen wenieer schwärzlichen Rücken und meist weniger rothbräunlichen Bürzel haben. Die Verhältnisse sind genau dieselben. Die @. t. ruficolor erbeutete ich auf dem steinigen Hügelrücken bei der Mhoiwla, sowie auf dem Wege von Mazagan nach der Mhoiwla. Sie scheint ungemein häufig zu sein, doch mögen viele der dafür gehaltenen Lerchen auch der folgenden Form von cristata angehört haben, denn Niemand kann das im Freien unterscheiden. Riggenbach sandte Exemplare von folgenden Plätzen : Mazagan (November), Sidi Bonarfi bei Mazagan (April), Mhoiwla (Februar), Fäss d’Azimor bei Mazagan (Januar), 7 Stunden südöstlich von Mazagan (Februar) und Djebel Chedar, 16 Stunden 8.8.0. von Mazagan, 26. Februar. Ich erhielt ein Gelege von 2 Eiern, d auf dem Neste gefangen, am 10. April, Riggenbach ein ebensolches am Djebel Chedar. Die Eier sind typische Haubenlercheneier, ziemlich klein gefleckt, und könuten ebensowohl einem deutschen eristata-Pärchen angehören. Die zwei von mir mitgebrachten sind grösser, denn sie messen 23:6 : 177, die von Riggenbach erhaltenen kleiner, denn sie messen nur 22 : 165, 21:6 : 16°4 mm. 4). Galerida eristata riggenbachi subsp. nov.—* Oh dear, another Urested Lark,” werden einige meiner englischen Freunde ausrufen, aber es geht nicht anders, denn die Haubenlerchen der Gegend von Mazagan sind nicht mit einer der bekannten Formen zu vereinigen. Die zu der Formengruppe von @. eristata (317 ) gehörenden Lerchen aus der Gegend von Mazagan scheinen mir am nächsten zu G. cristata pallida Brehm aus Spanien zu stehen, haben aber ausgedehntere schwärzliche Federmitten auf der Oberseite und sind weniger blass, mehr gesättigt, rothbräunlicher. Dieser rothbräunliche Ton unterscheidet sie auch von der ihr sehr ähnlichen @. eristata eristata aus Nordeuropa, der noch granlicheren, wohl unterschiedenen @. c. caucasica aus dem Caucasus und der viel schwärzlicheren @. eristata kleinschmidti aus der Gegend von Tanger. @. c. riggenbachi ist benannt zu Ehren des Herrn F. W. Riggenbach, dessen Sammeleifer wir eine schöne, wenn auch noch nicht genügende Serie von Galeriden verdanken. Typus d “No. 48” Mazagan 10. xi. 1900. Die von Riggenbach gesandten Stücke stammen alle aus der näheren Umgebung von Mazagan. 50. Galerida macrorhyncha randoni Loche—Von Ouled Farsh, 8 Stunden S.S.0. von Mazagan, Kamis del Aounat, 11 Stunden 8.8.0. von Mazagan und Aounat, 14 Stunden S.S.O. von Mazagan sandte Riggenbach Haubenlerchen, die etwas dunkler sind, als die von Koenig in seinen Arbeiten, und als die von Erlanger als macrorhyncha bezeichneten Lerchen, aber völlig mit einem als vandoni bezeich- neten Stücke der Riocour’schen Sammlung übereinstimmen, überdies ganz mit der Diagnose von randoni stimmen, während jene von Erlanger besser mit der von Tristram stimmen. Es wäre jedoch möglich, dass diese Formen nicht sicher zu trennen sind. Da es nicht anzunehmen ist, dass die wenigen Wegstunden nach S.S.0. von Mazagan ein andres zoogeographisches Gebiet beginnt, so bin ich geneigt zu glauben, dass wir es mit drei Arten Haubenlerchen in Nordafrika zu thun haben : @. cristata, theklae, macrorhyncha, jede mit mehr oder weniger Subspecies. Ein 6 Stunden S8.S.0. von Mazagan erlegtes Weibchen dürfte auch zu @G. m. randoni gehören. Es ist viel kleiner, als die Männchen von @. m. randoni, stimmt aber mit einem ? von Ouled Farsh überein. Ein Grössenunterschied der Geschlechter lässt sich bei allen Haubenlerchen feststellen, er scheint aber bei den Formen von macrorhyncha am auffallendsten zu sein. Wenn mein vorläufiger Versuch, @. macrorhyncha artlich zu trennen, durchführbar ist, so wird man G. macrorhyncha folgendermassen zu kennzeichnen haben : Schnabel etwa im selben Maasse länger und schlanker als der von @. eristata, wie der von @. cristata länger und schlanker ist als der von @. theklae. Flügel auffallend viel länger, der ganze Vogel grösser als die @. cristata Formen, Unterseite der Flügel wie bei den letzteren. Erlanger’s Annahmen (Journ. f. Orn. 1899) werden durch das Vorkommen dieser verschiedenen marokkanischen Formen glänzend bestätigt. Überhanpt ist Erlanger’s Haubenlerchenartikel von hervorragendem Werthe, wenn auch eine oder die andre Form nicht haltbar sein sollte. Nur schade, dass Erlanger immer = thecklae” statt theklae schrieb, was allein der Priorität (wie dem Sprachgebrauch) nach richtig ist. Whitaker trennt übrigens auch Galerida macrorhyncha (Ibis 1898 p. 604), theklae und eristata. Galerida arenicola Tristr. dürfte eine Unterart von G. macrorhyncha sein. 51. Melanocorypha calandra (L.)