I

PATHOLOGIE UND THERAPIE

der

HAUTKRANKHEITEN

IN VORLESUNGEN für

PRAKTISCHE ÄRZTE UND STUDIRENDE.

Von

D^- MORIZ KAPOSI,

a. ö. Professor für Derr.a.tologie und Syphilis an der Wiener UniversUat.

Mit 04 Hohschmtlen und einer Farbendruckta/el.

WIEN UND LEIPZIG. URBAN & SCHWARZENBERG. 1880.

Griv\ 39 ^s-

Alle Rechte vorbehalten.

WELLCOME INSTITUTE

LIBRARY

ColL

welMOmec

Call

No.

Druck von G. üistel & Comp, in Wien, I., August inerstrasse 12. Holzschnitte aus dem xylographischen Atelier von F. X. Ma t o lo n i in Wien.

1

sktnb:s[

HOCHVEREHRTEN LEHRER

HERRN PROFESSOR

D"" Ferdinand rittervon Hebra

IN PIETÄT T]ND DANKBARKEIT

/;f.widmf.t

VOM VERFASSER.

Vorwort.

Zur Verfassung des vorliegenden Werkes hat mich vor Allem ,e.-oo-en die Rücksicht auf das actuelle Bedürfniss der Aerzte und BtucWcn nach einem, der Oricntü-ung in der Praxis, w.e dem Schul- zweckc gleich dienlichen H a n d hu c h e d e r D e r m a t o l o g i e

Demnächst führte mich dazu die Erwägung, dass schon wahrend der Bearbeitung, und seit Abschluss des von meinem hochverehrten Lehrer Hebra geschaffenen und von mir beendeten, zweibänd.gen Werkes über Hautkrankheiten viel und erheblich Keues und Wissens- werthes auf dem Gebiete der Hautkrankheiten und der darauf bezug- lic l Doctrinen gewonnen wurde, was am besten du..h eme P.^. cln, wie die gegenwärtige, den Collegen und Stud.renden übermittelt

^":orangestellten praktischen und Lehrzweeke wav ich bestrebt Anlao-e md Umf ng, Darstellung und Inhalt des Werkes anzupassen-, m^'^^rchwe^s bin id. bemüht gewesen, die Einsicht daftir zu wecken, i tr^indniss der Dermatopathicn nur auf richtigen Yor^ellung^

.s den medicinischcn Grundwissenschaften, insbesondere - .einen Pathologie und pathologischen Histologie s.ch - J d.,ss nur aus einem derartig gewonnenen Yerständmsse d i klm.schen

C-hlungen die Selbständigkeit und Sicherheit des Urthe.ls, sow.e !:: iZwusste und erfolgreiche Therapcutik dem Kranken gegenüber

'""^Cn die Kreise, lür welche dieses Buch l^estimmt ist, m dem- selben'da^ linden, was ihnen darin zu bieten meine ernste Abs.ht wa iriögen mein: geehrten Fachcollegen die ^-cheidene Le.s^ng n.cht xnit strengeren Ansprüchen bourthcilen, als s.e selbst sich ,.bt.

AVIEN, im Februar 1879.

Der Verfasser.

I n Ii a 1 t.

Allgemeiner Theil.

Erste Vorlesung: Beziehung der Dermatologie zur allge- '^"^'Zinipatlfologie.Ihreßedeutunginw.^s^^^^^^^ Txnd praktischer Beziehung. Geschichte ihrer Ln Wicklung seit dem Alterthume his in die neueste Ze t zweite Vorfesung: Allgemeiner Charakter d^ ~ hetreffenden pathologischen Processe. Wesentlicne uteS^ttimmung derselben mit denen ^er anderen Organe und Gewebe. - Sie treten jedoch mu eigen- thfmlichen Charakteren in Erscheinung Der speciale Charakter ist bedingt durch die besondere Anatonne der Haut, die eigenartigen Symptome und T^J^^^^^^ ^.«^ Hautkrankheiten. - Anatomie der Haut und ihiei

Dritte^'orlesung": Anatomie ' der Ha;t iFol-tse'tzung).

°" PhyllogiedesHautorganes. Dreifache Function des- selben als Schutzorgan und Wärmeregulator als specifisehes Secretions- und als «Pec^li-^es Sinneso |an

Vierte Vorlesung : Allgemeine ^y-;^''^^^'f:^f'^^^^^

und obiective, primäre und secundare Kiankheits erscheinungen. Vertheilung <i'^^Efflorescenzen .

Fünfte Vorlesung: Allgemeine Aetiologie. l^^^^Vf^^^^^^ und symptomatische Dermatonosen. Klmischei Begriö der Hautkrankheit. Allgemeine Diagnostik .

sechste Vorlesung: Verlauf, Bedeutung und Lolgen^^ Prognose der Hautkrankheiten. Allgemeine Theiapie. Systematik der Dermatonosen

Specieller Theil.

I CLASSE. Hyperaemiae cutaneae. JU^rclx Bl«tübermil,.rxg in derx oberfläcYUcUe- Ha^t- Bcbichten veranlasste HantUrankUeiten. II. CLASSE.

Anaemiae cutaneae. ID«clxverminderten«lntgeUaltibrex. feinsten Gefasse

vernrsachte krankUalte Krsclxe.nungen der Haut.

Siebente Vorlesung: Hyperämien der Haut active und passive, idiopathische und symptomatische Hyperamien, ßoBcola, Erythema. Anämie der Haut

Seite

1—21

22—40

41—55 56—72 73—87

88—104

105—121

VIII

III. CLASSE.

Ajiomaliae secretiouis cutaueae et glandularum

c u t a u e a r u m.

JDurch Abnormitäten der Hautseoretion und dei- Hautdrüsen veranlasste Hautlirankbeiten.

Achte Vorlesung: Anomalien der Hautperspiration und Seite Scliweisssecretion. Bromidrosis. Physiologie der Schweissabsondening : chemische Beschaffenheit des Schweisses und taankhafte Schweissabsonderung, Quantitative Störungen: Hyperidrosis universalis et localis. Oertliche und allgemeine Folgen und Compli- cationen. Therapie. Anidrosis. Qualitative Anomalien der Schweissabsonderung. Anatomische Veränderungen der Schweissdrüsen ...

122 142

Neunte Vorlesung: Anomalien der Fettsecretion. Physio- logie der Fettsecretion. Pathologie. Uebermässige Secretion. Seborrhoea localis et universalis. Diagnose Prognose, Therapie. Verminderte Secretion. Xerosis! G-estörte Excretion, ihre Folgen als Eetentionsformen Comedo, Milium, Molluscum verrucosum s. conta- giosum. Atheroma

IV. CLASSE.

Exsudatioues.

Durch Kxsudation und Entzündung bedingte Haut-

liranblieiten.

Zehnte Vorlesung: Allgemeines über Exsudation und Entzündung. Die Zellentheilung, ihre Beziehung zu jenen und zu den stabilen und eingewanderten Form- elementen. Symptome der Exsudation und Entzündung an der Haut. Verlauf und Ausgang derselben. Eeso° lution, Eiterung, Hypertrophie, Atrophie, Degeneration 168—183

A. Acute exsudative Dermatoseu. a) Acute, coatagiöse, exsudative Dermatosen.

Eilfte Vorlesung: .Acute Exantheme." Gemeinschaft- liche Charaktere der acuten Exantheme. Masern 184—200

Zwölfte Vorlesung: Scharlach '>01-218

Dreizehnte Vorlesung: Blattern - Geschichte. Vari"ola- " üon und Vaccination. Variolosis, Varicella. Typische Blattern, Variola vera. Atypische mit günstigem Verlaute 233

Vierzehnte Vorlesung: Blattern (Fortsetzung). Un- günstige Atypie: Variola haemorrhagica , Variola confluens. Complicationen und Folgen der Blattern

234-256

IX

Seite

Fünfzehnte Vorlesung: Blattern (Sc üus«) Diagnose. Proo-uose. Einüuss der iB.ptog auf die Scliwere der Erlu-ankung. Aetiologie. Therapie. ProiAylaxis. 7r niMTinäre und humamairte Lymphe.

W Acut., nioit «o»tu.io.., .>:.~d"l" X>«r=..o.«.

1. Ery tliemformen. Sechzehnte Vorlesung: Die anatomischen Veränderungen bei den Erythemen identisch, nur nach dem Grade verschieden. Erythema multiforme und Herpes Ins et circinatus, Erythema nodosum, Purpura rheumatica .(6-293 Siebzehnte Vorlesung: Urticaria. Formen und Be- deutung der Urticaria, idiopathische und symptomatische,

acute und chronische Nesseln

2 Phlyctänosen, Bläsclienaussclilä ge. Achtzehnte Vorlesung: Herpes, Herpes Zoster, dessen Beziehung zum Nervenverlaufe und zur Ganghen- Erkrankung. Specielle Nosologie ' ^^"^

Neunzehnte Vorlesung: Herpes labialis Herpes pro- genitalis, Herpes Iris et circinatus. Miliaria rubra,

alba et crystallina. Pemphigus acutus ö^o—ööt

3 Dermatitides. E i gentlicli e Hautent z ündung e n. Zwanzigste Vorlesung: Identität der anatomischen Ver- änderung. Klinische Verschiedenheit durch Grad und Ursache der Entzündung bedingt. Idiopathische und symptomatische Dermatitis. D. traumatica, a venenatis et dynamica. Calorische Form: Verbrennung und

Erfrierung * \. V " tt' +*

Einundzwanzigste Vorlesung: Symptomatische Haut- entzüadungen. - Diffuse erythematöse En zundung, Erysipel: phlegmonöse Form, Pseudoerysipel. Circum- sciite Formen: Furunkel, Anthrax (idiopathische und symptomatische) ; endemische Formen: Bouton d'Alep. Zoonosen:Maliasmus, Leicheninfectionspustel,

Pustula maligna

B Clironisclie, exsudative Dermatosen. Zweiundzwanzigste Vorlesung: Anatomische Bedeutung und klinische Eintheilung der chronischen Exsudativ- processe. 1. S quamö s e D er m at o s e n. Psoriasis 371-389 Dreiundzwanzigste Vorlesung : Pityriasis rubra. Liehen.

Liehen scrophulosorum. Liehen ruber . . -'-J^ '2 Pruriginöse Dermatosen, Juckausscliläge. Vierundzwanzigste Vorlesung: Eczema. - Definition Polymorphie und Wandelbarkeit der Symptome, typischer Verlauf des acuten Eczems ; chronisches Eczem; anatomische Grundlage. Specielle Localisations- formen. Impetigo faciei; Eczema marginatum; Diagnose 408-4^o

X

Fünfundzwanzigste Vorlesung: Eczem. (Fortsetzung.) Seite

Ursachen, Prognose, Therapie _ 426 439

Sechsundzwanzigste Vorlesung: Prurigo. Charak- teristik , Prurigo agria und Prurigo mitis . , . 440 448

3. Folliculitides , Acneformen. F i nne n a us s clil äge.

Siebenundzwanzigste Vorlesung: Acne disseminata. Acne vulgaris, Acne arteöcialis. Theer-, Jod-, Brom- acne. Acne rosacea 449 462

Achtundzwanzigste Vorlesung: Sycosis, Bedeutung,

Pathologie und Therapie. Sycosis parasitaria.

Impetigo, Ecthyma. Impetigo herpetiformis . . . 463 473

4. Blasenausscliläge.

Neunundzwanzigste Vorlesung: Pemphigus, Be- griffsbestimmung des Pemphigus, Allgemeine Unter- scheidung in P, vulgaris und foliaceus. Allgemeine Symptomatologie, Specielle Pemphigusformen und deren Pathologie, Anatomie, Diagnose, Prognose, Therapie ° _ 474_485

V. CLASSE. Haemorrhagiae cutaneae. üurch Blutaustritt bedingte lirnnkheitsformen der

Haut.

Dreissigste Vorlesung: Bedeutung und anatomische Be- dingungen, klinische Formen der Haemorrhagiae cutaneae, Vorgang bei ihrer Involution. Idiopathische und symptomatische Formen. Contusion, Verletzung, Purpura senilis, P. variolosa, rheumatica, simplex, haemorrhagica. Scorbut. Hämophilie, Hämatidrosis. 486 496

VI. CLASSE. Hypertrophiae. In Massenzunahme bestehende Hautkrankheiten.

Einunddreissigste Vorlesung : Allgemeines über Hyper- trophie, Anatomische und klinische Sonderung nach der Betheiligung des Pigmentes, der Epidermis und der Papillen und der Cutis als Ganzen, Pigment- hypertrophie. Anatomischer Sitz. Naevus, Lentigo, Ephelis, Chloasma, Morb. Addisoni, Melasma. Anhang : Icterus, Argyria, Tätowirung. Keratosen : Schwiele, Leichdorn, Hauthorn Papillome: Warzenmäler, Warzen 497 514

Zweiunddreissigste Vorlesung: Ichthyosi.s, Formen,

Pathologie, Anatomie, Prognose, Therapie . . .515 528

Dreiunddreissigste Vorlesung: Biiidegewebshyperlro- phien. Diffuse: Scleroderma (Anhang: Sclerema neonatorum) und Elephantiasis Arabum. Ele- phantiasis telangiektodes et ueuroticuni. Circumscripte : Papilloma (Framboesia) . _ 529 549

XI

VII. CLASSE. A t r 0 p Ii i a e.

■»^biniius; erworben: Vitiligo. Pigmentmangel der

raioSica (Xevoderma, Striae atrophicae, Atrophia Qx^antitative und degeneratwe Atrophie . . . öb.-5 o^D

vni. -and IX. CLASSE. Neoplasmata.

ci»nhQnnddreissieste Vorlesung: Neubildungen, AU- e^^^^^ M Gutartige Neubildungen :

Bindegewebsneubildungen: Keloid, Narbe (Vorgang bei der Narbenbildung). Molluscum fibrosum. Xan- ^^^^ thoma, Eibroma, Lipoma, Neuroma . . Siebenunddreissigste Vorlesung: Augiomata. - Blut-

ge.fäss- und Lymphgefäss-NeubikUmgen . ^^»^ Achtunddreissigste Vorlesung: Ebmosclerom. Lupus

erythematosus ." q *

Neununddreissigste Vorlesung: Lupus vulgaris. Symp-

tomatologie, Prognose, Aetiologie, Diagnose . 616 Vierzigste Vorlesung: Lupus (Fortsetzung). Anatomie Therapie des Lupus. Scrophulose, Tuberculose der Haut

IX. CLASSE. Bösartige Neubildungen. Einundvierzigste Vorlesung.Lepra, Geschichte Pathologie 642 Zweiundvierzigste Vorlesung: Carcinom Begriff des Krebses, Formendesselben: Epithehom, Bindegewebs- kreb,s, Pigmentkrebs, Sarcom bbu

X. CLASSE. Ulcera cutanea, Hautgescliwür e. Dreiundvierzigste Vorlesung: Begriff der Geschwüre. Allgemeine Symptomatologie, Eintheilung. Idio- pathisch entzündliche, einfache und contagibse Ge- schwüre-, das Fussgeschwür-, Schanker. Consecativ entzündliche, scrophulöse Geschwüre. Aus Neoplasie

t>77 üoö

hervorgegangene Geschwüre

659

XII

Vierundvierzigste Vorlesung: Sypliilide, Allgemeiner «-te Charakter, Eintheilnng nach den morphologischen Erscheinungen. Specielle Formen, Symptomatologie, Diag-nose, Beziehung derselben zur constitutionellen , Syphilis. Allgemeine imd örtliche Behandlung 689—703

XI. CLASSB. Neuroses cutaneae.

Fünfundvierzigste Vorlesung: Neurosen der Haut, Be- griff Motilitäts-, Tropho- und Sensibilitäts-Neurosen. Pruritus cutaneus, universalis et localis. Pruritus senilis 704 -712

XII. CLASSE. Dermatoses par asitariae.

DParasitäre Haatliranblieiten.

Sechsundvierzigste Vorlesung : Pflanzliche und thierische Parasiten. Allgemeines über Pilze und ihre botanische Stellung Wirkung auf das Hautorgan. Eiutheilung der Derniatomycosen. Specielles : Favus, Pathologie,

m . 71c> iol

Terapie

Siebenundvierzigste Vorlesung: Herpes tonsurans. Formen: H. tons. Capillitii, vesiculosus, squamosus, maculosus. Onychomycosis Sycosis parasitaria Eczema marginatum; Pityriasis versicolor . Achtundvierzigste Vorlesung: Durch thierische Para- siten bedingte Hautkrankheiten. Thierische Parasiten-, eigentliche Parasiten und Epizoen. Art ihrer Wirkung auf die Haut. Dermatozoonosen. Scabies. Geschichte. Naturgeschichte der Krätzmilbe.

Milbengang .

Neunundvierzigste Vorlesung: Scabies (Fortsetzung).

_ Symptome, Pathologie, Aetiologie, Therapie . . (W—iiö Fünfzigste Vorlesung: Dermatozoonosen (Fortsetzung).

Acarus foUiculorum. Pulex penetrans. Filaria

medinensis. Leptus autumnalis. Ixodes Ricinus.

Cysticercus cellulosae. Epizoonosen: _ Pedicul.

capitis, corporis, pubis et Pediculosis s. Pythiriasis.

Pulex irritans. Cimex lectularius, Culex pipiens.

Oestrus

732—749

750—759

774—790

Allgemeiner

Theil.

Erste Yorlesiing.

.,iir,»rT,einen Pathologie. Ihre Bedeutung Wicklung seit dem Alterthun, b.s m die neueste Zeit.

Meine Herren!

Die Lehre von den Hantkranklieiten, die Derma- + oloo-ie rielitigerDermato-Patliologie.liatznrAufga-be, wicMigen Theile der speciellen Krank We^e bekannt zu naacken. Sie stellt gegenwärtig eine -^f^^ - inhaltreicke Disciplin vor, die zwar bis zu einem gewissen Grade in sich abgerundet, dock vermittelst wicktiger orgamscl x Ausläufer mit den übrigen Disciplinen , besonders mit der allgemeinen Patkologie zusammenkängt.

Es ist sekr ntttzlick, sobald man an das Studium dei Hautkrankkeiten gekt, sick diesen Umstand vorweg- zum Bewusstsein und zur Ueberzeugung zu bringen und die etwa vorgefasste Meinung fakren zu lassen, als kanc el te es sich hier nur um die Aneignung einer gewissen im ^^^^^^^^^^^^^ mit Nutzen verwertkbaren, kliniscken ™-U^raktiscken Rouüne^ Sie werden im Gegentkeile alsbald erfakren, dass das Studium derSutkrankkeitL praktisok um so gedeiklicker --1 -ssen- Hokaftlick um so befriedigender sick gestaltet sorgMt^^^^^^ die Beziekungen und Analogien aufgesuckt und erfasst weiden,

Kaposi, Hautkrankheiten.

Erste Vorlesung.

welche die Krankheiten der Haut zu und mit den physio o- gischen und pathologischen Zuständen anderer Organe , des Gefäss- und Nervensystems, der Blut- und der Saftemasse und den verschiedenen Zuständen des Gesammtorgamsmus besitzen.

Es ergibt sich aber auch weiters, dass die an dem Hautorgane stattfindenden la:ankhaften Vorgänge em sehr belehrendes Vergleichs- und Prüfungsobject abgeben ruck- sichtlich der analogen pathologischen Processe umerer Organe, mdem iene schon am lebenden Individuum und m flagranti unserer Sinneswahrnehmung und Beobachtung zugänglich sind, während diese als abgeschlossene, oder mitten im Laufe abge- brochene Vorgänge erst aus den todten Gebilden erschlossen

werden müssen. _

So bekundet sich denn die Bedeutung der Dermato- Pathologie in dreifacher Beziehung, indem sie uns erstens die Krankheiten eines für das Leben unentbehrHchen Organes,_ der Haut erkennen, verstehen und heilen lehi't ; indem sie zweitens dm^ch den Nachweis der Beziehungen der Dermatonosen zu den Krankheiten anderer Organe und Systeme unsere Kenntmsse von der Pathologie des menschlichen Körpers überhaiipt m erheblichem Grade ergänzt und vervollständigt; und di'ittens, indem sie nach der Natur des von ihr behandelten Gegenstandes, durch Vorführung von Krankheitsvorgängen, welche miserer Simieswahrnehniung unmittelbar zugänglich sind, unsere aus der allgemeinen und experimentellen Pathologie geschöpften Vorstellungen und Kenntnisse zu fördern vermag.

Diese Bedeutung der Dermatologie ist eine Errungenschatt der neueren Medicin und das Resultat der in dem Studium der Hautkrankheiten mit dem Ende des vorigen Jahrhundertes zur Geltung gekommenen , streng naturwissenschaftliclien JVle- ihodik, im Vereine mit den Aufklärungen, welche die mikrosko- pischen und experimentellen Studien der letzten Jahrzehnte auch bezüglich der Anatomie, Physiologie und pathologischen Histologie der Haut zu Tage gefördert haben.

Die Derniato-Pathologie der neuen Zeit ist aber keines- wegs auf einem unvorbereiteten Boden erstanden.

Die Geschichte der einzelnen Hautkrankheiten , sowie viele der noch gegenwärtig zu Recht bestehenden Namen derselben -und ihrer Symptome führen uns nothwendig zurück auf die Leistungen früherer Zeitalter. Ja, dieselben können zum

Allgemeine Gescliiclite.

. r1«iin riclitio- verstanden werden , wenn man

">"™J-'™Pf\:™;f"Vtrwnuiern, we,m so auffallende Es wai-e aueh zu .e , '^n i^en Decke , die

^"^'^'^Zri^ Farben- und Gestalterschei- .u Tage l«f ^"^'^.„f L^ieu sieb so leictt bemerkbar „n,gen «''"^^^ttr^oUten überseben worden sein, die .mn

\r n, Sieb - : -sr;

, de zSlufd: ~issensebaft

bescbaftigten, als der 3™ s , j^te.

. '",t^^^eto Tbeil ansteckende Krankberten

gaben über ^«^«'"«"^ Namen von Nega,

der Haut, aucb dei Haaie um

Baberetb, Sebebin, Misepabat, ^-^ff J^:""^ " deuten, in der Lage <Ueselben nvmeicBi>scbem Sume ueM g

In der Bibel-TJebersetzung der ^''l*''^!^'^*^,^''^^^,,^,^,^^^ Nega und Zaraatb mit Lepra '-^ ^ J^^^^A*.- worden; nnd so bat f ' „^'^^Itb der Bibel

latnr die Meumng erhalten "».^'^ " .j^^er ein Irrtimm, tbatsaehlieb den Aussatz bedeutet. D. s st siche^ Zaraatb bedeutet 'lort eben mehts ^^^^^JC^^sieo^e^^A. sebwer- oder gar mebt ^edba^e j ellercbt^^ ^.^ ^^..^^^

Hantkrankbeit und mag «"\/;"J^f;;/^,^ f,^. einfache Brand- verwendet worden sein, sowie sicbei aucn

^'^Dentlicber erkennbare patbologiscbe Beg." »

nrnrgsweisen flu- ^^^^:^rZ^ »n, dagegen m den g^^^^^'^""^"' . .,„,^o,3en von Sokhat^ ..nächst schon l-i™AX^^^^ dem ^^^f^Zl^ (von nnd Plato (460-370 (?) a Ch-)- ^' T^Zere - Ha^^tblntlien)

nnd rmd ^.^ula.x tm n,,, ginne, wie

Hantkrankheiten nberhanpt , m dem «e

etwa die letzteren modernen Ausdmcke anch h^ntz

Aerzten nnd Laien E^r^.^^I:^:Ln^ Ge- ^Epaw{>o., i^ivu-/.Tt;, iv{>?a.(; fnr knotige «^^^^ ^ _ für

s iwlüste der Haut; ^-^^ 'f^ znm Thei e mit

trockene, mit Abschlüfernng der Epidermis, znm ihe

^ Erste Vorlesung.

Jucken verbundene Hautkranklieiten, wälirend x.v?icrao; und •/.viSwci; für Jucken xind Breimen der Haut angeführt wird ; l^pßy.^ für Scliweissbläscken ; (pT^uxTaiva'., cpWCa/.ia, cpuSpi/aa, ä/^öpe;, -/.-/ipiov, 7:o,j,ooi füi« Bläschen, Blasen, mit Nässen und Krustenbildung verbundene Hautausschläge; ep-?,? £c(^w,^.£vo; und /iYXP''«; fi^r peripher sich ausbreitende, sogenannt „kriechende", oberflächliche, oder tie- fer greifende Hautaffe c tionen ; aVfo;, lzw.r,, u-zly.;, ifU'Jit; für Verfärbungen und Pigmentanonialien der Haut; [j-x^iiiz; , -v.y.fV.- oöGi? und ä>.(o-£/.ta für die verschiedenen Formen des krank- haften Haarverlustes ; ä/.pox6pSov, äx.po{^urJ.•.ov, ;7.'jpa-/ixi7.o , wva-ot für Warzen und Finnen; h^^jaiiziky.; , fx-^z^xXvx, , sp-ja-^y-ara,

TcsTs^ixt für auch heute so benannte Processe; yoiox^z: für Scrophel-G-eschwülste. Dabei ist nicht zu verkennen, dass schon HiPPOKEATES gcwissc Hautkrankheiten als selbständige, mehr minder wichtige AfFectionen des Organes , als idiopa- thische Uebel, andere als Ausfluss oder Aeusserung gewisser innerer, auch allgemeiner ruid fieberhafter Erkrankungen, als .,Apostasen" angesehen hat. Er spricht von so genannt kriti- schen Ausschlägen, welche fieberhafte Erkrankungen abschliesen, glaubt, dass Ausschläge spontan oder in Folge von Behand- lung auf innere Organe zm-ücktreten und diese krank machen können; dass umgekehrt gewisse Excretionen und Depletionen, wie Hämorrhoidalflüsse von einzelnen Hautkrankheiten erlösen können. Schliesslich fehlt es auch nicht an Angaben über die Ursachen der Hautkranklieiten in dem Sinne, dass für einzelne Hautübel der Einfluss der damals angenonmienen Cardinal- säfte, für andere die Einwirkung der Jahreszeiten, der Witte- rungsverhältnisse, der Windrichtungen, oder der individuelle des Alters und Geschlechtes geltend gemacht wurde.

Nach HiPPOKRATES, dessen Schriften die Grundlage für die medicinischen Studien eines weiteren Jahrtausendes bilden, verdient mit Rücksicht auf die Aufmerksamkeit, welche er den Hautkrankheiten zuwendete, Corn. Celsds hervorgehoben zu werden. Dieser unstreitig objectivste der alten medicinischen Schriftsteller, der etwa von 53 v. Chr. bis 7 n. Chr. in Rom gelebt und sein nocli heute lesenswerthes Werk : Medicmae libri octo etwa nm 18 v. Chr. veröffentlicht hat, bringt im 5. und 6. Buche seines Werkes eine von theoretischen Aus- lassungen befreite, ziemlich sachliche und systematische Ab- handlung über Hautkrankheiten, welche nach Inhalt und Form

Allgemeine Gescliiclite. 5

« , fintt und .usa™ne„gefa.st, sondern durch neue la «- Sol e gros.ent,heib noch heute giltige Namen ersetzt oder "ta A und die Pathologie der Hautkranhhe.ten durch em- X .^enaue, inr modernen Sinne deser>ptwe Scnldenmgen ^tktrt. CB.SOS heschreibt im ^-^'.^^»"^ mit unverkennbaren CharaHeren, spneht Sj^ f ^ Behandlung von Wunden und Geschwüren (Vulnera ulceia) „nd besonderen Capiteln über eine Reihe von Hautkrank- eHe "anfiUu.t als: Carbunculus, Carcinoma, Thcnoma Cedacna), Ignis sacer, TJlcera ex frigore (Frostgeschwure), f ™l,s. Ph;ma, Phygethlon, Abscessus MsWae, Aerochordon. Thymion. Myrmekia, ^'^^ ^'^!^;%^^ ' Impetigo, Papiüae,VitUigo; im 6. Buche : de Cainll.s fl,«ntAus, de Porrio^ine, de Sycosi, de Areis, de Varls, Lentioulrs, et Ephe- Me L°7. de Condylomatibus , de de G^graena

Die meisten dieser Krankheitsnamen J'™';^^" Gebrauch, obgleich mit theilweise anderen »''f f ^^^^^ steht Cklsds imter Pustulae nicht nur eiterige Effloiescenzen Wem auch Urticaria und Sehweissbläschen ; rmter Scabies e^ gehende, mit Schuppung oder 1^»-- »^«8*» ^ Krankheit, die wir heute als Eczem "'V, ^"f .^.t^^ luid Begriffe, wie Sycosis, ffir eine M-ankheit Gesichtes, Porrigo für Kopfgi-ind, sind "»"'j^l"'"*'' "^'^^^ die HingsU Zeit in Geltung geblieben, nicht zu gedenken der obi-en Namen für Warzen, Hühneraugen u. s. t.

" um diese Zeit bringt auch noch P.iKias Nachricht ub« eine neu nach Rom i'^fortn-i. ..^i^f^^f^ Mentagra und erwähnt derselbe , fast gleidizeitig mit Sce™ ™: S10.S des Gürtelaussehlages als ^-f» "«^^^t rend andere Schriftsteller, in T^'^^t^TZl über Elephantiasis sich äussern, welche Krankheit eist damals in Italien allgemeinere Verbreitung gewann

GAlEKfS, im 2. Jahrhunderte n. Chr. thatig, J

H^KK^TZS und CE.SOS gebotene Materiale m weitläufig angelegten Werken --«-^ «"^".rt^^^^^ ben, SO dass die Schriftsteller der -;;^t:ie; inTt Iders wiegend aus GiLKNUS schöpften. Von Urnen

Q Erste Vorlesung.

liervorziilieben Aetius von Amida (543 n. Chr.), welcher zuerst den Ausdruck r/Ceaara gebraucht, Paul v. Aegina, der einzel- ner Hautkrankheiten nachdrücklicher gedenkt, Oribazius, Ale- xander Trallianüs, Actüarius, welche durch bündige Krank- heitsschilderung das Verständniss der alten Griechen wesent- lich förderten.

Inzwischen waren die Lehren der griechischen Medicin, und mit ihnen die über Hautkrankheiten, unter den politischen und Krieges- Wirren , welche das Ende des weströmischen Reiches und den Begiim des Mittelalters kennzeichnen, ihrer heimischen Pflegestätten grösstentheils verlustig, und erst vom 8. Jahrhunderte ab, auf dem Umwege diirch die Medicin der Inder und der Araber dem Abendlande wieder vermittelt wor- den, zum Theile allerdings durch neue wichtige Erfahrungen bereichert.

Schon in den ZAvischen das 5. und 9. Jahrhundert fallen- den medicinischen Werken der Inder, Charaka und Sushruta, werden neben den von den Grriechen erwähnten Hautkrankhei- ten noch besonders die Blattern Masürikä in iliren ver- schiedenen Formen und gefährlichen Complicationen , muth- masslich auch die Masern geschildert, namentlich aber der knotige und anästhetische Aussatz Kushta und Bäta- rakta sowie die im Abendlande bis dahin nicht gekannte, später als Elephantiasis Arabum in die Literatur eingeführte AfFection, Pachydermie, gekennzeichnet.

In hervorragender und massgebender Weise haben jedoch die arabischen Schriftsteller Rhazes , Serapion, Ebn- ZOR, Haly-Abbas, neben der Vermittlung und Bearbeitung der altgriechischen Lehren durch neue thatsächliche Mitthei- lungen die Kenntniss von den Hautkrankheiten gefördert. Vor AUem ist ihre Schilderung von den Symptomen der Lepra djudzam für die ganze Folgezeit massgebend geblieben, eben so, wie ihre Eintheilung der letzteren in vier Arten, welche offenbar den vier Cardinalsäften des GtALENüs entspre- chen sollten, als Lepra Elephantina, von der schwarzen Gralle, Lepra Leonina, von der rothen Galle, Lepra Alopecia, vom Blute, Lepra Tyria von dem Schlehne herrührend.

Ausserdem erscheint noch als zur Lepra gehörig , Albar- ras (alba et nigra) und Morphaea, walirscheinlich identisch mit Vitiligo, Lenke und Melas des Celsüs,

Allgemeine Geschichte.

■n.lfll ist die von ilen Griechen gar nicht geliannte Pachjalermie, welche die Eleph.ntia.i. der Araber-Ueherset.er, 1.„ snätere Elephantiasis Arabnm darstellt. ' Neben den Blattern nnd Masern schildern Araber sehr ein<^ehend die Krankheiten des Kopfes. Av™. nc™

<? haflti offenbar etymologisch mit dem hebräischen Sapahat Wenritt Hl«.ABB.s' dagegen Alvathim, ans dem der identiscn, ^ , , Stephan Antiochus, das noch

tot iirf Artender letzteren wird der he.,t zu Tage !,fFav,s bekannte, ansteckende, oder Erbgrmd henntM^ ^schildert. Avw.0« erwähnt der wahren Kratze mrt sammt der ihr angehorigen Krätzmilbe.

Tnedicinischen Studmm überBiittelt worden. So wmde üei Tu'hT Bekanntschaft :nit den Lehren der Griechen anf d.ese Art e nenert. Allein es war von den Hautkrankheiten last tssc liesslich der Aussatz, welcher die Schriftsteller der Zex

r'n. HS zun. Ende des l^^fL.™^^^^^ Die Italiener Vitalis de Fubno, Wh-helm von Saliceto Lan iKA^'CUS, Montagnana; die Spanier Theodokicus Villa^ova "e Eng änder Glanville, Gilbekt, Gaddesben ; m Erankx^exch KDO. GUY BE Chakliac; in Deutschland Hans Gebsdobf u. A D nn der Aussatz hatte eben im 12. und 13 Jahrhunderte zu einer wahrhaft pandeanischen Seuche s.ch entwickelt welche Regierungen und alle gesellschafthchen Kreise, wie r tedicinische Studiun. gegen ^^-f^'^'^- Aerzte gelangten in ihren Ansichten über den Charakter tTL lekä'pfungsweise der Lepra nicht über c^e YorsteL Inngen hinaus, welche von den Arabern gelehrt und durch dxe salernitanische Schule promiilgirt worden waren.

Im Verlaufe des 15. Jahrhundertes war der Aussatz aU- Hiälig aus den Binnenländern Europa's verschwunden. Dage- gen trat gegen Ende dieses Säculums ' f. ?enerea, später unter dem Namen Syph^- . bekannte Seuche auf. Da war denn Gelegenheit geboten, d.e mannigfachen

g Erste Vorlesung.

HaxitafFectionen , welche dieser Ivvankheit eigenthümlicli a'md, zu erörtern. Allein, obgleicli die Zahl der Autoren, welche am Ende des 15. und in den ersten Decennien des IG. Jahr- hunderts sich mit der Syphilis beschäftigten, sehr erhel)lich ist, und unter denselben Namen von sehr gutem Klang reihen, wie: Makcellus Cumanüs, Musa Brassavolus, Gabriel Fallo- i>rA, Fracastorios u. A., so sind doch die x^ositiven Leistungen derselben bezüglich der syphilitischen Hautkrankheiten nur höchst unbedeutend geblieben.

Immerhin kann das 16. Jahrhundert als die Zeitepoche angesehen werden, in welcher eine mehr selbständige und von den althergebrachten Formeln der Arabisten sich allmälig befreiende Bearbeitung der Hautkrankheiten ihren Anfang nahm. Neben den syphilitisclien Hautausschlägen, welche aller- dings noch mannigfach mit der Lepra ätiologisch und theore- tisch in Beziehung gebracht wurden, lernte man nocli als beson- dere Art dyscrasischer Hautkranldieiten den Scorbut , das Petechialfieber und die acuten contagiösen Exantheme kennen. Es mehrten sich die Bestrebungen , die Hautaifectionen als solche im rein pathologischen Sinne abzuhandeln. So liefei'ten JoH. Manardus unter dem Titel Lactumen eine eingehende Beschreibung des nässenden Gresichtsgrindes oder Milchschorfs der Säuglinge, G-orraeus unter Anderem eine für das Verständ- niss der dermatologischen Terminologie sehr verwendbare lexikographische Synonymik, Blondus eine Monographie de macidis corporis, Ambrosius Pakee unter Vielem über Blat- tern, FoRESTUs, Schenk von Grafenberg, Montagnana über Pemphigus, ansteckende Krätze und die verschiedenen Arten der Tinea genauere Angaben, abgesehen von der Berücksich- tigung, welche die meisten der bis dahin bekannten Haut- krankheiten in descriptiver oder ätiologischer Bezieluuig bei vielen Schriftstellern fanden, welche, wie die im Aphrodi- siacxis des Aloy. Luisinus vorfindlichen Autoren, gegen Ende des 15. und in der ersten Hälfte des IG. Jahrhundertes über Syphilis Abhandlungen geliefert hatten. Nach all' dent kann es nicht überraschen, wenn um diese Zeit auch ein grösseres Werk entstand, welches ausscliliesslich mit der Pathologie der Hautkrankheiten sich beschäftigt. Es ist das nach Vorträgen des Venetianers Hieronymüs Mercurialis, von dessen Schüler P. AiCARDius 1572 lierausgegebene Opus: de Morbis cutaneis,

Allgemeine Gescliichto.

, 1 = .v fP rein .Icvmatologische Werk ifterlianpt. MüiiCD- , diesem Werke „iekt viel Originalität

rri f E it It nach der Art des Galb^s die HantKrank-

't n n «olol de. Kopfe., enthaltend die verschiedenen Fov- er Kaücit und der «rinde, wnl in die des «br.gen r T,n Uehrigen bietet Mbecueiai,,s' Leistnng m descnp-

h find theoretischer Beziehung wesentlich nur eine Anslese

ans den Schriften der griechisch-römischen nnd arabischen

* Von dieser Zeit ab mehrt sich die Zah er Antoren, welche theils in allgemein medicinischen Werken emzeta Canitel, theiW anch abgeschlossene Monographien und grossere Werke der Pathologie der Hautkrankheiten widnietem Ich er^^hne von ihnen ans dem Ende des IB. nnd dem Laufe des r Tahliiidertes neben Pk.»euos, Yions Vm:.s, S— s d r über verschiedene Hantaffectionen, namentlich aber die a^rten Exantheme sich eingehender äussert, Doa^ Jj''- " lach zuerst in unverkennbarer Weise schreibt; JoH. Dolaküs, deM Lnpus schon im modernen Sinne definirf, vor AUem aber den ttberaU oitirten Hafemke , m dessen um IbOO t hteiiem Werke das gan.e Gebiet der Hantkrankhe*n berücksichtigt ist nnd auch der Krätzmilben unter dem volks- Slchen Namen der „Seuren«, sowie der Mitesser , de Cr- doiiibus, als vermeintlichen Würmern Erwähnung geschieht.

In den mn die Wende des 17. nnd im 18. JaW-*« erschienenen medicinischen Werken des schon ''^ff''^^

DOLAIOS S™™, VAN Swm™ (BoffiHAVE), DK HaEK cto

rege"ienwir.zum TUeü sehr werthvollen, unseren Gegenstand

betreffenden Erörterungen. , ^ , "nermato-

Als systematische Speoialdoctrme hat sich die Deuiiato loo-ie iedoch erst von der zweiten Hälfte des vorigen Jahi- hitideä L entwickelt. Schon der f^^^]^ hat mit einem sehr werthvollen Werke über Hautk nU fc^^^ diese Periode eingeleitet. AsTRüO prodncirte ,e e n grosses Onn, Uber Syphilis und Uber die nicht syphilitischen Haut S lieiten; sUa«ks, nebst pathologischen Details, wei^v n historische Behelfe; Hknslbr noch bis beute miiseigiltige historische Studien über den Aussatz und i*"' SypluHf^^

Als das ganze, Gebiet der Hantfaankheiten nnifassend durch gründlichen historischen und pathologischen Inhalt,

Erste Vorlesung.

SO wie durcli classische Form der Darstellung gleich bemer- kenswert]! ist das grosse Werk des Parisers Lorey: Tractatus de morbis cntaneis, vom Jabre 1777.

In Lorry's Werke findet sich nicht nur das gesammte dermatologisch-literarische Materiale seiner Vorgänger bis in das hippokratische Zeitalter hinauf voUständig nnd kritisch erläutert vor. Wir begegnen in demselben vielmehr auch einer reichen Fülle gut erfasster und objectiv wiedergegebener klinischer Thatsachen und Krankheits-Definitionen von über- raschend strenger, logischer Fassang, wie z. B. bei den Ge- schwiiren; dabei einer über den engen Horizont der einfachen Beschreib ang weithinausreichenden allgemein-pathologischen Auf- fassung der Hautkrankheiten. Dergemäss berücksichtigt Lorry neben den klinisch-sichtbaren Charakteren der Dermatonosen auch ihre Beziehung zu den anatomischen und physiologischen Eigenschaften der Haut, sowie des Gesammtorganismus. Er theilt dieselben in idiopathische und apostatische, luiterscheidet sie nach Verbreitung und Sitz in allgemeine und örtliche ; solche, welche einzelne Gewebsformen der Haut vorwiegend betreften, welche aus allgemeinen, oder aus örtlichen Ursachen, mecha- nischen oder toxischen hervorgehen und erörtert ^ erschöpfend die Dermatonosen in pathologischer und therapeutischer Bezie- hung nach allen Richtungen, welche für die medicinische Wis- senschaft jener Zeitepoche ofiFen standen.

Mit all' seinem reichen Inhalte und dem classischen Geiste, der aus ihm spricht, hat jedoch Lorry's Werk das dermatologische Studium bei dem grösseren ärztlichen Publikum nur wenig gefördert. Für dieses war das Bach zu gelehrt, und die Auslese aus demselben offenbar za mühsam.

Ungleich mehr Erfolg hatte dar am das 1776 zu Wien erschienene kleine Büchlein unseres Landsmannes Plenck. Darin finden sich alle Hautkrankheiten nach der Form und dem Aussehen, in welchen sie zunächst in's Auge springen, als wie fertige Naturproducte bezeichnet, als: Ma- culae, Pustulae, Vesiculae, Bullae, Papulae, Crustae, und dieserart in 14 Classen eingetlieilt. In diese waren aller- dings wieder 120 Gattungen von Krankheiten eingereiht, was scheinbar das ganze System höchst schwierig machte. Allem sowohl die Classen- als die Speciesbegrifi'e waren kurz und bündig definirt, ähnlich etwa, wie nach dem LiNNE'sohen

Allgemeine Gesohictte.

n

V ,«l„»n Olassen tmd Gattungen und Siiecies der Systeme -"^^f ^^^„then , der ZaU der Staubfäden Pfianzen -«^[V l.tlteUt waren Und so taponirte P^cx's als unverrückbar ein Katechismus durch Imrz-

.Dootriua de ;f2^t^Tl\^ ein scheinbar zur Orien-

gefasste und bequeme

i^^^^^ZtL^. ging, am lebenden IndivMuum

- —feiten zu ^^J^^L

und darum bald m cUe eme, bald ^^ ^^^'^ Papula erschien, ^^r°«"''^Ä^;i « b^d darl,f als B.dla. „ach wenigen f '"T"' w^ters musste es widerstreben, r "^T "efsfirt b "ssere Form, nicht an den ^iefpr^ollr.trgang hielt ^ I^-|^,Ce

„nd LenticuU, ^eP- «nci .peciell-pathologischen S::rXltitt z B. der AuMenung einer Scabies sypin-

^""^Hi"erth für das kommende Studinm der Der dSt^tSÄÄ,

t ?ri:e

"ese wohlth^tige Wirkung -gekündete sofort d„ Umstand dass RoBBar Wl.:^ in seinem epo^kemaehend» We^ ube^ Hautkrankheiten zunächst das System^^~ auf IX Ordnungen redne„-t |" ^^'^/'^"g^.^ttemata, 4.

trrpttut'T"v;sLr^^^^^^^^^^^^ «■ "

"^Zt^^ mit Kecht n mmen W^ft ^if^

der Anfang der neuen schöpferischen und ^r^^f^^^^^l

in der Dermatologie. In -'"/^tl^l- ^^^^^ und nach seinem vorze>t,gen Tode von | Bilderwerke,

und Freunde Bateiian fortgeführten iext u Description and treatment of cutaneous diseases.

^.^ Erste Vorlesung.

{deutseli von Friese) 1799 und Synopsis of ciitaneous diseases according to the arrangenient of Dr. Willan, London 1815, hat Willah nicht mir für alle Zeit verständliclie nnd wahre, scharf gezeichnete Schilderungen, theils der schon gekannten, theils einzelner von ilini neu beobachteter Hautkrankheiten entworfen, sondern auch durch objective Schilderung des Krank- lieitsverlaufes und Empfehlung rationeller Behandlungsmetho- den die Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten geför- dert; endlich durch die auf gründliche Kenntniss der Alten gestützte Vereinfachung und Fixirung der Nomenclatur und Synonymik dem weiteren Studium der Hautkrankheiten eine feste und breite Grundlage geschaffen.

Obo-leich WillanBateman's Werke auf die englischen Zeitgenossen und, durch vielfache Ueber Setzungen , wie von Haneman, Sprengel, Blasius, vermittelt, auch auf die Tach- genossen anderer Nationen einen mächtigen reformatorischen Einfluss üben mussten, so machte sich dieser dennoch nur allmälig in wirksamer Weise geltend.

East unabhängig von demselben fand ein rasches und üppiges Emporblühen der Dermatologie zunächst in Frank- reich statt, welches durch die vorausgegangenen Leistungen von LoRRT, Sauvages, Roussel, Poupart, eingeleitet und angeregt, durch das reiche Krankenmateriale des Hopital St. Louis m Paris unterhalten, an die berühmten Namen Alibert, Biett, und Rayer geknüpft ist.

Aeusserlich, als Lehrer, Schriftsteller und Arzt hat wohl Alibebt vorwiegend in den ersten drei Jahrzehnten dieses Jahrhunderts das dermatologische Studium in Frankreich beherrscht. Das von ihm aufgestellte System der Hautkrank- heiten, in einem von 1806 ab publicirten grossen illustrirteu Werke promulgirt, war ein so genannt natürliches. Die Teignes und Dartres spielen darin eine Hauptrolle. Erst m seinem letzten, im Jahre 1832 erschienenen Werke hat er der WiLLAN'schen Auffassung durch Aufstellung eines neuen Systems einige unverkennbare Concessionen gemacht.

Dagegen hat Biett sofort das WiLLAN'sche System zu dem seinigen gemacht und zwar für den Augenblick weniger glänzend, als sein College Alibert, aber durch seine, von seinen Schülern Cazenave und Schedel 1828 herausgegebenen

1 a

Allgomeine Gesclnchte. V„rie.u„..on „„gleich uaoMtiger für das sachliche Ver^tändni.«

Äeicht von B«.a, de.sen u.fa. , S „dltohes von geimuei- Literatarkenntmss zeugea-

^::hS:i' B'Xng ..h de. Lese, v.el Be-

'*"MU%t'Lei.t„uge,> der geuannten Autoren hat der «her ,ie Gret rrranla.eks hinansreichende Einflus. der wenn srigen darf, französischen Schule in der Den„atolog.e

^^^rCfrr* his in die neueste Zeit Frankreich ,.1, iTier eine ansehiUiche Seihe von dermatologischen SotittsSeru I fzuweisen, wie G^Kar, Gika.o.üt St. Ge.vms,

|:r°'crr'untT:;-nach gewissen Sichtungen

^'"^'^SÄrrandhis um diese .eitiuBer^^^^^ geleistet worden, war von ungleich f

le früheren Autoren Uber Hautkranhheiten Pbter ^EA^K (U.>-)

tl s™w, als die späteren, S»-, .^^l^'^^.^: FOCHS, haben die die allgemeine Pathologie ihrer Zeit b he.r sehenden humoral-pathologisehen Anschauungen au m de. Dermatologie znr vollen Geltung zu brnigen sich bemüht. Dieses "enist in der extremsten Weise iu ^er Darstellung von FoCHS zum Ausdruck gelaugt, welcher in semem ^J^^^"^^^ erschienenen dreibändigen Weite «b.^^^^^^^^^ theilweiser Berücksichtigung de Leistungen " aer Franzosen, deu rheumatischen kat.^^^^^^^ erysinelatöseu und anderweitigen Dyskiasien una des Organismus einen hervorragenden Einfluss auf die En tehung und den Charakter der einzelnen Hautkrankheiten vindicirte. Zugleich snelite er, wie S—, die » e^ Botanik und Zoologie eingeführten, sogenannten 'f^^^» Systeme auch den Hautkraid^heiten a^^^^^^^^ B toen hatte schon SCHÖHMIN, wie bei ' 0,,;^

Stadium der Keimung, der Entwicklung, » ; «'^^^^^^ Fruchtbildnng und Verwelkung gelehrt ^le Autst "ung J 0 Krankheitsfarnilien, Gattungen, Sippschaften, Arten und Vaue

Erste Vorlesung.

täten inuerlialb der Hautkranklieiten scheint FoCHS nur eine loo-ische Forderung. Das Bestreben, allen möglichen Richtungen zu entsprechen, hat die Darstellung von Fuchs höchst complicii-t nnd verständnissschwer gestaltet; ein Uebelstand, der durch dessen neugeschaffene Nomenclatur, als Chymoplanien , Derm- apostasen n. a. dgl. noch erhöht wurde.

Die ScHÖNLEiN-FoCHs'sche Lehre ist in der Sucht nach Natürlichkeit wohl die allerkünstlichste und unnatürlichste geworden. Sie ist auch zu keinem nennenswerthen Einflüsse gelangt.

Inzwischen hatte sich in der medicinischen Naturwissen- schaft Vieles vorbereitet, was einerseits die ontologischen und humoral-pathologischen Anschauungen in der Pathologie über den Haufen zu werfen, andererseits für die Dermato-Pathologie neues Verständniss und eine positive Grrundlage zu bieten geeignet war. Man hatte zunächst in der seit Jahrhunderten gekannten, aber erst seit kurzer Zeit allgemeiner bestätigten und anerkannten Krätzmilbe, in kryptogamischen Pflanzen bei der Muscardine und beim Favus des Menschen, Krankheits- erreger kennen gelernt, deren "Wirkung von der Blut- und Säftebeschaffenheit des Individuums unabhängig und^ demnach mit der Krasenlehre unvereinbar waren. Denn sie wirkten bei allen Individuen auf . die gleiche Art, die Haut krank machend.

Das Verständniss mancher Krankheitserscheinungen an der allgemeinen Decke ward schon dadurch angebahnt, dass über die histologischen Verhältnisse und physiologischen Func- tionen des Hautorganes authentische Kenntnisse verbreitet wurden. Neben den seit Malpighi gekannten Talgdrüsen, welche von Morgagni, Boerhave und Cotünnio zur Erklärung der Efflorescenzbildung bei den Hautkrankheiten herangezogen worden waren, hatte man die Schweissdrüsen kennen gelernt durch Brechet, Houssel de Vauzeme (1834) und Gürlt. Die Structiir der Oberhaut hatten Wendt und Henle, die Beschaffen- heit und Vertheilung der Lymph- und Blutgefässe Berres und FomiANN beleuchtet; die Existenz von die Hautdrüsen um- spannenden organischen Muskelfasern war durch KöiiLiKER: die eigenthümlicher Nerven-Endapparate in dem Hautorgane durch Wagner und Meissner nachgewiesen worden; während die Untersuchungen von Favre, Schottin, E. H. Weber u. A.

Allgemeine Geschichte. 1^

i„ ,\ie secvetorbche. >.ml anderweitigen Functionen der Haut

,1. s,t'd;„m lim die Zeit der Vierziger- Jahre, cta ™^''.'»™f^!^^^töSe ™-de »er den Hänfen geworfen r IdanUbaren Anfgabe ledig, dieser

,md die Doctime somit patliologisote

0- '^''^^^^"'^^^.jSrre intS^iStndil geworden. r:;:i:::«rdrLegr iff der naturgeseHcKtücKen Tiia.

J: wie sie als fertige ^^if^^^^^'^^^^^J^^ j T^-voniVlip^fsvorc-aiis; o-escliafPeii worden, xai v ex

S::«— erster! ird d r"™, die letztere dnrcli Sk». begriindet, J ner damit aueli die Hanpttandatoren der nene.^ und speciell der Wiener medicinischen Scliule geworden sind.

\as diese ^-'^^^^tl^^

'.l^i^riT; - Besehen gele.

Stet H^K^ ist der Scköpfer der neuen, mxd nack xhm benann

Hyperämie, Entzündung, Neubüdung, » »*f "^*!;" 'tj, " b^^^ scheinung iraten. Skod^'s Beispiel folgend, beimilite sich Hebra dt physiologischen Verlauf der Krankheiten am Hantoigan zii stiidiren. Er that dies, indem er auch das Experiment zn Sl e nim und Krankheiten an der Haut ^'^ J^ und beohachtnngsweise beherrschte sowie J«™« registrirte, welche gewisse, auch therapeutische Emgiiäe in dem^ormalverlautl der HantkranUheiteii ; .^^

g langte H..B. dahin, zunächst die 'I^J^^ ;t

Lutkrankheiten zu -eisen iind som^t^ d^^^^ ""t^^, früher snpponirten psorisclien, lierpetiscnen , i S^^tische! nnd anderen Dyskrasien als vermeinüicta ür^a eben aller Hautkrankheiten darzuthnn, damit zugleich emen von Vorurtheilen unbeiriten Weg zur BehandUmg der Haut Übel einzuschlagen.

j (j Erste Vorlesung.

Von grüiiclliclier Keuntniss der Literatur geleitet, kam er daliiu, das enorme Material der dermatologisehen Ueberlie- ferung kritisch zu sichten. Unbrauchbares zu verwerfen. Gel- tendes zu stützen, die Kranldieitsgruppen und Formen scharf und für alle Zeit kenntlich zu sondern und zu charakterisiren, Auseinandergeworfenes als natürlich Zusammenhängendes zusam- menzufassen, viele Krankheitsformen als neu erkannte zu con- sta«fciren und die Pathologie der Hautkrankheiten nnd ihre Diagnostik von Grund auf zu reformiren und neu zu gestalten. Auf der neu geschaffenen, positiven Basis entwickelte Hebra die Lehre von den Hautkrankheiten nach einer Methode und bis zu einer Vollkommenheit, die sie den exacten Naturwissen- schaften in vielen Beziehungen gleichstellt.

Dazu kam ein früher nie geahnter Erfolg in der von Hebea gelehrten Behandlungsweise der Hautkrankheiten. Die Tlierapie, früher ein von allen möglichen Vorurtheilen , Phan- tasien und Willkürlichkeiten gepeitschtes Schwanken , oder ein auf wissenschaftlich sich gebender Unkenntniss gestütztes Laisser-aller, war jetzt ein bewusstes und erfolgsicheres Han- deln. Es war gestützt auf genaue Keuntniss des Krankheits- wesens und zum Theile der Krankheitsursache, sowie nicht minder der experimentell festgestellten physiologischen Wir- kung der Medicamente.

Vergessen wir endlich nicht den mächtigen persönlichen Einfluss, den Hebra in der Bethätigung seiner Lehre geltend machte, als unermüdlicher Lehrer und Schriftsteller durch die Klarheit und Logik seiner mündlichen und schriftlichen Darstellung, als praktischer Arzt und Kliniker durch seine höchst übjective und darum bis an's Unfehlbare streifende Exactheit und Schlagfertigkeit in der Diagnose und seine erfolgreiche Methode der Behandlung: so wird es sich begreifen, dass die neue Lehre in kurzer Zeit den grössteu Theil der älteren Aerzte, wie der studirenden Jugend für sich gewinnen konnte.

Wissenschaftlich anregend nnd befriedigend, nnd praktisch auf's glänzendste sich bewährend musste die neue Lehre als- bald die massgebende, ja in ihren Grundprincipien die lierr- tichende werden.

Vermittelt wurde diese Lehre zunächst durch die litera- rischen Publicationen Hebra's , deren erste im Jahre 1844

17

AUsümoino Gesclüclitu.

0,;:: - e,.;; legte .cKo. aeutUo,. die prin- evregeude Tatsache« ^ ^^^^^^ .^^ AUgememen

v»l v-tung. Anzweifelung nnd mtopruch des stiumes, vo u o erbgesessenen Doctnnare

..eiaen diese Avb« - ^^8« ^ ^^^^^^ ^„..^„^i,,

Ä,!:::.' ^:tig"re.en vieHaebe An«n "**Äet45 1 SffentUeMe sein

tw::":; geltend gemachten Ca.dinalve..nde™gen,

Sie lauten:

I. Classe. Hyperaemiae cutaneae. n Anaemiae ciitaneae. ^

Anomaüae secretionis glancMarum cuta-

, nearum. XV, Exsviclationes. V. " Haemorrhagiae cutaneae. VI. HypertropHae. VII. Atrojjliiae. VITT. Neoplasmata. IX. Pseudoplasmata. X. Ulcerationes.

XI Neuroses.

XII " Parasitae (Dermatoses parasitariae). ' Innerhalb'dieses durcli unzweifelhaft naturwissenschaftlxclae

Merkmale gekennzeichneten, sehr einfachen und gewiss noch dnerweite?en Vereinfachung fähigen Systemes, welches exner In p thologischen Veränderung in der Haut von vornherem fh en bestimmten Platz zuwies, vermochte dessen Schopfer die .alüreichen ^nd so verschieden iiüancirten Krankheitsprocesse auch nach natürlichen Gruppen zu ordnen und emzur^^^^^^^^^ In demselben Masse als die Kenntniss der pathologisch- anatomischen Veränderungen allenthalben als nichtigste und positivste Grundlage des klinischen Studuims -h geW Lchte, ist darum auch bezüglich der Dermatologie das

Kaposi, Hautkrankbeiten.

Erste Vorlesung.

18

HEBBi'sdie Eintheihmgssyrtem in Gtoze oder unwesentlich ^dlfldrt, oder wenigstens in seinen Hanptzugen, fast nberall seither a ceptirt worden, aueh da, wo m anderen Beziehungeu noeh bedeutende Abweichungen von der HEBEVschen Schule

sich erlialten haben. _ ■, ^ tt i, t

Neben der geistigen Reformation bat Hebea auch die materielle Entwicklung der Dermatologie in hervorragendster Weise ffefördert, dank dem ungewöhnlich reichen Kranken- materiale welches sein Name und das von demselben getragene Institut an sich heranzog, und dank der fruchtbaren Art, m welcher HebuA dasselbe therapeutisch und didaktisch zu ver- werthen verstanden hat. Neben zahlreichen grösseren und kleineren Arbeiten bildet sein, in Verbindung mit Elfinger und Heitzmann herausgegebener grosser Atlas der Haut- krankheiten — bisher unübertroffen an Pracht und Natur- wahrheit — so wie sein inhaltreiches Lehrbuch der Haut- krankheiten, (dessen 2. Theil ich bearbeiten zu dürfen so glücklich war), für die ärztliche Welt unserer Zeit unbestritten den massgebendsten Unterrichtsbehelf in der Dermatologie. ^

Einflussreich wie seine literarischen Leistungen hat sich Hebba's Thätigkeit als Lehrer erwiesen. In seinen Vorlesungen, zu denen Aerzte aus allen Zonen heute wie vor drei Decennien sich drängen, haben Tausende derselben neben dem reichen Schatze vorbehaltlos und freigebig Übermittelter, enormer klinischer Erfahrung, namentlich die wichtige, der Wiener Schule eigene Methode des Studiums, der Auffassung der Krankheitsvorgänge in der Haut, der objectiven Diagnostik und der zielbewussten Therapeutik in sich aufgenommen und theils zum Wohle der leidenden Menschheit praktisch verwerthet, theils als überzeugungstreue Schüler Hebra's in frachtbarer Propaganda den Jüngern ferner Länder und Zonen übermittelt.

Endlich darf nicht verschwiegen werden, dass Hebra, indem er sein monumentales Werk keineswegs als vollendet erachtet, dessen Ausbau und Vervollkommnung dadurch am kräftigsten gefördert hat, dass er jedem Einzelnen seiner zahlreichen Schüler, welche Gesinnungs- und Arbeitsgenossen seines Strebens sind, jederzeit durch Theünahme, Rath und sachliche Förderung unter die Arme griff und so zum verehrten Haupte einer wissens(!haftlichen Jüngerschaft wurde , ^ welche hier, wie jenseits des Oceans, selbständig, aber im Geiste der

Allgemeine Gescliiclite. 1^ Wie.e. SCnle, leiste üe^Wahr^^^^^eit , die gedeil^liCe Entwicklung der Dermatologie^n^iebt.

1, Lei dieser Etappe in der liistorlsclien Ent- Wenn ich ^''^^'^"^^^ ^^^^^ ^,,^eilt nnd dalDei die

-'^'.r^Z^l^-^-^ gestern Habe, so Persönlichkeit Hebea s m ^ gewissermassen

geschah .ie. - - «-^^ ^ , 4,HoK _

taim. -, Walirlieit noch den Tradi-

Wir wtelen J^^^^^^^^^^^^ Versehen woUter,

Oa. ^^^^^'^J:^TL Wien, schule

der Lehre von den H.vUtoanhherte„ gd^^^^^^^^^

erwätoe hier von Deutecheu nur J'»™ der

.„ge. reichen Hantbani-

in den SchriftsteUem Plombe, Astony i»™'

fmchtharen Nestor der ^S'"""".™ , jer nenereii

Was» n„d vielen --!^^^-'^^^'f^tJ^J:,iM- Zeit thätigen Antoren «fngc 1?»«^;"' einer a.eri.a, .war in '^^^^^,^r:j';^^^^

teträchtllchen ZaU von Aerzten, zum grossen Theüe

der Wiener Schule, . ,. Ap^^te nnd

Die Bedentnng der Dermatologe f"-^^ f j^i,^ Praxis nnd die Pathologie überhaupt .st m l«^^^™,^,,^,,, zur aUgemeineu Uehcr.eug.rng geworden^ D™^^^^ ^^.^ sind in allen Ländern, namentlich Emopas, -L.e

2Q Erstü Vorlosung.

dieselbe errichtet worden und zahlreiche Facharbeiter erstanden, die zum Theile durch grössere Arbeiten und ^^^erke, zum Theile durch besondere literarische Beiträge diese Doctrin gefördert haben. Darunter zählen rühmKchst bekannte Namen, welche liier erschöpfend aufzuzählen, unthiuilich wäre. Wir werden die- selben aidässlich ihrer speciellen Leistungen in der Pathologie der einzelnen Hautkrankheiten kennen lernen.

Dass auch bei uns und namentlich hier, an der Geburts- stätte der neueren Dermatologie, der Eifer für die Lehre nicht erloschen ist, davon zeugt nicht nur das Herbeiströmen zahlreicher Zuhörerschaft, sondern in erster Reihe das heute wie ehe schöpferische und anregende Wirken unseres Lehrers Hebea, nebstdem die frachtbare Thätigkeit seiner, Ihnen Allen bekannten, heimischen und auswärts weilenden Schüler, welche anzuführen die specielle Pathologie der Hautkrankheiten Gele- genheit bieten wird.

Der Entwicklungsgang, welchen die allgemeine Patho- logie seit den Fünfziger- Jahren genommen , hat es mit sich gebracht, dass die Kenntniss von der Natur der Hauterkran- kungen nicht nur von Denjenigen gefördert wurde, welche die- selben vorwiegend zu ihrem Fachstudium gewählt haben. Die ruhmreichsten Bearbeiter der anderen medicinischen Fächer, namentlich der pathologischen Anatomie, Histologie und Chi- rurgie haben Bedeutendes direct und indirect zur Förderung der Dermatologie beigetragen. In der specieUen Pathologie der Hautkrankheiten werden wir viele derselben namentlich kennen lernen.

Zunächst hat die Erfahrung von der parasitären Natur gewisser Dermatonosen das regste Interesse der Botaniker, speciell der Mykologen und Zoologen wachgerufen, deren exacter Methodik der Forschung die Dermatologie formell und sachlich ungemein viel zu verdanken hat. Die Bestre- bungen, über die Bedeutung der Entzündung und Eiterung luid die hiebei stattfindenden Vorgänge in den Circulations-Organen und Geweben in's Klare zu kommen, haben schon frühzeitig auf das Hautorgan, als ein sehr passendes Studium-Object geführt, wie aus dem nahezu vor vier Decennien erschienenen Aufsatze Henle's „über Sehleim- und Eiterbildung und ihr Ver- hältniss zur Oberhaut" erhellt. An der Haut studiren die

Allgemoine Gescliiclite. 21.

Chirnvffen die sie zumeist interessirenden Vorgänge bei der Wnndi:;ilnng, der Granulation, Narben- nnd Epidernnsl^ldung In dem Masse, als die patliologiscbe Anatomie der Neuzeit ^vesentlicll die patbologisclie Histologie pflegt, und in ilir über die Gewebsveränderungen bei der Entziindiing, namentlicli aber über den Charakter und die Entstellung der Neugebilde Auf- kläruno- suclit, trat dieselbe in intensiver Weise auch an das Studium der Entzündungen und Neubildungen der Haut heran. Die physiologische Histologie und die Entwicklungslehre die Eoibryologie, die Grundlage für die pathologische His^to oge konnte der Theilnahme an dem gememschattlichen Studien- Obiecte sich nicht länger entschlagen, da in ihr die AufklaTUiig für viele Neubildungen und Geschwülste zu finden ist. Viele f anctionelle Störungen des Hautorganes, unter denen die neuro- tischen wohl die interessantesten sind, weisen sofort aut das Studium der physiologischen Hautfunctionen , der Vertheihing und Functionen der Hautnerven, der sensitiven und vasomoto- rischen Nerven insbesondere hin. Und so sehen Sie denn das pathologische Gebiet immer mehr, fast bis zu dem Umfange der allgemeinen Pathologie sich ausdehnen, in welches die Dermatologie ihre organischen Ausläufer sendet, von da Nahrung schöpfend und dahin führend.

Von solchem Gesichtspunkte erfasst wird Ihnen die Der- matologie nicht mehr als eine von dem allgemeinen Fachstudium abgesonderte Doctrin, auch nicht als blosser Gegenstand einer für die Praxis zu erwerbenden Routine erscheinen, sondern m der grossen Bedeutung , in der ich Ihnen Eingangs dieselbe vorgeführt habe, als wünschenswerthe und nothwendige Er- gänzung Ihres pathologischen Wissens und als unentbehrlicher und heilsamer Behelf für Ihren ärztlichen Beruf. In diesem Sinne werden Sie mit Elfer und Verlangen, und, von Ihren bereits erworbenen medicinischen Kenntnissen unterstützt, aiicli mit Vertrauen und Erfolg an das Studium der Hautkrankheiten

So lassen Sie uns denn mit der nächsten Vorlesung die Erörterung der allgemeinen Pathologie der Hautkrankheiten beginnen.

Zweite Vorlesung.

riiarakter der die Haut betreffendeu pathologischen Proeesse. ^Trsl^UU^he UeS e n derselben nnit denen der anderen Organe

-Wesenuiene uey iedoch mit eigenthümlichen Charakteren in

K:;th«; De^\S:Ue^Cratkter ist^edingt durch die .besondere Anatom e der Haut, die eigenartigen Symptome und Ursachen der Haut- Krankheiten. - Anatomie der Haut und ihrer Anhange.

Die Kraiitlieitsprocesse, welelie ander menschliclien Haut zu beobacMen sind, unterscheiden sich in ihrem Wesen durchaus nicht von denjenigen der anderen Organe des menschlichen Körpers. Sie sind im weitesten Sinne Erscheinungen der (luan- titativ oder ciualitativ veränderten Ernährung und Function. Vergessen wir nicht, dass die aUgenieme Decke nicht , wie allenfaUs der Laie denken mag, em einfaches Involucrum corporis hamani darsteUt. DieselLe-ist vielmehr^ em sehr compHcirt gebautes Organ, welches sowohl in semem Grund- gewebe mit den Eascien verbunden ist, als auch durch sem Blut- und Lymphgefäss-Geäder und durch die in ihr verlauten- den imd ausstrahlenden Nervenzweige mit den Ernährungs- und Lmervations-Centren des Organismus organisch zusammenhangt und demnach denselben Vegetations- und Eunctionsbedingungen unterliegt, wie aUe anderen Organe und Gewebe des mensch- lichen Körpers. Deshalb ist auch gar nicht zu erwarten, dass die Alienation in der Ernährung und Function der Haut, das ist ihre Erkrankung, wesentlich anders sich geltend machen könnte, als bei den anderen Organen und Geweben.

In der That kann demnach die Haut wie alle anderen Organe nur unter dem bekannten Schema erkranken, der Hyperämie, Hyperplasie, Entzündung mit ihren bekannten Aus- gängen in Lösung, Eiterung, Brand, der Atrophie, Gewebs- entartung, Neubildung, Neurose u. s. w. Und insoferne werden wir als mit der allgemeinen Pathologie und pathologischen

Zweite Vorlesung. Allgemeine Patliologie. 23

Anatomie in hinreichendem Grade vertraut, in den Krankheits- processen der allgemeinen Decke nur bekannten Vorkommnissen

begegnen.

Und dennocla machen die Haiitkrankheiten unleugbar anch den Eindruck des Eigenthümlichen , Eremdartig^n was ilire Analyse und Erkenntniss erschwert und die Nothwendigkeit ihres besonderen Studiums auferlegt.

Dies wu-d zunächst dadurch bedingt, dass die aUgememe Decke ein Organ von ganz eigenthümlichem anatomischen Bau ist, namentlich mit Eiicksicht auf ihre Drüsen und ihre Epidermisdecke, so wie von speeifiseher Eunction, die hauptsächlich als Wärmeregiüirung, Athmung und Secretion und als Tastempfindung zum Ausdruck gelangt. Durch_ die besonderem anatomischen Verhältnisse werden auch eigen- thümliche Erkrankungsformen möglich, die bei anderen Organen nicht vorkommen können, weil sie eben solcher Gewebs- imd Organelemente entbehren, eben so wie der specifischen Function aucb nur eine adäquate Störung entsprechen kann.

Demnächst trägt zur Eigenthümlichkeit der Hautkrank- heiten der Umstand ganz besonders bei, dass ihre Symptome, weil ein frei zu Tage Hegendes Organ betreflPend dem Gesichts- und Tastsinne unmittelbar zugängig sind und demnach durch derart perceptible Erscheinungen, also der Farbe Anordnung, Consistenz, des Ansehens und der äusseren Beschaifenheit, über- haupt dur;h vorwiegend physikalische Merkmale waYgenommen werden können, d. i. durch Symptome, ^ f ^5^^^;^^

anderer Organe grösstentheils unbekannt sind und hier deshalb zum Theil neu, zL Theil ganz besonders studirt werden müssen.

EndHeh wird die Eigenart der Hautkrankheiten zum Theüe das Gepräge einer besonderen ^^/^l^g-chen Ver- anlassung aufweisen, ioidem die allgemeine Decke , weü der Aussenwelt ganz blos gestellt, durch e-e Menge äusserer En. flüsse, als hohe und niedrige Temperatur, mechanische imd chemische Einwirkungen, Sclnnarotzerthiere und ^A--^^ gegriffen werden und demnach entsprechend denselben m emei binderen Art erkranken kann, welche in dem ^-P-^^^^^^^ genen und der Aussenwelt weniger zugänglichen Organen mehi

weniger fremd ist.

Aus diesen Andeutungen folgt, dass schon zmn aUge-

2^ Zweite Vorlesung.

meinen Verständniss der Hautkranklieiten notliwendig ist, diese drei Momente besonders in's Auge zu fassen:

1. Die Anatomie und Physiologie der allge- meinen Decke; -2. die allgemeine Symptomatologie und

3. die allgemeine Aetiologie der Hautkrankheiten. Bezüglich des ersten Punktes kann ich nicht unihüi, das ohnedies Bekannte aus der Anatomie und Physiologie der Haut so weit doch Linen in's Gedächtniss zurückzurufen, als zum allgemeinen Erfassen der pathologischen Nutritions- imd Functionserscheinungen dies erspriesslich scheint. Gewisse feinere Verhältnisse werden bei Gelegenheit noch besonders hervorgehoben werden und sind in den bekannten anatomischen, histologischen und physiologischen Werken erschöpfend dar- gestellt.

Anatomie.

Die allgemeine Decke, Integumentum commune, überkleidet, wie ihr Name besagt, die Körperoberfläche als eine den einzelnen Theilen sich anschmiegende, membranöse Hülle. Sie geht an den grossen Körper Öffnungen unmittelbar in die Schleimhaut der Körperhöhlen über. Ilire freie Oberfläche ist nicht von gleichartigem Ansehen und Anfühlen. Abgesehen von der ungleichen Färbung an verschiedenen Stellen, sieht sie sich matt an und gibt sie ein woll- oder sammtartiges Anfühlen. Dies rührt von gewissen Ungleichheiten ihrer Oberfläche her, die durch Furchen, Höckerchen, Poren und Haare veranlasst werden. An den bekannten als „behaart" geltenden Körper- steilen ist sie mit langen Haaren, im Uebrigen mit feinen, dünnen, sogenannten Wollhärchen, Lanugo, besetzt. Nur die Handfläche und Fusssohle, die Dorsalfläche der dritten Phalanx der Finger und Zehen, die Eichel und innere Fläche der Vor- haut und der Lippensaum entbehren der Behaarung.

Die Furchen an der Hautoberfläche erscheinen als längere und tiefere, welche grössere Hautfelder abtheilen, und als seichtere und kürzere, welche diese wieder in kleinere, meist oblonge Felder zerlegen. Jene entsprechen zumeist den Knickungslinien über den Gelenken, wie in der Flachhand, oder gewissen nach der Tiefe ziehenden Fixirungszügen der Cutis. Die kleineren folgen vorwiegend den Zwischenräumen zwischen

Anatomie der Haut.

25

den Hautwärzchen und Haartasclienmündungen, smd übrigen , t?e die jüngsten Stndien von 0. Simon ge tot haben be.ugbch Ter Ri tung von der Spannung der Haut abhängig An den treeks en der Extremitäten und Gelenke sowxe über dem Kre" ist diese Furchung mehr entwickelt als an den Ces en und an der vorderen Fläche des Stammes Bex Ütel Hautkrankheiten kann sich dieser Unterschied aus-

o-leichen oder selbst umkehren. n . i r i.

° Ausserdem erkennt man an der Hautoberfläche ferne riuule Grübchen oder Poren, welche grösstentheils den Mundungen der Haartaschen und Talgdrüsen entsprechen , ^vae auf der Nase, oder den Mündungen der Schwexssdrusen wxe auf den Riffen der Hohlhand. Die Letzteren, die R ffe, de Ausdruck der regelmässig angereihten ^--^VH^^Z;.^^^^ an der Yolarfläche der Fingerballen m zierlichen Bogenlinien

''EnZh sieht man an der Hautoberfläche sehr verschieden- artige Färbungen, welche theils als diffuse marmorirte und zw^f^^^^^^^^ RöLngen der BlutüberfüUung feinster und feiner Blutlefässcken entsprechen, theils, als vei^chieden bi.un nuai^- cirte von in die Epidermisschichten eingelagertem Pigment herrühren und als solche bei den meisten Menschen der kau- kasischen Race am Warzenhofe, am Scrotnm , aii den Labien am intensivsten ausgeprägt sind, bei Lldi^.duen dunkler Racen dagegen in gleichmässiger Yerbreitung die dunkle Allgemem-

'''''l-.'fZZ mitAusnalnne der behaarten Kopfhaut i^d der über dem Kinn, dem Brustbein, der Linea alba und der Glans, mehr weniger leicht verschiebbar und m J^^^^ heben welche an den Streckseiten des Korpers im Allge meinen sich mächtiger erweist als an den Beugeseitem

Wie in den hier angedeuteten äusseren Merkmalen so zeigt die Haut auch in ihrer anatomischen f-^-—'^^! grosse Unterschiede, je nach ihrer ^«P^S-P 1^^^^^^ tioneUen Bestimmung, indem an gew ssen Oertli«^^^^^^^^^ Bestandtheile der Haut quantitativ und intensiv ^-f^ ?^^ minder entwickelt sind, oder ganz feUen. Von ^^- n o ^hchen Unterschieden abgesehen, kommt der Haut durchwegs dieselbe

typische Structur zu. t i+ ,inr.'h

Auf einem feinen Durchschnitte, der senkrecht durch

26

Zweite Vorlesuug.

die Cutis gemacM worden, wie Sie unter dem Mikroskope Her bei massiger Vergrösserung, oder in der Abbildung (siehe Fig. 1), welche einen Dickendurcbscbnitt durch die Haut der Fingerspitze (nach Henle) darstellt, betrachten können, unter- sclieidet man olme Mühe drei Schichten. Die obere Scliichte (a b) ist die Epidermis. Sie greift mit Zapfen und in scharfer Abgrenzung in correspondirende Zapfen der zweiten Schichte (bei b c) ein.

Fig. 1.

Dickendurclisclinitt der Haut der Fingerspitze, parallel dea Eiffen. a 6 Epidermis, a Hornschiohte, «' Stratum l'^'^idum & Schleimsch^^^^^^^ '/estS d Cutis, e FettzeUenschiohte, / Ausfiilu-uugsgaug der Schweissdm^^ laufend in der Cutis, korkzieherartig in der Epidermis , g Schweissdiusenknauei,

Ii Blutgefäss-Durchschmtt.

Diese , die mittlere Hautschichte (c g) ist von gleich- mässigem und dichtem Ansehen. Sie entspricht der eigentKchen Cutis, Derma, oder Corium. An ihrer oberen, scharf gezeichneten Grenze zeigen sich in regelmässigen Absfänden kleinere und grössere, konische und spitze, zapfenförmige Hervor- ragungen, die Papillen der Haut (c), welche von einer gläs- heUen Membran Überkleidet sind. Mit diesen greift das Corium in entsprechende Zapfen und Vertiefungen der oberen und sie bedeckenden Hautschichte ein. Nach der Tiefe geht das Corium olme deutliche Abgrenzung allmälig in die lockere Schichte des Unter ha utzellgewebes über, welche als Tela cellulosa oder adiposa oder subcutanea bekannt ist (Schichte ge).

Anatomie, SchiclitoB der Haut. 27 n TT f.v 1, nutz eil ff e webe, bestellt aus einem gvobenMascbenwerk on ^n . ^^-^^...t in schiefer

.ntergelagerten .^^^^^^^f !"i/^;\,oben Bündeln, tbeils in r^Ä^STc^i— e3.en, n. sodann mit il^.

Hase— Tinte— n- chen eingelagert, mit ^"^"^ . ? ^ , , bezeicbnet wird.

^-n-:tet1l'p™

Die F e tt 1 a P 1^^^ ^ Wnde<.ewebs]iiille in einen Klumpen,

dnrcbeine S^^^'^'^''}'!'^ '^'^^^^^ zusammengedrängt oder in mehrere traubcbenaitige ±ianieu »

stark licbtbrecbende Körper dar (Fig. 2 a). t^m ^sie

bebandelt werden, wird ilir Fett-

iiibalt ausgezogen und es bleibt

eine gefaltete und oft einen

Kern bergende Zellliülle zurück (Fig. 2 b). Die massige Entwick- lung der Fettzellen verleibt der ^^^^ Haut Strammbeit und Spannung FettzeUen, .nd den Körperformen dies er- a^^^^l^^^ wünschte schöne Volle luid Run- ' bekannten

einer bedeutenden EntwicUnng dieser FettzeUen Bei ^ralt^cKen «eitei. ^^^^^^^^

rr;:.\^^.w.d^.^^^^

Scrotum und Penis, an den kleinen Labien, den iv , ^d Ohrmuscheln fehlen die Fettläppchen.

In das UnterhautzeUgewebe smd auch ^a, wo solche 1 rliP Knäuel der Schweissdrüsen emgelagert (1 ig- 1 g)-

vorkommen, die Knauei uei o TTcarbnlß-e mit ihrem

Am behaarten Kopfe ragen auch die Haarbalge mit

Grunde in diese Scliichte hinein. o-rnssen Blut- und Lymphgefässe und Nerven finden si^h mg os^^

Stämmen Die ersteren senden foine umspinnende Z^^^g« ^ ^

fer^ettläpp^^L^

gende Aeste nach dem Corium.

28

Zweite Vorlesung.

Dieses, das Corium (Fig. 1, c bis f), ist von dicbterem Gefüge. Sein Gerüst bestellt ans einem Flecbtwerk von parallel stur Hantoberfläcbe verlaufenden und sich kreuzenden Binde- o-ewebsbündeln , welches noch durch die vom Unterhautzell- o-ewebe schief aufsteigenden Bindegewebsbündel und ein reiches Netz von elastischen Fasern verstärkt wird, und besonders in den oberen Schichten sich verdichtet. Die Hauptriclitung dieser Faserzüge und der durch sie umschriebenen rhombischen Maschen ist für die meisten Körperregionen eine ganz bestimmte und massgebend für den Verlauf der Blutgefässstämme , sowie für die Anordnung und Ausbreitung gewisser Krankheitserschei- nungen. Die Faserzüge werden stellenweise verdrängt durch die in das Corium eingesenkten Haartaschen und Talgdrüsen, die senkrecht durchziehenden Ausführungsgänge der Schweiss- drüsen und die in verscliiedener Richtung aufsteigenden Blut- und Lymphgefässe und Nerven.

Namentlich ordnet sich das Fasergewebe zu dicliten Bün- deln, welche die Haartaschen, die Ausführungsgänge der Schweissdrüsen und die Acini der Talgdrüsen unmittelbar um- geben, beziehungsweise deren Grund-Stroma bilden.

Endlich werden die oberflächlichsten Faserzüge noch von der Hauptriclitung abgedrängt, 'ndpm sie schlingenförmig in die Papillen eingezogen werden.

Ausser den Bindegewebs- und elastischen Fasern, welche den wesentKchen Bestandtlieil der Lederhaut ausmachen, finden sich in derselben zerstreut zahlreiche, einfache und verästigte Bindegewebskörperchen, sowie eine unterschiedliche Menge von Lymphzellen, um so mehr, je jüngeren Alters das Individuum.

Die Papillen (Fig. Ic und Fig. 3) erheben sich aus dem Coriunige- rüste als verschie- den grosse und ge- staltete Fortsätze, konisch . warzen- I förmig, fadenartig,

HautiiaiiilloTi, ihre Epidermis abgelöst, die Gefasse ß""^' '^"'^^^ melirspal-

injicirt. tig, mit breiter

rt Je ein Jfn i r s n o r'schos Körperchen hergendR Tast-i t)„„;„ Qi'cKoof aIioh pnpiUen ; die übrigen defiisspnpillpn. BaSlS. t5ie OeSteueU

Fig. 3.

Anatomie, Schicliteu der Haut. 29

aus einem verschieden nVachtigen Bindegewebsgeriiste , nach •men vorwiegend aus ekstischen Fasern. Emzelne derselben eXltenim?nnerneineBlntgefässschlmge, zuführende Arterie . uml X licklauf ende Vene, nnd heissen G e f ä s s p a p x 1 e n (Fxg. 3 a), andere bergen im Innern ein Nerven-Endkörperchexx , enx so- ::nLtes MBXssNBK'sches Tasthörperchexx oder IvB..sKsche Nerven -Endkolben, xxxxd heissen daxxn N erv exx- odex Tast-

papillen. (Eig. 3 b.) . ■, i V

Die TastpapiUen fixxden sich in grösster Anzahl an dem Nao-eloliede der Einger xxxxd Zehen, wo sie iax Abwechslxxixg ,nit° den aUerdings viel zahlreicheren Gefässpapülen in regel- xnässio-en Bogenreihen angeordnet sind; ausserdem xxoeh in rtlhtlichex^lenge im Bereiche der Elachlxand und Euss- sohle des Lippenroth, der Brustwarzen.

Am übrigen Körper sind die Papillen überhaupt weiter xxnd unregelmässiger von einander situirt, und die Tastwarz- chen im Ganzen spärlicher gegenüber den Gefässwärzchen.

Von den in die Structur des Coriums mit einbezogenen Blut- nnd Lymphgefässen, Nerven, den Talgdrüseix, Haarfollx- keln und Schweissdrüsen, sowie den Muskeln der Haut, werden wir an einer anderen SteUe sprechen. , o i i ^

Yor der Hand betrachten wir noch die oberste Schichte der Haut, die Epidermis (Eig. lab).

Diese entbehrt im Gegensatze zu den anderen Haut- scHchten vollständig der faserigen Structur nnd eines Getass- systems. Sie setzt sich ganz nnd gar aus einzelnen ZeUen zusammen, welche durch eine Art „Kittsubstanz" zusammen- cehalten werden. Diese ist von Jul. Abnold als Gerxnnungs- ^roduct von Lymphe erklärt worden, derart, dass diese m Saftkanälen enthalten wäre, welche zwischen den Epxdermxs- zeUen verlaufen, deren Ernährung besorgen und mit den batt- kanälen der Papillen in Verbindung stehen. _

Man xmterscheidet wesentlich zwei Schichten der Epidermis. Die tiefere stellt die Schleimschichte oder Mai^piohi sehe Schichte vor (Eig. 1 b). Sie fällt durch ihr körnxges Ansehen und ihre dimlde Färbung auf gegenüber der mehr heUen tokschei- nenden nnd lamellirt aussehenden oberflächlichen Schichte, dei eigentlichenHornschichte, Stratum corneum (F^^^^^^^^ Die MALPiGHi'sche Schichte besteht aus deutlich kein haltigen, protoplasmareichen, demnach sehr lebhaft vegetirenden

gQ Zweite Vorlesung.

und in parallelen Schichten angereihten Zellen, welche durch Carmin, besonders im Kern, sich sehr lebhaft färben. Sie bekleidet \uimittelbar die mit einer Art structnrlosen Membran sich ab- setzende Corium-Oberfläche nnd füllt die zwisclien den PapUlen sich ergebenden Bucliten durch entsprechende Zapfen, die

Fig. 4.

Rete-Zapfen, aus (Fig. 4, g). Die Zellen der tiefsten Rete- schichte stehen mit ihren länglichen, von einer schmalen Proto- plasmaschichte umgebenen Kernen senkrecht, pallisadenförmig auf dem Corium auf und pflanzen sich mit hakenförmigen Fortsätzen in das Papillen-Gewebe ein. Die nach der Oberfläche folgende zweite und dritte Scliichte besteht aus mehr oblonge Kerne bergenden Zellen. In diesen findet sich bei den Menschen heller Race wenig körniges braunes Pigment, bei den Negern viel solches Pigment eingelagert. Die Zellen der nächst höheren Schichten sind viel grösser, polyedrisch, mit rundlichem Kern und deutlicher Zellmembran versehen. Letztere zeigt zahlreiche radiäre RifiPe oder Staclieln, welche in die benachbarten Zellen einzugreifen scheinen, M. Schcltze's Stachel- oder Riffel- zellen (Fig. 5).

Anatomie, Scliicliten dor Haut. 31

j-ig. 5. Die Bedeiituug dieser Riffel ist

nocli niclit klargestellt. Scheden ^0fs^ sieM sie als Contouren von Saft-

>f ^ ^ canälclien an. Nacli den oberfläck-

licksten Reiken zn werden die Zellen immer mekr starr und abgeplattet, ikr Kern ersckeint kleiner, sie lagern Sick in zur Oberfläcke mekr paralle- len gekickten. Seit Langeehans' Untersnckungen nntersckeidet man in der feineren Histologie die ober- sten Reiben der MALPiGHi'scken Zellen anck als K ö r n c k e nz e 11 e n- Stachel- oder EiffelzeUen mit gekickte, von dem körnigen An- Kern md Kernkörper dien. ^^^^^ .^^^^ Protoplasma.

BiESiiDECKi und Pagenstechee kaben zwiscken den den epitkeHalen Ckarakter an sick tragenden Retezellen auck em-

verästigte Formelemente, von dem Ckarakter der soge- nannten Wanderkörpercken eingelagert geseken, deren Vor- kommen auck ick constatiren muss.

DieHornsckickte der Oberkaut, Stratum corneum

oder Cuticula (Fig. 1 , a a') sckeint auf Durcksckmtten aus wellig und paraUel zur Hautoberfläcke gesckickteten Fasem zu beslek.n. Bei näkerer Prüfung erkennt man, dass diese nur der Ausdruck der Aneinanderlagerung von platten Zellen ist. Näker zur MALPiGHi'scken Sckickte ist der ZeUckarakter deut- licker zu erkennen. Die ZeUen sind nur flacker als die Rete- zeU~-n, melir trocken und zeigen selten den Kern. Je naker zur Oberfläcke, desto mekr ersckeinen die Zellen nur als flacke Blättcken, Hornkaut- oder Epidermissckuppcken. _

Die Zeüen der Hornsckickte lassen nur nock m den tie- feren Sckickten wenig körniges Protoplasma erkennen, - basale und superbasale Hornsckickte nack Unna, - kaben deninack im Ganzen wenig, in den obersten ScHckten kaum mekr Lebens- fäkigkeit, und färben sick nur sekr sckwack m üarmin

Bekanntlick sckiÜfern die Hornplättcken contmuirlick ab, imd werden dieselben durck neuen Nacksckub von den tieteren Sckickten ersetzt. Dies lässt vermutken, dass die Retezellen im allmäligen Vorrücken von der Tiefe zu den Hornplatten werden. Diese Auffassung kat von einzelne Autoren eme

Zweite Vorlesung.

Einschränkung erfahren, indem sie anf den Umstand hinwiesen, dass der Uebergang von den Retezellen zu den Hornzel en o;Lh sich nicM als ein allmäliger dax.tellt. Es befindet s.ch imlich zwischen der Scldei^nschichte nnd dem Stratnm corneum ein schmaler heUer Streifen (Fig. 1, a'), das OEHL'sche Stratnm Incidnm. Einige meinen, dass dieses nnr der Ansdn^ck jener chemisch-biologischen Umwandlung ist, welches die Retezellen durchmachen müssen, um zu Hornplatten zu werden. Schroen hat darüber eine besondere Ansicht. Er meint das Stratum Incidinn sei die Schichte der abgeplatteten nnd die Schleim- schichte abschliessenden Retezellen. Was darüber als Stratum corneum liegt, das sei gar nicht ein Denvat der RetezeUen, sondern eine über die Sclileimscliichte ergossene Ausbreitung der AuskleidungszeUen der frei ausmündenden Schweissdrusen. Das Unhaltbare dieser Ansicht ist jedoch schon von anderen Autoren (Auffhammer, Unna) dargethan worden.

Die Epidermis als Ganzes hat an den verschiedenen KörpersteUen eine nnterschiedliche Mächtigkeit. Sie ist z. B. am mächtigsten in der Elachhand und Ensssohle und kann an jeder KörpersteUe unter pathologischen Verhältnissen enorm anwachsen. Sie ist dagegen normaler sehr dünn über dem Lippenroth, im AUgemeinen dünner an den Beugeflachen als an den Streckseiten des Körpers.

Als Ueberkleidung des Coriums folgt sie stellenweise, z. B. an der Vola der Finger , strenge den Hervorragungen nnd Vertiefungen des Coriums, entsprechend den Papillenbergen und Thälern. Am Lippensaum füUt sie auch die Letzteren ganz ans und erscheint daher an der Oberfläche eben.

Als Ganzes setzt sich die Epidermis in die Haartollikei bis zu einer gewissen Tiefe fort, mit den RetezeUen bis zum Grunde der Haartasche, deren Innenwand als Haarwurzei- scheide bekleidend. Sie hängt auch weiters mit den :^^is*dei- dungszellen der Talg- und Schweissdrüsen zusammen, Verhält- nisse, welche gewisse pathologische Vorgänge erklärlich machen nnd no ch öfters zur näheren Besprechung kommen werden.

V e g e t a ti 0 n und F u n 0 1 i 0 n , diese beiden Eigenschaften des lebeAden Organes, sie werden auch bei dem Hantorgane durch das Gef äss- nnd Nervensystem vermittelt, und so auch die Alteration jener beiden Eigenschaften, d. i. die Erkrankung.

Fl^. 5 . Scnkrecflier Diirclischnitt durch ein m^icu-tes HaulsUick thr

l'oJa man US n ach Tonisa

ßic jirterien. sincLroth dielcnen blait üi/icirt T Tieniegendex.clerSchichlederFctdäppdiett und Sclimcis.tdrüscn cnttprc

chcndcxl/i-lassncti. 0. OherflachUches subpapülarcs O'e/iissneU.Bei a dfn Jusluhrun^sifang derSchwfissdj'Use begleitende trefasse . P. Papillär - öefdss-

sckUn^en . S Die Drüsenhnduel umspinnende Xetic .B Jufslei^^ende JesU ^ Fett7,ellenschic)itt

L\üi.Jnsti'7 Kikt.Witru

Anatomie, Gefässe der Haut. 33

Es ist demnach notlnvendig, noch die Circnlations- nnd Inner- vationsverhältnisse in der Hant nälier ins Ange zu fassen.

Wie schon erwähnt, besitzen nur Cutis, Corium und subcutanes Bindegewebe, Blutgefässe. Diese sind in einer zweifachen, der Hautoberfläche parallelen Schichte angeordnet, einer tiefHegenden im Unterhautzellgewebe , und einer ober- flächlicheren, welche unter den Papülen sich ausbreitet. Sie können diese Verhältnisse aus der Abbildung (Eig 6 chromo- lithographirte Tafel) ersehen, welche den Durchsclmift von einem iiijicirten Hautstücke darstellt, und einer Arbeit Tomsas

entnommen ist. . n--„\,^

Im Unterhautzellgewebe verlaufen m zur Oberflache

paraUeler Richtung grobe Arterienstämme Sie geben kleine umspinnende und zu Capülaren zerfaUende Zweige zu den Eettläppchen und Knäueldrüsen ab. Die grösseren Zweige steigen senkrecht auf und begleiten theüs die Ausfuhrungs- gänge der Schweissdrüsen, theils durchkreuzen sie m schiefen Richtungen das Corium. Auf diesem Wege zweigen Aeste ab für die Papillen der Haartaschen und die Talgdrüs;enlappchen, sowie für die Bindegewebs- und MuskelbündeL Der Haupt- antheil der Zweige sammelt sich vielfach verästigt_ in den ober- sten Coriumschichten, knapp unter den Papillen, zu einem paraUel zur Hautoberfläche verlaufenden aefässnetze Stratum vasculorum s. subpapillar e. , -r, -,

Von dem letzteren steigen wieder je einzelne Endzweige in die Papülen auf, wo sie capiUär werden. _

Das Venennetz setzt sich in analoger Weise, natiu-- lich in umgekehrter Ordnung wie das Arteriennetz zusanimen mit dem es topographisch so ziemlich zusammenfällt. Es nimmt •seine ersten Wurzeln aus den PapiUar-CapiUaren und setzt das erste grössere Netz im Stratum subpapillare zusammen. Von da sammelt sich das venöse Blut in einzelnen grosseren Stämmen, welche den Schweissdrüsengängen parallel, oAev aei Richtung grösserer Bindegewebsbündel folgend, m diebchicüte des subcutanen Bindegewebes ziehen, auf dem Wege die Venen- stämmchen aufnehmend, welche von den die Haartaschen iina die Talgdrüsen umspinnenden Gefässnetzen i^ren Ursprun„ nehmen. Im Unterhautzellgewebe nehmen sie noch die aus de Knäueldrüsen- und Eettläppchen - Netzen stammendeu Aest ,

o

Kaposi, Hautkrankheiten.

.^^ Zweite Vorlesuag.

auf und verstärken als grobe Stämme das schon von den Arterien angelegte, zur Oberfläche parallel verlaufende G-efäss- Stratum.

Wir haben also als auffallendste Charaktere des Blut- gefässsystems der Haut ein oberflächliches, subpapillares und ein tiefliegendes , der Tela subcutanea angehöriges, arterielles und venöses Grefäss-Stratum , beide zur Oberfläche parallel laufend und durch ab- und aufsteigende Aeste mit einander communicirend. Dazu besondere G-efässnetze um die drüsigen Organe der Haut imd endlich die über die ganze Hautober- fläche ausgebreiteten Papillen-Capillargefässe.

Die letzteren (Fig. 3, a), nur durch eine dünne Binde- gewebsschichte und die Epidermisdecke von der Atmosphäre geschieden, bieten die vollste Analogie dar zu dem Capillar- gefässnetze der Lungenbläschen. Sie vermitteln die Hautathmung durch den Grasaustausch mit der atmosphärischen Luft und die Exhalation von Feuchtigkeit. Nebstdem, dass das Grefäss- system der Haut in toto die Ernährung der letzteren besorgt, führt es auch das Materiale für die Production ihrer specifischen Producte, des Secretes der Schweissdrüsen und der Talgdrüsen zu. Durch seilte topographischen Verhältnisse gibt es weiters die Oertlichkeit und die Richtung an, wo und nach welcher Entzündungs- und Neubildungsprocesse vorwiegend sich etabliren, so dass beispielsweise im Bereiche der Drüsen, welche die bedeutendsten Gefässnetze besitzen, oder subpapillar, entlang den horizontal verlaufenden Gefässstämmen , vorwiegend jene Processe sich localisiren und ausbreiten. Es ist auch so be- greiflich, dass in der Papillär- und obersten Hautschichte ent- zündliche und Neubildungsprocesse lange Zeit gleichsam selbst- ständig bestehen können, da deren Gefässsystem bis zu einem gewissen Grade von der tiefliegenden Gefässschichte unab- hängig ist.

In der angedeuteten Richtung bietet die Gefässvertheilung in der Haut viel Belehrendes für die Pathologie dieses Organes.

Das Lymphgefässsystem der Haut ist die noth- wendige Ergänzung seines ernährenden Gefässsystems.

Es nimmt, wie Teichmann's Untersuchungen zuerst gelehrt, seinen Ursprung mit noch nicht sicher festgestellten Anfängen aus den Papillen, wahrscheinlich grösstentheils aus offenen, zum Theile vielleicht aus geschlossenen (Nedmann), oder mit

Anatomie, Vegetation der Epidermis.

35

Stomatibus versehenen Lympliräiunen , die albnälilig in ein btomatiDu. übergehen. Dieses bildet em ober-

rf^Z^^^^^ ' - subpapiUaren Blutgefäss- t^r^eLenes Netz. Ein aus grösseren Stämmen gebildetes im UnterhantzeUgewebe. Es steht mit jenem durch anastomosirende Gefässe in Verbindung. _

ZLv^era gelten auch die nach Umständen verschieden ..eiten und verschiedene Mengen lymphoider oder mehr seröse ; i sslkeit enthaltenden Maschenrävnne des Cor.ums und der Snü :n sowie die die Blutgefässe einscheidenden Bmde- TeTeb hihlräime zugleich als Lymphräume, deren Zusammen- C ^doch mit den geschlossenen Lymphgefässen anatomisch

""-^^^^ ^it Blut- und Lymphgefässen reichli^ versorgtrn Corixim, dessen Drüsen mit einbegriffen, komm der TuTdermis in v getativer Beziehung eine ziemlich selbst- Sndi e RoUe zu, fa sie der Gefässe, vielleicht xnit A^isnal^e voiT^tercelluläre^Saftcanälen, ganz entbehrt. Dennoch ist die TgetZ der Epidermis eine sehr lebhafte. Man wej.s, dass

ihre obersten Schichten .tetig abgestossen und ^^^'^ J^^ f cSebende Zellen ersetzt werden. Dass Leben. lÄ-

ductions-Materiale für die Epidermis nur von den CapiUaren

tr PapiUen herstammen kann, unterliegt kemem Zweifel.

der rapm« _ mT^^+^^^-i,. dass ihre vollkommene Bildung

Eben so wenig die Thatsaclie, aass inie v

von der Existenz der Papillen abhängt. Die klm sehe Erfeh

Lg bei der Wundheilung und ^as Experiment haben g.leh^^^^

das' in dem Bereiche, wo die Papillen -f-^^^TraMe; die Oberhaut nur in geringer Mächtigkeit und nur im Charakter der Hornschichte sich wiederbildet. Das Gleiche güt von dem Pig- ment das vegetativ mit der Epidermisbüdung zusammenhangt Woher fber die substantielle Neubüdung und der stetige Wiederersatz der Epidermiszellen stattfindet, f nicht endgiltig entschieden. In V-^^oloS.s<^^^enJ^^^^ eine Neubüdung von Epidermiszellen auf ^^.^^ge der^^^^^^^^^ und Zellentheilung der alten vor. Das scheint -^^-tntten. In physiologischen Umständen findet sich aber kein Anhalts- punkt Sie Annahme einer derartigen Reproduction. Dagegen pTecln die Vorgänge bei der Wundheilung luid ^^^^ dafür, dass hier von den randständigen Zellen neue -^^^^^^^ wahrscheinlich durch Aussenden und Abschnüren von Sprossen,

30

Zweite Vorlesung.

SO wie dies bezüglicli des Cornea-Epitliels Strickee nachge- Aviesen. Es dürfte also älmlicli auch die physiologische Epi- dermis-Regeneration vor sich gehen und mögen dabei die basalen Stäbchenzellen die Hauptrolle spielen.

Dass ans dem Corinm stammende Wanderzellen zn nenen Epidermiszellen werden sollten, oder dass dies die Regel wäre, scheint darum .imwahrscheinlich, weü solche Wanderzellen nur unter pathologischen Verhältnissen gesehen worden sind.

Eür das Verständniss vieler dermatopathologischer Vor- kommnisse ist die geschilderte vegetative Selbstständigkeit der Epidermis von grosser Wichtigkeit.

Die Nerven der Haut führen markhaltige imd marldose Fasern, Schon im Unterhautzellgewebe und im unteren Corium zweigen von den Nervenästen einzelne Fasern ab, welche in den hier gelagerten PAcmi'schen oder VATER'schen Körperchen enden oder die hier gelegenen Drüsen und Capillaren versorgen. Der Hauptantheil der Nervenfasern zieht durch das Corium gegen dessen Oberfläche und bildet mit seinen Verzweigungen ein subpapiUares, das gleiche Blutgefäss-Stratum iimspinnends Netz. Aus diesem steigen Endfasern in die Meissner' sehen Körperchen, oder die KfiAUSE'schen Körperchen der Tastpapillen empor.

Auch die Capillarschlingen der Gefasspapillen haben ihre Nervennetze. Nach Tomsa's Darstellung bilden die mit einge- streuten Kernen versehenen Nervenendfasern in der Peripherie der Gefässpapille ein Netz. Von diesem laufen Ausläufer nach dem Papillen-Inneren und lagern sich mittelst einer körnigen Endigung an die Capillarwand.

Obgleich die nähere organische Verbindung zwischen Nervenende und Capillargefäss noch nicht eruirt ist, so ist doch, schon die constatirte innige Anlagerung von grosser Wichtigkeit, indem es sich zeigt, dass die CapiUargefässe der Hantwärzchen unter unmittelbarem Nerveneinflusse stehen können. Eür die Erklärung von Gefässcontraction und Dilatation, selbst Exsu- dation in der beschräiüitesten Ausdelmung einzebier PapiUen bei directör Reiziing, wie bei Urticaria zu beobachten, ist dieses Vevliältniss einzig belehrend.

Seit Langerhahs' Untersuchungen ist es festgestellt, dass marklose Fasern aus dem Stratum papilläre in die Schleim*

Anatomie, Nerven der Haut.

37

scliiclite der Epidermis eindringen, zwiöclien den Eetezellen Netze bilden und dann in verscliiedener Höhe mit kolbigen Anschwellungen oder auf sonst unbekannte Weise enden (PoDCOPAEW, Eberth, Biesiadecki, Mojsisowics).

. Zweifellose Endorgane der Hautnerven sind die sclion früher erwähnten Meissner' sehen oder WAGNER'schen Korperchen und die IvRAUSE'schen Endkolben, welche die Tast- wärzchen occupiren und die PAcmi'schen oder VATER'schen Körperchen, die im Corimn da und dort situirt sind.

Die Meissner' sehen oder WAGNER'schen Körperchen (Fig. 4, f.). stellen ovale Körperchen von 0-02— 0-045 Millimeter Durch- messer vor, welche die betreffende Papille ganz ausfüUen. An ihrer Aussenfläche sind feinere und breitere Querstreifen nnd Bänder und ovale Kerne zu erkennen, welche von verschiedenen Untersuchern bald für Bindegewebs-, bald für elastische,^ bald für Nervenfasern gedeutet worden sind. Die aus dem Corium zutretende markhaltige Nervenfaser tritt bald am imteren Ende, bald in der Mitte , oder an der Spitze des Körperchens an dieses heran, windet sich auch nm dasselbe und endet nach Verlust ihrer Markscheide in demselben, nach Biesiadecki mit ^6 Endfasern, nach Brücke, indem sie im Inneren des Tast- körperchens sich mehrfach theüt. Nach Thin sind die Tast- körperchen einfach, viele aber durch bindegewebige und elastische Querscheiden , Fortsetzungen der peripheren Kapsel , in zwei oder drei ül^er einander liegende Fächer abgetheilt, deren jede ein Nervenendkörperchen enthält. Li oder an dieses trete nun 36 eine Nervenendfaser, nachdem der markhaltige Nerv als solcher durch die äussere UmhiiUung des Körperchens getreten.

Tomsa hat ein blättriges Gefüge der in je einer Kapsel enthaltenen Tastkörperchen angegeben und M. Kraus hat jüngst gezeigt, dass sie aus platten über einander geschichteten^ und etwas in einander geschobenen Zellen bestehen. Auch Kraus hat keine eigentliche Verbindung der Nervenenden mit diesen Zellen nachweisen können.

Die Tastkörperchen stehen am zahlreichsten und regel- mässig am Nagelgliede der Finger, seltener an den Händen und Füssen, in der Brustwarze, der Lippe. An Letzterer, sowie an anderen Hatitstellen, Glans penis, CKtoris, kommen häufiger die KRAusE'schen Endkolben vor, welche wohl einen;i emfäche- rigen MEiS3NER'3chenKörperchen(nacii Thin) entsprechen dürften.

38

Zweite Vorlesung.

Fig. 7.

Die nacli Langer's Nachweis zuerst von Vater bescliriebenen, also VATER'schen, bis zu jenem Nachweis nur als PACim'sche Körperchen (Fig. 7) bekannten Nervenendorgane suad typisch am zahlreichsten im Mesenterium der Katze vertreten. Sie kommen auch, nach Genersich's u. A. Untersuchungen m grossen Exemplaren am sympathischen Bauchgeflechte vor In der menschlichen Haut liegen sie am zahlreichsten an der llach- hand und Tusssolile, im subcutanen Bindegewebe, also sehr tiet, so dass sie für das Tasten nicht günstig situirt sind und daher

kaum Tastorgane vorsteUen. + lu

Ein solches Gebilde stellt

einen 1-12— 4-5 Millimeter langen, ovalen Körper dar, welcher aus zwiebelschalenartig in einander geschachtelten Bindegewebshüllen besteht, und eine mit Serum er- füllte Höhle enthält. Axel Key, Gr. UetziüS und GtEneesich stellen dies so dar, dass je eine Kapsel- schale eine dicke Membran ist, welche innen und aussen mit einem kernhaltigen Häutchen überkleidet wird und in ihrer Mitte, in interstitiellen Bindege- websräiunen, Seriun enthält. Eine markhaltige Easer durchbohrt die Kapselwand, verliert im Vordrin- gen die Markscheide und tritt als nackter AxencyHnder frei in die Höhle ein, in deren oberem Theüe er einfach, oder zwei- bis drei- fach getheilt, knopfförmig ange- schwollen endigt.

Ilirer physiologischen Bedeutung nach sind die in der Haut sich vertheilenden Nerven- V a t c r'sclies oder P a c i n i'sches fasern zum geringsten Theüe m o- Körperchen. torische, für die Muskeln

« stiel desselTien, & eintretende Ner- i , Kaxit, die ErCCtorCS piloruni,

venfaser, c ilnssere , d innere Wan- . Tlipilp

dung der Hülle, e Axencyhnder, „y^y^ vorwiegeiiasten ilieuc

/ knopfförmige Endigung desselben.

Anatomie, Muskeln der Haut.

39

sensitive, als Vermittler der Tastempfindung. Nebstdem sind vasomotorische Nerven in aUgemeinster Verbrextung zugegen, Webe in specieller Weise als Vasoconstr.ctores und Vasodilatatores in der letzteren Zeit expernnenteU ^ciTmrKFR n m. A.) demonstrirt worden sind. ^ Twar ist Letzteres nur für die Hantgefässe der Hinter- pfoten bei Hnnden gezeigt worden. Es ist aber scbon diese Tbatsacbe genügend, um für andere Haiitgebiete und die des Menseben dieselbe walirscbeinlich zu maclien.

Indem diese letztere Art von Nerven die örtlichen Ciicu- lationsverliältnisse regeln, stehen sie üi Einem auch der normalen Ernährung und secretorischen Function der Haut vor, sind sie demnach implicite auch so genannt trophische Nerven. Es wird aber auch so verständlich, wie einzelne beschrankte Capillarbezirke durch Beeinflussung der sie versorgenden vaso- motorischen Nerven einmal in den Zustand der Düatation, ein andermal in den der Contraction gerathen und dass so JLr- scheinungen der BlutüberfüUung und übermässigen Ernährung, oder der umgekehrten Verhältnisse, d. i. krankhafte S:>nnptome zu Tage treten können. Schon diese elementare VorsteUung mag Ihnen die grosse Bedeutung der vasomotorischen Nerven für die Pathologie einzelner Hautkrankheiten nahelegen.

In das Gefüge der Haut treten auch Muskeln ein. Abo-esehen von quergestreiften Muskelbündeln, welche im Be- reiche des Gesichtes von der Tiefe her in die Haut hinemgreifen, sind die eigentlichen Hautmuskeln nur organische oder glatte.

Solche finden sich, von den organischen Fasern nicht zu sprechen, welche zur Wandung der grösseren Gefäss- und Lymph- gefässstämme, sowie der Drüsen-Ausführungsgänge geboren, m der Haut selbst, in zur Hautoberfläche paraUel verlaufen- den einfachen, oder verzweigten und anastomosir enden Zügen, sehr ungleichmässig vertheilt an verschiedenen Ivörper- regionen, im Unterhautzellgewebe und im Corium, in mächtiger Entwicklung am Scrotum, als Tunica dartos bekannt, am Präputium und Mittelfleisch, als kreisförmige Bündel im Warzen- hof und in der Haut der Brustwarze, nach Neumann auch m den obersten Coriumschichten an verschiedenen Körperstellen in unterschiedlicher Mächtigkeit, an den Streckseiten mi AUge- meinen vorwiegend.

' Zweite Vorlesung.

Eine cliarakteriötisclie Riclitimg haben die Musculi arrectores pilorum. Sie heften sich mit ein oder mehreren ^^irzelbündehi an die Papillen, ziehen als vereinigtes Bündel, auch zu zweien und mehreren in zur Hautoberfläche schiefer Richtung (Fig. 9 n) am Grunde der Talgdrüse vorbei zum Haarbalg, nman dessen innere Scheide sich zu heften. Manch- mal sendet der Muskel ein Zweigbündel zum Talgdrüsenkörper. Die Contractiou des Muskelbündels bewii^kt die Geraderichtmig des normaliter schief gesteUten Haarbalges und Haares. Von 7,wei entgegengesetzten Seiten kommende und den Haarbalg s'chleuderförmig umfassende Muskelbündel heben bei ihrer Zu- sanimenziehung den Haartaschengrund in die Höhe, wie im Zustande der s. g. G-änsehaut. Dort, wo starke und dicht- gedrängte Haare sich befinden, wie am Capillitium, treten die Muskelbündel der Erectores pilorum mit einander in nachbarliche Verbindung tmd bilden sie demnach ein ausgebreitetes sub- papülares Muskelnetz.

Ungleich wichtiger als die Muskeln der Haut sind für die Pathologie der letzteren die in ihr Gewebe eingebetteten drüsigen Organe, dieSchweiss- und Talgdrüsen, die Haarbälge und die als sogenannte Anhänge der Haut bekannten Horn- bildungen, die Haare und Nägel, zu deren Betrachtung wir uns zunächst wenden.

Dritte Vorlesung.

Anatomie der Haut, (Fortsetzung) Physiologie des Hautorganes. Dreifache Function desselben als Sehutzorgan und Wärnaeregulator, als speeif.sehes Seeretions- und als speeifisehes Sinnesorgan.

Die Sckw eis sdrü seil, Grlandulae sudoriferae, sind tnbiüöse Drüsen (Fig. 1, g. -Fig. 8). Mit seinem blinden Ende ist ilir einfacher, überall gleichweiter Sclilancli zu einem Knäuel zusammengerollt, der im subcutanen ZeUgewebe lagert. Von da läuft der Ausführungsgang in gestreckter Weise durch das Corium, und korkzieherartig gewiuiden durch die Epidennis- schichten, um an deren Oberfläche mit einer trichterförmigen OefPnung auszumünden. In diese Oeffnuiig senkt sich die Horii- scMchte'' und das Rete Malpighii wie ein hohler Zapfen ein, derart gleichzeitig die Wandung des Trichters bildend. Von der Grenze der Papillen ab, bildet die Auskleidung des Sclüauches eine einfache Scliichte von conischen, je einen Kern enthalten- den Enchymzellen , welche ein enges Lumen frei lassen. Auf den Querschnitten ist dies schön zu sehen (Fig. 8, e). Nach aussen von der EnchymzeUenbekleidung folgt die eigentliche Wandung des Drüsenschlauches. Sie besteht aus einer glasheUen, gefel- derten Membran mit nach aussen ihr anliegenden dichteren Bindegewebsfasern ; bei den grösseren Drüsen der Achselhöhle mit eingelagerten, längs verlaufenden, organischen Muskel- fasern.

Die für die Drüseiiknäuel bestimmten Arterienzweige stammen aus den tief gelegenen Gefässen und bilden, die Knäuel umspinnend, bevor sie CapiUare werden und in die Venen übergehen, ein Wundernetz (Brücke), eine sehr be- merkenswertlie Uel)ereinstimmung mit den Wundernetzen der Malpighi' sehen Körperchen der Nieren.

42

Dritte Vorlesung.

Die grösste Menge von Schweissdrüsen findet sicli an der Flachliand und Fusssolile (2736—2685 auf einen QuadratzoU nacli Kbause). An reiclilicli mit Papillen besetzten Hautstellen münden sie in den zwischen jenen gelegenen Furclien, an den

Fig. 8.

Scliweissdrüse.

e Querschnitt eines Drüsenschlauclies, Läugs- ii'^d, Q^i'Äitende^Ä Drusenknäuels, f Lumen des Austührungsgauges, cc denselben beg eite^^^^^ a Bindegewebsbündel, (ab Inüitrationszellen, patüologiscu).

ringerballen in regelmässigen Abständen (Fig. 1), aaif der Handfläclie und Fusssolile in Längsreilien. Sie fehlen i:i der Nähe des Lippensaumes, auf der Eichel und Vorhaut.

Anatomie der Haut, Haartasclio. 43-

Die Haare, Pili, die Haartaschen und die Talg- drüsen bilden ein anatomisch znsan^ienhängendes Gebüde welches demnach auch am besten im Zusammenhange betrachtet

DieTigegebene Abbüdung (Eig. 9), welche der Arbeit BiESiADECKi's entnommen ist und den Durchschnitt emes Bart- haares darstellt, gewährt eine gute TIebersxcht ^^er d,ese Verhältnisse. Sie sehen neben zwei an normaler SteUe hegen- den Hautpapillen plötzlich eine trichterförmige Emsenkung, welche bis in die Eettzellenschichte sich fortsetzt und hier am bUnden Ende eine Papille trägt, die gewissermassen von der Oberfläche nach dieser Tiefe gedrängt worden zu seni scheint. Die sackförmige Tasche ist die Haartasche , die PapiUe am Grunde die HaarpapiUe. Auf diese ist das Haar aiiigesetzt, welches mit seinem Schafte durch die Tasche und zur Mündung Trausragt. Zur Seite der Haartasche liegt die Talgdruse mit errAcinus, welcher mit dem ebenfaUs kenntlichen Ausfuh- rungsgange in die Haartasche einmündet^ Am Grunde der Talgdrüse vorbei und liin zum Grunde Saarbalges lauft in zur Hautoberfläche schiefer Richtung ein Muskelbundel , Mus- culus arrector pili. .

Diese aUgemeinen, sowie die besonderen und feineren anatomischen Verhältnisse entsprechen eben nur den dicken

und langen Haaren des Körpers. , . , t ti ..a

Die Haart as che zeigt ein sehr ungleiches Lumen. Ihre Mündung oder der Ausführungsgang ist trichterförmig (a). Am schmalen Ende des Trichters mündet die Talgdruse (t) ein. Hier ist auch die engste SteUe der Haartasche, Hals b). Von da ab erweitert sich dieselbe in etwas, besondei;s aber nach dem Grunde oder Haarsack-Gewölbe (c), in welches die

Papille (p) hineinragt. m i rr„i„

Der eigentliche Haarbalg wird von der SteUe der Talg- drüseneinmündung ab gerechnet. _

Er besteht anatomisch aus drei Schichten. Die äussere, auch ä u s-s e r e H a a r b a 1 g s c h e i d e genannt (d), (äussere Easerhaut,

KöLLiKER) wird von Bindegewebsfasern gebüdet, welche , von den oberen Coriumschichten her, in dichtgedrängten und zur Axe des Haarbalges paraUelen Zügen laufen, und den Grund umgrei en. Am dichtesten liegen die Fasern nach innen ; gegen aussen gehen sie gelockert in das umgebende Bindegewebe ohne scharfe Grenze

44

Dritte Vorlesung.

FiR. 9.

DurcLsclinitt eines Bartliaares.

n Aiisfülivnngsgnng, Hnls. c Gewöllio der JlRiirtnsolip, ii äussere, e innere HaarbalR- scheide, v Hanriiaiiillo, m Kt-Uzellon. w M. airpctcir pili, <•;' Kpiderniif», « Solileiniscliiohte, 0 Paiiillon, i Tal(;drüso, /"äussere, j; innere "Wnrzplsolioidedes llnares, h liindonsubstanü, Ii Marksuhstanz des Haarsclmftes , / ]Ianr- Kwiebel.

Über. Zwisclien iliiien' laufen eigene Grefässe und Nerven des Haarbalges. Die mittlere oder zweite Haarbalgschiclite, aucli innere Haarbalgsclieide, Kölliker's innere Faserliaut (e). Sie bestellt aus querverlaufen- den Fasern und zwiscben diese und in eme körnige Substanz eingelagerten länglichen Ker- nen, walirscbeinlich der Aus- druck von organischen Mviskel- zellen. Die dritte oder innerste Schichte des Haarbalges wird von einer glashellen Membran, Grlashaut, gebildet, die auf dem Querschnitt (Fig. 10, d) besser zu sehen ist.

Die Haarpapille wd von dem Stronia der Haarbalg- scheiden, besonders der mitt- leren , gebildet . und grossen- theils auch von der glashellen Membran überkleidet. Man \in- terscheidet an derselben Hals, Körper und die kegelförmige Papillenspitze. In die Papille treten eine Grefässschlinge und marklose Nervenfasern ein.

Die Haarbälge stehen nicht senkrecKt, sondern schief zur Hautoberfläche, somit auch ihre Haare. Diese Richtung ist für verschiedene Körperstellen ver- schieden und in ihrem Zusam- menhang von Voigt sehr sorg- fältig eruirt worden. Darnach laufen die Richtungslinien der Haare je nach der Körperre

a-ion in eigenthümlichen Linien,

Auatoulie dor Haut, Haare.

45

niul Curven, welelie an bestimmten Stellen zu fixen „Haar- wii-beln« sicli einroUen. Die Ursache nnd Bedingung dieses Richtung-Schema's Hegt in der ßiclitung und dem Zuge der Bindegewebsmasclien des Coriiim, wie dies besonders Tomsa sehr anschaiilich gemacht hat.

Das grösste pathologische Interesse knüpft sich an den anatomischen Inhalt des Haarbalges, der aus den Haar- wurzelscheiden, der äusseren und inneren und dem

Haare besteht, s

Die äussere Wurzelscheide des Haares (1) liegt zu äusserst in der Haartasche, unmittelbar an die Glashaut des Haarbalges sich anlagernd. Sie besteht aus den ZeUen des ßete Mpighii, welche unmittelbar von der Papülenoberfläche; her continuii-lich in die Haartasche sich fortsetzen. Bis zur_ EinmündungssteUe der Talgdi-üse erschemt das Eete in allen seinen Schichten, auch mit der der Körnchenzellen, von da ab, als eigentliche äussere Haarwurzelscheide nur mit den tiefsten Zellen'reihen und den StachelzeUen. Je mehr nach der Tiefe fortschreitend, desto mehr verringern sich die ZeUenreihen, bis sie im Niveau der HaarpapiUe atif eine Zellenreihe redu- cirt endigen.

Die innere Wurzel scheide (g) schliesst sich un-. mittelbar an die äussere an. Dieselbe wird selber wieder in eine äussere Schichte, die HENLE'sche (innere Wiu'zel-) Scheide und eine innere Schichte, die HüXLEY'sche Scheide, unterschieden.

Beide Schichten der inneren Wurzelscheide bestehen aus Plättchen, welche zu einer lameUösen, glashellen, in Carmin sich wenig tingirenden HüUe des Haares verschmolzen sind. Zu allerinnerst, von der HuxLEY'schen Scheide ein- geschlossen, liegt das Haar.

An diesem unterscheidet man zunächst den cylindrischen Haar Schaft, der bei langen Haaren zur Mündung der Tasche herausragt und die Haarwurzel oder Haarzwiebel (1),. einekolbige Anschwellung, mit welcher das Haar auf der PapiUe aufsitzt. Histologisch erkennt man an dem Haarschafte zu- äusserst ein stachelig oder dachziegelförmig gefügtes und spiralig rissiges Oberhäutchen, Cuticula (Pig. 10, h), an wel- chem ebenfalls zwei Zellenschichten, eine äussere imd innere,, bezeichnet werden. Nach iimen folgt die eigentliche Haar- oder Kindensubstanz (Fig. 9, h). Sie hat eine ziir Längsaxe des

Dritte Vorlesung

40

-Haares paraUele Faserung, welche den Coutouren der sie zu- fa— tuenden Hornplättchen entsprechen u^d enthalt neben ahlreichen eingestreuten dunkeln Körnchen hex ^-^^^^^^^^^^ viel gelbbraunes Pigment. Bei grauen Haareii ist die Haar- substanz pigmentlos und grau glänzend

Im Innern dicker Haare findet sich em Markraum , der segen die Spitze des Haares sich verschmächtigt mid verliert. Er enthält den aus polyedrischen, Körnchen und Fett bergen- den Zellen zusammengesetzten Markstrang (k). Auch Lutt- blasen finden sich gelegentlich sowohl im Markcanale als m der Rindensubstanz des Haares.

Die Haarwurzel besteht aus den RetezeUen ähnlichen Formen, deren Richtung und Configuration sie auch nachahmen. D e auf der Glashaut der PapiUe senkrecht aufsitzenden sind r^Ldrisch, die höheren Schichten polyedrisch, dabei sehr succulent sehr locker gefügt und leicht auseinander zu drangen, r der oberen Hälfte,' beim Uebergang der Haarzwiebel zum Haarschaft, werden die ZeUen des Bulbus oblong, spmde formig derber, steUen sich wie in Längsfaserung ^^^^^'^^^ gehen so in die Rindensubstanz des Haarschaftes über Doch Im dies nur für die ZeUen des äusseren Mantels der Haar- f^ebei. In der Mitte derselben befindet sich eine Zone von ZeUen die protoplasmareich sind und in Carmin sich gut tmgiren.

Die übrigen ZeUen der Zwiebel enthalten in und zwischen sich eingelagert viel braunes bis ganz schwarzes Körnerpigment.

Da's fertige Haar wächst nun bi der Weise fort, dass von der Papüle aus neue EpidermiszeUen gebildet werden, welche im v'orrücken zu längs gesteUten HornzeUen der Haar- substanz werden und den darüber stehenden Haarschaft m der HuxLEY'schen Scheide vorschieben. ^ , ^ . -p-oo^a

Wir werden noch bei der specieUen Pathologie der Haare auf viele wichtige Detaüs über HaarbUdung imd Regeneration

^^S^ wm~ r noch ^^^^^^^^ dass das gegenseitige Yerhältniss der inneren und äusseren Wurzelscheide sowie jener zum Haare und zur äusseren Epidermiss noch vielfach

ierschieden gedeutet wird, dass aber ^^-^^'u 11^0^7^^ Angelegenheit noch nicht endgUtig geschlichtet ist Das .viul uns aber bei manchen Processen, z. B. bei Liehen pilaris, besonders interessiren.

Anatomie der Haut, Haare.

47

Fig. 10.

Stellen Sie sicli nochmals die gescMlderten , in einander gescliaclitelten Sclücliten des Haarbalges iind seines Inhaltes vor, einmal nach dem (beigegebenen) Längsschnitt (Fig. 9) und' dann nach dem (hier beigefügten) Querschnitt (Fig. 10).

Ich will nur kurz bemerken : Die meisten Untersucher stimmen darin überein, dass mit den Rete- zellen nicht auch die Homschich- ten mit in den Haarbalg sich fortsetzen. Die Hornschichten tre- ten nur bis an den Hals der Haartasche hinein, füllen also wie ein Epidermiskegel die Mündung der Haartasche aus. Die Rete- zellen setzen sich als äussere Wurzelscheide bis zum Fundus fort. Viele nun, wie Henle, Bie- siADECKi, meinen, dass die Rete- zellen, welche als äussere Wur- zelscheide den Haarbalg ausklei- den, nach innen HornzeUen for- mirten, und diese seien die äus

Querschnitt des Haares unterliall) des Halses der Haartasclie.

des üaises aer iiaaiLci=i'"<=. . _

a Äeussere Haari^aigscheide mit & Quer- . ggre ScMchtc der inneren Wurzei- lÄscre^e^ÄS aesXa^- scheide, das ist die HENLE'sche ÄdeV"elch^Ä Scheide. Die innere Schichte der

öfcHll1e%2isÄ''Ä inneren Wurzelscheide aber , das ticuia, i Haar. .^^ HuxLEY'sche Scheide, bilde

sich aus der ursprünglichen Haaranlage, zugleichmit der Cuticula tind dem Haare, aus dem über der Papille sich formirenden Epidermiskegel. Unna dagegen demonstrirt sehr überzeugend, dass jene als Körnchenzellen unterscHedene Zellenschichte des Bete welche an der Hautoberfläche in die Hornplatten über- gehen, gar nicht über den Hals des Balges hinabreichen, son- dern nur noch die Stachelschichte und nur diese zur äusseren Wurzelscheide wird ; dass diese keine Hornplatten und daher auch die HENLE'sche Scheide nicht producirt; dass im Gegen- theil HENLE'sche und HuxLEY'sche Scheide, Cuticula und Haar, dies Alles genetisch Eins sei, und gleichzeitig aus dem Epidermis- kegel der ursprünglichen Haaranlage hervorgehe. Die mner-e Wurzelscheide, die vereinte HENLE'sche undHuxLET'sche Schichte,

Dritte Vorlesung.

stosse aber im Wacbsthiun an den die Mündiuig der Haar- tasehe ansfüllenden Epidermiskegel nnd werde hier im Wacbs- tlmm anfgebalten. Das wachsende Haar werde nun spiralig mit seiner Cnticiüa vorgeschoben, durchbreche die HuxLEv'sche und HENLE'sche Scheide, sodann den Epidermiskegel der Haar- taschenmündung und trete sodann zu Tage.

Ich bin geneigt mich der Darstellung von Unna anzu- schliessen. Grewisse pathologische Erscheinungen sind derart verständlicher.

In einer Haartasche findet sich in der Regel nur ein Haar, oft sind deren aber auch zwei zugegen. Letzteres hängt mit dem physiologischen Haarwechsel zusammen xind wird bei Gelegenheit der Erörterungen über die Eiankheiten des Haares noch zur Sprache kommen.

Die Talgdrüsen bilden Anhänge der Haärtaschen, wie aus der Eig. 9 n zu ersehen , allein nur bei den dicken und langen Haaren. Bei den Lanugohärchen ist das Verhältmss umgekehrt, wie aus der Eig. 11 ersichtlich.

Die Talgdrüsen sind acinöse Drüsen, an welchen ein Drusen- körper und Ausführungsgang unterschieden wird. Der erstere setzt sich aus rundlichen Läppchen zusammen, Acini, die selber wieder zu Träubchen sich vereinigen können, wodurch dann grossere, mehrfach gelappte Drüsenkörper entstehen. Die Wandung der Drüsenläppchen besteht zuinnerst aus einer glasheUen Membran, nach aussen aus einem derben, bindegewebigen xmd elastischen Gefüge und ihm zugehörigen reichen Blutgefassnetz JJas Lmere der DrüsenLäppchen ist mit EnchymzeUen ausgekleidet. Ihre äusserste. an die glasheUe Haut anlagernde Schichte be- steht aus deutlich kernhaltigen, cylindrischen oder cubischen, denen des Rete ähnlichen ZeUen. Hehr nach dem Inneren der Drüse zu werden die ZeUen grösser, polyedrisch, mehr den Hornzellen ähnüch nnd von punkt- bis tropfenförnngem Eett erfüllt, durch welches der Zelllvern verdeckt wird Die Hohlen der Läppchen münden in die grössere gemeinschalthche Drusen- höhle, in welcher Epidermistrümmer und freies iett nebst EettkrystaUen lagern. Ein gemeinschaftHcher Ausführiuigsgang (auch zwei solche), ebenfaUs mit EnchymzeUen belegt und im Lmeren Eett,. Eettzellen und deren Trümmer führend, mundet in die Haartasclie.

Anatomie iler Haut, Talgdrüsen, Nägel.

49

Bei den Lamigohärchen (Fig. 11) mündet die Talgdrüse frei zu Tac^e, als grosse Hantpore oft mit dem freien Auge tiei zn ia„ , 0 erkennbar, ein, ancli mehrere

Fig. 11. Härchen, oft auch gar keines

bergend.

Flachhand nnd Fnsssohle, die Eichel und die Rücken- fläche der dritten Phalangen haben keine Talgdrüsen.

Die Nägel, Ungues, sind länglich-viereckige, plat- ten- oder scliildförmige, massig nach der Fläche gekrümmte, nach oben convexe, elastische, im vorderen Abschnitte dot'h auch brüchige , widerstands- fähige , durchscheinende , aus verhornten EpidermiszeUen zu- sammengesetzte Körper, welche mit drei Seiten in einen Falz der Fingerhaut am Rücken der letzten Phalange eingefügt sind, mit ihrer unteren, concaven Fläche den vordersten Theü cler letzteren bedecken, und mit üirem vorderen Rande die- selbe etwas überragen. Im Znsammenhalte mit dem N a g e 1 muss noch der N a g e 1- f alz die Hautfalte, welche den hinteren und die beiden Sexten- ränder des Nagels einrahmt, und das ^^sf ^^^^^ .frnht' antheil, auf welchem die untere Fläche des Nagels aufruht,

betrachtet werden. , ^

An dem N a g e 1 xmterscheidet man ausser den besprochenen Flächen xxnd Rändern den vom hinteren Falze Gedeckten Thex als Nagelwurzel, den vor diesem hegenden Thexl als Nagelkörper. Ebenso wird das Nagelbet - exnen dex Nagelwurzel entsprechenden Theil als Matrxx des Nagels und in einen vorderen Abschnitt, das eigentliche Nagdbett xxntex- schieden. Der N a g e 1 f a 1 z wird in der oberen, den Nagel decken-

Kaposi, Hantkrankheiten.

Talgdrüse mit einem Lanugobärchen. a Drüsen-Epitliel.. h Rete MalpigWi, in das ■DrüsPH-EDithel sich 1 ortsetzend, c fett- häUiee Ze len und freies Fett als Drüsen- inhalt dAcini, e Wurzelscheide mit dem ' Haare.

50

Dritte VorLosung.

den Hälfte von einem nacli vorn concaven Cutis\-orsprung, dem IST a g e 1 w a 1 1 , in der der unteren Fläche des Nagels zugekehrten Hälfte vom hintersten und seitlichen Theile des Nagelbettes ge- bildet. Der Nagelfalz vertieft sich von vorn nach rückwärts und wird dadurch noch verbreitert, dass die Epidermis des Finger- rückens sich eine Strecke weit über die Nagelwurzel vorscliiebt.

lieber die inneren anatomischen Verhältnisse belehrt ein Querschnitt, wie er hier, (nach Biesiadecki) abgebildet er- scheint (Fig. 12).

rig. 12.

Querscliniit (der Hälfte) eines Nagels durch das eigentliche Nagelbett. a Na-elsubstanz, b lockere Horuschichte unter derselben, c Schleimschiclite, ä. quer- dJ^^chSnU^ene Nagelleistclien, e papillenlose. "«i--^^^^^^^^

NaKBlfalzes , die über den Nagel sich vorgeschoben , g Papillen der Haut des

i'mgerrückens.

Das Nagelbett wii'd von einem fettlosen Unterhautzell- gewebe, Corium und Rete gebüdet. Im hinteren, der Nagel- wurzel entsprechenden TheUe , also im Bereiche der Matrix, ötehen auf wallartigen Hügelchen des Corium breite, nach vorn gerichtete PapiUen. An einer bogenförmigen, dem Fingerballen paraUelen und durch den Nagel durchscheinenden Grenze, die dem Uebergange der Matrix ins Nagelbett entspricht (Lunula), er- heben sieh jene Hügelchen zu Leistchen, die N a g e 1 1 ei s t c h e n, welche nach vorn streichend an Höhe zunehmen und Tuiter dem freien Eande des Nagels in lange Papillen übergehen.

Das Nagelbett ist reichlich mit G-efässen und bis in die Papillen sich verzweigenden Nerven versorgt.

Die Malpighische Schichte bedeckt die Papillen und Leist- chen und füllt deren Zwischenräume aus. Im hinteren Winkel des Falzes vereinigt sie sich mit dem Rete des letzteren zu

Patliologiache Auatnmitt der Haut. 51

r.noh hiiiteu o-ericliteten und in (las Corlum eiiidringemtei xTsiett m entsprecbeud der Nagelwnrzel .näcl.üger !, M Wer aU„,ä io' in plattgedviickte, tonhaltige ,md m c tLZTll^<^>^^^'^^ in kernlose Horn.ellenplatten über. S^d Na^elLette dagegen ist der Uebergang der SoUein,- !.hi Ite in die platten Epidermi.zeUen em plotdrcher, wie an " Santstellen. nnd die Grenze zwiscben d.esen nnd der K,gel.^sta..^^^^^^^^^

XJie uuifitr ^,p1p1ip zum Tlieile nocli über den

"^^^^^tt. rtlrdalso keine .agelsnbstanz

"'""mese wird ansscbliesslich von den Papillen der Matrix erzeugt l e also dieselbe Rolle für den Nagel n»»!-- Har™;,ille bezBglicb des Haares. Die verborn en ZeUen wei- l : dann durch len seitlicben Fal. an der Ansbrertnng gege^

Seiten »elmrdert rmd zmn VorrHcken gezwnngen. Dabei d Olfen xcb aneb die obersten Nagelzellen dacbzregel ornr^

t: die „berfläeblieben über die nnteren ^ -

sobeinen. Dagegen wird der Nagelkorper "»^ ^ ^^^ ^

Hornplatten des Nagelbettes von der nnteren Flaebe

'■'"'"Die veriornten-Nagelzellen sind gegen cbenrische Einflflsse

sehr widerstandsfäliig.

Ich habe Ihnen ebe grosse Summe von anatomischen Detaüs d.-e Hant nnd ihre Anhänge betreffend, vorgeführt. A^fl^Lselben werden wir immer Bedacht. wenn wir die histologischen Verändernngen nnd dex;en Um seh Mnnngen begreifen sollen, die dnrch ein nnd den anderen krankhaften Vorgang hervorgernfen werden. _

Anknüpfend an die besprochenen anatomischen nnd h to logischen Verhältnisse erwacht anch nannrttelbar nnsere aUge- m : Vorsteünng von de. grossen Mannigfaltigkeit n^^^ zeitigen Eigentlmmlichkeit , in welcher die bekannten patho o gthen Processe die Hant befaUen können, f - " Process z. B. Hyperämie oder Entzündung, oder Hypextioplne k nn möglicherwLe nnr einzelne Schichten oder (^ewebs « dL so complicirt gebauten Organes betreffen, ^^^^^^ auf alle in die Haut-Strnctur eingehenden Elemente und Sj^steme

Dritte Vorlesung.

52

sich erstrecken. Es kann in der PapillarscHchte , die ein ge- sondertes Gefässnetz besitzt, der Ansdrnck einer bedeutenden Hyperämisirung, selbst Exsndation, wie bei Pemphigus, zu Stande konunen, während die tieferen ScHchten der Haut und die Gewebselemente derselben ganz unbehelligt erscheinen. Es mag geschehen, dass gerade nur im Bereiche der die Drüsen umspinnenden Gefässnetze Circulations- und Ernährungsstörun- gen und deren Symptome aiiftreten, während aUes interglandu- läre G-ewebe von Krankheit frei ist. Es kann geschehen, dass die Epidermis für sich aUein in der ihr möglichen Art, hyper- plastisch oder degenerativ erkrankt, z. B. innerhalb der Talg- drüsen oder an der Hautoberfläche, ohne dass ihr Mutterboden sich primär oder auch consecutiv besonders alterirt zeigte.

Es wäre nun sehr verlockend, nach dieser Richtung weiter- zugehen und einen alle MögHchkeiten in sich fassenden Ueber- blick über die pathologischen Vorgänge in der Haut , sowie über die Veränderungen zu gewähren, welche die einzelnen Gewebselemente der letzteren durch diese Processe erfahren, eine Art aUgemeine Pathologie und allgemeine pathologische Histologie der Haut im Detail Hinen zu bieten. Das würde Sie ermüden und auch nicht viel fruchten. Es handelt sich ja hier doch nur um Vorgänge, die Ihnen aus der aUgememen Pathologie und pathologischen Histologie -eo ipso bekannt smd. Und Sie werden nicht anneinnen, dass in der Haut das Bmde- gewebe durch Entzündung sich anders verändert , als in der Leber. "Was aber durch die besonderen anatomischen Ver- hältnisse sich hier auch eigenthümlich artet , das hängt mit dem specieüen Krankheitsprocesse , seiner Localisation und Ausbreitungsweise, seiner besonderen Natur zusammen und wird daher vortheühafter erst in der speciellen Pathologie der Haut besprochen werden.

Nicht minder, wie die anatomischen Verhältnisse der Haut, muss auch ihre physiologische Bedeutung stets im Auge behalten werden, wenn wir ihi-e Erkrankungsweise verstehen wollen.

Die aUgemeine Decke functionirt in dreifacher Richtung, als Schutzorgan des Körpers, als specifisches Secre- tions- und als specifisches Sinnesorgan.

Der Schutz, den die Haut als imihüUendes Organ dem

Physiologie der Haut. 53

■u- .V oWihrt ist zimäclist ein meclianisclier. An dieser Korpei ge^^dhlt u leicliem Grade, wenn Leistung -ehmen i^ e die b ^^^j,^, ^^.^^ des Unter- auel m verscluea^-x^W^^^^^^^^^^ ^J^^^^^ in, Verkehr

"^^I^J—^^^^-^ I^ruc. n^Stoss imtaeiÄU. jlnskelii, Nerven und Gefasse zn

sclmt. n Die ^'^^^ VerscUebbarkeit. Die Epidermis

^ttt^TiT^^^^oU.m^.^ UnempteUiebkeit S:et airSteu, .0 wie deren Undnrcbdri.>gUchke.t gegen

-''Sf5^^:r:^£SrSSr.ebrBede— .r^ Wärme- „nd Säfteokonomie des Körpers D.e HornzeUen sM s^blecbte Wärmeleiter und bindern die übermässige Ab- Tbe V n Körperwärme aus den oberflSebHcb lagernden Papdlar. Sas en eine Wärmeabgabe, die bei Abgang der Oberbaut g w^s Ms zm- Erkaltimg rmd ziun Tode des Muums Iten wurde, rmd erfabrungsgemäss aucb fübrt, nr .4r.betracbt enormen Flächenraumes, weleben das Hautoapdlarsystem u^rt Die Hor-nbaut übt aber auob, vermöge f Coliarenz uirDerbbeit, emen Druek auf die ruid die CapiUaren der PapiUen aus, y--!™''^''*«* Wandungen sttitzend, deren übermässige Mung durob den Herzbninüs. und mittelbar die übermassige Warme- und hatte Tblb? Sobald an ü-gend ebier SteUe cUe Oberbaut abgängig ist" sickert alsbald eine grosse Menge von Blutserum aus den EetezeUen, eigentHob aus den Papillargefässen bervor. -Und "4sen dauert so lange an, bis niebt eine neue scbützende Homscbicbte sieb gebUdet bat. Wemi dies über grosse Haut- fläeben statt bat, wird der Säfteverlust em bedeutender und die Individuen kommen dureli den grossen Safteverlust in kurzer Zeit beruiiter, z. B. bei Pempbigus foUaceus ; abgeseben von der nacbtbeiligen Nervenerreguiig, welcbe von den Papülen- nerven ausgebt, wenn sie ibrer scbtttzenden Epidermisdeeke entbebren und der Irritation von Seite der at^spliarisc'^^^ Luft, oder noeh bedeutenderen Insulten ausgesetzt sind. Ebenso macbt sich schon ein Naditlieil geltend, wenn die Hornschicbte der Epidermis zwar erlialten, aber in grosser Ausdehnung von gerbger Mächtigkeit ist, wie bei gewissen Hautkrankheiten, fadem die dünne Schichte derselben eine zu grosse arme-

Dritte Vorlesung.

ausstraliliuig begünstigt, was dnrch das Gefülil von continuiv- licliein Frösteln von dem Kranken empfunden wird.

Bekannter ist die Function der Haut als Secretions- organ, die sie in specifisclier Welse dnrcli die Scliweissdrüsen, Talo'drüsen und diircli ikr Papillargefässsystem ausübt. Die ersteren liefern Schweiss, die zweiten Fett, zur Beölung der Hautoberfläcbe und der Haare. Durcb die Papillargefässe ündet eine imperceptile Exlialation statt, die als Perspira- tion bezeiclmet wird.

Noch wird uns vom dermatologisclien Standpunkte das Eesorptionsver mögen der Haut interessiren , vermöge dessen sie fällig ist, gewisse gelöste oder feinvertheilte Sub- stanzen von der Aussenwelt in sich aufzunehmen, zu resorbiren, " dem Kreislaufe zuzuführen. Diese resorbirende Fähigkeit ist zwar im Allgemeinen gering, viel geringer, als dies von man- cher Seite, namentlich balneologischer , angenommen wurde. Besonders die Hornschichte der Epidermis erweist sich für Flüssigkeiten und fein vertheilte feste Körper undurchgängig, wie neuerlichst aus den Versuchen von Fleischek und seiner Kritik der fremden Arbeiten zu entnehmen. Aber es findet dennoch zweifellos unter gewissen Umständen bei luiverletzter Epidermis Resorption statt, wie von Quecksilber bei der metho- dischen Inunctionscur , von Theer, von Jod bei Application dieser Mittel auf die Haut. Es muss angenommen werden, dass hier die Aufsaugung theils durch das mechanische Durchpressen (beim Einpinseln, Einreiben) begünstigt wird, oder zum Theile durch die Schweissdrüsen stattfindet, deren Wandung nur von einer einfachen Schichte von EpithelzeUen ausgekleidet ist, theüs aber von HautsteUen aus, die in geringer und daher mit freiem Auge nicht wahrnehmbarer Ausdehniuig ihrer hor- nigen Epidermis verlustig, aber noch mit Zellen der tieferen Schichten belegt sind, welche von Lösungen und fein vertheil- ten, oder chemisch adäquaten Körpern leichter durchdrangen werden können, als die vollständig verhornten, obersten Epi- dermislagen.

Die physiologisch wichtigste functionelle Bedeutung besitzt die Haut als specifisches Sinnesorgan, als Tastorgan. Als solches percipirt und vermittelt es, vermöge der in den TastpapiUen endigenden Empfindungsnerven, die von der Aussen- welt kommenden Eindrücke, welche im Allgemeinen als T a s t-

Physiologie der Haut. 55

empflndung oder Empfindung überhaupt bezeichnet werden. Diese sind ihrer Qualität nach sehr verscliieden, indem sie a s Empfindung von Druck, Schmerz in allen Variationen, als Brennen Stechen, als Kitzeln, Jucken, als Temperatursempfin- dung etc. zum Bewisstsein gelangen und so ßücksclüüsse auf die physikaUsche Beschaffenheit der Aussenkörper unserer Reflexion gestattet, d. i. uns über die Aussenwelt zu orientiren.

Die Tastempfindung kommt aber auch als sogenanntes Ü e m e i n g e f üh 1 zum Bewusstsein, vermöge dessen die Zustande und örtlichen Unterschiede der gereizten Hautstellen empfunden und präcise bestimmt werden, - die Fähigkeit zu localisiren Ortssinn. Diese specifische Sinnesfähigkeit ist, adäquat der uno-leichen Vertheilung der Tastwärzchen, auch an den yerschie°lenen HautsteUen sehr unterschiedlich ausgebüdet am intensivsten an den papillenreiclien Fingerspitzen und derMund- Hppe Die belehrendsten Resiütate in dieser Riclitung ver- danken wir den berühmten Untersuchungen von E. H. Weber, der mittelst des sogenannten Tasterzirkels die verschiedenen Hautstellen auf den Grad ihrer Perception untersucht hat.

Vierte Vorlesung.

AUaemeine Symptomatologie. Subjeetive und objeetive primäre und seeundäre KranUheitserseheinungen. Vertheilung der EfHorescenzen.

Allgemeine Symptomatologie.

Vermöge ilu^er eigentliümlichen Hstologisclien uiid pliysio- lügischen EigenscLafteii wird demnacli, wie die vorausgegan- genen Erörtermigen gelehrt liaben, die Haut in vielen Bezie- hungen auf eigene Art erkranken kömien, wenngleidi der pathologische Process und die dixrch denselben zu Stande gekommenen G-ewebsveränderimgen mit denen der anderen Or- gane wesentlich übereinstimmen müssen. _

Es resiütirt aber aus den genannten Verhältnissen auch eine Eio-enthümHchkeit der Symptome. Ihre genaueste Kennt- niss ist für die Beurtheüung der pathologischen Vorgange unerlässlich.

Die Symptome, diu'ch welche die nutritiven und timctio- neUen Erkrankungen der Haut sich kundgeben, köimen im AU- gemeinen zunächst ' als subjeetive und objeetive unter- schieden werden. ,

Die subjectiven Symptome sind, entsprechend der subiectiven Empfindungsfunction des Hautorganes, auch nur auf die Alteration dieser beschränkt. Sie erscheinen als die bekannten Störungen der Empfindung, im Süme der Vermm- derung, Anästhesie, oder in dem der Steigerimg und qualita- tiven Veränderung der Empfindimgen, als Schmerz (Neuralgie , Jucken, Kitzeln, Kriebeln, Ameisenlaufen (Foimicatio). Selbst- verständHcli können diese Art Symptome grösstentheüs nur durch Auskunft von Seite des Kranken erkannt werden, ziun Theile jedoch, wie die Anästhesie, namentlich Kber das Spnptom

Effloreszenzen. «'^7

des Juckens, auck auf objectivem Wege, mdem, wiewir seken tenlen die subjective Erscheinung des Juckens durch dxe o^ctiv wahrnehmbaren Symptome des Kratzens, Excoria- + ?niips sich jedesmal verräth.

Die obj ectiven Symptome der Hautkrankheiten sind die überwiegend zahlreichsten und mannigfaltigsten. Sie bilden i nothweSlige und sicherste Grundlage für das Erkennen nd Erfassen der pathologischeai Processe. Ihr genaue tes Suulium kann nicht ernst genug empfohlen werden Sie Ä m einer sehr zutrefFenden Metapher gesprochen, die bchiitt- .ü<.e dar, welche der jeweilige Kraiikheitsprocess selber auf Ii! Haui gezeichnet hat , entsprechend dem Grade seiner Litensität, Localisaiion, Verlaufsweise , denf Wege den er genommen, der Zeit, die er dazu verwendet hat So dass wu thatsächlich blos diese Schriftzüge mit Verständmss abziileseii brauchen, um sofort den Urheber derselben, die Krankheit, .einem vollen Wesen und Charakter nach zu erkennen. ^ Ich brauche nicht erst zu bemerken, dass die objectiven Krankheitssymptome den wahrnehmbaren Gewebsveränderungen angehören, also jenen Dermatonosen, welche in einer nach- weislichen Ernähi-ungsstörung - im allgemeinsten Sinne ge- sprochen - bestehen. Da nun, %ie früher gezeigt worden diese Art von Erkrankungen mit denen anderer Organe und Systeme wesentlich übereinstimmt, so soUte man glauben, dass auch in den Sjanptomen eine solche Ueberemstimmiing herrscht und solche für die Haut nicht erst besonderer Art sein könnten. Dies ist auch wesentHch der Fall.

H^merämie wird auch an der Haut durch Blutüberfiülimg und Röthe, Anämie durch Blässe, Entzündung durch jene und gleichzeitige SchweUung u. s. w. sich kundgeben. AUem die Symptome sind hier nicht nur wegen der directen Zug;anglich- keit der Haut deutlicher, sondern auch eigenthümlich dadurch, dass wir erstens dieselben am lebenden Organe beobachten, zweitens dadurch , dass die anatomischen Eigenthümlichkeiteu der Haut eine besondere Anordnung der pathologischen Vor- gänge gestatten oder bedingen, und endlich drittens durch specifische Krankheitsiu-sachen , welche nur bei der Haut sicH geltend machen können und demnach auch nur specifische Wirkungen hervorrufen. . .

Die Concurrenz dieser Momente, im Vereine mit einigen

Vievto Vorlesung.

anderen, allerdings noch nicht anfgeklärten Verhältnissen, führt zu einem bestimmten Typus, nach welchem regelmässig eine Hantkraiikheit örtHch zur Erscheinung, kommen muss , ohne Rücksicht auf die entfernteren Bedingungen der Krankheit. Wenn z. B. durcli eine Blntvergiftung, wie der Blatternprocess, Entzündung und Vereiterung eines HaarfolHkeLs auftritt, so wird diese örtliche Erkrankung nach demselben Typus ^ sich formiren und dieselben Erscheinungen Symptome darbieten, wie die Entzündung und Vereiterung eines HautfoUikels , die durch Kratzen mit dem Fingernagel, oder Reizung durch den Schweiss hervorgerufen wurde. Die anatomischen (iebUde und die Vertheüung der Blutgefässe sind eben bei den FoUikebi typische, und daher auch das Bild bei ihrej Entzündung immer das gleiche.

Ein solcher Typus der Erscheinungen kommt den soge- nannten Hautblüthen oder Ef flo r escenzen der Haut zu.

Dieser Ausdruck entstammt einer Zeit, in welcher man den äusserlichen Erscheinungen bei den Hautkrankheiten das Hauptgewicht bei der Charakteristik beimass und die wesent- lichen Vorgänge , welche denselben zu Grunde liegen, theils. nicht kannte, theils ignorirte. Im Vergleiche mit den Wahr- nehmungen an den Pflanzen,, soll mit diesem Ausdrucke Etwas bezeichnet werden, was auf der Haut in aufeäUiger Farbe und Gestalt auftaucht, gewissermassen aufblüht oder aufknospt.

Der Name ist auch heutzutage beibehalten, freilich mit einem concreten pathologischen Begriffe. Kau bezeichnet heute als Efflorescenz der Haut eine auf der Haut auftauchende krankhafte Veränderung, die im Allgemeinen emen klemeren und umschriebenen Umfang einnimmt und in ihrer Form (mor- phologisch), Entwicklungs- und Verlauf sweise und ihrer anatomisch en Bedeutung einen bestimm- ten Typus einhält. Jenach dem Letzteren gebuln-t der Efflorescenz eine besondere Bezeichnung, so dass mit dem ieweiligen Termmus auch immer nur ein bestimmter Be- griff von Efflorescenz verbunden ist. Es geht darum nicht an , dass man in der Terminologie der Hautkrankheiten wiU- kürlich Freiheiten sich gestattet. Wir müssen uns vielmehr an die einmal festgestellten und allgenrein angenommenen tarnen und Begrifte halten, für deren Stabilität, wie schon evv.-Rhnt worden, nebenPLENCK und Willan,Hebea dasMeiste geleistet hat.

Primäre Krankheitsersclieiuuugen. 59

Der pathologische Vorgang, welcher die Efflorescenz hervor- . bringt hat mit der typischen Entwicklung derselben örtlicli^ auch seinen Höhepunkt erreicht. Somit sind ihre Symptome anch gleiclibedentend mit den örtlichen nnd typischen pri- mären Krankheitserscheinnngen Efflorescentiae c-ntaneae primariae. - Von da ab verändert sich die Efflorescenz in dem Sinne ihrer weiteren Entwicklung, Ausbreitung, Um- wandlung, Rückbildung, u. z. theüs dadurch, dass der ursprüng- liche örtliche Krankheitsvorgang noch anhält, theils auch nach Anfliören des letzteren, durch die Gesetzmässigkeit, mit welcher- der normale Ernährungsprocess die stattgehabte Gewebsstorung auso-leicht Die Reihe der auf diesem Wege sich ergebenden Erscheinungen, welche aus den primären in gesetzmässiger Nothwendigkeit hervorgehen, büden die s e c un d är e n K r a n k- heitserscheinungen.

Die .primären Krankheitserscheinungen oder Efflorescenzen sind in folgenden Typen vertreten: I.Macula, der Fleck; 2. Papula, das Knötchen; 3. Tuberculum, der Knoten; 4. Phyma, der Knollen; 5. Urtica, die Quaddel; 6. Vesicula, das Bläschen; 7. Bulla, die Blase, 8. Pustula, die PusteL

Macula, Eleck, heisst jede auf einen umschriebenen Bezirk der Haut bescbränkte abnorme Färbung. Es gibt rothe, braune, gelbe Flecke in verschiedenen Nuancen, auch weisse Flecke.' Ebenso mannigfach ist ihre Form und Grösse. Sie sind veränderlich und vorübergehend, oder stationär, angeboren oder im weiteren Leben erworben.

Rothe Flecke, lebhaft roth bis dunltelblauroth , sind ent- weder durch Hyperämie der Papillär- und obersten Corium- gefässe bedingt. Alsdann weichen sie auf Fingerdruck. Gleicb- zeitig vorhandene Exsudation bewirkt, dass diese Flecke etwas erhaben sind und beim Druck mit dem Finger an ihrer Stelle die Haut einen Stich in's Gelbe zeigt. Sie heissen R o s e o 1 a e, wenn sie linsen- bis fingernagelgross sind. Occupirt die Röthung grössere Flächen, spricht man von Erythem. Hyperänusche Flecke, in welchen mit freiem Auge erkennbare Gefässe ver- laufen, heissen T e 1 e n g i e k t a s i e n ; wenn sie angeboren sind, N a e V i vasculosi, Gefässmäler. Ein hyperämischer Fleck, in dessen Mitte eine andere Efflorescenz steht, ist für diese der Kalo oder Hof. Ist der rothe Fleck durch freien Blutaustntt m

Vierte Vorlesung

60

Papillär- und oberste Coriumschichte veranlasst, dann rchwindet er unter dem Fmgerdrucke nicht. Er heisst dann

^'''^Hämorrhagisclie E lecke von Punktgrösse lieissen Petecliiae, von Streifenforin Vibices, von grosser und ^mregebnässiger Ausbreitung E c c Ii y m o s e n

Blaurotbe, grünlich-gelbe und gelbbraune Elecke entstehen auf dem Wege der Involution der Hämorrhagien.

Gelbbraune bis dunkelbrarme und schwarze (Nigrities, Melanosis) Elecke werden durch übermässige Pigmentan- häufung in den EetezeUen der tiefsten Scliichte, zum Theile auch der obersten Hautschichten veranlasst. Im Gesichte er- scheinen sie in flächeiihafter oder streifenförmiger Ausbreitung als Chloasma, oder da sowohl, wie an den Händen und anderen Körperregionen, in Stecknadelkopf- bis Luisengrosse als Sommersprossen, Ephelides, Liiiseimiäler - Lentigmes und Naevi pigmentosi, Naevi spili, Pigmentmaler

Weisse Elecke entstehen durch Pigmentverlust. Sie sind angeboren und auf einzelne SteUen beschränkt, A ehr o m a, oder aUgemein, Albinismus, oder im Verlaufe des Lebens erworben, iiiEolge von anderen pathologischen Processen oder als selbständiges Hebel, Leukopathia, V-itiligo.

Strohgelbe bis citronengelbe Elecke an den Augen- Hdern und deren Umgebung werden von dem "^i^dt Vitiligoidea genannten Hebel, einer m Corium statthabenden

Gewebsalteration gebildet.

Neben den besproelienen mehr tyiHsohen FaAmgsauo- malien kommen anch Missfärbungeu, Dy-ehromasiae dei Haut ™r, Wehe als Ausdruek eme,- Altexaton der aUge- m^L Vegetation des Körj,ers erscheinen tf car

bei Chloranämisehen, die dunkelstrohgelhe ^»f cia^om, die bronoebraune Farbe bei Lepra, Oi.rJ.A^^. die durch in das Cutisgewebe eingebrachte f^^^'f;.

Substanzen bedingt smd, wie die gelbe Farbe dureh d n emg lagerten Gallenfarbstoff bei Ikterus, oder d,e rothe und a^^^^ F^rbe bei Tätowirung mittelst Zinnobers, Kohlen- und Scluess

"""^"Tapula, Knotehen, nennt mau jede mokikorn- bis linseugroL, solide und über das Hautniveau ™r^™gende pathologische Bildung. Die Knötchen snu\ abgerundet, komseh,

Primäre Kraukhuitsürschoiiuingeii. 61

p-..-^ 0... ^^^^^^^^^^^

Wen wie bei Psoriasis, ein anclei-mal wirf es Ss"! ZeUeniuMtvation in die Reteschichten ge- M ltlTti Eezema papnlo.um, oder dnvch Hämon-hag.

dte Ii in die Papillen, wie bei Liehen haemon.hag.eus, odet ta- h Anhäufung von Epidermis^assen in der Mnndnng

'Haariasehen, bei Liehen V^^^^^ '^'^^K^^^'^'^Zl mit derbem Inlialt erfflllte Talgdriisen-Acm,, Milmm, »dei «Im* s Cori.™ eingelagerte Gewebs-Neubildnngen, w.e be.Lupu , Sarkom. Naoh aU' diesen Verschiedenheiten mass aueh Daner, Verlrf iiberhanpt die nosologisehe Bedeutung der Knotehen sehr vei'sehieden Lfallen. Kamentlich mögen eimge stabd sein mum, andere sehr wandelbar, wie die dureh Entzündung raXsstek Knötchen, die rascher Umwandliuigen fähig sind.

Acut-entzüiidHche Knötchen, welche von einem Kalo um- geben sind, werden noch besonders als Stippchen bezeichnet.

Tnbercula, Knoten, sind lunschriebene,. derbe, nn A 1- eemeinen grössere, erbsen- bis hasehiussgrosse pathologische Fo^ationL der Haut. Sie mögen ins Gewebe der Haut ganz eingebettet sein, so dass sie nur mittels der tastenden Finger umgriffen und erkannt werden, oder etwas aber die Flache em;orragen , cUe Oberhaut vor sieh herwölbend. Der patholo- gischen Bedeutung nach soUiessen sie sieh enge an die Knot-

chen an. n i

Phyma, Knollen, nennt man umfangreiclieie, ge-

scWstartige Bildungen. Sie sitzen im subcutanen Bmdege- webe oder Mer und im Corium, wölben oder stülpen diese vor sich her und bilden in letzterem FaUe hängende Geschwülste.

Urtica, Quaddel, ist wohl die bekannteste Efflore- scenzform. Sie stellt eine zartgeröthete oder glänzend weisse (Urti- caria porcellanea) und roth-umsäumte, flache, plateauartig vor- springende, derb anzufühlende Erhebung an der Haut vor. von Linsen- bis Daumennagel-G-rösse und rundUcher oder unregei- mässiger Gestalt. Jede Quaddel entsteht höchst acut, wie im Augenblick, und hat ein sehr kurzes Dasein. Hire arundlage ist eine begrenzte, vorwiegend seröse Exsudation m die FapiUen

^.j Yierte Vorlesung.

und die Sclileimscliichte. Die Quaddel kann nach der Periplierie sich beträclitlicli ausbreiten, während sie im Centrum schwindet. Es entstehen derart Kreis- und Gyrusformen von Quaddeln. Jucken ist immer mit ihrer Anwesenheit verbunden.

V e s i c u 1 a , B 1 ä s c h e n , ist eine miliare, bis linsengrosse, knötchenähnliche' Epidermiserhebnng , mit wasserhellem oder milchig-trübem, seltener blutig-flüssigem Inhalt. Die wasser- hellen Bläschen stellen den regelmässigen Typus vor. Ihr In- lialt ist seröses Exsudat. Dasselbe quiUt nach Berstung oder Verletzung der Bläächendecke als wasserheller Tropfen hervor. Das Normalbläschen ist durchscheinend. Erst nach einigem Be- stand wird der Inhalt durch Behnengung von Eormelementen (Zellen, Kerne, molleculären Massen) nnd Metamorphose milchig- trübe 'Hämorrhagie tritt zuweilen von Beginn an, meist erst später hinzu und macht den Inhalt dunkelblauroth und trübe. Auch trägt die Färbung des Bläschengrundes mit zur Färlnmg des Bläschens bei, je nachdem derselbe blass oder roth oder schwärzlich (hämorrhagisch) ist. Manche Bläschen sind halb- kugelig vorgewölbt, andere zugespitzt, noch andere zeigen in der Mitte eme seichte Vertiefung, Delle. Sie variiren weiters nach ihrer Consistenz. Manche sind sehr derb, vertragen eine starke Compression, ohne zu bersten. Solche haben eine dicke Bläschendecke. Man sagt auch, ein derartiges Bläschen sitze tief Andere haben eine sehr dünne Decke, welche leicht ein- reisst und den Inhalt austreten lässt. Dies sind oberflächlich

sitzende Bläschen.

Das Bläschen ist immer das Product einer aus den Papü- largefässen stammenden, acuten, serösen Exsudation imd kommt •dadurch zustande, dass das Exsudat innerhalb der Epidenius- schichten stellenweise in grösserer Menge sich ansammelt Da- durch werden zunächst die Zellen des Rete gequellt und aus- einander geschoben. E. entsteht so ein Fächerwerk. imper- meable Hornschichte dagegen wird vorgewölbt. Sie bildet die ■Decke des Bläschens. Je nachdem das Exsudat naher zur Oberfläche, oder im (^egentheil in der Tiefe, näher den Papillen sich staut, fällt die Bläschendecke dünner und zarter, oder

dicker und derber aus. .

Aehnlich kommen auch Bläschen zu Stande, wenn treie seröse Exsudation zwischen die die Follikel- und Drüsenniundun- gen umgebenden Epidermisschicliten und in jene selber austritt.

rrimäve Krankhoitsersclieinungon.

G3

Die feineren anatomischen Verhältnisse bei der Bläsclien- hikhino- sind sehr lehrreich und haben bereits viele Untersnclier beschäftigt. Vs'iv werden auf dieselben an einem anderen Orte eino-ehender zu sprechen kommen.

Jedes Bläschen hat als solches einen kurz bemessenen Bestand Es sinkt entweder diirch Aufsaugung seines Lihaltes ein oder es geht durch eiterige Umwandbmg seines Inhaltes in 'eine andere Efflorescenzform, die Pustel, über.

Da^'selbe gilt von der Bulla , Bl a s e, genannten Ettlore- scenz. Dieser konunen in allen Punkten dieselben Eigenschaften zu wie dem Bläschen, von welchem sie nur durch ihren oTÖsseren Umfang, Bohnen-, Nuss- bis Eigrösse, sich unter- scheidet. Es gibt Blasen mit vorwiegend serösem, andere mit trübem und blutigem Inhalt, solche, die oberflächHcch sind imd eine sehr dünne Epidermisdecke besitzen , wie bei Pemphigus, andere, die sehr tief reichen, die ganze Schleimschichte in sich ■einbezogen haben, wie manche Brandblasen.

Pustula, die Pustel, steUt eine mit Eiter gefüUte, also gelb , gelbgriüi, oder von beigemengtem Blute braungrün erscheinende Erhebung der Epidermis vor. Ihre Basis wird zumeist von gerötheter Haut gebildet, indem das Zustande- kommen von Eiterung an und für sich schon sowohl eine in- tensivere örtüche Entzündung voraussetzt, als auch zur Folge hat. Häufig ist die Pustel derart entstanden, dass ein Haar- foUikel das Centrum derselben eiiuiimmt, in dessen Ausführungs- canal dann ebenfalls Eiter angesammelt erscheint. Man hat ehemals von den Pusteln mehrere Arten unterschieden: Achor, eine Pustel der letztgenannten Art, deren Mitte von einem Haare durchbohrt ist , vorwiegend auf Pusteln des behaarten Kopfes bezogen; Psydracium, eine derartige Pustel von grösserem Umfange, und Phlyzacium, eine grössere Pustel, welche blutig gefärbten Inhalt zeigt. Doch sind diese Begrifee •keineswegs feststehend und in der praktischen Terminologie wenig gebräuchlich. Viel häufiger dagegen begegnet man den Namen Impetigo für kleinere und oberflächliche und E c- thyma für grössere und tiefer greifende Pustebi.

Obgleich zu dem Begriffe der Pustel gehört, dass Eiterung •nur innerhalb der Epidermisschichten stattfindet, so gilt letzteres .doch nur durchschnittlich und für die erste Zeit ihres Bestandes. Im weiteren Verlaufe kann auch das Papillargewebe , das

Vierte Vorlesung.

64

ihre Basis bUdet, eitrig schmelzen. Wofern nur Epidermis bei e em Processe zu Grunde geht, wird der Ersatz wieder SrEpidermis geleistet, d. h. die Pustel wml ohne Narbe heüe^^ Sie heilt aber mittelst Bindegewebe neuer Formation, d i mittelst Narbe, sobald auch ein bindegewebiger Theü der Haut, die Papillen, in der Eiterung consumart sind.

Es ist schon wiederholt angedeutet worden, dass die bisher besprochenen primären Erkrankungsformen einmal ge- s tzt in ihrem gesetzmässigen Verlaxxfe zu örtl chen Verande- ^:^er.n.lerer%^.er ebenfaUs typischer Art führen müssen die sich demnach den ersteren gegenüber ab secundare dar- stellen. Wir fassen ihre Charaktere als secundare Kranli- heits er scheinungen zusammen.

Solche sM: 1. Exeo.iationes Hautab.churfu.ge . 2 TJlcera cutanea, Hautges chwure, 3. Rhagaden, Hautsclirnnden, 4. S(l.iamac, Schuppen, o. Grustae, Borken 6. Crustae lamellosae, Schuppengrinde, 7. Cicatrix, Narbe, 8. Pigmentation.

35xcoriationes, Haut- oder Oberhautab.chui- fungen, «ind, wa. ihr Name besagt, Ablösungen der Oberhau , vorzili h de; Ho.-nschichte. Sie spielen trot. iljrer anatom>- sZ'GeringfUgigheit eine grosse EoUe '^^r De^ato o^^^^

diagnostisch und pathologisch. Ihre G-t^lt'.^'XSeu Nation und die obiectiven Erscheinungen ihrer hautgeien »hdung sind massgebend für die Diagnose gewisser

KrInkheLprocesse. Eitzt man »^V^™ p T^^'nurro tiS' Kratzen oder mittelst einer Nadel die Epidermis nui so tiet, als o Verhornt ist, so entsteht eine entsprechende, von feinen E^id rmTstrümmern'begrenzte Furche. Durch den "leehanischen röthen sich die gleichzeitig getroffenen ^-^^ ^l Excoriatiou erscheint als rother Strich, »"f t'f , ^ ^ sehwinden alsbald, erstere rasch, l«*f ft dermis neuen Nachschubs. Wenn aber an Ort -i-J-'^^^H in gleicher Weise gekratzt, geritzt wird so e^^^^^ so oft wiederkehrenden Hyi>ei-äniien Austritt ™" » zur Folge haben. Es bleiben i^muach braune Streifen lan e^^^^ Zeitznriek. Eitzt man so tief, dass die Sch"-^'»^^^^^^^^^^^ gelegt wird, so erseheint die Excoriation graugelb «ml na.seii(l. t tZrt Serum aus den succulenten Eetescluchten , das als-

Secundäre Ki-ankheitsersclieimingen. 65

I .1,1 7U einer ffell>bravu>en Masse eintrocknet und nach Tagen bald zu einer gel ^ ^ Epidermis abgehoben, abge- dui-ch die i^--^.2fZl.ooriL. bis auf den PapiUar- stossen wml «f '''^ ^^„^f.,,,, jes letzteren theilwcise verletzt '"T™ "s 1 e wa! Huf ausgetreten - blutende Excoriation.

II diese he len schUessEch ohne bleibende Spuren, da ja ft ts nm Ep dermis verloren gegangen Es können ate Exeo-

liwrf a-eschweUt, verletzliclier geworden war; deimiacli, ÄnötÄ^ P-teln zugegen waren, über denen

E^rktlnen ierbeigefüln-t worden sind. Alsdann smd d.ese troff enen Entzünd^n^gssteUe am tiefsten und je nach Z L^ der letzteren aucb verschieden gestaltet. lieber Ur tria^Quad^eln z. ^^^^T^^^ tS:^ S 'SSitten da^;tellen über den Meinen Sen der Prurigo werden sie als birsekorngrosse, blut.g gefärbte Epidermisverluste erscbeinen.

U 1 c e r a c u t a n e a , Hautgescbwure, sind ebenfalls secun däre Krankheitserscbeiiiungen. Sie entstehen mu- m emer ' her entzündlich oder anderweitig erkrankten Hautpaa.^^ nnd stellen das Corium betreffende Substanzverluste dar welche 2 vot nornialen Eiter in der Beschaffenheit abweichendes Secret absondern und deshalb nicht oder nur ^o,ernä^^ heilunfi gelangen, weib die zum Wiederersatz des Substanz terirsL'bestLnte Granulation durch örtliche oder allgemeine Ursachen verzögert oder gestört wird. ^

Man unterscheidet an jedem G-eschwur (^^'^^^^^f^^.^,' - das ist den inneren Begrenzungssaum, die Beschaffenhei beidei namentlich den Rand als glatt, zackig, ausgeuagt , hoM , aut- geworfen, die Form als rund, kraterförmig,

förmig, serpiginös; den Verlauf als acut, chronisch und mc e ändert Momente, welche sich auf Ursache Bedeu u^g L^^ sation u. s. w. beziehen und in der speciellen Pathologie Sprache kommen werden. ^

Kaposi, Hautliranküeiten.

Vi«rte Vorlesung.

DO

Rhagades, Rimae cutis, Hantschrunden, sind furchen- oder spaltenartige Risse und Zerklüftungen der Epi- dermis Sie reichen oft auch tiefer, bis in's Corium und sind dann von steilen Rändern begrenzt und im Grunde blutend oder verschwärend. Die letzteren betrefFen eine verdickte, schwielige, die ersteren auch dünne, trockene Epidermis. Sie entstehen in Folge von Zerrung und Dehnung von Seite der unterlagernden Muskeln, bei verminderter Elasticität der er- krankten Haut und Sprödigkeit der Oberhaut.

Squamae, Schuppen, heissen die von der Hautober- fläche sich ablösenden Hornhautblättchen. Ln physiologischen Zustande findet eine im Ganzen imperceptible, aber doch zweifel- lose Abschülferung der Epidermis statt, mit welcher eine Regeneration von den Retezellen her gleichen Schritt halt. In krankhaften Verhältnissen geht diese Abstossung m sinn- fälliger Weise vor sich. Die Abschuppimg als solche heisst Desnuamatio, wenn sie als Folge eines örtlicheii Erkran- kungsvorganges sich einsteUt; als selbständiges Uebel Pity- riasis Die Schuppen lösen sich ab in Gestalt von kleinen, kleienähnlichen, oder auch grösseren, dünnen, weissen, glan- zenden oder schmutzig weissen, trockenen oder fettigen Blatt- chen, oder von dickeren, plattenähnlichen Schalen, oder endlich von grossen, zusammenhängenden, pergamentähnliclien btucken, welche z. B. handschuhfingerförmig , einem Finger entspre- chend, erscheinen. Darnach spricht man von einer Desqua- matio furfuracea, membranacea, siliquosa.

Bei gewissen Krankheitsformen (Psoriasis) baUen sich die Schuppen zu Häufchen oder verscliieden mächtigen Platten zusammen, welche in lockerer Verbindung mit den tieferen Zellen stehen, aber als Ganzes doch länger auf der Haut haften und nur in ihren obersten Lamellen schülfern. _

Schuppen werden auch von den Fettdrüsen geliefert, indem aus ihnen eine abnorme Menge fetthaltiger Epidermis m steti- ger Folge ausgeschieden wird und über die Hautoberflache sich lagert (Seborrhoea sicca).

Crustae, Krusten, Borken, Grinde, nennt man die Massen, welche durch Vertrocknung von ausgetretenem herum, Eiter oder Blut auf der Haut entstanden sind. Die ersteren sind in frischem Zustande von der Farbe des Gummi, Homg die letzteren braun bis schwarz. Anfangs massig weich und

SecTindäre KraiiklieitsersoheimingeTi. 67

elastisch werden sie mit znnehmendem Alter trocken, hart, W io- und dnrch innere Metamorphose nnd verschiedene Be. Z^^,.. nüsslarlng. Ihre Mächtigl.e.t entsprich rm AUge- inen der Menge der ausgetretenen Flüssigkeit, n.id sie koanen 1-dick werdet wenn längere Zeit nnd in allmählicher We.se Exsndat , Eiter und Blut neuerdings an iure untere Flache herantritt nnd vertrocknet. ^

Der Gestalt nach entsprechen sie im AI gemeinen der Con- ficuration der verletzten Hautstelle , von welcher beriim, Eiter ..^d Blut anstritt. Besondere Formen erlangen sie , ^^^nn der ilnien zu Grunde' liegende Eiterungsprocess von' einem Centrum stetig peripher vorrückt. Die Krusten Schemen ^^-^^'^'^^ centSschen Ringen oder ans Scheiben --^---^P^^^' / mittlere die kleinste nnd dem Charakter nach die älteste dai- stellt. Dabei ist die Kruste in der Mitte genabelt, coucav, oder konisch, convex, ersteres, wenn der Exsudationsprocess im Cen- trum erloschen, letzteres, wenn derselbe trotz des peripheren Fortschreitens hier noch besteht und von unten her Materiale zur Verdickung der Kruste liefert. Die letztgenannten Formen der Krusten geben den Charakter der sogenannten Rupia

Crustae lamellosae sind ein Gemenge von Krusten

und Schuppen. , . n 4.^

Cicatr ix. Narbe, ist die der Haut eingepflanzte Ge-

websformation, welche einen Substanzverliist des bindegewe- bigen Antheüs (nicht der Epidermis) der Haut ersetzt. Sie erscheint an der Oberfläche glatt, glänzend, ohne die die nor- male Hautoberfläche bezeichnenden, regelmässigen Hugelchen, Linien und Furchen, ohne Poren, Haare und Papillen; frische Narben sind roth, ältere glänzend weiss , an der Peripherie bisweilen braun pigmentirt; ihre Consistenz verschieden derb. Ihre Oberfläche liegt im oder etwas unter dem Niveau der normalen Haut, überragt aber auch oft diese (hypertrophische Narbe). Umfang und Form der Narbe entspricht nicht voll- ständig dem sie ersetzenden Substanzverluste, weil sie wahrend ihrer Bildung nnd auch später noch schrumpft _ Eine schone Narbe ist dünn, .weich, glatt, beweglich; eine hassliche Narbe wulstig, höckerig, hart, emporragend, gestrickt, genetzt

Die Narbe besteht ans einem unregelmässigen ± üz a on neugebildetem Bindegewebe. In jungen Narben ist dieses mehr l>omogen, reich an lebensvollen Bindegewebskörperchen Rund-

Vierte Vorlesimg.

Zellen und Gefässen. Mit zunehmendem Alter wird die Inter- ceUiüarsubstanz deutlicher faserig, saft-, zellen- und gefässarm.

Pigmentation findet sich als Folgesymptom voraus- gegangener, mit Hyperämie verbundener Processe , also so- wohl ^entzündlicher als neoplastischer Vorgänge. Die Fär- bung entspricht nach Ausdehnung, und Form der Oertlichkeit und dem Crange des Processes, ist dauernd oder vorübergehend und im letzteren Falle an der jüngsten Stelle der Erkrankung am intensivsten, an der ältesten auch am frühesten vermindert, oder ganz geschwunden.

Zu den geschilderten morphologischen Eigenschaften der Efflorescenzen gesellt sich eine Reihe von für die Sympto- matik sehr wichtigen Erscheinungen, welche aus den Eigen- thümlichkeiten ihrer Vertheilung , Anordnung und Aus- breitung hervorgehen, für welche es kein Analogon in der Pathologie anderer Organe gibt und auf die ich hiemit Ihr besonderes Augenmerk lenke.

Die Efflorescenzen finden sich auf der Haut vereinzelt (Efflorescenciae solitariae), oder zu vielen getrennt (E. discre- tae) und zerstreut (E. dispersae) oder unregelmässig zusammen- gedrängt (E. aggregatae , confertae) , in regelmässige Haufen zusammengeschoben (E. corymbosae), in einfachen Kreisen (annu- laris, circinatus) angereiht, und es scheint in diesen Beziehungen, wenn auch nicht die örtliche und allgemeine Ursache, so docli die G-esetzmässigkeit zu fehlen.

Vorwiegend jedoch macht sich eine merkwürdige Bestän- digkeit, imd für viele Fälle eine bis an's Gresetzmässige strei- fende Regelmässigkeit geltend in der Localisation und Anord- nung der Efflorescenzen, in der Vertheilung ihrer Gresammt- heit, welche als Hauteruption oder Exanthem bezeichnet wird. Sie findet ihren theilweisen Ausdruck darin, dass die Efflorescenzen im Allgemeinen in symmetrischer Weise auf den correspondirenden Hautstellen der rechten und linken Körperhälfte auftreten, auf beiden Handtellern oder beiden Handrücken, an beiden Knie- oder Ellbogen-Gelenken. Weiters in dem Umstände , dass dieselben bei manchen Processen vor- wiegend die Streckseiten, in anderen regelmässig die Beuge- flächen der Gelenke und Extremitäten, oder die Umgebung der Eingangsöfi'nungen in die Körperhöhlen mit Vorliebe occupiren.

YertheiluDg der Efflorescenzen. t)9 Für diese Arten von Gesetzmässigkeit fehlt nns vor der Hand iede Handhabe zur Erklärung. ^ -u

^ Da^i-eo-en geben die anatomischen nnd architektonischen V^vV^l+rSss^e der Haut ziemliche Erlänterimg über eine Reihe ^:^:^s^E^e^^ in der Yertheüung nnd Ai.breitnng "rEfflorescenzen. Es ist zweifellos, dass diese häufig ganz 1 Ir in ihrem Auftreten und ihrer Ausbreitung der Rich- :::^/r Hartnerven folgen. Dies ist der EaH beim Herpes Zoster bei manchen Warzen- und Pigmentmälern und Erythe- men A- den classischen Arbeiten von Tükck, welche von WEBL veröffentlicht worden, und denjenigen von YoiaT, kann In über Verlauf- und Verästlungsgebiete der Hautnerven sich Tweit genauer unterrichten, um diese Congruenz zu erkennen. ZI hat auch ein System von Linien und i;e,gelmaBsig situir- ten Wirbeln auf der Haut nachgewiesen, welche der Anordnung der Haartaschen entsprechen. Da nun selir oft und bei manchen Krankheiten, z. B. bei Liehen scrophulosorum, regelmassig die ^^:^nTwüore..e.zen die Eollikel selber betreffen, so ist es hegi^ifiich, dass sie alsdann auch in der Anordnung d. Confi- ^Sation der Eollikel-Vertheilung wiedergeben und m Kreis Len oder regelmässigen Gruppen --f^f^'^'^^^^^^^^^^ oft sieht man die Efflorescenzen, z. B. bei Psoriasis, Herpes t n^rans maculosus, in mehrfachen, parallelen, angen Reihen ZeorLt, welche an verschiedenen Körperstellen zwar_ ver- Xdene ichtungen, aber an entsprechenden Körperregionen doch wieder stetig in derselben Weise sich darsteUen. laufen an der seitlichen Thoraxgegend paraUel _ den Rippen, in der Schultergegend, am Nacken, in concentrischen Kreisen, welche in allen EäUen dieselben Punkte als Centren haben. Daneben gibt es gewisse Regionen, die wie todte Punkte zwischen den Wellenkreisen liegen. Ein höchst interessantes Bild, auf welches Hebba schon frühe aufmerksam gemacht hat.

Diese Verhältnisse sind in verschiedenen Momenten be- gründet, zunächst in den Spaltungsrichtungen der Lederhaut.

Man hat längst gefunden, dass die Lederhaut an bestimm- ten Körperregionen vorgezeiclinete Spaltungsrichtungen hat. Sticht man mittelst einer spulrunden Schusterahle m die Haut, bekommt man kein rimdes Loch, sondern eine längliche bpalte und diese hat an verschiedenen Körperstellen eine verschiedene, aber für die Oertlichkeit constante Richtung.

rjQ Vierte Vorlesung.

Langer hat diese an einer grossen Zahl von Leichen eriürt, indem er an denselben mittelst des Pfriemens die Stich- spalten erzeugte mii durch Zeiclmung fixirte. In der beige- gebenen Copie der verjüngten LANCxEß^schen Zeichnung ^ sehen Sie, wie und in welchen Richtungen die Stichspalten sich zu Linien formiren (Fig. lo).

Fig. 13.

Die Spaitrichtiingen der Haut, nacli Laug

VertUeilung der Efttorescenzen. '^i

Die SmltricMnng gibt aber die Hauptricl>timg der J?a«e- D eser folgen aber aiicl. die Hauptstämme der Nerven '■"?Blt a auelr die Follikel, nnd die Hanptriehtag

und aurch gewisse Fixationspunlrte

rder'Sf lI und Faseien gegeben, andererseits dnreU die ^.altKnn.riobtnng des gan.n ^ns..n n— de.

L Gefässe nnd Nerven, derart, dass sie von der Wubekanle dl.e" an den Thoraxseiten parallel den Kippen, an den vl te"wn von oben nnd anssen, naeb nnten nnd mnen m SpSen zkhen. Die Anordnnng nnd VertheUung der Efflor-es- cerzl Lt nnn bald durcb das eine, bald dnroh das andere der «Znten Momente in directer Weise, bald dnrcb die Snniine aller t Zev Art Resiütirenden vorbestiinmt. 0. Smo. bat demonstnrt W Te Kchtinig von Gesehwiiren, welebe W™ arf die^e Basis ziirliokgembrt bat, sofort sieb ändert, '^^ «^^^^^^^

oder Ansscbneiden die Spannniigsrichtnng der Haut antgehoben

'^'^'AJle Eigentbiimliebkeiten in dieser Beziebnng wden aUerdm-s dui4 diese Verbältnisse nicht autgeklärt lob glaube, "a ürsäeblicbes in der feineren

vertbeilnng liegt, die aber noch sebr wenig studirt ist. A be ten, wTe toinngste LAKGER's über die feinere Ge assvertbei ung Tden lug'enHdem, wurden sielierlieb bezUgUeh der Verbrei- tunr der Prooesse in der Haut Vieles aufbellen.

* Auch die einzelne Effloreseenz sebeint auf ibrem weiteren Wege dnrcb die Spaltriolitungen der Haut E"}'--^'- 2^^; Wenn die Effloreseenzen, selbst das ta*'' peripher sich ausdehnen, so aequiriren sie die J^^^^ gegend allgemein geltende Richtung. So zeig n «»««»^^Jl«^^ und die Flecke des Herpes tonsurans an den Thoiaxseiten ovale Formen mit zu den Rippen paraUeler Langsa hse^ Doeb schreiten die Effloreseenzen in ^r e«" Wicklung auch über diese Gesetze hinaus. /"J^f,! tretenden Formen werden in der Symptomatik .''»tbwe.id^g« ^eise zur Orientirung nnd CharakteristA J.'^.^. natus, annularis, wenn eine Effloreseenz durch peripbe es J! oi

schreiten und centrale Involution Kreisform "-"« f heisst das Auftreten von Effloreseenzen in zwei- und menr

Viei-te Vorlesxmg. Vertheihmg der Efflorescenzen.

fachen concentrisclien Kreisen oder solclien mit einer im Centrum stehenden Primär-Efflorescenz. Gryratus heisst die Form der gesclilängelten Linien, welche entstehen, wenn mehrere Efflo- rescenzkreise im Wachsthnm aneinander geratlien. An den Beriihriingsstellen erlischt alsbald der Process, die Rothe, die Lifiltration iind es bleiben nur die peripheren Bogen übrig. Die gleichen Formen, circinär, Iris, gyratus etc. entstehen dadurch, dass mehrere Efflorescenzen von vornherein eben in der dem Namen entsprechenden Weise sich zu einander stellen.

Man bezeichnet auch gelegentlich die Ausbreitungsweise der Efflorescenzen und damit der Hautkrankheit „per conti- nnum" , wenn dieselbe stetig von einem Ursprungspunkte auf die angrenzende Haut übergreift, und „per contiguum", wenn mit ihr in Berührung befindliche andere Hautstellen in gleicher

Weise erkranken.

Eine Menge anderer Charaktereigenschaften oder neben- sächlicher Merkmale werden noch nach Umständen näher be- zeichnet, wie z. B. die Form mit discoides, scheibenförmig, scutiformis, schildförmig, figuratus, circumscriptus, marginatus, confluens, diffusus ; die Färbung mit variegatus , intertinctus ; xuid eine grosse Zahl von Eigenschaften, begleitenden Sympto- men und Umständen, welche das Alter und Geschlecht der Kranken, die Intensität der Krankheit, die Jahreszeit, geogra- phische und geschichtliche Daten u. s. w. betreffen , deren Bezeichnungen im speciellen Falle die Charakteristik mehr weniger ergänzen und im Allgemeinen nicht mehr besagen wollen, als ihre Etymologie lehi^t, wie vernalis, aestivus, antnmnalis, hiemaHs, septemtrionalis, tropicus, seniUs, infantum, acutus, chronicus, febrüis, apyreticus, pruriginosus , agrius, mitis etc. etc.

Fünfte Yorlesung.

. , ,Hior,«thisehe und symptomatische Dermatonosen.

Allgemeine Aetiologie.

Als drittes Moment, welches den patliologisclien Processen der Haut, bei all' ilarer wesentliclien Uebexeinstnnmvmg mit den Krankheiten anderer Organe, ein eigenthümlxclies Gepräge .ibt, habe ich ibi^e Ursachen angegeben. Diese sind zum Tbeüe solche, wie sie auch den Erkrankungen anderer Systeme zu Grunde liegen, zum grossen Theile jedoch für che Hautkrank- heiten specifisch, insoferne manche derselben andere Organe als die Haut gar nicht zu beeinflussen vermögen. Ueberdies kommt den lirsächlichen Momenten auch noch die besondere Bedeutung zn dass ihrer specifischen Art häufig ganz specifische Formen der Hautkrankheiten entsprechen, während wieder manche andere Krankheitsursachen doch auch verschiedene Art von Erkrankung zu veranlassen vermögen, oder endlich dieselbe Form von Hautkrankheiten durch verschiedene Ursachen be- dingt sein kann. , . , Die Congruenz zwischen Krankheitsform und Ursache ist also keineswegs aUgemein durchgreifend. Dieser Umstand, sowie der zweite, dass für viele Hautkrankheiten die Ursachen überhaupt nicht bekannt sind, machen es auch derzeit unmög- lich, die Dermatonosen auf Grundlage ihrer Ursachen zu

svstemisiren. •^

Im Allgemeinen theilen sich die Haxitkrankheiten iliren

Ursachen nach in zwei Kategorien:

1. Solche, die durch eine in dem Organismus selbst, seiner Blut- und Säfte-Beschaffenheit, seiner Gesammt-Constitution,

r-^ Fünfte Vorlesung.

oder in der Erkrankung einzelner Organe und Systeme ge- legene Ursache, oder in der hereditären Anlage begründet sind und wesentliche oder gelegentliche Symptome dieser Verhält- nisse darstellen symptomatische Hautkrankheiten.

2. Hautkrankheiten, welche durch eine auf das Haut- organ^direct einwirkende Schädlichkeit hervorgerufen worden gina idiopathische Dermatonosen.

Man hat in früherer Zeit so ziemlich -alle Hautkrank- heiten als symptomatische, also in die erstgenannte Kategorie gehörig aufgefasst , indem man annahm , dass eine allgemeine^, als „psorische" bezeichnete Dyskrasie, oder eine Art „Schärfe" des" Blutes, Acrimonia sanguinis, oder „herpetische" Blut- beschaffenheit in dem Individuum vorhanden sein müsse, wenn eine Hautkrankheit bei demselben entstehen soll. Selbst wo nachweislich ein örtliches Agens , wie die Krätzmilbe bei der Krätze, oder ein Pilz, wie bei Favus, zugegen war, hat bis vor niciit langer Zeit jene Ansicht sich bei manchen Aerzten, von Laien nicht zu reden, erhalten können.

Seit zunächst für Krätze, alsdann für eine Reihe anderer Hautkrankheiten experimentell und Minisch der Beweis ge- liefert worden, dass solche Affectionen rein örtliche und wie z. B. Hebra bezüglich der Krätze und des Eczem demonstru-t hat, beliebig an jedem Individuum hervorbringbare Krankheiten darstellen, hat die psorische Kraseiilehre jeden positiven Halt verloren.

AUein, wie gesagt, Hebra und seine Schule anerkennen auch eine grosse Zahl von allgemeinen und dyskrasischen Zu- ständen und Erkrankungen innerer Organe, welche direct oder gelegentlich zur Entstehung von Hautkrankheiten führen, theüs solche, welche genau gekannt sind, theüs derartige, die vor der Hand noch nicht näher definirt werden können.

Zu diesen durch allgemeine Ursachen veranlassten, also symptomatischen Krankheitsformen gehören zunächst die durch specifische Contagien hervorgerufenen acuten Exantheme, Blattern, Masern und Scharlach , die Zoonosen, Syphilis , Rotzkrankheit und Pyämie , bei welchen Processen neben der specifischen Blutvergiftung die Hautki'ankheit m Form von verschiedenen Röthungen, Knötchen, Bläschen, Pusteln, erysipelatösen und furunculösen Entzündungen als nothwendiges oder wesentliches Krankheitssymptom erscheint.

Allgemeine Aetiologie. 75

Bei anderen Allgemeinerkrankungen komnien gelegentlich, aher ^e^^om^i.^^e Hantaffectionen vor, bei TypkuB a s Flecke, Knötchen und Bläseken (Hoseola, Purpura Müiana ^ko a laB DmTEL'scke Typkus-Exantkem), be. Cholera a s Äa'nnd Er^^thema, Cholera-Exanthem), ber Uraan.e als

kx'nkhafteH^^ f^'^^ tCien bei Scrophulose , Tuberculose als Entzxmdung und vSwärung, bei Lepra als Elecke , Knoten Anasthes.e., Ve . chwärnnt-en. Krebsdyskrasie, Chlorose, Anaxn.e, Cholamxe, invohären seS^er eine krankkafte HautbesckafFenke.t , abnorn^e Färbung, Jucken, Neubildung, oder dispomren, me z. B. Chlorose , zu gewissen Hautkrankkeiten. _

Vo^ Affectionen einzelner Organe erwähne rck chronischen Magen- und Darmkatarrh Leber- und Mxlz- schweUuno-, allerlei Abnormitäten und functioneUe Zustande, selbst physiologische, des weiblichen Genitalsyst.ms, chronischen Morb Brightii, Albumimu-ie, welche die Veranlassung abgeben könaxen fi5 Acne rosacea, Pruritus cutaneus, Ux^txcana acuta et chronica , Anomalien der Hautsecretion und Pigmentation, für Pemphigus, Impetigo herpetiformis. Herzfehler veran- lassen Cy^iose und Oedem der Haut; Erkrankungen der Nerven innerhalb ihres peripheren Antheiles, Herpes Zoster und aUerlei Entzündungsformen, sowie Ernäln-ungs- und Empfin- dungsstörungen; Affectionen des Centralnerven- sy Sterns, namentlich des Eückenmarks , Zoster, Pruritus

cutaneus, Pityriasis rubra.

Das vasomotorische Nervensystem wird veiant- wortlich gemacht für eine Reihe von Hauterkrankungen, welche seit EOLENBUBG und Landois als Angioneurosen gerne be- nannt werden, wie Urticaria, Acne rosacea Zoster Es soU damit nur ausgedrückt werden, dass diu'ch eine Alteration der Gefässnerven, welche wir seit den jüngsten besonders Stkickee's Nachweisen als Vasodilatatoren und Vasoconstric- toren zum Theile kennen gelernt haben, es örtlich zn Erwei- terung oder Verengerung der CapiUaren und feinsten Gefesse der Haut und damit zu Erscheinungen der örtlichen Anämie oder Hyperämie und Exsudation kommt. Eine eigenthche Erklärung der Krankheitsformen und Vorgänge gibt diese Bezeichnung nur für die wenigsten Fälle. Für die meisten ist sie eine blosse Umschreibung bekannter Erscheinungen.

rjQ Fünfte Vorlesung.

Auch die Heredität involvirt eine im Organismus ge- legene Ursaclie für Haiitkrankheiten, entweder in directer Weise, wie bei SypHlis, oder in mehr disponirender Weise, wie bei Ichthyosis, Psoriasis, Eczem, Polytrichie, Alopecie, Krebs, Naevus, indem die Nachkommenschaft mit dem ganzen eigen- thümlichen Habitus im Allgemeiiien und dem besonderen der Haarfarbe, der Hautbeschatfenheit etc. auch die Anlage oder Disposition für manche Hautkrankheiten von den Eltern über- kommt.

Als allgemeine disponirende Momente für Haut- erkrankungen müssen auch die zum Theile äusseren Verhält- nisse gerechnet werden, welche durch das verschiedene Alter, Geschlecht, die Wohnungs-, Nahrungs- und Lebens-Verhältnisse, die habituelle Beschäftigung, die klimatischen und physikalisch- geographischen Bedingungen gegeben sind. So kommen im Säuglingsalter und in den ersten Lebensjahren häufiger Eczem, Urticaria, Seborrhoe vor, oder beginnt z.B. die Prurigo stets gegen Ende des ersten Lebensjahres, während Psoriasis im kräftigen, mittleren Lebensalter , dagegen bei Greisen häufiger Pruritus, Epitheliom, Warzen angetroffen werden. Lupus erythematosus findet sich häufiger bei weiblichen als bei männlichen Lidi- viduen. Bei den Kindern der ärmeren und schlecht genähi-ten Classen ist Liehen scrophulosorum tmd Prurigo öfters zu finden, als in den wohlsituirten GeseUschaftsschichten. Manche Krank- heiten sind in gewissen Land- und Erdstrichen häufiger als in anderen, z. B. Prurigo bei uns häufiger als in England, hier Psoriasis zahlreicher vertreten als bei uns; ja gewisse Krank- heiten sind nur besonderen Zonen und Ländergebieten eigen, wie Lepra bestimmten Districten Norwegens, den mittellän- dischen Küstenländern und dem ganzen continentalen und Inselgebiete der südlichen Meere.

Gewisse NahrungsstotFe bewirken bei einzelnen oder vielen Menschen vom Digestionstracte , oder durch Keizmig der Geschmacksnerven auf reflectorische Art Hautkrankheiten. Urticaria in Folge des Genusses von Erdbeeren, Austern, Hiunmern u. A., Erythem nach Genuss von Copaivabalsam, Acne nach Jod- und Brom-Medication sind bekannte Vorkomin- nisse. Nach Chmin ist in einzelnen Fällen das Gleiche beob- achtet worden.

So zahlreich und in einem gewissen Sinne zweifellos nun

Allgemeine Aetiologie. '^'^

aie ano-efiihrten allgemeinen ,irsachUche,i Momente aueli sind, ,rweni. vermögen wir doch beziigUcli der mästen den d^ree en Z„rn:e,ü>ang .wischen ünen und den duret s.e bed,ngten Ha\itkrankheiteu ZU demonstriren. i -u

Unolei^ klarer Hegen in dieser Bezielinng die Verlxalt- nlssefüx°die idiopatlüsclien Hantkrankkeiten, die- Z Jn, welche durch dir-ect auf die Haut emwkeude, oder soc.rnanute ä u s s e r e S c h ä dli chke it en hervorgerufen werden. Brer Naüu- und Einwh-kungsweise entspricht auch sofort d.e

gesetzte Veränderung und die I^-^! -^ "^"r". scheinungen, welche aus diesen in gesetzmassiger Folge hervor

eehen müssen. , i i

Ihi-er Natur nach sind diese Schädlichkeiten mechanische, dynamische (calorische) oder chemische ^^^d/)rga- nfsmen, pflanzliche oder thierische , welche direct die Haut iiifBstirGii

Für- die Wirkung der ersten der drei Kategorien_ von Krankheitserregern der Haut, der mechanischen, bmigeii ^ wohl das leichteste Verständniss mit. Unter aUen Verhalt- xiissen des praktischen imd gewerblichen Lebens setzen wir die Haut solchen Schädlichkeiten aus, welche die Epidermis oder die Haut bis in ihre tiefsten Schichten auf mechanische Weise zerkratzen, verletzen , Serum- und Blutaustritt, Ent- zündung und Verschwärung veranlassen. Häufiger Druck von Seite der oft hantirten Werkzeuge, von Bandagen Lastgurten, der Beschuhung, bewirken Verdickung und Verschwieliuig der Oberhaut und organische Veränderung des Coriums und de PapiUen; Contusionen haben Zerreissung von Blutgefässen und Bluterguss unter die Oberhaut oder in die Cutis zur Folge. Das Kratzen mit den Fmgernägeln aUein ist eine häufige Ursache für Hautkrankheiten. Wir werden diese Art der Ki^ankheits- erregung noch näher kennen lernen.

Uebermässig hohe Temperatur, die sengende Sonne, wie die Ausstrahlung des Feuerherdes und Feuerflammen be- wirken, sowie zu niedi-ige Temperatui-seinflüsse theils yoriiber- gehende Röthung und Hautabschülferung, theils intensive Ent- zündung oder Verkohlung. '

Chemisch schädlich wirkende Agentien sind alle starkei en Säuren, Salz-, Essig-, Schwefel- und Salpetersäure, Aetziaiige, «ine Menge Chemikalien und Farbstoflee, wie Anilinfarben, sowie

rülifte Vorlesung.

Pftanzen und rHanzensäfte , denen ein scliarfes Princip inne- wohnt , Mezerenm , Arnica , Semina Sinapis , Brennnessel , die meisten ätherischen Oele, wie Oleiini sinapis, Ol. Crotonis, Tiglii XI. V. A., die theils zufällig oder absichtlich, wie in Gi-ewerbs- übungen, oder gar in therapeutischer Absicht, in der soge- nannten und ehemals sehr beliebten Methodus derivatoria, mit der Haut in Berührung gebracht werden. Sie zerstören ent- . weder direct die Oberhaut, oder auch die tieferen Gewebs- schichten, oder reizen die Haut zur Hyperämie und Entziindimg.

Diese Schädlichkeiten sind als solche um so höher anzu- schlagen, als sie nicht nur die Haut direct krank machen, sondern dieselbe auch bezüglich ihrer Widerstandskraft gegen Schädlichkeiten in toto schwächen, derart, dass sie nun Einwirkungen als Hautreize verspürt, die ihr früher gar nichts anziThaben vermochten. "Wenn beispielsweise Jemand durch Application von einem Arnica-Umschlag auf einen verwundeten Finger daselbst ein Eczem hervorruft , so wird nun die Haut des Gesichtes schon durch einen geringen Hitzegrad des Feuer- herdes, oder die Haut des Nackens durch einen anliegenden gestärkten Kragen eczematös erkranken, während sie früher das ßeiben des letzteren , die Hitze des Feuerherdes ganz gut ertragen hat. Selbst der aUgemeine Nerveneinfluss wird durch eine solche örtliche Schädlichkeit wachgerufen. Wenn in der Schamgegend durch Quecksilbersalbe, die gegen Morpiones ein- gerieben worden, Eczem entsteht, so wird durch die örtliche Erregung auf neuro-reflectorischem Wege das Papillargefäss- system im Bereiche der Ohrmuscheln und des Gesichtes derart gereizt, dass er hyperämisch wird und exsiidirt, dass hier Eczem entsteht, lange bevor das Eczem der Regio pubica irgendwie diese Gegend überschritten hat.

Diese Verhältnisse sind \iel zu wenig allgemein gekannt, weil sonst die Aerzte nicht so leichthin mit der Anwendung der Hautreize wären. Es wird sich noch Gelegenheit bieten, darüber Weiteres zu sagen.

Dabei verhalten sich viele der genannten Sehädlichkeiten noch als relative, indem sie ein Hautorgan früher oder inten- siver, ein anderes später oder gar nicht krank machen, mi Allgemeinen um so rascher und intensiver, je mehr die Haut bereits früher gereizt worden, oder von einer Krankheit be- haftet ist, die sodann als Reiz wirkt.

Klinischer Begriff der Hautkranklieit. 71)

Selbst das cliemiscli indifferente Wasser ruft bei ••1 -o-pv \nnlication desselben in Form von Waschungen,

t"'"^^!!^!^, Umschlägen Hautkrankheiten hervor. ^:^^SZ^on der Epidermis, Erythem, Eczem,

'^""tdererseits ist der Mangel an Reinlichkeit und Haut- nfleo-e die Ursache für manche andere Hautkrankheiten, die m \nSiufung und Zersetzung von Epidermis und Hautsecreten nnd der irritirenden AVirkuug der letzteren au die Haut, durch Ausdelinnng der Fettdrüsen u. A sich kundgeben

Dass pflanzliche und thierische Organismen als Ursachen von Hautkrankheiten sich geltend machen, ist, wie der geschichtliche Ueberblick gelehrt, erst seit wenigen Decemden%ekannt. Sie leben und vegetiren theils in de.^ Haut speciell der Epidermis - wahre Parasiten mid Epi- Siyten - theils mir gelegentlich auf derselben - Epizoen. Die- selLn bewirken örtlich Auflockerung der Epidermis Hyperamie und Exsudation in Folge der mechanischen und chemischen Reizung, oder Verletzung der Papillen, Blutaustritt und com- plicirte Entzündung wie manche Epizoeen; endlich als irri- tii-ende Potenzen auch auf reflectorischem Wege manche andere Krankheitserscheinungen, wie Jucken und Eczem.

Wir haben bis nun in einer allgemeinen Ueberschau das anatomische und physiologische Substrat der Hautkrankheiten kennen gelernt; mit dem Hinweise auf die allgemeine Patho- logie und pathologische Histologie auch die Veränderungen ^- gedeutet, welche die Gewebs- und Organelemente, sowie^e lunctionen der Haut in der Erkrankung erleiden können ^ich mit den Symptomen der in der Haut möglichen ort ichen Ver rnderungenid dem Schema ihrer regelmässigen Verlauf sweisen rnsvertLt gemacht; endlich auch die Ursachen im Allgemeinen aufgeführt, welche die letzteren zu veranlassen veinnogen.

Alleii; zu emer vollständigen allgemeinen Vorstellung von einer Hautkrankheit im klinischen Sinne sind wir :;;\ll' dem noch nicht gelangt. Und doch ^ der eigentliche Gegenstand unseres hier vorgesetzten Studiums.

In' die oben angeführten Merkmale zusanunen geben .ämlich noch immer nicht den vollen Begriff von c^Bm^— Wesen und Bilde einer Hautkrankheit. Es gehört vielmelu

Fünfte Vorlesung.

noch dazu der Charakter einer besonderen Verlaufsweise, d. i. einer eigenen Art der Entstehung, Entwicklung, Dauer, Verbreitung , örtlichen und aUgemeinen Wirkung, sogenannten Folgen. Diese Umstände alle zusammen, vereint mit den oben genannten, der Ursache und der örtlichen Gewebs- oder Eunctions- störung, geben erst einen, als besonderes Krankheitsbild zu- sammenzufassenden Symptomencomplex im kimischen Sinne, Be- griff und Bild einer Hautkrankheit einer Dermatonose. Lassen Sie mich dies durch ein kui-zes Beispiel erläutern. Auf der Streckseite des Unterschenkels findet sich bei zwei Kindern eine Eruption von rothen, juckenden, also zerkratzten, mit Börkchen bedeckten Knötchen auf einer gleichmässig ver- dickten, etwas ödematösen und dunkel pigmentii'ten Haut. Die örtliche Veränderung ist bei beiden Kmdern ganz und gar die- selbe, nicht aber die Hautkrankheit im klinischen Sinne. Diese mag sein bei dem einen Kinde Prurigo, ein sehr hartnäckiges und schwer, oder gar nicht heilbares Uebel, bei dem anderen eine chronische , sehr sicher heilbare Krankheit , ein Eczem. Jeder von Ihnen kennt die Urticaria- Quaddel. Sie sehen mehrere Individuen mit dieser Eruptionsform behaftet. Bei AUen die gleichen Efflorescenzen, aUe diese bedeuten anatomisch dieselbe Veränderung, sie verlaufen auch örtHch bei AUen auf die gleiche Weise. Doch die klinische Bedeutung der Derma- tonose mag bei AUen verschieden sein. Bei dem Einen ist die Krankheit acute Urticaria in Eolge des Genusses von Erd- beeren und wird in wenigen Tagen verschwinden; beim Zweiten, einem Kinde, ist sie die Einleitung zu einem lebenslang dauernden Uebel, der Prurigo; beim Dritten ein Theüsymptom emes lebensgefährUchen Processes, des Pemphigus pruriginosus ; beim Vierten durch örtUche Reizung von Wanzen entstanden; bei einer Frau die Reflexerscheinung einer Lageveränderung des

Uterus u. s. f.

Der Unterschied Uegt in dem Gesammtcomplex von Er- scheinungen, unter denen die des besonderen Verlaufes das Entscheidende sind.

Sie werden die Bedeutmig des Gesagten in dem Masse besser erfassen, je mehr Sie in der specieUen Pathologie vor- schreiten, namentUch aber Gelegenheit haben werden, bei ver- schiedenen Kranken äluiliclie Krankheitsformen klinisch ganz ditferent zu deuten, d. i. zu diagnosticiren und darnach

Allgemeine Diagnostik. 81 auch bezüglich der Prognose n.d Therapie entsprechend

t::^SS^ndch nW^äss dahin, üher diese Mzteren drei Sie noch einige allge.neine, das 1-^t-che StucW llLsliche A^Kleninngen zugehen. Zv^achst nher Diagnostik der Hautkrankheiten im AUgememen.

Diagnostik.

Ich habe zmn Belege des eben Gesagten Ihnen eine Eeihe von Kranken vorgeführt. Den praktischen Zweck unseres Bei- :L^e::is berüLichtigend, habe ich auch ^^^J^^^^^t:, einzelnen EäUe bezeichnet und Entsprechendes zur Behandlung aleorLt. Ich bin damit zugleich Ihren, berechtigten Wunsche ^' ..gekommen, dass Sie endlich nach Yernehmung so vxeler lu und einleitender Worte in die specielle Materie der Derma- tologie eingeführt werden imd Bxnen Gelegenhext werde die eiiztbien Krankheitsformen am lebenden Objecte zu studiren, sowie deren Behandlung zu verfolgen.

^ein die gesehenen Krankheitsformen machen auf S e zunächst eiaien unbefriedigenden Eindruck, namentlich angesichts r Raschheit und Präcision, mit welcher der geübte Lehrer die einzelnen Eälle als Eczem, Psoriasis, Pemphigus^ Lupij^ n. s^w bezeichnet. Dem angehenden Arzte , wie dem Praktiker dei „ten Male solchen Krankheitsbildern sich gegeinibersieht geht es jedesmal so. Bim scheint AUes zwar sehr bunt und fonderbar, kaleidoskopartig, im Ganzen aber doch m der Man^gfal igkeit einerlei und vor Allem fremdartig zu sein, uncnfscheSit, als soUte er unmöglich dahin gelangen können, r dem Gewirre von dem Auge sich darbietenden Erscheniungen sieh jemals zurecht zu finden.

Dieser Zustand der Beunruhigung, der zugleich etwas Entmuthigendes für den Anfänger hat, Avird sicherlach biimen Kurzem verschwinden, wenn Sie durch Uebung zu sehen jd zu unterscheiden erlernt haben werden. Sie werden ab r auch sofort von demselben erlöst werden, wenn Sie erfahren da die Aufgabe der Diagnose ganz anders geartet ist als Zn gewöhnlich annimmt, und dass es mittelst einer riclrü^e^i Methode auch in der Regel gelingt, diese ^nfg^^/! ^^^^^^ Viele stellen sich nämlich vor, dass sie beim Anblick

6

Kaposi, Hantkrankheiten.

g2 Fünfte Vorlesung.

eines dermatologisclien Kranklieitsfalles vor Allem und nichts Anderes zu ihxm hätten, als denselben sofort als Eczem, Pso- riasis , Herpes u. s. w. zu diagnosticiren. Das ist ein Irrtlium. Das gelingt nicht einmal dem geübtesten und reiclierfahrensten Praktiker jedesmal und sofort. Denken Sie, dass auch einem solchen alljährlich ein und mehrere Kjrankheitsformen vor's Auge kommen, derengleiclien weder er selber je gesehen, noch die Literatur verzeichnet hat, die demnach wirkliche, oder relative Unica sind. Und dennoch können auch solche Fälle richtig diagnosticirt werden , insoferne damit gesagt werden soll, dass ■es gelingen kann, die Bedeutung, das "Wesen der einzelnen Symptome richtig zu würdigen. Die Einreihung in das System ergibt sich sodann von selber als das Resultat der ganzen Simime von diagnosticirten Erscheinungen, der pathologischen Veränderungen, ihres Sitzes, ihrer Verlaufsweise u. s. f.

Dies erreicht der geschulte Diagnostiker dadurch, dass er bei der Diagnose eine gewisse Methode verfolgt und schrittweise zurücklegt. Er thut dies auch den gewöhnlicheren Eällen gegenüber, nur gestattet ihm die TJebuug dies hier rasch, gewissermassen sprungweise zu thun. Der minder Er- fahrene muss eben diesen Weg langsam zurücklegen und es ist daher für ihn zu wissen nothwendig, nach welcher Methode und Sichtung er zum Zwecke der Diagnose vorzugehen hat.

Zunächst sehen Sie von Allem ab, was die sogenannte Anamnese ergeben mag. In der Privatpraxis, wo auf die per- .sönlichen "Wünsche der Kranken gewisse Rücksicht genommen werden muss, wird es nicht angehen, die Erzähliuigen und Klagen, welche der Patient vorbringt, kurz abzuschneiden. Allein man halte sich an dieselben zunächst niu-, so weit sie rein sachlich sind, z. B. über die Oertlichkeit des vorgebrachten Uebels Auskunft geben. Selbst da werden Sie finden, wie oft das Mitgetheilte nicht mit den Thatsachen übereinstimmt, wie oft z. B. wegen eines Uebels im Gesichte Klage geführt und Rath erbeten wird, die vorwiegende oder eigentliche Erki-ankung aber verschwiegen wird, weü dieselbe an einer ganz anderen Körperstelle sich befindet, wo sie dem subjectiven Ermessen des Kranken gemäss ihn nicht belästigt oder unwichtig er- scheint. Um so grösser faUen die Irrthümer oder Unrichtig- keiten der Anamnese aus rücksichtlich der anderweitigen wichtigen Ki'ankheitsmomente , der Dauer, Entstehimgs- und

Allgemeine Diagnostik. Ö.i

Verlaufsweise, Ursaclxe u. s. f., so dass wir es uns zur allge- Teinen Regel zu machen haben, der Anamnese ganz zu ut-

aXn haben dieselbe ruhig und theilnahmsvoU, aber ohne sttuck iber uns ergehen zu lassen , _ niemals aber s.e vor

dem Krankhßitsexamen zu provociren

Dieses selbst hat mit der Prüfung der objectxv an

der Halt wahrnehmbaren Erscheinungen al exn

'rbegnneZundausdemobjectivenBefundeallexn

hat dfe Diagnose erschlossen zu werden. Wrr smd in dieser Beziehung den Hautkrankheiten gegenüber nahezu in ders ben glücklichen Lage, wie beim Studxum der exacten Nlturwiss^xschaften gegenüber den Jf.^ und MineraHen, deren Natur wir einzig und allem aus deren objectiven, physikalischen und chemischen Eigenschaften diagno- liren. Die' Diagnose der Hautkrankheiten ^^ ^^t^ eine möglichst objective sein und an xhr wxrd erst dxe ßx htxg- keit der anamnestischen Angaben gemessen, xxxcht umgekehrt Um ein so befriedigendes Resultat zu erlaxxgen muss die Untersuchung des Kranken nach Methode und Ziel eine

zweckmässige sein. ^ ^ . i

Eücksichtlich der ersteren sei Folgendes bemerkt. Man untersuche die allgemeine Decke bex g^^tem Tages- lichte und massiger Zimmertemperatxir. Ein grosser Theil der dermatopathischen Symptome wird durch Eärbungs-Dxfferenzen ausgedruckt: Röthung in aUen möglichen Nuancen ^^S-^- tation. Künstliche Beleuchtung, sowie dxrectes Sonneiilxcht sind der Wahrnehmung solcher Erscheinungen abträglich. Das Gleiche gilt für hohe und zu niedrige Temperatur, in welcher auch normale HautsteUen abnorm roth, blauroth oder blass, marmorirt erscheinen können. p t xr +

Weiters soll die Untersuchung in der Eegel axxf die Haut in ihrer ganzen Ausdehnung sich erstrecken und nicht aut jenen Körpertheil allein, der als krank angegeben , oder zur Be- sichtigung dargeboten wird.

Man geht hiebei rücksichtsvoH vor, namentlich dem weib- lichen Geschlechte gegenüber, indem man schon besehexie Körper^ theile wieder bedeckt und die Genitalien nur m Bothwendigen Ealle besichtigt. Bei Männern fällt diese Rücksicht eher ort.

Eine aUseitige Prüfung belehrt nicht nur über die allge- meine Beschaffenheit der Haut und den Gesammthabxtus des

Fünfte Vorlesung.

Kranken, seinen Ernährungszustand und "besondere Verhält- nisse, sondern ist auch zur Aufhellung der Demiatonose er- spriesslich oder gar nothwendig, indem wichtige, das G-esammt- bild ergänzende oder wesentlich char akter isir ende Symptome derart aufgefunden und in der Anschauung zii einem einheit- lichen Granzen zusammengefasst werden können.

Mit dem Gi-esichts sinne soll zuerst alles ihm Zugäng- liche an Erscheinungen erfasst werden. Es ist ungeschickt, gleich mit dem Finger nach den kranken Stellen zu tasten. Man verdrängt derart die Injectionsrothe , also Färbung und Gestalt mancher Efflorescenzen , verdeckt einen Theü des Erkrankungsterrains, zerstückelt es in viele kleine Felder und stört den Ueberblick.

Der Tastsinn komme erst als zweiter zur Hilfe, zur Bemessung der Temperatur, der Consistenz und Flächen- beschaffenheit der Hallt und einzelner kranken Partien, der Unterscheidung von hyperämischen Flecken gegenüber von hämor- rhagischen und Pigmentflecken.

Mittelst des Greruches haben einzelne Aerzte gewisse Krank- heitsformen, Masern, Scharlach, Blattern u. a. unterscheiden wollen. Wir trauen diesem Sinne nicht \'iel zu bei der Diagnose der Hautkrankheiten.

Als wichtige und bisweilen entscheidende wissenschaft- liche Behelfe zur Diagnose nehmen wir die Mikroskopik lind Chemie zur HiKe. Letztere, leider noch in zu geringem Masse , zur Aufklärung über die chemische Zusammensetzung von pathologischen Bildungen und Ausscheidungen, erstere zum Nachweise von parasitären Organismen und um Einblick m die histologischen Verhältnisse der Krankheitsprocesse zu gewinnen.

Das nächste Ziel der Untersuchung sei noch nicht die systematische Diagnose der Hautkrankheit, sondern vorerst ein Urtheil über die aUgemeine Beschaffenheit der Haut und inwieferne dieselbe in Bezug auf Färbung, Injection und Pig- raentirung, die bekannten Poren , Linien und Furchen, ihre Spannung, Glätte und G-esclimeidigkeit , ihre Behaarung, Be- Ölung, Dicke, Fettpolster etc. grösstentheüs normal ist, oder von der Norm abweicht. Man achte, ob diese Erscheinungen, die auch innerhalb der Norm zwischen weiten Grenzen des Mehr oder Weniger sich bewegen können, dem Individuum und seinen •Verhältnissen , seiner Race, seinem Alter, Geschlecht, Gewerbe,

Allgemeine Diagnostik.

Berufe seiner Lebensweise entsprechend oder fremd sind. l)ie ^^Z^. sowie die vorangescHckten Andentnngen nber <^e Ees^.Ue^heit der normalen Haut müssen das Urthed .n d.esen

Bezieliuno-en regieren. i i

Hat man bei dieser aUgemeinen Prüfung amob irgend einer Richtung eine Abnormität der Hautbeschatfenbert ent- 1 kt ist vor Allem zu entscheiden, in welcher Morphe sie , ob atypisch, als dif^se^ -^ftll^ dickung, ßöthung, Figmentation etc., oder ob typxsch, in Form der soo-enannten Primär-Efdorescenzen. -, a .

Die genaue Besichtigung und klare Auffassung dem Auge aufftXer Efflorescenzen, als Flecke, iKnötchen, Quaddehr etc.

vol secundären Krankheitserscheiiurngen als Scluxppe^ rlten Narben u. s. w., ist von grösstem Belange für dxe Di tose. AUeinman glaube ja iricht, dass in diesen morphologi- schen Eigenschaften die Bedingungen für die Diagnose des Krank- Stspro^esses erschöpft sind, oder dass es dazu ^f^^

Effiorescenzen nach dieser Richtung -J-^ .. ^^^^^^ ^^^^ Es ist vielmelu' nothwendig, aufzuklaren, ob d e Efflo- rescenz, resp. die pathologische Yeränderung wesenthch xn der Epidermis oder im Corium und UnterhautzeUgewebe sitzt ob xBit den Erscheinungen der Entzündung, der acuten odei XoiLhen vergesellfchaftet, ob ^^.^^'^ Neubildung zukommt, welchen Verlauf dieselbe niinmt, ob sie :nit oder ohne bleibende Veränderung der Haut, ob mit oder ohne Abschiüferung, mit geschwüriger oder narbiger Destruction der Haut verläuft; welcher Art dieselbe sich ausbreitet, ob m typischer Weise, von Centraipunkten aus peripher oder atypisch ; wiB die Anordmuig und Ausbreitung der Effiorescenzen zu einander oder zu gewissen Hautregionen, Nerven- und Gefassverlauf sich verhält und so fort vom Emzelnen zum Allgemeinen nach der synthetischen Methode. _

Ich will hier nicht erst aus der allgemeinen Symptoma- tologie die Merkmale der einzelnen Efflorescenzformen ihres Sitzes ihrer Verlaufsweise und der Mannigfaltigkeit ihi-er anatomischen Bedeutung wiederholen. Ich muss auf das damals

Gesagte verweisen. . ,

Hier, bei der Diagnose, ist es eben nothwendig , sich über die dort aUgemein angegebenen Verhältnisse im SpecieUen zu Orientiren.

gg rünfte Vorlesung.

Den Einblick in diese wesentliclien Verhältnisse erschweren sehr oft auf der kranken Hautstelle auflagernde Krusten, als Producte von eingetrocknetem Serum und Blut, oder auf- lagernde Fett- oder Epidermisschuppen. Zu einer correcten Diagnose ist vorherige Entfernung derselben nothwendig. Da es jedoch nicht immer angeht, solche abzuheben, weil dies mit Schmerzen für den Kranken verbunden sein kann, so ver- schiebe man lieber die Diagnose, bis durch zweckmässige Mittel (erweichende Eette, Pflaster, Wasser) ihre Beseitigung gelungen und der freie Einblick in die wesentlichen primären Krankheits- erscheinungen gestattet ist.

Man gelangt auf diesem Wege schrittweise, aber sicher, ziir Anschauung über den ganzen Krankheitsv erlauf und damit erst zur systematischen Diagnose. Indem ich aUe Er- scheimingen zusammenfasse, construirt sich ein Bild, nicht von einer oder einzelnen Efflorescenzen , sondern ein kHnisches Ganzes. Erscheinungen der Gestalt, der Anordmmg, Ver- theilung, der anatomischen Veränderung und, was ich nicht genug betonen kann, der Verlaufsweise, all' das zusammen gibt erst das Bild der Krankheit und den Gegenstand der Diagnose, insoferne wir eine gewisse Summe solcher nach der Erfahrung in typischem Zusammenhange auftretender Erschei- nungen mit einem speciellen Krankheitsnamen belegen, und all' die Momente desselben sind objective, ganz ohne Zuthun des Kranken zu eruiren.

Selbst das objective Symptom des Juckens ist objectiv zu erkennen. „Wen's juckt, der kratzt sich«, das ist nicht nur ein Sprichwort, sondern eine naturgeschichtliche Wahrheit. Der kratzende Finger zeichnet aber Linien auf die Haut. Diese sind anfangs rothe Striche mit geringer Schiüferung, bei in- tensivem Kratzen blutende, oder mit Borken bedeckte Excoria- tionen, nach ihrem Verheilen pigmentirte Streifen. Je langer nun das Individuum kratzt, desto mehr ältere Ki-atzspuren finden sich neben neuen, tind je intensiver das Jucken, desto tiefer die Excoriationen und desto mehr mit Entziindungs- erscheinungen complicirt. Man kann also aus der blossen Be- sichtigung der Haut diagnosticiren, ob und ob kurze oder lange Zeit, massig oder intensiv Jucken vorhanden ist, ob eine anderweitig sichtbare Hautkrankheit, eine juckende, wie Eczem, Scabies, oder nicht juckende zugegen ist, wie SypliiHs. Es

AUgemeine Diagnostik. 87

ergeben sich sogar noch weitere diagnosüscKe Anhaltspunkte lufcler Oertlichheit der Krätzerscheinnngen, xndem unter be- ; nmten Krankheitsbedingungen wieder nur bestnnm e Haut- "n, oder ein andern^al die Haut aUenthalben xn atypscher Weise iuckt und zerkratzt wird. _

Anführxmgen dürften als Anhaltspunkte lur das alVenieine Vorgehen bei der Diagnose genügen Die besonderen MoSe derselben gehören der specieUen Pathologie an.

Tch brauche kaSm erst noch darauf aufmerksam zu machen, dass ein seinen Beruf erfassender Arzt auch da, wo_ es sich 'r dr Diagnose eines Hautleidens handelt, sich gleichzeitig Ter den Zustand und die Functionen der übrigen Ivorperorgane W Systeme namentlich bei weiblichen Hautkranken u^.er Zdes t- 1 Genital-Systems, Aufklärung verschaffen wird s 1 mit Rücksicht auf den in der allgemeinen Aetiolog^ hervorgehobenen Umstand, dass viele Hautkrankheiten ini Ei- kralkungen und Zuständen innerer Organe ursächlich oder ge- Wentlich zusammenhängen; abgesehen von der unter aUen Ständen möglichen Complication von Hautkrank^^^^^^ jedem beliebigen anderweitigen pathologischen Zustande des Gesammtorganismns oder einzelner Organe.

Sechste Vorlesung.

Verlauf, Bedeutung und Folgen, Prognose der Hautkrankheiten. All- gemeine Therapie. - Systematik der Dermatonosen.

An die Diagnose der Hautkranklieiten knüpft sicli luimittel- Taar das wissenscliaftliclie Interesse für deren Verlaufsweise, Bedentnng und Folgen für das betroffene Haut- organ und den Gesammtorganismus, sowie fürihi-e Heil- barkeit, Momente, welche in ihrer Summe auch Gegenstand der für die Praxis gewünschten Prognose sind.

Es herrschen in aU' diesen Beziehungen sehi' grosse Ver- schiedenheiten und Mannigfaltigkeiten.

Manche Hautkrankheiten verlaufen stets acut, darunter welche typisch; andere wieder stets chronisch, oder währen auch durch das ganze Leben ; manche können nach beiden Weisen verlaufen. Eiazelne sind stets oder gelegentlich, andere nie von Fieber begleitet. Es gibt solche, die nur einmal, andere, die wiederholt das Individuum befaUen köimen. Von emzebien Formen kann vorausgesagt werden, dass sie auf eine oder auf bestimmte HautsteUen beschränkt bleiben, oder dass sie im Gegeu- theil sich über die Haut weit oder aUgemein verbreiten komien oder werden. Dauer und Ausbreitung können überdies durch zweckmässige Behandlung bedeutende Einschränkung erfahren.

Es können mehrere, ihrem Wesen nach ganz verschiedene Hautkrankheiten, acute und chronische, gleichzeitig an emem Individuum zugegen sein, z. B. zugleich Krätze, SyphiUs, Psoriasis, Eczem und Variola.

Sehr unterschiedlich ist auch die subjective und objective Bedeutung der einzelnen Dermatonosen.

Bedeutung der Hautkranklieiten. 89

Diircliweo-s iuvolvireu die Hautkranklieiten einen Scliön- heitsfeliler für das betroffene Individuum, der moraliscli imd praktisch von grossem Naclitlieil sein kann auck weim das Uebel pathologisch ganz belanglos ist , z. B. Acne des Ge- sichtes Ausserdem sind aber besonders die unmittelbaren ort- liehen'und allgemeinen Wirkungen, sowie ihre spateren Eolo-en zu berücksichtigen. , . . . .

Viele Hautkrankheiten bewirken auch bei jahrelanger Dauer keine bleibenden Veränderungen der Haut , belastigen also nur wähi^end ihi^es Bestandes durch die Yerunziermig, Empfindung von Spannung, Jucken, Schmerz begleitende Fiebererscheinungen, Behinderung im Berufe und geseUschaft- lichen Verkehre. Andere Dermatonosen gehen gelegentlich, oder o-ar ihi-er Natur nach jedesmal mit Verschrumpfung , Degene- ration oder eiteriger Schmelzung der Haut einher, veranlassen dem^emäss bleibende Veränderungen oder Verluste an der Haut, die namentlich im Bereiche des Gesichtes, diu-ch Zerstörmig der Nase, der Augenlider, des Auges selbst, an den Extrem^i- täten, besonders unter Complications - Vorgängen , auch als dauernde Verunstaltung, Eunctionsstörung , in der Beweglich- keit der Gelenke, in der MotiHtäts- und Empfindungs-ßichtung und vielen anderen Beziehungen sich geltend machen. _

Aba-esehen von jenen Hautkrankheiten, welche ätiologisch mit pathologischen Zuständen der Blut- und Säftemasse, speci- fischenDyscrasien oder Erkranluingen innerer Organe zusammen- hängen , und , wie in der allgemeinen Aetiologie gelehrt, dem- nach von Haus aus mit solchen vergesellschaftet erscheinen, haben die meisten Hautla^ankheiten keinen nachtheiHgen Em- fluss auf. den Gesammtorgsnismus , seine Ernähi^ung und Con- stitution. Es gibt ^-iele, die ein ganzes Leben hindurch ertragen werden kömien, ohne entfernte oder gar aUgemeine Störungen zu veranlassen. Doch üben wieder andere eine unverkemibar schädHche Wirkung aus auf den Gesammtorgaiusmus oder einzelne Organe imd Systeme, und zwar steht die imgiinstige allgemeine Wirkimg nicht immer in geradem Verhältmsse zur Intensität des in der Haut stattfindenden pathologischen Pro- cesses. Zunächst werden alle mit ausgebreiteter imd intensiver Exsudat- und Eiterabsonderung, mit Eieber oder mit Jucken einhergehenden Processe durch den materiellen Säfteverlust, mangelhafte. Esslust und Verdauung, Schlaflosigkeit, Schmerz

Sechste Vorlesung

oder die solchen Erscheinungen zn Grunde hegende Nerven- erresuug den Organismus herunterbringen.

Einzehie Hautübel, für deren Entstehung nach dem .eeenwärtigen Stande unseres Wissens keinerlei innerhche Erkrankung verantwortlich gemacht werden kann, die also an einem bis daliin als vollkommen gesund geltenden Individuum auftauchen, führen regehnässig mit der Zeit zu Marasmus, Tuberciüose, wie Liehen ruber, Pityriasis rubra; oder zu specifischer Cachexie, manchmal auf dem nachweislichen Wege der Metastase, wie Krebs und Sarkom.

EndUch können auch Hautaffectionen, die von den meisten Menschen ohne allgemeine Nachtheüe vertragen werden, wie Prurigo chronisches Eczem, Lupus erythematosus, bei Ein- zelnen Morbus Brightii, Pneumonie mit ihren möglichen Aus- gängen, oder durch Lymphangioitis, Erysipel, Caries und Com- plicationen aUerlei Art gefährliche und zum Tode fuhrende Erkrankungen veranlassen.

Neben diesen im Verlaufe und in dem materiellen Wesen der Dermatonosen gelfegenen Verhältnissen ist deren relative oder voUständige Heilbarkeit oder Unheilbar- keit für die Vorhersage massgebend. Manche Hautkrank- heiten heilen jedesmal nach dem natürlichen Gesetze ihres Verlaufes, einzelne mit, andere ohne örtUche oder allgemeine Spuren ihrer Anwesenheit zu hinterlassen.

' Absolut uiiheübar ist keine Hautkrankheit, w" auch nicht in der Lage sind, jede Art von Hautaffecüon - beseitigen, so vermögen wir dies doch bei selir -elen ^d^^^^^^^ wir in der Lage, bei anderen durch Beseitigung oder ^üide Zg'inzelner lymptome entweder den Verlauf abzukürzen i.^ bei diesen, wie' bei den relativ unheilbaren, ^eu Zustand foi den Kranken erträglicher zu machen,

fährliche Eolgen der Dermatonose hintanzuhalten, und deiart

das Leben zu verlängern. , Es hängt also die Prognose zum grossen Theile aixch von der Behandlung ab, deren Erfolg zum grossten Theüe

in der Hand des Ai'ztes liegt. Thpranie

Aus dem Grunde muss ich auch über die Therapie

der Hautkrankheiten einige allgemeine Bemerkungen an Sie richten.

Allgemeine Therapie.

91

Allgemeine Therapie.

Es ist sonderbar , dass die Erkrankungen der Haut rück- sichtlicli' der Möglichkeit und Anzeige für ihre Behandlung noch immer in den Augen vieler Aerzte und. Laien nicht gleich- gesteUt sind den Krankheiten anderer Organe und Symptome. Während bei den Letzteren das Anstreben möglichst rasch wir- kender Heilmittel und Methoden als selbstverständlich gilt, meinen noch viele Aerzte und Laien, dass bei der Behandlung der Hautkrankheiten eme „gewisse Vorsicht" beobachtet werden müsse, damit von ihrer HeUung nicht ein Nachtheil für den Organismus erwachse, wenn nicht gar das Hautleiden als NoK me tangere hingestellt wird. Und es haben die Aerzte, besonders die jüngeren, in der Praxis vielfach gegen diese Meinung anzukämpfen.

Es ist zwar schon sehr verdächtig, dass diese meist da laut wird , wo die Kenntniss und Fähigkeit zur richtigen Be- handlung fehlt, und dass sie im Laufe der Zeit überall da verstummt ist, wo sie zwar früher sich geltend gemacht hat, aber durch die Wucht der Thatsachen erdrückt wurde, z. B. bei ätz G

Allein ihre Herrschaft ist noch immer mächtig genug, dass es Noth thut, derselben zu begegnen.

Die bezeichnete Meinung hängt noch mit der in früheren Zeiten gangbaren ontologischen VorsteUung zusammen, der- zufolge die Hautkrankheiten Deposita von KrankheitsstofPen oder vicariirende Ausscheidungen für andere Se- und Excretionen physiologischer und pathologischer Art wären, deren die Natur sich spontan unter der Form von Hautausschlägen nach aussen entledigt hat und mit deren „Zurücktreten" oder „Zurück- getriebenwerden" in die inneren Organe die letzteren noth- wendig erkranken müssten. Namentlich von den „äasserlichen" Mtteln, Salben, Pflastern und Tincturen fürchtet man eine solche repulsatorische Wirkung.

Die neuere Medizin hat aUerdings der ontologischen Vor- stellung von den Krankheitsprocessen jede Basis genommen. Wir wissen auch, dass eine irgendwie materieU zu bezeichnende psorische, oder herpetische Dyscrasie, eine Acrimonia san- guinis, die durch eine pathologisch-chemische Formel ausge- drückt werden könnte, nicht existirt. Wir wissen ebenso, dass

Secliste Vorlesung.

in den Erzeugungsproducten und Ausscheidungen der Haut- krankheiten keinerlei dem Organismus fremdartige Stoffe sich vorfinden, sondern Serum- und Formelemente, sowie Korper aUer Art, aber von derselben Natur, wie die im Korper nor- Hial vorhandenen, dass also keine „psorischen", oder „scharfen Stoffe sich in den Krankheitsherden und Krankheitsproducten vorfinden. Es ist ferner physiologisch ganz unstatthaft, anzu- Tehmen, dass es gelingen könnte, ein auf die Hautoberflache ZTv^i abgeschiedenes Serum- oder Gewebspartike chen in den Orgalsmus wieder hineinzutreiben. Und es ist endlich bekannt dass sowohl die pathologische Histologie als das Experiment den Charakter der meisten Hautkrankheiten als rem örtlicher, in dem Hautgewebe sich entwickelnder Vorgänge daxgethaii hat, die zum Theile an ganz Gesunden jederzeit willkürlich

hervorgerufen werden können. ,-, p,. i ;i

Ä„ sollte also glauben, dass die Statthafcgkert uBd Anzeiee für die örtliclie Beliandlung und die Heilung über- haupt Hautkrankheiten nur eine logisebe Folgerung aus den'angefUhrten Thatsaehen wären imd iemnaeh wenigstens von den Aerzteu, nicht bekämpft oder angezweifelt weiden

der That gesehieht dies aueh uieht -«l" -f/™ S^^" weise auf theoretische Gründe, sondern m Bucksicht auf ge- wisse thatsäcUiche Vorkommnisse. „ament- Man bemerkt nämlich, dass viele Hautkrankheiten, uament Heb solche die wesentUeh in hyperämischen und a^ut- odei chtolte;tziiudlichen Yorgäugen bestehen, ^er auch mauche NeubUdungsformen und selbst Scabies -nter der zufi^ge- Concurren^ einer acuten ß^erhaften Krankheit ,

'Sftbaltungeu haben die Vorstellung erwe^ zum Theile bis heute erhalten, dass unter den S ständen thatsäclilich die Hautkrankheit, »to/^^,'^,„'^;^Jge haltenes psorisches Agens auf das innere Organ, Gehun, bun„

Allgemoiue Therapie. 03

zurücko-etreten sei, dort die Entziindimg, die zn Fraisen führende Erreo-uno- etc. veranlasst habe und endlich durch die vis medi- eatrix naturae wieder auf die Haut, nach aussen, geschleudert worden sei, wodurch es sich erklärte, dass sodann die fieber- iiaften und auf die Erkrankung des inneren Organes zu be- ziehenden Erscheimingen nachliessen.

Die nüchterne Beobachtung hat aber gelehrt, dass das angedeutete Verhältniss der thatsächlichen Erscheinixngen ein o-anz anderes ist; dass in den entsprechenden Fällen die fieber- hafte Pneumonie, die Symptome des Typhus etc. stets zuerst vorhanden waren und erst im Verlaufe derselben die Derma- tonose schwand; dass also die Rückbüdung der Hautkrankheit erst im Gefolge jener anderweitigen Erkrankungen sich ein- stellte, nicht denselben voranging; dass sie also auch nach der Reihenfolge der Erscheinungen nicht als Ursache, eher als Folge der inneren Erkrankung erscheinen könnte.

Und sie ist auch in diesem Sinne eher , wenn auch nicht für aUe FäUe, erklärlich. Es ist begreiflich, dass da, wo die Haut plötzlich anämisch wird, wie in der Synkope, bei Col- lapsus, auch die Injectionsröthe und Infiltration, welche der Psoriasis angehört, nicht bestehen kann, damit die Psoriasis selbst sich rückbildet; oder dass die Krätzmilben in der abnorm erhitzten und abnormen Circulations- und Ernähinmgsverhalt- ni^sen unterworfenen Haut eines Fiebernden weniger gedeihen, eventueU ganz absterben; und dass die Psoriasis neuerdings auftaucht, die Milbeneier sich entwickeln, sobald nach Ablauf der Anämie, der fieberhaften Krankheit die Turgescenz und die Ernährung der Haut wieder normal und der Production jener Processe und dem Leben jener Tliierchen günstig ge- worden sind.

Zu all' diesen Momenten, welche die VorsteUung vom „Zurücktreten", „Verschlagen", „Zurücktreiben" der Haut- krankheiten als wissenschaftlich unzulässig und unbegreiflich, als thatsächlich niemals erwiesen erscheinen lassen, wollen Sie noch die höchst beredte Thatsache fügen, dass in hundert und hunderttausenden von FäUen die Hautkrankheiten aUer Art ohne jeglichen Nachtheü für die Constitution ihrer Träger mit den Mitteln und Methoden der Wiener Schule behandelt und geheilt worden sind; und so werden Sie damit jederzeit zur Genüge gerüstet sein, um jenes gerügte Vorurtheü rücksichtslos

, Sechste Vorlesung.

94

ZU bekämpfen und zu besiegen, mag es von welclier Seite immer Ihrem tberapeutisclien Vorhaben entgegengehalten werden.

Sie werden es zwar nicht verhüten können, dass gelegent- lich, nachdem Sie ein Kind von Seborrhoe des Kopfes oder einen Grreis ven einem Eczem des Unterschenkels befreit, •jenes an Fraisen erkrankt, dieser von Lungenödem hingerafet wird, und dass beide Zufälle auf das Zurücktreten der Haut- krankheit geschoben werden. Allein zum Glücke trifft sich ein solcher Zufall nur selten und müssen Sie schliessUch solche Vorwürfe über sich ergehen lassen, nicht anders, wie die be- kannten Zumuthungen, dass der unglückliche Ausgang einer Pneumonie hätte verhütet werden können, wenn statt Dec. Altheae eine Mixtura oleosa verabreicht worden wäre.

Macht der Arzt diesen Gedankengang zu dem seinigen, so wird es ihm niemals an dem „Muth der VerantwortHchkeit" gebrechen, der zum erfolgreichen Handeln in der Behandlung der Hautkrankheiten, wie in der praktischen Chirurgie, unum- gänglich nothwendig ist.

Es wird nun vortheilhaft sein, um spätere Wiederholungen zu vermeiden, Sie im AUgemeinen mit den Mitteln und Methoden bekannt zu machen, welche in der Therapie der Hautkrankheiten zur Anwendung gelangen.

Die hier in Betracht kommenden Heilmittel sind vor- wiegend sogenannte „ä usserliche", die direct auf die kranken Hautsteüen appHcirt werden, und nur wenige „innerlich" wirksame.

DenErsteren, den äusseren Mitteln und der ort- lichenBehandlung, verdanken wir sehr befriedigende, zum Theil sehr verlässliche und glänzende Heilwirkungen. Um von denselben den gebührenden Gebrauch machen zu können, müssen Ihnen vorerst besondere Umstände bekannt sein, von denen der Erfolg oder Misserfolg ihrer Application abhangt.

Im Verhältnisse zu der grossen Zahl und Mannigfaltig- keit von Krankheitsformen ist nämlich die Reüie von ausser- lichen oder örtlichen Behandlungsmitteln und Methoden sehr unansehnlich. Und doch, das wissen Sie und wissen die Kranken, erreichen wir mittelst derselben zumeist den Heilzweck, erfreut sich ja gerade die an unserer Schule geübte Behandlmigs-

Allgemeine Tlierapie. 95

methode der Haixtkranklieiteii des weitverbreiteten Rufes, eine sehr verlässliclie und erfolgreiclie zu sein.

Dies führt micli zur Aeusserung über eüie Walirnelimung, von der ich wünsche, dass Sie dieselbe in ihrem praktischen Be- rufe nicht bei sich selbst zu machen und zu bestätigen ge- zwungen sein mögen.

Täo-lich kann man erfahren, dass gut und allseitig unter- richtete Aerzte mit den Hautkrankheiten ihi-e grosse Plage haben und mit der Heilung eines aUtägUchen Hautübels, z. B. eines Eczems, nicht zu Stande kommen, trotzdem sie die Mittel a-enau kennen und benützen, mit denen wii- xxnd Andere sicheren Erfolg erzielen.

"Woran liegt dies?

Zunächst an einer irrthümlichen Voraussetzung, vor der ich Sie warne.

Viele meinen, dass sie vor AUem die systematische Dia- gnose eines Hautleidens zu steUen haben. Ist diese gemacht, und, ich wül es zugeben, gelungen, z. B. auf Eczem lautend, so meint der Arzt, er habe nun nichts Eiligeres zu thun, als in einem Lehrbuche oder Compendium der Hautkrankheiten nachzuschlagen, da werde er finden, welche Mittel gegen Eczem empfohlen werden, Diachylonsalbe, Theer u. A. Und nun habe er diese einfach anzuwenden und das Uebel müsse heüen.

Wir besitzen aber nur sehr wenige Mittel überhaupt, welche gegen den Krankheitspro cess als solchen wirksam sind, und daher nach einer Art aUgemeiner Regel angewendet, in dem betreffenden EaUe auch erfolgreich sind, z. B. Arsen inner- lich gegen Liehen ruber , Leberthran gegen Liehen scrophulo- sorum, Schwefel gegen Prurigo. Im Uebrigen kennen wir nur solche Mittel und Methoden, welche einzelne Symptome von Krankhelten zu bessern und zu beseitigen vermögen. Unsere Behandlung muss also gegen die einzelnen Symptome gerichtet sein, gleichgiltig zunächst, welchem Krankheitsprocesse die eine oder andere Krankheitserscheinung angehört. Mit der Be- hebung der einzelnen Symptome mag dann auch eo ipso die Krankheit beseitigt sein, weü diese aus der Summe jener besteht.

Wii- werden ferner erfahren, dass der einzelne Krank- heitsprocess in verschiedenen Stadien seines Verlaufes sehr differente Symptome darbietet. So z. B. sind die Erscheinungen

Sechste Vorlesiuig.

96

des Eczetns einmal ebifache Röthung und Sclinppnng, _ zu einer anderen Zeit Bläschen, Entzündung und Schwellung in einem dritten Stadium Nässen und Krustenbildung. _ Das M.ttel nun^ welches gegen das erstgenannte Symptom gunstig wirkt heüt also auch das Eczem. Dasselbe Mittel aber im zweiten Stadmm derselben Krankheit angewendet, hilft nichts, schadet viel- Hiehr, indem es die Entzündungsvorgänge steigert

Die gleiche Bedeutung hat der Umstand, class derselbe Process zur selben Zeit an verschiedenen HautsteUen d^Jfferente Symptome darbietet. Die Behandlung würde sehr fehlerhaft welche, weil die Krankheit überaU systematisch dieselbe ist, auchfü^ alle, die verschiedenen Symptome darbietenden TT^'n+^tellen dasselbe Mittel bereit hätte.

l^rJLn also die eten vorhandenen Symptome tezug- Kct ieder einzelnen HautsteUe genau kennen und wiircbgen, und otoeVlioksicM auf den allgemeinen Proeess Mittel und »thoden der Behandlung derselben anpassen und d e Me^- cation sofort ändern, sobald die Erschein^mgen wosenthch oder

«'^'":brA:^.^e gewachsen .u sein erfordert schon grosse Id beharrliche Aufmerksamkeit ^™d fachwissenschaft-

Mem^wir in dem jeweiHgeu Symptome die wesentliche Tndicato fü" die Behandlung in jedem Momente sehen smd " uTer Lage, Hautkrankheiten Vis .u einem 8—»-^^

Wir m a«i 6 , wissenschaftbche Dia-

zweckmässig zu behandeln, Uber deren wi

trachte diese - '---t'^Hrn Td ^7^« dgentliche Heilung viel Erleichterung verschaffen, und olt aie e g

^"'^Tr tfoi; der Behandlung hängt aber nicht " der hSilieh dfs einzelnen "Ä^^ Es

steUe zweckmässig getroffenen Wahl »^f^ .„gewendet „uss dieses Mittel nach exner f J ^.Xect auch sieher werden, dass der ortUeh dam.t Eine mit

Allixomoiiu' 'nienqjie. -'^

Sache fördert. Ich rathe Ihnen also, die bewährte Methodik wohl zu beherzigen und nicht leicht zu nehmen.

