DIE TON- UND STIMMAPPARATE DER INSECTEN IN ANATOMISCH-PHYSIOLOGISCHER UND AKUSTISCHER BEZIEHUNG VON DR H. LANDOIS. O & $ MIT 2 TAPELN. LEIPZIG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 18G7. » Abdruck aus der Zeitschrift für wissensch. Zoologie XVII. Bd. INHALTSVEBZEICENISS. I. Specieller Theil. Seile Geschichtliches 1 Die Tonapparate der Orthopteren 7 Die Tonapparate der Feldheuschrecken (Acridida) 7 Die Tonapparate der Grabheuschrecken (Achetida) 12 Der Tonapparat der Laubheuschrecken (Locustida) 17 Die Lautäusserungen der Käfer 1n(pog Vxegov eoxi, y.ai xgixov xoi xiov dtdXexxog. qiovel f.iev ovv ovdevi xiüv aXXiov iioguov ovdev TtXrjv xw cpdgvyyi. dib oaa f.ir) l'yei nvai^inva, ovde (fi>eyyexai. dtdXexxog d i) xfjg yiovrjg eaxt xfj yXtoxirj didü-gwaig. xd f.iev ov» c/>a>- vrjevta r) cpiorr) xai 6 Xdgvyg dq?irjaiv. xd d' acpopa jj yXioxxa xat xd %eiXrj. e£ wv i) dtdXexxng eaxiv. diu uoa yXioxxav in) e%ei rj /ocpel de xi[> aisi» rrvevitaxt, ov x(p Ü-vqüKe. ovdiv ydg dva/rvei avxtuv, dXXd xd /iiev ßofißeJ, nJor (.li- Xixia v.ai xd 7ixi]vd avxtüv, xd d' adetv Xe'yexai. oiov oi xf'xxtyeg. ndvxa de xavxa xpotpel xio v(.ievt xy vnu xu v7c6£ioi.ta, oaiov dtrjgtjxai, oJnr xwv xexxiywv xi yhog xfj xgiifiei xov 7rvevftaxog. xai at (ivlüi de xai 1) Aristoteles, ex recensione J. bekkeri, Uerolini 4831. Landen«, Ton- u. Stimmapparate d. luaecleü. 1 2 ai (xüitutti -Aal xaXXa ndvxa, xij irxrjoei ai'govxa y.al ovQvMovw b yoQ xp6(poS TQixpig fori xou i'ao) uvEVfxaxog. {ai Ö'dxQlÖeg xolg uvÖa- Uoig xgißovaai noiowi xbv ipoyov) '). Ajuktothles führt von den In- secten, denen eine Lautausserung eigen ist, folgende namentlich auf: die Bienen und ihre Verwandten, die Cicaden, die Fliegen, die Wespen Melolonthen (Maikäfer?) und die Heuschrecken. Bei der Beschreibung der Art und Weise, wie sich Aristoteles das Tönen vorstellte, gebrauch! er einzelne Ausdrücke, deren Verständniss den Interpreten nicht klar geworden zu sein scheint. So sagtFiuNTzius in seiner bekannten üeber- setzung der Theile der Thiere : »Was unter V7c6^ia Lei den Insecten gemeint sei, ist mir durchaus unbekannt.« Akistoteles gebraucht die beiden Ausdrücke VTtS^cofia und öidtw^ia ohne Unterschied ; die Wör- ter bezeichnen gewöhnlich einen Gürtel, überhaupt jedes Ding, wel- ches zum Umgürten und Umhüllen eines Gegenstandes benutzt wird. Die Griechen nannten auch das Zwerchfell did£io(.ia, weil es die edleren Gelünge in der Brusthöhle theils bedeckt, theils von den Bauchehvc- weiden trennt. Bei den Insecten bezeichnet es die Stelle des Körpers, wo der Leib zwischen Thorax und Abdo- men tief eingekerbt ist. In der Nähe dieser Einschnürung liegt nach Aristoteles das vf.rfv. Auch dieser Ausdruck hat mancherlei falsche Deutungen erfahren. »Bei einigen wärmeren Insecten — sagt Bona Mever2) — den Bienen, Wespen, Gicaden, wird die letzte Weise der Abkühlung erleichtert durch ein Häut chen, das an der Unterseite des Mittelleibes liegt und hinter dem nach innen sich das eingewachsene Pneuma befindet (475. o. 1. ff.). Wie ich vermuthe, sah Aristoteles den ihm genau bekannten Singapparat der Cicaden als dieses Organ an, und* da er die Bedeutung desselben für die Tonbildung dieser Thiere wahrgenommen, so setzte er vielleicht bei allen summenden Insecten ähnliche Häutchen voraus.« Da jedoch Aristoteles an vielen Stellen so- wohl den Cicaden, als auch den Bienen, Wespen, Fliegen u. s. w. ganz mit Bestimmtheit das Hymen vindicirt, so möchten wir es wohl nicht mit einem hypothetisch angenommenen Hautchen zu thun haben. »Es giebt — so sagt Aristoteles — Insecten, welche tiefer Einschnitte ent- behren, wie der Julus, der Skolopender und Verwandte; diejenigen aber, welche lebhafter sind, wie die Bienen, Cicaden, und die Fliegen, sind eingeschnitten, onwg öid Xercxoxeqov ovxog xov v/.wvog xpvx^xai.^ Aristoteles postulirte für lebhaftere Thiere auch eine stärkere Abküh- lung. Durch die Einschnitte im Insectenleibe wird die Oberfläche des \) Achnlichc Stellen finden sich: Hist, an. IV, 7. pag. 532. b. 14. - Rist an. V, 30. pag. S56. a. . der Tonapparat der Bockkäfer in der angegebenen Weise wirke , da man fast an jeder Species dieser Familie durch das Experiment sich leicht davon überzeugen kann. Selbst getrocknete und wieder aufge- weichte Exemplare aus Sammlungen sind dazu tauglich. Die Dicke der einzelnen Rillen der Reibleiste steht mit der Körper- grösse der verschiedenen Species genau im Verhällniss. Grössere Böcke haben mächtigere Rillen , als kleinere Arten. Wir könnten eine sehr grosse Anzahl mikroskopischer Messungen über Breite der Reibleisten, Grösse der Rillen u. s. w. anführen, -unter- lassen es aber desshalb, weil dieses die Kennlniss des Tonapparales nicht wesentlich beeinträchtigt. Ich musste sie aber deshalb anstellen, um die Allgemeinheit des Satzes feststellen zu können , dass der Ton überall durch die Reibleisten entstehe. Nirgends sind es glatte reibende Flächen, welche etwa ähnlich wie glatte kreischende Thürangeln einen Ton hervorbringen. Es giebt unter den Bockkäfern sowohl grössere, als auch kleinere Species, von denen wir keine Töne vernehmen. So hörte ich von dem 1 % Zoll langen Forstbock (Prionus coriarius) nie einen Ton; auch konnte ich durch gewaltsame Bewegung des Prothorax nie einen Ton hervorbringen , wie dieses bei den anderen Böcken doch so leicht gelingt. Der Grund hierfür liegt in dem Mangel des Tonappa- rates. Weder setzt sich der Mesothorax vor dem Schildchen unter den 22 Prothorax fort, noch auch ist der scharfe reihende Uinterrand der Vor- derbrust vorhanden. Von einer sehr grossen Anzahl, namentlich kleinerer Böcke hören wir aber desshalb keine Töne, weil unser Ohr für dieselben nicht empfindlich genug ist. Es ist eine allge- mein beobachtete Erscheinung , dass die meisten grösseren Holzböcke, sobald man sie ergreift, mit ihrem Kopf eine auf- und abwärts biegende Bewegung machen , welche jedesmal von dem bekannten Ton begleitet ist. Es fiel mir nun auf , dass die kleinen Species der Holzböcke , so- bald sie ergriffen werden , ganz dieselbe Bewegung machen , wie die grösseren , und doch konnte ich durchaus keinen Ton vernehmen. Um so gespannter musste ich auf die mikroskopische Untersuchung sein, ob hier ein ahnlich gebauter Tonapparat vorhanden sei , oder nicht. Ich kam zu dem Resultate, dass auch die kleinsten Bockkäfer mit Tonapparaten versehen sind. Die Dimensionen werden natürlich im Verhältnisse zur Körpergrösse der Böcke immer kleiner. Stellen wir etwa die Maasse des Tonapparates zweier Böcke gegenüber, vom riesigen 52 Mm. langen Cerambyx heros und dem sehr kleinen Grammoptera ruficornis (5 Mm. lang). Cerambyx heros. Grammoptera ruficornis. Länge der Reibleiste 3,4 Mm. 0,375 Mm. Breite der Reibleiste 3 Mm. 0,25 Mm. Anzahl der Rillen 238 Stück 113 Stück. Dicke jeder Rille 0,014 Mm. 0,0033 Mm. Der ausserordentlichen Feinheit der Rillen der Reibleiste bei den kleinern Bockkäfern ist es zuzuschreiben, dass wir den Ton nicht mehr zu hören vermögen. Besässen wir ein ähnliches Instrument für unser Ohr, wie das Mikroskop für unser Auge, so würde sich eine Mannig- faltigkeit von Tönen herausstellen, von denen wir bis jetzt keine Ahnung hatten. Ich lege hier schliesslich noch ausdrücklich Ge- wicht darauf, dass wir in den angegebenen Thatsachen einen directen Beweis dafür haben, dass es Thiere .gebe, welche Laute hervorbringen, die dem menschlichen Ge- ll ör nicht mehr zugänglich sind. Zu einem gleichen Ergebniss, wie hier bei den Käfern, werden wir auch bei den Fliegen gelangen. Es giebt in der Familie der Bockkäfer nur wenige Arten , welche keinen Laut von sich geben können. Von unseren einheimischen Böcken gehört dazu der grosse Forstbock (Prionus coriarius). Derselbe entbehrt gänzlich des Chitinfortsalzes der Mittelltrust . welcher sich bei den übrigen Gattungen unter den ringartigen Prothorax schiebt. 23 Die Lautäusserung der Gattung Necrophorus (Todtengräber). Wenn Swammerdam sagt: »De Schalbyters maken haar geluvt met de hoornagtige deelen van haar Hooft tegens de articulatien der Boorst, en die der staart tegens de schaalen haarer "Vleugelen sterk aan te vi -yven«, so möchten wir mit einiger Sicherheit darin die Beobachtun- gen erkennen , die er an den Longicornien (Bockkäfern) und an' den Nekrophoren angestellt hat. Auch Burmeister führt in seiner Entomo- logie den gemeinen Todtengräber (Necrophorus vespillo) ausdrücklich an in der Reihe derjenigen Käfer , welche ihre Lautäusserung durch Reibung bewerkstelligen. Es bringen sämmtliche Arten der Gattung Necrophorus die Laut- äusserung in derselben Weise hervor , und eben deshalb können wir uns auf die genauere Beschreibung einer einzigen Art beschränken. Wahlen wir dazu den gemeinsten Todtengräber (Necrophorus vespillo) aus , da- man an dieser Art die Lautäusserung am häufigsten wird be- obachten können. Der Ton besteht aus einem abgesetzten schnarrenden Laut; er wird hervorgerufen durch die Reibung des fünften Hinterleibsringes an die Hinterränder der beiden Flügeldecken. Der Hinterleib ist aus acht Ringeln zusammengesetzt; von diesen zeigen die ersten vier einen anderen Bau, als die vier letzten. Erstere liegen stets mit ihrer oberen Hälfte unter den Flügeldecken verborgen und sind demgemäss eben da von weicherer Beschaffenheit, namentlich an den Stellen , wo die Stigmen gelegen sind. Die vier hintersten Ringel sind sowohl in ihren oberen , wie in ihren unteren Halbbogen sehr fest. Die drei letzten stehen immer unter den Flügeldecken hervor, und sind an ihren hinteren Rändern behaart. Das fünfte Hinterleibsringel zeigt einen abnormen Bau vor den Uebrigen. Sein oberer Halbbogen ist unter allen der grösste, und zeigt auf der Mitte zwei schmale Leisten, welche nach vorn zu etwas weiter auseinander laufen, als nach hinten (Taf. X. Fig. 6 h.). Die Flügeldecken, hinten abgestutzt, haben am Hinlerrande eine starke Chitineinfassung. In der Nähe der Deckennaht erhebt sich letztere zu einer erhabenen Leiste in einiger Entfernung vom Hinter- rande der Elytren. Wird nun das fünfte Hinterleibsringel durch die Muskelcontrac- lionen des Abdomens auf und ab bewegt, so reiben sich die beiden kleinen Längsleisten des fünften Ringels an die quergestellten Leisten 24 der Elytren , wodurch der Ton entsteht. Der Deckenrand bildet so das Reibzeug, die Leisten des llinterlcibsringcls den Reiher. Ks entsteht sowohl beim Aufbiegen des Hinterleibes, als auch beim Herunterbiegen • des Hinterleibes der Ton, wenngleich er im ersteren Falle viel kräf- tiger ist. Uie beiden erhabenen Längsleisten sind wohl auf dein Ilinter- leibsringe angebracht, damit die Deckennaht beim l'.eiben zwischen denselben Platz finde. Reibzeug und Reiher passen so gen^au aufeinan- der; wäre diese Einrichtung nicht so getroffen, so könnten die Flügel- decken leicht beim Reiben auseinandcrgeprosst werden; jetzt aber er- halten sie sich in ihrer natürlichen Lage, da die Randfcdern der Flügel- decken zwischen den Leisten zusammengeklemint werden. Der endgültige Reweis , dass diese Käfer wirklich in der eben an- geführten Weise die Lauläusserung hervorbringen , lässt sich leicht führen. Hebt man die Flügeldecken , oder schneidet man die Hinter- ränder derselben ab , so kann der Todtengräber keinen Ton mehr her- vorbringen , weil das Reibzeug entfernt ist. Zu demselben Resultate gelangt man, wenn die obere Hälfte des fünften Hinterleibsringels fort- geschnilten wird. Dagegen lässt sich leicht beobachten, dass der Käfer jedesmal einen Ton von sich hören lässt, so oft er die genannten Theile an einander reibt. Selbst bei getödteten tndividuen kann man durch Auf- und Abwärtsbiegen des Hinterleibes den Ton leicht hervor- bringen. Ausserordentlich interessant ist die mikroskopische Unter- suchung des Tonapparates bei den T od tengräbern. Die beiden Längsleisten auf dem fünften Hinterleibsri;. sind durch eine grosse Anzahl feiner Rillen in etwa 126 bis UO Leistchen getheilt (Vgl. Taf. X. Fig. 7. vi, wo ein kleines Ende dieser Reibe gezeichnet ist) . Die kleinen Leistchen , welche sämmtlich quer stehen, werden nun durch die Rewegung der Hinterleibsringel über die gehr scharfe hintere Kante der Flügeldecken gestrichen, wodurch in ähnlicher Weise der knarrende Ton entsteht , als wenn man mit der Messerschärfe über die Rillen einer Feile kratzt. Die messerscharfe Reibleiste jeder Flügeldecke ist 0,86 Mm. lang. Jede der beiden gerillten Reibleisten des fünften Hinterleibsringels ist oben 0,23 Mm. breit, läuft nach unten bis zu, 0,4 6 Mm. Breite verjüng! zu. Der Abstand beider gerillten Leisten beträgt oben 0.5 Mm., unten hingegen nur 0,46 Mm.; ihre ganze Länge misst 4,95 Mm. Bei Necrophorus mortuorum zählte ich einige Billen auf jeder Reibleiste mehr, indem ihre Anzahl 153 betrug; jedoch ist auch bei dieser Species der Tonapparat nicht wesentlich verschieden. 25 Necrophorus humator, dessen Reibleistcn 2,2 Mm. lang und 0,2 Mm. breit sind, hat etwas stärkere Rillen. Ihre Anzahl beträgt auf jeder Reibleiste 133. Das schnarrende Geräusch der Gattung Geotrupes (Mi stkäfer). Sämmtliche Species der Gattung Geotrupes lassen namentlich dann, wenn man sie in der Hand gefangen hält, einen eigenthümlichen schnarrenden Ton von sich hören. Resieht man den Käfer von der Rauchseite, so nimmt man während der Lautäusserung wahr, dass das Thier seinen Hinterleib schnell streckt und einzieht. Da die Flügel- decken sich oben etwas um die Hinterleibsringel umbiegen , so könnte man leicht vermuthen, dass der Ton durch die Reibung der Hinterleibs- ringel an die Flügeldeckenränder zu Stande käme. Da das Thier aber bei aufgehobenen Decken oder auch selbst nach dem Abschneiden der- selben noch schnarren kann, so liegt der Tonapparat ersichtlich nicht an dieser Stelle. Die mikroskopische Untersuchung ergab auch, dass die Chilintheile dieser Leibesgegend keinen abnormen Rau zeigten. Der Tonapparat liegt bei den Mistkäfern an den Coxen der Hinterbein e. Die Coxen, wodurch jedes Rein an der Hinterbrust eingelenkt wird , sind hier ausserordentlich stark entwickelt und um ihre lang gestreckte Insertionsstelle beweglich. Rei Geotrupes ster- corarius, dem gemeinsten Mistkäfer, sind sie 5 Mm. lang und 1,5 Mm. breit. Auf der Unterseite der Coxe erhebt sich eine Leiste, welche durch viele Einschnitte quer in eine grosse Anzahl feiner Rillen ge- furcht ist. Die Fig. 8. rl. (Taf. X.) giebt das Hinterbein des Mistkäfers in zweifacher Vergrösserung. Die Coxe (c.) zeigt die erhabene Reib- leiste (rl}. Die Reibleiste hat 84 quere Rillen, wovon jede 0,025 Mm. dick ist. Die Rreite der ganzen Leiste beträgt 0,36 Mm. Ueber diese Reibleiste der Coxe wird der scharfe Hinterrand des dritten Hinte rleibsringels gerieben, und dadurch das schnarrende Geräusch hervorgerufen. Und zwar ist es der untere Halbbogen des dritten Hinterleibsringels , wel- cher am hinteren Ende in den scharfen Rand ausläuft. Die beiden ersten Hinterleibsringel sind zarthäutig , das dritte und die folgenden fünf stark chitinisirt. Das Geräusch wird demnach ganz in ähnlicher Weise hervorgebracht, wie wenn man mit einer Messerschärfe über eine gerillte Feile streicht. Die Lautäusserung besieht aus zwei abge- setzten sich folgenden Tönen. Der eine entsteht, wenn die Hinterleibs- ringe contrahirt werden, und dieser ist der kräftigere und lautere Ton ; Landois, Ton- u. Slimniappai-ate d. Inscclen. • 3 26 den anderen vernimmt man, wenn der Hinterleib wieder in seine nor- male Ruhelage zurückkehrt, und dieser ist der schwächere Ton. Es tönt sowohl das Mannchen, als auch das Weibchen. Der Tonapparat ist an beiden letzten Coxen ganz symmetrisch gebaut. Man ist leicht im Stande , das Geräusch auch nach dem Tode des Käfers hervorzubringen; wir brauchen nur mit der Pincette das Ende des Hinlerleibes zu-fassen, und den ganzen Hinterleib hin und her zu ziehen. Bei den übrigen Species dieser Gattung ist der Tonapparat ganz in ähnlicher Weise gebaut. Nur geringe Unterschiede in Bezug auf Anzahl und Grösse der Rillen der Reibleiste walten ob. So zählte ich auf der Reibleiste von Geotrupes vernalis gegen 100 Rillen, die in einem Abstände von 0,02 Mm. quer die Reibleiste furchten. Auch ist hier wegen der geringeren Körpergrösse die Reibleiste nur 0,25 Mm. breit. Auf der Reibleiste der Göxe von Geotrupes sylvaticus zählte ich 101 Rillen, im gegenseitigen Abstände von 0,025 Mm., an den Enden der Leiste werden die Rillen etwas feiner. Der Ton der Elateren (Schnellkäfer). Es ist bereits die Eigenthümlichkeit der Gattung Elater von den Entomologen zur Charakteristik benutzt, dass die Käfer eine lange Spitze an dem Prothorax besitzen, welche in eine Höhle des Mesothorax aufgenommen werden kann. x) Dieser Apparat dient zum Empor- schnellen der Käfer. Wie uns schon Schmidt hübsch beschreibt, ziehen diese Käfer, wenn man sie berührt, ihre Beine ein. Da die Beine sehr kurz und schwach sind, können die Käfer, wenn sie auf dem Rücken liegen, damit den Boden nicht erreichen, und sie würden sich so nicht wieder umkehren können , wenn sie sich nicht durch das Vermögen, sich in die Höhe zu schnippen , wieder auf die Füsse bringen könnten. Indem das Thier auf dem Rücken liegt, biegt es den Thorax nach dem Rücken oder nach oben, und bringt also den Dorn des Prothorax aus der Höhle, in der er in der Ruhe gelegen ist, zum Vorschein. Nun krümmt sich der Körper plötzlich und dadurch schiesst der Dorn wie- der in die Grube und das Insect stösst dabei mit dem Rücken des Thorax kräftig auf den Boden und wird durch diesen Stoss empor- geworfen. 