—Riggenbaeh sandte Stücke von Aounat und Ouled Farsh. Ich traf sie nicht an, sah überhaupt in Marokko keine Lerche ausser Haubenlerchen, die es dafür überall in Menge gab. 52. Sturnus unicolor Temm.--Häufig. Nistet mn Menge an den Felswänden des Cap Blanco, aber auch an Gebäuden (Moscheen) in Mazagan und anderwärts. 53. Sturnus vulgaris L.—Nur als Wintervogel bekannt. 54. Pica mauritanica Malh,—Merkwürdiger Weise in der Mhoiwla fehlend, (318% doch sandte Riggenbach schöne Exemplare von Onled Farsh. Garrulus bisher garnicht angetroffen in der Gegend von Mazagan. 55. Corvus corax tingitanus Irby.—Der marokkanische Rabe ist ungemein häufig in der Gegend von Mazagan. Er ist ein echter Rabe, in Flug, Bewegungen und Wesen, klug und scheu, omnivor und räuberisch. In der Mhoiwla nistete er auf Bäumen, am Cap Blanco an den Felsen. Die Serie von Eiern aus der Mhoiwla, deren Erlangung ich vorhin erwähnte, zeigt prachtvolle Variationen, gerade wie die unsres Raben und der Krähen. Da ist ein Gelege (a) ganz hellbläulichgrün mit nichts als schmalen, hellbräunlichen Linien und Kritzeln, ein andres (5) mit mehr weisslichem Grunde und vielen braunen und tieferliegenden hellgrauen Flecken, andre von schmutziger, bräunlichgrüner Grundfarbe mit zahlreicheren, grösseren, fast das ganze Ei bedeckenden braunen Flecken (c), andre (d) von lebhaft grüner Farbe mit einzelnen grossen tiefbraunen und vielen kleinen braunen Flecken und Punkten. Die Maasse sind: Ein Gelege von 4 Eiern (d) : 46:9 : 32, 44 : 32:5, 45:32:1, 451: 32, das kleinste Gelege. —Ein Gelege von 5 Eiern (a): 47:6: 34:5, 49:36, 48:36, 48:5 :35, 49: 35'7.—Ein Gelege von 4 Eiern : 54: 35:6, 50: 34:6, 53:1:33, 50: 353, das grösste Gelege. —Andre (d) messen : 47:1: 35°6.— Andre (ce) : 49: 33, 50:6 : 34.—Einzelne Eier : 42:7 : 33:6, 445: 32:5, 45: 344, 50:6 : 34, 46:5: 34:5, 51°2: 341, u.s.w. 56. Apus murinus brehmorum Hart.—Nistet zahlreich. Riggenbach sandte eine kleine Serie. Diese Vögel unterscheiden sich in keiner Weise von Vögeln aus Madeira und Tenerife. Der nordeuropäische Thurmsegler kommt sicher auf dem Zuge vor und wurde von mir auf dem Wege von Mazagan zum Cap Blanco gesehen. 57. Apus afinis galilejensis (Antin.)—Wie schon bemerkt massenhaft unter den Thorbögen von Mazagan nistend. Riggenbach sandte eine schöne Serie. Diese Serie zeigt mir wiederum die Unmöglichkeit, den nordafrikanischen Weissbürzel- segler von A. a. galilejensis zu trennen. Wie ich früher schon hervorhob wurde er von Reichenow als Micropus koenigi beschrieben nach Vergleichung einer Serie aus dem tropischen Afrika, ohne dass auf A. a. galilejensis irgendwelche Rücksicht genommen wurde. In der Bearbeitung der Segler in No. 1 des “ Tierreich ” liess ich A. a. koenigi (Rehw.) zwar stehen, charakterisierte sie aber mit den Worten : “Diese Form ist nur das Extrem von A. afinis galilejensis, mit sehr hellem Schwanze, heller Stirn und Allgemeinfärbung, im allgemeinen auch sehr langem Flügel und kann wohl kaum als Unterart aufgefasst werden.” Ich habe nun Stücke aus Palästina untersucht, die sich nicht von tunesischen unterscheiden lassen, und ebenso solche von Mazagan, die mit beiden übereinstimmen. Von der tropischen Form von Apus afinis* unterscheiden sich die Marokkaner immerhin genügend in der Färbung (namentlich der Schwänze) um sie als Unterart anzuerkennen und Herr Whitaker (Js 1898 p. 607) hat Unrecht, wenn er sagt, es seien typische afinis. 58. Caprimulgus ruficollis Temm.—Bisher sandte Riggenbach nur ein Exemplar. 59. Zynz torquilla L.—Wintergast. Im September erlegt. 60. Coracias garrulus L—Häufiger Brutvogel. 61. Merops apiaster L.—In Schwärmen in der bienenreichen Mhoiwla. 62. Upupa epops L.—Sehr häufig. Exemplare aus Nordafrica unterscheiden sich nicht von solchen aus Europa. Die von Erlanger für seine “ Upupa epops * Wie früher so bin ich auch jetzt nicht im Stande tropisch indische, ceylonische und westafrikanische Stücke zu unterscheiden, kann also nur eine tropische (typische) Form mit einer subtropischen Unterart anerkennen. Beide Formen reichen von Asien bis zur Westküste Afrikas, ( 319 ) pallida” angegebenen Unterschiede bestehen nicht, auch eanarische Stücke sind nicht zu unterscheiden, U. e. pallida ist daher als Synonym von U. epops zu betrachten. 