1 DIE GONTINUITiT DES KEIMPLÜSMAS ALS GRUNDLAGE EINER THEORIE DEß VEßERBUN^. EIN VORTRAG VON DR. AUGUST WEISMANN, PROFESSOR IN FREIBPRG I. BR. IZj ZWEITE AUFLAGE. ^7 VERLAG JENA. VON GUSTAV FISCHER. 1892. VOEWOKT. Die in der vorliegenden Schrift entwickelten Gedanken wurden zuerst in vergangenem "Winter in einer vor Studirenden der hiesigen Universität abgehaltenen Vorlesung ausgesprochen und bald darauf, d. h. im Februar und Anfang März, in ihrer jetzigen Form niedergeschrieben. Ich erwähne dies, weil man ohne Kenntniss dieses Umstandes vielleicht geneigt sein könnte, mir eine etwas ungleiche Berücksichtigung der neuesten Schriften über verwandte Fragen vorzuwerfen. So erhielt ich die Schrift von Oscar Hert- wig: „Zur Theorie der Vererbung", erst nach dem Niederschreiben meiner Arbeit, und ich habe desshalb weniger Bezug auf sie nehmen können, als es sonst wohl geschehen wäre. Auch der Aufsatz von KöUiker über „Die Bedeutung der Zellkerne für die Vorgänge der Vererbung" erschien erst nach Vollendung meines Manuscriptes. Die sachliche Behandlung der betreffenden Fragen ist indessen durch diesen Umstand nicht berührt worden, da ich mich in dem wesentlichsten Punkt, der Bedeutung des Kerns, mit den beiden genannten Forschern in Uebereinstimmung befinde, solche Punkte aber, in denen meine Auffassung nicht mit der ihrigen zusammen- trifft, durch Einschaltungen noch zur Sprache gebracht werden konnten. Freiburg 1. Br., den 16. Juni 1885. Der Verfasser. Weismann, Die Coutiuuitllt des Keimplasmas/ 1 INHALTSÜBERSICHT. Einleitang I, Begriff des Keimplasmas 13 Historische Entwicklung der Ansiclit von der Localisation des lleimplasmas im Ivern 21 Das Idioplasma" Ncägeli's ist nicht identisch "mit meinem „lleimplasma 25 Eine Rückverwandlung von somatischem' Idiopiasma 'zu Keim-ldioplasma findet nicht statt 30 Bestätigung der Bedeutung der Kernsubstanz "durch' Re- generationsversuche von Nu SS bäum und Gr über an In- lusorien ,^2 Das Nucleoplasma verändert sich gesetzmässig während der Ontogenese ° 3g Die von Strasburger angenommene Identität der Tochter- kerne bei der indirekten Kerntheilung kein Postulat der Theorie 34 A-Umälige Abnahme der Complicirtheit der Kernstructiir während der Ontogenese 40 Nägeli 's "Ansicht von den „Anlagen" im Idiopiasma'. '. '. ". '. 41 Wie entstehen Keimzellen aus somatischen Zellen 44 T^-^^'w v^'"!^^ »embryonalen" Zellen im fertigen Organismus 47 Uie Wahrscheinlichkeitsrechnung spricht gegen die Rückverwand- lung somatischen Idioplasmas in Keimplasma 49 Phylogenetische Begründung der Ansicht vom Kreislauf des Idioplasmas durch Näge Ii 52 Die Keimzellen sind phylogenetisch nicht ' am Ende der "Orito"- genese entstanden 53 Sie entstanden am Anfang, später aber traten Verschiebungen ein 57 hiine Continuit.ät der Keimzellen besteht heute meistens nicht mehr 59 Wohl al)er eine Continuität des Keimpläsmäs' . ." ." *.'."! 62 btrasburger's Einwurf gegen meine Annahme von der Ver- sendung des Keimplasmas auf bestimmten Wegen 62 Der Zellkörper kann unverändert bleiben bei Veränderung des Kerns 64 Denkbar, dass allen somatischen Kernen Keimplasma bei- gemengt wäre 65 1 * — 6 — Seite II. Die Bedeutung der Bichtuiigskörperchen 67 Die Eizelle enthält zweierlei Idioplasma, Keimplasma und histo- genes Plasma . . ■ 68 Die Ausstossung der Riclitungskörper bedeutet die Entfernung des histogenen Plasmas 69 Die andern Theorien über die Bedeutung der Richtnngskörper 70 Vorkommen der Richtungskörper 73 Gibt es solche bei den männlichen Keimzellen 75 Zweierlei Kemplasmen auch in der Samenzelle 75 Nachweis von Richtungskörpern bei Pflanzen 79 Morphologische Wurzel der Richtungskörper 80 III. lieber das Wesen der Parthenogenese 83 Gleiche Vorgänge der Eireifang bei parthenogenetischer und sexualer Entwicklung 84 Der Unterschied zwischen parthenogenetischen und Sexual- eiem muss in quantitativen Verhältnissen liegen .... 85 Die Quantität des Keimplasmas im Eikern entscheidet. . . 89 Die Ausstossung der Richtungskörper beruht auf dem Gegen- satz zwischen ovogenen und Keimplasma 90 Die Befruchtung Avirkt nicht dynamisch 91 Ungenügende Menge von Keimplasma führt zum Stillstand der Entwicklung 93 Verhältniss des Kerns zui- Zelle 94 Die Bienen bilden keinen Einwurf gegen meine Theorie ... 95 Strasburger 's Ansicht von ier Parthenogenese 98 Parthenogenese beruht nicht auf besserer Ernährung . . . 101 Die indirekten Ursachen der geschlechtlichen oder par- thenogenetischen Foi'tpflanzung 102 Die direkten Ursachen 105 Erklärung der Bildung von Nährzellen 106 Identität des Keimplasmas in weihlichen und männlichen Keim- zellen III Nachschrift 112 EINLEITUNG. Wenn wir sehen, wie bpi den höheren Organismen sich die kleinsten Einzelheiten des Baues, der körperlichen und geistigen Anlagen von der einen auf die andere Generation vererben, wenn wir bei allen Thier- und Pflanzenarten die tausenderlei charakteristischen Bauverhältnisse unverändert durch lange Generationsreihen hindurch sich fortsetzen, ja sie in manchen Fällen durch eine ganze geologische Periode hin- durch unverändert fortbestehen sehen, so fragen wir wohl mit Recht nach den Ursachen einer so auffallenden Erscheinung, wir fragen, wie Solches möglich ist, wodurch das Individuum im Stande ist, seinen eignen Bau mit solcher Genauigkeit auf die Nachkommen zu übertragen. Und wenn die nächste Ant- wort darauf lautet: eine Zelle aus den Millionen der ver- schiedenartigst dififerenzirten Zellen, welche den Körper zu- sammensetzen, sondert sich als Fortpflanzungszelle ab, löst sich vom Organismus los und besitz't die Fähigkeit, alle Eigen- thümlichkeiten des gesammten Körpers in dem neuen Indivi- duum wieder erstehen zu lassen, welches durch Zelltheilung und complicirteste Diflferenzirung aus ihr hervorwächst, so folgt die präcisere Frage: wie kommt die einzelne Zelle dazu, das Ganze mit .,Portrait-Aehnlichkeit" reproduciren zu können? Die Antwort ist schwer, und manche Versuche, das Räthsel zu lösen, sind gemacht worden; keiner aber hat die — 8 — Lösung gebracht oder kann auch nur als der Anfang einer Lösung, als die sichere Basis betrachtet werden, auf welcher der Zukunft die vollständige Lösung gelingen muss. Weder Häckel's^) Perigenesis der Plastidule, noch Darwin 's 2) Pangenesis kann als eine solche angesehen werden. Die erstere beschäftigt sich eigentlich überhaupt nicht mit dem Theil des Problems, welches hier in den Vordergrund gestellt ist, mit der Erklärung der Thatsache, dass die Vererbungs- tendenzen sich in einzelnen Zellen zusammenfinden, sondern mehr mit der Frage, in welcher Form man sich die Uebertragung einer bestimmten Entwicklungsrichtung in die Fortpflanzungszelle und von dieser weiter auf den daraus hervorgehenden Organismus zu denken habe. Ebenso auch His'^), der die Vererbung mit Häckel als eine Uebertragung bestimmter Bewegungsvorgänge ansieht. D a r w i n ' s Hypothese dagegen nimmt allerdings gerade das Grundproblem in Angriff, begnügt sich aber damit, eine gewissermaassen „provisorische", d. h. eine rein formale Lösung desselben zu geben, die aus- gesprochnermaassen gar nicht den Anspruch macht, die wirk- lichen Vorgänge aufzudecken, vielmehr nur den, alle Er- scheinungen der Vererbung von eine m Gesichtspunkt zu über- sehen. Dieses Ziel hat sie erreicht, und ich glaube, sie hat unbewusst noch mehr geleistet, indem die consequente Durch- führung ihres Princips gezeigt hat, dass die wirklichen Ursachen der Vererbung nicht in einer „Keimchenbildung" von Seiten der Körperzellen, oder in irgendwie verwandten Vorgängen liegen können. Die Un Wahrscheinlichkeiten, zu welchen jede solche Theorie führen muss, sind so gross, dass wir mit Bestimmtheit sagen können: so kann es nicht sein. Auch der durchdachte und geistreiche Versuch von Brooks*), 1) Häckel, „Ueber die Wellenzeugiing der Lebenstheilcben etc." Berlin 1876. 2) Darwin, „Das Variiren der Thiere imd Pflanzen etc." Bd. II. Stuttgart 1873. ^) His, „Unsre Körperform etc." Leipzig 1875. *) Brooks, „The law of beredity". Baltimore 1883. — 9 — die Pangenesis- Theorie uinziigestalten , kami doch auch dem Vorwurf nicht entgehen, dass er mit Möglichkeiten operirt, die man wohl sicher als Unwahrscheinlichkeiten bezeichnen darf. Wenn ich aber auch der Ansicht bin, dass die ganze Gmndlage der Pangenesis - Theorie , mag- sie wie immer um- gestaltet werden, aufgegeben werden muss, so halte ich dennoch ihre Aufstellung für ein Verdienst, für einen jener Umwege, welche die Wissenschaft machen musste, um zur Wahrheit zu gelangen. Sie ist das letzte Aufleuchten jener ältesten Vererbungstheorie des Demokrit, nach welcher der Same von den sämmtlichen Theilen der Körper beider Zeugen- den ausgeschieden und belebt wird durch eine körperliehe Kraft, nach welcher der Same jedes Körpertheils diesen Theil wiedererzeugt ^). Wenn es nun aber nach unsern heutigen physiologischen und morphologischen Vorstellungen undenkbar ist, dass von jeder Zelle des Organismus „Keimchen" abgegeben werden, die sich zu jeder Zeit überall im Körper finden, sich in den Geschlechtszellen ansammeln, und die nun die Fähigkeit besitzen, in bestimmter Reihenfolge wieder zu den verschie- denen Zellen des Organismus zu werden, so dass jede Ge- schlechtszelle ein Abbild des elterlichen Körpers zu liefern im Stande ist, so fragt es sich, in welch andrer Weise man eine Gnmdlage für die Begreiflichkeit der Vererbung schaffen kann. Ich habe es hier nicht mit der ganzen Vererbungs- 1) Die Gal ton 'sehen Transfusions - Versuche an Kaninchen haben inzwischen den förmlichen Beweis geliefert, dass Darwin's Keimchen nicht in Wirklichkeit existiren. Roth meint zwar, dass Darwin ja nie behauptet habe, dass seine „Keimchen die Blutbahn benutzen", allein es lässt sich einerseits nicht absehen, wai'um — da sie ja doch fortwährend durch den Körper kreisen sollen — sie die günstige Gelegenheit der Blutbahn nicht benutzen sollten, und andrerseits lässt sich auch nicht einsehen, wie sie es anfangen sollten, um die Blutbahn zu vermeiden. Darwin hat sehr weise gehandelt, wenn er sich auf nähere Einzelheiten über die Bahnen, in welchen seine Keimchen kreisen, gar nicht einliess. Er gab seine Hypothese als ein formales Erklärungsprincip , nicht als ein reales. — 10 — frage zu thim, sondern immer nur mit der einen, aber fundamentalen Frage: wie kommt eine einzelne Zelle des Körpers dazu, die sämmtlichen Vererbungstendenzen des ge- sammten Organismus in sich zu vereinigen? Die weitere Frage, durch welche Kräfte, welchen Mechanismus diese Tendenzen beim Aufbau des neuen Organismus zur Entfal- tung kommen, lasse ich hier ganz aus dem Spiel. Aus diesem Grunde sehe ich auch zunächst noch ganz von den Ansichten Nägeli's ab, die in letzter Beziehung ohne Zweifel eine hohe Bedeutung beanspruchen können, während sie jene Fundamentalfrage nur leicht berühren, wie später zu zeigen sein wird. Wenn es nun nicht möglich ist, dass die Keimzelle ge- wissermaassen ein „Extract des ganzen Körpers ist", dass die sämmtlichen Zellen des Organismus Theilchen den Keim- zellen zusenden, durch die dieselben ihre Vererbungskraft erlangen, so gibt es, wie mir scheint, überhaupt nur noch zwei physiologisch denkbare Möglichkeiten, wie Keimzellen von solchen Eigenschaften, wie wir sie an ihnen kennen, ent- stehen könnten; entweder die Substanz der elterlichen Keim- zelle besitzt die Fähigkeit, einen Kreislauf von Verändemngen durchzumachen, welche durch den Aufbau des neuen Indivi- duums hindurch wieder zu identischen Keimzellen führt, oder dieKeimzellen entstehenin ihrer wesentlichen und be- vStimmenden Substanz überhaupt nicht aus dem Körper des Individuums, sondern direkt aus der elter- lichen Keimzelle. Ich halte die letztere Ansicht für die richtige, habe sie seit einer Reihe von Jahren aufgestellt und in verschiedenen Schriften zu vertheidigen und weiter zu führen versucht; ich möchte sie als die Theorie von der „Continuität des Keiraplasmas" bezeichnen, da sie auf der Vorstellung beruht, dass die Vererbung dadurch zu Stande kommt, dass ein Stoff von bestimmter chemischer und besonders molekü- larer Beschaffenheit von einer Generation auf die andere sich überträgt. Ich nannte diesen Stoff „Keimplasma", schrieb — 11 — ihm eine überaus complicivte feinste Structur zu als Ursache seiner Fähigkeit, sich zu einem complicirten Organismus zu entwickeln, und suchte die Vererbung dadurch zu erklären, dass bei jeder Ontogenese ein Theil des specifischen „Keim- plasmas", welches die elterliche Eizelle enthält, nicht ver- braucht wird beim Aufbau des kindlichen Organismus, sondern unverändert reserwt bleibt für die Bildung der Keimzellen der folgenden Generation. Es ist klar, dass diese Vorstellung von der Entstehung der Keimzellen die Erscheinung der Vererbung sehr einfach insoweit erklärt, als sie dieselbe auf Wachsthum zurückführt, auf die Grunderscheinung alles Lebens, auf die Assimilation. Sobald die Keimzellen der aufeinander folgenden Generationen in direkter unmittelbarer Continuität stehen, also gewisser- maassen nur verschiedne Stücke derselben Substanz sind, müssen oder können sie auch dieselbe Molekülarstructur besitzen und werden deshalb unter bestimmten Entwicklungs- bedingungen auch genau dieselben Stadien durchlaufen, das- selbe Endprodukt liefern müssen. Die Annahme einer Continuität des Keimplasmas, indem sie einen identischen Ausgangspunkt für die aus einander hervorgehenden Genera- tionen herstellt, erklärt somit, warum aus ihnen allen ein identisches Produkt hervorgeht, mit andern Worten, sie erklärt die Vererbung bis zu dem Räthsel der Assimilation und der unmittelbar bewirkenden Ursachen der Ontogenese herab, sie schafft also den Boden, von welchem aus die Erklärung dieser Erscheinungen in Angriff genommen werden kann. Allerdings stellen sich aber dieser Theorie auch Schwierig- keiten in den Weg, insofern sie nämlich nicht im Stande zu sein scheint, einer gewissen Klasse von Erscheinungen gerecht zu werden: der Vererbung der sog. erworbenen Abände- rungen. Ich habe deshalb gleich in meiner ersten Schrift über Vererbung ^) diesen Punkt speciell ins Auge gefasst und glaube wenigstens so viel gezeigt zu haben, dass die bis dahin 1) Aufsatz II. — 12 — allgemein angenommeue Vererbung „erworbener" Charaktere nichts weniger als erwiesen ist, dass ganze grosse Klassen von Thatsachen, die man so gedeutet hat, ebenso gut audei-s gedeutet werden können und in vielen Fällen müssen, und dass keine Thatsache — bisher wenigstens — bekannt geworden ist, die in unlöslichem Widerspruch mit der An- nahme einer Continuität des Keimplasmas stünde. Ich sehe auch heute noch keinen Grund, von dieser Meinung abzu- weichen, und habe keinen Einwurf kennen gelernt, den ich für stichhaltig ansehen müsste. E. Koth^) hat mir entgegengehalten, dass „auf dem Gebiet der Pathologie uns auf Schritt und Tritt die That- sache entgegentrete, dass erworbene locale Krankheiten als Dispositionen auf die Nachkommen vererbt werden können" ; allein alle derartigen Fälle leiden an dem schweren Mangel, dass eben gerade der Punkt, auf welchen es in erster Linie ankommt, nicht erweisbar ist — die Annahme nämlich, dass in dem betreffenden Fall wirklich eine „erworbene" Anlage vorliegt. Es ist zwar nicht meine Absicht, hier näher auf die Frage der „erworbenen" Charaktere einzugehen, ich hoffe dies später in ausführlicher Weise thun zu können, aber darauf möchte ich doch hinweisen, dass man sich vor Allem klar machen muss, was eigentlich der Ausdruck „erworbener Charakter" bedeutet. Ein Organismus kann Nichts erwerben, als wozu die Disposition schon in ihm liegt ^ erworbene Charaktere sind also nichts Anderes, als locale oder auch allgemeine Variationen, die durch bestimmte äussere Einflüsse erzeugt sind. Wenn durch lange fortgesetztes Hantiren mit dem Gewehr der sog. „Exercierknochen" entsteht, so beruht dies doch darauf, dass dieser wie jeder Knochen die Prädis- position in sich trägt, auf bestimmte mechanische Reize mit Wachsthum in bestimmter Richtung und bestimmtem Maasse zu antworten; die Prädisposition zum Exercierknochen ist ^) E. Roth, „Die Thatsachen der Vererbung". 