4) »Mucro prosterni in cavitate mesosterni recipiendus«, v. d. Hoeven, Hand- huch der Zoologie. Hand 1. pag. 50b. 27 Dieses Emporschnippen des Küfers ist mit einem knipsenden Ton verbunden. Derselbe entsteht , so oft der Dorn des Prothorax in die Grube der Mittelbrust geschnellt wird. Die Grube der Mittelbrust hat eine länglich ovale Oeffnung; ihr Rand ist schmal und nach vorn herzförmig eingekerbt und hat in der Mitte eine seichte Rinne. Der Dorn der Vorderbrust ist ziemlich lang und auf der Ober- fläche, wie auch an der Spitze ziemlich stark behaart, wesswegen der knipsende Ton nicht dadurch hervorgebracht werden kann, dass etwa die Spitze des Dornes auf den Grund der Höhle stiesse. Bei grösseren Elateren (Elater cuculatus , Illinois) sieht man auf der Unterseite des Dornes in einiger Entfernung von der Spitze des- selben schon mit freien Augen einen erhabenen glatten Wulst. Dieser wird beim Emporschnellen des Käfers über den erhabenen Vorderrand der Grube gezwängt. Hat der Wulst den Rand passirt, so knipst es, ganz in ähnlicher Weise , wie wenn der federnde wulstige Knopf eines kleinen eisernen Schlösschens hinter den unterliegenden eisernen Bügel sich knipsend festklemmt. Die Elateren machen die das Emporschnellen bewirkende Bewe- gung nicht allein, wenn sie auf dem Rücken liegen, sondern auch dann, wenn man ihren Hinterleib mit den Fingern festhält. Man hört dann das Knipsen mehrere Male hintereinander, so oft sie den Dorn in die Grube schnippen. Liegen die Käfer mit dem Rücken auf harter Unterlage, so hört man beim Emporschnellen noch einen zweiten Ton, der dadurch hervorgebracht wird, dass der Rücken gegen die harte Unterlage stösst. Das Klopfen durch Anobium pertinax (Todtenuhr). Da das Pochen dieses kleinen Käfers rythmisch ist, und einige Aehnlichkeit mit dem Schlagen einer Taschenuhr hat, so ist dieser Lautäusserung der Name »Todtenuhr« beigelegt, weil abergläubische Menschen darin den sicheren Vorboten eines Todesfalles hören wollten. Man . erkannte jedoch bald, dass dieses unheimliche Uhrgetick von einem kleinen Käferchen herrühre. Es haben sich bereits viele For- scher1) Mühe gegeben, die Entstehung des tickenden Tones genauer zu beschreiben; es finden sich jedoch bei ihnen viele unrichtige An- gaben. Man kann die Käferchen leicht beim Ticken selbst beobachten. Zu diesem Zwecke pflegte Herr Prof. Karsch mehrere Käferchen in 3* 28 einem kleinen llolzdöschen in seine Vorlesung mitzubringen. Er brauchte nur mit dem Nagel seines Zeigefingers schnell hintereinander auf das Katheder zu klopfen, so beantworteten die Kiiferchen die Lockton sofort. Die Thierchen sind so frech , dass sie auch bei geöff- netem Deckel das Ticken fortsetzen, und man kann dann leicht be- obachten , auf welche Weise sie das Geräusch zu Stande bringen. Sie setzen ihre sechs Beine an eine Stelle fest auf; dabei machen sie mit dem Körper, in der Richtung nach vorn und hinten, hin und herschla- gende hämmernde Bewegungen. Durch das Aufschlagen des Körpers auf die harte Unterlage entsteht das eigentümliche Ticken. Schwierig ist es, zu entscheiden, ob der einzelne tickende Ton durch das An- prallen des Kopfes oder des Abdominalendes gegen die Unterlage zu Stande kommt. Bei genauerer Beobachtung überzeugt man sich jedoch bald, dass jedesmal , wenn die Oberkiefer des kapuzenartig eingezoge- nen Kopfes das Brett berühren, ein tickendes Geräusch entsteht. Durch die schnelle Wiederholung der auf- und niederschlagenden Bewegung lies Körpers kommt dann das einer tickenden Uhr ähnliche Geräusch zu Stande. Einen eigenen Tonapparat finden wir demnach bei diesem Käfer nicht. Das Summen der Maikäfer (Melolontha). Bevor die Maikäfer sich zum Fluge anschicken, machen sie eigen- tümliche Bewegungen. Sie recken den Kopf vor und zurück , heben die Flügeldecken auf und nieder, und die -Oberfläche des Hinterleibes wird stark auf- und abbewegt. Schon den Kindern fällt diese Er- scheinung auf, indem sie sagen : Der Maikäfer »zählt«. Diese den Flug vorbereitenden Bewegungen haben den Zweck, die Respirationsorgane mit Luft anzufüllen. Die Tracheen durchziehen in zwei Längsstämmen den Körper; von ihnen gehen die Aeste zu den Stigmen , und anderseits zu den Körperorganen. Letztere Aeste tragen eine grosse Anzahl Blasen , kleinen Ballons vergleichbar. Sie haben oft einen Durchmesser von zwei Millimetern, sodass man sich wundern muss, das sämmtliche Tracheenblasen in dem Körper des Käfers Platz finden. Die Tracheenblasen des Männchens sind im Ganzen grösser, als bei den Weibchen. Um die Anzahl zu bestimmen, habe ich mir die Mühe ge- geben , sämmtliche Bläschen herauszupräpariren , und ich fand gegen 550 Stück. 4) Dale, on theTicking of Anobium. Magaz. of N. H. ser. 1. 1S34. T. 7. p. 474. Edmonds, The Death-watch ; the Ticking of Anobium. Ebendaselbst, p. 468. Westwood, Note about the Ticking of Anobium. Ebendaselbst, pag. 470. 29 Wir können uns das Einpumpen der Luft nicht erklären, wenn wir nach der gewöhnlichen Ansicht annehmen , dass die Stigmen ein- fach offene Löcher sind ; denn in diesem Falle würde beim Einathmen gerade so viel Luft in den Körper eintreten , als beim Ausathmen aus- gestossen wird. Um zu bewirken, dass beim Ausathmen weniger Luft aus dem Körper tritt, als beim Einathmen, ist hinter dem Stigma an der Trachee ein ei gen thü ml icher Appa rat ange- bracht, den ich den Tracheenverschluss genannt habe. In demselben liegt zugleich beim Maiküfer d er Brummappa rat. Hinter dem Stigma l) setzt sich ein Tracheenast an, dessen Oeffnung in das Stigma mündet. An einer Seite ist das letzte Ende der Trachee stark chitinisirt und bildet einen Bügel von 0,31 6 Mm. Länge und 1,116 Mm. Breite. Diesem Bügel gegenüber stehen auf der Oberfläche des Tracheenrohres zwei kleine Kegel in. einem gegenseitigen Ab- stände von 0,078 Mm. Mit ihrer Basis — die 0,1734 Mm. misst — stehen sie auf der Oberfläche der Trachee. Die Kegelchen sind 0,172 Mm. hoch. An den Spitzen der Kegelchen sind zahlreiche Muskel- fasern angeheftet, die zusammen ein 0,2615 Mm. dickes Bündel aus- machen. Die einzelnen Muskelfäserchen sind äusserst dünn (0,01 92 Mm.); im Ganzen sind beim Maikäfer 286 an jedem Tracheenverschluss vor- handen. Zu den Muskelfasern führt ein Nerv, der sich kurz vor dem Eintritt in den Muskel in 1 2 bis 1 4 Fasern theilt ; die Dicke des Nerven bestimmte ich auf 0,027 Mm. Im Innern des Tracheenrohres, unter der Einlenkungsstelle der beiden Kegelchen ist eine dünnhäutige Zunge befestigt. An ihrer Basis ist sie 0,2932 Mm. breit und ragt mit einer Länge von 0,1539 Mm. in das Lumen des Tracheenrohres hinein. Der Mechanismus des Tracheenverschlusses kann uns nicht mehr unklar bleiben. Sobald der Muskel contrahirt wird, drücken die Kegelchen auf die Tracheenwand und eben dadurch auch auf die Basis der Zunge. Diese wird gegen den Bügel gedrängt und der Ver- schluss ist bewerkstelligt. Der Zweck des Tracheenverschlussapparales leuchtet von selbst ein. Will sich das Thier mit Luft vollpumpen', so schliesst es bei der ausathmenden Bewegung den Verschluss. Die Luft kann nicht durch die Stigmen entweichen und muss, bei anhaltender Contraction sämmt- 4) Da ich in der Abhandlung : »Der Tracheenverschluss bei den Insecten« (in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Band XVII., Heft 2.) in der Figur 2 eine Abbildung des Stimmapparates des Maikäfers gegeben , so kann ich auf die dort gezeichnete Figur verweisen, wenn die hier gegebene Beschreibung nicht an- schaulich genug sein möchte. 30 lieber Respirntionsmuskeln , in die zahlreichen Tracheenblasen ge- zwängt werden. ') bei keiner anderen kälVigallung habe ich in dem Tracheenver- schlusse eine solche Zunge vorgefunden , wie sie der Maikäfer besitzt. Sie ist im Innern des Tracheenrohres gerade unter der Basis der Ver- schlusskegel angewachsen. Auf ihrer Oberfläche zeigt sie eine sehr feine bogige Rillenzeichnung. Da diese Zunge bei Einwirkung von Kali nicht angegriffen wird , so besteht sie , wie die innere Tracheenhaut, aus Chitin. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass diese Zunge beim raschen Aus- und Einströmen der Luft in vibrirende Bewegung gesetzt wird und dadurch den sehr starken Brummton der fliegenden Maikäfer her- vorruft. Der Flügelschlag bringt natürlich auch ein Gesumme hervor ; aber ein so starker Ton kann durch denselben allein nicht hervorse- bracht werden; er muss der vibrirenden Brummzunge des Tracheen- verschlusses zugeschrieben werden. Da der Maikäfer am Hinterleibe allein \ 4 Tracheenverschlüsse und also ebenso viele Brummzungen be- sitzt, so muss durch die Thätigkeit einer so grossen Anzahl vibrirender Organe die Stimme des Käfers bedeutend verstärkt werden. Die Lautäusserungen der Dipteren. Die Mücken und Fliegen sind wohl unter den Insecten am mannig- faltigsten mit Apparaten, für Lautäusserungen eingerichtet, bedacht worden ; und eben daher lassen sich die widersprechenden Ansichten der Forscher erklären, welche über diesen Gegenstand ihre Unter- suchungen, angestellt haben. Schon Aristoteles versuchte es in einer bewunderungswürdig sinnreichen Weise , das Problem des Tönens der Fliegen zu erklären. Er sagt nämlich von ihnen und einigen anderen Insecten , dass sie dadurch das ihnen eigenthümlich zukommende Ge- summse bewirken, dass sie durch den dünnen häutigen Theil, wodurch die Brust mit dem Hinlerleibe zusammenhängt, die Luft mit grosser Schnelligkeit hin- und hertrieben. In dieser dünnen häutigen Bohre werde nämlich die Luft eingeengt und setze die Bohre selbst in eine vibrirende, das Gesummse bewirkende Schwingung. Zur Erklärung dieses Vorganges bedient er sich eines höchst sinnreichen Vergleiches. Er sagt nämlich , der summsende Ton komme gerade in der Weise zu 4) Sollten nicht auch die Vögel den zweiten Kehlkopf dicht vor der Theilung der Bronchien besitzen, um durch dessen Mechanismus die Luft in die Knochen etc. hineinzuzwängen ? 31 Stande, wie wenn Knaben durch einon durchbohrten Schilfstengel , an welchem die innere Haut jedoch unverletzt sein nmss , ihren Athem hindurchzyvängtep. Und in der That, nehmen wir einen getrockneten Schilfhalm, tragen vorsichtig den harten Theil an einer Seite ab, aber so, dass die darunter liegende dünne innere zellige Haut unverletzt bleibt, und zwängen alsdann durch den Schilfstengel unseren Athem, so werden wir finden , wie auf diese Weise durch die Schwingung der feinen Membran ein Ton entsteht , der mit dem Gesummse der Bienen und Fliegen grosse Aehnlichkeit hat. Dieser höchst sinnreiche Versuch, durch den Aristoteles unser Problem zu Ibsen versuchte , reicht aber in der That nicht aus. Denn wenn wir auch , wie ich dieses oft ver- sucht habe, Bienen oder Wespen oder grösseren Fliegenarten den dün- nen häutigen Theil zwischen Brust und Hinterleib unterbinden , sodass also von einer Luftströmung in demselben durchaus keine Bede mehr sein kann , so wird dennoch , sobald ich das Insect wiederum in Frei- heit setze, das Gesummse nicht wesentlich beeinträchtigt, geschweige denn , dass es völlig aufhörte , wie es ja doch die aristotelische Auf- fassung fordert. In Anbetracht solcher Unnahbarkeit versuchten manche Gelehrte der Neuzeit eine andere Erklärung des Summens der Dipteren zu geben. Burmeister, unstreitig einer der ersten Entomologen unserer Zeit , sagt, es entstehe das Summen durch die Luft, welche aus den hinteren Bruslstigmen aus- und einströmt. Es befinde sich an dem Bruststigma eine halbmondförmige , aus Hornblättchen bestehende Scheibe , welche durch die Luftströmung erschüttert, den Ton bewirke. In wie weil diese Erklärung richtig ist oder nicht , wird sich aus den späteren spe- ciellen mikroskopischen Untersuchungen der Stimmapparate bei den Dipteren ergeben. Erichson, der als ausgezeichneter Enlomolog Burmeister in seinem Buhme nicht nachstehen möchte, versucht das Problem dadurch zu lösen, dass er sagt, das Summsen entstehe durch die knitternde und vibrirende Bewegung , welche das Insect durch Aneinanderreihung der Hinterleibsringel erziele. Aber wie steht es mit dieser Erklärung, wenn wir dem Insect den ganzen Hinterleib wegschneiden , ohne dass eine beträchtliche Verminderung des summenden Tones einträte? Oken, dem auch C. G. Carus und Andere beistimmen, glaubt, dass »die Mücken und Fliegen den Ton dadurch hervorbringen , indem die Flügelwurzeln in ihren Gelenkhöhlen sich reiben, und zwar ohne dass die Schwingkölbchen dazu beilragen.a Dass der Ton nicht allein auf diesem Wege entstehe, sieht man leicht ein, wenn man die Beibung der Flugelwurzeln entweder durch Wegschneiden oder durch 32 Einölen verhindert , wobei die Thiere unbehindert ihre Töne erschallen lassen. Unter den Laien habe ich so oft die Ansicht aussprechen hören, als wenn die Insecten durch den Mund Töne hervorzubringen im Stande wären; es giebt jedoch kein einziges Insect, welches in dieser Weise organisirt wäre. Es wird uns nach diesen Erörterungen einleuchtend sein, dass die angeführten Versuche vorbedachter Forscher , das Tönen der Dipteren zu erklären , meist als misslungen zu erachten sind , wir sehen uns demnach darauf hingewiesen , eine andere Erklärung dieser Erschei- nungen zu geben. Die erste Thatsachc , auf welche wir zu allererst unsere Aufmerk- samkeit zu richten haben, ist meiner Ansicht nach die, dass in der Regel dann, wenn wir ein Insect tönen hören, wir auch eine Bewegung der äusseren Organe wahrnehmen. Zum anderen scheint es mir aber auch durchaus nothwendig zu sein , bei Betrachtung des Tönens dieser Insectenreihe auf die verschiedenen hohen und tiefen Töne, welche die Thiere von sich zu geben im Stande sind,' unser Augenmerk zu richten. Sehen wir die Dipteren in der Luft unbehindert umherfliegen , z. B. die gemeine SchmeissQiege (Musca vomitoria), so vernehmen wir einen relativ tiefen Ton des Summens und dabei sind die Flügel und die Schwingkölbchen in heftig vibrirender Bewegung. Fasst man hingegen das Insect in der Weise an , dass es ausser Stande ist , die Flügel be- wogen zu können , so vernimmt man einen bedeutend höheren Ton des Summens, und man bemerkt, wie die Ringe des Hinterleibes durch gegenseitig an einander statthabende Reibung vibriren ; auch sieht man zuweilen den Kopf heftig nach beiden Seiten sich bewegen. Ergreift man aber endlich die Fliege so, dass weder Flügel noch irgend ein Theil des Körpers der Bewegung fähig bleibt , so vernimmt man den höchsten Ton des Summens. Aus diesen Beobachtungen glaube ich den Schluss ziehen zu müssen , dass das Tönen der Dipteren durch Vibration verschiedener Körpertheile hervorgebracht wird und zwar je nach der Höhe oder Tiefe der Töne, welche das Insect hervorbringt. Fliegt es frei umher, so sind es die schwingenden Flügel , welche durch ihre enorme Schwingungs- geschwindigkeit oder gar durch Anschlagen wider die harten Wandun- gen der Brust den verhältnissmässig tiefen Ton erzielen. Dass aber überhaupt ein so kleines und anscheinend winziges Thier so heftige Schwingungen hervorbringen könne, wird uns einleuchtend, wenn wir bedenken, dass unter allen Thieren das Muskelleben bei den Insecten 33 am höchsten entwickelt ist. Also entsteht zunächst ein relativ tiefer Ton durch die vibrirende Flügelschwingung. Fasse ich aber das Insect so an, dass ich die Flügel an der Schwingung hindere, indem ich sie etwa andrücke oder auch ab- schneide, so erzeugt es — wenigstens ist es bei unserer Schmeissfliege der Fall — durch Vibration und gegenseitige Reibung der Segmente des Hinterleibes einen Ton, auf den schon Ekicuson aufmerksam machte; mitunter wird dieser Ton, der mehr einem knisternden Geräusch gleicht, verstärkt durch die heftige Schwingung des Kopfes wider die Vorder- hand des Thorax. Wir sehen den Kopf mit ungeheurer, kaum mit den Augen zu verfolgender Geschwindigkeit um seine Axe nach rechts und links hin schnellen. Wir werden noch unten dieser Erscheinung einen besonderen Paragraphen widmen. Alle vorbenannten Töne der Dipteren werden durch Vibration äusserer Körpertheile hervorgebracht; sie sind aber ausserdem im Stande, eine Stimme erschallen zu lassen. Die Fliegen bringen durch die Stigmen der Brust ihre Stimme hervor. Der Be- weis für diese Behauptung ist in der That sehr leicht zuführen; er wird aus den nachfolgenden Beobachtungen sich von selbst ergeben. Ich fand zu diesen Untersuchungen grössere Fliegen am geeig- netsten , die Schmeissfliegen , namentlich aber die Schlammfliegen (Eristalis) . Bringt man eine recht lebenskräftige Schlammfliege — heisse Sommertage sichern das Gelingen des Experimentes unfehlbar — unter Wasser, so werden die äusseren Körpertheile dadurch behindert, in schwingend vibrirende Bewegung versetzt zu werden , und dennoch vernimmt man einen sehr deutlichen hohen Ton ; es ist die Stimme der Fliegen. Dem Organ, womit die Stimme hervorgebracht wird, kommen wir schon näher auf die Spur, wenn wir folgendes Experiment anstellen. Ich schneide einer recht lebenskräftigen Brumm- oder Schlammfliege schnell den Kopf ab , trenne die Flügel mit ihren Gelenkwurzeln von der Brust , reisse die sechs Beine aus und schneide schliesslich auch den Hinterleib ab. Auf diese Weise erhalte ich die Brust in dem Zu- stande, dass alle äusseren Organe, die in Bewegung gesetzt werden könnten, mit alleiniger Ausnahme der Schwingkölbchen, entfernt sind. Und trotzdem tönet dieser Rumpf. Der Ton wird etwas ge- schwächt, wenn man auch die Schwingkölbchen entfernt. Es müssen also innere Stimmorgane vorhanden sein, und diese er- kennen wir in den Stigmen des Thor a\. 34 Die Dipteren haben an der Brust vier Stigmen, von denen zwei am Prothorax, und zwei am Metathorax liegen. Verklebt man dieselben mit Gummi arabicum oder mit Wachs, so sind die Thiere nicht im Stande , ihre Stimme hören zu lassen. Nur bei denjenigen Fliegen und Mücken, denen überhaupt eine Stimme zukommt, sind die Stigmen zu Stimmorganen umgewandelt. Viele Fliegen besitzen vier Slimmapparale ; als Beispiel hebe ich die gemeine Schmeissfliege hervor, deren Stimme auch sehr stark ist. In diesem Falle sind die hinteren Brummapparate kräftiger und grösser entwickelt, als die beiden vorderen. Andere Fliegen besitzen nur zwei Stimmorgane , und es sind dann entweder die ersten oder die letzten Bruststigmen zu denselben umgewandelt. Ein einzelner Brummapparat hat im Allgemeinen folgenden Bau : Die zahlreichen Tracheen der Brust treten allmählich zusammen bis sie in der Nähe eines jeden Stigma's ein einziges Bohr bilden. Dieses weitet sich am Ende in eine halbkugelige Blase aus, deren äussere Oeffnung der Stigmenrand bildet. Die Tracheenblase faltet sich häufig in zierliche Blättchen. Diese werden auseinandergehalten durch einen besonderen Brummring, welcher dicht unter der Stigmenöffnung liegt. Wird nun die Luft aus den Tracheen des Körpers ausgestossen oder von Aussen eingesogen, so setzt dieselbe die Chitinblättchen in der Brummhöhle in schwingende Bewegung. Wir nennen den Ton, der dadurch entsteht , nach dem Vorgange des Aristoteles mit Becht eine Stimme, weil er durch die Bespirationsorgane hervorgebracht wird. Die Dipteren wären somit nicht nur im Stande , durch die Vibra- tion äusserer Körpertheile Töne hervorzubringen , sondern es kommt ihnen auch eine wirkliche Stimme zu. Der Bau der Stimmapparate ist ausserordentlich mannigfaltig ; und wir müssen deswegen die mikro- skopische Untersuchung derselben bei einzelnen Gattungen und Arten anstellen, um ein anschauliches Bild davon zu bekommen. Die vier Brummapparate der Brummfliege (Calliphora vomitoria) . Jede Brummfliege hat vier Brummapparate; zwei grössere und zwei kleinere. Die Grossen liegen am Metathorax in der Nähe der Schwingkölbchen ; die kleinen hingegen finden sich in dem Prothorax. Gehen wir zunächst auf die Beschreibung der hinteren Brummapparale näher ein. Wir unterscheiden an jedem der grösseren höchst complicirten Brummapparate der gemeinen Brummfliegen folgende Haupttheile : 35 1 . Die Brummhöhle. 2. Die Brummklappen. 3. Den Brummring. 