63. Coceystes glandarius (L.).—Riggenbach sandte 2 Männchen vom Djebel Chedar. 64. Alcedo ispida L.—Mehrere Eisvögel aus der Gegend von Mazagan unter- scheiden sich nicht konstant von solchen aus Nordeuropa. Es liegen mir 6 aus Marokko und 46 aus Europa zum Vergleiche vor, ausserdem Serien aus Spanien, Italien, Corsica, Palästina, u.s.w. Ich finde, dass die von Erlanger angegebenen Unterschiede der nordafrikanischen Form* meist garnicht, oder nur inkonstant zu bemerken sind. Die hellere Unterseite findet sich offenbar nur bei abgetragenen Stücken nach der Brutzeit, ist daher ein wenig brauchbares Kennzeichen. Die hellere Färbung des Oberkopfes ist nicht vorhanden, die grünlichblaue Fleckenzeiehnung auf Kopf, Nacken und Flügelfedern ist keineswegs markanter und weniger verschwommen, als bei typischem zspida. Die längeren Haubenfedern finden sich nieht immer bei letzterer Form, sondern nur bei einzelnen ausgesuchten nordeuropäischen Individuen. Ich zweifle nicht, dass man ebensolche Stücke finden würde, wenn man eine aus- gedehnte Serie aus Nordafrika hätte. Der Schnabel ist nieht kürzer und gedrungener, sondern sehr oft schlanker und länger bei den Nordafrikanern, die mir vorliegen. Die Kehle ist durchaus nicht weisser oder schärfer begrenzt, als bei typischer ispida. Die von Erlanger angegebenen Maasse sind zweifellos ungenau, namentlich in Bezug auf die Kralle der Mittelzehe, die unmöglich bei 18 südlichen Stücken 0-5 em., bei 8 deutschen 0°6 em. betragen kann, sondern immer mehr oder minder variabel ist. Der Flügel südlicher Vögel geht wie der deutscher Stücke bis zu 79 und sogar 8 em., ist aber im Durchschnitt allerdings etwas kürzer. Ich kann es unter diesen Umständen nicht für nützlich erachten, die nordafrikanische Form zu trennen. Durch unsre Abtrennung von Subspecies wollen wir Thatsachen in der Natur illustrieren, man muss aber verlangen können, dass diese Thatsachen sich wirklich bei einem einigermassen genügenden Material feststellen lassen, mit andern Worten, dass die Subspecies wirklich unterscheidbar sind. Sollte man die mediterrane Eisvogelform (Erlanger rechnet zu seiner A. ispida spatzi Tunesen, Marokkaner, Griechen, Italiener, Transkaukasier und Lenkoraner) jedoch anerkennen, so müsste dafür Brehm’s Name pallida gebraucht werden. Brehm’s Namen advena, subispida und drachyrhyncha beziehen sich auf individuelle Unterschiede deutscher Stücke, bella bezieht sich ebenfalls und in erster Linie auf deutsche, theilweise auf mediterrane Stücke. 65. Strix flammea kirchhofii Brehm. — Die marokkanischen Schleiereulen aus der Gegend von Mazagan gehören zu der hellen Form mit weisser Unterseite, die sich über den äussersten Westen Europas bis England erstreckt, eine Verbreitung, die ja nicht ganz einzig-dasteht, sondern sich bei Melizophilus undatus, Emberiza cirlus u. a. in ähnlicher Weise verfolgen lässt. Die Stücke von Mazagan neigen allerdings vielleicht schon zu dunklerem Gefieder, denn unter den sechs mir vorliegenden Stücken sind schon zwei, die soviel dunkle Fleckung auf der Unterseite haben, wie sie in England nur ganz ausnahmsweise vorkommt. Andre Stücke sind genau wie spanische (typische) und englische. Ein sehr eigenartiges, aberrantes, graues Stück mit grauem Schleier sandte Riggenbach soeben ein. In der Mhoiwla war die Schleiereule sehr häufig. * Erlanger sagt ausdrücklich, dass die Marokkaner mit seinen Tunesen übereinstimmen. ( 320 ) 66. Asio nisuella (Daud.).—Riggenbach sandte ein Stück von Ouled Farsh. Bei Tanger scheint diese Eule recht häufig zu sein. Reichenow hat ganz zweifellos recht, den Namen nisxella auf diese bisher als capensis bekannte Eule zu beziehen. Die Verbreitung von Südafrika bis Marokko ist sehr sonderbar. Reichenow sagt (Vögel Africa’s I p. 660), dass “die maroccanischen Vögel etwas helleren und stärker gewellten Rücken zu haben schienen und möchten als subsp. maroccanus zu sondern sein.” Dieser bedingungsweise aufgestellte neue Name ist recht unauffällig im Texte eingeschlossen. Es kann zur Erleichterung der Arbeit nieht zu oft gebeten werden, neue Namen auffällig in besonderm Drucke, womöglich in einer Zeile für sich, hervorzuheben, da sie sonst so leicht übersehen werden. Wie wichtig dies ist hat wohl jeder systematisch arbeitende Ornithologe schon selbst gefunden. Was nun das von Reichenow angegebene Unterscheidungsmerkmal betrifft, so ist es nach Vergleich von 7 Südafrikanern mit 6 Marokkanern durchaus nicht zutreffend. Dagegen haben die mir vorliegenden Marokkaner alle auffallend mehr gefleckte Unterflügeldecken, die bei den Südafrikanern einfarbig oder nur ganz wenig gefleckt erscheinen. Wenn dieser Unterschied einigermassen konstaut ist, so würden die nordischen Vögel als A. n. maroccanus Reichen. zu sondern sein.