2. Aufl. Berlin 1885. p. 14. — 13 — also vorhaudeu, sonst könnte er sich nicht bilden, und genau ebenso ist es mit allen andern „erworbenen Eigenschaften". Es kann Nichts an einem Organismus entstehen, was nicht als Disposition in ihm vorhanden gewesen wäre, denn jede „erworbene" Eigenschaft ist Nichts als die R e actio n des Organismus auf einen bestimmten Reiz. Es ist mir deshalb auch niemals eingefallen, die Vererbung von Trädispositionen zu leugnen, wie E. Roth zu glauben scheint. Ich gebe vollkommen zu, dass z. B. die Prädisposition zum Exercierknochen verschieden gross ist, und dass eine grosse Prädispositiou vom Vater auf den Sohn vererbt werden kann, einfach als eine empfindlichere Constitution des Knochen- gewebes ? aber ich bestreite, dass der Sohn einen Exercier- knochen bekommt, ohne exerciert zu haben, oder dass er ihn auch nur leichter durch Exercieren bekommt, als der Vater, deshalb, weil dieser ihn durch Exercieren zuerst „erworben" hat. Ich glaube, dass dies ebenso wenig der Fall sein kann, als dass das Blatt einer Eiche eine Galle erzeugt, ohne von einer Gallwespe angestochen zu sein, obwohl doch schon lausende von Eichen- Generationen von Gallwespen angestochen wurden und diese Eigenschaft, Gallen zu produciren, „er- worben" haben. Ich bin auch weit entfernt zu behaupten, dass das Keimplasma, welches meiner Ansicht nach als Träger der Vererbung von einer Generation auf die andere übergeht, absolut unveränderlich wäre, oder gänzlich unempfindlich l| gegen die Einflüsse, welche von dem Organismus ausgehen, in dem es sich zu Keimzellen ausgestaltet. Ich habe vielmehr zugegeben, dass ein verändernder Einfluss der Organismen auf ihre Keimzellen denkbar, ja bis zu einem gewissen Grad sogar unvermeidlich ist. Ernährung und Wachsthum des In- dividuums werden gewiss einen Einfluss auf die in ihm ent- haltenen Keime ausüben, aber erstens einen ungemein geringen und zweitens nicht in der Weise, wie man es sich gewöhn- lich denkt. Eine „Wachsthumsänderung an der Peripherie", z. B. der Exercierknochen, wird niemals eine solche Aenderung in der Molekülarstructur des Keimplasmas hervorrufen, dass — 14 — die Disposition zum Exercierknochen sich erhöhte, dass also der Sohn eine erhöhte Empfindlichkeit seiner Knochen, oder gar des betreffenden einen Knochens ererbte, sondern so, dass die Keimzelle etwaige, durch die „Wachsthumsänderuug an der Peripherie" hervorgerufene Ernährungsänderungen mit irgend einer Aenderung in der Grösse, Zahl oder vielleicht auch Anordnung ihrer Molekular - Elemente beantwortete. Ob das Letztere überhaupt der Fall sein kann, lässt sich heute noch mit Recht anzweifeln, jedenfalls aber — wenn es sein kann — hat die Qualität der Veränderung des Keim- plasmas Nichts zu thun mit der Qualität des „erworbenen Charakters", sondern nur mit dessen Beeinflussung der all- gemeinen Ernährungsverhältnisse. Im Fall des Exercier- knochens würde z. B. die allgemeine Ernährungsänderung gleich Null sein; wäre aber der betreffende Knochenauswuchs im Stande, die Grösse eines Carcinoms zu erreichen, so wäre eine Störung der Allgemeinernährung des Körpers und mög- licherweise auch ein Einfluss auf die Keimzellen denkbar. Dass aber auch dann dieser Einfluss ausserordentlich gering sein muss, ja, dass er möglicherweise die Molekülai-structur des Keimplasmas gar nicht berührt, das zeigt uns eben die ungemeine Strenge der Vererbung und das Experiment an Pflanzen, welche nach Nägeli Generationen hindurch stark A'er- änderten Ernährungsbedingungen unterworfen werden können, ohne doch irgend eine sichtbare, erbliche Veränderang zu erleiden. Es ist also bis jetzt noch nicht einmal erwiesen, dass Ernährungsänderungen auch Aenderungen in der Mole- külarstructur ^) des Keimplasmas erzeugen können, geschweige denn, dass irgendwie auch nur wahrscheinlich gemaclit werden könnte, dass „erworbene" Abänderungen, die keinen Einfluss auf die Allgemeinernährung haben, sich in den Keimzellen geltend machen könnten. Wenn mau aber erwägt, dass jede 1) Ich lasse diesen Ausdruck stehen, obgleich ich heute daftir lieber einfach „Zusammensetzung", oder auch ,. Architektur" des Keimplasmas sagen würde. W. 1892. — 15 — sog. „Disposition" eines Organismus, d. h. also jede Fähigkeit desselben oder eines seiner Theile, auf bestimmte Reize m bestimmter Weise zu antworten, angeboren sein muss, und wdter, dass jede „erworbene" Eigenschaft nur eben die Reacüon eines irgendwie disponirten Theils au eine äussere Einvvirkuno- sein kann, so wird man zugeben, dass von dem was eine ^erworbene" Eigenschaft entstehen lässt, nur das vererbt werden kann, was vorher schon da war, namlich die , Disposition dazu; dass diese aber aus dem Keim hervc^geht und es somit für die folgende Generation ganz gleichgumg ist ob die Disposition zur Entfaltung kommt oder nicht Die Continuität des Keimplasmas genügt vollkommen zur Erklärung dieser Erscheinung. , Ich glaube desshalb nicht, dass von Seiten der thatsaeh- lich beobachteten Vererbungserscheinungen meiner Hypothese ein begründeter Einwurf gemacht werden kann. Nimmt man sie an' so erscheint dadurch Manches in anderem Licht als unter der bisherigen Voraussetzung, der Organismus erzeuge die Keimzellen stets wieder von Neuem und allem aus sich selbst heraus. Die Keimzellen erscheinen jetzt nicht mehr als das Produkt des Körpers, wenigstens nicht in ihrem wesent- lichsten Theil, dem specifischen Keimplasma, sie erscheinen vielmehr als etwas der Gesammtheit der Körperzellen Gegen- überzustellendes, und die Keimzellen aufeinander folgender Generationen verhalten sich ähnlich, wie eine Generations- folge von Einzelligen, welche durch fortgesetzte Zweitheilung auseinander hervorgehen. Allerdings gehen die Generationen der Keimzellen meistens nicht schon als vollständige Zellen auseinander hervor, sondern nur als minimale Theilchen von Keimplasma, aber dieses bildet eben doch die Grundlage der Keimzellen der folgenden Generation, das Bestimmende welches denselben ihren specifischen Charakter aufdruckt. Schon vor mir haben G. Jäger ^), Räuber und M. Nuss- 1) Jäger, „Lehrbuch der allgemeinen Zoologie". Leipzig 1878. Bd. IL - 16 — bäum 1) Gedanken über Vererbung geäussert, die den meiuigeu sehr nahe stehen. Sie gingen von der Vorstellung aus, dass ein direkter Zusammenhang zwischen den Keimzellen aufeinander folgender Generationen bestehen müsste, und suchten diesen durch die Annahme herzustellen, dass die kindlichen Keimzellen sich schon, gleich zu Beginn der Em- bryonalentwicklung oder doch jedenfalls noch vor jeder histo- logischen Differenzirung von der elterlichen Keimzelle ablösten. In dieser Form aber lässt sich die Ansicht nicht halten, sie widerspricht zahlreichen Thatsachen; eine Continuität der Keimzellen findet heute nur noch in den allerseltensten Fällen statt, das hindert aber nicht, eine Continuität des Keim pl asm as anzunehmen, und für eine solche lassen sich noch weitere und gewichtige Belege beibringen. Ich will versuchen, die soeben in kurzer Zusammenfassung gegebene Theorie in Folgendem weiter zu führen, sie gegen Einwände zu vertheidigen , welche ihr gemacht sind, und neue Folge- rungen aus ihr zu ziehen, welche vielleicht im Stande sind, bekannte, aber unverstandene Thatsachen unserer Erkenntniss näher zu bringen. Jedenfalls — so scheint es mir — ver- dient diese Theorie von der Continuität des Keimplasmas nach allen Richtungen verfolgt und durchgedacht zu werden, denn sie ist die einfachste und nächstliegende, und man wird erst dann berechtigt sein, sie zu verlassen und zu einer complicirteren zu greifen, wenn ihre Unhaltbarkeit sich er- wiesen haben sollte. Sie setzt Nichts voraus als Vorgänge, die, wie die Assimilation oder die Entwicklung gleicher Or- ganismen aus gleichen Keimen, sich zwar noch nicht verstehen, wohl aber täglich beobachten lassen, während jede andere Vererbungstheorie Hypothesen zu Grunde legen nmss, die unbeweisbar sind. Es könnte nun freilich trotzdem sein, dass eine Continuität des Keimplasmas nicht in der Weise vor- handen ist, wie ich es mir vorstelle, denn Niemand kann ^) M. Nussbaum, „Die Differenzirung des Geschlechts im Thier- reich". Arch. f.. miivros. Anat., Bd. XVIII, 1880. — 17 — heute schon sagen, ob alle bekannten Thatsachen mit ihr stimmen und in ihr ihre Erklärung finden. Auch bringt ja die rastlose Forschung jeden Tag neue Thatsachen, und ich bin weit entfernt zu behaupten, dass diese nicht eine Wider- legung meiner Anschauung enthalten könnten. Sollte aber auch diese Theorie später wieder verlassen werden müssen, so scheint sie mir doch für jetzt als ein nothwendiger Durch- gangspunkt unserer Erkenntniss, sie musste aufgestellt und sie muss durchgearbeitet werden, mag die Zukunft sie nun als richtig oder als falsch erweisen. In diesem Sinne habe ich die folgenden Erwägungen angestellt, und in diesem möchte ich, dass sie gelesen würden. 1. DAS „KEIMPLASMA". Zunächst wäre der Begriff des „Keimplasmas" genauer zu präcisiren. Ich habe in meinen bisherigen Schriften, die dieses Thema berührten, nur einfach von „Keimplasma" gesprochen, ohne mich näher darüber auszulassen, in welchem Theil der Zelle dieser Träger der specifischen Natur der Art und des Indivi- duums zu suchen sei. Einestheils genügte dies für den be- absichtigten Gedankengang, anderntheils schienen mir zu einer genaueren Präcisirung die bekannten Thatsachen noch zu un- vollständig. Ich stellte mir unter Keimplasma diejenige Parthie einer Keimzelle vor, deren chemisch-physikalische Beschaffen- heit einschliesslich ihrer Molekül arstructur ihr die Fähigkeit verleiht, unter bestimmten Verhältnissen zu einem neuen In- dividuum derselben Art zu werden, also eine solche Substanz, wie sie Nägeli^) kurze Zeit darauf als Idioplasma bezeichnete und in bewunderungswürdiger Weise dem Verstäudniss näher zu bringen suchte. Wohl hätte man damals schon mit einiger Wahrscheinlichkeit in der organisirten Kernsubstanz den Träger der Vererbungserscheinungen vermuthen können, aber ^) Nag eil, „Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammiings- lehre". München und Leipzig 1884. — 19 — irgend welche Sicherheit darüber fehlte doch noch. 0. Hert- wig^) und Fol^) hatten gezeigt, dass der Befruchtungsprocess mit einer Kerncopiilation einhergeht, und Hertwig hatte sogar schon bestimmt ausgesprochen, „die Befruchtung beruhe allgemein auf der Copulation zweier Kerne", allein die Mit- wirkung des Zellkörpers der beiden Keimzellen war doch um so weniger ganz auszuschliessen, als in allen den beobachteten Fällen die Samenzelle sehr klein und in der Form eines Spennatozoons gestaltet war, so dass sich nicht bestimmt er- kennen Hess, wieviel von ihrem Zellkörper mit dem weiblichen Eikörper verschmilzt, und in welcher Weise dies geschieht. Ohnehin war es ja längere Zeit hindurch sehr zweifelhaft, ob die Spermatozoen überhaupt ächte Kernsubstanz enthalten, und Fol sah sich desshalb noch 1879 zu dem Schluss gedrängt, dass dieselben nur aus Zellsubstanz mit Ausschluss von Kern- substauz bestünden. Im nächsten Jahr folgten dann meine Angaben über die Samenzellen der Daphniden, welche wohl geeignet gewesen wären, jeden Zweifel an der Zellennatur und dem Besitz eines völlig normalen Kerns der Samenkörper zu beseitigen, hätte man ihnen von Seiten der Samen -Histo- logen einige Aufmerksamkeit geschenkt^). In demselben Jahr 1880 fasste Balfour die Thatsachen folgendermaassen zusammen: „Der Befruchtungsakt lässt sich also darstellen als eine Verschmelzung des Eies und des Spermatozoons, und der wichtigste Zug an diesem Akte 1) 0. Hertwig, „Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies". Leipzig 1876. 2) Fol, „Recherches sur la föcondation etc." Geneve 1879. Wie schon früher, so auch in seiner neuesten Publikation erkLärt Kölliker die „Samenfäden" für blosse Kerne. Zugleich erkennt er aber auch die Existenz von Samenzellen bei gewissen Arten an. Die Beweise für die erstere Behauptung müssten indessen wohl erheblich stärkere sein, sollten sie genügen, um eine in sich so unwahrscheinliche Hypothese zu stützen, wie die ist, dass der morphologische Werth der Befruchtungs- elemente ein verschiedener sein könne ; vergl. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 42. Weismann, Dio Contiuuität des Keimplasmns. 2 — 20 — scheint die Vereinigung eines, männliehen und eines weiblichen Kernes zu sein" ^). Allerdings hatte Calberla an dem Ei der Neunaujien direkt gesehen, dass der Schwanz des Spermatozoons nicht mit in das Ei eindringt, sondern im Mikropylenkanal der Ei- haut stecken bleibt; allein der Kopf und „ein Theil des Mittelstücks", welche die Befruchtung bewirken, enthalten jedenfalls doch nicht blos Kernsubstanz, sondern auch etwas vom Zellkörper, und wenn die Menge von Zellsubstanz, welche damit ins Ei gelaugt, auch sehr gering sein musste, so konnte sie doch zur Uebertragung der Vererbungstendenzen voll- kommen genügen. Denn mit vollem Recht haben später N ä g e 1 i und P f 1 ü g e r geltend gemacht, dass die Menge dieser Vererbungssubstanz sehr klein sein muss, weil die gleich starke Vererbung vom Vater wie von der Mutter aus zu der Annahme zwingen, dass sie nahezu gleich ist bei der weiblichen und männlichen Keimzelle. Ich selbst war — ohne mich übrigens öffentlich darüber auszusprechen — besonders desshalb geneigt, auch der Zell- substanz eine grössere Bedeutung beim Befruchtungsprocess zuzuschreiben, weil mich meine Untersuchungen an Daphniden gelehrt hatten, dass eine Thierart grosse Samenzellen mit mächtigem Zellkörper hervorbringt, sobald die Oekonomie ihres Organisnms dies erlaubt. Alle Daphniden mit innerer Be- fruchtung, deren Samenzellen unmittelbar auf das zu befrach- tende Ei entleert werden, bringen solche grosse Samenzellen in geringer Zahl hervor (Sida, Polyphemus, Bythotrephes), während alle Arten mit äusserer Befrachtung (Daphninae, Lynceinae) sehr kleine Samenzellen besitzen, dafür aber un- geheure Massen davon produciren, so dass dadurch die geringe Aussicht der einzelnen Zelle, ein Ei zu erreichen, ausgeglichen wird. Es werden also um so mehr Samenzellen hervor- gebracht, je geringer die Aussicht der einzelneu Zelle ist, das ^) Bai f Our, Handbuch der vergleichenden Embryologie, deutsch von Vetter, Bd. I, p. 81. - 21 — Ziel, die Eizelle, zu erreichen, und die Folge der Vermehrang der Samenzelle ist ihre Verkleinerung. Warum aber mussten die Samenzellen der Arten mit sicherer Befruchtung so gross bleiben, oder es werden? Der Gedanke, dass irgend ein Vor- theil dadurch erreicht werde, der bei den andern aufgegeben werden musste, lag nahe, wenn ein solcher auch möglicher- weise nur in einer grösseren Begünstigung der Entwicklung des befruchteten Eies, nicht in einer Vermehrung der eigent- lich befruchtenden Substanz vermuthet werden konnte. Jetzt wird man freilich geneigt sein, diesen Vortheil in noch mehr secundären Verhältnissen zu erblicken, allein damals war mau durch die vorliegenden Thatsachen noch nicht berechtigt, die Befruchtung nur als Kerncopulation zu bezeichnen, und M. Nussbaum') gab ganz richtig den Stand unsres Wissens wieder, wenn er den Befruchtungsakt „in der Vereinigung der identischen Theile zweier homologer Zellen" erblickte. Die erste Thatsache, welche bestimmt darauf hinwies, dass der Zellkörper der Keimzellen keinen Antheil an der Uebertragung der Vererbungstendenzen hat, war die von Pflüger gemachte Entdeckung der „Isotropie" des Eies. Pflüger zeigte, dass die ersten Furchungserscheinungen an verschiednen Theilen des Eikörpers hervorgerafen werden können, wenn man das Ei dauernd aus seiner natür- lichen Lage bringt. Es war damit der wichtige Beweis ge- liefert, dass der Zellkörper des Eies aus gleichartigen Theilen besteht, dass nicht bestimmte Theile oder Organe des Embryos in bestimmten Theilen des Eikörpers potentia enthalten sind, so dass sie nur aus dieser und nicht aus irgend einer andern Portion des Eies hervorgehen könnten. Pflüger irrte nun allerdings in der weiteren Deutung dieses Ergebnisses, wenn er daraus schloss, dass „das befruchtete Ei gar keine wesent- liche Beziehung zu der späteren Organisation des Thieres" besitze, und dass es nur die Wiederkehr „derselben äusseren Bedingungen" sei, welche es mit sich bringe, „dass aus dem 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 23, p. 182, 1884. 2* — 22 — Keime immer dasselbe entsteht". Es war zunächst die Schwer- kraft, deren Einfluss er für den Aufbau des Embryos für be- stimmend hielt; er übersah, dass die Thatsache der Isotropie nur auf den Eikörper bezogen werden durfte, dass aber ausser dem Zellkörper des Eies noch der Zellkern da ist. Die Möglichkeit eines entscheidenden Einflusses des Zellkerns war ausser Acht geblieben. Erst Born ^) wies nach, dass bei Eiern, die sich in Zwangslage befinden, eine Verlagerung des Kerns eintritt und deutete darauf hin, dass im Kern das richtende und in erster Linie bestimmende Princip für die Embryonalbildung liegen müsse, und Roux^) zeigte, dass auch bei Aufhebung der Wirkung der Schwere die Entwick- lung völlig normal verläuft und schloss daraus, dass das „befruchtete Ei alle zur normalen Entwicklung nöthigen ge- staltenden Kräfte in sich selber trägt". 0. Hertwig^) end- lich stellte durch Beobachtungen an Seeigel -Eiern fest, dass bei diesen die Schwerkraft gar keine richtende Wirkung auf die Zelltheilung ausübt, dass aber die Stellung der ersten Kernspindel darüber entscheidet, „in welcher Richtimg später die Eikugel durch die Furchungsebene halbirt wird". Damit war freilich immer noch nicht erwiesen, dass die Befruchtung lediglich eine Kerncopulation sei. Einen weiteren und bedeutenden Schritt vorwäiis führten erst die Beobachtungen E. van Beneden's*) über die Be- frachtung von Ascaris megalocephala. Auch sie schlössen zwar nicht, ebenso wenig wie die kurz vorhergegangenen Unter- suchungen Nussbaum's^) über dasselbe Object, eine An- theilnahme des Zellkörpers der Samenzelle an dem eigentlichen 1) Born, „Biol. Untersuch.