4. Die luflzuführenden Tracheen. Die Brummhöhle bildet einen halbkugeligen Baum, dessen obere Oeffnung in dem Chitinskelet des Metalhorax eingefalzt ist. Hier yerdioken sich ihre Bänder ein wenig; an Gestalt ähnelt die äussere Oeffnung einem Herzen; sie ist 0,8 Mm. lang und 0,6 Mm. breit. Die äussere Oeffnung der Brummhöhle wird vollständig überdeckt, durch zwei Brummklappen oder Brummladen von ungleicher Grösse. Ihre Gestalt erkennen wir am besten in der Fig. 9. kk. gk. Jede Klappe besteht aus steifen Chitinhaaren , die sich ins Feinste verzweigen und verflechten, sodass dadurch ein zusammengewebter Fächer entsteht. Die kleine Klappe (kk) ist beweglich eingelenkt und liegt mit ihrem äussersten Bande ein klein wenig über der grösseren. Die kleine Klappe lässt sich ein wenig nach Aussen öffnen ; die grosse ist ganz festgewachsen. Beide Klappen sind offenbar desshalb vorhanden, um eintretendem Staube den Zugang zu verwehren; ihr zart durch- brochener Bau verhindert dagegen nicht, dass die Luft hindurchströme ; inwiefern dieselben zur Hervorbringung des Gesummes beitragen, wer- den wir noch später angeben. Unter diesen Klappen liegt der Brummring (Taf. X. Fig. 10.). Er ist von ovaler Form und liegt , da er etwas kleiner als die Brumm- höhle ist, frei in derselben , nur an seinem oberen und unteren Pole ist er in der Höhle festgewachsen. Auf den Bau dieses Brummringes haben wir vorzüglich unsere Aufmerksamkeit hinzulenken, um die Entstehung des Brummens erkennen zu können. Wenn man von Innen den Brummapparat betrachtet, so sieht man zunächst, dass sich die massenhaften Tracheen des Thorax allmählich vereinigen , bis sie schliesslich in ein Bohr sich sammeln , welches sich in einen einzigen Sack ausweitet, der mit seiner Mündung an der Basis der obengenannten fedrigen Klappen angeheftet ist. Diesen Tracheensack, die innere Auskleidung der Brummhöhle, hält der Brummring auseinander. Präparirt man den Brummring heraus, so nimmt man zuerst seine elastische Spannung wahr; er klafft dann gleich auseinander. In der Mitte hat er nämlich ein federndes Bindeglied (Taf. X. Fig. 11. fm.). An dem Binge sind zwei Stimmbänder befestigt; sie hangen gardinenartig in demselben. Ihre inneren Ränder liegen dicht neben einander und bilden die Stimmritze. Wird nun die Luft aus den Tracheen in die Brummhöhle gepressl, 36 so setzt sie die Stimmbänder in tönende Vibration. Es mögen auch dij Stimmbänder häufig an die fedrigen Verschlussklappen rauschen, da die Stimme dieser Fliegen nicht rein ist, sondern immer eine schnar- • rende Coloralur hat. Bei den Eristalis-Arten ist die Stimme viel reiner, ■ weil dort die Haare, welche das Stigma oben^verschliessen , gar nicht mit den zahlreichen Slimmbändchen in Berührung kommen können. Um Wiederholungen zu vermeiden, gehe ich hier auf die Bedeu- tung der Schwingkölbchen und auf die Erzeugung des Tones nicht näher ein; es wird dieses bei den Schlammfliegen näher auseinander gesetzt werden. In dem federnden Zwischenstücke des Brummringes mündet eben- falls ein Trachee (Taf. X. Fig. 10.) ; es ist aber unmöglich, festzusetzen1, ob auch diese zur Hervorbringung der Stimme beiträgt. Jenes Zwischen- stück hat zwar die Form und den Bau eines kleinen Kehlkopfes , wie die genaue Abbildung desselben schon hinreichend auch ohne nähere Beschreibung erläutern wird. Es bleibt uns nun noch übrig, einerseits die Maasse des Brumm- apparates anzugeben, und andererseits auf den feineren mikrosko- pischen Bau näher einzugehen. Die gardinenartigen Stimmbänder (Taf. X. Fig. 1 1 . st. st'.) im Brummringe sind 0,22 Mm. breit; ihre Dicke beträgt nur 0,003 Mm. Schon bei schwacher Vergrösserung zeigt sich eine grössere zellenför- mige Zeichnung von der gewöhnlichen hexagonalenForm. Jedes Zellen- feld (Taf. X. Fig. W. z.) hat 0,0134 Mm. im Durchmesser; es wird zusammengesetzt aus etwa 36 kleinen Feldchen, etwa jedes 0,00 IC Min. gross. Letztere sind cylindrische Zellchen, welche nur eine einzige Lage bildend das Stimmband zusammensetzen. Die Brummfliegen haben zwei solcher Brummapparate, welche unter den Flügeln in der Nähe der Halteren liegen. Ausserdem kommen am Thorax dieserFliegen noch zwei andere Stimm- apparate vor. Letztere befinden sich nämlich in den beiden ersten Thoraxstigmen. Da sie im Allgemeinen den Grösseren ähnlich con- struirt sind , so können wir uns bei ihrer Beschreibung schon kürzer fassen. Man erkennt die ersten Stigmen an der Brummfliege schon leicht an ihrer gelben Färbung. Sie werden gebildet aus einem länglichen Spalt, dessen Bänder rings herum ganz gleichmässig mit fein ver- zweigten gelben 0,315 Mm. langen Haaren besetzt sind. Letztere con- vergiren und verhüten das Eindringen fremder fester Körper; insofern haben diese Stigmen Aehnlichkeit mit den Stigmenlippen der Eristalis- und Syrphusarten. Es ist nur hier auffallend , dass sich die obt-re 37 äusserliche Bedeckung der hinteren und vorderen Brummapparate bei den Brummfliegen so verschieden herausstellt. Die Thoraxtracheen vereinigen sich auch hier und endigen in einem grösseren Sack , dessen Oeffnung das schmale längliche Stigma bildet. Um diesen Tracheensack auseinander zu halten , liegt ein Chitin- ring in demselben, welcher eine länglich ovale Form hat. An dem einen Pole finden wir in dem Binge ein elastisch federndes Mittelglied (Taf. X. Fig. 12. fm.). Präparirt man den Bing heraus, so reisst ge- wöhnlich der Bing an dem entgegengesetzten Pole, und das Zwischen- stück biegt die beiden Bügel des Binges auseinander. Das Zwischen- stück ist 0,2 Mm. hoch und 0,175 Mm. breit. Die beiden Hälften des Binges sind an der Stelle , wo sie sich an das Mittelstück ansetzen, breiter, und verschmälern sich allmählich. Oben ist der Bügel 0,04 Mm. breit, unten nur 0,02 Mm. In dem Brummringe sind die Stimmbänder gardinenförmig ange- bracht (Taf. X. Fig. 12. sb. sb'.). Abgesehen von den geringeren Di- mensionen stimmen dieselben mit den Stimmbändern der hinteren Brummapparate völlig überein. Stellen wir der Uebersicht wegen die Maasse der einzelnen Theile der Brummringe nebeneinander : Der Brummring des Brumm- Der Brummring des Brumm- apparates am Prothorax: apparates am Metathorax: 1. Federndes Zwischenstück 2. Länge der anliegenden Halbringe 3. Dicke derselben am Grunde 4. Die gardinenförmigen Stimmbänder , breit lang 5. Die feinen hexagonalen Zeichnungen der Stimm- bänder 0,017 ,, 0,02 ,, Die Brummapparate dienen den Fliegen nicht allein zur Hervor- bringung ihrer Stimme, sondern auch zur Fortbewegung des Körpers in der Luft. Die Tracheen der Brust bilden zwei grössere Stamme, welche an beiden Seiten die Brust in der Längsrichtung durchziehen. Von diesen grösseren Luftreservoiren verlaufen zu den 0,2 Mm. 0,216 Mm. 0,516 ,, 0,667 ,, 0,04 „ 0,083 ,, 0,16 „ 0,34 „ 0,25 „ 0,659 ,, 38 kräftigen Muskeln und anderen Organen viele Stämmenen. Grössen Aeste gehen zu den Brummapparaten, schwellen dort zu halbkugeligen Blasen an und bilden auf diese Weise die Brummhöhle , auseinander • gehalten durch den Brummring. Da nun die hinteren grösseren Brummapparate an der hinteren abgestutzten Fläche des Metathorax liegen, so muss die Luft, welche aus denselben mit Gewalt ausgepresst wird, die Brust und eben damit auch den ganzen Körper nach vorn treiben. Dass diese Fortschiebung des Körpers durch die aus den grösseren Bruinmapparaten strömende Luft wirklich stattfindet, lässt sich leicht experimentell nachweisen. Schneidet man einer Brummfliege den Kopf, die Beine und die Flügel ab, und legt das Thier rücklings auf den Tisch, so schiebt sich der Körper langsam, aber regelmässig, voran , so oft der Bumpf an zu brummen fängt. Viel schneller wird diese Fort- bewegung, wenn die Unterlage weniger Beibung entgegensetzt, etwa auf einer untergelegten Glasplatte. Eine noch schnellere Bewegung in der Bichtung nach vorn tritt ein , wenn man den seiner Bewegungs- organe beraubten Bumpf mit der Bückenseite auf die Oberfläche des Wassers legt. Selbst wenn man den Hinterleib von der Brust trennt, findet doch noch dieses schnelle Voranschieben der Brust durch die beim Brummen ausströmende Luft statt. Der Brummapparat der Schlammfliegen (Eristalis). Die Schlammfliegen gewinnen in ihrem bienenartigen Aeusseren noch mehr durch das starke Gesumme, welches sie durch ihren Stimm- apparat hervorbringen. Diese Thiere werden hier zu Lande wegen ihres bienenähnlichen Habitus »Wandimmen« genannt, und man muss die Knaben eingehend von dem Mangel des Giftstachels überzeugen, ehe sie sich dazu bewegen lassen , dieselben mit den Händen zu be- rühren. Es ist wohl in keiner Fliegengattung der Brummapparat so stark entwickelt, als in dieser. Burmeister *) giebt uns bereits von dem Vorhandensein des Ton- apparates Nachricht : »Ich schnitt eins der Stigmen aus, öffnete es be- hutsam , indem ich die Winkel der Spalte trennte und fand auch sehr bald, was ich gesucht hatte, den schwingenden Körper, und zwar nicht einen einzigen, sondern sehr viele. Es ist nämlich diejenige Lippe des Stigma's , welche nach hinten und etwas mehr nach Innen liegt , auf der innern Seite, die gegen den Anfang der Trachee gekehrt ist , in eine kleine flache , halbmondförmige Scheibe verlängert , auf welcher 1) Handbuch der Entomologie. Band 1. S. 509. 39 Scheibe sich neun parallele, sehr zarte Hornblältchen erheben, welche mit ihrer oberen freien, scharfen Kante etwas nach unten herabgebogen sind , sodass die vordere etwas über die folgende sich hinüberbiegt. Zugleich sind alle gegen die Trachee hin höher, gegen den Rand des Stigma's niedriger und die mittlere ist die grösste, von welcher ab sie nach beiden Seiten hin kleiner und niedriger werden. Stösst nun die aus der Luftröhre herausgetriebene Luft gegen diese Blältchen, so wer- den sie dadurch in Schwingungen gesetzt und tönen nun ganz auf die- selbe Weise, wie die schwingende Stimmritze des Kehlkopfes erschallt. Auf diese Weise findet sich also in den Stigmen eine nicht unbedeu- tende Analogie mit dem Kehlkopf, namentlich dem der Vögel.« Bur- meister erkannte demnach in den Eristalisstigmen bereits die schwin- genden Blättchen. »Eine spätere, diesem Gegenstande ausschliesslich gewidmete Arbeit« verspricht er zwar, jedoch ist er wahrscheinlich durch andere Untersuchungen von der Bearbeitung abgehalten worden, er hat sie nicht geliefert. Eine genaue mikroskopische Untersuchung des Brummapparates dieser Fliegen ist um so mehr zu wünschen . als die Darstellung Bur- meister's, abgesehen von Ungenauigkeiten, sehr mangelhaft ist; es lag aber nicht in dem Zwecke seiner Einleitung zur Entomologie , auf der- artige Gegenstände so viel Gewicht zu legen , als eine Specialarbeit es thun muss. Die zahlreichen Tracheenverzweigungen, welche die Muskeln des Thorax nach allen Richtungen durchziehen , vereinigen sich allmählich und endigen schliesslich in einen gerneinsamen Stamm , der jederseits zu dem Brummapparat führt. Dort weitet er sich zu einer grossen Blase aus, welche halbkugelig das Brummstigma überdeckt und den Rändern desselben, wie ein Uhrglas, angeheftet ist. Die äusseren Ränder der Brummstigmen zeigen keine be- sondern Eigentümlichkeiten. Sie sind mit stark verzweigten Haaren dicht besetzt, und neigen etwas zusammen, sodass sie den Eintritt fremder Körper, etwa von Staub, verhindern. Da, wo die Haare sich inseriren, ist die Körperhaut ringartig etwas verdickt. In der Brummhöhle liegt der Brummring. Dieser liegt frei in der Höhle, nur an einer Stelle, und zwar durch die Musculatur, ist er festgewachsen mit der Stigmenwand (Taf. XI. Fig. 13.). Der Brummring besteht aus einem Chitinstabe, der hufeisenförmig gebogen ist; die Enden seiner Schenkel sind durch ein dünnhäutigeres Band zum Ringe geschlossen. Auf dem Bruinrnringe liegen die kleinen 'Stimmblättchen , ganz in ähnlicher Weise, wie die kleinen Klappen einer Fensterjalousie auf dem 40 mittleren Eisenstabe befestigt sind. Mit dem freien Ende stehen die Blättchen in das Innere des Stigma's hinein, und sind dort dem Lul'i- slrome ausgesetzt. Mit dem hinleren Ende sind die Slirnmblättchen an der Wand der Brummhöhle befestigt. An der Seite, wo das Stigma dem Schwingkölbchen nahe liegt, ist der Brummring stark verdickt (Taf. XI. Fig. 13. v.). Dort s<4zl ohne Gelenkung ein dickes festes Chitinstück (v) an. Mit diesem Chitinstücke steht durch einen Hebel (h) das Schwing- kölbchen in Verbindung. Mit seinem untern Ende hangt der Hebel häutig mit dem Chitinslücke des Binges zusammen. Am oberen Ende trägt er kleine Erhabenheilen oder Zähne , welche in die Vertiefungen der Halterenbasis genau passen. Ein Blick auf die Figur macht uns alles Andere klar. Schwingt die Haltere , so setzt sie den Hebel in Be- wegung. Diese Schwingungen pflanzen sich dann durch das Chitin— stück auf den Bing und also auch auf die Stimmblättchen fort. Der Bau der Stimmbänder lässt sich besser durch Abbildungen veranschaulichen , als durch Beschreibungen. Man vergleiche desshalb die Fig. 13. und 14. Es legt sich die Haut in zierliche Falten, deren ich bis 25 zählte. Dadurch bildet sie' eine Menge kleiner Halbröhrchen von verschiedener Länge, kleinen Orgelpfeifen vergleichbar, deren Wände durch die durchströmende Luft in vibrirende tönende Bewegung gerathen. Ausser diesen beiden Brummapparaten , welche unter den Flügeln in der Nähe der Schwingkölbchen liegen , haben die Schlammfliegen noch zwei andere. Die Stigmen der Vorderbrust sind eben- falls zu Stimmapparaten umgewandelt. Mit ihrem viel we- niger complicirten Baue, hängt auch die bedeutend schwächere Stimm- bildung dieser Organe zusammen. Die äussere Stigmenöffnung ist ein wenig kleiner, als die der Metathorakalstigmen ; auch die sie verdeckenden Haare sind ein wenig kürzer. Der Brummring ist auch hier kräftig entwickelt. Mit seinem federnden Zwischenstücke hält er durch seine beiden Schenkel die grosse Tracheenblase-, welche die Brummhöhle auskleidet, auseinander und verhindert dadurch die Collabirung derselben. Die Haut selbst ist zwar auch in viele Falten gelegt , jedoch sind dieselben viel schmaler und es reichen nicht die Enden derselben , je einzeln abgestutzt, über den Brummring hinaus. Jede Schlammfliege hat vier Brummapparate. Um die Grössen- verhältnisse ihrer einzelnen Theile besser übersehen zu können, gebe ich die Messungen von einer Eristalis lenax 3. 41 Brummapparate des Meta- Brummapparale des Pro- 1 Ii nra v * tho rax : 1 . Stigma , lang . . • ,1 A \ ', Mm 1 015 Mm 2. Haare desselben , lang . 0,383 „ 0 275 3. Bruniniring o. Schenkel, lang . . 1,134 „ 1 083 ,, ,, breit . 0,216 „ 0 125 b. Federndes Miltelstück desselben nur eine federnde Ein- lang . . 0,383 ,, schnürung vorhanden breit . 0,183 ,, 4. Falten der Stimmbänder, breit . . 0,07 „ 0,025—0,06 ,, lang . 0,225- -0,475 ,, l nicht bestimmt. 25 J Die Stimme der Dungfliege (Scatophaga stercoraria). Obschon die Dungfliegen an Körpergrösse die Stubenfliegen bei weitem übertreffen , so sind ihre Stimmapparate doch viel schwächer entwickelt. Man vernimmt auch von ihnen nur einen sehr schwachen Ton, welcher durch die Flügelschwingungen hervorgebracht wird. Liesse sich nicht durch die mikroskopische Untersuchung nachweisen, dass bei ihnen ein Stimmapparat vorhanden sei , so würde man über die Existenz der Stimme zweifelhaft bleiben müssen. Im Allgemeinen hat der Stimmapparat denselben Bau, wie bei der Stubenfliege. Das Stigma hat eine Oeffnung von 0,2 Mm., welche durch eine Menge ziemlich starker und wenig verzweigter Haare über- deckt wird. Der Bing und die Stimmbänder sind sehr schwach entwickelt, und eine hexagonale Felderzeichnung der letzteren Hess sich nicht nachweisen. Der Stimmapparat der Stubenfliege (Musca domestica). Die Stigmen der Hinterbrust sind auch bei der Stubenflieyo zu Stimmapparalen entwickelt, und die Fliegen können mit ihnen eine ziemlich helle und starke Stimme laut werden lassen. Wir woll'en hier die Töne unberücksichtigt lassen , welche die Fliegen durch ihren Flügelschlag zu Wege bringen, und nur der Ursache der Stimme nach- spüren. Laudois, Ton- u. Stimmapparate d. lagerten. 4 42 Die Stigmen des Metalhorax sind bei der Stubenfliege ziemlich rund, mit einer 0,28 Mm. im Durchmesser haltenden Oeffnung (Taf. XI. Fig. 15. st.). Letztere wird für feste Körper gesperrt durch einen Kranz fein verzweigter Haare , und ausserdem biegen sich vom Stigmenrande aus 4 bis 5 stärkere Borsten über die Stigmenöffnung. Hinter der Stigmenöffnung weitet sich ein .Tracheensack aus, der die Brummhöhle ringsherum auskleidet. Der Tracheensack faltet sich, namentlich am Grunde, wo er in das stärkere Tracheenrohr auslauft, mehrmals und bildet auf diese Weise zwei in das Innere der Brumm- höhle vorspringende faltige Bänder, welche durch die ausgestossene Luft in Schwingung und damit zum Tönen gebracht werden. Um den faltigen Tracheensack am Zusammenfallen zu hindern, liegt hinter dem Stigma auch hier ein Ring (Taf. XL Fig. -15. br.) Der- selbe hat die länglich ovale Gestalt, trägt an einem Pole ein elastisches Mittelstück (fm.), welches seine beiden anliegenden Halbbogen stets auseinander zu treiben bestrebt ist; im Allgemeinen ist derselbe schwach entwickelt. In dem Brummringe sind zwei zarte Häutchen, die Stimm- bänder, gardinenförmig angebracht. Ihre Länge beträgt 0,46 Mm., und ihre Breite 0,08 Mm. (Taf. XI. Fig. 15. sb. sb'.). Sowohl die Häute des Tracheensackes , der die Brummhöhle aus- füttert , als auch die beiden Stimmbänder des Brummringes zeigen in ihrer ganzen Ausdehnung eine sehr zierliche Zeichnung hexagonaler Feldchen. Durchschnittlich misst ein jedes dieser Feldchen 0,165 Mm. Es kann nicht mehr zweifelhaft sein, auf welche Weise die Stimme der Fliegen entsteht. Die Tracheen der Thoraxmuskeln sammeln sich allmählich in immer dicker anschwellende Stämme , bis sie zuletzt ein einziges Rohr ausmachen. Dieses schwillt zu einer grösseren Blase au, welche die oben beschriebene Brummhöhle bildet (Taf. XI. Fig. 15. h.). Die ausgetriebene Luft , wie auch die einströmende , muss die frei schwebenden Stimmbänder und die Falten des Tracheensackes in schwingende Bewegung setzen, wodurch die Stimme hörbar wird. Von den beiden Stimmapparaten der Hinterbrust weichen die- jenigen, welche an der Vorderbrust liegen , nicht wenig ab. Die Stigmen sind hier nicht rund, sondern länglich, 0,434 Mm. lang und 0,141 Mm. breit (Taf. XL Fig. 16.). Ihre Ränder sind mit je zwanzig verzweigten Haaren verbrämt. Im Innern liegt auch hier ein Brumm- ring, ganz ähnlich, wie in den hinteren Thoraxstigmen. Der Brunmi- ring zeigt das charakteristische federnde Mitlelstück , und in ihm sind zwei Stimmbändchen eingespannt, von je 0,0916 Mm. Breite; sie sind so lang wie der Brummring selbst. Die beiden Stimmbänder liegen 43 unter den Haaren der Stigmenöffnung und lassen dort die Stimmritze für den Austritt der Respirationsluft offen. Nach hinten überwölbt den Brummring eine halbkugelige Tracheenblase , welche die Brummhöhle bildet; in letzterer mündet dann ein grösserer Tracheenstamm. Die kleine hexagonale Feldchenzeichnung kommt den vibrirenden Theilen des Stimmapparates auch hier zu, nur sind die Feldchen etwas kleiner, nämlich 0,0083 Mm. ' Somit hat auch jede Stubenfliege vier Brummapparate an der Brust. D-as knisternd-knackende Geräusch der Waffenfliegen (Straliomys). Die Waffenfliegen geben eine sehr eigenthümliche Lautäusserung von sich, die man wegen ihrer knisternd-knackenden Färbung den Geräuschen der Insecten zuzuzählen hat. Dasselbe wird durch die Flügelwurzelgelenke hervorgebracht. Wenn die Flügel sehr langsam auf- und abbewegt werden , entsteht jedesmal das Geräusch. Man sieht deutlich , dass in dem Momente , wenn die Flügelwurzel an den Prothorax geschnellt wird , ein knackender Ton entsteht. Auf diesen folgt der zweite knackende Ton, wenn der Flügel aus seiner Höhenlage die tiefste Stellung erreicht. Folgen die knackenden Töne schnell auf- einander, so entsteht das Geräusch, welches bald durch die Vibrations- töne der Flügel übertönt wird. Eine Stimme durch die Stigmen habe ich nie vernommen. Die mikroskopische Untersuchung der Stigmen des Thorax ergab auch, dass sie nicht stark entwickelt sind. Auffallend ist die Thatsache, dass die Stigmen des Prothorax grösser sind , als die des Metathorax. Die läng- liche Oeffnung der ersten Stigmen messen 0,616 Mm., die des Meta- thorax hingegen nur 0,35 Mm. Hinter den Stigmen des