Vergessen Sie endlich nicht, dass die entsprechenden Mittel richtio- und am rechten Orte angewendet , nicht nur eine heil- saine Wirkung gegen die vorhandenen Kraiikheitssymptoine aus- ; i ndern'vLöge ihrer physikalisch-chemischen Eigen- schaften auf die gesunde, .vie auf die kranke Haut eine b - immte physiologische Wirkung äussern, die als Ivranldieit zu Ce tritt. NicM nur, was ohnedieB bekanii , die Aetziuitt 1 köi^en gegen unsere Absicht neben den kranken SteUen auch ^e'esund^Haut zerstören. Selbst sonst indifPerente oder unschäd- liche Substanzen, Oele, Leberthran, Brunnenwasser, können, indem sie auf eine kranke Haut gebracht werden, sowohl örtlich die Krankheitssymptome steigern, oder ungünstig ändern, als auch die gesunden Hautpartien krank machen. Es ist also bei der Handhabung der Medikamente auf diese möglichen Nebenwirkun- gen zu achten und darnach das weitere Verfahren einzurichten.

dies bedingt aber zweierlei: Erstens, dass man die Wirkung mögUchst genau kenne, welche die einzelnen Arznei- körper auf der gesunden und kranken Haut lier vorbringen können. Und zweitens, dass man in jeder Phase der Behand- luno- iene örtliche Wirkung im Voraus planmässig festsetze, die durch das Medikament erwünscht ist, und dieses sofort be- seitige, sobald jene Wirkung thatsächlich erzielt ist. Denii es verhilt sich ja nicht jedes Hautorgan gleich viilnerabel odei reactionsfähig gegen äussere Schädlichkeiten, also ^i<^^^t gegen die ArzneistofFe. Wenn beispielsweise die Eilahrung le£-t, dass Schmierseife 12mal auf die Haut eingerieben werden muss, um eine allgemeine Abschiebung der Epidermis zu be- wirken, bei einem Kranken jedoch schon nach 4 Einreibungen die Haut roth und ödematös erscheint, so wäre es höchst schad- Hch noch 8 Einreibungen zu machen. Denn der gewünschte Effect, der Process, durch welchen die Oberhaut abgestossen werden wird, war ja schon mit 4 Einreibungen erreicht. Die weiteren Einreibungen würden nur über das gewünschte Ziel hinaus die Haut entzünden und eine neue Krankheit veranlassen.

Mit Absicht habe ich bei diesem G-egenstaude länger ver- weilt. Sie werden erst im Verlaufe Ihrer eigenen praktischen Thätigkeit die grosse Wichtigkeit der hier angedeuteten allgemeinen Bedingungen einer rationellen Dermato - il.erapie

Kaposi, Hantkrankheiten.

Sechste Vorlesung.

ex'keiinen , zu Ihrer Grenugthuuug , wenn Sie sich an dieselben halten, zu Ihrem Verdrusse, wenn Sie dieselben nicht beachten.

Es erschliesst sich aber nocb eine sehr schätzenswerthe Lehre aus den vorgeführten Momenten, dass es weniger darauf ankömmt, recht viele E e c e p t f o r m e 1 n " für die Behandlung der Hautkrankheiten ängstlich zu sammeln und in der Gre- (lächtnisskammer aufzuspeichern, weil das nach diesen bereitete Medikament in der einen Hand nichts, in der andern Alles leistet. Wichtig für die erfolgreiche Behandlung der Dermatonosen ist nur :

erstens, die einzelnen S^nnptome der Krankheit an jeder Hautstelle und in j eder Phase der Krankheit richtig zu beurtheilen ;

zweitens, die Veränderung genau zu bestinnnen und zu kennen, welche behufs der Heilung in diesen Symptomen ört- lich bewirkt werden soU, und

drittens, die einzelnen Medikamente zu kennen und die Methode ihrer Anwendung, durch welche eine solche Aenderiing erzielt werden kann.

Die in der örtlichen oder äusserlichen Behandlimg der Hautkrankheiten vorwiegend zur Verwendung kommenden Mittel sind:

Das Wasser in Form von warmen oder kalten, einfachen, oder mit medikamentösen Stoffen, Kali- oder Kalk-Schwefel- leber, Soda, Alaim, Sublimat, Kochsalz versetzten Wannen- Bädern, von Douchen, Dampfbädern, nassen allgemeinen (Priess- NiTz'schen) und örtlichen Einhüllungen. Im Allgemeinen wii-d, wo nicht mit der besonders niedrigen oder hohen Temperatur ein specieller Zweck beabsichtigt wird, das warme Bad nach dem subjectiA'-en Behagen des Kränken temperirt.

Die Dauer der Wannenbäder wird n^ch der gewöhnlichen bürgerlichen Uebung bemessen, zu besonderen Zwecken aber auf viele Stunden und Tage , ja auch auf Adele Wochen oder Monate protrahirt. Die letzteren, „continuirlichen", Bäder sind von Hebba eingeführt und durch eine von ihm angegebene Bade- vorrichtung — HEBEA'sches Wasserbett ermöglicht worden.

Wir werden seinerzeit Genaueres über dasselbe, seine Heil- wirkung und Indicationen sprechen.

Im Allgemeinen wirkt das Wasser erweichend, macerirend auf die Oberhaut und die auflagernden Krankheitsproducte, Schup])eii und Krusten: speciell als kaltes, aber auch als

Allguniüiiie Thurapio. 99

warmes und heisses, Entzündung inlldeynd, wie bei Ftu^unkeh^ Dermatitis, Erysipel, Plüegmone ; bei längerem Contact nut dei Haut ^^äeder irritirend, Eczem erzeugend. _ " Es wird demnach vorwiegend als Macerationsmittel zur Er- weichuno-tmd Ablösung von Schuppen und Krusten verwendet, Tolt alsVeluhel für medican.entöse Stoffe und Mr ^e Anwen Lo-vonSeife.alsschützendeHiillebeiausgebx^itetemEpi^^^^^^^^^ Verlust (Verbrennung, PempHgus) uaad zur Antxph ogose.

Macerirend, zum Theil auch specifisch hexlend (bei Prurigo, Pruritus. Psoriasis etc.) wirken die von Habby und von Hkbk. eino-eführten Kautschuk-Umhlülungen, aus vrilcamsirtem Ivaut- Ichuk oder aus Kautschuk-Leinwand angefertigte KleKUuig.s- stücke Auf die blosse Haut luftdicht angelegt, verhindern sie die Ye^dampfuiig der Perspirations-Elüssigkeit der Haut. Dieselbe schlä-H. sich tropfbar flüssig nieder und wirkt somit macerireiid.

. Sehr fleissig kommen zur Erweichung von auflagernden Krankheitsproducten Eette aller Art zur Verwendung : Oleum Olivarum, Ol. jecor. aselli , Axung.porci, Glycerin, Petroleuiii Bals. peruvianus, das in neuester Zeit aus Amerika emgefuhite Vaseline, eine aus Petroleumrückständen gewonnene, gelee- ähnliche. gelbHche, transparente, leicht verreibbare und vei^ flüssigende geschmack- und geruchlose, keiner Eettsaurebilduiig fähige, eine Art Paraffin darsteUende, sehr weiche und ge- schmeidige Substanz. '

Die Eette werden als solche , oder mit Quecksilber. Sub- limat, Praecip. alb; Cupr. acet: Cupr. siüf: Plumb. acet;_ Jod, Jodoform. Schwefel, Theer, Carbolsäure etc. zu Salben verrieben, oder verkocht, eingeschndert oder auf Leinwand gestrichen, mittelst Elan eilbinden auf die Haut applicirt. _

Von Pflastern sind besonders das Empl. hydrargyri, Empi. lithargvr. fuscum, und Empl. saponat. in Verwendung : dagegen Empl. ^ diachyl. composit. (Empl. adhaesivum) nicht ratlilich, weil dieses bei vielen Individuen Eczem erzeugt.

Grosse Verwendung haben wir für die S chmier s ei± e, Sapo viridis, eine geleeartige, nach Thran riechende Kali^Seite von salbenartiger Consistenz,diewirdenhartenoder Natron-Seilen

in der Behandlung der Hautkrankheiten bei Weitem vorziehen. Sie wird mit Wasser zum Maceriren und Abwaschen von i ett, von erweichten Schuppen und Krusten verwendet oder wie eine Salbe auf die Haut geschmiert, wodanu sie Abstossung

J Sechste Vorlesmi}t.

der Epidermis bewirkt , oder aiif FlaneU gestriclien aufgelegt, woliei sie nebst der Maceration auch tiefere Ae'tzung veranlasst.

Von Seifen gebrauclien wir noch, nebst den mannigfachen Toitetteseifen, zu therapeutischen Zwecken besonders Spirit. sapon. kalinus, nach Hebra's Angabe aus Sapo virid. und dem halben Ge- wichtstheile höchst rectificirten Alcohols durch Digeriren und Filtriren gewonnen ; die flüssige Grlycerinseife von Saug, ebenfalls eine Kaliseife ; ferners gewisse medikamentöse Stoffe enthaltende, fabriksuaässig erzeugte Seifen, wie Schwefelseife, Schwefelsandseife (Pulv. lapid. pumicis oder talcum venet. pulver. enthaltend), Theer- seife, Schwefeltheerseife, Jodschwefelseife , Carbolseife u. v. A.

Eine grosse RoUe spielt in unserem Medikamentenschatze der aus mehreren Holzarten durch trockene Destillation ge- wonnene Theer, Oleum empyrheumaticum.

Wir verwenden den Theer von Buchen, Oleum fagi, von Birken, Oleum Rusci und den von Juniperus oxycedrus, Oleum cadinum, so wie eine nach Hebra's Angabe bereitete Theer- ALcohol-Aether-Lösung, Tinctura Eusci, deren besondere Eigen-, schaffen wir in der speciellen Therapie näher kemien lernen werden. Resiueon, ein DestiUationsproduct des Theers, war eine Zeit lang in G-ebrauch. Ein anderes aus Theer gewonnenes, chemisches Product, die Phenil- oder Carbolsäure , benützen wir in der Richtung, wie Theer , aber auch als Aetzmittel. Eine Reihe von chemisch verwandten Körpern, Benzoesäure und Benzoeharz, Saücylsäure, Chrysophan- und Pyrogallussäure haben zum Theü sehr ausgesprochene therapeutische Wirkung.

Alcoholica und Aether, Schwefel-, Petroleumäther, Chloro- form, Flüssigkeiten aus der Aethylgnxppe dienen theils allein, theils in Verbindung mit in denselben gelösten Körpern nerven- beruhigend, gegen Empfindung von Schmerz und Jucken.

Amylum oryzae, tritici, Pulv. rad. Ireos florent; Pulv. talci veneti, Asbestinum pulverisat. werden pur, oder mit Zink, Bismuthoxyd und iai verschiedener Combination als sogenannte Streupulver benützt, welche, obgleich sie ein indifferentes Mittel vorstellen, dennoch in der Behandlung der Hautkrank- heiten selu' wichtige Dienste leisten. Sie werden erfahren, dass bei gewissen Krankheitsformen die indifferente Behandlungs- methode die einzig zweckmässige ist, dass aber auch zur Durchführung einer solchen, in Bezug auf :\rethode und Mittel, Positives geleistet werden muss.

Allgemeine Thuvayio. 101

Eine andere Reilie von Arzneimittebi dient zum Zwecke der Zerstönmg von in der Haut eingelagerten entzündhchen und gescliwulBtartigen pathologischen Bildungen, oder bei ge- rino-erer Intensität in der Anwendimg. zur künstlichen An- •eo^no- von Entzündung. Es süid die bekannten yegetabihschen

minerabschen Säuren: Acid. aceticum muriatn^um sulfu- " 1 nitricuni, carbobcum, sabcybcum die Alkaben. Aniano- ^k AetzkaH, Aetzkalk, ferner Chlorzmk und Chlorantnnon, Lapis infernabs, Lapis caiisticus . Wiener Aetzpasta Pasta. Lan lolfi uncT Canquoin, Solutio Labaraque und Plencku, Piü^.s Co^i über deren Zusammensetzung, specielle Wixkungswe.se uud Indication Sie noch Näheres hören werden.

Hieran wäre noch die Galvanokaustik und das Elektri-

sb-en zu reihen. .

Bei innerlichem Gebrauche haben sich gegen gewisse Hautaffectionen als wirksam erwiesen: Arsenik, Quecksilber, Jod Oleum jecor. aselli, Theerpräparate, Chinin, Carbolsaure, Dec' Zittmanni, während andere nur als die Ernährung, Blut- bereitung verbessernde, oder gegen specielle, aUgememe oder emzelne Organe betreiFende Krankheiten gerichtete Medi- kamente, gewissermassen nur zur Unterstütziüig der örthchen Therapie, zur Verhütung von Eecidiven verabreicht -«-erden. So Amaricantia, Ferrum, alkalische und eisenhältige Mineral- wässer, Bromkabum, Chloralhydi^at, die Narcotica und Hyp- notica überhaupt, Milch- und Molienkuren, specielle diätetische Mittel u V A., zu deren Verordnung mit Rücksicht aut indi- viduelle Verhältnisse in der Dermatotherapie sich vielfache Gelegenheit darbietet. ^n, Dao-egen haben aUe sonst als eigentbch sogenannt biut- remigende Mittel, Haematocathartica , empfohlenen Holztränke und Abführmittel, sowie die als specifisch gegen Flechten und die Disposition zu denselben gerühmten en- und exotischen Droguen. wie die semerzeit famose Hydi^ocotyle asiatique, die Hura brasüianensis, oder die bei den Franzosen üblichen Tisanen von Viola tricolor, Dulcamara u. s. w. nicht den geringsten Einfluss auf den Verlauf der Hautkrankheiten.

Wir haben uns bis nun mit einer beträchtlichen Summe von Thatsachen bekannt gemacht, welche die Hautkrankheiten im Allgemeinen betrefPen und über anatomischen Sitz . patlio-

^^y-, S^'cliste Vorlesung.

logisclie Bedeutung ,' klinisclie Symptome , TJrsaclien derselben, über die Methoden und Mittel ihrer Diagnose und Therapie uns so weit orientirt, dass wir nun mit Nutzen das inhalt- reiche Gebiet der speciellen Dermato-Pathologie betreten können, um die einzelnen Idinischen Krankheitsformen kennen zu lernen.

Vorher ist jedoch noch eine wichtige Formfrage zu er- ledigen, die nach dem einzuschlagenden Wege, nach der Syste- matik der Hautkrankheiten.

Ich habe nicht die Absicht, uns mit der eingehenden Er- örterung dieses Gegenstandes zu lange aufzulialten. Wir wissen ja aus der geschichtlichen Entwicklung imserer Doctrine, dass das Bedürfniss nach einer zweckmässigen Eintheilung der Haut- krankheiten sich geltend gemacht hat , seitdem überhaupt den- selben Aufmerksamkeit geschenkt wurde; dass zahlreiche, theils einfache, theils höchst complicirte Systeme der Dermatonosen im Laufe der Zeit erstanden sind, und dass wir schliessHch auch heute noch keines aufweisen können, welches aUen Anforde- rungen der Pathologie und praktischen Brauchbarkeit entspräche.

Welche Principien vorwiegend bei den verschiedenen Ein- theilungssystemen zur Geltung, aber kaum jemals zur Striefen Durchführung kamen , habe ich ebenfalls angedeutet. Es hat demnach auch kein actueUes Interesse für Sie, die speciellen Formeln jener im geschichtlichen Theile wesentKch aufgeführten oder angedeuteten Systeme bis in aUe Detaüs kennen zu lernen.

Bemerkenswerth scheint mir, dass seit dem niisslungenen Versuche Plenck's die Hautkrankheiten einzig nach den Merk- malen ihrer äusseren Erscheinung, als Maciüae, Papula, Bullae, Crustae u. s. w. einzutheilen, das Bestreben der meisten Autoren, welche die Hautkrankheiten klinisch beherrschten, dahin ging, die anatomischen Charaktere und das sogenannte „Natürliche", d. i. die physikaUschen Merkmale der Dermatopathien m einem Systeme harmonisch zum Ausdruck zu bringen. ^

Bei der Ausführung dieses Planes sind Einige m s Extreme gerathen. indem sie die anatomischen Verhältnisse ausschliess- lich in den Vordergrund stellten. So Er. Wilson welcher einmal die Hautkrankheiten in cHe der Epidermis, -des Kete der Follikel, der Gefässe, der Nerven eingetheilt, was wohl sehr unnatürlich ausfallen musste, da ja in Wirklichkeit diese ana- tomischen Gebilde Wichst selten so abgesondert erkranken können. Dagegen halben Andere wieder die „Natürlichkeit« m der Gvnp-

Systematik dev Hantkrankheiton. 10?)

,nvuno- vorwiegend berücksiclitigt . wie Altbert, wobei wieder e positive naturwissenschaftliche Basis ganz verlassen seinen. Eine mcht unpassende Eintheilnng ist d.e.iemge welcher die anatomisch-physiologischen Verhältnisse zn (.runde liegen, tun 1 ist wissenschaftlich und gestattet zug eich die &rup- irunc^ ,1er Hautkrankheiten nach gewissen natürlichen Gruppen. S BK^NSrHüHa hat sie am prägnantesten formu irt, indem er die Hautkrankheiten eintheilt in: I. Innervationsstorungen, n. Se- cretionsstörungen und TU. Nutritiousstörungen.

Die Systeniisirung der Hautkrankheiten nach den ihnen .11 Grunde liegenden p a t h o 1 o g i s c h - a n a t o ni i s c h e n Charak- "ren ist. wie Ihnen bekannt, Hbbka's Werk. _ Auch das toKA'sche System ist, nach dem Geständnisse seines eigenen S s nicht mängelfrei. Allein es scheint doch deii oben aitedelten .Forderungen an eine wissenschafthche und prak- Sh brauchbare Eintheilnng der Hautkrankheiten von allen loderen bisher bekannten Systemen zumeist zu entsprechen. D^halb ist auch dasselbe von den meisten neueren Bearbeitern der Hautkrankheiten theils ganz, oder mit

ficationen seines Inhaltes angenommen, theils zur Stutze tni die anderen Systeme verwendet worden.

Die Classen, welche nach diesem Systeme autgestellt smd, bedeuten aber keineswegs Gruppen von Kranldieiten d^ logisch -anatomisch von einander scharf abgeschieden sind. Solche Grenzen gibt es ja bekamitlich in den gängen nicht, da ja vielmehi- von Hyperamie zur Entzundinig L dieser zur Neubildung , Hyperplasie

möglichen Uebergänge zu constatiren sind. .Ulem m ihien klinischen Merkmalen unterscheiden sich die prägnanten Voi- gänge denn doch autfäUig von einander. Und damit wird eben L hierauf Bezug habende Eintheilnng wissenschaftlich zugleich und natürlich, und damit praktisch. .

Sie werden finden, dass schon nach den durch die patho- logisch-anatomischen Charaktere markirten Grenzen die Haut- krankheiten in natürliche Hauptgruppen sich abthei en. Denn jene Charaktere bestimmen ja, wie schon aus der allgemeinen Svmptomatologie ersichtlich war, den wesentlichsten l^ieü rlei klinischen Erscheinungen. Die natürliche Zusammengehörigkeit ist aber auchmit bestimmt durch eine Summe von Erscheinungen die durch den verschiedenen Verlauf, die Ursachen und dnrch

Sucliste Vorlesung.

eio-eiitiiüiuliclie Umstände maiinigfaclier Art gegeben «lud. Nacli cUesen Bedingungen der natürl leben Zusaminengebörigkeit können uun cüe Hautkrankbeiten innerbalb des weiten Ealnnens der ebizelnen Classen nocb in kleinere und natürKcbe Gruppen unterabgetbeilt und übersicbtlicb gemacbt werden.

Wir balten luis demnacb in unserem Vorgeben an das HEBEA'scbe System der Hautkrankbeiten, demzufolge diese in XII Classen eingetbeilt werden, als:

I. Hyperaemiae cutaneae. In Hyperämie bestebende

Hautkrankbeiten.

II. Anämien.

m. Anomaliae Secretionis cutaneae etglandu- larumcutanearum. HautaiFectionen, welcbe in funetioneller und nutritiver Störung der Scbweiss- und Talgdrüsen besteben, , oder durcb solcbe bervorgerufen werden.

IV. Exudationes. Exsudativ- oder Entzün- d u n o- s V 0 r g ä n g e. Li diese Classe reibt die numeriscb über- wieo-ende Zabl von Hautkrankbeitsformen. Sie werden nacb Urstcbe, Verlauf, morpbologiscbe Eigenscbaften , begleitende Erscbeinungen in viele natürUcbe Gruppen unterabgetbeilt.

V. Ha emorrbagiae cutaneae. Li Hämorrbagie be- stebende Krankbeitsformen der Haut.

VI Hypertropbiae, entbaltend die Dermatonosen, welcbe anatomiscb als Hyperplasie aUer oder einzelner Gewebe der Haut sieb darstellen.

Vn. Atropbiae. . Vm. und IX. Neoplasma ta, u. z. VIH. die khniscb o-ntartig imd IX. die als bösartig sieb gebenden Neu-

ais ö

bildungen.

X. Ulcerationes, Verscbwärungen.

XI. Neuroses. Hautaffectionen, welcbe, obne nacbweis- bare Texturverändermig der Haut, in einer reinen Functions- .störung der Hautnerven besteben, und

XIL Dermatoses parasitariae, die durcb pflanz- licbe oder tbieriscbe Parasiten bedingten und diese m ibren Sviuptomen mitbegreifenden Hautkrankbeiten.

Hiemit scbreiten mr zur Erörterung der speciellen Patbologie der Hautkrankbeiten.

Specieller Theil.

I. Olasse.

Hyperaemiae cutaneae.

Durch Blutübermiung in ^T^'^'' Hautschichten veranlasste Hautkrankheiten.

Siebente Yoiiesiing.

, H=„t aelive und passive, idioioathisehe und sympto- Hyperäm.en der Haut, aelive ^""^J ' Anämie der Haut,

matisehe Hyperämien, Roseola, Erythems .

\ls Hyperaemiae cutaneae begreifen wir Krankbeits- formen, welche bei mannigfacher Unterschiedlichkeit m Bezug axxf Ansehen, Verlauf und Bedeutung doch durch den gemem- schaftKchen anatomischen Charakter sich auszeichnen, dass ihren Erscheinungen lediglich übermässige Blutfülle der ober- flächlichsten Coriumschichten, zunächst des Papillarstratums zu Grunde liegt. Damit ist auck gesagt dass es sich hiebei lecUglich um Injection der feinsten Gefässe, der CapiUaren und feinsten Arterien und Venen, handelt. Und weiters, dass sobald im Gefolge einer solchen Hyperämie kenntHchere Gewebsver- änderungen sich eingestellt haben, der Krankheitsprocess nicht mehr in die hier aufgestellte Kategorie gezählt werden kami.

Nun wissen Sie aus der allgemeinen Pathologie, dass die Hyperämie die Vorstufe bildet für die meisten nutritiven Störungen, speciell für Entzündung, Eiterung, Hyperplasie und Neubildung, und dass in all' diesen Fällen weder klinisch, noch

^^.^ Siebente Vorlesung.

lOb

weniger niikroskopisoli eine scharfe Grenze gezogen werden kann\ zwischen der Hyperämie nnd den erwähnten anderen Processen, da im Gegentheil ein allmähliger Uebergang zwischen der ersteren nnd dieser letzteren der natnrgeschichtliclien Wahr- heit entspricht.

Es könnte somit scheinen, dass auch die systematische Anfstellung einer dnrch blosse Hyperämie charakterisirten Krankheitsgruppe nicht gerechtfertigt wäre.

Sie werden Grelegenheit haben , im praktischen Kranken- studinm sich von dieser Berechtigung zu überzeugen. Es ge- hören zwar hieher auch Processe, welche über den hyperämischen Znstand hinaus zu den angeführten höhereu Graden der Er- nährungsstörung sich entwickeln können, aber häufig genug auf dieser ersten Stufe Halt machen und soniit hieher gezählt zu werden verdienen. Nebstdem registriren wir aber andere Vor- gänge , welche tvpisch über den Gräd der Hyperämie mcht hinauskommen. Freilich wird iinter Umständen , bei längerer Dauer des hyperämischen Zustandes, schon in Folge der örtlich vermehrten Nahrungszufuhr und unter gewissen örtlichen Be- dingungen, welche die Hyperämie begünstigen, z. 'B. Verände- rung der (lefässwandung, Durchtritt von BlutfarbstoflP und Blutplasma etc. schliesslich auch da eine palpable Gewebs- alteration sich einstellen können. Vergessen wir jedoch nicht, dass bei der Abgrenzung von Krankheitsformen immer typische Symptomengruppen, das sind Durchschnittsbilder uns vor- schweben. TT ^1 1

Die in Hyperämie bestehenden Hautkrank- heiten erscheinen unter folgenden Symptomen: Blassrosen-, lebhaft blutrothe, bis dunkelblaiu^othe, cyaiiotische, unter dem Fingerdrncke erblassende, gleichmässig tingirte, gesprenkelte, oder von deutlichen Gefässramificationen durchzogene, im Niveau der Haut gelegene, oder etwas vorspringende, auch qnaddelartige Flecke von linsen- bis fingernagelgrosser Ausdehnung M a c u 1 a e , R 0 s e 0 1 a e - oder von grösserem Umfmige, diftus, von nnregelmässiger Gestalt, oder fignrirt. Die Temperatur über denselben ist normal, oder massig bis bedeutend erhöht, oder im Gegentheil unter das Normale gesunken. Ihr Antulüen ist glatt, geschmeidig, gleich der normalen Haut, oder etwas derb. Massiges Brennen oder Jucken, oder andere Emphndungs- störnngen begleiten ihren Bestand, oder fehlen aucl. gänzlich.

Hyporaemiae ciitauoao. ^^'^

Ihr Verlauf ist acut, auch typisch, oft sehr fülchtig (volatile,

\ ,iav .^livduisch manchmal loersistirend. '""^^e^l 'ilhermässiger Bluti^ection der ^h.sten ( -efäsJ hen der Papillarschicht, oder auch der obe.-en Cormm-

tP uw^^^^^^ '^^^ Follikelausführungsgange

schichte, j;.^^^^^^^ Wofern ihr Verlauf ein begrenzter,

IrSnu oder folgt denselben durch kurze t^ti::^^. oder .n£sige Sch« der Ober- Lnt Manchmal veranlassen sie vermehrte Secretxon aus den Tat imd Schweissdrüsen. Länger oder dauernd bestehende Hv^erämien fuhren zu Oedem der Haut, sie, so .ne manche ^nt verlaufende HjTerämien durch gelegenthche Steigerung des örtlichen Processes auch zu Entzündung , Verdictag und

Entartune; des Gewebes.

Da in Agone und aUgemein im Tode die Hautgetasse ihren Inhalt nach den inneren Organen entleeren, andere Erscheinungen aber als Gefässinjection, bei den Hyperämien nicht vorkommen, so wird begreiflicherweise post mortem von den Ki-aiikheits- iymptomen der in diese Classe gehörigen Krankheiten sich keine

Spur voriinden. -,. -.t ••

BekanntUch unterscheidet die Pathologie die Hyperam e im Allgemeinen als active oder fluxionäre, und als passive oder Stauungshyperämie. Ihi^e Erschemnngen sind an der Haut am besten studirt. Unter der ersteren ver- steht man eine stärkere, active, d. i. durch den Herz- oder Irterienpiüs getriebene FüUung der Capillaren. Damit hangt auch ein rascheres Durchströmen des Blutes durch den l^etroffenen Gefässbezirk und die Erscheinung der lebhafteren Rothe und Temperatiirserhöhung zusammen. Denn das rascher durch- strömende Blut hat weniger Zeit carbonisirt zu werden und von seiner Eigenwärme etwas an das umgebende Medium abzu- geben. . , Umgekehrt fasst man die passive Hyperämie zwar aucli als Blntiiberfiillung, aber in Folge von behindertem ßiickfiusse dps Gefässinhaltes auf; demnach mit verlangsamter Strom- geschwindigkeit, womit wieder die grössere Venification und Wärmeabgabe und weiters das mehr dnnkelrothe Colorit und die Depression der Temperatur zusammenhängen.

Wir theilen daher auch die durch Hyperämie bedingten Hautkrankheiten zweckmässig nach diesen zwei pathologisch

, o Siebente Vorlesiing.

lUo

ano-enommenen Arten ab, als 1. durcli active Hyperämie, 2. durch passive Hyperämie bedingte -Hautkrank-

heiten. , ., TT

Es soll aber damit nur eine Unterscheidung nach den vorwiegenden klinischen Merkmalen gemeint sein , indem die ac'.tiven Hyperämien unter den Symptomen einer mehr lebhaften, zuweilen mit Temperaturserhöhung, mässiger Schwel- liTno- Reizungsempfindungen, Brennen und Jucken verbundenen Rüthung. die passiven als mehr Hvide, mit kühler oder herabo'eletzter Temperatur, kühler Schweissabsonderung mid nervösen Depressionserscheinungen, wie Gefühl von Taubheit, /bneisenlaufen, selbst Anästhesie gepaarte Hautfärbungen sich darsteUen. Nach den örtlichen und entfernteren Ursachen, so wie nach der Art des in dem betrofFenen Gefässbezirke statt- findenden Vorganges ist die Unterscheidung praktisch nicht durchführbar. Ich verweise in diesen Beziehungen aut die betreffenden Capital von Vibchow, in dessen Handbuch der speciellen Pathologie und von Stkickeb in des Letzteren aü- gemeiner Pathologie. Es zeigt sich, dass fluxionäre und Stauuiigs- Hvperäniie theilweise durch dieselben Ursachen bedingt sein können, wie bei der so genannten Relaxations- oder paralyti- schen Hvperämie, oder der Hyperaemia ex vacuo, oder Aspirations- fluxion," in welchen FäUen das Gefässlumen durch Parese der Gefässwandung erweitert worden. Oder weiters dass active und passive Hyperämie, sich gegenseitig bedingend, örtlich mit einander combinirt erscheinen, - bei der collateralen Hypei^mie wobei im Centrum des Herdes Stauung, in der Peripherie Affluxus herrscht. Oder endlich, dass die active Hyperämie mit den Symptomen des raschen Blutströmens, in passive, mit den Ji.r- scheinungen der Retardation im örtlichen Blutstrom, sich ver- wandelt, was bei jeder längeren Dauer der ersteren unter zu- nehmender Atonie der Gefässwand der Fall sein wd.

Die activen Hyperämien der Haut werden klinisch als Erythema congestivum bezeichnet und unterschieden m idiopathische und symptomatische. _

Die idiopathischen activen Hyperämien steUen Dermatonosen sensu stricto vor. Sie entstehen durch Reize, Schädlichkeiten im Allgemeinen, welche, indem sie direct die Haut treffen, örtlich Hyperämie hervorrufen. Nach der ^el- schiedenen Natur dieser Schädlichkeit unterscheiden wir:

Krvtlii'iiiii, Kosu'olii.

109

Erythematraumaticum. Es entsteht mxterW Irl' duveh enganliegende Kleidungsstücke Mieder- btrumpf- und Gnrtelbänder, an Hautstellen, welche im Liegen oder 5itzen tkeren Pressionen ausgesetzt sind, durch das Ivrat.en niit de F n^^^^^^^^ 5^-ttiren der Haut. Wenn diese Ursachen IV kurfeZeit einwirken, ist auch das Erythem voriibergeliend; be w irholten und dauernden solchen Reizungeir geht das Erv ^Im in entzündliche Processe iiber, oder die acti.e Hyperamie ^. passive. Hautstellen, welche lange Zeit der Sitz eines Erythema t aumaticiim gewesen sind, haben überhaupt schon die Dispo- iZ zu ent^indlicher Erkrankung, in Folge der unter solchen Umständen etablirten Relaxation ihrer Gefässe. Sie erkranken daher gelegentlich, wie bei Variola, Scabies, -el -tensiver als anctere Hautstellen. So sieht man über den Sitzknorren der Schuster, bei Scabies, derbe Entzündungsknoten, an den Ein- schnürungsstellen der Strumpfbänder, Leibriemen, der TaiUe bei Frauen Variolenefflorescenzen in grösserer Menge erscheinen.

Erythema caloricum, als zumeist diffuse , anfangs lebhaftrothe, später lividbraun erscheinende Röthungen, welche durch den Einfluss von Sonnenhitze , bewegter warmer oder kalter Luft entstehen und meist dunklere Pigmentation und AbschiÜferung zur Folge haben. Zu warme, oder zu kalte Bäder erzeugen mehr lebhaft rothe und flüchtige Erytheme

Erythema ab acribus seu venenatum heisst die Hautröthe, welche durch chemisch-irritirende Substanzen hervor- gerufen werden, wie Senfteige, Meerrettig, 01-Sinapis, Cantha- riden eine Menge von Pflanzensäften, ätherischen Oelen, Pflanzen- nnd Raupenhaare, wie der Processionsraupe, viele Farbstoffe. Bei längerer Einwirkung der meisten der hier angeführten Substanzen steigert sich das Erythem zur Entzündung.

Die besprochenen idiopathischen Erytheme müssen wir uns derart entstanden denken, dass in Folge des direct auf die CapiUaren und feinsten Gefässe einwirkenden mechanischen, calorischen oder chemisch-giftigen Reizes zunächst Parese der Gefässnerven, speciell der Vasoconstrictoren der betr offenen Gefässe, damit Dilatation und übermässige Füllung der letzteren erfolgt. Es entstehen aber auch diese Erytheme auf reflecto- rischem Wege, wie beim Ki-atzen. Der mechanische Reiz wd zum Centraiorgan geleitet. In der MeduUa oblongata und im ganzen Rückenmark befinden sich die Ceiitren der Gefässnerven,

Siebente Vorlesung.

welche tlieils direct, theils auf dem Umwege durck den 8ym- pathicus mit den Spijialuerven zur Haut laufen. (Goltz, Vulpiax, Stbickee u. A.) Icli beziehe micli hierbei auf dasjenige, was ich über die Innervation der Bhitgefässe der Haut und ihren Einfluss auf das Gefässlumen und die örtliche Blutcirculation in der 2. Vorlesung (pag. 26) vorgebracht habe. So erklärt es sich, dass in Folge des an einer Hautstelle ausgeübten Reizes auch an entfernteren , vom Reize nicht getroffenen Hautstellen die Wirkung der Irritation in der analogen Weise durch Gefäss- erweiterung und Hyperämie sich kundgibt.

Die symptomatischen activenHyperämien, oder s y m p 1 0 m"a t i s c h e n E r y t h e m e, sind begleitende, oder Folge- Symptome anderweitiger allgemeiner, fieberhafter oder fieberloser Zustände des Gesammt-Organismus und einzelner Systeme, be- sonders des Centrai-Nervensystems. Sie sind eben vorwiegend als solche, vom Centrai-Nervensystem direct oder reflectorisch erregte Hyperämien aufzufassen. Als bekannteste Form führe ich sofort die Schamröthe, die Rothe vor Zorn, Verdruss, psychische Erregung überhaupt an.

Eine Sinneswahrnehmung (oder auch die einer solchen Sinneswahrnehmung adäquate VorsteUung), der Anblick eines anstössigen Gegenstandes, das Anhören eines verletzenden Wortes wird vom Bewusstseins-Centrum percipirt. Von da folgt die Erregiuig auf die Gefässcentra und weiters auf die peripheren Gefässnerven-Endigungen. Der Efi-ect der Letzteren erscheint als Erythema pudicitiae, iracundiae. Es ist also auch das durch psychische Vorgänge erzeugte Erythem eüi reflectorisches.

' Im Säuglings- und zarten Kindesalter erscheuien häufig Erytheme als Reflex der centralen Nervenerregung und Symptom der Erkrankung, welche diese Erregung veranlasst hat . z. B. bäufig wäiirend der Dentition, in Folge von Gastricismen. bie sind entweder diffus Erythema infantile oder m Gestalt von linsen- bis fingernagelgrossen Flecken über den Körper zerstreut Roseola infantilis.

Die durch das Blatterngift, die Vaccine, das Typliusgd't und Choleracontagium veranlasste Blutveränderung reflectirt sich häufig durch den auf die Gefässcentra ausgeübten Reiz auf der Haut imter dem Bilde . des Erythem. Es erscheint im Vorläxifer - Stadiixm der Blattern als Ro-seola V a r i 0 1 0 s a oder E r v t h e m a v a r i o 1 o s u m . zumeist aiif den

Passive Hypei'iuuiüii.

III

Handrücken nud hu Sc-henkel-Leistenbug locahsirt. Wir werden dasselbe in Verbindung mit dem Blatteruprocesse naher be- surecben R o s e o 1 a c Ii o 1 e r i e a kommt im astbeiusclien fetadium oder der Recoiivalescenz der Cholera vor in Form voivdauuieii- nao-eloTosseniindai^ch diffiisen, meist lividen Flecken. Roseola va°ccinia tritt zuweilen im Gefolge der Impfung mit humam- sii-ter oder originärer Lymphe auf. Roseola typhosa ist Emen bekannt. Und so mag es noch verschiedene, im Organis- mus o-elegene Ursachen und Zustände der Blutmasse, «der eui- zehierSvsteme geben, als deren Symptom oder Reflex Erythem auf der Haut erscheint. Darauf beziehen sich die bei manchen Autoren erwähnten Namen einer Roseola febrilis, rheiimatica, feu de dents, Nirliis, Strophulus volaticus, Rash, Rosalia, Wiebeln, Rittein, Peuermasern u. s. w. ^

Ich mache darauf aufmerksam, dass aUe diese Formen von Roseola als HautafPection nicht viel besagen, da sie ja weder subjectiv molestiren, noch örtliche Folgen zurücklassen; dass sie ferners auch bezüglich des Verlaufes jener Krankheiten, als deren Symptom sie erscheinen, nicht die geringste progno- stische Bedeutung besitzen. Ihre Kenntniss ist dennoch_ nicht nur pathologisch interessant, sondern auch praktisch wichtig, schon ans dem Grmide, um die Kranken und ihre Angehörigen über die geringe Bedeutung der Affection beruhigen und uns vor deren Verwechslung mit Masern, Scharlach und ähnlichen, bedeutungsvolleren Dermatonosen hüten zu können.

Eme Behau dl nng der Erytheme ist überflüssig. Gegen Empfinduno- a^ou Brennen und Jucken können kühlende Appli- cationen zur Anwendung kommen. Kaltes Wasser , Betupfen mit Alkohol, einfach, oder mit Zusatz von Acid. carbohcum (0-50 : 100-00), Acid. salicylicum, und Aehnliches.

Die passive Hyperämie erscheint unter dem schon früher erwähnten Bilde einer mehr dunkelnuancirten , bläulichen bis schwarzblauen Röthung, manchmal einer bleigrauen Lijection, welche unter dem Fingerdrucke schwindet. Dabei ist die be- tretfende HautsteUe sonst unverändert oder ödeniatös, von normaler, oder verminderter Wärme.

Das wesentliclie der passiven Hyperämie ist iimuer eine Verlangsamung des örtlichen Blutstromes , welche wieder die Folge eines Missverhältnisses zwischen der Triebkraft und den Widerständen (VmcHOw) ist. Aber die Umstände sind sehr

■j^j2 Siebente Vorlesung.

mannigfach, nntev welchen dieses Hissvevhältniss zu Stande kommt. Es kann die Triebkraft vom Herzen selbst, oder von den Arterien, bei der atheromatösen Erkrankung, absolut zu gering, oder relativ geringer sein, weil die Reibungswiderstände in den' Gefässwänden sich gesteigert haben. Es mag die locale Verlangsamung des Blutstromes erfolgen, weil das Lumen der Gefässcheii sich erweitert hat und das Letztere wieder, einmal wen RückStauung des Blutes durch mechanische Hindernisse des Abflusses stattfindet, oder die Gefässwandungen wegen substantieller Erkrankung, oder neuroparalytischer Zustände, oder durch Attraction bei der Wirkung ex vacuo nachgiebiger und ausdehnbarer geworden. Und es können alle diese Momente auch örtlich mannigfach sich combiniren.

Darnach wird auch die passive Hyperämie euanial vorerst die Endarterien und Capillaren, ein andermal vorerst die feinsten Venenmirzeln betreffen, mehr den arteriellen Lijectionen gleichen, oder von vornherein den venösen Charakter an sich tragen.

Klinisch orientiren wir uns deshalb auch am besten, wenn wir die passiven Hyperämien nach den hier angedeuteten Möglichkeiten ihrer Entstehung registriren. Die passiven Hyperämien entstehen zum Theile im Gefolge j euer TJ r- sachen, welche als örtlich die Haut treffende Schädlichkeiten, Traxxmen, chemische oder calorische Reize, zunächst active Hyperämie zur Folge haben, indem nach längerer Einwirkung jener Ursachen das lebhafte Roth in dunkleres Blauro th über- geht. (Livedo traumatica, a venenatis, calorica.) Ich habe schon früher angegeben, dass dieser Zustand einen höheren G-rad der relaxativen Hyperämie bedeutet, die Folge einer vollständigeren Atonie der betreffenden feinsten G-efässe. Wir sehen dies nach Einwirkung der früher angeführten Hautreize, besonders aber bei länger andauerndem Druck von Seite harter Unterlagen, beim Sitzen, Liegen, von Gurten, enganliegenden Kleidungs- \md Verbandstücken. Daran knüpfen sich zunächst die passiven Hyperämien in Folge von mechanischer Behinderung des venösen Blutstromes, die sog. Stauung shyp er ämie. Je mehr peripher das Hinderniss liegt, desto kleiner ist das zur Ektasie und Blutüberfüllung gelangende Gefässgebiet. Man nennt die in diese Kategorie fallende Röthung Livedo, im Gegen satze zwv Cyanosis, der allgemeinen .,B1 au sucht", deren Ur- sache im Herzen, oder den diesem nahen grossen Gefässeu Hegt.

Passive Hyporämieu. Ll'.j

Die acute Torrn der idiopathischen Stauungshyperämie, Livedo mechanica , ist am klarsten in den Erscheinungen vepräsentirt, welche durch das Anlegen der Aderlassbinde um die Circumferenz des Oberarmes hervorgerufen werden. Auspitz luit diese Erscheinungen experimentell geprüft, sowohl bei sonst oisimder Haut, als solcher, welche gleichzeitig der Sitz eines Exanthems, Erythem, Urticaria, Scharlach, Variola und Variola hämorrhagica, Eczem, Erysipel war. Abgesehen von den hiebei o-emachten lehrreichen AVahrnehmungen , welche auf die Ver- tlieihuig der grossen Gefässe bezogen werden müssen und zu Erürteiningen von allgemein pathologischen Fragen Veranlassiing o-aben. hat Aüspitz die Entstehung von verschieden nüancirter Bläuung, daneben das schon von Hebra betonte Auftreten von Zinnoberrothen Flecken hervorgehoben, welche nach Beseitigung der Ligatur nicht sobald schwinden und braime Pigmentirang znrücklassen , so wie das Erscheinen von weissen Flecken um die cyanotischen oder die zinnoberrothen. Für die Entstehung der zinnoberrothen Flecke scheint mir die Erldärung Auspitz's plausibel. Derzufolge entstünden sie durch Beimengung von durch die Gefässwand ausgetretenem Blutfarbstoff zu dem m die Gewebe transsudirten Blutserum (Oedem). Die blassen, oder weissen Flecke dagegen würden nach den AVahrnehmungen, welche bei experiauentell veranlasster Stauung (Unterbindung, Embolisiriing) der Circulation unter dem Mikroskope gemacht worden sind (Stricker, Cohniieim), damit erklärt werden können, dass einzelne Gefässstrecken ganz aus dem Kreislauf ausge- sr.haltet werden, oder nur von farblosem Serum er^iillt bleiben, also blass erscheinen, während andere von stagnirenden rothen Blutkörperchen vollgepfropft sind. Bei Andauer der Stauung könunt es auch zu Hämorrhagie, d. i. Austritt von rothen Blutkörperchen in die Gewebe, theils durch Ehexis, Zerreissung kleinster Gefässe , theils per Diapaedesin. Hat ja Stricker erst jüngst nachgewiesen , dass bei Stauung durch die Wan- dung der Capillargefässe rothe Blutkörperchen in mü^rosko- pischen Häufchen durchtreten können.

Die Empfindung' von Ameisenlaufen, Taubheit, Lähmung wird bei acuter Entstehung oder Steigerung von Livedo mehanica empfunden. Bei längerer Dauer und gleichmässigem Verhalten ist die Empfindung normal , die Temperatur jedocli meist herabgesetzt. Als weitere Folgen können Oedem , Ent-

Kaposi, Hantkranlihciten. ^

114

Siebente "Vorlesung.

Zündung, Blutaiistritt (Eccliymosirung), Grewebszerfall (Nekro- biose) lind Grangrän in imterscliiedliclier Ausdehnung sicli einstellen.

Wenn auch häufig sich wiederholend, so ist doch jene Art von Stauungshyperämie meist vorübergehend, welche peripher A^on enganliegenden Bandagen, Grurten, Miedern, Strumpf- bändern etc. veranlasst wird. Etwas länger währt die an oft und lange gedrückten Hautstellen entstandene passive H;)'perämie, wie am Gresässe, Kreuzbein, bei Personen die lange in derselben Stellung sitzend, oder liegend zubringen. Hier concurriren aller- dings nebst der Circulationsbehinderung durch mechanischen Druck auch die Parese der G-efässwandung und die Eigenschwere des Blutes, welches an den abhängigen Stellen sich mehr an- sammelt.

An den TInterextremitäten kommt Livedo mechanica häufig in chronischem Bestände vor, in Folge von Druck auf die rück- führenden Yenen durch Tumoren, Exostosen, Knochencallus der Extremität, oder in der Bauch- und Beckenhöhle lagernde Geschwülste.

Auch die collaterale Hyperämie, bei Verstopfung eines Haupt-Circulationsweges durch Embolie oder Thrombose, anfangs fluxionär und activ , wird sodami eine passive oder Stauungshyperämie, um so mehr, je weniger die örtlichen Ver- hältnisse eine rasche Ausgleichung der Circulations-Hemmung gestatten.

Je näher das mechanische Circulations - Hinderniss zum Herzen, od^ wenn es gar in diesem selber liegt, desto allge- meiner wird die passive Hyperämie. Sie heisst dann Cyanose, Blausucht, Morbus coeruleus. Dieselbe entwickelt sich bei hoch- gradigem acuten und chronischen Emphysem, Geschwülsten des Mediastinum und allen organischen Herzfehlern, welche eine E,ückstauung des venösen Blutes bedingen.

Viele örtlich beschränkte oder allgemeiner verbreitete Bläuungen der Haut beruhen auf einer relaxativen oder paralytischen Hyperämie, sind also bedingt durch eine primäre Nachgiebigkeit der Gefässwandung und Ausdehnung des Gefässlumens. So zunächst die sogenannte Hyperaemia ex vacuo, oder die in Folge verminderten "Wider- standes, verringerter Stützung der Gefässwände. Hieher gehört die Hyperämie, welche dem Ansetzen des trockenen

Passive Hj'perämien.

115

Scliröpfkopies folgt. Hiedurcli wird ein luftverdünnter Eaum o-escliaffen und das Blut nach hydrodynamiscliem Gesetze mit grösserer Vehemenz nach demselben gejagt, respective durcli den- selben aspirirt. Ebenso werden Grefässe, deren Stützgewebe durch. Narbenretraction verzerrt oder , wie bei marantisclien, die Ge- sanimternährung herabsetzenden Zuständen, relaxirt wird, ausge- dehnt und der Sitz passiver Blutüberfüllung werden. Dabei macht sich das Gesetz der Schwere insoferne geltend, als die venöse Blutsäule, da, wo- sie im Rückfluss die Eigenschwere zu über- winden liat, langsamer fliesst, sich staut und die Gefässe um so leichter ausdehnt, je mehr deren Wandxing schon relaxirt war, sei es durch die eben genannten, oder die noch anzii- führenden Ursachen. Dies bezieht sich vorwiegend auf die Unterextremitäten, an denen bei Personen, die habituell viel stehen, die Beine herabhängend halten müssen, Yenektasien und Livedo nebst den begleitenden und Eolgezuständen sich habili- tireh, und um so leichter, je schlapper auch das übrige Gewebe bei denselben ist.

"Weitere Ursachen der relaxativen passiven Hyperämie sind in substantiellen Erkrankungen der Gefäss- w a n d u n g e n gegeben, wie derj enigen, welche die Varicositäten der Unterextremität- Venen theils einleiten , theils compliciren.

Endlich liegt ihre Veranlassung in einer neurotischen Relaxation, deren wesentliche Bedeutung darin besteht, dass die Vasoconstrictores paretisch oder gelähmt werden. Dies kann beschränkte Gefässbezirke betreffen. So wären die im Gefolge von Hautreizen und a venenatis entstandenen passiven Hyperämien, welche der derart erzeugten activen Blutüberfüllung zu folgen pflegen, hieher zu zählen. Eben so die Livedo calorica, welche bei plötzlicher Abkühlung der Haut als blaiu'othe Marmorirung der letzteren sich präsentirt, oder als diffuse, dunkelblaurothe, mit zinnoberrothen Zeichnungen unter- mischte Hautinjectionen an der Nasenspitze , an den Eingern und Zehen von Personen sich einstellen, die lange Zeit in kalten Räumen, oder in der freien Kälte sich aufhalten.

Literessant und literarisch vielfach ventilirt sind die Fälle, bei denen im Verbreitungsbezirke solcher Nervenstämme, die durch Narben gedrückt, gereizt, oder atrophisch geworden, chronische Röthungen sich einstellen, verbunden mit herab- gesetzter, manchmal erhöhter Temperatur, Empfindung von.

8*

■[ YC, Siebente Vorlesung. Passive Hyperämien.

Taubsein und Ameisenkrieclien, oder im Gegeiitlieil glüliendem :Brenneii und Sclimerz (glossy skin der amerikanischen Autoren), auiFallender Trockenheit, oder Absonderung kalter Scliweiss- tropfen, Oder es kann der neuroparalytisclie Einfluss vom Centrai-Nervensystem, vom centralen Sitze der Glefässinnervation hergeleitet werden, wie bei der an den periphersten Körper- theilen, Händen und Füssen und der Nasenspitze sich etabliren- den Bläuung und Temperaturherabsetziuig Grehirn- und Rücken- markkranker und chloranaemischer Personen.

Aus dem Angeführten ist ersichtlich, dass die nächste 'Ursache der passiven Hyperämie stets in einer mit Erweiterung der feinsten G-efässchen und auch gröberen Venenstämme ge- paarten Verlangsamung des venösen Blutstromes gelegen ist, dass die entfernteren Ursachen aber theils örtKche und periphere, theils allgemeine und centrale, im Grefässsystem, oder ausserhalb desselben, in mechanischen oder neurotischen Einflüssen ge- legen sind.

Dem entsprechend ist auch der Verlauf der Livedo und Cyanosis einmal ein kurzer, ein andermal chronisch oder dauernd. In letzterem Falle bleiben wohl bedeutendere Folgeerscheinungen und CompKcationen, als Oedem, Entzündung, Muskelschwäche, Grangrän u. s. w. nicht aus..

Von einer Behandlung 'der passiven Hyperämien kann nur insoweit die Rede sein, als einzelne Symptome zur Bekäm- pfung einladen oder geeignet sind , oder als eine Beseitigung der nächsten oder entfernteren Ursachen des Uebels erreichbar wäre.

II. Olasse.

Anaemiae cutaneae.

Durch verminderten Blutgehalt ihrer feinsten Gefässe verursachte krankhafte Erscheinungen der Haut.

Anschliessend an die Hyperämien will ich gleich die Anämien der Haut besprechen.

Die Anämie der Haut bedeutet mangelhafte Füllung ihrer feinsten Grefässe mit Blnt , oder bei genügender Injection, doch Mangel an Gehalt von rothen Blutkörperchen. In ersterem Talle haben wir eigentliche OKgämie , Anämie oder Ischämie (YmCHOw) vor uns, im letzteren die als Leukämie, Leukokyth- ämie bekannten Zustände.

Die anämische, im vulgären Sinne „blutleere" Haut er- scheint blass, alabasterweiss, wachsfarben, leichenfahl, schmutzig- weiss , weiss mit einem Stich in's Gelbliche. Diese Nuancen der Färbung hängen davon ab, ob die Anämie plötzlich oder allmälig entstanden, vorübergehend oder andauernd, mit oder ohne qualitative Veränderung des Bkites und der allgemeinen Ernährung verbunden ist, an einem turgescirenden oder welken Hautorgan auftritt. Jede von Hau» sehr dunkel pigmentirte Hautstelle, also auch die Haut der Neger, sieht im anämischen Zustande nicht blass, sondern noch mehr dunkel gefärbt aus, weil mit der Blutleere auch eine Verringerung der Gewebs- durchtränkung mit Serum, d. i. des Turgors sich einstellt, Corium und Epidermis sich falten (runzeln) und die pigment- haltigen Zellen näher an einander rücken.

Mit dem anämischen Erblassen ist örtlich auch eine Ver- minderjing der Hauttemperatur vergesellschaftet. Nur bei ge-

118

Siebente "Vorlesung.

wissen Formen der chronischen Anämie kann im Gegentheil

die Haiitwärme erhöht sein.

Abnorme Empfindungserscheinnngen, das Gefühl von Taub- sein , Ameisenlaufen, vollständige Anästhesie, Frösteln, in seltenen FäUen heftiger Schmerz, gehören zu den begleitenden subjectiven Symptomen der Hautanämien.

Auffallende örtliche Ernährungsstörungen, mit Ausnahme der erwähnten Verminderung des Turgor cutis sind zwar im Allgemeinen nicht zu beobachten, doch kömmt es manchmal zu Oedem, bei langandauernder Anämie zu Alterationen der Secretion und Epidermisbildung, womit die Haut, einmal trocken, spröde wird, oder im Gegentheil abnorm kalten Schweiss oder Fett absondert, die Oberhaiit reichlich in feineren, fettig sich anfühlenden oder trockenen Schüppchen abhielt (Defur- furatio, Pityriasis tabescentium).

Andere begleitende und Folgesymptome , wie allgemeine schlechte Ernährung, Effluvium capillorum, Gangrän und tödt- licher Ausgang bei Embolie in periphere Arterienstämme etc. gehören nicht der Hatitanämie als solcher an, sondern jenen Zuständen des Organismus, der Blutbeschaffenheit, des Centrai- nervensystems, des Herzens u. s. w., welche die Anämie der Haut als entfernte Ursachen verschuldet haben.

Die nächste Ursache der Hautanämie kann nur in einer mangelhaften Zufuhr von Blut in die feinsten Hautgefässe oder in der aUgemeinen Armuth des Blutes an rothen Blutkörper- chen Hegen. In letzterem FaUe wird die Hautblässe sicher allgemein, im ersteren einmal universell, ein andermal örtlich bescliränkt sein können.

So entsteht aUgemeine Hautanämie bei plötzlicher Ver- minderung der Blutmenge in Folge von Hämorrhagien nach Aussen (Metrorrhagie, bei Operationen), oder nach inneren Or- ganen, womit, bei excessivem Grade, in Folge der gleichzeitigen Anämie des Gehirnes, die bekannten Ohnmachtserscheiiiungen, Erblassen der Lippen, der Schleimhäute, Blässe und Kälte der Haut, Flimmern vor den Augen, Lähmung der Muskehi, Bewusstlosigkeit, StiUstand der Herz- und Athmungsthätigkeit, eventuell der Tod eintritt. Auch eine plötzliche Verschiebung des genügend vorhandenen Blutquantums kann örtlich Aaiämie, bei gleichzeitiger Hyperämie anderer Partien und alle Folgen jener veranlassen. Hieher möchte ich die Fälle von Ohnmacht

Anämie der Haut.

119

\md von plötzlichem TocTeseintritt reelinen, welelie nach Lösen der nach Esmakch's Verfahren angelegten Binde beobachtet worden sind. Indem in die dnrch die Umschnürung entleerten und durch den Druck wahrscheinlich paretisch gewordenen Gefässe einer. Unterextremität plötzlich ein grosses Quantum Blut eingetrieben oder aspirirt wird, erblassen andere Haut- partien und wird auch das Gehirn anämisch, womit dann der weitere Symptomencomplex der Ohnmacht , eventuell der Ein- tritt des Todes zwar sehr überraschend, aber doch erklärlich wird.

Allgemeine chronische Hautanämie ist Folge einer mangel- haften Blutbildung nach Quantum oder auch nur Quäle, wie solche als Symptom der Chlorose, als Folge von Scrophulose, Milztumoren, Tuberculose, protrahirten, fieberhaften und depas- ^ cirenden Krankheiten sich einstellt.

Bei normalem Blutvorrath und normaler BlutbeschatFenheit kann weiters allgemeine oder örtliche Hautanämie durch N.erveneinflüsse bedingt werden. Man muss sich vorstellen, dass hierbei die feinsten Arterien und die Capillaren sich contrahiren und dem Eintritt von genügenden Blutmengen, d. i. der normmässigen Injection mit rothem Blut ein Hinder- niss entgegensetzen. Von der Contractilität der Arterien nicht zu reden , steht heute nach den Untersuchungen von Golubew, Tachanoff und neuerlichst von Stricker auch der Annahme nichts im Wege, dass selbst die Capillaren einer Contraction und zur Verengerung ihres Lumens auf Reize hin fähig sind, Unter Umständen (wie im Eroststadium des Eieberanfalles) mag auch die Contraction der in der Cutis verbreiteten organi- schen Muskelfasern, welche streckenweise imter den Papillen Netze bilden, zur Constriction der in die Papillen eintretenden Gefässe und zur Entstehung der Hai^tblässe das Ihrige bei- tragen.

So entstehen die örtlichen Hautanämien mit den Er- scheinungen der Blässe und Herabsetzung der Temperatur und Empfindung bei der behufs örtlicher Anästhesirung auf die Haut applicirten Kälte, Spray von Schwefeläther und Chloro- form, beim Elektrisiren ; eben so unter dem Einflüsse niedrig temperirter Medien, kalter Luft, kalter Bäder iind Douchen. Hier ist es der locale Reiz, welcher Contraction der von Nerven versorgten Gefässe und Anämie veranlasst. Wie schon bei den Hyperämien erwähnt , folgt allen diesen Zu-

^2Q Siebente Vorlesung.

ständen nacliträglich Ektasie und Bliitüberfüllung der Haut- gefässe. Der gleiclie ElFect mit Anämie der Haut kann Yom C entralnervensystem ansgeken und dann meist als allgemeine Blässe der Haut zur Ersclieimmg kommen , wie im Eroststadinm des Fiebers, bei der psyckiscken Erregung von Schreck, Zorn, Angst, Neid und der Olmmacht überhaupt. Oder diese Wirkung wird r eflectorisch hervorgerufen, z. B. von den Hantnerven, wie bei der Hantblässe, eventuell Olm- macht in Folge von selbst nur wenig schmerzhaften Erregungen an der Haut, bei kleinen Operationen, oder reflectorisch von den splanchnischen Nerven ans, bei der Blässe, welche bei MagenüberfüUiing, Kolik etc. das Uebelsem begleitet, oder dem Erbrechen vorangeht.

Noch möchte ich der Hautanämie in Folge von Com- pression der feinsten Hautgefässe gedenken. Durch Liegen, Druck von Bändern gedruckte Hautstellen erscheinen anämisch blass, werden von Kriebel-Empfindung oder „Taubseiir', selbst Anästhesie befallen. Doch ist dieser , Zustand stets vorüber- gehend.

Dauernd ist die Hautblässe bei Compression der feinsten Gefässe durch stagnirendes Grewebsödem. Die Haut ist dabei gespannt , glänzend , alabasterartig oder von wächsernem An- se hen.

(Verstopfun g grosser Arterien durch Embolie oder Druck von G-eschwülsten führt rasch zu coUateraler Hyperämie, wofern nicht Mumificirung eintritt.)

Nach der Verschiedenheit der angeführten veranlassenden Momente wird die Hautanämie vorübergehend sein, länger oder für immer bestehen.

Als HautafFection könmit ihr demnach durchwegs eine mehr symptomatische Bedeutung zu, indem zugleich Prognose und Therapie von den Ursachen der Hautanämie beeinflixsst wird. AllenfaUs kann noch die Behandlung der früher aufge- zählten Folgezustände Pityriasis , Alopecia etc. nebenbei zur Aufgabe fallen.

Die d i a g n 0 s t i-s c h e FeststeUung der Hautanäniie ist aber nichtsweniger von Wichtigkeit, sowolil zur Ergänzung des am Indi- ^iduum vorgefundenen pathologischen Gesanuntbildes als wegen des EiuEusses, welchen die Hautanämie auf die Beschatfenheit anderweitiger, gleichzeitig bestehender Dermatouosen und krank-

Anämie der Haut. 121

liafter rormatioiien ausübt. Insoweit nämlich ein wesentliclier Charakter der letzteren in Injectionsrötlie und Turgescenz besteht, wird derselbe mit dem Eintritt von Hautanämie sofort verwischt, wie im Tode. So geringfügig diese Thatsache , so selbstver- ständlich, so bedeutungsvoll war doch ihre Constatirung und richtige Deutung. Mit derselben hat Hebea das alte Vor- urtheS vom Ziirücktreten der Hautausschläge erfolgreich bekämpft, indem er zeigte, dass nur die Hautanämie es bewke, wenn z. B. eine lang bestandene Psoriasis nach einer starken Hämorrhagie blass, wie plötzlich verschwunden er- scheint, oder im Verlaufe einer depascirenden Krankheit, die mit Blässe und Deturgescenz der Haut verknüpft ist, sich thatsächlich zui'ückbildet. Denn mit der Rückkehr der nor- malen Hautinjection und Turgescenz des Hautgewebes steht das Exanthem ebenfaUs wieder kenntlich da, oder regenerirt sich dasselbe.

Sie werden nicht in den Fehler der früheren Zeiten zurück- fallen , sondern jederzeit den Thatsachen in dem angedeuteten Smnei CoUegen und den Kranken gegenüber, Geltung ver- schaffen.

III. Olasse.

Anomaliae secretionis cutaneae et 2:laDdulamm cutaneamm.

Durch Abnormitäten der Hantsecretion und der Hautdrüsen veranlasste Hautkrankheiten.

Achte Vorlesung.

Anomalien der Hautperspiration und Schweiss-

secretion,

Bromidrosis. Physiologie der Sehweissabsonderung ; chemische Be- schaffenheit des Sehweisses und krankhafte Sehweissabsonderung. Quantitative Störungen: Hyperidrosis universalis et localis. Oertliehe und allgemeine Folgen und Complieationen. Therapie. Anidrosis. Qu a 1 i ta- ti ve Anomalien der Sehweissabsonderung. Anatomische Veränderungen

der Sehweissdrüsen,

Die in die 3. Classe unseres Systemes eingereihten Haut- krankheiten bestehen wesentlich in Abnormitäten des Drüsenapparates der Haut und manifestiren sich vorwie- gend in zweierlei Art: 1. als f unctionelle , 2. als nixtri- tive Störungen desselben.

DiefunctionellenStörungender Hautdrüsen bedeu- ten eo ipso Anomalien der Hantsecretion. Von diesen wollen wir zuerst handeln. Da aber die Hantsecretion einen wesentlichen Einfluss auf die Beschaffenheit der allgemeinen Decke, namentlich der Epidermis ausübt, so begreift es sich, dass mit der Alteration jener auch die Zustände der letzteren eine Aenderung erleiden können, die daher ebenfalls zu be- rücksichtigen sind.

Zweierlei sind die Ausscheidungsstoffe 'der Haut, S c h w e i s s, das Product der Knäueldrüsen, und Fett, das von den

Achte Vorlesung. Jlateria perspivatoria. Brnmidrosis.

123

Talgdvüseu geliefert wird. So wird es durchwegs darge- stellt und ist es im Allgemeinen auch ganz richtig. Allein es ist bisher trotz vielfacher Versuche der Physiologen nicht o-elungeu, die Ausscheidungsstoffe der Haiit derart gesondert zu gewinnen , dass man auch thatsächlich entweder nur reines Product der Schweiss- oder nur der Talgdrüsen vor sich gehabt hätte. Und so beziehen sich auch die von The- nard, Anselmino , Schottin, Seguin, Funke und Favre u. A. vorliegenden Angaben über die chemische und morphologische Zusammensetzung des Schweisses und des fettigen Hautsecretes durchwegs auf ein Gemenge beider, in welchem bald das eine, bald das andere überwiegt.

Praktisch verhält sich die Sache genau so. AVir nehmen ein Hautsecret für ein Product der Talgdrüsen, wenn es vor- wiegend fettige Eigenschaften darbietet, und sprechen eine überwiegend wässerige Ausscheidrmg auf der Haut der Leistung der Schweissdrüsen zu. Unter normalen Verhältnissen befindet sich aber ein Gemenge beider auf der Haut. Dasselbe, vereint mit gewissen Exhalationsproducten , Gase und Flüssigkeit, welche aus dem Papillargefässsysteme und durch die Epidermis- decken aiistreten, bildet die Materia p er s pira t o r i a der Haut.

Es kann nicht bezweifelt werden, dass schon bezüglich der gesammten Hautperspiration Anomalien platzgreifen kön- nen, indem bei manchen Personen das ganze Gemenge der Materia perspiratoria quantitativ oder qualitativ von den durchschnittlich geltenden Verhältnissen abweicht.

Während die quantitative Anomalie der Perspiration symptomatisch nur schwer zu umgrenzen wäre , verräth sich die qualitative Alteration derselben durch deutlichere Merk- male, welche vorwiegend dem Geruchssinne sich aufdrängen. Schon die vulgäre Auffassung spricht jedem Menschen eine eigenthümliche „Ausdünstung" zu, die sicherlich vorhanden \and durch den Geruchssinn percipirbar ist.

"Wir erfahren ja, dass mit feiaerem Geruchsorgane ver- sehene Thiere, Hunde, derart die Spur ihres Herrn finden. Abnorm muss es erscheinen, wenn das Individuum eine unge- wöhnlich stark, oder auffällig charakteristisch riechende Per- spiratio cutanea hat, welche seinen „Dunstkreis" erfüllt Osmidrosis, Bromidrosis. Von solchen Personen gilt

■j^24 Achte Vorlesung.

der sonst tropisch, genommene Ausdruck, dass sie in sclileclitem G-eruche stellen, dass man sie niclit riechen könne oder möge, wohl in realem Sinne.

Es lässt sich nicht genau angeben, welcke Substanzen dem penetranten oder prononcirten Greruche der Hautausdün- stung zu Grunde liegen. Es scheinen vorwiegend Fettsäuren, also Producte der Talgdrüsen zu sein. Allein wir werden hören, dass sicher auch das Secret der Schweissdrüsen seinen Theil daran hat.

Jene Körperregionen , welche besonders grosse Schweiss- und Talgdrüsen besitzen , wie die Achselhöhle , die Haut der Genitalien, namentlicli der weiblicben, sind auch der vorwie- gende Sitz der Osmidrosis. Darnach unterscheidet man diese auch als Osmidrosis oder Bromidrosis localis gegenüber der Osmidrosis universalis.

Hebea hat seinerzeit nachgewiesen, dass in vielen Fällen der riechende oder Stinksckweiss nicht der eigentlichen Per- spiration angebört, indem diese bei ihrem Erscheinen thatsäch- lich nicht auffallender riecht , als bei den meisten Menschen, sondern dass der üble Geruch erst entsteht , wenn die Per- spirationsstoffe, namentlicb der Schweiss, bei längerem Ver- weilen auf der Haut und Imprägnirung der Umhüllungsstoffe, der Strümpfe , Schübe , Leibwäsche , sich zersetzen und Fett- säuren allerlei Art bilden. Das wäre keine eigentliche Bromidrosis.

Eben so wenig wäre hieber zu rechnen der besondere Geruch, den die Emanation der Haut erlangt, wenn das Indi- viduum gewisse Nahrungsstoffe und Medikamente innerlich genommen oder inhalirt hat, oder überhaupt eine mit derar- tigen Stoffen geschwängerte Luft längere Zeit eingeathmet hat, welche sodann'durch die Hautdrüsen ausgeschieden werden, wie Knoblauch, Terpentin.

Unter krankhaften Zuständen des Organismus, allge- meiner Cachexie , Syphilis , Tuberculose , so\\de während der Florition gewisser acuter exanthematischer und fieberhafter Krankheiten, entströmt der Hautperspiration ein. intensiverer G-eruch , den manche Aerzte (Heim , Schönlein) als so charakteristisch wahrzunehmen erklärten, dass sie aus demsel- ben die jeweilige Krankheit diagnosticiren zu können vorgaben. Es wird wohl besser sein, seinem Geruchsvermögen nicht so

Physiologie der Scliweissabsoudernng. V^Ö

viel zuzumuthen und Scliarlach, ]\'[asern, Blattern dnrch andere Symptome zu unterscheiden , als nacli dem Geruchseindruck von frisch gerupften Federn , einer Menagerie , von frisch o-ebackenem Brede u. s. w.

Betrachten wir nun die Anomalien der nach ihren Quellen deutlicher unterscheidbaren Secretion, d. i. der Schweissabson- derung und Fettsecretion. Zunächst die

Anomalien der Schweisssecretion.

Die Anomalien der Schweisssecretion werden diu-ch die Berücksichtigung der P h y s i o 1 o g i e d e r S c h w e i s s- absonderung unserem Verständnisse näher gebracht.

Wie schon früher erwähnt, bildet das G-efässsystem jeder einzelnen Knäueldrüse ein kleines Wundernetz, indem der zutretende Arterienast zu einem die Windiuigen des Drüsen- schlauches umspinnenden Gefässnetze sich verzweigt, aus welchem wieder eine Sammelarterie austritt. Wir haben hier also ein Verhältniss wie bei den Malpighischen Körperchen der Niere. Es wird somit , wie das Secret der letzteren , auch das Secret der Schweissdrüse aus arteriellem Blute ausge- schieden.

Diese Analogie findet auch ihren Ausdruck in der che- mischen Zusammensetzung des Schweisses, soweit dieselbe bis jetzt festgestellt werden konnte. Der Schweiss ist eine sauer reagirende Flüssigkeit , welche um so weniger feste Bestand- theüe enthält, je reichlicher sie abgesondert wird. Sein Haupt- bestandtheil (etwa 990/0) ist Wasser, in welchem die auch sonst im Körper vorfindlichen Salze (Chlornatrium , phosphorsaiirer Kalk u. A.) in verschiedener , aber im Ganzen sehr geringer Menge gelöst sind. Nebstdem hat man Milchsäure (bei Arthri- tikern) , Harnsäure , Harnstoff und dessen Zersetzungsproduct, Ammoniak , eine eigene Hydrotsäure imd Indigo in demselben nachgewiesen. Die letzteren Bestandtheile bekunden wohl deutlich die Analogie mit dem Nierensecrete.

Ausserdem hat man im Schweisse auch Fettsäuren gefun- den , die schon durch den -eigenthümlichen Geruch sich ver- rathen, und zwar rührt das Fett nicht etwa von dem äusser- lich beigemengten Secrete der mit den Knäueldrüsen untermengt situirten Fettdrüsen her , sondern sicher von den Schweiss- drüsen selber , da solches sich auch dort gefunden hat , wo

126

Achte Vorlesung.

ausscMiesslicli Knäueldrüsen nnd gar keine Talgdrüsen vor- kommen, wie an der Flachhand ; von den grossen Achseldrüsen und den durch GtAY beschriebenen Circumanaldrüsen nicht zu reden, deren Secret denen der Ohrschmalzdrüsen analog zu sein scheint. Sicher rührt der eigenthümliche Greruch mancher Schweisse und besonders derjenigen mancher Hautregionen von solchen Bestandtheilen des Schweisses her.

Der Schweiss wird unter gewöhnlichen Verhältnissen in imperceptiler Menge ausgeschieden. Er verdampft lüebei, kann aber bei Verhinderung der Verdampfung , wie durch imper- meable Umhüllungen, WachstafFet, Kautschuk, abgekühlt, sich tropfbarflüssig niederschlagen. Bei activer oder passiver Erwär- mung des Körpers und stärkerer Füllung der Hautgefässe erscheint er in hellen Tropfen und reichlicher Menge.

Die Schweisssecretion hängt aber nicht nur von der durch die Herzaction bewirkten stärkeren arteriellen Füllung der Hautgefässe ab , sondern wird in hohem Masse vom Nerven- system beeinflusst. Jedermann weiss, dass psychische und sen- •«orielle Erregung des G-ehirns , Angst und Schreck , heftige Schmerzen , Magenübligkeit etc. den Schweiss in grossen Tropfen auf die Stirne oder au£ die gesammte allgemeine Decke hervortreten machen. Contraction der feinsten Arterien, wie unter dem Einflüsse der Kälte oder des Fieberfrostes, ist mit Sistirung, Relaxation der G-efässchen, wie in der Wärme, im Abfall der Fieberhitze, mit Steigerung der Schweissabsonde- rung verbunden. Es ist also kern Zweifel, dass durch örtKchen, centralen oder reflectorischen Nerveneinfluss, die Schweisssecre- tion gefördert oder gehemmt wird. Seit den letzten Jahren, seit das Studium der Gefässnerven und ihrer Centren so viele Experimentatoren beschäftigt , haben wir erfahren , dass die Bahnen der vasomotorischen Nerven auch diejenigen für die Schweisserregung sind ; dass durch Trennung nnd Reizung sympathischer Fasern und solche führender sensitiver Nerven die Schweisssecretion experimentell unterbrochen und angeregt werden kann, ganz so wie die Speichel- oder Pancreassecretion. Neben den zahlreichen Arbeiten über die G-efässnerven und deren Centren von Vulpian , Betzold , G-oltz , Samuel, OsTBüMOFF u. A. sind hier besonders die von Stricker über die tonischen G-efässnervencentren und über collaterale Innervation und die von Luchsinger und von Naveocki

Physiologie dor Scliweissabsonderung.

127

Über den Einfluss der Nervenerregung auf die Thätigkeit der Scliweissdrüsen in dieser Bezielinng besonders aufklärend.

Pathologisch belegt werden diese Verhältnisse durch die Beobachtungen von abnormer Schweissabsonderung, Ueberfluss oder Mangel, auf der Haut gelähmter Körpertheile, im Bereiche von einzelnen sensitiven Nerven, welche gelähmt, oder im Gre- gentheil erregt , gereizt sind , wie bei Migrän , Verletzungen, Zerrung durch Narben (Mitchell) , also auf einzelne Inner- vationsgebiete beschränkte Anomalien der Schweisssecretion.

Die Analogie mit den schon geschilderten neurospastischen und neuroparalytischen Hyperämien der Haut ist unverkenn- bar. Begreiflich , da ja auch die Schweisssecretion zunächst und unmittelbar von den örtlichen Circulationsverhältnissen der die Knäueldrüsen umspinnenden Grefässnetze regulirt wird.

Der nächste physiologische Zweck der Schweisssecretion scheint die Wärmeregulation zu sein, da derselbe im Allgemeinen bei erhöhter Körpertemperatur in bedeutendem G-rade sich ein- stellt und durch seine nachträgliche Verdunstung dem Körper Wärme entzieht. Nebstdem muss auch dem Schweisse ein excretorischer Zweck zugeschrieben werden. Dies scheint nicht nur durch die vorher aufgezählten Bestandtheile desselben ausgedrückt , sondern auch durch die Erfahrung , dass die Nierensecretion unter physiologischem Befinden des Indi- viduums im AUgemeiuen zu der Schweissabsonderung quanti- tativ in proportionalem Verhältnisse steht. Je reicher die Transpiration , desto spärlicher und concentrirter die Nieren- ausscheidung und umgekehrt.

Diese Alltagserfahrung hat sicherlich mit zu der Annahme geführt, welche noch vielfach gelten^ gemacht wird , dass das Zurücktreten des Schweisses oder die Unterdrückung der Schweisssecretion , namentlich der pathologisch gesteigerten, schädliche Folgen für den Organismus, Erkältungskrankheiten oder noch viel ärgere IJebel nach sich ziehen könne.

Es ist nicht in Abrede zu stellen, dass, wie unter gestei- gerter Nierensecretion bestehende Exsudate und Oedeme rascher zur Resorption gelangen , dieses Resultat durch gleichzeitige Steigerung der transpiratorischen Hautthätigkeit mit gefördert wird. Allein diese Secretionsverhältnisse sind zunächst selber eine Folge des Fiebernachlasses und der mit letzteren sich einstellenden Gefässthätigkeit überhaupt. Keineswegs aber

128

Achte Vorlesung.

begründen sie die Annahme, dass mit einer geringeren Haut- transpiration ein etwa vorhandenes Exsudat zunehmen oder ein inneres Organ erkranken müsse, da ja die normal funetio- nirenden Nieren unverhältnissmässig mehr an UmsatzstofFen ausscheiden, als die Schweissdr äsen, deren Secret bekanntlich fast pures "Wasser ist. Am allerwenigsten kann von einem Zurücktreten des abgesonderten Schweisses die Rede sein. Denn solches ist physiologisch eben so wenig denkbar , wie das Zurücktreten von Harn , wenn dessen Abfluss keinerlei Hinderniss im Wege steht. "Wir fürchten ein solches Zrunick- treten darum gar nicht, weil es unmöglich ist, und scheuen auch nicht die übermässige Secretion der Schweissdrüsen zu bekämpfen, dort, wo sie pathologisch erscheint. "Wir trachten vielmehr solche zu heilen , gerade so wie die Polyurie, und haben so wenig , wie unser reich erfahrener Lehrer Hebra, von einer solchen Heilung jemals Nachtheil gesehen. "Weim wir über etwas uns in dieser Beziehung zu beklagen hätten, wäre es gerade das Gregentheil, dass es uns nämlich oft schwer oder gar nicht gelingt , die übermässige Schweisssecretion zu hemmen.

Fast fürchte ich Ueberflüssiges zu sagen, wenn ich darauf aufmerksam mache, dass das plötzliche Versiegen des Schweisses in der kalten Luftströmung kein Zurücktreten des Schweisses, sondern ein rasches Verdampfen des schon vorhandenen Secre- tes bedeutet.

Für die allgemeine Pathologie wäre hier der Anknüpfungs- punkt zur Erörterung der sogenannten „Erkältungskrankheiten" gegeben, welche in der Medicin von jeher mit mehr oder weniger Geschick , aber im Allgemeinen mit nicht viel Grlück ventiürt worden sind. Wir haben aber den Weg einzulialten, der, wie Sie bemerkt, von der Betrachtung der physiologischen Schweissabsonderung uns zu der ihrer Pathologie geführt hat.

Die Schweissabsonderung erscheint pathologisch in quantitativer oder qualitativer Beziehung.

In ersterer Rücksicht nimmt man als krankhafte Zustände an die übermässig gesteigerte Schweisssecretion Dysidrosis s. Hyperidrosis und den Zustand ihrer abnormen Verminderung Anidrosis.

Man sj)richt von HyperidrosiS als einem krankhaften Zu- stande, wenn eine übermässige Menge von Schweiss, also m

Quantitative Auomalieii des Schweisses. Hyperidrosis. 129

Tropfen , unter solulien Umständen anf der Haut erscheint, nnter welchen dies bei den meisten Menschen nicht der Fall zu sein pflegt. Es gehört also nicht hieher das excessive Schwitzen, das bei erhöhter Körperwärme, durch Sonnen- oder Feuerhitze , körperliche Anstrengung , bei der Arbeit, auf dem Marsche, beim Tanzen etc. hervorgerufen wird. Eben so wenig haben wir hier jene übermässige Schweiss- absonderung im Auge , welche als begleitendes oder Folge- SAonptom anderweitiger Allgemeinerkrankungen , des acuten imd chronischen Fiebers, der Tuberculose , der chronischen Cachexie erscheint und bei acuten Fieberzuständen (Typhus, Pneumonie) auch als „kritisch" gedeutet wurde. In der Zeit von 1485 bis 1550 hat, nach vorKegenden Berichten, in Eng- land, Frankreich und DeutscUand eine durch übermässige Schweissausbrüche charakterisirte Epidemie fünfmal geherrscht, die als Sudor anglicus in der Geschichte der Krankheiten aufgeführt wird. Eüie gleiche Epidemie wird vom Jahre 1718 aus der Picardie gemeldet, Suette de Picardie. Es dürfte sich da um fieberhafte Krankheiten gehandelt haben.

Den Gegenstand der Dermatopathologie bildet die von derartigen Ursachen unabhängige, als selbstständiges Hautübel sich darstellende Hyperidrosis.

Dieselbe betrifft entweder die allgemeine Decke in ihrer ganzen Ausdehnung Hyperidrosis universalis, oder ist nur auf einzelne Körperregionen beschränkt Hyperi- drosis localis.

In allgemeiner Verbreitung begegnen wir der Hyper- idrosis zumeist bei fettleibigen , seltener bei massig genährten Indi^nduen. Eine geringe körperliche oder geistige Anstren- gung, der Aufenthalt in nur massig erwärmten Räumen, psy- chische Erregung, Verlegenheit, Ungeduld veranlasst bei ihnen eine plötzliche und profuse Schweissaussonderung. Die Haut fühlt sich dabei entweder warm an und turgescent , oder^ sie ist kühl , namentlich bei längerem Verweilen des Schweisses auf der Haut. Letzteres rührt wohl von der Wärmeentziehung durch die verdampfende Flüssigkeit her.

Die Hyperidrosis universalis tritt bei Manchen zwar häufig, aber jedesmal nur auf kurze Zeit ein, bei Anderen ist sie habituell und continuirlich. Die Personen diffluiren förmlich fortwährend von Schweiss. Als krankhafte Function der Haut

K apo ai , Hautkrankheiten. 9

j.j^j AcMe Vorlesung.

bestellt sie meist viele Jahre hindurch und betrifft sie fast ausschliesslich das mittlere Lebensalter. Doch trifft sich die- selbe auch bei frühzeitiger Fettsucht im ersten Jünglings- alter. , . , T Dem Ausbruche des copiösen Schweisses geht meist die

unangenehme Empfindung des Prickeins und Stechens der Haut, zuweilen auch das Gefühl der Beklemmung , Oppression , vor- aus. Hebra leitet diese Empfindungen von der Blutüber- füllung in den Papülargefassen her , durch deren Turgescenz die Hautnerven gereizt würden. Es scheint dies sehr plau- sibel. Nach dem Erscheinen der Schweisstropfen lassen diese unangenehmen Empfindungen nach und die Kranken fühlen sich behaglicher, erleichtert.

Mit dem Ausbruche der profusen Schweisse erscheint bis- weilen auf der Haut ein Exanthem, bestehend aus hirsekorn- grossen und etwas grösseren, massig juckenden, lebhaft rothen und derben Knötchen, oder mit wasserheUer Flüssigkeit gefüll- ten Bläschen. Es steUt die als Sudamina, prickley heat, calori, Hitz- oder Schweissblätter chen bekannte Hautkrankheit vor, welche bei jedem Menschen, besonders auf zarter Haut, darum besonders leicht bei Kindern, aufzutreten pfle- gen, wenn durch übermässige Hitze profuse Schweissabsonderung bei denselben veranlasst wird. Man kann nicht sagen , dass die Sudamina eine Folge des Schweisses sind, in dem Sinne, dass dieser die Oberhaut erweichen und die Papillen irritia-en würde, wie dies z. B. reizende Salben, heisse Bäder, protrahixte Catapiasmen zu thün vermögen. Denn die Sudamma erschei- nen fast gleichzeitig mit dem Schweisse, sie scheinen das Product der wässerigen Ausscheidung aus den blutüberfüllten Papillen zu sein. Wie durch die Schweissdrüsen Schweiss, so tritt aus den PapiUargefässen Flüssigkeit zwischen die Epidermisschichten aus und erhebt sie zu Knötchen und Bläs- chen. Dennoch hat das Exanthem die Bedeutung der Haut- krankheit, welche wir als Eczem kennen lernen werden , zu dessen charakteristischen Formen es sich ohne weiteres ent- wickeln kann, wofern die Haut durch die andauernde Benetzung mit Schweiss oder durch unzweckmässige Behandlung gereizt wird. Bei zweckmässigem Verhalten jedoch und im Falle die Hyperidrosis nur vorübergehend war, sinken die Knötchen und Bläschen alsbald ein. Letztere haben noch feine Abkleiung der

Hyperidrosis.

131

abgehobenen Epidennisblättclien zur Folge und die Haut kelirt

zur Norm zurück. , -n c< j '

Obgleich wir von der Behandlung des Eczema buda- men unter dem Capitel Eczem noch sprechen werden, mache ich doch schon hier darauf aufmerksam, dass beim Vorhandensein der Sudanlina aus dem angeführten Grunde AUes vermieden werden muss , was die Haut weiter zur Schweissproduction veranlassen imd irritiren könnte. Bäder, Hitze, warme Beklei- dung, echauffirende Getränke und körperliche Bewegung sind zu meiden. Die Haut wird durch Benetzen mit Alcohol, Eau de Cologne und Aehiilichem abgekühlt , der Schweiss durch Bestreuen mit Amylum (Poudre) aufgesogen.

Als eigentKche Eolge der Hyperidrosis universalis ist die Maceration der Oberhaut und ßöthung der Haut Eratt, Erattsein, Intertrigo, an solchen Stellen zu beob- achten, welche für das Verbleiben des Schweisses und der erneuerten Production desselben besonders günstig sind , also an den aneinanderHegenden Hautfalten der Genitalien, der Hängebrust und des Stammes u. s. f. Auch dieser Zustand kann sehr leicht zum Eczem sich steigern Eczema Inter- trigo — und wird seiner Zeit näher besprochen werden.

Häufiger und praktisch wichtiger ist die Hyp eridr o sis localis. Sie stellt die auf einzehie Hautbezirke beschränkte habituelle abundante Schweisssecretion vor. Gesicht (Stirne und Kinn), behaarter Kopf, die Haut der Achselhöhle und des Schenkelbuges, Elachhand und Eusssohle sind ihr häufig- ster Sitz.

Die übermässige Schweissabsoiiderung der Achselhöhlen findet sich besonders häufig bei Erauen und ist in der Regel zugleich mit penetrantem Gerüche verbunden Osmidrosis. Sie belästigt durch diesen, sowie durch die Verfärbung, welche die von dem Schweisse imbibirten Kleider erleiden. Bei län- gerer Dauer hat dieselbe Eczem zur Eolge.

Hyperidrosis palmae manus ist ein höchst pein- licher Zustand. Wie oft auch gewaschen und getrocknet, bedeckt sich der Handteller und die innere Eläche der Einger sofort wieder mit hellen Schweisströpfchen , die aus den mit freiem Auge erkennbaren, erweiterten Mündungen der Schweissdrüsen hervortreten.

HabitueU schwitzende Hände fühlen sich jederzeit feucht

•|^g2 Achte Vorlesung.

külil lind klebrig an. Ein solclier Zustand maclit die Hand der schönsten Dame weniger begehrlich zum Erfassen und mag gar oft selbst die Grlut entgegengebrachter Liebe abgekühlt haben. Die Betroffenen fühlen dies. Sie wischen eilends ihre Hand ab, bevor sie dieselbe zum G-russe reichen. Ihre Hand- schuhe werden sofort dnrchnässt und verfärbt , ihre Hand- arbeiten sehen immer schmutzig und fett aus. Demi es ist sicher , dass die Schweissdrüsen auch Fett absondern. Sie sehen, dass mit habituellem Handschweisse behaftete Personen auch im Berufe und in der praktischen Carriere bedeutend o-estört werden können. Im TJebrigen kann der Zustand jahre- lang bestehen , ohne die Haut örtlich besonders zu verändern. Höchstens erscheint die Epidermis zart, hie und da in Bläschen- form abgehoben, sich abblätternd, an den Eingerspitzen gerunzelt. Nur selten kommt es zur Bildung von grieskorngrossen und auch grösseren Bläschen und Blasen, selbst Pusteln, ein Vorkommen, das zur Aufstellung einer besonderen Krankheitsform durch Hut- chinson (Cheiro-PompoHx), Tilbüry Eox Pysidrosis), Robinsgn (Pomphoüx) Veranlassung gegeben hat , mit Unrecht , wie wir bei Besprechung des Eczems erfahren werden. Denn es handelt sich hier thatsächlich nur um Erscheinungen von acu- ten Eczem-Äusbrüchen.

Der geschilderte Zustand findet sich vorwiegend bei jugendlichen Personen beiderlei Greschlechtes, öfters in Verbin- dung mit Chlorose und schlechter Verdauung. Doch habe ich denselben auch im mittleren Lebensalter beobachtet und zwar auftauchend ohne die geringste nachweisbare Ursache und bei andauerndem Wohlbefinden, Gleichbleiben der Lebensweise, Berufsbeschäftigung etc. des Betroffenen. Ebenso pflegt die Hyperidrosis ohne merkliche Veranlassung nach Monaten oder Jahren wieder zu verschwinden.

Immerhin gehört das Uebel zu den lästigsten und hart- näckigsten.

Dasselbe gilt den von den habituellen Fussschweis- sen, Hyperidrosis pedum. Grelegentlich kann Jeder von profusem Fussschweisse und dessen örtlichen Folgen be- troffen werden , z. B. auf eiaem stärkeren Marsche in der Sommerhitze. Durch den Schweiss wird die Oberhaut, nament- lich an den aneinander liegenden Zehenflächen und Uebergangs- falten, an den Zehenspitzen und Pusssohlen erweicht, losgelöst,

Hyperidrosis.

133

die Haut blossgelegt, rissig , liöchst sckmerzliaft. Das Klam- mem mit den Zelien , das feste Auftreten wird erschwert , ja unmöglich.

Nicht anders ist es bei habituellen Fussschweissen. Nur dass hier der Zustand , wie die Hyperidrosis , anhaltend , oft seit den frühesten Kinderjahren bis ins Mannesalter andauernd ist, allerdings in der kalten Jahreszeit und bei ruhigem Ver- halten etwas massiger, als im Sommer und bei vielem Umher- gehen. Deshalb treten auch die Betroffenen vorsichtig , wie beim Eiertanz auf. Hyperidrosis pedis wird aber in der Regel zugleich zum Stinkschweiss Bromidrosis , wie Hebra o-ezeifft, nicht etwa, als wenn der frisch secernirte Fussschweiss schon einen besonders penetranten Geruch hätte, sondern weü die Beschuhung von dem Schweisse imprägnirt wird und durch die Zersetzung und Fäulniss des letzteren eben übelriechend wird.

Mit der Beseitigung der Beschuhung ist auch der Stink- schweiss entfernt. Allein es ist ersichtlich , dass es nicht Jedermanns Sache ist, in jeder kurzen Frist neue Beschuhung zu nehmen. Somit belästigt der habituelle Fussschweiss den Betroffenen nicht nur durch die anhaltende Maceration der Füsse, die Behinderung im Grehen, sondern auch direct imd indirect durch die begleitende Bromidrosis. Letztere macht Um unerträglich für seine Umgebung. Er steht überall im übelsten Gerüche und wird in Dienst und Amt , die dessen persönlichen Verkehr bedingen, nicht geduldet. Ein trauriges Los.

Hand- und Fussschweisse finden sich zuweilen bei dem- selben Lidividuum. Viel häufiger jedoch konuneu sie nicht combinirt vor.

Ueber die entferntere Ursache der Hyperidrosis localis sind wir vollkommen im Dunkel. Li \'ielen Fällen kann sie als einfache Steigerung der physiologischen Hautfunction hin- gestellt werden. Von den Handschweissen habe ich schon gesagt , dass sie zuweilen mit Chloranämie und chronischer Indigestion vergesellschaftet sind.

Die nächste Ursache der Hyperidrosis liegt aber immer im Cajjillargefässsystem der Haut, zunächst der Knäueldrüsen und der Papillen. Und zwar ist es eiimial eine active Bhit- überfüllung , wie bei der durch Hitze gesteigerten Schweiss- secretion der Achselhölilen , der Genitalien , oder eine passive, auf (paretischer) Dilatation beruhende Lijection.

Aclito Vorliisung.

Wie icli nun bei Besprechung der Hyperämien ausein- andergesetzt, so sind es die vasomotorischen Nerven, die diese Verhältnisse reguliren. Und es sind darum auch aUe jene neurotischen Verhältnisse bezüglich der Hyperidrosis (univer- salis) und localis zu berücksichtigen , welche bei den Hyper- ämien zur Sprache gekommen sind, weshalb ich mich beschränke auf das dort Gesagte hinziaweisen.

Wir begreifen unter diesem Hinweise ganz gut, wie unter dem Einflüsse psychischer Erregung , Schreck , Angst, Verlegenheit, oder örtlichen Schmerzes, durch einen vom Centrai- organe ausgehenden oder reflectorischen Reiz , allgemein oder örtlich eine profuse Schweissabsonderung erscheinen mag. Es ist dies auch experimentell producirt worden , indem Claude Bernard nach Durchschneidung des Halssympathicus mit der eintretenden Gefässlähmung auch copiöse Schweisse im Läh- mungsbereiche auftreten sah. Dasselbe ätiologische Verhältniss waltet in den zahlreichen Fällen ob, in welchen nach vereitern- der Parotitis , im Bereiche verletzter , gereizter , gelähmter, sensitive und Gefässnerven führender Nerven Hyperidrosis beobachtet worden ist.

So reihen sich denn an diese naturgemäss jene Formen von Hyperidrosis localis, welche bestimmten N e r v e nb e zir ken entsprechen , z. B. bei Migrän die entsprechende Stirn- und Kopfhälfte betreffen , oder in paraplegischen Fällen selbst aiif eine ganze Körperhälfte ausgedehnt sind. Derartige Beobach- tungen sind von Hartmann, Er. Wilson, Hebra und auch von mir gemacht worden , dass z. B. bei einer Frau zeitweüig m Verbindung mit Migrän die eine Stirnhälfte kühl und trocken, die schmerzhafte, entsprechend der Ausbreitung des N. frontalis, sanft geröthet und mit perlendem Schweiss bedeckt erschien. Li einem solchen FaUe von Hyperidrosis der linken Körperhalfte haben Frankel und Ebstein die Ganglien des entsprechenden Halssympathicus bei der mikroskopischen Untersuchung ähnlich erkrankt gefunden, wie ich dies bei Zoster gefunden eine Anschoppung von Blutkörperchen in Gefäss- oder Lymphräumen.

Dennoch bleiben noch immer die meisten Fälle von Hy- peridrosis localis ätiologisch ganz unaufgeklärt.

Was die Vorhersage anbelangt, so haben wir für die- selbe höchstens in den rein neurotischen Formen einige Grund- lage. Auch da wird sie höchst unbestimmt lauten müssen.

Hyperich'osis.

135

Bei den gewöhnliclien Formen der Hyperidrosis der Achsel- höhle , der Machhand nnd Fusssohle können wir die Prognose insofern nicht ungünstig stellen, als häufig nach mehrjähriger Dauer die Erkrankung spontan sistirt , und die Behandlung zumeist von einigem oder selbst vollständigem Erfolge sein kann. Leider widerstehen doch auch manche Fälle jedweder Therapie.

Für die Behandlung der Hyperidrosis der Achselhöhle, der Genitalien und Flachhand, sowie der leichteren Formen der Fussschweisse empfelilen sich häufige "Waschungen mit Tannin- (1 Gramm auf 250 Gramme Alcohol oder Wasser) , Alaun-, Sodalösung , Decoct , cort. Quercus (20 ad 500) , Sublimat (1 ad 400), Kali hypermangan. (5 ad 400), Natron ammoniat. und Aehnlichem, einfachem Alcohol und Aether, oder mit Zusatz von Extract. Aconiti (1 ad 200), Colombo u. dgl., für die Hände und Füsse solche Flüssigkeiten auch als locale Bäder. Nebstdem muss für die Aufsaugung des Schweisses und die Isolirung gegenüberstehender Hautfalten gesorgt wer- den durch häufiges Einstreuen von Puder , Amylum tritici, oryzae, pur oder mit Zuthat von Oxyd. Zinci, Plumbum car- bonicum , Cremor tartar. pulverisirt , acid. salicyl. (1 ad 40 Amylum) und Einlegen von mit solchen Pulvern belegter Charpie. Dies gilt namentlich für die Literspatien und Furchen der Zehen , die G-enitalfalten und Achselhöhle. Bei den Achselschweissen sind die von den Schneiderinnen beliebten Kautschuk- oder WachstafFt-Achseleinlagen der Damenkleider (Suette) höchst unzweckmässig. Sie veranlassen durch Behin- deriing der Verdunstung nur bedeutendere Schweissansammlung und Hautreizung.

Was speciell noch die Fussschweisse anbelangt, so kann man mit den genannten Mitteln in den leichteren Fällen ausreichen. Das Einlegen von Puder-Bäuschchen zwischen die Zehen wnd die untere Zehenfurche muss täglich öfters wieder- holt werden.

In höheren Graden der Hyperidrosis und Bromidrosis pedis erweist sich die von Hebra schon vor vielen Jahren an- gegebene Behandhing mittels dessen U n g u e n t u m D i a c h y 1 i als sehr verlässlich.

Da diese Salbe einen heutzutage allgemein anerkannten. Schatz in unserem Arzneivorrath bildet und in der Praxis die

-j^gß Achte VorlosuiiK.

verbreitetste Anweudung findet , so sollen Sie dieselbe aucli näher kennen. Sie ist nrspribiglicb nach Hebea's Angabe au* Eniplastr. Diacbyli simplex mit Oleum lini , spater mit Oleiim oKvar. durch Verkochen bereitet worden. Seit Jahren schon wird sie aus Lithargyrum und Oleum olivar. beschafft, nach der Formel: Rp- Lithargyri 100, Olei olivar. 400, sub leni igni et addendo pauxiUi aqu. font. coque usque ad fiat Ungentum consistentiae spissioris, dein adde: Olei lavandul.

10. D. S. Ungu. Diachyli. _

Zur Bekämpfung der hochgradigen Hyperidrosis und Bro- midrosis pedum wird nun diese Salbe auf je einen länglich vier- eckigen , zur Einhüllung des Fusses genügend grossen Fleck reiiier, gut gewaschener, grober Leinwand messerrückendick ge- strichen. Der Fuss, der eine und der andere, reia gewaschen und abgetrocknet, wii^d auf den Salbenfleck gestellt. Zöschen die Zehen und in die Zehenfurche legt man mit Salbe bestrichene Plumas- seauxund schlägt nun den Lappen kmistgerecht über den Fuss zusammen. Darüber wird neue, d. i. früher von dem Kranken nicht getragene Umhüllung , Strumpf und Schuh genommen. Der Kranke kann dabei sehr gut seinen Geschäften nachgehen, thut aber besser liegen zu bleiben , weü die Salbe derart rascher günstig einwirkt. Nach 24 Stunden werden die Sal- benflecke abgenommen, die Füsse nicht gewaschen, sondern nur mit Charpie und Puder abgerieben und sofort wie Tags vorher mit einem frischen Salbenlappen belegt. Diese Procedur wird durch 10—14 Tage fortgesetzt. Nun lässt man die Salbe weg, beschränkt sich darauf, den Fuss fleissig einzupudern und Puder in die Falten eiaizulegen. Linerhalb der folgenden Tage stösst sich die Oberhaut in dicken , gelbbraunen , perga- mentartigen Schwarten ab, die Haut kommt mit schön weisser, zarter Epidermis zu Tage und die HjTeridrosis ist geheilt. Erst jetzt darf der Fuss gewaschen werden.

Noch durch lange Zeit, imd besonders nach längerem Marsche und in der Hitze, ist es für den Kranken zweckmas- sig , fleissig den Fuss und die Zehenfiu'chen mit Puder zu bestreuen, in die Zehenfurchen Puderbäuschchen einziüegen und selbst in die Strümpfe Puder zu geben.

Sollte der Erfolg nicht ein vollkommener sein , so niuss das Verfahren sofort nochmals wiederholt .werden. Die blei- bende Heilung ist derart bestimmt zu erreichen.

Anidrosis. 13'^

Wenii ich liier betone, dass weder Hebra bei seiner reichen einsclilägigen Erfahrung, noch ich oder sonst Jemand von der Behebung örtlicher profuser Schweisse nuttels ausser- licher Mittel jemals eine nachtheüige Wirkung auf ein inneres Oro-an oder das Gesammtbefinden des Behafteten gesehen haben, so will ich damit Ihnen eine neue Waffe in die Hand geben o-eo-enüber dem häufig zu begegnenden Vorurtheüe, dass gefähr- liche Krankheiten des Organismus , selbst plötzlicher Tod ein- treten könne, wenn die habitueUe übermässige Schweisssecretion, besonders der Fussschweiss , durch Behandlung «i^tirt jyird, oder spontan atifhört, oder selbst nur durch plötzliche Abküh- lung vorübergehend verschwindet. Ich erinnere Her an das- iemge was ich bezüglich des Vorurtheüs von den vermemt- Hchen Folo-en des Zurücktretens und Zurückgetriebenwerdens der Hautausschläge gesagt habe. Denn beide Meinungen sind auf derselben Grundlage falscher Deutung klinischer That- sachen entstanden und von gleichem Unwerthe.

Der angedeutete Vorwurf wird weniger gegen jene „inneren" Medicamente erhoben , welche zur Bekämpfung der Hyperi- drosis, besonders der Hyperidrosis universaHs empfohlen und gerühmt worden sind, alsDecoct. CHnae, Extract. Aconita, Tonica und Eoborantia , besonders aber- Diuretica , welche eine vica- rürendeNiereii-Hypersecretion anregen soUten, offenbar darum nicht, weil dieselben überhaupt erfolglos sind und die patho- logische Schweissabsonderung trotz ihres Gebrauches fort- besteht.

Der der Hyperidrosis entgegengesetzte Zustand, AnidrOSlS, bedeutet die mangelhafte oder vollständig mangelnde Schweiss- secretion. Mit derselben ist eine trockene, spröde Beschaffenheit der Epidermis und die subjective Empfindung der Trockenheit, Spannung, Unbehaglichkeit des Gemeingefühls, Kitzeins und Juckens verbunden.

Anidrosis cutis kennt man wohl nicht als selbstständiges Hautül)el. Sehen wir von der Eigenthümlichkeit einzelner Individuen ab , die bei Hitze und Anstrengung gar nicht oder nur unmerklich in Schweis» gerathen , so ist Anidrosis als

Achte Vorlesung

pathölogisclier Zustand der Haut durchwegs ein begleitendes Symptom gewisser allgemeiner Ernährungszustände, oder mancher Hautkrankheiten von sonst noch mehr charakterisirtem Gepräge, wie Prurigo, chronisches Eczem, Psoriasis, Ichthyonis, Xeroderma mihi. Darnach ist die Anidrosis eintnal universell, wie bei Diabetes mellitus und insipidus , bei von Tuberculose oder Krebs kachektischen Personen. Hiebei kann der mangeln- den Schwei sssecretion eine übermässige oder alterirte Secretion aus den Talgdrüsen parallel gehen. Oder die Anidrosis ist wie das bezügliche Hautexanthem mehr localisirt und in beiden Fällen bald vorübergehend , bald dauernd. Bei der mit Dermatonosen vergesellschafteten Anidrosis stellt sich ein regelmässiges Wechselverhältniss zwischen beiden her- aus, so dass jedesmal mit dem Kommen und Schwinden der Hautkrankheit auch die Schweisssecretion versiegt und wie- der erscheint. So ist z. B. eine von Eczema chronicum be- haftete Hautstelle zugleich anidrotisch , sie transpirirt dage- gen wdeder, sobald das Eczem abnimmt und schwindet. Auch dieser Umstand ist im Sinne der Dermapostase gedeutet wor- den, als wenn das Eczem , der Ausschlag , als eine Art Ab- lagerung nach aussen deshalb erschienen wäre, weil der Schweiss und dessen Producte im Körper zurückbehalten worden wären. Man hat ganz übersehen, dass gerade jene Hyperämien, welche die genannten chronischen Exantheme, Eczem, Psoriasis , bedin- gen, zugleich auch mehr ProductionsstofFe den Knäueldrüsen zuführen , und dass ebenso mehr Schw^eiss abgesondert werden könnte, wie übermässig Serum exsudirt und Epidermis produ- cirt wird. Wenn unter solchen Umständen die Schweissdrüsen dennoch nicht functioniren, so muss eben die im Eczem, in der Psoriasis gelegene Ernährungsstörung der Haut dies verschul- den , wie denn auch thatsächlich die Haut wieder regelmässig thaut , sobald die die Dermatonose darstellende Ernährungs- alteration schwindet. Niemals findet aber ein umgekehrtes Ver- hältniss statt.

Ihrer Ausbreitung und Localisation nach folgt denn auch die Ajiidrosis genau der Ausbreitung und Localisation der Derma- tonose, ein Umstand , der mit Rücksicht auf die gerügte An- sicht von den Dermapostasen nicht genug hervorgehoben werden kann und in der Symptomatologie der betreffenden Hautkrank- heiten gebührende Beachtung finden wird.

Qualitative Anomalien des Schweisses. 139

Ausser der örtlichen Ernährungsstörung kann auch ein nervöser Einfluss regionär Anidrosis veranlassen, so dass im Bereiche von gelähmten, oder neuralgisch irritirten Haxxtstellen, auf der von Migrän befaRenen Stirn oder der gelähmten KörperhäHte , wie einmal Hyperidrosis , so em andermal Anidrosis sich geltend machen kann.

Die Therapie und Prognose der Anidrosis fäUt mit der des sie bedingenden örtlichen oder aUgemeinen Krankheits- zustandes zusammen.

Ueber die qualitativen Anomalien der Schweiss- se cretion stehen uns nur sehr wenige positive Erfahrungen zu Gebote, um so erklärlicher, als ja über die physiologische Quaütät des Schweisses unsere Kenntnisse nur sehr lückenhaft sind Sie beziehen sich auf unbestimmte Alterationen im be- r,,che Bromidrosis s. Osmidrosis, in der Färbung Chromidrosis, oder auf abnorme substantielle Bei- mengungen.

Was von der Osmidrosis oder Bromidrosis zu gelten habe , ist schon gesagt worden! Ich meine, dass bei manchen Personen die gesammte Ausdünstung der Haut oder das Secret gewisser Hautregionen, der Achselhöhle, der Genitahen durch einen ganz specifischen Geruch sich charakterisirt (Osmidrosis) und dass der eigentliche Stinkschweiss (Bromidrosis) nur die Eolge der Zersetzung des in der Beschuhung imprägnirten Schweisses ist. Ebenso habe ich mich über den AVerth der Yon manchen Aerzten, Heim, Schönletn u. A., geäusserten Behauptung ausgesprochen, derzufolge der Hautausdünstung bei gewissen Allgemeinerkrankungen , Blattern , Scharlach, Typhus etc., ein charakteristischer Geruch zukäme.

Als FäUe von Chromidrosis werden von den Autoren solche angeführt, in welchen der Schweiss äufiaUige, gelbe, grüne, schwarze und blaue Eärbung darbot. Als Träger der blauen Färbung des Schweisses ist einmal phosphorsaures Eisen- oxydul (Schereb) , ein andermal (Schwarzenbach) eine dem Pyocyanin von Fordos analoge Cyanatverbindung, einmal ein mikroskopischer Pilz (Bergmann), dessen Gonidienkerne blau

140

Aclite Vorlesung.

erschienen, und wieder einmal Indikan und Berlinerblau (Ap- JOHN, Bizio) augegeben worden.

Als durch besondere substantielle Beimengungen charakterisirte Anomalien des Schweisses werden angeführt: Hämatidrosis , kein eigentliches Blutsch^AnLtzen , sondern das gelegentliche, ohne Trauma veranlasste Austreten arteriel- len Blutes aus den Hautporen , wie solches Finol , Schilling, Lenhossek , "Wilson , Hbbea u. A. beobachtet haben. Grenau erzählt Hebea, dass er einmal auf dem Handrücken eines jun- gen Mannes, entsprechend der Mündung einer Schweissdrüse, Blut in einem 1"' hohen tuid spiralig geformten Strahle her- vorkommen gesehen. Es ist also eine Erscheinung der leichten Zerreisslichkeit von Capillaren, wie bei Blutern. In einem' Ealle (Tittel) , der ebenfalls ein zu Blutungen auch in ande- ren Organen disponirtes Lidividuum betraf, hat Wagner die Schweissdrüsen als Sitz der Hautblutung, sowie Eeanque in einem analogen Falle Blutkörperchen in der ausgetretenen Flüssigkeit nachgewiesen.

Von G-alaktidrosis sprach man nur, so lange man noch an „Milchmetastasen" und „Verschlagen" der liilch bei "Wöchnerinnen geglaubt und den Puerperalprocess , sowie die ihn begleitenden Schweisse auf solches zurückgeführt hat.

Dagegen liegen der Annahme einer Uridrosis, d. i. einer Beimengung von Harnbestandtheilen zum Secrete der Schweiss- drüsen, positive Thatsachen zu Grunde. Schon die älteren Autoren haben, ohne über die Mechanik der Harnsecretion und der Schweissabsonderung besonders orientirt zu sein, von Sudor urinosus gesprochen, lediglich nach den Wahrnehmungen eines urinösen G-eruches am Schweisse. Seither liegen aber positive Befunde vor, zunächst von Harnstoff , den Schottin, Dräsche, Treitz, Hirschprüng, Kau]? und Jürgensen u. A. im Hautsecrete, allerdings nur in Ausnahmfällen, nachgewiesen haben. Speciell hat Dräsche bei Cholerakranken während der Epidemie von 1855 zwölfmal und Schottin in drei Fällen auf der Haut der Stirne, des Gesichtes und anderer Körperstellen Scliüppchen abgesam- melt , welche bei der mikroskopischen und chemischen Unter- suchung sich als aus Harnstoff bestehend erwiesen. Die glei- chen Beobachtungen von Kaüp und Jürgensen betrafen Lidi- viduen mit atrophischen Nieren und solche ohne jegliche Xiereu- und Blasenaffection. Die genannten Schüppchen waren 1 2

Auatoraiseliü Veriuulonmgon der Sclnveissdrüsen 141

Tage vor dem Tode auf der Haut erscliienen. Jedenfalls ist die Beinieng-mig von Harnstoff und des ebenfalls nacligewiese- nen Ammoniak ein Ausdruck der vicariirenden Function der Nieren mid der Schweissdrüsen. In dem gelegentHch gemachten Nachweise von Eiweiss im Sckweisse einzelner Kranker (Ledbe), von Bilin, Biliphaein und Urerytlirin ist dieses Verkältniss er- heblicli weiter commentirt.

Dass die meisten uropkanen StoflPe , die durch den Digestionstract, oder eingeathmet in die Blutbahn und zur "Ausscheidung diirch die Nieren gelangen, auch durch die Haut- secretion ausgefördert werden, wie Terpentin , Theer , Balsa- mica, Jod, Arsenik u. A., gibt nicht weiter Veranlassuxig zur Aufstellung besonderer Arten von quaKtativen Anomalien der Schweisssecretion.

Air die besprochenen Anomalien der Schweissabsonderung scheinen von keinerlei nachweisbarer anatomischer Ver- änderung der Knäueldrüsen abhängig zu sein. Nur ViRCHOW gibt an , bei Pthisikern , die an profusen Schweissen litten, manchmal Vergrösserung der Drüsen und fettige Meta- morphose ihres Auskleidungsepithels gefunden zu haben.

Von anatomischen Veränderungen der Schweissdrüsen ist überhaupt erst in den letzten Jahren etwas mehr bekannt geworden. Dieselben stellen aber grösstentheils Theilerschei- niuigen anderweitiger histologischer Veränderungen der Haut vor, wie bei Lupus, Carcinom, Lupus erythematosus, Elephan- tiasis Arabum et Graecorum. Hieher gehören die Befunde von erweiterten und vergrösserten Schweissdrüsen bei Lepra (Brücke, G. Simon), von Atrophie derselben in Hühneraugen (v. Baeeensprung) von Entartung ihres Epithels bei chronischer Dermatitis (Gay), von Entzündung des sie begrenzenden Binde- gewebes bei Lupus erythematosus, die ich angegeben, u. s. f. Sie betreffen auch nur die in das anderweitige Erkrankungs- gebiet fallenden Drüsen, nicht aber den Schweissdrüsen-Appa- rat im Allgemeinen. Ihre Erörterung ist also hier nicht am Platze. Eben so werden die Schweissdrüsen selbstverständlich in entzündliche Processe der Cutis mit einbezogen, und es scheint daher überflüssig von einer Hydro sadenitis phlegmonosa (Verneuil) zu sprechen, da eben eine solche als isolirter Process nicht vorkommt.

j^^9 Achte Vorlesung. Anat. Veränderung der ScliweisBdrüsen.

Was dagegen die vielfach citirte, von Lotzbeck bescliriebene Scliweissdrüsengeschwnlst" anbelangt , so darf icb sie wobl für ein Epithelialcarcinom halten , in welchem oft handschuh- fino'erförmige , gemindene , allerdings enorm vergrösserten Schweissdrüsen ähnliche, mit proliferirenden Zellen erfüllte Schläuche vorkommen. Ich selbst habe solche in einer cham- pignonähnlichen Geschwulst von der Wange einer Person gefunden, die gleichzeitig einen flachen Hautkrebs auf der Nase hatte. Es ist aber nicht für alle Fälle noch erwiesen, ob diese Schläuche Lymphräume sind (Köstee) , oder ausge- wachsene ßetezapfen.

^ieunte Vorlesung.

Anomalien der Fettsecretion.

Phvsioloqie der Fettsecretion. Pathologie. Uebernnässige Sec-retion. Seborrhoea localis et xxniversalis. Diagnose, Prognose, Therapie. Vernriin- derte Seeretion. Xerosis. Qestörte Exeretion, ihre Folgen als Retemions- formen. Comedo, Müium , Molluscunri verrueosiim s. contag.osunn.

Atheroma.

Wir kommen heute zur Besprecliung jeuer Hautkrank- heiten , welche in pathologisclier Aenderung der zweiten Art von Hautabsonderung, d. i. der Fettsecretion bestehen.

Erinnern Sie sich , dass das physiologisch zur BeÖlung der Haut und der Haare bestimmte Fett von den Talgdrüsen nicht in der Weise producirt wird, wie der Schweiss von den Knäueldrüsen. Dieser, in dem Blute präformirt, wird aus den Capillaren der Schweissdrüsen abgesondert und durch die letz- teren als fertiges Product nach aussen an die Hautoberfläche gefördert.

Die Fettbildung in den Talgdrüsen geht anders vor sich. Es entstehen , analog der Epidermisregeneration im Eete , in der Tiefe der Fettdrüsen , fortwährend junge Zellen , wahr- scheinlich durch Proliferation der Epidermiszellen , welche die Drüsenläppchenwand von innen bekleiden. Im successiven Vorrücken nach der Höhle der einzelnen Läppchen und der Drüse umwandelt sich ein Theil ihres Inhaltes , ihres Proto- plasma, zu Fett und wird zugleich ihre Wandung trocken, brüchig. Das Fett erscheint anfangs in kleinen , später in zusammenfliessenden grösseren Tropfen im Innern der Zellen. Diese fetthaltigen Zeilen nun und ihre Trümmer sind es , die nach und nach von den nachrückenden vorgeschoben und in den

■^^^ Neiinte Vorlesxing.

eigenen , oder mit dem Haarbalge gemernschaftliclien Aus- fiilirungsgang und endlich an die Hautoberfläclie zu Tage ge- fördert werden. Es findet also tliatsäclilicli eine Ausscheidung von Epidermiszellen aus den Talgdrüsen statt , gerade so wie von dem Rete, aus dessen Anlage die Talgdrüsen entwicklungs- geschichtlieh abstammen. Nur dass diese Zellen auf ihrem Wege eine fettige Umwandlung erleiden. Und nur, indem sie während ihrer Herausbeförderung zerbröckeln , tritt auch das Eett ihres Inhaltes frei hervor.

Unter normalen Verhältnissen ist diese Zellenabsonderung ebensowenig aufi'ällig , wie die der Oberhaut, und mir das freigewordene Eett macht sich in dem EfPecte der physio- logischen BeÖlung der Hautoberfläche und der Haare geltend. IjTpathologischen Fällen jedoch kann das Talgsecret in grossen Massen an der Hautoberfläche erscheiiien , welche fast aus- schHesplich aus fettigen Epidermishaufen bestehen.

Es kann aber die Fettsecretion der Haut in zweifacher Weise krankhaft erscheinen , indem erstens ihre Secretion (Absonderung), zweitens ihre Excretion (Ausscheidiuig) von

der Norm abweicht.

Die anomale Fettsecretion der Haut bietet sich dar einmal als abnorm gesteigerte, ein andermal als abnorm verminderte Fettabsonderung.

Die erstere steUt den krankhaften Zustand vor, welchen man mit S e b 0 r r h 0 e a oder Steatorrhoea, Schmeerfluss, Fluxus sebaceus, bezeichnet, also eine Krankheit, welche sich durch den Austritt und die Ansammlung von abnorm grossen Men- gen Talgdrüsensecretes auf der Hautoberfläche charakterisirt. Das Ausscheidungsproduct der Fettdi'üsen erscheint auf der Hautoberfläche entweder als fast rein öHger Ueberzug, oder als auflagernder, sehr fettreicher Schuppengrind, welcher ent- weder dicke , missfärbige Krusten , oder einen dünnen , firniss- artigen Ueberzug büdet Seborrhoea oleosa s. adiposa, Acne sebacee fluante nach Cazenave. Oder die auflagernden Massen stellen zwar fettige, aber doch zugleich mehr trockene, brüchige Epidermisschüppchen vor , Seborrhoea sicca s. squamosa, s. furfuracea, Acne sebacee seche (Cazenave). Beide Formen können gesondert oder untermischt bei demselben In- dividuum vorkommen, und zwar entweder nur auf einzelne Körperregionen beschi-änkt, Seborrhoea locallis, oder m

Seborrhoea.

145

allgemeiner Verbreitung, Seborrhoea universalis. Dar- nach, sowie je nachdem die Seborrhoe behaarte oder nicht behaarte Hautstellen betrifft, gestalten sich auch die Symp- tome und Folgen des Uebels vuiterschiedlich.

Der behaarte Kopf ist wohl der häufigste Sitz der Krank- lieit Seborrhoea capillitii bei Säuglingen und Er- wachsenen beiderlei Geschlechtes. Ihr Product auf dem Kopfe der Kinder ist der sogenannte Gneis, eine gelbbraune und verschieden missfärbige, käsig-brüchige imd fettig anzufühlende, bisweilen trocken-harte, oder blättrige Masse, welche in dünner Schichte oder in mächtigeren, unregelmässig-höckerigen Agglo- meraten auf dem Haarboden festklebt. Werden die Sebiim- massen abgehoben, so erscheint die Kopfhaut blass und feucht. Sie. bedeckt sich nach wenigen Minuten mit einem pergament- ähnlichen, dünnen , glänzenden Häufchen , dem Product des frisch secernirten Fettes. Oder die Haut ist etwas geröthet, leicht verwundbar, indem die Oberhaut dünn und locker ist; oder es finden sich sogar blutende , oder eine seröse klebrige Masse absondernde, epidermislose, eczematöse Stellen. Letzteres rührt von dem macerirenden und irritirenden Einflüsse her, welchen die durch die Fettkruste zurückgehaltenen und zer- setzten Hautsecrete auf die Epidermis und den Papillarkörper ausüben. Die in die Schmeermasse einbezogenen Haare folgen sehr leicht dem Zuge.

Der Gneis entwickelt sich als Ueberbleibsel und Fort- setzung der Seborrhoe und copiöseren Epidermisregeneration, welche beim Fötus und Neugeborenen über dem ganzen Kör- per angetroffen wird (Vernix caseosa, Desquamatio neonatorum), innerhalb der ersten Lebenswochen und besteht, aus Fett, Schmutz, abgestossener Epidermis und Haaren sich aufbauend und erhaltend, bis in das 2. und 3. Lebensjahr. Endlich wird der Gneis, unter Abnahme der copiösen Fettabsondertuig , A^on der Haut abgehoben, von dem wachsenden Haare vorgeschoben, zerbröckelt und fällt ab.

Auch bei Erwachsenen kommt Seborrhoea capillitii mit der Bildung solch' massiger Auflagerungen vor, welche die Haare mit einander verkleben und verfilzen. Zuweilen stellt sich das Product der Seborrhoe als eine auflagernde, giänzend- weisse, schiefrig-blättrige, asbestähnliche Masse dar. Am äUer- häxxfigst-en jedoch als dünne , schmutzig-weisse , in fortwähren-

Kaposi, Hautkrankheiten. 10

Nounte Vorlesung.

der Abstossung begriffene, dünne, kleienähnliche Sfliüppcheu Pityriasis capillitii.

Bei Erwachsenen ist die Seborrhoe des behaarten Kopfes häufig die Folge' vorausgegangener örtlicher Entzündungs- processe, wie Erj^sipel, acutes und chronisches Eczem, Variola; die Form der Pityriasis noch besonders oft Folge und Symptom von acuter und chronischer Anämie, bei Wöchnerinnen, schlecht genährten Personen beiderlei G-esclilechtes ; namentlich auch bei vorausgegangener, oder noch besteheiader Syphillis (Seborrhoea syphilitica), ausserdem aber auch häufig genug ein idiopathi- sches Uebel, ohne nachweisbare derartige Ursachen. Sie be- steht diTrchwegs monate- oder jahrelang und heilt spontan, oder durch Behandlung, nach Massgabe der sie veranlassenden Ursache vorübergehend oder dauernd. Als örtliche Eolge ist jederzeit Lockerung und reichlicheres Ausfallen der Kopfhaare Effluvium capillorum und bei jahrelanger Dauer des Uebels auch dauernde Lichtung des Haarwuchses und Kahl- werden — Alopecia zu bemerken.

Im Bereiche des Gesichtes sind vorwiegend Stirne, Nase, Schläfe und Kinn , bei Männern noch der Bereich des Bartes, der Sitz der Seborrhoe S. faciei. Am bekann- testen, weü häufigsten, ist hier der ölige Scluneerfluss. Manche Personen, besonders brünette, sind während ihrer Pubertäts- jahre damit behaftet. So oft sie auch ihr Gesicht mit Seife waschen, erscheint doch dasselbe sofort wieder fett , glänzend und beim Verweilen in staubgeschwängerter Atmosphäre noch schmutzig, indem die Staubpartikelchen an der fetten Haut leichter haften. "Was als Seborrhoea nigricans palpebra- rum (Neligan, Wilson,) und Blepharomelaema (Law) be- schrieben wurde, bedeutet wohl nichts anderes als derart schmutzig und schwarz gewordene Sebumauflagerungen. Hitze begünstigt die Ausscheidung des Fettes. Oft tritt der fettige Erguss urplötzHch über das Gesicht auf. Stärkeres Ausfallen der Augenbrauen und Barthaare in Eolge eüier m ihrem Be- reiche localisirten Seborrhoe gehört zu den nicht seltenen Vor- kommnissen. -11

Auf der Nase , der angrenzenden Wangenpartie und der Nasenwurzel büden sich zuweüen durch Eintrocknung und An- häufung seborrhoischer Producte dicke, schmutzig-gelbschwarze Krusten, welche z. B. die Nase wie eüie aufgesetzte Düte aus

Seboi'i'lioea.

147

Papier-maehe umhüllen. Solche Fälle sind öfters für ein bös- artiges Neugebilde , Krebs , angesehen worden. Hebt man die Ki-usten mittels der Meisselsonde oder den Fingernägeln von den Rändern her behntsara ab , was immer leicht möglich ist, so gewahrt man von der nnteren Fläche der SebiBiila-nste her zapfenlormige Fortsätze wurzelngleich in die erweiterten Mün- dungen der Talgdrüsen sich einpflanzen. Die Krnsten sind eben nur die flächenhaften Ausbreitungen der aus den FoUikeln sich herausschiebenden Fettmassen. Endlich sind dieselben Oertlichkeiten , besonders die Furchen der Nasenflügel, die Augenbrauengegend, die Ohrmuscheln, der behaarte Theil des Gesichtes auch oft der Sitz einer Seborrhoea sicca , indem sie bei massiger Röthung hartnäckig mit dünnen, trockenen, aber festhaftenden und in die Follikel zapfenförmig sich fortsetzen- den Schüppchen bedeckt erscheinen. Die von der Auflagerung befreite Haut ist blass oder massig roth, von grossen Poren, klaffenden Talgdrüsenmündungen besetzt, glänzend und incru- stirt sich leicht wieder ; selten ist sie stellenweise blutend oder nässend. Bisweilen ist die Injection der Haut mehr ausge- sprochen. Hebra hat seinerzeit solche Formen als Seborrhoea congestiva besonders beschrieben. Seither hat es sich ge- zeigt, dass diese die Vorstufe für den Lupus erythematosus abgeben kann, eine Krankheit, von der wir noch ausführlich handeln werden.

Zur Entstehung der zuletzt geschilderten Formen der Seborrhoea faciei gibt, wie für den Schmeerfluss des behaarten Kopfes, zuweilen nachweislich ein vorausgegangener Entzün- dungsprocess die ursächliche Veranlassung, so besonders Ery- sipel und Variola. Manche Fälle stehen mit der Pubertäts- entwicklung, Anämie in Folge von Blutverlusten, fieberhafteii Krankheiten etc. in CausaLaexus. Noch andere sind nicht wei- ter ursächlich zu erklären, sondern als Ausdruck einer indi- viduellen Hautbeschaffenheit hinzunehmen.

Als Complicationen und Folgen der Seborrhoea faciei sind örtlich Eczem, Erweiterung und Entzündung einzel- ner Talgdrüsen, Comedonen- und Acnebildung, nnd in einzelnen Fällen der mit narbiger Veränderung der Haut einhergehende Process zu verzeichnen, der eben als Lupus erythematodes erwähnt worden ist.

Alle Formen von Schmeerfluss des Gresichtes pflegen nach

10*

-j^^g Neunte Vorlesung.

Andauern von vielen Monaten oder Jaliren spontan zu lieilen imd weichen einer zweckmässigen Behandlung.

Von anderen localen Seborrhoeen erwähne ich noch zu- nächst der des Nabels. Im grubig eingezogenen Nabel sam- melt sich gerne Fett und Epidermis in grösserer Menge an. Die Masse riecht ranzig, ihre Zersetzungsproducte reizen die Haut zur Entzündung. Ferners die Seborrhoea genita- lium Es ist schwer zu entscheiden, ob es sich da jedesmal um eine thatsäclüiche copiösere Fettausscheidung, oder nicht vielmehr um eine örtliche Anhäufung von normalen Abstos- suno-sproducten von Epidermis und Fett handelt. Letzteres scheint z B. für die Eichel und innere Fläche der Vorhaut wahrscheinlicher, da hier nm^ wenige (TnysoN'sche) Drüsen sich befinden und es zumeist bei enganschliessendem oder gar phymotischem Praeputium zu dem hier angedeuteten Zustande kommt. Besonders in der Kranzfurche sammeln sich die fetti- gen und ranzig riechenden Absonderungen, Smegma praeputii, an. Sie führen bekanntlich zu schmerzhaften Erosionen der Vor- haut und Eichel, Nässen, Aussickern von eiterigem Secret, Balalnitis, Balanopostitis.

Auch die Clitöris und ihr Praeputium, sowie die Viüva sind unter analoger Veranlassung der Sitz von Entzündung, Gefülil von Brennen und eiteriger, einen Tripper vortäuschen- der Absonderung. Bei jungen, schwäclüichen Kindern, sowie bei erwachsenen weiblichen Individuen, welche durch Krankheit lange Zeit an's Bett gefesselt und heruntergekommen wai^n, habe ich öfters das acute Auftreten solcher Seborrhoea , Ba- lanitis und Vulvitis gesehen.

Ungleich seltener als der örtlich beschränkte Schmeer- fluss ist die Seborrhoea universalis zu beobachten Sie stellt eine sehi^ interessante und praktisch wichtige Krankheits- form dar. . , 1 1

Bei Neugeborenen wird sie repräsentirt durch eme stärker und in den ersten Lebenstagen sich noch fort erneu- ernde Vernix caseosa , welche die Haut incrustirt und zu Spannung und Entstehung von schmerzhaften Euirissen \ er- anlassung gibt. Betrifft dieser Zustand die ganze Haut , so erscheint dieselbe schon wenige Stunden nach der Gebiu't braun- roth, atlasartig glänzend, wie gefirnisst, oder, nach Heb^s Vergleich, wie ein halbgebratenes cochon de lait. Es büden

Seborrlioca.

1-49

sicli im Gesichte, von den MnndWveln her, über den Gelen- ken in den Backenfalten, schmerzhafte Risse ; die Starrheit der Nase nnd des Mnndes, die Schmerzhaftigkeit der Rhagaden machen das Saugen unmöglich ; die Kinder gehen binnen weni- gen Tagen an Inanition und Wärmeverlust zu Grunde, wenn ?hnen Seht durch ausgiebiges Einfetten und Erweichen _ der Incrustation, sowie durch künstliches Erhalten der Körperwarme Hilfe gebracht wird. Man bezeiclmet diesen Zustand richtig als Ichthyosis sebacea oder Seborrhoea squamosa neona- torum; fälschlich ist er als Ichthyosis congenita von manchen

Autoren ausgegeben worden. ^ , ^ ,

Bei Ei°wachsenen stellt sich die Seborrhoea univer- salis dar entweder in Eorm von den Stamm und die Streck- seite der Extremitäten vorwiegend bedeckenden,' m stetiger Ab- schülferung begriffenen, fettig-glänzenden Schüppchen. Derart findet sie sich zumeist bei älteren oder auch jüngeren, mara- stischen Individuen uud heisst deshalb Pityriasis tabescen- tium Oder es bilden sich jene selteneren Formen von Cutis tetsacea, oder Ichthyosis sebacea, bei welcher der grösste Theil der Hautoberfläche, namentlich des Stammes und der Streckseite der Extremitäten mit grünHch - braunen und schwärzlichen Krusten belegt ist. Die Krusten spalten sich den tieferen Eurchen und Linien der Haut entsprechend m Platten und Eelder, sind streckenweise dünn, an anderen Stel- len aufgethürmt, stachel- und hornartig emporragend. Auch diese Krusten können losgelöst werden. Die Haut erscheint bis auf mässige Rothe normal, doch vielfach mit erweiterten Talgdrüsenmündungen besetzt, in welche die Sebumkrusten mit fadenförmigen Fortsätzen sich einpflanzen.

Die Diagnose der Seborrhoe ist bei Berücksichtigung ihrer eben geschüderten Symptome im Allgemeinen ziemlich ge- sichert. Dennoch ergeben sich unter Umständen manche Schwierigkeiten, namentHch in Anbetracht der. Mannigfaltigkeit, welche die verschiedene Form, Intensität und Localisation in der Erscheinungsweise der Erkrankung veranlassen. Da Sie jedoch bis nun die difeerentiellen Charaktere der Her in Be- tracht kommenden ähnlichen Affectionen noch nicht kennen, so beschränke ich mich darauf, hier nur auf dieselben hinzudeuten. Sie werden in den späteren Erörterungen und in Ihren eigenen wachsenden Kenntnissen die volle Ergänzung dieses Mangels

Neuute Vorlesung.

150

finden So bemerke icli denn nur zu Ihrer Orientirung, dass die SelK.rrhoe des bellaarten Kopfes iin AUgemeinten mit aUen Hautkrankheiten verwechselt werden kann, welche Auflagerung von Krusten und Schuppen auf dem Haarboden mit sich brin- o-en Formen, welche alle in früheren Zeiten mit dem noso- loo-isch bedeutungslosen Namen Tinea (Kopfgrind) belegt wurden; so vor Allem Eczema squamosum iind impetigmosum, sodann Psoriasis, Herpes tonsurans und Favus. Bezüglich der beiden letzteren handelt es sich um Ausschliessen der ihnen zu- kommenden Charakteristika, des mikroskopisch nachweisbaren Pilzes in Betreff der ersteren um Ergänzung des Krankheits- bildes' aus den Veränderungen, welche mit denselben gleich- zeitig an anderen Hautstellen sich vorzufinden pflegen.

''Die G-esichtsseborrhoe ist von Eczem, Psoriasis und Lupus erythematosus abzugrenzen. Letztere bedingt jederzeit neben der Eöthung auch narbige Schrumpfung , der Haut. Bei Seborrhoe der Genitalien , namentlich gleichzeitiger Balanitis lind Erosionen an der Eichel luid Vorhaut vergessen Sie nicht die Möo-Hchkeit einer gleichzeitigen syphilitischen Ajisteckung im Auge zu behalten und daher in Ihrem Urtheile vorsichtig zu sein, d. h. wegen der Prognose sich die genügende Beobach-

tmigsfrist zu wahren.

Seborrhoea universalis neonatorum ist nicht zu verkennen. Die der Erwachsenen dagegen kann leicht mit Ichthyosis ver- wechselt werden. Bei Seborrhoea sind die Krusten mechanisch und durch Erweichung vollkommen ablösbar und erscheint die Haut massig roth, allenfalls mit grossen Poren besetzt , aber sonst normal, geschmeidig, glatt. Das Uebel ist heilbar. Di^ Ichthyosis ist stets eine von Kindheit an bestehende unheil- bare Krankheit. Die Schuppen bei derselben sind schwer und unvollkoimnen abzuheben, die Haut bleibt verdicM, warzig, von tiefen Furchen durchzogen ziu-ück (es besteht Hj^ertrophie der Haut und der PapiUen) und die Krusten erzeugen sich

rasch wieder. .

Die Prognose der Seborrhoe, der örtlichen, wie dei aügemeinen, ist günstig. Das Uebel ist jederzeit rasch zu bessern und in den meisten Fällen dauernd zu heilen. Aussei der örtlichen Entstellung, der Belästigung durch Spanniuig Entstehung von schmerzhaften Einrissen, der zei weiligen Complication mit Eczem, Comedonen und Acne im (xesichte,

Seljon'hoea. 151

hat die Krankheit keinerlei üble Wirkung auf das Gesanimt- befinden Nur die Ichthyosis sebacea des Neugeborenen kann für das Leben des letzteren, wie erwähnt, bedrohlich werden.

Für die Behandlung der Seborrhoe ist die Haiaptncht- schmir durch die Principien vorgezeichnet, welche ich in der lucemeinen Therapie (pag. 94) dargelegt habe. Da es sich nämlich hier jedesmal um Auflagerungen von (secundaren) Krankheitsproducten, Fett- und Epidermisschuppen und Krusten handelt, so besteht die nächste Aufgabe der Behandlm^g in der Beseitigung derselben; principiell in Erweichung, Los- lösung und Entfernung der Schuppen und Krusten.

Ihre Erweichung und Zerbröckelung wird am raschesten durch Einwirkung von flüssigen Fetten, ihre Entfernung so- dann durch Waschen mittelst Seife luid Wasser zu Wege

gebradit. ^^^^ ^^^^ ^^^^ ^.^^^^^^^^^ ^.^^^^^^^ j^.tte empfehlen sich einfaches OHvenöl, Leberthran, Petroleum, Butter Schweine- fett. Zuthaten von Zink, Präcipitat, Carbol- und Salicylsaure XI s w sind ganz nebensächlich und überflüssig. Die Haupt- sache bleibt immer das Oel oder Fett, und^dass dasselbe iii solcher Menge und nach einer solchen Methode m Gebrauch kommt, dass der beabsichtigte Zweck auch voUständig und

möglichst rasch erreicht werde. . ^ .

Dies wird nun nach der Oertlichkeit und Litensitat der Seborrhoe, so wie nach den äusseren Verhältnissen des Kran- ken mancherlei Modalitäten gestatten oder erfordern.

Bei Seborrhoe des behaarten Kopfes trägt man das Uel mittelst eines abgeschliffenen Borstenpinsels , oder mit emein Stück Schwamm oder einem Charpiebausch auf, macht durch Drücken und Frottiren, dass das Oel in grosser Menge m die Borken eindringt und bedeckt dann den Kopf mit einer FlaneU- haube, oder einer (nicht gefärbten) türkischen Mütze (Fez). Derart wird das Oel täglich 4— 5mal applicirt und auch über Nacht belassen. Binnen 12—24 Stunden können die mächtig- sten Lagen von Schuppengrind derart erweicht sein , dass sie nun unter dem Finger zerbröckehi und sich loslösen. Beim Gneis der Säuglinge geht, man besonders sanft vor. Es liegt ja in dem FaUe nichts an einem langsameren Erfolge, aber sehr viel an der Vorsicht und Milde", weiche die Angst und die Vorurtheüe der Mütter und Kindsfrauen am sichersten

Neunte Vorlesung.

besiegt. Bei erwaclisenen Männern kann das Verfahren dadurcli erleiclitert werden, dass die Haare kurz geschnitten werden. Bei weiblichen Kranken dürfen die Haare nicht abgeschnitten werden, da das Gregentheil barbarisch mid unnöthig ist.

Sind die Borken und Schuppen vollends erweicht und bröckelig, so werden sie abgewaschen. Man benützt hiezu gewöhnliche harte Haus- oder eine Toiletteseife beliebiger Art, oder Schmierseife; am zweckmässigsten wohl, bei zarter, empfindlicher Haiit, wie bei Kindern, flüssige Grlycerinseife, bei Erwachsenen dagegen Spiritus saponatus kalinus Hebra; letztere deshalb, weil sie Alcohol enthält, der das Fett gut löst und wahrscheinlich auch auf den Tonus der Talgdrüsen einen anregenden Einfluss übt. Derselbe wird nach folgender Formel bereitet:

Rp. Saponis viridis 100 grammes

solve leni calore in spir. vini . 200 ,,

filtra et adde: Olei lavand. bergamott. aa . . . . 3

Mise, filtra. DS. Kali-Seifengeist.

Bei der Handhabung des Waschens bedient man sich eines rauhen (Flanell-) Lappens oder eines sogenannten Frottir- schwammes , auf den die flüssige Seife geschüttet , oder die feste bis zum Schäumen gerieben wird , und benütze genügend viel laues oder kaltes Wasser. Derart gelingt es sicher den Kopf vollkommen rein zu bringen.

Am Schlüsse wird noch die Seife mittelst Uebergiessen von lauem oner kaltem Wasser, oder durch Abdouchen voll- ständig abgespült und der Kopf abgetrocknet.

Bei diesem Vorgehen bemerkt man, dass zugleich ein grosser Theü der Kopfhaare sich ablöst und abfäUt , ja dass manche Kranke, die vor der Abwaschung genügend reiche Chevelure zu haben schienen, nunmehr fast kahl geworden siad. Die Kranken, darüber erschreckt, sind sofort geneigt, den Haarverlust den „zu starken" Mitteln zuzuschreiben. Sie wissen, worirm es sich handelt. Durch den seborrhoischen Process findet, wie ich schon früher bemerkt, gleichzeitig Lockerung und Ausfallen der Haare statt. Sind ja viele FäUe von Alopecie einzig auf Pityriasis capitis zurückzuführen.

Die ausgefallenen Haare nun sind durch die Fettmassen

Seborrhoea.

153

zusammen- und auf dem Kopfe festgehalten worden, eine wirk- Hclie Haarfülle vortäitschend. In Wirkliclikeit sassen sie lange nicht mehr in der Haartasche oder auf der Papille, und so ist es selbstverständlich, dass sie mit und gleich den Krusten nur Auflagerungen vorstellen imd mit dem Waschen entfernt werden müssen. Um solchen Missdeutungen vorzubeugen, ist es ge- rathen, die Kranken auf dieses bevorstehende Ereigniss , und dass es in der Krankheit gelegen sei, noch vor dem Abwaschen aufmerksam zu machen, zugleich aber ihr Zutrauen durch das Versprechen zu erwecken, dass der Haarverlust sich rasch wieder ersetzen werde, ein Versprechen, das auch vollends, oder wenigstens bis zu einem gewissen Grade sicherlich in Erfüllung geht.

Die rein gewaschene Haut erscheint nun massig roth, glänzend, und je mehr sie trocken wird, gespannt. Gegen die liieraus entspringende unangenehme Empfindung, das ßissig- werden der dünnen Oberhaut u.nd die Erneuerung von Sebum- auflagerungen , schützt man den Kranken diirch Einschmieren von Oel oder Pommaden, z. B. Olei olivar. 50, Bals. peruv. 1 ; oder Ungu. emoll. 25, Oxyd. Zinci 0-50, Aqu. laurocer. 2-50 und Aehnliches.

Hat nach Verlauf mehrerer Tage die Oberhaut sich in genügender Dicke regenerirt und die Haut ihre Empfindlich- keit verloren, so muss noch durch mehrere Wochen der Haar- boden mittelst Alcohols, Spir. vin. gaUic. cum Acid. carboHco (Spii-. 100, Acid. carbol. 0-15, Glycerrhin. 1-50) gebürstet werden, u. z. im Verhältnisse der sich neu erzeugenden Schup- pen täglich, oder 2 3mal wöchentlich.

Da sowohl die Seifen als die Alcoholica die Oberhaut stark entfetten, spröde und rissig machen, so ist es zweck- mässig, von Zeit zu Zeit ein indifferentes Oel oder Eett , eine beliebige Pommade einzuschmieren.

Diese Nachbehandlung kann wochen- und selbst monate- lang nothwendig erscheinen.

Gegen Balanitis ist das blosse öftere Waschen , wie dies oft beliebt wird, nicht zweckmässig. Besser ist das Eialegen von in Poudre getauchter Charpie oder Streifen Leinwand, und weim nässende, wunde Stellen zugegen sind, Einlegen von Leinwandläppchen, die in adstringirende Lösungen oder Salben getaucht sind, wie: ßp. Aeruginis 0"15, Aqii. font. 25; oder

Keimte Vorlesung.

Phimb. acetici basici 0-50, Arj,u. fönt. 30 ; oder Ung-u. emoU. 20, Oxyd. Zinci 0-25.

Nachdem ich Iluien nun zunächst an dem Beispiele der häufigst ziu- Behandlung sich darbietenden Form der Seborrhoe, der des behaarten Kopfes , die Methode der örtlichen Behand- lung ausführlich geschildert, darf ich mich bezüglich der anders localisirten Seborrhoe, besonders der nicht behaarten Ivörper- steUen, kürzer fassen. Ueberall ist Erweichung der Auflage- rungen, Ablösen und Abwaschen und nachträgliche Anwendung voii'^Alcoholicis mit zeitweiligem Waschen und Einsalben Be- dingmig des Erfolges. Ueber die Modalitäten der Ausführung werdeif OertUchkeit und Umstände entscheiden. So z. B. wird man dicke Krusten des Gesichtes am raschesten entfernen, wenn Oellappen oder mit Salbe bestrichene Elecke aufgelegt und mit weniger imbibirbarem Stofi-e , ElaneU, fest nieder- gebunden werden.

Auch die sogenannten Streupulver, Amylum, Talcum venetum piüverisatum (Eederweiss) etc. finden hier ihi^e gele- gentliche Verwendung, z. B. zum Einlegen zwischen Präputium imd Glans, zum Bestreuen und Abwischen des mit Pommade bestrichenen Gesichtes, da man doch nicht dieses fettglänzend

belassen kann, u. s. w.

Nicht anders sind die Grundsätze und Mittel, nach und mit welchen die universeUe Seborrhoe bekämpft werden muss. Ein mit Cutis testacea behaftetes Kind muss mit Oel oder Schmalz energisch eingerieben, oder in mit blander Salbe be- strichene Lappen eingehüUt werden, u. z. methodisch derart dass die Extremitäten, die Zehenfalten, das Gesicht etc. init gesonderten und angepassten Elecken eingewickelt und nutt^elst Elanelllarve und FlaneUbinden eingeroUt werden. Ausserdem noch wird das Kind behufs Conservirung seiner Körperwarme in schlechte Wärmeleiter, Feder- oder Baumwollhimen gegeben. Täglich wird dasselbe im warmen Bade mit Seife gewaschen und nach dem Abtrocknen wieder mit Fett behandelt. _

Das Aehnliche geschieht bei Ichthyosis sebacea Erwach- sener. Bei solchen kann zur Erweichung der Krusten der Kranke durch einige Tage mittelst Schnüerseife oder Leber- thran geschmiert und zwischen Wolldecken geleg-t, oder m Flaneimeider gesteckt werden. Nach erreichter Erweichung der Krusten folgt die Behandlung mittelst täglicher Bader.

Asteatosis cutis.

155

Abseifen, Douclieii mid abermaligem Einfetten, so lange, bis die Haut ihre normale Bescbaifenheit erlangt bat.

In Anbetracht dessen, dass . manche locale Seborrhoe, be- sonders die des Kopfes und des Gesichtes, diirch besondere Ursachen bedingt sein kann, als welche ich namentlicli chronischen Gastricismus xmcl Chlorose der Frauen betont habe, muss neben der örtlichen Behandlung auch eiue gegen jene Ursachen gerichtete, zum Theüe innere Therapie zur An- wendung kommen. Amaricantia, wie Gentiana, ßheum, alka- lische und eisenhaltige Mineralwässer, Ferrum etc. werden m geeigneter Form neben diätetischen und klimatischen Behelfen den 'kranken angerathen und von diesen durchwegs durch längere Zeit gebraucht werden müssen, wenn der ßecidive der Seborrhoe vorgebeugt M^erden soll.

Gegen die bei Scrophulösen und Tuberculosen zu beob- achtende Seborrhoea sicca universaHs empfiehlt sieb der iainer- liche Gebrauch von Leberthran, woferne nicht besondere Um- stände denselben gegenanzeigen.

Ueber das von dem bisher besprochenen entgegengesetzte Verhalten der Talgdrüsen, d. i. die verminderte Fett- secretion, Asteatosis cutis, weiss ich nur Weniges zu sagen. Die der physiologischen BeÖlung ermangelnde Haut zeigt eüie trockene, rissige, gelegentlich auch feinschülfernde Oberhaut, Pityriasis simplex. Idiopathisch und selbst- ständig findet sich dieser Zustand selten. Zumeist ist er Theilsymptom einer anderweitigen angeborenen Hautkrank- heit, z. B. der Xerodermie, Ichthyosis, Prurigo .oder eines er- worbenen Leidens, wie Elephantiasis Graecorum, Psoriasis, Liehen ruber, ganz so, wie die Anidrosis ; darnach auch selten universell, sondern auf grössere oder geringere Hautstrecken beschränkt und dauernd, oder, wie die bezüglichen Hautkrank- heiten, vorübergehend und wechsebid.

Häufig ist die Asteatosis cutis künstlich erzeugt, durch den Einfluss solcher Agentien, welche der Epidermis dauernd zu viel Fett entziehen. Dies ist der Fall diu-ch Seife und Lauge an den Händen der Wäscherinnen, durch Chemikalien bei gewissen Gewerbetreibenden. Die Flachhand bietet dabei eine meist verdickte und spröde, unelastische und deshalb rissige Oberhaut dar. Die Personen halten die Finger darum gebeugt,

^P^Q Nennte Vorlesung.

oder vermögen sie selbst passiv nicht ganz zu strecken. Leute, die gewohnlieitsmässig mit kaltem, Kalksake und Salpeter _ ent- haltendem („hartem") Wasser sich täglich am ganzen Korper zu waschen pflegen, bekommen ebenfalls eine entfettete schul- fernde, trockene Haut. Jucken und Eczem sind nicht selten

die Folge davon. ,

Dauer tmd Heübarkeit der Asteatosis cutis hangt von

der jeweiligen Ursache des Uebels ab.

Wir kennen kein Heilverfahren, durch welches die

Thätigkeit. der Talgdrüsen angeregt werden könnte ^eben

der Beseitigung der veranlassenden Ursache, der Heüung des

concomitirenden Hautleidens, der Vermeidung _ der die Haut

entfettenden Schädlichkeiten, fällt der Therapie nur noch die

Wgabe zu, der Oberhaut von aussen Fett zuzuführen, durch

Einreiben von Leberthran, Schweinefett etc. Da aber aUe

Fette, sobald sie ranzig werden, die Haut irritiren, so müssen

sie öfters wieder durch Seife und Bad entfernt werden. Em-

reibung mit Vaseline dürfte deshalb sich am besten empfehlen.

Wir haben uns nunmehr mit einigen interessanten Krank- heitsformen der Haut zu beschäftigen, welche durch gestorte Ausscheidung aus den Talgdrüsen entstehen Anomaliae excretionis glandiüarum sebacearum, oder Formen der Fettretention. Sie kommen dadurch zu Stande, dass das von den Talgdrüsen abgesonderte Secret, Epidermis und Fett, nicht nach aussen gefördert, sondern im eigenen oder im gemein- schaftlichen Ausführungsgaiig, oder in der Drüse selbst zurück- gehalten wird. Mit dem Secrete der Talgdrüsen werden ge- legentlich auch die zxxv physiologischen Ab.stossung gelangten Wollhärchen im Ausführungsgange Hegen bleiben. _

Die Mebei obwaltenden Verhältnisse sind mannigfach zum Theü sehr complicirt, zum Theü aber auch ganz unaut-

^'^^Die einfachsten Verhältnisse sind die der m e chanischen Störung der Ausscheidung. Wenn der gememschafthche ^usführungsgang des Haarbalges durch fremdartige Substan- zen wie Theer, Staub verstopft ist, oder der Ausführungsgang der' Talgdrüse durch Narben verödet, dann ist das Liegen- bleiben des Secretes begreiflich. Es versteht sich auch dass da unter solchen Umständen die Talgdrüsen eine Zeit lang

Fettreteution. Comedo.

157

nocli imgestört Epidermiszellen und Fett absondern, die zurück- gehaltenen Producta niechaiüsch den Ausfülirungsgang und die Drüse ausdehnen und hierdurch, so wie durch chemische Um- wandlung ii-ritirend auf die Talgdrüse wirken, dieselbe zu üppigerer Proliferation und zur Entzündung veranlassen können. Das wären also die einfachen ßetentionsformen aus mechanischer Ursache bei v e r s c h 1 o s s e n e m A u s f ü h r u n g s- gange, wie Theer-Comedonen , ]\Iilium in der Nachbarschaft von Narben, manche Atherome.

Es kommen aber auch dieselben Eormen bei offenen Ausführungs wegen vor. Da bleibt denn aiichts anderes übrig, als eine qualitative Veränderung des Talgsecretes als Ursache seiner Eetention anzunehmen, was um so eher gestattet ist, als thatsächlich \mtev solchen Verhältnissen die eino-eschlossenen Massen eine bedeutende chemische Differenz p-ea-enüber dem normalen Drüsensecrete aufweisen, wie bei Müium und Molluscum sebaceum.

Anstatt nämlich, wie physiologisch, eine fettige Umwand- lung einzugehen, verhornen einmal die von der Drüse abge- sonderten Zellen, gleich denen des ßete, wie im gewöhnlichen Milium, oder sie degeneriren colloid, wie im Colloid-Milium, oder amyloid, wie im Molluscum contagiosum. Beide Zustände verhindern, dass die secernirten Zellen zerfallen und ausge- stossen werden.

Doch bleiben wieder andere Verhältnisse, wie gesagt, ganz dunkel.

Die vom dermatologischen Standpunkte hier vorzugsweise in Betracht kommenden Formen sind Comedo, Mitesser, Milium s. Grutiim, Hautgries und Molluscum verru- cosum s. sebaceum, s. contagiosum; Atherom, Chole- steatom, Cryptolithen sind besser Gegenstand der Chirurgie.

Comedones, Mitesser (Acne punctata), sind nadelspitz- bis stecknadelkopfgrosse, schmutzig-weissgelbe bis braune luid schwarze Punkte der Haut, welche den freien Drüsenmündiin- gen entsprechen. Sie stellen das zu Tage liegende Ende eines den gemeinschaftlichen Ausführungsgang ausfüllenden Pfropfes dar. Sie ragen nur selten mässig über das Hautniveau empor. Bei seitlich angebrachtem Drucke drängt sich der Pfropf durch die Mündung, wie durch eine Spritze getriebene Butter, in.

^-j^ Neunte Vorlesung.

Gestalt eines gesclüängelten Körpers. Mit dem von Sclinmtz dunkel gefärbten oberen Theile, gleicbsam dem Kopfe, erscheint derselbe einem Wurm älinlicli. Daher die Vorstellung von einem THerchen xmd die banale Bezeichiitmg : Mitesser.

Der gewöhnliche Standort der Comedonen ist die Haut der Stirne, Nase, Schläfe, Brust und des Rückens, an welchen Oertlichkeiten sie bisweilen in enormer Zahl sich etabUren, disseminirt oder zu Häufchen, oder selbst zu warzenähnlichen, höckerigen Massen gedrängt (Sebumwarzen, Hebea; Comedonen- scheibe, Ribbentrop) ; doch finden sie sich auch an anderen Körperstellen, besonders auf der Haut des Penis.

Einzelne Mitesser kommen gelegentlich bei jedem Men- schen vor. Nach kürzerem oder längerem Bestände wird der Pfropf lose imd durch das nachschiebende Secret, oder durch mechanischen Druck und Reibung beim Waschen nach aussen befördert. Die Drüsenmündung sieht man durch einige Zeit klaffend Viele und habitueUe Mitesser bilden eine lastige und entsteUende Krankheit. Obgleich auch hier die einzelnen Comedonen ausgestossen werden, erscheint doch das Leiden durch fortwährendes Wiederauftauchen neuer und durch liire absolute Menge stationär und auffällig.

Als solches entwickelt es sich in der Regel zur Puber- tätszeit männlicher und weibHcher Personen, und besteht es bei ersteren oft bis in die 20er, 30er Lebensjahre, wahrend es bei letzteren gewöhnlich früher erlischt. Es ist häufig mit Seborrhoea oleosa faciei vergeseüschaftet und fühlet eben so oft zu entzündlicher Acne, in Eolge des Reizes, _ welchen die in der Talgdrüse zurückgestauten Secrete auf jene und die sie umgebende Cutis ausüben.

Insoferne ist auch die Ursache für Comedonenbildung zum Theüe dieselbe, wie für Seborrhoea faciei (Chlorose, Cachexie). Gelegentliche Ursachen sind Verstopfung der Drusen- mündungen durch Theer und Schmutz beim Aufenthalte m mit solchen Substanzen geschwängerter Atmosphäre (Theer- fabriken), so wie das Unterlassen der gehörigen Hautreinigung mittelst Seife und Waschen bei bestehender copioser i^ett- secretion.

Für die ausserhalb dieser Verhältnisse entstellenden Co- medonenbildung ist nur schwer ein plausibler Grund anzu-

Comc(li).

151)

o-ebeu. Am näclisten liegt es , denselben in den anatonaischen Verhältnissen zu suchen.

Der Comedo besteht aus einer peripheren, aus epidermoi- dalen Zellen zusammengesetzten Hülle, welche eine Hasse um- scUiesst, die aus Fett (Cholestearin) , fetthaltigen und zer- bröckelten Epidermiszellen , sowie einlagernden (3—12) Woll- härchen gemengt ist. In alten, eingedickten, trocken-brüchigen Comedo-Pfröpfen habe ich häufig solche Körper gefunden, wie sie dem Moluscum als eigenthümlich zugeschrieben werden. Extrahirt man das Eett mittelst Alcohol und Terpentin, so bleiben nur die Härchen und epidermoidale Elemente, beson- ders aber der periphere Theil des Mitessers, in Grestalt einer tulpenartigen Hülse zurück. Die die letztere zusammensetzen- den Zellen stammen von der Schleimschicht des Ausführungs- ganges und von Resten der Wurzelscheide, die Bestandtheile des Comedo-Innern , die WoUhärchen ausgenommen , aus den Talgdrüsen.

Nebstdem findet sieb sehr oft der von Gr. Sbion entdeckte Acarus foliculorum, eiae achtbeinige, mikroskopisch erkemabare Mübe, die aber mit der Genese des Comedo nichts zu thun hat.

Als anatomischer Sitz des Comedo erscheint nach diesem Befunde, sowie dem klinischen Ansehen, der Ausführungsgang der Talgdrüse, oder der gemeinschaftliche Ausführungsgang dieser und des Haarbalges, je nach der verschiedenen Oert- Hchkeit.

Dort nun, wo vorwiegend der Sitz von Comedonen ist, Stirne, Nase, Rücken etc. gleichzeitig der Standort von La- migohaaren, ist das Verhältniss, wie es Biesiadecki besonders anschaulich gemacht hat, derart, dass die Talgdrüsen mit weitem Ausführungsgange frei zu Tage münden. Die Haar- follikel bilden einen Anhang der Talgdrüsen rmd münden in einem stumpfen, ja bisweilen in einem rechten "Winkel in den Ausführungsgang der Talgdrüse, so dass das aus dem Haar- balge kommende Haar mit seiner Spitze an die gegenüberliegende Wand des Ausführungsganges anstösst , ja manchmal nach ab- wärts sich rollt (Eig. 14, Biesiadecki). Dasselbe mag so aiif diese Stelle irritirend wirken und eine Proliferatiou des den Ausführungsgang auskleidenden Epithels bewirken, wodurch die den Talginhalt umschliessende Hülle zu Stande kommt. Dass die Comedonenbüdung gerade in der Pubertätszeit aufzutreten

i

IGO

Neunte Vorlesung. Fig. w.

Durclisclinitt eines Comedo.

j„,v, Afitpa^pv erfüllt. In diesem zwei Woll-

ela; dam Hiuiv d »«JJ^J fJümmt .iol bei / B.cli «bwail..

^flert wäre auch Uemit erHärt. Denn um diese Periode St J bekanntlich ein lebhaftem- Haarwuchs em. D e Smloharchen werden rascher erzeugt und abgestossen ah- T die ans dem Follikel wachsenden Härchen imtirend wir- ken g Cu™ e im physiologischen Haarwechsel von der Papffl? abgestossenen, älteren Härchen m den werten Ta g- IXen-Ausl«aug und ^^J^^^^,^^^ von ZeUen, ZeUentrümmeru imd Fett liegen, J^estaii

des ^0^^^ "^^ß'^^l B den Extreinifäten , .vo An anderen ^^^^f ' "^f^/^ie Talgdrüsen in den das VerMltniss unigekelirt ist, so dass aie x ^„.„teren T Jfnllilcel münden, ist der Ausfülirnngsgang des letzteien HaartoUikei ninnueu, o-ele"-entliclien für beide gemeinscliaftlicli und der Sitz eines geie^e

Comedo.

Milium.

161

Dass mechanisclie Verstopfang des Ausfüliruugsganges durch Theer, Schmutz etc. zur Entstellung von Mitessern An- lass geben kann, ist selbstverständlich und bereits erwähnt worden.

Ich bin aber auch geneigt für aUe diese Vorkommnisse eine Verminderung im Tonus der Wand des Ausführungsganges

zu beschuldigen. j tp j.

Die Behandlung der Comedonen besteht m deren Jl^nt- fernung. Man bewirkt dies durch einfaches Ausquetschen mittelst der beiden Daumennägel, oder bedient sich hiebei des von Hebra angegebenen sogenannten Comedonenquet- schers. Derselbe steUt ein 4 Ctm. langes, konisches Metall- röhrchen vor, dessen schmales Ende eine stumpfe Krampe, dessen oberer Theü zwei Oesen seitlich trägt. Man drückt dasselbe in raschem Tempo mit dem schmalen Ende senkrecht über je einen Comedo auf die Haut und macht diesen derart in die Höhle des ßöhrchens hervortreten. Nebstdem verwendet man noch die gegen Seborrhoe früher empfohlenen Mittel : Seifen- waschungen, Einpinselungen mit Alcoholicis etc., um die Eett- secretion zu mindern und den Tonus der Drüsen anzuregen, so wie weiters jene Verfahrungsweisen , welche gegen Acne, die ja mit Comedonen zugleich vorzukommen pflegt, sich nütz- lich erweisen und später zur Sprache kommen werden.

Das Milium s. Grutum, der Hautgries, stellt ein anatomisch einfacheres Gebilde vor. Dasselbe bildet grieskorn- bis stecknadelkopfgrosse, gelbKch- bis milchweisse, in die Haut eingestreute, oder etwas emporragende, durch die Oberhaut durchschimmernde, derb anzufühlende, rundHche, kugeKörmige Körperchen.

Ihr Hauptstandort ist die zarte Haut der Augenlider und deren nächster Umgebung , Wange und Schläfe; nächst- dem der Lippensaum; an den männlichen Genitalien Penis und Scrotum, besonders aber der Eichelkranz, welcher von Miliumkörnern manchmal ganz eingesäumt ist ; und endlich an den weiblichen Genitalien besonders die innere Eläche der kleinen Schamlippen.

Ritzt man mittelst eines feinen Messers die Haut über einem Miliumkorn , so blutet die SteUe mässig und man kann

Kaposi, Hautkrankheiten.

1^^^^2 Neunte Vorlesung.

das Körperchen als Ganzes mit den Danraennägeln aus seinem Neste lieransqnetsclien, oder mit der Spitze des Bistouris lier- auslieben. Es hängt manchmal mittelst eines dümien Stieles an der Haut (dem Haarbalge) fest, der erst abgerissen werden muss. Das Körperchen ist rund, kugeHg oder feingelappt, glatt und kann leicht zerquetscht werden, wobei es schollig zerklüftet. Es besteht aus einer einfachen oder gelappten peripheren HüUe, einem feinen Häutchen und einem Inhalte von trockenen EpidermiszeUen , welche um einen centralen, epidermoidalen und Eett enthaltenden Kern zwiebelschalen- artig angeordnet sind, also eine Epidermiskugel darsteUen, me die sogenannten Cancroidkörperchen. Nur dass in letzteren proliferirende Zellen vorhanden sind.

Djis Milium besteht aus einem einzigen, oder mehreren Talgdrüsenläppchen einer oberflächlich gelegenen Drüse und hat deshalb immer eine dünne Schichte des Corium mit seinen PapiUen und das Rete über sich, die also erst eingeschnitten werden müssen, wenn dasselbe herausgeholt werden soU. Es kommt dadurch zu Stande, dass das oder die Läppchen von der in ihrem Innern sich aufhäufenden Epidermis ausgedehnt

werden. . .

Die Ursachen einer solchen Ansammlung von Epidermis- zeUen und Ausdehnung der Drüsenläppchen mögen verschiedene sein. Bei dem auf gesunder Haut entstehenden Mümm und bei offenem Ansführungsgang ist keine Veranlassung, eine mecha- nische Störung für die Ausscheidung des Drüsensecretes anzu- nehmen. Es scheint, dass hier eine chemische Störung statt- findet, indem die producü^ten ZeUen statt sich fettig zu um- wandeln und sodann zu zerfaUen, was für ihre Ausscheidung günstig ist, einfach verhornen , wie die Zellen der Epidermis, und deshalb liegen bleiben.

Ein gleicher Grund scheint in manchen oberflächlichen Entzündungsprocessen der Haut gegeben zu sein. Wie B.^REN- SPBTmG, haben nämHch auch Hebba und ich einmal wahrend des Ablaufes von Pemphigus bei einem Manne, und ich noch einmal bei einem sechsjährigen an Pemphigus leidenden Kinde an den SteUen, wo Pemphigusblasen abgeheilt waren imd endlich ich noch einmal bei einem Manne nach Ablaiü von Rothlauf viele hundert, binnen Kurzem entstandene Müium- kömer gesehen, welche z. B. am Arme und auf der Haut des

!JIilium.

163

Bauches in zievliclien Grnippen imd Kreisen angereiht waren. Sie haben in diesem Falle nach vielen Wochen theüs sich exfoHirt, theils mögen sie auch weiter verblieben sein.

Dagegen ist eine rein mechanische Ursache für die Ent- stehxma- jener Müinmkörner anzusprechen, welche am Saume von Hautnarben zu entstehen pflegen, mögen diese von Lupus, Syphilis oder Verbrennung herrühren. Hier werden offenbar einzelne Drüsenläppchen durch die Narbenstränge vom Aus- führvmgsgange abgesperrt und derart in ihi-er Höhle die eine Zeit lano- ungestört secernirten Zellen aufgehäuft.

GefegentHch kann aber auch bei in den Haarbalg ein- mündenden Talgdrüsen das Milium eine cystenartige Aus- sackung des Haarbalges, eben jener EinmündungssteUe ent- sprechend, büden. Ja VmcHOW und Rindfleisch geben aus- drücklich die Haartasche als Sitz des Milium an, ersterer dessen Mündung, letzterer aber sogar den Fundus. Das Letztere dürfte doch nicht ganz richtig sein, mit Rücksicht auf das über den Standort des Milium und seine Entwicldungsweise eben Gresagte.

Als anatomisches Curiosum erwähne ich noch das ^ von E. Wagner im Jahre 1866 beschriebene Colloid-Milium, das er bei einer 54jährigen Frau vorgefunden hatte. Stirne, Nase und die nachbarliche Wangen- und Schläfehaut waren, besonders die erstere, mit Längs- und QuerwiÜsten besetzt, auf deren First zahlreiche , hirsekorngrosse, derbe , bläschen- artig schimmernde Knötchen sassen. Dieselben konnten durch den stärksten Druck nicht zum Bersten gebracht werden. Erst nachdem die über ihnen Hegende Hautschichte eingestochen worden, trat ihr Inhalt als blassgelbliche, homogene, matt- glänzende, durchscheinende, an festes CoUoid gemahnende Masse hervor. Nach Wagnbr's Auffassung lagen hier MiHen vor, deren Epidermis-Inhalt durchwegs coHoid entartet war. Es fanden sich keine erkennbaren Epidermiszellen vor , wohl aber einzelne zarte Härchen.

Zur Behandlung des Milium wird man besonders von weiblichen Kranken veranlasst , deren Antlitz , namentlich bei zartem weissen Teint, durch eine grössere Menge von ein- gelagertem Hautgries allerdings verunziert wird. Das beste Mittel besteht darin , dass man der Reihe nach über jedem einzelnen Knötchen die Haut mit der Spitze eines feinen

11*

Neunte Vorlesung.

Bistouris genügend tief einritzt und die Milien sodann lieraus- quetscht. Die Ritzstellen bluten wenig und verheilen spurlos.

Bei acuter und massenhafter Entwicklung von Milium, wie die hei PempHgus und Rothlauf geschilderte, hahe ich durch Auflegen von Schmierseife Röthung und massige Ent- zündung der Haut hervorgerufen , in deren Folge die Milien sich rasch exfoHirten. Daraus schliesse ich um so sicherer, dass in diesen FäUen die Communication zwischen Milium- läppchen xmcl Ausführungsgang frei war. Denn bei Ver- ödung dieser Verbindung würden dieselben sich höchstens mit der Zeit durch Atrophie der über ihnen liegenden dünnen Coriumschichte ausblättern können.

Ich führe nun noch das sogenannte Molluscum conta- giosum als hieher gehörige pathologische Form an, über dessen BegrifP noch ziemliche Verwirrung herrscht

Ich meine zunächst dasjenige Gebüde, welches der Schopfer dieses Namens, Bateman, ursprüngHch als solches angeführt hat Das sind in der Haut gelagerte, oder über diese hervor- ragende, kugelige Gebilde von einiger Transparenz ziemkcher Härte, glatter Oberfläche , breit oder gestielt aufsitzend und mit einer kaum merklichen Oeffiinng versehen, durch die ein milchig trüber Inhalt der Knoten herausgepresst werden kam. Sie kommen einzeln, zu mehreren und sehr vielen vor, insbe- sondere untermischt mit Acne und Comedonen. Dieselben steUen zweifeUos ausgedehnte, von verflüssigtem Fett- und Epidermisbrei erfüllte, cystenartig degenerirte Talgdi'usen vor deren Wandung oft deutlich verdickt, deren Oeffnung verödet oder sichtbar, selbst für eine Sonde passirbar ist, also Drusen-

balggeschwülste. t i ix j i,

Sie contrahiren sich entweder, nachdem ihr Inhalt durch Auspressen, oder nach Function ein- oder melireremals entleert worden. Andere können erst nach erfolgter Spaltung dui-ch Eiterung zur Verödung gebracht werden. Noch andere smd nicht anders, als durch Ausschälen des Balges zu beseitigen.

„Contagiosum" hat Bateman dieses Molluscum genannt, weil er dasselbe bei mehreren in gegenseitigem Verkehr ge- standenen Personen gleichzeitig beobachtet hatte und so ver- muthete, dass es contagiös sei.

Molluscum contagiosum.

165

Seit den 20er Jahren ist aber vielfach, ja fast ausschliesslich ein etwas anders aussehendes Gebilde als MoUuscum contagio- sum aufgeführt worden.

Dasselbe erscheint auf der Haut in Gestalt von Stecknadel- kopf- bis erbsengrossen, rundlichen, halbkugeligen, kugeligen, emporo-ewölbten, weiss schimmernden, beinahe transparenten, zuweüen von einem schmalen rothen Saum eingefassten, warzen- ähnlichen Hervorraginigen oder kleinen GeschwiUsten. Die grösseren zeigen in der Mtte eine dellenartige Vertiefuag, welche iinverkennbar der Eonikelmündung entspricht. Sie sehen derart den Efflorescenzen der YariceUa sehr ähnlich, mit denen sie auch gerne verwechselt werden.

Quetscht man ein solches Gebilde zwischen beide Daumen- uägel, so tritt das ganze Körperchen aus seinem Bette und hinterlässt eine seichte Grube , deren Oberfläche ziemlich stark blutet Dasselbe besteht' aus mehreren runden, glatten, weissen Läppchen, die an einem kurzen Strange zu einem Traubchen verbunden sind. Zwischen den Fingern zerreibt sich dasselbe erst nach Berstung seiner strammen HüUe. Dann bekommt man eine breiig-blättrige Masse, die sich unter dem Mikroskope als fein vertheilte, platte Epidermiszenen, Eettkügelchen und ±ett- krystalle darsteüen. Ausserdem finden sich grosse, eiförmige, kernlose eigenthümlich mattglänzende Körper, theüs frei, theils eine EpidermishiiUe ausfüllend, oder zum Theüe in einer solchen steckend, zum anderen Theile nackt aus ihr hervorlugend (Fig. 15). Diese Körperchen hat man in den letzten Jahren als „M ollu s- cumkörp erchen" bezeichnet und eingehend studirt, weil man, seit Henderson und Paterson auf die- selben aufmerksam gemacht hatten, vielfach der Meinung war, ^ass sie ein dem Molluscum eigenthümliches

und charakteristisches Yorkommniss jj^uuscximkörperclien." vorstellen und die Träger der An- steckung seien , die man ebenfalls_dem Gebilde zuschrieb beides aber fälschlich, wie ich in einer besonderen ArBeiF dar- gethan zu haben glaube.

Die geschilderten warzen- oder pockenähnlichen Gebilde^, kommen ziemlich häufig zur Beobachtung. Sie finden sich am

j^Qß Neunte "Vorlesung.

Penis und Scrotuni, an den Labien, wesbalb sie aucli mit Tripper in Beziehung gebracht worden sind; weiters am Stamme, an den Extremitäten, u. z. vorwiegend auf der Beugeseite, im Gesichte, am Halse, am Nacken, einzeln oder in grösserer Zalü zu 20,_ 50, 100 und darüber in den verschiedensten Grössen, dissemnnrt oder steUenweise dicht aneinander gedrängt.

lieber ihre Entwicklung weiss man nicht viel zu sagen, da sie meist unvermerkt erscheinen. Ihr Bestand ist chronisch, durch Wochen, Monate oder Jahre. Viele bilden sich vom kleinsten Umfange zurück und verschwinden. Die grossen werden gelegentlich zerkratzt und faUen unter Blutung ihrer Basis aus. Andere werden durch schmerzhafte Entzündung und Eiterung ihrer Umgebung ausgestossen und hinterlassen eine Narbe . was namentlich bei Localisation im Gesichte imd bei Mädchen nicht gleichgiltig ist. Andere können, wie gesagt, jahrelang unverändert fortbestehen.

Weder Jucken noch Schmerz ist mit ihrer Gegenwart verbunden, die einzelnen in Entzündung begriffenen ausge- nommen.

Bei Kindern sind sie häufiger als bei Erwachsenen. Eczem, Prurigo, starke Schweisse, Maceration der Haut scheinen zu ihrer Entstehung Anstoss zu geben. Unter solchen Umständen haben ich und Andere auch acute Entwicklung derselben über grosse Hautstrecken beobachtet.

Wie vielfach dieses Gebilde gedeutet wurde, kann man schon aus der Menge von Namen ersehen, die neben M. conta- giosum demselben gegeben worden sind, als subcutanes und endocystisches Condylom, Condyloma porcelaneum, Sebiunwar- zen (Hebra), Molluscum epitheliale (Viechow), Acne varioh-

formis (Bazin).

Die Idee von der Ansteckungsfähigkeit dieser Warzen wird noch vielseitig behauptet und ist dadurch erregt und wach erhalten worden, dass man wiederholt, so auch ich selber bei mehreren Personen, besonders Kindern, die m gegen- seitigem innigen Verkehr gestanden, contemporär dieselben

entstehen gesehen. .

Man hat sich aber noch weiter auf die anatomischen Verhältnisse des Molluscum in dieser Beziehung stützen zu können geglaubt, aber mit Unrecht. Denn es erweist sich, dass die Molluscumwarzen nur von einem verdickten und eigen-

Mollusciun contagiosum.

167

thünilicli veränderten epitlieloiden Inlialt erfüUte, ausge- delinte Talgdrüsen sind, so selir auch Manche sich Mühe gegeben haben sie aus Wucherung und lappigem Auswachsen der Retezellen, oder der Auskleidungszellen des Ausführungs- gano-es zu erklären. Auf dem Durchschnitt zeigen sie wie aUe'^Talgdrüsen einen lappigen . Bau , eine Begrenzungswand, die nach der Höhle Septa sendet , und einen geschichteten Inhalt. Dieser besteht peripher aus Enchymzellen und mehr nach der Mitte fortschreitend aus Zellen, deren Protoplasma anivloid entartet ist. Dies sind die früher erwähnten „MoUuscumkörper«, welche die Träger der Ansteckung sein soUten. Am aUerwenigsten hat man Grund, sie für Püze, oder eingewanderte Gregarinen (Bollinger) anzusehen. Auch kommen solche Körper überall vor, wo Epithel lange liegen bleibt, in Epitheliomen, in alten Coniedonen u. A.

Es ist aber auch weiters weder casuistisch, noch experi- menteU , die Uebertragbarkeit der Molluscumwarzen beweis- ki-äftig dargethan worden. Deshalb halte ich mit Hebra und den meisten Klinikern und Anatomen dieselben auch nicht für ansteckend und ihren Beinamen „contagiosum" für ungerecht- fertigt.

Sie bilden mit den früher geschilderten Balggeschwülsten, dem ursprünglichen M. contagiosum Bateman, ein und dieselbe Erkrankungsform und beide kommen auch gemengt vor. ^ Sie sind beide Eetentionsgeschwülste der Talgdrüsen und heissen besser nach Hebra Molluscum sebaceum. Nur schlage ich zur klinischen Unterscheidung vor, die cystenartigen M. atheromatosum, die zuletzt geschilderten, warzenförmigen M. verrucosum zu nennen.

Die Behandlung der Molluscumwarzen ist eine mecha- nische. Die einzelnen Warzen werden mit den Daumennägeln herausgequetscht, was das praktischeste ist, oder mit dem scharfen Löffel herausgekratzt. Die stark blutenden Wund- stellen werden mit Charpie bedeckt und verheilen rasch. Sind viele Mollusca dicht aneinandergedrängt auf einer ausgebrei- teten Hautregion vorhanden, so kann man auch durch Auf- legen eines Umschlages von Schmierseife Schrumpfung und Exfoliation derselben veranlassen.

TV. Olasse.

Exsudationes.

Durch Exsudation und Entzündung bedingte Hautkrankheiten.

Zehnte Vorlesung.

Allgemeines über Exsudation und Entzündung.

Exsudation und Entzündung inn Allgemeinen, die Zellentheilung, ihre Be- ziehung zu jenen und zu den stabilen und eingewanderten Form- elementen. Symptome der Exsudation und Entzündung an der Haut. Verlauf und Ausgang derselben. Resolution, Eiterung, Hypertrophie,

Atrophie, Degeneration.

Meine Herren! Ich gehe daran, Sie mit einer Serie von Hantkrankheiten bekannt zn machen, die, wegen ihrer vorwaltenden Häufigkeit, Sie von allen Dermatosen zumeist in Ihrem praktischen Berufe beschäftigen werden.

Ausserordentlich verschieden nach Ansehen, Verlauf, Ur- sache und Bedeutung wurzeln sie doch aUe in einem gemein- schaftlichen pathologisch-anatomischen Grrunde, in dem der Exsudation und Entzündung, Sie stellen Exsudativ- oder Entzündungsprocesse xaT' e^oj^viv dar. Wir müssen uns demnach zunächst darüber verständigen, was diese Processe in der Pathologie im Allgemeinen und was sie für die Haut im Besonderen bedeuten.

Sie wissen, dass die Vorstellung von der Entzündung von jeher die medicinischen Studien beherrscht oder besonders beschäftigt hat. Die Haut war es, von welcher man ihre Erscheinungen am frühesten abgelesen hat, wie ihre traditio- nelle Charakteristik als: Rubor, Calor, Turgor, Dolor

Allgemeines über Entzündung.

169

etFunctio laesa bezeugt, luicl ans der an der lebenden, entzündeten Haut gemacbten 'Wahrnebmung wurde die Vor- steUimg von der Entzündung aucb auf die inneren Organe übertragen.

Zwei Jahrtausende bindurch war man darauf bescbränkt, das Wesen dieser Erscbeinungen nicbt anders als speculativ zu beleuchten. Erst die patbologiscbe Anatomie fübrte dabin, in den materiellen Veränderungen der entzündeten Gewebe selber aucb das Wesen des entzündlichen Vorganges aufzu- suchen.

Bis in die 50er Jahre nun hat der grosse Meister dieser Doctrine, Rokitansky und seine Schule das in entzündeten Gre- weben vorfindliche Exsudat als wesentlichstes anatomisches Symptom der Entzündung angesehen und den exsudativen Process selber gleichbedeutend mit Entzündung.

Die Letztere betrachtete man als eingeleitet durch eine Circulationsstörung, welche als Hyperämie begami, bis zur Stase des Blutes sich steigern sollte, und sodann zum Aiis- tritte von Exsudatflüssigkeit zur Exsudation führte.

Die Exsudation bezeichnete die Ahme des Entzündungs- processes.

In dem eigentlichen Exsudate oder dem Entzündung s- producte vorgefundene Formelemente, Zellen, Kerne, „Exsu- datkörper chen" (Eiter, Corps pyoides) Hess man aus dem Plasma der Exsudatflüssigkeit, gewissermassen per generationem aequi- vocam, sich entwickeln.

Allein es wurde zugleich gelehrt, dass „diese sämmtlichen Elemente keiner weiteren Entwicklung fähig sind".

Von dem Exsudate unterschied man in zweiter Eeihe als Befund in dem entzündeten Grewebe die entzündliche Neu- bildung, die G-ewebs Vegetation, die Fleischwärzchen- bildung. Sie war nicht mehr als Attribut des entzündlichen Vorganges selbst, sondern als dessen Folge hingestellt. Die Entzündung selbst hatte mit der Exsudation ihr typisches Ende erreicht. Die Grewebsvegetation war nur auf Anregung der Exsudatflüssigkeit, oder durch die Verwendung des über- mässig vorhandenen Plasma aus den präexistenten Bindegewebs- elementen (auch Grefässen) hervorgegangen; und stellte dem- nach nur eine Folge, einen „Ausgang" der Entzündung vor. Die Eiterelemente, deren Entwicklung die entzündliche

^rjQ Zehnte "Vorlesung.

Gewebsvegetation (Graniilationsbildung) begleitete, mirden, wie die entspreclienden Elemente des ursprünghclien Exsudates, aus einem neuerlichen Exsudate hergeleitet, welches aus den mit der Granulationsbildung gleichen Schrittes vorrückenden neuen Blutgefässen ausgetreten war, und dieselben aus sich

erzeugen soUte.

Man sieht, dass der Entzündungsprocess , den man auf der einen Seite mit der ursprünglichen Exsudation enden liess, auf der anderen Seite wieder fortgesetzt gedacht wiu'de, indem ia die Eiterbildung der Granulationen aus einem neuen Exsu- date entstehen soUte, Exsudation aber nur meder Product einer Entzündung sein konnte. _

Mit der Erfahrung, dass den stabüen Bmdegewebs- elemen.ten eine Proliferationsfähigkeit zukomme, und mit der auf dieser Erkenntniss durch Virchow aufgebauten ZeUen- theorie(Cellular Pathologie) war die bisherige Bedeutung ■der Exsudation in den Hintergrund gedrängt. Die m den entzündeten Geweben vorfindliche Neubildung von Formelemen- ten (ZeUen, Eiter) und bleibenden Geweben wurde aus der ProHferation der Bindegewebskörperchen hergeleitet. Zwar konnte das Exsudat, d. i. dessen flüssiger Bestandtheil mcht übersehen werden, und eben so wenig, dass es aus den Blut- gefässen herstamme. AUein dessen Austritt war nicht diu'ch die Gefäss- oder Herzaction erklärt, sondern es sollte dui'ch die proliferii^ende Vegetation der Gewebselemente zum Aus- tritte veranlasst werden (Viechow).

Man zwang sich demnach geradezu den Blick von den Vorgängen in den Gefässen, von der Circulationsstörung imd deren unmittelbarer Consequenz, der Exsudation, ab-, um ihn ausschliesslich den Vorgängen in den Gewebselemeiiten selbst

zuzuwenden. ^ ,

Die Aufmerksamkeit der Histologen wurde auch eine Zeit hindurch durch eine Reihe von neu entdeckten Erschei- nungen an die Vorgänge in den Geweben selbst gefesselt. Zunächst durch die Entdeckung Recklinghausen s der ande- runc der EiterzeUen (ExsudatzeUen). Weiters diu-ch den Nach- weis von Cohnheim , dass während des Entzündungsprocesses Schaaren von weissen Blutkörperchen aus dem Lumen der Gefässe durch deren Wandung hindurchpassiren und in aie Gewebe auswandern. Schon früher hatte Stricker gezeigt,

Allgemeines über Entzündung. 171

dass bisweilen einzelne r o t Ii e Blntkörperclien auf diesem Wege Äwvch die Grefässwand liindurcli den Gefässraum verlassen, wie ■Waller solches für weisse Blutkörperchen.

Die Entdeckung Cohnheim's von der massenhaften Aus- wanderung der weissen Blutkörperchen war identisch mit dem Nachweise einer unerschöpflichen QueUe für die Herkunft der Eiterzellen. Weisse Blutkörperchen, Eiterzellen, Exsudat- körperchen sind von einander nicht unterscheidbare , demnach als identisch aufziifassende Elemente. Dadurch ward auch die Lehre VmcHOw's in's Schwanken gebracht. Der eigentliche Nachweis, dass die Bindegewebskörperchen sich theilen xind die EiterzeUen aus sich herausbüden, war ja von YmcHOW gar nicht geHefert worden. Die Auswanderung der weissen Blutkörperchen per Diapaedesin konnte aber Jedermann unter dem Mikroskope verfolgen. Viele Helten sich demnach lieber an das Neue, was zugleich positiv und unbestreitbar erscHen.

Die Thatsachen häuften sich alsbald in überraschender Weise an Zahl und meritorischer Bedeutung.

Dui-ch gründliche Untersuchungen ward dargethan , dass die EiterzeUen durch endogene Bildung sich vermehren. Weiters, dass auch die Epithelien durch endogene Zeugung EiterzeUen hervorbringen, so wie durch TheUuiig ihrer Kerne und ihres Protoplasma sich vermehren (Buhl, Rindfleisch , Osee, u. ^ A.). Eerners , dass Auswanderer (WanderzeUen) aus dem Binde- gewebsraume bis in die EpitheUalscHchten vordringen können.

Die von und seit Cohnhem angezweifelte Proliferations- fähigkeit der Bindegewebskörperchen ward von Mecklinghausen und in unzweifelhafter und eingehender Weise neuerdüigs von Stkickee-Noeeis (für Hornhautkörper und Bindegewebskörper der Zunge) dargethan. Die ZeUtheilung in entzündeten Geweben wurde weiters der Reihe nach für die Muskelelemente, Nerven- zellen und die Elemente der Gefässwand, für Knochen und Sehnen etc. erwiesen.

Kurz, die Beobachtung lehrte, dass die lebenden Elemente zum, Theil bewegungsfähig sind, zum Theil es werden können," imd dass sie weiters keimen und sprossen und proliferiren.

Nicht diese allgemeine ZeUenproliferation als solche war es, durch welche die klinische Doctrine in die ärgste Schwebe gerieth. Dass eine solche stattfinde und stattfinden müsse, das war ja längst bekannt, wenn auch nicht, dass sie in einer

^^jj Zehnte Vorlesung.

solchen Li- und Extensität stattfinde. Verwirrend J«^' blüffend für die klinische Lehre war nur die biologische belb- ständigkeit, welche die einzelnen Formelemente in ihrer Pro- dnctivität an den Tag zulegen schienen; die Zumuthung, dass die Gewebseleniente auf directen Reiz in dem Sinne der Proliferation reagiren; und dass diese reichen und fruchtbaren Ereignisse innerhalb der Gewebe ohne Zusammenhang mit den aUgemeinen Nutritionsvorgängen, namentlich aber ohne Bezie- hung zu den localen Circulationsverhältnissen dargestellt wur- den, von welchen wir sonst jede Nutritionsveränderung abhangig

zu machen gewohnt waren. „-u^^irlp Zwar hat VmcHOW selbst, der erste epochemachende Gründer der neuen Solidarpathologie , die Gefässaction nicht ganz ausser Acht gelassen. Ln Gegentheile setzte er_, wie die Iiinischen Beobachtungen es forderten, die Hyperamie als Ursache der entzündlichen Nutritionsstörung voraus. Noch Hiehr, er betonte ja, dass nicht jede Hyperamie Ent- zündung zur Folge habe. -o . -

Auch das Exsudat war von ihm in semer Bedeutimg nicht unterschätzt. AUein es war ihm mehr die Folge als die Ursache der Gewebsveränderung

CoHNHEm's Entdeckung wies aber ganz deutlich auf d^e Circulationsstörung hin. Unter ilirem E-A-se W 3^^^^^ Auswandervmg der weissen Blutkörperchen statt. Dennoch trisT oder vernachlässigte man über die letzteren , über die Verf W^r^r Wanderungen u.d weiteren Schicksale, über IslnUse, welches weiters die I^-— ^^^^^^^^^^ der fixen Gewebselemente darboten, das Verhalten der Getasse

^ef X IT Lehre sehr hemmende einseitige

A_nffassunK soteint gegenwärtige ziemHcli überwunden, ^""seits sind'die Angaben «1^-/^ ProHfer^ende » keit der stabUen Gewebselemente dnrcb neue E^peiimente

'"^''i^aretÄ neuestens aueb die Exsudation wieder aufil^"nteritorischenundebronologiscben Platz m der Eeü^. : ttzHndlieben Vorgänge gesetzt und die Bett«^^^^^^ fasswandnng im Entznndvmgsprooesse betont (Samüei., bTEiCKE ,

"e'r Vorgang der Entzündung ist demnaeh so aufzufassen,

AUgomeino Symptome der Entzündung der Haut.

173

class die Circulationsstörung, auf eiiieu dir ecten, oder durcli die Nervenbaliii vermittelten Reiz entstanden (Hyperämie) denProcess der Entzündung jedesmal einleitet; sodann aus den Blutgefässen eine Exsudation von flüssi- gen und geformten Elementen stattfindet; und dass Heraixf erst die ^Tutritions Störung in den Geweben zu Stande kömmt.

Die Exsudation, oder sagen wir das Exsudat, aber ist niclit nur als Nalirungs- , als Baumateriale für die neu ^ zu producirenden Elemente nothwendig, sondern die Exsudation, die Strömung des Exsudates, wie Stbicker's Experiment anzu- nebmen erlaubt, aucli als mecbaniscber Eeiz für die stabilen Grewebselemente dienlich, indem sie durch denselben zu der neuen Lebenstliätigkeit, zur ProHferation angeregt werden.

So ist denn die Kette der Erscbeiaungen wieder zu einem Ganzen geschlossen, welches das klinische Bild der Entzündiuig wiedergibt. Die vorübergehende Unterbrechiuig ihres Zusam- menhanges hat dem Ganzen nui' Vortheil gebracht. Die ein- zelnen Glieder der Kette sind eben in die verschiedenen Werk- stätten gewandert, und da den Erfordernissen der Thatsachen entsprechend neu umgearbeitet, erweitert, vermehrt und nun- mehr wieder zusammengefügt worden.

Wir können nun wieder an der Hand der klinischen Er- fahrung das Gebiet der von Entzündung befallenen Gewebe durchwandern, um über die dortigen Vorgänge uns zu belehren.

Auf der allgemeinen Decke kommen die im Vorher- gehenden erörterten histologisch-anatomischen Merkmale der Entzündung, die Circulationsstörung, die Exsu- dation, die Nutritionsstörung der Gewebselemente ia besonders prägnanter Weise und unter folgenden Symptomen zur klinischen Anschaiiuug :

1. Die Circulationsstörung als Hyperämie. Sie erscheint als eine unter dem Fingerdrucke erblassende ßöthe der Haut, in verschiedener Nuance und Ausdehnttng. Sie ist der Ausdruck der abnormen Blutüberfüllung der kleineren und kleinsten Gef ässe. Als solche ist sie auch mit erhöhter Wärme der betroffenen Hautpartie verbunden (Rubor, Calor).

Allein an und für sich stellt die Hyperämie nicht das einleitende Symptom der Entzündung dar. Sie wird es erst mit Bezug auf eine nachfolgende Exsudation, Diese letztere

■^rj^ Zehnte Vorlesung.

gibt erst der vorausgegangenen Hyperämie ihre Bedeutung. Mit anderen Worten, nicM jede Hyperämie führt zur Exsu- dation, und demnach gehört nicht jede Hyperämie der Ent- zündxmg an.

Diese von allen Physiologen und Experimentatoren aner- kannte Thatsache (Brücke, Virchow, 0. Weber, Billroth) müssen wir von unserem Standpunkte besonders scharf betonen.

Es gibt eben hyperämische Zustände der Haut, welche nicht oder nur ausnahmsweise zur Exsudation führen; und man kann es der Hyperämie nicht ansehen, ob sie eine Exsu- dation zur Folge haben werde. Aber nicht nur das Ausblei- ben der Exsudation, sondern dass solche Hyperämien einen typischen Verlauf zeigen, stempelt dieselben zu eigenartigen Krankheitsformen. Und darum haben wir derartige Hyperämien der Haut in einer besonderen Classe abgrenzen müssen (I. Classe der Hautki^ankheiten) , wenn wir den klinischen Thatsachen Rechnung tragen wollten.

Die Entzündungsröthe ist entweder diffus, über grössere Strecken ausgedehnt, oder beschränkt sich auf einzelne Punkte, und dann am häufigsten auf das G-efässgebiet der drüsigen Hautgebilde.

Wichtig ist ferner, ob die Hyperämie nur die oberüach- lichen, die Papillargefässe betrifft, oder auch auf das Gefäss- gebiet des Corium sich ausdehnt.

Endlich ist noch von Belang die Dauer der Circulations- störung, ob acut, ob chronisch. Im ersteren EaUe ist die Temperaturerhöhung oft eine sehr bedeutende (bis 41° C; und etwas darüber), im letzteren kaum vqu der normalen ver- scIiigcIgii»

2. Die Exsudation; der Austritt von Exsudat, d. i. von flüssigen (Serum) und geformten (weisse Blutkörperchen) Blutbestandtheilen aus den Gefässen in die Gewebe. Sie gibt sich kund im Corium als dessen Schwellung (Volumsvermehrung) und, bei intensiverer Entwicklung, durch bei Druck schmerzhalte „Infiltration" (Turgor, Dolor, Functio laesa); an dessen Oberfläche als Loswühlung und Emporwölbung der Epidermis in Form von Knötchen, Bläschen und Blasen, deren Inhalt eben das Exsudat darstellt; und nach Abhebung der Epidermis als eine in Tropfen und in grösserer Menge an der Oberfläche frei zu Tage tretende Flüssigkeit, welche chemisch

Allgomeiue Symptome der Entzündung der Haut.

175

und mikroskopisch die Charaktere des entzündlichen Exsudates

erkennen lässt.

Das Exsudat erscheint unter solchen Verhältnissen als eine gelblichweisse, klebrige Flüssigkeit von schwach alkalischer Reaction. Grekocht oder auf Zusatz von Salpetersäure lässt sie ein grosses Quantum Eiweiss fallen. Unter dem Mikro- skop erfindet man in derselben eine geringere oder grössere Menge von geformten Elementen : einzelne rothe , mehr weisse Blutkörperchen, freie Kerne.

An der Luft vertrocknet sie zu gelben, bräunlichen, honig- oder gummiartigen Borken.

Die Schwellung und Infiltration und die freie Exsudation entspricht in ihrer Localisation in der Regel der ihr zu Grunde liegenden Hyperämie, sie ist demnach einmal mehr diffus, ein andermal auf einzelne Punkte beschränkt.

In letzterem Falle erscheint sie meist tim die Mündungen der einzelnen FoUikel, oder tritt aus der Mündung der letzteren selber hervor, nachdem der Erguss in das Drüsen- oder FoUi- cularhimen stattgefunden hat.

Die Menge des gesetzten Exsudates kann jedoch nicht in ein stetiges Verhältniss zur Intensität der Hyperämie ge- bracht werden. Es erscheinen massige Exsudate bei scheinbar geringer Hjrperämie und umgekehrt.

Die Frage nach dem weiteren Schicksal des Exsudates lässt sich nur insoferne beantworten, als bis zu einem gewissen G-rade allerdings die Exsudation von der durch sie eingelei- teten Nutritionsstörung getrennt werden kann.

Rasch zu Stande gekommene, an Formelementen arme (mehr seröse) Exsudate werden v bisweilen so rasch wieder resorbirt, dass sie wohl keine merkliche Störung in den Nutritionsverhältnissen der Gewebe veranlassen konnten (Ery- thema exsudativum multiforme, Urticaria). Insbesondere dürfte es schwer fallen, unter solchen Verhältnissen an eine active Betheiligung der stabilen Gewebselemente ("Wucherung der Bindegewebskörperchen) zu glauben.

Bei massigerer, oder mehr zellenreicher Beschaffenheit des Exsudates, bei längerem Verweilen desselben innerhalb der Gewebsräume, oder bei häufiger Wiederholung der Ex- sudation, oder endlich unter Umständen, die nicht näher definirt werden können, aber aus der Natur des betreffenden Processes

^rjQ Zelinte Vorlesung.

herstammen, kommt es dagegen zu einer mehr oder weniger auch klinisch erkennbaren Gewebsveränderung, die als Proli- feration der Gewebselemente sich kundgibt.

Insoferne aber das Exsudat selbst mit seinen Bestand- theilen, Serum und Zellen, nicht nur als verwendbares Materiale in die Proliferation der Gewebe aufgenommen wird, sondern auch selber durch Theilung seiner Formelemente an der Gewebs- wucherung activ sich betheiligt, ist das weitere Schicksal des Exsudates enge verknüpft mit dem der entzündeten Gewebe; mit anderen "Worten die Nutritionsstörung ist für Beide iden- tisch und kann nur in Einem betrachtet werden,

3. Die Nutritionsstörung des entzündeten Gewebes. Sie manifestirt sich klinisch an der Haut durch eine ausgedehntere, oder nur auf einzelne Punkte beschränkte derbere Infiltration des Coriums, als Knötchen- und Knotenbildung; in deren oberflächlicheren Schichten als übermässige Bildiing, Anhäufung und Abstossung der Epi- dermis imd der epidermoidalen Gebilde der drüsigen Haut- organe (Schuppung, sowie Anhäufung von Pigment); endlich in einzelnen, oder in allen Geweben des Hautorganes als Auf- lockerung, Erweichung und Zerstörung, Zerfall der Gewebs- elemente unter den Erscheinungen der Eiterung, oder als Hyperplasie, oder Atrophie, mit oder ohne Erscheinungen der retrograden Metamorphose.

, Die zunächst sich ergebende Nutritionsstörung der ent- zündeten Haut besteht, wie die mikroskopische Unter- suchung lehrt, neben dem Auseinandergedrängtwerden 4er einzelnen Gewebselemente durch das flüssige Exsudat in der Production von zahlreichen zelligen Elementen neuer Bildung Zellenproliferation , welche inmitten dem von der Entzündung befallenen Gewebe sich anhäufen zellige Infiltration.

Die Zeüen neuer Bildung sind meist runde, rundliche, ovale, spindelförmige Gebilde von der Grösse der weissen Blut- körperchen mit grossem, stark lichtbrechendem Kerne; nebstdem solche mit zwei und mehreren kleineren Kernen und fem granulirtem Protoplasmakörper.

Sie stammen zum grossen Theile, zugleich mit dem flüssigen Exsudate, aus den Gefässen, deren Wandiuig im Entzündungsprocesse krankhaft verändert mid derart für die

Ausgcang der Entzündung.

177

BliTtkörperclien leicliter passirbar angenommen wird. Diese er- sclieinen aucli im Beginn der Entziindnng (sowie bei vielen Neu- bildungen) in unmittelbarer Nähe der Capillaren und in dem so- genannten Adventitial-ßaum der Gref ässe, diese umscbeidend. Zum anderen Theile jedocli sind sie auf dem Wege der Zellen- und Kerntlieilung oder Sprossung aus der Proliferation der exsudirten Körpercben, sowie durcli Zeugung aus den früher stabilen Gewebselementen , Bindegewebskörperchen ; aus epitheloiden Gebilden, den Enchymzellen der Drüsen, den Epithelzellen der Malpighi'schen Schichte, hervorgegangen.

Alle die zelligen Elemente neuer Bildung (junge Zellen, Entzündungszellen, Granulationszellen, Infiltrationszellen) haben zugleich die biologischen Eigenschaften der weissen Blut- körperchen, die aus den Blutgefässen in die Gewebe gewandert sind; d. h. in Sonderheit, sie haben die Fähigkeit der Orts- veränderung, und finden sich darum bisweilen entfernt von dem Orte ihrer Geburt, z. B. innerhalb der Malpighi'schen Schichte, wenn sie im Coriiun erzeugt worden ("Wanderzellen).

Der Ausgang der Entzündung ist verschieden.

Nachdem nämlich die Zellenproliferation und die Infil- tration der Haut kürzere oder längere Zeit angedauert, dann kann entweder

a) der Process allmälig sich rückbilden und die Haut vollständig zur Norm zurückkehren Lösung, Eesolution.

Zuerst mindert sich die Hyperämie. Damit verringert sich und sistirt auch die Exsudation. Und mit Letzterer bleibt auch das Materiale und die Anregung für die stabilen Gewebs- elemente zur Proliferation aus , i. e. die Zellenneubildung hält inne.

Das in dem Gewebe vorhandene flüssige und zellige Exsudat verliert sich allmälig ; wenn an der Oberfläche, in der Epithelialschicht , theilweise durch Verdampfen, Eintrocknen. Die mechanisch losgewühlten und abgehobenen Epithelzellen werden als Corpora mortua abgestossen. Wenn dagegen inner- halb des Coriums, dann wahrscheinlich durch Resorption. Die zelligen Elemente mögen hiebei entweder in integro oder vielleicht nach fettiger Metamorphose zur Aufsaiigung gelangen.

b) Oder es werden die beweglichen, amoeboiden, jungen Zellen, unter der erwähnten Abnahme der Hyperämie und der zur Proliferation anregenden Exsudation, wieder zu stabilen

Kaposi, Hautkrankheiten. 12

•l^-yg Zohnte Vorlesung.

Elementen, als welclie sie, imCorivim, zu Bindegewebe, Gefässelementen n. s. w. sich umgestalten, indem sie zu faserig-zelHgen Greweben sicli vereinen, wäbrend sie in der Epithelialscliiclite die Elemente der letzteren an Zahl vergrössern entzündlicbe Hypertropbie. Sie ist häufig Folge der cbronischen Entzündung, wie Dermatitis chroiSca, cbroniscbes Eczem, Psoriasis, chronisclies (lympha- tiscbes) Öedem und combinirt sich gerne mit den sogleich zu erwähnenden Formen der Degeneration und retrograden Metamorphose der Grewebselemente.

Oder endlich es kömmt

c) zui- Eiterung.

Klinisch charakterisirt sich dieser Ausgang durch die acute Erweichung und Zerstörung der Gewebe unter der Büdung einer dicklichen, grünlich gefärbten Flüssigkeit, des Eiters.

Der Eiter (Pus bonum et laudabile Chirurgorum) reagu't, wie jedes Exsudat, schwach alkaUsch, und besteht aus einer eiweisshältigen Flüssigkeit, Eiters er um, und aus in dieser suspendirten zelligen Elementen, Eiterkörper che n.

So wie die Flüssigkeit mit dem flüssigen Exsudate, so stimmen auch die EiterzeUen mit den ZeUen des Exsudates in Aussehen und Beschafi"enheit überein. Allerdings findet man dieselben einerseits in relativ grösserer Zähl als m den sogenannten Exsudaten, und andererseits sind unter ilmen viel mehr mit zwei und mehr Kernen versehen, und mit (Fett-)

Körnchen versetzt.

Man kann demnach sagen, Eiter ist ein Exsudat, in welchem die ZeUenproliferation besonders acut und reichlich

vor sich geht. . 1 1 i

In der That kann ein jedes durchsichtig klare, also zeUenarme Exsudat (z. B. einer Pemphigusblase) dadurch eiterig und dann trübe werden, dass in demselben die zelligen Gebilde durch Proliferation sich übermässig vermehi-t haben.

Zwei Fragen haben die Pathologen von jeher sehr ein- gehend beschäftigt: 1. Woher kömmt der Eiter? und 2. Aut welche Weise kömmt die unter der Eiterung bemerkbare Zer- störung der Gewebe zu Stande? m i

Die erste Frage findet ihre Beantwortung in der Gleich- steUung des Eiters mit dem Exsudate. Wie dieses kömmt auch

Ausg.ang der Entziindnng.

179

jener mit seinem flüssigen Bestandtlieile gewiss aus den Ge- fassen, und mit seinen Formelementen, theils aus diesen, theils aus den stabilen Grewebselementen. Die rapide Vermehrung geschielit dann durcli Proliferation der vorhandenen Eiterzellen. Dafür spricht der so häufige Befund von mehrkernigen und in Spaltung begriffenen Eiterzellen.

Wieso hiebei die Gewebe zu Grunde gehen, hat man zu verschiedenen Zeiten verschieden zu erklären versucht.

Früher hat man dem Eiter als solchem fälschlich die Eigenschaft zugeschrieben, dass er durch seinen Contact die Gewebe schmelzen mache. Heut' zu Tage muss man sich die Schmelzung, das Zugrundegehen des Gewebes in der Eiterung anders vorstellen.

Was die Z eil en-Eormen anbelangt, so wäre ihre Er- weichung und Vernichtung derselben nicht als solche, sondern als identisch mit der ZeUenproliferation, mit der Eiterbildu.ng, und nicht als deren Eolge aufzufassen.

Indem die stabilen Gewebselemente , Bindegewebskörper- chen, die Epithelzellen, aus sich selbst junge Zellen, Eiter- zellen, bilden, geht ihre Substanz eben in dieser neuen Bildung auf. Oder, wie Steickee, sich ausdrückt : wir sehen, „dass viele Gewebe durch den Entzündungsprocess ihren functioneUen Zwecken entfremdet, und a.uf einen den Zeugungszwecken ent- sprechenden Zustand geführt werden; das heisst, sie werden bewegKch, nehmen an Masse zu und theilen sich total oder partiell. "

Die Eiterung ist demnach der Ausdruck der acuten massenhaften ZeUenproliferation.

Was aber die Schmelzung des faserigen Antheils des Bindegewebes anbelangt, so haben die neueren Untersuchungen gelehrt, was VmcHOW schon früher, allerdings vermuthungs- weise, ausgesprochen, dass die als Intercellularsubstanz bezeich- neten Bindegewebsbündel allenthalben von feinsten Ausläufern der Zellen (der Bindegewebskörperchen) durchsetzt sind, die unter einander anastomosirende Netze bilden; dass ferners diese Ausläufer, gleich dem Zellkörper selber, während der Entzündung wahrscheinlich auf Kosten der intercellularen (leimgebenden) Substanz anschwellen und. endlich den ganzen Gewebsraum einnehmen. Man beobachtet also, dass die leim- gebende Substanz in demselben Masse schwindet, als die Aus-

12*

j^gQ Zehnto Vorlesung.

läufer der Zellen dicker und das durch ilire Verbindungen gebildete Netzwerk enger geworden. So dass schliesslicli der Eiterungs- oder Entzündungskerd ausscliliesslich aus diesen zusammengesetzt ersckeint, ein purer Eiterherd. ^

Dieser Vorgang ist für die Hornhaut, die Sehne und neuestens auch für das Cutisgewebe (Ravogli) nachgewiesen worden.

Einmal zu Tage liegend, wird ein Theil der Eiterzellen durch die Menge des nachschiebenden Exsudates weggeschwemmt, andere vertroclmen, noch andere werden dui-ch Imbibition auf- gebläht, bersten, und ein anderer Theil wii-d durch Eettkörn- chen- Anhäufung metamorphosirt und zur Resorption gelangen.

Ein Rest endlich, die jüngsten, die am wenigsten durch chemische und mechanische Unbilden gelitten haben, die zu- nächst aus dem noch zurückgebliebenen stabilen Gewebe hervor- gegangen sind, die auf und in dem Mutterboden der Eiterung, tm^G-rundgewebe der Wunde sich befinden (plasmatische Schichte, Thieesch), gelangen dann wieder unter Verminderung der ent- zündlichen Proliferation zur normalen Stabilität und werden zu stabilen Grewebselementen sich umgestalten.

Im Coriumgewebe (Bindegewebe) durch Eiterung zu Stande gekommene Substanzverluste werden dann durch junges Nar- ben- (Binde-)Gewebe ersetzt, indem aus den jungen Elementen Bindegewebe, Gefässe, Nerven, wenn auch nicht in der physio- logischen Gruppii-ung, sich wieder erzeugen.

Substanzverluste jedoch, welche die EpitheHalschichte allein betreffen (Herpes, Pemphigus), heilen begreiflicherweise ohne Narbe, da in solchem EaUe um- die Restitution mehi- homologer, zelliger Gebilde zu geschehen hat.

Hieran wäre noch die Erörterung der anderen mögHchen Ausgänge der Entzündung zu knüpfen : Nekrobiose m Eorm der Gangrän, die sich durch das Absterben grösserer Ge- websmassen von dem mehr die Gewebselemente im Einzelnen betreffenden eiterigen Zerfall unterscheidet; der fortschi-eitende moleculäre ZerfaU der Gewebe bei der fibrinösen Exsudation (croupöse, diphtheritische Entzündung), weiters die verschie- denen Formen der Atrophie und degenerativen Zer- störung der Gewebe, die fettige', amyloide, schleimige und colloide Entartung, Verkäsung und Verkalkung

Histologie nud Eintlieilung der exsudativen Dermatosen.

181

der Entzündiingsprocliicte und infiltvirten Gewebe. Icli begnüge mich jedoch mit ihrer blossen Erwähming , da ich nnter den besoncleren und seltenen Verhältnissen ihres Vorkommens bei Hantkrankheiten dieselben noch hervorheben werde, ihre Be- dentiing aber Ihnen ans der patliologischen Anatomie ohnehin bekannt sein mnss.

Die überwiegend grösste Zahl von Hantkrankheiten über- haupt reiht, wie schon erwähnt, in diese, diirch Exsndation tmd Entzündung charakterisirte Classe. Bei aHen hierher ge- hörigen Formen werden wir also die geschUderten Erscheinun- gender Exsudation und Entzündung sowohl im klinischen Bilde ausgeprägt finden, als auch mikroskopisch nachweisen köimen.

Insoweit macht sich denn auch kein anatomischer Unterschied zwischen den einzelnen Formen der hierher gehö- rigen Hautkrankheiten bemerklich, höchstens nach der Intensität, Ausbreitung und specieUen Oertlichkeit der entzündlichen Ver- änderung, indem sie in manchen Processen vorwiegend m circumscripten Herden, in anderen diffus auftritt, bei einigen mxr die obersten Schichten, bei anderen das Corium in seiner ganzen Tiefe, bei noch anderen vorwiegend die Drüsen imd ihre Umgebung betrifft. Besonders die feineren histologischen Verhältnisse, wie sie das Mikroskop bisher zu eruiren ver- mochte, erscheinen bei allen ziemlich übereinstimmend, in dem Stippcheu der Variola, wie in dem Knötchen bei Eczem, Pru- rigo, Liehen urticatus und Psoriasis ; nicht anders im Bläschen des Herpes, wie in dem des Eczem u. s. f. Damit reducirt sich auch die Bedeutung, welche von Einzelnen dem histolo- gischen Detail vindicirt wurde, auf ein richtiges Mass. Sie wissen nun, dass wir durch dasselbe wohl sehr belehrende Einsicht in die feineren Veränderiuigen der Gewebe und damit auch manche Aufklärung für die klinischen Erscheimingen, aber kaum unterscheidende Merkmale zwischen den einzelnen analogen, hier den entzündlichen Krankheitsformen der Haiit gewinnen.

Die letzteren unterscheiden sich aber sehr durchgreifend nach ihrem klinischen Charakter, nach Ursache, Verlauf, Ansehen, Bedeutixng und Folgen für das Hautorgan und den Gesammtorganismus. Auf dieser Grundlage ordnen sich denn

■j^g9 Zehnte Vorlesung.

auch die entzündliclieii Dermatosen in mehrere Gruppen und Unterabtheüungen und wird das Studiiun der einzelnen Foi-men am besten ermöglicht.

Um Sie vorweg in der Menge der exsudativen Dermatosen einigermassen zu orientiren, bemerke ich, dass sie m zwei natürliche Hauptgruppen sich absondern, dadurch, dass die einen stets, oder vorwiegend einen acuten und typischen, d i nach einer bestimmten und bekannten Eegel abzusehenden Verlauf nehmen, während die anderen aUe durchwegs, oder vorwiegend chronisch verlaufen.

Unter den acuten Exsudativprocessen bilden die so- genannten „acuten Exantheme", Masern, Scharlach und Blattern, als contagiöse Krankheiten eine natürliche Gruppe denen eine andere Gruppe nicht contagiöser acuter Formen gegenübersteht. Unter diesen zeichnet sich eine Reihe von Erkrankungen durch das Vorwalten vonRöthung aus zu welcher sich aUenfalls noch massige seröse Exsu- dat ion o-eseUt, Erythem-Eormen: Erythema polymorphe, Erythema nodosum , PeUagra , Acrodjaiia , Roseola , Urticaria. Bei einer zweiten Reihe acut und typisch verlaufender Krankheiten tritt die Exsudation in den Vordergrund, in- dem es bei derselben zur Bläschenbüdung kommt, - ^^si- culöse Formen: Herpes facialis, progenialis, Zoster ii'is et circinatus, Miliaria, Pemphigus acutus. Bei der dritten Reihe endHch kommen die Erscheinungen der Entzündung Rothe, Temperaturserhöhung, Schwellung (Infiltration) und Schmerz und aUe möglichen Ausgänge derselben zum vollen Ausdrucke, - eigentliche Dermatitides, Hautentzündungen. Die hieher gehörigen Formen können durch traumatische, chemische oder dynamische Schädlichkeiten hervorgerufen sein, _ Dermatitis idiopathica, als D. traumatica, a venenatis, calorica (ambustionis et congelationis), oder, Theile immer, zum Theile möglicherweise, das Symptom emer orthchen odei allgemeinen Vergiftung mittelst solcher Stoffe darsteUen, welche im weitesten Sinne animalischer Abstammung sind, u. z. solchei, die theils vom menschlichen Organismus, theils von ihieren herstammen, - Dermatitis infectionis : Erysipel, Furunkel, Anthrax, Pseudoerysipel, Leicheninfectionspustel und die ex- quisiten Zoonosen; Pustiüa maligna -^^..^^ .^^^^^^^^^^ Dabei kann die Entzündung entweder die oberflaclilichen Haut

Eintlieilung der exsudativen Dermatosen

183

schicliten aUein betreffen und mit Lösung enden, wie bei den gewölinHclien Formen des Erysipel, oder bis in die tiefsten Schichten di-ingen und zur Eiterung führen, wie bei der Phlegmone; einmal diffus auftreten, wie bei den letzteren Processen, oder circumscript, wie beim Evirunkel.

Der grossen Zahl von acuten Exsudationsformen steht eine nicht minder grosse von chronisch verlaufenden Exsudationsprocessen gegenüber, welche wieder nach besonderen Charakteren in mehrere Unterabtheilungen gruppirt werden können. An dieser SteUe sie aufzuzählen, dürfte für Sie weniger Nutzen haben. Es wird viehnehr besser sein, nachdem Sie aUe hieher gehörigen Formen gründlich kennen gelernt haben werden, dieselben in einem übersichtUchen Schema Ihnen noch einmal vorzuführen.

So wollen wir uns denn zunächst mit den acuten Ex- sudativprocessen der Haut und unter diesen in erster Eeihe mit den acuten contagiösen Formen, den so- genannten „acuten Exanthemen" beschäftigen.

A. Acute exsudative Dermatosen.

a) Acute, contagiöse, exsudative Dermatosen.

Eilfte Vorlesung.

„Acute Exantheme."

Gemeinsehaftliche Charaktere der acuten Exanthenne. - Masern.

Masern, Scharlacli und Blattern bUden die Gruppe der sogenannten acuten Exantheme oder Exan- theme -/.aT sEoj^TiV.

Dieselben charakterisiren sich als durch specifische Contagien hervorgerufene Krankheitsformen, welche neben AfPection des Gesammtorganismus und acutem, fieberhaften, typischen Verlauf, sich durch specifische Veränderungen an der aUgemeinen Decke und regelmässige Reihenfolge der ört- lichen und aUgemeinen Symptome auszeichnen.

Die TJebereinstimmung in den allgemeinen Symptomen der Exantheme gibt sich, näher bezeichnet, wesentlich in folgenden Momenten kund:

1. In ihrer Contagiosität, indem sie nur durch Ansteckung entstehen und sich auf Andere übertragen.

2. Dadurch, dass vom AugenbHcke der Ansteckung bis zum Ausbruche der Krankheit eine bestimmte Erist von Tagen relativen "Wohlseins verstreicht (Incubation).

3. Darin, dass dem Ausbruche des Exanthems Fieber vorangeht, welches nach Intensität und Dauer zu jenem m einem gewissen regelmässigen Verhältnisse steht.

Allgemeiner Charakter der acuten Exantheme.

185

4. Dass die Veränderungen an der allgemeinen Decke (Exanthem) nebst ihrem specifischen anatomischen Charakter einen regelmässigen Typus im Verlaufe, Entwicklung, Dauer und Eückbildung darbieten.

5. Dass sowohl während des Bestandes, als nach Ver- schwinden des Exanthems die Mitleidenschaft des G-esammt- organismus ausser durch Eieber noch durch mannigfache andere begleitende imd Eolge-Krankheiten sich kimdgibt, der Process sich demnach als Lifectionskrankheit darstellt.

G. Dass die acuten Exantheme, indem das ihnen ent- sprechende Contagiiim in dem davon befallenen Organismus sich regenerirt und auf Andere überträgt, hätifig epidemisch auftreten.

7. Endlich darin, dass sie das Individuum in der Regel nur einmal im Leben heimsvichen.

Die charakteristische Veränderung an der allgemeinen Decke, das Hautexanthem, bildet semiotisch und pathologisch den eigentlichen Knotenpunkt des ganzen Krankheitsprocesses, um welchen die anderweitigen Erscheinungen sich in einer diirchschnittlich geltenden Ordnimg gruppiren. Diese gestattet demnach in dem Verlaufe der Exantheme bestimmte Etapen zu fixii-en, welche die verschiedenen Stadien abgrenzen. Als solche erachtet man üblicherweise:

1. Das Stadium incubationis, die Zeit, welche vom Tage der nachweislichen , oder miithmasslichen Ansteckung bis zum Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen verstreicht.

2. Stadium prodromorum. Es manifestirt sich mit dem ersten Fieberausbruch und dem einem solchen angehörigen Symptomencomplexe. Es dauert bis zum

3. Stadium eruptionis, das mit dem Auftauchen des charakteristischen Hautausschlages gegeben ist. Dieses geht unvermittelt über in das

4. Stadium floritionis, welches der Andauer der Blüthe der Hautaffection entspricht. Mit dem Eintritt der Rückbildung des Exanthems rechnet man das

5. Stadium exsiccationis, desquamationis s. decrustationis , welches in die Reconvalescenz und Genesung übergeht.

In Anbetracht des diirchwegs acuten Verlaufes der Exantheme bemessen sich die einzelnen Stadien nur nach

-j^gß Eilfte Vorlesung.

Tagen, im TJebrigen aber nacli Charakter und Intensität des Processes und nacli der Individvialität sehr verschieden. Nur das Stadium decrustationis kann (bei Blattern) auf Wochen sich erstrecken.

Trotz der auffälligen üebereinstitmnung in ihren all- gemeinen Charakteren bilden aber die genannten Exantheme drei specifisch differente Krankheitsformen, indem jedem iev selben ein eigenartiges Contagium und ein besonderes patho- logisches G-epräge zukommt. Ja sie schliessen sich bis zu einem beträchtlichen Grade gegenseitig aus, sowohl individuell, wie epidemisch.

Was Letzteres anbelangt, so ist es Erfahrungssache, dass wenn eines der Exantheme in grösserer epidemischer Ver- breitung herrscht, die anderen nicht oder nur sporadisch inner- halb der betreffenden Bevölkerimg sich vorfindet, und dass die Epidemien von Masern, Scharlach und Blattern sich gegen- seitig ablösen oder folgen.

Das Individuum aber anlangend gilt es ebenfalls als Eegel, dass dasselbe nicht gleichzeitig von zwei Exanthemen behaftet sein kann, während andere Hautkrankheiten, wie Eczem, Psoriasis, Scabies und selbst constitutioneUe und In- fections-Exantheme , wie Syphilis mit Masern oder Scharlach, oder Blattern ganz gut gleichzeitig- an einem Kranken sich vorfinden.

In den letzten Jahren ist aUerdings von vielen Seiten, namentlich von Kinderärzten , über gleichzeitiges Auf- treten zweier acuter Exantheme berichtet worden, Masern mit Scharlach, Blattern mit Scharlach. Nicht so, als wenn sensu stricto gleichzeitig Masern und Scharlach bei einem Kinde aufgetreten und mit einander bestanden hätten, sondern derart, dass z. B. während das Masernexanthem noch kenntlich da stand, plötzHch heftiges Fieber auftrat, dem am 3 Tage ein deutlicher Scharlachausschlag nebst den anderen Symptomen der Scarlatina folgte, so dass jenes Fieber sich als Prodromalfieber des zweiten Exanthems charakterisirte, ' und ähnliche FäUe mehi'. In aUen Fällen handelt es sich formell aUerdings um ein rasches „Nacheinander" der zwei Exantheme, in Wirklichkeit aber um eine Gleichzeitigkeit, da ja das Contagium des zweiten Exanthems, wegen der durch- schnittlichen Incubationsdauer, sicherlich schon zu einer Zeit

Masern.

187

im Organismus geweilt liaben miisste, als das erste Exanthem in Entwicklung begriffen war.

Hebra hat wie auch andere Aerzte wohl die Aufeinander- folge zweier acuter Exantheme gesehen, derart, dass das zweite erschien, wenn das erste eben geschwunden war, nicht aber die gleichzeitige Existenz zweier Exantheme, wie dies von so vielen Kinderärzten angegeben wird. Es ist auch kein Zweifel, dass manche dieser Angaben auf Irrthümern be- ruhen können, üidem man den sogenannten „Nachschub", eine neuerliche und stärkere Entwicklimg eines schon zum Erblassen geneigten Exanthems, oder ein complicirendes Erythem, oder Urticaria für ein zweites Exanthem ansah. AUein aUe ein- schlägigen Angaben werden damit nicht entkräftet. Ich selbst habe allerdings ebensowenig wie Hebra solches beobachtet. Die Möglichkeit des Zusammentreffens zweier acuter Exantheme wäre mir aber nicht gerade unerhört , da ja bei der raschen Aufeinanderfolge solcher wenigstens die Contagien beider gleichzeitig im Organismus existiren und schliesslich Masern, Scharlach und Blattern denn doch wesentlich ganz differente Processe vorstellen.

Wir wollen uns jetzt mit ihren specifischen Eigenthümlich-

keiten bekannt machen.

Masern, Morbilli.

Masern, Morbilli (Flecken, ßubeolae, ßötheln, Rou- geole, Measles etc.) heisst eine Krankheit, welche durch die Erscheinung von getrennt stehenden, unregelmässi- gen, rothen Elecken und Knötchen auf der ganzen allgemeinen Decke, nebst gleichzeitigem Eieber und Katarrh der Athmungswege, acutem, typi- schem Verlauf und Contagiosität sich charakterisirt.

In der Literatur längst angeführt (Rhazes) sind die Morbilli durch Sydenham und Morton (1670—1674) zuerst in durchgreifend charakteristischer Weise beschrieben worden.

Die wesentlichsten Symptome der Masern werden durch das Exanthem, das Fieber und den Katarrh der Schleim- häute der ersten Athmungswege repräsentirt. Es gehört aber noch dazu, dass diese Symptome nach einem bestimmten, regel- mässigen Typus sich entwickeln. Je mehr der Verlauf eines

Igg Eilfto Vorlesung.

KrankheitsfaUes diesem Typus entspricht, desto melir gilt er als normaler Masernprocess. Dem stehen andere als anomale gegenüber, welche in irgendwelchen Beziehungen von dem normalen Typus auffallige Abweichungen aufweisen.

Der Beginn der Erkrankung muss von dem Zeitpunkte an gerechnet werden, als das Individuum den Ansteckungs- stoff von einem Masernkranken unmittelbar, oder mittelbar in sich aufgenommen hat.

Damit beginnt das I n cub at i on s s t adium, dessen man allerdings in der Regel nicht gewahr wird, weil es durch keinerlei Krankheitssymptome sich verräth. Es muss aber mit Rücksicht auf die folgenden Erscheinungen und in jedem FaUe, gewissermassen retrospectiv in Anschlag gebracht werden. Dasselbe beträgt durchschnittlich 8 Tage, seltener mehr, bis 21 Tage. Man hat diese Durchschnittsdauer des Incubations- stadiums theils in solchen Fällen constatirt, in welchen die Grelegenheit zur Ansteckung genau bekannt wiu-de, theils bei der künstlichen (experhnentellen) Einimpfung des Maserngiftes mittelst Thränen oder Nasensecret Morbillöser. Solche Impfun- gen sind seit Home (1758) wiederholt gemacht worden und haben die obige Dui'chschnittsdauer des Incubationsstadiums ergeben.

In seltenen FäUen nur ist dasselbe durch Unbehagen, Mattigkeit einigermassen gekennzeichnet, oder stellt sich gar gegen dessen Ende und immittelbar vor Beginn des zweiten Stadiiims massige luid atypische Fieberbewegung ein.

Das Stadium prodromorum ist durch Fieber und Katarrh der Schleimhäute charakterisirt. Es kündigt sich durch einen Fieberanfall an, mit Frost und folgender Hitze und dem bekannten febrilen Symptomencomplex , Abge- schlagenheit, Gelenkssclunerzen, Kopfschmerz, heisse, trockene Haut mit Temperatiir zwischen 39« und 40», selten Erbrechen und, insoferne es sich vorwiegend um Kranke kindlichen Alters handelt, in höchst seltenen FäUen mit rasch vorübergehenden Convulsionen (Fraisen).

An den folgenden zweiten und dritten Tagen ist das Fieber bis auf geringe Spuren, oder massige abendliche Exa- cerbationen geschwunden , so dass die Kranken ganz wolil zu sein scheinen.

Dagegen steigert sich der Katarrh der Schleimhaut, welcher gleichzeitig die Anfänge des Respirationstractes

Masern.

189

befallen hat. Derselbe ist für die kommenden Morbillen bereits pathognomonisch. Er beginnt auf der Nasenschleimhaut, be- fällt bald aucli die Conjunctiva, die ScUeimbant des Graumens, Rachens und Kehlkopfes. Häufiges Niesen, Injection, Chemosis der Conjunctiva, Druck in der Stirngegend bilden die ersten Symptome. Es folgt bald reiches Thränen, Lichtscheu, ge- steigerte Secretion, auch zeitweüiges Bluten von der Nasen- schSimhaut. Die Nasenlöcher sind oft verstopft, das Gesicht gedunsen, die Lider ödematös. Auf dem weichen Gaumen zeigen sich häufig neben stärkeren Gefässramificationen dunkel- rotle Pünktchen und Elecke, welche Geübten ein charakteri- stisches Vorzeichen der kommenden Masern abgeben können. Tonsillarschwellung und Schlingbeschwerden sind meist unbe- deutend. Trockener, hohlklingender, selbst bellender und krampfartiger Husten mit mässigem Schleimaus wurf, Heiser- keit verrathen den Katarrh des Kehlkopfs uaad der Luftröhre. Exanthem fehlt noch um diese Zeit.

Nachdem das Prodromalstadium 3—5 Tage, selten, wie bei anämischen, scrophulösen Kindern, länger, selbst 8—10 Tage gedauert, eröffnet sich das

Stadium eruptionis, mit einer neuerlichen Exacer- bation des Fiebers und dem Erscheinen des charakteri- stischen Hautexanthems.

Das Eruptionsfieber zeigt eine anhaltende Steigerung bis zu 40" und 41". Es dauert in gleichem Grade noch in das nächstfolgende Stadium hinüber und erreicht sein Maximum in der Regel mit der Höhe des gleichzeitig sich entwickelnden Exanthems, was mit dem 2. oder 3. Tage, etwa den 15. Tag von der Infection an gerechnet, zusammenfällt. Mit dem Fieber gleichen Grades steigern sich auch die AUgemeinsymptome, die Gedunsenheit und ßöthe des Gesichtes und der Katarrh der Respirationswege.

Das Exanthem erscheint ^zuerst im Gesichte , auf der Stirn und Schläfe, breitet sich rasch, binnen 24—36 Stunden, über den Hals, Hinterkopf, Stamm und Schultern aus.

Im Stadium floritionis (4. 6. Tag der Erkrankung) erreichen Fieber und Exanthem ihr Maximum. Ersteres fällt bald nach der höchsten Entwicklung des Ausschlages wieder ab.

Das Exanthem ist um diese Zeit am intensivsten gefärbt, breitet sich alsbald noch über den Stamm und die

Eilfte Vorfosung.

Extremitäten aus , während es an den früher ergriffenen Stellen stehen bleibt. Flachhand nnd Fusssohle sind nicht ausgenommen. Es hält sich aber kaum länger als 12—24 Stunden auf dieser Höhe. Alsdann beginnt dasselbe abzublassen.

Das Masernexanthem erscheint in Form von nagelglied- grossen, gelblich-rothen , flachen , oder etwas erhabenen , unter dem Fingerdrucke erblassenden Flecken (Morbilli laeves), oder feinen, rothen, den Follikebnündungen entsprechenden Knötchen (Morbilli papulosi), welche den Stippchen der Variola ähnlich sind. Die Flecke drängen sich auch stellen- weise bis zur Confluenz über grössere Strecken zusammen, doch bleiben immer zwischen den ausgebreiteten Röthungen normal gefärbte Hautstriche imd Flecke zurück. Niemals beobachtet man allgemeine Confluenz. Manchmal sind sie an den Rändern wie gezackt, unregelmässig, oft halbkreisförmig, aber niemals an den Rändern verwaschen, sondern deutlich markirt. Bei Neugeborenen kommt es ausnahmsweise in G-estalt feiner rother Punkte zur Beobachtung. An Stelle der unter Fingerdruck erblassenden Flecke ist die Haut gelblich tingirt, um so dunkler, je .älter der Ausschlag. Mässiges Brennen oder Jucken be- gleitet zuweilen denselben.

Nachdem sich das Exanthem dtirch wenige Stunden auf der Höhe der Ausbreitung und Injectionsröthe erhalten, blasst dasselbe ab, in der Regel in der Reihenfolge seines Erscheinens, mit Hinterlassung von gelbbrauner bis brauner Pigmentii-ung.

Das Fieber hat inzwischen merklich nachgelassen. Eben- so sind die SchweUung des Gesichtes und die katarrhaHschen Erscheinungen an ihrer Acuität abgeschwächt, am wenigsten die des Rachens und der Luftröhre. Damit ist die Krankheit in das

Stadium des quamationis eingetreten, das ganz fieberlos ist und. noch eine Weüe von den weiter sich ver- ringernden katarrhalischen Affectionen begleitet ist. Es steUt sich Schlaf und Esslust ein.

Auf der erblassenden und mässig transpii'irenden Haut zeigt sich den ehemaligen exanthematischen Stellen ent- sprechend, am deutlichsten an den unbedeckten Partien, Gesicht, Hals und Händen, kleienförmige Abschuppung, welche oft über 14 Tage, vom Tage der Eruption an gerechnet, anhält.

Das Individuum ist vollständig genesen.

Masern.

191

Derart gestaltet sich der normale V erlauf der Masern. .Es kommen aber Masernerkrankungen mit Anomalien der einen und anderen Symptome oder ihrer Bezieliungen zu einander vor, welcke geeignet sind, entweder nur bezüglick der Diagnose oder Prognose zu beirren, oder an und für sich die Erkrankimg bedenklich oder gefährlich zu gestalten, oder auch im Gegentheil ganz belanglos sind. Solche AnomaKen, soferne sie bei einzehien Kranken vorkommen , sind entweder individuell, oder in speciellen Verhältnissen des Organismus, namentlich Krankheitszuständen desselben, Anämie, Tuberculose und Scrophulose, oder in ungünstigen äusseren Verhältnissen, schlechte Wohnung, Ernährung tind körperliche Pflege der Betroffenen, begründet ; oder sie sind in der Eigenthümlichkeit einzelner Epidemien gelegen, wodann sie bei vielen Erkrankungs- fällen zur Beobachtung konunen und zum besonderen Charakter der jeweiligen Epidemie gehören.

So kann das Exanthem ausserhalb der normalen Reihen- folge statt im Gesichte zuerst am Stamme und an anderen Körperstellen auftreten, oder überhaupt unvollkommen ent- wickelt sein; statt 2—3 Tage 7—10 Tage in Blüthe stehen, wodann es besonders dunkel colorirt erscheint und mehr Pigment hinterlässt. Es kann mitten in der Blüthe plötzlich erblassen imd dann nach 1—3 Tagen wieder zum Vorschein kommen (secundäre Masern). Diese Erscheinung ist nicht zu verwechseln mit einer nochmaligen Erkrankung an Masern, zu deren Annahme nothwendig ist, dass zwischen dem ersten und zweiten Exanthem mehrere Wochen, mindestens aber das vollendete Desquamationsstadium liege. Das plötzliche Ver- schwinden des Ausschlages ist stets die Folge einer fieberhaften Complication und nicht die Ursache desselben. Ist diese rasch vorübergehend, so kann der Ausschlag wieder hervortreten. Dauert sie jedoch ihrer Natur nach längere Zeit, wie eine Pneumonie, dann kommt auch das Exanthem nicht wieder zum Vorschein. Da gar oft lebensgefährliche, oder gar zum Tode führende Complicationen das rasche Verschwinden des Exanthems verursachen, so ist es begreiflich, dass ein solches Symptom nicht gerne gesehen und als übles Zeichen gedeutet wird. Nur darf man pathologisch nicht Ursache und Wirkung verwechseln. Dass während der Desquamation noch einmal die Morbillen sich zeigen können, wie Manche angeben, scheint

-^0)9 Eilfte Vorlesung.

nicht richtig und auf Verwechslung mit Erythem und Urticaria zu beruhen.

Endlich kann auch das Exanthem während des morbiUosen Processes ganz fehlen , während alle Ül3rigen Erscheinungen der Masern, Fieber im normalen Typus, katarrhalische Er- scheinungen der Schleimhäute und die constatirte Gelegenheit zur Ansteckung mit Masern, wie durch Contact mit morbillösen Geschwistern, das Herrschen einer Masernepidemie, die Annahme rechtfertigen, dass man doch einen FaU von Masern vor sich habe Man spricht dann von Febris morbiUosa sme Exanthemate, wie bei Gegenwart des Hautausschlages aber mangelnden Fiebersymptomen von Morbilli apyretici.

Auch bezüglich des morphologischen Charakters und der Intensität der morbillösen Hautaffection gibt es Abweichungen von der Norm. So unterscheidet man darnach neben den Morbilli laeves und den M. papulosi der normalen Masern auch Morbilli vesiculosi s. miliares (Frieselmasern) und M confluentes, die alle noch gute Vorbedeutung zulassen, undMorbilHhaemorrhagici. Einzelne Petechien, d.i. durch Blutaustritt entstandene und unter dem Fingerdrucke nicht schwindende Flecke können bei jedem intensiver entwickelten Exanthem untermischt mit den gewöhnlichen Flecken der MorbiUen auftreten. Sie süid dann blos der Ausdruck einer Steigerung der mit jeder activen Hyperämie verbundenen Veränderungen der Gefässwände, ihrer steUenweisen grosseren Permeabilität oder gar Zerreisslichkeit. Von Morbüli haemor- rhagici spricht man aber nur beim Vorwalten solcher Blutaus- tritte. Sie bedeuten dann einen gefährlichen Zustand, da sie zumeist eine Thenerscheinung der aUgemeinen Disposition zu Hämorrhagien sind und mit stärkeren und schwer stiUbaren Blutungen aus der Nase Ehinorrhagie Magen- und Darmblutungen, blutigen Sputis, den Zeichen von lobularer und lobärer Pneumonie, mit allgemeiner Blutzersetzung und entsprechenden Fiebersymptomen, anfangs vollem und fre- quentem, alsbald schwächer werdendem, fadenförmigem Puls Bewusstlosigkeit und raschem CoUapsus verbunden smd und meist zum Tode führen. Sie sind ein häufiges Symptom der Morbilli typhosi, s. nervosi, s. putridi, MorbiUen- typhus.

Masern.

193

Diese Anomalie des Symptomencomplexe.s gehört dem

Floritions-Stadium an.

Aber auch ohne hämorrhagische Beschaffenheit des Exan- thems können die Fiebererscheinungen und der allgemeine Symptomen - Complex durch Steigerung der einzelnen Er- scheinuno-en, oder durch Complicationen aUer Art, deren ich noch mehrere ''erwähnen werde, den normalen Verlauf alteriren und ^ dem Processe eüien typhoiden Charakter aufprägen. Milz- schwellung und copiöse Darmentleerungen begleiten m der Regel einen derartigen Maserntyphus.

Als Complication der MorbiUen erscheint zuweilen . während des Prodromalstadiums schwer stillbares und er- schöpfendes Nasenbluten. Dasselbe kann bei hämorrhagischem I Charakter des Exanthems auch noch während der Florition anhalten und die Einleitung bilden eines thyphös sich ge- staltenden Masernverlaufes, mit hohem Fieber, trockener Zunge, Gehirndruckerscheinungen, oder die Vorstufe zu Scorbut, welcher als Folge schwerer MorbiUen zurückbleiben kann. An diesen reiht sich S t o m a c a c e und N o m a mit ausgebreiteter G-angrän der Mundschleimhaut und des Gesichtes, hämoptoischer Lungeninfarct, Lungengangrän. Laryngitis als sogenannter falscher Croup gehört dem Prodromalstadium an und charakterisirt sich durch rauhen oder bellenden, oder spas- modischen Husten, bisweüen mit Lispirationskrampf. Der Zustand ist nur der Ausdruck einer hochgradigen katarrhalischen Erkrankung des Kehlkopfes und verschwindet mit dem Aus- bruche des Exanthems. Die eigentliche Laryngitis crouposa s. diphtheritica, der wahre Croup, tritt während des Blüthe- stadiums des Exanthems, oder der Abschuppung auf, kündigt sich durch neuerliche Steigerung des Fiebers an und charakterisirt sich durch die bekannten membranösen Auflagerungen, welche auch über die Eachenschleimhaut sich ausbreiten, und durch bellenden, tonlosen Husten. Er führt in den meisten Fällen zum Tode durch SufiPocation, oder Blutdissolution, oder Complicationen von Seite der Lungen (croupöse Pneumonie und Bronchitis), des Gehirnes u. s. w.

Neben katarrhalischer oder croupöser Tracheal- und Bronchialerkrankung bildet Pneumonie diq häufigste Com- plication der Masern, als lobäre meist in der Höhe oder selbst schon zu Beginn der Erkrankung, als lobuläre öfters als

Kaposi, Hautkrankhelten.

194 Eilfto Vorlesung.

Nachkrankheit. Mit dem Auftreten der ersteren erblasst das Exanthem. Doch verlaufen die meisten Lungenentzündungen günstig, wofern sie nicht eine Fortsetzung des Croup sind.

Miliartuberculose , bei Kindern unter den Erscheinungen des Hydrocephalus acutus sicli manifestirend , tritt bisweilen schon im Beginn der Masern, oder auch während ilires Be- standes auf miä führt rasch zum Tode.

AVas die Complication der Masern mit anderen .Haut- krankheiten anbelangt , so bilden sicli solche schon früher be- standene, wie chronisclies Eczem, Psoriasis, während der Mor- billen theilweise zurück, verschwinden aucli ganz, oder tauchen in der ßeconvalescenz wieder auf. Ausserdem erscheinen bis- weilen Urticaria, Erythem, oder auch einzelne grössere Blasen (Steiner).

Wie bei anderen Bhxtvergif tungen , so sind auch bei dem eine solche darstellenden Masernprocesse die möglichen Com- plicationen und Folgen kaum erschöpfend aufzuzählen. Zu den häufigeren Nachk rankheiten der Masern gehören : 0 z a e n a, katarrhalisch-chronischer Kehlkopf- und Lungen- katarrh, Darmkatarrh, Oph,thalmien, chronische Ent- zündung der Kieferdrüsen, der Bronchial- und Mediastinal- drüsen (Widerhofer) , mit dem Ausgang in Vereiterung oder Verkäsung, Scrophulose , Anämie u. v. A. , während Nieren- afiFectionen wohl zu den seltensten Vorkommnissen gehören; ausserordentlich häufig dagegen Keuchhusten.

Die anatomischen Veränderungen, welche dem Masern- Exanthem zu Grunde liegen, sind sehr einfach; sie bestehen nach dem klinischen Aspect in Injection der um die Follikel- mündimgen gelagerten feinsten G-efässe, oder derjenigen ein- zelner Papillengruppen, nebst mässiger seröser Transsudation. Post mortem sind diese wesentlichsten Symptome geschwunden. Mikroskopisch sind Veränderungen in den Epidermisstratis und im Gewebe der Papillen, die auf Proliferation der Zellen schliessen Hessen, bisher nicht gefunden worden, was bei der geringen Intensität und kurzen Dauer der klinisch sichtbaren Veränderungen auch erldärlich. G. Simon hebt stärkere Prominenz des einem Masernknötchen entsprechenden Cutis- antheiles hervor. Matb und Hebra erklären die Knötchen aus einer Entzündung der Talgfollikel. Mir scheint, dass dieselben zumeist den Ausführungsgängen der Haartaschen oder Talg-

Masern.

195

driisen entsprechen, aber an vielen Punkten auch durch Sclmel- lung einzelner Papillen mu\ des über diesen lagernden Rete gebildet sind.

In mit Petechien oder Bläschen combinirten Masern sind die anatomischen Veränderungen örtlich solche , wie sie der- artigen Morphen auch bei anderen Processen entsprechen.

Was die Veränderungen des Blutes und der inneren Organe anbelangt , welche bei Sectionsfällen zur Anschauung kommen, so entsprechen sie den jeweiligen auch im kHnischen Bilde repräsentirten Complicationen der schweren und letal

endigenden Masern.

Die Ursache- der Morbülen liegt in dem ihnen eigen- thümlichen Contagium, in der Gelegenheit und der Disposition der Menschen, dasselbe in sich aufzunehmen.

Das Contagium physikalisch zu demonstrii^en , ist bisher noch nicht gelungen. Es wird angenommen, dass dasselbe organischer Natior sei, vielleicht ein pflanzlicher Organismus voti dem Charakter der mikroskopischen Pilze. Es regenerirt nnd vermehrt sich in dem davon inficirten Organismus , der dadurch zivc Ansteckiingsquelle für andere wird. Träger des Masern-Contagiums sind die Excretionsproducte der katar- rhalisch afPicirten Schleimhäute, das Secret der Nase, die Sputa, die Thränen und auch das Blut MorbillÖser (Home, Speeanza, Katona u. A.). Mit denselben experimentell vor- genommene Impfimgen haben den Ausbruch der Krankheit nach der normalen Incubationsfrist zur Folge gehabt. Aber auch die Exhalation der Lungen und der Haiit während des Prodromalstadiums und des Bestandes des Exan- thems führen das Contagiiim, welches somit als flüchtig durch die Atmosphäre verbreitet wird. Es genügt daher einige Zeit in der Atmosphäre eines Masernkranken zu ver- weilen, um den Ansteclmngsstoff in sich aufzunehmen. Ueber die Ansteckungsfähigkeit MorbillÖser während des Desqua- mationsstadiums und der Producte der Abschuppung sind die Meinimgen getheilt.

Die Disposition für die Erkrankung an Masern ist so ziemlich gleich für alle Menschen, sie fehlt aber bei solchen, die schon einmal die Krankheit überstanden. Doch sind zahl- reiche Eälle von zwei-, selbst dreimaligem Befallenwerden mit Intervallen von mehreren Wochen bis Monaten und Jaliren

13*

^Qß Eilfte Vorlesung.

nielit gerade selten. Kinder innerlialb des ersten Lebensjahres und Grreise scheinen weniger zu Masern disponirt. Das grösste Contingent liefern solche vom 2.— 10. Lebensjahre, so dass die Morbillen eine exqviisite „Kinderhranliheit" vor.stellen.

Acute, fieberhafte Krankheiten schützen nicht vor Em- pfänglichkeit gegen das Contagium. Doch pflegt dann der Aus- bruch der Masern bis zum Ablauf jener sich zu verzögern. Schwangere und Wöchnerinnen sind durch die Krankheit be- deutend gefährdet. Es liegen auch Angaben vor, wonach Kinder mit Masernexanthem geboren worden seien, deren Mütter eben um die Zeit ihrer Entbindung von der Krankheit befallen waren.

Die Ansteckung erfolgt durch directen Contact mit einem Masernkranken, oder auch nur durch Einathmen der von ilun ausgehenden Exhalation, beim Aufenthalte in der ilm um- gebenden Sphäre. Wie lange Zeit hierzu erforderlich ist, dürfte nach der individuellen Disposition mid der Litensität des Contagiums, die nach Epidemien und EinzeKällen wechsebid sein mag, sehr verschieden sein. Grewiss ist, dass eine nur flüchtige Annäherung schon genügt, um inficirt zu werden. Das Contagium haftet sicher auch an Kleidungsstücken und Geräthen und kann so durch gesunde Personen verschleppt und Anderen übermittelt werden. Doch scheint speciell das Maserncontagiuni in dieser Beziehung, sowie bezüglich der Lebensdauer seiner Wirksamkeit anderen Contagien nachzu- stehen, so dass weder die absolvirten Masernkranken, noch die Greräthe und Wohnungsräume über den letzten in ihnen ab- gelaufenen Masernfall hinaus ihre Lifectiosität behalten.

Vermöge ihrer Ansteckungsfähigkeit auf unmittelbarem und mittelbarem Wege befallen die Masern in der Regel aUe zu einer Familie gehörigen, noch nicht durchmaserten Kinder, und von dem Orte ihres Auftauchens aus alsbald eine grosse Reihe von bis dahin masernverschonten Personen. Sie treten also in Epidemien auf. Li grossen Städten fehlt es nie an sporadischen Fällen von Masern und etablirt sich alle 3 bis 4 Jahre eine grössere Epidemie. Li vom grossen Verkehr ab- seits gelegenen Gregenden, in welchen seit langer Zeit oder überhaupt noch keine Masernepidemie geherrscht, demnach viele oder alle Lidividuen nicht maserndurchseucht sind, befällt die 'Krankheit, sobald sie dorthin eingeschleppt worden, den

Masern.

197

grössten Tlieil der Bevölkerung , alt und jung , und erreicht demnach die Epidemie die grösste Ausdehnung.

Obgleich für alle Fälle und alle Epidemien das gleiche Contagixim angenommen werden muss, zeichnen sich doch ein- zelne durch besondere Milde der Symptome und des Verlaufes, andere durch Intensität mul Grefährlichkeit aus. ^

Als Vorläufer von Masernepidemien werden in der Kinder- bevölkerung herrschende katarrhalische Erkrankungen der Luft- wege , Bronchialkatarrhe, Influenzen, besonders aber Keuch- husten öfters constatirt, eben so wie derartige AfPectionen nach Erlöschen der Epidemien zurückzubleiben pflegen.^

Die Diagnose der Morbillen gründet sich auf die Com- bination und die regelmässige Entwicklungsweise der katar- rhalischen Erscheinungen, des Fiebers und desExan- thems. Das Letztere hat grosse Aehnlichkeit mit dem Pro- dromalexanthem der Pocken, deren Ausbruch ebenfalls Katarrh lind Fieber voranzugehen pflegen. Ein vorsichtiger und erfahrener Arzt wird daher nur dann am ersten Tage des Ausbruches Masern diagnosticiren, wenn auch die katarrhalischen Erscheinungen und die constatirte Gelegenheit zur Ansteckung eine solche AufPassung stützen. Sonst ist es besser, noch den nächsten Tag abzuwarten. Im Falle Blattern vorlägen, würden die Knötchen bis dahin sich deutlicher entwickelt, oder gar zu Bläschen erhoben haben, während die Knötchen der Masern sich nicht derart verändern. Scharlach präsentirt sich wohl überhaupt anders. Miliaria und Roseola papulosa haben da- gegen eine grosse Aehnlichkeit mit Masern. Nur fehlen bei jenen der Katarrh und die Fiebererscheinungen , oder sind sie nur höchst mässig, die letzteren übrigens nicht von dem regel- mässigen Typus des Masernfiebers.

