R5\m Einfulming in das Studium der Bakteriologie mit besonderer Berucksichtigung der mikroskopischen Teehnik. Fiir Aerzte und Studirende bearbeitet von Dr. med. Ci^rl Gunther, Privatdocent an der Universitat, Aasistent am Hygieniachen Xnstitut zu Berlin. Dritte, vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 72 nacli eigenen Priiparaten vom Verfasser liergestellten Photogrammen. <#> LEIPZIG. Verlag von Georg Tliieme. 1893. A 1 1 e Rechte vorbelialten. Druck von Fisclier & Wittig in Leipzig. Vorwort zur ersten Auflage. lit der Herausgabe des nachfolgenden Buches verbindet der Verfasser die Absicbt, deni Mediciner, und zwar dem Studirenden ebenso wie dem Arzte, eine kurzgefasste, das Wesentbche vollstandig bringende Einfiihrang in das praktiscbe Studium der Bakterien- wissenschaft zu geben; der Wissensckaft, mit welcher fast jeder einzelne Zweig der Medicin mekr oder weniger nabe Beriibrungspunkte besitzt, und deren Bedeutung fiir die Medicin von Tag zu Tag augen- falliger wird. Die Erfabrung lebrt, wie viel Miihe dem Anfanger speciell der Gebrauch des Mikroskopes, und zwar gerade die elementare, manuelle Tecbnik, macht. Dieser Punkt bat in dem Buche ganz besondere Beriicksicbtigung gefunden, und der Verfasser glaubt dam it in der That einem bestehenden Bediirfnisse entsprochen zu haben. Die dem Buche beigegebenen P h o t o g r a m m e diirften zum Ver- standnisse des Gegenstandes an vielen Stellen wesentlich beitragen und vielleicht auch Manchem bei der Beurtheilung und Deutung seiner eigenen Untersuchungsobjecte einen Anhalt gewahren. Die Photo- gramme sind aus einer grosseren Sammlung von Aufnahmen aus- gewahlt und zusammengestellt, die im Laufe der letzten Jahre ent- standen sind. Bei der Abfassung des Buches habe ich ausser den unter dem Texte citirten Original arbeiten die Werke Robert Koch’s und die bekannten Lehrbiicher von de Bary, von Fliigge, von Baum- garten, von C. Fraenkel, von Hueppe vielfach benutzt. Berlin, im Juli 1890. Der Verfasser. Vorwort zur zweiten Auflage. Bei der Bearbcitung der vorliegenden zweiten Auflage waren die leitenden Gesichtspunkte dieselben wie bei der Abfassung der ersten Auflage. Der Yerfasser bat es sich angelegen sein lassen, das Buch einer sorgfaltigen Durcbsicht zu unterziehen. Fast auf jeder Seite des Textes finden sich Abweichungen von der urspriinglichen Fassung, Erganzungen, Yerbesserungen. Einzelne Abschnitte sind auch rnehr oder weniger umgearbeitet worden. Der Umfang des Textes hat sich so urn nahezu zwei Druckbogen erweitert. Eine wesenthche Verbesserung haben die dem Buche beigegebenen photographischen Tafeln erfahren. Von den 60 Aufnahmen der ersten Auflage sind 7 weggelassen und dafur 19 zugefiigt worden, so dass der gegenwartigen Auflage im Ganzen 72 Photogramme beigegeben werden. Berlin, im Marz 1891. Der Yerfasser. Vorwort zur dritten Auflage. Die grossen und mannichfaltigen Fortschritte der letzten Jahre auf bakteriologischem Gebiete habeu eine griindliche Umarbeitung mehrerer Abschnitte des Buches nothwendig gemacht. Ausserdem hat der Verfasser bei sorgfaltiger Durcbsicht des Textes Veranlassung ge- funden, eine grosse Reihe mehr oder weniger wichtiger Erganzungen und V erbesserungen vorzunehmen. So erscheint die gegenwartige dritte Auflage gegen die vorige ran, mehr als sechs Druckbogen erweitert. Die photographischen Tafeln sind griindlich revidirt worden. Yon den 72 Aufnahmen der zweiten Auflage babe ich 28 weggelassen und dafur 28 neue, zweckentsprechendere gegeben. Berlin, im August 1893. Der Yerfasser. Inhalts - U eber sicht Seite Einleitung 1 A. Allgemeines 5 I. AUgemeine Morphologie imd Systematic der Bakterien 7 II. Allgemeine Lebenshedingungen der Bakterien. Desinfection. Sterili- sation. Antiseptik. Aseptik . 20 III. Allgemeine Lebensausserungen der Bakterien 37 IV. Allgemeine Metliodik der Bakterienbeobacbtung 43 1. Die Ausriistnng des Arbeitstisckes 43 2. Beobachtung der Bakterien im lebenden Zustande. Der kangende Tropfen. Wirlaingsweise des Abbe’scken Beleucktungsappa- rates 48 3. Das gefarbte Deckglas-Trockenpraparat. Die Anilinfarben. Das Princip der maximalen Beleucbtung 57 4. Beobachtung der Bakterien in Scknitten. Allgemeines iiber Scknitt- behandlung 79 5. Allgemeines iiber Fiirbung und Entfarbung. Leicht und sckwer farbbare und entfarbbare Objecte 90 6. Die Gram’sche Methode der Kernentfarbung 100 V. Allgemeine Metkodik der Bakterienziicktung 108 1. Einleitendes 108 2. Die Darstellung der wicktigsten bakteriologiscken Niikrboden. Nakrgelatine, Niihragar, Nahrbouillon , Blutserum, Kartoffel, Ei, Brotbrei Ill 3. Die wicktigsten Metkoden der Bakteriencultur 124 4. Anhang: Die Metkoden der bakteriologiscken Luft-, Wasser- und Boden-Untersnckung und ihre wichtigsten Ergebnisse . . . . 150 a. Luftuntersuchung 150 b. Wasseruntersuckung 153 c. Bodenuntersuckung 158 VI Inhalts - Uebersich t. Seite B. Die Bakterien als Krankheitserreger . 1<31 I. Einleitendes n. Die wicbtigsten pathogenen Bakterienarten im Speciellen H)5 1. Der Milzbrandbacillus 195 2. Der Bacillus des malignen Oedems 204 3. Der Tetanusbacillus • • 206 4. Der Rausclibrandbacillus 212 5. Der Tuberkelbacillus (Bacillus der Saugethiertuberculose) .... 215 6. Der Bacillus der Hiihnertuberculose (Gefliigeltuberculose) .... 230 7. Der Leprabacillus 239 8. Bacillen bei Syphilis. Smegmabacillen 241 9. Der Rotzbacillus 242 10. Der Typkusbacillus 245 11. Der Bacillus der Mausesepticaemie und der Bacillus des Schweine- rotklaufs 252 12. Der Dipktkeriebacillus 254 13. Die Bacillen der Septicaemia haemorrhagica 259 Hiiknerckolera 260 Kanincbensepticaeniie 201 Scbweineseuche, Rinderseucbe, Wildseuche, Biiffelseucbe . . . . 262 Ainerikaniscke Scbweineseuche, Frettehcnseucke 263 Mausetyphus 264 14. Der Bacillus des griinen oder blauen Eiters . 265 15. Der Kommabacillus der Cholera asiatica (Vibrio cholerae asiaticae). 267 16. Der Vibrio Metschnikoff 291 17. Der Vibrio Berolinensis 293 18. Der Kommabacillus von F inkier und Prior („ Vibrio Proteus'1) und der Miller’ sche Kommabacillus 295 19. Der Den eke ’sche Kommabacillus 296 20. Das Bacterium coli commune 297 21. Der Gonorrhoecoccus 300 22. Der Streptococcus des Erysipels •' 304 23. Die Eitermikrococcen (pyogene Coccen) 306 a. Der Staphylococcus pyogenes aureus 30S b. Der Staphylococcus pyogenes albus. . . 311 c. Der Streptococcus pyogenes . 311 24. Die Bakterien der Pneumonie 314 a. Der Diplococcus pneumoniae ....316 b. Der Bacillus pneumoniae 31S 25. Der Bacillus des Rhinoscleroms 319 26. Der Influenzabacillus 320 27. Der R. Pfeiffer ’ sche Kapselbaeillus 322 28. Der Micrococcus tetragenus 323 29. Die Spirochaete des Recurrensfiebers 324 30. Der Actinomyces 325 Anhang 32S Die pathogenen Schimmelpilze . 32S Die pathogenen Protozoen 331 Inlialts - Uebersiclit. VII Seite C. Saprophytische (nicht pathogene) Bakterienarten 337 1. Der Kartoffelbacillus 339 2. Der Heubacillus 34b 3. Der wurzelfbrmige Bacillus 340 4. Der Bacillus Megaterium 341 5. Die Proteusarten Hauser’s 342 a. Proteus vulgaris 342 b. Proteus mirabilis 342 c. Proteus Zenkeri 343 (5. Bacterium termo 343 7. Der Bacillus acicli lactic! Hueppe 343 8. Die Bakterien der Buttersauregahrung . 344 a. Der Bacillus butyricus Prazmowsky 344 b. Der Bacillus butyricus Hueppe 344 9. Der Bacillus aceticus ' 345 10. Die Milchkothbakterien Escberich’s 345 a. Das Bacterium lactis aerogenes 345 b. Das Bacterium coli commune 345 11. Die Bakterien der ammoniakaliscken Harnstoffgakrung 346 a. Der Micrococcus ureae Leube 346 b. Der Micrococcus ureae liquefaciens Fltigge 346 c. Der Bacillus ureae Leub.e 346 12. Bakterien der Mundkokle 346 a. Leptothrix buccalis innominata 346 b. Bacillus buccalis maximus 346 c Leptothrix buccalis maxima 346 d. Jodococcus vaginatus 346 e. Spirillum sputigenum 347 f. Spirochaete dentium 347 Leptothrix gigantea ; Jodococcus magnus ; Jodococcus parvus . . 347 13. Der Bacillus der blauen Milch 347 14. Der Bacillus violaceus 348 15. Der Bacillus Indicus 348 16. Der Bacillus prodigiosus 349 17. Der Micrococcus agilis 349 18. Das Spirillum rubrurn Esmarch 350 19. Chromogene Sarcinen 350 20. Fluorescirende Bacillen aus Wasser 351 21. Der Bacillus fluorescens liquefaciens 351 22. Phosphorescirende Bakterien 351 a. Bacillus phosphorescens 351 b. Bacterium phosphorescens 352 c. Der einheimische Leuchtbacillus 352 23. Das Spirillum concentricum Kitasato 352 24. a. Bacillus tremulus Koch 353 vm Inhalts -Uebersicbt. b. Spirillum Undula . c. Spirocbaete plicatilis Seite 353 353 Anhang . • Schimmelpilze Hefen . • 354 354 354 Register ....•••• Vorbcmerkung zu den Tafeln . 357 . 374 Einleitung. Unter der Bezeichnung „Bakterien“ fasst man eine Gruppe kleinster einzelliger organiscker Wesen zusammen, welcke, ikrer grossen Mekrzakl nack, in pkysiologiscker Beziehung den P i 1 z e n nake stelien und sick dnrck Tkeilnng des Einzelindividumns in zwei Individnen, durck Spaltung, vermekren. Man sprickt deskalk auck von S p a 1 1 - pilzen, Sckizomyceten, und gekrauckt diese Ausdriicke synonym mit deni Ausdrucke Bakterien. Auck die Bezeicknungen Mikro- organismen, Mikrokien, sind, im engeren Sinne verstanden, fur diese Gekilde vielfack in Gekrauck. Die ausserordentlicke Yerkreitung derselken in der Hatur kat die Aufmerksamkeit der Forscker sckon friikzeitig auf sie gelenkt. Der Erste, welcker die uns gelaufigen Bakterienformen geseken und akgekildet kat, war Leeuwenkoek in Delft (Holland) 1683. Der geniale Beokackter sak diese „Tkiercken“ mit Hiilfe stark vergrossernder einfacker Linsen, die er sick selkst gesckliffen katte, in seinem Zaknbelage und in anderen Fltissigkeiten. Seit jener Zeit und dann namentkck seit den dreissiger Jakren unseres Jakrkunderts, nackdem das Mikroskop gewaltige Verkesserungen er- fakren katte, kat man den kleinsten Lekewesen die Aufmerksamkeit zugewendet. D Aker erst die letzten Jakrzelmte sind es gewesen, welcke ein frucktkringendes Studium dieser Gekilde in grosserer Ausdeknung ermoglickt kaken ; erst seit wenigen Jakren konnen wir von einer kakteriologiscken „W i ss en s ck aft“ sprecken. Um das reckt zu versteken, miissen wir uns den jetzigen und den friilieren Zustand vergegenwartigen. Jeder, nickt kloss der Arzt, sondern jedef Laie, sprickt jetzt von Tukerkelkacillen, von Milzkrandkacillen. In diesen ') Beziiglich der Geschicktc der Bakterienlehre vorweise ick auf das ausge- zeiclinete Werk I* r. Loeffler’s: Yorlesungen fiber. die gesckicbtlicke Entwickelung der Lehre von den Bakterion. I. Theil. Bis zuin Jahre 1878. Leipzig 1887. GUuther, Bakteriologio. i 2 Einleitung. Worten liegt ohne Weiteres die Ueberzeugung, dass damit von ein- ander vers chi e dene Bacillenarten gemeint seien, dass der Tuberkelbacillus seine specifischen Eigenscbaften babe, nnd dass diese von den specifischen Eigenscbaften des Milzbrandbacillus verscbieden seien; es liegt darin die Ueberzeugung, dass das Gebiet der kleinsten Organismen ebenso aus einzelnen, je durcb cbarakteristische constante Merkmale gekennzeichneten Species zusammengesetzt ist, wie das in alien ubrigen Abtbeilungen der lebenden Natur der Fall ist. Die Erkenntniss dieser so einfacb, so selbstverstandlicb ersclieinenden Tbat- sacbe bat aber erst errungen werden mussen. Wenn man daran denkt, dass kaum drei Jahrzebnte uns von dem Zeitpunkte trennen, wo ernste wissenscbaftbcbe Manner eine Entstehung der Bakterienvegetationen in unseren Gefassen durcb Urzeugung, durcb Generatio aequivoca. nocb fiir moglicb bielten, wo es erst bewiesen werden musste, dass ohne das Vorhandensein von entwickelungsfahigen Keimen Bakterien- vegetationen nie auftreten, wenn wir dies bedenken, so wird es uns nickt Wunder nehmen, dass noch vor wenigen Jabren von mehreren beriibmten Seiten1) auf Grund experimenteller Untersucbungen die Existenz verscbiedener Species bei den Bakterien cbrekt in Abrede gestellt resp. cbe Abgrenzung derselben in einzelne Species nicht fib’ zwingend eracbtet wurde. Dass dieses moglicli war, erklart sich aus folgendem: Man batte zwar optisclie Hiilfsmittel, die Bakterien zu seben; man kannte die Formen, unter denen sie auftreten, sebr gut, man verstand aber nicht, aus einem Bakteriengemenge das emzelne Individuum, die einzelne Zelle berauszunebmen und fiir sicb, isolbt. in ibrer Weiterentwickelung und in ihrem gesammten Yerbalten zu studiren. Dem genialen Bbcke Robert Ivocb’s war es vorbehalten, die Scbwierigkeiten in diesem Punkte zu beseitigen. Durcb Einfuhrung einer neuen, iiberaus einfacben Methodik gelang es Koch, die einzelne Bakterienzelle zu isobren und das Yerbalten der isobrten Bakterien- zelle unter den verscliiedensten ausseren Bedingungen weiter zu ver- folgen. Hierbei wurde sofort die Erkenntniss gewonnen, dass unter gleicben Bedingungen nicht alle Bakterienzellen sicb gleicb verhalten, sondern dass es sicb bei den Bakterien um eine grosse Reibe von einander verscbiedener Arten bandelt, deren jede durcb ein ibr eigen- tbiimbcbes, specifisches Yerbalten cbarakterisirt ist. Diese Erkenntniss 0 cf. Th. Billroth, Untersuchungen iiber die Vegeta tionsformen von Cocco- bacteria septica etc. Berbn 1874. — v. Niigeli, Die niederen Pilze in ibren Beziebungen zu den Infektionskrankbeiten etc. Mlincben 1877. Eiiileitung. 3 ist der Grundstein, auf dem allein sich eine wissenschaftliche Erforschung des Gebietes aufbauen konnte. Nur die Iso lining der einzelnen Art ermoghchte es, ibre Eigenschaften festzustellen, ibre Lebensbedingungen, ibre Lebensausserungen kennen zu lernen. Die glanzenden Entdeckungen, welcbe dieser erste Scbritt aus dem Dnnkel in das Helle zur unmittelbaren Folge batte, namentlicb die Entdeckungen auf mediciniscbem Gebiete, baben das allgemeine Interesse der Gebildeten der Bakteriologie zugewandt. Fiir das erspriessbcbe Wirken des modernen Arztes aber ist es eine conditio sine qua non geworden, sowobl sicli mit den Lebenseigenschaften der Bakterien im Allgemeinen vertraut zu machen, wie aucb die speciellen Bakterien- arten, die bei der Entsteliung von Krankbeiten eine Rolle spielen, des Naheren kennen zu lernen. Denn auf der ersteren Kenntniss beruhen die wicbtigsten Tbeile unserer modernen Hygiene im Allgemeinen, auf ibr beruhen Desinfection und Antiseptik, berubt die chirurgische Aseptik mit ihren glanzenden Resultaten ; die Kenntniss der speciellen Lebens- eigenscbaften der Krankheitserreger aber weist mis allein mit Sicher- beit den Weg, den eine rationelle Prophylaxis gegen die einzelnen Seuchen zu bescbreiten bat. Mit diesen Punkten ist jedoch der praktiscbe Nutzen der Bakterio- logie nicht erschopft. Die Entdeckungen der letzten Jahre weisen mit Sicherheit darauf bin, dass die Bakterienwissenschaft berufen ist, aucb fur die Heilkunde im engeren Sinne, fur die T b e r a p i e , von grosster Bedeutung zu werden. Die folgenden Blatter stellen sicb die Aufgabe, den medicinischen Leser in das Gebiet der modernen Bakterienwissenschaft, soweit deren Kenntniss fiir ihn ein imumgangliches Bediirfniss ist, einzufubren; dem Bedurfnisse des Arztes entsprecbend soli die mikroskopische Technik liierbei besonders beriicksichtigt werden. Wir werden uns zunaehst mit der allgemeinen Morpbologie und Systematik der Bakterien, mit der allgemeinen Betracbtung ibrer Lebensbe- dingungen und Lebensausserungen zu beschaftigen baben, um uns dann der allgemeinen Untersuchungsmethodik zu- zuwenden. Dann werden wir das Gebiet der kr ankheits err e gen- den Bakterien im Allgemeinen und im Anschlusse daran die wichtigeren einzelnen pathogenen B a k t e r i e n a r t e n zu betrachtcn haben; anbangsweise sollen aucb die patbogenen Faden- pilze und die pathogenen Protozoen Erwabnung finden. Endlicb werden wir auch einige der bekannteren nicht pathogenen Arten behandeln. • ♦ . A. Allgemeines. Morphologie, Systematik, Lebensbedingungen und Lebensausserungen der Bakterien. Beobachtungs- und Zuchtungsmethoden. % I. AUgemeine Morphologie und Systematik der Bakterien. Ein natiirliches System der Bakterien aufzustellen ist bisher nicht gelnngen. Diese Aufgabe bleibt einer spateren Zeit vorbehalten. Ein natiirbcbes System ordnet die einzelnen Species nach den natiir- licben Yerwandtscbaften, wie sie sicb aus der vergleichenden Betrachtung sammtlicher Eigenscbaften der einzelnen Arten ergeben; ein kiinst- licbes System greift ein einzelnes in die Augen fallendes Merkmal heraus und gruppirt danacb. Da nun die Bakterienkunde eine noch junge Wissenscbaft ist, und da demgemass die Eigenschaften auch der wichtigsten Bakterienarten bis jetzt nur unvollkommen bekannt sind, so miissen wir uns vor der Hand nocb mit einer kiinstlicben Classifi- cirung begniigen. Ferdinand Cohn griff', als er 1872 sein System1) der Bakterien aufstellte, das Merkmal der Form heraus; nach der Form der Einzelzellen und nach der Form der Verbande, in denen diese Einzelzellen auftreten, theilte er die Bakterien ein. Diese Art der Eintheilung ist auch heute noch die allgemein gebrauchliche. Wir unterscheiden danach drei grosse Gruppen : Kugelbakterien (Mikro- coccen, Coccen), Stabchenbakterien (Bacillen) und Schrauben- bakterien (Spirillen). Die Kugelbakterien, Mikrococcen, stellen in einem gewissen Entwickelungsstadium (d. h. unmittelbar nach vollendeter Theilung der Mutterzelle) kugelrunde Zellen dar; die Stabchenbakterien, Bacillen, sind Cylinder von kreisformigem Querschnitt, deren Langs- achse den Querdurchmesser an Ausdehnung ubertrift't; die Schrauben- bakterien, S p i r i 1 1 e n , sind schraubenartig , korkzieherformig ge- wundene Gebilde. Nach de Bary2) lassen sich die drei Formtypen ') Beitriigo zur Biologie der Pflanzen. Bd. I . -) A. de Bary, Vorlesungen liber Bakterien. 2. Aufl. 1877. p. 8. 8 A. Allgemeines. am besten veranscbaulicben dnrcb bezw. eine Billardkugel, einen Blei- stift und einen Korkzieher. Auf Taf. I, Fig. 1 und 2, sind Bakterien- o'emische dargestellt; das eine zeigt Bakterien aus der Mundbolile, das andere Bakterien in faulendem Fleischwasser. Man findet bier Ange- borige jedes der drei Fount y pen durcheinander gemengt. Es fallt an diesen Bildern (die ebenso wie die folgenden bei einer und derselben. nambcb lOOOfacben Yergrosserung bergestellt sind und deshalb eine unmittelbare Grossenvergleicbung der Bakterien zulassen) obne Weiteres auf, dass es lange und kurze, dicke und scbmale Bakterien giebt. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Dicke der Bakterienzellen sicb nacb Z ebntausen d stein eines Millimeters bemisst, die Lange nacb Tau- sendsteln. Es giebt aber nicbt seltene Ausnabmen, in denen die Dicke einer Bakterienzelle Viooo mm- 1 /i (Mikron), iiberschreitet. x) Beispiele davon seben wir auf Fig. 2; die Dicke der einzelnen Glieder der vom linken zum oberen Rande der Figur ziehenden Bacillenkette betragt auf dem Bilde 1,3— 1,5 mm, d. li. in dem Praparate selbst 1,3— 1,5 /i. Der Dickendurcbmesser der Bakterien bleibt aber stets erbeblicb zu- riick binter demjenigen der Zellen von Sprosspilzen (Hefen) und von Scbimmelpilzen (Fadenpilzen) , die wir bei bakteriologiscben Unter- sucbimgen nicht selten zu Gesicbt bekonnnen. Auf Fig. 6 (Taf. I) seben wir (in dem recbten unteren Quadranten dieser Figur) Gebilde, die man ibrer Form nach fur Bacillen balten konnte. Betracbten wir jedocb die anderen Tbeile dieser Figur, so finden wir, dass es sicb urn einen zweigbildenden Organismus, um einen Fadenpilz bandelt, der an einzelnen Stellen in kurzere, bacillenartig geformte Tbeile ausemander gefallen ist. Die Dicke der Zellen betragt auf dem (1000 facb ver- grosserten) Pbotogramm 2 — 5 mm, d. b. in Wirldicbkeit 2 — 5 /i. Ein derartiger Dickendurcbmesser konnnt bei Bakterien nicbt vor. Ein anderes Beispiel eines Fadenpilzes zeigt Taf. XII, Fig. 72. Hier ist der Herpes tonsurans-Pilz bei 240faclier Yergrosserung dargestellt. Die Zellen sind im Bilde 1,3 — 1,8 nun, d. h. in Wirldicbkeit 5,4 — 7,5 ,u dick. Auf Taf. H, Fig. 7, ist ein (in Sprossbildung begriffener) Spross- pilz (Hefepilz) dargestellt, dessen Zellen etwa 6 fi dick smd. Die Dickenverhaltnisse der Zellen las sen die Bakterien von den eigentlicben P i 1 z e n jedesmal m i t Leicbtigkeit sofort unterscheiden. 1) Un ter dem Mikroskope misst man die Griisse der Bakterien ebenso wie die irgend welclier anderen Objecte bekanntlich so. dass man die in Frage kommenden Ausdebnungen des Bildes vergleickt mit den Bildausdebnungen eines unter denselben Becbngungen milnoskopiscb betracbteten Objectes von bekannter Grbsse (0 b j e c t mi k r o m e te r). I. Allgemeine Morphologic unci Systematic dor Bakterien. 9 Die Bakterienzelle setzt sich zusammen aus einem (nach neueren Untersuchungen mit holier Wahrscheinliclikeit als Kern auf- zufassenden) Protoplasmakorper, welch er von einer Me mb ran (Plasmahiille) mnschlossen ist. Das Bakterien-Protoplasma farbt sich wie andere protopl asmatische Korper durch Jod gelb bis braun, es lasst sich ebenso wie jene mit Carmin und mit Anilinfarben tingiren. Die Me mb ran, ihrer chemischen Natur nach nicht bei alien Arten gleich '), geht nach anssen hin umnittelbar iiber in eine schleimige, in Wasser mehr oder weniger quellbare Hiille. Wahrend diese meist eine nnr geringe Ausdehnung besitzt und uns nicht be- sonders auffallt, erreicht sie in anderen Fallen eine im Vergleich zu dem Protoplasmakorper sehr erhebliche Ausdehnung. Man spricht dami von Kapselbakterien (Gfloeococcus). Fin derartiges Beispiel zeigt Taf. XU, Fig. 69. Wir sehen hier den Friedlander ’schen sogenannten Bacillus pneumoniae, dessen Protoplasmakorper durch Gentianaviolett intensiv dunkel tingirt ist, wahrend die Hiille oder Kapsel sich als weniger intensiv gefarbte Masse kenntlich rnacht. Der Protoplasmakorper der Bakterien ist bei weitaus den meisten Arten farblos, chlorophylllos. Die Bakterien stellen sich in diesem Punkte imd den daraus resultirenden physiologischen Eigenschaften den Pilzen nahe. Nur bei einzelnen wenigen Bakterienarten sind dem Chlorophyll nahestehende Farbstoffe (z. B. das als echtes Chromophyll aufzufassende sogenannte Bacteriopurpurin) nachgewiesen. Hier weichen dem- gemass _ auch die physiologischen Eigenschaften von den gewohnlich zu beobachtenden ab. Auch konuen sich mehrere derartige Farbstoffe gleichzeitig neben einander vorfinden (B ii t s c h 1 i). Handelt es sich hier um Farbstoffe, mit deren Anwesenheit wichtige physiologische Functionen verbunden sind, so werden andererseits von sehr vielen (chromogenen) Bakterienarten Farbstoffe producirt, die wahrschein- lich nur als Stoffwechselproducte aufzufassen sind. Die hierhergekorigen Arten fallen in ihren Culturen ohne Weiteres durch die meist lebhafte Farbung derselben auf. W o bei diesen Arten der Farbstoflf ausgeschie- den wird, ob in dem Protoplasmakorper oder in der Membran oder ganz ausserhalb der Zelle, muss fur jeden einzelnen Fall festgestcllt werden und ist meist recht schwer zu entscheiden. Das Bakterien- protoplasma zeigt bei einer Reihe von Arten Starke- (oder richtiger Hr a nu lose-) G eh alt; mit wasseriger Jodlosung farbt es sich hier dunkel indigoblau. Bei einzelnen Arten finden sich (krystallinisclie) ') Die Membran wird meist aus einer celluloseartigon Substanz gebildet: bei ein- zelnen Arten jedoch besteht sie — wabrscheinlieh — aus einem eiweissartigen Korper. 10 A. Allgemeines. stark licbtbrechende Scbwefelkorncben in dem Protoplasma ver- tlieilt (Scbwefelbakterien); andere zeigen Eisenoxyd in ihrer Hiille eingclagert (Eisenbacterien). Die Bakterienzelle als Ganzes ist bei manchen Arten gewiss ein relativ starres Gebilde ; bei anderen Arten ist dies jedoch sicher nicht der Fall. Es ist mir ofters begegnet, dass icb beweglicbe Bacillen. welcbe in der Fliissigkeit als gerade Stabe umberschwammen , sicli durcb enge Hindernisse bindurcbdrangen sab. Hierbei verengerten sicli die verscbiedenen Stellen des Bakterienleibes der Reibe nacb, dem Hindernisse entsprecbend , und in schlangenartigen Windungen entwand sicb die Zelle dem Engpasse , auf der anderen Seite als gerades Stabcben weiterschwimmend. Bei Zutritt von bestimmten Fltissigkeiten zu Bakterienzellen be- obacbtet man, wie das bei den Zellen boberer Pflanzen langst bekannt ist, einen eigenthumbcben, als „Plasmolyse“ bezeicbneten Yorgang. Der Protoplasmakorper, welcher vorber der Membran dicbt anlag, ziebt sicb von der Membran zuriick und contrahirt sicb nach dem Centrum hin. Hier nimmt er je nacli der Gestalt und dem Bau der Zelle ver- scbiedene Gestalt an. Nur lebende Zellen lassen sicb „plasmolysiren“. Am besten eignen sicb sfi bis 10 proc. Kocbsalzlosungen. Bringt man die plasmolysirte Zelle in Wasser zuriick, so tritt wieder die urspriing- licbe Gestalt ein.1) Die Bakterien vermehren sicb (abgeseben von der nur unter besonderen Bedingungen auftretenden sogenannten Sporenbildung) durcb Tbeilung, durch Spaltung der einzelnen Zelle in zwei ZeUen. Dies gebt so vor sicb, dass die Zelle in die Lange wacbst, und dass sie sicb dabei in der Mitte der Quere nacb einscbniirt. Ist die Ein- scbnurung vollendet, so ist damit die ursprungbcbe Zelle in zwei Zellen zerfallen, deren jede ebenso aussielit wie die Mutterzelle vor dem Be- ginne des Tbeilungsvorganges. Tafel II, Fig. 12, zeigt grosse Mikro- coccen, die z. Tb. in Tbeilung begriffen sind. Man siebt da ausser rein kugelformig gestalteten Zellen solcbe, die in die Lange gezogen und deutbch eingescbniirt sind (Biscuit- oder Semmelform). Aber ausserdem bemerkt man aucb vereinzelte, zwar von der Kugelform abweicbende, langlicbe Gebilde, die aber noch kerne deutlicbe Ein- scbnurung zeigen. Diese Gebilde stellen das erste Stadium des Tbei- lungsvorganges dar; sie zeigen zugleicb, dass ein Mila’ococcus nicbt cf. A. Fischer, Ber. d. K. Siichs. Ges. d. Wissensch. Math.-phys. Classe 1891. — Durch 10 proc. Milchsaorelosung lassen sich die plasmolytiscken Erschei- nnngsformen iixiren, so dass die Zellen reap, der Protoplasmakorper nachher in dieser Form gefarbt werden komien. I. Allgemeine Morphologie und Systematik der Bakterien. 11 unter alien TJmstanden rein kugelformig aussielit. Nur ein bestimmtes Stadium, namlich das der eben vollendeten Theilung, bringt die Kugel- gestalt rein ziun Ausdruck, und an dieses Stadium muss man sick lialten, wenn es sick im gegebenen Falle danun kandelt, zu entsckeiden, ob man eine bestimmte Bakterienart als Mikrococcus, d. li. Kugel- bacterium, oder als Bacillus, d. k. Stabckenbacterium, bezeicknen soil. Die Figuren 3 — 5, 8, 9, 11 — 14 (Taf. I — III) zeigen eine Reike von Bacillen- und von Mikrococcenformen ; auf jedem Bilde findet man eine Anzakl von Zellen, welcke in Tkeilimg begriffen sind. Die Ricktung, in welcker die Verlangerung der sick zur Tkeilung ansckickenden Zelle gesckiekt, entsprickt bei den Bacillen und Spirillen der Langsricktung des Individuums; bei den Mikrococcen entspricht sie in der Regel der Ricktung, in welcker die Verlangerung bei dem vorkergekenden Tkeilungsprocesse erfolgte. Dies letztere gilt jedock nickt okne Ausnakme. Es giebt Mikrococcenarten, bei denen nack erfolgter Tkeilung der Zelle die beiden Tocktermiki’ococcen sick in einer Ricktung tkeilen, die senkreckt auf der Ricktung der ersten Tkeilung stekt; es entsteken dann vier im Quadrat gruppirte Mikro- coccen. Ein Beispiel kierfiir zeigt Taf. XII, Fig. 67. Man bezeicknet solcke Formen als Merismopedia (d. k. Tafelcoccen) oder als Tetragenus. Haben wir hier eine Tkeilung nack zwei Ricktungen des Raumes vor uns, so giebt es andererseits Mikrococcenarten, bei denen die Theilung in alien drei Ricktungen des Raumes vor sick gekt. Es entsteken so packetformige Zusammenlager ungen von je ackt Coccen. Solche Arten bezeichnet man als S a r c i n a (cf. Taf. Ill, Fig. 15). Sehen wir von diesen Ausnakmen ab, so findet bei den Bakterien die Theilung stets in der Ricktung statt, in der die vorkergehende Theilung stattfand. 1st die Tkeilung vollendet, so konnen die Tockter- zellen aneinander hiingen bleiben und so kettenartige Verbande bilden, die zunachst aus zwei, dann aus vier, ackt u. s. w. Individuen bestehen. Taf. I, Fig. 4, zeigt solcke Ivettenbildung bei einer Art grosser und dicker Bacillen („Wurzelbacillen“) ; Taf. VI, Fig. 3 1 , zeigt dieselbe Erscheinung bei den Milzbrandbacillen. Auf Taf. Ill, Fig. 14, sind Mikrococcenketten zu seken. Mikrococcenarten, welcke eine der- artige kettenformige Anordnung der Individuen zeigen, nennt man Streptococcus ( arqsnca = Halskette). ') Handelt es sick kier um ') Synonym mit „Streptococcus“ wird , jedock selten , das Wort „T o r u 1 a“ gebraucht. Dicse Bedeutung des Wortes Torula ist nickt die gewohnlicke; ge- wbknlick bezeicknet „Torula“ Hcfe. 12 A. Allgemeines. Verbande, die gewohnlich aus einer grosseren Reihe von Einzelzellen zusammengesetzt auftreten, so giebt es andererseits Bakterienarten (be- sonders Mikrococcen) , deren Zellen gewohnlich zu zweien vereinigt, paarweise auftreten. Man spricht dann von Diplococcen. Beispiele derart zeigen Taf. XI, Fig. 65, und Taf. XII, Fig 68. Bleiben Mikro- eoccen nacb der Tbeilung nicbt aneinander hangen, fallen sie aus- einander, so kommen keine Kettenverbande zu Stande, sondern die Einzelzellen lagern sicb, wie es der Zufall bringt, nebeneinander; solche Arten bezeicbnet man als Staph ylococcen (GTacpvfof} = Traube) nach den unter dem Mikroskop oft weintraubenartig erscbeinenden Bildern, die derartig gelagerte Mikrococcen darbieten (cf. Taf. Ill, Fig. 13). Bei den Bacillenarten spricbt man je nach der Gestalt der Zellen resp. nach dem Verhaltnisse ihres Langsdurchmessers zum Querdurchmesser von plumpen, von schlanken Bacillen, von Kurz- stahchen, von Langstabchen (cf. Taf. I, Fig. 3 und 5; Taf. II, Fig. 8 und 9). Es ist bier zu bemerken, dass von einigen Autoren synonym mit dem Begriffe Ivurz stabchen der Begriff „Bacte- rium“ gebraucht wurde und noch wird. Gegen diesen Gebrauch ist nichts einzuwenden , wenn man sich nur stets dabei denkt, dass das Wort „Bacterium“ hier im engeren Sinne angewendet wird, dass man eine bestimmte Form damit meint, wahrend man unter Bakterien im Allgemeinen die ganze grosse, oben naher definirte Gruppe niederster Pflanzen versteht, die die verschiedensten Coccen-, Bacillen- und Spi- rillenformen umfasst. Es giebt Bacillenarten, deren Einzelindividuen sich nach derTheilung voneinander trennen, andere, deren Glieder nach der Theilung ketten- formig aneinander hangen bleiben. Bezuglich dieser Gruppirungsver- haltnisse kommt es nun haufig sehr auf die ausseren Bedingungen an, unter denen das Wachsthum erfolgt. Betrachten wir beispielsweise den Milzbrandbacillus. Innerhalb des inficirten Thierkorpers (cf. Taf. Y, Fig. 25 — 27) treffen wir die Stabchen entweder einzeln oder zu kleinen Kettenverbanden angeordnet. In der kimstlichen Cultur hingegen (cf. Taf. Y, Fig. 29 und 30; Taf. YI, Fig. 31, 34, 35) linden wir den Milzbrandbacillus stets zu langen, manchmal gewiss Tausende von Gliedern umfassenden Ketten oder Fiiden ausgewachsen. Derartige Beobachtungen kann man bei vielen Bacillenarten maclien. Es giebt nun aber Bacillenarten, die stets in langeren Faden verbunden (auch „Scheinfaden“ genannt) auftreten. Hierhin gehoren die in der Mundhohle vegetirenden, als Mycotlirix, Leptothrix, Strepto- thrix bezeichneten Bacillenarten (cf. Taf. IV, Fig. 19). Was die Abtheilung der Spirillen (Beispiele auf Taf. I, Fig. 1 I. Allgemeine Morphologie und Systematic der Bakterien. 13 und 2; Taf. Ill, Fig. 16; Taf. XII, Fig. 70) angeht, so ist zu be- merken, dass auch die als „Iv o m ni abaci 11 en“ bezeichneten Gebilde in diese Abtheilung gerccbnet werden miissen. Die Kommabacillen (Beispiele auf Taf. X) sind gekrummte Stabchen ; die Kriimmung liegt jedocb nicbt in einer Ebene, sondern sie ist thatsachlich ein Bruch- theil einer Schrauben- Oder Ivorkzieherwindung. Unter gewissen Um- standen (in alteren Culturen) bleiben die Kommabacillen nacb der Theilung aneinander hangen und bilden dann wirldiche Spirillen. Ein Beispiel siebt man auf Taf. X. Hier zeigt Fig. 55 cbe gewohnliche kommaformige Erscheinungsweise der Cbolerabacillen , Fig. 56 zeigt dieselben Organismen zu Spirillen ausgewacbsen. Fur die Komma- organismen ist aucb der Ausdruck „Vibrionen“ in Gebrauch. Beziiglicb der Anordnung der Bakterienverbiinde ist im Allgemeinen noch zu bemerken, dass man, besonders in wasserigen Fliissigkeiten, in welcben Bakterien wucbern, die letzteren haufig in voluminosen, relativ ziiben, scbleimigen Verbanden angeordnet findet. Hierber ge- boren z. B. die sogenannten Kabmhaute, welcbe man auf faulenden Infusen etc. baufig antrifft. Mikroskopiscb constatirt man in solcben Fallen die Gallertbullen der Einzelzellen miteinander verquollen, die Protoplasmakorper der Zellen durcb die Gallertbullen auseinander ge- balten und in meist regelmassiger Anordnung in der Gallertmasse vertheilt. Solcbe Bakterienmassen bezeicbnet man als Zoogloea oder Palme 11a. Ein Beispiel zeigt Taf. II, Fig. 10. Beobachtet man Bakterien im lebenden Zustande in der Fliissig- keit, in der sie gewachsen sind, oder in einem anderen flussigen Medium, welcbes ibre Weiterexistenz zulasst, so bemerkt man, dass die Zellen sicb b ewe gen. Die Bewegungen, die man beobacbtet, sind aber zweierlei verscbiedener Art. Erstens zeigen die Bakterienzellen die Browmsche Bewegung oder Molekularbewegung, wie sie kleinsten , in Fliissigkeiten suspendirten Korpercben stets zukommt. Die Zellen tanzen bin und ber, auf und ab; die Bewegung jedes einzelnen Individuums steht in Beziehung zu der des Nacbbars. Ausserdem kommt aber eine Eigen bewegung bei den Bakterien vor. Die Eigenbewegung ist nicht alien Arten eigenthumlich , sondern auf bestimmte Arten beschrankt. Sie findet sich zunacbst ganz allgemein, obne Ausnahme, bei den Spirillen und Kommabacillen (Vibrionen). Ferner findet sie sich bei einer grossen Reihe von Bacillenarten, wahrend die iibrigen Bacillenarten obne Eigenbewegung sind. Bei den Mikrococcen kennt man Eigenbewegung nur bei wenigen Arten. ') ') Die erfitc eigcnbcwegliclie Mikrococcenart , deren Reinziichtung gelang. und 14 A. Allgemeines. Um eine beobaclitete Bewegung von Bakterien als Eigenbewegung anzusprecben, ist es nothig, den Nachweis zu fubren, dass das sich bewegende Individuum mit den Bewegungen der Nacbbarn in keinem Zusammenkange stebende Ortsveranderungen ausfuhrt. Dies ist mancb- mal gar nicbt so sehr leicbt zu entscbeiden. Die Eigenbewegung kann zwar eine sebr lebbafte sein. Besonders bei Spirillen und Yibrionen, aber aucb bei Bacillen, findet man nicbt selten so lebbafte Bewegungen, dass es recbt scbwer wird, sicb obne Weiteres ein deutbcbes Bild der Gestalt der Zellen zu verscbaffen ; die Scbrauben oder Stabcben scbiessen pfeilscbnell durcb das Gesiolitsfeld, um nur fiir kurze Augenblicke bier oder da auszurulien. Auf der anderen Seite aber kommen (bei Bacillen) so matte und trage Eigenbewegungen vor, dass es oft nicbt leicbt wird, dieselben von Molekularbewegungen zu unterscbeiden. Die Eigenbewegung der Bakterienzellen wird (nacb Ermittelungen von Kocb und von Loeffler) stets durch sogenaimte Geissel- faden vermittelt, feinste fadenformige Gebilde, welcbe meist an den Enden der Zelle angebracbt sind und durcb die von ibnen ausge- fubrten flimmernden Bewegungen Ortsveranderungen der Zelle veran- lassen. Spirillen und Bacillen mit Geisselfaden zeigt Taf. ID, Eig. 16; kurze Bacillen sieht man auf Fig. 18 derselben Tafel. Taf. X, Fig. 57, zeigt die Kommabacillen der Cholera asiatica mit ibren Geisselfaden. Auf Taf. HI, Fig. 17, sieht man an den Enden grosser Bacillen regel- recbte Biischel von Geisselfaden angebracbt, wahrend sonst allerdings meist nur ein einzelner Geisselfaden an dem Ende der Bakterienzelle angebracbt ist. Die Lange und Gestalt der Geisseln sind bei den verschiedenen Bakterienarten verschieden. Die Anbeftungsstelle der Geisseln liegt, wie wir bereits sagten, meist an dem Ende der Zelle: es sind jedocb eine Reike von Bacillenarten aufgefunden worden, bei denen jedes Individuum eine ganze (mitunter ausserordentbch grosse) Anzahl von Geisselfaden tragt, die von seinen Seitenwanden ausgeben. ’) Ein Beispiel kierfur bildet der Typbusbacillus (cf. Taf. VIII, Fig. 45). Wh' batten oben geseben, dass die Vermehrung der Bakterien durch Spaltung jeder einzelnen Zelle in zwei Zellen geschieht. Denken wir uns irgend eine Bakterienart unter giinstigen ausseren Bedingungen, denken wir uns den Nakrboden moglichst giinstig zusammengesetzt, die remperaturverhaltnisse giinstig, und denken wir diese Bedingungen die genau studirt worden ist, wurde von A li- Cohen (Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. Nr. 2) in Trinkwasser aufgefunden („Micrococcu s agilis“). ') L'e erste derartige Beobaektung haben C. Brankel und R. Pfeiffer (Mikropbot. Atlas der Bakterienkunde. Lief. 5. 1889. Tafel 24) publicirt. I. Allgemeine Morphologie uad Systematik der Bakterien. 15 ungeandert in gleicker Weise fortbesteken, so ware kein Grand einzu- seben, weshalb die Bakterien sicb niclit in infinitum in gleicker Weise weiter tkeilen sollten. Nun liegen aber die Verkiiltnisse in Wirklick- keit nie derartig. Jeder Organismus lebt von gewissen Nakrsubstanzen; er verbrauckt diese Nakrsubstanzen; bei seinem Stoffwecksel bilden sick gewisse Abfallproducte, welclie er niclit weiter zu verwenden ver- mag. Auck der giinstigste Nahrboden, auf welckem Bakterien wacksen, wird in kurzerer oder weiterer Frist ersckopft an notkwendigenNahrungs- stolfen, er wird ausserdem niekr oder weniger beladen init Stoffwechsel- producten der Bakterien. Hoclistens im kreisenden Blute eines infi- cirten Tkieres konnten sick dort vegetirende Bakterien fur gewisse Zeit in einem Zustande befinden, der den oben supponirten idealen Ver- kiiltnissen aknlick ist; sie wfirden jeden Augenblick neue Nakrung erkalten, und ikre Abfallproducte wfirden ebenso standig entfernt wer- den. Gemeinkin aber liegen die Dinge so, dass mit fortsckreitendem Bakterienwachstkum der Nakrboden sick verscklecktert. Die letzten Consequenzen davon wfirden die sein , dass die Bakterien auf dem Nakrboden nicht niekr zu leben vermogen und zu Grunde geken, ab- sterben. Das gesckiekt nun in der Tliat sekr kaufig. Wir seken dann an den Bakterienzellen zunackst sogenannte Absterbeersckei- nungen, Involutionsersckeinungen auftreten. Die Zellen blaken sick auf, werden voluminoser , Missbildungen , Scknorkelformen der mannickfacksten Gestaltung bilden sick aus, das Protoplasma durck- setzt sick mit „V a c u o 1 e n“, verliert seine normalen ckemiscken Eigen- sckaften (z. B. farbt sick lfickenkaft und sckleckt mit Anilinfarben), der Contour der Zellen wird undeutlicker; und dann sind die Zellen nickt niekr fiikig, sick weiter zu vermekren, selbst wenn sie auf friscken Nakrboden ubertragen werden : sie sind abgestorben. Involutionsformen bei Milzbrandbacillen zeigt Taf. VI, Fig. 32 ; auf Taf. X, Fig. 56, siekt man Formen, wie sie bei der beginnenden Involution der Ckolera- bacillen auftreten. Enter gewissen Bedingungen giebt aber die Yersckleckterung des Ntikrbodens resp. die Erschopfung desselben an Nakrungsstoffen Ver- anlassung zu der Bildung eigentkfimlicker Fruoktformen , welclie, teleologisck betrachtet, die Bestimmung liaben, das AVeiterbesteken der Art, solange die ungitnstigen ausseren Verkiiltnisse andauern, zu ver- mitteln. Es ist dies die Bildung der Sporen (Dauersporen). Die Bildung von Dauersporen kommt fast aussckliesslick bei Bacillen vor; sie ist aber nur einer Anzalil von Bacillenarten eigentkfimlick, wakrend sie bei den anderen Bacillenarten feklt. Sie ist ferner aus- nahmsweise beobacktet bei ganz vereinzelten Spirillenarten ; sie soli 1G A. Allgemeines. auch bei Sarcinen ') vorkommen konnen. Die Sporenbildung tritt aber bei den sporenbildcnden Arten nicbt ohne Weiteres jedesmal ein, wenn der Nabrboden sicb verschlechtert ; es gehoren hierzu noch ganz be- sondere Bedingungen, die fur die verscbiedenen Arten verscliieden sind. Der Yorgang bei der Sporenbildung ist im Allgemeinen der, dass zunachst eine kleine Stelle des Bacillenleibes anfangt kornig zu werden, dass dann diese kornig gewordene Stelle an Ausdehnung zunimmt, sich durch eine feste, eigene Membran abschliesst gegen das tibrige Bacillenprotoplasma , und dass der Inhalt dieser Membran dabei eine homogene Beschaffenheit annimmt. Es findet sicb dann an der ge- nannten Stelle ein liomogenes, olartiges , das Licht stark brechendes, bei holier Einstellung des Mikroskoptubus stark glanzend, bei tiefer Einstellung dunkel erscheinendes , meist langlichrund gestaltetes Kor- perchen, welches von der erwahnten Membran umschlossen wir’d. (Vgl. hierzu Taf. YI, Fig. 34: Lebende Milzbrandbacillenfaden mit Sporen.) Vor der Sporenbildung kommen iibrigens die eigenbeweglichen Bacillen- individuen stets zur Buhe. Ist die Spore in der geschilderten Weise fertig gebildet, so beginnt der tibrige Bacillenleib zu zerfallen, und die Spore ist dann isolirt; sie bleibt dann unverandert, bis sie nach langerer oder kiirzerer Zeit wieder auf ’einen giinstigen A ahrboden gerath. Dort keimt dann die Spore zu einern Bacillus aus, welcher sich durch Zweitheilung in der bekannten Weise weiter vermehrt. Die Sporen bezeichnet man als Dauerformen oder reproductive Formen gegentiber den sich zweitheilenden Formen, die man als vegetative oder als Wuclis formen bezeichnet. Die Auskeimung der Spore, die Sporenkeimung, geht bei den verscbiedenen Bacillenarten in verschiedener Weise vor sich. Bei dem Milzbrandbacillus z. B. verlangert sich die Spore in ihrer Langsachse, der Inhalt verliert sein glanzendes Aussehen, die Sporenmembran ver- wandelt sich ohne Weiteres in die Bacillenmembran , der Bacillus ist fertig. Bei anderen Bacillenarten kommt der Bacillus durch ein Loch hi der Membran der Spore aus der letzteren heraus , die Sporen- membran kann dem jungen Bacillus wie eine Ivappe aufsitzen etc. 2) Die Sporenbildung kann in der Mitte des Bacillus auftreten (mittelstandige Sporen), oder sie kann an einem Ende des Bacillus auftreten (e n d s t a n d i g e Spore n). In dem letzteren Falle kommt es dann, wenn die Bacillen einzeln liegen. zur Bildung soge- ) G. Hauser, Ueber Lungensarcine. (,Sitz.