Prothorax liegen zwar Ringe und eine Stimmhaut, die sich lippenförmig gegen einander neigt, jedoch möchten sie für Hervorbringung einer Stimme, menschlichen Ohren hörbar, nicht geeignet sein, da ich auch nie eine Stimme von ihnen wahrnehmen konnte. Die Lautäusserungen der Mücken. Obschon die Mücken im Allgemeinen sehr winzige und schmäch- tige Thiere sind, so sind ihre Lautäusserungen, die wir unter dem Na- men : »Singen der Mücken« kennen, doch ziemlich stark. Eine Stimme kommt nur den eigentlichen Mücken (Culicida) zu, welche noch ausser- dem mit den Flügeln einen vernehmbaren Ton erzeugen können. Die 4 * drei anderen einheimischen Mückenfamilien : die Schnaken, Gallmücken und Sehmetlerlingsmücken, machen für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbare Laute; wcsswegen wir letztere hier unberücksichtigt lassen. Dass den eigentlichen Mücken eine doppelle Lauläusserung zu- kommt, lässt sich sehr leicht nachweisen. Durch den Flügelschlag ent- steht der normale Ton, der von dem Thiere in keiner Weise modificirl werden kann. Unsere gewöhnliche Stechmücke (Culex pipiens) tönt während des Fluges d". Schneidet man einer solchen Mücke die Flügel ab und reisst ihr den Kopf und sämmtliche Beine aus, so lässt sie einen Ton erschallen, der höher als der Flügelton ist. Dies ist die Stimme der Mücken , welche durch die Stigmen des Thorax hervorge- bracht wird. Die hinteren Stimmapparate, am Metathorax gelegen , sind bei allen Mücken in ganz ähnlicher Weise gebaut. Sie liegen in der Nähe der Schwingkölbchen und bilden äusserlich eine schmale Längs- spalte. Bei Culex pipiens , unserer gemeinen Stechmücke, sind diese Stigmen 0,35 Mm. lang. Der Spalt ist keilförmig, also oben eftmas breiter und unten zugespitzt. Die Oeffnung dieser Stigmenränder ist nirgends breiter, als 0,023 Mm. Der Stigmenrand ist ringsherum mit feinen Haaren besetzt. Unter der Stigmenöffnung liegt ähnlich w ie bei den Fliegen ein Brummring, natürlich hier sehr zart, in welchem die vibrirende Haut gardinenförmig ausgespannt ist. Die Breite dieses Häutchens beträgt 0,021 Mm. ; es scheint dasselbe völlig structurlos zu sein, da ich mit den stärksten Vergrösserungen keine zellige Zeich- nungen , wie bei den Fliegen , nachweisen konnte. In den genannten Theilen ist der Stimmapparat ähnlich, wie bei den Fliegen ; einige Ab- weichung bieten die luftzuführenden Tracheen. Der Tracheenstamm ist hier nicht über dem Stimmapparat blasenartig erweitert, sondern er bleibt einfach und hat nur an der Stelle , wo er dem Stigma gegen- überliegt, eine Oeffnung von der Länge der Stigmenspalte selbst. Auch münden an dieser Stelle des Tracheenrohres noch einige andere kleinere Stämmchen ; sodass hier Luft genug zusammenströmt , um die zarten Stimmbänder in tönende Schwingungen zu versetzen. Die Musculatur besteht aus mehreren Muskelfasern , welche sich an dem obern Ende des Brummringes ansetzen. Ganz ähnlich, wie die Flie- gen, können auch die Mücken durch diese Muskeln den Brummrin:: anspannen und dadurch die Stimmbänder für höhere oder niedere Time vorbereiten. Die vorderen beiden Stimmapparatc der Mücken liegen am Prothorax; sie sind bedeutend kleiner, als die der Hinlerbrusl. Die 45 äusseren Stigmenöffnungen bilden eine schmale (bei Culex pipifens 0,44 6 Mm. lange) LUngsspalte , deren Händer, mit Ausnahme der ;iussersten Enden mit einfachen Haarchen besetzt sind. Die Stigmen- ränder können von dem Thier von einander entfernt und wieder g< - tiähert werden. Unler den Stigmenrändern liegt der länglich ovale Brummring, der in einer Dicke von 0,005 Mm. gelb chitinisirt ist. In demselben sind die sehr schmalen Stimmbänder gardinenförmig aus- gespannt. Die Musculatur des Brummringes ist gerade so, wie an den grösseren Stimmapparaten des Metathorax. Die Stimme der Mücken ist je nach den Geschlechtern von ver- schiedener Höhe ; auch kann sie von den Thieren in ziemlichem Um- fange modulirt werden. Als Beleg hierfür diene vorläufig Culex annu- lalus, dessen Männchen fis" f" e", und dessen Weibchen V a as' in einander schleift. Ich habe ausser den vorstehenden Dipteren noch eine Reihe an- derer Fliegen untersucht, die im Allgemeinen in den Stimmapparaten eine grosse Uebereinstimmung zeigen. Bei den Syrphusarten liegen die Stimmbändet- etwas weiter vom Stigma entfernt und falten sich in lanzettliche Spitzen. Aehnliche Faltungen zeigen auch die Tabanen. Zweck und Bedeutung der Halteren. Die Halteren oder Schwingkölbchen der Dipteren , welche auf den Parapleuren des Metathorax eingelenkt sind, haben bisher die mannig- faltigste Deutung erfahren. Burmeisteu1) gesteht offen : »Ueber die Be- deutung der Schwingkölbchen ist man noch nicht im Klaren.« Die Meisten hielten sie für das verkümmerte zweite Flügelpaar der Zwei- flügler. In diesem Sinne spricht sich der obengenannte Entomologe2) aus : «Die Zweiflügler sind besonders desshalb merkwürdig , weil sie keine Hinterflügel besitzen, sondern statt ihrer mit zwei gestielten Knöpfchen versehen sind, die man Schwingkolben oder Balancirstangen (halteres) genannt hat. Latreille und einige andere französische Natur- forscher wollen sich nicht dazu verstehen, diese Organe für Rudimente der Hinterflügel zu erklären, während die meisten älteren und manche neuere Entomologen, besonders Deutsche, sie dafürhalten. — Latueille's Einspruch, dass der letzte Abschnitt des Thorax bei den Zweiflüglern zum Hinterleibe gehöre desshalb, weil an ihm sich ein Luftloch befinde, 4) Handbuch der Entomologie. Band 1. pag. 93. 2) Ebenda pag. 266. I 46 bedarf gar keiner Widerlegung.« Den Beweis für dio.se Meinung findet man einerseits in dem analogen Bau der Schwingkölbchen mit den Flügeln, andererseits in der Beobachtung, dass die Fliegen nach abge- schnittenen Schwingkölbchen nicht mehr ordentlich fliegen können. Heim Studium der Brummapparate der Fliegen stellte sich mir ihr Zweck und ihre Bedeutung ganz anders heraus; und ich kann ihn da- hin präcisiron : Die Halteren dienen zur Bewegung der Brumm- ringe des Stimmapparates der Fliegen. Erst in zweiter Linie wirken sie eben durch diese Bewegung auf die B e- spiration und die Flugfähigkeit. Die Schwingkölbchen sind stets in der Nähe der Stigmen des Metathorax, die ja den Brummapparat bergen , eingelenkt. An ihrem Ende schliessen sie mit einem dickeren Knopfe ab , der im Innern viele Bespirationszellen enthält und durch zahlreiche Tracheen durchzogen wird. Die Tracheen sammeln sich in einen Ast und dieser durchzieht den dünneren Schaft des Schwingkölbchens. Kurz über der Einlen- kungsstelle des Stieles schwillt die Haltere wiederum knopfartig an. Ich bemerke daran eine sonderbare chilinöse Spiralfeder, die ringsum mit kleinen Tüpfelzeichnungen geziert ist. Vielleicht trägt diese Spiral- feder zur leichteren und schnelleren Vibration des Schwingkölbchens viel bei, da die Bewegung dieses Organs so rapide ist, dass man von dem Stiele nichts mehr sehen kann. Die Basis des Schwingkölbchens greift in einen Hebel ein, der unter der Körperhaut liegt (Vgl. Taf. XI. Fig. 13. h.). Dieser Hebel hat an der Stelle, wo er mit der Halterenbasis articulirt, mehrere Höcker. Bewegt sich die Haltere hin und her, so folgt auch der ganze Hebel jeder einzelnen Bewegung. Der Hebel setzt sich mit seinem anderen Ende an ein mächtiges Chitinstück (Taf. XI. Fig. '13. v.) an, welches mit dem Brummringe ohne jede Articulation verwachsen ist. Der Mechanismus wird uns von selbst klar, wenn wir die Fig. 13. berücksichtigen werden. Die Stimmbänder mit dem einen Ende der Brummhöhle angeheftet, sind meist mit ihrer Mitte dem Brummringe angewachsen, sonst sind sie überall frei. Das Schwingkölbchen setzt den Hebel in Bewegung, dieser das grössere Chitinstück (t>.) und letz- teres den Brummring. Dadurch müssen auch die gefalteten Stimm- bänder in vibrirende Bewegung gerathen, weil sie, unten unbewegt, in der Mitte von dem angewachsenen Brummringe hin und her gezogen werden. Auch durch das Experiment überzeugt man sich leicht, dass die Schwingkölbchen auf die Hervorbringung der Stimme von grossem Einflüsse sind. Schneidet man die .Halteren ab, so wird die Stimme 47 »war nicht aufgehoben, aber doch jedesmal merklich geschwächt. Ich glaube diese Thatsache hier besonders hervorheben zu müssen , da ein älterer Beobachter das Gegentheil behauptet hat. Die Halteren sind also nach unseren Untersuchungen nicht die tonerzeugenden Organe , sondern sie tragen nur zur Verstärkung der Stimme bei. Dieser Einüuss ist ein doppelter. Einerseits pflanzt sich die rapide Bewegung auf die Brummringe fort, und andererseits übt auch die Muskelthätigkeit der Halterenbasis auf die Bewegung der Luft in den sie begrenzenden Trachealgebilden ihren Einfluss aus. Die vibrirende Kopfbewegung einiger Dipteren. Wenn man eine Schmeissfliege (Musca vomitoria) mit den Fingern so festhält, dass sie an der Flügelbewegung gehindert wird , so sieht man, dass während des Brummens der Kopf eine ausserordentlich schnell vibrirende Bewegung macht. Sobald man dieselbe durch An- halten des Fingers zu hemmen sucht , fühlt man auch die Bewegung. Es liegt nun die Frage nahe , ob dieses Phänomen mit dem Brummen selbst im thatsächlichen Zusammenhange stehe. Häufige Beobachtungen haben mich gelehrt, dass diese Fliegen nur diese sonderbare Bewegung machen, wenn sie ihren Brummton erschallen lassen ; weder beim ruhigen Flügelschlage , noch sonst bei der Ruhe der übrigen Bewegungsorgane sah ich den Kopf jemals in vibrirender Thätigkeit. Der Muskelaction des Halses kann diese Bewegung schon desshalb nicht zugeschrieben werden, weil die Muskeln in ausserordentlich ge- ringer Anzahl und Entwickelung im Halse vorhanden sind. Die we- niger zarten Muskelfäserchen können dem Kopfe kaum eine geringe hebende und senkende Bewegung ertheilen. Die Vibration des Kopfes gehört vielmehr zu den rein mechanischen Bewegungen. Die Vorderb rust der Brummfliegen ist nach dem Kopfe hin ziem- lich flach abgestutzt. Diese ganze Fläche ist glänzend schwarz und hebt sich schon dadurch von der übrigen Körperoberfläche merklich ab. Ausserdem ist diese Fläche sehr glatt; auch bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich keine Spur kleiner Häärchen, die doch sonst fast überall auf der Epidermis anzutreffen sind. Der äusserst dünne fädliche Hals verbindet die Brust mit dem Kopfe. Das Experiment des Halsumdrehens gelingt hier sehr leicht, ohne dass der Kopf den geringsten Widerstand entgegen setzen könnk\ Um den Kopf in seiner Lage zu erhalten , ist die Hinterseite ziem- lich flach, und nur ein wenig ausgehöhlt; die flach concave Fläche des 48 lliiii. i liaiipics passt dann ziemlich tfmkm «M die etwas convexe glati < • Vorderseite des Prolhorax. Ks bMlfo jedoch zwischen Kopf und Vor- derbrust noch immer ein ziemlicher Absland. An der Stelle, wo sich der dünne Hals in die hintere Kojil'seheibe inserirl, liegt ein Kranz langer borsten. Es sind melirere Hundert dieser Haare vorhanden, welche kreisförmig den Anfang des Halses umgeben und radienarlig nach allen Richtungen abstehen. Die Haare sind nicht so lang, dass sie die Kopfscheibe überragen. Sie haben eine solche Stellung, dass sie sich nach dem Prothorax biegen und sich diesem mit ihren letzten Enden anlegen. Durch diese Einrichtung wird der Kopf natürlich in seiner Lage erhalten , was der dünne Hals allein nicht vermag. Da sie gegen die vordere Fläche des Prothorax schwach federnd w irken, so erreichen sie diesen Zweck um so vollkommener. Sobald nun der Brummapparat in Thätigkeit gesetzt wird, nimmt die ganze Brust des Thieres an der Vibration des Stimmorgans Theil. Zwischen den Fingern gehalten fühlt man die lebhafte Vibration der Brust der Fliege sehr deutlich, und sie ist so stark, dass dieselbe durch die fest angelegten Finger nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Die Vibration der Brust pflanzt sich nun während des Brummens auf den anliegenden Haarkranz des Kopfes fort und setzt den Kopf selbst in vibrirende Bewegung. Auf diese Weise kommt die vibrirende Kopfbewegung der Fliege auf mechanischem Wege zu Stande. Man kann sich den Vorgang an dem bekannten Spielzeug veranschaulichen, wo kleine Figürchen auf einem Fusse steifer Schweinsborsten stehend durch die in Bewegung gesetzte Unterlage selbst in hüpfende Bewegung gerathen. Die Haare an dem Fliegenkopfe sind aber nicht so steif und ermöglichen eine vibrirende Bewegung noch viel vollkommener. Die Syrphusarten vibriren beim Tönen ebenfalls mit dem Kopfe, aber kaum merklich. Der Haarkranz ist hier sehr schwach entwickelt und umgiebt die hintere Kopfscheibe ganz am Rande. Die Häärchen bieeen sich nach dem Thorax und werden durch letzteren in vibrirende Bewegung gesetzt, die sich zum Kopf fortpflanzt. Der Gesang der Cicaden. Der Gesang der Cicaden konnte wegen seiner durchdringenden Stärke den Alten nicht unbekannt bleiben. Die Dichter besangen sie in Oden, die Naturforscher, namentlich Aristoteles , suchte sich die Art und Weise des Tönens zu erklären , und das griechische Volk hielt sie im Zimmer in kleinen Bauern eingeschlossen , um sieh durch den 49 monotonen Gesang in den Schlaf singen zu lassen. So interessant es auch sein möchte, näher darauf einzugehen , was die Ahm , vorzüglich Aristoteles, über den Gesang wussten , so würden wir doch in 'das eigentliche Wesen desselben dadurch nicht eindringen. In weiten Um- rissen gingen wir ja auch schon oben darauf ein. Nur die Männchen der Cicaden können eine Lautäusserung von sich geben. Auf der Unterseite des Metathorax (nicht, wie man in den Huchem rindet, am ersten Hinter leibsringel) liegen unter den beiden Hinterbeinen zwei Schuppen , jede von der halben Breite des Leibes. Diese Schuppen sind ohne Gelenk an der Hinterbrust befestigt, und von etwas weicher lederartiger Beschaffenheit. Sobald man diese klappenartigen Schuppen aufhebt oder wegschneidet, so fallen uns gleich zwei Höhlen auf, dicht neben einander liegend, welche an ihrem Grunde mit einer sehr zarten völlig slructurlosen Membran verschlossen sind Taf. XI. Fig. 17. sp. sp'.) Die Häutchen sind äusserst zart und schillern in der bekannten Weise regenbogenfarbig; ihr Grundton ist weiss. Um die Lage der übrigen Theile genauer beschreiben zu können, wollen wir eine Zeichnung von dem ausgeschnittenen Tonapparat zu Grunde legen. Das Präparat wurde von einer grossen südamerikani- schen Cicade gemacht und in zweimaliger Vergrösserung gezeichnet. Die beiden Höhlen sind mit sp. sp'. bezeichnet; sie sind am Grunde mit dem zarten Häutchen geschlossen. Neben jeder Höhle liegt ein stark chitinisirter Ring (gh. gh'.). Man sieht denselben nur, wenn man die Brusthöhle öffnet, da derselbe sich in das Innere der Brust hineinlegt. Der Ring ist mit einer zarten elasti- schen Haut ausgekleidet und zwar so , dass derselbe eine löffeiförmige Gestalt erhält. Die Ränder des Ringes sind an mehreren Stellen mit der Thoraxwand festgewachsen , sodass dieses Organ nicht aus seiner Lage gebracht werden kann. Hinter und zur Seite dieser ausgekleideten Ringe (Reau.mur nennt sie timbale, Rösel: gefaltetes Häutlein) liegt eine Höhle, gebildet durch eine grosse Schuppe {h.h'.), die sich kappenförmig herumlegt. In diese Höhle ragt das »gefaltete Häutlein « frei hinein. Mit Ausnahme der letztgenannten Beobachtung waren diese Ver- hältnisse bereits bekannt, und sind von Reaumur1" sowohl, wie auch von Rösel ziemlich gut durch Zeichnungen wiedergegeben. Wie kommt nun der gellende Ton in diesem Apparat." zu Stande " Linigehaben behauptet, dass die Cicaden während des Zirpens die Hinterknbsringe an die beiden Brustladen rieben; diese Ansicht findet jedoch nur unter den Aelteren ihre Vertreter , und namentlich 50 unter denen, welche mein- ;mf Induction , als auf Beobachtungen ihiv Behauptungen gründeten. Andere erklärten den Ton dadurch, dass die Cicaden ihre Flügel gegen den Thorax schlügen. Von denen, welche mit dem Skalpell in der Hand die Organi- sationsverhältnisse der Cicaden sludirlen, verdient vor Allen R£aumi x genannt zu werden , da seine Ansicht über den Cicadengesang in alle zoologische Handbücher Aufnahme und Geltung gefunden hat. Die anatomischen Verhältnisse berücksichtigte er sehr genau. Ei' fand an der Unterseite des Hinterleibes oben am ersten Hinterleibsringel jeder männlichen Cicade die gleich auffallenden grossen schuppenförmigen Platten (plaques ecailleuses) , die dem Weibchen gänzlich fehlen. Diese sind am ersten Ringel befestigt ohne Gliederung, unter dem dritten Beinpaare. Die Breite jeder Schuppe ist etwas grösser als die Hälfte der Leibesbreite ; die Schuppe ist etwas länger als breit und berührt fast das dritte Ringel. Unter jeder Schuppe befindet sich eine Höhlung, in der ein fallenreiches muschelförmiges Gebilde (timbale) sich befindet von spröder Natur. Ein sehr starker Muskel ist an diesem Gebilde be- festigt. Durch An- und Abspannung dieses Muskels wird das muschel- förmige Gebilde (Taf. XI. Fig. 17. gh. gti .) in Bewegung gesetzt, wo- durch der laute Ton hervorgebracht wird. Läse ich nicht ebendaselbst die eigenen Worte RSaumur's : »car je me suis trouve engage ä ecrire leur histoire sans avoir jamais entendu chanter une et saus en avoir jamais possede une en viea, so würde ich es kaum gewagt haben, gegen die aufgestellte Ansicht dieses subtilen Forschers Nachunter- suchungen anzustellen. Meine Beobachtungen ergaben jedoch ein an- deres Resultat. Abgesehen davon, dass der Tonapparat nicht, wie RfiAuaiüR sagt, an dem ersten Hinterleibsringel liegt, sondern am Meta- thorax , will ich hier vorläufig nur anführen , dass die muschelförmigen Gebilde in dem Metathoraxringe vollständig festgewachsen sind. Die Befestigung geschieht einerseits durch einen starken Chitinbalken mit der Scheidewand der Spiegelhöhlen, anderseits durch den Ring des muschelförmigen Gebildes selbst. Dieser ist eingesetzt in die Seite der Leibeswand , und nur das gefaltete Häutchen ragt halbkugelig hervor, nach oben geschützt durch die starke Seitenplatte des Metathorax. Da- durch fällt die Behauptung RSaumur's schon von selbst; denn ein so festgewachsenes Organ kann durch Muskeln nicht aus seiner Lage ge- bracht werden. Eine solche ruckweise stattfindende Muskelthätigkeit. wie sie hier supponirt wird, ist auch an und für sich ohne Gegenstück in der Natur. 1) Vgl. Memoires pour servir ä l'histoire des insectes; Tom. V. Partie I. Qua- trieme memoire. Sur les Cigales. pag. -1 81 . Amsterdam 1 74 1 . 