* 67. Athene noctua glaux (Sav.).—Sehr häufig. Beim Cap Blanco besonders gemein, auf Steinhaufen sitzend. 68. Milvus korschun (Gm.).—Recht häufig in der ganzen Gegend. 69. Cerchneis tinnunculus subsp. ?—Thurmfalken sind sehr häufig. Sie sind wahrscheinlich subspeeifisch trennbar, doch kann ich auf dies schwierige Thema z. Z. nicht eingehen. Lange nicht so massenhaft und so vertraut wie Ü. naumanni. Uns von Knaben gebrachte Eier messen 41 : 33, 416 : 32, 49:5 : 32:1, 39 : 32°5, 40:32, 41 : 32-5 mm. 70. Cerchneis naumanni (Fleisch.). —Der Röthelfalk (meist noch als €. cenehris bekannt) ist, wie ich oben schon erzählte, ungemein häufig, namentlich in Mazagan und am Cap Blanco. Ein Gelege von Riggenbach’s Hause misst 37 : 31, 37 : 30°5, 32 :230:1,,8:2:0,:,3021,2.8%0.: 8l.mm. 71. Falco biarmieus erlangeri Kleinschm.—Grössere Falken sind in der Gegend von Mazagan sehr selten. Ich war sehr enttäuscht, dass ich nicht einen solchen zu sehen bekam. Auch am Cap Blanco nistet kein Edelfalk. Jedes Falkennest wird nach Riggenbach ausgenommen, da die jungen Falken zur Baizjagd hoch- geschätzt sind. Am 21. Mai 1901 jedoch erhielt Riggenbach ein eben flügges junges Männchen eines Edelfalken, der wohl zu Kleinschmidt’s erlangeri gehören könnte. Mit Bezug auf die Nomenklatur bemerke ich: F, biarmicus ist der älteste Name dieser Falkengruppe. Die bei alten Vögeln fast oder gänzlich ungefleckte Unterseite kennzeichnet diese Form, die Südafrika bewohnt, und durch Ostafrika bis in das südliche Nordostafrika hinauf reichen mag. F. biarmieus tanypterus unterscheidet sich im Alter durch die viel mehr gefleekte Unterseite, die auch in der Regel hellere Grundfarbe hat. Sie ist die nordostafrikanische oder südmediterrane Form. * Bezüglich der störenden Gewohnheit, ganz nahestehende subspecifische Formen unter binären Namen aufzuführen vergleiche man Hellmayr's ganz in meinem Sinne geschriebenen Worte im Ornithol. Jahrbuch XIII, 1902, pp. 42, 43. Solche Subspecies als Species aufzuzählen muss zur Polemik führen und ist daher höchst bedauerlich. + In andern Theilen Marokko’s sind Edelfalken nach Mittheilungen in einem Vortrage von Meale- Waldo häufig. Ich glaube er nannte die Art Halco barbarus, was natürlich eine von #, Diarmieus erlangeri ganz verschiedem Art wäre, ( 321 ) F. biarmieus feldeggı ist die viel dunklere, besonders auf dem Kopfe viel gleichmässiger gestreilte Form von Südosteuropa, die aber auf dem Zuge sich auch weiter zu verbreiten scheint und dann zuweilen mit andern Formen verwechselt worden ist. Es ist ganz unrichtie, diese Form mit tanypterus zu vereinigen. F. biarmicus erlangeri ist eine dem F. biarmicus tanypterus äusserst nahe stehende Form aus Tunis, und vermuthlich auch Algier und Marokko. Die Unterschiede sind von Kleinschmidt auseinandergesetzt, ich habe keine genügende Serie untersucht und habe daher kein Urtheil über den Werth der Form, sondern kann nur sagen, dass sie dem F. b. tanypterus ausserordentlich nahe steht, näher als dem £. d. feldeggi. Diese 4 Formen stehen einander so nahe, dass man sie ohne Bedenken trinär benennen kann. Kleinschmidt’s Arbeit in der “ Aquila” bringt sie in nahe Beziehungen zu den nordischen Edelfalken und zum indischen #. juggur. Dies ist sehr bemerkenswerth und völlig richtig gegenüber der Gruppierung Sharpe’s, der die weissen Falken in das genus Zlierofalco, die obengenannten Formen aber in dass genus Falco stellt. Immerhin aber stehen sowohl die grossen nordischen Falken als der kleine indische F. juggur durch so weite Klüfte von unsrer biarmicus-Gruppe getrennt, dass wir ihnen eigene Speciesnamen lassen, Z. islandus der einen Gruppe, #. juggur dem Indier. 72. Columba livia Gm.—In Menge beim Cap Blanco. 