« I, Arch. miki-. Anat., Bd. 24. ^) Koux, „Beiträge z. Entwicklungsmech. des Embryo". 1884. 8) 0. Hertwig, „Welchen Einfluss übt die Schwerkraft" etc.? Jena 1884. *) E. van Beneden, „Recherches sui- la maturation de l'oeuf", etc. 1883. ^) M. Nussbaum, „Ueber die Veränderung der Geschlechtsprodiikte bis zur Eifurchung". Aixh. mikr. Anat. 1884. — 23 — Befnichtiingsvorgang geradezu aus, aber die Thatsache, dass die Kerne von Ei- und Samenzelle nicht etwa regellos mit einander verschmelzen, sondern dass ihre Kernschleifen sich zu zwei und zwei regelmässig einander gegenüberlagern und so einen neuen Kern, den Furchungskern , bilden, gaben doch einen weiteren deutlichen Hinweis darauf, dass die orga- nisirte Kernsubstanz der alleinige Träger der Vererbungs- tendenzen ist, dass also in derThat die Befruchtung auf einer Kernverbindung beruhe. Van Beneden selbst zog freilich diese Consequenzen nichts er war beherrscht von der Idee, dass die Befruchtung auf der Vereinigung zweier sexuell dilferenzirter Kerne, oder vielmehr Halbkerne beruhe, des Pronucleus femelle und des Pronucleus male, dass auf diese Weise erst ein wirklicher, voller Ganzkern entstehe, der nun natürlich zwittriger Natur sein musste, und dass im Verlauf der weiteren Ontogenese das Wesentliche darin bestehe, dass bei jeder weiteren Kern- und Zelltheilung sich diese zwittrige Natur des Kerns erhalte durch Theilung der Kernschleifen des Mutterkerns in der Längsrichtung, also durch gleichmässige Vertheilung der männlichen und weiblichen Kernschleifen auf die beiden Tochterkerne. Van Beneden hat aber un- zweifelhaft das grosse Verdienst, die thatsächliche Basis ge- liefert zu haben, auf welcher sich eine wissenschaftliche Theorie der Vererbung aufbauen liess; man brauchte blos anstatt männlicher und weiblicher Vorkern zu sagen : Kernsubstanz des mütterlichen und des väterlichen Indivi- duums, so war die richtige Basis für ein weiteres Vordringen gefunden. Diesen Schritt that Strasburger, indem er zu- gleich einen Fall nachwies, in welchem nur der Kern der männlichen Keimzelle bis zur Eizelle gelangt, nicht aber auch ihr Zellkörper. Es glückte ihm, den lange Zeit räthselhaft gebliebenen Befruchtungsprocess der Phaneroganien aufzu- klären und nachzuweisen, dass der Kern der Samenzelle (des Pollenschlauchs) in den „Embryosack" eindringt, um sich dort mit dem Kern der Eizelle zu conjugiren; er gewann aber zu- gleich die Ueberzeugung, dass der Zellkörper der Samen- - 24 — zelle nicht in den „Embryosack" mit überwandert, so dass also die Befruchtung hier wirklich nur auf Kerncopulation beruhen kann^). Somit kann also nur die Kernsubstanz Träger der Vererbungstendenzen sein, und die von van Beneden bei Ascaris gefundenen Thatsachen machen es sehr anschaulich, wie diese Kernsubstanz nicht nur die Wachsthumstendenzen der Eltern, sondern zugleich die einer überaus grossen Zahl von Vorfahren mit enthalten können. Jeder der beiden Kerne, welche sich bei der Befruchtung vereinigen, muss das Keim- Nucleoplasma der beiden Eltern mit enthalten, von welchen diese Generation abstammt, dieses aber enthielt und enthält noch das Nucleoplasma der grosselterlichen Keimzellen, sowie das der Urgrosseltern und so fort. Und zwar muss das Nucleo- plasma der verschiedenen Generationen nach Maassgabe ihrer zeitlichen Entfernung in immer geringerem Verhältniss darin enthalten sein nach derselben Rechnung, welche die Züchter bisher bei der Kreuzung von Rassen anwandten, um den Bruchtheil edeln „Blutes" zu bestimmen, der in irgend einem Nachkommen enthalten sei; während das Keimplasma des Vaters oder der Mutter die Hälfte des kindlichen Keimzelleu- kerns ausmacht, beträgt das des Grossvaters darin nur V*, das der zehnten Generation rückwärts nur V1024 u. s. w.^). Dennoch kann letzteres sich bei dem Aufbau des kindlichen Organismus noch recht wohl geltend machen, ja die Er- scheinungen des Rückschlags beweisen, dass das Keimplasma von Vorfahren, die Tausende von Generationen zurückliegen, 1) Eduard Strasburger, „Neue Untersuchungen über den Be- fruchtungsvorgang bei den Phanerogamen als Grundlage fiir eine Theorie der Zeugung". Jena 1884. ^) Diese Rechnungsweise, so allgemein sie auch angenommen wird, ist nicht richtig, wie besonders aus dem letzten dieser Aufsätze hervor- gehen wird; die Vererbungssubstanz der Eltern ist allerdings zu gleichen Theilen in der Eizelle des Kindes enthalten, nicht aber diejenigen der weiter zurückliegenden Vorfahren. Für die hier angestellten Betrach- tungen ist dies aber ohne Bedeutung. W. 1892. — 25 — sich gelegentlich wieder geltend machen kann, indem plötzlich längst verlorene Charaktere wieder zu Tage kommen. Wenn wir auch noch nicht genauer zu sagen im Stande sind, durch welche Einzelvorgänge dies geschieht und unter welchen Um- stünden es geschehen muss, so sehen wir doch jetzt wenigstens im Allgemeinen ein, wie es iiberhaupt möglich ist, da ja^auch eine sehr geringe Menge eines specifischen Keimplasmas die bestimmte Tendenz zum Aufbau eines bestimmten Organismus enthält und sie zur Geltung bringen muss, sobald dasselbe aus irgend einem Grunde vor den andern in den Kernen ent- haltenen Plasmaarten in der Ernährung bevorzugt wird. Es wird sich dann stärker vermehren als diese andern, und es darf wohl angenommen werden, dass das Ueberwiegen einer Kernplasma -Art, derMassenach, auch seine Herrschaft über den Zellkörper bedingt. In ähnlicher Weise hat schon Strasburger, gestützt auf van Beneden 's Beobachtungen, aber im Gegensatz zu dessen Auffassung den Vererbungsvorgang entwickelt, und ich schhesse mich insoweit seiner Ansicht an. Das Wesen der Vererbung beruht auf- der Uebertragung einer Kernsubstanz von specifischer Molekttlar^ structur; das specifische Nucleoplasma der Keimzelle ist das, was ich bisher „Keimplasma" nannte. Zu diesem Schluss ist auch 0. Hertwig^) gelangt, der ja schon von früher her den wesentlichsten Theil des Befruch- tungsvorgangs in der Kerncopulation gesehen hatte, und der nun durch die soeben kurz vorgeführten, inzwischen neu an- gesammelten Thatsachen seine alte Ansicht erwiesen glaubt. So vollkommen ich aber auch in diesem Hauptpunkt mit ihm übereinstimme, so kann ich doch nicht gleicher Meinung sein, wenn er den von Nägeli geschaffenen Begrift des „Idioplasmas" mit dem Kernplasma der Keimzelle iden- tificirt. Gewiss fällt dieses „Keimplasma" — wenn ich den ') 0. Ilertwig, „Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies". Jena 188-5. — 26 — Ausdrack der Kürze halber beibehalten darf — unter den Begriff des Nägel i'schen Idioplasmas. Nägel i ist sogar bei der Bildung desselben von den Keimzellen ausgegangen, allein sein Idioplasma, wenn wir es als Kernplasma auffassen, ist keineswegs blos das Kernplasma der Keimzelle, sondern es umfasst auch die Kernplasmen aller Zellen des gesammten Organismus; erst die Gesammtheit aller dieser Kernplasmen macht das Idioplasma Nägeli's aus. Das Idioplasma bildet nach Nägeli ein Netz, welches sich durch den ganzen Körper hin erstreckt und eben die specifische, das Wesen desselben bestimmende molekulare Grundlage darstellt. "Wenn nun auch der letztere und all- gemeinere Theil dieser Vorstellung gewiss richtig ist, und wenn es sicherlich als eine bedeutende That bezeichnet werden darf, den Begriff des Idioplasmas in diesem allgemeinen Sinn als die bestimmende molekülare Grundlage des Organismus im Gegensatz gegen das „Nährplasma" zuerst aufgestellt zu haben, so wird man doch die speciellere Ausfüln-uug, in welcher sich Nägeli sein Idioplasma dachte, schon heute nicht mehr festhalten können. Vor Allem bildet dasselbe kein unmittelbar zusammenhängendes Netzwerk durch den ganzen Körper hindurch, und dann ist es überhaupt nicht eine einzige Substanz von gleicher Beschaffenheit, die den ganzen Organismus durchsetzt, sondern jede besondere Zellenart des Körpers muss ihr specifisches, das Wesen dei-selben be- stimmendes Idioplasma oder Kernplasma enthalten; es gibt also in jedem Organismus eine Menge verschiedner Idioplasmaarten. Insoweit also wäre es ganz gerechtfertigt, das Idioplasma allgemein als Kernplasma zu bezeichnen und umgekehrt das bestimmende Kernplasma jeder beliebigen Zelle als Idioplasma. Dass die ersterwähnte Vorstellung, das Idioplasma bilde ein zusammenhängendes Netzwerk durch den ganzen Organis- mus, nicht haltbar ist, ergibt sich von selbst, sobald dasselbe in den Kernen und nicht im Zellkörper seinen Sitz hat. Möchten auch überall die Zellkörper durcli feine Ausläufer — 27 — zusammenhängen, wie dies von Leydig und Heitzmann für manche thierisehe, von den Botanikern für manche pflanz- liche Zellen nachgewiesen ist, so würden dieselben doch kein Idioplasmanetz darstellen, sondern ein Netz von „Nährplasma", d. h. von derjenigen Substanz des Körpers, welche nach Nägeli grade den Gegensatz zum Idioplasma bildet. Stras- burger spricht freilich bereits von einem „Cyto-Idioplasma", und gewiss hat ja auch der Zellkörper häufig ein specifisches Gepräge, aber wir müssen doch jetzt annehmen, dass ihm dasselbe von dem beherrschenden Kern aufgeprägt wird, d. h. dass die Richtung, in welcher seine Substanz im Lauf der Embryogenese sich differenzirt , durch die Qualität der Kernsubstanz bedingt wird. Insofern also entspricht die bestimmende Kernsubstanz allein dem „Idio- plasma", die Zellkörpersubstanz aber muss dem „Nähr- plasma" Nägeli 's beigeordnet werden. Jedenfalls wird es praktisch sein, die Bezeichnung Idioplasma durchaus auf die bestimmende Kernsubstanz zu beschränken, falls wir uns überhaupt diesen glücklich gewählten Ausdruck und Begriff erhalten wollen. Aber auch in dem zweiten Punkt ist die Nägeli 'sehe Vorstellung vom Idioplasma unhaltbar. Dasselbe kann un- möglich überall im Organismus und zu allen Zeiten der Ontogenese dieselbe Beschaffenheit haben, wie sollte es sonst die grossen Verschiedenheiten in der Bildung der Theile des Organismus bewirken können? Nägeli scheint nun freilich an manchen Stellen seines Buches auch dieser Ansicht zu sein; so auf p. 31, wo es heisst, es sei „das Zweckmässigste, das Idioplasma verschiedener Zellen eines Individuums, wenn auch nur als Symbol, als verschieden zu bezeichnen, insofern es eigenthümliche Produktions- fähigkeit besitzt, und darunter auch alle die Umstände im Individuum zu begi-eifen, die auf das bezügliche Verhalten der Zellen Einfluss haben". Aus den vorhergehenden Stellen (p. 30) und aus später folgenden geht aber klar hervor, dass er diese „Verändenmgen" des Idioplasmas nicht „in materieller — 28 — Beziehung" versteht, sondern nur in „dynamischer". Auf S. 53 spricht er es mit besonderem Nachdruck aus, „dass das Idioplasma überall im Organismus, indem es sich vermehrt, seine specifische Beschaffenheit beibehält" und nur „innerhalb dieses festen Rahmens seine Spannungs- und Bewegungs- .zustände und durch dieselben die nach Zeit und Ort mög- lichen Formen des Wachsthums und der Wirksamkeit wechselt." Gegen eine solche Auffassung lassen sich aber gewichtige Gründe geltend machen. Zunächst will ich nur erwähnen, dass doch erst gezeigt werden müsste, was man sich mm eigentlich unter diesen „verschiednen Spannungs- und Bewegungszuständen" zu denken habe und wieso blosse Spannungs - Verschiedenheiten ebenso mannigfaltig wirken können, wie Verschiedenheiten der Qualität. Wenn man die Behauptung aufstellte, bei den Daphniden, oder bei andern Thieren, welche zweierlei Eier hervorbringen, beruhe" die Eigenschaft der Wintereier, sich nur nach einer Latenzperiode zu entwickeln, darauf, dass ihr Idioplasma zwar identisch mit dem der Sommereier sei, aber sich in einem andern Spannungs- zustand befinde, so würde ich dies für eine wohl zu beachtende Hypothese halten, denn die Thier e, welche aus den Eiern entstehen, sind in beiden Fällen ganz gleich, das Idioplasma, welches ihre Bildung veranlasste, muss also seiner Beschaffenheit nach gleich sein, es mag sich vielleicht nur etwa so unterscheiden, wie sich Wasser von Eis unter- scheidet. Ganz anders aber liegt der Fall bei den Stadien der Ontogenese. Wenn man bedenkt, wie viele tausenderlei verschiedene Spannungszustände ein und dasselbe Idioplasma eingehen müsste, um den tausenderlei verschiedenen Bildmigen und Zelldifferenzirungen eines höheren Organismus zu ent- sprechen, so würde es wohl kaum möglich sein, eine auch nur ungefähre Vorstellung davon zu geben, wie man hier mit blossen „Spannungs- und Bewegungszuständen" ausreichen wollte. Weiter aber sollten doch auch die Untei-schiede der Wirkungen denen der Ursachen einigermaassen entsprechen, und dann sollte wohl das Idioplasma z. B. einer Muskelzelle — 29 — sich stärker von dem einer Nerven- oder Verdauungszelle desselben Individuums unterscheiden, als das Idioplasma der Keimzelle eines bestimmten Individuums von dem eines andern derselben Art, und doch müssen auch nach Nägeli diese beiden Letzteren als qualitativ verschieden angenommen werden; warum nun also nicht um so viel mehr die Idio- plasmen jener histologisch so weit dififerirenden Zellen? Gradezu aber als ein Widerspruch mit sich selbst er- scheint die Ncägeli'sche Annahme, wenn man bedenkt, dass er das „biogenetische Grundgesetz" anerkennt, in den Stadien der Ontogenese somit also eine abgekürzte Wiederholung der phyletischen Entwicklungsstadien sieht, und nun doch die einen aus einem andern Princip erklärt, als die andern. Die Stadien der Phylogenese beruhen nach Nägeli auf wirklicher, qualitativer Verschiedenheit des Idioplasmas, das Keimplasma also z. B. eines Wurms ist qualitativ verschieden von dem des Amphioxus oder des Frosches oder Säugethiers. Wenn aber derartige phyletische Stadien in der Ontogenese einer einzigen Art zusammengedrängt vorkommen, sollen sie nur auf verschiednen „Spannungs- und Bewegungszuständen" ein und desselben Idioplasmas beruhen! Ich gestehe, mir scheint es ein zwingender Schluss, dass wenn überhaupt das Idioplasma im Laufe der phyletischen Entwicklung seine specifische Beschaflfenheit allmälig ändert, diese Veränderungen auch in der Ontogenese durchlaufen werden müssen, soweit dieselbe phyletische Stadien wiederholt. Entweder beruht auch die ganze phyletische Entwicklung blos auf „verschiednen Spannungs- und Bewegungszuständen", oder, wenn dies, wie ich allerdings glaube, nicht denkbar ist, müssen auch die Sta- dien der Ontogenese auf einer qualitativen Veränderung des Idioplasmas beruhen. Man fi-agt sich unwillkürlich, wie ein so scharfsinniger Denker, wie Nägeli, dazu kommt, einen solchen Widerspruch nicht zu sehen, aber die Antwort liegt nicht weit, und Nägeli selbst deutet sie an, wenn er auf den oben citirten Satz weiter sagt: „Daraus folgt, dass wenn in irgend einem ontogenetischen — 30 — Eiitwicklungsstadium und an irgend einer Stelle des Organis- mus eine Zelle sich als Keimzelle ablöst, dieselbe alle erblichen Anlagen des elterlichen Individuums enthält." Mit andern Worten: wenn es sich blos um ver- schiedene Spannungs- und Bewegungszustände handelt, so scheint es gewissermaassen selbstverständlich, dass das Idio- plasma auch wieder seinen ursprünglichen Zustand annehmen, dass das Idioplasma irgend welcher Körperzellen wieder zum Idioplasma der Keimzelle werden kann; die grössere „Spannung" braucht ja blos wieder eine geringere zu werden, oder umgekehrt! Nimmt man aber eine wirkliche Veränderung der Besch äff enh ei t an, dann er- scheint eine Riickverwandlung des Idioplasmas der Körperzellen zu Keimplasma nichts weniger als selbstverständlich, und wer sie annehmen will, muss seine Annahme zuerst begründen. Dieser Begründung weicht Nägeli aus, indem er die Um- wandlungsstufen des Idioplasmas in der Ontogenese als blosse Verschiedenheiten in den „Spannungs- und Bewegungs- zuständen" des Idioplasmas bezeichnet; diese Ausdrücke ver- decken den schwachen Punkt in seinem System, sie sind mir ein werthvoller Beweis dafür, dass auch Nägeli im Gninde doch gefühlt hat, dass die Vererbungserscheinung ihre Er- klärung nur auf Grund einer Continuität des Keim- plasmas finden kann, denn sie sind offenbar nur' dazu geeignet, die Frage zu verschleiern: wie aber kann sich das Idioplasma von Körperzellen wieder zum Idioplasma von Keimzellen umwandeln? Ich bin der Ansicht, dass es dies überhaupt nicht kann, und habe diese Meinung schon seit einigen Jahren vertreten wenn ich auch bisher mehr die positive Seite der Sache betonte, nämlich die Continuität des Keimplasmas. Ich suchte nachzuweisen, dass Keimzellen sich nur dadurch in einem Organismus bilden, dass Keimplasma von der vorigen Generation her in diese herübergenommen wird, dass