-Ber. Pbys.-Med. Soc. Erlangen 1887. [Miinchen 1888.] p. 20.) ') Vergl. A. Koch, Hot. Ztg. I8S8. No. IS — 22. I. Allgemoino Morphologic unci Systematic dor Balcterien. 17 nannter Kopfchenbakterien, Bacillln mit Kopfchen sporen, Trommelschlager forme n. Bei manchen Bacillenarten , welche mittelstandige Sporen bilden, kommt es bei der Sporenbildung zu einer clem Sitze der Sporen entsprechenden starkeren Auftreibung des Stab- cbens in der Mitte; sincl nun die Enden des Stiibckens zugespitzt, so resultirt eine deutliche Spindelform. Solcbe Formen bezeicbnet man als Clostridium (x/lwcrriyp = Spindel). Auf Taf. VI, Fig. 34 und 35, sind mittelstandige Sporen (Milzbrand), auf Taf. VII, Fig. 39, encl- standige Sporen (Tetanus) dargestellt. Alan sieht auf Fig. 35 und 39 das Bacillenprotoplasma durch die angewandte Anilinfarbung tingirt (dunkel), wahrend die Sporen mebr oder weniger ungefarbt (hell) ge- blieben sind. Dieselbe Erscheinung sieht man auch an den sporen- lialtigen Leptothrixfaden, welche auf Taf. IV, Fig. 19, dargestellt sind. Es hangt dieses differente Verhalten des Bacillenprotoplasma und des Sporenleibes gegen Farbfliissigkeiten auf das Engste zusammen mit der Verschiedenheit der physiologischen Eigenschaften dieser beiden Dinge im Allgemeinen. Die Bacillensporen sind echte Dauer formen. Sie sind clinch eine Membran gegen die Aussenwelt abgeschlossen, welche von einer solchen Resistenz gegen aussere Einwirkungen ist, wie man sie sonst in der organischen Natur nicht wieder findet, und die speciell mit der Resistenz des Bacillenkorpers gegen aussere An- griffe gar nicht zu vergleichen ist. So sehen wir auch die Farbfliissig- keit in den Bacillenkorper eindringen, von der Sporenmembran dagegen zuriickgehalten werden. Die besprochene Art der Sporenbildung bezeichnet man als die endogene Sporenbildung, die Sporen als endogene Sporen, die Bakterienarten, bei denen diese Sporenbildung auftritt, als en do spore Bakterienarten. Einzelne Autoren, namentlich de Bary und Hiippe, nehmen daneben noch eine andersartige Sporenbildung an: die Arthro- sporenbildung (arthrospore Bakterien). Sie kommt nach de Bary alien den Bakterienarten zu, welche nicht endospor sincl. Hier sollen einzelne Zellen, die sich zunachst in nichts von ihren Geschwistem unterscheiden, entweder ohne Aenderung der Form, oder nachdem sie sich etwas vergrossert haben und event, etwas derbwandiger geworden sind, ohne Weiteres Sporenqualitat annehmen ; d. h. diese Zellen dienen, wahrend die iibrigen absterben, zum Ausgangspunkte einer spateren neuen Bakterienvegetation. Von einer ahnlichen Resistenz, wie sie die endogenen Sporen gegen aussere Angriffe z eigen , scheint bei den „ Arthrosporen “ („Gliedersporen“) nicht die Rede zu sein. Die „ Arthrosporen “ konnon cleshalb auch nicht als Dauerfonnen in deni Sinne der den endogenen Sporen zukommenden Eigenschaften ange- Glint her, Bakteriologie. n 18 A. Allgemeines.. solien werden , und die gauze Frage nach den Arthrosporen hat mehr theoretische als praktische- Bedeutung. Yon Wiclitigkeit ist es dagegen stets, zn wissen, ob eine bestimmte Bakterienart wirkliche Dauer- fornien, d. h. mit besonderer Resistenz ausgestattete Gebilde, zu produeiren vermag; diese Eigenschaft aber findet sicb nur bei den endosporen Arten. Die Bakterien, soweit wir deren allgemeine Morpbologie bisher betraclitet baben, zeigen in ihren Formverhaltnissen die uberein- stimmende Eigentbnmlicbkeit , dass eine jede einzelne Species eine bestimmte, stets wiederkehrende Form der Einzelzelle aufweist. Das ist nicht so zu verstehen, dass man aus einer bestimmten Form des Individuums obne Weiteres jedesmal auf eine bestimmte Species schbessen kann; es giebt viele Falle, in denen verscbiedene Species dieselbe Form der Einzelzelle zeigen. Aber wir linden, dass bei jeder einzelnen Species die Form der Einzelzelle etwas constant Bleibendes, stets unverandert Wiederkebrendes ist. Handelt es sicb urn eine Bacillenspecies , bei der das Individmun abgestumpfte Enden bat, so kebren diese abgestumpften Enden bei der weiteren Vermehrung der Art stets unverandert wieder; ein Mikrococcus von bestrmmter Grosse bildet bei seiner weiteren Yermebrung stets wieder Mikrococcen der- selben Grosse etc. Mit einem Worte : eine jede Bakterienart bat die Eigenschaft der Formconstanz. Oben baben wir scbon gesehen, dass wahrend des Tbeilungsprocesses die Inclividuen sicb verlangem, und dass unter ungiinstigen ausseren Verbaltnissen sicb Formande- rungen , sogenannte Involutionsfonnen , auszubilden vermogen. Die Eigenschaft der Formconstanz gilt also nur fur das Stadium der eben abgescblossenen Theilung und fur im Uebrigen normale, gunstige aussere Verbal tnisse. Man bat nun, und dieser Standpunkt wil'd namentbcb von Zopf vertreten, gegenuber den Bakterien mit constanter Wucbsform aucb sogenannte pleomorphe Bakterienarten statuirt-. Hierbin geboren besonders die im Wasser vorkommenden Gattungen Cladotbrix, Beggiatoa und Crenotbrix. Dieselben treten in Fiiden auf, welcbe in ihrer Dicke z. Tb. etwa dicken Bacillenarten entsprecben, z. Tb. allerdings eine erbeblicb grossere Dickenausdebnung besitzen. Clado- thrix ist durcb Zweigbildung ausgezeicbnet , Beggiatoa zeigt Schwefel- korncben.im Protoplasma eingelagert, Crenotbrix besitzt eine eisenoxyd- baltige Hiille. Alle drei Gattungen zeigen in ihren Fiiden einen deutliclien Gegensatz von Basis und Spitze ; in den Entwickelungs- kreislaul aller drei solien die versebiedensten Formen (Stabcben, Coccen etc.) geboren. Die Koch'sche Scbule reebnet diese Gattungen niebt I. Allgemeino Morphologic unci Systematik der Baktcrien. 19 zn den Baktcrien, sondern zn den niederen Algen. ') Auf Taf. IV, Fig. 20, findet man eine Cladothrix (Cladothrix dickotoma Cohn?) bei lOOOfacher Vergrosserung., auf derselben Tafel, Fig. 23, eine Gelatineplattenoolonie desselben Organismus bei lOOfacher Ver- grosserung abgebildet. '-) Taf. IV, Fig. 21, zeigt eine Crenothrix3) bei 250facher Vergrosserung; die braunen Eisenoxydhydr&t - Einlage- rungen erscbeinen auf dem Photogramm dunkel. ') Was speciell Cladothrix angekt, so kann diese zweigbildende Art logiscber Weise schon deskalb niebt zu den Bakterien gestellt werden, web wir Bak- terien als „Spaltpilze“, als durcb Spaltung, durcb Zweitkeilung (cf. oben p. 10) sicb vermekrende einzellige Organismen definiren, eine Zweigbbdung aber vor- aussetzen wiirde, dass sicb an der Zweigstelle aus einer Zelle niebt zwei, son- dern drei Tochterzellen bildeten, oder aber, dass an dieser Stelle sick ausser der Zweitkeilung eine Sprossung etablirte. '-) Diese Cladothrix, welcbe icb in den letzten Jabren biiufig in Berliner Lei- tungswasser angetroffen babe, wiichst in Nahrgelatine und auf Agar bei Zimmer- temperatur gut, verfliissigt die Gelatine sebi- langsam, farbt die Nakrboden ini Umkreise der Colonien braun. 3) Diese Crenothrix wurde gelegentlicb in Spreewasser gefunden. ✓ •2* II. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. Desinfeetion. Sterilisation. Antiseptik. Aseptik. Die Be cl in gun gen, welcbe vorhanden sein mussen, damit Bakterienwachsthum ermoglicht werde, sind je nacli den verscbiedenen Bakterienarten verschieden. Im Allgemeinen ist zunachst ein gewisser Wassergebalt des Nahrbodens erforderlick, ohne den ja iiberbaupt organiscbes Leben undenkbar ist; ferner erfordem die allermeisten Bakterienarten einen Gebalt des Nabrbodens an boheren organiscben Yerbindungen, da sie ihres Cbloropbyllmangels wegen nicht im Stande sind, aus der Koblensaure der Luft ibren Koblenstoffbedarf zu ent- nehmen. Es bilden jedocb, wie bereits oben angegeben, einzelne Arten bierin eine Ausnabme ; diese besitzen Cbromopbyll und vermogen Koblen- saure resp. Carbonate zu zerlegen. ') Diese wenigen Cbromopbyll fubrenden Bakterienarten sind anf Licht angewiesen; fur die iibrigen Arten jedocb, also fiir die grosse Mehrzabl der Bakterien, ist das Licbt durchaus kein wacbstbumsbegunstigender , sondern dnrcbgangig ein wacbstbumsscbadi gender, und zwar sehr erbebbcb scbadigender Factor.-) Alle Bakterien sind wegen des Stickstoffgebaltes ibres Protoplasma- korpers anf stickstoffbaltigen Nabrboden angewiesen; am besten eignen sicb als stickstoffhaltiges Nabrmaterial Eiweissstolfe ; jedocb scheinen fiir einzelne Arten selbst die einfaclisten Stickstoffverbmdungen, *) Hueppe und Heraeus (60. Vers. Deutsclier Naturf. u. Aerzte. Yies- baden 18S7. — Ref. Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 188S. p. 419) liaben die wicli- tige Thatsacke festgestellt, dass bei Bakterien aucli eine „Cbloropbyll wirkung ohne Chlorophyll11 vorkomint. D. h. es giebt chromoplivllfreio Bakterien, welche ihren Koblenstoffbedarf durch Assimihrung von Koblensaure (in Form von Ammonium- carbonat geboten) decken. Winogradsky (Ann. de l’lnst, Pasteur 1890) hat eine derartige Bakterionart reincultivirt und (wegen ihrer nitrilicirenden [Oxydation des Ammoniaks] Eigenschafton) als „Nitromonas“ bezeichnet. 2) cf. weiter unten, Schluss dieses Absclinittes. II. Allgemeine Lebensbedingungen dor Bakterien. 21 Salpetersaure unci Ammoniak , als Stickstoffquellen zu geniigen. Die Existenz der sogenannten „Schwefelbakterien“ (cf. oben p. 10) ist an die Gegenwart freien Scbwefelwasserstoffs gebunden, den diese Organismen durch einen Oxydationsprocess zunachst in Schwefel, clann in Scliwefelsaure iiberfiihren J) ; die „Eisenbakterien“ (cf. oben p. 10) bilden das in ihrer Hiille eingelagerte Eisenoxyd durch einen bei ihrem Lebensprocesse stattfindenden 0 x 3' d at i o n s v 0 r g a n g aus Eisenoxydul, welches in dem Wasser ihrer Umgebung gelost ist.* 2) Bekanntlich sincl viele Bakterienarten Krankheitserreger, d. h. sie vermogen, in einen passenden Thierorganismus gelangt, auf Kosten des lebenden Materiales dieses Organismus sich zu vermehren. Man bezeichnet solche Bakterienarten als pathogene oder parasi- tische gegeniiber den nicht pathogenen oder saprophy- tischen Arten, welche nur auf todtem Materiale leben. Enter den parasitischen Arten giebt es nun solche, die in der Natur, unter ge- wohnlichen Verhaltnissen, nur im Korper des lebenden Thieres resp. bestimmter Thierspecies, nicht auf todtem Materiale, zu gedeihen ver- mogen. Diese bezeichnet man als obligate (strenge, echte) Parasiten gegeniiber den facultativen (gelegentlichen) Pa- ra si ten, die sowohl im lebenden Thierkorper wie auch auf todtem Nahrboden zu wachsen vermogen. Yon den obligat-parasitischen Bak- terienarten lassen sich manche auf bestimmten, kiinstlich zubereiteten Nahrboden cultiviren; bei anderen obligaten Parasiten ist die kunstliche Cultur bis jetzt iiberhaupt nicht gelungen. Ferner ist die chemische Reaction des Nahrbodens fiir das Gedeihen der Bakterien von erheblichem Belang. Die meisten patho- genen Arten wachsen am besten bei leicht alkalischer Reaction des Nahrbodens. Gegen Sauren sind die Bakterien im Allgemeinen mehr oder weniger empfindlich ; jedoch verhalten sich , wie in alien iibrigen Lebensbedingungen, auch hierin die einzelnen Arten verschieden von einander. Wahrend z. B. der Cholerabacillus schon durch sehr geringe Mengen freier Saure im Nahrboden in seiner Entwiclcelung gehemmt wird, vertragt der Typhusbacillus erheblich grossere Mengen der freien Saure. Ganz ausserordentlich verschieden verhalten sich die Bakterien zu dem freien Sauerstoff. Yiele Arten wachsen nur bei fortwahren- der ungehinderter Sauerstoffzufuhr (obligate Aeroben), bei anderen wire! im Gegentheil durch die geringste Spur freien Sauerstoffs die ') Winogradsky, Bot. Ztg. 1887. No. 31—37. 2) Winogradsky, Bot. Ztg. 1888. No. 17. *22 A. Allgemeines. Entwickelung sofort sistirt (obligate Anaeroben), eine clritte Ab- theilung nimmt eine Mttelstellung ein (facultative Anaeroben). Zu clen letzteren, den facultativen Anaeroben, gehdren die meisten patbogenen Bakterienarten. Es giebt aber mehrere wichtige pathogene Arten, welche obligate Anaeroben sind. Yon ausserordentlicher Bedeutung for das Bakterienwachstbmn sind ferner die Temperaturverhaltnisse. Auck bier zeigen wieder die verschiedenen Species verscbiedenes Yerbalten. Zunachst bat jede Art eine untere und eine obere Temperaturgrenze (Tempe- r a t u r mini m urn, Temperaturmaximu m), innerbalb deren iiber- baupt ein Wacbstbum nioghcb ist. Die giinstigste Temperatur fur die Yermehrung einer Bakterienart bezeicbnet man als ihr Temp era tur- optimum. Im Allgemeinen lindet Bakterienwachsthum statt zwischen Temperaturen von etwa 5° C. und etwa 45° C. Die Saprophyten wachsen im Allgemeinen besser bei niedrigerer, die Parasiten besser bei hoberer Temperatur. Das Temperaturoptimum fur die ersteren liegt gemeinbin um 20° berum, das der letzteren bei Korpertemperatur. Einzelne Bakterienarten jedocb fallen bezuglicb ibrer Temperaturan- spriicbe vollstandig aus dem vorstehend gezeicbneten Rabmen beraus. G 1 o b i g r) bat in den oberflachlichen Bodenscbicbten in weitester Yer- breitung das regelmassige Yorbandensein verscbiedener Bacillenarten nacbgewiesen , welcbe sich bei Temperaturen von 50 — 70° C. zu ent- wickeln vermogen, und Forster hat Bakterienarten entdeckt, die die Eigenscbaft baben, bei 0° C. sich zu vermebren.* 2) Bezuglicb der Bedingungen, welche die Bakterien an den Nabr- boden resp. an die Aussenverhaltnisse stellen, ist im Allgemeinen nocb darauf aufmerksam zu macben, dass man bei vielen Arten eine all- maklich zu Stande kommende Gewohnung (Anpassung) an einen der Art Anfangs nicht zusagenden Nabrboden resp. an mcbt zusagende aussere Yerbaltnisse beobachtet hat. Besonders bei zablreicben patbo- genen Arten hat man ein derartiges Yerbalten constatirt. Freibcb sind damit stets gewisse Aenderungen auch in den Lebensausserungen ver- *) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 3. 1SS7. 2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. p. 340. — Aucli Fischer (Centralbl. f. Bakt. Bd. 4. 1888. No. 3) land, und zwar im Kieler Hafen und Boden, eino Reihe von Bakterienarten , die bei 0° C. zu wachsen vermogen. — Fernere Unter- suchungen von Forster tiber den Gegenstand (Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 13) haben ergeben, dass in unserer Umgebimg (Wasscr, Boden, Strassenschmutz, Milch etc.) sich gewohnlich zahlreiche Keime finden, welche bei 0° C. zu gedeihen vermogen; dieselben gehijren nur wenigen Arten zu. Sie finden sich nicht etwa nur im Winter, sondern auch im Sommer. II. Allgemeine Lebensbedingungon dor Bakterien. 23 kniipft, die manchmal den Yerlust sehr wich tiger, fur die Art urspriing- licli characteristischer Eigenschaften bedeuten. Vorstehend haben wir versucht, die wichtigsten Pankte, auf die es far das Bakterienwachstbum im Allgemeinen ankommt, zu skizziren. Eine jede Art stellt beznglich jedes emzelnen Punktes ibre besonderen Ansprticke. Sind die Bedingungen resp. eine oder mebrere derselben ungiinstig, so kommt es anf den Grad des Missverhaltnisses an beziig- lieb der darans resultirenden Folgen. Bei minder ungunstigen Ver- baltnissen wird das Wachsthum nur verzogert oder auch inbibirt (Entwickelungshemmun g), die weitere V ermehrungsfahigkeit aber nocb nicbt aufgeboben ; bei langerer Andauer der ungunstigen Yerbalt- nisse resp. wenn die Qualitat der Verbal tnisse eine noch ungiinstigere wird, kann aucb die fernere Vermehrungsfahigkeit endgiiltig aufgeboben werden (Vernicbtun g). Was speciell ungiinstige Temper atureinfliisse angebt, so ist dariiber im Allgemeinen folgendes zu sagen: Setzt man eine Bakterienart Temperaturen aus, die ausserbalb der fur ibr Wachstbum nocb geeigneten Grenztemperaturen begen, so tritt zunachst eine Sisti- rung der Entwickelung ein. Die weiteren Wirkungen sind jedocb ganz verscliieden , je nacbdem die einwirkende Temperatur unterbalb des Temperaturminimums oder oberbalb des Temperaturmaximums der Art begt. Selbst die niedrigsten kunstlich zu erzeugenden Temperaturen vermogen im Allgemeinen auch bei langerer Emwirkung die fernere Entwickelungsfahigkeit der Bakterien nicbt aufzuheben, wahrencl andrer- seits bei Temperaturen von 55° bis 60° C. die vegetativen Formen der Bakterien im Allgemeinen in kurzer Zeit sicher getodtet werden. Ganz anders freilicb verbalten sicb die Bacillensporen, zu deren Yer- nicbtung ganz erbeblicb bobere Temperaturen erforderhch sind. Liegen cbe Bedingungen, und zwar nicbt nur (be Temperatur- bedingungen , sondern die gesammten Lebensbedingimgen , in einem gegebenen Fade zufabig so, class in jedem einzelnen Punkte die An- spriicbe auf das Beste erfiillt sind, so ist das Wachstbum das iippigste, sclinellste, das uberhaupt moglich ist. Gewohnbcb begen cbe Bedingungen aber nicht in alien Punkten so giinstig. Es ist nun in dieser Beziehung ausserst interessant, class ungiinstige Bedingungen des einen Punktes (lurch giinstige eines anderen Punktes compensirt werden konnen. Zum besseren Yerstandniss dieser wichtigen Tbatsacbe will icb einige. Bei- spiele anfiihrcn. Der Cbolerabacillus wachst auf geeignetem Nahrboden bei Zimmer- sowohl wie bei Bruttemperatur ; bed der letzteren wachst er aber stets erhebbeh besser. Der Cbolerabacillus wachst ferner am besten auf einem leiclit alkabscben Nahrboden; gegen geringste Mengen 24 A. Allgemeines. freier Saure zeigt or sich empfindlich. Bringt man ihn nun auf die (leiclit sauer reagirende) gekochte Ivartolfel, so wachst er bei Zimmer- temperatur liier nioht; er wachst aber auf diesem ihm recht wenig zusagenden Nahrboden, wenn man denselben in den Briitschrank stellt. Es ist liier also die ungunstige cliemische Bescbaffenheit des Nahrbodens compensirt worden durcb die sehr gunstigen Temperaturverhaltnisse. Etwas Analoges beobachtet man z. B. auch bei den Milzbrandbacillen. welche ebenfalls sowohl bei Zimmer- wie bei Bruttemperatur , bei der letzteren aber stets erkeblick besser, gedeiben. Bringt man diese Organismen in eine Nalir gelatine (cf. weiter unten), der so viel Sublimat zugesetzt ist, dass 400 000 Theile des Nahrbodens 1 Tkeil Sublimat entbalten, so wachsen bier die Milzbrandbacillen bei Zimmertemperatur (16 — 18° C.) durchaus nicht. Bringt man die Sublimatgelatine aber in den Briitschrank, so gedeiben nun die Milzbrandbacillen auf ihr. Bei Bruttemperatur (36°C.) wirkt entwickelungsbemmend auf Milzbrand- bacillen erst etwa das Zehnfache von demjenigen Gekalt des Nahrbodens an Subhmat, der bei Zimmertemperatur das Wachsthum verhindert (Behring). Veranderungen in den Culturbedingungen baben ausnabmslos eine Veranderung auch der Lebensausser ungen zur Folge. Die letzteren konnen geringfugiger Natur sein, sich auf Aenderung in der Scbnelligkeit des Wacbstbums etc. bescbranken. Sie konnen jedocb auf der andern Seite auch sehr wesentlicber Natur sein und wicbtige Umanderungen in dem gesammten Lebensprocesse der Art bedeuten. So wachst z. B. der Bacillus prodigiosus am besten bei Zimmertemperatur. Er producirt liier auf den Nahrboden einen intensiv rothen Earbstoff; Hand in Hand damit gebt die Production von Trimethylamin (Gerucb nach Heringslake). Ziicbtet man den genannten Bacillus bei Bruttemperatur, so bleibt sowohl die Farbstoffproduction wie auch die Bildung von Trimethylamin vollstandig aus. Im Uebrigen ist das Wachsthum ein sehr gutes bei der Bruttemperatur. Im Anschluss an die geschilderten allgemeinen Lebensbedingungen der Bakterien moge liier ein Ivapitel kurz beruhrt werden , welches in seinen Grundlagen mit den Bedingungen fur das Leben und Sterben dei Bakterien auf das Engste verkniipft ist: das Ivapitel der Desin- f e c t i o n. Y enn irgend welche Gegenstande desinficirt werden sollen , so heisst das so viel, als: es sollen die an oder in ilinen befindlichen krankheitserregenden organischen Keime getodtet werden, ohne dass, tails die zu desinficii'endeu Gegenstande Gebrauchsgegenstande sind. diese selbst erheblich geschadigt resp. unbrauchbar gemaclit werden. II. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 25 Der letztere Punkt, d. h. die Rucksichtnahme auf die fern ere Brauch- barkeit der zu desinficirenden Gegenstiinde, ist aber von untergeordneter ♦ Bedeutung gegenuber dem anderen Punkte: der Notkwendigkeit der endgiiltigen Vernicktung der patkogenen organiseken Iveime. Wir kaben bereits geseken , dass die Bakterienkeime von sekr versekiedener Resistenz gegen aussere Einwirkungen sind, je nack- dem es sick um vegetative Formen oder um Sporen kandelt. Ein Desinfectionsverfakren, welches allgemeine Anwendbarkeit fur jedwe.de Form von Infectionskrankheit kaben soli, muss demnack so eingericktet sein, dass durch dasselbe die widerstandsfahigsten Sporen, welcke wir bei krankkeitserregenden Bakterien kennen, getodtet werden. Handelt es sich um ein Desinfectionsverfakren , welckes nur fur die Zerstorung ganz bestimmter Krankheitskeime , nur fiir die einer e i n - zelnen Infectionskrankheit, bestimmt ist, so brauckt dasselbe naturlick nur auf die specielle Natur der in Erage kommenden Krank- keitserreger Rucksicht zu nehmen. Ein dem Begriffe der Desinfection sekr nakestehender Begriff ist der der Sterilisation; man verstekt hierunter das Keimfrei- (Steril-) macken irgend welcker Instrumente, Apparate, Nahrboden etc., wobei man nickt speclell an krankkeitserregende Keime, sondem an Keime von Organismen iiberkaupt denkt. Die Todtung von Bakterienkeimen kann nun hauptsachlick auf zweier- lei Art geschehen: durck koke Temperaturen und durch chemiscke Mittel (Desinfectionsmittel). Wenn wir unsere Messer, Scheeren, Platindrakte etc. zum Zwecke der Benutzung bei bakteriologiscken Arbeiten keimfrei kaben wollen, so werden dieselben in der Elamme des Bunsen seken Gasbrenners oder in der Spiritusflamme „aus- gegliiht“ resp. bis in die Nake der Gliihkitze gebracht. Die den Instrumenten ankaftenden Bakterienkeime werden dabei sammtlick augen- blicklich zerstort. Wenn wir Leichen von Yersuchstkieren resp. die in ihnen befindlichen Bakterien unsckadlich macken wollen, so ver- brennen wir die Leichen im Ofen. Diese einfacken Manipulationen, bei denen sehr koke Temperaturen zur Bakterienvernichtung in An- wendung kommen, sind nickt uberall am Platze. Man kat sick des- halb mit niedrigeren Temperaturen zu behelfen gesuckt und (fruher) mit stark erhitzter (trockener) Luft „desinlicirt“. Die grundlegenden Versucke von R. Koch und Wolffhtigel1) kaben nun aber gezeigt, dass die trockene heisse Luft ein hockst unzweckmassiges Desinfectionsmittel ist. Damit alle Bakterienkeime ') Mitth. a. (1. Kais. Gcs.-Anito. Bd. 1. 1881. 26 A. Allgemeines. getodtet werden, ist dreistiindige Einwirkung einer Temperatur von .140° C. nothwendig, und liierbei werden „fast alle Stoffe, vvelche der Hitze - Desinfection znganglich sind , mehr oder weniger bescliadigt". ') Mcdits desto weniger bcdienen wir uns in gewissen Fallen aucli heute nocli der Einwirkung von heisser trockener Luft zum Zwecke der Desinfection, oder besser Sterihsation, wobei aber noch erbeblich liobere Temperaturen als 140° C. zur Anwendung kommen. Es geschiebt dies, wenn wir im Laboratorium trockene leere Glasgefasse oder Metall- instrumente, die ohne Scbaden zu nebmen derartigen Temperaturen ausgesetzt werden konnen, steril, keimfrei machen wollen. Sie werden dann in den Trockenscbrank oder Heissluftsterilisations- a p p a r a t* 2) gebracbt, einen doppelwandigen Kasten von Schwarz blech, dessen Inneres mit Htilfe einer untergestellten kraftigen Gasflamme, und zwar durcb die den Zwisckenraiun zwiscben den Wandungen durcb- streichenden Heizgase der letzteren, in wenigen Minuten aufl60 — 170° C. erhitzt werden kann. Die Bakterienkeime werden durcb derartig bobe Temperaturen in etwa einer Stunde sammtlich sicber vernichtet, Yiel energiscber als die trockene heisse Luft wirkt der beisse Wasserdampf auf Bakterien ein. Die grundlegenden Yersucbe von R. Koch, Gaffky und Loffler3) baben in dem stromenden, ungespannten Wasserdampfe von 100° C. ein ebenso becjuemes, iiberall leicbt anzuwendendes , wie in der Sicherheit seiner Wirkung kaum mit irgend einern anderen vergleicbbares Desmfectionsmittel kennen gelebrt. Die resistentesten Krankheitskeime , welcbe wir kennen, sind die Milzbrandbacillensporen. Unter diesen giebt es wiederum je nacb der Provenienz des Materiales, wie v. Esmarch4) gefunden bat, schwacher und starker widerstandsfabige. 5) Die am stiirksten wider- standsfabigen Milzbrandbacillensporen hielten es allerdings in einem einzigen der sebr zablreicben v. E s m a r c b ‘schen Yersucbe bis zu zwolf Minuten in dem stromenden Dainpfe von 100° C. aus, ohne ver- nichtet zu werden ; die Mehrzahl der Sporen zeigt sich jedocb bereits nacb funf Minuten vernichtet. In dem stromenden Wasserdampfe von *) l. c. p. 312* -) Kocli, Mittk. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1SS4. p. 47. a) Mittk. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. J) Zeitsclir. f. Hyg. Bd. 5. 1SSS. 5) Aelmheh ist es aucli mit anderem Bakterienmateriale. Gruber (7. int. Congr. f. Hyg. u. Demogr. London 1891. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. p. 115) constatirte erhebliche Differenzen in der Eesistenz von Staphylococcus aureus-Culturen verscbiedener Provenienz. II. AUgemeine Lebensbedingungen dor Bakterien. 27 100° C. haben wir demnach ein fiir alle Zwecke der Praxis ge- niigendes, absolut zuverlassiges Desinfectionsmittel. Die modernen Disinfections a nstalten, wie sie von Gemeindeverwaltungen zum offentbcben Gebrauche in den Stadten edngerichtet werden, wenden fast ansscbliesslich den stromenden Wasserdampf an. Im Laboratorium bedient man sicb fur die Zwecke der Desinfection resp. Sterilisation durcb Dampf des sog. Dampftopfes, ernes mil Filz oder Asbest mnkleideten, unten gescblossenen , oben offenen und bier mit einem Deckel versebenen Zinkblecbcylinders , dessen Inneres durcb einen im unteren Drittel angebracbten Rost in zwei Abtbeilungen eingetbeilt ist, von denen die untere zum Tbeile mit Wasser gefullt wird, wabrend cbe obere zur Aufnabme der zu sterilisirenden Gegenstande dient; das Wasser wird durcb die Flamme eines unter den Kupferblecbboden des Cylinders gestellten starken Gasbrenners in’s Kochen gebracbt. Nocb erheblicb starker keimtodtend als der stromende, ungespannte Dampf von 100° C. wirkt der gespannte Wasserdampf von boherer Temperatur. Globig1) fand bei Gelegenbeit seiner Studien liber im Erdboden vorkommende, bei hoben Temperaturen wacbsende Bacillenarten (cf. oben p. 22) einen eigentbiimbchen, durcb rotbe Farbung seiner Colonien ausgezeicbneten , iibrigens nicbt patbo- genen Bacillus („rotber Kartoffelbacillus") , dessen Sporen eine ganz ungewobnlicbe Wider standsfabigkeit zeigen. Die letztere gebt bei Weitem iiber (be der Milzbrandbacillensporen binans ; eine grossere Widerstands- fahigkeit organiscber Keime ist uberhaupt nicbt bekannt. Diese Sporen wurden im stromenden Dampfe von 100° C. erst nacli 51/., — 6 Stunden vernichtet, „ gespannten „ „ 109 —113° C. lebten sie nacli 45 Min. nocb, „ „ „ „ 113 — 1 16° C. wurden sie in 25 Min.vernicbtet, 11 11 11 11 11 11 122 -123° C. 126° C. 11 11 5? 11 11 3 55 11 11 55 11 11 55 127° C. 2 11 11 11 11 » >, „ „ 130° C. „ „ augenblickl. zerstort. Aus der vorstehenden Tabelle siebt man, class mit steigender Tem- peratur die Desinfectionskraft des (gespannten) Wasserdampfes zunimmt, und es liegt deshalb sehr nahe, daran zu denken, class an Stelle der mit stromendem Dampfe arbeitenden Apparate viel besser die nut ge- spanntem Dampfe arbeitenden Apparate (Autoclave, Digestor) zu benutzen waren. Zweierlei steht jedocb der allgemeinen Einflibrung der letzteren entgegen. Wenn ein Desinfectionsapparat mit gespanntem ') Zeitschr. f. Hyg. Bel. 3. 1887. 28 A. Allgemeines. Dampfe arbeiten soil, so setzt dies einen hermetisch verschliessbaren Raum voraus, in welcbem die Dampfe entwickelt werden. Es ist aber, bevor der genannte Ranm geschlossen wird, unumganglich nothwendig. dass aucb die letzten Spuren atmospharischer Luft aus dcmselben ent- fernt werden, dass nur Dampf in ihm enthalten ist. Denn erbitzte Luft ist ein sehr unzuverlassiges Desinfectionsmittel, wie wir oben ge- seben haben, und es wurde durch das Zuriiokbleiben von Lnft in dem Apparate der Erfolg der Desinfection ein zweifelhafter werden. Der Zeitpunkt aber, in welcbem alle Luft entfernt ist, ist gar nicht ganz leicbt festzustellen ; es erfordert dies jedenfalls ein besonders gescbultes Personal. Der zweite Grund, welcber der Einfuhrung derartiger Apparate entgegensteht, ist der der Explosion sgefabr. Zur Aufstellung derselben bedarf es stets besonderer pobzeilicber Genebmigung. Beide Punkte kommen nicbt in Betracbt bei den gebrauchlichen, mit ungespanntem Dampfe von 100° C. arbeitenden Desinfectionsapparaten. Jeder Dampfdesinfectionsapparat sollte so construirt sein, dass der Dampf an der obersten Stelle des Desinfectionsraumes in den letzteren eingeleitet wird, und dass er an der untersten Stelle desselben wieder austritt. Da der Dampf specifisck leicbter ist als die atmospbariscbe Luft, so konimt nur bei dieser Anordnung eine moglichst scbnelle Yerdrangung der Luft durch den Dampf zu Stande. Man bat ubrigens daran gedacbt, ungespannten Wasserdampf von 100° C. iiber stark erbitzte Metallflachen streichen zu lassen, urn ihm dadurch eine hohere Temperatur zu verleiben, obne dass dabei seine Spannung eine hohere wurde. Solcher ungespannter stromender iiber- bitzter Dampf verhalt sicb nun, wie Versucbe von v. Esmarch1) gezeigt haben, in seiner keimtodtenden Kraft genau wie erbitzte trockene Luft, d. h. er ist fur die Zwecke der Desinfection im Allgemeinen ebenso unbrauchbar wie beisse, trockene Luft. Die Gebrauchsgegenstande des taglichen Lebens, welcbe in den Desinfectionsanstalten mit stromendem Wasserdampfe bebandelt wer- den, xertragen im Allgemeinen diese Procedur ausgezeicbnet. Ivleider, Wascbe, Betten, Bucher kommen aus dem Apparate unversehrt bervor. Sie trocknen an der Luft in kiirzester Frist und sind dann wieder gebraucbsfabig. Nur Leder maclit liierin eine Ausnahme. Leder wird durch die Dampfbehandlung in eine starre, briicbige, absolut unbraucb- bare Masse verwandelt. Die im Vorhergehenden gescbilderten Metboden der Desinfection durch hohere Temperaturen verwenden Hitzegrade von 100° C. oder ’) Zeitsclnift f. Hygiene. Bd. 3. 18S7. II. Allgemeine Lebensbeclingungen dor Bakterien. 29 daruber. Gelegentlich der Besprechung cler Bereitung der bakterio- logiscben Nahrboden werden wir eine Methode kennen lernen, welcbe eine sichere Sterilisirung fur gewisse Zwecke bei erheblich niedrigeren Temperaturen (um c. 50° C.) ermoglicht (cf. Sterilisirung des Blut- serums). An dieser Stelle sei das sogenannte Pasteur isiren erwahnt. Man verstebt darunter eine, speciell fur Milch (und Bier) angewendete, Methode des Haltbarermachens flussiger Nahrungsmittel durch kurz- dauernde Erhitzung auf 70 — 75° C. und nachfolgende Abkiihlung. Selbstverstandlich werden vorhandene S p o r e n durch das Pasteurisiren nicht beeinflusst. Ausser durch hohe Temperaturen kann nun eine Sterilisirung oder Desinficirung auch durch chemische Mittel bewirkt werden. Es giebt eine ganze Reihe von Korpem, welche, in flussiger Form mit Bakterienkeimen kiirzere oder langere Zeit in Beruhrung gebracht, die letzteren mehr oder weniger schadigen resp. tbdten. Durch grund- legende Yersuche R. Koch’s1) wurde der Nachweis erbracht, dass solche Korper in Wasser gelost sein miissen, damit sie auf die Bakterienzelle einwirken konnen. Oelige oder alkohohsche Losungen haben eine desinficirende oder keimtodtende Wirkung nicht. Koch fand, dass, wie dies fur die Desinfection durch Hitze gilt, so auch einem jeden chemischen Desinfectionsmittel gegenuber sich Dauerformen und vegetative Formen durchaus verschieden verhalten. Die letzteren werden stets erhebhch leichter vernichtet als die Sporen. Die vegetativen Formen der Bakterien haben im Allgemeinen die Eigenschaft, dass sie die vollige Wasserentziehung, das Austrocknen, nur kiirzere Zeit ertragen. Im Allgemeinen werden Bakterienwuchs- formen durch wenige Tage langes Trockenliegen resp. durch wenige Tage lang andauernde Wasserentziehung getodtet. Einzelne Species sind ausserordentlich leicht durch Austrocknen zu vernichten. Hierhin gehort z. B. der Cholerabacillus , welcher nach mehrstiindigem (etwa dreistiindigem) wirklichem Austrocknen 2) nicht mehr keimfahig, d. h. todt ist. Die Dauerformen der Bakterien hingegen werden, soweit unsere Erfahrungen reichen, durch auch noch so lange Wasserent- ziehung nicht beeinflusst. Die Kenntniss dieser Verhaltnisse ist nothwendig, wenn man das Verhalten von bestimmten chemischen Mitteln Bakterien gegenuber ') M itth. a. (1. Kais. Ges.-Amto. ■) Ein wirkliche8 Austrocknen wenn die bacillenhaltigo Fliissigkeit in am Deckglase). Bd. 1. 1881. ist in ldirzester Zeit nur dann zu erreichen, diinnster Schicht angetrocknet wil'd (z. B. 30 A. Allgcmemes. 7A1 priifen bat. Als Koch1) z. B. die Einwirlmng von 5 proc. Carbolol (Olivenol) auf Milzbrandbacillen (nicht Sporen) studirte, fand er, dass die Bacillen nacli sechstagigem Aufenthalte in dem Carbolol todt waren. Genau dasselbe Resultat erhielt er mit 1 proc. Carbolol, genau das- selbe auch mit reinem Olivenol. Alle diese Korper wirkten, ebenso wie eine 5 proc. alkoholische Carbolsaurelosung auf Milzbrand- sporen auch bei monatelanger Beriilirung nicht rm mindesten ein. 2) Pr (iber sell on hatte R. Koch3) nachgewiesen, dass in diinnen Schichten angetrocknete sporenfreie Milzbrandbacillen durch das Austrocknen in 12 — 30 Stunden ihre Keimfahigkeit verheren. In den eben geschil- derten Yersuchen mit den oligen Flussigkeiten haben die letzteren also nicht nur nicht irgendwie die Todtung der Bacillen beschleunigt, sondern sie haben hochst wahrscheinlich sogar etwas conservirend auf die Bacillen gewirkt, da dieselben sich erst nach sechs Tagen abge- storben zeigten. Es ist dies vielleicht dadurch zu erklaren, dass die ohgen Flussigkeiten das vollige Austrocknen etwas verzogerten. Die oben citirten Koch’schen Desinfectionsversuche haben eine Reihe von grundlegenden Daten festgestellt. Koch wies die vollige T7n- wirksamkeit ATon Alkohol, von Glycerin, Chloroform, Schwefel- kohlenstoff, Benzol auf Milzbrandsporen nach. Er fand andererseits, dass frisch bereitetes Chlorwasser, Bromwasser (2:100), Jod- wasser gute Desinficientia sind. Dieselben vernichteten Milzbrand- sporen innerhalb eines Tages. Dasselbe that 1 proc. wasserige Osmium- saurelosung sowie lproc. wasserige Kaliumpermanganatlosung. Terpentinol brauchte fiinf Tage, 5 proc. wasserige Eisenchlorid- 1 5 s u n g sechs Tage, 2 proc. wasserige Salzsaurelosung zelm Tage, Aether dreissig Tage, um dieselbe Wirkung auszuuben. Besonders interessant waren die Ergebnisse fiir wasserige Carbolsaurelosungen. Erne 1 proc. sowolil wie eine 2 proc. Losung wirkten nicht mit Sicher- heit auf Milzbrandsporen ; eine 3 proc. brauchte sieben Tage , eine 4 proc. drei Tage , eine 5 proc. zwei Tage , um Milzbrandsporen zu vernichten. Die letzteren Zahlen gelten jedoch nicht fur Milzbrand- sporen jedweder Provenienz. Nach den oben citirten Ermittelimgen von E. v. Esmarch giebt es Milzbrandsporen, welch e die Ein wirkung 0 Mitth. a. d. lCais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 251. “) Wie Teuscher (Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 9. 1890. p. 510) gefunden hat, bleiben sebr widerstandsfabige Milzbrandsporen in reinem crystallisirten Pbenol (Car- bolsaure), welches im Briitscbrank lliissig gebalten wird, bis zu -l1/., Tagen ent- wickelungsfabig. ,!) Cobn’s Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1870. p. 291. II. Allgemeine Lebensbedingungen dor Balcterien. 31 5 proc. wasseriger Carbolsaurelosung langer als vierzig Tage ohne Schadigung ertragen. Als das machtigste ehemisclie Desinfectionsmittel ergab sich bei den Koch’sclien Yersuchen das Quecksilberchlorid (S ub li- ma t). Durcli eine 1/10proc. wasserige Losung dieses Korpers zeigten sich Milzbrandsporen innerbalb weniger Minuten vernichtet. Die Milz- brandsporen warden bei diesen Yersuchen, an kurzen Seidenfaden anget rock net, dem Desinfectionsmittel ausgesetzt. Nach gewisser Zeit wurden die Seidenfaden aus der Sublimatlosung herausgenommen, mit Wasser und (zur Entfemung der letzten Reste des in Wasser schwer loslichen Subhmats) mit Alkohol abgespiilt und dann zur Untersuchung der Keimfahigkeit auf kiinstlichen Nahrboden oder in den Korper eines far Milzbrand empfanglichen Yersuchsthieres ge- bracbt. Ein Ausbleiben der Entwickelung von Milzbrandbacillen in den Culturen resp. das dauernde Gesundbleiben des Thieres wurde als beweisend angesehen fur die gelungene Sporenverniclitung. Spater hat jedocli Geppert1) gezeigt, dass das Ausbleiben des Auskeimens und der weiteren Entwickelung der Milzbrandsporen unter den geschilderten Umstanden nicht jedesmal mit Sicherheit als entl- gultige Yernichtung der Sporen aufgefasst werden darf. Geppert wies nach, dass den Sporen, welche mit Sublimatlosung behandelt, mit Wasser und Alkohol abgespiilt sind, inrnier noch geringe Reste von Sublimat anliaften, und dass these Reste es sind, welche die fernere Entwickelung der Sporen auf den geeignetsten Nahrboden verhindern. Durch kiirzere oder langere Behandlung der Sporen mit Schwefel- ammonium oder mit anderen Quecltsilber ausfallenden Losungen liessen sich these Subhmatreste aus den Sporen entfernen, und dann waren the Sporen wieder fahig, auf kiinstlichen Nahrboden oder im Thier- korper auszukeimen, d. h. Culturen zu biltlen resp. Infection zu veranlassen. Die Yersuche von Geppert haben gezeigt, dass im Durchschnitt eine 20 Stunden lange Einwirkung der 1/10 proc. Subli- matlosung auf die Milzbrandsporen erforderlich ist, um dieselben so weit zu schadigen, dass sie (nach erfolgter Ausfallung des Subhmats) keine Infection mehr veranlassen. Die so gescliadigten Sporen geben aber immer nocb zu Culturen auf kiinsthchem Nahrboden Veranlassung. Erst nach drei Tage langer Beeinflussung tier Sporen durch the Subli- matlosung erlischt die Fahigkeit tier Auskeimung auf kiinsthchem ') Berl. klin. Woch. 1889. No. 315, 37. — No. 37. Deutsche mod. Woch. 1891. 