73. Turtur turtur arenicola Hart —Wie schon oben gesagt brütet die Turtel- taube in grosser Menge im Orangenhaine der Mhoiwla. Die dortigen Exemplare stehen europäischen Stücken ausserordentlich nahe, doch bemerkt man beim Ver- gleichen einer Serie ohne Mühe den im allgemeinen helleren Flügel (Flügeldecken) und Rücken, auch sind nordafrikanische Stücke meist ein wenig kleiner, die Flügel 5 bis S mm. kürzer. Ich folge Erlanger’s Beispiel, indem ich die nordafrikanischen Stücke zu meiner arenicola ziehe, muss jedoch bemerken, dass mein Typus und andre Stücke jener Gegend noch heller sind, als die nordafrikanischen. 74. Turnix sylvatica (Desf.).—Nicht selten. 75. Caccabis petrosa (Gm.).—Häufig, Die Stücke aus der Gegend von Mazagan scheinen ganz mit denen aus Nord-Algier und Nord-Tunis übereinzu- stimmen. Mir vorliegende Stücke aus Sardinien haben merklich kleinere Schnäbel, als die typischen Nordafrikaner. Stücke von Tenerife (nach Reichenow €. p. königi) haben noch erheblichere Schnäbel und dunklere, mehr schiefergraue, nicht bräun- liche Oberseite. €. p. spatzi aus dem südlicheren Tunis ist ganz verschieden, viel heller, als die Marokkaner. ‘76. Francolinus biealearatus (L.).— Soll garnicht selten sein und geht nach Norden mindestens bis Casablanca hinauf, aber mir kamen leider keine Stücke vor, noch sandte Riggenbach bisher davon ein. 77. Pterocles arenarius (Pall.) —Ein d gesandt, das sich durch sehr dunkle Färbung auszeichnet. Leider wurden weitere Exemplare noch nicht gesandt. 78. Tetrax tetrax (L.).—Ein ? gesandt. Nach mündlichen Mittheilungen von Nichtornithologen kommt noch eine andere Trappenart, vielleicht sogar 2 vor. 79. Orconia ciconia (L.).—Nistet am Cap Blanco. 80. Comatibus eremita (L.).—Die Begegnung mit diesem interessanten Ibis und seine Erlegung habe ich oben beschrieben. Ich eitiere hier aus meinem Notiz- buche die nach der Erlegung und beim Abbalgen niedergeschriebenen Notizen : 21 ( 322 ) Schnabel siegellackroth. Iris rothorange, nach der Pupille zu heller. Angenlidrand roth, unteres Augenlid soweit gefaltet weisslich. Oberkopf matt- schieferschwarz, in der Mitte ein röthlich-orangegelber Streif. Nackte Haut an den Kopfseiten, unter dem Auge und ganze Kehle kirschroth. Füsse schmutzigroth. Mageninhalt : Massen Wanderheuschrecken, Mistkäfer und andre Käfer, Centipeden, zwei ganze Exemplare von Trogonophis wiegmanni, einer fusslosen Eidechse. Beim jüngeren Vogel (aus Abyssinien) ist der herrliche Metallglanz anf den Flügeln nicht entwickelt, Kopf und Kehle sind befiedert mit dunkelbraunen, weisslich gerandeten Federn. Es scheint, dass marokkanische Stücke im allgemeinen grössere Schnäbel haben, als solehe aus Abyssinien, dass jedoch auch individuelle Variation vor- handen ist. Der Flug ist ganz ibisartig, Hals und Schnabel gerade nach vorn, Füsse nach hinten ausgestreckt. Die grossen, breiten Flügel werden kräftig in angemessenen Intervallen bewegt. Der Schopfibis ist ein sehr schweigsamer Vogel, nur selten. vernimmt man ein tiefes, ziemlich leises rrha, rrha. Interessant ist, dass die Marokkaner den Vogel “ Hrab el bain,” d. h. der andre Rabe, zum Gegensatze von “ Hrab,” Corvus corax tingitanus, nennen. Im der Ferne erinnert er allerdings etwas an einen Raben. Dieser Vogel brütet auch an andern Felsen der Küste, sowie (nach Meade- Waldo’s Vortrag) an Felswänden an den Ufern der Ströme Marokkos. S1. Motacilla subpersonata (Meade-Waldo).—Am 17. v. 1902 erlegte Riggen- bach am Oum Rbiah, nahe der Mhoiwla, ein & ad. dieser hochinterressanten, durch Meade-Waldo entdeekten Form. Die Originalbeschreibung (Bull. B. 0. €. XII p- 27, Nov. 1901) ist freilich eine sehr unglückliche, geradezu misslungen zu nennende. Anstatt eine ordentliche Beschreibung zu geben vergleicht der Autor seine Form mit M. personata aus W. Sibirien und Turkestan. M. personata jedoch weicht dureh völlig schwarzen Hals und ÖOhrdeeken, das bis anf den Rücken verlanfende Schwarz, die ganz weissen mittlern und grossen Flügeldeeken und längeren Flügel gewaltig ab. M. subpersonata dagegen steht M. alba am nächsten, unterscheidet sich aber durch einen etwa 5 mm. breiten schwarzen Verbindungsstreifen von der schwarzen Kopfplatte zu den schwarzen, mit weiss gestrichelten Ohrdecken, während hinter den Ohrdecken an den Halsseiten ein grosser weisser Fleck, hinter dem Auge ein dreieckiger weisser Fleck bleibt. Schwärzlicher Zügelstreif. Körper- seiten mehr gran, als in M. alba. Die Flügeldecken sind sehr abgerieben, scheinen aber wie bei M. alba zu sein. Maasse (Flügel) vielleicht etwas grösser, als bei ‚M. alba. (Nach einem in etwas abgetragenem Gefieder hefindlichen Stück). Flügel 91, Schwanz abgewetzt, Lauf 23 mm. 52. Phalacrocorax lneidus (Licht.).