In neuerer Zeit wird auch mit dem Nachdruck wissen- schaftlicher Begründung die Differentialdiagnose zwischen Mor- bülen und Rubeolen, oder RjUh^ln_yerlangt. Unter diesem Namen wircPnämlich seit din Sechziger- Jahren häufiger, als dies früher geschehen, ein acutes, contagiöses, öfters epidemisch erscheinendes Exanthem der Kinder aufgeführt, welches zwar mit Morbillen sehr viel Aehnlichkeit besitzt, aber doch eine von diesen verschiedene und von einem besonderen Contagium herstammende Krankheitsform darstellen soU. Aus unserer nächsten Nachbarschaft (Leoben, Dr. Bdchmüller) ist im

j^gg Eilfte Vorlesung.

Jalire 1877 über eine grössere Epidemie von Rubeolen berichtet worden. Die Symptome, welclie von den „specifiscben'' Rubeolen angegeben werden, nnterscbeiden sicli aber in Nichts von den- jenigen mild verlaufender Masern. Auch ist der Uebergaug solcher Formen in echte Morbillen nicht nur von Gegnern ihrer Specifität erwiesen (Kassowitz), sondern auch von Anhängern derselben zugegeben worden (G-erhaedt). Das gelegentliche Vorkommen bei Kindern, die bereits Masern überstanden haben, hat nichts AuffäUiges , da ja auch charakteristische Masern zwei- und dreimal dasselbe Lidividixum befallen können. Dies Alles lind meine eigenen Beobachtungen berücksichtigend, muss ich mit Hebea und vielen Anderen die als ßubeolae ausgegebenen Exantheme als Fälle yon Morbillen ansehen wnö. die Diagnose „Rubeolae" mit dem Begriffe einer selbstständigen contagiösen Krankheit als unbegründet erachten.

Unter Umständen mag endlich die symptomatische Roseola mancher Krankheiten, wie Typhus, zu Verwechslung mit Mor- Ijillen Anlass geben.

Die Prognose der Morbilli Amigares ist durchweg günstig. In normalen Fällen und gewöhnlichen Epidemien luid bei sonst gesunden Individuen ist stets Genesung zu erwarten.

In complicirten Fällen kann die Vorhersage nur insoferne bedenklich, oder absolut migünstig werden, als die geschilderten Zufälle an und für sich , oder vermöge der individuellen Or- ganisation des befallenen Individuums den Verlauf der Ki^ank- heit ungünstig zu beeinflussen geeignet sind. Mit Rücksicht auf die fieberhaften Complicationen möchte ich dem Ausspruche Thomas' mich ganz anschliessen: „Die prognostisch wichtigsten Anomalien sind ungewöhiüich hohes Fieber und Verzögeriing der kritischen Entscheidung desselben, ungewöhnlich reichliches und lebhaft gefärbtes, so wie anomales Exanthem, ungewöhnlich intensive Schleimhauterkrankungen , endlich complicatorische Erkrankungen innerer Organe, oder compHcatorische allgemeine Leiden." In diesen Beziehungen ist besonders der Intensität und Verlaufsweise des Fiebers ein grosses Gewicht beizumessen und „die grosse Bedeutung der Temperatiu-messungen für das Studium der Masern liegt darin, dass es mit ihi«er Hilfe viel besser als auf irgend welchem anderen Wege, imd insbesondere viel sicherer, als durch blosse Berücksichtigung des Exanthems gelingt, die normalen Fälle von den anomalen zu sondern, den

Masern.

199

Eiutritt von Anomalien und Complieationen zu bestimmen nnd die Bedeutung derselben zu beurtheilen'-.

Nebstdem wird die Vorhersage noch durch die individuellen und epidemischen Momente beeinflusst. Kinder im ersten Lebens- jahre und G-reise, sowie anderweitig bereits Kranke, besonders auch Wöchnerinnen und Schwangere sind durchschnittlich zu- meist gefährdet. Ausserdem ergeben manche Epidemien über- haupt mehr und gefährliche Complieationen und Todesfälle, wähi>end in anderen fast alle Erkrankungen normal und tj^Disch verlaufen und daher in Genesung enden. So finden sich denn oTOSse Differenzen in den Mortalitätsverhältnissen bei Masern, von kaum lo/o— 15°/o und darüber. Die erschreckendsten Ziffern in dieser Beziehimg liefern die Epidemien, welche in einer bis dahin von Masern ganz verschonten Bevölkerung anf- getreten sind, wie auf manchen Inselländern dies erfahre;ji wurde, die zum ersten Male von Masern heimgesucht wurden.

Der Tod, als directer Ausgang des Masernprocesses, tritt selten im Prodromalstadium, häufiger während der Elorition ein, bei sogenamitem Maserntyphus, Morbilli asthenici, sjniochales. Derselbe kaim überdies während aller Stadien und auch noch viel später durch jene Complieationen und Folgen der Masern veranlasst werden, deren früher gedacht worden ist.

Die beste Behandlung der normal verlaufenden Masern ist diejenige, welche sich aller umiöthigen und unnützen Ein- griffe und Belästigungen der Kranken enthält. Eulie , gut gelüftetes und auf 14—15° E. temperirtes, bei Lichtscheu mässig verdunkeltes Krankenzimmer, dem Fiebergrade und den subjectiven Empfindungen angepasstes Eegime, entsprechen am meisten. Gegen übermässige Temperatur des Körpers können kalte Waschungen, oder selbst methodische nasse Einhüllungen vorgenommen werden. Man hat durch all' dies kein „Ziirück- treten" des Exanthems zu befürchten. Wenn es plötzlich ver- schwindet, so ist, wie schon erwähnt, das Auftreten einer bedenklichen Complication daran Schuld.

Das tägliche Waschen des Körpers, das Wechseln der Leibwäsche kann ohne Nachtheil vorgenommen werden und wird nur für den Kranken angenehm sein. Gegen das Jucken der Haut sind Einreibungen mit blandem Fett angezeigt. Voll- kommen fieberfreie masernkranke Kinder dürfen ohiieweiters tagsüber ausser Bett bleiben luid mässige Kost gemessen.

200 Eilfte Vorlesung. Masern.

Complicatorisclie und Folge-Erlo-ankungen der Masern werden nacli ihrer Natur iind den Regeln der Kunst behandelt, ohne Rücksicht auf das Hautexanthem.

Nach vollendeter Desquamation, also etwa 14 Tage nach Beginn der Erkrankung , können die Kranken ein lauwarmes Bad nehmen und ohne (Gefahr für sich und Andere zum freien Verkehre mit der Aussenwelt zugelassen werden.

Was die Mittel der Prophylaxis gegen Masern und ihre Verbreitung anbelangt , so ist es mit denselben schlecht bestellt. Die Impfung mit Secreten und Blut Morbillöser ge- währt keinen Vortheü, da durch dieselbe nicht ein unbedeutender örtlicher Process , sondern die aUgemeine Erkrankung hervor- gerufen wii-d. In den Familien befürworten sogar die meisten Aerzte die noch nicht durchmaserten Kinder von den mor- billösen Geschwistern nicht zu separiren, da allgemein angeilommen wird, dass sie früher oder später denn doch erkranken würden, und praktisch die Absonderung thatsächlich selten voUkommen und noch seltener frühzeitig genug geschehen kann. Da schon im Prodromalstadium, also zur Zeit , wo noch kein Exanthem zngegen ist, und die Diagnose noch nicht gestellt werden kann, die Kranken Andere inficiren können, so erfolgt auch m der Regel die Erkrankung bei solchen Kindern, welche schon zur- Zeit separirt worden, als bei ihrem Geschwister der Ausschlag noch nicht erschienen , wohl aber schon die katarrhalischen Symptome zugegen waren.

Zwölfte Vorlesung.

Scharlach, Scarlatina.

Scharlach, Scarlatina (Febris scarlatinosa, Angina maligna, Rossalia, Scarlet fever, Scarlatüie) charakterisirt sich als acute, contagiöse, fieberhafte Krankheit, durch gleichzeitige entzündliche Affection der S chlingorgane und scharlachrothes Exanthem der allgemeinenDecke.

Obgleich schon von Sennert und Döring im Beginne des 17. Jahrhundertes kenntlich beschrieben, hat der Scharlach doch erst durch Sydenham (1670 1674) eine für alle Folge- zeit massgebende Beschreibung erhalten.

Wir haben auch hier , wie bei Masern , Erkranknngs- formen mit normalem (typischem) und solche mit abnormen (atypischem) Verlauf zu unterscheiden und bezüglich des erste- ren vor Allem die vier Stadien der Incubation, Prodrome, Elorition und Desquamation.

Das Incubationsstadium, mit dem Momente der Ansteckung beginnend, dauert diirchschnittlich kürzer als bei Masern, circa 8 Tage, oft genug aber constatirtermassen nicht länger als 4 5 Tage, ausnahmsweise dagegen sogar 3 bis 5 Wochen , oder im Gegentheil sehr kurz , kaum 24 Stunden. Man ist zur Bestimmuxig seines Beginnes nur auf die nachr weisliche Gelegenheit zur Contagion von einem Scharlach- kranken beschränkt, da experimentelle Uebertragungen des Scharlach-Contagiums wegen der eventuellen Gefährlichkeit

2Q2 Zwölfte Vorlesung.

des derart provocirbaren Krankheitsprocesses zwar einigemal vorgenommen worden sind, aber tlieils keinen Erfolg, tlieUs, bei bewirkter Erki^ankung, selir difFerente Incubationsdauer

ergeben haben.

Während des Incubationsstaditims ist in der Regel keinerlei Störung der Gesundheit, bisweilen nur 2—3 Tage vor Beginn der Prodrome geringe Fieberbewegung, Unlust, Mattigkeit, Eingenommenheit des Kopfes wahrzunehmen.

Das Stadium prodromorum führt sich mit plötz- lichem heftigem Fieber ein. Die Temperatur erreicht 40» C. und darüber, die Pulsfrequenz die Höhe von 140—160 Schlägen in der Minute. Gleichzeitig zeigt sich Angina, Rötluxng und Schwellung der Mandeln, des weichen Gaumens, hier mit stärker markirten dunkelrothen Punkten, imd in ge- ringerer Intensität meist über die Rachenschleimhaut , den harten Gaumen, seltener auch die Nasenhöhle, Kehlkopf, Trachea und Conjunctiva sich fortsetzend. Die Zunge ist stark belegt. Stibjectiv siad Sclilingbeschwerden, Abgeschlagen- heit, begleitende Erscheinungen des Fiebers, wie Durst, Ueblichkeit, Kopfschmerz mir in massigem Grade zugegen. Oder die concomitirenden Symptome sind bereits sehr intensiv. Erbrechen, Betäubung, Hinfälligkeit, Convulsionen (bei Kindern), drückender Kopfschmerz , Delirien oder Betäubung sind nicht selten zu beobachten, und wenn an und für sich auch bedeutend als Symptome eines intensiven ErgrifPenseins der Nervencentren, doch bezüglich des weiteren Verlaufes der Krankheit noch nicht entscheidend.

Dieses Stadium währt 12—24 Stunden, oder auch 2 bis 3 Tage und markirt sich gegen das

Stadium eruptionis nur durch den Ausbruch des Exanthems ab. Denn die Fieber- und concomitirenden Symptome halten ungeschwächt an, oder haben sich womöglich

noch gesteigert.

Der Scharlachausschlag tritt am Halse und der Schlüsselbeingegend zuerst aiif in Form von dicht gedrängten, nadelstichgrossen, blass- oder gesättigt-rotheu Pünktchen welche, von der Entfernung gesehen, zu einer diffusen imd gleichmässigen Röthe verschmelzen. Obgleich die Färbung des Exanthems meist um diese Zeit nicht Scharlach-, sondern mehr lebhaft roth ist, so kann doch aus der feinen Punktu-ung des-

Scliarlach.'

203

selben und die Abgrenzmig gegen den Kieferrand dessen Bedeutung als scarlatinöse , wenn auch nicht diagnosticirt, so doch als wahrscheinlich hingestellt werden. Das Gesicht, wohl fieberhaft geröthet und etwas turgescent, bleibt doch stets von dem Ausschlage selber verschont. Nur ausnahmsweise kommen auch auf der Stirne und Schläfe Flecke vor, wogegen die Umgebung des Mundes stets blass bleibt (Thomas). Dagegen breitet sich derselbe im

Stadium floritionis rasch über Rücken und Brust, Ober- und Unterextremitäten aus, mit besonders deutlicher Entwicklung aiif Hand- und Fussrücken, der charakteristischen Zusammensetzimg aus feinen Pünktchen und mit prononcirter Scharlach-Tinte. Auf den Extremitäten erscheint das Exan- them meist imterbrochen und an einzelnen SteRen in Form von bis linsengrossen Flecken. Es schwindet unter dem Finger- drucke, wobei die Haut sich etwas ödematös erweist. Am 2. Tage hat dasselbe die grösste In- und Extensität erreicht. Es erhält sich so 1—3, manchmal auch 5—7 Tage, wobei die Intensität der Färbung öfters wechselt,, und namentlich mit den Exacerbationen u.nd Eemissionen des Fiebers sich steigert und fällt.

Fieber und allgemeine Symptome halten an. Die angi- nösen Erscheinungen sind mitiuiter mässig, diffuse Eöthe, massiges Oedem des Velum und der Uvula, zuweilen aber dui'ch intensive Entzündung der Tonsillen, bei Kindern, be- lästigend, oder selbst unmittelbar gefahrdrohend. Die Mund- schleimhaut ist difPus geröthet, die Zunge nach Abstossung ihres grauen Beleges dunkel-fleischfarben und zottig (Katzen- zunge), die Cervicaldrüsen oft deutlich geschwellt. Die Haut ist trocken, heiss, brennend, die Diurese spärlich, oft deutlich Eiweiss und Nieren-Epithelien im Urin nachweisbar (Eisen-

SCHITZ).

Nachdem sich das Exanthem durchschnittlich 1 3 Tage auf der Ahme erhalten, beginnt dasselbe in der Reihenfolge vom Halse abwärts abzublassen, unter gleichzeitigem Nachlass der Temperatur und der anderen Fieber- und Begleit- erscheinungen. Nur die Angina pflegt noch nngeschwächt fort- ziibestehen, oder gar noch sich zu steigern.

Binnen 4 8 Tagen ist der Ausschlag mit Ziirücklassung einer gelbbraunen Pigmentirung abgeblasst, die Haut normal

2Q4 Zwölfte Vorlesung.

temperirt, transpirirend, Angina und die Eeihe der begleitenden Erscheinungen in Rückbildung begriffen, die Unruhe und Schlaflosigkeit gewichen, Esslust eingetreten.

Das Stadium desquamationis macht sich von da ab unter den Fortschritten der allgemeinen Reconvalescenz geltend durch die entsprechend dem Exanthem sich darbietende Epi- dermisablösung. Sie schülfert in kleineren und grösseren Lamellen (Desquamatio membranacea) , besonders an den Fingern, zuweilen in ganzen handschuhfingerförmigen Hülsen (Desquamatio siliquosa), denen manchmal die Nägel selbst in toto folgen ; an stärker transpirirenden Stellen nur in Schüppchen (D. furfuracea). Binnen 14 Tagen ist die Abschuppung vollendet und die Epidermis allenthalben gleichmässig regenerirt. Aus- fallen der Haare, oder Ergrauen (Beigel) ist einigemal ge- sehen worden.

Die Dauer des ganzen Processes vom Stadium prodromorum bis zur Beendigung der Abschuppung beträgt zwischen 2 bis 3 und 5 Wochen.

Der geschilderte Symptomencomplex und Verlauf des Scharlachs entspricht der Mehrzahl der Krankheitsfälle bei gut- artigen Epidemien , oder sporadischem Vorkommen imd bei sonst gesunden Individuen.

Von diesem an und für sich schon abwechslungsreichen Typus zeigt der Scharlach oft, viel häufiger als die anderen acuten Exantheme, sehr bedeutende Abweichungen, welche einen in einzelnen Beziehungen, oder durchwegs anomalen Symptomencomplex und Verlauf bedingen.

Die Incubation kann ungewöhnlich kurz, 4 5 Tage, seltener abnorm lang, mehrere Wochen dauern, letzteres bei rhachitischen oder sonst herabgekommenen Kindern. Das Prodromalstadium fehlt ganz, oder macht sich nicht durch Fieber kenntHch. FreiHch fehlt auch da kaum jemals die Angina, welche jedoch wegen Mangels des Fiebers leicht übersehen wird. Das Stadium eruptionis scheint dann ur- plötzlich ohne Prodrome aufzutreten. Das Exanthem kann unregelmässig, zuerst am Stamme, über den (jelenken und den warm gehaltenen, oder gedrückten, oder gereizten Körperstellen auftreten, oder überhaupt sehr spärlich, nach einzelnen Beob- achtungen auch halbseitig , allmälig und zögernd , oder plötz- lich über dem ganzen Körper erscheinen. An paralytischen

Scharlach. 205

Extremitäten pflegt dasselbe zu fehlen, oder im Gregentlie^l stärker entwickelt zu sein und länger zu verbleiben.

Der Ausschlag hält in manchen Fällen kaum wenige Stunden an, so dass er oft ganz übersehen wird, und nur die Tonsillitis und die für eine Ansteckung sprechenden Neben- umstände, eventuell die späteren Folgen (Desquamation, Hydrops) den Cliarakter der Erkrankung verrathen. Daran knüpft sich das Vorkommen einer Scarlatina sine exanthemate, mit completem Fehlen des Ausschlages \mä der Abschuppung, aber Gegenwart der Angina und aller übrigen, dem Scharlach entsprechenden Erscheinungen und möglichen, selbst letalen Folgen.

Im Gegentheil kann das Exanthem ungewöhnlich lange, 1_2 Wochen und darüber bestehen. Damit steht gewöhnlich ein öfteres Erblassen und Wiederaufblühen und dunklere Färbung, mit Austritt von rmter dem Fingerdrucke nicht schwindenden Flecken (Blutfarbstoff), selbst Petechialflecken in Verbindung, Es wird auch von E,ecidi^ären des Exanthems nach vollendeter, oder beinahe vollendeter Desquamation be- richtet. Allein es scheint sich da um Erythem und nicht um wahres Scharlach-Exanthem zu handeln.

Auch die Desquamation kann ungewöhnlich verspätet eintreten, sich lange hinschleppen, sehr intensiv sein, d. h. in Form ausgedehnter und dicker Schwarten - Ablösung statt- finden.

Bezüglich der morphologischen Eigenschaften des normalweise als punktförmig, gleichmässig fleckig und glatt erscheinenden Exanthems Scarlatina laevis findet sich die Abweichung als Sc. laevigata, mit mehr vor- springenden, glänzenden Flecken; Sc. papulosa und Sc. miliaris mit deutlicher Knötchen- und Bläschenbildung auf der diffus gerötheten Haut; Sc. variegata, mit der Bildung grösserer, von den einzelnen rothen Punkten ausgehender Flecke, welche durch ihr dunkleres Colorit von der blässer gefärbten übrigen Exanthemfläche sich deutlich abheben; endlich Scarlatina haemorr hagi c a s. septica, mit anfangs punktförmigen, später bis Thaler- und Flachhand- Grösse und darüber sich ausdehnenden Blutaiistritten mitten auf den scharlachgefärbten Hautregionen, bei Kindern meist am Stamme, bei Erwachsenen am Halse und über den Gelenken

2Qg Zwölfte Vorlesimg.

xind in Gesellscliaft mit scorbiitisclien Erscheinungen der Mnnd-

sclileimliaiit, eine böse I'orm.

Was die Gleichzeitigkeit des Scharlachs mit anderen acuten Exanthemen, Masern und Blattern anbelangt, von welcher in den letzten Jahren wiederholt, namentlich Kinder- ärzte , berichtet haben , so ist kein Zweifel darüber , dass die den einzelnen Exanthemen entsprechenden Contagien gleich- zeitig- im Körper aufgenommen sein und ihre specifische Wirkung entfalten können. Sie macht sich aber in der Weise geltend dass die eine erst auf der Haut erscheint, wenn die des anderen bereits in Abnahme begriffen ist. So kann man in Decremento Scarlatinae MorbiUen oder Variola und wechsel- weise auftreten sehen. FäUe aber, in welchen das eme Exan- them z B. Scharlach, durch einen Ausbruch von Masern unterbrochen worden und nach Abblassen dieser jenes wieder neu erblüht sein soll, dürften wohl anderer Deutungen

fähig sein. -■ -r> ^ i

Erytheme, Urticaria, einzelne Blasen und Pusteln, sowie Petechialflecke kommen gelegentKch mit Scharlach vor , haben aber keine weitere Bedeutung, als die der örtlichen Steigerung der Gefässfüllung, Exsudation und PermeabiKtät der Gefass-

"^""'''^CWsche Exantheme, Scabies, Eczem, Psoriasis bilden sich während der Blüthe des Scharlachs zurück imd reactiviren sich wieder mit dem Eortschreiten der Eeconyalescenz.

Die Eeihe der weiteren AnomaHen, welche die Scarlatma darbieten kann, ist eben so gross, als die der einzelnen über- haupt möglichen, örtlichen und allgemeiaien Symptome^^ Es gibt kaum eines, welches nicht durch abnorme Entwicklimg L dem hervorragendsten des ganzen Symptomencomp exes Sch herausbüden,'dadurch das Kraiikheitsbild des Schaidachs wesentlich umgestalten und den Verlauf und Erkrankung zu bestimmen geeignet wäre. Derartige abnoime Symptome erscheinen dann entweder als Complicationen, wofern sie ganz aus dem Rahmen des gewöhuHchen Kraukheits- bildes heraustreten, oder als Nachkrankheiten, mdem sie nach Ablauf des gewöhnlichen Cyclus noch andauern, oder gai

erst da entstehen. _

Am häufigsten ist eine abnorme Steigerung dei_ scai- latinösen Angina zu beobachten - Angina scarlatmosa

Scharlach.

207

maligna. Es kommt schon während der Prodrome nnd zu lieginu der Eruption zu parenchymatöser Entzündung der Tonsillen, der Graunien- und ßachenschlelmhaut und des retromucösen Bindegewebes. Hochgradige Schlingbeschwerden, OtFenhalten des Mundes, reichlicher Speichelabfluss aus diesem, heftiges Fieber, Grediiusenheit des Gresichtes, Unruhe, Delirien begleiten den Zustand. Die enorm vergrösserten Tonsillen lesen sich hart aneinander und können SufFocation veranlassen. Ihre Abscedirung an ein oder mehreren Stellen ist ein relativ günstiger Ausgang, Gefährlicher ist die Vereiterung des retromucösen Bindegewebes. Besonders führen Retropharyngeal- abscesse direct oder durch Eitersenkung unmittelbar, oder in der Folge zum Tode. Rapid geht es zum Verderben, wenn der entzündliche Infarct der Tonsillen und der Gaumenschleim- haut zu Gangrän führt. Diese verräth sich durch den be- kannten brandigen Geruch des Athems, breitet sich, von den Tonsillen ausgehend, sehr rasch über die Gaumensegel, die Mimd- vmd Rachen -Nasenschleimhaut aus und führt unter Coma, Convulsionen, jauchigem Ausfluss aus Nase und Mund, bis zur Undeutüchkeit beschleunigtem und geschwächtem Pulse zum Tode. Das Exanthem besteht während des die Gangrän begleitenden intensiven Fiebers und erblasst erst mit dem Schwächerwerden des Pulses.

Ein andermal ist es Diphtheritis des Rachens, Angina diphtheritica welche die Angina verschlimmert. Die schmutzig-gelben , fibrinösen Auflagerungen können sich über die Rachenschleimhaut und durch die Choanen auf die ScEDJErDEß'sche Schleimhaut ausbreiten. Doch findet oft wieder Lösung des membranartig auflagernden Exsudates statt. Mehr Gefahr bringt die auf den Kehlkopf sich ausbreitende Diph- theritis— Laryngitis crouposa welche dutch SufFocation, hinzutretende Pneumonie, Gangrän oder Blutzersetzung, oder selbst nach Lösung des Croup durch nachträgliche plötzliche Nerven- und Gefässlähmung dem Leben ein Ende bereitet.

An alle diese Afi'ectionen schliesst sich regelmässig be- deutendere Schwellung oder Entzündung der Unter- kiefer- und Speicheldrüsen. Zuweilen steigert sich die- selbe zu einer ausgebreiteten Entzündung auch des umgebenden Bindegewebes. Wangen-, Kiefer- und Halsgegend sind von einer derben Geschwulst besetzt, welche gegen den Kehlkopf

Zwölfte Vorlesung.

dränft-t, das Oeffneu des Kiefers umnöglicli maclit. Es kommt regelmässig .ur Abscedirung an mehreren Stellen, mit Nadi- lass der örtlichen und allgemeinen Erscheini.ngen und mög- licher Heilung; oder zu rasch um sich gi;eifender Grangran, welche durch Erschöpfung, Fieberhöhe oder Arrosion der grossen Halsgefässe und tödtliche Blutung das Leben ver- nichtet- oder es bleibt bei sonst günstigem Verlaufe eine in- dolente' Geschwulst noch monatelang fortbestehen. _

Affectionen des Intestinaltractes, durch massige Diarrhoe in benignen Fällen sich manifestirend, können durch Steio-erung zu croupöser Enteritis einen deletären Charakter annebnen, unter profusen, blutig-schleimigen Entleerungen, Meteorismus, noch während des Blüthestadiums des Exanthems raschen VerfaU der Kräfte, Temperatursabnahme und den iod

herbeiführen. , p

Otitis catarrhalis et suppurativa des Mittelohres, Tei- foration des TrommelfeUes und folgende Anchylose der Gehor- knöchel, auch Entzündung und Caries des Warzenfortsatzes Hiit complicirender Phlebitis und Meningitis, mit schleppendem Verlaufe oder raschem, deletärem Ende compHciren mcht selten den Scharlach schon in dessen frühen Stadien oder stellen sich

als dessen Folge ein.

UebeAaupt ist jede Angina scariatinosa pai^nchymatosa,

gangraenosa oder diphttaitica die QueUe ^^^'^'^t^S Lnten und eine ganze Eeihe nodi zu erwalinender Compl - "tionen, namentUoh Blutnngen, Embolie, Pya,n,e nnd meta-

statiscber Entzündungen in allen ß^^''«" ^^^"'"'p" , Obne noch dureh einen besonders loeahsn-ten Prooess selbst Angina und Exanthem mcbt ausgenommen sich gdtend gemacht zu haben, oder bei Gegenwart eines b^noi fhagiseh sich gestaltenden Exanthems kann Contagium der Scariatina gesetzte »"«^^ funetiL zerrütten, indem durch dasselbe Blutzersetznng bewirkt wird. Sie ^^"f *"* , f g^;" einem Symptomeneomplex. der als Scharlachtyphus, Sear

latina typhosa, -.septica, haCmorrhagica '^«f.^'f ,

Derselbe wird bezüglich der Intensität seiner Symptome

nach zwei Graden unterschieden (Mayk, Hebka).

Im ersten Grade macht sieh sogleich beim *™*;

des Fiebers grosse Muskelschwache und Eingenommenheit des

Scharlach.

^09

Kopfes geltend. Im Stadium eruptionis steigern sicli die Er- scheinungen des G-ehirndruckes : häiifiges Erbrechen, Delirien, Betäubung, Coma, Convulsionen, erweiterte Pupillen. Alsbald stellt sich Bronchial- und Trachealrasseln ein, die Zunge ist roth und trocken, der Unterleib meteoristisch, die Milz massig gesehwellt, Urin spärlich. Der Puls, sehr frequent , wird schwächer, die Temperatur sinkt und der Tod erfolgt nach einem Krankheitsverlauf von zwölf Stunden bis fünf Tagen.

Das Exanthem erscheint bei raschem Decursus gar nicht, sonst unregelmässig oder urplötzlich sehr intensiv, in grossen, alsbald livid (oder hämorrhagisch) werdenden Elecken.

Im zweiten Grrade des Scharlachtyphus sind (nach Löschner) die Gehirndruckerscheinungen massiger und ist der ganze Krankheitsverlauf mehr träge, so dass auch das Exan- them sich regelrecht entwickelt, oft allerdings mit P e t e c h i e n und Miliari ab laschen gemengt. Erst später steigern sich die Krankheitserscheinungen. Es tritt Albuminurie, Meteo- rismus und Diarrhoe hinzu und erfolgt der Tod unter Coma, verschwindendem Pulse und Temperaturabnahme.

Aus den in solchen Fällen sich ergebenden Sections- befunden sind hervorzuheben: G-raue G-ranulationen auf den Meningen, häufiger nach lentescirendem Krankheit s verlaufe zu beobachten, Hyperämie des G-ehirnes, der Lujigen und der Eingeweide, Schwellung der PEYER'schen Plaques, der Solitärdrüsen des Darmes und der Drüsen des Mesen- teriums : endlich seröse Ansammlung in den Höhlen der serösen Häute.

Nierenerkrankung bildet wohl die häufigste Com- plication des Scharlach, insoferne in den meisten, selbst sonst normal verlaufenden Fällen, schon in den frühen Stadien etwas Eiweiss und Nierenepithel, selbst mit Anzeichen der Verfettung sich im Urin vorfindet (Eisenschitz, Steinee u. A.). Doch fällt die vorwiegende katarrhalische und parenchymatöse Nephritis in die Periode der Abschiippung und der späteren Zeit, derart eine Eolgekrankheit des Scharlachs darstellend. Durch die einer solchen Affection innewohnende Bedeutung kann der günstigst verlaufende FaU von Scharlach noch nach- träglich unglücklich enden.

Pneumonie, desquamative u^nd croupöse, letztere be- sonders als Fortsetzung des Croup des Larynx ,' Entzündung

Kaposi, Hautkrankheiten. -'■^

21Q ZwöKte Vorlesung.

der serösen und synovialen Häute, Pleuritis, Perikarditis, Peritonitis, Gelenksaffectionen gehören zu den selteneren Com- plicationen. Keratomalacie tritt im Grefolge der septischen Scarlatina und Grangrän auf. Geringere Bedeutung haben die seltener auftretenden Blutungen aus der Nase, Aphthen des Mundes, Vereiterung einzelner Unterkiefer- und Halsdrüsen, wofern sie eine isolirte Complication des normalen Scharlachs darstellen.

Als Nachkrankheiten des Scharlach werden solche Erkrankungen anzusehen sein, die wohl während des Bestandes des Scharlachs begonnen haben, aber die Abschuppungsperiode als selbständige Uebel überdauern, oder gar erst nach derselben zur Entwicklung gelangen, aber aus den der Scarlatina eigen- thümlichen Veränderungen des Organismus herzuleiten sind.

In die erste Kategorie gehören andauernde Ozoena, als einfacher chronischer Nasenkatarrh, oder intensivere Entzündung, die zu Geschwüren, eitrigem Ausfluss, Caries und Necrose der Muscheln und Nasenscheidewand, Erysipel und selbst Gangrän führen kann ; Otitis mit den möglichen Folgen, als Zerstörung wichtiger Gebilde, bleibender Schwerhörigkeit oder Taubheit, selbst letal endigender Caries; Vergrösserung der Mandeln, chronischer Darmkatarrh und consecutive Störung der Ernährung, metastatische AfPectionen der Gelenke und serösen Häute, Entzündung und Vereiterung der Lymphdrüsen, der Haut und des subcutanen Zellgewebes an den verschiedensten Körper- stellen. Besonders Parotis und Submaxillardrüsen schwellen sehr oft in indolenter Weise und bilden durch Monate, ein bis zwei Jahre fortbestehende Tumoren, eben so, wie Mumps, die indolente Schwellung und Infiltration des periglandulären Bindegewebes in der Kieferfurche, oft nach Scharlach zurück- bleibt. Aus aUen diesen AfPectionen kann sich eine chronische Ernährungsstörung des Organismus, namentlich Scrophulose, entwickeLa, oder selbst ein acuter, letal endigender Process hervorgehen.

Die häufigste und gefürchteteste Folgekrankheit des Scharlachs bleibt jedoch die Nierenaffection, welche in seltenen Fällen , sowie in früheren Stadien , auch später , als acuter Morbus Brightii durch Erscheinungen der Urämie plötz- lichen Tod herbeiführen kann, oder später und in allmäliger Entwicklung bald an verschiedenen KörpersteUen wechselnd

Scharlach.

211

auftanchenden, bald vorwiegend auf die Unterextremitäteii beschränkten Hydrops Anasarca, so wie Ascites veranlassen kann. Die meisten Fälle mit späterem Hydrops keilen wieder, andere führen zu erschwerenden Complicationen, oder gar, wie durch Hydrocephalus acutus, Hydrothorax und Hydrocardiura, Glottisödeni zum Tode.

Ich habe mich mit Rücksicht auf den Plan unserer Vorlesungen darauf beschränkt, nur die Hauptmomente der Complicationen und Folgezustände des Scharlachs hervorzuheben. Aber schon das Angeführte wird genügen, um den schwanken- den \md unbestimmbaren Charakter des scarlatinösen Processes, zugleich dessen Gefährlichkeit Ihnen zur Ueberzeugung zu bringen.

Die Prognose kann daher bezüglich der Scarlatina nie anders als zweifelhaft lauten. Ich kenne keine hinterlistigere Krankheit als den Scharlach. Man darf ihr gegenüber niemals sich in Sicherheit wiegen. Jederzeit und in jedem Falle kann man von den gefährlichsten Ziifällen überrascht werden. Der normalst sich einleitende und mit mässigen und typisch sich gebenden Symptomen einhergehende Fall kann plötzlich durch Urämie, Gehirnlähmung, oder irgend eine der genannten Com- plicationen mit Tod abbrechen, oder nach vollendetem gläck- lichen Verlaufe noch durch Folgekrankheiten und Metastasen entweder sich in die Länge ziehen, oder ' noch nachträglich, gefährlich werden, oder selbst letal enden. Der Arzt soll daher unter allen Umständen dem Scharlach gegenüber sich skeptisch verhalten, auch die geringste Complications-Erscheinung nicht als unwichtig beachten und den Patienten nicht für ge- sund und von aller Gefahr befreit erklären, bevor nicht alle Symptome des Processes, auch die über die Abschuppung sich verlängernden, vollkommen beseitigt, der Urin vollständig frei von Eiweiss ist und die Functionen des Organismus durchwegs normal geworden sind.

Insbesondere ist auf den Gang des Fiebers und des Exanthems zu achten. Zu hohes Fieber ist immer ein bedenk- liches Zeichen, noch mehr dessen Complication mit bedeutenden Erregungs- oder Depressions - Erscheinungen des Gehirnes. Deutlich und zur rechten Zeit entwickeltes Exanthem , mit massigem Fieber und katarrhalischer Angina gibt den besten Symptomen - Complex. Pavenchymatöse Angina, Zcllgewebs-

14*

91^2 Zwölfte Vorlesung.

Entzündung der ßachensclileiraliaut und des Halses sind sein- o-efalirliclie ; Diplitlieritis , Croup, Gangrän fast durcliwegs letal endigende Complicationen. Das plötzliclie Verschwinden des Exanthems deutet auf intensive Erkrankung innerer Organe, der Lungen oder des Gehirnes; zögernder Ausbruch desselben bei andauerndem hochgradigem Eieber und gleich- zeitigen kephaUschen Symptomen ist ein böses Zeichen. Scar- latina variegata ist oft von hartnäckiger Bronchitis und Pneumonie gefolgt. Scarlatina miliaris, durch Auftauchen von Bläschen auf dem schon bestehenden Exanthem charakterisirt, deutet auf pyämische Blutvergiftung. Einzelne Petechien, Nasenbluten bei sonst massigen Symptomen sind unbedenklich; dagegen bei hohem Eieber, Delirien, Sopor, Gangrän, Vorboten allgemeiner Blutdissolution. _

Dem Gang der Diurese muss von Anbeginn der Er- krankuno- grosse Aufmerksamkeit zugewendet, der Gehalt des Harnes an Eiweiss durch tägliche Untersuchung controllirt werden. Albuminurie als solche ist noch kein gefährliches Symptom. Sie fehlt fast niemals. Aber ihr Nachweis halt die Gefahr vor Urämie und deren möglichem Ausgang oder nach- folgendem Hydrops und zögernder Eeconvalescenz stets vor A,^xo-en Diese imd jede andere Complication muss überdies lach ihrem pathologischen Werthe und nach ihren möglichen Eolo-en bemessen und zur Orientiruiig bezüglich der Prognose verwerthet werden. Dasselbe gilt für die Eolgeerschemungen

lind Nachkrankheiten. . n ^ j

Im Uebrigen bietet auch der aHgememe Charakter der Epidemie und des „Genius epidemicus" einigen Anhalt für die Vorhersage. Eine gutartige Scharlach-Epidemie gibt es nach •dem Ausspruche erfahrener Kinderärzte überhaupt nicht. Doch zeichnen sich manche durch besonderen ßeichthum und durch Gefährlichkeit der Complicationen und Folgekrankheiten aus. •Gegen Ende der Epidemie sind im Allgemeinen die Erki-aiikungen o-utartiger. Während des Vorherrschens von Croup, TjT^hus, Dysenterie, Cholera sind [auch sporadische Scharlachfälle mehr

zw fürchten. , . ^

Endlich sind auch die individueUen Verhaltnisse des Alters, der allgemeinen Constitution, der gelegentlichen ander- weitigen Complication, mit bei der Vorhersage zu beruck- «ichtio-en, abgesehen natürlich von den im Krankheitsprocesse

Sclinrlacli.

liegenden Momenten. Jüngere Individuen sind im Allgemeinen melir gelalirdet als reifere, obgleich auch diese eben so rasch hingerafft werden können. Schlecht genährte, schlecht gepflegte Personen, von häufiger Augina geplagte, mit infarcirten Ton- sillen behaftete lünder, Wöchnerinnen, Blattern- oder Typhus- kranke, oder Reconvalescenten smd durch Scharlach sehr ge- fährdet. Ich schliesse diese Andeutungen mit der wiederholten Mahnung, dass der Arzt jedem Scharlachfalle gegenüber zwar nicht die Umgebung fortwährend beängstigen, sie aber auch keineswegs in HofPtiungssicherheit wiegen darf,, bevor nicht die allerletzten der Complications - und Folgesymptome voll- ständig geschwunden sind.

lieber die anatomischen Veränderungen ist, das Exanthem bezüglich, nichts zu sagen, was nicht schon aus der klinischen Erscheinung desselben zu entnehmen wäre: Hyper- ämie mit mässiger Exsudation in den normalen Formen, bei Knötchen und Bläschen die dieser entsprechende stärkere Ex- sudation und ZeUenvermehrung innerhalb der Papillen und dem ßete, bei Petechien freier Blutaustritt in die Papillen und die Cutis. Li cadavere ist die Hyperämie geschwunden. Die in der Haut und in anderen Greweben und Organen sonst vorfindlichen pathologisch - anatomischen Veränderungen ent- sprechen den jeweiligen, im klinischen Verlaufe vorgekommenen Erkrankungen und sind zum Theile bei deren Besprechung bereits erwähnt worden.

Die Aetiologie der Scarlatina ist nicht weiter gediehen als die der anderen acuten Exantheme. Es ist zweifellos, dass die Ursache der Krankheit in einem specifischen Contagium gegeben ist. Durch die an allen Orten und für die meisten Fälle von Scharlacherkrankung erwiesene Gelegenheit zur Ansteckung von einem anderen Scharlachkranken ist dargethan, dass der Process nie anders als durch Contagion entsteht. Dies muss daher auch für solche sporadische Fälle gelten, in welchen der Nachweis der Ansteckungsquelle nicht gerade gegeben werden kann.

Uebertragung auf Gresunde durch Ueberimpfung von Blut, Schuppen imd Secret Scarlatinöser ist Einzelnen gelungen, mit dem Effect einer oft schweren Allgemeinerkrankung, wes- halb solche Versuche aufgegeben worden sind. Andere haben überhaupt nicht Haftung erzielt. Nur Mtqcel gibt an, einzig

214

Zwölfte Vorlesung.

Örtliche Entzündung und Schutz vor weiterer Ansteckung erlangt zu haben. Im Blute von Kaninchen, die durch Ein- spritzung von Blut Scharlachlcranker rasch zum Tode gebracht wurden (CosE und Feltz u. A.), hat man reichlich Bacterien gefunden. Es steht sehr in Frage, ob diese mit dem Contagium des Scharlachs etwas gemein haben.

Das Scharlach - Contagium ist flüchtig und erfüllt die Athmungssphäre der Scharlachkranken. Es ist ferners in dem Blute, wahrscheinlich auch den Abschuppungs- und Excretions- stofFen der Kranken enthalten und haftet auch an Gregen- ständen und Geräthen, mit denen es auf weite Entfernungen verschleppt werden kann. Einathmeu der contagiumgeschwän- gerten Luft, wie die directe Berührung des Kranken und seiner Secrete, so wie der Verkehr mit den Personen und Dingen, die das Contagium an sich zu heften vermochten, kann die Ansteckung ermöglichen. lieber die grosse Lebensdauer des Scharlach-Contagiums , seine Tenacität gegen Zeit und Ortsveränderung , hohe Kälte und Hitze und Witterungs- äuderungen liegen die sonderbarsten, vielfach sehr beglaubig- ten Angaben vor. Darnach ist die Krankheit durch gesunde Mittelspersonen , oder von Scharlachkranken oder ihrer Um- gebung herrührende Gregenstände , Kleider , selbst Briefe viele Meilen weit verschleppt worden ; oder sind Personen an Scharlach erkrankt, die ein' seit Monaten von einem Scharlach- kranken verlassenes und seither gründlich gereinigtes Zimmer bezogen haben.

Das Contagium scheint nicht im Prodromalstadiutu, wohl aber zur Eruptionszeit von dem Kranken ausgehaucht zu werden. Daher bleiben Kinder, die zu jener frühen Periode von ihrem erkrankten G-eschwister entfernt wurden, meist ver- schont. Dagegen dauert die Ansteckungsfähigkeit Scarlatinöser länger als die Morbillöser, wie manche Fälle annehmen lassen, sogar noch einige Zeit nach vollendeter Desquamation, wofern noch Folgezustände, z, B. Hydrops, zugegen sind.

Die Disposition für das Scharlach-Contagium ist all- gemein geringer , als für das'^der Masern. Daher erkranken meist in einer Familie nur einzelne Mitglieder, höclist selten alle Kinder. Vom 2. 7. Lebensjahre scheint die Disposition zur Erlvrankiing am grössten. Doch ist mit Ausnahme etwa des Greisenalters kein Lebensalter vor Scharlach gefeit. Ob

Scliarlacli.

115

die Affectiou aucli im Mutterleib acquirirt und zur Welt gebracht werden kann, ist niclit entschieden.

Einmal vom Scharlach Absolvirte scheinen für das ganze Leben vor einer neuen Infection geschützt zu sein. Wenigstens, gehören Beobachtungen von zweimaliger Scarlatina zu den grössten und jederzeit augezweifelten Seltenheiten.

Das häufigere Vorkommen der Scarlatina ist sporadisch. In grossen Städten, wie bei uns, mangelt es nie an solcher. Manche halten dafür, dass Diphtheritis und Scharlach zu ein- ander in Wechselbeziehung stehen. Durch engeres Aneinander- schliessen von Einzelfällen und damit vermehrte Gelegenheit zu weiterer Ansteckung entstehen in grösseren Städten alle

3 4 Jahre Epidemien von Scharlach. Sie erreichen jedoch

niemals eine solche Maximalgrösse wie Masernepidemien. Schwankende Entwicklung und zögerndes Erlöschen, längeres Verweilen auf ihrem Maximum sind den Scharlachepidemien eigen (Thomas). Sie unterscheiden sich als mehr gutartige, oder durch besondere Complicationen und Verlaufsweiseu charakteristische \mi bösartige. In entlegeneren Bevölkerungen wird die Krankheit gelegentlich durch Afficirte oder Recon- valescenten, oder auch contagium-behaftete Gregenstände ver- sclileppt. Sie kann da wieder sporadisch bleiben, oder zur Epidemie sich entwickeln.

Das Mortalitätsverhältniss varürt zwischen ö^/o

20— 25°/o der Erkrankten, je nach dem mehr gutartigen oder perniciösen Charakter der herrschenden Epidemie. Schliesslich bemerke ich noch, dass auch bei einzelnen Haus- thieren eine für Scharlach imponirende Krankheit beobachtet worden ist.

Eür die Diagnose des typischen Scharlachs bietet das charakteristische Hautexanthem, dessen punktirte Röthe und Abgrenzung gegen das Gesicht, die frühzeitige Angina, mit der punktirten E,öthe des Gaumens, das begleitende Eieber und die nach Abblassen des Exanthems folgende Desquamation sichere Merkmale. In rudimentär entwickelten, oder noch vor Ausbruch des Exanthems letal endigenden EäUen wird das Herrschen einer Scharlach-Epidemie, oder die nachweisliche Gelegenheit zur Ansteckung, und in nicht geringem Grade der Nachweis von Albuminurie zur Diagnose verhelfen, wäh- rend andere unklare Erkrankungsformen, wie Scarlatina siae

216 Zwölfte Vorlesung.

exanthemate , durch die Angina und den Genius epideniicus, Scharlacli mit flüclitigem Exantliem durcli die deutliche Des- quamation oder gewisse Folgekrankheiten, wie Mumps, Hydrops neben dem Nachweis der Ansteckungs-Gelegenheit sich zu erkennen geben.

Morbillen differenziren sich gegenüber dem Scharlach durch die Fleckenform des Exanthems, dessen Gegenwart auch im Gesichte, und die katarrhalischen Erscheinungen ; Erytheme durch die Abwesenheit von Angina und geringes oder mangehi- des Fieber.

Bei Puerperen kommt eine in der Eegel letal verlaufende Affection vor, welche als Scarlatina puerperalis (Helm, 1837) bekannt ist. Sie ist nicht mit Scarlatina in Puer- pera zu verwechseln. Letztere bedeutet Scharlach bei einer Wöchnerin, erstere ein zumeist auf den Unterleib beschränktes, zuweilen auch auf anderen Körperstellen localisirtes, oder selbst universelles Erythem, charakterisirt durch diffuse, lebhafte bis dunkle Scharlach-Röthe , Hitze der Haut, namentüch der Bauchdecke, die oft gleichzeitig mit zahbeichen, miliaren Bläschen besetzt ist. Zumeist ist Schmerzhaftigkeit des Uterus, spärlicher und übelriechender Lochialduss und typhoider Zu- stand mit hohem Fieber, trockener Ziuige vorhanden. Das Erythem ist der Ausdruck eines von Metrophlebitis aus- gehenden pyämischen Processes und durch obige Charaktere leicht von Scharlach zu unterscheiden. Er endigt meist mit Tod. In cadavere sind oft noch die Bläschen erhalten, oder dui-ch punktförmige Abschülferung bezeichnet.

Die Therapie des Scharlachs möglichst wirksam zu gestalten, ist von jeher das Streben der Aerzte gewesen, was in Anbetracht der grossen Gefährlichkeit der Krankheit nur erklärlich ist. Leider gebricht es uns noch bis an den heutigen Tag an Mitteln, welche die Wirksamkeit des von den Scharlach- kranken emanirenden, oder des in den Organismus bereits ^ ein- gedrungenen Contagiums zu paralysiren vermöchten. Diejenigen, welche die mycotische Natur des Scharlach-Contagiums, sowie das der meisten Lifectionskrankheiten, als bereits erwiesen an- nehmen, mögen immerhin glauben, durch innerliche Darreichung von salycüsaurem oder borsaurem Natron, Carbolsäure, Chlor- wasser etc. demselben innerhalb des Organismus begegnen zu können. Thatsache ist, dass es bis jetzt weder durch diese

Scharlach.

217

Mittel , nocli cTurcli die früher gebräuchlich gewesenen Mineral- säui-en gelungen ist, den Ausbruch des Scharlachs zu verhüten, sobald dessen Contagium aufgenommen worden ist.

Deshalb besteht die erste Indication für die Behandluiag in der P r 0 p h y 1 a X i s, der subjectiven und objectiven. Unter der ersteren meine ich den Schutz des noch nicht inficirten Indi- viduums durch dessen rechtzeitige und vollständige Isolirung von der Krankheitsquelle; [unter der objectiven Prophylaxis die möglichste Unschädlichmachung des Ansteckungsherdes, durch dessen Separirung, durch Desinfection der mit dem Kranken in Contact gestandenen Räume und Greräthe.

Gegen die Krankheit selber ist nach dem Stande der heutigen Erfahrung nur eine symptomatische Behandlung am Platze. Es ist da genug Grelegenheit für den Arzt zum rationellen und erfolgreichen Eingreifen. Nicht in normal ver- laufenden Fällen. Da ist die rein exspectative Methode am besten. Der Kranke werde in einem fleissig gelüfteten, ge- räumigen Zimmer, bei 14 15" R., im Bette leicht bedeckt gehalten ; erhalte fleissig kühlende Gretränke, verdünnte Eleisch- brühe, Milch, gekochtes Obst ; bei belästigender aber gutartiger Angina EispiUen, Zuckereis (Gefrornes) zur Erquickung, ein GiTTgelwasser zum Spülen. Reinhalten des Körpers durch Waschen, Wechseln der Leib- und Bettwäsche ist nur wohlthätig.

Der Kranke darf erst das Bett verlassen, wenn der Puls bereits durch mehrere Tage normal, die Haut weich und leicht transspirirend sich erweist. Nach Ablauf der Desquamation nehme der Kranke ein lauwarmes Wannenbad und von da ab ein solches jeden 2. bis 3. Tag. Erst am Ende der 4. bis 5. Woche, nach allseitig beendeter Abschuppung und wenn keine Spur von Albuminurie zu finden, kann der Reconvalescent die freie Luft aufsiichen.

In allen Fällen von hoher Fiebertemperatur und allar- mirenden Gehirnsymptomen möchte ich der vielfach erprobten hydrotherapeutischen Behandlung das Wort reden. Von dem individuellen Falle und dem Ermessen des Arztes mag es weiter abhängen, inwieferne dieselbe in Form von öfteren lauen oder kühlen Halbbädern, Abwaschungen oder Einhüllungen etc. angewendet wird. Wenn ich auch noch der methodischen Speck- einreibvmgen (nach Schneemann) hier gedenke, ist es, um deren Nutzlosigkeit zu bemerken.

218

Zwölfto Vorlesung.

Ich muss es mir versagen, auf die Mittel und Methoden einzugehen, welche gegen das grosse Heer der complicirenden, allgemeinen imd örtlichen Krankheitssymptome angezeigt und anwendbar sind, wie die excitirenden hei G-ehirndruck, Collapsus ; die Tonica und Opiate gegen Diarrhoe ; Chinin, Digitalis gegen zu hohes Fieber und grosse Pulsfrequenz ; Ononis, Kali aceticum bei spärlicher Diurese ; die Verfahren gegen Diphtheritis, Croup, Pneumonie, Grangrän, GrelenhsafFectionen u. s. w. u. s. w. Alle diese Atfectionen werden, auch wenn sie dem Symptomen-Cömplex des Scharlachs angehören, nur nach den Regeln behandelt, welche aus der speciellen medicinischen und chirurgischen Pathologie Ihnen ohnedies geläufig sind.

Ich möchte nur als ein häufig nach Ablauf des Scharlachs zur dermatologischen Behandlung kommendes Uebel die durch Monate, 1—2 Jahre bestehende Intumescenz der Parotis und der Submaxillardrüsen speciell hervorheben. Gegen dieselbe habe ich die Application von Emplastr. hydrargyr. pur, oder cum Empl. cicutae ää part. aequales oft von überraschender Wirkung gesehen. Auch Einpinselungen von Jodoformü 1,00 ad 15,00 CoUod. elasticum wären zu versuchen.

Dreizebnte Yorlesung.

Geschichte. Variolation und Vaoeination. Variolosis, Varicella. Typische Blattern, Variola vera. Atypische mit günstigem Verlaufe.

Blattern, Variola.

Blattern, Variola, Pocken, Petite veröle, Small- pox, Vajuolo, nennen wir "jene acute contagiöse Krank- heit, welcke sick durch eine unter Fieber und Ergriffen- sein des Gresammtorganismus auf der allgemeinen Decke erscheinende Eruption von Knötcken, Bläschen und Pusteln und typischen V erlauf char akterisirt.

Unter den acuten Exantkemen ist Variola patkologisck und epideniiologisck wohl die wichtigste. Dieselbe interessirt die Dermatologie noch besonders durch dj.e ausgesprochenen xmä charakteristiscken Veränderungen, welcke die allgemeine Decke bei derselben erfäkrt. Das Exanthem bildet zweifellos das hervorragendste Merkmal des Blatternprocesses. An das- selbe knüpfen sich die entscheidenden Merkmale für die Diagnose und Prognose. Deshalb findet man auch allenthalben, wo kein besonderes Pockenhospital besteht, die Zuweisung der Blatternkranken an die dermatologischen Sectionen als natur- gemäss. Der hiesigen dermatologischen Abtheilung war die Blatternstation für den ganzen Wiener Eayon bis zum Jahi-e 187.3 einverleibt.

Die Geschichte der Blattern zeugt davon, dass Laien und Aerzte, Regierungen und Alle, welche das sanitäre "Wohl der Menschheit zu berücksichtigen berufen sind, zu allen Zeiten die hohe Wichtigkeit dieser Krankheit gewürdigt 'und . sich bemüht haben, ihrer verderblichen Wirkung zu steuern. Manche wichtigen Fragen, die ihre Pathologie betrelFen und

220 üreissehute Vorlesung.

zum Theile noch heute ihrer Erledigung harren, wurzehi in historischen Momenten. Deshalb dürfen auch Sie nicht ganz gleichgiltig über die letzteren hinweggehen.

Es ist sehr wahrscheinlich (Moore), wenn aiich nicht gerade doctimentirt , dass die Blatternkrankheit schon ein uraltes Uebel der Völker ist und von dem Osten Asiens, China and Hindostan, her seinen Weg über die östlichen Küsten- länder des Mittelmeeres nach Europa genommen hat. Grenauere geschichtliche Angaben über Blatternseuchen in Arabien, Klein- asien, Egypten will G-ekqoet zuerst im Procopids (544 n. Chr.) finden. Jedenfalls muss von da die Krankheit sehr rasch sich über die anderen Küstenländer des Mittelnieeres verbreitet haben. Denn nach Hecker hat schon im Jahre 581 n. Chr. Gregor von Tours eine über den ganzen Süden Europa's ver- breitete epidemische Krankheit beschrieben, die wohl als Variola angesehen werden darf. Noch deutlicher lässt sich Rhazes (900 n. Chr.) über die Krankheit vernehmen, der zu- gleich Aeusserungen des egyptischen Arztes Aheon aus dem G. Jahrhundert n. Chr. übermittelt. Von den Arabern in un- bezweifelbarer Weise geschildert, scheinen die Blattern, nach einigen im British Museum zu London aufbewahrten Manuscrip- ten zu schliessen, auch schon vor dem Jahre 900 n. Chr. unter dem Namen Variola (Diminutivum von Varus, Knoten, oder hergeleitet von aio).o?, varus) bekannt gewesen zu sein, obgleich die Autorschaft dieser Bezeichnung gemeiniglich Constantlxüs Africaküs (1087) zugeschrieben wird. Der deutsche Name „Pocke" bedeutet „Beutel".

Während der Kreuzzüge trug der rege Völkerverkehr viel zur Verbreitung der Krankheit bei, sowie zu der allgemeinen Vorstellung von ihrer grossen Ansteckungsfähigkeit und Ge- fährlichkeit. Die gegen Ende des 15. Jahrhundertes epide- misch erschienene Syphilis, mit den ihr eigenthiünlichen Pustelausschlägen auch „Blatterkrankheit" genannt, wiu'de als „grosse Pocken" , „grande veröle" , von den eigentlichen Pocken, „petite veröle", „small pox" , unterschieden. Im Gefolge der vom Ende des 15. Jahrhundertes ab in die neu- entdeckten überseeischen Erdstriche einwandernden Europäer Helten auch die verheerenden Blattern mit dem gefürchteten schwarzen Tod" ihren Einzug. Nach Millionen zählten ihre Opfer während einzelner Epidemien dies- und jenseits des ^^ elt-

Blattern.

221

nieeres. Zalilreiclie Blatternliäuser wurden zur Unterbringung und Absonderung der von der Seucbe Befallenen errichtet und die Furclit vor Ansteckung und Tod dtirch dieselbe erzeugte die mannigfachsten , im Sinne der Neuzeit selbst inbuman zu nennenden Vorschriften bezüglich der Blatternkranken, wie beispielsweise die Yehme jedes einen Blatternkranken bergen- den Hauses durch einen an die Thüre des letzteren ange- brachten Aushängezettel.

Wie jeder sanitätspolizeiliche Fortschritt, ging auch der wider die Blatternseuchen geplante zunächst unvermerkt, so- dann bewusst, von dem genaueren wissenschaftlichen Yerständ- niss der Krankheit, hier von der sorgfältigeren Pathologie der Blattern aus.

Wieder war es Sydenham, der in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhxmdertes über die Pathologie der Variola werth- voUe Arbeiten veröffentlichte , während zu Beginn und im Laufe des 18. Jahrhundertes Boerhave, van Swieten, Cotogno, DE PTakn, Hoffmann, Saövages u. v. A. den Gegenstand klinisch beleuchteten.

Von Wichtigkeit war zunächst die Thatsache , welche von allen Beobachtern der Blattern constatirt wurde, dass manche Epidemien derselben durch vorwiegend leichte, mit geringer Schädigung der Haut verlaufende und in Genesung endigende Erkrankungen gebildet wurden , während andere Epidemien vorwaltend schwere, mit intensiver Zerstörung der Haut und wichtiger Organe einhergehende und häufig letal endigende Fälle aufwiesen. So hat schon Sydenham die Er- krankungen der Epidemie aus den Jahren 1667 1672 als Variolae reguläres, die von 1674 1675 als Variolae anomales bezeichnet. Da man zugleich wusste, dass, wer einmal Blattern überstanden hatte, vor einer neuerlichen Ansteckung geschützt war, so lag der Gedanke nahe, zur Zeit, wo leichte Erkran- kungsformen vorherrschten, die bis dahin blatterfreien Personen der Ansteckung direct auszusetzen. Man konnte so darauf rechnen, dieselben zunächst in ungefährlicher Weise erkranken zu sehen xmd weiters vor der sonst wahrscheinlichen Gefahr zu schützen, während einer kommenden bösartigen Epidemie in gefährlicher Weise zu erkranken. So entstand der Gebraiich der Impfung mittels Men s chenblattern , die Va- riolation oder Inoculation.

222

Droizehiite Vorlesung.

Die ersten Anfänge dieses Grebrauches sind allerdings unbekannt. Im Orient soll er nacli Eimer schon im 11. Jalir- bimderte bestanden haben und gewiss ist derselbe von da aus verbreitet worden. Historisch ist, dass die Gemahlin des eng- lischen Gesandten in Constantinopel , Lady Montague, im Jahre 1717 daselbst ihren Sohn und 1721 in England ihre Tochter mit Blatterninhalt impfte. Alsbald, da die Herrscherfamilien mit dem Beispiele vorangingen , fand die Methode der Blatternimpfung auch in die Länder des Continentes allenthalben Eingang.

Die Wirkung der Blatternimpfung bestand darin, dass zunächst an den Impfstellen am 3.-4. Tage, in den folgenden Tagen auch in deren Umgebung, Knötchen entstanden, welche zu Bläschen und Pusteln sich entwickelten, und dass unter Eiebererscheinungen am 10. 11. Tage eine allgemeine Blattern- eruption erschien, die jedoch im Allgemeinen milde verlief. Obgleich die derart Geimpften selber vor neuerlicher Er- krankung im Allgemeinen geschützt waren, so konnte doch die Variolation nicht auf die Dauer sich erhalten. Denn es ist klar, dass die Variolisirten selber gerade so zur Ver- breitung des Blattern-Contagiums und zur Entstehung von Epidemien beitrugen, wie zufällig Erkrankte. Deshalb wurden bereits gegen Ende des vorigen Jahrhunderts an einzelnen Orten , und später allenthalben die Impfungen mit Menschen- blattern behördlich auf's Strengste verboten.

Man konnte um so leichteren Herzens die Variolation aufgeben, als inzwischen die segensreiche Impfung mittelst Kuhpocken, die Vaccination, durch Jenner in London, im Jahre 1798 zur Geltung gebracht wurde. Diese erzeugte an dem Individuum nur örtHch einige Pusteln und keine Allgemeinerkrankung, veranlasste auch keine Ansteckung auf Distanz bei anderen Personen und schützte dennoch die Ge- impften vor der gefürchteten Variola. Diese glänzende Wirkung sicherte der Vaccination für alle Zukunft die Werthschätzung aller Sachverständigen und iinbefangen denkenden Aerzte und Laien. ' Sie ist heute ein werthvoll gehegtes Gemeingut aller gebildeten Staaten und Gemeinwesen des Erdrundes, trotz der Anwürfe und Verdächtigungen, welche von berufener und unberufener Seite zeitweilig gegen dieselbe erhoben werden.

Ich will mich hier nicht weiter über die Kuhpocken-

Blattorn.

223

iinpfung ergehen, da icli im Capitel der Prophylaxis gegen Blattern noch des "Weiteren über dieselbe sprechen werde. Hier rausste ich derselben nur im Interesse der historischen Darstellung gedenken und weil die Pathologie der Blattern zum Theile von derselben und ihren Folgen beeinflusst wurde.

Nicht Jenner selbst, wohl aber viele seiner Anhänger hegten und verbreiteten nämlich die HofFnung, dass mit der voUzogenen Impfung auch die Fähigkeit, von Blattern ange- steckt zu werden, absolut verloren gehe. Nun zeigte es sich alsbald, dass einzelne regelrecht Geimpfte denn doch nach etlichen oder langen Jahren von Blattern, wenn auch m der Eegel leichteren Grades, befallen wurden. Um mm die Theorie zu retten, versuchte man vielfach solche Erkrankungen nicht als Blattern gelten zu lassen. Man nannte sie Variolois, oder Varicella. Nach und nach machte man sich auch mit dem Gedanken vertraut, dass auch Geimpfte an Blattern erkranken können. Da jedoch die Fälle zumeist gutartig und von den bei Nichtgeimpften vorkommenden ecliten Blattern, Variola vera, in manchen Beziehungen günstig sich unter- schieden, so betrachtete man dieselben als durch die Impfung des Befallenen umgeänderte, mitigirte Blattern, Variola modificata. In Wirklichkeit verhält es sich aber so, dass alle diese Formen genetisch und pathologisch ein und die- selbe Krankheit darstellen, dass auch Geimpfte, wenn auch viel seltener als Ungeitnpfte, an Variola vera erkranken können, dass leichte Variolois und Varicella eines Geimpften die Quelle abgeben kann für schwere Blattern bei einem Ge- impften oder Nichtgeimpften, und dass schliesslich auch Nicht- geimpfte an so milden Formen erkranken können, wie solche bei Geimpften in deren Erkrankungsfalle zur Regel gehören.

Die Vario]_o^is_betrefFend sind alle_ Meinungen überein- stimmend. Man nennt so Variola milderen Grades, gleichgiltig, ob sie an einem geimpften oder nicht geimpften Lidividuum sich vorfindet.

Bezüglich der Varicella gehen jedoch die Ansichten der Aerzte auch heutzutage noch aiiseinander. Schon vor Einführung der Impfung war dieselbe als Varicella, Variolae spuriae, "Wasserpocken, chicken pox etc. bekannt (de H.a.en) und seit dem vorigen Jahrhunderte vielfach (Heberdeen, Thomson, Diemerbröck, Heim, "Willan, Hesse u. v. A.) erörtert

224 Dreisnelmte Vorlesung.

lind bald als identiscli mit den Blattern (Thomson), bald als eine durch die Impfung modificirte Blatternform, bald als von Variola vollkommen verschiedene Krankheit hingestellt. Es ist ganz unmöglich , aus dem älteren literarischen Materials ein entscheidendes Urtheil zu schöpfen, so widersprechend lauten die dort niedergelegten Daten. Eisenschitz, der neuerlich dieselben in der objectivsten Weise neben einander gestellt hat, ist doch zu Schlussfolgerungen gelangt, denen weder ich noch Ajidere (Kassowitz) zustimmen können. Neben Hesse, Trousseau, Vetter vertreten namentlich seit den 60er Jahren viele Kinder- ärzte, Thomas, Steiner, Lothar Meyer, Gerhardt, Hönti, Fleischmann, Henoch u. v. A. mit grosser Wärme die Ansicht, dass die VariceUaei^^

KrankheirdiriTiiil_und n^r der Kinder vo_rstelle7~17en Motiven, welche diese Autoren für die ÄufstelTung emer „specifischen" oder „echten" Varicella aufbringen, haben Hebra, _ Kassowitz, ich u. A. sachliche Gründe entgegengestellt, welche mir gewichiig g'enug erscheinen, um die Existenz einer von Blattern vers^chiedenen Varicella in Abrede zu stellen. Eine besondere Darlegung jener Gründe muss ich mir an diesem Orte versagen. Hier möge es genügen, dass ich, wie Hebra, nur eine Art von_MatoakrajaiMi, Variola schlechtweg, kenne, die au!ch nur von einem Contagium herstammt, aber einmal unter einem mehr minder schweren, oder selbst letal endigenden Symptomencomplexe auftritt, ein andermal als un- bedeutendes Uebel verläiift. Hebra hält es für praktisch, nach dem In ten Sita ts grade drei Formen der Variola aufzu- stellen: Variola vera, Variolois und Varicella, doch immer mit der Betomuag ihrer Identität und der Thatsache, dass aus der einen Form für ein anderes Individuum üe anderen Formen hervorgehen können.

Nicht mehr also, denn eiiaen praktischen, ziu' gegen- seitigen Verständigung über den aUgemeinen Intensitätsgrad des jeweiligen Falles dienlichen Zweck hat Hebra mit der Aufstellung dieser drei Variolaformen verfolgt, indem er cüe leichteste, binnen 14 Tagen oder noch kürzerer Zeit ablaufende Form als Varicella, die zwischen der 3.-4. Woche endigende Variolois, die bis Ende der vierten Woche und darüber dauernde als Variola vera bezeichnet. Ich halte aber diese oder eme analoge Eintheilung auch für erspriesslich, insolange die leichten,

Blattern.

225

mit vorwiegend Bläsclien-Efflorescenzen einliergelienden Fälle von einer AnzaU Aerzten alsXai'icella siü generis angesehen werden, damit es nicht in Vergessenheit gerathe^ dass wir inul mit uns viele andere Aerzte diäse Formen ebenfalls als identisch mif Variola und zu ihr gehörig betrachten.

Grellen w nun zur S y m p t o m a t o 1 o g i e der B 1 a 1 1 e r n über.

Wenn Sie viele sehr verdienstliche Abhandliuigen über Blattern durchstudiren , wird es Ihnen nur schwer gelingen, ein einheitliches Kraukheitsbild der Variola aus denselben zu gewinnen und die oft bedeutenden Abweichungen in der Symptomatologie auszugleichen. Der Vorwurf dieses Mangels trifft am wenigsten die Autoren, zumeist nur die Krankheit selbst. Ich, der ich in der Lage war, als Assistent an der hiesigen Klinik, innerhalb sechs aufeinander folgender Jahre an 4000 und in der Folge noch ein fünftes Tausend Blatternkranke zu beobachten, habe' ein voUes Verständniss für die Unver- meidlichkeit solcher Differenzen in den Anschauungen. Es Avird aber bei aU' Denjenigen fehlen, die zu wenig Blattern- kranke gesehen haben. Nicht nur bietet jede einzelne Epidemie .die grösste Mannigfaltigkeit der FäUe dar, sondern einzelne Symptome präsentiren sich in der oder jener Epidemie dieses oder jenes Jahres, oder Länderstriches in ganz besonderer Weise. Der auf ein geringes Beobachtungsmaterial Besclu-änkte geräth dann leicht in die Gefahr, Zufälliges als charakteristisch aufzufassen und Einzelnes überhaupt nicht richtig zu deuten, gerade so, wie Derjenige, der seine Blatternstudien nur in einer einzigen Epidemie zu machen Grelegenheit gehabt.

Diese Bemerkungen schicke ich voraus , um Ihnen be- greiflich zu machen, dass jede Schilderung der Blattern nach streng gegliederten Einzelnformen gar leicht den Anstrich des Schematischen gewinnt. In der Natur gibt es derartige scharfe Grenzen nicht. Von den leichtesten, ungefährlichsten Formen gibt es stetige Uebergänge zu den intensivsten und gefährlichsten.

Zählt man die beobachteten Fälle nach Tausenden und wägt man nach einem Durchschnitt aus so Vielen die Symptome, so kaim man die Erkrankungen doch in zwei Gruppen ab- theilen, in typische, normale, Variolae reguläres, erethycae und in atypische, Variolae anomales, wobei es in beiden Gruppen leichte, ungefährliche, schwere und letal endigende Formen gibt.

Kaposi, Hautkrankheiten. 15

226 Dreizehnte Vorlesung.

Für die Blattern mit normalem Verlaufe prä- tendiren wir die deutliclie Ausprägung der für die acuten Exantheme geltenden Stadien durcli die ihnen entsprechenden charakteristischen Symptome, und unter diesen vor Allem die typische Entwicklung der auf der Haut erscheinenden Blattern- Efflor escenzen.

Dies triift vor Allem zu bei den meisten Fällen der als Typus der Krankheit hinzustellenden

Variola vera.

Das Stadium incubationis, vom Tage der gele- gentlichen Ansteckung an gerechnet, dauert in der Eegel vierzehn Tage, zuweilen etwas länger, bis drei Wochen, häufiger etwas kürzer, 10—12 Tage und verläuft bei vollständigem Wohlbefinden des Betroffenen. Gegen Ende desselben macht sich bei Einzelnen Unbehagen, Mattigkeit", verringerte Esslust, unruhiger Schlaf geltend.

Das Stadium prodromonum beginnt urplötzlich mit einem zumeist in den Abendstunden sich einstellenden Schüttel- frost. Das so eingeleitete Fieber ist in der Regel durch grosse Intensität der Temperatur (40— 41<'C.) und der beglei- tenden Erscheinungen, Erbrechen, Kopfschmerz, grosse Unruhe, Delirien, Convulsionen " (bei Kindern) und heftige Kreuz- schmerzen gezeichnet. Die letzteren sind meist so heftig, dass die Kranken sofort, auch oft ohne Befragen, über die- selben klagen und von einer Verletzung oder Entzündung in der Kreuzgegend befallen zu sein meinen. Das Symptom ist, wenn auch nicht gerade pathognomonisch für die kommenden Blattern, so doch in hohem Grade beachtenswerth. Am zweiten und dritten Tage hält das Fieber fast gleichmässig an, indem Hitzegefühl mit Horribilationen abwechseln , oder es steigert sich noch einigermassen, ebenso wie die es begleitenden Symp- tome, namentlich die Kreuzschmerzen.

Die Schleimhaut des Gaumens und des Eachens erscheint oft schon da diffus oder fleckig geröthet , die Tonsülen ge- schwellt, durch Schlingbeschwerden die Aufmerksamkeit des Kranken erregend. Am dritten Tage sieht man, wofern später Efflorescenzen daselbst sich bilden werden, da und dort auf der Schleimhaut der Mundhöhle bereits rotlie , erhabene Knötchen. Ebenfalls am zweiten oder dritten Tage taucht auf der

Bliittern.

227

allfemeinen Decke zuweilen, also durchaus nicht bei allen Kranken, ein Exanthem auf, welches als Roseola vario- losa, Erythema variolosuni oder Prodromalexan- them der Pocken bekannt ist. Schon früher von verschiedenen Autoren öfters erwähnt und verschieden gedeutet, ist es zuerst von Hebra nach seinen vorwiegenden Eigenschaften genauer geschildert und als der Prodrome der Blattern angehörig fest- gestellt worden. Ich habe dasselbe in allen Jahrgängen und iii allen Formen beobachtet. In einzelnen Epidemien hat es sich besonders häufig und mannigfach geartet erwiesen. Unter solchen Verhältnissen ist dasselbe besonders aus der Ham- burger Pockenepidemie von Th. Simon, Knecht und Lothar Meyer in den letzten Jahren sehr eingehend geschüdert worden.

Es erscheint als lebhaft- bis dunkelrothe, unregelmässig gestaltete, zuweilen scharf abgegrenzte, flache, manchmal wenig vorspringende Punkte, Elecke und Streifen, welche unter dem Fina'erdrucke erblassen und selten mässig jucken oder brennen. Seine Localisation betrifft zumeist den Leistenbug und die angrenzende innere Oberschenkelfläche (Schenkeldreieck, Sniox), die Regio pubica und hypogastrica, die Streckseiten der Knie- iTud Ellbogengelenke, der Phalangen , den Eussrücken (längs des grossen Zehenstreckers , Simon) , die Achselfalten rmd Schlüsselbeingegend, die seitlichen Lendenpartien, kann -aber auch auf jeder beliebigen Stelle des Stammes xtnd der Extremi- täten sonst noch erscheinen.

In der Schenkel -Leistengegend und der Schamgegend, sowie der Achselhöhle treten im Bereiche der erythematösen Elecke öfters punktförmige bis liiisengrosse, dimkelrothe, unter dem Eingerdrucke nicht schwindende Flecke, Haemorrha- gien, Petechien auf, welche in den daratif folgenden Tagen die bekannten Farbenveränderungen durch grüne, gelbe und braune Pigmentirung eingehen.

Das Erythem zeigt sicli an vielen Stellen wandelbar, an anderen dauernder, breitet sich auch, aus und besteht als Ganzes, aUmälig erblassend \mi ohne Sckülferung endend, bis in die ersten Tage deä Stadium eruptionis, selten noch länger. Alsdann pflegen auch auf demselben miliäre und auch grössere Bläschen oder Qiiaddeln aufzutauchen.

Im Allgemeinen findet sich das Erythema variolosum häufiger bei Individuen jugendlichen und kräftigen Alters, bei

15*

228

Dreizehnte Vorlesunp;.

weiblicheil häufiger als bei männlichen ; bei ersteren namentlich als petechiales , gewöhnlich in Gesellscliaft mit dnrch die Krankheit präcipitirter ixnd profuser Menstruation,

Weder die Intensität der oben geschilderten fieberhaften Erscheinimgen, noch Charakter und Ausdehnung des Prodromal - exanthems gewähren Anhaltspunkte bezüglich der Intensität der kommenden Variola. Es ist wahr, dass die von Erythem besetzt gewesenen Stellen, namentlich des „Schenkeldreieckes", in der Regel von Blatternefflorescenzen verschont bleiben, oder nur von wenigen Blattern besetzt werden. Das hindert nicht,, dass .im Uebrigen die Krankheit recht gefährlich werden kann. Eine intensiv dunkle Röthung der ganzen Bauchdecke, wemi selbe namentlich bis in das Eruptionsstadium imvermindert fortbesteht und mit sich wiederholenden Hämorrhagien durch- setzt wird, ist, wie bereits Hebea betont hat, ein ominöses Symptom. Von dem abgesehen , habe ich , nach meinen Er- fahrungen, das Erythema variolosum stets als hoffnungs- volleres Zeichen für eine mässige Erkrankung ansehen dürfen.

Nach durchsclmittlich dreitägigem, selten um einen Tag verzögertem Prodrom beginnt das

Stadium ernptionis. Auf dem Gesichte und behaarten Kopfe zuerst und in reichlicherem Maase, zögernder nnd in Nachschüben auf dem Stamme uird den Extremitäten, Flach- hand und Fnsssohle , tauchen unter Empfindung von Stechen, . Druck nnd Schmerz, stecknadelkopfgrosse und grössere, lebhaft rothe, konische, derbe Knötchen auf, Stippchen. Am Stamme zeigen sich einzelne von einem fingernagelgrossen, rosenrothen Hof umgeben hyp erämischer Halo. Die Knötchen bilden sich zumeist um die Mündungen der HautfoUikel. Be- steht auch noch ein Prodromalexanthem, so begreift sich die täuschende Aehnlichkeit des Exanthems mit Morbilli papulosi. Die Diagnose ist auch an diesem Tage unter solchen Um- ständen kaum zu machen.

Mit dem Auftreten der Variolenstippchen fallen die Eiebersymptome in der Regel plötzKch ab. Sie erhalten sich aber in noch immer erheblichem Grade, wenn inzwischen die Blatternefflorescenzen auf der Schleimhaut des Rachens und Kehlkopfes sich iai beträchtlicher Menge entwickelt haben, oder die Stippchen tief sitzen, zahlreich und dicht gedrängt (als Vorläufer einer Variola confluens) erscheinen.

Blattern.

229

Mit dem Auftreten der Stippclien entscheidet sicli ancli für die normalen Blattern die allgemeine Intensität der Kranklieit. Kommen innerhalb des vierten und fünften Tages nur wenige zum Vorschein und hat das Fieber fast ganz nach- gelassen, so dürfte der ganze Verlauf der Krankheit am 12. bis 14. Tage sein Ende erreicht haben Varicella. Treten dieselben in erheblicher Menge, aber durchwegs, namentlich aber am Stamme, disseminirter Weise und grosse Hautstellen zwischen sich freilassend auf, so wird das Exanthem innerhalb der dritten Woche vollständig abgelaufen sein Variolois.

In den Fällen der typischen Variola vera vermehren sich nun am ersten und zweiten Tage des Stadium eruptionis die Knötchen, immer schmälere HautinseLn zwischen sich frei- lassend. Die am frühesten aufgetauchten Knötchen, also vor- weg die im Gresichte , sind inzwischen grösser xmd durch An- sammlung eines klaren, serösen Inhaltes zu durchscheinenden Bläschen geworden. Viele derselben zeigen in der Mitte eine seichte Depression, Delle. Damit hat das

Stadium floritionis begonnen, das vom sechsten Krankheitstage gereclinet wird. Innerhalb dieser Zeit ist das Fieber sehr mässig, der Puls 9G 100, und iimwandeln sich zunächst die meisten Knötchen zu Bläschen. Einzelne Stippchen involviren sich in jedem Falle als solche.

Vom achten und neunten Tage ab trübt sich der Inhalt der Bläschen in der Reihenfolge ihres Alters, also zuerst der im G-esichte, und mit dem 10. bis 11. Tage, der Ahme des Processes, beginnt allenthalben dasSuppurationsstadium. Die Bläschen bekommen eiterigen Inhalt, sie werden zu Pusteln. Dabei füllen sie sich stärker, sie wachsen bis zu Erbsengrösse heran, die DeUe gleicht sich aus, die Pusteln sind voll, prall, ihre Basis erscheint roth umsäumt, oft von einem grösseren entzündlichen Halo iimgeben.

Mit der beginnenden Suppuration steigert sich auch neuerdings das Fieber, Eiternngsfieb er und die Reihe der subjectiven Unannehmlichkeiten, welche hierin, in den Veränderungen auf der Mund-Rachensclileimhaut , sowie in der Menge der in der Haut sitzenden Eiterherde und der sie begleitenden Entzündungserscheinungen begründet sind; als vor Allem Schmerz- und Spannungs-Empfindung in der Haut, Schlingbeschwerden, Durst, Schlaflosigkeit, Wüst-

230

Dreizelmto Vorlesung.

sein des Kopfes u. v. A. Nicht selten werden Kranke ia diesem Stadium von Fieber-Delirien zu Selbstmord-Handlungen, Aus-dem-Fensterspringen, getrieben, weshalb sie da stets über- wacht werden müssen.

Das Gesicht ehaes gleichmässig und reichlich mit Blattern behafteten Kranken ist gedunsen, aufgetrieben, seine Augen- lider ödematös und geschlossen, Nase und Lippen verdickt, die Unterlippe durch das Grewicht der Pusteln herabgezogen, der Mund offen, speicheltriefend, die Nasenlöcher von Pusteln und Krusten verlegt, die Ohren dick, wulstig, das Antlitz derart, selbst des Bestbekannten, geradezu unkenntlich und wird im Allgemeinen um vieles älter geschätzt. Die Arme und Hände verdickt , liegen schlaff darnieder ; sie sind zu schwer geworden; die Finger in halber Beugung. Flachhand und Fusssohle, wo die Blattern wegen der Mächtigkeit der Epidermisdecke nicht emporgewölbt, sondern platt gedrückt erscheinen , so wie auf der Kopfhaiit ist die Empfindung von Schmerz und Spannung am quälendsten.

Die Vertheilung der Blattern ist im Allgemeinen eine gleichmässige , am spärlichsten in der Regel am Unterleib. Stellenweise sind sie zu Haufen näher gerückt (Variola Gorymbosa) und fehlen dagegen meist sowohl in der Area der von Erythem besetzt gewesenen Haut, wie im Schenkel- Leistendreieck, auch an manchen Körperstellen, die nach der von Voigt dargestellten Vertheilung der Hautnerven inter- mediäre Zonen darstellen, wie über den Grluteis etc. Am Stamme, der Schultergegend sind sie, wie schon Hebea signalisirt, in parallelen Reihen angeordnet, die einerseits den Langer' sehen Spaltrichtungen, andererseits zugleich dem Nervenverlaufe entsprechen.

Hautstellen, welche vor der Erkrankung gereizt worden, wie durch Sinapismen, oder längerem Drucke ausgesetzt waren, wie von Bruch- und Tragbändern etc. sind in der Regel von auffallend dicht gedrängten Blattern besetzt, offenbar, weil sie der Sitz von zur Hyperämie und Stauung mehr vor- bereiteten Hautgefässen sind.

Auf der Schleimhaut der nach aussen mündenden Körperhöhlen erscheinen gleichfalls Pocken. Ihre Entwicklung schreitet derjenigen auf der allgemeinen Decke bedeutend vor. Schon gegen Ende des Prodromalstadiums kann mau häufig

Blattern.

231

auf dem weichen und harten Gaumen, der Zunge, der Wangen- und Lippenschleimhaut, den Tonsillen, am Rachen, rothe Stipp- chen bemerken, welche sehr bald mit einem gratdichen Häubchen bedeckt erscheinen. Schon nach wenigen Tagen fällt dieses, d. i. die durch die Wärme und den Speichel macerirte Epithel- decke , ab und man sieht in der Mitte der Efflorescenz ein Grübchen mit rothem Grunde, die blossgelegte oder dünn mit Epithel belegte, roth injicirte Schleimhaut. Am 12.— 15. Tage, nur in schweren Fällen später, ist auch der Rest des grauen Beleges abgestossen und jede Efflorescenzstelle durch neu- gebildetes Epithel überhäutet, ihre Spur erblasst. Die Menge der Efflorescenzen ist meist proportional der auf der all- o-emeinen Decke. Demgemäss erscheint oft der Zungenrücken dicht von denselben besetzt. Schmerzen beim Schlingen, reich- liche Speichelsecretion, Trockenheit im Halse sind ihre Folge. Li intensiven Fällen besetzen dieselben auch reichlich den Kehldeckel, das Lmere des Kehlkopfes und finden sie sich (bei Sectionen) auf der Schleimhaut der Trachea und bis in die Bronchien 2. und 3. Ordnung. Dass ihre Gegenwart hier Aphonie, Glottisödem, Gangrän, Perichondritis veranlassen kann, erfährt man nur in schweren Fällen. Bei Kindern und Säuglingen ist schon Variola der Mundschleimhaut wegen der behinderten Ernährung bedenklich. Sonst verlaiifen, wie gesagt, die Efflorescenzen hier sehr rasch und ohne bedenkliche ört- liche Complicationen.

Im Oesophagus finden sich Blattern oft in grosser

Menge.

Auf der Schleimhaut der Vulva und Vagina, sowie des Anfangsstückes des Mastdarmes erscheinen die Pocken nur spärlich und zögernd.

Der äussere Gehörgang ist in Fällen von Variola vera bis in den knöchernen Theil mit Efflorescenzen besetzt. Der tiefste Theil, wie das Trommelfell sind wohl immer frei. Das Gehör ist während der Zeit kaum merklich abgestumpft.

Von den äusseren Gebilden des Auges trägt nebst der Haut der Augenlider auch der Augenlidrand, ent- sprechend den MEYBOM'schen Drüsen, Efflorescenzen. Auf der Schleimhaut der Augenlider tauchen nur selten welche auf, die auch bald macerirt werden. Auf der Conjunctiva bulbi kommen keine Blattern vor, höchstens einmal ein rasch zer-

232

Dreizehnte Vorlesung.

fallendes Pustelclien am Limbns, besonders bei an Conjunctivitis pustulosa (Herpes corneae, v. Stellwag) schon früber leidenden lündern. Was von den bösartigen .Augenerkrankungeji bei Blattern bekannt ist, bezieht sich auf Compllcationen und Folgezustände, die noch zur Sprache kommen werden.

Das Stadium exsiccationis beginnt bei massigeren Fällen um den 13. Tag, bei intensiven ein bis zwei Tage später lind lauft bei ersteren langsamer, binnen 8 10 Tagen, bei letzteren zögernder, binnen 10—14 Tagen, ab. Sein Ein- tritt markirt sieb durch Nachlass des Eiterungsfiebers. Der Puls, früher zwischen 112—120, fällt binnen 1—1 V2 Tagen auf 96 80, später noch unter das Normale ab. Schlaf und etwas Esslust stellen sich ein. Die Blatternpusteln sind da und dort im G-esichte geborsten und von gelben Krusten bedeckt. Die übrigen, zumeist voll dicken eiterigen Inhaltes, sinken zunächst an der Spitze ein (s e c u n d ä r e D e 1 1 e) und bilden sodann braune Borken, das Product der Eintrocknung ihrer Decke samnit Inhalt. Zugleich schwillt die Haut ab, das Gesicht bekommt wieder die normalen Contouren. Die Eintrocknung der Pusteln schreitet in den folgenden Tagen rüstig vor. Vom 16. Tage ab lösen sich schon viele ab und hinterlassen eine seichte, platte, weiss glänzende Depression. Amiängsten, 3— 4 Wochen, bleiben die dunkelbraunen, linsenförmigen, und in der Epi- dermis eingekapselten Körper in der Flachhand und Fusssohle liegen, welche durch Eintrocknung der dort situirten Pusteln entstanden sind. Mit Ausnahme dieser ist im Verlaufe der vierten Woche allenthalben die Decrustation vollendet, der Kranke, zu Beginn der Desiccation abgemagert, und nun sich nährend, nimmt stetig an Körpergewicht zu, er ist hergestellt.

Die Blatternspuren, theüs weisse, glänzende (narbige), theils seicht deprimirte, braune oder blaurothe Flecke , bleiben jedenfaUs viele Monate kenntlich. Die ersteren persistiren zeitlebens, die letzteren verschwinden nach Frist von vielen Monaten.

Von diesem Typus der Variola gibt es mannigfache Ab- weichungen nach den verschiedensten Richtungen. Es bleibt Jedem unbenommen, solche Verschiedenheiten als Anomalien oder Varianten der Blattern oder Variolae irreguläres darzustellen. Es gibt eben keine Epidemie, wo mcht alle überhaupt raöglicken Formen vorkämen, und zwar gluck-

Blattern.

233

lickerweise gerade die im günstigen Sinne von dem Typus ab- weichenden als Meln-zalil.

Darum will icli auch unter den vom Typus abweichenden Vorkommnissen vorerst die klinisch günstigen hervorheben.

Die Prodrome selber sind durch keinerlei Symptome markirt. Der Kranke zeigt Variolen-Efflorescenzen und erinnert sich kaum unwohl gewesen zu sein. Mancher stellt sich im Ambulatorium wegen vermeintlicher Akne vor und hört erst da, dass er Blattern habe. Viele Efflorescenzen sind da nie vorhanden , doch gibt es solche Fälle , wo doch das Gresicht genügend besetzt ist, später auch das Eiterungsfieber sich noch gehörig entwickelt , ja unangenehme Folgeerscheinungen auf- treten können.

Ein. andermal sind die Prodromalsymptome ausserordent- lich stürmisch , bedeutendes Prodromalexanthem , am 4. Tage Abfall des Fiebers und parturiunt montes ... 10 bis 20 Stippchen , die rasch zu Bläschen oder bis bohnengrossen Blasen sich entwickeln , grösstentheils als solche eintrocknen, nur zum Theile pustulös werden, ohne Eiterungsfieber bei an- daiierndem Wohlsein des Befallenen am 10. bis 12. Tage ein- getrocknet sind, repräsentiren die ganze Variola, Variola apyretica, Varicella, zumeist bei Kindern und geimpften Individuen des jugendlichen und reifen Alters, gewiss oft auch als Pemphigus acutus diagnosticirt.

Oder Prodrome wie immer , Eruptionsstadium typisch, enorm zahlreiche Stippchen , die alle zu Bläschen mit und ohne Delle sich entwickeln. Am 9. bis 10. Tage massiges Suppurationsfieber, dann plötzlich allgemeine und gleichzeitige Vertrocknung der kleinen Pusteln und Beendigung der De- crustation am 14. bis 15. Tage. Offenbar kann dies nur bei allgemein oberflächlich situirten Pocken stattfinden.

I

Vierzehnte Yoiiesuug.

Blattern (Fortsetzung). Ungünstige Atypie : Variola haemorrhagica, Variola eonfluens. Complieationen und Folgen der Blattern. Anatonn.e.

Ungleich mannigfaclier sind die Atypien der Variola im ungünstigen Sinne.

Vor allem wäre hier der bereits im Prodromalstadium und im Beginne der Eruption als funest sich darstellenden Variola haemorrhagica zu gedenken.

Variola haemorrhagica,

im Volksmunde als schwarze Blattern bekannt, ist bei Laien und Aerzten gleich übel berüchtigt.

Nicht jedesmal, wenn im Verlaufe des Blatternprocesses Hämorrhagien auftreten, hat man auch das Recht, von Variola haemorrhagica zu sprechen oder, was nach dem bisherigen Usus damit metonymisch, einen deletären Verlauf zu erwarten.

Es ist aber geradezu unmöglich, die Formen, welche als eigentliche Variola haemorrhagica gelten sollen, demnach meist deletär verlaufen, von denjenigen scharf abzugrenzen, bei welchen die Hämorrhagien nur ein nebensächüches Symptom darsteUen. Es finden sich nämlich Uebergangsformen zwischen den absolut letal verlaufenden hämorrhagischen Blattern und den, wenn ich sagen darf, indifferenten Hämorrhagien

bei Variolen.

Die Bedeutung der Hämorrhagien im Blatternprocesse ist schon verschieden, je nach dem Stadium der Erkrankung, in welchem, ixnd je nach der Oertlichkeit, an welcher sie sich zeigen.

Blattern.

235

Die Menge der liämorrliagisclien Herde bildet jedenfalls das wichtigste Moment. Demnäclist der Umstand, inwiefern die Hämorrhagien in einem Schub entstehen oder in aufein- anderfolgenden Stessen sich vermehren. Je mehr Hämorrhagien, je eontinuirlicher dieselben sich erneuern, desto mehr stempeln sie den Fall zu einem bösartigen, i. e. zu einer Variola hae- morrhagica. Man darf aber keineswegs die Hämorrhagien als solche, insoferne sie einen mehr minder bedeutenden Blutver- lust darstellen, auch als nächste Ursache des deletären Ver- laufes, und demnach als meritorisch hervorragendstes Symptom der Variola haemorrhagica betrachten. Die Bkxtaustritte erweisen sich vielmehr in den wahrhaft bösen Fällen nur als Folgeerscheinungen der d e s t r u c t i v e n Gr e s a ni m t- e r k r a n k u n g.

Fasst man die Variola haemorrhagica in diesem Sinne auf, so können, wie ich bereits im Jahre 1872 dargethan, zu- nächst zwei Tyjjen derselben aiifgestellt werden.

1. Form der Variola haemorrhagica, Purpura vario-

losa.

Durch zwei bis drei Tage empfindet der Kranke allge- meine Abgeschlagenheit, Kopfschmerz, Appetitlosigkeit, Kreuz- schmerzen. Am vierten Tage stellt sich heftiges Fieber, grosse Unruhe und ein Exanthem ein.

Dieses besteht in einer D unkelpur pur röthe, welche beinahe über die gesammte Körperhaut, Gresicht, Hals, Stamm, Unterleib , Extremitäten fast gleichmässig ergossen erscheint. Sie schwindet unter dem Fingerdrucke. Die Haut ist dabei heiss, trocken , turgescirt. Man könnte glauben , einen inten- siven Fall von Scarlatina vor sich zu haben.

Schon die gleichmässige Tingirung des Dunkelpurpurs, das wie eine in die Haut ergossene (diffundirte) Tinte sich darstellt, und dessen gleichzeitige Ausbreitung über das Gre- sicht schützen vor dieser Täuschung. Noch mehr die anderen begleitenden Symptome. Fieberhitze und Pulsfrequenz sind bedeutend, die Cornea ist glänzend, die Pupille verengt. Der Kranke wirft sich ungeberdig im Bette iimher. Die Kreuz- schmerzen haben sich bis zu einem Grrade entwickelt, der den Kranken stöhnen macht. Beinahe regelmässig beklagt er sich vor Allem und einzig über dieses Symptom. Alle Ver- suche, es zu mildern, sind vergeblich. Auch heftige Schmerzen

23(3 Vierzehnte Vorlosung.

in der Magengrube, Atliemnotli ohne objectiv nacliweisbaren Grund werden von Manchen angegeben.

Schon um diese Zeit, also am 1. Eruptionstage, "ist das Bewusstsein einigermassen alterirt. Der Kranke antwortet zwar prompt auf die an ihn gerichteten Fragen; allein er ignorirt im Uebrigen Alles, was um ilm vorgeht. Er ist wie in sich und seinen heftigen Schmerz verloren.

Nun treten sehr bald Hämorrhagien auf. Am frühesten in der Conjunctiva, wo sie in Gestalt einer dreieckigen Ecchy- mosirung einen inneren oder äusseren Augenwinkel occupirt. Demnächst auf fler allgemeinen Decke, zumeist am Stamme, auf dem IJnterleibe. Hier erscheinen sie als stecknadelkopf- bis linsengrosse, schwarzblaue, unter dem Eingerdrucke nicht schwindende Flecke auf dem purpurrothen Grunde. Ueber ihnen ist die Hautoberfläche glatt und geschmeidig. Sie tauchen Anfangs vereinzelt und ohne alle bestimmte Anordnung da und dort, zunächst am Stamme, aber auch im Gesichte, an den Extremitäten auf. Die einzelnen hämorrhagischen Flecke dehnen sich sehr rasch, binnen Stunden, peripher aus. Sie diffundiren gleichsam, wie Fetttropfen in Filtrirpapier. Ein linsengrosser, hämorrhagischer Fleck kann binnen wenigen Sttmden die Grosse einer Flachhand erreicht haben. Dadurch, sowie durch das Aufeinandertreffen nachbarlicher Flecke, entstehen ausgedehnte, schwarzblaue , den Todtenflecken vergleichbare Verfärbungen. Auch die Zahl der neuen Hämorrhagien nimmt rasch zu. Allenthalben auf der Haut tauchen frische kleine und rasch peripher sich ausbreitende Hämorrhagien auf.

Die anderen Gewebe werden schon im Yerlaiife wemger Stunden auf ähnliche Weise von Blutaustritten betroffen. Die Bindehaut der Bulbi, schon beim Auftreten der Scharlachröthe in den Augenwinkeln ecchymosirt, wird binnen wenigen Stunden fast durchgehends zu einem dunkelblaurothen Wulste infiltrirt, welcher die stark glänzende Cornea wallartig überragt. Das Epithel der Schleimhaut der Lippen, der Zunge trocknet zu einer schmutzig braunrothen Kruste ein, durch welche deren Beweglichkeit gehemmt wird. Es erfolgen Einrisse mit freiem Blutaustritte, hämorrhagische SufFusionen unter dieselbe und fleckenweise Hämorrhagien in die Schleimhaut selbst. Aus dem Munde strömt ein fötider Geruch. Die Schleimhaut des Gaumens und des Rachens ist braunroth, trocken, rissig, die

0 Blattern.

237

Stimme aplionisch, das Athraen wird rauh, heiser. Mit dem zeitweiligen Husten räuspert der Kranke von hellrothen Streifen oder schwarzen Blutgerinnseln durchzogene Sputa hei-aus.

Bisweilen stellen sich blutige Darmentleerungen, bei AVeibern Gebärmutterblutungen ein.

Der Harn ist meist zurückgehalten, die Blase zeigt sich bis über die Symphyse ausgedebnt. Mit dem Katheter wird ein blutiger Urin entleert.

Das Bewusstsein ist bei Mancben bis nahe an's Lebens- ende klar, bei den Meisten jedocli scbon bei Ausbruch der Er- krankung insoferne getrübt, als die Kranken erst auf Ansprache auf ihre Umgebung achten. Mit dem Fortschreiten des Pro- cesses erlischt das Bewusstsein vollständig. Unter diesen Er- scheinungen wird das Athmen scbwächer und unregelmässig, der Puls klein, fadenförmig, und stellt sich unter Hervortreten blutigen Schaumes aus dem Munde der Tod ein.

Dieser im ganzen so Symptomenreiche Verlauf geht inner- halb 24 bis 36 Stunden vor sich. Von dem Augenblicke an, als die Purpura variolosa sich erst als diiFuse Rothe einge- stellt hat, ist bereits die Diagnose dieser Eorm der „Variola haemorrhagica" möglich, und damit die Prognose des absolut letalen und rapiden Verlaufes gestattet. Von Stunde zu Stunde schreiten die Hämorrhagien und die Störung des Bewusstseins vor. Es ist geradezu unmöglich, die Symptome über Momente hinaus zu fixiren. Mit der nächsten kurzen Zeitfrist hat sich die Scenerie bereits im scblechten Sinne geändert und so rasch, wie kaum eine andere Allgemeinerkrankung, hat der Tod den Process beendigt. In seltenen Fällen dehnt sich, der Verlauf über zwei Tage aus , so dass erst später , aber docb längstens am 3. Tage von der Eruption des Exanthems an gerechnet, der letale Aiisgang sich einfindet.

Bei der Section finden sich kleinere oder ausgedehnte Hämorrhagien beinahe in allen Greweben und inneren Organen : in den serösen Häuten, den Muskeln, dem 'Periost., den paren- chymatösen Organen, der Leber, den Nieren, zuweüen auch in den Meningen , den Nervenscheiden etc. Das freie Blut im Herzen, in den Venen und Parenchjonen ist schwarzroth, dünn- flüssig, zwetschkenbrühartig.

Berücksichtigt man den eben geschilderten Symptomen- complex, so wird es verständlich, dass hie und da ein Zweifel

238

Vierzehnte Vorlesung.

darüber sich erhebt, ob derselbe wirklich dem Blatternprocesse angehört nnd dessen Auffassung als Variola haeniorrhaglca gerechtfertigt ist. Es findet sich ja auf der ganzen Haut nicht die geringste Andeutung einer Blatternefflorescenz oder auch nur eine Anlage zu einer solchen, ein Stippchen.

Gegenüber solchen Bedenken ist zu bemerken, dass die ätiologische Beziehung dieser Erkrankung zu gewöhnlichen Formen von Blatternerkrankung gar nicht selten constatirt werden kann. Eine Person, welche einen an gewöhnlicher Variola oder Variola modificata leidenden Kranken gepflegt hat, erkrankt nach dem ents])rechenden Zeitintervall an Purpura variolosa. Ein drittes Individuum, welches mit dieser letzteren Person umgegangen war, erkrankt an gewöhnlicher Variola, üeberdies kommen nicht selten Fälle zur Beobachtung, in welchen auch klinisch die Identität der Variola mit dieser Er- krankungsform sich ergibt. In den etwas protrahirten , bis ziTm 3. Tage sich hinziehenden Fällen von Purpura variolosa kommt es bisweilen an einzelnen Hautstellen, meist der Unter- extremitäten, zu kleinen, schlaffen, flachen, oft selber hämor- rhagischen oder von Hämorrhagi e freien, als Blatternefflorescenzen erkennbaren Eruptionen.

Bei dem gewöhnlich äusserst rapiden Verlaufe der Pur- pura variolosa ist allerdings von einer Andeutung wirklicher Variolenefflorescenzen nichts wahrzunehmen. Es ist jedoch aus dem Verhalten bei protrahirten Fällen die Annahme ge- stattet, dass der rasch eintretende Tod die Entwicklung einer jedweden Efflorescenz unmöglich macht. Man hat hier im wahren Sinne eine, wie die Alten sagten, „Variola sine varioKs".

Nicht minder spricht für die in Rede stehende Identität das häufigere Vorkommen der Purpura variolosa während grösserer Variolenepidemien.

Im G-anzen kommt die Purpura variolosa selten zur Be- obachtung. Oft vergehen Jahre, bevor solch' ein unglücldicher Fall gesehen wird. Ja auch bedeutendere Epidemien bieten nicht immer derartige Formen dar. Vom Jahre 1866 bis 1871 war die Blatternepidemie in Wien eigentHch nie erloschen. Unter den während dieser Zeit auf der Blatternabtheilung des allgemeinen Krankenhauses behandelten 4088 Blattern- fällen habe ich diese Form in reiner Entwicklung nur einmal gesehen. In derselben Zeit sind mir in der Privatpraxis 2

Blattern.

239

exquisite Fälle vorgekommen, während im Jahre 1874 unter 209 Blatternkranken der Klinik 10 solche Fälle vorkamen. Aehn- liches ist auch anderswo (Hamburg, Dr. Knecht) beobachtet worden.

Abgesehen von der in der Bösartigkeit mancher Epidemie gelegenen Ursache können wir, namentlich für das sporadische Vorkommen der Purpura variolosa keinerlei Grund auffinden.

Die Impfung scheint in Rücksicht auf diese Erkran- kungsform nicht den geringsten Schutz darzubieten. Pur- pura A^ariolosa findet sich bei ihrer absolut geringen Zahl so oft bei Geimpften, Revaccinirten und bei Personen, die bereits Blattern überstanden haben , dass dieser Umstand geradezii aufTällig ist. Auch in anderen, sonst massgebenden Verhältnissen der Individuen finden wir keine Aufklärung. Es sind nicht etwa alte, decrepide, kachectische , armselige, den schlecht genährten, niederen Volksclassen angehörige In- dividuen , sondern meist junge , blühende , im Alter zwischen 20 bis 30 stehende , oft in den besten Verhältnissen lebende Personen , die der Purpura variolosa zum Opfer fallen. Wir befinden uns liier , wie bei dem Versuche , den bösen Verlauf anderer zymotischen Krankheiten, des Typhus exanthematicus, zu erklären, vor einem Räthsel, das wir höchstens mit der Annahme einer besonderen individiiellen Disposition decken, aber nicht lösen können.

2. Form der Variola ha em orrh agi c a.

Die Prodromalsymptome gleichen denen der ersteren Form und einer jeden bevorstehenden intensiven Variola. Am Anerten Tage der Erkrankung werden die Erscheinungen stürmisch. Eia Prodromalexanthem ist vorhanden oder fehlt. Die Kreuzschmerzen sind sehr heftig. Grosse Unruhe des Kranken , heisse , trockene Haut , fliegender Puls. Im Verlaufe desselben oder des nächsten Tages klagt der Kranke über heftige Schmerzen in den Unter extr emitäten. Beim Zu.f üblen findet sich die Haut der letzteren, bisweilen auch die des Unterleibes bis zur Nabelgegend, und die der Vorderarme geschwellt, dabei bretthart, kaiim eindrückbar, beim Druck sehr schmerzhaft, und für den über sie streichen- den Finger fein-stumpfhöckerig.

Mittelst Tastens und der Besichtigung bei guter Be- leuchtung kommt man zu dem Urtheile , dass die Schwellung

2ij.() Vierzehnte Vorlesung.

und Härte der Haut durcli kleine , harte , rundliche und nach oben etwas zugespitzte, tief im Corium sitzende Knötchen veranlasst ist, die in Unzahl und hart an einander gedrängt, und in gleichmässiger Weise überallhin das Hautgewebe in- farciren. Am ersten oder zweiten Tage der Eruption er- scheinen erst punktförmige, anfangs je den Conis der einzelnen Knötchen entsprechende, tiefsitzende, durch die Epidermis durchscheinende, schwarzblaue Elecke Hämorrhagien. Von Stunde zu Stunde mehrt sich ihre Zahl, während auch die einzelnen durch periphere Ausbreitung sich vergrössern und zu confluirenden , ausgedehnten, hämorrhagischen Elecken werden. Doch bleiben die meisten isolirt und höchstens in den Grenzen der einzelnen knotigen Hervorragungen. Ja, es nekro- sirt stellenweise die Haut in verschieden grosser Ausdehnung, nachdem sie hämorrhagisch suffundirt werden, oder von vorn- herein, zu einer missf ärbigen , trockenen, schwärzlichgrünen Masse.

Die Haut des Stammes und des Gesichtes kann sich dabei verschieden verhalten. Einmal sieht man massig viele, in normaler Weise in Entwicklung begriffene, oder von vorn- herein hämorrhagische Efflorescenzen ; ein anderesmal ohne diese, oder nebst solchen, auf erythematösem Grimde auf- tauchende hämorrhagische, sich rasch peripher vergrössernde Flecke, wie bei der erst geschilderten Form.

Inzwischen haben die febrilen Symptome noch an Inten- sität zugenommen, der Puls sehr frequent, die Zunge trocken, rissig. Das Bewusstseiu wird getrübt, die Delirien und Un- ruhe machen einem comatösen Zustande Platz, welcher all- mälig in Sopor und zum Tode führt. Cüeschmann scheint mit seiner V. haemorrhagica pustulosa diese Blatternform zu

meinen. . ,

Diese Form der Variola verläuft, wenn auch nicht so rapid wie die erste, doch meist innerhalb 2-3 Tagen, kann aber auch bis vier Tage sich ausdehnen. In letzterem Falle kommt es immer zu den oben erwähnten deutlichen Efflorescenz- bildungen im Gesichte und am Stamme. Ja es erheben sioli auch über den bretthart infiltrirten Partien der Unterextremi- täten einzelne flache, meist hämorrhagische Efflorescenzen. Sie führt aber binnen der genannten Frist immer zum Tode. Unter den Svmptomen fäUt hier besonders die grosse

Blattern.

241

Menge auf eii^e gewisse Partie der allgemeinen Decke, der Unterextremitäten und des Unterleibes zvisammengedräugter Efflorescenzen auf, welche schon als Stippchen tief gelagert lind hart an einander stossend , die geschilderte harte, schmerz- hafte Lifarciriing der Haut veranlassen. Die hier örtlich auf- tretenden Hämorrhagien erscheinen unter diesen Umständen •mehr als Effect der localen Circulationsstörung in Eolge der dichten entzündlichen Infiltration, denn als Ausdruck einer allgemeinen Blutzersetzung.

Wie diese Eorm durch die Production von InitiaKormen der Blattern- Efflorescenzen den typischen Eormen der Blattern- krankheit sich nähert, so schliesst sie sich auch nach der anderen Richtung der Purpura variolosa in den Eällen an, in welchen am Stamme auf efflorescenzfreier Haut sich die oben erwähnten diffusen Hämorrhagien bilden.

Diese Form der Variola haemorrhagica kommt nach meiner Erfahrung noch seltener vor, als die Purpura variolosa.

Ihre ätiologischen Momente scheinen dagegen nach einer Richtung klarer als die der Purpura variolosa. Sie findet sich immer bei Nichtgeimpften, oder bei Personen, die weit ab von ihrer Impfung sich .befinden, das ist bei Personen höheren Alters.

Sehen wir von den bisher geschilderten zwei Formen der Variolen-Erkrankung ab, welche ich wegen des zeitlichen Auftretens und der Intensität der Hämorrhagien und des ab- solut letalen Verlaufes -caT s^opv als Variola haemorrhagica bezeichnen möchte, so kommen noch Hämorrhagien unter sehr mannigfachen Umständen bei Variola zur Beobachtung.

In den nun zu bezeichnenden FäUen treten die Hämor- rhagien nicht allgemein auf, sondern meist nur auf die ein- zelnen Variolen-Efflorescenzen und deren nächste Umgebung beschränkt.

Sie erscheinen durchschnittlich zwischen dem 5. bis 11. Krankheitstage als hämorrhagischer Inhalt der entstehen- den oder schon entwickelten Efflorescenzen, und als hämor- rhagischer Erguss in die Papillarschicht und das Corium des Grundes und der Umgebung der einzelnen Efflorescenzen. Die betreffenden hämorrhagischen Efflorescenzen sind in toto oder nur am Rande und der nächsten Umgebung dunkelroth bis schwärzlich, dabei meist schlaff", flach, kommen nie zu

Kaposi, Hautkrankheiten. 16

2^2 Vierzehnte Vorlesung.

praller Füllung und trocknen viel rascher ab, als zu regel- mässiger Eiterung kommende Efflorescenzen.

Viele solche Hämorrhagien treten schon in den Stipp chen auf, und insoferne die letzteren sehr häufig den Follikeln ent- sprechen, hat man stellenweise das Bild wie bei Acne cachecti- corum. Solche Stippchen entwickeln sich nicht weiter zu Variolen-Efflorescenzen , sondern trocknen als solche zu einer schwarzen Masse ein , welche nach Abblätterung der sie be- deckenden Epidermis ausfällt. Die hämorrhagischen Flecke sind deshalb disseminirt und differiren blos in den einzelnen Fällen an Zahl, nicht an Intensität und Ausbreitung.

Solche Art Hämorrhagien finden sich fast regelmässig bei jeder universellen, confluirenden Variola, und in der auf- fällig grössten Zahl im Gesichte, auf dem Rücken und an den Unterschenkeln.

Ihre Ursachen sind aber sehr verschieden. Insoferne confluirende Variola zumeist bei Nichtgeimpften sich findet, gehören hämorrhagische Efflorescenzen auch zumeist solchen Individuen an. Manche bösartige Epidemien zeichnen sich durch das besonders häufige Auftreten nicht nur der vorerwähnten zwei typischen Formen der Variola haemorrhagica aus, sondern auch besonders noch durch das häufige Er- scheinen von Variola confluens, mit und ohne Hämorrhagien, bei Nicht-Greimpften. Zudem erscheinen sie fast regelmässig bei Potator es. Ferners bei aus welch' immer Ursache cachectischen Individuen, bei alten Personen. Endlich an den Unterschenkeln bei Personen, die varicöse Venen haben, oder viel gestanden haben, bei welchen alle entzünd- lichen'Pro cesse und Exantheme mit Pigmentablagerung und Hämorrhagien sich gesellen. In aUen diesen Fällen kann man nicht so sehr von Variola haemorrhagica , sondern besser von hämorrhagischen Efflorescenzen bei Variola sprechen.

Der Verlauf ist auch gar nicht von diesen Hämorrhagien abhängig, sondern von den erwähnten, sie mit bedingenden Umständen. Die Kranken sind gefährdet, nicht weü sie Hämorrhagien in der erwähnten Form zeigen , sondern weil confluirende Variola an und für sich eine gefährliche Krank- heit darstellt, weil bei Potatores jedwede fieberhafte Krankheit, z. B. auch eine Pneumonie caeteris paribus tödtlich zu ver- laufen pflegt.

Blattern.

243

In der That, je geringfügiger das genannte allgemeine Moment, auf welches die Hämorrhagie sicli mit bezieht, desto geringer ist die Gefahr überhaupt, ob mit, ob ohne Hämor- rhagien. Ein Potator ohne Hämorrhagien ist durch Variola immer mehr gefährdet, als ein Bäcker, der nicht Potator, aber wegen Varices an den Unterextremitäten Hämorrhagien zeigt ; und eine confluirende Variola ohne hämorrhagische Efflores- cenzen ist immer gefährlicher, als eine massige, mit schlappen, theilweise hämorrhagischen Efflorescenzen untermischte Variola modificata eines Tuberculosen.

Im Allgemeinen gilt es jedoch, dass je grösser die Menge und Intensität der Hämorrhagien, diese ein desto bedenk- licheres Symptom darstellen, sei es als Ausdruck der Bös- artigkeit des Contagiums überhaupt, sei es als Symptom eines in der Individualität des Kranken gelegenen Momentes. Ab- solut letal sind aber die zuletzt geschilderten Formen von mit Hämorrhagien gefüllten Variolen nicht, sondern die Gefahr lieo-t in dem Zusammentreffen mehrerer der erwähnten Momente und steigert sich mit der Zahl und Intensität der letzteren.

Die allergeringste Bedeutung haben jene Hämor- rhagien, welche als Folge der localen Steigerung der Hyper- ämie bei dem Prodromal -Erythem der Variola, dem Erythema variolosum, auftreten, wie ich bereits besprochen habe.

Auf der Area, welche der Sitz solcher Hämorrhagien geworden, kommt es meist zu gar keiner oder nur zu spär- licher Entwicklung von Blattern-Efflorescenzen.

Die Darstellung der Verhältnisse ergibt nebenher, dass unter allen Umständen auch beim Auftreten von Hämorrhagien der klinische Charakter der Variola unverkennbar sich aus- prägt, und dass selbst bei der Purpura variolosa, bei welcher keine Efflorescenzen erscheinen, die Identität des Processes mit Variola klinisch nnanf echtbar ist.

Ich erwähne hier nochmals dieses Umstandes, weil es einmal versucht wurde, vom histologischen Standpunkte der Variola haemorrhagica eine besondere Stellung zu vindi- ciren (Erisman). Wenn man Hautstücke von Variola hämor- rhagica verschiedener Form und aus verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung untersucht, kann man, wie auch die Unter- suchungen von E. Wagner, 0. Wyss und Züelzer lehren, sich zur Genüge überzeugen , dass die Art und Weise der

16*

2^4 Vierzehnte Vorlesung.

Efflorescenzbildung bei der Variola liaemorrhagica in gleicher Weise vor sich geht, wie bei der gewöhnlichen Variola. Die Extravasation von rothen Blutkörperchen und Blutserum ist nicht auf die Localisation der Efflorescenzen beschränkt, er- folgt oberflächHch, in den Papülen, und tiefer im Corium, läno-s der Grefässe, imd stört nur die Efflorescenzbildung in dent Masse, als sie zugleich auch in den Bereich der Efflorescenz fällt, oder überhaupt relativ früh sich einstellt.

' "Während die geschilderten Formen der Variola haemor- rhagica rücksichtlich der mangelnden oder mangelhaften Ent- wicklung der Pocken und indem der Krankheitspro cess durch den frühen Eintritt des Todes abgebrochen wird, gewisser- massen zugleich Abortivformen der Blattern darstellen, zeigt sich eine excessive Bildung von Efflorescenzen bei jener Form, welche als

Variola confluens

bekannt ist.

Dieselbe wird ra der ßegel schon durch ein stürmisches Prodromalstadium eingeleitet. Wenn die Symptome der Pro- drome unbedeutend siad, ist Variola confluens wohl nicht zu befürchten. Während der Eruption der Stippchen fäUt das Fieber kaum ab, es erhält sich in beträchtlichem Grade wäh- rend der Florition und steigert sich oft zu einem typhösen Zustande (Variola typhosa) mit Delirien oder Stupor und Coma während der Suppuration.

Die Stippchen sind derber als sonst, weü ihre entzünd- liche Basis sehr tief im PapiUarkörper und Corium sitzt, ^ und erscheinen in so grosser Menge, dass sie schon während ihrer Entwicklung zu Bläschen durch ihr Breitenwachsthum dicht aneinander stossen. Noch mehr drängen dann die entwickelten Pusteln aneinander. Sie bilden stellenweise , namentlich im Gesicht und an den Händen, eine confluirende , durch die Spitzen der Pusteln höckerig gezeichnete, derbe Hervorragung über der Haut, welche überdies durch Entzündung ihrer tieteren Schichten und Oedem in toto enorm geschwellt ist. Die Tu- mescenz und Spannung des Gesichtes, der Augenlider, der Kopfhaut, der Hände ist auf's Höchste gediehen. An alleii diesen Stellen, ebenso wie am Stamme, können die Pustel- Flecken so dicht aufeinander treffen , dass sie zu einer con-

Blattern.

245

tiiiuii-licben Pusteldecke verschmelzen, welche von der Masse des Eiters auf grosse Flächen abgehoben wird. Das Corium liegt da bloss und bedeckt sich bald mit einem gelblichen diphtheri- tischen Beleg. Oder es gangränescirt selbst die Haut, streckenweise in eine missfärbige Pulpe sich verwandelnd, in Folge der dichten Entzündungs-Infiltration der Pustelgrnndlage. Dass viele Pusteln hämorrhagischen Inhalt unter solchen Um- ständen bergen, ist schon gesagt worden.

Auch die Menge der Blattern auf der Schleimhaut der Mund-, Rachen- und Kehlkopfhöhle ist bei Variola conflnens stets sehr bedeutend. Die Zunge, zuweilen stark geschwellt, (Grlossitis variolosa), presst sich gegen die Zähne und zeigt diphtheritisch belegte Quetschstellen. Die Stimme ist apho- nisch , das Athmen und Schlingen geht mühsam vor sich. Schwer stillbares Erbrechen hat Cdeschmann beobachtet. Die Schleimhaut des Rachens, des Kehldeckels und Larynx er- scheint trocken, braunroth, wie gefirnisst. Oder es entstehen diphtheritische Greschwüre. Perichondritis laryngea kommt meist erstimDecrustationsstadium vor. Bronchialkatarrh ist bedeutend.

Dem ausserordentlich in- und extensiven Entzündungs- zustande der allgemeinen Decke entsprechend , die , wie ge- schildert, mit vielen hundert tiefen Pusteln, also eben so vielen Eiterherden besetzt und überdies vielleicht streckenweise noch von diphtheritischer Entzündung oder Grangrän befallen ist, sind auch die allgemeinen und Fiebererscheinungen höchst in- tensiv. Zur Suppurationszeit, 12. bis 15. Tag, ist das Fieber continuirlich, die Kranken deliriren oder liegen im Sopor, aus dem sie erst mit dem allgemeinen Eintritt der Vertrocknung erwachen. Sie gehen aber oft schon früher zu Grrunde an Lungenödem , Pleuropneumonie , Nervenparalyse , Suffocation wegen Larynx- und Trachealcroup. Auch wenn sie bis in das Stadium decrustationis anlangen, können sie noch durch meta- statische Entzündungen der Haut und anderer Organe, die ich noch erwähnen werde, und durch Erschöpfung das Leben ein- büssen oder dauernde nachtheilige Folgen, als Larynxstricturen, Augendefecte, Blindheit, Anchylosen u. v. A. davontragen.

Ueberdies sind Variola vera und confluens reich an sehr mannigfachen Complicationen.

Unter diesen erwähne ich vor Allem als seltenere Vor- kommnisse bei Variola (vera und) confluens Aphasie, Lähmung

246

Viorzehnto Vorlosung.

einzelner Muskelgruppen, Paraplegie, welclie ich, Westphal u. m. A. beobachtet haben. Im Falle die Variola überstanden worden, schwanden dieselben entweder mit dem Naclilass der febrilen und Meningeal - Erscheinungen oder in der Recon- valescenz, oder sie sind noch nach Ablauf der Variola zurück- geblieben.

Albuminurie und Diarrhoe sind seltener und von gerin- gerem Belang.

Dagegen sind von grösster Wichtigkeit die bereits ange- deuteten, auf der Höhe des Suppurationsstadiums sowie im Verlaufe der Decrustation eintretenden Metastasen.

Die häufigsten betreffen die Haut und das Unterhaut- zellgewebe. Bis zu 50, 100 und darüber bilden sich successive, iTnter jedesmaliger erneuerter Fieberbewegung, kleinere und grössere Abscesse, Furunkel, circumscripte Entzündungen mit Bildung von hämorrhagischen Blasen über denselben. Oder es entsteht um einzelne Pockenkrusten ein entzündlicher Hof, über welchem die Oberhaut zu einer Eiterblase emporgehoben wird, die die centrale Kruste wallartig umgibt P e m p h i g u s v a r i o- 1 0 s u s , Rupia V a r i 0 1 0 s a. Ein andermal entstehen zmschen den vertrocknenden Variolen auf erysipelatös oder circumscript entzündeter Haut einfache Pusteln und Furunkel Impe- tigo variolosa. Kaum von einzelnen solchen durch Operation und Heilung befreit, kündigt ein Schüttelfrost eine neuerliche metastatische Localisation an. Trotz sorgfältiger Untersuchung ist nichts zu entdecken. Doch schon nach 12, nach 24 Stunden zeigt sich an einer Körperstelle, zumeist über dem Knie oder sonst wo, mässige Rothe der Haut und unter derselben bereits Fluctuation. Beim Einschneiden entleert sich eine colossale Menge jauchiger, mit nekrotischen Glewebsfetzen untermischter Flüssigkeit. Nur selten ist Nekrose des Knochens die Folge. Meist heilen alle diese Abscesse und Phlegmonen wieder sehr schnell. Untermengt laufen Lymphangioitis und Erysipel, Adenitis mit und ohne Vereiterung. Der mit all' diesen Zu- fällen verbundene Säfteverlust, die begleitenden Fieber, Schmer- zen, Schlaf- und Appetitlosigkeit führen durch Erschöpfung zum Tode oder verzögern auf 6-8 Wochen die Reconvalescenz. Oder es wird der Tod direct durch Metastase in inneren Or- gane (Pleuritis, Pericarditis) veranlasst.

Die das Auge betreifenden AfFectionen, zu welchen

Blattern.

247

Blattern Veranlassung geben, maclien wohl unter all' diesen folgenschweren Ereignissen den deprimirendsten Eindruck auf den behandelnden Arzt. Ich habe schon der unbedeutenderen Katarrhe und der Pustelbildungen am Limbus corneae gedacht. Man hat aber' von Alters her gerade wegen der üblen Folgen für das Auge die Blattern noch besonders gefürchtet. In der That wird dasselbe bei Variola vera und confluens oft ge- fährdet und vernichtet. Xerosis der Cornea, Keratonialacie, Abscesse und diffuse eiterige Keratitis, aus einzebien Pusteln hervorgehende Ulceration, Hypopium, Irido-Cyclitis , Perfora- tion der Hornhaut und Irisvorfall, Panophthalmitis habe ich selber öfters beobachtet. Alle diese Affectionen treten als metastatische Processe zur Zeit des Suppurationsstadiums oder später auf und stellen demnach ebenso wenig, wie die er- wähnten Abscesse und Phlegmonen der Haut, eigentliche Symp- tome der Variola, sondern Complicationen und. Folgen der- selben dar. Hans Adlee hat eine sehr verdienstliche Arbeit über diesen wichtigen Gegenstand veröffentlicht , in welcher auch die, namentlich aus der Letztzeit reiche Literatur über Augenerkrankungen in Folge von Variola verzeichnet ist.

Bei Complicationen mit anderen, schon früher bestandenen acuten oder chronischen Hautkrankheiten bewirken die Blattern gewöhnlich eine theilweise Eückbildung dieser Processe, und zwar auf verschiedene Weise. So gehen die Milben der Scabies in der Regel zu Grunde und involviren sich auch die Eczem- erscheinungen. Allein in der Reconvalescenz entwickeln sich die zurückgebliebenen Milbeneier und die Serie der Krätze- symptome auf's Neue. Mit Verdickung der Epidermis und chronischen Congestivzuständen des Coriums einhergehende Hautkrankheiten, wie Ecz^m, Psoriasis , auch Lupus begün- stigen eine copiösere Entwicklung von Blatterefflorescenzen an den von ihnen besetzten HautsteUen. Nach dem Abfallen der Blatterkrusten ist auch die Hautkrankheit verschwunden oder geringer geworden. Sie erneuert sich aber zumeist später. Ebenso vermindern sich oder verschwinden während des Blattern- processes die Symptome der Prurigo, Ichthyosis, frühe Syphilis- formen, ohne jedoch für die Dauer zu erlöschen.

Complicationen der Blattern mit Typhus habe ich öfters gesehen , jedoch nur derart, dass die ersteren in der Recon- valescenz des letzteren auftraten.

2^g Vierzehnte Vorlesung.

Was ihr Zusammentreffen mit Scharlacli und Masern anbelangt, so liabe ich mich schon darüber geäussert. Die meisten Fälle, welche eine Verwechslung des neu hinzuge- tretenen Exanthems mit Erythema variolosum oder Erythema, Urticaria, Erysipel ausschliesseu, stellen sich bei genauer Be- trachtung als ein „Nacheinander" heraus, derart, dass das Exanthem der Scarlatina, der Morbillen auftrat, wenn das der Variola bereits die Höhe der Entwicklung erreicht oder über- schritten hatte. Allerdings involviren auch solche Fälle noch die gleichzeitige Anwesenheit der beiden Contagien im Orga- nismus, mit Rücksicht auf die Incubationsdauer , welche auch für das später sich geltend machende in Anspruch genommen werden muss.

Als Nachkrankheiten und Folgen der Blattern können alle jene Affectionen und deren weitere Wirkungen betrachtet werden, welche ich im Vorhergehenden als Coni- plicationen und metastatische Processe bei Variola geschildert öder kurz erwähnt habe , wofern sie ihrer Natur nach den Blatternprocess längere Zeit überdauern ; z. B. gewisse Augen- und Gelenksaffectionen , bei schon früher dazu disponirten Personen auch Tuberculose.

Als gewöhnliche Folgen derselben sind zu erwähnen: Seborrhoe, Pigmentflecke und Narben.

Die Seborrhoe betrifit zumeist das Gesicht, besonders die Nase und den behaarten Kopf. Ihre Symptome sowie ihre specielle Form als Seborrhoea congestiva (Hebra) mit dem möglichen Uebergang in Lupus erythematosus habe ich bereits unter dem betreffenden Capitel (pag. 147) geschüdert. Mt der Seborrhoe des behaarten Kopfes hängt auch rasches Aus- fallen der Haare zusammen, Effluvium capillorum , die jedoch meist wieder durch Nachwuchs ersetzt werden. Bleibender Haarverlust betrifft nur solche SteUen, an denen durch tief gehende Eiterung der Blattern die Haarfollikel zu Grunde

gegangen sind.

Die Nase erscheint bei Kranken , die Variola vera und confluens des Gesichtes überstanden haben, von tiefen Gruben durchfurcht, über welche warzige Zapfen, das sind Reste der Haut, emporragen. Andere warzige Hervorragungen werden durch Sebumanhäufung in den Talgdrüsen oder durch Narben abgeschlossene Acini derselben bedingt; noch andere durch

Blattern.

249

dicht aneinander gedrängte Variolalinötchen , die nicht zur Eiterung gekommen, sondern als papilläre und epitheloide Hyperplasien einige Zeit bestehen. AU' dies figurirt unter dem Namen Variola verrucosa, warty pocks.

Die regelmässigen Spuren der Blattern bleiben als Pigment- flecke und Narben zurück. Die ersteren sind linsengross, gelb- braun, alsbald in der Mitte weiss und etwas deprimirt, unter dem Fingerdrucke nur wenig erblassend. Sie finden sich au allen Stellen, wo oberflächliche, d. i. innerhalb der Epidermis abgelaufene Pocken, seien es vesiculöse der Varicella oder regelrecht zur Eiterting gelangte dieser und der Variola, ge- sessen hatten. Sie verdanken ihre Eärbung einer bedeutenderen Pigmentanhäufung im Eete und einer noch länger andauernden stärkeren Füllung der Papillargefässe. Aus letzterem Grunde erscheinen sie auch in der Kälte mehr blauroth. Nach Monaten kehrt die normale Earbe zurück.

Die Narben sind von derselben Gestalt imd Grösse wie die Pigmentflecke , anfangs blauroth , später glänzend weiss und seicht deprimirt. Sie entstehen nur an den Punkten, wo die Blatterpusteln bis in den Papillarkörper gereicht haben und ein Theil dieses in der Eiterung mit zerstört worden. Da, wo sie dicht aneinander stossen , bilden die dazwischen übrig gebliebenen, unversehrten Hautreste Inseln und Brücken, welche der betreff'enden Stelle ein gestricktes, genetztes An- sehen verleihen. Charakteristische Pockennarben gibt es aber nicht. Sie sehen aus, wie aus ähnlichen Efflorescenzen , z. B. Syphilis, Acne etc. hervorgegangene Narben. Nur aus ihrer gleichmässigen Anordnung und Verbreitung kann man auf ihre Quelle schliessen.

Alle diese letztgenannten örtlichen Folgen der Blattern, Flecke, Narben und Warzen sind also in der anatomischen Veränderung begründet , welche die einzelne Pocke gesetzt hat. Deshalb wollen wir jetzt diese etwas näher betrachten.

Die Anatomie der Variolenefflorescenzen bietet manche Eigenthümlichkeiten dar, durch welche dieselben von den ana- logen Morphen der nicht variolösen Entzündung , z. B. den Knötchen, Bläschen und Pusteln des Eczems sich nicht unwe- sentlich unterscheiden. Nach meiner Auffassung jedoch beruht diese Eigenthümlichkeit nicht etwa auf nutritiven Vorgängen,

Vierzehntü Vorlesung.

die den anderen entzündlichen Processen fremd wären, sondern ist sie die blosse Folge tind der Ausdruck des typisclien, innerhalb einer bemessenen Zeit zur Entwicklung und zum Abschluss kommenden, örtlichen Processes. Der Typus selbst ist uns allerdings ein Eäthsel, wie seine Ursache, die variolöse Erkrankung. Diejenigen freilich, welche in dem Inhalte der Pocken und in dem unter diesen liegenden Corium auch die Bacterien, Micrococcen und Mikrosphären der Blattern gefun- den zu haben glauben, sind auch sofort bereit (Weigert), die feineren anatomischen Vorgänge direct aus der Anwesenheit jener Contagiumkörperchen zu erklären. Abgesehen davon, dass diese Beziehung für andere Untersucher nicht ersichtlich ist, herrscht auch noch rücksichtlich der anderen saclüichen Befunde, wie ihrer Deutixng, grosse Memungsverschiedenheit.

Am reinsten bieten sich die Verhältnisse in der typischen Blatter-Efflorescenz dar, welche innerhalb der Epidermis ihren Sitz hat und in ihrem Wachsthum nicht über diese hinausgreift.

Die Efflorescenzbildung beginnt mit einer hyperämi- schen, durch stärkere Inj ection der Gefässe (Rothe), seröse Durchtränkung und mässige Zelleninfiltration bewirkten Schwel- lung der Papillen des begrenzten Bezirkes, auf welchem sich alsbald das Knötchen erhebt. Diesen Befund aus dem Initialstadium, den Ausp]tz und Bäsch in ihrer bezüglichen Arbeit zuerst, neben anderen auch heute als richtig anzu- sehenden Thatsachen, angegeben haben, habe ich selbst an Präparaten von Purpura variolosa zu verzeichnen. Der Hauptantheil des über das Hautniveau sich erhebenden Knöt- chens wird jedoch durch eine Wucherung der Malpighi sehen Zellen beschafft. Sie beginnt mit einer „trüben Schwellung" der Retezellen. Rindfleisch gibt von dieser Metamorphose der Epithelzellen eine zutreffende Beschreibung, wornach dieselben entweder nur feinkörnig getrübt oder von einer dunklen , die Kerno-ebilde gänzlich verdeckenden Körnung befallen, ver- grössert und zu plumpen Schollen verwandelt werden. Dieser Veränderung unterliegen die Epithelzellen auch bei anderen Processen Weigert's Annahme, dass diese Umwandlung eines Theiles der Retezellen zu scholligen „kernlosen" Gebilden direct durch den Contact mit dem aus dem Corium in die Epidermis voro-edruiigenen Blatterncontagium , den supponirten Bacteneu oder Mikrosphären veranlasst sei und eine „diphtheroide" Zer-

Blatteru.

251

Störung darstelle, hat demnacli nicht mehr als eine suhjective Bedeutung.

E.1NDFLEISCU gibt die mittlere Schichte des ßete Malpighii als den Ausgangspunkt der erwähnten Wucherung an. Unna dagegen denionstrirt das Stratum lucidum, also die unterste Hornzellenschichte, als jene, welche durch Wucherung und weitere Umwandlungen ihrer Zellen den eigentlichen späteren „Pockenkörper" bilden. Es scheint mir zweifellos, dass die oberen Reteschichten in allen typisch sich entwickelnden Pocken, ob mit oder ohne Stratum lucidum, an dem Processe betheiligt sind.

Während die erwähnten Zellen sich durch Trübung zum Zerfall vorbereiten , beginnt auch eine Proliferation der sie umgebenden Zellen, deren vermehrte Massen eiue Art Schale für die mittleren abgeben. Nur im Centrum , da wo Wkigert's diphtheroider Herd und seine untere Delle liegt , werden die Retezellen in ihrem Zusammenhange gelockert durch das aus den Papillen emporsteigende seröse Exsudat , welches , die Epidermislagen durchdringend, die obersten Hornzellenlagen als Decke vor sich herwölbt. Man hat ein Bläschen mit trans- parentem Inhalte vor sich.

Fig. 16.

Senkrechter Durchschnitt einer Pocke im Stadium der beginnenden Pustel- bildung (nach Rindfleisch), verjüngt.

f Delle mit Schweissdrüseacanal, !> Fächer in der Epidermis, c kleiaate Fächer, in ibneu Lymphe und Eiterzellen.

9^2 Vierzöbnte Vorlesung.

Durch die Exsudatflüssigkeit werden die obersten Zellen- lagen der SchleimscHclite , vorwiegend jedoch zuerst die unteren Hornzellenschichten auseinander gedrängt. Dieselben bilden so die Wände und Balken eines Maschen- und Fächer- werkes im Inneren des Pockenbläschens (Fig. 16). Ebstein hat das Fächerwerk als ein oberflächliches, von Hornzellen gebildetes und ein tieferes, den ßetezellen angehöriges, unter- schieden. In die letzteren greift dasselbe jedenfalls erst in dem Masse hinein, als die Pocke sich weiter entwickelt und tiefer greift.

Die Maschenräume sind mit klarer Flüssigkeit erfüUt, in welcher massig Exsudatzellen, Epidermistrümmer, amorphe Massen imd kleine glänzende Körnchen von angeblich speci- fischer Art und der Bedeutung von Schyzomyceten (Micro- coccus, Hallier, Klebs, Ferd. Cohn u. A.) enthalten sind.

Die Bildung der Delle im ersten Bläschenstadium ein- zelner Pocken (denn nicht alle haben eine DeUe) haben Auspitz und Bäsch damit erklärt, dass die Ausdehnung der mittleren Pockentheile durch Exsudat nicht gleichen Schritt hält mit der Vergrösserung der Papel in ihrem peripheren Theile, welche durch Wucherung des Epithels veranlasst wird. Weigert meint, dass die diphtheroiden Epithelbalken in der Pockenmitte der Ausdehnung durch Exsudat länger widerstehen, als die peripher gelagerten Zellen und die Pocken- kuppen fest halten, so dass sie erst später sich vorwölben könnte, wenn diese Balken zerreissen. Ich schliesse mich Hebra und EiNDFLEiscH an, welche das Hornstratum einer die Pocke durchsetzenden Follikel- oder Schweissdrüsen-Mündung für die Entstehung der Delle in Anspruch nehmen (Fig. 16, a), indem dasselbe der in der Umgebung stattfindenden Erhebung gegenüber sich wie ein Retinaculum verhält. Die Delle ist auch nicht der Pocke eigenthümlich. Eine solche findet sich unter gleichem anatomischen Verhalten auch bei einfach ent- zündlichen Efflorescenzen. Sie verschwindet immer zu Beginn

der Eiterung. . i

Die Umwandlung des Pockenbläschens m eine Pocken- nustel geschieht durch Ansammlung von Eiterzellen im Innern der Efflorescenz und Trübung ihres Inhaltes. Sie stammen nach der gegenwärtig geltenden Vorstellung theils aus den Gelassen der Papillen (Wanderzellen), theils smd sie Ab-

Blattern.

253

köiumlinge der proliferirenden Retezellen. Die Trabekeln der Fäclierräume gehen tlieils durch eigenen eiterigen Zerfall, eiterige Schmelzung, theils durch den Druck, welchen die sich steigernde Flüssigkeitsmenge ausübt, in Trümmer. Der mittlere und untere Theil der Pockenpustel wird von einer unregel- mässigen Eiterhölüe eingenommen, in welche Epidermisfetzen der oberflächlichen Fächerwände und der seitlich und unter- halb lagernden ßetezellen hineinragen. Die Pustel ist auf der Höhe ihrer Entwicklung angelangt.

In dem darauffolgenden Stadium der Eintrocknung ver- mindert sich die entzündliche Blutüberfüllung der Papillen und die aus ihnen stammende Exsudation. Aus den den Eiterherd seitlich und von unten her umfassenden Retezellen gehen nun solche junger Formation hervor, welche in ihrem physiologischen TJmwandlungsprocesse zu Hornzellen durch kein nachschiebendes Exsudat gestört werden. So formirt sich seitlich und von iinten her eine genügend mächtige Hornzellenlage, welche an die der Pusteldecke anschliessend, mit dieser vereint, eine voll- ständige Kapsel um den Eiterherd bildet (Fig. 17, e), der auf diese Weise von den ernährenden Stratis der Haut vollständig abgeschlossen ist.

Durch Vertrocknung (Verdampfung oder Aufsaugung) der flüssigen Bestandtheile bildet sich der Pustelinhalt in Verbindung mit seiner Decke zur Kruste, welcher nach Tagen oder "Wochen mechanisch sich herausbröckelt , um so später, je dicker die sie bedeckende Hornschichte ist , wie in der Flachhand und Fusssohle.

Die dem Grrunde der Efflorescenz entsprechenden Papillen werden, obwohl im Beginn der Knötchenbildung in der Regel geschwellt und hervorragend, im weiteren Verlaufe durch die proliferirenden Retezellen der Bläschen-Basis , oder nach Unna des Stratum lucidum, welche einen Druck nach der Tiefe ausüben , comprimirt , abgeflacht. So sehen Sie dieselben auch in Fig. 17 eingedrückt, im Vergleiche zu den peripheren normalen Papillen bei g. Unter allen Umständen wird aber bei diesen typischen Formen nach Abfallen der Pockenkruste nur ein deprimirter und durch stärkere Pigmentirung des Rete (unterhalb e, Fig. 17) braun gefärbter Fleck übrig bleiben, aber keine Narbe, da die Papillen erhalten sind.

254

VievKehute Vorlesung. Fig. 17.

Senkrechter Durchschnitt durch eine in Abkapselung begriffene Pustel (zur Hälfte) nach Au.spitz und Bäsch.

a alte ETjidermi.s, h Retezellen oberhalb des Maschenwerkes, ä Maschenwerk mit Lto beflS^^en Eiter.ellen, e neucebildete Epidermiszeilen 3 .Papillen, die, an der Basis der Pustel abgeplattet, alle Zellen intiltviren.

So verlaufen anatomisch alle, oder die meisten Pocken bei Varicella und Variolois, sowie viele auch bei Variola vera.

Ein andermal gedeiht jedoch die entzündliche Infiltration der Papillen, welche jeder Pochenbildung vorangeht, bis zu dem Grade, dass ein Theil derselben, oder noch ein angrenzen- der Theil des Coriums zu eiterigem und nekrotischem Zerfall gelangt. Auf dem Durchschnitt erscheint eine solche Partie, wie schon Bärenspeüng bemerkt, gleichmässig weiss verfärbt (diphtheritische Pocke), weil, wie Rindfleisch's Injections- präparate leliren, selbst die zuführenden G-efässchen durch das Exsudat und die Zelleninfiltration comprmirt werden. So stirbt dieser Theil der Papillen und des Coriums ab und dessen Zerfallproducte und Eiterzellen vermehren mit den aus dem darüber liegenden Rete stammenden, das in solchen Fallen selbstverständlich ebenfaUs vereitert, den Pockeninhalt. Die Eiterhöhle erstreckt sich also in solchen Formen bis in die Papülen und noch tiefer. Und es versteht sich, dass da auch jedesmal eine Pockennarbe zurückbleiben muss , weil em binde- gewebiger Antheil der Haut mit in Eiterung zerstört worden. Darnach kann man auch bemessen, wie unrichtig es ist, wenn Jemand glaubt, durch Salben, Pflaster etc., die zur Zeit der

Blattern.

255

beginnenden Suppuration applicirt werden , die Narbenbildung verhüten zu können , da die Bedingung für diese bereits in dem tiefen Sitze tind der Intensität der ersten Entzündungs- vorgänge gegeben ist.

Die Efflorescenzen bei Variola liaemorrhagica , wofern solclie überhaupt zu Stande kommen, bilden sich nicht anders als bei Variola pustulosa; nur dass bei jener, neben weissen Blutkörperchen und serösem Exsudat, auch rothe Blutkörperchen dem Inhalt der Pockenhöhlen beigemengt sind und hämor- rhagische Herde in den Papillen und im Corium sich finden. Der Versuch Erismann's, für die Variola haemorrhagica in anatomischer Beziehung von der gewöhnlichen Variola einen durchgreifenden Unterschied geltend zu machen, ist von "Wyss, E. "Wagner, Zdelzer als unbegründet dargethan worden.

Bei Purpura variolosa fijiden sich neben Zelleninfiltration der Papillen an vielen Stellen, offenbar den Anläufen zur Stippchenbildung, nur zerstreute Blutaustritte im Corium und subcutanen Gewebe.

Ueber die feineren Veränderungen der auf der Schleim- haut der Mund-Rachenhöhle, des Larynx , der Bronchien, des Oesophagus situirten Pocken fehlen uns genaiiere Unter- suchungen.

Was die anderweitigen pathologisch - anatomischen Ver- änderungen anbelangt , Avelche bei zur Obduction gelangten Variolafällen bisher sich vorfanden, so entsprechen dieselben im Allgemeinen den auch klinisch wahrnehmbaren Complicationen, z. B. bei Pneumonie, Lungenödem. In vielen Todesfällen bleibt der anatomische Grund der unmittelbaren Todesursache ganz unaiifgeklärt. Ich darf sagen, dass, so zahlreich auch die vorliegenden Angaben über Post mortem - Befunde in den inneren Organen bei Variola, dieselben doch noch nicht ge- statten, allgemein giltige Daten aufzustellen, so widersprechend lauten dieselben. Wenn z. B. Hebra gesehen hat, dass bei Purpura variolosa die parenchymatösen Organe, Leber, Herz, Lunge, Milz, ebenfalls von Hämorrhagien betroffen werden und letzteres Organ oft zu einem fibrinösen Bhitklumpen ver- wandelt erscheint, Cürschmann und Ponfick dagegen es sogar als Unterschied gegen Variola pustulosa geltend machen wollen, dass bei Piirpura variolosa die Milz stets klein und derb ist und überhaupt in dem Verhalten der Unterleibs-

gp^ß Vierzehnte Vorlesung.

Organe bei den genannten Pockenformen eine durchgreifende Differenz erkennen woUen, so dürften diese Meinungsverschieden- heiten wohl erst durch die Zeit, oder besser durch ein Mehr von Beobachtungen ausgeglichen werden.

SpecieU bezüglich der Variola haemorrhagica, bei welcher auch noch die zuweüen gefundenen Blutaustritte in die Nervenscheiden und Meningen (Neümann, Züelzer, ich) hervorzu- heben sind, spielen die noch mehr fraglichen Bacterienschlauche und Micrococcushaufen in den Augen der neueren Untersucher eine grosse Rolle. Ja ein Autor lässt sogar dieselben von der Epidermisoberfläche her eindringen und so jede Pocke er- zeugen, wobei er vergisst, dass dann für das Vorangehen von Fieber gar kein Grund wäre. Zu solchen Verkehi^theiten fuhrt der blinde Glaube in der Medicin. Züelzee betont überdies die Starrheit und Zerreisslichkeit der Gefässwandungen m Folge körnigen Zerfalles der Elemente, besonders der Mus-

cularis. , t^t i

Man hat auch in der Lunge, unter der Pleura, m dei Leber, theils bei an Variola verstorbenen Menschen, theils bei Thieren, die durch Injection von Blut an Variola hämor- rhagica Verstorbener geendet hatten, Knötchen ^;i<i^^«|^;^ ge?unden. Sie haben wohl nur die Bedeutung metastatische Intzündungsherde (nach WEiaEKT ebenfaUs Bacterien-ColonierO nicht die von eigentlichen Pocken. Diese kommen ubei die schon erwähnten Schleimhaut-Gebiete hinaus nicht weiter im Innern des Körpers vor.

Fünfzeliiite Vorlesung.

Blattern (Schluss). Diagnose. Prognose. Einfluss der Impfung auf die Schwere der Erkrankung. Aetiologie. Therapie. Proplaylaxis. Vaecination ; originäre und hunnanisirte Lymphe. Variola vaeeina. Normaler und

abnormer Verlauf.

Die Diagnose gut ausgebildeter Blattern unterliegt woM keiner Schwierigkeit. Die gescMlderten Symptome bieten genügende Gewähr für dieselbe. Unter Umständen unterliegt die Diagnose jedoch erheblichen Schwierigkeiten und kommen auch thatsächlich unangenehme Irrthümer vor. Niemandem ist es zu verdenken, wenn er im Anblicke des Prodromal- Exanthems, oder selbst am ersten Tage der Eruption, beim Erscheinen der ersten Stippchen, zwischen Erythema papulatum, oder, selbst mit Eücksicht der fieberhaften imd katarrhalischen Erscheintingen, zwischen Morbilli papiilosi und Variola in der Diagnose schwankt. Ich rathe in solchen Eällen überhaupt, die Diagnose in Schwebe zu lassen. Am nächsten Tage werden die Symptome klarer, da im Falle der Blattern die Stippchen des Vortages erheblich grösser geworden und namentlich im . G-esichte bereits in vesiculöser Umwandlung begriffen sein werden. Die vorschreitende und überwiegende Entwicklung der Knötchen im Bereiche des Gesichtes spricht auch mehr für Blattern. Vesiculöse Blattern, Varicella, werden \mtev Umständen gegenüber von Impetigo faciei, oder beginnendem Pemphigus (acutus) abgeschätzt werden müssen. In pnstulösem Zustande sich präsentirende Variola wird wohl selten ver- kannt. Häufiger ereignet sich das Umgekehrte , class ein pustulöses Syphilid oder die selten vorkommenden Pusteln der Eotzkrankheit für Blattern diagnosticirt werden. Auf die Aehnlichkeit mit Syphilis deutet ja schon die Bezeichnung „grande veröle", für Syphilis, gegenüber den

Kaposi, Hautkranklieiteii. 1'

253 Fünfzehnte Vorlesung.

Blattern, als „petite veröle", „small pox" hin. Beim Syphilid (Varicella sypMitica, SypHHs pustulans varioloides u. A. der Autoren) finden Sie stets Efflorescenzen der verscMedenen Entwicklungsstufen gleichzeitig vor, grosse, linsen- bis erbsen- grosse Knoten, in Blütbe und in Verscliorfung vom Centrum her begriffene Efflorescenzen, und in der Peripherie der letzteren einen deutlichen, derben Knötchen - WaU. Auch kann ein solcher Irrthum nur wenige Tage bestehen, da auch dem Mindergeübten der gleichmässige Bestand der syphilitischen Eruption gegenüber dem jederzeit raschen Evolutions- und Involutionsgang der Blattern auffaUen muss. Bei Rotzkrankheit finden sich neben oberflächlichen Pusteln stets auch grössere furunkelartige Knoten und Abscesse. Fieber kann bei beiden Processen in kenntlichem G-rade zugegen sein, während bei mässiger Variolois oder VariceUa das Fieber sehr gering zu

sein pflegt. , . . ■, x ;j

In der Betrachtung der Mund-Rachenschleimhaut werden

sich überdies differentiale Merkmale bei Blattern fast immer

ergeben. . ,

Mässige Fälle von Blattern, bei welchen vorwiegend und in raschem Tempo im Gesichte, namentlich auf der Stirne spitze und zumeist deutUch den FoUikeln entsprechende Pusteln entstanden sind, während am Stamme verspätete, ver- einzelte und abortiv verlaufende Efflorescenzen entstehen, imponiren leicht für Acne pustulosa. In solchen Fallen ist das rasche und gleichzeitige Auftreten der Pusteln zu Gunsten der Diagnose Variola zu verwerthen, während bei Acne in den Symptomen der ungleichzeitigen Entwicklung und des chronischen Verlaufes, der Gegenwart von Comedonen, ent- zündlichen Knötchen und Abscesschen Merkmale gegeben sind. Medicamentöse Acne, wie die durch innerlichen Gebrauch von Jod und Brom entstandene, ist, weü stets acut sich ent- wickelnd, aUerdings im Beginne schwerer zu unterscheiden.

Zur Prognose der Blattern habe ich schon m der vor- hergeschickten Schilderung der Symptome und des Verlaufes der Krankheit sehr beachtenswerthe Momente vorgeführt, bie müssen dieselben sich jedesmal gegenwärtig halten. _ Es ist a-esagt worden, dass noch so stürmische Prodromalerschemungen, wofern sie innerhalb des typischen Ralimeus bleiben, m All- gemeinen keine Schlussfolgerung über die Schwere und den

Blattern.

259

Verlauf des folgenden Blatternprocesses gestatten, dass aber bei Purpura variolosa der tödtliche Ausgang scbon aus den ersten Symptomen zu entnebmen ist.

Hievon abgeseben , sind durchwegs die Menge der Blatternpusteln, ob Variola vera, confluens, Variolois oder Varicella zugegen , nebstdem das Individuum betreffende specielle Verbältnisse für die Prognose von grösstem Belange, als Alter, bei Frauen Gravidität und Puerperium, ob geimpft oder geblättert, sowie der Charakter der eben berrscbenden Epidemie.

Varicella verläuft durchwegs günstig, Variolois bei Ge- impften wahrscheinlicher günstig als bei Ungeimpften, Variola confluens ist auch bei Geimpften höchst gefährlich und in ihrem Ausgang überdies mehr als die^Tmässigen Formen durch die Verhältnisse des Individiuims beeinflusst; Variola haemor- rhagica der geschilderten Formen ist stets tödtlich.

Das Alter anbelangend, so sind variolöse Säuglinge wegen des behinderten Säugens fast unrettbar verloren, ältere und sonst kräftige Kinder überstehen oft selbst schwere Blattern. Im Greisenalter stehende Personen disponiren zu schlaffen und hämorrhagischen Blattern und erlauben nur eiue zweifelhafte Prognose , eben so wie Potatores , die meist an der Schwere der Blattern, oder im Delirium potatorum ditrch Lungenödem zu Grunde gehen.

Schwangere und Puerperae sind durch schwere Blattern mehr gefährdet als andere weibliche Personen. Ich habe als Assistent auf der hiesigen Blatternabtheilung unter 700 weib- lichen Variolösen der Jahre 1866 und 1867 allein 120 Schwan- gere und Wöchnerinnen beobachtet und ihre grössere Gefährdung in einem ungarischen medizinischen Journal statistisch dar- gestellt. Darnach starben auch die Impfungsverhältnisse berücksichtigend von solchen jede 5., von den anderen weiblichen Kranken jede 22. Die grössere Mortalität ist bedingt durch complicirende Puerperalprocesse , zu welchen Abortus und Frühgeburt Veranlassung geben. Damals sah ich die meisten der letzteren im 7. und 9. Schwangerschaftsmonat.

Höchst wichtig ist bezüglich der Prognose der Umsta-nd, ob das Individuum früher mit Erfolg geimpft worden, oder ungeimpft ist. Zimächst erkranken Geimpfte durchschnittlich mehr an leichteren Formen, Ungeimpfte mehr an schweren

17*

I

2ßQ Fünfzehnte Vorlesung.

Blattern. Aber ancli Variola vera lässt bei Geimpften einen besseren Ausgang hoffen. Dabei darf aber niclit verschwiegen werden, dass unter den gleichen äusseren Umständen Vaccinirte an schwerer, und Nichtgeimpfte an leichter Variola erkranken, und demnach auch die Gefahr in demselben Verhältnisse ver- theilt sein kann. AUein im Allgemeinen verhält es sich un- zweifelhaft so, wie ich gesagt. Ich kami hier nicht auf die grosse Zahl von an Tausenden und Abertausenden Variolöser hier und anderswo gemachten Beobachtimgen , auf die von Einzelärzten mid Commissiouen gemachten statistischen Aus- weise eingehen, die alle von der evidenten Abschwächung der Blatternkrankheit durch die Vaccination und den relativ grossen Schutz gegen die Erkrankung überhaupt, d. i. die relative Immunität der Geimpften das unbezweifelbarste Zeugniss geben. Im internationalen Aerzte-Congress zu Wien 1873 sind von 700, fast alle civiüsirten Länder vertreten- den Aerzten , bis auf 3 , alle für den grossen Nutzen der Impfung eingestanden. Treten Sie in ein Blatternspital, so werden Sie bei einiger Erfahrung sofort die Nichtgeimpften, mit seltenem Fehler, herauskennen - sie haben durchwegs schwere Formen, universene und grosspustiüöse Blattern. In Ländern, wo die Impfung nicht allgemein geübt wird, hausen die Epidemien heute eben so verheerend, wie m früheren Jahi- hunderten. Bei uns sterben durchschnittlich von Ungeimpften 18, 20 bis 450/0, von Geimpften 2, 5 bis 15«/o, je nach der Bösartigkeit der Epidemie U3id der Grösse der m ßeclinung crebrachten Zahl Erkrankter.

WoUen Sie sich von der Richtigkeit dieser Angaben durch- dringen und nicht beirren lassen von gegentheiligen Be- hauptungen, mögen sie von welcher Seite immer kommen. Sie haben gewiss eine unlautere oder unrichtige QueUe Be- denken Sie, dass durch die Lnpfung die Erkrankungstalle an Zahl und Schwere geringer und damit die Gefahr tui' das betroffene Individuum sowolü vermindert wird, als die Gelegen- heit zur Ansteckung für Andere und für die Entstehung von Epidemien. Halten Sie dagegen die Nachtheile. welche durch Vernachlässigung der Vaccmation in der BevöUcerung ent- stehen können und bei jeder Einschleppung von Blattern sich sofort in erschreckender Weise geltend machen, so werden Sie in Ihrem Berufe, als praktische und für das körperliche

ßlnttoni.

261

'Wohl Ihrer Mitmenschen begeisterte Aerzte , gewiss mit Gre- sinuung, Wort und That allerorten für die mögliclist allgemeine Durcliführiing der Vaccination einstehen.

Bemerkenswerth ist, wie Hebra betont, dass voraus- gegangene Blattern prognostisch eine üble Vorbedeutung haben, indem er wiederholt mit Narben von absolvirter Variola besetzte Kranke bei ihrer zweiten und dritten Erkrankung sterben sah.

Endlich wird selbstverständlich den jeweiligen Compli- cationen und Folgen der Blattern, Phlegmone, Erkrankun- gen der Gelenke, der inneren Organe, Herz, und Lungen- krankheiten etc. das entsprechende Grewicht bezüglich der Vorhersage zufallen.

Die Aetiologie der Blattern ist kaum weiter gediehen, als die der anderen infectiösen Krankheiten. Wir wissen als positiv nur, dass denselben ein eigenartiges Contagium zu Grunde liegt, welches von den Blatternkranken emanirt, dem- nach auch durch die Atmosphäre weiter getragen wird, also ..flüchtig" ist; dass es auch besonders im Inhalte der Blattern- Efflorescenzen enthalten ist und mit demselben, sei dieser flüssig oder zu Krusten eingetrocknet, auf andere Individuen durch subepidermidale Impfung übertragen werden kann ; dass es im Organismus erst nach einer Incubationsfrist von 12 bis 14 Tagen eine allgemeine Erkrankung veranlasst und hier sich reproducirt, vermehrt. Ob es auch im Blute Variolöser enthalten ist, schehat wahrscheinlich (Züelzer), aber noch nicht erwiesen, unwahrscheinlich dagegen, dass in anderen Secreten der Blatterkranken. Auf Thiere (Schaf, Pferd, Esel, Ziege, Kuh) mittelst der genannten Vehikel übertragen, erzeugt es an ihnen meist eine analoge , wenn nicht gar identische , ent- weder nur örtliche oder allgemeine Krankheit. Sicher ist, dass diese, auf den Menschen zurückverimpft, nicht eigentlich als allgemeiner , sondern vorwiegend als örtlicher Process zur Erscheinung gelangt (Vaccina).

Die in den letzten Jahren immer mehr sich geltend machende Vorstellung von der organisirten Natur der Contagien überhaupt, hat auch bezüglich desjenigen der Pocken (und der Vaccine) eine concrete Eorm angenommen. Seit Kebee's Nach- weis sehen Viele in kleinen (0-001 Mm.) Körnchen der Pocken- lymphe , wenn nicht das Contagiiim selbst , so doch dessen

2Qi) FiiufKehnte Vorlesunj;.

wesentliclisten Träger. Ferd. Cohn liat durch neuere exacte Arbeiten diese Ansiclat, gestützt und die Körperchen als vege- tationsfähig und als eine den Blattern specifische Kugel- bacterien- Art hingestellt. Trotz der genannten grossen Autorität auf dem fraglichen Gebiete, und trotz analoger Funde von LuGiNBÜHL, Klebs, Weigert , ZuELZER u. V. A., trotz experi- menteller Versuche aller Art (Chauveaü's Filtrationsversuche) und sogenannter Culturen , Injectionen an Thieren etc. kann ich nicht anders als mich gegen die Sache höchst skeptisch

verhalten. . , ,t i

Auf sehr triftige Gründe gestützt, die ich wesentlich an einem anderen Orte dargelegt habe, aber hier auszuführen mir unthunlich erscheint, muss ich annehmen, dass weder die pfianzUche Natur all' jener, als solche ausgegebenen Gebilde, und noch weniger ihre Bedeutung als Contagien oder Gontagien- träger, bis auf den heutigen Tag erwiesen, ja auch nur m streng wissenschaftlichem Sinne wahrscheinlich gemacht ist.

Der AVeg auf dem der AnsteckungsstofP gewöhnlich aufgenommen wird, ist der des ßespirationstractes. Die früher o-eiäte Variolation hat erwiesen, dass die Uebertragung auch durch verletzte Hautstellen möglieh ist. Bei dieser Gelegen- heit bemerke ich, dass in Folge von Verunremigung kleiner Wunden durch Blatternproducte heftige Lymphangioitis, E sipel Phlegmone mit Schüttelfrösten, Pyämie, Icterus, selbst Tod 'sich einstellen kann. Ich selber habe eine leichtere, em College eine sehr complicirte derartige Erkrankung durchzu-

"""'^Dafs dt^Contagium durch Zwischenpersonen und Geräthe verschleppt werden kann, scheint zweifeUos. Sehr hohe Tem- peraturen vernichten dasselbe viel mehr als hohe Kalte. ' Durch Kranke, seltener durch Mittelspersonen, W die Variola verbreitet. Für einzelne Bevölkerungen, wie für die Ittdt Lyon durch EENon sehr schön ^^-nstni. worden^^^^^^^^ man sehr oft von Fall zu Fall den Weg ^^^^^J^ Krankheit durch Verschleppung nimmt. Aus EmzeltaUen

wLti daii^ auf engere ^^^^ ^^^"^ endlich Epidemien, die ganze Lander und Eidtheile ubei "eh n Bei uns in Wien, wie in grossen Städten überhaupt, hU es nie an sporadischen Fällen. Von ^f^f]^"^^ Zt ununterbrochene Epidemie geherrscht, die im Jahre 18.0 bis

Blattern.

263

1872 bezüglicli ihrer geograpliisclien Ausbreitung, Bösartigkeit und Mortalität wohl als die bedeutendste des ganzen Jahr- hunderts sich entwickelt hat. In Wien z. B. sind imter 25.000 Sterbefällen des Jahres 1872, 3300 Blattern-Todesfälle gewesen, ein Verhältniss, dessen Bedeutung Sie ermessen können, wenn Sie erfahren, dass im Jahre 1865 unter 21.000 Sterbefällen, nur 137 in Folge von Blattern zählen. Auf der Höhe der Epidemie sind die intensiven und letalen Erkrankungen häufiger, abgesehen davon, dass die Epidemien unter einander noch in vielen Beziehungen sich unterscheiden. In der 70er Epidemie z. B. war die Häufigkeit von Variola haemorrhagica geradezu unerhört.

"Was die Jahreszeiten anbelangt, so ist bei uns regel- mässig in den "Wintermonaten, December bis Ende Eebruar, die grösste Menge von Variolafällen zu verzeichnen.

Dass in einer durchwegs geimpften Bevölkerung die Blattern derselben Epidemie niemals jene Verheerungen an- richten, wie in einer nicht geimpften, kann man fort und fort constatiren. BQerüber, sowie über den relativen Schutz der Individuen durch die Impfung, habe ich bereits gesprochen, in dem Sinne, dass die Empfänglichkeit gegen das Blattern- contagium und dieses in seiner "Wirkung dauernd, oder für lange Zeit aufgehoben oder wenigstens abgeschwächt wird. Das Grleiche erweist sich für Personen, die bereits Blattern überstanden haben. Doch sind zwei- selbst dreimalige Er- krankungen an Blattern öfters beobachtet worden und der- artige Personen sind in den späteren Erkrankungen mehr gefährdet. Sie erweisen sich eben ipso facto als besonders disponirt. Ich habe von einem Ealle berichtet, in dem 14 Tage nach Ablauf einer Variolois eine zweite regelrecht auftrat und verlief, und Kramee hat Gleiches mitgetheilt.

Von diesen Verhältnissen abgesehen, ist die Disposition der Individuen sehr verschieden, am geringsten wohl bei Kindern der ersten Lebensmonate und Personen hohen Alters. Doch kann auch der Eötus im Mutterleibe an Variola er- kranken, wobei derselbe fast durchwegs ausgestossen wird, todt oder lebensschwach. Es ist strittig , ob jedesmal eine Erkrankung der Mutter vorausgehen muss. Dass Schwangere und "Wöchnerinnen gerade mehr als Andere für Blattern dis- ponirt wären, wüsste ich nicht zu sagen. Ich weiss nur, dass

Fünfzehnte Vorlesung.

sie mehr gefährdet sind. Dasselbe gilt bezüglich der Neger, die wohl durchwegs sehr bösartig erkranken, wahrscheinlich aber nur, weil sie meist ungeimpft sind. Eine interessante Thatsache ist, dass innerhalb der 30 Jahre, da Hebra die Blatternabtheilung leitete, niemals von den dort continuirlich beschäftigten Aerzten und Wartpersonen J emand erkrankt ist, dagegen leider alljährlich mehrere Aerzte und. Studenten, die auch nur ganz flüchtig die Abtheilung der Vorlesung halber besucht haben. Man kann temporär immun gegen Pocken sich verhalten, in einer Gelegenheit verschont, in einer scheinbar weniger gefährlichen inficirt werden.

Dass die Infection mit Blattern durch anderweitige, von früher bestehende Krankheiten der Haut und der inneren Organe, auch das Puerperium, nicht behindert wird, ist schon gesagt worden, eben so wenig durch acute fieberhafte Krank- heiten, wie Typhus, Pneumonie und die anderen acuten Exantheme , nur dass in den letzteren Fällen der Ausbruch der Blattern bis in das Stadium decrementi jener Processe

sich verzögert.

Der Therapie bietet ein so symptomenreicher Process, wie die Blattern, ein weites Feld, doch sind die auf demselben zu gewinnenden Erfolge lange nicht so befriedigend, als dies erwünscht sein mag. Wenn Einzelne glauben, die im Pocken- inhalte oder im Blute von Variola-Leichen gefundenen feinsten Körnchen als Bacterien oder Micrococcen und als das Pocken- gift agnosciren zu dürfen, und demnach auch durch Dar- reichxmg von salicylsaurem Natron oder Xylol (Borkärt, ZuELZEB) bei Blatterkranken auf die Zerstörung dieser giftigen Schizomyceten hinwirken und den Krankheitsprocess besänf- tigen zu können, so habe ich nichts dagegen einzuwenden da ja das Princip, welches hiebei leitet, richtig ist. Ich zweifle nur an der Bedeutung der vemeintHchen Erfolge. Eben so wenig vermögen grosse Dosen von Chinin, Brech- weinstein, oder die bei Beginn der Blattern ausgeführte Vaccination, oder subcutane Injection von Vaccine, etwas Er- spriessliches zu leisten. Es verläuft sogar, wenn die Letztere haftet, die Vaccine-Eruption ungestört paraUel der Variola. Wir besitzen eben nach meiner Ueberzeugung kein Mittel, welches die einmal perfecte Infection und ihre Wu'kung auf den Organismus aufzuhalten oder zu beirren vermöchte, eben

Blattern.

265

so wenig, wie wii" die constitutionelle Syphilis zu verhüten im Stande sind, Avenn einmal das Gift örtlich inocnlirt worden, trotzdem wir noch Wochen vor dem Ausbruch derselben für unsere Thätigheit zur Verfügung haben und sogar die ersten Wege des Giftes ziemlich verfolgen können. Es. bleibt uns auch für die Blattern nur die symptomatische Behandlung übrig.

Da aber die Symptome bei den Blattern massigen Grades nicht beunruhigend sind, und der Verlauf typisch sein Ende erreicht, so ist auch da thatsächlich nichts wesentlich Thera- peutisches zu leisten. Massige Zimmertemperatur, gute Lüftung des Krankenraumes auch bei strenger Winterkälte ohne Gefahr des Zurückgetriebenwerdens der Pocken, aber im Interesse des Patienten und der mit ihm verkehrenden Personen, kühlende Getränke , am besten frisches Wasser , das bei Blattern der Mundhöhle am liebsten genommen wird, der Fieberbewegung entsprechende Diät, das ist Alles, was in solchen günstigen Fällen das Behandlungsprogramm ausfüllt.

Gegen durch die Variola der Schleimhaut veranlasste Schlingbeschwerden und Stomacace können Gargarismen (Kali chloricum, Alumen zu 5, auf 300, aqu. font. oder Infus, tiliae und Aehnliches mit Tinct. laudan. croc. 2,50 und Meli, rosat. 10) gereicht werden. In schweren Fällen vermögen aber die Patienten kaiim zu spülen und man reicht am besten frisches Wasser und Eispillen.

Sobald die Decrustation allenthalben eingetreten, verhält man den Kranken täglich, oder jeden anderen Tag ein warmes Bad zu nehmen, sich gut mit Seife zu waschen. Es ist kein Grund vorhanden , anzunehmen , dass ein derart von Blattern Absolvirter, nach Abfallen aller Krusten, noch Andere an- stecken könne.

Grössere Anforderungen treten an den Arzt heran gegen- über der Variola vera und confluens. Doch vermögen wir nur zum Theile denselben zu genügen. Dass gegen Variola haemor- rhagica alle Mittel vergebens sind (Xylol , Ferrum sesqui- chloretum , Ergotin innerlich und subcutan injicirt u. v. A.) ist bereits nach den geschilderten Symptomen derselben voraus- zusetzen. Dieselben laufen ja im Prodromal- und ersten Eruptionsstadium zu Ende. Wir sind selbst gegen die oft stürmischen Erscheinungen dieser Periode , Fieber , Unruhe,

2ßß Fünfzehnte Vorlesung.

Erbrechen, Kreuzschmerzen, Cardialgie, Oppression, nicht viel zu leisten im Stande. Ich warne speciell vor Chloralhydrat, Kali bromat., Opiaten und subcutanen Morphin- Inj ectionen, um niclit die Nerventhätigkeit vorzeitig zu sehr herabzusetzen. Nur wenn ohnedies, wie bei Purpura variolosa, der letale Ausgang sicher zu erwarten steht, oder wenn das Individuum im Fieberwahn Selbstmordversuche macht oder die Umgebung bedroht, oder Delirium potatorum vorliegt, oder das Individuum überhaupt anders nicht tractabel wäre, kann ich Opiate be- fürworten. Chloralhydrat empfiehlt Curschmann als Klysma zu verabfolgen (Hydrat. Chloral. 6,0—8,0, Aqu. dest. mucil.

g. arab. aa 25,0).

Auf Nebensymptome Bedacht nehmende Medicationen, wie Aqu. lauroceras. gegen Uebligkeiten , kalte Umschläge gegen Hitze im Kopfe, gegen Collapssymptome Cognac, Campher etc. etc. können frei gehandhabt werden. ,

Im weiteren Verlaufe steht die grosse Meuge von dicht gedrängten Pockenpusteln und die sie begleitende Dermatitis im Vordergrunde der Symptome. Mit derselben sind Fieber, Schlaflosigkeit, Delirien, Coma oder der plötzliche Tod durch Herz- und Lungenlähmung im innigen Zusammenhange. Des- halb sind auch diese Krankheitsmomente durch nichts in directer Weise zu beeinflussen.

Aus diesem Grunde sowohl, wie auch, weil je zalilreicher, mehr gedrängt und tief die Pusteln sitzen, auch die subjectiven Symptome, Schmerz, Spannung um so grösser sind xmi weiters, im späteren Stadium decrustationis um so mehr Metastasen der früher geschilderten Art befürchtet werden müssen, endlich in der Hoffnung, das Zurückbleiben von Narben verhüten zu können, - aus all' diesen Gründen hat man von jeher sich bestrebt, die Pustelbildung möglichst zu bekämpfen, die abortive Rückbüdung der Pocken und die Eintrocknung derselben durch Coagulation des flüssigen Inhaltes zu beschleunigen.

Bekannt ist die schon von Alters her geübte Methode des Aufstechens der Pusteln, oder ihrer Aetzung mittelst Lapis (ektrotische Behandlung), Verfahren, die bei wenigen Pocken überflüssig, bei zahlreichen undui'chführbar und unnutz, oder eigentlich schädlich sind.

Zur Verminderung der schmerzhaften Spannung im Gesichte , an Händen und Füssen ist die Application von aut

Blattern.

267

Leinwand gestrichenen einfachen Salben, Einölen, Emschmieren von Speck imd Aehnlichem zu empfehlen, besser noch das Belegen und Einhüllen mit kühlen nassen Compressen , Um- schlägen von Wasser -Glycerin oder mit Kautschuk-Leinwand.

Wichtiger sind die Verfahrungsweisen , welche dahin zielen, die abortive Eintrocknung der Bläschen (vor der Suppiu-ation) und Pusteln zu bewirken. Was die Hoffnung anbelangt, derart Narbenbildung verhüten zu können, so darf man nicht vergessen, dass tief angelegte Pocken eo ipso mit Vereiterung des Papillarkörpers einhergehen, daher unter allen Umständen Narben hinterlassen müssen, während im Rete ab- laufende, also oberflächliche Pusteln eben so unter allen Um- ständen ohne Narbe verheilen. Darnach können Sie den Werth jener Anpreisungen ermessen, nach welchen das Auf- legen oder Einschmieren dieser oder jener Salbe oder Tinctur, oder das Abhaltendes Lichtes und vieles andere z. Th. Abenteuer- liche die Narbenpocken verhütet habe. Die günstigere oder un- günstigere anatomische Anlage der Pocken ist im voraus in dieser Beziehung bestimmend. Man rühmt neben den oben angeführten kalten Umschlägen und einfachen Salben noch Unguent. cinereum, Empl. hydrargyri. Bepinseln mit Tinct. jod. , Eintupfen mit Siiblimatlösung (Sublimat 0,20, Aqu. dest. 100), oder Sublimatbäder (5,00 ad 300 Wasser, in's Bad zu schütten). Doch vergesse man bei den Quecksilber- präparaten nie auf die Grefahr der Salivation. In neuerer Zeit ist das auch von uns schon in den Sechziger Jahren auf der Blatternabtheilung angewendete LiSTER'sche Liniment (Acid. carbolici 1, Olei olivar. 8, Cretae alb. pulv. 2,00) empfohlen worden (Schwimmer). Wir haben nichts Eclatantes von seiner Wirkung gesehen. Dennoch will ich behufs beschränkter Applicationen im Gesichte, an Händen und Füssen diese und ähnliche Mittel, die wir fast alle mit versucht haben, befür- worten. Sie verringern alle die Spannung, verhüten die Eiter- absperrung und damit einen Theil der Gefahr für Erysipel und Metastasen.

Was ich in schweren Fällen von Variola vera und con- fluens aus gleichem Grunde bestens und wärmstens empfehlen kann, sind continuirliche Bäder nach dem Vorgehen von Hebra. Man kann die Kranken vom 9. Tage ab, vom Beginn der Suppuration , täglich in ein lauwarmes Bad bringen und

268

Fünfzehiito Vorlesung.

daselbst durch. 2 4 Stunden belassen , während dieser Zeit stets durch Wasserwechsel das Bad in der dem Kranken an- genehmsten Temperatur erhaltend. Aus dem Bade genommen wird derselbe am ganzen Körper mit Poudre bestreut. Die Patienten befinden sich höchst behaglich. Die Mühe ist nicht gross, da selbst Schwerkranke ganz gut allehi In's Wasser steigen und herausgehen, eventuell mit dem Laken hinein- o-ehoben werden können. Die auffallendste Wirkung besteht in raschem Einsinken der Pocken und Nachlass der Spannung, in Beschleunigung der Abtrocknung und Decrustation, so dass Fälle, in welchen die letztere sonst gegen Ende der vierten Woche zu erwarten wäre, schon am 15. 16. Tag in dieser Beziehung beendet sind. Man hat dabei nichts zu befürchten. Hat ja Hebra. den schwerstkranken Variolösen mit Pleuro- pneumonie Tag und Nacht im Wasserbett erhalten und genesen o-esehen. Ich habe als Assistent zahlreicke Fälle auf der Klinik und viele privat derart behandelt. Der nächste und grösste Vortheil dieses Verfahrens besteht in der zweifellosen Verhütung oder Beschränkung der metastatischen Haut- entzündungen, Abscesse und Gangrän, die bei copiösen und confluirenden Pockenpusteln stets zahlreich und das Leben gefährdend sick einsteUen. Solcke metastatische Processe ver- laufen auch selber im continuirlichen Bade nach unseren reichen Erfahrungen am besten.

Im Uebrigen werden sie lege artis chirurgicae behandelt. Namentlicli müssen Abscesse, sobald sie durch Hautröthe, oder auck nur Schmerz und geringe Fluctuation sick zu erkennen geben, sofort eröffnet werden.

Von den Augenaffectionen erheiscken die metastatische Keratitis, Iritis, Hypopium rasches Eingreifen. Punction der Cornea, Atropin-Einträufeln, Druckverband, Einschmieren von Belladonna mit Ung. cinereum (Extr. Beilad. 0,35, Ung. cinerei 10,00) über den Augenbrauen etc. werden indicirt sein.

Bei intensiver Variola des Kehlkopfes mit Aphonie, In- crustation der Sckleimhaut habe ich von der Tracheotoime doch

keine Rettung gesehen.

Nach Ablauf der Blattern zurückgebliebene Seborrhoe ist nach den auf pag. 151 gegebenen Vorschriften zu behandeln. Warzige Narben, Hautinsebi und Brücken im Bereiche der Nase und der Stirne sind mittels Scheere abzutragen.

Blattern.

269

Icli schliesse diese therapevitisclaen Ratlischläge mit dem Hinweise auf die Nothwendigkeit, dass der Arzt der Mannig- faltio-keit der Symptome und ihrer Bedeutung jedesmal sein Benehmen anpasse.

An die Massnahmen der Behandlung schliessen sich die der Prophylaxis. Sie sind zunächst dieselben und auf der- selben theoretischen Grundlage zu empfehlen , wie bei anderen contagiösen Krankheiten, als möglichst strenge Isolirung der Kranken sowohl in der Privat- wie in der öffentlichen Pflege und Desinfection der von Blatterkranken innegehabten Räume und benützten lüeider und Greräthe u. s. w. Nebst der guten Lüftung ist das Aufstellen von Chlorkalk in dem -Krankenzimmer oder Carbolspray , Trimethylammoniiun , mit dem auch die Haut der Yariolösen zwei-, dreimal täglich allenthalben arrosirt werden kann, Desinfection der Aborte und Aehnliches zu empfehlen.

Die individuell imd epidemiologisch wichtigste Prophy- laxis gegen Blattern bildet die Impfung mittelst

Vaccine Vaccination.

Im geschichtlichen Theile dieses Capitels habe ich bereits mitgetheilt, wie man zu der Ansicht gelangt ist, durch künst- liche Einimpfung der Pocken, Inoculation oder Variolation, die Menschen vor der Gefahr einer späteren Erkrankung zu schützen, und dass dieses Vorgehen deshalb verlassen und be- hördlich verboten wurde, weil die derart Erkrankten ipso facto zur Verbreitung des flüchtigen Contagiums und zur Entstehung neuer Blatternepidemien beitrugen, und dass schliesslich durch Jenner's Entdeckung der Vaccination sowohl jener ange- strebte Schutz erreicht, als die letztgenannte Gefahr ver- mieden wurde.

Bei vielen Haiisthieren, Kuh, Schwein, Pferd (Mauke, am Fiissgelenke), Ziege, Hund (und beim AfFen) hat man gelegent- lich den Ausbriich von Pocken beobachtet.^ Bei der Kuh sitzen sie auf dem Euter und den Zitzen. Sie stellen da eine rein örtliche Krankheit vor, und man hat Grund zu glauben, dass sie nie anders als durch directe Uebertragung und nie- mals originär entstehen. Ihr Contagium ist aber nicht flüchtig und überträgt sich demnach auf andere Thiere, sowie auf den

270 Fiinfzelinte Vorlesung.

Mensclien nur durch directen Contact mit einer verletzten Hautstelle.

Gelegentlioli kommt eine sololie Uebertragung auf den Mensclien vor. Ich habe zweimal an Männern, sogenannten „Schweizern", das sind Kuhmeier, eine Eruption von Variola vaccina gesehen. Sie erschien in Form von auf den Händen und über dem Arm zerstreuten , stellenweise zu Gruppen an- einandergedrängten , bis pfenniggrossen , mit heller Lymphe gefüllten und zum Theile gedellten, flachen , von rothem Hofe umgebenen Bläschen, die binnen 14 Tagen etwa unter Trübung und Verkrustung verheilten.

Bei Schafen kommt auch die Pocke (Ovine) als ört- liches Uebel , aber zuweilen auch als allgemeine Blattern- krankheit vor, welche sich flüchtig-contagiös erweist und derart zu verheerenden Ovine-Epizootien Veranlassung gibt, denen grosse Schafheerden zum Opfer fallen. Deshalb hat man wiederholt die Idee gefasst, die Schafe mit Menschen- oder Thierpocken schutzweise zu impfen , und dieselbe scheint nur wegen der materieUen Schwierigkeit der Durchführung und besonders des- halb nicht durchzugreifen, weil bei solchen Impfungen ge- legentlich statt örtlicher Pocken allgemeine Ovine auftrat, die wieder zu einer Ovine-Epizootie führte.

Bezüglich der Einimpfung der Vaccine- auf den Menschen ist Aehnliches nicht zu fürchten. Stets entsteht nur eine ört- liche Eruption und von dem geimpften Menschen überträgt sich deren Lymphe wieder nur durch directen Contact, sei es auf Menschen, oder die Kuh und andere Thiere.

Man hat unmittelbar nach Jenner's PubKcation (1798) nur mittels Kuhpocken direct auf den Menschen geimpft, was man später Impfung mit o riginärer Lymphe nannte, nach und nach aber diese Methode aufgegeben, weil die BeschaflPung des Materials schwierig und kostspielig war und die Lymphe zu oft fehlschlug, auch bei der Haftung heftige Entzündungs- erscheinungen zuweilen auftraten. So kam man bald dazu, statt von originären Kuhpocken, von den durch diese erzeugten Menschenpocken zu impfen, deren Lymphe als humanisirte Vaccine bezeichnet und bis heute allgemein zur Impfung ver- wendet wird.

Die Schutzkraft derselben wurde vielfach direct erwiesen, indem man geimpften Kindern sogar Menschenblattern ohne

Blattern.

271

"Wirkung oculirte, wie die von Auspitz veröfFentlicliten Proto- kolle Peter Frank's (1801) sehr überzeugend darthun. Die san- guinisclien Erwartungen der ersten Impfjahre wurden allerdings nicht erfüllt. Sie wissen, dass auch Vaccinirte an Blattern erkranken können. Allein selbst Variola schützt nicht absolut vor einer zweiten und selbst dritten Erkrankung. Aber es liegt ein geradezu erdrückendes Beobachtungsmaterial über die rela- tive , aber doch bedeutende Schutzkraft der Impfung vor, gegen dessen Beweise alle G-egen-Argumente verstummen müssen.

Man ist im Laufe der Zeit zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Schutzkraft der Vaccine zwar bei vielen Menschen für das ganze Leben besteht, aber im Allgemeinen mit der Zeit im Individuum sich abschwächt und bei Vielen nicht über

IQ 12 Jahre sich geltend macht. Darum dringt man mit

Recht auf Wiederholung der Impfung Revaccination. In der preussischen Armee hat sich diese Massregel glänzend bewährt.

Weiters hat man die Schuld an der Infektion Geimpfter durch Blattern damit motiviren wollen, dass die humanisirte Lymphe, indem sie seit ihrer Entnahme von den originären Kuhpocken du.rch so viele Menschen-Generationen durchgeführt worden, an Schutzkraft nothwendig eingebüsst haben müsse, und dass es darum räthlich sei, dieselbe durch ßetrovaccination auf die Kuh aufzufrischen. In unserem Hauptimpfinstitute in Wien wird aber in einzelnen Sälen die von Jenner selbst gesandte Ljmiphe seit der Eiaführung durch de Carro, d. i. seit 1802 fortgeführt , ohne dass sie nachweislich an Haft- barkeit oder Schutzkraft eingebüsst hätte. Das Gleiche ist in England der Fall. Obgleich demnach die Regeneration der Kuhpocken durch Retrovaccination nicht nöthig erscheint, ist sie doch wiederholt angerathen und öfters mit Erfolg durchgeführt worden (Pissm).

Endlich hat man der Impfung mittelst humanisirter Lymphe den Vorwurf gemacht, dass durch dieselbe allerlei constitutionelle Krankheiten, Scrophulose , Rhachitis, Tuber- culose, speciell Syphilis von einem Kinde auf's andere über- tragen und derart das Menschengeschlecht systematisch körper- lich deteriorirt würde.

Von allen diesen Vorwürfen haftet blos der eine bezüg- lich der Syphilis. Es sind thatsächlich einzelne Uebertragun-

2-^9 PünfKehnte Vorlesung.

gen dieser Krankheit durch die Impfung vorgekonnnen Impfsj^philis. Allein die Zahl dieser unglücklichen Vor- kommnisse ist geradezu verschwindend klein gegenüber den Millionen schadlos durchgeführter Impfungen, und die genauen Untersuchungen der Fälle haben theils Irrthümer ergeben, theils, dass die betrefPenden Kinder schon vor ihrer Impfung syphilitisch waren, theils dass bei gehöriger Vorsicht von Seite des Impfarztes das Unglück hätte vermieden werden können. Einige Fälle bleiben aUerdings noch unaufgeklärt, ebenso wie die Art der Uebertragung. Auf keinen FaU ist die Ansicht Viennois' richtig, dass in der Beimengung von Blut zur Lymphe die einzige materieUe Ursache der gelegent- lichen Syphilisübertragung ruhe, denn die reinste Lymphe enthält einzelne Blutkörperchen. Köbner, Auspitz, Rineckee, Bädmlee haben den Gegenstand in belehrender Weise be- handelt. . .

Dennoch sind die angeführten, gegen die hnmanisu'te Lymphe geltend gemachten Vorwürfe wirksam genug gewesen, um einen Theil der Impffreruide ihr abwendig zu machen und den Wunsch rege zu halten, dass nur originäre Vaccine füi' die Impfung verwendet werde. Nachdem in Neapel schon über 50 Jahre ein Institut für Kuhpocken-Impfung bestanden hatte, wurden seit 1864 der Reihe nach, theils auf Staatskosten, theils durch Privatmittel, solche errichtet in Frankreich, Belgien, Deutschland (Pissm's nnd Röll's Bericht) und neuestens zwei in Wien selbst. Man impft da junge Färsen auf der Bauch- wand und benützt die durch Anstechen oder durch Einklemmen der Basis zum Austritt gezwungene Lymphe direct, oder ein- getrocknet oder flüssig aufbewahrt zur Impfung. Obgleich die Berichte der Institutsvorsteher selbst sehr günstig lauten wird doch von anderer Seite die schwierigere Haftung und die grössere Gefahr von complicirenden Entzündungen , ßotli- lauf und Gangrän betont. Ich selbst habe derart em Kind zu Grunde gehen sehen. Indessen kann man doch pnncipiell die Impfungen mit originärer Lymphe nur gut heissen, da sie gewiss in der Hand von Geübten auch möglichst von solch fiblen Folgen frei bleiben und dem Theile der Bevo keru^ den Schutz der Impfung bieten, der die hnmanisirte Ljnip^^e . aus irgend welchen Gründen perhorrescirt. Eb kommt abe, bei der Prophylaxis der Bevölkerung durch die Impfung darauf

Bliittevn. 27;}

an dass sie mögliclist absolut allgemein durcligeführt werde, weil jedes einzelne nicht geimpfte Individnum sowolil selber inelir disponirt für Blattern und melir diirch sie gefährdet ist, als auch die Ansteckungsquelle für Andere abgibt.

Bei uns ist die Impfung mittelst h um anisirt er Lymphe allgemein gebräuchlich.

Man impft entweder von Arm zu Arm, oder mit m glä- sernen Haarröhrchen aufbewahrter flüssiger oder auf Bein- chen eingetrockneter Lymphe. Die flüssige kann im Falle des Bedarfes nach Müllee's Vorgang mit Glycerin nnd Wasser (je 2 Theile) verdünnt werden ; die eingetrocknete wird vor der Anwendung in einem Tröpfchen "Wasser, oder durch Ver- schmieren in dem von dem Impfstich des Impflings hervor- quellenden Serum gelöst. Bei directer Impfung nimmt man die durch oberflächliches Anstechen der 7—8 Tage alten Impfpusteln des Stammimpflings zum Anstritte veranlasste Lymphe. Man überträgt sie mittelst Impflanze \md subepider- midales Einstechen, oder durch Aufstreichen auf die oberfläch- Hch scarificirte Haut, am besten der Streckseite des Ober- armes , bei Mädchen so weit oben , dass die Narben später beim Biosstragen des Armes nicht zu sehr sichtbar werden. Zwei Impfstiche beiderseits genügen. Gesunde Kinder können nicht fiüh genug geimpft und vor Blattern geschützt werden, besonders zur Zeit von Epidemien, oder bei grosser Nähe der Blatterngefahr, z. B. Kinder von Aerzten. Ich habe meine Kinder in der ersten Lebenswoche geimpft; sie haben den Process ohne Eieber durchgemacht. Keine Jahreszeit oder Witterung ist ein Hinderniss für die Impfung.

Bei normalem Verlaufe derselben entstehen an den Impf- stellen am 3. bis 4. Tage kleine rothe Knötchen, welche am 5. bis 7. Tage zu Bläschen sich entwickeln und am 7. bis 8. Tage bis zu pfenniggrossen , praUen , oft gedellten , trans- parenten Bläschen geworden sind. Ein mässiger rother Hof umgibt dieselben. Vom 9. Tage ab trübt sich der Inhalt und trocknet derselbe zu einer Borke ein , welche nach abermals 10—14 Tagen mit Hinterlassung einer Narbe abfällt.

Man sieht allgemein die „schöne" Narbe als Kriterium für eine erfolgreiche Impfung an, ohne dass dies jedoch absolut richtig wäre. Es ist gut, die Kinder während dieser Zeit nicht zu baden, um die Entwicklung der Pocken nicht durch

Kaposi, Hautkranklieiten. 18

274

Fünfzehnte Vorlesung.

Maceretion oder mechanisclie Verletzung zu stören. Massiges Fieber begleitet dieselben zumeist im Höliestadium.

Anomaler Weise bleiben die Impfefflorescenzen auf der Höhe der Knötchen stehen, ohne sich zu Bläschen zu ent- wickeln — Variola vaccina atrophica, Steinpocken. Oder es entwickeln sich auf der Impfstelle und ilirer Nachbarschaft juckende und alsbald vom Kinde zerkratzte Knötchen und Bläschen Eczempocken, V. vaccina herpetica; oder grosse Blasen , nach deren Abtrocknen keine Narbe zurück- bleibt — Blasenpocken, V. vaccina pemphygoides ; oder es tauchen Furunkel auf. Zuweilen bleibt nach Abfallen der Pockenkruste eine wunde Stelle zurück, welche durch Wochen und Monate Serum und Eiter secernirt , sich peripher ver- CTÖssert , an der Basis sich hart infiltrirt , mit wuchernden Granulationen und, wenn nicht gepflegt, mit dicken Krusten sich belegt, Schwellung der Achseldrüsen bedingt und ein sypliilitisches G-eschwür vortäuscht. Sie heilt nach Aetzung mit Lapis und Bedeckung mit leicht ad stringir enden Verbänden (Kali caust. 0,1, Aqu. font. 25, oder Ung. simpl. 25, Nitr. argent. 0,04).

Bisweilen entstehen Nebenpocken, Vaccinolae, das sind den Impfpocken ähnliche Efflorescenzen , gleichzeitig mit jenen, oder etwas später, an nicht geimpften Stellen, meist am Arm , den Schultern und dem Thorax , zu einzelnen bis 20 30, discret, oder zu Haufen gedrängt. Sie bedingen stets bedeutendere Dermatitis und Fieber, selbst Lebensgefahr.

Die häufigste Complication der Schutz-Pocken ist Ro- seola vaccina, eine im Verlaufe des Pockenbestandes von den Armen ausgehende und über einen grossen Theil der Haut sich ausbreitende, da und dort auch in isolirten Flecken erscheinende Rothe, die mit erhöhter Hauttemperatur und mässigeni Fieber, aber immer ohne Nachtheil verläuft.

Gefährlich ist das Impf -Erysipel, Variola vaccina erysipelatosa , welches, von den Impfstellen ausgehend, grosse Ausbreitung gewinnen, zur Phlegmone sich steigern und selbst zu Gangrän führen kann. Es kommt selbst bei Erwachsenen (namentlich bei Revaccination) vor und kann da den Tod zur Folge haben ; häufiger tritt es bei Kindern auf, und da wieder öfters nach Impfung mit originärer Lymphe. Dass bei Kindern ein unglücklicher Ausgang öfters uocli zu beobachten, braucht

Blattern.

275

nicht erst gesagt zu werden. Zu Zeiten , wo auch auf chirurgischen Ahtheilungen Erysipel herrscht, kommen auch Impfer3''sipele in grösserer Zahl vor. Es ist constatirt, dass die Ursache wohl manchmal in einem verdorbenen Impfstoffe gelegen sein mag, ^äel öfters jedoch in anderen Umständen, die überhaupt für Rothlauf geltend gemacht werden. Denn es sind Fälle bekannt , wo unter mehreren mit derselben Lymphe geimpften Kindern m\v eines erkrankt ist.

Vaccine und Variola, obgleich experimentell ikre Identität so ziemlich erwiesen ist, können doch ungestört neben einander bestehen. So kami ein mit florescii'enden Schutzpocken be- haftetes Eänd von Blattern befallen werden , deren Grift es vor der Impfung aufgenommen , und kann an einem mit Blattern besetzten Individuum durch Impfung schöne Vaccine erzeugt werden. Beide Processe schliessen sich erst nach vollendetem Decursus aus, mit welchem erst die Durchseuchung des Organismus vollendet zu sein scheint.

Wenn die Vaccine fehlschlägt, ist das Kind nach Ablauf von 2 3 Monaten neuerdings zu impfen. Manche Personen erweisen sich nur zeitweilig und gegen eine besondere Lymphe immun , wenige Individuen aber absolut ; ob auch gegen Blattern ist wohl schwer zu ermitteln.

18

1

Secliszeliiite Yorlesung.,

b. Acute, nicht contagiöse, exsudative Dermatosen.

1. Erythemfomien.

Die nnalomischen Veränderungen bei den Erythemen identisch nur nach dL Grad" verschieden. Erythema multiforme und Herpes Ir.s et crc- natus, Erythema nodosum, Purpura rheumatiea.

Wir kommen heute zur Bespreclimig einer Reilie von Krankheitsformen, welche ebenfalls durch acuten allezeit typisch begrenzten Verlauf und Exsudation sich chaxakteri- sii^en aber im Gegensatz zu der zuletzt abgehandelten Gruppe, nicht co'ntagiös sind. Sie bieten höchst interessante klinische Bilder und durch ihre eruirte, oder nur vermuthete Beziehung zu den erst in den letzten Jahren näher studirten Gefässnerven, nicht nur ein speciell dermatologisches, sondern auch ein allgemein pathologisches Interesse.

Das anatomische Wesen der hier zur Sprache kommen- den Processe besteht darin, dass zunächst auf eine begmnende Entzündung hindeutende, durch Hyperämie bedingte, rothe Flecke, mit mässiger seröser Imbibition, Exsudation, d i obersten Hautschichten sich präseiitiren. Diese Gruppe steUt die vielgestaltigen Erytheme vor. _

Es braucht jedoch nur einer geringen Steigerung der H.T)erämie uiad der serösen Schwellung, damit gleichzeitig Knötchen, Knoten oder Quaddeln erscheinen Ja es l^ann noch weiters unter denselben Verliältnissen durch die Menge des exsudirten Serums die Epidermis zu Bläschen oder Blasen emporgehoben werden, so dass klinisch sich eine Combination von rothen Flecken, Knötchen, Knoten, Quaddeln,

Erytliema multiforme.

277

Bläsclien und Blasen gleichzeitig an verschiedenen Punkten desselben Krankheitsherdes und im Verlaufe desselben Processes einstellen können, ohne dass dadurch die Berechtigung oder Veranlassung entstände, die verschiedenen Morphen auch als differente Krankheiten anzusehen. Denn immerliin bildet auch bei solch' combinirten Tonnen die erythematöse Erkrankung den Typus des Processes.

Eine zweite Gruppe von hieher gehörigen Krankheiten charakterisirt sich durch die typische Bildung von B 1 ä s c h e n , Phlyktänosen, die also durch TJeberwiegen der Exsudation innerhalb der Papillarschichte und des Rete zu Stande kommen.

Bei einer dritten Gruppe endlich kominen die Symptome der Entzündung, wie sie pag. 173 geschildert worden sind, in durchgreifender Weise zum Ausdrucke, eigentliche Haut- entzündimg, Dermatitis.

Zunächst vom

Erythema exsudativum multiforme.

"Wie schon der von Hebra ihm gegebene Name besagt, fällt dieser Process durch seine Vielgestaltigkeit auf, und durch die demselben zu Grunde liegende Exsndation tmter- scheidet sich derselbe von dem durch blosse Hyperämie ge- bildeten Erythema congestivum (pag. 109).

Nach dem fast ausnahmslos sich wiederholenden Typus des Erythema multiforme entstehen (symmetrisch) auf beiden Hand- und Fussrücken und den angrenzenden Partien des Vorderarmes und Unterschenkels Stecknadel- kopf- und alsbald zur Linsengrösse heranwachsende, zinnoberrothe, unter dem Fingerdrucke erblas- sende, flache, oder nur mässig über das Niveau emporragende, normal, oder etwas derb und ödematös sich anfühlende, scharf begrenzte, dis- seminirte Flecke (Erythema laeve).

Binnen wenigen Stunden entwickeln sich diese Flecke, peripher fortschreitend, zu grösseren Dimensionen, während zwischen ihnen und weiter nach dem Vorderarme hinauf neue Efflorescenzen auftauchen. Schon nach wenigen Stunden zeigeii sich die ältesten Erixptionspunkte , das sind also die Centra der grösseren Flecke, eingesunken und cya notisch, während

278

Sechszehntü Vorlesung.

der jüngere, peripliere Theil einen zinnoberrotlien Saum darstellt.

In dem so rasclien Waclisthnm kommt es alsbald zu kreuzer- und tlialergrossen Flecken, die nach, demselben Typus entstanden sind, weshalb die centrale Partie blaurotb, die peripberische zinnoberotli erscheint, und endlich confluiren auch diese grösseren Flecke, so dass schon am zweiten bis dritten Tage der Eruption der Handrücken diffus blauroth, cyanotisch erscheint, dabei sich kalt anfühlt, beim Druck, unter Ver- schwinden der Blauröthe, gelbbraune Pigmentirung aufweist, während am Vorder-, Oberarm vmd im Gresichte vielleicht erst linsen- bis kreuzergrosse , disseminirte , im Centrum blauröthe, peripher zinnoberrothe , und am Stamme die eben erst aufge- tauchten Stecknadelkopf- bis linsengrossen, zinnoberrothen Flecke sich vorfinden.

Da die nach der lebhaftrothen Hyperämie so rasch fol- gende cyanotische Lijection auf eine Stagnation in den venösen Capillaren hindeutet, so ist es begreiflich , dass neben gelegent- lichem Oedem der tieferen Hautscliichten und des Unterhaut- zellgewebes, z. B. am Augenlid, auch alsbald etwas Blutfarb- stoff austritt , ja wirkliche Hämorrhagie stattfindet und dem- nach in den folgenden Tagen die Flecke durch die Farbennuancen von Blau zu Gelb , Grün , Gelb und Braun durchgehen , und zwar in der Reihenfolge vom Centrum nach der Peripherie, entsprechend dem Erkrankungsalter der einzelnen Punkte.

Blassen die Flecke rasch im Centrum ab, während der rothe Saum centrifugal sich ausbreitet, so entsteht die Form des Erythem a annulare; durch Aufeitiandertreffen mehrerer Kreise, die an den Berührungspunkten sich verwischen, entstehen o-eschlängelte Linien und aUerlei zierliche Figuren, Ery- thema gyratum, figuratum.

Wenn im Centrum der sich vergrössernden Flecke neuer- lich ein rother Fleck auftaucht, hat man Ery thema Iris.

Wenn der ursprüngliche Fleck zu einem etwas erhabeneren, derberen Knötchen sich entwickelt hat, in Folge Steigerung des exsudativen Vorganges, so nennt man das Ery thema papulatum, und ist es etwas grösser an Umfang, so dass es einer Urticariaquaddel entspricht, Ery thema urticatum oder Liehen urticatus.

Da im letzteren Falle die Knötclien gewöhnlicli lieftig

Erytlionm nuiltiformo. Herpes Iris et circinatus.

279

jucken, so werden sie alsbald nach ihrem Auftauchen zerkratzt und demnach mit einem schwarzen Blutbörkchen besetzt er- scheinen. Da inzwischen auch bei den Knötchen der o-leiche Entwiclvlxmgsgang stattfindet, wie bei den einfachen Flecken, so bekommt man zierliche und charakteristische Bilder von linsen- bis pfenniggrossen Flecken, deren Centrum ein Blut- börkchen trägt, worauf dann eine blaurothe und eingesunkene, von einem rothen, erhabenen Saum umfasste Area folgt.

Endlich kommt es auch durch weitere Exsudation in die Knötchen bisweilen zur Bläschenbildung und zwar in der Form von wässerig schimmernden, oder mit einer grösseren Menge wässeriger Flüssigkeit erfüllten, in der Regel sehr derben Efflo- rescenzen, die selbstverständlich auch wieder nach dem beschrie- benen Typus fortschreiten. Das Centrum des Knötchens sinkt nach wenigen Stunden ein, sich blauroth färbend, indem dessen Flüssigkeit aufgesogen und die Cyanose der Basis sichtbar wird; peripher schreitet die Bildung eines rothen, erhabenen, steü abfallenden, derben Saumes fort, auf welchem ein Kranz solcher Bläschen aufsitzt. Man hat soErythema vesicu- losum und im letzteren Falle Herpes circinatus.

Bisweilen findet sich im Centrum noch ein altes oder frisch aufgetauchtes Bläschen , peripher ein Bläschenkranz , ja zuweilen an diesen angrenzend ein dritter centraler , Herpes Iris.

Endlich kann auch an irgend einer oder mehreren Stellen, im Centrum, oder an der Peripherie der Efflorescenzen die Oberhaut zu einer grossen Blase emporgehoben werden E r y t h e m a b u 1 1 o s u m.

Ich habe mit dieser Schilderung die möglichen Typen der Erythemen twicklung , von dem einfachen Erythem zum Ery- thema papulatum und Herpes Iris imd circinatus geschildert. Sie können daraus entnehmen, dass aUe diese Formen aus einer Grundform hervorgehen, demnach nur ein und denselben Process darstellen.

Die Mannigfaltigkeit ihrer Gestaltungen rechtfertigt ihren Gattungsnamen Erythema multiforme oder polymorphe, und die vielfachen schon angeführten Benennungen sind ganz geeignet, die in jedem speciellen Falle vorwiegendste Form damit zu bezeichnen. Die einzelnen Flecke enden also mit Hinterlassung einer braunen Pigmentirung, ohne Schuppung. Nur wo ober-

2gQ Sechszehnte Vorlesung.

flächlicli stärkere Exsudation statthatte, bei den Bläsclien- und Blasenformen, kommt es durch Vertrocknung solcher Efflo- rescenzen zu Krustenbildung und Schuppung.

Ausser diesen objectiven Erscheinungen sind keine bemer- kenswerthen subjectiven Symptome anzugeben, manchmal ein leichtes Brennen bei der Knötchenform, bei Liehen urticatus heftigeres Jucken, zuweilen nicht unerhebliche Schmerzen in den Gelenken der Finger, der Handwurzel, dem Sprunggelenke.

Der Verlauf des Erythema multiforme ist, wie schon erwähnt, ein typischer. Binnen 14 Tagen bis 4 Wochen, läng- stens C. Wochen ist in der Regel der ganze Process zu Ende. Er dauert länger, wenn die Eruptionen, wie in selteneren Fällen, nach und nach auch den ganzen Stamm befallen und an den schon krank gewesenen Stellen neue Nachschübe auftauchen, weil jeder neue Fleck bis zur vollständigen Abblassung noch 8 bis XO Tage braucht.

Ebenso wird ein mit intensiverer seröser Exsudation com- binirtes Erythem , also Er. urticatum , herpeticum , im All- gemeinen länger verlaufen als ein flüchtiges Er. laeve.

Ausnahmsweise kann aber das Erythem auch mehrere , Monate und über's Jahr dauern, aber immer nur durch Wieder- \ holung von Ausbrüchen. Die einzelnen Proruptionen verlaufen aber auch da immer acut. _ _

Ich habe im Wintersemester 1877-1878 einen Warter vorgestellt, dessen Erythema, Herpes Iris und circinatus seit dem Mai 1877 immer fort Nachschübe gemacht hat.

Unter solchen Umständen ist das Pigment im Centrum der einzelnen Flecke so intensiv, und die Umwallung der- selben meist so derb, dass man zu dem Irrthum verleitet werden könnte, im Centrum sich involvirende syphilitische

Papeln vor sich zu haben.

Ueberhaupt kommen sehr bemerkenswerthe Ab weich un- o-en von dem geschüderten Typus vor in Bezug auf Localisation, die Intensität der örtUchen oder begleitenden Erschemiingen und Complicationen. So kann, die Localisation betreffend, Hand- und Fussrücken gar nicht, oder erst später betailen werden und die Eruption vorwiegend Gesicht und Stamm betreffen, einmal auf eine kleine Hautregion sich beschranken, ein andermal universell erscheinen. Die Intensität der Symptome betreffend, kann es örtlich zu starker, derber, bis

Erythema multiforme. 281

in's subcutane Gewebe reichender Infiltration und Hämorrhagie 1/j kommen. Es können heftige gastrische Erscheinungen, ErostjM hohes Fieber , intensive Entzündung der ßachenschleimhaut, psychische Depressionssymptome (Leavin) , intensive G-elenks- ' affectionen zugegen sein. In einem Falle meiner Erfahrung sind durch mehrere Monate periodisch (aUe 14 Tage) wieder- kehrende Blutungen aus der Niere dem Ausbruche des Erythems : vorangegangen.

An Complicationen und Folgen des Erythema multiforme, allerdings vorwiegend des Erythema nodosum, werden noch angeführt Endo- und Pericarditis, Meningitis, Tuber- culose, Klappenfehler, Pleuro- und Pneumonie und es ist in einer beträchtlichen Zahl (unter 70 von Lewin aus der Literatur angeführten FäUen 10) unter solchen CompKcationen der Tod eingetreten. Offenbar hat in all' diesen Fällen das Erythem nicht die Bedeutung des wesentlichen Processes, sondern nur ein er symptomatischen Erscheimmg , wie auch viele Ro- seolen. Man kann deshalb auch nicht dem Erythem den unglück- lichen Ausgang zuschreiben. Ich glaube darum auch die Unter- scheidung eines benignen und malignen Verlaufes bei Erythema multiforme nach Lea\tn, oder einer „ominösen" Form nach Uffelmann nicht befürworten zu sollen.

Diese seltenen Fälle nun abgerechnet, gestattet der Pro- cess in der Regel nur eine günstige Prognose, da er ja unter allen Umständen spontan abläuft.

Die Diagnose des Erythems ist bei einiger Aufmerk- samkeit ziemlich leicht. Die Erscheinung von, wie geschildert, disseminirten Flecken, deren grössere unter allen Umständen die centrale blaurothe Depression zeigen, ist so autFallend, dass sie gar nicht mit irgend einem anderen Krankheitsbüde ver- wechselt werden kann. Nicht minder sind die mit Knötchen und Bläschen combinirten Formen sehr charakteristisch.

"Wenn man nun aus der BeschafiFeuheit der einzelnen Flecke ihren regelmässigen Entwicklungsgang von einzelnen Centren absehen kann und zugleich erkennt , dass der Process symmetrisch an beiden Hand- und Fussrücken begonnen haben muss, wen dort die Erscheinungen des grösseren Alters der Flecke (confluirende blaurothe Färbung) sich zeigt, während vielleicht am Stamm eben auftauchende sich befinden, ferners den raschen , binnen Stunden vor sich gehenden Wechsel der

282

Secliszehnte Vorlenung.

Ersclieinmigen iii Betracht zieht, dann ist ja ein Irrthum über den Charakter der Krankheit gar nicht möglich.

Von den ebenfalls in Kreisform erscheinenden Herpes tonsurans und Psoriasis ist Erythema leicht durch den Mangel an Schu.ppung , von Syphilis annularis durch den Mangel an eigentlicher Infiltration, die unter dem Finger nicht schwindet, nebst den genannten positiven Eigenschaften zu unterscheiden.

Ueber die Ursache dieses merkwürdigen Processes sind wir vollständig im Unklaren. Dass wir es mit einer Capillar- hyperämie und nachträglicher Parese der feinsten Papillar- gefässe zu thun haben, ist zweifellos, das ist ja aus den klini- schen Erscheinungen zu deutlich zu entnehmen.

Wenn demnach einige Autoren, wie Landois, oder neuer- dings Lewin denselben als Angioneurose hinstellen , so ist damit nichts mehr erklärt, als was uns schon bekannt ist ; denn wir wissen dann noch immer nicht, ob die peripheren Grefässnerven, oder ihr Centraiorgan und wodurch es afficirt ist. Wir wissen nur so viel, dass in gewissen Jahreszeiten der Process regel- mässig in einer grösseren Anzahl zur Beobachtung kommt, speciell März, April, October, November, gleichzeitig mit Fällen von Zoster, vereinzelt aber auch in anderen Monaten zu sehen ist ; dass einzelne Personen manclimal noch zwei bis drei J ahre, circa um dieselbe Jahreszeit von Erj^them befallen werden (Tj^dus annuus) und dass schliesslich im Allgemeinen jugendlichere Individuen männlichen und weiblichen Greschlechtes ein grösseres Contingent dieser Krankheitsform liefern, als Erwachsene und ältere Personen'. Die Lebensweise, äussere Verhältnisse, all- gemeiue Constitution, speciell bestimmte Nahrungsmittel, Ge- tränke scheinen für die Entstehung der Krankheit ganz belanglos.

Hebra erklärt ausdrücklich, dass örtliche Ursachen nicht Erythema multiforme hervorrufen, ohne andere positi-^^e angeben zu können. Aber bei einem so gar nicht aufgeklärten Processe dürfen alle Thatsachen wenigstens erwähnt werden. Ich habe einmal Erythema Iris in Folge von Einreibung mit Unguentum cinereum gesehen und in einem exquisiten Falle von Erythema Iris und papnlatum, einem Falle, der rasch wech- seLide Formen, keine Schuppung und keine Bläschen zeigte, demnach nicht mit Herpes tonsurans, für de» ihn Pick ansieht, verwechselt werden konnte ich besitze die Abbildung zweifellos einen parasitären Pilz demonstrirt. Es würde aus

Ervthoiiiii multiforme.

283

diesen zwei Beobaclitungen wenigstens soviel liervorgelien, dass denn doch zuweilen durcb. einen örtlichen Reiz ein derartiges Er-s'them hervorgehen kann. Lkwin glaubt in einigen Fällen auf Reizung der Harnröhre durch Erosionen (auch experimentell) auf reflectorischeni Wege die Angioneurose des Erythem zurüclc- fiihren zu können. Es handelt sich zweifellos um eine Alte- ration der G-efäss-Innervation, und sie dürfte thatsächlich einmal peripher d. i. direct an den Endgefässchen, ein andermal von den Gefässnervencentren aus sich geltend machen. Durch Avelche Schädlichkeiten aber , das ist vor der Hand nicht näher erwiesen.

Keinesfalls sind die erwähnten vereinzelten Beobachtungen für die Aufstellung einer Aetiologie genügend und namentlich für die Erklärung der typischen Localisation auf Hand- und Eussrückeu. Das letztere Moment dürfte bezüglich mancher Fälle wenigstens eher mit einem anderen Verhältnisse in Be- ziehung gebracht werden können, unter welchem an den peri- phersten Körpertheilen Händen und Füssen Capillarstasen eben am leichtesten entstehen, und, wie aiich bei Erythem der Fall, Hände und Füsse in der Regel sich kalt anfühlen.

Da will ich denn gleich anfügen, dass man bei einzelnen weiblichen Individuen , welche an Amenorrhoe in Folge von pueriler Entwicklung des Uterus, Dysmenorrhoe , Chlorose, Ste- rilität leiden, durch mehrere Jahre von Zeit zu Zeit Erythem der Hände und namentlich der Stirne sieht, sub forma des Erythema urticatum et Iris. In diesen Fällen sah ich zuweilen die Flecke der Stirne sehr träge verlaufen, mit sehr derbem Circumvallationsrand und dunkelbraunem, deprimirten Centrum, so dass Ungeübtere ohneweiters die Diagnose Corona venerea machten.

Damit möchte ich auch die Blasegeräusche im Herzen, die Klappenfehler vortäuschen , in Verbindung bringen , von denen Lewin in einzelnen Fällen von Eiythem berichtet. Sie sind wohl ein Symptom der Chlorose, nicht des Erythem.

"Wir werden erfahren, dass Urticaria und Roseola eben- falls in Kreisen imd Gi-yris auftreten , und so den analogen Formen des Erythema multiforme gleichen können. Da jene Processe zweifellos durch Ingesta , gewisse Speisen und Medi- camente, oder örtliche Schädlichkeiten, z.B. die Processions- raupe , veranlasst werden , so ist es begreiflich , dass einzelne

234 Sechszelinte Vorlesung.

dieser Ursachen ancli für Erytliem geltend gemacht werden, wenn der Hantaussclilag eben in dem letzteren Sinne diagnosti- cirt worden ist. Dahin gehören Fälle, wie der von Madee, in dem derartige Eruptionen mit heftigen Kolil?;en sich wieder- holt einstellten, oder der von Arnold Pick bei einer Blödsinnigen, wo die Ausbrüche mit den Menses wiederholt zusammentrafen. Hebra hat eine ganze Reihe von pathologisch-analogen Formen mit Functionsstörungen des Uterus in Beziehung gebracht.

Thatsächlich bieten alle diese Processe, Erythema, Roseola, Herpes und Urticaria, so viel Uebereinstimmendes dar und kommen sie in so mannigfachen Uebergangsformen vor, dass es manchmal nur schwer hält, dieselben klinisch strenge aus- einander zu halten.

Wir sehen dies gleich bei dem folgenden Processe, dem

Erythema nodosum.

Dieses, auch D ermatitis contusif or mis oder Urti- caria tuberosa genannt, schliesst sich pathologisch un- mittelbar an das Erythema multiforme an. Dasselbe erscheint in Gestalt von haselnuss- bis nussgrossen Beulen und geschwulst- ähnlichen Knollen von derber Beschaffenheit, zumeist an beiden Unterschenkeln und Fussrücken, weniger häufig an den Vorder- armen, Oberschenkeln und Nates, höchst selten gleichzeitig auch an anderen Körp erstellen.

Die Knollen des Erythema nodosum ragen mässig über das Hautniveau empor, oder liegen im Niveau und fallen nur durch die an der Peripherie rosenrothe und in ihrem Centrum mehr blaurothe Färbung auf, werden dagegen mit dem Finger deutlich als derbe KnoUen gefühlt und sind sowohl spontan als namentHch bei Druck ausserordentlich schmerzhaft. Sie finden sich vereinzelt, manchmal aber in grösserer Zahl oft 15_20 an jeder Extremität, disseminirt.

Ihre Entwicklung erfolgt sehr acut, über Nacht, manch- mal unter begleitenden Fiebererscheinungen, allgemeinem Unbe- hagen, gastrischen Symptomen, Schmerzhaftigkeit m den Ge- lenken, namentlich der betroffenen Extremität. Die einzelnen Knollen bestehen selber mehrere, 8-14 Tage. Der frisch ent- standene Knoten bleibt nämlich dureli 2-3 Tage scheinbar unverändert, alsdann verwandelt si(;h das lebhafte Roth der

Erytlioma iiodosum.

285

über demselben befindlichen allgemeinen Decke, zunächst im Centrum, dann peripher fortscshreitend, in Blauroth, Gelb, Grün imi. während auch die Masse des Infiltrates sich vermindert, bis endlich nach einem Zeitraum von anderthalb bis zwei Wochen jede Spur desselben, bis auf etwas braune Pigmen- tiiung der betreffenden Hautstelle, geschwunden ist. Bisweüen erfolgt in die infiltrirte Hautstelle ein wirklicher hämorrha- gischer Erguss, wodann die mit jeder Hämorrhagie verbundene Reihe von Involutionserscheinungen und Farbenveränderungen etwas länger für sich in Anspruch nimmt. Manche Knoten fühlen sich mehr weich-elastisch an, so dass sie für einen ent- zündlichen Abscess imponiren. Sie schliessen aber nie eine

Höhle ein. nocli verflüssigen oder vereitern sie_jemal3.

Was den Verlauf der Krankheit in toto anbelangt, so erscheinen innerhalb der ersten 8 bis 14 Tage in der Eegel neue Knoten, welcke die geschilderten Veränderungen durchmachen, so dass die Ki-anklieit im Ganzen auf einen Zeitraum von drei bis sechs Wocken, auch nock länger, ausnakmsweise sogar durck Monate sich ausdeknt. Auck die Fieberersckeinungen, welcke in intensiven Fällen und bei sensibleren Personen selten feklen, kalten mit der Eruption gleicken Sckritt und bleiben mit dem Beginn der allgemeinen Involution vollständig aus. Als Begleitersckeinungen sind neben den GelenksatFectionen besonders Dyspepsie, seltener Koliken und Diarrkoe, nack Ein- zelnen auck sckmerzkafte Knoten der Zunge und der Mund- Eackensckleimkaut zu erwäknen.

Das Erytkema nodosum belästigt sowokl durck die Inten- sität der örtlicken Affection als der begleitenden subjectiven Erscheinungen des Fiebers und der Schmerzkaftigkeit in den Knoten, den ßökrenknocken und Gelenken in viel kökßrem Grade, als die früker gesckilderten Erytkeme. Dock stellt dasselbe im Wesentlicken mir einen analogen Process vor, insoferne dem Erytkema nodosum entspreckende Knoten auck mit den Flecken des Erytkema multiforme gemengt vorzu- kommen pflegen, beide Processe die gleicke Localisation der Eruption zeigen, zur selben Jakreszeit und unter gleicken Ver- kältnissen vorkommen und acut und typisck verlaufen, Deim auck die Knoten des Erytkema nodosum gelangen unter allen Umständen vollständig zur Resorption.

Anatomisck bedeuten sie vorwiegend seröse Infiltration

286

Sechszehnte Vorlesung.

aller Gewebsscliicliten bis ins subcutane Bindegewebe mit gleich- zeitiger, anfangs arterieller, später venöser Capillarstasis und mit Rücksicht auf das Plötzliche ihres Entstehens und ihrer vollständigen Rückbildung nur eine intensiver entwickelte Urticariaquaddel.

"Was das ätiologische Moment anbelangt, so ist das- selbe ebenso unklar , wie bezüglich der anderen Erythemformen. Dasselbe findet sich bei zarten weiblichen und jugendlichen Individuen in überwiegender Anzahl, Säuglinge und Kinder mit inbegriffen, nicht selten mit dem auch für das Erythem hervorgehobenen Typus annuus, dem häufigen Vorkommen in den Frühlings- und Herbstmonaten.

Die Prognose kann in Anbetracht des von dem Pro- cesse Ausgesagten nicht ungünstig lauten, obgleich eine unter Umständen auch mehrere Wochen durch sie veranlasste Bett- lägerigkeit immerhin bei Schulkindern, der dienenden und erwerbenden Classe angehörenden Personen ein für die Praxis belangreiches Moment sind.

Bei kleinen Kindern ist die Krankheit schon etwas bedenk- licher, obgleich sie auch hier in der Regel gut abläuft. Allein es kann doch durch bedeutende Herabsetzung der Ernährung während der andauernden Appetitlosigkeit, die häufigen Fieber und zufällige Complicationen , wie Nierenbhitung , zu einem unglücklichen Ende kommen, weshalb da immerhin die Prognose vorsichtiger gestellt werden soll. Ueberhaupt darf man bei allen diesen Processen nicht vergessen, dass sie für einen zarten Organismus um so mehr bedeuten, je mehr sie zu Hämor- rhagien neigen ; also weniger als Erytheme, .mehr als Erythema nodosum und noch mehr als Purpura.

In di agn OS tischer Beziehung wäre zu erwähnen, dass bei dem Auftauchen vereinzelter solcher Knollen an den Unter- schenkeln, oder gar an einer anderen Körperstelle, z. B. am Arme, an einem Augenlid, welches dadurch enorm geschwellt, in den bekannten Farben vorangegangener Hämorrhagie schil- lernd erscheint, leicht der' Irrthura begangen werden könnte, diese Beulen von einem Trauma, Schlägen, Anstossen u. s. w. herzuleiten. Wenn man jedoch einen Fall von typischer Loca- lisation am Unterschenkel vor sich hat, und dabei Knoten von verschiedenem Alter, namentlich aber frische, demnach an der Oberfläche rosenroth erscheinende sieht, welche letztere in

Purpura rhenraatica.

287

dieser Bescliaffenlieit niemals durch ein Trauma hervorgerufen werden können, wird eine irrthüraliche Diagnose selbstverständ- lich vermieden werden können.

Nicht ulcerirte Grummaknoten der Unterschenkel können mit Erj'thema nodosum verwechselt werden , weim , wie ich neulich au einem Mädchen gesehen, dieselben an beiden Unter- schenkeln sich vorfinden. Die syphilitischen Knoten sind stets scharf umschrieben und umgreifbar. Die Erythemknoten an der Peripherie sich verlierend. Literarische Angaben , welche von Ulceration der Erythemknoten berichten, dürften auf solchen Irrthümern beruhen.

Noch ein dritter Process ist hier anzuschliessen :

Purpura rheumatica

oder Peliosis rheumatica.

Bei diesem entstehen unter dem Fingerdruck nicht schwin- dende, blaurothe und später braun werdende Flecke, Hämor- rhagien, welche ebenfalls in einem typischen Zeitraum von drei bis sechs Wochen zu entstehen und zu verlaufen pflegen.

Ein solcher Process gehört vom streng systematischen Standpunkte nicht hierher, sondern in die Classe der Hämor- rhagien ; allein es vsdrd Ihr Verständniss von dem eigenthüm- lichen Charakter der schon geschilderten exsudativen Vorgänge nicht wenig fördern, wenn Sie wissen, dass auch die hier gemeinten Blutaustritte typisch an den Unterschenkeln und Vorderarmen zuerst auftreten, von Grelenksschmerzen und Ex- sudationen um und in die Gelenke begleitet zu sein pflegen und ebenfalls einen Typus annuus erkennen lassen.

Thatsächlich hat man von dem Erythema laeve exsuda- \ tivum durch das Erythema urticatum zum Herpes Iris und circinnatus nach aufwärts, sowie von dem Erythema urticatum durch das Erythema nodosum zur Purpura rheumatica fort- laufend, eine in continuirlichen Uebergangsformen sich präsen- tirende Krankheitsciasse vor sich, welche durch den schon geschilderten allgemeinen Typus der eigenthümlichen Locali- sation, der acuten typischen Verlaiifsweise, der im Allgemeinen benignen Bedeutuug , des vorwiegenden Erscheinens in be- stimmten Jahreszeiten vor sich.

Während in der Regel die einzelnen Unterarten dieser Erkrankungsciasse nach ihrem Typus gesondert vorzukommen

288

SouhsSKehnte Vorlesung.

pfleo-en, findet man doch auch nicht selten alle Formen an einem Individuum gleichzeitig vertreten, z. B. Erythema annu- lare laeve, diffusum, Iris an den Oberextremitäten, Herpes Ins und circinnatus am Handrücken und im Gesichte, Urticaria papulata und Erythema nodosum an den Unterextremitaten und zwischen den Knollen des letzteren eingestreut linsengrosse und grössere, flache Hämorrhagien , nebst Gelenkschwellung, Pur- pura rheumatica.

l-'ig. 18.

Durclischnitt eines Bläscliens von Er. papnlo-vesiculosum.

ijuruuoiiuu.i"»'

Hornsclüclite, ^ Bete «^..»f f^Crliagfe^Ä BlXörperchen j-?' l'apiHären und seröse Bxsudati9n erweitert c (Ha>no^^^^^^^ Schleimschichte mit Serum

subpainllären Bindegewebe, / Blasc^Uemao^^^^^^^^_^^^^^^

Ich gebe Ihnen hier die Abbildung (Fig. 18) eines Durch- Schnittes von einem in Umwan Uung .um B räschen begriffenei. Knö chen des Erythema painüatum bei starker Vergrosserung ""t am Grunde zweier Papillen frei ausgetretene - ^ S;i:;::^vchen(mmorrhag^^^ iVber ^ ^^^^^ TJpfe Malpiffhii theils aufgequollen und gelockert, tbeils Tl^^ - Balken und Scheidew.nd^^^^^ Fächerwerkes auseinander gedrängt. Dasselbe is mit Serum Lei rzelnen Exsudatkörperchen erfüllt, stellt also em Bläs- chen mit dicker Epidermisdecke vor.

Eoseola.

289

Was die Behandlung aller dieser Krankheitsformen anbelangt, so sind wir nicht in der Lage, jenen Nerveneinfluss zu paralysiren, durch welchen einzelne Capillargefässbezirke in so merkwürdiger Weise in ihrem Tonus alterirt werden, dass in denselben zunächst arterielle, später mehr venöse Hyperämie, dann seröse Exsudation und Hämorrhagie stattfindet , mit einem Worte , die eigenthümlichen Erscheinungen von Flecken, Knötchen, Quaddeln, Bläschen, Blasen, Härmorrhagien mit der typischen Tendenz zum peripheren Fortschritt bedingt werden. Wir sind also nicht in der Lage, weder den ersten, noch die erneuerten Ausbrüche hintanzuhalten, ebensowenig aber auch die Rückbildung der vorhandenen zu beschleunigen und so den Krankheitsverlauf m toto abzukürzen. Es ist demnach eine eigentliche Behandking all' der genannten Krankheitsformen gar nicht nothwendig.

Die Fälle von gewöhnlichem Erythema polymorphe werden ohneweiters sich selbst überlassen, indem man dem Kranken mit aller Beruhigung einen günstigen spontanen Verlauf ver- sprechen kann und nur selten durch eine ungebührlich lange Dauer des Processes Lügen gestraft wird. Gegen etwaige Juckempfindung , welche bei der Liehen urticatus , Erythema urticatum et papulatum genannten Form immerhin belästigend werden kann, wird zeitweiliges Betupfen mit Alkohol, Spii'itus vini gallicus ohne oder mit Zuthat von 1 -0 Acid. carbol. oder salicyl. auf 200 Gr. der Flüssigkeit und darauf Application von Amylum, oder auch kaltnassen Einhüllungen erleichternd wirken. Bei Gegenwart von Gelenksschmerzen, oder bedeutender Schwellung der Gelenke, sowie bei andauernden Fiebererscheinnn- gen werden die Kranken besser im Bette behalten, weil sicherlich beim Herumgehen sowohl Oedem als Schmerzen sich steigern und vielleicht neue Hämorrhagien producirt werden können. Zugleich werden Umschläge mit Eis, kaltem Wasser, Plumbum aceticum basicum solutum Erleichterung verschaffen. Es ver- steht sich von selbst, dass gegen etwaige allgemeine Symptome, Fieberhitze, gastrische Erscheinungen etc. ebenfalls eine ent- sprechende innere Medication, Acidum phosphoricum, Elixirium acidum Halleri, diätetisches Verfahren am Platze sein wird.

Ich muss hier noch anhangweise der Roseola gedenken, von welcher bereits früher (pag. III) die Rede war. Die

IQ

K a p 0 s i , Hautkrankheiten.

29Q Sechszehnte Vorlesung.

Flecke derselben können dnrch Steigerung der ihnen zu Grunde liegenden Hyperämie und Exsudation zu Knötchen sich ent- wickeln und würden dann den früher besprochenen exsuda- tive]! Erythemen zugezählt werden, insofern sie dem hier geschilderten Typus entsprechen, wie Roseola autumnalis, ver- nalis (Willan), oder Roseola cholerica und varlolosa. Bei den letzteren , sowie bei der Roseola typhosa ist es wahrscheinlich der specifische Krankheitserreger, oder nur die Fiebererregung, welche die Gefässnerven derart beeinflusst, dass an der Haut die genannten Exantheme erscheinen.

Das Prodromalexanthem der Pocken ist bereits geschildert worden (pag. 227), ebenso Roseola cholerica (pag. lU). Das T y p h u s e X a n t h e m , theils als Flecken , theils als Knötchen , kommt sowohl bei Ileotyphus, als bei dem exanthematischen Typhus vor. Manchen Epidemien ist eine besondere Form desselben ^ eigenthümlich. Es findet sich da meist am Stamme, Bauch und Innenfläche der Extremitäten, gleich Anfangs, oder im Ver- laufe. Es ist mehr stationär als das typische Erythema exsu- dativum multiforme. Das DiETEL'sche Typhusexanthem erscheint in Gestalt von weizenkornähulichen , länglichen, glanzenden Knötchen auf der Brust und. dem Bauche.

Die Roseola syphilitica stellt ebenfalls Flecke dar, die ihre Gestalt nicht verändern, sondern in der Form und Grösse, in der sie aufgetaucht, bestehen und ohne Schuppung schwinden.

An die geschilderten Erytheme schliesst sich naturge- mäss eine Gruppe von Krankheiten an, bei welchen zwar die, Hautröthe nur ein Theüsymptom einer Allgemeiiikraukheit darsteUt, aber doch als einleitendes, oder äusseres Merkmal der letzteren geltend gemacht wd. Es sind P ell^.gr a,,und Acrodynie.

Pellagra

Risipola lombarda. Mal rosso, Mal.,d4..sole;, der lombar- dische Aussatz, wird als eine en demis:cha, Kranklieit ausge- geben, welche besonders unter der ärmeren Bevölkerung der lombardischen Ebene, Piemonts, Venatiens und Südfrankreichs sich vorfindet. In den letztpn .Jahren, ist aiich über eine grossere Zahl solcher Erkrankungen aus Rumänien (Schkiber), Spanieii und dem südlichen Frankreich .berichtet worden. Ich wüL gleich hier bemerken, dass die. I.itßratur. über die Pellagra

Pellagra. 2P I

seit der Mitte des vorigen J alirliunderts zwar zu ausserordent- licli starken Bänden angeschwollen ist, aber, trotzdem sie fast ausschliesslicli mit den Vorkommnissen in den oberitalischen Ebenen sicli beschäftigt, es nicht zu einer einheitlichen und allgemein überzeugenden Darstellung über die Symptome, Ur- sache und Bedeutung des Uebels gebracht hat. Deshalb ist auch zeitweilig ein Zweifel über die Existenz einer Pellagra zu nennenden Krankheitsform aufgetaucht und Winternitz hat erst im Jahre 1876 auf Grund eigener, an so genannt Pel- lagrösen gemachter Beobachtungen, und eingehender litera- rischer Studien die Schlussfolgerung machen zu können geglaubt, dass eine so zu. nennende einheitliche Krankheit gar nicht existire, und dass die Aerzte allerlei Krankheiten, die in den bekannten pathologischen Systemen bei guter Diagnose ihren Platz fänden, auf unmotivirte Beurtheilung hin als Pellagra zusammenfassen.

Allein es stehen diesem Autor ausserordentlich zahlreiche, gediegene Beobachter entgegen, welche die Krankheit aus eigener Anschauung kennen und als besonderen Process hinstellen. Hebra selbst sagt, dass er Pellagrakranke in grosser Anzahl beobachtet und gefunden hat, dass das Krankheitsbild unzwei- felhaft die grösste Aehnlichkeit habe mit anderen, durch ver- dorbene Vegetabilien herbeigeführten Intoxicationen. Auch ich habe, wenn auch nur einzelne Fälle gesehen, die ich aber immöglich anders als in die Symptomenreiche Gruppe der pellagrösen Erkrankungen einzureihen vermöchte.

Die Symptome der Pellagra werden in sehr divergirender Weise angegeben. Ich glaube, dies hängt eben damit zusammen, dass die Ejrankheit thatsächlich unter mannigfacher Eorm und Verlaiifsweise sich darstellt , mehr acut, oder äusserst lente- scirend verlaufend, mit wenigen, oder vielen Erscheinungen oder nur rudimentär.

Durchschnittlich werden mehrere Stadien angegeben. Das erste Stadium wird durch Erythem gekeruizei chnet. Auf den Handrücken, dem Gesichte, auf Hals und Brust, so weit sie überhaupt u.nbekleidet und den Sonnenstrahlen (bei Arbei- tenden) ausgesetzt wird, erscheint die Haiit dunkelbraunroth. Es tritt im Frühling und Sommer auf, verschwindet unter geringer Schuppung im Herbst und Winter und stellt sich mehrere Jahre hindurch mit der wärmeren Sonne wieder ein.

19*

992 Sochszehnte Vorlesung.

Bei Öfterer Wiederkelir wird die Epidermis über den erytlie- matösen Stellen dunkelolivbraun gefärbt und schält sicli dieselbe in sebr dicken Schwarten ab. Es gesellt sich Muskelschwäche, aUgeuieine Verstimmung dazu. Von da kann das Uebel sich ganz zuriickbilden. Oder es tritt in das zweite Stadium ein, welches durch erhöhte Muskelschwäche, Kriebeln, fortwährendes Kälte- gefühl und weitere Veränderungen an der Haut gekennzeiclmet wird. Die Haut erscheint dann allgemein, besonders im Gesichte, an Händen und Füssen, blauroth, oder broncebraun, glänzend, mit verdünnter Epidermis, atlasartig, sie ist höchst empfindlich. In den Fingern fülden die Kranken Kriebeln, oder Pamstigsein. Sie frösteln stets. Die Finger werden gebeugt gehalten ; die Berüh- rung des Bodens ist für die Haut des Fusses schmerzhaft. Stö- rungen der Sinnesempfindungen, Krämpfe, Diarrhoen, Delirien, Stupor, Melancholie (religiöser Wahnsinn) und Blödsinn gesellt sich allmälig dazu. Die Kranken sterben an Marasmus, coUi- (pativen Diarrhoen, oder acuten und chronischen Erkrankungen der Lungen, Nieren, des Herzens.

Ausser den solchen Complicationen entsprechenden patho- logiscb-anatomischen Veränderungen haben sich bei der Section (Labus, Sgheiber u. A.) Pachymeningitis, Induration des Gehirnes und Rückenmarks und oft anämischer oder atropbischer Zustand der inneren Organe, wie nach chronischer Inanition, ergeben.

Unter den mannigfachen Ursachen, welcke für die Pellagra geltend gemacht wurden (als persönliclies Elend über- haupt, telluriscbe und kUmatische Verbältnisse, Sonnenbrand, (Erythema solare), Heredität, da man aucli bei Säugliiigen das Uebel angetreten haben wiU etc.), wird die ausschliesslicbe Ernährung mittelst Mais (Kukurutz, Zea Mais, Polenta der Italiener) besonders betont und darauf hingewiesen , dass es nur die von solchem lebende arme Bevölkerung gewisser Ge- genden sei, die von Pellagra befallen werde. Seit dem Vor- walten der Pilztheorie in der Aetiologie der Krankheiten ist es ein Pilz des Mais (Sporisorium Maidis), der beschuldigt wird, namentlicb mit Rücksicht darauf, dass man Grund hat, nur die Ernährung mittelst verdorbenen, schimmeUgen Mais- mebles anziüdagen. Lombboso hat experimentell, durch Dar- reichung von aus verdorbenem Mais bereiteter Tinctur , die Symptome der Pellagra erzeugt (18G8). Hierdurch hat er sowohl die Existenz der Krankheit positiv erwiesen, weiters

Pellagra, Acrodyiiie.

293

den Mais als Ursache dargetlian, zugleich aber aus dem Crange der Experimente sich veranlasst gesehen, nicht den Maispilz lind nicht den gewöhnlichen Schimmelpilz, sondern eine in der Verderbniss des Maismehles sich entwickelnde besondere Sub- stanz als Ivranldieitsursache zu beschuldigen.

Die letztere Annahme ist sicher nicht allgemein giltig-, da ScHEiBER, ich und Andere auch an solchen Personen Pellagra gesehen haben, die nie von Maismehl, sondern wie wohl situirte Städter sich genährt haben. Da darunter auch Personen waren, die nie in der Sonne gearbeitet haben, einer meiner Pälle auch aus Böhmen war, wo Pellagra nicht endemisch vor- kommt, so ist ersichtlich, dass noch Vieles bezüglich der Pel- lagra im Dunkel liegt.

Therapeutische Erfolge erwartet man nur in den frühen Stadien der Krankheit diu-ch Aufenthalt in gesunden Verhältnissen, gute Nahrung und.roborirende Diät, Kaltwasser- curen , Eerrum u. s. w. Manche Fälle werden auch spontan gut. Die weiter gediehenen und namentlich mit Geisteskrank- keit gepaarten Formen führen regelmässig zum Tode.

Acrodynie , oder Erythema endemicum , bietet viele Ana- logie mit Pellagra dar. Dieselbe hat nach Alibert's Aus- sage im Jahre 1828 und nach Hiksch auch 1829 und 1830 in Paris epidemisch gekerrscht. Hände und Füsse der ßetroifenen waren der Sitz eines Erythems mit folgender Schuppung, oder auch Bläschen- und Blasenbildung , Ablösung der verdickten Epidermis in Schwarten, wie bei Pellagra, während die Haut der Brust und des Unterleibes fast schwarz pigmentirt erschien. Elriebelii , Taubsein in den Fingern und Zehen , auch heftige Schmerzen in denselben, Erbrechen, Durchfall, Ischurie gesellten sich hinzu und führten oft zum Tode. Man beschuldigte all- gemein (Chomel , Recamiek u. A.) eine Verderbniss der zum Genüsse gekommenen Getreidevorräthe und brachte die Krank- heit mit Pellagra in Analogie.

I

Siebzelinte Vorlesung.

Urticaria, Nesseln.

Formen und Bedeutung der Urticaria, idiopail.isehe und symptomatische, acute und chronische Nessehi.

' Die Urticaria (Cnidpsis, Nesselsucht, Porcellanfriesel) o-enannte Krankheit bestellt, wie der Name schon besagt, in der Production von Quaddeln oder Nesseln, das sind fingeruagel- o-rossen und grösseren , urplötzlich auftauchenden, rosenrothen oder weiss schimmernden und roth umsäumten, flach erhabenen, rundlichen oder unregelmässig gestalteten und etwas derb sich anfühlenden Effloi^Gcenzen , welche sehr heftig jucken und brennen und einen äusserst flüchtigen Bestand haben, indem sie binnen wenigen Minuten oder überhaupt sehr kurzer Zeit wieder vollständig zum Schwinden gelangen , ohne Schuppung oder sonstige Spuren zu hinterlassen.

Die einzelne Quaddel breitet sich entweder rasch der Fläche nach aus, indem ihr rother Saum peripher vorruckt, bis zur Grösse eines Kreuzers, Thalers und darüber, wobei ihr Plateau weiss schimmert, U r t i c a r i a p o r c e 1 1 a n e a eben oder im Centrum etwas deprimirt ist. Alsdann sinkt dieselbe em und .-erschwindet spurlos, oder mit Hinterlassung geringer brauner Pigmentirung. Oder sie verschwindet schon im Centrum wahrend die Peripherie fortschreitet. Dann entstehen Quaddelringe, Urticaria- annularis, und durch die Vereinigung mehrerer solcher Ringe Gyri, Urticaria gyrata, figurata, odex mehrere concentrische und excentrische Kreise, die al e, w_egen der Flüchtigkeit der Eruption, wieder sehr rascli ihre iorm ändern Da wie wir sehen werden, die Haut ,edes Ur icaria- k aXn auch an ..uaddelfreien Stellen höchst emphndhch ist.

Urticaria.

295

so wird cliircli jede Eeriihvung mit dem Finger, durcli den über sie fahrenden Fingernagel, wieder Urticaria hervorgerufen und man kann daher auch Quaddehi in Gestalt von Striemen nnd Streifen sehen, ja ganze Quaddelzeichnungen, Buchstaben etc. sofort in Quaddelerhebung auf der Haut durch den Finger pro- vocii-en Urticaria f a, c t i t i a. Unter dem Striche entsteht erst ein weisser Streifen, der sofort roth wird mid dann weiss schimmernd , qnaddelartig vorspringt , sich verschieden lange erhält und auch weiter ausbreiten kann.

Es können ferner an einzelnen Punkten einer oder mehrerer Quaddeln durch Ansammlimg von grösseren Serum- Mengen in der Epidermis Bläschen und Blasen sich erheben, Urticaria vesiculosa et bullosa, nach deren Platzen sich Krusten bilden; oder es entstehen nur serös infiltrirte Knötchen, Urticaria papulosa.

Die Krankheit nun , welche aus der Formation solcher Quaddeln sich zusammensetzt, heisst Urticaria. Es kommt nämlich aus verschiedenen Ursachen, die wir alsbald erörtern werden, zum Ausbruch von Urticariaquaddeln, die theils gleic h- zeitig an verschiedenen Körperstellen, theils successive erscheinen, zu fünfzehn bis zwanzig und viel mehr solchen über dem ganzen Körper in xmregelmässiger Situation, so dass man gleichzeitig- alle möglichen Entwicklungs- imd Rückbildungsstufen vor sich hat. An den Augenlidern, am Präputiiim veranlasst die Quaddel bedeutendes Oedem, so dass z. B. das Auge, natürlich nur auf kurze Zeit, geschlossen erscheint.

Auch auf der Schleimhaut des Mundes, Rachens und Kehldeckels kommen manchmal gleichzeitig flüchtige ßöthungen und den Quaddeln entsprechende, ödematöse Schwellxxngen vor, durch welche z. B. das Zäpfchen enorm vergrössert, die Epi- glottis bis zur Erstickungsgefahr angeschwollen sein kann. Doch sind derartige Vorkommnisse gewiss höchst selten imd speciell beider als Riesen u,Tticaria (Milton) mitgetheilten Form gesehen worden , bei welcher auch auf der Haut enorm grosse, beulenartige Geschwülste entstanden sind, die durch plötzliches Auftauchen , Schrherzlosigkeit , flüchtigen Bestand als Quaddeln sich zu erkennen gaben.

Wie viele Quaddeln immer auftauchen mögen, imjuer ist ihre Dauer nur eine sehr flüchtige. Aber auch der Process als solcher ist ein höchst acuter, insoferne man in der Regel den-

cjgg Siebaehiito Vorlesung.

selben nicht länger als ein bis einige Tage zu sehen bekommt, U r t i c a r i a a c u ta , e V a n i d a. Doch kann unter Umständen der Nesselausschlag viele Wochen, Monate und Jahre in gleich- massigen oder aus Exacerbationen und Remissionen sich zu- sammensetzenden Eruptionen bestehen, U r t i c a r i a r e ci d i v a, chronica, oder U r t i c a t i o , Nesselsucht. Darnach wird die Bedeutung der sonst scheinbar so harmlosen Krankheit grösser, sowie die Art und Zahl der complicir enden und beglei- tenden Symptome verschieden sein, als: auf der Haut, Exco- riationen, Pigmentation , Knötchen und Pustebi , wie sie dem Eczem angehören; weiters: Dyspepsie, Uebligkeit , Erbrechen, Diarrhoe, Fieber, remittirend und intermittirend, und viele andere, deren Besprechung sich am besten derjenigen von den verschiedenen Formen der Urticaria anschliessen wird.

Die Wichtigkeit dieser Krankheit wird erst einleuchten, wenn man die verschiedenen Ursachen kennt, durch welche Urticaria veranlasst werden kann. Darnach steUt sie ein- mal eine ganz unbedeutende, vorübergehende Molestirung, ein anderes Mal ein recht schweres Leiden dar.

Praktisch am besten unterscheiden wir die Urticaria nach ihrerUrsache als idiopathische uud symptomatische.

Die i d i 0 p a t h i s c h e Urticaria ist diejenige, welche durch äussere SchädKchkeiten, durch directe Reizung der Haut hervorgerufen wird, als deren vulgäres Beispiel der Nesselaus- schlag in Folge von Brennessel bekannt ist. In praktischer Beziehung wäre hier zunächst hervorzuheben, dass die bei uns häufigen Epizoen, Flöhe, Pulex irritans, Wanzen, Cimex lectuarius und Läuse, Pediculi, nebstdem noch andere Insecten, die Processions- und andere Raupen , Mücken (Gelsen , Culex pipiens) die häufigste Ursache für Urticaria sind.

Es entstehen zunächst an den Punkten, wo das Lisect, z B die Wanze, einsticht und saugt, um die Einstichstelle herum quaddelartige Erhebungen, durch welche bis auf eine gewisse Circumferenz das Rete Malpighü serös imbibirt und aufgequoUen ist. Da nun die Quaddel juckt , so kratzt sich der Betrefi-ende und trifft mit zwei bis drei Fingernagebi das aufgelockerte Epidermisstratum. Dadurch werden zwei bis drei parallele Excoriationsstriche hervorgerufen, welche an der Biss- stelle der Wanze selber gewöhnlich in einer rundHchen Blut- borke sich vereinigen. Es entstehen aber nicht nur an den von

Urticaria.

297

den riöheii und Wanzen diirch SaiTgen direct irritirten Stellen Quaddeln, sondern aucli an vielen anderen Körperstellen, aut welcte die betreffenden Insecten nur springend oder kriechend einen Reiz hervorgerufen haben, und endlich an solchen Haut- stellen, welche von den betreffenden Tliierchen gar nicht berührt worden sind.

Es ist nämlich eine Eigenthümlichheit, dass das auf einem Punkt der Haut vorhandene Jucken ein Irritaiiient der Art abgibt, dass, auf dem Wege der sensitiven Nerven vermittelt, reflectorisch an einer ganz anderen Köperstelle, und an vielen solchen, Urticariaquaddeln auftreten und dass besonders die von Urticaria schon befallene Haut in dieser Beziehung die grösste Ii-ritabilität bekundet, so dass schon die Berührung mit dem Finger, noch mehr das Kratzen, die Eeibung durch gesteifte Wäsche, Druck von Strumpfbändern etc. neue Quaddeln hervor- rufen. Wir begegnen darum der Urticaria in allen den Krank- heitsformen, wo Jucken überhaupt vorhanden ist. Es werden die bereits vorhandenen Quaddeln noch viele Tage, wenn die ursprüngliche Schädlichkeit auch beseitigt ist, durch reflec- torische Irritation neue Quaddeln hervorrufen.

Man kann z. B. bei einem Kinde , welches sehr rein , gehalten wird und eine empfindliche Haut hat, bei sorgfältigster Untersuchung nur einen Eloh auffinden, mit einem einzigen Elohstich am ganzen Körper und sofort Quaddeln in grosser Zahl über den ganzen Körper zerstreut, welche durch mehrere Tage und in allmäliger Decrescenz sich erneuern. Da aber Wanzen in manchen Wohnungen in grosser Menge eingenistet sind, so werden diese zu exquisit chronischer Urticaria Ver- anlassung geben. Man findet an einer solchen Haut allent- halben zerstreut theils frische, theils nur in Eorm von braunen Streifen gekennzeichnete Excoriationen , in der Grestalt von zwei- und dreifach gezogenen und sich gegenseitig dukaten- zeichenähnlich kreuzenden Linien, so dass man aus dieser Er- scheinung die Diagnose Urticaria chronica mit der wahrschein- lichen Aetiologie e cimicibus machen kann, auch wenn im Momente der Untersuchung nicht eine einzige Quaddel da ist ; und die Diagnose ist fast jedesmal richtig, wenn angegeben wird, dass das Jucken immer nur in der Nacht vorhanden ist.

Seltener hat man Grelegenheit , und zwar in Sommer- monaten vereinzelt oder nahezu in endemischer Verbreitung

298 Siebzehnte Vorlesung.

Urticaria in Folge von Culex pipiens, Leptus autumnalis oder der Processionsranpe, Gastropacha processionea zu sehen , zu- meist als Urticaria papulosa.