bei der ^) Zuerst in dem Aufsatz I. — 31 — Entwicklung eines Eies zum Thier stets ein, wenn auch kleiner Theil der Keinisubstanz unverändert in den sich bildenden Organismus übergeht, und dass dieser die Grundlage zur Bildung der Keimzellen darstellt. Auf diese Weise ist es bis zu einem gewissen Grad begreiflich, wie die complicirte Molekülarstructur des Keimplasmas sich bis in die feinsten Einzelheiten hinein durch lange Generationsfolgen hindurch unverändert erhalten kann. Wie aber sollte das geschehen können, wenn das Keim- plasma in jedem Individuum sich durch Umwandlung soma- tischen Idioplasmas bilden müsste? Und doch wird man zu dieser Annahme gezwungen, sobald man die „Continuität des Keimplasmas" verwirft. Auf diesem Standpunkte steht S t r a s - bürg er, und es würde nun zunächst zu untersuchen sein, wie sich die Dinge unter seinen Gesichtspunkten gestalten. Vollkommen in Uebereinstimmung befinde ich mich mit Strasburger, wenn er „die specifischen Eigenschaften der Organismen in den Zellkernen begründet" sieht, und auch seinen Vorstellungen über die Beziehungen zwischen Zellkern und Zellköi-per kann ich mich in vielen Punkten anschliessen ^) : „vom Zellkern aus pflanzen sich auf das umgebende Cyto- plasma molekülare Erregungen fort, welche einerseits die Vorgänge des Stoffwechsels in der Zelle beherrschen, andrer- seits dem durch die Ernährung bedingten Wachsthum des Cytoplasma einen bestimmten, der Speeles eignen Charakter geben." „Das nutritive Cytoplasma assimilirt, der Zellkern beherrscht den Stoffwechsel, wodurch die assimilirten Sub- stanzen eine bestimmte Zusammensetzung erhalten und das Cyto-Idioplasma , sowie das Nucleo-Idioplasma in bestimmter Weise ernähren. Dadurch tritt das Cytoplasma in Gestaltungs- vorgänge ein, welche die specifische Form des betreffenden 1) Die angeführten Vorstellungen Strasburger's über die Art und Weise, wie die Kemsubstanz auf den Zellkörper wirkt, halte ich heute nicht mehr für richtig; vergl. mein Buch: „Das Keimplasma, eine Ver- erbungstheorie". Jena 1892. — 32 — Organismus bedingen. Diese Formgestaltung des Cyto-Idio- plasmas steht unter dem regulirenden Einfluss der Zellkerne." Die Zellkerne sind es also, „welche die specifische Entwick- lungsrichtung in den Organismen bestimmen". Eine entschiedene und werthvolle Bestätigung dieser aus den neuen Beobachtungen über die Befruchtung gewonnenen Ansicht, dass die Kerne es sind, welche der Zelle ihren specifischen Stempel aufdrücken, haben inzwischen die Ver- suche über Regeneration der Infusorien geliefert, welche gleichzeitig von M. Nussbaum^) in Bonn und von A. Gr über ^) auf dem hiesigen zoologischen Institut angestellt wurden. Die Angabe von Nussbaum, dass ein künstliches Theilstüek von Paramaecium, welches keine Kernsubstanz ent- hält, sofort abstirbt, darf zwar nicht verallgemeinert werden, da Grub er solche kernlose Stücke andrer Infusorien einige Tage am Leben erhielt. Ueberdies war ja durch ihn bekannt, dass auch ganz lebensfrische Individuen von Protozoen vor- kommen, die den der Art sonst zukommenden Kern nicht be- sitzen. Was aber die Bedeutung des Kerns klar legt, das ist die von beiden Autoren festgestellte Thatsache, dass solche kernlose, künstliche Theilstücke eines Infusoriums sich nicht wieder regeneriren, während dies kernhaltige Stücke immer thun. Also nur unter dem Einfluss des Kerns nimmt die umzubildende Zell Substanz wiederden vollen Arttypus an. Wir stehen somit mit dieser Auf- fassung des Kerns, als des bestimmenden Factors des speci- fischen Wesens der Zelle auf einem von allen Seiten her gesicherten Boden, von dem aus sich wohl weiter vordringen lässt. Wenn nun also der erste Furchungskern die gesammteu ererbten Entwicklungstendenzen des neu zu bildenden Indi\i- duums in seiner Molekülarstructur enthält, so kann dieses 1) M. Nussbaum, Sitzungsber. niedeiThein. Ges. f. Natur- und Heilkunde, 15. Decbr. 1884. 2) A. Gr Uber, Biol. Centraiblatt Bd. IV, Nr. 23 u. V, Nr. 5. — 33 — doch nur dadurch wirklich sich entwickelu, dass während der Furchung und den ihr nachfolgenden Zelltheilungen das Nucleoplasma bestimmte und verschiedenartige Veränderungen eingeht, die eine Ungleichheit der be- treffenden Zellen zur Folge haben müssen; denn identisches Nucleoplasma bedingt ceteris paribus auch identische Zell- körper und umgekehrt, die Thatsache also, dass der Embryo in der einen Richtung stärker wächst als in der andern, dass seine Zellschichten von ganz verschiedner Natur sind und sich noch später zu verschiednen Organen und Geweben differen- ziren, verlangt den Rückschluss, dass auch die Kernsubstanz verschieden geworden ist, dass sie sich also in regelmässiger, gesetzmässiger Weise während der Ontogenese verändert. Das ist denn auch Strasburger's Ansicht, überhaupt muss es heute die Ansicht eines Jeden sein, der die Entwicklung der Anlagen nicht aus vorgebildeten Keimchen, sondern aus dem molekülaren Bau des Keimplasmas herleitet. In welcher Weise und durch welche Kräfte ändert sich aber das bestimmende Plasma oder Nucleo- plasma im Laufe der Ontogenese? Das ist die be- deutungsvolle Frage, von deren Beantwortung die weiteren Folgerungen abhängen. Die einfachste Annahme wäre die, dass sich bei jeder Kerntheilung das specifische Plasma des Kerns in zwei ihrem Wesen nach ungleiche Hälften theilte, so dass dann auch der Zellkörper, dessen Charakter ja durch den Kern bestimmt wird, umgeprägt würde. So würden z. B. die zwei ersten Furchungskugeln bei irgend einem Metazoon sich so verändern, dass die eine nur die Vererbungstendenzen des Entoderms, die andre die des Ektoderms enthielte und dass später also — wie dies ja thatsächlich vorkommt — aus der einen nur die Zellen des Entoderms, aus der andern nur die des Ektoderms hervorgingen. Im Laufe der weitereu Theilungen würde dann die Urektodermzelle ihr Kernplasma wieder ungleich theilen, z. B. in das die erblichen Anlagen des Nei-vensystems enthaltende und in das die Anlagen der äussern Haut enthaltende Kernplasma. Aber auch damit wäre — 34 — das Ende der ungleichen Kerntheilungen noch lange nicht er- reicht, sondern in der Anlage des Nervensystems sonderten sich im Laufe weiterer Zelltheilungen die Kernsubstanzen, welche die Vererbungstendenzen der Sinnesorgane enthalten, von denjenigen, welche die Vererbungstendenzen der Centrai- organe enthalten u. s. f. bis zur Anlage aller einzelnen Organe und der Ausbildung der feinsten histologischen Differenzirungen. Das Alles ginge vor sich in völlig gesetzmässiger Weise, genau so, wie es bei einer sehr langen Reihe von Vorfahren auch gegangen ist, und das Bestimmende und Richtende dabei wäre einzig und allein die Kernsubstanz, das Kernplasma, welches in der Keimzelle eine solche Molekülarstructur besässe, dass mit Nothwendigkeit alle andern Folgezustände der Molekülar- structur der nachfolgenden Stadien der Kernsubstanzen daraus hervorgehen müssten, sobald die dafür erforderlichen äussern Bedingungen gegeben sind. Das ist ja auch nichts weiter als die Vorstellung von der ontogenetischen Entwicklung, welche auch bisher jeder nicht „evolutionistische" Embryolog gehabt hat — nur mit Verlegimg des bewirkenden Kraftcentrum in die Kernsubstanz. Einer solchen Auffassung stehen aber — so scheint es — die Erfahrungen, welche man bei der indirekten Kemtheilung gemacht hat, entgegen, denn diese lehren, dass jede Mutter- Kernschleife der sog. „Kernplatte" ihre Substanz der Länge nach spaltet, und dass dabei die einzelnen färb- und sichtbaren Theilstücke der Schleife genau in zwei gleiche Hälften ge- theilt werden. Jeder Tochterkern erhält auf diese Weise gleichviel davon, und die beiden aus einer Kemtheilung her- vorgehenden Tochterkerne können also — so scheint es — nicht verschieden, sie müssen vollkommen iden- tisch sein. So schliesst wenigstens Strasburger und betrachtet diese Identität der beiden Tochterkerne als eine fundamentale Thatsache, an der nicht weiter zu rütteln ist, der man vielmehr seine Erklärungsversuche anzupassen hat. Wie soll aber dann die allmälige Umwandlung der Kern- substanzen zu Stande kommen, die doch nothwendig statt- — 35 — finden miiss , wenn die Kernsubstanz wirklich das Bestimmende bei der Entwicklung ist? Strasburger sucht sich damit zu helfen, dass er die Ungleichheiten der Tochterkerne, die ja auch er nothwendigerweise annehmen muss, aus ungleicher Ernährung hervorgehen, sie also erst nachträglich entstehen lässt, nachdem die Theilung von Kern und Zelle bereits er- folgt ist. Dagegen ist aber einzuwenden, dass — wie Stras- burger selbst gewiss völlig einwurfsfrei darlegt — der Kern vom Zellkörper ernährt wird, dass somit die Zellkörper der beiden identischen Tochterkerne von vornherein ver- schieden sein müssen, wenn ihre Zellkerne in ver- schiedner Weise beeinflussen sollen. V7enn nun aber der Kern das Wesen der Zelle bestimmt, so können zwei identische, aus einer Mutterzelle durch Theilung entstandne Tochterkerne keine ungleichen Zellkörper haben, ihre Zellkörper müssen vielmehr gleich sein! — Da nun aber thatsächlich die Zell- köi-per zweier Tochterzellen häufig sehr verschieden in Grösse, Aussehen und weiteren Entwicklungsstufen sind, so geht schon allein daraus hervor, dass die Kerntheilung in solchen Fällen eine ungleiche sein muss. Der Kern muss die Fähigkeit besitzen, sich hier in Kernsubstanzen von ver- schiedner Qualität zu spalten — das scheint mir ein unabweislicher Schluss. Strasburg er hat hier wohl die Sicherheit der Beobachtung überschätzt. Gewiss ist die von Flemming entdeckte, von Balbiani und Pf itzner weiter analysirte Längsspaltung der Kernschleifen eine Thatsache von grosser, ja gradezu fundamentaler Bedeutung, die besonders durch die in vorigem Jahr nachfolgenden Beobachtungen v a n Beneden's über den Befruchtungsvorgang bei Ascaris einen klareren und bestimmteren Sinn erhalten hat, als man ihr zunächst beilegen konnte. Sie beweist einmal, dass der Kern sich stets in zwei der Masse nach gleiche Theile zerlegt, und weiter, dass bei jeder Kerntheilung gleich viel Kern- substanz vom Vater wie von der Mutter jedem Tochterkern zukommt; aber sie beweisst, meines Erachtens wenigstens, durchaus nicht, dass dabei die Qualität des elterlichen Woigmann, Die Oontinuitilt des Keimplasmas. 3 — 36 — Kernplasmas auf beiden Seiten stets die gleiche sein müsse. Freilich sieht es so aus, und wenn wir die Darstellung des günstigsten Objectes, welches bis jetzt dafür bekannt geworden ist, ins Auge fassen, Utämlich den Befruchtungsvorgang des Asearis-Eies , wie ihn van Beneden dargestellt hat, so machen die beiden Längshälften einer Schleife einen fast identischen Eindruck (vergl. z. B. a. a. 0. PL XIXter Fig. 1, 4 u. 5); allein man darf doch nicht vergessen, dass das, was wir da sehen, nicht die Molekül arstructur des Kernplasmas ist, sondern nur ein im Verhältniss zu ihrer Complicirtheit sehr roher und grober Ausdruck ihrer Massen. Unsere stärksten und besten Linsen reichen grade hin, die Gestalt der einzelnen färbbaren Körner einer zur Theilung sich an- schickenden Schleife zu erkennen, sie erscheinen uns kugel- ähnlich und später nach der Theilung zuerst halbkugelähnlich. Diese Körner, die sog. Mikrosomen, sind aber nach Stras- burg er nicht einmal die eigentliche wirksame Kemsubstanz, sondern nur Nahrung für die zwischen ihnen gelegene, nicht färbbare und desshalb auch nicht deutlich sichtbare eigentliche Kernsubstanz! Aber seien sie auch das wirkliehe Idioplasma, so würde uns doch ihre Theilung in zwei genau gleich grosse Hälften keinerlei Aufschluss über die Gleichheit oder Un- gleichheit in der Beschaffenheit dieser beiden Hälften geben, vielmehr nur über das Massen verhältniss derselben. Aufschluss über die Qualität der Molekülai-structur der beiden Hälften können wir nur durch ihre Wirkungen auf den Zellkörper erhalten, und diese lehren uns eben, dass die Körper zweier Tochterzellen häufig der Grösse und Qualität nach verschieden sind. Der Punkt ist zu wichtig, um ihn nicht noch durch einige Beispiele zu illustriren. Die sog. Riehtungskörper, von denen später noch genauer gehandelt werden soll, welche so viele thierische Eier bei ihrer Reifung von sich abschnüren, sind Zellen, wie zuerst Bütsehli bei Nematoden nachwies; es ist ein Zelltheilungsproeess, der mit einer gewöhnlichen — 37 — indirekten Kerntheilimg nieist ^) von ganz typischer Form einhergeht. Wer trotz der Beobachtungen von Fol und Hertwig daran zweifeln möchte, den könnte ein Blick auf die leider zu wenig bekannten Abbildungen überzeugen, welche Trinchese^) von diesem Process bei den Eiern gewisser Nacktschnecken gegeben hat. Die Eier z. B. von Amphorina coerulea bieten der Beobachtung ausserordentlich günstige Ver- hältnisse, indem sie nicht nur ganz durchsichtig sind, sondern auch der grosse und deutliche Eikern sich durch Farben- unterschied vom grünen Zellplasma abhebt. Bei diesen Eiern nun bilden sich zwei Richtungszellen hinter einander, deren jede sich sofort noch einmal theilt, so dass dann vier Rich- tuugszellen dem Eipol aufliegen. Warum gehen nun diese vier Zellen zu Grunde, während der im Dotter zurückbleibende Eikern sich mit dem Spermakern copulirt und mit Benutzung des Eikörpers zum Embryo wird? Offenbar doch desshalb, weil die Natur der Richtungszelle eine andre ist als die der Eizelle. Da nun aber das Wesen der Zelle durch die Qualität des Kerns bestimmt wird, so muss diese Qualität vom Moment der Kerntheilung an verschieden sein. Das zeigt sich ja auch schon darin, dass überzählig ins Ei eingedrungene Sperma- zellen sich niemals um die Richtungszellen kümmern. Man könnte etwa in Strasburger's Sinn einwerfen, dass die verschiedne Qualität der Kerne hier durch die sehr ver- schiedne Menge von Cytoplasma, welches sie umhüllt und er- nährt, hervorgerufen werde — aber einestheils muss die Klein- heit des Zellkörpers der meisten Richtungskörper doch einen Gnind haben, und dieser Grund kann wieder nur in der Natur des Kerns liegen, und andrerseits ist die Masse des Zellkörpers ^) Eine Ausnahme von dem gewöhnlichen Typus macht das Ei von Ascaris nach den Beobachtungen von Nussbaum und von van Bene- den; doch geht Letzterer wohl zu weit, wenn er aus der geknickten Figur der Richtungsspindel schliesst, dass es sich hier um einen von der gewöhnlichen Kerntheilung ganz verschiedenen Vorgang hardle. ^) Trinchese, „I primi momenti dell' ovoluzione nei molluschi". Roma 1880. 