32 A. Allgemoines. Nakrboden. 4) Geppert stellte ubrigens seine Yersuche nicht mit Seidenfaden, an denen Sporen angetrocknet sind, an ; diese Seidenfaden setzen dem Eindringen des DesinfecMonsmittels immer einen gewissen Widerstand entgegen ; er stellte sich vielmelir eine diinne Aufsckwem- nrang isolirter Sporen in Wasser dar und schnf dadurch die denkbar giinstigsten Bedingnngen fur die Einwirkung der Desinfectionsflussig- keit auf die Sporen. Sublimatlosungen sowohl wie Carbolsaurelosungen gewinnen durch Znsatz von Sauren ganz erbeblich an keimtodtender Kraft. Ausser- dem bat der Znsatz von Saure (1/2 °/0 Salzsaure oder Weinsaure) zu Sublimatlosungen nocb den Vortheil, dass sich die letzteren selbst bei Eenutzung gewohnlicken Wassers dauernd unzersetzt kalten, was obne diesen Zusatz nur bei Anstellung der Fliissigkeit mit reinstem destillirtem Wasser und Aufbewahrung im Dunkeln der Fall ist. Statt der Saure kann auch Kocksalz als Zusatz genommen werden. 2) Die sogenannte robe Carbol saure, ein in Wasser unlosliches Gemisck verscliiedener Pkenole, karziger Stoffe und anderer Korper, vermochte Laplace8) durch Vermischen mit roher Sckwefelsaure in eine wasserloslicke Substanz („roke Sckwefelcarbolsaure“) uberzufiihren , die sekr erkeblicke desinficirende Eigensckaften bat. C. Fraenkel4) bat gefunden, dass diese Eigensckaften nocb wesent- licb zunehmen, wenn die Mischung nicht, wie es Laplace that, bei boberer Temperatur, sondern im Gegentbeil unter energiscber Abkilb- lung durch Eis, vorgenommen wird. In der resultirenden Fliissigkeit sind durch den Saurezusatz die bober (bei 185 — 205° C.) siedenden Homologen des Phenols, die Metkylphenole oder Kresole, welche in der roken Carbolsaure in imloslicbem Zustande vorbanden waren, wasserlbslicb geworden ; diese Korper , die K r e s o 1 e , sind mit ganz bervorragenden keimtodtenden Eigensckaften ausgestattet. An dieser Stelle mag auch das engliscbe (Pearson’scbe, J e y e s 'scbe) C r e o 1 i n erwabnt werden, welches ein Gemisck von Seife, Kohlenwasserstoffen, Pyridinen und Pbenolen ist, und welches unter Umstanden, namlicb wenn es in eiweissfreien Losungen auf Bakterien- keime einwirkt, ein vortreffliches Desinfectionsmittel ist (Behring). Wie weit fur dieses Stadium der Sporenschiidigung „der bisber iiblicbe Be- grift der Abtodtung“ zutrifft, lasst Geppert dabingestellt. “) cb Angerer, Centr. f. Cbir. 1887. No. 7. — Laplace, Deutsche rued. Woch. 1887. No. 40. — Micbaelis, Zeitschrift fur Hyg. Bd. 4. 1S88. 3) Deutsche med. AVoch. 1888. No. 7. •*) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 0. 1889. II. Allgemeine Lebensbedingungen tier Bakterien. 33 Das Lysol1), ein Praparat, welches wasserloslich gemachte Kresole2 3) enthalt, ist dem Creolin an desinficirender Kraft noch uberlegen (S c h o 1 1 e 1 i us !{), G e r 1 a c h 4)). Als brauchbares Desinfectionsmittel bat sicb ferner der Aetzkalk herausgestellt ; namentlicb fur Faeces, fur Abortgruben verdient der- selbe Empfehlung (Pfubl). Scbimmelbuscb erkannte in der kocbenden tproc. was- serigen Sodalosung ein ausserst kraftig wirkendes Desinfections- mittel; dasselbe zerstort sebr resistente Milzbrandsporen in 2 Minuten.5 *) Gasformige Desinfectionsmittel haben sich im Allge- meinen nicbt als zuverlassig erwiesen. Wenn wir bier die wichtigsten cbemiscben keimtodtenden Mittel kurz betracbtet baben, so wollen wir andererseits darauf verzicbten, die vielerlei anderen cbemischen Korper, welcbe auf ihre keimtodtenden Eigenscbaften untersucht worden sind, zu berubren.0) Es sei aber auf eine Reihe wicbtiger principi eller Punkte hingewiesen, die bei Priifung chemiscber Korper auf ihre desinficirenden (bakterienscbadigenden) W i r k u n g e n zu beacbten sind. 7) Zu- nacbst kommt es sehr an auf die cbemiscbe Beschaffenheit des Desinfectionsobjectes, d. b. des Mediums, in welcbem das Mittel auf die Bakterien einwirkt. Wie Behring fand, werden z. B. Milz- brandbacillen, die in Wasser vertbeilt sind, schon in wenigen Minuten durcb einen Sublimatgehalt von 1 : 500 000 sicher getodtet, in Bouillon erst durch einen Gehalt von 1:40 000, wahrend in Blutserum, wenn die Desinfection in wenigen Minuten erfolgen soli, ein Sublimatgehalt von 1:2000 noch nicbt immer ausreicht. Boers) fand, dass bei ein- zelnen Bakterienarten die Widerstandsfahigkeit gegen Desinfections- mittel eine verschiedene ist je nach der cbemiscben Reaction des Mediums, in welchem sie sich bebnden. Ferner gilt der Desinfec- tionswerth, den ein bestimmtes Mittel der einen Bakterienart gegen- iiber besitzt, durchaus nicht ohne Weiteres fiir das Verbalten des Mittels gegen jede bebebige andere Bakterienart. Ferner kommt es, ') Erzeuger: Scbiilke & Mayr, Hamburg. ) Das Vorfahren der Darstellung stelit unter Patentscbutz. 3) Munch, med. Wocb. 1890. No. 19, 20. ‘) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891. p Arb. a. d. chir. Klin. d. K. Univ. Borbn. 5. Tbeb. 1891. p. 78. ') Eine ausfiibrlicbc Darstellung des derzeitigen Standes der Frage der Desin- I' ction durch cbemischo Mittel findet man bei Bob ring (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9. 1 890). 0 In den nacbfolgenden Zeilen lebno icb micb an die eben citirte Arbeit Behring’s an. s) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9. 1890. Gunther, Baktcriologie. 34 A. Allgemeines. wie das bereits aus den oben (p. 30) citirten Koch ’ schen Desinfec- tionsuntersucbungen hervorgeht, an auf die Dauer der Einwirkung des Desinfectionsmittels. Je kiirzere Zeit ein Mittel einwirkt, in desto starkerer Losung muss es vorhanden sein, damit derselbe Effect er- zielt wil'd. Ein weiterer, ausserordentlich wichtiger Punkt ist, wie A. Henle1) gefunden hat, die Temp era tur , bei welcher das Des- inficiens einwirkt. Je holier die Temperatur, urn so energischer der Desinfectionseffect. 2) Anch kommt es , wie zuerst (unabhangig ^ von einander) Buchner3) und Nissen4) betont haben, auf die Zahl der Bakterienzellen an, welche im gegebenen Falle abzutodten sind. Eine grossere Anzahl erfordert eine grossere Menge des Mittels. Ferner muss man die Prufung auf die eventuell erfolgte Ab- todtung der Bakterien, oder, was dasselbe ist, die Prufung, ob ihre Keimfahigkeit erhalten geblieben ist, einwandsfrei einrichten. Es kommt vor, dass Bakterien, die der Einwirkung eines Mittels unter- worfen wurden, bei der nachfolgenden Prufung ihrer Entwickelungs- fahigkeit, wenn dieselbe bei einer der Art weniger zusagenden Tempe- ratur vorgenommen wird, nicht wachsen, wahrend sie dagegen sofort sich weiter entwickeln, wenn sie in moglichst giinstige Temperaturver- haltnisse gebracht werden. Man muss deshalb die Prufung stets bei dem Temperatur optimum der zu dem Versuclie benutzten Bak- terienart anstellen. Endlich hat Gruber5) darauf aufmerksam ge- macht, dass (da nach der Einwirkung des Desinfectionsmittels die Auskeimung haufig verlangsamt ist) es nothwendig ist, die Be- obachtungszeit bei der Prufung der event, erhaltenen Keimfahigkeit moglichst lange auszudehnen.6) Es sei noch auf eine interessante allgemeine Beziehung hinge- wiesen, die zwischen der Giftigkeit chemischer Korper fur Bakterien und ihrer Giftigkeit fur den thierischen Organismus zu bestehen scheint. x) Arcli. f. Hyg. Bd. 9. 1889. *) Heider (Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1891. p. 221 und Arch. f. Hyg. Bd. 15. 1892) tkeilt mit, dass Milzbrandsporen , die durcli 36tiigige Einwirkung von 5proc. Carbolwasser bei Zimmertemperatur nicht vernicktet. wurden, bei 55° C. in 1 — 2 Stunden durck dasselbe Desinfectionsmittel zerstort wurden. Bei 75° C. waren 3 Minuten erfordorlick ; 3 proc. Carbolwasser todtete dieselben Sporen bei dieser Temperatur in 15 Minuten, 1 proc. Carbolwasser in 2 — 2 1/2 Stunden. 3) Conti-albl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. p. 10. 0 Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 6. 1889. p. 495. 5) 7. int. Congr. f. Hyg. u. Demogr. London 1891. °) So sak Gruber Milzbrandsporen, die 24 Stunden in ‘/ 10pr°c. Sublimat- lbsung gelegen batten, manckmal erst nack 7 Tagen auskeimen, obwokl sie im Uebrigen weiter nicht gesckadigt und insbesondere nock vollvirulent waren. II. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 35 Behring1) fand for eine ganze Anzahl von bakterienschadigenden (antiseptischen) Stoffen, dass die todtliche Dosis derselben fur ein Kilo Ivaninchen oder Maus ziemlich genau ein Sechstel betragt von derjenigen Dosis, welche in einem Kilo Blutserum das Wachstlium der Milzbrandbacillen verhindert. Behring nennt diese Beziehung die ..relative Giftigkeit“ und sagt: die relative Giftigkeit von Carbolsaure, Sublimat, Jodtrichlorid, Creolin u. s. w. ist gleich 6. Fur den thierischen Organismus ungiftige Antiseptica werden sieh vvolil kaum auffinden lassen. Allgemein bekannt ist die grosse Bedentung, welche die Verhalt- nisse, die bei der kunstlichen Yemichtung der Bakterien, speciell der Vemichtung durch chemische'Mittel, in Frage kommen, fiir die operative Medicin, fiir Chirurgie und Geburtshulfe haben. Der modeme Chirurg kommt relativ seltener in die Lage, antiseptisch vorgehen zu miissen; dagegen ist es stets seine erste Sorge, „aseptisch“ zu arbeiten, d. h. mit keimfreien Fingern, keimfreien Instrmnenten, keim- freien Verbandstoffen zu operiren. Fiirbringer 2), welcher sich bemuht hat, ein moglichst sicheres Yerfahren zur Desinfection der Hande zu finden, wendet nach einander, je eine Minute lang, an: Seife mit Biirste und warmem Wasser, Alkohol (mindestens 80procentig), 2 promil]. Sublimatlosung. Diese Methode hat bereits eine grosse Yerbreitung gefnnden. — Die Verbandstoffe werden jetzt meist im stromenden Wasserdampfe sterihsirt und in dadurch geschatfenem keimfreien Zu- stande ohne Zusatz antiseptischer Substanzen verwendet. Zur Sterili- sirung chirurgischer Metallinstrumente verfahrt man nach Ermittelungen von Schimmelbusch3) am besten so, dass die In- strumente zunachst mechanisch sorgfaltig gesaubert , dann in 1 proc. wasseriger Sodalosung (cf. ohen p. 33) 5 Minuten lang gekocht werden. Die so sicher sterilisirten Instrumente werden bis zum Gebrauch in eine wasserige Losnng gelegt, die 1 o/0 Soda und 1 % Carbolsanre enthiilt. Am Schlusse dieses Kapitels wollen wir noch auf die machtigen Wirkungen hinweisen, die dem Li elite1) den Bakterien gegeniiber zukommen (cf. p. 20). Durch directes Sonnenlicht werden Mil 7- ‘) cf. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1889. p. 475 ff. ) Untersuchungen und Yorschriften iiber die Desinfection der Hande dos Arztes etc. Wiesbaden. 1888. V Arbeiten a. d. chir. Klinik d. K. Univ. Berlin. 5. Tkeil. 1891. • p. 46ff. u ■ ' PV10 Lltcnitur (lber diesen Gegenstand findet man bei Raum (Zeitschr. f. (i' femei bci JanfMVski (Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. 1890. 30 A. Allgemeines. brandsporen in. Bouillon binnen wenigen Stunden vernichtet (Arloing). Aber aucli das zerstreute Tageslicbt hat deutlich bakterien- schadigende Eigenscbaften. [) Culturen der Tuberkelbacillen sterben, wenn sie dicbt am Fenstcr aufgestellt sind, in 5 — 7 Tagen ab (Koch * 2). Unter den das weisse Licht zusammensetzenden Strahlen scheinen be- sonders den blauen und violetten3) bakterienschadigende Eigenschaften zuzukommen. In den letzten Jahren ist auch mehrfach iiber bakterienschadigende Wirkungen der Electricitat berichtet worden.4) ’) Eine biibscbe Methode, den scbadigenden Einfluss des Lichtes zu demon- striren (theilweise Bebcbtung dichtbesaeter Agarplatten) bat kiirzhch H. Buchner (Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 7/8) angegeben. 2) 10. internat. medic. Congress. Berlin 1890. 3) Neuerdings sab Geisler (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. p. 172), und zwar bei Yersucben mit Typbusbacillen, die in Nakrgelatine geziicbtet wnrden, dass der entwickelungshemmende Einfluss des Licbtes urn so grosser war, je kurz- welbger, brechbarer die einwirkenden Strahlen waren. Den grossten Einfluss batten die ultra violetten, den geringsten die rothen Strahlen. ‘) Die Literatur uber diesen Gegenstand siebe bei Spilker und Gottstein (Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1891. No. 3/4) sowie bei S. Kruger (Zeitscbr. f. klin. Med. Bd. 22. 1893). III. Allgemeine Lebensausserungen der Bakterien. Dei dem Wacksthum und der Vennehrung der Bakterien treten eine grosse Reike von Ersckeinungen zu Tage, die sammtlick in letzter Linie darauf zuriickzufuhren sind, dass durch den Lebensprocess der Bakterien die complicirten Yerbindungen, aus denen der Nabrboden zusammengesetzt ist, in einfacbere ubergefnbrt werden. So wie aber eine jede einzelne Art ibre eigenen specifiscben Lebensbedingungen hat, so sind auch die Processe, welcbe mit dem Bakterienwacbstbum verkniipft sind, und die Ersckeinungen, welcbe durch dasselbe veran- lasst werden , die Lebensausserungen, fiir die einzelnen Arten verschieden. Was die chemischen Processe betrrfft, die bei dem Wachs- thum der Bakterien in die Erscheinung treten, so konnen bierbei (als Stoffwechselproducte) die einfacbsten chemischen Verbindungen gebildet werden : Kohlensaure, WasserstotF, Metban, Schwefelwasscrstoff'1), b Nach Untersuchungen von Petri und Maas sen (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 9/10) sowie nach Untersuchungen von Stagnitta-Balistreri, die im Ru bn e r' schen Institut ausgefiihrt wurden (Arch. f. Hyg. Bd. 16. 1892), ist die Schwefelwasserstoffbildung eine weit verbreitete Eigenschaft der Bakterien. Stagnitta constatirte, dass die Zusammensetzung des Nahrbodens von wesentlicher Bedeutung beziighch des Zustandekommens der Schwefelwasserstoffbildung und beziiglich der Quantitat des gebildeten Schwefelwasserstoffs ist. Rubner (Arch. f. Hyg. Bd. 16. 1892) hat nachgevviesen, dass der zur Bildung des Schwefelwasserstoffs nothwendige Schwefel ganz allgemein aus organischen Sch wefelverbindungen des Nahr- bodens entnommen wird. (Auch der fur den Aufbau der Korpersubstanz der Bakte- rien nothwendige Schwefel wird nach Rubner’s Ermittelungen (1. c.) ganz allge- mein organischen Schwefelverbindungen entnommen). — Der Nachweis der Schwefel- wasserstoffbildung bei Baktericnculturcn wird sehr bequem durch Einhangung eines mit Bleizuckerlosung getriinkten Iliosspapierstreifchons in das Culturgefass gefiihrt. Bei Schwefelwasserstoffentwickelung tritt Schwarzung (Bildung von Schwefelblei) ein (of. Schrank, Wien. med. Jahrbiichor. 1888. p. 313). Fromme (Diss. Marburg 1891. — Ref. Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. p. 274) stellt sick beliufs des Schwefel- wasserstoffnachweises eine Ei son gelatine her (Zusatz von 3 °/0 Eisentartarat oder tsensaccharat zu Niihrgelatino). Dieser Nabrboden zeigt durch Sckwarzfarbung (Bildung von Schwefeloisen) Schwefelwasserstoffbildung an. 38 A. Allgemeines. Ammoniak n. dgl. Ferner kommt es bei den Zersetzungen des Nahr- boclens zur Bi Idling der verschiedenartigsten Fermente1) oder Enzyme. So giebt es Bakterienarten , welche diastatische Fermente bilden (d. h. solche, die Starke in Traubenzucker umwandeln); andere bilden invertirende Fermente (Umwandlung von Bohrzncker in Trauben- zucker) ; andere Bakterienarten bilden p e p t o n i s i r e n d e Fermente, d. h. solcbe, die geronnenes Eivveiss, erstarrte Gelatine losen (peptonisiren) ; andere Bakterien bringen durch Production von Labferment Milch zur Gerinnung (Ausfallung des Caseins). Ferner werden durch Bakterien die verschiedenartigsten G a h - nmgen2) zu Stancle gebracht. Unter Gab rung versteht man die Zerlegung organischen Materials unter Gasentwickelung. Eine Anzahl von Arten vergahrt Zucker unter Bildung von Milch sau re3) (Milch- sauregah r u n g) ; andere vergahren Starke und Zucker unter Bildung von Butte rs-au re (Buttersauregahrung); bei den beiclen Arten der Gahrung wird zugleich Kohlensaure, bei der Buttersauregahrung ausserdem Wasscrstoif gebildet. Weitere Arten der Gahrung sind die besonders in W ein auftretende schleimige oder Mannitgahrung, welche durch Bildung einer fadenziehenden, schleimigen Gummiart und von Mannit und Kohlensaure aus Traubenzucker characterisirt ist ; ferner die Essig gahrung (Verwandlung des Aethylalkoliols durch Oxydation in Essigsaure). Ferner ist hier zu nennen die ammonia- kali s c h e Harnstoff gahrung (Spaltung des Harnstoffs in Kohlen- saure und Ammoniak). Zu den Gahrungen gehoren auch die verschiedenartigen Faul- nissprocesse4), d. h. die Zersetzungen stickstoffhaltiger organischer Massen unter Entbindung stinkender Producte (E i w e i s s g a h r u n g). Iin Allgemeinen hat man zwei verschiedene Arten der Zersetzung der comphcirten stickstoffhaltigen organischen Yerbindungen, der Eiweiss- stoffe, durch Bakterien zu unterscheiden. Die eine ist die Faulniss, die andere die Verwesung. Die Faulniss (imter der wir, wie eben gesagt, die Zersetzung des Eiweissmolekiils unter Auftreten stin- kender Producte verstehen) lindet fast immer unter Abschluss von ]) cf. Fliigge, Die Mikroorganismen. 2. Aufl. Leipzig 18S6. p. 466 ff. •) cf. Fliigge, 1. c. p. 483ff. ') Nencki (Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1891. p. 304) hat darauf aufmerk- sam gemacht, dasa von differenten Bakterienarten differente (isomere) Milchsauren gebildet werden konnen, und dass die durch diese Isomerien bedingten physikalischen und chemischen Unterschiede unter Umstanden zur Differentialdiagnose einander iihn- licher Spaltpilzarten benutzt werden konnen. ') cf. Fliigge, 1. c. p. 493 ff. III. Allgemeino Lebensiiusserungen dor Bakterien. 39 Sauers toff1 2 3) statt. Sie wird bedingt durch den Lebensprocess anaerober Bakterien, sie stellt einen Reduction sprocess -) dar. Im Gegensatz dazu bildet die Verwesung einen Oxydations- process8); sie findet statt unter der Mitwirkung von atmospharischem Sauerstoff. Die Faulnissprocesse gehen selbstverstandlich ran so scbneller vor sich, je gunstiger die Temperaturverhaltnisse far das Wacbsthum der betheiligten Bakterien liegen. Man kann deshalb Objecte (Fleisch etc.), welch e leicht in faulige Zersetzung iibergehen, durch Halten bei nie- driger Temperatur einigermassen conserviren. Dass aber selbst bei 0° C. Faulniss stattfmdet (wenn auch relativ langsam) hat Forster, dem wir (cf. oben p. 22) die Entdeckung bei 0 0 wachsender Bakterien- arten verdanken, nachgewiesen. 4 * * *) Bei der Faulniss werden nie so einfache Verbindungen ge- bildet wie bei der Verwesung, aus der schliesslich die allereinfachsten anorganischen Verbindungen, Nitrate, Sulfate, Kohlensaure, liervor- gehen. Pasteur, welcher diese Vorgange bekannthch zum Gegenstande umfassender, gTundlegender Untersuchungen gemacht hat, hat dadurch zuerst Aufklarung gegeben iiber the wichtige allgemeine Rolle, die den Bakterien in dem Haushalte der Natur zugewiesen ist. Das organische Leben producirt fortlaufend Massen von complicirten stickstoffhaltigen Verbindungen. Den Bakterien fallt die Aufgabe zu, diese complicirten Verbindungen in einfachere, in einfachste, anorganische, fur die hohere Pflanzenwelt assimilirbare Verbindungen uberzufiihren ; die Pflanzenwelt sorgt dann ihrerseits im Verein mit der Thierwelt wieder fur den Auf- bau des complicirt zusammengesetzten Eiweissmolekiils aus diesen ein- fachsten Verbindungen. So dienen die Bakterien als Vermittler orga- x) In Ausnalimefiillen konnen auch bei Sauerstoffan wesen heit stin- kende Producte bei der Zerlegung der Eiweisskorper durch Bakterien entstehen. 2) Nach Behring sind mit der stinkenden Faulniss stets Reductionsprocesse verbunden. 3) Bei der Verwesung beerdigter Korpertheile im Boden komnit ee zu erheb- lichen Temperatursteigerungen im Innern der verwesenden (resp. faulenden) Organe, ilic besonders dann bctriichtlich werden, w'enn es sich um Organe handelt, die von igewissen) Infectionskrankheiten hcrstammen. (cf. Schottelius, Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1800. No. 9; Karl inski, ebenda, Bd. 9. 1891. No. 13.) l) Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. p. 434. In Fleischbrei, welcher bei " 0 C. gehalten wurdo, fand Forster nacb 16 Tagen (noben unziihligen Bakterien) etwa ebensoviel Zcrsetzungsproducte wie in dem gleichen Fleische, wolches 6 — 7 Tage bei 7 — 9° C. oder 2 Tago bei Zimmertemperatur gehalten worden war. 40 A. Allgemeines. niscben Sterbens unci Lebens ; clurch ibre Mitwirkung wird es ermogbcht. class die organisclie Welt im Gleichgewichte bleibt. Yon ganz besonderer Bedeutung sind die gescbilderten Verhaltnisse fur die Landvvirthschaft. Wenn das Feld gediingt ist, so miissen die complicirten organiscben Yerbindungen, welche cler Dunger enthalt. zuniicbst durcb einen dnrch Bakterien bedingten Yerwesungsvorgang in die einfacbsten, fur die Pflanzen assimilirbaren Yerbindungen uber- gefiibrt werden. Dies kann, wie erortert, nur unter Sauerstoffzutritt gescbeben; und es ist desbalb eine Auflockerung des Erdreicbes resp. eine grobporige Bodenbescbaffenheit erforderbcb, damit nicht nur an der Oberflacbe des Bodens, sondern auch mebr in die Tiefe hinein cler Sauerstoff Zutritt hat. Ein gewisser Wassergebalt des Bodens ist zum Zustandekommen der Verwesungsprocesse naturlich erforderbcb ; denn ohne Wasser konnen Bakterien nicbt wacbsen; ein zu grosser Wassergebalt aber wurde die Bodenporen verscbbessen und die Ent- stehung von Faulniss im Boden bedingen. ') Der wichtigste Theb des Verwesungsvorganges im Boden wird durcb die sogenannte Nitrifi- cation" dargestellt. Man versteht darunter cbe Oxydirung des (or- ganiscben) Stickstoffs resp. Ammoniaks zu Salpetersaure. S chid sing und Muntz wiesen (1877) zuerst nacb, dass cbe Nitrification im Boden von der Lebensthatigkeit organiscber Weseu abhangig ist. Nacb Wino- gradsky1 2) setzt sich der Nitrificationsprocess aus zwei verscbiedenen Perioden zusammen, nambch 1) der Periode der Nitritbildung und 2) der der Nitratbildung. Jede Periode spielt sicb ab unter dem Ein- flusse specifiscber, fiir die beiden Perioden verschiedener, organisirter Eennente (Bakterien). Die Entwickelung und Wirkung der Nitritbildner (ferments nitreux) ist auf Gegenwart von Ammoniak angewiesen : diese Organismen oxydiren das Ammoniak zu Nitrit. Die Nitratbbdner (ferments nitriques) konnen in Gegenwart von Ammoniak nicbt exi- stiren; sie oxydiren Nitrite zu Nitraten. 3) Die chemische Reaction des Nahrbodens wird durcb Bakterien- 1) cf. E. Wo liny, Ueber die Beziehungen der Mikroorganismen zur Agricultur. Centr. f.Bakt. Bd. 1. 18S7. No. 15—16. 2) Ann. de l’lnst. Pasteur. 1891. p. 599. 3) Die ldinstlicke Reinziicbtung der „Nitrobakterien“ gelingt nacb Wino- gradsky (Ann. de l’lnst. Pasteur. 1891. No. 2) auf einein festen Nabrboden. . welclier aus einer Losung von Wasserglas (Natriumsilicat) unter Zusatz verschiedener Salze hergostellt wird. — Die Kieselsaure als Nabrboden fiir Mikroorganismen wurde zuerst von W. Kiikne (Zeitscbr. f. Biol. Bd. 27. 1890) angegeben. Siebe iiber die Bereitung derartiger Nabrboden auch Sleskin (Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. 1891. No. 7). III. Allgemeine Lebensausserungen dor Bakterien. 41 wachsthum fast stets geandert. Man kann danach die Bakterien in solche eintheilen, welche Sauren, und in solche, welche Alkalien prodnciren. ') Unter den oheniisclien Korpern, welclie (als Stoffwechselproducte) bei dem Lebensprocesse der Bakterien entsteben, nehmen eine beson- dere Stellung ein die sogenannten Faulnissalkaloide, complicirte stickstoffhaltige Yerbindungen basiscber Natur , die zum Tbeil giftig, zum Tbeil ungiftig sind. Diese Korper werden (nach Selmi) als „Ptomaine“ (utm/licc = Leicbnam) bezeicbnet, da sie zunachst nament- licb in gefaulten Leichentbeilen gefunden wurden. Nencki war (1876) der Erste, welcher einen derartigen Korper in reinem, krystalliniscben Zustande darstellte und seine chemische Zusammensetzung eraiittelte. In der Edge hat sicb um die Erforschung dieses Gebietes besonders L. Brieger verdient gemacbt. Eine ganze Reibe von Korpern, welche bierher gehoren, sind von Brieger sowobl aus kunsthchen Culturen bestimmter (rneist patbogener) Bakterienarten wie aucb aus Thier- organismen, welche mit bestimmten Bakterienarten inficirt waren, dar- gestellt worden. Fur die giftigen Ptomaine bat Brieger den Namen „Toxine“ eingefiibrt. Eine Gruppe anderer giftiger Stoff- wecbselproducte pathogener Bakterienarten , welche keine Alkaloide, sondern Ei weiss korper sind und als Toxalbiimine bezeicbnet werden, haben Brieger2) und C. Fraenkel entdeckt. Die genannten giftigen Stoffwechselproducte spielen eine wesent- bcbe Rolle bei jeder durch Bakterien veranlassten Infectionskrankheit. Auf die durch sie bedingte Intoxication des thierischen Organismus sind namentlich die allgemeinen kbnischen Symptome , welche bei In- fectionskrankbeiten beobacbtet werden, zu bezieben. Wir werden dieses Gebiet weiterbin noch zu betrachten baben. *) cf. J. Petruschky, Bakterio-chemische Untersuchungen. Centr. f. Bakt. Bd. 6. 1889. No. 23—24, Bd. 7. 1890. No. 1—2. Der Autor stellte seine Untersuchungen an einer neutralen Lackmusmolke (mit Lackmus gefarbtes Milch- serum) an. (Der Lackmuszusatz zu bakteriologischen Nahrboden beliufs Erkennung der Aenderung der chemischen Reaction des Nabrbodens ist von H. Buchner [Arch, t Hyg. Bd. 3. 1885] zuerst angegeben.) Es kommt beziiglicb der unter dem Einfiusse von Bakterienwachstkum sicb ausbildenden Reaction die urspriingl i cbe Zusammensetzung des Nabrbodens sehr in Betraclit. Kleine Mengen von Traubenzucker im Nahrboden geben biiufig, aucb bei alkalibildenden Bakterienarten, zu einem primaren Auftreten von freier Saure Veranlassung. (Behring, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. p. 178.) Auf den gewohnlichen , mit Peptonbouillon her- gestellten, zuckcrfreien Nahrboden bilden von bekannton Arten nur der Milzbrand- bacillus , der Micrococcus tetragenus, der Wurzel- und der Heubacillus Saure, die iibrigen Alkali (v. Sommaruga, Zeitschr. 1. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 277, 278). -) Berl. klin. Woch. 1890. No. 11—12. 42 A. Allgemeines. Es ist aber bier gleich zu bemerken, class bei dem Wachsthum cler Bakterien nicbt nur giftige Stoffwechselproducte, sondern auch and ere giftige Korper entsteken. Es sind dies solche Korper, welcbe sich nioht wie die Stoffwechselproducte ausserhalb der Bakterienzellen in den Nahrsubstraten gelost befinden, sondern die im Inner n der Bakterienzellen selbst vorkanden sind, ohne Zweifel einen wesentlichen Theil der Zelle ausmachen und gewohnlich nur durch ganz besonders eingreifende chemische Manipulationen (durch die die Zelle jedesmal abgetodtet wil’d) aus der Zelle extrahirt werden konnen. Man bezeichnet diese (eiweissartigen) Korper als „Bakte- rienproteine.“ Zu den Lebensausserungen der Bakterien gehort auch die Pro- duction von Farbstoffen (cf. oben p. 9), welche z. Th. von ausser- ordentlicher Schonheit sind. Man nennt die Farbstoff producirenden Bakterienarten chromogene Arten (Pigmentbakterien). Andere Arten lassen den (dui’chsichtigen) Nahrboden prachtvoll fluores- ciren; wieder andere leuchten in ihren Culturen im Dunkeln (phos- phor e scire n). Zu den Lebensausserungen der Bakterien gehort endlich die Eigen- thiimlichkeit vieler Arten, im Thier- (oder Pflanzen-) Korper Kr ank- le eitsprocesse hervorzurufen. Wir werden die hierher gehorigen Yerhaltnisse zum Gegenstande einer besonderen eingehenden Betrach- tung machen. IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobaehtung. 1. Die Ausriistung des Arbeitstisches. "Wenn man sick mit Bakterienuntersuchungen beschaftigen will, so braucht man zunackst eine Rcibc von Instrumenten , unter denen das Mikroskop das wesentlicbste ist. Das Mikroskop besteht aus einem optiscben und einem mechanischen Theile. Yon diesen ist der optiscbe Theil der wichtigere, und man wil'd daher bei der Besckaffung eines Mikro- skopes zunackst auf eine zweckentsprecbende Besckaffenheit dieses Theiles zu seken kaben. Der o p t i s c h e Theil des Mikroskopes setzt sick aus einem Beobachtungsapparat, bestekend aus Objectiv und Ocular, und aus einem Beleuchtungsapparat , bestekend aus Be- leuchtungsspiegel und Co n dens or system, zusammen. Die genannten optischen Stiicke werden durch das sogenannte Stativ in Yerbindung mit einander gebracht. Dire Stellung zu einander kann durch besondere mechanische Einrichtungen, welcke sich an dem Sta- rve vorfinden, je nack dem vorliegenden Bedurfnisse modificirt werden. Es ist nun.zwar rich tig, dass auch mit einem mangelkaften Stative, falls nur der optiscke Theil des Mikroskopes gut ist, gearbeitet werden kann. Wer geschickt ist, kann sich fur bestimmte Zwecke voriiber- gehend mit einem derartig mangelhaften Instrumente bekelfen. Wer aber nicht nur voriibergehend mit dem Mikroskope arbeiten, wer Freude am mikroskopiscken Arbeiten kaben will, wer ein universell anwend- bares Instrument braucht, der darf nicht bloss auf den optischen Theil des Mikroskopes Riicksicht nehmen , sondcrn er muss darauf sehen, dass auch das Stativ den modernen Anforderungen geniige. Beiden Bedingungen , namlich den optischen sowohl wie den mechanisqhen, geniigen nur die Mikroskope leistungsfahigster Werkstatten, sogenannter 44 A. Allgemeines. „erster Firmen *) Man lasse sicli nicht durch den niedrigeren Preis verleiten, ein Mikroskop zu kaufen, an welchem man hinterher beim Gebrauch einen Fehler nacli dem anderen entdeckt. Bei der Anschaffung eines Mikroskopes, welches zu Bakterien- untersuchungen bestimmt ist, sind nun eine Reilie von speciellen Punkten zu beriicksichtigen. Yon Objectiven braucht man minde- stens zwei, namlich ein schwaches (Zeiss AA, Leitz 3) und ein starkes (Zeiss Oel-Immersion 2 mm oder 1ln", Leitz Del -Immersion V v2"), von Ocularen ebenfalls zwei (Zeiss 2, 4, Leitz 1, 4). Man hat so schwache Vergrosserungen von ca. 50 — 100 und starke von ca. 500 — 1000 zur Yerfugung. Sehr angenehm ist daneben noch der Besitz eines mittleren Objectives (Zeiss DD, Leitz 7), welches ca. 200 — 450 fache Yergrosserung giebt. Der Tubus soil sowohl durch groben Trieb wie durch Mikrometerschraube verstellbar sein. Der Ohjecttisch darf nicht zu klein sein, so dass man Culturplatten bequem untersuchen kann. Das Co n de n so r system, welches zur Beleuchtung der Objecte dient, soli nach der von Abbe (cf. weiter unten) angegebenen Weise construirt und auf- und abwarts (am besten durch Trieb) verschieblich sein ; der Beleuchtungsspiegel soil in seiuem Durchmesser den des Abbe’schen Beleuchtungskorpers etwas uber- schreiten. Sehr nothwendig, kaum zu entbehren fur Bakterienunter- suchungen, ist eine Yorrichtung zum schnellen und bequemen We ch- s e 1 n der Objective (Revolver). Das wesentlichste und bedeutendste Stuck des gesammten Mikro- skopes ist das „0 el- Immersions- System", das Objectivsystem, welches wir stets benutzen, wenn es sich urn eine moglichst stark vergrosserte Darstellung des Objectes handelt. Bei diesem System wird die Oberflache des Deckglases des Praparates mit der Front- 0 Allen voran sohreitet die Finn a Carl Zeiss in Jena. Diese Firma lasst sich die kochsten Preise hezahlen ; sie liefert aber auch das Beste. Die sogenannten „Apockromat-Obj ective" von Zeiss sind das Vollendetste, was von Objectiven existirt. Ebenso wird die Firma binsicbtbcb der iibrigen optiscken Tbeile der Mikro- skope sowie binsicbtlicb der Stative von keiner anderen Firma iibertroffen. Neben Zeiss sind ferner zu nennen Ernst Leitz in Wetzlar (die iiusserst preiswertben Instrumente dieser Firma, welcbe sick in der Form an die Zeiss’schen anlehnen. werden fur die Zwecke bakteriologisclier Untersuclmng sehr viel verwendet), W. it H. Seibert in Wetzlar, Dr. E. Hartnack in Potsdam, C. Reichert in Wien und Andere. Erne stiindige Ausstellung der Instrumente der genannten Firmen findet man in dem „Magazin fur Mikroskopie" von G. Kdnig, Berlin N.W., Doro- tbeenstr. 29, welches beziiglicb der Anschaffung jede gewiinscbte Auskunft ertbeilt und .die Instrumente zu Fabrikpreisen abgiebt. Hier findet man auch alle iibrigen fiir unsere Zwecke nothwendigen Utensilien, Farbstoffe etc. IY. Allgemeine Methodik dor Bakterienbeobachtung. 45 linse ties Objectivs stets verbunden (lurch ein Tropfchen eines Oeles (Cedernol), welches dasselbe Brechungsvermogen fur das Licht (den- selben Brechungs - Exponenten) besitzt wie das Glas. Es wird also zwischen Deckglas und Objectivfrontlinse durcli das dazwischen ge- brachte Cedernol eine optisch liomogene Yerbindung hergestellt („ Ho- mo gene Immersion"). Die von dem Objecte ausgehenden Strahlen gelangen ohne irgend welche Ablenkung in das Objectiv. Es gelangt also ein viel grosserer von dem Objecte ausgehender Strahlenkegel zur Wirkung, als es ohne die Zwischenlage des Cedernoles der Fall sein wurde, d. h. das Leistungsvermogen eines solchen Objectivs (das Ab- b i 1 d u n g s - oder Auflosungsvermogen ') muss viel grosser sein als das Leistungsvermogen eines Systems von derselben Vergrosserung, bei welchem sich zwischen Deckglas und Objectiv eine Luftschicht be- lindet („Trockensystem“); das Leistungsvernmgen muss auch grosser sein als das eines Systems, welches nur Wasser als Immer- sions-Fliissigkeit verwendet („W asser-Immersions-Syste m“).* 2) — ') Man versteht kierunter die Faliigkeit mikroskopiscker Objective, feme Struc- turen, Details innerhalb der Objecte zur Darstellung zu bringen. Das Abbildungs- vermogen hat seinen Sitz einzig und allein in der Function der Oeffnung des Objectivsystems. Es steht unter alien Umstan den in geradem Verhaltnisse zu der n urn eri soli en Apertur (siehe die folgende Anmerkung). 2) Die in ein Objectivsystem tretende Strablenmenge wird gemessen durcli den Oeffnungswinkel des Systems. Der Oeffnungswinkel hat seinen Scheitel im Brennpunkte des Systems ; seine Schenkel werden gebildet durcli zwei einander gegen- iiberhegende Mantellinien des von dem Brennpunkte ausgehenden , in das System eintretenden Strahlenkegels. Der Oeffnungswinkel kann naturgemass niemals den Grenzwertk von 180° erreicken. Die Breckungsverkaltnisse, welche bei Benutzung eines Trockensystems an der Oberfliiche des Deckglases statthaben, bringen es nun mit sich, dass einem von dem Deckglase ausgehenden, die Luft durcksetzenden Strahlenkegel von bestimmter (beispielsweise von 180°) Weite ein erhebhch engerer urspriinghch von dem Objecte ausgehender, das Deckglas dureksetzender Strahlen- kegel entspricht; der letztere wurde, den Breckungsexponenten des Glases zu 1,52 gerechnet, in unserem Beispiele nuf 82° 17' Weite haben. Da nun bei der komo- genen Immersion eine jede Ablenkung der Strahlen zwischen Object und Objectiv wegfallt, so nimmt ein Oel-Immersions-System mit einem Oeffnungswinkel von 82° 17' genau dieselbe Strahlenmenge auf wie ein ideales (tibrigens praktisck unmoglickes) Trockensystem mit einem Oeffnungswinkel von 180°. Die blosse Angabe des Oeffnungs- winkels eines Systems ohne Angabe, ob es sich um ein Trockensystem, um Wasser- oder Oel-Immersion handelt, giebt also keinen Ausdruck fur die Leistungsfahigkeit des Systemes. Aus diesem Grunde hat Abbe den Begriff der „numerischen Apertur" geschaffen. Derselbe beriicksichtigt zu gleichor Zeit den Oeffnungswinkel und den Breckungsexponenten des zwischen Deckglas und Objectivfrontlinse befindlichen Me- diums. Man erhiilt die numerische Apertur, wenn man den genannten Breckungs- exponenten mit dem Sinus des halben Oeffnungswinkcls multiplicirt. Der Grenzwertk der numerischen Aperturen betragt, wie sich aus dem Gesagten leicht ableiten 46 A. Allgemeines. Die Immorsions-Metliode ist von Amici, die homogene Immer- sion von Stephenson erfunden. Die ersten derartigen Objective wurden von Abbe1) und Zeiss construirt. Ausser dem Mikroskope braucben wir fur die Bakterienbeobachtung resp. fur die Darstellung von Bakterienpraparaten eine Reihe von Utensilien, deren notbwendigste etwa folgende sind : Objecttrager. Dieselben sollen von weissem Glase, etwa 1,2 mm (jedenfalls nicbt liber 1,5 mm) dick sein. Das gangbarste Format ist das sogenannte engliscbe (26:76 mm). Objecttrager mit hohlem Ansschliff (hohlgeschliffene Objecttrager). D e c k g 1 a s e r. Man benutzt am bequemsten quadratiscbe Deck- glaser von 18 mm Seitenlange. Die Dicke soli etwa 0,15 — 0,17 mm betragen. Sind die Deckglaser mebrere Hundertstel Millimeter dicker, so gelingt es oft bei Scbnitten nicbt mebr, das Object mit starken Objectiven in alien seinen Tbeilen einzustellen ; sind sie diinner, so zerbrechen sie zu leicht beim Remigen2 * * * * * 8) etc. Flascben, Glasschalcben, Glastricbter von verschie- dener Grosse. Weite Standgefasse von Glas mit eingesckliffenem Stopsel zum Harten von Organstiicken. Ivleine Glas flascben mit weitem Hals und iibergreifendem aufgeschliffenem glockenformigem Yerschluss zur Aufnahme von Ce- dernol und Canadabalsam. Hack Abnabme des Yerschlusses siebt ein kleiner, frei in der Flascbe stehender Glasstab zur Flaschen- offhung heraus, mit Hulfe dessen die genannten Flussigkeiten tropfen- weise herausgenommen werden konnen. Zwei Glasmensuren von 10 und 100 com Inhalt. • Uhrschalchen von c. 60 mm Durchmesser. Mehrere , kleinere und grossere , nicht zu stark federnde s) Pin- c e 1 1 e n. lasst, fur Trockensysteme 1,0, fiir Wasser-Immersionen 1,33, fur komogene Iminer- sionen 1,52. ') Abbe: Ueber Stephenson's System der homogenen Immersion bei Mikroskop- Objectiyen. (Sitz.-Ber. d. Jenaiscben Gesellscb. f. Med. u. Naturwiss. 10. Januar 1879.) 2) Die Deckglaser werden von Staub etc. am besten so gereinigt, dass man sie (in grosseren Mengcn) zunacbst mit Alkobol iibergiesst, den man daim von den einzelnen Glascben mit dem Lappen wegwischt. Gewobnlicb bleiben auf den Deck- glasern aucb bei dieser Bebandlung mit Alkobol noeh Spuren von Fett zuriick; die- selben werden am besten durch Erbitzen der Glaser in der nicbt lencbtenden Flamme des Bunsen’ scken Brenners entfernt. 8) Mit stark federnden Pincetten ist das Arbeiten, speciell das Halteu der Deckglaser etc., ein ausserordentlicb unbequemes. IV. AUgemeine Metkodik der Bakterienbeobachtung. 