Die symptomatische Urticaria erscheint als lieflex- symptom einer von einem anderen Organe oder Systeme, als die Haut, ausgehenden Nervenreize, rein reflectorisch, oder als begleitendes Symptom anderer Hautkrankheiten und darnach auch wieder entweder acut, oder chronisch.

Am häuiigsten ist dieselbe bedingt durch Reizung der G-eschmacks nerven und des Gastroi n testin alt ract es, wobei einmal durch die betreffenden Ingesta ein ausgesi^rochener Magen- und Darmkatarrh mit Erscheinungen der Ueblichkeit, Erbrechen, Diarrhoe, choleraähnlichen Znständen, belegter Zunge , Fieber u. s. w. auftreten , oder auch ohne alle derar- tige begleitende Sjanptome. In allen diesen Fällen muss eine, für viele Personen wenigstens, ganz besondere Idiosynkrasie gegenüber von speciellen Speisen oder Getränken angenommen werden. Man kann nicht annehmen, dass überhaupt , oder wenigstens nicht dass in gewissen Fällen erst durcb eine von Seite des Magen-Darmtractes resorbirte und in das Blut ge- langte Substanz, welche chemisch auf die betreffenden Nerven- centra einwirken würde, die Urticaria hervorgerufen wird. Denn es ist notorisch, dass sehr häufig fast unmittelbar, sobald die betreffende Stibstanz oder das Medicament auf die Mundschleim- haut gebracht wurde, scbon die Urticaria auftritt, was selbst- verständlich nur auf reflectirtem Wege von den Geschmacks- nerven aus erklärt werden kann.

Solche bei vielen oder einzelnen Individuen zeitweilig, oder regelmässig einen Urticariaausbruch veranlassende Speisen und Substanzen siud: Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren, Fische aller Art, insbesonders Seefische, Hummern, Austern. Fluss- krebse, Schnecken, Würste aller Art, Schinken, Champagner, Majonnaise, Schweinefleisch, geräuchert, gebraten oder gekocht, manche Sorten Käse, Gefrorenes (Fruchteis). An Medica- menten: Copaivabalsam, Terpenthin, verschiedene Mineral- wässer, Chinin in seltenen Fällen (KöbneeI, auch blosse Inha- lation von Balsamicis, Terpenthin und eine Menge anderer Stoffe, die unter Umständen für ein bestimmtes Individuum Urticaria producirend sind.

Manche glauben, dass ein grosser Theil der Schuld in

Urticaria.

299

solchen Fällen an sogenanntem Ekel oder in der Einbildung liegt, indem ein Lidividunm, welches nach einer bestimmten Speise ein oder mehrere Male einen so unangenehmen Zustand erfahren hat, vorkommenden Falls schon mit einer gewissen Furcht an den neuerlichen Grenuss der betreffenden Speise herangeht. Das ist ein Irrthum, wie mir bekannte Beispiele beweisen, nach welchen es gelungen war, solche Personen über den Genussgegenstand zu täuschen, dieselben aber doch wieder Diarrhoe, Erbrechen und Urticaria bekamen.

Gastrische Zustände überhaupt disponiren aufPallend für Urticaria und insoferne ein solcher Gastricismus monate- lang persistiren kann, wird auch die durch denselben bedmgte Urticaria häufig sich wieder einstellen, also als chronisch sich präsentiren.

Ein solches Individuum ist nicht nur subjectiv sehr gequält, insoferne dasselbe fortwährend von Jucken geplagt wird, mit der Gesellschaft nicht verkehren, an keinem Mahle theilnehmen ' kann , sondern es magert auch im Verlaufe der Zeit ab , da sowohl der Schlaf gestört ist, als auch seine Ernährung enorm leidet. Es kann vorkommen, dass ein solcher Kranke tagelang, und manchmal durch viele Wochen mit geringen Unterbrechungen höchstens ganz indifferente Flüssigkeiten, Thee oder Wasser, kaum etwas Suppe zu sich nehmen kann, oder nur warme oder nur kalte Speisen, weil in dem Momente, als das eine oder das andere in den Mund gebracht wird, über dem ganzen Körper Urticaria ausbricht.

Bei kleinen Kindern ist diesen Verhältnissen besonders Eechnung zu tragen, denn häufig ist wochen- und monatelang andauernde Urticaria nichts anderes als der Ausdruck eines chronischen Magenkatarrhs, der durch unzweckmässige Ernäh- rungsweise, schlechte Milch, fette Speisen, welche dessen Magen noch nicht verträgt, hervorgerufen ist.

Ich habe bei diesen ätiologischen Momenten der Urticaria etwas länger verweilt, weü deren Eruirung für die prak- tische Hilfeleistung von grossem Belange ist.

Durch Gemfi thsaffecte plötzlicher Art, Scham, Ver- legenheit. Zorn kommt wohl auch ein Urticariaausbruch zu Stande.

In die Reihe der durch irritirende, in die Blutmasse auf- genommene Substanzen bedingten Urticariaformen gehört auch das Auftreten von Urticaria neben Scarlatina imd Morbilli oder

noo

Siebzehnte Vorlesung.

im Prodromalstadium der Variola neben dem Erythema vario- losum, in welchen Fällen eben das specifisclie Kranklieitscon- tagium als das irritirende Moment angesehen werden muss.

Mit Intermittens oder unter intermittirendem Fieber ist wiederholt Urticaria gesehen worden Febris urticata inter- mittens oder Intermittens sixb forma tirticariae larvata (Scor- czEWSKi, Zeissl, Neümann).

Höchst wichtig ist noch das Auftreten von Urticaria als Vorläufer und Begleiter der den Pemphigus constituirenden Blaseneruptionen.

Entweder erscheinen über den Körper zerstreut zahlreiche Erythemformen in Combination mit Urticaria und es entwickeln sich über einzelnen Quaddeln Pemphigusblasen , während der grösste Theil des Erythems wieder schwindet. Oder es kommen consequent nur einzelne Urticariaquaddeln und nur an solchen Stellen sodann auch Blasen. Das letztere ist speciell bei Pemphigus pruriginosus der Fall.

Prurigo beginnt auch in der ßegel mit den Erschei- nungen der Urticaria derart, dass durch mehrere Monate bei einem Kinde nur Quaddeln auftauchen und erst im Verlaufe des zweiten Lebensjahres die charakteristisch localisirten Pru- rigoknötchen erscheinen.

Wir kennen weiters chronische und symptomatische Urti- caria , als Ausdruck einer theils nachweisbaren Erkrankung irgend eines inneren Organs, theils nicht näher definirbarer allgemeiner Zustände, somatischer wie psyschiseher. So in Folge von gewissen Functionsanomalien des weiblichen Sexual- systems, Dysmenorrhoe, Amenorrhoe, chronischem Infarct, Sterilität, chronischer Albuminurie (auch bei acuter Urti- caria ist Albuminurie beobachtet worden, Leube) chi^onischem G-astricismus , Reizung des Darmtractes durch Eingeweide- würmer, Intestinalkatarrh, Leberanschoppung, Diabetes, oder als Ausdruck eines allgemeinen Marasmus, namentlich des Marasmus senilis, als Begleitung des Pruritus senilis, depri- mirender, lang andauernder Gremüthsalfecte , Trauer über Ver- lust theurer Familienmitglieder, Aenderung der materiellen Verhältnisse u. s. f., und da die letzt angeführten Ursachen in der Regel ihrer Natur nach lang andauern, so wird auch die von ihnen veranlasste Urticaria in der Regel eine Urticaria chronica sein.

Urticaria.

301

Sie sehen, meine Herren, zu welch' bedeutendem Leiden diese anscheinend so harmlose AfFection unter Umständen sich herausbilden kann, und Sie werden es dadurch gerechtfertigt finden, daas ich, obgleich die örtliche Hautveränderung der Urticaria jedesmal eine höchst unbedeutende, flüchtige ist, dennoch der Urticaria als Erkrankungsform des Organismus etwas grössere Aufmerksamkeit geschenkt habe. Denn Sie sehen schon ein. wie schwierig im Allgemeinen die Frage zu beantworten ist, ob die Urticaria eine günstige oder ungünstige Prognose gestattet.

Ein in Folge von Wanzen oder des einmaligen Genusses einer Selchwurst entstandener Nesselausschlag ist eine nicht redenswerthe Affection ; sie geht ja in wenigen Tagen von selbst vorüber. Eine Urticaria, welche mit Amenorrhoe zusammen- hängt, oder mit einer gar nicht eruirbaren Ursache, oder nach jedem Speise- und Getränkegenuss recidivirt, ist ein sehr schweres Leiden, welches den Kranken und die Umgebung belästigt, den BetrotFenen in seinem Berufe stört, an Körper und Gemüth herunterbringt und bis zum Lebensüberdruss treiben kann.

Die Prognose wird demnach wesentlich abhängen von dem jeweiligen ätiologischen Momente des Nesselausschlages , oder was ein und dasselbe ist, von der speciellen Diagno s e.

Die Urticaria nämlich als solche zu diagnosticiren unter- liegt ja keinerlei Schwierigkeit, eine Urticariaquaddel kann ja mit nichts Anderem verwechselt werden. Die specielle Dia- gnose bezieht sich darauf, dass man in dem jeweiligen Falle die Art ihrer Veranlassung herausfinde , ob dieselbe durch ein äusserliches Moment und durch welches, durch ein inneres vor- übergehendes oder dauerndes , ein solches , welches beseitigt werden kami oder unheilbar ist, bedingt ist.

Um nun in dieser Richtung sich zu Orientiren, muss'man vor Allem zu entscheiden sich bemühen, ob ein Fall von acuter oder chronischer Urticaria vorliegt. Man ist hierbei vorwie- gend , aber nicht ganz , auf die Angaben des Kranken ange- wiesen. Denn bei chronischer Dauer der Urticaria werden neben frischen Excoriationen auch zahlreiche Pigmentstreifen sich vorfinden. Ueberdies sind dieselben bei Pediculi vestimen- toru.m besonders localisirt, am Nacken, der Schrdtergegend im.d am Kjreuz ; bei anderen Ursachen unregelmässig über den Körper zerstreut.

302

Siebzehnte Vorlesung.

Urticaria in Folge von Epizoen , Insectenstichen etc. int in der Regel acut und vorübergehend. Nur bei Bettwanzen kann durch die Andauer der Ursache auch die AfFection chro- nisch sein. Hier ist die Erfahrung, dass die Schädlichkeit in der Regel nur in der Nacht auf die Haut wirkt, zur Orienti- rung zu benützen. Die Kinder wachen in der Regel mit Urti- caria auf, verlieren sie aber im Laufe des Tages und zeigen in der nächsten Nacht und Morgens wieder Urticaria.

Ebenso wird der einmalige Grenuss von gewissen Speisen der aufgezählten Sorten auch eine vorübergehende Urticaria veranlassen. Sind namentlich auch gastrische Erscheinungen vorhanden, so wird man durch Aiifzählen der erwähnten Speise- und G-etränkesorten dem Gredächtnisse des Kranken nachhelfen und auf diese Weise von ihm die Bestätigung erhalten, dass er ein oder zwei Tage vorher Erdbeeren, G-.efrorenes, Hummer etc. gegessen habe, womit die specielle Diagnose Urticaria ab ingestis und die günstige Prognose gesichert ist.

Schwieriger ist die Orientirung, sobald es feststeht, dass man eine Urticaria chronica, Nesselsucht, vor sich hat. Man muss dann per exclusionem vorgehen und der Reihe nach alle jene früher geschilderten Verhältnisse zu eruiren oder auszu- schliessen trachten, welche eben chronische Urticaria zu veran- lassen vermögen, und darnach den betreffenden Krankheitsfall specificiren, z. B. Urticaria chronica ex morbo Brightü oder ex hysteria.

Nach den aufgezählten Verhältnissen richtet sich auch das Vorgehen bei der Behandlung. Eine acute flüchtige Urticaria bedarf ja keiner solchen , obgleich es auch da wün- schenswerth sein wird, wenigstens der momentanen Jnckempfin- dung entgegen zu wirken.

Im Allgemeinen wird man zunächst die Ursache der Urti- caria zu eruiren und womöglich zu beseitigen sich bemühen. Dies güt namentlich für die Urticaria in Folge von Bettwanzen, zu deren Nachweis in ihren bekannten Schlupfwinkeln, Bilder- rahmen, Fussdielen etc. man bei Urticaria der Kinder sich die nothwendige Mühe nehmen muss. Bei Urticaria ab ingestis wird vielleicht ein Abführmittel die Entfernung der betreffenden schädHchen Substanz aus dem Darmtract befördern und den Urticariaanfall abkürzen.

Bei Nesselausschlag in Folge von chronischem Magen-

Urticaria,

katarrh wird man durch eine sorgfältige, dem Individnniii ange- passte Diätverordnung, Soda, Magnesia, Rheum, Amaricantia, eventuell Brunnencaren, wie Marienbad, Karlsbad, Franzensbad, bei Kindern durch Verabreichung leicht verdaulicher , guter Milcli, Vermeidung fetter Substanzen u. s. w. die Quelle der Urticaria beseitigen.

Ebenso werden die etwa eruirten Anomalien von Seite des Grenitalsystems bei Weibern entsprechend behandelt werden müssen, wenn die durch sie bedingte Urticaria ihr Ende er- reichen soll.

In Bezug auf die durch Gemüthsaffecte bedingte Nessel- sucht hat die Erfahrung gelehrt, dass sie nach plötzlichen Schicksalsschlägen wie urplötzlich auftritt und nach verschieden langem, oft Jahre langem Bestände entweder wie die Seelen- zustände selbst allmälig erträglicher, so auch die Urticaria selbst in ihrer Intensität abgeschwächt wird und endlich ver- schwindet, oder dass die Urticaria bei plötzlicher Wendung in den Gemüthsstimmungen , ja selbst der äusseren Lebensver- hältnisse der Individuen auch urplötzlich verschwindet. Man kann sich dies auch für die Therapie zu Nutze machen und durch den jeweiligen Verhältnissen angemessene allgemein diätetische Verordnungen, günstige psychische Einwirkung, Zer- streuung und Umstimmung bei den Kranken hervorzurufen sich bemühen.

Manchmal hört die Urticaria urplötzlich auf, wenn der Kranke seinen Aufenthalt wechselt, z. B. auf Reisen geht. Sobald er das Weichbild seiner Leidenstätte verlassen , kann er Alles essen und trinken, in heisse Locale gehen, marschiren, sich aufregen, die Urticaria bleibt weg, und kehrt er nach drei bis vier Monaten zurück, bleibt er von seinem Uebel verschont. Ein anderes Mal kehrt alsbald nach wenigen Wochen die Urti- caria wieder.

Sie sehen, wie precär unsere ätiologische Therapie in der Urticaria ist, indem wir nur in sehr wenigen Fällen die Ur- sache der Krankheit zu beseitigen vermögen. Wir sind noch übler daran mit der Bekämpfung des Nesselausschlages selbst , mit der symptomatischen Behandlung.

Ihre Aufgabe ist in diesem Falle, das durch die Quaddeln bedingte Jucken möglichst zu mildern und die Schädlichkeiten, welche den Auisbruch steigern oder erneuern könnten und

Siöbzelinte Vorlesung.

(las.lucken selbst ist ja eine solche Schädlichkeit möglichst hintanziihalten.

Im Allgemeinen sind es solche Mittel, welche der Haut Wärme entziehen, durch welche die Kranken einige Erleich- terung erfahren, also Abwaschungen mit kaltem Wasser, gemengt mit. aromatischen flüchtigen Substanzen, Acetum vini, Acetum aromaticum, Spiritus vini gallicus, Mindereri, Aether sulfiiricus, Abreiben mit Citronenscheiben u. s. f., kalte Einhüllungen, Douchen (lauwarme Bäder entsprechen seltener) , Fluss- und Seebäder.

Am besten ist es, dass der Kranke sich möglichst kühl verhalte, im kühlen Zimmer schlafe und sich nur leicht zu- decke. Die Bettwärme, der Aufenthalt in dicht bewohnten, stark geheizten Räumen, Theater u. s. w. sind zu vermeiden. Nicht nur, dass Wärme und Gaslicht bei dazu Disponirten Urticaria producirt, wirkt auch die Angst vor einem solchen Ausbruch als psychisches Erregungsmoment der Urticaria, wenn die Betreffenden sich mitten in der Gesellschaft befinden, z. B. einer Sitzreihe im Theater , wo sie dem Drange nach Kratzen nicht folgen können und auch nicht, ohne Aufsehen zu erregen, sich entfernen können.

Da die Urticariaausbrüche im Laufe des Tages nur zwei bis dreimal , gewöhnlich ein paar Stunden nach dem Essen und unmittelbar beim Schlafengehen, oder beim Entkleiden, oder ein paar Stunden nach dem Einschlafen erscheinen , so kann man jedes Mal beim Beginn des Ausbruches deii Körper mit eiuer der genannten Flüssigkeiten benetzen, z. B. Rp. Spir. vini gaUici 200, Aeth. petrol. 5, Glycerini 2,o. S zum Einpinseln. Oder: ßp. Spir. lavand. 100, Spii'. vini gall 150,0, Aeth. sulf. 2,5, Aconitini 1,0. S. Zum Einpinseln. Auf die benetzten Hautstellen wird Puder gestreut.

Gelingt es die ersten Quaddeln rasch ziu' Rückbildung zu bringen, so wird das Kratzen verhütet und denmach auch ein allgemein vehementerer Ausbruch.

Gegen einzelne Quaddebi von Insectenstichen , Mucken-, Bienenstichen ist das Betupfen mit Ammonia pura liquida als günstig wirkend befunden worden.

Medicamentöse Bäder mit Soda, Kilogramm, gut

aufgelöst ins Bad geschüttet, Alaun 500 Gramm, Sublimatbader

Urticaria.

5 ^0 Gramm pro Bad, werden in verzweifelten Fällen immer-

liin versucht werden müssen.

Im UeLrigen wird bei einer unter so mannigfachen Ver- liältnissen auftretenden Krankheit der Umsieht und Erfahrving des einzelnen Arztes es überlassen bleiben müssen, sowohl in Bezug auf die allgemein diätetische, als auch psychische und örtKche Behandlung nach dem speciellen Falle das Eichtige zu treffen.

Die Behandhmg der mit den erwähnten anderweitigen Hautkrankheiten, wie Pemphigus, Prurigo, Scabies etc., symp- tomatisch vergesellschafteten Urticaria fällt mit derjenigen .eben dieser Krankheiten zusammen.

K ap 0 .s 1 , Hautkrankheiten.

SO

AcMzelmte Yorlesung.

2. Phlyctänosen, Bläschenausschläge.

Herpes.

Es gibt kaum eine dermatologische Kranklieitsbezeiclinuug, welche eine mannigfachere Verwendung gefunden hätte, als die des Herpes.

Etymologisch bedeutet der Name etwas was kriecht, und daher haben die alten Schriftsteller als Herpetes solche Haut- ausschläge bezeichnet , welche von einer Stelle aus in schlei- chender Weise sich ausbreiten , und damit vorwiegend chro- nische HantaflPectionen benannt, u. z. theils oberflächliche, theils üi die Tiefe der Gewebe dringende und diese zerstörende Pro- cesse. Im ersteren Sinne hat sich das Wort leider noch heut- zutage bei sehr vielen Aerzten erhalten , welche bei jeder chronischen, im Allgemeinen „trockenen" Hautkrankheit ebenso unterschiedslos, wie die Laien, von einer Elechte, einem Herpes, einem herpetischen Ausschlag sprechen. Im zweiten Sinne haben wir noch in dem Herpes esthyomenus , exedens, rodens, devastans, ferus der Autoren für ein fressendes, kriechendes Geschwür, also, nach unserem heutigen Begriff, für emen serpi- ginösen Krebs oder Lupus Belege bei Alibert und manchen Chirurgen der Vierziger -Jahre. ^

Nach unseren heutigen, möglichst festgestellten Begriften ist es nicht gestattet, von einem „herpetischen Ausschlag" zu sprechen, wie dies manchen Aerzten beliebt, welche eine eben sich ihnen darbietende HautafFection nicht zu beurtheilen m der Lage sind und mit einer solchen Bezeichnung etwas gesagt zu haben glauben.

Herpes Zoster.

J307

Wh' verstehen seit Willah unter Herpes eine acut und typisch verlaufende gutartige Hautkrankheit, welche sich durch die Bildung von in Gruppen gestellten, mit wasserheller Flüssigkeit gefüllten Bläschen charakterisirt, gewisse, theils anatomisch beson- ders vorgezeichnete, theils wenigstens topogra- phisch markirte Regionen des Körpers occupirt und jedes Mal in einem bestimmten, auf relativ kurze Zeit bemessenen Cyklus abläuft.

Wenn Sie sich also den Typus eines Herpes vorstellen wollen, so kann demselben nur folgendes Krankheitsbild ent- sprechen.

An einer bestimmten Eegion der Haut entstehen, in acuter Weise , eiii oder mehrere Gruppen von kleinen Epidermidal- elevationen, Knötchen, welche sich rasch durch Ansammlung von Serum zu Bläschen entwickeln; damit ist die Höhe des Processes erreicht.

Den weiteren Verlauf kann man sich nach allgemein patho- logischen Gesetzen a priori construiren.

Die Bläschen bestehen ein paar Stunden, oder ein bis zwei Tage und trocknen durch Resorption des Serums zu Borken ein. Unter diesen erfolgt, in Folge Rückbildung der Entzün- dung und Aufhören der Exsudation, normale Epidermisbildung, die Borken fallen ab, die Bläschenstellen erscheinen überhäutet, der Herpes ist zu Ende.

Nach den besonderen Typen, unter welchen der Herpes sich zu präsentiren pflegt, unterscheidet man :

1. Herpes Zoster.

2. Herpes praeputialis s. progenitalis. iJ. Herpes labialis s. faciaKs.

4. Herpes Iris et circinatus.

Ich will Sie gleich mit der ersten, unstreitig der kKnisch und pathologisch interessantesten Form, welche vielleicht aucli für die folgenden zwei Arten den Schlüssel abgibt , mit dem Herpes Zoster bekannt machen.

Herpes Zoster, Zoster, Gürtelausschlag.

Wir bezeichnen jene Krankheitsform als H e r p e s Z o s t e r. welche nach dem Typus des Herpes, das ist mit acut auftretenden Bläschengruppen an einer Körper-

20*

•jQjj; Aclitzelmte Vorlesung.

liälfte, liöclist selten an beiden, des Stammes, des Kopfes oder der Extremitäten sich localisirt und mit seiner Eruption die durch die Nerven vor- gezeichnet'e anatomische Richtung einhält.

Da ich schon in der Definition der Krankheit als wesent- lichen Cliarakter eine genaue Beziehung des N e r v en v e rl auf es zur Haiiteruption hervorgehoben habe, so wird es Sie sicher- licli interessiren , zunächst über diese neue Beziehung einige Aufklärung zu erhalten.

Schon zu einer Zeit, als man die hier zu besjjrechende Hautkrankheit noch nicht, wie heute, als Herpes zu bezeichnen in der Lage war, sondern, wegen des mit der Eruption ver- bundenen Gefühls von heftigem Brennen, sie als Ignis sacer benannte, hat man in dem h a 1 b s e i ti g e n Auftreten desselben das auffallendste Symptom gefunden, und schon Plinios sagt: Ignis sacri plura sunt genera, quorum quod medium honiinem ambiens Zoster appellatur, und de Haen sagt von demselben: Haec tarnen perpetua lex, ut ab anteriore parte nunquam lineam albam, nunquam a postica spinam transcenderet.

Diese Erscheinung hätte schon frühzeitig auf die Idee führen müssen, dass das Cerebrospinalsystem, oder wenigstens die Spinalnerven mit der Krankheit in inniger Beziehung stehen. Doch hat erst 1818 Mehlis, später allerdings Rayee, Homberg, Hebra, Häusinger auf eine solche Beziehung liinge- wiesen. Aber erst Bärenspeung hat diesem Verhältniss einen concreten Ausdruck gegeben, indem er aus dem Studiuui der Verlaufsweise vieler Zosterfälle erst theoretisch, und dann, nach einem Sectionsbefunde , auch objectiv demonstirte, dass der Zoster immer in seiner Richtung einem Spmahierven ent- sprechen müsse und dass eine Erkrankung des Intervertebral- o-ano-lions die Ursache des Zoster sei, das ist jenes Ganglions, durch welches die hintere sensitive Wurzel des Rückenmarkes hindurchstreicht und von welchem sie einzelne Fasern aufnimmt, bevor sie, durch die letzteren verstärkt, mit der vorderen, moto- rischen Wurzel zu dem gemeinschaftlichen Stamm eines Spi- nalnerven sich vereinigt. Da von den Hirnnerven nur der Trio-eminus es ist, in dessen Bereich erfahrungsgemass Zoster auftritt, derselbe aber auch, analog den Spinalnerven, ein Ganglion besitzt, das Ganglion Gasseri , so hat er für den Zoster im Bereiche des Gesichtes eine Erkrankung des Gang-

Zoster.

lion Gasseri verantwortlich gemaclit. Erklärt liat B. dies speciell damit, dass von dem betreffenden G-anglio]i Fasern zu dem Nervenstaram ziehen, welche im peripheren Verbreitungs- bezii'ke die feinsten Blutgefässe der oberen Haut- und Papü- larschichte versorgen, demnach auch bei ihrer Alteration Ent- zündung und Exsudation daselbst veranlassen können, was unter dem Bilde des Herpes erscheint.

So hat BJvRBNSPRUNG denn auch die Zosteres nach ihrer Verlaufsweise, genau dem Verlaufe der Nerven entsprechend, eingetheilt als :

1. Zoster facialis, a) labialis. 2. Z. occipito - collaris. o. Z. cervico - subclavicularis. 4. Z. cervico-brachialis. a) bra- chialis. 5. Z. dorso-pectoralis. 6. Z. dorso-abdominalis. 7. Z. lumbo-inguinalis. 8. Z. lumbo-femoralis. 9. Z. sacro-ischiadicus. a) genitalis.

Dieser interessante Eund von Bäkenspetjng, mit welchem in einem Male das Wesen der Zostererkrankung enträthselt zu sein schien, hat durch analoge Befunde von Rayee , Daot- ELSSEN, Weidner, Charcot und Cotard, E. Wagner , 0. Wyss, Sattler und mir Bestätigung gefunden. Speciell haben hier

Fig. 1!).

Längsschnitt durch das 'd. rechtseitige Leuden-Spinalgangüon bei einem Zoster- lumbo-inguinalis, (Loupen-Vergrösserung).

aa Ganglion. Die schwarzen Punkte innerhalb desselben entsprechen den dunkel ]iigmentirten Ganglienzellen, die dunkeln Striche den strotzend erfüllten Blutgefässen . abcde das Ganglion einhüllendes Kettgewebe, / Fettzellen, bei (/ and allenthalben, wo dunkle Schattiruiig Hümorrliagie und strotzende Gefässe. bb ein- und austretendu Nervenbündel im Längsschnitt, bei cc im tiuerachnitt.

•MO

Aclitzelinte Vorlesung. Fig. 20.

Hämorrliagisclier Herd im Ganglion, (.starke Yergrösseniug).

n- .Invin abs-eblasste Gaiielienzellen in der Linie h. bbf mit BlutUörperclien erfüUte oÄenÄln bd Eeilie erfüllt, d normale Ganglienzellen, a solche mit

^ Nervenanslaufer.

in Wien Sattlee und icli in je einem Falle von Zoster fron- talis Hämorrliagien und Zerstörung im Ganglion Gasseri, luid ich nocli ausserdem bei einem Zoster lumbo-inguinalis bedeu- tende Erkrankung in den Spinalganglien der dem Zoster ent- spreclienden Körperbälfte und Nerven nacbgewiesen.

Sie seben in der Abbildung (Fig. 19) den Durcliscbnitt eines solchen Intervertebral-Ganglion. Darin die Gefässe von Blut strotzend. In Fig. 20 ist ein hämorrhagischer Herd aus dem Ganglion dargestellt, in welchem mehrere Ganglienzellen durch den in ihre Kapsel erfolgten Bluterguss verändert, oder zer- stört worden sind. In Fig. 21 sehen Sie innerhalb einer ein- zelnen Ganglienzelle, deren Protoplasma und Kern noch gut erhalten sind, rothe Blutkörperclien eingedrungen.

Trotz dieser positiven Befunde von Anderen und mir liabe ich aus verschiedenen, tlieils klinischen, thells anatomi-

Zoster.

311

Fig. 21.

f Intrao-anelionäres Bhitgefäss mit Körperchenstase , 6 innerhalb der Ganglienzellen- kapsei rothe Blutkörperchen, Zellenkörper und Kern a erhalten, c Bindegewebe,

e E.vsudatzellen.

seilen iTiicl physiologischen Gründen mich an einer anderen Stelle dahin ausgesprochen , dass die Erkrankung der Spinal- ganglien gewiss nicht für alle Fälle die Ursache des Zoster abgibt. Sie müssen vielmehr der Ueberzeugung sein, dass ein Zoster auch entstehen kann in Folge von Erkrankung im Ner- vencentruni selbst , z. B. im Rückenmark. Dafür spricht das zeitweilig doppelseitige Auftreten von Zoster; oder durch Er- krankung an irgend einer Stelle des peripheren Verlaufes des Nerven, wofür der Umstand spricht, dass sehr häufig der Zoster nicht im Bereiche des ganzen Nervenverlaufes, sondern nur entsprechend dem periphersten Theile eines Nervenstammes oder nur einem Zweige desselben auftritt.

Soviel geht aber aus den bisher bekannt gewordenen Ver- hältnissen hervor, dass eine Erkrankung im Bereiche des Nerven, an seinem Ursprünge oder im Spinalganglion, oder in seinem Aveiteren Verlaufe die Ursache des Zoster ist, und dass der anatomische Verlaixf des Zoster jedesmal den anatomischen Verlauf jenes Nerven deckt, in dessen Bereich das ätiologische Erkrankungsmoment liegt.

Sie werden darum auch jedesmal sich Mühe geben müssen, beim Anblick des Zoster aus seiner Ausbreitungs weise den betreffenden Nerven herauszulesen , wie dies Bärenspeüng in der oben angeführten Eintheilung der Zosters zum Ausdruck gebracht hat.

Weil aber aus Gründen , die Sie der Praxis entnehmen werden, nicht jedesmal diese anatomischen Verhältnisse am

3] 2 Achtzehnte Vorlesung.

Lebenden zu eruiren sind, so dürfte es genügen, nacli dem Beispiele von Hebra, mehr die gröberen, topograpliiscli-anato- niischen Verhältnisse, nach welchen am häufigsten Zoster auf- zutreten pflegt, zu berücksichtigen und demnach als Typen des Zoster anzunehmen :

1. Zoster capillitii. 2. Z. faciei. ;-3. Z. nuchae et colli. 4. Z. brachialis. 5. Z. pectoralis. 6. Z. abdominalis. 7. Z.

femoralis.

Ich gehe nun zur

Symptomatologie des Zoster

über.

Dem Ausbruche des Zoster gehen bisweilen mehrere Tage, manchmal selbst drei bis sechs Wochen, neuralgische Schmerzen voran, die entweder in dem ganzen Bereich des späteren Er- krankungsherdes sich kundgeben, oder vorzüglich auf einzelne, genau fixirbare Punkte sich beschränken, welche letzteren in der Regel Theilungs- oder Anstrittstellen von Nerven oder Nervenästen entsprechen.

So befindet sich bei Zoster pectoralis ein schmerzhafter Punkt in der Nähe der Wirbelsäule, da wo die hinteren Aeste der Spinalnerven hervortreten, ein anderer Punkt in der Axil- larlinie, an der stärksten Vorwölbung der Rippen, da wo der vordere Zweig des Spinalnerven in einen oberflächlichen und tiefen Zweig sich theilt und der erstere, die Muskelschichte durch- bohrend, zur Haut tritt. Seltener ist ein dritter schmerzhafter Punkt an der vorderen Medianlinie, also an dem periphersten Verbreitungspunkte des Nerven, gelegen. Die Neuralgien sind zuweilen sehr heftig, behindern beim Sitze an dem Thorax das Athmen und können eine Pleuritis vortäuschen. In vielen Fällen mangeln diese Prodromalneuralgien vollständig.

Der Ausbruch des Zoster erfolgt, ob mit oder ohne der- artige Vorläufer, höchst acut. Unter dem Gefühl von Brennen schiessen an einzelnen SteUen der Haut, auf vorher gerötheter Basis, einzelne Gruppen von hirsekorngrossen ixnd etwas grös- seren, lebhaft rothen Knötchen auf, welche binnen wenigen Stiuiden, ein bis zwei Tagen, sich zu Bläschen von Stecknadel- kopf- bis Schrotkorn- und Erbsengrösse entwickeln. Die Empfin- dung des Brennens ist ziemlich heftig. Die Eruptionsdauer kann sich auf vier bis acht Tage ausdehnen, indem nämlich

Zoster.

niclit alle Gruppen scliou am ersten Tage auftanclien. Die Efflorescenzen der einzelnen Gruppen aber sind coaevi, erreiclien deninacli gleichzeitig die Höhe ihrer Entwicklung und es kann eine Gruppe schon vollständig entwickelt sein , während eine andere eben erst auftaucht. Die Bläsclien der einzelnen Gruppen stehen entweder ganz isolirt von einander , oder sind , wenn grösser geworden, dicht an einander gedrängt, ja sie können zu einer grossen, an der Oberfläche höckrigen Blase confluiren.

Der Inhalt der Bläschen erhält sich durch drei bis vier Tage ziemlich hell, wasserklar, sodann trübt er sich, wird eitrig und trocknet mit den Bläschendecken zu gelbbraunen Borken ein. Darüber vergeht für jede wohl entwickelte Gruppe ein Zeitraum von acht bis zehn Tagen, und da innerhalb der ersten Woche häufig noch Nachschübe kommen, so kann auf diese Art der Gesammtverlauf auf vierzehn Tage bis vier Wochen durchschnittlich sich erstrecken. Nach Abfallen der Borken bleibt eine vollständig mit Epidermis bedeckte , für einige Zeit etwas braun pigmentirte Haut zurück.

Die Menge der Bläschengruppen ist ausserordentlich variabel. In den mässigsten Fällen findet sich blos eine ein- zige Gruppe, entweder am Austritt, oder an dem peripheren Ende des betreffenden Nerven, oder in dessen Verlauf. In mässigen Eällen sind mehrere Gruppen, sechs bis acht, in ziem- lich gleichmässiger Vertheilung im betrefi'enden Nervengebiete zu finden. In sehr intensiven Erkrankungsfällen sind nicht nur die Bläschen der einzelnen Gruppen sehr dicht gedrängt, sondern auch die letzteren selber hart aneinander gerathen, so dass das ganze Territorium fast gleichmässig mit grossen Bläs- chen besetzt erscheint, und nur an der peripheren Umrandung erkennt man aus der Configuration die Zusammensetzung aus einzelnen Gruppen.

Selbstverständlich werden in einem so gearteten Falle auch die Sclnnerzen viel intensiver sein , die begleitenden Fi eb e r er s cheinung en , sowie die ganze Ablaufsdauer viel länger sich bemessen.

Von dem hier geschilderten, an und für sich schon zwischen ziemlich bedeutenden Extremen sich bewegenden Typus des Zoster , der jedoch immerhin als normaler bezeichnet werden muss, gibt es Abweichungen in auf- und absteigender Linie, durcli welche der Zoster sich als abnorm charakterisirt.

Achtzehnte Vorlesung.

Wenn mit dem Ausbruche der Zostereruption die Pro- dromalneuralgie nicht nachlässt, sondern imGegentheil sehr vehe- ment fortbesteht oder, was ebenso geschehen kann, selbst nacli Ablaiif des Zoster die Neuralgie persistirt, ist der Krankheits- fall jedenfalls ein ungewöhnlicher. Es kann weiters der Zoster abortiv verlaufen, indem alle Gruppen nur in Knötchen bestehen und letztere gar nirgends zu Bläschen sich entwickeln, sondern alsbald wieder unter Abblättern und Abschuppen sich verlieren. Einzelne unvollkommen entwickelte Gruppen finden sich bei- nahe bei jedem Zoster, manchmal als ziemliche Spätlinge.

Eine sehr bemerkenswerthe Abnormität im Zosterverlauf wird durch den Eintritt von Hämorrhagien in den Bläschen- inhalt und die Papillarscliichte gegeben. Bei jedem inten- siven Zoster werden einzelne Efflorescenzen ,' oder alle Efflo- rescenzen einzelner Gruppen, statt wasserhellen Inhalts ein blaurothes Contentum, also Hämorrhagien zeigen. Allein solche Efflorescenzen können noch immer sammt dem hämorrhagischen Inhalt ganz gut abtrocknen. Bei dem sogenannten Zoster haemorrhagicus erscheinen dagegen die meisten Efflores- cenzen hämorrhagisch. Alsdann ist die Schmerzhaftigkeit ausser- ordentlich heftig, die betreffenden Efflorescenzen und Efflores- cenzgruppen trocknen nicht einfach ein, sondern jede Decke platzt, wird abgeschoben und es bleiben nun der Configuration der Efflorescenzen und ihren Gruppen entsprechende, verschieden tiefgreifende, mit einem durch Hämorrhagie zerwühlten Gewebs- grunde versehene Substanzverluste zurück, welche ausserordent- lich empfindlich sind und erst einen Eiterungsprocess durchzu- machen haben, bevor das zertrümmerte Gewebe abgestossen worden und es zur Ueberhäutung kommt. Selbstverständlich heilen solche Stellen nur mittelst Narben, da ja em Theil des bindegewebigen PapUlarkörpers mit zerstört worden, und kann der Verlauf eines derartigen Zoster sechs Wochen bis drei

Monate dauern.

Abnorm auch kann sich der Zoster gestalten durch seine Folgen, indem nach manchem Zoster für Monate oder selbst das ganze Leben hindurch Neuralgien oder Lähniungserschei- nungen oder Atrophie der Muskeln, Ausfallen der Haare oder Zähne, Lähmungen im Bereiche des von Zoster befa len gewesenen Territoriums zurückbleiben. So haben wir schon wiederholt nach Zoster facialis solche Neuralgien beobachtet,

Zoster.

315

Neuralgien im Bereiclie des K. maxillaris, durch welclie die Kranken sehr herunterkommen, weil sie bei jedem Versuche zu kauen oder zu sprechen einen neuen Anfall von Tic douloureux sich producirten und demnach von allen Versuchen zu essen und trinken abstehen nuissten.

Von diesen, im Allgemeinen doch seltenen, aber immerhin genügend oft beobachteten Abnormitäten abgesehen, kann man den Zoster nur als eine gutartige Krankheit bezeichnen, welche durchschnittlich mit vollständiger Heilung und ohne bleibende Veränderung der Haxit verheüt ; wie gesagt bleiben Narben nur nach Zoster haemorrhagicus zurück.

Merkwürdig ist auch , dass der Zoster in der Regel nur einmal das Individuum befällt. Von zweimaliger Erkrankung an Zoster sind ia der Literattir nur zwei Pälle angegeben, und bei diesen waren nicht beide Erkrankungen von einem und demselben Arzte beobachtet worden. Nur ich habe von einer bis nun schon neunten Recidive des Zoster bei einer und der- selben Kranken berichten können und bei derselben seither noch einen zehnten und elften abortiven Ausbruch gesehen. Allein in diesem Falle war der Zoster auch in allen anderen Rich- tungen eine so merkwürdige Ausnahme, dass dieser eine Fall die Regel nicht erschüttert, dass man vom Zoster nur einmal im Leben befallen wird.

Was die typische Halbseitigkeit der Eruption anbelangt, so kennt man seit Hebea's bezüglichen Mittheilungen schon ziemlich viele Ausnahmen , namentlich haben ich und Andere schon doppelseitigen Zoster facialis und cervico - brachiaKs gesehen und ich selbst habe noch vor einem Jahre den ersten Fall von doppelseitigem Zoster sacro-femoralis et ischiadicus beobachtet.

Was das Vorkommen des Grürtelausschlages anbelangt, so findet er sich sowohl bei jugendlichen, als bei dem reiferen Alter angehörigen Personen, selbst bei G-reisen, im Allgemeinen doch viel seltener bei Kindern.

Merkwürdigerweise zeigt sich die Gürtelkrankheit in gewissen Jahreszeiten in grösserer Zahl, gewöhnlich zu der Zeit, wo auch Lungenentzündungen und die früher geschilderten Formen von Erythemen sich in häufigen Fällen präsentiren, während in anderen Monaten manchmal gar keine oder mir sporadische Erkrankungen vorkommen.

Aclitzelinte Vorlesung.

Abgeselien von diesen mehr als begleitende Umstände zu bezeichnenden Verhältnissen können wir über die eigentliche Aetiologie des Zoster wohl zum Theil positivere Momente anführen. Als solche sind die schon früher angegebenen, als Hilmorrhagie und entzündliche Reizung constatirten Erkran- kungen der Spinalganglien und des Ganglion Gfasseri anzu- führen.

Als gelegentliche Ursachen können noch angeführt werden Neoplasmen, Krebs, Tuberculose, Eiterherde und Periostitis, entzündliche Exsudate und Entzündung überhaupt , Pleuritis, durch welche den betreifenden Erkrankungsherden nachbar- liche Nervenstämme gereizt und entzündlich aft'icirt werden. Auch nach Vergiftung von Kohlenoxydgas hat man Zoster beobachtet, sowie nach Einigen während des innerlichen Ge- brauches von Arsenik. Allein für die meisten Fälle von Zoster sind eben derartige Ursachen nicht zu eruiren und spe- ciell ist eine solche Aetiologie nicht durchwegs vereinbar mit der Erfahrung, dass eben der Gürtelausschlag nur einmal im Leben auftritt, da ja derartige Verhältnisse bei einem und demselben Menschen wiederholt sich ereignen können.

Endlich hat man noch im Gefolge von traumatischen Irri- tationen der Nerven nach Schuss , Hieb, Schlag, einem Peit- schenhieb z. B. im Bereiche des N. frontalis, Zostereruption im Bereiche des betreffenden Nerven auftreten gesehen.

Ich schliesse aber jene difPusen ßöthungen („glossy skin"), schmerzhafte Entzündungen, Bläschen und Blasenbildungen aus, welche im Verbreitungsbezirke von verletzten, von Narben oder Neoplasmen gezerrten Nerven in chronischer Weise aufzu- treten pflegen (Mitchel, Morehouse und Keen, Schieferdecker, u. m. A.) und auch oft unter dem Titel Zoster mitgetheilt worden sind; ihnen mangelt der typische Verlauf des klinischen

Manclie, nicht unwesentliche Eigenthümlichkeiten bietet der Zoster dar nach seiner besonderen

Localisation.

Nach dem, was wir über die bekannte Ursache des Zoster vorgebracht haben, speciell über die innige Beziehung desselben zu dem Kervenverlaufe, ist vorauszusetzen, dass an jeder Körper- stelle Zoster auftreten kann, da eben die allgemeine Decke

Zoster.

allenthalben mit Nerven versehen ist. Für die Analyse eines vorfindlichen Zoster in dem Sinne, dass man die Eruption in jedem Falle auf das betreffende Nervengebiet anatomisch zu reduciren vermöge, wäre es nothwendig, die peripheren Verbrei- tungsgebiete jedes einzelnen Spinal- und sensiblen G-ehirnnerven zu kennen.

Voigt hat in dieser Beziehung allerdings Ausgezeichnetes zu Tage gefördert, indem er durch die mühsamste Präparation so ziemlich die cutanen Nerven bis in ihre periphersten Endi- e-una-en blossgelegt und so die Grrenzgebiete der einzelnen Nerven bestimmt hat. Dabei hat es sich aber gezeigt, dass sowohl in der Medianlinie des Körpers, als auch an anderen Bezirken die einzelnen Hautnerven in das nachbarliche Grebiet übergreifen und eigentlich strenge Grenzen oder vollständige neutrale Zonen kaum existiren. Dazu kommt, dass auch nahe ihrem Austritt aus dem Eückenmarke zunächst die Spinal- nerven nach auf- und abwärts, sowie nach rechts und links, durch anastomatische SchKngen verbunden sind, so dass die Erkrankung des einen noch Reizung und Entzündung im Ver- laufe des nachbarlichen oder entgegengesetzten Nerven zur Folge haben kann; abgesehen davon, dass, wie bei doppelsei- tio-em Zoster, sicherlich von einem im ßückenniarke selbst befindlichen Krankheitsherde die Reizung nach beiden Seiten ausstrahlen mag.

Wegen der vielfachen Anastomosen zwischen den Zweigen des Trigeminus, Facialis und den oberen Halsnerven ist darum auch der Zoster facialis in Bezug auf das betroffene Ner- vengebiet der allervariabelste.

So tritt der Zoster facialis sehr häufig auf als Zoster frontalis, entsprechend der Ausbreitung des Ramus frontalis des ersten Astes. Es erscheinen mit einer scharfen Begren- zung nach der Medianliaiie dichtgedrängte Bläschengruppen über der einen Stirnhälfte , entsprechend der Ausbreitung des N. supraorbitalis , welcher vom Foramen supraorbitale austritt, am oberen Augenlid und bis zum Scheitel; ebenso bis zum Augenwinkel sich ausbreitende Efflorescenzen, dem N. supra- trochlearis entsprechend. Sehr oft ist dieser Zoster ein hämor- rhagischer. In Folge der Mitbetheiligung des R. ethmoidalis und infratroclilearis vom Nervus nasalis pflegt auch Schwellung der Nasenschleimhallt, Eruption auf der betreffenden Hälfte

3][g Achtzehnte Vorlesung.

des Nasenrückens bis zur Nasenspitze vorhanden zu sein. Fer- ners können bei weiterer Ausbreitung durch Betlieiligung des Zygoniaticus und Lacrymalis die nachbarliclie Partie der Schläfe der Sitz einer Erviption werden. In einer solchen Ausbreitung stellt er eben den Zoster ophthalmicus dar.

Er gehört zu den schmerzhaftesten und wird unter Um- ständen lebensgefährlich, ja kann zum Tode führen. Zunächst wird durch Betheiligung des ßamus ciliaris und der Radix longa ganglii ciliaris Injection der Ciliargefässe, ja Iritis auf- treten können ; in Folge Affection des R. Iacr3nnalis entzündliche Erscheinung der Conjunctiva, Greschwüre auf der Cornea, ja Xerosis der Hornhaut. Die neuralgischen Schmerzen, Licht- scheu sind in solchen Fällen ausserordentlich heftig. Endlich kann es, wie in dem Falle von Wyss, zu Plilebitis \\m und innerhalb des Bulbus, zu Panophthalmitis und durch Fort- setzung der Phlebitis in die Schädelhöhle zu Pyämie , Menin- gitis und zum Tode kommen.

Eine zweite Localisationsform des Zoster facialis ist die- jenige, welche ihren Hauptsitz auf der Wange aufschlägt und den Verästlungen des R. maxillaris superior entspricht mit auslaufenden Gruppen gegen den Nasenflügel und am unteren AugenUde, welche vom R. infraorbitalis, dem Endausläufer des Oberkiefernerven, versorgt werden. Gleichzeitig können im Bereiche der Wangen , Gaumen und Rachenschleimhaut der betreffenden Seite theils diffase schmerzhafte Röthungen, theils Efflorescenzgruppen von ephemerer Dauer auftreten durch Be- theiligung der R. palatini und pharyngei. Nicht selten sind bedeutende Schlingbeschwerden, heftige Zahnschmerzen die Folge der Affection , ja es kann dauernd oder für längere Zeit Läh- mung des betreffenden Gaumensegeltheiles zurückbleiben. Ebenso sind nachträglich andauernde neuralgische Zahnschmerzen, Aus- fallen der Zähne und Atrophie des Alveolfortsatzes als Folge der Erkrankung im Bereiche des N. alveolaris posticus beob- achtet worden.

In das Bereich des dritten Astes des fünften Paares, des Maxillaris inferior, fällt ein Zoster, der liauptsächUch dem Ramus inferior desselben entspricht, welcher vorwiegend sensi- tive Fasern führt. So treten Bläschengruppen auf an der vorderen Partie der Ohrmuschel und der angrenzenden Schlafe, im äusseren Gehörgang bis zum Trommelfell (N. aunculans

Zoster.

319

anterior) ; ferners Eruptionen im Bereiche des Kinnwinkels dem II. mentalis entsprechend , und Reizungszustände , bisweilen Epithelialabsehürfungen, auf der betreifenden Seite der Znnge, entsprechend dem N. lingualis.

Es können aber auch noch an der hinteren Fläche der Ohrmuschel ein paar Gruppen auftreten, entsprechend dem N. aiu'icularis posterior vom Facialis, sowie im Bereiche der Schläfe, der Jochgegend, der Wangen, des Unterkiefers xmä der oberen vorderen Halsgegend durch die Betheiligung der Rami tempo- rales, zygamatici, buccales und der mit dem Mentalis zu einem Plexus sich vereinigenden R. maxillares und subcutanei colli snperiores.

Es kann die Ausdehnung des Gresichtszoster noch grösser werden durch Einbeziehung jener Grebiete , welche von den oberen Halsnerven versorgt werden, nämlich vom N. occipitalis magnus , welcher am Nacken und an der Hinterfläche der Ohr- muschel sich ausbreitet und vom dritten Halsnerven entspringt.

Häufig erscheinen in dem beschriebenen Gebiete des Ge- sichtes nur ganz vereinzelte Zostergruppen. Ein anderes Mal kann das ganze beschriebene Gebiet der Sitz des Zoster sein, entweder mit einer beinahe confluirenden , dicht gedrängten Gruppenbildung hämorrhagischer Efflorescenzen, oder mit disse- minirten , normal entwickelten Bläschen, worunter auch viele Gruppen mit abortiv sich rückbildenden Knötchen. Seltener ist schon eine gleichzeitige Eruption am Hinterhaupt und Nacken, also eine Betheiligung der Ansa cervicalis von den ersten drei Halsnerven (Zoster occipito-collaris). Endlich am seltensten, aber doch schon wiederholt gesehen, ein doppel- seitiger Zoster facialis, wie ihn zu allererst Hebra be- schrieben und in seinem Atlas abgebildet hat.

Beim Zoster occipito-collaris finden sich ausser den Gruppen im Bereiche des Hinterhauptes, vom Occipitalis major und minor noch entsprechend dem Auricularis magnus Gruppen an der hinteren Fläche der Ohrmuschel, am Ohrläppchen, an der hinteren Fläche des Gehörganges, endlich noch nach vorne gegen die Medianlinie des Halses und unter dem Kinn hin- streichend, Gruppen entsprechend dem R. subcutaneus colli aus den oberen Cervicalnerven.

Beim Zoster cervico-subclavicularis beginnt die Eru])tion am Nacken , an der Grenze des behaarten Kopfes,

g20 AclitKohnte Vorlesung.

steigt an der Seite des Halses nach abwärts nnd aussen zui- Scliulter, xon da nach vorne über die Haut zwischen Clavicula nnd Brustwarze nnd einen Theil des Halses oberhalb der Clavicula. Die Verbreitung ents])richt dem des vierten Cervi- calnerven. der N. subclaviculares und der aufsteigenden Nacken-

nerven.

Der Zoster cer vico-brachialis geht aus einer Er- krankung im Bereiche des Plexus brachialis hervor, welcher aus einer Vereinigung der vorderen Aeste der vier unteren Hais- und des ersten und zweiten Brustnerven gebildet wird.

Es entstammen aus diesem Nervengeflechte Hantäste für den Nacken nnd die Schulter, von dem zum Plexus gehörenden ersten und zweiten Brustnerven gehen Hautäste zum hinteren und inneren Theile des Oberarmes und einige Hautäste für den vorderen TheU der Brust im Bereiche der ersten und zweiten Rippe ab. Ein solcher Zoster erstreckt sich sowohl an der Streck- als Beugeseite des Armes verschieden tief nach abwärts, manchmal am Vorderarm bis zum kleinen Finger herab, nebst Gruppen im Bereiche der ersten und zweiten Rippe bis zum Sternum. Es kann aber durch gleichzeitige Betheilignng der mit dem Plexus verbundenen mittleren Halsnerven eine Erup- tion im Bereiche des Nackens bis zum Hinterhaupt und auch m der Schultergegend stattfinden, letzteres entsprechend dem N.

cutaneus brachii superior.

Ich habe einmal einen dopp eltseitigen Zoster occi-

pito-collaro-brachialis mit bis an die Fingerspitzen und zur

Hohlhand sich fortsetzenden Bläschen gesehen.

Beim Zoster pectoralis kommt der Nerventypus der

Erkrankung am schönsten zur Ansicht.

Ein ieder Rückennerv theilt sich sofort nach dem Aus- tritt in einen hinteren und vorderen Ast. Der hintere Ast durchbohrt die Rückenmuskelschichten, zum Theil diese ver- sorgend, und schickt Hautäste in die Nachbarschaft der Medianlinie. Der vordere Zweig, als N. intercostahs nach vorne laufend, theilt sich in einen Ramus externus und intea-nus^ Der erstere durchbohrt die Intercostalmuskeln versorgt d Haut der seitlichen Rückengegend nnd läuft als Hautast nach vorne bis zur Medianlinie in der Brustgegend, die Nerv, cmtan^ pectorales , am Unterleib die N. cutanei abdonuna es bildend. ^ Der Z. pectoralis präsentirt sich nun einmal als eine, von

Zoster.

321

der "Wirbelsäule bis zur vorderen Medianlinie des Stammes fortlaufende üeilie von Bläschengruppen , die die Breite von ein bis drei Intercostalräumen einnelimen können. Nicht selten confluiren die GrrupiDen. Sie sind oft zum Theil , oder auch alle- sammt hämorrhagisch, in welchem Falle derselbe ausserordent- lich schmerzhaft ist und selbstverständlich mit Eiterung und Narbenbildung, oft erst nach drei Monate langem Verlaufe heilt. Ein anderes Mal findet sich nur eine sehr beschränkte Zahl von Gruppen, z. B. eine in der Nähe der Wirbelsäule, eine seit- liche, entsprechend dem Austritte des ß. externus und eine am peripheren Ende, in der vorderen Medianlinie. Oder es findet sich ttberhaiipt nur eine Gruppe. Die Endgruppen am Rücken sowohl wie in der vorderen Medianlinie überschreiten die mittlere Grenze in der ßegel um Etwas.

Der Z. pectoraKs ist sehr häufig von einer Prodromal- neuralgie eingeleitet. Es sind Fälle bekannt, in welchen Jahre lange Intercostalneuralgie dem Zoster vorangegangen sind. Mit pleuritischer Reizung complicirt, oder von einer Pleuritis ange- regt, oder von Caries oder Ejrebs der Wirbel, ist schon öfters Zoster pectoralis beobachtet worden. Ebenso ist während des Bestandes des Zoster Seitenstechen, Athembeklemmung gewöhn- lich vorhanden, und endlich bleibt nach Zoster pectoralis auch die Neuralgie öfters zurück.

lieber den Zoster do r s o- a b d o minalis und Z. lumb o- inguinalis ist nicht viel mehr zu sagen, als sein Name selbst bedeutet; nur ist zu bemerken, dass die hinteren Aeste der Lumbalnerven zur Haut des Gesässes und an die äussere Seite des Oberschenkels, bis zum Trochanter, Zweige abgeben und dem- nach vom Kreuzbein nach dem Trochanter hin über den Glu- taeis ebenfalls Gruppen von Zoster vorkommen, sowie am Möns veneris, der Leistengegend und am Scrotum, entsprechend dem Beo-inguinalis und scrotalis.

Der Z. lumbo-femoralis entspricht einer Erkrankung des zweiten bis vierten Lendennerven und es erscheint die Erup- tion über dem Lumbal- und Sacraltheil der Wirbelsäule, dem Gesäss, der vorderen Fläche des Oberschenkels an seiner äusseren und imieren Fläche bis zum Knie Lerab und der Wade entlang, sowie am Scrotum und an der grossen Schamlippe, ent- sprechend dem N. cataneus anterior externus femoris, dem Ge-

Kaposi, Hautkrankheiten. Ol

gpc, Achtzehnte Vorlesung.

nito-cruralis, dem sensitiven Ast des N. obtnratorius nnd dem Cutanens medins mu\ saplienns vom Crnralis.

Der Z. sacro-ischiadicns nnd s acro-genitalis bestellt ans Ernptionen im Bereiche des Gesässes des Kreuz- beins, des Perineum, der hinteren Eläcbe des Hodensackes, der Aftergegend, der Schamlippen und am Scheideneingang. Die letzteren Localisatioiien , sowie eine Eruption auf dem Rücken des Penis, entsprechen dem N. pudendus , Eruptionen im Bereiche des Trochanter und des Tuber ischu dem N. cutaneus posterior magnus, während der Iscliiadkus am Ober- schenkel gar keine, und nur am Unterschenkel mittelst des Pero- naeus für Fussrücken und Fnsssohle Hautäste abgibt und dem- nach auch einem dort localisirten Zoster entspricht.

Bezüglich der AfPection im Bereiche des N. pudendus kann ich die interessante Thatsache mittheüen, dass ich wieder- holt auch am Penis nnd Scrotum einen genau m der ]\Iedian- linie des Penis begrenzten Zoster gesehen habe. _

Die anatomischen Veränderungen bei Zoster beziehen sich einestheils auf die bei demselben betheiHgten Nerven, anderntheils auf die Bläscheheruption. Bezüglich der ersteren habe ich bereits die Art der Ganglienerkrankung dargestellt fna^ 309 Eig. 19-21). Ueber Veränderungen der Nerven selbst liegt nichts Entscheidendes vor (BlBENSPEUKa, Weidner ti. A.). Der Fund von Haight einer entzündlichen ZeUenmfiltration vmi eine Nervenfaser der tieferen Hautschichten kann bei ieder Hautentzündung gemacht werden und ist dem Zoster 'ebensowenig eigenthümlich, wie das Fehlen des Achsencylin- ders in einer oder der anderen Nervenfaser.

Was die Veränderungen in der Haut anbelangt so sind sie die schon für die Büdung entzündlicher Bläschen bekann en wie ich für das Erythema vesiculosum geschildert habe. (Fig. 180 HAxanx hat sie noch besonders studirt. Es ist a"i,i^^^^ formen, also auch dem Zoster eigenthümlich dass ^1- B a chen in den tieferen Schichten des Rete entstehen, so dass_ clre ZeUen des letzteren zu einem Fachwerke auseinander gedrangt erscheinen, dessen Räume ^on ¥i}^vingevn^nsdr. , ^e^^^^^ Exsudatzellen (Wanderzellen) erfüllt sind. ^J^^^^^^^^^^ Panillen sowie des Coriums ist ebenfalls von Exsudatzeiien !Äser Infiltration betroffen, die Gefässe_ sind erwei^^% die Maschenrämne des Bindegewebes geräumiger. Je mten

Zoster.

323

siver die örtKclie Entzündung , desto tiefer reicht anch die Zelleninfiltration iind Exsudation längs der Gefässe, vind desto o-rösser die Bläschen, desto mehr ist auch ihr Fachwerk ent- wickelt. Bei hämorrhagischen Formen wird durch den Blut- austritt in die Papillen und oberen Coriumschichten ein Theil des Bindegewebes mechanisch zertrümmert und ein Substanz- verlust gesetzt, der erst auf dem Wege der Eiterung und Narbenbildung heilt. Bei den gewöhnlichen Bläschen wird nur ein Theil des Rete abgehoben. Ueber den unversehrten und zum Theil noch mit unversehrten Zellen besetzten Papillen bildet sich normale Epidermis, durch welche die eintrocknende Bläschenmasse, die Borke, abgehoben wird und die Heilung

erfolgt ohne Narbe.

Bezüglich der Diagnose verweise ich auf die geschil- derten Symptome des Zoster , bei deren Berücksichtigimg selbst ein abortiver oder rudimentärer Zoster noch leicht zu erkennen ist. Ebenso finden sich in der geschilderten Symptomatologie aUe Anhaltspunkte für die Prognose, die darnach im All- gemeinen günstig ist.

Was die Behandlung des Zoster betrifft, so sind wir weit entfernt davon einen seiner ganzen Natur nach so typisch angelegten Krankheitsprocess irgendwie beeinflussen oder ab- kürzen zu können; was wir zu leisten berufen oder befähigt sind, beschränkt sich auf die Bekämpfung der vorhandenen lästigen Symptome.

Am günstigsten und mit der geringsten Belästigung ver- laiift der Zoster, wenn die Bläschendecken erhalten bleiben und die Efflorescenzen eintrocknen. Aus dem Grunde ist davon abzurathen, dass man allenfalls zur Bekämpfung der Empfin- dimg von Brennen kalte oder warme Umschläge applicire, weil durch die"selben die Epidermisdecke macerirt wird; die ihrer Decke beraubten EruptionssteUen schmerzen alsdann ausser- ordentlich, weil der Papillarkörper nackt, oder von einer geringen Schichte Epithels bedeckt, zu Tage liegt. Am besten ist es um diese Zeit der schmerzhaften Empfindung mit Einstreuen von Amyliim, mit oder ohne etwas Opiumpulver zu begegnen; dadurch wird sowohl das Eintrocknen beschleunigt, als auch verhütet, dass die Leibwäsche die Bläschen reibt und zerstört und an nässende Stellen anklebt. Wenn jedoch die Bläschen durch übermässige Füllung, bei intensiverer Steige-

21*

324

Achtzelinte Vorlesung.

ruiig des Processes, xilatzen und auf diese Weise ausgedehnte wunde Stellen blossgelegt werden , oder wenn , wie bei Zoster luiemorrliagicus auf alle Fälle, ausgedehnte eiternde Wund- fläclien sicli präsentiren, dann wird man am besten die Wunden mit indifferenten Fetten und Salben bedecken, aber nicht Un- guentum diachyli, welches ebenfalls selir heftig brennt, sondern Unguentum simplex, Ceratum simplex, einer Salbe von Gera flava und Oleum olivarum 1 : 3, welcher etwas Extractum Bella- donnae oder Extractum Opii aquosum (0,5 auf 50,0 Unguent.)

zugefügt wird.

Heftige Neuralgien, sowohl des Prodromal- als Verlaufs- stadiums, sowie intensive diffusse Schmerzen im Bereiche des Erkrankungsherdes , und die häufig zu beobachtende Schlaflosig- keit während der ganzen Eruptionszeit bekämpft man mit sub- cutanen Morphiuminjectionen , innerlicher Verabreichimg von Chloralhydrat , Opiaten oder örtlicher Application von Opiat- pflastern, z. B. Emplastrum de Meliloto oder Cicutae supra linteum extens. 25,0 insperge cum pulvere laudani 2,0.

Doch wird man von all dem oft genug in Stich gelassen, und der Nachlass der Schmerzen, sowie der beruhigende Schlaf stellen sich erst mit dem Beginne des Desiccationsstadiums em.

Eine schwer zu lösende Aufgabe für die Therapie bietet die nach Zoster zuweilen zurückbleibende Neuralgie. Abge- sehen von der gegen derartige Affectionen im Allgemeinen üblichen endermatischen und subcutanen Anwendung von Nar- coticis, kann man bei typischer Form der Neuralgie von Chinin und, wie mir einmal gelungen, von der methodischen Anwen- dung von Solutio Fowleri Erleichterung oder Heüuug erlangen.

Man begimit mit 6 Tropfen de die in 25,0 Aqua foeni- culi oder aiiisi, auf dreimal des Tages zu gebrauchen, und steigt jeden dritten Tag um je 2 Tropfen der Tinctur bis auf etwa 30—40 Tropfen de die. Bei merklicher Besserung, oder beim Eintritt von Magendrücken, Diarrhoe geht man stufenweise auf 15—12 Tropfen herab.

Neimzelinte Yoiiesmig.

Herpes Jabialis, Herpes progenitalis, Herpes Iris et circinatus. Miliaria rubra , alba et crystallina. Pemphigus acutus.

Nacli der eingelienden Sdiildening des Herpes Zoster kann icli micli bezüglicli der anderen Herpesformen und acuten Plilyctänosen etwas kürzer fassen.

Herpes labialis.

Als Herpes labialis, oder nach Hebra besser H. facialis, bezeichnet man die bekannte Erkrankiuigsform, bei welcher im Bereiche der Lippe , der Nasenflügel , in der Um- gebung des Mimdes, in acuter Weise, eine bis mehrere Bläschen- gruppen auftauchen.

Hire Entwicklung und die erste Zeit ihres Bestandes ist ebenfalls mit der Empfindung von Brennen verbimden. Die Bläschen bestehen ein bis drei Tage , worauf sie eintrocknen und die Borken abfallen. Bisweilen finden sich analoge Er- krankungsherde im Bereiche der Wangenschleimhaut und des weichen und harten Graumens , der Zunge. Das Epiithel wird an einzelnen oder gruppirten Punkten grau getrübt , abge- stossen, worauf die betrefi'enden Stellen roth und für einige Tage empfindlich zurückbleiben. Schlingbeschwerden , Belästigung beim Sprechen und Kauen sind begleitende Erscheinungen. Es ist bekannt, dass dieser Herpes im Verlaufe von ephemeren und überhaupt acuten fieberhaften Erkrankungen, Schnupfen, Pneiimonie, Typhus, also bei vollständig geringfügigen, sowie auch bei intensiven Erkrankungen aufzutreten pflegt. (Hydroa febrilis). Dass das Erscheinen von Herpes labialis s. facialis eine günstige Bedeutung für den Verlauf des Processes habe, als dessen Begleiter er sich eingefunden , wird von keinem

g2ß Neunzehnte Vorlesung.

Unbefangenen geglaubt, da derselbe aucb während eines letal endigenden Typlius erscheinen kann.

AA^ir sind überhaupt nicht in der Lage über die Ursache dieses merkwürdigen Processes etwas aussagen zu können. BAUENSPRUNG hat zwar die Meintuig geäussert, dass der Herpes facialis einen gewissermassen auf die aUerperiphersten ^erven- zweige des Trigeminus beschränkten Zoster darstelle, dessen Ursache vielleicht in der Reizung eines peripher eingestreuten Gano'lions z. B. des Ganglion incisivum, läge. Allem er feÄ diese Meinung nicht bezüglich alW in der Eor. von Herpes labialis auftretenden Eruptionen auirecht. Diesei Tterscheidet sich auch vom Zoster noch dadurch, dass desseii Gruppen meist zu beiden Seiten der Medianlinie unregelmassig "nem einzelnen Nervenaste entsprechend, situirt sind, das :^^iX^olt ein und dasselbe Individuum befaUen kann so oft eben, als eine fieberhafte Erkrankung zu demselben Vei- "lassin; .ibt. Gbkhabbt dagegen mehit, dass er vielleicht ^rEelring der in Knochencanälen vei4aufenden Trig_ Aest V ranlasst würde, welche von Seite der sie begleitenden icf iin Fieberzustaiide stark gefüllten Blutgefässchen einen Druck zu erfahren hätten.

Herpes praeputialis s. progenitalis.

Man bezeichnet so eiaie acute Eruption »f^«'!™- .ru Jen der männlichen oder weibUchen 6 e s oh 1 e c h t s t he xl . Ändort ist die Vorhaut des .nännUchenGhedes, d.e Iv«. -

urche und das angrenzende »-^J^^^J^^. liehen Individuen das Praepuüum chtonis, '^^^^^^^^^^^^ Uppen und allenfaUs noch die angrenzenden Theile der

^nnttÄÄ^^^^

an den genannten Oertlichkeiten ein tas mehrere G upp« miliarer, bis stecknadelkopfgrosser oder «twa« /''^^f dxen aui geröthetem oder geschwelltem 0 -

dabei ziemlich bedeutend un^ erstreckt s sehr^^^ die Umgebung, so dass dre Vorh ^^^.^^^

t^rten, dicken Y^'^J^'^'l^j*' ~ ,3 „ieht selten nach Ber- geschwoUen ersohemen. Dabei pnCoi stun" des Epithels auch zu Aussickern von bei um zu uml^zu hegieitender katarrhalisclier Seeretion von de, Hain

Herpes progenitalis.

327

rölu-enschleimhaut und der Vagina. Aucli im vordersten Theile der männlichen Urethra kann ein analoger Entzündungsherd sich bilden mit der Erscheinung von eitrig-serösem Ausfluss und Brennen beim Urinlassen.

Nach zwei- bis dreitägigem Bestände trocknen die Bläs- chen zu Börkchen ein, und nach abermals so vielen Tagen sind diese Börkchen abgefaUen iind die EruptionssteUen ver- heüt. Wie beim Zoster können auch beim Herpes progenitaHs einzelne, oder aUe Bläschen hämorrhagischen Inhalt bekommen. Alsdann wird nach Bersten der Bläschendecken, in Folge hämor- rhao-ischer Zertrümmerung der obersten PapiUarschichte, Eite- rung eintreten , welche zehn bis vierzehn Tage anhält und nach Abslossung des zertrümmerten Gewebes zur Narbenbildiing führt.

Die Diagnose dieses Uebels ist im Allgemeinen ziem- Hch leicht, da ''die Bläschengruppen, auch wenn die einzelnen Efflorescenzen zu einem pfennig- bis kreuzergrossen Plaque con- fluirt sind, an dem kerbigen Aussehen des Randes die Zusammen- setzung aus einzelnen Bläschen, und somit ihren Charakter als Herpes erkennen lassen. Nur wenn durch mechanische Ein- flüsse, Kratzen, Ankleben der Leibwäsche oder bedeutende Exsudatmenge und Hämorrhagie die Bläschendecken entfernt worden sind und ein gelblich belegtes, oder hämorrhagisch gefärbtes Gewebsstratum zu Tage liegt, oder auch im^ Stadium der Krustenbildimg, wenn unter der Kruste etwas eitrig gewor- denes Secret abgesperrt worden ist, wäre primo intuitu die AfFection von einem beginnenden Schanker, oder überhatipt einer specifischen PrimärafPection nicht leicht zu unterscheiden. Wenn es namentlich constatirt ist, dass das Individuum innerhalb des entsprechenden Zeitraumes, das ist ad maximum einer Woche, durch einen Cöitus sich der Gelegenheit einer Ansteckung aus- gesetzt hat, muss man sein Urtheü in Schwebe lassen. Denn auch bei zweifelloser Anwesenheit eines Herpes könnte doch noch gleichzeitig eine Ansteckung erfolgt sein, deren Wirkung sich erst im weiteren A^erlaufe sub forma eines Schanker- geschwüres, oder einer Induration, kundgeben würde. Von dieser Möglichkeit nun abgesehen, verläuft der Herpes progenitalis immer als acute Krankheit und gestattet demnach immer eine günstige Prognose.

Eigenthümlich ist die häufige Wiederkehr des Herpes progenitalis. Es gibt Individuen, namentlich männliche, welche

328

Neunzehnte Vorlesung.

im Laufe des Jahres mehreremals von einem solchen befallen werden. Viele Kranke geben ganz bestimmt an, dass sie jedes- mal nach einem Coitiis auf eine Herpeseruption gefasst sein müssen. Es lässt sich schwer sagen, inwieferne diese Angabe begründet ist. Es würde dies eiae mechanische Ursache der Entstehung des Herpes voraussetzen. Uebrigens sind wir selber auch nicht in der Lage eine Ursache überhaupt anzugeben. Bärenspkung hat auch diesen Herpes als eine Art peripheren Zoster genitalis angesehen. Es ist zu bemerken, dass entgegen von Zoster, bei H. progenitalis die Bläschengriippen keineswegs auf die eine Hälfte des Grliedes beschränkt, sondern ganz unregel- mässig situirt sind, ebenso wie die häufige "Wiederkehr des H. progenitalis im Gegensatze steht zur regelmässigen Einmalig- keit des Zoster.

Was die Therapie anbelangt, so wird bei dem typischen, acuten Verlauf selbstverständlich keine eingreifende Behand- lung nothwendig sein. Man beschränkt sich durch Einstreuen von Amylum, und namentlich durch Einlegen von in Amylum eingetauchter Charpie, oder Baumwolle, zwischen Vorhaut und Grlans und in die Labialfurchen die Empfindung des Brennens zu mildern, der Maceration der Bläschen vorzubeugen und ihre Eintrocknung zu begünstigen. Im Falle der Blosslegung der Herpesstellen und ihrer Eiterung wird man indifferente Deck- mittel, durch welche die Krustenbildung verhütet wird, Ceratum simplex, Emplastrum domesticum, anwenden.

Herpes Iris et circinatus.

Unter den acuten Bläschenausschlägen wird gewöhnlich auch Herpes Iris und circinatus als besondere Eruptions- art angeführt. Man versteht unter dieser Bezeichnung eine acute Bläscheneruption , welche die bekannte Grestalt von Iris , das sind concentrischer Kreise, oder nur eines Kreises, d. i. circinatus, darbietet.

Die Irisform entsteht derart, dass ein Bläschen auftaucht und während dieses nach ein- bis zweitägigem Bestände eben einzusinken beginnt, ringsum auf der peripher fortgeschrittenen Eöthung der Haut ein neuer Bläschenkranz imd sofort auch ein zweiter auftritt. Hat das centrale Bläschen sich voll- ständig involvirt, so bleibt nur der äussere Bläschenkranz

Herpes Iris et circinatus.

329

zurück, welclier eine geröthete oder bereits pigmentirte Haut- steile einschliesst , und man liat dann den Herpes circinatus-

Die Bläschen des Herpes Iris und circinatus sind Steck- nadelkopf- bis erbsengross, wobei gewöhnlich derselben Gruppe angehörige Bläschen von gleicher Grrösse zu sein pflegen. Zu- weilen confluiren die centralen mit den peripheren zu einem continuirlichen Blasenringe, welcher nur durch sein gekerbtes Ansehen die Entstehung aus einzelnen Bläschen erkennen lässt. Die Bläschen fühlen sich in der ßegel sehr derb an, weil sie durch seröse Exsudation in die Papillarschichte und Anfquel- lung der tiefen Schichte des Rete gebildet sind. Darum platzen sie auch sehr selten und ist daher auch fast niemals Nässen oder Krustenbildtmg bei denselben zu beobachten. Sie invol- viren sich im Gregentheile in der Regel nach acht- bis zehn- tägigem Bestände durch Resorption ilires Inhaltes und hinter- lassen etwas Pigmentirung, nur selten auch Schuppung.

Wenn ich Ihnen über die Bedeutung des Herpes Iris et circinatus etwas Bestimmtes sagen soll, linde ich mich in sehr grosser Verlegenheit. Sie werden sich erinnern , dass wir eigentlich von demselben schon gesprochen haben , und zwar bei Gelegenheit des Erythema Iris und circinatum. In der That haben wir auch alle Veranlassung, diese beiden Processe mit einander zu indentificiren (Hebea, Köbner). Zunächst erscheint derselbe in der schon früher (pag. 279) geschilderten Combination mit Erythema Iris und circinatum , aber auch in der reinen Herpesform in derselben typischen Localisation am Hand- und Eussrücken, mit dem gleichen typischen Verlauf binnen zwei bis drei, Wochen, dem Typus annuus , kurz ganz mit dem Charakter des Erythema multiforme.

Es hat eine Zeit gegeben, wo man den Herpes circinatus als Formation einer Pilzkrankheit , unseres heutigen Herpes tonsurans, angesehen hat. Das war vor Allem bei Batemann der Eall, welcher denselben als Porrigo scutulata angeführt und abgebildet hat, und ebenso später noch bei den Franzosen, namentlich Cazenave. Ich habe erst in der jüngsten Zeit bei einem sechszehnjährigen Schneiderlehrling und bei einem zwölf- jährigen Mädchen auf dem Rückeü der linken Hand zwischen Daumen und Zeigefinger und dann wieder am Vorderarme eines Kindes einen thalergrosseu Doppelkreis von sehr derben, zwei Linien hohen, zu einem gekerbten Ring confluirenden Bläschen

rjQQ Neunzehnte Vorlesung.

gesehen, während noch sonst auf dem Handrücken zerstreut mehrere miliare isolirte Bläschen zu sehen waren. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich ein reichliches Geflecht von Pilzfäden innerhalb der ßetezellen, so dass in allen diesen Fällen an der Pilznatiu' der AfPection, die unter dem Bilde des Herpes circinatus vorlag, nicht zu zweifeln war.

Sie sehen, meine Herren, wie schwer die Entscheidung in dieser Frage ist, da man zur Schöpfung des Urtheüs erst emer genauen mikroskopischen Untersuchung bedarf. Ich mochte Ihnen rathen , die Sache so zu nehmen. Wenn beim Herpes Iris und circinatus der Typus des Erythema exsudatnnim sich manifestirt, dass nämlich beide Hand- und Pussrücken den Ausgangspunkt, die erste und hauptsächlichste Localisation, für den Herpes abgeben, dann wollen wir ihn eben mit dem Erythem identificiren. Wenn derselbe dagegen an irgend emer anderen KörpersteUe, z. B. im Gesichte, auf der Wange oder 'asymmetrisch, nur auf einer Hand sich darbietet, dann dürfte 1 die Vermuthung, dass man es mit einem Herpes tonsurans, das ist einer ansteckenden und durch einen Pilz bedingten Ivrank- 1 heit, zu thun habe, gerechtfertigt sein und durch die mikro- ' skop'ische Untersuchung sich beweisen lassen.

Wenn wir hiemit schon in eine Art Dif f er entialdia- n 0 s e gerathen sind, muss ich noch eiues Umstandes gedenken, dass nämlich auch eine chronische, sehr gefährHche dui'ch Blasenbildung charakterisirte Hautkrankheit, Pemphigus, und zwar die gefährlichste Form desselben, der Pemphigus foliaceus, mit der Bildung cir ciliarer und irisförmiger Blasen zu debutiren pflegt. In .diesem FaUe ist aUerdings ^e Dia- gnose pro momeiito gar nicht zu machen. Erst im Verlaufe von sechs bis acht Wochen wird der Charakter der Krankheit klar werden, indem der Herpes Iris et circinatus m der Eegel, nach einer Eruptionszeit von zwei Wochen, binnen abermals so langer Zeit sich voUständig involvirt und nur selten m^u-ere Wochen persistii^t, während bei Pemphigus nach vielen Wochen noch neue Blasen erscheinen und der Process sich als chronisch

™'es versteht sich von- selbst, dass die Behandlung eines Herpes Iris und circinatus, in Anbetracht seines acuten und typischen Verlaufes eine indifferente sem wird und nui bei heftio-en und entzündlichen Erscheimmgen , im Falle gros-

Miliaria.

331

serer Blasenbildung ; oder wenn, wie bei Erythem, auch Gelenks- affectionen sich dazugesellen, man von kalten Umsclüägen u. s. w. Gebrauch machen wird.

Miliaria, Friesel.

Unter die acuten Bläschenausschläge gehört auch die Miliaria, der sogenannte Frieselausschlag, welcher in der Pathologie der früheren Zeit eüae grosse EoUe gespielt hat, indem man sogar von J^üliaria-Epidemien zu wiederholten Malen berichtet hat (ital. Migliaria).

Man führt dreierlei Arten von Miliaria an: 1. M. rubra, 2. M. alba, 3. M. crystallina.

Als MiUaria rubra bezeichnet man eine in acuter \\ eise, und in der Regel unter profusen Schweissen über den Stamm und die Extremitäten auftretende , dicht gedrängte Eruption von hirsekorngrossen, rothen, an ihrer Spitze etwas klare Flüssig- keit bergenden, also kleine Bläschen mit rother Basis darstel- lenden Efflorescenzen. Wenn die Epidermisdecke derselben mace- rirt, aufgelockert und der Inhalt trübe wird, so erscheinen die Bläschen opalescirend und man hat dann die zweite Art, Mi- liaria alba. T\fl- Hebra hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese Mi- liariaform die Bedeutung eines durch Schweiss bedingten Ex- anthems hat, und demnach eigentlich den Namen Eczema Sudamen oder Sud am ina verdient (prickly heat engl, Calori der Ita- liener). Häight hat einen belehrenden mikroskopischen Dui'ch- schnitt eines MUiariabläschens abgebildet. Es zeigt sich da die Hornschichte allein über einer Schweissdrüsenmündung als Bläschendecke abgehoben. Man begegnet dem Ausschlag sehr häufig in den heissen Sommertagen , bei Personen, welche in starken Schweiss gerathen waren. Man kann sich überzeugen, dass man es nur mit einem leichten Grade von durch Schweiss bedingtem Eczem zu thun hat , weil bei Andauer der maceri- renden und irritirenden Schweisse, des Kratzens in Eolge des Juckens, der Ausschlag wirklich zu nässendem Eczem sich steigert. Wenn dagegen die genannten Reize ferne gehalten werden, involviren sich dieselben unter Abschiebung der Bläschen- . decken, das ist geringer Schuppung.

Dem entsprechend kann man auch die MiKaria rubra und alba in Begleitung fieberhafter Krankheiten sehr häufig beob-

332

Neunzehnte Vorlesung.

achten. Ihrer Entwickliing geht selir oft eine Empfindung von Stechen, wie mit Nadelstichen, in der Haut voran. Nach erfolgter Eruption dagegen ist es das Jucken , vs^elches die Kranken belästigt.

Man hat aber mit Rücksicht auf diese Erscheinungen und den erwähnten anatomischen Befund von Haight alle Ur- sache, die Bläschen nicht durch den irritirenden Einfluss des schon auf die Hautoberfläche ausgetretenen Schweisses zu betrachten, sondern als Effect der Ansammlung des Schweisses zwischen den die Schweissdrüsenmündung ausfüllenden Epider- mislagen.

Dagegen gebührt der Miliaria crystallina unzweifel- haft die Bedeutung eines eigenthünilichen Hautexanthems, sowohl nach seinem klinischen Charakter, als nach seinem ätiologischen Momente. Die Bläschen der M. crystallina stellen grieskorn- grosse, wasserklare, blasse, thautr opf enähnliche, oft mit dem Finger deutlicher als mit dem Gresichte wahrnehmbare Efflo- rescenzen dar , welche sowohl am Stamm , namentlich auf der Brust , am Unterleib , an der seitlichen Thoraxgegend , aber ebenso gut an den Beugeflächen der Extremitäten, am Halse, in grosser Menge sich vorfinden.

Sie bestehen mehrere Tage, bis eine und mehrere "Wochen, je nach den Verhältnissen, unter welchen sie aufgetreten sind. Ihr Lahalt reagirt schwach alkalisch, nie sauer. Sie persistiren während der angegebenen verschieden langen Zeit, ohne jemals im Einzelnen sich zu vergrössern hie und da kommen auch linsen- bis bohnengrosse Blasen darunter gemengt vor, aber auch diese haben eine ausserordentlich dünne Epidermisdecke ihr Inhalt wird nie trübe, eiterälinlich, sondern sie bestehen fort als solche thaup erlenähnliche Efflorescenzen, ja es ist das einzige exsudative Exanthem, welches selbst noch an der Leiche kenntlich sich erhält.

Sie verschwinden in der Hegel in der Art, dass ihre Bläschendecken spontan oder unter dem Einflüsse von Schweiss weggeschwemmt werden, so dass es zu einer eigentlichen Schup- pung gar nicht kommt. Dadurch, dass ein Theil derselben auf diese Weise zu Grunde geht, während sie überhäutete Stellen zurücklassen und wieder neue Eruptionen auftauchen, kann der ganze Process durch mehrere Wochen sich erhalten. Der ersten Eruption wie den einzelnen Nachschüben pflegen Schüttelfröste

Pempliigus acutus.

333

voranzugehen. Hebea liat in nachdrückliclier "Weise darauf aufmerksam gemacht, dass man allen Grrund hat, die M. cry- stallina als den Ausdruck eines metastatischen Processes anzu- sehen, bedingt durch solche Vorgänge in inneren Organen, welche eben Metastasen auf die allgemeine Decke zu veran- lassen geeignet sind, wie Endometritis, Metrophlebitis , der Puerperalprocess in toto, Endocarditis, Typhus, Gelenksrheu- matismus, acute Exantheme, wie Scarlatina (Miliaria exanthema- tica), weil im Verlaufe aller dieser Processe, und zwar gewöhn- lich in deren späterem Verlaufe, die Miliaria aufzutreten pflegt, demnach man auch von einer Miliaria typhosa, puerperaUs s. uterma, pectoralis s. cardiaca lesen kann.

Die Diagnose der M. crystallina ist nicht schwer, da keinem Exantheme diese thautropfenähnliche Beschaffenheit der Efflorescenzen zukommt. Da dasselbe weder durch J ucken, noch - durch intensivere Veränderungen der Haut belästigt, bietet es auch gar keine Veranlassung für die Erörterung einer Prognose oder Therapie; sein Bestand hängt von der es veranlassenden fieberhaften Krankheit, ab und es handelt sich in dem betreffenden Ealle nur um die Prognose jener Krank- heit, nicht um die der Miliaria.

Pemphigus acutus s. febrilis, Blasenfieber.

An die acuten Blasenausschläge muss ich noch den soge- naimten Pemphigus acutus anschliessen.

Man versteht darunter eine Krankheit, bei welcher in acuter Weise und mit einem acuten, auf einige Wochen beschränkten Verlaufe, mit oder ohne Fiebererscheinungen, Blasen, das ist erbsen- bis bohnengrosse und grössere, mit wasserheller Flüssigkeit gefüllte Efflorescenzen, in unregel- mässiger Weise, zerstreut im Gresichte, am Stamme, an den Extremitäten auftreten , welche Blasen nach Bestand von wenigen Stunden oder Tagen eintrocknen und nach Abfallen der Borken rothe , später pigmentirte Flecke zurücklassen.

Der Verlauf der Krankheit ist ein acuter, indem inner- halb der ersten acht bis vierzehn Tage in unregelmässigen Nachschüben Blasen auftauchen, hierauf die Eruptionen spär- licher werden, die alten Blasen abheilen und endlich der ganze Process erlischt, um nicht mehr zu recidiviren.

gg^ Neunzehnte Vorlesung.

Der Pempliigus acutus ist auch in kleineren oder grösseren Endemien bei Kindern beobaclitet worden.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass für viele Fälle Hebra's Einwand ricbtig ist, wonacb solcbe acute Blasenprorui^tionen, wie sie bei Variola modificata und Varicella bullosa, Erythema bullosum, Herpes Iris iind circinatus, selbst bei Eczem, bei Ur- ticaria bullosa vorkommen , endlicli eine eigentbiimliche Form von Impetigo des Gesiebtes , welche wir beim Eczem kennen lernen werden, dass diese Blasenproruptionen, welche ebenfalls einen acuten Verlauf haben, von einzelnen Aerzten als Pem- phigus acutus diagnosticirt worden sein mögen; oder dass man gar die einzelnen acut ablaufenden Eruptionsperioden des Pemphigus chronicus für einen Pemphigus acutus hielt.

Inzwischen haben in den letzten Jahren von so vielen Seiten, namentlich von Kinderärzten, Mittheilungen stattgefunden, wie von Thomas, Moldenhauee u. v. A., denen zufolge in kurzer Zeit, bei einer grossen Zahl von Kindern einer Ort- schaft, ein mit einem Stadium prodromorum, eruptioms und decrementi verlaufender Blasenausschlag beobachtet wurde, der aber unter allen Fällen günstig abgelaufen ist.

Obgleich nun selbst es niemals an gegentheüigen Stimmen gefehlt hat, von denen einzelne, den betreffenden Blasenaus- sclilao- als VariceUa diagnosticirten , was auch damit harmo- niren würde , dass manche Aerzte diese Endemien von einem Contagium herleiteten und die Krankheit als Pemphigus co n- tagiosus infantum bezeichneten; andere dagegen, wie Bohn, die Epidemie auf den Einfluss von zu heissen Bädern zurück- führten, welche em und dieselbe Hebamme bei den ihrer Wartung empfohlenen lündern anwendete; noch andere deshalb, weil nur von derselben Hebamme gepflegte Kinder erkrankten den Process durch Ansteckung von Seite dieser Personen entstehen Hessen - kurzum die verschiedenartigsten und entgegengesetzte- sten Ansichten über die Krankheit laut geworden sind: so kann . ich doch über die mitgetheüten Thatsachen des Vorkommens eines Blasenausschlages von acutem Verlaufe zumeist bei_ Kindern, manchmal auch bei Erwachsenen (Köb^ee's FaU) mchts aus- sagen da ich selbst eine solche epidemische P ä d o p h 1 y c 1 1 s oder Febris pemphigosa s. bullosa, s. anipuUosa, epidemica contagiosa, infantum etc. noch nicht zu sehen Gelegenheit gehabt habe.

fl

Zwanzigste Vorlesung.

3. Dermatitides. Eigentliche Hautentziin-

clungen.

Identität der anatomischen Veränderung. Klinische Verschiedenheit durcA Grac und Ursache der Entzündung bedingt. Idiopathische und symp o- mal^sehe Dermatitis. D. traumatica, a venenatis et dynamxca. Calor.sche Form: Verbrennxtng vind Erfrierung.

Die in die Gruppe der eigentliclien Haut entzün dün- gen— Dermatitides reihenden AfPectionen cliarak- terisiren sich neben acutem Verlaufe durcli prägnanten Aus- druck aUer der Entzündung angehörigen Erscheinungen , wie sie im AUgemeinen (auf pag. 173) gescMldert worden sind, als: ßöthung, SchweUung, erhöhte Temperatur, Infiltration, Schmerz- haftigkeit , mit den Ausgängen der Entzündung in Lösung, oder Eiterung, oder Nekrobiose en masse (Gangrän), oder dem Uebergang in chronische Dermatitis. Den klinischen Erschei- nungen entsprechen die ebenfaUs im AUgemeinen schon an- geführten feineren histologischen Veränderungen. Insoferne stimmen also auch die örtlichen Symptome bei aUen hieher gehörigen Krankheitsformen der Hauptsache nach überein. Unterschiede ergeben sich aber sowohl bezüglich der örtlichen, wie der begleitenden Symptome nach dem Sitze, der Eorm, Ausbreitung, dem morphologischen und chemischen Charakter des Infiltrates, dem Ausgange der Entzündung und schliesslich nach ihrer besonderen Veranlassung.

Damach kann -unter allen Umständen die Entzündung entweder die obersten Hautschichten aUein, oder die Cutis in ihrer ganzen Tiefe bis in's UnterhautzeUgewebe betrelFen, vor-

330

Zwanzigste Vorlesung.

wiegend durch ßötlie und seröse Durclitränkung sich mani- festiren , die den Ausgang in Lösung nimmt Dermatitis erythematosa , oder durch mehr plastische Lifiltration des Parenchyms, die gerne zur Eiterung führt Dermatitis phlegmonosa; oder ein rasch gerinnendes fibrinöses Exsudat setzen, das moleculären Zerfall bedingt Dermatitis diph- theritica; oder mit Absterben grösserer Grewebsmassen ein- hergehen — -Dermatitis gangraenosa et escharo'tica; oder, durch seröse Ausschwitzung in die Epidermisschichten, mit Blasenbildung vergesellschaftet sein Dermatitis bul- losa; weiter circximscript oder diffus erscheinen, fix oder fortschreitend, a febril oder mit Fieber und complicirten Allgenieinsymptomen verknüpft sein.

In all' diesen verschiedenen Formen vind Graden kann die Hautentzündung einmal durch Einflüsse entstanden sein, welche die Haut direct getroffen haben, ein andermal als Theil- ' erscheinung einer anderweitigen Erkrankung auftreten. Dar- nach unterscheidet sich dieselbe als a) idiopathische und b) symptomatische Hautentzündung.

a) Idiopathische Hautentzündung.

Zu dieser führen alle jene bereits auf pag. 109 angeführ- ten Schädlichkeiten, welche bei geringerer Intensität nur Erythem hervorrufen, sobald ihr Einfluss stärker oder nach- haltiger geworden, oder das getroffene Hautorgan reizbarer ist. Nach dem allgemeinen Charakter jener Potenzen fülu-en wir die durch sie veranlassten Hautentzündungen an, als:

Dermatitis traumatica, die Entzündung, welche durch Schlag, Stoss, Druck von eng anliegender Beschuhung, Druck- und Tragbändern, hantirten Werkzeugen, Rudern, durch Kratzen mit den Fingernägeln (Excoriationes) , traumatische Einwirkungen welcher Art immer, veranlasst ist.

Dermatitis a venenatis et causticis, die durch chemisch giftige, oder ätzend wirkende Substanzen veranlasste Hautentzündung , wie von Canthariden (A^esicantien) , Meze- reum, Rhus toxicodendron , Terpenthin , Aetzkali, Aetzkalk, Aetzpasten überhaupt und die starken Mineralsäuren. Endlich

Dermatitis dynamica et calorica, die durch exces- sive dynamische und Temperaturs-Einflüsse, Elektricität, Blitz- schlag, hohe Hitze und Kälte erzeugte Entzündung.

Combustio.

337

All' diese nach der allgemeinen und speciellen Qualität ihrer Veranlassung angeführten Kategorien von Dermatitis bieten wesentlich dieselben örtlichen Symi^tome dar , wie icli im Eingange dieser Vorlesung angeführt habe, und wesentlich auch dieselbe]} Anhaltspunkte für die Prognose und Therapie. Dennoch ergeben sich auch manche praktisch sehr berücksich- tigenswerthe Unterschiede, nicht nur rücksichtlich der allge- meinen Momente, wie Intensität, Ausdehmmg, Bedeutung für das betroffene Organ und den Gesammtorganismus etc. , son- dern auch, wenn ich sagen darf, der Qualität. Indem es mir unthuulich erscheint , nach dieser Richtung den Gegenstand weiter zu verfolgen und ich rücksichtlich desselben auf die allgemeine Pathologie der Dermatitis und die specielle Chirur- gie verweise, hebe ich doch noch die diirch calorische Einflüsse hervorgerufene Hautentzündung besonders hervor, sowohl wegen ihrer eminenten praktischen Wichtigkeit, als auch weil deren Symptome ein erschöpfendes Schema der verwandten Affec- tionen überhaupt darbieten.

Die calorische Hautentzündung wird nach den zwei Extremen ihrer Ursache als Verbrennung und Erfrie- rung unterschieden.

Dermatitis ambustionis, Verbrennung,

Combustio, heisst die durch abnorm hohe Temperaturs- Einflüsse veranlasste Hautentzündung.

Symptome, Verlauf und Bedeutung derselben sind verschieden nach dem Grade der sie veranlassenden Tempera- tur, der Zeitdauer ihrer Einwirkung, der Qualität des Mediums, weiters der räumlichen Ausdehnung der Verbrennung und nach der betroffenen Individualität.

Indem die zunächst augenfälligen örtlichen Erschei- nungen zugleich einen Massstab abgeben für die begleitenden und allgemeinen Symptome, Folgen, Bedeutung und die Massnahmen der Behandlung , unterscheiden wir zum prakti- schen Gebrauche die Verbrennung nach drei Graden, welche aber nur Intensitätsstnfen, nicht streng von einander zu tren- nende Formen der Erkrankung vorstellen.

Der erste Grad: Dermatitis ambustionis erythema- tosa, charakterisirt sieh durch gleichmässige , diffuse, unter dem ringerdrucke nicht ganz schwindende Röthung und mäs-

Kaposi, Hautkrankheiten. 22

ygg Zwanzigste Vorlesung.

sige Schwelhing der Haut, so weit sie von der höheren Tem- ]ieratur gettofFen wurde.

Die Rothe, anfangs lebhaft, alsbald dunkel nuancirt Ijis blau- und braunroth, ist demnach meist scharf begrenzt. Durch .Fingerdruck verdrängt, macht sie einer gelblichen Tingirung Platz. Das G-efühl von lebhaftem Brennen und , bei grösserer Ausdehnung und bei jugendlichen oder reizbaren Individuen, t'.uch massige Fieberbewegung begleiten dieselbe. So stellt sich das Bild dar nach Begiessen der Haut mit Wasser von .30 bis 45 '1 Wärme, bei Personen, die ihre Haut der heissen Julisonne mehrere Stunden ausgesetzt haben, beim Schwimmen, Rudern, Marschiren , oder deren Gesicht voni einer Flamme im Fluge, . oder auch nur von strahlender Wärme getroffen wurde.

Der an atomische Effect solch' mässiger Hitzegrade be- steht in einer sofortigen activen Hyperämisirung der feinsten Hautgef ässe mit folgender Parese und passiver Blutüberfällung. Am schönsten erweist sich dies bei dem Erythema solare , in- dem die Rothe genau in der Linie sich abgrenzt , in der die Nachbarhaut, z. B. von der Schwimmhose, bedeckt war. Die Schwellung, und gelbliche Tingirung sind der Ausdruck eiiier mässigen Exsudation.

Unter Abnahine der Schwellung , Hitze' und Schmerzhaf- tigkeit der afficirten'Haut und Aufhören des Fiebers verwan- delt sich binnen wenigen Tagen das Lebhaftroth in Braunrdth bis Braun , die Oberhaut schiebt sich in Form von schmutzig- weissen Kleien oder grösseren LameUen ab und cUeHaut kehi't binnen 1-3 Wochen . zur . Norm zurück; allenfalls ist sie noch durch einige Zeit etwas^ d-nnkler pigmentirt.

Der zweite Grad- der Verbrennung, Dermatitis am- bustionis bullosa, durch heisses und siedendes Wasser (50^ bis 80«), flüchtige Berührung mit Feuerflammen, heisse Metalle, starke Sonnenhitze, geschmolzenes SiegeUack u. A. veranlasst, charakterisirt sich, neben den Symptomen des ersten Grades, durch die Erscheinung von Bläschen und Blasen, als Effect einer reichlichen serösen Exsudation in die Epidermis schichten. Sie erheben sich unmittelbar, oder auch erst mehrere Stunden nach stattgehabter Hitzeeinwirkung, auf. der diffus gerotheten oder auch sonst scheinbar niclit veränderten, oft aber aucli noch intensiver 'afficirten Haut, iiu eiuzeluen und vielen Blasen, . und in .-verschiedener Grösse, bis zum Umfange eines Huhner-

Combustio.

339

eies , prall gespannt ; da wo die Oberliaut dünn , gelb durcli- sche'inend; wo die Epidermis dick, wie an den Händen, nur als stramme Vorwölbung. An manchen Stellen wird die Ober- haut durch die Exsudatmenge ganz losgehoben. Sie hängt in Fetzen herab, oder erscheint über grössere Strecken zusammen- geschoben oder aufgerollt.

Oberflächliche Blasen haben zur Decke die obersten Horn- zellenlagen und entleeren beim Anstechen sofort ihren ganzen Inhalt. Andere Blasen betreffen die ganze Dicke des Rete. Da sickert, selbst nachdem die Blasendecke mittelst der Scheere abgekappt worden, nur allmälig das Serum aus und die ge- quollenen Retezellen liegen als gelblich-graue, sulzeartige Pulpe zu Tage.

Auf mikroskopischen Durchschnitten von Brandblasen zeigen sich innerhalb der verbreiterten Papillen ilirer Basis und des obersten Corium die Gefässe erweitert, die Binde- gewebsfasern gequollen, die Maschenräume erweitert, mässig viele Exsudatzellen in ihnen und im adventitiellen Gefässraum^ im Bereiche der Blase selbst die Petezellen trüb , gequollen, mit Zeichen von Kerntheilung abortiver oder proliferirender Art, zu Easern und Balken ausgezogen, welche zwischen der Blasendecke und den basalen Papillen oder noch auf diesen haftenden Retezellen ausgespannt sind. Derart bilden diese ein Eächerwerk, dessen Räume nebst Serum Exsudatzellen, Epitheltrümmer und Fasergerinnsel enthalten (v. Biesiadecki, Unna u. A.), Verhältnisse, welche der Blasenbildung unter allen Umständen zukommen. Nebenbei bemerke ich noch, dass die inneren Vorgänge der Blasenbi].dung stets dieselben sind, sie mögen von geschmolzenem Siegellack oder Feuer, oder einem Vesicans erzeugt sein (Unna), oder von einer inneren Ursache herrühren, wie bei Zoster.

Der Verla u f des örtlichen Processes findet nun in typi- scher Weise statt. Dort wo die Blasendecke erhalten ist, ver- trocknet dieselbe, sobald die Entzündung und weitere Exsada- tion sistirt, mit ihrem Inhalte zu einer Kruste, unter welcher die über den erhaltenen Papillen nachschiebenden Retezellen verhornen. Oder die Blasendecke wird mechanisch, oder durch die Menge des Exsudates losgehoben und es erfolgt reichliche ZeUenproliferation des blossliegenden Rete unter dem Bilde . der katarrhalischen (epithelialen) Eitermig. Die Papillen liegen

22*

Zwanzigste Vorlesung.

als rothe Pünktchen, zum Theile hämorrhagisch zerwühlt, in einem grauen, eiternden Netze bloss, dessen Maschen von dem interpapillären Malphigischen Stratum gebildet werden.

AUmälig vermindert sich unter Rückbildung der Entzün- dung die Abstossung und überwiegt die Festsetzung der neu- gebildeten Zellen, welche in den oberen Lagen verhornen und inzwischen auch über die Papillen hinübergewuchert sind. Es erfolgt allseitig Ueberhäutung ohne Narben und nur an Punk- ten, wo einzelne Papillen durch Bhiterguss zerwnihlt worden und necrosirt sind, bleiben weisse Narben zurück.

Auch bei sehr beschränkter Ausdehnung dieses G-rades von Verbrennung begleiten heftige Schmerzen die ersten Sta- dien desselben. Bei grösserer Verbreitung, z. B. über beide Hände und Arme, tritt wohl auck heftiges Fieber hinzu. Auch complicirende Entzündung, Lymphangioitis , Drüsenschwellung kann noch während der Eiterung eintreten. Ausserordentlich schmerzreich ist das Stadium, in welchem nach Abstossung der Blasenpulpe die Papillen über grosse Flächen blossliegen. Mit dem Eintritte der neuen Epithelbekleidung, auch bevor es zur Verhornnng gekommen, haben diese Beschwerden ein Ende.

Ist aber eine noch grössere Hautregion von der Verbren- nung zweiten Grades betroffen, etwa beide Hände und Füsse, Vorderarme und Unterschenkel , das Gesicht und etwa noch ein Theil des Rückens; oder trifft sich solches gar bei einem jugendlichen Individuum, einem Kinde, dann kommt es wohl leicht noch zu den gefährHchen Complicationen , welche dem höchsten Grade der Verbrennung häufiger sich zuge-

Dieser dritte Grad der Verbrennung, Dermatitis ambu- stionis escharotica, ist durch die Einwirkung höchster Hitze- grade, wie durch Feuerflammen, glühendes oder geschmolzenes Metall, explodirendes Gas, Dampf hoher Spannung, oder auch nur siedende und ätzende Flüssigkeiten bedingt, wofern diese nur durch längere Zeit mit der Haut in Berührung geblieben, oder grosse Wärmecapacität besitzen.

Das Bestimmende für diesen Grad der Verbrennung ist dieVerschorfung der Haut, die unmittelbare Mortification. Je nach der Qualität des Verbrennungs-Mediums erschemt die Haut so weit sie verscliorft, wie verkohlt, schwarz, braun,

Combustio.

341

missfärbig oder vertrocknet, lederartig, oder sclieinbar auch gar nicht verändert, glatt mid weiss, alabasterartig, aber unter allen Umständen beim Zufühlen starr, hart oder zähe und immer empfindungs- und leblos. Li dem getroffenen Hautstücke ist jede Lebensthätigkeit , Blut- und Säftebewegung und Er- nährung sistirt. Dem chemischen Effecte nach handelt es sich einmal um wirkliche Verkohlung , z. B. durch Eeuergluth , wo- dann in dem braunen Schorfe schwarzbraune, baumartige Zeichnungen, der verkohlte Inhalt der oberflächlichen Blut- gefässe, bemerkt wird. (Wenn die Haut eines Todten , etwa vorher Ermordeten, verbrannt wird, sieht man diese Gefäss- injection nicht, was gerichtlich-medicinisch entscheidend ist [E. Hofmann].) Ein andermal ist die nächste Wirkung Morti- fication der Grewebe durch Grerinnung und Zersetzung der Proteinsubstanzen, oder eine Umwandlung wie bei der Leder- gerbung, z. B. beim Sturz in eine Kalkgrube, oder die Haut ist gekocht, wie bei Verbrühung durch heisse Dämpfe und "Wasser u. s. f. Ueber manchen weissen Schorfen ist die Oberhaut zu Blasen erhoben, oder lamellös aufgeschwemmt und man glaubt an der Stelle nur Verbrennung zweiten Grades vor sich zu haben. Aber nach 2 3 Tagen gibt sich auch da der Zustand zu erkennen, indem das Hautstück miss- färbig und runzelig wird und an den Rändern gegen die Um- gebung sich absetzt.

Zwischen dem 3. 5. Tage entsteht nämlich unter re- activer Entzündung der Umgebung eine eiternde Marke rings um den Schorf; dieselbe wird zur breiten Fiu-che und setzt sich in die inzwischen ebenfalls eiternde Basis fort. Durch die Eiterung wird der Schorf binnen 8 12 Tagen losgehoben. Die nun zu Tage liegende eiternde Wundfläche ist meist un- gleich tief, unregelmässig grubig, ein Beweis dafür, dass fast immer die Verschorfang sehr ungleichmässig nach der Tiefe greift. Die oberflächlichen Brandschorfe schützen sehi- lange die unterliegenden Gewebe vor dem Einfluss der hohen Tem- peratur (Hofmann) und die Leichenverbrennungen haben im Grossen erwiesen, wie überaus schwierig die Verkohlung nach der Tiefe greift. Ich werde an einer anderen SteUe über die intimeren Vorgänge bei der Wundheilung mittelst Eiterung sprechen und beschränke mich hier auf die kurze Anführung der leicht wahrnehmbaren anatomischen Erscheinungen. Es

Zwanzigste Vorlesung.

folgt also allenthalben üppige Fleischwärzchenbildung und endlich Ueberhäutung. Die neue Epidermisdecke geht zum grössten Theile von der randständigen Epidermis hervor. Doch zeigen sich auch stets inmitten des grannlirenden Feldes neue Epidermisinseln. Man hat nach den bis heute vorliegenden Daten der experimentellen und histologischen Untersuchungen alle Ursache zu glauben, dass diese nicht von dahin aus dem Coriura oder den Randepithelien emigrirten Wanderzellen und Bindegewebskörperchen stammen , wie dies angedeutet wurde (BiESiADECKi, Pagenstecher) , sondern von präformirtem Epithel, nämlich von Resten der Eetezapfen, die an solchen Punkten stehen geblieben, wo die Yerschorfung nicht zu tief gedrungen war. Und ich habe ja ausdrücklich auf den letzteren Umstand hingewiesen.

Das Resultat der Verheilung ist also neugebildetes Binde- gewebe, in welchem Papillen, Haare und Follikel fehlen eine Narbe. Sie entspricht schon im Momente ihres Ent- stehens nicht mehr ganz der Form und Grösse des Brand- schorfes, da schon während der Granulationsbildung ein Heran- ziehen der Gewebsunterlage und Nachbarschaft stattfindet (Billroth); noch weniger später , da das jange Narbengewebe noch in der Folge schrumpft. So wird die Narbe um so un- regelmässiger, zackig, strahlig, eingezogen, wiüstig, leisten- artig vorspringend, genetzt, je grösser der Substanzverlust und je zögernder die Heilung war.

Verkohlung, Yerschorfung kann aber stellenweise auch die Cutis in toto und aUe unterliegenden Gewebe mitsammt den Knochen betreffen. Findet solches in sehi' grosser Aus-' dehnung statt, dann hat man freüich keinen Kranken, d. h. kein lebendes Object vor sich , weil das Individuum sicherlich lange vorher in den Flammen sein Leben ausgehaucht haben muss, sei es durch Erstickung, oder durch den Shok.

Ich habe bis nun, so zu sagen, die a n a t o m i s c h e n Erschei- nungen der Verbrennung geschildert, diejenigen, welche un- mittelbar durch den Einfluss der hohen Temperatur an der Haut erzeugt werden, und diejenigen, welche in physiologischer Gesetz- mässigkeit nach den ersteren sich örtlich einstellen und m ihrer Summe den Eliminations- undRegenerationsprocess vorsteUen. Sie stehen zu einander in einem constanten Verhältnisse. Insoferne hat also die Unterscheidung der Verbrennung nach bestimmten

Combustio.

343

Graden eine positive Basis. Allein- mit diesen örtlichen Symp- tomen ist nicht das eigentliche Krankheitsbild der Verbrennung erschöpft. Denn es gesellen sich zu jenen sehr mannigfache imd bedeutungsvolle hinzu von Seite des Gr es ammt o r ga- nismus, für welche nicht der Grrad der anatomischen Verände- rimg an- der Haut allein, sondern vorwiegend die Flächen- ausbreitung derselben den Grund und Massstab abgibt. Sie fehlen z. B. gänzlich bei Verbrennung dritten Grades, wenn diese sehr beschränkt ist, etwa eine Handbreite betrifft, können dagegen sich einstellen, wenn im anatomischen Sinne nur Verbrennung ersten und zweiten Grades vorhanden, aber ein grosser Theil der allgemeinen Decke von derselben betroffen ist.

Nehmen wir einen Durchschnittsfall , wie er sich bietet, wemi die Kleider einer Person durch Spiritus- , Petroleum-, Gas- oder Feuerflammen überhaupt in Brand gerathen waren, wobei die Flammen sofort nach oben schlagen, so dass Gesicht imd Arme mehr in ihr Bereich gelangen , und nehmen wir weiters an, dass der 'Brand schon nach 1—3 Minuten durch anwesende Personen erstickt worden. Da findet sich gewöhnlich, eine bis zwei Stunden nach der Katastrophe, folgendes Bild: Die Haare im Bereiche des Gesichtes und Kopfes versengt, die Hände und Vorderarme, einzelne SteUen der Oberarme, das Gesicht, Hals- und Schlüsselbeingegend, der Nacken, die obere Rückengegend und einzelne Stellen der Unterextremitäten zeigen Brand Verletzungen. Wo die Kleider fest angedrückt sind, oder Bänder einschnüren, ist die Haut, bei raschem Brande, am wenigsten versehrt; so unter dem. Mieder, an, der Taille, imter den Strumpfbändern.

Der überwiegende Theü der Verletziuig .ist ersten und zweiten Grades; nur beschränkte Stellen des Gesichtes, der Brust, meist auch des Rückens, zeigen braune Verkohlnng, oder sind unter der durch die Essudation, oder .bei den Löschver- suchen mechanisch losgewühlten Epidermis, weiss verschorft. Es ist also gar nicht, oder nur in geringe^ Ausdehnung Ver- brennung dritten Grades zugegen.

Der Verlauf ist nun folgender: Der Kranke, der un- mittelbar, während und nach der Verbrennimg, im höchsten Grade aiifgeregt war, und wie wahnsinnig sich geberdet, Jammergeschrei ausgestossen hat, beruhigt sich, sobald die Brandwxmden kunstgerecht., bedeckt worden. Die Empfin-

344

Zwanzigste Vorlesung.

clung von Brennen trägt er stille, oder äussert er höchstens in leisem Stöhnen und Wimmern. Er ist übrigens wieder ganz seiner Gedanken und moralischen Kraft mächtig. Auf Befragen erzählt er die Einzelheiten des Ereignisses und gibt er über Alles genaueste Auskunft. Er hat seither meist nicht Urin gelassen. Führt man den Katheter ein, so findet sich in der Regel keii^e Spur von Harn; oder manchmal doch welcher in wenigen Tropfen, der eiweisshältig (Wertheim), oder, seltener, hämorrhagischer Harn. Nach 5 G Stunden stellt sich von Zeit zu Zeit Gälmen imd tiefes Seufzen ein, die Augenlider werden geschlossen gehalten. Auf Ansprache blickt der Kranke auf und gibt noch richtige Antwort; aber es ist eine gewisse Apathie nicht zu verkennen. Jetzt folgt öfteres tiefes Inspirium und ßuctus oder Singultus. Das ist schon ein schlimmes Zeichen. Bald kommt Erbrechen von Speiseresten, galliger Flüssigkeit, selten auch Blut. Hebea gibt an, beim Anstechen verschiedener Hautvenen (Venae- section) keinen Blutstrom bekommen zu haben. Der VcLien- inhalt schien eingedickt. Nun folgt rasch Unruhe, Verworren- lieit, die Kranken werfen sich ungeberdig herum, bekommen klonische Krämpfe, Opistotanus und verlieren ganz das Be- wusstsein. Lärmende Delirien machen stillem Sopor Platz, oder solcher geht aus der früheren Apathie unmittelbar hervor. Unter diesen Erscheinungen und beschleunigtem flachen Re- spirium, und fliegendem, erlöschendem Pulse, inmitten von Schreien und Toben, oder stiUem Stupor erfolgt der Tod innerhalb einer Zeit von 18—24—48 Stunden. Manchmal kommen auch noch vorher Blutungen aus dem Magen und der Harnblase. Ich habe noch keinen Kranken genesen sehen, bei welchem einmal Ischurie zu constatii-en war, oder Singultus und Erbrechen sich eingestellt hatte. Schon das tiefe Seufzen und der öftere Euctus ist in meinen Augen ein ominöses Zeichen. Doch mag immerhin von diesen ersten Symptomen noch eine Lösung möglich sein. Ich habe solches einmal bei einer Frau gegen Ende des 2. Tages gesehen , und da die Diurese sich eingestellt und das Erbrechen aufgehört hatte, die Kranke gerettet geglaubt. Aber nach zweitägigem Wohlbefinden trat am Ende des 4. Tages in rascher Aufeinanderfolge die ganze Reihe der genannten Symp- tome wieder auf und binnen wenigen Stunden war Alles zu

Combustio.

345

Ende. Auch nacli einer Woche noch ist ein solcher Symp- tomen-Complex beobachtet worden.

Bei der Section finden sieh zuweilen Greschwüre im Duo- denum (Corrosionsgeschwüre nach Klebs und Hofmann), hämor- rhagische Erosionen auf der Magen- und Darmschleimhaut, körnige Degeneration der Glefässwände , Muskeln und paren- chymatösen Organe, Hyperämie der Meningen, sehr früh schon Nephritis (Wertheim), das Blut meist geronnen, im Uebrigen aber meist keinerlei als eigentliche Todesursache anzusehende Veränderungen.

Der ganze Symptomen-Complex dieser ersten, der Ver- brennung unmittelbar folgenden Periode, der rasche Verlauf und der rapide letale Ausgang machen den Eindruck einer allgemeinen Litoxication. Es ist klar, dass die Läsion des Hautorganes nicht in dem Sinne einer Entzündung diese Er- scheinungen verschuldet. Denn innerhalb dieser ersten Sta- dien ist ja von Entzündung und Eiterung kaum noch etwas zu in'- ';en. So hat man denn versucht, diese räthselhafte un- mitte.^:- 9 Folge der Verbrennung auf verschiedene Weise zu erklären: Indem man mit Eirniss bestrichene Thiere rasch verenden sah, vermeintlich durch Vernichtung der Hautper- spiration innerhalb einer grossen Area, hat man mit Unrecht beim Menschen analog geschlossen. Aber es ist bei Verbren- nung zweiten Grades solches gar nicht erwiesen, und bleibt räthselhaft, warum die unversehrten zwei Drittel der Haut- fläche und die Nieren diesen Ausfall nicht rasch sollten decken können; und warum die Nieren im Gegentheil gewöhnlich ganz zu functioniren aufhören.

Wie zuerst Werthebi, haben auch Andere auf die Gegen- wart kleiner Körperchen im Blute Verbrannter aufmerksam gemacht, die als Derivate rother Blutköperchen anzusehen wären. Ob diese, oder vorfindliches Melanin etwas mit dem raschen Tode zu thun haben, ist fraglich; ebenso, ob der Tod durch im Blute zurückgehaltene Exoretionsstoffe (kohlensaures Ammoniak) oder giftige Stoffe veranlasst ist, die aus den durch die Hitze zersetzten organischen Substanzen erzeugt und in's Blut gelangt sein mögen. Vielfach, auch experimentell (Falk), ist das rasche Sinken der Körpertemperatur nach ausgedehn- ter Verbrennung constatirt worden, während Sonnenbürg meint, dass die Ueberhitzung des Bltites direct Herzlähmung

ZwanaigBte Vorlesung.

zur Folge habe, bei langsam eintretemlem Tode aber derBhit- druck in Folge reflectoriscber G-e£ässlähmung sinke. Ick meine, so wie auch Hebba vorweg äussert, dass der Nerven- Skok am höchsten in Anschlag zu bringen sei. Denn ich habe den gleichen Verlauf gesehen auch da, wo von hohen Temperaturen der Verbrennung nicht die Rede war und bei allen Arten von Verbrennuugs- , Verbrühungs- und Aetzungstod, obgleich der chemische Effect unter all' diesen Umständen doch verschieden sein muss, z. B. anders bei Verbrennung durch Flammen , bei Verbrühung, und beim Sturz in eine Löschgrube von Kalk.

Ueberlebt der Verbrannte dieses erste Stadium, erst dann treten die Läsionen der Haut in den Vordergrund der Symp- tome und der weitere Verlauf gestaltet sich nun in der schon früher geschilderten Weise nach den allgemein gütigen Ge- setzen, nach welchen Entzündung, Eiteriihg , Schorf- Ablösung, Granulation und Ueberhäutung überhaupt vor sich gehen. Wofern nicht noch im Verlaufe der ersten oder zweiten Woche o-anz abnormer Weise jener Litoxications-Complex sich einstellt, kann nunmehr ein übler Ausgang nur im Rahmen der allgemein- chirurgischen Vorkommnisse erfolgen, wie solche aUen Eiterungs- Processen zukommen, wie durch Rotlilauf, Pyämie, Erschöpfung,

Pneumonie, Morb. Brightii.

Die unmittelbare Prognose bei Verbrennungen hangt nach dem Gesagten zunächst von der Litensität und Ausbrei- tung der localen Läsion ab. Sie kann im Allgemeinen günstig o-esteUt werden bei Verbrennung ersten und zweiten Grades, ist aber bei der letzteren immerHn zweifelhaft, sobald diese sehr ausgebreitet ist, oder ein zartes Lidixäduum (Säugling) getrof- fen hat Verbrennung dritten Grades ist selbst m geringer Ausdehnung bei jugendlichen Personen von schwerer Bedeutung und endet fast immer letal, sobald dieselbe, wenn auch mit Verletzungen zweiten Grades untermengt, ein Drittel der gan- zen Hautoberfläche betroffen hat. Ist der Tod nicht m un- mittelbarer Folge der Verbrennung eingetreten, so^ ist noch der weitere Verlauf, so wie die materielle Folge (Ivrankheits- dauer Berufstörung durch Functionsbehinderung der Fmger, Schrumpfung der Augenlider etc.) mannigfach beeinflusst durch die grössere oder geringere Tiefe der Verschorfung die be- troffene Oertlichkelt, die Lidividualität und - man darf wohl sagen die Behandlung.

Combustio.

347

Der Therapie der Verbrennungen fällt als nnmittel^ bare Aufgabe zu die Linderung der heftigen Schmerzen. Bei' dem erytheniatösen Grade kann man sich beschränken auf Einstreuen von Amylum, Umschläge von kaltem Wasser, Blei- wasser , bei geringer Ausdehnung desselben , Einpinseln mit Collodium und Aehnliclies. Nach Eückbildung der Entzündung erheischt die Desquamation keine weitere Behandlung.

Beim zweiten Grrade der Verbrennung ist zunächst die Empfindung der Spannung zu beheben durch Anstechen der Blasen an deren abhängigen Stellen, wodurch, sowie durch sanftes Drücken mittelst in Poudre getauchter Charpieballen der Austritt von Serum befördert wird. Die Erhaltung der Blasendecke ist jedoch wünschenswerth , weil diese für die entblössten Papillen den besten Schutz abgibt und unter diesem die Ueberhäutung grösstentheils ohne Eiterung vor sich geht.

Da aber bei ausgedehnter Verbrennung aller Grade, namentlich Blasen- und Schorfbildung, die Berührung mit der Luft die Jieftigsten Schmerzen verursacht , besonders da , wo die Epidermis losgelöst ist, so ist von jeher die möglichste AbschUessung der verbrannten Theile mittelst milder und gut siteh anschmiegender Verbandmittel angestrebt worden. Eür Verbrennung innerhalb beschränkter Territorien sind Einhül- Itmgen mittelst in Olivenöl, Eiweiss , Oleum lini cum Aqua Calcis (aa part. aequales) eingetauchten Leinwandflecken oder Baumwolle anzuempfehlen. Man lässt dieselben in den ersten Tagen liegen, um nicht bei deren Ablösen auch die Blasen- decken mit loszureissen, und verhindert ihre Eintrocknung durch häufiges Betupfen mittelst der genannten Oele. Auch kann man über dieselben noch kalte Umschläge appliciren, wofern dem Kranken die Kälteempfindung angenehm ist. Wenn nach Verlauf von 3 5 Tagen sich Eiterung unter solchen Verbänden eingestellt hat, müssen dieselben allerdings zur Verhütung der Zersetzung des Secretes entfernt und öfters gewechselt werden. Dies ist selbstverständlich mit grossen Schmerzen für den Kranken und, bei Gegenwart vieler Brand- wunden überhaupt, noch mit unsäglicher Mühe für die Warte- personen verbunden.

Li dem von Hebra eingeführten Wasserbette ist in all' den genannten Beziehungen , sowie für die ganze folgende Behandlung ein nicht genug zu schätzender Vortheil geboten.

g^g Zwanzigste Vorlesung.

Dasselbe besteht aus einer geräumigen Zinkwanne, die in einem Bettgestelle sieb befindet. In derselben wii'd em läng- lich viereckiger , mit Gurten querbespannter, eiserner Rahmen mittels Ketten schwebend erhalten, die um je eine am Kopf- und Fussende des Bettes verlaufende Welle laufen. Der Rahmen hat einen Kopf- und Körpertheil. Der erstere kann mittels gezahnten Charniers verschieden hoch aufgestellt werden und ist der ganze Rahmen mittelst Kurbel und Zahnrad auf- xinä niederzuwinden. Auf den gurtbespannten Rahmen wird eine Matratze oder Wolldecke und darauf der Kranke gelegt. Die Wanne ist nach gewöhnlicher Art zu füllen, worauf der Kranke mit sammt seinem schwebenden Bette in das AVasser hinabgesenkt wird. (Zum Behufe der Nothdurft-Verrichtung wird er aus dem Wasser gewunden.)

Unmittelbar empfindet der Verbrannte das Wasser zu heiss, weshalb es auf 25-26 ° R. gerichtet werden soll. Sofort stellt sich Frösteln ein und das Bad wird rasch aiif 32-34^ R. gerichtet. Alsdann befindet sich derselbe höchst behaglich. Die Schmerzen haben fast ganz aufgehört. Ein Rettungs- mittel gegen die ersten lutoxicationssymptome und den acuten letalen Verlauf bildet das Wasserbett nicht. Die Kranken sterben bei ausgebreiteter Verbrennung hier eben so, wie ausser- halb • aber sie sind wenigstens sofort von ihren Schmerzen befreit.

Dageo-en ist das continuirliche Bad em wirkliches Heil- mittel und eine wahre Wohlthat für den Kranken und die Wartang in der ganzen Periode der Eiterung. Man denke nur AVährend solche Kranke im Bette nie genügend rem gehalten werden können, weil die grosse Zahl und Ausdehnung der eiternden Wunden zum Verband viel Zeit erfordert, dabei dasHeben und AVenden der Kranken für diese höchst schmerzhaft, ein Ankleben und Losreissen an und von dem Bettlaken nicht zu vermeiden ist, da frische Blutmig, dort Absperrung und Stmkig- werden des Secretes eintritt, das Fieber stetig unterhalten wird, Gefahr für Sepsis allenthalben gegenwärtig, nervöse Aut- reoung jeden Verbandwechsel begleitet - hat alle Muhe und Q^ral im Wasser ein Ende. Der Kranke liegt und bewegt sich wie er will, schläft und isst, beschäftigt sich, wenn ei- nlebt fiebert, nach Lust und Neigimg, und die Wimden sind fortwährend bedeckt, immer rein und granuliren prachtig.^ ot zu üppig, so dass dieselben nach bekannter Weise eingeschränkt

Combvkstio.

349

werden müssen. Nacli diesen Andentungen ist also das Hebra' sehe Wasserbett anfangs und später das beste Scliutzmittel gegen Schmerzen, \md während des Suppurationsstadiums geradesiu ein iinübertrofFenes directes Heilmittel, indem im Wasser die Abstossiang der Schorfe rascher als ausserhalb erfolgt, Absper- rung luid Zersetzung des Eiters kaum möglich, die Gefahr für Sepsis, Rothlauf ferngehalten wird, das Fieber auch sofort axifhört, Schlaf und Esslust sich einstellen, dadurch der Orga- nismus in die Lage versetzt wird, den grossen Eiterverlust zu ersetzen und schliesslich auch die aranulation niid Heilung, unter Fernhaltung aUer dieselbe sonst begleitenden subjectiven und objectiven Unannehmlichkeiten und Gefahren, im continuir- lichen Bade ausserordentlich günstig verläuft.

Ich will nicht auf die theoretischen Daten eingehen, welche das physiologische Experiment bezüglich des Verhal- tens des Körpers im Bade ergeben hat. Hier ist wichtiger die Thatsache hervorzuheben, dass erstens alle mit ausgebreiteten Epdermisverlusten (wie Verbrennung, Pemphigus foliaecus), Gangrän oder Eiterwunden behaftete Kranke im Wasserbette sehr rasch ihr Fieber verlieren, Esslust und Schlaf gewinnen und dass die Heilung der Wunden am raschesten erfolgt und dass zweitens nach den an der hiesigen Klinik gemachten (von Hanns Hebra schön zusammengefassten) Erfahrungen Kranke bis zu 250 Tagen und Nächten continuirlich im Wasser gehalten worden sind, ohne eine andere Folge als ihre Genesung davon zu tragen.

In der Privatpflege richtet man sich eine, am besten, höher gestellte lange Wanne, in welche Wolldecken und ßosshaar- polster geleg-t werden, als Wasserbett her. Das Wasser ist stets der Empfindung des Kranken entsprechend zu temperiren und nach Bedarf zwei- bis dreimal täglich zu erneuern.

Beschränkte Brandwunden können auch mittelst continuir- licher Irrigation behandelt werden.

Bei ausserhalb des Bades stattfindender Behandlung hat man die Schorfe bei ihrer Lösung successive abzutragen und die eiternden Wunden nach speciell chirurgischen Regeln zu behandeln, indem sie mit Liniment, Ung. simplex, Geraten, mit und ohne Zuthat von Zinc oxydatum, Cerussa, Alaun, Carbolöl, Carbolpaste, Opiaten etc. bedeckt und fleissig gereinigt werden.

Werden die Granulationen zu üppig, so sind dieselben mittelst Lapisstift, oder diirch tägliches Betupfen mit Lapis-

gr-,Q ' Zwanzigste Vorlesung.

lösiuig (1:1 aqu. dest.), Auflegen von Cliarpie, die in solche oder eine schwächere Lösung getaucht worden, oder von einer ätzenden Salbe (Ung. emoll. 50-00, Nitras argenti 0-1 5 -0-50) zu beschränken. Durch letztere Mittel, oder durch energische und, wenn nöthig, 'jeden oder jeden zweiten Tag ausgeführte Aetzung sind die Fleischwärzchen im Niveau zu erhalten. Nur so erzielt man glatte, weiche, später wenig schrumpfende Narben, und nur so verhütet man Contracturen über den Gelenken, am Halse, Blepharophimosis und ähnliche störende Folgen. Namentlich aber kann die Verwachsung der Finger und Haut- falten Überhaupt durch täglich, bis zur voUendetenUeberhäutung. ausgeführte Lapisätzungen am sichersten verhütet werden.

° Dennoch kann die zweckmässigste Behandlung es nicht verhindern, dass sehr ausgebreitete, z. B. eine ganze Extre- mität oder den Rücken in toto einnehmende Brandwunden auch nach zwei bis drei Jahren nicht gänzlich verheilt smd, dass die jungen Narben bald da, bald dort wieder zerreissen, zerfallen,' hämorrhagisch zerwühlt werden , oder dass schliess- lich auch functionbehindernde Contracturen sich ausbilden.

Was in Bezug auf Symptome, Bedeutung, Folgen, Prognose und Behandlung der eigentlichen Verbrennung ange- führt worden, gilt im Allgemeinen auch für, die analogen Ver- letzungen, welche als eigentliche Aetzungen z. B. durch Begiessen mit Vitriolöl, Sturz in eine Kalkgrube u. s. w. ver- anlasst werden.

Bei Blitzschlag finden sich auf der Haut unregel- mässige rothe Flecke, oder braune und verschieden gefärbte, baumartig verzweigte Zeichnungen, wie solche neuerlich Schefcik abgebildet hat, die Gefässen oder Nerven entsprechen mögen; oder auch gar keine Spuren von Verletzung;

Viel kürzer darf ich mich fassen rücksichtlich der durch abnorm tiefe Temperatur-Einflüsse bedingten Hautkrankheit, die als

Erfrierung, Dermatitis congelationis,

oder Congelatio bekannt ist. _ ,

Unter dem lang andauernden Einflüsse absolut .niedriger Temperatur, bei dazu disponirten Personen aber auch schon bei einer Temperatur von 4-5° über dem Gefrierpunkte, erleiden die derselben ausgesetzten Hautstellen Veränderungen,

Congelatio. \

351

die, wie diejenigen nach Verbrennung, ebenfalls in drei Grade unterseliieden werden können, als Dermatitis congelationis erythematosa, bullosa et escharotica.

Die e r y t h e m a t ö s e Form stellt die sogenannten Frost- beulen, Pernio nes, vor. Ihr Standort ist vorwiegend an den Händen und Füssen , seltener an der Nase , den Wangen und Ohren. Sie treten erst zu Tage, wenn die betreffenden Hautstellen, nachdem sie der Kälte längere Zeit ausgesetzt waren, sich wieder erwärmen, demnach zumeist in den Abend- stunden und in der Zimmerwärme, wo sie durch stechenden .Schmerz und intensives Jucken mehrere Stunden hindurch ihre Besitzer quälen. Alsdann stellen sie daumennagel- bis thaler- grosse, knotigerhabene Flecke vor, von peripher lebhaftrother, in der Mitte livider Färbung. Schmerz, Hitzegeföhl und Jucken steigern sich regelmässig des Abends, während sie in den Morgenstunden höchstens gegen Druck empfindlich sind. Durch die Kälteeinwirkung werden die Capillargefässe beschränkter Bezirke zunächst zur Contraction veranlasst die Hautstelle wird anämisch, kalt, gefühllos. Es scheint aber , dass sie zugleich paretisch werden, indem sie in der Folge sich über- mässig ausdehnen, worauf Erscheimmgen der passiven Hj^Dcr- ämie. Bläuung und Symptome der Stase , seröse Lifiltration und träge Entzündung, eintreten. Die letztere führt auch zu Austritt von blutigem Serum unter die Epidermis der Per- niones, und nach Platzen der Blasen zu nekrotischem Zerfall der obersten Coriumschichten sub forma von torpiden, sehr träge verlaufenden, mit hämorrhagischer Basis versehenen Greschwüren Pernio ulcer au s. Von solchen habe ich zuweilen Phlebitis und Adenitis mit heftigen Fiebersymptomen ausgehen sehen.

Diese Form stellt zugleich den zweiten G-rad der Erfrierung vor und kann bei allen Menschen auftreten , deren

Haut grosser Kälte dixrch längere Zeit ausgesetzt war.

Zur Accjuirirung von Frostbeulen disponiren ganz beson- ders anämische Individuen beiderlei Geschlechtes. Bei solchen treten dieselben schon während kalter Regentage des Herbstes, oder selbst des Sommers ein, wenn die Lufttemperatur allen- falls auf 4—5 ^ R. gesunken ist , während wohlgenährte und genug Wärme producirende Personen selbst grosser Kälte sich .aussetzen können, ohne Frostbeulen zu bekommen. Deshalb

leiden auch die erste Art Personen in jeder kalten Saison

352 Zwanzigste Vorlesung.

durch mehrere Jahre insolange ihre Anämie nicht weicht regelmässig an Frostbeulen, während allgemein robuste Mensehen höchstens gelegentlich an einer Hautstelle sich erfrieren können, und dann meist in zweitem oder drittem Grade.

Bei Erfrierung dritten Grrades finden sich entweder grosse, mit blutig- seröser Flüssigkeit gefüllte Blasen, deren Basis hämorrhagisch sufPundirtes Grewebe darstellt , oder die Haut erscheint nur blass, blau marmorirt , dabei kalt, starr und empfindungslos. Erst nach vielen Tagen bis Wochen ergibt sich, wie weit die Gewebe zur Mortification gelangt sind. Es zeigt sich dabei ein höchst ungleichmässiger Effect der Kälte, indem die Mumificirung stellenweise bis auf den Knochen reicht und dieser selbst nekrosirt, stellenweise nur die oberen Haut- schichten verloren gehen, oder auf intermediären Stellen durch- - greifetide Nekrosirung statt hat. An der Grenze der Schorfe etablirt sich exfoliirende Entzündung und Eiterung, die mit Fieber einhergehen. Verlust einzelner Phalangen oder ganzer Gliedmassen ist die Folge solcher Erfrierungen, nicht selten Phlebitis, Septikämie und Tod, auch wenn frühzeitig die opera- tive Beseitigung der abgestorbenen Partie vorgenommen worden.

Die Prognose bei Erfrierung dritten Grades ist aus den genannten Gründen sehr zweifelhaft, auch wenn dieselbe nur einige Zehen oder Finger betrofleen hat. Ueberdies ist noch zu bemerken, dass man über die Ausdehnung und Tiefe der Erfrierung erst nach vielen Tagen ein Urtheil bekommt, da die Reaction sehr spät und zögernd eintritt; und dass viele leblos erscheinende Partien sich noch erholen können, da, wie BtLLKOTH treffend andeutet, die Gefässe ja vielfach durch- gängig sind und neuerdings mit Blut injicirt und für die Er- nährung der Gewebe dienstbar werden können , insoweit diese nicht durch directe Erfrierung ihrer wässerigen Bestandtheile decomponirt worden sind. Li der Durchgängigkeit der Ge- fässe liegt aber zugleich die grössere Gefahr für Septikämie, indem der durchstreifende Blutstrom zersetzte Gewebspartikel-

chen fortschwemmt.

In der Therapie der Congelatio escharotica sind daher von vornherein die Hände ziemlich gebunden. iMan versucht durch Frottiren mit Schnee die erfrorenen Tlieile allmälig zu beleben und für die Circulation durchgängig zu machen. Die Notliwendigkeit partieller oder totaler chirurgischer Abtragung

Erfrieniug.

erfrorener Theile ergibt sicli in der Folge nach Massgabe der sjpeciellen chirurgischen Erfahrung. Hierüber ist jüngst in der k. k. Gesellschaft der Aerzte in lehrreicher Weise discutirt worden, anlässlich eines interessanten Vortrages Billroth'.s über Gangraena si^ontanea. Während Billroth nach seiner Er- fahrung für möglichst frühe Amputation plaidirte , befürwor- teten DüMUEiCHEE und DiTTEL , dass man die Begrenzung der Gengraen abwarten soUe. Bei Erfrierung der Zehen und Finger habe ich selbst das Zuwarten für den Kranken vortheilhafter o-efnnden. da durchschnittlich mehr erhalten wurde, als an- fänglich möglich schien. Bei Verschorfung bis in die Mitte des Unterschenkels habe ich nach spät erfolgter Amputation und auch während des Zuwartens septikaemischen Tod eintreten sehen.

Sind die Personen allgemein erfrierungsstarr aufgefunden worden, so versucht man dieselben vorerst in einem kalten Eaume durch Frottiren und die allgemein bekannten Belebungs- versuche zum Bewusstsein zu bringen, worauf erst die ört- lichen Erfrierungen in Betracht kommen.

Gegen erythematöse Frostbeulen empfehlen sich Einpin- selungen von Jodtinctur , Jodglycerin , Collodium , verdünnte Salpetersäure, Citronensaft , Tischlerleim, Salben von Plumb. acet. basic. (5—10 ad 40), Creosot (O'ö, ad 20 Unguent.), Campher (Camphor rasae l'OO, Cerae alb. 40-00, Olei lini SO'OO, Bals. peruv. I'ÖO), Bals. peruvianus, Bierhefe, Druckverband mittelst Emplastr. lithargyri adustum, Abreiben mittelst Schnee, heisse Hand- und Fussbäder mediciaische und Volksniittel in so o-rosser Zahl, dass schon daraus ihre Unverlässlichkeit entnommen werden kann. Geschwürige Stellen wären mit den erwähnten, leicht ätzenden Salben oder Pflastern zu belegen, Blasen zu eröffnen und deren Basis mittelst Lapis zu ätzen.

Wichtig istdie Prophylaxis, der zu Folge die zu Frost- beulen Disponirten schon bei mässigem Sinken der Temperatur warme Handschuhe und Fussbekleidung und genügend bequeme Beschuhung tragen sollen, weü. die Erfrierung um so leichter eintritt, je mehr der Körpertheil schon durch Druck anämisch "gehalten wird. Ausserdem muss man bei Anämischen und Chloro- tischen durch methodische Medication mittelst Ferruginosis und Verbesserung der Ernährung die Disposition für Erfrie- rungen überhaupt zu beheben trachten.

Kaposi, Hautkrankheiten.

Einundzwanzigste Yorlesung.

b) Symptomatische Hautentzündungen.

Diff^ase ervthematöse Entzündung, Erysipel; phlegn^onöse Form, P^eu-Jo- D.ffuse erymem^ Formen: Furunkel, Anthrax (idiopathische und

Formen : Bouton d' Alep. Zoonosen : Malias- mus, Leichenlnfeetionspustel, Pustula maligna.

Die symptomatischen Haiitentzündimgen bilden nacli Ursache nnd Wesen einen nicht zu verkennenden Gegensatz zu den früher besprochenen idiopathischen Entzündungen. Wahrend diese einen directen Effect äusserer Schädlichkeiten darstellen vmd in Allem und Jedem proportional sind der mechamschen, chemischen nnd dynamischen In- und Extensität jener Causa nocens, nehmen die symptomatischen Hautentzündungen einmal angeregt, Gestalt und Verlaufsweise an, welche mit der sup- ponnirten Ursache nicht gerade gedeckt werden kann

Die Schädlichkeiten, welche cUe symptomatischen Ent- zündungen veranlassen, sind nicht eigentlich bekannt, sondern nnr nach ihrem aUgemeinen Charakter abgeschätzt und gelten als giftige oder irritirende Substanzen, welche direct oder m- direct von animalischer Abstammung sind , sei es von dem eigenen oder einem fremden menschlichen , oder von exnem tHerischen Körper. Ob diese Stoffe nicht -g^sirte Zerfe^^^ producte thierischer Gewebe, oder organisirte " e M^^^^^^^^ coccen Bacterien, Bacteridien) sind, ist eine noch sehr stiittige Frage.' Sei dem wie immer, man stellt sich vor, ^ass auf eine wunde HautsteUe, oder i.-gendwie m die Saftebahn gebracht, eine Entzündung veranlassen, die als Hautaffec^-^ Sh ver chieden weit ausbreiten und als solche ablaufen, odei auch den Gesammtorganismus in Mitleidenschaft ziehen kann,

Erysipelas.

355

wie das Leichengift , Milzbramlgift , Scklangengift , Rotzgift; oder dass diese Schädliclikeiten von einem im betreffenden Körper befindlichen Krankheitsherde, z. B. einem retrouteri- nalen oder einem cutanen Eiterkerde , einer Pustel der Haut, oder einer gar nicht nachweisbaren Quelle abstammend, in die Gelassbahn gelangen und theils die Haut zur Entzündung, tkeils den Gesammtorganismus zur Erkrankung bringen, wie beim ßothlauf, Furunkel, Anthrax. Nach alledem können die symp- tomatischen Hautentzündungen auch als örtliche oder allge- meine Infectionskrankheit gelten. Doch, wie gesagt, ist eine solche Auffassung nicht für alle Fälle, z. B. nicht für jeden Furunkel, zu begründen.

Nach ihrem Idinischen Charakter erscheinen die sympto- matischen Hautentzündungen entweder in diffuser Form, wie Erysipel und Pseudoerysipel, ersteres mit mehr serösem, dieses mit mehr plastischem Exsudate, oder in circumscrip- ten Herden, wie Furunkel, Anthrax, Milzbrandpustel , Eotz- krankheit, Bouton d'Alep. In Berücksichtigung der Intensität der gesetzten Gewebsveränderung unterscheiden wir die hieher gehörigen Entzündungsformen in erythematöse und phleg- monöse.

Als erythematöse Entzündung ist anzuführen: Erysipelas,

Rothlauf, Rose, d. i. eine in der Regel von Fieber ein- geleitete undbegleitete Hautentzündung, welche sich als diffuse, schmerzhafte Röthung und Schwellung der allgemeinen Decke darstellt und nach acutem Verlaiife grösstentheils mit Abschup- pung endet.

Symptome und Verlauf der Krankheit lassen eine gewisse Analogie mit denen der acuten Exantheme nicht ver- kennen.

Dem Ausbruche des Rothlaufes geht gewöhnlich 12 2-i Stunden voraus ein Schüttelfrost mit folgendem Hitzestadium, gastrischen Erscheinungen, Erbrechen und allgemeinen Begleit- erscheinungen, wie solche auch dem sogenannten Eruptionsfieber der acuten Exantheme eigenthümlich sind.

Die erysipelatöse Entzündung tritt an einer beschränkten, etwa thalergrossen Hautstelle auf unter Empfindung von Span-

23*

Eimindzwanzigstü Vorlesung.

nimg lind niässigem Sclimerz oder Jucken, als ein unregel- mässig begrenzter, meist steilrandiger, rother, erhabener Fleck, in dessen Bereich die Haut glatt, glänzend erscheint Ery- sipels glabrum lieiss, derb und gegen Druck schmerzhaft sich anfühlt und nach Verdrängen der Rothe gelblich tingirt erscheint.

Im Verlaxife der nächsten Tage breitet sich die Entzün- dung ziemlich gleichmässig auf die nachbarlichen Hautstel- len aus , so dass der Eleck binnen zwei bis drei Tagen schon eine flachhand- oder doppelt so grosse Ausdehnung erlangt hat. In massigen Fällen hat der Process mit einer solchen Ausdehnung iind binnen wenigen, etwa 3—5 Tagen, semen Höhepunkt erreicht und steht von da ab stille Erysipelas fixiim. Das Fieber, welches mit abendlichen Exacerbationen und Temperaturen von 39—41° C. denselben begleitet hatte, Schlaflosigkeit, Eingenommenheit des Kopfes , leichte Delirien, Trockenheit der Zunge etc. schwinden und die Hautentzündung bildet sich allmälig zurück. Das lebhafte Roth der erysipela- tösen Stelle verwandelt sich in Blau- bis Braunroth und Blass- braun, die Turgescenz und Derbheit der kranken Hautstelle weichen allmälig, die braungefärbte Epidermis löst sich in Schüppchen oder Lamellen ab und die Haut erscheint normal. Esslust und Schlaf stellen sich allmälig während der Rück- bildung der HautafFection ein.

Je nach der Ausdehnung des Processes kann ein solcher Verlauf 8 14 Tage in Anspruch nehmen.

Von diesem sehr häufig zu beobachtenden Typus gibt es Abweichungen im günstigen und ungünstigen Sinne und nach verschiedenen Richtungen. So nach dem gesammten Symp- tomen-Complexe , indem sowohl die Hautafi'ection äusserst un- ansehnlich, etwa thalergross ist, von vornherein fixirt bleibt und ohne alle concomitirenden Fieber- und AUgemeinerschei- nungen einhergeht. Doch kann auch da die örtliche Affection viele Tage bestehen und sich nur zögernd rückbilden.

Weiters nach der Intensität und Ausbreitung der Ent- zündung. So kann die erstere sich derart steigern, dass die seröse Infiltration innerhalb des Epidermisstratums zur Bildung von Bläschen und Blasen führt, die da und dort über der derb geschwellten Haut sich erheben Erysipelas ve.^i- cnlosum et bullös um. Aus diesem geht durch Eiterig-

Erysipelas.

;3Ö7

■werden des Blaseninhaltes die Form des Erysipelas pustu- losum, und dnrch Vertrocknnng desselben die des Erysipelas criistosum hervor. Auch im Corinna selbst kann die In- iiltration sehr intensiv werden nnd dnrcli mechanischen Druck und Compression der Gefässe zu Gangrän führen, wie zuweilen an den Augenlidern , am Penis und Scrotum , am Kreuz ; oder zu eiterig-cellulärer Schmelzung der Gewebe, Furunkel- und Abscessbildung.

Wichtiger als diese Eigenthümlichkeiten der örtlichen Erscheinung ist für den allgemeinen Verlauf das sogenannte Wandern des Rothlaufes Erysipelas migrans. Während bei normalem Verlaufe die Entzündung, nachdem sie eine massige Ausbreitung erlangt hat, sich fixirt und nach kurzem Beharren sich allseitig rückbildet, schreitet dieselbe bei dem wandernden Rothlauf nach einer oder mehreren Richtungen continuirlich fort, während von der entgegengesetzten Seite her die Rückbildung in gleichem Schritte nachfolgt. Die Aus- breitung geschieht immer nach der Seite der gewulsteten, steilen Ränder durch gleichmässiges Vorschieben dieser, oder durch zackige Ausläufer, die, wie Pfleger gezeigt, den Langer'- schen Spaltrichtungen der Haut folgen, während von der Seite der flachen, verwaschenen Ränder die Rückbildung eintritt. Derart fortschreitend kann der Rothlauf sehr grosse Haut- strecken und auch die gesammte Hautoberfläche durchwandern, ja, zur Ursprungsstelle zurückkehrend, den Cyclus ein zweites- mal antreten. Auch mitten im abgeheilten Territorium pflegen neue Rothlauf-Centra zu entstehen und getrennt stehende Roth- laiifflächen können durch zartrosenroth gefärbte Striemen und Linien, wie solche als Symptome der Lymphangioitis bekannt sind, mit einander in Verbindung treten, längs solcher Strie- men aufeinander wachsen und später difiiis verschmelzen. Vier bis sechs Wochen nimmt ein solcher Verlauf in Anspruch, während dessen die Kranken ausserordentlich herunterkommen, theils durch den materiellen Verlust, welchen die ausgebreitete Exsudation involvirt, theils durch das Fieber, das die ganze Zeit über mit den Exacerbationen des Rothlaufes Schritt hält und dieselben entweder durch Steigerung der Temperatur und Pulsfrequenz , oder durch Schüttelfrost jedesmal ankündigt. Chronische Exantheme, wie Syphilis, Psoriasis, Lupus bilden sich während intensiven Rothlaufes, wie bei anderen fieber-

g^cj Einundzwiinzigstü Yorlosung.

haften Krankheiten, zurück („Erysipele salutalre"). In dem- selben Masse, als der Rothlauf grössere Hautflächen durch- schreitet und länger andauert, mehren sich auch die Gelegen- heiten und Gefahren der Comp licationen, als welche zu bemerken sind Delirien, Sopor, Gehirnödem , Meningitis , Lun- genödem, Pneiimonie, Glottisödem, Pleuritis, Endo- undPericar- ditis, metastatische Entzündung und Vereiterung der Gelenke, der fibrösen Häute, der Haut und des subcutanen Zellgewebes, pyämische Processe überhaupt.

Nach der Localisation ist der G e si cht sr o t h 1 a u f Erysipelas faciei am häufigsten zu beobachten. Derselbe geht meist von einer Stelle der Nase oder der Wange aus, bisweilen nachweislich von der Nasen- oder Rachenschleimhaut, in welchen Fällen man von einem Erysipel der Schleim- haut sprechen kann. Das ganze Gesicht kann successive oder gleichzeitig davon befallen sein. Dasselbe ist dann in toto enorm gedunsen, die Lippen sind wulstig, abstehend, aus dem Munde quillt reichlicher Speichel, die Zunge ist braunroth, trocken, rissig ; Eachen- und Gaximenschleimhaut vne gefirnisst, trocken, glänzend; die Augenlider ödematös , geschlossen, zu- weilen brandig; die Ohrmuscheln dick, abstehend, der Gehor- gfing beinahe durch die Schwellung verlegt; da und dort stehen auf der Haut Blasen und Krusten. Der Kranke delirirt bei hoher Temperatur (4P C.) und vollem beschleunigten Puls oder bietet ein andermal Erscheinungen der Depression dar, verlangsamten Puls, Apathie oder gar Sopor. Gefahrlich pflegen insbesondere die Gehirnerscheinungen zu werden, wah- rend der Eothlauf den behaarten Kopf besetzt, nach dessen Durchwanderung derselbe erst auf Nacken und Schulter zur Ansicht gelangt. An der behaarten Kopfhaut verräth sich die Erkrankung mehr durch die grosse Schmer zhaftigkeit gegen Berührung, da die Haare das Krankheitsbild verdecken. Nach Ablauf der Entzündung fallen die Haare reichlich aus, ja kommt es zu Verlust aller Kopfhaare in raschem Effluvium. Dies erklärt sich dadurch , dass auch in die Follikel Exsuda- tion stattfindet (Haight) , durch welche die Wurzelscheiden von der Glashaut abgelöst werden, sowie durch die folgende Seborrhoe.

Der Gesichtsrothlauf endet noch während seines Bestan- des zuweilen tödtlich durch die früher erwähnten Complica- tionen, namentlich bei älteren Lidividuen und Potatores durch

Eiysipelas.

359

Lungen- oder Hirnödem, geht aber sonst grösstentheils in Grfe^- nesung über.

Manche Menschen werden mehrere Jahre hindiu'ch wieder- holt von Gesichtsrose heimgesucht. Bei solchen pflegt sich eine bleibende Verdickung und Derbheit der "\\''angenhaut herauszubilden.

An allen übrigen Körperstellen kann ßothlauf seinen Anfang nehmen, bei Neugeborenen oft vom entzündeten Nabel aus Erysipelas umbilici mit oft tödtlichem Ausgange ; von den Impfstellen Vaccinirter Vaccina rothlauf von den Genitalien beiWöchnerinnen Erysipelas p u e r p e r a 1 i s ; von den Extremitäten bei mit Varices, Excorationes , PusteLa behafteten Personen.

Die eben aufgezählten Gelegenheitsur Sachen des Er3'sipel, sowie die Häufigkeit dieser oder jener Localisation desselben hängt zusammen mit dessen besonderer Aetiologie.

Wie Hebra, Billroth tuad die meisten neueren Patho- logen, meine auch ich, dass Rothlauf nie anders entsteht, als durch Aufsaugung von irgend welchen Entzündung und Eieber erregenden StofPen (phlogogene und pyrogene Substanzen, Billroth) in die Lymphgefässe und Saftcanäle der Haut. Da- für spricht sowohl das Auftreten jener früher erwähnten, den Gefässen entlang laufenden rothen Streifen bei Rothlauf, so dass ich das Erysipel als Lymphangioitis capillaris cutis an- sehen möchte ; als auch der Umstand, dass man in den meisten Eällen einen Entzündungs- oder Eiterherd nachweisen kann, der eben solche pyrogene Stoffe, (organische Zersetzungspro- ducte im Allgemeinen) zu produciren geeignet ist, \mi von welchem die Lymphangioitis und der ßothlauf ihren Ausgang genommen, sei es ein Abscess in der Haut, oder Caries einer Kippe, oder ein Eiterherd im DouGLAs'schen Räume : und end- . lieh noch die Erfahrung , dass zumeist die Entzündung sofort sich rückbildet, wenn durch Ablösung der Krusten auf der Haut, oder Eröffnung des Abscesses, dem Eiter Austritt ver- schafft wird , von dessen Absperrung und Zersetzung eben der ßothlauf, alsEolge einer Art Autoinfection, begonnen hatte.

Bezüglich des Gesichtsrothlaufes herrscht jedoch vielfach die Meinung, dass derselbe genuin, durch „Erkältung" ent- stehen könne. Ich betone, dass bezüglich dessen Ursache das- selbe gilt , wie für Rothlauf an einer Extremität. Man muss

gßQ Eiulindawauzigste Vorlesung^

dessen. Quelle aiifsuclien und wird sie finden in Caries eines Zahnes (Erysipelas odontalglcum), in Eczem , Lupus , Scrophu- lose, Syphilis der Nasenschleimhaut, in einem retropharyngealen Abscesse und Aehnlichem. Allgemein wird angenommen, dass, wer einmal Gesichtsrothlauf gehabt, besonders disponirt ist zu Recidiven. Das ist richtig, aber nicht, weil er sich leichter erkältet , sondern weil die vorliegenden Ursachen solche sind, dass sie chronisch bestehen (scrophulöse Rhinitis, Eczema und Liipus nasi) und demnach öfters die bedingenden Stoffe für Rothlauf hergeben. Die rationelle Therapie weiss auch diese Verliältnisse gebührend zu würdigen.

Dennoch ist damit die Aetiologie des Erysipels nicht für alle Fälle klargestellt. Zu gewissen Zeiten , bei uns nament- lich im Frühling und Herbst, tritt sowohl bei sonst Gesunden, als besonders in Spitälern zu bestehenden Wunden, Rothlauf in grösserer Frequenz auf, und es wird angenommen, dass dieses (septische) Erysipel sogar direct übertragbar sei, sei es ver- mittelst eines flüchtigen Stoffes (Volkmakn), oder organischer Krankheitskeime, Bacterien, Micrococcen, (Lukomsky, Orth, PONFICK, ZuELZEE u. A.) , Injectioneu mittelst Erysipel-Producten bei Thieren haben sich sehr giftig erwiesen. Doch ist damit keineswegs dargethan, ob jenes Agens organisirt oder nicht, ■oder nur chemischer Natur sei.

Die anatomische Veränderung der Haut bei Erysipel besteht wesentlich in einer Infiltration der gesammten Cutis, also Epidermis, Corium und Unterhautzellgewebe, mittelst eines vorwiegend serösen Exsudates. Doch ist dieses keines- wegs zellenarm, wenn auch nicht so reicKhaltig an Exsudat- zellen, wie das plastische Exsudat der phlegmonösen Hautent- zündung. Quellung, Trübung, Kerntheilung , Zerriing und Dehnung der Retezellen zu einem Fächerwerk (wie bei Blasen- bildung) sind die Wirkung jener Exsudation im Bereiche der Epidermis ; im Corium Aufquellung der Bindegewebsfibrülen, Erweiterung der Safträume, während um die erweiterten Blut- gefässe reichlich Exsudatzellen sich reihen. Ebenso findet Exsudation in die Talgdrüsen und Haarfollikel statt, welche Lockerung der Wurzelscheiden, nachträgliches Ausfallen der Haare und langandanernde Zellenproliferation sub forma von Seborrhoe zur Folge hat. Die erwähnte Beschaffenheit des Exsudates und der Gewebe erklärt die klinischen örtlichen

Erysipelas.

361

Symptome , sowie die Restitutio ad integrum nach erfolgter Resorption des Exsudates.

Acut kann sich der Zellengehalt und die Plasticität des Exudates steigern. Dann kommt es stellenweise zu den Symp- tomen der phlegmonösen Hautentzündung , mikro- und makro- skopischen Abscessen und Grangrän.

Bei an derselben Stelle häufig sich wiederholendem Ery- sipel, wie im Gresichte, an den Unterschenkeln, bleibt ein Theil des serösen Exsudates jeweilig zurück. Es siiramirt sich so- dann zu einem chronischen Oedem von dem Charakter des so- genannten lymphatischen (Vieceow), das sehr viel Exsudat- zellen enthält. Diese wachsen mit der Zeit zu Bindegewebs- körperchen aus und vereinigen sich zu Eibrillen (Youku). So geht aus denselben neues Bindegewebe und Verdickung der betreffenden Haiit hervor Pachydermia. Man kann, wie gesagt, derart die Wangen dauernd verdickt finden nach häufig wiedergekehrtem Rothlauf, und eben so die Unterschenkel.

Die Diagnose des Rothlaufs ist unter "Würdigung seiner geschilderten Charaktere nicht schwierig. Verwechs- lungen kommen vor gegenüber von Erythem, Dermatitis phleg- monosa, und bei der Blasenform, mit Eczem.

Die Prognose ist im Allgemeinen günstig. Die meisten Eälle enden in Genesung. Dennoch ist Voi sieht in der Vor- hersage unter allen Umständen geboten, da man nie wissen kann , welche Ausdehnung der Process nehmen und ob nicht schwere Complicationen zu demselben ti'eten werden.

Dass Erysipelas faciei und migrans im Allgemeinen, und besonders bei Trinkern und alten Personen bedenklich werden kann, ebenso Erysipelas umbilici infantum gefährlich ist, habe ich bereits erwähnt.

Die Therapie des Rothlaufs ist rücksichtlich seiner allgemeinen Symptome in der Weise zu leiten, wie bei allen fieberhaften Krankheiten, und nach den für diese geltenden Indicationen. Darnach wird man einmal die übermässige Körper- wärme, Delirien, Unruhe, durch kalte Einhüllungen, Eisbeutel, u. s. w. zu mitigiren trachten, bei regelmässigem Typus der Exacerbation Chinin verabreichen , bei mässigem Fieber oder afebrilem Verlaufe in dieser Richtung ganz unthätig bleiben können. Entschieden sind Venaesectionen, Blutegel und Schi'öpf- köpfe zu verdammen.

3ß2 Einiiiid/.wanzigslu VorlBSung.

Vielfach waren von jeher die Bestrebungen, durcli ört- liche Eingriffe und Mittel die erysipelatöse Hautentzündung zu begrenzen und am Fortschreiten zu hindern, doch, man kann sagen, vergebens. Weder das Ziehen einer Grenzmarke mittelst Lapisstiftes hat sich als Hinderniss für die Ausbreitung des Erysipels ergeben, noch lässt sich dieses durch Bestreichen mit Collodium oder Jodtinctur an Ort und Stelle festbannen.

Die rationelle Behandlung macht sich zur ersten Aufgabe, den Ausgangspunkt des ßothlaufes zu eruiren und unschädlich zu machen. Bei Gesichtsrose muss man nachsehen, ob etwa ein Zahuabscess vorhanden ist und ihn eröffnen, besonders aber die Nasenhöhle genau inspiciren, daselbst befindliche Pusteln eröffnen, Krusten und Eiterherde durch Einlegen von Salben- xind Oeltampons erweichen; und ich habe schon manchen Fall von seit Jahren recidivirendem Gesichtsrothlauf dauernd geheilt, indem die Patienten gelehrt wurden, auch nach Ablauf der Krankheit Krustenbildungen im Bereiche der Nasenhöhle zu verhüten. Analog müssen an anderen Körperstellen, z. B. an den Unterschenkeln leicht auffindliche oder auch verborgene Eiterherde, z. B. Periproctitis bei Erysipel der Nates, auf- gesucht und durch Erweichung der sie deckenden Krusten, oder operative Eröffnung ihrer Decken erschlossen Averden. Indem derart die Gelegenheit für neuerliche Resorption ent- zündungserregender Substanzen beseitigt wird, ist auch der erysipelatöse Process am ehesten zu begrenzen.

Die in Entzündung befindlichen Hautstellen selbst werden entweder gar nicht, oder mit trockener YerbandwoUe, mit Eis- blasen oder Kataplasmen bedeckt, je nachdem man die Kranken für das Eine oder Andere subjectiv mehr disponirt findet, d. h. sie dies oder jenes angenehmer , behaglicher empfinden. Auf- legen von auf Leinwand gestrichenem Unguent. hydrargyri ist bei Gesichtsrothlauf beliebt. Doch achte man dabei auf die Gefahr von Salivation. Li neuerer Zeit haben Hüeter, Neü- DÖRFER U.A. angegeben, durch täglich 10-20malige subcutane Liiection von ein- bis zweipercentiger Carbollösung den Roth- lauf örtlich coupirt zu haben. Ich habe darüber kerne Er-

. fahrung. . . , .,j

Die Application von auf Leinwand gestrichenen müden Salben (Gerat, simplex, Zink- oder Präcipitalsalben (1:40), Glycerin" Vaseline, LiSTER'sche Paste, Phunbum aceticum und

Pseudoerysipel. Furunkel.

3G3

Aehnliclies kann die Spannung etwas mildern und beson- ders zur Zeit der Decrustation als zweckmässig empfohlen werden.

Die phlegmonösen Hautentzündungen charakterisiren sich durch intensive, schwer verdrängbare Rothe, BQtze, Schmerzhaftigkeit und sehr derbe, bis zu bedeutender Härte gesteigerte Infiltration und Schwellung der betroffenen Haut und dui'cli den gewöhnlichen Ausgang in eiterige Schmelzung oder Massennekrose (Gangrän) des Gewebes.

In diffuser Form stellt dieselbe das sogenannte Pseudo- erysipel (Phlegmone) vor. Meist mit Schüttelfrost und Fieber eingeleitet , entsteht dasselbe als eine über grosse Strecken, z. B. eme Extremität, sehr acut sich ausbreitende, derbe, schmerzhafte Schwellung und Röthung der Haut. Die Entzündimgserscheinungen können mit Nachlass des Fiebers nach einigen Tagen sich verlieren, unter Zurücklassung von brauner Pigmentirung und Desquamation. Häufiger kommt es sehr rasch , binnen ein bis drei Tagen , zu weitverbreiteter eitriger Schmelzung des Gewebes, die durch gesteigertes Fieber und örtlich durch Fluctuation sich zu erkennen gibt. Nach EröfiFnung und Entleerung des oft jauchigen und massenhaften Eiters , dem immer auch gröbere Gewebsfetzen beigemengt sind, zeigt sich oft eine enorme Verwüstung des Unterhaut- zellgewebes, oder gar noch der unterliegenden Gewebe, Fascien, Muskel, Entblössung oder Nekrose der Knochen, Eröffnung der Gelenke. Am übelsten in dieser Beziehung ist die Phlegmone der Hand, welche frühzeitig die Phalangealknochen und Gelenke gefährdet.

Neben den örtlichen Folgen sind fortgeleitete Adenitis, ferners Pyämie, Icterus, Metastasen, langwierige Kachexie oder rascher Tod bei Pseudoerysipel zu fürchten.

Die Ursache desselben ist wohl immer eine, sei es von aussen her durch Leichengift , Variolainhalt , Puerperalsecret, Jauche , faulende animalische Substanzen überhaupt , mittelst Eintragung in eine "Wimde (Excoriation) erfolgte Intoxication ; oder eine analoge Vergiftung , die von einem Eiterherd des Individuums selbst durch die Lymphbahn ihren Weg genom- men. In dem letzteren Falle stellt ihr Effect die eigentlich meta- statische Phlegmone vor, wie' die nach Variola vera geschilderten, oder die bei Wöchnerinnen zu beobachtenden.

Eimuldzwanaigste Vorlesuug.

Hielier würden aucli die durch Schlangengift, Biss von Scorpionen etc. von den Bisswnnden her sich ausbreitenden Phlegmonen gehören, die entweder als örtlicher Affect ab- laufen, oder diirch allgemeine Blutvergiftung den Tod herbei- führen.

Bezüglich ihrer Therapie , die aus der Chirurgie bekannt ist, erwähne ich nur die Nothwendigkeit, so früh als möglich und genügend tief Einschnitte zu machen, auch wenn noch kein Sammelherd des Eiters zu constatiren wäre.

In cir cum Script er Eorm erscheint die phlegmonöse Hautentzündung bei den als Furunkel und Anthrax be- kannten Krankheiten, sowie bei den Zoonosen: Rotz- krankheit, Leicheninfectionspustel mid Pustula maligna.

Der Furunkel stellt einen umschriebenen , derben , ent- zündlichen Knoten der Cutis vor, in dessen Centrum es ge- wöhnUch zu Nekrose des Gewebes in Gestalt eines zur EHmi- nation gelangenden Pfropfes kommt. Seine Entwicklung kündigt sich durch eine umschriebene Schmerzhaftigkeit und Härte der Haut an. Erst am folgenden Tage zeigt sich daselbst auch ßöthe und vermehrte Wärme. Geschwulst, Härte und Rothe breiten sich aus, so dass der nur mässig vorragende Knoten hasel- bis wallnussgross erscheinen kann. Bei dem deutlich um einen Haarbalg entstandenen Eollicular - Furunkel zeigt sich schon frühe ein vom Haare durchbohrter gelber Punkt ; bei den sogenannten Zellgewebs-Furunkeln dagegen sieht man einen solchen erst nach mehreren Tagen , oder wölbt sich auch nur die blaurothe und verdünnte Haut empor, indem es inzwischen unter Andauer der Schmerzen und Gefühl von Pulsiren zu eiteriger Schmelzung in dessen Mitte gekommen. Nach Er- öffnung der Eiterdecke mildern sich in etwas die Schmerzen, doch schwinden dieselben erst dann gänzlich, wenn sich nach 8—10 Tao'en die nekrotische Masse durch Eiterung losgelöst hat. Dieselbe wird in Gestalt eines gelblich-grünen . zalien, eiterdurchtränkten Pfropfes ausgestossen oder ausgelost^Hier- auf erfolgt aUmäliger Verschluss der becherförmig klaffenden Höhle durch Granulation.

Manchmal eröffnet sich der furunculöse Knoten aii melire- ren Punkten und lösen sich mehrere Pfropfe aus. Die Haut sieht dann daselbst wabenartig durchlöchert aus - i urunculus

Anthrax. Furiinculosis.

3G5

vespajiis. Es handelt sich da um mehrere zusammen- gedrängte Funuikel.

Bei reizbaren Individuen begleitet wohl auch Fieber die Entziindungs- und Eiterungsperiode des Furunkels.

Der Anthrax (Carbunkel) entsteht als eine furunkel- o-lelche, aber über thaler- bis flachhandgrosse und noch mehr ausgebreitete, sehr harte, kaum bewegliche Infiltration der Haut und des Unterhautzellgewebes. Sein häufigster Sitz ist die Nackengegend, doch kommt er auch im Gesichte, auf der "Wange, Lippe, oder am Rücken, in der Kreuzgegend vor. Schmerz und Fieber sind bei demselben oft sehr intensiv, ja, bei seiner Localisation am Nacken und im Gresichte zuweilen auch Delirien und Sopor zugegen. lieber demselben nekrosirt die Haut in verschiedener Ausdehnivng und Form, indem sie zu einer bläu- lich-schwarzen Pulpe, oder einem lederartigen trockenen Schorfe verwandelt wird. Der Abstossung dieser folgt noch weitere Exfoliation des tieferen Bindegewebes, das von Eiterherden, geschmolzenen Grewebsfetzen, thrombosirten Blutgefässen in der unregelmässigsten Weise durchsetzt ist. Erst nachdem die infarcirten Massen alle geschmolzen und durch demarkirende Eiterung ausgestossen worden, liegt eine rothe, granulirende, oft sehr tiefe Wunde bloss, die regelrecht zur Verkeilung kommt.

Auch bei so günstigem Verlaufe ist der Carbunkel eine bedeutende Krankheit. Er wird aber gefährlich, wenn die In- filtration und Gangrän fortschreiten und die Begrenzung nickt eintritt, indem da durch Pyämie oder unter Erscheinungen des Gehirnödems der Tod erfolgen kann. Aeltere Personen sind durch Anthrax jederzeit sehr gefährdet und die Prognose muss bei dieser AfFection immer vorsichtig gestellt werden.

lieber die anatomischen Verhältnisse des Furunkels und Anthrax sind wir nur wenig aufgeklärt, da dieselben wohl niemals vor Eintritt der Gewebsnekrose zur Untersuchung ge- nommen worden sind. Soweit das klinische Bild und Form und Be.standtheile des ausgelösten Pfropfes lehren, geht die Entzündung und Mortificatien meist von einem Haarbalge oder einer Talgdrüse (Billroth) und dessen Grenzgewebe aus ; wie Rindfleisch meint, vielleicht von dem Bindegewebsstrang, welcher vom Grunde des Haarbalges in die subcutane Zell- schicht zieht (Werthefm). Manche meinen, dass eine Thrombo-

-.^QQ Einundzwanzigste Vorlesung.

sirung der den FoUikelgrund versorgenden Gefässe der Ent- zündung und Gewebsnekrose zu Grunde liege, was jedoch noch nie erwiesen wurde.

Bei Carbunkel sind die anatomischen Verliältnisse noch complicirter.

Furunkel und Anthrax müssen übrigens pathologisch im Zusammenhange betrachtet werden , indem beide unter den gleichen Verhältnissen aufzutreten i.flegen und sehr oft eine Eeihe von furunculösen Erkrankungen mit einem Carbunkel abschliesst.

Die Furunkel kommen entweder sporadisch vor, oder zu vielen in einer successiven Reihe, derart, dass durch mehrere Monate und selbst Jahre , mit kurzen Unterbrechungen oder continuirlich und au verschiedenen rp erstellen , oder vor- wiegend an bestimmten Regionen Furunkel auftauchen. Man spricht dann von F u r u n c u 1 o s i s , als einem chronischen Uebel , das durch die häufigen Schmerzen, Fieber und Eiterungen den Kranken sehr herunterbringen, oder durch Intercurriren eines Anthrax auch gefährden kann.

Nach ihrer Ursache nun kann man idiopathische und symptomatische Furunkel und Carbunkel iinterschei- den. Die ersteren entstehen bei ganz Gesunden spontan und dann meist solitär, oder einzeln und zu vielen successiven in Folge von Reizung der Haut durch vieles Douchen, Kalt- wassercuren (sogenannte Krisen) und Kratzen, wie bei den jiickenden Hautkrankheiten Eczem, Prurigo, Scabies, Pediculi vestimentorum.

Als symptomatisch können Furunkel und Anthrax gelten, wenn sie, wie erfahrungsgemäss , als Folge oder Be- gleiter von allgemeinen Ernährungsstörungen, chronischer In- digestion, Marasmus senüis, Diabetes auftreten.

Die Therapie ist gegen die besprochenen AfPectionen ziemlich ohnmächtig. Man kann weder durch AppHcation von Eis oder feuchter Wärme, noch durch frühes Einschneiden den Verlauf des einzelnen Furunkels alteriren oder abkürzen. Da- her empfiehlt es sich , der Empfindung des Kranken gemäss, das Eine oder Andere aufzulegen, was eben dessen bchnierzen zumeist lindert. In der ersten Zeit behagt meist die Kulte, zur Zeit der eiterigen Schmelzung die warme Jomentation

Boutou d'Alep. Mali.isniiis.

367

(liu'cli Kataplasmen oder indifferente Salben und Pflaster. Das Ausheben des nekrotischen Pfropfes vor seiner vollständigen Lockerung hat gar keinen Zweck.

Dagegen ist beim Anthrax die energischeste Anwendung der Eiskälte und das möglichst frühe durchgreifende Ein- schneiden — wobei das derbe Gewebe kreischt nach vielen Richtungen angezeigt ; letzteres um möglichst viele Eiter- herde zu eröfthen. Mit dem Eintritt der Schmelzung sind warme Eomentationen oder desinficirende Verbände (Carbol- paste, Trimethylammonium) angezeigt.

Bei Eurunculosis werden die einzelnen Eruptions- luioten gerade so symptomatisch behandelt, wie die sporadischen Eurunkel. Ausserdem trachte man die eventuelle allgemeine Ursache derselben zu eruiren und durch geeignete IVIittel, Trink- und Nährcuren, Amaricantia, Soda, Ferrum, Thermal- wässer von Franzensbad, Karlsbad, Marienbad u. A. zu be- heben. Im Allgemeinen erweisen sich Bäder als nicht zuträg- lich, doch sind wiederholt Alaun- und Sodabäder (1000 Gramm auf ein Bad) , sowie Sublimatbäder (10 Gramm auf ein Bad) angerathen und heilsam befunden worden. Ich selbst habe derartige Verfahren oft angewendet, da die Furunculosis eine überaus lästige Krankheit ist und zu immer neuen Heilver- suchen auffordert.

In der Literatur wird auch von endemischen Furun- keln berichtet, wie Anthrax hungaricus, esthonicus, bothnicus, Bouton d'Aleppo. Von Letzterem sagen Pococke, Willemin, RiGLEE, J. 'E. PoLLAK u. V. A. , dass derselbe in den Länder- gebieten des Euphrat und Tigris und vielen anderen besonders genannten Erdstrichen vorkomme und die Eingeborenen dvirch- wegs zwischen dem 1. 7. Lebensjahre, jeden Eingewanderten aber innerhalb des 1. 2. Jahres seines dortigen Aufenthaltes be- falle. Der Bouton entsteht als ein entzündlicher Knoten im Gesichte, auf der Hand oder sonst wo am Körper, zerfällt oberflächlich, bildet ein indolentes Geschwür, das nach 6 S Monaten mittelst Narbe heilt und kehrt nicht ein zweites Mal wieder. Geber, der jene Gegenden besuchte, hat zwar erklärt, dass dort Vieles für Bouton angesehen wird, was nicht richtig diagnosticirt worden , wie Lupus und Syphilis , hat aber nach meiner Meinung damit die Existenz des Bouton doch nicht zu widerlegen- vermocht.

Einuudzwanzigste Vorlesung.

An die geschilderten Krauklieitsformen sclüiesst sich eine Gruppe von circurascripten , phlegmonösen Hautentzündungen an, die durch thierische Gifte hervorgerufen werden Zoonosen; zunächst

Die Rotzkrankheit des Menschen, Maliasmus. (Malleus humidus, MoEVE et Faecin), welche durch Uebertragung der gleichnamigen Krankheit vom Pferde (Thiere) auf den Menschen entsteht. Sie manifestirt sich entweder als ört- liche AfPection in derselben Weise, wie aUe durch moculirte organische Gifte erzeugten Phlegmonen, mit Entzündung. Eiterung, Gangrän, Lymphangioitis , Adenitis, metastatische Eiterung und kann durch Pyämie tödten, oder nach Abstossung der Gangrän mit Genesung enden.

Oder es kommt zur maliatischen Allgemeinerkr an- kuno- mit oder ohne vorhergehende LocalafiFection, Dieselbe bekundet sich als allgemeine Blutvergiftung durch Schüttel- fröste, Eieber, Gelenksschmerzeu und entzündliche Localisa- tionen' an der Haut, an welcher zahlreiche Pusteln, Fnrnnkeh hämorrhagische Knoten nnd Abscesse in der mannigfachsten Grösse sich entwickeln. Anch die Nasenschleimhaut ist oft geschwellt, entzündet, in reichlicher , eiteriger Secretion be- grifleen. Das Leiden verlauft entweder unter heftigem Fieber, kephalischen Erscheinungen, Complication mit Pneumonie, Mil^- und Darmaffectionen binnen wenigen Tagen oder Wochen letal, acuter ßotz; oder es entwickelt sich zur chronischen Eotzkrankeit, indem die stürmischen allgemeinen Symptome sich verlieren , aber die Abscessbildungen sich fort erneuern, und der Tod erfolgt am Ende eines jahrelangen Marasmus ; oder endlich es versiegt in seltenen FäUen auch die Reihe der localen Entzündungen und die Kranken genesen.

Bei der Section an ßotzkrankheit Verstorbener finden sich neben den Knoten und Eiterherden der Haut auch solche der Schleimhaut der Nase, des Rachens und Kehlkopfes, der Bronchien, herdweise Pneumonie und mannigfache Verände- rungen der parenchymatösen Organe, Muskel und des Gefäss-

systems. , . i ,

Die Diagnose des Malleus humanus erheischt einige

Aufmerksamkeit, da dei^selbe sonst leicht mit Variola, noch elier aber mit pustulöser und gummatöser Syphilis verwechselt werden kann.

Leicheninfectionspustel. Milzbrandcarbunkel.

369

Zur Ansteckung durcli Rotz ist nicHt die directe Be- rührung eines rotzkranken Tliieres nöthig. Es genügt das Schlafen und der längere Aufenthalt in einem Stalle, der rotz- kranke Pferde beherbergt, oder selbst die Beschäftigung mit dem Aase eines solchen ; denn das ßotzgift ist erwiesenermassen flüchtig.

Auch von Menschen auf Menschen ist Uebertragung der Eotzkrankheit beobachtet worden.

Die Leicheninfections-Pustel kommt vor bei Personen, welche mit menschlichen oder thierischen Leichen und deren Producten (Felle von Thieren) zu hantiren haben, bei Aerzten, Sectionsdienern , Abdeckern, Fellscheerern. Die AfFection nimmt zumeist eine Stelle des Handrückens ein, sub forma einer hämorrhagischen Blase , oder eines meist sehr schmerzhaften Follicular -Furunkels. Der Verlauf ist ganz analog dem bereits für andere Infectionsformen geschilderten; entweder acute locale Entzündung mit Lymphangioitis , Gran- grän , Nekrose der "Weicbtheile , der Knochen und Heilung ; oder acute Pyämie und Tod; oder chronischer Marasmus mit und ohne Grenesung.

Das G-leiche gilt für den Milzbrandcarbunkel, Pustula maligna, welche dieselben Chancen des örtlichen oder all- gemeinen, acuten oder chronischen, günstigen oder letalen Ver- laufes darbietet.

Dieselbe entsteht unter Jucken und Brennen als rother, erhabener Fleck , wie nach einem Insectenstich. Sehr bald hebt sich über demselben die Epidermis durch hämorrhagisches Serum zu einem Bläschen empor, das im Centrum eintrocknen, peripher sich vergrössern, oder mit nachbarlichen verschmelzen kann. Inzwischen ist an der Basis eine thaler- bis flachhand- grosse , sehr derbe und wenig schmerzhafte Infiltration der Haut entstanden, auf welcher bald eine hämorrhagische Blase sich erhebt, oder ein Theil der Haut zu einem trockenen, miss- farbigen Schorfe sich verwandelt. Die Localisation betrifft meist den Handrücken , seltener das Gresicht , das Augenlid, welches dabei enorm anschwillt und derb infiltrirt ist.

"Wenn der Process nicht rasch zum Tode führt, so ne- krosirt der grösste Theil des infiltrirten Gewebes, nach dessen Abstossung daselbst Granulation und Vernarbung erfolgt. Lymphangioitis und eiternde Adenitis axillaris , oder Verjau-

Kaposi, Haiitki'ankUelten. 24

grjQ Eintmdzwanzigste Vorlesung.

chung des Pectoralimiskels kommt häufig vor. Die Prognose ist nur bei localer Beschränkung der AfFection und mangehi- den Allgemeinsymptomen günstig, sonst sehr zweifelhaft, denn es kommt oft zu pyämischen AUgemeinerschemungen und binnen kurzem Verlaufe zum Tode.

Die beste Behandlung ist die rein symptomatische. Hebka befürwortet nicht die von anderer Seite empfohlene Aetzuns der Pustula maligna, oder der anderweitigen Inlec- tions-Knoten und Pusteln mittelst rauchender Salpetersäure.

Der Milzbrandcarbunkel kommt seiner Quelle gemäss zu- meist bei Abdeckern, Yiehwärtern und Personen vor, die mit dem Aas und den AbfäUen milzbrandkranker Thiere m Be- rührung kommen; gelegentlich auch durch den Stich von Fhe- cren die auf Milzbrand-Aesern gesessen hatten.

' Als Träger des Ansteckungsstoffes für Müzbrandcarbun- kel werden die seit Pollekdee undDAVAiNE vielfach im Bkite milzbrandkranker Thiere und im Gewebe des Carbunkels selbst nachgewiesenen beweglichen Stäbchen,

sehen Ich verweise in dieser Beziehung, sowie bezüglich dei Art und Gelegenheit der Ansteckung und der Symptome der Tllgemeinen und Litestinalerkrankung bei ^lilzbrand (H^^kosi. intLinalis) auf die Werke über specielle Chirurgie und Pathologie.

Zweiandzwauzigste Yorlesimg. B. Chronische exsudative Dermatosen.

Anatomische Bedeutung und klinische Eiotheilung der chronischen Exsu- dat! vprocesse. Squamöse Dernnatosen. Psoriasis.

Meine Herren! Mit dem Studium der chronis clien exsudativen Dermatosen befinden wir uns so recht mitten in dem eigenartigen Gebiete der Dermatologie. Viele von den bisber besprocbenen Affectionen , namentlicb die acut entzündlichen, werden vermöge eines Tbeiles ihrer Symptome jederzeit auch von der medicinischen und chirurgischen Patho- logie gebührend gewürdigt und so zur Kenntniss der Studi- renden gebracht werden. Nicht so die in dieser Gruppe zu besprechenden, welche vorwiegend selbstständige Partien der Haut darstellen.

Wie schon ihre allgemeine Charakterbezeichnung als chronische exsudative Dermatosen besagt, liegt allen ein Nutri- tionsvorgang zu Grunde, der chronisch sich abwickelt und als entzündlich oder exsudativ bezeichnet werden kann, indem nur einzelne Symptome der Entzündung, nicht aber der gesammte Symptomencomplex derselben, bei ihnen sich vorfinden. Von diesen überwiegt bald die Gefässinjection (Rothe), bald die Ex- sudation, oder Proliferation der Gewebselemente. Zugleich betreffen diese Vorgänge entweder vorwiegend die Papillar- schichte, oder auch die tieferen Coriumschichten, oder nur die Drüsen und deren nächste Umgebung, oder vorwaltend die Epidermis. Da auch gelegentlich eine Steigerung des ent- zündlichen Vorganges zur acuten, typischen Entzündung mög-

372

Zweiundzwanzigste Vorlesung,

licli ist, manclae dieser Formen, wie das Eezem, meist aucli aus acuten Anfangen hervorgeht, so ist es kaum thunlich, auf G rundlage dieser feineren anatomischen Unterschiede die grosse Zahl der hieher gehörigen Krankheitsformen von einander zu sondern.

Deshalb empfiehlt es sich besser, nach dem Vorgange Hebra'b, neben den vorspringenden anatomischen Veränderun- gen auch die sehr auffälligen klinischen Merkmale hier mit zur Unterscheidung zu verwerthen und daraufhin die chroni- schen exsudativen Dermatosen in folgende 5 Gruppen einzu- theilen, als :

1. SquamöseDermatosen, Schuppenausschläge : Pso- riasis, Liehen ruber. Liehen scrophulosorum.

2. Pruriginöse Dermatosen, Juckausschläge: Ec- zema (Scabies), Prurigo.

3. Folliculitides, Finnenausschläge: Acne, Sycosis,

Acne rosacea.

4. Pustelausschläge: Impetigo, Ecthyma.

5. Blasenausschläge: Pemphigus.

Beschäftigen wir uns zunächst mit den in die erste Gruppe gehörigen Krankheitsformen.

1. Squamöse Dermatosen. Psoriasis,

Als Psoriasis bezeichnet man seit Wn.LAN jene Haut- krankheit, welche sich durch trockene, weisse, glän- zende Schuppenauflagerungen charakterisirt, die in Form von punktförmigen Hügelchen, oder grös- seren, scheibenförmigen Platten auf scharf be- grenztem,, rothem, leicht blutendem Grunde auf- lagern.

Die ausserordentlich variablen Formen der Krankheit gehen allesammt aus Primärefflorescenzen derselben Art hervor. Diese erscheinen als stecknadelkopfgrosse, braiin- rothe Knötchen, welche unter dem Fingerdrucke bis zum Ver- schwinden erblassen und binnen wenigen Tagen mit einem weissen Epidermisschüppchen sich bedecken. Wird dieses mit dem Fingernagel abgelöst, was sehr leicht geschieht, so er- scheinen auf dem rothen Grunde viele feine blutende Punkte. Diese entsprechen eben so vielen Gefässchen der Papillen,

Psoriasis.

373

welche, hyperämiscli geschwellt, hex'vorragten xind von dem kratzenden Nagel verletzt worden waren. '

Viele solche Primärefflorescenzen, gleichzeitig anf der Hant vorhanden, geben das Bild der Psoriasis punctata. Aus dieser geht durch periphere Ausbreitung der Rothe, Schwellung und Schuppenbildung die Form der Psoriasis gut- ta ta iTud nu miliaris hervor, tropfen- und pfenniggrosse Sohuppenauflagerungen auf eben so grossem, rothem, massig o-eschwelltem G-runde ; und so fort binnen 1 3 "Wochen thaler- grosse und grössere solche Scheiben , die stets dieselben Cha- raktere zeigen, leicht ablösbare Schuppenauflagerung und leicht verletzbaren rothen Grund. Bei den grösseren Scheiben ist die auflagernde Schuppenplatte von einem rothen Saum um- geben. Man erkennt so, dass auch bei dem Fortschreiten des Processes ßöthe und Schwellung der Haut der Schuppen- bildung über derselben vorangeht. Durch directe Aus- breitung der einzelnen Plaques und Vereinigung mehrerer nachbarlicher entstehen weiters ausgedehnte und unregelmässig gestaltete, gleichmässig rothe und mit Schuppenauflagerungen versehene, immer scharf begrenzte und roth umsäumte Pso- riasisflecke Psoriasis figurata, geographica, endlich diffusa und univeraslis.

Zumeist aber bilden sich die einzelnen Plaques zurück, nachdem sie thaler-, flachhandgross geworden und einige Zeit stationär geblieben waren , was durch den Mangel des fort- schreitenden rothen Saumes zu erkennen ist. Unter Abnahme der ßöthe und Schwellung vermindert sich die Epidermispro- duction und Auflagerung, die Schuppe wird dünner, lockerer, und ist die ßöthe ganz geschwunden , dann fällt auch der letzte ßest der Schuppe ab. Die Hautstelle ist mit glatter Epidermis bedeckt und normal gefärbt oder braun pigmentirt ; letzteres dort, wo die Hyperämie lange Zeit bestanden, oder wie an den Unterextremitäten , der ßückstrom des Blutes mehr gehemmt ist.

Zumeist erfolgt nun diese Heilung gleichzeitig in der ganzen Ausdehnung des einzelnen Plaque , bei manchen Flecken jedoch, und zuweilen bei allen vorhandenen in der Weise, dass regelmässig zuerst die älteren, also centralen Stellen abblassen und heilen, während peripher ßöthe und Schuppung fortschrei- ten. So entstehen rothe, schuppende Kreise, die sich bis zu

Zweiundzwanaigste Vorlesung.

beträcMlichem Umfange vorschieben können - Psoriasis a n- nularis (Lepra Willani) nnd durcli AnfemandertrefFen der- artiger Kreise, wobei sie an den Berührungsstrecken aboliren, serpiginöse Linien Psoriasis gyrata. ^ . .

Die mannigfachen Formen, nnter welchen die Psoriasis erscheinen kann, steUen demnach nur verschiedene Entwicklungs- land ßückbildungsstufen desselben Processes vor, die selber m einer fortwährenden Wandlung begriffen sind. Es ist also besonders, wie Hebka gezeigt, auch die ringförmige Psoriasis, nicht anders aufzufassen und daher nicht mit einem eigenen Namen (Lepra Willani) zu belegen. . , ^

Die Entwicklung und Rückbildung der einzelnen Psorias- plaques geht manchmal sehr rasch, binnen wenigen Wochen, manchmal sehr zögernd vor sich. Im ersteren Falle sind die Schuppenmassen lockerer, weiss glänzend, leicht ablösbar , so dass sie im Bette, oder beim Darüberstreichen mit der Elach- hand in enormer Menge zu Boden faUen. Ihi^e Production und Abstossung geht sehr rasch vor sich. Ueber solchen Plac^ies iedoch, welche lange stationär bleiben , thürmen sich die Epi- dermisschuppen zu mächtigen, festhaftenden, harten und meist schimitzig-weissen bis braunen, schildförmigen Auflagerungen

hinan. ^ i \ ^

Li Bezug auf Localisation, Anordnung- mul Avis- breitung bietet die Psoriasis die grössten Mannigfaltigkeiten dar. Man sieht Fälle, wo nur ein oder einzelne Plaques zugegen sind, und solche mit zahlreichen disseminirten Herden und Er- krankungen von universeller Ausbreitung. Die Anordnung is meist unregelmässig. Am Stamme pflegen die noch getrennt teilenden Mecke l dem Eippenverlauf (der ^^^^ Haut) paraUelen Reihen gestellt zu sein. der Extremitäten und besonders des Knie- und Ellbogen-Ge- lenkes ferner der behaarte Kopf und die Sacralgegend bilden "e hänfigstenLocalisationsstellen für Psoriasis und sind darum a ich fast regelmässig mit stationären, alten, dicke, schmutzig S huppen tragenden Flecken besetzt. Am behaarten Kopfe häSsich dl Schuppen zu dicken, höckengen, einem eni- ^^^en Mörtel vergleichbaren, mit den Haaren verfilmten

Massen an, die sehr fest haften. ^ . i , 0+,,^

Aber auch jede andere Hautstelle, des Gesichtes^ Stam- mes utd de^ Extremitäten kann der Sitz eines alten Psorias-

Psoriasis.

375

plaque sein, oder gelegentlich einer allgemeinen Eruption befallen werden. Flachliand und Fusssolile allein bleiben regel- mässig, selbst bei sonst universeller Erkrankung, frei von Pso- riasis und werden nur selir ausnahmsweise davon betroffen, im Gegensatze zu der Häufigkeit, mit welcher dieselben von Sj-philis befallen werden, einer Erkrankungsform, die durch iln-e vulgäre Bezeichnung als Psoriasis palmaris et plantaris (i. e. syphilitica) oft miss verstanden wird.

Form, Localisation und Ausbreitung, d. i. das Gesammt- bild der Psoriasis, sind auch bei jedem einzelnen Kranken höchst wandelbar, je nach der Art und dem Stadium des Krankheitsverlaufes.

Der Verlauf der Psoriasis ist nämlich äusserst chro- nisch, aber nicht stetig, sondern aus unregelmässig sich ablö- senden Perioden der Zu- und Abnahme des Processes zu- sammengesetzt.

Nur selten tritt die Krankheit bei einem bis dahin pso- riasisfreien Individuum, ohne Vorläufer, mit einer acuten allgemeinen Eruption auf, oder mit einzelnen wenigen, dissemi- nirten Flecken, welche in schleichendem Verlaufe sich ver- grössern und durch spärKch neu auftauchende sich vermehren. Das Gewöhnliche ist, dass ein Kranker Jahre hindixrch alte, trockene, harte Plaques über Knie- und Ellbogengegend und am Capillitium, selten an anderen Stellen, trägt, die sich fast unmerklich verändern. Alsdann tauchen ohne nachweisbare Veranlassung auch an anderen Körperstellen neue Psoriasis- Punkte auf, einmal nur sporadische, ein andermal viele zu- gleich, welche, in stetiger Ausbreitung und durch neu nach- schiebende Efflorescenzen vermehrt und vergrössert, binnen wenigen Wochen einen grossen Theil der Hautoberfläche occu- piren. Nach einiger Zeit bilden sich die neuen Flecke zurück, hört die Eruption frischer Knötchen auf und die Psoriasis schwindet bis auf einzelne Reste, welche grösstentheils auf die früher genannten Prädilectionsstellen sich beschränken. Dann folfft ein Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten rela- tiver Gesundheit und diesem wieder eine Periode von Exacer- bation. So geht das fort viele Jahre hindurch, das ganze Leben, wobei die einzelnen Etappen der Besserung und Stei- gerung der Krankheit höchst ungleich sich erweisen, sowohl bezüglich der Dauer als der Intensität der Exacerbation oder

1

g-jQ Zweiundzwanzigste Vorlesung.

Remission, und keinerlei Regeln rücksichtlicli der Jahreszeit, der äusseren Verhältnisse n. s. w. erkennen lassen. Bei Ge- legenheit einer solchen Exacerbation kann es auch zu uni- verseller Psoriasis kommen, bei welcher vom Scheitel bis zur Zebe die Haut gleichmässig rotb, mit abblätternden Schup- pen verseben, beiss, trocken, streckenweise glänzend, atlas- artig, empfindlicb, gespannt ist. Die Gesicbtsbaut erscheint geschrumpft, das imtere Augenlid ectropiscb, die Kranken halten sieb zusammengekauert, weil jeder Versuch der Streckung in den Gelenken Einreissen der Oberhaut und blutige Rha- gaden zur Folge hat. Die Kopfhaare fallen leicht aus, ja es tritt Kahlheit vorübergehend oder bleibend ein. Fortwährendes Frosto-efühl , heftiges Jucken, auch Fieber , gastrische Erschei- nungen, Singultus, Schlaf- und Appetitmangel, Abmagerung, gefährliche Zufälle begleiten diesen Zustand. Doch ist auch von diesem nach Frist vieler Monate eine Rückbildung bis zu dem mässigen Grade möglich. Manche Kranke erfahren wieder- holt solche Steigerung ihrer Krankheit.

Ausnahmsweise kann Jemand sein Leben lang mit be- schränkter Psoriasis der Gelenks - Streckflächen behaftet sein, ohne intercurrirende Erkrankung anderer Hautstellen.

Wie die Haare durch rasches Ausfallen ihre Mitleiden- schaft bekunden, so erkranken auch die Nägel bei jeder langandauernden Psoriasis in der Art, dass sie trocken, getrübt,

bi'üchig, käsig werden.

Auf der Schleimhaut der Mundhöhle habe ich eben so wenio- wie Hebea, jemals eine der Psoriasis parallele Er- krankung gesehen; - wohl aber bei einzelnen Psoriatischen o-raue Plaques, die jedoch von Syphilis herstammten.

Von s ub j e c t i V e n Erscheinungen erwähne ich neben den schon genannten (Jucken , Schlaflosigkeit , Gastricismus) noch rheumatische Gelenksschmerzen , welche die acuten Aus- brüche zu begleiten pflegen, Empfindung von Durst und

Trockenheit im Munde.

Der anatomische Befund lehrt (Weetheim, Neumann), dass der Psoriasis örtlich eine vorwiegend die Papillarschichte betreffende, entzündliche Veränderung der Haut zu Grunde liegt. Auf mikroskopischen Durchschnitten vom Lebenden exscindirter, frisch-psoriatischer Hautstücke findet man die Schleimschichte mächtig entwickelt, innerhalb der Papillen die

Psoriasis.

377

Gelasse und die Maschenräume erweitert und reichlich Zellen eingelagert, besonders um die ersteren , an deren Wand auch das Netzwerk verdichtet erscheint.

Die alten Psoriasisplaques entsprechende Haut zeigt das Corium verdickt und bis in's Unterhautzellgewebe von Zellen infiltrirt, ausgedehnte Gefässe, geringe seröse Durchtränkung, da imd. dort pigmentirte Zellen.

Ueber sehr alten Plaques , besonders der Unterschenkel und der Saeralgegend, habe ich öfters bindegewebiges Aus- wachsen der Papillen in Gestalt von derben "Warzen con- statirt.

Während jene, den frischen Psoriasisherden entsprechende Veränderungen auch spontan spurlos rückgängig sind, können letztere nur operativ (durch Aetzung, Schaben) beseitigt werden.

Für die Diagnose bietet die in getrennt stehenden Plaques erscheinende Psoriasis die geringste Schwierigkeit. Man halte sich nur an die geschilderten Symptome, namentKch. die dicke Auflagerung weisser Schupj)en, deren leichte Ab- lösbarkeit mittelst des Pingernagels , die dabei erscheinenden blutenden Pünktchen der rotken Basis unä die scharfe Be- grenzung der umschriebenen Krankheitsherde. Schwierig da- gegen kann die Entscheidung werden bei universeller und diffuser Psoriasis, welche Eczema squamosum, Pityria- sis rubra und Liehen ruber sehr ähnlich ist; bei auf den behaarten Kopf beschränkter Psoriasis, die mit Eczema capillitii, Favus, Herpes tonsurans, Seborrhoe und Lupus erythematosus verwechselt werden kann; bei vereinzelten Psoriasiskreisen, die gegen Syphilis annularis, Herpes tonsurans, Lupus serpiginosus und Eczema marginatum diflFerenzirt werden müssen, und endlich bei acut und allgemein erscheinenden Psoriasisknötchen, welcke innerhalb der ersten Tage für Syphilis papulosa, Her- pes tonsurans maculosus, ja Yariolastippchen im- poniren könnten. Neben der Berücksichtigung der für Psoriasis geltenden Merkmale werden auch die Charaktere der genannten Processe, die aus den betreffenden Capiteln ersichtlich sind, zur Unterscheidung verwerthet werden müssen.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch Combi- nationen anderer Hautkrankheiten mit Psoriasis vorkommen,

y-g ZweiunÜKwanzigstü Vorlesung.

nameutlicli oft mit Eczem, das direct auf dem psoriatischen Fleck sich entwickeln kann. Im Falle variolöser Erkrankung treten auf den psoriatisclien Stellen, als besonders liyperämi- sirten Partien, die Blatternpusteln immer zablreicb und inten- siv auf. . •, T. 2. ^ Die Prognose ist, was die durcb Psoriasis gesetzte

örtHche Veränderung anbelangt, insoferne günstig, als die Haut allentbalben wieder vollständig zur Norm zurückkebren kann und höchstens an den Unterextremitäten und an Stelle alter stationärer Plaques dunkle Pigmentirung zuiMickbleibt Hunstig ist die Vorhersage auch rücksichtlich des Allgemeinbefindens, indem dasselbe oft durchaus nicht, oder höchstens wähi-end der acuten Ausbrüche, besonders aber bei Psoriasis universalis gestört ist, aber auch da nur in vorübergehender ^\ eise. Dauernde Störung wichtiger Functionen in Folge von Psoriasis

ist nicht zu beobachten. . . -r, 4>

Daa-egen ist die Aussicht weniger günstig m Bezug aut den ganzen Krankheitsverlauf und die Heilbarkeit. Man kann nie bestimmen, ob, wie häufig, und welchen Grades Exacerba- tionen sich einsteUen werden und kann von einer Heilbarkeit überhaupt nur so weit sprechen, als es gelingt, die eben vor- handene Psoriasis zu beseitigen, nicht aber ßecidiven zu m- hüten oder zu beschränken. Im Gegentheil, jeder Pso— e ...ss der zeitweiligen Verschlimmerungen seines ^^^^^^J^ wärtig sein. Die Krankheit ist in diesem Sinne gai nicht

Auch dass die Disposition zur Erkrankung . an Psonasis von den Eltern auf die Kinder sich vererben kann, ist em

ersohwerender Umstand. i i

Die Ursache dieser so belästigeuden, entstellen m„l schwer heilbaren Krankheit zu eruiren, haben sich Viele be- IttM da man in ihr anch das Uebel beseifgen zn können Wen konnte. Leider vermögen wir keine solche anzugeben : zunächst keine d y s k r a s i s c h e. Die Psoriatikcr smd durchwegs gl'de robuste! prächtig sich befindende und aussehende In- dividue; und Schwächlinge unter denselben smd p-*-« " r.lhme. Was an beliebten allgemein ätiologischen Momenten

trsrlahllos vorgebracht wurde wie ^"T*- 1,! S'.

rische Dyscrasie, unterdrilckte Menses und AUeilei, die objective Kritik Hkbra's längst zurückgewiesen.

Psoriasis.

379

Durcli äusserliclie Scliädlichkeiten kann Psoriasis ebensowenig hervorgernfen werden. Nur wenn Jemand bereits mit Psoriasis behaftet ist oder die Disposition dazu mitbringt, dann pflegen an jenen Hantstellen, welche künstlich gereizt, z. B. mit einer Nadel geritzt werden, oder A^on Eczem besetzt sind, zur Zelt, als die Psoriasis Exacerbationen macht, reich- liche Effiorescenzen aufzutreten.

C ontagiosität kommt der Psoriasis absolut nicht zu. Sie kann also auch nie direct übertragen werden.

Als einziges unzweifelhaftes ätiologisches Moment ist die Heredität anzusehen, indem man selten einen Psoriatischen trifPt, ohne dass eines seiner Eltern, oder ein Familienglied aufsteigender Linie nicht auch an dem Uebel litte oder gelitten hätte. Da aber meist nur einzelne Kinder oder Familienglie- der davon betroffen Averden, so handelt es sich hier nicht um eine eigentliche Heredität der Krankheit, wie bei Syphilis, sondern nur um Erblichkeit der Disposition, der Hautbeschaf- fenheit.

Am häufigsten erscheint die Psoriasis um die Zeit der Pubertät und des kräftigen mittleren Alters, oft genug aber auch schon in den Kinderjahi-en. Ich habe schon ein acht- monatliches Kind eines psoriatischen Vaters reich besetzt davon gesehen. Die Krankheit erhält sich oft bis in das hohe Grreisen- alter in luigeschwächter Weise.

Die Therapie der Psoriasis kann nach ihrem heutigen Stande nicht mehr erreichen, als die Beseitigung der eben an der Haut gegenwärtigen krankhaften Veränderungen, und die Beschränkung der neu auftauchenden Eruptionen. Eine eigent- liche Hintanhaltung der letzteren, oder gar eine bleibende Heilung; zu erzielen , steht ausserhalb der Macht unserer Kenntniss. Aber auch schon die Erreichung jenes erstgenannten Erfolges ist ein grosser Grewinn für den Kranken und setzt nicht gewöhnliche Gewandtheit in der Handhabung der uns zur Verfügung stehenden Mittel und Verfahrungsweisen voraus.

Diese sind innerliche und äusserliche.

Zahlreiche Mittel sind schon empfohlen worden, durch deren i n n e r 1 i c h e Verabreichung man die Psoriasis zu heilen gehofft hat, wie Mineralsäuren, Mineralwässer, Diaj)horetica, Leberthran, Antimon, Mangan, Graphit, Baryt, Quecksilber, Eisen, Anthrakokali, blutreinigende Tränke, Sassaparilla, ver-

ßgQ Zwüiululzwanzigste Vorlusung.

dorbenes Maismebl, Citronensaft etc., oder besondere Diät, als rein vegetabilische oder rein animalische Kost; von allen diesen ist nach den Erfahrxmgen unserer Schule absolut keine Wirkung gegen Psoriasis zu erwarten.

Von Erfolg erweisen sich nur Arsenik, The er und dessen Derivate (Carbolsäure).

Der Arsenik ist gegen Hautkrankheiten in der Form von Solutio EowLERi (arsenigsaures Kali), der PEARSON'schen Losung (arsenigsaures Natron), der Solutio Donavani (Arsen- jodür und Quecksilber) und der asiatischen Pillen (Arsenik mit Pfeffer, oder Arsenik mit Opium) in Gebrauch.

In der ersteren und der letzteren Form hat sich Arsen bei uns am verlässlichsten erwiesen.

Man gibt Solutio Fowleei zu 6 Tropfen de die in einem Quantum von 20,0 Aqua destillata oder Infusum Chamo- millae auf dreimal den Tag über vertheilt. Wenn sich keine gastrischen Erscheinungen einstellen, steigt man jeden dritten bis vierten Tag um 1 Tropfen der Solutio Fowleei pro die. Von 12 Tropfen angefangen steigt man in grösseren Inter- vallen. Man kann so bis auf 30 Tropfen de die gehen, bleibt auf der Höhe einer Dosis stehen, bei welcher eine Rückbildung der Psoriasis sich bemerkbar macht, setzt aber auch bei ziem- lich vollständiger Heilung nie plötzlich ab, sondern geht wieder stufenweise bis auf 12 oder 6 Tropfen zurück. Man kann so ungestraft die Solutio Fowleri viele Monate anwenden. Professor Lipp in Graz hat zu gleichem Zwecke Acidum ^ ar- senicosum (weissen Arsen) durch subcutane Injection dem Organismus einverleibt, in der Dosis von 0,003—0,03, von einer Lösung von 0,30 und einer anderen von 0,60 auf 35,0

Aqu. dest. , T -n 1

Pillulae asiaticae werden nach folgender iormel verschrieben: ßp. Arsenici albi 0,75; Pulv. piper. nigri 6, Gummi arab. 1,5; Rad. altheae pulv. 2, Aqu. f. q. s. ut f. pillul. N. 100. Consp. pulv. pip. nigr. Sig. 3 Pillen täglich zu nehmen.

Man beginnt mit der Dosis von 3 Pillen pro die, welche unmittelbar vor dem Mittagessen genommen werden, steigt laden 4.-5. Tag um je 1 Pille und kann auf diese Weise bis auf 8 und 10 Pillen pro Tag kommen. 5 Stück und mehr, werden in 2 Dosen abgetheilt, die eine für Mittag, die andere

Psoriasis.

381

für Abend zw n mid 2, zu 4 und 3 u. s. f. Audi hier bleibt man bei der Dosis stellen, bei welcher eine "Wirkmig bereits zu bemerken ist. Wenn Erscheinungen von Grastricismus sieb einstellen, Ueblicbkeit, Kolik , Diarrhoe , so geht man mit der Dosis wieder etwas herab. Koliken beugt man durch Zusatz von Opium (0,15 auf 0,75 Arsen, alb. und 100 Pillen) vor.

Bei den subcutanen Injectionen hat Lipp bereits nach 8 Tagen Besserung der Psoriasis beobachtet. "Wir haben durch- schnittlich erst im Verlauf der vierten bis sechsten Woche eine auffallende Wirkung beim Arsengebrauch gesehen. Die- selbe äussert sich nach meiner Beobachtung nicht im Abfallen der Schuppen, sondern zunächst im Abblassen der Hyperämie, welche die Basis der Schuppen bildet. Alsdann, in der 5. 6. Woche der Behandlung , fallen die Schuppen binnen wenigen Tagen allesammt und als Granzes ab , so dass es scheint , als wenn die Heilung plötzlich eingetreten wäre.

Wie viel in Summa asiatische Pillen gegeben werden sollen und dürfen, lässt sich gar nicht vorausbestimmen. Dass dieselben durch viele Monate hindurch und bis zur Summe von 3000 und 4000 (d. i. 20 30 Grramm Arsenik) verabreicht werden können, haben wir bei der Behandlung des Liehen ruber erprobt. Bei Psoriasis ist dies nicht anzurathen. W enn bei Erreichung von 400 600 Pillen die Psoriasis sich nicht bessert, dann ist für diesen Eall eben nicht viel zu hoifen und eine andere Behandlung zu beginnen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass nicht nur manche Individuen von Arsenik keine Besserung: ihrer Psoriasis erfahren, sondern dass bei demselben Kranken einmal die Wirkung günstig ist, in einem zweiten oder dritten Jahre aber das Mittel fehlschlägt. Nach Arsengebrauch pflegt an den PsoriasissteUen längere Zeit dunkleres Pigment zurück- zxibleiben.

Was den innerlichen Grebrauch des Theers anbe- langt, so ist dessen Wirkung gegen chronische Hautkrankheiten beim Volke wie bei den Aerzten längst bekannt. Die Aqua picea, sowie andere Theermittel werden jedoch wegen ihres widerlichen G-eschmackes von den wenigsten Kranken vertragen. Selbst die im Ganzen nicht übel schmeckenden, von franzö- sischen und hiesigen Eabrikanten bereiteten Theerliqueure und PastiUen werden von den meisten Kranken refusirt.

In der Carbolsäure besitzen wir nun ein treffliches

gg2 Zweiundzwaiizigste Vorlesung.

Theerpräparat, welches, in Form von Pillen verabreiclit , ganz gut vertragen wird iind analog wie Arsenik wirkt. Man ver- schreibt: Acid. carbol. 10,0, Extr. et pnlv. liquir. q. s. u. f. piU. Nr. 100 nnd gibt davon täglich 5—10 Pillen. Man kann das Medicament Wochen hindurch auch noch in stärkerer Dosis geben, was ich jedoch für unnöthig halte. Mit Ausnahme einer leichten Reizung der Nieren habe ich nicht den gering- sten Nachtheil davon gesehen.

Von einigen Seiten wurden auch balsamische Mittel, speciell Copaivabalsam, dann Cantharidentinctur , Phosphoröl, Tinctura Maidis (Lombroso) u. v. A. zur innerlichen Medica- tion empfohlen. Ich habe über alle diese keine Erfahrung, doch auch nicht viel Bestätigendes gelesen.

Die örtliche oder äusserliche Behandlung der Psoriasis ist mit vielen Umständlichkeiten verbunden, hat aber den Vortheü, dass sie uns durchwegs zum Ziele führt, wofern die Mittel und Methoden nur fachkundig gewählt und gehand- habt werden. i , + Der eine Theil der Behandlung muss dahin gerichtet sein sowohl die im Augenblicke auflagernden Epidermisschup- pen' als die im Verlaufe von Tag zu Tag sich erneuernden zu entfernen damit der zweite Theil der Behandlung, die directe Application von Medicameiiten auf die kranken Haut- partien möglich werde. _

Die Beseitigung der auflagernden Epidermisschuppen wird dadurch bewirkt, dass man die letzteren zunächst er- weicht, zum Zerbröckeln bringt, und dann mechanisch oder chemisch ablöst. Man bedient sich hiezu der Fette des Wassers, der Maceration durch die Perspirationsflus- sigkeit der Haut, der Seifen und der AetzmitteL

Von Fetten sind Oleum olivar um, Axungia porci, Oleum iecoris aselli, auch Glycerin, Vaseline etc. zu verwenden. Sie müssen nur in so bedeutender Menge und so consequent aut- setragen, eingerieben und verrieben werden, dass die Macera- tion und Ablösung der Epidermis über ihre Regeneration über- wies Man kann bei beschränkt localisirter Psoriasis, _ z. B. am Ellbogen und Knie Unguentum simplex , Ceratum Simplex auf Leinwandlappen gestrichen auflegen nnd mittelst Flanell u-ederbinden. Am intensivsten macerirend wirkt der Leberthran, der auch von den Meisten gut vertragen wird. Er wird nur lastig

Psoriasis.

3S3

dtirch seinen Grerucli , durch die Verderbniss der Bettwäsclie lind endlich dadurch, dass er auf einzelnen Hautorganen ein sehr lästiges Eczema papulosiim producirt. In diesem Falle wird mit der Beölung sistirt, die Haut mit Amylura bestreut, die ölgetränkte Wäsche beseitigt, bis eben das Eczem ver- schwunden ist und ein anderes Verfahren Platz greifen kann. Li einzelnen Fällen von Psoriasis universalis habe ich unter Leberthran eine Loshebung der Epidermis auf grosse Strecken, Blosslegung des Coriums, in Folge dessen heftige Schmerz- haftigkeit und Fieber, ja typhoide Erscheinungen wie bei Ver- brennung gesehen, aus welchem Zustande die Kranken erlöst wurden, indem sie in's continuirliche "Wasserbad gebracht worden sind.

Das Wasser, als epidermismacerirende Potenz, kann nach Art der PRiESSNiTz'schen Einhüllungen auf einzelnen G-Üedmassen , Körpertheilen oder für den ganzen Körper ver- wendet werden, je nach der Ausbreitung der Psoriasis.

Am consequentesten kommt das Wasser sub forma der Bäder in Verwendung, und zwar in der Regel prolongirter Bäder nach der Methode von Hebra, durch je 3 6 Stunden täglich und darüber, theils als macerirendes Mittel, theils als Medium für die methodische Anwendung der mechanisch-che- mischen Behandlung mittelst Seifen und Frottiren, durch welche die Epidermis an den psoriatischen Stellen energisch abgelöst wird, endlich als Vehikel für die Anwendung besonderer Heilmittel, z. B. des Theers (Theerbad) oder der Solutio Vlemingkx.

Insoferne sind auch indifferente und schwefelhältige Ther- malbäder (Leuck, Baden bei Wien) und hydropathische Garen, wofern die Haut täglich genügend lange ihrem Einflüsse aus- gesetzt wird, bei Psoriasis heilsam; die letzteren übrigens noch durch die Kälte, als die Hautentzündung mindernde Potenz, wirksam.

Durch Einhüllung in Kaufs chuk g e wand e r, Hauben für den Kopf, Jacke, Beinkleider und Schuhe für Stamm und Extremitäten, Handschuhe für die Hand, wird eine sehr inten- sive und rasche Maceration der Psoriasisschuppen, bei längerer Anwendung selbst Abblassen der psoriatischen Stellen bewirkt.

Auch da kommt es manchmal ^u artificiellem Eczem oder zu bedeutender Schwellung der Haut.

Die Seifen, am besten Sapo viridis und, für Gesicht

384

Zweiundzwanzigste Vorlesung.

und Kopf, Spirit. saponat. kalinus, dienen theils zur Macera- tion der Epidermis, theils, in Verbindung mit Bädern, zur Ent- fernung der sclion macerirten Scliuppen und der auf die Haut gebrachten fettigen Medicamente, zum Tbeile aber auch als directes Heilmittel.

Eine rasche Abschiebung der Epidermis bewirkt man durch einen Cyclus von Einreibungen mittelst Schmierseife. Dieselbe wird, etwas mit Wasser verdünnt, mittelst der Flach- hand auf die Haut eingerieben und liegen gelassen. Das Ver- fahren wird täglich 2mal durch G Tage wiederholt. Die Ober- haut wird dabei braun, runzelig, mortificirt und löst sich in den folgenden 3—4 Tagen in grossen Fetzen ab , worauf erst ein Bad genommen wird (Pfeuffer's Methode).

Dicke, harte Schuppenmassen werden durch Auflegen und Niederbinden von Flanelllappen, die mit Schmierseife bestrichen worden, binnen 12—36 Stunden bis zum Wundwerden der Haut abgelöst. Solches eignet sich zuweilen für Psoriasis der Kniee und Ellbogen.

Stärkere Aetzmittel,wie concentrirte Kalilösung (1:2), Essigsäure, Citronensäure, Salzsäure etc. werden nur zeitweilig dort in Anwendung kommen, wo alle übrigen Macerations- methoden die Entfernung der Epidermis nicht zu bewirken im Stande waren.

Schliesslich kann man auch von dem rein mechani- schen Verfahren mittelst des Schablöffels , Reiben mit Sand, Bimsstein, an einzelnen Stellen Gebrauch machen, um sehr harte Epidermisschwielen zu entfernen.

Die eigentlichen Heilmittel gegen Psoriasis sind die- jenigen , welche die der Schuppenbildung zu Gründe liegende hyperämische SchweUung und Entzündung der Haut zur RÜck- büdung bringen können. Unter diesen ist neben den schon genannten Mitteln, welche , wie die kaltnassen Einhüllungen, Seifen etc., zum Theile auch in dieser Richtung wirken, vor Allem der Theer zu erwähnen.

The er ist überhaupt das vorzüglichste Mittel, um chro- nische oder subacute Hyperämie der Papillarschichte ver- schwinden zu machen und wirkt darum bei Psoriasis aut s glänzendste. Man macht hiebei die sonderbare Erfahrung, dass bei Psoriasis der Theer auf die wunden, blutenden Hautstellen applicirt werden kann, ohne die Entzündung zu steigern.

Psoriasis.

385

während derselbe bei Eczem die epidermislose Haut intensiv reizt.

Von Theersorten wenden wir die sclion pag. 99 erwähnten an: Oletim fagi, Buchentheer, Oleumßusci, Birkentheer, seltener Oleum Cadinum von Juniperus oxycedrus und Tinctura Rusoi (Olei Rusci 50, Aether. sulf. Spir. vin. rectif. aa 75, Filtrat. adde : Olei lavandul. 2.)

Weniger zweckmässig ist ein Derivat des Theers , Re- sineon, welches ebenfalls ein fettiges Oel darstellt.

Der Theer wird meist derart angewendet , dass derselbe aiif die psoriatischen Stellen, nachdem sie im Bade mittelst Seife von ihrer Epidermis befreit worden sind, in dünner Schichte mittelst eines Borstenpinsels 1— 2mal des Tages, oder nur des Abends energisch eingerieben wird, worauf der Kranke sich in Wollkleider steckt; und dass diese Prooedur täglich wiederholt wird.

Energischer wirkt derselbe als sogenanntes The erb ad. Es besteht darin,, dass der Kranke im Bade zunächst mit Seife tüchtig abgerieben, hierauf unmittelbar an allen kranken Stellen eingetheert und sofort wieder in's Wasser gesetzt wird, woselbst er 4—6 Stunden verbleibt. Am Schlüsse wird er abgewaschen, abgetrocknet und dann mit irgend einem anderen Medicamente tractirt.

Als mögliche schädliche Wirkungen des Theers sind zu erwähnen : Erstens eine örtliche Entzündung der Haut, da wo zwei Hautflächen gegenseitig aufeinander lagern und sich er- wärmen, z. B. Scrotum und Penis. Man beugt ihr vor durch Einlegen von in Puder getauchter Charpie oder Baumwolle. Zweitens die Erscheinungen der acuten Theerresorption, Theer- Intoxication. Es geschieht zuweilen, dass nach der ersten ausgebreiteten Application von Theer so viel von dem letz- teren aufgesogen wird und in die Blutmasse gelangt, dass ein Complex von Intoxicationserscheinungen auftritt. Die Kranken bekommen Eieber, Ueblichkeit, Aufstossen, belegte Zunge, Er- brechen von theerhaltigen , schwarzen Massen, diarrhoische Stühle von solchen Flüssigkeiten , Ischurie , Strangurie , Ent- leerung theerhaltigen, schwarzen Urins. Nach 24 48 Stunden stellt sich reiche Transspiration ein, die Erscheinungen lassen nach: leichtere Diurese, anfangs olivengrüner, später heller TJrin und Wiederkehr des Wohlbefindens. Gewöhnlich ver-

Kaposi, Hautkrankheiten.

1

ygß Zweiundzwanzigste Vorlesung.

tragen die Kranken hierauf das Mittel oluie Anstand. Man thut aber gut, in Voraussicht einer solchen Complication , die ersten Tage nur kleine Territorien einzutheeren und den Urin zu invigiliren. Sobald dieser olivengrün scheint, setzt nian eben mit dem Theer aus. Nach und nach gewöhnt sich der Organismus ganz gut an das Eintheeren. Bei jugendlichen Individuen und Kindern ist diese Vorsicht um so nothwendiger.

Als dritte schädliche Wirkung der Theerapplication ist das Auftreten von zahlreichen Acneknoten, namentlich an der Streck- seite der unteren Extremitäten und an behaarten SteUen zu erwähnen, das sind schmerzhafte, harte, in der Mitte von einem schwarzen Punkt oder Haar gezeichnete Knoten, bei deren Er- scheinen der Theergebrauch sistirt werden muss.

Schwefel, als natürliche oder künstliche Schwefelbader. Zur Bereitung der letzteren bedienen wii' uns der Solutio Vlemingkx, einer Kalk-Schwefelleber, welche, nach der von Schneider angegebenen Modification bereitet, gegenwärtig bei uns officinell ist. Die Solution wird wie der Theer verwendet, indem man den Kranken im Bade, nachdem er mit Seife abge- rieben worden war, mit derselben einpinselt, tmd durch mehrere Stunden sitzen lässt; oder indem sie nach beendetem Bade aut- gestrichen und den ganzen Tag über auf der Haut belassen wird In dem letzteren Ealle wird die Haut sehr trocken und verursacht die Solution Brennen; sie kann daher am besten in Abwechslung mit anderen Medicamenten verwendet werden Auf zarte HautsteUen kann dieselbe sogar ätzend wirken und zur Schorfbildung führen, daher sie für das Gesicht niemals

verwendet werden soU. . , tt +

Ausgezeichnet wirkt das vouHebra modificirte Ung^^ent. Wilkinsoni, in welchem die Wirkungen von Schwefel, Theer, Seife und Fett vereinigt sind (ßp.: Sulf. citrini, Olei fagi aa 50; Sapon. viridis, Axung. porci aa 100, Pulv. cret. alb 10). Die Salbe wird durch 6 Tage täglich zweunal em- gerieben - ohne Litercurrenz eines Bades. Erst nach erfolg-- ter Abschiebung der Epidermis, am 10.-12. Tage, ist das Bad

räthlich. , -, i o n

Weisse Präcipitatsalbe nach der Formel von 2,0

bis 5,0 auf 40,0 Ung. emoU. auf die wund geriebenen Pso- riasisstellen mittelst Borstenpinsels dünn eingerieben , eignet sich wegen ihrer Färb- und Geruclilosigkeit für Psoriasis des

Psoriasis.

387

Gesichtes und behaarten Kopfes, und für vereinzelte Plaques des Körpers. Bei allgemeinerer Application verursacht dieselbe leicht Salivation.

Energischer noch wii'kt U n g u e n t u m II o c h a r d i , eine Jodquecksilbersalbe, nach der Formel : Jodii puri 0,50, Calomel 1,50, Leni igni fusis adde Ung. rosat. 70,0. Dieselbe veran- lasst oft unliebsames Eczem.

Ausser den genannten kann man noch Salben von Nitras hydrarg. acid\ilus, Protojoduretum, Deutojoduretum hydrargyri, Magisterium Bismuthi , Oxydum Zinci , Acidum salicilicum, carbolicum (1 : 40 5 : 40) anwenden , welche Mittel aber im G-rossen und Ganzen wenig directe Heilwirkung äussern.

Alle bisher bekannten ArzneistofFe übertrifft an actueller Wirksamkeit gegen Psoriasis das Chrysarobin, welches im Jahre 1878 durch Balmano Squire zuerst in die Praxis ein- geführt worden ist. Dasselbe wird durch Extrahiren mittelst heissen Benzols bis zur Menge von 80 85''/g aus Goa- P 0 w d e r gewonnen, einem schmutzig-graugrünen Pulver , das grösstentheils aus Holz- und Markfasern eines in Brasilien heimischen Baumes (einer Leguminose) besteht und daselbst sowohl , wie in Ostindien (G o a) , wohin es importirt worden, seit längerer Zeit gegen verschiedene Hautkrankheiten, nament- lich ßingworm, mit Nutzen in Anwendung stand. Durch einen Kranken auf die Heilwirkung des Goa-Pulvers auch gegen Psoriasis aufmerksam gemacht, hat B. Squire zunächst dieses selbst, alsdann das durch Extraction desselben gewonnene goldgelbe Pulver in Anwendung gezogen, welches anfangs für Chrysophansäure gehalten wurde (Attfield), seit Lieber- mann's Nachweis aber als Chrysarobin zu gelten hat.

Chrysarobin stellt eine gelbe, aus zarten, nadeiförmigen Krystallen bestehende Substanz vor, welche der Phenolgruppe angehört, in Wasser fast gar nicht, leicht in heissem Alkohol, Benzol, Eisessig und heissem Eett und Vaseline löslich ist. Zum Gebrauche eignet sich am besten eine Salbe von: Chry- sarobini 10, Vaselini 40 und eine schwächere von 5 Chrysaro- bin auf 40 Vaseline oder Ungu. emoUiens. Die wahrhaft über- raschende Wirkung, welche B. Squire von dieser Salbe angegeben hat , ist sofort auch hier , (zunächst von Neumann dann Jarisch und mir) bestätigt worden.

Nachdem das Gros der Schuppen durch ein Bad und

25*

388 Zweiimdzwanzigste Vorlesung.

Seifenwasclaung abgelöst worden, wird die Chrysarobinsalbe mittelst eines Borstenpinsels auf die Psoriasisstellen dünn ein- gerieben, u. z. mehrere Tage bintereinander , ein-, höchstens zweimal des Tages. Während dieses Cyclns wird nicht ge- badet lind nicht gewaschen. Manche Flecke erscheinen schon nach der 4.-8., andere erst nach 12—16—20 Einreibungen auffallend weiss und schuppenlos, während die angrenzende Haut blauroth, violettbraun verfärbt ist.

Neben der frappirend schnellen Heilwirkung auf die ein- zelnen Psoriasisflecke hat das Mittel noch den Vorzug, dass es geruchlos ist, auch auf wunden, blutenden Stellen gar nicht schmerzt, die Haut geschmeidig erhält und das umständliche und kostspielige Baden überflüssig macht.

Nachtheile desselben sind: die Missfärbung (in Violett- braun) der Leibwäsche, der Nägel, Haare und der gesunden Haut, weshalb es im Bereiche des Gresichtes nicht gut an- zuwenden ist. Ferners die entzündungerregende Eigen- schaft desselben, welche an den nicht psoriatischen, also ge- sunden Hautstrecken als diffuse ßöthung, oder schmerzhafte Schwellung, oder Acne- und Furunkelbildung erscheint Dermatitisformen , die oft über den ganzen Körper sich aus- breiten, von Fieber und intensiver Störung des AUgemeinbefindens begleitet sind und zwei bis drei "Wochen zu ihrem Ablaufe erheischen. Noch schlimmer ist, dass nun auf derart gereizten Hautstrecken acute Psoriasis-Eruption aufzutreten pflegt.

Am besten verhütet man diese störenden Nebenwirkungen, wenn die Chrysarobinsalbe sofort bei Seite gelassen wii'd , so- bald um die einzelnen Plaques intensiv rothe Halenes auf- treten, und dieselbe erst dann neuerlich applicirt, wenn die Rothe geschwunden ist. Im Gesichte überhaupt ist sie nicht anzu- wenden , und bei diffuser Psoriasis nur mit grosser Vorsicht.

Acid. pyrogallicum hat A. Jarisch, als chemisch dem Chrysarobin verwandten Körper (Bioxy-Phenol) gegen Psoriasis versucht und erprobt. Die von ihm angegebene Salbe, Acid. pyro- gallici 10, Vaselini 100, ist wie das Ungu. Chrysarobini geruchlos und nicht schmerzhaft und wirkt zwar nicht so prompt wie Chrysarobin, aber doch auch vortrefflich. Dagegen führt dieselbe nie störende Entzündungen herbei, es wäre denn, wenn sie auf Leinwand gestrichen aufgelegt wird. Als unangenehme Neben- wirkung der Pyrogallussalbe stellt sich zumeüen die Empfin-

Psoriasis.

389

dung von Trockenheit iind Jucken ein, wodann ihre Anwen- dung unterbrochen und die juckenden Hautstellen mittelst einfachem Fett, oder mit Tinct. Rusci bepinselt werden. Etwas allarmii-ender ist das Auftreten von Strangurie und Aus- scheidung von olivengrünem bis theerschwarzem Urin unter massiger Fieberbewegung und UebKchkeit, bei manchen Kranken, bei densn das Unguent. pyrogallicum wiederholt über den ganzen Körper eingerieben worden. Der Symptomencomplex ist die Folge der massigen Aufsaugung der Pyrogallussäure und ihrer Ausscheidung durch die Nieren. Auf dem "Wege durch die Blutbahn wird dieselbe durch Oxydation zu einem theerartigen Körper verwandelt (ähnlich wie Carbolsäure nach erfolgter Resorption) , der den Urin schwarz macht. Der Zu- stand geht rasch vorüber. Von diesen Zufällen abgesehen, ist von der Pyragallussalbe keinerlei Nachtheil zu befürchten und ihr Gebrauch daher für die Praxis sehr zu empfehlen. Sie wird ebenfalls mittelst Borstenpinsels eingerieben, täglich l 2mal und so lange als nöthig. Intercurrirend kann ein Bad genommen werden. Sowohl die psoriatische als die gesunde Haut werden von dieser Salbe für längere Zeit braun gefärbt.

Aus dem angeführten reichen Vorrath von Heilmitteln und Methoden hat nun der Arzt das Richtige zu wählen, indem er auf die Form und Intensität der Erkrankung , die individuellen und äusseren Verhältnisse des Kranken jederzeit gebührende E/ück sieht nimmt.

Die Behandlungsdauer ist caeteris paribus bei verschie- denen Individuen, und bei demselben Kranken zu verschiedenen Zeitepochen sehr unterschiedlich, eiamal sehr kurz, das andere- mal kaum abzusehen. Am raschesten ist Heilung zu erwarten, wenn die Psoriasis eben im Stadium decremen ti sieh befindet; es schlagen aber fast alle Mittel fehl, wenn der Kranke in der Periode neuer Eruptionen zur Behandlung kommt.

Dass dauernde Heilung der Psoriasis überhaupt durch keinerlei Heilverfahren zu erlangen ist, habe ich schon hervor- gehoben.

Dreiundzwaiizigste Yoiiesuiig.

Pityriasis rubra. Liehen, Liehen serophuloeorunn. Liehen ruber.

Pityriasis rubra (Hebra).

Viele Autoren und praktisclie Aerzte gebranclien die seit Bateman geläufige Bezeichnung Pityriasis rubra für alle Fälle, in denen die Haut auf grossen Strecken , oder allgemein in cbronisclier Dauer rotli und schuppend erscheint, und dies aus dem Grunde, weil die etymologische Bedeutung des Wortes dem Krankheitsbilde ganz entspricht (TuiTupov, Kleie und ruber). Allein ein derartiger Zustand der Haut kann durch ganz verschiedenartige Processe , Eczem , Psoriasis, oder Liehen ruber bedingt sein, und in allen solchen FäUen bedeutet der- selbe nichts anderes, als ein gewisses Stadium je eines der genannten Processe. Darum gebrauchen wir auch für solche Krankheitsformen keineswegs den Namen Pityriasis rubra, sondern den der Krankheit, durch welchen die geschilderte Röthung und Schuppung eben bedingt ist, also Eczem oder Psoriasis, oder Liehen ruber.

Wir verstehen unter Pityriasis rubra eine ganz eigenartige Krankheit, welche von Hebra zuerst beschrieben worden ist, im Ganzen ausserordentlich selten vorkommt und sich dadurch charakterisirt, dass bei derselben eben gar keine anderweitige Proruptionsform, weder Knöt- chen oder Bläschen, nochPusteln, sondern immer einzig und allein vom Beginne an, wie während ihres ganzen Verlaufes nur Röthung und Schup- pung der Haut vorhanden ist.

Pityriasis rubra.

391

Man hat liöchst selten Gelegenheit die Krankheit in ihren ersten Stadien zu sehen. Ich war nur zweimal in dieser Lage. In diesen Fällen begann die Krankheit von den Grelenks- beugen aus. Die Haut zeigte sich da in ziemlich circumscripter Weise in der Schenkelfalte, Achsel und Kniekehle lebhaft roth, von etwas erhöhter Temperatur und mit kleinen, feinen, in massiger Abkleiung sich befindenden Schüppchen belegt, ohne Infiltration, ohne Nässen, ohne Efflorescenzen.

Die meisten Fälle sind in vorgerückteren Stadien und als über den grössten Theil der allgemeinen Decke, oder über den ganzen Körper gleichmässig ausgebreitete Erkrankung zur Beobachtung gekommen.

Allüberall erscheint die Haut lebhaft- bis blauroth, nament- lich an den unteren Extremitäten livid ; ihre Epidermis in feinen, kleinen Schüppchen oder in etwas grösseren dünnen Lamellen sich loslösend, ohne dass es irgendwo zu einer eigentlichen Schuppenauflagerung, oder andererseits zur gänz- I liehen Abhebung der Epidermis und zu Nässen käme. Die Gre- sichtshaut von derselben Beschaff'enheit und ebenso die des behaarten Kopfes, während Flachhand und Fusssohle entweder blass oder injicirt, dabei mit einer glänzenden dickeren Epi- dermisauflagerung versehen sind. Die Hauttemperatur ist er- höht. Auf Druck blasst die ßöthe ab, mit Zurücklassung einer gelblichen Tingirung. Subjectiv empfinden die Kranken sehr mässiges Jiicken und fortwährend die Empfindung des Frösteins.

Die Krankheit entsteht ohne nachweisbare Veranlassun- gen und ohne bekannte Vorläufer gleichzeitig an mehreren oder vielen Körperstellen, namentlich den Gelenksbeugen, und breitet sich binnen wenigen Monaten, eii; bis zwei Jahren, über den ganzen Körper aus mit Beibehaltung des ursprünglichen Charakters.

Der Verlauf erstreckt sich auf viele Jahre und zeigt niemals eine Aenderung im Sinne der Rückbildung, sondern nur in dem einer Steigerung der durch die chronische Hyperämie eingeleiteten Ernährungsstörung in der Haut.

Während nämlich die wie geschildert beschaffene Haut durch ein bis drei Jahre noch ihre Geschmeidigkeit und Elasticität beibehält, so dass die Kranken ihrem Berufe nachgehen können imd höchstens durch übermässiges Jucken, gestörten Schlaf,

gg2 Dreiundzwanzigste Vorlesung.

zeitweilige Indigestion und andauerndes Kältegefülil belästigt werden, kommt es im weiteren Verlaufe zu stellenweiser Ver- dicku.ng der allgemeinen Decke, theils durch ödematöse Schwel- lung, tlieils durch etwas massigere Schuppenauflagerung. In dieser Periode sieht das Bild dem einer chronischen Psoriasis universalis oder eines Eczema universale am ähnlichsten.

Inzwischen etablirt sich allenthalben, statt des lebhaften Roth eine mehr cyanotische Färbung , und nun beginnt ein offenbarer Schrumpfungsprocess der Haut, so dass sie allmälig gleichsam für den Körper zu enge wird. In Folge der Span- nung der Haut kann der Mund nur unvollständig geöffnet werden, die tinteren Lider sind ectropisch, die Finger in halber Beugung; über den Streckseiten der Kniee und Ellbogen ist die Haut glatt, glänzend , verdünnt ; über den Unterschenkeln stramm angezogen, atlasartig glänzend, schwer in eine Falte zu heben ; ebenso beschaffen ist die Haut der Fusssohlen, deren Epidermislage ausserordentlich verdünnt ist, so dass das Gehen durch die Empfindlichkeit der Fusssohle behindert wird. Auch die Kopf- und Körperhaare werden dünn, fallen aus ; die Finger- und Zehennägel sind dünn, zart, gläsern, brüchig oder ver- dickt und käsig entartet. Inzwischen hat auch die Gesa mm t- ernährung bedeutende Einbusse erlitten; das Unterhautfett- gewebe ist grösstentheüs geschwunden; es hat sich ein all- gemeiner Marasmus eingestellt.

An den stramm angezogenen HautsteUen, wie namentlich über den Unters chenl^eln und Gelenken, wird die Epidermis nun vielfach eingerissen , oder auch auf grosse Strecken los- gehoben, wodui'ch bald da, bald dort theils flache, zuweilen recht ausgebreitete wunde Flächen , theils selbst Decubitus ähnliche Geschwüre zu Stande kommen.

In einem Falle habe ich im Verlaufe von zwei Jahren dreimal über der rechten Schultergegend, am Oberschenkel und vorne über den Rippen spontane Gangrän der Haut beobachtet, welche im Umfange eines Kreuzers begann und diu'ch anfangs gleichmässiges, später nur in einem Theil der Peripherie statt- findendes Fortschreiten bis flachhandgrosse Substanzverluste gesetzt hat , die erst binnen mehreren Monaten wieder zur Verheilung kamen.

Dieses Individuum , sowie alle anderen, Hebra und mir bekannt gewordenen Fälle sind nach mehr- bis vieljähriger

Pityriasis rubra.

393

Dauer ilires Leidens scliliesslicli im Marasmus, mit oder ohne complicirende Pneumonie, Diarrhoe, Tubercvüose zu Grrunde gegangen.

Inßiicksicht auf diese Erfahrungen kann die Prognose des Uebels nur ungünstig lauten, obgleich ich glaube, einen Fall geheilt zu haben, der mir aus den Augen gekommen ist, und obgleich ein des Gegenstandes kundiger Collega mir münd- lich mittheilte, dass er selbst einmal an Pityriasis rubra ge- litten habe und nun genesen sei.

Ueber die Ursache der Krankheit sind wir in voll- ständiger Unkenntniss. Hebra selbst hat von dieser Krankheit bis jetzt etwa 15 Fälle , ich selbst habe deren nur 6 gesehen. Sie alle betrafen männliche Individuen, darunter eines in den Zwanziger- Jahren, die anderen in dem Alter von 40 50 Jahren, und hatten meist in den genannten Altersperioden, in einem Falle schon in früher Kindheit begonnen.

Die feineren anatomischen Veränderungen bei Pity- riasis rubra hat Hanns Hebra an zwei zur Obduction gelangten Fällen studirt und in belehrender Weise mitge- theilt. Bei dem Einen hatte die Krankheit mehr recenten Cha- rakter und zeigte die Haut mikroskopisch die Erscheinungen einer mässigen entzündlichen Infiltration. In dem anderen, sehr vorgeschrittenen Falle aber fand sich höchstgradige Atrophie der Haut, welche in Schwund des Rete xmi der Pa- pillen, Sclerosirung des Bindegewebes und Ueberwiegen der- elastischen Fasern, reiche Pigmenteinlagerung im Corium , so- wie Verödung der Schweiss- und Talgdrüsen und Haarfollikel sich zu erkennen gab. In beiden Fällen fand sich überdies Tuberculose der Lungen, des Darmes xind bei dem vorge- schrittenen auch ein Tuberkelknoten im Kleinhirn.

Anlässlich des letzteren Sectionsbefundes hat Fleischmann erinnert, dass er eine der Pityriasis rubra entsprechende Haut- aifection bei Kindern gesehen habe, welche bei der Obduction solitäre Tuberkel im Gehirn aufwiesen. Bei einem obducirten Kranken habe ich leichtgradige atheromatöse Erkrankung der Arterien gesehen. Für die Aetiologie des Processes bieten die vorliegenden Befände noch keine genügende Grundlage.

Die Diagnose dieses Hautübels ist nicht gar leicht. Seine positiven Merkmale sind, wie früher geschildert, nur spärliche, und es ist daher zu dessen Feststellung auch der

1

gg^ Dreiundzwanzigste Vorlosung.

negative Thatbestand nothwendig , das FeWen der Symptome, welche Psoriasis, Liehen ruber und Eczema sf^ua- mosum cbarakterisiren. Es müssen daher in jedem Falle diese zur Differentialdiagnose in Vergleich gebracht und aus- geschlossen werden.

In Bezug auf die Behandlung dieser Krankheit sind wir auf die symptomatischen Indicationen angewiesen. In manchen Fällen haben wir gesehen, dass Theer und Fett den localen Process nur steigern. In einem Falle, der über zwei Jahre in meiner Behandlung stand, habe ich in methodischer AVeise innerlich Arsenik, Carbolsäure, Decoctum Zittmanni ohne allen Erfolg nehmen lassen und nur je nach dem Wechsel der Haupt- symptome örtliche Mittel , continnirliche Bäder , Theerbäder, modificirteWiLKiNSON'sche Salbe, Einhüllungen mit Ung. diachyU mit Kautschukgewand, Beölen mit Oleum jecoris aseUi mit oder ohne Theer, einfachem Fett u. s. w. mit dem Effecte der momen- tanen Linderung einzelner Beschwerden angewendet.

In einem einzigen recenten Falle, bei einem jungen Manne, ist unter dem innerlichen Grebrauche von Carbolsäure Heiliuig eingetreten , nachdem alle örtlichen Mittel die Hautaffection nur verschlimmert hatten.

Liehen.

Wie mancher andere von den Alten überkommene Krank- heitsnamen, wird auch Liehen in der fremdländischen Litera- tur lind von praktischen Aerzten in differentem Sinne gebraucht ; meist aUerdings, nach dem Vorgange von Willan , zur Be- zeichnung von kleinen Knötchen - Effiorescenzen überhaupt, ohne Rücksicht auf deren nosologische Bedeutung; so dass Processe von sehr differenter Bedeutung als Liehen figuriren, wofern nur im Momente der Bezeichnung Knötchen zugegen sind, z. B. solche des Eczem, oder der Urticaria, oder Acne.

NachHBBEA dagegen ist als Liehen nur jene Krank- heitsform zu bezeichnen, bei welcher Knötchen gebildet werden, die in typis eher Wei s e bestehen und im ganzen chronischen Verlaufe keiue weitere Umwandlung zu Effiorescenzen höheren Grades, d.i. Bläschen oder Pusteln erfahren, sondern als

solche sich wieder involviren.

Mit diesem festgestellten Begriffe des Liehen kennen wir

Liclien.

395

mir zwei Krankheitsformen, welche Hebea zuerst pathologisch festgestellt hat: 1. Liehen serophulosorum, 2. Liehen r u b e r.

Liehen serophulosorum.

Diese Dermatonose charakterisirt sich, neben chro- nischem Verlaufe, diirch in kreuzer- bis thalergrossen Gruppen und Haufen, stellenweise in Ivreislinien und Kreisen gestellte, hirsekorn- bis stecknadelkopf- grosse, sehr flach e, wenig resistent e, blassrothe bis braun- oderlividrotheKnötchen, welche an ihrer Spitze ein kleines Schüppchen, seltener ein ganz kleines Eiterbläschen tragen \mi nach längerem Bestände als solche sich involviren.

Sie jucken nur sehr wenig, bestehen monatelang fast unverändert, bilden sich alsdann xinter geringfügiger Abblät- terung der Epidermis und allmäligem Abblassen vollständig zurück, ohne eine Spur ihrer Anwesenheit zu hinterlassen.

Die regelmässige und vorwiegende Localisation des Exanthems ist der Stamm, Rücken und Unterleib. Anfangs finden sich nur getrennt stehende Haufen von solchen Knöt- chen , später können auch nachbarliche Grruppen dichter an- einander gedrängt werden und dadurch scheinbar gleichmässig diffuse Erkrankungen darstellen , in deren Bereich die Haut schmutzig-braunroth und mit dünnen, leicht sich ablösenden Schuppen besetzt ist. Doch erkennt man noch genau die Zu- sammensetzung aus einzelnen G-ruppen , und dass letztere aus kleinen Knötchen zusammengesetzt sind.

Neben den genannten Grruppen und confluirenden Plaqu.es finden sich auch einzelne disseminirte Knötchen, sowie solche, die in Kreisbögen angeordnet sind ; überdies pfennig- bis thaler- grosse Stellen , welche dadurch kenntlich gezeichnet sind, dass die Talghaardrüsen-Mündungen etwas hervorragen und schärfer markirt erscheinen (Liehen pilaris, Cutis anserina) der Be- ginn der Knötchenbildung.

Die Entwicklung erfolgt ausserordentlich langsam und unmerklich, der Verlauf äusserst träge. "Wenn nach monatelangem Bestände die Eruptionen zahlreicher geworden sind, dann erscheinen analoge Knötchen und Elnötchengruppen auch an der Beugeseite der Ober- und Unterextremitäten, wo- bei die am Unterschenkel befindlichen zu grösseren, mit einem

ggg DruiundKwanzigste Vorlesung.

lividen Halo versehenen Knötchen lierangedeilien (Liehen lividus), sowie Efflorescenzen im Bereiche des Gesichtes.

Als begleitende Erscheinung findet sich in inten- siven Fällen eczematöse Erkrankung des Scrotum und der Regio pubica, mit Secretion einer höchst übelriechenden, serös- fettigen Flüssigkeit, welche zu ranzig riechenden Borken ein- trocknet; ferners aus Entzündung der einzelnen Haarfollikel hervorgegangene Pusteln und Krusten (Eczema impetiginosum) am Schamberge ; endlich durch Hämorrhagie und Exsudatbildung in die HaarfoUikel der unteren Extremitäten entstandene Knötchen und Pusteln, welche von einem hämorrhagischen Hofe umgeben sind (Acne cachecticorum).

Fast ausnahmslos (ca. 90"/o) findet sich bei den mit Liehen scrophulosorum behafteten Individuen eine nuss- bis faust- grosse, indolente und manchmal sogar vereiternde Intumescenz der sübmaxiUar-, Cervical- oder AxiUardrüsen , sowie zuweüen Periostitis, Caries, Necrose, mit oder ohne scrophulöse Haut- geschwüre und eine im AUgemeinen kachektische, eigenthümlich trocken-fettig sich anfühlende Haut.

Durchwegs ist der Process nur bei jugendlichen uud ui der geschilderten Weise als scrophulös charakterisirten Li- dividuen zu finden, weshalb der Name Liehen scrophulosorum wohl gerechtfertigt erscheint.

Damit wäre gleichzeitig die vermuthliche Ursache der Affection gegeben. Nur selten haben wir die Krankheit bei scrophulösen Personen der 20er Jahi^e gesehen , niemals aber bei älteren und sonst sehr gesund aussehenden Lidividuen ; die Mehrzahl dagegen im puerilen oder Pubertätsalter.

Ich nahe durch mikroskopische Untersuchung dar- ^ethan, dass der örtliche Process des Liehen scrophulosorum m einer Zelleninfiltration und Exsudation in nnd um die Haar- follikel und die dazugehörigen Talgdrüsen, sowie in die die i ol- likelmündung zunächst begrenzenden Papillen bestehe. (Fig. 22.) Jedes einzelne Knötchen entspricht demnach einer Follicular- mündung und dessen Umgebung. Die PapiUarschwellung und Infiltration repräsentirt das Knötchen, und die Anhäufung von hvperplastischer Epidermis, oder von Exsudat m der Follikel- mündung steUt das centrale Schüppchen oder Pustelchen dar.

Der Process ist im Wesentlichen als gutartig zu be- zeichnen, insoferne er vollständig zum Schwinden kommen

Liohen scvopliulosorum. Fig. 22.

397

Durchsclinitt eines Knötcliens des Liehen scrophulosornm.

n, Haartalg; 6b, Wurzelscheide des Haarschaftes (mit Zellen durchsetzt) ; c, Haare; <J, Rete Malpighii, die Zellen länglich verschoben, zwischen ihnen Exsudatzellen ; e, Epidermismasse der Follikelmündung; , Talgdrüse; 3, Entzündnngs- (Zellen-) Infil- tration in dem perifollioulären Bindegewehe , sich fortsetzend in die Papillen ; h, an- grenzendes normales Bindegewebe des Corinm; i. Blutgefäss. (Starke Vergösserung.)

kann und nur einzelne Follikel unter Eiterung und Narben- bildung zu Grunde geben (Fig. 23).

Der spontane Verlauf kann mebrere Jabre betragen.

Die Diagnose des so cbarakterisirten Uebels ist nicbt scbwer, wenn man die Grleicbartigkeit der Knötcben, ibr Auftreten in Grruppen , ibre bauptsäcblicbe Localisation am Stamme, ibre Scblappbeit und geringe Hervorragung und ibre Complication mit den bescbriebenen Drüsenscbwellungen und Zeicben der Scropbulose berücksicbtigt.