—Mehrere Stücke vom Cap Blanco, nach Rothschild’s und meinen Bestimmungen dieser Art angehörend. Neu für die piläarktische Fauna. 83. Phalacrocorax carbo—Mazagan, November. (ENDE.) ( 323 ) INDEX. Aberglaube, 207. Aboo, 248. Abor, 227. Acanthis cannab. meadewaldoi, 104. — cannabina subsp., 314. Aceipiter nisus subsp., 111. Adansonia digitata, 141 Aden, 250. Aduma, 33. Aegialites wilson. rufinucha, 287 Afoneger, 22. Agra, 241. Agrobates galactodes, 309. Aja, 144. Ajmir, 244. Aju, 75. Alcedo ispida, 319. Amber, 243. Amorphophalius, 161. Amselstudien, 94, 306. Amas crecca, 52, 245. Anassarawa, 23, 68. Andropadus virens, 10, 121. Anorhinus wusteni, 233. Antelope bezourtica, 243. Anthreptes malaccensis subsp. nov., 187. — rhodolaema, 186. Apus affınis, 295. — affımis galilejensis, 318. -— murimus u. subsp., 107. — wumicolor u. subsp., 108. Araber in Kano, 41. — in Zaria, 37. Arachis hypogaea, 142. Arenga saccharifera, 160. Argusfasan, 195. Argusianus argus, 195. Aribi, 29. Aruba, 266. Asio nisuella, 320. — otus camariensis, 110. Atap, 160. Audienz beim Sultan. 50. Bachstelzen, 103, 322. Balanites aegyptiaca, 141. Bananen, 139. Barbus harterti, 299. — rothschildi, 299. Barge, 262. Batate, 143. Battaks, 162. Benares, 239. Beo, 193. Berenicornis comatus, 180. Beschneidung, 6. Bombay, 249. Bonaire, 270. borassus flabelliformis, 33, 138. bos frontalis, 227. Botanisches, 5, 8. 71, 137, 158, 249, 254. Brachyspiza cupensis inswlaris, 278. Brahmaputra, 223, 230. Brandbriefe, 162. Brass, 7, 10. Bubuleus bubuleus, 134. Buceros rhinoceros, 178. buchanga stiymatops, 185. — leweogenys, 186. Budorcas tawicolor, 227. Butea frondosa, 249. Buteo albiewud. colonus, 284. — buteo subsp., 110. Butorides virescens subsp., 286. Butyrospermum, 143. Cabrera, 305. (accabis petrosa, 321. — rufa auwstralis, 111. (acomantis merulinus, 177. — sonn. pravatus, 176. Oulandrella pispoletta rufescens, 106. Caleutta, 219. Calliana pieridoides, 235. Calorhamphrus hayi, 174. Calotropis, 246. Canarische Inseln, 85, 303. Cap Blanco, 302. Capirote, 4. Caprimulgus macrwrus, 182. Capsicum, 143. (aracas. 260. ('arakenierinnen, 260. Cardıelis, 313. — carduelis nana, 104, Carica papaya, 141, 161. Casablanca, 293. Cassia florida, 158, Oerchneis tinnumeulus subsp., 131. Cereus, 264. Oeryle sharpei, 129. Cettia cetii, 310. Chinesen, 164. Chloris chloris aurantiwv., 314. Ohloropsis viridis subsp. nov., 190. — viridis zosterops, 189. Chlorostilbon earibaeus, 281. Christoftelberg, 264. Ohrysotis ochroptera, 268, 282. — rothschildi, 272, 283. Cicaden, 212. Oinnyris senegalensis subsp., 120. Olimieola mauritanica, 313. Coceycolüus üris, 117. Oovereba flav. wropygialis, 277. Cola acuminata, 140. Coleopteren, 198. Colin, 5. Oolumba gummophthalmaus, 285. — portoricensis, 284. Columbigallina pass. perpallida, 285. Oomatibis eremita, 301, 302, 321. Conurus aer. arubensis, 281. — pertinax, 281. — p. wanthogenvus, 282. Corvus corax camariensis, 107. — ce. tingitanus, 318. — enca, 193. Corythaeola eristata, 71. Cossypha albie. giffardi, 119. Cotile mauritanica, 299, 313. ( 324 ) Coturnieulus savannarıum subsp. n., 278. Orotophaga suleirostris, 283. ('soma de Köros, 238. Curagao, 261. Oymborhynehns, 183. Uyrestis irmae subsp. n., 210. Damais plexippus. 92. Darjiling, 237. Dendroica adelaidıue, 259. — pet. rufopileata, 277. Dendrocitta, 234. Diener, 212. Dioscorea, 139. Diplootocus gen. nov., 307. - moussiert, 307. Dissemurus platwrus, 185. Dividivi. 264, Djebel Ataka, 152. Djibbu, 74. Doherty, 215. Don Ramon (Gromez, 305. Duftende Schmetterlinge, 255. Dumpalme, 33, 139. Durian, 160. Durio zibethimwus, 160. Dyospyros mespiliformis, 142. Dysenterie, 45. Eichhörnchen, 168. Einsiedlerkrebse, 265. Elaeis gwimensis, 138. Elefanten, 165. Elephanta, 249. Elymmias harterti, 209, Enten, 244, 245. Entomologisches, 234-36. Eriodendrum anfractuosum, 141. Erithacus rub. melophilus, 98. — rub. rubecula, 97, 99. — rub. superbus, 95, 98, 304. Erlanger, 305, 309 Euetheia bicolor sharpei, 279. Euphorbia royleana, 246. Eupsychorty® eristatus, 286. Fächerpalme, 138. Fakir, 230, 245. ( 325 ) Falco biarmieus u. subsp. 