47 Eine sicli auf Druck offnende (sogenannte Cornet’scke) Deck- g 1 a s p i n c e 1 1 e. . Skalpells, Scheren. Feine Nahnadeln, Nadelhalter. Ein kleiner Messingspatel, dessen Ebene man etwa 2 cm vom Ende entfemt stumpfwinklig umbiegt. Platindrakte, nicbt zu dunn, etwa 60 — 70 mm lang, an Glasstaben angeschmolzen, z. Th. mit osenformig gebogenem Ende. Bnnsenbrenner oder Spirituslampe. Fliesspapier, Tuschpinsel, Leinwandlappen, Prapa- ratenetiketts, Cartons resp. Kastchen zur Aufhahme von Praparaten u. s. w. Sehr angenebm ist es ferner, ein gutes Mikrotom zur Hand zu haben. Hier sind besonders die Instrumente der Firmen Jung in Heidelberg, Schanze in Leipzig, Becker in Gottingen zu nennen. Die von Schanze (Weigert’ sches Mikrotom) sind die compen- diosesten und fiir unsere Zwecke gebrauchlichsten. Der wichtigste Theil des Mikrotoms ist das Messer , auf dessen Instandhaltung man die grosste Sorgfalt verwenden muss. Bei dem Mangel eines Mikro- toms kann man sicli aucli mit einem guten Rasirmesser, dessen Klinge auf der einen Seite plan geschliffen ist, behelfen. Ausserdem brauchen wir eine Reilie von Chemikalien, deren wichtigste nachstehend aufgefukrt sind: Destillirtes Wasser. Alcohol aksolutus. Ather. Chloroform. Xylol. Officinelle Salz-, Salpeter- und Schwefelsaure. Eisessig (Essigsaure). Kali aceticum. Kah- oder Natronlauge. Ammoniak. Jod. Farbstoffe: Carmin, Pikrinsaure , Eosin, Methyl- oder Gentiana- violett, Fuchsin, Methylenhlau, Bismarckbraim (Yesuvin). Die Chemikalien, namentlich die fliissigen, bewahren wir in Glas- flaschen mit Glasstopsel auf. Der Arbeit stisch, an welchem wir mikroskopiren , entspricht in seiner Hbhe einem gewohnlichen Schreibtische. Der Arbeit s- Jodkalium. Glycerin. Anilin (Anilinol). Carbolsaure (Phenol). Cedernol. Nelkenol. Canadabalsam. Gunnni arabicum. Celloidm. Vaselin. Yerschlusslack. 48 A. Allgemeines. stuhl soil so hocli spin, class wir, auf demselben sitzend, bequem in das vertikal anfgestellte Mikroskop hineinseben konnen. Die modernen besseren Mikroskope sind zwar sammtlich mit Einricbtung zum „Umlegen“ verseben. Yon dieser Einrichtung vvircl speciell fur mikrophotograpbiscbe Zwecke ein ausgedehnter Gebrauch gemacht. Hier stellt man den Tubus des Mikroskopes gewohnlicb horizontal. Eine geringe Schragstellung des Mikroskoptubus ist sehr angenehm fur die Beobachtung; sie kann aber in der Regel nur dann zur An- wendung gelangen , wenn es sich um die Durchmusterung fertiger, fester Praparate liandelt. Wahrend des eigentlichen mikroskopischen Arbeitens, wo es sich stets um mehr oder weniger fliissige resp. ver- schiebhche Objecte handelt, wird man den Objecttisch stets in horizon- taler, den Tubus also in vertikaler Stellung belassen miissen. 2. Beobachtung der Bakterien im lebenden Zustande. Der hangende Tropfen. Wirkungsweise des Abbe’schen Beleuchtungsapparates. Wenn es sich darum handelt, irgend welche Bakterien zu unter- suchen, so muss man sich zunachst, wenn es irgend ausfiihrbar ist, ein Bild von dem Aussehen derselben im frischen, lebenden Zustande zu verschaffen suchen. Denn nur am lebenden Material kann man Aufschluss erhalten fiber die Frage , ob Eigenbewegimg da ist oder nicht, nur im frischen Zustande kommen etwaige Unter- schiede in dem Lichtbrechungsvennogen verschiedener Theile der Bakterienzelle zum Ausdruck, nur im frischen Zustande kann man iiber die Art der Zusammenlagerung der Bakterien in grosseren Yer- banden (Zoogloen etc.) Genauestes erfahren. Ausgeschlossen ist freilich die Beobachtung lebender Bakterien in situ in Schnitten thierischer Organe. Wir werden weiterhin noch sehen , dass man zur Sichtbar- machung ungefarbter, in situ behndlicher Bakterien in Schnitten die letzteren so eingreifenden Manipulationen unterwerfen muss, dass von einem weiteren Fortbestande des Lebens der Bakterien dabei keine Rede sein kann. Will man die in thierischen Organ en enthaltenen Bakterien lebend untersuchen, so muss man Theilchen der frischen Organe mit Wasser oder indifferenten Flussiglceiten (0,75 proc. Koch- salzlosung, Bouillon) zerreihen, um dadurch die Bakterien, von den Korperzellen isolirt, in der Flussigkeit suspendirt zu erhalten. Die mikroskopische Beobachtung lebender Bakterien ist also auf bakterienhaltige Fliissigkeiten beschrankt, die entweder bereits fertig vorhegen, oder die man sich durch Yerreiben bakterienhaltigen 49 IV. Allgeineine Methodik dor Bakterienbeobachtung. Materials in wassrigen Fliissigkeiten erst herstelt. Will man sich zunachst iibungsweise mit diesen Dingen beschaftigen , so empfiehlt es sich, Scheiben gekochter Kartoffeln, welche in der weiter nnten zu besprechenden Weise hergestellt sind, einige Stunden der Luft aus- zusetzen und dann in der feucbten Kammer einige Tage lang bei Zimmei temperatur stehen zu lassen. Es haben sich dann aus den einzelnen Keimen, welche aus der Luft auf die Kartoffel nieder ge- iaUen sind, Colonien von Bakterien entwickelt, welche als an Hohe, Flachenausdehnung , Farbe mehr oder weniger verschiedene Haufchen erseheinen. Ein jedes Haufchen zeigt sich dann aus Individuen einer bestimmten Art resp. Form zusammengesetzt. Durch Yerrfihren kleinster Quantitaten solcher Bakteriencolonien in einem Tropfchen Wasser oder Aehnlichem lassen sich dann far die mikroskopische Beobachtung ge- eignete Objecte herstellen. Weiter empfiehlt es sich, etwas Heu, Reis, Erbsen, Brot, Fleisch oder Aehnliches mit Wasser zu versetzen und die resp. Infuse mehrere Tage lang an einem warmen Orte stehen zu lassen. Es entwickelt sich dann in den Lifusen ein mehr oder weniger reiches Baktenenleben, und jedes Tropfchen solcher Fliissigkeiten bietet em ausgezeichnetes Object fur das Studium von Bakterien im lebenden Zustande. Die Methode, deren man sich zur mikroskopischen Untersuchung lebender, m Fliissigkeiten suspendirter Bakterien fast ausschliesslich bedient, ist die des h augend en Tropfens. Urn em derartiges Praparat anzufertigen , nimrnt man zunachst emen hohlgeschliffenen Ob j ecttr ager , dessen Hohlung man mit gelbem Vaselin mittels eines Tuschpinsels umzieht, und den man dann vorlaufig bei Seite legt. Nun wird ein reingeputztes (cf. p. 46) eckglas horizontal auf den Tisch gelegt und mittels der Platinose em kleines Tropfchen der bakterienhaltigen Fliissigkeit auf die Mitte ces Deckglases gebracht; hat man keine bakterienhaltige Fliissigkeit, son em mehr consistente Culturen oder frische Thierorgane etc. vor sk i, so bringt man, wie oben bereits be'sprochen, zunachst ein Tropf- c en reines Wasser1), Kochsalzlosung oder Bouillon mit der Platinose an c as Deckglas und verreibt dann (am besten mittels eines gerade enc encen Platindrahtes) in dem Tropfchen eine Spur der Bakterien- massc resp. des Organs, um eine Suspension der Bakterien in der . , , ^ (le8ti,brto Wasser, wie es in den Laboratorien vorriithig gelialten wird ist besonders wenn es bereits eine Reiko von Wochen bei Zinnnertemperatur ge- Bakterien ^nth' n ‘ h®8fin Zweck nicht empfeblcn , da es gowbhnlich zu zablreiobe naktenen entl.alt. Im Gegensatz dazu ist gates Xeitungs- oder Brunnemvasser sebr an eimen und deshalb ft'ir den vorliegenden Zweck sebr gut zu braucken GUnthor, Bakteriologie. 50 A. AUgemeines. Flussmkeit zu erlialten. Hierbei sebe man darauf, dass man mog- lic]lSDt we nig, wirklich nur Spuren der Bakterienmasse etc. m der Flussigkeit vertbcilt, weil es sonst sehr schwer, haufig unmoglich wird. die Individuen mikroskopisch isolirt zu Gesicht zu bekommen und sich von ilirer Form etc. ein Bild zu versehaffen. Nachdem der Tropfen bergestellt ist, wird der hohlgeschliffene Obiecttrager , die Hohlung nacb unten gekebrt, mittels des Yaselms so auf das Deckglas geklebt, dass das bakterienhaltige Tropfchen o-enau in der Mitte des Ausscbliffs liegt. Nun wird der Objecttrager rascb (urn ein Zerfliessen des Tropfchens zu vermeiden) umgekehrt, und das Praparat ist dann zur Beobacbtung fertig. Das Tropfchen biingt, zur Beobacbtung bereit, vor Yerdunstung geschutzt, frei am Deckglase. , . n .. Die Platindrahte werden vor und nach jedesmabgem Oe- braucbe ausgegliibt; bevor man sie nach dem Ausgliiben anwendet, muss man sie wieder erkalten lassen. Dm den hangenden Tropfen mikroskopisch zu untersuchen, vei- fahrt man am besten so, dass man zunachst mit scbwacbem Objectiv- system den Rand des Tropfens aufsucht, urn diesen Rand nacb- ber der Beobacbtung bei starker Yergrosserung zu unterwerfen. Sehr bequem und fast unentbebrlicb hierfar ist die zum scbneRen Wechseln der Objective bestimmte, oben (p. 44) erwabnte Revolvervorncbtung, welche den besseren Mikroskopen heutzutage als integrirender Bestand- tbeil stets beigegeben wird. Den Rand des Tropfens wablt man zur Untersuchung mit starken Yergrosserungen einestheils desbalb, weil der Tropfen am Rande am diinnsten ist, und sicb Objecte, die erne moghchst diinne Scbicht reprasentrren , zur Untersuchung nut stark vergrossernden Objectiven naturgemass am besten eignen; anderntbeds bietet der Rand des Tropfens wegen seiner Diinne den emzelnen Bakterienindividuen keinen so weiten Spielraum zum Durcheinander- scbwirren etc. wie die iibrigen Tlieile des Tropfens; man wird also am Rande die Formen, um die es sicb handelt, gewohnlich zum Tbeil in Rube liegen seben, wabrend man, nach der Mitte des Tropfens zu weitergehend, das Bakterienleben allmahlich innner mebr in dem natiirlicben , durcb die CapiMritatsverbaltnisse des Randes unbeem- ilussten Lagerungs- und Bewegungszustande erbliclct. Dem Anfanger nicht geringe Scbwierigkeiten verursacbt nun das Einstellen des Pr aparates. Es handelt sicb dabei um dreierlei verscbiedene Dinge : erstens soil die r i c b t i g e S t e 1 1 e des Ob- jecte s zur Einstellung gelangen ; zweitens soli das Bild des Objectes dem Auge scbarf erscheinen, d. li. das Objectiv des Mikroskopes soli IV. Allgememe Metbodik der Bakterienbeobacbtung. 51 den r i c h t i g e n A b s t a n d v o m 0 b j e c t e kaben ; drittens soil die Beleuchtung des Objectes die richtige, zweckentspreckende sein. Die ersten beiden Punkte sind relativ leickt zu erledigen. Man muss den mittleren Abstand der versckiedenen Objective vom Objecte ungefakr kennen; man stellt die Objectebene dann zunachst mit schwachem Objectiv unter Benutzung des groben Tubustriebes ein und riickt das Praparat dann mit der Hand so, dass die zu untersuckende Stelle, in unserem Palle also erne Stellc des Tropfenrandes, genau in die Mitte des Gesicktsfeldes komrnt. Mit Vortkeil wird man sick kierbei eines sckwacken Oculars bedienen. 1st die richtige Stelle des Praparates centrisck eingestellt, so gekt man mit dem Tubus unter Benutzung des groben Triebes etwas nacli oben, weckselt dann unter Benutzung des Revolvers das sckwacke System gegen das Immersions- system urn, bringt auf das Deckglas centrisch einen kleinen Tropfen Cedernol und sckraubt nun mit Hiilfe des groben Triebes den Tubus so lange abwarts , bis die Frontlinse des Immersionssystemes in das Oel eintaucht. Dies letztere beobacktet man von der Seite her; man muss dazu die Augen etwa in Hoke des Ob.jecttisckes bringen. 1st eke Oelverbindung zwischen Deckglas und Objectiv hergestellt, so sckraubt man den Tubus wieder etwas in die Hoke, okne jedock eke Oelver- bmdung zu zerreissen, und bringt nun das Auge wieder uber das Ocular. Man sckraubt nun (am besten, indem man beide Hande an eke Schraube des groben Triebes bringt), wakrend man in das Mikro- skop kmeinsiekt, den Tubus ganz langsam und vorsichtig nack abwarts, bis das Bild ersekeint; in diesem Augenbkck liisst man den groben Trieb los und bewirkt nun eke feinere Einstellung mit Hiilfe der Mi- krometerschraube. ') Die genannten Manipulationen , welcke eke richtige Einstellung des Praparates und des Objectives zum Zwecke kaben, setzen jedock eine richtige, zweekmassige Beleuchtung voraus. Okne dass man die ’j 'Von vornherein gewohne man sich, das Auge, welches beim mikro- skopischen Sell en unbetlieiligt ist, wiihrend des Mikroskopirens often zu balten. Nur ganz zu Anfang wird man durcb das von diesem Auge porcipirte Bild et.was gestdrt; bei einiger Uebung kommt Einem dieses Bild gar nicht rnehr zum Be\v usstsein. Es ist aber ein niebt bocb genug anzuschlagender Vortbeil mit der Befolgung dieses Rathes verbunden. Beim mikroskopiseben Seben soli namlich, dumit das Auge von unniitzer Anstrengung mogliebst frei, das Arbeiten ein mog- ic ist bequemes sei, die Accommodation viillig erscblafft sein, das Auge soil auf die Dune eingestellt sein. Eine volligo Erscblaffung der Accommodation ist aber nur < ann zu erreicben . wenn die gesammte Augenmuskulatur sicb im Zustande der uihe befindet, wenn also auch der Scbliessmuskcl des anderen Auges ausser Tb;iti*>- keit ist. ° 4 * 52 A. Allgemeines. Beleuchtung , wenigstens annahemd, zunachst regulirt hat, sind diese Manipulationen z. Th. gar nicht ausfiihrhar. Wir musscn uns deshalb mit der Beleuchtung etwas eingchender beschaftigen. Der Beleuchtungskorper des modernen Mikroskopes besteht, wie bereits erwahnt, aus einem Spiegel, welcher die Strahlen der Licht- quelle auffangt, und aus einem Linsensystem (Abbe’scher Beleuchtungs- apparat), in welches hinein die Strahlen von dem Spiegel aus geworfen werden, um schliesslich auf einer relativ kleinen Stelle des Objectes concentrirt zu werden. Es ist nun, wie uns Rob. Koch1) gelehrt hat, das erste Erfordemiss zum Zustandekommen eines guten Bildes — dies gilt fur jeden einzelnen Fall, wie auch die Verhaltnisse im Uebrigen liegen mogen — , dass die von der Lichtquelle ausgehenden Strahlen in der Objectebene vereinigt werden, d. h. dass ein mog- lichst scharfesBild der Lichtquelle in der Objectebene entsteht. Wenn ich mit schwachem Systeme das Object scharf ein- gestellt babe, so muss ich also den Beleuchtungskorper meines Mikroskopes so disponiren, dass ich ausser dem korperlich vorhandenen Objecte noch das (reelle) durch den Beleuchtungskorper in das Object projicirte Bild der Lichtquelle erblicke. Ist die Lichtquelle vom Mikro- skope weiter entfernt, wird sie z. B. durch weisse Wolken dargestellt, so liegt der Yereinigungspunkt ihrer Strahlen naher an der oberen Linse des Abbe’schen Apparates, als wenn die Lichtquelle naher am Mikroskope steht, z. B. durch die Flamme einer auf dem Tische stehen- den Petroleumlampe 2) reprasentirt wird. In dem ersteren Falle muss also der Abbe’sche Apparat hoher, dem Praparate naher, im zweiten muss er tiefer, von dem Praparate weiter entfernt stehen. Diese Ueberlegung erweist die Nothwendigkeit, dass der Abbe sche Apparat verschieblich sei. 3) Es ist an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, dass der Brennpunkt des Abbe’schen Apparates fur parallel eintretende (d. h. z. B. von einer entfernten Wolke lierkommende) Strahlen sehr nahe J) Cohn’s Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1877. p. 410. -) Als Lichtquelle benutzt man bei Tage am besten eine belle Stelle des Himmels (weisse Wolken etc.). Directes Sonnenlicht ist fiir die Zwecke der Beob- achtnng nie zu benutzen. Bei Abend benutzt man als Lichtquelle am besten eine gewohnliche Petroleumlampe (Studirlampe). Ein auf die obere Ocularlinse gdegtes oder im Blendungstrager angebrachtes schwach blaues (Cobalt-) Glas dampft die gelben Strahlen der Flamme und erleichtert das Mikroskopiren bei Lampenlicht sehr. 3) Im Nothfalle kann das Abbe’sche Beleuchtungssystem durch eine unter der Tischoffnung angebrachte halbkuglige Linse, deren plane Seite nach oben ge- kohrt ist, und die, in einer Hiilse gefasst, auf- und abwarts verschiebbar ist, ersetzt werden. IV. Allgemeine Methodik dor Bakterienbeobachtung. 53 (in etwa 2 mm Entfernung) an seiner oberen Linse iiegt. l) Damit die Strahlen aber wirklich parallel in den Abbe’ schen Apparat eintreten, ist es nothwendig, dass wir die Strahlen der Wolke mit einemPlan- s pie gel auffaugen und sie dann in den Abbe’ schen Apparat schicken. Das Mikroskop trag-t nun in seiner Spiegelfassung gewohnlich zwei Spiegel, namlich einerseits einen Plan-, andrerseits einen Hohlspiegel. Wiirden wir den letzteren in unserem Falle anwenden, so wiirden wir deni Abbe’ schen Apparate nicht parallele , sondern convergirende Strahlen zuschicken, und der Brennpunkt derselben wiirde naturgemass dami noch viel naher an der oberen Linse des Abbe’ schen Apparates liegen, d. h. so nahe, dass an ein Zusammenfallen dieses Brennpunktes mit der Objectebene — da doch unsere Objeettrager eine gewisse Dicke haben mussen — nicht melir zu denken ware. Es ergiebt sich aus dieser Betrachtung ohne Weiteres die Nothwendigkeit, bei Be- nutzung des Abbe ’schen Beleuchtungsapparates stets den Plan- spiegel, nie den Concavspiegel anzuwenden. 2) Die Beleuchtung ist also , wenn wir zunachst mit schwachem Objective das Prapaiat betrachten, so einzurichten, dass wir den Plan- spiegel benutzen und den Abbe’ schen Apparat in eine solche Hohe bringen, dass wir mit dem Bilde des scharf eingestellten Objectes zu- gleich ein moglichst scharfes Bild der Lichtquelle erblicken. Nun bleibt aber noch ein sehr wesentlicher Pimkt beziiglich der Beleuchtung zu beriicksichtigen , d. i. die richtige Disponirung der nnterhalb des Abbe’ scben Condensorsystems , zwischen diesem und dem Beleuchtungsspiegel, befindlichen B 1 en dun g s vo r rich tun g. Wenden wir den Abbe ’schen Apparat ohne jede Abblendung an („offener Condensor"), so kommt die ganze Menge der in die ’) Die Pinna C. Zeiss fertigt drei verschiedene Condensorsysteme an; die- selben unterscheiden sich in der Brennweite sowie in der numerischen Apertur (cf. oben p. 45, Anm. 2.) von einander. Die oben im Text gemachte Angabe beziebt sich aid den Condensor mit der Apertur 1,20; ausserdem wird ein Condensor von 1,40 num. Ap. und von etvvas kiirzerer Brennweite als der des vorhergehenden, end- lich ein (achromatischer und centrirbarer) Condensor von 1,0 num. Ap. angefertigt. Der letztere dient hauptsiichlich mikrophotographischen Zwecken , wiihrend die beiden erstgenannten hauptsiichlich beim gewohnliehen mikroskopischen Arbeiten benutzt werden. Fur Arbeiten bei Lampenlicht ist im Allgomeinen der Condensor von 1,20 num. Ap. dem von 1,40 num. Ap. vorzuziehen. ) Nur beim Beobachten mit ganz schwachen Objectiven, wo der Planspiogel besonders bei Verwendung von Lampenlicht — oft nicht das ganze Sehfeld gleichmassig zu beleuchten erlaubt, ist es gestattet den Hohlspiegel zu verwenden, ,,welcher ausschliesslich fiir dicsen Zweck am Apparat angebracht ist.“ (C. Zeiss, Gebrauchsanweisung fiir den Abbe ’schen Bolouchtungsapparat.) 54 A. AUgemeines. untere Linse desselben eintretenden Lichtstrahlen zur AYirkung auf das Object. Die kleine Stelle des Objectes, in welcber sich diese Licht- strablen vereinigen, wird dann mit Licbt nberschiittet , welches von alien einzelnen Pnnkten der obersten Linsenfiache des Abbe schen Apparates herkommt. Da nun diese Linsenflache eine ziemliche Aus- dehnung hat und deni VereinigungSpunkte der von ihr ausgehenden Strahlen sehr nahe liegt, so besitzt der in das Object gelangende Strahlenkegel einen selir stnmpfwinkligen Scheitel. Die Randstrahlen dieses Kegels sind also den ihnen gegeniiberliegenden Randstrahlen nahezu entgegengesetzt gerichtet und paralysiren dieselben in ihren Diffractionswirkungen nahezu vollstandig. Handelt es sich nun um die Darstellung solcher Objecttheile, die sich nur durch Differ enzen in dem Lichtbrechungsvermogen, nicht durch Differenzen in der Far bung von ihrer Umgebung unterscheiden, die also iiber- haupt nur durch Dififactionserscheinungen, welche an ihren Grenzen zu Stande kommen, sichtbar werden konnen , so ist naturgemass der voile, unabgeblendete Abbe’sche Condensor nicht am Platze. Derselbe verhindert das Zustandekommen der I) iffracti on ser schein u n gen . d. h. er macht die ungefarbten Objecte mehr oder weniger unsichtbar. AVollten wir uns dagegen solche Objecttheile vor Augen fiihren, die sich durch (he Far bung von ihrer Umgebung unterscheiden, so wur- den diese gefarbten Dinge, die fur.ihre Sichtbarkeit irgend welcber Diffractionsersoheinungen nicht bedurfen , bei der geschilderten Be- leuchtung in Folge der gleichzeitigen Ausloschung der Contouren der ungefarbten Objecttheile ganz besonders deuthch, isolirt zur Erscheinung gelangen. Der Erste, welcher diese Yerhaltnisse erkannt, scharf defhnrt und far die Zwecke der practischen Mikroskopie brauchbar gemacht hat. war Rob. Koch.1) Die Beleuchtung mit vollem Abbe'- schen Condensor vernichtet das „Structurbild“, isolirt das „Farbenbild“. Diese Beleuchtung wird also iiberall da am Platze sein, wo es sich um Darstellung gefarbter Theile des Objectes gegeniiber ungefarbten handelt, z. B. bei der mikroskopischen Dar- stellung von gefarbten Bakterien , die in Schnitten thierischer Organe enthalten sind. Hier werden wir den vollen Abbe’ schen Condensor, zumal wenn es sich um relativ (d. h. gegeniiber den Gewebszellen) sehr kleine Bakterien handelt, nicht entbehren konnen; denn allein diese Beleuchtung loscht die Contouren der ungefarbten Gewebstheile ') Untersuchungen iiber die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig. 1878. p. 32 ff. 1Y. Allgemeino Method ik der Bakterienbeohachtung. 55 (die, wenu sie sichtbar sind, kleine gefarbte Bakterien sekr gut ver- decken konnen) aus und lasst die gefarbten Theile dafiir desto deut- licher hervoxtreten. Wollen wir aber ungefarbte Objecte oder Objecttheile zur Anscbauung bringen, so diirfen wir den vollen Abbe’ schen Condensor nicht anwenden. Wir bringen dann ein Diaphragma mit ziemlich enger centraler Oeflhung (gewohnlich einfacb „enge Blende" genannt) unter den A b b e ’ schen Beleuchtungsapparat. Es werden so die Rand- strahlen abgeblendet, und es kommt dann auf das Object nur eine relativ kleine Menge centraler Lichtstrahlen, ein sehr spitzwinkliger Strahlenkegel, zur Wirkung; dieser unterscheidet sich in seiner Wir- kung nicht wesentlich von einem Biindel paralleler Lichtstrahlen und lasst die Contouren ungefarbter Objecttheile deutlich zur Anschauung kommen. Kehren wir nun zu unserem hangenden T r o p f e n zuriick, so haben wir hier eine Fliissigkeit (Wasser etc.) vor uns, in welcher Bakterien suspendirt sind. Die Fliissigkeit sowohl wie die Bakterien sind ungefarbt. Die Darstellung der letzteren erfordert es also, die Beleuchtungsverhaltnisse so einzurichten, wie sie zur Sichtbarmachung des „Structurbil des“ nothwendig sind; d. h. wir diirfen hei der Beobachtung des hangenden Tropfens nicht den vollen Abbe ’schen Condensor anwenden, sondern miissen denselben durch eine enge Blende abblenden. 1) Das Y erfahren der mikroskopischen Einstellung des hangen- den Tropfens wiirde sich also folgendennassen gestalten: *) Die „enge Blende" hat fiir verschieden starke Objectivsysteme verscliie- dene Weite. Da namlich der maximale Beleuchtungskegel, den ein schwaches Ob- jeetiv aufzunehmen vermag, ein engerer ist als der, den ein starkeres System aufzu- nehmen vermag, so ist der Abbe’sche Condensor fur ein schwaches System bereits als „offen“, als unabgeblendet zu betrachten hei Anwendung einer Blendenweite, die, bei starkerem System in Anwendung gebracht, hier nicht dem vollen Beleuchtungs- kegel, sondern nnr einem centralen Theile desselben den Durchtritt gestattet. Ob bei einer bestimmten mikroskopischen Beobachtung der fiir das gerade benutzte Ob- jectivsystem „ voile" Beleuchtungskegel in Wirkung ist (ob „die Apertur des Systems [cf. p. 45, Anm. 2] voll ausgenutzt" ist), priift man am besten so. dass man das Ocular aus dem Tubus entfernt und dann in don Tubus central hineinsieht. Er- scheint die obere Linse des Objectivsystems in ihrer ganzen Ausdehnung von Licht erfiillt, so ist der voile Beleuchtungskegel in Wirkung. Ist der Beleuchtungskegel melir oder woniger reducirt, so findet man nur eine kleinere oder grossere centrale Partie der oberen Objectivlinsc von Licht erfiillt. — Die „enge“ Blende hat bei schwachem Trockensystem (Zeiss A, Leitz 3) zweckmiissig etwa Stecknadelkopf- grbsse, bei Oelimmersionssystcmen zweckmiissig etwa Erbsengrbsso. 56 A. Allgemeines. 1) Abblendung des Condensors mit enger, etwa stecknadelkopf- grosser 1), Blende. 2) Sckarfe, centrale Einstellung des Tropfenrandes mit schwachem System und Planspiegel. 3) Regulirung der Stellung des Abbe'scken Apparates (Ein- stellimg des Bildes der Lichtquelle in die Objectebene). 4) Centrirung des Bildes der Lichtquelle durch Regulirung der Spiegelstellung. 5) Hochschrauben des Tubus und Auswechseln des schwachen Systems gegen das Immersionssystem. 6) Erweiterung der Blende bis zu etwa Erbsengrosse. 2) 7) Bringen eines Tropfens Cedemol central auf das Deckglas. 8) Vorsicktiges Niederschrauben des Tubus mit Htilfe -des groben Triebes bis zum Eintauchen des Systems in das Oel. Zuruckschrauben des Tubus, ohne die Oelverbindung zu zerreissen. 9) Vorsicktiges, langsames Niederschrauben des Tubus mit Hulfe des groben Triebes bis zum Erscheinen des Bildes im Mikroskope. 10) Loslassen des groben Triebes und letzte Regulirung der Ein- stellung durch die Mikrometerschraube. 11) Sollte das Gesichtsfeld sick nicht an alien Stellen gleicli- massig beleucktet zeigen, so kann man diesen Feliler durch minimale Verstellung des Spiegels ohne Weiteres beseitigen. Es rnoge hier ein fur alle Mai darauf hingewiesen werden, dass man sick bei der mikroskopischen Betrachtung eines jeden Objectes — besonders wenn starke Objective zur Verwendung kommen — zu- naclist stets eines mbgkckst sckwacken Oculars bedient. Das schwacke Ocular hat dem starken gegenuber eine grosse Menge Vor- tkeile : Das Bild ist licktstarker imd scharfer ; die Sckarfe wird weniger von geringen Versckiebungen der Mikrometerschraube beeinflusst; das Gesichtsfeld umfasst einen grosseren Tkeil des Objects ; alles in allem: das Arbeiten mit schwachem Ocular ist leichter, angenekmer imd bequemer als mit starkem. Speciell auch das Durchmustern eines Praparates ist bei Anwendung eines sckwacken Oculars er- keblick leichter. Es ist also eine feststekende Regel, dass man zu- nackst immer das schwacke Ocular benutzt. Stosst man dann auf eine Stelle , die man bei starkerer Vergrosserung betrackten mockte, so weckselt man die Oculare aus, greift aber sofort wieder auf das J) cf. p. 55, An m. 2) cf. p. 55, Anm. IV. AUgemeine Methodik der Bakterienbcobachtiing. 57 schwacke Ocular zuriick, wenn man weiterc Theile des Praparates betrachten will. Will man nach der Beobacbtung des bangenden Tropfens das am Deckglas bangende Bakterienmaterial vernichten, so gebt man zu diesem Zwecke am besten in folgender Weise vor : Man drebt das auf dem boblgeschliffenen Objecttrager mit Yaselin angeklebte Deckglas unter Zuhulfenahme zweier Finger so weit um seinen Mittel- punkt, bis eine Ecke des Deckglases fiber die Objecttragerkante her- iiberragt. Der bangende Tropfen selbst muss hierbei dauernd in der Mitte des Objecttragerausschliffs bleiben und darf den Objecttrager selbst nicbt berfibren. Dann erfasst man das Deckglas an der hervor- ragenden Ecke und b e b t es langsam vom Objecttrager ab. Das Deck- glas mit dem Bakterienmaterial wird in ein Gefass mit Desinfections- fbissigkeit versenkt, der vaselinirte Objecttrager kann ohne Weiteres fiir einen neuen Yersucb yerwendet werden. 3. Das gefarbte Deckglas-Trockenpraparat. Die Anilinfarben, Das Princip der maximalen Beleuchtung. Haben wir uns durcb die Untersuchung des bangenden Tropfens iiber das Ausseben eines Balrteriengemisches im lebenden Zustande informirt, baben wir uns, wenn es sick um eine bestimmte Bakterien- art bandelt, durcb die genannte Metbode von eventuell bestehender Eigenbewegung etc. iiberzeugt, so geben wir daran, uns ein Dauer- praparat fin- unsere Sammlung anzufertigen. Ein solches Dauer- praparat bat aber nicbt nur den Zweck, eine dauernde Erinnerung an resp. einen dauernden Beleg fur einen bestimmten Befund zu bilden oder als unveranderbcbes Demonstrationsobject zu dienen. Wir sind vielmehr fur mancbe Zwecke direct gezwungen, uns ein solcbes Pra- parat anzufertigen. Wenn wir z. B. Bakterien pbotograpbiscb abbilden wollen, so miissen wir sie (in der Regel) aus dem beweglicben Zu- stande, in welchem sie im bangenden Tropfen vorbanden sind, in einen lixirten Zustand iiberfiibren, sie dauernd festlegen. Wenn wir fest- stellen wollen, ob ein Sputum Tuberkelbacillen entbalt oder nicbt, so bedfirfen wir hierzu eines Verfahrens, in welcbem die dauernde Fixirung des Untersucbungsobjectes einen wesentlichen Punkt bildet. Die Methode, welche wir anwenden, um bakterienhaltige resp. auf Bakterien zu untersuohende Flfissigkeiten in die Form des Dauerpra- parates zu bringen, stammt von R. Koch.1) Kocb fand, dass ') Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1877. p. 401 (T. — Mittk. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 5. 58 A. Allgemeines. Bakterien, die in diinner Schicht am Dockglase angetrocknet werden, in ihren Formen sehr gut erkalten bleiben und sicb dann, am Deck- dase fixirt, farben und ausgezeichnet conserviren lassen. Zur Herstellung eines solehen „Trockenpraparates“ taucht man den eben ausge- gluhten und wieder erkalteten Platindraht mit der Spitze in die bak- terienhaltige resp. zu untersucbende Fliissigkeit (Blut, Eiter, Sputum, Gewebssaft, bakterienbaltiges Pflanzeninfus, Faulfliissigkeit etc.) ein und streicht das am Drahte bangen gebliebene Material in moglickst diinner Scbicbt auf einem rein geputzten1) Deckglase2) aus. Es empfieblt sicb bierbei, nicbt nur die wirklicbe Spitze des Drahtes zum Ausstreichen zu benutzen, sondern das Ende des Drabtes in Lange von etwa 1 cm flacb auf das Deckglas aufzulegen und dieses letzte Stuck des Drabtes in seiner ganzen Ausdebnung zum (quer gericbteten) Ausstreichen der Fliissigkeit zu verwenden. Haben wir consistenteres Material zu unter- sucben, z. B. Colonien von der Kartoffel etc., so miissen wir dieses Material, ahnlicb wie dies auch bei der Herstellung des hangenden Tropfens gescbab, zunachst in fliissige Form bringen. Wir bringen zu dem Zwecke zunachst (mit Hiilfe des Platindrahtes) ein ldeinstes Tropfchen reines Wasser auf das Deckglas und verreiben nachher in diesem Wasser und mit demselben ein kleinstes Partikelcken des zu untersuchenden Materials, indem wir fur moglichste Flachenausbreitung desselben in moglicbst diinner Schicht Sorge tragen. 3) 1st das Material auf dem Deckglase vertbeilt, so konnnt der zweite Act des Verfahrens: das Trocknen des vertheilten Materials. Dasselbe soli bei gewohnlicher Temperatur an der Lnft gescbeben, nicbt unter Erhitzung in der Flamme. 4) Gewohnhch sind nur Bruch- x) cf. p. 46, Anm. 2. 2) Manche Praktiker pflegen das Material behufs spiiterer Farbung und Unter- suckung nicbt aof dem Deckglase, sondern auf dem Objecttrager a usz li- st reichen. Diese Praxis hat sicb vielfacb, einestkeils um Deckglitser zu sparen, anderntkeils um die Arbeit abzukiirzen, eingebiirgert. Die ricbtige „Fixirung‘f (siebe p. 59) des so disponirten Materials ist etwas scbwieriger als die Fixirung des auf dem Deckglase ausgestricbenen Materials. Nacb der Farbung, Abspiilung und Trocknung (s. xveiter unten) soldier Objecttragerpraparate wird das Immersionsoel (obne Zwiscben- lage eines Deckglases) direct auf die gefarbte Scbicbt gebracbt. Die Metbode ist zuerst von Neisser (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 4. 1888. p. 174) angegeben. 3) Wenn wir wiisseriges Material vor uns baben, so gelingt eine gleicbmiissige Au8breitung nur dann, wenn das Deckglas vollkommen rein ist. Das Letztere wird am schnellsten und besten durch Erbitzen des Glaschens in der Flamme erreicbt (cf. p. 46, Anm. 2). 4) Eine ganz leicbte Erwannung zum Bescbleunigen des Trocknens ist gestattet. Man darf das Priiparat z. B. in der erwiirmten Luft, welcbe sicb etwa 60 cm iiber der Flamme des Bunsenbrenners befindet, trocknen. IV. AUgemeine Method ik dor Bakfcerienbeobachtung. 59 theile einer Minute clazu erforderlich, das Praparat „lufttrocken“ werden zu lassen. 1st das Praparat lufttrocken gevvorden, so kommt Punkt 3 an die Reike: das Fixiren der Sckickt. Wir wollen namlich die Bakterien- schicht kinterher farken ; zum Zwecke der Farkung muss aker die Sckickt mit wasserigen Farh stoff'l 6 sun gen und dann mit Wasser kespiilt werden : und dakei werden, wenn man nickt besonders fiir eine Fixirung der Sckickt gesorgt kat, sekr kaufig — es krauckt dies nickt immer zu gesckeken, gesckiekt aker oft — Tkeile dieser Sckickt her- untergespult. Um das zu vermeiden, wird die Sckickt durck Er- k i t z u n g fixirt, d. k. es werden die sckleimigen Hiillen der Bakterien, vermoge deren dieselken am Glase festgeklekt sind, in Wasser weniger quellkar gemackt, so class eke Bakterien nun fester am Glase kaften. Koch fiikrte diese Erkitzung ein nack dem Yorgange von Ehrlich1), welcker ckeselbe speciell fiir Blutpraparate als ein zweckmiissiges Fixinmgsmittel gefunden katte. Man kann zum Zwecke der Fixirung die Deckglaser 2 — 10 Minuten in einen auf 120 — 130° C. erwcirmten Trockensckrank kringen. Es geniigt jedock fiir die allermeisten Fiille eine viel einfackere Metkode : Das mit der Pincette 2) gefasste , hori- zontal gehaltene Deckglas wird, mit der Sckickt nack oben gekekrt, dreimal kintereinander durck die nickt leucktende Flamme ties B un- sen ’scken Gasbrenners oder durch erne lcraftige Spiritusflamme gezogen. Man keschreibt dabei mit der Hand unter stetiger Bewegung dreimal einen vertikal gestellten Kreis, der einen Fuss im Durckmesser hat, und den die Hand jedesmal in einer Seknnde zurucklegt. Diese genaue Angabe der Geschwincligkeit der Bewegung stammt von Jokne3), welcher dieselke in seinen Erinnerungen an die ersten „Choleracurse“ im Iv o c k 1 scken Institute aufgezeichnet hat. Man konnte versucht sein, eine derartig genaue Yorsckrift fur die Scknelligkeit , mit der man das Deckglas durck die Flamme zu zieken kat, fur uberfliissig zu halten. Dieselbe ist jedock nichts weniger als uberfliissig. Erkitzt man das Praparat hei dem „ Fixiren “ zu stark, so bit s sen die Bakterien an ikrer Fakigkeit, Farbstoffe aufzunehmen, ein, und zwar um so mehr, je weiter die Erhitzung gegangen ist. Yor all cm hat man sick vor einem, wenn auch nock so kurzen , V e r w e i 1 e n des Praparates in der Flamme ‘) Zeitscbr. f. klin. Med. Bd. 1. 1880. •) Fiir diese sowie fiir die folgenden Manipulationen empfieblt sich sebr die Anwendung der oben (p. 47) bereits erwiiltnten sogenannten C o r n e t ’ seben Pincette. 8) Ueber die Koch’sehen Reinculturen und die Cbolerabaoillen. Leipzig. 1885. p. 19. 60 A. Allgemeines. zu liiiten. Die Bewegung soli stetig sein; nur ganz vorubergehend soli die liobere Temperatur einwirken. Steht man einen Moment in der Flamme still, so ist die weitere Brauchbarkeit des Praparates ver- scherzt. Auf der anderen Seite soli aber das Praparat wirklicb „fixirt“ werden; und dazu gebort ein bestimmter Grad der Erhitzung. Man bat also bei dieser Manipulation eine gewisse (fiir verscbiedene TJnter- suchungsobjecte ubrigens etwas verscbiedene) Mittelstrasse einzuhalten, die durcb die obige Angabe im Allgemeinen ziemlicli genau be- stimmt wird. Ist das Trockenpraparat fixirt, so ist es zur Ear bung fertig. Die Par bung wird auf die Weise ausgefiihrt, dass man eine geeignete Farblosung auf die angetrocknete Scbicbt bringt und den Ueberscliuss der Farblosung nacb kiirzerer oder langerer Zeit mit geeigneten Fliissig- keiten (meist Wasser) berunterspult.1) Yor der Farbung kann man das Trockenpraparat durcb luirzeres oder langeres Eintaucben in eine Sublimatlosung desinficiren; man wird dies z. B. dann tbun, wenn Einem daran liegt, patbogenes Material moglicbst bald unschad- licb zu macben. Die Lange der Einwirkung der Sublimatlosung, welcbe dazu notbwendig ist, variirt je nach der Bescbaffenbeit des zu des- inficirenden Materiales. Die Farbbarkeit der Bakterienzellen wird nacb meinen Erfabrungen aucb durcb stundenlange Einwirkung der ge- braucblicben Salzsauresublimatlosung (1 Subbmat, 5 Salzsaure, 1000 Wasser) nicbt verandert. 2) Als Farbstoffe verwendet man zur Bakterienfarbung fast ausscbbess- licb gewisse Anilinfarben. Es ist zwar ricktig, dass sicb Bakterien aucb mit anderen Farbstoffen , z. B. Haematoxybn, Carmin, tingiren lassen ; jedoch ist die Intensitat solcber Farbungen mit den durcb Anilin- farben bervorgebracbten nicbt zu vergleicben. Der Erste, welclier Anilin- farben zum Farben von Bakterien verwendete, war Weigert. 3) Es ist bier der Ort, einige Bemerkungen (iber das Wesen der Anibnfarben im Allgemeinen und iiber ilire Verwendbarkeit in der mikroskopiscben Tecbnik zu macben. Die Anilinfarben leiten sicb in letzter Linie ab von den beiden Korpern Anilin und Toluidin, '*) Die Farbung des Praparates brauckt nicbt sofort nach der Antroeknung und Fixirung des Materials zu gesckeken ; man kann das fixirte Praparat, vor Feucbtigkeit geschutzt, vor der Farbung beliebig lange aufbewakren. ") Ds moge bier bemerkt werden, dass, obgleicb manchen Anilinfarben eine liobe bakteriensebadigende Wirkung zukommt, docb nicbt etwa jede Bakterien- zelle durcb die Aufnabme von Farbstoff abgetodtet wird. J) Uel)er cine Mykose bei einem neugeborenen Kinde. — Scbles. Gesellscb. f. vaterl. Cultur. Breslau. 10. Doc. 1875. (Jabresbericbt, p. 229.) IV. Allgemeine Method ilc der Bakterienbeobacbtung. (51 welche ilirerseits aus den beiden (in dem Steinkoklentheer enthaltenen) Kohlenwasserstoffen Benzol resp. Toluol durch Bintritt einer XH,- Gruppe (Amidogruppe) an Stelle eines Wasserstoffatoms in den Benzol- kern entstanden sind. Aus dem Anilin oder dem Toluidin oder aus beiden zusammen lassen sicb nun solcbe Korper herleiten, welche basische, und solcbe, die saure Eigen schaften baben. Und man kann die Anilinfarben als Salze auffassen, welche entweder dadurck ent- stehen, dass sicb ein solcber basiscber Korper mit irgend einer Saure verbindet, oder dadurcb, dass einer der sauren Abkommlinge mit irgend einem basiscben Korper eine Yerbindung eingeht. In dem ersteren Falle ist das farbende Princip des entstebenden Salzes offenbar basiscber Xatur , wabrend in dem letzteren Falle der saure Be- standtbeil des Salzes den farbenden Antbeil darstellt. Ebrlich1) untersckeidet so „basiscbe“ Anilinfarbstoffe und „saure“ Anilinfarbstoffe. Es bat sicb nun gezeigt, dass in der Wirkungsweise dieser beiden Gruppen sebr erbebbcbe Unterschiede bestehen. Bringt man beispiels- weise von zwei gleichen Scbnitten thieriscken Gewebes den einen in eine Farbfliissigkeit, welcbe mit einem basischen Anilinfarbstoffe her- gestellt ist, den anderen in die Losung eines sauren Anibnfarbstoffes, so findet man in der Fiirbung der nacb weiterer zweckmassiger Be- bandlung resultirenden Priiparate die erbebbcbsten Differenzen. Der saure Farbstoff bat das Gewebe diffus, in alien seinen Theilen gleicbmassig gefarbt; der basische Farbstoff bat vor alleni die Kerne des Gewebes gefarbt, die anderen Bestandtbeile baben weniger Farb- stoff aufgenommen. Die basiscben Anilinfarbstoffe sind also durch eine besondere Affinitat zu den Kerne n des thieriscken Gewebes ausgezeichnet, und man bezeicbnet sie daher auch als kern- farbende Anilinfarbstoffe, wabrend man die sauren auch als diffus farbende bezeichnet. Die am haufigsten angewandten basischen (kern far ben den) Anilinfarbstoffe sind: Fuchsin (Rubin, Magenta) [rother Farbstoff]. Gentianaviolett, Metkylviolett (Dahlia). Methylenblau. Bismarckbraun (Vesuvin). Zu den sauren (diffus farbenden) Anilinfarbstoffe n gehoren unter Anderem Eosin, Pikr in saure. Die Kerne des thierischen Gewebes und die Protoplasmakorper ‘) Zoitscbr. f. klin. Med. Bd. 1. 1880. p. 556. 