51 Röskl fühlte bereits die Mangelhaftigkeit des RfUuMUR'schen Erklä- rungsversuches. Nachdem er die anatomischen Details beschrieben und abgebildet hat, sagt er: »durch diesen Stiel sind nun, wie Herr von RfiAUMUR sagt, der ihn eine Senne nennet, die Muskeln, an denen Mu- schelhäutlein angewachsen und durch die Bewegung derselben wird das Häutlein so aus- und eingetrieben, dass daher ein Klang entstehet. Nun will ich zwar hier der Meinung desselben nicht widersprechen ; allein da ich nicht gefunden, dass dieser Stiel an gedachten Häutlein so könnte auch wohl der Schall dadurch entstehen, wenn diese Stiele, an denen Falten der Muschelhäutlein hin- und herbeweget werden, gleichwie man durch die Bewegung eines Federkiels die Sai- ten der Cither erklingen machet. An denen Häutlein selbsten habe ich, auf die von Herrn v. R£aumur oben angezeigete Manier, auch keinen Klang hervorbringen können«1). Auf der 27. Tafel Fig. 10. f. bildet er dann auch sehr naiv die hypothetischen Plectra ab. Seine Angaben er- mangeln also durchaus der anatomischen Belege. Geleitet durch die zahlreichen Beobachtungen an den Brummappa- raten der Zweiflügler wendete ich, nachdem ich die übrigen anatomi- schen Verhältnisse genau studirt, meine Aufmerksamkeit auf die Stig- men des Metathorax, die bisher von den Forschern völlig unbe- rücksichtigt geblieben waren. Ich erkläre mir diesen Umstand in der versteckten Lage der Stigmen selbst. Sie liegen nämlich hart an der Basis der grossen Schuppen unter den Hinterbeinen, und zwar an der seitlichen Ecke ihrer Falze. Sie haben eine verhältnissmässig bedeu- tende Grösse, sie sind zweimal so lang, wie die Stigmen des Hirschkä- fers; genauer gemessen sind sie 1,93 Mm. lang. Bei dieser bedeuten- den Längenausdehnung sind sie mit einer schmalen spaltenartigen Oeff- nung von 0,34 Mm. versehen. Vergleichen wir die Taf. XI. Fig. 18., so sehen wir auf den Stigmenrändern mehrere Haare stehen, die an der einen Seite kurz, an den andern hingegen viel länger sind. Wegen der versteckten Lage der Stigmen ist die Behaarung im Vergleich zu den- selben Organen anderer Inseclen doch sehr spärlich. In dem steiferen Chitinrande der Stigmen sind die Stimmbänder, (Taf. XI. Fig. 18. sb. sb'.) angebracht. Ihre Breite beträgt 0,1 34 Mm., und sie sind so lang, wie das Stigma. In der Mitte lassen sie nur einen sehr schmalen Spalt für den Austritt der Luft. Wir wollen diese so merkwürdig gebauten Stigmen des Metathorax der Cicaden Schrillstigmen nennen. Ich fand bei keinem einzigen Insecte anderer Genera einen derartigen Stigmenbau wieder vor. 1) Vgl. Rösel, Insectenbelustigungen. Theil II. Verschiedene ausländische Sor- ten von Cicaden, pag. 168. Tab. 25. 26. 27. 52 Gerade der Ocffnung der Schrillsligmcn gegenüber liegt, die be- deutende Höhle (Tal'. XI. Fig. 17. h. h'.)\ in der das ^Mlele Hänichen in dem Chilinringe ausgespannt liegt. Vergleichen wir nun die aufgefundenen Theile des Tonapparates mit denen der Fliegen, etwa" von der gewöhnliehen SMnnefeisfliege, so linden wir alle Theile analog wieder vor. Die beiden fiedrigen Blätter, welche bei dieser Fliege die Brummhöhle verschliessen, sind bei den Cicaden repräsenlirt durch die grossen Laden, welche nach unten den Tonapparat verdecken, und zweitens durch die Schuppen (Beulen Rö- sel's), welche seitwärts das gefaltete Häutchen überdeckend schützen. Der Brummring der Fliegen ist hier ebenfalls vorhanden, und auch die \ ilu irenden Häute vermissen wir in demselben keineswegs. Der Ton wird bei den Cicaden offenbar hervorgebracht durch die die Stimmbänder des Schrillsligma's in Schwingungen versetzende Luft. Da die Stimmbänder dünn, straff und schmal sind, so kann kein ande- rer Ton entstehen, als der bekannte gellende Laut. Es kann hier mit Recht die Frage aufgeworfen werden, ob die Schrillstigmen der Cicaden wirklich im Stande seien, einen so ausserordentlich lauten und durch- dringenden Ton zu erzeugen. Um diese Möglichkeit darzuthun, eignet sich ganz vorzüglich ein Instrument, welches von einem meiner Schü- ler, der früher die Kühe gehütet hatte, zufällig entdeckt worden ist ; es verdient dieses einfache Instrument um so mehr beschrieben zu wer- den, da bis jetzt ein Aehnliches nicht bekannt geworden ist. Er nahm den Halm von Poa aquatica und schnitt ein Stück aus demselben so ab, dass der eine Schnitt unter einem Knoten, der andere unterhalb des, folgenden Knotens geführt wird. Man erhält dadurch ein Stück, wel- ches unten durch einen Knoten verschlossen, oben hingegen offen bleibt. Schneidet man nun ferner mit einem Federmesser in das Halmstück oberhalb des Knotens einen Längsschnitt und bläst mit dem Munde durch die obere Oeffnung, so entsteht ein sehr lauter Ton von schril- lend-flötender Klangfarbe. Die Luft wird mit Gewalt durch die feine Ritze gepresst, wodurch die Lippen derselben in tönende Bewepunu gesetzt werden. Ganz in ähnlicher Weise wird auch durch die Stimm- bänder der Schrillstigmen der Cicaden die Alhmungsluft gepressl, wo- durch der laute flötend-schrillende Ton entsteht. Es wäre demnach die Lauläusserung der Cicaden nicht in die Ka- tegorie der Töne, sondern in die der Stimme zu versetzen. Dass man den Gesang der Cicaden früher auf andere Weise entstehen Hess, wie wir es nachgewiesen, liegt einerseits darin begründet, dass die Stimme dieser Thiere Aehnlichkeit hat mit dem Gezirpe der Grillen, anderseits 53 al.i i- ist es dein Umstände zuzuschreiben, dass man dem Baue der Metathorakalsligmon keine Aufmerksamkeit schenkte. Fassen wir das Ergebniss dieser Untersuchungen zusammen, so wäre folgendes Resultat festzuhalten: der sg. Gesang der Cica- den ist die Stimme derselben. Sie wird dadurch her- vorgebracht, dass die Trachealluft die Stimmbänder der Schrillstigmen in Bewegung setzt. Das muschelför- m ige Hautchen in dem Chi tinringe und die zarten Häute am Grunde der Höhlen sind einzig und allein Resonanz- appara te. Beruht die Parallele, die wir zwischen dem Stimmapparate der Cicaden und den Stimmwerkzeugen der Fliegen gezogen haben, auf Wahrheit, so müssen auch wenigstens die Anlagen sämmtlicher Theile bei dem Weibchen vorhanden sein. Ich untersuchte daher auch die weiblichen Individuen, von denen es bekannt ist, dass sie keinen Ge- sang von sich hören lassen. Würde die Stimme nicht durch die Re- spirationsorgane bei den Cicaden hervorgebracht, sondern durch ganz mechanische Reibung oder durch plötzliches Losschnellen harter Ge- bilde, wie wir es bei den Grillen finden, so müssle auch der Tonappa- rat bei den weiblichen Cicaden gerade so gut fehlen, wie er den weib- lichen Grillen mangelt. Was nun zunächst die Laden der Weibchen angeht, so sind sie immer vorhanden, nur sind sie viel schmaler als bei den Männchen und im Ganzen zipfelförmig gestaltet. Die Höhle mit dem Spiegelhäutchen am Grunde fehlt den Weibchen ebenfalls nie, nur sind ihre Dimensionen kleiner, als im Stimmapparat der Männchen. Diese beiden Theile sind auch dem Un- geübtesten leicht sichtbar1) . Bcrmeister hat dieselben schon erkannt, er leugnet aber das Vorhandensein der übrigen Organe des Stimmap- parates. Dem muss ich entschieden widersprechen. Ich finde in dem weiblichen Körper, an der analogen Stelle des Männchens, die Hornringe wieder, in denen das etwa in acht Falten gelegte T r o m me 1 häutch en eingespannt liegt. Der Bügel des Horn- ringes ist nur an einer Seite stärker entwickelt. Dieses Organ hat die- selbe Lage, wie beim Männchen, es biegt sich neben der Spiegelhöhle seitwärts noch oben und ist in die Körperhaut eingesenkt. Die über- liegende Klappe schützt es nach aussen hin. Auch das Stigma liegt beim Weibchen an derselben Stelle, wie 1) Nachträglich ersehe ich, dass C. G. Carus in den Analecten zur Naturwissen- schaft und Heilkunde. Dresden 1829. S. 151 IT. bereits auf diese beiden Theile: die Laden und Spiegelhöhlen der Weibchen aufmerksam gemacht hat. 54 bei Mannchen, nur dass es natürlich hier nicht völlig von der Lade we- gen ihrer geringen Breite überdeckt werden kann. Das Stigma des Weibchens ist etwas kleiner. Auffallend ist, dass in demselben die Stimmbänder auf ein Minimum reducirt sind ; man sieht kaum ihre An- lage^ wesshalb sie natürlich auch nicht dazu geeignet sein können, durch die ausgeathmete Luft die Stimme der Mannchen hervorzubrin- gen. Ob die Weibchen nicht eine Stimme, wenn auch nur eine äusserst schwache haben, kann ich nicht entscheiden , da mir die Beobachtun- gen an weiblichen lebenden Individuen abgehen. Da die Anlage des Stimmorgans der Weibchen bisher noch unbe- kannt geblieben ist, wollen wir die Messungen der einzelnen Theile desselben mit denen der Männchen übersichtlich zusammenstellen : Der Stimmapparat beim Derselbe beim Männchen: Weibchen: 1. Laden, breit . . 6,5 Mm. 1 Mm. hoch . . 6,9 1,63 ,, 2. Stimmstigma, lang 2 1,67 ,, Stimmbänder, breit . 0,134 ,, 0,034 ,, Geeignet zur Stimmerzeugung. Ungeeignet zur Stimmerzeugung. 3. Höhlen mit Spiegelhäutchen Bandbreite . . . 0,5 Mm. 0,2 Mm. Weite der Oeffnung 5 — 6 ,, 1 4. Trommelhaut, lang 8 ,, 1,6 ,, breit 4 ,, 0,5 ,, Aus diesen anatomischen Befunden geht zur Evidenz hervor, dass die Parallelisirung der Stimmapparate der Cicaden mit denen der Brummfliegen die einzig maassgebende sein kann. Da der Ton der Ci- caden durch die Bespirationswerkzeuge hervorgebracht wird, so muss er eine Stimme genannt werden; und wir können kein Veto mehr einlegen, wenn Jemand, der die laute Stimme der Cicaden für klang- voll, sonor und angenehm hält, dieselbe einen Gesang nennen will. So kommt man oft durch genaue mikroskopische Studien wieder auf das zurück, was die Völker vor Jahrtausenden richtig geahnt und benannt haben. Die Töne der Schmetterlinge. Die Schmetterlinge sind von der Natur sehr spärlich mit Lautäusse- rungen versehen worden. Nur bei einer einzigen Art ist der Ton der- artig, dass er wegen seiner Stärke jedem Beobachter auffallen muss. 55 Daher besitzen wir auch über die Stimme des Todtenkopfes (Acheron- tia atropos) eine ausführliche Literatur. Ausser diesem sind noch Töne beobachtet worden bei den Bärenschmetterlingen (Euprepia, Orthosia, Chelonia) und bei einem Tagfalter,: dem Tagpfauenauge (Vanessa Jo). Die Schmetterlinge besitzen einen ziemlich grossen Saugmagen, welcher bei einigen Arten ohne Ausnahme, bei andern Species nur zu- weilen mit Luft angefüllt ist. Wird diese Luft aus dem Saugmagen her- ausgepresst und durch den Spalt der beiden Rüsselhälften hindurchge- zwängt, so soll dadurch der eigenthümliche piependflötende Ton ent- stehen. Es wären demnach die Schmetterlinge die einzigen Insecten, welche vermittelst ihres Mundes einen Ton von sich geben können. Wir werden jedoch sehen , dass die Saugmagenluft zu den Lautäusse- rungen der Schmetterlinge nichts beiträgt. Die Lautäusserung des Todtenkopfes (Acherontia atropos). Der Erste, welcher über den Ton des Todtenkopfschmetterlings Mittheilungen veröffentlicht hat, ist R£aumur. Er war so glücklich, meh- rere lebende Exemplare zugleich zu besitzen, so dass er möglichst ge- naue Untersuchungen anstellen konnte. Er fand, dass der ziemlich laut piepende Ton dieses Nachtschmetterlings durch Reibung hervorge- bracht würde. Und zwar reibt der Schwärmer die beiden Palpen an den Rüssel, »qu'il (der Ton) elait produit par les frottemens des tiges barbues contre la trompea1). Die Versuche, welche die Richtigkeit sei- ner Behauptung beweisen, sind ebenso einfach, als interessant. Wenn er mit einer Nadel den Rüssel nach oben bog, so dass die Palpen den- selben nicht berühren konnten, war der Schmetterling nicht im Stande einen Ton hervorzubringen ; ebenso verhielt es sich, wenn die Taster vom Rüssel entfernt wurden. Rösel zog die Behauptung Reaumur's zuerst in Zweifel, indem er behauptet: »So überzeugend aber des Herrn von Reavjmur Versuch zu sein scheint, so hat mich doch allezeit geduncket, so oft mein Papillion geschrien, ich hätte mehr Bewegung zwischen dem Bruststück und dem Hinterleib, als zwischen dem Rüssel und seinen Bartspitzen (palpi) wahrgenommen«2). Da jedoch Rösel nur ein einziges Exemplar besass, was er durch Versuche obendrein zu verderben ■1) Memoires pour servir ä l'histoire des insectes. Tom II. Partiell. Septieme memoire pag. 51. Amsterdam, chez Pierre Mortia 1737. 2) Rösel, Insectenbelustigungen, Theil III. 1755. Die zur Nachtvögel ersten Klasse gehörige, ungemein grosse, und mit gelb und blau wunderschön gezierte Jasmin-Raupe nebst ihrer Verwandlung in den sg. Toden-Vogel. 56 scheute, so darf man auf seine Angaben niehl allzu guoflSCfl Gewicht lege». Diesen beiden Forschern gegenüber, welche den Ton des Schwär- mers durch Reibung entstellen lassen, wurde in der Folge eine Reihe von Abhandlungen veröffentlicht, in denen angegeben wird, dass die Luft von dem Schwärmer durch irgend eine Korperspalte gezwängt würde. So gibt Leunis an, »dass der Todtenkopf einen eigen thüm liehen Ton hören lasse, welcher durch eine Spalte am ersten Hinterleibsringel hervorgebracht werde, vorzüglich, wenn man den Schwär-mer anfasse«. Dass diese Angabe irrig ist, lässt sich leicht nachweisen; denn wenn man dem Schwärmer den Hinterleib abschneidet, so verliert er dadurch nicht seine Lautäusserung. Passerini l) will in dem Rüssel eine eigentümliche Höhlung gefun- den haben, in welcher der Ton zu Stande käme, wenn die Luft durch dieselbe striche. Duponchel2) untersuchte später die PASSERiNi'sche Höhle genauer und will in derselben eine besondere Trommelhaut auf- gefunden haben. Rurmeister lässt die Streitfrage unentschieden, da es ihm nach sei- ner eigenen Aussage an Gelegenheit fehlte, lebendige Schwärmer die- ser Species untersuchen zu können. Vernehmen wir nun die Worte eines gewiegten Analomen und Phy- siologen der neueren Zeit, nämlich von Rudolph Wagner über diesen Gegenstand : »Ich halte Gelegenheit — sagt er — die Stimme von acht Exemplaren zu vernehmen. Sie kommt beim Männchen und Weibchen vor. Die Thiere lassen ihre Stimme nur dann hören, wenn man sie reizt oder betastet, aber dann sogleich, es ist ein ganz eigener, kurzer schrillender Ton. Die Stimme erfolgt am stärksten bei eingezogenem Rüssel, aber bei der genauesten Beobachtung sieht man durchaus kein Reiben oder Belegen des Rüssels, es erfolgte die Stimme ebenfalls, nur schwächer, wenn ich den Rüssel aufgerollt hatte und gestreckt hielt; ebenso wenn ich die Palpen, die Spitze des Rüssels, endlich des- sen Hälfte und mehr abgeschnitten hatte. Hielt ich beide Rüsselhälften auseinander, oder schnitt ich eine oder alle beide bis an die Basis ab, so erfolgte sie nicht mehr. In letzterem Falle stürzte eine schaumige, speichelartige Flüssigkeit mit Luft hervor. Oeffhete ich das Thier, so fand ich eine überaus grosse, prall mit Luft ausgedehnte Saugblase, welche dicht vor dem eigentlichen Magen in das Ende der Speiseröhre mündete. Diese Blase füllte den ganzen vorderen Theil des Abdomen 1) Osservazioni sopra la Sphinx atropos o Farfalla a Testa di Morto. Pisa 1S2S. 2) Compte rendu des exp^riences faites ä l'effct de decouvrire l'organ de cri dans le Sph. atropos. Ann. Soc. Ent. Fr. 1839. T. 8. p. 59—65. 57 aus und drängte sich beim Oefthen desselben vor der Rückseite sogleich In i vor. Auch die ganze Speiseröhre war stets mit Luft gefüllt und zeigte sich unter Wasser desshalb ganz glänzend, wie mit Quecksilber gefüllt, oder wie die mit Luft gefüllten Tracheen. Ich halle es nun für höchst wahrscheinlich oder fast ausgemacht, dass die Stimme durch Ein- und besonders durch Ausstossen der Luft aus der grossen Saug- blase durch die enge Speiseröhre und vorzüglich durch den Rüssel her- vorgebracht wird; je kürzer der Rüssel durch Abschneiden wird, um so schwacher wird sie; ich habe im Rüssel keine solche Rlättchen oder möglicher Weise in Schwingung zu versetzende Theile gesehen, wie sie Rurmeister von den Hymenopteren vorgibt. Zuerst glaubte ich ein Paar Ritzen an der untern Fläche der Rüsselbasis gesehen zu haben, später musste ich sie für ein Paar kleine braune Striche halten. Doch ist es möglich, dass ein Theil der Luft durch ein Spältchen streicht, welches an dieser Stelle durch die nicht völlig aneinander gedrückten Rüssel- hälften offen zu bleiben scheint. Ich fand nie die PASSERim'sche Höhlung und Duponchels feine trommelartige Haut ist nur scheinbar«1). Nachdem mir im October 1 866 zwei Schmetterlinge aus ihren Pup- pen ausgekrochen waren, war es meine erste Aufgabe, die Wagner- schen Angaben einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Der erste Eindruck, den das eigenthümliche Piepen auf mich machte, leitete mich auf den Gedanken, dass der Ton durch Friction entstände, weil er mit dem Ton mancher anderer Insecten Aehnlichkeit hatte, die ihre Laute ebenfalls durch Reibung hervorbringen. Es wollte mir auch nicht ge- lingen, den Ton näher musikalisch zu bestimmen, was man bei den Tönen der Bockkäfer auch wohl schwerlich erreichen möchte. Ist die Angabe Wagner's richtig, dass der Ton durch Auspressen von Luft durch eine Rüsselspalte zu Stande kommt, so musste derselbe verschwinden, wenn man dem Todtenkopf den Saugmagen unterbindet. Da der Saug- magen sämmtlicher Lepidopleren, der stets mit Luft gefüllt ist, im Hin- terleibe liegt, so ist es leicht durch eine zwischen Thorax und Abdo- men angebrachte Fadenschlinge die Communication zwischen diesen beiden Körpertheilen völlig zu hemmen. Ich zog die Schlinge so fest wie möglich an, und horchte ob der Ton noch hervorgebracht würde. Der Ton blieb aber keineswegs aus, das Thier piepte noch acht Stunden lang, so oft es gereizt wurde. Dadurch wäre denn wohl unumstösslich nachgewiesen, dass der Saugrnagen keinen Antheil an der Tonerzeugung habe. Es konnte nun noch immer die Möglichkeit vorhanden sein, dass 1) Vgl. MIller's Archiv 1836. Landois, Ton- u. Stimmapparalc d. Inscclen. S der Ton in den Stigmen hervorgebracht würde, wie dieses bei den Dipteren und Ilymenopleren durchgangig der Fall ist. Ich halle jedoch schon früher, als ich mit der Untersuchung der Tracheenverschluss- apparate der Schmetterlinge beschäftigt war, die Stigmen mit ihren Verschlüssen mikroskopirt und gefunden, dass sich diese Organe nicht wesentlich von denen der übrigen Lepidopteren unterscheiden. Es bleibt somit nichts anderes über, als den Ton durch Friclion entstan- den zu erklären. Eine aufmerksame Beobachtung des lebenden Thieres lässt auch stets eine Bewegung der Palpen erkennen, wie dieses von Realmcr be- reits angegeben wurde. Der Rüssel bleibt dabei meist unbeweglich lie- gen. Die innere Fläche der Palpen ist am Grunde nackt. Die mikro- skopische Untersuchung lässt auf dieser nackten, dem freien Auge glalt erscheinenden Fläche der Palpen eine grosse Anzahl feiner Reifen erkennen, die in ihrem Baue mit den Reibleisten der Nekrophoren, Mist- und Bockkäfer die grösste Aehnlichkeit haben. Werden nun die Reibleisten der Palpen an den Rüssel gerieben, so entsteht jedesmal der Ton des Schmetterlinges. Da die Reibleiste an der Basis der Palpen ihren Anfang nimmt, so verstummt der Schmetterling auch nicht eher, als wenn man die Palpen bis auf den Grund exstirpirt. Werden die Rüsselhälften auseinandergebogen, so konnte Wagner den Ton aus dem einfachen Grunde nicht mehr vernehmen, weil durch dieses Expe- riment die Palpen zwischen der Rüsselhälfte und dem Auge des Schmet- terlings eingeklemmt werden und sich somit nicht mehr bewegen kön- nen. Bei resecirtem Rüssel kann natürlich der Ton ebenfalls nicht mehr entstehen, weil die angeriebene Unterlage fehlt. Da die Palpen im Innern nur sehr wenig Muskeln, aber viele Tracheenröhren und Blasen enthalten, so muss der Ton durch diese Resonanzvorrichtung bedeutend an Stärke gewinnen. Die Reibleisten der Palpen sind bei den Männchen dieses Schwärmers mit feineren Rillen besetzt, als bei den Weibchen, und eben damit harmonirt es, dass die Lautäusserung des Weibchens tiefer ist, als die des Männchens. Es sind von den Forschern bei anderen Schmellerlingsspecies manchmal Töne gehört worden, und es lag die Vermuthung nahe, dass bei solchen Arten der Tonapparat einen ähnlichen Rau habe. Die an- gestellten Untersuchungen ergaben, dass namentlich die Sphingiden mit ähnlichen Instrumenten versehen sind. Ich will daher die Messun- gen einiger dieser Reibinstrumente hier folgen lassen : 59 Länge der Breite der- A ii z fl h 1 Reibleiste: selben: Rillen A rhpront i;i Atronos . 