320. Haleyon chloris, 181. — juggur, 243. — peleata, 181. Faunistisches, 113, 157, 203, 255. Hanumans, 244. Faunistisches von Sumatra, 157. Haubenlerchen, 296, 316. Feigenbaum, 219. Hausthiere auf Tumbo, 6. Fieus, 140. Heerlager, 47. Fische, 5, 265, 299. Heilige Kühe, 240. Fledermaushöhlen, 215. Heisse Quellen, 216. Flegel, 78. Henna, 141. Fontein, 272. Hestia, 209. Franeolinus biealewratus, 65, 133, 298, Heuschreckenschwärme, 293. 321. Hindudreiheit, 239. Freetown, 77. Hindureligion, 241. Fregattvögel, 269. Hippotragus, 13, 70, 72. Froschkonzerte, 12. Hirsche, 169. Fucus saccharimus, 201. Hirse, 137. Hirundo pagorum, 295. Galachrysia einerea, 9. — rustica, 295, 313. Galeopithecus volans, 171. Hiuen-Tsiang, 229. Galerida eristata riggenbachi, 316. Hofnarr, 47. — cristata senegalensis, 121. Huhua orientalis, 173. — macrorh. randoni, 317. Hylobates agilis, 170. — theklae ruficolor, 316. — hooluk, 232. Gallus ferrugineus, 196. — syndaetylus, 169. Gandu, 54. Hyphaene thebaica, 139. Garrulax, 191, 233. Hyphantornis eueullatus, 125. Gauhati, 224. Hypochaera (sieben Formen), 124. Gazella bennetti, 243. — wilsoni, 123. Gecinus pumiceus observandus, 176. Geier, 55, 220. Imperata arumdinccea, 158. Geographische Resultate, 79. Indien, 217. Gerlich, 219. Indigo, 144. Geschichtliches, 83, 204, 221, 229. Industrie von Kano, 43. Gezaaghebber, 269, 270. Ingwer, 139. Gibraltar, 293. Istikbäl, 31. Gitata, 27. Goree, 4. Jagd, 232. Gossypiawm, 140. Jaipur, 243. Gracula javamııs, 193. Jasminum sambaec, 207. Gran Ferro Carril, 261. Jatropha cwrcas, 141. Grundnuss, 142. Juma mari, 218. Guinea-Wurm, 12. Justiz im Haussaland, 56. Gulta, 244. Gürich, 3, 15. Kabbi, 54. Gyps fulvus? 133. Kadarra, 33, 83. — rüppelli, 55, 132. Kano, 39. Kashia, 31, 62, 65. Häuser in Deli, 160. Katill, 27. Hagen, 156. Kaura, 49, 57. Keffi, 24. Khamptis, 225. Kigelia pinnata, 143. Kleist-Tychow, 260. Knoblauch, 144. Kobus kob, 70, 72. Koenig, 91, 115, 306. Kolanuss, 140. Kolibris, 256, 260. Kolonisation, 221. Königin der Nacht, 261. Korrogebirge, 29. Korroneger, 29, 33, 83. Korunya, 144. Kotorkoshi, 48. Kramanti-nuts, 144. Kulis, 163. Kunnu, 70. Labuan-Deli, 156. Lagenaria vulgaris, 143. Lagos, 76. La Guaira, 259. Lalang, 158. Landschnecken, 274, Lanius algeriensis dodsoni, 312. — algeriensis koenig:, 90. — senator, 127. Lärmdrosseln, 101, 309. Laubsängerstudien, 101, 309. Larwsonia inermis, 141. Ledru, 114, 256. Lepidopteren, 198. ( 326 ) Lopkura rufa, 195. Los-Inseln, 5. Lullilooing, 34. Macacus nemestrinus, 171. Macuto, 261. Madeira, 305. Magaria, 144. Mais, 137. Malacopteron, 190. Malacopterus, 190. Malakkahalbinsel, 155. Malmo, 144, Mamatus senegalensis, 75. Mangostin, 161. Mamihot utilissima, 141. Manana, 294. Märchen, 179, 182, 185. Margarops fuscatus (? subsp.), 277. Markt in Kano, 43. Marokkanischer Ackerbau, 296. Martin, 212. Maska, 46. Massaga harterti, 235. Mayaguez, 258. Mazagan, 294. Mellor, 227. Melonenbaum, 161. Merops bullocki, 52. Mhoiwla, 297. Microhieraxw fringillarius, 172. Micropternus brachywrus subsp., 175. Milane, 220. Leptoptilus erwmenäfer, 51. Leptotila verreanwi ins., 285. Lepus nigronuchalis, 264. Mimosa pudica, 162. Mimaus gilvus rostratus, 276. Mirafra buckleyi, 21. Liebesblume der Malaien, 207. Mishmi, 227. Limnas chrysippus, 92. Missionäre, 75, 303. Lingam, 239. Mithun, 227. Linjä, 144. Misornis gularis, 191. Litteratur (Niger, Haussaland), 145. Möller, 237. — über Curacao, 275. Moloney, 77. —- über Perak, 217. — über St. Thomas, 257. — über Sumatra, 199. — boar. melanope, 155. — z. Orn. d. Canar., 114. — subpersonata, 322. Locustella naevia, 254. Mudafluss, 155. Loko, 15, 69. Muntchi, 74. Lokoja, 14, 75. Musa, 139. Morinda eitrifolia ? 143. Motaeilla bowr. canariensis, 103. ( 327 ) Mydaus meliceps, 168. Myiarchus brevipenmnis, 280, Nachtlager, 47, 300. Nachtschmetterlinge, 212, 215. Naga, 225. Nareondam, 217, Nashorn, 166. Nanelerus, 30. Necerosyrtes monachns pileahus. 133. Needham. 227. Nemorrhoedns. 208, Nepenthes, 161. Nettapus coromandeliamus, 245. Nieeville, 219. Nieotiana, 143. Nigerforschung, 16-18. Nipa fruticans, 160. Nispero, 266. Nyeticebus tardigvwadns. 171. 