62 A. AUgemeines. der Bakterienzellen zeigen nun gewisse Analogien in ihren Eigenschaften, die unter Anderem aucli in dem Yerhalten der beiderseitigen Dinge o-o o'en Farbstoffe zum Ausdrucke kommen. So wie die Gewebskerne /2 proc. Eosinlosung in 70 bis 75proc. Alcohol, 2 Yol. Wasser. Auch die weiterhin noch zu besprecbende Gram 'scbe Methode liisst sicb bei geeigneter Natur der Objecte fur Declcglastrockenpraparate (speciell auch fur Blutpraparate) verwenden. Zur mikroskopischen Darstellung von Mikroorganismen im Horngewebe hat XJ n n a 4) folgende Methode angegeben : Die be- trelfende Hornschuppe (Kruste, Comedo etc.) wire! auf einen Object- triiger gelegt und mit einem Tropfen starker Essigsaure befeuchtet. Ein zweiter Objecttrager wird auf den ersten gelegt, und es wird durch Driicken und Reiben der beiden Objecttrager gegen einander das in l) Deutsche med. Wochenschr. 1887. No. 22. ") Dhenziusky (Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 15) hat diese Mischung zuerst, und zwar zur Farbung von Malariablut-Praparaten, angegeben. ’) Of. die Arbeiten von Plebn (Aetiologische und klinische Malariastudien. Berlin 1890) und von Canon (Vircb. Arch. Bd. 131. 1893. p. 404). l) Die Farbung der Mikroorganismen im Horngewebe. Hamburg und Leipzig 1891. IV. Allgemeine Methodik (ler Baktorienboobachtung. 73 der Essigsaure aufquellende Material zu einem Brei zerrieben. Die Objecttrager werden dann von einander gehoben und zur Verdunstung der Essigsaure rasch iiber der Flamme getrocknet. Die ziemlich abge- ldihlten, aber nocb warmen Objecttrager werden, nacb einander, mit etwas Aether-Alcohol-Mischung begossen, welcke das Fett aus dem an- getrockneten Materiale extrahirt; die ablaufende fettbaltige Flussigkeit wird von einem Handtuche aufgesogen, mit Hiilfe dessen man den Objecttrager zwiscben den Fingern halt. Das entfettete Material wird mit Methylenblaulosung ') unter gelinder Erwarmung gefarbt, mitWasser abgespiilt, mit diinner Essigsaurelosung (oder anderen passenden Mitteln) differenzirt2), mit Wasser oder Alcohol oder beiden abgespiilt, iiber der Flamme getrocknet11) und in Balsam eingeschlossen. Unna nennt so hergestellte Praparate „D ruck p r a p a r a t e“. Den folgenden Abschnitten vorgreifend wollen wir bier schon dar- auf aufmerksam machen, dass eine jede Farbung bei hoherer Tem- per at ur schneller vor sich geht und unter Umstanden iiberhaupt bessere Resultate giebt als die Farbung bei niedrigerer Temperatur. 4) Von dieser Thatsache kann man manchmal bei der Darstellung von Trockenpraparaten Gebrauch machen. Findet man namlich, dass sich ein bestimmtes Material bei der gewohnlichen , geschilderten Behand- lung nur massig farbt , dass die Bakterienzellen sich im Allgemeinen nur schlecht mit Farbstoff beladen, so kann man oft ganz gute Bilder erzielen, wenn man das mit der Pincette gehaltene, fixirte und mit Farbstoff losung bedeckte Deckglaschen fur wenige Secunden mitten in die Gas- oder Spiritusflamme bringt. Die Farbfliissigkeit fiingt dann an zu dampfen und wird, ehe sie einzutrocknen beginnt, mit Wasser in der gewohnlichen Weise heruntergespiilt. Durch die bisher geschilderten Methoden, gefarbte Trockenpraparate darzustellen, wird, wie bereits besprochen, das Bakterienprotoplasma gefarbt ; auch die Hiille nimmt oft in gewisser Weise Farbung an. Un- ') Unna verwendet folgende Losung: Borax und Methvlenblau ana 1,0, destil- lirtes Wasser 100,0. *) Ueber „Differenzirung“ der Farbung siebe weiter unten im niichsten Ab- scbnitt (Scbnittbehandliing). ') Cf. hierzu das iiber „Antrocknungsmethode“ ini niiohsten Abschnitt (Scbnitt- behandlung) Gesagte. ') Pies ontspricbt der oben (p. 34) erwiibnten wicbtigen Tbatsache, dass ein jedes cbemische Pesinfectionsmittel bei hoherer Temperatur energisclier wirkt als bei niedrigerer. So wie das Pesinfectionsmittel bei der hoheron Temperatur schneller in die Bakterienzelle eindringt, so thut dies auch der Farbstoff. 74 A. Allgemeines. gefarbt hingegen bleiben fast ausnahmslos *) die Geisselfaden, die Bewegungsorgane der eigenbeweglichen Bakterienarten (cf. oben p. 14). Metboden, Geisselfaden an Bakterien zur Anschauung zu bringen, warden zuerst von R. Koch angegeben. Koch wies diese Gebilde zunachst an einigen Spirillen- und Bacillenarten nach, die, am Deck- glase angetrocknet, ungefarbt und ohne Zusatz einer Ein- schlussmasse bei bestimmter Beleuchtung die Geisselfaden sehr deutlich erkennen liessen. 2) Durch eigene Versuche babe ich mich davon uber- zeugt, dass es bei solchen Bakterienarten, welche nicht zu zarte, son- dern relativ kraftige Geisseln besitzen, ein Leichtes ist, die letzteren im ungefarbten Praparate zur Anschauung zu bringen. Die in Wasser suspendirten Bakterien werden in diinnster Schicht auf dem Deckglase ausgebreitet ; man lasst die ausgebreitete Wasserschicht verdunsten und befestigt das Deckglas dann so auf einem Objecttrager, dass es, die Bakterienscliicht nach unten gekehrt, mit seinem Rande auf einem Rahmchen von dunnem Papier ruht, welches mit dem Objecttrager sowohl wie mit dem Deckglas durch Canadabalsam verbunden wird. Auf diese Weise stellt man sich leicht Dauerpraparate her, bei denen das am Deckglase haftende Bakterienmaterial in einer (nach aussen bin abgeschlossenen) Luftschicht eingeschlossen ist. Bei Anwendung von Oelimmersion, Abbe’schem Condensor und mittelweiter Blende sieht man dann bei passendem Material (siehe oben) ohne Weiteres die Geisselfaden. Ein Beispiel zeigt Fig. 16 auf Taf. III. Das Praparat, aus faulendem Strohinfus hergestellt, zeigt Spirillum Undula und grosse Bacillen mit Geisselfaden bei lOOOfacher Yergrosserung. Einschalten mochte ich hier, dass es mir — bei sehr grossen Spirillen mit sehr kraftigen Geisseln — mehrmals gelungen ist, die letzteren i m h a n g e n d e n Wassertropfen zu sehen. Diese Beob- achtung, welche, soviel mir bekannt, von anderer Seite bisher nicht gemacht worden ist, zeigt, dass die Substanz der Geisselfaden bei den in Frage kommenden Arten ein Lichtbrechungsvermogen besitzt, welches das des Wassers erheblich ubertriflft. Im Allgemeinen sind die Geissel- faden — selbst bei kraftiger Ausbildung — bei der Beobachtung des ') Die einzige Ausnahme in clieser Beziehung maclien solche Bakterienarten, die ausserordentlich kraftige, nach den specifischen Geisselpraparationsmethoden unter alien Umstanden leicht darstellbare Geisseln besitzen. Hierhin gehort z. B. Spirillum Undula, dessen Geisseln Fig. 16 auf Taf. Ill (im ungefarbten Praparate) zeigt. Diese Art, im Trockenpriiparate mit einer gewohnlichen wiisserig-alcoholischen Farbstotf- losung behandelt, zeigt sehr haufig (nicht in jedem Priiparate) die Geisseln ohne Weiteres gefarbt. “) F. Cohn’s Beitr. z. Biol. d. PH. Bd. 2. 1877. p. 404. 416 — 417. IV. Allgemeine Metkodik der Bakterienbeobacktung. 75 Materials im hangenden Tropfen unsichtbar ; ohne Zvveifel deshalb, weil sie sicli in ihrem Brechungsvermogen von dem Wasser meist nur ganz nnerheblich unterscheiden. Eine Metliode, Geisselfaden zu farben, wurde ebenfalls zu- erst von R. Koch ermittelt. Die Farbung gelang mit concentrirter wasseriger Losung von Extractum c a mpechiannm1); mit Anilin- farben farbten sicb die Geisselfaden nicht. 2 3) Immerhin hat man mit Hiilfe der von Koch angegebenen Methoden nur bei wenigen Arten beweglicher Bakterien Geisselfaden nachzuweisen vermocht. Im Jahre 1889 ist dann von L o e f f 1 e r :!) ein Verfahren gefunden worden, welches die Geisseln der Farbung mit Anilinfarben ganz allgemein zuganglich gemacbt und eine ganz universelle Darstell- barkeit dieser Gebilde ermoglicht bat. Loeffler behandelt die Trocken- praparate zunachst mit einer Beize; dadurch werden die Geisseln befahigt, Anilinfarbstoffe aufzunehmen. Das L o e ffl e r scbe Geisselfarbungsverfahren, welches der Autor spater4) noch verbessert hat, gestaltet sich in dieser ver- besserten Form folgendermassen : Das Bakterienmaterial wird, moglichst frei von schleimigen oder eiweisshaltigen Beimengungen und moglichst frei von anhaftender Gelatine, mit Hiilfe eines Tropfchens reinen Wassers in recht diinner Schicht mittels des Platindrahtes auf dem absolut sauberen Deckglase5) ausgebreitet. Man lasst die Schicht lufttrocken werden und fixirt das Praparat in der gewohnlichen Weise, indem man es drei Mai durch die Flamme zieht (p. 59). Zu starkes Erhitzen hat man hierbei sorgfaltig zu vermeiden. Darauf hltrirt man auf das mit einer Pincette horizontal gehaltene Deckglas so viel einer (weiterhin noch zu besprechenden) Beizfliissigkeit auf. dass das ganze Glaschen davon bedeckt ist, und lasst diese Fliissigkeit kurze Zeit (4/2 bis 1 Minute) auf das Bakterienmaterial einwirken. fi) ') Beitr. z. Biol. cl. PH. Bd. 2. 1S77. p. 419. “) Cf. p. 74, Anm. 1: Kraftige Geisseln nekmen die Farkung kiiufig okne Wei teres an. 3) Centralbl. f. Bakt. Bd. (i. 1889. No. 8/9. 4) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. No. 20. ’) Am besten erreicht man diese Besckaffenkeit des Deckglases, wenn man, wie bereits oben (p. 40, Anm. 2) angogeben, das mit Alcokol abgepntzte und dann ge- trocknete Deckglas in der Flamme stark erkitzt. Nack dem Erkalten kann es dann benutzt werden. ”) Boeffler kat angogeben, dass die Beize unter massiger Erwarmung einwirken soli: Man kiilt das Deckglas in einiger Entfernung iiber die Flamme, bis die 1 liissigkeit schwack zu dampfen beginnt. Nack meinen Erfakrungen kann man die ErwSrmung der Beize vollig entbekren. Die bei Zimmer temper at ur ein- 76 A. Allgomeines. Dann spiilt man mit reinem Wasser (am besten unter dem diinnen Strahle der Wasserleitung) das Deckglaschen sorgfaltigst ab. Nun blast man das an der Scliicht noch anhaftende Wasser herunter (of. p. 63) und troclmet das Glaschen in der gewohnlichen Weise, als ob man es in Balsam einschliessen wollte. Darauf fasst man das Glaschen wiederum mit der Pincette und bringt einige Tropfen einer passenden1) Farb- losung auf die zu farbende Schicht. Es folgt leicbte Erwarmung uber der Flamme (bis die Farblosung Dampfe zu entwickeln beginnt) ; nach mehreren Minuten spiilt man die Farbfliissigkeit mit Wasser sorgfaltig ab, trocknet das Praparat in gewohnter Weise und schliesst es in Xylolbalsam ein. Zur Herstellung der Beize lost man (unter Erwarmen) 2 g Tannin in 8 com Wasser und setzt zu der Losung 5 ccm einer kalt gesattigten wassei'igen Ferrosulfat-(Eisenvitriol-)Losung und 1 ccm einer gesattigten alcoholischen Fuchsinlosung. Nach dem Umschutteln ist die Beize ohne Weiteres 2) gebrauchsfahig, und sie halt sich Wochen und Monate in diesem gebrauchsfahigen Zustande. Damit die Geisselfarbung nach der geschilderten Methode gelingt, hat man noch eine Reihe von wesentlichen Punkten zn beachten. Der wichtigste , allerwesentlichste Punkt , auf den es zum Gelingen der Geisselfarbung ankommt, ist die pass end e Beschaffenheit des Bakterienmaterials. Wenn wir eine eigenbewegliche Bakterienart cultiviren und die Cultur in verschiedenen Stadien ihres Wachsthums untersnchen, so finden wir durchgehend, dass die Bakterienzellen, so wirkende Beize giebt eben so gute Resultate wie die ganz massig erwarmte. Auf jeden Fall bat man sich vor zu starker Erhitzung der Beize auf das Sorgfaltigste zu hiiten, weil sonst die Priiparate unweigerlich verdorben werden. ') Vergl. die uber diesen Punkt im Text oben weiter folgendeu Bemerkungen. 2) Loeffler hat angegeben, dass die so bereitete Beize wohl fiir manche Bakterienarten ohne Weiteres zu gebrauchen sei, dass aber die meisten Arten noch eines Zusatzes zur Beize bedurften, der che chemisclie Reaction der letz- teren verandert: einzelne Arten erforderten eine sauer reagirende Beize, andere eine alkalisch reagirende, damit ihre Geisseln fahig warden Anilinfarbstoffe aufzunehmen. Ich habe mich von der Stichhaltigkeit dieser Forderung nicht uberzeugen konneu. Es scheint mir auf die Reaction der Beize nicht in der von L o e f f 1 e r ausgesprochenen Weise anzukommen. An den nach Loeffler so ausserordentlich empfindhehen Typhusbacillen z. B., behufs deren Geisselfarbung ein ganz bestimmter, tropfeuweise abgestimmter Zusatz von 1 proc. Natronlauge zur Beize nothwendig sein sollte, gelang es mir ohne Weiteres mit einer durch Schwefelsaure kraftig angesauerten Beize die Geisseln darzustellen. Auch Luksch (Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. p. 430) hat diese Erfahrung gemacht. Offenbar kommt es zum Gelingen der Geisselfarbung im Allgomeinen auf andere Binge viel mehr an als auf die Reaction der Beize. (Siolie oben im Text weiter.) IV. AUgemeine Metliodik der Bakterienbeobacktung. 77 lange die Cultur noch selir jung ist, mehr oder weniger lebhafte Eigen- bewegung zeigen , und dass mit zunehmendem Alter der Cultur diese Eigenbewegung allmahlich trager wird. Eerner bemerkt man, dass in der ganz jungen Cultur die Eigenbewegung ein Attribut aller oder der meisten Zellen ist, wahrend bei dem Aelterwerden der Cultur allmalilich immer mehr und mehr Zellen die Eigenbeweglichkeit verlieren und dann nur noch hier imd da einzelne Zellen diese Eigenbewegung dar- bieten. Schliesslich konmrt dann ein Zeitpunkt, wo die Eigenbewegung uberhaupt vollig erloschen ist ; das braucht aber durchaus noch nicht zu bedeuten, dass die Cultur abgestorben ist. Ohne Zweifel handelt es sich hier nur um die ersten Zeichen der Degeneration; eine TJeber- tragung auf frischen Nahrboden hat in diesern Zeitpunkte gewohnlich wieder die Entwickelung einer frischen, lebenskraftigen, eigenbeweglichen Cultur zui' Folge. Fin- das praktische Yorgehen bei der Herstellung eines Geisselpraparates ergiebt sich aus dem Yorhergehenden, dass es ausserordentlich darauf anlcommt, in welch em Zeitpunkte eine bestimmte Cultur zur Preparation verwendet wird. Denn wir werden nur dann erwarten diirfen, im mikroskopischen Praparate die Geisselfaden gut zu Gesicht zu bekommen, wenn dieselben uberhaupt in lebenskraftigem Zustande vorhanden sind. Bestimmte allgemeine Yorschriften lassen sich bezuglich des fur die Preparation passenden Zeitpunktes nicht geben ; denn die - eine Bakterienart wachst (ceteris paribus) sclmeller als die andere; bei der ersteren werden degenerative Zustande also auch fn'ilier eintreten als bei der letzteren. Es giebt aber ein selir einfaches Mittel, sich davon zu tiberzeugen, ob eine vorliegende Cultur momentan fur die Preparation der Geisselfaden geeignet ist, d. h. ob sie gerade jetzt lebenskraftige Geisseln aufweist: die Untersuchung des Materials im hengenden Tropfen. Finden wir hierbei die Bakterien in frischer, lebendiger Bewegung, so ist das ein Zeichen dafiir, dass lebenskraftige Geisseln vorhanden sind ; ist die Bewegung eine matte und tnige, so sind bereits degenerative Zustende vorhanden, und wir brauchen in diesern Falle gar nicht erst den Versuch der Geisselfarbung zu machen. Ein zweiter wich tiger Punkt, auf den iibrigens Loeffler gleicli von Anfang an hingewiesen hat, ist der, dass das Bakterienmaterial in moglichst diinner Schicht und in moglichst reinem Zustande auf dem Deckglaso ausgebreitet wird. Anhaftende schleimige oder eiweiss- artige Beimengungen, anhaftende Gelatine etc. farben sich stets mit und machen dadurch die Praparate unbrauchbar. Aus diesern Grunde empfiehlt es sich gewohnlich nicht, das Material aus Gelatineculturen zu entnelnnen. Auch Bouillonculturen sind nicht zu gebrauchen, wenn man saubere Praparate haben will. Dagegen eignen sich vortrefflich 78 A. Allgemeincs. Agar - Oberflachenculturen ; das Material lasst sich von diesen leicht ohne Verletzung des Niihrbodens entnehmen, und man bekommt so die Bakterienzellen so rein, wie es iiberhaupt moglich ist. Was die Wahl der Far bio sung angelit, die man nach der Beizung des Materials anzuwenden hat, so ist im Allgemeinen zu sagen, dass sich unsere kernfarbenden Anilinfarbstoffe sammtlich zur Geissel- farbung benutzen lassen, und dass auch alle Losungen dieser Farbstoffe, die man sonst fur die Zwecke der Kern- (resp. Bakterien-) Farbung anwendet'), zum Zwecke der Geisselfarbung zu gebrauchen sind. Man wil'd natiirhch in jedem Falle, wenn man zwischen zwei Farblosungen zu wahlen hat, der intensiver farbenden den Vorzug geben. Ganz besonders zweckmassig sind die von Loeffler empfohlenen gesat- tigten Losungen der Violette (cf. p. 61) oder des Fuch- sins in Anilinwasser.* 2) Diese Losungen haben aber die Neigung, „Farbstoffiiiederschlage“ (cf. oben p. 62) auf die Praparate ausfallen zu lassen; sie werden deshalb (ebenso wie alle Farblosungen, welche ahnliche Eigenschaften haben) zum Gebrauche auf die Praparate auf- f i 1 1 r i r t. Fassen wir das iiber die Loeffler ’sche Geisselfarbung Gesagte in der Form ernes kurzen Receptes zusammen, so wiirde sich die Herstellung eines Geisselpraparates in folgender Weise gestalten : 1) Das event, zu benutzende Material wird im haugenden T r o p f e n gepriift. (Nur im Falle vorhandener lebhafter Beweglichkeit der Bakterienzellen eignet sich dasselbe fur die Geisselfarbung.) 2) Das bei der Untersuchung im hangenden Tropfen als geeignet befundene Material wird (event, unter Zuhiilfenahme eines Tropfchens reinen Wassers) in moglichst diinner Schicht und in moglichst reinem Zustande (cf. oben p. 77) auf dem absolut sauberen Deckglase (cf. oben p. 46, Anm. 2) ausgebreitet. 3) Man lasst das Material antrocknen und fixirt das Praparat, in- dem man es (unter Vermeidung zu starker Erhitzung [cf. oben p. 75]) drei Mai durch die Flamme zieht. 4) Man filtrirt einige Tropfen der Loeffler’schen Beize (cf. oben p. 76) auf das horizontal gehaltene Deckglaspraparat und lasst die ') Cf. Abschnitt 5 („Allgetneine8 iibor Farbung nncl Entfarbung“). 2) Die Darstellung des Anilinwassers ist weiter unten in Abschnitt 5 (,,Allge- meines iiber Farbung und Entfarbung“) bescbrieben. Zu 100 can Anilinwasser giebt man 4—5 g des gepulverten Farbstoffes. Man scbiittelt dann offers um und erbalt so in kurzer Zeit die gewiinscbte Farbliisung. Eventuell kann man zu der letzteren nocb cine geringe Menge Natronlauge (1:1000) zufiigen. IV. Allgemeine Metliodik der Bakterienbeobachtung. 79 Beize '/•> 'vs 1 Minute eimvirken. Erwarmung ist hierbei nicht nbthig, event, sogar scliadlicb (cf. p. 75, Anm. 6). 5) Man sptilt die Beize, am besten mit dem diinnen Strahle der Wasserleitung, sorgfaltig ab und trocknet das Praparat in der gewohn- lichen Weise durch Abblasen etc. (cf. oben p. 63). 6) Man filtrirt einige Tropfen einer passenden Farbstoff'losung (cf. oben p. 78) anf das horizontal gehaltene Deckglas und erwarmt das letztere dann iiber einer Flamme massig bis zu beginnender Dampf- bildung. Man lasst die warme Farblosung noch c. 1 Minute einwirken und spiilt sie dann mit Wasser sorgfaltig ab. 7) Man trocknet das Praparat und sckliesst es in Xylolbalsam ein. Nach der gescliilderten Methode sind die Praparate gefarbt, welche den Photogrammen Taf. III. Fig. 17 (grosse Bacillen mit Geissel- biischeln), Taf. Ill, Fig. 18 (kurze Bacillen mit Geisseln), Taf. VIII, Fig. 45 (Typhusbacillen mit Geisseln), Taf. X, Fig. 57 (Cholerabacillen mit Geisseln) zu Grunde liegen. Die Loeffler ’sche Geisselfarbungsmethode farbt nicht nur die Geisseln der Bakterien und ihren Protoplasmakorper , sondern sie fiirbt iiberhaupt die gesammte Bakterienzelle in alien ihren einzelnen Theilen. Wahrend bei der gewohnlichen Behandlung der Praparate mit basischen Anilinfarbstoffen nur der Protoplasmakorper (der Kern) der Bakterienzelle gefarbt wird, die Hulle nur in seltenen Fallen ganz leichte Farbung annimmt, so tingirt sicli bei der Behandlung mit der Loeffler 'schen Methode stets auch die Membran, die Hulle der Bak- terienzelle, und zwar meist in gleich intensiver Weise wie der Proto- plasmakorper. Es folgt daraus, dass eine und dieselbe Bakterienzelle verschieden dick erscheinen muss, je nachdem sie nach der einen oder nach der anderen Farbungsmethode behandelt worden ist. Eine Illu- stration des Gesagten giebt ein Vergleich der Figuren 55 und 57 auf Taf. X. In Fig. 55 haben wir Cholerabacillen, welche einfach mit Fuchsin gefarbt sind. Hier ist also nur der Protoplasmakorper, der Kern der einzelnen Zellen gefarbt. In Fig. 57 haben wir dieselben Organismen, nach der Loeffler ’schen Geisselfarbungsmethode behan- delt; hier ist die Hulle mitgefarbt. Dieselben Organismen erscheinen in Fig. 57 also dicker als in Fig. 55. 4. Beobachtung der Bakterien in Schnitten. Allgemeines iiber Schnittbehandlung. Will man Bakterien in Schnitten thierischen Gewebes zur Darstellung bringen, so werden die Schnitte am besten gewissen 80 A. AJlgemeines. Methoden der F ii r b u n g unterworfen. Wie vvir sehen werden, gelingt es so stets, im Gewebe vorbandene Bakterien nachzuweisen. Unge- farbt lassen sich die Bakterien in Schnitten nur sekr sclnver nacli- weisen. Die Bakterien sind im natiirlichen Znstande ebenso ungefarbt wie die Gewebstheile ; durch die Contouren der letzteren werden die Contouren der Bakterien verdeckt, und es gelingt, auch bei den grossten Formen, nie, in einenr ungefarbten Schnitte Bakterien zu sehen, oline dass derselbe eingreifenden Proceduren d u r c h E i n w i r k u n g besonderer Beagentien unterworfen wird. Die Bakterien sind nun im Gegensatz zu dem tkierischen Gewebe durch eine erhebliche Resistenz gegen Sauren und Alkalien ausgezeichnet, und man kann daher dadurch, dass man die Schnitte mit derartigen Reagentien behandelt, d. h. dass man die Gewebstheile mehr oder weniger zer- stort, Bakterien zu sehen bekommen. Am besten eignet sich als Reagenz verdiinnte Kalilauge, in der der Schnitt (miter dem Deckglase) stark erwarmt wird. Die Gewebstheile werden hierbei zer- stort, die Bakterien treten hervor. Immerhin sind diese Manipulationen umstandlich imd fiihren doch nur sehr bedingungSAAreise zu einem Resultat. Man kann auf solche Weise wohl grosse Formen (z. B. Milz- brandbacillen) sichtbar machen, auch grosse zusammenhangende Mikro- coccenhaufen zur Darstellung bringen; aber „manche, namentlich sehr kleine Bakterien werden durch diese Reagentien ebenso zerstort oder verandert wie die thierischen Gewebe, und auch in letzteren finden sich oft unbestimmbare Kornchen, die durch Sauren und Alkalien nicht beseitigt Averden44 (R, Koch x)). Ausserdem macht die bei den ge- nannten Proceduren unvermeidliche Schadigung des Gewebes eine Beurtheilung der Lageverhaltnisse der Bakterien im Gewebe voll- standig unmoglich. Man wird daher, Avenn es sich urn den NacliAveis von Bakterien in Schnitten handelt, stets die Far bung der Bakterien in Airwendung — o bringen mussen. Die Schnitte stellt man sich am besten mit Hiilfe des Mikro- toms (cf. p. 47) her. Urn die Organe in s chnittf ahi ge C on- si stenz zu bringen, iibertragt man dieselben, am besten in nicht zu grossen Stricken, aus der Leiche etc. direct in absoluten Alcohol. Avelcher fast ausschliesslicli zur Hartung fur unsere Zwecke benutzt Avird. Der absolute Alcohol ist ein ausserordentlich wassergieriger, hygroskopischer Korper. Er extrahirt aus den Organen das Wasser. *) Untersuchungen uber die Aetiologie der Wimdinfections-Krankheiten Leipzig 1887. p. 29. I ^ • Allgemeine Methodik dor Balrterieiibeobachtunjr. O 81 bringt. die Theile zum Schrumpfen und verleiht ihnen dabei eine derbere Consistenz (hartet sie). Das extrahirte Wasser resp. tier in der Um- gebung der eingelegten Organstficke sich bildende wasserreiche Alcohol ist nun specifisch erheblich schwerer als der absolute Alcohol und sinkt infolgedessen in dem Hartungsgefasse zu Boden. Um das zu hartende Stuck dauernd unter dem Einflusse absoluten Alcohols zu belassen, muss man dasselbe also in die oberen Schichten des Alcohols placiren. Man halt es hier fest am besten durch schwim- mende Korkstficke, an deren unterer Seite das zu hartende Stuck mit Hiilfe von Stecknadeln festgesteckt wird , oder man bringt in die unteren Partien des Alcohols resp. auf den Boden des Gefasses zu- nachst emen grosseren Bausch Fliesspapier, auf welchem dann das zu hartende Stuck ruht. Ist das zu untersuchende Organ entry assert (ge hartet), so schneidet man sich kleine Stiicke von etwa 5 mm Hohe und 1 qcm Grundflache davon mit scharfem Messer ab, die nun auf die glatte Querschnittflache eines Flaschenkorkes aufgeklebt werden. & Das Aufkleben geschieht bequem mit einer dicken wasserigen Losung von Gummi arabicum. Man verfiihrt dabei so, dass man das auf- zuklebeude Stuck zunachst etwa eine halbe Minute an der Luft hegen lcisst , um den oberflachlich anhaftenden Alcohol verdunsten zu lassen und dass man es dann mit der Pincette fasst und es mit einer der (getrockneten) Breitseiten in einen Tropfen der Gummilosung, welche man auf der Ivorkflache ausgebreitet hat, hineindriickt. Man giesst dann zunachst einige Tropfen Alcohol liber das gesammte aufgeklebte Stfick, welche an den Seiten desselben abfliessen und die ausseren Partien der hervorgequollenen Gummilosung durch Wasserentziehung erharten. Dadurch wird es dann ermoglicht, den Kork in umgekehrter Lage (das aufgeklebte Stfick nach unten) in ein Gefass mit absolutem Alcohol zu fibertragen, ohne dass das Stfick sich vom Korke loslost. In dem Alcohol wird dasselbe dann belassen, bis das Wasser aus alien Theilen der Gummilosung entfernt ist, was in zwei bis sechs Stunden der Fall ist. Dann ist zwischen dem aufgeklebtcn Stiicke und dem voi ve eine sehr feste, steinharte Yerbindung hergestellt ; und der Kork . 439. 0* 84 A. Allgemeines. solclie Fliissigkeiten geniigend lange Zeit auf den Schnitt einwirken, so warden sie allmahlich eine vollstandige Entfarbung des Scbnittes zu Wege bringen. Lasst man sie aber nur kurze Zeit einwirken, iiber- wacht man ibre Wirkung, so erhalt man Praparate, in denen nur die Z ellkerne und die (eventuell vorhandenen) Bakterien noch o-efarbt sind, wahrend die Intercellularsubstanz und aucb das Zell- protoplasma wieder entfarbt sind. Man findet so, dass die versckiedenen Bestandtbeile, aus denen sick das tbieriscke Gewebe zusammensetzt , keine principiellen Untersckiede in dem Verhalten gegen die basischen Anilinfarbstoffe zeigen. Nicht der eine Bestandtkeil wird gefarbt, wahrend der andere der Farbung widersteht; wobl aber besteken quantitative Unter- schiede in der Farbbarkeit der einzelnen Componenten des Gewebes, die sick darin aussern, dass, bei einem bestimmten Grade der Ein- wirkung farbstoffextrakirender Fliissigkeiten , imter den ursprungkch gleickmassig gefarbten verschiedenen Bestandtkeilen der eine den auf- genonnnenen Farbstoff nock festhalt, wahrend ein anderer ikn voll- standig oder beinake vollstandig wieder verloren hat. Man kann so die verschiedenen Gewebsbestandtkeile in eine Farbbarkeitsscala bringen, welcke, wenn man mit denjenigen, die am leicktesten den Farbstoff wieder loslassen, beginnt, sick folgendermassen gestaltet: Intercellularsubstanz, Zellprotoplasma, Zellkerne, Bakterien (wenn sie vorhanden sind). Die farbstoffextrahirenden Fliissigkeiten (als solcke konnnen be- sonders Sauren und Alcohol zur Verwendung) bezeichnet man als „Ent- farbungsmittel.“ Durck sie wird eine „Differenzirung“ kerbei- gefukrt, d. h. einzelne Tkeile (Kerne, Bakterien) des Scbnittes treten in isokrter Farbung vor anderen Tkeilen, die die Farbung verloren haben, kervor. 1st der zuerst diff'us gefarbte Schnitt genugend „eutfarbt‘\ „differenzirt“, so ist er eigentkck fertig; da wir ikn aber schliess- lick in Canadabalsam zur Conservirung einsckliessen wollen, der Balsam sich aber mit irgendwie wasserhaltigen Fliissigkeiten nicht vermiscken lasst, so muss zunachst aller und jeder Wassergekalt aus dem Scknitte entfernt werden; und dies gescliicht durck Bekandlung des Schnittes in absolutem Alcohol. Der Schnitt mackt also noch ein Mai eine Entwasserung oder Hartung durch. Aber auck mit Alcohol liisst sick Balsam nicht miscken. Wir mussen deskalb den Schnitt aus dem Alcohol in eine Fliissigkeit bringen, welcke auf der IV. Allgemeine Methodik der Baktevienbeobachtung. 85 einen Seite die Fahigkeit hat, sicli mit Alcohol zu vermischen, anl der anderen Seite aber sicli aucli mit Canadabalsam lesp. dem ion mis stets angewandten Xylol -Balsam (cf. p. 64) mischt. Derartige Ivorper (auch „Aufhellungsmittel“ genannt) gieht es nun eine gauze Reihe. Besonders olige Fliissigkeiten sind mit den ge- wunschten Eigenscliaften ausgestattet. Am meisten verwandte man fruher das N e 1 k e n 6 1 zu diesem Zwecke, aber auch Terpentinol, Cedern-, Origanum-, Zimmet-, Bergamott-, Anis-Oel, Phenol, Anilin1) waren und sind hierzu im Gebrauch. Ich mochte fiir unsere Zwecke ganz ausschliesslich einen anderen, ehenfalls seit Langem gebrauchlichen , Ivorper empfehlen: das Xylol (cf. p. 64). Das Xylol ist ein Ivorper, der sich gegen mit hasischen Anilinfarben gefarbte Kerne und Bakterien vollstandig indifferent verhalt und sich in dieser Hinsicht sehr ruhmlich von verscliiedenen der ohen ge- nannten Fliissigkeiten, speciell auch von dem Nelkenol, unterscheidet, und ' der ohne jeden Riickstand verdunstet und nicht verharzt und schmiert, wie es z. B. ehenfalls das Nelkenol thut. Wir behandeln den gefarbten, dann „entfarbten“ und entwasserten Schnitt also mit Xylol. Mit dem Xylol durchtrankt sich der Schnitt sehr schnell, und er wil'd dann mit Hiilfe eines Spat els auf die Mitte des reingeputzten Objecttragers tibertragen. Nachdem das iiberschussige Xylol von dem Schnitte durch vier- fach zusammengefaltetes Fhesspapier, welches man in Beriihrung mit dem Schnittrand gebracht hat, ahgesogen ist, wird ein Tropfen Bal- sam (Xylol-Balsam) auf den Schnitt gebracht, darauf mit der Pincette (cf. p. 65) das Deckglas gelegt, unter welchem sich dann der Balsam ausbreitet. 2) Will man eine genaue Yorschrift fiir die practische Ausfuhrung des geschilderten Verfahrens der Schnittfarbung und -Conservirung (welches iibrigens im Principe mit dem alten Weigert schen Ver- fahren 3) vollig ubereinstimmt) haben , so wird man eine solche in folgendem Schema finden : ') Das Phenol und das Anilin haben auch die Fahigkeit, geringe Mengen Wassers aufzulosen. Bei der (weiterhin noch zu besprechenden) Gram- Weigert- schen Methode wird das Anilin als Entwasserungsmittel verwandt. Dem Xylol kommt, wie gegentheiligen, gelegentlich zu findenden Angaben gegeniiber hier aus- driicklich bemerkt sein mag, irgend welche Fahigkeit, Wasser aufzunehmen, nicht zu. 2) Wie beim Trockenpriiparat, so wird man sich natiirlich auch hier aus den oben (p. 65) angefiihrten Griinden hiiten miissen, zu viel des Balsams zu nehmen. :l) cf. Virch. Arch. Bd. 84. 1881. p. 275 ff. 80 A. AUgemeines. 1. Uebertragen der Schnitte aus Alcohol in Wasser fiir 1 Minute. 2. In eine passend zusammengesetzte (cf. p. 83) Farblosung 2 — 5 Minu ten. 3. Wasser 5 Minuten. 4. Dunne Essigsaure (etwa lilOOO1)) 1 Minute. 5. Absoluter Alcohol (Schnitt gut ausbreiten!) 1/2 Minute. 6. Absoluter Alcohol 1/2 Minute. 7. Xylol Vo Minute. 8. Uebertragen auf den Objecttrager mit dem Spatel. 9. Ab tup fen mit Fliesspapier. 10. Aufbringen eines Tropfens Xylol-Balsam. 11. Auflegen des Deckglases (mit der Pincette). Zu diesern Schema ist. noch zu bemerken : Wir benutzen zur Anfnahme unserer Fliissigkeiten, in die die Schnitte kommen sollen, am besten Uhrschalchen (cf. oben p. 46). Dieselben kommen stets rein geputzt und trocken zur Anwendung. Die Schnitte iibertragen wir stets mit der Nadel aus einer Fliissigkeit in die andere, nicht mit dem Spatel, weil wir moglichst wenig Fliissigkeit mit iibertragen wollen. Erst wenn die Schnitte aus dem Xylol auf den Objecttrager kommen sollen, benutzen wir den Spatel. Der stumpfwinklig gebogene Spatel (cf. oben p. 47) wird in der linken Hand gehalten und unter den in dem Xylol liegenden Schnitt flach hinimtergefiihrt ; man nimmt hier die in der rechten Hand gehaltene Nadel zu Hiilfe, mit welcher man den Schnitt auf die Spatelflaclie hinaufschiebt. Indem man dann den Schnitt mit Hiilfe der Nadel an dem Spatel etwas festdriickt, hebt man den Spatel horizontal, d. h. mit dem Schnitte und einer Quantitat Xylol beladen (das man nicht abfliessen lasst), aus der Fliissigkeit heraus und legt ihn sofort auf den Objecttrager auf, auf den man nun mit Hiilfe der Nadel den Schnitt von dem Spatel hin- iiberschiebt oder zieht. Die mitiibertragene Menge Xylol erleichtert ein glattes Hiniibergleiten des Schnittes auf den Objecttrager sehr. Bei dem folgenden Abtupfen des Xylols von dem Schnitte muss man darauf sehen, dass der Schnitt nicht etwa zu trocken wird, weil er sonst nach dem Einschlusse in Balsam Luftblasen einschliesst, die die Beobachtung sehr storen konnen. Es soil also nur der sichtbare fliis- sige Ueberschuss des Xylols mit dem Fliesspapier entfernt werden. Den Alcohol giesst man sich in seine Schalchen ein erst un- ') Ich halte mir eine etwa 5proc. wiisserige Essigsiiurelosung vorriithig, von der ich einige Tropfen auf ein Uhrschalchen mit Wasser gebe. Der Schuitt wird aus ei- nem Ulir- schalchen in , das andere mit der Na- del iiber- tragen. TV. AUgemeine Methodik dev Bakterienbeobacktung. 87 mittelbar bevor man ihn gebraucht. Der Alcohol ist ein Entwasseiungs- mittel. Wir miissen ihn desbalb zum Gebraucbe moglichst wasscifrei haben. Wenn man aber den Alcohol eingiesst nnd ihn erst in einer Viertelstunde benutzt, so hat man keinen Alcohol mehr, sondern ein Gemisch von Alcohol und Wasser, welches letztere der Alcohol aus der Luft angezogen hat, und welches vollstandig genigt, urn den Al- cohol unfahig zu machen, die gewiinschte Entwasserung herbeizuffihren. Wenn wir aber den Schnitt in Xylol bringen wollen, so muss er zuvor wirklich vollig wasserfrei gemacht werden; ein Schnitt, der noch Spuren von Wasser enthalt, scheidet dieses Wasser im Xylol sofort aus, und diese Wasserausscheidungen , welche dem Schnitt dann dauernd an- liaften, machen das schonste Praparat oft unbrauchbar. Aus diesem Grunde babe ich in dem obigen Schema den Alcohol auch zwei Mai bin ter einander angefuhrt: die Entwasserung soli vollstandig sein. Zum Gelingen einer guten Schnittfarbung ist es stets nothwendig, dass die einzelnen Theile des Schnittes gleichmassig der Einwirkung der verschiedenen Flussigkeiten ausgesetzt werden. Der Schnitt soli also sowohl in der Farblosung wie in den ubrigen Flussig- keiten moglichst glatt, ohne Falten zu schlagen, liegen. Denn jede Falte bedingt einen ungleichmassigen Zutritt der einwirkenden Fliissig- keit an der gefalteten Stelle und damit auch ein mehr oder weniger unerwunschtes Resultat. Ganz besonders hat man auf eine moglichst glatte Ausbreitung des Schnittes zu sehen in dem Augenblicke, in welchem derselbe aus der Essigsaure in den ersten Alcohol gelangt. Der Schnitt ist hier in den ersten Secunden noch dehnbar und lasst sich mit zwei Nadeln sehr gut glatt ausbreiten. Yersaumt man dies aber, lasst man den Schnitt in zufallig zu Stande gekommener Faltung liegen, so wird er durch den Alcohol in dieser Lage fixirt und lasst sich nachher auf keine Weise wieder glatt ausbreiten.1) Die Form, die der Schnitt in dem ersten Alcohol annimmt, b eh alt er weiterhin unverandert bei. Was beziiglich der Einwirkung der Reagentien auf gefaltete Schnitt- ') Streng genommen ist dies nickt ganz richtig. Ein Mittel, einen solcben in gefalteter Lage fixirten Schnitt wieder glatt zu machen, giebt es doch: Man bringt den gefalteten Schnitt aus dem Alcohol wieder in eine wiisserige Fliissigkeit resp. in reines Wasser zurtick. Er begiebt sich hier, da er mit dem specifisch leich- teren Alcohol getrankt ist, sofort an die Oberflaclie und breitet sich gleicbzeitig aus; in den allermeisten Fallon bekommt man auf diese einfache Weise einen untadelhaft glatten Schnitt, den man nachher von Neuem znr Entwasserung in Alcohol etc. iiber- tragen muss. Es ist jedoch zu beachten , dass der Schnitt bei dem gescliilderten Zuriickbringen in Wasser jedesmal etwas von seiner Farbung verliert. 88 A. Allgemeines. stellen gilt, das gilt natiiiiick ebenso fur Zusammenlagerungen von mehreren Schnitten. Bekandelt man eine Anzahl von Schnitten gleicli zeitig in demselben Schalchen, so ist es ein Zufall, wenn man gute Resultate erhalt; denn die Schnitte lagern sicli gem zusammen and gestatten den Flfissigkeiten an dieser Stelle mebr, an jener weniger Zutritt. So mfissen ungleicbmassige Resultate zu Stande kommen. Man mache es sicb deshalb zur Regel, die Schnitte ein- zeln, individuell zu bebandeln. Auck bei Schnitten findet iibrigens wie bei Trockenpraparaten (cf. p. 73) die Farbung sclineller statt und wird intensiver bei hokerer als bei niedrigerer Temperatu r. Man darf aber nur ganz massig erbohte Temperaturen zu Scknittfarbungen vervvenden, buchstens Tempe- raturen von 40 — 50 11 (J. (R. Koch1)). Bei hokeren Temperaturen scbrumpfen die Schnitte ein und werden unbraucbbar. Bei den bier geschilderten Metboden der Scbnittbebandlung wird der Scknitt bebufs der Conservirung in Canadabalsam stets in Alcohol entwassert und gelangt dann durcb einen mit Alcohol sowohl wie mit Canadabalsam miscbbaren Korper bindurch (Xylol) in den Balsam. Fiir bestimmte Zwecke (speciell zur Conservirung von Leprascknitten) hat U n n a -) eine erbeblicb abweicbende Metliode der Schnittbekand- lung angegeben , welche er „ T r o c k e n m e t h o d e “ oder aucb „ A n - t i o ck n u n gs m etb o d e “ genannt bat. Die Schnitte gelangen dabei nacb der Farbung und Differenzirung nicht in Alcohol , sondern in Wasser , werden von bier mit dem Spatel auf den Objecttrager fiber- tragen, mit Fbesspapier abgetrocknet und dann fiber der Flamme scbnell bis zu vollstandiger Trockenheit erhitzt. Nacb dem Abkuklen wird mit einem Tropfen Balsam das Deckglascken aufgekittet. Wir werden Gelegenbeit baben, diese ffir manche Zwecke ganz ausgezeichnete Metbode noch zu besprecben. Aucb bei der weiterkin noch zu nennenden Weigert’scben Modification des G r a m scben A erfabrens wird die Differenzirung und Entwasserung des Scbnittes auf dem Objecttrager vorgenommen. M as nun die mikroskopische Betracbtung der gefarbten Scbnittpraparate angeht, so ist es anzuempfehlen, stets zunacbst eine Durchmusterung des Praparates mit scbwacbem System vor- zunebmen. Aur auf diese Weise wird man unter Umstanden etwa vorbandene Bakterien mit Sicberbeit auffinden konnen. Es aiebt zwar ') Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 10. -) Monatshefte f. pract. Dermatologie. Ergiinzungsheft. 18S5. — Centralbl. f. Bakter. Bd. 3. 1888. p. 314. IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 89 genug Fiille, in denen wir die Bakterien an jeder Stelle des Scknittes antreffen ; in anderen Fallen aber treten die Bakterien in einzelnen zerstreuten Herden anf, nnd diese konnen, wenn man a priori mit starkem Objectiv untersucht, sehr leicht sicli der Auffindung entziehen. Im Uebrigen gelten fiir die Einstellung des Praiparates die oben (p. 54 nnd 67) bezuglich der Beleuchtung gegebenen Grundsatze : Da es sicli urn gefarbte Objecte bandelt, die wir betracbten wollen, so nehmen wir den vollen Abbe’schen Condensor; den Trieb des Conden- sors stellen wir so ein, dass die Beleuchtung maximal ist. Ein nach der angegebenen Methode angefertigtes, gut gelungenes Praparat zeigt Bakterien und Gewebskerne gefarbt, die iibrigen Theile mehr oder weniger ungefarbt. Die eigen thiimlicbe Form der Bakterien, ihre Grossenverkiiltnisse, ihre Gruppirung zu kleineren oder grosseren Verbanden oder Haufen macht eine Verwechselung der Bak- terien mit gefarbten Tbeilen des tbierischen Gewebes kaum mdglicb. Anlass zu Yerwechselungen in dieser Hinsicht haben die von Ehrlich1) entdeckten, in normalem und pathologischem Gewebe vorkommenden „Mastzellen“ gegeben. Diese Zellen besitzen einen (bei der Far- bung mit Anilinfarbstoffen ungefarbt bleibenden) Kern, um den herum ein Hanfen intensiv farbbarer Komer gruppirt ist. Diese Komer sind haufig fiir Mikrococcen gehalten worden. „Doch sind die Kornchen gewohnlich von ungleicher Grosse. Dieses letztere Yer- halten, das Vorhandensein eines Kernes und der Vergleich mit anderen ebensolchen Zellen sichern indessen leicht ihre Diagnose. “ (Koch.2) Gelegentlich lindet man die Mastzellen auch in Trockenpraparaten (Ausstrichpraparate von Organen); in solchen Praparaten sind die Mastzellen dann haufig zerquetscht, die Komer zerstreut. Derartige Befunde konnten noch leichter als Mastzellen in Schnitten zur Ver- wechselung mit Mikrococcen Veranlassung geben. Aber auch hier ist nach meinen Erfahrungen die richtige Beurtheilung unter Benutzung der angefiihrten Kriterien nicht schwer. Selhstverstandlich erscheinen bei der mikroskopischen Betrachtung eines jeden Schnittpraparates diejenigen Gewebstheile und speciell auch diejenigen Bakterien dem Auge am besten und klarsten, welche in den obersten Schichten des Schnittes liegen. Fiir Demonstra- tionszwecke, ferner zum Zwecke der photographischen Darstellung etc. wird man moglichst dementsprechend gelegene Stellen auszusuchen haben. *) Arch. f. mikroskop. Anatomie. Bd. 13. 