2 Mm. . . 0,75 Mm. 35 Q m v f»nn vo 1 Vi 1 1 i 2 • 1 >> 92 Sphinx ligustri . \\\ „ . . 0,33 „ o yj Sphinx elpenor . . 1,16 „ . • 0,41 ;; 36 Sphinx pinastri . . 1,33 „ . • 0,5 „ 39 Sphinx euphorbiae . . 1,4 „ . . 0,4 „ 32 Smerinthus tiliae . sehr schwach entwickelt 3 Da die Rillen beim Todtenkopfe sehr stark sind, so wird der Ton dadurch auch laut genug. Die übrigen Schmetterlinge, welche mit einem Tonapparate versehen sind, geben theils einen sehr schwachen Ton von sich, theils sind ihre Lauläusserungen aber auch der Art, dass sie von dem menschlichen Ohre nicht vernommen werden können. Meigen1) bemerkt, dass auch die Raupe des Todlenkopfschmetter- linges einen zischenden Ton von sich gebe; jedoch hat nach meinen Beobachtungen der Laut der Raupe keine Tonfärbung, sondern er ist nur einem Knacken ähnlich. Sobald man das Thier berührt, schlägt es heftig um sich, und bei jeder schlagenden Bewegung des Körpers hört man einen sehr kurzen knackenden Ton. Ich konnte jedoch nach den sorgfältigsten Untersuchungen nicht constatiren, wodurch der Laut her- vorgebracht wurde. Es schien mir allerdings, dass derselbe am Kopfe entstehe, allein es kam mir auch manchmal vor, als wenn er das Re- sultat der heftigen Muskelcontractionen sei. Töne und Stimme der Hymeiiopteren. Die Ordnung der Hautflügler ist ausserordentlich reichhaltig an Lautäusserungen. Es giebt nur sehr wenige Arten, welche völlig stumm wären. Die schleichende Lebensweise der Ichneumonen mag es mit sich bringen, dass sie ihre Stimme sehr selten hören lassen ; auch ihr Flügelton ist dumpf und schwach. Von den Blattwespen habe ich nie eine Slimmäusserung wahrgenommen. Auch die kleinen Gallwespen haben für das menschliche Ohr nur unhörbare Laute. Dagegen sum- men die Hummeln, Bienen, Wespen u. s. w. so laut, dass die Bestim- mung der Tonhöhe ihrer Stimme und Flügelbewegungen zu den leich- testen Untersuchungen dieser Art zu zählen ist, 1) Systematische Beschreibung der europaischen Schmetterlinge. Leipzig und Aachen 1830. 5* GO Der Brummapparat der Hummeln (Bombus). In der Ordnung der Hymenopleren sind die Hummeln die typischen Brummer. Während des Fluges lassen sie beständig den tief brummen- den Ton hören; aber auch wenn man ihre Flügel in der Gefangenschaft an der Vibration hindert, hört die Lautäusserung nicht auf. Schneidet man hingegen einer Hummel den Hinterleib ab, so vermag sie zwar noch mit den Flügeln zu rauschen und mit den bei den grösseren Me- tathoraxstigmen zu brummen, allein der eigentliche gewaltige Brumm- ton ist dann bedeutend beeinträchtigt. Das leitet uns auf die Vermu- thung, dass die Brummapparate vorzüglich am Hinterleibe sich be- finden müssen: wir erkennen sie auch leicht in den Stigmen des Abdomen. Die Stigmen des Hinterleibes liegen auf den oberen Halbbogen der Bingel und werden jedesmal von den häutigen Fortsätzen der vorderen Ringel verdeckt. Wegen dieses deckenden Schutzes finden sich auch an den Stigmenrändern keine Häärchen. Der Bau der Brummstigmen kann uns nur anschaulich werden, wenn wir die von uns auf (Taf. XI. Fig. 1 9) gegebene Abbil- dung des Brummstigma's der gemeinen Hummel (Bombus terrestris) zu Grunde legen. Wir zeichneten dasselbe in MOfacher Vergrösserung von der Innenseite. Die Körper haut zeigt die zellenförmige Zeichnung, wie wir sie in den Chitingebilden der Kerfe selten vermissen (Taf. XI. Fig. 19. kh) . In derselben liegt das mit schmalem Ringwulste umgebene ovale Stigma [st) ; es ist nur 0,167 Mm. gross. Ueber dem Stigma weitet sich halbkuglig ein grösseres Chitin- nä-pf chen empor, dessen Ränder mit der Körperhaut verwachsen sind. Sein Durchmesser beträgt 0,4 Mm. Dieses Näpfchen ist durch einen Spalt in zwei Hälften getheilt [nh und nh') . Die obere Hälfte des Näpfchens [nh) ist sehr zarthäulig und trägt den Verschlussapparat1) des Stigma's [vk und v'k), bestehend aus zwei Kegeln, dessen verbindende Musculatur nicht eingezeichnet wurde. Die untere Hälfte des gewölbten Näpfchens {nh') ist 1) An dem Rande sitzen zwei gelbe Chitinkegel auf, ein kleiner und ein grosse- rer. Die Spitzen derselben sind durch (hier nicht gezeichnete) Muskelfasern ver- bunden, durch deren Contraction und Relaxation der Rand des Näpfchens zusam- mengebogen oder auseinandergeweitet wird. Die genauere Beschreibung dieses Stigmenverschlusses werde ich neben anderen bald veröffentlichen. 61 bedeutend dickwandiger, und trügt auf ihrer Innenseite, dein Stigma zugewandt viele kleine Haarchen. Das Stigma liegt unter dieser Hälfte. Zwischen dem Stigma und dieser letzten starkwandigen Näpfchen- balfte liegen zwei Chitinhiiutchen, die eigentlichen Bruramb än der. Sie heften sich mit der einen Seite an den Stigmen rand und mit dem anderen Kantenende an die Wand des Näpfchens (Taf. XI. Fig. 19. sb. sb'). In den Spalt des Chitinnäpfchens mündet der; betreffende zugehö- rige Tracheenstamm. In dieser Weise sind alle Stigmen des Hinterleibes gleich gebaut. Die Entstehung der Brumm stimme kann nun nicht mehr zwei- felhaft sein. Wird die Luft stark ein- und ausgetrieben — welches mehr oder minder der eigentümliche Verschlussapparat des Stigma's regulirt — so reibt sie die gardinenartig aufgehängten Stimmbänder und diese aerathen dadurch in tönende Vibration. Die beiden Stigmen des Metathorax, womit die Hummeln ebenfalls einen Ton erzeugen können, weichen etwas von dem Baue der übrigen ab. Ihre Oeffnung ist ein bedeutend grösserer Längsspalt, an dessen Rändern die Brummlippen angesetzt sind; ganz in ähnlicher Weise, wie wir es bei den Bienen noch eingehender behandeln werden. Die Honigbiene (Apis mellifica). Die Honigbiene kann zweierlei verschiedene Lautäusserungen her- vorbringen. Wenn dieselbe von Blüte zu Blüte fliegt, um den Honig einzusammeln, so hört man einen ganz constanten summenden Ton, der sich leicht auf a' bestimmen lässt. Bei einigen Individuen liegt die- ser Ton etwas tiefer {gis') , bei anderen etwas höher ; er geht aber nie über ti hinaus. Dieser Ton wird durch die rapiden Flugbewegungen, bezüglich durch die Flügelbewegungen selbst, hervorgebracht. Einen ganz anderen Laut hört man, wenn das Thier angefasst und an seinen Flügelbewegungen, etwa durch Abschneiden derselben, ge- hindert wird. Die Thiere lassen alsdann einen Laut hören, der ver- schiedene Tonhöhen annehmen kann und zwischen a"und c'" schwankt. Dieser ist die eigentliche Stimme, die in den Stigmen der Bienen gebil- det wird. Die Stigmen der Biene sind an ihren Bändern unbewehrt, da die federförmigen Haare, die den ganzen Leib namentlich den Tho- rax bedecken, hinreichend den Eintritt fremder Körper verhindern. Die Stigmen des Hinterleibes liegen etwas verdeckt unter den hautartigen Fortsätzen der vorhergehenden Bingel selbst. Wir wollen kd\e Stimm- 62 apparale einer italienischen Bienenkönigin beschreiben, weil bei ihr diese Organe am \ ollkonuncnslen entwickelt sind. Die Thoraxstigmen, vier an der Zahl, bilden längliche Spalten. Die Haut des Stigmenrandes setzt sich nach Innen fort und schneidet sehr scharfrandig ab. Diese Ränder etwa 0,o5 Mm. lang und 0,067 Mm. breit bilden die Stimmbänder. Dieselben sind von dem gemeinschaft- lichen Tracheenvohr überwölbt, an dessen einer Seite der zweikeglige Tracheenverschlussapparat angebracht ist. Die Sti gmen des Hinterleibes zeigen denselben Bau, nur dass die Dimensionen der einzelnen Theile geringer sind. Dasselbe gilt von den Stimmapparaten der Arbeiter im Stocke. Die Stimmapparate des Hinterleibes können nur so lange zur Er- zeugung der Stimme gebraucht werden, als sie mit der Brust im Zu- sammenhange stehen. Dahingegen erschallt die Stimme der Brust- sligmen noch sehr laut, wenn auch alle äussern Bewegungsorgane nebst Kopf und Hinterleib resecirt w erden. Besondere Muskeln finden wir zur Spannung der Stimmbänder hier nicht vor ; und es muss daher auffallend sein, dass die Thiere doch eine Modifikation ihrer Stimme bewerkstelligen können. Ich glaube den Grund hierfür darin finden zu müssen, dass die Bienen nicht zu slei- eher Zeit alle Stimmapparate in Thäligkeit setzen. Den kleineren Stimm- apparaten ist ein höherer Ton eigen, als den grösseren. Werden nun sämmtliche Stimmapparate in Thätigkeil gesetzt, etwa bei feindlichem Angriffe, so müssen die höheren Töne prävaliren, weil die kleineren Stimmapparate in der Mehrzahl vorhanden sind. Tönen hingegen nur die grösseren Stimmapparate an der Brust, so wird man nur den tiefe- ren Ton vernehmen. Die Bienen können ihre Stimme ganz willkürlich erschallen las- sen. Die Stimme der Königinnen ist wegen der vollkommneren Ent- wickelung aller ihrer Körperorgane stärker, als die der Arbeitsbienen. Sie lassen dieselbe namentlich dann hören, wenn ein neuer Schwärm über kurze Zeit den Mutlerstock verlassen will. Man kann jedoch die Königinnen auch zwingen, ihre Stimme hören zu lassen. Wenn man nämlich zwei Königinnen getrennt in kleine Käfige sperrt und neben einandersetzt, so fangen sie gleich an, ihre laute Stimme zu produciren. Die Wespen, Hornissen, Holzwespen haben ganz ähnlich gebaute Stimmapparate, als die Bienen. Unter den Hymenopleren gibt es auch Speeles, welche ähnlich wie die Klopfkäfer, durch Anschnellen ihres Kopfes gegen die feste Unter- lage ein Geräusch hervorbringen. Dieses thun nicht allein die Termi- ten, sondern es ist auch von einigen Ameisenarten beobachtet worden. C.3 So heisst es in einem »Auszuge aus Smeathmann's Schreiben an Herrn Banks« in den Philos. Transact. LXXI. Th. \ , welcher als ein »Muster von genauer Beobachtung« anerkannt ist: »Verschiedene dieser kriege- rischen Termiten schlagen mit ihren Rüsseln auf den äusseren Theil ihrer Gebiiudc welches einen L ä rm macht, den man bis auf ! bis 5 Fuss weit hören kann1)«. Die Stimme der Wasserjungfern (Libellulida). Der Flügelschlag der Libellen bietet in den verschiedenen Gattun- gen eine grosse Mannichfaltigkeit dar. Mit dem tagfalterartig schwan- kend Hadernden Fluge der Schlankjungfern (Agrion) conlrastirt der enorm rapide Flug der grossen Libellen (Aeschna, Cordulegasler etc.), welcher uns an die pfeilschnellen Bewegungen der Sphingiden erinnern muss. Der Ton, welcher durch den Flügelschlag hervorgebracht wird, gleicht nicht einem Summen und Brummen, sondern er ist ähnlich dem melancholischen Säuseln des Schilfes. Das Uferschilf ist die Buheslätte der Libellen, "und sie scheinen gleichsam dem Schilfe die säuselnde Be- wegung abgelauscht zu haben, die sie im Fluge täuschend nachahmen. Wenn schon ein gutes Ohr dazu gehört, das durch den Flug der Libel- len hervorgebrachte schwach knisternde Geräusch wahrzunehmen, so gilt dieses in doppeltem Maasse von der Stimme dieser Thiere, welche in der That von uns kaum aehört werden kann. Die St im map parate sind bei den Libellen in den Stigmen des Thorax angebracht. Die Stigmen des Hinterleibes sind sehr klein und liegen in den Haulfalten verborgen. Der Thorax besitzt zwei Stigmen- paare. Die beiden grösslen Stigmen liegen am Prothorax ; sie w-erden von dem grossen Kopf verdeckt. Schiebt man den Kopf seitwärts, so erkennt man sie leicht als längliche Spalten kurz hinter der Dorsal- seite des Halses. In diesem ersten Stigmenpaare kommt eigentlich nur ein vollkommen entwickelter 'Stimmapparat vor. Der Metathorax wird durch eine ziemlich tiefe Furche jederseits in zwei Längsfelder getheilt; in der unleren Ecke des vorderen Feldes liegt das zweite Bruslstigma-, in welchem jedoch der Stimmapparat auf ein Minimum reducirt ist, Sonderbar bleibt es immerhin, dass bei den Li- bellen das Slimmorgan hauptsächlich in dem ersten Stigmenpaare ent- wickelt ist, während bei den übrigen Insecten vorzüglich die Meta- thorakalstigmen zur Hervorbringung der Stimme eingerichtet sind. Da die Slimniapparate sämmtlicher Libellen nach demselben Ty- \) Vgl. Magazin für das Neueste aus der Physik und Naturwissenschaften, von Lichtetuieug und Vogt. Gotha 1787. Band 4. Stück 3. pag. 27. 64 pus gebaul sind, so werden wir uns darauf beschränken, ein einziges Stimmorgan genauer zu beschreiben. Das Stimmorgan von Aeschna ju'ncea. Die beiden ersten Thoraxstigmen sind bei den Arten des Genus Aeschna auffallend gross (Taf. XI. Fig. 20) . So ist das Stigma unserer Binsenlibelle 1,6 Mm. lang und 0,1 5 Mm. breit. Es bildet mit- hin eine schmale Spalte. Die Ränder des Stigma's sind unbewehrt. Diese ersten Stigmen des Prothorax sind zu Stimmorganen eingerichtet. Die beiden Lippen des langen und schmalen Stigma's sind völlig verschieden gebaut. Die eine bildet einen sehr schmalen einfachen Rand (Fig. 20. sr.). Die gegenüberliegende Lippe trägt den Schwirr- apparat. Ich habe diesen Namen gewählt wegen des eigenthümlichen säuselnd schwirrenden Geräusches, welches durch den Apparat hervor- gebracht wird, sobald die Respirationsluft mit einiger Vehemenz durch das Stigma gezwängt wird. Auf dieser Lippe liegt ein Chitingerüsl, welches mit einem Kamme verglichen werden kann (Fig. 20. k). Etwa zwanzig Zähne, 0,05—0,067 Mm. von einander abstehend, bilden das feste Gerüst einer Haut, welche allmählich in das Tracheenrohr übergeht. Zwischen diesen festeren Zähnen ist eine äusserst zarte Haut ausgespannt, jedoch nicht straff, sondern sehr locker und faltig, und zwar so, dass zwischen je zwei Zähnen des Kammes eine Hautfalte zu liegen kommt. Diese Schwirrhaut besteht aus einer einzigen Lage ziem- lich grosser (Fig. 20. sb.) Zellen, die im Zusammenhange unter dem Mikroskope das Ansehen kleiner Tüllgardinchen haben. Durch die Friction der Alhmungsluft an diese Schwirrhaut entsteht die eigenthüm- lich säuselnd schwirrende Stimme der Libellen. Die beiden Stigmen des M etat horax weichen im Baue sehr von denen ddr Vorderbrust ab. Ihre Oeffnung ist mehr oval. An der einen Sligmenlippe befindet sich eine halbmondförmige Klappe, die mit einer grossen Menge steifer Haare besetzt ist. Die andere Lippe ist kahl. Durch besondere Muskeln kann jene Klappe auf- und niederge- hoben werden, wodurch das Stigma geöffnet und verschlossen wird. Von einer Schwirrhaut, wie wir sie in den ersten Stigmen finden, ist hier keine Spur vorhanden, und die Thiere sind nicht im Stande mit diesen Stigmen eine Stimme hervorzubringen. Die übrigen Species der Gattung Aeschna zeigen nur unwesent- liche Abweichungen im Baue ihrer Stimmapparate. So finde ich bei Aeschna grandis nur den Unterschied, dass die Schwirrhaut zarter ge- baut und völlig durchsichtig ist, während bei Aeschna juncea dieses 65 Organ eine braune Färbung zeigt. Daher kommt es auch, dass die Zell— structur der Schwirrhaut bei den Arten leichter beobachtet wird, deren Schwirrapparat dunkler gefärbt ist. Auch treten die leinen Stächelchen, womit die Zähne des Schwirrkammes besetzt sind, dann deutlicher und schärfer hervor. Die Tone der Flügelschwinguiigen. Manche Insecten führen während des Fluges sehr wenige Schwin- gungen mit den Flügeln aus. Dazu gehören die flatternden Tagfaltec, bei denen man auch nie einen Ton vernimmt. Sind die Flügel aber von häutiger Beschaffenheit, wie etwa bei den Wasserjungfern, so ent- steht trotz der trägen Flügelbewegung oft ein Geräusch dadurch, dass die Flügel während des Fluges sich theiiweise berühren und eben da- durch ein flirrendes Geräusch zu Stande bringen. In den Ordnungen der Dipteren und Hymenopleren finden wir aber eine staunenswertheMannichfaltigkeit der Töne, die lediglich durch ihre Flügelschläge entstehen. Die rapide Flügelbewegung wird diesen Insecten durch die ausserordentlich stark entwickelte Musculatur des Thorax ermöglicht. Die Flügel bringen dann ganz in ähnlicher Weise den Ton hervor, als wenn eine Metallzunge in schwingende Bewegun- gen gesetzt wird. Soll nun die Tonhöhe der Flügelschwingungen be- stimmt werden, so kann man einen doppelten Weg einschlagen. Ent- weder beobachtet man das fliegende Insect im Freien, oder man hält es eingelangen so, dass die Flügelbewegung möglichst unbehindert bleibt. Der erste Weg verdient aber ersichtlich den Vorzug. Er ist aber dess- wegen viel schwieriger, weil einerseits von Seiten des Beobachters ein sehr feines musikalisches Ohr verlangt wird, und andrerseits der Beo- bachter sich lange geübt haben muss, den Ton der oft momentan vor- beisurrenden Insecten sogleich richtig aufzufassen. Nur der wird die Schwierigkeit solcher Beobachtungen zu würdigen wissen, welcher es mal versucht hat, den Ton etwa einer vorbeisummenden Fliege zu be- stimmen. Am besten verfährt man bei dieser Tonbestimmung so, dass man den Kammerton a' beständig leise selbst singt. Summt nun ein Insect vorbei, so wird es bei einiger Uebung gelingen, den Ton richtig zu bestimmen. Die Flügeltöne sind bei ein und demselben Indivi- duum Consta nt. Die Grösse der Individuen derselben Art übt hin- gegen einen Einfluss auf die Tonhöhe aus; übrigens sind die hierdurch bedingten Intervalle im Ganzen sehr geringe, so dass man sie wohl un- OG berücksichtigt lassen kann. So bestimmt man leicht den Flügclton der Stubenfliege auf f. Der Flügelton der Biene ist a'. Wir werden später noch eine ganze Reihe anderer Inseclen aufführen mit beigefügten Flü- geltönen. Etwas abnorme Verhältnisse treten bei den Insecten ein, wenn sie stark ermüdet sind. Bei ungesch wHchter K ürperkraft sind w ährend des Fluges die Bewegungen gleichmässig und daher der con- slante Ton. Ein ermüdetes Thier macht aber weniger Schwingungen und eben daher sinkt die Höhe des Elügeltöües herab. So z. B. tönt die Biene mit den Flügeln a' ; ein Individuum, welches längere Zeit zu Un- tersuchungen gedient hatte und ersichtlich abgemattet war, gab mit den Flügeln den Ton e, also eine Quarte tiefer. Differiren die Geschlechter in derselben Art in Be- zug auf ihre Grösse, so ist auch der Ton der Flügeltöne bedeutend verschieden. Die kleinen Männchen der Erdhummel (Bombus terrestris) haben zum Flügelton a, während ihre grossen Weibchen eine ganze Octave tiefer summen. Es hängt dieses natürlich mit der Grösse der Flügel und der mehr oder weniger schnellen Bewe- gung derselben aufs Innigste zusammen. Es gibt oft kleine Insectenarten , welche einen be- deutend tieferen Flugton haben, als grössere Species. So summt die kleine Regenbreme (Haematopota pluvialis) den Ton h. während doch die weit grössere Biene mehr wie eine Oetave höher summt. Der Grund dieser Erscheinung liegt auch hier hauptsächlich in der geringeren oder grösseren Anzahl der Flügelschwingungen, die in gleicher Zeit ausgeführt wird. Oft sind mit den Flügeltönen noch Geräusche verbunden. Ich er- innere nur an das klappernde Geräusch der rothgeflügelten Heuschrecke (Pachytylus stridulus). Hier wiegt das Klappern, hervorgerufen durch die Reibung der schwingenden Unterflügel wurzeln an die Flügeldecken, bedeutend vor. Den umgekehrten Fall, wo der Flugton ein begleiten- des Geräusch übertönt, habe ich beobachtet bei der Waffenfliege (Stra- tiomys camaeleon und Verwandten) . Bei ihr hört man ein knackendes Geräusch der Flügelwurzeln, welches aber bald an den stärker vibri- ronden Flügeln völlig übertönt wird. Eine zweite Art und Weise, wie die Flügel zum Tönen gebracht werden können, ist die der Reibung. Gerade so, wie der Fiedelbogen