207. Oelpalme, 138. Onitsha, 10, 11. Opuntien, 264. Orangenwald, 297. Orangutan, 169. Ornamentik, 11, 30. Ormis der Los-Inseln, 116. Ormithologisches, 31, 39, 44, 51, 55, 86, nl, Ahle, se, 172, Aa, Ei 2 275, 305. Onyx leucorye subsp., 70. Oryza sativa, 137. Osmotreron olax, 194. — vernans, 194. Otogyps spec., 133. Oum Rbiah, 298. Palueornis finschi, 234. Paludicola brachyops, 268. Panda, 29, 66. Panieum, 138. Panisau, 40. Paradies für Zoologen, 207. Parkia africana, 142. Parsis, 249, Parus caeruleus degener, W. — major excelsus, 311. Passer ddomestieus. 314. Passer hispamiolensis subsp. nov., 315. Paullinia pinnata, 140. Pelargopsis javancı fraseri, 180, Penang, 154. Penmniäisetwm, 138. Perak, 204. Petronia petronia u. subsp., 105. Phaethon, 153. Phalacrocorax® luweidaus, 322. Phoenicopterus ruber, 286, Phoye pwrpurea mamillensis, 197. Phylloscopus ruf. cananwiensis, 101. - sibil. Havescens, 298. 309. Pisangarten, 160. Pitta moluecensis, 184. — mütlleri, 184. — bhoschi, 184. - megarhyncha, 184. Plan von Kashia, 32. — von Wurnu, 57. Poeeilia vandepolli, 265. Poinciano, 142. Pokhar, 245. Poliospiza flegeli, 121. Ponce, 258. Port Said, 152. Porto Rico, 257. Porzellan, 295. Pratineola dacotiae, 95. — rubicola, 308. Psilopogon pyrolophus, 208. Pufjiwus obsewrus u. subsp., 93. Pyenonotus barbatus, 312. Pyrrhulauda melanocephala, 121. Rajputen, 243. Raphia vinifera, 138. Ratufa-Arten, 168. Räuber, 65. Regulus tenerifae, 95, 101. Reis, 137, 160. Reisegesellschaft, 151. Reptilien, 198, 274. Rhinoceros, 231. Rhinoplax vigil, 179. Rhipidura, 155. Richter, 151. Riesenstörche, 220. Riggenbach, 294. Ringam Fillani, 31. Rosa involuerata, 249. ( 328 ) Striw flammea bargei, 284. — flammea körchhoffi, 319. Röthelfalken, 294. — flammea subsp., 109. Rothes Meer, 153. Struthio camelus, 136. Rothkehlehenstudien, 95. Strychnos spinosa, 143. Rottan, 159. St. Thomas, 254. Rubigula dispar, 188. Sultan von Sokoto, 49. Sus barbatus, 166. — vittatus, 166. Sylvia atricapilla, 100, 309. Saccharum oflieinarum, 138. Saisondimorphismus, 234. Sakais, 206. — melanoceph. leucogastra, 99. Salanga, 200. Syrminım leptogrammieum, 173. Sambhar-Salzsee, 246. Sandfloh, 6. Tabak, 143. San Juan, 257. Taj Mahal, 241. Sanzara, 28. Tamarinde, 142, Sariki-n-fada, 35. Tams, 261. — -n-makira, 34. Tanger, 293. Säugethiere, 13, 70, 75, 165. Tänze, 5, 51. Savonet, 265. Tenerife, 4, 303. Schiller, 219. Termitenhügel, 71. Schmetterlinge, 209, 234, 235. 236, 265. Tezpur, 224. Schnecken, 265, 274. Thalassidroma, 4. Schwärmerfang, 161. Thea assamica, 231. Schweine, 166. Theekultur, 231. Seiuri, 168. Thiel, 3, 73. Semangs, 206, 207. Thierwelt von Sumatra, 165. Semnopithecus entellus, 244. Tiger, 167, 231. Semon, 3, 10, 15. Tinnuneulus sparw. brevipennis, 284. Serimus serimus, 313. Todesgöttin Kali, 220. Sesam, 143. Todtenbestattung, 36. Siamang, 169. Todus, 259. Sierra Leone. 77. Toleranz der Haussa, 63. Silberschmuck, Haussa. 58. Tonka, 200. Sklavenfreibrief, 74. Tornado auf dem Niger, 12. Sklavenkauf, 25. — auf See, 6. Totanus glareola, 52. — ochropus, 52. Sklaventransport, 46. Sklaverei, 81, 82. Sokoto, 53. Tragelaphus seriptus, 13, 70. Sorghum, 137. Transportschwierigkeit, 214. Treculia acwminata, 140, Sperlinge, 220. Tropfsteinhöhle, 268. Spilornäs, 173. Tshambarawa, 48. Staudinger, 7, 19, 20, 146. Tupaia, 168. Sterna amaetheta, 289. Turdus merula cabrerae, 94. — dougalli, 288. — merula mauritanica, 306. — hirundo, 289. Turtur turtur arenicola, 321. Strauch, 250. — tigrimus, 194. Strausse, 50, Tyranmaus domimicensis, 281, Spatzenstudien, 314 Ube, 23, 68, 72. Unsittlichkeit, 245. Upupa epops, 109, 318. Ursus malayamus, 167. Urwald, 158. Usharogo, 21. Ushiambissa, 71. Venezuela, 259. Venezuelaner, 260. Verträge, 11, 50. Voandzeia subterranea, 142. Vohsen, 77. Waldrapp, 301. Waldvernichtung, 157. Weber, 200. Webervogelnester, 126. Weihnachtsabend, 48. Weizen, 138. Wilson, 303. ( 329 ) Wood-Mason, 219. Wurnu, 55. Xanthornus icterus subsp. nov., 279. — 2. curacaoensis, 279. Xylopia aethiopica, 140. Yams, 139. Zaria, 34, 44, 62. Zea mans, 137. Zenaida vinaceorufa. 285. Zingiber offieinale, 139. Zinngewinnung, 202. Zinnlager, 202. Zöller, 219. Zoogeographisches, 117, 118. Zoologisches Paradies, 207. Zuckerpalme, 160. Zuckerrohr, 138. Zugvögel, 4, 152, 153. Zukunft der Haussaländer, 81. Zwiebeln, 144, ERRATA. 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