1877. p. 263. -) Unters. iil>. d. Aetiol. d. Wundinfect.-Kvankheiten. Leijtzig. 1878. p. 38. 90 A. Allgemeines. 5. Allgemeines uber Farbung und Entfarbung. Leicht und schwer farbbare und entfarbbare Objecte. In den vorhergehenden Abschnitten haben wir geseben, dass die Bakterien ganz im Allgemeinen die Eigenscliaft haben, aus geeigneten Losungen basischer Anilinfarbstoffe den Earbstoff aufzunehmen, sich zu farben ; wir sahen weiter, dass dieselbe Eigenschaft auch den Zellkernen des thierischen Gewebes zukommt. Es machte beziiglich des principiellen Yorgehens bei der Farbung auch keine Unterschiede, ob die Bakterien am Deckglase angetrocknet oder ob dieselben im Gewebsschnitt ver- theilt gefarbt werden sollten. Die anzuwendenden Losungen waren die- selben, und hier wie dort erfolgte die Farbung in kurzester Zeit. Dass Trockenpraparate sich im Allgemeinen schneller farben als Schnitte, liegt nicht etwa an einer principiellen Yerschiedenheit der zu farben- den Objecte selbst, sondern nur an der verschiedenen Art der ausser- lichen Disponirung dieser Objecte. Das Trockenpraparat stellt eine diinne , trockene Schicht dar, welche beim Benetzen mit wasserigen Fliissigkeiten, also auch beim Benetzen mit den Farbstofflosungen, auf- quillt und sich in dem letzteren Falle begierig mit der Farbstofflosung vollsaugt. Beim Schnitte hingegen haben wir eine grossere Gewebs- masse vor uns, welche mit Alcohol oder Wasser durchtrankt ist. Diese durchtrankenden Fliissigkeiten mtissen dann beim Einbringen des Schnittes in die Farblosung erst durch Diffusion entfernt werden. Die eigentliche „ Farbung “ der einzelnen Bakterienzellen erfolgt also, gleichgiiltig ob ein Schnitt oder ein Trockenpraparat vorliegt, im Allgemeinen in kurzester Zeit — vorausgesetzt , dass man passende Farblbsungen anwendet. Mehrmals haben wir bereits betont, dass diese Losungen wasserige sein mtissen. Es lasst sich nun leicht nacli- weisen '), dass rein a 1 c o h o 1 i s c h e Losungen, d. h. Losungen der Farbstoffe in absolutem Alcohol, uberhaupt nicht die Spur bakterien- und kernfarbender Eigenschaften h a b e n. Man stelle sich irgend welches Trockenpraparat durch Verreiben von Bakterienmaterial auf dem Deckglase, durch Ausstreichen von Blut, Eiter etc. auf demselben, dar. Man fixire es in der gewohnlichen Weise. Das absolut trockene Deckglas fasse man mit absolut trockener Pincette und gebe nun auf die angetrocknete Schicht mehrere Tropfen einer concentrirten Losung eines basischen Anilinfarbstoffes in absolutem Alcohol. Nach einigen Secunden spiile man das Deckglas mit absolutem ’) Diesen Nachweis babe icb 1890 (1. Auflage dieses Bucbes p. 71) gefiibvt. IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 91 Alcohol ab. Die Schicht ist vollstandig ungefarbt geblieben. Die Bakterien resp. die Kerne der Eiterzellen etc. haben nicht ver- moeht aus der alcobolischen Losung Farbstoff aufzunehmen , trotzdem dass diese Losung procentisch so viel Farbstoff enthalt wie keine auf irgend welch e sonstige Weise darstellbare Losung. Icb will bemerken, dass man, nacb dem Aufbringen der Farblosung auf das Praparat, das- selbe, um die Farbung eventuell zu beschleunigen , in die Flamme halten kann, so dass die Farblosung anfangt zu brennen. Entfernt man dami das Praparat aus der Flamme und spult es nacb dem Aus- blasen der brennenden Farblosung mit absolutem Alcohol ab, so ist das Resultat dasselbe wie vorher: die Schicht ist ungefarbt gebbeben. Nun konnte zwar Jemand einwerfen, durch das Abspiilen mit Alcohol, der das beste Losungsmittel dieser Farbstoffe ist, werde die zu Stande gekommene Farbung vernichtet, der Farbstoff werde wieder extrabirt. Zur Entkraftung dieses Einwandes stelle man folgenden Versucb an : Ein bebebiges Trockenpraparat farbt man mit der wasse- rigen resp. stark wasserbaltigen Losung eines basischen Anilinfarbstoffes ; man spult die Losung darauf mit Wasser ab und macbt das Praparat durch Abblasen etc. in der gewohnlichen Weise trocken, als ob man es in Balsam conserviren wollte. Das Praparat ist jetzt gefarbt. Nun legt man das absolut trockene, mit absolut trockener Pincette gefasste Deckglas in absoluten Alcohol. Der Alcohol wb’d nicht die Spur von Farbstoff zu extrahiren vermogen. Erst nach langerem Liegen an der Luft, wenn der Alcohol Wasser aufgenommen hat, beginnt eine ganz leichte, abmahhch starker werdende Extraction des Farbstoffes. Der absolute Alcohol ist unfahig, dem gefarbten Praparate Farbstoff zu entziehen. *) Und was von Trockenpraparaten gilt, das gilt von Schnittprapa- raten ganz ebenso. Nur ist es viel schwerer, sich wirklich absolut trockene Schnitte herzustellen. Ich habe zur Klarstellung dieser wich- tigen principiellen Fragen Schnitte aus Alcohol mit Hiilfe des Spatels auf den Objecttrager gebracht. Dort habe ich sie an der Luft an- trocknen lassen und nun noch fiber der Flamme den Objecttrager leicht erwarmt, um moglichst jede Spur hygroskopisch anhaftenden Wassers zu entfernen. Nach dem Erkalten wurden die Schnitte mit ') An dieser Stelle mochte ich bemerken, dass (was nach dem Vorstehenden cigenthch selbstverstiindlich ist) der absolute Alcohol auch aus gefarbten Geisseln den Farbstoff nicht zu extrahiren vermag. Wenn man diese Thatsache demonstriren will, so ist es nothwendig, das der Geisselfarbung (cf. oben p. 75 ff.) unterworfene Deckglaspraparat in trockenem Zu stande zuniicbst in absoluten Alcohol, aus demselben dann in Xylol zu bringen und dann in Balsam einzuscbliessen. 92 A. Allgemcines. concentrirter, rein alcoholischer Fartyosung iibergossen und nacli wenigen Secunden mit absolutem Alcohol abgespiilt. Aucli hier derselbe Effect : Ausbleiben j e d e r Far b u n g. — Dann habe icli Sclmitte in wasse- rigen Losungen langere Zeit gefarbt, aus der Farblosung direct auf den Objecttrager gebraclit, durcli Aufpressen von Fliesspapier abge- trocknet und dann lufttrocken werden lassen, event, unter leichter Er- wannung. Dann sprangen die Scbnitte leicht vom Glase ab oder liessen sich leicht abziehen. Der trockene Schnitt wurde dann in ab- soluten Alcohol versenkt. Ganz , ganz allmahlich kam hier eine Ex- traction des Farbstoffes zu Stande, die dann mit wachsendem Wasser- gehalt des Alcohols, wie oben, allmahlich zunahm. Rein alcoholische Losungen der basischen Anilin- farbstoffe sind also vollstandig unfahig, Bakterien sowohl wie thierisches Gewebe zu far ben, und a n - dererseits ist der absolute Alcohol unfahig, den Farbstoff aus gefarbten Bakterienzellen und aus g e - f a r b t e n Zellen thierischen Gewebes zu extrahire n. Wenn trotzdem gerade der absolute Alcohol als „Ent- farbungsmittel“ zum „Differenziren“ von gefarbten Schnitten empfohlen wird (speciell durch W e i g e r t) l) , so ist d i e s e W irkung des Alcohols darauf zuruckzufuhren, dass er hier auf Gewebe einwirkt. welche mit wasseriger Fliissigkeit (Farblosung) durch trankt sind, dass der Alcohol hier also thatsachlich nicht als absoluter, sondern als mit Wasser verdiinnter Alcohol zur Wirkung kommt, Der mit Wasser in gewissem Grade verdiinnte Alcohol ist aber ein aus- gezeichnetes Mittel, die Anilinfarbstoffe aus den Zellen zu extraliiren. Es kommen hier zwei Eigenschaften desselben zur Geltung: erstens der Wassergehalt, welcher die Fliissigkeit befahigt, die Bakterien oder thierischen Zellen etc. zum Aufquellen zu bringen, und zweitens der Alcoholgehalt , welcher die Fliissigkeit so viel geeigneter zur Losung der Farbstoffe macht, als es das Wasser selbst ist. Und was fur den Alcohol als Entfarbungsmittel gilt, das gilt aucli ftir den Alcohol als Constituens von Farblosungen. Einen wasserig durchtrankten Schnitt konnen wir auch in einer rein alcoholischen Farblosung farben, aber nicht weil die letztere an und fur sicli far- bende Eigenschaften liatte, sondern weil sich bei deni Zutritt derselben zu dem Schnitte eine verdiinnte alcoholische Faxblosung bildet, die die Farbung bewirkt. Ebenso konnen wir ein t-rockenes Trocken- praparat mit rein alcoholischer Farblosung farben , wenn wir zum l) Vircli. Arch. Bd. 84. 1881. p. 275 ft'. IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 93 Abspiilen cler Farblosung nicht Alcohol, sondern Wasser nehmen. Die im Momente des Abspiilens sicli bildende verdiinnte alcoholische Losung bewirkt die Farbung. Hinsichtlich der hier aufgestellten principiellen Eigenschaften des absoluten Alcohols ist zu bemerken, dass einerseits bereits Weigert l) darauf aufmerksam gemacht hat, dass man die Schnitte „ fiber eine Stunde (bei intensiver Farbung noch langer) in Alcohol lassen kann, oline dass sie die Kern- und Bakterienfarbung abgeben“, und dass anderer- seits Friedlander2) betont hat, dass „ein grosserer Zusatz von Alco- hol als etwa 1 0 °/0 zu der Farblosung das Farbungsvermogen derselben beeintrachtigt." Dass aber der Alcohol als solcher gar keine entfarbenden und rein alcoholische Far bios ungen gar keine farbenden Eigenschaften haben, ist, so viel ich weiss, zuerst von mir ausgesprochen worden. Wir werden derartige Eigenschaften des Alcohols und alcoholischer Losungen nur durchaus verstandlich hnden mussen. Die Bakterien- zelle ebenso wie die thierische Gewebszelle ist nur in Wasser quellbar, nie in absolutem Alcohol. Damit die Zelle aber aus irgend welcher mit ihr in Beruhrung kommenden Fliissigkeit Bestandtheile in sich aufzunehmen vermag, muss sie in der Fliissigkeit zunachst in gewissem Grade aufzuquellen vermogen. Wir sehen hier sehr enge Analogien zwischen den Yorgangen, die sich bei der Farbung einer Zelle abspielen, und denjenigen, die bei der Einwirkung antiseptischer Fliissigkeiten auf die Zelle in Frage kommen. :i) Wie wir bereits oben (p. 30) mittheilten, fand R. Koch4), dass eine alcoholische Losung von Carbolsaure nicht die geringste Einwirkung auf die Keimfakigkeit von Milzbrandsporen hat, wahrend wasserigen Losungen derartige Ein- wirk ungen sehr wohl zukommen. Nach Erledigung dieser principiell wichtigen Angelegenheit wollen wir uns mit den verschiedenen Punk ten heschaftigen, welche von allgemeiner Bede u tun g bei der Bakterienfarbung sind. Es sind dies di’ei Punkte : 1) die Qualitat der Farblosung, 2) die Temperatur, bei der die Farbung vorgenommen wird, 3) die Zeitdauer der Einwirkung der Farblosung. ') Virch. Arch. Bd. 84. 1881. p. 280. -) Mikroskopische Technik. 3. Aufl. Berlin 1886. p. 47. :i) Atich noch in anderer Hinsicht bestehen Analogien zwischen diesen beiden Arten von Vorgangen (cf. p. 73, Anm. 4). l) Mitth. a. <1. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 251. 94 A. Allgemeines. Bezuglich des 2. resp. 3. Punktes gilt es ganz allgemein, dass die Farbung um so schneller vor sich geht, je hoher die Temperatur ist, und dass sie desto intensiver wird, je. langer wir die Farblosung auf das Object einwirken lassen. Beziiglicb des ersten Punktes haben wir bereits erortert, dass sicli rein alcobolische Losungen gar nicht zur Farbung eignen, dass sicli aber Gemische aus einem Tbeile derartiger Losungen und etwa 10 Theilen Wasser ausgezeicbnet zur Farbung eignen. Wir haben fenier gesehen, dass die Loeffler’sche Methylenblaulosung (cf. p. 83), welche ebenfalls eine wasserig-alcoholische ist, aber einen ganz geringen Zu- satz von kaustischem Kali enthalt, sich ganz besonders gut zu Farbungen eignet. Es hat sich nun gezeigt, dass das Farbungsvermogen der wasserig- alcoholischen Losungen iiberhaupt durch bestimmte Zusatze sehr er- heblich gesteigert werden kann. Mehrere solcher i n t e n s i v f a r b e n - den Tinctionshiissigkeiten sind seit Jahren in Gebrauch und haben sich sehr bewahrt. Dahin gehort an erster Stehe die Ehrlich ’sche L 6 sung, welche mit Fuchsin oder mit den Yioletten hergestellt werden kann, und die urspriingiich zur Farbung der Tuberkelbacillen construirt wurde, ferner die Z i e h 1 ’sche Losung, welche mit Fuchsin hergestellt wird. Die Ehrlich 'sche Losung J) ist eine Mischung einer concentrirten wasserigen Anilinlosung mit concentrirter alcoholischer Farbstofflosung. Sie wird folgendermassen dargestellt: 4 ccm Anilin (Anihnol) werden mit 100 ccm Wasser geschuttelt. Hierbei wird die grosste Menge des Anihns gelost. Man hltrirt nun durch ein mit Wasser vollstandig angefeuchtetes Filter (angefeuchtet deshalb, damit die ungelosten oligen Anilintropfchen auf dem Filter zuriickgehalten werden) und setzt dann zu dem klaren Filtrate („ A n i 1 i n w a s s e r “) 11 ccm concentrirte alcobolische Fuchsin- (oder Gentiana- violett- oder Methylviolett-) Losung. Die Mischung wird geschuttelt. Diese Ehrlich 'schen Losungen setzen in den ersten Stunden nach ihrer Bereitung Farbstoffniederschlage ab. Schnitte, die unmittelbar nach der Herstellung der Fliissigkeit mit der- selben behandelt werden, zeigen, gleichgiiltig ob man die Farbmischung hltrirt oder unhltrirt zur Anwendung gebracht hat, ihre Oberflache ') cf. Deutsche med. Wocbenschr. 1882. p. 270. IV. Allgemeine Methodik tier Bakterienbeobacbtung. 95 mit kleinsten Farbstoffhiederschlagen bcdeckt, die zu entfernen (ohne die Farbung im Uebrigen zu schadigen) es kein Mittel giebt. Nacli 24 Stunden jedoch hat die Losung sich geklart, und nun stellt sie ein selir gutes, allgemein anwendbares Farbungsmittel dar. Die Ehr- lich’schen Losungen werden mit Vortheil, wie bier scbon bemerkt sein mag, zur Farbung von Tuberkelbacillen in Deckglas- trockenpraparaten, die von Sputum hergestellt sind, angewendet. Die Nacbbebandlung dieser Praparate bringt es mit sicb, dass fur diesen Zweck die Ehrlich’schen Losungen aucb ganz frisch, eben dargestellt, gebraucht werden konnen. Die Ebrlich’schen Losungen balten sicb mehrere Wocben, manchmal sogar einen Monat braucbbar. Allmahlich jedoch wird eine derartige Losung missfarbig, bell; der Farbstoff setzt sicb als schmieriger Belag auf dem Boden und an der Wand des Gefasses ab, und die Fliissigkeit muss dann verworfen und durcb neue ersetzt werden. Die Z i e b 1 ’sche Losung *•) ist eine Mischung von 5 procentiger wasseriger Carbolsaurelosung mit alcobobscber Fucbsinlosung. Man stellt sie dar durcb inniges Yerreiben von 1 g Fucbsin mit 100 ccm 5proc. wasseriger Carbolsaurelosung unter allrnah- licbem Zusatze von 10 ccm Alcohol. Die Ziebl’scbe Carbolsaure-Fucbsinlosung hat eben- falls ein ausserordentlicbes Tinctionsvermogen , konmit aber darin den E h r 1 i c b 'schen Losungen sicher nicht gleicb. Die Z i e b 1 ’scbe Losung ist dauernd bait bar. In diesem Punkte, durcb den sicb die Z i e h 1 'scbe Losung von den Ehrlich ’schen Losungen wesentlicli unterscheidet, liegt iibrigens gerade ein Grand des geringeren Farbungs- vermbgens der Ziehl'scben Losung gegeniiber den E b rli cb ’schen. U n n a 2) bat namlich auf das allgemein giiltige Gesetz aufmerksam gemacbt, dass diejeiiigen Farblosungen am intensivsten farben, in denen der Farbstofi' am schlechtesten gelbst ist, ohne jedocli ausgefallt zu werden. Unna bat diesen Zustand einer Farblosung mit dem Aus- druck der „Schwebefallung“ belegt. Bei den Ehrlich 'schen Losungen ist dieser Zustand der Schwebefallung vorhanden, bei der Ziebl ’schen Losung nicht. Ich wiirde deshalb iiberall da, wo es darauf ankommt, eine mogliclist intensive Farbung zu erreichen, die Ehrlich ’schen Losungen verwenden und eventuell die Miibe nicht *) cf. Deutsche med. Wochensokr. 1882. p. 451. 2) Centralbl. f. Bakter. Bd. 3. 1888. p. 254. 96 A. Allgemeines. scheuen, mir dieselben frisch (larzustellen ; nur ini Nothfalle wiirde ich als Ersatz zu der Ziehl’schen Losung greifen, die immer vorrathig und jederzeit gebrauchsfertig im Laboratorium gelialten werden kann. Einen noch hoheren Grad des Farbungsvermogens hat Loeffler1) den Ehrlich’schen Losungen dadurch verliehen, dass er den Alcohol bei ibrer Zusammensetzung ganz wegliess und etwas' Natronlauge zu- fiigte. Loeffler setzte sich zur Farbung der Geisseln an Bakterien, die zunachst mit einer Beize behandelt waren (cf. oben p. 75), die Farblosung urspriinglich folgendermassen zusammen : Zu 100 ccm concentrirtem Anilinwasser 2) wil’d 1 ccm 1 procentige N atriumhydr atlosun g zugefugt. Das Gemisch wird mit 4 — 5 g festem Fuchsin (oder Methylviolett oder Methylen- blau) tiichtig geschiittelt. Diese Farbflussigkeit diirfte an Intensitat des Farbungsvermogens von keiner der bekannten Farblosungen ubertroffen werden. Man sieht ohne Weiteres, dass hier ein noch hoherer Grad der Unna’schen „Schwebefallung“ bestehen muss als bei den Ehrlich’schen Losungen, da ja der Zusatz des Alcohols, des ausgezeichnetsten Losnngsmittels nnserer Farbstoffe, fehlt. Unerwahnt will ich iibrigens nicht lassen, dass H. Kiihne3) als Uni versalbakterienfarbungsmittel ein e C a r b o 1 m e t h y 1 e n b 1 a u 1 o s u n g (dargestellt aus 1,5 g Methylenblau, 10 ccm Alcohol nnd 100 ccm 5procentigem Carbolwasser) angegeben und empfohlen hat. In dem quantitativ verschiedenen Farbungsvermogen der citirten Farblosungen einerseits, andererseits in der verschiedenen Zeitdauer der Einwirkung dieser Losungen auf das Object und in der ver- schieden hohen Temperatur, bei der dies geschieht, haben wir die Momente, welche fur die Intensitat der zunachst resultirenden Farbung von Bedeutung sind. Es hat sich nun die wichtige Thatsache lierausgestellt , dass sich nicht alle Bakterienobjecte einer und derselben Farblosung gegenuber gleichartig, der Farbung gleichmassig zugangig, verhalten. Verfeinerte Methoden werden ohne Zweifel in dieser Beziehung vielfache Differenzen zwischen den verschiedenartigen Objecten auffinden, die uns heute noch unbekannt sind. Wie die Dinge heute stehen, kann man im ’) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1SS9. No. S/9. 2) Dargestellt wie bei der Bereitung der Ehrlich’schen Losungen. 3) Praktische Anleitung zum nnkroskopischen Nachweis der Bakterien ini thierischen Gewebe. Leipzig. 18S8. IV. Allgemeine Metkoclik dor Bakterienbeobacbtung. 97 Allgemeinen nur unterscheiden zwischen solchen Objecten , die den Farbstoff leiclit aufnehmen , und solchen , die ihn schwer anfnehmen ; oder anders ausgedriickt : wir haben zu unterscheiden zwischen lei cht farbbaren Objecten und schwer farbbaren Objecten. „ Lei cht farbbar“ wollen wir solche Objecte nennen, die, mit wasserig - alco- holischen Farbstofflosungen bei gewohnlicher Temperatur behandelt. im Trockenpraparat die Farbung innerhalb weniger Secunden, im Schnitte innerhalb weniger Minuten annehmen, „ schwer farbbar“ solche, die unter denselben Bedingungen die Farbung noch nicht an- nehmen, zu deren Farbung es intensiver wirkender Methoden bedarf. Ganz allgemein gilt es ferner, dass diejenigen Objecte, die den Farbstoff leicht annehmen, denselben auch leicht wieder abgeben, dass andererseits diejenigen, die ihn nur bei intensiverer Behandlung mit der Farblosung aufnehmen, ihn auch energischer festhalten, weniger leicht abgeben. Wir konnen das auch so ausdriicken: Die leicht farbbaren Objecte sind auch leicht entfarbbar, die schwer farbbaren auch schwer entfarbbar. Oben haben wir definirt, was wir unter „leicht farbbar", „schwer farbbar“ verstehen. Was verstehen wir aber unter „leicht entfarbbar'4, ,, schwer entfarbbar “ ? Um diese Fragen zu beantworten , mussen wir uns iiber die Mittel, che uns zur Entfarbung der gefarbten Zelle zu Gebote stehen, informiren. Absoluter Alcohol extrahirt, wie auseinandergesetzt, den Farbstoff aus der gefarbten, trockenen Zelle nicht. Wird der Alcohol aber mit Wasser verdiinnt, so tritt eine Extraction des Farbstoffes ein. Dieselbe erfolgt aber nicht momentan, sondem langsam und allmahlich. Wir konnen gefarbte Schnitt- sowohl wie Trockenpraparate ihres Farbstoff- gehaltes allmahlich vollstandig berauben, wenn wir sie in verdunnten Alcohol legen und darin liegen lassen. Die Griinde fur die in dieser Beziehung verschiedene Wirkung des absoluten und des verdunnten Alcohols haben wir oben (p. 92) auseinandergesetzt. Der mit Wasser v e r d ii n n t c Alcohol ist also ein Extractionsmittel fur den Farbstoff, ein Entfarbungsmittel. Viel schwacher als verdunnter Alcohol wirkt blosses Wasser; aber auch das blosse Wasser ist ein Ent- farbungsmittel. Es vermag in die Zelle einzudringen und den Farb- stoff einigermassen zu extrahiren. Sehr energisch wirkt im Vergleich zu den genannten Mitteln der offers wiederholte Weclisel zwischen Alcohol und Wasser. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man die intensiven Diffusionsstrome , die liier in und an dem Objecte auf- treten miissen, fur die Extractionswirkung wesentlich mit verantwort- lich macht. Glint her, Bakteriologie. r 98 A. Allgemeines. Die starksten Entfarbungsmittel aber bilden die Sauren. Schon eine ganz verdiinnte Essigsaure bat intensiv entfarbende Eigen- schaften. Yerdiinnte Salz-, Salpet'er-, Schwefelsaure wirken noch starker. Ganz besonders stark entfarbend wirken die Sauren in Verbindung mit Alcohol. Fur unseren Arbeitstisch mochte icb als stets vorrathig zu haltende Entfarbungsmittel empfehlen: 1) 5 p r o c e n t i g e wasserige Essigsaurelosung. Dieselbe kann obne Weiteres verwendet, aber auch mit mehr oder weniger Wasser verdiinnt zur Anwendung gebracht werden. 2) 20procentige wasserige Salpetersaurelosung. 3) 3procentigen Salzsaure-Alcohol (100 Alcohol ahso- lutus, 3 Salzsaure). Yon manchen Seiten wird auch Salpetersaure-Alcohol empfohlen. Ich mochte dieser Empfehlung weniger das Wort reden; denn die Salpetersaure bewirkt sehr leicht Oxydationen des Alcohols, und man hat dann im gegebenen Falle haufig ein undefinirbares Gemisch ver- schiedener Aether etc. an Stelle der Alcohol - Salpetersauremischung. Der Salzsaure-Alcohol jedoch ist unverandert haltbar. Enter „ leicht entfarbhar en“ Objecten verstehe ich nun solche, welche die Farhung bei der Behandlung mit 20 procentigem Salpetersaurewasser oder mit 3 procentigem Salzsaure-Alcohol in kiirze- ster Zeit (Secunden bis Minuten) verlieren ; imter „schwer entfarb- baren“ solche Objecte, die die Farbung unter diesen Bedingungen behalten. Man kann folgende Satze aufstellen: 1) Leicht farbbar und leicht entfarbhar sind (es farben sich in wasserig-alcohohschen Farbstofflosungen bei gewfihnlicher Temperatur in kiirzester Zeit, und es entfarben sich in 20proc. Salpetersaurewasser und ehenso in 3proc. Salzsaure-Alcohol in kiirzester Zeit): a) Bakterien [excl. Tuberkel- (und Lepra-) Bacillen und Ba- cillensporen]. h) Zellkerne. 2) Schwer farbbar und schwer entfarbbar sind (es farben sich nur hei Anwendung intensiver wirkender Methoden, und es entfarben sich, einrnal gefarbt, n i c h t hei kurzer Einwirkung von 20proc. Salpetersaurewasser oder 3proc. Salzsaure-Alcohol): Tuberkel- (und Lepra-) Bacillen und Bacillensporen. Worm die intensiver w i r k e n d e n Methoden bestehen . er- giebt sich von selbst, wenn wir die oben (p. 93) dargelegten Momente in Erwagung ziehen, welche fur die Intensitat der Farbung in Betracht IV. AUgemeine Mcthodik tier Bakterienbeobacktung. 99 kommen. Um intensiv farbend einzuwirken , werden wir uns zu- nachst solcher Farblbsungen bedienen miissen, denen besonders gross e Tinctionskraft zukommt, d. b. also der Ehrlich’ schen Losungen, event, anch der Ziehl’ schen Losung; hiermit werden wir in den meisten Fallen das Ziel erreichen. Kommt es auf ganz be- sonders intensive Einwirknng an, so werden wir uns die von Loeffler (cf. p. 96) angegebenen alkahschen Anilinwasserfarblosungen, die alcokol- frei sind, darstellen miissen. Diese intensiv wirkenden Losungen wer- den wir dann, und das ist das zweite Moment, nicht bei gewohnlicher Temperatur, sondern bei hoherer Temperatur auf das Object ein- wirken lassen, und wir werden (dritter Punkt) nicht kurze, sondern langere Zeit die Einwirkung andauern lassen. Beriicksichtigen wir im gegebenen Falle alle drei Punkte, die Qualitat der Farblosung, die Temperatur und die Zeit, so wird die Intensitat der Farbung ihr Maximum erreichen. Gewohnlich aber geniigt es, die intensiv farbende Elussigkeit bei hoherer Temperatur kurzere Zeit oder bei gewohnlicher Temperatur langere Zeit einwirken zu lassen. Das erstere wird sich besonders fur Trockenpraparate , das letztere besonders fur Schnitte empfehlen. Deckglastrockenpraparate konnen wir, ohne dieselben zu schadigen, mit kochender Farbstofflosung behandeln, so lange wir wollen. Schnitte vertragen, wie oben (p. 88) gesagt, hochstens Temperaturen bis etwa 40 — 50 0 C. Die schwer farbbaren Bakterienobjecte , die Tuberkel- (und Lepra-) Bacillen und die Bacillensporen, verhalten sich nun hinsicktlick der Zugangliehkeit fur den Farbstoff verschieden. Die Leprabacillen setzen dem Eindringen des Farbstoffes den geringsten Widerstand ent- gegen. Sie konnen sich sogar manchmal , wenigstens in einzelnen Exemplaren, wie leicht farbbare Bakterien verhalten, und es ist diese Eigenschaft von Baumgarten1) zu einer mikroskopischen Differential- diagnose zwischen Lepra- und Tuberkelbacillen verwandt worden. Die Tuberkel bacillen verhalten sich erheblich resistenter gegen das Eindringen des Farbstoffes. Am resistentesten verhalten sich die Ba- cillensporen. Die letzteren bediirfen also zum Zustandekommen der Farbung der relativ intensivsten Behandlung. Sind die genannten Objecte einmal gefarbt , haben sie den Farbstoff einmal aufgenommenr so geben sie denselben an die Entfarbungsmittel , wie envaknt, nicht leicht wieder ab, wahrend andere Theile des Praparates, denen die Eigenschaft der leichten Farbbarkeit zukommt, sich bei derartiger Be- handlung mit Entfarbungsmitteln wieder entfarben. Es resultirt dann *) Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie. B<1. 1. 1884. 100 A. Allgemeines. naturgemass eine isolirte Far bung der vorhandenen schwer farb- baren Objecte; und damit ist dann auch die Mogliclikeit gegeben, die wieder entfarbten, leicht farbbaren Theile secundar mit einer gegen die Farbung der schwer farbbaren Objecte contrastirenden Farbung, mit einer Contrast- (Gegen- oder Grund-) Farbung, zu versehen. Man kann so Praparate mit Doppelfarbung herstellen. Bei pri- marer Fuchsinfarbung wahlt man als Gegenfarbe Methylenblau, bei primarer Violettfarbung als Gegenfarbe Bismarckbraun oder Carmin. Wir konnen auf diese Weise z. B. in einem Tuberkelbacillenschnitt- praparate die Tuberkelbacillen fuchsinroth, die Kerne des Gewebes methylenblau farben; wir konnen uns Trockenpraparate von tubercu- losem Sputum herstellen, in welchen die Tuberkelbacillen violett, die iibrigen vorhandenen Bakterien und die Kerne der Eiterzellen etc. bis- marckbraun gefarbt sind; wir konnen sporenhaltige Milzbrandfaden so farben, dass die Sporen fuchsinroth, das Bacillenprotoplasma methylen- blau erscheinen. Auf die Sporenfarbung werden wir bei Gelegenheit der Be- trachtung des Milzbrandbacillus , auf die Tuberkelbacillenfarbung bei Gelegenheit des Tuberkelbacillus des Naheren eingehen. 6. Die Gram’sche Methode der Kernentfarbung. Wir wir gesehen haben, lassen sich Bakterien, welche in Scknitten thierischen Gewebes enthalten sind, durch die Farbung mit basischen Anilinfarbstoffen sehr leicht der Beobachtung zuganglich machen. Wir brauchen einen solchen Schnitt nur in eine der angegebenen Farb- losungen zu legen und hinterher abzuwaschen und mit schwachen Ent- farbungsmitteln zu behandeln, um die Bakterien gefarbt zu Gesicht zu bekommen. Freilich sind die Kerne des Gewebes stets mitgefarbt. Wurden wir auf den gefarbten Schnitt starkere Entfarbungsmittel ein- wirken lassen, z. B. 3proc. Salzsaure- Alcohol, oder wurden wir die schwacheren Entfarbungsmittel langere Zeit einwirken lassen, so wurden allerdings die Kerne ihre Farbung verlieren; zu gleicher Zeit aber wurden auch die Bakterien ihre Farbung abgeben und verblassen. Wollen wir also in einem Schnitte die Bakterien gefarbt haben, so mtissen wir eine Ivernfarbung mit in den Kauf nehmen; es sei denn, dass es sich um die schwer farb- und entfarbbaren Tuberkel- (oder Lepra-) Bacillen handelte; die specifischen Eigenthumlichkeiten d i e s e r Bakterien bringen es mit sich, dass wir s i e in isolirter Farbung darstellen konnen. Aus dem Schema der bisher betrachteten Farbungsmethoden fallt IV. AUgemeinc Methodik der Bakterienbeobachtung. 101 nun vollstandig heraus ein eigenthiimliches Yerfahren der farberischen Behandlung bakteriologischer Praparate, welches der danische For seller Christian G r a m ') im J ahre 1884 zu Berlin entdeckte. G r a m gelangte durcli Zufall zu dieser Entdeckung. Er hatte namlich, wie er angiebt -), versuclit, in pathologisch veranderten Nierenschnitten eine Doppelfarbung dadurch herzustellen , dass er dieselben zunachst in E li r 1 i c h ’scher Anilinwassergentianaviolettlosung und darauf in Jod- jodkaliumlosung behandelte. Die Kerne sollten violett, die Hamcylinder braun gefarbt werden. Als er nun die so behandelten Schnitte in Alcohol behufs der Differenzirung und Entwasserung brachte, beob- achtete er, dass die Schnitte sich vollstandig und schnell entfarbten, d. h. dass die sonst in Alcohol verbleibende Kernfarbung verschwand. In dem Schnitte vorhandene Bakterien hatten sich aber hierbei nicht mit entfarbt; im Gegentheil: sie zeigten sich iiusserst intensiv, dunkel tingirt. Gram hatte also ein Verfahren gefunden, die Gewebskerne zu entfiirben, ohne die B akterienfar bung anzutasten. Das Gram ’sche Yerfahren ist also kein eigentliches Far bung s- verfahren, sondern es ist ein Entfarbungs verfahren, und zwar ein Ivernentfar bungs verfahren. Hiermit war viel gewonnen. Es war die Moglichkeit eroffnet, jede beliebige Bakterienart in isolirter Farbung im Schnitte darzustellen und nach Belieben auch eine Gegen- farbung der Kerne eintreten zu lassen. Gram fand aber sofort, dass nicht alle Bakterienarten bei der geschilderten Entfarbungsmethode ihre Farbung behalten, sondern dass es Bakterienarten giebt, welche sich bei der geschilderten Behandlung ebenso wie die Kerne des Ge- webes entfiirben. Die ursprungliclie Gram’sche Vorschrift war nun die, dass die Schnitte aus Alcohol in die Ehrlich ’sche Anilinwassergentianaviolett- losung fur mehrere Minuten gelangen. Hierauf werden sie in eine Jodjodkaliumlosung (1 Jod, 2 Jodkalium, 300 Wasser) fur mehrere Minuten, darauf in Alcohol gebracht. Wahrend sich der Schnitt in der Jodlosung gliinzend schwarz gefarbt hat, giebt er in dem Alcohol sofort eine purpurrothe Farbstoflwolke ab. Wird kein Farbstoff mehr ausgezogen, so kommt der Schnitt in Nelkenol ; hier verliert er even- tuell noch etwas Farbstoff. Darauf wird er in Balsam eingesclilossen. Befolgt man diese ursprungliclie Gram’sche Vorschrift genau, so wird man meist gute Resultate erzielen; mitunter aber fuhrt diese Behandlung nicht zu einer geniigenden Entfarbung der Kerne. Es *) Fortsehr. tl. Med. 1884. No. 6. 2) Ebenda. p. 186. 102 A. Allgemeines. gelingt jedoch duroh bestimmte kleine Abanderungen das Verfahren so zu gestalten, dass es unter alien Urns tan den zu dem ge- wiinscliten Ziele fuhrt. Im Jahre 1880 babe ich1) zuerst eine Modification des Gram’- schen Verfabrens angegeben, die icb dann im folgenden Jahre aus- fiilirbcb publicirt babe.2) Diese Modification, welcbe unter der Be- zeicbnung des „Gram-Gunther’schen“ Verfabrens bekannt geworden und der urspriingbcben Metbode gegeniiber vielfacb mit Vortbeil an- gewendet worden ist, unterscheidet sicb dadurch von dem ursprung- licben Verfabren, dass nicbt nur Alcohol, sondern daneben aucb 3proc. Salzsaure-Alcobol zur Extraction des Farbstoffes benutzt wird; wesentlicb ist aber, dass der Saurealcobol nur ganz vor fib erge bend zur Anwendung gelangt. In diesem Punkte bin icb von einigen Seiten missverstanden worden; man bat mebrfacb angegeben, die von mir empfohlene Modification verwende Saurealcobol statt reinen Alcohols. Eine zweite Abweicbung von der ursprunglichen Gram'schen Vorscbrift liegt darin, dass nicht Nelkenol (welches bei Gram eventuell nocb zur Extraction des Farbstoffes diente), sondern Xylol zur Verwendung gelangt. Das Gram -Gunther ’scbe Verfabren gestaltet sicb nun im Speciellen folgendermassen : 1) Der Scbnitt gelangt aus Alcohol in (eben filtrirte) Ebrlicb’scbe Anilinwassergentianaviolett- (oder Methylviolett-) Losung auf 1 — 2 Mi- nuten.3) Die Farblosung muss mindestens 24Stunden alt sein (cf. p. 94). 2) Herausnehmen des Scbnittes mit der Nadel, Abtupfen der iiber- schussigen Farblosung auf Fliesspapier und Einbringen des Scbnittes in Jodjodkaliumlosung (1 Jod, 2 Jodkalium, 300 Wasser) auf 2 Mi- nuten. (Der Scbnitt liegt dabei, gut ausgebreitet, auf dem Grunde des Sclialchens.) 3) In Alcohol auf Minute. 4) In 3proc. Salzsaure-Alcobol auf genau 10 Secunden. 5) Mit Ablauf der 10 Secunden sofortige Uebertragung in neuen. bereits vorber bereit gestellten reinen Alcohol auf mehrere Minuten. 6) Noch ein oder mehrere Male (in nicbt zu langen Pausen) Uebertragung in friscben Alcohol bis zu maxim aler Entfarbung 9 In der mikroskopiscken Technik vou C. Friedlander, 3. Aufl. p. 50 — 51 (nach brieflieher Mittheilung an den Yerfasser) angegeben. 2) Deutsche med. Wochenschr. 1S87. No. 22. p. 474. 3) Dine Ausnahme inachen Tuberculose- und Lepras cknitte. Die letz- teren werden '/a Stunde, die ersteren 12 — 24 Stunden gefarbt. IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobacktung. 1 03 (es clarf sicli scliliesslich keine Farbstoffwolke mehr von dem Schnitte abheben). 7) In Xylol. Hier kann der Scbnitt beliebig lange kegen. Er halt sick in dem Xylol unbegrenzt lange unverandert. Jedoch kann er, mit Xylol durchtrankt, sofort, d. k. spatestens 1/„ Minute nack deni Einlegen in Xylol, ubertragen werden 8) mit dem Spatel auf den Objecttrager. 9) Nack Abtupfen des Xylolubersckusses wird ein Tropfen Xylol- Balsam aufgebracht und auf diesen das Deckglas gelegt. Will man eine Gegen far bung der Kerne erzielen, so kann man, wie das Gram that, die in Alcohol entfarbten Schnitte auf einen Augenblick in wasserige Bismarckbraunlosung taucken, dann wieder in Alcohol entwassern und nack der Passage durck Xylol in Balsam einschliessen. Haufig bekommt man so ganz gute Resultate. Manckmal aber verlieren die Bakterien bei dieser Manipulation etwas von der Priicision ikrer Farbung, und bei Erysipel-Scknitten werden die Coccen, wie ick gefunden habe, bei dieser Gelegenkeit sogar voll- standig entfarbt. Es empfieklt sick also die nachtragliche Grund- farbung mit Bismarckbraun im Allgemeinen durckaus nickt. Ein a n d e r e s V e r f a k r e n der Grundfarbung bei der Gram’schen Scknittbekandlung ist jedock fur alle Falle durckaus zu empfeklen. Bei diesem Yerfakren wird die Kernfarbung vor der Bakterienfarbung vorgenommen. Die ungefarbten Schnitte gelangen hier aus Alcohol 1) in Wasser auf mekrere Minuten, darauf 2) in Picrocarminlosung ') 1 — 2 Minuten. 3) Sie werden darauf iu vier- bis funfmal erneuertem Wasser ausgewaschen und dann 4) in Alcohol gebrackt. Die Schnitte kaben nun eine wundervolle Kernfarbuug (Carmin) an- genommen. In dem Alcohol konnen sie beliebig lange, ohne sich zu verandern, aufbewahrt werden. Man kann sie dann zu beliebiger Zeit der Gram’schen resp. Gram-Gun tker ’schen Bekandlung unter- werfen, die genau so ausgefiikrt wird, als wenn es sick um vollstandig l) Bie Losung stellt man sich nach Eriedliinder (Mikroskopische Teeknik. 3. Aufl. 1886. p. 35) so dar, dass man eine Losung von Carmin in Ammoniak (1 Carmin, 1 Ammoniak, 50 Wasser) zurecht maeht und zu dieser soviel concentrirte wasserige Picrinsaurelosung zusetzt, bis der entstehendo Nicderschlag (Carmin) beim Umriibren nicht mekr gelost wird. Eine Spur Ammoniakzusatz lost den Niederscblag wieder auf. Diese Vorsclirift bat sich mir stets bewabrt. 104 A. Allgemeines. ungefarbte Scbnitte handelte. Die Carminfarbung der Kerne wird durch die Gram’sche Behan dlung in keiner Weise alterirt. Wie wir oben schon angaben, bleiben bei der Kernentfarbung nach der G r a m ’schen Methode eine Beihe von Bakterienarten gefarbt ; eine andere Reihe von Arten theilen das Schicksal der Kerne und entfarben sicb. Man sagt von den ersteren auch : „Sie farben sicb nach der Gram’scben Methode", von den anderen „sie farben sicb nicht nach der Gram 'schen Methode." Man sagt auch einfach „sie farben sich nach Gram" resp. „nicht nach Gram". Es ist aber zu betonen, dass eine jede Bakterienart sich entweder auf die eine oder auf die andere Seite stellt. Eine Zwischenstufe in dem Verhalten giebt es nicht. Yon den pathogenen Bakterienarten farben sich nach Gram (d. h. ) Annales de l’inst. Pasteur. 1888. No. 1. V. Allgemeine Methodik der Bakterienziichtung. 123 clem breiten Ende voran , in ein Reagenzglas , welches durcli einen Wattepfropf verschlossen wird. Da sich hei clem nachfolgenden Kochen resp. Sterilisiren Gondensationswasser bildet, so lasst Roux die Kar- toflfel auf einer in der Niihe des Bodens des Reagenzglases befindlichen verengerten (eingezogenen) Stelle der Wand des Glases aufruhen, wahrend Hueppe1) hierzu ein Stuck Watte benutzt, welches auf den Boden des (in gewohnlicher Weise geformten) Reagenzglases gebracht wird. Durch beide Yorrichtungen wird die Beruhrung der Ivartoffel tii it deni Condensationswasser verhindert. Ich 2) benutze zu diesem Zwecke kleine, kurze Glasrohrchen, auf denen der- Kartoffelkeil seinen Stutzpunkt findet. Hat man bereits gekochte Kartoffeln fur die ge- nannte Methode iu Verwendung gebracht, so folgt nach dem Yerschluss des Glases mit Watte die Sterilisirung, welche wie hei der Gelatine- etc. Bereitung vorgenommen wird. Hat man rohe Kartoffeln yerwendet, so nhissen die Kartoffelkeil e erst gekocht, dann noch griindlich sterili- sirt werden. Zu dem Zwecke stellt man die Glaschen zunachst far 30 Minuten in den Dampftopf unci wiederholt die Dampfbehandlung an den beiden nachstfolgenden Tagen je 15 — 20 Minuten lang. Die Kartoffel hat gewohnlich eine leicht s a ure Reaction. Fur gewisse Zwecke ist es nothwenclig, die Kartoffeloberflache (durch Sodalosung) schwach alkalisch zu machen. Eine Methode, frische Eier als Nahrboden fin- Mikroorganismen zu verwenden, hat Hueppe3) angegeben. Die frischen Eier werden ausserlich sorgfaltig (mit Hiilfe von Seife, Wasser unci Biirste) ge- reinigt; dann wird die Schale mit Sublimatlosung sterihsirt, mit steri- lisirtem Wasser abgesptilt und mit steriler Watte abgetrocknet. Nun wird an der Spitze des Eies mit ausgegluhter Naclel eine feine Oeff- nung gemacht; durch die letztere hindurch wire! mit Hiilfe des Platin- drahtes die Infection des Eies bewirkt. Darauf bedeckt man die Oeff- nung mit einem kleinen Stuck sterilisirten Seidenpapiers und befestigt das letztere mit Hiilfe von Collodium fest an der Eischale, sodass die Oeffnung luftdicht verschlossen wird. Um die Eisubstanz fur sich, von der Eischale entblosst, zu yj Die Methoden der Bakterienforschung. 