3* — 38 — gerade bei den Richtungskörpern dieser Schnecke nicht nur ebenso gross, sondern eher grösser als die den Eikern um- gebende grüne Zellplasmakugel! Die Verschiedenheit der Richtungskörper von der Eizelle kann somit nur darin liegen, dass die Richtungsspindel bei ihrer Theilung zwei qualitativ verschiedne Tochterkeme liefert^). Warum sollten denn auch die Mikrosomen- Kugeln der Kernschleifen — falls diese das Idioplasma wären — sich nicht in der Form und Gestalt nach gleiche, der Qualität nach aber ungleiche Hälften theilen können? Sehen wir doch auch bei manchen Eizellen ganz dasselbe vor sich gehen ; die zwei ersten Furchungskugeln des Regenwurm-Eies sind nach Grösse und Gestalt ganz gleich, und dennoch wird aus der einen das Entoderm, aus der andern das Ektoderm des Embryo. Ich glaube desshalb, dass wir der Annahme nicht ent- gehen können, dass bei der indirekten Kerntheilung elienso- wohl eine Theilung in der Beschaffenheit nach ungleiche, als in gleiche Hälften vorkommen kann, und dass es davon ab- hängt, ob die dabei entstehenden Tochterzellen von gleicher oder von ungleicher Art sind. Somit wird also während der Ontogenese eine schrittweise Umwandlung der Kernsubstanz, die mit Nothwendigkeit und Gesetzmässigkeit aus ihrer eignen Natur hervorgeht, stattfinden müssen, und ihr parallel laufend werden auch die Zellkörper ihren ursprüng- lichen Charakter allmälig ändern. Welcher Art nun diese Veränderungen der Kernsubstanz sind, lässt sich zwar im Genaueren nicht angeben, im All- gemeinen aber ganz wohl erschliessen. Wenn wir mit Kägeli annehmen dürfen, dass die molekülare Structur des Keini- Idioplasmas, oder nach unsrer Ausdrucksweise des „Keim- ^) So zwingend diese Schlussfolgeriing erscheint, so muss sie doch für diesen Fall unrichtig sein, wie aus Aufsatz XII zu ersehen ist. Die Richtungszellen enthalten dieselbe Kernsubstanz, die auch in der Ei- zelle zurückbleibt. Woher dann die ungleiche Zelltlieilung kommt, bleibt räthselhaft. Der allgemeine Satz aber, dass ungleiche Keratheilung vorkommt, wird dadurch nicht erschüttert. W. 1892. - 39 — plasnias" um so complicirter sein luuss, je complicirter der Organisinus ist, der sich daraus entwickelt, so wird auch der weitere Satz Billigung finden, dass die raolekülare Structur der Kernsubstauz um so einfacher sein muss, je weniger diflferente Gebilde daraus hervorgehen sollen, dass also die Kernsubstanz der vorhin erwähnten, das gesammte Ektoderm potentia in sich enthaltende Furchungszelle des Kegenwurms eine verwick eitere Molekülarstructur besitzt, als die Kern- substanz z. B. einer Epidermiszelle oder Nervenzelle. Man wird dies zugeben, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in der molekularen Structur des Keimplasmas alle Einzelheiten des gesammten Organismus durch irgend eine specielle und eigenthümliche Anordnung der Molekülargruppen (Micelle Nägeli's) enthalten sein müssen, und nicht nur die sämmt- lichen quantitativen und qualitativen Charaktere der Art, sondern auch alle individuellen Variationen, soweit dieselben erblich sind. Das Grübchen im Kinn mancher menschlicher Familien, die physische Ursache aller noch so unscheinbaren erblichen Gewohnheiten, die vererbbaren Talente und sonstigen Geistesanlagen, sie alle müssen in der winzigen Quantität von Keimplasma, welches der Kern einer Keimzelle birgt, enthalten sein, — nicht als vorgebildete Anlagen (Keimchen der Pan- genesis), wohl aber als Abweichungen in der Molekülar- structur; wäre dies nicht möglich, so könnten auch solche Charaktere nicht vererbt werden. Nun hat uns ja Nägel i in seinem an anregenden Gedankenfolgen überaus reichen Buch gezeigt, dass in der That auch in einem Volumen von einem Tausendstel Kubikmillimeter noch eine so enorme Zahl (400 Millionen) von Micellen angenommen werden dürfen, dass für die verschiedenartigsten und complicirtesten An- ordnungen derselben die Möglichkeit gegeben ist. Es muss also das Keimplasma in den Keimzellen eines bestimmten In- dividuums einer Art durch irgend welche noch so geringfügige Verschiedenheiten seiner Molekülarstructur sich von dem eines andern Individuums unterscheiden, während sich das Keim- — 40 - plasma der Art wiederum von dem Keimplasma aller andern Arten unterscheiden muss. Diese Erwägungen lassen auf eine ausserordentlich hohe Complication der Molekülarstructur des Keimplasmas aller höheren Thiere schliessen, und sie machen es wohl zugleich einleuchtend, dass diese Complication während der Ontogenese schrittweise abnehmen muss, in dem Maasse, als die Anlagen, welche aus einer Zelle noch hervorzugehen haben und deren molekülarev Ausdruck das Kernplasma ist, weniger an Zahl werden. Man wird mir nicht eine Art von Einschachtelungs- theorie vorwerfen wollen; ich meine nicht, dass vorgebildete Anlagen im Plasma der Kerne enthalten sind, die nun nach rechts und links hin während des Aufbaues der Organe ab- gegeben werden, so dass ihrer immer weniger werden im ein- zelnen Kern, je weiter die Entwicklung voranschreitet; ich meine vielmehr, dass die Complicirtheit der Molekül arstmctur abnimmt in dem Maasse, als die Entwicklungsmöglichkeiten, deren Ausdruck die Molekülarstructur des Kerns ist, an Zahl abnehmen. Das Plasma, welches noch zu hundert verschiednen Plasma - Modificationen durch verschiedne Gruppirung seiner Theilchen die Möglichkeit enthält, muss zahlreichere Arten und eine complicirtere Anordnung solcher Theilchen enthalten, als das Kemplasma, welches nur noch den Charakter einer einzigen Zellenart zu bestimmen hat. Zur Noth lässt sich der Vorgang der Kernplasma-Entwicklung während der Onto- genese mit einer Armee vergleichen, die aus mehreren Armee- corps zusammengesetzt ist, von denen jedes wieder seine eigen- artigen Divisionen u. s. w. hat. Die ganze Armee ist das Kernplasma der Keimzelle ; bei der ersten Zelltheilung, in die Urzelle des Ekto- und des Entoderms etwa, trennen sich die beiden ähnlich zusammengesetzten, aber doch verschiedne Ent- faltungsmöglichkeiten enthaltenden Ai-meecorps, bei den folgen- den Theilungen werden die Divisionen detachirt, bei späteren die Brigaden, Regimenter, Bataillone, Compagnien u. s. w., und in dem Maasse, als die Truppenköi-per einfacher werden, — 41 — verringert sich auch ihr Wirkungskreis, ihre Actionssphäre. Freilich hinkt das Gleichniss nach zwei Seiten, indem einmal nicht die Masse des Kernplasmas abnimmt, sondern nur seine Complication , und indem zweitens die Kraft einer Armee in erster Linie immer von ihrer numerischen Stärke und nicht von der Complicirtheit ihrer Zusammensetzung abhängt. Auch wird man sich nicht vorstellen dürfen, dass bei den ungleichen Kerntheilungen einfach eine Theilung der Molekülarstructur stattfinde , wie das Herausziehen eines Regiments aus der Brigade, sondern die Molekülarstructur des Mittelkerns wird sich so verändern, dass eine oder dass beide Theilhälften eine neue Striictur erhalten, die früher noch gar nicht da- gewesen war. Meine Vorstellung von dem Verhalten des Idioplasmas in der Ontogenese unterscheidet sich von der Nägeli's nicht etwa blos darin, dass dieser nur Veränderungen desselben in seinen „Spannungs- und Bewegungszuständen" zulässt, sondern darin, dass derselbe sich das Idioplasma aus „Anlagen" zusammengesetzt denkt. Offenbar hängt dies aufs genaueste zusammen mit seiner Vorstellung von der Einheit des Idio- plasma-„Netzes" im ganzen Körper, und er würde vielleicht auch zu einer andern Auffassung gekommen sein, wenn ihm schon die Thatsache vorgelegen hätte, dass das Idioplasma nur in den Kernen zu suchen ist. Seine Auffassung der Ontogenese geht am besten aus folgender Stelle hervor: „So- bald die ontogenetische Entwicklung beginnt, so werden die das erste Entwicklungsstadium bewirkenden Mi- cellreihen im Idioplasma thätig. Das active Wachsthum dieser Reihen veranlasst zwar ein passives Wachsthum der übrigen Reihen, und eine Zunahme des ganzen Idioplasmas vielleicht auf ein Mehrfaches. Aber die beiden Wachsthumsintensitäten sind ungleich, und die Folge davon ist eine steigende Spannung, welche nothwendig und je nach Zahl, Anordnung und Energie der activen Reihen, früher oder später die Fortdauer des Processes zur Unmöglichkeit macht. Actives Wachsthum und Erregung gehen nun in Folge der Gleichgewichtsstörung in - 42 — die nächste Anlagegmppe , welche die als Reiz wirkende Spannung am stärksten empfindet, über, und dieser Wechsel wiederholt sich, bis alle Anlagegruppen durchlaufen sind und die ontogenetische Entwicklung mit dem Stadium der Fort- pflanzung auch wieder bei dem ursprünglichen Keimstadium anlangt." Nägeli lässt also die verschiednen Stadien der Onto- genese aus der Thätigkeit bestimmter Parthien desldio- plasmas hervorgehen ; bestimmte „Micellreihen des Idioplasmas" stellen die „Anlage" bestimmter Bildungen im Organismus dar, und indem eine solche Anlage in „Erregung" geräth, bringt sie die betreffende Bildung zu Stande. Ich gestehe, dass ich in dieser Vorstellungsweise doch immer noch eine Aehnlichkeit mit der Pangenesistheorie Darwin 's sehe; die „Anlagen" und „Anlagengruppen" Nägeli 's sind die aller- dings ungemein verfeinerten „Keimchen" der Pangenesis, die in Thätigkeit treten, wenn ihre Reihe gekommen ist, wie Darwin sagt, oder wenn sie in „Erregung" gerathen, wie Nägeli sagt. Wenn eine „Anlagengruppe" durch ihr „actives Wachsthum" oder ihre „Erregung ein gleiches actives Wachs- thmn, oder eine gleiche Erregung in der folgenden Gruppe herbeigeführt hat, so kann die erstere Gruppe mit diesem Uebergang zur Ruhe gelangen, oder sie kann neben ilu-em Nachfolger noch längere oder kürzere Zeit thätig bleiben. Ihre Erregung kann selbst eine unbegrenzte Dauer annehmen, wie dies bei der Laubblattsprossbildung vieler Pflanzen der Fall ist." Man sieht, dass die ganze Vorstellung Nägeli 's aufs innigste verwachsen ist mit der Annahme einer Einheit des gesammten Idioplasmas durch den Organismus hindurch. Nur dann kann bald diese, bald jene Parthie des Idioplasmas in Erregung gerathen und nun die ihr entsprechenden Organe zur Ausführung bringen. Sobald wir annehmen müssen, dass das Idioplasma, welches in einem Organismus enthalten ist, nicht ein direkt zusammenhängendes Ganzes daretellt, sondern aus Tausenden einzelner Kernplasmen sich zusammensetzt, welche erst durch Vermittlung der Zellkörper in Beziehung — 43 — treten, so müssen wir statt idioplasmatischer „Anlagen" sagen: „ontogenetische Entwicklungsstufen des Idio- plasmas". Die verschiedenen Varietäten des Nucleoplasmas, wie sie in der Ontogenese entstehen, stellen gewissermaassen solche Anlagen dar, indem sie vermöge ihrer molekülaren Beschalfenheit die Zellkörper, welche sie beherrschen, zu einer specifischen Beschaffenheit bestinmien und ebenso die Kern- und Zellfolgen, welche unter bestimmten Umständen aus ihnen hervorgehen können. Nur in diesem Sinn könnte ich von Anlagen reden. Sonst aber kann ich mir nicht vorstellen, dass bestimmte Anlagen im Sinne Nägeli's im Idioplasma enthalten sein könnten. Wohl darf man vermuthen, dass z, B. das Idio- plasma des Furchuugskerns sich nicht sehr stark vom Idioplasma der zweiten ontogenetischen Stufe der beiden folgenden Furchungskerne unterscheiden wird, vielleicht werden nur einzelne „Micellreihen" verschoben oder irgendwie anders geordnet. Aber die Micellreihen sind desshalb noch nicht die „Anlage" des zweiten Stadiums gewesen, sondern die zweite ontogenetische Stufe des Idioplasmas unterscheidet sich von der ersten eben durch eine um Weniges verschiedne Configura- tion der Molekülarstructur. Diese Structur bedingt wiederum unter normalen Entwicklungsverhältnissen die Veränderung zu den verschiedenen Molekülarstructuren des Idioplasmas der dritten Stufe u. s. w. Man wird meiner oben versuchten Beweisführung, dass das Idioplasma der verschiednen ontogenetischen Stufen eine immer einfachere Molekülarstructur annehmen müsse, vielleicht entgegenhalten, dass sie mit dem biogenetischen Grundgesetz nicht stimme. Die Organisation der Arten hat doch im Laufe der Phylogenese im Ganzen an Complicirtheit ungemein zu- genommen; wenn nun in der Ontogenese die phyletischen Stadien durchlaufen werden ^ so müsste doch — so scheint es — die Stmctur des Idioplasmas im Laufe der Ontogenese immer verwickelter werden, nicht aber immer einfacher. Dagegen ist aber zu erwägen, dass die Complicirtheit des - 44 — ganzen Organismus sich nicht durch die Molekülarstructur des Idioplasmas eines einzelnen Zellkerns darstellt, sondern dass man dazu die Idioplasmen sämmtlicher gleich- zeitig vorhandener Zellkerne des Körpers zusammenzählen müsste. Die Keimzellen, d. h. das K e i m k e r n - 1 d i o p 1 a s m a muss allerdings um so complicirter sein, je complicirter der Organisnms ist, der daraus hervorgehen soll, die einzelnen Kernplasmen der ontogenetischen Stufen aber können relativ viel einfacher sein, olme dass dadurch das gesammte Idio- plasma des ganzen Organismus an Complication verlöre, weil eben nur alle Kernplasmen zusammengerechnet den Ausdruck der betreffenden Entwicklungsstufe geben. Wenn nun also angenommen werden muss, dass der molekulare Bau des Kernplasmas im Laufe der Ontogenese immer einfacher wird, in dem Maasse, als dasselbe immer weniger verschiedne Entfaltungs - Möglichkeiten in sich zu enthalten braucht, so müssen die definitiven Gewebezellen, Muskel-, Nerven-, Sinnes-, Drüsenzellen den relativ einfachsten molekularen Bau ihres Kernplasmas besitzen, da aus ihnen keine neue Modification von Kernplasma mehr hervorgeht, da vielmehr solche Zellen, wenn sie sich überhaupt fortpflanzen, nur noch ihres Gleichen erzeugen. Damit bin ich wieder an der Frage angelangt, auf welche es mir vor Allem anzukommen scheint: wie entstehen die Keimzellen im Organismus, wie ist es möglich, dass aus dem Kernplasma der Zellen des Körpers, welches doch durch stete Vereinfachung seiner Molekülarstructur seine Fähigkeit, den ganzen Körper hervorzubringen, längst ver- loren hat, sich wieder das Kernplasma der Keimzelle hervor- bildet mit seiner alle specifischen und individuellen Eigen- schaften potentia enthaltenden, unendlich complicirten Mole- külarstnictur? Ich gestehe, dass mir dies ganz undenkbar vorkommt; ich sehe nicht ein, welche Kraft es zu Wege bringen sollte, das gewissermaassen auf eine einzige Zellart ver- einfachte, specialisirte Kernplasma der somatischen Zellen — und aus solchen besteht ja der gesammte Organisnms nach — 45 - Abrechnung der Fortpflauziuigszellen — wieder in das generelle Keimplasma zurückzuverwandeln. Diese Schwierigkeit ist auch von Andern schon gefühlt worden. Ich habe schon oben auf die Ansicht von Nuss- baum^) hingewiesen, der von dem Gedanken ausging, dass Zellen, die bereits für eine specielle Function differenzirt sind, nicht wohl zu Geschlechtszellen mehr sich umwandeln können, und daraus dann weiter ableitete, dass die Geschlechtszellen sich „zu einer sehr frühen Zeit — vor jeder histologischen Differenzirung — in der embryonalen Anlage" von den übrigen Zellen schon absondern müssten. V a 1 a o r i t i s 2) wurde durch denselben Gedanken, die Umwandlung histologisch diflferenzirter Zellen zu Geschlechtszellen sei unmöglich, zu der Annahme verleitet, die Geschlechtszellen der Wirbelthiere entstünden aus weissen Blutzellen, da er diese für möglichst wenig diffe- renzirt ansah. Beide Ansichten sind nicht haltbar, die erstere desshalb nicht, weil thatsächlich die Sexualzellen aller Pflanzen und die der meisten Thiere nicht schon von vornherein sich von den somatischen Zellen absondern, die zweite aber dess- halb, weil ihr die Thatsachen widersprechen, weil die Sexual- zellen der Wirbelthiere eben nicht aus Blutzellen hervorgehen, sondern aus dem Keimepithel. Aber wenn das auch nicht sicher wäre, müsste man doch aus rein theoretischen Gründen behaupten, dass eine Umwandlung beliebiger Blutzellen zu Keimzellen nicht möglich sei, und zwar desshalb, weil es ein grosser Irrthum ist, diese Blutzellen für histologisch undifferenzirt und ihr bestimmendes Plasma für dem Keimplasma gleich zu erachten. Es gibt im Organismus überhaupt keine undiff'erenzirten Zellen in diesem Sinne, sie haben alle einen bestimmten Grad von Differenzirung, mag dieselbe nun eine eng begrenzte, einseitige, oder eine mehr vielseitige sein, vor Allem liegen sie alle ohne Ausnahme weit von der Eizelle ab, die ihnen den Ursprung ») Arch. mikr. Anat. Bd. XVIII u. XXIII. 2) Vala Otitis, „Die Genesis des Thier-Eies". Leipzig 1882. — 46 — gab, sind alle durch zahlreiche Zellgenerationen von ihr ge- trennt. Das heisst aber nichts Anderes, als dass ihr Idio- plasma weit abweicht in seiner Beschaffenheit von dem der Eizelle, vom Keimplasma. Schon die Kerne der zwei ersten Furchimgskugeln können nicht dasselbe Idioplasma enthalten, welches der Furchungskern enthielt, geschweige denn irgend eine der später entstehenden Embryonalzellen. Nothwendiger- weise muss sich die Beschaffenheit des Idioplasmas im Laufe der embiyonalen Entwicklung immer weiter von der des Fur- chungskerns entfernen, nur die des Furchungskerns ist aber Keimplasma, d. h. enthält die Structur, aus deren Wachsthum wieder ein ganzer Orga- nismus hervorgehen kann. Es seheint freilich, als ob Manche es für selbstverständlich halten, dass jede „embryonale" Zelle den ganzen Organismus unter günstigen Verhältnissen wieder hervorbringen könne; genauere Ueberlegung ergibt aber, dass dazu nicht einmal diejenigen Embryonalzellen im Stande sein können, die dem Ei noch am nächsten stehen: die beiden ersten Furchungszellen ^). Man braucht nur daran zu* denken, dass in manchen Fällen aus der einen der- selben das Ektoderm des Thieres, aus der andern das Ento- derm hervorgeht, um eine solche Annahme fallen zu lassen und zuzugeben, dass das Idioplasma schon der beiden ersten Embryonalzellen verschieden sein muss und nicht mehr die Fähigkeit besitzen kann, aus sich allein den ganzen Organismus zu erzeugen. Wenn aber die dem Ei noch am nächsten stehenden Zellen dies nicht vermögen, wie sollte es eine der späteren Embryonalzellen vermögen, oder gar irgend welche Zellen des ausgebildeten Thierleibes? Man spricht ja allerdings oft genug von Zellen „von embryonalem Charakter", ') Wir wissen heute, dass die ersten Furchungszellen der Ascidien und Seeigel dennoch dazu im Stande sind. Die Versuche von Chabry und Driesch beweisen es; sie widerlegen aber nicht die obigen Schluss- folgerungen, weil es sich dabei um besondere Ausrüstungen dieser Zellen handelt. W. 1892. — 47 — und ei-st kürzlich hat von Kölliker^ eine ganze Liste solcher Zellen gegeben, worunter sich Osteoblasten, Knorpel- zellen, lyniphoide Zellen, Bindesubstanzzellen befinden; aber gesetzt, diese Zellen verdienten wirklich diese Bezeichnung, was nützte dies zur Erklärung der Keimzellenbildung, da doch ihr Idioplasma weit verschieden sein muss von dem einer Keimzelle? Es ist eine Täuschung, wenn man glaubt, irgend Etwas von der Bildung der Keimzellen begriffen zu haben, wenn man auf die Zellen von „embryonalem Charakter" hinweist, die im Körper des reifen Organismus enthalten sein sollen. Ich weiss wohl, dass es Zellen von sehr scharf ausgeprägter histologischer Differenzin.mg gibt und solche von sehr schwach ausgeprägter; die Schwierigkeit aber, Keimzellen aus ihnen entstehen zu lassen , ist bei den letzteren um gar Nichts ge- ringer als bei den ersteren; sie enthalten beide Idioplasma von anderer Beschaffenheit als die Keimzelle, und ehe nicht erwiesen wird, dass „somatisches" Idioplasma überhaupt rück- verwandelt werden kann in Keim-Idioplasma, haben wir kein Kecht, aus einer von ihnen Keimzellen entstehen zu lassen. Dasselbe gilt auch für die eigentlichen „embryonalen" Zellen, d. h. die Zellen des Embryo, und aus diesem Gmnde erscheinen mir jetzt jene Fälle von frühzeitiger Trennimg der Sexualzellen von den somatischen Zellen, wie ich sie wieder- holt als Hinweise auf die Continuität des Keimplasmas geltend machte, anundfürsieh nicht mehr von so entscheidender Bedeutung, wie zu der Zeit, als wir über die Localisation des Idioplasmas in den Kernen noch nicht im Klaren waren. In den meisten dieser Fälle sondern sich nämlich die Keimzellen nicht schon im Beginn der Embryogenese von den übrigen Zellen, sondern erst in ihrem ferneren Verlauf. Nur die Pol- zellen der Dipteren machen davon eine Ausnahme. Wie 1) Kölliker, „Die Bedeutung der Zellkerne" etc. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 42. — 48 — Robin^) und ich selbst^) vor langer Zeit schon nachwiesen, sind sie die ersten Zellen, welche sich überhaupt im Ei bilden, und nach späteren Beobachtungen von Mecznikow«) und Balbiani*) werden sie zu den Sexualdrüsen des Embryos. Hier liegt also wirkliche direkte Continuität des Keimplasmas vor; aus dem Kern der Eizelle gehen direkt die Kerne der Polzellen hervor, und Nichts steht der Annahme im Wege, dass die letzteren das Idioplasma des Furchungskerns un- verändert übernehmen und mit ihm die Vererbungstendenzen, deren Träger es ist. In allen andern Fällen aber gehen die Keimzellen durch Theilung späterer Embryonalzellen hervor, und da diese selbst einer späteren ontogenetischen Stufe des Idioplasmas angehören, so kann hier eine Continuität des Keimplasmas nur dann gefolgert werden, wenn man mit mir annimmt, dass ein kleiner Theil des Keimplasmas bei der Theilung des Furchungskerns unverändert und dem Idioplasma gewisser Zellfolgen beigemischt bleibt, und dass die Bildung wirklicher Keimzellen dadurch zu Stande kommt, dass im Verlauf dieser Zellfolgen und Zelltheilungen zu irgend einer Zeit Zellen gebildet werden, in denen das Keimplasma zur Herrschaft gelangt. Sobald man aber diese Annahme machen muss, ist es theoretisch ganz gleichgültig, ob das reservirte Keimplasma in der dritten, zehnten, hundertsten oder million- sten Zellgeneration zur Herrschaft gelangt. Desshalb sind jene Fälle früher Abtrennung der Keimzellen durchaus kein Beweis dafür, dass hier ein direkter Zusammenhang der elterlichen und der kindlichen Keimzelle vorliegt, denn eine Zelle, deren Nachkommen zum Theil somatische Zellen werden, zum Theil Keimzellen, kann selbst die Natur einer Keimzelle noch nicht besitzen. Wohl aber kann sie Keim-Idioplasma mit sich führen und dadurch die Vererbungssubstanz vom elterlichen auf den kindlichen Keim übertragen. ^) Compt. rend. Tom. 54, p. 150. 2) Entwickl. d. Dipteren. Leipzig 1864. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XVI, p. 389 (1866). *) Compt. rend. 13. Nov. 1882. - 49 — Will man aber diese Annahme nicht machen, dann bleibt Nichts übrig, als dem Idioplasma der verschiednen ontogene- tischen Stufen die Fähigkeit zuzuschreiben, sich wieder in die ei-ste Stufe, d. h. in Keimplasma, zurückzuverwandeln. S t r a s - bürg er lässt denn auch die Zellkerne (d. h. deren Idio- plasma) sich im Laufe der Ontogenese vercändern und am Schluss der Ontogenese wieder „zum Keimstadium zurück- kehren". Schon die blosse Wahrscheinlichkeitsrechnung spricht aber gegen eine solche Möglichkeit. Nehmen wir z. B. einmal an, das Idioplasma der Keimzelle, das Keimplasma, werde durch 10 verschiedne Bestimmungsstücke definirt, von denen jedes wieder zwei Möglichkeiten darbiete, so wäre die Wahr- scheinlichkeit, dass eine bestimmte Combination eintritt, gleich Va^'' = V1024; das heisst, die Rückverwandlung eines somatischen Idioplasmas in Keimplasma wird unter 1024 Ver- suchen ein Mal gelingen, sie wird folglich nie zur Regel werden können. Nun leuchtet es aber ein, dass man für die complicirte Structur des Keimplasmas, welche die ganze Individualität des Erzeugers bis zur „Porträtähnlichkeit" potentia in sich enthält, nicht mit 10 Bestimmungsstücken ausreicht, sondern deren eine überaus grosse Anzahl setzen muss, und weiter, dass auch die Möglichkeiten der einzelnen Bestimmungsstücke viel grösser als zwei angenommen werden 1° müssen nach der Formel — , wobei p die Möglichkeiten, n die P Bestimmungsstücke sind. Wir bekommen dann also bei sehr massiger Steigerang von p und n schon so geringe Wahr- scheinlichkeiten, dass sie gradezu die Annahme einer Rück- verwandlung somatischen Idioplasmas in Keimplasma aus- schliessen. Man wird mir einwerfen, dass in den Fällen frühzeitiger Trennung der Keimzellen von den somatischen Zellen diese Rückverwandlung viel wahrscheinlicher sei. Das wäre sie in der That, und es liesse sich Nichts gegen die Möglichkeit sagen, dass das Idioplasma der dritten Zellgeneration etwa den Schritt zum Keimplasma zurückthäte, obgleich natürlich — so- mit der Möglichkeit noch keineswegs die Wirklichkeit solchen Geschehens bewiesen wäre. Allein wo sind die zahlreichen Fälle, in denen die Sexualzellen so früh schon sich sondern? wie selten trennen sich die Sexualzellen auch nur schon im Verlauf der eigentlichen Furchung des Eies? Bei Daphniden (Moina) geschieht dies im fünften Furchungsstadium^), immer- hin noch ungewöhnlich früh, aber doch erst, nachdem bereits fünf Mal das Idioplasma seine Molekülarstructur geändert hat; bei Sagitta ^) erfolgt die Abtrennung erst zur Zeit der Ein- stülpung des Urdarms, d. h. nachdem bereits mehrere Hundert Embryonalzellen gebildet sind, nachdem also das Keimplasma seine Molekülarstructur zehn oder mehr Mal geändert hat. In den meisten Fällen aber erfolgt die Trennung viel später^ und bei Hydroiden erst nach Hunderten oder Tausenden von Zellgenerationen, ebenso wie bei den höheren Pflanzen, wo ja die Erzeugung von Kemizellen ans Ende der Ontogenese fällt. Die Wahrscheinlichkeit einer Eückverwandlung irgend einer Art von somatischem Idioplasma zum Keimplasma wird hier unendlich klein. Diese Erwägungen beziehen sich allerdings nur auf plötz- liche, sprungweise Umwandlung des Idioplasmas. Liesse sich nachweisen, dass hier wirklich eine cyklische Entwicklung vor- läge und nicht blos der Schein einer solchen, so wäre Nichts gegen die Eückverwandlung einzuwenden. Es ist nun zwar in neuester Zeit von Minot^) behauptet worden, alle Entwicklung sei cyklisch, dem ist aber offenbar nicht so, wie denn schon Nägeli hervorgehoben hat, dass es auch grad- linige Entwicklungsbahnen gibt, oder überhaupt solche, die mcht in sich zurücklaufen. Die phyletische Entwicklung der gesammten Organismenwelt gibt ein klares Beispiel für eine Entwicklung der letzteren Art. Denn wenn dieselbe auch noch lange nicht abgelaufen ist, so kann man doch voraussehen, ) Grobben, Arbeiten d. Wiener zool. Instituts, Bd. II, p. 203. Bütschli, Zeitschrift f. wiss. Zoologie, Bd. XXIII, p. 409. 8) „Science" Vol. IV, Nr. 90, 1884. — 51 — dass sie niemals in der Weise umkehren wird, dass sie durch dieselben Phasen hindurch rückwärts wieder zu ihrem Anfangspunkt gelangte. Niemand wird für möglich halten, dass die heutigen Phanerogamen im Laufe der Erd- geschichte wieder alle Stadien ihrer phyletischen Entwicklung in rücklaufender Reihenfolge durchmachen und auf diese Weise wieder zur Form von einzelligen Algen und Moneren zurück- kehren werden; oder dass die heutigen placentalen Säuger wieder zu Beutelsäugern, Monotremen, säugerartigen Reptilien u. s. w., bis schliesslich zu Würmern und Moneren herabsinken werden. Warum sollte aber, was in der Phylogenese unmög- lich scheint, in der Ontogenese stattfinden können, und ab- gesehen davon, ob es möglich scheint oder nicht: wo sind die Beweise dafür, dass es stattfindet? Wenn sich zeigen liesse, dass vom Nucleoplasma jener somatischen Zellen, die sich z. B. bei den Hydroiden zu Keimzellen umwandeln, zahlreiche Entwicklungsstufen zurückführten zum Nucleoplasma der Keimzellen, so wäre das ein Beweis. Nun können wir ja allerdings die Differenzen in der Structur des Idioplasmas höchstens aus seinen Wirkungen auf den Zellkörper, nicht aber direkt erkennen, aber auch der Zellkörper zeigt uns nichts Derartiges. Hat die Vorwärtsentwicklung so zahlreiche Stufen nöthig gehabt durch den Furchungsprocess, den ganzen Aufbau des Embryos hindurch u. s. w., so berechtigt Nichts zu der Annahme, dass die Rückwärtsentwicklung mit einem Sprunge geschehen könnte; es müssten also doch mindestens von jenen Gewebezellen von „embryonalem Charakter", die sich zu Urkeimzellen ausbilden, die Hauptphasen ihrer Onto- genie wieder rikkwärts durchgemacht werden. Eine plötz- liche Umwandlung des Nucleoplasmas einer somatischen Zelle zum Kernplasma der Keimzelle würde kaum ein grösseres Wunder sein, als die eines Säugers zu einer Amöbe. Von solchen Rückentwicklungsstufen ist nun aber Nichts zu er- kennen, vielmehr — wenn wir von dem Aussehen der ganzen Zelle auf die Structur ihres Kern -Idioplasmas schliessen dürfen — geht die Entwicklung einer Urkeimzelle vom Moment Woismann, Die Contiiiuitat des Keimplasmas. 4 — 52 — ihrer erkennbaren Differenzirung an stetig vorwärts bis zur ausgeprägten männlichen oder weiblichen Geschlechtszelle hin. Ich weiss wohl, dass von Strasburger gesagt wurde, bei der letzten Reifung der Geschlechtszellen „kehre die Sub- stanz der Zellkerne wieder zu dem Zustand zurück, den sie zu Beginn der ontogeneti sehen Entwicklung besass", aber das ist kein Beweis, sondern nur eine im Dienste der Theorie gemachte Annahme. Ich weiss auch wohl, dass Nussbaum und Andre bei der Bildung der Spermatozoen höherer Thiere auf einem gewissen Entwicklungsstadium eine rückläufige Ent- wicklung einsetzen lassen; aber selbst wenn diese Deutung richtig wäre, würde diese Rückwärtsentwicklung doch nur bis zur Urkeimzelle führen, würde also unerklärt lassen, wie das Idioplasma dieser Zelle sich nun weiter zu Keimplasma um- wandelt; das wäre aber gerade die Hauptsache, wenn man eben nicht mit mir die Annahme machen will, dass in ihr noch unverändertes Keimplasma enthalten ist. — Alle Ver- suche, eine solche Rückverwandluug somatischen Kernplasmas in Keimplasma wahrscheinlich zu machen, scheitern schliess- lich an den Verhältnissen bei den Hydroiden, bei welchen von zahllosen sogenannten „embryonalen" Zellen des Körpers nur ganz bestimmte die Fähigkeit haben, zu Urkeimzellen zu werden, die übrigen nicht. Ich muss desshalb die Vorstellung, dass somatisches Kern- plasma sich wieder rückwärts in Keimplasma umwandeln könnte, jene Vorstellung, die man etwa als „Kreislauf des Keimpiasraas" bezeichnen könnte, für irrig halten. Dieselbe ist übrigens auch phylogenetisch begründet worden, und zwar von N ä g e 1 i. Die phyletische Entwicklung der Organismen beruht nach seiner Auffassung auf einer stetigen, äusserst langsam erfolgenden und nur periodisch sichtbar werdenden Veränderung des Idioplasmas in der Rich- tung grösserer Complicirtheit. Der Fortschritt von einer Stufe zur andern wird nun im Allgemeinen dadurch bedingt, dass „die allerletzte Anlage der Ontogenie, welche die Ablösung der Keime bedingt, auf der höheren Stufe um eine oder — 53 — mehrere Zellgenerationen spcäter eintritt". „Die allerletzte Anlage, welche die Ablösung der Keime bedingt, bleibt hierbei die nämliche, und es wird nur unmittelbar vor derselben die Reihe der Entfaltungen verlängert". Ich glaube, dass hier Nägel i durch die ihm natürlich am stärksten sich auf- drängenden Verhältnisse bei den Pflanzen allzu ausschliesslich beeinflusst worden ist. Bei diesen, besonders bei den höheren Pflanzen, werden freilich die Keimzellen gewissermaassen am Ende der Ontogenese erst angelegt; bei den Thieren aber ist es in sehr zahlreichen, ja in den meisten Fällen nicht so; die Keimzellen werden vielmehr, wie mehrfach erwähnt, schon in der Embrj^ogenese, zuweilen schon ganz im Anfang der Ent- wicklung von den Körperzellen getrennt, und es lässt sich deutlich erkennen, dass dies die ursprüngliche, phyletisch älteste Art der Keimzellenbildung gewesen sein muss. Soweit wir wenigstens bis heute die Thatsachen überblicken, findet die Anlage der Keimzellen nur dann erst nach der Embryo- .genese statt, wenn Stockbildung mit oder ohne Generations- wechsel, oder aber Generationswechsel ohne Stockbildung stattfindet; aber auch in dem letzteren Fall nicht immer. Im Polypenstock bilden sich die Keimzellen erst in den späteren Generationen von Polypen, nicht schon in dem ersten, aus dem Ei entwickelten Begründer der Colonie, ebenso in Siphonophorenstöcken , auch in manchen Fällen lang aus- gezogener Metamorphose (Echinodermen) scheinen die Keim- zellen erst spät zu entstehen , aber in vielen andern Fällen von Metamorphose (Insekten) entstehen sie schon während der Embryogenese. Nun ist es aber klar, dass die phyletische Entstehung von Stöcken oder Cormen derjenigen einzelner Personen nachgefolgt sein muss, dass diese letzteren uns also den ursprünglicheren Modus der Keimzellenbildung darstellen. Die Keimzellen sind somit ursprünglich nicht am Ende der Ontogenese entstanden, sondern am Anfang, gleichzeitig mit den Zellen, welche ich als die somatischen, die Körperzellen, ihnen gegenüber stelle. Dass dem so ist, lehren grade auch manche niedere 4» — 54 — Pflanzenformen, oder doch chlorophyllhaltige Organismen, und diese illustriren, wie mir scheint, vortrefflich die Vorstellung von der phyletischen Entstehung der Keimzellen, wie ich sie in meinen früheren Darstellungen zu geben versucht habe. Die phyletische Entstehung der ersten Keimzellen fällt offenbar zusammen mit der der ersten durch Arbeitstheilung dilferenzirten vielzelligen Organismen^). Wenn man desshalb das genetische Verhältniss der Keimzellen zu den Köi-per- zellen ergründen will, wird man sich nicht darauf beschränken dürfen, die bereits ausgebildeten und hoch dilferenzirten viel- zelligen Bionten allein ins Auge zu fassen, sondern man wird die phyletischen Uebergangsformen zu Rathe ziehen müssen. Wir kennen ja neben den eiuzellebenden Einzelligen auch Colo nien von Einzelligen, bei welchen jede der sie zu- sammensetzenden Zellen der andern gleich ist, morphologisch und physiologisch-, jede ernährt sich, bewegt sich und jede vermag unter bestimmten Bedingungen sich fortzupflanzen, d. h. eine Theilung einzugehen, welche zur Bildung einer neuen Colonie führt. Eine solche Homoplastide (Götte) ist z. B. die Volvocinen- Gattung Pandorina (Holzschnitt 1), eine kugliche Colonie ganz gleicher Geisselzelleu mit Augenpunkt, Chorophyllinhalt und pulsirender Vacuole, in eine gemeinsame farblose Gallerte eingebettet. Diese Colonien pflanzen sich abwechselnd auf ungeschlechtlichem und auf geschlechtlichem Wege fort, wenn auch in letzterem Falle die sich copulirenden Schwärmzellen noch nicht als männliche und weibliche sieher unterschieden werden können. In beiden Fällen aber verhält sich also jede Zelle der Colonie hier noch wie ein einzelliges Bion, eine jede ist noch Fortpflanz imgszelle. Es ist nun sehr interessant, dass bei einer derselben Familie angehörigen Gattung der Schritt von der Homoplastiden- 1) Was man bei den Einzelligen als Keime bezeichnet, sind en- cystirte Individuen, die zuweilen zwar durch geringere Grösse, auch dmxh einfachere Bildung (Gregariniden), sich vom erwachsenen Bion unter- scheiden, die aber die gleiche morphologische Individualitätsstufe dar- stellen, wie diese. — 55 — zur Heteroplastiden - Stufe vollzogen, und die Scheidung in Körper- und Fortpflanzungszellen durchgeführt ist. Bei Volvox (Holzschnitt 2) besteht die kugliche Colonie aus -TS :3 O) C o a Ol S es o g W) m tS] .S ^ 43 a =i5 1 - 00 Si a o) ^ a - a> O ;=! .