die Saite der Geige zum Schwingen bringt, versetzt auch die Schrilla- der der Gryllen vermöge ihres eigenthümlichen Baues die Flügeldecken in tönende Bewegung. Eine Modulation des Tones kann bei ein und demselben Individuum durchaus nicht stattfinden. Wenn man trotzdem die Gryllen und Heimchen nicht in demselben Tone zirpen hört, so liegt 67 dieses in der Individualität der Thiere begründet. Manche Thiere sind kleiner, als andere ihrer Verwandten, wobei dann die grösseren Mann- chen auch höher zirpen, als die kleineren. Ganz dasselbe habe ich beo- bachtet an den Feldheuschrecken, deren Flügeldecken durch die Rei- bung der llinlerschenkel in tönende Schwingungen versetzt werden. Unter ihnen kann das Individuum den Ton wohl in sofern moduliren, als man auf das Forte und Piano, Crescendo und Decrescendo sein Augenmerk richtet, nie aber findet man den Ton höher oder liefer. Die Tonhöhe der Iiisectenstimiiieii. Manche Insecten besitzen nur einen Flugton, den sie vermittelst ihrer Flügelbewegungen während des Fluges erschallen lassen. Andere haben nur eine Stimme und ihr Flug ist völlig geräuschlos. Eine dritte Gruppe ist mit beiderlei Tonapparaten begabt, wie die Dipteren und Hymen opteren. Die Stimme der meisten Insecten ist von dem Flug- ton verschieden. Oft beträgt diese Tondifferenz nur wenige Töne, oft sind die Intervalle aber sehr bedeutend. Es wird genügen, diese Thatsache an wenigen Beispielen zu veranschaulichen. Der Flugton der Honigbiene ist a ; ihre Stimme tönt eine Octav höher und geht oft in h" und c" über. Während die Stubenfliege mit den Flügeln in f summt tönt ihre Stimme in H und c. Bei der Blütenbiene (Anthidium mani- catum) ist die Tondifferenz wirklich ganz enorm ; ihr Flugton ist g , und der Ton ihrer Stimme beinahe zwei Octaven höher, sie reicht nämlich bis f". Der Flügelton ist bei ein und demselben Individuum constant; mit der Stimme verhält es sich anders. Die Stimme der Insecten ist einer Modulation fähig, und zwar sowohl in* Bezug auf die Tonhöhe, als auch auf die Tonstärke. Man vermag sogar in der Stimme mancher Insecten eine bestimmte Melodie zu er- kennen. Die gemeine Schmeissfliege brummt die Töne clis" d" c", in- dem sie dieselben in einanderschleift ; nach kurzer Pause wiederholt sie dieselbe Tonfigur. Eine Schwebfliege (Syrphus ribesii) schleift ,die beiden Töne e" und clis" regelmässig nach kurzen Zwischenpausen in einander. Die schon oben genannte Blütenbiene hat unter den von mir untersuchten Insecten den grössten Umfang in der Stimme ; sie brummt c eis " a e" f", in der mannichfaltigslen Weise durcheinander. Fragen wir nach den Ursachen, wodurch die Insectenindividuen in den Stand gesetzt werden, die Modulation in ihrer Stimme eintreten 68 zu lassen, so können wir hauptsächlich zwei anfuhren. Zunächst kann die Modulation darin begründet sein, dass viele Stimmbänder in Bewe- gung gesetzt werden. Bei den Schlammfliegen besteht das vitorirende Stimmband aus 24 bis 25 einzelnen Blättchen von verschiedener Länge und Breite. Ein jedes Blattchen wird auch bei der schwingenden Vi- bration einen anderen Ton hervorbringen. Tönen nun durch die Ath- mungsluft weniger oder mehr, höher oder tiefer gestfrrimte Blättchen, so muss dieses nothwendigerweise eine Modulation in der Stimme nach sich ziehen. Eine zweite Ursache finde ich in der verschiedenen Spannung der Stimmbänder. Letztere liegen bekanntlich immer in einem sog. Brummringe ausgespannt, an dessen federndem Mitlelslücke die Musculatur angebracht ist. Die Muskeln üben aber auf die Span- nung der Brummringe und damit auf die Spannung der Stimmbänder einen grossen Einfluss aus. Es ist in Beziehung auf den Ton ein ge- waltiger Unterschied, ob das Kalbfell auf der Trommel straff gespannt ist oder nicht, und ebenso muss die grössere oder geringere Spannung der Stimmbänder der Insecten auf die Tonhöhe der Stimme selbst einen wesentlichen Einfluss ausüben. Die Verschiedenheit der Geschlechter wirkt auf die Tonhöhe der Stimme insofern ein, als die Theile der Stimmapparate der Weibchen grösser sind, als die der Männchen. Die Stimme der Insecten-Männchen ist daher gewöhnlich etwas höher, als die der Weibchen. Sollte es sich nachweisen lassen, dass die Insecten durch ihre Stimmapparate auch Athmungsluf t in ihren Körper aufnehmen, so hätten wir auch hierin einen Grund der Stimmmodulation. Es ist nämlich eine bekannte Erscheinung, dass Metallzungen einen ganz an- dern Ton geben, wenn man sie vor "den Mund hält und die Luft aus- bläst, als wenn man sie einsaugt. Die Tondifferenz beträgt gewöhnlich einen halben Ton. Würde es sich nachweisen lassen, dass die Insecten durch die Stimmapparate auch die Luft einsaugten, so müssten die vi- brirenden Stimmbänder einen höheren Ton geben, als beim Aushau- chen der Bespirationsluft. Schliesslich mögen hier die genaueren Bestimmungen über den Ton- umfang und Melodien der Insectenstimmen eine Stelle finden. Die Auf- zeichnungen sind so eingerichtet, dass in den beiden zusammengehö- renden Notensystemen unten der Flügelton und oben die Höhe und Me- lodie der Stimme eingezeichnet ist. Wir haben hauptsächlich solche Insecten ausgewählt, welche in ihren Lautäusserungen unter einander abweichen. 69 Einige Beispiele für die Höhe der Stimmen und Töne der lusecten Stimme Flugtou : Musca vomitoria. (Schmeissfliege. =t ' Musca domestica. ijlloderissLlseltenz^st Mesembriua meridiana. (Stubenfliege.) Syrphus ribesii. ¥ Eristalis tenax. (Schlammüiege.j Haematopota pluvialis. (Regenbreme.) Rhyngia rostrata. ¥ Culex annulatus $. 5£> Culex annulatus $. Culex pipiens. (Stechmücke.) Apis mellifica. (Honigbiene.) 3: 3St Bombus terrestris. (Erdhummel, kleines i.. I Bombus terrestris. (Erdhummel, grösser.) Bombus muscorum. (.Mooshummel, grosses ?.) I Bombus muscorum. (sehr kleines £.) } o- Ammophila sabulosa. Anthidium manicatum. (Blütenbiene ) 3 S hnarrtöne der Akridien. Schrilltöne der Heimchen. (Gryllus domesticus.) 70 Die Entstehung der Lautäusserungen. Die Instrumente, welche wir zur Hervorbringung von Tönen an- wenden, sind hauptsachlich : gedeckte Pfeifen, Orgelpfeifen, Glocken, Saiten, Stäbe, Stimmgabeln und Zungenpfeifen. Die Stimmappa- rate der Insecten kann man füglich nur mit der Wirkung derjZun- genpfeifen vergleichen, weil hier Membranen in Schwingung versetzt werden, welche am Ende oder doch kurz vor der Oeffnung der Tra- cheenrohre angebracht sind. Die Pfeifen selbst werden von den Tracheen gebildet. Diesel- ben verästeln sich in dem Insectenkörper bekann termaassen ganz enorm, sammeln sich allmählich zu grösseren Aesten und endigen schliesslich in ein einziges Rohr, dem der Stimmapparat in ähnlicher Weise aufsitzt, wie der Kehlkopf der Säuger der Luftröhre. Vor dem Eintritt der Tra- chee in den Stimmapparat verengt sich dieselbe, und ist oft an dieser Stelle, wie z. B. bei den Hymenopteren mit besonderen Apparaten ver- sehen, wodurch es den Thieren ermöglicht wird, viel oder wenig Luft durch diese Oeffnung auszustossen. Die Tracheen bilden auf diese Weise einen Blasebalg, dem die Stimmapparate aufsitzen. Die Zungen der Stimmapparate stellen die kleinen Blättchen dar, mögen sie nun gardinenartig, blättchenförmig, oder selbst in Form von Röhrchen vorhanden sein. Bekanntlich übt die Substanz, aus wel- cher, Saiten oder Zungen bestehen, einen wesentlichen Einfluss aus auf die Töne. Wir fanden dieselbe bei allen Insecten gleichartig, indem sie sich als Chitinstoff mit Sicherheit zu erkennen gibt. Auch die Span- nung der Bänder wirkt wesentlich auf die Höhe des Tones ein. Diese wird bei den Insecten geregelt durch die Musculatur der Brummringe, bei deren Contraction auch die Stimmbänder straffer angespannt wer- den und mithin einen höheren Ton geben. Die Respirationsluft setzt diese Zungen resp. die membranösen elastischen Stimmbänder in tönende Be- wegung. Es fragt sich, ob es die exspirirte oder die inspirirte Luft ist, welche die Stimme der Insecten verursacht. Das Erstere ist durch folgendes Experiment leicht zu beweisen: Exslirpire ich etwa einer Brumm- oder Schlammfliege sämmtliche äussere Bewegungsorgane, und lege das Thier mit der Rückenfläche auf die Oberfläche des Wassers, so treibt der Rumpf bei jeder Stimmäusserung vorwärts. Es ist hier die aus den Stimmapparaten hervorgestossene und ausgeathmete Luft, welche diese Locomotion zu Stande bringt. Werden die Stimmapparate ver- klebt, so hört auch die Fortbewegung sofort auf. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob auch diejenige Luft, welche beim Einalhmen 71 in den Körper gelangt, die Stimmbänder in tönende Schwingung ver- setze. Ich glaube dieses verneinen zu müssen, und zwar aus folgenden Gründen : Die Stimmbänder der Fliegen liegen so, dass die gardinen- förmigcn Iläutchen der Brummringe mit ihren freien Kanten nach aussen lippenförmig gegeneinander neigen. Würde nun die Luft auch durch diese Stimmapparate eingeathniet, so müssten die Lippen der Stimm- bänder aneinander klappen und somit den Apparat völlig schliessen. Anderseits müsste auch die Stimme ohne Unterbrechung erklingen, wenn die Luft auch beim Einäthmen die Stimmbänder in tönende Be- wegung setzte. Dieses geschieht aber niemals, sondern es ist jedesmal zwischen jeder Stimmäusserung eine längere oder kürzere Pause. Es fragt sich nun, wie die Luft, welche zur Stimmerzeu- gung verwandt wird, in den Körper hinein gelange. Die- ses geschieht mit Hülfe der Respirationsmuskeln und der Tracheenver- schlussapparate. Es würde mich hier zu wreit führen, wollte ich die staunenswerthe Mannichfaltigkeit letzterer Einrichtung hier auseinander setzen, und ich spare dieses für eine separate Abhandlung auf, mit deren Ausarbeitung ich schon seit längerer Zeit beschäftigt bin ; jedoch müssen die Hauptresultate hier berücksichtigt werden. Hinter den Stigmen liegen stets an den Tracheen eigenthümliche Apparate, welche es den Insecten ermöglichen, die Tracheen zu öffnen oder zu verschliessen, und zwar ist dieses der Willkür der Thiere völlig anheimgegeben. Die Insecten öffnen beim Einäthmen die Tracheenverschlüsse und die Luft tritt in den Körper. Die Tracheen mit der bekannten chitinisirten inneren Haut sind aber nicht im geringsten im Stande, die eingetretene Luft weiter zu befördern. Desswegen werden die Tracheenverschlüsse nun verschlossen, die Respirationsmuskeln ziehen sich zusammen und die Luft wird nach allen Seiten bis in die feinsten Verzweigungen der Tra- cheen hineingezwängt und gelangen so zu den Respirationszellen am Ende der Tracheenröhrchen. Wären die Tracheenverschlussapparate nicht vorhanden, so würde die Luft gleich wieder aus den Athmungs- organen entfernt werden, ohne den Körperorganen ihren Dienst gelei- stet zu haben. Es ist durch die Einrichtung der Tracheenverschluss- apparate auch den Insecten völlig anheimgegeben, wieviel Luft sie in den Körper aufnehmen wollen. Schliessen sie dieselben, bevor die ein- geathmete Luft wieder ausgestossen ist, und beginnt dann die Einath- mung von Neuem, so müssen die Tracheen und die oft mit ihnen zu- sammenhängenden Tracheenblasen sich allmählich mit Luft füllen. Die- ses thuen sie namentlich kurz vor dem Fluge. Auf diese Weise füllen sie nach und nach ih're Respirationsorgane mit Luft, die dann die Luft- reservoire, ähnlich den Blasebälgen unserer Orgoln , herstellen , um die 72 Stimmbänder der Stimmorgane in Bewegung zu setzen. Da die kräftig- sten Stimmorgane stets am Thorax liegen, so wird die Contraction der Muskeln dieses Körpertheils, in denen sich die Tracheen so zahlreich verästeln, auf die Ausslossung der Luft durch die Stimmapparate von grossem Einflüsse sein. Es brauchen zwar nicht jedesmal, wenn Luft durch die Stimmapparate ausgestossen wird, auch die Stimmbänder nothwendig zu tönen ; denn dieses hängt einerseits von der Menge, an- derseits von der Schnelligkeit der ausgeathmeten Luft ab. Beides kann aber von den Insecten willkührlich regulirl werden. So haben die Bie- nen an allen Stimmapparaten besondere Verschlüsse, welche sie schlis- sen und öffnen können ; die Fliegen können sogar ihre Stimmbänder einander nähern oder von einander entfernen. Das Resultat dieser Untersuchungen können wir somit dahin zu- sammenfassen : die Insecten bringen vermittelst der Ex- spirationsluftin ihren Stimmapparaten ihre Stimme will- kührlich hervor. Wollen wir die Ursache der übrigen Lautäusserungen angeben, so können wir uns schon kürzer fassen. Die Flügel tönen bei vielen In- secten durch ihre rapide Bewegung durch die Flügelmuskeln ; so finden wir es bei vielen Käfern, bei Dipteren und Hymenopteren. In anderen Fällen ist es dieFriction, welche entweder die Flügel in tönende Schwin- gungen versetzt, wie bei Heimchen, Gryllen u. A., oder die Flügel- decken werden durch die Hinterschenkel angegeigt. Die reibenden Kör- pertheile der Holzböcke, Nekrophoren, Mistkäfer u. A. fanden schon oben hinreichende Berücksichtigung. Auch treffen wir bei den Toninstrumenten der Insecten besondere Resonanz Vorrichtungen an. So sind es' bei den Bockkäfern die gewölbten Thoraxringe, welche nebst den unterliegenden Tracheenbla- sen kräftig mitschwingen. Es ist eine bekannte Thatsache, dass Saiten- instrumente, deren Saiten man anschlägt, bedeutend kräftiger tönen, wenn die Instrumente hin- und hergeschwungen werden ; so ahmt man mit einer schwingenden Guitarre das Glockengeläute nach. In ähn- licher Weise werden auch die durch die Luft hin- und hersummenden Insecten an Tonstärke bedeutend gewinnen. Die Gryllen vibriren mit ihren Flügeln nach jedem Schrill und verstärken dadurch wesentlich den zirpenden Ton. In anderen Fällen ist die ganze harte äussere Kör- perbedeckung zur Resonanz thätig. Man fühlt dieselbe leicht, wenn man z. B. eine brummende Fliege zwischen den Fingern hält. 73 Die Zahl der FlAgelbeweguiigen. Diejenigen Inseclen, welche nur zwei Flügel haben, wie die Flie- den, schwingen beim Fluge diese Organe in der Weise, dass sie sym- metrisch auf- und niederschlagen werden. Sind hingegen die Kerle mit vier Flügeln ausgestattet, so gilt es als Regel, dass die Flügeldecken an den Fluebeweeunaen direct keinen thiitigen Anlheil nehmen. Die Käfer ODO z. B. klappen die Flügeldecken entweder hoch auf, wie der Maikäfer, oder die Decken werden nur ganz wenig gehoben, so dass die häutigen Flügel eben Raum genug für ihre Schwingungen finden. Letzteres kann man bei fliegenden Goldkäfern (Celonia aurata) sehr leicht beobachten. Die Immen haben im Verhältnisse zu ihrer Körpergrösse kleine und schmale Flügel. Um die Flugfähigkeit zu heben sind die Hintcrflügel mit den Vorderflügeln verbunden. Der Vorderrand der Hinterflügel ist bei allen Speeles mit kleinen Häkchen besetzt, deren Anzahl und Form für jede Species charakteristisch ist. Diese Häkchen haken sich in eine Rinne am Hinterrande der Vorderflügel. Durch diese sinnreiche Einrichtung wird einerseits die innige Verbindung der Vorder- und Hinterflügel zu einer einzigen Fläche hergestellt, anderseits verhindert sie nicht die freie Bewegung der Hinterflügel durch ihre Muskeln. Eine ähnliche Verbindung der beiden Flügelpaare findet sich auch bei manchen Schmet- terlingen. Dort befindet sich — wie van der Hoeyen zuerst nachwies — an dem Hinterflügel eine Borste, welche durch ein Loch des zuge- hörigen Vorderflügels geht, und so die Flügel aneinanderhäll und die Flügelbewegungen rythmisch ausführen hilft. Bei sehr wenigen Insecten sind die Bewegungen beim Fluge der- art, dass sie so langsam sind, um ihre Anzahl direct zu bestimmen. So wird es schon sehr schwer, die Anzahl der flatternden Bewegungen der Tagschmetterlinge anzugeben. Geradezu unmöglich ist es, die rapiden Flügelschläge der dahin summenden Fliegen, Bienen, Hummeln u. s. w. zu zählen. Diese Aufgabe lässt sich jedoch leicht lösen durch die Beo- bachtung derjenigen Töne, welche durch den Flügelschlag bewirkt werden. Es ist eine bekannte Sache, dass die Höhe des Tones sich richtet nach der Anzahl der Schwingungen, welche ein Körper macht. Wir müssen auf die Art und Weise, wie man die Schwingungszahlen der Töne bestimmt, auf die physikalischen Lehrbücher1) verweisen. Sind nun einmal die Schwingungszahlen der Töne festgestellt, so kann man auch umgekehrt von den Tönen auf ihre Schwingungszahlen schliessen. 1) Helmholz, Tonempfindungen -1863. Laudois, Tou- u. Slimmuppumte d, [»seiltet 74 So wissen wir, dass, so oft wir den Kammerton a unserer Instrumente im Concerte hören, derselbe auch 440 Schwingungen in einer Se- cunde macht. Wir wollen nun zunächst eine Tabelle einschalten, aus welcher zu ersehen ist, wieviel Schwingungen ein jeder Ton unserer gebräuchlichen Scala macht : S c h w i n g u n g s z a h 1 e n d e r Töne; Töne : Cpntra- Octave C,-H, Grosso Octave C—H Unge- strichene Octave c — h Einge- strichene Octave c'—h' Zweige- strichene Octave c"— h" Drei ge- strichene Octave c"'—h"' Vicrgc- strichene Octave c""—h"" C 33 66 132 264 528 1056 2112 D 37,125 74,25 148,5 297 594 1188 2376 E 41,25 82,5 165 330 660 1320 2640 F 44 88 " 176 352 704 1408 2816 G 49,5 99 198 396 792 1584 3168 A 55 110 220 440 880 1760 3520 H 61,875 123,75 247,5 495 990 1980 3960 Mit Hülfe dieser Schwingungszahlen wird es leicht, die Menge der Flügelschläge der Insecten zu bestimmen. Ich habe den Ton, den die gewöhnliche Stubenfliege durch ihre Flügelschläge bewirkt auf f be- stimmt ; sie wird somit auch 352 Flügelschläge in einer Secunde machen, weil eben so viele Schwingungen zur Hervorbringung dieses Tones er- forderlich sind. Das Weibchen der Mooshummel (Bombus muscorum) summt im Fluge a ; es führt mithin 220 Flügelschläge in einer Secunde aus. Die Honigbienen, lassen durch ihre Flügelbewegungen durch- schnittlich den Kammerton a hören, und sie machen demnach 440 Schwingungen in jeder Secunde, also gerade doppelt so viel, wie die grosse Mooshummel. Ist hingegen die Honigbiene ermüdet, so hörte ich den Fliigelton in e' klingen, und in diesem Falle wird sie also nur 330 Schwingungen in einer Secunde machen. Die Musculatur der Stimmapparate. Eigentliche Stimmapparale, welche vermittelst der Respiralionsluft inThäligkeil gesetzt werden, besitzen unter den Insecten nur die Zw ei- flügler, die Immen, Libellen, einige Käfer und Cicaden. Da es dem Willen dieser Thiere anheimgestellt ist, ihre Stimme zu äussern oder nicht, so liegt schon von vornherein die Vermuthung sehr nahe, dass Muskeln und Nerven diese willkürlichen Bewegungen vermitteln. Sehr ausgebildet und entwickelt ist der St im map parat bei den Fliegen und mit ihm die Musculatur desselben." Wir un- terscheiden bei ihnen zwei Gruppen von Muskeln: 1) die Muskeln zur 75 Bewegung der Brummringe, und 8) die Muskeln, welche iutfBewegung der äusseren Stigmenränder dienen. ßerBrummring, von länglich ovaler Form, besteht aus zwei Halb- bögen ; letztere sind an dem einen Ende durch ein federndes Zwischen- stück mit einander verbunden; an dem andern Ende hingegen gehen sie immer dünner werdend zuletzt unvermerkt häutig in einander über. In der inneren Ocffnung des Brummringes liegen die verschiedenartig gestalteten Stimmbänder. Der Brummring ist einer doppelten Bewegung fähig: er kan n nämlich etwas zusammengezogen und wieder ausgedehnt werden. Die Zusammenbiegung der bei- den Schenkel des Brummringes wird einzig und allein durch Muskeln