4. Aufl. 1889. p. 234. 2) Deutsche med. Wochensehr. 1889. No. 20. 3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 4. 1888. No. 3. — Nach Hueppe's Ansicbt ist das Wachsthum der Bakterien innerhalb des Eies ein wesentlich anaerobes. Von vollstandiger Anaerobiose kann aber sicher keine Rede sein, da der atmospbarisebe Sauerstoff durch die Schale in das Innere des Eies hineindiffundirt. Die im Ei auf- tretenden, das spontane Verderben der Eier bewirkenden Bakterienarten sind samrat und sonders Acroben (cf. Schrank, Wien. med. Jabrb. 1888. p. 320; Zorken- ddrfer, Arch. f. Hyg. Bd. 16. 1893. p. 398). 124 A. Allgemeines. Culturzwecken zu verwenden, verfahrt Zorkendorfer1) auf folgende Weise: Das frische Ei wird aufgeschlagen , und das Eiweiss wird in der in der Kiiche iiblichen Weise (namlich indem man den Dotter mekrmals aus einer Schalenhalfte in die andere iiberfullt) in ein (vor- her im Trockenschrank sterilisirtes) Erlenmey er’ sches Kolbchen eingefullt. Dann wird der ganze Dotter auf die Miindung des Kolb- chens gelegt, und das letztere wird darauf in Eiswasser gestellt. Der Luftdruck presst nun den Dotter meist ohne Weiteres in das Kolb- chen. Event, hilft man durch Blasen etwas nacb. Man hat dann das ganze Ei mit unverletztem Dotter im Kdlbchen ; das letztere wird mit dem zugehorigen (sterilisirten) Wattepfropf verschlossen und dann zur sicheren Sterihsirung des Eies eine Reihe von Tagen je 1 — 2 Stunden einer Temperatur von 56° C. ausgesetzt. Man verfahrt also genau so wie bei der Sterihsirung des Blutserums (cf. oben p. 119). Zur Zuchtung von Schimmelpilzen benutzt man mit Yortheil Brotbrei. Um denselben herzustellen , fiillt man getrocknetes und zerriebenes Brot in Reagenzglaser bis etwa zur Hohe von 3 bis 4 cm (oder nock besser in Erlenmeyer ’sche Kolbchen, etwa 1 1/, cm hoch) ein. Man giebt dann so viel Wasser hinzu, dass das Brot vollig durch- feuchtet wird, verschliesst das Rohrchen resp. Kolbchen mit einem Wattepfropf und erhitzt nun bekufs der Sterihsation an drei auf ein- ander folgenden Tagen je 15 bis 20 Minuten im Dampftopf. Der Brotbrei reagirt sauer, ist also fur Bakterien kein passender Xakr- boden. 3. Die wichtigsten Methoden der Bakteriencultur. Zur Isolirung der einzelnen Arten aus einem Bakteriengemische bedient man sich jetzt fast ausscliliesslick der Kock’schen Platten- cultur method e. 2) Diese Methode setzt einen gelatinirenden Nahr- boden voraus, der im fiussigen Zustande mit dem Bakteriemnaterial so beschickt wird, dass sich die einzelnen Keime moglichst gleichmassig in ihm vertheilen, der dann auf einer moglichst grossen Flache aus- gebreitet und dort zur Erstarrung gebracht wird. Dann sind die ein- gesaeten Keime ortlich fixirt und kommen zu isolirter Entwickelung. Als Nahrboden kommt meist die gewoknliche Nahrgelatine (cf. oben p. Ill) zur Verwendung. Xacli der ursprunglichen Koch’schen Yor- schrift verfahrt man hierbei folgendermassen : 9 Arch. f. Hyg. Bd. 16. 1893. p. 380. ') Das Princip dieser Methode hat Koch zuerst angegeben in den Mitth. aus d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 27. Zeile 25 — 29 und p. 36. Zeile 11 — 14. V. Allgemeine Methodik tier Bakterienziicktiing. 125 Es wircl ein Reagenzglas, welches c. 10 com sterilisirte Nahrgelatine enthalt („Gelatinerohrchen“), genommen und sein unterer Theil uber der Flamme (oder in c. 40° C. warmem Wasser) leiclit erwarmt, so dass die Gelatine s c h m i 1 z t. 1st bei der Erwarmung liber der Flamme die Gelatine zn heiss geworden, so mnss sie bis etwa zur Handwarme wieder abgekuhlt werden. Nun wil’d das Glaschen so zwischen Daumen nnd Zeigefinger der mit dem Handteller nach oben gerichteten ausgestreckten linken Hand gesteckt, dass der Wattepfropf nach oben sieht. Mit der rechten Hand wird der letztere zunachst dnrch Drehen gelockert , dann heraus gezogen und zwischen den zweiten nnd dritten Finger der linken Hand so geklemmt, dass der im Glase befindlich gewesene Theil des Pfropfes von den Fingern niclit beruhrt wird. Nun wird die Gelatine „inficirt“. Das Inficiren geschieht mit Hiilfe eines Platindrahtes, welcher etwa 6 — 7 cm lang, nicht zu diinn, und an einem etwa 20 cm langen Glasstabe angeschmolzen ist. Yon derartigen Platindrahten halt man sich mehrere vorrathig. Einzelne sind geradhnig gestreckt; bei anderen ist das Ende zu einer etwa 2 mm im Durchmesser haltenden kreisformigen Oese gebogen (..Platin 5 s e“). Je nachdem man nun ein Material vor sich hat, welches ausserordentlich reich an Bakterien ist (wie z. B. die Kahm- haut auf der Oberfiache eines faulenden Pflanzeninfuses), oder welches weniger reich an Bakterienkeimen ist (wie z. B. kaufliche rohe Milch), nimmt man entweder mit der Spitze oder mit der Oese etwas von dem zu untersuchenden Material und bring! es in die Gelatine. An der Spitze namlich bleiben stets erheblich geringere Quantitaten des Materials haften als an der Oese. Bevor man die Platindrahte be- nutzt, werden sie in dem Flammenmantel des Bunsenbrenners oder in der Spiritusflamme ausgegliiht, dann wieder erkalten gelassen. Der inficirte Platindraht resp. die Platinose werden in das Gelatine- rohrchen so eingeftihrt, dass man eine Beriihrung der Wand des Glaschens mit dem Bakterienmateriale oberhalb der Gelatine moglichst vermeidet. Das ganze Material soil in die Gelatine gelangen und nicht etwa zn einem grosseren oder geringeren Theile am Glase hangen bleiben. Das Material wird dann dnrch Agitiren mit dem Platindrahte moglichst gleichmiissig in der Gelatine vertheilt. Hat man consisten- teres Material vor sich, welches sich nicht so leicht gleichmiissig ver- theilen lasst, so empfiehlt es sich, dasselbe dicht oberhalb der Gelatine an der Glaswand unter Zuhiilfenahme kleiner Mengen Gelatine mit Hiilfe des Platindrahtes zu zerreiben und dann durcli Bewegen des Rohrchens in die Gelatine hineinzusptilen. 12G A. AUgemeines. Auf jeden Fall kommt es also immer daranf an, das zu unter- suchende Material in moglichst vertheiltem Zustande mit der Nahrgelatine zu vermisclien. Es giebt Falle, in denen die hierzu nothwendige Zertheilung und Zerkleinerung des Materials auf dem geschilderten Wege nicbt gelingt. Wenn wir z. B. ein Stiickclien einer frischen Favusborke mit Hiilfe des Platindrahtes in die gescbmolzene Nahrgelatine eintragen wiirden, so wiirde uns die nothwendige Zer- kleinernng dieses Materials durch Agitiren etc. in keiner Weise ge- lingen. In solcben Fallen habe ick mir auf folgende Weise gekolfen: Ich improvisirte mir eine sterilisirte Reibschale und ein steri- lisirtes Pis till: erstere, indem ich ein reingeputztes Uhrschiilchen iiber der Flamme stark erhitzte und dann erkalten liess ; letzteres, in- dem ich ein leeres, trockenes, reingeputztes Reagenzglas an seinern o-eschlossenen Ende in der Flamme stark erhitzte und dann erkalten o _ liess. Dann wurde etwas sterile Bouillon in das sterile TJhrschalchen gegossen, das zu zerkleinernde Material (Favusborke etc.) hineingegeben und mit Hiilfe des „ Reagenzglas p i s t i 1 1 s “ fein zerrieben. Hat man sich derartiges, mehr oder weniger zahe zusammenhangendes, Material auf die geschilderte Weise zertheilt und zerkleinert, so nimmt man dann eine Platinose voll der das zerkleinerte Material enthalten- den Bouillon heraus, tragt die Oese in die gescbmolzene Gelatine, (he zur Plattencultur verwendet werden soli, ein, und es ist dann ein Leichtes, das Material gleichmassig in der Gelatine zu vertheilen. Wir haben nun eine Portion Gelatine inficirt, wir haben das Keimgemisch, welches wir untersuchen wollen, moglichst sorgfaltig in der Gelatine zer- und vertheilt, so class die einzelnen Zellen moglichst aus einander hegen. Wir konnten nun, wie das nachher auch ge- schehen soli, die inficirte Gelatine auf eine sterile Glasplatte in mog- lichst diinner Schicht ausgiessen, und wir wiirden dann nach der Erstarrung der Gelatine, d. h. also nach der ortlichen Fixirung der einzelnen Keime, aus diesen einzelnen Keimen isolirte Colonien ent- stehen sehen. Nun aber bringt es die Kleinheit der Bakterien mit sich, dass auch die kleinste Menge des Bakteriengemisches , die wir mit Hiilfe des Platindrahtes in die Gelatine iibertragen, gewohnlich noch Tausende und aber Tausende von Zellen enthalt. Es wiirden auf unserer Platte also ebenso viele Colonien zur Entwickelung gelangen, und diese wiir- den dann so dicht gedrangt liegen miissen, dass kaum von einer iso- lirten Beobachtung derselben die Rede sein konnte, geschweige denn von einer weiteren Manipulation mit den einzelnen Colonien. Aus diesem Grunde begniigt man sich nie mit dem einen inficirten V. Allgemeine Method ik der Bakterienziichtung. 127 Glase, sondern man macht ohne Weiteres von diesem Glase „Ver- d ii n n u n g e n Zn dem Zwecke bringt man urspriinglicli nicht nur in einem, sondern gleicli in drei Gelatine r oh rc hen die Gelatine zum Schmelzen. 1st das erste Rokrchen („Original“) mit der Bakterien- masse inficirt, so stellt man sofort ein zweites, nock steriles Rohrcken neben das erste, also ebenfalls zwiscben Daumen und Zeigefinger der linken Hand, entfemt den Wattepfropf, klemmt diesen nun zwischen dritten und vierten Finger der linken Hand und iibertragt dann eine Anzabl Platinosen (gewoknlick drei) der inlicirten Gelatine des Original- glases in das zweite Glas („Erste Verdiinnung“). Nach gehoriger Yertheilung dieser drei Oesen in der Gelatine des zweiten Glaschens wird das Originalglas mit dem zugehorigen Wattepfropf verschlossen, beiseite gestellt, und es werden dann aus dem zweiten Gliiscken wiederum drei Oesen Gelatine in das dritte, nock sterile Gliiscken ubertragen („ Z w e i t e Y e r d ii n n u n g “). Yorker bereits bat man sick die drei Platt en, auf die man die Gelatine der drei Gliiscken ausgiessen will, zureckt gelegt. Die Platten sind von nickt zu dickem Glase, reckteckig und messen etwa 8:13 cm. Sie miissen sorgfaitig steriksirt sein, eke sie zur Benutzung kommen. Das Sterilisiren bewirkt man am besten in dem Trocken- sckrank (cf. p. 26). Die Platten werden zu dem Zwecke, rein ge- putzt und getrocknet, in grosserer Anzahl auf einander gelegt und in eine Tasche von starkem Eisenblech, die mit iibergreifendem Deckel verseken ist („Plattentascke“), gesckoben. Diese Tascke wird dann wakrend etwa 3/4 Stunden in dem Trockensckranke einer Tem- peratur von 160° C. oder dariiber ausgesetzt. Hack dem Ab- kuklen1) werden drei von den Platten, die man aber nur an den Kanten berukren darf, aus der Tascke kerausgenommen und nun ubet einander auf eine horizontal eingestellte Platte von starkem Glase gelegt, welcke die Bedeckung einer mit Wasser und Eisstiicken voll angefullten Glasschale bildet (Koch’s Giessapparat). Das Eis- wasser kiihlt die Glasplatten ab. 2) Ueber die Platten wird eine Glas- glocke gestiilpt, welche das Auffhegen von Luftkeimen auf die Platten verhindert. ') Das Abkiihlen muss s eh r langsam, am besten innerhalb des nach Ab- stellung der Hoizung erkaltenden Trockcnschrankes, geschelien, wcil sonst die Platten gewohnlich entzwei springen. ■) Rubner (Arch. f. Hyg. Bd. II. 1890. p. 367) legt die Platten belmfs der Abkiiklung auf einen Kupferblechkasten, dessen horizontal gestellto obere Wand von unten her durch einen Aetherspray abgekiildt wird. 128 A. Allgemeines. Verfugt man fiber einen Trockenschrank nicht, so kann man die Platten aucli sehr bequem dadurch s ter ili siren, dass man sie, indem man sie mit den Fingern an den Kanten festha.lt, beiderseits in der Gas- oder Spiritusflamme stark erbitzt. Man lasst sie dann unter einer Glasglocke abktihlen. Wir geben jetzt daran, unsere drei inficirten Gelatinerohrchen auf die zurechtgelegten, durch Eis abgekiihlten Platten auszugiessen. Zu dem Zwecke nelimen wir zunachst das „Origin al“-Rokrchen in die reclite Hand, entfernen den Wattepfropf, den wir sofort in eine S oh ale mit Desinfectionsfliissigkeit1) werf'en. Wir bringen dann das schrag gehaltene Rokrcken mit seiner Mfindung mebrere Secunden lang in die Flamme, indem wir es durch Bewegung mit den Fingern schnell um seine Achse rotiren lassen. Dabei wird der Rand des G1 as chens „abgeglfiht“, die dort befindlicben, aus der Luft zufallig aufgefallenen Keime werden „abgebrannt“. Wir rniissen dies tbun, um diese Keime nicht nachher beim Ausgiessen mit auf die Platte zu bekommen. Nackdem der Rand des Glaschens wieder ab- gekuhlt ist, wil’d nun der iiber die Platten gestfilpte Deckel (die Glas- glocke) des Giessapparates mit der linken Hand in die Hoke gekoben, und es wil’d nun die inficii’te Gelatine des Originalglases in einem Zuge auf die Mitte der obersten Platte ausgegossen. Unmittelbar darauf sorgt man fur liioglicbste Flacbenausbreitung der Gelatine da- durcb, dass man dieselbe mit dem Rand des Rokrckens direct auf der Platte ausstreickt und vertbeilt. Die Gelatine soli kierbei iiberall etwa 1 cm vom Rande der Platte entfernt bleiben; denn den Rand resp. die Kanten der Platte baben wir mit den Fingern beriikrt und werden wir weiterhin nocb berfikren. Diese Theile sind also nicht als steril zu betrachten ; sie wiirden uns fremde Keime auf unsere Platte bringen. Nun wird der Deckel wieder auf den Giessapparat aufgesetzt; das seiner Gelatine entledigte Rohrchen konimt in die Desinfections- fliissigkeit (s. oben). Innerhalb des Brucbtheils einer Minute ist dann die Gelatine erstarrt. Die Platte wird nun nacb Liiftung des Deckels, iudem man sie an den Kanten erfasst, von den darunter liegenden Platten abgeboben und in querer Lage auf ein etwa 5 cm breites, 14 cm langes G 1 a s b a n k c b e n gelegt, welches aus einer Glasplatte von den angegebenen Dimensionen und zwei unter die Enden derselben mit ') Hierzu eignet sich besonclers gut eine etwa Sprocentige wasserige Losung der oben (p. 32) angegebenen roken Schwefelcarbolsaure; aucli die bereits (p. 121) genannto Salzsiiuresubliinatlosung lasst sick verwenden. V. Allgemeine Methodik dor Bakterieiizucktung. 129 Siegellack festgekitteton vierkantigen Glasklotzchen (von etwa 51/., cm Lange , 1 cm Breitc , 7 mm Hoke) hergestellt ist. Zwischen Glas- bankchen imcl Platte lcgt man einen Papierzettel, welcher die genatie Bezeichnung des Platteninkaltes und das Datum enthalt. Man hat sick gewohnt, die Originalplatte mit „0“, die erste Y erdiinnuug mit „I“, die zweite mit „II“ zu bezeicknen. Das Bankchcn wil'd dann mit dor Platte in die fenchte Kammer gestellt, die man sich ebenso ker- stellt, wie wir es oben (p. 122) fur die nack der urspriinglicken Ivoch - schen Metkode hergestellten Kartoffelculturen angegeben haben. Nun wird das zweite Rdkrcken, die erste Yerdiinnung, auf die zweite auf dem Giessapparat liegende Platte, in derselben Weise wie vorher das Originalrdkrchen , ausgegossen, dann nack dem Erstarren der Gelatine die Platte auf ein bezeicknetes Bankchen gelegt und das letztere auf das Bankcken der Originalplatte in die feuckte Kammer gestellt. In derselben Weise wird auch das dritte Rokrcken behandelt, und das dritte Bankcken sckliesslick auf das zweite Bank- cken in die feuckte Kammer gestellt. Die letztere bleibt nun bei Zimmertemperatur steken. Am giinstigsten ist im Allgemeinen fur die Gelatineculturen eine Temperatur von IS — 20° C. Haben die Plattenculturen 24 Stunden bei den angegebenen Temperaturen gestanden, so zeigt die Originalplatte gewdknlick sckon bei der Betracktung mit blossem Auge eine mehr oder weniger auf- fallende Trubung; und bei sckwacker Yergrosserung siekt man dann gewoknlick ausserst zaklreicke, sekr kleine, mekr oder weniger rund- liche, dicktstekende diuikle Elecken, von denen jeder eine Colonie reprasentirt, die aus einem einzelnen Keime kervorgegangen ist. An den Verdunnungsplatten siekt man dann gewdknlick maki'oskopisch nock nickts; aber in den nachsten Tagen, wenn das Wackstkum mekr vorgesckritten ist, kommen kier die isolirten Colonien sckon makro- skopiscli zur Geltung. Man siekt dann oft okne Weiteres sckon mit blossem Auge, dass man es nickt mit einer einzigen Bakterienart zu thun kat, sondern dass auf der Platte verschiedenartige Keime zur Entwickelung gclangt sind. Denn ein ceteris paribus versckieden- artiges Ausseken der Colonie berecktigt naturlick okne Weiteres zu dem Schlusse, dass es sich um versckiedene Arten kandelt. Wir seken kier z. B. eine Colonie, die als weisses Haufcken er- scheint, welches auf der Gelatineoberflache aufsitzt ; eine andere Colonie characterisirt sich als ein mehr flachenkaft ausgebreitetes irisirendes Hautchen, welches die Oberflache der Gelatine uberzogen kat. Dann fallt uns eine andere Colonie durck ihre. lebhafte (z. B. gelbe oder rosa) Farbung auf. Alle diese Colonien haben die umgebende Gelatine Gunther, Bakteriologio. 9 130 A. Allgemeines. intact gelassen. Andere haben die Gelatine an der Stelle ihres Wachsthunis verflfissigt; bei der einen Colonie ist diese Verfiussigung starker, bei der anderen weniger stark ausgesprochen. So finden wir scbon makroskopiscli bier und da Unterschiede der verschiedenartigen Organism en, welche zur Entwickelung auf der Platte gelangt sind. Wir werden uns aber nicbt begnugen, die Untersucbung makrosko- piscb vorzunehmen; wir legen vielmelir unsere Platte auf den Object- tisch des Mikroskopes und mustern sie mit scbwachem System. Nacb den oben (p. 53 ff.) gegebenen Auseinandersetzungen iiber die mikroskopiscbe Beleucbtung werden wir hierbei den Abbe’scben Apparat durcb enge Blende abblenden miissen.1) Bei der mikroskopischen Betracbtung der Platte kommen nun morphologiscbe Eigenscbaften der Colonien zu unserer Kenntniss, von denen wir vorber nichts geseben baben. Zunachst ist ein all- gemeiner TJnterscbied zwiscben solchen Colonien zu macben, welcbe inner balb der Gelatine liegen, und solchen, die sicb an der Oberflache befinden oder bei ibrem Wachsthum die Oberflache er- reicbt baben. Wahrend die ersteren sicb meist als mebr oder weniger rundliche Gebilde darstellen, zeigen die letzteren eine viel grossere Mannicbfaltigkeit in ihrer Gestalt. Abgeseben von der verschiedenen raumbcben Ausdebnung seben wir z. B. characteristische Unterschiede der Colonien in der Gestaltung des Ran des. Die einen baben einen ganz glatten, die anderen einen mehr buckeligen, unregeknassig ge- kerbten Rand. Andere zeigen eine deutlich lockenfornhge Gestaltung des Randes, gebildet von in zierbcben Windungen neben einander ber- laufenden Ztigen von Bacillenfaden ; andere senden weite, fadenformige Auslaufer aus ; bei anderen erscheint der Rand der kreisrunden Colonie wie mit feinsten Stacbeln besetzt. Und wie in der Gestaltung des Randes, so zeigen die Colonien auch in ibrem Inhalte erhebliche Dilferenzen unter einander. Die einen zeigen ein grobkorniges, andere ein feinkomiges, fast bomogenes Gefiige. So giebt es die manmgfachsten Unterschiede in der Gestaltung und dem Ausseben, und jeder Unter- scbied deutet sofort auf eine Yerschiedenartigkeit der Iveime, aus denen die Colonien entstanden sind. Stellt man bei der Betracbtung der Platte mit scbwachem Mikro- skopsystem eine bestimmte Colonie ein, so macbt man ganz regel- massig die Beobacbtung, dass die Colonie ein verscliiedenes Ausseben ') Wiihrend wir bekanntlich (cf. oben p. 53) bei Benutzung des Abbe seben Condensors im Allgemeinen stets den Planspiegel anwenden, ist es fiir scbwacbe Yergrosserungen (also auch fur den voriiegenden Fall), speciell bei Verwendung von Lampenlicht, angiingig, den Hohlspiegel zu gebrauchen (cf. p. 53, Anra. 2). V. Allgemeino Methodik der Bakterienziichtung. 131 darbietet, je naohdem die Einstellung eine „hohe“ oder eiiie „tiefe“ ist. Da namlich die Bakteriencolonie ein relativ dickes Gebilde ist, so ist es niclit moghch, sie gleichzeitig in alien einzelnen Tbeilen scharf einzustellen. Eine inner balb der Gelatine liegende Colonie wird in ikrer ausseren Begrenzung naturgemass bei einer mittleren Einstellung am scharfsten erscbeinen. Yerandert man nun die Ein- stellung, gebt man aus der mittleren Stellung mit dem Tubus mebr nach oben oder mebr nacb unten, so beobacbtet man nicbt nur eine Abnabme der Scbiirfe der ausseren Begrenzung der Colonie, sondern man siebt, dass aucb die Helligkeitsverbaltnisse der inneren Tbeile der Colonie sicli verandern. Colonien, welcbe innerbalb der Gelatine liegen , zeigen bei bober Einstellung em bellglanzendes Innere ; bei tiefer Einstellung erscbemt das Innere dunkel. Es bat das einfacb darin semen Grand, dass die die Colonie zusammensetzende Bakterien- masse ein bbberes Licbtbrecbungsvermogen besitzt als (be umgebende Gelatine, und dass desbalb die rundbcbe Colonie wie erne Ideine C o n - v e x 1 i n s e wirkt. Es giebt aber aucb Colonien , die wie Concav- linsen wirken, und die dementsprecbend bei tiefer Einstellung glanzen und bei bober dunkel erscbeinen; das sind ausnabmslos ver- fliissigende Colonien, (be an der Oberflache der Gelatine sitzen. Wo nambcb an der Oberflache der Gelatineplatte eine ver- fliissigende Colonie sicb entwickelt, da komrnt es stets zu einem sicht- baren Defect des Nahrbodens, zur Bildung einer Einsenkung, einer Delle, und zwar einfacb aus dem Grunde, weil die verfliissigte Ge- latine mebr Wasser (lurch Verdunstung abgiebt als die benachbarte fest gebbebene Gelatine. Mit der Ausbildung einer solcben ober- flachbchen Einsenkung ist aber obne Weiteres die Concavlinse fertig gestellt. Betrachten wir die in unseren Tafeln dargestebten Plattencolonien, so zeigt zunacbst Fig. 22 auf Taf. IV eine Stelle aus einer Platten- cultur, welche mit Heustaub angelegt wurde, nacb zweitagigem Wacbs- thum, bei 25facber Yergrosserung. Wir sehen da links oben mebrere kleinere Colonien, die als dunkle Elecken erscbeinen ; mebr nacb rechts hinuber liegen mebrere grossere Colonien von abnbcbem Ausseben, die sich z. Th. decken ; alle diese Colonien gehoren wabrscbeinbcb Bakte- rien an. Dazwischen aber seben wir zwei Scbimmelpilzcolomen ibre zarten Myceben aussenden. Wir seben diese n Colonien es obne Weiteres an, dass sie nicht Bakterien, sondern Fadenpilzen angeboren; denn wir konnen bier bei 25facher Yergrosserung (das Photogramm wird man zweckmassig mit der Loupe betrachten) bereits die beiden Contouren der u b e r a 1 1 g 1 e i c b s t a r k e n Mycelfaden deutlicb 9* 132 A. Allgemeines. unterscheiden. Diese Gebildc sind viel dicker, als ein einzelner Bacillen- faden es sein wurde; und, zogen mebrere oder viele Bacillenfaden neben einander her, die in ilirer Gesammtdicke einem solchen Pilzmycelfaden entsprecben wiirden, so wiirden wir an einzelnen Stellen dunnere, an anderen Stellen dickere Gebilde (je nacli der Menge der zusammen- liegenden Bacillenfaden versckieden) sehen miissen. Die doppelt- contourir ten, iiberall gleicb starken Faden, welche wir bereits bei so schwacken Vergrosse r nnge n deutlicb sehen, lassen stets mit Bestimmtheit auf Fadenpilze schliessen. Plattencultnren bei schwacber Yergrosserung zeigen ferner Fig. 29, Taf. V (Milzbrandbacillus) , sowie Fig. 61 nnd 62, Taf. XI (Cholera- bacillus). Die erstere ist bei 43facher, die letzteren sind bei lOOfacher Vergrosserung dargestellt. Man siebt das fundamental verschieden- artige Wacbstbiun dieser beiden Organismen in der Plattencolonie. Auf Taf. IV, Fig. 23, ist eine Plattencolonie der von mir offers ini Berliner Leitungswasser gefundenen (cf. p. 19) Cladotbrix bei lOOfacher Y ergrosserun g abgebildet. Will man eine Colonie bei starkerer Yergrosserung (mit starkem Trockensystem oder mit der Immersion) direct untersucben, so muss man auf die Platte ein Deckglas auflegen und die Platte nun vie ein gewobnlicbes mikroskopiscbes Praparat behandeln. Auf die spatere weitere Benutzung der Colonie zur Entnabme von Material bebufs der Weiterziicbtung etc. muss man dann allerdings verzickten. Auf Taf. XII, Fig. 72, ist ein auf diese Weise mit starkem Trockensystem gewonnenes Bild dargestellt. Ist das Wacbstbiun der Plattencultur nock nickt zu weit vor- gescbritten, so gebngt es meist, sich recht schone Situsbilder der oberflacblichen Colonien dauernd zu lixiren in Form der sogenannten Klatscbpraparate (Contactpraparate). *) Verfliissigende Arten eignen sicb hierzu allerdings nur so lange, als die Yerfliissigung nock nickt augenfallig geworden ist, so lange die Gelatine in dem Bereicbe der Colonie noch nickt eigentlich verfliissigt ist, hochstens etwas weicber zu werden beginnt. Ueberhaupt eignen sicb j u n g e Colonien besser als alte fur these Preparation. Um sicb ein solches Klatscbpriiparat darzustellen, legt man ein rein geputztes Deckglas mit der Pincette auf die Platte auf, liisst es einen Augenblick los und nimmt es dann mit Hiilfe der Pincette von ') cf. E. Kocli. Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1SS4. p. 54. V. Allgemeine Methoclik ilor Bakterienzuclitung. 133 der Gelatineobertlache wieder herunter. Man bat dann einen Abklatsch d e r oberflachlichen Colonien auf dem Deckglase. Nackdem man ein solcbes Praparat recbt sorgfaltig hat lufttrocken werden lassen, fixirt man es in gewobnter Weiso in der Flamme , farbt es wie ein gewbbnlicbes Trockenpraparat nnd schliesst es in Balsam ein. Man bekommt so nicht allein dauernde Bilder von der Lager ung der Organismen zu ein and er innerbalb der Colonie, man erhalt so iiberhaupt die klarsten, distinctesten Bilder der einz einen Bakterienzellen. Die diesem Bucbe beigegebenen Photogramme sind zum Theil nach solcben „Klatsckpraparaten“ ker- gestellt. Specie!! will ich auf Fig. 31 (Taf. VI) aufmerksam macken. Hier kaben wir ein Klatsckpraparat von Milzbrandbacillenfaden bei lOOOfacker Yergrosserung. Das Praparat stellt den Abklatsch einer Plattencnltur dar, welcke auf Taf. V, Fig. 30, bei 40facker Yer- grosserung abgebildet ist. (Diese Plattencultur ist nack Strickunpfung des Bacillenmaterials auf sterile, auf die Platte ausgegossene imd dann erstarrte Gelatine [cf. unten p. 142] entstanden). Die feinen Locken der Cultur Fig. 30 losen sick in Fig. 31 in die deutlick gegkederten Bacillenfaden auf. Kehren wir nun zu unserer Plattencultur, in welcker sick aus den in der Gelatine vertkeilten Keimen einzelne, isolirt kegende Colo- nien entwickelt kaben, zuriick. Wiirden wir dieselbe sick selbst iiber- lassen, so wiirden mit weiterschreitendem Wackstkum die Colonien allmahlich mit ikren Grenzen an und in einander geratken, und dann ware es mit der Isolirung der Colonien vorbei. So sehen wir denn auch auf den Originalplatten , wo die Colonien gewoknlick ausserst dickt gedriingt kegen, derartige Zustande in der Regel eintreten. Eine solcke Platte bietet nack wenigen Tagen bereits ein undefinirbares Chaos von Bakteriencolonien dar. Sind dann verfliissigende Arten unter den eingesaeten Bakterien, so fliesst die Gelatine gewoknlick nack mekreren Tagen vom Glase lierunter: „Die Platte ist verfltissigt“ und damit deknitiv unbrauclibar. Die Yerdiinnungen aber lassen wir so weit nickt kommen. Nack- dem wir die Colonien zunaclist bei sckwacker Vergrosserung untersuckt, uns dann von der oder jener Colonie ein Praparat ini kiingenden Tropfen resp. ein gefarbtes Trockenpriiparat angefertigt kaben, urn uns durch Betrachtung bei starken Vergrosserungen weitere Aufschliisse fiber die Colonien zu liolen, benutzen wir diejenigen Colonien, die uns aus irgend welchem Grunde interessiren, so lange sie noch isolirt in der Gelatine kegen. dazu, von ibnen Material zu entnelnnen, nm dieses in geeigneter Weise weiter zu ziickten. Da die Colonie auf der Platte 134 A. Allgemeines'. eine Reincultur war, so miissen jetzt. auch die davon weiter geziichteten Culturen Reinculturen reprasentiren. Die Weiter ziiclitnn gen werden gewohnlich im Reagenzglase voro-enommen („Reagenzglasculturen“). Hat man das Material einmal in reinem Znstande auf den im Reagenzglase befindlichen Nahr- boden gebracht, so sorgt dann der Watte verscbluss des Glases dafiir, dass die Cultur rein bleibt. Die Reagenzglasculturen eignen sich also vor allem dazn, eine Sammlung lebender Bakterienreinculturen dauernd im Stand zu erbalten.1) Die gebrauchlichste Form der Reagenzglascultur ist die Gelatine- Sticb cultur. Um eine solcbe Cultur mit dem Material einer be- stimmten Plattencolonie anzulegen, verfahrt man auf folgende Weise: Es wil’d zunachst die Colonie unter dem Mikroskope bei schwacher Yergrosserung, wie oben (p. 130) auseinandergesetzt, eingestellt. Man iiberzeugt sich, dass die Colonie auch thatsachlick isolirt liegt, dass sie ein homogenes, concentrisch gewachsenes Ganzes reprasentirt, dass nicht etwa ‘eine Nachbarcolonie ihre Grenzen ganz in die Nahe vor- geschoben oder gar Theile der Colonie verdeckt hat. Von einer Colonie, die die letzteren Charactere zeigt, durften wir nichts zur Weiterziich- tung entnehmen, da hier keine Biirgschaft fiir die Uebertragung that- sachlich reinen Materials vorhanden ware. Haben wir aber eine Colonie gefunden, die geniigend isolirt innerhalb der klar durchsichtigen, d. h. sterilen, Gelatine liegt, so suchen wir nun, ohne die Platte von dem Objecttische zu entfernen, mit blossen Augen festzustellen, welches die eingestellte Colonie ist. Es gelingt dies stets ohne Schwierigkeiten, wenn man central fiber der oberen Linse des Abbe'schen Beleuch- tungsapparates die dort vorhandenen Colonien mit dem Auge aufsucht, ihre gegenseitige Lagerung, ihre Grossenverhaltnisse etc. beriicksichtigt. i) Zu diesem Zweck ist es selbstverstiinclkck nothwendig, dass die einzelnen Culturen zu reckter Zeit, d. b. eke sie (durck eintretenden Nakrungsmangel, durck Austrocknen etc.) abgestorben sind, auf neuen Nakrboden ubertragen, „umgeziicktet“ werden. Im Allgemeinen empfieklt es sick, die Culturen in Zwisckenraumen von etwa 4 bis 6 Wocken auf neuen Nakrboden zu ubertragen. — Es sei an dieser Stelle bemerkt , dass es sick bei dem Oeffnen einer Reagenzglascultur (bekufs der Entnakme von Material) stets empfieklt, nack der Entfernung des Wattepfropfs den Rand der Oeffnung des Glasckens abzugliiken (in derselben Weise, wie es bei dem Anlegen von Plattcnculturen [cf. oben p. 128] gesckiekt). Man vermeidet dadurck fast mit absoluter Sickerkeit das Hmemgelangen von verunreinigenden Staubcken, die an der Oeffnung des Glases kafteten , in die Cultur. Ebenso wurde ick ganz allge- mein empfeklen, auck jedes Reagenzglas , in welckes kinein eine Uebertragung ge- sckehen soil, nack Entfernung des Wattepfropfs an der Oeffnung durck Ausgliiken zu sterilisnen. Ick beobackte diese Yorsicktsmassregeln seit Jalrren mul kabe seit dieser Zoit fast nio die Verunreinigung einer Reagenzglascultur geseken. Y. Allgemeine Methodik dor Bakterienziichtung. 135 Naclulem man dann den Tubus in die Hblie geschraubt hat, geht man, ohne die Platte zu verschieben, mit einem ausgegliihten und wieder erkalteten Platindrabt (mit gerade endender Spitze) auf die Colonie zu und entnimmt von ihr, aber nur von ihr, eine Spur mit der Spitze des Platindrahtes. ') Dieses Entncbmen des Materiales von der Platte bezeichnet man als „Fischen“. Man nimmt nun ein Reagenzglas mit erstarrter Nabrgelatine, bringt es zwischen D aumen und Zeige finger der linken Hand so, dass die Oeflhung des Glases nach der Yolarseite hin gericbtet ist, entfernt durch Drehen den Watte- pfropf, bringt ibn in der oben (p. 125) gescbilderten Weise zwischen 2. imd 3. Finger der linken Hand und sticht nun, wahrencl man das Glaschen mit der Oeffnung nach unten gekehrt halt, den inficirten Platindraht unter vorsichtiger Yermeidung der Beriihrung der Glas- wandungen central in die Gelatine liinein, bis nahe an den Boden des Glases. Man geht dann auf demselben Wege wieder aus der Gelatine heraus, gliiht den Draht aus, stellt ihn bei Seite, bringt den Wattepfropf wieder auf das Reagenzglas und bezeichnet nun das letztere durch ein Etikett, welches in der Nahe der Oeflhung des Glases angeklebt wird, und welches die naheren Daten iiber das „eingestocheneu Material und das Datum angiebt. Nun uberzeugt man sich durch Herunterschrauben des Tubus und nochmalige mikroskopische Einstellung der vorher ein- gestellt gewesenen Plattenstelle davon, dass auch wirklicli Material von der in der optischen Achse liegenden Colonie entnommen wrn’de. Dieselbe muss einen deutlich sichtbaren Defect zeigen. Die Nachbar- colonien miissen unverletzt sein. Die Yerschiedenheiten der Form, welche wir bei den Plattencolonien gefunden haben, zeigen sich nun auch in entsprechender Weise bei der Form der Stichculturen wieder. Auch hier haben wir wieder die Unterschiede zwischen solchen Arten, die che Gelatine solide lassen, ') Wenn die Colonien ziemlich diclit zusammenliegen, so hat die sichere isolirte Entnahme des Materials von der central eingestellten Colonie naturgemass ihre grossen Schwierigkeiten. Fur solche Falle hat Unna (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. p. 278) ein besonderes Instrument, die „Bakterienharpune“ angegeben (von C. Zeiss in Jena zu beziehen): Nachdem man die Colonie mit schwachem System central eingestellt hat, bebt man den Tubus, scbraubt das Objectiv ab und an seiner Stelle che Bakterienharpune (welche das Objectivgewinde tragtj an. Senkt man nun den Tubus wieder, so trifft eine an dem genannten Instrumente genau in der optischen Achse angebrachte Nahnadel mit ihrer (vorher ausgegliihten) Spitze genau die vorher central eingestellte Colonie. — Freymuth und Lickfett (Deutsche med. Wochenschr. 1893. p.457) haben die Bakterienharpune in der Weise modificirt, dass sie statt der Nahnadel eine an ihrem unteren Ende cpier abgeschliffene Pravaz- Caniile anwenden, welche locheisonartig wirkt und die Colonie direct aussticht. 136 A. Allgemeines. unci solchen, die sie verflussigen. Unter den ersteren finden wir solcke, die im ganzen Bereiche des „Impfstiches“ gleich kraftig wachsen, andere, die besonders in den oberen Tbeilen desselben gedeiben. Die eine Art bildet halbkugelige Haufcben, nimmt nur einen kleinen Tbeil der Gelatineoberflacke in Ansprucli; die andere hat die Tendenz, sick oberflachlich gleich in grosserem Masse auszubreiten, ein diinnes Haut- chen zu bilclen. Unter den verfliissigenden Arten verflussigen die einen sekr langsam und allmahlich die Gelatine, andere sckneller. noch andere ausserordentlich rasck. Farbstoffproducirende Arten zeigen manchmal im ganzen Yerlaufe des Impfstiches ebenso wie an der Oberflaclie der Gelatine Far bstoffprod action ; andere Arten bilden nur an der Oberflacke der Gelatine Farbstoff, wachsen im ganzen Impfstiche farblos ; noch andere endlich wachsen an der Oberflacke farb- los, wahrend sie im Impfstiche Farbstoff produciren. In den Sticli- culturen findet man also das verschiedenartigste Yerhalten, ebenso wie es auf der Platte der Fall war. Zu nennen ist liier ferner die Eigen- tkumlickkeit vieler Arten, Gas zu produciren.1) Auf der Platte kommt diese Eigensckaft kaurn zum Ausdruck ; an der Stickcultur aber konnen wir dieselbe meist sehr deutlick constatiren : die Gelatine bekommt mehr oder weniger ausgedehnte Risse, welche von dem Impfstiche aus- gehen. Wenn die Risse klein sind, so haben sie meist linsenformige Gestalt. Gelatine-Stichculturen sind abgebildet auf Taf. YI, Fig. 33; Taf, IX, Fig. 54; Taf. XI, Fig. 63 und 64; man bemerkt bier okne Weiteres die augenfalligen Unterschiede in der Gestaltung der Sfdchcultur bei den versckiedenartigen Organismen. Eine andere Form der Reagenzglasculturen ist die Oberflachen- Strichcultur. Hier wird das Material nicht in die Gelatine ein- gestochen , sondern oberflachlich, gewdknlick in einem einzigen, sehr diinnen Striche, auf den Nakrboden aufgestrichen („Imp fstrich"). ') 1) Die Gasp ro duct ion bei Bakterienwachsthum lasst sick am besten durcb ZiichtiiDg des Materials in den (in physiologisch-chemischen Laboratorien gebrauck- bcben) „Gakrungskolbchen“ studiren, in deren gescblossenem Scbenkel sick die producirten Gase ansammeln. Die Ziicktung muss bier in fliissigen Nakrboden gesckeken; am besten eignet sick eine mit c. 2 °/0 Traubenzucker vcrsetzte Nakr- bouillon. Die Gakrungskolbcken sind fiir bakteriologiscke Zwecke von lb. Smith (Ceutralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. No. 16) empfoklen worden. 2) Selbstverstandlick kat man bei jeder Uebertragung fiir eine inuige Verbin- dimg des Impfmaterials mit dem Nakrboden zu sorgen. Bei friscken (normal wasserkaltigen) Nakrboden und frisckem (feuckten) Bakterienmaterial ist diese innige Verbindung durcb blosses Aufstreicken okuo Weiteres kergestellt. Hat man trockenes Material (Pilzmyceken etc.) zu verimpfen, so empfieklt es sick stets, der Oberfiacke V. Allgeriieine Methodik dor BaMerionziichtung. 137 Am besten bedient man sicb dazn solcber Rohrchen, in denen der Nahrboden (Gelatine, Agar, Blutserum) in schrager Lage zur Erstarrung gebracht worden ist (cf. oben p. 118). Forner eignen sicb hierzu die sterilisirten Kartoffelkeile, welcbe in Rcagenz- glaschen eingescblossen sind (cf. oben p. 122). Hat man nicht ver- fliissigende Arten vor sicli, so kann man sie anf scbrag erstarrter Gelatine Oder auf Blutserum ausstreichen. Bei yerfliissigenden Arten empfieblt sicb dies natiirlicli nicbt; man nimmt bier zweck- massig den nicbt zu yerfliissigenden Agar-Nabrboden oder die Kartoffel. Eine oberflachli'che Stricbcultur auf Gelatine zeigt Taf. VHI, Fig. 48. Hier ist der (nicbt verflussigende) Typhusbacillus auf die scbrag er- starrte Gelatine aufgestricben worden. Ebenso wie auf festen Nahrboden kann man natiirlicb aucb auf f 1 ii s s i g e sterile Nab r bode n, die nn Reagenzglase unter Watte- verscbluss entbalten sind, das reine Material der Plattencolonie iiber- tragen. Speciell empfieblt sicb fur patbogene Organismen liierzu die oben (p. 1 1 8) erwahnte N a b r b o u i 1 1 o n. Man wahlt die „ B o u i 1 1 o n - cultur" besonders gern dann, wenn es sicb urn die Darstellung grosserer Mengen remen Culturmaterials bandelt, die fur irgend welcbe Zwecke gebraucbt werden sollen. Auch in Reagenzglaser mit sterilisirter Milcb, mit steribsirtem IJr in, mit bestimmten cbemiscben Nahrlosungen etc. kann man das Material aus der Plattencolonie iibertragen. So wie man diese Weiterzucbtungen aber im Reagenzglase vor- nebmen kann, so kann dies natiirlicb auch in bebebiger anderer Weise geschehen, z. B. auf den nacb der urspriingiichen Koch’schen oder nach der Esmarcb’schen Metbode praparirten Kartoffeln (cf. pag. 120, 122). Die Kartoffeln inficirt man am besten mit Hiilfe eines Skalpebs, welches ausgegliiht wurde und wieder erkaltet ist, und mit dessen in das Bakterienmaterial getaucbter Spitze man das Material in cbe Kartoffel- fhiche einreibt. Die nacb Koch ’ sober Weise praparirte Kartoffel wird hierbei mit „ Sublimatfingern“ (cf. p. 121) festgebalten. Bei dem Inficiren der Kartoffel bleibt man mit dem inficirenden Skalpell gern 1 cm yom Rande der Kartoffel entfernt, da Verunreinigungen der Cultur, cbe yon der Kartoffel selbst ausgeben, gewohnbcb am Rande der Kartoffel sicb zuerst zeigen. Hierher geboren z. B. die die Kar- toffelculturen so oft verderbenden „Kartoffelbacillen“, welcbe aus des Nahrbodens zuniichst kleine Yerletzungen (durch Anstochen mit dem Platindrakt) beizubringen und in diese hinein dann das Material sorgfaltig einzubringen oder einzureiben. 