-H CD s «3 -03 u g .2 d X ö s s a ^ s ° ü 5 H o s es a u o 3 05 'S .3 .g — ' _, a> O) N o bD Ol ■3 O O cü H 3 3 aal 1—1 o 3 Ol ja 1 — 56 — zweierlei Zelleiiarten, aus den kleinen, zu Hunderten vorhandnen Geisselzellen und aus den viel weniger zahlreichen, grossen geissellosen Keimzellen. Die letzteren allein können die Bildung einer neuen Volvoxkugel hervoriiifen , und zwar ge- schieht dies auch hier abwechselnd auf ungeschlechtlichem Weg, oder nach regelrechter Befi'uchtung grosser Eizellen durch kleine, bewegliche Spermatozoon. Dieser letztere Punkt, die geschlechtliche Differenzirung der Keimzellen, ist für die hier ins Auge gefasste Frage gleichgültig ; es kommt vor Allem darauf an, ob hier, an der Wurzel der Heteroplastiden , die Keimzellen, mögen sie nun geschlechtlich differenzirt sein oder nicht, am Ende der Ontogenese und aus den soma- tischen Zellen entstehen, oder ob sich das Material der in die Embryogenese eintretenden mütterlichen Keimzelle von Anfang an scheidet in somatische und in Keimzellen. Das Erstere würde Nägeli's Ansicht entsprechen, das Letztere der meinigen. Nun wird aber von Kirchner^) bestimmt angegeben, dass bei der Furchung des befruchteten Volvoxeies sich die Keimzellen schon während der Embryonalentwieklung, d. h. vor dem Ausschlüpfen der jungen Heteroplastide aus der EihüUe, differenziren ; wir werden uns also die phyletische Entstehung der ersten Heteroplastiden nicht anders vorstellen können, als ich sie früher — ohne dass mir damals schon dieses frappante Beispiel gegenwärtig gewesen wäre — theore- tisch dargelegt habe; das Keimplasma (Nucleoplasma) , einer der Pandorina ähnlichen Homoplastide, muss sich im Laufe der Phylogenese in der Weise in seiner Molekülarstmctur geändert haben, dass die Zellencolonie, welche durch Theilung ontogenetisch aus ihr hervorging, nicht mehr, wie bisher, aus identischen, sondern aus zwei verschiednen Zellen- arten bestand, von denen nur die eine, die Keimzellen, noch der mütterlichen Keimzelle gleich waren, die andern aber die Fähigkeit, das Ganze hervorzubringen, aufgegeben hatten und ^) Vergleiche: Bütschli in Bronn's „Klassen und Ordnungen", Bd. 1, p. 777. — 57 — nur höchstens noch ihres Gleichen durch Theilung hervor- brachten. Hier bei Volvox scheint mir der bestimmte Beweis vorzuliegen, dass bei der phyletischen Entstehung der Hetero- plastiden die somatischen Zellen nicht, wie Nägeli meint, in der Ontogonese zwischen Mutterkeimzelle und Tochter^ keimzellen eingeschoben worden sind, sondern dass sie direkt aus der Mutterkeimzelle hervorgingen, Stücke von ihr waren, ganz so, wie dies bei Pandorina heute noch der Fall ist. Damit ist aber die Continuität des Keimplasmas für den Anfang der phyletischen Entwicklungs- reihe wenigstens festgestellt. Dass sich später dann die Zeit der Trennung beider Zellenarten von einander verschoben haben muss, beweist die schon oft erwähnte Thatsache, dass bei den meisten höheren Organismen diese Trennung später stattfindet, häufig sogar sehr spät, am Ende der ganzen Ontogenese. In dieser Be- ziehung sind die sicher bekannten Fälle fi'üherer Abtrennung von gi'ossem Werth, weil sie die extremen Fälle mit einander verbinden. Es kann keine Rede davon sein, dass die Keim- zellen der Hydroiden, oder der höheren Pflanzen als indifferente und desshalb noch nicht unterscheidbare Zellen schon von der Embryogenese an vorhanden seien und sich später nur differen- zirten. Dem widerspricht schon die einfachste mathematische Erwägung in Verbindung mit der Beobachtung, dass keine der verhältnissmässig wenigen Zellen des Embryo von der un- geheuren Vermehrung durch Theilung ausgeschlossen bleiben kann, damit die grosse Zahl durch Knospung entstehender Tochterindividuen zu Stande komme, welche einen Polypen- stock ausmachen. Die Gesclilechtsknospe einer Coryne ent- steht an einer Stelle des Polypenköpfchens, die sich durch Nichts von den danebenliegenden auszeichnet; eine einfache Lage von Ektodermzellen, eine ebensolche von Entodermzellen bildet die Leibeswand des Thieres an dieser Stelle. Dann aber tritt ein kleiner Kreis dieser Zellen in lebhafte Ver- mehrung ein, es entsteht eine Zellwucherung, und unter den so entstandenen jungen Zellen bilden dann einige sich zu - 58 — Keimzellen um. Sie waren als besondere Zellen vorher nicht da. Es ist desshalb auch verbaliter und streng genommen nicht richtig, wenn ich bisher den Satz aufstellte, die Keim- zellen seien unsterblich; sie enthalten nur den un- sterblichen Theil des Organismus, das Keim- plasma, nur dieses, das Idioplasma der Keimzellen, ist unsterblich, und wenn es auch, soweit wir wissen, jederzeit von einem Zellkörper umgeben ist, so beherrscht es doch nicht jederzeit diesen Zellkörper und drückt ihm den Stempel der Keimzelle auf. Das verändert indessen nichts Wesentliches in der Auffassung dieser Verhältnisse, und man darf auch heute noch die Keimzellen als den unsterblichen Theil des Metazoen- körpers den vergänglichen somatischen Zellen gegenüberstellen. Wenn Wesen und Charakter einer Zelle nicht im Zell- körper, sondern in der Substanz des Zellkerns ihren be- stimmenden Grund haben, dann ist die Unvergänglichkeit der Keimzellen gewahrt, wenn auch nur dieses continuirlich von einer Generation auf die andere geht. G. Jäger^) hat zuerst den Gedanken ausgesprochen, dass der Körper der höheren Organismen aus zweierlei Zellen bestehe, aus „ontogenetischen" und „phylogenetischen", und dass die letzteren, die Fortpflanzungszellen, nicht ein Produkt der ersteren, der Körperzellen sind, sondern dass sie direkt von der elterlichen Keimzelle abstammen. Er nahm als 1) Gustav Jäger, „Lehrbuch der allgemeiDcn Zoologie", Leipzig 1878, IL Abtheilung. — Es ist wohl die Schuld der zügellosen imd ober- flächlichen Speculationslust des Verfassers, dass die guten Gedankenkerne seines Buchs unbeachtet und ohne Nachwirkung geblieben sind. Mir wenigstens ist sein oben angeführter Gedanke erst jetzt bekannt geworden, und auch M. Nussbaum scheint völlig unabhängig von Jäger auf die- selbe Anschauung gekommen zu sein. Eine Durcharbeitung derselben ist übrigens von Letzterem auch nicht versucht worden; vielmehr folgen dann sofort recht werthlose Betrachtungen, wie z. B. die, dass die „onto- genetische" und die „phylogenetische Gruppe in concentrischem Ver- hältniss zu einander stehen" ! Warum nicht lieber in dreieckigem oder viereckigem Verhältniss ? — 59 — erwiesen an, dass die „Bildung der Zeugungsstoffe bei einem Thiere schon in die ersten Stadien seines Embryonallebens fällt", und glaubte damit den Zusammenhang des elterlichen und kindlichen Keimprotoplasmas festgestellt zu haben. Wie in der Einleitung schon erwähnt wurde, nahm dann später M. Nussbaum diesen Gedanken wieder auf, und zwar auf derselben Grundlage einer Continuität der Keim z e 1 1 e n. Auch er nahm an, es theile sich „das gefurchte Ei in das Zellen- material des Individuums und in die Zellen für die Erhaltung der Art", und stützte diese Ansicht auf die wenigen bekannten Fälle früher, schon in die erste Zeit der Embryonalbildung fallender Abspaltung der Geschlechtszellen. Er hielt auch später noch an dieser Ansicht fest, als durch meine Unter- suchungen an Hydromedusen nachgewiesen war, dass die Geschlechtszellen sich keineswegs immer schon in der Em- bryonalperiode von den somatischen Zellen trennen, sondern oft sehr viel später. Dennoch zeigen nicht nur die Hydroiden und die diesen sich ähnlich verhaltenden phanerogamen Pflanzen, dass eine direkte Herleitung der kindlichen von der elterlichen Keimzelle als Zellen den Thatsachen nicht ent- spricht, sondern die von Jäger und Nussbaum angeführten Fälle früher Abspaltung der Keimzellen beweisen dasselbe. In den allerseltensten Fällen gehen heute noch die Keimzellen direkt aus der elterlichen Eizelle hervor (Dipteren) ; wenn sie aber auch nur wenige Zellgenerationen später sich abspalten, so ist der postulirte Zusammenhang von elterlicher und kind- licher Keimzelle unterbrochen, denn eine Embryonalzelle, deren Nachkommen nur zum Theil Keimzellen werden, zum andern Theil aber somatische Zellen, kann unmöglich die Natur einer Keimzelle besitzen, ihr Idioplasma kann dem der elterlichen Keimzelle nicht gleich sein; ich brauche nur auf das zu verweisen, was oben über die ontogenetischen Stufen ie Coutiiiuitiit des Keünplasmns. 7 ~ 100 — nicht den ganzen Zellkörper beherrschen und zur Theiluncr bringen, aber sie erzwingen sich eine gewisse Machtsphäre, und sie thun dies, nachdem sie auf Kosten des Zellkörpers zu einer gewissen Grösse herangewachsen sind. Strasburger hat ganz Recht, wenn er dies eine „partielle Parthenogenesis" nennt; eine solche wird aber vermuthlich jeder Eikern auch eingehen, nur dass er sie nicht in allen den Fällen zu totaler Parthenogenesis steigern kann, wo er — wie hier der Sperma- kern — vermöge der ihm innewohnenden Assimilationskraft nicht die genügende Grösse erlangen kann. Aber nicht die Zelle zwingt den Kern zur Theilung, sondern umgekehrt. Es wäre auch vollkommen irrig zu glauben, dass parthenogene- tische Eier ein grösseres Nährmaterial enthalten müssten, um dadurch den Kern besser zu ernähren. Die parthenogeneti sehen Eier von gewissen Daphniden (Bytotrephes, Polyphemus) sind sehr viel kleiner, als die befruchtungsbedürftigen Wintereier derselben Arten; auch ist es ein Irrthum, wenn Stras- burger meint, es sei „mit Sicherheit festgestellt, dass günstige Ernährungsbedinguugen bei Daphniden parthenogenetische Entwicklung veranlassen, während ungünstige Bedingungen die Bildung befruchtungsbedürftiger Eier hervorrufen". Aller- dings hat sich Carl Düsing^) in seinem beachtenswerthen Buch über die Entstehung des Geschlechts mit Geschick und Scharfsinn bemüht, aus meinen Versuchen und Beobachtungen über die Fortpflanzung der Daphniden den Satz zu erweisen, „dass sich je nach der Stärke der Ernährung im Ovarium Winter- oder Sommereier bilden", ich glaube aber nicht, dass ihm dies gelungen ist. Jedenfalls kann von einer „Sicher- stellung" desselben keine Rede sein. Wohl habe ich beob- achtet, dass bei solchen Daphniden (Sida), welchen man in Gefangenschaft nicht die richtige Nahrung verschaffen kann, welche also Hunger leiden, die reifenden Eier in ihren Ovarien zerfallen und resorbirt werden, dass also solche Thiere ge- ^) Carl Diising, „Die Eegulimng des Geschlechtsverhültnisses". Jena 1884. — 101 — wissermaassen ihr Leben fristen auf Kosten ihrer Nachkoninieu- schaft; aber es wäre ganz verfehlt, wollte man mit Diising aus der Aehulichkeit , welche solche schwindenden EifoUikel mit den bei der Wintereibildung normalerweise sich auf- lösenden Keimzellengruppen besitzen, den Sehluss ziehen, dass bei einem massigeren Grad von Hunger Wintereier gebildet worden wären. Düsing citirt ferner meine gelegentliche Angabe, dass Bildung von Dauereiern bei Daphnia öfters in solchen Versuchsgläsern eingetreten sei, die ich „längere Zeit nachzusehen versäumt und in denen sich nun eine zahlreiche Nachkommenschaft angesammelt hatte". Er schliesst völlig irrthiimlich auf Nahrungsmangel in diesen vernachlässigten Gläsern; hätte ich einen solchen Sehluss voraussehen können, so würde ich ihm leicht haben vorbeugen können durch den Zusatz , das grade in solchen Gläsern eine ungestörte Wucherung verschiedentlicher Algen stattfand, so dass nicht Mangel, sondern Ueberfluss an Nahrung in ihnen herrschte. Ich habe übrigens seither direkte Versuche angestellt, indem ich Jungfernweibchen so knapp wie möglich ernährte; sie gingen aber in keinem Fall zur geschlechtlichen Fortpflan- zung über^). Es gehört schon einige Voreingenommenheit dazu, um nicht zu sehen, dass schon die Genese der beiderlei Eier selbst eine Entstehung der Sexualeier aus Mangel und schlechterer Ernährung gradezu ausschliesst. Die be- fruchtungsbedürftigen Dauereier sind stets grösser, als die parthenogenetischen „Sonimer"-Eier und brauchen weit mehr Nährmaterial, als diese. Bei Moina z. B. gehören zur Bildung eines Dauereies über 40 gi'osse Nährzellen, zu der eines Sommereies nur 3! Düsing kennt diese Thatsacheu und führt sie an! Wie sollte auch Dauerei - Bildung von schlechterer Ernährung abhängen, da doch die Zeit der Dauerei- Bildung grade die des allerreichlichsten Nahrungsvorraths ist. ') Ich denke diese Versuche an einem andern Orte gelegi Zusammenhang mit andern Beobachtungen mitzutheilen. — 102 — Bei allen Seebewohnern z. B. tritt die sexuelle Fortpflanzung erst gegen den Herbst hin auf, die Dauereier sind hier ächte Wintereier, bestimmt, die Art über den Winter hinaus zu erhalten. Zu keiner Zeit des Jahres aber ist die Nahrung der Daphniden so reichlich vorhanden, wie im September und October, oft auch noch bis tief in den November hinein (in Süddeutschland). Für die zahlreichen Moderfresser sind die Wasser zu dieser Zeit angefüllt mit Flocken pflanzlicher und thierischer Zerfallprodukte, für die räuberischen Polypheraiden wimmelt es von allen Arten von Crustaceen, Räderthieren und Infusorien; wo sollte da Mangel an Nahrung herkommen? Wer je im Herbst mit dem feinen Netz in unsern Süsswassern gefischt hat, der wird zuerst erstaunt gewesen sein über den enormen Reichthum an niederen Thieren, und dies um so mehr, wenn er im Stande war, es mit der spärlichen Früh- jahrsbevölkerung derselben Oertlichkeiten zu vergleichen. Im Frühjahr und Sommer aber pflanzen sich die betreffenden Daphniden durch Parthenogenese fort. Ich bin weit entfernt, meine Versuche an Daphniden für erschöpfend und abschliessend zu halten, und habe dies ja auch bei ihrer Veröffentlichung gesagt, aber so viel scheint mir allerdings durch sie festgestellt zu sein, dass direkte, das einzelne Individuum trefl'ende Einflüsse, heissen sie Ernährung oder Temperatur oder sonst- wie, nicht die Art der Eier bedingen, welche hervorgebracht werden, sondern der indirekte Einfluss der Lebens- bedingungen, vor Allem die durchschnittliche Häufigkeit des Eintritts von schädlichen, die gesammte Colonie ver- nichtenden Ereignissen, wie sie die Winterkälte, oder das sommerliche Austrocknen der Pfützen darstellen. Ich kann gegenüber Düsing nur auf das verweisen, was ich früher gegen Herbert Spencer vorbrachte, der schon dieselbe Ansicht aufgestellt hat, „dass herabgesetzte Ernährung die geschlechtliche Fortpflanzung zur Folge habe". Weismann, Daphniden, Abhandl. VII, p. 329; Herbert Spencer, „Die Principien der Biologie": deutsch von Vetter, Stuttgart 1876, p. 249. — 103 — Eine meiner Beobachtungen scheint nun freilich dieser Ansicht eine Stütze zu gewähren, aber doch nur, wenn man sie ausser Zusammenhang betrachtet. Ich meine das Verhalten der Gattung Moina, die Thatsache, dass beim Fehlen von Männ- chen solche Weibchen von Moina, welche Sexualeier in ihren Ovarien tragen, und welche auch später beim Vorhandensein von Männchen nur befruchtungsbedürftige Eier producirt haben würden, zur Bildung parthenogenetischer Sommereier übergehen, falls das betreffende Winterei nicht abgelegt, sondern im Eierstock r e s o r b i r t w i r d. Das sieht freilich auf den ersten Blick so aus, als ob die durch den Zerfall des grossen Wintereies gesteigerte Nahrungszufuhr im Ovarium die Erzeugung parthenogenetischer Eier hervorrufe. Dieser Anschein wird noch erhöht durch Folgendes. Der Uebergang ziir Parthenogenese kommt nur bei der einen Art von Moina, bei Moina rectirostris vor, bei dieser aber stets und ohne Ausnahme; bei der andern von mir untersuchten Art, Moina paradoxa, werden einmal gebildete Wintereier auch stets abgelegt, und bei dieser Art gehen solche Weib- chen nicht zur Sommerei-Bildung über. Dennoch ist Düsing im Irrthum, wenn er dieses Beharren bei der Bildung von Sexualeiern darauf bezieht, dass hier die starke Zufuhr von Nahrung durch das im Ovarium zerfallende Ei in Wegfall kommt. Bei vielen andern Daphniden, die ich untei-sucht habe, wenden sich die Weibchen häufig wieder der Bildung parthenogenetischer Sommereier zu, nachdem sie ein oder mehrmals befruchtete Dauereier abgelegt haben. So verhält es sich z. B. bei allen Daphnia-Arten, die ich kenne, und dies allein beweist wohl, dass die abnorme Nahrungs- zufuhr eines im Ovarium zerfallenden reifen Wintereies nicht die Ursache darauf folgender Parthenogenese ist, wie es denn zugleich wieder von Neuem l)eweist, dass auch die bessere oder schlechtere Ernährung des ganzen Thiers Nichts mit der Art der Eibildung zu tliun liat, denn die Ernährung ist ja inzwischen dieselbe geblieben, jedenfalls nicht besser geworden. Es ist irrig, überall direkte äussere Ursachen für den — 104 — Modus der Eibildung verantwortlich zu machen. Natürlich müssen direkte Ursachen da sein, die es bedingen, dass ein Keim zum Winterei, ein anderer zum Somraerei wird, aber sie liegen nicht ausserhalb desThieres und nicht in der Nahrungszufuhr zu seinem Ovarium, sondern in jenen, für uns heute noch nicht weiter analysirbaren Ver- hältnissen, welche wir als die specifische Constitution der Art vorläufig bezeichnen müssen. In jungen Männchen von Daph- niden sehen die Hoden genau so aus, wie in jungen Weibchen die Ovarien^); dennoch werden sie Spermazellen liefern und nicht Eier, dafür bürgt uns die am jungen Thier schon er- kennbare männliche Form der ersten Antenne, oder des Klammerfusses. Wer kann aber sagen, welche direkte Ur- sachen die Keimzellen hier veranlassen, zu Spermazellen zu werden und nicht zu Eizellen? Liegt es etwa an der Er- nährung? Oder liegt es an der Ernährung, wenn stets die dritte Keimzelle einer vierzelligen Keimgmppe weiblicher Daphniden zur Eizelle wird, die andern aber sich zu Gunsten des Eies als Nährzellen auflösen? Das sind, glaube ich, deutliche Beispiele dafür, dass die direkt bewirkenden Ursachen der Richtung, welche die Entwicklung in einem speciellen Fall einschlägt, nicht in den äussern Einflüssen zu suchen sind, sondern in der Constitution der betreffenden Theile. Ganz ebenso verhält es sich bei