Verwecbslung ist möglicb, 1. mit Eczema papulosum, welches bei kleinen Kindern zuweilen in Form von so flacben, schuppenden Knötcben auftritt, die, weil sie den Haarfollikeln

398

Dreiundzwanzigste Vorlesung.

Durclisclimtt einer Efflorescenz von Liclien ««i'^P^'^^f , , ^^j.

a, Haarpapüle; », Muse arrector piU ; c W^^^^^^^ JSÄcheide' to^^

Exsuüatzeuen n von u ^^^^^^ Schweissdrüsenmundung.

entsprechen, gleich den letzteren in Kreislinien und Gruppen angeordnet sei.1 können (Liehen eczematodes, figuratns dei Antoren); doch ist hier die Loealisation nicht eine so typische und kann es in acuter EntwickKmg zu Steigerung des Processes

bis zum Eczema vesiculosum kommen;

2. mitdemkleinpapulösenSyphilid, demsogenann-

ten Liehen syphiHticus. Hier sind die Knötchen ni der Regel nicht gruppirt, sondern vorwiegend in Kreislinien angeordnet, ausserordentlich derb und glänzend, über das Haixtmveau her- vorragend, zumeist auf die Gelenksbeugen localisu't, und es fehlt nur selten zwischen den kleinen Knötchen auch eme oder die andere grössere, etwa linsengrosse Efflorescenz. Da solche bei Liehen scrophulosorum niemals vorkommen, so wird mit dem Nachweis einer einzigen grösseren derben Papel der Unter-

schied gegeben sein. .

Die sogleich zu besprechende Lichenart, der LicJien ruber hat so prononcirte Charaktere, dass ihre Verwechslung mit Liehen scrophulosorum wohl nicht leicht möglich ist.

Lichon ruber.

399

Die Heilung des Liehen srophtilosorum erfolgt mit Sicherheit, wenn das betreffende Individnnm in Verhältnisse gebracht wird, durch welche dessen Ernährung im günstigen Sinne alterirt wird. Mit der Zunahme der Ernährung bessert sich die allgemeine Beschaffenheit der Haut und bilden sich die Knötchen zurück. Eine bedeutende Unterstützung bietet der innerliche Gebrauch des Leberthrans mit oder ohne Jod, z. B. Rp. : Jodii puri 0,15, Olei jecor. aselli 150,0 , Erüh und Abends einen Esslöffel voll zu nehmen.

Wenn gleichzeitig auch der Haut noch durch fleissige, 2 3 Mal des Tages wiederholte Beölung mit Leberthran, Eett zugeführt wird, geht die Besserung noch rascher von Statten. Binnen 6 Wochen bis 3 Monaten kann man die intensivste Form von Liehen scrophulosorum vollständig schwinden sehen, wobei gleichzeitig auch die Drüsenschwelkuig und die Erschei- nung;en der Acne cachecticorum, des Eczema scroti etc. sich verlieren.

Liehen ruber.

Diese merkwürdige , ebenso räthselhafte , wie gefährliche Haiitkrankheit ist zuerst von Hebra als Uebel sui generis erkannt und mit dem Namen Liehen ruber belegt worden.

Was von diesem Forscher in Bezug auf Symptomatologie und Ausgang dieser Krankheit seiner Zeit gelehrt wurde, hat durch spätere Beobachtungen Ergänzungen erfahren, auf deren Grund wir heute von Liehen ruber zwei Formen unterscheiden müssen : Liehen ruber acuminatus und Liehen ruber planus.

Liehen ruber acuminatus, ist die von Hebra ur- sprünglich beschriebene Form. Sie charakterisirt sich durch disseminirte, hir s eko rn- bis stecknadelkopf- grosse, rothe, konische, an der Spitze ein dickes Epidermishübelchen tragende, sehr derbe Knöt- chen, welche, wenn sie dichter aneinandergereiht sind, rauh wie die Stacheln eines Reibeisens sich anfühlen und endlich zu diffusen, rothen, schuppenden Flächen verschmelzen.

Der Process nimmt seinen Anfang entweder mit einer über den ganzen Körper zerstreuten, oder nur auf einzelne Stellen (Gelenksbeugen , Stamm) beschränkten , also ziemlich acuten Eruption der beschriebenen Knötchen, welche vorerst unregelmässig disseminirt stehen und sich alsbald in Stri-

Dreiundzwanzigste Vorlesung.

eben oder Kreislinien anreihen, oder sich nnregelmässig an- elnanderdrängen, indem zwischen den acuten Knötchen zahl- reiche neue entstehen. ri n.

Derart werden nun binnen 3—4 Monaten Stamm, Gesicht, Extremitäten mit immer dichter gedrängten Knötchen^ besetzt und die gesunden Hautinseln immer weniger und kleiner h.^ entstehen nunmehr durch stellenweise vollständige yerschmel- zung der dicht stehenden Knötchen diffuse Krankheitsf eider, in deren Bereich die Haut gleichmässig verdickt, roth, schuppig, rissia- von tiefen Furchen durchzogen, trocken erscheint, ahn- Hch wie bei einem alten Eczema sciuamosum. Nur am Rande solch' diffuser Flecke findet man in mehreren Reihen die ge- schilderten konischen, mit einem Schuppendache versehenen Primärefflorescenzen des Liehen ruber.

Indem ein derartiges Fortschreiten des Processes, der unverändert seinen Charakter beibehält, von vielen SteUeii aus gleichzeitig stattfindet, kann es ini Verlauf von ein bis mehreren Jahren zu universeller und gleichmässiger Ausbreitung des Processes kommen, - Liehen ruber universalis, in einem solchen Falle erscheint die Haut vom Scheitel bis zur Zehe geröthet, verdickt, durch stärkere Ausprägung der normalen Linien der Haut gefurcht, mit zahlreichen dünnen Schuppen bedeckt , die Gesichtshaut trocken , rissig und schuppig, die unteren Augenlider ectropisch, die oberen herab- der behaarte Kopf schuppig, die Haare diuin J

AusfaUen begriffen (Effluvium ^-V'^''-'^\.^''t^^^^^^^ und Körperhaare gehen später verloren. Die Bew g^Hig m den Gelenken ist durch die Verdickung und ^agad s he Be schaffenheit der Haut gehemmt, schmerzhaft; ^andtel er Fusssohle meist von einer dicken,

Schwiele besetzt, durch welche die Finger in «tarkexex Beu gung gehalten werden; dieNägel an den Fmgern und Zek^ verc'clt, brüchig, getrübt. Dabei I—u- s - ^ .schlecht genährt, fortwährend fröstelnd. de^^aatig exc^^^

siver Grad des Liehen ruber kann mehrere Jahie be tehen ohne, nach unserer Erfahrung, zur spontanen Involution zu

''''Tni.r dem Einflüsse einer so intensiven

allmählich Fmaeiation des f^^^^tr^^Z

oder unter einer accessorischen Eikiankun«

Liehen ruber.

401

L i c h e 11 r 11 b e r p 1 a 11 u s. Bei diesem entstehen durchwegs platte, nicht schuppende und von vornherein zur Grrup- pirung und Plaquesbildung neigende Knötchen von eigenthümlichem, wa c h sar tigern Grlaiiz e undgedelltem Ansehen. Die Ejiötchen sind hirsekorn- bis stecknadelkopfgross und selbst viel kleiner, kaum nadelstichgross, die entwickelten grösseren braun- oder blassroth oder ganz blass, mit einem haarfeinen, rothen Saum an der Basis, von wachsartigem Glanz , rundlich oder polygonal , sehr derb. Viele selbst der kleinsten Knötchen zeigen im Centrum ein, wie durch einen Nadelstich gemachtes kleines Grriibchen, das als flache Delle oder feines Pünktchen sich präsentirt. Die gescliilderten Knötchen stehen anfangs unregelmässig disseminirt und erscheinen zu- meist an den Beugen des Ellbogens oder Handwurzelgelenkes, in der Kniekehle, auf der- Gr-lans penis, oft auch an der Mach- hand und Pusssohle, oder an dem Handrücken zuerst, aber auch sonst wo immer am Stamm , an den Extremitäten , an den Fingern , auf dem Lippenroth, auf den Augenlidern , an der "Wange.

Sehr früh stellen sich die Knötchen in streifenförmige Reihen oder , der Follikelanordnung gemäss , am Stamm in Kreislinien; noch häufiger, und später an den meisten Stellen, drängen sie sich mosaikartig aneinander. Indem dabei die älteren , mittelständigen einsinken und dunkelbraun werden, peripher wieder ein neuer Kranz von platten , wachsartig schimmernden, gedellten Knötchen sich anfügt, entstehen linsen-, pfennig- bis thalergrosse Plaques von eigenthümlichem Ansehen, wie eine perlenumrahmte dunkle Gemme. Die grösseren, älteren Plaques sind im Centrum deutlich eingesunken (atro- phisch) , livid- bis säpiabraun. Endlich kann auch die Haut über grössere Flächen gleichmässig von der Eruption besetzt sein, wodann sie diffus braunroth, verdickt und körnig, wie Chagrinleder , sich ansieht und anfühlt. Weder auf solchen Stellen, noch über den einzelnen Knötchen und Plaques kommt jemals bemerkenswerthe Schuppenbildung, noch eine Umwand- lung zu Bläschen oder Pusteln vor.

Verlauf und Dauer der Krankheit ist äusserst chro- nisch. Viele Knötchen schwinden nach mehrwöchentlichem Be- stände, mit Hinterlassung von anfangs dunkelbraunen, später glänzend weissen, atrophischen (narbenähnlichen) Grübchen;

Kaposi, Hautkrankheiten. 26

^Qi, Dreiundzwanzigste Vorlesung.

doch besteht und vermehrt sich im Uebrigen das Exanthem durch continuirlichen Nachschub von Knötchen.

Im Gegensatze von Liehen ruber acuminatus, welcher rasch zu allgemeiner Verbreitung sich steigert, bleibt Liehen raber planus in einzelnen Fällen durch 1-2 Jahre auf einzelne Körperstellen beschränkt. Ob derselbe derart auch noch langer fortbestehen und binnen Jahren spontan zur Involution gelangen kann weiss ich nicht, da die zur Beobachtung gekommenen Fälle' sofort behandelt worden sind. Gewiss aber ist, dass die meisten Fälle mit der Zeit eine universelle Verbreitung er- langen können.

Obo-leich also diese beiden Formen nach dem Typus ihres Ansehens und ihres Verlaufes sich von einander unterscheiden, stellen sie doch, wie die klinische Beobachtung und die ana- tomische Untersuchung lehren, wesentlich einen Process dar. In der That findet man auch beide Formen sehr oft mitein- ander combinirt, in der Art, dass z. B. am Penis und an den Händen, Flachhand, Handrücken und Fusssohlen, Liehen planus, am Stamm dagegen vorwiegend Liehen lacuminatus

sich darbietet. ., .

Was den Einfluss der Krankheit auf den Gesammtorga- nismus anbelangt, so scheint er durchwegs geringer zu sein als bei Liehen acuminatus.

Ich habe nur in einem Falle von Liehen planus rasch fortschreitende Abmagerung, Schlaflosigkeit, Nebelsehen, Kopf- schmerz beobachtet, welche Zustände erst unter der Behandlung vollständig behoben wurden.

Als häufige Begleiterscheinung des Liehen ruber ist Jucken zu erwähnen, welches zuweilen mässig, manchmal aber so intensiv ist, dass dadurch der Schlaf durch lange Zeit ge- stört wird. Erst mit der allseitigen, durch die Behandlung bewirkten Involution des Exanthems hört das Jucken aut._

Die Prognose bei Liehen ruber ist insoferne nicht Dünstig, als dasUebel, sich selbst überlassen, nicht heilt, sondern L uiüVersellen Verbreitung sich steigert und endlich einen tödtlichen Marasmus herbeiführt. ,Ml.Pvbannt Dies gilt namentlich für Liehen acuminatus l^auP^' und auch für universellen Liehen planus. Die ersten 141 alle, tlZV... beobachtet hat, sind auch der Krankheit ei.egem Seitdem aber nach Hebra's Indication eine erfolgreiche Behand-

Liehen ruber.

403

lungsmethocle uns zu Gebote stellt, können wir bei Liehen ruber im Gegentheil eine günstige Vorhersage machen, da Avir nun in der Lage sind, den Kranken mit Sicherheit zu heilen , und zwar mit der Aussicht , dass auch keine Recidive eintritt. Nur bei einem vierjährigen Mädchen habe ich zwei Jahre nach erfolgter Heilung eine Erneuerung des Processes gesehen.

Ueber die Ursache des Liehen ruber fehlt uns jede Ivenntniss. Wir können keinerlei constitutionelles Moment beschuldigen, da alle bisher beobachteten Erkrankungen bei sonst ganz gesunden Personen aufgetreten waren. Auch ist der- selbe weder ansteckend noch erblich. Wohl aber kann, wie bei Psoriasis, auch bei schon bestehendem Liehen, ein Haut- reiz, eine Nadelritze der Haut , die raschere Entwicklung von Knötchen im Bereiche jener zur Folge haben.

Unter unseren Liehen ruber-Kranken zählen wir gut zwei Drittel Männer und nur ein Drittel Weiber, Die meisten Er- krankungen zeigten sich bei Personen zwischen dem 10. und 40. Lebensjahre. Einmal haben wir bei einem acht Monate alten Kinde und zweimal bei drei- bis vierjährigen Kindern das Uebel aligetroifen.

In den letzten drei Jahren habe ich allein mindestens 25 Liehen ruber-Eälle gesehen, darunter 17 Fälle von Liehen ruber planus, theils rein, theils gemischt mit Liehen ruber acuminatus. In der Spitalspraxis kommen die Fälle seltener zur Behandlung.

Bei den zur Section gelangten, in Folge von Liehen ruber verstorbenen Individuen hat man keinerlei positive An- haltspunkte für die Erklärung jenes tödtlichen Marasmus ge- funden.

Was die anatomischen Veränderungen in der Haut selbst anbelangt, so sind sie seinerzeit von Hebra, später wiederholt (von Neümann, Biesiadecki, mir und Obtdlowic) Ge- genstand der Untersuchung gewesen. Uebereinstimmend wird constatirt, dass die Haarfollikel und ihre nächste Umgebung vorwiegend den Sitz der Erkrankung abgeben ; namentlich hat sich eine Hyperplasie der Zellen der äusseren Wurzelscheide in dem unteren Theile des Haarschaftes, zapfenartiges Aus- wachsen derselben mit consecutiver Ausbuchtung der Haarfollikel, sowie Zelleninfiltration der den Follikel iimgebenden Papillen

26*

404

Dreiimdzwanzigste Vorlesung.

lind Proliferation des sie bedeckenden Rete vorgefunden. Etwas für Liehen ruber Cliarakteristisclies liegt in diesem Befunde nicht. Man hat namentlich die zapfenförmigen Auswüchse der Wurzelscheiden in das Corium hinein auch bei anderen chro- nischen Entzündungsprocessen der Haut, wie bei Prurigo (Deeby), Dermatitis chronica, chronischem Eczem vorgefunden. Entsprechend der Delle der einzelnen Knötchen bei Liehen ruber planus zeigt sich der Papillarkörper in der Aus- dehnung mehrerer Papillen atrophisirt und Biesiadecki hat darauf aufmerksam gemacht , dass diese Stelle nicht der Mündung des Haarfollikels entspricht, sondern der Anheftungs- stelle des jeweiligen Musculus arrector pili , von welchem er meint, dass derselbe in einer Art dauernden Tetanus sich be- finde. Sicher ist, dass im Beginne der Entwicklung des Liehen ruber acuminatus bisweilen die Haut des ganzen Körpers einen Zustand darbietet wie bei Liehen pilaris , also ein Her- vorgedrängtsein der Haarfollikel durch Contraction des Haar- streckers. Die das atrophische und später narbig aussehende Centrum der einzelnen Knötchen umgebenden Papillen bieten erweiterte Maschenräume und Gefässe und Zelleninfiltration dar und kehren wieder zur Norm zurück.

lieber das Wesen des Processes gibt dieser anatomische Befund .doch keine genügende Aufklärung. Es handelt sich gewiss noch um eine ganz ernste Ernährungsstörung, die in der örtlichen bedeutenden Gewebsveränderung (Atrophie) und in dem folgenden allgemeinen Marasmus sich ausprägt. Vielleicht hat die Angabe Biesiadecki's von colloider Entartung der Wandung der Papillen-Gefässe diesbezüglich eine hervor- ragende Bedeutung.

Die Diagnose des Liehen ruber ist durch die ausge- prägten klinischen Charaktere desselben zwar jederzeit ge- sichert, aber dennoch, in Anbetracht des seltenen Vorkommens der Krankheit, für den minder Geübten ziemlich schwierig.

Im Stadium der disseminirten Knötchenbildung kann Liehen ruber acuminatus leicht mit Psoriasis punctata oder Eczema papulosum verwechselt werden. Die flachen Psoriasisknötchen werden binnen wenigen Tagen zu charak- teristischen , linsengrossen , schuppigen Elecken heranwachsen, während die konisch hervorragenden Knötchen des Liehen ruber als solche persistiren, und die Knötchen des Eczema papiüosum

Liehen rnbev.

405

sicli rasch in dem Sinne von Eczeni entweder zurückbilden oder zu Bläschen entwickeln. Noch leichter wird Liehen ruber in der Form diffuser Rothe und Verdickung der Haut mit Eczema chronicum und Psoriasis diffusa verwechselt. Man siTche daher in der Nachbarschaft jener difPusen Er- krankungsherde nach den charakteristischen Primärefflores- cenzen des Liehen ruber.

Bei universellem Liehen ruber ist die Diagnose gegen- über von Psoriasis universalis am allerschwierigsten. Im Allgemeinen zeigt sich bei Liehen ruber relativ geringe Schuppenbildung und beträchtliche Verdickung der Haut, während bei Psoriasis immerhin viel und reichlich sich ablösende, und an anderen Stellen wieder dick auflagernde Epidermis- schuppen sich vorfinden. Ueberdies macht Psoriasis selbst in dem höchsten Grade der Entwicklung auch zeitweilige Livo- lutionen, so dass wieder einzelne gesunde Hautinseln zum Vorschein kommen können. Endlich werden Plachhand und Eusssohle bei Psoriasis gar nicht, oder nie so intensiv krank erscheinen, wie bei Liehen ruber.

Eczema chronicum universale ist wohl leichter auszuschliessen , weil hier doch an vielen Stellen charakteri- stische Erscheinungen des Eczems, des Nässens etc. sich vorfinden.

Pityriasis rubra universalis wird durch den Mangel an Infiltration der Hatit, welche im Gegentheil ver- dünnt, selbst atrophisch erscheint, und nur sehr dünne Blättchen und kleienförmige Schüppchen producirt, leichter von Liehen riiber difFerencirt werden können.

Was Liehen ruber planus, dessen disseminirte oder figurirte, gedellte Knötcheneruptionen und dessen Eorm von im Centrum eingesunkenen Plaques anbelangt, so wird der- selbe am häufigsten irrthümlich als papulöses Syphilid diagnosticirt, umsomehr als die Glans penis in der Regel auch von Efflorescenzen besetzt erscheint. Ich muss auf die weiter oben geschilderten -charakteristischen Merkmale dieser poly- gonalen Knötchen und Plaques, ihren wachsartigen Schimmer, die kleine Delle bei den einzelnen Efflorescenzen, auf die trockene Beschaff'enheit der letzteren , selbst wenn sie an den Genitalien localisirt sind, verweisen. Immerhin erheischt die l ichtige Beurtheilung eines solchen Krankheitsbildes eine grosse Aufmerksamkeit.

^Qg Dreiundzwanzigste Vorlesung.

Die Therapie gegen Liehen ruher ist eine ganz be- stimmte. Während in den ersten 14 Fällen, welche Hebba beobachtet hat, die verschiedensten innerlichen und äusserlichen Mittel sich fruchtlos erwiesen haben und den letalen Ausgang nicht aufzuhalten vermochten, sind alle seithervorgekommenen Fälle unter dem von Hebra erprobten consequenten Gebrauche von Arsenik genesen. Und wir können jetzt ohneweiters jedem Liehen ruber-Kranken, den höchsten Grad des Marasmus bei universellem Liehen ruber ausgenommen , mit vollster Sicher- heit die Heilung versprechen. c ■, t. i Bei kleinen Kindern ziehe ich es vor, Solutio 1 owleri zu 2 Tropfen de die und sehr langsam steigend zu geben. Bei Erwachsenen machen wir die Medication mit asiatischen Pillen in der gleichen Weise wie dies bei der Behandlung der Psoriasis besprochen worden.

Yov 6—8 Wochen, d. i. bis der Kranke auf 200-2oO PiUen angelangt ist, kann man in der Regel keine Besserung wahrnehmen; es kommen noch immer eine Menge neuer Nach- schübe und von den alten Efflorescenzen involviren sich nur wenige Erst bei 500-600 Pillen wird die Involution merkhcher und der Nachschub von Knötchen spärlicher. Letztere kommen aber noch bis in die aUerletzten Stadien und nach voUkommenem Verschwinden der alten Eruptionen. Deshalb verabreichen wir ,,och 3-4 Monate hindurch, nachdem die Krankheit vollkom- men geschwunden zu sein scheint, den Arsenik in massigen Dosen, etwa zu 6 Pillen des Tages. _

Man beginnt also mit 3 Stück de die, steigt jeden 4 bis 5 Tag um eFne bis auf 8 oder 10 Pillen per Tag, bleibt auf dieser Höhe bis die Involution des Processes ziemlich voll- tändig geworden, fällt allmälig bis auf 6 und bleibt bei dieser Dosis 3-4 Monate hindurch, von der beiläufigen Heilung des Processes an gerechnet.

In mässigen EäHen von Liehen ruber reichen bOO-1500 Pillen in Summa aus, doch haben wir .selbst unter unseren Augen bis 30U0 nehmen lassen und ich kenne einen Kranken, dessen Liehen ruber universalis nach einer zweijährigen un- unterbrochenen Cur , bei der Gesammteinnalime von etwa 4o00 asiatischen Pillen complet geschwunden war. ...^^-^ Solche Beispiele vorzuführen durfte nicht ubeiflussi, sein, weil jüngere Aerzte in ihrer Praxis vor einer grosseren

Liehen ruber.

407

Arsenikmeclication entweder zurückschrecken oder znrück- o-esclireckt werden könnten, wenn nicht derartige Erfahrungen Anderer vorlägen.

"Wie sehr der Organismus an einen methodisch gesteiger- ten Arsenikgenuss sich gewöhnen kann, habe ich auf der Grazer Natui-forscher - Versammlmig zu sehen Gelegenheit gehabt. Daselbst wurden zwei „Arsenikesser" vorgesteUt ("diu-ch Dr. Knapp), welche a\\£ einmal je ein Stück von 0,25 nnd 0,40 Gramm Arsenik verspeisten und alle paar Wochen solches zu wiederholen angaben.

Bei Befolgung der beschriebenen Methode, d. i. des all- mäligen äteigens und Abfallens, und dass man auf der Höhe, bei welcher eine Wirkung sichtbar ist, anhält, kann dem Kranken kein Nachtheil widerfahren.

Was die oft sehr lästige Empfindung des Juckens und der Schlaflosigkeit anbelangt, so bekämpft man dieselbe am besten durch örtliche Mittel, wie Bepinselungen mit Carbol- oder Salicylsäure (1 : 40 Alcohol und 1 Gr. Glycerin), Amyhim- einstreuung , Dampf- und Douchebäder , Einschmieren von in- differenten Fetten oder mit Carbol- , Salicylsäure , Zink ver- setzten Salben. Doch lässt durchschnittlich trotz alledem das Jucken nicht nach, bis nicht der Process überwiegend zur Invokition neigt.

Theereinpinselung hat sich gegen das Jucken und den Process als solchen nur wenig wirksam erwiesen, ebenso wie Schwefel-, Soda-, Alaun-, Sublimatbäder etc.

Man könnte selbstverständlich subcutane Arsenikinjec- tionen machen wie bei Psoriasis.

Von amerikanischen Collegen ist gegen Liehen ruber, speciell planus, KaK aceticum in der Dosis von 5,0 auf 150,0 Aqu, dest. de die als besonders wirksam empfohlen worden, indem durch dasselbe der Liehen binnen 3—6 Wochen complet geschwunden sein soll. Ich habe diese günstige Wirkung nicht bestätigen können.

Vierundzwanzigste Vorlesung. 2. Pruriginöse Dermatosen, Juckausschläge.

Eczema.

Definition Polymorphie und WandellDarkeit der Symptonrie ; typischer Verlauf des acuten Eezems; chronisches Eczem; anatomische Grundlage. Speeielle Loealisationsformen. Impetigo faciei ; Eczema marginatum ;

Diagnose.

Eczem, (ix-'^ew, aiisfliesseii) nässende Fleclite, ist eine sehr oft acut, zumeist jedoch chronisch verlaufende, mit Jucken vergesellschaftete Hautkrankheit, welche in Form von theils unregelmässig zerstreuten oder dicht ge- drängten Knötchen, Bläschen und Pusteln, theils von diffuser Röthung und Schwellung der Haut sich darstellt, deren Oberfläche alsdann schup- pend, oder nässend, oder mit gelben, gummiartigen Borken bedeckt erscheint.

Zu der hier skizzirten Vielgestaltigkeit (Polymorphie) des Eezems gesellt sich noch eine grosse Wandelbarkeit seiner Symptome. Daher rührt es , dass viele Aerzte und Autoren noch nicht zm Ueberzeugung von der Zusammengehörigkeit all' der genannten Formen gelangt sind, sondern viele derselben als besondere Krankheiten ausgeben.

Man kommt jedoch zu dem bei uns geltenden, umfassenden txnd einheitlichen Begriffe des Eezems , wenn man nicht die Morphen allein, sondern alle Momente, Erscheinung, Verlauf, Ursache die Geschichte des ganzen Processes berücksichtigt, indem sich hierbei ergibt, dass erstens all' die genannten ' Krankheitsformen sehr häufig gleichzeitig auf der Haut neben einander bestehen, zweitens die verschiedenen Morphen walirend des Krankheitsverlaufes in steter Umwandlung m und aus

Eczeni.

409

einander begriffen sind, und dass wir drittens jederzeit in der Lage sind, an jeder Hantstelle und jedes beliebigen Individuums all' die genannten Tormen mitsammt ihrer Polpnorpliie und ihren Uebergängen künstlich zu erzeugen.

Gehen wir gleich von dem letztgenannten Momente aus, indem wir die Vorgänge betrachten, welche auf der Haut sich darbieten, nachdem dieselbe künstlich, durch Hitze, Schwefel- salbe, Arnicatinctiir, Terpentin, kurz irgend eine Schädlichkeit gereizt worden.

Da hängt es nun von der Art, Litensität und Dauer der schädlichen Einwirkung und der individuellen Reizbarkeit der Haut ab, ob die eine oder andere Morph e des Eczems entsteht , ob Knötchen , oder Bläschen , oder diffuse Röthung mit Schuppung oder Nässen ; und von der Irritabilität der Haut und der Wiederholung oder Einmaligkeit der Hautreizung, ob das Eczem als acutes abläuft oder chronisch wird.

Bei geringer Reizwirkung erheben sich alsbald unregel- mässig zerstreut stecknadelkopfgrosse, blasse oder rothe, derbe, heftig juckende und zum Kratzen veranlassende Knötchen Eczema p a p u 1 o s u m. Ihre Zahl vermehrt sich innerhalb der ersten Stunden oder Tage durch neu auftauchende. Als- dann sinken die Knötchen ein und verschwinden sie unter Ab- blätterung. Bei intensiver Irritation entwickeln sich die Knöt- chen durch Vermehrung ihres serösen Inhaltes zu wasserhellen Bläschen Eczema vesiculosum. Auch die Bläschen können binnen wenigen Tagen durch Verdampfung oder Auf- saugung ihres Inhaltes einsinken und unter Abblättern vei*- schwinden. "War aber die Reizung dauernder oder mächtiger, dann wird zunächst die Haut über eine grössere Strecke diffus geröthet, geschwellt, zugleich heiss, schmerzhaft, ödematös Eczema erythematosum. Auch dieser Zustand kann binnen wenigen Stunden oder Tagen sich rückbilden mit Hinter- lassung von mässiger Abkleiung und dunkler Pigmentirung. Im höchsten Grade der Reizung endlich tauchen auf der diffus gerötheten und erheblich geschwellten Haut dicht gedrängt Bläschen und Blasen auf Eczema vesiculosum, welche sehr bald grösstentheils platzen oder zerkratzt werden und ihren flüssigen Inhalt in hellen Tropfen austreten lassen. Man hat das nässende Eczem vor sich Eczema madidans. Werden die Bläschendecken mechanisch durch Abreiben ent-

Vierundzwanzigste Vorlesung.

fernt oder weggeschwemmt, so liegt die Hautfläche dunkelroth, von blossem Rete belegt, mit feinen Grübchen besetzt, welche den zerstörten Bläschen entsprechen (etat ponctueux, Dkvergie) zu Tage Eczema rubrum. Die Eczemflüssigkeit (luiUt nun reiclilicher hervor. Dieselbe ist hellgelb, eiweissartig, klebrig, reagirt neutral, lässt beim Kochen oder Zusatz von Salpetersäure flockig Albumen ausfallen. Sie ist eben Blut- serum und keineswegs ein pathologisch beschaffenes, oder scharfes" Secret. Dieselbe vertrocknet an der Atmosphäre zu gelben, gummiartigen Krusten und steift, gleich Sperma, die damit imprägnirte Leibwäsche.

Mit dem Stadium der Bläschenbildnng hat das Kczem seinen anatomischen, und mit dem des Nässens seinen klimschen Höhepunkt erreicht. Auf diesem beharrt dasselbe nach Um- ständen wenige Stunden oder, durch erneuerte Anregung un er- halten, auch mehrere Tage, worauf dessen Rückbildung erfolg . Zunächst trocknet die Eczemflüssigkeit zu gelben und durch Beimengung von Blut gelbbraunen Krusten ein - Eczema crustosum, unter welcher das nachschiebende Secret ab- gesperrt und grün-eiterig wird-Eczema impetiginosum. Da und dort bersten die schwappenden Borken, tritt die eitrige Flüssigkeit hervor und wird die nässende rothe Papillarflache sichtbar. Indessen vermindern sich die Entzündung Schwellung die Haut sinkt ein, die spärlicher gewordene Secretion is nicht mehr im Stande die Krusten abzuheben, welche demnach Tocken, hart werden und festkleben ^nter ihrem Sc^^^^^^ bildet sich eine festhaftende Epidermisdecke von wel her e^^i lieh die Krusten sich ablösen. Die erkrankte Haut liegt fre zu Tage, kaum geschwellt, aber sie ist noch hyperamisch roth nnd schilfert - Eczema squamosum. Schliesslich verliert Tch aucl der letzte Rest von Blutüberfüünng -1 Schuppung Die Haut ist normal gefärbt und überhäufet und zeigt uns noch durch kurze Zeit dunklere Pigmentirung. Es ist ^oU- ständiffe Restitutio in integrum erfolgt.

L mässig, etwa über einen Vorderarm ausgedehntes Eczem dieser Ar! braucht zu seinem Verlaufe 2-4 Wochen.

Die geschilderten Symptome entsprechen zugleich den- ipnie-en des acuten Eczems.

lus dieser Darstellung ist znnäcl.st Hehreres für das Verständniss des Eczems Wichtiges zu entnelimen ;

Eczem.

411

1. Dass die Kranklieit mit punktförmiger oder diffuser Rötliung und Schwellung der Haut Eczema erythematosum

oder juckenden Knötcken Eczema papulosum beginnt,

dass aber das Eczeni übes diese niedrigen Stadien hinaus sich, nicht weiter zu entwickeln braucht.

2. Dass das Stadium der Bläschenbildung Eczema vesiculosum und des Nässens Eczema rubrum, madidans die Acme des Processes darstellen.

o. Dass die Krustenbildung Eczema impetiginosum et crustosum und das Stadium der rothen , schuppenden Eläche Eczema squamosum nur Eückbildungsformen des Eczems

sind, und endlich

4. Dass das acute Eczem einen typischen Verlauf be- kundet.

Die geschilderten Veränderungen bilden die wesentlichen Symptome des Eczems und finden sich unter allen Mannig- faltigkeiten der Localisation, Verlaufsweise, Complication, Ur- sache u. s. f. entweder allesanunt tind in der geschilderten Reihenfolge, oder vereinzelt und in der buntesten Combination miteinander vor.

Man begreift jetzt leicht, was ein ehr o ni sehe s E cz em zu bedeuten habe. Nichts anderes als eine Hautaffe ction , bei welcher die geschilderten Erscheinungen nicht in einem Aus- bruche typisch ablaufen, sondern sich durch längere Zeit er- halten oder wiederholt erneuern, u. z. entweder indem der- artige Exacerbationen und Remissionen an einzelnen beschränk- ten Hautstellen stattfinden, oder indem in jahrelangem Verlaufe bald da, bald dort am Körper Eczem auftaucht. Dies sind dann die zumeist polymorphen und wandelbaren Eczeme, indem gleichzeitig alle möglichen Entwicklungs- und Rückbildungs- formen der Krankheit sich vorfinden, die selber wieder in steter Umänderung begriffen sind, da Knötchen, dort Bläschen, hier rothe, schuppende, anderwärts nässende oder mit Krusten be- legte Stellen, Pusteln, Rhagaden, Pigmentflecke und Streifen wesentlich aber doch dieselben Veränderungen, welche auch dem acuten Eczeme angehören.

Anatomisch bedeutet das Eczem in allen Formen und Stadien Entzündung mit vorwiegend seröser Exsudation (Gr. Simon, Hebra, Wedl, Kaposi, Neümann, Biesiadecki) und ich brauche nicht erst wieder auseinanderzusetzen, welcher Art

412

Vierundzwanzigste Vorlesung.

mikroskopiscli die Eczem-Knötchen und Bläschen sich er- weisen, da die intimeren Veränderungen innerhalb der Epider- mis, der Papillen und dem Corinm hier ganz und gar dieselben sind, wie bei E ry thema paiuüatum und Herpes (siehe pag. 288 und Fig. 18). Je intensiver die örtlichen Entzünduiigserschei- nungen (Eczema rubrum, madidans) , desto mehr betriift die Exsudation auch die tieferen Coritimschichten, bis in die Fett- zellenschichte, desto mehr sind die Maschenräume erweitert, die Bindegewebskörperchen proliferirend und die Exsudatzellen vermehrt, während innerhalb des Rete alle Veränderimgen von einfacher Aufi^uellung und Auseinanderzerrung der Zellen zu einem Balkenwerk bis zur Proliferation und eitrigen Schmel- zung sich finden. Es ist auch begreiflich, dass von solchen Zuständen, also des aciiten Eczems, eine vollständige Restitutio in integrum jederzeit stattfindet.

Fig. 24.

Eczema chronicum. Senkrecliter Durchschnitt yon der , Haut des Ober- armes (starke Vergrosserung).

Eczem.

413

Bei cbroiiiscliem Eczem dagegen, wofern dasselbe ein und dieselbe Hautpartie jahrelang occupirt, kommen auch bleibende Veränderungen des Gewebes zu Stande, welche klinisch als dunklere Pigmentiruug vind Verdickung der Epidermis und des Coriums, stärkere Ausprägung der normalen Hantfurchen, sich zu erkennen geben und histologisch als dichte Zellen- und Pigmenteinlagerung in's Corinna , namentlich um die erweiterten Gefässe , Vergrösserung der Papillen , Erwei- terung der Lymphgefässe (Neümann, Klebs) , Sclerosirung des Bindegewebes, Verödung der Talgdrüsen und Haarfollikel (Wedl), Degeneration der Schweissdrüsen (Gay), Schwund der Eettzellen kurz Veränderungen der degenerativen Hyper- trophie, wie bei Elepliantiasis arabum, sich darstellen.

Es erübrigt nunmehr die durch die geschilderten Nutri- tionsveränderungen der Haut gegebenen, also wesentlichen und anatomischen Merkmale des Eczems noch durch diejenigen zu ergänzen, welche nach den begleitenden Umständen, besonderen Ursachen , der Localisation , Ausbreitung u. m. A. , besonders aber nach dem acuten oder chronischen Verlaufe sich ergeben.

Das acute Eczem.

Dieses erscheint an einer einzigen oder an mehreren Körperstellen zugleich und macht an jedem Herde den früher geschilderten Verlauf durch. Es breitet sich oft über den ursprünglich ergriffenen Eayon hinaus fort per continuum, wobei es meist im Centrum zum Grade des Eczema vesiculo- sum, riTbrum, madidans gedeiht, während an der Peripherie, durch gesunde Hautstellen getrennt, mir einzelne Bläschen oder Knötchen, oder rothe Flecke sich vorfinden. Oder das Eczem vermehrt sich zugleich dadurch, dass an entfernten Körperstellen neue Ausbrüche erfolgen.

Um Letzteres zu begreifen, muss man wissen, dass mit dem Auftreten eines acuten Eczems das Hautorgan in der Weise krankhaft alterirt wird, dass dasselbe nunmehr auf geringe Hautreize, durch das ßeiben der Leibwäsche, das Kratzen, die Bettwärme, oder auch spontan, auf dem Wege der reflectorischen Gefässalteration, von Eczem befallen wird.

Insbesondere zeichnet sich in dieser Beziehung das Ge- sicht (Ohren, Augenlider) aus, das sofort reflectorisch an Eczem

Vierundzwanzigste Vorlesung.

erkrankt, wenn an einer entfernten Körperstelle , z. B. am Scrotum, ein acuter Eczemausbrucli stattgefunden hat

Schon dem Ausbruche eines beschränkten acuten Eczems gehen gewöhnlich Horribilation , selbst Schüttelfrost und iieberhitze voran und solche begleiten nebst Schlaflosigkeit, Unruhe und gastrischen Erscheinungen den Process bis zu seiner Acme, und kündigen auch jede neue Exacerbation an. Sie schwinden erst, wenn allenthalben die Nachschübe sistiren. In der Periode der Rückbildung stört nur noch das Jucken

den Schlaf. ^ t i ß „„f

Der Morphe nach tritt das acute Eczem sehr häufig aut alsEczema papulosum, veranlasst durch SonnenHtze oder Schweiss, bei Säuglingen namentlich oft in allgemeiner Eruption wodann meist den Follikeln entsprechend und daher figunrt (Eczema lichenoides), auch als Begleiter aiiderweitiger jucken- der Hautkrankheiten (Prurigo, Scabies). Als Eczema er ythe- matosum findet es sich meist an sich macerirenden Haut- falten. Die häufigste Form des acuten Eczems ist die

''^''Durch die specielle Lo calisation werden noch manche Besonderheiten des acuten Eczems bedingt _ Als die frequen- testen Oertlichkeiten desselben erscheinen die G-elenksbeugen die dem Einfluss des Schweisses ausgesetzten Hautflachen der Genitalien, der weiblichen Hängebrust, und überdies ganz be- sonders das Gesicht sammt den Ohren und dem behaarten Kopf.

Das Eczema acutum faciei et capillitii, gewohiü; ^ Hiit einem Schüttelfrost, eingeleitet, tritt -ter dem GefoU^^^^^^^ Brennen in den Augen, mit Röthung , SchweUung , ^f^"^'^^ des Gesichtes auf, die Augenlider sind s und können kaum oder gar nicht geöffnet werden , die Ohren sma wTckt vo" dems'chädel abstehend, die Lippen wulstig, luid Tel weniger Geübte, sowie die Laien pflegen dieses Krank- heitsbild als Erysipel zu diagnosticiren

Bei genauerem Zusehen überzeugt man sich, dass de RöthiL lind Schwellung keineswegs so bedeutend sind wie ? Zthlluf auch das Fieber nicht so intensiv; speciell sind " Soir 0^^^^ wahrzunebnen Bei s'hef i^^^^^^^^^^^ Licht, oder tastend, überzeugt n dass die Haut dicht besetzt ist mit gneskorn- Z^i^t: s^-ernden Hübelchen, das sind die im

Eczem.

415

Entstehen begriffenen Bläschen. Bimien 12 24 Stunden haben sich diese zu kenntlicher G-rösse entwickelt, sie platzen und es beginnt das charakteristische Nässen und die Krustenbildung. Namentlich von den Ohren sickert eine grosse Menge Flüssig- keit ab. Auch die Haut des äusseren Grehörganges ist ge- schwellt bis zur Undurchgängigkeit desselben, so dass auch Schwerhörigkeit und Taubheit vorhanden ist. Erst allmälig kommt es auf dem behaarten Kopfe zu Schwellung, Nässen und Krusten, durch welche die Haare büschelförmig miteinan- der verklebt werden.

Der Verlauf eines solchen Eczems , im Uebrigen den geschilderten Typus einhaltend, bemisst sich je nach der In- tensität und Ausdehming der Erkrankung auf 3 6 Wochen. Selbst noch vollständigem Ablauf bleibt auf dem behaarten Kopfe noch lange Zeit der Zustand des Eczema squaniosum und im Bilde der Pityriasis capillitii zurück, ebenso häufig Trockenheit, Verdickung und ßissigsein der Epidermis in der Eurche hinter den Ohrmuscheln. Von letzterem Ort aus kommt es noch später sehr oft zu neuerlichen Exacerbationen.

Ueberdies recidivirt das Gresichteczem auf die verschie- densten Einflüsse ausserordentlich häufig.

Beim acuten Eczem der Hände und Füsse sind die Bläschen und Blasen meist sehr prall, mit dicker Decke ver- sehen. Das Gefühl der Spannrmg und des Pelzigseins der Finger, ja Schmerzhaftigkeit ist bedeutend. Es kommt oft zu eitriger Umwandlung des Blaseninhaltes (Pustelbildung), be- deutendem Oedem, schmerzhafter Blosslegung des Coriums, Caro luxurians am Nagelfalz und, Abstossung einzelner Nägel, Bei Kindern kommt ein grossblasiges Eczem an den Fin- gern vor.

Das Eczema acutum penis et scroti ist mit sehr bedeutender ödematöser Schwellimg der betroffenen Hautpartien und intensivem Nässen verbunden.

Auf der Haut der G-elenksbeugen, der G-enit al- falten, der Hängebrust vind allen durch gegenseitige Be- rührung sich macerirenden Hautfalten entsteht das acute Eczem häufig sub forma diffuser Röthung Erythema Inter- trigo, Frattsein aus welchem durch Loshebung der Epidermis nässende Flächen Eczema Intertrigo hervorgeht.

Dieses hat eine grosse Bedeutung bei Säuglingen, bei

Vierundzwauzigsto Vorlesung.

welclien es in der Tiefe der Hautfalten, am Halse, an der inneren Oberschenlcelfläche entsteht. Es wird sehr häufig von den Kindspflegerinnen übersehen, indem sie sich scheuen, die Falten auseinanderzuziehen, weil die Zerrung Schmerz ver- anlasst. Nicht selten steigert sich nun die Dermatitis und es kommt höchst acut zu Gangrän, Phlegmone, diphtheritischer Entzündung, welche im günstigsten FaUe zur Heilung mittelst Substanzverlusten und Narben, oder, wie ich schon erlebt, unter Eclampsie und CoUapsus bümen wenigen Tagen zum Tode fülu^t.

Eine wahre Plage für den Kranken und den Arzt stellt das universelle acute Eczem vor.

Eigentlich handelt es sich hiebei nicht um eine vom Scheitel%is zur Zehe gleichmässig entwickelte eczematöse Er- krankuno-. Vielmehr setzt sich dasselbe aus einzelnen Herden von acutem Eczem aller möglichen Grade und Formen, Knötchen, nässende undborkige Flächen etc. zusammen, die mit ihrenPeriphe- rien mehr weniger aneinander reichen. Die begleitenden Fieber- erscheinungen sind in der Regel ziemlich intensiv und die Ex- acerbation desselben häufig (oft auch typisch , mit abendhcher Steigerung) , iudem bald da, bald dort ein neuer Ausbruch erfolgt Der Kranke ist aus dem Grunde auch gewöhnlich bettlägerig, abgesehen davon, dass das Angekleidetsein und Umhergehen, auch wenn subjectiv möglich, durch die Reibung der Kleider, das Ankleben der Leibwäsche, nur schädlich wirkt.

Per Process braucht bei einer solchen Ausbreitung min- destens 2-3 Monate , oft noch länger, zu seiner voUständigen Rückbildung. Der Kranke kommt in der Ernährung durch das Fieber, die Appetit- und Schlaflosigkeit und den thatsachlichen Verlust an Blutplasma bedeutend herunter. _

Im Verlaufe steUen sich auch Lymphangioitides und Furunkelbildungen ein. Aber auch nach Frist von niehreren Monaten pflegt ein solches Individuum de merito nicht ganz herges tem .u sein. Es bleiben an den Olutohen an den Gelenksbeugen, da und dort rhagadische Stellen zimick welche den Ausgangspunkt neuerlicher Eruptionen abgeben können oder es wiecferholen sich die furunkulösen Entzündungen durch lle Monate, 1-2 Jahre, und endlich behält die Haut enie I LEmpfindHchkeit gegen aUe möglichen äusseren Einflus , welche Eczem zu erzeugen vermögen, wie Sonnen- und Feuei-

Eczoni.

417

Litze, Scliweiss , "Wasser etc. , dass dieselbe selir häufig neuer- lich erkrankt, weil es in der Ausübung ihres Lebensberufes nur wenigen Menschen gegönnt ist, von allen diesen Schädlich- keiten sich ferne zu halten.

Das chronische Eczem,

Dieses entwickelt sich entweder als das Residuum eines nicht ganz abgelaufenen acuten Eczems , oder , aus geringen Anfängen, durch Persistenz der letzteren.

Ich habe schon auseinandergesetzt , dass das chronische Eczem wesentlich dieselben Erscheinungen darbietet, wie das acute, und dass nur noch solche Veränderungen der Haut sich einstellen, welche durch die stellenweise häufig sich wieder- holenden entzündlichen Vorgänge bedingt sind, als Verdickung der Oberhaut und des Coriums und dunkle Pigmentirung, end- lich auch degenerative Veränderung und Follicular-Atrophie.

Das chronische Eczem kann örtlich jeden Augenblick zum acuten sich steigern und demnach als nässendes, oder crustöses erscheinen. Doch präsentirt es sich meist als Eczema squa- mosum.

Das begleitende JiTcken ist meist sehr intensiv und führt zu energischem und häufigem Ejratzen. Dieses wirkt selber als Hautreiz und veranlasst deshalb häufige Steigerung des bestehenden, und Ausbruch neuen Eczems. Darum findet sich meist neben einem Herde chronischen Eczems noch an ver- schiedenen Körperstellen die Spur einer jüngeren Erkrankung,

Die Localisation desselben zeigt gewisse Eigenthüm- lichkeiten, trotzdem es sich an jeder beliebigen Körperstelle finden mag. Am häufigsten trifft man es auf beschränkten Regionen , der Furche der Ohrmuscheln , den Gelenksbeugen, und dann meist sy:nmetrisch, am behaarten Kopfe, im Gresichte, an den männlichen Genitalien und ad anum, oft genug auch in universeller Verbreitung.

Das Eczema capillitii chronicum ist sehr häufig, meist in Verbindung mit chronischem Gesichtseczem, und prä- sentirt sich unter dem Bilde des Eczema impetiginosum oder squamosum. Der Haarboden erscheint mit Krusten oder abkleienden Epidermisschuppen besetzt, nach deren Abkratzen die Haut roth, stellenweise nässend sich erweist. Schuppung und Röthung greifen mit scharfen Rändern, oder verwaschen

Kaposi, Hautkranklieiten. 2*7

^•j^g Vienindzwanzigste Vorlesung.

auf die Haut der Stirne und des Nackens über. Lockerung und Ausfallen der Haare sind die regelmässige Folge eines lange bestellenden Koiifeczems. Durch zeitweilige Steigerung desselben zum nässenden Eczem kommt es zu Ver- klebung und Verfilzung der Haare bei Frauen (Plica) , oder, in seltenen Fällen, zur Entstehung von zalilreicben Follicular- pusteln (Sycosis cai)illitii), auf der intensiv entzündeten Kopf- haut, Es besteht oft viele Jahre, ist bei Männern seltener, als bei Frauen und Kindern und hier häufig durch K opf lause bedingt.

In diesem Falle finden sich meist inselförmige Eczemherde am Scheitel und Hinterhaupt, auf welchen mächtige, trockene oder schwappende, ranzig riechendes Secret absperrende Krusten sich aufhäufen, nach deren Ablösung die Haut theils roth und nässend aber glatt, theils jedoch mit kreuzer- bis thalergrossen Scheiben von 2— 4 Mm. hohen, rothen, drusigen, leicht bluten- den, nässenden, papillären Excrescenzen besetzt ist (Achor, Mucor granulatus, Tinea granulata). Es versteht sich von selbst, dass nebstbei die Erscheiniingen der Läuse und ihrer Nisse nicht fehlen. Diese Eczeme sind regelmässig mit bedeu- iender Schwellung der Cervicaldrüsen vergesellschaftet, welche die irrige Diagnose Scrophulose veranlassen, während dieselbe richtig nur Eczema e pediculis capitis lauten kann.

Eczema chronicum faciei. Im Bereiche des G-e- «ichtes ist das Eczem entweder nur auf einzelne Hautstellen beschränkt, oder, wenn auch aUgemein verbreitet, jedenfalls an einzelnen Partien immer in ungleicher Intensität vorhanden. Die Ohrmuscheln erscheinen meistens verdickt, starr, an den Furchen die verdickte Epidermis eingerissen, oder mit Krusten bedeckt , der äussere Gehörgang mit Epidermisschuppen zum Theil verlegt. Es steigert sich an den Ohren sehr häufig zu .acuten Ausbrüchen. Als krustöses und schuppiges Ec«em der Säuglinge (Crusta lactea , Milchborke, MUchschorf, Porrigo larvalis, Lactumen Manardi) occupirt es vorwiegend die Wangen, Stirne und Ohren. Schmerzhafte Furunkel im Gehörgang smd ■dabei nicht selten, sowie in der Nasenfurche und am Muud- •winkel schmerzhafte Rhagaden.

Chronisches Eczem der Nasenschleimhaut ist bei jugendlichen Individuen sehr häufig, in Combination mit scrophulösen Augenaifectionen, und veraiüasst durch Heizung

Eczcm.

419

der Nasensclileimliaut von Seite der Tliränen. Die Naseu- öffmmgen sind durch die Eczemkrusten verlegt, die Kinder athmen mit offenem Munde, die Rachensclileimhaut ist von Nasenschleim inundirt, entzündet. Rüsselartige Verdickung der Mundlippen bildet sich als Folge der begleitenden Lymphan- o-ioitis heraus.

Bei Erwachsenen, häufig die Folge von chronischem Schnupfen, belästigt das chronische Eczem der Naseuschleim- haut dui-ch Krusten und Rhagaden und führt es oft zu Sycosis oder Furunkel an Ort und Stelle und zu recidivirendem Gresichts- rotlilauf.

Eczem der Mundlippen kommt in der geschilderten Form in Begleitung von anderweitigem Gresichtseczem , beson- ders Eczema nasi vor. Eigenthümlich ist die Form, welche bei weiblichen Personen mittleren Lebensalters öfters beobach- tet wird und hauptsächlich das Lippenroth betrifft. Dieses ist rissig, mit hämorrhagischen Krusten besetzt. Dieses Eczem juckt intensiv, macht häufige acute Exacerbationen luid ist äusserst hartnäckig.

Im Bereiche des bebarteten Gesichtes und an den Augen- brauen hat das chronische Eczem nicht selten Sycosis zur Folge (Eczema sycosiforme).

Auch die Augenlidränder sind oft davon besetzt, wo- dann Blepharadenitis sich dazu gesellt, wofern dieselbe nicht das Eczem bedingt hat. In den Augenwinkeln stellt es sich in Form von Rhagaden vor. Die Liddeckel selbst werden durch langdauerndes Eczem dick, schwer herabhängend, wo- durch die Lidspalte verengt erscheint (Kaniuchenauge).

Von dem am Stamm localisirten chronischen Eczeme ist nichts Besonderes zu sagen. Nur das Eczem der Brust- warze und der Mamma ist hervorzuheben. Es kommt höchst selten beim Manne und dann meist einseitig , häufig dagegen bei Frauen (Wöchnerinnen, Ammen, mit und nach Krätze) vor. Die Brustwarze kann dabei bis zu Fingerdicke anschwel- len und mit drusiger, rother, nässender Fläche hervorragen, oder durch dicke Krusten verhüllt erscheinen, in welche oft schmerzhafte und blutende Einrisse erfolgen. Der "Warzenhof und dessen Nachbarschaft bilden eine derb infiltrirte, schmerz- hafte, arg nässende oder inkrustirte Area. Mastitis complicirt dieses Eczem nicht selten.

27

^20 Yierundzwanzigste Vorlesung.

Eczema umbilici betrifft meist den eingebuchteten Nabel bei fettleibigen Individuen und ist durch Ansammlung lind Zersetzung des Hautsecretes bedingt. Es ist schwer heilbar.

Das Eczem der männlichen und weiblichen Genitalien ist ein ausserordentlich lästiges und oft zur Behandlung kom- mendes Uebel.

Es betrifft bei männlichen Individuen zumeist das Scrotum, und zwar entweder nur an einzelnen Stellen, woselbst die Haut mit der Schenkelfläche dauernd in Contact steht, oder es verbreitet sich in einer jahrelangen Dauer über die gesammte Scrotalfläche, zum Theil auch den Penis, die Raphe perinei, sehr oft auch noch die Circumanalhaut, die Crena ani und die bis zum Kreuzbein hinaufreichende Hautfläche

Ein durch 10 15 Jahre von Eczem besetztes Scrotum erscheint verdickt , mit mächtig entwickelten Falten und Grru.ben, da und dort zerkratzt, schuppend, nur wenig mit Krusten bedeckt. Das mit dem Leiden verbundene Jucken ist ausserordentlich heftig und steUt sich in der Regel mehrmals des Tages anfallsweise ein.

Bei Eczem am After setzen sich die Rhagaden oft weit in's Rectum hinein fort. Die Defäcation wird wegen der Schmerzhaftigkeit retardirt und dann um so schwieriger. Es •wechseln Verstopfung und Diarrhoe. Im Laufe der Jahre wird die Rectalschleimhaut enorm gewulstet , leicht verletzlich. Schleimige Secretion und zeitweilige bedeutende Blutungen aus derselben machen den Zustand noch unleidlicher.

An den weiblichen Grenitalien etablrrt sich das chronische Eczem meistens an den grossen Labien, seltener auch den kleinen Lefzen und dem Introitus vaginae. Man findet das Integument verdickt, excoriirt, die Haare daselbst durch das Kratzen ungleich abgerissen. In der Regel ist gleichzeitig Leukorrhoe zugegen, welche ihrerseits oft das Eczem veranlasst und unterhält.

An den oberen und unteren Extremitäten sind die Gelenksbeugen häufig Sitz des chronischen Eczems, in der Regel symmetrisch auf beiden Seiten. Den Symptomen nach entspricht es vollständig dem auch anderweitig localisirten Eczema chronicum. _

Es belästigt vorwiegend durch die Behinderung im Gehen,

Eczem.

421

Schmerzliaftigkeit bei forcirtem Strecken und intensives Jucken. Dasselbe findet sich entweder als isolirtes Uebel, oder in Be- gleitung- von anderweitig localisirtem Eczem, namentlicli von anderweitig juckenden und zu Kratzen disponirenden Processen, speciell Scabies und Prurigo.

An den Händen und Fingern ersclieint das Eczem unter sehr mannigfaltigen Bildern, als deren gewöhnlichstes jenes zu betrachten wäre, welches als Folge der häufigen Ein- wii'kung von die Haut irritirenden Substanzen, speciell Lauge und Wasser bei Wäscherinen (Eczema lotricum), Dienstmäg- den, Kellnern ; von pulverigen Substanzen, bei Gewürzkrämern (Gewürzkrämerkrätze), Bäckern (Bäckerkrätze); von Mineral- säuren, Terpentin, Sublimat, u. s. w. bei Fleckputzern, Schrift- setzern, Spiegelbelegern, Hutmachern, kiu-z bei den verschie- denen Gewerben und Hantierungen sich vorfindet. Je nachdem diese Schädlichkeiten an einer oder der anderen bestimmten Stelle der Hand, oder gleichmässig auf alle Partien derselben einwirken, wird die Intensität, Ausbreitung und Gestaltung des Eczems sich ebenfalls ändern, so dass aus diesen Erschei- nungen sogar ein richtiger Schliiss auf die Beschäftigung des Kranken gemacht werden kann.

Diese Gewerbe-Eczeme stellen sich meist in mehr weniger scharf begrenzten Scheiben von verdickter, rother, mit schwie- iiger Epidermis, Pusteln oder Krusten besetzter Haut dar.

Die Fingernägel erkranken unter solchen Umständen alle oder theilweise, indem sie trocken, brüchig, gefurcht, rissig werden und sich abbröckelu. Ueberdies verändern sich die Fingernägel in der gedachten Weise auch ohne dass die Hand der Sitz des Eczems wäre, auf sympathischem Wege, so oft an irgend einer anderen Körperstelle, z. B. auch nur am Scrotum sich ein jahrelang persistirendes Eczem vorfindet.

Eine interessante Form des nicht arteficiellen Eczema palmae manus, auch zumeist bei weiblichen Individuen , mani- festirt sich durch die Bildung einer schmutzig gelbbraunen, trockenen , schwieligen , im Uebrigen glatten Epidermis- Ver- dickung der Flachhand und der Beugefläche der Finger. Nur das zeitweilige Jucken und die Erscheinung von miliären, gries- kornähnlichen Bläschen während des Kratzens, oder unter dem Einfluss von Kaliseifen gibt das Leiden als Eczem zu erkennen. Auch bullöses und pustulöses Eczem kommt in chronischem

^{,2 Vierundzwanzigste Vorlesung.

Bestände, d.i. mit continiiirliclien NachscHiben an den Händen

clilorotischer Personen vor. ^ t tt 4.

Praktisch sehr wiclitig ist das vorwiegend anf die Unter- schenkel beschränkte chronische Eczem, welches in der Pathologie, namentlich der früheren Zeit, sehr merkwürdige

Deutungen erfahren hat.

Man hat nämlich dasselbe als eine Art nothwendigei Derivation bezüglich entfernt liegender, snpponirter oder wirk- lich vorhandener , pathologischer Veränderungen , B- M^"' struationsanomalien, Hämorrhoiden, Leberaffectionen, Herzleiden nnd. die mit dem Eczem verbundene seröse Ausschwitzung unter dem Namen des Fluxus salinus, des Salzflusses, als heil- sam und vielleicht sogar für andere Ausscheidungen wie der Nieren, der Menses , yicarirende Secretion i^ad^t^t. I)eni entsprechend wurde auch vor deren Heilung, als nicht rathhch oder gefährlich, gewarnt.

iine unbefangene Beobachtung lehrt, dass das Eczem an den Unterschenkeln wesentlich dieselben Erscheinungen dar- bietet wie jedes anders localisirte. Nur insoferne, wie dies aus d;r Aetiologie hervorgehen wird,_ bestimmte örtliche Ge- websveränderungen vorhanden zu sein pflegen welche die eigentliche Ursache der Äff ection abgeben, oder dasselbe unter- halten, wieVarices, Hämorrhagien, aus solchen hervorgegangene Geschwüre und Narben, Pachydermia glabra , tuberosa * verrucosa, gestaltet sich das Bild des Eczema cruris different

von anderweitigem Eczem. , -r.

Den Weiften Grad der Erkrankung stellt Jcema ehronicum universale dar, tei welehem vom Scheitel bi „Zehe die Haut rotlr, verdiekt, da sctapp.g m«! <•"• Xend oder mit Krusten bedeekt erscheint und ein aus all den "eSdertenloealisirtenFormenznsammengeset.tes,kaleidosk^^^^

a Les KrankheitsMd sieh vorfindet. Die Kopfliaare smd .m AusfaUen begriffen, die Nägel degenerirt, die Augenhder eetro- tisS die Kranken frösteln, kratzen sich unauthorhch und Cht eine unleidliche Existenz. Auch solche Zustande smd ■u -iVoT. wnfprn deren Ursache zu beseitigen ist.

Sh »nrnoel zwei besonderer Formen des Eezems ge- denken Zunächst der als Impetigo faciei contagiosa ?Tl™irFox), oder parasitaria (mihi) bekannten, welche Sh durch aci e Ernp ion von Stecknadelkopf- bis linsengrossen.

Eczem,

423

oberfläclilicli sitzenden Blasen im Bereiche des Gesiclites cliarak- terisirt. Dieselben erscheinen disseminirt und vertrocknen sehr rasch zw gnmmiartigen Borken , unter welchen sodann Ueber- häutnng erfolgt. Intensive Schwellung der Submaxillardrüsen begleitet die Eruption. Wie Tilbuey Fox , so habe auch ich wiederholt mehrere Personen, hauptsäcldich aber die Kinder derselben Eamilie, davon befallen gesehen. Daher die Ver- muthnng, dass diese Krankheit contagiös sei, welche Annahme noch dadurch bestätigt schien, dass ich zwischen der Epidermis der Blasendecken einen, später auch von GtEber gefundenen, Pilz nachwies. Dennoch glauben Geber und Lang , dass es sich hier um eine Form des Herpes tonsurans vesiculosus handle. Ich will für gewisse Fälle die Statthaftigkeit einer solchen Antfassung zugeben , besonders wo einzelne Blasen, peripher fortschreitend, Kreise formiren. Nebenbei ist es mir aber axich zweifellos geworden, dass in den meisten Fällen von Impetigo faciei die Eruption mit der Gegenwart von spärlichen Kopfläusen und Nissen zusammenhängt. Ich vermag also heute weniger als früher mich über die Bedeutung des Processes zu entscheiden. Impetigo faciei verläuft spontan binnen 2 6 "Wochen, rascher unter Behandlung mit Zinksalbe.

Eczema marginatum (Hebra) ist ebenfalls ein eigen- artiges Eczem. Es charakterisirt sich durch kreuzer-, flach- handgrosse und noch grössere Kreise und Kreissegmente, welche peripher ans rothen Knötchen, Bläschen und Börkchen sich zusammensetzen, eine dunkel pigmentirte, zerkratzte Area ein- schliessen und von einzelnen Knötchencentren durch peripheres Fortschreiten sich entwickeln. Ihr gewöhnlichster Sitz sind die Scrotal- und Schenkelflächen und die Falten der Hänge- brust, doch finden sie sich auch zerstreut am Körper. Nament- lich von den Genitalfalten aus breiten sich die Eczemkreise weit über den Oberschenkel, die Nates und die Sacralgegend aus. Die Maceration durch Schweiss (Intertrigo), sowie durch Kaltwassercuren, nasse Leibbinden, ist eine zweifellose Gelegen- heitsursache der Affection. Seit Köbner's, Pick's und meinen Nachweisen ist die Gegenwart von Pilzen in den Epidermis- stratis bei Eczema marginatum für Niemanden ein Zweifel, wohl aber, ob dasselbe mit Herpes tonsurans zu identificiren sei. Von diesem unterscheidet es sich durch seinen hartnäcki- gen Bestand, durch 15 20 Jahre und darüber, das intensive

^24 Vierundzwanzigste Vorlesung.

Jucken, die geringe Ansteckungsfäliigkeit ixnd die grosse Nei- gung zur örtKclien ßecidive. Ich komme übrigens auf dieses Eczem nocli bei Herpes tonsurans zu sprechen.

Das zum Symptomencomplex der Scabies (Krätze) ge- höri"-e Eczem werde ich an einer anderen Stelle abhandeln.

Zur Diagnose des Eczems bedarf es im Allgemeinen keiner anderen Behelfe, als der durch die geschilderten Symp- tome gebotenen. Man vergesse nur nicht, dass neben den vorfindlichen Morphen auch der eigenthümliche Verlauf, die "Wandelbarkeit der Erscheinungen, von der Haut mit abzulesen ist; dass durch die Betrachtung und Vergleichung aller kran- ken Hautstellen das Einheitliche des Processes am besten er- schlossen werden kann; und dass schliesslich das Eczem unter allen Umständen in einem entzündlichen A^organge besteht, so dass im Gegensatze von neoplastischen Infiltrationen (Lupus, Syphilis) die Höthe jedesmal imter dem Fingerdrucke schwin- det und auch alle anderen Merkmale der Entzündung zu con- statiren sind.

Nach dem Verlaufe z. B. ist es ermöglicht, das figurirte Eczema papulosum des Stammes (häufig bei Kindern) von Liehen scrophulosorum und ruber zu unterscheiden, dabei letzteren die Knötchen stationär, bei ersterem rasch wandel- bar sind, bald abblassen oder zu Bläschen sich steigern ; durch die anatomische Verschiedenheit zugleich die Knötchen des kleinpapulösen Syphilides, welche überdies unter Fingerdruck nicht abblassen, da sie in einem dichten Infiltrate bestehen.

Das Eczema vesiculosum wird nicht leicht mit Herpes verwechselt werden, da bei diesem die Bläschen gruppirt, bei jenem dicht gedrängt und ohne regelmässige Anordnung stehen.

Was das Eczema acutum crustosum et impetigiuosum anbelangt , wird man nur die Krusten zu entfernen brauchen, xxm sich den Anblick der rothen, nässenden Hautfläche des Eczema rubriun madidans zu verschaffen und vor einer Ver- wechslung mit anderen Krusten bildenden Processen (ulceröse

Formen) zu schützen.

Welche Unterschiede circumscriptes Schuppeneczein gegen- über von Psoriasis und Pityriasis rubra erkennen lässt, habe ich bei letzteren Krankheitsformen angedeutet. Schwie-

Eczem. 425

rig-er fällt die Unterscheidung bei Eczema ckronicum univer- sale, und die Orientirung wird nur in dem Masse leichter, als nässende Flächen eruirbar sind. Bei scheibenförmigem und derb infiltrirtem Eczem beschränkter Hautstellen, namentlich des Handrückens und der Elachhand, ist das Abreiben mittelst eoncentrirter Ealilösuug deshalb sogar ein guter Behelf gegen- über von s^qjhilitischen Plaques und Psoriasis, indem beim Eczem sofort nässende Pünktchen und Bläschen zum Vorschein kommen.

Zum Unterschiede von diffuser Psoriasis palmar is et plantaris (syphilitica) ist das chronische Eczem derElachhand und Fusssohle unregelmässig schuppig und am Rande theils wie verwaschen, theils, wo es scharf abgesetzt ist, von normal blasser oder hj^Derämischer Haut begrenzt. Auch mit Ichthyo- sis ist hier Verwechslung möglich. Ueberhaupt sind die hier localisii'ten Eczeme am schwierigsten zu diagnosticiren und oft erst durch die Beobachtung des Verlaufes, oder die Wirkung der Medicamente zu dilferenziren.

Bei Eczema squamosum capillitii sind die Erscheinungen gegenüber von Psoriasis, Seborrhoe, Lupus erythe- matosus abzuwägen, wie dies schon unter jenen CaxDiteln besprochen wiu-de.

Endlich darf nicht vergessen werden, dass in sehr vielen Fällen mit der Diagnose Eczem noch nicht der ganze Charak- ter der vorliegenden Hautkrankheit erschöpft ist, wenn nämlich dasselbe nur eine Complication , oder Folge einer anderen Hantkrankheit ist, z. B. von Scabies, Prurigo, nässenden Papeln am Scrotum und an den weiblichen Genitalien, weshalb es neben der Diagnose Eczem auch jedesmal noth- wendig oder wünschenswerth ist, die Quelle oder den ursächlichen Charakter des Eczems zu präcificiren. Dies führt uns zur Actio logie dieser vielgestaltigen Krankheit, mit der wir uns nächstens beschäftigen wollen.

Fünfuiidzwanzigste Vorlesung.

E c z e m.

(Fortsetzung.) Ursachen, Prognose, Therapie.

Den Ursachen des Eczems überliatTpt , wie des im ein- zelnen Falle nachzugehen, liat nicht allein einen theoretischen, sondern auch einen praktischen Werth , welcher hei der Vor- hersage und Behandlung zur vollen Geltung kommt.

Wir müssen die Eczeme ätiologisch iinterscheiden als 1 idiopathische und 2. symptomatische.

Als idiopathische Eczeme sind jene aufzufassen, welche durch die Haut reizende äussere Schädlichkeiten hervor- gerufen werden und demnach auch als artefi cielleEczeme . zu gelten haben. Demnächst auch solche, welche als directe Folgen gewisser örtlicher Veränderungen an der Haut seihst

entstehen. . ,

Die arteficiellen Eczeme spielen eine grosse Kolle m aer Praxis, denn oft verschuldet . dieselben der Arzt selber. Sie verdanken ihre Entstehung derselben Reihe von ^chemisch, dynamisch, oder mechanisch reizenden Agentien, welche unter Umständen nur Erythem veranlassen, indem bei intensiverer Einwirkung derselben, oder bei grösserer Reizbarkeit der Haut

ihr Effect eben Eczem ist.

Als solche Schädlichkeiten sind anzuführen: Oleum Oro- tonis Tiglii, Tartarus emeticus in wässeriger Lösung oder als Un-uentum Autenriethi, Canthariden, Mezereum Oleum und Farina seminum sinapis (Senfteig), Meerrettig Kalilauge, Sub- limatlösung, Schwefelleber und Schwefel salbe. Dass durch len in wohlmeinendster Absicht applicirten Senfteig univer-

Eczem.

427

selles acutes Eczem , mit mehrmonatlicher oder ancli mehrjäh- riger Andaner der Erkrankung, verschuldet werden kann, scheinen nicht alle Aerzte zu wissen. Ungnentmn hydrargyri veranlasst oft ein papulo-pustnlöses Eczem (Eczema mercuriale) an behaarten Stellen, oder anch Eczema vesiciilosum, ma- didans , das sich also nicht von den anderen arteficiellen Eczemen unterscheidet. Am heftigsten wirkt wohl Tinctnra Arnicae, bekanntlich das medicinisch unnützeste Ding und wahrscheinlich darum gegen alle Contusionen und frische Wun- den so oft applicirt, welche bei einiger Concentration beinahe auf jeder Haut kolossales Eczem mit erbsen- bis bohnengrossen, confluir enden Blasen hervorruft. Ferner sind anzuführen die Harz und Terpentin enthaltenden Pflaster, Emplastrum diachyli compositum (adhaesivum), E. ad rupturas.

Hieher reihen sich die arteficiellen Eczem e in Folge der in gewerblicher Ausübung mit der Haut oft in Contact gebrachten Mineralsäuren, Pflanzensäfte, Harze, Terpentin, bei Anstreichern, Buchdruckern; von "Wasser, Lauge, Seife bei Kellnern, "Wä- scherinen (Eczema lotricum) ; von pulverigen Substanzen bei Gewiirzkrämern, Müllern und Bäckern (^Bäcker-, Gewürzkrämer- „Krätze"), Maurern, Feld- und Erdarbeitern; die Eczeme („kritischen Ausschläge") in Folge von Kaltwassercuren u. v. a.

Als durch dynamische Einflüsse entstanden wäre zu erwähnen Eczema solare, meist papiilös , und Eczema caloricum (von Feiierwärme) , das oft grossblasig erscheint; kalte, trockene "Winterluft provocirt Eczema squamosum.

"Wichtig sind die durch Schweiss hervorgerufenen, papu- lösen (Eczema Sudamen) und erythematösen (Eczema Inter- trigo) Eczeme, zu welchen auch die unter Kautschuk- gewandung entstehenden gehören.

Mechanische Einwirkungen, Druck und Reibung, machen wohl selten originär Eczem, aber sehr häufig und in der lästig- sten "Weise , wenn die Haut durch irgend eine der früher er- wähnten Schädlichkeiten eczematös erkrankt war. Da kann der Druck von der Hutkrämpe, vom Strumpfband, das Reiben der Manchette , des Kragens etc. genügen , um sofort einen frischen Eczemausbruch zu veranlassen.

In dem Sinne ist, wie Hebea zuerst aufmerksam gemacht, das Kratzen als solches selbst ein Eczem hervorrufendes Agens, indem durch Reizung der Follikel, der Papillen, es zu

^28 Fünfuadzwanaigsto A'^orlusung.

Hyperämie in Form von Strichen und Striemen und 7a\ dis- seminirten oder aggregirten Exsudationsformen des Eczema kommt. Daher ist jedes bestehende Eczem, vermöge des damit verbundenen Kratzens, selber die Quelle neuerlichen Eczems, und daher findet sich solches jederzeit bei allen juckenden Hautkrankheiten, Scabies, Prurigo, Urticaria, Ichthyosis, Pem- phigus pruriginosus, Pruritus cutaneus.

An diese reiht sich als in der Haut selbst gelegenes Moment der Eczemerkrankung die V ar i c o s i t ä t an den Unter- extremitäten. Varices veranlassen zunächst Jucken; in Folge des Kratzens kommt es zu einzelnen Knötchen iTud Excoria- tionen; binnen Monaten und Jahren zu zeitweiligen Hämor- rhagien, Krustenbildung, Eiterabschluss und so fort zur Steige- rung des Eczems nach seinen verschiedenen Formen.

° Symptomatische Eczeme sind jene, welche als Folge, als Reflex eines krankhaften Zustandes des Organismus, semer Ernährung, Constitution der Blut- und Säftemasse, oder eines Organsystemes die Haut ausgeschlossen betrachtet werden dürfen. So findet sich chronisches und häufig recidivirendes Eczem der Hände , des Kopfes und auch an anderen Körper- stellen, speciell bei Personen, welche an chronischer Dyspepsie leiden '(auch in Folge von Malariaeachexie '? Poor) , Diabetes, Albuminurie, besonders häufig aber bei weiblichen Individuen, welche mit Dysmenorrhoe und Uterinalaffectionen behaftet, oder überhaupt chlorotisch, anämisch sind. Es zeigt sich, dass die eczematöse Erkrankung mit der Besserung und der Steige- runa- jener Uebel ebenfalls regelmässig ab- und zunimmt

" Auch in rein neuropathischem Sinne entsteht unter solchen Umständen Eczem, z. B. bei manchen Frauen wähi;Bnd einer jeden Gravidität, oder umgekehrt, regelmässig nach, Beendi- gung der Lactation.

Was das Alter anbelangt, so findet sich allerdings bei Kindern sehr häufig Eczem, im Gesicht, als Crusta lactea bekannt, bei chronischen Affectionen der Augen und Olireii, am übrigen Körner oft nachweisbar durch den Einfluss von Schweiss oder zu heissen Bädern hervorgerufen, während bei Erwachsenen und älteren Personen wieder in anderen Umständen beruhende Eczeme z B das von Varices, häufiger sind. Aber es scheint sonst weniger das Alter , als die individuelle Reizbarkeit der Haut in der Aetiologie des Eczems die Hauptrolle zu spielen.

Eczem.

429

Das Gesclileclit anlangend, dürften männliche und weibliche Lidividuen so ziemlich ein gleiches Contingent für Eczem liefern, obgleich unter den Spitalskranken die männ- lichen zwei Drittel, die weiblichen ein Drittel der Behandelten ausmachen.

Im Uebrigen kennen wir keine irgendwie zu bezeichnende Dyscrasie, weder Ehachitismns noch Scrophiüose, Tnbercxilose, welche direct als Ursache des Eczems beschuldigt werden könnte, sondern höchstens in dem Sinne, wie die Anämie und Chlorose überhaupt, indem diese Zustände eine derartige Reiz- barkeit des Hautorgans setzen , dass dasselbe nunmehr durch Einflüsse (Hitze, Wasser etc.) eczematös krank wird, welche dasselbe Individuum wieder ganz gut verträgt, sobald dessen Anämie behoben ist.

Weder Contagiosität noch Heredität ist dem Eczem als solchem zuzusprechen; doch stimme ich darin mit Veiel über- ein, dass eine Heredität der Disposition zu Eczem in manchen Eamilien angenommen werden darf.

Die Prognose bei Eczem ist insoferne günstig, als dieses niemals mit Gefahr für das Leben verbunden ist und jederzeit vollständig heilen kann. Bezüglich dessen jedoch, ob ein acutes Eczem als solches typisch ablaufen oder chronisch werden würde, oder, ob nach Heilung eines chronischen Eczems Recidiven zu befürchten seien, welche Ausdehnung und Dauer selbst ein einzelner Eczemausbruch nehmen werde u. m. dgl. bezüglich all' 'dieser Momente wird die Prognose sehr ver- schieden sein, je nach der Ursache des Eczems, der Irritabilität der Haut, dem zweckmässigen Verhalten und dem Berufe des Kranken , inwieferne dieser Schädlichkeiten zu vermeiden in der Lage ist oder nicht, und endlich in nicht geringstem Grade je nach der mehr minder zweckentsprechenden Behandlung.

Die Therapie des Eczems ist vielleicht das wichtigste Capitel in der praktischen Dermatologie. Bei keiner Haut- krankheit liegt es so sehr , wie beim Eczem , in der Hand des Arztes, durch die Wahl des Mittels, der Zeit und Methode seiner Application, das Zuviel oder Zuwenig im Thun und Lassen, den Gang des Processes im günstigen oder ungünstigen

Fünfundzwanzigste Vorlesung.

Sinne zu beeinflussen; und nirgends macht sich die Wichtigkeit jener therapeutischen Allgemeinregeln, welche ich im Früheren (pag. 9L) aufgeführt habe, so geltend, wie in der Behandlung des Eczems. Indem ich auf jene nochmals hinweise , will ich nur dreierlei allgemeine Indicationen für die Therapie des Ec- zems hervorheben: 1. Dass man an jeder kranken Stelle den Grad der entzündlichen Veränderung, ob zu- oder abneh- mend, acut oder chronisch, genau beurtheile. 2. Dass man wisse, welche Veränderung das anzuwendende Medicament be- wirken soll, und 3. dass man den Effect des angewendeten Verfahrens jeden Moment controlire.

Ein principieller Unterschied besteht zwischen der Be- handlung des acuten und der des chronischen Eczems. Jenes wird im AUgemeinen durch die Entzündung mindernde und verhütende, dieses durch reizende und entzündungerregende Mittel und Methoden bekämpft. Dies wird in dem nun zu besprechenden Detail noch deutlicher zum Ausdruck gelangen, zunächst der

Behandlung des acuten Eczems. In dem Entwicldungsstadium des acuten Eczems besteht die wichtigste Aufgabe der Therapie in der Hintanhaltung alles dessen, was die Entzündung und das Jucken steigern könnte; also Vermeidung von Druck und Reibung ^er Leib- wäsche, von Hitze, Schweiss, Benetzung. Demnach sind Wa- schungen und Bäder zu untersagen. Die Anfangs- formen des acuten Eczems, E. Intertrigo und E. papulosiun können durch derart zweckmässiges Verhalten rasch zur In- volution gebracht werden. Ein wichtiges Mittel zur Abhaltimg des Schweisses und der Irritation der von Intertrigo besetzten Hautfalten ist Streupulver (Poudre). Als solches kann jedes beliebia-e indifferente Pulver dienen: Semen lycopodu, Aniyium tritici, Oryzae, Pulvis Aluminis plumosi, d. i. Talcum venetum pulerisatiun Federweiss) , oder Pulv. babtistae (Tuffstein , einfach, gemischt, oder noch mit Zusatz von Cervissa Oxyd. zTncT Magist. Bismuthi, Bicarb. sodae. Durch Zusatz von P üv rad. Ireos florent. gibt man dem Poudre etwas Parfüm, während ätherisches Oel hiezu nicht geeignet ist; etwa nach Z Fo mel: Rp. Amyli oryzae 100. Pulv. alumu. plumos 20 Flor Zinci, Pulv. rad. Ireos florent. aa 5. Oder Rp. Oxyd.

Eczem.

431

Zinci, Mag. Bismutli. aa 5. Cerussae 2-50, Piilv. talci venet. 50, Sig. Poudre.

Auf freie Hautstellen wird das Streupulver mittelst Charpie- ballens oder Poudrequaste aufgestreut, in intertriginöse Hautfal- ten müssen dagegen in Poudre getauchte Plumasseaux eingelegt werden , welche die Hautflächen sorgfältig auseinanderhalten. Namentlich bei Kindern muss dies genau geschehen. Die Poudre- einlageu werden so oft gewechselt, als sie warm imd feucht werden.

Bei Eczema papulosum ist oft das Jucken sehr heftig und demnach zu bekämpfen, weil das unvermeidliche Kratzen den Zustand rasch verschlimmern könnte. Eintupfen mit Spir. xini gallicus , dem etwas Acid. carbolicum (1 : 200) zugesetzt wird, z. B. ßp. Acid. carbol. (oder salicyl.) 1, Spir. vin. gall. 150, Spir. lavandul., Spir. Colon, aa 25, Grlycerrhin 2*50, worauf sogleich Poudre kommt , erweisen sich kühlend und Jucken mindernd. Einpinselnng mit Tinctura Rusci (ßp. Olei ßusci 50 , Aether. sulfur. ; Spir. vin. rectif. aa 75 , filtrat. adde : Olei lavandulae 2) wirkt noch günstiger.

Hat sich ein Eczema vesiculosum, madidans, im- petiginosum entwickelt, so wird während des Stadiums der Acnität unter allen Umständen eine indifferente Beliandlung platzgreifen, neben der sorgfältigen Verhütung der schon genannten SchädKchkeiten.

Bei der intensivsten Erkrankung, das ist, im Ealle über den grössten Theil des Körpers acute Eczemeruptionen in den verschiedenen Stadien sich vorfinden, der Kranke auch fiebert , wird derselbe am besten entkleidet , sogar seiner Leibwäsche entledigt und einfach mit einem Laken im Bett zugedeckt, nachdem sowohl das Bettlaken, als sein ganzer Körper allenthalben mit Amylum oder einem beliebigen Streu- pulver sehr reichlich bestreut und solches namentlich zwischen die Hautfalten der Gelenke , Grenitalien etc. eingelegt worden. Das Einpudern wird fleissig erneuert. Fiebert der Kranke, wird die Diät darnach eingerichtet, innerlich ein Acidum gereicht.

Ueber nässenden Stellen zusammenbackende Krusten wer- den diirch Druck mit dem Poudre-Ballen gesprengt, damit der abgesperrte Eiter hervortrete.

Nur bei sehr intensiver Entzündung der Haut und hefti- gem Schmerz- und Spannungsgefühl wird man zur Application

Fünfundzwanzigsto Vorlesung.

von Kaltwasser-Emliülliingen schreiten, die aber alsdann auch durch fleissiges "Wechseln in der niedrigen Temperatur erhalten werden müssen. Im AUgemeinen jedoch wird die Behandlung mittelst Strenpnlver die beste sein.

An behaarten Stellen lässt man, ohne weiter einzugreifen, den Process bis zum Abfallen der Krusten und zum Stadium des Eczema squamosum sich zurückbüden. An nicht behaarten Hautpartien hann man in Stadio Decrementi die Krusten durch Eett ablösen und durch Bedecken der noch nässenden Flachen mittelst geeigneter Salbe und Druckverband den Verlauf ab- kürzen. Ambesten eignet sich hiezu das Unguent. Dia- chyli oder das Ungu. Vaselini plumbicum. (Rp. Empl Diachyl. simpl. 20, Vaselini 80, Hquef. misc.) Die Salbe wd dick auf Leinwand gestrichen, worauf diese, in passenden Stucken zugeschnitten, aufgelegt und mittelst ElaneUbinden (für « Gesxcht, Elanelllarve) befestigt wird. Statt einschnürender Bandchen bedient man sich der Sicherheitsnadeln als Verbandschluss. Der Salbenbelag wird täglich ein- bis zweimal erneuert, nach- dem jedesmal die macerirten Krusten und Epidermismassen von der Eczemfläche weggewischt worden. Zuweüen schwillt die Haut unter Ung. DiachyH acut an, dann verträgt sie vie - leicht besser Zinksalbe oder ein anderes Fett , oft aber auch keinerlei solches, dann muss eben Behandlung mittelst kalten Umschlägen, Plumbum aceticum (10 ad 500 Aqu lont.) oder Amylum zu Ende geführt werden, d. h. bis zum Stadium des Eczema squamosum.

Von da all, kann nun em verschiedener Weg emgescUagen werden. Der bequemste ist, die rauhe setappende Flache tädich mehreremals mittelst Fetten geschmeidig zu machen und darauf Poudre zu streuen, um auch die Eöthe zu verdecken rchminhen). Dazu eignen sich Ungu. emoUiens. Slycento- Crtoe (AmylipurilO, Glycerrhin. 40, coqu. misc), Salben vrPraectit'alb. (1:40), Zinc. oxyd ; M^g. Bismuth : 4M. das Unguent. Wilsoni (Benzoes pulv o, ^xung. poic. IW, digere, cola adde: Zinci oxydat. 26, M,sc, f. ungu.), pures

^''"'i: TttZ:^"-^,—^ -gleich iucht, auch manche di angeführten Mittel die Haut wieder reize, so r .

Eczem.

433

bei diesen Mitteln beharren mtiss, es doch am besten, in diesem Stadinm T h e e r anziiwenden.

"Wir bedienen nns der bei Psoriasis erwähnten Theer- sorten. Doch ist hier grosse Vorsicht nothwendig. Zunächst darf bei Eczem im Gegensatz zu Psoriasis niemals der Theer auf nässende Stellen applicirt werden. Aber auch die nach Versiegen des Nässens überhäutete und noch lebhaft rothe Haut wird durch Theer sehr leicht frisch entzündet und acut nässend, namentlich an Stellen, die mit gegenüberliegenden Hautfalten in Contact stehen \md sich erwärmen (Genitalfalten, Hängebrust) ; und man kann nach einmaligem Eiutheeren die unangenehme Ueberraschung haben , dass der Process mit Schwellung und Nässen nun von vorn beginnt. Um diesem sehr misslichen Zufall vorzubeugen, ist es rathsam, die ersten Tage auf die eingetheerten Flächen wieder die Salbenflecke zu legen. Erst wenn man nach mehreren Tagen die Epidermis sich bräunen und die Hyperämie abnehmen sieht, die Haut kühl bleibt, kann der Theer allein aufgepinselt bleiben. Auch dann ist es gut, durch Aufstreuen von Poudre den Contact nachbarlicher Hautflächen hintanzuhalten.

In dem Maasse als die Epidermisregeneration mit dem fortschi^eitenden Abblassen der Haut zögernder wird, bleibt die theerimprägnirte Epidermis haften und erscheint die Fläche gleichmässig braun. Man wartet nun die Abstossimg der braunen Schichte ruhig ab, worauf die Stelle weiss und glatt erscheint, oder allenfalls noch schülfernd, und sodann mit den früher erwähnten indifi'erenten Salben geschmeidig gemacht werden kann.

Bei der Behandlung des chronischen Eczems gelte als erste Indication die methodische Erweichung und Entfernung nicht nur der etwa auflagernden Krusten, sondern auch der im Allgemeinen verdickten, trockenen, bisweilen schwieligen Epidermismassen.

In zweiter Linie hat die Therapie darauf gerichtet zu . sein , dass die chronische Hyperämie , welche die anatomische Grundlage der Hyperplasie der Epidermis , der zeitweiligen Exacerbationen zur Knötchen- und Bläschenbildung und zum Nässen abgibt, behoben werde. In Einem wird auch die Be- handlung die Ilesqrption chronischer Infiltrate, des Oedems der Haut, und die Beseitigung des Juckens bewirken.

Kaposi, Hantkrankheiten. 28

Fünfundzwanzigsto Vorlesung.

Da man es liier nicht mit acuter Hyperämie zu tliun liat, so wird man mitunter aucli ganz energisch wir- kende Mittel und häufig auch solche anwenden können, durch welche thatsächlich eine acute Entzündung geringeren oder höheren Grades, ja zuweilen geradezu der Zustand des acuten Eczems veranlasst wird; weil erfahrungsgemass m der lehhaften Blut- und Säftebewegung, welche mit der acuten Entzündung vergeseUschaftet ist, dicke Epidermkschwielen rascher abgestossen werden und alte entzündliche Infiltrate des Coriums wie anderer Gewebe , leichter zur Resorption gelan- gen Von der mehr weniger fachkundigen Ausführung dieser Principien und der Kunst nach Ort und Gelegenheit das eine oder das andere Zweckmässigere zu wählen, hängt der Erfolg ab.

Was nun jene die Epidermis und Krusten erweichenden Mittel anbelangt, so sind sie die bekannten Fette, darunter besonders der Leberthran, sodann das Wasser.

Die Oele müssen wiederholt des Tages und m grossen Mengen aufgegossen und eingerieben werden, damit die Krusten und Epidermisschuppen zerbröckeln und erweichen. Zugleich wird man die betrefPenden Körpersteüen mit Wollstolfen um- Millen , welche das Verbleiben des Fettes auf den Hautstellen begünstigen. Die festen Fette. Salben werden ain besten erweichend wirken, wenn sie, dick auf Leinwand oder Woll- lappen gestrichen, auf die eczematösen Hautstellen genau adaptirt und mit FlaneU iiiedergebunden werden.

Das Wasser kann in Form von Umschlagen oder Pfimss- ^iTz'schen Einhüllungen, Dampf-, Douche- und Wannenbadern benützt werden. Sehr wirksam sind die schon erwähnten Kautschuk-EinhüUungen, welche in Form von ganzen Kleidungs- stücken, Hauben, Handschuhen, Jacken, Beinkleidern und Strümofen oder durch Adaptiren von Kautschukbinden und lell^n dJr eczematösen HauUen mittelst Kautschukflecken oder Larven (Besniek) in Gebrauch kommen. Bei der luitei Kautschuk, lowie durch Wasser stattfindenden Mac^. i.n wird häufig nebenbei an den gesunden HautsteUen neuerliches

Eczem provocirt. . , ,

Zur Maceration und zur Entfernung der schon erweichten Krankheitsproducte kommen noch zeitweilig Seifenwaschungen ^it Sapo viridis, Glycerinseife , Spir. sapon. kalinus zur "Verwendung.

Ecssein.

435

Indifferente Thermalbäder wirken nur als Macerations- mittel ; solche, die Schwefel enthalten, nur in gewissen Eczem- fornien heilsam, und auch da nur bei anhaltendem Gebrauche.

Ueberaus schwielige Stellen, welche durch die erwähnten .Mittel nicht erweicht, mmd und glatt werden, müssen mittelst concentrirter Essig- oder Salzsäure abgerieben werden, oder weichen der Application von Schmierseife, welche, auf Flanell o-estrichen, 12 24 Stunden aufgelegt wird; oder am besten der Aetzung mittelst einer Lösung von Kali caustic. 5, ad Aqu. dest. 10. Die Letztere macht jede eczematöse Stelle wund und wirkt geradezu auf Eczem,.wie ein chemisches Eeagens.

In Bezug auf die Methodik in der Therapie des chro- nischen Eczems gilt nun Folgendes. Man beginnt mit der macerirenden Behandlung und setzt diese, d. i. die Application von Oel , Salben , Kautschuk , die abwechselnden Waschungen mittelst Seife, Aetzungen mit Kali, Bäder etc., so lange con- sequent fort, durch Tage und Wochen, bis die eczematöse Haut geschmeidig und glatt ist und durch energische Seifen- wasehung nicht mehr wund wird, und auch keine nässenden Punkte auf derselben zum Vorschein kommen. Alsdann ist die Haut in der Regel auch schon ganz gesund. Oder aber die- selbe ist noch hyperämisch (Eczema squamosum). Alsdann wird Theer applicirt und in der beim acuten Eczem beschrie- benen Weise die Behandlung zu Ende geführt.

Eczema squamosum ohne erhebliche Epidermisverdickung kann von A'ornherein mit Theereinpinselungen behandelt werden. Der Theer wird mittelst Borstenpinsels in sehr dünner Schichte, aber energisch eingerieben. Dadurch wird aueh das Jucken am schnellsten behoben. Ist die Oberhaut wesentlich verdickt, so kann man eine Mischung von Oleum oliv, oder Ol. jecor. aseUi mit Ol. Rusci oder fagi (1 : 1 oder 1:2) in der ersten Zeit verwenden. Die modificirte WiLKmsoN'sche Salbe (Schwefel, Theer, Seife und Fett enthaltend) in einem Cyclus von 8 12- maliger Eiapinselung wirkt auf alte Eczemstellen in jeder Be- ziehung in kurzer Zeit sehr günstig. Auf geringfügig erkrankte Hautstellen können Einpinselungen von Tinctura ßusci, Wa- schungen mit fester Theerseife, flüssiger Theerseife (Olei Rusci 20, Spir. sapon. kaiin. 50, G-lycerin 10), Einschmieren von Theersalbe (Olei fagi 10, Glycerin 5, Ungu. emoll. 50, Bals. peruv. 2-.50), Carbolsalbe (l : 50), Zink-, Präcipitatsalben

28*

43ß Pünfundzwanzigste Vorlesung.

Kali-Creme genügen. Letzteres wird nach seinem Kali- Gehalt mit Nr. I, II, m, IV unterschieden. (Rp. Glycerin 40, Olei Rosar. Olei flor. aiirant. aa. gutt. 2, Kali carhon. solnt. 2,b (Nr. I), 5 (Nr. II), 10 (Nr. III), 20 (Nr. IV).

Nachdem ich die allgemeinen Principien der Behandlung des chronischen Eczems und die zur Verwendung geeigneten Mittel und Methoden so ausführlich als thunlich dargelegt habe , will ich noch bezüglich der Therapie der speciell locali- sirten Eczeme einige Anleitungen geben.

Bei Eczema capillitii werden die Krusten mittelst Olivenöl, Leberthran, Carbolöl (Acid. carbol. 1, Olei oliv. 100, Bals. peruv. 2), oder Kautschukhaube erweicht. Letztere wird mittelst Elanellbinde, nie mittelst Elastiks chnur nieder- gedrückt. Die erweichten Massen werden täglich, oder jeden 3 _4. Tag mit Spir. sapon. kaiin. abgewaschen. Dass die Haare bei Erauen reichlich ausgefallen sein und bei der Manipulation mit entfernt werden können , ist den Kranken vorauszusagen. Doch stellt sich später wieder meist der Haar- wuchs ein. Bei Erauen die Haare kurz zu schneiden ist überflüssig. Vom Stadium des Eczema squamosum ab werden Einpinselungen mit Tinctura ßusci, später mit Carbol-Alkohol txnd Pomaden von Praecip. alb. oder Zink, oder Ungu. Altheae vorgenommen. Kalte Douchen und kalte Umschläge süid bei stark entzündeter Kopfhaut sehr zu empfehlen.

Bei Eczema faciei impetiginosum müssen die mace- rirenden Salbenflecke genau adaptirt und für jeden Gesichtstheil, Nase, Stirne, Ohren, Lippen besonders ziigeschnitten , in den Eurchen mittelst Charpiewieken und als Ganzes mittelst Elanell- larve niedergedrückt werden. In die Nasenlöcher kommen Tam- pons, die in Glycerin, Oel, Ungu. emoU. oder AehnHches {Aqn. fontis, Glyceriniaa.lO,Sulf.Zinci015) getunkt worden. Hart- näckige Rhagaden an der Nasenschleimhaut werden mit Lapis geätzt. Gegen Eczem der Augenlidränder ist eine Salbe von Praecipit. rubri 0-15, Ungu. emoU. 10 zweckmässig. Die Re- sorption des Lippeninfiltrates wird durch Druck mittelst Salbe und Elanellstreifen, oder Emplastrum Minii adustum befördert. Eindet sich nirgends mehr Nässen, dann kann Theer, Zink- oder Praecipitatsalbe, Unguent. "Wilsoni , Vaseline, Glycerni- Creme etc. .zur Verwendung kommen. Die Rhagaden m den Ohrenfurchen widerstehen am längsten.

Eczem.

437

Chronisches Eczem des Lipp en säume s weicht oft erst einer wiederholten Aetzung mittelst concentrirter Kalilösung. Dasselbe gilt für das Eczem der Mamma und Brustwarze, deren Haut erst nach der Behandlung mit Schmierseifenum- schlag, Aetzkalilösung , SublimatcoUodium (0,50 ^.Subl. ad 50 Collod.), Essigsäure sich rascher erweicht. Die Brustwarze verträgt diese Einwirkungen, so wie Theer, sehr gut. Bei Schwangeren habe ich nie Abortus in Eolge solcher Behand- lung gesehen.

Eczema chronicum scroti wird nach denselben Prin- cipien behandelt. Hier ist nur die Schwierigkeit für die Adaptiruag von erweichenden Mitteln, Ungu. DiachyH, Ungu. Vaselini plumb., Kautschuk-Suspensorium etc. grösser. Bei altem Eczem kommt man selten ohne Aetzung der einen oder anderen Stelle aus. Es gibt im Verlaufe sehr schmerzhafte Momente für den Kranken, und nervöse Zufälle zu der Zeit , wo die Scrotalliaut in toto wund ist, sind nicht selten. Die täglich zweimal vorzunehmen- den und nothwendigen Seifenwaschungen werden im Sitzbade vorgenommen. Theer konxmt erst zur Verwendung, wenn auf Kalilösung nirgends mehr Nässen eintritt. Unter 6 12 "Wochen ist ein altes Scrotaleczem schwerlich zu heilen. Auch nach erfolgter Grenesung muss der Patient durch das Tragen eines Suspensoriums und Einpudern den Einfluss des Schweisses vom Scrotum abhalten.

In gleicher Weise wird das Eczema perinaei et ani behandelt. Das Unguent. Diachyli, oder, wenn dieses zu sehr brennt, Ungu. simplex, oder Borsalbe, oder Kautschukflecke, kurz, was eben zur Maceration und zur Deckung der wunden Flächen verwendet wird, muss mittelst Flanell, T-Binde und Suspensorium gut niedergedrückt werden.

In das rhagadische Rectum applicirt man Suppositorien von Butyr. de Cacao 1,50; Oxyd. Zinci 0,15; oder mit Zusatz von Extr. opii aquos 0,02, oder Extr. Bellad. 0,02 und kalte Einspritzungen.

Das Eczem der Hände und Einger ist bequem mittelst Kautschukhandschuhen und Fingerlingen, eventuell mit systematischen Salben-Einhüllungen und Seifenwaschiuigen zu behandeln, so lange eben wunde Stellen, Pusteln, Rhagaden zugegen sind. In hartnäckigen Formen, namentlich bei schwie- liger Verdickung der Flachhand und Finger und tiefem Sitz

_^gg Fünfundzwanzigste Vorlesung.

der Bläsclien sind Handbäder von Kali caiasticum 5 , ad 500, A(iu. font. oder Sublimat (5:500) zu empfehlen, die einmal des Tages durcli 10 Minuten genommen werden. Unmittelbar darauf werden die Hände mit Wasser abgespiÜt, getrocknet und wieder mit Kautschuk oder Salbe bedeckt. Beschränkte schwielige Eczeme der Flachhand können neben Aetzung mittelst Essig- oder Citronensäure , dtirch Belegen mittelst Goldschlägerhäutchen (Peau divine) oder Traumaticm (Kaut- schuk in Chloroform gelöst) erweicht werden. Wucherungen am Nagelfalz werden abgetragen oder mit Lapis geatzt. _ Die Schlussbehandlung mittelst Theer, oder der erwähnten weichen Salben bleibt auch hier dieselbe wie bei den anderen Formen.

Bei Eczema umbilici werden Tampons mit fealben oder Bleiessig, oder blossem Poudre eingelegt. Bleiben Rothe und Jucken hartnäckig, wird eingetheert.

Sehr beschränkte EczemsteUen des Stammes, der Extre- mitäten heilen manchmal nach Betupfen mittelst Sublimat- lösuno- (1 ad 100 Alkohol oder CoUodium).

Die Behandlung des Eczems der G-elenksbe agen geschieht nach dem allgemeinen Schema Das Eczem der ichselhöhle ist oft mit Entzündung und Vereiterung c ei Achsel-Lymphdrüsen complicirt, welche entsprechend zu be-

'"^'t welcher Weise bei universellem Eczema chro- nicum vorzugehen sei, muss der Arzt in jedem speciellen EaUe ermessen weil die Mittel und Wege verschieden sein Iten Ii der Intensität der ganzen Erkrankui^ dem

Ueb wiegen der einen oder anderen Form und den Yerhalt- Sss n de! Kranken, ob derselbe ausgehen muss oder ganz der Pflege Sch hingibt. So wird einmal EinhüUuiig; des ganzen K^fer s inKatitschiikgewand, ein andermal Einpinseln _ mit Theer-Leberthran, oder mit Unguent. Wilkmsoni zweckmässig sin oder es wei'den die verschiedenen Körperstelleii verschie- den behandelt werden müssen, die einen getheert, die ander^^^^^^ xnit Ungu. Diachyli belegt, die dritten gepudert, die Meiten geätzt u. s. f., secundum ingenium doctorum. _

Wie Sie gesehen haben, versprechen wir uns .on dei .weckmälsigen Anwendung örtlicher Mittel m jedem Falle iche e HeiLg des Eczems, nicht nur wo dasselbe durch ort- i he der äusLe Ursachen bedingt ist, sondern auch da, wo

Eczeni.

439

wir dasselbe durch nachweisliche oder supponirte Erkranktingen des Organismus, z. B. Chlorose, Indigestionen, chronischen Katarrh der Lungenspitzen, Dysmenorrhoe etc. bedingt glauben.

Bei derartigen Kranken legen wir aber zugleich grossen Werth auf eine zweckentsprechende innere Medication, durch welche die dem Eczem zu Grrunde liegende Erkrankung des Gesammtorganismus und damit die Disposition zu Recidiven beseitigt werden kann.

In dieser Absicht geben wir scrophulösen Kindern Leber- thran innerlich ; chlorotischen, dysmenorrhoischen Frauen Eisen, Eisen mit Arsen, Solut. Eowleri. Empfehlenswerth ist die Mixtura ferro-vinoso-arsenicaKs nach Er. Wilson (Liquor, ar- senic. chlorid. (Pharm, brit.) , Syr. simpl. aa. 10, Vini ferri 60, Af[u. foenic. 80) täglich 1 EsslöfFel voü zu nehmen ; oder Solut. arsen. Fowleri 5, Tinct. martis pomat. ; Tinct. Rhei Darelli aa. 20, Aq. Menthae 140, täglich 1—2 EsslötFel voll zu nehmen. Ferners Amaricantia , bei chronischem Lungenkatarrh oder Dyspepsie, Thse von Sumitates Millefolii, Chenopodium, Liehen islandicus, Milch- und Molkencuren; schwach alkalische Mine- ralwässer, Grleichenberg, Marienbad ;' eisenhaltige, wie Franzens- bad , Spaa , Pyrmont , Schwalbach ; im Sommer der Aufenthalt in guter Land- und Gebirgsluft imd eine im Allgemeinen kräftigende Diätetik. So ist bei derartigen Personen der Genuss alkoholischer Getränke, starker, gekochter Weine und guten Bieres geradezu anzurathen.

Unter keinen Umständen hingegen haben wir bei Eczem überhaupt irgend etwas gegen den Genuss scharfer, gesalzener, gewürzter Speisen, von Käse, Caviar etc. einzuwenden, da solche weder das Eczem, noch das Jucken steigern, noch die gefürchtete, aber nicht existirende „Blutschärfe" erzeugen.

Seclisundzwanzigste Vorlesung.

Prurigo.

Charakteristik, Prurigo agria und Prurigo mitis.

Nach älterem Beispiele gebraticlieii nocli ^^ele Aerzte der Neuzeit den Namen Prurigo als Synonym von Pruritus, Haut- jucken, indem sie ganz differente, tlieils mit, theils olme Knöt- clieneruption einliergehende Krankheitsformen der Haut als Prurigo anführen, wofern denselben nur das Symptom des Juckens zukommt. So Prurigo pedicularis, senilis, localis.

Eine solch' nnterschiedlose Verwendung dieses Krank- heitsnamens ist jedoch nicht mehr statthaft, seit Hebra den- selben für einen Krankheitsprocess in Anspruch genommen hat, der sich durch sehr prägnante Charaktere vor allen anderen juckenden Hautkrankheiten und als Uebel eigener Art zu er- kennen gibt.

Prurigo (Juckblätterchen) charakterisirt sich als eine in frühester Kindheit erscheinende und meist das ganze Leben hindurch bestehende Krankheit, bei welcher in chro- nisch sich wiederholenden Eruptionen hirsekorn- bis stecknadelkopfgrosse, blasse, blassrothe, derbe, sehr heftig juckende Epidermisknötchen auf dem Körper zerstreut , aber doch vorwiegend auf die Streckseiten der Extremitäten localisirt erscheinen, die Haut der Grelenksbeugen jedoch regelmässig von denselben frei bleibt.

Die Symptome der Prurigo ergänzen sich noch weiters durch jene Erscheinungen, welche als Folgen der erwähnten

Prurigo.

441

Eruptionen auftreten, so wie noch tlurcli die Eigenthümlicli- keiten der Entwicklung und des Verlaufes.

Die Erscheinungen der Prurigo sind an dem neugeborenen Kinde nicht vorhanden. Ihre Entwicklung beginnt erst im Verlaufe des 8. 12. Lebensmonates, u. z. vorerst nicht unter dem später vorfindlichen charakteristischen Bilde, sondern unter den Sjanptomen einer Urticaria, welche bis in's zweite Lebensjahr hinein mit dem ihr eigenthiimlichen Kommen und Verschwinden der Quaddeln, Jucken, Schlaflosigkeit, Excoria- tionen anhält. Erst gegen Ende des 1. oder Beginn des 2. Lebensjahres tauchen nebst den Quaddeln auch Knötchen auf, und prägt sich die vorwiegende Localisation an der Vorder- fläche der Unter- und Oberschenkel, dem Krenz und Gresässe nnd der Streckseite der Ob er extr emitäten kenntlich aus. Die Knötchen sind wenig vorragend, oft nur mittelst Tastens zu finden, blass oder roth, jucken sehr heftig, treten beim Kratzen grösser hervor nnd werden hiebei verletzt. Das Tröpfchen austretenden Serums nnd Blutes trocknet bald zu einem brau- nen Börkchen ein, welches die Spitze des Knötchens krönt tmd noch haftet , nachdem dieses selbst durch Resorption seines Exsudatrestes eingesunken ist.

Nun gesellen sich auch die weiteren durch das intensive Kratzen veranlassten Symptome, Excoriationen in Form von Striemen nnd Blutbörkchen, Pusteln und tiefgreifende Substanz- verinste, streifenförmige und diffuse braune Pigmentirnng, Abgerissensein der Lantigohaare , Oedem und Verdickung der Unterschenkel, Schwellung der Lymphdrüsen im Leistenbuge und Eczemerscheinungen aller Gerade hinzu.

Mit dem Ende des 2. oder Anfang des 3. Lebensjahres ist das Krankheitsbild der Prurigo in typischer Form fertig.

An dem vollständig entkleideten Kranken fällt beim ersten Anblick auf, dass die krankhaften Veränderungen, Efflores- cenzen, Pigmentation , Excoriationen etc. im höchsten Grade die Streckseiten der Extremitäten betrefi'en, u. z. vom Oberarm zum Unterschenkel in steigender Scala , so dass an jenem die Haut am wenigsten, am Unterschenkel am intensivsten afi'icirt erscheint.

Da finden sich die meisten Knötchen , grossentheils zer- kratzt und mit je einem kleinen Blutbörkchen besetzt, nebst zahlreichen Pusteln und Excoriationen. Die Oberhaut ist dunkel-

' Sechsundzwanzigste Vorlesung.

braun pigmentirt und scbülfert unter dem kratzenden Fingernagel feinmelilig ab. Mit der Flacbhand über die Haut vom Ober- schenkel nach abwärts streichend, bekommt man die dexitliehe Empfindung ihrer in derselben Richtung gradatim zunehmenden Eaiihigkeit, Trockenheit und Verdickung. Die Lmxen und Furchen über dem Knie sind mächtig entwickelt. Eine Haut- falte der vorderen Oberschenkelfläche gefasst, erweist sich abnorm mächtig. Am Unterschenkel kann die Cutis m inten- siven Fällen sogar kaum in eine Falte gehoben werden, so dick und stramm ist sie. Die Lanugohaare sind durch das Kratzen ungleich abgerissen.

In geringerem Grade setzen sich die Veränderungen auch auf den Fussrücken fort. Am Stamme finden sich oft viele Knötchen und Excoriationen zerstreut, weniger noch auf den Wangen, am Halse und auf der Stirne; hier entwickelt sich

meist schuppiges Eczem. -, -, -c^n i

Dagegen ist die Haut der Kniebeuge und des Ellenbuges, der Achselhöhle und des Leistenbuges stets weiss, glatt, ge- schmeidig, transspirirend und frei von Prurigoknötchen. Das im Schenkelbug vorspringende Packet knollig vergrosser er Lymphdrüsen vollendet das charakteristische Krankheitsbild.

Nach den bisherigen Erfahrungen besteht nun die Krank- heit von da ab bis in das reife Mannesalter und selbst bis m die Greisenjahre mit voUständiger Beibehaltung des ursprung- then Typus. Man kann ein dreijähriges Kmd mi Prurigo neben ein fünfzigjähriges pruriginöses Individuum hniste len und wird das Krankheitsbild des ersteren als die veijungte Copie desjenigen bei dem letzteren ansehen müssen.

Wohl aber ändert sich während des lebenslangen Ver- laufes wiederholt der Zustand rücksichtlich seiner Intensität und der begleitenden Symptome. So vermindert sich in_ der Regel die Eruption und das Jucken während der heissen Sommermonate, ja stellt sich sogar etwas T-nsspiration m Bereiche der pruriginösen Haut ein und verschlimmeit sich die P Sgo im Winter. Anhaltende Pflege der Haut hat einen unverkennbar mitigirenden Einfluss auf den Grad der_ Erkran- kung Umgekehrt steigern sich die Symptome bei gänzlichem Unterlassen der Behandlung und namentlich auch die Folgen und Complicationen der exsudativen Vorgänge und der mecha- nischen Insulte. Zu jenen zählen die Pigmentirung , welche

Prurigo.

443

bis zum Scliwarzbraim gedeihen kann (Melasma) iincT die Ver- dickung der Hant, welche am Unterschenkel endlich stramm, fast narbenartig und nicht faltbar, glatt oder warzig-höckerig wird. Weiters, als Complication, Eczema crnstosnm, welches zumeist die pruriginösen Stellen deckt, aber, wie bei allen juckenden Hautkrankheiten, auch an den bei Prurigo sonst gesunden Hautstellen der Gelenksbeugen und des Gesichtes, sowie am behaarten Kopfe sich etabliren kann , dessen Haare wie bestäubt , glanzlos , dünn werden und ausfallen. Endlich Lymphangioitides und, selten, auch Vereiterung der Leisten- drüsen.

Praktisch wichtig ist es, die in Rede stehende Krankheit nach zwei Graden zu unterscheiden.

Die eine, schwerere Form, Prurigo agria s. ferox (Hebea), habe ich in der vorigen Schilderung vorgeführt.

Die andere Form, Prurigo mitis, stimmt mit jener im Typus vollkommen überein, erscheint aber als milder, ent- weder indem überhaupt die Menge und Häufigkeit der Knöt- chen und die Intensität des Juckens, und daher auch der Folge- und Complicationszustände viel geringer, oft sehr un- erheblich sind; oder indem nur die Unterextremitäten, aus- nahmsweise sogar nur die Arme davon betroffen sind (Prurigo partialis).

Dabei verhält sich die Sache nicht so, als wenn Priirigo mitis eines dreijährigen Kindes mit den Jahren zur Prurigo agria sich steigerte. Vielmehr ist der Intensitätscharakter der Krankheit schon ursprünglich gegeben und dann bleibend, so dass ein fünfjähriges Kind mit Prurigo agria schon viel hoch- gradigere Veränderungen seiner Unterschenkelhaat darbietet, als ein 40jäliriges Individuum, das jedoch nur mit Prurigo mitis behaftet ist.

Für die Prognose der Prurigo ist diese Unterscheidung von besonderem Werthe. Denn für die schwerere Form der Prurigo und auch der mässigen bei Erwachsenen gilt Hebra's einstiger Aussprach, dass sie unheilbar sei, immer noch. Nur im ersten Kindesalter kann Prurigo mitis durch überaus sorgfältige und consequente Pflege vollständig geheilt und auch Prurigo agria selbst in späteren Jahren wenigstens so weit gebessert und in Besserung erhalten werden, dass der Kranke von derselben sich zeitweilig frei fühlt.

444

Sechsundzwanzigste Vorlesung.

Sich selbst überlassen, bildet die Prurigo ein scliweres tuid für das physische und moralische Leben des Betroffenen einflussreiches Uebel. Abgesehen davon, dass die örtlichen Vorgänge durch Säfteverhist, nervöse Abspanniang, Schlaflosig- keit u. s. w. den somatischen Zustand des Kranken deterio- riren, Pruriginöse meist fahl, schlecht genährt sind, ist der ganze Lebenslauf des so hart Betroffenen von der Wiege an übel vorgezeichnet. Als Kind die Mühe und Sorge der Pfleger, in der Aneignung brauchbarer Schul- und Erwerbskenntnisse durch das Befinden oft gehemmt, von Schul- und Zimmer- genossen wegen des fortwährenden Kratzens gemieden, wird der Pruriginöse meist unfähig zur Erwerbung einer dauernden praktischen Lebensstellung. Nur Wohlhabenden ist es gegönnt, durch sorgfältige Pflege den Fehler des Schicksals so weit zu corrigiren, dass sie der gesellschaftlichen Vehme entgehen. Für das eheliche Leben macht die Krankheit zwar nicht un- tauglich, aber nicht sehr passend, für den Militärdienst „un- tauglich".

Die Diagnose der Prurigo ist in Berücksichtigung der so prononcirten Krankheitserscheinungen kaum zu verfehlen. Das Bild der braunen, mit Knötchen und punktförmigen Börk- chen besetzten, zerkratzten, verdickten, trockenen Haut und der Zunahme der Veränderungen nach den Unterschenkeln zu, in Verbindung mit der Drüsenschwellung im Schenkelbug und der schönen, weissen, excoriationsfreien Haut im Schenkel- leistendreieck und in der Kniekehle ist so charakteristisch, dass es mit nichts Anderem verwechselt werden kann.

Schwer diagnosticirbar ist das Uebel zur Zeit der ersten Eruption, wenn vorwiegend Urticaria vorhanden ist. Weiters kann Prurigo übersehen werden, wenn die Eczemerscheinungen so mächtig entwickelt sind, dass die auflagernden Krusten die Prurigoerscheinungen decken und auch von Prurigo verschonte Hautstellen, wie die Gelenksbeugen, eczematös erkrankt sind.

Bei Ichthyosis nitida findet man auch genau an den der Prurigo entsprechenden Localisationen, also an der Streck- seite der Extremitäten , die Haut trocken, ihre Epidermis schülfernd, und die Haut der Gelenksbeugen normal. Aber es fehlen die anderen für Prurigo charakteristischen Erschei- nungen , Knötchen , Pigmentation und Verdickmig der Haut, obgleich massiges Eczem auch da sich findet.

Prurigo.

445

Bei allen mit intensivem Jucken verbundenen, besonders clu'onischen Hautkranklieiten, Scabies, Excoriationen in Folge von Pediculi vestimentorum , Urticaria chronica, Pruritus cu- taneus, senilis kommt es zu Pigmentationen, Knötcken, Pusteln imd EczemerscLeinungen. Diese zeigen aber niemals die ty- piscke Localisation u.nd sind überdies vermöge der besonderen Charaktere, welche jenen Processen zukommen , auf diese , als ihre Ursache, zurückzuführen.

"Wenn man die ßesultate der anatomischen Unter- suchungen in Betracht zieht, welche Simon, Hebra, Derby, Neumann, G-ay und ich selbst vorgenommen, und hofft darin für die Eigenthümlichkeiten der Prurigoerscheinungen eine Er- klärung zu finden, so sieht man sich in seinen Erwartungen vollkommen getäuscht. Es hat sich eben nichts anderes er- geben , als im Bereiche der Knötchen eine massige Zelleninfil- tration der Papillen und seröse Imbibition derselben , sowie des ßete Malpighü, gerade so, wie bei den Knötchen des Ec- zema papulosum; an Stellen dagegen, welche viele Jahre der Sitz -einer intensiven Prurigo gewesen sind , Erscheinungen, wie sie bei jeder chronischen Dermatitis, also auch bei chroni- schem Eczem vorkommen, Verdickung, Proliferation in den Reteschichten, zerstreute Pigmentablagerung im Coriiim, reich- lichere Zelleneinlagerung im letzteren, namentlich um die Gre- fässe, hie und da Erweiterung der Lymphräume, sowie ein- zelner Schweissdrüsen durchProliferationihrerZellenauskleidung, stellenweise Ausbuchtung der Follikel in Folge von zapfen- förmigem Auswachsen der Wurzelscheiden, Verdickung der M. arrectores; in veralteten Formen atrophische Degeneration der Follikel und Talgdrüsen. Auf keinen Fall sind diese Befunde geeignet , weder das intensive Jucken noch die eigen- thümliche Localisation des Processes, noch diesen letzteren selber zu erklären,

Dass die von den einzelnen Knötchen veranlasste Juck- empfindung von dem Reize herrührt, welchen das plötzlich, auf- tauchende, wenn auch minimale Serumquantum der einzelnen Efflorescenz auf die Papillarnerven ausübt (Hebra) , ist wahr- scheinlich. Aber es bleibt immerhin unerklärt, weshalb bedeu- tendere oder ähnlieh circumscripte Exsudationen, wie bei Herpes oder Erythema papulatum nicht so heftig jucken ; weshalb diese Knötchen so hartnäckig sich erneuern und sich so eigenthümlich

Seclisundzwanzigste Vorlesung.

localisiren. Als eine reine Neurose, wie Pruritus cutaneus, dürfen wir Prurigo nicht ansehen, da wir sichtbare Veränderungen an der Haut vor uns haben, welche die Krankheitserscheinungen vollständig decken und das Wesen des Processes ausmachen. Denn es ist sicher, dass alle Erscheinungen mit der Zu- und Abnahme der Knötchenproruption gleichen Schritt halten.

Was die Ursache der Prurigo anbelangt, so sind wir höchstens in der Lage, gewisse allgemeine Verhältnisse angeben zu können, unter welchen Prurigo häufiger vorzukommen pflegt. Es ist z B. zweifellos, dass unter den ärmeren Volksclassen Prurigo ungleich häufiger sich findet, als in den wohlhaben- deren Familien; aber es ist nicht zu verschweigen, dass man auch bei den Kindern der aUerbesten GeseUschaftsclassen

Prurigo antrifi't. ^ ^.

Weiters sind es häufig schwächliche, schlecht genährte, physisch vernachlässigte, auch scrophulöse, einen vorgewölbten Unterleib zeigende Kinder, bei welchen sich Prurigo entwickelt; doch trifft man dieselbe oft genug auch bei prächtig genährten Kindern, und darf nicht vergessen, dass die Prurigo selber bei einiger Dauer die betreffenden Kinder ungemein herunter-

^™^Was das Geschlecht anbelangt, so scheüit das Uebel bei männlichen Individuen häufiger als bei weiblichen.

In manchen Fällen kann eine hereditäre Anlage als Ursache der Prurigo angesehen werden, schon mit Kucksicht auf den Umstand, dass dieselbe jedesmal im Verlauf des ersten oder zweiten Lebensjahres beginnt. Demgemäss findet man auch nicht selten mehrere Geschwister derselben Familie mr^ dem Uebel behaftet. Es ist gewiss sehi' viel Kichtiges^ an der Bemerkung Hebba's, dass tuberciüöse, rmi, nach meinei Erfahrung, zur Zeit ihrer Gravidität mit ^^^^^^i^^^^^f nischen Lngenspitzenkatarrh behaftete, anamische Muttex Kinder zur Welt bringen, welche Prurigo l^«^«^

Die Krankheit ist nicht durch ausserliche Momen e

hervorzurufen und ebensowenig ^^^^^S^^'-^f'J!^}''.^^ gleich Hebe., aus der grossen Zahl beobachteter^ Falle ken inhaltspunkt; dafür gewinnen können, dass Prurigo ^on Eltern auf die Nachkommenschaft vererbbar wäre.

Li der Behandlung der Prurigo leisten Schwefel, Theer und Seife wohl das Meiste zur directen Bekämpfung des

Prurigo.

447

Juckens und der Knötcheneruptionen. Schwefel kommt in Form der Schwefelseife, Schwefelsandseife, Kali- oder Kalkschwefel- leber-Lösung oder Scliwefelthermen zur Verwendung. Theer wird pvir oder mit Olivenöl, Lebertliran gemischt , namentlich gegen Jucken verwendet. Ne.bstdem kommen noch die bekann- ten, indifferenten Salben und Fette, sowie Bäder in der mannig- fachsten Combination in Grebranch, theils gegen die eigentlichen Prurigo-Erscheinnngen, theils gegen das begleitende Eczem.

Die Methode der Behandlung wird der Intensität des Falles angepasst werden, müd und einfach, oder energisch und complicirt.

Bei Beginn der Prurigoerscheinungen und bei leichten Formen, wo vorwiegend Urticaria und wenig Prurigoknötchen da sind, genügt es, den Kranken allabendlich mit Schwefel- seife oder Schwefeltheerseife tüchtig zu waschen, oder auch mit Seifenschaum bedeckt durch eine Stunde im Bade zu belassen luid hierauf mit Leberthran, Oel luid Theer, einfachem Fett ein zuschmieren .

Bei intensiverer Prurigo ist Solut. Ylemingkx in protra- hirten Bädern zu verwenden, derart, wie bei Psoriasis bespro- chen worden.

Ein Cyclus von 10 12maliger Einreibung des Ungu. "Wilkinsoni bewirkt bei Prurigo agria eine erhebliche Besserung und namentKch sofort Aufhören des Juckens und guten Schlaf. Auch Einhüllung in Kautschukgewand ist von gutem Effecte.

Es versteht sich von selbst, dass auch anderweitige, gegen massiges Jucken, trockene Epidermis, nässendes Eczem indicirte Mittel , wie Carbol- , Salicylsäure 1 : 200 , Alkohol , Zink- salben, Unguentum diachyli, Borsalbe (Acid. boracici, Cerae alb. aa. 10, Paraphin. 20, Olei olivar. 60) etc., nach Umständen allgemein, oder auf einzelne Hautstellen applicirt werden müssen.

"Was die natürlichen Schwefelthermen anbelangt, so sind dieselben wie die künstlichen Schwefelbäder gegen Prurigo ausser- ordentlich vortheilhaft , nur müssen sie nicht so flüchtig ge- nommen werden, wie dies gewöhnlich in Curorten der Fall.

Bäder mit Sublimat 5, 10, auf ein ganzes Bad, von Alaun, Soda 1000 2000 Grrm. pro balneo, Cortex Quercus, können zeit- weilig mit Vortheil verwendet werden, sind jedoch im Allge- meinen in ihrer Wirkimg nicht verlässlich.

^^g Sechsundzwanzigste Vorlesung.

Die örtliclien Behandlungsmetlioden werden in der einen oder anderen Weise so lange fortgesetzt, bis die Haut sich glatt, geschmeidig anfülilt, kein Jucken, keine neuen Knötchen- eruptionen vorhanden sind. Alsdann wird man in einer massi- geren Form jeden zweiten, später jeden dritten Tag die Behand- lung vornehmen und nur in den Tällen, wo nach monatelanger Pflege und Beobachtung die Haut sich gut verhält, die Cur ganz unterbrechen, dieselbe aber so oft neuerdings aufnehmen, als die Prurigo recrudescift.

Von den innerlichen Medicamenten haben wir bei Prurigo nicht viel zu erwarten. Ich habe in einigen Fällen durch den innerlichen Gi-ebrauch von Carbolsäure 1 , 1,5 de die in Pillenform ein unzweifelhaftes Nachlassen der Prurigo- erscheinungen beobacktet.

Arsenik hat sich gegen Prurigo unwirksam erwiesen; dagegen ist der innerliche Grebrauch von Leberthran bei pruri- ginösen Individuen, welche schlecht genährt, von fahler Haut- farbe, von scrophulösem Habitus sind, wohl sehr zweckmässig.

Siebemmdzwanzigste Vorlesung.

Acne disaeminata. Acne vulgaris. Acne arteficialis. Theer-, Jod-, Bronnacne.

Acne rosacea.

3. Folliculitides , Acneformen. Finnenaus- schläge.

Die hielier gehörigen Kranklaeitsformen , Acne disse- minata, Acne rosacea und Acne Mentagra s. Syco- sis, bilden vermöge gewisser üb er einstimmen der Momente, als da sind, die Localisation im GresicMe, die Betbeiligung der Hantdrüsen n. m. a., eine natürliche Krankheitsgruppe, unter- scheiden sich aber doch durch viele Eigenschaften als geson- derte Processe.

Acne disseminata.

Dieselbe besteht in der Bildung von stecknadelkopf- bis erbsengrossen und grösseren, rothen, koni- schen oder halbkugeligen, schmerzhaften Knoten, welche entweder an der Spitze einen schwarzen Comedokopf, oder eine Pustel tragen, oder in ihrem Innern Eiter beherbergen.

Bei angebrachtem Druck tritt der Inhalt des Knotens, der Mitesser, Eiter und rahmartiges Eett, zu Tage, dem reich- lich Blut folgt.

Es ist nicht schwer zu. erkennen, dass jeder solcher Kno- ten je einer Talgdrüse und deren nächster Umgebung entspricht und aus Entzündung hervorgegangen ist. Die geschüderten

K a p 0 .s i . Hautkrankheiten. 29

Siebenundzwanzigste Vorlesung.

Knoten finden sicli im Bereiche des G-esicMes, des Sternums und auf dem Rücken . viel seltener an anderen Körperstellen, namentlicli an den Extremitäten und dann durch besondere Umstände veranlasst, während Flachhand und Fusssohle bei- nahe niemals derartige Erscheinungen darbieten.

Dem besonderen Symptomen-Complex nach unterscheidet man Acne vulgaris (Fuchs), die gewöhnliche Finne (Varus, Jonthus). Ihr Standort sind Stirne, Wangen, Nase, Ohrmuscheln, Nacken, Sternum und Rücken, zuweilen auch der Augenlidrand und Conjunctiva (Aelt). Ihre Formen sind die Eingangs erwähnten: Knötchen mit einem central stehenden Comedo Acne punctata, oder mit eitrigem Inhalt Acne pustulosa; oder rothe, derbe, schmerzhhafte Knoten Acne indurata; disseminirt Acaie disseminata, oder weizenkornähnlich , länglich aneinandergereiht Acne hor- deolaris. Stets finden sich zugleich zahlreiche Comedonen und ist die Haut von Fettglanz überzogen (Seborrhoea oleosa).

Während des chronischen, durch viele Monate oder meh- rere Jahre sich erstreckenden Verlaufes ändern sich zwar stetig die örtlichen Erscheinungen, aber bewahrt doch der Process in toto wesentlich den gleichen Charakter. Immerfort treten neuerlich entzündliche Knoten, Pusteln, Comedonen auf während die ältesten Abscesse platzen oder vertrocknen und an ihrer Stelle seichte Narben oder vorübergehende Pigment- flecke zurücklassen.

Man findet dieselben von einzelnen wenigen, bis zu vielen Hundert in verschiedensten Entwicklungsstadien bei einem uiid dem andern Kranken. Darnach ist auch der Grad der zeit- weiligen oder dauernden Belästigung und EntsteUung und die Intensität der Krankheit überhaupt verschieden. Bei dicht- gedrängter Acne ist das Gesicht unförmlich gedunsen, von rothen, fluctuirenden und derben Knoten, Comedonen, Narben in hohem Grade entstellt.

Zu den gewöhnlichen örtlichen Vorkommnissen gesellen sich noch hinzu erbsen- bis haselnussgrosse , aus cyst^nartiger Erweiterung der in der Wandung verdickten Talgdrüsen her- vorgegangene Geschwülste, welche nach ihrer Eröffnung einen schleimig-zähen, fettig-ranzigen Inhalt entleeren Molluscum atheromatosum. Manche derselben bleiben oft jahrelang be- stehen und schrumpfen nach Eindickung ihres Inhaltes zu

Acne.

451

Fia:. 25.

harten, kugeligen, incystirten Körpern ein. Ferners bilden sich an vielen Stellen perifoUiculäre Abscesse, deren Eiter die eio-entlichen Drüsen-Abscesse umspült. Endlich kommt es zu hämorrhagischer Unterwühlung und zottiger Zerreissung der von grossen Acnepusteln besetzten Hautstellen , wonach ge- strickte und überbrückende Narben zurückbleiben.

Der anatomische Sitz der Entzündung ist das die Talo-drüsen imd HaarfoUUiel und deren gemeinschaftlichen AusÄhrungsgang umgebende Cutisgewebe (G. Simon, VmcHOW, Hebr ^-Kaposi, Biesiadecki). Die Veränderungen desselben ent- sprechen dem Grade nach den jeweiligen klinischen Erschei- nuna-en, wie aus einer von Biesiadecki und mir gemeinschaft- lichen Arbeit hervorgeht. Bei Acne punctata shid die den Comedo umgrenzenden Papillen und oberen Coriumschichten von strotzenden Blutgefässen, Serum und Exsudatzellen in den erweiterten Maschenräumen durchsetzt. Bei Acne pustulosa findet sich eitriges Exsudat im Ausführungsgang , bei grösseren Knoten und Pusteln weitgreifende Entzündung in dem den Drüsen- körper und Follikel umgebenden Gewebe, Blut- und Eiteransamm- lung in der Drüsenhöhle, im Haar- follikel Loswühlung der Wurzel- scheiden und eitriger Zerfall ihrer Epithelzellen. Mit zunehmender Intensität des örtlichen Processes . geht die Talgdrüse in der Eiterung ganz verloren, während der Haar- balg noch erhalten sein kann, was gegenüber von Sycosis sehr bezeichnend ist. Denn es ist Verticalsclinitt durch eine Acnepustel. sicher, dass die Talgdrüsen, resp. Epu™,^e^nt^^^^^^^ die AnomaHe der Se- und Ex- Fom.ei^nm^^^^^^^^^ cretion aus derselben, den Aus- .^«--^f ^l^^Ä

o-nno-qTnmkf undGrund für die Detritus; d zur Drüse gehöriger Haar- gangspuniix unu vriuiiu fouikel söWef getroffen (sohwaclie Vergr.)

Entzündung abgibt. In grossen

Acne-Abscessen geht allerdings auch der Haarfollikel selbst mit zu Grunde und man findet nur eine grosse Eiterhöhle, zuweilen mit einem einlagernden Haare , begrenzt von hoch- gradig vascularisirter und entzündlich infiltrlrte]- Cutis. Dass

29

452

SiebenundzTvanzigste Vorlesung.

in letzteren Fällen nur Narbenbildnng und Follicular-Verödung den örtliclien Vorgang abschliessen kann , ist klar , während von Acne punctata und oberflächliclier Acne pustulosa noch Restitutio ad integrum möglich ist.

Die nächste Ursache der Acne ist durch die Reizung der G-ewebe von Seite der im Ausführungsgange oder in der Talgdrüse stagnirenden Secrete gegeben (Virchow) und kann demnach eine mechanische Excretionsbehinderung sein, wie bei der Verstopfung der Follikelmündung durch Theer bei der sogleich zu besprechenden Theeracne, oder eine functionelle Störung, indem das Secret chemisch alterirt, oder zu massen- haft wird. Letzteres scheint für Acne vulgaris zu gelten, denn diese beginnt vorwiegend zur Pubertätszeit, wo mit der lebhafteren Entwicklung der Körperhaare auch die Function der Talgdrüsen sich steigert, u. z. bei männlichen und brünetten, mit Seborrhoea oleosa behafteten Personen häufiger, als bei weiblichen und blonden. Chronische Dyspepsie und Chlorose scheinen zu Acne zu disponiren. Dass auch der Genuss scharfer, gesalzener, pikanter Speisen, Käse, ferners die Ent- haltsamkeit in sexuellen Genüssen als Ursache der Acne be- schuldigt wird, ist zwar landläufig, aber ganz unbegründet. Gewöhnlich versiegt die Erkrankung allmälig zur Zeit der vollendeten Mannbarkeit, bei weiblichen Personen schon um die 20er Jahre, bei Männern später. Ausnahmsweise besteht die- selbe auch bis in die 40er Jahre.

Die Diagnose der Acne vulgaris ist durch den geschil- derten Symptomen-Complex , die gleichzeitige Gegenwart von Comedonen , Knoten und Pusteln verschiedensten Entwick- lungsgrades, sowie die entzündlichen Charaktere an denselben im Allgemeinen sehr leicht. Bisweüen mag Variola des Ge- sichtes für Acne genommen werden (pag. 258), sowie irrthiim- lich auch ein pustulöses Syphilid.

Als Acne varioliformis bezeichnen wir eine eigen- thümliche Acne, welche zumeist an der Haargrenze der Stirne (Acne frontalis) und des Nackens in gruppenf örmig gestellten, flachen Knötchen und Pusteln sich etablirt, in dis- seniinirten einzelnen Efflorescenzen auch im Bereiche des Ca- pillitium. Die Krankheitsform ist nicht zu verwechseln mit Acne varioliformis von Bazin, welche mit unserem Molluscum verrucosum (pag. 166) gleichbedeutend ist.

Acne.

«

453

Uebei' dem Centrum der linsengrossen , flachen, derben, brannrotlien Knötchen bildet sich eine schlappe Pustel, welche bald zu einer xmtev das Niveau einsinkenden Borke vertrocknet, nach deren Abfallen eine narbige Depression zurückbleibt. Das Bild erinnert lebhaft an Variolenefflorescenzen (daher der Name), sowie andei'erseits vermöge der Anordnung in Grruppen, der dunkeln Färbung und der centralen Depression die Aehnlich- keit mit Syphilis corymbosa gross ist. Der Process dauert durch hartnäckige "Wiederkehr solcher Eruptionen Jahre hin- durch, lieber seine Ursache sind wir vollständig im Unklaren.

Acne cachecticorum (Hebra.) kommt bei herabgekom- menen, marastischen und scrophulösen Individuen, daher auch oft in Combinationen mit Liehen scrophulosorum vor, weniger im Gesicht, reichlich am Stamm und an den unteren Extremi- täten. Sie besteht in der Bildung von Stecknadelkopf- bis linsengrossen, flachen, schlappen, livid rothen Knötchen und Pusteln, welche syphilitischen Efflorescenzen sehr ähnlich sind. Sie unterscheiden sich von diesen hauptsächlich durch den Mangel eines derben Infiltrates und dadurch, dass sie niemals zu charakteristischen Geschwüren, höchstens zu schlappen, hämorrhagisch durchwühlten, oberflächlichen Gewebslockerungen Veranlassung geben.

Ihre Ursache liegt in der Depression der Körperernährung, welche hier zu einer Combination von Talffdrüsenerkrankuns: mit hämorrhagischem Exsudat in die Gewebe , oft auch zu Scorbut führt. Einmal sah ich Acne cachecticorum bei einem wohlgenährten und gut situirten Menschen im Gefolge von psychischer Depression. Sie schwindet nach Besserung der ursächlichen Zustände, kann aber jahrelang bestehen.

Hieran reihen sich Acneformen, welche in Folge von Reizung der Talgdrüsen durch gewisse Arzneistofi'e künstlich hervorgerufen werden , u. z. entweder , indem die schädlichen Substanzen von aussen in die Drüsenmündungen gelangen, wie Theer Acne picealis oder von innen her, indem die- selben, in die Blutbahn gelangt, durch die Drüsen ausgeschie- den werden, wie zuweilen Theer, dann Jod und Brom Jod- und Bromacne.

Von Theeracne, Acne picealis, Acne ex usu picis. haben wir schon bei Gelegenheit der Psoriasisbehandlung mittelst Theer gesprochen (pag. 386). Es entstehen zahlreiche

I

Siebenundzwanzigste Vorlesung.

Stecknadelkopf-, schrotkorn- bis erbsengrosse, rothbraune Knöt- ; eben derenCentrumdurcb einen schwarzenPunkt, das die Follikelmündung verstopfende Tbeerpartikelchen cba- rakteristiscb gezeichnet ist; nebstdem auch bis baselnuss- grosse, derbe Knoten, Abscesse, Furnnkel und schwarze Come- donen Ihr hauptsäcblicbster Sitz smd die mit Haarfollikeln reich besetzten Streckseiten der Unter extr emitaten.

Nebst Theer veranlassen auch Theerproducte mancher Art, Resineon, Benzin, Kreosot, Acne, u. z. mögen dieselben direct eingerieben worden sein , oder in geschlossenen Eaumen fem veitheilt die Atmosphäre erfüllen und die Haut d,rect reizen Ider indem sie eingeathmet und dann durch die Haut aus- :^o^n werden.'Es ist wiederholt in Theerdestillat-Fabriken und in Spinnereien, wo die Spindelachsen mit solchen Oelen beschmiert waren, bei den Arbeitern endemisch Theeracne

'^^'t^L'^^e auch die Acne in Folge von Chrysarobin-

'-^'ul^:: ^olge des innerlichen (Gebrauches

von Jodkalium und Jodnatrium, manchmal schon -ch einer .erino-en Dosis, zuerst im Bereiche des Gesichtes und oft m Verbindung mit anderen Erscheinungen des Jodismus. Die Stm sind konisch, mit lebhaft rother Basis, -snah— hämorrhagisch (Fo.™ u. A.) , oder von «-em Blasen^^^^^^^ umo-eben (T. Fox). Die Form unterscheidet sich von A. viügaris dZh c as acute Auftreten, die gleichzeitige Anwesenheit Wer gleichartiger Acnepusteln und das Fehlen der e-m c W chen Verlaufe angehörigen Pigmente und Narben. Ab^™^^ ^^f Jod im Inhalt der Pusteln bei Jodacne nachgewiesen, bie

TJatrium zur Keimtniss der Aerzte gelangt. (Voisra, m IZZ, u. A.) Bei derselbe, -^^^f^^'^^^^^^^^^

unter Fiebersymptomen, zwar auch Idemere und f o«^« 1"'° nd Pusteln, wie bei der gewShnlicbe.. Aene, g'-^-; ancb bei imnulirtem Genüsse der Bromin-aparate, kreuze Zler-rosse. .Inrch dichtes Aneinandergedrängtsem vieler Acne pusten gebildete Infiltrate, welche, nicht unaM.ch s ph - Tchen Plaques, über das Hautniveau l-2L.men empouagu,

Acne.

455

und nach Entleerung der einzelnen Pusteln sicli wie ein Honig- wabennest ansehen, oder zu unreinen Geschwüren zerJdüften; ferners thaler- bis flachhandgTOSse , dunkelbraunrothe , diffuse, harte Infiltrationen, welche in der Folge im Centrum einsinken und um so mehr syphilitischen Knoten ähnlich sehen; endlich warzige und kolbige Excrescenzen auf infiltrirter Basis. Diese Productionen können bei unausgesetztem Bromgebrauch viele

Monate, 1 2 Jahre, fortlaufend sich erneuern und, wie ich

bei einem an Chorea leidenden Mädchen gesehen, über den o-rössten 'Theil des Körpers sich etabliren. Sie schwinden stellenweise mit brauner Pigmentirung , an anderen Orten mit Hinterlassung von Narben. Wie Neumänn's Untersuchungen gelehrt , handelt es sich hier um tief greifende entzündliche In- filtration der Cutis, Zerstörung und Degeneration der Drüsen und Follikel.

Die Veranlassung derselben ist sicherlich der ßeiz, welchen das durch die Haut, resp. durch die Talgdrüsen sich ausschei- dende Brom auf diese ausübt, dessen Gegenwart im Pustel- inhalte P. Gutmann chemisch nachgewiesen hat.

Die Prognose auch dieser arteficiellen Acneform ist in- soferne günstig, als dieselbe nach Beseitigung ihrer specieUBn Ursache sich spontan verliert. Arg ist jedoch die narbige Veränderung an Stelle der tiefen Infiltrate der Bromacne.

Die Behandlung der Acne vulgaris ist bei entspre- chender Methodik stets von Erfolg gekrönt.

Vor AUem müssen die vorhandenen sichtbaren und mit dem tastenden Einger herausfindlichen Drüsen- und subcutanen Abscesse mittelst Spitzbistouris der Reihe nach eröffnet und ihres Inhaltes befreit werden. Man muss dabei oft sehr tief mit der Messerspitze eindringen und braucht manchmal 10 bis 14 Sitzungen, bis das Gros der Abscesse entleert ist. Die Blutung bei den Operationen ist bedeutend, aber durch Charpie-Compression zu stillen. Nach jeder Sitzung können kalte Umschläge applicirt werden. Hämorrhagische , schlappe Infiltrate werden ausgelöffelt, Hautfransen und Eetzen mit der Scheere abgetragen.

Erst wenn nach 10—14 Tagen durch derartig fortgesetzte Eingriffe die fluctuirenden Knoten beseitigt, die Gedunsenheit der Haut geschwunden sind und nur noch kleinere Knoten und Pusteln vorliegen, beginnt jene Behandlung, welche aucli

^gg Sieljemindzwanzigste Vorlesung.

sonst Tbei Acne massigen Grades sofort begonnen werden kann. Sie besteht wesentlick in Folgendem: Erstens meclia- niscbes Auspressen von Comedonen mittelst des Comedonen- quetscbers und Eröffnung axiftaucliender Abscesse. Zweitens regelmässig zu wiederbolende energische Wascliungen mittelst Seifen, Toilett-, feste oder flüssige Glycerinseife , Sclimier- seife, Spirit. sapon. kalinus, Scbwefelsandseife , Jodscbwefel- seife, in Verbindung mit Dampf- und Doucbebädern. Drittens die metbodiscbe Application von solchen Mitteln, welche unter massiger Reaction eine rasche Abstossung der Epidermis, also auch der Auskleidungszellen der Talgdrüsen bewirken, dadurch diese von ihrem Inhalt entlasten und zur Contraction (Erhö- hung ihres geschwächten Tonus) veranlassen. Zu dem Zwecke dienen Schwefelpasten, Jodtinctur und Jodglycerin, Emplastrum hydrargyri. Viertens müssen noch Deckmittel, Salben, Wässer, Poudres zu kosmetischem Zwecke angewendet werden.

Für die Methodik der Behandlung bei einem ambulanten Ki-anken wäre etwa folgendes Schema passend:

Abends Abwaschen der Gesichts- und Rückenhaut mittelst einer der obengenannten Seifen, dabei energisches Erottiren und Pressen der Haut , damit die Mitesser auch mechanisch entfernt werden. Hierauf Abdouchen und Abtrocknen. Nun wird eine Schwefelpaste mittelst Borstenpinsels eingerieben und über Nacht liegen belassen, z. B. Lact. sulf. 10, Spir. vin. gallic. 50, Spir. lavand. 10, Glycerin. 1-50; oder: Sulf. citrini 10, Spir. sapon. kaiin. 20, Spir. lavand. 60, Bals. peruv. 1-50, Spir. camphor. 1, Olei bergamott. gutt. quinque; oder Lact. sulf. 10, Kali carb. 5, Spir. sapon. kaiin. 20, Glycerin. 50, Olei Caryoph., Olei Menthae, Olei ror. mar. aa. 1. Sig. Paste, gut aufgeschüttelt einzupinseln. Statt solcher Pasten kann auch blosser Seifenschaum oder Schaum von Schwefel- seifen eingerieben werden. Solut. Vlemingkx wirkt auf zarter Haut ätzend und ist nur gegen die Acne des Rückens an- zuwenden. Lait siciHen, Kummerfeld 'sches Wasser sind ahn- lich zusammengesetzte Schwefelemulsionen. Durch Auflegen von Flanell nach der Einpinselung wird die Reizmrkmig dieser Mittel erhöht. Des Morgens wird die applicirte Paste abgewaschen und nun Decksalbe, Deckwasser, kurz eine Schminke auf die rauhe und geröthete Haut gebracht, etwa Ungu. Wilsoni, oder Rp. Zinci oxydat. 20, Ungu.

Acne.

457

emoll. 100 , Olei Resedae 2, Olei Eosar. gutt. 5 ; oder Magist. Bismuth., Oxyd. Zinci aa. 5, Ungu. emoll. 50, Olei Napliae gutt. qiiatuor; oder Coldcream 50, Ox^^d. Zinci 5, G-lycerin. piu-. 1-50, Tinct. Benzoes 1. Die Salben werden in dünner Schichte bis zum Verschwinden eingerieben, woraiif Pouder gestreut und leicht abgestreift wird. Als Streupulver eignen sich die schon bekannten. Blei- und quecksilberhaltige Salben und Pouder sind bei Schwefelbehandlung und bei reicher Fettsecretion überhaupt gegenangezeigt, weil Schwefel- blei und Schwefelquecksilber braune Flecke auf der Haut machen. Auch Sublimat-Lösung (O'l : 150 Flüssigkeit) ist des- halb weniger zu empfehlen. Neben den schon bekannten Streu- pulvern empfiehlt sich auch, das sogenannte Damenpulver : Up. Pulv. lapid. baptistae, talci venetae, amyli oryzae aa. 30, Zinci oxydat. 10, Olei Neroli gutt. duas, Olei Rosar. guttas quatuor ; sowie Eau de princesse (Hebra), als flüssige, weisse Schminke : ßp. Bismuth. carb. basici 10, Talci veneti piilv. 20, Aqu, Rosarum 70, Spir. Colon. 3 dessen feuchter Bodensatz ein- zupinsebi.

Jodtinctur oder Jodglycerin (Rp. Jodi puri Kali hydro- jodici aa. 5, Glycerin. 10) werden zweimal täglich, im Ganzen 6 12mal eingepinselt. Nach Abstossung des braunen Schorfes ist die Haut gewöhnlich roth und schuppig und wird dieselbe nun ausschliesslich mit den Schminkmitteln behandelt, bis wieder ein neuer Cyclus der irritirenden Behandlung mittels Schwefel, Jod, Sublimat, platzgreifen kann. Je nach der Intensität des Falles wird man nach 4— SmaHger Wieder- holung des Cyclus binnen 6 12 Wochen die Heilung voll- enden können.

Gegen gleichzeitig vorhandene Chlorose, Dyspepsie werden die geeigneten innerlichen Mittel verabfolgt.

Theer-, Jod- und Bromacne erheischen eine symptomatische Behandlung, Application von Kälte bei intensiver Entzündung, Blei-, Zink -Salben, Gerate bei geschwürigem Zerfall oder Nässen des Bromexanthems. Derbe Infiltrate und. Excrescenzen des letzteren habe ich unter Empl. hydrargyri sich rasch rückbilden gesehen. Ebenso kann Letzteres neben Präcipitat- salbe (5:50) und Seifengeistwaschung als besonders wirksam gegen Acne varioliformis empfohlen werden.

458

Siebehundzwanzigste Vorlesung.

Acne rosacea.

Man versteht iinter Acnerosacea (Grutta rosea , Couperose, Kupferhandel) Kupferfinne eine auf die nictt behaarten Stellen des Gesichtes, speciell Nase, Wangen, Glabella und Kinn beschränkte und bisweilen über die seitliche Halsgegend sich ausbreitende, chronische Erkrankung, welche durch die Bildung lebhaft- bis dunkelrother, gleichmässiger oder von deutlichen Grefässzweigen durchzogener, unter dem Einger erblassender Flecken, sowie rother, weich elastischer Knöt chen und Knoten, oder selbst grösserer Höcker un d Aus wüchse sich auszeichnet.

. "Wir unterscheiden in dieser Krankheit drei Grade. Der erste Grad besteht in einer meist gleichmässigen , diffusen Röthung der Nasenspitze und ihrer nächsten Umgebung. Die Kranken glauben irrthümlich, sie hätten sich die Nase erfroren. Doch ist dieselbe gar nicht schmerzhaft. Bei manchen Kranken erscheint die ßöthe über beide Wangen, Ohren', das Kinn diffus verbreitet. Bei längerer Dauer finden sich jederzeit auch neugebildete geschlängelte Gefässe. Bei grellen Temperatursunterschieden, wie im Winter, auch nach Tische, bei Echauffement, werden diese Röthungen in der Tinte dunkler und erregen sie Hitzegefühl und Brennen. In diesem Grade kann der Process viele Monate, auch Jahre be- stehen und dann complet schwinden; oder derselbe entwickelt sich zu den höheren Graden.

Im zweiten Grade der Acne rosacea entstehen aUmälig auf erythematösen SteUen Unsen- bis erbsengrosse , lebhaft rothe, derb elastische, nicht schmerzhafte Knoten, welche ent- weder isolirt, oder in dichten Haufen zusammengedrängt stehen und an ihrer Oberfläche mit Gefässverschlängelungen gezeichnet sind. Sie finden sich auf der häutigen Nase, am Kinn, auf der Glabella und den Wangen.

Der dritte oder höchste Grad der Acne rosacea wird von dem als exquisiter „Kupferhandel" bekannten Zustand der Nase gebüdet, bei welchem auf derselben rundliche und unregelmässig gestaltete, neben- und übereinander sich aufthür- mende, manchmal auch überhängende, geschwulstartige, lappige

Acno.

459

Axiswüclise von weicli elastischer Consistenz entstehen, deren allo-enieine Decke reichlich von feinen bis rabenkieldicken Ge- fässen durchzogen, von Couiedonen und Acnepusteln besetzt erscheint die sogenannte Pfnndnase. Sie kann colossale Dimensionen erreichen, die Lappen können bis auf die Ober- lippe herabhängen und die abenteuerlichste Gestalt annehmen.

Eine andere Form entwickelt sich als gleichmässige Hyper- trophie der häiTtigen Nase , welche verbreitert und mit rüssel- artig verlängerter, wulstiger Spitze hervorragt.

° Sowohl die geschilderten Ideineren Knötchen des zweiten Grades, als wie die lappigen und geschwulstartigen Neubil- dungen der Kupfernase bestehen aus neugebildetem, gallert- artigem Bindegewebe, welches wohl einer Organisation zu festem bleibenden Bindegewebe fähig ist, aber ebensogut auch zur Schrumpfung tind Resorption gelangen kann. Doch gilt Letzteres nur für die jüngeren Productionen. Nebstdem ist Ausdehnung und Hypertrophie der Talgdrüsen (Biesiadecki), die Ausdehnung der bestehenden und die Neubildung von oberflächKch lagernden Gefässen in der Haut, von Teleangi- ectasien, ja auch Erweiterung der aufsteigenden Corium- gefässe und deren Zweige, als die wesenthiche an at o m i s ch e Grundlage der Acne rosacea anzusehen.

Die Diagnose des Uebels unterliegt in der Regel keiner Schwierigkeit, auch wenn Acne vulgaris gleichzeitig vorhan- den ist.

Acne rosacea mittleren Grades kann mit Lupus oder knotigem Syphilid verwechselt werden. Die Acneknoten werden durch ihren ausserordentlichen Gefässreichthtim , ihre weiche Beschaffenheit und Comprimirbarkeit, sowie durch das Fehlen von narbiger und ulceröser Involution von Syphilis unter- schieden werden können.

Rhinophyma, Acne rosacea dritten Grades, muss gegen- über von Carcinoni und Rhinosclerom differencirt werden.

Die Ursachen der Acne rosacea sind sehr mannigfach. Der erste und zweite Grad derselben entwickelt sich häufig bei weiblichen Lidividuen, und zwar sowohl zur Zeit der Puber- tät als in den klimakterischen Jahren, seltener in dem mittleren Lebensalter, aber nachweislich in Beziehung zu gewissen Stö- rungen und Functionen der Sexualsphäre. Bei jüngeren Indi- viduen sind Chlorose, Dysmennorrhoe, Sterilität, bei vorgerück-

460

Siebenundzwanzigste Vorlesung.

teren der physiologisclie Voi'gang der sexuellen Involution als Ursache anzusehen. Bei Manchen ist jede Gravidität mit Acne-Entwicklung in Verbindung. Ausnahmsweise kommt die- selbe auch bei sexuell ganz gesunden Frauen vor.

Chronische Dyspepsie scheint bei vielen Personen beiderlei Geschlechtes zu Acne rosacea zu disponiren.

Ein allgemein bekanntes ätiologisches Moment der Krank- heit aller, und besonders auch des höchsten Grades von Acne rosacea ist der übermässige , gewohnheitsmässige Genuss von Alcoholicis. Bei Weintrinkern sieht man meist lebhaft rothe Knoten, bei Biertrinkern mehr cyanotisches ßhinophyma, bei Branntweintrinkern vorwiegend dunkelblaue und glatte Na- senhaut neben sonst geschmeidiger, panniculusr eicher Haut.

Merkwürdig ist das Auftreten von Acne rosacea bei Personen , die jahrelang in excessiver Weise Kaltwassercuren machen.

Endlich beobachtet man den Zustand bei allen Personen, die dauernd viel in der freien Luft, Wind und Wetter sich aufhalten, bei Kutschern, Ligenieuren, Höckerinnen, Matrosen, Maurern it. s. f.

Physiologisch ist der Process auf einen paretischen Zu- stand der feinsten Hautgefässe an den periphersten Körper- stellen zurückzuführen, mit welchem eine trägere Circulation an jenen Punkten verbunden ist. Daher alle jene Momente mit als Ursache der Acne rosacea gelegentlich sich geltend machen, welche auch zu Perniones, Kälte imd Schweiss an Händen und Füssen Veranlassung geben.

Die Prognose bei Acne rosacea ersten und zweiten Gra- des ist um so günstiger, je leichter auch die sie bedingende Ursache zu beseitigen ist, weil damit auch jene spontan sich rückbilden kann und Recidiven ausbleiben. Bei Rhinophyma ist solches nicht zu erwarten.

Die Behandlung der Acne rosacea ersten und zweiten Grades muss sowohl gegen die Ursache derselben, als gegen die örtliche Veränderung gerichtet sein. Li ersterer Beziehung empfehlen sich, nach sorgfältiger Feststellung der ätiologischen Momente, alle jene Mittel, welche die gefundene Genitalaffection, oder die Chlorose, Dyspepsie etc. zu beseitigen geeignet erscheinen, als locale gynäkologische Eingriffe, ferners Amaricantia, Ferru- ginosa, Eisen- Arsen, Trink- und Badecuren in Marienbad,

Acne.

461

Franzensbad, Kissingen, Milch- nnd Molkencnren, leichte Hydro- therapie, Mnssbäder (Vöslan), Seebäder, Sommeraufenthalt im Gebirge, kräftigende Diät; zum Getränke bei Chlorotischen starke Weine und gutes Bier; bei DysjDepsie Alkalien (Ep. Bicarb. Sodae, Phosphat. Sodae, Magnes. carb. aa. 10 , Sacch. albi , Elaeosacch. Macidis aa. 15 , Sig. 3mal täglich 1 KafFeel. voll in Wasser zu nehmen) Giesshübler, Selters' Wasser u. s. w.

Acne rosacea geringen Grades verliert sich unter Besse- rung jener allgemeinen AfPectionen.

Die örtliche Behandlung hat zum Zwecke die dif- fuse ßöthung, die telektatischen Gefässe und Knoten rascher verschwinden zu machen und die Verunzierung des Teints zu cachiren. Die Abflachung der rothen Acneknoten gelingt recht gut durch Application eines gut klebenden Emplastr. hydrargyri , oder durch die bei der Therapie der Acne vulgaris angegebenen methodischen Einpinselungen von Schwefelpasten , Jodtinctur , J odglycerin. Letztere Mischung wird 8 12mal binnen 3 4 Tagen auf die Haut gepinselt, welche darauf mit Gutta - Perchapapier belegt wird. Die Schwefelpasten itnd graues Pflaster mögen auch nur des Nachts angewendet werden. Tagsüber, sowie jedesmal, wenn durch eine der irritir enden Methoden die Haut roth und schuppig geworden, kommen die ebenfalls aufgezählten Schmink- salben und Poudre zur Application, nebst manchen anderen Cosmeticis, die wir noch an einer anderen Stelle anführen werden. Bei intensiven, difPusen Röthungen, Telangiektasien und grösseren derben Knoten müssen methodische Scarifi- cationen in wiederholten Sitzungen vorgenommen werden, um die Gefässe zur Verödung zu bringen. Entweder führt man viele seichte, parallele Schnitte mittelst eines feinen Scalpells, oder stichelt mit der Stichelnadel, oder zerreisst die Gefässchen durch Schaben mit dem scharfen Löffel. Zur Operation des Sticheins hat Th. Veiel ein Instrument angegeben, das aus 6 parallel gestellten und in einen Grifi" eingepassten , mittels Schraube verstellbaren, Lanzetten besteht. Aehnlich, nur aus kurzen, fixirten Klingen zusammengesetzt, istSQUiRE's „Multiple Scarificator". Ich ziehe zur Scarificirung ein feines Scalpell vor und zur Stichelung die von Hebra angegebene Stichel- nadel (Fig. 26), eine starke, zweischneidige lanzettförmige Nadel, deren 2 j\Iillimeter lange Klinge am Kücken mit einer

Siebenundzwanzigste Vorlesung.

Gräte und an, der Basis mit einer Leiste (Abaptiston) ver- sehen ist. Mit derselben führt man in die telektatische Haut

Fig. 26.

rasch hintereinander zahlreiche Stiche dicht mid parallel zu einander Die oft bedeutende Blutung wii'd durch Compression Xlst Charpie oder BKHKs'scher Woüe gestillt _ Dxe Appl. Tttn von Lapisl--g oder Eisenchlorid anf d.e eroffne en vasculisirten Flächen ist nicht -thhch. Nach dem Schaben ist die Operationsfläche mit Gewebsdetritus bedecU, weichet bald missfärbig wird, aber unter kalten Umschlagen oder einfacher Salbe binnen wenigen Tagen abgestossen wu^. Die Wundüäche erscheint schön überhäutet. Die -^^Ywochen griffe müssen nach dem Grade der Acne rosacea durch Wochen oder Monate wiederholt vorgenommen werden.

Die Entstellung der Acne rosacea dritten Grades ist nur durch Excision und kunstgerechte Abkappung mittels Messers, oder Abschnüren der prominirenden Knoten methodo chxrurgica zu beheben. Man muss auf starke Blutung aus den groben Yenen gefasst sein und derselben in geeigneter Weise begegnen.

\

Aclitundzwanzigste Vorlesung.

Sycosis, Bedeutung , Pathologie und Tlaerapie. Sycosis parasitaria. Infipetigo, Eetl-iyma. Imioetigo herpetiformis.

Sycosis.

AcneMentagra, Folliculitis barbae (Köbner), Bartfinne , ist eine an den mit dicken Haaren besetzten Hant- stellen sieb entwickelnde cbroniscbe Krankheit, bei welcber entzündliche, an ihrer Spitze je von einem Haare durchbohrte Knötchen, Knoten und Pusteln, nebstdem ausgebreitete entzündliche Infiltrate mit Eiterung und Krustung und bis- weilen papilläre, drusige Excrescenzen gebildet werden.

Ihre häufigste Localisation ist der Barttheil des Gresich- tes , also "Wangen , Kinn und Oberlippe , seltener die Augen- brauen , der Bereich der Vibrissae der Nasenschleimhaut , der behaarte Theil der Achselhöhlen , des Möns veneris und der behaarte Kopf.

Bei Sycosis faciei entstehen an einer oder an ver- schiedenen Partien einer oder beider Wangen zugleich einzelne rothe, entzündliche, schmerzhafte- Knoten und Piisteln, welche je von einem Haare durchbohrt sind. "Wird dieses mittelst Pincette ausgezogen , so erscheint dessen Wurzelscheide ver- . dickt, glasig aufgequollen , eitrig imbibirt. Nicht selten tritt aus dem so eröffneten Follikel ein Eitertröpfchen aus. Zur Sycosis wird nun dieser Process durch den "Verlauf, indem einzelne der vereiternden Knoten sich eröffnen, mit Borken bedecken und narbige Zerstörung zurücklassen, während in

j^Q^ Aclitundzwanzigste Vorlesung.

der Nachbarscliaft neue Knoten mit demselben Verlaufe auf- tauchen und diese Vorgänge cbroniscb sich erneuern.

Derart breitet sich der Process in mehrjähriger Dauer über Wangen, Kinn, Oberüppen aiis. Die Wange erscheint ungleichmässig geschwellt, verdickt, höckerig, da und dort mit Krusten belegt, mit zerstreuten oder dicht gedrängten Pusteln besetzt, oder roth, schuppend, oder nässend. Im Krank- heitsfelde sind die meisten Haare gelockert und leicht auszu- ziehen. Die vielen narbigen Stellen und der wie ausgenagte Bart erhöhen noch die durch die erwähnten Knoten, Pusteln, Krusten gegebene Entstellung, Schmerzhaftigkeit und Belästi- gung. Dazu gesellen sich bisweilen grössere Abscesse und Blutschwäre, und als besondere EigenthLimlichkeit kreuzer- bis thalergrosse Plaques von 2— 4 Mm. hervorragenden, rothen, nässenden und leicht blutenden, papiUären, drusigen Aus- wüchsen, deren viscides Secret zu dicken Krusten vertrocknet. Solche finden sich an der Lippen- oder Kimigrube, oder an den Kinnwinkeln, selten an den Wangen. Die Haare smd

auch hier gelockert. . -, -p i ••

Der Verlauf der Sycosis ist äusserst chronisch. J^s können 10-15 Jahre darüber vergehen, bevor der Process sich über beide Wangen und in das Bereich der Schläfehaare ausge- breitet hat. Doch gibt es auch FäUe mit beschleunigterem

^^""^^tle gleichen Symptome bietet im Wesentlichen die anders

localisirte Sycosis dar.

An den Augenbrauen ist der Process isolii% odei in Verbindung mit Blepharadenitis und Sycosis des übngeii (xe- Ihtes. Sycosis der Nasenschleimhaut -t gewoh^^^^^ mit gleicher Affection der Oberlippe vergesellschaftet. In der Achselhöhle und amSchamberg, sowie am behaarten Kopf e geht Sycosis meist aus eczematöser Entzündung hervor. Doch findet sich auch Sycosis capiUitii mit ^^^--1^^-^^^;;; Heuernden Knoten- und Pusteleruptionen und schmerzhaftei S^Son der Cutis, in seltenen EäUen als idiopathische Er-

^"'tlf muss hier einer eigenthümlichen Krankheit.form des behaarten Kopfes gedenken, welche ich als Dermatxtxs pa- miliaris capillitii beschrieben habe. Bei dei selben eit stehen stecknadelkopfgrosse, anfangs isolirte, spater dicht

Sycosis.

465

o-edrängte Knoten, welche zu narben ähnlichen Plaques ver- schmelzen, auf denen die Haare büschelförmig zusammenge- drängt erscheinen, während andere Stellen ganz kahl sich ansehen. Die Haare werden sehr schwer ausgezogen, reissen dabei ab und zeigen sich geschlängelt und atroiDhisch. Da und dort kommt eine kleine Pustel vor.

Der Process begiimt in der Eegel an der Nackenhaar- grenze und schreitet am Hinterhaupt empor bis gegen den Scheitel. Einmal habe ich denselben auf letztere Stelle allein beschränkt gesehen. Im Bereiche des behaarten Hinterhauptes bilden sich nun 2—3 Cm. hohe, papillomartige, stinkendes Secret liefernde, mit Borken bedeckte, leicht blutende Vegetationen, welche da und dort durch intercurrirende Ab- scessbildung zum Theil zerfallen und unterwühlt werden. Diese

Fis. 27.

■/-■

Dermatitis papillaris capillitii. Senkrecliter Durclisclmitt.

a hypertrophische Epidermis über den dendritisch aiisgewachsenen _Papmen c ; b enorm erweiterte Gefässe; d dichte Zelleneinlagerang (entzündliche Inültiation) des Corium. (Schwache Vergr.)

30

Kaposi, Hautkrankheiten.

46G

AcMundz-wanzigste Vorlesung.

b...J'

Aus dem entzündeten Corium bei D. papillaris (Fig. 27 d).

c Randzellen, b einfach und mehrfach ver- ästigte Zellen, a solche zu Fasern angereiht.

Fig- 28. Bildtingen , welclie aus enonn

gef ässreichen , papillären Ex- crescenzen bestehen und mikro- skopisch-anatomiscli ganz ana- log wie Granulationen sich verhalten, schrumpfen im Ver- ^ laufe von Jahren, indem sie zu sclerotischem Bindegewebe sich umwandeln (Fig. 28 a), ^ mit dem Resultate ausgebrei- teter Atrophisirung der Haar- follikel und Kahlheit , während an anderen Stellen die noch bestehenden Haare büschel- förmig zusammengedrängt und eingezwängt bestehen.

Der Process ist von Alibekt als Plan ruboid beschrieben lind abgebildet und mit Syphilis identificirt worden, während Eayer denselben als Sycosis capillitii bezeichnet. Die gleiche Auffassung hegt auch Hebra, welcher diese Form als Sycosis fromboesiaformis bezeichnet. Ich glaxibe nachgewiesen zu haben, dass, abgesehen davon, dass der Process mit Syphilis nichts zu thun hat , derselbe nicht aus Follicularpusteln hervorgeht, also keine Sycosis ist, sondern ein idiopathischer Entzündungs- process.

Sycosis parasitaria (Bazin) , in der äusseren Er- scheinung der gewöhnlichen Sycosis ähnlich, aber durch die acute Entwicklung von champignonähnlichen , drusigen , zer- klüftenden Wucherungen im Bereiche der Wangen (Köbnee, Kaposi, Lewin u. A.) oder auch des behaarten Kopfes (Auspitz, Lang) ausgezeichnet, oft mit rothen, schuppenden Kreisen ver- geseUschaftet, ist durch einen, dem Herpes tonsurans entspre- chenden Pilz bedingt und wird mit letzterer Krankheit zu- gleich noch besprochen werden.

Nach den geschilderten Symptomen ist die Sycosis nicht schwer zu diagnosticiren. Die entzündliche Lifiltration und Pustelbildung, mit der Lockerung der Haare und Schwel- lung der Haarwurzelscheiden, die Charaktere des chronischen Verlaufes welche namentlich aus dem Nebeneinandersein xow

Sycosis.

467

frischen imd in Involtition begriffenen oder vernarbenden Pnsteln, Narben und verödeten Bartstellen sich, kennzeichnet, verrathen die Krankheit zur Genüge; da aber auch Lupus und knotig ulcer Öse Syphilis der Wangen und Lippen und der Nasenschleimhaut mit Krustenbildung und Narben, ja axich mit papillären Wucherungen einhergehen, wird man in zweifelhaften Fällen auf die Charaktere der letzteren Bedacht nehmen müssen. Bei Lupus geben die wie eingesprengten und unter dem Fingerdrucke nicht schwindenden Primärknötchen, bei Syphilis das scharf begrenzte, derbe Randinfiltrat , oder ein charakteristisches, schmerzhaftes Greschwür die Unterschei- dungs-Merkmale.

Sycosis gestattet eine günstige Prognose, da die Krank- heit heilbar ist und selbst bei unbehindertem Bestände ausser der örtlichen Störung keine Nachtheile mit sich bringt. Spontanes Erlöschen des Processes erfolgt nur sehr spät, nach Jahren luid nach ausgebreiteter Follicular - Verödung. Am schwersten heilbar ist Sycosis der Nasenschleimhaut und des Capillitium.

Als Ursache der gewöhnlichen Sycosis kann in manchen Fällen örtliches Eczem gelten, indem mit der lang andauernden oder sich steigernden Entzündung Folliculitis eintritt. Dies gilt namentlich für Sycosis der Nasenschleimhaut und der Oberlippe, die im chronischen Schnupfen ihre Quelle hat, für Sycosis des behaarten Koj)fes, der Achselhöhlen und der Scham- o-eo-end. Allein zumeist entsteht Sycosis des Bartes idio- pathisch, ohne jede nachweisbare Ursache. Daher hat man auch da allerlei supponirte Dj^scrasien , Erkältung , besondere Nahrungseinflüsse, das ßasiren mit stumpfem Messer und vieles Andere in's Feld geführt, doch ohne jede Grewähr.

Die Entstehung durch Contagion ist für Mentagra seit Plinius behauptet worden, nach dessen Erzählung die Krankheit aus Aegypten nach Rom verschleppt und dort durch Küssen epidemisch verbreitet worden ist. Es ist aber mehr als wahrscheinlich, dass jene Mentagra oder Ficositas die Be- deutung von syphilitischen Feigwarzen, Plaques muqueuses, hatte, wodann ihre Contagiosität allerdings begreiflich wäre.

Indessen hat dies mehr historisches Interesse. Sycosis im Sinne von Celsus und der Neuzeit, wie sie seit Bateman verstanden wird, galt doch im Allgemeinen für nicht ansteckend.

30*

468

Achtundz-wanzigste Vorlesung.

Erst seit G-ruby (1842) von einem Pilz bei Mentagra berich- tete und Bazin die Existenz einer Sycosis parasitaria feststellte , ist die Contagiositätsfrage wieder lebendig gewor- den. KöBNEE, hat sie ganz richtig dahin entschieden, dass die Contagiosität nur für jene specielle Form, die eigentlich dem Herpes tonsurans angehört, gelte Sycosis parasitaria nicht aber für die vulgäre Sycosis oder Folliculitis barb a e.

Diese entsteht zumeist idiopathisch und vielleicht veran- lasst durch gewisse anatomische Verhältnisse.

"Wie schon Gr. Simon und Wertheim gezeigt, stellt jeder Sycosisknoten einen Abscess des Haarfollikels dar. Zieht man das Haar heraus, so ist die Wurzelscheide eitrig aufgec|uoUen und es tritt ein Eitertropfen aus der Höhle. Das interfoUi- culäre Gewebe, Cutis und Papillen, zeigen selbstverständlich den Zustand entzündlicher Infiltration und letztere wachsen gelegentlich papillär aus. Die Anregung zur Entzündung mag vielleicht mit einer energischen Reproduction der Haare zu- sammenhängen, indem das am Follikelgrunde neu gebildete Haar neben dem alten sich vordrängt und die Wandung me- chanisch reizt. In der That trifft man da häufig zwei Haare in demselben Follikel und Sycosis häufig . bei sehr dichtem Bartstande. Wertheim leitet die Irritation daher, dass der Querdurchmesser des Haares relativ zu gross wäre zu dem seiner Haartasche.

In der diffusen Infiltration kommt es auch zu Abscedirung der Cutis und der Talgdrüsen.

Bei Sycosis parasitaria ist ein dem Trichophyton ton- surans Malmsten entsprechender Pilz mikroskopisch zwischen den Elementen der ausgezogenen Haare und ihrer Wurzel- scheiden nachzuweisen.

In der Behandlung der Sycosis müssen Patient und Arzt sich einer gleichen Exactheit und Consequenz in der Ausführung der nothwendigen Massnahmen befleissen. ^Yo diese Bedingung erfüllt wird, kann eine ausgebreitete, seit vielen Jahren be- standene Bartfinne binnen 3—6—12 Wochen gänzlich geheilt werden, während im Gegentheil der Erfolg vergeblich erwar- tet wird. _

Nvir ganz massig entwickelte Sycosis des Bartes kann mit Erhaltung des letzteren geheilt werden, indem man

Sycosis.

469

die wenigen Pusteln eröffnet , die kranken Härclien auszieht und die Stelle fleissig mit einfachen Salben besckmiert, bis die excoriirten Punkte verkeilt sind.

Bei grösserer Verbreitung und langem Bestände des Processes muss der Bart abgenommen werden. Derselbe wird zunächst kurz geschoren. Sodann legt man TJngu. Diachyli auf Leinwand gestrichen und mit Flanell niedergebunden, oder Kaiitschukleinwand auf die "Wangen, Oberlippe, um die IvriTsten zu erweichen. Nach 12 24 Stunden können sie mittelst Seife abgewaschen werden und nun wird ra- sirt. Das Rasiren kann von geschickter Hand und mit einem guten Messer ohne Schmarz für den Kranken ausgeführt werden.

Jetzt liegt die kranke Haiitfläche, diffus geröthet, infil- trirt, mit zahlreichen Pustehi besetzt, stellenweise nässend oder blutend, bei Berührung massig schmerzhaft, frei zu Tage. Und nun wird als dritte nothwendige Operation die von "Wert- HEiM zuerst empfohlene Epilation vorgenommen, durch welche die kranken Haare entfernt und der Austritt des Eiters aus den Follikebi ermöglicht wird. Der Kranke wird in gute BeleiTchtung gesetzt. Der gegenübersitzende oder stehende Arzt spannt sich mit den Fingern der linken Hand die zur Epüation bestimmte Hautstelle ziu^echt, fasst mit der rechten Hand die Cilienpincette mit Daumen, Zeige- und Mittel- finger, wie eine Schreibfeder, und zieht Härchen für Härchen aus in ihrer natürlichen Richtung. Dabei stützt er die Hand mittelst des kleinen Fingers auf imd legt jedes ausgezogene Haar unmittelbar auf die Haut nieder, ohne die Hand zu ent- fernen. Dadiirch hat der Operateur den Vortheil, die Zug- richtung beizubehalten und rasch hintereinander 20 30 Haare auszuziehen. Nachdem Blut und Eiter abgetupft worden und dem Kranken eine kurze Pause gegönnt worden, setzt man die Epilation fort. Am ersten Tage begnügt man sich mit eruer kurzen Sitzung, da manche Kranke, des Eingriffes ungewohnt, nervös erregt, selbst ohnmächtig werden. Die nächsten Tage geht es schon ohne Anstand. Denn der Schmerz beim kunst- gerechten Epiliren ist nur sehr gering, weil ja die Haare ge- lockert sind. Nach der Epilation wird die Stelle .abgewaschen, wenn starke Entzündung zugegen , mit kalten Umschlägen durch 1 2 Stunden und sodann wieder mit Ungu. Diachyli, oder Ungu. Vaselin. plumb. belegt.

^-jQ'. Achtundzwanzigste Vorlesung.

Diese Manipulationen werden nun täglicli regelmässig fortgesetzt: Waschen mittelst Seife und Seifengeist, ßasiren, Epiliren und Belegen mit erweicliender Salbe. Mit dem Epi- liren geht man regelmässig vorwärts von einer Randpartie her , nicht bald da , bald dort. Denn die gut epilirte Stelle sieht sich schon den nächsten Tag besser an, flacher, weicher, blässer, mit weniger Pusteln besetzt, so dass der Patient zu dem Verfahren Vertrauen bekommt.

Derart vorgehend kann man bei Sycosis beider Wangen binnen 2— 3 Wochen mit der allgemeinen Epilirung fertig sein und hat nur noch zerstreute NachschübHnge zu berücksichtigen. Ist die Haut überall weich , kommen nirgends mehr Pusteln, sitzen die Haare, die stets nachwachsen, fest, dann ist die Sycosis geheüt. Es braucht jetzt nur noch der Anwendung einfach emoUiirender und deckender Salben und Poudre, wie nach Heilung der Acne.

Doch muss der Bart mindestens ein Jahr hindurch regel- mässig rasirt werden; denn die Sycosis stellt sich meist mit dem Bartwuchs wieder ein. Erst nach Jahresfrist pflegt der Versuch, den Bart stehen zu lassen, zu gelingen.

In vielen Fällen sind neben der angeführten regelmässigen Behandlung noch andere Eingrifi-e nothwendig. Einzelne derb infiltrirte SteUen müssen gestichelt oder scarificirt werden, worauf sie erst abflachen und abblassen; gelockerte, reichKch blutende Hautstellen müssen mit dem scharfen Löffel aus- gekratzt, grössere Abscesse eröffnet werden. Bei hartnäckiger Wiederholung zahlreicher Pustelausbrüche, oder Bestand der diffusen Derbheit der Haut empfiehlt sich das Einpinseln von Schwefelpaste wie bei Acne, oder von Waschung mit Jod- schwefelseife (Zeissl), oder die Erregung einer acuten Ent- zündung durch Auflegen von Schmierseife durch 12 Stunden, oder Einpinseln von Tinctura jodina, oder Jodglycerin oder Eintupfen von Sublimatlösung O'öO , ad 100 Aqu. dest., worauf wieder die oben geschilderte durchschnittliche Behand- Kmgsweise mittelst Salben und Epiliren Platz greift.

Die erwähnten Vegetationen werden durch Aetzen mit Essio-säure, Paste von Acid. acet. 10, Lact. sulf. 2-50, oder eine Salbe von Cupri acetici 0-30, Ungu. simpl. 10, oder Ein- tupfen mit Acid. muriat. concentr. und Auflegen von Calomel- pulver entfernt.

Impetigo, Ecthyma.

471

Bei Sycosis vibrissanim müssen ebenfalls die Pusteln er- öffnet, die Haare ausgezogen und in die Nasenlöcher emol- liirende Salben, wie bei Eczem dieser Partie, eingelegt nnd rbagadiscbe Stellen geätzt werden.

Bei Sycosis Capillitii versnebt man die ßebandlnng wie bei Eczem des behaarten Kopfes, Erweichung der Pusteln durch Fett, Kantschukhanbe, Waschung mit Seifengeist, Donchen nnd niu' wenn dies nicht zum Ziele führt, muss rasirt nnd epilirt werden. (Man deckt tagsüber die mit Salbe oder Kautschnkleinwand belegte Kopfhaut mittelst Perrücke.)

Analog wird Sycosis der Axigenbrauen, Achselhöhle und Schamgegend behandelt.

Gegen Dermatitis papillaris Capillitii hat sich nur Empl. hydrargyri von einiger Wirkung erwiesen. Das Gros der Gebilde muss mit Scheere und Messer abgetragen werden. Die copiöse parenchymatöse Blutung wird durch einfache Charpietamponade oder gleichzeitige Application von Lapislösung (1 : 1) gestillt.

Bei Sycosis parasitaria erweist sich neben der Epilation der kranken Haare das Eintupfen mit Sublimat- lösung oder Auflegen von Essigsäure-Schwefelpaste heilsam.

An die hiemit abschliessende Besprechung der Acneformen lind Sycosis fügen sich naturgemäss einige kurze Bemerkungen an, die ich über

Pustelausschläge

zu machen für nothwendig erachte. Es werden nämlich seit WiLLAN von vielen Autoren systematisch Impetigo, Ec- thyma, Psydracion, Phlyzacion, theils in der Bedeutung von einzelnen Pusteln, theils von ausgebreiteten Erkrankungen der Haut verwendet, bei welchen zahlreiche Pusteln vorkommen (Impetigo sparsa, figurata u. A.) , namentlich aber, wenn die- selben auf den Unterextremitäten localisirt sind.

Hkbea hat in seinem grossen reformatorischen Eifer gründlich dargethan, wie verwirrend nnd ungerechtfertigt eine solche specificirende Auffassimg der Pusteleruptionen ist.

Eür uns wird es genügen, daran zu erinnern, dass Pusteln, d. i. eitrigen Inhalt bergende Epidermisbläschen und Blasen (Phlyzacion, Impetigo) und derbere, eitrig schmelzende Knoten (Ecthyma) überall da vorkommen, wo diffuse oder

^•^2 Aclitundzwanzigste Vorlesung.

circiimscripte acute Entzüudung und Exsudation im obersten Corium und in der Papillarschiclite vorkommt; demnach idio- pathisch bei der traumatischen, calorischen und venösen Hautentzündung, in Folge von Kratzen bei Eczem , Prurigo, Scabies, nach Einreiben von Unguent. Antenriethi mercuriale, bei manchen in der Haut selbst gelegenen Momenten zur Ent- zündung, wie bei Acne, Sycosis ; s y m p t o m a t i s c h bei Variola, Rotz, Syphilis, metastatischeu Vorgängen. Es stellen also bei aüen diesen Processen die auftauchenden Pusteln nur Theil- erscheinungen dieser vor und örtlich eine bis zur Eiterung ge- diehene Steigerung der Entzündung. Wir haben also gar nichts dagegen, wenn man zur gegenseitigen Verständigung über den momentanen Chara^iter einer Eruption, wenn dieselbe in der Gegenwart von Pusteln sich ausprägt , die Namen Im- petigo und Ecthyma beibehält. Allein es gehört dazu die Bezeichnung des Grundprocesses oder der Gelegenheitsursache, z. B. Ecthvmapusteln an den Unterextremitäten in Eolge von Prurigo oder Kleiderläusen, oder Impetigo in Folge von Eczem, oder von Kopfläusen. Als selbstständige Krankheitsprocesse sind aber die als solche ausgegebenen Impetigo und Ecthyma nicht zu betrachten. Nur eine Form ist besonders anzu- führen, die von Hebra als

Impetigo herpetiformis

bezeichnet worden ist.

Dieselbe ist bisher an der hiesigen Klinilc m 8 Italien beobachtet worden , von denen ich 5 gesehen habe. Alle be- trafen schwangere Frauen und waren m den letzten Monaten der Gravidität aufgetreten.

Es entwickeln sich im Schenkel-Leistenbug, am Nabel, an den Brüsten, Achselhöhlen, später auch an vielen anderen KörpersteUen, dicht gedrängt, gruppirt, stecknadelkopfgrosse, mit opakem, später grüngelbem Inhalte erfüllte Epidernndal- erhebungen, Pusteln. Dieselben trocknen zu einer schmutzig- braunen Borke ein, während unmittelbar rings um diese in einfachem bis zwei- und dreifachem Kreise neue solche perl- ähnliche Pusteln erscheinen, durch deren Eintrocknen die cen- trale Kruste vergrössert wird. So breitet sich der Process von einzelnen Ausgangspunkten, nach dem Typis des circi- nären Herpes, über grosse Strecken und zur Conflueiiz mit nachbarlichen Herden aus. Unter den sich ablösenden Borken

Impetigo lioi'petiformis.

473

ersclieint die Haut rotli und mit neuer Epidermis bedeckt, oder epidermislos, nässend, wie bei Eczem, infiltrirt und glatt, oder papillär, aber nie ulcerirt. Endlich, nacb 3 4 Monaten, ist fast die ganze Hautoberfläclie von der Erkrankung befallen, grössten- tlieils geschwellt, heiss, mit Krusten bedeckte, eingerissene oder excoriirte Eläcken zeigend, die noch da und dort von den Pustelkreisen umsäumt smd. Auch die Scbleimbaut der Zunge zeigte in einem Falle circumscripte , graue, im Centrum de- primirte Plaques. Continuirlich. remittirendes Eieber, mit inter- currirenden, die neuen Eruptionen ankündigenden Schüttelfrösten und hoher Temperatur, trockener Zunge begleiten die Krank- heit, welche in 6 Eällen zum Tode geführt hat. Nur eine Erau ist davon genesen, obgleich das Uebel sogar nach mehre- ren Wochen recidiv sich eingestellt hatte.

Die intercurrirende Entbindung hat weder in diesem Ealle den Krankheitsverlauf und die schliessliche Genesung, noch in den anderen Eällen den letalen Ausgang alterirt. (Eine Kranke war nur einmal im Ambulatorium erschienen.) Bei der Sectioai hat sich nur in einem Falle Endometritis und Peritonitis, in den anderen Fällen nichts Aufklärendes vor- gefunden.

Mit Rücksicht auf das ausschliessliche Vorkommen bei schwangeren Frauen müssen wir doch die Ursache der Impe- tigo herpetiformis in den Zustand des Uteras verlegen und den Process analog auffassen, wie andere von Uterinalzuständen angeregte Hautaffectionen, z. B. Pemphigus hystericus.

In dieser Beziehung ist der Fall, den C. Heitzmann mit- getheilt hat, interessant, nach dem bei einer in den klimakte- rischen Jahren befindlichen Frau Impetigo herpetiformis Hebea abgelaufen war und nun ein rasch tödtlich verlaufender Pem- phigus sich entwickelt hatte. Für die Deutung der Krankheit als metastatische Pustulosis (Neumaot) liegt vor der Hand ntu- ein Befund vor. Auspitz hat die Form als Herpes vegetans beschrieben.

Die Therapie bestand bei allen Fällen in kühlenden und antiphlogistischen Applicationen, Amylum, kalten Einhüllungen, später Soda- und einfachen coutinu.irlichen Bädern , einfachen Salben, Carbol-, Grypstheerverbänden neben den gegen das Fieber und das allgemeine ErgrifFensein des Organismus gerichteten Mitteln.

Neunundzwanzigste Vorlesung.

4. B 1 a. s e n a u s s c h 1 ä g e.

Pemphigus.

Begriffsbestimmung des Pemphigus. Allgemeine Unterscheidung in P. vul- garis und foliaceus. Allgemeine Symptomatologie. Speoielle Pemphigus- formen und deren Pathologie, Anatomie, Diagnose, Prognose, Therapie.

PemxDhigus chronicus, Blasenaussclilag, cliarak- terisirt sich, durch die in ehr onischer Daner sich wieder- holende Eruption von Blasen der allgemeinen Decke und der angrenzenden Schleimhaut.

Wir berücksichtigen also hier nicht die schon früher (pag. 333) als P. acutus besprochene Krankheitsform. Denn zum Charakter des Pemphigus (Sauvages), P. chronicus (Wich- mann), Pompholix (Willan) gehört im Sinne Hebea's neben der bullösen Form der Efflorescenzen auch der chronische Ver- lauf, derart, dass die Blasen in continuirlichen oder periodisch sich wiederholenden Ausbrüchen erscheinen.

Die überaus grosse Unterschiedlichkeit der Symptome des Pemphigus hat zur AufsteUung zahlreicher Arten desselben geführt, von denen z. B. H. Martius nicht weniger als 97 anführt.

Hält man sich an das für den Process wesentlichste Symptom, die Erscheinung von B 1 a s e n auf der allgemeinen Decke, so ist nicht zu verkennen, dass alle PemphigusfäUe, sie mögen sonst wie immer noch sich individuell markiren, nach der Erscheinungs- und Verlaufsweise der Blasen sich m zwei Kategorien unterscheiden lassen. Bei der einen machen

Pempliigus.

475

die einzelnen Blasen einen typischen Entwicklungs- nnd ßück- bildnngsgang durch, welcher damit endet, dass an ihrer Basis vollständiger Ersatz der Epidermis , Ueberhäutung , erfolgt. Diese Formen hebt Hebea als Pemphigus vulgaris hervor. In anderen EäUen findet eine solche Verheilung nicht statt. Die Oberhaut wird vielmehr von der ursprünglich ergriffenen Stelle aus fortschreitend losgehoben, so dass das Corium streckenweise roth und nässend blossliegt. Diese Formen repräsentiren den Pemphigus foliaceus (Cazenave).

Pemphigus vulgaris

kennzeichnet sich durch gut ausgebildete, prall gefüllte Blasen. In den häufigst zu beobachtenden Fällen gestaltet sich der Process annähernd folgendermassen.

Die Erkrankung wird durch fieberhafte Erscheinungen eingeleitet: Schüttelfrost, erhöhte Hauttemperatur und Puls- frequenz, Ueblichkeit, Erbrechen u. s. w. Das Fieber begleitet auch die weiteren Eruptionen mit continuirlich remittirendem, manchmal regelmässig intermittirendem Typus, fällt allmälig mit dem Nachlass der Blasenausbrüche und steigt plötzlich vor jeder neuen reichlicheren Eruption.

Auf der allgemeinen Decke erscheinen in den meisten Fällen lebhaft rothe Flecke , auch einzelne Qua'ddeln , welche sich zu den bekannten Formen des Erythema annulare , gyra- tum, figuratum, urticatum entwickeln und während der ganzen Dauer der Blaseneruptionen an den verschiedensten Stellen des Körpers wiederholt oder continuirlich sich erneuern.

Die Blasen erheben sich theils über einzelnen solchen Erythemflecken und Quaddeln, theils auf vorher scheinbar nicht veränderter Haut. Ihre Grösse variirt von der eines Schrotkorns, einer Erbse, Haselnuss bis zu der eines Hühnereies und darüber und eben so verschieden ist ihre Menge, von einzelnen wenigen bis zu 50, 100 und 'darüber gleichzeitig vorhandenen. Sie sind unbestimmt localisirt, unregelmässig zerstreut (P. disseminatus) öder stellenweise dicht gedrängt (P. confertus, P. en grouppes, Eayer), in seltenen FäUen um je eine centralstehende ältere Blase zu 3 5 gestellt (P. c ircin atus), wodann sie nach Ver- heilung der mittleren Blase Kreise bilden und in weiterer Folge Schlangenlinien von Blasen (P. gyratus, serpiginosus).

476

Neunundzwanzigsto Vorlesung.

Jede einzelne Blase besteht in ursprüngliclier Grösse, oder nimmt durch Einbeziehung nachbarlicher Blasen oder eigenes "Wachsthum an Umfang zu und macht einen typischen Verlauf durch. Ihr klarer, wasserheller oder weingelber, manch- mal etwas hämorrhagisch gefärbter (P. haemorrhagicus) In- halt wird bald lymphid, nach 1 2 Tagen eitrig trübe, die Blasen- decke vertrocknet als solche oder, nachdem sie geborsten, mit dem Exsudate und Blut zu einer Borke. Nach deren Abfallen erscheint die Hautstelle in einer der Basis der Blase ent- sprechenden Scheibenform mit junger Epidermis überkleidet, blauroth, später für einige "Wochen braun pigmentirt.

Der Process dauert nun in der angegebenen Weise an, indem Steigerung des Eiebers, der Erythem- und Blasen- ausbrüche mit ßemissionen sich ablösen. Wo die Blasen und Borken dichter gedrängt sind und unter den letzteren Exsudat abgesperrt geworden , ist die Haut über grössere Strecken heiss, ödematös, schmerzhaft, von Lymphangioitis gezeichnet und diese mit Adenitis complicirt. An subjectiven Er- scheinungen sind zu erwähnen: mässiges Brennen und Jucken an Stelle der Blasen, Schmerz und Spannung an dicht mit Blasen und Borken besetzten oder durch Losreissen dieser ex- coriirten Partien, Schlaflosigkeit, Mangel an Esslust, Durst während der Exacerbationsstadien. Die Kranken kommen durch letztere Zustände, das Eieber und den directen Kräfteverlust bedeutend herunter.

Nach 2— Bmonatlicher Dauer ist der Process beendet. Das Eieber hat aufgehört, es kommen nur einzelne, bald gar keine neuen Blasen, Schlaf und Esslust stellen sich wieder ein und die Kranken erholen sich rasch. Der Betroffene kann nun sein Lebelang gesund bleiben. Meist folgen aber in Zwischen- räumen von Monaten oder einem Jahre mehrere neue Er- krankungsperioden, mit denen die Krankheit endet. Oder die Eruptionsperioden schliessen später eng aneinander und werden zum continuirlichen Pemphigus (P. diutinus).

Die eben geschilderte Eorm des Pemphigus bezeichnet Hebra als P. vulg. benignus. Er entspricht dem P. idio- pathicuB dispersus infantum (nach Schuller), P. benignus autorum.

Es gibt aber noch viel gutartigere Verlaufsweisen des Pemphigus. Entweder indem bei kurzer Dauer und lieberlosem

Pempliigus.

477

Verlaufe (P. apyreticus) der einzelnen Eruptionsperioden immer nur wenige Blasen erscheinen ; oder, wo zwar Adele J ahre, oft das ganze Leben Hndurcli Blasen kommen (P. dintinus), aber docb nie mehr als eine einzige (P. solitarins), oder vereinzelte o-leicbzeitig zugegen sind. Auch der höchst seltene P. loc alis wäre hieher zu rechnen, bei welchem nur auf einer beschränkten Hautstelle, gewöhnlich der Finger, Zehen und der Nase auf diffus blaurother, kühler Haut einzelne Blasen erscheinen.

Den benignen Pemphigusformen gegenüber steht der P. vulgaris ma lignus, dessen gefährlicher Charakter auch wieder durch verschiedene Momente ausgedrückt sein kann: eine überaus grosse Menge und continuirlich nachschiebender Blasen (P. diutinus Willan; P. permanente et continue), anhaltendes Fieber, rasche Hinfälligkeit des Kranken, (P. cachecticus infantum, Schuller); oder durch den Ueber- gang des P. vulgaris in den P. foliaceus, indem an Stelle der abgehobenen Blasendecken das Corium roth entblösst verbleibt, oder mit graugelbem croupösem Exsudate sich belegt, ohne oder mit gleichzeitiger derber Infiltration der Ciitis und Detritus ähnlichem Zerfalle ihrer oberen Schichten P. diphtheri- ticus; endlich Formen, bei welchen auf der blossgelegten Hautfläche der Achselhöhle, des Schenkelbuges, manchmal auch an anderen Körperstellen, drusige, viscides, bald ranzig riechendes Secret absondernde und theilweise nekrosirende fiingoide Wucherungen in üppiger "Weise sich entwickeln (Hebra, ich), die entweder lange stationär bleiben, oder rasch serpiginös sich ausbreiten (Nedmann). Alle diese Formen können wohl auch in Genesung enden, führen aber doch meist zum Tode.

Auch Pemphigus pruriginosus gehört zu den üblen Formen. Das heftige Jucken, welches denselben auszeichnet, bildet nicht nur eine subjectiv sehr belästigende, durch Störung des Schlafes und nervöse Alteration den Kranken erschöpfende Erscheinung, sondern begründet auch ein von den gewöhnlichen ganz abweichendes Krankheitsbild. Es kommt nämlich höchst selten zur Formation von Blasen, weil die Kranken sofort die Urticaria-Quaddeln, auf welchen diese sich zu erheben anschicken, zerkratzen. Dagegen finden sich alle Symptome, welche bei jahrelang andauerndem Jucken und Kratzen (Priiritus cutaneus, Prurigo) sich sonst vorfinden: Excoriationen , schuppiges und crustöses Eczem, braune Pigmentirung in Form von Strichen

478

Neunundawanzigste Vorlesung.

und JFlecken, Trockenheit der Haut und all' dies ganz unregel- mässig über den Körper zerstreut.

Pemphigus foliaceus

kennzeichnet doli neben schlappen Blasen, an deren abhängigen Theilen der spärliche, bald trübe werdende Inhalt sich an- sammelt, dadurch, dass an der Basis der Blasen keine Ueber- häutmig erfolgt. Dies rührt zunächst daher, dass von der lU'sprünglichen Blasengrenze aus die Loswühlung der Epidermis- decke peripher fortschreitet, welche sich in Falten, ähnlich den Blättern eines „Butterteiges" , zusammenschiebt („Patisserie feuilletee", daher die Bezeichnung „foliaceus" von Cazenave). So wird das Corium sehr bald über flachhandgrosse und aus- gebreitete Strecken blossgelegt. Dasselbe erscheint, wie bei Eczema rubrum, roth, nässend, das dünne Secret trocknet da und dort zu dünnen, firnissähnlichen, leicht einreissenden Krusten ein. Es bilden sich zwar immer auch an einzelnen Stellen junge Epidermisdecken , diese werden aber bald wieder mechanisch oder durch neue Exsudation abgehoben. Binnen vielen Monaten oder Jahren hat der Process den ganzen Körper occupirt. Nirgends ist dann eine Blase zu sehen, da die Epidermis nicht dick genug ist , um sich vorzuwölben. Sie reisst sofort ein. Die allgemeine Decke ist von unregelmässigen, aus kleinen Bogensegmenten sich zusammensetzenden Rissen durchzogen, während die Zwischenfelder theils mit Krusten belegt, theils nässend, oder braunroth trocken, oder perganient- artig erscheinen. Die Kopfhaare sind dünn, grösstentheüs ausgefallen, die Augenlider sind ektropisch, das Lidividuum abgemagert, die Nägel dünn, brüchig. Das Liegen und Wenden des Kranken ist mit grossen Schmerzen, Losreissen der losen Blasendecken und Krusten verbunden und das subjective Be- finden meist sehr übel. Die Fieberbewegung ist sehr variabel, anfangs kaum merklich oder intermittirend, im späteren Stadium continuirlich.

P. foliaceus ist jedenfalls die bedenklichste Form der Krankheit. Derselbe endet fast immer letal, wenn wir auch Dank der vorgeschrittenen Therapeutik in den letzten Jahi'en in mehreren Fällen theils Heilung, theils wesentliche Ver- längerung des Lebens erzielen konnten.

Diese Form erscheint entweder von vornherein als solche,

Pemphigus.

479

oder entwickelt sich nach vieljähriger Dauer des P. vulgaris aus diesem, wenn die Eruptionen continuirlich und das Indi- viduum cachectisch geworden. Aus P. circinatus geht oft P. foliaceus hervor, weil die hart an der Grenze der centralen Blasen sich formirende neueEpidermisloshebung die Regeneration der Epidermis im Centrum anatomisch erschwert.

Auch auf der Schleimhaut der Mund- und Rachen- höhle und des Kehlkopfes kommen Blasen zur Entwicklung, u. zw. sowohl bei P. vulgaris als foliaceus. Ihre Epitheldecke wird bald macerirt, grau getrübt und abgestossen und hinterlässt scharf begrenzte, lebhaft rothe oder graubelegte Scheiben. So lange dieselben nur vereinzelt ersclieinen und rasch überhäuten, belästigen sie nur durch die vorübergehende Schmerzhaftigkeit. Beim Sitze am Kehldeckel bedingen sie Suffocations-Gefahr. Höchst bedenklich wird der Zustand, wenn die Blasen auch hier, wie bei P. foliaceus der aUgemeüien Decke verlaufen, wobei über dem Isthmus faucium, der hinteren Rachen- wand , den Kehldeckel das Epithel diffus abgehoben und die Mucosa wie gefirnisst, braunroth und trocken erscheint, die Kranken weder Speisen noch Getränke über die starre Schleim- haiit zu befördern vermögen, auch das Athmen beeinträchtigt, die Stimme bis zur Aphonie abgeschwächt wird ; denn dadurch wird die Gefahr des Lebensendes ausserordentlich beschleunigt.

Auch an der Conjunctiva bulbi sind Blasen bei Pemphigus

beobachtet worden.

Pemphigus der Schleimhaut kommt zuweilen gesondert, oder als Vorläufer des Pemphigus der allgemeinen Decke, in der Regel jedoch nur in Gesellschaft mit letzterem vor.

Anatomisch unterscheiden sich die Blasen bei Pem- phigus von denen bei Herpes, Eczem u. s. w. vermöge ihres höchst oberflächlichen Sitzes. Ihre Decke wii'd von den obersten HornzeUenlagen gebildet, ikre Basis von einem massig längs- fächerigen Rete, dessen spärlich aufsteigende Balken bei stärkerer Füllung der Blase sehr bald abgerissen werden, so dass später die Blase fast rein einkämmerig erscheint. An der unteren Fläche der Blasendecke hängen oft die aus den Follikel- mündungen ausgelösten Epidermisfortsätze als conische An- hänge. Die der Blase entsprechenden Papillen sind serös imbibirt, von weiten Räumen durchzogen (Haight). Nach diesen anatomischen Verhältnissen geht also bei Pemphigus stets nur

^gQ Neunundzwanzigste Vorlesung.

die oberste Epidermislage verloren und kann dalier auch bei noch so langer Dauer und grosser Ausbreitung des Processes örtlich kein Substanzverlust und keine Narbe entstehen, sondern es folgt vollständige Restitution mit vorübergehender stärkerer Pigmentirung. Doch bleiben Narben nach P. leprosus zurück und hat solche einmal Steinee auch bei P. vulgaris gesehen. Baerensprung, Hebra iTnd ich haben einigemal an den Händen, Armen, ich auch am Stamme, nach Verheilung der Pemphigus- blasen Hunderte von zierlich gruppirten, periweissen Milium- körnchen gesehen, die erst nach Wochen und Monaten sich auslösten. Bei P. foliaceus und cachecticus habe ich gegen das Lebensende auf dem Unterleibe dicht gedrängt zahl- reiche Furunkel, an anderen Stellen tiefgreifende Verschwärung beobachtet.

Grosse Aufmerksamkeit hat man seit lange dem anatomisch- chemischen Verhalten des ß 1 a s e n i n h al t e s zugewendet, immer in der stillen Hoffnung, in demselben eine Materia peccans zu finden, deren Gegenwart im Kreislauf als nächste Ursache der gesam'mten Krankheit angesehen werden könnte imd deren Elimi- nation durch die Capillaren der Haut örtlich unter gleichzeitigem massigem Exsudataustritt und Blasenbildung erfolgte. Aber nicht einmal über die Reaction der Blasenflüssigkeit, geschweige denn über die einzelnen chemischen Bestandtheile derselben finden sich übereinstimmende Angaben. Gewiss müssen diese schon verschieden ausfallen , je nachdem frischer , klarer oder bereits trübe gewordener Blaseninhalt untersucht wird. Die Meisten stimmen doch darin Überein, dass der Blaseninhalt wesentlich die Eigenschaften des Blutserums darbietet, neutrale oder schwach alkalische Reaction, Ausfallen von mollecularem Eiweiss beim Kochen, zuweilen hiebei ein membranöser Nieder- schlag, in der heUen Flüssigkeit spärliche Formelemente , un getrübten mehr Eiterkörperchen, oft auch rothe Blutkörperchen (G SmoN Wedl u. A.). Saure Reaction, von freier Essigsam-e herrührend, gibt Heineich an. Von älteren Untersucheru hat Feanz Simon und Raysky neben Eiweiss, phosphorsauren Salzen, milchsaurem Natron, Chlorsalzen und Cholesterin weder Essig- säure noch Harnstoff, Dr. Heinrich freie Essigsäui-e angegeben ;

FOLWAEEZNY, SCHAUENSTEIN Leuciu Uud Tvrosm; bCHNEIDER

nichts von anderweitigem Blaseninhalt Auffälliges getunden. Malmsten führt an Harnsäurekrystalle. Bambeegee und neuer-

Peiiipliigiis.

481

Hell C. Beyerlein haben freies Ammoniak im Blaseninlialt nachgewiesen ; E. Ludwig kein solches , noch Lencin oder Tyrosin, dagegen wenig Harnstoff neben Paraglobnlin , nnd Sernm-Albnmin (NeuiMANn).

Eben so verschieden sind die Resultate der Harn- imtersnchungen selbst bei ein nnd demselben Kranken ausgefallen. Raysky, Heller, Hillier haben einigemale erheb- liche Verminderung des Harnstoffes constatirt. Die Prüfung des Blutes Pemphigöser (Kaysey , v. Bamberger) hat nichts erheblich Abnormes ergeben. Vieles von den Befunden, wie die Verminderung der Blutkörperchen (Bamberger), ist sicher auf Rechnung der im Verlaufe des Pemphigus sich geltend machenden. Anämie und Ernährungsabnahme zu stellen, gerade so, wie die- durchschnittlichen Befunde bei der Obduction. So gibt Hebra an : Anämie der Musculatur , Schlaffheit der Lungen und des Herzens, seröse Durchfeuchtung des Grehirns, aUgemeine Anämie.. Auch die gelegentlich gefundene amyloide Degeneration der Leber und Milz (Hertz) ist als Ausdruck der Cachexie anzu- sehen. Als Resultat in einzelnen Eällen eingetretener Com- plication und nächster Todesursache wären anzuführen : Pneu- monie , Tuberculose , Eolliculärschwärung des Darmes , acuter Morb. Brigthii.

Haben alle diese Eunde die innere Bedeutung der Krank- heit nicht klarzulegen vermocht, so konnten sie auch nicht, viel Positives ergeben bezüglich der

Ursachen des Pemphigus. Schon die relative Seltenheit der Krankheit und die geringe Uebereinstimmung der ein- zelnen Krankheitsfälle untereinander, ist ungünstig für die Eruirung diirchwegs giltiger ätiologischer Momente. Liner- halb der 13 Jahre, vom Jahre 1865 1877, sind auf der hiesigen Hautkranken- Abtheilung 103 Pemphiguskranke (79 M. + 24 W.) behandelt worden , bei einem Summarkranken- stande von 30.362 Hautkranken und 278.952 Kranken des Spitales überhaupt. Von allgemeinen ursächlichen Momenten,, als Nationalität , Beschäftigung , Lebensweise , Jahreszeit, klimatische Verhältnisse u. s. w. hat sich nichts Massgebendes gewinnen lassen. Das weibliche Greschlecht zählt unter unseren Eällen mit einem Drittel der Männer. Das Alter scheint von wesentlich disponirendem Einflüsse, da bei Säug- lingen und Neugebornen Pemphigus viel häufiger vorkommt als.

Kaposi, Hautkrankheiten. 31

^g2 Neunundzwanzigste Vorlesung.

bei Erwaclasenen ; nacli Hebra und Steiner 1 : 700 Spitals- krankeii und vorwiegend gegen den 2. Lebensmonat.

Contagiosität hat man bisher weder klinisch noch experimentell bei Pemphigus nachweisen können. Heredität der Disposition konnte selten, aber unzweifelhaft constatirt werden, wie bei einem 22jährigen Manne auf der hiesigen Klinik , der seit seiner ersten Jugend an Pemphigus litt und angab, dass seine Mutter, Schwester, der Bruder seiner Mutter und die eine Hälfte seiner Kinder an der Krankheit litten. Die Vorstellung, dass chemische oder mechanische Störungen der Harnsecretion den Pemphigus veranlassten, indem die im Blute zurückgehaltenen ExcretionsstofFe von der Haut als dem vicariirenden Organe der Nieren ausgeschieden würden und da durch Eeizung die Pemphigusblasen hervorriefen (P. ab infarctibus renum et ab calculosis) ist schon gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von Braune und später wiederholt aus- gesprochen worden. Auch hat diese Idee einigermassen eine Stütze darin gefunden, dass einigemale Harnstoff, Harnsäure und freies Ammoniak im Blaseninhalte gefunden wurde, sowie durch das Zusammentreffen von Nierenerkrankungen mit Pem- phigus. So hat Steiner mit solchem periodische Hämaturie gesehen und jüngst Bbyerlein bei einem 9jährigen Knaben nach Ablauf von Scarlatina unter Zeichen von acutem Morb. Brightü. und von Urämie allgemeinen Ausbruch von Blasen beobachtet, deren Inhalt von freiem Ammoniak alkaHsch reagirte. Doch ist, wie erwähnt, in der Mehrzahl der FäUe solches weder im Blaseninhalte, noch je im Blute (Bamberger) gefunden worden.

Zweifellos ist manchmal der Pemphigus von hysterischeu Zuständen herzuleiten P. hystericus, sofern diese in AnomaHen der weiblichen Sexualfunctionen beruhen. Bei ein- zelnen Erauen ist die Krankheit regelmässig mit jeder Con- ception erschienen und mit dem Ende der Schwangerschaft geschwunden (Hebra); und in einem Falle von Köbner zwei- mal kurz nach der Entbindung aufgetreten (Herpes gestationis, BuLKLEY), Analoga der mit solchen Zuständen beobachteten Urticaria 'chronica. Im Verlaufe von Pyämie und nach Variola hat Steiner Pemphigusausbruch gesehen.

Bei Lepra haben Boeck und Danielssen Pemphigus mit NarbenbUdung an Stelle der Blasen beobachtet _ P. 1 e p r o s u s

Pemphigus.

483

bei Einen in Form von einzelnen Blasen, die auf anästhe- tischen Hiutstellen auf Druck oder auch spontan plötzlich entstanden (Epinjdvtis ? der Alten), bei Anderen Jahre hindurch als Prodromen der eigentlichen leprösen Erkrankung.

Syphilis als Ursache des Pemphigus ist bekannt P. syphiliticus. Dieser erscheint als Symptom hereditärer Lues entweder angeboren, oder 3 6 Wochen nach der Greburt. An Stelle der Blasen ist die Haut geschwürig. Bei erwachsenen Syphilitischen kommt es nur selten über ulcerirenden Knoten zur Bildung von Blasen und dem Schema des P. syphiliticus.

Einmal habe ich mit Hebra bei einem seit Kindheit an Prurigo leidenden 22jährigen Manne Pemphigus vulgaris der Haut und Schleimhaut mit schweren Symptomen durch etwa ein Jahr verlaufen sehen. Die charakteristischen Er- scheinungen der Prurigo waren während des Pemphigus ge- schwimden und nach Ablauf desselben wieder gekommen.

Die letztaufgezählten Formen von Pemphigus können mit Rücksicht auf die eruirbare Ursache als P. symptomaticus bezeichnet werden, gegenüber den bei'weitem häufigeren Fällen des P. idiopathicus, welche noch ihrer ursächlichen Er- klärung harren.

Zur Diagnose des Pemphigus gelangt man durch Fest- stellung der für die einzelnen Formen der Krankheit früher geschilderten wesentlichen Symptome, die also bei P. vulgaris anders geartet sind als bei P. foliaceus, P. syphiliticus oder P. pruriginosus. Wenn neben vielen Blasen auch Krusten und Pigmentflecke verschiedenen Alters und in den Blasen ent- sprechende Formen zugegen sind, aus welchen die chronische Wiederkehr der Erscheinungen erschlossen werden kann, ist die Diagnose wolil am leichtesten zu machen. Doch ist auch hier Täuschung möglich, da das Bild auch bis zu gewissem Grade künstlich, durch täglich bald da, bald dort applicirte blasenziehende Mittel, Canthariden, Mezereum, hervorgerufen werden kann (simulirter P.), wie dies Greisteskranken, Spitals- Simulanten bisweilen gelungen ist. Jeder Pemphigus ist in der ersten acuten Eruptionsperiode, bei dem Abgange der Sj^mptome des chronischen Verlaufes, nur mit Vorbehalt zu diagnosticiren, da Verwechslung mit Urticaria buUosa, Erythema bullosum, Herpes Iris und circinatus, Impetigo faciei möglich ist. Eben so muss man bei weit vorgeschrittenen, ausgebreiteten Formen

31*

4g4 Neumindzwanzigste Vorlesung.

\md universellem P. foliaceus die Täuschung gegenüber von Eczema rubrum (E. pempliygodes) , Pityriasis rubra, Scabies; bei P. pruriginosus rücksicbtlicli Pruritus cutaneus, Prurigo, Urticaria chronica vermeiden und überbaupt alle jene Krank- beitsformen znv Differentialdiagnose in's Auge fassen, bei welchen gelegentlich Blasen entstehen können, wie über gan- gränöser (P. gangraenosus ?) oder anästhetischer Haut; oder wo Krustenbildung und Epidermisloslösung in chronischer Folge sich wiederholen können.

Die Prognose hängt zum Theile von der speciellen Eorm der Krankheit ab. P. vulgaris gestattet im Allgemeinen eine günstige, P. foliaceus und pruriginosus eine zweifelhafte oder sofort ungünstige Vorhersage, da letztere Formen gewöhn- lich in continuirlichem Verlaufe zum Tode führen. Im speciellen Falle ist aber auch bei P. vulgaris keinerlei Anhaltspunkt für die Beurtheilung des weiteren Verlaufes gegeben und daher die Vorhersage nur mit grosser Vorsicht und nur für die nächste Zeit zu stellen. Hiebei muss aber der gesammte Symptomencomplex erwogen werden. Allgemein können Fälle mit prall gefüllten und nicht zu zahlreichen, in zögernder Weise erscheinenden Blasen (P. benignus, P. hystericus, P. solitarius) und fieberlosem Verlaufe bei gut genährten, jüngeren Individuen und Säuglingen zeitlich günstig angesehen werden, ' während solche mit reichlichen und continuii-lichen Nachschüben von vielleicht gar matschen Blasen, bei gleichzeitig anhal- tendem Fieber, KräfteverfaU und Marasmus des Betroffenen ungünstig zu beurtheilen sind.

Für die Behandlung des Pemphigus gilt noch heute das Urtheil Jos. Fkank's in vollem Masse, der da sagt, dass ihn bei dieser Krankheit aUe möglichen internen Mittel, Diuretica, Drastica, Diaphoretica, Amaricantia, Epispastica, Derivantia, Antipsorica und sogenannte Specifica in Stich gelassen. "Wir besitzen gegen keinerlei Form, weder des symptomatischen noch des idiopathischen Pemphigus, ein specifisches oder direotes Heilverfahren und es haben auch die in den letzten Jahrzelmten versuchten und empfohlenen innerKchen Mittel, Arsen (Hutchin- son), Karlsbader Thermen (Oppolzer), Acida (Rayer), Schwefel- und Salpetersäure-Limonaden, welche namentlich Bamberger der Absicht das zuweilen im Blute nachgewiesene Aiiimoniak neutralisiren, empfohlen hat, nichts gefruchtet, ^sur

m zu

Pemphigus.

485

inwiefern bei den ersteren ein ursäcliliclies Moment angenommen oder erwiesen sein kann (pathologische Zustände der weiblichen Sexualorgane) mag ein entsprechendes Verfahren Platz greifen, sonst sind wir auf die symptomatische Local- und Allgemein- therapie beschränkt. In der ersten Zeit des Ausbruches und bei Gegenwart disseminirter Blasen begnüge man sich mit der Inspersion von Streupulvern. Wo die Blasen dicht gedrängt stehen, steche man sie an, um das Gefühl der Spannung zu beheben. Mit Krusten belegte imd streckenweise der Epidermis beraubte Stellen sollen mit indifferenten Salben, wie bei Eczem, belegt werden. Kalte Umschläge, allgemeine nasse Einhüllungen eignen sich bei stark entzündeter Haut, hohem Fieber und ausgebreiteter Eruption. Das continuirliche Bad ist ein un- schätzbares Deckmittel bei P. foliaceus und hilft am besten die Schmerzen zu lindern, die Eieberbewegungen zu mitigiren und durch Eückkehr des Schlafes und der Esslust den Kranken über die Eruptionsperiode hinwegzubringen, der er sonst viel- leicht vorzeitig erliegen würde. "Wir haben derart einen Kranken über 4 Jahre erhalten, der, kürzere Zeiträume nicht gerechnet, einmal 8 Monate Tag und Nacht zu seinem höchsten Gewinne im Bade verlebt hat. Protrahirte Theerbäder sind sehr vortheil- haft und manchmal geradezu heilsam gegen P. pruriginosus. Alaun-, Sublimat- imd Schwefelbäder sind gegen P. vulgaris empfehlenswerth.

Gegen die begleitenden Eiebererscheimingen und zufälligen Complicationen sind die denselben entsprechenden innerlichen Mittel, Chinin, Acida, Ferrum, Amara, Opiate, Chloralhjdrat etc. nach Anforderung des specieUen Falles zu verwenden.

Y. Olasse.

Haemorrhagiae cutaneae.

Durch Blutavistritt bedingte Krankheitsfomen der Haut.

Dreissigste Vorlesung.

Bedeutung und anatomische Bedingungen, klinische Formen der Haemorrhagiae eutaneae , Vorgang bei ihrer Involution. Idiopathische und symptomatische Formen. Contusion, Verletzung, Purpura senilis, P. variolosa , rheumatica , simplex, haemorrhagica. Scorbut. Hämophilie.

Hämatidrosis.

"Wiederliolt ist im Verlaufe der bisherigen Darstellung von cutanen Hämorrhagien die Eede gewesen, wie bei Be- sprechung der Blattern, des Zoster, des Erythema nodosum. Bei diesen, so wie bei manchen anderen Processen, stellen die Blutergüsse in die Haut mehr oder weniger bedeutungsvolle CompHcationen vor; bei anderen bilden sie jedoch die wesent- lichste oder ausschliessliche Krankheitserscheinung.

Wie der Name besagt, handelt es sich bei der Haemor- rhagia cuitanea um freien Austritt von Blut aus den Capillaren und feinsten Gefässen der Haut. Oft kann eine Zerreissung (Rhexis) der Grefässwand angenommen oder erwiesen werden, womit für den Blutaustritt (Extravasat) der Weg offen ist. In anderen Fällen jedoch scheint der Durchtritt von rothen Blutkörperchen bei unverletzter Grefässwand stattzufinden, deren Permeabilität für einzelne Körperchen Strickee schon vor Jahren und für ganze Zellhaufen erst jüngst demonstrirt hat (Diapedesis). Oder es mag nur blutig gefärbtes Serum in

Hämorrhiagien.

487

die Grewebe diffuncliren, was eine cliemisclie Decomposition des Blutes innerhalb der Grefässe, Trennung des Hämatins von den rotben Blutkörpereben, voraussetzt.

Jene Läsion kann erfolgen dnrcb mecbaniscbe Einwirkung von aussen (Stoss, Quetschung, Stieb), oder indem die Gefäss- wandung dem inneren Blutdruck nicht "Widerstand zu leisten vermag. £ei allgemein erhöhtem Blutdruck, wie in der Fieber- hitze, bei gewissen Herzfehlern ist das nicht der Fall, wohl aber, wenn in beschränkten Hautregionen durch behinderten Rückflnss des Blutes der Druck auf die Gefässwände sich steigert, z. B. im heftigen Hustenanfall, im Paroxysmus der Epilepsie im Bereiche der Kopfhautcapillaren , an den Unter- extremitäten bei Varicosität. Die gleiche Veranlassung Hegt in der relativen Erhöhung des Blutdruckes durch Verminderung der Widerstandskraft der Capillarwandungen. So wenn die stützende Decke der PapiUengefässe , die Epidermis, abgängig ist, wie bei der Blasenbikkxng ; oder wenn die Gefässwandung in der Ernährung gelitten hat; wie örtlich in Entzündungsherden, oder bei allgemeiner Ernährungsdepression an den abhängigen Körperpartien. Hieher gehört auch die Bliitung in Folge Herabsetzung des den Körper umgebenden Luftdruckes beim Ersteigen hoher Berge, wobei auch der durch die gesteigerte Herzaction erhöhte Blutdruck die Hämorrhagie begünstigt (Blutung aus der Nasenschleimhaut, Lunge, Conjunctiva, den Fingerspitzen); die beim Aufstieg in dünne Luftregionen mittels Ballons ; die diirch örtliche Druckverminderung mittelst Schröpfkopfes entstehende Blutung u. Ae.

Der Blutaustritt erfolgt entweder zwischen die Epidermis- schichten, oder in die Gewebsmaschen der Papillen und der Lederhaiit , seltener in die Drüsenhöhlen, und in's Unterhaut- zellgewebe. Dabei werden die Gewebselemente entweder nur auseinander gedrängt oder, bei massenhafter Extravasation, auch theilweise von einander gerissen. Ztuneist erscheinen die Hämorrhagien der Haut in getrennt stehenden und ziemlich scharf begrenzten Flecken und Streifen von verschiedener Grösse und Form, als 1. Petechien, das sind punktförmige bis fingernagelgrosse , lebhaft- bis lividrothe, im Niveau der Haut liegende, oder wenig vorspringende, zackig begrenzte Flecke, welche unter dem Fingerdrucke nicht schwin- den, 2.Vibices, streifenförmige und S.Ecchymosen, thaler-

488

Dreissigste Vorlesung.

bis flachliandgrosse solche , unter dem Eingerdrucke nicht erblassende Verfärbungen. Seltener bilden dieselben kleine, den rollikelmündungen entsprechende Knötchen Liehen hae- morrhagicus — oder geschwulstartige, derbe oder fluctuirende Beulen, Ecchymoma; endlich subepidermidale Blutansamm- lungen in Form von hämorrhagischen Blasen. Am seltensten findet freier Blutaustritt bei unverletzter Oberhaut aus den Schweissdrüsen oder Haarfollikeln statt (Hämatidrosis).

Die hämorrhagischen Flecke bestehen in ihrer ursprüng- lichen Form und Grrösse so lange, bis das ergossene Blut seine physiologische Umwandlung durchgemacht hat ixnd zur Re- sorption gelangt ist. Sie sind deshalb auch an der Leiche zu sehen. Aenderungen an denselben kommen nur durch neuen nachbarlichen Bluterguss zu Stande. Die Flecke invohdren sich unter bestimmten Farbenveränderungen, ohne Schuppung ihrer Oberfläche, binnen eines der ausgetretenen Blutmenge adäquaten Zeitraumes. Hiebei ändert sich die im Momente ihres Ent- stehens lebhaft rothe Farbe rasch in Blauroth, später Gelblich- grün und Braun um, welch' letzteres am längsten persistirt.

Diese Involutionserscheinungen hängen mit den Ver- änderungen zusammen, welche das aus den Gefässen in die umgebenden Gewebe ausgetretene Blut, speciell das Hämatin erfährt. Dieses trennt sich entweder von den rothen Blut- körperchen des Extravasates und tritt färbend in die um- gebenden Flüssigkeiten, Fibringerinnsel und Gewebselemente ein. Nach Auflösung, Resorption jener bleibt das Hämatin in Form von punktförmig zerstreuten, oder zu Klümpchen aggre- girten, orangegelb bis rostbraunen Körnchen zurück (G. Simon), während die extravasirten Blutkörperchen durch Zerfall und Aufsaugiing verschwinden. Oder die rothen Blutkörperchen behalten ihr Hämatin und verschrumpfen zu solchen Körnchen- haufen. Oder endlich, es scheidet sich Hämatoidin in Gestalt von schön gelbrothen bis rubinrothen, rhombischen Säulen und Tafeln aus (Viechow). Bei geringer Menge und oberflächlicher Lage der Hämorrhagie können solche Pigmente später spurlos schwinden. Nach tiefer im Corium stattgehabter und ausgebreiteter Hämorrhagie bleibt manchmal dauernd braime Pigmentirung zurück. Hat sich das Extravasat in eüier grösseren, durch Aufwühlung entstandenen Höhle angesammelt, so trennt sich zunächst das Blutserum von dem Fibringerinnsel. Dieses

Hämorrhagien.

489

schrumpft allmälig unter Verschwinden des Serums und Ab- gabe der eingeschlossenen Blutkörperchen an die Umgebung und schwindet durch einfache Auflösung (Langhans). Endlich werden sehr umfangreiche Extravasate cj^stenartig eingekapselt.

Ihrer G-elegenheitsursache nach sind die Hämorrhagien der Haut idiopathische oder Symptom ati sehe. Ausser- dem hat sich die Unterscheidung der durch traumatische Einwirkung entstandenen Hämorrhagien von den spontan auf- tretenden eingebürgert, indem letztere allgemein als Purpura bezeichnet werden; doch wird diese Begriffsbestimmung nicht immer streng eingehalten.

Die idi opathischen Hämorrhagien verdanken ihre Entstehung der Einwirkung von Traumen auf die Haut, durch welche die Grewebe und Gefässe der letzteren mechanisch zerrissen werden, oder sie werden durch örtliche und in der Haut selbst gelegene Circulationshindernisse veranlasst. Zur el'steren Art zählt die Quetschung, C o n t u s i o, welche unter lebhafter Schmerzempfindung durch heftigen Druck einer Hautstelle gegen einen harten Körper, Stoss , Einklemmen, hervorgerufen wird. Der Mannigfaltigkeit der einwirkenden Schädlichkeiten entspricht die grosse Variabilität ihrer Zahl, Stellung, Intensität. Dort, wo die Cutis der einwirkenden Schädlichkeit auszuweichen am meisten gehindert ist, über Knochenvorsprüngen, findet sich die Quetschung am häufigsten. Der Bkiterguss erfolgt nach Einklemmung oft aus dem Papillar- körper in die Epidermisschichten , sub forma einer hämorrha- gischen Blase, welche bald platzt, oder dieselbe trocknet mit dem flüssigen Inhalte zu einer rostbraunen, krümeligen Masse ein, die binnen 1 3 Wochen exfoliirt wird. Bei stärkerer Contusion erhebt sich die Haut als lebhaft rothe , derbe , schmerzhafte Beule, welche binnen 1 2 Tagen einsinkt und unter den bekannten Farbenveränderungen schwindet. Das Blut ist hier diffus ergossen , infiltrirt. Bei hochgradiger Contusion sammelt sich das Blut in einer grösseren, durch Loswülilung entstandenen Höhle, Blutbeule , Ecchymoma, an. Auch da kann in der früher besprochenen "Weise allmälige ßesorj^tion des Ergusses erfolgen. Oder es entsteht acute, schmerzhafte Entzündung des umgebenden Grewebes und ein A b s c e s s, mit dessen Eröffnung der hämorrhagische Inhalt, wie die mechanisch abgetrennten und nekrosirten Gewebstrümmer ausgestossen

^gQ Dreissigste Vorlesung.

werden. Seltener bildet sich unter Nachlass der anfänglichen Schmerzhaftigkeit , unter lentescirendem Verlaufe, eine unter dem Einger auf ihrer Höhe fluctuirende, gegen den Rand hin crepitirende Geschwulst. Man fühlt einen derben Wall um den hämorrhagischen Inhalt, dessen Resorption umsomehr erschwert wird, je mehr sich eine fibröse, cystenartige, nachträglich selber Flüssigkeit secernirende Umgrenzungswand ausbildet. Eine derartige hämorrhagische Cyste kann dauernd zurück- bleiben.

Die Contusionen unterscheiden sich in ihi'em Ansehen durchaus nicht von gewissen spontan entstandenen Hämor- rhagien. Ihre Diagnose ist in forensischer Rücksicht oft nothwendig (Scheby-BüCh) und muss sich stützen auf die Congruenz der hämorrhagischen Elecke mit den supponirten Schädlichkeiten, Werkzeugen, durch welche, und der Zeit, zu welcher dieselben hervorgerufen sein sollen. Die SteUung der- selben an den zumeist hervorragenden Körpertheileh, die anamnestische Feststellung der Schmerz empfindung im Momente ihrer Entstehung führen mit zur Diagnose. Die spontan ent- standenen Hämorrhagien der Purpura unterscheiden sich noch dagegen durch ihr gleichzeitiges Vorkommen an SteUen, welche Trlumen nur schwer zugänglich sind (Beugeflächen) und durch die Gegenwart sehr kleiner petechialer Flecke neben den ecchymomartigen. Erythema nodosum, s. contusiforme, welches die letztere Bezeichnung wegen der Aehnlichkeit mit Con- tusionsknoten führt, kennzeichnet sich gegen diese durch die vorwiegende Localisation an den Unterschenkeln und die Hyperämie über den frischen Knoten.

Die Prognose der Contusionen ist im AUgemeinen günstig und richtet sich bezüglich des Verlaufes und der Dauer nach der Intensität und dem Umfange der einzelnen Quetschungen. Mit Ausnahme der mit Entzündung sich complicirenden er- heischen die Quetschungen keine Behandlung. Das yolks- thümliche Verfahren, frische Contusionsbeulen sofort mittelst Fingers oder einer Münze platt zu drücken, ist ganz rationell, weil hiedurch der Erguss auf eine grössere Fläche zertheilt nnd dessen Resorption erleichtert wird.

In Folge von V e r 1 e t z u n g mittels feiner Stechwerkzeuge, Rüssel von Insecten , Nadeln, entstehen Hämorrhagien in der Haut indem das Blut durch den engen oder bald sich ver-

Hämorrhagien.

491

legenden Sticlicanal nicht nacli aussen abfliessen kann. Bei Insecten- oder Blutegelstichen concurrirt noch der Saugact des Rüssels. Am häufigsten begegnen wir der als Flohstiche, Purpura pulicosa, bekannten Form. Dieselben sind punkt- förmig bis stecknadelkopfgross und unmittelbar nach ihrer Entstehung von je einem doppelt so grossen rothen Injections- hof umgeben. Erst wenn dieser nach kurzer Zeit abgeblasst und geschwunden ist, bleibt der centrale hämorrhagische Punkt kenntlich zurück. Nach dem Aufenthalt auf einer flohreichen Lagerstätte kann die Haut mit Flohstichen besät sein tmd Purpura simplex vortäuschen. Die Grleichmässigkeit der Punkte, ihr Gredrängtsein an den Stellen, wo die Falten der Leibwäsche enger an den Körper anliegen und die etwaige Gregenwart einzelner Halones können die Diagnose sichern. Da auch bei der orientalischen Pest ähnliche Petechien vorkommen, so haben die Flohstiche letzthin in diiferentialdiagnostischer Be- ziehung eine gewisse Berühmtheit erlangt.

Unter dem Einflüsse örtlicher Circulationsstörung, durch welche in einem bestimmten Capillargefässbezirke der Blutdru.ck abnorm erhöht wird, entstehen öfters Blutungen, um so leichter, je mehr gleichzeitig das Stützgewebe der Papillargefässe gelockert, die Ej)idermis dünn oder abgehoben ist, imd um so häiTfiger, je dauernder jene Ursache der Circulationsstörung ist. Hieher gehören die örtlichen Blutungen bei acuten Entzündungs- und Exsudationsprocessen in Folge von Stauung in den Capillaren. bei Herpes, Eczem, aus granu- lirenden Wundflächen und die häufig sich wiederholenden Hämorrhagien an den Unterschenkeln in Folge von Varicosität der Venen. Sie treten um so sicherer auf, je mehr das Indi- viduum durch vieles Stehen und Grehen zu stärkerer Füllung der Venen Veranlassung gibt, oder wenn wegen vorgerückten Alters oder nach schweren Krankheiten, Wochenbett, das Stützgewebe bei demselben schlapp geworden. Willan scheint mit seiner Purpura senilis diese Form gemeint zu haben. So lange die Oberhaut noch unversehrt und die Cutis elastisch genug ist, haben die häufigen Ecchymosirungen keine weiteren Folgen als braunfleckige Pigmentirung. Wenn jedoch im Ver- laufe der Jahre die Haut des Unterschenkels durch complicirende Entzündung, Ulceration und Narbenbildung ihre Elasticität und Beweglichkeit grösstentheils eingebüsst hat, führen die

492

Dreissigste Vorlesung.

Hämorrliagien leicht zu Zerwühluiig und Nekrosirung des be- troffenen Gewebes und zu schwer heilbaren Geschwüren.

Auf die plötzliche Aenderung der Circulations Verhältnisse ist wohl auch jene Purpura zurückzuführen, welche ich an Neugeborenen bald nach der Geburt in Form flohstichähnlicher, zahlreicher Petechien entstehen gesehen. Auf mikroskopischen Durchschnitten solcher Haut fanden sich die Blutaustritte in der oberen Coriumschichte , zugleich die tiefen Gefässe von rothen Blutkörperchen infarcirt P. neonatorum.

All' die geschilderten Formen von Hämorrhagien bedürfen im Allgemeinen keine eigentliche Behandlung, da sie ja ihre physiologische Rückbildung durchmachen. Gegen complicirende Entzündung und Schmer zhaftigkeit ist die Application von Kälte, bei Hämorrhagien der Unterschenkel die horizontale Lagerung das Zweckmässigste. Bei Varicosität wird ein contiiiuirlich zu tragen- der Druckverband der übermässigen Füllung der Hautcapillaren und der Wiederholung der Ecchymosen am besten entgegenwirken.

Die symptomatischen Hämorrhagien geben sich kund als Theilerscheinung eines krankhaften Zustandes des Gesammtorganismus , der Blut- und Säftemasse, der Gefäss- innervation oder der Erkrankung eines inneren Organes. In solchem Sinne erscheint die tödtlich verlaufende Purpura V a r i 0 losa, deren Grund theils in der durch die specifische Blutintoxication bewirkten chemischen Decomposition des Blutes, theils in der durch letztere veranlassten Alteration des Gefäss- nerven-Centrums liegt. Ihre Symptome habe ich im Zusammen- halte mit den Blattern (pag. 235) geschüdert. Gleiche Be- deutung haben die bei der orientalischen Pesterkrankuug , bei Einimpfung von Schlangengift, acuter Septikämie auftretenden Petechien nnd lividen Flecke der Haut.

Hieran reihen sich die Beobachtungen von zumeist auf die Unterschenkel localisirten Hämorrhagien bei marastischen, mit Tuberculose, Krebs, Darmaffectionen (Henoch) behafteten Personen (Purpura cachectica et nervosa). Endlich auch das Auftreten von P. nach Gebrauch von Jod (Jodisme petechial, FoußNiEE, Auspitz), nach Einathmen von Benzoedämpfen (T.Fox), im Ergotismus (Laillee).

Andere Purpuraformen haben einen mehr selbststandigen Typus und eigenthümlichen Symptomen-Complex. Vor Allem die (pao- 2R7) erwähnte, dem Erythema multiforme verwandte

Häraorrliagien.

493

Purpura rhenmatica, Peliosis rhenmatica, (Schönlein), Eheumatokelis (Fuchs). Unter leichten, selten inten- siveren Fiebersymptomen, oder auch nur Mattigkeit, Appetit- mangel, gestörtem Schlaf, körperlicher und geistiger Depression (Lewin) stellen sich ziehende Schmerzen in den Gelenken der Kniee und Füsse ein, mit oder ohne nachweisbare Schwellung imd Exsudation in dieselben. Nach wenigen Tagen erscheinen pxmktförmige, linsengrosse und einzelne grössere, lebhaft rothe und bald livid sich färbende, unter dem Finger nicht schwindende, flache Flecke Hämorrhagien auf der Haut der Unter- schenkel, weniger zahlreich an den Oberschenkeln, über dem Gesässe, am Unterleib, zuweilen auch auf den Vorderarmen. In leichten Fällen weichen die Gelenksschmerzen mit dem Er- scheinen der Blutaustritte und schwinden diese binnen 10—14 Tao-en. Meist wiederholen sich solche noch in zwei bis drei Nachschüben binnen 3—6 Wochen unter gleichzeitiger Exacer- bation der Gelenks afPectionen und des Fiebers, und die Krank- keit ist damit zu Ende. In einzelnen Fällen kann dieselbe aber durch Wiederholung der Ausbrüche auf 3—6 Monate sich hin- dehnen, ja selbst mehrere Jahre andauern. Als besondere Complicatiouen habe ich periodisch wiederkehrende Nieren- blutungen während der Krankheitsdauer beobachtet. Bei einem Kranken sind solche durch 6 Monate den Hämorrhagien auf der Haut vorangegangen, und bei einer Frau meiner Behand- lung hat wechselnde Albuminurie die durch mehrere Jahre währende Purpura begleitet. Bei einem Mädchen ist durch hämorrhagische Zerwühlung und Gangrän des Velum und der Kehlkopfschleimhaut letaler Ausgang erfolgt. Schwere Compli- cationen durch hämorrhagische imd anderweitige Affectionen innerer Organe haben auch Henoch, Bohn , Lbwin u. A. mit- getheilt.

Von diesen und den vereinzelten Fällen überaus langer Dauer abgesehen, ist die Prognose der Purpura rhenmatica günstig. Doch kann in keinem Falle über die Dauer des Pro- cesses etwas Bestimmtes vorhergesagt werden. Die Diagnose ist nicht schwer , wenn man die Hämorrhagien und ihre eigen- thümliche Localisation in Verbindung mit den rheumatoiden Schmerzen würdigt.

Ueber die Ursache der Peliosis rhenmatica wissen wir nicht mehr, als über die des Erythema multiforme. Wie dieses

Dreissigste Vorlesung.

findet sicli auch die P. rheumatica liäufiger bei jugendlichen und weiblichen Personen und in typischer Wiederkehr und Häufigkeit in den Frühlings- und Herbstmonaten. Es bleibt aber vollständig Tinklar, welches Moment vom G-efässnerven- centrum aus die Innervation der peripheren G-efässe derart alterirt (Angioneurose), dass deren "Wand für das Blut so urplötzlich und doch vorübergehend permeabel wird.

Die Therapie beschränkt sich auf schmerzstillende örtliche Applicationen (Kälte, Opiatsalben und Pflaster), hori- zontale Lagerung und Euhe der Extremitäten, obgleich auch das Liegen im Bette nicht zu verhindern vermag, dass neue Hämorrhagien erscheinen. Bei hartnäckiger Wiederkehr der Blutungen dürften innerlich Elixir acid. Halleri 1,50, Syr. rub. idaei 40,00 pro potu, oder Ferrum sesquichloret. (0,50, ad 150,00 Aqu. cinnamomi) ; Extract. secal. cornut. (0,1 pro dosi in Pillen- form) ; Ergotin (0,05) refracta dosi innerlich, letzteres auch in hypodermatischen Lijectionen (Ergotin 1,00, Aqu. dest. 10,00, [eine klare rubinrothe Lösung] zu V2 Spritze jeden zweiten Tag) verwendet werden.

Als Purpura simplex wird eine Krankheitsform an- geführt, bei welcher unter mässigen Fiebererscheinungen und allgemeiner Abgeschlagenheit, oder auch ohne jede merkliche Störung des Allgemeinbefindens in ganz unregelmässiger Weise an den verschiedensten Körperstellen, später allerdings vor- wiegend an den Unterextremitäten und Händen, flecken- und streifenförmige Hämorrhagien oder auch quaddelartige Er- hebungen mit hämorrhagischer Verfärbung Purpura urticans, Willah entstehen. Der Process hat einen un- bestimmten und im Allgemeinen flüchtigen, auf 10—14 Tage beschränkten Verlauf.

Purpura papulosa (Hebea), Liehen lividus (Willan) stellt hämorrhagische, hervorragende Knötchen vor, welche einzelnen Follikeln entsprechend von je einem Haare diirch- bohrt sind. Ihr häufigster Standort ist die Haut der Unter- schenkel bei kachektischen, scrophulösen Individuen, bei welchen alle Entzündungsproducte an den abhängigen Körperstellen, Eczem, Psoriasis, Variola, leicht von Blutaustritt durchsetzt werden.

Purpura haemorrhagica, Morbus maculosus Werlhofii, Blutfleckenkrankheit, Landscorbut, wird zunächst

Hämorrhagien.

495

als eiii hämorrhagischer Process betrachtet, der nach seiner Intensität zwischen P. simplex und Scorbut die Mitte hält. Derselbe wird meist dnrch allgemeine Depressionserscheinungen und Fiebererregung eingeleitet. Auf der allgemeinen Decke, die Gesichtshaut meist ausgenommen, treten linsen- bis über- flachhandgrosse hämorrhagische Flecke auf, und es erscheinen auch solche auf leichte Insulte, die die Haut treffen. Charak- teristisch ist das gleichzeitige Auftreten von freien Blutungen aus der Nasen-, Mund- imd Rachenschleimhaut, von punkt- förmigen Ecchjonosirungen derselben, Darm- und Nieren- blntungen. Hämoptoe, mit welchen Zuständen auch hochgradiges Fieber^ (P. febrilis? Willan) , Ohnmacht- und CoUaps- Erscheinungen und schneller Tod sicli einstellen können. Die meisten FäUe verlaufen günstig, aber äusserst träge, binnen 3_G Monaten. Obgleich zuweilen schlechte Ernährung der Individuen als Ursache der P. haemorrhagica angenommen werden darf, güt dies doch nicht allgemein, da der Process oft bei früher gesunden und kräftigen Personen auftritt. Der- selbe kommt meist sporadisch, selten in endemischer Ver- breitung vor.

Als Scorbut wird die Purpru^a bezeichnet, wenn früh- zeitig gleichmässige Auflockerung, hämorrhagische Loswühlung und schmutzig-grauer Beleg des Zahnfleisches, mit fötivem Gerüche aus dem Munde, erscheint und die Hämorrhagien der Haut nicht nur umfangreicher als bei Purpura hämorrhagica lind simplex sich gestalten, sondern auch das subcutane Binde- gewebe, die Muskeln rmd Fascien betreffen. Es bilden sich da stellenweise ecchymomartige , schmerzhafte, derbe oder fluc- tuirende Ergüsse, welche zu Gangrän, Blosslegung der Knochen, Geschwüren mit bkitig suffundirter Basis fähren. Die Com- plication von Seite der inneren Organe ist da noch beträcht- licher. Doch gibt es leichte Erkrankungsfälle mit den charak- teristischen Erscheinungen des Scorbut (Auflockerung des Zahn- fleisches) gegenüber von schweren FäUen der P. haemorrhagica. . Scorbut kommt durchwegs nur als Folge schlechter oder ungenügender Ernährung, Mangel an Fleischkost, Kochsalz, frischer Luft, Bewegung vor, bei Seefahrern, Sträflingen u. s. w. Nach UsKOw soU Entziüidung der tieferen Gefässe der Schleim- haut örtliche Circulationshindernisse in dem Zahnfleische und daher Blutung setzen.

496

Dreissigste Vorlesung.

In all' den znletzt erwähnten Kranklieitsformen wird die Prognose nm so günstiger sein können, je weniger rasch und häufig die Hämorrhagien auftreten, je oberflächlicher sie sitzen, je weniger die allgemeine Ernährung gelitten und Fieber vor- handen ist. So lange die Ernährung gut von Statten geht, kann man das Beste hoffen. Das G-egentheil und alle Symptome, die auf solches hinausgehen, sind ein schlechtes Zeichen.

Die Behandlung kann in all' den Fällen nicht zur Aufgabe haben, die schon gebildeten Hämorrhagien zu beein- flussen, die ja spontan sich involviren. Neben den schon erwähnten Haemostaticis wird roborirende Kost, der Aufenthalt in guter sauerstoff'reicher Luft, wohl den Haiiptbehelf abgeben müssen.

Hämophilie (Bluterkrankheit) charakterisirt sich durch die Leichtigkeit , mit welcher auf geringe mechanische .Ver- anlassung, Stoss oder geringe Verletzungen, bedeutende Ecchj^- mosen und freie, sehr schwer stillbare Blutungen auftreten. Eine solche Disposition findet sich bei einzelnen Personen und in manchen Familien erblich und vorwiegend bei Kindern und jugendlichen Individuen.

Hämatidros is, das kein eigentliches „BM schwitzen" bedeutet, sondern das gelegentliche, spontane Hervorquellen oder Hervorsickern arteriellen Blutes aus den Schweissdrüsen, ist bereits erwähnt worden (pag. 140).

Die betrofi'enen Stellen waren meist die Augenlider, Wangen, der Handrücken, die innere Oberschenkelfläche. Messedaglia und Lombeoso, welche die Erscheinung an einem mit diversen Neurosen behafteten Kranken beobachteten und daher Gefässlähmung als Ursache der spontanen Blutung annahmen (Haematidrosis paralytica), haben Belladonna innerlich gegen den Zustand erprobt.

YI. Classe.

Hypertrophiae.

In Massenzunahme bestehende Hautkrankheiten.

Einunddreissigste Vorlesung.

Allgemeines über Hypertrophie. Anatomische und klinische Sonderung nach der Betheiligung des Pigmentes, der Epidermis und der Papillen und der Cutis als Ganzen. Pigmenthypertrophie. Anatomischer Sitz. Naevus, Lentigo, Ephelis, Chloasma, Morb. Addisoni, Melasma. Anhang: Icterus, Argyria , Tätowirung. Keratosen : Schwiele , Leichdorn , Hauthorn Papillome: "Warzenmäler, Warzen.

Unter Hypertrophie begreifen wir jene Krankheits- zustände der Haut, welche sich -als das physiologische Mass übersteigende Massenzunahme des Organs oder einzelner Theile desselben darstellen. Dieselbe setzt eine übermässige Anbildung der normalen Grewebselemente durch örtlich abnorm gesteigerte Ernährung voraus Hyperplasie. Die Massen- zunahme beruht zum Theile auf Vergrösserung der einzelnen Gewebselemente (wahre oder elementare Hypertrophie), zum Theile aber auch auf Vermehrung derselben (numerische oder quantitative Hypertrophie). Sie ist demnach in dieser Rück- sieht zugleich Neoplasie, wobei den physiologischen analoge Elemente neu formirt werden Homoeoplasie. Aber auch Letzteres ist nicht durchwegs der Fall, indem zwar bis zu einem gewissen Gerade der Hypertrophie das Organ und seine Elemente nach Beschaffenheit und Eunction im Rahmen des Physiologischen sich erhalten, aber bei einem

Kaposi, Hautkrankheiten.

498

Eiluinddreissigste Vorlesung.

Uebermass der Hypertrophie Textur und Function des Or- ganes oder seiner Elemente wesentlich vom Normalen abweichen können.

Die Hypertrophie der allgemeinen Decke betrifft entweder ausschliesslich, oder vorwaltend eine Art ihrer anatomischen Formelemente, Pigment, Epidermis, Papillen, Drüsen, oder zu- gleich mehrere oder alle Bestandtheile derselben. Darnach ist auch ihr klinischer Ausdruck ein verschiedener. Wir wollen tms heute mit den Erscheinungen der Hypertrophie des Pigmentes, der Epidermis und des Papillarkörpers beschäftigen.

Pigmenthypertrophie.

Dieselbe erscheint als eine im Vergleiche zu ihrem nor- malen Colorit intensivere (dunklere) Färbung der allgemeinen Decke, in Grestalt von punktförmigen, linsen- bis flachhand- grossen und noch umfangreicheren, scharf begrenzten, ver- schieden braun bis schwarzgrauen Flecken, oder diffusen solchen Tingirungen, welche unter dem Fingerdrucke nicht schwinden. Die normal en Pigmentverhältnisse nachßace, Indi- vidualität und Topographie der Haut kommen dabei in Rechnung. Die eigene Färbung der Haut ist durch Pigment bedingt, welches in Form von gelbbraunen Körnchen in und zwischen den Zellen der untersten Reteschichten abgelagert ist. Bei der hellgefärbten kaukasischen ßace sind diese Körnchen spärlich, bei Brünetten doch reichlicher, bei Blonden in geringerer Menge eingelagert, im Allgemeinen jedoch an gewissen Haut- regionen, im Warzenhof, an den Grenitalien, dichter gedrängt, welche daher dunkler gefärbt erscheinen. Bei den Negern und -dunklen Eacen überhaupt ist das Pigment des ßete dichter gesät, aber in den einzelnen Körnchen auch nicht schwarz. (Neger werden mit weisser Haut geboren ; erst von der sechsten Lebenswoche ab erscheint die Hautpigmentirung in rascher ■Entwicklung.) So beriiht denn auch die pathologische Pigmentirung nur auf einer Vermehrung und dichtereu Einlagerung von Pigmentkörnern in den Retezellen.

Alles Hautpigment stammt in letzter Linie vom Blute, aus den G-efässen der Papillen, obgleich wir über den ^Veg nicht näher unterrichtet sind, den dasselbe von da in die Schleimschichte nimmt. Eine eingehendere Betrachtung dieses

Pigmentliypertroplüe.