bewerkstelligt; die Ausdehnung geschieht dagegen auf rein mechani- schem Wege. Zum Zwecke der Zusammenziehung des Brummringes finden sich zwei Muskelbündel an dem federnden Zwischenstück des Binges (Tai X. Fig. 10. m.m'.). Das Zwischenstück senkt sich kcilig zwischen die verdickten Enden der Schenkel des Binges ein und ist durch seine Elasticität stets bestrebt, die Schenkel des Binges auseinander gespannt zu halten. Auf dem Boden des keiligen Mittels tückes , welches eine trichterförmige Höhlung hat, sind jene beiden Muskelbündel be- festigt. Jedes Bündel läuft an der Anheftungsstelle dünn zu, und dehnt sich nach dem Austritte aus dem keiligen Mittelstücke breiter aus (bei der Brummfliege wird es dort 0,153 Mm. dick). Beide Mus- kelbündcl setzen sich mit dem anderen Ende an die innere Chilinwiind des Thorax oberhalb des Brummapparates. Die Anzahl der Muskel- fasern und ihre Dicke richtet sich im Allgemeinen nach der Grösse der Fliegen speejes- Bei der Brummfiiege bestehen beide Muskelbündel wenigstens aus hundert einzelnen Fasern von 0,0134 Mm. Dicke. Dass diese Muskeln mit zahlreichen Tracheenverzweigungen durchzogen sind, lässt auf ihre energische Thätigkeit schliessen. Die Wirkung dieser Muskeln kann nun nicht mehr dunkel bleiben. Der Brunimring ist unten (Taf. X. Fig. 10. o) angeheftet. Werden die Muskeln contrahirt, so biegen sich die beiden Halbbogen des Binges offenbar zusammen. Dadurch nähern sich die im Brummringe ausge- spannten Stimmbänder und die Stimmritze wird verengt. Wird mm 'die Bcspiralionsluft ausgestossen , so setzt dieselbe die Stimmbänder bei verengter Stimmritze in tönende Schwingungen. Lässt hingegen die Musculatur in der Conlraction nach, so nimmt der Brummring von selbst wegen seiner Elasticität seine ausgespannte Lage wieder ein. Die Stimmbänder entfernen sieh von einander und die Respiratiohsluft 6* 76 k;mii durch die erweiterte Stimmritze passiren, ohne die Stimmbänder in tönende Bewegung zu setzen. Man überzeugt sich leicht an lebenden Individuen , dass eine Be- wegung der nrummringo und mit diesen eine Spannung der Stimm- bänder stattfindet. Ich beobachtete dieses oft an Schlammllieuen Krislalis) , die ich in folgender Weise zubereile. Ich schneide dem Thiere Flügel und Reine ab, um demselben die zur Beobachtung nöthige Buhe zu geben. Dann entferne ich den äusseren Stigmenrand mit seinem gefi^edertßn Haarkranzc. Der Brunmiring mit seinen zahlreichen Stimmblältchen tritt auf diese Weise offen zu Tage. Wendet man nun eine schwache (etwa 60fache) Vergrösserung an , so sieht man , dass, so oft das Thier seine Stimme hören lässt, die beiden Schenkel des Brummringes auseinanderlrelen. Auch die Stimmblältchen treten da- durch einerseits weiter auseinander und andererseits werden sie auch bei dieser Ausdehnung mehr gespannt. Sobald die Stimmäusserung aufhört, klappt der Brummring wieder mehr zusammen. Bei den Immen steht die Musculatur mit den tönenden Stimm- bändern nicht in direcler Verbindung. Dort hängt die Hervorbringung der Stimme einzig und allein von der erhöhten Bespiralionslhätigkeit ab. Sowohl bei den Bienen, als auch bei Hummeln, Hornissen etc., liegen die Stimmbänder bekanntlich unbeweglich unter der Stigmen- öffnung. Ueber den Stimmbändern findet sich dann eine näpfchen- förmige Chilinwölbung, in deren mittleren Spalt sich das Tracheenende einsenkt. Dort ist die Verschlussvorrichlung der Trachee angebracht, bestehend aus zwei Chitinkegeln (Taf. XI. Fig. 19. vk. vk'.), deren Enden durch Muskelfasern verbunden sind. Werden diese Muskeln contrahirt, so schliesst sich die Tracheenöffnung und es kann keine Athmungslufl ausströmen. Hält das Thier hingegen die Tracheenmün- dung offen, so strömt die Luft stark aus , was die tönende Bewegung der Stimmbänder zur unmittelbaren Folge hat. So ist auch bei den Hymenopteren die Hervorbringung der Stimme durchaus willkührlich ; die Thiere können sowohl im Fluge , als auch in der Buhe ihre Stimme erschallen lassen , wenn anders sie nur den Tracheenverschlussapparat hinreichend öffnen. Die Analoga der Stimnianparate. Die Stimmorgane belinden sich nur bei sehr wenigen Inscclcn au allen Stigmen; bei den meisten sind sie auf die Thorakalsligmen be- schränkt. Es fragt sich nun , ob auch diejenigen Stigmen, an denen wir keine Sthnmwerkzeuge vorfinden, analoge Organe haben. Ich 77 glaube diese in den Tracheen verseh I ussapparalen zu erkennen. Die Fliegen besitzen an sämndlichenllinterleibsslignien besondere Tracheen- verschlüss'e , diese würden aber an den Stigmen des Thorax völlig fehlen, wenn wir nicht in den Bruraniapparalen die analogen Organe w iederJinden. Da M ir aber bei keinem einzigen Stigma einen beson- deren Tracheenverschhrssapparat vermissen, so wird es allein hierdurch schon höchst wahrscheinlich, dass die Stimmorgane der Fliegen höher entwickelte und modifieirte Verschlussapparatc sind. Diese Ansicht erhält noch eine Hauptstütze daran, wenn wir auf die einzelnen Theile dieser sonst in ihrer Wirkung so verschiedenen Apparate blicken. Die Verschlussapparatc bestehen im Allgemeinen aus mehreren Chilinge- bilden, welche das Tracheenrohr hinter dem Stigma ringförmig um- geben. Diesen Ring erkennen wir in den Stinimapparalen sogleich als den Brummring wieder. Auch die Musculatur ist bei den Tracheen- verschlüssen und Stimmapparaten ganz ähnlich sowohl im Baue als in der Wirkung. Die Musculatur ist in beiden Organen an den Hartge- bilden befestigt und^ dienen ihnen stets nur zum Verschlusse. Das Oeffnen geschieht beiderseits einzig und allein durch die federnde Elaslicität der Organe -selbst. Es kann somit nach meiner Ansicht keinem Zweifel unterliegen, dass die Tracheenverschlussappa- rate und die Stimmwerkzeuge der Insecten ganz analoge Gebilde sind, die nur durch ihre graduelle Ausbildung als verschieden betrachtet werden dürfen.1) Vorrichtungen zum Schulze der Tonapparate. Viele Tonapparate sind schon hinreichend dadurch gegen nach- theilige Einwirkungen gesichert, dass sie aus festem Chitinstoff be- stehen. Dazu gehören die Reiben an der Mittelbrust der Bockkäfer, die ähnlichen Bildungen auf den Coxen der Hinterbeine bei den Mistkäfern, und die Reiblcisten der Nekrophoren. Auch die Schrilladern der Grillen sind so fest, dass sie für den Gebrauch eines Sommers völlig aus- reichen. Auch die Flügel können durch ihre schnelle Vibration als Tonwerkzeuge lange gebraucht werden. Sie nutzen allerdings mit der Zeit oft bedeutend ab, allein mit dem Verbrauchen gehl das Individuuni auch seinem Ende entgegen. 1) Ueber die Tracheenverschlussapparate vergleiche : 1. Hi Landois, Stigmen- verschluss bei den Lcpidopteren , Archiv f. Anal. u. Phys. von Dubois-Rcymond und Reichert, Berlin, 1866. p. 43. 2. II. Landois und W. Thelen, der Tracheen, verschluss von Tenebrio molitor (Mehlwurm). Ebendaselbst pag. 391. 3. H. Lan- des und W. Thelen , der Tracheenversehluss bei den Insecten. Zeitschrift un- wissenschaftliche Zoologie. Band XVII. Heft 2. 78 Die Stinjmapparate sind hingegen durchweg zarter gebaut, und ihre feinen vibrirenden lliiulohcn bedürfen eines ganz besonderen Schutzes. Die Schutzvorrichtungen müssen sowohl gegen die stören- den Einflüsse , welche von Aussen drohen , als auch gegen diejenigen gel ichtet sein, welche vom Innern des Körpers einen nachteiligen Ein* Uuss äussern könnten. Um die Stimmapparate gegen äussere schädliche Ein- flüsse zu schützen, finden wir die mannigfaltigsten Vorkehrungen ge- t rollen. Oft sind es minder zahlreiche einfache grössere Borsten, welche am Rande der Stimmapparatc eingelenkt, sich über die (Deh- nung derselben hinüberbiegen, wie etwa bei der Stuben- und Brumm- fliege. In andern Fällen finden wir kleinere un vor zweigte Haa re, welche in grösserer Anzahl die äussere Sligmenöffnung uingcbqn. An den hinteren Slimmapparalen der. Libellen stehen die einfachen Ilaare auf einer kleinen Klappe, welche die äussere Oeffnung zu schlicssen vermag. Viel häufiger kommen zum Schutze die verzweigten Haare vor. Bei den Eristalis- und Syrphusarten nehmen sie sogar eine stark verzweigte federförmige Gestalt an , und neigen sich mit ihren Enden gegen einander, sodass auch kein Stäubchen von Aussen in das Innere des Slimmapparates gelangen und denselben unbrauch- bar machen könnte. Die Schrillstigmen der Cicaden sind durch grosse lederartige Laden bedeckt, die mit ihrer Basis unter den Hinterbeinen an der Brust festgeheftet mit dem anderen freien Ende den ganzen Stimmapparat völlig tiberdecken. Eine Uebergangsstufe zwischen so- liden Laden und fedrigen Haaren bilden die höchst zierlichen Brumm- klappen bei den Brummfliegen, von denen an den hinleren Stimm- werkzeugen jedesmal zwei vorhanden sind. Sowohl die grössere als auch die kleinere Brummklappe besteht aus zierlich in einander ver- flochtenen Haaren, die, ohne der Luft den Durchtritt zu verwehren, doch zusammenhängende Klappen bilden. Während die grössere fest- gewachsen ist, bleibt die kleinere nach aussen beweglich. Da die Muskellhätigkeil im Thoraxraume der Insecten eine so ge- wallige ist, so liegt die Gefahr nahe, dass sie die zarten Stimmapparate, die immer am Thorax gelegen sind, leicht gefährden. Bei den meisten Insecten liegen jedoch die starken Muskelbündel so, dass sie die Stimmapparate nicht berühren und völlig frei lassen. Selbst die Brummhöhle, umgeben von der halbkugeligen Trachcenerweiteiung. fand ich bei den meisten Fliegen völlig frei liegen. Ein Anlehnen der Muskeln würde auch ihre Resonanz stark behindern. Wo die Thorax- muskeln sich weiter ausdehnen , treffen wir in der Nähe der Stimm- apparate in das Innere des Thorax vorspringende Chitinleisien . und 79 diese schützen dann die zarten vibravenden Häutchen in ähnlicher Wimm von Innen, wie die vorspringenden Knochen das menschliche Auge von Aussen vor schädlichen Eingriffen sichern. Die Stimmbänder selbst liegen meistens in starken C h i t i n r i n g e n ausgespannt. Eine ganz sonderbare Schutzvorrichtung im Inneren des Thorax bei den Libellen darf ich nicht übergehen. Die Muskeln sind bei diesen Thieren ausserordentlich stark entwickelt. Jeder Muskel ist an seinen beiden Köpfen stark chilinisirt, und diese tiefbraunen Chitinsehnen setzen sich an die Hartgebilde der Gliederwurzeln an. Während alle Muskeln ziemlich lang sind, macht der äussersle, welcher dem Schwirr- apparat des Metathorax zunächst anliegt, davon eine Ausnahme. Sein fleischiger Theil ist bei Aeschna juncea nur 0,81 6 Mm. lang und 1,2 Mm. luv it. Dahingegen sind seine chitinisirten Sehnenfortsätze desto länger entwickelt; -der eine, nach oben gehend, ist 2,5 Mm. lang. Der andere Fortsatz ist 2 Mm. lang und legt sich quer über die Fleischlheile der unterliegenden Muskeln. Werden nun bei dem starken Flügelschlage die Thoraxmuskeln stark in Thätigkeit gesetzt, so verhindert dieser überliegende Chitinstab, dass die bewegten Muskeln sich an dem Schwirrapparat der Libellen reiben. Diese Sehnen haben somit dein doppelten Zweck, einerseits die Anheftung des Muskels zu vermitteln und andererseits den Schwirrapparat gegen die rapide Muskelcontrac- tion zu schützen. Zweck der Insectenstimmeii und Töne. Es sind wohl alle Forscher darüber einig, dass die Insecten haupt- sächlich desswegen ihre Stimmen und Töne erschallen lassen , um sich gegenseitig besser auffinden zu können. »Alle diese Töne beziehen sich auf die Vereinigung der Geschlechter.«1) »Sie suchen nämlich durch diesen Gesang , zu der Zeit da sie ausgewachsen sind, und sich der Trieb, ihr Geschlecht fortzupflanzen, in ihnen regt, denen Weiblein ihre Gegenwart erkennen zu geben, und stimmen also gleichsam Liebes- lieder an, durch welche sie selbige an sich locken.«2) In vielen Fällen haben die Lauläusserungen den Zweck der Er- haltung des Individuums. Hierhin gehören namentlich diejenigen Laute und Töne, welche die Insecten hervorbringen , sobald sie angegriffen werden. Manchmal kann die Stimme wirklich mit einem Nothschrei verglichen werdep. Eine gefangene Schlammfliege lässl diesen Schrei 4) G. Vogt, Zool. Briefe. Band \. pag. 533. 2) Rösel. 80 anhaftend hpren, wie man ihn sonst sehr seilen von ihr vernimmt. Auch die Bienen und Hummeln gehen derartige Schreilüne von sich, sobald sie angegriffen werden. Von manchen Insecten habe ich nur einzig und allein dann einen Ton vernommen, wenn ich sie anfassle. Dazugehören die Holzbocke, die Todtengräber, die Lilienhähnchen, die Mistkäfer und viele Andere. Und es kann in solchen Fallen wohl kaum zweifelhaft sein, dass dieses zur Abwehr des feindlichen An- griffes geschehe. Es ist bei vielen Insecten. namentlich bei den Fliegen und Hyme- nopteren, selten, dass sie ihre Stimme, ohne gerade durch einen An- griff dazu bewogen zu werden, erschallen lassen. Jedoch habe ich häufig beobachtet, dass Eristalis- und Syrphusarten Clihig sitzend ihre Stimme gebrauchten. Leicht sind die Bienen zur Stimmäusserung zu bewegen. Man braucht nur vor den Bienenstock ein Schälchen mit Honig zu stellen. Es kommen dann alsbald wenige Bienen hervor, von denen einige ihre Stimme tüt tüt tüt erheben. Diese Stimme ist ziem- lich hoch und von derselben Art, als wenn eine ergriffene Biene ihre Stimme hören lässt. Je nach der Grösse des Individuums ist die Stimme a", h" oder c'". Auf diesen Ruf kommt sogleich eine grosse Schaar Bienen aus dem Stocke, um den gebotenen Honig einzusammeln. Die Stimme der Insecten dient ihnen also auch sicher zur gegenseitigen Mittheilung und Verständigung über solche Gegenstände, die auch nicht gerade mit dem Generationsgeschäfte in directer Beziehung stehen. Man könnte hier auch auf die ästhetische Seile der Insectentöne aufmerksam machen. Dass das Gesummse, Geschwirre, Gezirpe und das Schnarren die Fluren ungemein belebe, unterliegt wohl keinem Zweifel und der musikalisch Gebildete findet manchen Genuss , wenn er auf die verschiedenen Klangfarben, und auf die Akkorde lauscht , welche aus dem Concert des munteren Insectenvölkchens hervortönen. Für manche Thiere mögen die Insectentöne nichts weniger als angenehm sein. So rennen auf den Ton der Bremsen und Brehmen die Binder mit gestrecktem Schweife von dannen, weil sie nur durch schleunige Flucht einem schmerzhaften Stiche entrinnen und zu gleicher Zeit ver- hüten können, dass nicht ihre Haut den Eiern ihrer Feinde zur Ent- wickelungsslätte werde. 81 Erklärung der Abbildungen. Tafel X. Fig. 1. Hinterbein einer Feldheuschrecke (Stcnobothrus praiorum) von der inneren Seite ; 3mal vergrüssert. s. Die Schrillader, welche, soweit sie punclirt ist, mit Zähnchen be- setzt ist. Fig. 2. Ein Tbeil der Schrillader dosselben Beines 100mal vergrüssert. g. Die lanzettlichen Zähnchen stehen in einer Reibe. Diese Ader wird durch den Schenkel an die Flügeldecken gerieben, wodurch der schnarrende Ton entsteht. Fig. 3. Die rechte Flügeldecke der Fcldgrille (Gryllus campestris). Vergrösserung 3. s. Die gebogene Schrillader. sa. Die Ader, welche an dem unterliegen- den Flügel angegeigt wird. Fig. 4. Die 109fache Vergrösserung eines Theils der Schrillader desselben Flügels. s. Die Schrillader. st. Die kleinen Stege, mit haarscharfen Rücken und seillichen streben- artigen Stützen. Die Schrillader wird als Fiedelbogen benutzt, um die andere Flügeldecke anzustreichen. Fig. 5. Theil der Schrillader des Heimchens (Gryllus domesticus). Vergr. ■109. st. Die kahnförmigen kleinen Stege der Schrillader; sie stehen seitlich auf der Unterseite der Schrillader s. Die ganze Ader wird ebenfalls als Fiedelbogen benutzt. Fig. 6. Todtengräber (Necrophorus mortuorum). h. Das fünfte Hinterleibsringel, in dessen Mitte die beiden Reibleisten. Fig. 7. Ein Theil einer Reibleiste desselben Käfers vergrössert, um deren rillen- artigen Bau zu zeigen. Diese Reiblcisten werden gegen den scharfen Hin- terrand der Flügeldecken gerieben, wodurch die Tonäusscrung entsteht. Fig. 8. Hinterbein eines Mistkäfers (Geotrupcs vernalis) von unten; 3mal vergr. c. Die breite Coxe. f. Femur. t. Tibia. tr. Tarsus. rl. Die Reibleiste mit mehreren Querrillen. Der scharfe Vorderrand des unteren Halbbogens des dritten Hinterleibsringels wird über jene Reibleiste gerieben, wodurch der Ton entsteht. Fig. 9. Stimmapparat der Schmeissfliege (Calliphora vomitoria) an der Hinterbrust. Vergrösserung 60. ch. Der äussere Chitinrand, welcher die Brummhöhle umsäumt. kk. Die kleine bewegliche Klappe und gk. Die grosse unbewegliche Klappe, beide zierlichst durchbrochen, welche die Brummhöhle bedecken. b. Die Borsten des umliegenden Chitinpanzers der Brust. Fig. 10. Der in der Brummhöhle derselben Fliege liegende Brummring. Vergr. 60. br. Brummring. fm. Federndes Miltelstück. mm'. Die beiden Muskelbündel. Da der Brummring bei o festgeheftet, sonst aber frei liegt, so werden während der Contraction der Muskeln die beiden Ringscbenkel gespannt. Dadurch werden die Stimmbänder einerseits straffer, andererseits auch einander genähert. Fig. 1 1 . Derselbe Brummring , auseinandergeklappt ; von einem grossen Q fm. br. Wie oben. st. st'. Die beiden Stimmbänder mit zellenartiger Zeichnung. 2. Sieben zellenartige Felder 591 mal vergrössert. Fig. 12. Der Brummring des Stimmapparates derselben Fliege vom Prothorax br. Brummring auseinandcrgeklappt. fm. Federndes Mittelstück. sb. sb'. Stimmbänder. 82 Fig. 13. siehe Taf. XI. Fig. 14. Ein Theil dos Stimmbandes von Eris'talis lenax. go mal vergrößert. sli. Stigmenhaare, dem Rande aufsitzend. br. Stück des Brummringos. sb. Einige Falten des Stimmbandes, röhrenförmig gefaltet. Tafel XL Fig, 13. Stimmapparat des Metathorax von der Schiaromfliege (Erlstätts tenas), von Innen gesehen. Vergrösserung 60. s. Stigmenöffnung. br. Brummring, nur zum Thcil sichtbar. sb. Das in 24 Iiis 25 Fallen gelegte SU Iiancl. v. Chitjnstück, an dem Brummring festgewachsen. /(. Hebelarm, mit Zähnen, in welche hl. die Basis der I [allere eingreift. Fig. 14. siehe Taf. X. Fig. <5. Stimmapparat der Stubenfliege (Musca domestica) vom Molalhorax ; von Innen gesehen. Vergrößerung 100. st. Stigma. br. Brummring. ftn. Federndes Mitlelslück desselben. sb. sb'. Stimmbänder:. h. Tracheenblase, welche die Brummhöhle bildet und den Stimmapparat überdeck I. Fig. 1G. Slimmapparat der Vordcibrust derselben Fliege von Aussen gesehen. Vergrösserung 100. sr. Stigmenrand mit verzweigten Haaren besetzt. sb. Stimmbänder. Fig. 17. Stimmverslärkcnder Apparat der Cicadc. Vergrösserung 2. sp. sp'. Spiegel unter den Laden. gh. gh'. Resonanzring (gefaltetes Häutlein Rösel's). h. h' . Höhlen, in welche das »gefaltete Häutlein« frei hineinragt. Fig. 18. Schrillstigma derselben Cicade ; es liegt jederseits der Höhle Ii gegenüber. Vergrösserung 30. sr. Stigmenrand. sb. sb'. Stimmbänder. sr, Stimmritze. Fig. 19. Brummstigma der Erdhummel (Bombus (erreslris). Vergrösserung 109. Von Imien gesehen. Ich. Die Epidermis des Ilinteiieibsringcls. sl. Stigmenrand. so. Stigmenöffnung._ nh. Obere kleinere Näpfchenhälfle mit vk und vk'. den beiden Verschlusskcgeln. s. Spall des Näpfchens, in welchen sich die Trachee einsenkt. sb. sb'. Die gardinenl'örmigen Stimmbänder. Fig. 20. Scbwirrapparal von einer grossen Libelle (Aeschna juncea). Vergr. 30. sr. Stigmenrand. sö. Die" längliche Sligmenöffnuni;. k. Der Chitinkamm., in welchem sb. Die Schwirrhaul eingespannt ist. Druck von Braifkopf und Hirtel in f-oipiig.