der Entscheidung über die Qualität der Eibildung. In der Constitution der einen Moina-Art ist es enthalten, dass ein bestimmtes Thier nur Winterei er producirt oder nur Sommereier, bei der andern Moina-Art kann der Wechsel zur Sommereibildung eintreten, er erfolgt aber nur, wenn das Winterei unbefruchtet bleibt. Das letztere erscheint mir als eine specielle Anpassung dieser und anderer Arten vielleicht an den hier öfters eintretenden Männchenmangel. Jedenfalls leuchtet es ein, dass ein Vortheil ') Dasselbe ist seither flu- Arten aus verscbiednen andern Thier- gruppen festgestellt worden. — 105 — darin liegt, wenn bei ausbleibender Befruchtung das befruch- tungsbedürftige Ei für den Organismus nicht verloren geht, sondern resorbirt wird. Es ist dies eine Einrichtung, die der nachfolgenden Produktion von Sonimereiern zu Gute kommt, ohne aber doch ihre Ursache zu sein. Die Dinge liegen in der Natur nicht immer so einfach, das zeigt die kleine Gruppe der Daphniden sehr deutlich. Bei manchen Arten sind die Weibchen, welche Wintereier hervorbringen, reine Sexualweibchen und gehen niemals zur Parthenogenese über, bei andern können sie dies thun, thun es aber nur bei Männchenmangel , bei noch andern aber geschieht es regelmässig. Ich habe in meinen Daphniden- Arbeiten zu zeigen versucht, wie dies mit den verschiednen äussern Bedingungen, unter denen die verschiednen Arten leben, zusammenhängen kann, ganz ebenso, wie auch der frühere oder spätere Eintritt der Sexualperiode, und wie schliesslich der ganze cyklische Wechsel von sexueller und parthenogenetischer Fortpflanzung auf Anpassung an bestimmte äussere Lebensbedingungen beruht. Sollte ich aber sagen, wie man sich etwa die direkten Ursachen vorzustellen und wo man sie zu suchen habe, welche es bewirken, dass das eine Mal parthenogenetische Sommer- eier, das andere Mal befruchtungsbedürftige Wintereier her- vorgebracht werden, so kann ich das von der oben dargelegten Hypothese über die Zusammensetzung des Keimbläschens aus ovogenem Kernplasma und aus Keimplasma ohne Schwierigkeit thun. Ich möchte aber dabei etwas weiter ausgreifen und auch die beiden oben als Beispiele aufgeführten Fälle von den Ei-Nährzellen und den Spermazellen heranziehen. Die direkte Ursache, warum die völlig identisch er- scheinenden Zellen des jugendlichen Daphniden- Sperraariums und -Ovariums sich einerseits zu Spermazellen, andrerseits zu Eizellen entwickeln, sehe ich darin, dass in dem Kern- plasma beider zwar völlig gleiches (etwaige individuelle Verschiedenheiten abgerechnet) Keimplasma enthalten ist, aber verschiednes histogenes Kernplasma; m den — 106 — männlichen Keimzellen nämlich spennogenes, in den weiblichen ovogenes Plasma. Dies muss sogar so sein, wenn anders unsre Grundanschauimg richtig ist, dass die specifische Natur des Zellkörpers von der seines Kerns bestimmt wird. Ebenso werden die weiblichen Keimzellen des Daphniden- Ovariums, die zuerst nicht im geringsten von einander sich unterscheiden, doch dadurch verschieden sein, dass ihr Kern- piasraa ein Gemisch verschiedner Plasma- Arten in verschiednem Verhältniss ist. Keimzellen, die feinkörnigen ziegelrothen Winterdotter (Moina rectirostris) bilden sollen, müssen ein ovogenes Plasma von etwas anderer Moleklilarstructur besitzen, als solche, welche nur wenige grosse blaue Fettkugeln (Sommer- eier derselben Art) abscheiden sollen. Weiter wird auch das Verhältniss zwischen Keimplasma und ovogenem Plasma in beiderlei Keimzellen ein verschiednes sein können, und es wäre eine sehr einfache Erklärung der sonst räthselhaften Rolle, welche die Nährzellen spielen, dürfte man annehmen, dass bei ihnen die Beimischung von Keimplasma ganz fehlt; es wäre damit die Ursache gegeben, warum sie nicht in embryonale Entwicklung eintreten können, sondern bis zu einer gewissen Grösse heranwachsen und dann stille stehen, wenn freilich auch daraus allein es sich noch nicht erklärte,' warum sie sich dann nun langsam in der umgebenden Flüssig- keit auflösen. Wenn man aber weiss, dass auch Eizellen sich sofort aufzulösen beginnen, sobald die betreffende Daphnide schlecht ernährt wird, so wird man kaum umhin können, auch die Auflösung der Nährzellen auf ungenügende Ernährung zu beziehen, welche eintritt, sobald die Eizelle bei Erreichung einer bestimmten Grösse eine überlegene Assimilationskraft geltend macht. Es war aber bisher durchaus nicht zu verstehen, warum grade immer die dritte Eizelle einer Keimzellengrappe diese Ueberlegenheit entwickelte und zur Eizelle wurde ; besässe sie eine in Bezug auf Ernährung begünstigte Lage, so könnte man vermuthen, dass sie den drei andern Keimzellen in der Entwicklung voraneilte und diese dadurch am Weiterwaehsen verhinderte: allein davon — 107 — lässt sich Nichts mit irgend welcher Wahrscheinlichkeit sehen, wie ich dies auch früher schon hervorhob, obwohl ich mich zuletzt aus Mangel einer besseren Erklärung dennoch zu dieser Annahme entschloss, wenn auch nur als zu einer „provisorischen Zurechtlegimg der Thatsachen". Es bot sich mir damals noch nicht die Möglichkeit die Ursache der späteren Verschiedenheit jener vier, dem Anschein nach völlig identischen Zellen in ihre eigne Substanz zu verlegen. Jetzt aber steht es uns frei, die Annahme zu machen, dass mit der Theilung einer Urkeimzelle in zwei, und dann in vier Keimzellen eine ungleiche Theilung des Kernplasmas einher- gehe, derart, dass nur eine der vier Zellen zugleich Keim- plasma mit ovogenem Kernplasma erhalte, die drei andern aber nur das letztere. Auf diese Weise wird es auch ver- ständlich, dass gelegentlich auch einmal die zweite Zelle der Keimgruppe zum Ei wird, was von meinem früheren Erklämngsversuch aus ganz unverständlich blieb. Es scheint mir durchaus kein Einwurf gegen diese Ansicht, dass auch ächte Eizellen, ja das ganze Ovarium mit allen seinen grösseren Keimzellen zerfallen und resorbirt werden kann, wenn das Thier anhaltend hungert, so wenig, als es ein Einwurf gegen die Unsterblichkeit der Einzelligen wäre, dass ein Infusorium verhungern kann. Das Wachsthum wird ja überhaupt nicht allein durch die innere Constitution zum Stillstand gebracht, sondern auch durch absoluten Mangel der Nahrung, aber es wäre doch recht verkehrt, wollte man die Grössendifferenzen der verschiednen Thierarten von dem verechiednen gutem Emährungsgrad derselben herleiten. Wie aber ein Sperling auch bei der allerbesten Ernährung niemals weder die Grösse noch die Gestalt des Adlers erreicht, so wird auch die zum Sommerei bestimmte Keimzelle niemals weder die Grösse noch die Gestalt und Farbe des Wintereies erreichen; es sind innere, constitutionelle Ursachen, welche bei beiden ihren Entwicklungsgang bestimmen, und im letzteren Falle kann es kaum etwas Anderes sein, alsdieverschiedne Beschaffenheit ihres Kernplasmas. — 108 — Alle diese Erwägungen beruhen auf der Voraussetzung, dass in der Substanz des Keimbläschens zweierlei Idioplasmen vereinigt sind, Keiraplasma und ovogenes Plasma. Ich habe dafür bisher noch keinen eigentlichen Beweis vorgebracht, ich glaube aber, dass ein solcher gegeben werden kann. Es gibt bekanntlich Eier, bei welchen die Richtungskörper erst nach dem Eindringen des Spermatozoons ins Ei aus- gestossen werden. Brooks^) hat diese Thatsache schon zu einem Beweis gegen die Theorie von Minot und Balfour benutzt, indem er vollkommen richtig schliesst, dass, wenn wirklich das Richtungskörperchen die Bedeutung einer männ- lichen Zelle hätte, sich nicht absehen Hesse, warum das Ei sich nicht auch ohne Befruchtung sollte entwickeln können, da es ja dann die ihm nöthige männliche Kernhälfte immer noch besässe. Solche Eier aber — z. B. die der Auster — entwickeln sich niemals unbefruchtet, sondern sterben, wenn sie nicht befruchtet werden. Gegen dieses Argument Hesse sich höchstens mit einer neuen Hypothese Etwas einwenden, deren Aufstellung ich den Vertheidigem dieser Theorie überiassen will. Aber die be- treffende Thatsache scheint mir zugleich auch den Beweis zu liefern für die Anwesenheit zweier verschiedner Kernplasmen im Keimbläschen. Wäre nämlich das Kernplasma der Rich- tungskörper auch Keimplasma, so wäre nicht abzusehen, wess- halb diese Eier sich nicht parthenogenetisch entwickeln sollten, dass sie ja dann in unbefruchtetem Zustand mindestens ebenso viel Keimplasma enthielten, als sie nach der Befruchtung enthalten. Dagegen könnte man höchstens dann Etwas vorbringen, wenn man das Kernplasma der Samenzelle für etwas qualitativ Verschiednes von dem der Eizelle hält. Gegen diese Ansicht habe ich mich oben schon gewandt und möchte jetzt noch einmal darauf zurückkommen. Schon vor einer Reihe von Jahren sprach ich die Ueberzeugung aus, dass „der physio- 1) Brooks, „The law of lieredity". Baltimore 1883, p. 73. — 109 — logische Werth von Samenzelle und Eizelle der gl e i c h e sei, sie verhielten sich „wie 1:1"^). V a 1 a o - ritis^) hat mir darauf den Einwand gemacht, dass wenn man imter dem physiologischen Werth einer Zelle den Werth ihrer Leistungen verstehe, es nur eines kurzen Hinweises auf diese letzteren bedürfe, um zu zeigen, wie verschiedenwerthig that- sächlich ihre „Leistungsfähigkeit" sei. „Ist es doch die Ei- zelle und nur diese, welche die phylogenetischen Stadien des Mutterthiers mehr oder weniger vollständig durchlaufend sich zu einem ihm ähnlichen Wesen gestaltet. Und bedarf es auch allerdings in den meisten Fällen der Einwirkung des Spermatozoids, um jene Kräfte auszulösen, so beweisen doch die Fälle von Parthenogenesis, dass das Ei diese Einwirkung vollkommen entbehren kann." Dieser Einwand schien voll- kommen berechtigt, so lange man in der Befruchtung noch „die Belebung des Keims" sah, oder, wie ich es oben aus- drückte, in der Spermazelle den Funken, der die Explosion hervorruft, so lange man ferner die Keimsubstanz noch im Zellkörper erblickte. Jetzt können wir dem Eikörper kaiun eine höhere Bedeutung zuschreiben, als die, der gemein- same Nährboden für die bei der Befruchtung kopulirenden beiden Kerne zu sein. Diese selbst aber — wie Stras- burger vollkommen in Uebereinstimmung mit mir sich aus- drückt — : „Spermakern und Eikern sind ihrer Natur nach nicht verschieden." Sie können es gar nicht sein, da sie ja beide aus Keimplasma derselben Species bestehen, und ein Gegensatz in ihrer eignen Substanz nicht enthalten sein kann, vielmehr nur ein so geringfügiger Unterschied, wie er den individuellen Verschiedenheiten der fertigen Individuen ent- spricht. Zwischen ihnen kann desshalb in der That an und für sich keine besondere Anziehung bestehen, und wenn wir sehen, dass Sperma- und Eizelle sich anziehen, wie das ja auf pflanzlichem und thierischem Gebiet erwiesen ist, so sind ') Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 33, p. 107. 1873. 2) Valaoritis, a. a. 0. p. 6. — HO — das sekundäre Erwerbungen, die keine andere Bedeutung haben, als die Geschlechtszellen einander zuzuführen, also Einrichtungen, die dem vibrirenden Schwanz des Spennato- zoons, oder der Mikropyle des Eies gleich zu stellen sind, aber keine fundamentalen, in der Molekülarstructur des Keim- plasmas begründete Eigenschaften. Bei niedern Pflanzen hat Pfeffer den Nachweis erbracht, dass bestimmte chemische Reize vom Ei ausgehen und das Spermatozoon anziehen, und bei den Phanerogamen sind es nach Strasburger die Synergiden -Zellen in der Spitze des Embryosackes, welche eine Substanz aussondern, die die Fähigkeit besitzt, das Wachsthum des Pollenschlauchs gegen den Embryosack hin- zuleiten. Für die Thiere hat bis jetzt nur so viel festgestellt werden können, dass Spermatozoon und Eikörper sich gegen- seitig anziehen, die ersteren finden das Ei und bohren sich durch seine Häute durch und das Plasma des Eikörpers kommt dem eindringenden Samenfaden entgegen (cones d'exsudation, Fol bei Seesternen), geräth auch wohl dabei in zuckende Bewegungen, wie dies beim Ei von Petromyzon der Fall ist. Hier muss also eine gegenseitige Reizung und Anziehung statt- finden. Auch zwischen den beiden copulirenden Kernen wird man vielleicht doch eine Anziehung annehmen müssen, da nicht recht abzusehen ist, wie das Cytoplasma allein sie zu einander führen sollte, wie Strasburger will. Es müsste denn sein, dass von dem specifischen Cytoplasma der Sperma- zelle ein Theil auch dann noch den Kern umhüllt, wenn er in den Eikörper bereits eingednmgen ist. Jedenfalls aber beruht die vermuthete Anziehung zwischen den copulirenden Kernen nicht auf der Molekülarstructur ihres Keimplasmas, sondern auf irgend einem accessorischen Umstand, denn diese ist bei den beiden copulirenden Kernen die gleiche. Wenn es ausführbar wäre, in das Ei irgend einer Art, unmittelbar nach Umwandlung des Keimbläschens zum Eikern, den Eikern eines andern Eies künstlich hineinzubringen, so würden die beiden Kerne wahrscheinlich sich ebenso copuliren, wie wenn der befruchtete Spermakern ins Ei eingedrungen wäre, und — III — es würde damit der direkte Beweis geliefert sein, dass Ei- und Spermakern in der That gleich sind. Leider wird sich der Versuch wegen technischer Hindernisse schwerlich aus- führen lassen*); einen theilweisen Ersatz dafür aber leistet die von Berthold festgestellte Thatsache, dass bei gewissen Algen (Ectocarpus und Scytosiphon) nicht nur eine weibliche, sondern auch eine männliche Parthenogenese vor- kommt, indem zuweilen auch die männlichen Keimzellen allein sich „zu allerdings sehr schwächlichen Pflänzchen" entwickeln können^). Auch die Conjugation darf als Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht angesehen werden. Es kann wohl nicht mehr bezweifelt werden, dass sie die geschlecht- liche Fortpflanzung der Einzelligen ist. Bei diesen nun, wie ja auch bei zahlreichen Algen, sind fast immer die beiden conjugirenden Zellen auch äusserlich gleich, und wir haben keinen Grund, anzunehmen, dass sie es nicht auch in ihrer Molekül arstructur soweit seien, als überhaupt ein In- dividuum derselben Art dem andern gleich sein kann. Nun gibt es aber auch Formen mit entschiedner Dilferenzirung der sich copulirenden Zellen zu weiblichen und männlichen, und diese Formen sind mit jenen ersten durch Uebergänge ver- bunden. So copuliren sich z. B. die Zellen der Volvocinen- Gattung Pandorina, ohne dass wir im Stande wären, einen bestimmten Unterschied zwischen ihnen festzustellen, bei Volvox 1) Seither ist dieser Versuch, wenn auch in umgekehrtem Sinn, aus- geführt worden; nämlich Befruchtung eines künstlich seines Kernes be- raubten Eies durch zwei Spermakerne. Vergl. Aufsatz XII. VV. 1892. 2) Ich citire nach Falkenberg in Schenk's Handbuch der Botanik Bd. II, p. 219, wo es dann weiter heisst: „Es sind dies die einzigen bisher bekannten Beispiele, dass ausgesprochen männliche Sexualzellen, welche den Befruchtungsprocess nicht haben ausführen können, sich als fortbildungsfähig erweisen." Aeusserlich unterscheiden sich übrigens die beiderlei Keimzellen noch nicht, wohl aber dadurch, dass die weib- lichen sich festsetzen und die eine Geissei einziehen, während die männ- lichen fortgesetzt umherschwärmen. Aber auch dieser Grad der Difteren- zirung verlangt schon die Annahme einer inneren, molekularen Ver- schiedenheit. — 112 — aber werden grosse Eizellen und winzige Zoospermien gebildet. Wenn wir nun annehmen müssen, dass die Conjugation zweier völlig gleichen Infusorien denselben physiologiseheu Erfolg hat, wie die Vereinigung zweier Geschlechtszellen höherer Thiere oder Pflanzen, so werden wir der Annahnie nicht entgehen können, dass das Wesentliche des Vorgangs schon in jenen völlig gleichen Infusorien gegeben war, dass also die Unter- schiede, welche bei Pandorina vielleicht schon angedeutet, bei Volvox und bei allen höheren Thieren und Pflanzen scharf ausgesprochen vorhanden sind, nicht das Wesen des Vorgangs betreffen, sondern von secundärer Bedeutung sind. Fasst man vollends die ausserordentlich verschiedenartige Ausbildung der beiderlei Geschlechtszellen nach Grösse, Gestalt, Hüllen, Be- weglichkeit und schliesslich nach ihrem numerischen Auftreten ins Auge, so bleibt gar kein Zweifel, dass wir es hier ledig- lich mit Einrichtungen zu thun haben, die das Zusammentreffen der beiderlei Copulationszellen sichern sollen, Anpassungen der Art an die bestimmten Bedingungen, unter welchen bei ihr die Befruchtung sich vollziehen muss. NACHSCHRIFT. Da es zur Beurtheilung der in dieser Schrift dargelegten Ansichten von Bedeutung ist, zu wissen, ob bei Eiern, welche sich parthenogenetisch entwckeln, ein Richtungskörperchen ausgestossen wird, oder nicht, so möchte ich hier noch kurz mittheilen, dass es mir neuerdings gelungen ist, die Bildung eines Richtungskörperchens von deutlich zelligem Bau bei den Sommereiern von Daphniden nachzuweisen. Genauere An- gaben darüber sollen an einem andern Ort nachfolgen. 22. Juni 1885. Der Verfasser. Pierer'sche Hofbuchdvuokerei. Stephan Geibel & Co. in Alteubui-g. i I