499

Momentes müsste aiicli auf die Erörterung der Ernährung und Regeneration der Epidermis ausgedehnt werden, was uns hier zu weit führen würde. Genug , dass jene Thatsache hervor- gehoben wird, denn sie lehrt auch, weshalb jeder stärkere und dauernde Affluxus in den Papillargefässen, wie bei acuter und chronischer Hyperämie und Entzündung, imd congestionären Neubildungen, reicheren Pigmentaustritt in die Schleimschichte und dunklere Pigmentirung der Haut veranlassen. Nebenbei •wird da auch Pigment in die Papillen und in's Corium selbst, längs der G-efässe abgelagert.

Die vorkommenden pathologischen Pigmentirnngen der Haut sind entweder angeboren oder erworben.

Die angeborenen Pigmentflecke werden als P i g m e n t- m ä 1 e r, N a e v i (N. materni) , bezeichnet. Sie sind blass- bis dunkelbraun und schwarz. Man unterscheidet N. spilus, das Pigmentmaal mit glatter, geschmeidiger Oberfläche, olme ander- weitige Veränderung der Haut ; N. verrucosus, dasselbe mit warzig-höckeriger Oberfläche und häufig mit dicken, borsten- artigen, dunkelgefärbten Haaren besetzt N. pilosus; N. molluscif ormis s. lipomatodes, mit wulstartiger Ver- dickung oder gar geschwulstartiger Vortreibung des Pigment- maales. In letzteren Gebilden findet sich eine vom TJnterhaut- zellgewebe in's Corium reichende, auf dem Durchschnitt gelblich- weisse , gallertweiche Grewebseinlagerung junges , zellen- reiches und zartfibrilläres Bindegewebe.

Naevi pigmentosi kommen in thaler-. , flachhandgrosser und ganze Körperregionen occupirender Ausdehnung und in den abenteuerlichsten Umgrenz angen vor, durch welche sie oft mit einem Thiere (Maus), Fell und Aehnlichem in Vergleich und mit dem landläufigen „Versehen" der Schwangeren in Beziehung gebracht werden. Bei grösserer Ausdehnung derselben ist meist eine Congruenz ihrer Richtung mit dem Verlaufe der cutanen Nerven nicht zu verkennen , indem das Maal bald , gleich dem •Zoster, halbseitig und den Intercostalnerven , oder den Haut- nerven der Extremitäten parallel verläuft, oder mit scharfer Begrenzung in der Nabelhöhe, Becken und Oberschenkelgegend gleich einer Schwimmhose umgibt (Hebra's Eall), dem Plexus lumbalis und sacralis entsprechend Nerven-Nävi (Th. Simon ; Baerensprüng, N. unius lateris). Ihre Entstehung mag .unter allen Umständen durch trophische Nerveneinflüsse bedingt

32*

F)QQ Einunddreissigste Vorlesung.

.sein. Naturgescliichtlicli sind sie der Scheckenbildung bei Thieren analog. (Hebra).

Die Pigmentmäler involviren sich nur höchst selten nach der Gebnrt. Die meisten vergrössern sich im Gegentheil noch etwas und bestehen das ganze Leben hindurch unverändert, oder zeigen nur unter Umständen (Gravidität) dunklere Pigmen- tirung.

Die erworbenen Pigmentflecke, Chloasmata im Allgemeinen genannt, sind idiopathischen oder sympto- matischen Ursprungs.

Unter den idiopathischen Pigmentflecken stellen

Lentigo, Linsenflecke, und Ephelis, Sommersprossen, spon- tane Formationen vor. Lentigines sind gleichmässig gelb- bis schwarzbraune, Stecknadelkopf- bis über linsengrosse, scheiben- förmige, scharfbegrenzte Flecke, welche zu einzelnen oder vielen innerhalb des 2.-6. Lebensjahres zerstreut am Körper auf- tauchen und bis in das hohe Alter bestehen. DieEpheliden sind im AUgemeinen etwas kleiner als jene, blassbraun, un- regelmässig, zackig und ungleich tingirt, sprenkelig. Ihr häufigster Standort sind die Nase, die angrenzende Gesichts- haiit und die Stirne, doch sind sie auf zarter und heUer Haut (Rothhaariger) auch reichlich über das übrige Gesicht, Hals, Brust, Linenflächen der Extremitäten, Nates und Penis gesät, ein Umstand, der genügend beweist, dass die „Sonnensprossen" vom Einfluss der Sonne unabhängig entstehen. Sie erscheinen erst um das 6.-8. Lebensjahr , erblassen während des Winters, um mit dem Frühling sich dunkler zu färben, und verschwinden gänzlich im vorgerückten Lebensalter.

Hieran reihen sich jene Pigmentationen, welche von meist temporärer Dauer, oft auch persistirend, nach örtHchen Ent- zündungs-, Exsudationsprocessen, Eczem, Psoriasis, Pemphigus und nach Hämorrhagien zurückbleiben.

Andere Pigmentflecke sind arteficiell hervorgerufen durch örtliche Einflüsse, welche intensive und häufige Hyper- ämisirung der Papülargefässe und als deren Folge dunklere

Pigmentirung setzen. _

Der Entstehungsursache nach unterscheiden wir die- selben als: , , n 1 TT

Chloasma traumaticum, durch mechanische Hypei-

ämisirung der Haut entstanden. Hieher gehört die dunkle Ver-

Pigraentliypei'trophie.

501

färbung der Haut an Stellen, welche dauernd gedrüclvt worden, wie über der Taille von Tragbändern, Riemen, am Kreuz von Braclierien und als besonders wicbtig die Pigmentirungen in Folge des Kratzens. Die Letzteren geboren mit zu den Symptomen aller juckenden Hautkrankbeiten, Scabies, Prurigo, Eezem, Urticaria und erscheinen in Form von braunen Streifen oder diffusen Verfärbungsflächen von gelbbrauner bis säpiabrauner und schwarzer Tinte (Melasma). Je häufiger ein und dieselbe Hautregion durch Kratzen hyperämisirt oder gar durch die Fingernägel verletzt worden, so dass auch zugleich Blutfarbstoff direct zum Austritt gebracht worden, desto mehr verbreitet und dunkel, bis zur melanotischen Färbung, präsentirt sich die Pigmentirung. Sie ist also intensiver bei den chronischen Uebeln, Primgo, Pemphigus pruriginosus, als bei Urticaria, Scabies und besonders dunlvel bei langwährender Pediculosis. Hier erscheint oft die Haut grösstentheils, besonders über dem Kreuzbein und Nacken, bis grauschwarz. Aber es ist kein Grund, diese Form als Melanosis, Melasma cutis, Melanoderma, wie eine be- sondere Krankheit hinzustellen , ebensowenig wie die Pity- riasis nigra der Autoren, welche entsteht, wenn die dunkel pigmentirte Haut zugleich in Folge von Eczem, oder Cachexie der Betroffenen kleiig schilfert. Da zugleich die Localisation solcher Kratzpigmente mit den vom Jucken und Kratzen betroffenen Stellen übereinstimmt , bei Pediculosis vorwaltend Nacken und Kreuzbeingegend, bei Prurigo die Streckseiten der Unterextremitäten occupirt, bei allgemeinem Jucken auch allgemein und zerstreut sich findet ; da ferner in der Intensitäts- scala der Färbung auch die Reihenfolge und das relative Alter .der Excoriationen gegeben ist, so wird es klar, dass die Kratz - pigmentationen, richtig gedeutet, einen wesentlichen Behelf zur objectiven Diagnostik abgeben.

Chloasma caloricum heisst die braune Verfärbung, welche Gesicht, Nacken, Brust, Arme und Hände, alle Haut- stellen erwerben, wenn sie der warmen Sonne und freien bewegten Luft exponirt sind das sogenannte „Abbrennen". Es stellt sich oft schon nach einem mehrstündigem Marsche in der Sonne ein, wie bei Touristen und Städtern überhaupt. Bleichsüchtige Personen brennen weniger leicht ab, als gesunde. Aber auch dauernde Einwirkung rauher und kalter bewegter Luft hat denselben EfPect, weshalb dieses Chloasma bei allen

EirranddreiBsigste Vorlesung.

viel im Freien sich bewegenden Personen erscheint, bei Jägern, Soldaten nach dem Feldzug, Matrosen, Kutschern, Maurern u. s. w. Die Pigmente dieser und der früher genannten Ursache verlieren sich wieder, wenn die Individuen durch einige Zeit jenen Einflüssen fern bleiben.

Chloasmatoxicum entsteht durch Einwirkung gewisser specifisch reizender Substanzen, Sinapismus, Cantharidenpflaster, Cortex Mezerei (Seidelbast), deren Anwendung von den Aerzten noch immer beliebt wird. Diese Pigmente bestehen aber zu- weilen das ganze Leben hindurch, ein Umstand, dessen Kenntmss den Arzt gewiss abhalten wird, ein Vesicans auf der Büste oder im Gesichte eines Kranken zu appliciren, wenn er es schon nicht über sich vermag, auf solche Heilmittel überhaupt

zu verzichten. i i r,

Chloasma symptomaticum, findet sich als be- gleitendes oder Folgesymptom mancher Erkrankungen innerer Organe oder des Gesammtorganismus in Form von beschrankt localisirten Flecken, oder diffus und allgemein verbreiteter dunkler Hautfärbung. Die häufigste und bekannteste Form ist das Chloasma uterinum, wegen der Aehnlichkeit m der Farbe der Leber auch Chi. hepaticum (Alibert) „Leberfleck" genannt Es occupirt zuweilen nur einzelne Stellen, ein ander- mal die ganze Fläche der Stirne bis zur Haargrenze als gelb- braune bis dunkelbraune, gleichmässige oder unregelmässig streifige Färbung. Nebstdem findet es sich an den Augeiüidern, der Nachbarschaft der Augenwinkel, auf den Wangen, der Oberlippe, am Kinn, in Streifenform. Es ist ein häufiges Vor- kommniss bei sterilen oder unverheirateten Frauen (Viragines) und bei solchen, die an diversen Unregelmässigkeiten der Sexualsphäre, Dysmenorrhoe, Deviation, Neoplasmen des Uterus, OvarialafPectionen, Hysterie leiden, bei manchen Frauen auch während der Gravidität. Jenseits der klimakterischen Jahre schwindet auch das Chloasma. Mit den Vorgängen m Uterus hängt auch die während der Gravidität auftretende dunklere Pigmentirung im Warzenhof und in der Linea alba zusanimen.

Chloasma cachecticorum haben wir bei mit Liehen scrophulosorum behafteten Burschen ganz in der Form des Chi. uterinum im Gesicht localisirt gesehen. Sonst bezeichnen wir so die allgemeine dunkle Missfärbung der Haut, welche Z marastischen Personen nach Malaria, bei Potatores, seniler

Pigmenti! jpei'tropliie.

503

Atrophie, in der Krebscachexie sich einstellt. Als Morb. A (1 cl i s 0 n i, Teinte broncee, hat man nach ursprünglichen Mit- theihxngen von Addison eine besondere Krankheit aufgestellt, bei welcher eine dnnkle, broncebranne Färbung der Haut mit Degeneration der Nebennieren zusammenhängen soll. Grenauere Studien (u. A. Avebbeck) haben ergeben, dass ein solcher Connex nicht erweisbar ist und dass als Addison'sche Krankheit imponirende Pignientirungen der Haut auf Marasmus ver- schiedenster Quelle (Tuberculose, Malaria) zurückzuführen sind. Hieher gehören auch die Dyschromasien bei Pellagra, Sclero- derma, Xeroderma und Lepra. Eine als „Pigmentsyphilis" in der jüngsten Zeit geltend gemachte Krankheitsform ist mir nicht vorgekommen und scheint mir auch nicht haltbar.

Die Diagnose des Chloasma und der Pigmentflecke im Allgemeinen ist nicht schwierig. Die Erscheinung der Farbe, ihr Bestand unter dem Eingerdruck, ihr tiefer Sitz, die Unmög- lichkeit sie durch leichtes Kratzen abzulösen und das Fehlen von sonstiger Gewebsveränderung , wie Rötha , Schuppung, schützen vor Verwechslung desselben mit ähnlichen Vorkomm- nissen , z. B. des Chloasma mit den braunen Flecken der Pityriasis versicolor. Die specielle Diagnose der Pigmentation nach ihrer Bedeutung und Ursache, so wie deren Prognose, ob dauernd oder vorübergehend, geht aus der Würdigung der im Früheren geschilderten Symptomatologie hervor.

Von den eigentlichen Pigmentosen ganz verschieden sind jene Dyschromasien der Haut, welche durch Einlagerung von Farbstoffen in die Cutis selbst (nicht in die Epidermis) entstehen, theils solcher, die im Körper gebildet worden, theils von aussen eingeführter Stoffe. Es sind:

Die ikterische Färbung der Haut. Sie beruht auf Ablagerung des Gallenfarbstoffes in alle Schichten der Cutis und erscheint als citronengelbe bis graugelbe (Ilvterus niger), diffuse Tingirung. Dauer, Intensität, Heilbarkeit des Zustaudes hängen von dem Grundübel ab. Das begleitende Jucken ist oft höchst intensiv und schwer zu bekämpfen.

Argyria, schiefergraue, bronceartige (daher auch „Teinte broncee) , blaugrau schimmernde Verfärbung der Haut (und Schleimhaut), welche auf Ablagerung von Silberkörnchen in die Cutis beruht und bei Personen beobachtet worden ist, die längere Zeit hindurch Silbersalpeter innerlich, z. B. gegen Epilepsie,

Einunddreissigste Vorlesung.

Dysenterie genommen hatten. Seit den durcli Zöllnkr ' 179;')) veröflPentlicliten Mittli eilungen über die Krankheit ist eine be- trächtliche Zahl solcher Fälle bekannt geworden. Einigemal ist auch nach Aetzungen des Rachens mit Lapis, vielleicht in Folge Verschluckens (Duguet) Argyrie aufgetreten, so wie örtHche Silberfärbung an der Conjunctiva nach Lapisätzungen. Es ist immerhin merkwürdig, dass bei den zahllosen Aetzungen der Haut mittels Lapis , wie solche z. B. gegen Lupus vor- genommen werden, noch nie Argyrie, auch nicht local, beobachtet worden ist. Aus welcher Art chemischer Verbindung (lösliches Silber-Albuminat?), nach deren Resorption sich die Silberkörner niederschlagen, ist noch nicht erwiesen. Der Emfluss des Lichtes ist sicher belanglos für die Reduction, da die Ab- lagerung auch in die inneren Organe erfolgt. Genaue anatomische Untersuchungen (von Fromman, Riemer, Neumann u. A.) haben ergeben, dass die Silberkörner nicht in die Epidermis, sondern in'^s Bindegewebe der Haut abgelagert werden , und zwar in dichtester Anordnung in die an das Rete und die Drüsen- auskleidungszellen stossenden Grenzschichten. Auch in den inneren Organen beherbergt überall das Bindegewebe das aus- geschiedene Silber (Weichselbadm). Der Zustand ist dauernd und unheilbar, gerade so wie die Hautfärbung durch

T ä 1 0 w i r e n, das bei uns Arbeiter, Matrosen, an den Armen, manche Südseeinsulaner, Birmanen, an ausgebreiteten Haut- regionen und in abenteuerlichen Figuren und Linien vollführen, wie bei dem von mir beschriebenen und in Hebra's Atlas ab- gebildeten, über den ganzen Körper „Tätowirten von Birma". Das Verfahren besteht darin, dass mittels einfacher Nadel, oder einem Nadelbündel, die Haut in entsprechender Figur blutig gestochen wird, worauf sofort färbende Substanzen, Kohlenpulver, Schiesspulver (blau), Zinnober (roth) , yxon Chirurgen nach Cheiloplastik angewendet) oder Pflanzenfarb- stoffe, wie Lidigo, eingerieben werden, die in dem Cutis- gewebe liegen bleiben und da abgekapselt werden. Analog ist die graue Färbiuig durch eingesprengtes Schiesspulver ent-

stande^i.^ Behandlung der spontan sich rückbildenden Pigmentationen ist unnöthig, sie wird aber öfters beansprucht rücksichtlich der persistirenden Pigmentosen, besonders Epheliden und Chloasma uterinum.

Pigmentliypertrophie.

5U5

Die Aufgabe der Therapie bestellt hier in der Entferninig jener tiefsten Reteschichten, in welchen das überreiche Pigment eingelagert ist. Olenm Sinapis, Canthariden, Mezerenm, Schwefel- säure eignen sich aber hiezu nicht, weil nach ihrer Einwirkung im neu sich bildenden Rete, wie erwähnt worden, sich gerade Pigmenthyperpia sie einstellt, Wohl aber empfehlen sich Salz- und Essigsäure , Borax , Kali , Natron (Seifen) , Jodtinctur, Schwefelpasten und vorzüglich Sublimat. Will man rasche Wirkung, so wird z. B. bei zahlreichen Sommersprossen oder Chloasma uterinum des Gesichtes dieses mit genau an einander passenden Leinwandstücken gleichmässig belegt, und während der Kranke horizontal lagert, werden die Läppchen mit einer Sublimatlösung (Merc. subl. corros. 0,50, Aqu. dest. oder Alcohol. 50) betupft und derart durch 4 Stunden feucht erhalten. Unter heftigem Brennen und Spannungsgefühl erhebt sich die Epidermis zu einer Blase, welche am xmteren Rande angestochen wird und dann collabirt. Unter Einpoudern fällt die Epidermiskruste binnen 8 Tagen ab und die neugebildete Haut- decke ist weiss, pigmentlos. Das Grleiche kann gegen Naevus und Lentigo erfolgreich sein. Aehnlich wirken Jodtinctur und Jodglycerin, Schwefelpasten (vid. pag. 456), in einem Cyclus von 6 12 Einpinselungen oder Schmierseife, auf Flanell ge- strichen, durch 12 -24 Stunden aufgelegt, nach welchen Appli- cationen die Epidermis in toto verschorft und mit dem Pigment- gehalt sich ablöst.

Langsam schwinden die Pigmente unter Röthung und Schülferung der Epidermis bei täglich wiederholter Waschung mit Spirit. sapon. kalinus, Einpinselung von verdünnter Essig- oder Salzsäure, oder anderen leicht irritirenden Substanzen, z. B. Rp. Emuls. amygdal. 100, Tinct. Benzoes 5, Sublimat. 0,05 ; oder Verathrin. 0,1, Aqu. Naphae 50; oder Aqu. Cosmetica orientalis (Aqu. dest. 6 Liter, Sublimat. 35, x4.1bum ovor. Nr. 24, Succi citri fruct. Nr. 8, Sacoh. alb. 300) 5 ad 100, Aqu. fragor. ; oder eine Salbe, welche auf Leinwand gestrichen über Nacht aufgelegt wird, nach der Formel: Praecipit. alb., Borac. venet. aa. 5, Ungu. emoll. 50, Olei rosar. , Olei naphae aa. gutt. 5 ; oder: Acid. salicyl. 2, Ungu. emoll. 40; oder: Acid. boracici, Cerae alb. aa. 5, Paraphini 10, Olei amygd. 30. Auch Pyi'ogallus- und Chrysarobinsalbe (pag. 387) wirken pigmentzerstörend; doch steht ihrer Anwendbarkeit im Gesichte, deren eigene

506

Einunddreissigste Vorlesung.

FärbwirkiTiig im Wege. Ist die Haut rotli und schuppig geworden, so werden Schminksalben und Poudre appliclrt, deren ich schon früher gedachte und hier noch einige anfüge, mit der Bemerkung, dass Zusammentreffen von schwefel-, blei- und quecksilber- haltigen Mitteln vermieden werden muss. Weisses Schmink- pulver : Rp. Bismuth. carb. basici 10, Tale, venet. pulv. 20, Baryt, sulf. praecipit. 30, Olei rosar. gutt. duas. Flüssige Schminke: Bismuth. carb. basici 10, Talci venet. p. 20, Aqu. rosar. 70, Spir. Colon. 30; von welcher, eben so, wie von Eau de prin- cesse (Hebra), der weisse Bodensatz aufgepinselt und wenn trocken, abgewischt wird. Schminksalbe: Bismuth. chlor, praecip. 5; Baryt, sulf. praec. 10; Cerae alb. 3;-, Olei amygd. r. pr. 7.

Naevi pigmentosi können auch durch Abschaben mittels scharfen Löffels beseitigt werden. All' die genannten Flecke, Sommersprossen, Lentigo, kehren jedoch meist wieder; nur Chloasma schwindet dauernd, wenn auch dessen Ursache (Sexual- affection) beseitigt wird. Das Tätowiren der Pigmentmale hat keinen Zweck, da ein dem Licarnat der Haut entsprechendes Färbemittel noch nicht gefunden wurde. Sherwell gibt an, durch Eintauchen der Tätowirungsnadeln in 25''/oige Chrom- säure- oder öO^/oige Carbollösung Erfolg gehabt zu haben. Bei Naevus pilosus müssen noch die Haare ausgezogen werden ; N. verrucosus et lipamotodes können nur durch eingreifende Aetzung oder Excision beseitigt werden.

Epidermis- und Papillar-Hypertrophie.

Man kann strenge genommen die Hypertrophie der Epidermis nicht von jener der Papülen gesondert darstellen, da thatsächlich beide in der Regel mit einander combinirt sind. Der physiologische Vorgang der Regeneration des Epithels ist zwar noch lange nicht in allen Punkten klargestellt; aber so viel ist doch sicher, dass das Materiale zum Aufbau der neuen Epidermiszellen und zur Ernährung des ganzen Zellenlagers von den PapiUen, beziehungsweise von den Gefässen derselben, geliefert wird. In pathologischen Vorkommnissen vermehrt sich zweifellos das Epithellager aus sich selbst durch Zell- und Kerntheüung der Stachelzellen (Fig. 29). Allein auch da participiren die Papillen an dem Wucherungsprocess nicht nur durch reichere Plasmazufuhr, sondern auch durch den Beitrag

Keratosen.

507

von Runclzellen und Spindelzellen (Wandei-körperchen), welche aus den Papillen in die Schleimscliichte gelangen (Biesiadecki, Pagexstechee), wie in Fig. 18 zu sehen. Aber es entspricht auch regelmässig einem hypertrophischen JRete ein vergrösserter und histologisch veränderter Papillarkörper. Unter gewissen Verhältnissen überwiegt allerdings die Hypertrophie der Epi- dermis in auifälliger "Weise, und zwar dann, wenn zugleich ein vorzeitiger Verhornungsprocess sich geltend macht, wodurch das eigentliche Epidermislager eine grosse Mächtigkeit erlangt. Fasst man die einschlägigen, durch ein übermächtiges Epidermis- lager auffälligen Formen, nach dem Vorgange von Lebert, als Keratosen zusammen, so kann man füglich diese in solche ohne und mit Papillar-Hypertrophie unterscheiden.

Keratosen ohne Papillar-Hypertrophie reine

Keratosen.

Schwielen. Callositas, Tyloma, Tylosis, das sind um- schriebene, flächenhafte Verdickungen der Oberhaut, von schmutzig-weisser bis gelbbrauner Farbe, hornartigem Ansehen, derber, trockener, zäher oder brüchiger Beschaffenheit, an welchen die normalen Linien und Furchen der Haut weniger kenntlich und die Tastempfindung vermindert ist.

Von der Haut abgelöst stellt die Schwiele eine durch- scheinende, gelblich-weisse, nach unten flach-concave, oder auch an der unteren, wie an der oberen Fläche mässig convexe, auf dem Durchschnitte homogene Platte vor , welche in der Mitte am mächtigsten, bis 2—5 Millimeter dick, ist und gegen den Rand hin sich verschmächtigt. Sie besteht aus parallel zur Haut- oberfläche übereinander geschichteten Hornzellen, deren tiefere Lagen noch den Kern deutlich erkennen lassen.

Ausdehnung, Form und Localisation der Schwielen ent- sprechen ihrer speciellen Ursache. Diese ist in den meisten Fällen eine äussere arteficielle Schwielen, mid zwar entweder häufig wiederholter Druck gegen eine Hautstelle , die durch einen unterlagernden Knochenvorsprung einen Gegendruck zu erfahren hat ; oder die wiederholte Einwirkung von Lauge, Mineralsäuren, chemisch reizenden Substanzen überhaupt. Die Druckschwielen finden sich vorwiegend an der Fusssohle, der Ferse, veranlasst durch derbe BeschuhxTng; weiters an

508 Einunddreissigste Vorlesung.

den Einwirkungsstellen von Bruchbändern, Miedern, Gurten und am häufigsten in der Flachhand, als sogenannte Gewerbe- schwielen. Sie entsprechen hier nach Ausdehnung und Locali- sation dem hantirten Werkzeuge und kommen daher vor: bei Tischlern, vom Hobeln, an der Daumen-Zeigefinger-Falte; bei Schustern an der Flachhand und den Beugen der Fingergelenke, wo sie noch durch den oft durchgezogenen „Draht" querrissig sind ; über dem rechten Oberschenkel vom Lederklopfen ; über den Sitzknorren vom Sitzen auf hölzernem Dreifuss ; bei Hut- machern am Ballen des Daumens, herrührend vom Walgen; bei Schneidern in der rechten Flachhand , vom Plätteisen, nebst zerstochenen Schwielen an der Spitze des linken Zeigefingers; bei Musikern, vom Druck gegen die Saiten, an den Fingerspitzen der linken Hand. Schwielen von Lauge veranlasst finden sich in der Vola manus bei Küchenmägden, von Mineralsäuren bei Metallarbeitern, Vergoldern, bei Feuerarbeitern u. s. w. Es ist also gar nicht schwer, aus der Localisation der Schwielen die Berufsbeschäftiguug ihrer Träger zu erkennen.

Die Schwielen bieten zwar den Vortheil, dass sie die unterliegende Haut gegen den Lasult des drückenden Gegen- standes, Werkzeuges, schützen, aber sie setzen andererseits die normale Tastempfindung örtlich auf ein Minimum herab, so dass z. B. die schwieligen Finger für ferneres Tasten und Hantiren ganz untauglich werden. Bei grösserer Ausdehnung über die Flachhand wird überdies die Streckung der Finger gan? unmöglich. Endlich belästigen sie hier durch schmerzhafte, oft tief bis in's Corium reichende Einrisse. Die von Schwielen bedeckten Hautpartien sind selber dauernd hyperämisch und zu Entzündung disponirt, und Exantheme , Variola, Psoriasis, Scabies machen hier intensivere Ausbrüche.

Wird die veranlassende Schädlichkeit durch längere Zeit ferngehalten, so ver schmächtigen und verlieren sich die Schwielen allmälig. Man kann darnach den Grad des Arbeitsfleisses von der H^nd des Handwerkers ablesen. Oefters auch entsteht unter der Schwiele eine wegen der Spannung der Decke höchst schmerzhafte Entzündung und Eiterung des Coriums, durch welche die Schwiele abgehoben wird. Es ist rathsam, unter solchen Umständen frühzeitig einzuschneiden, um der Gefahr von Lymphangioitis, Erysipel und tiefgreifender Gewebsnekrose vorzubeugen.

Keratosea.

509

Auch s 0 n t a n e Entwicklung von Tylosis kann man zu- weilen beobachten , so an der Eichel oder an der Flachhand und über dem Rücken der Finger bei Personen, welche keinerlei drückende Werkzeuge hantiren, bei Beamten , Damen. Solche Sehwielen habe ich binnen wenigen Monaten entstehen , sich ausbreiten und nach 3 4jährigem Bestände wieder spontan schwinden gesehen.

Die Diagnose der Tylosis ist nicht schwer, wenn die Schwiele durchwegs glatt erscheint, an den Rändern allmälig gegen die Umgebung sich verKert und nach Form und Oert- lichkeit ihre äussere Ursache deutlich verräth. Bei rissiger Beschaffenheit und scharfer Begrenzung ist die Schwiele der Flachhand und Fusssohle nicht so leicht zu erkennen gegen- über von Eczem, Psoriasis, Scabies crustosa, Liehen ruber, Ichthyosis dieser Haiitstellen und Psoriasis palmaris und plantaris (syphilitica). Unter solchen Umständen ist es nothwendig, nicht nur örtlich alle den genannten Processen eigenthümlichen Charaktere zu eruiren oder auszuschliessen , sondern auch aus dem Verhalten der übrigen Haut Behelfe herbeizuholen, an welchen die Symptome jener Krankheitsformen gleichzeitig und in deutlicherer Weise sich vorfinden.

Hühnerauge, Clavus, Leichdorn, ist eine der Schwiele analoge Hornhautverdickung, welche jedoch nicht platt auf dem Rete aufliegt, sondern mittels eines central stehenden, conischen Zapfens ihrer unteren Fläche in die Haut eingekeilt erscheint. Das Hühnerauge sammt seinem Zapfen besteht durch- wegs aus übereinander geschichteten Hornzellen, zwischen denen sich öfters Reste von Hämorrhagien vorfinden.

Zumeist durch Druck von Seite der Beschuhung entstanden, trifFt man die Hühneraugen über den Kjiöcheln und Seiten- flächen der Zehen und anderen Vorsprüngen der Fussknochen. Bei Pression von aussen wird der Conus des Hühnerauges gegen die Haut gepresst, was bekanntlich heftigen Schmerz ver- ursacht. Unter dem andrängenden Zapfen wird mit der Zeit die unterliegende Cutis sammt Papillen atrophisch, ja kömien die Maschen des Coriums auseinandergedrängt, von dem Hühner- auge durchbrochen werden, während die angrenzende Haut sammt Papillen entzündlich infiltrirt und hypertrophisirt er- scheint (Rokitansky),

r^iQ Einunddreissigste Vorlesung.

In spontaner Weise entwickeln sich manclimal auf der FJaehhand und Fusssohle einzelne, ja, wie wir einigemal gesehen, zahlreiche Hühneraugen , so dass ihre Oberflächengrenzen an- einanderstossend eine gleichmässig ausgebreitete Schwiele foriniren. Das Gehen und Hantiren wird da höchlichst behindert, stechende, brennende Schmerzen strahlen von den Füssen bis über die Kniee nach aufwärts und führen oft zur irrthümlichen Diagnose G-icht, während eine genaue Besichtigung die Gegen- wart der Hühneraugen darthut.

Die Therapie der Schwielen und Leichdorne besteht in deren Erweichimg und Auslösung. Ersteres wird angestrebt durch warme Bäder, örtliche Fomentation, durch Kataplasmen, Einhüllung mittels impermeabler Stoffe, Kautschukleinwand, Traumaticin ^Kautschuk in Cliloroform gelöst), Umschläge von Sapo viridis, Aetzen mittels Kalüösung (1:2), Essigsäure, Citronensäure , Emplastrum domesticum (lithargyri adustum), Empl. hydrargyri. Die Auslösung wird mittels Messers und Scheere vorgenommen, wonach etwa blutende Gefässe hyper- trophischer Papillen auch geätzt werden können. Schutzringe aus Leder, Kautschuk, Watte haben nur einen prophylaktischen

Werth. . ^ - ,

Hauthorn, C o r n u c u t a n e u m, stellt einen Auswuchs der Haut vor, welcher nach Form, Farbe und Consistenz die grösste Aehnlichkeit mit einem Thierhorn darbietet. Solcher Gebilde hat man von mannigfacher Form und Grösse beobachtet : stiel- rund, conisch zugespitzt, mit einem breiten Kopf versehen, seitlich zusammengepresst, längs- und quergerilft, schart kantig, von wenige Millimeter bis 25 Ctm. lang, hakenförmig oder widderhornartig gekrümmt. Sie sitzen mit einer verbreiterten Basis auf der Hautfläche, oder in eine scharfumrandete Grube der Haut eingebettet und kommen vereinzelt oder zu mehreren, manchmal sogar in zahlreichen Exemplaren , wie m Baetge s Fall an einem Individuum vor, an der Kopfhaut, dem Augen- lide ' den Ohrmuscheln, auf der Nasenspitze, der Lippe, aiif der Eichel (Hebra, Pick), auf Stamm und Extremitäten, Beuge- und Streckseiten. Sie entwickeln sich manchmal binnen sehr kurzer Zeit und bestehen viele Jahre hindurch, fallen gelegentlich ab und erneuern sich an Ort und Stelle wieder. Hie und da .eht aus dem Hauthorn ein Epithelialkrebs hervor. Aeltere Untersucher (G. Simon) haben an dem Hauthorn Ruiden- und

Keratosen.

511

Marksubstanz und ein besonderes rühriges, von Grefassen gebildetes Gefüge (Vxrchow) finden wollen. Thatsächlich ist, dass von der Cutis aus eine Gruppe hypertrophischer Papillen mit erweiterten Gefässen bald massig, bald sehr hoch in die Masse des Hauthorns hineinragt, diese selbst aber aus mit ein- ander der Länge nach verkitteten Epidermissäulen besteht, welche je über den einzelnen Papillengruppen sich aufgebaut haben. Darnach ist aiach die Ansicht auf Querschnitten verschieden, je nachdem weiter unten die Papillen mit getroffen worden, oder, weiter oben, solche fehlen (Heschl's Tall). Die einzelnen Säulchen zeigen oft eine concentrische, den Cancroidkörperchen ähnliche Anordnung der Epidermiszellen oder, durch Vertrocknung der Elemente, celluläres Gefüge. Hebt man das Horn ab , so zeigt dessen Basis oft Vertiefungen, in welche die hypertrophischen Papillengruppen eingepasst waren. Es ist sicher, dass das Hauthorn sich über präexistenten hyperplastischen Papillen entwickelt, wie in Pick's Eall über Condylomen. Auch wenn das Hauthorn in einer Grube sitzt , wie in einem erweiterten Eollikel, oder gar nachweisbar in einer Atherom-Höhle, bilden dessen Basis papilläre Auswüchse (RraDFLEiscH), obgleich alls- dann auch die Epidermidalauskleidungen der Drüsen und Haar- taschen mit zur Epidermisaufthürmung beitragen. So habe ich auf der Bauchwand bei einem jtingen Manne solche Auswüchse in grosser Menge gesehen und entfernt, die binnen wenigen Wochen aus einem Atherom entstanden waren.

Die Hauthörner sind also wesentlich cumulirte oder agglutinirte Warzen und nicht ihre Entstehung, nur ihr Ansehen hat etwas Abenteuerliches. Lebert, Hessberg, Bergh, Wilson, LozES haben den Gegenstand ausführlich abgehandelt.

Das Cornu cutaneum wird durch einfaches Abheben, und Aetzen der paj)illären Basis beseitigt. Bei Gegenwart einer Atheromwandung muss auch diese ausgeätzt , herausgeschält oder einfach herausgequetscht werden.

Die Hauthörner bilden den deutlichen üebergang zu den Warzen oder

Keratosen mit Papillar-Hypertrophie.

Warze, Verruca, heisst jeder der vulgären Bedeutung des Wortes entsprechender, rundlich höckeriger, drusiger Auswuchs

,-,12 Einunddreissigste Vorlesung.

der Haut. Viele "Warzen sind angeboren V. congenita erscheinen aber meist erst im Verlaufe der späteren Lebensmonate. Eine solche ist gewöhnlicli zugleich dunkel pigmentirt und mit Haaren besetzt, also ein Naevus verrucosus et pigmentosus, von verschiedenster Grestalt, Grösse, Localisation, oft nach dem Schema des Nervenverlaufes Papilloma neuroticum und bestehen entweder das ganze Leben hindurch, oder verschwinden auch allmälig. Die meisten Warzen bilden sich erst im Ver- laufe der späteren Jahre V. acquisita und sind entweder dauernd V. perstans oder hinfällig V. caduca. Die häufigste Form ist die der gemeinen Warzen, V. vulgares, welche Stecknadelkopf- bis erbsengrosse, flach-erhabene (V. plana) oder halbkugelige, derbe, wenig empfindliche, gelblich-weisse Hervorragungen der Haut, mit glatter (V. glabra), drusiger, (Acrothymion) , zerklüfteter oder büschelförmiger Oberfläche darstellen. Sie tauchen in langsamer oder rascher, subacuter Weise, zu einzelnen, oft sehr vielen auf den Händen, Füssen, am Ohr, im Gesichte, am behaarten Kopfe meist jugendlicher Personen auf, bestehen monate- und jahrelang und verschwinden wieder spontan. Einzelne persistiren jahrelang oder zeitlebens. Ihre Entstehungsursache ist unbekannt. Der volksthümliche Glaiibe an ihre Ansteckungsfähigkeit ist ganz unbegründet.

Verruca senilis erscl^eint als linsen- bis kreuzergrosse flache, feindrusige, schmutzig-braune Auflagerung am Stamme, im Gesichte, an den Armen alter Personen. Dieselbe kann leicht mit dem Nagel weggekratzt werden iind hinterlässt einen blutenden, mässig hypertrophischen Papillarkörper. _

Spitze Warzen, Condylomata acuminata, Feig- warzen, sind fadenförmige, zerklüftete, oder brombeerartig- drusige, gehäufte Auswüchse, welche auf sonst normaler, nicht infiltrirter Haut aufsitzen, und der specifischen Reizung der letzteren durch das Trippersecret ihre Entstehung verdanken. Sie sind weich, succulent, lebhaft roth und nässend, bei ihrem Sitze auf Schleimhautpartien und da , wo ihre. Oberfläche der Maceration unterliegt, wie am Scheideneingang, auf dem inneren Vorhautblatt; oder trocken, hart, wenn die sie be- deckende Epidermis zu verhornen Gelegenheit liat. In üppigster Wucherung besetzen sie oft dicht gedrängt die Kranzfurche, Eichel und Vorhaut, bei Weibern den Scheideneingang, die äusseren Genitalflächen, die Mucosa vaginae et portionis vagi-

Keratosen. 518

nalis, Perinaeiim \md die Sclileimliaut des Rectum bis zum inneren Spliincter.

Obgleicli die spitzen Condylome zweifellos durcli Reizung der Haut und Sclileimliaut mittels blennorrbagisclien Secretes entstehen und durcli Contact nacbbarlicbe Hautstellen zu gleiclier

Fig. 29.

Senkrechter Durclisclinitt eines Zapfens von Cond, acuminatuni.

« Papille mit Gefässschlinge, c Hornsohiolite der Epidermis, d Retescliiolite mit vielea proliferirenden, zweikernigen Stachelzelleu, und in der Höhe b mit Kundzellen untermengt, die von der Zelleninfiltration der Papille stammen mögen (Wanderzellen). Starke Vergrösserung.

K apo si , Hautkrankheiten. 33

FjI^ Einunddreissigste Vorlesung.

Wucherung veranlassen, ist docli ihre directe (d. h. von Blennorrhoe losgelöste) Uebertragbarkeit auf andere Personen bisher nicht gelungen , da Kranz's Experimente der directen Contagion kaum gelungen sind und Zeissl's Angabe von An- steckung per Coitum wohl die gleichzeitige Uebertragung der Blennorrhoe nicht ausschliesst.

Die anatomischen Verhältnisse bei all' diesen Formen der Warzen sind wesentlich dieselben: einfach oder verästigt ausgewachsene Gefässschlingen, welche die entsprechend ver- grösserten und geformten Papillen grösstentheils ausfiÜlen und, auf den letzteren aufsitzend, ein mächtig entwickeltes und proliferirendes Rete mucosum (Fig. 29). Ueber diesem thurmt sich noch bei den trockenen Warzen eine starke Hornzellen- decke auf. In den Papülen und im angrenzenden Corium ist eine der Lebhaftigkeit der Vegetation entsprechende, also bei spitzen Condylomen ziemlich beträchtliche Zelleninfiltration zu finden welche hier bei langer Dauer auch zu Bildung von sclerot'ischem Gewebe führt. Daher erscheint die Basis alter Condylome meist als narbig-derbes Bindegewebe.

Anders sind die als V. filiformes, pendulae zu bezeichnenden Warzen constituirt, welche als fadenförmige oder gestielt-kolbige, weiche, glatte, mit normaler Epidermisdecke versehene Anhängsel an der zarten Haut des Halses, des Augenlides, der weiblichen Brust, oft in vielen Exemplaren erscheinen und persistiren. Diese V. mollusciformes be- stehen aus einem von der Tiefe die Haut vor sich herUiehtenden Bindegewebsauswuchse, welcher im Stiel ein Gefass fuhrt. Der- selbe stellt demnach ein kleines Fibroma molluscum vor.

AVelche Bedeutung das Molluscum verrucosum (s. contagiosum, Condyloma subcutaneum etc.) habe, ist schon früher (pag. 165) auseinandergesetzt worden.

Die Warzen sind operativ zu entfernen, durch Auslöffeln, Abtragen mittels Scheere , Abbinden, Aetzen mittels Ferr. sesquiclüoretum, rauchender Salpetersäure, Essigsäure , bolut. Plenckii (ßp. Suhl, corros.; Aluminis; Cerussae: Camphorae; Spirit villi; Aceti viiii aa. 5,00). Die spitzen Warzen der Schleimhaut können auch durch Plumb. acet. basicum, Pulv. frond. Sabinae, Alum. ustum zum Schrumpfen gebracht werden.

Zweiunddreissigste Vorlesung.

Eine diireli ihren speciellen Symptomencomplex eigen- tliümliclie Stellung unter den Keratosen nimmt die als

Ichthyosis, Fischschuppenkrankheit,

bekannte Krankheitsform ein.

Iclitkyosis charakterisirt sich als eine in frühester Kindheit sich entwickelnde und meist das ganze Leben hindurch bestehende Affection, bei welcher die Haut rauh und im Allgemeinen trocken, und mit dünnen Schüppchen und Blättchen, oder dicken Platten von Epidermis, oder hornigen Warzen besetzt erscheint.

Der niedrige Grad der Krankheit Ichthyosis s i m p 1 e X zeigt ein typisches Grepräge und verschiedene Intensitätsabstufungen. Jenes bezieht sich vor Allem auf die eigenthümliche Localisation, welche mit der bei Prurigo hervor- gehobenen vollständig übereinstimmt, indem vorwiegend die Streckseiten der Extremitäten von der Krankheit befallen sind, u. zw. mit vom Oberarme zum Unterschenkel sich steigernder Intensität , während die Haut der Kniekehle , des Schenkelbuges, der Ellenbeuge vind Achselhöhle vollkommen normal beschaffen, geschmeidig und transpirirend sich erweist.

Bei der leichtesten Form sind die Streckseiten der Ober- arme und des Oberschenkels von stecknadelkopfgrossen, blass- rothen Knötchen besetzt, welche in der Mitte ein Schuppen- hübelchen tragen, nach dessen "Wegkratzen ein zusammengerolltes

.33*

j^^^j Zweiunddreissigste Vorlesung.

Härchen zum Vorscliein kommt. Diese Knötchen verleihen der Haut ein raiih-holperiges Anfälüen und Ansehen und stellen die als L i c h e n p i 1 a r i s bekannte AfFection vor. Ein Geringes von diesem findet sich an der Aussenseite des Oberarmes und Ober- schenkels zwar bei jedem Menschen, namentlich zur Pubertäts- zeit, wenn die Lanugohaare etwas energischer zu spriessen beginnen. Bei Ichthyosis besteht aber L. pilaris von Kindheit ab constant und occupirt derselbe oft nebst den Extremitäten auch den ganzen Stamm, so dass das Bild einer stabilen Cutis anserina zugegen ist. Was T. Eox nach einem beobachteten Falle als „Cacotrophia foUiculorum" bezeichnet und abgebüdet hat, scheint mit dem übereinzustimmen.

Häufiger ist jene Form, bei welcher die Hautoberfiäche der Extremitäten durch linsen- bis pfenniggrosse, schmutzig- weisse bis graiüiche, polygonale Epidermisblättchen bedeckt ist welche in der Mitte festsitzen, oder deUig vertieft (I 'scutelata, Schönlein), an den Rändern aufgehoben und glimmerartig durchscheinend sind und neben scharfer Ausprä- gung der Linien und Furchen der Haut dieser ein markant ge- feldertes Ansehen verleihen - L nacree (Alibekt), nitida.

Eine weitere Steigerung des Processes stellt die J^orm derl serpentinavor, bei welcher die genannten Hautflachen und auch die des Unterleibes und Rückens graugrün, schmutzig, wie seit lange ungebadet, mit dickeren Epidermisschuppen besetzt erscheinen, während über _ den Knieen und EUbogen trockene, warzige Erhabenheiten sitzen.

^n all' den SteUen ist die Haut rauh, trocken, nicht transpirirend; das Darüberfahren mit der Flachhand ver- ursacht ein rauhes Geräusch; unter dem kratzenden Fingeriiagel blättert sich weisser Epidermisstaub ab. Aber eme aufiallige Desciuamation, etwa wie bei Psoriasis, ist bei Ichthyosis nicht zu temerk^n.^^^ ^^^^^^ ^^^^^^^^.^^^

faUs fleckenweise schmutziggrau, trocken und «^M^P^S'J^^^ behaarte Kopf kleiig (Pityriasis), mit dünnen , spröden Haaxen besetzt Die Nägel sind öfters stichelig und bruchig.

Flachhand und Fusssohle sind in der Regel verschont, doch gibt es Fälle , in welchen diese eb^ifalls o^^-^^^^ .lieh von schwieliger Epidermis und hornigen E-ci^— das ganze Leben Mndurch besetzt sind - L localis. Ebenso

Ichtliyosis.

517

pflegen dieselben beim höchsten Grade der Kranklieit mit be- fallen zu sein.

Dieser höchste Grad des Hebels wird als Ichthy o sis hystrix s. Hystricismns bezeichnet.

Bei demselben finden sich neben den Erscheinungen der I. Simplex auch dicke , diffuse und plattenförmige , nagelkopf- ähnliche Schwielen an der Flachhand und Fusssohle, ausserdem aber, als charakteristisch, hornige Warzen in grosser Menge und dichter Anordnung, oft in dem Nervenverlaufe entspre- chender Richtung, so dass man sehr geneigt sein könnte, das Ganze als ein viele Körperstellen betreffendes neiTTotisehes Papillom anzusehen, umsomehr als auch Pigmentosen den Zustand begleiten. An einem Kranken haben wir den Körper von der Stirne zur Symphyse, vom Scheitel bis zum Steissbein, durch eine vordere und hintere braune Pigmentlinie median abgetheilt und solche Streifen längs der Nn. cutanei der Ex- tremitäten ziehen gesehen, alle seitlich von papillären, bis 1 Ctm. hohen Warzen begleitet. In dem Falle von Hebea"s Atlas laufen die Warzen gleich einem Zoster in der Richtung der Intercostalnerven.

Der Verlauf der Ichthyosis bietet sehr wenig Ab- wechslung in den Symptomen. Bei I. hystrix können zufällig, oder unter örtlichen Exsudationsvorgängen, die mächtigen Epidermisschuppen abfallen; ja es wird berichtet, dass durch allgemeine Abschälung eine Art „Mauserung" stattfindet: allein die Schuppen restituiren sich wieder. Li einem Falle hat Hebra nach schwerer Variola eine solche Decrustation und dauernde Heilung gesehen. Bei den Formen der I. simplex bekommt man zwar ebenfalls den Eindruck eines höchst trägen Stoffwechsels , allein es ändert sich doch zeitweilig das Krankheitsbild durch das Auftreten von Eczem an den ichthyotischen , wie auch an den sonst gesunden Hautstellen, zu dessen Entstehung das Kratzen Veranlassung gibt, da I. simplex stets von ziemlich belästigendem Jucken be- gleitet ist.

Durch anatomische und chemische Untersuchungen der ichthyotischen Haut und ihrer Secretions- (Epidermis-) Producte haben viele Forscher das Räthsel dieser Krankheit zu lösen versucht, doch bisher ohne Erfolg. Obgleich Hyper- trophie der Epidermis und Papillen frühzeitig (Rokitaksky,

f^j^g Zweiunddreissigste Vorlesung.

Baerensprung , Gr. Simon) constatirt wurde, so hat man doch auch eine verzögerte Ahstossiing der verhornten Zellen zugleich für die Bildung der mächtigen Ichthyosiskrusten verantwortlich gemacht, und deren Ursache in einer festeren Verklebung der Epidermiszellen durch ein alterirtes Drüsensecret (Büchner), oder durch fettige Degeneration (Schabel) oder aparte chemische Bestandtheile (Schlossberger , Franz Simon, Marchand) der Epidermis sehen wollen.

Die Verhältnisse bei I. hystrix sind nicht andere als bei alten Warzen : enorm verlängerte PapiUen , über welchen die Hornschichte zu mächtigen Kegeln emporgethürmt ist. Die eigenthümliche, zwiebelschalenartige Fügung der letzteren, die verschiedene Färbimg einzelner Schichten, die Bildung von Schrumpf ungsräumen innerhalb derselben, das Alles ist ledig- lich Folge des langen Liegenbleibens jener Epidermismassen.

Fig. 30.

Iclithyosis.

519

Erweiterte Gefässe und massige Zelleninfiltration in den Papillen und im Corium, nebst Sclerosirung des Bindegewebes ergänzen das anatomische Bild (Fig. 30), während die Drüsen und Haar- follrkel streckenweise normal sind, an anderen Stellen eine Fortsetzung des excessiven Verhornungsprocesses auf die Haar- wurzelsclieiden aufweisen. Bei I. nitida und serpentina wird zwar auch Aehnliches angegeben. Ich habe aber an Hautstücken vom Unterschenkel solcher, durch dünne Schuppenblättehen charak- terisirter Ichthyosis weder Hypertrophie der Papillen, noch der Epidermis nachweisen können, wohl aber an Stellen, die, z. B. über dem Knie, mächtigere Schuppen tragen, oder gar warzig erscheinen. Daneben ist überall ärmliche Entwicldung des Panniculus adiposus zu constatiren. Was mir aber sowohl bei I. Simplex als bei I. hystrix aufiFäUig schien, das ist der plötz- liche Uebergang der ßetezellen in die Hornschichte und ein Uebermass von Eättsubstanz zwischen jenen. Dadurch scheint mir einerseits die relative Schmächtigkeit der Schleimschichte gegenüber der mächtigeren Hornschichte, und andererseits das lange Verharren der Hornzellen in loco bedingt zu sein. Dieses Verhältniss springt noch mehr in's Auge bei I. hystrix. Denn während bei anderen PapiUar-Keratosen einer mächtigen Hornschichte ein noch mächtigeres und lebhaft proliferirendes Rete entspricht, wie (in Eig. 29) bei spitzen Warzen, sieht man bei I. hystrix (Eig. 30) ein colossales Hornlager über einem schmächtigen, saftarmen, träge vegetirenden , fast atrophi- schen Rete.

Die Ursache der Ichthyosis scheint also in einer ört- lichen Vegetations- Anomalie der Cutis, besonders der Epidermis- und Fettsubstanz zu liegen. Dieselbe ist angeboren und hereditär. Doch kommen die Erscheinungen der Ichthyosis erst im Verlatife des zweiten Lebensjahres zur Entwicklung, niemals findet man dieselben schon an dem Neugebornen.

Was als I. congenita früher beschrieben wurde, bezieht sich auf eine diu^ch seborrhoische Massen gebildete Incrustation (Cutis testacea) mancher Neugeborener, ist ein heilbarer und vorübergehender Zustand und heisst besser I. sebacea (s. pag. 149).

Die Heredität der Ichthyosis ist m vielen Fällen erweisbar. Entweder bekommen alle Kinder eines ichthyotischen Elterntheiles die Krankheit, oder nur einzelne , manchmal im

520

Zweiunddi'oissigste Vorlesung.

correspondirenden, oder im gegentheiligen Gesdilechte. So kannten wir eine ichtliyotisclie Mutter, deren fünf Söhne alle- sammt das TJebel zeigten, während die drei Töchter ichthyosis- frei waren. Manchmal tiberspringt auch die Krankheit eine Greneration, um in der nächsten, oder einer Seitendescendenz aufzutauchen. Zuweilen ist allerdings die Ererbung nicht nach- weisbar. Eine gewisse Berühmtheit hat die Familie Lambert (Vater und zwei Söhne) erlangt, welche, mit I. hystrix behaftet, im vorigen Jahrhunderte viele Jahre hindurch als Krusten oder „Stachelschweinmenschen" (porcupinemen) eine öffentliche Sehenswürdigkeit abgaben und von Ludavig und Tilesius be- schrieben und abgebildet worden sind.

Greschlecht, Stand, Lebensweise, Ungunst der physischen Pflege im frühesten Kindesalter und andere allgemeine Momente scheinen keinen ätiologischen Grrund für I. abzugeben.

Man hat neben der hier besprochenen idiopathischen auch eine consecutive Ichthyosis angenommen, als Bezeich- nung fürEpidermidal- und Papillarhypertropliie undPachydermie, welche in Folge von chronischen Hautentzündungen, Neoplasien, namentlich an den Unterschenkeln auftreten, und Esoff hat sogar die anatomische Untersuchung einer derart afficirten Hautpartie ohneweiters auf Ichthyosis bezogen. Ich glaube, dass man besser thut diese Formen zur Elephantiasis Arabum zu rechnen und den Begriff der Ichthyosis in dem besprochenen Sinne, als einer angeborenen und idiopathischen, tj^'pisch locali- sirten und beständigen Affection festzuhalten.

Leichtere Grade von I. simplex können bei sorgfältiger und jahrelang fortgesetzter Hautpflege gemildert oder beseitigt werden. Bei intensiverer Erkrankung werden complicirendes Eczem und zeitweilige Steigerung der Trockenheit und Schülfe- rung der Haut immer erneuerte Hilfeleistung nothwendig machen. I. hystrix ist selbstverständlich unheilbar und die Prognose also bei I. im Allgemeinen nicht günstig. Auch der Umstand der möglichen Vererbung dürfte, namentlich als facultatives Ehehinderniss, gelegentlich hervorgehoben werden müssen.

Zur Behandlung der I. eignen sich alle jene Mittel und Verfahrungsweisen , welche eine rasche Erweichung und Abstossung der Epidermisschuppen iind Schwielen bewirken und in der allgemeinen Therapie, sowie zur Behandlung von Psoriasis, Prurigo, Eczema scpamosum und Tj-losis empfohlen

Hypertrophie der Haare.

521

worden sind : cyclisclie Innnctionen mittels Schmierseife, AVii-KiNSOx'scher Salbe, Lebertliran nnd anderen Fetten, ferners Bäder, Seifenwaschungen, Ivautschuk-EinMillungen. Ist durch derartige Verfahren die ichthyotische Haut glatt und geschmeidig geworden, so strebt man du.rch fleissiges Baden und Einschmieren von blanden Fetten, Vaseline, Axungia, Coldcream, Glycerin, Una-u. Grlvcerini etc. die Haiit in solchem Zustande zu erhalten. Medicamentöse Zuthaten wie Crotonöl (5 ad 200, nach Wilson), Citronensäure und manches andere Empfohlene haben keine specifische Wirkung, ebenso wie alle bisher versuchten inneren Medicationen, Arsen, Aqua picea, sich fruchtlos erwiesen haben.

Mächtigere ichthyotische Schwielen können noch besonders durch Application von Schmierseifen - Umschlägen , Aetzung mittels concentrirter Kalilösung (1 : 2), Essigsäure, Auflegen von Empl. hydrargyri erweicht, oder mittels Schablöffels abgetragen werden, während papillomatöse Auswüchse nach den bei den Papillomen überhaupt besprochenen Methoden beseitigt werden müssen. Selbstverständlich wird man bei I. hystrix nur rück- sichtKch besonders aiiffäUig situirter Excrescenzen einen Eingriff vornehmen, da eine Beseitigung aller hypertrophisclien Grebilde ja praktisch unausführbar ist.

Zur Grruppe der Keratosen ist ergänzungsweise noch an- zufügen die Hypertrophie der Haare luid Nägel.

Hypertrophie der Haare.

Hypertrichosis, Hirsiities, Polytrichie, Trichauxis, erscheint als ein mit Rücksicht auf das individiTclle Alter ruid Geschlecht, sowie auf die besondere Localisation abnorm gesteigerter Haarwuchs. Selbstverständlich handelt es sich hier nicht um Neuentwickelung von Haaren, sondern nur um übermässiges Wachsthum der bereits vorhandenen und physiologisch vorgebildeten Haare.

Uebermässige Behaarung ist entweder angeboren, oder entwickelt sich erst im Verlaufe des extrauterinen Lebens Hirsuties adnata et acquisita. Viele Kinder bringen ungewöhnlich lange Kopf- oder Körperhaare (Lanugo) zur Welt, die aber später ausfallen, selten aber auch persistiren. Eine Monstrosität stellt die Hirsuties universalis (Dasytes) vor, wobei Gesicht und Körper mit mehrere Centimeter langen, weichen, blonden bis braunen Lanugohaaren bedeckt ist. Wir

522

Zweiunddreissigste Vorlesung.

haben niclit nötliig auf alte Erzählungen und Mythen über das „Versehen" zxxrückzngreifen, um uns solche Fälle zu vergegen- wärtigen. Im Jahre 1873 hat sich ein solches Paar, Vater und Sohn aus ßussland , öffentlich producirt, und im hiesigen klinischen Hörsaal hängen die lebensgrossen Porträts von Vater, Sohn und Tochter (Bürgermeisterfamilie aus Nürnberg, aus dem 15. Jahrhundert), die mit H. universalis behaftet waren.

H. acquisita ist meist auf kleinere Hautflächen be- schränkt. Hieher gehört der Haarwuchs auf Pigmentmälern (Naevi pilosi),die seltene Monstrosität des vollen männlichen Bart- wuchses bei Frauen, und die häufigere Anomalie des Spriessens von dicken, bürstenartigen Haaren auf der Oberlippe und am Kinn von weiblichen Personen, seltener bei jiagendlichen und sexuell normal functionirenden , häufiger bei sterüen oder jenseits des Klimax stehenden. Doch hat z. B. die Frau mit dem prächtigen Vollbarte, welche Duheing abgebildet hat, mehrere

Kinder geboren.

Endlich wäre noch eine übermässige Entwicklung der Kopf- und Barthaare überhaupt hierher zu zählen. Ich habe eine mittelgrosse junge Dame gekannt, deren hellblondes üppiges Kopfhaar bis aiif den Boden herabwaUte und besitze das Porträt eines Bergmannes, dessen Bart 4' lang bis zur Erde hing und von dessen Besitzer zusammengefaltet imd m den Brust- latz gesteckt getragen wurde.

Anatomisch unterscheiden sich die als übermässig dicht, massig, lang erscheinenden Haare der Hypertrichosis nicht von normalen Haaren.

Für manche Formen der Hypertrichosis kann eine plausible Ursache angenommen werden, so für die Hirsuties universalis adnata Heredität, wie die obigen Beispiele zeigen; für die H. faciei bei Frauen manchmal sexuelle Functionsstörungen, obgleich in anderen Fällen solche sicher fehlten. Durch örtlich gesteigerte oder alterirte Ernährung kann das übermässige Spriessen der Haare erklärt werden, welches an durch Can- thariden, Ungu. cinereum, irritirten Hautstellen, oder auf ge- lähmten Extremitäten zuweilen beobachtet worden ist.

Die Behandlung der entstellenden HjTiertrichosis wird in der Regel nur bei gewissen Formen derselben verlangt. Hirsuties adnata universalis ist einer Therapie kaum zugänglich. Auch fallen ja in den meisten Fällen die Haare bald aus, lun

Hypertrophie der Haare.

Ö23

normallangem Lanugo Platz zu maclien , nnd perslstirt jenei' Zustand nur liöclist ausnahmsweise. Am häufigsten wird die Hilfeleistung in Anspruch genommen gegen die dicken, borstigen Haare von frei situirten Warzen und Pigmentmälern und den abnormen Bartwuchs bei weiblichen Individuen.

Die ersteren werden am besten zugleich mit der Eadical- exstirpartion der Naevi entfernt. "Wofern aber diese belassen werden und es sich blos um Beseitigung des entstellenden Haar- wuchses hier, oder auf sonst normaler Haut des Glesichtes, der Hände etc. handelt, muss man nach Umständen verschiedene Methoden einschlagen. Das Palliativverfahren des fleissigen Rasirens mit dem Messer erfüllt den Zweck unvollständig , da die aus den Follikelwandungen lugenden Haarstiimpfe ein weib- liches Antlitz fast eben so entstellen würden, wie die langen Haare. Besser ist das Ausätzen der Haare mittels einer Paste, welche bei den Orientalen und den orthodoxen Juden zur periodischen Entfernung des Bartnachwuchses in habitueller Ver- wendung steht. Operment (Schwefelarsen, Aiu-ipigment) und II n gelöschter Kalk werden mit Wasser zu einem Brei ver- rührt und aufgekocht; dieser wird sodann mittels Spatels auf die behaarte Hantstelle aufgetragen , etwa zehn Minuten , bis zum Eintrocknen, liegen gelassen und dann rasch mittels stumpfen Messers weggeschabt. Die Haut wird dann mit lauwarmem Wasser abgewaschen, mit weissen Schminken beschmiert und eingepudert. Schwefelcalcinmpaste, welche durch Ein- leiten von Hyrothiongas in Kalkhydrat gewonnen wird, wirkt noch rascher.

Da diese Pasten bis in den Follikel hinein den Haarschaft ausätzen , so sieht die so behandelte Haut glatt aus \mi erscheint der Nachwuchs erst nach 2 3 Wochen, nach welchem Intervall die Application wiederholt wird. Bei geringer Zahl der Haare ist die Epilation wohl am räthlichsten, die selbst- verständlich ebenfalls periodisch wiederholt werden muss. Als radicale Curmethode ist das Einstechen von durch Feuer oder galvanisch glühend gemachten, oder in ätzende Flüssigkeiten, Carbolsäure, Chromsäure, getauchten Nadeln in die einzelnen Haarfollikel empfohlen worden. Es ist klar, dass das Vordringen bis zur Haarpapille, mit deren Zerstörung ja allein der Effect erzielt wäre, bei der schiefen und gar nicht berechenbaren Richtung der einzelnen Follikel höchst proble-

524

Zweinntldreissigsto Vorlesung.

matiscli ist tind diese Methoden auch ausserdem kaum empfelilens- werth sind, da sie Narben setzen. Auch Acuinmctur in Verbin- dung mit massig starkem constantem Strom, der durch Elektrolyse wirken sollte, ist angerathen worden. Von all' diesen Methoden hat BuLKLEY das einfache Einstechen einer dreikantigen Nadel behalten und empfohlen, welche, indem das betreffende Haar mittels Pincette angezogen und so der Follikel angespannt wird, in diesen eingestochen und einigemal um ihre Axe rotirt werden soll. Bei Eleiss und Aufmerksamkeit ist ein theil- weiser Erfolg vielleicht davon zu erwarten.

Vor Abschluss dieses, der Hypertrophie der Haare ge- widmeten Capitels dürfte es nicht unzweckmässig sein, noch des als „Weichselzopf", „Plica polonica", in der Literatur bekannten Zustandes zu gedenken. Sachlich bedeutet derselbe eine V e r f i 1 z u n g d e r H a a r e, welche zumeist die des Kopfes, seltener des Bartes oder der Schamgegend betrifft. Man hat aber lange Zeit hindurch der Plica auch eine nosologische Bedeutung zugeschrieben, namentlich rücksichtlich der Gre- genden, wo dieselbe, wie in Polen und Russland, in zahlreichen Fällen, im Posen'schen z. B. noch im Jahre 1842 über 5000, also quasi „endemisch" sich vorfand! Da man gesehen, dass solche Plicae bei lange Zeit das Bett hütenden Schwerkranken sich einstellten, so war man rasch dabei, dieselben als Meta- stasen innerer Erkrankungen anzusehen, und folgerichtig, wenn der AVeichselzopf, der im Inneren des Körpers sub forma von Eclampsie, Epilepsie, Eheumatismus etc. wüthete, nach aussen sich abzulagern zögerte, denselben sogar künstlich zu erzeugen, indem man die Haare mittels Pech, Honig verfilzte und die weitere Entwicklung der Plica durch das Unterlassen des Kämmens begünstigte. Ja, auch das „Zurücktreten" des Weichselzopfes musste man nun fürchten und daher vor dessen „Erkältung", noch mehr vor dessen Heilung warnen. Das „Abwachsen" und „Abfallen" des Weichselzopfes, „Blu- tung" und „Schmerzhaftigkeit" bei dessen Durchschneidung, wurden als Beweis seines organischen Lebens angeführt, während ein von Günsbueg der Plica zugeschriebener Pilz und ihre Classification in männliche und weibliche , einfache und com- plicirte (Alibert) ihre wissenschaftliche Existenz stützen sollten. Die literarischen Kämpfe, welche noch in den

Hypei'tropliie der Nägel.

525

Fünfziger Jaliren Beschorneb , Hamburger, Hebra u. A. gegen den Aberglauben der Plica-Krankheit führten , sind heute überflüssig geworden. Wir wissen, dass die Verfilzung der Haare nur dann entstellt, wenn diese nicht gekämmt werden, und so finden sich derartige Fälle bei uns und überall an Personen, die aus Nachlässigkeit, oder wegen schmerzhafter AiFection der Kopfhaut (Eczema idiopathicum et e pedictilis, Ulcera syphilitica) das Kämmen unterlassen, besonders wenn Geschwürssecrete und Exsudate cUe Verldebuug der Haare begünstigen. Die Endemien von Plica sind erloschen, seit die betreff'enden Bevölkerungen durch Aiifklärung, oder behördliche Einflussnahme, ihre Weichselzöpfe mittels Scheere imd Kamm auszm-otten veranlasst worden und die jüngere Generation des Kammes sich regelmässig bedient. Die sporadisch sich dar- bietenden Pälle von Weichselzopf werden nach der Methode des Eczema Capilitii (pag. 417) behandelt. Nachdem die auf- lagernden Krusten mittels gewöhnlichen, oder läusetödtenden Oelen (Petroleum, Bals. peruv.) erweicht und durch Seifen- waschung abgelöst worden, schlichtet man mittels Einger und Kamm die verwirrten Haare, von ihrer Spitze gegen den Haarboden vorschreitend , ohne grosse Mühe und damit ist die Plica behoben.

Hypertrophie der Nägel.

Die über dieNorm gehende Zunahme desNagels anMasse und Umfang bezeichnet man als dessen Hyp e r- tr 0 p hi e. Beide diese Zustände treffen nicht immer zusammen ; wohl aber ist durch dieselben Veränderung in der Structur, Farbe, Consistenz und Form des Nagels in der ßegel mit bedingt.

Der hypertrophische Nagel erscheint übermässig lang und überragt dann die Fingerspitze um ein Mehrfaches seiner Normallänge; dabei behält er die normale Breite, Richtung und Beschaffenheit; oder er ist im überragenden Theüe dünn, glasartig, brüchig; oder verbreitert, verdickt, käsig trübe, höckerig, einfach krallenförmig oder mehrfach, widderhornartig, gekrümmt (Onychogryphosis). Ein ander- mal ist der Nagel nicht verlängert, aber bei sonst normaler Be- schaffenheit verbreitert, so dass dessen Ränder in den Nagel-

526

Zweiunddreissigste Vorlesung.

falz einschneiden, diesen zu schmerzhafter Blutung, Entzündiuig. Eiterung, üppiger Grranulation bringen (Paronychia). Oder endlich der Nagel erscheint unförmlich verdickt, bucklig, höckerig, stachelig aufgetrieben, dabei hart oder brüchig, an der Obei-fläche von Längs- und Querfurchen und Gruben besetzt, rauh (AsjDeritas unguium) , am vorderen Rande aufgetrieben und compact, oder grobzellig und vom Nagelbette aufgestülpt.

Die geschilderte Veränderung betrifft entweder nur ein- zelne Finger- oder Zehen -Nägel und letztere Adel häufiger, oder allesammt.

Anatomisch erweist nur der zugleich degenerirte hyper- trophische Nagel eine von der Norm abweichende Anordnung und BeschaflFenheit der Hornzellen. Dazu kommt bei den excessiven und chronischen Formen der Nagelhypertrophie ein Auswachsen der Papülen der Matrix, welche als gefässreiche Pulpe von da bis auf mehrere Millimeter Länge, bis über die Mitte des Nagelbettes, in den Nagelkörper hineinreichen, so dass man beim Durchschneiden des Nagels in solcher Höhe auf blutende Papillen trifft. Bei den acuten und vorübergehenden Formen der Nagel-Hypertrophie und Entartung dagegen findet sich blos hyperämische oder entzündliche Schwellung der Pa- pillen, oder auch gar keine erkennbare Alteration. Das Nagel- bett ist manchmal scheinbar nicht verändert oder es sind dessen Leisten ebenfalls hypertrophirt, mit zahlreichen Papillen besetzt (ViKCHOw) , wodann von hier ebenfalls eine hyperplastische Epidermismasse j)roducirt wird, welche von unten her die Nagelmasse verdickt oder den Nagelkörper aufhebt. Diese Veränderungen stehen im directen Verhältnisse zvir speciellen Ursache der Nagelhypertrophie. Einzelnen Fällen mag eine angeborene Anlage zu Grrunde liegen. Das Unterlassen des periodischen Abschneidens der Nägel führt nur zuweilen zu deren Hypertrophie; häufiger dauernd wiederholter Driick auf die Zehen, namentlich die randständigen grossen \md kleinen Zehen, eine Schädlichkeit, die an anderen Hautstellen eine ana- loge Bildung, Schwielen und Papillär - Hypertrophie veran- lasst; ferners alle jene chronischen Processe der Haut, welche an anderen Stellen Zellen -Lifiltration des Papillar- stratums und Epidermis - Hyperplasie setzen, als chronisches Eczem, Psoriasis, Liehen ruber, Elephantiasis Arabum, Lepra, SjTphilis und Ichthyosis. Bei Letzterer triffi man oft grypho-

Hypertrophie der Nägel.

527

tische Entartung der Nägel. Bei SypMis Lescliränkt sicli die Veränderung oft auf einen Tlieil des Nagels, entsprechend einer nur einen Tlieil der Matrix - Papillen infiltrirenden Papel und ist jene bleibend, wenn ein Theil der Papillen durch Schrumpfung oder Ulceration zu Grunde gegangen ist. Eezem, Psoriasis, Liehen ruber führen Entartung aller Nägel herbei, auch wenn jene Processe nicht direct die Finger betreffen, also in reflectorischer Wirtog. Auch manche allgemeine Zustände des Organismus scheinen zu Trübung, Eurchung, Abbröckelung der Nägel Veranlassung zu geben, wie nach HüTcamsoN die sj^jhilitischeDyathese Onychia syphilitica die aber nichts Anderes zu sein scheint, als die in Folge von Chlorose oder acuten fieberhaften Zuständen (Vogel) auftre- tende Onychie (Psoriasis unguium, Anderson) und ihr Analogen in der mit allgemeiner Ernährungs - Depression verbundenen Fettschüppchenbildung anderer Körperstellen (Pityriasis ta- bescentium, Seborrhoea Capillitii) findet.

Die Prognose der besprochenen Nägelentartung hängt von deren speciellen Ursache und von der Eliminirbarkeit der Letzteren ab. Am zweifelhaftesten ist sie bei der von allge- meinen Zuständen abhängigen Form, günstiger bei den durch örtliche Vorgänge und chronische Exantheme herrührenden.

Die Behandlung hat nur bei gewissen Formen Erfolg auf- zuweisen. Gryphotische und einfach verlängerte Nägel werden mittels Scheere abgetragen, oder mit der Knochenzange abge- kneipt ; hiebei etwa durchschnittene Papillarauswüchse werden geätzt. Gegen durch syphilitische örtliche Infiltration bedingte Onychie erweist sich das Belegen mittels Empl. hydrargyri schnell heUsam. Die mit Eczem, Psoriasis, Liehen ruber ver- gesellschaftete Asperitas unguium wird durch all' jene Mittel günstig beeinflusst, welche auch gegen jene Uebel wirksam sind , wie Theer , Unguent. Diachyli, Kali- und Sublimat- Umschläge, Kautschuk-Fingerlinge, iadem mit dem Gesunden der Papillen der Matrix auch die Nagelbüdung normal wird. Selbstverständlich kann die Besserung sich nur auf den neu- gebildeten, von der Matrix aus sich vorschiebenden Nagel, nicht auf den schon bestehenden und entarteten beziehen. Da aber das Wachsthum des Nagels sehr träge vor sich geht und dessen Substituirung durch einen neuen Nagel erst binnen vielen Monaten zu Stande kommt, so wird auch die Besserung des

028

Zweiunddreissigste Vorlesung.

Uebels erst spät walirnelambar , oft erst lange nachdem das Grundübel beseitigt worden.

In gleichem Sinne und in gleich zögernder "Weise wirkt der innerliche Grebrauch von Arsen und Eisen in den hiezu geeigneten Fällen (Chlorose, Psoriasis, Liehen).

Gregen das sclimerzhafte Einwachsen des Nagels, welches Manche durch das gewaltsame Ausreissen, oder das Aus- schneiden des Nagels beseitigen wollen, ist ein ganz unschmerz- haftes Verfahren anzurathen. Ein Bäuschchen geordneter Charpie, von der Länge des Nagelfalzes, wird mittels Meissel- sonde, Faden für Faden, zwischen Falz und Nagelrand ein- geschoben , worauf durch in ßingtouren angelegtes Empl. saponat. die Einlage befestigt und der Falz vom Nagel ab- gezogen wird. Der Verband wird täglich einmal erneuert, was die folgendenmale, bei Erweiterung der Falzfurche, schon sehr ber[uem geschehen kann. Der geschwürige Rand verheilt derart bald , oder nachdem die vorhandenen Wucherungen durch Scheere oder Aetzung beseitigt worden.

Dreiunddreissigste Vorlesung.

Bindegewebshypertrophien. Diffuse: Seleroderma (Anhang: Solepema neonatorum) und Elephantiasis Arabum. Elephantiasis telangiektodes et neurotieunn. Cireumseripte : Papilloma (Framboesia).

Die als Hypertrophie des Bindegewebes der Haut sich darstellenden Krankheitsformen erscheinen entweder als diffuse und mehr flächenhafte Verdickungen der Cutis Seleroderma und Elephantiasis Arabum oder in Gestalt umschriebener tind prominirender Geschwülste Papilloma (Framboesia).

Diffuse Bindegewebshypertrophien. Seleroderma,

S c 1 e r e m a a d ii 1 a t o r u m , ist die Bezeichnung, unter welcher Thirial im Jahre 1845 die nun zu be- sprechende, höchst eigenthümliche und vor ihm nur von CüKCio (1752) und Henke (1809) unverkennbar, aber namenlos beschriebene HautafPection vorgeführt hat. Später tauchten für dieselbe noch die Namen Seleroderma, Scleroma, Chorio- nitis, Sclerostenosis cutanea (Forget), Cutis tensa chronica (Fuchs), „Keloid von Addison", Elephantiasis sclerosa (Ras- mcssen), cicatrisirendes Haiitsclerem (Wernicke), Sclerosis telae cellulosae et adiposae (Wilson) ti. A. auf. Es dürfte jedoch gerathen sein, die Bezeichnung Seleroderma (sc. adultorum) festzuhalten, gegenüber dem anknüpfend zu besprechenden Sclerema neonatorum.

Von der im Ganzen seltenen Sclerodermie liegt in der Literatur eine genügend reiche Casuistik vor, die gegenwärtig bis an 70 Fälle hinanreichen dürfte, darunter fünf meiner

Kaposi, Hautkrankheiten. 34

ggQ Dreiunddreissigste "Vorlesung.

eigenen Beobaclitung. Dennoch ist unsere Kenntniss über diese Krankheit kaum weiter gelangt, als bis zu einer ziemlicb exacten äusseren Symptomatik.

Scleroderma, Sclerema adulto rum ist eine ehr o- nisch verlaufende Erkrankung und charakterisirt sich durch spontan, ohne Entzündungserscheinungen oder merkliche Alteration des Gresammtorganismus auftretende, diffuse, brettartige Härte, Starrheit und relative Verkürzung einzelner beschränkter, oder sehr ausgebreiteter Hautpartien.

Die AiFection befällt in unregelmässiger Weise die ver- schiedensten Hautstellen, vorwaltend der oberen Körperhälfte, seltener die Unterextremitäten und beschränkt sich entweder auf kleinere Hautbezirke , zwischen welchen die übrige Haut vollständig normal bleibt, oder ist über grosse Hautstrecken, den Rücken, die Gliedmassen, das Gesicht, diffus ausgebreitet. Je nach diesen Verhältnissen der Localisation, Ausdehnung, sowie des Stadiums, in welchem sich der örtliche Process und die Gesammterkrankung befinden, präsentirt sich auch der individuelle Eall der Sclerodermie unter einer bald mehr all- gemein zutrefi'enden, bald origineller gestalteten Form.

Das prägnanteste Symptom liefert die S der ose der Haut. Sie erscheint in Form von thaler-, flachhandgrossen und grösseren, unregelmässigen Flecken, bandartigen, stramm angezogenen, eingesenkten oder leistenartig vorspringenden Streifen, oder als diffuse und gleichmässige Verdichtung der ganzen Decke. Die sclerosirte Hautpartie springt mässig vor, oder ist flach, oder etwas eingesunken, an der Oberfläche glatt, oder mit gerunzelter, dünnschuppiger Epidermis bekleidet, speckartig glänzend, oder matt, fahlweiss, wachsartig, oder wie Alabaster, oder rosa- bis braunroth, manchmal mit Sommer- sprossen ähnlichen, von weissen, piginehtlosen und etwas ein- gesunkenen Punkten und Strichen untermischten, gelb- bis dunkelbraunen Pigmentflecken besetzt, oder difius dunkelbraun bis bronzebraun gefärbt. Unter dem Drucke des Fmgers ent- steht an der sclerosirten Haut keine dauernde Einsenkung und fühlt sich dieselbe bretthart , starr , kühl an , wie an ^ einem gefrorenen Leichnam. Sie kann kaum, oder gar nicht in eine Falte gehoben oder über ihrer Unterlage, Fascien, Muskeln. Periost, verschoben werden , so dass sie an die letzteren kurz angelöthet, mit ihnen eins zu sein scheint. Zugleich ist sie

Scloroderma.

531

verkürzt, für den von ihr umliüllten Inhalt zu enge geworden. Ueber die Beuge der Arm- und Fingergelenke laufend fixirt die Sclerose diese in halber Beugung und wird die Haut der Streckseiten passiv gespannt. Ist das Gresicht befallen, er- scheinen dessen Züge wie erstarrt, ganz und gar unbeweglich, unfähig des geringsten Mienenspieles. "Weder Schmerz noch Freude vermag das „versteinerte" Antlitz zu verändern, als wär' es in Marmor gehauen. Durch die Verkürzung der un- beweglich-starren Haut ist zugleich die Nase verschmächtigt, der Mund verkleinert und nur unvollkommen zu öifnen. Str-'ifenförmige sclerotische Hautstellen senken sich manch- mal , wie von einem subciitanen strammen Band ange- zogen, tief unter das Hautniveau, oder springen auch' mit einem Rande leistenförmig vor. Derartig streicht öfters die Sclerose über die Mamma, deren Wölbung in zwei Hälften theilend, oder die Warze nabeiförmig einziehend. Die Temperatur der sclerosirten Hautstellen ist normal, manchmal massig erhöht, in der Regel jedoch um ein Greringes, bis zu IV2*') niedriger als an der normalen Haut. Druck wird ziemlich schmerzhaft empfimden , während subjectiv selten Schmerz oder Brennen, meist nur Spannungsgefühl und Jucken, oder tief (in den Knochen sitzende) Schmerzen wahrgenommen werden. Die Tastempfindung ist meist normal, selten etwas abgestumpft. Die Schweisssecretion an den verhärteten Haut- stellen ist nur einigemal unbedeutend alterirt, die Talgsecretion normal gefanden worden. Ebenso hindert die Sclerodermie auch in anderer Rücksicht zunächst nicht die Nutritions- und Functionsfähigkeit der von ihr befallenen Cutis, so dass die- selbe z. B. auf chemische und mechanische Reize in Entzündiing und Verschwärung gera,then kann und von Erysipel, Acne, Variola, Zostereruption betroffen gesehen worden ist.

Auch die Schleimhaut der Zunge, des Zahnfleisches, des weichen Gaumens , Pharynx war in einzelnen Fällen (Arnixg, Sedgwick, PAGaE), je einmal auch die Scheide mit- sammt der Vaginalportion (Heller) und die Kehlkopfauskleidung der Sitz von harten, bandartigen, retrahirten Streifen.

Die Entwicklung der Sclerodermie erfolgt meist in der vorher örtlich gar nicht alterirten Haut ziemlich acut mii unvermerkt binnen wenigen Tagen. Zufällige Berührung, oder das Gefühl von Spannung macht die Kranken erst auf die

34*

532

Dveiunddreissigste Vorlesung.

Veränderung aufmerksam. Niclit selten aucli geht der Ver- härtung an manchen Stellen ödematöse, teigige Infiltration oder lebhafte Injectionsröthe durch einige Tage voraus. Mit der charakteristischen Sclerosirung der Hautstelle hat der Process örtlich seinen Höhepunkt erreicht. Der sclerotische Plaque oder Streifen kann nunmehr durch verschieden lange Zeit stationär bleiben, oder nach der Nachbarschaft sich ver- grössern, was bisweilen, namentlich bei den scharf begrenzten Flecken, unter Voranschreiten eines rosenrothen Injections- hofes erfolgt.

Der weitere Verlauf kann sich nunmehr in zweifacher Weise gestalten. Entweder schwindet die Sclerose vollständig und erlangt die Hautstelle ihre frühere Beschaffenheit, Ge- schmeidigkeit und Beweglichkeit, u. z. mag dies an einzelnen Partien schon nach wenigen Tagen, an anderen erst nach vielen Monaten erfolgen; damit ist allerdings nicht auch ein Erlöschen der Gresammterkrauknng gegeben, da im Gegen- theil zumeist gleichzeitig andere Hautstellen, oder auch bereits einmal genesene wieder neuerdings von dem Processe befallen werden. Oder die anfangs derbe, hart und dick sich anfühlende sclerotische Haut wird atrophisch, dünn, pergamentartig, narbig weiss oder roth glänzend, unregelmässig pigment-ge- sprenkelt, auf's höchste verkürzt, gespannt und fixirt ; auch das unterliegende Fettpolster, ja auch die Muskeln schwinden unter ihrem Drucke, so dass die atrophische Haut fast direct dem Knochen angelöthet zu sein scheint. Es kommt in ihr oft zu Verschwärung , namentlich über den Streckseiten der Gelenke. Dieser Zustand darf demnach nicht, wie dies früher versucht worden, als eine besondere Form (cicatrisirendes Hautsclerem, Werotckb), gegenüber dem früher geschilderten und als Sclerema elevatum sich darstellenden aufgefasst werden, sondern nur als Endstadium (Stadium atrophicum) des mit erhabener Verdickung (Stadium elevatum) beginnenden Processes der Sclerodermie. Vom atrophischen Stadium ist eine Rück- kehr zur Norm nicht mehr möglich.

Verlauf und Ausgang der Krankheit hängen von dem geschüderten Verlaufe des örtlichen Processes ab. Mehrere Jahre hindurch kann die Sclerodermie mit abwechseln- der LocaUsation bestehen und, wie dies in wenigen Fällen beobachtet worden, heilen, indem die Haut wieder normal

Sclorodema.

533

wurde und keine neue Sclerose auftrat. In den meisten Fällen aber nehmen sowohl die Sclerosirungsherde, auch bei anfäng- lichem Schwanken, an Zahl und Ausdehnung zu und den Aus- gang in Schrumpfung. Damit wird auch der Process nicht nur für die Haut , sondern für den Gi-esammtorganismus bedenk- lich. Obgleich das Allgemeinbefinden weder im Beginne, noch auch innerhalb der ersten Jahre der Erkrankung beein- trächtigt zu sein scheint, die Kranken gut genährt und in keiner wichtigen Function gestört sind, so schleicht doch allmälig unter Gremüthsverstimmung , Schlaflosigkeit, rheu- matischen und neuralgischen Schmerzen ein Zustand von allgemeiner Ernährungsdepression oder ausgesprochenem Ma- rasmus herbei. Ein typisches Bild dieser späteren Stadien zu entwerfen, gestattet das bisherige Beobachtungsmaterial noch nicht. Der tödtliche Ausgang, welcher in etwa einem Dutzend Fällen bisher beobachtet worden ist (Förster, Köhler, GiNTRAE, Auspitz, Arning, Rasmussen, Stein, Walter, Rossbach, Heller, Mader-Chiari), erfolgte unter den mannigfachsten, wie es scheint, individuellen und nicht mit dem Processe in der Haut direct zusammenhängenden Complicationen , als: Morb. Brightii, Emphysem, Bronchiektasie, Lungentuberciilose, Pneumonie, Vitium cordis, Anämie.

Die anatomische Veränderung, welche der so ganz eigenartig sich präsentirenden Sclerodermie zu Grunde liegt, zu eruiren, ist bisher nicht gelungen, obgleich sowohl todte, als vom Lebenden exscindirte Haiit wiederholt und zum Theile von hervorragenden Histologen untersucht worden ist. Ueber- einstimmend constatiren alle Ilntersucher eine Verdichtung und Verdickung des Bindegewebsfilzes der Cutis, neben Ver- mehrung der elastischen Fasern, auf Kosten der Unterhaut- zellschichte und der atrophisirenden Fettläppchen, so dass das homogen beschaffene, derbfaserige und engmaschige Cutis- gewebe bis dicht an die Fascie oder Periost reicht und ohne lockere Zwischenschichte diesen anhängt. Nebstdem vsdrd Pigmentreichthum im Rete und im Corium, Ektasie der Schweissdrüsen, Hypertrophie der organischen Muskelfasern (Neumanx, Rossbach) angegeben, welche Veränderungen jedoch mehr von consecutiver BedeiTtung zu sein scheinen. Wesent- licher dürfte vielleicht sein die Verengerung der Gefässe, welche theils durch dicht anliegende Parallelzüge von sclero-

534-

Dreiunddreissigste Vorleaung.

sirten Bindegewebsfasern, theils durch Lymplizellen-Lagen comprimirt zu sein sclieinen , die streckenweise die Gefässe in melirfaclier Breite der letzteren scheidenartig umgeben (Rasmussen, Kaposi). Allein ich vermag dennoch nicht, wie Chiari meint, den Zustand als einen aus Entzündung hervor- gegangenen anzusehen , da sowohl klinisch , als histologisch alle Merkmale derselben fehlen, in letzterer Beziehung nament- lich constatirt werden muss , dass auch in frischen Sclerosis- herden weder Ausdehnung der Grefässe , noch ödematöse Er- weiterung der Gewebsmaschen sich vorgefunden hat. Ver- ödung der Follikel und Drüsen stellt sich erst im Stadium atrophicum ein.

So ist denn rücksichtlich der Ursache nicht einmal der die Haut selbst betreffenden Veränderung, geschweige denn des Gesammtprocesses der Sclerodermie eine Aufklärung durch die anatomischen Untersuchungen bisher gewonnen worden. Nur in Heller's Eall mochte das Vorkommniss einer Verödung des Ductus thoracicus die Annahme gestatten, dass eine Rückstauung und Stagnirung der Lymphe in der Cutis und als deren Folge die Hypertrophie zu Stande kam. Obgleich auch ich vor Jahren ein stellenweises Stagniren der Lymphe in den Gewebsräumen der Cutis als Grundlage der örtlichen Veränderving anzunehmen geneigt war, so glaube ich doch nicht, dass ein mechanisches Hinderniss in einem Lymph-Sammelgefässe dafür beschuldigt werden kann, da die Sclerodermie nicht dem Sammelgebiet eines Lymphgefässes entsprechend, sondern ganz nnregelmässig localisirt auftritt und andererseits bei exquisit mechanischer Stauung der Lymphe eine andere Art von Hyper- trophie (Elephantiasis Arabum), aber nicht die ganz specifische Sclerodermie sich entwickelt. Man darf daher wohl eine vom Centrainervensystem influencirte trophische Störung als ent- fernte Ursache der Krankheit annehmen, obgleich eine solche materiell noch nicht erwiesen werden konnte. Damit stimmte vielleicht auch die Angabe Einzelner, dass die Krankheit wenige Tage nach einer heftigen Gemüthsbewegung , grossem Schrecken, aufgetreten sei. In anderen Fällen wird voraus- gegangenes und recidivirendes Erj'-sipel, oder Rheumatismus angegeben ; in der Mehrzahl jedoch fehlt es an jeder plausiblen ätiologischen Grundlage. Das weibliche Geschlecht parti- cipirt zu drei Vierttheilen an der vorliegenden Summe der

Sclerema neonatorum.

535

Sclerodermie-Fälle. Dass unter solclien Umständen, xmä da auch Personen mit Herzfehlern, Morb. Briglitii, Tuberkulose und anderen ' die Ernährung alterirenden Complicationen da- runter sich befanden, auch Chloranämie mit unter den Ursachen aufgeführt wird, ist begreiflich, aber nicht aiifklärend, da bei den Meisten, wenigstens in den ersten Jahren, die Ernährung ganz gut zw sein scheint.

Die bisherigen Fälle betrafen vorwaltend Personen mittleren Lebensalters, doch sind auch einzelne Erkrankungen an älteren Individuen, sowie an sechs- und zweijährigen (Cedsb) Kindern gesehen worden.

Die Diagnose der Sclerodermie fällt nicht schwer, wofern das Stadiiim elevatum zugegen ist. Auch der minder Erfahrene wird, sobald er beim Anfühlen der Haut den Ein- druck erhält, als wenn er einen gefrorenen Cadaver unter den Händen hätte, sofort an Scleroderma denken. Das (wahre) K e 1 0 i d fühlt sich nie so starr und unbeweglich an und erscheint auch nie in diffuser Ausbreitung. Im atro- phischen Stadiiim dagegen, sowie wenn nur ein einzelner Herd zugegen, kann die Unterscheidung gegenüber gewissen Formen der Lepra (Morphaea atrophica et lardacea Wilson und Pigment-Lepra) , sowie Xeroderma mihi , ihre Schwierigkeit haben.

Die Prognose der Sclerodermie ist nicht günstig, da die meisten EäUe unbestimmt lange dauern und in's Stadium der Atrophie gelangen, von wo eine Rückkehr zur Norm nicht mehr möglich ist. Es scheint sogar durchwegs Marasmus und direct, oder durch eine in diesem begründete Complication, das lethale Ende der endliche Ausgang der Krankheit zu sein. So lange aber nur das Stadium Scleroseos zugegen, kann immer- hin die Hoffnung auf Genesung aufrecht gehalten werden.

Die Therapie, obgleich in keiner Beziehung verläss- lich, kann doch in diesem Stadium und in einzelnen Fällen Erspriessliches leisten, wofern sie darauf gerichtet ist, die allgemeine Ernährung xind den Stoffumsatz anzuregen. Es empfehlen sich innerlich Roborantia, Eisen, Chinin, Amara, Leberthran, Arsen, nebstdem Wannen-, Dampf-, Moor-, Eisen- und Soolbäder, im Sommer Milch- und Trinkkuren, Aufenthalt im Gebirge, See- und Flussbäder. Oertlich können noch milde Fette, Salben von Cuprum oxydat., Glycerin, Vaseline eingerieben und

536 Dreiunddreissigste Vorlesung.

mit methodisclier Massage verbunden werden. Inunctionen mittelst Ungu. cinereum und Jodkali innerlich haben sich unwirksam erwiesen. Dagegen wollen Einige von der An- wendung des Constanten Stromes günstige Einwirkung erfahren haben.

"Wesentlich verschieden vom Scleroderma adultorum, ob- gleich demselben doch auch sehr ähnlich, ist die Affection, welche als

Sclerema neonatorum

(Chaussiek), Algidite progressive (Hervieux), Induratio telae cellularis neonatorum, Z ellge w eb sverhär- tung der Neugeborenen vieler Autoren bekannt ist. Sie befällt meist Kinder der ersten Lebensmonate , seltener eiu- bis zweijährige und beginnt mit Erkalten, Oedem und Härte der Eüsse und Unterschenkel ; die Haut ist da gespannt, glänzend weiss oder roth schimmernd , manchmal schmutzig gelbbraun , kachektisch und hart anzufühlen , aber mittelst Fingers grubig eindrückbar (Oedem). Binnen Stunden, ein bis zwei Tagen breitet sich die Veränderung unter denselben Erschei- nungen über Unterleib, Stamm, Oberextremitäten imd Gesicht aus, indem auch da die Haut resistent, kühl und unbeweglich wird, während die früher ergriffenen Unterextremitäten unter Schwinden des Oedems schmächtiger und härter , gerunzelt, wie mumificirt werden. Die Temperatur der Haut wie der inneren Organe sinkt stetig um 2 C. täglich. Das Gesicht, dessen Decke starr, nach dem überwiegenden Muskelzuge fixirt zu sein scheint, sieht gerunzelt, greisenhaft aus; die Starr- heit der MundöfPnung macht das Saugen und die Nahrungs- aufnahme unmöglich. Derart ergriffene Kinder liegen unbe- weglich da, wie halb erfroren und geben nur durch geringe Bewegung der weniger erkrankten Körpertheile imd durch schwaches Wimmern ein Lebenszeichen von sich. Unter fort- schreitender Temperatursabnahme, oder indem zugleich Com- plicationen in anderen Organen auftreten, sterben die Kranken binnen 2 10 Tagen. Selten verzögert sich der lethale Aus- gang um ein Beträchtliches. Noch seltener hebt sich wieder die Temperatur an den schon erkalteten Körperpartien und schwinden Oedem und Sclerem, wodann allmälig Erholung und vollständige Genesung sich einstellt.

Elephantiasis Arabum.

537

Die nächste Ursaclie der Scleremersclieiniingen liegt in einer Verlangsamnng der Capillar-Circulation in den peri- pheren Körpertheilen. Die entferntere Ursache für dieselbe o-eben alle iene Zustände ab, welche die Herzaction schwächen oder die Wärmepro duction hemmen. Daher tritt das Uebel auf bei mit Herzfehlern behafteten oder durch Pleuro- pneumonie, chronischen Katarrh des Respirations- und Ver- dauungstractes, Diarrhoen, Follicularverschwärung des Darmes geschwächten , bei in Folge schlechter Pflege , hereditärer Syphilis, oder von Haus aus lebensschwachen Kindern.

Anatomisch haben M-^ir, gleich Förster, Virchow u. A. ausser ödematöser Durchtränkung des Cutisgewebes und derber, steariiiähnlicher Beschaffenheit des Panniculus, keine auffällige anatomische Veränderung , namentlich , im Gregen- satze zum Scleroderma , keine nennenswerthe Zelleninfiltration oder Bindegewebshypertrophie beim Sclerema neonatorum ge- funden, während Löschner Verbreiterung des Corium und herdweises Auftreten von zellenreichem, embryonalem Binde- gewebe angibt. Stauung in den peripheren Lymphbahnen und Lymphangioitis (Pastorella.) dürften eher consecutive Zustände darstellen.

Die Therapie hat zur Aiifgabe, durch künstliches Er- wärmen, Frottiren des Körpers und durch geeignete Nahrungs- zufuhr und Stimulantia die gesunkene Körperwärme und Lebenskraft zu heben, eventuell durch Besiegung der Compli- cationen die Herzaction und die Capillarcirculation der Haut neu zu beleben. Die Besserung gibt sich durch kräftigere Herzaction und Temperatursteigerung in der Haut kund, unter welcher in kurzer Zeit auch das Sclerem schwindet. Alsdann ist auch Genesung zu hoffen.

Ungleich häufiger und in ihrer Entstehungsweise ver- ständlicher ist jene diffuse Bindegewebshypertrophie der Haut, "welche die als

Elephantiasis Arabum

s. Pachydermia (Füchs) bekannte Krankheit darstellt.

Man versteht unter Elephantiasis Arabum eine auf einzelne K örp er r egion en beschränkte, in Folge örtlicher Circulationsstörungen, chronisch wieder- kehrender Grefäss- und Lymphgef ässentzündung,

538

Dreiunddveissigste Vorlesung.

Rotlilanf lind persistir ender Oedeme auftretende Hypertrophie der Cntis sammt Unterhautzellg e- w e b e und die in weiterer Betlieiligung aucli der unterliegenden Gebilde sicbeinstellendeMassenverdickung und Volums- zunahme des betroffenen Körpertlieiles.

Der Name Elephantiasis ist von den Araber-Uebersetzern (daher El. Ar ab um) homonjnn mit der arabischen Original- bezeichnung, dal-fil, (Elephantenfuss) eines pachydermatischen Beines geschaffen worden. Mit dieser Bemerkung soll dem nahe liegenden Irrthume begegnet werden, als handelte es sich um eine in Arabien heimische Krankheit ; denn El. Arabum findet sich allerdings in gewissen Formen ungleich häufiger, ja nahezu endemisch in manchen tropischen und subtropischen Gegenden, in Aegypten, an den Mittelmeerküsten, Arabien, der Westküste Afrika's , Brasilien , auf den Antillen , den Sundainseln , den Küsten- und Inselländern der südlichen Meere überhaupt. Die Krankheit kommt aber in vereinzelten Exemplaren in allen Ländern vmd Himmelsstrichen und in gewissen Formen sogar bei uns ziemlich oft zur Beobachtung.

Der häufigste Sitz der Affection ist die Unterextremität (selten beide), u. zw. meist auf Unterschenkel und Fuss be- schränkt, seltener auch auf den Oberschenkel bis zur Backen- falte, oder gar auf eine Hinterbacke sich erstreckend. Demnächst betrifft dieselbe zu öfterst die Haut des Penis und Scrotums, der grossen und kleinen Labien mitsammt der Clitoris , wälrrend die Oberextremität nur selten , Wangen , Ohren, Rücken und andere Körpertheile nur ausnahmsweise an Pachydermie erkranken.

In den beiden Localisationsformen, der Unterextremität und der Genitalien, sind die Symptome der Krankheit in typischer Weise ausgeprägt.

El. Arabum cruris entwickelt sich in der Regel in chronischer Weise unter zeitweilig, paroxysmenweise, oder in unregelmässigen Intervallen sich erneuernden Entzündungs- erscheinungen, welche in der ersten Zeit die einzigen Krankheits- symptome darstellen. Ohne, oder auf örtliche Veranlassung tritt am Unterschenkel diffuses Erysipel, oder tiefer greifende Der- 'matitis, oder auch nur streifenförmige Röthung und Schmerz- haftigkeit, Lymphangioitis , Phlebitis, Schmerz, Spannung, Schwellung der Haut unter Fieberbegleitung auf. Kurze Zeit nach Ablauf des Entzündungsanfalles erneuert sich derselbe

Elephantiasis Arabuni.

539

spontan oder durch örtliche Momente veranlasst. Nach jedem solchen Anfalle bleibt ein geringes Oedem der Haut zurück, welches in dem Masse deutlicher wird und bereits den Umfang des Unterschenkels vergrössert, als binnen Monaten, 1 2 Jahren die Entzündungen häufiger aufeinander folgen. Die Hautober- fläche scheint bis auf grössere Spannung und weiss oder roth schimmerndes Ansehen nicht verändert. Mit der Fingerspitze kann man leicht eine das Oedem des Unterhautzellgewebes ver- rathende Griibe eindrücken. Allein zugleich lässt sich eine Massenzunahme und Härte desselben und beim Versuche, eine Falte zu heben, constatiren, dass die Haut dicker, derber und strammer angelöthet geworden ist.

Im weiteren Verlaufe schwellen die Leistendrüsen zu grossen, derben Knollen an. Ja nach Einigen soll die Schwel- lung und Verhärtung der Leistendrüsen sogar den Erscheinungen an dem Unterschenkel vorangehen und wird auch die AlFection als Drüsenkrankheit von Barbados (Hendy und Rollo) bezeichnet. Binnen 5 10 Jahren wird die Unterextremität enorm voluminös und verunstaltet, indem inzwischen die Hypertrophie nebst Haut- und Unterhautzellgewebe auch die unterliegenden Weichgebilde nebst Knochen ergriffen hat.

Der Unterschenkel ist auf das Zwei- oder Dreifache seines früheren Volumens verdickt und stellt einen plumpen Cylinder von monströsem Umfang und Ansehen dar, der in gerader Flucht, mit Ausgleichung der Knöchelgruben, in den polsterartig auf- getriebenen Fussrücken übergeht und einem Elephantenfuss wohl vergleichbar ist. (Elephantopus , Barbados-, Cochinbein, Roosbeen von Surinam.) Eine tiefe Furche über dem Sprung- gelenke, in welcher ranziges Hautsecret nebst Epidermistrüm- mern sich anhäufen, scheidet die Schenkel- und Fiissverdickung von einander. Der Fuss ist zugleich verbreitert, ebenso wie die Zehen, deren elephantiatische Haut nicht selten bis auf seichte, ihre gegenseitige Grenze andeutende Furchen, in einander ver- schmolzen ist. Die allgemeine Decke der so monströs verdickten Gliedmasse ist trocken , nicht transspirirend , prall gespannt , matt glänzend oder fahl , streckenweise schmutzig- braun (El. fusca, s. nigra), von Pigment oder auflagernden seborrhoischen Epidermismassen. Die Oberhaut selbst ist streckenweise dünn, pergamentartig, rissig und blätterig, an anderen Stellen gefeldert, dick und schmutzig-braun, wie bei

540

Dreiunddreissigste Vorlesung.

Iclitliyosis serpentina, oder zu dicken Schwielen oder kornartigen Kegeln aufgelagert , wie bei IcMliyosis hystrix. Im Uebrigen ist die elephantiatiscbe Haut glatt (El. glabra) , an anderen Stellen höckerig (El. tuberosa) oder mit zahlreichen faden- und brom- beerartigen, trockenen oder nässenden Warzen besetzt (El. verru- cosa s. papillaris). Nebstdem finden sich nach Umständen Ex- coriationen, flache oder tief greifende, von callösen Rändern besetzte, im Grrunde necrosirende oder dünnes Secret absondernde Geschwüre, oder streckenweise nässendes und crustöses Eczem. Auch ist in Fällen von Pachydermie, bei welchen der Process dilFus, oder in Form von streifenförmigen Verhärtungen vom Unterschenkel über die innere Oberschenkelfläche bis zu den Leistendrüsen, oder bis auf die Nates ausgedehnt erschien, zeit- weilig spontane Berstung der Haut, oder eines als Strang fühl- baren Lymphgefässes , und aus demselben tropfenweises Aus- sickern von Lymphe (wahre Lymphorrhoe) beobachtet worden. Das Anfühlen der Extremität ist sehr hart, die Haut kann nicht in eine Falte gehoben und ebensowenig ein Muskel durch Greifen isolirt werden und man bekommt den Eindruck, als wenn Haut, Fascien, Muskeln mitsammt in eine derbe Masse verschmolzen seien. Der Knochen der Tibia ist ebenfalls bedeutend verdickt im Mittelstück oder auch an den Gelenksenden (Paedarthrocace von Malabar) und fühlt sich glatt an oder mit spitzen oder stumpfen, harten, von der Innenfläche und der vorderen Kante hervorgetriebenen, in die sclerotische Masse hineindrängenden Höckern besetzt. Ausnahmsweise kommt es unter gewissen Complicationen zu Caries oder Necrose und bei gewissen Formen der El. der oberen Extremität zu Druck-Atrophie des Knochens.

Snbjectiv belästigt El. cruris nur durch die Functions- behinderung, welche nicht nur in dem absoluten Gewichte der Gliedmasse und der Starrheit der Haut, sondern auch in der gleichzeitigen Entartung der Muskeln begründet ist. Schmerzen stellen sich nur während der Entzündungsvorgänge und in Folge von Complicationen ein.

Die meisten und gerade die excessiven Fälle von El. der Unterextremität sind einseitig ; gewisse Formen betreff'en auch beide Beine.

Die Oberextremität wird nur selten (in Folge von syphilitischer oder lupöser Entzündiing) von El. Arabum befallen und dann in sehr abenteuerlicher Weise verunstaltet.

Elephantiasis Arabum.

541

Elephantiasis genitalium (i. e. Scroti, penis, labiorum pndendorum et clitoridis) kommt in unserem Himmels- striclie nur sporadiscli imd in massigem Grade, in zahl- reichen und excessiven Formen dagegen in den schon früher erwähnten tropischen" und subtropischen Gegenden vor, wie Peuner, Rigler, Reyee u. A. berichten. Am colossalsten gedeiht ' wohl die El. scroti , durch welche der Hodensack zu einem bis zum Knie oder gar zum Boden hinabreichenden, bis zu 120 Pfond schweren, „fleischigen", beuteiförmigen Klumpen heranwächst (Hernia carnosa, Prosper Alpin, Larrey, Sarcocele m. Aut.) , der stielförmig von der Inguinalgegend ausgeht und Penis sammt Hoden in sich verbirgt. Eine seichte, trichterförmige Rinne in der Penishöhe kennzeichnet an der Geschwulst die Fixirungsstelle des inneren Vorhautblattes an das Frenulum und den Weg, den der Harn aus der Harn- röhre nimmt. Nur bezüglich der Entwicklung der El. penis gibt Pruner an, die vorangehenden Anfälle von Rothlauf beobachtet zu haben , während bezüglich der El. scroti solche Beobachtimgen fehlen. Der Process beginnt mit der Bil- dung eines derbteigigen Knollens am Grunde des Hoden- sackes, der, indem er heranwächst und verhärtet, die Nachbar- haut von allen Seiten, vom Penis, Bauch, Oberschenkeln heran- zieht und in den Tumor aufnimmt, so dass speciell der Penis, indem dessen Bedeckung ab- und vorgezogen wird, gänzlich, bis auf die früher erwähnte Praeputio-Urethral-Rinne , in der Geschwulst verschwindet. Diese selbst ist an der Oberfläche gerunzelt, gefurcht, da und dort nässend oder mit "Warzen besetzt und fühlt sich derb-knollig , stellenweise hart , oder im Gegentheile weich oder sulzig-elastisch an. Es soll da öfters zur Bildung von Blasen kommen, nach deren Berstung oder zufälliger Verletzung stunden- oder tagelang wahre Lymphe, d. i. an der Luft gerinnende und Lymphzellen ausscheidende Flüssigkeit aussickert wahre Lymphorrhoe.

Die Elephantiasis pudendorum muliebrium bildet nicht ganz so colossale, aber doch auch zuweilen bis zu den Knieen herabreichende, genau so beschaifene , gestielte Geschwülste der grossen und kleinen Lippen und der Vorhaut der Clitoris.

Nur sporadisch trifft man auch Elephantiasis der Ohr- muscheln und der angrenzenden Wangen- und Kopfbedeckung, der oberen Augenlider, als dicke, beuteiförmige Anhänge, breit

542

Dreiunddreissigßte Vorlesung.

oder gestielt lierabhängend, oder, wie ich nach chronisch reci- divirendem Gesichts-Erysipel gesehen, als monströse Vergrös- serung und Verdickung der Ohrmuscheln und geschwulstartige Auftreibung und Härte der Wangen und Lippen.

Noch seltener ist die elephantiatische Verdickung anderer Hautregionen und da jedesmal so sehr vom geschilderten Typus abweichend, dass auch eine andere Auffassung solcher Vor- kommnisse statthaft wäre. Manche einschlägige Fälle sind wohl treffender als M o 1 1 u s c u m f i b r o s u m anzusehen. Andere stellen beutel- oder geschwulstartige Verdickungen der Haut vor, welche aus angeborenen Bindegewebs- oder Grefässmäleru durch fortschreitendes Wachsthum hervorgegangen sind. Letz- tere Art Geschwülste, welche wegen ihres ßeichthums an blut- strotzenden Gefässen mit dem Namen El. telangiektodes (VmCHOw) charakteristisch bezeichnet werden können, haben Rokitansky, Vikchow, Hecker, Czerny beschrieben. Ein Fall, den ich von meiner Süidentenzeit her durch viele Jahre beob- achtet habe, ist wiederholt das Object operativer Eingriffe durch Schuh, Salzer u. A. gewesen. Am linken Arm eines jungen Mannes war aus geringen Anfängen eine solche beuteiförmige Geschwulst herangewachsen, die wie ein Blutschwamm unter der Hand comprimirt werden konnte, um sich sofort turgescirend wieder zu füllen, und unter der Muskeln und Knochen atrophirten. Hier (gleich wie in Czerny's Eall) waren gleichzeitig und schon vom Beginne an, schmerzhafte Neurome in's schwammige Gewebe des Tumors eingebettet, weshalb auch der Name Ele- phantiasis neuromatosum (P. Bruns) dafür passen würde. Es sind dies also pathologische Bildungen , die durch Entstehungs-, Verlaufsweise und selbst anatomische Bedeutung von Elephan- tiasis Arabum nicht unwesentlich abweichen, aber doch hier erwähnt werden , weil sie zumeist imter solchem Namen vor- geführt worden sind.

Die anatomische Untersuchung der elephantia tischen Hypertrophie gewährt ziemlich klare Einsicht in die ihr zu Grunde .liegenden Vorgänge. Schneidet man eine in vorge- schrittenem Grade elephantiatische Extremität ein, so kreischt das Messer und erscheint das gesammte subcutane Gewebe bis auf den Knochen als eine beinahe homogene , gelblich-weisse, fibröse oder speckige (lardace) Masse, in welcher die anatomisch verschiedenen Gebilde, Muskeln, Nerven, Gefässe nur schwer

Elephantiasis Arabnm.

543

erkennbar sind. Bei Druck entleert sick aus der Scknittfläclie eine Menge klarer, gelblicb-weisser Lympke. Die Cutis selbst ersckeint etwas verdicktet, aber von ziemlick normaler Dicke, dagegen ist die Sckickte des Unterkautzellgewebes auf das Mekr- facke des Normalen verbreitert und bei näkerer Untersuckung ungleickmässig besckaffen. Einzelne Stellen sind derb, weiss- glänzend und dicktfaserig, fast scirrkös (El. dura s. scirrkosa), andere weick, sulzig vorquellend (El. mollis s. gelatinosa) und von seknig glänzenden Faserbalken begrenzt. Dazwiscken finden Sick derart begrenzte Loculamente, die flüssige Lympke ent- kalten. In gleicker Weise verdickt und verdicktet erweisen sick die Fascien, das intermusculäre Bindegewebe, Gefäss- und Kervensckeiden , die Nerven selbst aber nur selten degenerirt. Die Knocken sind verdickt, sclerosirt und glatt oder mit Osteo- pbyten besetzt, selten stellenweise usurirt, versckmäcktigt oder nekrotisck oder cariös.

Bei der mikroskopiscken Prüfung findet man die Cutis, bis auf Verdicktung ikrer Faserung und Pigmentreicktkum der- selben und der Epidermis, nur dort erkeblick verändert, wo warzige Bildungen aus derselben kervorgegangen sind, u. z in gleicker Weise, wie bei Icktkyosis simplex und kystrix oder bei der Warzenbildu.ng. Die scirrkösen Massen des Unterkaut- zellgewebes besteken aus einem dickten Filze saft- und zellen- armer Bindegewebszüge, die weicken aus jungem, saftreickem, viele Riuid- und verästigte Zellen (Bindegewebskörpercken) ein- sckaltendem Bindegewebe. Die Drüsen der Haut sind strecken- weise erkalten oder auseinandergedrängt, gleick den Fettläppeken, oder atropkisirt, das Sckweissdrüsen-Endotkel glasig gequollen (Gay), die Muskeln entfärbt, fettig entartet. Die Arterien und Yenen, letztere auck streckenweise tkrombosirt, grossentkeils erweitert, sind von verdickter Adventitia umscklossen; die Lympkgefässe jedock durckwegs , sowie die interstitiellen Lympki'äume bis an die äusserste Spitze der Papillen erweitert (Teichmaxx) und von Lympke erfLillt, stellenweise zu von En- dotkel ausgekleideten (Czerny) Ampullen ausgesackt.

Analog ist der Befand bei El. scroti, zu welckem für El. telangiektodes nock besondere Merkmale, als Ektasie und Neu- bildung von Blutgefässen und dickbalkigen Bluträumen, sowie (in mancken Fällen) Neurome (Czerny) zu fügen wären.

Betracktet man den Entwicklungsgang der El. Arabnm im

544

Dreinnildreissigste Vorlesung.

Vergleiclie zu den Ergebnissen der anatomisclien Untersuchung, so fällt es vmscliwer einzusehen, dass das im Grefolge der chroni- schen Entzündungsanfälle sich erneuernde und stagnirende Oedem die Grundlage für die Bindegewebshypertrophie und in weiterer Folge für die Massenverdickung des Körpertheiles und die anderen Gewebsveränderungen abgibt. Allein nicht jede Art Oedem führt in gleicher Weise und Raschheit zu Hypertrophie des Binde- gewebes. Seröses Oedem , wie das durch Stauung in den klein- sten Venen oder grösseren Venenstämmen, oder durch zu spärliche Nierenausscheidung bedingte , taugen gewiss nicht dazu. In der letzten Zeit sind von Cohnheim, Ranvier, Lassar, Sotnitschewsky u. A. in der Richtung lehrreiche Versuche angestellt worden, die zwar nicht durchwegs klare Resultate zu Tage gefördert haben, aber doch den Unterschied niarkiren, welcher zwischen der Durchtränkung des Gewebes mittels entzündlichem (unter Ent- zündung aus den Gefässen exsudirtem) und der mittels mechanisch aus normalen Gefässen ausgetretener Stauungsflüssigkeit besteht. Hier handelt es sich um ein sogenannt lymphatisches (Virchow) Oedem, d. i. eine an weissen Blutkörperchen reichhaltige Flüs- sigkeit, welche in den Gewebsiiiterstitien sich aufstaut. Eine solche führt nach mikroskopischen Nachweisen (^Young) direct zu Neubildung von Bindegewebe, indem die farblosen Zellen proliferirend auswachsen und sich vielfach ästig und faserig verbinden und indirect, indem die abundante Nahrungsflüssig- keit auch die normalen (fixen) Bindegewebselemente zur Hyper- plasie anregen mag.

Die bekannten Ursachen der El. Ai'abum erläutern diese Verhältnisse nur noch weiter, indem die Affection überall da aufzutreten pflegt, wo die örtlichen Verhältnisse recidivirende Entzündung und Stagnation entzündlicher Oedeme begünstigen, als, für die Unterextremität : chronisches Eczem, Fussgeschwüre, Narben, Ivnochencallus, chronische Neubildungen, wie Sj^philis gummatosa und exquisit Lupus, narbige Constriction der Leisten- drüsen , wahrscheinlich auch schrumpfende Exsudate und Tu- moren innerhalb des Beckens, da ich nach Puerperien bei jungen Frauen in kurzer Zeit entstandene hochgradige El. cruris beob- achtet habe. Schwierig dagegen ist eine Ursache ausfindig zu machen für die im Orient und in den Tropen, oder auch bei uns sporadisch vorkommenden Fälle von El. genitalium. Da muss allerdings eine ßacen- oder individuelle, oder durch

Elephantiasis Arabnni. 54o

die klimatisclieu Verhältnisse bedingte Disposition über unsere Unkenntniss hinweghelfen. Der Eall von El. telangiektodes von Hkcker und Czeeny war in drei Generationen einer Familie, also erblich aufgetreten. Doch war dies, wie früher erwähnt, nicht die gewöhnliche Form von El. Arabum. Manion beschuldigt für einen'^Fall von El. scroti eine durch Filaria sanguinis in den Blutgefässen veranlasste Stauung.

Zur Diao-nose der El. Arabum dürfte das Festhalten des früher aufgestellten strengeren Krankheitsbegriftes und der geschüderten Symptome hinreichen. Die Prognose ist nur während der ersten Stadien der Affection relativ günstig , so lana-e nur erst Oedem vorhanden und der Kranke in der Lage ode? die Therapie im Stande ist, die Entzündung erregenden Momente fernzuhalten. Nur das Oedem, nicht aber das fertig gebüdete hypertrophische Bindegewebe kann noch zum Schwinden

gebracht werden.

Bei der Beh andlung haben die allgemeinen Massnahmen in dem Sinne zu erfolgen. Bei El. cruris müssen vor Allem die .etwa vorhandenen Entzündungserscheinungen, und so ott sie neuerdings sich einstellen, nach den aUgemeinen Regeln bekämpft werden. Horizontale Lagerung der Extremität wahrend der örtlichen Temperaturssteigerung und Schmerzhaftigkeit, AppHcation von Kälte , später von warmen , sogenannt „ver- theilenden" Fomentationen und lauwarme Bäder sind da am zweckmässigsten. Complicirende Geschwüre, Eczem, warzige Auswüchse werden mit den bekannten Mitteln (Salben, Ver- bandwässer, Aetzmittel) besorgt, auflagernde Schuppen und Krusten erweicht und abgelöst und die Kranken angehalten. Alles zu vermeiden, was neuerdings Entzündung erregen und das Oedem steigern könnte. Die nächste Aufgabe be- steht in dem Streben, durch Resorption des ödematosen Infiltrates eine Volumsabnahme der Extremität zu bewirken. Methodische Einreibungen von Ungu. cinereum, Ungu. Juniperi, in Verbindung mit fleissigen lauwarmen Fomentationen und Bädern und horizontaler Lagerung des Beines mindern oft m wenigen Tagen wesentlich die Härte und den Umfang der Giied- masse. Ein Weiteres leistet dann ein Druckverband, der jedoch nur angelegt werden kann, wofern keine acuten Entzündungs- erscheinungen zugegen sind. Eine Flanell- oder Kautschuk- binde, besser noch, nach Hebra, eine Calicotbinde, die vorher

Kaposi, Hantkrankheiten.

546

Dreiimddreissigste Vorlesung.

in "Wasser getaucht worden, wird von den Zelien nach aiif'wärts bis über die elephantia tische Partie hinauf in möglichst ebenen Touren stramm angelegt und da unter derselben der Umfang des Gliedes rascli abnimmt, in den ersten Tagen 2 3mal er- neuert. Nach möglichster Verdrängung und Resorption des Oedems bleibt nur noch jenes Volumsübermass zurück, das auf Rechnung der Bindegewebshypertrophie zu setzen ist. Man hat nun vielfach durch Verminderung der Blutzufuhr diese zu beschränken versucht, durch methodische Compression der Art. femoralis oder (seit Caknochan, 1851) Unterbindung dieser und selbst der Art. iliaca. Abgeselien von den Fällen, welche hiebei an Grangrän und Pyämie zu Grrunde gingen, ist auch in den anderen mu^ so viel Besserung eingetreten, als die nach solchen Operationen nothwendig durch mehrere Wochen fortgesetzte horizontale Lagerung an und für sich , i. e. durch Oedem- verminderung bewirkt haben mochte. Unter solchen Umständen möchte man bei hochgradiger Elephant. cruris beinahe für die Amputation plaidiren, durch welche das Individuum auf einmal von der unbrauchbaren und behindernden Gliedmasse befreit und in die Lage gesetzt würde, einen bequemen Stelz- fu.ss zu gebrauchen. Leider ist auch dieses Resultat nicht sicher, da bisher die meisten Kranken an den Folgen der Am- putation gestorben sind.

Elephantiasis der Genitalien und aiiderer Regionen ist nur mittels Operation zu beseitigen und es sind seit Gaetani- Bey die Methoden der Operation für El. scroti derart vervoll- kommnet worden, dass selbst die colossalsten Geschwülste mit Erfolg beseitigt werden können. Die Excision hat mit der Vorsicht zu geschehen, dass für Penis und Testikel genügend grosse Decklappen zurückbleiben.

Circumscripte Bindegewebsliypertrophien.

Die aus umschriebener Bindegewebshyper- trophie der Haut hervorgehenden Krankheitsformen er- scheinen als rothe, warzige, einfach oder zusanuuengesetzt lappige , blumenkohlartige , massig und bi^ zu mehrere Centimeter emporragende, stellenweise trockene, meist ein dünnes, klebriges und bald übelriechendes Secret absondernde, wenig empfindliche Auswüchse der Haut, welche beschränkte Stellen oder grosse Flächen occupiren und nach äusserem

Papilloma. 547

Ansehen und anatomischem Bau in's Colossale vergrösserte Papillen vorstellen Papillome. Ihr anatomisches Gefüo-e entspricht also vollständig dem für die einfachen xmd '^zusammengesetzten Warzen (Fig. 29), die papillären Auswüchse bei Ichthyosis hystrix (Fig. 30) uild Dermatitis papillaris capiUitii (Fig. 27) geltenden Schema: einfache oder dendritisch verzweigte Bindegewebskegel , deren Axe in Stamm und Aesten von einem mächtig erweiterten und ent- sprechend verzweigten Capillargefässe durchsetzt, während deren Oberfläche von einem proliferirenden Eete bedeckt wird. Bei lebhafter Wucherung der Gebilde wird deren Epidermis, unvollkommen verhornt, als schmutziger Detritus oder durch Bläschenbildung abgehoben und abgestossen, alsdann liegt das Rete, stark nässend, abwechselnd incrustirt, zu Tage miä ist der Bingewebsstock saft- und zellenreich. Bei den stationären Formen bildet sich eine mächtige Hornschichte, wie bei Ichthyosis hystrix , xmd. ist das Bindegewebe des Gerüstes grobfaserig, engmaschig und zeUenarm, bisweilen sogar scirrhös.

Von den angebornen und als Naevi p apillomato si zu geltenden Formen abgesehen, gehören diese anatomisch con- gruenten Formationen klinisch sehr difiFerenten Processen an. Einer derselben ist von Sauvages (1786) als Framboesla in die Pathologie eingeführt worden, worunter eine angeblich in West- afrika und Westindien heimische (dort „Plan", hier „Yaws" ge- nannte) Krankheit verstanden wurde, welche diirch die Entwick- lung von maulbeer- oder himbeer artigen, nässenden Auswüchsen sich charakterisirte und nach Einigen syphilitischen, nach An- deren idiopathischen Ursprunges sein sollte. Alibert hat für Fram- boesla den Namen Mykosis (framboesioides et syphiloides daneben noch fungoides) und später Plan substituirt und die Aifection zur Syphilis gerechnet. Spätere Erfahrungen haben aber ergeben, das Framboesia geradeso als Sammelbegriff für sehr differente, theüs syphüitische, theüs anderweitige, allerdings meist mit papUlären Bildungen vergesellschaftete chronische Infiltrations- und Ulcerationsprocesse der Haut missbraucht worden war, wie die Namen „Sivvens" für in Schottland, „Ra- desyge" in Norwegen, „Falcadina" in Istrien u. m. A. angeblich endemische Krankheitsformen, welche für die fach- kundigen Aerzte sich sofort als gar nicht fremdartig, sondern der Syphilis, Scrophulose, dem Lupus und anderen bekannten

;-55*

548

Dreiunddreissigste Vorlesung.

Processen aiigehörig erwiesen liaben. Indem somit die patlio- logisclien Objecte für jene Namen abhanden gekommen waren, mnssten aticli diese selbst aus der Pathologie scliwinden. Um bezüglicli der Framboesie ein concretes Beispiel anzuführen, so hat Alibert als Prototyp des „Pian ruboid" , demnach in der nach diesem Autor allgemein angenommenen Bedeutung von Framboesie und Syphilis, jene interessante Krankheitsform des Nackens und Hinterhauptes beschrieben und abgebildet, welche nach meinen Beobachtungen und mikroskopischen Unter- suchungen (s. pag. 464) einen idiopathischen, nicht syphi- litischen , chronischen , zu Papillombildung und später zu scirrhöser Bindegewebshypertrophie fübrenden Entzündungs- process darstellt.

In der Mehrzahl der einschlägigen Fälle handelt es sich um secundäre Formationen , um exuberirendes Auswachsen der Hautpapillen, oder (auf eiternden Wundflächen) der Grranu- lationen über einer cbronisch entzündlich, oder neoplastisch infiltrirten, oder eiternden Haiitstelle. Hieher gehören die bei Sycosis, Eczem und ulceröser Syphilis des behaarten Kopfes, über cariösen Knochen, auf und neben chronischen Fuss- geschwüren üppig wachsenden Wucherungen und als häufigste, die auf Lupus und ulcerirenden Syphiliden sich, erhebenden und diese selbst oft überdauernden, warzig-drusigen Excrescenzen. Es ist daher sachgemäss, solche Formen nach dem G-rund- processe , allenfalls mit Beifügung eines die Complication be- zeichnenden Adjectivs, zu benennen , als : Lupus papillaris s. framboesioides, Syphilis vegetans s. framboesioides. Manchmal bleiben nacb Erlöschen des Grrundprocesses die papillären Aus- wüchse als derbbindegewebige , öfters von interstitieller Ent- zündung und AbscessbildiTng heimgesuchte Greschwülste zurück. Diese mögen dann allerdings für die Diagnose bisweilen eine Verlegenheit bilden, über welche aber die Aufstellung eines umschreibenden Krankheitsnamens („entzündliches Hautpapil- lom", RosER, Weil) nicht hinaushilft. Doch kann man auch da noch zumeist die ursprüngliche Quelle (Caries, Lupus. Syphilis) aus Nebenumständen erschliessen , oder zweifellos eruiren, wie jüngst an einer auf v. Dumreicher's Klinik beob- achteten, die Nates occupirenden, drusigen Greschwulst, in deren Nachbarschaft spärliche, aber unverkennbare Lupusknötcheu demonstrirt werden konnten.

Papillonia.

549

Es sind aber einzelne Fälle über den Körper zerstrevit, luid obne ariffindlicbe Ursacbe aufgetretener, beerscbwamm- ähnlicber Auswüchse von Bazin, Köbner, Wegscheidee, L. :Meyer und zweimal an der HEBBA'schen Klinik beobachtet worden, deren nosologische Bedeutung noch unaiifgeklärt ist. Bei den von uns beobachteten Kranken entwickelten sich die Wucherungen sehr rapid an den verschiedensten KörpersteUen, vorwiegend an den Gelenksbeugen, nachdem vorher die Haut etwas geröthet, nässend oder mit Bläschen besetzt worden war, und haben die Vegetationen von den einzelnen Herden aus sich peripher ausgebreitet, im ersten Falle bei gleichzeitiger Invo- lution der centralen Partien, im zweiten bei Persistenz auch der ursprünglichen Proruption. Einzelne der bekannt gewor- denen FäUe dürften in die Kategorie der in den letzten Jahren uns vorgekommenen allgemeinen Sarcomatosis gehören, während bei anderen das unbegrenzte Wachsthum solcher fungöser Vege- tationen und das Ausbleiben ihrer Ueberhäutung vielleicht als Ausdruck eines meist tödtlichen Marasmus genommen werden könnte. Wenigstens entspräche diese Auffassung auch der Erfahrung, dass all' die letztgenannten Formen, zu denen auch z. B. Pemphigus vegetans crouposus (pag. 477) zu zählen wäre, stets imgünstig verlaufen; dass keinerlei allgemeines oder ört- liches Verfahren die ßecrudescenz und Vermehrung der Wuche- rungen zu verhindern vermag und die Kranken um so rascher zu Grunde gehen, je üppiger und zahlreicher die warzigen Büdungen aufschiessen , und je weniger es über denselben zu einer stabilen Epidermisbildung kommt.

Die früher erwähnten consecutiven Papillomformen dagegen haben nur eine ihrer QueUe und Ausdehnung entsprechende örtliche Bedeutung. Wofern sie nicht mit dem Grundprocesse (Syphilis, Lupus etc.) und auf die gegen letztere wirksamen Heüverfahren , z. B. Empl. hydrargyri, antisyphiUtische All- gemeincuren, sich involviren, können dieselben nach den für die Behandlung der Warzen geltenden Methoden (Aetzeu, SchablöfEel, Exstirpation) beseitigt werden.

YII. 0 lasse.

Atrophiae,

In Gewebsschwund besteherde Hautkrankheiten.

Yi er un d dreis si g ste Yorlesimg.

Allgemeines über Atrophie. Pigmentatrophie, der Epidermis, angeboren: Albinismus; erworben: Vitiligo. Pigmentmangel der H aa r e, angeboren, erworben, Canities praematura, senilis. Atrophie der Haare: Alopecia, adnata, aequisita , idiopathiea et symptomatiea, Specielle Formen: AI. senilis, AI. praematura; AI. areata, AI. neurotica.

Atrophie, einfacher oder degenerativer Gewebsschwund, und die im Resultate ihr gleichbedeutende mangelnde oder mangelhafte Anbildiing einzelner Cntiselemente ergeben pathologische Zustände, welche zum Theile einen geraden Gegensatz der Hypertrophien, znm Theile jedoch ganz eigen- artige Krankheitsformen darstellen. Gleich der Hj'pertrophie betrilFt auch die Atrophie entweder ausschliesslich, oder vor- waltend einzelne Elemente der Haut, Pigment, Haare, Nägel, oder den Bindegewebsstock der Cutis mitsammt den Gefässen und Drüsen. Darnach theilen wir die hieher gehörigen Krank- heitsformen in die Gruppen : Pigmentatrophie , Atrophie der Haare, Atrophie der Nägel luid eigentliche Hautatrophie.

Pigmentatrophie,

Achromatia, Leucopathia, bedeutet den Abgang der den Horngebilden der Haut, d. i. der Schleimschicht und den Haaren normalmässig zukommenden gelb-, dunkelbraunen bis schwarzen Färbung, welche Gebilde alsdann weiss und grau entfärbt erscheinen. Beide Zustände treffen zuweilen zusammen, kommen aber meist getrennt vor.

Albinismus. VitUigo.

551.

Pigmentmangel der Epidermis

beilingt glänzend- oder mattweises Ansehen der Haut Lencodernia, Achromatia und rosiges Durchsclieinen der ßlutinjection. Der Ziistand ist entweder angeboren Albinismus, oder erworben Vitiiigo.

Lencodernia congeniale ist entweder über die ganze allgemeine Decke verbreitet Albinismns universalis, oder nur auf einzelne HautsteUen beschränkt - Albinismus partialis. Der er st er e bildet die Eigentkümlickkeit der sogenannten Albinos (Kakerlaken, Dondos), bei welchen nebst der Haut auch die Haare , Iris und Chorioidea des Pigmentes ermangeln, daher nebst der hellweissen oder rosig durch- scheinenden, meist zarten Haut auch die Haare gelb- bis flachs- weiss, zugleich seidenartig, Iris und PupiUe dagegen (in Folge Reflexion des Lichtes) roth erscheinen und hochgradige Licht- scheu nebst Nystagmus zugegen sind. Man kennt nicht die Ursache dieser Bildungshemmung, die das ganze Leben hin- durch unverändert fortbesteht. Wir wissen, dass normal pigmentii'te Eltern Albinos zeugen können ; dagegen fehlt es an Erfahrungen darüber , ob von Albinos- Eltern die Anomalie sich auf die Nachkommen vererbt. Unter den Negerracen (bei welchen nach Beigel manchmal Halberbleichen der dunklen Färbung Semi- Albinismus vorkommt) findet sich Albinis- mus häufiger als bei den hellgefärbten Eacen, wie denn jene überhaupt für Pigment- Alienationen mehr Disposition zeigen,

so z. B. auch für

AI b i n i s m u s p a r t i a 1 i s , d er ein Analogen der Schecken- bildung bei Thi eren vorstellt, indem von Geburt an einzelne Haut- stellen, meist des behaarten Kopfes, der Grenitalien, in Form von Flecken oder Streifen weiss, pigmentlos erscheinen und bleiben. Die derart scheckigen Neger werden gjs Elster-Neger, negres mouclietes, negres pies, piedes negro, bezeichnet. Nicht selten bleiben auch die im Bereiche solcher Flecke wachsenden Haare weiss (Poliosis). Meist nnregelmässig situirt , sind doch auch die albinotischen Flecke und Streifen zuweilen symmetrisch angeordnet, oder dem peripheren Nervenverlaufe entsprechend , genau wie manche Pigment- und Warzenmäler ; ja sie begleiten oft solche, so dass weisse und dunkle Streifen nebeneinander

552

Vierunddreisisigste Vorlesung.

laufen. Ueberhaupt gelit Pigmentatrophie mit Pigmenthyper- tropliie gewissermassen complementär häufig nebeneinander.

Albinismus partialis ist wie A. universalis meist stationär, ändert sich jedoch in manchen Fällen durch Fortsehreiten des Pigmentschwundes und erweist sich zuweilen erblich.

Leucoderma acquisitum entsteht entweder idio- pathisch oder consecutiv und symptomatisch. Die idio- pathische Form, Vitiligo, Achroma Vitiligo, kommt eben- falls bei Negern häufiger vor, ist aber doch unter der kaukasi- schen Race nicht selten. Ohne bekannte Ursache, ohne jegliche örtliche Empfindungs- oder merkliche Ernährungsstörung ent- stehen an einer oder mehreren Stellen des Körpers pfenuig- bis kreuzergrosse , blasse (pigmentlose) Scheiben , während die unmittelbar angrenzende Haut sich dunkelbraun färbt. Es ist, als wäre der Farbstoff von jenen Centren nach der Peripherie geschoben worden. Auch die Haare erbleichen zumeist inner- halb der weiss gewordenen Flecke. Binnen Monaten und Jahren schreitet die Entfärbung stetig und in der gleichen Weise vor, indem die weissen Stellen zu grossen runden oder ovalen, convex begrenzten Scheiben werden, während die dunkelgefärbte Nachbarschaft mit concaven Rändern jene einschliesst. Für das Auge kehrt sich mit der Zeit die Contrastwirkung um. Während Anfangs die kleinen weissen Scheiben mitten auf der normal- und dunkelgefärbten Haut höchst auifällig sind, das Gresicht z. B. scheckig, die Finger weiss und braun geringelt erscheinen lassen, sind es später, wenn einmal die Entfär- bungsflächen sehr ausgedehnt geworden , die dunkelpigmentirten Zwischenstellen, die mehr auffallen, so dass der Unerfahrene die weissen Stellen für normal gefärbt und die dunkeln für die afficirten zu halten geneigt wäre. Nach dem, was ich an einem 56jährigen Manne erfahren, kann der Process nach vielen Jahrzehnten endlich fast über den ganzen Körper sich erstrecken , da bei dem genannten Kranken bis auf wenige schmale dunkle Pigmentstreifen an den periphersten Körper- theilen die ganze übrige Haut entfärbt war.

Die leucopathische Haut ist im Uebrigeji nicht im mindesten verändert , glatt , geschmeidig , normal functionirend und empfindend.

Die Diagnose der Vitiligo ist nach ihren aufTälligen Symptomen leicht zu machen. AVenn dieselbe in Lepra-

Pigment.atrophio. Yitiligo.

553

Gegenden zuweilen mit Lepra verwechselt wird, so liegt dies tlieils in dem Umstände , dass ancli bei dieser Krankheit weisse und dunkle Verfäi-bungen vorkommen, theils in dem alten Vorurtheile, dass man das „Zaraath" der Bibel, bei welchem „die Hantstelle weiss und das Haar in derselben weiss gewor- den", bis lange für Lepra verstanden hat. Das hier in Rede stehende Uebel gestattet zwar keine günstige Prognose, in- soferne dasselbe unheilbar und unbeschränkbar ist, allein es hat auch andererseits bis auf die in ihm liegende Verunschönung nicht den geringsten Einfluss auf das Gresammtbefinden oder die übrigen Functionen der Haut. Die anatomische Ver- änderung bei Vitiligo besteht einzig und allein in dem Mangel der Pigmentkörnereinlagerung der tiefen ßetez eilen, entsprechend den entfärbten Flecken, während an den complementären dunkel- gefärbten Hautstellen im Gegentheil das ßete reicheren Pig- mentgehalt aufweist. Als Ursache der Vitiligo ist in manchen Fällen allgemeine Innervationsstörung, z. B. nach erschöpfenden Krankheiten, geltend gemacht worden. Ueber- wiegend jedoch sind die Betroffenen gesunde Lidividuen mitt- leren Lebensalters und es ist geradezu für die meisten Fälle der Vitiligo migrans keine plausible Ursache erdenkbar. Häufig dürften wohl örtliche Momente die veranlassende Ursache abgeben. Als solche möchte ich jede Art von Verschiebung in der normalen Vertheilung des Pigmentes , und jede Art An- regung zu lebhafterem Umsatz desselben ansehen. Da kommt es entweder sofort, oder auf dem Umwege der Pigmenthyper- trophie zu Pigmentschwund. So nimmt bekanntlich Vitiligo häufig ihre Entstehung von Pigmentmälern und entstehen fix bleibende, oder später fortschreitende Decolorationen iinter dem Drucke von Bandagen, oder ausgehend von Brand- und Ge- schwürsnarben. In letzteren Fällen geräth eben das Pigment in den dem Rückbildungsprocess der Narben eigenthümlichen Resorptionsstrom , dem auch andere Gewebselemente (InfiJtra- tionszellen , Bindegewebskörperchen) zufallen.

Li die letzterwähnte ursächliche Kategorie gehören die concomitirenden und consecutiven Vitiligoformen , welche sich aus entfärbten und pigmentirten Flecken kaleidoskopartig zusammensetzen, bei Xeroderma, Sclei'o derma , Lepra, sowie die Entfärbungen , welche nach Resorj)tion von entzündlichen und neoplastischen Infiltraten und deren Pigmentresten zurück-

Vierunddreissigste Vorlesung.

zubleiben pflegen, nach Furunkeln, Variola, Lupus, syplii- litischen Papeln, den sogenannten Scbwangerscliaftsnarben u. s. w. Räthselliat't bleibt es aber immerhin, weshalb auch in solchen Fällen zuweilen die Pigmentatrophie fortschreitet, oder gar auch andere Hautstellen befällt. Dass aber an den von den letztgenannten Processen betroffenen Hautstellen in der Ausdehnung der örtlichen Läsion fixe Decoloration ein- tritt , ist begreiflich , da ja mit der Atrophie der Papillen auch das pigmentproducirende Gebilde verloren gegangen ist.

Die directe Behandlung der Leucopathien , welcher Art immer, hat sich nach den bisherigen Erfahrungen erfolglos erwiesen. Wir können zwar durch gewisse Hautreize, wie durch Canthariden, auf den Vitiligo-Flecken stärkere Pigmentirung veranlassen, aber diese entspricht nicht dem normalen Haut- colorit und verschwindet auch bei Vitiligo neuerdings. Dagegen vermögen wir das scheckige Ansehen der Haut, die Contrast- Erscheinung der hellen und dunkeln Flecke, dadurch zu besei- tigen, dass wir die pigmentirten Stellen, also die eigentlich gesunden, behandeln, indem wir sie durch die gegen Pigment- flecke (pag. 505) angeführten Mittel entfärben. Ein solches Verfahren kann für die Frühstadien der Vitiligo des Gesichtes und der Hände und Achroma partiale erwünscht sein.^

Innerliche Mittel, Arsen, Eisen, beeinflussen nicht im Geringsten den Process der Vitiligo.

Atrophie des Haarpigmentes

kommt als Ergrauen der Haare, Canities, Poliosis, zum Ausdruck. Die Haare erscheinen g r a u- bis s i 1 b e r w e i s s. Angeboren kommt der Zustand, allgemein und partiell, ent- sprechend dem Albinismus vor ; doch findet man auch von Geburt ab partieUe Poliosis, ein Büschel hellweisser oder grauer Haare mitten im dunkel gefärbten Kopfhaare, ohne gleich- zeitige Entfärbung des betrefi'enden Hautfeldes.

Im extrauterinen Leben erworben erscheint abnormer Weise das frühzeitige Ergrauen Canities prae- matura — Kopf- und. Barthaar allgemein betreffend, oder als partielle Poliosis in Folge individueller oder, in manchen Fällen erblicher Disposition, oder nach intensiven physischen und moralischen Leiden, selten auch an den nach dem Effluvium m

Pigmeutatrophie. Ergrauen.

555

Folge von Typhus, Erysipel u. A. wiedererzeugten Haare. Das frühzeitige Ergrauen schwindet in seltenen Eällen durch Nachwuchs von pigmentirten Haaren. Meist ist dasselbe blei- bend, gerade so wie das phy siologis che Altersergrauen Canities senilis bei welchem in der Regel die grauen Haare zuerst an der Schläfegegend, erst später auch an anderen Stellen des Kopf- und Barthaares sich zeigen, bis dann all- mälig, d. i. binnen mehrerer Jahre, zum grössten Theil, oder allesammt die Haare der genannten Regionen, sowie auch des Körpers erbleicht sind.

Die anatomische Grundlage all' der genannten Formen der Haarbleichung ist dieselbe. Die normale Pigmentirung der Haare beruht bekanntlich auf der Einlagerung von dunkel- bis gelbbraunen Pigmentkörnern in und zwischen die Zellen der Haarrinde und die Farbennuance, schwarz, braun, blond, roth, hängt von der Menge (Dichtigkeit) und Vertheilung dieses Pigmentes ab. Die Matrix für die PigmentbeschafFung des Haares bildet dessen Papille, geradeso wie für das Pigment der Epidermis die Papillen der Haut, und die Constanz der Färbung jedes einzelnen Haares beruht darauf, dass dessen Papille stetig Pigment neu erzeiige. Dadurch gewinnen zunächst die jungen Zellen der Haarzwiebel Pigmentgehalt und dieselben führen diesen mit sich, indem sie im Wachsthum des Haares vorgeschoben und zu Haarrindensubstanz sich anreihen und verhornen. Bei den angeborenen Formen der Poliosis fehlt eben den Haarpapillen (bei Albinismus zugleich auch den Haut- papillen) von Haus aus die pigmentbildende Function und bei dem späteren Ergrauen sind die Haarpapillen dieser Eigen- schaft plötzlich (bei Vitüigo), oder allmälig verlustig geworden, sei es in Folge einer allgemeinen Ernährungs- oder Inner- vationsdepression (wie nach Krankheit, Gram, intensiver Arbeit), oder einer örtlichen Zerstörung der Papillen (wie im Bereiche von Narben), oder des senilen Gewebsschwundes. Das Ergrauen besteht also nicht in einem Erbleichen des schon fertigen und pigmentirten Haarschaftes, sondern in dem Nachspriessen eines zunächst pigmentarmen, und allmälig" eines pigmentlosen lind alsdann grauen Haarstückes. Werthebi hat neuerlich diese Verhältnisse genauer studirt. Beim Altersergrauen findet man stets Haare, deren Spitzentheil noch dunkel und deren Basaltheil schon pigmentarm erscheint.

55(^ Vierunddreissigste Vorlesung.

Ja aus einzelnen Follikeln spriessen vor dem gänzlichen Ergrauen braun- uüd graugeringelte Haare, ein Beweis, dass deren Papillen vor der gänzlichen Sistirung ihrer Pigment- production dieser schubweise wieder fähig gewesen sind. Da also die eiiizelnen Haare nur in ihrem nachgeschobenen Theile, demnach auch nur in der Zeitproportion ihres physiologischen Nachwachsens, d. i. binnen Wochen ergrauen , so können auch die Erzählungen von „plötzlichem", „über Nacht" entstandenem Ergrauen, das man an Schiffbrüchigen, zum Tode Verurtheilten u. A. gesehen haben will, nur auf unrichtiger Beobachtung beruhen. Denn es ist physiologisch undenkbar, dass die in den ausgewachsenen Haaren befindlichen Pigmentkömer plötzlich verschwinden und die Behauptung, dass unter Einfluss von Schreck, Todesfurcht etc. in dem fertigen Haare sich G-ase entwickeln, eben so wenig stichhältig wie die, dass solche Gras- oder Luftblasen das Pigment verdecken; denn auch viele der normalgefärbten Haare enthalten Luft.

Die Behandlung des Ergrauens der Haare kann nicht den Zweck verfolgen, die Haarpapillen zu neuerlicher Pigment- erzeugung zu vermögen, sondern nur den Ausfall an Farbstoff durch künstliche Färbung der Haare zu decken. Obgleich dieser Aufgabe die professionelle Kosmetik sich längst bemächtigt hat, ist es doch für den Arzt zweckmässig, die von ihr ge- brauchten Haarfärbemittelzu kennen. Das gebräuchlichste derselben ist Silbersalpeter, dessen Lösung je nach seinem Concentrationsgrade die Haare in verschiedener Nuance braun bis schwarz färbt, indem das Silberoxyd unter dem Einflüsse des Lichtes reducirt wird. Vor dessen Application werden die Haare mittels Seifenwaschung gut entfettet. Die Schwarzfärbung der mit Silberlösung unvermeidlich benetzten Haut verbittet man durch sofortiges Waschen derselben mittels Kochsalz- lösung oder Cyankali. Viel in Gebrauch sind combinirte Apph- cationen von Silber- oder Bleisalzlösung, auch Eisensalz mit Schwefelleber. Man bürstet die eine Lösung auf die Haare lind nach deren Eintrocknen die zweite. Durch richtige Com- bination der Menge und Concentration der Flüssigkeiten erzielt man bei gehöriger Technik das gewünschte HeUbraun bis Schwarz oder Gelbroth. Verschieden nuancirte bis glänzend schwarze Färbung der Haare lässt sich nach Dr. J. E. Pol..k s Demonstration durch die bei den Persern in Gebrauch stehende

Atrophie der Haare. Alopecia.

557

Henna indica (Papillionacee) erzielen, indem deren Pulver mit AVasser zu einer Paste gerieben auf die Haare gebracht wird, worauf dann Indigopulver ebenso unter halbstündiger Einwir- kung von Wasserdampf aufgestrichen wird. Selbstverständlich müssen alle Haarfäi-beraittel ebenso oft neu aufgetragen werden, als die Haare grau nachschieben. Ich gebe hier einige Pormeln : (/) Zum Schwarz färben: ßp. Agent, nitr. 1; Ammon. carb. 1,50; Ungu. emoU. 30; Rp. Argent. nitr. 1,25; Aquae dest. 60 ; Liqu. hydrarg. nitr. oxyd. ; Spirit. Resedae ^ 5 ; Rp. Argent. nitr. 5. Plumb. acet. 1 ; Aqu. Rosar. 100 ; Aqu. Coloniensis 1. Zu combinirter Anwendung: Rp. Argent. nitrici fusi 5 ; Aqu. dest. 50 ; Sig. N. I. Acid. pyrogallici 3 ; Aqu. dest. 40 ; Spir. vini rectif . 1 0 ; Sig. N. II. ; oder Argent. niti;. fusi 8 ; Aqu. dest. 70 ; Sig. N. I. Hepat. sulf. 8 , Aqu. dest. 70 N. II. h) Zum Braunfärben: Acid. pyrogall. 1 ; Aqu. Rosar. 40, Spir. Colon. 2. Populär ist auch das Einreiben der Haare mit „Schwefelbalsam" (Schwefel mit Eidotteröl abge- rührt), worauf „Essigbrühe" (Essig-Eiseurost) eingewaschen wird. Durch alle fetten Oele : Oleum nucum juglandis, Ol. Macis, Ol. Cassiae etc. bekommen die Haare eine dunklere Eärbung und sie können pn.r oder als Pomade empfohlen werden ; z. B. Olei ovorum; Medull. ossium bovis "aa 20, Lact. ferril,50; Ol. Cassiae aeth. 1. Sig. Haarfärbemittel. (PfafF.) Einen Nachtheil für die Gesundheit, wofern nicht ihre ungeschickte Anwendung Eczem erzeugt, haben die metallischen Haarfärbemittel ebenso wenig wie die vegetabilischen.

Atrophie der Haare

begreift jede Art krankhafter Störung in dem typi- schen "Wachs thiim der Haare. Eine solche kann in einer Alteration des gesammten „Haarwuchses", oder in einer Structurveränderungder einzelnenHaare zum Aus- drucke gelangen.

Mangelhaften Haarwuchs, welcher Ursache und Form immer, bezeichnen wir als

Alopecia.

Celsus hat so jegliche Form von Kahl h ei t oder Kahlwerden im Bereiche des Capillitium und des Bartes ge- nannt. Die Kahlheit, Calvities, stellt aber zumeist nur

558

Viarunddreissigste Voi'lesung.

das Endresultat eines combinirten Processes vor, des abnorm reicbl loben Haarausfalles (Effluvium s. Defl avium, s. Lapus pilorum Psilosis), mit dem ein insufficienter Nacbwuchs der Haare Hand in Hand gebt, so dass unter solcben Umständeji aucb diese patbologiscben Erscbeiiiungen mit in den Begriff der Alopecie atifgenommen werden müssen. Diese umfassende Bedeutung der Alopecie scbeint zutreffender, als die bescbränk- tere , welcbe mancbe Autoren derselben gegeben , indem man nur das zerstreute Ausfallen der Bart- und Ivopfbaare darunter versteben wollte und für andere Formen der KabDieit nocb besondere Bezeicbnungen aufstellte, als : Pbalacrosis s. Calvities für Kablbeit des Vorderkopfes; OpHasis (Celsus) für einen quer über den Scbeitel zu beiden Obren laufenden baarlosen Streifen; Opistopbalacrosis für Kablbeit des Hinterbaupie^, Hemipbalacrosis für balbseitige Kablbeit; Anapbalantiasis. Verlust der Augenbrauen ; Alopecia areata s. Area Jonstoni, m Scbeibenform auftretenden Haarverlust; Madesis s. Madarosis (Rar-, Scbütter-) Dünnerwerden der Haare.

In Berücksicbtigung der wesentlicbsten Symptome , der begleitenden und ursäcblicben Momente, dürfte die folgende Erntbeilung für die mannigfacben Formen der Alopecie

sieb empfeblen :

Alopecia adnata, angeborener mangelhafter Haar- wucbs, als spärlicbe oder gänzlicb mangelnde Bebaarung - Oligotricbia et Atricbia u. zw. partialis oder uni- versalis. Der Zustand ist selten bleibend, meist spriessen die Haare verspätet nacb. Diese A. stellt also eine Bildungs- bemmung vor und ist oft mit zögernder Zalimmg vergesell- scbaftet.

Alopecia acquisita, im Verlaufe des extrauterinen Lebens entstandener Haarverkist, erscbeüit als Alters-Haar- scbwund A. senilis, und frübzeitiges Kablwerden -

A. praematura. . , j

Alopecia senilis beginnt mit dem vorruckenden Lebensalter. Meist scbwinden zuerst die Haare von der Stirn- grenze des Capillitium, so dass in demselben Maasse die Stirne o-eo-en den Scbeitel sieb verlängert (Greisen-Stirne). Ist mit Ei^reicbung des Greisenalters die Kablbeit fertig gedieben, so erstreckt sieb dieselbe auf einen Bezirk, der von der oberen Stirngrenze bis über den. Wirbel und seitlicb bis etwa zur

1

Alopecia areata.

559

Mitte der Selieitelwandbeine reicht, wälirend Hinterhaupt und seitliche Schcädel- und Schläfegegend den Haarwuchs behalten. Die kahle Haut erscheint glatt, gespannt, glänzend (daher „Glatze"), oft fettig, verdüimt. Die Follikelmündungen sind in den späteren Jahren schwer erkennbar , da und dort von einem Wollhärchen besetzt. A, senilis betrifft imgleich häufiger männliche als weibliche Personen. Dem Ausfallen der Haare geht meist Ergrauen voraus, doch ist Letzteres sicher nicht die Ursache des Ausfallens. Bart- und Schamhaare werden vom Altersschwund nur in geringem Grade befallen.

Die verminderte Anbildung, welche im Greisenalter auch in anderen Systemen sich geltend macht, mag auch für A. senilis die nächste Ursache abgeben , wobei doch be- merkenswerth , dass Alterskahlheit bei weiblichen Personen seltener vorkömmt.

Die anatomischen Verhältnisse der kahlen Haut sind nicht derart, dass sie als directe Veranlassung des Haar- ausfalles, und vielleicht mit eben so viel Recht als Consequenz desselben angesehen werden könnten. Die Erscheinungen der Atrophie finden sich nämlich nicht an kurz vorher kahl gewordenen, sondern nur an den schon jahrelang des Haar- wuchses verlustigen Stellen. Auf mikroskopischen Schnitten zeigen sich die Talgdrüsen streckenweise geschrumpft, an anderen Partien erweitert , die Haartaschen von Epithelial- schollen, den degenerirten Haarwurzelscheiden, erfüllt, die oft eia dünnes Härchen einschliessen, ia vielen Follikeln die Papille geschwunden, ebenso wie die Fettläppchen, das Corium ver- dünnt, die Büidegewebsbündel verschmächtigt , deren Fasern stellenweise glasige oder colloide Entartung, Fettkörnchen- trübung zeigend , nebstdem herdweise körnige Pigmentein- streuung.

Alopecia praematura, das frühzeitige Kahlwerden, erscheint idiopathisch oder symptomatisch.

A. praematura idiopathica charakterisirt sich als ohne nachweisliche Erkrankung des Haares oder der Follikel, oder des Haarbodens (der Cutis) auftretendes Kahlwerden. Solches kann man unter verschiedenen Verhältnissen beobachten. Doch mangelt diesen Formen von Alopecie jene Beständigkeit, Avelche zur Construirung eines typischen Krankheitsbüdes noth- wendig wäre, mit Ausnahme einer einzigen Form, der

560

Vierunddreissigsto Vorlesung.

Alopecia tireata.

Sau VAGES führt zuerst unter diesem Namen und dem Synonym Area Jonstoni, eine Form der Alopecia an, bei welcher die Haare in Form von Scheiben (per areas tantum) verloren gehen. Celsus hat dies Kahlheitsbild unter seinem Capitel „de areis" nicht begrifien und wahrscheinlich gar nicht gekannt. Der bei den Autoren beliebte Name Area Celsi für das in Rede stehende Uebel hat daher keine Be- rechtigung. WiLLAN dagegen hat dasselbe als Porrigo de- calvans s. B a 1 d r i n g w 0 r m gut beschrieben und abgebildet und von der Porrigo scutulata s. Common ringworm unterschieden, obgleich beide kahle Scheiben setzen. Bei ersterer jedoch entstehen kahle glatte Hautscheiben durch ein- faches Ausfallen der Haare; bei der letzteren ist die Haut- stelle mit Bläschen, Pusteln und Schuppen bedeckt und brechen die Haare kurz ab. Später sind beide Processe und ihre Namen vielfach miteinander verwechselt worden, besonders seit man die mycotische Natur der Porrigo scutulata Willan's, d. i. des Herpes tonsurans Cazbnave s. Tinea tondens Mahox kennen gelernt und Grubt und Andere auch bei Porrigo decalvans Willah s. Alopecia areata einen Püz nachgewiesen zu haben meinten. Durch die späteren Namen Tinea Pellada , PeUade. Vitiligo (! Cazenave) für die letztere Form suchte man den derart entstandenen Verwirrungen auszuweichen. Es ist rath- sam, die ursprüngliche Bezeichnung Alopecia areata ein für allemal beizubehalten.

Der Process beginnt an einer, oft auch gleichzeitig oder in kurzer Aufeinanderfolge an mehi^eren Stellen des behaarten Kopfes oder des Bartes, seltener der Achsel- oder fechani- behaarung, indem innerhalb einer kleinen Area die Haare alle- sammt unvermerkt ausfallen. Die Haare der angrenzenden Zone sind so gelockert, dass sie dem leichtesten Zug folgen und auch spontan binnen wenigen Tagen verloren gehen. Derart vergrössern sich die kahlen Scheiben , innerhalb welcher die Kopfhaut glatt , weiss , manchmal massig geröthet ohne Schüppchen oderEfflorescenzen, von normaler Temperatur und Empfindung erscheint. Zuweilen ist ^^.^^^^^^^ Gegentheil Gefühlsdepression angegeben worden. Wedei Sclimeiz

Alcfjjecia areata.

5()1

noch Jucken begleiten den Zustand. Durcli stetige Ausbreitung des Effluviums und Aufeinandertreffen nachbarlicher kahler Areae wird endlich binnen 6 12 Monaten der grösste Theil der Schädeldecke haarlos. Doch sistirt der Process in der Eegel nach Monaten , wenn auch nicht überall gleichzeitig, indem zunächst die Grenzhaare festsitzend bleiben , sodann innerhalb der kahlen Area erst dünne, pigmentlose, später stärkere, pigmenthaltige Haare spriessen. So erfolgt endlich überall neuer Haarwuchs , wenn auch manchmal erst nach 1 2 Jahren tmd darüber, und um so später, wenn der Process successive verschiedene Stellen, oder gar die in Heilung be- griffenen neuerdings erfasst hat.

In einzelnen unglücklichen Fällen begrenzt sich die Krank- heit nicht. Es fallen alle Kopf- und Barthaare, Augenbrauen imd Wimpern, die starken wie die Wollhaare des Stammes und der Extremitäten aus die Haut ist allenthalben aalglatt. Auch da kann noch nach Jahren Restitution eintreten, doch erscheint der Wiederersatz in manchen dieser excessiven Fälle nicht mehr.

Die Diagnose der AI. areata wird nur selten erschwert gegenüber von Herpes tonsurans. Die Prognose ist im All- gemeinen insoferne nicht ungünstig, als in der Regel mit der Zeit die Haare wieder kommen und das Gegentheil nur aus- nahmsweise eintrifft.

In die anatomischen Veränderungen , welche der AI. areata zu Grunde liegen mögen , Einsicht zu gewinnen , ist bisher nicht gelungen. Die Gegenwart von Pilzen (Gkuby's Miscrosporon Audouini und Andere) ist wiederholt behauptet, aber nie erwiesen worden und vorderhand in Abrede zu stellen. Die ausfallenden Haare scheinen im Wurzeltheile verschmächtigt und über dem Bulbus abgebrochen. Eine knotige Auftreibimg des Haares an jener Stelle ist von Rindfleisch allein angegeben und für jenes Abbrechen theoretisch verwerthet worden.

Wir werden bei dem sichtbaren Mangel an örtlichen Ge- websveränderungen, und da wir auch keinerlei anderes iirsäch- liches Moment der Krankheit kennen, zu der Annahme gedrängt, dass der AI. areata eine Trophoneurose zu Grunde liegt , deren entfernte Ursache vollkommen dunkel ist , da die betreffenden Personen keinerlei anderweitige Ernährungs- und Functions- störung erfahren. Die Affection tritt bei jugendlichen und

Kaposi, Hautkrankheiten. 36

rjß2 Vierunddi-eissigste Vorlesung.

erwachsenen Personen beiderlei G-eschlechtes in gleichen Pro- portionen auf und muss als nicht ansteckend gelten.

Die Therapie ist gegen das Uebel ohnmächtig: sie vermag dasselbe weder abzukürzen noch dessen Ausbruch au einer neuen Stelle zu verhüten. Gebräuchlich sind irritirende alkoholisch - ätherische Flüssigkeiten, versetzt mit geringen Mengen von Acid. carbol., Tint. Aconiti, Cantharidum, Capsici, Verathrin, Oleum Macis , nebst allgemein roborirender Diät und Medication, daneben auch Elektricität. Das Ausziehen der schon gelockerten Haare ist räthlich. Die Zeit wirkt offenbar mehr, oder besser Alles.

In directer Beziehung zu Erkrankungen des Nerven- s 3^ s„t e m s ist Alopecie beobachtet worden, die also auch als idiopathisch bezeichnet werden müsste; Fälle, in welchen die Haare entsprechend dem peripheren Verbreitungsbezii-ke eines sensitiven Nerven ausfallen, nachdem dessen Function, sei es in Folge eines Traumas, oder spontaner Erkrankung, oder durch Veränderungen der Nerven-Centra gestört worden war. So beobachteten Ravaton neben rechtsseitiger Amaurose, Romberg neben unilateraler Facialislähmung correspondirendes Ausfallen der Haare, Coopee Todd nach Gehirnerschütterung und einmal nach BHtzschlag Verlust der Haare (und Nägel).

Zu den neurotischen, idiopathischen Formen wäre noch zu zählen das auf erbKcher Anlage beruhende und in manchen Familien heimische Früh-Kahlwerden ; ferners der unter deui Einfluss von deprimirenden psychischen Affecten, Gram uiid Sorge, oder von sehr intensiver geistiger Thätigkeit sich em- steilende vorzeitige Haarverlust. Von Feedet ist der FaU eines 17jährigen Mädchens mitgetheilt worden, bei welchem nach überstandener plötzUcher Lebensgefahr binnen wenigen Tagen aUe, auch die Körperhaare, ausfielen, ohne noch nach zwei Jahren sich zu ersetzen.

Fünfunddreissigste Vorlesung.

Atrophien (Fortsetzung). Alopecia praematura sym p t o m a t i ca : AI. furfuracea. Haarwechsel. Atrophia pilorum propria, Triehorhexis nftdosa. Atrophie der Nägel. Atrophia e u. t i s propria , idiopathiea (Xeroderma, Striae atrophicae, Atrophia senilis) et symptomatiea (Sehwangerseliafts- narben). Quantitative und degenerative Atrophie.

Alopecia praematura sj^mptomatica begreift jene rormen des rasclieii Haarverlustes und KaUwerdens, welchen eine Substantive Erkrankung der Haut, namentlick der Haarfollikel und Talgdrüsen zu Grunde liegt. Aus- dehnung, Dauer, Intensität, Heilbarkeit der so entstandenen Alopecie stehen in directem Verhältnisse zu jenen der speciellen Ursache. Auf einzelne Follikel oder Follikelgruppen beschränkt, und dauernd erscheint der Haarverlust da, wo jene in Folge von Eiterung oder Narbenbildung zu Grrunde gegangen sind, so bei Acne , Sycosis, Variola, ulceröser Syphilis, Lupus, oder wo nebst den Cutispapillen auch die Haarpapillen in Folge dichter Zelleninfiltration atrophisch werden, so entsprechend den Knötchen des kleinpapiilösen Syphilides, des Liehen ruber, bei Lupus erythematodes; endlich bei Favus und Herpes ton- surans, bei welch' letzteren der mechanische Druck luid der Vegetations-Einfluss der diesen Processen eigenthümlichen Pilz- massen nebst den begleitenden entzündlichen Erscheinungen zu Lockerung und Ausfallen der Haare, und später zu Atrophie der Haarpapillen und Verödung der Follikel führen.

In grösserer Ausdehnung, selbst im ganzen Bereich des behaarten Kopfes, tritt Effluvium Capillorum auf in Folge von diffusen, acuten Entzündungsprocessen, durch welche copiöse Exsudation, wie in die Eeteschichten, so auch in die Epithelialschichten der Wurzelscheiden und somit Loeke-

36*

rj(j_j. Fünfunddreissigste Vorlesung.

rung, Zerfall, Ausstossung der letzteren und wahrsdieinlioli gleichzeitig ancli eine analoge Störung im succulenten AVurzel- theile der Haare gesetzt wird. Dies ist der Fall bei acutem Eczem und bei Erysipel des Capillitium, nach welchen Processen oft alle Haare verloren gehen. Doch findet hier meist

Wiederersatz statt.

Chronische Exsu da tivproce SS eder Haut, chroni- sches Eczem, Psoriasis, Liehen ruber, eben so Seborrhoe bedingen jene Form des Haarverlustes , welche wegen der jene Processe charakterisirenden Abkleiung (Defur- furatio, Pityriasis) der Epidermis als

Alopecia furfuracea s. pityrodes (Pincus) bezeichnet wird, Ihr häufigster Typus ist die durch Seborrhoe bedingte Form. Dieselbe kann sub acut auftreten und ist dann weniger ungünstig. Dies ist der Fall nach Variola , Typhus , dem Puerperium, erschöpfenden Blutverlusten. Es stellt sich Seborrhoe und Effluvium Capillorum ein und in der Pegel nach mehreren Monaten Wiederersatz der Haare. Möglicherweise concurrirt hier noch die allgemeine Ernährungs-Depression.

Ungünstiger ist die allmälig sich entwickelnde Alopecia furfuracea, deren Grundlage chronische Seborrhoe ist. Anfänglich, d. h. durch 1—2 Jahre, machen sich blos die Symptome der letzteren bemerkbar (siehe pag. 145), reichliche feinkleiige Schuppung am Kopfe, später folgen erst Efflu- vium und sodann Kahlheit. Beim Kämmen und spontan faUen aufFaUend viele Haare aus, binnen Jahren wird der Haarwuchs gelichtet, es kommen nur kürzere und schmächtige Haare und endlich ist in der Regel die Stirn - Scheitel - Region bleibend kahl. Der innere Vorgang des Processes begreift sich, wemi man den physiologischen Vorgang des Haarwachs- thums berücksichtigt.

Jedes einzelne Haar hat eine gewisse „typische", im All- gemeinen allerdings verschiedene Lebensdauer, nach deren Ende es ausfällt. An dessen Stelle bildet sich im alten FolHkel ein neues Haar. Der Vorgang begreift den typischen Haar- wechsel, welcher bei vielen Thieren in regelmässigen Zeit- perioden jährlich sich voUzieht, am Kopfhaare des Menschen jedoch continuirlich vor sich geht, aUerdings mit bedeutenden Intensitäts-Schwankungen, welche theils von allgemeinen Zu- ständen des Organismus, theils von örtlichen Processen ab-

Alopecia fiu-fiiracea. Haaiweclisel.

565

häugen. Die feineren anatomischen Veränderungen, welche den typischen Haarwechsel, d. i. die Ab- xmd Aiisstossung des reifen und die Erzeugung des jungen Haares begleiten , sind durch eingehende Studien von Heusinger , Köllikek , Langer, Steinlin, Wertheim, Götte, Stieda, Unna, Esokf, v. Ebner n. A. erläutert worden , bedürfen aber noch in manchen wesent- lichen Punkten weiterer Prüfung. Sicher scheint, dass das einzelne Haar, zu typischer Reife gelangt, nicht weiter wächst, indem über der Haarpapille die Neubildung von Epidermis- zellen aufhört. Sind nun die letztproducirten Zellen verhornt, so bilden sie zwischen der Haarzwiebel und der Haarpapille eine für den Ernährungssaft nndurchdringliche Scheidewand und das Haar wird so von der Papille abgetrennt. Die Ab- trennung betrifft den Haarschaft mitsammt der inneren Wurzel- seheide, welche auf dem Wege des Hinaufrückens häufig nach oben umgestülpt wird, nebst dem Haarzwiebel, bis auf eine einzige die Papille bekleidende Zellenlage (v. Ebner), die -Basalzellen , und die äussere Wurzelscheide ebenfalls bis auf eine den Grund des Haarbalges und den Papille nhals in con- tinuo bekleidende Lage. Jetzt wird, wahrscheinlich weil bei der Turgescenzverminderung der den Grund des Haarbalges erfüllenden Zellenmassen auch der innere Druck sich vermindert hat, durch den nnn überwiegenden Druck des den Follikel ximgebenden Gewebes die Wandung des Haarbalges nach innen und die Masse der abgestossenen Zellen der äusseren Wurzel- scheide zwischen Haarwurzel und Papille geschoben, und dadurch das Haar total abgehoben und in die Höhe gedrängt. Das untere Ende der Haarwurzel , welches correspondirend der von ihm iimschlossen gewesenen Papille fjtüher concav war , bildet nun mit der angedrängten Zellenmasse der äusseren Wurzelscheide einen nach unten gerichteten, scheinbar faserigen und besenartig zerklüftenden Kegel (Fig. 31,1). Etwas unterhalb der Talgdrüsen- Einmündungssteile , oder in der Höhe der Anheftung des Ar- rector pili bleibt das abgestossene Haar vorderhand liegen. Zugleich verengt und verkürzt sich der Grund des HaarbaJges, indem die Glashaut oft faltig hinein (v. Ebnee) und sammt dem Körper der Papille in die Höhe gedrängt wird. Aeussere und mittlere (wahrscheinlicli musculäre) Haarbalgscheide da- gegen bleiben, da sie mit der Umgebung fester verwachsen sind, in ihrer früheren Tiefe, so dass zwischen ihnen und dem empor-

566

Fünfimddreissigste Vorlesung.

Flg. 31.

Dui'cliscbnitt eines im Haarweclisel begrüfenen Haarbalges (nacli V. Ebner).

a äussere und mittlere HaarbalKScheide ; ö Glashaut : c Haarpapille mit Gefass- snhlinge : d äussere ; c iunore Wurzel- scheide (in Henley'sohe und Huxley'sclie Schichte gesondert) : /Cuticula der letz- teren ; q Cuticula des Haares ; Ii j un g e s (markloses) Haar; / Kegelspitze der neuen Haaranlage ; /. Haarkolben des ah- eestosseuen Haares mit k den Resten der ibgestossenen äusseren Wurzelscheide.

gedrängten Körper der Papille der Papillenhals sicli delint und eine Formation entstellt, welche Wertheim als Haarkeleh oder Haarstengel darstellt. Nacli einer Weile beginnt unter lebliafter Er- nährung (Zelleninfiltration) der Papille über dieser die Bildung eines neuen Epitbelkegels , wel- cher die Papille wieder in die frühere Tiefe drängt und zunächst im äusseren, der Randzone der Papille entsprechenden, Theile in die beiden Schichten (ÜENLEY'sche und HuxLEY'sche) der inneren Wurzelscheide sich difi'erenzirt, und nachdem er nahe bis an das abgestossene Haar emporgewach- sen , entsteht im mittleren Theile, d. i. von den Scheitelzellen der Papille, ein dünnes, pigmentirtes, und zunächst markloses Haar und producirt sich von ihrer im Fundus zurückgebliebenen Zell- lage aus auch wieder die äussere Wurzelscheide. Nach dieser Dar- stellung (Langer, v. Ebner) entsteht das neue Haar auf Grund der alten Papille, während Andere meinen, dass diese vollständig atrophire imd neben dieser für das neue Haar auch eine neue Papille innerhalb des wuchernden Rete wie in der embryonalen sich entwickele knüpfen an das Follikel weilenden

Haarbildung Auffassungen aber noch im

(Steinlin, Stieda). Andere Schicksal des abgestossenen,

GöTTE betrachtet dasselbe, oder eigentlich den Haarkolben (Fig. ;-U , 1) als ein, entfernt von der Papille, aus der Wucherung der

Alopecia furfuracea. Haarwechsel.

Eindenzellen entstandenes „Sclialthaar", welches interimistiscli entsteht, während von der Papille das bleibende Haar nach- schiebt. Unna dagegen nennt es „Beethaar", indem er meint, dass das ausgefallene Haar an der Stelle, wo es liegen geblieben, am Kolbenende , durch eine Wucherung der umgebenden äusseren Wurzelscheide („Haarbeet") noch eine Zeit lang fort- wächst, bis das neue Papillenhaar („Secundärhaar") an das- selbe gelangt. Ein Grleiches meinten Esoff und Schülin , nur soll nach diesen an der Stelle des Haarbeetes auch eine neue Papille sammt Haartasche sich bilden. Nebst diesen Punkten sind auch die Funde von mehreren, Papillen- und papillenlosen Haaren (Werthedi u. A.) innerhalb eines Follikels und das A^erhältniss des neuen Papillenhaares zu den Wurzelscheiden der abgestossenen und der angenommenen Schalthaare noch sehr controvers.

Je länger nu.n die typische Lebensdauer eines Haares ist, desto dicker und länger wird es ; je kürzer dessen Lebensdauer, desto schmächtiger geräth dasselbe. (Entsprechend rückt auch bei strotzendem Haarwuchs die Papille mehr in die Tiefe, während bei dünnen und kurzlebigen Haaren der Follikel seicht bleibt und die Papille hoch steht (v. Ebner).

Die Stetigkeit des Haarwuchses , d. h. der Menge (Dichtig- keit) und Länge der Haare liegt also in der Constanz des Verhältnisses der typischen Lebensdauer und des typischen Nachwuchses der einzelnen Haare. Bei Seborrhoea chronica wird aber eben dieses Verhältniss in jeder Beziehung zu Un- gunsten gestört. Die einzelnen Haare büssen an typischer Lebensdauer ein, sriid also kürzer und dünner und fallen früher aus. Nach Pincus beträgt der tägliche Haarverlust ad minimum zwischen 13—17, ad maximum 62—203 Haare. Pincus findet jenes Yerhältniss schon zu einer Periode , wo das Effluvium noch nicht auffällig gesteigert ist, darin ausgedrückt , dass das quantitative Verhältniss der „Spitzenhaare" (der kurzlebigen Haare) zum Gresammtaiisfall wesentlich gesteigert ist.

Aber auch die Reproduction des Haares, der Nach- wuchs , wird qualitativ und quantitativ durch den sebor- rhoischen Process ungenügender sich gestalten , je länger dieser anhält. Talgdrüsen und Haarbalg werden von dem- selben Grefäss- und Nervennetze (Arnstein) umsponnen und leiden gerne unter derselben Ernährungsstörung. Wie in

Füufunddreissigste Vorlesung.

den Talgdrüsen rascli und für den physiologischen Zweck unvollkommen (chronisch alterirte) Epidermis producirt und ab- gelöst wird , so werden auch die in Continuität mit 'den Drüsen- zellen stehenden Haarwurzelscheiden gelockert, abgestossen und ebenso die von der Haarpapille gebildeten, welche zum Aufbau des Haares bestimmt sind, und dieses gedeiht unvoll- kommen, d. i. es wird nur ein schmächtiges Lanugohärchen, oder nur eine lockere Epidermissäule gebildet , die in der Haar- tasche verbleibt. Damit fällt auch schliesslich die Papille der Atrophie und der Follikel der Verödung anheim, und entsteht endlich streckenweise bleibende Kahlheit.

Derart schleicht bei den meisten Männern vorzeitige Kahlheit heran als A lop e cia f ur f ur a c ea. Bei weiblichen Personen ist jene Seborrhoe häufiger, aber mehr subacut. Deshalb findet sich hier in öfterer Wiederholung Effluvium, aber auch wieder Restitution und nur viel seltener Kahlheit.

Anatomisch zeigen die ausfallenden Haare nichts Ab- normes. Sie erscheinen im Wurzeltheil abgebrochen, oft zer- fasert, schmächtig. Die kahle Haut verändert sich mit der Zeit wie bei AI. senilis. Die Prognose ist besser bei den acuten und subacuten Formen der AI. furfuracea und inner- halb der ersten Jahre , ungünstig in der späteren Zeit.

Die Ursachen solcher zu AI. führenden Seborrhoe des behaarten Kopfes sind zum Theile schon erwähnt worden. Spontane, oder in Folge von schwächenden, acuten und chroni- schen Krankheiten eingetretene Anämie, Chlorose bei Frauen, chronischer Gastricismus und Anämie bei Männern, phthisische und Krebscachexie sind im Allgemeinen die entfernte Ursache.

Insoferne auch die syphilitische Diathese im späteren Verlaufe Seborrhoe und Alopecie herbeiführt, mag diese als AI. syphilitica bezeichnet werden. Zuweilen betrifft die mit Seborrhoe einhergehende i^lopecie zugleich, oder ausschliess- lich die Augenbrauen oder die Barthaare.

Die Behandlung der AI. furfuracea hat vor Allem gegen die sie bedingende Seborrhoe gerichtet zu werden. Nachdem die auflagernden Schuppenmassen mittels Oel erweicht und durch Seifenwaschung entfernt worden sind, wird die Kopf- haut täglich 1— 2mal mittels Alcohol eingepinselt, welchem Acid. carbolicum oder Acid. salicyl. (1:200), Veratriu (0,50:200), Tinct. Benzoes (1:200), Bals. peruvian.. Aeth.

Atrophia pilonim propria.

5G9

sulfiir., Aeth. Petrolei zugesetzt worden, dabei wöchentlich 1 2mal mittels Spir. sapon. Kaiin. gewaschen , fleissig kalt gedoucht. Bei congestionärem Znstande der Hant empfehlen sich Einpinselnngen von Tinct. Rusci, oder Schwefel- Alkohol- pasten. Wegen der unter solcher Behandlung sich ergebenden Trockenheit der Hant müssen mit Tannin, Cliinin, Canthariden- tinctur, Capsicum, Veratrin , ätherischem Oele , Praecip. alb. ^-ersetzte Pomaden eingerieben werden. Von solchen sind be- sonders beliebt die sogenannte Tanno-Chinin-Pomade und das populäre TJngu. gemmarum (Harz) populi. Zur Yer- schreibung eignen sich einfachere Formeln, z. B. : Praecipit. alb. 0,50, Ungu. emoll. 50, Tinct. Benzoes 1 ; Olei Rosar. gutt. 5 ; oder die DcpuYTREN'sche Pomade: Medull. ossium 75; Extr. Chinae frigid, par. 10 ; Tinct. Canth. ; Succi citri aa. 5 ; Olei de Cedro : bergam. aa. gutt. 10. Neuerlich ist (von Schmtz) Pilocarpium muriat. (subcutan) als den Haarwuchs beförderndes ■Mittel angerühmt worden.

Das Kurzschneiden der Haare zur vermeintlichen Stärkung des Haarbodens hat nicht den gewünschten Erfolg, und ist also weiblichen Kranken zu widerrathen.

Neben der örtlichen Behandlung muss eine gegen die ent- ferntere Ursache, Seborrhoe, Chlorose, Anämie, chronischen Grastricismus, gerichtete medicamentöse und diätetische Therapie angewendet werden, als: Eerrnginosa, Amara, Arsen, Milch-, Molken-, Bade- und Tririkciiren , Fluss- und Seebäder, Sommer- aufenthalt im Gebirge.

Der Erfolg ist stets erst nach mehrmonatlicher zweck- mässiger Behandlung zu erwarten.

Als Atrophia pilorum propria kann man die den Haar- schaft selbst betreffende destructive Veränderung bezeichnen. Eine solche kommt consecutiv vor, in Folge der schon besprochenen Erkrankungen seines Follikels , und in mehr directer Weise, durch die bei Favus und Herpes tonsurans seine Elemente auseinander wühlenden Pilzelemente. Die Haare werden glanzlos , spröde , brechen (bei H. tons.) über ihrer Austrittsstelle ab. Auch die bei Phthisikern und Fieberkranken zu beobachtende Trockenheit und Glanzlosigkeit der Haare mag hieher gezählt werden.

Eine idiopathische Form der eigenen Atrophie der Haare stellt deren Selbstzerklüftung vor. Man trifft häufig die

570

Filnfunddreissigste Vorlesung.

langen (niclit von der Scheere getroffenen Haare , also meist bei Frauen) von der Spitze ab in zwei und mehrere Fasern zerspalten. Der Zustand mag die Folge beschränkter Trocken- heit sein, da im Uebrigen Stärke und Wachstimm der Haare dabei intact bleiben. Duhking hat jüngst eine besondere Form der Längsspaltung der Haare beobachtet, bei welcher die Deliiscenz vom Bulbus nach aufwärts stattfand. Häufiger ist die von Wilks und Beigel zuerst beschriebene, und von mir Trichorhexis nodosa benannte Form von Auftreibung und Bersten der Haare, das ich ziemlich oft am Bart- und Schnurbart, selten am Kopfhaare gesehen habe. In einem be- schränkten Bezirk, oder überall erscheinen die Haare mit ein und mehreren kugeligen, oder spindelförmigen (W. Gr. SMn'H) Anschwellungen , die auf verschiedene Distanz am Haarschaft stehen , als sässen Nisse daran , oder den ganzen Haarschaft rosenkranzähnlich erscheinen lassen. Daneben finden sich Haar- stümpfchen, die in einer mattglänzenden kugeligen Auf- treibung enden und sind viele solcher zugegen, so hat es den Anschein, als wären die Haare da angebrannt. Zupft man an den Haaren, so brechen sie sofort in der Mitte einer vorhandenen knotigen Auftreibung ab, deren untere Hälfte am Stumpfe bleibt. Die mikroskopische Untersuchung lehrt, dass jedem Knoten ent- sprechend die Haarrinde aufgetrieben und zerklüftet ist, und dass jeder endständige Knoten die untere, besenartig zerfaserte Hälfte eines solchen entzweigebrochenen Knotens vorstellt, während die internodulären Stücke des Haarschaftes normal und nur der Markraum streckenweise verbreitert scheuit. Im Uebrigen sitzen die Haarwurzeln sehr fest. Schavimmer gibt an, dass auch diese verschmächtigt und somit die ursprüng- liche Ernährung der Haare geschwächt sei. Aber das erklärt noch immer nicht , weshalb die Haare an einzelnen Stellen sich auftreiben und abbrechen. Die AfPection ist sehr entstellend und äusserst hartnäckig. Oertliche Medicamente (Schwefel-, Seifen-, Theer- und andere Applikationen) haben sich kaum, das Abrasiren nur in einzelnen Fällen wirksam erwiesen.

Atrophie der Nägel.

Onychatrophia erscheint oft angeboren, als Maugel oder mangelhafte Bildung der Nägel an einzebien verkümmert entwickelten Fingern und Zehen, und allgemein meist zugleich

Onychatropliia. Atropliia cutis propria.

571

mit Felilen der Haare. Erworben kommt der Zustand unter dem gleichen Bilde von Entartung, Verunstaltung, Missfärbung, ßiffig-, Rissigsein (Scabrities), Brücbigkeit, dünner, weicher Be- sehaffenheit vor, wie die Hypertrophie und auch unter den o'leichen, örtlichen oder allgemeinen Einflüssen, weshalb ich auf das bei Onychauxis (pag. 525) darüber Gesagte verweisen darf.

Atrophia cutis propria,

die eigentliche Hautatrophie, wird als Massenver- minderung der allgemeinen Decke, oder Abnahme ihrer biologisch-chemischen Qualitäten wahrgenommen und es ist begreiflich, dass beide, die quantitative und quali- tative Atrophie, weil sich gegenseitig bedingend, sehr oft vergesellschaftet angetroffen werden. Entweder spontan oder consecutiv entstanden, erscheint die Atrophie einmal diffus, über grosse Hautstellen, ein andermal auf kleine Punkte, Striche oder Flecke beschränkt.

Als idiopathische diffusue Formen sind anzu.- füliren: Xeroderma xmi Atrophia senilis.

Xeroderma, Pergamenthaut, habe ich (zum Thelle in Uebereinstimmung mit dem Schöpfer dieses Namens, Er. Wilson) eine idiopathische diffuse Atrophie der Haut genannt, welche in zweierlei Typen vorkommt.

Die eine charakterisirt sich durch ein Krankheitsbild, welches wir an vier Mädchen und nach uns auch Glax, Geber, Taylor und Duhring ebenfalls an jungen (7— 18jährigen;) weib- lichen Personen gesehen haben.

Gesicht, Ohren, Hals und Nacken, Schultern imd Brust bis zur Höhe der dritten ßippe, Arme und Eücken der Hände, einigemal auch Unterschenkel und Fussrücken erschie- nen von kleineren und grösseren, sommersprossenähnlichen, gelbbraunen Flecken gesprenkelt, zwischen welchen wieder blatternarbenähnliche, weissglänzende, seichte Grübchen sich befanden, oder die Haut normal gefärbt schien. Zahlreich ein- gestreute punktförmige und grössere, auch lineare Gefäss- ektasien erhöhten durch ihr Roth das buntscheckige Ausehen der so betroffenen Haut. Ihre Epidermis schien dünn, stellen- weise glatt, über anderen Strecken in dünnen Lamellen sich abhebend oder fein gefurcht, rissig, gerunzelt, pergament- ähnlich vertrocknet, die Cutis selbst dem Gefühle nach

572

Fiinfunddreissigste Vorlesung.

schmächtig , zugleich aber schwer faltbar, an die Unterlage strammer angezogen, wie in sieh geschrumpft, fettarm. Die allgemeine Decke des übrigen Körpers war üppig, fettreich, in jeder Beziehung normal beschaffen. So viel aus den Mit- theilvmgen, und aiis einer längeren Beobachtung über Ent- wicklung und Verlauf der Affection erschlossen werden konnte, war dieselbe jedesmal in der frühesten Kindheit ent- standen und stetig vorgeschritten, in der Art, dass zuerst •kleine Gefässausdehmmgen und Pigraentflecken entstanden, dann die Grefässchen bis auf kleine Reste verödeten und entsprechend pigmentlose, weissglänzende atrophische Grübchen, und später diffuse Schrumpfung der Haut entstand, über welcher dann die Oberhaut sich runzelig furchte oder lamellös abhob.

In fortschreitender Schrumpfung der Haut kommt es zu complicirendem Eczem , seichten Rhagaden und Greschwüren, Verengerung der Mund- und Nasenöffnung und Ectropium der unteren Augenlider , als dessen Folge wir zuweilen Xerosis der Cornea gesehen haben. Ebenfalls in zwei Fällen hat sich binnen wenigen Monaten an zerstreuten Stellen des Gresichtes Sarco-Carcinom und später auch solches der inneren Organe und letaler Ausgang eingestellt. Wenn GtKber die geschilderte Krankheitsform, wohl nur mit Rücksicht auf ihr Früherscheinen, als eine Art Naevus auffasst, so unterscheidet sich doch die- selbe von den in der Regel stationär bleibenden Naevis sehr wesentlich durch das stetige und rasche Fortschreiten, und die contin uirliche Umwan dlung des Gewebes, die Geber selbst, meinem ehemaligen Ausspruch conform, in einer genauen anatomischen Untersuchung beleuchtet. Nach dieser scheint der Process mit Wucherung des Bindegewebes der Papillen- und des Gefäss-Endothels zu beginnen, welcher dann Schrumpfung der ersteren und theilweise Verödung der Gefässe, und consecutiv unregelmässige Pigmentanhäufung nebst Auswachsen der Retezapfen in die Tiefe , Ectasie der Drüsen und Degeneration ihres Epithels folgt. Diese Verschiebung in den Wachsthumsverhältnissen der epitheloiden Gebilde mag auch zu der bei so jugendlichen Individuen gewiss auffälligen Entwicklung von Carcinom und Sarcom den Anstoss geben.

Ueber die Ursache des Xeroderma ist uns nichts bekannt. Zweimal haben wir dasselbe an je zwei Geschwi- stern angetroffen. Trotz mancher Aehnlichkeit mit Scleroderma

Xeroderma. Seuile Atrophie der flaut.

573

uhCl Lepra, scheint dessen Diagnose nicht schwierig, da nach meiner ersten Schilderung die späteren Talle sofort erkannt worden sind. Die. Prognose ist ungünstig, nament- lich mit Rücksicht auf die Tendenz zur Krebs-Entwicklung auf (Irund der Pigment-Evolution. Die Therapie muss sich darauf beschränken, die subjectiven Erscheinungen der Spannung, Trockenheit, der Schmerzhaftigkeit an den Rhagaden, Exco- riationen und Geschwürchen zu mitigiren und die böseren ( 'omplicationen zu bekämpfen.

Einen stationär en Zustand stellt der zweite Typus von Xerodermie vor, den ich wiederholt gesehen habe. Bei demselben erscheint die Haut von der Mitte des Oberschenkels bis auf die Eusssohlen , seltener auch vom Oberarm bis auf die Elachhand auffällig weiss (pigmentarm), stellenweise ge- spannt und schwer faltbar, blass, ihre Epidermis äusserst verdünnt, mattglänzend, gerunzelt, wie Goldschlägerhäutchen, in dünnen glänzenden Blättchen sich abhebend. Die Empfind- lichkeit der Fingerspitzen, der Elachhand und der Fusssohlen ist wegen des ungenügenden Epidermisschutzes und der Haut- spannung sehr gross , so dass das Hantiren und Gehen höchst beschwerlich wird. Der Zustand besteht stationär von der frühesten Kindheit an. Durch dies und die beschriebenen Merk- male unterscheidet sich derselbe leicht von Scleroderma atro- phicum ; durch die Verdünnung der Hautgebilde von Ichthyosis. Der Therapie fällt die Aufgabe zu , durch indifferente Salben und Pflaster die Trockenheit und Spannung der Ober- haut zu mitigiren und die Fusssohlen gegen den Druck beim Gehen zu schützen.

Die senile Atrophie der Haut veranlasst die als „greisenhaft" bekannte Aenderung in Ansehen und Beschaffen- heit der allgemeinen Decke. Die Haut der Greise erscheint fahl- bis dunkelbraun, trocken, mit vielen Runzeln besetzt, schilfernd (Pityriasis tabescentium) , auf Stamm , Hals und Oberarmen oft mit zahlreichen, zerstreut stehenden , linsen- bis kreuzergrossen, flachen, warzenähnlichen, schmutzig-gelbbraunen Auflagerungen (s. pag. 512) besetzt, welche mit dem Fingernagel leicht zerbröckelt und abgelöst werden können. Ihre Basis bildet entweder glatte Haut, oder eine leicht blutende, drusig empor- gewucherte Papillengruppe ; oder sie stellen die Ausbreitung eines aus einer erweiterten Talgdrüsenmündung hervorgetretenen Epi-

574

Fiinfunddreissigste Vorlesung.

dermiszapfens vor, und bestehen aus einem Agglomerat fett- körnchenliältiger Epidermiszellen. Die Greisenhaut ist zugleich meist wegen Verminderung des Fettpolsters lose angeheftet, in weite Falten erliebbar.

Die geschilderte BeschaiFenheit der (xreisenhaut ist der Gresammtausdruck einer Siimme von anatomischen Verände- rungen , welche die meisten Gebilde der Haut im senilen Eück- bildungsprocesse betreffen und im Wesentlichen mit denen der retrograden Metamorphose auch anderer Organe und Systeme übereinstimmen. Dieselben können unterschieden werden als 1. Vertrocknung, Induration (Paget) oder einfache Atrophie (ViRCHOWj , deren Merkmal die Saftarmuth und Verdichtung des Gewebes, und deren Folge, neben sparsamer Anbildung neuer Gewebselemente, die Verschrumpfung und Ver- schmächtigung der Theile ist. Die Epidermisschichte ist ver- schmälert und läuft ohne deutliche Zapfen in sanfter Wellenflucht über die abgeflachten Papillen. Das schmale Corium zeigt verschmächtigte, kleine, verschrumpfte Bindegewebskörperchen nebst Pigmentkörner einschliessenden Faserbündeln, die schmalen Gewebsspalten enthalten spärliche und zellenarme Flüssigkeit, die Gefässe sind zum Theil verödet (Köliker) oder abnorm erweitert (Neümann) , mit Pigmentschollen erfüllt. In vielen Haarfollikeln die Papille geschrumpft, das Haar fehlend oder lanugoartig, die Zellen der äusseren Wurzelscheide verhornt und den Follikel stellenweise ausbuchtend; viele Talgdrüsen erweitert , namentlich in einzelnen Acinis und da mit schollig- krümeliger Epidermismasse erfüllt ; die Fettzellen sind schlapp oder fehlen streckenweise, so dass an ihrer Stelle nur die rhombischen Netze der Bindegewebsbalken zu finden sind.

Die zweite Art der senilen Atrophie ist vorwiegend degenerativen Charakters, indem die Elemente der Cutis organisch metamorphosirt werden, derart, dass ihre vege- tativen und functionellen Eigenschaften Einbusse erleiden. Namentlich erscheinen die Bindegewebsfasern von Körnchen ge- trübt , oder im Contour verscliwommen, in eine mehr homogene, zähe oder auch brüchige Masse verwandelt, Zustände, welche als glasartige Verquellung, amyloide, colloide, hyaloide, wachsartige, speckige, fettige Dege- neration bekannt sind (Rokitansky, Virchow, Weber).

P a r t i e 1 1 e i d i 0 p a t h i s c h e A t r 0 p h i e der Haut findet

Atrophie der Haut.

sicli in Form von mehrere Centimeter langen und 2 5 Milli- meter breiten , weissen , narbenähnlichen Streifen oder finger- nagel- bis thalergrossen solchen Flecken Striae etmacnlae atrophicae cutis welche sowohl bei erwachsenen männ- lichen als weiblichen Personen über dem G-esässe , den Trochan- teren , dem vorderen Beckenrande , dem Oberschenkel, oberhalb der Kniescheibe, seltener am Stamm, Hals, Oberarm unvermerkt entstehen und persistiren. Die atrophischen Flecke stehen meist isolirt, die Streifen zu zweien und mehreren in parallel ge- schlängelten Linien und zur Längsachse des Körpers unter verschiedenem Winkel (je nach der Spaltungsrichtung der betreffenden Hautregion). Schon der zufühlende Finger bekommt den Eindruck, dass an den genannten Streifen und Flecken die Substanz der Haut verdünnt und vertieft ist. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergibt sich , wie nament- lich Langer's Präparate schön demonstriren , dass die Faser- bündel streckenweise auseinandergedrängt und die in die Znsammensetzung der Papillen eingehenden Bindegewebs- schlingen in die Länge gezogen sind, so dass die Papillen fast ganz verstrichen scheinen. Im Bereiche der atrophischen Stellen finden sich nur spärliche Grefässe , Drüsen und Fett- läppchen. Als Ursache der atrophischen Streifen macht B. S. ScHULTZE, ^äelleicht mit Recht, die Dehnung der Haut bei raschem Wachstlium des Beckens und der Extremitäten geltend, denn er hatte die AfFection in 36 "/o bei weiblichen (nicht schwanger gewesenen) und in ß^/o bei männlichen Individuen gefunden. Er. Wilson beruft sich auf einzelne FäUe, in welcheh nach einem Trauma- oder Nerveneinfluss (dem N. frontalis und naso-alaris entsprechend) „linear atrophy" entstanden war.

Die consecutiven Atrophien der Haut erweisen sich als Folgen eines traumatischen oder pathologischen Processes und erscheinen ebenfalls entweder als einfache oder als degenerative Atrophie. Zur ersteren gehört die Druck- atrophie, bedingt diirch von der Tiefe her die Haut vor sich her wölbende G-eschwülste. Dauert der Druck an, so führt er an der zumeist gezerrten Stelle zu vollständigem Gewebs- schwund, Zerreissung oder Entzündung imd Brand. Ist die Extension vorübergehend, wie nach Ascites, Anasarca, so ent- stehen den idiopathische Striae atrophicae gleiche atrophische Flecke und Streifen. Bei Erstgeschwängerten erscheinen bei

Fiinfunddreissigste Vorlesung.

der durch den wachsenden Uterus bewirkten Ausdehnung der Bauchhaut (oft unter höchst lästigem J u c k e n) zunächst blau- rothe hämorrhagische Flecke, nach deren Erblassen erst später we issnarbig glänzende Flecke und Streifen zurückbleiben die sogenannten Schwangerschaftsnarben. Dass es sich hier nicht um Narben , sondern um Distension der Bindegewebs- maschen und consecutive Abflachung der Papillen handelt, womit zugleich ein Auseinanderrücken dieser wie der Drüsen stattfindet, hat Langer sehr klar dargelegt..

Bekannt ist ferners die partielle Atrophie des Coriums in Folge äusseren Druckes , xintev Hühneraugen, Favusborken.

Endlich gehören hieher die narbenähnlichen, punkt- und fieckenweisen Vertiefungen der Haut , welche an Stelle von resorbirten entzündlichen und neoplatischen Infiltraten des Coriums zurückbleiben, nach syphilitischen Papeln, Lupus und Lepra, Liehen ruber. In Folge der Elasticität der inter- stitiellen gesunden Hauttheile schwinden mit der Zeit derart entstandene atrophische Grübchen bis zur Undeutlichkeit.

Die degenerative symptomatische Atrophie involvirt die gleichen Grewebsalterationen , welche schon bei der idio- pathischen Form , der senilen Atrophie, besprochen wurde. Sie tritt zumeist im Grefolge von chronischen Entzündungs- tind Neubildungsvorgängen der allgemeinen Decke, und dem- gemäss auch diflPus auf, nach chronischem Eczem, Pemphigus, chronischer Dermatitis, Pityriasis rubra, Fussgeschwüren, in der Schanker-Sclerose. Bei all' diesen Processen gehen die G-e- webselemente der Haut durch Druck von Seiten der infiltrirenden Massen, Obliteration von Gefässen, oder Uebergreifen der retro- graden Metamorphose, welchem jene Infiltrate selber unterliegen, Umwandlungen von der besprochenen Art ein, als fettige, speckige, wachsartige, hyaloide Entartung, glasartige Ver- quellung. Auch hier zeigen die Bindegewebsfasern und Gefässe die auffallendste Degeneration und scheint im Allgemeinen die letztere mit der Erkrankung der Gefässwandung (Endarteriitis, Endothel-Entartung, adventitielle Infiltration) sich einzuleiten.

YIII. und IX. Olasse.

Neoplasmata. Sechs uncldreissigste Vorlesung.

Neubildungen, Allgemeines. Eintheilung. Gutartige Neubildungen: Bindegewebsneubildungen: Keloid, Narbe (Vorgang bei der Narbenbildung). Mo 1 luseunri fibrosum. Xanthoma, Fibroma, Lipoma,

Neuroma,

Meine Herren! Die Neubildungen der Haut sind zum Theile eben so gut Gregenstand der chirurgisclien Disciplin, wie der Dermatologie , insoferne dieselben sieb niebt immer anatomiscb mit der Haut begrenzen, und ein sogenannt chirurgiscbes Eingreifen erbeiscben. Dem regen Interesse, welcbes in Folge der angedeuteten Verbältnisse die ge- nannte , und in den letzten Jabren so sebr vorgescbrittene Scbwesterwissenscbaft dem in Rede stehenden patbologiscben G-ebiete widmet, verdankt aucb die Dermatologie selber erheb- liche Förderung. Es kann an dieser Stelle nicht unsere Auf- gabe sein, in gleich eingebender Weise den Begriff der Xeubildting zu erörtern, wie dies von der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie mit Recht verlangt wird und geschiebt. Aus beiden diesen Doctrinen sind Ihnen die "Wandinngen bekannt, welche von der langst überwundenen ontologischen Auffassung der Greschwülste abgesehen die Vorstellung von dem Neoplasma selbst innerhalb der Zeitperiode erfahren hat, da man aus dem histologischen Verhältnisse des pathologischen Productes zu dem einbettenden Gewebe dessen Charakter neuer Bildung zu erkennen versuchte. Gerade in dem Masse, als man im Ausbau der VmCHOw'schen Lehre von der in Tbeilung (Proliferation) der Bindegewebs-

Kaposi. Hautkrankheiten. 37

g-jg Sechsunddreissigste Vorlesung.

körperclien bestehenden Neubildung durch patbologiscb- und experimentell-bistologische Studien zu der Erkenntniss gelangt ist, dass jede Art Grewebselemente , Epi- und Endo- tbelien, Muskel-, Knocken- und Knorpelzellen, vielleicht auch die Intercellularsubstanz , einer Proliferation aus sich selbst, einer wahren Neubildung fähig sind, und dass solche Neubildung auch bei der Entzündung, z. B. im Epithel beim Katarrh vor sich geht, durch all' diese Erkenntniss hat sich für die pathologische Histologie die ehedem gezogene G-renze zwischen Entzündung, Hyper- und Neoplasie mehr als jemals früher verwischt. Und so musste sich denn die Ueber- zeugung Bahn brechen, dass die Neubildung nur mehr als klinischer Begriff festzuhalten ist, als Bezeichnung für eine pathologische Formation, welche durch eine Summe von Eigenschaften, als „äussere Umrisse, innere Gestaltung und Vegetation" (Rokitansky), Standort, Verhältniss zu dem umgebenden Gewebe und zu dem Paradigma des betroffenen Organes und Gebildes als etwas fremdartig Eingeschaltetes erscheint, mögen im' Uebrigen ihre Elemente denen des Mutter- bodens ähnlich (Homöoplasie) oder fremdartig (Heteroplasie) sein. Und es ist nur eine weitere und gerechtfertigte Consequenz, wenn wir in Berücksichtigung ihres klinischen Verhaltens die Neubüdungen in gutartige (Vni. Gl.) und bösartige (IX. Gl.) praktisch unter abtheilen, indem wir zu der ersteren jene Neoplasmen zählen, die zwar jahrelang bestehen können, aber in der Eegel örtlich nicht oder nicht bedeutend destructiv wirken und namentlich den Gesammtorganismus nicht schädlich beeinflussen; als bösartig dagegen solche ansehen, die neben örtlich verheerender Wirkung auch einen, deletären Einfluss auf die Gesammtconstitution ausüben.

VIII. Classe.

Gutartige Neubildungen.

Die gutartigen Neubildungen unterscheiden wir nach ihrem vorwiegenden histologischen Merkmale in a Gruppen :

1. Bindegewebsneubildungen: Keloid, Narbe, Molluscum fibrosum, Xanthoma. (Anhangweise: Fi- brome, Lipome, Neurome).

2. Gefässneubildungen: Angioma, Lymph- angiom a.

Keloid.

575)

3. Celluläre Neubilclilrigen: Rhinosclerorh. Lupus erythematodes, Lupus vulgaris (Scrophulose, Tuberculose).

Keloid,

(der Knollen krebs, Fdchs) heisst seit Alibert eine narben- ähnliche, spontan, ohne Entzündungserscheinungen, in der Substanz der Cutis sich entwickelnde und nur mit dieser zusammen verschiebbare , platten-, streifen- oder knollenförmige Greschwulst, die ohne weitere Metamor- phose fortbesteht, oder, in seltenen Fällen, spontan schwindet.

Seiner Formverschiedenheit nach präsentirt sich das Keloid als ein flacherhabener, wie in die Haut eingeschobener, scharf begrenzter, über die Umgebung 2—4 Mm. vorspringender, derbelastischer, einer hypertrophischen Narbe sehr ähnlicher Wulst, von leisten-, gritfelförmiger Gestalt, oval, cylindrisch, biscuitförmig oder wie eine dicke Platte; seltener in Gestalt eines rundlichen I^nollens. Dasselbe ist immer nur mit der Hallt selbst verschiebbar. Manchmal ragt die mittlere Partie mehr hervor, während der E,and abfällt und nach zwei ent- gegengesetzten Seiten strahlenförmige, an Krebsscheeren erinnernde Ausläufer zeigt. Daher der von Alibert der Ge- schwulst gegebene Name von y^n'kh = Scheere. Das Keloid ist weiss oder rothglänzend, an der Oberfläche glatt, mit dünner, runzeliger Epidermis bedeckt, kahl oder mit wenigen Härchen besetzt, derb elastisch und bei Druck, manchmal auch spontan schmerzhaft.

Es findet sich einzeln, oder zu zweien bis zu sehr ^^elen, 20 und darüber, zumeist über dem Sternum, wodann sie in zwei bis mehreren parallelen Strichen angeordnet zu sein pflegen, über der Mamma, an den Ohrläppchen, im Gesicht, an den Genitalien u. s. w.

lieber die Entwicklung des Keloids hat man wenig positive Erfahrung. Man weiss, dass dasselbe, einmal entstanden, noch eine Zeit hindurch bis auf ein gewisses Mass sich ver- grössern kann. Alsdann verändert es sich , wie es scheint, gar nicht mehr, besteht entweder das ganze Leben, oder involvirt sich in seltenen Fällen complet. Namentlich findet kerne Ulceration, höchstens oberflächliche Excoriation statt.

AVas die directe V er anla ss u ng für die Entstehung des Keloids anbelangt, so ist dieselbe zum Theil nur muthmasslich.

37*

580

SechsunJdreissigste Vorlesung.

Man findet dasselbe bei Personen jeden Alters und Geschlechtes. Es ist aber sicher, dass örtliche sehr unbedeutende Verletzungen und Reize bei manchen Personen Veranlassung zur Entstehung von Keloid abgeben, so dass man bei solchen, ja, wie man annehmen darf, bei ganzen Familien und einzelnen äthiopischen Racen eine besondere Disposition in dem Sinne voraussetzen kann, dass auf der Haut nach geringen Verletzungen oder Reizen Keloide entstehen (v. Tschudi). So kommen bei uns Keloide rnn den für die Ohrringe gesetzten Stichcanal der Ohr- läppchen, um Blutegelbisse, um Acnepusteln vor, und ich habe ein faustgrosses Keloid eines Negers untersucht, der am ganzen Körper mit Greschwülsten verschiedener Grösse besät gewesen sein soll.

Da wir das Keloid als eine spontan entstandene Geschwiüst definirt haben und nun hören, dass dasselbe nach Verletzungen zu entstehen plegt, so wirft sich gewiss der Gedanke auf, wie er schon von manchen Chirvirgen zum Ausdruck gekommen ist, dass das Keloid keine eigenartige Geschwulst, sondern im Wesentlichen nichts Anderes sei, als eine hypertrophische Narbe. Dagegen haben Andere ausser dem spontan entstandenen wahren Keloid ein falsches Keloid in die Literatur ein- geführt, als welches von Substanzverlusten (durch Verbrennung, Syphilis etc.) herrührende Narben, wofern dieselben knollig, geschwulstartig gerathen waren, gelten sollten. (Narbenkeloid, DiEBEEa; syphUitisches Keloid, Wilks; warzige Narben- geschwulst, Hawkin's Keloid); schliesslich kennen wir noch Addison's Keloid, welches mit Scleroderma (pag. 529) identisch ist.

Die anatomische Untersuchung, welcher ausser Warren dem Aelteren, Alibert, Follin, Schuh, Rokitansky, Wedl, Lebert, ViRCHOW u. A., besonders eingehend Langhans tmd Warren der Jüngere, das spontane Keloid, ich überdies noch das Narbenkeloid unterzogen, lehrt, dass es dreierlei ein- ander ähnliche Geschwulstformen gibt: 1. das (wahre) Keloid, 2. die hypertrophische Narbe und 3. das Narbenkeloid.

Im Keloid erkennt man in feinen Schnitten schon mit der Loupe eine weissHche, dichtfaserige Gewebsmasse mit zur Längs- achse der Geschwulst und zur Hautoberfläche paralleler Faserung derart in's Corium eingeschoben, dass über und unter ihr noch normale Schichten des letzteren und namentlich Papillen undRetezapfen complet erhalten sich unter dem Mikroskope

Keloid.

5«r

erweisen. Stellenweise werden jene horizontalen Fäserbündel von schief aufsteigenden durchsetzt (Langhans). Kerne und kernhaltige Spindelzellen sind innerhalb des Keloidkörpers nur wenige und um die von den dichten Faserbiüideln scheidenartig umgebenen und comprimirten Grefässe, reichlieh dagegen in den jüngeren Theilen des Keloids, um die Grefässe der Ausläufer zu sehen; so dass es den Anschein hat, als wenn die Binde- gewebsfasern des Keloids eben aus solchen die Grefässe ein- scheidenden Spindelzellen hervorgingen. Die Anwesenheit der Papillen und ßetezapfen lehrt ganz besonders, dass das Keloid. im Gregensatze zur Narbe, in einem vorher unversehrten Corium entsteht und kein Ersatzgebilde eines Substanzverlustes ist.

Fig. 32.

Durchschnitt eines (nach Verletzung mittels Glasscherben am Halse eines

Mannes enl stand enen) Narben-Keloids. 1—2 Narbe, die Epidermis a streicht oline Retezapfen über das papillenlose Narben- gewebe b dessen Bündel locker und dnrch einen Fortsatz b" mit den tiefen Narben- bnndelnö in Verbindung stehen. Zwischen?) und ö' eingeschoben das dicht und parallel zur Oberflache gefaserte Keloid fc. das nach 2-3 und 1—4 in die von der Verletzung nirht getroffene, mit Papillen und Retezapfen c c' versehene Haut sich fortsetzt. Darm Haartaschen / und Talgdrüsen /( erhalten; einzelne Follikel in schiefe Richtung

gcdiängt (<2).

Bei der hypertrophischen Narbe dagegen findet mau keine einzige Papille, weil ja die Entstellung der Narbe den Verlust der obersten Coriumschichte durch Eiterung,

gg2 Sechsunddreissigste Vorlesung.

Excison etc. zur Voraussetzung hat. Die hypertrophische Narbe greift nie über die Grundarea des vorausgegangenen Substanz- verlustes auf die angrenzende, unversehrt gebHebene Haut über und erhebt sich nur innerhalb der durch den vorausgegangenen üefect vorgezeichneten Basis über das Niveau empor. Ueberdies bilden die Bindegewebsfasern der Narbe ein viel lockereres und unregelmässigeres Gefüge, das in jüngeren Narben mehr zellen- reich und wenig gefasert, später mehr starrfaserig und zellen- arm sich erweist.

Endlich findet man in dem Narbenkeloid (J^ig. 32) in der Mitte die Papillen abgängig, unter einer dünnen Epidermis- schichte die unregelmässigen Bindegewebsgeflechte der Narbe, ringsum dieselbe dagegen das Keloid mit den zierlich ange- ordneten dichten Faserzügen und den PapiUen an der Oberflache. Wir haben hier also unverkennbar eine Combination von Narbe mit Keloid.

Wie aus den geschilderten Verhältnissen zu entnehmen, kann demnach das Keloid von der hypertrophischen Narbe nur durch die mikroskopische Untersuchung unterschieden werden und ist daher die praktische Diagnose ausserordentUch er- Schwert. Je mehr an der Oberfläche die normale BeschafPenheit der Haut, der Papillen und Follikel kenntlich ist, desto sicherer hat man ein Keloid, und nicht eine hypertrophische Narbe vor sich. Ueberdies wird das Auftreten an gewissen Korper- o-egenden, z. B. über dem Sternum, und in mehreren Streifen, eher für Keloid sprechen. Von Scleroderma ist Keloid leicht zu unterscheiden, schwieriger jedoch, beim Sitze auf der Lippe, gegenüber von Rhinosclerom.

Die Prognose des Keloids ist nicht günstig, denn eine spontane Involution erfolgt nur ausserordentlich selten und zur Heilung des Keloids besitzen wir keine Mittel. Durch Aetzung oder Excision entfernt, recidivirt dasselbe regelmassig wieder, in Folge dessen man zu einem derartigen Eingriff nur unter gehöriger Reserve sich entschliessen wird.

Emplastrum hydrargyri, Einpinselungen mit Jod, Jod- o-lycerin können versuchweise angewendet werden, um eventueU die Resorpticui zu bewirken, die, so lange noch das Bindegewebe von iüngerer Beschafl-enheit ist, wohl erdenkbar wäre.

Viel mehr als die Entstellung sind es die bisweilen unaus- stehlichen Schmerzen, die manchmal paroxysmenweise oder

Narbe.

583

typisch auftreten und als Brennen oder Stechen sich fühlbar machen, gegen welche die Kranken Hilfe suchen. Man wird Emplastrum de Vigo , de Meliloto mit Opiumpulver bestreut, Kälte, Chloroform, subcutane Injectionen von Morphin, bei tj'pischem Auftreten Chinin mit Arsen versuchen.

Narbe,

Cicatrix der Hautheisst eine Neubildung, welche an der Stelle eines Substanzverlustes der all- gemeinen Decke entstanden ist and denselben bleibend ersetzt. Sie unterscheidet sich durch weiss- oder rothglänzende, glatte, bisweilen auch zari gerunzelte oder dünn- schilferige und trockene Beschaffenheit ihrer Oberfläche und derbe Consistenz von der sie allseitig begrenzenden normalen Haut. An der Narbe fehlen die der normalen Haut eigenthüm- liche Furchung und Linienzeichnung, Poren und Haare, Pigment, Talg- und Schweissdrüsen. Sie liegt im Niveau der iimgeben- den Haut normale oder flache Narbe; oder etwas tiefer

atrophische Narbe; oder überragt die Umgebung hyp ertrophische Narbe. Im letzteren Falle erscheint die- selbe als strichförmiger , cylindrischer , knolliger "Wulst, als leisten- und faltenförmige Ueberdachung der Haut oder einer im Uebrigen flachen Narbe, oder als gestrickt-, netz-, stern- förmig sich kreuzende und combinirende Wülste. Endlich ist die Narbe einmal mit der Haut verschiebbar freie, oder bewegliche Narbe; oder an die Unterlage, Fascien, Knochen festgelöthet, flach oder eingezogen fixe Narbe.

Die Entstehung der Narbe hat zur nothwendigen Vor- aussetzung, dass ein bindegewebiger Antheil der Haiit, das Corium, oder wenigstens die Papillarschichte zerstört worden sei. Man kann diesbezüglich, nicht ohne praktischen Werth, ohneweiters die Hautkrankheiten allesammt in zwei grosse Gruppen theilen, in solche ohne und mit Narbenbüdung. Alle jene Processe, welche in mit Resolution endigender Ent- zündung bestehen, oder höchstens zur Abstossung der Epidermis führen : Eczem, Erysipel , Dermatitis superficialis, Pemphigus, Herpes Zoster, leichte Variola gehören zur ersten Kategorie. Ausnahmsweise kann zwar auch bei diesen Formen eine Narbe entstehen , aber nur in Folge von örtlichen Zufälligkeiten, welche eine Zerstörung des Bindegewebes setzen, z. B. furun-

534 Sechsunddreissigste Vorlesung.

culöse oder durch Kratzen bewirkte Gewebszerstörung bei Eczem, liämorrbagisclie Zerwühlung der obersten Coriumscliicbten bei Zoster. Zur zweiten Art geboren neben den durch mechanische (Kratzen, Zerquetschung) und chemisch-dyna- mische Einflüsse (Verbrennung, Erfrierung, Aetzung) gesetzten Zerstörungen des Gewebes alle jene Krankheitsformen, die durch ihre Natur massige Necrobiose (Gangrän) oder eitrige Schmelzung veranlassen: Lupus, gummöse' Syphilis, Scrophulose, Dermatitis suppurativa.

Der Vorgang bei der Narbenbildung ist durch die klinische Beobachtung , wie durch das Experiment (Billroth,

0. Webee, Thieesch, Ziegler u. A.) in den wesentlichsten Punkten aufgehellt. Derselbe stellt sich in zwei Phasen vor,

1. der Bildung vonFleischwärzchen Granulationen und 2. der Epidermisbildung oder Ueberhäutung („Benarbung"), welche beide wieder normal oder abnorm sich gestalten können.

Sobald der durch irgend welchen der früher erwähnten Einflüsse (Causticum, mechanische Zerstörung, entzündliche Eiterung, Gangrän) abgestorbene Gewebstheil von dem ge- sunden Gewebe sich abgegrenzt hat, beginnt von dem letzteren, unter den Erscheinungen der entzündlichen Infiltration und Eiterung, die G r a n u 1 a t i o n s b i 1 d u n g ; und haben die necro- tischen Massen sich abgelöst, so liegt eine granulirende und eiternde Wunde zu Tage. Die Granulationen erscheinen lebhaft roth, anfangs grobkörnig und derb, später feindrusig, sammt- artig und gegen Berührung empfindend, aber nicht schmerzhaft.

Histologisch unterscheidet man in den Granulationen eine obere, gefässlose, aus Eiter bestehende, „pyogene", und eine untere, gefässreiche, „plasmatische Schichte" (Thiersch). Nach den gegenwärtig herrschenden Vorstellungen stammen die Form-, elemente des Eiters theils aus dem Granulationsgewebe (Wander- körperchen) und aus dessen Blutgefässen (weisse Butkörperchen), theils von der Proliferation (Zerfall) der zu oberst gelegenen Gewebselemente. Die (untere) Hauptmasse der Gramüationen stellt junges Bindegewebe dar , welches neben einem grossen Antheil von eingewanderten Blutkörperchen (Cohnhem) aus den unter Hyperämie und reichlicherer Plasmazufuhr productiv gewordenen Elementen des alten Nachbargewebes, Anschwellung und Theihuig der Bindegewebskörperchen und anderer Form-

Narbe.

585

elemeute (s. pag. 177) lier vorgegangen und als sogenanntes ..Granulationsgewebe" (VmcHOw) für viele Arten von Neubil- tUmo- typisch ist. Es besteht aus einer feinkörnigen, oder zart- o-enetzten oder faserigen Intercellularsubstanz, in welche ovale, o-rosskernige und spindelförmige Zellen in grosser Menge ein- o-elao-ert sind, und aus neugebildeten Gefässen, welche diesem Gewebe Richtung und Stütze, und durch oberflächliche Gefäss- schlingenbildtmg warzige, papilläre Form geben. Die neuen Gefässe stammen ebenfalls theils direct von den alten, indem deren Wandung sich ausbuchtet, oder in Form von soliden, später hohl \Yerdenden Kolben auswächst (Jos. Meyek, 0. Weber) ; theils entstehen sie selbstständig aus aneinandergereihten und zu einem mit Kernen besetzten Rohre verschmelzenden Zellen (Rokitansky) ; oder indem einfache intercelkiläre Räume mit den präformirten Blutgefässen in Communication treten (Webee, Lehmann); oder endlich durch endogene Bildung von Bkit- körperchen in Zellen und Hohlräumen, gewissermassen eine Wiederholung des embryonalen Vorganges (Rokitansky, Weber, Billroth, Stricker, E. Klein).

Das Granulationsgewebe geht allmälig von den tiefsten Schichten her in (Narben-) Bindegewebe über, indem unter Verminderung der Hyperämie die Einwanderung und Prolifera- tion von Zellen weniger lebhaft wird, ein Theil der letzteren an Stabilität gewinnt, durch Aneinanderlagerung (Rollet) und Aussenden, vielleicht auch Spaltung von Fortsätzen zu Binde- gewebsfibrillen mit polar einlagernden Bindegewebskörperchen sich umgestaltet und die Intercellularsubstanz sich chemisch imd morphologisch entsprechend umwandelt. Mit der fort- schi-eitenden Organisation rücken die Fasern aneinander, ver- schmächtigen sich die intercellulären und interfibrillären Räume, schrumpfen auch die Fasern in sich und ziehen sie die Nachbar- haut heran, wodurch auch die Area der Wunde sich verkleinert.

Hat die Granulation im Emporwachsen das Niveau der angrenzenden Haut erreicht, so beginnt die zweite Phase des Processes, die Ueb erhäutung, durch Bildung einer neuen Epidermisdecke.

Unter Abnahme der Hyperämie sistirt das weitere Wachs- thum der Fleischwärzchen zunächst am Wundrande, und von diesem schiebt sich ein dümies Häutchen vor, welches den in Folge des Durchschimmerns der Gefässe bläulich-rotheu Ueber-

586

Sechsunddreissigste Vorlesung.

häutiingssaum darstellt. Von allen Seiten nach deraWundcentruin stetig vorückend, und im älteren Theile in Folge Cumnlirung der Epidermisschicliten erblassend, trifft derselbe endlich mit den gegenüberstehenden zusammen und damit ist die Wunde überhäutet, die Benarbung vollendet.

Dass die neue Epidermis von den randständigen alten Epidermiszellen erzeugt wird, scheint durch klinische Beobach- tung fast eiitschieden. Denn regelmässig nimmt der TJeber- häutungssaum vom Rande seinen Ausgang und wenn unter Umständen, z. B. nach Verbrennung, auch inmitten des Grranulationsfeldes isolirte Epidermisinseln auftreten, so mögen auch diese von alter Epidermis herstammen , nämlich von der Epidermisauskleidung restlicher Talg- und Schweissdrüsen- stücke. Die Annahme, dass Epidermis wieder nur aus Epidermis hervorgehe, entspricht nicht nur dem embryologischen Schema, sondern auch den Resultaten specieller Untersuchungen, indem Heiberg im Epithel der Cornea gesetzte Verluste in der Weise sich ersetzen sah, dass die randständigen Epithelien Fortsätze trieben , die als neue Zellen sich abschnürten, ferners Lott für die physiologische Regeneration der Epidermis ebenfalls Abschnürung von Sprossen der basalen (s. g. Fuss-) Zellen des Rete demonstrirt und bei pathologischer Epithelproliferation (s. Fig. 29) gleichfalls Theilungs Vorgänge der präexisteuten Zellen die Hauptrolle spielt. Nebstdem mögen auch Wander- zellen zum Theil zu Epidermis sich gestalten (Biesiadecki, Pagenstecher). G-anz isolirt steht die Ansicht von J. Arxold, nach welcher das neue Epithel durch Differenzirung eines von den Randepithelien producirten Plasmaergusses, quasi authochton

sich bilden soll.

Anomal gestaltet sich die Narbenbildung, indem ent- weder die Grranu.lationen zögernd, oder in schlechter Qualität sich bilden, wodann sie glatt, wenig warzig, trocken oder hydropisch, oder hämorrhagisch beschaffen sind, und wiederholt zerfallen; oder wenn sie über das Normalniveau wuchern (Caro luxurians). Solche Fleischwärzchen sind zugleich entweder abnorm stumpffühlig, oder höchst empfindlich ; oder aber es ver- zögert sich abnorm die Epidermisbildung.

Die Ursachen solcher Hindernisse der Vernarb nng sind entweder constit\itionell : Anämie, Scorbut, Hydrops, oder liegen in örtlichen Momenten, mechanischen Insulten, Druck,

Narbe.

587

Zerrung; endlicK aucli in dem grossen Umfange der Wunde, indem die peripher schon fertig gestellte Narbe durch Schrumpfung die zuführenden Gefässe comprimirt und die genügende Ernäh- rung der centralen Theile hindert.

Die fertige Narbe besteht nach dem Gesagten aus einem unregelmässigen, gefäss- und nervenreichen Bindegewebsfilze. HaarfoUikel, Talg- und Schweissdrüssen, sowie Papillen fehlen. Es mangeln daher auch die den letzteren entsprechenden. Eetezapfen und die aus mehreren Lagen polyedrischer Rete- zellen und einer dünnen Hornzellenlage bestehende Oberhaut streicht in gerader Flucht über die Oberfläche des Bindegewebs- stockes hinweg. Junge Narben sind pigmentirt, succulent und zellenreich und führen noch viele Blutgefässe: daher lebhaft roth, bei Kälte und mechanischer Stauung leicht zu Hämorrhagie, Loswühlung der Oberhaut und Zerfall geneigt. Mit vorschreiten- dem Alter werden sie kürzer, trocken, hart und weiss. Dem- gemäss zeigen sie auf Durchschnitten viele verödete, mit Pigment- körnern gefüllte G-ef ässstränge , sclerotisches Bindegewebe mit wenigen und kleinen Büidegewebskörperchen und engen Maschen- räumen.

Da jede Narbe einen Substanzverlust, wie ein Guss die Form , ausfüllt , so entspricht zwar im Allgemeinen Form und Umfang derselben auch dem vorausgegangenen Defecte; aber ihre specielle Gesammtgestaltung ist das Resultat einer Summe von Momenten, gewissermassen ihrer Geschichte. So werden z. B. die Narben bei serpiginös - geschwürigem Syphilid der Grenze des letzteren gemäss im Centrum den Charakter der älteren tragen, weiss und derb, an der Peripherie jünger, roth, pigmentirt, zugleich bogenförmig begrenzt erscheinen. Aber Solches gilt nur im Allgemeinen und die Ansicht , als gäbe es charakteristische Narben, ist im speciellen Falle nicht haltbar. Denn von Zoster herrührende Narben können genau denen von Syphilis gleichen und die gestrickten Narben nach Ver- brennung oder einem gangränösen Bubo sehen genau so^ aus, wie die nach Schwefelsäure-Aetzung. Nur unter Berücksichti- gung aller Nebenumstände ist ein Wahrscheinlichkeits-Rück- schluss gestattet, um so mehr, als auch andere als die nächsten ursächlichen Momente für die besondere Gestaltung der Narbe massgebend werden können. So z. B. gerathen alle Narben schlecht, die in ihrem Aufbau oft gestört worden sind, sie

588

Secbsunddreissigste Vorlesung.

werden uneben, gestrickt, knollig. Schwefelsäure- Aetzung Hinter- lüsst meist unschöne Narben, Bei manchen Individuen hyper- trophiren noch nachträglich die schon fertigen Narben. Endlich ist aucli die Behandlung während der Narbenbildung auf die Qualität des Endproductes von grossem Einfluss.

Die Folgen der Narben bestehen neben der in ihrem Objecte gelegenen Verunschönung der Haut in der durch ihre Schrumpfung bewirkten Verzerrung der Nachbarhaut und, je nach dem Standorte , Fixirung und Contractur der Grelenke, Ectropiu.m der Augenlider, Verengerung der Eingangspforten in die Körperhöhlen, Verwachsung von Hautfalten der Finger, Seitwärtszerrung des Kopfes beim Sitze am Halse u. s. w., sowie wegen ihrer geringen Elasticität, in mannigfacher Behinderung der Bewegung und Brauchbarkeit der betroflFenen Theile. Ausser- dem belästigen sie oft durch spontane Schmerzhaftigkeit, Jucken, Stechen , sowie durch ihre langandauernde Vulnerabilität und Neigung zur Entzündving.

Die Aufgabe der Therapie besteht in der Erzieluug schöner , d. i. flacher , dünner und beweglicher Narben und hat mit dem Auftreten der Granulationen zu beginnen. Bei nor- malem Vorgange des Processes mag jedwede der üblichen und gangbaren chirurgischen Verfahrungsweisen am Platze sein. Bei abnormer Gestaltung sind nach Umständen alle jene Cau- telen zur Verhütung von Verwachsungen, Anregung oder Be- schränkung der Fleischwärzchen- und Epidermis-Bildung an- zuwenden (häufige Aetzung mit Lapis, Salben von Ciiprum acet., Nitr. argenti, Druckverband, Kali-, Kupfer-Lösung u. A.), welche im Capitel über Verbrennungen (s. pag. 349 350) ausführlich angegeben worden sind. Bei grossen "Wundflächen, bei welchen die mittelständigen Partien zu überhäuten zögern, ist noch ausserdem die von Keverdin eingeführte und seither vielbewährte Methode der Transplantation zu emj)fehlen. Nach derselben schneidet man von einer gesunden Hautstelle desselben, oder eines anderen Individiums mittels Scheere ober- flächliche Stückchen aus, welche in 5—10 Mm. kleine Theile zerschnitten auf die bereits granulirende Wunde in mässiger Distanz von einander gelegt, mittels Heftpflaster niedergedrückt werden. Nach 5—6 Tagen wird dieses entfernt. Manche Stückchen scheinen nun verschrumpft und abgefallen, einige aber sitzen fest, indem Corium und Gefässchen derselben mit den

Mollnscuni fibrosum.

589

Elementen der Granulationen verwachsen sind (AjfABiLi's und Jacexko's Untersuchungen). Auch diese verlieren ihre alte Epir dermis zum Theile, produciren aber schon am 10. 12. Tage bläuliche Epidermisinseln , die alsbald ringsum auf nachbarliche zuwachsen und so die centrale Ueberhäutung ermöglichen.

Die durch die Narbenschrumpfung veranlassten Ver- zerrungen , Verengerungen von Höhleneingängen , Fixirung von Gelenken etc. werden durch einfache oder mit Plastik verbundene Excision, oder forcirte Streckung der Narbe bekämpft. Hyper- trophische, entstellende Narben können ausserdem noch mittels flachgeführter Schnitte abgetragen werden, worauf die blutende Fläche mit Lapis geätzt und die neue Ueberhäutung sorgfältig überwacht wird. Erweichend und allmälig abflachend wirken gegen callöse , starre Narben Bähungen mittels protrahirter warmer , künstlicher Bäder oder Thermen , Druck mittels Heft- pflaster oder Empl. hydrargyri ; endlich die künstliche Erregung von Entzündung im Narbengewebe, durch welche die fixen Gewebselemente wieder zu lebhafterer Vegetation, Metamorphose und auf neu eröifneten Blut- und Lymphbahnen zur Resorption gebracht werden. Hiezu dienen wiederholte Aetzungen mittels concentrirter Lapislösung, oder methodische Einpinselungen von Jodglycerin.

Neuralgische Afi'ectionen der Narben werden in gleicher "Weise mittels emoUiirender oder narkotisirender Applicationen bekämpft, wie die analogen Zustände des Keloids, oder erheischen ihre oder des zuführenden Nerven Excision.

Molluscum fibrosum,

M. Simplex s. pendiüum ("Willan); M. non contagiosum (Batejian); Fibroma moUuscum (VmCHOw), bildet breit oder gestielt aufsitzende, von normaler Haut be- deckte, meist deutlich begrenzte Geschwülste von gleichmässig teigig-weicher oder mehr derber Consistenz. Ihr Umfang variirt von einer erbsen- bis bohnengrossen, mittels Tasten unter der Haut eben fühlbaren Verdickung oder Vorwölbung, bis zu Geschwülsten von Nuss-, Faust- und Kindskopfgrösse , welche entweder breit aufsitzen oder die mit ihnen dicht oder lose verwachsene allgemeine Decke vor

590

Sechsunddreissigste Vorlesung.

sicli beuteiförmig herstülpen und als bim-, kolben-, wammen- oder beutelförmige , gestielte Anhänge der Haut erscheinen.

Heber den kleineren G-escbwülsten ist die Haut blass, ■über den grösseren blaurotb , von ausgedehnten Gefässen durchzogen und da auch in der Regel gespannt, follikelarm. Doch sind öfters die Talgdrüsen mit Sebumpfröpfen erfüllt und erweitert. In das Innere der Greschwulst führt jedoch keine OefFnung. Sie fühlen sich gewöhnlich gleichmässig derbteigig an, manchmal etwas fester, oder sind lappig, mit derberen und weicheren Partien. Manchmal, namentlich bei den kleineren und älteren, glaubt man eine blosse Hautfalte zwischen den Fingern zu fühlen, ohne Inhalt, doch ist ein solcher vorhanden, welcher sich nach dem subcutanen Bindegewebe strangförmig fortsetzt.

Ihre Menge ist in der Regel beträchtlich, manchmal bis hundert in den verschiedensten Entwicklungstadien, im Bereiche des Gesichtes, des behaarten Kopfes, am Stamme, den Augen- lidern, an den Genitalien, ad nates u. s. w. Die erste vom Jahre 1793 stammende Beschreibung eines solchen Falles durch Ludwig und Tilesius ist noch heute typisch.

Sie belästigen nicht nur als eine entstellende Geschwulst durch ihre Zahl und Grösse, sondern auch je nach ihrer Loca- lisation als mechanisches Hinderniss der Gelenksfunction , des Sehens, (indem das obere Augenlid als dicker Lappen herab- hängend das Auge verdeckt) ; bei grossem Umfange durch Span- nung der Haut, gelegentliche Entzündung und Gangrän.

Nach der im Wesentlichen übereinstimmenden Darstel- lung von Rokitansky, Wedl, Virchow u. A. besteht das Mollus- cum fibrosura aus gallertartigem, mit fortschreitendem Alter der Geschwulst zu fibrösem sich umgestaltenden Bindegewebe.

Nur über den Ausgangspunkt dieser Neubildung sind die Meinungen getheilt. Nach Rokitansky geht dieselbe von den tieferen Maschenräuraen des Coriums aus; nach Fagge und HowsE von der Bindegewebswand der Haartasche ; nach Virchoav von der Blndegewebsurarahmung der Fettläppchen, welcher An- sicht auch ich mich anschliesse. Von da aus emporwachsend wölbt das Gebilde die Haut vor sich her und wächst es zu knolligen, lappigen und hängenden Geschwülsten heran. Am Scheitel der Geschwulst besteht eine innigere Verbindung zwischen ihr und der Haut, indem Fasern der ersteren in diejenigen des

Molluscum flbrosuni;

591

Coriums übergelien. Im Uebrigen ist die Verbindung zwischen beiden lose und daher die Greschwulst ziemlich leicht aus- schälbai*.

Bei den grösseren und älteren Knoten besteht die innere Partie aus jüngerem , gallertartigem, der periphere Theil mehr aus faserigem Bindegewebe, stimmt demnach im histologischen Charakter mit Elephant. Arabum überein. In dem Stiel befinden sich ein oder mehrere grössere Gefässe , ebenso wie in dem iederzeit vorhandenen derben, knotigen Ende, welches xmtev der Haut liegt, das ist der Partie, von wo die G-eschwulst ihren Ausgang genommen hat. Drüsen und Follikel der die Geschwulst bedeckenden Haut sind im Verhältnisse der er- littenen Spannung theils normal , theils verzerrt , geschrumpft, deo-enerirt. Oft auch finden sich zahlreiche Comedonen und Balg- geschwülste (Molluscum contagiosum Batemax) auf und zwischen den G-eschwülsten des Molluscum fibrosum.

Einzelne Geschwülste involviren sich spontan ; alsdann bleibt ein scheinbar leerer beuteiförmiger Anhang zurück. Dieser enthält aber immer noch einen Theil des Molluscum, wie aus der Unmöglichkeit die Falten auseinander zu ziehen \mi dem nach der Tiefe zu verfolgenden Knotenstrang zu er- kennen.

Die meisten Geschwülste persistiren zu verschiedener Grösse angelangt. Der Beginn des Processes ist in allen bisher beobachteten Fällen aiif die früheste Kindheit zui'ückgeführt worden. In Ermangelung jedweder plausiblen Ur s ach e wurde eine hereditäre Anlage, nach Viechow eine Art „Süchtigkeit" („Molluscosis" Bebgh) dem Uebel zu Grunde gelegt, welche in einem bekannt gewordenen Falle (Viechow) durch Auf- treten des Molluscum in drei Generationen sich manifestirt liat. Eine constitutionelle Anlage nimmt auch Hebra an, indem er die Thatsache betont, dass alle mit Mollusciim fibrosum behafteten Kranken physisch und geistig verkümmert gefunden werden.

Die geschilderten Eigenschaften, die Multiplicität luid der Verlauf charakterisiren das Molluscum fibrosum zur Genüge, um dessen Diagnose gegenüber der als Moll, sebaceum v. contagiosum (pag. 164) bekannten Talgdrüsengeschwulst, sowie gegenüber von multiplen Fibromen, Lipomen, einzelnen mollusci- forraen "Warzen festzuhalten.

592

Sechsunddreissigste Vorlesung.

Die Prognose für M. fibrosum ist nicht günstig, da wir keine Mittel besitzen, um diese Greschwülste zur Rück- bildung zu bringen. Obgleicb das Allgemeinbefinden nicht nach- weislich von der Neubildung beeinflusst zu werden scheint, indem wir bei ziemlich vorgerückten Individuen die Krankheit gesehen haben, ist doch zu bemerken, dass bei einzelnen mit der Zeit zum Tode führender Marasmus, oder Tuberculose sich eingestellt hat.

Therapeutisch kann nur soviel geleistet werden, da s.s man nach den Regeln der Chirurgie einzelne, durch ihre Loca- lisation und Grösse belästigende Tumoren exstirpirt, exscindirt, galvanokaustisch oder mittels elastischer Ligatur abschlingt.

Xanthoma,

Xanthelasma (Wilson), Vitiligoidea (Addison und Gull) heissen stroh-, citronen- bis schwefelgelbe oder gelblichweisse, inderRegel scharf umschriebene, flache, wie eine blosse Verfärbung sich darstel- lende Flecke oder Knötchen der Haut, deren häufigste Localisation an den Augenlidern ist.

Schon im Jahre 1815 von Rater als „pläques jaunätres despaupieres" beschrieben iind abgebildet, sind diese Vorkomm- nisse doch erst von Addison und Güll 1851 unter dem Namen Vitiligoidea eingehender erörtert worden, für welchen wenig passenden Titel später Ee. Wilson den bezeichnenderen Xanthelasma oder Xanthoma vorgeschlagen hat.

Erst in der Folge hat man auch anderswo denselben Aufmerk- samkeit zugewendet ; doch sind noch immer die interessantesten Mittheilungen darüber aus England gekommen, von Pavy, Fagge, Smith, Wilson, A. W. Foot, obgleich auch in Deutschland von Hebra, Jany, Cohn, Waldeyer, Geisler, Virchoav, Geber, Smox, mir, in Frankreich von Besnier, Hillairet, Cha^ibard und vielen Anderen, namentlich Oculisten über diesen Gegenstand Ver- öffentlichungen stattgefunden haben.

Nach der ursprünglichen Angabe von Addison und Gull muss man auch heutzutage das Xanthom in zwei Formen unter- scheiden: 1. X. planum, 2. X. tuberosum.

Das fleckenförmige Xanthom, X. planum, bildet kleine bis fingernagelgrosse und noch grössere, .strohgelbe bis

Xanthoma.

593

citronengelbe oder mit welkem Laub gleicligefärbte Flecke der Haut. Sie sind entweder gleicbmässig , oder aus einzelnen Fleckchen zusammengesetzt , flacb oder an den Rändern etwas vorspringend. An ihrer Stelle ist die Haut vollständig glatt, weich, nicht schilfernd, nicht juckend, selten wird etwas Brennen oder Schmerz empfunden. Zwischen den Fingern gefasst, geben sie nicht das Gefühl, als wenn irgend etwas Fremdartiges in der Haut wäre. Die Falte fühlt sich ganz wie an einer normalen Haut an. Sie finden sich zumeist an den Augenlidern, an einem oder an allen , meist ziemlich symmetrisch und näher dem inneren Augenwinkel , seltener an den angrenzenden Wangenpartien und noch seltener an der Haut der Nase, Ohr- muschel lind an der seitlichen "Wangen-, Hals- und Nacken- gegend. Auch auf der Schleimhaut des Mundes, des Gaumens, der Wangen , am Zahnfleisch hat man diese Vorkommnisse beobachtet.

Das knötchenförmige Xanthom, X. tuberosum, erscheint in Form von hirsekorn-, miliumartigen oder weizenkorn- ähnlichen, weiss- oder gelblichweissen, isolirten oder zu Plaques zusammengedrängten Knötchen, welche kaum oder selbst bis 4 Mm. über das Hautniveau emporragen , an ihrer Oberfläche mit glatter Epidermis bedeckt, in der Haut quasi eingeschoben und eine kaum bemerkbar stärkere Consistenz, als die normale Haut darbieten. Diese kommen seltener an den Augenlidern, häufiger an den Wangen , namentlich aber an den Streck- und Beugeseiten der kleinen Gelenke, der Finger und Zehen, sowie an der Flachhand und Fusssohle , selbst am behaarten Kopf und am Penis vor, ebenso an den früher genannten Partien der Schleimhaut, sowie an den Labien.

Beide Formen sind als zusammengehörige Bildungen zu betrachten , weil sie an demselben Individuum gemischt vor- zukommen pflegen. Das Xanthom entsteht da und dort als fleckenartiges und entwickelt sich am Rande zu knötchenartigem. So viel man bisher beobachtet, metamorphosirt sich dasselbe nicht, sondern besteht es ohne weitere Veränderungen. Das knötchenförmige complicirt sich manclunal mit harten Ablage- rungen in den Sehnen der Fingerstrecker. Selbstverständlich belästigt die tuberöse Form mehr als die Fleckenform.

lieber die Ursache dieser merkwürdigen pathologischen Bildung kann nichts Bestimmtes ausgesagt werden. Man hat

Kaposi, Hautkrankheiten. 38

rjC)4 Sechsunddreissigste Vorlesung.

<jft versucht eine Beziehung derselben mit Leberaffectionen geltend zu machen, weil in mehr als der Hälfte der bekannt ^•ewordenen Fälle theils vor der Erkrankung, theils im Verlaufe derselben Icterus constatirt und beobachtet worden ist. So war in den von mir zusammengestellten 27 Fällen 15mal Icterus ilagewesen. Allein weder die anatomischen Verhältnisse des Xanthoma, noch die Erklärungsversuche von Fagge und MuECHisoN machen die Beziehung eines Icterus zum Xanthom erklärlich, abgesehen davon, dass bei einer grossen Zahl Icterus überhaupt nicht vorgekommen ist.

Anatomisch stellt sich sowohl das Flecken- als Knötchenxanthom nach den Untersuchungen von Pavy, welchem Fagge , Murchison , Smith , Waldeyee , Virchow und ich zu- stimmen, als Bindegewebsneubüdung mit Einlagerung von Fett und fettiger Degeneration dar, während, wie früher Hebra, so später Geber und Simon dasselbe als den Ausdruck einer Hypertrophie der Talgdrüsen, also wesentlich identisch mit Milium darstellen und daher auch glauben, dass man zweierlei Formen unterscheiden solle, das eine, das bindegewebiger Natur, als Fibroma lipo mato des, und das andere, aus Drüsen- aegeneration hervorgegangene, als Vitiligoidea.

Es geschehen sicher Verwechslungen des Xanthom mit Miliumkörnchen, welche, in dichten Haufen zusammengedrängt, wie ein Xanthom ' erscheinen können. In unserem Ambiüatorium A-om Jahre 1878 haben wir einen solchen Fall an einem Mädchen beobachtet, bei welchem vom inneren Augenwinkel der linken Seite über das untere Augenlid, die Wange bis zum Kieferwinkel, in zwei länglichen ovalen Plaques zusammengedrängt solche Miliumkörnchen lagerten. Diese konnten aber alle nach blossem Einritzen ihrer Decke herausgedrückt werden. Bei Xanthom ist dergleichen nicht möglich. Wenn man da einschneidet , so erscheint die Schnittfläche mehr weniger gleichmässig gelb. Man kann aber ausser etwas Blut und Serum absolut nichts von der Schnittfläche herausquetschen, was wie Fett oder Fett- zellen aussieht; es ist eben das Gewebe selbst verfettet und •daher gelb. Diese Verhältnisse geben auch den diagnostischen Unterschied zwischen Milium und Xanthom.

Die Diagnose desselben ist auf Grund der früher ge- schüderten und sehr augenfäUigen Charaktere sehr leicht zu machen. In prognostischer Beziehung ist hervorzuheben,

Xanthoma.

595

ilass das Xaiitliom zeitlebens fortbesteht, ohne sich merklicli zu ändern und in übler Weise zu entarten, dass aber auch eine spontane Rückbildung desselben nicht zu erwarten steht.

Eine andere Heilung des Xanthom als durch Excision oder Ausschaben mittels scharfen Löffels ist nicht möglich.

Hier wäre der geeignete Platz, auch der als isolirte oder multiple Geschwülste der Haut und des subcutanen Zell- gewebes vorkommenden, in das Grebiet der speciellen Chirurgie gehörigen Fibrome, Lipome lind Neurome zu erwähnen. Die letzteren sind, soweit die bisher bekannt gewordenen Fälle, auch der interessante von Dühring mitgetheilte, lehren, wesentlich bindegewebiger Zusammensetzung (Fibrome) und mit den Nerven in verschiedener Beziehung, der Nervenscheide anhängend, die Nervenfasern auseinanderdrängend oder in gar nicht eruirbarem Zusammenhange (Hautknötchen bei Dohring) ; nur in einzelnen Fällen ist wirkliche Neubildung von Nerven imd Nervenplexus demonstrirt worden (Biesiadecki, Czerxy), vorwiegend in Combination mit Elephantiasis oder Naevis. Sie charakterisiren sich klinisch durch äusserste Schmerzhaftig- keit gegen Druck, sowie spontane paroxysmenartige Neuralgien.

38*

Siebenunddreissi gste Vorlesung.

Angiomata.

Blutgefäss- und Lymphgefäss-Neubildungen.

Grefäss-Neubildungen ixmfassen solclie patliologisclie Bildungen der Hant , welclie ganz, oder ilirer Haupt- masse nach, ans bleibend erweiterten und nengebil- detenGrefässen bestehen. Dieselben müssen unterschieden werden in Blut- und Lymphgefäss-Neubildungen.

Blutgef äs s-Neubildungen, eigentliche Angiome. verrathen schon durch die klinische Beschaffenheit ihre ana- tomische Zusammensetzung, indem sie üi der Farbe und Con- figuration von mit Blut injicirten Blutgefässen erscheinen und unter dem Fingerdruck momentan verschwinden. Ausserhall» dieser allgemeinen Eigenschaften bieten die Angiome sehr viele Mannigfaltigkeiten dar, nach deren meritorischer Geltung die- selben unterschieden werden können, als 1. Telangiektasis. 2. Naevus vascularis, 3. Angio-Elephantiasis und 4. Tumor cavernosus.

Telangiektasien (jzlo:, äyytov, £x.Ta(ji:) sind während des extrauterinen Lebens entstandene Erweiterungen und Neu- bildungen von capillären und feinsten Hautgefässen und er- scheinen als hellroth- bis dunkelviolette, mohnkorngrosse und grössere, unter dem Fingerdrucke erblassende Flecke oder Knötchen oder Grefäss-Grezweige , oder als diffuse, von Geiass- ästchen durchzogene Röthung oder Marmorirung der obersten Hautschichten.

Die Abwesenheit von Temperaturserhöhung , Schmerz und Schwellung und die Persistenz der Röthe und Gefäss- Verästelung hilft leicht die Verwechslung mit hyperämischer

Angioiue.

597

und entzündlicher Rothe zu vermeiden. Die Telangiektasien entstehen idiopathisch, selten im Kindesalter, in der Regel in der mittleren Lebensperiode und mehren sich mit dem vor- schreitenden Alter. Die zarte Haut der Augenlider, Nasen- flügel, "Wangen, Ohren und Hals sind ihr häufigster Stand- ort , selten der Handrücken und andere Körperstellen , an denen ihre Anwesenheit wenig beachtet wird. Auf den Lippensaum und die Mundschleimhaut übergreifend kommen beerenartig turgescirende Gefässknötchen vor, welche bei Verletzung heftig bluten. Bei einem 50jährigen Manne habe ich spontan entstandene und über den grössten Theil des Körpers ver- breitete telektatische Marmorirung, bei einem 18jährigen Mädchen solche auf die Füsse beschränkt gesehen.

Consecutiv entstehen Telangiektasien in und um Narbeu, durch welche ein Theil der Capillaren verödet worden, indem die restlichen Capillarrohre sich ausdehnen, und solche besetzen oft dauernd die Hautstellen, welche von dem eigentlichen Krankheitsprocess, z. B. Lupus erythematosus, Lupus etc. be- freit sein mögen; ferners die über Geschwülsten durch Druck und Zerrung sich ergebenden Gef ässektasien. Symptomatisch sind die der Acne rosacea angehörigen Telangiektasien im Be- reiche des Gesichtes , sowie die durch centrale Circulations- hindernisse (endothoracische Geschwülste, Pleuritis, Herzfehler) bedingten peripheren Cyanosen,

Der Verlauf der Telangiektasien ist wenig wechselvoll, indem einzelne Aestchen verschwinden, andere auftauchen.

Na e v u s V a s c ul ar i s, Gefässmal, ist eine ange- borene, oder in den ersten Lebensmonaten entstandene abnorme Vascularisation der allgemeinen Decke, von eben- falls verschiedener Gestalt und Intensität. Derselbe ersclieint als diffuser Fleck, wie von in die Haut ergossener Tinte, von hell- bis bläulich-rother oder bleigrauer Farbe, ohne oder mit leichter Turgescenz der Haut N a e v u s f 1 a m m e u s, F eii er- ma 1, täche de feu, Naevus simples, Angioma simplex (Viechow) ; _oder in Form von erbsengrossen oder grössere Hautflächen occupirenden \md dann flacherhabenen, prominirenden , ge- sehwulstartigen , turgescirenden , manchmal sogar pulsirenden Geschwülsten von glatter oder höckeriger Oberfläche Angioma prominens , Naevus tuberosus, Angioma cavernosum (Virchow), Fungus haematodes Autor. , venöse Telangiektase (Schüh)

gC|3 Siebejiunddreissigstc Vorlesung.

erectile Gefässgescliwulst (Dupuytren), Aneurysma spongio- sum etc. Sie alle haben die Eigenschaft, unter Compression . lind so lange diese anhält, zu erblassen. An der Oberfläche scheinbar scharf begrenzt , setzen sich diese Naevi in der Tiefe mittels feiner Ausläufer in die Umgebung fort. Ihr häufigster Standort ist die Region des Kopfes, der seltenere, Stamm und Extremitäten, sowie Grenltalien. Sie finden sich zu eins oder vielen und sind oft örtlich mit Pigment- oder Warzen- mal combinirt oder mit solchen identisch Angioma pig- mentosum et verrucosum. Die im Gesichte localisirten Augiome turgesciren unter blutstauenden Momenten (Husten, Schreiend und erblassen unter gegentheiligen Verhältnissen (Ohnmacht) oft bis zur Unkenntlichkeit.

Der Verlauf der Gefässmäler ist sehr verschieden. Die meisten wachsen innerhalb der ersten Lebensmonate oder Jahre bis zu einem gewissen Umfange heran und persistiren das ganze Leben hindurch, oder verändern sich erst im höheren Alter in retrogradem oder excedirendem Sinne. Andere verschwinden spontan durch allmälige Obliteration der Gefässe binnen der ersten Lebensjahre mit Hinterlassung weiss-gläuzender, narben- ähnlicher oder pigmentirter Flecke. Dies gilt namentlich von deiri diffusen Naevus flammeus und dem flachen Angioma Simplex. Grössere und turgescirende Gefässgeschwülste (Ge- fässschwamm, Fungus haematodes, venöse Telangiektasie (Schuh) dagegen pflegen rasch, oder nachdem sie mehrere Jahre stationär schienen , nach der Fläche und Tiefe sich auszubreiten (tardive Angiome, Virchow), wobei sie auf die angrenzende Schleimhaut der Wange, Zunge, Conjunctiva etc. und in die unterliegenden Gewebe , Fettläppchen , Muskeln , Nervenscheiden und Knochen unter Usurirung und Verdrängung derselben vor- dringen. Bei solch' excessivem AVachsthum ändern sie auch ihren anatomischen und klinischen Charakter in verschiedenem Sinne. Sie entwickeln sich zu massigen und ausgedehnten Geschwülsten, welche z. B. eine ganze Oberextremität, den Oberschenkel, den Rücken occupiren, und stellen einmal derbe, körnige und knotige, ein andermal weiche, schwammartig comprimirbare und rasch anschwellende, auch spontan bei abhängiger Lage sich strotzend füllende, bei Elevation coUabirende Tumoren von meist lappigem Gefüge (lappiger Gefässschwamm (Roki- tansky, Schuh) vor, unter deren Druck und die Gewebe verdran-

Angioine.

599

gendem Wachsthiim Muskeln und Nerven degeneriren und die Knochen atrophisiren. In manchen Tällen bilden schmerzliafte Neurome einen wesentlichen Antheil oder gar den Ausgangs- punkt (Heckkr, Czerny) derselben. Sie entwickeln sich nicht selten vom subcutanen Gewebe aus, ausgehend von der Fett- läppchenschichte, von da erst allmälig in die Cutis übergehend, und repräsentiren die als A n g i o - E 1 e p h a n t i a s i s (VmcHOw), Angioma elephantiaticum s. lipomatodes s. neuro ti cum bekannte Form der Gefässgeschwulst.

Die anatomischen Verhältnisse der Angiome sind je nach ihrer besonderen Form theils sehr einfach, theils wieder höchst complicirt und haben im Verlaufe der Jahre je nach dem wechselnden Stande der pathologischen Histologie sehr imterschiedliche Deutung erfahren. Indem ich diesbezüglich auf die bekannten Arbeiten von Rokitansky, Schuh, Wedl, Virchow, BiLLEOTH und die Lehrbücher über pathologische Anatomie verweise, will ich mich hier auf wenige Bemerkungen be- schränken. Die flachen und einfachen Angiome haben ihren Sitz in der Papillär- und oberen Ccriumschichte und mögen vielleicht je nach ihrem vorwaltenden Hell- oder Dunkelroth mehr arterielle oder venöse Gefässe in sich schliessen. Bei den grösseren und tiefer greifenden Angiomen sind diese Gefäss- unterschiede gar nicht haltbar. Ferner handelt es sich aller- dings, sowohl in den einfachen, wie in den complicirten An- giomen um ausgewachsene alte, und neugebildete Gefässe, nebst mannigfacher Ausbuchtung, Schlängelung derselben und Com- mnnication untereinander; aber auch bei den einfachsten findet schon eine Bindegewebsneubildung an imd um die Adven- titia statt. Diese bildet nun die wesentlichste Grundlage für die histologischen Complicationen. Am geringsten erscheint die Wucherung und das Auswachsen der Gefässe beim Naevus flammeus. Eine weitere Entwicklung stellt jene Form dar, bei welcher primäre und secundäre Ausbuchtungen und viel- fach durcheinander sich schlingende und zu Knäueln aufgerollte Gefässgebilde entstehen. Das kleinlappige Gefüge solcher An- giome entsteht nach Bu.lroth's Darstellung, indem die so eigenthümlich abgegrenzten Gefässgebiete der Schweissdrüsen, Haartaschen, Talgdrüsen und Fettläppchen alle für sich erkrankt sind. Während in all' diesen die Gefässknäuel das Haupt- constituens ausmachen, tritt in der lappigen Gefässgeschwnlst

600

Siebeuunddreissigste Vorlesung.

ZU den enorm erweiterten und vielfach mit einander communi- cirenden Blutgefässen, deren Convolut auf Durchschnitten das Bild einer siebförmigen Durchlöcherung des Grewebes dax-bietet, eine excessive Wucherung von jungem, gallertartigem Binde- gewebe , ausnahmsweise auch von Neuromen und Fettläppchen, nach welchen Vorkommnissen hernach die Geschwulst als Angioma elephantiaticum oder Elephantiasis angiomatosa, Ang, lipomatodes, neuroticum bezeichnet wird.

Der eigentliche Tumor cavernosus unterscheidet sich von all' den genannten Gefässgeschwülsten durch ein ihn all- seitig begrenzendes , derbes Bindegewebsgerüste , welches dem der Schwellkörper ähnlich nach dem Inneren der Greschwulst primäre und secundäre Septa aussendet, wodurch sie in viele kleinere und grössere Fächer und Hohlräume abgetheilt wird. Die Räume führen Blut und stehen theils mit grossen Gefässen des Tumors , theils mit solchen der Umgebung in Communi- cation. Einige (Rokitansky, Fleisohl,) meinen, dass der Tumor cavernosus von der "Wandung alter Cutisgefässe auswächst, Andere (Vibchow) halten ihn für eine unabhängig von den Ge- fässen entstandene Geschwulst, die erst nachträglich mit jenen in Communication tritt, während Rindfleisch denselben auf eine Neubildung vom Bindegewebe zurückführt, welches, längs der Ge- fässe entstanden, schrumpft und consecutiv die letzteren dilatirt.

lieber die E n t s t e h u n g s u r s a c h e der Naevi vasculares sind wir , bis auf die wenigen , welche auf fötale Zustände zurückgeführt werden können (Vibchow), vollständig in Un- kenntniss. Dass bezüglich derselben, wie der anderen Naevi, in früherer Zeit dem „Versehen der Schwangeren" eine grosse RoUe zugeschrieben wurde, ist bekannt. Bei weiblichen Indi- viduen finden sich Naevi vasculosi häufiger als bei männlichen.

Die Gefässmäler bilden durch die in ihrer Gegenwart gelegene Entstellung und die Gefahr ihres unbegrenzten 'Wachs- thums ein im Allgemeinen ernsteres Uebel. Die turgescirenden Naevi können überdies durch leichte Verletzbarkeit, die umfang- reicheren cavernösen Angiome durch lancinirende, neuralgische Schmerzen , Complication mit Entzündung und Gangrän lästig oder gefährlich werden. Letztere Zufälle können aber auch Aus- eiterung oder Schrumpfung und Verödung des Naevus bewirken.

In der Vorhersage bezüglich der Bedeutung und des Verlaufes der Naevi ist grosse Vorsicht geboten. Flache,

Lymphangioma tuberosum.

601

fleckenartige Mäler sind im Allgemeinen günstiger als tuberöse und schwellende. Doch fehlt es an Merkmalen darüber, ob ein Gefässmal stationär bleiben oder spontan schwinden , oder im Gegentheil jene excessive Entwicklung nehmen werde, die wir früher geschildei"t haben. Da aber die ersteren Möglich- keiten innerhalb der ersten Lebensmonate und Jahre immerhin vorliegen, so ist die Beobachtung des Verlaufes für die Prognose imd das Verhalten in therapeutischer Rücksicht massgebend. Bei stationär scheinenden Naevis kann man ruhig zuwarten, liei unverkennbar um sich greifenden soll man möglichst früh denselben entgegentreten.

Die Mittel und Wege der Therapie müssen dem Grade und Umfange des Angioma entsprechend gewählt werden. Telangiektasien werden in der "Weise zerstört, wie dies bei Acne rosacea (vid. pag. 467) ausführlich besprochen wurde. Flache Feuermäler , sowie warzige und pigmentirte und kleine Gefässtumoren können überdies mittels scharfen Löffels aus- gekratzt werden. Andere Heilverfahren gegen turgescirende Angiome bezwecken die allmälige oder rasche Coagulation des Gefässinhaltes und consecutive Verödung der Gefässe, als ört- liche Compression und Kälteapplication, Unterbindung einzelner grösserer zuführender Gefässe, Einspritzung von Ferrum sesqui- chloretum, Manganchlorür, Cantharidin und Aehnlichen, (doch kommt es da zuweilen zu brandiger Verschorfung , auch tödt- lieherPyämie) ; ferners Galvano-Acupunctur. Durch Erregung von Entzündung verschrumpfend, oder durch Eiterung oder Aetzung zerstörend, empfehlen sich für kleinere Naevi fungosi die Ein- impfung von Vaccine-Lymphe ein Eingriff, der oft vom besten Erfolg gekrönt ist ; Aetzung mittels Kali und andere Caustica, unter denen rauchende Salpetersäure sich am besten bewährt ; das Auflegen eines Brechweinsteinpflasters (Tart. stibiati 0,75, Empl. adhaesivi 5, Keieg , Zeissl), Sublimat- Collodium u. v. A. ; endlich noch die Elimination mittels Ab- binden bei gestielten Geschwülsten, Umstechen und Abbinden mittels elastischer Ligatur (Dittel) und Excision, bei grossen Tumoren der Extremitäten Amputation der letzteren.

Lymphangioma tuberosum multiplex

sei als ein von uns nur einmal gesehenes Gebilde hier erwähnt, welches sich in Gestalt von vielen Hundert linsengrossen und

QQ2 Siebeuunddreissigste Vorlesung.

kleineren, tlieils rundliclien , tlieils länglichen, nicht juckenden, braunrothen, massig derben, in der Cutis selbst sitzenden und nur mit dieser verschiebbaren Knötchen von glatter Ober- fläche über Stamm und Halsgegend einer 32jährigen Frau vor- fand, bei derselben seit Kindheit bestanden hatte und erst in der letzten Zeit sich vermehrt haben soll.

Die grösste Aehnlichkeit hatte die Formation mit syphi- litischen Papeln, jedoch war nirgends eine Erscheinung von Rückbüdung, Schuppung oder Depression wahrzunehmen.

Ein solches Knötchen , das ich excindirt hatte , zeigte auf dem Durchschnitte unter dem Mikroskope zahlreiche runde und rundliche Löcher und längliche scharfbegrenzte Spalten (Fig. .^j3, I), welche bei stärkerer Vergrösserung (Fig. P>?>, II) sich als mit

Fig. 33.

..a

.6

Senkrecliter Durclisclinitt durch ein liuöt- clien des Lympliaugioma tuberös.

a Epidermis und PapillarscWcbte, b Cutis (siebförmig durchlbchert).

Eine Partie desselben aus dem Corium-

antlieil bei starker Vergrössei-ung. a längs-, a' schief-, !) quergetrolTeiies Lymph- gefäsIcUen mit kernbaltiger yerdick e Wan- duDg Tind scliöner/Endotliel-Bekleidung.

Endothel ausgekleidete und in ihrer Wandung verdickte, enorm erweiterte, feinste Lymphgefässe zu erkennen gaben; daher der von Hebra, Biesiadecki und mir gewählte Namen Lymp i- angioma (multiplex tuberosum). Unterschiede von d^^^^^^^^ cavernöse Lymphgeschwülste von manchen Autoren (Br^i^HO h) beschrieben.! Formen (Makrochilie), bet -eichen d.e neoplasü- schen und dilatirten Lymphgefässe vom subcutanen Gewebe aus in die Cutis hinüberwucherten, occupiren dieselben in unserem Falle die obere Cutis allein.

Aclitunddreissigste Vorlesung.

Rhinosclerom. Lupus erythematosus.

Rhinoscleroma,

Dies der Name einer von Hebra nnd mir im Jahre 1870 zuerst beschriebenen und seitdem in einer grösseren Anzahl Fällen von uns, und zum Theil auch von Anderen beobachteten Neubildung, welche wegen ihrer destructiven Tendenz von grosser praktischer Wichtigheit ist.

Wie der Name schon besagt, betrilft das Grebilde regel- mässig die Nase und deren nächste Umgebung, nebstdem die nachbarliche Schleimhaut. Dasselbe erscheint in Gestalt von flachen oder etwas erhabenen, scharf begrenzten, isolirten oder untereinander verschmolzenen, gegen Druck schmerzhaften und dabei sehr harten und elastischen Platten, Wülsten oder Knoten der Haut oder der Schleimhaut, und zwar der Nasen- scheidewand, der Nasenflügel und der angrenzenden Partie der Oberlippe ; vom freien Rande einzelner solcher Platten her kann man mit dem Finger unter dieselben fahren und sie von der Unterlage abheben. Der Cutis sind sie vollständig in- filtrirt und daher nur mit dieser selbst beweglich.

Ihre Oberfläche zeigt entweder normale Hautfarbe oder ist heU- bis dunkelbraunroth , von einzelnen Gefässen durch- zogen, glänzend, haar- und follikellos, wie ein Keloid oder eine hypertrophische Narbe, mit glatter oder fein runzeliger Epidermisdecke, da und dort eingerissen. Die umgebende Haut zeigt nicht die geringsten anomalen Erscheinungen, speciell nicht Entzündung, Schwellung, Oedem etc.

604

Achtunddreissigste Vorlesung.

Die Entwicklung beginnt regelmässig entweder an einem Nasenflügel oder an der Nasenscbeidewand. Zunächst entstellt oline alle begleitende Entzündungsersclieinungen Verdickung und Härte des Septum cutaneum oder eines oder beider Nasen- flügel. Nach Monaten erscheinen die Nasenflügel wie nach aussen getrieben, so dass der Nasencontour wie bei einer Stumpf- nase breit gequetscht erscheint. Greift man an, so bekommt man die Empfindung, als wenn die häutigen Nasengebilde in Gyps gegossen wären, so starr und unbeweglich sind sie, und es gelingt nicht sie durch Druck an einander zu bringen. Durch fortschreitende Verdickung wachsen die Gebilde auch nach innen und aufeinander zu, so dass der Naseneingang verengt und endlich vollständig verlegt wird. In der Regel schreitet inzwischen die harte Infiltration mit scharfem Rande auf die Oberlippe oder um die Mundspalte ringsum (Billroth's Eall) vor, die letzte bis auf's höchste verengend; später auch auf's Zahnfleisch und den Zahnfächer, ohne in diesen selbst einzu- dringen. Noch häufiger setzt sich dieselbe nach hinten längs der Nasenhöhle auf die Choanen, den Nasengang ganz ver- legend , und auf das Velum fort. Nur einmal sahen wir auch gleichzeitig mit einer Auftreibung über dem linken Scheitel- wandbein die Wangenpartie über dem Oberkiefer zu harten Wülsten aufgetrieben , so dass der Nasenrücken im Vergleich zu diesen wie eingequetscht erschien.

Während eines solchen auf viele J ahre sich erstreckenden Verlaufes kommt es niemals zu Ulceration oder zu irgend einer der retrograden Metamorphose von Neubildungen ange- hörigen Veränderung, höchstens stellenweise zu flacher Excorm- tion, sehr selten zu weicherer Consistenz. Wird ein Stück herausgeschnitten, wobei man sich wundern muss , mit welcher Leichtigkeit das Messer in die so starre Masse eindringt, so kommt es auch nicht zur Eiterung oder zum Zerfall der zurück- gebliebenen Partie, sondern die wunde Fläche bedeckt sich als- bald mit einer dünnen Kruste und überhätitet in kurzer Zeit. Dagegen regenerirt sich das Gebüde sehr rasch wieder an der Stelle, wo es zum Theil entfernt worden, meist auch wo es gänzlich exstirpirt worden war.

Auf die Schleimhaut der Mundhöhle, des Zahnfleisches, des harten Gaumens überwuchert das Gebilde in der Regel erst in späterer Zeit. Das Zahnfleisch erscheint wiüstig auf-

Eliiuosclerom.

605

o-etrieben , wobei die Zähne gelockert werden und ausfallen und die Zahnfticlier atrophisiren. Im Bereiche des Velum, der Umrandung der Choanen , der Gaumenbögen erscheint dasselbe jedoch schon frühzeitig, ja manchmal sogar primär, ohne oder vor Erkrankung der häutigen Nase.

Der Graiiraenbogen präsentirt sich als ein narbig glänzen- der, anfangs noch schleimhautähnlich gefärbter, später weiss- lich schimmernder, fast starrer Strang, der im Laufe der Zeit bis zum vollständigen Verschwinden des Gaumensegels, unter den abenteuerlichsten, wie so oft nur bei Syphilis zu beobach- tenden Gestaltungen und Verwachsungen mit der hinteren Rachenwand verschrumpft. Es kommt dabei auch zu linsen- bis pfenniggrossen , aber jederzeit flachen Erosionen des Velum, die wie syphilitische Geschwüre sich ansehen, aber nicht schmerz- haft sind, keinen Entzündungs- und Infiltrationsdamm zeigen und nie zu tiefen Geschwüren sich umwandeln. Wieso es dennoch manchmal auch zur Durchlöcherung des Gaumensegels kommt, vermag ich heute noch nicht anzugeben.

Einigemal haben wir auch die Ausbreitung des Processes auf die Epiglottis und die Schleimhaut des Kehlkopfes be- obachtet mit Fixirung der starren Epiglottis, Stenosis Glottidis, einmal mit Aphonie, öfteren Suifocationserscheinungen und epi- leptoiden Anfällen.

An s u b j e c t i V e n Erscheinungen ist, abgesehen von der Entstellung im Gesichte , der Schmerzhaftigkeit bei Druck und der durch den Verschluss des Naseneinganges veranlassten ausserordentlichen Behinderung des Athmens , den Functions- behinderungen in Folge von Verengerung der Mundspalte, des Kehlkopfeingauges, nichts zu bemerken. Auf das Allgemein- befinden hat die AfPection während eines jahrelangen Be- standes offenbar keinen Einfluss. Als durcli Verlegung des Thränen-Nasenganges bedingte Complication tritt zuweilen Dakryocystitis auf.

In diagnostischer Beziehung ist zu erwähnen, dass das Rhinosclerom, wie früher immer , so auch jetzt noch, wegen der Localisation an den Nasengebilden, sehr oft mit syphiliti- schem Gumma verwechselt wird. Die geschilderten Verände- rungen im Bereiche der Rachen - Gaumenschleimhaut können einen solchen Irrthum nur unterstützen.

Wenn man die ausserordentliche Härte des Gebildes,

606

Achtunddreissigste Vorlesung.

welclie Hebra niclit unrecht mit der des Elfenbeins verglichen hat, berücksichtigt, weiters das vollständige Ausbleiben von Erweichung und Ulceration , die typische Localisation und Ver- laufsweise, die Indifferenz gegen Insulte, Excision, und jede Art von antisyphüitischer , örtlicher oder allgemeiner Medi- cation, so muss Jedem die Eigenart des Gebildes und dessen Differenz von Syphilis zur Ueberzeugung werden.

Viel leichter möchte ich eine Verwechslung einzelner Formen von Rhinosclerom mitKeloid, oder Rhinophyma, oder dem knotigen (infiltrirten) Epitheliom für möglich halten ; dies alles selbstverständlich nur bei einer beschränkten Entwicklung des Rhinosclerom. Sobald dasselbe in der früher geschilderten grösseren Ausdehnung sich präsentirt, ist der Charakter in grösster Deutlichkeit ausgeprägt.

Anatomisch habe ich zuerst ^■ eine kleinzellige, dichte Infiltration des "g'^' " Coriums und der Papillen als wesent- l ^ Hohes Constituens des Rhinosclerom „; demonstrirt und gemeint, dass dasselbe j ^

am nächsten dem kleinzelligen Sarcom -^^fel.' zu stellen wäre. Gebee und nach ihm Mikulicz haben den gleichen anatomi- schen Befund als eine chronische Ent- zündung gedeutet, indem sie fanden, dass in vorgeschrittenen Fällen ein 4äti Theil der Rundzellen sich in Spindel- SenlirecMer Dui-chschuitt des Zellen und Bindegewebe umwandelt, g^S|^--,irseuF^^^ welches später schrumpft, während ein Stadium, anderer Theil der Rundzellen zur Re- »Ep^^Ss, .Re^^^^ Sorption kommt. Auch Billroth, der in |™liif irrnndtonVIn^ einer geschrumpften Partie des Ge- gen Gelassen durchsetzt, webes auf neu gebildeten wahren Knochen traf, ist dieser Ansicht. Ich ziehe es vor, das Rhinosclerom, da es unter dem klinischen Bilde und nach der unbegrenzten und die Gewebe consumirenden Wachsthumtendenz der Neubildungen verläuft, als solche anzusehen, und möchte immerhin es den Sarcomen anreihen, welche manchmal zu Bindegewebsorgani- sation und selbst Verknöcherung gelangen und im besonderen Typus auch an speciellen Körperstellen vorzukommen pflegen

(RiNDFLErSCH),

h

Rhiuoaclei'oiH.

607

lieber die Ursache dieser merkwürdigen Erkrankung kann icli nur so viel angeben , dass dieselbe niclit Constitutionen zu sein scheint. Mehrere Collegen haben in einer mündlichen Discussion , MncuLicz auch in seiner Publication die Meinung- ausgesprochen , dass dieselbe vielleicht mit Syphilis , etwa mit hereditärer zusammenhänge. Ich habe nicht den ge- ringsten Anhaltspunkt für eine solche Annahme , weder in der Entwicklung und dem Verlaufe des Processes , noch in den individuellen Verhältnissen der betroffenen Kranken, und einen sehr triftigen Gegengrund noch in dem von allen Seiten be- stätigten Umstände , dass das Rhinosclerom weder auf örtliche, . noch allgemein antisyphilitische Behandlung im allergeringsten sich verändert. Ich habe bis jetzt dasselbe vielleicht etwa in 25 Fällen gesehen, so ziemlich gleich bei Männern iind Frauen in dem mittleren Lebensalter zwischen 15 und 40 Jahren, bei Personen der verschiedensten Stände, vorwiegend aus den hiesigen Landen , und bei welchen sonst keinerlei specifische Dyscrasie, Scrophulose, Tuberculose u. s. w. nachzuweisen war. Auch ist das Gresammtbefinden während des Bestandes des Uebels nicht im mindesten alterirt gewesen.

Die Prognose dieses Neugebildes ist ungünstig, da dasselbe nach den bisherigen Erfahrungen imbegrenzt wächst, selbst nach wiederholter Exstirpation recidivirt, und wenn auch nicht Marasmus erzeugt , so doch durch die erwähnten Func- tionsstörnngen und SulFocationsanfälle das Leben gefährdet.

Eine znr Heilung führende Behandlungsmethode ist bis jetzt für Rhinosclerom nicht gefunden. SpecieU hat sich jedwede örtKche und allgemeine antisyphilitische Therapie als ganz unwirksam dagegen erwiesen.

Das Einzige, was bei dieser Krankheit geleistet werden kann , ist die Exstirpation eines Theiles oder des ganzen Ge- bildes, namentlich dort, wo dasselbe functionsbehindernd ge- worden ist. Man wird demnach bei Beengung des Naseneinganges zunächst durch Einführen von Darmsaiten , Laminaria ,^ Press- schwamm eine Erweiterung zu bewirken versuchen , bei etwas höher gediehenen FäUen nach Bedarf ganze Stücke ausschneiden oder mit Kali causticum herausätzen, Verfahrungsweisen , die von Zeit zu Zeit zu wiederholen sind, da das Gebilde rasch nachwächst.

608

Achtunddreissigste Vorlesung.

Lupus erythematosus,

eine nacli Cazenave (1851) so genannte Erkrankungsform , ist schon vor diesem Autor von Hebka (1 845) als „Seborrhoea con- gestiva" vorgeführt worden. Wahrscheinlich haben auch Biett unter „Erytheme centrifuge" oder „Lupus qui detruit en surface" (1828), Thomson-Parkes (1850) tinter „Lupus superficialis" den- selben Process verstanden.

Die durch Cazenave und Hebra zu einem schier ab- geschlossenen Bilde gestaltete Symptomatologie nach manchen wichtigen Richtungen zu erweitern, haben mich neuerliche Erfahrungen vermocht (1869, 1872), während in einer Reihe histologischer Untersuchungen (von Neumann, Geddings, Geber, mir, Stroganow, Thin, Jamieson u. A.) der innere Vorgang der Erkrankung einigermassen aufgehellt worden ist.

Den Beginn des Processes charakterisirten jederzeit ein oder mehrere Stecknadelkopf- bis linsengrosse , rothe , etwaig erhabene Flecken, deren jeder einzelne im Centrum dellig ver- tieft, oder narbig glänzend, oder mit einem dünnen, festhaf- tenden Schüppchen versehen ist. Das centrale Schüppchen mit dem rothen erhabenen Saum gibt ein charakteristisches Bild und stellt eine Art P r i m ä r e f f 1 o r e s c e n z des Lupu;^ erythematosus dar.

Aus diesen geht nun eine z weif ache Eorm der Krank- heit hervor.

1. L. erythem. discoides. Diese entwickelt sich im Ver- laufe von vielen Monaten, 1—2 Jahren zur charakteristischen Scheibenform dadurch, dass der rothe erhabene Rand peripher fortschreitet, während vom Centrum aus die Haut deprimirt, narbig glänzend oder mit festhaftenden trockenen Schüppchen bedeckt erscheint. Der Rand pflegt da noch über- dies mit zahlreichen schwarzen Comedonenpunkten, oder mit grossen, klaffenden Drüsenmündungen besetzt zu sein.

Es entstehen so linsen-, pfennig-, thaler- bis flachhand- grosse Scheiben. In dieser Eorm treffen wir den Lupus erythematosus zumeist auf den "Wangen und dem Nasenrücken, in welcher Combination das Bild dem eines Schmetterlings gleicht (Hebra), ausserdem an der Nasenspitze, an den Nasen- flügeln, den Augenlidern, Ohrmuschebi, den Lippen und dem Lippenroth, dem behaarten Kopf, hier auch jedesmal mit Haar-

Lupus erythematosus.

609

Verlust in ihrem Bereiche, auch an der Beugefläche der Pinger und Zehen, sowie an allen Stellen des Gesichtes. Die Scheiben sind unregelmässig angeordnet, discret, oder combiniren sich auch zu Kreisbögen und serpiginösen Linien.

Jede einzelne Scheibe vergrössert sich bis zu einem ge- wissen Umfang, persistirt hernach ziemlich unverändert durch viele Monate oder Jahre und verschwindet sodann durch Ab- blassen und Abflachen des Randes ; nur dass die dünne Narbe der Area selbstverständlich nicht ausgeglichen werden kann. Inzwischen tritt an einer nachbarlichen Stelle eine neue Lupus- scheibe aiTf , und so kann der Process durch die lange Verlaufs- dauer sowohl der einzelnen Scheiben, als das Auftauchen frischer, viele, 15 20 Jahre persistiren. Mit Ausnahme selten vorkommender Complicationen , mit Adenitis submaxil- laris, Parotisschwellung und noch seltener mit Erysipel, befinden sich die Kranken während der Zeit im Allgemeinen wohl und besteht die nachtheilige Wirkung der Krankheit blos in der Entstellung, sowie in dem bleibenden Haarverlust im Bereiche des Bartes und des behaarten Kopfes.

2. Lupus erythematosus disseminatus s. aggrega- tus geht ebenfalls aus den erwähnten Primärefflorescenzen hervor, indem die früher geschilderten und charakteristischen Primärefflorescenzen von vornherein in grösserer Anzahl im Bereiche des Gesichtes, der Wangen und auch an anderen Orten auftreten und eine Ausbreitung der Erkrankung nur durch Vermehrung dieser Efflorescenzen , nicht durch Ver- grösserung der einzelnen stattfindet. Es bilden sich einzelne Flecke manchmal ziemlich rasch zurück , während andere, ohne an Umfang zuzunehmen, monatelang persistiren können. Unterdess tauchen erneuert viele solche und in unregelmässiger Anordnung auf und besetzen sie auf diese Weise sehr aus- gedehnte Hautflächen.

In dieser Gestalt findet sich die Eruption nicht mir im Bereiche des Gesichtes, des behaarten Kopfes, der Lippen, Ohrmuscheln, des Gehörganges , sondern dicht gesäet auch am Stamme, an den oberen Extremitäten, den Fingern an Flachhand und Handrücken , den Zehen , in seltenen FäUen beinahe universell. Eine solche Ausbreitung gewinnt der Process lentweder allmälig und unvermerkt, zuweilen aber unter einer acuten fieberhaften Eruption, welche

K aj) osi , Hantkrankheiten. 39

^jlQ Aclitunddroissigste Vorlesung.

mit näclitlichen bohrenden Knockensclimerzen , mit Schmerzen imd Exsudation in die Gelenke und nächtlichen Kopf- schmerzen verbunden ist. In einer Reihe von Fällen haben wir erysipelartige intensive Schwellung des Gesichtes gesehen, welche jedoch nicht über diesen Bereich hinaus sich ausgebreitet hat und daher von mir als „Ery sipelas perstans faciei" bezeichnet wurde, mit gleichzeitigem typhusähnlichen Zu- stande, über 40" Temperatur, Coma, Sopor, lederartig trockener Zunge und bei der Hälfte der so beobachteten Fälle mit letalem Ausgang.

Gleichzeitig haben wir mehrere Male an fielen Punkten der Haut viele hundert hämorrhagische oder wasserhelle, flache Bläschen gesehen, wie bei Herpes Iris, welche alsbald zu Krusten vertrockneten und nach Abfallen der letzteren charak- teristische, im Centrum deprimirte, Lupus erythematosus- Efflorescenzen hinterliessen.

Solche acute Eruptionen sind also eine Eigenthümlichkeit der disseminirten Form des L. erythematosus. Nur selten gesellt sich eine solche auch zu einer bestehenden Scheiben- form. Aber dann erfolgt dieselbe ebenfalls in Gestalt der disseminirten Flecke.

Beide Formen kommen demnach häufig gemischt vor, ent- weder von vorneherein oder im späteren Verlaufe.

Die Schleimhaut des harten Gaumens und der Wangen habe ich in drei Fällen von L. erythematosus des Gesichtes von einer analogen Veränderung betroffen gesehen : in grösseren Plaques von punkt- und linsengrossen, seichten, rothen oder grau belegten Excoriationen und bläulich-weissen Xarbenflecken besetzt, eine Affection, die sich ebenso hartnäckig erwies, wie die an der Haut.

Der Verlauf des Lupus erythematosiv? ist unter allen Umständen ein äusserst schleppender, indem sowohl die einzelnen Flecke und Scheiben viele Monate und Jahre bestehen, als auch -die Krankheit als solche 10-15-20 Jahre hindurch sich zu

■erhalten pflegt.

Der Ausgang ist demnach örtlich immer narbige Veränderung der Haut, so dass z. B. auch nach L erytli dissemmatus das Gesicht wie mit Blatternarben besäet das Oapillitium an vielen Stellen der Haare verlustig sein kann, wogegen auch viele Flecke spurlos verschwinden.

Lupus erythematosus.

611

Die Prognose kann insoferne günstig genannt werden, als Lixpus erythematosus das Leben nicht direct bedroht und der Organismus in den meisten Fällen gar nicht weiter in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies gilt namentlich für die Scheibenform. Dagegen ist bei der disseminirten Form, und namentlich wegen der möglichen acuten und universellen Aus- brüche , speciell der sie begleitenden Grehirnerscheinungen, Erysipelas perstans faciei , die Prognose weniger günstig, ja zweifelhaft, da wir von 8 der letzt gearteten Fälle 4 (unter Pneumonie) letal endigen sahen.

Auch die Hautalfection als solche ist in der disseminirten Form zur Behandlung weniger günstig, weil der Krankheits- stellen sehr viele gleichzeitig vorhanden sind und in ganz unberechenbarer Weise, bald da bald dort , neue und in beträcht- licher Menge auftreten können.

Mit Rücksicht auf den allgemeinen Verlauf und die in der Regel beschränktere Localisation ist die Scheibenform die günstigere , wogegen die örtliche Veränderung der Haut durch die narbige Schrumpfung bei derselben in der Regel intensiver ausfällt. Auch das Zurückbleiben vieler Telangiektasien in und um die Narben bildet eine nachtheilige Consequenz des Lupus erythematosus beider Formen.

Die anatomischen Untersuchungen von Nedmann, GrEDDiNGS, Geber, TfflN, Steoganow, mir, haben ergeben, dass dem Lupus erythematosus eine zu D egen er ation und Atrophie führendeEntzündung der Cutis zu Grunde liegt, so dass der Process nicht wegen seiner inneren Bedeutung, sondern nur aus praktischer Connivenz dem Lupus angereiht wird. Dabei hat sich als unzweifelhaft herausgestellt, dass nicht, wie ursprünglich geglaubt wurde, nur die Talgdrüsen und deren Umgebung, sondern auch die Schweissdrüsen (ich, Thix, s. Fig. 8, ab) und alle Gebilde und Schichten der Haut (Geber, Steogäxow) bis in's Unterhautzellengewebe Ausgangspunkt und überhaupt Sitz der Erkrankung sein können.

So beginnt einmal der Process in den oberen Schichten und im Bereiche der die Talgdrüsen tind ihren Ausführungs- gang umspinnenden Blutgefässe (rothe, erhabene Flecke), em andermal in der Tiefe, im Gebiete des den Schweissdrüsen (wie bei L. eryth. der Flachhand) und Fettläppchen ange- hörigen Gefässnetzes (derbe , ödematöse Knoten) und breitet

39*

612

Achtunddreissigste Vorlesung.

sich die Erkrankung allmälig auf alle Hautschichten und Gebilde aus.

In friscten Herden finden sich um die Hautfollikel und Drüsen Zellenanhäufungen, neben den histologischen Symiitomen der Entzündung : Ausdehnung der Gefässe , Wucherung ihrer Wandelemente, Oedem, Zelleninfiltration des Bindegewebes, Proliferation der Bindegewebskörperchen und der Infiltrations- zellen, u. zw. entweder in der Tiefe des Coriums (Knoten), oder in den oberflächlichen Schichten (rothe Flecke) als deren Effect sofort Proliferation der DrüsenzeUen (Seborrhoe), Derb- heit, Schwellung der Haut, Schuppung der Epidermis sich bemerkbar macht; bei acuter Steigerung der Entzündung, Exsudation von Serum und blathaltigem Fluidum zwischen die Schichten der Epidermis (Blasenbildung) und Blutaustritt in das Corium und den PapiUarkörper (Hämorrhagie). Oft und an vielen Stellen tritt von diesem Stadium Rückbildung ein, Nachlass der Entzündungserscheinungen und Resorption des Infiltrates, wodann die Flecke spurlos schwinden. In der Regel jedoch kommt es bald unter Andauer der Entzündung zu de- generativer Veränderung der Gewebe. Daher findet man sehr bald in aUen Herden neben geringen Anläufen zu Granulations- gewebe (Gebee) alsbald fettkörnige Trübung des Rete , sowie der EntzündungszeUen vind des infiltrirten Bindegewebes, deren Folge Resorption und Schrumpfung ist. Dieselben Metamor- phosen der Drüsenelemente und des sie umgebenden Binde- gewebes führen Verödung der Haarfollikel , der Talg- und Schweissdrüsen, der Fettzellen herbei ; neben Schrumpfung der einzelnen Blutgefässe bleiben andere ektatisch zurück. Damit wären wir bei dem Endresultat des Processes, der vollständigen narbigen Atrophie der ergrifi'enen Hautstelle angelangt.

Die Diagnose des Lupus erythematosus, im Ganzen durch das charakteristische Gepräge desselben ziemlich gesichert, kann doch manchen Schwierigkeiten begegnen. Der scheiben- förmige kann mit Herpes tonsurans, oder mit orbiculärem Syphilid verwechselt werden. Gegenüber dem ersteren ist die narbige Schrumpfung im Centrum der Scheibe ein sicheres unter- scheidendes Merkmal ; gegenüber dem letzteren die Erscheinung, dass die Randpartie die Symptome der Entzündung (unter dem Fingerdrucke erblassende Röthe und ödematöse Infiltration) nachweist, während bei Syphüis sich eine harte, glänzende

Lupus orytliematosus.

613

Eandinfiltration präsentirt. L. erytliem. disseminatus kann in seinen ersten Aiisbrüclien Eczema impetiginosum, squamosum, Herpes tonsurans maculosus, ja Herpes Iris ähnlicli sehen. Es wird aber alsbald die Erscheinung der zentralen narbigen Depression der Efflorescenzen über den Zweifel hinweghelfen. Mit Lupus vulgaris, glaube ich, ist eine Verwechslung nicht gut möglich.

lieber die Ursache des L. erythem. sind wir bis zu einem geringen Theile informirt. Es ist kein Zweifel, dass Seborrhoe congestiva , mag solche spontan, oder nach Erysipel, Variola , entstanden sein , zu Lupus erythematosus führt , also ein niedriges Stadium desselben vorstellt.

Jm Uebrigen sind die muthmasslichen ätiologischen Mo- mente von allgemeiner Natur , theils sind sie gar nicht bekannt.

Die meisten Erkrankungen kommen bei Personen mittleren Lebensalters vor , doch habe ich solche auch bei einem 3jährigen Kinde'gesehen, nie aber an alten Lidividuen. Weibliche Personen bieten zwei Drittel der Erkrankungsfälle. Ebenso ist die aggregirte und acute Eruptionsform bei weiblichen Individuen ungleich häufiger als bei Männern.

Chlorose , Anämie , Dysmenorrhoe , Seborrhoea capillitii, manchmal auch Sterilität, chronischer Katarrh der Lungenspitzen und beginnende Lungentuberculose , Schwellung der Submaxil- lardrüsen , im Allgemeinen also Symptome der Kakotrophie sind bei solchen weiblichen Kranken oft zu constatiren. Die von der Krankheit betroffenen männlichen Personen dagegen erscheinen überwiegend von guter allgemeiner Gresundheit.

Zur „Therapie" dieser interessanten und, wie gezeigt wurde, durchaus nicht unbedeutenden Krankheit übergehend, muss ich noch bemerken, dass in der Vorhersage über Dauer und Erfolg der Behandlung eine gewisse Vorsicht geboten ist, da man auf allerlei Ueberraschungen gefasst sein muss. Denn es ereignet sich z. B. , dass ein jahrealter , sehr ver- breiteter Lupus erythematosus disseminatus binnen wenigen Wochen complet geheilt wird, während eine einzige kleine Scheibe unter der Behandlung sich fort vergrössert und dadurch, sowie durch das Auftauchen neuer Elecke der ganze Process zu einem jahrelang dauernden sich gestaltet. Weiters darf man nicht vergessen, die Kranken wissen zu lassen, dass zwar viele Flecke (spontan oder) auf Behandlung ohne Narbenspur

Achtunddreissigste Vorlesung.

verschwinden, an den meisten Stellen jedoch flache, zarte Narben nebst Telangiektasien zurückbleiben.

Was mm die B ehandlnngsmittel nnd Methoden selbst anbelangt, so dürfen sie nur derart gewählt werden, dass durch dieselben die Hatit nicht intensiver zerstört und verändert werde, als dies durch den Process selbst geschieht. Man verwendet demnach immer zuerst mildere und oberfläch- lich wirkende Mittel, greift erst, wenn diese in Stich lassen, zu ätzenden Mitteln und kehrt jedesmal wieder zu den leichter wirkenden zurück , sobald eine gewisse Besserung erzielt ist, welche sich durch das Abblassen und Abflachen des die ein- zelne Scheibe begrenzenden Randes kundgibt.

Das vorzüglichste Mittel ist die Waschung mit Seife, Spiritus saponatus kalinus , die im ganzen Verlaufe der Be- handlung intercurrirend mit anderen Behandlungen angewendet werden muss, manchmal aber auch ganz allein zum Ziele führt. Intensiver wirkt Schmierseife , welche auf Flanell ge- strichen, auf derb infiltrirte Lupusscheiben aufgelegt wird, oder das Aetzen mittels concentrirter Kalilösung ,1:2 Aqua destillata, oder Ammoniak, Essigsäure, Salzsäure.

Wenn es gelungen ist, durch irgend eines dieser Mittel, indem es mittels eines harten Pinsels auf den Lupusrand gerieben worden , diesen gleichmässig wund zu machen, wonach etwas Serum und Blut aussickert , so pflegt schon nach wenigen Tagen der , betrefl'ende ßand flach und blass zu sein, und es können dann einfache Seifenwaschungen die Heüung vollenden.

Methodische Einpinselungen von Schwefelpasten, Theer, Jodschwefel, Mischungen aus Schwefel , Theer- und Seifengeist, von Jodtinctur und Jodglycerin nach den Formeln und Methoden, wie bei Acne (vide pag. 455 und pag. 461) bewirken jedesmal eine reactive Entzündung und SchweUung , welche in wenigen Tagen abläuft und häufig den Zustand so bessert, dass man nun mit einfachen Seifenwaschungen vielleicht ausreicht.

Von Carbol-, Salicylsäureätzungen habe ich nicht viel Günstiges gesehen; ebensowenig von Unguentum Rochardi, weisser Präcipitatsalbe , während die tieferen Aetzungen mittels Schwefel- und Salpetersäure, Chlorzink, Chromsäure, überhaupt nicht empfolüen werden können. Dagegen haben wir prachtvolle Erfolge von der Application eines gut klebenden Emplastrum hydrargyri gesehen, unter welchem sowohl Lupus

Lupus erythematosus. Gif)

erythematosus discoicTes, als weit ausgebreiteter Lupus disse- minatus binnen wenigen Tagen oder Wocben complet zum Scbwinden gebracht wurde , und namentlich die schmerzhaften Lupus-Stellen der Finger sich rasch bessern.

Chrysarobin- und Pyrogallussalbe (pag. 388) erweisen sich ebenfalls recht wirksam, während Bedeckung mittels Kautschuk (-Handschuhen) fast nur als erweichendes Mittel sich empfiehlt.

Das Aiiskratzen mittels scharfen Löffels , sowie die Stichel ung nach der von Volkmann angegebenen Methode ist oft erfolgreich und namentlich in den Fällen von tiefer Infiltration und G-efässektasien angezeigt. Bei acutem Ausbruch mit den Erscheinungen entzündlicher, schmerzhafter Schwellung und Knotenbildimg in der Tiefe habe ich durch Application von Eisbeuteln öfters spontane Rückbildung der meisten Flecke bewirkt. Zu gleichem Zwecke können kalte Douclieu, kalte Bäder empfohlen werden.

Dass mit all' diesen intercuiTirend auch indifferente Salben , Gerate u. s. w. besonders nach Aetzschorfung, zur An- wendung kommen müssen, ist selbstverständlich.

In Anbetracht der grossen Menge hier aufgezählter Mittel und Methoden ist zu bemerken, dass dieselben alle im gegebenen Falle von Erfolg sein , oder uns in Stich lassen können, und dass in demselben Falle Mittel, die bereits vor Monaten sich als unwirksam erwiesen haben , bei einer neuer- Hchen Anwendung einen prächtigen Erfolg zeigen ; dass man demnach versuchsweise immer wieder bald die einen, bald die anderen hervorholen muss.

Von den innerlichen Mitteln sind solche zu empfehlen, welche im Bedarfsfalle den allgemeinen Ernährimgs- zustand, bei Chlorose, Anämie, zu bessern geeignet sind: Eisen, Leberthran, allgemein roborirende Diät, Aufenthalt in gesunder Gebirgsluft im Sommer, Milch-, Kaltwassercur, kalte Bäder u. s. f.

In Bezug auf das Hintanhalten von Recidiven snid wir voUständig ohnmächtig. Zum Glück bleiben doch viele Fälle, einmal geheilt, auch dauernd gut.

Neunimddreissigste Vorlesung.

Lupus vulgaris: Symptomatologie, Prognose, Aetiologie, Diagnose.

LfUpus.

Lupus vulgaris, fressende Fleclite , Dartre roiigeante, Esthiomene, bedeutet eine nicht ansteckende, clironi- sclieKranklieit der Haut und angrenzendenSclileini- liaut, welche sich, durch rothe, rothbraune, tief in's Corium gebettete Knötchen charakterisirtund im Involutionspro cesse der letzteren Schilferung, Geschwüre und narbige Atrophie der Haut ver- anlasst.

Der Name Lupus ist schon frühzeitig aus dem Volks- munde in die medicinische Terminologie übergegangen, zur Bezeichnung von sogenannten „fressenden" Greschwüren („Xoli me tangere", „Tentigo prava", Herpes esthiomenos"), die von ihrem Rande aus auf das Nachbargewebe weitergreifeii , ^vie Manardus' Worte ausdrücken: quasi lupus famelicus proximas sibi carnes exedit.

Dann kam eine Zeit, wo man ausschliesslich Geschwüre des Unterschenkels als Lupus verstanden wissen wollte , so dass um 1610 Senertus schreiben konnte: Lupum vero appellant, si in tibiis et cruribus sit: in reliquis vero corporis partibus, etsi eiusdem sit pravitatis , lupum absolute nominari non censent. Bereits hundert Jahre später hebt dagegen Johannes DoLBUS hervor, dass Viele die fressenden Geschwüre der Nase als Lupus bezeichnen. Aber erst seit Ende des vorigen Jahr- hunderts, seit Willan-Bateman , versteht man unter Lupus vorwiegend gewisse Knotenbildungen im Bereiche des Gesichtes,

Lupus.

G17

welche allenfalls auch zu (xeschwürsbildung führen können. .Seitdem ist mit wenigen Abweichungen dieser Name auch fest- gehalten und namentlich die Symptomatologie dieses Processes durch Rayer, Biett, Hebra u. A. ziemlich erschöpfend klar- gestellt, dessen Histologie aber durch eine Reihe von Forschern in den letzteren Jahren eingehender studirt worden.

Die Entwicklung des Lupus erfolgt immer unter Bil- dung von hirsekom-, stecknadelkopfgrossen, tief in's Corium- gewebe eingebetteten, wie eingesprengten, lebhaft- bis braun- rothen Knötchen, welche unter dem Fingerdruck etwas abblassen, aber nicht verschwinden (Lupus maculosus mancher Autoren) luid in diesem Zustande nicht mit dem Finger gefühlt werden können , weil sie eben gar nicht hervorragen. Solche Kjiötchen bilden sich während des ganzen Bestandes des Lupus, daher man dieselben als dessen Primär efflorescenzen be- zeichnen kann.

Die einzelnen Lupvisknötchen machen nun einen ziemlich regelmässigen Verlauf durch , dessen Erscheinungen jene ver- schiedenartigen EjL-ankheitsbilder formiren , die zur Aufstellung- besonderer Lupnsformen , als Lupus tumidus , exfoliatiws, exulcerans , hypertrophicus , papillaris , Veranlassung gegeben haben. Diese stellen aber nur verschiedene Entwicklungs- stadien desselben Processes vor. Die einzelnen Lupusknötchen wachsen sehr langsam, im Verlaufe von "Wochen und Mo- naten, zu grösserem Umfang heran, so dass sie endlich auch über die Hautob erfläche etwas hervorragen rmd nun auch dem Tastgefühl zugänglich und von mässig derber oder zäher Consistenz erscheinen. Namentlich aber führt die Ver- sclimelzung mehrerer nachbarlicher kleiner Knötchen zur Bildung grösserer , erbsengrosser und umfangreicherer Knoten Lupus tumidus.

Nachdem die Knötchen und Knoten mehrere Wochen auf der Höhe ilu'es Bestandes verweilt haben , beginnt ihre Rück- bildung, u. zw. auf verschiedene Weise. Einmal sinken die einzelnen Knötchen ein, indem ihre Elemente durch geeignete Umwandlung (Fettmetamorphose) zur Resorption gelangen, während deren früher gespannt gewesene, glänzende Epidermis sich runzelt und abblättert Lupus exfoliativiis.

Nach vollendeter Resorption bleibt an der Stelle eine flache Vertiefung zurück, an welcher die Haut narbig ver-

Q-j^g Neimunddreissigste Vorlesung.

ändert erscheint. Oder es kommt zugleich mit der Exfoliation in dem gefässreichen Grebilde zu oberflächlichem, eiterigem Zer- fall \md Geschwürsbildung Lupus exulcerans. Letzteres betrifft in der Regel grössere und confluirende Knoten.

Die Lupusgeschwüre sind rund, rundlich, von flachen, gerötheten , schlappen Rändern begrenzt, von rothem granu- lirendem, leicht blutendem Grunde und nicht oder nur sehr wenig schmerzhaft. Sie secerniren mässig viel Eiter, welcher bei dem langsamen Verlaufe , der dem Lupus überhaupt eigen- thümlich ist , bisweilen zu mächtigen Krusten eintrocknet. In- dem ein Theü des Lupusknotens durch eitrigen Zerfall, ein anderer durch Resorption schwindet , kommt es endlich auch an einer solchen Stelle, unter theUweisem Ersatz des Substanz- verlustes mittels Fleischwärzchen, zur Ueberhäutung und Nar- benbildung.

Häufig jedoch wird die Granulationsbildung vielfach ge- stört durch intercurrirende Blutungen, neuerlichen GewebszerfaU in Folge consecutiver Entzündung, Nachschub von Lupus- knötchen und deren Metamorphosen, so dass die Fleischwärzchen zu grossen, papiUären, drusigen Büdungen sich entwickeln, ja zum Theil sogar zu dauernden, warzigen, hornigen Excre- scenzen gedeihen - Lupus p a p i 11 a r i s , v e r r u c o s u s.

Wann und wo immer, als frischer, recidivirender oder fortschreitender Process, stets nimmt der Lupus den geschü- derten Verlauf, dass dessen Knötchen nach einigen Wochen und Monaten bis zur Höhe der Entwicklung angelangt, alsdann exfoliiren oder exulceriren und narbige Atrophie der Haut oder Schleimhaut hinterlassen.

Eine andere Formverschiedenheit geht aus der Anord- nung des Lupus hervor. So lange nämlich die Knötchen zu einander unregelmässig gestellt sind, spricht man von L. dis- seminatus s. discretus; wenn aber, wie bisweüen von vorneherein oder regelmässig, sobald der Lupus über eine grössere Strecke sich ausbreitet, die neuen Knötchen an der Peripherie des alten Krankheitsherdes auftauchen und da m Kreisbogenlinien, und mit nachbarlichen zu grösseren Bogen- linien sich anreihen, resultirt die Form des L. serpiginosus.

Nach der Tiefe dringend, kann die lupose Lihltxa- tion auch in's subcutane Bindegevvebe gf jS-;^- in die Knorpel der Nasenflügel und Ohrmuschel. Es ist

Lupus.

619

zwar angegeben worden , dass der Lupus auch durcli die Faseien auf Muskeln, Periost und Knochen wuchern kann; ich glaube jedoch, dass es sich hier nur um complicirende Entzündung mit der Bildung eigenthümlicher , mit denen der Scrophulose analoger Entzündungsproducte handelt.

Interessant ist noch die von 0. Weber, Hebra, Esmarch, Lang, mir u. A. gemachte Beobachtung, dass auf Lupus eine sehr deletäre Form von Carcinom entstehen kann, dessen histologische Grundlage , wie ich gezeigt habe , in ge- wissen Vorkommnissen des Lupus selbst gegeben ist.

Auf der Schleimhaut der Nase, des Zahnfleisches, des Gaumens , des Yelum und des Kehlkopfes sind die frischen Lupusknötchen selten als Stecknadelkopf- bis hirsekorngrosse, braunrothe , stellenweise mit silbergrauem , sich abblätterndem Epithel belegte oder excoriirte, leicht blutende, derbe Promi- nenzen erkennbar. Später confluiren sie zu grösseren Plaques mit rauher Oberfläche, mattgrauem Epithelbelage oder tiefen schmerzhaften Einrissen oder rothen , feinkörnigen , wunden Flächen. Auch hier kommt es schKesslich zu narbiger Schrumpfung.

Die geschilderten Symptome der Entwicklung und des Verlaufes compliciren sich noch mannigfach durch die Verhält- nisse der besonderen Localisation, deren wichtigste daher im Besonderen angeführt werden müssen.

Lupus der Nase ist unter allen Localisationen der Krankheit die häufigste, mit der primären Entwicklung der Knötchen auf dem Integument der Nasenflügel , von wo sie nach und nach auch über den Nasenrücken bis zuj Nasenwurzel sich verbreiten. Im Verlaufe von Jahren verschrumpfen die Nasenflügel allmälig von den Rändern her , so dass der häutige Nasentheil narbig verändert und verschmächtigt, gleichmässig verjüngt , wie abgegriflPen , erscheint ; oder es wird auch ein Theil oder endlich der ganze häutige Nasentheil sammt Knorpel im Ulcerationsprocess vollständig consumirt. Während des letzteren ist die Nase zuweüen scheinbar vergrössert , in Folge der dicken Masse auflagernder Krusten. Erst wenn diese ab- gelöst und die nun zu Tage liegenden drusigen Excrescenzeu beseitigt worden sind, erkennt man, dass ein grosser Theil der Nasenflügel abgängig ist.

Auf der Nasenschleimhaut entsteht Lupus meist

620

Neuminddreissigste Vorlesung.

durch Uebergreifen von der Haut aus, oft aber aucli p r i in ä r. Er kann da jahrelang durch Ulceration und Krustenbildung das Bild eines Eczema chronicum vortäuschen, bis er durch die Schrumpfung und Zerstörung, Perforation des Septum, oder durch Weiterschreiten auf die allgemeine Bedeckung sich ver- räth. Den knöchernen Nasentheil , sowie den Vomer habe ich noch nie durch Lupus zu Grrunde gehen sehen.

Sehr häufig findet sich Lupus im Bereiche des übrigen Gesichtes, der Wangen-Kiefergegend, von da aixf den Hals übergreifend luid hier alsdann gewöhnlich die Gestalt des Lupus serpiginosus annehmend, den Ohrmuscheln, die ganz verschrumpfen oder consumirt werden können, dem äusseren Gehörgang, an den Mundlippen, den Augenlidern.

Er complicirt sich hier gerne mit chronischer Intumescenz und Vereiterung der Submaxillardrüsen und Parotitis, durch welche das Bild der Scrophulose vorgetäuscht wird. Auf der Bindehaut der Augenlider und von da auf die des Bulbus und die Cornea überwuchernd, erscheint Lupus nur selten primär (Keumann), meist als Fortsetzung der Wangen-Eruption. Die Bindehaut erscheint mit dunkel-rothbraunen, trockenen, grob- körnigen Höckerchen besetzt, wie bei Trachom, an manchen Stellen glatt, glänzend, geschrumpft, die Cornea mit einer höckrigen, pannusartigen , das Sehvermögen in hohem Grade beeinträchtigenden Auflagerung.

Auf der Stirne und dem behaarten Kopfe findet sich Lupus selten primär, meist als Fortsetzung eines Nachbarherdes.

Auf der Schleimhaut der Mund-ßachenhöhle und des Kehlkopfes kommt Lupus ziemlich häufig vor in Fort- setzung der Erkrankung von den Lippen her, oft auch von dieser getrennt , ja zuweilen primär , noch vor der Localisation an der aUgemeinen Decke. Lockerung, Wucherung, Blutung des Zahnfleisches und der Schleimhaut am harten Gaumen, Aus- fallen der Zähne, graue Trübung des Zungenepithels, ulcerative und durch Schrumpfung bedingte Consumption des Gaiunen- seo-els sind die Folgen des hier localisirten Lupus. AmKehl- deckel, auf den wahren Stimmbändern und der übrigen Kehlkopfauskleidung, besonders an der hinteren Kehlkopf- wand sich etablirend, veranlasst Lupus Anfangs Heiserkeit, später unter Schrumpfung, ulceröser Consumption der Ge- webe, chronischer Entzündung und Bildung von papillären

Lupus.

621

Excrescenzen , complicirender Perichondritis und Chondritis larjTigea, Stenose und alle unter solchen Umständen möglichen, vorübergellenden oder bleibenden Functionsstörungen.

Auf dem Stamm kommt Lupus zu.weilen in sehr grosser Ausbreitung vor. lieber den Nates entwickelt er sich, gerne zur papillär-warzigen Form.

Penis und Scrotum habe ich bei einem Jungen als aus- schliesslichen Sitz des Lupus gesehen.

Ober- und Unterextremitäten sind häufig Sitz des Lupus, vorwiegend serpiginöser Form, u. zw. sowohl auf der Streck- und Beugeseite des Schaftes, wie der Grelenke, oft auch auf der Flachhand und Fusssohle.

Im Verlaufe eines mehrjährigen Bestandes , also etwa nm das 15. 25. Lebensjahr herum, führt der Extremitäten- Lupus ausser der durch narbige Schrumpfung der Haut be- dingten Fixirung und Beschränkung der Gelenke (Pseudo- Ankylose) zu sehr complicirten Gewebsveränderungen und Verunstaltungen der Gliedmassen.

Im Gefolge der häufig sich wiederholenden und steigern- den Entzündungserscheinungen , Dermatitis , Lymphangioitis, Erysipel , Phlebitis , welche die Neubildimg von Lupusknötchen, deren Ulceration, die Eiterabsperrung bedingen und begleiten, entstehen längs der verdickten Lymphgefässe haselnuss- bis nussgrosse, alsbald erweichende und zu schlappen Geschwüren zerfallende Knoten; oder Periostitis, Caries und Nekrose ein- zelner Phalangen, Metacarpo- und Metatarsalknochen und als weitere Folge dieser Zustände vdeder Verstümmelung , Re- traction einzelner Finger imd die unter Elephantiasis Arabumconsecutiva (pag. 539) beschriebene Deformität der Hände , Unterschenkel und Füsse. Die defecte Hand erscheint zugleich verdickt, sowohl in der Cutis als in den Knochen, breit xmd unförmlich, mit tatzenartig von einander stehenden Fingern.

Am meisten aber macht sich die Veränderung an der Unterextremität geltend. Der Unterschenkel ist stelzenartig verdickt , die Haut mit dem subcutanen Bindegewebe , den Weichtheilen und Knochen in eine starre Masse verwandelt, nicht faltbar, an ihrer Oberfläche ungleich höckerig, da und dort glänzend, gespannt, an anderen Stellen mit dicken, schmutzigen Epidermisschwielen besetzt, an noch anderen mit warzigen Excrescenzen und stachelartigen Auswüchsen vei--

Q22 Neununddreissigste Vorlesung.

sehen; der Fuss -unförmlicli verdickt, verbreitert, am Rücken polsterartig aufgetrieben , die Zeben verbreitert , bis auf furcben- artige Andeutung ihrer Grenzen, in Eins verschmolzen. In der so veränderten Haut können die Lupusknötchen noch viele Jalire fort sich neu erzeugen, so dass die eingesprengten Knötchen noch ganz gut zu erkennen sind; oder es erlischt hier die Lupusproduction , allein die elephantiatische De- generation als solche besteht und es lässt sich aldann nur auf Grund reicher Erfahrung die Provenienz einer derartigen Elephantiasis diagnosticiren , wenn nicht zufälHg ausserhalb des Bereiches der so gearteten Hautregion, ad nates, oder an den Oberextremitäten wohl charakterisirter Lupus sich vorfindet.

Wie an den einzelnen der beschriebenen Körperregionen, so kann auch an allen zugleich an ein und demselben Indivi- duum Lupus vorhanden sein. Obgleich dies nicht gerade häufig vorkommt, so haben wir doch keinen Mangel an derartigen Beispielen, wie das einer über 40 Jahre alten, bereits seit 4 Jahren auf der Klinik in Behandlung stehenden, verheirateten Frau, bei welcher das Gesicht, der Stamm vom Nacken bis über 'die Nates, Unterschenkel und Vorderarme gleichzeitig von disseminirtem und serpiginösem Lupus reichüch besetzt sind.

Der Verlauf des lupösen Processes ist, wie schon die vorhergehenden Schilderungen entnehmen lassen , chronisch und äusserst schleppend , nicht nur bezügUch der einzelnen Efflore- scenzen, sondern der Gesammterkrankung.

Der Beginn des Lupus datirt von der frühen Kindheit, ^oni 3.-6. Lebensjahre. Im günstigsten FaUe tritt das Uebel an einer beschränkten Körperstelle und in mässiger Grenze, eines pfennig- bis kreuzergrossen Herdes auf , macht inner- halb 4—10 Jahren Nachschübe und erlischt mit Hinterlassung narbiger Atrophie, ohne jemals wiederzukehren. Oder es taucht nach vielen Jahren ein neuer Lupusherd, oder eine Recidive an der alten Stelle auf. Es kann so leicht der Irrthum ent- stehen als wäre in einem solchen Falle der Lupus z. B. un 40. Lebensjahre, primär aufgetaucht, während die Eruption m Anbetracht des Vorausgegangenen nur eine Recidive vorstellt.

Häufiger und weniger günstig ist die Verlaufsweise dass eine im frühen Kindesalter auftauchende Lupuseruption durcli continuirUche Nachschübe an Ort und SteUe 15--20 Jahre und bis in das höhere Alter fort sich ausbreitet. Am

Lupus.

623

allerungünstigsten gestaltet sich der Lupus , wenn er von vorneherein, oder schon innerhalb der ersten Jahre gleichzeitig" an mehreren Körper stellen, z.B. imGresichte und an den Extremi- täten, oder auch noch an mehreren Stellen des Stammes auf- tritt. Ein solcher Fall heilt sicherlich, wegen der grossen Aus- dehnung und wegen der fast unüberwindlichen Schwierigkeit, Lupus gleichzeitig an so ^delen Stellen mit entsprechender Energie zu behandeln, während des ganzen Lebens nicht. Man hat" nur alle Mühe, denselben in den Grenzen der Massigkeit zu erhalten.

Damit erledigt sich auch die Erage nach der Prognose des Lupus. Es ist zu entnehmen, dass derselbe um so günstiger sich gestaltet, je mehr vereinzelt und in geringer Ausdehnung Lupusherde sich präsentiren, wähi'end ein von vorneherein mehrfach localisirter Lupus , namentlich die serpi- ginöse Eorm, einen weniger günstigen Verlauf darbietet, in- soferne hier die Nachschübe immer am Rande des alten Herdes erscheinen, dieser somit sehr rasch sich vergrössert.

Die Vorhersage ist auch insoferne ungünstig oder unge- wiss, als auch bei beschränkter Ausdehnung und momentan vollständiger Heilung Recidiven zu befürchten sind. Auf das Allgemeinbefinden hat aber der Lupus selbst bei ziemlich grosser Ansbreitiuig keinen nachweisbar schädlichen Einfluss, und mit fast universellem Lupus behaftete Kranke können des besten Aussehens, giiter Ernährung und Regelmässigkeit aller Eunctionen sich erfreuen; speciell noch, derart aflFicirte Mütter, gesunde, kräftige Kinder zur Welt bringen.

Dies führt uns auf die Erörterung der Ursachen des Lupus. Die geläufigste und zum Theile heute noch viel- fach geltend gemachte Ansicht bezüglich der Genese des Lupus geht dahin, dass derselbe mit Scrophulose irgendwie zu- sammenhänge. Daher führt ihn z. B. Fuchs iinter den Scrophu- losen an, Wilson als Scrophuloderma , Plumbe als Strumous afPection iind bezeichnen ilm die französischen Autoren als Affection scrophuletise , Scrophulide tuberculeuse maligne.

Sehen wir davon ab, dass man mit „Scrophulose" nur einen allgemeinen Begriff verbindet. Es trifft so ziemlich zu, was Billroth in der Beziehung angibt, dass wir nämlich als scrophulose Diathese einen Zustand bezeichnen, in welchem auf eine geringe Reizung einer KörpersteUe eine diese Schäd-

624

Nennunildreissigste Vorlesung.

lichkeit überdauernde Entzündung entstellt, die häufig den Atisgang in Vereiterang oder Verkäsung nimmt und seltener die Form eines hyperplastisclien Processes beibehält. Wenn wir nun die Anwesenheit derartiger Entzündungen und käsiger Infiltrate der Drüsen, des subcutanen Zellgewebes, der Knochengelenke und die dazugehörigen Zustände, amyloide Degeneration der Leber , Milz , Nieren , Auftreibung des Unter- leibes , schlechte Ernährung , Tumor albus , kurzum den ganzen Habitus berücksichtigen , den man nach den gangbaren Be- griffen als Ausdruck der Scrophulose anzusehen gewolmt ist; ferner allenfalls noch die als Symptome der Scrophulose gel- tenden Augenkrankheiten (Keratitis, Conjunctivitis pustulosa) und HautafFectionen (Liehen scrophulosorum , Acne cachecti- corum) , so haben wir , wie auch pathologische Auatomen (VniCHOW, Klebs) zustimmen, keine Veranlassung, den Lupus davon herzuleiten, weil bei nur sehr wenigen von den ^äelen Hundert von uns gesehenen Lupuskranken sich diese Zustände vorfanden und bei aber Hunderten Scrophulöser nicht eine Spur von Lupus zu finden ist.

Dasselbe gilt für die Tuberculose noch im erhöhten Masse, obgleich, wie wir hören werden, vom histologischen Standpunkte es versucht worden ist (Eriedläxder), Lupus als eine Art Tuberculose der Haut zu demonstriren.

Sehr wichtig ist weiters, dass Manche den Lupus von hereditärerSyphilis herzuleiten geneigt sind, so Veiel, Wilson, zum Theile sogar Hebka. Es ist aber ein solcher Zu- sammenhang niemals erwiesen worden. Im Gegentheil, Alles was in Beztig auf hereditäre Anlage bei Lupus zu eruiren ist. spricht eher dafür, dass derselbe mit Syphilis der Eltern und Syphilis überhaupt absolut nichts zu thun hat. Von syphilitisclien Eltern abstammende Kinder können von diesen eine Krankheit ererben, die aber immer wie Syphilis sich präsentirt und nicht wie Lupus. Die Aehnlichkeit zwischen Lupus und Sj^Dhilis ulcerosa kann zwar zu Verwechslungen führen, aber dann sind dies diagnostische Irrthümer. Es ist sogar eine ßarität, bei mehreren Kindern derselben Eltern Lupus zu finden. Dass der Lupus als solcher sich hereditär gezeigt hätte, ist gar nicht bekannt, ebenso wenig, dass er ansteckend wäre. Ueberdies haben Hkbb.v, Michaelis und ich an demselben Individuum Lupus und Syphilis nebeneinander bestehen gesehen, derart, dass ein seit Jahren

625

mit Lupus behaftetes Individuum durch Ansteckung frische Sj^hilis (Papeln und Roseola) acquirirt hat , was ganz unbe- o-reiflich wäre , wenn Lupus Syphilis sein sollte. Die Aufstel- lung einer eigenen Krankheitsform als Lupus "syphiliticus ist demnach zunächst ätiologisch ganz unbegründet, wie wir sehen werden, auch symptomatisch nicht zu rechtfertigen.

Die allgemein ätiologischen Momente berück- sichtigend , wäre zu erwähnen , dass Lupus in QQ'^lo aller Haut- krankheiten , bei Weibern um etwas häufiger als bei Männern, imd Lupus der Extremitäten in 20 "/o der Gesammtzahl bei ims vorkommt. In Bezug auf das Alter ist schon erwähnt worden, dass die Krankheit fast ausnahmslos in den früheren Lebensjahren , selten vor dem dritten Lebensjahre, spätestens zur Pubertätszeit erscheint und nur höchst selten noch später, als fortdauernder oder recidivirender Lupus auch bis ins 70. Lebensjahr auftaucht.

Ln Uebrigen findet sich Lupus in gleicher Zahl , Litensität und Form bei ländlicher und städtischer Bevölkerung, in dürftigen imd wohlhabenden Familien. Die Jahreszeiten , Beschäftigungs- imd Nahrungsweise haben keinen Einfluss auf die Recrudescenz des Lupus. Nur der Verlauf des eben vorhandenen gestaltet sich günstiger oder ungünstiger, je nachdem das Individuum zweck- mässiger sich zu behandeln in der Lage ist, oder nicht.

Zur Diagnose dient als wesentlichster Anhaltspunkt der Charakter der Knötchen, die gleichsam in's Cutisgewebe ein- gesprengt sind und unter dem Fingerdrucke nicht schwinden. So oft ein sehr complicirtes Krankheitsbild sich präsentirt, entweder von confluirenden Knoten oder (beschwüren , mit imd ohne Krusten , ist es Aufgabe , diese Primärefflorescenzen aufzusuchen, welche in der Regel in der Nähe eines diffusen Krankheitsherdes sich vorfinden werden. Die grösste Schwierig- keit erwächst in der Regel für die Diagnose des Lupus gegen- über Syphilis nodosa serpiginosa und ulcerosa.

Ich kann nur empfehlen , neben dem Charakter der ein- zelnen jungen Lupusknötchen auch noch die schon geschilderte, von der syphilitischen so verschiedene Beschaffenheit der Lupnsge schwüre, ihre Lidolenz , die Schlappheit ihrer Ränder, die üppige Granulationsbildung, ihre geringe Schmerz- haftigkeit, sowie den Umstand festzuhalten, dass Lupusknoten niemals so regelmässig vom Centrum nach der Peripherie sich

40

K aposi. Hantkrankliftiten.

1

^^90 Neimunddreissigste Vorlesung.

ausbreiten wie Syphilisknoten, daher aucli niemals nierenförmige Geschwüre bilden. Wenn auch nicht in jedem FaUe pro momento eine entscheidende Diagnose gemacht werden kann, so wird dies doch nach einer entsprechenden Beobachtungsfrist möglich sein, indem nach 14 Tagen, 4 Wochen, sicherlich neue Lupuskuötchen auftauchen , und auch der wichtige Umstand zur Geltung kommen wird, dass örtliche und allgemein antisyphilitische Behandlung, namentlich das gegen letztere so prägnant wirksame Empla- strum hydrargyri, sich gegen Lupus ohne EfPect erweist

Endlich darf zum Vergleich nicht ausser Acht gelassen werden, dass Lupus ungleich lentescirender verläuft als SypHlis; dass Lupus in vielen Jahren kaum soviel an Zerstörung leistet, als ulcerirende Syphilis binnen wenigen Wochen; dass bei Lupus die Nase viel mehr durch Schrumpfung sich verkleinert , als durch Consumtion, während bei SyphUis die einzelnen Theile vom gesunden Ganzen wie abgekappt erscheinen; und dass schHesslich Knochendefecte, des Vomer, des harten Gaumens, bei Lupus gar nicht vorkommen. Ebenso kann z. B. eine elephan- tiatische Verdickung der geschüderten Art des Unterschenkels, die mit Knötchen combinirt ist, nur für Lupus angesehen werden, da nur Lupus so viele Jahre in Knötchenform besteht, um zur Elephantiasis führen zu können, während ein Knötchensj^hüid höchstens Monate oder wenige Jahre zu bestehen pflegt ; und die SyphiHsformen, welche zur Elephantiasis führen können, erfah- rungs-emäss gummöser Art sind , die demnach wieder charakte- ristische Geschwüre bilden. Endlich darf nicht der Umstand ausser Acht gelassen werden, dass bei noch so langem Bestände des Processes der Lupus stets mit den charakteristischen kleinen, eingesprengten Knötchen recidivirt.

Bei sorgfältiger Erwägung aUer dieser Umstände wird Lupus von Syphilis auch in schwierigen EäUen wohl diffe- renzirt werden können, und demnach auch symptomatisch eine Verlegenheits-Diagnose „Lupus syphiliticus" unstatthaft, und

iinnöthig sich erweisen.

Auch eine Form der Lepra tuberculosa gibt es, welche

Lupus sehr ähnlich sehen kann.

Dass Lupus erythematosus ein von Lupus vulgaris vollständig differentes Bild darbietet, braucht nicht erst betont XU. werden.

Vierzigste Vorlesung.

Lupus (Fortsetzung). Anatomie, Therapie des Lupus. Serophulose,

Tubereulose der Haut.

Die „Anatomie des Lupus" bildet den Vorwurf zalilreicher und selir scilätzenswertlier Mstologischer Arbeiten, grossentbeils aus dem jüngsten Vierteljabrbundert. Dieselben wiederspiegeln fast eben so treuli'cb, wie die syncbronischen Arbeiten über Entzündung, die Anscbauungen ihrer Zeit über Neubildung und Histiogenese patbologischer Gewebe und be- handeln fast alle Fragen, die bezüglich der Histologie des Lnpus sich aufwerfen, über Sitz, Ausgangspunkt, Charakter, Bedeutung , verwandtschaftliche Verhältnisse der lupösen Neu- bildung in gleich eingehender "Weise, ohne jedoch selbst mit Rücksicht auf die Anforderungen der jeweiligen Zeitepoche deren endgiltige Lösung herbeigeführt zu haben.

Um über die wesentlichsten der hier in Betracht kommen- den und sehr complicirten Verhältnisse ein richtiges Urtheil zu gewinnen, ist es nothwendig, jung entstandene Lupus- knötchen, solche, die noch tief eingebettet sitzen, zu untersuchen. Auf dem mikroskopischen Durchschnitte von einer solchen Hautstelle (Fig. 35) sieht man schon bei Loupenvergrösserung kleinere und grössere', rundliche (nestf örmige), in das Corium eingesprengte Gewebsmassen , die Lupusknötchen. Sie liegen unregelmässig und in verschiedenen Tiefen des Corium selber, dessen oberste und Papillarschichte und Rete normal erscheinen. Damit widerlegt sich die früher von Bergee, Pohl und 0. Weber ausgesprochene Meinung , dass die Lupus- knötchen aus dem Rete hervorgehen , sowie die Anderer, dass

40*

628

Vierzigste Vorlesung.

die oberflächlicliste ScMclite der Cutis der ursprüngliche Sitz der jungen Knötclien sei. Rete und oberste Coriumscliiclite sind hier frei. Die Lupusnester stechen durch gelblich rothe Farbe und scharfe Begrenzung ö von dem umgebenden Cu- tisgewebe ab, noch mehr, wenn Carmintinction an- gewendet worden , indem sie sich weniger als das letztere färben.

Bei starker Vergrösse- rung betrachtet, grenzt sich das Lupusnest (Fi- gur 36) grösstentheils scharf ab gegen das ge- sunde Bindegewebe , wel- ches in dichten Faserzü- gen jenes einfasst , iind erkennt man die feinere Zusammensetzung des Lu- pusgewebes, dessen Ueber- einstimmung mit der des G-ranulationsgewebes zu- erst Vikchow und Auspitz demonstrirt haben. Es be- steht aus einem von gröbe- ren Stamm- und zarten Zweigfasern gebildeten, von zahlreichen , weiten Blutgefässen durch- setzten Netzwerk, in des- sen Maschenknoten mit grossem, stark lichtbre- chendem, guttinginbarem Kerne versehene Zellen,

und in dessen engen Maschenräumen eben solche, kleinere Zellen und scharf contourirte Kerne in grosser Menge eingelagert sind. Beim Schütteln fallen die eingelagerten Form- elemente leicht aus, so dass das Netzwerk mit seineai polai-en Zellen allein zurückbleibt; an manchen Stellen eines Schnittes

sowie viel

Lupus. 629

fällt das ganze Nest aus, dessen Platz ein rundes Loch be- zeichnet. (Fig. 37 c'.)

Fig. 36. /a

Ein mikroskopisclies Lupusknötclien bei starker Vergrösserang.

b denselben einrahmendes geaundea Corium. a Ketioulum aammt Zellen- einlagerung, c ; d Biesenzellen.

Diese einfachen Verhältnisse finden sich nur bei ganz jungem Lupus. Die weitere Entwicklung, sowie die Rück- bildung führen zu sehr complicirten Veränderungen sowohl des Lupusgewebes, als der meisten Elemente der Cutis. Zunächst das Lupusgewebe anlangend. Als man noch dasselbe durch Auswachsen allein des Bindegewebes entstehen liess , sei es der obersten Coriumschichten (VißCHOW, Billkoth), sei es des die Haarfollikel und Talgdrüsen begrenzenden Gebälkes (Veiel, Rindfleisch), war auch schon zum Theile die Beziehung zu den Blutgefässen betont worden. Nach der Tendenz der neueren histologischen Arbeiten spielen aber für die Genese der patho-

630

Vierzigste Vorlesung.

logischen Grewebe "bekanntlicli die Blutgefässe die Hauptrolle und scheinen auch nach den jüngsten Lupusstudien von mir,- Lang, Kleus, Stilling, Jaeisch, die Blut- und Lympgefässchen durch Auswachsen ihrer protoplasmatischen Wand und Wuche- rung ihrer Adventitia, Gebälke und Gefässe des Lupusnetzes mitsammt einem Theile seiner Zellen zu produciren, zu welchen dann noch Proliferationszellen der Bindegewebskörperchen und Wanderelemente aus dem entzündlich afficirten Stroma der Cutis sich zugesellen.

Das junge Lupusknötchen stellt also ein gefäss- und saftreiches, lebhaft proliferirendes Gewebe vor. Nach einigem Bestände beginnt dessen Rückbildung, die sich zunächst dadurch manifestirt, dass im Centrum des Knötchens die Yascularisation schwindet und die Formelemente im necrobiotischen Sinne sich verändern. Manche werden gebläht , vergrössert, was ihre Verwechslimg mit epitheloiden Zellen veranlasst hat; die meisten werden körnig trübe, färben sich nicht mehr in Carmin, zerbröckeln und ballen sich zu körnig-krümeligen Haufen. An manchen Punkten erscheinen umfangreiche, unregelmässig ge- formte, homogene oder feinkörnige, protoplasmaähnliche Massen mit vielen 5 20 und mehr eingelagerten, oblongen, glänzenden Kernen (Fig. 36, a). Dies sind die Gebilde, welche von Billkoth, YiRCHOW längst beschrieben , seit Schüppel als Riesenzellen bezeichnet tind dem Tuberkel eigenthümlich zugeschrieben worden sind, weshalb Fkiedländer geglaubt hat, auch den Lupus als Hauttuberculose erklären zu dürfen. Seitdem hat man zwar über die histiogenetische Bedeutung der Riesenzellen sich noch immer nicht einigen können, indem sie Einige für spontan, oder durch Assimilirung anderer colossal gewordene Zellen, Andere für den Ausdruck des Querschnittes eines mit wuchern- dem Endothel oder Plasma erfüllten Lymphgefässes , noch Andere für zusammengeflossene Zerfallzellen ansehen. Aber so viel ist doch sicher geworden, dass Riesenzellen nicht nur im Tuberkel , sondern in allen möglichen Geweben, im Gumma, Sarkom und selbst in Granulationen sich vorfinden und daher ihr Vorkommen im Lupusknoten nicht berechtigt, diesen mit dem Tuberkel gleichzustellen, um so weniger, als wir in neuerer Zeit zweifellosen Tuberkel der Haut kennen gelernt haben.

Die Hauptmasse des Lupusknötchens ist also nicht organi- sationsfähig , sondern gelangt auf dem Wege jener retrograden

Lupus.

631

Metamorphose seiner Elemente zur Resorption, eventuell (bei oberfläcliliclier Situation) zur Elimination, worauf das ent- zündlich afFicirte einbettende Gewebe narbig schrumpft. Ein Theil des Lupxisgewebes jedoch geht mit seinen Gefässen und Zellen, wie ich glaube (auch Lang ist dieser Meinung), eine Oro-anisation zu jungem , später schrupfendem Bindegewebe ein und hierdurch, scheint mir, unterscheidet sich die Lupus- ueubüdung biologisch wesentlich von dem Lepra- und Syphi- lisknoten.

Neben diesem Verlaufe einzelner Knoten vergrössern sich andere durch Fortschreiten der Neubildung mittels und längs der Corium- imd Papillargefässe nach der Fläche und Tiefe, bis in die Schichte der Fettläppchen, und trifft dieselbe auf die von anderen Centren ausgehenden Ausläufer zusammen. Indem zugleich das interstitielle Bindegewebe entzündlich infiltrirt wird, verschwindet die ursprüngliche herdartige, an alveolare Structur gemahnende Anordnung (vid. Fig. 35) und resultirt eine unregel- mässig diffuse Zelleninfiltration aller Schichten der Haut. Auch diese kann nach langer Zeit vollständig schwinden, mit Hinter- lassung narbiger Verschrumpfung der Haut und ihrer Drüsen. Im entzündlichen Antheil der Infiltration jedoch ist zugleich die Grundlage für jene Bindegewebshypertrophie gegeben , welche im Laufe weitverbreiteter und Jahrzehnte hindurch bestehender lupöser Erkrankung, gleichwie bei anderweitig veranlasster Dermatitis chroncia , besonders an den Extremitäten sich heran- bildet und als Elephantiasis Arabum glabra et papillaris schon besprochen worden ist. Ueber einer derart hypertro- phirten und degenerirten Cutis, in welcher auch noch immer der Lupus eine Zeit lang bestehen und sich erneuern kann, erheben sich stellenweise mächtig hypertrophische Pa- pülen mit entsprechend vergrösserten Retezapfen und colossal aufgethürmten Hornzellenlagen Lupus verrucosus (s. cor-

nutus Lang. Fig. 37).

Von den anderen Elementen der Cutis werden zunächst dieEpithelialgebilde sehr früh in Mitleidenschaft ge- zogen. Sobald die lupöse Infiltration, ursprüngHch oberflächlich gelegen, oder in die Papillarschichte gewuchert ist, beginnt Proliferation, Trübung, Vacuolenbildung , Schilferung der Retezellen; es verwischt sich die Grenze zwischen Papillen und Schleimschichte durch Uebergreifen der lupösen Wucherung

632

Viei-üigste Vorlesung.

in die letztere, und wird das Rete durch Eiterung oder Schüferung abgestossen, so liegt der Lupusknoten zu Tage

> CS

Mi

5

fci) 73

oi<S

,£5

2 S

to 'S

P CO

> £

^ CS

SM

'S

CCl 'qJ

o; S ?

P W

CS 5 _ 3

= 3

ü

p ED

Ol

W:0

(Ulceration). Ebenso hypertropbiren und degeneriren durch Trübung, Aufquellen, frühzeitige Verhornung, die Auskleidungs zeUen der Talg- und Schweissdrüsen und der Haartaschen, welche letztere'iiberdies nach Degeneration der Papille, Locke- rung und Ausfallen der Haare, veröden. Die Talgdrüsenacim bleiben öfters, nachdem ihr Ausführungsgang verschrumpft durch zwiebelschalenartig angeordnete Epidermis (Perikugeln) erfüllt, als einfache oder zu Träubchen an einem gemeinschaft- lichen Narbenstiel hängende Miliumkörnchen zurück.

Lxipxis.

633

Besonders erwähnenswertli ist nocli eine andere Art von Epitlielhyperplasie , welclie von Büsch , Lang, mir und Anderen beschrieben worden ist, und in dem Answaclisen des Rete in Form von einfachen und verzweigten Epithelzapfen in das Corium besteht (Fig. 38), die mit ähnlichen Auswüchsen der

Fig. 38.

Schnitt von Lupus ad nates.

a Epidermis, c diffus lupöa infiltrirtes Corium, in dassplbe die Epitlielzapfen b in einfachen und verzweigten Kolben Mneingewuohert.

Schweissdrüsen- und Haarwurzelscheidenzellen zusammentref- fend, ein dasselbe nach allen Richtungen durchsetzendes, aus puren Epithelien zusammengesetztes Balkennetzwerk darstellen. Diese bilden, wie ich gezeigt, die histologische Grundlage für die Entwicklung von Epithelialkrebs mitten auf floriren- dem oder erloschenem Lupus.

Die Combination von Krebs mit Lupus, von Deverg-ie , Baedeleben , 0. Weber , Hebra , Wenck, Thiersch, VoLKMANX, Lang und mir beobachtet , hat sich für die Meisten der betroffenen Individuen als rapid deletär erwiesen und nur in wenigen Fällen konnte vorübergehende Besserung oder Heilung erzielt werden.

Wir wenden uns nun zur Therapie des Lupus.

Von innerlichen Mitteln, welche die Rückbildung des bestehenden Lupus zu veranlassen, oder eine Recidive zu ver- hüten vermöchten, ist uns nichts bekannt. Sowohl Arsenik, als die antisyphilitischen Mittel, Quecksilber, Jod, Zittman- sches Decoct, und die in Voraussetzung, der scrophulösen

gg^ Vierzigste Vorlesung.

Bedeutung des Lupus vielfach empfohlenen Mittel, Leberthran, Eisen, Jodeisen, Oleum animale Dippelli, Amaricantia, Murias calcis, Murias Baryti, Antimon u. s. w. haben sich gegen Lupus unwirksam erwiesen. Wohl aber bedienen wir uns der letzteren und analoger Arzneien, um die Gesammternährung der Lupösen zu heben, wofern diese scrophulös, anämisch, schlecht genährt wären. Lupus als solcher kann eben nicht anders geheilt werden als durch örtliche Mittel.

Diese sind zweierlei. 1. Blosse Adjuvantia zur Behand- lung, 2. die Lupusknoten direct zerstörende Mittel und Ver- fahrungsweisen.

Zu den ersteren gehören aUe Fette, Oele, Salben und Pflaster, sowie KautschukumhüUungen, welche zur Maceration vorhandener Krusten und zur Deckung der eiternden Wunden, eventueU zur Maceration der Lupusknötchen selbst verwendet werden und deshalb nach Umständen während der ganzen Behandlungsdauer des Ltipus, bald in dieser, bald in jener Form gewählt werden müssen; so z. B. ist Leberthran in Form von Umschlägen angewendet recht zweckmässig beim Lupus tumidus, der zum Theil mit Krusten belegt ist, indem bei einer 8_l4tägigen Application nicht nur die Krusten erweichen und abfallen, sondern auch die Lupusknoten macerirt und zu rascherem Zerfall disponirt werden. _

Li gleicherweise, zugleich etwas ätzend, wirkt Schmier- seife in Form von Umschlägen.

Im Uebrigen wird die nothwendige Maceration durch Unguentum simplex, Oleum olivarum, Emplastrum saponatum und ähnliche indifferente Mittel besorgt. Vom Emplastrum hydrargyri, von welchem Einzelne angeben, dass unter dem- selben die Lupusknoten sehr rasch schwinden, kann ich em solches nicht bestätigen. Dasselbe wirkt nur m dem Maasse, wie jedes andere indifferente Pflaster , macerirend.

Die Beseitigung des Lupus gelingt einzig und aUem durch mechanische oder caustische Eingriffe.

Die mechanische Behandlung des Lupus hat seit VOLKMANN'S bezüglichen Publicationeu eine verdiente Ausbreitung gewonnen. Das Lupusgewebe ist so weich und morsch , dasselbe sammt der von dem lupösen Gewebe . Hautpartie ungemein leicht mit dem ^^J^j^ "

gekratzt werden kann. Man kann hiebei nicht leicht schaden.

Lupus.

635

weil das gesunde Hautgewebe dem Eindringen des Löffels grossen Widerstand entgegensetzt, demnacli die Grenze für die zu setzende Verletzung von selbst gegeben ist.

Am besten eignet sieb diese Metbode für confluirende, grosse Knoten , sowie, für scblappes, diffus infiltrirtes , exulce- rirtes Gewebe. Die wäbrend des Scbabens ziemlich intensive Blutung stebt jederzeit ^auf Tamponade und Druckverband und um so sicherer, je vollständiger der Lupusherd ausgekratzt worden ist. Nach 2 3 Tagen hat sich der graue Belag, das ist die Schichte des noch haftenden zertrümmerten Gewebes abgelöst und stellt sich sofort eine gute Granulation ein.

Zur mechanischen Behandlung gehört auch das Sticheln mit einem Spitzbistouri, oder dem aus mehreren Lanzen con- struirten Stichelinstrument von Veiel, oder, was wohl vor- zuziehen, der Stichellanze von Hebea (vide pag. 462, Fig. 26). Mittels des Sticheins wird nicht nur das Lupusgewebe direct bis zur Mortification zerschnitten , sondern auch ein grosser Theil der es ernährenden und die "Wucherung unterhaltenden Blutgefässe zerstört.

Die Stichelung kann demnach ebenso gut bei diffusen Infiltraten , wie bei den einzelnen zerstreuten, demnach mit dem Löffel nicht gut ausschälbaren Lupusknötchen zur An- wendung kommen.

Man kann auch, wie Auspitz empfohlen , die Lanze vor jedem Einstechen in eine leicht ätzende Flüssigkeit, z.B. dünne Jod-, Carbol-, Chlorzink Lösung eintunken und auf diese Weise das Aetzmittel mitten in die kleinen Ltipusknötchen hineinbringen.

Neben der mechanischen Behandlung spielt die mittels der Aetzmittel eine grosse Rolle.

Das praktisch verwerthbarste und erprobteste ist der Lapisstift (Lapis en crayon). Derselbe hat die genügende Resistenz , um in die einzelnen Lupusknoten eingebohrt zu werden, demnach die mechanische und ätzende Wirkung in sich vereinigend, zugleich den Vortheil, dass mit demselben insoferne nie geschadet werden kann, als er in's gesunde Ge- webe nicht vordringt.

Ebenso können grosse Knoten von Lupus tumidus mit grösster Leichtigkeit mittels desselben herausgravirt, als flache In- filtrate mit Vollständigkeit, wie mit einem scharfen Löffel, heraus- geschabt werden. Da gleichzeitig hiebei die Gefässe des Randes

ß36 Vierzigste Vorlesung.

und Grundes nicM nur meclianiscli zerstört, sondern aucli durcli die Aetzung thrombosirt werden , so sind thatsächlich mit der Lapisätzung alle nur erwünschten Bedingungen zur Heilung gegeben, umsomebr, als bei der mecbaniscben Beseitigung des Lupus mittels Scbabens sebr oft die Basis nocb besonders ge- ätzt werden muss. Der Lapis bleibt also immerbin das Mittel xaT* z^oji\v gegen Lupus.

Lapis in concentrirter Lösung (Nitras argenti, Aqu. dest. aa 10) wenden wir nicbt auf unversehrten Lupus an, weil diese Lösung die Epidermis nicbt durchdringt, sondern nur auf bereits wunden , zum Theil zerstörten oder zerfallenen Lupus, auf lockere Granulationen, oder gegen recidive junge Knötchen. In letzterem Falle nimmt man zunäcbst eine Lösung von Kali caust. ö'O, Aquae dest. lO'O, pinselt damit die vor- her durch Seifenwaschung entfettete Hautfläcbe mittels eines Charpiepinsels energisch ein. Hiebei wird die über den ein- zelnen Lupusknötchen gelegene Epidermis abgelöst und die Lupusknötchen liegen als rothe wunde Punkte zu Tage. Nun wäscht man mittels eines kleinen Schwammes das überschüssige Kali ab, trocknet die Stelle und tupft die Lapislösung ein, welche nun die ofFen liegenden Knötchen direct angreift.

Chlor zink, pur, zerfliesst sehr rasch an der Luft und kann derart, oder in etwas Alkohol oder Wasser gelöst, zur Aeizung mittels eines Pinsels benützt werden. Nach der An- gabe von Brüns und Köbner kann man dasselbe mit Kali- salpeter und Chlorkalium zu Stäbchen zusammenschmelzen und giessen nach der Formel: 1 Gramm Chlorzink, Kali nitricum 0,5—0,1, Chlorkalium 0,5—0,1. Die Stäbchen müssen in Stanniol gehüllt werden, weil sie sehr hygroskopisch sind und an der Luft schmelzen. Sie sind keineswegs so resistent wie der Lapis- stift, brechen daher und schmelzen beim Aetzen. Zugleich gerii^nt unter Chlorzink das Blut gar nicht, sondern über- schwemmt als eine hellrothe Flüssigkeit die Operationsfläche. Auch ist der Schmerz nicht viel geringer als bei Lapisätzung und die Narbenbildung nicht günstiger als bei dieser. Ich kann also demselben nicht jene vorzügliche Eigenschaft zuschreiben, die ihm nachgerühmt wurde.

Dasselbe gilt für den nach Veiel's Vorschlag aus Chlor- zink und Mehl zu einem Teige angerührten und durch dessen Trocknung gewonnenen Aetzstift.

Lupus.

637

Die Pasta Canqiioin wird aus der Vermischung von an der Luft verflüssigtem Chlorzink mit dem dreifachen Quan- tum Amylum gewonnen. Auf Leinwand aufgestrichen und auf- gelegt , ätzt sie gesunde und kranke Haut durch , ist also nur am Stamm und den Extremitäten zu verwenden.

Dasselbe gilt von der modificirten LANDOLF'schen Paste. Diese bestand ursprünglich aus 3 Theilen Chlorzink, 5 Theilen Chlorbrom und 1 Theil Chlorantimon, welche mit Pulvis liquiritiae zu einer Paste verbunden werden, die aber wegen der sich hiebei entwickelnden Bromdämpfe nicht zu empfehlen ist, da durch deren Einwirkung auch bei der Manipulation der Arzt selbst Grefahr läuft urplötzlich Laryngospasmus, krampfhaften Husten, Hämoptoe, Conjunctivitis, Nasenbluten zu bekommen. Da ist es schon besser, die Paste mit Hin- weglassung des Chlorbroms anzuwenden. Man verschreibt: Ep. Zinci chlor. 10. DS. ad lagenam. ; Ep. Butyr. Antimon. 10. DS. ad lagenam. ; Ep. Acidi. mur. conc. puri 5. DS. ad lagenam., und etwas Pulvis rad. liquir.

Man gibt nun das Chlorzink in eine Eeibschale, etwas Salzsäure dazu, bis das Chlorzink ganz zerflossen ist, hierauf das Chlorantimon , mischt es durch einander und reibt es unter allmäliger Hinzugabe von Pulvis liquiritiae zu einer dicken Paste an. Diese wird auf Leinwand messerrückendick auf- gestrichen. Davon werden nun Streifen geschnitten, so breit und lang als man die Aetzwirkung haben will. Die Streifen werden aufgelegt, niedergebunden und 24 Stunden liegen ge- lassen. Nach 5 6 Stunden stellen sich mehrere Stunden an- haltende Schmerzen ein. Nach 24 Stunden abgenommen, zeigt sich ein gelbbrauner Schorf, der binnen wenigen Tagen abfällt und granulirende Wunden zurücklässt. Da die Paste gesunde und kranke Haut gleichmässig durchätzt, kann sie nur dort angewendet werden , wo an der Conservirung der gesunden Hautbrücken nicht viel gelegen ist, also am besten auf die Eand- partien des Lupus serpiginosus , am Stamm und an den Extre- mitäten und niemals im Gesichte. Wegen der tiefen Aetzung sind auch die nachfolgenden Narben sehr voluminös.

Da ist schon die Arsenikpaste nach der von Hebra modi- ficirten Formel des Pulvis Cosmi mehr zu empfehlen. Man verschreibt : Ep. Arsenici albi 1 ,0 ; Cinnabaris fact. 3,0 ; TJngu, emoll. 24,0.

638

Vierzigste Vorlesung.

Die Paste wird auf Leinwand dick anfgestrichen und beliebig gross auf die Lupusstelle aufgelegt , nach 24 Stunden abgenommen und durch eine neue ersetzt. Innerhalb des zweiten Tages pflegen schon Schmerzen sich einzustellen. Am dritten Tage wird dieselbe wieder erneuert und treten in der Regel mehrere Stunden anhaltende Schmerzen und Schwellung der Umgebung ein. Nach Abnahme der Paste hören die Schmerzen sofort auf. Es zeigt sich die merkwürdige Wirkung, dass nur die einzelnen Lupusknötchen schwarzgrau necrosirt, verschorft sind , während alle zwischen ihnen liegenden Haut- und Narben- inseln vollständig unversehrt geblieben. Das ist ein ausser- ordentlicher Vortheil für Lupus im Bereiche des G-esichtes, weil man nach Abstossung der vielen Schorfe lauter kleine Wunden bekommt , die wegen ihres geringen Umfanges binnen wenigen Tagen mit schönen Narben heilen und überdies den Gewinn, auch nicht den geringsten Theil der gesunden Haut unnöthig zu zerstören. Bei exulcerirtem Lupus wird die Wir- kung schon in 2 Tagen, bei Lupus tumidus vielleicht erst nach 4 Tagen erreicht werden.

Intoxicationserscheinung von Arsenresorption haben wii- noch niemals gesehen , obgleich wir die Paste viele hundert Male schon angewendet haben und bei einem und demselben Kranken zu wiederholten Malen. Freüich soll nie eine grössere Fläche als die einer Flachhand auf einmal geätzt werden.

Eine Intoxication mit tödtlichem Ausgang haben wir blos von einer Paste erlebt, welche aus Arsenik, Opium und Creosot zu gleichen Theüen gemischt war, die aller- 'dings den Vorzug hat, gar keine Schmerzen zu veranlassen, aber dennoch nach dieser traurigen Erfahrung widerrathen werden muss.

Das DupuYTEEN'sche Pulver aus 0,1 Acidum arsenicosum und 8,0 Calomel bestehend , wird auf exulcerirte und wuchernde Stellen 1 Millimeter dick aufgestreut, hat aber nur geringe

ätzende Wirkung.

K a 1 i c a u s t i c u m f u s u m verkohlt Lupus und gesundes Gewebe energisch , kann also nur mit sorgfältiger Auswahl der Oertlichkeit und gegen grosse Lupusinfiltrate angewendet

werden. , ,

Dasselbe gilt für die Wiener Aetzpaste welche ebenfalls das gesunde Gewebe schwarzbraun verkohlt. Man

Lupus.

639

verschreibt: Rp. Kali caiist. ptilv. 5,0. DS. ad lagenam. ; Calcar. caust. pulv. 5,0. DS. ad lagenam. ; Spir. vini rectif. 10,0. DS. ad lagenam. Aetzkali und Aetzkalk werden in der Reibsckale verrieben und vermischt , und unter geringer Zutbat von Spiritus zu einer dicken Paste angerührt. Die zu ätzende Stelle wird vorher durch in ihre Umgebung aufgelegte Streifen von Heftpflaster genau umschrieben. Darauf wird die frisch bereitete Paste in die so gebildete Nische mittels eines Zungen- spatels eingetragen, die Stelle mit Charpie bedeckt. Nach wenigen Minuten stellen sich heftige Schmerzen ein. Die Paste bleibt genau 10 Minuten liegen, welche Zeit genügt, damit auch die gesunde Haut complet durchgeätzt wird. Es wird null die Charpie abgenommen und die Paste unter einem reichen Wasserstrahl abgewaschen, oder der betreffende Theil in Wasser getaucht. Es zeigt sich ein schwarzer Schorf, der nach Um- ständen biimen 4—8 Tagen sich abstösst. Die Paste kann also auch im G-esichte nicht angewendet werden.

Acidum carbolicum ätzt nur sehr oberflächlich, mit weisser Schorfbildung , greift auch die gesunde Haut an, macht heftige Schmerzen und wirkt höchst ungleichmässig.

Acid. pyrogallicum 5, Ungu. simpl. 50 (Jaeisch), auf Leinwand gestrichen aufgelegt, ätzt binnen mehreren Tagen, aber nicht immer gleichmässig.

Sonst empfohlene Mittel , wie Protojoduretum und Deuto- joduretum hydrargyri in Salbenform, oder Jodschwefelsalbe, oder Unguentum hydrargyri citricum sind von höchst prekärer Wirkung.

Dagegen ist die G-alvanocaustik, welche früher durch Hebra gegen Lupus in Anwendung kam, sowie der PAQUELiN'sche Cautor, den ich jetzt gebrauche, sehr zu empfehlen, indem man entweder mittels des glühenden Platinstiftes die einzelnen Lupusknötchen ausstichelt, oder mit dem Porcellanbrenner grössere Lupusinfiltrate ausbrennt, oder mit der glühenden Schlinge grosse Wucherungen, z. B. der Ohrläppchen, abträgt. Die Schmerzen sind dabei nicht sehr bedeutend.

Von Lupus besetzte Hautstellen ganz auszuschneiden, vielleicht auch gleichzeitig plastische Operationen damit zu verbinden , hat nur selten Werth , da eine von Narben durch- setzte Hautpartie noch immer weniger entstellt, als ein über- tragener Hautlappen, dessen Anwachsen nicht einmal gesichert

640 Vierzigste Vorlesung.

und welcher überdies selbst nicht vor neuer Lupuserkrankung geschützt ist. Man weiss, dass sogar von der Armhaut ge- bildete Nasen später von Lupus befallen worden sind.

Methodische Einpinselungen von Jodglycerin, Jod- tinctur, Application von Emplastrum hydrargyri kommen zweckmässig zur Anwendung als unterstützende Mittel der Heilung bereits exculcerirter oder geätzter Stellen, zur Er- weichung von harten wulstigen Narben , zur Verminderung der zurückbleibenden Hyperämie, ebenso wie Verbandmittel ver- scliiedenster Art, leichte Aetzungen u. s. f. nach Umständen bei der Wundheilung zum Grebrauch kommen müssen, da die grösste Aufmerksamkeit auf die Erzielung dünner flacher Narben, namentlich im Bereiche des Gesichtes, gerichtet sein muss.

Lupus der Conjunctiva und Cornea wird für die Anwen- dung des scharfen Löffels , oder des Lapisstiftes am besten geeignet sein.

Dass alle diese Mittel und Methoden in jedem einzelnen Falle von Lupus, gewiss aber bei einem ausgebreiteten, nach und nach und in verschiedener Abwechslung zur Verwendung kommen werden , ist begreiflich.' Man kann nicht jeden Tag tind nicht überall gleichzeitig ätzen , schaben und stechen , wird demnach an einer Stelle ätzen, an der anderen inzwischen maceriren, da Erysipel bekämpfen, dort die G-ranulatioDs- bildung sorgfältig behüten , einmal auf das AUgemeinbefinden besondere Aufmerksamkeit richten, kurzum mit grosser Um- sicht und Sachkenntniss die Behandlung des Lupus leiten und dabei nicht vergessen , dass , will man etwas ausrichten , zur rechten Zeit und am rechten Ort nur die voUe Energie des zerstörenden Verfahrens aUein einen Erfolg verbürgt.

Die Recidiven zu verhüten steht uns gar kein Mittel

zur Verfügung.

Dass gleichzeitig vorhandene Complicationen, Caries, Ne- crose, Erysipel, Lymphangoitis lege artis behandelt werden müssen, ist selbstverständlich.

Scrophulose und Tuberculose der Haut, dem Lupus anatomisch verwandte, aber, wie erwähnt, durchaus nicht identische, sondern von demselben klinisch differente Processe, mögen hier noch kurze Erwähnung finden.

Scropliiilose. Tiiberciilose der Haut

641

Bezüglich der Scrophuloae darf ich auf die bekannten Werke über Chirurgie und pathologische Anatomie verweisen, sowie auf das, was ich in der Aetiologie des Lxipus darüber gesagt und im Capitel über Geschwüre noch weiter vorbringen werde. Es handelt sich dabei um zumeist von entzündlich- hyperplastischen Lymphdrüsen und von Perilymphangioitis- Knoten auf die Haut übergreifende Entzündung, deren Product geringe Neigung zu Organisation und grosse Tendenz zu käsigem Zerfalle besitzt, und zur Bildung der bekannten, seichten, unterminirenden , schlapprandigen Greschwüre Veran- lassung gibt.

Von Tuberculose der Haut, nicht von unterlagernden Herden in dieselbe überwuchernder, sondern in ihr selbstständig entstandener, thun WaCcNEr, 0. Weber Erwähnung und brin- gen Pantlen, Bizzozero, Baumgarten, Griffini, Hall u. A. casuistische Mittheilungen. Doch beziehen sich die Meiston auf entzündliche und ulcerirte Krankheitsproducte in elephan- tiatischer Haut , oder in Lupusherden , die auf Grund von Riesenzellen-Befund von den betreflFenden Autoren für wahre Tuberkel angesprochen wurden. Ein Fall von zweifellos echtem Tuberkel der Haut ist von Chiabi (tuberculöses Ge- schwür der Unterlippe) und ein zweiter von Chiari und Jarisch mitgetheilt worden. Dieser letztere Krankheitsfall betraf einen 42 Jahre alten Mann , der mit einem bogenförmig begrenzten, mit röthlichgelben, mässig derben Granulationen am Grunde und zackigem Rande besetzten, das linke Ohr umgreifenden Geschwüre auf die hiesige dermatologische Klinik aufgenommen worden war und nach Auftauchen von zahlreichen , miliären und rasch zerfallenden Knötchen des Velum binnen wenigen Wochen daselbst verstarb. Neben Tuberculose der Lungen konnte Chiari in den ßandpartien des Hautgeschwüres, sowie in den subcutanen (und submucösen) Geweben „isolirte und zu stecknadelkopfgrossen Gruppen conglomerirte, meist 0"3 Milli- meter grosse, rundliche, im Centrum bereits in beginnendem käsigen Zerfalle begriffene" Knötchen von dem unbezweifel- baren histologischen Charakter des Tuberkels nachweisen.

Kaposi, Hautkrankheiten.

41

IX. Olasse.

Bösartige NeubildungeB.

Einundvierzigste Yorlesung.

Lepra.

Lepra Arabum, Elephantiasis Graecorum, Leprosy (engl.), Spedalskhed (norweg.), der Aussatz, lieisst eine deletäre, constitutionelle Krankheit, welche heutzutage nur noch in gewissen Gegenden endemisch vorkommt, Jahr- hunderte hindurch aber als eine wahre Geissei des Menschen- geschlechtes geherrscht hat, indem vom 5.-14. Jahrhunderte, vornehmlich aber zur Zeit der Kreuzzüge, im ganzen mitt- leren Europa und an den asiatischen und afrikanischen Mittei- meerküsten Hunderttausende von Menschen jegUchen Alters und Standes von derselben heimgesucht wurden. In Deutsch- land England und Frankreich sind im 8. Jahrhundert Tausende von Leproserie-Häusern für die Aussätzigen errichtet, sowie gesetzliche Ehe- und Verkehrsverbote gegen dieselben erlassen worden, da man das Uebel für ansteckend, und daher es für nöthig hielt, die damit Behafteten fern ab von dem gesell- schaftlichen Verkehre, und unter der Obhut freiwilliger Pfleger (Orden des heil. Lazarus) in isolirte Anstalten zu verbannen (exponere = aussetzen, daher „Aussatz").

Erst mit Beginn des 15. Jahrhundertes verminderte sich die Zahl der Leprakranken und mit dem Auftreten der ver- meintlich neuen Seuche, der Syphilis, gegen Ende des 15. Jahrhundertes, soliien die Lepra ganz erloschen zu seui was zu der theilweise noch heute (F. A. Smox) vertretenen

Lepra.

G43

Ansicht Veranlassung gab, als wäre die Syphilis aus der Lepra hervorgegangen. Sicher ist, dass von dieser Zeit angefangen die Kenntniss dieser Krankheit bis in dieses Jahrhundert beinahe verloren gegangen war. Der Mangel an Krankheits- objecten nicht allein war es, der eine Aufklärung der ärzt- lichen Welt über den beinahe mythisch gewordenen Aussatz erschwerte und verzögerte, sondern es lag dies auch in der überaus wirren Nomenclatvir , welche in den vorausgegangenen Jahrhunderten für das Uebel sich eingebürgert hatte.

Die Grriechen hatten für die Krankheit , so lange sie die- selbe nur dem Rufe nach kannten , die Namen (powi-/,T, v6c7o:, ca-:up'.a<7tc ; :XsovTixci; , später s'XscpavTta^t; gebraucht. Bei den Arabern hiess sie Aljudzam, welches von den Araber-Ueber- setzern aus der Salernitanischen Schule (11. Jahrhundert) mit Lepra (i. e. Arabum) übersetzt wurde (mit den 4 Arten: L. Elephantina, Leonina, Alopecia und Tyria) ; so dass dem- nach Lepra Arabum = Elephantiasis Grraecorum = Aussatz ; während Elephantiasis Arabum = Pachydermie (pag. ; Lepra Grraecorum dagegen als Psoriasis (pag. 374) sich heraus- gestellt hat. Daneben scheinen noch Vitiligo (alphos, melas, leuke) bei den Grriechen, Albarras (alba et nigra) und Morphaea bei den Arabern , besondere Lepraformen bedeutet zu haben, welch' letzterer Namen neuestens (von E. Wilson) für eine Artlocal verlaufender Lepra in Anspruch genommen worden ist.

Die ersten Aufklärungen wurden nicht so sehr durch die frisch aufgenommenen literar-historischen Studien (Hensler) über den Gregenstand gewonnen, als diirch die erneuerte Be- kanntschaft mit der Lepra selbst, welche zunächst durch die skandinavischen Aerzte Boeck in Christiania und Danielssen in Stockholm vermittelt worden (1842 und 1848) ist.

Seitdem sind durch Hebra, Virchow, Köbner, Bergmann und eine grosse Reihe von Schriftstellern aus den verschie- densten Lepragegenden, sowie von Pathologen unserer Zonen, deren Verdienste nicht im Geringsten geschmälert werden soll, wenn ich sie hier auch nicht namentlich anführe, weitere wertlivolle Aufschlüsse über die Pathologie und Anatomie dieserKrankheit gegeben worden. Nicht wenig hat zur Orientirung beigetragen der Umstand , dass viele als besondere endemische Krankheiten bis dahin gegoltene Uebel, wie Radesyge in Norwegen; Falcadina, Scarliavo im Istrianischen; Siw-

41*

^Q_^ Eiirnnd vierzigste Vorlesung.

wens in Schottland; Krimskaja s. Morbus tauriensis in der Krim u. A. dahin klargestellt wurden, dass zwar manche derselben, z. B. die Krimskaja, zum Th eil der Lepra entsprechen, grössten- theils aber einen Sammelbegriff für allerlei chronische und unheilbare Krankheiten, namentHch ulceröse und hereditäre Syphilis vorstellen, demnach von Lepra complet verschieden seien.

Wir wissen, dass die Lepra heutzutage in allen Küsten- ländern und auf den Inseln des mittelländischen, schwarzen imd kaspischen Meeres, ausserdem in Norwegen, Lievland, im ganzen Küstengebiet Afrikas und auf dessen benachbarten Inseln, sowie in einzelnen -Binnenländern , in Kleinasien, Syrien und Palästina (am Libanon), /ferner auf den Küstenstrichen und Inseln des indischen und. chinesischen Meeres, auf den Inseln des australischen Archipels, in einzelnen Staaten Nord- amerikas, häufig in Mittel- und Südamerika, noch besonders in Island, endemisch vorkommt. In einzelnen Fällen und in besonderer Form, das ist speciell der maculösen, findet sich Lepra auch auf dem südöstlichen Theile des europäischen Continentes, in der Moldau, WaUach ei , der Türkei, dem süd- lichen Russland, und jüngst hat Schwbimer aus Ungarn l Fall mitgetheilt. Allüberall, wo sie überhaupt sich vorfindet, erweist sich die Krankheit von wesentlich demselben Charakter lind derselben deletären Bedeutung. Deshalb sind auch die vielfach in Gebrauch gewesenen geographischen Bezeichnungen, wie Rosa esturiensis. Krimisches Uebel oder die regionär üblichen Benennungen, wie Spedalskhed in Norwegen Morphea in Italien, Malo mortuo-, Ngerengere, Melaatscheid (hoUand.) aufgegeben und der Namen Elephantiasis Graecorum s. Lepra Arabum, oder Lepra kurzweg allgemein angenommen und iur die Zukunft beizubehalten.

Lepra char akterisirt sich als eine constitutio- nelle Krankheit, welche im chronischem Verlaufe auf der allgemeinen Decke (und Schleimhaut) gelb-, roth- bis dnnkelbranneFlecke und E ntf ärbnngen, flache, diffuse und knotige, zur Schuppung oder Ulceration gelangende Infiltrate, seltener Bla- sen, weiters Hyperästhesie und Anästhesie und vielerlei Erkrankungen auch innerer Organe^ ver- anlasst und mit seltenen Ausnahmen durch einen

Lepra.

645

specifischen Marasmus direct oder ; iEidirect zuin Tode führt.

Die aufgezählten Symptome treffen manchmal allesammt. gleichzeitig bei demselben Individuum: zusammen. In der^ Regel jedoch erscheinen sie in einer gewissen Grruppirung und Reihenfolge, welchen entsprechend es gerechtfertigt und prak- tisch: ist, die Lepra nach mehreren Typen die aber doch immer denselben Process bedeuten zu unterscheiden. Solcher haben, nach dem Vorgange von Robinson, Boeck und Danielssen zwei nntetschieden: Lepra tuberosa und anaesthetica , Armaueb., Hansen dagegen L..tuberosa et maculosa.

Ich, habe geglaubt auf Grund meiner Beobachtungen dreierlei Typen unterscheiden :zu sollen: 1. die knotige oder tuberöse, 2. die fleckige oder maculöse, 3. die anästheti- sche Form der Lepra.? : :

Der Krankheit, welches Typus immer, pflegen Prodro- malerscheinungen voranzugehen, welche sich von , den bei anderen schweren Erkrankungen zu beobachtenden nicht we- sentlich unterscheiden, als: Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Schlaf- losigkeif, .allgemeine Unlust, mäsäige Fieber erregungen, Diar- rhoen, bei einzelnen Personen Pemphigusblas.en, die in spärlicher Zahl, jeden Tag eine, oder in vielen Tagen nur einzelne, auftauchen. ' Die Prodromalsymptome , die nur in seltenen Fällen ganz ausbleiben, können Wochen, Monate , selbst mehrere Jahre a'ndauern , worauf dann die eigentlichen Leprasymptome sich einstellen. Es ist aber aus den . Vorlauf ern durchaus nicht zu entnehmen, nach welchem Typus der Process sich gestalten wird, ob nach dem der knotigen,, der fleckigen, oder der anästhe- tischen Lepra.

1. Der Knoten-Aussatz, Lepra tuberosa, be- ginnt mit der Entwicklung von fingernagel-, thaler- bis flach- liandgrossen und noch mehr ausgedehnten, rundlich oder unregelmässig gestalteten Flecken, von anfangs rother, unter dem Fingerdruck erblassender , alsbald graubraun- bis sepiabrauner- oder Bronce-Farbe. An denselben ist die Haut glatt, glänzend, wie mit Oelfarbe bestrichen, oder broncirt -und verdickt (infiltrirt), flach oder etwas vorspringend und gegen Druck schmerzhaft. Die Flecke finden sich unregelmässig zerstreut über Stamm , Extremitäten, im GJ-esicht, an Händen und Füssen, Flachhand und Fusssohlen.

Q^Q Einundvierzigste Vorlesung.

Wochen und Monate hindurcli bleibt es bei diesen Flecijen-, formen und flachen Infiltraten, welche ihre Gestalt und Grösse vielfach ändern, indem sie theilweise mit einander confluiren, oder stellenweise schwinden , oder durch centrale Rückbildung und peripheres Fortschreiten annuläre Form annehmen.

Nach Monaten , manchmal erst nach 2—3 J ahren, tauchen an verschiedenen Körperstellen Knoten auf. Sie sind schrot- korn-, erbsen-, bohnen- bis haselnussgross , flach oder halb- kugelig vorgewölbt, schmutzig braunroth, glänzend, derb- elastisch bis weich anzufühlen, mit glänzender, zuweilen mässig schilfernder Epidermis bedeckt, zerstreut, stellenweise dicht zusammengedrängt, wodann sie entweder unregelmässige, ungleich höckerige Plaques, selten regelmässige Kreisfiguren präsentiren.

Ihr hauptsächlichster Sitz ist das Gesicht. Hier bilden sie über den Augenbrauen diesen parallel und dicht anein- andergereihte, höckerige, das Auge überdachende Wülste; an der Nase, sowie an den Wangen und am Kinn unregelmässige, dichte Haufen, welche an Lupus tumidus oder Acne rosacea erinnern. Die Lippen werden diff'us oder knotig verdickt, wulstig, aufgeworfen, die UnterHppe wird hängend, was dem Gesichte einen hämischen, blöden Ausdruck verleiht, während die tiefgefurchten und gegen die Glabella gedrängten Stirn- wülste zugleich demAntütz das Gepräge des Morosen, Stumpf- sinnigen verleihen. Die Augendeckel werden oft durch Knoten herabgedrängt oder ausgestülpt; die Ohrläppchen hängen als dicke, unförmliche, sulzig transparente Knollen herab.

Am Stamme und an den Extremitäten kommen die Knoten in ungleichmässiger Vertheilung vor; an vielen SteUen sind sie mit dem Finger als in das subcutane Zellgewebe reichende Knollen fühlbar. Auf der Flachhand und Fusssohle haben wir einmal zahlreiche kleine Knötchen gesehen, die denen der SyphiHs , oder des Lupus zum Verwechseln ähnlich waren. Hände und Füsse werden durch die flachen und knotigen In- filtrate und das sie begleitende Oedem verdickt, sehr schmerz- haft, so dass das Gehen und Hantiren mit bedeutenden Be- schwerden verbunden ist.

Auch auf der Conjunctiva palpebrarum und auf der Cornea kommt es zu atheromähnlichen Knötchen, Schrum- pfungen -Pannus crassus s. leprosus m Folge von Ectropium und Lagophthalmus zu Verschwärung der Cornea.

Lepra.

647

Der Verlauf der einzelnen Knoten ist äusserst lente- scirend, obgleich ihre Entwicklung ziemlich rasch stattfinden kann. Sie gehen erst innerhalb vieler Monate retrograde Me- tamorphosen ein. Viele werden vollständig resorbirt, mit Hinter- lassung von dunkel pigmentirten , atrophischen Stellen ; andere breiigen sich bei centralem Schwund peripher aus und bilden Kreisformen; noch andere zerfallen, wahrscheinlich zumeist durch mechanische Ursachen, Stoss , Druck, besonders über den Ellbogen , Knieen , an den Füssen und geben Veranlassung zwv Entstehung der leprösen Geschwüre. Diese sind flach, höchst indolent, sondern massig dünnes Secret ab und über- häuten wiederholt , um neuerdings zu zerfallen. Selten greifen sie tiefer, in Verbindung mit Massennecrose. Bei dieser Ge- legenheit kommt es , namentlich an den Unterextremitäten, oft zu complicirenden Entzündungen, Lymphangoitis , Erysipel,, Eiterung und Eröffnung der Gelenke, des Sprunggelenkes und der Mittelfussgelenke, der Phalangen, der Finger und Zehen, wobei einzelne Knochenpartien verloren gehen, ganze Glieder abfallen und Mutilationen verschiedener Art zu Stande kommen können Lepra mutilans.

Auch auf der Schleimhaut der Nase, besonders aber der Mundrachenschleimhaut, des Kehldeckels und des Kehl- kopfes, tauchen reichliche Knötchen auf; es kommt zu Ver- dickung und Kissigsein der Zunge, bei Beibehaltung des Geschmackes, Schrumpfung des Kehldeckels, tonloser Stimme und Exhalation eines süsslich faden Geruches. Früher oder später tritt auch Anästhesie an verschiedenen Körperstellen auf.

Die geschilderten Erkrankungserscheinungen entwickeln sich in einzelnen Fällen unter Fieber höchst acut und erreichen binnen wenigen Monaten einen so hohen Grad, wie in anderen Fällen kaum nach vielen Jahren. Unter Andauer und fortwährender Steigerung des Fiebers und der Eruptionen gesellen sich Erkrankungen innerer Organe hinzu: Gehirnerscheinungen, erschöpfende Diarrhoen, Pneu- monie, Pleuritis, und die Kranken gehen zu Grunde. Zumeist jedoch kommt der erwähnte Symptomencomplex in chro- nischem Verlaufe zu Stande, welcher durch acute Exacer- bationen , namentlich Fiebererregungen unterbrochen wird, die einmal von einer raschen Involution der meisten Knoten, oder dem erneaerten Ausbruch vieler , oder Involution alter

648

Einundvierzigste Torlesung.

und Evolution neuer gefolgt sind, so dass die Fiebererschei- nungen den Charakter von metastatischen Processen darbieten.

Grleichzeitig wird das Gesammtbefinden unter solchen Complicationen bedeutend alterirt , während in den fieberfreien Stadien das geistige und körperliche Befinden vollständig gut sein kann , wofern nicht die örtlichen Hautafi'ectionen, nament- lich entzündliche Complicationen, den Zustand unbequemer machen. Nach Verlauf von im. Durchschnitte 8 10 Jahren wird doch allgemeiner Marasmus, oder eine complicative Er- krankung der inneren Organe den Tod veranlassen. Sehr häufig ist es eine acute fieberhafte Eruption, welche mehrere Wochen und Monate anhält, die das letale. Ende herbeiführt. In noch anderen Fällen kommt es vorerst zu Anästhesien und Pemphigusformen , welche Fälle auch alsgemischteLepra figuriren, so dass nun das Krankheitsbild der anästhetischen Lepra als prävalirend sich etablirt und bis an's Lebens- ende anhält.

2. Der Flecken-Aussatz, Lepra maculosa, charakte- risirt sich durch mit oder ohne Prodrome auftretende Fl e cke von dem schon beschriebenen Ansehen, als rothe oder verschieden braun gefärbte, glänzende Verfärbungen mit oder ohne In- filtration, oder in Grestalt von theils punktförmigen oder streifen- förmigen, oder auch diifusen, dunklen Pigmentirungen, die mit pigmentlosen , weissen Punkten , Flecken und Streifen unter- mischt sind, wodurch die allgemeine Decke ein geschecktes Ansehen erhält.

Manche Autoren (Er. Wilsox) unterscheiden unter diesen mannigfachen Formen eine als Morphaea (rubra, alba, lar- dacea, atrophica, nigra), bei welcher verschieden grosse, roth umrandete, in der Mitte entweder weisse, speckig glänzende lind derbe, oder hier atrophische und pigmentirte Flecke ent- stehen; weiters Vi tiligo-Formen, welche durch ausgebreitete sepiabraune Pigmentirungen präsentirt werden.

Lepra maculosa geht häufig, in die Knotenform über und ebenso häufig gesellen sich zu derselben die Symptome der anästhetischen Lepra.

3. Lepra anaesthetica kennzeichnet sich, wie der Name besagt, durch das Auftreten von Anästhesie an der Haut. Dieselbe erscheint entweder an solchen Hautstellen, welche der Sitz von Knoten oder von Flecken sind ; oder es kommen vor-

Lepra.

G49

erst mit oder ohne anderweitige Lepra-Ersclieinurgen Pemplii- gusblasen Pemphigus leprosus, welche nach ihrem. Abheilen weisse, glänzende und sofort anästhetische Haut-- stellen zurücklassen, oder nach Abfallen ihrer Decke flache oder tiefere Ulcerationen veranlassen; oder die Anästhesie tritt an vollständig normal aussehenden Hautpartien auf, so dass man erst durch die Untersuchung mit der Nadel die be- treffenden Stellen entdeckt. Zuweilen geht der Anästhesie einer Stelle Monate hindurch Rothe und Hyperästhesie voraus. Manchmal runzelt sich die Epidermis über den anästhetischen Partien , welche .dadurch greisenhaft erscheint und von der nachbarlichen gesunden, strotzenden Haut, von welcher sie öfters auch durch eine geröthete, hj^perästhetische Marke abgegrenzt erscheint, sehr auffallend absticht.

Die anästhetischen Stellen entsprechen nach Oertlichkeit und Ausdehnung keineswegs einem ganzen, bestimmten, cutanen Nervenbezirk ; es herrscht in dieser Beziehung die grösste Un- regelmässigkeit und es fällt aus einem grossen anästhetischen Felde oft ein ganz unregelmässiger Meck aus , der die Empfin- dung bewahrt hat. Die Empfindungslosigkeit wechselt in der ersten Zeit auch oft ihren Ort, verschwindet da, taucht dort auf iindnur wo sie stabil geworden, tritt nachträglich Atrophie, dunkle Pigmentirung und ßunzelung der Haut ein. Die Anästhesie ist eine vollständige; man kann eine Nadel bis an den Knopf durch Haut und Muskeln einstossen, ohne die geringste Empfindung zu wecken, und die Elranken verbrennen sich oft am Eeuer, ohne im mindesten , etwas davon zu wissen.

Häufig findet man einzelne sixbcutan gelegene Nerven- stränge , z. B. den Nervus ulnaris , zwischen Olecranon und Condylus internus humeri, oder den ganzen Plexus cervicalis, den Nervus brachialis, gegen Druck sehr schmerzhaft und ge- schwollen.

Im Bereiche der Schleimhaut des Mundes und der Hachenhöhle kommen bei dieser Form keine aufi'dllenden Ver- änderungen vor ; jedoch klagen die Kranken häiifig über Empfindung von Trockenheit und quälenden Durst. Nun steigern sich nach Ausbreitung und Intensität einerseits die Hyperästhesien, und andererseits die ihnen folgenden Krank- heiten und Atrophie der Grewebe. Es stellt sich Ameisenlaufen in den Extremitäten , Schmerzhaftigkeit aller Nervenstämme

ß^Q- Eimindvierzigste Vorlesung.

ein, die Kranken vertragen es nicHt längere Zeit in der gleichen Stellung zu sitzen oder zu liegen, sie müssen sogar gespeist werden, weü sie nichts in die Hand zu nehmen im Stande sind, ebensowenig wie zu gehen oder zu stehen, ohne die heftigsten Schmerzen, ja zuweilen klonische Krämpfe zu bekommen. Nach längerer Zeit lassen diese Symptome der Hyperästhesie nach, was aber keineswegs ein Zeichen der Besserung, sondern ein Symptom der folgenden allgemeinen Anästhesie ist, welche grössere Nervenbezirke nunmehr be- fällt. Der Anästhesie folgt auch weiters Atrophie der Haut und der unterliegenden Gewebe, namentlich auch der M u s k e 1 n, was der Haut ein welkes, greisenhaftes Ansehen verleiht. So präsentirt sich speciell der Gesichtsausdruck alternd, greisen- haft, blöde, stumpfsinnig, wegen der ausgesprochenen Runzelung, des Aufhörens alles Mienenspieles ; wegen Lähmung des Augen- schliessmuskels hängt das untere Augenlid herab, tritt Thränen- träufeln, Xerophthalmus ein; ebenso hängt die Unterlippe schlapp herab , über welche fortwährend der Speichel abfliesst. Weiters werden durch die ungleiche Action der theils noch functionirenden, theils in ihrer Function alterirten oder ge- lähmten Muskelgruppen vielfach Verzerrungen sowohl im Be- reiche des Gesichtes , als an den Extremitäten stattfinden, letzteres namentlich an den Händen, wo die Beuger ^^er ^le Strecker das Uebergewicht erlangen und die Finger m halber Beugung gehalten, dagegen die Hohlhand convex vorgedrängt, der Handrücken eingebuchtet und an SteUe der atrophischen M interossei grubig erscheint. Zugleich sind die Finger- spitzen kolbig verdickt, die Nägel kappenförmig und ver- dünnt, die Hand im Handgelenke nach einwärts geroUt. Kopf- und Körperhaare werden allmälig trocken, dunn, fallen aus Endlich kommt es zu Ulcerationen, öderes wird das Gewebe unter ganz unmerklichen Entzündungserscheinungen einfach consumirt, verdünnt, so dass im fortschreitenden Schwunde der Haut Fascien und Sehnen, ein oder das andere Gelenk blossgelegt und ein ganzer Finger, eine Phalanx, eine ganze Hand, ein ganzer Fuss, plötzlich abfallen - Lepra mutilans. Hie und da kommt es auch an einzelnen Stellen zu mumificirender, oder feuchter Gangrän. Es lässt sich schwer anders sagen, als dass an diesem Schwund der Gewebe Al- terationen trophischer Nerven - obgleich deren Existenz

Lepra.

651

keineswegs anatomiscli nacligewiesen ist Schuld tragen; denn es machen sich auch solche trophische Störungen an Oert- lichkeiten geltend, wo von Spannung, Druckerscheinung, wie üher den Grelenken, keine Eede ist, z. B. Perforation der Nasenscheidewand, Iridocyclitis, Erbleichung der Iris.

Yon der G-eschlechtsfunction haben Einige gemeint, dass sie bei Leprösen abnorm gesteigert sei (S aty r ia si s). Das ist nun nicht richtig; aber sie ist auch nicht immer auf- gehoben, selbst wenn das Integument der Grenitalien bereits anästhetisch ist.

Mit den fortschreitenden Lähmungserscheinungen im Be- reiche der sensitiven Nerven tind der Gewebsatrophie wird auch die Wärmeproduction bedeutend herabgesetzt, die Herz- action träge, der Puls langsam, die Gehirnfunction sehr deprimirt. Die Kranken werden stumpfsinnig, sitzen oder liegen Tage lang theilnahmslos da, müssen gefüttert, gelegt, getragen werden. Allmälig kommt es auch zu Störungen der anderen Functionen, der Se- und Excretionen. Sie sterben marastisch unter einem Anfall von Tetanus, oder in Folge von Complicationen, Diarrhoen, Pneumonie, Pleuritis, Pyämie, kurz unter den verschiedensten Erscheinungen.

Lepra anaesthetica und mutilans ist diejenige Form, mit welcher der Gresammtprocess zu enden pflegt, auch wenn er als tuberöse oder Fleckenform begonnen hat (A. Hansen), wo- ferne nur die Kranken lange genug leben. Denn, während die Knotenform zwischen 8 iO Jahren unter einer acuten Exacerbation tödtlich enden kann, pflegt die anästhetische Form durchschnittlich erst in 18 19 Jahren das letale Ende herbeizuführen.

Als interessante Complicationen an der Haut, welche das Bild der Hautlepra einigermassen alteriren können, sind zu erwähnen : Favus, Eczema universale , Syphilis , Molluscum fibrosum, Elephantiasis Arabum, besonders aber Scabies, jene Form, welche wir als Scabies norwegica s. Boeckii näher kennen lernen werden, und bei welcher wegen der viel- jährigen, oft 40—50 Jahre langen Anwesenheit der Krätz- milben 1—2 Centimeter dicke, schwielige Auflagerungen be- obachtet worden sind und die Milben, wie bei der Scabies pecorina, nicht in geschlossenen Gängen , sondern wegen ihrer grossen Menge in unregelmässig ausgegrabenen Höhlen wohnen

ß^2 Eiunndvierzigste Vorlesung.

lind eine Unmasse von Milbeneiern , Larven und Trümmern derselben innerhalb der schmutzigen, trockenen Epidermis- scbwielen sieb vorfinden.

Nacb alldem ist die Prognose in jedem Falle von Lepra, welcher Form immer, höchst ungünstig, indem unter allen Umständen, es anag die Krankheit, unter welcher Form immer begonnen haben , dieselbe binnen Frist von mehreren Jahren unter den Erscheinungen des trophischen oder neu- rotischen Marasmus, oder eomplicirenden Erkrankungen ; zum Tode führt. Das gilt jedoch nicht für jene Formen, welche, eine Art Residuum der früheren epidemischen Lepra, in gegen- wärtig leprafreien Ländern unter den geschilderten Formen der circumscripten Morphea sich präsentirt, welche sowohl als örtliches Uebel spontan, heilen kann, als auch, selbst wenn persistirend, den Organismus in toto niemals infestirt.

In. Bezug auf die Diagnose dieser so vielgestaltigen Krankheit ergeben sich selbst für den weniger Erfahrenen nur dann Schwierigkeiten, wenn der Process noch nicht weit ge- diehen ist. Ein typisch entwickelter Fall von knotiger Lepra bietet ein so prägnantes Krankheitsbild dar, dass die Dia- gnose keinen erheblichen Zweifeln unterliegt. Verwechslungen kommen zu Beginn der maculösen und knotigen Form der Lepra vor mit Syphilis, wegen der Aehnlichkeit der beider- seitigen Hautaffectionen , namentlich wenn ein Lupusknoten zufällig am Präputiiim sich befindet, der für eine Schanker- sclerose imponiren kann. Sobald jedoch ausgebreitete, etwa flachhandgrosse und grössere dunkelbraune Flecke zugegen sind, wie solche bei Syphilis niemals vorkommen; noch mehr, wenn man die Unwirksamkeit einer jedweden antisyphilitischen Behandlung binnen wenigen Wochen zu constatiren Gelegen- heit hat, wird der wahre Sachverhalt ohneweiters klar

werden. . ^ tt 4.

Die im Bereiche des Gesichtes in Form von Knoten

sich darstellende tuberöse Lepra kann mit Acne rosacea, •sowie die hier und an anderen KörpersteUen localisirte mit L u p u s und P i g m e n t s a r c 0 m verwechselt werden.

Die m a c u 1 ö s e Form muss gegenüber Pigmentanomalien anderer Art, speciell Vitiii go differenzirt werden. Die anästhetische Form der Lepra ist am leichtesten zu diagnosticiren.

Lepra.

Im Allgemeinen darf bei der Diagnostik der Lepra auf die Provenienz des kranken Individuums ein grosses Gewicht gelegt werden, insoferne, :wenn dasselbe aus einer Lepra- gegend stammt, oder ,■ wie. wir hören werden, überhaupt in einer solchen längere Zeit gelebt hat , das bei ihm sich präsen- tirende Uebel um so wahrscheinlicher Lepra ist, woferne demselben entsprechende Erscheinungen zugegen sind , und umgekehrt, bei Personen:, welche niemals in Lepragegenden gewesen, kaum die Existenz dieser Krankheit angenommen werden kann.

Es wird Sie gewiss interessiren, über das Wesen und die ursächlichen Verhältnisse dieser in so deletärer und unwiderstehlicher Weise die körperliche und geistige Existenz des Individuums vernichtenden Krankheit einige Auf- klärung zu erlangen. Insoferne wir Inder pathologischen Anatomie der einzelnen Krankheitsprocesse wenigstens über den wesentlichen Vorgang bei denselben uns einige Aufklärung verschaffen können, mangelt es allerdings nicht an Daten, wozu namentlich die Arbeiten von Danielssen und Boeck, Gr. Sbion und ViRCHOW und nach ihnen mancher anderer jüngerer Arbeiter, Köbner, BerOtMAOT, Neumankt , Hansex, Thoma, Dehio, Monastikski, Kozlowski, Sakuf u. A. beigetragen haben.

Wie zuerst Virchow, so erklären nach ihm alle Unter- sucher die Lepraknoteli als „Grranulationsgewebe," sehr ähnlich dem bei Lupus, nur dass dasselbe nicht in getrennten Nestern, wie bei letzterem, sich entwickelt und die dasselbe constituireu- den Formelemente eine viel grössere Persistenz bekunden; so dass man sagen kann, von den mit einander ziemlich analogen Granulationsbildungen , Syphilis , Lupus und Lepra, sind die der letzteren von dem langsamsten Verlauf, obgleich sie schliesslich ebenso wie die der beiden andern Processe zur Pi,ückbildung und ßesorptlon, oder znm Zerfall gelangen. Auch hier entwickelt sich das neue Gewebe im eigentlichen Corium, bald mehr oberflächlich, bald tiefer, um einzelne Ge- fässe und von deren Wandung ausgehend , vorwiegend in der Nähe der gefässreichen Drüsen und Follikel und breitet sich dasselbe längs der Gefässe bis an das Rete und zwischen die Fettläppchen nach der Oberfläche und Tiefe aus, wodurch diifuse lepröse ZeUen-Infiltration der Ciitis entsteht. Auch in dem Falle sieht man jedoch (Fig. 39), dass das Infiltrat durch Binde-

654

Einundvierzigste Vorlesung.

gewebszüge in kleinere und grössere Herde unterabgetheilt wird (die wahrscheinlich Grefässcentren entsprechen). Die interstitiellen Bindegewebszüge sind streckenweise normal, strichweise mit Zelleinlagerungen, wie bei Entzündung ver- sehen. Auswachsen und Infiltration der Gefässwandung und

Fig. 39.

Durcliscliuitt eines Lepraknotens vom Oberarm. (Sclnv. Vcrgr.)

Endothelwucherung sind wiederholt beschrieben worden (Fig. 40), ebenso wie zapfen- und netzförmiges Auswachsen der ßete- kolben lind Drüsen - AuskleidungszeUen angegeben wird. Die letzteren Vorkommnisse, sowie die späteren Verödungen der Drüsen, Follikel, gelegentliche Härmorrhagien , die Lr- scheinungen der retrograden Metamorphose der Elemente der

Lepra.

655

Lepraknoten (Verfettung, Blähung der Einlagerungszellen, Bildung von Riesenzellen), dies Alles entspricht ganz und gar den Erscheinungen , wie ich bei Lupus ausführlicher ge- schildert und daher hier nur andeutungsweise erwähne. Während

Fig. 40.

a.. h..

d-

c...

1^ - "

Lepraknoten-Durchschiiitt. (Starke Vergr.)

a Hornschichte, b Kömerzellenschichte der Epidermis, d gewuoUertes Rete. c PapiUe. (schief petroffen) eben so wie das Corium e, mit gleichmässiger Zellenmültration, 0 Blutgefäss mit ZelJenwucherung der Wandung, f Lymphgefäss (Schweissdrusengang

mit gewuchertem Endothel.

die im Vergleiche zu Lupus arme Vascularisation der Lepra- knoten deren träge Vegetation und Unfähigkeit zu höherer Organisation erklären mag, dürfte Obliteration der spärlichen Gefässe durch Endothelwucherung die schliessliche retrograde Metamorphose und Verödung derselben veranlassen.

656

Einund vierzigste Vorlesung.

Sehr interessant ist der zunächst von Virchow, und nach ihm von anderen Autoren bezüglich der Nervenerkrankung bei Lepra gegebene Befund, welcher sich als eine wahre Lepra, nervorum herausstellt. Es findet sich nämlich ein chronischer Entzündungsprocess, welcher in kleinen, mikroskopischen Herden zunächst das Bindegewebe der äusseren Nervenscheiden, sodann das Neurilem und später die die einzelnen Nervenbündel von einander trennenden Septa betrifft und. mit einer den Ent- zündungsherden entsprechenden Zelleneinlagerung verknüpft ist. Dieselbe kann sich stellenweise wieder rückbilden; oder sie führt im weiteren Verlauf und bei längerer Dauer zu Fett- metamorphose oder vollständiger Atrophie einzelner Nerven- primitivfasern.

Diese Erkrankungsform hat zwar nichts für Lepra Speci- fisches, erklärt aber immerhin sowohl das Auftreten von Hyper- ästhesie und Anästhesie , als auch die Erscheinung , dass diese Sensibilitätsanomalien in der ersten Zeit noch wandelbar sind, das ist so lange die Entzündungsproducte innerhalb des Nervenstammes noch aufgesogen werden können; weiters das Persistiren der Anästhesien, wenn es zu irreparablen Meta- morphosen der Nervenprimitivfasern gekommen ist ; und endlich die Eigenthümlichkeit , dass die anästhetischen Stellen ana- tomisch so unregelmässig erscheinen, weil eben bei der herd- weisen Beschaffenheit der Entzündungsablagerung eben nur einzelne Primitivfasern in ihrer Function ausfallen können, während andere Fasern desselben Ausbreitungsterritoriums in ihrer Function noch erhalten sind.

In Bezug auf die anatomischen Veränderungen anderer, namentlich der inneren Organe, der Lungen und des Darmes , der Hoden , der Drüsen , der Leber , Milz , Nieren scheinen, nachdem man vielfach daran gezweifelt und selbst unter Annahme mancher zufälliger, namentlich tuberculöser Complicationen, nach den neueren Arbeiten von A. Haxsex und MoNASTiBSKi ganz analoge Verhältnisse (herdweise Zellen- infiltration des Bindegewebsgerüstes mit consecutiver Atrophie des parenchymatösen Grewebes) obzuwalten.

Die Ursachen der Lepra, die entfernt und nächst- liegenden, haben Einzelne, wie gelehrte Körperschaften und amtlich berufene Commissionen wiederholt zu ergründen ver- sucht — doch bis nun vergeblich.

Lepra.

657

Darnach wissen wir zunächst , dass die Lepra eine endemische Krankheit darstellt, und ich habe bereits das geographische Bild ihrer Localisations- und Verbreitungsbezirke skizzirt. Man hat aus der doch beschränkten Localisation der Lepra geschlossen , dass die klimatisch-tellurischen Verhältnisse, oder die physikalische Beschaffenheit des Bodens, oder ein aus diesen resultirendes, malariaähnliches Agens die Ursache der Lepra sei. Mit dieser Ansicht verträgt sich aber sehr schwer die Erfahrung, dass die Lejora in in klimatisch- tellurischer Beziehung so verschiedenartigen Gegenden vor- kommt, wie z. B. in Island und Bergen , Aegypten und Cap- stadt, in dem von eisigen und langen Nächten heimgesuchten Norden, und unter dem ewigblauen Himmel und dem sengendeii Sonnenstrahle der Tropen, auf den Höhen des Libanon^ fernab vom Meere, und an den Sümpfen der Krim.

Nicht glücklicher ist die Meinung, dass schlecht*; Kost, ausschliessliche Nahrung von Fischen, oder Thran, oder gesalzenem und gepöckeltem Fleisch die Ursache der Lepra sei, da in Lepragegenden mitten im "Wohlleben der Grrossstadt, z. B. in Rio de Janeiro lebende, den besten Ständen angehörige Personen von Lepra befallen werden.

Neuerlich hat man wieder die Lepra durch Contagion entstehen lassen (L andre), gerade wie zur Zeit ihres ersten Auf- tretens, da die doch gewiss selber ansteckungsfähigen Syphi- litischen sich weigerten, mit den Leprösen zusammenzuwohnen. Freilich kommen da merkwürdige Fälle vor. So haben wir bei einem in Turin geborenen Herrn, der einige Jahre in Aegypten zu- gebracht hatte , Lepra tuberosa gesehen , dessen Frau , die ein paar Jahre später dorthin gekommen war, nun ebenfalls Lepra maculosa und anaesthetica bekommen hatte.

"Wie für viele infectiöse, oder als solche geltend gemachte Krankheiten, so sind auch neuerlich B a c t e r i e n und Micro- co ccus bei Lepra demonstrirt worden (Carter, Hansen, Klebs, Eklund, Neisser), deren Beziehung zur Krankheit jedenfalls erst noch erwiesen werden müsste.

Den meisten Anklang fand die Ansicht, dass die Lepra als hereditäre Krankheit sich entwickle. Dazu haben namentlich die Familienregister , welche Danielssen und Boeck veröffentlicht haben, beigetragen, aus denen zu entnehmen war, dass die Krankheit in denselben Familien in mehreren

Kaposi, Hautkrankheiten. 42

^gg Einundvierzigste Vorlesung.

Generationen fort nnd fort auftauche, nnd selbst wenn die Nachkommen in früliester Jugend in leprafreien Gegenden aus- gewandert waren, dort in ihrem 2Ü.-30. Lebensjahre von Lepra befallen wurden.

Es sind dagegen, zunächst bezüglich der von Danielssen und BOECK berücksichtigten Lepragegenden xim Bergen herum, das Gegentheil beweisende Tafeln verfasst worden (Bidexkap, Hjokt u. A.). Speciell aber verträgt sich mit der Annahme der Heredität durchaus nicht die Thatsache, dass viele Personen, wie ich selber deren mehrere kenne, deren Vorfahren niemals in Lepragegenden gewesen, die in leprafreien Gegenden geboren wurden z. B. in Mitteleuropa, nach Lepragegenden aus- gewandert waren, daselbst nach zwei- bis mehrjährigem Auf- enthalt von Lepra befallen wurden.

i^ach alldem ist über die Ursache der Lepra bis nun nichts entschieden und es darf noch immer eine Hypothese sich hervorwagen, nach der ich meine, dass die physikalisch-geo- graphischen Verhältnisse denn doch die nächste Veranlassung für die Lepra abgeben. So würden sich die Erkrankungsfalle bn in Lepragegenden eingewanderten Personen erklären, sowie die Erfahrung, dass in leprösen Familien die Krankheit zu- weilen erlischt, wenn sie in leprafreie Orte auswandern. ■Weiters aber glaube ich, dass von leprösen Eltern die here- ditäre Anlage sich auf die Kinder und Nachkommen vererben kann wie andere dyskrasische Dispositionen, z. B. die L>is- positon zur Erkrankung an Carcinom und Tviberculose.

Die Therapie dieser bösartigen Krankheit anlangend, stehen wir der letzteren sehr ohnmächtig gegenüber.

Was an scheinbar specifischen Mitteln, pflanzlichen und mineralischen, oder Geheimmitteln, namentlich in Lepragegenden und in den Tropen, z. B. von Assacu Madar oder der Hydro- cotyle asiatica, der Hura brasiliensis, Gurjunoel (Balsamum Dipterocarpi), Chaulmoogra-Oel (von Gynocardia odorata) und vielen anderen Mitteln angerühmt wurde, hat sich voU- ständig unhaltbar erwiesen. Es bleibt nichts anderes ubng als nach allgemeinen Regeln die Leprösen zu l^ehandeln: Liächst diefelben, wo immer thuiüich, zum Aufenth^^^^^ in leprafreien Gegenden zu veranlassen; alsdann a es anzuwenden , was die allgemeine Ernährung - 1-^- im Stande ist. Aufenthalt in guter Gebirgsluft, kräftigende

Lepra.

659

Kost, Bäder, Douclieii, Kaltwasserciir ; weiteres die ört- lichen Symptome, wie Knoten, Grescliwüre, entzündliche Er- scheinungen nach allgemeinen chirurgischen Gesetzen zu behandeln, gegen Hyperästhesien mit Paregoricis vorzugehen und Anästhesien mittels Elektricität zu bekämpfen.

Nicht weit vorgeschrittene Fälle, namentlich Lepra tuberosa jugendlicher Individuen, können beim Aufenthalt in leprafreien Gregenden binnen vielen Jahren sistiren , factisch auch heilen. Vorgeschrittene Fälle der anästhetischen Form, sowie der tuberösen, können auch da nicht in ihrem deletären Verlauf aufgehalten, wohl aber bedeutend verzögert werden.

"Was die circumscripten, oder örtlichen Formen der Mor- phaea anbelangt , so heilen sie eo ipso entweder spontan, oder nehmen einen so lentescirenden Verlauf, ohne den Organismus jemals zu infestiren, dass wir über ihre Behandlung umso- weniger zu. sprechen brauchen, als wir überhaupt kein Mittel besitzen, um dieselben direct zu beeinflussen.

42*

Zweiandvierzigste Vorlesung.

Careinom. Begriff des Krebses, Formendesselben: Epitheliom, Binde- gewebskrebs, Pigmenikrebs. S a r e o m.

Carcinoma,

Krebs, gilt heutigen Tages keineswegs als ein so scharf begrenzter pathologischer Begriff, wie etwa Lnpns, so dass es zweckmässig sein dürfte, vorerst bezüglich desselben uus zu Orientiren. Tür die ärztliche Vorstellung früherer Zeiten galt nämlich als Krebs eine Geschwulst, welche als harter Knoten entstand (/.axo-^^e? der Griechen, Scirrhus Chirurg.) und später zum eigentlichen Krebsknoten (-/.a.p-/.{vo)aa. , Cancer occultus) und zu fungöser Wucherung (^uixtov) sich entwickelte, dann zu Ulceration (Cancer apertus) gelangte und endlich an sich , oder durch aUgemeine Verbreitung einen ziun Tode führenden Marasmus (Krebscachexie) zur Folge hatte._ Mit dem Erblühen der anatomischen Epoche des medizinischen Studiums ging man daran, auch für den schwankenden k mi- schen Begriff des Krebses eine positive anatomische Grundlage zu schaffen. Einzelne , wie Lebekt , Hannover, glaubten sotort in den Kr eb s z eilen das Charakteristische dieser Geschwulst- form gefunden zu haben. Aber es stellte sich bald heraus, dass die „Krebszellen" von den äquivoken physiologischen Gebilden, von proliferirenden Epithelien , nicht unterschieden werden konnten. Schon Rokitansky that einen Schritt zurück in die alte Zeit, indem er zwar fiü' den Krebs ein anato- misches Schema aufsteUte, aber die Bösartigkeit d. i. den klinischen Charakter als gleichwerthig und gleich - nöthig für den Charakter einer Krebsgeschwulst hinstellte, in erstr'r Rücksicht bezeichnete er eine aus proliferirenden und

Carcinom.

G61

rasch vergänglichen Kernen und Zellen bestehende Einlage- rung , die K r e b s m a s s e , in ein Bindegewebs-Stroma , das Krebsgerüst, als für Krebs massgebend. Je nach der be- sonderen Beschaffenheit und dem Ueberwiegen des einen oder anderen der beiden wesentlichen Constituentien ergaben sich dann Unterarten des Krebses, als Faser-, Grallert- , Zotten-, Pigment-, Epithelialkrebs u. s. f.

Das eigentliche Epithelioma haben zwar Rokitaksky und Schuh sehr früh schon zu den Krebsen gerechnet, offenbar weil der zeitweilig beobachtete bösartige klinische Charakter des Gebüdes denselben als wesentlich erschien. Andere dagegen haben wegen der häufigeren gegentheiligen Erfahrung, nach welcher das Epitheliom durchwegs, oder durch lange Zeit als örtlicher Affect verläuft, das Gebilde den Krebsen nicht zu- zählen wollen und ihm auch den von Cancer unterscheidenden Namen PseudoCancer oder Cancroid (Lebert), oder Epithe- lioma (Hannover) beigelegt.

In der nächsten Zeit wieder berücksichtigte man den klinischen Charakter fast gar nicht, und liess man die Structur allein über die Bedeutung einer Geschwulst entscheiden. Dar- nach wurden unter VmcHOw's Einflnss von den bösartigen Geschwülsten , die früher alle als Carcinom gegolten hatten, eine grosse Reihe als S a r c o m e ausgeschieden, und man liess nur solche als Carcinom gelten, die einen alveolaren Bau, und einen ephitheloiden Zelleninhalt aufwiesen. Damit war der Epithelialkrebs der Krebs xaT' z(,oy-fy geworden, also gerade das Gewebe , das man früher gar nicht zu den Krebsen zu zählen geneigt war.

Bezüglich dieses aber concentrirte sich alsbald die Auf- merksamkeit auf die Histiogenese jener colossalen Epi- thelialwucherungen. Yirchow und Förster wollten nur jene epitheloiden Geschwülste als Krebse gelten lassen , deren Elemente aus Proliferation der Bindegewebskörperchen her- geleitet werden konnten, und unabhängig von präexistenten Epithelien des Pete und der Drüsen entstanden waren.

Gerade entgegengesetzt hat Thieksch jede Krebswucherung vom präformirten Epithel hergeleitet, indem er die Remak- His'sche Entwicklungstheroie , nach welcher der Aufbau aller physiologischen Gewebe nur in dem Rahmen der angenommenen drei Keimblätter vor sich gehen könne , auch auf pathologische

QQ2 Zweiundvierzigste Vorlesung.

Gewebsneubildung aiisdelmte , dass darnach auch pathologische Epithelbildung nur aus Epithel hervorgehen könne.

Obgleich sehr bald die meisten Pathologen und Anatomen diesen Ausführungen im Wesentlichen sich angeschlossen haben, so hat doch Thiesch's Arbeit zu einem Rückschlag in den Anschaxiungen über den Charakter des Krebses Veranlassung gegeben. Bei Thiersch gipfelt die Morphologie und Histiogenese des Carcinoms in dem Nachweise der wuchernden Epithel- zapfen, d. i. der Zelleneinlagerung, der Krebsmasse. Aber der zweite, nach Rokitansky „gleich wichtige" Factor des Carcinoms, das die Zelleneinlagerung aufnehmende Gerüste war ganz ausser Betracht geblieben. Dadurcb sah der Krebs nach Thiersch (anatomisch genommen) nickt anders aus als manche aus Proliferation des Epithels hervorgegangene gutartige Gebilde, M. verrucosum (Epithelioma Moluscum, Virchow) und

manche Adenome.

Sofort hat Billroth die Infiltration des Bindegewebes, also die Existenz des Krebstromas, wie Rokitansky, als zum Charakter des Krebses nothwendig hervorgehoben. Ja Billroth ist zum Theil ganz zu den alten Chirurgen zurückgekehrt, die vom Scirrhus und Cancer occultus den Krebs beginnen Hessen, indem erden vom epithelialen Ursprung unabhängigen Bindegewebskrebs festhält. Nicht viel anders verhalten sich 0. Weber, Klebs, Rindfleisch, welch' letzterer eine ganze Gruppe von „krebshaften Gesckwülsten" anführt. Ja man ist sehr bald in Bezug auf Histologie des Krebses so weit wieder auf die Anschauungen der ersten Rokitansky' sehen Zeit zurück- gelangt, dass man Combinationen von allerlei Gerüst- und Zelleneinlagerungsformen bei Krebs gelten lässt, die nach der modernen Bezeichnungsweise als Sarco-Carcinom , Fibro-Sarco- Carcinom, Adeno-Carcinom u. s. f. aufgeführt werden, so dass der rein epitheloide Charakter für die Krebsmasse gar nicht mehr prätendirt wird, obgleich derselbe allerdings auch nicht ganz feblen darf, soll ein pathologisches Gebilde für

Krebs gelten. ^ , , . . a-^

Aber auch in einem zweiten Punkte sind wir m die Epoche RoKmuNSKY's zurückgelangt, darin, dass das Unzu- reichende einer jeden rein histologischen Charakteristik für Krebs zugestanden wird. Deshalb erklärt schon Thiersch, trotz seiner exclusiv-histologischen Anführungen , schliesslich,

Epitheliom.

663

dass er den Krebs nicht für einen anatomisclien, sondern einen klinischen Begriff halten müsse. In diesem spielt aber die schon von Rokitansky hervorgehobene Bösartigkeit eine Hauptrolle.

Darnach kann man, wie ich dies bereits 1872 gethan, den Krebs definiren als ein Neiigebilde, das einen im althergebrachten klinischen Sinne bösartigen Charakter zeigt und atis einer in ein entzündlich infiltrirtes Bindegewebsgerüste alveolar-, oder zapfen- und schlauchartig eingelagerten, p r o lif er ir en d en, epitheloiden Zellenmasse besteht.

Doch meine ich damit den Epithelialkrebs, neben welchem, wie schon früher erwähnt, es auch Krebsformen gibt, für welche diese Charakteristik nicht passt, aber auch eine solche allgemein zutreffende vor der Hand nicht gegeben werden kann.

Von diesen Krebsformen befallen manche die allgemeine Decke idiopathisch, andere nur consecutiv. Als für die Der- matologie besonders wichtig führe ich an Epitheliom, Bindege web skr eb s und Pigmentkrebs.

Epithelialkrebs,

Epithelioma, Cancroid, Hautkrebs, Schornsteinfeger- krebs, Plattenzellenkrebs, Ulcus rodens, ein häufiges Object der dermatologischen Praxis, kann seinem Sitze nach unterschieden werden in den der Cutis und der Schleimhaut; nach seiner äusseren Gestaltung und Aiisbreitungsweise als 1. flacher, 2. tiefgreif ender oder knotiger, 3. papillomartiger Hautkrebs.

Das flache Epitheliom der allgemeinen Decke entsteht ziimeist auf früher normaler Haut in Form von ein und mehreren stecknadelkopfgrossen , glänzenden , blassrothen oder wachsartig schimmernden , sehr derben Knötchen , die zuweilen linear, meist zu einer unregelmässigen, warzenartigen Protuberanz zusammengedrängt erscheinen. Sie excoriiren oder zerklüften frühzeitig spontan, oder indem sie wegen massigen Juckens zerkratzt werden und bedecken sich dann mit einem aus viscidem Secret und Blut gebildeten Börkchen. Mehrere Jahre können vergehen, ohne dass dieser Zustand sich wesent- lich ändert. Alsdann, im Verlaufe des 5.— 10. Jahres, ver-

664

Zweiundvierzigste Vorlesung.

grössert sicla der Herd etwas rascher durch das Aiiftauclieii nevier Randknötchen. Diese Knötchen sind für den Epithelial- krebs aller Stadien charakteristisch. Man kann ein solches mittels eines stumpfen Instrumentes mit Leichtigkeit heraus- heben. Dasselbe erscheint als ein weisses, perlmutter artig glänzendes, glattes, einem Miliumkörnchen ähnliches, zwischen den Fingern leicht zerreibliches und zerklüftendes Kügel- chen, das, wie die mikroskopische Untersuchung lehrt, aus schollig gehäuften, oder um eine centrale Masse gelagerten epitheloiden Zellen unterschiedlicher Grösse und Form (Kerne runde , spindelförmige , geschwänzte , ein und mehrere Kerne und Tochterzellen enthaltende PI attenz eilen) sich zusammen- setzt, und als Cancroidkörperchen, Cancroidkugel, Perl- kugel, Entzündungszellen Gluge's, Alveolen Rokitansky' s, Brut- räume mit concentrischer Schichtung Vikchow's, Globes epider- miq^ues Lebbrt u. ä. A^on den Autoren angeführt worden sind.

Durch allmälig tiefer greifende Ausblätterung wird endlich eine wunde Fläche blossgelegt, das flacheKrebsgeschwür (Ulcus rodens). Es stellt einen rundlichen, bei grösserem Um- fange dreieckigen oder polygonalen, seichten Substanzverlust dar, mit scharf abgesetzten Rändern, dessen braun- oder gelblich- rothe, feinkörnige, schollig zerklüftende und ungleich nivel- lirte Fläche viscide Flüssigkeit secernirt, die zu einem firniss- artigen Ueberzuge eintrocknet. Grund und Eand sind hart, wenig beweglich, letzterer überdies theils glatt, theils mit derben, bläschenartig schimmernden (Cancroid-) Knötchen besetzt.

Oft kommt es in dessen mittlerem Antheil zu vollstän- diger Exfoliation des Epithelioms durch Narbenbildung an der Basis, so dass endlich eine flächenhafte Narbe resultirt und das Krebsgeschwür sich auf eine schmale, jene Narbe ein- säumende Furche reducirt. Zuweilen findet sich bei diesen Formen am Rande, wie in der narbigen Area, schiefergraues Pigment eingelagert (Schornsteinfegerkrebs, Pott, Cooper), ohne dass jedoch die Affection den malignen Charakter des Pigmentcarcinoms annimmt. Endlich kann auch die Knötchen eruption am Rande erlöschen und der Krebs derart binnen 15—20 Jahren örtlich spontan heilen. In der Regel tritt jedoch an einer nachbarlichen Stelle -ein neuer Herd auf.

Häufig beginnt der flache Krebs frühzeitig als ^ flache Excoriation einer von seborrhoischen, mit Zapfen in die Fol-

Epitheliom.

665

likel sich fortsetzenden Schuppen bedeckten Hautstelle , oder einer mit solcher gleichbedeutenden Verruca senilis (vide pag. 512), oder einer papillären "Warze.

Während des auf 10 bis 20 Jahre und darüber sich erstreckenden Verlaufes verursacht das flache Epitheliom keinerlei üble Folgen für den Gresammtorganismus, auch keine Schwellung der Nachbardrüsen, und besteht dessen Effect blos in der die Cutis, allenfalls auch noch den unterliegenden Knorpel betreffenden Consumtion und narbigen Verschram- pfang der betroffenen Theile.

Häufig jedoch geht im weiteren Verlaufe aus demselben der knotige oder tiefgr e if en de Epithelialkr eb s her- vor, welcher überdies oft genug primär als solcher erscheint. Er entsteht in Form von schrotkorn- bis erbsengrossen , dicht gedrängten , die Cutis ganz durchsetzenden und in die Unter- haut-Zellgewebsschichte reichenden, oder von da ausgehenden, flachen oder mässig hervorragenden, sehr derben und etwas durchscheinenden Knoten, welche im Verlaufe von Monaten und Jahren zu einem nussgrossen und grösseren, kugeligen oder flachkuchenförmigen , harten Tumor heranwachsen , dessen Oberfläche glänzend , wachsartig oder rosig schimmernd, von Grefässchen durchzogen, ungleich höckerig, plateauartig vorspringt, in der Mitte oft, in Folge spontaner Schrumpfung, nabelig eingezogen ist und mit steilen, glatten oder von Can- croidkörperchen besetzten, oder gekrämpten Rändern gegen die gesunde Umgebung abfällt. Das Gebilde setzt sich später als harte , wie im Gusse erstarrte Masse in den tiefen Hautschichten, und nur durch Zutasten erkennbar, auf weite Strecken fort und tritt da und dort in scheinbar isolirten Knoten in der Umgebung des centralen Tumors zu Tage. Nach verschieden langem Bestände kommt es zu Ulceration, u. z. entweder Anfangs zur Bildung flacher, wie früher beschrie- bener Geschwüre, die allmälig in die Tiefe greifen, oder zu rascher Erweichung tieferer Partien , über welchen die Haut blauroth , verdünnt wird , endlich sich erröffnet , womit sofort ein tiefes Krebsgeschwür zu Tage liegt. Dasselbe ist kraterförmig, unregelmässig, mit steilen, aufgekrämpten, jabot- artig gekerbten, harten Rändern versehen, aus dem auf Druck käsige, comedonenähnliche Pfröpfe (die epitheloiden Cancroid- zapfen) heraustreten. Es secernirt viscide Flüssigkeit, zeit-

QQQ Zweiimdviemgste Vorlesung.

weilig tinter rasch vorsclireitendem Zerfalle des Gewebes jauchiges Secret und führt, unter Voranschreiten der krebsigen Infiltration auf die unterliegenden Grebüde , von da ab binnen Monaten oder mehreren Jahren zu Zerstörung der letzteren, der Knorpel, Muskeln, Knochen. Obgleich an einzelnen Stellen durch Massennecrose das Gebilde ausfallen und vom Rand- gewebe her gute Granulation, selbst Ueberhäutung stattfinden kann, so schreitet doch nach anderen Richtungen der Process weiter, acquirirt sogar der Krebs an manchen Stellen den Charakter des medullären oder Zotten-Carcinoms (Markschwamm) und stellt sich von da ab binnen Monaten, 2— 3 Jahren, unter Schwellung der nachbarlichen Lymphdrüsen, Marasmus und letaler Ausgang ein.

Am raschesten verläuft mit einem solch deletären Resul- tate daspapillomartigeEpitheliom (malignes Papillom), welches in Gestalt eines breit, oder mit einem an der Basis eingeschnürten Stiele aufsitzenden, pilzartigen, mehrere Centi- meter emporragenden, harten Gebildes erscheint. Dessen Ober- fläche ist flach, in der Mitte seicht gedellt , von herabge- krämpten Rändern begrenzt. Anfangs roth oder schiefergrau pigmentirt, glänzend, pergamentartig trocken, später exfoliirend, excoriirt, zerklüftend, zerfällt dasselbe allmälig zu wie früher beschriebenen, vorerst flachen, später tiefen, jauchigen Ge- . schwüren. Sitzt das maligne Papillom auf wenig infil- trirter Cutis (auf flachem Epitheliom), so kann dessen Verlauf sich noch günstig gestalten; rasch deletär wird es dagegen, wenn es über einem infiltrirten Krebs sich erhebt.

Die genannten drei Typen des Epithelioms ent- und bestehen öfters ausschliesslich , finden sich jedoch auch öfters discret oder combinirt an demselben Individuum.

Die häufigste Localisation des Hautkrebses aller Formen betrifi't den Bereich des Gesichtes, vorwiegend die Augenlider und deren nächste Nachbarschaft, die Haut der knorpeligen und knöchernen Nase, demnächst die Unter- und Oberlippe, die Stirne und die seitlichen Wangenpartien, u. zw. hält sich die Erkrankung zuweilen Jahre hindurch an dieselbe Oertlichkeit, oder werden mehrere zugleich, oder von Recidiv- Ausbrüchen, oder durch allmäliges Umsichgreifen eines ursprüng- lichen Herdes in den Process einbezogen. So sind Augenlider, Schläfe und Nasenrücken oft durch Jahre von einem flachen

Epitheliom. 6(j7

Epitheliom besetzt, das mit centraler Vernarbiing auf die Wangen , Ohrmuscheln und Oberlippe übergreifen kann. Ein andermal dringt der Krebs vom Lid auf die Conjunctiva und von da, oder auch subconjunctival, mit Verschonung des Lid- randes in die Augenhöhle, ohne doch den Bulbus lange zu tangiren. Doch kommt es secundär in Folge von narbigem Ectropium zu Xerosis Corneae. Auf der Stirne gestaltet sich das Epitheliom bald knotig und dringt es auf den Knochen vor, ebenso an der häutigen Nase, nachdem diese zackig zer- stört, wie zernagt, verkrämpt und verschrumpft geworden, indem sodann der Vomer, der Oberkiefer, der Zahnfächer von der Krebsmasse gangartig durchsetzt, während die Inter- calarstücke necrotisch, missfärbig werden. An der Lippe findet sich anfangs zwar oft flacher, papillomartiger Krebs, sehr bald aber infiltrirter, mit Uebergreifen auf die Mund- schleimhaut. Ist einmal der Knochen ergriffen, so schreitet die Degeneration rascher nach der Fläche und Tiefe vor, es kommt zum Durchbruch des harten Gaumens, Verlust der Zähne imd des Fächerfortsatzes des Oberkiefers, Eröffnung der Highmorshöhle, der Stirnhöhle, der Flügelgaumen-Grube, Durchbruch der Schädelknochen, Blosslegung des Grosshirnes, dabei zu stellenweiser Umwandlung in MeduUarcarcinom, weit- ausgedehnten, jauchenden Geschwüren, Massen-Necrose in Folge von Gewebs- Ausschaltung durch die Krebsmasse, fungösen "Wucherungen von den angrenzenden Geweben, marastischem Fieber und Tod.

Die Genitalien sind seltener Sitz des Epithelioms, das als flaches auf der Glans, an der Umrandung der Harnröhren- mündung, dem Integument des Penis beginnt, nach relativ kiirzer Frist infiltrirt, mit sehr harter Litumescenz der Dorsal- lymphgefässe, des Corpus cavernosum, der Leistendrüsen sich verbindet und binnen 2 3 Jahren letal endet. An den weib- lichen Schamlippen tritt der Process noch seltener auf, aber auch dann mit dem zuletzt erwähnten Verlaufe. Bisweilen geht aus einem Flächenkrebs der Genitalien durch centrale Vernarbung und peripheres Fortschreiten binnen J ahren ein in weitem Bogen über den Schamberg und die innere Schenkel- fläche sich ausdehnendes, serpiginöses , eine weite Narbenarea furchenartig einsäumendes Krebsgeschwür hervor.

Ungleich seltener ist der primäre Epithelialkrebs des

gßg Zweiimdvierzigste Vorlesung.

Nabels, der Brustwarze, irgend einer Hautstelle des Stammes

häufiger wieder der Unter extremität, wo dasselbe aus exuberi-

renden Granulationen (bei Elephantiasis Arabum und Lupus) hervorzugehen pflegt.

Auf der Schleimhaut der Mund- und Nasenhöhle, der Conjunctiva, der Vagina und des Rectums erscheint der Epithe- lialkrebs primär, oder secundär als Fortsetzung und in der Eigenschaft des auf der nachbarlichen Cutis entstandenen vom Nasenkrebs aus auf dem Gaumen, dem Pharynx und Larynx und hommt alsdann eo ipso zugleich mit dem Haut- krebs in Berücksichtigung. Häufiges Object der dermatolo- gischen Praxis , namentlich behufs Difierentialdiagnose gegen- über von Syphilis, ist das primäre Epitheliom der Vaginal- portion, wo dasselbe häufig blumenkohlartig, oder nur wie eine feindrusige Wundfläche erscheint, ungleich häufiger der Krebs der Zunge imd Wangenschleimhaut. Auf der Zunge präsentirt sich derselbe anfangs als flache, linsen- bis bohnendurchschnittgrosse , roth-körnige , zuweilen mit weissen Pünktchen besetzte, bei seitlichem Drucke, sowie auch spontan schmerzhafte Wundfläche, oder Iverbung des Zungenrandes, oder des Zungenfückens mit weicher Basis; erst später ent- wickelt sich unter dem flachen Geschwür derbknotige Infil- tration. Ein andermal geht eine solche der oberflächlichen Uicer- ation voran. Stechende, lancinirende , gegen die Uüien aus- strahlende Schmerzen und Schwellung der Submaxillardrüsen stellen sich nach ein bis drei Jahren ein, womit dann ein un- günstiger Ausgang angezeigt wird.

Auf der Scheimhaut der Wangen ist das Epitheliom sel- tener, meist flach, oft auch champignonartig, mit gekrämptem

Rande. .

Die Anatomie des Epithelioms ist nach dem, was ich über dieselbe, sowie über die Anatomie der Krebse überhaupt in Übersichtlicher Absicht bereits vorgebracht habe, trotz der vorliegenden sehr werthvollen Arbeiten, nur bis zu einem schematischen und deshalb wahrscheinlich nur temporaren Abschlüsse gelangt. Nach demselben gehört zum anatomischen Charakter des Epithelioms ein entzündlich afficirtes (von lym- phoiden und proliferirenden Zellen infiltrirtes, von ausgedehnten Gefässen durchsetztes und seröser Lymphe in den erweiterten Maschen durchtränktes) Cutisgewebe, welches von einem Netz-

Epitheliom.

669

werk epitheloifler Proliferationzellen nnd Carcroidkugeln ent- lialtender Balken durchsetzt ist (Fig. 41), die von den ß-ete- zapfen ans kandschnlifingerförmig in die Tiefe gestülpt erscheinen nnd durch Zweigbalken mit nachbarlichen verbunden ein Epithel- balken-Netz formiren.

Fig. 41.

Epitheliom, (senkrechter Durchschnitt).

o d mäch«"- in die Tiefe ragende Rete/.apfen . zwisolien welclien schmale Papillen h ; iiTfenen bei e d und anderwärts Cancroidkugeln ; c dünne Hornzellenschiclite.

Wichtig für die Histiogenese, für die anatomische Aetio- logie des Epithelioms, ist die Entscheidung der Frage über den Ursprung jener wuchernden Epithelzapfen. Nachdem ViECHOW dieselben aus Proliferation der Bindegewebskörperchen hergeleitet hatte, haben Thiersch, Recklinghausen, Waldeyeb u. A. , auf mikroskopische Untersuchungen und theoretische (xründe gestützt, dieselben von Auswüchsen der Eetezapfen und des Drüsen-Epithels hergeleitet, während Köster sie als Proliferationsproduct der Endothelzellen der Lymphgefässe dargestellt hat, wobei zugleich diese Ansichten so exclusiv gehalten waren, dass eine andere Art der Entstehung des Epithelialkrebses , als ans der jeweilig geltend gemachten anatomischen Basis nicht als möglich hingestellt wurde. Ich glaube, dass für den flachen Krebs die Anschauung Thiersch 's nnbezweifelbar ist. Auf Randschnitten von Epitheliom kann man die successive Verlängerung der Retezapfen in die Cutis verfolgen und wie mit ihrer Verlängerung laterale Sprossung und Cancroidkugel-Formation in denselben, wahrscheinlich so, wie Epithelsprossung der Drüsen- AuskleidungszeUen J^ei knotigem Epitheliom sogar diese zuerst auftritt. Erst später entsteht parallel entzündliche Infiltration des Coriums und es

GTO

Zweiundvierzigste Vorlesung.

gibt Momente in der Entwicklung des Krebses , in welchen histologisch durchaiis nicht zu entscheiden ist, ob eine benigne atypische Epithel sprossung, wie ich unter Lupus erwähnt habe (pag. Fig. 38), eine etwas lebhafter vegetirende papilläre Warze, oder bereits Krebs vorliegt. Erst mit der Steigerung der entzündlichen Infiltration und dem allgemeineren Vordringen der Epithelsprossung wird der krebsige Charakter deutlicher. Die entzündliche Lockerung des Gewebes, die Erweiterung der Lymphräume, die Spaltung des Grewebes nach einem durch die G-efässe vorgezeichneten Schema (Rindfleisch) ebnen den Weg für das Vordringen der Epithelkolben, während Narbengewebe, wie bei dem exfoliirenden Carcinom, denselben einen Damm entgegenstellt und so örtliche spontane Heilung des Krebses ermöglicht. Es ist aber durch eine Reihe von Arbeiten (Gussen- baüer) sichergestellt, dass ausser den Epithel- und Endothel- zellen sowohl primär, wie namentlich im wuchernden Krebs, auch alle anderen Formelemente, Bindegewebskörperchen, Ele- mente der Gefässwand, Muskelzellen, Lymphzellen zur Proli- feration und Production von epitheloiden , d. i. Krebszellen, gelangen und so zur Vermehrung der Krebsmasse beitragen dadurch zugleich in dem Krebs aufgehen.

Die weiteren Erscheinungen der Gewebsconsumtion, Eiterung, Jauchung, sind nur consecutive der retrograden Metamorphose, welcher die zu höherer Organisation unfähigen epitheloiden Elemente durch fettige, schleimige (Billeoth), colloide Entartrmg anheimfallen, abgesehen von der Massen- necrose in Folge von Eliminirung und Abspaltung grösserer Gewebspartien , namentlich Knochen, von der ernährenden Umgebung.

Die Aetiologie der Krebse im Allgemeinen liegt noch sehr im Dunkeln, wogegen die Ursachen des Epithelioms in manchen Beziehungen ziemlich aufgehellt sind. Heredität der Disposition ist bezüglich desselben nicht erweislich. Da- gegen gibt das höhere Alter ein allgemein, sowie durch gewisse anatomische Vorkommnisse besonders disponirendes Moment, obgleich wir auch bei 20— 40jährigen Personen, einmal auch bei einem zehnjährigen Mädchen Epitheliom gesehen haben. Männliche Personen bieten ein grösseres Contingent für Hautkrebs als weibliche (100 : 30, Winiwarter).

Gewisse locale, angeborene oder erworbene histologische

Epitheliom.

671

Verhältnisse der Haut geben nnzweifelliaft die Veranlassung zur Entstellung des Epithelioms, sobald dieselben eine Altera- tion in dem nutritiven Verhältnisse zwischen Papillen und Bindegewebsstroma einerseits, imd dem ßete, auch dem Pig- mente, andererseits involviren oder begünstigen. Als solche sind anzuführen : Pigment- , Papillär- imd Sebum -Warzen, welche spontan oder auf wiederholte Irritation (durch Tabak- saft an den Lippen, wiederholte mechanische Verletzung) zunächst zu Epithelproliferation sich anschicken und sodann durch Vordringen von Epithelsprossen in ein entzündlich erweichtes, oder durch senile Atrophie weniger resistent gewor- denes Corium zum Epithelkrebs sich transformiren ; Granu- lationen, über welchen durch mechanische oder örtliche Ernährungsverhältnisse der normale Epidermisabschluss ver- zögert und verhindert wird, wie auf Fussgeschwüren, Lupus, wo zunächst atypische Epithelzapfen-Bildung und sodann Can- croidkugel-Formation entsteht; endlich die als Psoriasis mucosae oris (Leacoplakia buccalis, Schwbimee), als Residua von Syphilis bekannten, grauen Epithelschwarten der Zungen-, Lippen- und "Wangenschleimhaut , aus denen gar oft Epitheliom hervorgeht.

Für die Diagnose der bereits entwickelten Formen des Epithelialkrebses genügt die Aufmerksamkeit auf dessen früher geschilderte Charaktere. Schwierig ist bisweilen die Entschei- dung bezüglich der Anfangsformen beim Sitze an den Geni- talien, wo sie mit Schanker verwechselt werden können und erst durch die frühzeitig auftretenden lancinirenden Schmerzen und Drüseninduration sich verrathen; so wie bei Krebs der Mundschleimhaut, oder der Zunge, bezüglich dessen, so lange nicht die charakteristische Härte seiner Basis ihn kenntlich macht, der Zweifel gegenüber von Gumma syphiliticum, oder dem selteneren tubercu lösen Zungengeschwür schwer zu besiegen ist, um so schwieriger, als mitunter factisch Syphilis- symptome gleichzeitig gegenwärtig zu sein pflegen. Li solchen Fällen ist es jederzeit praktisches Gebot, vor einer Encheirese eine antisyphilitische Cur zu versuchen.

Die Prognose des Epithelioms der allgemeinen Decke ist günstiger als bei allen anderen auf derselben vorkom- menden Krebsforraen (s. die StatistUi bei v. Winiwakteu); am günstigsten beim flachen Hautkrebs, der jahrelang, oder während

672

Zweiululvierzigste Vorlesung.

seines ganzen Verlaufes die tieferen Gebilde versctont, auch spontan ausheilt und niemals Drüseninfiltration oder Marasmus zur Folge hat. Weniger günstig ist der knotige Hautkrebs, weil derselbe örtlich viel destructiver ist und in späteren Jahren denn auch Drüsenintumescenz , Marasmus und den Tod veran- lasst. Besonders wird der böse Ausgang beschleunigt, sobald derselbe in einem Theile den Charakter des medullären Car- cinoms annimmt. In diesen Beziehungen ist das papillomartige Epitheliom das bedenklichste. Aber doch auch gilt für das Epitheliom überhaupt, und selbst auch für die Frühstadien der zwei letztgenannten Formen, dass auch rücksichtlich des Er- folges einer zweckmässigen Behandlung die Prognose günstig ist, denn das Epitheliom recidivirt nach erfolgter Exstirpation entweder gar nicht; oder, was häufiger der Fall, es recidi- virt , aber nur regionär, continuirlich oder discontinuirlich und in so mässigen Productionen , das auch diese jedesmal leicht bewältigt werden können. Selbst bei weit ausgreifender In- filtration und Verjauchung der Gewebe kann durch eine ent- sprechende Therapie der Process örtlich beschränkt oder elimi- nirt, dadurch das bereits gestörte Allgemeinbefinden gebessert, und der drohende letale Ausgang auf Monate und J ahre hinaus- geschoben werden.

Die Behandlung des Epithelialkrebses mittels inner- licher Mittel, specieU auch aller als „Anticancrosa" im Laufe der Zeiten angerühmten Medicamente und Arcana hat sich bisher erfolglos erwiesen. Zweckdienlich allein ist die d i r e c t e Eliminirungdes Krebses. Wir bedienen uns zu diesem Zwecke der gleichen Mittel und Methoden, wie gegen Lupus, weshaib bezüglich der einzelnen Eigenschaften und Indicationen uer- selben auf jenes Capitel (pag. 634) verwiesen werden kann. Flacher und mässig tief reichender Knoten- und Warzenkrebs wird sehr gut mittels scharfen Löffels herausgekratzt, oder des Lapis-, Chlor-, Zink- oder Kalistiftes herausgravirt, oder durch Auflegen von Pasta Viennensis oder Canquoin, der Arsenikpasta oder der lOpercentigen Pyrogallussalbe heraus- geätzt. Letztere beide Pasten , die auf Leinwand gestrichen und nach Umständen 3—6 Tage continuirlich applicirt werden müssen, haben den Vorzug, nur das kranke Gewebe zu zerstören, die Pyrogallussalbe auch noch den der Schmerzlosigkeit, wes- halb diese gegen Epitheliom ganz besonders zw empfehlen

Carcinome.

673

ist. Tiefgreifender Knotenkrebs der Lippe und anderer Eegionen wird am besten sofort mittels Messers exstirpirt. Bei weit vorgedrungenem und jauchigem Carcinom kommen wieder die Aetzmittel zur geeigneten Verwendung, um an dazu geeigneten, oder an bedrolilicken Punkten dem Weitersclareiten der Afterbildung, dem Zerfalle der Gewebe und den daraus resul- tirenden üblen Folgen Einhalt zu thun : neben den oben genannten Aetzmitteln noch Creosot, flüssig oder mit Pulv. liquirit. und Opium, oder auch Arsenik zu einer Paste geformt, z.B. Creosot 20, Arsenici alb. 0,30, Opii puri 0,15; doch soll letztere Paste nur auf beschränkte Flächen applicirt werden.

Recidive Knötchen müssen sofort nach ihrem Auftauchen zerstört werden, und ist man in dieser Beziehung achtsam und energisch , so gelingt es leicht auch bei grosser Neigung zu Nachschüben das Individuum nicht nur vor lästiger Entstellung zu bewahren, sondern auch vor dem Tode durch Krebsmarasmu.s zu behüten.

Von Bindegewebskrebs, welcher die allgemeine Decke betrifft , seien drei Formen von gleich maligner Bedeutung- angeführt :

Carcinoma lenticulare entsteht über einer von Knollenkrebs erfüllten Mamma, oder nach Exstirpation dieses als Recidive auf einer zum Theil bretthart infiltrirten , zum Theil noch weichen Haut in Gestalt von linsengrossen und grösseren, derben, glänzenden, alsbald excoriirenden Knötchen und Knoten. Es ist die Form, in welcher, wie Billroth sagt, die Infiltration früh iu die Cutis eindringt und sich in dieser mit Hyperämie und Induration, ähnlich einer chronischen Cutis-Lymphangioitis, verbreitet, so dass der Thorax wie von einem Panzer umschlossen erscheint. Derselbe besteht aus dichtem faserigen Gerüste (Faserkrebs, Rokitansky) mit spär- licher Zelleneitilagerung in dessen engen Maschenräumen.

Carcinoma tuberosum erscheint bei älteren Personen im Gesicht , an den Händen und an anderen Körperstellen in Form von erbsen-, wallnuss- bis hühnereigrossen Knollen, die bald erweichen und tief exulceriren und mit ähnlichen Bildungen in den inneren Organen vergesellschaftet sind.

Carcinoma melanodes s. pigm ent o de s beginnt an einer beschränkten Hautstelle, am Fuss- cder Handrücken, an einem Finger, einer Zehe, am Labium, mit schrotkorn- bis

Kaposi, Hautkrauklieiten. 43

ß-j^ Zweiundvierzigste Vorlesung.

bolmengrossen Knoten von graphitälinHcher oder schwarzblaner Farbe und theUs derber, theils matscber, einer Beere vergleich- barer Consistenz. Eine Gruppe desselben wächst zu einer champignonähnlichen, sehr bald exulcerirenden Geschwulst empor. Theils in unregelmässig regionärer Verbreitung, theils längs der Lymphgefässe in ßeihen und Strichen treten sehr bald eine Unzahl solcher schwarzgrauer Punkte, Knötchen und Knoten, streckenweise bis zur Confluenz zu diffusen höckerigen Infiltraten auf, die Lymphdrüsen werden intumescirt, es folgt Marasmus und Tod. Die inneren Organe sind reichlich von ähnlichen, nur noch mehr hämorrhagischen Knoten durchsetzt. Sie bestehen aus einem grossmaschigen, gefässreichen, stellen- weise alveolaren Stroma mit nestförmig oder in unregelmässigen Haufen eingelagerten kleinen und grossen epitheloiden, oder spindelförmigen, proliferirenden ZeUen und reichlichem, theUs aus Hämorrhagien herrührendem, theils direct aus den Ge- fässen transsadirtem (Rindfleisch) Pigment.

Sarcoma cutis

kommt im Allgemeinen selten vor und da zumeist als Metastase des Sarcoms der Lymphdrüsen, oder tiefer gelegener Organe, zuweilen als Pigmentsarcom, hervorgehend aus einem Naevus und wie die Sarcome überhaupt mit der Tendenz zu früh- zeitiger Metastasirung und allgemeiner Verbreitung.

Als eine der Haut eigenthümliche typische Form habe ich Vorjahren das „idiopathische multiple Pig- mentsarcom" aufgestellt, von dem ich bis jetzt 10 Falle alle bei Männern , gesehen und seither auch Fantüeri und WtGGELSWOKTH Beispiele mitgetheilt haben. Dasselbe beginnt /Ai-leich an beiden Füssen und Händen, Planta und Vola, Ha°nd- und Fussrücken und schreitet mittels discreter Produc- tionen centripetal über die Unter- und Oberschenkel und Arme vor bis es nach 2-3 Jahren auch im Gesichte und auf dem Stamme erscheint. Es entstehen schrotkorn-, erbsen-_ bis bohnengrosse , rothbraune und blaurothe, rundliche, massig derbe Knoten, die theils discret und unregelmassig situirt sind theils zu Gruppen von Kreuzer- bis Flachhandgrösse an- einanderrücken. Eüsse und Hände sind knollig verdickt^ unförmlich, bei Druck und auch spontan schmerzhaft, die

Sarconm.

675

Finger spindelförmig verdickt, von einander gedrängt, das Grellen und Hantiren wegen der Starrheit der Haut in hohem Grrade be- liindert. Die älteren Knoten sinken nach mehrmonatlichem Be- stände ein, unter Schilferung ihrer Epidermis und schwinden sogar gänzlich unter Hinterlassung sehr dunkel pigmentirter, nar- biger Gruben. Die aus Knoten-Gruppen bestehenden Plaques atro- phisiren ebenfalls im Centrum und bilden so später einen die mitt- lere pigmentirte Narbengrube umrahmenden, gekerbten, derben, braunrothen, mit harten, trockenen Schuppen bedeckten Wall. Manche Knoten werden auch weich, matsch, aber es kommt nirgends zu Ulceration. Nach 2 5 Jahren erscheinen auch Knoten von Bohnen- bis Nussgrösse auf den Augenlidern, der Nase, der W ange , Lippe und an verschiedenen Stellen des Stammes, die zum Theile dunkelblauroth, schwammig sich anfühlen und auch von der Oberfläche her zerfallend ein blutig sufFundirtes Gewebe zu Tage legen. Um diese Zeit stellt sich Fieber, blutige Diarrhoe, Hämoptoe, Marasmus und alsbald der Tod ein. Bei der Section findet man die gleichen blutreichen, fleischfarbenen Knoten in grosser Menge in der Lunge, Leber, Milz, im Herzfleisch, im Tractus intestinalis, besonders dicht gedrängt und nekrotisch zerfallen im Colon descendens.

Diagnostische Schwierigkeit bietet diese Form in' erheblichem Maasse , indem so lange dieselbe auf die Hände \im\ Fiisse beschränkt ist, eine Verwechslung mit papulöser Syphilis (Prosiasis plantaris et palmaris), später mit Gumma- tibus, mit Lupus und Lepra sehr leicht möglich wäre.

Die Prognose ist ungünstig , indem selbst in den Fällen , welche mit den ersten Knötchen sich präsentirt haben, weder durch Exstirpation , noch durch eine andere örtliche oder allgemeine Medication die weitere Entwicklung und der letale Ausgang hintangehalten werden konnte. Doch verzögert sich der Verlauf viel mehr als bei den anderen Formen von Sarcom, etwa auf 3 5 Jahre und darüber.

Eine andere Form von Sarcomatosis cutis mit rapid fnnestem Verlaufe habe ich an einem Manne und zwei Frauen beobachtet. Der erste Fall (von der hiesigen Klinik) ist von Gkber als „entzündlich-fungöse Geschwulst" der Haut be- schrieben worden und analog hat auch Duhring einen Fall hingestellt. Es entstanden an verschiedenen Körperstellen, besonders des Stammes und der Extremitäten linsen- bis

43*

Q-Q Zweiundvierzigste Vorlesung.

kreuzergrosse rothe Flecke, flache und knotig hervorragende Infiltrate, welche . theils wieder nach einiger Zeit schwanden, theils binnen Wochen sich bis zu flachhandgrossen und grösseren Herden ausbreiteten, üeber der so infiltrirten Haut entstand Schilferung der Epidermis oder, nach Ablösung derselben, Secretion viscider Flüssigkeit. Manche diffase Infiltrate schwan- den im Centrum mit Hinterlassung pigmentirter , deprimirter Flecke, so dass die letzteren von einem braunrothen Infiltra- tionsringe eingeschlossen erschienen. An anderen Stellen erhoben sich champignonartige Wucherungen ; an noch anderen, wie im Sckenkelbug, lappig-warzige, nässende, beerschwamm-ähnliche Geschwülste. Bei der einen Frau, die einige Tage auf der Klinik gelegen war, war die Krankheit von der linken Mammal- Haut ausgegangen, wo auch ein jauchiges Geschwür sich später etablirte; bei der anderen Frau, die ich mit Billroth gesehen, war die erste fungöse Geschwulst über dem rechten Knie entstanden. In aUen drei Fällen waren vom Beginn der Erkrankung bis zu dem unter hochgradigem Marasmus erfolgten Tode nicht mehr als 2-3 Jahre verstrichen. Ich stehe nicht an, diese Form auf Grund der klinischen Symptome und de& histologischen Befundes zu den malignen Sarcomen der Haut zu zählen.

X. Olasse.

ülcera cutanea, Hautgescli würe. Preiund vi erzigste Yorlesung.

Begriff der Geschwüre. Allgemeine Symptomatologie, Eintlieiluna. Idiopathisch entzündliehe, einfache und contagiöse Geschwüre, das Fuss- ■ges^hwür: Sehanker. Conseeutiv entzündliehe, serophulöse Geschwüre. Aus Neoplasie hervorgegangene Geschwüre.

Hautges cliwür , Ulcus (cutaneum), heisst ein mittel- bar oder iiiimitt elb ar zu T ag e Ii egen der S ub s t anz- verlust des Coriums, welcher ein in der Regel von dem sogenannten guten "Wundeiter qualitativ abweichendes Secret absondert und deshalb nicht, oder nur zögernd zur Heilung gelangt, weil dessen Begrenzungsgewebe in fortschreitendem moleculären Zerfall begriffen ist.

Nach dieser Definition ist also ein Abscess kein Geschwür, weil bei demselben Massennekrose, und nach Abstossung dieser Tendenz zur Heilung vorhanden ist; ebensowenig eine gut eiternde und granulirende Wunde und auch nicht ein Substanz- verlust, der, wie bei Eczem, Pemphigus, die Epidermis allein und nicht auch den bindegewebigen Antheil der Haut betrifft.

Seiner Entstehung nach ist das Geschwür keine Primär- formation. Immer muss an der Hautstelle , wo ein Geschwür zu Stande kommen soll, vorerst eine entzündliche oder neo- plastische Production stattgefunden haben, welche entweder in sich selbst die Bedingung des stetig fortschreitenden mole- culären Zerfalles und der Geschwürsbildung trägt, oder durch

Q'jQ Dreiundvierzigste Vorlesung.

gewisse örtliclie oder allgemeine Einflüsse in ihren sonst typisch zu beobachtenden Heilungsvorgängen gestört wird. Zu jenen gehören Lupus, scrophulöse Infiltration, Lepra, Car- cinom und Sarcom , syphilitische' Gummata, welche ihrer Natur nach zu geschwürigem Zerfall prädestinirt sind. Als örtliche Momente , welche durch Steigerung eines Entzündungs- processes oder Störung der normalen Wundheilung Geschwürs- bildung veranlassen, sind zu erwähnen : örtliche Circulationshem- mung, bei Varicosität der Venen, mechanischer Druck, Zerrung, Quetschung, Kratzen, das junge Gewebe zerstörende chemische Einflüsse, Pflaster und Salben, Benetzung der Granulationen mit Faeces, Speichel , Harn, Caries und Necrose der Knochen. Als entfernte Ursachen der Geschwürsbildung machen sich geltend Herzfehler und gewisse dyscrasische Zustände, wie Anämie und Marasmus jeder Art, welche entweder zu Zerfall disponirte Hautinfiltration veranlassen , oder die Heilung be- stehender Wunden in Folge Blutmangel, oder mangelnder Plasticität der Säfte hintanhalten.

Werden die entzündlichen oder neoplastischen Infiltrate, deren Zerfall das Geschwür bedingt, spontan oder künstlich eliminirt, oder jene Momente beseitigt, welche die sich an- schickende Granulationsbildung fort und fort stören, so wird die letztere eben ihren Weg bis zur vollendeten Vernarbung zurücklegen, wie jede von Haus aus normale Wunde. Es besteht demnach zwischen Geschwür und gut eiternder Wunde kein meritorischer, nur ein facultativer Unterschied und beide können wiederholt in einander verschmelzen.

Darnach haben wir nicht die geringste Veranlassung den Geschwüren irgend eine dem Organismus fremdartige, onto- logische Bedeutung zuzumuthen, wie dies früher üblich war und zum Theile leider auch heute noch geltend gemacht wird. Wir haben gar kein Verständniss dafür, wie ein Fussge- schwür eine Art vicariirende Secretion liefern soU für unterdrückte Menstruation, Hämorrhoidalflüsse , nachdem wir in jedem einzelnen Falle die Entstehung und Fortdauer dieses Geschwüres aus den örtlichen und mechanischen Verhältnissen, varicösen Venen, Dermatitis, Kratzen, Stauungsödem und Hämorrhagie vollständig klar entnehmen, dagegen durchaus einen physiologischen Zusammenhang zwischen dem Geschwür und der Menstruation und den Hämorrhoiden nicht auiFmden

Ulcera.

679

können. Wir vermögen niclat zu fassen , wie sonst erleuchtete Pathologen durch das Anlegen eines Fontanells am Oberarm die supponirten Nachtheile der Heilung eines Fussgeschwüres paralysiren können, als wenn das letztere wie ein Weber- schiffchen hin und her geschleudert, vom Unterschenkel nach dem Oberarm durch den Organismus verschoben werden könnte, eine Vorstellung, die ganz unphysiologisch, laienhaft.

Kein Entzündungs- und kein Eiterungsprocess gehört zur Gesundheit. Ein Substanzverlust ist ein Schaden des Körpers, er mag wie immer entstanden sein, und ein solcher, der Monate und Jahre lang besteht und mit copiöser Secretion, mit an- dauerndem Saftverlust verbunden ist, gewiss ein noch grösserer Nachtheil für jeden, und gar für einen vielleicht schon ander- weitig geschwächten Organismus ; nicht zu gedenken auch der socialen Nachtheile, der Störungen im Berufe, welche mit jeder schmerzhaften oder eiternden Wunde verbunden sind. Wir werden bei einer solchen AufPassung nicht nur den Muth, sondern auch die Pflicht fühlen, Alles daran zu setzen, um bestehende Geschwüre zu heilen, imd zwar möglichst rasch und sicher, im Bewusstsein, dadurch dem Kranken nur einen Gewinn zu bringen und nicht fürchten, als könnte ein Geschwür auf innere Organe verschlagen werden, da doch Niemand so etwas zu leisten vermöchte, weil dies eine naturgeschichtliche Unmöglichkeit ist.

Da die Geschwüre nur nach der Art, nicht nach den.' Wesen ihrer Ursachen differiren , so haben dieselben auch gewisse allgemeine Symptome gemeinschaftlich.

Man unterscheidet bei jedem Geschwür als objective Symptome Hand und Grund, Form und Umfang, Art des Fortschreitens , Beschaffenheit, des Secretes und dazu gewisse begleitende subjective Erscheinungen.

Der Grund des Geschwüres ist in der Regel graugelb, eitrig infiltrirt, weil in moleculärem Zerfall begriffen, speckig belegt, glatt oder ungleich grubig. Die Ränder sind steil abgesetzt oder allmälig abfallend, glattlaufend oder zackig ansgenagt, ein anderes Mal wenig oder sehr weit unterminirt, buchtig, dabei einmal beweglich oder festgelöthet , weich oder entzündlich infiltrirt, leicht blutend, wie auch manchmal der Grund, oder ebenfalls grau belegt. Die nächste Umgebung der Geschwüre, des Randes und Grundes, erscheint entzündlich

G80

Dreiundviüi'zigste Vorlesung.

geschwellt oder wenig verändert, fast normal oder ödematös, oder hart, derb, callös, oder von einer specifischen Neubildung (Lupus, Carcinom, Syphilis) infiltrirt. Der Form nach ist das Greschwür bei kleinerem Umfange gewöhnlich kreisrund, rund- lich, bei grösserem Umfang unregelmässig gestaltet, buchtig, tiefgreifend , kraterförmig , ungleich grubig oder mehr flach, wie erosionartig und von dem Umfange eines Kreuzers, Thalers, bis zu dem eines kalben oder ganzen Umfange« einer Extremität.

Das Greschwür ssecret weicht in seiner BesckaflFen- lieit in der Regel von der eines pus bonum et laudabile ab. Es ist entweder copiös, oder spärlich, dünneitrig, molken- artig, mit spärlichen Formelementen vermengt, oder gar von einer mehr durchscheinenden, visciden klebrigen Beschaifenheit, geruchlos oder jaucheartig übelriechend, oder hämorrhagisch. Dasselbe trocknet zu Krusten verschiedener Färbung und ]\Iächtigkeit ein , welche bei einer gewissen Ausbreitungsweise schildförmig abfallend, rupiaartig, sich präsentiren , oder bei spärlicher Secretion nur wie ein gummiartiger Ueberzng sich darstellen. Man hat überdies dem Greschwürssecret auch besondere Beimengungen zugeschrieben , einen Ueberschuss von Salzen, namentlich von phosphorsaurem Natron, oder harn- saurem Natron bei arthritischen Greschwüren, ausserdem bei denselben zuweilen eine blaue Färbung beobachtet, welche Manche mit der Anwesenheit blaugefärbter Vibrionen, Andere, wie GrRARD und Fordoz, mit der Anwesenheit von Pyocyanin und Pyoxanthose erklärt haben.

Auch ein specifischer Geruch ist den Geschwüren zuge- schrieben worden.

An subjectiven Erscheinungen ist zu erwähnen, dass die Geschwüre bisweilen indolent, oder sehr schmerzhaft sind, wonach man asthenische und er ethische Ge- schwüre unterscheidet.

Im Verlaufe der Geschwüre unterscheidet . man das Stadium destr uctionis, welches Wochen , Monate, Jahre hindurch anhalten kann und gleichbedeutend ist mit dem Fort- bestand der geschwürigen Beschaffenheit, und das Stadium reparationis, in welches jedes Geschwür nach Beseitigung seiner nächsten Ursache übergeht und das dem Zustande der normalen Wunde entspricht. Es gibt Geschwüre von

Ulcus criiris.

681

typischem, d. i. zugleicli begrenztem Verlaufe und solche, deren Verlauf und Dauer atypisch, unbestimmbar ist. Phlegmonöses, diphtheritisches, croupöses Ge- schwür bedeutet einen in der Bezeichnung ausgedrückten, von der Norm abweichenden Typus, wie das serpiginöse und nierenförmige Geschwür eine besondere Form des weiter- schreitenden Gewebszerfalles.

Der örtliche A u s g a n g aller Geschwürsbildung ist mit wenigen Ausnahmen die Umwandlung in eine gesunde, granu- lirende Wunde und Verheilung mittels Narbe (vide pag. 584).

AU' dieses , sowie Prognose und Bedeutung des Geschwüres für die betroffene Oertlichkeit und den Organismus hängen von der demselben zu Grunde liegenden anatomischen Veränderung ab , und diese auch ist es ganz allein , welche einer rationellen Eintheilu.ng der Geschwüre untergelegt werden kann. Darnach theilen sich alle Hautgeschwüre in zwei Gruppen, in 1. aus Entzündung hervorgegangene, „Entzündungs-Geschwüre", 2. solche, die aus Neubildungen entstanden sind.

Die Entzündung s- Geschwüre können unterschieden werden, als nicht contagiöse und contagiöse, welche beide wieder idiopathisch oder symptomatisch sein können, all' dies entsprechend dem Charakter des Entzündungs- processes , welcher ihrer Entstehung zu Grande liegt.

Idiopathische, nicht contagiöse Entzündungs- Geschwüre gehen aus idiopathischer Hautentzündung jeder Art hervor , acuter und chronischer Dermatitis , Ahscessen, Excoriationen, Eczem, Impfpusteln, wenn durch Kratzen, Druck, Zerrung, Eiterabfluss unter Krusten , irritirende Pflaster, Blut- stauung durch Einschnürung, Varicosität etc., hämorrhagische Zerwühlung der Granulationen, überhaupt Störung der letzteren wiederholt stattfindet.

Unter denselben ist besonders das sogenannte Fuss- geschwür, Ulcus cruris, eigentlich Unterschenkelgeschwür, praktisch wichtig. Man kann in seiner Entstehung und Ver- laufsweise beinahe alle Bedingungen der Geschwürsbildung der ßeihe nach sich geltend machen sehen. Bekanntlich kommt dasselbe zumeist bei Personen vor, welche an Varices leiden, wie viele weibliche Individuen nach vorausgegangenen Schwangerschaften, oder Personen beiderlei Geschlechtes , die

682

Diieiundvierzigste Vorlesung.

vermöge ihres Berufes gezwungen sind, jahraus , jahrein viele Stunden des Tages stehend zuzubringen.

Das erste Pathologische , was bei solchen Personen sich einstellt , ist neben zeitweiligen massigen Oedem und Schmerzen in der Ferse und an der Planta, Jucken am Unterschenkel, in Folge dessen Kratzen und Excoriationen.

Aus kleinen, oberflächlichen Excoriationen werden so anfangs ganz flache, alsbald tiefere Substanzverluste, die sich umso rascher zu Geschwüren gestalten, je häufiger Hämorrhagien , Oedem , Zerrung , mechanische Verletzung beim Druck, Stoss, complicirende Lymphangoitis oder Dermatitis, wie bei Eiterabsperrung unter den Krusten , je mehr alle diese Momente die reparirende Grannlationsbildung stören. Im späteren Verlaufe kommen noch die durch die häufigen Ent- zündungen und Anläufe zu (Narben-) Bindegewebsneubildung veranlasste Callosität der Geschwürsränder , der grosse Um- fang der letzteren, die Constriction der zuführenden Gefässe durch die Narben selbst und der Fortbestand der ursprüng- lichen ätiologischen Verhältnisse dazu, welche die einmal etablirten und ausgebreiteten Fussgeschwüre zu einem jahre- lang bestehenden, höchst schmerzhaften und lästigen, wenn nicht unheilbaren Uebel gestalten.

Die Unterschenkelgeschwüre finden sich zumeist am mittleren unteren Drittheil des Unterschenkels, einer- oder beiderseits, vorwiegend an dessen vorderem Umfang, einem kleineren oder dem grössten Theil seiner Peripherie, in seltenen Fällen denselben ringsum occupirend. Die kleineren Geschwüre sind rund, rundlich, die grösseren. von unregelmässiger Ge- stalt und entsprechend ihrem Alter zumeist von callösem, buchtigem Rand und mit mehr , weniger prononcirter elephan- tiatischer Verdickung der Gliedmasse complicirt.

Von syphilitischen- Geschwüren unterscheidet sich dieses einfache sogenannte „varicöse" Geschwür, Ulcus evaricibus, durch die in der Regel auch bei grösserem Umfang flache Be- schaffenheit, geringe Schmerzhaftigkeit und den Mangel einer circumscripten , einem Gumma entsprechenden Infiltration der Umgebung, sowie durch dessen Entstehungsgeschichte, die aus der chronisch- entzündlichen Beschaffenheit des umgebenden Gewebes spricht.

Ulcus cruris.

083

Wenn man dieser Art die Entstehung der sogenannten Fassgeschwüre von ihren ersten Anfängen an verfolgt, dem- nach die volle Ueberzeugung gewinnt , dass nur örtliche Circulations- und Nutritionsverhältnisse der Gewebe ihre Ent- stehung veranlassen, dann wird man sicherlich die alther- o-ebrachten Vorurtheile über die derivirende und vicariirende Eigenschaft der Fussgeschwüre fahren lassen und im Gregen- theile sich Mühe geben, dieselben frühzeitig zu bekämpfen \mä zu heilen. Es gelingt dies sicher bei noch wenig aus- gedehnten vTud tiefgreifenden Greschwüren, viel schwieriger bei ausgedehnten und wird bei sehr aiisgebreiteten und callösen Geschwüren ganz unmöglich.

Die Therapie hat nach allgemeinen chirurgischen Grundsätzen zu erfolgen. Beim Vorwalten entzündlicher Er- scheinungen wird man vor Allem bestrebt sein, diese zu beseitigen, durch horizontale oder erhöhte Lage der Extremität und Application von Kälte. Sodann wird man die Abstossung der moUeculär zerfallenen oberen Gewebsschichten zu befördern trachten durch Auflegen von Gypsum bituminatum pulve- risat. , welches durch Abreiben von Oleum fagi mit Gyps gewonnen wird, oder Pulvis carbonis ligni tiliae, oder Lister- verband u. s. f. , endlich die Granulationsbildung sorgfältig überwachen, indem man dieselbe nach Umständen anregt, z. B. durch Verband mit Kali caust. 0,1 : 50,0 Aq. dest., oder deren üppige Wucherung durch Aetzung oder Auslöffeln be- seitigt, oder durch ätzende und constringirende Verband- mittel, Cuprum aceticum in Lösung, rothe Präcipitatsalbe, Lapis, Alaunpulver und Aehnliches mässigt.

Das continuirliche Wasserbad hat sich sowohl als Behelf für die Beförderung der Reparation der Geschwüre, als wie zur Abkürzung complicirender phlegmonöser Ent- zündung ausserordentlich wirksam erwiesen. Ein methodisch angelegter Druck verband, der von den Zehen angefangen bis über die Wade in allmälig aufsteigenden Touren mittels Flanell- binde gemacht wird und durch eine auf die Geschwürfläche selbst direct applicirte Compression mittels Emplastrum sapo- natum, domesticum unterstützt wird, ermöglicht sogar das Herumgehen während des Bestandes des Geschwüres, indem durch die Compression der Ausdehnung und Zerreissung der kleinen Venen und Capillaren, und so den Hämorrhagien oder

684

Dreiundvierzigste Vorlesung.

einer ödematösen und exuberirenden BeschafFenlieit der Granu- lationen vorgebeugt wird.

Geschwüre von übermässiger Callosität der Ränder teilen ausserordentlich schwer. Man kann durch schleuderförmiges Anlegen von Pflasterstreifen die Ränder mechanisch einander näher rücken und so die XJeberhäutung von einzelnen Wund- winkeln aus befördern. Nussbaum hat nach früheren Mustern angegeben, jenseits der callösen Ränder tiefe, den letzteren parallele Schnitte zu führen ; dadurch würden theils zuführende Gefässe zerstört , welche neuerlich Hämorrhagien veranlassen und werden jedenfalls die Ränder einander näher gebracht. Ebenso findet sich hier oft Gelegenheit die Transplantation von Hautstücken nach Reveedin (pag. 588) nützlich zu ver- wenden.

Dass es im Uebrigen vor Allem wünschen swerth wäre, die nachweisbare Ursache der Fussgeschwüre, die Varices, zu heilen, oder ihrer Entwicklung vorzubeugen, ist selbstverständlich.

Dahin zielen die in der Chirurgie bekannten verschieden- artigen Methoden der Varicesoperation, unter denen die nach Schede und Anderen geübte Methode der TJmstechung und Unterbindung der Varicesknoten , oder die von Englisch versuchte Methode mittels subcutaner Alkoholeinspritzung eine verlöthende Entzündung und Obliteration der ausgedehnlen Venen zu bewirken, Verfahrungsweisen, welche, abgesehen von der gelegentlich gefährlichen Complication und Folge von Phle- bitis, Pyämie oder Trombenverschleppung, unter allen Um- ständen nur einen sehr beschränkten Werth haben können, da sie stets nur einzelne Venenknoten treffen. Darum bleibt in Bezug hierauf unter allen Umständen als einzig und stetig zu befolgendes, wenn auch nur theilweise palliatives Ver- fahren das consequente Tiagen von methodisch angelegten Flanellbinden, oder gut passenden Schnürstrümpfen, nebst der Vorsicht, die Extremität möglichst viel horizontal gelagert zii halten.

Die symptomatischen nicht contagiösen Ent- zündungsgeschwüre sind der Ausdruck eines speciellen dys- crasischen oder constitutionellen Zustandes, welcher entweder direct zu Entzündung und geschwürigem Gewebszerfall führt oder indirect, indem derselbe eine anderweitig entstandene Entzündung und Eiterung am normalen Abschlüsse verhindert.

Ulcer<a, Schanker.

685

Hielier gehören die bei Scorbut, Griclit, Anämie, all- gemeiner Cachexie, bei Acne cacliecticorum , Scrophulose, zum Tbeile ancli die bei Lepra vorkommenden Geschwüre. Manche verrathen schon im Ansehen ihre ätiologische Abstammung. So charakterisiren sich die sco rhu tischen Geschwüre durch häufige Hämorrhagie des Grundgewebes, die gichtischen durch die Gichtsteine (Harnsäure-Concremente), während die als Folge von Anämie anzusehenden Geschwüre, übrigens eine seltene Beobachtung, durch auffallende Blässe des geschwürigen Gewebes, geringe Reactionserscheinungen, Trägheit der Fleisch- wärzchenbildung , spärlich dünne, wässerige Secretion sich auszeichnen. Die häufigsten und bekanntesten sind die soge- nannten scrophu lösen Geschwüre.

Sie kennzeichnen sich durch schlafi'e, weit unterminirte, leicht blutende, atonische Ränder, schlappe Granulationen, dünne, rahmähnliche Secretion und träge Reparation und führen dem entsprechend auch zu abenteuerlich gestalteten, gestrickten und genetzten Narben. Sie entstehen zumeist in einer über scrophulös infiltrirten, käsig zerfallenden und vereiternden Lymphdrüsen (vorwiegend am Halse) entzündeten Haut, oder über haselnuss- bis nussgrossen, indolenten und käsig er- weichenden Knoten , welche zn zwei bis mehreren , längs und an Lymphgefässen sich bilden und mit syphilitischem Gumma grosse Aehnlichkeit haben. Der später evident werdende Charakter der Geschwüre ermöglicht die Unterscheidung von letzteren. lieber cariösen Knochen sind die Geschwüre trichterförmig eingezogen und von fungösen Wucherungen umrandet.

In der Behandlung der scrophulösen Hautgeschwüre müssen neben den Gesetzen der allgemeinen Geschwürsbehand- lung auch noch die speciellen örtlichen Verhältnisse berück- sichtigt werden. Ausserdem hat man auf die Verbesserung der Gesammternährung sein Augenmerk zu richten. Neben dem Aufenthalt in guter Luft und zweckmässiger allgemeiner Diätetik ist der innerliche Gebrauch von Leberthran von alt- bewährter günstiger Wirkung.

Als contagiöses Entzü n dung s g es ch wür kennen wir nur das durch das specifische Syphiliscontagium erzeugte, den Schanker. Es ist hier nicht der Ort, die speciellen Verhältnisse des Schanker - Geschwüres auseinanderzusetzen,

686

Dreiimdvierzigste Vorlesung.

weil uns das nothwendig auf die Erörterung der ganzen Syphilislehre und demnach von unserem Thema weitab führen würde. Ich will nur erwähnen, dass nach einer Theorie, der der Uni tarier, der Schanker aus Syphilisproducten welcher Art immer hervorgehen kann und in allen seinen Gestaltungs- formen dem syphilitischen Contaginm angehört, dagegen nach Ansicht der französischen Dualisten nur die weichen Schanker einem besonderen, sogenannten Schankercon- tagium ihre Entstehung verdanken, der harte Schanker dagegen dem syphilitischen Virus; endlich nach Ansicht der deutschen Dualiste*n der Schanker nur vom Schankervirus herrührt und mit Syphilis gar nichts gemein hat und daher besser als ve- nerisch contagiöses Geschwür (Sigmund) bezeichnet werden soll.

Am häufigsten kommt der typische w eich e S chank er vor (Chancre mou, simple, non infectant), der wie mit einem Lochbohrer ausgehackt, als kraterförmiger Substanzverlust, mit speckig belegtem, entzündlich geröthetem und geschwelltem Rand und Grund, stark eitert und absolut contagiös sich erweist, einen typischen Verlauf von 6—7 Wochen durchmacht, mit einem Stadium destructionis , gleichzeitig contagionis und einem Stadium reparationis , in welchem derselbe in eine gesunde Wunde umgewandelt erscheint und nicht mehr con- tagiös ist.

DemDächstist der sogenannte harte Schanker (Chancre dure . infectant) als typische Geschwürsform zu nennen. Der- selbe' geht aus einem weichen Schanker hervor, oder aus einem Knoten, welcher an Stelle der Ansteckung nach einer Incu- bation von mehreren Tagen, 2-3 Wochen entsteht. Der harte Schanker präsentirt sich flachschalenförmig , wie mittels Hohlmeissels ausgegraben, mit geringer Secretion und einer typischen, scharf umschriebenen , beinahe knorpelartigen Harte des Randes und Grundes, verheilt binnen wenigen Tagen , ist im Allgemeinen nur auf nicht syphüitische Individuen als solcher überimpfbar, persistirt aber als Induration auch nach Verheilung des Geschwüres viele Monate.

Ausserdem sind nocli Schanker anderer Formen, als Ulcus ambustiforme, phagadaenicum, gangraenosum, serpigino- sum aus syphilitischer Quelle zu erwähnen.

Schanker.

687

Der nosologische Werth dieser einzelnen Schankerformen wird je nach dem sppciellen theoretischen Standpunkte ver- schieden bemessen. Hier genügt es zu betonen, dass alle diese Greschwüre an Ort und Stelle der Einimpfung des specifischen Virus entstehen, demnach idiopathisch spe- cifische oder contagiös entzündliche G-eschwüre darstellen.

Ihr Verlauf ist ein typisch begrenzter , womit, was ihren Charakter als Geschwür anbelangt, ihre Prognose mit der der Ulcerationen im Allgemeinen ziemlich übereinstimmt. Allein da sie auch in ihren verschiedenen Typen allgemeine Syphilis zur Folge haben können oder nicht , so wird die Prognose auch nach dieser Richtung gestellt werden müssen in einer "Weise , die aus der Syphilislehre zu entnehmen und hier nicht weiter erörtert werden kann. So viel kann jedoch als im All- gemeinen richtig auch hier hervorgehoben werden , dass die typischen weichen Schanker nur zuweilen , die typischen harten Schanker dagegen fast regelmässig allgemeine Syphilis nach sich ziehen, während für die anderen aufgeführten Schanker-, arten in dieser Beziehung nicht einmal eine Häufigkeitsregel aufgestellt werden kann.

Sieht man von diesen Umständen ab , so ist auch für die Therapie der Schanker keine Indication vorhanden, welche von den für andere Geschwüre geltenden abweichen würde. Man behandelt sie nach allgemein chirurgischen Grund- sätzen und könnte allenfalls noch nebst den schon bekannten Verbandmitteln das Emplastrum hydrargyri ganz besonders empfohlen werden. Nur mit Rücksicht auf die JFrage, ob die drohende Blutvergiftung durch eine specielle Behandlungs- methode verhütet werden könnte, sind einzelne Verfahren bei Schankern patronisirt worden, als Abortivbehandlung durch Aetzung oder Excision.

Endlich sind auch die anatomischen Verhältnisse, obgleich dieselben in ihren feinsten Nuancen kaum von eineaa gewöhnlich entzündlichen Geschwüre abweichen, doch zu wiederholten Malen von verschiedenen Seiten nach der Richtung besonders discutirt worden, dass man in denselben Belege für die klinisch constatirte Virulenz und speciell für das Zustande- kommen der typischen Induration zu finden gesucht hat, was aber bisher nicht in entscheidender Weise gelungen ist.

G88

Dreiundvierzigste Vorlesung.

Von der aufgestellten zweiten Gruppe der Haut- geschwüre, derjenigen, welche aus Neubildungen her- vorgehen, sind die lupösen, carcinomatösen, sarcoma- tösen und leprösen bereits in den betreffenden Capiteln besprochen worden. Zu ihnen wären zu fügen die aus den ein Symptom der constitutionellen Syphilis darstellenden Hautknoten hervorgehenden Geschwüre, das ulceröse Sy- philid, welches in Einem mit der allgemeinen Erörterung der syphilitischen Dermatosen näher gewürdigt werden soll.

Viernndvierzigste Vorlesung.

Allgemeiner Charakter der Syphilide, Eintheilung nach den morphologi- schen Erscheinungen. Specielle Formen , Symptomatologie , Diagnose, Beziehung derselben zur eonslitutionellen Syphilis. Allgemeine und'

örtliche Behandlung.

Syphilis cutanea Syphilide

nennen wir jene Erkrankungsformen der Haut, welcke als Symptome der c o n sti tuti o n eil en Lues auftreten, sei es der von den Eltern ererbten, hereditären, oder der mittels Schanker oder eines anderen PrimärafFectes im extra- uterinen Leben erworbenen, Contact-oder acquirirten Lues.

Die Syphilide bilden nur einen Theil, eine allerdings natürliche und einheitliche Gruppe der Hautkrankheiten überhaupt und sollen daher an diesem Orte vorwiegend in Rücksicht der Eigenart ihrer klinischen Charaktere erörtert werden, die zugleich eine Grundlage für deren absolute Dia- gnose und ihre Differentialdiagnose gegenüber den nichtsyphilitischen Dermatosen, sowie für deren Therapie bilden. Ihre intimere Beziehung zu Lues, deren Analyse eigentliche Aufgabe der Syphilislehre ist, kann hier nur inso- weit berührt werden, als dies zur Förderung des Sachver- ständnisses nothwendig und förderlich erscheint.

Die Syphilide bieten keine anderen morphologischen Eigenschaften dar, als die nicht syphilitischen Dermatosen, indem sie als Elecke, Knötchen, Knoten, Pusteln, Geschwüre, mit Schuppen- und Krustenbildung sich präsentiren.

Ihr unleugbar specifisches klinisches Gepräge, durch welches sie von allen nichtsyphilitischen Dermatosen sich abheben und als eigenartig, als „syphilitisch" imponiren , beruht also

Kaposi, Hautkrankheiten. 44

QQQ ■\''ierundvierzigste Vorlesung.

nicht auf ihren morphologischen Eigenschaften , aber auch nicht, wie dies mit Vorliebe gelehrt wird, auf gewissen anderen physikalischen Eigenschaften, als der dunkelbraunrothen (Kupfer-) Earbe, der vorwiegenden Localisation an den Beugen der Ge- lenke und um die Eingangsöffnungen der Körperhöhlen , dem symmetrischen Auftreten, ihrer Anreihung in Kreisen, Formirung von Gruppen, ihrer Polymorphie, der Mächtigkeit der Krusten und Schuppen, dem Fehlen von Jucken.

Denn alle diese den Syphiliden zugeschriebenen äusseren Merkmale kommen oft auch den nicht syphilitischen Exanthemen zu. Ich erinnere nur an die Kreisform der Psoriasis und mancher Eczeme , an die braunrothe Farbe bei Acne rosacea und Acne disseminata , an die Gruppen bei Liehen scrophulo- sorum, an das Vorkommen der Psoriasis non syphilitica auf der Flachhand etc. etc.

Eine genaue Prüfung ergibt, dass die Eigenart der Syphilide der Ausdruck einer Summe von Er- scheinungen ist, welche den pathologisch-anato- mischen Verlauf der einzelen Efflorescenz zu- sammensetzen und in drei charakteristischen Mo- menten zur Aeusserung gelangen.

Erstens: Die syphilitischen Productionen in der Haut stellen sich unter allen Umständen als scharf begrenzte, dichte und gleichmässige (Zellen-) Infiltrate des PapiUarkörpers und des Coriums dar , und können untereinander nur an Grösse variiren. Denn ein Syphilisknötchen von der Grösse eines Stecknadelkopfes ist der inneren Zusammensetzung und dem äusseren Ausdrucke nach identisch mit dem Syphilisknoten von Bohnen- und Haselnussgrösse.

Zweitens : Diese Zellen sind nicht geeignet m eine blei- bende Organisation (Bindegewebe) einzugehen, sondern kommen stets zur Rückbildung und zum Schwunde, entweder m der Weise , dass sie zur Resorption gelangen oder indem sie eiterig

zerfallen. . ....

Eine dritte wesentliche Eigenthümlichkeit der sypüüi- tischen Hautinfiltration ist die constante Richtung und Reihen- folge nach welcher das Infiltrat einerseits sich vergrossert, und andererseits zum Schwunde gelangt. Die Vergrösserung und die Consmnption erfolgen stets centrifugal. Die periphersten Theile des syphilitischen Productes sind daher die relativ

' Sj'philis cutauea'.

091

jüngsten und weisen demnach aucli alle Charaktere des frischen Infiltrates auf. Die ältesten Partien sind zugleich die cen* tralen, und stets kommen diese zuerst zum Schwunde.

Aus diesen drei Cardinalerscheinungen geht beinahe auf physiologische undgesetzmässige Weise jenes specifische klinische Gepräge der Syphilide hervor, welches ihre objective Dia- gnose in einer an's Unfehlbare reichenden Weise ermöglicht, sowie ziigleich auch die ganze Reihe jener Veränderungen, welche den Sj^philiden den Ruf der Vielgestaltigkeit verschafft haben und sie in ihrem äusseren. Ansehen oft den nicht syphi- litischen Hautexanthemen so nahe bringen.

Mit Rücksicht auf diese Grund-Charaktere der Syphilide kann das Knötchen, die Papel, als das Prototyp der letzteren hingestellt werden. Sie bezeichnet zugleich den Höhe- punkt der syphilitischen Production als ein scharfbegrenztes, dichtes Zelleninfiltrat des Coriums und des Papillarkörpers. Ueber dieses hinaus gibt es mehr keine neue, der Syphilis angehörige Anbildung von Formelementen.

Wenn wir demnach die Symptome des syphilitischen Knötchens von dem Momente seiner Ausbildung bis zu seinem Schwunde verfolgen, so werden wir zugleich den Weg zurück- legen, den alle Syphilide durchmächen, auch wenn einzelne derselben durch besondere Verhältnisse unwesentliche Varia- tionen erfahren.

Denken wir uns einen senkrechten Durchschnitt durch Epidermis , Rete , Papillarkörper und Corium , so findet sich das die Papel constituirende Zelleninfiltrat innerhalb zweier beinahe scharf gezeichneter, seitlicher Grenzen im Corium und in den Papillen angehäuft.

Wir können aus dieser Thatsache bereits die charakte- ristischen klinischen Erscheinungen der Papel abstrahiren. Sie ragt über das Niveau empor, sie glänzt, weil ihre Epider- misdecke gespannt ist, sie lässt sich nicht durch den Finger- druck zum Schwinden bringen, sie fühlt sich derb an , wegen der Dichtigkeit des letzteren, und erscheint braunroth, wegen des durch die Stagnation in dtn comprimirten Gefässen ver- anlassten Austrittes von Blutfarbstoif.

Wenn eine Efflorescenz nicht all' die erwähnten Erschei- nungen an sich erkennen lässt, ist sie entweder kein, oder kein recentes syphilitisches Knötchen.

44*

QQ2 Vierundvierzigste Vorlesung.

Nach kürzerem oder längerem Bestände tritt die retro- grade Metamorphose der Zellen und ihre Resorption ein. Und zwar schwindet zuerst der relativ älteste Theil, der centrale.

Hier sinkt die infiltrirte Partie ein. lieber ihr muss die früher gespannt gewesene und zum Theil auch proliferirte Epidermis sich Anfangs runzeln , und später , je mehr die unter- lagernde Infiltration schwindet, sich zu Schüppchen zer- bröckeln. Die peripheren Theile des Knötchens haben dabei noch ihre derbe Beschaffenkeit, ihr braunrothes , gespanntes, glän- zendes Ansehen behalten. Wir haben demnach das constante Bild: ein centrales, vertieftes Schüppchen, oder ein centrales, von Atrophie der Haut herrührendes Grübchen , umgeben von einem braunrothen, derben, glänzenden Infiltrationshofe. ^

Die complicirten Krankheitsformen , welche z. B. in der riachhand, als P so riasis palmar is Cornea, aus der An- reihung solcher in Involution begriffener Knötchen hervorgehen, sind nur durch die Würdigung jener Elementarvorgänge der einzelnen Papeln zu erkennen und von den ähnlichen nicht syphilitischen Affectionen der Flachhand , Psoriasis non syphi- litica , chronischem Eczem, idiopathischer Keratosis der Flach- hand etc. zu unterscheiden.

Psoriasis syphilitica palmaris et plantaris diffusa entsteht nämlich nie anders als durch Aneinander- reihung von einzelnen Papeln. Später stossen ihre Peripherien aneinander. Dann erscheinen an den Centren der einzelnen Papeln Schüppchen ein sehr charakteristisches Merkzeichen. Und wenn bei fortschreitender Atrophie der Papeln über denselben gleichmässige Schuppenaufiagerung sich eingesteUt hat, dann findet sich doch an der äussersten Peripherie der confluirenden Schuppung ein fortlaufender braunrother Infiltrationssaum.

BeiPsoriasis non syphilitica, bei chronischem Eczem, bei Keratosis non syphilitica der Flachhand geht die hornig verdickte Epidermis ohne einen derartigen Begrenzungssaum in die gesunde Epidermis der Umgebung über.

Anstatt durch fettige Degeneration zur Resorption zu gelangen, können die syphilitischen Infiltrate auch eiterig zerfallen. Ist die Flüssigkeit in geringerer Menge vorhanden, dann trocknet sie ein, und bildet mit den darüber gelagerten Epidermistrümmern schmutzig-gelbbraune Borken.

Syphilis cutanea.

693

Diese vertreten nun die im Yorhergelienden geschilderten Schlippen. Ln Uebrigen sind die Verhältnisse ganz und gar dieselben. Die Kruste entspricht stets dem ältesten , dem cen- tralen Theile des Infiltrates und ist stets von dem peripheren, noch nicht in den Zerfall mit einbezogenen Theile des Infiltrates begrenzt, welcher sie von der benachbarten gesunden Haut abgrenzt. Und ebenso übereinstimmend ist das Krankheitsbild, welches aus der reihen- und kreisförmigen Anordnung solcher einzelner zerfallender Knötchen hervorgeht. Man sieht stets in der ersten Zeit die distincten Krusten, welche den Centren der einzelnen Knötchen entsprechen ; und bei vollständiger Confluenz jedesmal noch den peripheren Infiltrationssaum.

Unter denselben Verhältnissen kann es zur Bildung von Eiter-Bläschen und Blasen (Herpes und Pemphigus isyphiliti cu s) kommen, bei deren Verkrustung wieder das Rand- und Grundinfiltrat das charakteristische Bild ergänzt.

Die syphilitischen Hautgeschwüre sind bekannt- lich von charakteristischem Aussehen. Dieses verdanken sie einzig \mä allein der Constanz jener Eingangs hervorgehobenen drei Momente.

Es gibt nämlich kein syphilitisches Greschwür ohne vor- herigen Knoten; das G-eschwür ist ein Substanzverlust des Knotens selber. Da nun dieser stets im Centrum zuerst ulcerirt, so ist das Geschwür von der peripheren Masse des Knotens umgeben , und weil diese gegen das Centrum hin im Zerfall begrifiPen ist, so erscheinen Rand und Grund des Geschwüres speckig belegt, der Rand noch überdies scharf abgesetzt und doch zackig, etwas unterminirt und derb.

Auf dem Geschwüre bildet sich auf bekannte Weise eine Kruste. Nun kömmt die Masse zum Zerfall, in welche das centrale Geschwür gleichsam eingebettet ist, und liefert dabei vorerst Flüssigkeit , durch welche die centrale Borke etwas gehoben wird, und später eine Borke, die unter der ersten gelegen ist , diese aber zugleich in der Peripherie überragt. Anstossend an diese nach aussen ist aber inzwischen eine neue Infiltrationszone entstanden, in welcher jetzt das zweite Ge- schwür ausgegraben ist und so fort so haben wir das fertige Bild der Rupia syphilitica. Als deren äussere Kennzeichen demnach : eine centrale erhöhte Borke , die von dachförmig abfallenden und tiefer gelagerten, zugleich auch

094

Vierundvieraigste Vorlesung.

grösseren Borkenringeii umgeben ist, nnd an der äussersten Peripherie noch einen Infiltrationssaum, nach Abheben der Borke ein, wie eben charakterisirtes Geschwür.

Bei der sogenannten Rupia non syphilitica, bei welcher die Borken ebenfalls durch peripheres Fortschreiten des Gewebszerfalles entstehen, z. B. an einem Ulcus cruris e varicibus; oder in Folge einer auf dieselbe Weise fortschrei- tenden oberflächlichen Exsudation, z. B. bei Excoriation, oder Pemphigus circinatus, fehlt eben jener periphere In- filtrationsring also gerade ein wesentliches Moment der Syphilis.

Wenn ein syphilitisches Geschwür im Weiterschreiten be- reits einen gewissen Umfang erreicht hat, dann bildet sich die periphere specifische Infiltration in der Regel nur in drei Viertel, oder einem Theile des Kreises. Dadurch ist es möglich, dass der von einer neuen Infiltration verschonte Theil des Geschwüres durch Granulationen, welche von dem anstossenden gesunden Gewebe ausgehen , verheilt , vernarbt. In der anderen Richtung jedoch, wo eine neue specifische Infiltration sich gebildet hat, kommt es zum Zerfalle. Und so haben wir die bekannte Nierenform des Geschwüres. Eine dem Umbo entsprechende Narbe, peripher ein Infiltrat, und zwischen beiden ein Geschwür,, welches gegen die Narbe zu verflacht, gegen die Infiltration hin einen steilen, speckigen Rand zeigt.

Und reihen oder gruppiren sich nun mehrere solche Ge- schwüre aneinander, so resultirt ein Bild, bestehend aus cen- tralen Narben, an welche sich eine fortlaufende Reihe von Geschwüren anlehnt, deren steile convexe Ränder nach aussen liegen, weil sie hier wieder an die zumeist peripher gelegene Summe der einzelnen Infiltrate angrenzen. Wir haben das Bild der serpiginösen syphilitischen Geschwüre.

So kann man an den eminentesten klinischen Formen der syphilitischen Hauterkrankung das Gesetz erhärten, dass jedes Syphilid aus einer scharf begrenzten Zelleninfiltration des Coriums und des Papillarkörpers besteht, also ein Knötchen oder einen Knoten von unterschiedlichem Umfange darstellt, und dass alle äusseren Variationen der Syphilide aus dem gesetzmässigen Verlaufe der Zelleninfiltration hervorgehen, dem- gemäss die Formelemente der letzteren zur Resorption oder zum eiterigen Zerfalle gelangen, und zwar stetig, von den

Syphilis cutanea.

695

relativ ältesten, den centralen Partien her, gegen die jüngsten, die peripheren.

Wo diese Factoren sich nicht vorfinden, da hat es kein Syphilid gegeben, oder hat es zu sein bereits aufgehört, d.h. da ist es bereits geschwunden.

Nur in der Roseola syphilitica fehlt das Infiltrat, weil sie eben eine Vorstufe der Papel bildet, und in dem klein- pustulösen Syphilid, dessen mittlerer Antheil von einem Fol-' likel eingenommen wird, ist wegen des geringen Umfanges des compacten Efflorescenzantheiles das Infiltrat klinisch schwieriger zu demonstriren.

Nach dieser allgemeinen Charakteristik der Syphilide und ihrer Typen, kann ich die Beschreibung der einzelnen Exanthem- formen kürzer fassen, da ja die wesentlichen Charaktere und unterscheidenden Merkmale gegenüber den nichtsyphilitischen Hautkrankheiten, wie eben besprochen wurde, bei allen die gleichen sind.

Nach der vorwiegenden Morphe der syphilitischen Haut- exantheme unterscheidet man von denselben:

Roseola syphilitica (Syphilis cutanea maculosa, Maculae syphiliticae) , besteht aus linsen- bis fingernagelgrossen, runden, ovalen, blassrosa bis blaurothen , flachen oder massig vorspringenden, unter dem Fingerdruck erblassenden, distincten, aber nicht scharf marginirten, im Centrum mehr als an der Peri- pherie tingirten, ja dort zuweilen papulösen Flecken, welche nicht jucken und vorwiegend am Stamm und an den Beugen der Extremitäten localisirt sind. Sie bestehen in der Grösse, als sie aufgetaucht sind, ohne mit nachbarlichen zu confluiren. Tage, Wochen, 2 3 Monate, und verschwinden dann ohne Schuppung und ohne Spur zu hinterlassen, mit der zeitweiligen Ausnahme von Pigmentirung. Roseola non syphilitica unterscheidet sich von diesem Exanthem durch die rasche G-rössen- und Formveränderung der Efflorescenzen ; Herpes tonsuransmaculosus durch die deutliche Schuppenbildung ; Pityriasis versicolor durch die Möglichkeit, deren Flecke wegzukratzen (und beide durch ihren Pilz).

Roseola syphilitica erscheint zumeist als erstes manifestes Symptom der constitutionellen Syphilis, 6—12 Wochen nach erfolgter Infection, oder als Recidivsymptom innerhalb des. ersten Jahres, selten noch im 2.-3. Jahre, und dann als

C96

Vienindvierzigste Vorlesung.

grossflecldges, oder liöclist selten als annuläres, in. Form vou kreuzer- bis thalergrossen , persistirenden rothen Elreisen (Ro- seola syph. annularis), niemals aber in den späteren Jahren.

Die Roseola der Frühperioden ist oft mit Papeln unter- mengt (maculo-papulöses Syphilid), oder in einzelnen Flecken mit centraler papnlöser Erhabenheit combinirt.

Das papulöse Syphilid, Syphilis cutanea papulosa, tritt als grosspapulöses und kleinpapulöses auf.

Das grosspapulöse oder lenticuläre Syphilid be- steht aus linsengrossen und grösseren, scharfbegrenzten, braun- rothen, derben, etwas hervorragenden, glänzenden Knötchen, welche nach der früher besprochenen Weise vom Centrum nach der Peripherie fortschreitend sich vergrössern und involviren, dabei Schuppen und Krusten bilden und mit Hinterlassung eines atrophischen, anfangs pigmentirten, später weissglänz enden Grrübchens schwinden. Indem in der Regel gleichzeitig Efflore- scenzen aller Entwicklungs- und Involutionstadien zugegen sind (Polymorphie), so ist die Diagnose des lenticulären Syphilides ziemlich leicht.

Dasselbe bildet ebenfalls häufig die erste , und dann mit Roseola untermischte Eruption der constitutionellen Syphilis und die häufigste Form der Recidiv-Eruptionen innerhalb der ersten 5 10, oder selbst noch der späteren Jahre. Je näher der Frühperiode, desto mehr universell, je mehr der Spät- periode angehörig, desto mehr nur auf einzelne Regionen be- schränkt ist dasselbe , so dass aus diesen Verhältnissen auf den Zeitpunkt der Infection zurückgefolgert werden kaim.

Bei universeller Verbreitung ist das Exanthem ziemlich gleichmässig verstreut, aber an gewissen Oertlichkeiten doch dichter gedrängt oder gruppirt; auf der Stirne (Corona venerea), in der Naso-Labialfurche, um die Nasen- und Muudöffnung, an den Gelenksbeugen, an den gebähten Hautstellen der Achselhöhle, der Mammalfurche, der Leistenfurche, ad Genitalia et ad anum. Dieselben Stellen, sowie der behaarte Kopf, sind der häufigste Sitz von den regionären Recidiv-Eruptionen der späteren Syphilis- periode. Bei der letzteren sind die Papeln öfters gruppirt oder in Kreisen angeordnet. Ihre Diagnose gegenüber von Lupus stützt sich besonders auf die Symptome des regelmässigen cen- tralen Schwundes und das Fehlen von tief eingesprengten (Lupus-) Knötchen abgesehen von den anderen Symptomen

Syphilis cutanea.

697

des Ansehens und des Verlaufes. Aucli pflegen da einzelne Papeln über den gewöhnlichen Umfang hinaus, bis zu dem eines Thalers und darüber sich auszubreiten und da der cen- trale Schwund damit gleichen Schritt hält, ßingform zu bilden Syphilis papulosa orbicularis, die von Herpes ton- surans, Eczema margin a tum und Psoriasis annu- laris oft sehr schwer zu unterscheiden ist.

Von den besonderen Localisationsformen desselben, die zugleich häufige ßecidivformen der Syphilis darstellen^ sind hervorzuheben:

Papeln der Mundwinkel und der Uebergangs- falten der Zehen, welche zu speckig belegten, steürandigen, charakteristischen, schmerzhaften ßhagaden einreissen.

Papeln der Flachhand und Fusssohle Psoriasis palmaris et plantaris deren mit einem allgemeinen Exanthem combinirten Frühformen aus dissemi- nirten , oft auch in Kreislinien gestellten Knötchen zusammen- ffesetzt sind, und deren als ßecidive auftretende und Jahre hindurch sich erhaltende Spätformen durch difiFuse Ver- schmelzung der Knötchen, tiefe Infiltration, dicke Schwielen- und ßhagadenbildung das als Psoriasis Cornea bekannte Krankheitsbild formiren. Ihre Charaktere und unterscheidenden Merkmale gegenüber Keratosis non syphilitica (Eczem, Psoriasis vulgaris, Ichthyosis) sind bereits (pag. 692) hervorgehoben worden.

Breite Condylome, Papulae latae, Plaques muqueuses, Feuchtwarzen, sind pfennig- bis thalergrosse, scheibenförmige, plateauartig vorspringende , derbe , an der Oberfläche mit grauem Detritus belegte, eine viscide Flüssigkeit secernirende Geschwülste, welche an allen durch gegenseitigen Contact von HautMten gebähten Stellen aus Papeln sich herausbilden, demnach vorwiegend an den weiblichen Schamlippen und in deren Umgebung , der SchenkeUeistenfalte , am Perinaeum, ad anum, am Scrotum und Penis, in der Mammalfurche und in der Achselhöhle vorkommen. Ihr Secret ist in hohem Grrade ansteckend.

Die breiten Condylome stellen aber nicht nur ein Symptom der constitutionellen Syphüis und sehr häufig ein Recidiv- Symptom derselben , sondern auch zuweilen , gleich dem Schanker, oder der Sclerose, einen Primärafi'ect vor, indem

698

Vierundvierzigste Vorlesung.

dieselben, wie die Papel, als solche übertragbar sind. Man kann daher bei Gegenwart eines, oder einzelner breiten Con- dylome, z. B. am Mundwinkel, oder ad anum eines Säxiglings, an der Warze einer Amme nicht sofort entscheiden, ob dies ein Recidiv einer schon älteren, oder den Primäraffect einer vor 2—3 Wochen überimpften Syphilis bedeutet.

Das kleinpapulöse Syphilid Liehen syphili- ticus — bildet mohnkorn- bis stecknadelkopfgrosse, derbe, fast durchwegs in Gruppen und Kreislinien gestellte, derbe, oft mit kleinen Pusteln gekrönte Knötchen, nach deren unter starker Schuppung erfolgender Involution seichte Atrophie- Grübchen der Haut zurückbleiben. Es erscheint selten uni- versell als erstes Exanthem, oder Früh-Recidive, und da meist mit lenticulären Papeln untermischt, was seine Diagnose gegenüber von Liehen scr op hulo sorum (pag. 398) und Liehen ruber sehr erleichtert. Als Recidivform localisirt sich dasselbe vorwiegend auf die Gelenksbeugen und um die Mundöffnung und Augenhöhlen. Das universelle kleinpapulöse Syphilid ist äusserst hartnäckig, recidivirt oft als solches und findet sich meist bei kachektischen Individuen, oder führt zu Marasmus.

Das pustulöse Syphilid wiederholt alle Formen des papiüösen Syphüides , aus dessen Knötchen es durch eiterige Schmelzung des Infiltrates hervorgeht. Es erscheint daher auch nach den zwei Typen desselben als gr osspustulö ses und

kleinpu stulöses.

Das grosspustulöse Syphilid (Variola, Acne, Im- petigo syphilitica) besteht aus schrotkorn-, erbsen- bis bohnen- grossen, eiterhaltigen Efflorescenzen , neben denen zumeist auch Papeln ohne Pustelkrönung sich vorfinden. Die Pusteln smd flach und von einem braunrothen, derben, glänzenden, erhabenen Rand umsäumt , d. i. von dem jüngsten Theile der ihre Basis bildenden Papel. Sie vertrocknen zu Krusten , nach deren Ab- fallen die im Centrum deprimirte und charakteristische Papel vorliegt.

In universeller Verbreitung bildet das grosspustulöse Syphilid die erste, in der Regel fieberhafte, oder eine Recidiv- Eruption der Früh-Syphilis. Es wird merkwürdiger Weise nicht selten für Variola diagnosticirt, ein Lrrthum, der nur möglich ist, wenn man den Charakter der Pusteln, deren

Syphylis cutanea.

699

Untermengung mit Papeln, das Fehlen von Stippclien und eines Stadiums wasserheller Bläschen und den von Blattern so ganz und gar verschiedenen, den auf Monate protrahirten Verlauf übersieht. Die Eecivdiformen der späteren Syphilis-Periode sind durchwegs regionär beschränkt und wie die correspondirenden Knötchenformen gruppirt, oder orbiculär gestellt. Bei der Localisation an der Nase und Stirne sind sie schwierig von Acne und Lupus, auf dem Capillitium von Eczema impe- tiginosum, an den Unterextremitäten, wo ihre Basis oft lividbraun, von Acne cachecticorum zu unterscheiden.

Aus peripher bis zu Kreuzer- und Thaler - Umfang sich vergrössernden und successive pustulös werdenden Papeln entstehen Formen , die bei grosser centraler Pustel , als P e m- phigus syphiliticus, im Stadium der centralen Krusten- bildung und zonenförmiger Anreihung von Krusten- und Pustelringen, als Rupia syphilitica, nach Verheiluug des Centrums als Syphilis annularis pustulosa bekannt sind. In all' diesen Formen gibt die ohne vorangehende Bläschenbildung entstehende Pustel-Formation , der Anblick der Ulceration, oder Atrophie nach Abhebung der Krusten und das scharf- begrenzte Randinfiltrat den diagnostischen Unterschied gegenüber von den morphologisch ähnlichen nichtsyphilitischen Processen: Pemphigus vulgaris circinatus et rupia- formis, Eczem- und Excoriationspusteln, Herpes Iris und H. tonsurans vesiculosus.

Das klein p US tu löse Syphilid erscheint, wie das seine Grundlage bildende Kleinknötchen-Sy23hilid, stets in Form von gruppirten und in Kreislinien gestellten, miliären bis steck- nadelkopfgrossen Eiterbläschen und unter den gleichen Ver- hältnissen. Dessen Difi'erentialdiagnose gegenüber von Liehen scrophulosorum ist zuweilen nur unter Berücksichtigung von entfernteren Umständen, am leichtesten allerdings bei Ge- genwart von lenticulären Papeln möglich.

Wie die Prognose des lenticulären Syj)liilides im All- gemeinen günstiger ist, als die des Liehen syphiliticus, so auch die des grosspustulösen besser, als die des kleinpustulösen.

Das Knoten - Syphilid, Syphilis cutanea g u m m a- 1 0 s a , besteht aus grösseren Knoten , welche nach ihrem primären und vorwiegenden Sitze als cutane und subcutane Grummaknoten unterschieden werden können. Sie bilden durch-

700

Vierimdvierzigste Vorlesung.

wegs , mit seltenen Ausnalimen , Formationen der späteren Syphilis-Periode und beschränkter Localisation. Die ctitanen Knoten sind erbsen-, bohnengross und grösser, zum Theile discret, meist in Gruppen gestellt S. corymbosa, Syphilide en grappe , oder in Kreis- und Bogenlinien angereiht S. serpiginosa. Diese Formen haben die grösste Aehnlich- keit mit Lupus serpiginosus, von dem sie durch die schon wiederholt besprochenen positiven Eigenschaften und das Fehlen der lupösen Einsprengungen in der centralen narbigen Area unterschieden werden können.

Die subcutanen Knoten, eigentliche Grummata, bilden anfangs erbsen- , haselnussgrosse und grössere , rundliche und bewegliche, später, nach Hineinwuchern in die Cutis selbst, an diese fixirte , länglich runde , derbelastische , bei Druck schmerzhafte Knoten. Die Ofummata schwinden im Verhältnisse zu ihrem Umfange nach Wochen oder Monaten durch Atrophie und Eesoi-ption, die subcutanen unter Einsinken der centralen Partie , wobei sie eine bisquitähnliche G-estalt wahrnehmen lassen.

Das uiceröse Syphilid geht aas eiteriger Schmelzung der Knoten hervor. Die syphilitischen Greschwüre charakterisiren sich durch grosse Schmerzhaftigkeit und die schon früher (pag. 693) geschilderte specifische Form und Be- schaffenheit, und erscheinen je nach dem dort erörterten Gange der Infiltration rund, nierenförmig , serpiginös und ' rupia- förmig. Weniger typisch geformt sind die aus subcutanen Gummaknoten hervorgegangenen Geschwüre , weil jene nicht so regelmässig zu einander gestellt sind, wie die cutanen Knoten.

Wegen der rapiden Destruction der Gewebe ist das uiceröse Syphilid von der grössten praktischen Wichtigkeit, namentlich mit Rücksicht auf die besondere Dignität des be- fallenen Körpertheiles, wie der Nase, der Lippen, des Gesichtes überhaupt. Hier, wie am behaarten Kopfe führen sie oft zu Necrose des unterliegenden Knorpels und Knochens ; an den Händen und TJnterextremitäten durch complicative Entzündung zu chronischem Oedem und elephantiatischer Hypertrophie und Mutilationen. Im Uebrigen ist die Prognose des ulcerösen Syphilides nicht ungünstiger als die der anderen Syphilide.

Syphilis cutanea.

701

Syphilis cutanea vegetans (f ramboesiaformis) stellt papillomartige, rothe, drusige, warzige Auswüchse vor, welche über excoriirten oder exulcerirten Papeln, oder Grummaknoten sich erheben. Ihr häufigster Sitz sind die Naso-labial-Furchen, die Mundwinkel, die der Bähung ausgesetzten Hautfarchen der Scham-Leistengegend, der Mammalfalte , seltener auch andere Körperstellen. Die warzigen Auswüchse haben hier keine andere Bedeutung, als die bei nicht syphilitischen Entzündungs- vorgängen, Elephantiasis Arabum, Sycosis, Lupus und anderen Processen entstehenden Vegetationen, die schon (pag. 548) besprochen worden sind, und dieselben können als „syphilitische" nur insoferne xmd so lange angesprochen werden, als eben das syphilitische Infiltrat (Papel, Grumma) ihre Basis darstellt. "Wenn dieses geschwunden ist, dann ist eine solche Diagnose nicht möglich, da die warzigen Auswüchse weder klinisch, noch histologisch wie Syphilis, sondern wie Bindegewebs-Neu- büdungen sich verhalten.

Bei hereditärer Syphilis erscheint entweder schon bei der- Greburt, oder innerhalb der ersten drei Lebenswochen (selten später) ein Syphilid, welches sich nicht wesentlich von dem der erworbenen Lues unterscheidet. Dasselbe ist meist ein maculo-papulöses Exanthem mit ßhagaden - Bildung am Mundwinkel, ad anum, an den Interdigital-Falten , seltener ein pustulöses Syphilid, unter der Eorm grösserer, auf exul- cerirten , flachen Papeln sich erhebender Eiterblasen Pem- phigus syphiliticus. Eigenthümlich , zugleich charakteristisch für hereditäre Syphilis ist eine diffuse Infiltration der Fusssohle und Flachhand , deren Hautdecke dabei gleichmässig braunroth, trocken, atlasartig glänzend, da und doit rhagadisch erscheint.

In den späteren Jahren ererbter Syphilis kommen die gleichen gummösen Knoten und deren Ulcerationsformen vor, wie in der Spätperiode ererbter Syphilis.

Die T h e r a p i e der Syphilide fällt im Allgemeinen mit der jenigen der constitutionellen Syphilis zusammen, als deren Symptom sie ja erscheinea. AU' diejenigen Mittel und Behandlungsweisen , welche die specifische Bluterkrankung zu beseitigen vermögen , bewirken in Einem auch das rasche Ver- schwinden des syphilitischen Hautexanthems und verhüten auch dessen Pv,ecidive nur in dem Masse , als sie die constitutionelle Erkrankung dauernd zu beheben vermochten.

702

Yierunavierzigste Vorlesung.

Diese Heilmittel und Beliancllungsweisen sind bekanntlich : Quecksilber, das dem Blute en- und hypodermatiscli , sowie durcli den Verdauungstract in verscbiedener Form und Weise einverleibt wird, als mittels Einreibung des Unguent. cinereum, subcutaner Injection von Sublimat, Calomel-Suspension, Pep- tonf[uecksil . er (Bamberoer), Sublimatbädern, innerlichen Ge- brauches von Sublimat, Proto- tind Dentojoduretum Hydrargyri, Calomel und anderer Quecksilberverbindungen, ßäucherungen mittels Zinnober; ferners interne: Jodkalium, Jodnatrium, Jodoform und Jodquecksilberverbindungen; endlich: Decoct. Zittmanni, Dec. Pollini und Jodeisenverb indangen. Bezüglich all' dieser Methoden und Mittel, sowie ihrer speciellen Indi- cationen muss ich auf die bekannten Lehrbücher über Syphüis verweisen , da bei deren Erörterung nicht nur die specifischen Hautaffectionen, sondern die Erkrankungen auch aller anderen Organe und Systeme des Körpers mit in Betrackt gezogen werden müssen.

Dagegen wäre hier der Ort hervorzuheben , dass öfter Gelegenheit, ja dringender Anlass geboten ist, die syphilitische Hauterkrankung örtlich zu behandeln, ohne Rücksicbt auf den HeilefFect, den eine gleichzeitige antisyphilitische Allgemeincur allenfalls auf dieselbe ausüben mag. So darf man speciell bei ulcerösem Sj^philid der Nase und der Gesichtstheile überhaupt nicht erst die Heilwirkung einer Allgemeincur abwarten, da auch im günstigsten Falle bis zum vollen Eintritt derselben so viel Zeit verstreicht, dass innerhalb derselben dem Destructions- process wichtige Gebilde, z. B. die Nasenscheidewand, der Nasenflügel, zum Opfer fallen. Bei örtlich drohender Gefahr muss daher auch sofort örtlich der Process beschränkt werden. Dies gelingt fast jedesmal durch bis in's gesunde Gewebe ge- führte Aetzung mittels Lapis- oder Kalistift; in weniger bedrohlichen Formen und da, wo dasselbe gut applicirt werden kann, durch ein gut klebendes Em plastrum hydrargyri. Letzteres ist in der Beziehung überaus verlässlich , da unter demselben jegliche Art von Syphilid sehr prompt zur Eesorption gelangt. Daher eignet es sich vorzüglich zur Behandlung von chronischer Psoriasis palmaris et plantaris, breiten Condylomen, schmerzhaften rhagadischen Papeln, Paronychia iilcerosa, von hartnäckig bestehendem Liehen syphiliticus, grossknotigem Syphilid und einzelnen Gumraaknoten, selbst wenn die letzteren

Syphilis cutanea.

703

bereits in Erweichung begrifPen wären. Und so heilen denn auch die Geschwüre sehr rasch , indem das Infiltrat ihres Grundes und E,andes unter dem grauen Pflaster schwindet.

Auch Sublimat empfiehlt sich als örtlich rasch wirksames Mittel, bei Psoriasis palm. et plantaris in Form von Fuss- iind Handbädern (5, ad 500); in leicht ätzender Concentration (1,0, ad 50 Alkohol oder CoUodium) oder sub Forma der Solut. Plenckii (Rp. Sublimat., Aluminis, Camphorae, Cerussae, Spir. vini, Aceti Yini, ^ 5,00) gegen Plaques muqueuses.

Jodtinctur, Jodglycerin, Jodoform-CoUodium und -Salben erweisen sich höchstens resorptionsfördernd gegen Gummata, nicht so gegen andere Syphilidformen; ebenso ist offenen Ge- schwüren gegenüber deren Wirkung nicht prompt genug, als dass man nicht bei drohender Gefahr vorziehen sollte, jene früher erwähnten verlässlichen Mittel sofort anzuwenden.

XL Classe.

Neuroses cutanea e. FünfundYierzigste Vorlesung.

Neurosen dei?Haut, Begriff. Motilitäts- , Tropho- und Sensibilitäts- Neurosen. Pruritus cutaneus, universalis et localis. Pruritus senilis.

Neurosen der Haut bedeuten solche Krankheiten, welclie als eine zunächst nicht weiter definirbare Alter ation der Hautnervenfunction, ohne gleichzeitige Structur- veränderung der Cutis, sich kundgeben. Wir schliessen somit von den Neurosen alle jene Processe aus , welche in deutlicher Ernährungsstörung der Haut sich kundgeben, wenn sie nach- weislich oder muthmasslich mit einer Alteration bestimmter Nervengebiete zusammenhängen, wie Herpes Zoster mit Granglienerkrankung, gewisse Pigment- und "Warzenmäler mit dem Nerven verlaufe, Acne rosacea, Erythema multiforme und nodosum mit Störungen des vasomotorischen Systems („Angioneurosen"), gewisse als diffuse Röthung („glossy skin") und Blasenbildung im Bereiche verletzter oder gereizter Nerven- stämme erscheinende Hautentzündungen, Ausfallen, Ergrauen der Haare, An- imd Hyperidrosis im Verlaufe des neuralgisch afficirten Frontalnerves u. A. Ernährmigsstörimgen , welche als Tropho -Neurosen der Haut dargestellt Avorden sind, aber doch keine selbständigen Krankheitsformen repräsentiren.

Als wahre Neurosen, meinen wir, könnten nur wenige Affectionen der Haut angesehen werden, eben solche, bei welchen die gestörte Function der Hautnerven ausschliesslich

Nexu'oses ciitaneae.

zur Manifestation gelangt. Dieselben können nach der func- tionell dreifachen Art der Hautnerven ebenfalls als dreierlei unterschieden werden, als: Motilitäts-, vasomotorische oder trophische und Sensibilitäts - Neurosen, wobei ich füglich die noch nicht spruchreife Frage nach der Existenz trophischer Nerven wohl tinberührt lassen darf.

Als lEotilitätsneuro se der Haut wäre „Cutis an- serina" („Gänsehaut", „peau de poule") hervorzuheben, ein bekannter Zustand, welcher in einem Hervorgedrängtsein der Haarfollikel zu kleinen, derben, spitzen, von Schüppchen be- deckten, oder einem Härchen durchbohrten Knötchen am Stamme und namentlich an der Streckseite der Extremitäten besteht. Er ist zunächst die Folge der Zusammenziehung der Schleuder- muskeln der FoRikel.

Die als Liehen pilaris, oder niedriger Grrad der Ichthyosis bekannte analoge Zustand , welcher dauernd sich erhält, wäre aber hier auszuschliessen , da man doch nicht annehmen kann, dass die entsprechenden Muskelbündel der Follikel Jahre hindurch in dauernder Contraction sich befänden, und wir meinen hier nur Cutis anserina als Folge einer neurotisch veranlassten Contraction der Arrectoren. Dieselbe kann auf directe oder indirecte Reizung der Hautnerven erfolgen ; direct durch calorische Contrasteinwirkungen , plötzlichen Wechsel von Wärme oder Kälte, wobei auch andere Körpermuskeln mitafficirt zu werden pflegen, was durch Erschütterung des Körpers, Zittern, tiefe oder stossweise Inspiration, z. B. beim Eintritt unter eine kalte Douche, oder ein heisses Bad. zum Ausdruck kommt; indirect durch Beeinflussung vom Grehirn aus bei psychischen AflPecten, Schreck, Wahn- und Realvorstel- lungen beim Lesen, beim Ansehen von Schreckensscenen. Bei streng logischem Vorgehen müsste allerdings selbst die Cutis anserina als ein physiologischer Vorgang bezeichnet werden, weil unter den aufgezählten Verhältnissen dieser Zustand bei allen normal constituirten Individuen aiiftreten wird.

Als Trophoneurosen der Haut können vielerlei AfFectionen bezeichnet werden, welche als durch An om allen desNervensystems bedingte Ernährungsstörungen sich dar- stellen, wie die Eruption des Zoster, entzündliche Vorgänge im Verlaufe verletzter Nerven , Grangrän bei Lähmungen u. A. Allein man zählt vorwiegend solche Vorkommnisse hieher,

Kaposi, Hautkrankheiten. 45

-jQß Fünfund vierzigste Vorlesung.

welche durch Alteration derG-efässnerven eiitstanden schei- nen und seit Eulenbdkg und Landois als „Angioneurosen'- gerne bezeichnet werden. Wir haben schon wiederholt Grelegenheit gehabt, uns über dieselben zu äussern, in dem Sinne , dass die als solche dargestellten Processe : Zoster, Acne rosacea, Erythema, Scorbut und viele andere mit der Bezeich- nung als Agioneurosen eben nicht erklärt sind und nicht auf- liören difFerente klinische Formen zu repräsentiren , als welche sie an der in der Pathologie ihnen gebührenden SteUe

besprochen worden sind.

Die Sensibilitätsneurosen erscheinen als excessive oder verminderte Empfindung Hyperästhesie, An- ästhesie, — oder als qualitative Empfindungs- Alteration, Pruritus (Hautjucken), Hyperalgesie , Analgesie, vermin- derte Druck- oder Tastempfindung, gestörter Ortssinn, wie solche z. B. bei Hysterie, Begleiter und Sjonptome von Er- krankungen des Centrainervensystems uud einzelner peripherer Nerven vorzukommen pflegen.

Unter aU' diesen Sensibilitätsneurosen ist als mehr selbst- ständige Dermatopathie das durch einen geschlossenen Sym- ptomencomplex sich charakterisirende „Hautjucken",

Pruritus cutaneus

hervorzuheben.

Wir bezeichnen so (nach Hebra) eine chronische Hautkrankheit, welche durch spontan, d. h. ohne Efflorescenzen, oder äusserliche Ursachen, wie z. B. Epizoen, a u f t r e t e n d e s J u c k e n sich charakterisirt. Hiemit gilt aUes durch nachweisbare Nutritionsstörungen der Haut, wie bei Eczem Prurigo, Liehen ruber, Psoriasis etc., oder Epizoen (Lause) bedingtes Jucken nicht als „Pruritus" im Sinne einer selbst- ständigen Krankheit, da dasselbe hier nur ein begleitendes Symptom und eine als physiologisch anzusehende iieüex- erscheinung jener bestimmten Zustände darstellt.

Die in Rede stehende lästige Hautkrankheit tritt ent- weder allgemein über den ganzen Körper verbreitet auf, oder auf e i n z e 1 n e K ö r p er r e gi 0 n e n beschränkt.

Pruritus universalis manifestirt sich durch die quälende Empfindung des Juckens, welche nicht continuirlich vor-

Pruritus cutaneiis. 707

handeii ist, sondern anfallsweise, melirex'e Male des Tages nnd in der Nacht auftritt. Der Anfall von Jucken kann häufig unter besonderen Umständen , z. B. unter dem Einfluss von Hitze, Bettwärme, heftiger Bewegung, oder umgekehrt, bei ge- zwungener Ruhe, wie im Theater, in Gesellschaft geweckt werden. Psychische AfFecte haben einen zweifellosen Einfluss auf das Jucken. Der blosse Gedanke, die Furcht dasselbe könnte nun beginnen , es möchte , wie im Theater , keine Ge- legenheit sein zu kratzen , genügt , um sofort den Juckanfall hervorzurufen. Dagegen vermag die Ablenkung der Gedanken auch den Anfall zu verhüten oder zu verzögern.

Das Jucken beginnt unregelmässig da und dort, erst wie ein sanftes Kitzeln , welchem die Kranken einige Zeit hindurch Widerstand leisten können; alsbald wird die Empfindung- heftiger und sie fangen an durch Druck, oder mässiges Kratzen dieselbe zu bekämpfen. Alsdann bricht jedoch das Jucken mit enormer Heftigkeit los und umso intensiver, je länger dasselbe moralisch bekämpft wurde. Es nützt alsdann nicht die grösste Willensanstrengung, die Kranken sind gezwungen, einen Ort aufzusuchen , wo sie ungehindert ihre Haut mit den Nägeln bearbeiten können. Der Impetus scabendi ist so mächtig, dass sie alle Rücksichten des Anstandes und der Verhältnisse pro momento ausser Acht zu lassen gezwungen sind. Das Kratzen mit den Nägeln genügt oft nicht ; sie bedienen sich zur Be- friedigung ihrer Nervenempfindung rauher Körper, Erottir- bürsten. Das Reiben und Kratzen als solches ist in der ersten Zeit selbst eine Ursache für die Steigerung des Juckens , das Erscheinen von Urticaria, und kann doch nicht unterlassen werden.

Erst bis die Haut durch die heftigen Angrifi^e, welchen sie von Seite der Nägel und der kratzenden Körper ausgesetzt war, da und dort in Streifen hyperämisch, zerkratzt, blutend geworden und die Empfindung von Brennen eintritt, hört das Jucken auf und tritt mit einer körperlichen Abspannung auch eine gewisse psychische Befriedigung ein. Besonders quälend werden auch die Nächte, indem die Kranken häufig schon beim Entkleiden einen Juckanfall durchzumachen haben, manch- mal wohl sofort einschlafen, aber nach kurzer Zeit durch den .Juckanfall aus dem Schlaf geweckt werden und mehrere Stunden vom Pruritus gequält, wiederholt das Bett verlassen,

45*

708

Fiiufundviorzigste Vorlesung.

kratzen, mit kühlenden Gegenständen sich die Haut berühren^ kurzum auf alle mögliche Weise sich zu beruhigen trachten^ bis sie des Morgens ermattet einschlafen.

Auf der Haut selbst finden sich keine anderen objec- tiven Er 8 eh einungen, als diejenigen, welche von dea durch Kratzen veranlassten Insulten herrühren , also ganz unregelmässig situirte, je nach ihrem Alter und ihrer Reihen- folge verschieden dunkel pigmentirte, oder frische Kratzstriemen und Flecke , während im Uebrigen die Haut geschmeidig und gut transspirirend sich anfühlt. Ein anderes Mal ist mit dem Pruritus eine im Allgemeinen mehr trockene Beschafi'enheit der Haut verbunden, oder sistirt die Perspiration, mit Aus- nahme der G-elenksb engen, ziemlich vollständig. Urticaria tritt aber fast regelmässig während des Kratzens auf.

Dass im Verlaufe eines viele Monate und J ahre dauerndem derartigen Zustandes die Kranken durch Schlaflosigkeit, manch- mal auch durch das ätiologische Moment in der Ernährung- herabkommen, psychisch deprimirt, oder im Gregentheil exaltirt werden, ja bisweilen in einem Juckanfall in Gefahr der psychi- schen Alien ation, des Selbstmordversuches kommen, ist be- greiflich.

Die Ursache des Puritus cutaneus universalis ist in manchen Fällen ziemlich bekannt. Als Pruritus senilis, bei Personen des Greisenalters auftretend , mag derselbe als Folge des senilen Marasmus gelten. Die Haut solcher Greise ist sehr häufig well?, trocken, runzelig, braun pigmentirt. Doch gibt es auch Fälle, in welchen die Haut keineswegs marastisch erscheint, der Fettpolster noch ganz gut erhalten ist.

Pruritus senilis ist unheilbar und dauert bis an's Le- bensende.

Bei Personen mittleren Lebensalters, männ- lichen wie weiblichen Geschlechtes , kommt der Pruritus cutaneus ebenfalls vor; bei Männern oft nachweislich mit chronischem Gastricisraus, schlechter Verdauung, Druck in der Magen- und Lebergegend, träger Defäcation, vergesellschaftet: bei weiblichen Individuen in Verbindung mit Störungen im Bereiche der Sexualsphäre, Dysmenorrhoe, klimakterischen Zu- ständen; selten mit jeder Gravidität. Ausserdem sind in manchen Fällen Albuminurie , Morbus Brigthii , Diabetes mel- litus, Tuberculose, Magen- und Leberkrebs als Ursache des

Pruritus cutaueus.

709

Pruritus zu eruiren; ja in manchen Fällen geht das Haut- jucken lange Zeit der Entwicklung eines der genannten Neu- "bildungen voran. Selbstverständlich ist das Hautjucken, welches mit Icterus verbunden ist, nicht als reiner Pruritus aiifzu- fassen, sondern als mechanisch durch den in die Cutis abge- lagerten GallenfarbstofF veranlasstes Hautjucken.

Endlich sind deprimirende GemüthsafFecte, wie die durch liarte Schicksalsschläge , Verlust von Vermögen , theuren Per- sonen veranlassten , zweifellos Veranlassung von Pruritus cutaneus universalis. Es herrscht hier eine vollständige Ueber- ^instimmung mit den Verhältnissen , unter welchen auch Ur- ticaria chronica aufzutreten pflegt.

Was die Prognose anbelangt, so kann sie nur bei Pruritus senilis als absolut ungünstig bezeichnet werden , da nur hier das Uebel sicher bis an's Lebensende andauert. Unter allen anderen Verhältnissen kann der Pruritus entweder spontan erlöschen, wenn die erwähnten ursächlichen Verhältnisse, mögen sie somatischer, oder psychischer Natur sein , sich bessern oder teilen. Bei der Unbestimmbarkeit dieser ist aber auch in Bezug auf die Zeitdauer der Krankheit nichts Bestimmtes vorher- zusagen. Es kann das Uebel immerhin viele Jahre dauern, oder auch unheilbar sich erweisen.

Die Diagnose des Pruritus universalis ist durchaus nicht leicht. Vor Allem muss objectiv festgestellt sein, dass der Kranke viele Monate hindurch an Jucken leidet, was aus den bekannten Veränderungen auf der Haut , frischen und alten, und unregelmässig am Körper zerstreuten Spuren ■des Kratzens entnommen werden muss. Alsdann mag die Anamnese ebenfalls den objectiven Befund bekräftigen. Nun müssen noch alle anderweitigen, mit Jucken einhergehenden •chronischen Krankheiten, wie Prurigo, Scabies, Hautjucken in Eolge von Bettwanzen, Pediculi vestimentorum, ausgeschlossen . werden. Bei den letzteren weiss man, finden sich die grossen Excoriationen und die starken Pigmentationen vorwiegend am Nacken und an der Sacralgegend, weil die Pediculi in den Falten •der hier zumeist anliegenden Kleidungsstücke vorwiegend nisten. Am schwierigsten ist Urticaria chronica und Pemphigus pruriginosus auszuschliessen. Doch liegt an einem solchen Irrthum nicht viel, weil diese Processe thatsächlich mit Pruritus cutaneus nosologisch ziemlich gleichartig zu sein

rj YQ Füufundvierzigste Vorlesung.

sclieinen; wenigstens treten sie oft unter denselben ätiolo- gischen Verhältnissen auf.

Pruritus localis stellt den Zustand des chronischen an- fallsweisen Juckens dar , welcher auf einzelne Oertlichkeiten beschränkt ist. Nach der betroffenen Oertlichkeit unter- scheidet man :

Pruritus pudendorum muliebrium, Jucken, welches- vorwiegend als Pruiritas vulvae et vaginae sich charakte- risirt, aber alsbald auch die äusseren Genitalpartien, Labien und Clitoris befällt und die Kranken zu dem heftigsten Kratzen, Frottiren, mechanischen Insulten gegen die von dem heftigen Jucken befallenen Genitalpartien veranlasst. Objectiv sind erst in späterer Zeit neben Röthung, kartarrhalischer Secretion der Vaginalschleimhaut , ekzematöser Verdickung der Schleim- haut der grossen und kleinen Labien , Hypertrophie des Prä- putium, der Clitoris, nebst mässigen Excoriationen und Krusten zu finden. Die betreffenden Kranken zeigen sich meist exaltirt, von allen möglichen Erscheinungen der sogenannten Hysterie geplagt, manchmal wie nymphomanisch, ohne dass jedoch der bis zum höchsten Sinneskitzel gesteigerte Act des Kratzens, oder selbst der Coitus einem Juckanfall ein Ende machen würde.

Als Ursache dieses Pruritus kann irgend ein ätiolo- gisches Moment zugegen sein, welches sonst auch Pruritus universalis veranlassen kann; manchmal ist Pruritus der Geni- taHen ein jahrelanger Vorläufer eines sich später entwickelnden

TJterincarcinoms.

Pruritus pudendorum marium betrifft vorwiegend Scrotum und Perineum, das Orificium urethrae und die Urethralschleimhaut und führt durch das intensive Kratzen sehr bald zur Entwicklung von Eczema scroti, durch welches die Diagnose desselben ausserordentHch

erschwert wird.

Pruritus analis betrifft den anus und dessen Circum- ferenz, sowie das Anfangsstück der Rectumsschleimhaut. Auch hier kommt es durch das häufige Kratzen zu Eczemerschei- nungen copiöser Schleimsecretion vom Rectum, Wulstung und Entzündung der Schleimhaut. Zweifellos ist der Zustand oft mit Ausdehnung der Hämorrhoidalvenen und grösseren Hämor- rhoidalknoten verbunden.

Pruritus palmae manus et plantae pedis, mit

Pniritus cutaneais.

711

oder olme Hj^peridi'osis dieser Tlieile ist seltener, aber eben- falls sehr quälend.

Pruritus linguae habe ich noch nie gesehen, wird aber von Anderen berichtet.

Zu erwähnen wäre noch, dass Duhring in Philadelphia als Pruritus hiemalis ein Hautjucken bezeichnet, welches bei manchen Personen, auch jugendlichen, in den Winter- monaten eintreten und namentlich auf die Extremitäten sich beschränken soll.

Ich halte dafür , dass dies keine eigentliche Neurose ist, sondern eine durch die Trockenheit der kalten Atmosphäre veranlasste Sprödigkeit der Epidermis, welche in Verbindung mit der bei niederen Temperaturen häufig auftretenden Cutis anserina , namentlich beim Auskleiden und Anziehen, Jucken veranlasst.

Eür die Therapie des Pruritus universalis et localis liegen die Verhältnisse da am günstigsten , wo Aussicht vor- handen ist, die ursächlichen Momente der Krankheit zu beseitigen. Bei mit Leberaffectionen und chronischem Grastricismus ver- gesellschaftetem Pruritus erweisen sich oft Trinkcuren in Carls- bad und Marienbad, der innerliche Grebrauch von Soda, Magne- sia, Rheum , nebst einer zweckentsprechenden Diät heilsam. Wo Störungen im Bereiche der weiblichen Sexualfunctionen als Grund des Hautjuckens angenommen werden dürfen, muss man dieselben zu beheben trachten. Liegt moralische Depression der Affection zu Grrunde, so erweist sich oft eine Reise, der Wechsel des Wohnortes, die Herbeiführung sexuell und geistig befriedigender Lebensverhältnisse rettend.

Im Uebrigen wird sowohl in den unheilbaren Fällen, wie Pruritus senilis , als in den günstigeren Formen gegen die Anfälle von Hautjucken selbst dasjenige angewendet werden müssen , was dieselben abzukürzen , die Juckempfindimg zu mitigiren vermag.

Bei Pruritus universalis, wie localis, wirkt merkwürdiger Weise Theer in der Regel sehr wenig, da er doch bei den juckenden Hautkrankheiten, Prurigo, Eczem Ausgezeichnetes gegen das Jucken leistet. Von einiger, wenn auch vorüber- gehenden Wirkung sind alle jene Mittel und Verfahrungs- weisen, durch welche die Empfindung von Kälte auf der Haut erzeugt wird; also ätherische und alkoholische Flüssig-

712

Fünfundvierzigste Vorlesung.

keiten mit und olme Carbol-, Salicylsäure , Schwefel- und Petroleumäther in den beliebigsten Mischungen (pag. 304), mit welchen die Haut eingepinselt wird, so oft die Juckempfindung neu sich regt. Seltener wirken warme Wannenbäder günstig, häufiger noch kalte Douchen, Einhüllungen in nasse Leintücher, medi- camentöse Bäder von Schwefel, Soda, Alaun, Sublimat.

Bei Pruritus vulvae et vaginae kann man solche medi- camentöse Sitzbäder anwenden in Verbindung mit Injectionen in die Vagina von lauem, oder kaltem Wasser ; ferners Alaun-, Zink-, Tannin-Lösungen, Einlegen von in solche Flüssigkeiten getauchten Tampons, oder Tampons, welche in Opiatsalben getunkt worden waren, Suppositorien aus Cacao mit Laudanum, Belladonna, Morphium, Creosot. Rp. Bu.tyri de Cacao 1,50, Lau- dani 0,02—0,04 (Belladonnae 0,02—0,04), (Morphii 0,01—0,05).

Subcutane Lijectionen von Morphium , Chloralhydrat, innerlicher Grebrauch der letzteren , Lihalationen von Chloro- form sind gelegentlich anzuwenden, um das Jucken zu mildern und Schlaf zu erzeugen.

In ganz analoger Weise wird man auch gegen Pru- ritus analis verfahren und gleichzeitig vorhandenes Eczem nach den bekannten Regeln behandeln.

Bei Pruritus vulvae et vaginae et analis wird der so- genannte Scheiden- und Mastdarmkühler zweckmässige Dienste leisten.

Lmerliche Mittel , von welchen eine umstimmende Wir- kung auf die Nerven-Centra selbst zu erhofi'en wäre, wie Solut. Fowleri, Atropin (Atropini sulf. 0,02, Grummi tra- gaeanth. 1,50, Grlycerrhini, Pulv. liquir. ^ q. s. ut. f. pill. XX. Sig. 2 Pillen täglich zu nehmen. Schwimmer), Pilocarpium muria- ticum (subcutan 0,01), Chinin, haben sich uns theils gar nicht, theils nur sehr vorübergehend wirksam erwiesen, gerade so wie der innerliche Gebrauch von Carbolsäure (Acidi carbol. 5, Pulv. et Extr. rad. Gent. ^ q. d. u. f. pill. 60. Sig. 10 Pillen täglich).

Xn. Olasse..

Dermatoses parasitär iae.

Parasitäre Hautkrankheiten.

Sechsundvierzigste Yorlesung.

Pfla nzlieheundthieri s e he Parasiten. Allgemeines überPilze und ilire botanische Stellung, Wirkung auf das Hautorgan. Eintheilung der Dermatomyeosen. Speeielles: Favus, Pathologie, Therapie.

Die parasitären Hautkranklieiteii bilden den Inhalt der letzten Classe des HEBEA'sclien Systems, zugleich eine natürliche Krankheitsgruppe vermöge des gemeinschaft- lichen Momentes, dass sie durch den Einfluss parasi- tärer Organismen auf die Haut veranlasst werden.

Die bei dieser Krankheitsgruppe zu beobachtenden patho- logischen Vorgänge des Hautorganes sind zwar wesentlich die schon bekannten der Hyperämie, Exsudation, Entzündung, Desquamation etc. und bedürfen als solche daher keiner all- gemeinen Erörterung. Deren Localisation, Form und Verlauf gestaltet sich aber in besonderer Weise nach den Lebens- und Vegetationsbedingungen der sie veranlassenden parasitären Organismen. Deshalb, und weil die letzteren überdies auch selber als wesentlicher Antheil des Symptomencomplexes der in E,ede stehenden Krankheitsformen zugegen sind, ist es nothwendig , die Eigenschaften dieser Krankheitserreger als ausserhalb des menschlichen Organismus stehender natur- geschichtlicher Objecte kennen zu lernen.

Dieselben sind naturgeschichtlich zweierlei: 1. pflanz- liche, 2. thierische Parasiten.

7U

Sechsundvierzigste Vorlesung.

Die pflanzlichen Parasiten der menschlichen Hant gehören zur Classe der Pilze, Fungi. Sie unterscheiden sich von den Algen durch den Mangel an Chlorophyll. Ver- möge dieser Eigenschaft sind sie nicht im Stande unorganisches Materiale zu assimiliren, sondern können sie nur vorbereitete organische Substanzen in sich aufnehmen.

Eine Gruppe derselben findet sich vorwiegend auf todten in Zersetzung begrifi'enen organischen Substanzen; man nennt sie Fäulnisspilze Saprophyten.

Eine zweite Gruppe vegetirt auf lebenden Organismen, Thieren oder Pflanzen ; das sind die Schmarotzerpilze Parasitae.

Morphologisch bestehen die Pilze aus chlorophyllfreien Zellfäden, Mycelien (Hyphen), welche, einfach oder verzweigt, stellenweise im Innern durch Scheidewände abgetheilt, oft vielfach mit einander verschlungen und verschmolzen, die Hauptmasse des sogenannten vegetativen Theiles des Pilzes, Thallus (Pilzrasen) oder Mycelium darstellen.

Neben diesem vegetativen Theile ist an den Pilzen zu unterscheiden der fructificirende Theil , der in sehr verschiedener Gestalt erscheint und das wesentlichste Unter- scheidungsmerkmal zwischen den einzelnen Pilzarten abgibt.

Penicillium crust. Fries.

a Hyphe, & Baaidien, c Sterigmen, d fruclit- reife Conidien.

Fig. 42.

Eine Gruppe der Pilze wii'd als Schimmel- pilze (Hyphomyceten) unterschieden. Da die Pilze , welche notorisch Hautkrankheiten veran- lassen, nosologisch und morphologisch mit eben den Schimmelpilzen in Verbindung gebracht wer- den , so möge als Bei- spiel eines solchen der gemeine Schimmelpilz, Penicillium crustaceum Fries , hier vorgeführt werden (Fig. 42). Aus dem horizontalen Mycel-

Dermatophyten. Allgemeines.

715

lager erliebt sich senkrecht die Fruchthyphe (a), welche sich zu Basidien (b) und Sterigmen (c) verzweigt und von diesen schnüren sich, perlschnurartig gereiht, rundliche Zellen ab Sporen. Das ganze aufsteigende Gebilde wird nun als Fructi- ficationsorgan , und die einzelne Spore gewissermassen als Frucht angesehen, weil dieselbe, abgefallen, wieder zu Mycelien auswachsen und den Schimmelpilz sammt Frachtorgan aus sich erzeugen kann. Je nach der Form dieses sporentragen- den Organes nun unterscheidet man die Pilzarten als Peni- cillium mit pinselförmiger Stellung der Sporen, Mucor mit in einer Kapsel eingeschlossenen, Aspergillus mit kugelig auf- gehäuftem Sporenstande u. s. f.

Ausser der Vermehrung durch ein derartiges Fructifi- cationsorgan und mittelst Sporen findet eine Propagation der Pilze mittelst Gronidien statt, das sind Zellen, welche im vegetativen Antheile von den Mycelfäden auswachsen und sich ablösen. Die letztere Propagationsweise ist die gewöhnliche und bei allen Schimmelpilzen gleich, und nur unter günstigen Vegetationsbedingungen kommt es zur Formation des eigent- lichen Fructificationsorganes , durch welches die Speeles difFe- renzirt, und der Sporen, durch welche die Art erhalten wird.

An den Pilzen der Dermatomycosen des Menschen nun finden sich nur Mycelfäden und Gonidienvegetation , und nie- mals Fructificationsorgane besprochener Art, und insoferne ist es auch nicht möglich gewesen, die systematische Stellung zu bestimmen, welche ihnen als innerhalb oder ausserhalb der menschlichen Haut vegetirenden Pilzspecies gebührt.

Man hat sich auch ursprünglich nicht viel darum ge- kümmert, als Pilze, zunächst bei Favus 1839 durch Schönlein und in den darauffolgenden Jahren bei Herpes tonsurans durch Malmsten, bei Pityriasis versicolor durch Eichstedt und noch bei mehreren anderen Krankheiten gefunden wurden, bei welchen dieselben sich später nicht bestätigt haben. Man nahm stillschweigend an, dass der Pilz , wie er bei einer be- sonderen Hautkrankheit sich vorfand, auch eine besondere naturgeschichtliche Art repräsentire, und belegte ihn auch darnach mit einem eigenen Namen , als : Achorion Schönleinii (Rejiak) , der Pilz des Favus ; Trichophyton tonsurans, Malmsten, der Pilz des Herpes tonsurans; Microsporon furfur Ch. Robin), der Pilz der Pityriasis versicolor u. s. f.

716

Sechsundvierzigste Vorlesung.

Allein diese einfache Sachlage änderte sicli gewaltig, als zunächst Lowe 1850 den Pilz des Herpes tonsurans als eine Sporen bildende Form des Favuspilzes und beide als aus einer gemeinen Schimmelart, Aspergillus, hervorgegangen er- klärte und Hebra 1854 die Beobachtung mittheilte, dass unter der Anwendung von schimmeligen Compressen auf der Haut des Menschen Herpes tonsurans-ähnliche Kreise und mitten drinnen Favus-Scutula entstehen, und dass auch genuiner Favus mit Herpes tonsurans untermischt vorkommt. Denn dar- nach schien es , nach Hebra , wahrscheinlich , dass der Pilz beider Krankheitsformen zunächst von einem gemeinen Schim- melpilz abstammen und je nach besonderen Vegetationsver- hältnissen einmal Favus, ein andermal Herpes tonsurans, oder beide zugleich veranlassen könne, und dass die bei diesen Krank- heiten vorfindlichen Pilzformen nur Morphen, Vegetationsstadien eines bekannten Schimmelpilzes darstellen.

Eine mächtige Stütze fand diese Ansicht in der von TuLASNE (1851) entdeckten und von hervorragenden Botanikern (Kühn, de Baby, Hoffmann) bestätigten „Pleomorphi e" der Pilze. So wurde nämlich die neu gefundene Thatsache be- zeichnet, dass manche Pilzarten nicht nur mehrerlei Fructi- ficationsorgane , sondern solche auch in einer regelmässigen Succession entwickeln, derart, dass das eine stets die noth- wendige Vorstufe des anderen bildete, und dass somit viele Pilzformen, die auf G-rund besonderer Fruchtformen als be- sondere Species bis dahin gegolten hatten, als nur einem Pilze angehörige Formgenera (de Baby) sich herausstellten.

Es war also sehr einladend, auch zwischen den Derma- tophyten und den frei in der Natur vegetirenden Schimmel- pilzen analoge Entwicklungsbeziehungen anzunehmen. Aber es ist, wie ich hier sofort hervorheben will, bisher nicht ge- glückt eine solche zu erweisen. Denn es ist trotz einzelner scheinbarer Erfolge bisher weder gelungen durch Aussaat von Schimmelpilzen auf die Haut hier Favus , oder Pityriasis versicolor, höchstens Herpes tonsurans-ähnliche Kreise, oder „mikroskopische Scutula" (Pick, Köbnee) zu erzeugen, noch die auf der Haut vegetirenden Pilze durch Züchtung (Pick, Lowe, Hoffmann, Neumann, Grawitz u. A.) zur Fructification in einer bestimmten und constanten Form zu bringen, so dass die bei solchen Züchtungen gefundenen fructificirenden Pilz-

Dematopliyten. Allgemeines.

717

formen (Penicillium, Aspergillus, Mucor u. v. A.) von den be- deutendsten Botanikern als Producte von Verunreinigungen der Culturen durch fremde Pilzkeime angesehen werden.

Man weiss auch, dass selbst die Erscheinung der pinsel- förmigen Sporenabschnürung nicht genügt, um ein Pilzobject als Speeles Penicillium anzusprechen, da viele Pilze gelegent- lich in Pinselform Gronidien abschnüren, und es ist überdies nach dem neiiesten Stande der Mycologie wahrscheinlich ge- worden, dass für die Pilze gar nicht die Sporenstände, wie bisher geglaubt wurde , das die Speeles bestimmende Pructi- ficationsorgan darstellen, sondern, gleichwie bei den Phane- rogamen, geschlechtliche Pructification, wie solche für Penicillium von Brefeld nachgewiesen worden ist.

Fig. 43.

1. Micrococcus. 2. Mycothrix. 3. Zooglea. 4. Leptothrix. 5. Vibrio. 6. Bacterium (Cooco- bacterie, Billroth). 7. Baoteridien. 8. Spirillum.

Viel complicirter noch, weil scheinbar einfacher, gestal- teten sich die Anschauungen über die botanischen Beziehungen der Hautpilze im Laufe der 60er Jahre, da durch Halliek auch die niederen Pilze (Hefepilze und Schizomyceten), in das Bereich der Pleomorphie der Pilze gezogen wurden , die Gebilde, welche man angefangen hatte als Krankheitserreger (Contagien) vieler infectiöser Processe, Eotz, Diphtheritis, Cholera etc. anzusehen (Fig. 43). Halliek lehrte, dass jeder

718

Sechsundvierzigste Vorlesung.

Pilz in drei Morplien erscheine. An der Luft vegitireud (Aerophyt) treibt er Fructificationsorgane und bildet er die bekannten Schimmelformen (Penicillium, Aspergillus etc.). In eine Nährflüssigkeit halb untergetaucht (Halbaerophyt) bildet er bäumchenartige Zellensprossen Oidiumformen, Grliederschimmel (in Gährflüssigkeiten Oberhef e). Ganz untergetavicht und von der Luft abgeschlossen (Anaerophyt) platzen die einzelnen Conidien, aus ihnen schwärmen Körnchen heraus, Micrococcus, welche durch Theilung Schizomy- ceten einfache Sprossung in gährungsfähiger Flüssigkeit echte Hefe (Unterhefe) und in Kettenform Leptothrix, Zu- sammenballen in eine Schleimmasse Zooglea (F. Cohn), Aus- wachsen in Stäbchenform Bacterien bilden.

Indem nun Hallier behauptete, bei jeder Pilzart diese Morphenreihe in auf- und absteigender Linie durch Züchtung hervorbringen zu können, bestimmte er auch für jeden Micro- coccus den dazugehörigen aerophytischen fructlficirenden Schim- melpilz , d. i. die Pilzspecies, und so auch für die halbanaero- phytischen Pilzmorphen (Oidiiimformen) des Favus , Herpes tonsurans, Pityriasis versicolor u. s. f. Es ist hier nicht der Ort, zu erörtern , welchen Einfluss Hallier's Darstellung für die Hypothesen von den Infectionskrankheiten und ihren Quellen haben konnten. "Wohl aber muss hervorgehoben werden, dass die wissenschaftliche Botanik Hallier's mycologische Aus- führungen als nicht begründet ansieht, dass dieselben auch mit der klinischen "Wahrnehmiing nicht harmonirten, indem Hallier z. B. Pityriasis versicolor und Herpes tonsurans, zwei klinisch sehr differente Krankheitsformen, von einem gemein- schaftlichen Pilze, den dem letzteren aber verwandten Favus von einem gesonderten herleitet; und dass schliesslich die Botaniker sowohl, wie die Pathologen, welche die Schizomyceten als Krankheitserreger bei Infectionskrankheiten ansehen, theils jeden Zusammenhang derselben mit den höheren Pilzen ent- schieden in Abrede stellen (de Bary, F. Cohn, Nägeli), theils auf eine solche Beziehung gar nicht Rücksicht nehmen (Bill- roth, Klebs, Fritsch), wenn sie dieselben nicht gar für thieri- scher Art halten (Rindfleisch), oder für Zerfallsproducte thierischer organischer Materie (Karsten).

Darum liegt für uns zunächst keine Nöthigung vor, auf gewisse Publicationen Rücksicht zu nehmen, nach welchen

Dermatopliyten. Allgemeines.

719

von den notorisclien Infectionskrankheiten , Variola , Syphilis etc. abgesehen bei vielen vor der Hand als nicht ansteckend geltenden Hautkrankheiten, Eczem, Prurigo, Warzen vi. v. A. Micrococcen vorkommen sollen. Denn es bleibt bezüglich der- selben noch Alles zu erweisen : dass sie vorhanden, organischer, oder Pilznatur und dass ihnen die Rolle von Krankheits- ursachen zukommt.

Es geht aber auch aus den vorausgeschickten Daten weiter hervor, dass wir in Bezug auf die Systematik der bei den zweifellosen Dermatomycosen vorkommenden Pilze nicht weiter gelangt sind, als zur Zeit ihrer Entdeckung, und dass wir mit de Baky dieselben in der Morphe, als sie bei den speciellen Krankheitsformen sich vorfinden, insolange als eben so viele besondere Arten ansehen müssen, bis es nicht gelungen sein wird, in unzweideutiger Weise aus denselben fructificirende Pilze zu züchten, oder durch Aussaat von Schimmelpilzen auf die Haut hier unbezweifelbaren Favus, Herpes tonsurans und Pityriasis versicolor zu erzeugen.

Der anatomische Sitz der Dermatophyten ist das epidermoidale Grewebe Epidermis, Haare und Nägel, zwischen deren Elementen sie sich ausbreiten, und nur selten scheinen sie in eine Epidermiszelle selber einzudringen.

Die Wirkung der in den genannten Hautschichten vegetirenden Pilze ist eine örtliche und me ch a nis ch e, indem ihre Elemente die Epidermiszellen auseinanderdrängen, welche, von den unterliegenden Stratis abgehoben, zerfallen und mit ihren Zerfallproducten der Ernährung des Pilzes dienen. Sicher können die Pilze nur unter Zutritt von Luft ge- deihen und nehmen sie Stickstoff der Gewebe auf. Die Erage jedoch, ob sie die Bestandtheile der in Zersetzung begriffenen Gewebe assimiliren, oder diese, gleich einem Fermente, direct zersetzen, ist noch mehr strittig , als die über die directe oder indirecte Beziehung der Hefe- Vegetation zur Alcoholgährung. Ihre fernere Wirkung besteht in der Erregung von Hyper- ämie (Rothe), Exsudation (Bläschen, Schuppung) und Eiterung (Pusteln), seltener Entzündung und Abscedirung. Alle diese Wirkungen sind als mechanische, vielleicht zum Theile chemische, aufzufassen, gleichwie von anderen mechanisch oder chemisch

720

Sechsundvierzigste Vorlesung.

die Haut irritirenden Schädlichkeiten, und niemals ist ein nachtheiliger Einfluss auf die Constitution und die Functionen des Körpers von Seite der Dermatopliyten beobachtet worden, oder theoretisch anzunehmen.

Ausbreitung und Verlauf der Dermatomycosen be- grenzen und beschränken sich mit der Pilzvegetation. Die meisten Formen verlaufen chronisch. Ihre Prognose ist durchweg günstig, da wir jederzeit in der Lage sind sie durch eine Therapie zu beseitigen, welche die Pilzvegetation ver- nichtet und in Anbetracht des bei allen Formen gleichen anatomischen Sitzes des Dermatophyten auch bei allen prin- cipiell gleich ist.

Allgemeine Ursachen für die Entstehung von Der- matomycosen bilden erfahrungsgemäss solche äussere Verhält- nisse, welche dem Gedeihen von Schimmelpilzen günstig sind; nebstdem die schon im Parasitismus ausgedrückte Contagio- sität, welche für die meisten Dermatomycosen überdies klinisch und experimentell erwiesen ist, und endlich eine ge- wisse individuelle Disposition des Hautorganes, welche nicht für die experimentelle, wohl aber für die gelegentliche Haftung der Dermatophyten Greltung zu haben scheint.

Die Diagnose der Dermatomycosen stützt sich zunächst auf die Erkenntniss der prägnanten klinischen Symptome. Wissenschaftlich, und in gewissen Stadien der Krankheit auch praktisch, ist der mikroskopische Nachweis des Pilzes noth- wendig. Der Letztere kann von den Favus - Scutulis ohneweiters entnommen und unter dem Mikroskope erkannt werden. In den Haaren und Epidermisschichten wird der Pilz unter dem Mikroskope erst sichtbar, nachdem jene zerzupft, oder durch Kalilösung (1 : 30) aufgelöst worden.

Indem ich von allen Krankheitsprocessen absehe, bei welchen zwar Pilze behauptet (wie bei Alopecia areata erst jüngst von Eichhorst und bei Psoriasis von Lang), aber nicht bestätigt, oder zweifellos gesehen worden sind (Impetigo con- tagiosa) , aber eine ätiologische Beziehung zwischen Pilz und Dermatose nicht erwiesen ist, bleiben als zweifellos durch einen parasitischen Pilz veranlasste und klinisch wohl charaktensirte

Favus.

721

Hautkrankheiten , wahre

Dermatomycosen,

anzuführen: 1. Favus, mit dem Pilze Achorion Schönleinii. 2." Herpes tonsurans, mit dem Pilze Trichophyton tonsurans Malmsten, zu welchem noch als specielle Formen Onychomycosis, Sycosis parasitaria und Eczema marginatvim gehören. 3. Pityriasis versicolor, mit dem Pilze Microsporon für für, Eichstedt.

Favus,

Tinea favosa (Teigne faveuse) , Porrigo lupinosa s. favosa, ist eine von Alters her und auch im Volke als ansteckend geltende Krankheit (daher „Erbgrind"), welche zumeist auf dem behaarten Kopfe, seltener an nicht behaarten Körperstellen und in der Nagelsubstanz sich localisirt und an den erstge- nannten Oertlichkeiten vorzüglich durch die Bildung linsen- bis pf enniggrosser, schwefelgelber, gedellter iind von einem Haare durchbohrter Scheiben, der soge- nannten FaviTS-Scutula, sich charakterisirt , mit deren Eigenschaften wir uns zunächst bekannt machen müssen.

Bei Favus des behaarten Kopfes kann man die Bildung des F a v u s - S c u t u 1 u m s sehr gut studiren. Es entsteht als ein gelbes Pünktchen unter der Epidermis und ringsum ein austretendes Haar, wächst binnen einigen Wochen zu Linsen- grösse heran und erscheint nun als schwefelgelbe, durch die Oberhaut durchscheinende, gedellte und von einem Haare durch- bohrte Scheibe. Stösst man mittelst eines stumpfen Instru- mentes ihre Epidermisdecke an der Peripherie der Scheibe ein, so kann man das Favusindividuum , den Favuskörper , als Ganzes aufklappen und, wenn ringsum abgelöst, längs des es durchbohrenden Haares abziehen. Dasselbe erscheint als ein halb- kugeliger, schwefelgelber Körper, dessen obere, in der Mitte gedellte Fläche mit einer Epidermisdecke innig verfilzt, dessen untere, halbkugelige Fläche glatt, feucht, epidermislos ist und dessen Masse unter dem Finger leicht zerbröckelt werden kann. An der Stelle des ausgehobenen Favuskörpers bleibt ein© muldenförmige Vertiefung mit rother, nässender Basis zurück,, welche nach wenigen Minuten durch Aufquellen der von dem Druck befreiten Epidermisschichten sich ausgleicht.

Kaposi, Hautkrankheiten. 46

<Y22 Seclisundvicrzigste Vorlesung.

Die scutulöse, oder urceoläre Form bildet zugleich die Primärform des Favus. In jeder HaarfoUikelmündung be- findet sicli ein trichterförmiger Raum präformirt, indem die obersten Eindermislagen horizontal an das austretende Haar sich fügen, während die tieferen Epidermisschichten nach der Tiefe des Follikels abbiegen. In diesem Räume sammeln sich am leichtesten Exsudate, und eben da ist es, wo die zufällig, oder durch Impfung eingepflanzten, oder aus der Follikeltiefe herauswuchernden Pilze zu compacten Körpern heranwuchern. Da die obere Epidermislage an die Cuticula des Haares fest- geheftet ist, kann sie nächst diesem nicht durch die Pilzmasse vorgewölbt werden, daher bleibt diese hier flach, oder gedeUt. Nach der Tiefe, der Richtung der weichen, comprimirbaren Retezellen jedoch vermag die Pilzwucherung sich auszudehnen und gestaltet sich daher der Favuskörper halbkugelig.

So zwischen die Epidermisschichten eingekapselt können die einzelnen Favus - Scutula lange Zeit liegen bleiben , ohne durch Kratzen, Kämmen u. s. w. abgelöst zu werden. Mehrere nachbarliche Favus-Scutula können bei ihrem fortschreitenden Wachsthum aneinanderrücken,^ ohne noch ihren Einzeltypus einzubüssen. Nach längerer Dauer werden steUenweise die Epidermisdecken theils durch das Wachsthum der Favusmassen, iheils spontan durchbrochen, oder abgelöst und die Favus- massen treten frei zu Tage, trocknen ein, verHeren ihre ge- sättigte, schwefelgelbe Farbe und erscheinen dann als gelbHch- weisse, oder mörtelartige, ziemlich harte, trockene, unregel- mässig höckerige, bisweilen bis centimeterdicke Auflagerungen Favus suberinus, turriformis.

Neben den charakteristischen Erscheinungen der in Scutulis oder frei zu Tage liegenden Favusmassen ist als Symptom der Krankheit noch hervorzuheben, dass in ihrem Bereiche die Haare glanzlos, wie bestäubt erscheinen, leicht ausziehbar sind und der Favusherd nach Schimmel riecht.

Im weiteren Verlaufe kommt eszu consecutivenVer- änderungen, welche zunächst daher rühren, dass die Elemente des Favuspilzes von dem geschilderten Follicularnest aus auch zwischen die Zellen der Haarwurzelscheiden bis an den Grund des Follikels hineinwuchern, von da in die Haarzwiebel und in den Haarschaft selbst verschieden hoch hinaufdringen, und auch seitlich von den Wurzelscheiden aus in den Haarschaft

Favus. 723

gelangen (Fig. 44). Die hier wuchernden Pilze verursaclien in der ersten Zeit Lockerung, später Ausfallen der Haare und endlich Atrophie der Haarpapillen , womit eine Verödung der letzteren, somit örtlich bleibender Haarverlust verbunden ist.

Fig. 44.

Favus.

u Haarzwiebel und Haarschaft, b Haarwiirzel«cheiden, durohgehends von Myoelien und

(jonidien durchsetzt.

Dazu kommt, dass die zwischen den Epidermiskapseln einge- lagerten Favus-Scutula Monate und Jahre hindurch einen Druck auf die unterliegenden Papillen ausüben und somit deren

46*

724

Sechsundvierzigste Vorlesung.

Schwund bewirken. So acquirirt die Haut ein narbig atro- pbisches, glänzendes, follikel- und haarloses, kahles An- sehen, wobei höchstens einzelne von der Affection nicht direct betroffene Follikel und Haare zurückbleiben. Von Einzelnen wird sogar Schwund der Schädelknochen in Folge des Druckes von Seite der Pilzmassen angegeben.

Eigentliche sogenannte Favusgeschwüre gibt es nicht. Dagegen können zweifellos complicative Entzündungen, Eczem, Drüsenschwellung, drüsige Excrescenzen , wie bei Eczem des behaarten Kopfes vorkommen.

Favus findet sich auf dem behaarten Kopfe in Form einer, oder einzelner kleinerer ausgedehnter Inseln vor, Favus discretus, unter Umständen auch beinahe über den ganzen Kopf, F. confertus, aber fast niemals in gleichmässiger Verbreitung vor.

Derselbe hat einen überaus chronischen Verlauf, der sich auf 20 30 Jahre erstrecken kann.

Derselbe kann auch spontan heilen, indem er an narbigen, von Verödung der Follikeln betroffenen Hautstellen eo ipso sein Ende erreicht, weil der Pilz zu seiner Haftung das Follikel- nest braucht.

An nicht behaarten Körperstellen, Stamm- und Extremitäten und im Gesicht findet sich Favus seltener, bis- weilen in acute r Entwicklung. Er bildet auch da schöne dis- crete Scutula, oder massige, schwefelgelbe Auflagerungen, die in Haufen, manchmal in Kreisform angeordnet sind. Er heilt aber hier gewöhnlich nach Wochen und Monaten spontan, in- dem die Scutula ausfallen, weil die Follikel der Lanugohaare sehr seicht sind und demnach auch nirgends Pilzelemente in einer erbeblichen Tiefe zurückbleiben können.

Ausnahmsweise soll, wie Michel berichtet, Favus des Stammes und der Extremitäten mehr als 20 Jahre bestanden haben. Derselbe hinterlässt. auch hier häufig atrophische Grübchen.

Sowohl bei seiner Localisation am behaarten Kopfe, wie am Stamme und den Extremitäten combinirt sich Favus zu- weilen mit rothen, schuppenden, dem Herpes tonsurans ähn- lichen Kreisen, in der Art, dass Scutula entweder im Be- grenzungssaum der Herpesk reise eingeschaltet, oder in deren Centrum gestellt, oder mit denselben lintermischt sind. Dieses

Favus. 725

Vorkommniss , welches bei zufälliger Ansteckung, oder nach. Application von feuchtwarmen Umschlägen auf die Haut, so- wie bei künstlicher Ueberimpfung (Köbner, Pick, Peyritsch) beobachtet werden kann, war es eben, welches Hebra zu der Meinung veranlasst hat, dass Favus und Herpes tonsurans untereinander wesentlich identisch und beide von den bekannten . Schimmelpilzen herrührten , während Köbner diese Kreise als „herpetisches Vorstadium" des Favus bezeichnet hat. In den Epidermisschuppen derselben finden sich ebenfalls Pilze.

Favus des Nagels Onychmycosis favosa erscheint in Form von begrenzten, schwefelgelben, oder gelb- weissen Einlagerungen in die Nagelsubstanz , ein anderes Mal als gleichmässige Verdickung, käsige Degeneration und Auflockerung des Nagels. Die Afiection betriflFt einen oder mehrere Fingernägel und überdauert oft den Favus des Kopfes. Im Allgemeinen ist aber Favus des Nagels selten.

Die mikroskopische Untersuchung des Favus- Scutulums lehrt, wie in dem Schnitte nach Bennett, dass dasselbe zu oberst von einer Schichte verhornter Epidermis- zeUen begrenzt wird. Dieser folgt eine schmale Zone einer feinkörnigen Klebemasse, wahrscheinlich Epidermis-Detritus, welche sich zwischen die hier beginnenden Mycelfäden noch weit in den Körper des Favus fortsetzt. Die Mycelfäden ziehen concentrisch und parallel gegen die Mitte des Favus- körpers, in deren Nähe sie Gronidien abschnüren, so dass das Centrum des Favus nur aus Gronidien nebst Körnchen besteht.

Die einzelnen Elemente des Favuskörpers lassen sich ohne weitere Präparation, indem man ein Bröckelchen desselben mit einem Tropfen Wasser gemengt auf den Objectträger bringt, unter dem Mikroskope studiren (Fig. 45). Sie zeichnen sich durch grosse Mannigfaltigkeit aus, was auf eine üppige Vegetation derselben schliessen lässt. Man sieht feinste einfache, grobe, knorrige, vielfach septirte oder gegliederte und verzweigte Mycelfäden mit wandständigen und wechsel- ständigen Kernen und Gonidien von verschiedenster Grrösse und Form, rundliche, eckige, ovale, bisquitförmige, gekämmerte, kernlose und kernhaltige. Alle diese Elemente gehören dem von Schönlein 1839 entdeckten und von Eemak Achorion Schönleinii genannten Pilze an, während eine von Ardsten

726

Sechsundviei'zigste Vorlesung.

später vorgefundene Puccinia sicli als zufälliges Beimengsei ergeben hat.

Dieselben Elemente, nur vorwiegend Mycelien, finden sicli zwischen den Epidermiszellen der Haarwurzel scheiden, der Haarzwiebel und der ßindensubstanz des Haares (Fig. 44). Doch scheinen sie in diesem (bei Favus) nicht sehr hoch hinaufzureichen.

Fig. 45.

Pilzelemente ans dem unteren Tlieile eines Favuskörpers. Fäden und Gouidien von verscMedenstem Kaliber und maunigfaclister Form. Eeclits ein Hauten

Epidermiszellen.

Seit der ersten genaueren Beschreibimg des Achorion durch G-euby(1841) haben sich Viele damit beschäftigt, dessen Naturgeschichte klarzulegen, was, wie schon erwähnt worden, bisher auf directem Wege, durch Culturen des Favuspilzes, nicht gelungen ist. Der indirecte Weg, durch Aussaat von Schimmelpilzen auf die Haut, Favus zu erzielen (Pick,- Zürn auf Kaninchen), hat auch nicht zur Entscheidung geführt. Wohl aber ist der directe Nachweis der Uebertragbarkeit des Favuspilzes, und in Einem der Favuskrankheit, seit dem ersten bezüglichen Experimente von Eemak (1842) wiederholt geliefert worden durch Bennett, Bazin, G-udden, Hebra, Köbner, Pick, Peyritsch u. V. A., u. z. durch wechselweise Uebertragungen zwischen Menschen, von diesen auf Tiiiere und umgekehrt.

Demnach ist es zweifeUos, dass die Ursache des Favus durch dessen Pilz gegeben ist, neben welchem andere Verhält- nisse mir die Rolle von gelegentlichen ätiologischen Momenten spielen.

Favus.

727

Das jugendliche Alter sclieint für Favus zumeist, dis- ponirt, und findet sicli derselbe bei 20 30jährigen Personen regelmässig von der Kindheit her.

Bei uns findet sich die Krankheit im Allgemeinen ziemlich selten, häufig in den pobiischen Landen, und in Frankreich, um Herault herum soll noch im Jahre 1864 Favus derart verbreitet gewesen sein, dass 20 Favi auf 1000 Individuen kamen, während bei uns kaum 2 pro mille Hatitkranker zu zählen sind.

Am häufigsten mag die Erkrankung durch directe Con- tagion von einem Individuum auf das andere entstehen. Es ist dabei nothwendig, wie die Experimente gelehrt haben, dass der Pilz auf eine macerirte Epidermislage, oder vielleicht gar in eine Haartasche gelange. Demnächst kann die An- steckung auch von Thieren auf den Menschen stattfinden, da an Maus, Kaninchen, Hund, Haushuhn und der Katze Favus beobachtet worden und die Uebertragung von diesen auf den Menschen und zurück zum Theil auch experimentell dargethan worden ist. Die Quelle für jene Favuserkran- kuno-en welche unter Fomentationen, oder auch ohne solche, gleichsam genuin entstehen, ist bisher nicht nachgewiesen.

Es ist merkwürdig, dass Favus sich im Allgemeinen als nicht sehr ansteckend erweist, trotzdem die Pilzelemente in colossälen Massen bei den Kranken frei zu Tage liegen. Nur so erklärt es sich, dass bei einem Menschen Jahre hindurch die Krankheit auf eine kleine Stelle beschränkt bleiben, oder ein Favuskranker jahrelang in einer Familie, ein Soldat unter Kameraden in Kasernen leben kann, ohne auf Andere die Krankheit zu übertragen, während von einer anderen Dermato- mycose, Herpes tonsurans, gerade die rasche Verbreitungs- möglichkeit bekannt ist. Es mag dies in den besonderen Vegetationsbedingungen des Favuspilzes gelegen sein.

Die Diagnose des Favus ist leicht, sobald die charak- teristischen Scutula oder schwefelgelben Favusmassen vorliegen, daneben vielleicht auch das glanzlose Ansehen der Haare, oder ausgedehnte narbige und kahle Hautstellen das Krankheitsbild ergänzen.

Schwierig wird dagegen das Urtheil, wenn, wie bei altem Favus, die auflagernden Massen mörtel- und kreideartig^ be- schaffen und mit Schuppen und honigartigen Borken gemischt

728

Sechsundvierzigste Vorlesung.

sind. Es handelt sicli da um die Differentialdiagnose gegen Eczem, Seborrhoe, Psoriasis und Lupus erythema- tosus. Es müssen eben die den genannten Processen eigenthüm- lichen Erscheinungen, neben den Befunden an anderen Körper- stellen, gegen die des Favus sorgfältig abgewogen werden. Eine positive Entscheidung erzielt man in zweifelhaften Fällen aber nur durch die mikroskopische Untersuchung, durch den Nachweis von Pilzen in der Au.fiagerungsmasse, wodaim die Affection sicher Favus , oder nur in den Haaren und Wurzelscheiden, wodann allerdings auch Herpes tonsurans vorliegen könnte. Aber ein solcher Irrthum hätte praktisch keine Bedeutung.

Die Prognose des Favus ist günstig, da derselbe auch bei ungestörtem Verlaufe höchstens örtliche Grewebsänderungen, aber keine weiteren Nachtheile für den Organismus mit sich bringt, und in den späteren Jahren auch spontan erlischt.

Die Therapie des Kopf- Favus unterliegt grossen Schwierigkeiten und es haben von jeher „sachkundige" Laien und Aerzte die Kunst, den „Erbgrind" zu heilen, als eine Art gewinnbringenden Greheimnisses geltend gemacht, wie die Brüder Mahon, die seinerzeit das Privileg gewonnen hatten, die „Grindkranken" aller grossen Spitäler von Paris und mehreren anderen Städten Frankreichs nach ihrer „Methode" behandeln zu dürfen, die sie „aus Familienrücksichten" nicht „verrathen" zu dürfen angaben.

Die Ablösung der Favusmassen gelingt selbstverständlich jederzeit mit Leichtigkeit. Allein der Favus regenerirt sich wieder, wie wir heut' zu Tage wissen, weil der Pilz aus den Follikeln emporwächst. Allein in den frühereu Zeiten, als man von diesem Umstände keine Kenntniss haben konnte, hat man doch beobachtet, dass da, wo die Haare spontan verloren gegangen waren, der Favus auch nicht weiter gedieh, ja von selbst abfiel. Da lag es denn nahe, die Haare künstlich aus- zulösen und man bediente sich zu diesem Zwecke allenthalben, so wie heute nur noch an manchen Orten, der sogenannten „Pechkappe" („la calotte"). Eine Lederkappe wurde innen mit Pech belegt, auf den Kopf gedrückt und mit einem ge- schickten Ruck umgestülpt. Die angeklebten Haare folgten, so weit sie locker waren, dem Zuge freilich, wie voraus- zusetzen, nicht alle , und der Erfolg war demnach auch kein zu-

Favus.

729

reichender. Den Brüdern Mahon gebülirt das Verdienst, das rohe Verfahren mit der Pechkappe als unnöthig erwiesen zu haben.

Mit der genauen Einsicht in das "Wesen des Favus ist auch dessen Therapie einfacher und rationeller geworden.

Vor Allem haben die Favus - Scutula und Favusmassen abgelöst zu werden, was genau so geschieht, wie bei Eczem- oder Psoriasismassen. Man erweicht dieselben durch genügend reiche Mengen von Oel, Leberthran mit oder ohne Zuthat, von Perubalsam, Glycerin, Carbolsäure etc., hebt sie mechanisch mit dem Finger , oder Spatel ab , und wäscht nun den Rest mittelst Seifengeist vollständig weg. Binnen 12 24 Stunden ist diese Arbeit gethan. Wollte man jetzt den Fall sich selbst überlassen, so würden nach wenigen Tagen feine Schüppchen, wie bei Eczema squamosum, nach 14 Tagen bis 3 Wochen sicher da und dort um je ein Haar Favus-Scutula erscheinen, als Propagationsproducte der in vielen Follikeln, ihrer Wurzel- scheide und Haare, zurückgebliebenen Pilze.

Die zweite Aufgabe der Behandlung besteht demnach darin, sowohl die von den Pilzen durchsetzten Haare selbst zu entfernen , als auch die in den zurückgebliebenen Haar- wurzelscheiden innerhalb der Follikel befindlichen Pilzelemente durch irgend welche Mittel zu tödten. Diese Aiifgabe ist nun allerdings nicht leicht zu erfüllen und erheischt unter allen Umständen viel Sorgfalt und sehr viel Zeit. Nachdem die Pechkappe ausser Gebrauch gekommen, hat man vorgeschlagen, durch Einreibung von Crbtonöl, Terpentin, Creosot, ätherischen Oelen vi. A. Entzündung der Kopfhaut zu bewirken, indem man sich vorstellte, dass dabei Exsudation und Eiterung in die Follikel stattfinden und dadurch die pilzhältigen Wurzel- scheiden und Haare ausgestossen würden. Allein dieser Efi'ect trifft einmal gesunde und kranke Haarfollikel zugleich, und überhaupt nicht alle kranken Follikel, macht demnach die nachträgliche Behandlung der von der Entzündung verschonten Stellen nicht überflüssig und gewährt weder eine Sicherheit, noch eine Abkürzung der Behandlung, abgesehen von der Schmerzhaftigkeit und möglichen Gefährlichkeit derartig er- zeugter Entzündungen der Galea.

Darum ist einzig nur die regelrechte Epilation ra- tionell. Nach der Methode von Bazin wird dies von geschulten Wärtern besorgt , indem sie in mehreren Sitzungen alle im

730

Seclisundvierzigste Vorlesung.

Bereiche der Krankheit gelegenen gesunden und kranken Haare, nachdem diese kurz geschoren, unterschiedslos mittelst Pincette ausziehen. Es zeigt sich, dass nach dieser mühsamen und für den Kranken quälenden Methode dennoch die Behandlung lange dauert, weil immerhin Waschungen und nachträgliche Epi- lationen nothwendig sind. Darum verfahren wir viel einfacher. Wir epiliren bei Favus täglich, indem wir die nicht kurz ge- schnittenen Haare zwischen ein in der Hand gehaltenes stumpfes Zungenspatel und dem Daumen gefasst durchziehen. Bei diesem leichten Zuge gehen die kranken, also aufgelockerten Haare heraus, während die gesunden Haare sitzen bleiben. Dies ist für die Kranken gar nicht schmerzhaft. Nebstdem werden täglich Waschungen mit Spirutus saponatus kalinus , Douchen vorgenommen tind nach Abtrocknen der Kopfhaut theils alko- holische, theils ätherische, oder balsamische, oder Theeröle eingepinselt, von welchen wir wissen, dass sie Pilze zu tödten und vermöge ihrer Dünnflüssigkeit in die von ihrem Haare befreiten klaffenden Follikel einzudringen vermögen. Wir wenden also an : Tinctura rusci, Acidum carbolicum, salicylicum, Creosot, Benzin zu 1 : ad 150 Alcohol, Petroleum, peru- vianischen Balsam, Chloroform, Aether, Sublimat 0-5 : 100 Alcohol, oder Wasser, Oleum caryophylorum , Macis u. s. f., oder Salben mit weissem Präcipitat, Theer, Carbolsäure, Salicyl- säure gemischt, oder Schwefel-Alcohol-Theerpasten.

Diese drei Verfahrungs weisen, Seifenwaschung, Epilation und Applikation eines der genannten Parasiticidia , letztere in verschiedener Abwechslung, wird nun tagtäglich in gleicher Weise geübt.

In den epilirten Follikeln wachsen die Haare sehr rasch nach, da die Papillen nur an narbigen SteUen zu Grunde ge- gangen sind. Bemerkt man nun nach sechswöchentlicher, zwei- bis dreimonatlicher Behandlung, dass die Haare alle festsitzen, dann wird die Kopfhaut vollständig sich selbst überlassen, auch nicht einmal gewaschen , weil man sich nun überzeugen muss ob thatsächlich der Favus bereits geheüt ist. Wären noch Reste der Püze in einzelnen FoUikeln zurückgeblieben, so würden sich nun binnen 14 Tagen bis 3 Wochen _ neue Scutula zeigen. Diese können dann direct etwas energischer behandelt werden, indem man die ihnen entsprechenden Haare mit der Pincette auszieht und örtlich Parasiticidia, Schweiei-

Favus.

731

pasten, Theer ii. s. w. einpinselt. Hiezu sind wieder zwei bis mehrere Wochen erforderlich und so wird unter allen Um- ständen die Behandlung des Favus am hehaarten Kopfe mehrere Monate in Anspruch nehmen.

Favus an nicht behaarten K ö rp er stell en kann durch einmalige gehörige Erweichung mittelst Oel und Seifen- waschung complet entfernt werden.

Favus derNägel kann entweder ausgeschnitten werden, wenn der Favus circiimscript sitzt, oder bei diffuser Trübung des Nagels durch Application von Emplastrum hydrargyri, Sublimatwasser (1 : 100 Alcohol) und Beschneiden des Nagels vom Rande her allmählich beseitigt werden.

Siebenundvierzigste Yoiiesung.

Herpes tonsurans. Formen; H. tons. Capillitii, vesieulosus, squamosus, maculosus. Ony e ho my e o s i s Sycosis parasitaria Eczema marginatum; Pityriasis versicolor.

Herpes tonsurans,

sclieereiide Flechte (common) , ßingworm d. Engl., er- sciieint je nacL. Standort und Entwicklungsgrad unter ver- schiedenen Formen, die nicht immer als zusammengehörig erkannt worden sind und daher zu eben so vielen Bezeichnungs- weisen Veranlassung gegeben haben. Li der am längsten bekannten Localisation am behaarten Kopfe ist die Affec- tion von Willan Porrigo scutulata, von Mahon (1829) Tinea tondens genannt worden. Als Cazenave (1840) die Bläschenbildung bei dem Processe erkannte und daher den auch von Hebra später acceptirten Namen H.erpestonsurans für den Process vorschlug, ward es in Einem klar, dass auch Bateman's „Herpes circinatus" mit demselben identisch sei. Mit der Entdeckung des Trichophyton tonsurans genannten Pilzes in den Haaren der Tinea durch Gbxtby und Malmstex (1844) schien der Name Trichomyces tonsurans (Malmsten) gerechtfertigt.

Zu den schon früher beschriebenen Formen der Krankheit (Schuppen und Bläschen) hat Hebra (1854) eine neue, als maculöse, zugefügt und sind nach späteren Ergebnissen noch Eczema marginatum, Hebra, und Sycosis para- sitaria, Bazin, zu zählen. Dass all' die aufgezählten Formen nur durch Standort und Complicationen bewirkte Varietäten ein und desselben und durch den identischen Pilz verursachten Krankheitsprocesses, und allesammt wesentlich Herpes tonsurans

Herpes tonsurans.

733

vorstellen, geht aus der Nosologie und Symptomatologie des letzteren hervor.

Vor Allem ist der Unterschied in den Symptomen in's Auge zn fassen zwischen dem am behaarten Kopfe und dem an nicht behaarten Körperstellen localisirten Herpes tonsurans, eine Diiferenz, welche hauptsächlich darin begründet ist, dass an ersterer Oertlichkeit das Trichophyton in die tiefen Haarfollikel hinein wuchern kann.

H. tonsurans capillitii bildet pfennig- bis thaler- grosse, kahle Scheiben, die sich wie schlechte Tonsuren dar- stellen, als wenn daselbst die Haare hart an ihrem Austritte in ungeschickter Weise abgeschnitten worden wären, indem kürzere oder längere Haarstümpfe zu Tage liegen. Die Haare sind eben abgebrochen. Auch etwa vorhandene längere Haare brechen bei dem Versuche sie auszuziehen über ihrer Austritts- stelle ab. Der Haarboden erscheint daselbst mässig geschwollen, glatt, oder zumeist mit weissen, oder schmiitziggelben Schüppchen bedeckt, zuweilen am Rande der Scheibe etwas geröthet, sehr selten mit kleinen Bläschen (daher „Herpes" , Cazenave), häufiger mit gummiartigen Börkchen bedeckt. Solcher Scheiben finden sich eine oder mehrere in verschiedener Grösse und an unterschiedlichen Stellen des Kopfes. Sie breiten sich im Verlaufe von Wochen und Monaten bis zu einem gewissen Umfange aus. Nach vielen Monaten, 1 2 3 Jahren, kann der Process örtlich erlöschen, indem der nachwachsenden und festsitzenden Haare immer mehr werden und endlich der Haarwuchs wieder gleichmässig und dauernd ist. Ausgebreitete narbige Kahlheit bleibt nicht zurück, wenn auch zweifellos hie und da ein Haarfollikel verödet.

Ein anderes Mal kann sich der Process durch Ausbreitung und Confluenz der Krankheitsherde über das ganze Capillitium ausdehnen. Der behaarte Kopf erscheint sodann in seiner Totalität mit weissen, trockenen Epidermisschuppen in dichter Lage bedeckt. Das Krankheitsbild sieht aus, wie bei Eczema squamosum, Pityriasis capillitii seborrhoica, Psoriasis capillitii, oder wie nach abgeputztem Favus, kurz bietet nichts Charak- teristisches dar. Beim genauen Ziisehen allerdings wird man da und dort etwas schärfer markirte Herde sehen, innerhalb welcher die Haare kurz abgebrochen erscheinen, oder man wird auf die Natur des Processes durch die Anwesenheit eines

734

Siebenundvierzigste Vorlesung.

rotlien schuppenden Kreises aufmerksam, welcher auf die nicht behaarte Nachbarschaft der Stirne, des Nackens übergreift. Ob auf einzelne Stellen beschränkt, oder allgemein ausgebreitet, immer kann Herpes tonsurans mehrere Jahre dauern. Mit Ausnahme von massigem Jucken macht das Uebel keine subjectiven Beschwerden. Der Ausgang ist immer Heilung, wenn auch nach vielen Jahren und mit Hinterlassung von spär- lichen kahlen Punkten und kleinen Flecken.

An nicht behaarten Körp erstellen, am Stamm, an den Extremitäten und im Gesichte erscheint Herpes ton- surans entweder in deutlicher Bläschenform, H. tonsurans vesiculosus, oder in Form von rothen, schuppenden Flecken, Scheiben und Kreisen, H. tonsurans maculosus et squa- mosus.

H. tonsurans vesiculosus stellt die von Bateman als H. cir ein atus bezeichnete Form dar, bei welcher pfennig- bis thalergrosse, aus einzelnen Bläschen sich zusammensetzende Kreise gebildet sind. Sie entwickeln sich von einzelnen Centren aus, indem die ursprünglichen, mittelständigen Bläschen zu Schüppchen einsinken und peripher fortschreitend neue Bläs- chen auf rothem Grunde aufschiessen , die dann kranzförmig eine rothe, schuppende, oder central erblasste Area umschliessen. Massiges Brennen und Jucken begleitet die Eruption. Sie finden sich vereinzelt, oder zu mehreren im Gesichte, auf dem Handrücken, am Nacken, Stamme und nur selten an den Unterextremitäten u. s. f. In selteneren Fällen begegnet man einer solchen Eruption von Bläschenkreisen über den ganzen Stamm und einen grossen Theil der Extremitäten, des Gesichtes und Halses verbreitet, wobei die Bläschen von der Grösse eines Miliums bis zu der eines Stecknadelkopfes und darüber variiren. Die Form erscheint immer acut und zuweilen mit Fiebersymptomen , erheblicher Entzündung, Schwellung der Haut und mächtiger Krustenbildung an Stelle der ver- trocknenden Bläschen. Durchwegs läuft aber der Process acut bei einzelnen Kreisen binnen 3—4 Wochen, bei allgemeiner Ausbreitung binnen 6 Wochen bis 3 Monaten ab, indem die Bläscheneruption sistirt, die Krusten abfallen und die Haut anfengs roth, später pigmentirt und allmählich normal wird.

H. tonsurans maculosus et squamosus erscheint entweder in Form von einzelnen pfennig- bis thalergrossen,

Herpes tonsurans.

735

vothen, unter Druck erblassenden, im Sinne ihrer Entwick- lung vom Centrum nach der Peripherie schuppenden und schwindenden Kreisen, deren häufigster Standort die Nacken- Haargrenze, Gresicht, die Kopf- und Halsregion, aber auch sonst jede Hautstelle sein mag. Oder H. tons. maculosus präsentirt sich, wie bei uns sehr häufig, in Form einer allgemeinen acuten Eruption des Stammes und der Extremitäten.

Es erscheinen vorwiegend auf dem Rücken, der Brust, dem Unterleib, der seitlichen Thoraxgegend, am Hals und an der Innenfläche der Ober- und Unterextremitäten stecknadel- kopfgrosse, rothe, flacherhabene Knötchen oder Flecke, welche binnen 1 2 Tagen zu linsen- und pfenniggrossen , rothen, rundlichen und ovalen Flecken heranwachsen. Schon nach wenigen Stunden blättert das Centrum der kleinsten Knötchen und Flecke , und in dem Verhältnisse als die Rothe peripher sich ausbreitet, schreitet auch die Zerklüftung der Epidermis vom Centrum nach der Peripherie vor. Indem gleichzeitig die Haut in der Mitte abblasst, entstehen binnen 1 2 "Wochen fingernagelgrosse, meist ovale, endlich kreuzer- bis thalergrosse, central blasse und glatte, nach aussen dünnschuppige und peripherst roth begrenzte Kreise. Mit der Erreichung eines kreuzer- bis thalergrossen Umfanges blassen endlich alle Flecke ab und kehrt nach Ablösung der aufgelockerten Epidermis jede einzelne Stelle zur normalen Färbung und G-lätte zurück. Darüber vergeht ein Zeitraum von 3 6 Monaten. Massiges, bisweilen ziemlich heftiges Jucken begleitet diese Krankheits- form. Häufig bleibt jedoch an einer oder der anderen Stelle ein grösserer Kreis durch 1 2 Jahre zurück, oder es geht eine langwierige Krankheit dadurch hervor, dass der Process in den Bereich des behaarten Kopfes übergreift, woselbst, wie erwähnt wurde, der Verlaiif stets äusserst lang- wierig ist.

Die nächste Ursache des Herpes tonsurans wird durch den ihm eigenthümlichen Pilz repräsentirt, der von Malmsten und Geuby entdeckt und nach Ersterem Trichophyton tonsura ns Malmsten benannt ist. Derselbe findet sich bei H. tonsurans capillitii in zahlreichen Haaren und deren Wurzel- scheiden (Fig. 46). Es ist schon auseinandergesetzt worden,

736

Siebenundvierzigste Vorlesung.

(lass ilbei' die botanische Stellung dieses Pilzes, sowie seine Bezieliung zum Acborion des Favus bisher Nichts entschieden ist und derselbe vor der Hand als selbstständige Morphe betrachtet werden muss.

Es machen sich aber auch erhebliche Unterschiede in seiner Vegetation und Wirkimg gegenüber dem Favuspilze geltend. Trichophyton besteht vorwiegend aus langgestreckten, sparsam

Fig. 4G.

Haar b. Wurz^Ischeiden aa, bei Herpes tonsurans capillitii von zahlreichen Mycelien nncl Gonidien des „Trichophyton tonsurans'* Malmsten

durchsetzt.

verzweigten, massig breiten und gleichmässigen Mj^celien imd wenigen Gonidien. Der Pilz befällt offenbar mehr Haare als Achorion, da bei H. tonsurans viel leichter ein pilzhältiges Haar gefunden wird ; ferners wächst derselbe bei H. tonsurans offenbar viel höher in den Haarschaft hinauf, sammelt er sich dagegen nie, selbst bei jahrelanger Dauer, zu scutulösen Haufen in der Follikelmündung an. Dagegen macht er das Haar brüchig, was bei Achorion nicht der Fall. Endlich scheint er viel leichter übertragbar und damit H. tonsurans viel mehr contagiös als Acliovion und Favus.

Herpes tonsurans.

737

Bei H. tonsurans vesiculosus, squamosus et maculosus üntlet sich der Pilz zwischen den obersten Schichten der kern- lialtigen Epidermis, knapp unter den Hornzellenlagen (Fig. 47). Hier, wie in den Haaren und Wurzelscheiden, kann derselbe nach Maceration der Epidermis durch Kalilösung unter dem Mikroskope zur Ansicht gebracht werden.

Bei H. tons. maculosus sind innerhalb der ersten Ent- wicklungstage nur vereinzelte Sporen auffindlich und erst im Verlaufe der 2. bis 3. Woche in den Schuppen der grösseren Scheiben charakteristische Mycelien zu sehen.

Kaposi, Hautkran kheiten. 47

738

Siebenundvierzigste Vorlesung.

Dass der genannte Pilz die essentielle Ursaclie der Krankheit ausmacht, beweist nicht nur die Stetigkeit seines Fundes, und der Erfolg experimenteller und gelegentlicher Uebertragung , sondern auch das innige Verhältniss zwischen seiner Vegetation und der Krankheitsdauer. Am behaarten Kopfe, wo der Pilz innerhalb der Follikel sich andauernd er- halten und regeneriren, und immer wieder in neue Follikel einpflanzen kann, erhält sich auch der H. tonsurans jahrelang. An nicht behaarten Körperstellen wird derselbe durch die Ex- sudation (Bläschenbildung), welche dessen Anwesenheit anregt, mitsammt den durch das Exsudat emporgehobenen Epidermis- schichten bald abgestossen, und um so rascher, je intensiver die örtliche Exsudation. Daher verläuft liier die Krankheit acut tind erlöscht sie spontan.

Als G-elegenheitsursachen des H. tonsurans machen sich die für die Entstehung von Dermatomycosen schon be- sprochenen allgemeinen Momente besonders geltend ; vor Allem Verhältnisse, welche der Vegetation von Schimmelpilzen günstig sind. Deshalb kommt der Process in feuchter Jahres- zeit in grösserer Häufigkeit vor; acquiriren die Krankheit gerne Personen, die in schimmelreichen, dumpfen Wohnungen hausen; die in Bädern, Kaltwassercuren schlecht getrocknete (muffelige) Wäsche öfters auf die Haut gebracht haben: oder deren Haut durch Schweiss in der Leistengegend, Achselhöhle, unter der Mamma macerirt und derart, wie auch die Ex- perimente gelehrt, für die Einpflanzung von Püzen empfäng- licher geworden. Demnächst gibt die Contagiosität die häufigste Gelegenheitsursache ab, da, wie schon erwähnt, H. tonsurans von allen Dermatomycosen am leichtesten übertragbar ist. Es kommen Ansteckungen von Individuum zu Individuum vor, und daher meist zugleich mehrere Erkrankungen in der- selben Familie und kleine Endemien unter vielen zusammen- wohnenden Menschen, in Pensionaten, Kasernen. Oder die Uebertragung erfolgt von Thieren, Pferd, Rind, Katze, Hund, Kaninchen, bei welchen die Krankheit in gleichem Charakter sich vorfindet (Alibbrt, Bazin, Gerlach, Bärexsprung, Köbner, Hebra, Michelson u. V. A.).

Obgleich für H. tonsurans eine viel allgemeinere Dispo- sition herrscht, als für Favus, kommt doch die Afi-ection bei jugendlichen Individuen viel häufiger vor als bei Erwachsenen,

Herpes tonsuräus.

739

und H. tonsurans capillitii fast nur bei den Ersteren. H. tons. maculosus universalis kommt liier in Wien ausserordentlicli häufig (3 5 Procent aller Hautkrankheiten), H. tons. capillitii höchst selten (kaum 0*1 Procent) vor.

Die Diagnose des Herpes tonsurans capillitii ist bei Gegenwart einzelner charakteristischer, kahler Scheiben, oder gar an der Haargrenze stehender Schiippenkreise kaum zu fehlen. Die kahlen Scheiben der Alopecia areata unter- scheiden sich zu deutlich davon durch die aalglatte Beschafi'en- heit des Haarbodens und das Pehlen selbst der Haarstümpfchen ; die des Lupus erythematosus durch die narbige Depres- sion des Centrums.

Bei allgemeiner Verbreitung über das Capillitium müssen allerdings Eczema sqiiamosum, Seborrhoe, Psoriasis ausgeschlossen werden und ist die wissenschaftliche Diagnose erst mit der mikroskopischen Demonstration des Pilzes gegeben. Gegenüber von Favus ist hier der Umstand zu berücksichtigen, dass auch bei ungestörtem Verlaufe keine Scutula erscheinen.

H. tons. vesiculosus nicht behaarter Stellen ist kaum zu verkennen und nur bei Localisation am Handrücken gegenüber von H. circinatus (pag. 328) zu unterscheiden, welcher aber stets doppelseitig und mit Formen des Erythema exsuda- tivum polymorphe gemengt vorkommt. Doch dürfte auch hier öfters die Nothwendigkeit sich ergeben, den Pilz nachweisen -ZU müssen. Die Form der rothen, schuppenden Kreise macht oft Schwierigkeiten gegenüber von isolirten Kreisen der Sy- philis annularis und Ps öriasis annularis. H. tons. maculosus sieht bei seiner Entstehung, am 3. bis 4. Tage in der That einer acuten universellen Eruption von Psoriasis, oder selbst Variola sehr ähnlich. Sobald die dünnen, centralen Schüppchen der kleinsten Flecke und Knötchen erkannt sind, ist die Diagnose klar. Um so unbegreiflicher scheint es mir, wes- halb die Form so oft mit Roseola syphilitica verwechselt wird, die ja schon durch den Mangel an Schuppung sich ge- nügend davon differenzirt.

Für die Behandlung des Herpes tonsurans sind die Bedingungen und Indicationen wesentlich, und zum Theile auch formell, die gleichen, wie für die des Favus. Dies gilt namentlich für H. tonsurans capillitii, wo es ja, wie bei Favus, gilt, die in den Follikeln und Haaren vegetirenden Pilzelemente zu

47*

740

Siebeiiundvierzigste Vorlesung.

zerstören. Das Verfahren ist demnach auch hier das gleiche. Erweichung, Ablösung, Abwaschen der Schuppenmassen mittels Oel, Seifen, Douchen, das Ausziehen der kranken Haare und Einpinselung von parasitidicen Flüssigkeiten, Oelen, Salben. Die Epilation muss hier täglich u. z. mittels Cilienpincette vorgenommen werden, da ja die kurz abgebrochenen Haare nicht anders gefasst werden können. Unter den bei der Favusbehandlung erwähnten, täglich und in Abwechslung ein- zupinselnden Flüssigkeiten möchte ich neben den alcoholischen und ätherischen Lösungen von Carbol- und Salicylsäure bei H. tonsurans des behaarten Kopfes besonders Tinct. Rusci und eine Mischung von Olei Rusci 15, Spir. sapon. kaiin. 25, Lact. sulf. 10, Spir. lavand. 50, Bals. peruvian. 1,50 empfehlen. Die Heilung ist bei einiger Ausbreitung der AfPection kaum unter 3 6 Monaten zu erreichen. Als äusseres Kriterium der- selben ist das Verschwinden der Hautröthe und Schuppung, und das gleichmässige Nachspriessen von dicken und fest- sitzenden Haaren anzusehen.

Die vesiculöse und mit intensiver Entzündung einher- gehende Form des H. tonsurans heilt unter Aufstreuen von Amylum binnen kurzer Zeit, da mit den durch die Exsudation losgehobenen Epidermisschichten auch der Pilz eliminirt wird.

Vereinzelte Kreise von schuppendem Ringworm heilen sicher unter der Application von Mitteln , welche neben Tödtung der Pilze zugleich die sie bergenden Epidermis- schichten direct mortificiren , theils durch Erregung von mässiger Exsudation zur Abschiebung bringen. Solche sind: Theer, Schmierseife, Aetzung mittels Kali (1 : 2 Aqua dest.), Jodtinctur, Jodglycerin (Jodi pur. Kali hydrojod. aa 5, Glycerin. 10), Essigsäure, Schwefel in Verbindung mit der letzteren, oder mit Alcohol und Seifengeist (Lact. sulf. 10, Spir. sapou. kaiin., Spir. lavand. aa. 25, Grlycerin. 2,), oder Uguent. WiLKiNSONi; endlich die in den letzten Jahren er- probten Mittel: Pulv. Goa 10, Acid. acet. 5, Ungu. simpl. 50; oder Chrysarobin und Acid. pyrogallicum 5 : 50 Fett, oder Letzteres in Alcohol gelöst. Alle diese Mittel müssen in einem Cyclus von 4 12mal eingepinselt werden, bis die Ränder der Herpeskreise eingesunken und blass erscheinen, worauf die spontane Abstossung der Epidermiskruste abge- wartet wird.

Ouj'chomycosis.

741

Für die Beliancllung des bei uns wenigstens häufig vor- kommenden H. tons. maculosus universalis eignen sich nicht alle die genannten Mittel in gleicher Weise, da manche der- selben, auf fast den ganzen Körper applicirt, bedeutende Dermatitis erzeugen würden. Hier empfiehlt sich als promptest wirkendes Verfahren die täglich zweimalige Einreibung von Sajjo viridis. Durchschnittlich genügt ein Cyclus von sechs Tagen , bei zarter Haut von 2 3 Tagen , indem man sofort sistirt, wenn ßöthuug und Oedem der Haut sich einstellt. Unter Einpudern wird die vollständige Abstos- sung der verschrumpften Epidermisschwarten abgewartet und dann erst, am 10. 15. Tage, ein Bad gestattet. Alle anderen Verfahrungsweisen , welche nicht eine so gleichmässige und gleichzeitige Mortification und Desquamation der Oberhaut bei massiger Reizung der Cutis bewirken, wie tägliches Baden, Abseifen, Einpinseln von den früher erwähnten alcoholisch- ätherischen, balsamischen Parasiticidiis, Pyrogalltis- und Chrj^- sarobinsalbe , Schwefelpasten, gewähren keinen sicheren , und vor Allem keinen so prompten Erfolg.

Den beschriebenen Typen des Herpes tonsurans sind drei andere Krankheitsformen anzufügen, welche theils nachweislich, theils muthmasslich in demselben wurzeln. Vor Allem Onycho- mycosis tonsurans d.i. eine durch Ti'ichophyton veranlasste Ver- käsung, Trübung, Aufblätterung, Brüchigkeit einzelner, oder aller Einger- und Zehennägel. Makroskopisch kann die Degene- ration allerdings nicht von der bei Psoriasis, Eczem, Liehen ruber vorkommenden unterschieden werden und nur die mikroskopische Untersuchung vermag über den Charakter derselben Aufschluss zu geben (Fig. 48). Nun findet sich Onychomycosis zuweilen in Gresellschaft mit Herpes tonsurans. Da aber der Letztere binnen Wochen oder Monaten heilen kann , der Nagel jedoch nicht in so kurzer Zeit sich vollständig erneuert, auch der Pilz in dem nachschiebenden Nagel sich hartnäckig fortpflanzen kann, so erklärt es sich, dass derartige Onychomycoses später als selbstständige Uebel sich vorfinden können. Nun haben Baum und Meissner (1853), VmcHOw (1854 und 1856), Föestee (1854), KöBNER, Kleinhans und ich sehr oft in scheinbar idiopathisch degenerirten Nägeln Pilze nachgewiesen , von denen bis heute nicht eruirt werden kann , in wieferne sie alle mit

742

Siebenuudvierzigste Vorlesung.

Herpes tonsurans identisch, oder wie dies von Meissner's Pilz, behauptet wird, von demselben verschieden seien. Ich glaube deshalb, dass es besser wäre, einfach von „Onychoniy cosis" zu sprechen, wofern man in dem speciellen Falle nicht gleichzeitig; Favus, oder H. tonsurans vorfindet.

Die Behandlung der Onychomycosis besteht in Ab- schaben, Abkratzen, Ansschneiden der degenerirten Partie, Maceration des Nagels durch Kautschukfingerling, Eintupfen mittels Creosot, Essigsäure, Benzin, Sublimat (l : 50 AlcohoL oder Chloroform).

Sycosis parasitaria.

743

Sycosis parasitaria ist eine der Sycosis analoge AfFec- tion (pag. 468) des bebarteten Gesichtes, bei welcber in den erkrankten Haaren ein Pilz sich vorfindet. Nachdem Gruby schon 1842 einen solchen bei Mentagra demonstrirt hatte, der aber nicht zur Anerkennung gelangt war, haben Bazin (1853 „Teigne sycosique") später Anderson, Deffis, RoBiN, Hakby, Köbner das Vorkommen von Püzen bei Sycosis erwiesen und bestätigt. Letzterer hat nun den lange strittigen Sachverhalt in der Weise aufgeklärt, dass die ge- wöhnliche Sycosis („Folliculitis barbae"), wie früher gelehrt worden, auch fürder nichts mit Parasitismus zu thun habe, dass aber H. tonsurans bei seiner Localisation im Barte durch Steigerang der örtlichen Entzündungsvorgänge Erscheinungen von Sycosis veranlassen könne („knotige Trichomycosis"), so dass Sycosis parasitaria nur eine Formvariation des H. ton- surans vorstellt und aus diesem hervorgeht.

Während nämlich in der ßegel auch bei der Localisation im bebarteten Gesichte (so wie am Möns Veneris) der H. ton- surans unter der Form der rothen, schuppenden Kreise ver- läuft, tritt zuweilen im Bereiche desselben unter dem Ein- flüsse des lebhaft vegetirenden Pilzes eine acute Dermatitis auf. Es kommt dabei zu difi'user Lifiltration, Eiterung, Ecchy- mosirung, hämorrhagischer Unterwühlung der Haut, gedrängten Pusteleruptionen und Abscessen, nach deren Eröffnung die Haut siebförmig durchlöchert (Lewin), wie ein Honigwaben- stück erscheint; oder es kommt zur Bildung von knotigen Auftreibungen (Michelson , Nbujiann , ich) mit glatter oder drusig-papillärer , eine viscide Flüssigkeit secernirender Ober- fläche. Auch am Capillitium sind solche Bildungen mit und aus H. tonsurans gesehen worden , welche als Analoga des .Kerion" Celsi von E. Wilson, Fox, Auspitz, Täntueri, als „Vespajo del Capillitio" von DübIx\i beschrieben und von all' den zuletzt genannten Autoren auf Grund der Vergesell- schaftung mit H. tonsurans und des Nachweises der Pilze mit dem letzteren Processe identisch erklärt worden sind (Fig. 49).

Die Diagnose der Afl'ection stützt sich auch auf diese erwähnten Momente. Beim Fehlen der Herpeskreise, und da auch bei Sycosis non parasitaria ganz dieselben papillären Wucherungen und unterminir enden Abscesse vorkommen, leitet die anamnestisch constatirte acute Entwicklung derselben auf

744 Siobenundvierzigste Vorlesung.

die Vermuthung des Parasitismus, da sie bei diesem erfah- rungsgemäss binnen 3—4 Wochen zu Stande kommen können.

Auch die Gelegenheitsursachen sind für Sycosis parasitaria dieselben, wie für H. tonsurans, nämlich vor- wiegend Contagion vom Rinde und Pferde. Daher die häufigsten Beobachtungen von Sycosis parasitaria an Rind- und Pferde- wärtern und in den Ländern, die H. tonsorans der Thiere und Menschen in grösster Zahl aufweisen : Frankreich, Holstein.

Fig. 49.

Haar aus einem Knoten von Sycosis pars si tari a (nur zur Hälfte) von grobstämmigen, gegliederten Mycelion durchsetzt.

Die Therapie der Sycosis parasitaria ist die gleiche, wie bei H. tons. CapUlitii. Am raschesten insolviren sich die papillären Vegetationen und ersterben die Pilze unter Ein- pinselung von Sublimat (1 : 100), oder Schwefel- Alcohol-Seife, Acid. aceticum und unmittelbares Aufstreuen von Lac. sulfui-is, so dass oft die Epilation überflüssig wird.

Eczema margiiiatum.

745

Endlich wäre nocli Eczema marginatum Hebra zu be- sprechen. Die AfFection localisirt sich zumeist an den Gre- nitalien und deren nächster Umgebung und vbildet da kreuzer- bis flachhandgrosse und noch grössere Kreise und Kreisbogen, welolie z. B. in einer Flucht vom Scrotum ül)er die Leisten- gegend nach der inneren ifnd hinteren Schenkelfläche, von da nach der Sacralgegend und von hier auf die andere Extremität zurücklaiifend , wieder über die innere Schenkelfläche auf den Möns Veneris zurücktrefiFen. Ausserdem können solche Kreise und Kreisbogen auch am Stamm und den Extremitäten einzeln oder auch in grösserer Zahl sich vorfinden. Der Rand der- selben erscheint zackig , mit kleinen Knötchen , Bläschen, oder gelbbraiinen Börkchen bedeckt, während die von den Kreis- linien eingeschlossenen Hautflächen dunkelbraun pigmentirt. zerkratzt , mit Börkchen bedeckt , oder mit neu aufgetauchten Kreisen besetzt sind. Wie die Börkchen lehren, veranlasst die Krankheit sehr heftiges Jucken und Kratzen. Deswegen nm\ wegen der Knötcheneruption hat auch Hebra die Atfection als Eczem bezeichnet, die Kreisform jedoch erinnert lebhaft an Herpes tonsurans.

Nun haben zuerst Köbi^er und Pick, später ich in der Epidermis der Eczema marginatum - Kreise Pilze, ähnlich denen des Herpes tonsurans, nachgewiesen, und auch sonst noch sind Momente zum Theile experimenteller Art von den zwei- genannten Autoren geltend gemacht worden für die Ansicht, dass das Erythrasma Bärensprung's und Eczema marginatum Hebra's unter einander und mit dem Herpes tonsurans identisch wären. Hebra dagegen, obgleich er die Pilznatur des Uebels anerkennt, meint noch immer die eczematöse Natur und Be- zeichnung desselben aufrecht erhalten zu müssen. Es ist näm- lich aufiallend, dass erstens dasselbe intensiv juckt ; zweitens hartnäckig persistirt, 15—20 Jahre und darüber; drittens der Therapie ausserordentlichen Widerstand leistet und gerne an Ort und Stelle wiederkehrt ; viertens sich direct ganz und gar nicht ansteckend erweist, indem in innigem Contact mit ein- ander befindliche Personen, z. B. Eheleute, die Afi'ection auf einander nicht übertragen, daher diese auch nie endemisch, z. B. in einem Institute, oder einer Familie angetroffen wird; fünftens die Haare im Bereiche desselben nicht abbrechen und glanzlos werden, lauter Momente, welche beim Herpes tonsurans

Siebenundvierzigste . Vorlesung.

sich niclit vorfinden. Deshalb hat aucli Pick sich 7a\ dem Compromiss veranlasst gesehen, das Eczema marginatiim als eine Comhination des H. tonsurans mit Eczem aufzufassen, welcher Ansicht auch icli mich anschliesse.

Unterstützt wird diese diirch die Grelegenheitsursachen, welche zur Entstehung und Recidive des Eczema marginatum führen. Dies sind vor Allem Macer ation der Epidermis dui-ch Schweiss an den in gegenseitigem Contact stehenden Hautfiächen der Grenito-Cruralfalten, der Hängebrust u. s. w. bei dick- leibigen, oder viel zum Sitzen gezwungenen Personen, bei denen an der macerirten Haut zunächst Eczema Intertrigo in margi- nirter Form und später Ecz. marginatum veranlasst wivd. Die nächst häufige und analoge Ursache gibt die ]\Iaceration der Oberhaut durch Wasser bei der Hydrotherapie, imd besonders unter dem Priessnitz- Gürtel, unter welchem zumeist einfaches Eczem, öfters Herpes tonsurans und gar häufig die unter solchen Umständen nicht zu bezweifelnde Combination beider sub Eorma des Eczema marginatum sich entwickelt.

Die Diagnose des Uebels ist leicht, da die Kreisform des H. tonsurans und der Charakter des Eczems in den Bläschen und Kratzeifecten gleichzeitig deutlich ausgeprägt sind. Die Heilung dauernd zu bewerkstelligen ist nicht leicht, da zu- nächst die fortbestehenden Ursachen ßecidiven begünstigen und die Zerstörung aUer Püzkeime nur schwer gelingt. Der Pilz sitzt nämlich hier aufPaUend tief, wahrscheinlich wegen der Mächtigkeit der Epidermisschichten, und man niuss zur Auf- findung desselben die obersten Schichten wegkratzen.

Die Therapie hat auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen, tind es erweisen sich von allen gegen H. tonsurans früher besprochenen Mitteln erfahrungsgemäss niu" einzelne ver- lässlich. Unter diesen am besten Chrysarobinsalbe und Unguent. WiLKiNSONi, welche in einem Cyclus von (5—12 eingepinselt werden. Nächstdem empfelden sich Einpinselungen von Sublimat (1 : lOOAlcohol), Schwefel-Alcohol-Theerpaste, Theer, Jodtinctur. Bei zögernder Heilimg und bedeutender Verdickung der Epi- dermis ist es zweckmässig, diese mittels Kali (1 : 2 Aqua), Sclimierseifenumschlägen, oder Acid. aceticuan abzulösen luid nach erfolgter Ueberliäutung Chrysarobin-, oder Wilkixson- Salbe einzureiben.

Pityriasis vcrsicolor.

747

AVie nach Heilung von Eczem müssen auch, hier die Haut- falten nachträglich durch Einlegen von Poudretampons isolirt und vor der Einwirkung des Schweisses geschützt werden.

Pityriasis versicolor,

xuirichtiger "Weise von manchen Pathologen als „Chloasma" aufgeführt, bei den Laien als „Leberflecke" bekannt, erscheint in Form von blassgelben, gelbbraunen bis dunkelbraunen Punkten, linsen-, kreuzer- bis flachhandgrossen und über grosse Hant- strecken gleiclnnässig ausgebreiteten, bald glatten, glänzenden, bald matten, oder schülfernden Elecken von unregelmässiger G-estalt. Sie sind vorwiegend am Stamme, Halse und der Beugefläche der oberen, seltener auch der Unterextremitäten, niemals an Händen, Füssen und im Gesichte localisirt imd finden sich auch in Form scharf begrenzter, gelbbrauner schülfernder Flecke in der Axilla und an den Contactflächen der Hängebrust, des Scrotums und Oberschenkels. Durch Kratzen mit dem Nagel kann die Epidermis der Flecke iu

Fig. 50.

Microsporou furfur, Pilz der Pityriasis versicolor. (Vergr. cca. 700.) (In der Zeichnung die aufgelösten Epidermiszellen weggelassen.)

748

Siebenuudvieizigste Vorlesung.

zusammenliäiigenden Lamellen abgehoben und die rotbe, blutende Basis blossgelegt werden. Massiges Jucken begleitet die Affection, welche in einzelnen Herden, bei manchen Personen in diffuser nnd allgemeiner Ausbreitung mit geringen Verände- rungen meist durch viele, 15 20 Jahxe fortbesteht. Ihre Ent- wickliuig erfolgt unmerklich, und ebenso ihre Rückbildung, die zuweilen früher, stets aber mit vorschreitendem Alter eintritt, da bei älteren Personen niemals und nur bei solchen zwischen der Pubertät und dem reifen Alter Pityriasis versicolor ge- funden wird.

In den abgekratzten Epidermislamellen kann immittelbar unter dem Mikroskope der dieser Mycose eigenthümliche, von EiCHSTEDT 1846 entdeckte und von Robin Microsporon furfur benannte Pilz gesehen werden (Eig. 50). Derselbe besteht aus ungewöhnlich und gleichmässig grossen Gronidien, welche je zu 30 und mehr regelmässig vertheilte Haufen formiren und aus vielgestaltigen und kurzen Mycelien, welche jene Gronidien und Gonidienhaufen unter einander verbinden und theUs selber Gonidien aussenden, theils aus solchen auswachsen.

Niemals ist ein Hineinwuchern des Pilzes in die Haare und nur in die Epidermis der EoUikelmündung (Gddden) ge- sehen worden.

Obgleich Köbner Pit. versicolor experimentell auf sich selber zu übertragen vermochte, so bleibt es doch richtig, dass deren gelegentliche Uebertragung von Individuum zu Individuum kaum vorkommen mag, trotzdem doch deren PiLz massenhaft und oberflächlich gelegen ist. Es scheint für dessen Haftimg ganz besonders eine individuelle Disposition der Haut erforderlich, was schon daraus hervorgeht, dass das Uebel bei damit be- haftet gewesenen Personen auch nach mehrmaliger Heüung gerne recidivirt, dagegen unter Eheleuten trotz jahrelangen Verkehres keine zweifellose Uebertragung beobachtet worden ist. Man sieht, wie sehr Pityriasis versicolor durch Ansehen, Verlauf, Eigenart der PUzvegetation und der Contagioiis- Ver- hältnisse von den anderen MjTosen differirt.

In der Diagnose des Uebels ist ein Irrthiim kaum möglich, selbst die durch zarte rothe und discrete Flecke an Eoseola syphilitica gemahnenden Formen werden sofort erkannt, indem dieselben mit dem Nagel abgekratzt werden können.

Pityriasis versicolor.

749

Die Therapie der Pit. versicolor wird nach demselben Principe nnd mit den gleichen Mitteln nnd Methoden durch- geführt, wie die des H. tons. macnlosus, indem es sich auch hier darum handelt, in wenigen Tagen die gesammte obere, den Pilz beherbergende Epidermislage methodisch zur Abschiebung zu bringen (vide pag. 741).

Achtundvierzigste Vorlesung.

Durch thierische Parasiten bedingte Hautkrankheiten.

Thiei'isehe Parasiten; eigentliche Parasiten und Kpizoen. Art ihrer Wirkung auf die Haut. Dermatozoonosen. Scabies. Geschichte. Naturgeschichte der Krätzmilbe. Milbengang.

Dermatozoonosen.

Die diircli animalische Parasiten bedingten Haut- krankheiten weisen, gleich den durch PiLze veranlassten, zweierlei Symptome auf, solche, die durch den Parasiten als naturgeschichtliches Individuum, sowie durch dessen Lebens- verhältnisse (Wolniung, Ernährung, Fortpflanzung) dargestellt werden imd andere, welche sich als direct oder indirect durch die Parasiten bedingte pathologische Veränderungen des Haut- organes erweisen.

Die hier in Betracht kommenden thierischen Organismen sind zweierlei Kategorie:

1. Solche, die entweder ausscliLiesslich, oder nur zeitweilig in der mensclilichen Haut wolinen, wahre Parasiten Der- matozoen. Hieher sjnd zu zählen: 1. die Krätzmilbe Acarus scabiei; 2. die Haar sackrailbe Acarus fol- liculorum; 3. der Sandfloh Pulex p enetr ans; 4. der Peitschenwurm Filaria medinensis; 5. die Ernte- jjiillje Leptus autumnalis; 6. der Holzbock Ixodes ricinus; 7. Cysticercus cellulosae.

2. Andere, die nur zeitweilig, behufs der Schöpfung von Nahrung die Haut heimsuchen und zum Theile in deren nächster Nähe (den Haaren, Kleidern) sich aufhalten Epizoen. Diese sind: 1. die Läuse (Kopfläuse Pediculi humaiu

Scabies.

751

capitli^, Filzläuse Petliculi piibis, Kleiderläiise Pedlouli ves- timentonun); 2. die Flölie Pul ex irritaus; 3. die Wauzen Cimex lectularius; ausserdem die Mücken

(Gelsen) Culex pipiens und mehrere andere Insekten.

Diese Parasiten veranlassen Haiiterkrankung entweder in directer Weise, indem au den Hautstellen, wo sie das Or- gan augreifen, verletzen, reizen, die Epidermis aufwühlen, wo sie nisten, Erscheinungen der Entzündung (Hyperämie, Ex- siulation, Efflorescenzbildiuig, Häniorrhagie , Degeneration, Hy- perplasie der Epidermis und Nagelsubstanz) auftreten; oder indirect, indem sie Jucken, Brennen und consecutiv Kratzen und die bekannten Effecte des letzteren (Verletzung der Haut, Pusteln, Entzündung, Geschwüre, Eczem aller Grade und Formen) herbeiführen.

Alle diese nutritiven Veränderungen gehören also wesent- lich in die Reihe der Entzündungs-, specieU der Eczemformen, gestalten sich aber in Verbindung mit den durch den jeweiligen Parasiten dargestellten Symptomen zu einem individuellen Ki-ankheitsbilde , indem deren Form, LocaKsation, Intensität und Verlauf allerdings zum Theile durch die individuelle Eeiz- barkeit des Hautorganes , hauptsächlich aber durch die natur- geschichtlichen und biologischen Eigenschaften des jeweiligen Parasiten bestimmt werden. Die genaue Kenntniss der Letzteren ist daher Bedingiuig für das Verständniss der entsprechenden klinischen Typen.

Scabies, Krätze,

als ansteckende, heftig jiickende und zu kratzen („sca- bere") veranlassende Hautkrankheit, ist wohl seit Jahrtausenden bekannt und mindestens seit Jahrhiuiderten weiss man, dass bei derselben ein in der Haut nistendes T Ii i e r c Ii e n eine RoUe spielt. Dennoch hat es eben so lange gedauert, bis die Pa- thologie der Krätze aufgeklärt und zu allgemeinem Verständ- niss gebracht worden ist. Die Geschichte dieser vulgären Dermatose, an und für sich schon höchst lehrreich, ist von grossem Einfluss gewesen auf die Entwicklung der modernen allgemeinen Pathologie, deren ehemaliges Lehrgebäude, die Humoralpathologie , zu Beginn der vierziger Jahre, zwar viel- fach schon von der Wucht naturgeschichtlicher Thatsachen er- schüttert, doch erst recht zu Haufen stürzte und verlassen

752

Achtund vierzigste Vorlesung.

wurde, nacliclem es man gestatte die Metapher dnreh. die Minirarbeit des kleinen Acarus vollständig untergraben worden war. So wurzelt denn in der Geschichte der Scabies die neue Aera der iiaturwissenschaftlichen Medicin mit zahlreichen iSTähr- fasern und es darf uns mit Stolz erfüllen, dass dies zu einem grossen Theile der Leistung der Wiener Schule und unseres Meisters Hebra zu danken ist.

Schon von den Arabern (Ben-Sohr) wird eines Thierchens bei der Krätze als Syrones gedacht, und aus dem 12. Jahr- hunderte (zuerst bei Scta. Hildegard is) bis in das 17. Jahr- hundert liegen zahlreiche Angaben vor, aus denen erheUt , dass beim Volke die Kenntniss von der Existenz eines solchen, der Krätze eigenthümlichen, Seuren, Sueren, Syrones, Cirons, Bri- ganti, pellicelli genannten Thierchens und die Kiuist mittels einer Nadel dasselbe aus der Haut zu ziehen („seuren graben") und auf dem Nagel zu knicken allgemein verbreitet war. Aiich wussten schon viele Aerzte (GtDY de Chauliac 14. Jahrh., Ambr. Pare 16. Jahrh. xi. v. A.), dass das Thierchen, welches von Manchen als Lausart, von Anderen als Mübe angesehen wurde, in der Haut Gänge bohre. Der Naturhistoriker Thom. MouFFET hat dasselbe zuerst genauer beschrieben (1634), Haupt- mann, später Ettmüller ziemlich gut abgebildet. Endlich haben BoNOMO und. Cestoni in einem, an den berühmten Redi ge- richteten Briefe (1687) die genaue Naturbeschreibung xmd Ab- bildving der Krätzmilbe und deren Eier gegeben und aus ihrer Beobachtung den richtigen Schluss gezogen, dass die Krätzmilbe getrennten Geschlechtes, dass sie und nicht die „verdorbenen Säfte" die einzige Ursache der Krätzkrankheit sei, und dass mit ihrer Vertilgung durch örtliche Mittel auch die Krankheit geheilt werde.

Man sieht, die Einsicht in das Wesen der Scabies war schon gegen Ende des 17. Jahrh undertes eine sehr vollendete; leider aber nur bei einzelnen Forschern, und es bedurfte noch weiterer anderthalb Jahrhunderte, bis dieselbe Allgemeingut geworden. Denn obgleich die Krätzmilbe von Linne (1746) naturgeschichtlich beschrieben, classificirt, von Degeer (1788) naturgetreu abgebildet, von Wichmann (1791) experimentell vom Pferde auf den Menschen übertragen und in ihrer Wirkiuig beobachtet, und von vielen anderen Forschern, namentlich von Thierärzten (rücksichtlich der Räude der Schafe) gründlich

Scabies. Naturgcscliichte der Krätzmilbe. 75;;

gekannt und studirt worden, auch manche hervorragende Aerzte. wie John Hunter, die Anschauung Bonomo's energisch vertraten, so haben doch andere berühmte Aerzte und Dermatologen, wie LoRRY, WiLLAN, gegen Ende des vorigen Jahrkmdertes theils die Krätzmilbe ganz ignorirt, theils ihre Beziehung zur Krätze geleugnet, oder dahin gedeutet, dass ein von den Thierchen dem Blute eingeimpftes Grift das Jiicken erzeuge, oder das.^ der Acarus aus verdorbenen Säften des Krätzigen sich entwickle. Solche Ansichten wurden unter der mächtigen Herrschaft der Hahneman' sehen Lehre von der Schädlichkeit der unterdrückte]] oder verschlagenen Krätze , noch viel später vo]i Heroe]i der Medicin, Schönlein, Fuchs, Hildenbrandt patronisirt, und um so mehr, als die Kunstfertigkeit, Krätzmilben zu fangen, nacli vei-geblichen Versuchen durch GtALES (1812), Raspatl (1829) u. A. erst nach Renucci's Demonstration (1834) allgemeiner von den Aerzten gewoimen wurde. In deiT darauffolgende]] Jahren hat zimächst die Naturgeschichte der Krätzmilbe zahl- reiche tüchtige Bearbeiter gefiinden an Eichstedt (1846), der die erste Zeichmmg eines Mübenganges sammt Lihalt, sowie des von Krämer (1845) entdeckten Männchens und der sechs- beinigen Larve lieferte, Lanquetin, Bourguignon, Hebra, welcher ein Mübenpaar im Begattungsacte beobachtet hat, Gr. Simon. Canstadt, Wedl, Küchenmeister, Gerlach, Eürstenberg, GtUdden. Bergh u. V. A. Endlich ist die Pathologie der Krätze durch dieselben Kräfte mittel- und unmittelbar gefördert u]]d besojiders durch Hebra's classische Arbeit „über Diagnose, Aetiologic n]id Therapie der Krätze" (1844) naturhistorisch geklärt und auf den unverrückbaren Boden der klinischen und experimentellen Thatsachen gestellt worden.

Die Krätzmilbe,

Acarus Scabiei (Degeer), Sarcoptes hominis (Raspail), wird von der neueren Naturgeschichte in die Classe der „Milben", Acarinae, eingereiht. Ans ihrem Gange in der Epidermis (mittels einer Messer-, oder Staarnadelspitze) hervorgeholt, erscheint sie (das "Weibchen) als mit unbewaffnetem Auge ebei] erkennbares, gelblich-weisses, halbkugeliges Körperchen. Auf den Fingernagel gestellt bleibt sie eine Weile unbeweglich, alsbald kann man sie rasch über den Nagel laufen sehen.

K aposi , Hautlsranlcheiten. 48

754'

Aclitundvierzigste Vorlesung.

Zwischen den Nägeln gequetscht zerknickt sie unter vernehm- lichem G-eräusche. Unter dem Mikroskope besehen, präsentirt sich dieselbe als schildkrötenähnliches Thierchen mit konischeni Rüssel und 8 BeineiT. Der länglichrunde Körper ist mit ge- wellten Querfurchen (Rillen) gezeichnet, welche die theilweise Uebereinanderschiebung der Panzertheile bei der Bewegmig

Fig. 51.

Krätzmilbe geschleclitsreifes W e i b c 1. e n , 0-35 Mm. laug, 0-50 Mm. bveit. ckenans cht: 1 Paar G eni ckdo rne ii , hinter denen das brillen- ^Aige Srgau, die Schulterborsten, die (33)- Schulterkege , die Qu Sien der Schuppen und Nägelcheu zuhmtei^t die U in 4 Lang>- ^ reihen gestellten Dornen. (Vergr. 300.)

ermöglichen. Der Eiicken ist mit kürzeren und längereu, in ringförmige Wiüste eingepflanzten Dornen, sowie mit Stachel- reihen besetzt, deren mittlere nach vorn, die hii^teren nach hinten convex sehen. Kopf mit 6 Borsten versehen, vom Rumpfe abgesetzt, mit vier Kieferhälftenpaaren und zwei neben diesen gelegenen dreigliederigen Palpen. Beine 8, fünfgliederig. das

Scabies. Krätzmilbe.

755

1. nnd 2. Paar bei beiden Gesclilechtern mit gestielten Haft- scheiben. Das Weibclien (Fig. 51 und 52, die Zeicbmingen der Milbentbiere nadi Hebra und Elfinger) trägt am 3. uud 4. Paar je eine lange Borste, bat am binteren Körperrand zwischen den hintersten Rand-(Anal-)Borsten eine znv Begat- tungsscheide führende Spalte und auf dem Bauche eine L e g e-

Fig. 52.

Befrnchtete.s Mil b e u we i b c lie n. Baucb.seite, die dem ersten Fusspaare angehorige mediane Hiiftleiste (bei Männclien, "Weibchen und Larve different, Bergh). Die Hinterfüsse mit langen Borsten. Im Innern der Milbe ein reifes Ei.

scheide (Gtüdden). Ein in den Magen- und Darmcanal sich abzweigender Ernährungsschlauch, Eierstock, Muskeln sind anatomisch demonstrirbar (Gudden, Bourguignon, Eichstedt, Wedl u. A.) und häufig ist ein reifes Ei im Innern der Milbe zu sehen. Das Milbenweibchen soll zwischen 20— GO Tage leben können.

48

750

Achtum] vierzigste Vorlesung.

Das Männchen ist kleiner (0-20 Mm. 1., 0-35 Mm. br.) als (las Weibclien, trägt am 4. Fiiss paare eine Haft- scheibe (statt der Borste beim "Weibchen) nnd zwischen den Hinterfüssen ein medianes hufeisenförmiges Chitingerüste, in welches ein gabelförmiger P e n i s eingelenkt ist, wie in Fig. 53 zu sehen.

Das Milbenmännchen wohnt in seichten Ausgrabungen der Epidermis, kleinen Knötchen und Bläschen, in der Nähe der, die weibliche Milbe beherbergenden Gänge und scheint auch mehr unstät auf der Haut ximherzukriechen. Eine als dessen

Fig. 5.S.

I

Krätzmillje, jM ä u n c Ii e n, Bauchseite.

Begattung mit dem "Weibchen deutbare CoiDulation hatHEBßA einmal unter dem Mikroskope gesehen. Männchen finden sich in geringerer Zahl als Weibchen bei der menschlichen Elrätze, sind hier schwer, leichter bei der Krätze der Thiere und in der Krustenkrätze aufzufinden und sollen 6—8 Tage nach ihrer Begattung zu Grunde gehen (Güdden).

Nur das geschleclitsreife , befruchtete Weibchen bohrt einen Hohlgang in die Epidermis Milben gang (Fig. 54), in welchem es Eier legt und nach Beendigung dieser Function abstirbt.

Scabies. Milbeugang.

757

Fig. 54.

Milbengang von der Lendenhaut ausgesclinitten, bei schwacher Vergrösserung unter dem Mikroskope besehen.

An dessen (Schwanz-) Ende die Milbe von der Bauchfläohe und ein reifes Ei in ihrem Innern zu sehen. Hinter ihr 12 Eier und 12 Eihällen. Es scheint, dass diese Milbe 2 Eier im Tag gelegt hat, da erst im h. die erste Anlage des Embryo und erst im 12. ein mit deutlichem (hier nicht gut gezeichneten) vorderen Fusspaare versehene reife Larve sich vorfindet, was bei anderen Gängen im 6.-7. Ei der Fall. Zwischen den Eiern und EiUüUen schwarze Körperchen (Faecea).

Bei der experimentellen Uebertragung hat man die Art beobachtet, wie die Milbe mit den scharfen Kieferscheeren die

758

Aclitundvierzigste Vorlesung.

Epidermis spaltet, den Kopf voran sicli einbohrt nnd unter der Oberhaut verschwindet, und aus dem ausgeschnittenen Crange lässt sich in Verbindung mit anderen Beobachtungsresultaten der weitere Lebenslauf der Milbe erschliessen. Sie legt hinter sich Eier, jeden Tag 1 , höchstens 2 , im Granzen 20 50, viel- leicht auch mehr.

Die Eier (Fig. 54) sind oval, mit der Längsachse quer 7A\ der des Ganges gestellt, circa 0-16 Mm. lang. Oll Mm. breit und zu 12—20 und mehr in einem Crange zugegen. Die zuletzt gelegten, unmittelbar hinter der Milbe befindlichen 2 3 Eier sind mit gefurchtem Dotter erfüllt, im 3. 5. ist bereits die Anlage des Embryo , ^im 6.-9. die Milbenlarve in den ältesten oft schon mit Kopf und vorderem Eusspaare deutlich zu sehen (Fig. 54 «).

Fig. 56.

Milbenlarve mit 6 Beinen (Bauch- Zweite Häutimg.

fläche') Innerhalb einer achtbeinigen Milbe er-

^' kennt man das neu sich entwickelnde,

ebenfalls achtbeinige Thier.

Die Milbenlarve (Fig. 55) ist sechsbeinig, hat binnen 3_6 Tagen ihre Vollendung erreicht, durchbricht die Eischale, wächst bis zu 0-15 Mm. Länge und O'IO Mm. Breite heran \md

Scabies. Krätzmilbe. 759

kriecht zuv EiubohrmigsöfFnung des Ganges, nacli Einigen (G-ERLACH, BouRGüiGNON, Borchhard) cliircli „Luftlöcher" der Gangdecke zu Tage, liräft auf der Haut eine Zeit lang umher und bohrt sich dann in ein kurzes Nest, wo sie ihren Häutungs- process durchmacht.

Die Milbe macht 3 (nach Gudden, Fürstenberg, Bourgui- GNON 4) HäutiTugen durch. Die aus dem Ei gekrochene Larve hat mir 1 Paar Hinterbeine, 2 Analborsten imd 10 Uücken- dornen Aus der ersten Häutung (2. Stadium) geht eine acht- beinige Milbe hervor, mit 4 Analborsten und 12 Rückendornen. Li der zweiten Häutung gewinnt die Mübe noch 2 Rücken- dornen und das mit 14 Dornen ausgestattete Thier wird nach der dritten Häutung (4. Stadium) zur geschleclitsreifen Mübe.

Ausserhalb der Haut kann die IVLlbe 2-3 Tage und auch in die Luft abschliessenden Flüssigkeiten (Wasser, Oel, Petro- leum) längere Zeit am Leben bleiben.

Dass die bei verschiedenen Thieren (Schaf, Katze, Frett- chen, Kaninchen, Pferd, Kameel, Dromedar, Elephant u. aO vorkommenden Krätzmüben wesentlich derselben (vielleicht nach dem besonderen Nährboden in der Grösse der Individuen al- terirten) Mübenart, wie der Acarus des Menschen angehören, scheint diu'ch die häufig constatirten wechselseitigen Uebev- tragimgen zwischen Thier und Mensch, und nach dem Ergebniss vergleichender Untersuchungen erwiesen.

NeuDündvierzigste Vorlesung.

Scabies. (Fortsetzung).

Symptome, Pathologie, Aetiologie, Therapie.

Die Symptome der Krätze besteneri mui iu er.ster lleihe in jenen Veränderungen des Haiitorganes , welche die Krätzmilben durch ihren Lebensaufenthalt innerhalb der Epi- tlermis direct veranlassen, und unter diesen bildet das hervor- ragendste der Milbengang (sillon).

Um einen solchen aiTs seinem verschiedentlicheu , aber s tets charakteristischen klinischen Ansehen ohne Bei- liilfe der mikroskopischen Untersiichung constatiren zu können , ist es zu wissen nothwendig , wie derselbe entsteht und wie seine Merkmale successive hervortreten.

Dort, wo die Milbe sich einbohrt, wird die Epidermis in einem rundlichen Umkreise von 1 2 Mm. zerwühlt, wie in der schematischen Zeichnung (Fig. 57 a) zu sehen , oder ent- steht durch den Reiz , welchen das Beissen und Wühlen der ^lilbe veranlasst , Exsudation und ein Bläschen , welches gar nichts für Krätze Charakteristisches hat und nach Vertrocknung und Abblätterung der Decke wieder eine trichterförmige (im Durchschnitte Fig. 57 a ovale) Exfoliation der Epidermis. Xun bohrt die Milbe weiter, um in die Schichte der saftigen Rete- zellen zu gelangen, und zwar in zur Hautoberfiäche schief ab- steigender Riohtiuig und befände sicl\ nun aiif Punkt I (Eig. 57 a). Wie ruiter jedem fremden Körper, z. B. einem eingestossenen Holzsplitter, so entsteht auch imter der durch ilire Bewegungen und Angriffe noch mehr, als ein fremder Körper, ii-ritirendeii Milbe eine eliminatorische Epidermisliyperplasie und Verliornung

Scabies, Nosologie.

7G1

bei Punkt I. Dadurch wii-d eiuestheils die Partie iu die Hölie gehoben, zugleich auch die Milbe von der nährenden Schichte det« Rete abgeschieden. Sie bohrt also weiter in die Tiefe, um Nahrung zugleich Raum für die Eier zu finden und ge- langt bis Punkt II. Hier meder die eliminatorische Epidermis- verhornuug uiiter ihr (2 Eig. 57 a) , das Emporgehobenwerden des alten G-angtheiles und die Nothwendigkeit für die Milbe weiter zu bohren, womit sie Punkt III, wieder relativ zu Punkt II und I schief abwärts erreicht, und somit ist der Milbengang und sein charakteristisches Ansehen gegeben.

Fig. 57 a.

n Schematischer Schief- üurchsclmitt durcli Epidermis, Milbengang und Papillarschiclit der Cutis.

Derselbe erscheint als ein melu^ere Millimeter, oft gar 1 bis 2 Ctm. langer, gerader, oder meist etwas krummer, zackig- bogenförmig verlaufender, von Stelle zu Stelle punktirter , wie mit einer unter die Epidermis vorgeschobenen Nadel gemachter Holilgang, eine Mine, dessen Contour mit einer zu Tage liegenden, breit oval begrenzten Exfolation beginnt Kopfende des Ganges (Eig. 57 a vor I), alsbald in eine schmale Parallele übergeht, deren Linien erst am Ende des Ganges Schwanz- ende — wieder etwas auseinander weichen, um am Ende in einer Rundung ineinander überzugehen (Eig. 57 a III), die durch ein geblichweisses, glänzendes hervorragendes Pünktchen, die Milbe, gekennzeichnet ist. Zugleich ist über dem älteren und durch die unter demselben entstandene Verhornung in die

-^(59 Neunundvierzigste Vorlesung.

Hölie geschobenen Grangtlieile die Decke vielfach trocken, ein- gesunken, zerklüftet, ansgefaUen. Je mehr dem jüngsten Tlieile sich nähernd, desto tiefer liegt der Canal , desto dicker, succu- lenter ist die über ilim liegende Epidermisdecke , desto mehr weiss, lebendig sieht der Gang ans, dessen Inhalt, Eier und Eaeces, als gelbliche und schwarze Punkte, durch die succulente Decke durchschimmert , und dessen Ende durch ein gelblich- weiss schimmerndes Knöpfchen, die Milbe, gekennzeichnet ist. Man weiss also, dass nicht an der zerklüfteten, sondern an der suc- ciüenten Seite, und zwar am knopfförmigen Ende des Ganges, die Milbe herauszufischen ist und es gelingt leicht sie zu be- •kommen , indem man mittelst der Spitze eines Federmessers, oder einer nicht federnden Staarnadel knapp neben dem gelblich- weissen Endpunkte einsticht, sachte den Inhalt herausholt und auf den Daumennagel abstreift.

In dem geschilderten Ansehen ist der Milbengang typisch. Man kann denselben für die Besichtigung unter dem ]\Iikro- skope mittels Scheere abkappen, oder indem man, wie ich zu thun pflege , von der Milbenseite her mittels einer Impfnadel unter denselben durchfährt und am Schwanzende und seitUch mit der Nadelspitze und Schneide herausfährt. Damit ist die den Gang enthaltende Gewebsschichte aufgeklappt und kann an der noch haftenden Seite ohne Quetschung abgekappt werden. Zwischen zwei Objectgläser gepresst und unter dem i^Iiki^oskope besehen, wird nun der Mübengang ein instructives Bild des Eies Eaeces und der Milbe geben , wie in Eig. 54.

Etwas anders ist das Ansehen des Milbengaiiges , weim die Anwesenheit der Milbe eine intensivere Reizung der Pa- pillen veranlasst , so dass Exsudation , Bläschen- und Pustel- bildung erfolgt (Scabies pustulosa). Dies kann m jedem Stadium ilires Bohrens geschehen. Da die Exsudation aber immer von den Papülargefässen aus stattfindet, so wird deren Product stets unter der hornigen Zelllage sich befinden, welche die Basis des Milbengaiiges bildet und die Epidermisschichte, welche diesen einschliesst, bildet zugleich die Pusteldecke und in dieser Decke ist die punktirte Linie des Milbengaiiges zu

sehen wie in Fig. 57 i. ... a ^ Ua

Zugleich bohrt die Milbe sofort weiter, um über das Be- reich des Pustelherdes hinaus in normales Rete zu gela.ngen. Daher sieht man stets den Pustelcontour in der Verlängerung

Scabies. Nosologie.

763

der punktirten Milbenganglinien etwas ausgebuclitet da wo die Milbe vorgerückt ist.

Milbengänge können sick an jeder Hautstelle finden, dock kommen sie, okne dass eine Erklärung dafür gegeben werden könnte, an gewissen Oertlickkeiten häufiger vor, weskalb diese zu kennen für den praktischen Arzt sehr wichtig ist. Diese sind nach der Reihe der Häufigkeit und Menge : Die Beugeseite des Handwiu'zelgelenkes , die Seitenflächen und Uebergangs-

JFig. 57 b.

Scliematischer Durchschnitt durch eine Pustel (P), in deren Epidermis- decke ein Milben gang verläuft.

Fig. 57 c.

Dasselbe in Flächenansicht. Die Milbe befindet sich jenseits der Pustelgrenze

im nicht abgehobenen Rete.

falten der Pinger, bei Kindern und mit zarter Haiit begabten Personen die Flachhand, die Streckseite des Ellbogens, die vordere Achselfalte, die Brustwarze und deren Umgebung bei weiblichen Personen, der Nabel und dessen Nachbarschaft, der Penis und zwar Eichel und Integument. penis , Scrotum , da.s Gesäss besonders über den Trochanteren, der innere Fussrand. Zu diesen Oertlichkeiten sind als besonderer Lieblingssitz der Milbengänge noch zu zählen alle jene Hautstellen, welche wiederholt gedrückt und in der Epidermis verdickt worden.

Neunjindvierzigste Vorlesung.

Daliei- finden sie sicli regelmässig an der Taille bei Weibern nnd Männern, wo Mieder und Riemen die Haut schwielig ge- macbt, bei Scliustern über den Sitzknorren, deren Haut vom hölzernen Dreistulil verdickt, auf den Schultern bei Lastträgern, bei Webern über dem Rippejibogen, der vom Webstuhl oft ge- presst worden. Die genannten Oertlichkeiten bilden die regel- mässigen Localisationen der Milbengänge, zugleich C'entralherde , von denen aus die Invasion der Milben auf die Nachbarschaft überzugreifen pflegt, so dass bei mässiger Er- krankung einzelne der genannten Regionen , am regelmässigsten Hände, Achselfalte und Penis , bei langer Dauer und Inten- sität der Krätze nicht nur alle aufgezählten Hautstellen dicht gedrängt, sondern auch alle zwischen gelegenen Hautpartien, des Unterleibes, Vorder- und Oberarmes , Nates , Oberschenkel, Sclmltern, bei Kindern auch Gresicht und behaarter Kopf, Hand- und Fussrücken von Gängen besetzt erscheinen können.

Eine nebst den Milbengängen wichtige objective Erschei- nung der Scabies bildet Eczem, welches zu einem Theile als directer Effect der Milbe , zum anderen als indü^ecte Folge ihres Einflusses sich herausstellt.

Zu dem Ersteren sind zu zählen die an der Einboimuigs- steUe der Männchen , Jungen und unter den Gängen entstehen- den Knötchen, Pusteln, Bläschen, Blasen, wonach man ja von Scabies vesiculosa , bullosa , pustulosa spricht. Doch haben diese Efflorescenzen an und für sich nichts für Krätze Charakteristisches, sondern auir insoferne sie mit Milben- gängen complicirt sind. Manche Menschen und Oertlichkeiten sind besonders dazu disponirt. So finden sich bei Kindern xmd jugendlichen, sovne weiblichen Personen, bei Scabies der Hände und Füsse da oft viele und grosse Blasen und Pusteln , welche, wie früher gezeigt worden (Fig. 57 b), den Milbengang vor sich herwölben.

An der Achselfalte , der Brustwarze und dem Warzenhof, am Nabel , über der Hüfte und am Penis bilden sieh unter den Milbengängen rothe , derbe , der Richtung der letzteren folgen- den Knoten , so dass der Gang auf dem Firste je eines Knotens sitzt. (Nebstdem finden sich am Penis kurze , wie eine mit einer Nadel angebrachte feine, zackige Ritze aussehende Gänge.)

Ein anderer Theil des Eczems entsteht durch reflectorische Reizung, wie bei allen schon bestehenden Eczemen, sowie durch

Scabies. Nosologie.

705

örtliolie Complieatiüii , Eiterabsperrung ; vorwiegend (hirch das Kratzen, zw welchem theils die Milben selbst, tlieils das schon bestellende Eczeni Veranlassung gibt.

Das Jucken bei Krätze ist sehr intensiv, aber nicht stetig zngegen , sondern macht sich zumeist des Abends beim Entkleiden und in der Bettwärme geltend , offenbar , weil da die IMilben ihr Bohr-, Wander- nnd Ernälmingsgeschäft am lebhaftesten betreiben. Das Kratzen führt nun zur Steige- runs- des Eczems und da Jucken und Kratzen auch vornehmlich die Krätzherde betreffen , so entwickelt sich auch an diesen das consecntive Eczem am intensivsten.

Die Eczemerscheinnngen halten demnach ihrer Intensität nach auch die Localisationen der Milben- gänge ein. Diese Thatsache ist ein wichtiges objectives Sym- ptom der Krätze. Die eczematöse Eruption besteht im Allge- meinen in discreten Knötchen und Bläschen , welche in demselben Masse, als sie selber zerkratzt werden, mit Pusteln, Borken und blutigen Excoriationen sich combiniren ; seltener in diffusem, nässendem Eczem. Dasselbe occupirt in typischer Weise das Hantterritorium von den Brustwarzen bis etwa zn den Knieen, indem der vordere Stamm von den Warzen abwärts, die Scham- gegend und die inneren Oberschenkelflächen von jenen discreten Efflorescenzen und Kratzeffecten besetzt sind ; ferners die innere Fläche der Arme, die Nates , die Unterschenkel , alle Regionen, welche den kratzenden Fingern bequem zugänglich sind (daher weniger den Rücken) , immer mit dem Charakteristicnm , dass an den Hanptherden der Milbengänge, Warzen, Penis, Achsel- falten etc., und deren nnmittelbare Umgebung die Eczemernption am dichtesten gedrängt erscheint. Das Bild ist so charakteristisch,, dass es schon von feriie besehen als von Scabies herrührend sich 7A\ erkemien gibt.

Am intensivsten pflegt dasselbe alsE. pustniosum, crustosum und mit Infiltration der Haut vergesellschaftet an den Händen, an der weiblichen Mamma , am Gresäss der Schuster , nebstdem manchmal am Penis nnd Scrotnm , an Händen und Füssen zn sein , sowie überhaupt an allen Hantstellen , welche mit Drnck- schwielen besetzt sind. An Händen und Füssen von Säuglingen nnd jugendlichen Personen kommen unter nnd neben Milben- gängen grosse , oft rupiaartig fortschreitende Bläschen nnd

766

Neunundvierzigste Vorlesung.

Blasen vor , deren Krusten die Milbengänge bis zur Unkenntlicli- Iceit verdecken.

Als „Scabies norwegica" s. Boeckh (s. crustosa) hat Hebea eine eigentliümlicbe , vorerst an Leprosen von Boeck und Danielssen, später von Füchs, Gompert und Bamberger, Beegh, RiGLER, Vogel, Düben, Mittermayer und in einzelnen Fällen auch an unserer Klinik gesehene Krätzform beschrieljen , bei welcher in Folge von jahrelangem Bestände der AfFection , oder bei Manchen auch, unter individueller Disposition, nach kürzerer Frist mehrere Millimeter dicke Epidermisschmelen an der Flachhand und Fuss so hie, an den Ellbogen, am Knie

Fig. 58.

Borke von Scabies crustosa, Milben in verscliiedenen Entwicklungsstadien, Milbenei, Faeces.

entstanden sind, innerhalb welcher die Milben nicht in regel- mässigen Gängen , sondern, wie bei Scabies pecorina. in unregel- mässig gegrabenen Eärunen sich vorfanden. Wahrscheinlich lag dies in der grossen Menge der Milben, deren eine Unzahl in allen möglichen Entwicklungsstadien innerhalb der Schleim- schichte zu finden waren, während die für die Ernährung unzu- reichenden Hornzellenlagen mir todte Reste derselben enthielten. Auch käsige Verdickung der Fingernägel, imd Ausfallen der Kopfhaare ist als Folge der massenhaften Milben beobachtet worden , gerade so wie bei der Krätzräude der Tliiere. Ein im Besitze der hiesigen Klinik befindlicher Fingernagel von Borken- krätze enthält in unregelmässigen Höhhuigen Milbenreste in

reicher Menge.

Die Entwicklung der Krätze erfolgt, wie die expen- menteUe Uebertragung , sowie die zufäUigen Erkrankungen lehren, sofort imter Juckempfindung, die mit dem Fortschreiten

Scabies. Nosologie.

767

der Erkrankung au Intensität zunimmt. Da bis zur Entwick- lung eines einzigen schönen Milbenganges ein Zeitraum von 8 bis 14 Tagen verstreicht und zur Entstehi^ng neuer Gränge durch avisgewanderte und von ihrer Häutung absolvirte und befruchtete Milben wieder einige Woclien vergehen, so kann jede vielfach localisirte, wenn aivch mässig entwickelte Scabies als mindestens 6 Wochen bis 3 Monate alt angesehen werden. Bei ungestörtem Verlaufe breitet sich die Erkrankung bimien wenigen Monaten allgemein aus , immer mit der stärkeren Aus- prägung der Symptome (Gränge und Eczem) an den aufgezäldten typischen Localisationen , und kann dieselbe dann unbegrenzt lange, das ganze Leben hindirrch bestehen, wie einzelne von Reisenden, von Boeck, Hebba, an Leprosen in Norwegen gemachte Beobachtungen lehren. Eine andere Wirkung als die geschilderte Eeihe von Veränderungen an der Haut hat Scabies auch bei so langem Bestände nicht zur Eolge, namentlicli keinerlei Benachtheiligung innerer Organe oder Functionen.

Während der Dauer von fieberhaften und depascirenden Krankheiten , Pneumonie , Variola , Typhus , schweren Puer- perien etc. verschwinden die Symptome der Krätze , indem das Jucken aufliört , die Eczemeruptionen schwinden und die Milben- gänge rmdeutlich werden. Die Scabies-Erscheinnngen treten aber in der Reconvalescenz von diesen Krankheiten deutlich wieder auf. Diese Thatsache hat zur Zeit , als man noch in das AVesen der Scabies und auch in die Pathologie jener fieberhaften Processe keine Einsicht hatte , den Grlauben erweckt und gestützt , dass das Erlöschen der Krätze jene scliweren und lebensgefährlichen Allgemeinerkrankungen verschuldet habe, dass diese die Folge der durch „Erkältung", „Verschmieren" etc. „zurückgetretenen", „verschlagenen" Krätze, dass sie Krätz- metastasen seien. Es ist klar, um was es sich da handelt. Li der durch Fieber abnorm heissen, trockenen, durcli Anämie atonischen Haut sterben die Milben ab, daher kein Jucken und Kratzen, und als weitere Consequenz Rückbildung des Eczems. Die Eier aber bleiben erhalten. Li der wälirend der Reconvalescenz turgescirenden Haut kriechen aus diesen junge Milben und beginnen die Krätzsymptome auf's Neue.

Die Ursache der Scabies bedarf nach dem Besprochenen •keiner neuerlichen Erörterung: sie ist einzig im Sarcoptes gegeben. Die Ansteckung mittels Krätze erfolgt nur, wenn

Neiinundvierzigste Vorlesung.

luelix'ere träclitige Milben, oder Weihchen und Männclien zu- gleich auf die Haut gelangen und sich da einnisten , sei es von Menschen auf Menschen, sei es von rändigen Thieren. Die erstere Art der Ansteckung ist die vulgäre. Sie erfolgt ziemlich leicht , aber doch nur hei längerem und dauernderem Contact und besonders in der Bettwärme , beim Zusammenschlafen , unter Umständen , unter welchen die Milben auf der Hantoberfläche ihren verschiedenen Zwecken (Begattung , Einbohrung) nach- gehen. Bei Tage und flüchtigen Berührungen, oder durch den (Tebranch von Geräthen und Kleidixngsstücken Krätzkvanker wird gewiss schwer Scabies gewonnen. Ich demonstrire jahraus jahrein die Scabiösen in der Vorlesung von Gruppe zu Gruppe, halte dabei die milbengespickte Hand minutenlang , wasche auch die meinige oft erst eine halbe Stunde später, habe aber noch nie dabei Krätze bekommen. Unter den Gesellschaftsclassen, welche bei uns das grösste Contingent von Ki'ätzigen liefern, sind diejenigen zu nennen, bei denen die Arbeiter (Lehrlinge) 7AX Zweien ein Bett inne zu haben pflegen , , Allen voran die Schuster , demnächst die Schneider. Die Schuster bilden 40 bis r)07o unserer Scabiösen, die Schneider 20 bis ;)0'>lo miä Beide haben bewirkt, dass wir in früheren Jahren an 1000 bis 1200 Krätzige im Jahre auf der dermatologischen Abtheilung zur Behandlung hatten. Seit dem Jahre 18(34, seitdem die Hand- werks-Innungen ihre eigenen Aerzte bestellt haben , welche die Krätzkranken ambulatorisch behandeln , hat sich der Stand der auf der Klinik an Krätze Behandelten auf 200 bis 300 per Jahr vermindert. Aber bei den Schustern ist noch immer die Krätze vorwiegend, und Dr. Weinberg , Innungsarzt der Schuster , hat von lS64bis mm, d. i. innerhalb 15 Jahren, xmter. 29.497 ambula- torischen Schustern 5632 Scabiöse , d. i. an 20 "/o aUer Kranken ausgewiesen.

Zur Diagnose der Krätze bedarf es blos genügender Aufmerksamkeit gegenüber ihren charakteristischen Symptomen. Und doch ist es Thatsache, dass kaum eine Dermatose häufiger, auch von sonst gut unterrichteten Aerzten übersehen nml ver- kannt wird, als Scabies und der Fälle sind uns genug vor- gekommen, in welchen Kranke wegen heftigen Juckens und Kratzens (und Eczem) Monate und Jahre hindui-eli mit inner- lichen und äusserlichen Mitteln, Trink- und Badecuren. aber ohne Erfolg, behandelt worden sind, einzig und allein, weil

Scabies. Nosologie.

760

die Diagnose „Krätze" nicht gemacht worden war, während, wie nnser Vorgehen lelirte , die Einreibung eines beliebigen Krätzmittels mit einem Schlage dem langen Leiden ein Ende gemacht hätte. Man kann nun freilich nicht erwarten, dass jeder Arzt die Kunstfertigkeit besitze, Milben herausziiholen, und es ist dies in complicirten und durch Baden, Seifen etc. veränderten Formen auch für den Fachmann nicht leicht. Aber die Krankheit zu diagnosticiren , ist denn doch nicht schwer. Tu typischen Fällen sind ja die Milbengänge gut kenntlich. Nur beschränke man sich nicht allein auf das Examen der Hände, an denen die Gränge durch Einwirkung von Seife bei Personen der besseren Stände, sowie bei weiblichen Dienstleuten; durch Säuren, mechanische Reibung, bei Handwerkern, bis zur Un- kenntlichkeit zerstört zu sein pflegen; sondern besehe auch den Penis, bei Frauen die Brustwarzen und die Stelle unter den Rippen, wo die ßockbänder gedrückt haben, an welchen gewiss Milbengänge imd längliche Knoten sich vorfinden werden. Aiich wenn dieselben durch unvollständig durchgeführte Krätz- curen zerstört worden sind, erkennt man noch die charakteri- stischen Contouren der Milbengänge (Fig. 57), welche von gewöluilichen Hautritzen durch den streckenweisen parallelen Lauf und die Divergenz nach der einen (der Anfangs-) Seite, die runde Verschmelzung nach der anderen Seite sich kenn- zeichnen.

Ein weiterer diagnostischer Behelf ist neben dem Charakter desEczems (als grösstentheüs aus discreten Knötchen, Bläschen und Pusteln bestehend) dessen vorwiegende Localisation an den früher besprochenen Körperstellen. Und ich möchte rathen, jeden Kranklieitsfall, in welchem eine solche Localisation sicli dem Beschauer aufdrängt, ohneweiters als Scabies zu diagno- sticiren, oder wenigstens worauf es ja in der Praxis an- kömmt — als solchen zu behandeln. Denn man wird durch die Application einer Krätzsalbe gewiss den grössten Theil der Symptome, Eczem und Jucken, beseitigen, awf keinen Fall aber auch da, wo die Amiahme von Krätze nicht zutrifft, schaden; gewiss weniger, als durch unthätiges Gehenlassen und weit vom Ziel abschweifende Trink- und Badecuren.

Die Prognose der Krätze, auch solcher, die jahrelang, in allgemeiner Verbreitung und mit Complicationen aller Art bestanden, ist absolut günstig, da die Krankheit mit grösster

Kaposi, Hautkrankheiten. 49

Y'jQ Neuuundvierzigste Vorlesung.

Sicherheit und in kürzester Frist für alle Dauer geheilt werden kann.

Der Therapie der Scabies ist die zu erfüllende Aufgabe bestimmt vorgezeichnet. In erster Reihe handelt es sich darum, das ursächliche und unterhaltende Moment der Krankheit, die Krätzmilben und ihre Brut zu vernichten. Mit der Eliminirung dieser wird auch in Einem das Jucken und Kratzen, mit letzteren eine Ursache des Eczems beseitigt und ist Gelegenheit geschaffen zur spontanen Involution des bestehenden Eczems.

Da aber Eczem selber juckt und zu Kratzen veranlas.st, auch in vielen Fällen von Krätze dasselbe bis zur Intensität einer selbständigen Krankheit sich entwickelt hat, das Lidi- viduum aber thatsächlich nicht gesund und arbeitsfähig ist, so lange dieses zugegen ist, so besteht die zweite Aufgabe in Heilung des Eczems.

Dieser Umstände sich bewsst zu sein, ist nothwendig, Angesichts der in den letzten Jahren von vielen Seiten an- gerühmten „Schnellcuren" der Krätze. Denn dem in die Sach- lage Eingeweihten wird es klar, dass die erwähnte erste Be- dingung der Therapie, die Tödtung der Müben, zwar jedesmal rasch gelingt und damit der Patient in vielen EäUen auch factisch hergestellt ist, dass aber dort, wo intensives Eczem sich vorfindet, mit der meritorischen Heilung der Krätze der Kranke factisch doch nicht genesen ist, da es noch gilt, das Eczem zu heüen, dies aber nie durch eine SchneUcur, sondern oft erst durch mehrtägige, oder wochenlange Behandlung gelingt. AYeil wir nun den Krätzkranken nicht für geheilt betrachten, wie dies ja auch der Thatsache entspricht, bevor nicht alle aus der iirsprünglichen Ursache hervorgegangenen Krankheits- erscheinungen gefügt, und das Individuum seinem Berufe und Wohlbefinden wiedergegeben ist, so rühmen wir uns auch nicht der Meisterschaft in der SchneUcur der Krätze, sondern ge- stehen, dass bei uns im Spitale die durchschnittliche Beliaud- lungsd'auer derselben bei Männern 3—5, bei Weibern 5—7 Tage beträgt- u. z. weil bei Ersteren (bei Schustern und anderen Handwerkern) das Eczem ad Nates, bei Weibern das der Mamma oft 2— ß Wochen zur Heilung braucht.

Die Arzneimittel, welche zur Tödtung der Milben d ihrer Brut sich als wirksam und verlässlich erwiesen

\i n ( I

Scabies. Therapie.

77i

haben, sind: Scliwefel; die Infusionen, Deeocte und ätheri- schen Oele gewisser Pflanzen: Semina Staphysagriae, Helle- boru8, Baccae lauri, Oleum Caryoiohyllorum, Roris marini, Menthae u. Ä. ; ferner balsamische xmd empyreuma- ti sehe Oele, Bals. periivianus, de Tolu, Petroleum, (Decaisne) Styrax, (Pastau) Theer. An diese sind noch solche Mittel zu reihen, welche, indem sie die Epidermis maceriren , das Eindringen der genannten Parasiticidia in die Milbengänge erleichtern, als Seife und rauhe Pulver (Kreide, Bimsstem).

Von den genannten ArzneistofFen hat die Empirie im Laufe der Zeit nach Hunderten zählende Combinationen gemacht, welche als „Krätzsalben", „Krätzmittel" mehr weniger renom- mirt geworden smd und in der Anwendung sicli bewährt haben.

Von denselben seien hier einige angeführt:

Helmerich's Salbe: Sulf. citrini 10, Subcarbonat. Potassael, Axungiae40. ALiBERT'sSalbe:Flor.sulf.40, Muriat. Ammoniae 10, Axung. 80. Jadelot's Salbe: Kalii sulfurat. 20, Sapon. alb. 80, Olei olivar. 14. Olei Thymi 1. Vezin's Salbe: Flor, sulf.; Sapon. alb.: Axung; aEi20; Pulv. hellebori albi 1, Nitri pur. 0,1; Unguent. Wilkinsoni modif. (Hebra): Flor, sulf.; Olei fagi äa 40; Sapon. viridis, Axung. p o r ci ^ 80, Greta e alb. pulv. 5. "Weinberg's Salbe: Styr acis liquidi, Flor, sulfuris, Cretae albae 10, Sapon. viridis, Axung. porci. ^ 20. Boürgüignon's Salbe: Olei lavand., Men- thae, Caryophjdlor., Cinnamomi, aa 1,50, Grummi tragacanth 5, Kali carbonici 35. Flor. sulf. 100. Grlycerini 200, (sehr theuer). Adolf's Salbe: Flor, sulf.; Baccar. juniperi; Baccar laur. pulv.; Axung, p 0 r c i äa 35 ; S 0 1 u t. Vleäiingkx (Kalk-Schwefelleber-Lösung magistraler Formel).

Ebenso können Schmierseife allein, oder die käufliche Schwefelseife, S chwef elsandseif e; oder Perubalsam, oder Styrax pur, oder mit Oelen gemischt nützlich sein, während Petroleum allein, und alle aromatischen wässerigen Aufgüsse und Deeocte weniger verlässlich sind.

Bei der Wahl des Mittels und der Methode seiner Anwendung soll nach unserer Erfahrung die doppelte Rücksicht massgebend sein, welche bei der Therapie principiell zu erfüllen ist. Darnach ist jenes Mittel und in jener Metliode

49*

772

Nenmindvierzigste Vorlesung.

am besten zu empfehlen, welches am promptesten die Milben und ihre Gänge zerstört und am wenigsten die Haut reizt. In diesem Sinne ist üngu. Wilkinsoni modif. wohl das allerbeste Krätzmittel. Unter demselben schrumpfen die (xänge und auch die Eczemeruptionen ein und sistirt sofort das Jucken. Zugleich gibt die scliwarze Injection der Gänge mittels des Theeres die positive Ueberzeugung, dass die Milben und ihre Brut mit dem Mittel imprägnirt worden sind, so dass, wenn auch nachträglich Jucken auftreten sollte, der Arzt vor der Verlockung behütet ist, neuerdings eine Krätzsall)e ein- schmieren zu lassen, da unter solchen Umständen das Jucken gewiss nur von Eczem, nicht von Krätzmilben herrülirt. Ich möchte daher auf Grund der von uns wiederholt und jüngst abermals im Grossen durchgeführten vergleichenden Versuche und ihrer Resultate empfehlen, in jedem Falle von intensiver Scabies, in der Privatpraxis wie im Spitale, das Ungu. Welkixsoxi mo dif. zu verwenden. Gegen massige Erkrankungsfälle reichen aus: Bals. peruvianus pur, oder ein Liniment von der Formel: Styracis liquid. 5, Petrol. venalis, Olei olivar. ^ 15, Bals. peruvian. 10, Spirit. sapon. kaiin. 20; oder Rep. Flor, sulf. 15, Ungu. emoU. 30, Olei lavand., Menthae, Naphae ^ gutt. quinque.

Alle fettigen Mittel, wie Perubalsam, Styrax etc. liaben dagegen den Nachtheil, dass unter ihrer Anwendung erstens die bestehenden Eczeme nicht eintrocknen, und zweitens, dass die Milbengänge, wegen Aufquellen ihrer Epidermisdecke, blass und succulent und dabei farblos aussehen, so dass man nur schwer überzeugt ist, ob auch in jedem Gange Milben und Eier getödtet sind ; so dass in Folge der nach jeder Art Cur, be- sonders nach Schwefelsalben auftretenden Eczemeruption und Jiickens der Arzt leicht verführt wird, die Cur zu erneuern, was meist zum Schaden der Haut, inuner aber zur Protrahirung der Behandlung führt.

Eine Vorbereitung der Haut durch Bad und Abreibung mittels Seife ist unnöthig, bei Gegenwart von Eczem auch schädlich. Es genügt, die Krätzsalbe mit der Hand, ein öliges Mittel mittels Flanelllappens energisch in die Haut einzureiben. "Wiclitig ist nur, dass zunächst alle Hautstellen energisch be- arbeitet werden, welche vorwiegend der Sitz von MUbengängen sind. Es werden also zuerst die einzelnen Finger, die Finger-

« Scabies. Therapie. 77;')

falten, die Beuge des Handwurzelgelenkes, ElacUiand und Hand- rücken , sodann die Streckseiten der Ellbogen, die vordere Acliselfalte, die Brustwarzen und Umgebung, der Nabel, die Hüfte, das Glesäss, besonders die Haut über den Sitzknorren,- die Backenfalten, Penis und Scrotum, der innere Fussrüst, einzeln und energiscb eingerieben, worauf daim das Mittel noch allgemein über die Haut versclimiert wird. Zwei Einreibvingen gut gemacht genügen ein- für allemal. Das Niederlegen der Ea-anken zwischen Wolldecken, oder gar Schwitzen (ehemalige „englische" Methode) derselben ist unnöthig und sogar schädlich, insoferne derart arteficielles Eczem hervorgerufen wird. Man lasse den Kranken nach der Inunction Wollkleider auf den blossen Leib nehmen, oder (im Spitale) zwischen AVolldecken sich legen, damit die Salbe nicht in die Wäsche sich imbibire, und warte bis nicht nur die Haut ganz trocken geworden, sondern auch die verschrumpfte Epidermis (nach Ung. Wilkinsoni und allen Seifensalben) sich überall abgestossen und alle SjTuptome der Hautreizung, die in den wenigsten FäUen ausbleiben, als Urticaria, Eczema papulosuui, verschwunden sind. Erst dann gestatte man ein ßeinigungsbad. Durchschnittlich eignet sich hiefür der 3. 5. Tag. Nachträglich habe man Acht durch Empudern, Abhalten des irritirenden Schweisses luid Verbot des weiteren Badens jede luxnöthige Reizung der Haut und die Ursache für arteficielles Eczem fernzuhalten, u. z. dies um so sorgfältiger, je mehr ein Hautorgan sich für arteficielles Eczem disponirt zeigt.

Nach intensiver Scabies bleibt zumeist noch Eczem zurück, als Nässen, Knoten, Pusteln ad Nates bei Schustern, Eczem der Mamma bei Erauen, Pustel- und Blasenbildung an den Eingern. Solche Eczeme werden nach den bekannten Regeln mittels Ung. Diachyli, nassen Umschlägen, Aetzungen mittels Kalilösung , Sublimat-Handbädern und Sublimat - Umschlägen, Theer etc. zu Ende gebracht.

Fünfzigste Vorlesung.

Dermatozoonosen (Fortsetzung). Epizoonosen.

Acarus follieulorum. Pulex penetrans. Filaria medinensis. Leptus autum- nalis. Ixodes Ricinus. Cysticercus cellulosae. Epizoonosen: Pediculi capitis, corporis, pubis et Pediculosis s. Phthiriasis. Pulex irritans. Cimex lectularius, Culex pipiens. Oestrus.

Die Haarsackmilbe

Acarus follieulorum

ist von G. Simon 1842 im Inhalte der HantfoUikel aufgefunden und seither von Mieschek, Owen („Demodex follicu- ,g lorum " ) , GrBRVAis ( Simonea foUiculormn " ), G-euby, Wedl, Er. "Wilson, Küchenmeister u. v. A. be- schrieben worden.

Man findet dieselbe bei vielen, besonders co- piöse Fettsecretion und Acne der Gesichtshaut darbietenden Personen, indem man durch Druck, oder mittels eines Messerrückens über die be- treffenden Gesichtstheile, Stirne, Ohr, Nase, Ober- lippe streichend, den Inhalt aus den Talgdrüsen- mündungen herausquetscht und unter dem Mikro- skope beschaut.

In der zumeist vorfindlichen Gestalt prä- sentirt sich die Milbe, oft Bewegung der Füsse und der Mandibeln zeigend, als ein wurmförmiges Thier in der Länge von O'OS— 0-12 Mm. und der Breite von 0-02 Mm. (Fig. 59). Der rüsselförmig verlängerte Kopf trägt seitlich zwei Palpen, die aus zwei senkrecht stehenden Mandibeln be-

. . Acarus luliiculorum

stehenden Fresswerkzeuge, auf der Rückseite zwei (nach Küche u- warzige Höcker und ist durch eine lialbmond- meistcr).

i

Acarus folliciiloniin. Pnlex penctrans.

775

förmige Fiirclie von dem Brnsttlieil getrennt. Dieser trägt seitlich je 4: stummelföi-mige , dreigliedrige Füsse, welche mit 3 (5) Hacken enden und Querstreifen (Gerüste), welche wahrscheinlich ringsum den Körper laufen und mit einem medianen Längsstreifen in Verbindung stehen. Der wurm- förmige und in eine abgerundete Spitze auslaufende Hinter- leib misst das Dreifache des Vorderleibes, ist mit seitlichen Einschnürungen und feinen Kerben und mit rings laufenden Querstreifen versehen. Im Innern sind Verdanungsschlauch (Wilson, Wedl), schwärzliche und fetttropfenähnliche Körper und ein herzförmiges Gebilde gesehen worden, welches Wedl für das junge Thier hält. Dass die Haarsackmilbe ge- trennten Geschlechtes, sowie Wedl's Annahme, dass dieselbe, wie die Krätzmilbe Häutungen diirchmacht, ist durch die neuesten Untersuchungen von Csokor über Demodex des Schweines fast sichergestellt. Das oft gesehene sechsbeinige Thier geht aus dem Ei hervor , aus der ersten Häutung ein acht- beiniges und aus diesem durch zweite Häutung die reife Milbe.

In den Follikeln stecken die Acari zu 2, 5 bis 20, meist mit dem Kopfe nach dem Follikelgrunde, doch veraiolassen sie beim Menschen keine Krankheit und können sie nicht einmal als Ursache der Acne angesehen werden.

Beim Hunde und Schweine (auch der Katze) kommt ein De- modex der Follikel vor, welcher naturgeschichtlich als V a r i e t ä t des Acarus foUiculormn hominis anzusehen ist (Csokor), hier aber Pusteln, Furunkel, Abscesse in grosser Menge, bei ersterem Ausfallen der Haare, Marasmus und den Tod veranlasst. Die Uebertragung der Haarsackmilbe des Menschen auf Hunde ist angeblich Geuby, sonst aber Niemandem gelungen, ebenso- wenig zweifellos die Contagion der Hunde untereinander, ob- gleich bei einzelnen das Thier zuweilen über den ganzen Körper verbreitet und in diesem Grade auch in einzelnen Hundekoppeln und bei ganzen Partien von Schweinen an der hiesigen Marktstation vorgefunden worden ist (Csokor) ein Zustand, der die Schweine für den Genuss ungeeignet macht.

Der Sandfloh, Pulex penetrans,

(Rhinochopriön penetrans) ist im mittleren und südlichen Amerika heimisch, zwischen dem 29. Grad nördlicher und süd- licher Breite (Paraguay, Brasilien, Mexico, Virginien) und

776

Fünfzigste Vorlesung.

kommt unter dem Aequator (Quito , Bogota) bis zu 6000 bis 8000 Fuss Höhe der Cordilleren vor.

Ausser der Haut des Mensclien beherbergen auch Ratten, Mäuse und andere Thiere die Eier der „Nigua" („la chique") und tragen auch diese zur Verbreitung des parasitären In- sectes bei. Die gelblichen Männchen laufen frei umheiv Nur das trächtige "Weibchen (etwa halb so gross wie der menschliche Floh) bohrt sich in die Haut ein , unter den Zehennagel , in der Knöchelgegend, an irgend einer Stelle des Unterschenkels. Der Schmerz des Einstiches ist unbedeiitend und verschwindet alsbald , so dass unerfahrene Reisende , die davon betroffen werden, nicht ahnen, was ihnen Besonderes widerfahren. Die Hautstelle schwillt erst zwischen dem 2. 5. Tage unter heftigen Schmerzen und Entzündungserscheinungen an, welche zu Lymphangioitis (wie Karsten an sich selbst erfahren), Ab- scedirung , Grangrän , Necrose der Knochen , Tetanus und Tod (bei Negern beobachtet) führen kann. Die Ursache dieser Erscheinungen liegt in der durch das Reifen der Eier im Eierstock veranlassten Anschwellung des Thieres bis zu 5 Mm., dem öfachen seiner ursprünglichen Grösse , und dem Ablegen der reifen Eier in das Gewebe.

Bekannt ist die Methode der Eingebornen, das Thier mittels einer glühenden Nadel auszuziehen und die "Wunde mittels Tabak zu ätzen. Die Extraction gelingt zu Beginn der entzündlichen Anschwellung besser, als unmittelbar nach der Einbohrung, wo die Mandibeln leicht abreissen und in der Haut zurückbleiben.

"Wie Karsten demonstrirt, steckt das Thier zwar grössten- theils in der Cutis, doch derart, dass das Endstigma des grösstentheils obliterirenden Trachealcanals mit der lufthältigen Hornzellenschichte in Verbindung bleibt und die Athmung möglich ist.

Der mit der Folge ähnlicher Erscheinungen in die Haut der Unterschenkel sich einbohrende „Ochsenwurm" („Founza ia ngömbe"), von welchem Duteieux aus Ostafrika jüngst berichtet, dürfte eine Fliegenlarve sein.

Der Peitschenwurm, Filaria medinensis

(Filaria sanguinis) ist hauptsächlich an der Westküste Afrikas (Senegal, Guinea) heimisch, sporadisch auch an den

rilaria medinensis. Leptus autuniualis. Ixodes.

777

indischen, arabischen Küsten, in Persien, Arabien, in Europa aber nur in importirten Fällen gesehen worden. Dieser Paiasit. hat seinen Sitz im Unterhaiitzellgewebe , gleichviel welcher Körperstelle, unter der Conjunctiva, unter der Zunge, und findet sich vereinzelt, bis zu 20 und darüber. Schmerz, Ge- schwulst, Blasenbildung, Furunkel, bei deren Aufbruch ein Theil des Wurmes sichtbar wird, sind die Kennzeichen ; Fieber, Convulsionen die Begleiter; fistulöse Verschwärung , Gangrän zuweilen die Folgen seiner Anwesenheit.

Man hat bis lange gelehrt, dass der Wurm sich in die Haut einbohre. Dies ist offenbar nicht richtig. Die Studien von Jakobson, Maisonneuve, Lang, Bancrost , Lewis haben ge- zeigt, dass der Wurm vom Kopfende ab aus einer sarcode- ähnlichen Hülle besteht, welche Millionen von Jungen beher- bergt, die, wenn herausgenommen, sich lebhaft bewegen, 0"5 Mm. lang und U'02 Mm. breit sind, einen dicken Kopf ohne Fress- werkzeuge und einen spitzen Schwanz tragen und nicht befähigt sind, sich in die Haut einzubohren ; und es ist daher die allgemeine Angabe, dass der Peitschenwurm beim Barfussgehen im Sande, oder beim Baden sich in die Haut einbohre, nicht richtig. Die Sache scheint vielmehr sich so zu verhalten, dass die aus dem Wurm frei gewordenen Jungen ausserhalb des menschlichen Körpers zu reifen männlichen und weiblichen Ladividuen sich entwickeln, und dass diese gelegentlich, wahrscheinlich mittels Trinkwasser, in den Verdauungstract des Menschen gelangen. Von da wandert das Thier, wahrscheinlich, wenn die Entwicklung seiner Jungen dies erfordert, längs der Gefässe in die Gewebe aus und nistet es sich in das Unterhautzellgewebe ein. Aber man hat die geschlechtsreife Form auch in einem Lymph- abscesse (Bancrost) und zahlreiche Embryonen im Blute und in Hydrokele vorgefunden (T. Lewis), was ganz besonders für die besprochene Art der Verbreitung des Parasiten spricht. Nach wohlconstatirten Fällen beträgt der Zeitraum zwischen dem Eintritt des Thieres in den Darm und dessen Auswanderung in die Gewebe 5 14 Monate.

Die beste Behandlung ist die von den Negern geül)te, den Wurm, sobald derselbe bei Eröffnung des ver- meintlichen Abscesses oder Furunkels zum Vorschein kommt, vorsichtig an einem Stäbchen herauszuwinden , was binnen 10 bis 14 Stunden gelingt. Beim Fühlen eines Widerstandes

778

Fünfzigste Vorlesung.

hält man inne, weil, wenn der Wurm zerreisst, die Schaar der .Jungen in das umgebende Gewebe geräth und dessen Ent- zündung steigert. Der Wurm kann 1 4 Meter lang sein.

Die Erntemilbe,

Leptus autumnalis, ist ein mit dem unbewaffneten Auge noch gut wahrnehmbares Thierchen von rother bis gelblicli- vother Farbe, mit nur 6 Beinen (Fig. 60), nach Schmarda die (noch geschlechtslose) Larve von Throm- bidium autumnale. Sie findet sich um die Herbstzeit auf vielen Sträuchern (Stachel- beeren) und Gräsern und bohrt sich gelegentlich in die Haut des Menschen, wo sie aber binnen wenigen Tagen ab- stirbt. Sie veranlasst da heftiges Brennen und Jucken und Urticaria-Quaddeln und Knötchen, in deren Mitte sie als röthliches Pünktchen kenntlich und mittels einer Nadel herausgeholt werden kann. Das Jucken, welches nach Absterben des Thieres auch spontan erlischt, wird mittels kalter Umschläge, oder alcoholischer Ein- pinselungen gemildert, am besten, indem man mittels Ein- reiben fetten Oeles, dem etwas ätherisches Oel beigemengt ist (Bals. peruv. cum Oleo olivar.), zugleich das Tliier tödtet.

Auch andere Gras- und Getreidemilben bohi-en sich ge- legentlich in die menscliliche Haut und erzeugen vorüber- gehende, mitiuiter sehr heftige Eruption von Urticaria und Eczema papulosum, wie erst jüngst Geber einen solchen Fall mitgetheilt hat.

Der gemeine Holzbock, Ixodes Ricinus, meist in Kiefer- gehölz zu Hause, ist eiförmig, gelblich-blutroth. Das l'ö Mm. lange Weibchen saugt sich in die menschliche Haut ein und schwillt durch das aufgesogene Blut zu einer bohnengrossen Blase an, in welchem Zustande sie oft tagelang da hängen bleibt. Reisst man das Thier weg, so bleibt leicht der Kopf zurück, wodurcli die Entzündung, die es verursacht liat, länger währt. Deshalb ist es zweckmässiger, das Tliier 7A\m frei-

Cysticercus cellulosae. Epizoonosen, Pedicixli.

779

willigen Loslassen zu bewegen, was dnrcli Betupfen mittels ätherisclien Oeles gelingt.

In anderen Gegenden heimische Zeckenarten, Ixodes raarginatus, I. americanus, I. liumanus, welcher die „Carabatos" genannte Menschenplage ausmacht (Schmarda), be- fallen mit ähnlicher Wirkung einzelne, oder wie Aragas persicus, manchmal ganze Völkerschaften.

Cysticercus cellulosae ist in den letzten Jahren wieder- holt in der Haut des Menschen beobachtet worden (Lewin, Schiff). Er bildet da einzelne bis zahlreiche, zerstreixt im TJnter- hautzeUgewebe gelagerte, rundliche, erbsen- bis haselnussgrosse, weich-elastische, bewegliche und unschmerzhafte Geschwülste, welche mehrere Jahre unverändert bestehen können. Ausge- schnitten zeigen sie eine bindegewebige Hülle, deren Inhalt eine zartwandige Blase mit dem langhalsigen Kopfe bildet, an welchem 4 Saugnäpfe und der Hackeiakranz sich befinden. In manchen FäUen ist gleichzeitig Cysticercus der iimeren Organe, Gehirn, Bulbus etc. constatirt worden, wodann eiitsprechend schwere Functionsstörungen den Zustand begleiteten.

Epizoen und durch sie bedingte Hautkrankheiten. Epizoonosen,

Die Läuse, Pediculi bilden die 1. Familie (Pediculi da) der ersten Unterordnung (Parasita) der ersten Ordnung (ßhjaichota) der Insecta ame- tabolica (Schmarda) imd charakterisiren sich als un ge- flügelte schmarotzende Insecten ohne Metamorphose mit zwei einfachen kleinen Augen, mit saugenden und kauenden Mund- theilen. Nach den Untersuchungen von Schmajkda, Wehl, besonders aber Erichsohn, G. Simon und Landois muss man annehmen, dass die Läuse ziierst mit den Mandibeln in die Haut ein- beissen und dann in die so gemachte Wunde den Rüssel zum Saugen einstecken. Von der Familie der Pediculida sind es drei Arten, welche den menschlichen Körper infestiren :

a) die Kopflaus, Pedicnlus capitis;

b) die Kleiderlaus, Pediculus humani corp oris s. P. vestimenti;

c) die Filzlaus, Phthirius inguinalis s. P. pubis.

780

Fünfzigste Vorlesung.

Die Aunalime einer vierten Lausart, Pediciüns tabescentium, nach AiiT (1824) hat sich als irrthümlich erwiesen.

Seit SwAMMEEDAM weiss man, dass die Läuse ge- trennten Gresclüechtes sind, Eier legen und aus diesen sich entmckeln. Darnach ist es überflüssig auf jene Lelirmeümng zurückzukommen, welche seit Aristoteles bis in die Neuzeit sich allerwegen zu erhalten vermocht hatte und nach welcher die auf dem Mensclien vorkommenden LäiTse aiTS den verdorbenen Säften des Körpers entstünden, aus geschlossenen Beulen lier- vorbrechen, durch massenhafte Entwicklung eine als Dyskrasie aufzufassende „Läusesucht", „Phthiriasis", darstellen, in welcher, wie man sich erzählte, zalilreiche hervorragende Mämier, SüLLA, Hekodes, Philipp IE. u. v. A. elendiglich zu Grrvmde gegangen wären. Es ist zweifellos, dass, wofern es sich in den „historischen" FäUen von Phthiriasis nicht um in AA^inden ausgebrochene Fliegenmaden, sondern thatsächlich um Läuse gehandelt hat, diese nur von aussen auf den Körper gelangt sein konnten, und dass es in dem traditionellen Siinie eben keine Phthiriasis gibt.

Ebensowenig gibt es eine als Knesmus Acariasis Füchs oder Prurigo pedicularis Autor, zu bezeichnende eigenartige Läusejuckkrankheit. Die Wirkung der Läuse auf das Hautorgan ist eben wesentlich keine andere, als die aller die Haut infestiren- den Epizoen : zunächst Verletzung an der Ein stichstelle, örtlich Austritt von Blut, Serum, und consecutiv Borkenbildiuig und als Folge des Saugens der Laus Hämorrhagie, oder quaddelartige Erhebung ringsum die Bisswunde; weiters Jucken und Kratzen, in dessen Gefolge nicht nur an den Stichstellen, sondern auch an anderen Körpergegenden Excoriationen, Eczem- erscheinruigen in Form von Knötchen, Urticaria, Bläschen, Pustehi, Borken, Furimkeln, Abscessen und endlich Pigmenta- tionen sich einstellen, so dass der gesammte im Gefolge der Anwesenheit der Läuse auftretende Sy mptomencomplex, der als Pediculosis bezeichnet werden könnte, wesentlich als Excoriationes s. Eczema e pediculis (capitis, oder vestimenti, oder pubis) sich darstellt.

Nur in der äusseren Form, Localisation, Litensität und Menge gestalten sich diese Veränderungen verschieden und formiren sie ein besonderes Krankheitsbild, je nach der indi- viduellen Art, Menge uiid Anwesenheitsdauer der Läuse. Li dieser

Pediculosis capitis.

781

Fig. 62.

Beziehung ist von besonderem Belang, dass die drei genannten Lausarten ihr Territorium strenge gesondert wahren, indem die Kopfläuse nie das Geläet des Capillitium überschreiten, die Kleiderläuse niemals auf der Haut, sondern stets in den Kleiderfalten, aber in der nächsten Nähe der Haut wohnen, dem- nach vorwiegend dort, wo die Kleider dem Körper knapp anliegen, am Nacken und Kreuz, und die Filzläuse vorwiegend in den Schamhaaren nisten ; weshalb auch die durch die Thiere veranlassten Excoriationen und Eczemerscheinungen vorwiegend auf das jeweilig eigene Terrain der Laus sich beschränkt; ferners, dass die grösste Art der Läuse, die Kleiderlaus, auch die grösste örtliche Verletzung, demnach grosse tiefe Excoria- tionen hervorruft.

Die Kopflaus,

Pediculns capitis, ist von grauer Farbe, 2 Mm. lang Kopf und Extremitäten sind dicker, Thorax breiter als bei der Kleiderlaus; randständig beiderseits je 6 Stigmata der am Hhiterleibe durch einen Bogen mit einander verbundenen Tracheen. Thorax schmal, Hinterleib breiter,

mit 7 am Rande gekerb- ten und schwärzlichen Segmenten , 6 Ftisse mit einem Hacken am letzten Tarsusgliede , nach inneii zwei kurzen Stiften ixnd einer Borste. Die M ä n n- c h e n weniger zahlreich als die Weibchen, mit vor- stehendem letzten Bauch- ring , am Rücken mit

Miinnli cheKopflaus -p, ■,, ., ^inoT- nl^

mitdemTraclieensysteme Rauhheiten,, einer ^ al^

und den Eespirations- After und Porus genitalis stycmen nach Küchen- -, -i nc-ffnmio-

meister anzusehenden Uettnung,

einem keilförmigen Penis

und 2 Paar Hoden versehen. Die W e i b c h e n

zahlreicher, mit tiefem Ausschnitt am letzten

Bauchring , in welchem die Aftermilndung, ^^^^ ^^.^ ^.^^^^^

2 Ovarien, deren Eileiter in eine Scheide Kopflaus.

Fig. 61.

782

Fünfzigste Vorlesung.

münden. * Die VaginalöfFnung avif der Bancliseite. Die Be- gattnng kann nnr stattfinden, indem das Weibclien anf dem Männchen liockt.

Die Eier (Nisse) werden vereinzelt, zuweilen in conti- nuirlicher Reihe gelegt und an ein das Haar scheidenartig umgebendes Chitingerüste (Fig. 62 aa) geklebt, indem die Laus an diesem von unten nach oben kriecht, so dass von der Reihe das unterste Ei das älteste ist und am frühesten zur Entwicklung gelangt (Fig. G2i). Die Jungen kriechen nach 3 8 Tagen aus und sind nach 18 21 Tagen ausgewachsen. Eine Mutterlaus kann binnen 6 Tagen 50 Eier legen und binnen 8 Wochen 5000 Nachkommen haben.

Die durch die Kopfläuse veranlassten Krank- heitserscheinungen^— Pediculosis capillitii smd die des arteficiellen Eczems und seiner örtlichen Folgen und Complicationen.

Am vollständigsten sind die Symptome bei weiblichen Individuen entwickelt, in deren Haarfülle die Läuse ein be- hagliches Nest für ihre Existenz und unbegrenzte Vermehrung finden. Die Pediculosis verräth sich schon durch die Gegenwart zahlreicher discreter Pusteln, Blasen und Excoriationen am Nacken, von der Haargrenze abwärts bis über die Schultern, und vereinzelte Pusteln, zuweilen Pemphigus ähnliche Blasen (Impetigo faciei, pag. 423), solchen entsprechende gummiartige Borken und Pigmentflecke, oder auch diffus nässendes Eczem im Gresichte. Werden die Haare vom Nacken her gelüftet, so sieht man das Gewühl der aufgescheuchten Läuse, die Haare reiclilich mit Nissen besetzt. Da die Läuse die Nisse stets nahe am Haarboden ansetzen, so beweist die Gegenwart von Nissen nahe den Spitzen der Haare einen langen Bestand der Pediculosis, indem eben die Nisse mir mit dem Wachsthum der Haare vorgeschoben worden sind.

Dringt man mit dem Finger, die durch Sebummassen und klebriges Secret mit einander verldebten und unter einander verfilzten (Plica) Haare auseinanderschiebend, weiter gegen den Haarboden vor, so entdeckt man, vorwiegend auf den Hinter- kopf beschränkt, meist in insulären Herden mit Borken, eiter- l^edeckte, oder blutende und nässende Hautstellen, Eczem in allen Abstufungen, zuweilen ki-euzer- bis thalergrosse Herde von rothen, drusigen, nässenden und blutenden Wucherungen

Pediculosis capitis.

783

Aclior granulat\is, Porrigo, Tinea granulata. "Hasel-

nuss- bis missgrosse Scliwellnng der Lj-mphdriisen längs des hinteren Kopfnicker - Randes, bleiches, schläfriges AiTSsehen der Kranken, ergänzen das Krankheitsbild. Litensives Jucken, gestörter Schlaf, Schmerzhaftigkeit der Kopfhaut sind die swh- jectiven Belästigungen von Seite des geschilderten Zustandes.

Die Entwicklung desselben lässt sich in vielen Fällen von geringen Anfängen bis zu den, wie geschüdert, intensiven Graden verfolgen. Ein Kind bekömmt ein paar Kopfläuse. Lidern sie einbeissen und saugen, Jucken iind Kratzen ver- anlassen, kommt es örtlich zu Bliit-, Serum-Austritt, "Wundsein, Krustenbüdung, Eiterung, Schmerzhaftigkeit. Beim Kämmen wird nun, aus Scheu Schmerz hervorzunifen, der „Grind" ge- schont, mit dem Kamme vermieden. Damit haben die Läuse ein Ideines Terrain für ihre Nistung gesichert xmA nun findet ihre Ausbreitung von da aus etappenweise und unter ähnlichen objectiven und subjectiven Begünstigungen statt. All' die be- sclu-iebenen Eczemerscheinungen, nebst der Plica, sind weiter Folgen der directen Verletzung der Kopfhaut durch die Nahrung schöpfenden Thiere und des Kratzens; die entziindHche Litu- mescenz der Lymphdrüsen wieder Folge der Entzündungs- vorgänge in der Kopfhaut, während das schlechte Aussehen der Kranken durch die Schlaflosigkeit, vielleicht auch durcli eine von den hyperplastischen Lymphdrüsen herrührende Leuko- cythose bedingt ist.

Pediculosis capitis findet sich vorwiegend bei jugendlichen Lidividuen und bei weiblichen Personen, deren langes Kopfhaar günstigere Gelegenheit für das Verbleiben von zufällig in das- selbe gelangten Läusen darbietet. Dass Sorglosigkeit beim Kämmen, oder gänzHches Unterlassen desselben die Pediculosis capitis begünstigt, ist selbstverständlich und man trifft daher dieselbe nicht nur bei der schlecht sich pflegenden, dienenden Classe, sondern auch bei Kindern und Frauen der vornelinisten Stände, wofern sie, wie Frauen im Puerperium, längere Zeit bettlägerig gewesen und ungenügend gekämmt worden.

Die Diagnose der Pediculosis capillitii unterliegt nicht der mindesten Schwierigkeit, da ja nebst dem charakteristisch beschaffenen und localisirten Eczem die Gegenwart der Läuse und Nisse deutlich genug den Zustand bezeichnet. Und doch, so unglaubUch es scheint, wird derselbe in zahlreichen Fällen

784

Fünfzigste Vorlesung.

von den Aerzten übersehen, werden die Kranken monate- und jahrelang an Eczem, oder wegen der Drüsenschwellung und des blassen Aussehens an „Scroplmlose" mittels innerlicher Mittel behandelt, während durch einfaches Lüften der Kopfhaare die Diagnose Pediculosis und mit deren Behandlung die ganze Krankheit mit einem Sclilage ihr Ende erreichen würde.

Die Therapie der Pediculosis capillitii schliesst in sich zunächst die Tödtung der Läuse und Nisse, \md weiters die Heilung des Eczems.

Zu ersterem Zwecke waren früher, und sind beim Volke auch noch in Grebrauch Quecksilbersalbe, Lifuse, Decocte, Salben von Sabadüla, Staphysagria , ätherische Oele und viel Aelm- liches. Zweclonässiger ist das in den letzten Jahren vielfach bewährte Petroleum, welches, um der Feuergefäludichlveit vorzubeugen, am besten in der Mischung von: Petrolei venalis 100, Olei olivar. 50, Bals. peruviani 20, in reichem Masse auf die Haare geschüttet und verrieben wird, worauf man den Kopf mit Flanell einhüllt. Nach 24 Stunden sind wohl alle Läuse todt und die Eier entwicklungsunfähig geworden. Xun wird mittels Seifengeist abgewaschen. Da zugleich die Eczem- krusten erweicht worden sind, so erscheint der Hairboden rein. Nun werden die Haare geschlichtet und gekämmt , wobei in alten Fällen viele ausgefallene Haare mit abgelöst werden. Bei Aveiblichen Personen zum Zwecke dieser Cur die Haare kurz abzuschneiden ist nicht zu entschuldigen, da es entstellend, dienstsuchenden Personen hinderlich, und unnöthig ist. Die weitere Behandlung ist nun die gleiche , wie bei jedem Kopf- eczem : täglich Einölen ruid Waschen, so lange bis alle Eczera- stellen verheilt sind, üuhiger Schlaf stellt sich sofort nach Tödtung der Läuse ein, und alsbald vermindert sich aucli die Drüsenintumescenz und bessert sich das Aussehen der Kranken.

Grrosse Mühe veranlasst noch die Beseitung der Nisse, d. i. nicht der Eier, die ja rasch getödtet sind und versclirumpfen, sondern ihres Chitingerüstes , welches in Form von braunen, glänzenden Knöpfchen den Haaren anhaften unö. noch weiter das Individuum als „lausig" erscheinen lassen, obgleich es that- sächlich dies nicht mehr ist. Dieses Grerüste, welches scheide- artig das Haar umgibt (Fig. 62 as^), ist nicht zu lösen und abzu- In-öckeln, sondern als Granzes zu entfernen, indem man, am besten durch verdünnte Essigsäure, dasselbe lockert und dann längs

Pediculosis corporis.

785

des Haarscliaftes abzieht. Darauf berulit der Erfolg des empi- rischen Verfahrens der Wärterinnen , den Kamm in Essig zu tunken und fieissig den Staubkamm anzuwenden , zwischen dessen engen Zähnen das Haar einzebi durchgezogen und so die Niss abgestreift wird.

Die Kleiderlaus.

Pediculus vestimenti, P. humanus, Zeug- oder Leib- laus , ituterscheidet sich von der Kopflaus durch bedeiitendere G-rösse und grössere Behendigkeit, und unwesentliche Varianten ihrer wesentlich übereinstimmenden anatomischen Eigenschaften.

Sie bewohnt ausschliesslich die Leib- wäsche und auf dem blossen Körper getra- gene Kleidungsstücke , in deren Falten sie in rosenkranzähnlichen Strängen ihre Eier ablegt. Auf dem behaarten Kopfe ist sie nicht zu finden, aber auch auf dem Stamme, der das eigentliche Territorium für ihre Nahnmgssuche abgibt, hält sie sich nur auf, so lange sie daselbst saugt. "Wenn ein mit zalilreichen Kleiderläusen behaftetes Indivi- duum plötzlich entkleidet wird, kami man eine oder die andere Laus auf der Haut ertappen, die eben im Sangen begriffen, sich Kleiderlaus, Weibchen 'beim Abfallen der Kleider jiicht rechtzeitig (Küchenmeister), genug flüchten konnte. Aber alsbald beginnt sie eilig umherzuirren, um' nach einem Schlupfwinkel zu gelangen. Auf der Haut, und noch weniger iii derselben, wohnen also die Läuse nicht. Und hat ein seit Monaten von Kleiderläusen behaftetes Lidividiuum eben frische Wäsche und Kleider ange- legt, so ist absolut keine Laus an ihm zu finden, obgleich das- selbe alle Zeichen der

Pediculosis corporis an sich trägt. Die Symptome dieser Krankheit sind sehr charakteristisch und sind der getreue Ausdruck der Lebensweise, der kürzeren und längeren Anwesenheit der Kleiderläuse.

Wesentlich bestehen dieselben wieder aus Excoriationen. Allein da die Läuse in der nächsten Nähe der Haut wohnen, um dieselbe rasch heimsuchen und von ilir rascli sich flüchten

Kaposi, Hautkrankheiten. 50

786

Fünfzigste Vorlesung.

zn können, demnach vorwiegend in den dem Körper eng anlie- genden Falten der Wäsche hausen , so finden sich auch die durch die Läuse hervorgerufenen Veränderungen an der Haut zunäclist mid vorwiegend jenen Falten entsprechend am Xacken, über den Schultern , über dem Kreuzbein , der Taille , an der Manschette und an den Nates und äusseren Oberschenkelflächen.

Die durch die Kleiderlaus veranlassten Excoriationen haben aber auch etwas Eigenthümliches. Dies rührt daher, dass die Kleiderlaus mit ihren grösseren Fresswerkzeugen direct eine flächenhafte Verletzung der Haut bewirkt und dass durch ihi' kräftiges Saugen ringsum die Bisswunde eine grosse Quaddel entsteht. Nun provocirt das hiedurch veranlasste Jucken, dass sich das Individuum kratzt, und der kratzende Nagel trifit auf ein durch die hämorrhagische und seröse Imbibition gelockertes Rete, in welches er viel tiefer eindringen kann, als auf einer nicht derart vorbereiteten Hautstelle. So entsteht ein mehrere Centimeter langer, zugleich breiter und tiefer blutiger Exco- riationsstrich, dessen Mitte, weil der Stichwunde entsprechend, eine noch tiefere und breitere , über linsengrosse Excoriations- fläche darstellt. Nach wenigen Tagen verheilen die strich- förmigen Ausläufer der Excoriation, später auch deren mittlerer Theil. Er bleibt aber noch für 2 3 Wochen durch dunkles Pigment kenntlich, nach dessen Schwund der Streifen wieder abnorm weiss, das Centrum oft sogar narbig erscheint.

Grerathen nu.n auf Jemanden zum erstenmale einige wenige Läuse , so finden sich sofort einige frische Excoriationen von der beschriebenen Form, zumeist am Nacken imd in der Sacral- gegend. Zeigt er aber nebstdem noch Pigmentstreifen , oder gar noch weisse solche Streifen an den Oertlichkeiten , so hat er eben in Intervallen von einigen Wochen wiederholt Läuse beherbergt, ist er ein Grewohnheits-Pediculöser. Die erstere Form findet sich bei Handwerkern, die auf der Wanderiuig einige Nächte auf Strohlager genachtet, Personen, die kurze Zeit in Massenquartieren, im Polizeiarrest verbracht und auch bei Wohlhabenden und Reinlichen, die auf Dampfschiffen, in Waggons den Parasiten aufgenommen. Nicht selten findet sich zugleich an solchen Personen eine allgemeine acute Eruption am Stamme in Form von miliären Eczemknötchen (Milliaria rubia).

Bei habitueller Pediculosis von Personen, die jahraus jahrein, mit kurzen Unterbreclumgen , die meist auf

Pediculosis corporis.

787

Spitalsaiafenthalt fallen, von Kleiderlänsen behaftet sind, steigern sich mm die erwähnten Erseheinnngen in's Tin geh elterliche. Die Excoviationen sind zahlreicher , tiefer , mit Entzündnng, Eiterung , Borkenbildung combinirt , es gesellen sich Pusteln mit Riipiafornien, Krusten, Lymphangioitis, diffuser Dermatitis und Eieber hinzii , grosse , indolente Eurunkel , Abscesse , An- tliraceg mit Gangrän ihrer Hautdecke, und da diese Bildungen wohl allenthalben zerstreut, doch über den Schultern, am Nacken und über der Lende am dichtesten gedrängt sind, so kommt es zu unterminirenden Communicationen zwischen den einzelnen Abscessen, Greschwüren mit zernagten, überhangenden Rändern ruad warzigem Auswachsen ihrer Grrahulationen einem Symptomencomplex, der oft monatelang noch anhält, nachdem die Kranken ihrer läusehaltigen Kleider entledigt worden sind.

Das geschilderte Krankheitsbild ergänzt sich in drastischer "Weise durch eine intensiv dunkelbraune, graubraune und bis zum Colorit der Kegerhaiit sich steigernde Pigmentirung der Haut, welche wieder in mässigen Fällen über Nacken und Kreuzgegend vorwiegend, bei lang andauernder Pediculosis aber fast über die ganze allgemeine Decke verbreitet ist. Da solche Personen zugleich catilinarische Existenzen, Vagabunden von schlechter Ernährung , Säufer , malariasiech , vom Aufenthalte in Baraken und im Ereien auch im Gresichte gebräunt zu sein pflegen , so bieten sie ein Aussehen dar , wie dem Morbus Ad- DisoNT zugeschrieben wird , und es ist nicht zu zweifeln , dass in der Casuistik dieser noch fraglichen Krankheit manche Eälle von intensiver Pediculosis figuriren.

Der Verlauf der Krankheit hängt also ganz wnü gar von der Gegenwart der Läuse ab. Wird der Kranke von diesen durch Abnahme der Kleider befreit und in einen reinen Aufent- haltsort gebracht, so verheilen die Excoriationen, Abscesse und Furunkel nach dem allgemeinen Schema, obgleich, wie erwähnt, letztere noch lange Zeit hindurch recidiviren können. Auch das dnnkle Pigment verliert sich binnen Wochen oder Monaten voll- ständig. Eine aus der Pediculosis herzuleitende Cachexie ist absolut unerfindlich und wenn einzelne solcher Personen marastisch aussehen, oder in dem Zustande sterben, so liegt dies eben in den früher erwähnten precären äusseren Lebensverhältnissen der Individuen, welche ihre Gesundheit von langer Hand her unter- erraben haben.

^ 50^'=

788

Fünfzigste Vorlesung.

i a g n 0 s e der Pediculosis corporis ist nicht immer, leiclit zu stellen, da, sobald die Betreffenden die lausigen Kleider abgelegt liaben, das bezeichnende Object, die Kleiderläuse, felilen. Man halte sich daher an die früher geschilderte charakteristische Localisation der Excoriationen und Pigmentation, um gegenüber von Pruritus cutaneus imd Urticaria chronica, bei welchen die Kratzspuren unregelmässig über den Körper zer- streut sind, sich zu Orientiren. Bei wohlhabenden Personen, die tägHch Wäsche wechseln und doch Pediculosis-Symptome. darbieten, habe ich öfters das Corpus delicti in der ISTaht eines ständig getragenen Wollleibchens, oder einer Flanellbauchbinde nachweisen können.

Die Behandlung der Pediculosis corporis besteht vor Allem in der Beseitigung der läusehaltigen Wäsche und Kleider. Um die in den letzteren befindlichen Läuse und Nisse zu tödten, werden in unserem Spitale die Kleider in einen hermetisch verschliessbaren Kessel gebracht, dessen Innenraum durch in den Raum der Doppelwand eingeführten Dampf auf 60 65" R. erhitzt wird. Die beschriebenen Hautaffectionen leichteren Grades heilen spontan, die intensiver entzündlichen und eiternden, werden nach aUgemeiuen Grrundsätzen mittels nasser Einhül- lungen, Salben, Pflaster etc. der rascheren Heilung zugeführt.

Die Filzlaus.

Phthirius inguinalis, Pediculus ^rabis, Morpion, hat einen geigenförmigen Kopf und breiten Thorax. Sie lebt an den behaarten Theilen des ganzen Körpers, mit Ausnahme des

Capillitiiim , vorwiegend in der Schamgegend , aber bei grösserer Menge auch an den Haaren der Brust, der Achselhöhle , der Ex- tremitäten , des Schnurr- und Backenbartes und der Augen- wimpern , deren Härchen oft der Länge nach mit ihren Nissen be- setzt erscheinen. Sie beisst und bohrt sich tief ein, und liegt, xui-, beweglich, den Kopf in den Fol- likel gegraben, den Hintertheil Die Filzlaus (nach Schmarda). nach aufwärts gehoben und mit

Phtliiriasis pubis. Pulex irritans. Cimex, Culex, Oestrus. 789

den Vorderfüssen das austretende Haar umldammernd , so dass, Tim sie abzulieben , man sie mit der Pincette von hinten fassen lind längs des Haares abziehen mnss. Ihre Unbeweglichkeit Tind blasse Farbe macht es, dass sie nnr bei genauem Zu- sehen und guter Beleuchtung erkannt wird. Bei grosser Menge fallen beim Entkleiden auch viele ab. Sie veranlassen sehr lästiges Jucken und Eczem in Form von kleinen Knötchen. Zur Heilung von der Phthiriasis inguinalis empfieldt sich die ein- bis zweimalige Einreibung von die Läuse tödtenden Mitteln an allen ihren Aufenthalt bietenden Stellen, als TJno-uent. cinereum, oder die elegantere Salbe aus Präcip. alb.^5, Ungu. emoll. 30.; oder Sublimat 1, ad 100 Aqu. dest. Da aber die Quecksilbermittel oft intensives Eczem herbei- führen, so empfiehlt sich besser die Einpinselung von Petroleum, Peru-, Tolubalsam, Oleum laxiri u. Ä. in entsprechender Com- bination, z. B. Rp. Petrolei, Bals. peruviani, ^, 15, Olei lauri 1. Nach Application all' dieser Mittel wird Pouder aufgestreut lind erst gebadet, wenn die durch dieselben veranlassten Irrita- tionen (Rothe, Eczem) der Haut geschwunden sind.

Von den nur zeitweilig auf der Haut we ile n d en -lind dieselbe irritirenden Epizoen sind als die häiifigst vor- kommenden zu erwähnen :

Der gemeine Eloh, Pulex irritans. Er veraidasst die als Elohstich bekannte Verletzung der Haut, dessen Zu- fügung die Empfindiuig eines Stiches verursacht. Er stellt eine punktförmige, mohnjvorngrosse Hämorrhagie vor, um welche während des Saugens des Elohes ein 2—5 Mm. grosser, rother Injectionshof entsteht. Dieser blasst alsbald ab, wähi-end der hämorrhagische Punkt unter bekannter Earbenwandlung erst nach einigen Tagen spurlos verschwindet. Bei zarter Haut, wie bei Kindern, veranlasst der Eloh überdies durch directe Be- rührung, sowie reflectorisch, den Ausbruch von Nesseln. Man tritft oft die Haut eines Menschen mit Flohstichen besät („Purpura pulicosa"), so dass der Anschein von wahrer Purpura erweckt wd. Die gleiche Grösse der Stiche, die häuptsächliche Localisation entsprechend den enganschliessen- den Falten der Kleider und die Gegenwart von einzelnen Halones um die Stiche , sowie die bekannten Eloh-Faeces kennzeichnen den Zustand zur G-enüge.

790

Fünfzigste Vorlesung.

Die W a 11 z e , Cimex lectularius, Acaiitliia lectiilaria, pro- vocirt intensive Urticaria und heftiges Jucken, sowohl an den durch Einstich, Saugen und Berülirung direct getroffenen ^teilen, als reflectorisch über den ganzen Körper, Die Kratz- effecte erscheinen dabei, weil 2 ;] Fingernägel zugleich die erhabenen Quaddehi treffen , iii Form von gedoppelten und dreifachen parallelen, oft dukatenähnlich sich kreuzenden Strichen und in unregelmässiger Anordnung über der Haut zer- streut. Die Diagnose ist gegenüber von Pruritus cutaneus und Urticaria chronica, bei Kindern des 1. 2. Lebensjahres gegen- über beginnender Prurigo nicht leicht und vorwiegend daraus zu erscliliessen, dass die Eruption des Morgens, nach dem Ver- lassen des wanzenbergenden Lagers, am deutlichsten ist und tagsüber schwindet.

Noch wären zu erwähnen die Mücken, Greisen (Culex pipiens), Mosquitos, welche, sowie viele verwandte Arten, besonders der Tropen, den Menschen gelegentlich stechen und ansaugen und, örtlich wie allgemein, Quaddeln, beulenartige ödematöse und echymotische Schwellung, Jucken und Schmerz veranlassen. Gregeii ihren, wie den Stich der Bienen, empfiehlt sich die sofortige Application von Ammoniak oder Salmiak.

Arten von. Oestrus, unter welchen eine als Oestrus humanus von A. v. Hümboldt bezeichnet wurde , legen zu- weilen mittels Einstiches ihre Eier iii die menschliche Haut und veranlassen so einen schmerzhaften Abscess, aus dem später die entwickelten Larven hervorgehen. Alle diese und ähnliche andere Insecten spielen eben nur gelegentlich die ßolle von Epizoen des mensclilichen Körpers.

-o— O-c-

Autoren- und Sach-Register

Autorenregister.

A.

Actxiarius 6. Adamkiewicz 454. Addison d. Ae. 503, 529. Addison d. J. 592. Adler Hans 247. Adolf 771. Aegina Paiü von 6. Aetius von Amida 6. Aicardius 8.

Alibert 12, 293, 466, 502, 516, 524,

547, 579, 580, 738, 771. Alpin Prosper 541. Amabili 589. Anderson 527, 743. Apjolin 140. Ardsten 725. Arning 531, 533. Arno Id Jnli\is 29, 586. Arnstein 567. Astruc 9. Attfield 387. Aufhammer 32.

Auspitz 113, 250, 254, 271, 272, 466, 473, 492, 533, 628, 635, 743. Antenrieth 426. Averbeck 503. Avicenna 6.

B.

Baerensprnng 19, 141, 162, 254, 308, 309, 322, 328, 480, 499, 518, 738, 745.

Baetge 510.

Balm anno Sqnire 387. Bamberg er 480, 481, 482, 484,

702, 766. Bancrost 777. Bardeleben 633. de Bary 716, 718. Bäsch 250, 252.

Bateman 11, 164, 167, 329, 467,

589, 591, 616, 732, 734. Baum 741. Baumgarten 641. Bazin 13, 166, 452, 468, 549, 726,

729, 732, 738, 743. Bäumler 272. Beigel 551, 570. Ben-Sohr 752. Bennett 725, 726. Berger 627.

Bergh 511, 591, 753, 766. Bergmann 139, 643, 653. Berres 14. Beschorner 525. Besnier 434, 592. Betzold 126. Beyerlein 480, 482. Bidenkap 658.

BiesiadeckiSl, 37,43,47, 50, 159, 339,342,403,404,411, 586,595, 602.

Biett 12, 608, 617.

Billroth 172, 174, 352, 359, 584, 599, 602, 604, 6C6, 629, 630, 662, 670, 718.

Bizio 140.

Bizzozero 641.

792

Autoren-Register.

Blasius 12. B 1 ondus 8.

Boeck 19, 482, 643, 645, 651, 653,

658, 766. Boerhave 9, 14, 221. Bolin 493. Bollinger 167. Bonomo 752.

Bourguignon 753, 755, 759, 771. Braune 482. Bre sehet 14.

Broussel de Vauzfeme 14. Bruns P. 542, 636. Brücke 37, 41, 141, 174. Buclimüller 197. Buhl 171- Bulkley 482. Burchhard 759. Burkart 264. Busch 633.

C.

Caillant 13. Canquoin 637. Canstadt 753. Carnochau 546. de Carro 271. Carter 657.

Cazenave 12, 13, 144, 319, 475,

478, 560, 608, 732, 733. Gel sus 6, 467, 558, 560, 743. Cestoni 752. Chambard 592. Charcot 309. C h a u s i t 13. . C haussier 536. Chauveau 262. Chiari 533, 641. Chomel 293. Cohn Hennann 592. Cohn Ferd. 252, 718. Cohnheim 113, 170, 171, 172, 544,

584. Co oper 664. Cooper Todd 562. Constantinus Africanus 7, 220. Cose 214. Cotard 309.

Cotugnio 14, 221. Gruse 535. Csokor 775. Curschmann 245, 255. Curzio 529.

Czerny 542, 543, 545, 595, 599. D.

Danielssen 19, 309, 482, 643, 645,

653, 653. D a V a i n e 370. Decaisne 771. Deffis 743. Degeer 752, 753. Dehio 653. Derby 445. Devergie 13, 633. Dieberg 580. Diemerbroeck 223. Dietel 75, 290. Dittel 353, 601. Dolaeus Johannes 9, 616. D 0 n a V a n 380. Döring 9, 201. Dräsche 140. Düben 766. Dubini 743. Duchenne-Dnparc 13. Duguet 504. Duhring 571, 595, 711. Dumreicher 353, 548- Dupuytren 569, 598, 638.

E.

Ecklund 657. Eberth 37. Ebn-Zor 6. Ebner 565, 566, 567. Ebstein 134, 252. Eichhorst 720.

Eichstedt 715, 721, 748, 753, 755.

Eisenschitz 203, 209, 224.

Elfinger 18, 755.

Erichson 779. ^

Erls mann 243, 255.

Esmarch 619-

Esoff 565, 567.

Ettmüller 752.

Eulenburg 75, 706.

Autoren-Eegister.

793

F.

Fagge 531, 592, 594. F alk 345.

Fallopia Gabriel 8. Favre 14. Feltz 211. F ernclius 9. Finol 140. Fleisclil 600. Fleisclimaun 224, 393. Folimanu 14. FoUin 580. Folwarczny 480. . Foot A. W. 592. Fordos 139. Forestus 8. Forget 529. Fournier 454, 492. Fowler 330.

Fox Tilbury 132, 423, 454, 492,

516, 743. Förster 533, 537, 741. Fracastorius 8. Frank Peter 13, 271. Frank Jos. 484. Frankel 134. Franque 140. Fredet 562. Friedländer 624, 630. Fritsch 718. Fromm an 504.

Fuclis C. H. 13, 493, 529, 537, 623,

753, 7:6.^780. Füps^rfnberg 753, 759.

G.

Gaddesden 7. Galenus 5, 6. Gales 753, Ganville 7.

Gay 126, 141, 413, 445, 543. Geber E. 367, 571, 572, 592, 594,

606, 608, 611, 612, 675, 778. Geddings 608, 611. Geisler 592. Genersich. 38. Gensdorf Hans 7.

Gerhardt 198, 224. Gerlach 738, 753. Gervais 774. Gibert 13.

Gilberte

Gintr ac' 533.

Giraudaut St. Gervais 13. Glax 571. Ginge 664. Goltz 110, 126. Gordon 7. ■Gorracus8- Götte 565, 566. Grawitz P. 716. Green Jonathan 19. ' Gregor von Tours 220. Gregory 220. Griffini 641.

Gruby 468, 560, 561, 726,732,734,

743, 774. Gudden 726, 753, 755,756, 759. GuiboTit 13. Gull 592. Gumpert 766. Gurlt 14. Gnssenbauer 670. Gutmann P. 455. Guy de Chauli ac 7, 752. Günsburg 524.

H.

de Haen 9, 221, 223, -308.

Hafenreff er 9.

H ahnemann 753.

Haight 322, 331, 332, 358, 479.

Hall 641.

Hallier 252.

Hallier 717, 718.

Haly Abbas 6, 7.

Hamburger 525.

Hanemann 12.

Hanover 660, 661.

Hansen Armauer 645, 651, 653,

656, 657. Hardy 13, 743. Hartm a nn 134. Hauptmann 752. Häusiuger 308.

794

Autoren-Register.

Hawki n 580. Heberdeeu 223.

Hebra Ferdinand 15, 16, 17, 18, 19, 20, 58, 98, 100, 103, 113, 121, 124, 133, 134, 135, 140, 152, 158, 161, 162, 166, 167, 187, 194, 198, 208, 224, 230, 248, 252, 255, 264, 268, 277, 284, 308, 312, 315, 329, 331, 333, 334, 344, 346, 347, 376, 378, 383, 386, 390, 394, 399, 402, 406, 411, 423, 440, 443, 44?, 453, 461, 472. 473, 474, 475, 477, 480, 482, 484, 494, 499, 500, 504, 506, 510, 517, 525, 591, 592, 594, 602, 603, 608, 617, 619, 624, 633, 635, 643, 706, 716, 725, 726, 732, 738, 745, 753, 755, 766, 771.

Hebra Hans 349, 393.

Heck er 220, 542, 545, 599.

Heiberg 586.

Heim 125, 139, 223.

Heinricli 480.

H eitzmann C. 18, 473.

Heller Fl. 481.

Heller 531, 533.

Helm 216.

Helmericli 771.

Henderson X65.

Hendy 539.

Henke 529.

He nie 14, 20, 26, 45, 47, 48, 566.

He noch 224, 492, 493.

Hensler 9, 643.

Hertz 481.

Hervieux 536.

Heschl 511.

Hesse 223, 224.

Hessberg 511.

Heusinger 565.

Hildenbrandt 753.

Hildegardis Sta. 752.

Hillairet 592.

Hillier481.

Hippocrates 3, 4.

Hirsch 293.

Hirschpriing 140.

His 661.

Hjort 6.58.

Hoffmann 221. Hoffmann J. 716. Hof mann E. 341, 345. Home 188, 195. Hueter 362. Humboldt 790. Hunter J. 753. Hutchinson 132, 484, 527. Huxley 45, 47, 48, 566.

J.

Jacenko 589. Jakobson 777. Jamieson 608. Jany 592.

Jarisch A. 388, 630, 639, 641. Jenner 222, 270, 271. J 0 n s 1 0 n 560. Jürgensen 140.

K.

Kaposi 411, 466, 534. Karsten 718, 776. Kassowitz 198, 224. Katona 195. Kaup 140. Keber 261. Keen 316. Key Axel 38.

Klebs 252, 262, 345, 413, 624 , 630,

657, 662, 718. Klein E. 584. Klein haus 741. Knapp 407. Knecht 227, 239. Kozlowski 653.

Köbner 272, 298, 329, 334, 423, 466, 482, 549, 636, 643, 653, 716, 725, 726, 738, 741, 743, 745, 748.

Köhler 533.

Kölliker 14, 43, 44, 565, 574. Köster 142, 669. Kranz 514. Kr am er 263. Kraus M. 37.

Autoren-Eegister.

795

■Krause 29, 36, 37, 42. Krämer 753. Krieg 601. Külin 716.

Küclieameister 753, 774, 778, 785. L.

L a b u s 292.

Lailler 492.

Landois 75, 282, 706.

Landolfi 637.

Landre 657.

Lanfranciis 7.

Langerhans 31, 36.

Langer 38, 70, 71, 357, 565, 566, 575.

Lauglians 489, 580, 581.

Lang E. 466,619,630,631,633,720.

Lang Ct. 777. Lanquetin 753. Larrey 541. Lassar 544. Law 146.

Lebert 507, 511,580,660, 661,664. Lehmann 584. Lenbossek 140. Leube 141.

Lewin 281, 282, 283, 466, 493,

743, 779. Lewis 777. Liebermann 387. Linne 752. Lipp E. 381. Lister 267, 362. Lombroso 292, 382, 496. Lorry 10, 12, 753. Lott 586. Lowe 716. Lozes 511. Löschner 537. Luchsinger 126. Lndwig E. 481. Ludwig H. 520, 590. Luginbühl 262. Luisinus 8. Lukomsky 360.

M.

Mader 583.

Mahon 728, 729, 732.

Maisonueuve 777.

Malmsten 480, 715, 721, 73,^ 734.

Malpigbi 14, 29.

Manardus Johannes 8, 418, 616.

Marcellus Cumanus 8.

M archand 518.

Martius 474.

Mayr 194, 208.

Mehlis 308.

Meissner 14, 29, 31, 34, 37, 741.

Mercurialis Hieronymus 8.

Messedaigla 496.

Meyer Jos. 584.

Meyer Lothar 224, 227, 549.

Michel 724.

Michelson 738, 743.

Miescher 774.

Mikulicz 606, 607.

Milton 295.

Mitchell 127, 316, 454.

Mittermayer 766.

Moisisowics 37.

Moldenhauer 334.

Monastirsky 653, 656.

Montagnana 7, 8.

Montague 222.

Monti 224.

Morehouse 316.

Morgagni 14.

Morton 187.

Mouffet Thom. 752.

Murchison 594.

Musa Brassavolus 8.

Müller 273.

N.

Navrocki 126. Nägeli 718. Neisser 657. Neligan 146. Neudörfer 362.

Neumann Isidor 34, 39, 256, 300, 376, 403, 411, 413, 445, 454, 473, 477, 481, 504, 533, 574, 608, 611, 620, 653, 716, 743.

Noris 171.

Nussbaum 684.

796

Aiitoren-Eegister.

O.

Obtiilowic 403. Oelil 32. Oppolzer 484. Oribazius 6. Orth 360. Oser 171. Ostrumoff 126. Owen 774.

P.

Paeiui 36, 33.

Pagenstecher 31, 342, 586.

Paget 574.

Pantleu 641.

Pare Ambrosius 8, 752.

Pastau 771.

Pastorella 537.

Patersou 165.

Pavy 592, 594.

Pearsoii 380.

Peyritsch 725, 726.

Pfeuffer .384.

Pfleger 357.

Pbilipp 780.

Pick Arnold 284.

Piek F. J. 423, 510, 716, 725, 726, 745.

Pincus 564, 567. Pissin 271, 272. Plenck 10, 11, 58, 102, 514. Plinius 5, 467. Piumbe 19, 623. Pococke 367. P 0 d c 0 p a e w 37. Pohl 627.

Polak J. E. 367, 556. Pollender 370. Ponfick 255, 360. Poor J. 428. ■Pott 664. Poupart 12. Priessnitz 98. Procopius 220. Pruner 541.

R.

Eanvier 544. Easmussen 529, 533, 534. Easp ail 753. Eavaton 562. Eavogli 180.

Eayer 13, 308, 309, 466, 475, 484,

592, 617. Eaysky 480, 481. Eecamier 293. Eecklingh ausen 170, 171. Eedi 752.

Eemak 661, 715, 725, 726.

Eenn cci 753.

Eetzius Gr. 38.

Eeverdin 588, 684.

Eej'er 541.

Ehazes 6, 187, 220.

Eibbentrop 158.

Eiecke 13.

Eiemer 504.

Ei gier 307, 541, 766.

Eindfleisch 163-, 171, 251, 252,

254, 511, 561, 600, 606, 629, 662,

669, 670, 718. Einecker 272. Eochard 13, 387. Robin 715, 743, 748. Eobinson 132, 645. Eogerius 7.

Eokitansky 15, 17, 169,509,517, 542 , 574, 578, 580, 584, 590, 599, 600, 660, 661, 662, 663, 664, 673.

Rolandus 7.

Rollet A. 584.

Rollo 539.

Roll 272.

Romberg 308, 562. Roser 548. Rossbach 533. Roussel 12.

S.

Saliceto Wilhelm von 7. Salz er 542. Samuel 126, 172,

Autoren-Register.

797

Saruf 653. Sattler 309, 310- Sauvages 9, 12,221, 474, 547, 560, Schabel 518. Schaueustein 480. Scheby-Bucli 490. Schede! 12. Sclieiber 290, 292. Sclieuk vou Grafenberg 8. Scberer 139. Schieferdecker 316.

Schiff 779.

Schilling 140.

Schlossberger 518.

Schmarda 778, 779, 788.

Schmitz 569.

Schneider 480.

Schottin 14, 140.

Schönlein 13, 124, 139, 493, 516,

715, 721, 725, 753. Schroen 31.'

Schuh 542, 580, 597, 598, 599,661. Schuller 476, 477. Schul in 567, Schnitze B. S. 575. Schultz e Max 30. Schüppel 630. Schwarzenbach 139- Schwimmer 267, 570, 644, 671, 712.

Scorczewski 300. Sed gwick 531. Sennertus 9, 201, 616. Serapion 6. Sherwell 506. Sigmund 686.

Simon Gustav 19, 141, 194, 411 445, 468, 460, 488, 510, 518, 653, 753, 774, 779.

Simon Oscar 24, 592, 594.

Simon Th. 227, 499.

Simon Franz 480, 518.

Simon F. A. 642.

Skoda 15.

Smith W. G. 570, 592, 594. Sonnenburg 345. Sotnitschewski 544. Speranza 195.

Sprengel 12. Stein 533.

Steiner 194, 209, 224, 480, 482. Steinlin 565, 566. Stellwag 232. Stephan Antiochus 7. Stieda 565, 566. Stilling 630.

Stricker 36, 39, 75, 108, 110, 113,

126, 170, 171, 172, 173, 584. Stroganow 608, 611. Struwe 13. Swammerdam 780. van Swieten 9, 221. Sydenham 9, 187, 221.

T.

Tanturri 674, 743. Taylor 571. Teichmann 34, 543. Theodoricus 7.

Thiersch 584, 633, 661, 662, 669. Thin 37, 608, 611. Thoma 653.

Thomas 203, 215, 224, 334. Thomson-Parkes 608. Thomson 19, 223, 224. Tilesius 520, 590. Tittel 140. T 0 d d Antony 19. Tomsa 33, 36, 37. Trallianus 6. Treitz 140. Trousseau 224. Tschudi 580. Tulasne 716. Turner Daniel 9. Tyson 148.

u.

Uffelmann 281. Unna 31, 32, 251, 339, 565.

V.

Vater 36, 38. Veiel d. Ae. 624, 629.

798

Autoren-Register.

A^eiel Th. 454, 461, 635, 636. Verneuil 141. Yetter 224. Vidus Vidins 9. Viennois 272. Villanova 7.

Virchow 108, III, 141, 163, 166, 170, 171, 172, 174, 361, 452, 488, 511, 526, 537, 542, 574, 580, 585, 589, 590, 591, 592, 594, 597, .598, 599, 624, 62'8, 629, 630, 643, 653, 661, 662, 664, 669, 741.

Vitalis de Furiio 7.

Vlemiugkx 771.

Voisin 454.

Voigt 71.

Vogel 527, 766.

Volkmann 860, 615, 633, 634.

Vulpian 110, 126.

W.

Wagner E. 14, 37, 140, 163, 243,

255, 309, 641. "Waldeyer 592, 594, 669. "Walter 5.33. Warren d. Ae. 580. Warren d. J. 580. "Weber E. H. 14.

Weber 0. 174, 574, 584, 619, 627,

633, 641, 662. We dl 411, 413, 480, 580, 590, 599,

753, 755, 774, 775, 779. Wegscheider 549. Weichselbaum 504. Weidner 309, 322.

Weigert 250, 251, 256, 26-2. Weil 548.

Weinberg 768, 771. Wenck 633. Wendt 14. Wernicke 529. Werlhof 494.

Wertheim 71, 345, 376, 468, 565,

566, 567. Westphal 246. Wiclnnanu 752, 474. Widerbofer 194. Wiggelsworth 674. Wilkinson 386, 435, 771. Wilks S. 580.

Willan Robert 11, 13, 58, 22.3, 290, 307, 372, 374, 394, 474, 494, 495, 560, 589, 616, 782, 753.

Willemin 367.

Wilson Erasmus 19, 134, 140, 146, 432, 439, 511, 521, 529, 535, 571, 575, 592, 623, 643, 648, 743, 774, 775.

Winiwarter 670, 671. Winternitz 291. Wyss 0. 243, 3C9, 318.

Y.

Young 861.

Z.

Zeissl H. 300, 470, 514, 601, 262,

264, 360. Ziegler 584. Zöllner 504.

Zuelzer 243, 255, 256, 261. Zürn 726.

Sachregister.

A.

Abscessus 5.

Acantliia lectvüaria 790.

Acarinae 753.

Acarus folliculornm 159, 750, 774.

Scabiei 750, 753. Achor, ay^wpc; 4, 63.

gramilatus 783.

Acliorion Schönleinü 715, 721, 725.

Achroma 60.

Acne cachecticorum 453.

disseminata 449.

hordeolaris 450.

indurata 450.

mentagra 449, 463.

picealis 453.

punctata 157, 450.

pustulosa 450.

rosacea 449, 458.

sebacee 144.

variolifonnis 452.

vulgaris 450. Acrodynie 290.

Active Hj'perämien 108. Acute Exantheme 9, 184. Aerophyten 718. Aetiologie, allgemeine 24, 73. Aetzmittel 635. aggregatus 68.

Akrochordon, äy.poydpoov 4, 5. ixpod^iLioy 4. Albarras 6. Albini.smus 60, 551. Albinos 551. ä),ao? 4.

Allgemeine Aetiologie 24, 73.

Diagnostik 81.

Geschichte 2.

Allgemeine Sjnnptomatologie 24, 56.

Therapie 91.

Alopecia akomv/.ia 4 146, 557, 558.

areata 558, 560.

furfuracea 564.

praematura 559.

senilis 558.

syphilitica 568. Alvathim 7. Ambustio 337. Anaemiae 117. Analgesie 706. Anaphalantiasis 558.

Anatomie der allgemeinen Decke 24. Angioma elephantiaticum, neuroticum

599. Angiome 596. Angioneurosen 75, 706. annularis 68. Anidrosis 137.

Anomalien der Hautdi'üsen 122.

Fettsecretion 143.

Schweisssecretion 125. Anthrax, äv&pa? 3, 365. Aqua picea 381.

Aragas persicus 779.

Area, Area Celsi, Jonstoni 5, 558.

Argyria 503.

An-ectores pilomm 40.

Arsenik 380.

Arsenikpaste 637.

Asteatosis cutis 155.

Atherom 157.

Atrichia 558.

Atrophia cutis propria 571.

(cutis) senilis 571. Auskratzen 615. Aussatz 6, 642.

800

B.

Bacterien 718. Balanitis 148. Bald Eiugworm 560. Balsamica 382. Barbadosbeiu 539. Bartflune 463. Bätarakta 6. Bäder 98. Beethaar 564. Behandlung, allgemeine 91. Benarbung 584. Bindegewebsneubüdungen 578. Bindegewebskrebs 678. Blase 59.

Blasenausscbläge 474. Blasenfieber 333. Blasenpocken 274. Bläschen 59. Blausuctt 112. Blattern 219. Blatternnarbe 273. Blatternimpfung 222. Blepharomelaema 146. Blutgefässe der Haut 33. Borkeu 64. Borkenki'ätze 766. Bouton d'Alepp 367. Breite Condylome 697. Briganti 752. Bromacne 453. Bromidrosis 123, 133, 139. Bulla 59. Bullae 10.

c.

Gallus, CaUositas 507. Calori 130. Calvities 557. Cancroid 663. Cancroidkörperchen 664. Canities 554. Carcinoma 5, 660.

lenticulare 673.

melanodes 673.

tuberosum 673. Carbolsäure 381. Carbunculus 5, 365. Carbunkel 365.

Sach-Register.

Cai'o luxnrians 586. Celluliire Neubildungen 579, Chique 776. CMoasma 60, 500, 747.

cachecticorum 502.

caloricum 501.

toxicum 502.

traumaticum 500.

uterinum 502. Cliolesteatom 157. Chromidrosis 139.

Chronische exsudative Dermatosen 373.

Chi-ysarobin 387, 639.

Clu-ysophansäure 387.

Cicatrix 64, 583.

Cicatrisirendes Hautsclerem 532.

Cimex lectularius 151, 790.

Circinatus 68.

Circumscriptus 72.

Cisticercus cellulosae 750, 7'! 9.

Clavus 5, 509.

Cnidosis 294.

Coccobacteria 717.

CoUoid-Milium 163.

Combustio 337.

Comedo 157-

Comedonenquetscher 161.

Comedonenscheibe 158.

Common Ringworm 560.

Condyloma 5.

acuminatum 512.

latum 697. Confertus 68. Confluens 72. Congelatio 350. Continuirliches Bad 98, 347. Contusio 489.

Corium 26. Cornu cutaneum 510. Corymbosus 68. Couperose 458. Cridones 9. Crustae 10, 64.

laniellosae 64. Cryptolitheu 157. Culex pipiens 751, 790. Cutis 26.

anserina 705.

Sacli-Eegister.

801

Cutis testacea 149. Cyanosis 112. Cyrons 752.

D.

Dal-fil 6. Dartres 12. Dasytes 521.

Defluvium Capillorum 558. Delle 62, 252. Derma 26. Dermatitis 335.

ambustidnis 337.

congelationis 350.

contnsiformis 284.

papillaris capillitii 464. Dermato-Pathologie 1. Dermatologie 1.

Dermatologische Schule nacli Bebra 15. Dörmatoraycosen 721. Dematonosen 74. Dennatozoen 750. Dermatozoonosen 750. Desquamatio ueonatonini 145. Diagnostik, allgemeine 81. Dietel'sclies Exanthem 75, 290. diffusus 72. discretus 63. discoides 72. dispersus 68. Djadzam 6. Dondos 551.

Drüsenkrankheit von Barbados 539. Dyscbromasia 503.

E.

Eau de prlncesse 503. Eccliymoma 488. Eccbymosis 60, 487. Ecthyma 471. Eczema 408.

acutum 410, 413.

cbronicum 411, 417.

crustosum 410.

e pediculis capitis 418.

erytbematosum 409.

Intertrigo 131, 415.

impetiginosum 410.

madidans 409.

K a p 0 s i , Hautkrankheiten.

Eczema marginatum 423, 721, 745. " papulosmn 409.

rubrum 410.

solare 427.

squamosum 410

sudamen 427.

vesiculosum 409 Ecthyma, E/.&uij.aTa 3, 63, 471. Eczempocken 274. Efflorescenzen 58. Efftorescenz-Anordnung 68. Effluvium capillorum 146, 553. Eiterung 176

Elephantiasis 5, 529, 537, 540.

Arabum 529, 537.

cruris 538.

genitalium 541.

Graecorum 642.

neuromatosum 542.

telangiektodes 542. Elephantenfnss 539. Ephelis, Ear]'Xi; 4, 5, 500. Epidermis 26. Epidermisbildung 584. Epilation 469, 523. ir:'.w/-~ii ü. Epithelialkrebs 663. Epithelioma 661. Epizoen 750. Epizoonosen 779. Erfrierung 350. Ergrauen 554. Erntemilbe 750, 773.

EpK% 4.

Erysipelas 4, 355.

Erysipelas ab acribus s. venenatiun 109.

annulare 278.

bnllosum 278.

perstans faciei 610. Erythema caloricum 109.

eudemicum 293.

exsudativum multifonne 277.

_ (sp'JÖMaa) 4, 59.

figuratum 278.

gyratum 278. .

infantile 110.

Intertrigo 415.

Iris 278.

51

802

Sachregister.

Erythema nodosum 284.

papulatum 278.

urticatum 278.

variolosum 110, 227.

vesiciüosum 278.

Exanthem, l^avfhtjixaTa 3, 68. Excoriatioues 64. Excresceiitiae 11. Exsudation und Entzündung 169. Exsudative Hautkrauklieiten 169.

F.

Falcadina 547, 643. Favus 7, 721. Färbung der Haut 25. Fäulnisspilze 714. Febris pemphigosa 334. Fette 99. Fettläppchen 27. Fettretention 157. Fettsecretion 123, 143. Fettzellen 27. Feuermal 597. Feuermasern III. Fibroma 595.

molluscum 514, 589. figuratus 72.

Filaria medineusis, sangtiinis 750, 776.

Filzlaus 751, 780.

Fiunenausschläge 449.

Fischschuppenkrankheit 515.

Fistulae 5.

Fleck 59.

Flecken 187.

Fleckenaussatz 648.

Fleischwärzchenbildung 584.

Flöhe 751.

Folliculitides 449.

Folliculitis barbae 468.

Founza ia ngömbe 776.

Framboesia 547.

Frattsein 131.

Furchen der Haut 24.

Fnrunculosis 366.

Furunculus 5.

Furunkel 364.

Fussgescliwür 681.

G.

Galaktidrosis 140. Galvanocaustik 639. G-angraena, ya.fyprYM 4, 5. Gänsehaut 705. Gefässneubildungen 578. Gefässe der Haut 27. Gefässmal 597. Gefässpapillen 29. Gefässsystem der Haut 32. Gelsen 790 Gemeingefühl 55- Geschichte der Dermatologie Geschwüre der Haut 677. Glandulae sudoriferae 41. Gliederscliimmel 718. Glossy skin 116. Gneis 145. Goa-Powder 387. Gonidien 714. Granulationsbildung 584. Gnitum 157.

Gumma Syphiliticum 699. Gutta rosea 458. Gürtelausschlag 307. Gja-atus 72.

H.

Haarbalg 43. Haarbalgscheide 43. Haarbeet 567. Haare 43.

Haarfärbemittel 556. Haarkelcli 566. Haarkolbeu 566. Haarmark 46. Haarpapille 44. Haar rinde 45. Haarsackmilbe 750, 774. Haarschaft 45. Haartasche 43. Haar Verlust 558. Haarwechsel 564. Haarwuchs 557. Haarwurzel 45. Haarwurzelscheide 45. Haarzwiebel 45.

Sacliregister.

803

Haematidrosis 140, 496. Haemorrliagiae cutaneae 486.

Halo 59, 228. Hautabschürfung 63. Hautblütheu 58. Hautentzündungen 335. Hautgescliwüi-e 64, 677. Hautgries 157, 161. Hauthorn 510 Hautjucken 706. Hautkrankheit, Begriff der 79. Hauttnberculose 640/ Hämophilie 496. Hämon-hagisciie Flecke 60. Hebra'sches Wasserbett 98. Hefepilze 717. Heilmittel, örtliche 98.

innerUche 100.

Henle'sche Scheide (des Haares) 47. Hereditäre Syphilis 701. Heredität 76. Herpes 306.

_ circinatus 279, 328, 732.

facialis 325.

Iris 279, 328.

labialis 325.

maculosus et squamosus 734, 737.

praeputiaUs s. progenialis 326.

tonsurans 721, 732.

Zoster 307. Hirsuties 521. Hitzblätterchen 130. Hof 59, 228. Holzbock 750, 778. Homöoplasie 497. Homschichte 29. Humanisirte Lymphe 270. Huxley'sche Scheide 47. Hühnerauge 509. Hydrosadenitis 141. Hyperaemiae 105. Hyperalgesie 706.

Hyperästhesie 706.

Hyperidrosis 128.

Hyi)erplasie 497.

Hypertrichosis 521.

Hypertrophiae 497.

Hypertrophische Narbe 581.

Hyphomyceten 714. Hystricismus 517.

I.

Ichthyosis 515.

congenita 519.

hystrix 517.

nitida 516.

serpentina 516.

sebacea 149, 519.

Simplex 515. Icteras 503, 709. Idiopathische Dematonosen 74.

loptua 4

Ignis saeer 5. . Impetigo 5, 63, 471.

faciei contagiosa 422.

herpetiformis 472. Impferysipel 274. Impfung 222, 269. Innerliche Heilmittel 101. Inoculation 221. Integumentum 24. lutertinctus 72. Intertrigo 131, 415. lOvS-ot 4.

Iris 72.

Ixodes Eicinus 750, 778.

americanus, humauus, marginatus

779.

J.

Jodacne 453 Jodisme petechial 492. Juckausschläge 408. Jucken 297.

K.

Kablheit 557.

Kakerlaken 551.

Kali-Creme 436. Kalk-Schwefelleber-Lösung 386.

Kantschuk-A^erbände 99, 383.

■/.£Y7.P'"' ^• Keloid 579.

_ „Addison'sches" 529.

Keratosen 507.

•/.rjowv, Kerion 4, 5, 743.

51*

804

Sachregister.

Kleiderlaus 750, 785. Kniuieldrüsen 14, 41, 141. 7.v^a[jLo; 4. /.vioöj^i; 4. Knollen 59. Knollenkrebs 579. Knoten 59. Knotenaussatz 645- Knotensypliilid 699. Knötchen 59. ■/^oipaöe; 4. Kopfgrind 150. Kopflans 750, 779. Krankheitsverlauf 86. Krause'sche Körperchen 36. Krätze 0, 751. Krätzmilben 9, 150, 753. Krätzmittel 771. Krätzsalben 771. Krebs Ü60. Krebsgertist 661. Krebsgeschwür 665. Ki-ebsmasse 661. Krebs und Lupus 633. Krebszellen 660. Krimskaja 644.

Kiimmerfeld'sches "Wasser 456. Kupferhaudel 458. Kushta 6.

L.

Lactmnen 8. Lait sicilien 456. Laus, Läuse 750, 779. Leberflecke 502, 747. Leicheiufectionspustel 369. Leichdorn 509. Lentigo 500. Lenticula 5. Lepra 612.

alopecia 6.

anaesthetica 648.

Arabum 642.

elcphantina 6.

leoniua 6.

(lir.poi.) 3, 6.

maculosa 648.

mutilans 647, 650.

Lepra tuberosa 645.

Tyria 6. Leprosy 642. Leptothrix 718.

Leptus autumnalis 750, 778. Leucopathia 60. Leucoderma 551. Leucoplakia buccalis 971. Xsuzr;, Lenke 4, 6. Liehen (Xer/^v) 3, 394.

acuminatus 399.

haemon-hagicus 488.

lividus 396, 494.

pilaris 516.

planus 401.

ruber 399.

scrophulosorum 395.

sypliiliticus 693.

urticatus 279. Linsenfleck 500. Lipome 595. Livedo 112.

calorica 115.

mechanica 113. Lombardischer Aussatz 290.

XÖTtOt 3.

Lues 689.

venerea 7. Lunula (d. Nagels) 50 Lupus 9.

erythematosus 608.

exfoliativus 616.

exulcerans 618

maculosus 616.

papillaris 618.

tumidus 616.

serpiginosus 618.

L. vulgaris 616. Lupusgeschwüre 618. Lupus und Krebs 633. Lupusknötchen 627. Lymphangioma tuberös, multiplex 601 Lymphgefasse der Haut 34. Lymphorrhoe 540.

M.

Maculae 10, 59, 106.

atrophicae cutis 575.

Sachregister.

[j.aoapiü(ii; 4.

Matlaresis, Madesis 558.

aaowts; 4. Mais-Tinctur 382. Malignes Papillom 666. Malleus, M. lixumdus 368. Malpigliist'he Scliiclite 29. marginatus 72. Masern 6, 187. Mäsvirikä 6.

Materia perspiratoria 123. Matrix (d. Nagels) 49. Mcasles 187.

MeclianisclLe Betandhing 384, 636.

Mei ssner'sclie Körperclien 36.

Melanosis 60, 501.

jj.c')>a:, Melas 4, 6.

Mentagra 5.

^licrococeus 718.

Microsporon Audoiiini 561.

_ furfiu- 721, 747. Milctscliorf 8. Milben 753. Milbeneier 758. Milbengang 757, 760. Milbenmännclien 756. Milbenweibclien 754. Miliaria 331.

alba 331.

crystallina 331.

rubra 331. Milium 157, 161. Milzbrandcarbunkel 369. Missfärbung 60. Mitesser 9, 157.

Mittel für örtliche Behandlung 98.

Molluscosis 591.

Molluscum atheromatosum 167.

contagiosum 157, 164.

librosum 542, 589.

sebaceum 157.

Simplex, non contagiosum, pendu-

lum 589.

vernicosum 157, 514. Morbilli 187. Morbillentyphus 192. Morbus Addisoni 502.

maculosus Werlhofii 494.

Morphaea 6, 6-18. Morve et farcin 368. Mosquitos 790. Motilitäts-Neurosen 705. Mycosis framboesioides 547.

fungoides 547.

syphiloides 547. Mullusciimkörperchen 165. |j.up[irj-/.iat, Myrmekia 4, 5. Muscardine 14. Muskeln der Haut 39. Mtickeu 751, 790. Mycelitim 714.

N.

Naevus 59, 499.

flammeus 597.

mollusciformis 499.

pilosus 499.

spiltis 499.

vascularis 597. Nagel 49.

-bett 49.

-falz 49.

-körper 49.

-leistchen 50.

-matrix 49. wall 50.

-Wurzel 49. Narbe 64, 583. Narbenbildung 584. Narbenkeloid 581. Nebenpocken 274. Neoplasie 497, 576. Nerven der Haut 36. Nervennaevus 499- Nervenpapillen 29. Nervensystem der Haut 32. Nesseln 294. Nesselsucht 294. Neubildungen 576. Neurome 595.

Neurosen der Haut 704. Neurotisches Papillom 517. Nigrities 60. Nigua 776. Nirlus Hl.

806

Sachregister.

O.

Ooliseuwiirm 776. Objective Symptome 56- Oehl'sche Schichte 23. Oestrus 790. Oidiumformen 718.

Oleum fagi, Rusci, Cadinum 100, 385.

Oligotrichia 558.

Onychatrophia 570.

Onychauxis, Onychogryphosis 525.

Oaychia, 0. syphilitica 527.

Onychomycosis 721, 725, 741, 742.

Ophiasis 558.

Opistophalacrosis 558.

Originäre Lymphe 270.

Ortssinn 55.

Osmidi-osis 123, 139.

Ovine 270.

P.

Pachydermia 6, 537, 547. Paciuische Körperchen 36. Paedophlyctis 334. Panniculus adiposus 27. Pannus crassus s. leprosus 646. Papel 691. PapiUen 26. PapiUoma 529, 547.

neurotictun 517. Papillomartiges Epitheliom 666. Papulae 5, 10, 59.

latae 697. Papiilöses Syphilid 696. Paqiielin' scher Thermocanter 639. Parasitäre Hautkrankheiten 713.

Organismen 713. Passive Hyperämien III. Pasta Canquoin 637.

Laudolfi 637.

Viennensis 638. Pediculi 750, 779.

corporis humani 750, 779, 785.

humani capitis 751, 779, 781.

pnbis 750.

vestimentorum 750, 779, 785. Pediculosis 780, 786. Peitschenwurm 750, 776. Poliosis rheumatica 287, 493.

Pellade 560. Pellagra 290. PelUcelli 752. Pemphigus 8, 474.

acutus 333.

benignus 476.

circinatus 475.

contagiosus 334.

diphtheriticus 477.

fehrilis 333.

foliaceus 475, 478

haemoiThagicus 476.

hystericus 482.

leprosus 482, 649.

malignus 476.

pruriginosus 477.

syphiliticus 482, 693, 699.

vulgaris 475. Penicillium 714. Perganieuthaut 571. Perspiration 54. Petechiae 60, 487. Petechialfieber 7. Petechien, Tttiiym 4, 487. Petite veröle 219. Pflanzliche Parasiten 713. ipaYcSocva 4. Phalacrosis 558. Phlegmone 363.

Phlyctänosen, o>,ux.-:a'.va! 4, 306. Phlyzacium, oXurizta 4, 63. Phthiriasis 780. Phthirius inguinalis 788. oüysa-Xov, Phygethlon 3, 5. Ph^ma, oüaaTa 3, 5, 59. Physiologie der Haut 24. Pian (ruboid) 547. Pigment 35, -ation 64, 498. Pigmentanhäufung, P. Hypei-tropliie 60,

498.

Pigmentateophie 550. Pigmoutkrebs 673. Pigmentmal 60, 499. Pigmentsarcom 674. Pigmontverlust 60. Pili 43.

Pillulae asiaticae 380. Pilze 714.

Sachregister.

807

TTtTupiaai; 3.

Pityriasis capillitii 146.

nigra 501.

rubra 390.

Simplex 155.

tabesceutium 149. _ versicolor 721, 747.

Plaques luuqueuses 697. Pleomorpliie 716. Plica 524. Pocken 219.

TO[J.S)OS 4.

Poliosis 554. Polytricliie 521. Poren der Haixt 25. Porrigo 5.

decalvans 560.

gramilata 783.

scutiüata 560, 732. Prickley heat 130.

Primäre Krankheitsersclieinungen 59. Princessenwasser 506- Prodronialexantliem 227. Pruriginöse Ausscliläge 408. Prurigo 440.

agria 443.

mitis 443.

pedicularis 780. Pruritus cutaneus 706.

pudendoriim 710.

senilis 708. Pseudoerysipel 363. Psoriasis 372.

palmaris et plantaris 375, 692,

697.

Psilosis 558. •J/üjpa 3.

Psoriasis mucosae oris 671. Psydracium 63. Pnccinia 726. Pnlex in-itans 751, 789. Pulex penetrans 750, 775. Pulvis Cosmi 637. Purpura 60, 490.

cacliectica 492.

haemorrhagica 494.

papulosa 494.

pulicosa 491.

Purpura rlieumatica 287, 493.

senilis 491.

Simplex 494.

variolosa 235, 492. Pustula maligna 369. Pustulae, Pustel 5, 10, 59. Pustelausscliläge 471. Pustulöses SypMlid 698. Pyrogallussäure 388, 639.

Q-

Quaddel 59. Quetschung 489.

R.

Eadesyge 547, 643. Easli III. Eäude 752. Eesineon 100. Eesolution 177.

Eesorptionsvermögen der Haut 54. Eetezapfen 30. Eevaccination 271. Ebagades 64. Eliinophyma 460- EMnosclerom 603. Eiesenurticaria 295. EiesenzeUen 630. Eiffelzellen 30. Eingworm 560. Eitteln III. Eose 355.

Eoseola 59, 106, 290.

cliolerica III, 290.

febrilis III.

infantilis 110.

rheumatica III.

syphilitica 290, 695.

typhosa III, 290.

vaccinia III, 274.

variolosa HO, 227. Eossalia 201. EotMauf 355. Eotzkrankheit 368. Eougeole 187.

Eötheln 187, 197. Rubeolae 187, 197. Eupia non syphilitica 694.

syiihilitica 693.

808

Sachregister.

S.

Sahafati 7. Sandfloh 750, 775. Saprophyten 714. Sarcoma 674.

pigmentodes idiopathicuni 674. Sarcomatosis cutis 675.

Sarcoptes hominis 753. Scabies 5, 751.

crustosa s. Norwegica s. Boeckii 651.

pecorina 766.

pustulosa 762. Scarlatina 201.

puerperalis 216. Scarliavo 547, 643. Schalthaar 5Ö4. Schanker 085. Scharfer Löifel 634. Scharlach 9, 201. Scharlachtj'phus 208. Schimmelpilze 714. Schizomyceten 717. Sclüeimschichte 29. Sclimarotzerpilze 714. SchneUcur 770. Schomsteinfegerkrehs 664. Schuppenflechte 372. ' Schwangerschaftsnarben 576. Schwefelpaste 456. Schweissblätterchen 130. Schweissdrüsen 14, 41. Schweisssecretion 123, 125. Schweissdrüsen-Entartung 141.

Geschwulst 141.

Schwielen 507. Schuppen 64.

Grinde 64. Scirrhus 660. Sclerodei-ma 529.

Sclerema, Sclerema adultorum 529.

neonatorum 529, 536, Scorbut 8, 495. Scrophulose 640. soitiformis 72. Scutulum 721. Seborrlioea 144.

Seborrhoea capillitii 145.

congestiva 147.

furfuracea 144.

nigricans 146.

localis 145.

oleosa 144.

sicca 144.

syphilitica 146.

universalis 145. Sebumwarzen 158. Secretion (d. Haut) 54.

Secundäre Krankheitserscheinungen 59.

Secundärhaar 567.

Seifen, Schmierseife 99, 383.

Sensibilitätsneurosen 706.

Seuren 9.

Sinnesorgan, die Haut als, 54. Siwwens, Sibbens 547, 644, Small-pox 219. solitarius 69. Solutio Fowleri 380.

Vlemingkx 386. Sommersprossen 500. Spaltbarkeit der Haut 69. Specieller Theil 105. Spedalskhed 642.

Spiritus saponatus kaUnus (H e b r a) 152.

Spitze Warzen 512.

Sporen 714.

Squamae 11, 64.

Squamöse Dermatosen 372.

Stachelzellen 30.

Stauungshyperämie 112.

Steinpocken 274.

Stichelnadel 462.

Stippchen 61, 228.

Stratum corneum 29.

lucidum 32.

vasculosum 33. Streupulver 154.

Striae atrophicae cutis 575. Stropliulus III. Structur der Haut 25. Styrax 771.

Subjective SjTuptome 56. Sudamina 130. Sudor anglicus 159. Suren, Sueren.752.

Sachrej

Sycosis 5, 449, 463

parasitaria 466, 721, 743, 744. Symptoinatisclie Dermatonosen 74. Symptomatologie allgemeine 24, 56. Sypltüis 7.

cutanea, Syphilide 689-

vegetans 701. System der Hautkranklieiten nacli

Hebra 17. Systematik der Haiitkrankheiten 102. Syrones 752.

T.

Talgdrüsen 43, 48. Tastorgan 54. Tastsinn 54. Tastwärzchen 55. Tätowiren 504. Teinte broncfee 503. Tela snbcutanea 34. Telangiektasie 596. Telengiektasie 59. Tep[i.iv&ot 3. Thanns 714. Theer 100, 381. Theeraene 453. Theerbad 385. Therapie, allgemeine 91. Therioma 5.

Thierische Parasiten 713. Thymion 5.

Tinchira Eusei 100, 3851 Tinea 7, 150.

graniüata 783.

pellada 560.

tondens 732. Transplantation 588. Trichanxis 521.

Trichophyton tonsurans 721, 735, 376. Trichorrhexis nodosa 570. Trophische Nerven 39. Tropho-Nenrosen 705. Tubercnla 11. Tnbercnlose der Haut 640. Tnbcrculum 59. Tumor cavernosus 600. Tyloma, Tylosis 507. Typhiisexanthem 290.

Kaposi, Hautkrankheiten.

igister. 809

u.

Ueborhäutimg 584. Ulcera cutanea 64, 677. Dlceröses Syphilid 700. Ulcus cruris e varicibus 681. ünguent. Eochardi 387.

Vaselini plumbicum 432.

AVilkinsoui 386.

Wilsoni 432. TJnguentum Diachyli (Hebra) 185. Unguis 49.

UnterhautzeUgewebe 26. Uridrosis 140.

Ursachen , allgemeine , der Hautkrank- heiten 73. Urtica 59. Urticaria 294.

annxüaris 294.

bullosa 295.

factitia 295.

flgui-ata 294.

gyi-ata 294.

papulosa 295.

porcellanea 294.

tuberosa 284.

vesiculosa 295. Urticatio 296.

V.

Vaccination 222, 269. Vaccine 269. Vaccini'othlauf 359. Vajuolo 219. Varicella 223. Variegatus 72. Variola 219.

confluens 244.

haemoiThagica 234.

modificata 223.

Vera 223, 226. Variolation 221. Varioleneffloresceiiz 249. Variolois 223. Varix 5. Varus 5. Vaseline 99. Vasoconstrictores 39. Vasodilatatores 39.

52

810

Sachregister.

Vasomotorisulie Neurosen 705. Vater'sche Kürperclum 36. Venen der Haut 33. Vei'brennung 337. Vernix caseosa 145. Vemica 511.

filiforniis 514.

mollusciformis 514.

senilis 512.

vulgaris 512. Vertheilung der Efflorescenzeii 68. Vesiculae 10, 59.

Vespajo del CapiUitio 743. Vibioes 60, 487. Vitiligo 5, 6, 551, 648. VitiUgoidea 592.

W.

Wagner'sche Köi"perclien 37. Wasserbett (Hcbra) 347.

Warze 511. Weicliselzopf 524. Wiebeln III.

X.

Xanthelasma, Xauthoiii:i 592. Xerodermie 155, 571.

Y.

Yaws 547.

Z.

Wanzen 751, 790. Zellenauswanderuug 176. Zellenproliferation 176. Zona 5. Zoster 5, 307.

haemorrhagicus 314. Zoogloa 718.

<ili-v nnnn i^t WiUon LtJ