138 A. Allgemeines. Sporen entstehen , die der Kartoffel ausserlick anhafteten und bei der Sterilisirung derselben nicht getodtet wurden. Ferner kann die Uebertragung von der Platte in einen hangen- den Tr op fen (von Bouillon oder von Gelatine) binein geschehen, der ebenso praparirt wird, wie oben (p. 49) angegeben, nur dass man ein steriles Deckglas (durck starkes Erkitzen in der Flamme sterilisirt) und steriles Material fur den Prop fen selbst waklt. Die sick ent- wickelnde „Cultur im kangenden Tropfen“ gestattet, die Wackstlimnsersckeinungen der Bakterien unter dem Mikroskope direct zu verfolgen. x) Die urspriinglicke K o cli ’ scke Plattenculturmetkode ist nun mannig- fack modificirt worden. Zunackst ist liier ein Yerfakren zu nennen, welckes mancke Yortkeile vor dem urspriinglicken Kock’scken Yer- fakren darbietet, und welckes von Petri* 2) stammt. Petri nimmt keine Glasplatten als Trager des Nakrbodens, sondern an Stelle dieser r u n d e G 1 a s s c k a 1 c k e n von 1 0—1 1 cm Durckmesser und 1—1,5 cm Hoke. Jedes Glassckalcken wird durck ein etwas grosseres, als Deckel dienendes aknkckes Sckalcken vor Staub etc. gesckiitzt. Die Doppel- sckalchen werden, rein geputzt, auf einander gestellt, im Trockensckrank sterilisirt (cf. p. 127) und konnen nack dem Erkalten benutzt werden. Ein besonderer „Giessapparat“ wie bei dem Koch’ scken Yerfakren ist liier nickt notkig. Die Gelatine wird einfack eingegossen, die Sckale zugedeckt und dann sick selbst iiberlassen. Diese Metkode wird jetzt sekr viel, kaufiger als die urspriingkcke Kocli’scke, angewandt. Es ist aber zu bemerken, dass die mikroskopiscke Untersuckung 3) der- artiger Sckalckenculturen etwas weniger bequem ist als die der Kock’- scken Platten. J) Bei solchem Material, welckes bei Korpertemperatur besser wachst als bei Zimmertemperatur, wkd das Mikroskop zu diesem Bebufe am besten so dispomrt, dass der Objecttiscb und das auf dun begende Culturpraparat in einem auf Korper- temperatur erwarmten Baiune steben (cf. unten im Text: Besprecbnng des Briit- scbrankes). 2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. No. 9. 3) Man kann diese Scbiilcbenculturen mit scbwacbem System sowobl von oben ber (nacb Abbebung der Deckelscbale) wie aucb dumb den Scbalcbenboden liindurcb, also von der Unterseite ber, mikroskopiscb anseben; in dem letzteren dalle braucbt die Deckelscbale selbstverstandbcb nicht entfernt zu werden. Ist die Oberflacbe des Schiilchenbodens an der imter dem Mikroskope begenden Stebe so uneben, dass eine wesentlicbe Yerzerrung des Bildes bei der Mikroskopirung dm-cb diesen Boden hin- durcb zu Stande kornmt, so kann man sicb dadurcb belfen , dass man auf das Bias an dieser Stebe einen Tropfen Cedernol und auf diesen ein Deckglas briugt. Man verleiht auf diese Weise clem Sckalchen eine ebene Oberfliicbe, mid die Bilder der bier begenden Colonien erscheinen nun ohne jede Yerzerrung. V. Allgemeine Methodik der BalcterienziAchtung. 139 Eine andere Modification der ursprunglichen K och’ schen Platten- methode hat v. Esmarch1) angegeben. Die Gelatine wird hierbei weder auf Platten nocli in Schiilchen ansgegossen, sondern an der Innenwand des Reagenzr ohrcli ens, in dem sie sich befindet, direct ausgebreitet. Man bewerkstelligt dies so, dass man nach der Inficirung der geschmolzenen Gelatine den Wattepfropf in das Rohrchen soweit liineinstosst, dass er vollstandig im Glase verschwindet, dass man dann eine Gummikappe liber die Oeffnung des Rohrchens heriiberzieht, die einen wasserdichten Abschluss bewirkt, nnd dass man nun das Rohrchen horizontal auf die Oberflache sehr kalten (event. Eis-) Wassers legt und dann das Rohrchen mit den Eingern in gleickmassige schnelle Rotation versetzt. Die Gelatine wird dann bald test und iiber- zieht das Glas an seiner Innenflache mehr oder weniger gleichmassig. Nachher wird das Rohrchen aus dem Wasser herausgenommen , die Gummikappe entfernt, das Rohrchen etikettirt imd zur Entwickelung der Colonien hingestellt. Diese „Rollr 6 hr cben“, „Rollplatte n“ sind am besten von alien Plattenculturen gegen die Verunreinigung durch fremde Keime geschiitzt. Haben sich die isolirten Colonien inner- halb der „ ausger ollten“ Gelatine entwickelt, so kann man sie so- wohl mikroskopiscb untersuchen (durch die Glaswand bindurch2)), als auch, unter Benutzimg eines an der Spitze gekriimmten Platindrahtes, von ihnen Material zur Anlage weiterer Culturen entnehmen. Eine der- artige Rollplatte (oder wenigstens einen Theil von ihr) zeigt Fig. 24 auf Taf. TV. Dieselbe wurde mit Gartenerde angelegt. Man sieht bier im Centrum mekrerer Colonien nocli die sclrwarzen Erdbrockelchen, von denen das Wachstkiun ausgegangen ist. Die bis jetzt genannten Methoden der Plattencultur haben alle das Gemeinsame, dass sie zur Anlage einer jeden einzelnen Cultur ein besonderes Gelatinerobrcben brauchen. Kommt es Einem im ge- gebenen Falle auch nur auf die die Verdiinnungen enthaltenden Cultur- platten an, so ist man doch genotbigt, zunachst ein „Original“- Rohr- chen zu inficiren, um von diesem wieder Verdunnungsrohrchen anzu- *) Zeitschr. f. Hyg. Bel. 1. 18S6. 2) Um da8 mikroskopische Bild bei dieser Gelegenheit besser zu gestalten. als es die gekriimmte Aussenflache des Reagenzglases an und fiir sich znlasst, babe ich (cf. auch p. 138, Anm. 3) an der zu untorsuchenden Stelle einen Tropfen Cedernol auf die Glaswand gebracht und auf diesen ein Deckglas, dessen freie Oberflache in senkrechte Bichtung zur optischen Achse des Mikroskopes gebracht wird. Man be- kommt so naturgemass vortreffhche Bilder der Colonien. — Einen zweekmassigen Reagenzglashalter fiir (he Rollplatten zum Aufsetzen auf den Objecttisch hat v. Sehlen (Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie. Bd. 7. 1890) angegeben. 140 A. AUgemeines. legen. Bine Method e, welch e Soyka1) angegeben hat, vereinfacht die Prooedur und spart Material. Soyka empfiehlt Doppelschalchen zur Anlage der Plattenculturen, welclie den Petri’schen im Allgemeinen ahnlich sind, sich aber dadurch von ihnen unterscheiden, dass in die untere 7 bis 8 oder me hr Yer tie fun gen (wie bei den hohl- geschliffenen Objecttragern) einges chli ffen sind. In jede der Yer- tiefungen kommt eine kleine abgemessene Quantitiit geschmolzener Gelatine. Die Gelatine in einer der Yertiefungen wird dann mit dem in das Ausgangsmaterial getauchten Platindraht inficirt, und die wei- teren Yerdiinnungen werden dann durch Uebertragung von Material immer aus einer Yertiefung in die nachstfolgende bewerkstelligt. (Nach jeder einzelnen Uebertragung muss der Platindraht ausgegltiht werden.) Die Gelatine lasst man dann erstarren. Man hat so auf einer Platte alle Verdiinnungen und hat sehr an Material gespart. Diesem sehr zweckmassigen S oy k a ’schen Verfahren schhesst sich ein Yerfahren an, welches der Yerf. zur Reincultivirung, zur Isolirung von Bakterien haufig benutzt, und welches ebenfalls darauf gerichtet ist, Gelatine zu sparen resp. einen moglichst geringen Apparat fur den einzelnen Versuch nothwendig zu liaben. Ich bringe mir zunachst auf eine sterile Glasflache (einen stark erhitzten und wieder erkalteten Objecttrager oder die Innenflache des Deckels eines sterili- sirten Petri’schen Schalchens, welches nachher fur die Plattencultur zur Yer wen dung kommen soli) 4 — 5 einzelne, isolirt liegende Tropfen steriler Bouillon oder sterilen Wassers, inficire dann den ersten Tropfen mittels des Platindrahtes mit dem zu untersuchenden Materiale, gliihe den Draht aus, tauche ihn nach dem Erkalten in den ersten Tropfen wieder ein und iibertrage die kleine anhaftende Menge in den zweiten Tropfen. Von diesem aus inficire ich (mit vorher aus- gegliihtem Drahte) auf dieselbe Weise den dritten, von diesem den vierten, und ebenso auch eventuell einen funften Tropfen je nach dem Bakterienreichthum des Ausgangsmateriales. Von dem letzten Tropfen iibertrage ich dann eine Oese in ein Rohrchen geschmolzener Nalir- gelatine und giesse die letztere dann, wie oben (p. 128) beschrieben, in ein Petri’sches Schalchen aus. Habe ich die Innenflache des Deckels des Schalchens zur Anlage der Yerdiinnungen benutzt, so hat derselbe wahrend dieser Zeit umgekehrt auf dem Schalchen gelegen und so das Schalchen vor dem etwaigen Hineingelangen von Luft- keimen behiitet. Die wahrend der Entwickelung der Cultur an dem Deckel hangenden Tropfen schaden der Cultur natiirlich durchaus nichts. :) Deutsche med. Woehensclir. 1888. No. 43. V. Allgemeine Metbodik der Bakterienztichtung. 141 Anstatt der Gelatine kann man auch Agar za PI a tt on cul- ture n benutzen; und bei Organismen, welcbe erheblicli besser und schneller bei Bruttemperatur wacbsen als bei Zimmertemperatur, wird man mit Yorliebe zu deni Agar greifen. Nur ist bier ein besonders geschwindes Operiren durcbaus geboten. Wie wir oben (p. 116) be- reits erwahnten, sclimilzt das Nakragar erst bei Temperaturen, die der Siedetemperatur des Wassers nahe liegen. Gesebmolzen muss aber jeder Nahrboden werden, mit welchem wir eine Platte anlegen wollen. Nack dem Sclnnelzen wird das Agar abgekiiblt bis etwas liber 40° C. Man stellt das Rolirchen zu dem Zweclce am besten in ein entsprechend warmes Wasserbad ein. Bei dieser Temperatur ist das Agar gerade nock flussig und doch scbon lriikl genug, dass man Balcterien okne Gefahr fur ibre weitere Entwickelungsfiibigkeit einsaen kann. Nun muss man moglicbst scbnell das Material eintragen, vertkeilen und dann die Yerdiinnungen macben, ran biuterber den Nahrboden gleicb in Petri’sche Scbalchen x) auszugiessen. Diese Sckalchen werden in eine feucbte Kammer (p. 122) und mit dieser in den Brutscbrank gestellt. Will man das Agar zu Rollplatten (cf. oben p. 139) ver- wenden, die in den Brutscbrank gestellt werden sollen, so darf man nicht das gewobulicbe 1 1/2 procentige, sondern muss 2procentiges (cf. oben p. 116) Agar verwenden, weil nur bei dieser Concentration die Agarscbiclit aucli bei langerem Aufentbalt im Brutscbrank an den Wandungen des Glases sicher baftet (C. F r a n k e 1 2)). y. Esmarch3) setzt zur Yerbiitung der Ablosung der Agarscbicbt dem l1/2proc. Agar mekrere Tropfen einer sterilisirten dicken Losung von Gummi arabicum zu. Auch fiir Agarplatten bat sich mir meine, der Soyka’schen nacbgebildete Verdiinmmgsmethode bewabrt. Eine Metbode, Bint serum fiir Plattenculturen zu ver- wenden, hat H u e p p e 4) angegeben. Das fliissige, steril aufgefangene 4) Giesst man (les inficirte Agar auf gewohnbche Kocb’scbe Platten aus, so diirfen diese Platten niclit wie bei der Anlage von Gelatineplatten moglicbst stark abgekuhlt (cf. p. 127) sein, sondem cbe Spiegelplatte des Giessapparates muss fiir diesen Zweck sogar durcb lauwarmes Wasser etwas angewarmt sein. Je scbneber namlicb das Agar auf den Platten erstarrt, desto weniger gut baftet es am Glase. Auf die so angewarmten Platten tragt man vor dem Aufgiessen des Agars zweck- miissig noch je mekrere Tropfen Siegeback auf, welche das Abgleiten der Agarscbicbt vom Glase nacb der Erstarrung verhiiten. 2) Centralbl. f. Bakter. Bd. 3. 1888. p. 707. 3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1886. p. 301. 4) Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. p. 010. 142 A. Allgemeines. Oder (im flussigen Zustande) sterilisirte (cf. p. 119) Blutserum wird auf c. 40° C. erwarmt und mit dem zu untersuchenden Bakterien- materiale bescliickt, welolies gleichmassig darin vertheilt wird. Event, werden von dem so liergestellten Originalrobrcben Yerdunnungen (wie Pei der Gelatineplattencultur, p. 127) hergestellt. Inzwischen ist 2pro- centiges Naliragar geschmolzen und auf 42° C. wieder abgekfihlt worden. Das inficirte Serum wird nun mit etwa der gleicken Quantitat Agar sorgfaltig vermiscbt; das Gemisch wird in Schalcben ausgegossen, in welchen es erstarrt, und die dann in den Briitschrank kornmen. Ehe Koch seine Plattenmetkode erfand, benutzte er die Nabr- o-elatine in etwas anderer Weise zur Isolirung der Keime. Er inficirte namlicb den Platindrabt und stricb denselben dann mit der Spitze fiber die Oberfliiche von Nabrgelatine, welcbe auf einem sterilisirten Objecttrager in dfinner Scbiclit ausgegossen war. Neben einander wurden so eine Anzahl „Impfstricbe“ gemacht. Die Mehrzahl der dem Drabt anbaftenden Keime blieb natfirlich scbon beim ersten Striche an der Gelatine bangen, der zweite Stricb erbielt schon weniger Kenne; und bald kam bei den nacbstfolgenden Stricben ein Zeitpunkt, wo nur bier und da ein einzelner Keim sitzen blieb. Die Object- trager wurden dann in die feucbte Kammer gestellt. Mit Hfilfe dieser „ 0 b j e c 1 1 r a g e r c u 1 1 u r e n “ erzielte K o c b die ersten isobrten Rein- culturen aus Bakteriengemiscben. ') Eine Plattencultur, welcbe nacb dem genannten Principe angelegt wurde, zeigt Taf. Y, Fig. 30 (cf. oben p. 133). Dieses Princip der Isolirung von Keimen durcb Anlegung einer Beibe von Oberflacben-Stricbculturen wendet man in der bakterio- logiscben Praxis sebr baufig — wenn aucb in einer von der Object- tragermetbode abweicbenden Form — an, und zwar zum Zwecke der Isolirung patbogener Keime aus Material, welclies direct aus dem er- krankten Korper stammt. Der mit dem Originalmaterial (Blut, Eiter, diphtberiscbe Pseudomembran etc.) inficirte Platindrabt wird binter einander auf der Oberflacbe des (scbrag erstarrten [p. 118]) Nabr- bodens von 4 bis 6 bis 8 Reagenzrohrcben (Agar, Glycerinagar, Blut- serum etc.) ausgestrichen. Die inficirten Bobrcben kornmen in den Brfitscbrank. In den letzten Bobrcben kornmen isobrte Colonien zur Entwickelung. Will man Bakterienculturen conserviren, so gebt. man gewohnlicb so vor, dass man, sobald das Wacbstbmu eine gewisse Hobe erreicht bat, die Culturgefasse gegen die Atmospbare luftdicbt abscbliesst. Das letztere gescbiebt entweder durcb sorgfaltiges A er- l) Mittk. a. cl. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 25 — 27. V. Allgemeine Methodik dor Bakterienzuchtung. 143 kitten der Deckel etc. mit Paraffin oder durcli Zuschmelzen der Oeff- nungen der Gefilsse. Das Zuschmelzen lasst sich aber gewohnlich nur bei Reagenzglasculturen bewerkstelligen. Durch den luftdicliten Ver- schluss des Culturgefasses wird eine Yerdunstung der in dem Nahr- boden entkaltenen Feuchtigkeit sowie die Moglichkeit der Yerunreinigung dauernd ausgeschlossen. Ausserdem wird der weiteren Entwickelung der Cultur durch den luftdichten Abschluss meist bald ein Ziel ge- setzt (Abschluss yon Sauerstoff). Um den Ausbau der hierher ge- horigen Conservirungsmethoden liaben sicli besonders verdient gemacht Soyka1), Soyka und Krai2), Krai3), Czaplewski. 4 *) Man kann sich nach diesen Metlloden sehr schone Sammlungen bakteriologischer Culturen anlegen („bakteriologische Museen"). Die Culturen behalten unter luftdichtem Yerschluss sehr lange Zeit ihre Uebertragbarkeit bei. Man hat auch versucht, Culturen in festem Nahrboden in Form des mikroskopischen Praparates zu cons er viren. Handelt es sich mil Plattenculturen, so muss die zu conservirende Stelle mit dem Messer umschnitten und dann zwischen Objecttrager und Deckglas (in Glycerin z. B.) eingeschlossen werden. Derartige Methoden haben Garre6), Plaut6), Lipez7 *), Jacobis) sowie der Ve r f. 9) angegeben. Handelt es sich um Reagenzglasculturen, so muss die die Cultur enthaltende Gelatine zunachst gehartet und dann in Sclmitte zerlegt werden. Solche Methoden haben F i s c h 1 10) und Neisser11) publicirt. Die bisher besprochenen Culturmethoden , speciell die Platten- methode, gehen von der Yoraussetzung aus, dass wir solche Organismen zu untersuchen haben, welche an der Luft zu wachseu ver- mogen. Wir haben nun fruher bereits (p. 21) gesehen, dass es eine grosse Reihe von Bakterienarten giebt, denen dies Vermogen abgeht, die im Gegentheil durch die Gegenwart freien Sauerstoffs in ihrer Ent- wickelung gehemmt werden. Es sind dies die sogenannten Anaeroben (auch „obligate“, „strenge“ Anaeroben genannt). Haben wir solche Organismen zu ziichten, so kann dies naturlich nicht in der gewohn- *) Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. No. 18. 2) Zeitsclir. f. Hyg. Bd. 4. 1888. 3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 5. 1889. 4) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. No. 15. 6) Fortschr. d. Med. 1886. No. 12. ") Fortscln-. d. Med. 1886. No. 13. *) Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. No. 13. s) Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 17. ”) Deutsche med. Wocb. 1889. No. 20. 10) Fortschr. d. Med. 1887. No. 20. 11) Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 16. 144 A. Allgemeines. lichen Weise auf tier Platte geschehen ; denn der atmospharische Sauer- stoff, welcher zu der Platte ungehinderten Zutritt hat, wurde ein jedes Wachsthum von vornherein inhibiren. AVill man derartige Organismen znm Wachsthnm, znr Yermehrung bringcn, so muss man den atmo- spharischen Sauerstoff von dem Orte, an dem das AVachsthum geschelien soil, sorgfaltigst fernhalten. Nach verschiedenen Principien kann dies geschehen. Man kann, nach Gruber1), den inficirten Nahrboden in einen Raum bringen, der nachher luftleer gcpumpt wird; oder man kann, nach Buchner2), aus dem Raume, in welchem der inficirte Nahrboden resp. das Cultur- gefass (z. B. eine nach Esmarch angelegte Rollplatte) steht, den Luftsauerstoff fortschaffen durch alkalische L 6 sung von Pyro- gallol (1 g Pyrogallol, 1 ccm Licpi. Kal. caust. , 10 ccm AYasser), welche bekanntlich ein ausserordentlich sauerstoffgieriges Medium ist. 3) Man kann aber den Luftsauerstoff resp. die atmospharische Luft auch entfernen , indem man in den den Nahrboden umgebenden Raum ge- niigend lange Zeit r e i n e n AYasserstoff4) einleitet , indem man eventuell sogar durch den Nahrboden selbst (bei Gelatine vor der Er- starrung) AVasserstoff durchleitet. AYird nachher ein sicherer A^erschluss q Gruber (Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. No. 12) benutzt zu diesem Zwecke lange, iin obereu Drittel verengte Reagenzgliiser , welche — nach der Be- schickung der in ihnen befindlichen Nahrgelatine mit dem Bakterienmaterial — mit der Luftpumpe in Yerbindung gesetzt und nach dem Evacuiren an der verengten Stelle luftdicht abgeschmolzen werden. Dann wird die Gelatine in ihnen nach der Esmarch’schen Methode (oben p. 139) ausgerollt. 2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 4. 1888. No. 5. 3) Diese vortreffliche Buchner’sche Methode ist spater von Nikiforoff (Zeitschr.. f. Hyg. Bd. 8. 1890) zur Cultivirung der Anaeroben im hangen- den Tropfen verwendet worden. Nikiforoff umstreicht die Hohlung des hohl- geschliffenen Objecttragers wie gewolmlich (cf. oben p. 49) mit Vaselin und driickt dann das mit dem geimpften (inficirten) Tropfen versehene Deckglas (cf. oben p. 138) so auf diesen Objecttriiger , dass die Hohlung des letzteren an einer Stelle nicht vcillig vom Deckglase verschlossen wird. Diese freigelassene Stelle wird nun an ihrem einen Ende mit starker wasseriger Pyrogallollosung (mit Hiilfe einer Platin- ose) betupft, wahrend an das andere Ende ein Tropfchen Kalilauge gebracht wird. Sodann wird durch Verschiebung des Deckglaschens die Hohlung des Objecttragers vollig verschlossen. Es mischeu sich dann die beiden Rcagentien mit einander; sie bleiben an der Bertihrungsstelle von Objecttriiger und Deckglas hiingen, kommen mit dem Culturtropfen nicht in Beruhrung. 4) Der aus ,,reincm“ Zink und ,,reiner“ Schwefel- oder Salzsaure bereitete Wasserstoff wird (nach C. Friinkel; Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. p. 70S) be- hufs der Rchiigung von eventuellen Verunreinigungen am besten durch 3 iVasch- flaschen geleitet, welche der Reihe nach enthalten 1) alkalische Bleilosung (zur Absorp- tion etwaiger Schwefelwasserstoffspuren), 2) Silbernitratlosung (zur Absorption etwaigen Arsenwasserstoffs), 3) alkalische Pyrogallollosung (zur Absorption etwaigen Sauerstoffs). V. Allgemeine Metliodik der Bakterienzticktung. 145 nach aussen liin bergestellt (durch Znschmelzen der Glasgefasse, durch Yerkitten der Oefinungen mit Paraffin), so gedeihen die Anaeroben in ausgezeichneter Weise in dieser Wasserstoffatmosphare. ') Es ist an dieser Stelle daranf hinzuweisen, dass man nicbt etwa Kohlensaure znr Yerdrangung des Luftsauerstoffs benutzen darf. Es bat sicb, besonders durch umfassende Untcrsuchungen, die C. Fraenkel1 2) angestellt bat, gezeigt, dass cbe Kohlensaure, wie fur andere Organismen, so aucb fur die Bakterien ganz allgemein ein Gift ist, und dies sowobl fiir Aeroben wie Anaeroben. Der Wasserstoff ist jedocb, wie fiir andere Organismen, so aucb fur die Bakterien ein vollig indifferentes Gas. Yon Plattenculturen kann man den Luftsauerstoff nach Koch3) dadurch fembalten, dass man auf die Gelatine etc. ein dunnes Glimmerplattcben, welches vorber durch Ausgiiiben steribsirt wurde, auflegt. Dasselbe muss natiirlich eine grossere Ausdebnung besitzen. Unter demselben kommen die Anaeroben zur Entwickelung. Das geschilderte Yerfabren lasst sicb aucb sehr gut zur Prufung des Sauerstoffbediirfnisses bestimmter neu aufgefundener Arten benutzen. 1) Beziiglicli der vielfaclien hierfiir angegebenen Methoden, urn deren ersten Ansbau sicb namenthch H. und E. Buchner, Hauser, Liborius, Roux (1885 bis 1887) verdient gemacht haben , verweise ich im Allgemeinen auf Hueppe’s „Methoden der Bakterienforscbung“, 5. Aufl. 1891. p. 361 ff. — - Kitasato (Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. p. 227) gab zur Anlegung von Plattenculturen flacke Glas- gefasse an, durck welcke Wasserstoff kindurck geleitet wil’d, und die dann luftdiekt zugesckmolzen werden. — Gabritsckewsky (Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. 1891. p. 249) kat (sehr empfeklenswerthe) Cultursckalen fur Wasserstofldurckleitung und gleickzeitige Sauerstoffabsorption durck Pyrogallol angegeben , bei welcken eine Zu- sckmelzung nickt vorgenommen zu werden brauckt. — Aeknkcke Sckalcken, bei denen aber nur Wasserstoffdurckleitung, nickt Pyrogallol zur Verwendung gelangt, kat Karaen (Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 9) besckrieben. — Eine kbchst einfacke Methode der Wasserstoff benutzung kat Pucks (Dissert. Greifswald. 1890) angegeben. Sieke kieriiber Loeffler (Centr. f. Bakt. Bd. 7. 1890. No. 20. p. 635) : „Die Methode besiekt darin , dass das besiiete Rokrcken umgedrekt, und nackdem einige Minuten kindurck Wasserstoff mit einem Glasrokr eingeleitet worden ist, mit einem Gummistopfen von unten her fest verscklossen wird. Der Gurumi- stopfen kann zur Vorsickt nock paraffinirt werden.“ — B Dicker (Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 8. 1890) cultivirt Anaeroben auf der Platte (Petri ’sckes Sckalcken), auf Kartoffeln etc. unter einer Glasglocke, in welcke Wasserstoff eingeleitet wird, und deren Inneres durck eine wiisserige Gly cerinlosung (1 Glycerin -f 3 bis 4 Wasser) gegen die aussere Luft abgesperrt wird. — Botkin (Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 9. 1890) hat ein aknliches Verfakren angegeben, bei welckem Paraffinum liquid u m als Absperrflussigkeit verwandt wird. -) Zeitschr. f.. Hyg. Bd. 5. 1888. n) Deutsche med. Wochenschr. 1884. p. 502. Giinther, Bakteriologie. 10 14G A. Allgemeines. Selir bequem zur Ziiclitung' tier Anaeroben, wenn auch zur Iso- lirung tier Keime aus einem Gemische weniger brauckbar, ist eine andere °Metkode , bei welcker der Sauerstoff tier atmospkarischen Luft von der Cultur durcb da r fiber gescbichtetes festes Nabrsubstrat abgescblossen wird.1) Nack diesem einfaclien Principe kann man z. B. aus Reinculturen von Anaeroben Sticbculturen in jedem Gelatinerohr- chen anlegen. Man sticbt das Material in der gewohnlicken Weise mit dem Platindrabt tief in die Gelatine ein und sieht nachher in den tieferen Schicbten tier Gelatine, zu denen der atmospharische Sauerstoff keinen Zutritt hat, bis etwa l1/, cm von der Gelatineoberfiache ent- fernt, von dem Impfstiche das Wachsthum tier anaeroben Cultur aus- gelien, wahrend in den oberen Schichten der Gelatine, die mit dem atmospkarischen Sauerstoff in Berfihrung sind, jedes Wachsthum unter- bleibt. Man kann auch das Bakterienmaterial in gesckmolzener Gelatine vertheilen und die Gelatine dann wieder erstarren lassen. Man beob- achtet dann in den unteren Partien der Gelatine die Entwickelung mehr oder weniger von einander isolirter Colonien. Ein solche Cultur zeigt z. B. Fig. 38 auf Taf. VIE Es empfiehlt sick zur Cultur anaerober Organismen den Nahr- boden gewisse reducirende Substanzen zuzusetzen. Das Wachsthum erfolgt dann schneller. Liborius2) fand einen Zu- satz von 2 °/0 Traubenzucker zu der Nahrgelatine wackstkums- beschleunigend ; Kitasato und W e y 1 3) kaben spater ffir den gleicken Zweck einen Zusatz von 0,3 — 0,5 °/0 ameisensaurem Natron zu Nahragar empfohlen. Die Culturen der Bakterien, aerober sowohl wie anaerober, konnen nun , mag es sick um Platten- oder Reagenzglasculturen oder um Kartoffelculturen in der feuchten Kammer handeln, bei den versckie- dens ten Temper atnren gezfichtet wertlen. Die gebraucklicksten sind die Zimmer temperatur (18 — 22° C.) und die Brfit- (B 1 u t -) Temperatur (c. 35— 38° C.). Gelatineculturen eignen sick natfirlich nicht zur Ztichtung bei Brfittemperatfir, da die Gelatine schon bei 25 0 C. selir weich und bei wenig liokerer Temperatur flfissig wird. Bei 22 0 C. kann man dagegen die Gelatineculturen nock sehr gut kalten. Und bei dieser Temperatur zeigen auch fast alle diejenigen Organismen, die am besten bei Brfittemperatur gedeiken, d. k. die ffir 1j Diese Metliode wurde zuerst von W. und R. Hesse (Deutsche med. Wochen- sehr. 1885. No. 14) angegeben, dann von Liborius (Zeitschr. f. Hyg. Bd. t. 1886. p. 1 1 9 il‘.) weiter ausgebildet. -) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1886. p. 16S. ;1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 8. 1890. p. 43. V. AUgemeine Methodik der Bakterienzuchtung. 147 Warmbluter pathogenen, nooli Wachsthum. Fiir Ziichtungen bei B rut- temper atur nimmt man Agar, Bouillon, Blutserum, Kartoffeln etc. Die Nahrboden kommen liierbei am besten in Reagenzrohrchen resp. in Petri ’schen Sclialchen (bei Agarplatten) cingescblossen zur Verwen- dung; denn irgend welch e Yerunreinigungen der Cultur macben sich bei Briittemperatur gleicb in viel ausgedebnterem Masse geltend als bei Zimmertemperatur , und die genannten Dispositionen schiitzen die Nahrhoden am besten vor Yerunreinigungen. 1st das Wachsthum der zu ziichtenden Art ein sehr langsames, so ist ein langer Aufenthalt in dem kiinstlich auf Briittemperatur envarmten Baiune (Briitschrank, Briitofen) nothwendig, und dabei trocknen dann die Nahrboden ge- wohnlich ziemlich schnell ein. Besonders ihre Oberflache wird dann bald so wasserarm, dass sie das Bakterienwachsthum nicht mehr ge- stattet. Man muss in solchen Fallen che Ziichtung in Reagenzglasern vornehmen und von vornherein fiir einen luftdichten Verschluss derselben sorgen. Nothwendig wird dies z. B. bei der kiinstliclien Ziichtung der Tuberkelbacillen auf Blutserum, auf Glycerinagar. Man iiberzieht dann die Oeflnung des Reagenzglases , nachdem man den Wattepfropf tief hineingestossen hat, mit einer G u m m i k a p p e. Wiirde man dies aber ohne besondere Yorsichtsmassregeln thun, so wiirden sich die an dem Wattepfropf aussen aufsitzenden, aus der Luft stam- menden Keime in der geschaffenen feuchten Rammer baldigst zu ent- wickeln beginnen, und es wiirden nun namentlich die Pilzmycelien die Poren des Pfropfs durchwuchern und die Cultur, deren Ziichtung wir beabsichtigten, verderben resp. gar nicht zu Stande kommen lassen. Deshalb geht man in solchen Fallen so vor, dass man den mit der Pincette gefassten Wattepfropf zunachst ausserlich in der Flamme abbrennt, inn alle anhaftenden Keime zu vernichten, dann ihn in den erhitzten Hals des Rohrchens hineinschiebt und schhesshch eine Gummikappe iiberzieht, welche stundenlang in Sublimatlosung ge- legen hat. Der Briitschrank, dessen man sich zu Culturzwecken bedient, (Briitofen, Warmeschrank, Vegetationskasten, Thermo- stat) kann verschieden construirt sein. Wesentlich ist ein abgeschlos- sener, gegen Warmeabgabe nach aussen moglichst gesicherter Raum, dessen Inneres auf constanter Tern per atur erhalten wird. Meist sind fiir cliesen Zweck doppelwandige , aussen init Filz oder Asbest bekleidete Hasten von starkem Kupferblech ') in Gebrauch, die mit *) Die frtiher gebrauchlichen Briitschranke aus verbleitem Eisenblecli sind nicht zu empfehlen. Sie rosten sehr leicht und erfordern dann fortwahrend Reparaturen. 10* 148 A. Allgemeines. einer vom angebrachten Doppelthur versehcn sind. Zwischen den beiden Wandungen des Hastens befindet sich Wasser, m welchem auf c r einen Seitc ein aussen ablesbares Thermometer, auf der an- deren ein (noch zn besprecbender) Thermoregulator steht. Der gauze Hasten steht auf einem Vierfussgestell und wird erwarmt (lurch eine besondere Sicherheits- (Gas-) Lamp e? zu der das Gas dm ci den Thermoregulator hindurch gelangt. Die Lampe ist so emgenchtet, dasg bei zufalligem Verloschen der Flamme (durch vorubergehendes Absperren der Leitung etc.) der Hahn automatlch geschlossen wird. Man hat auch Briitschran ke construct, in welche das Mikro- skopstativ so eingesetzt werden kann, dass der Objecttisch und seine Umgebung, speciell das auf dem Objecttisch befindliche Praparat mit dem (lebenden) bei Bruttemperatur zu beobachtenden Object, innerhalb des Briitraumes, das Ocularende des Tubus aber, fernei die Mikrometerschraube ausserhalb des Briitraumes befindlich sind. Solclie Brutapparate gestatten die contmuirliche Beobachtung lebender Objecte, z. B. Culturen im hangenden Tropfen (of. oben p. 1 88) etc., bei Briit- temperatur. Unter den far derartige Zwecke angegebenen Yorrichtungen mochte ich speciell die von Friedrich1) empfehlen. Der T her more gul a tor kann nach verschiedenen Principien construirt sein. Am zuverlassigsten sind und am genauesten wirken die electrischen Thermoregulator en. Bei diesen steht innerhalb des Wassermantels des Thermostaten ein sogenamites Contactthermo- meter, d. h. ein Quecksilberthermometer , dessen Quecksilbersaule bei der Erreichung einer bestimmten, beliebig einstellbaren Temperatui mit einem Platindraht in Contact tritt. Dadurch wird dann ein galva- nischer Strom geschlossen, welcher seinerseits einen Electromagneten in Thatigkeit setzt, der die Gaszufuhr zur Heizfiamme des Thermo- staten absperrt oder vielmehr auf ein Minimum reducirt. Wenu dann der Wassermantel sicli wieder unter die genannte Temperatui abgt- kiihlt hat, so wird der Contact aufgehoben, der Electromagnet tntt ausser Thatigkeit, die Heizfiamme erlangt ihre friihere Grosse u. &. f. Mit Hiilfe der electrischen Thermoregulatoren kann man die Briit- schranlitemperaturen bis auf Zelintel Grade genau einstellen. Weniger strengen Anforderungen , aber immerlim den meisten Bediirfnissen des bakteriologischen Laboratoriums , geniigen die , im Principe von Bunsen und Lothar Meyer stammenden, Thermo- regulatoren, bei welclien der Gaszufluss zur Heizflamme bei Erreichung x) Die Friedrich’scOie „Heizvorricktung des Mikroskopes zu bakteriologischen Untersuchungen“ (Arb. a. d. Kais. Ges -Amte. Bd. S. 1S92) ist von G. Konig, Berlin N.W., Dorotkeenstr. 29, angefertigt und von dieser Firma zu beziehen. 149 Y. Allgemeine Methodik dor Bakterienziicktung. der gewfinschten Temperatur durch Quecksilber abgesperrt wird. Diese Regnlatoren sind — im G-egensatz zu den electrisclien vom Gasdruck abhangig: sie lassen bei hoherem Gasdruck melir Leuchtgas dnrch als bei niedrigerem. Ganz besonders mochte ich das von H. Rohrbeck1) verfertigte Modell empfeblen. Dasselbe bestebt aus einem starkwandigen , c. 14 mm weiten, c. 34 cm langen, vertikal stehenden Glasrohr, welches unten gesclilossen und in der Mitte dnrch eine liorizontale glaserne Schcidewand abgetheilt ist, die central eine enge, nach unten sich in ein offenes Glasrohr fortsetzende Oefinung besitzt. Der Raum unterhalb der Scheidewand ist beinahe vollstandig mit Quecksilber angeffillt, welches durch das erwahnte Glasrohr in den oberen Raum gelangen kann. Auf dem unteren Quecksilberhori- zont schwimmen mehrere Tropfen Aether. Der ganze Apparat steht in dem auf bestimmte Temperatur zu erwarmenden Wassermantel des Thermostaten. Je melir nun durch die Flamme das Wasser erhitzt wird, desto mehr dehnen sich die Aetherdampfe aus; dabei wil’d das Quecksilber mehr und mehr aus dem unteren Raume in den oberen Raum hinaufgedruckt. Das Leuchtgas tritt nun in den oberen Raum hinein durch ein vertikal stehendes, dtinnes, eisernes, in einer Stopf- buchse verschiebbares Rohr, welches (in verstellbarer Hohe) fiber dem oberen Quecksilberhorizonte mfindet. Es tritt aus, urn zu der Flamme zu gelangen, seitlich neben dem eisernen Rohre aus der Wand des Thermostaten. Erreicht nun mit zunehmender Erwarmung das obere Quecksilberniveau das Elide des eisernen Rohres, so wird die Oefinung desselben verschlossen, und die Flamme wfirde sofort verloschen, wenn nicht ein feiner vertikaler Schhtz in dem Rohre noch ein wenig Gas durchtreten hesse. Die Flamme wird also nur erhebhch reducirt. Hat sich dann das Wasser wieder etwas abgekfihlt, so tritt das Quecksilber wieder zurfick, lasst das Gas wieder voll ausstromen u. s. f. Da das eiseme Rohr verstellbar ist, so kann man den Apparat auf beliebige Temperaturen (natfirlich in gewissen Grenzen) einstellen, die dann constant 2) bleiben. Hat man keine Gasleitung und keinen Thermoregulator zur Ver- ffigung , so kann man seinen Brfitapparat sehr gut mit einer Petroleumlampe heizen. Koch:!), welcher bei seinen ersten, grundlegenden Untersuchungen fiber Milzbrand sich dieser Methode bechente, empfiehlt dieselbe auf das Warmste. ’) Berlin N.W., Karlstr. 24. -) Die Tempcraturschwankungen betragen bei Anwendung des beschriebenen Regulators im Allgemeinen niebt iiber 0,5° C. :1) F. Colin's Beitr. z. Biol. d. PH. Bd. 2. 1876. p. 282. 150 A. Allgemoines. 4. Anhang: Die Methoden der bakteriol'ogischen Luft-, Wasser- und Boden-Untersuchung und ihre wichtigsten Ergebnisse. a. Luftuntersuchung. In tier uns umgebenden Lnft finden wir stets Keime von Mikro- organismen. Es finden sich da sowofil Bakterienkeime wie Keime von Schimmelpilzen und von Hefen. Dieselben gelangen dadurch in die Luft, dass sie von dem Substrate, auf welchem sie sich ent- wickelt haben, durch Luftstromungen entfernt werden. Natfirlich kann dies nur gescbeben, wenn die Cultur eingetrocknet ist. So lange der Nabrboden und die Cultur feucbt sind, ist gewohnlich keine Moglich- keit vorbanden, dass sich Theilchen der Cultur in die Luft eiheben. Die geringen Lebensansprfiche vieler Bakterienarten bringen es nun mit sich, dass allenthalben in der Natur , wo etwas Feuchtigkeit vor- handen ist, Bakterien zu wachsen vermogen. Yertrocknet eine Bakterien- colonie, wird sie durch zufallige Berfihrungen zerkleinert, in Staub verwandelt, so genfigt der geringste Luftstrom, die Staubchen davon- zufiihren, urn sie an irgend welchem anderen Orte abzusetzen. Die fur die Untersuchung der Luft auf Bakterien angegebenen Methoden sind selir zahlreich. Will man nur qualitative Auf- schliisse fiber die Keime haben, kommt es Einem nur darauf an, zu ermitteln, welchen Arten die in einer bestimmten Luft enthalteneu Keime angehoren, so empfiehlt sich die zuerst von Koch1) gefibte „ A b s i t z in e t h o d e Man bedeckt den Boden eines sterilisirten Glasschalchens mit geschmolzener Nahr gelatine und liisst nach der Erstarrung der Gelatine das Schalchen often an dem Orte stehen, dessen Luft man untersuchen will. Die Keime setzen sich dann auf der Gelatineoberflache ab. Nach bestimmter Zeit wird dann das Schalchen geschlossen, und die Keime mfissen sich nun oberflachlich auf der Gelatine entwickeln, sobald sie fiberhaupt fahig sind, auf diesem Nabrboden und in Gegenwart des Luftsauerstoffs zu wachsen. Koch setzte die Schalchen auf den Grand eines cylinderformigen Glasgefasses und mit diesem erst der Luft aus. Die Luft innerhalb des Cylinders ist von den ausseren Luftstromungen mehr oder weniger unabhangig, und so konnten wenigstens einigermassen auch quantitativ vergleich- bare Rcsultate zwischen den an verschiedenen Orten ausgefiihrten TJntersuchungen erhalten werden. Als Nabrboden zeigte sich Weizen- infusgelatine am zweckmassigsten. Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1SS1. p. 33. V. Allgemeine Methodik dor Bakterienzticktung. J 5 1 Eine Methode , welche beziiglich der Quantitiit der in eincm bestimmten Lnftvolumen enthaltenen Keirae erlieblich mehr leistete, wurde dann von Hesse1) crfunden. Hesse saugt vermittels eines Aspirators das zu untersucbende Luftquantum durch ein horizontal liegendes, ca. 70 cm langes, 3,5 cm weites Glasrohr, dessen Innen- wand mit Nahrgelatine ausgekleidet ist. Die Keime setzen sicb dabei aus der Luft auf der Gelatine ab. Naturgemass muss die Geschwindig- keit des Luftstromes sicb in gewissen Grenzen lialten, weil sonst Keime aus der Rohre wieder austreten konnten, ohne sich auf der Gelatine abgesetzt zu baben. Ein bequemeres und leistungsfahigeres Yerfahren der quanti- t a t i v e n Luftuntersuchuag auf Mikroorganismenkeime wurde dann von Petri2) ausgearbeitet. Das Yerfahren ist wolil das beste der uberhaupt existirenden. Petri saugt die Luft mit Hulfe einer Handluftpumpe, die einen in ihrem Volumen geaichten Kolben besitzt und durch erne Kurbel in Bewegung gesetzt wird, durch ein Sand filter, in welchem die Keime zuriickgehalten werden. Das mit den Keimen beladene Filter wird in ein „P e tr i 'sclies Schalchen“ (cf. oben p. 138) gebracht, der Sand wird dann mit geschmolzener Nahrgelatine vennischt und griindlich darin vertheilt. Die sich nach dem Erstarren der Gelatine entwickelnden Colonien konnen dann ge- zahlt und weiter untersucht werden. Der Sand hat eine Korngrosse von 0,25—0,5 mm und wird vor der Verwendung ausgegluht. Der- selbe wird in zwei durch kleine Drahtnetze gestiitzten Schichten von je 3 cm Lange und 1,5 — 1,8 cm Durchmesser in ein 8—9 cm langes Glasrohr eingebracht und in dieser Anordnung zum Filtriren der Luft verwendet. Nicht mehr als 5 — 10 Liter Luft pro Minute werden durch das Filter gesaugt, so dass die Geschwindigkeit des Luftstromes im Filter 0,7 m pro Secunde nicht iibersteigt. Bei den einzelnen Bestimmungen werden 50 — 100 Liter Luft zur Untersuchung filtrirt. Petri hat bei den zahlreichen Luftuntersuchungen , die er nach seiner Methode anstellte, und bei denen er stets Controluntersuchungen nach der Absitzmethode unternahm , gefunden , dass bei der Filtrir- methode relativ mehr Pilzsporen, bei der Absitzmethode relativ mehr Bakterienkeime gefunden werden. Jedenfalls ist hierfur das verschiedene specihsche Gewicht der Keime verantwortlich zu machen. Die Pilz- sporen sind namlich sehr leicht, die bakterientragenden Staubchen specifisch viel schwerer; die letzteren werden sich also leichter zu J) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. 2) Contralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. No. 5—0. — Zeitschr. f. Hyg. Bd. 3. 1887. 152 A. AUgemeines. Boden senken als clio ersteren. Ein weiterer interessanter Befund, der sicli aus den Petri’scken Yersucken ergeken kat, ist der, dass die an einem und demselben Staubcken anklebenden Bakterienkeime relativ selten versckiedenen Arten zugekoren. Mekr als drei Species entwickelten sick niemals an der Absatzstelle eines einzelnen Luftstaubckens. In Frankreick bedient man sick fur Luftuntersuckungen immer nock des (friiker allgemein ublicken) fliissigen Nakrbodens. Mi quel, welcker im Observatoriiun des Montsouris zu Paris fortlaufende Luft- untersuckungen anstellt, saugt den Luftstrom durck sterilisirtes Wasser und vertkeilt nackker das mit den Keimen beladene Wasser zu gleicken Portionen in eine grossere Anzakl von Gefassen mit steriler Bouillon. Von diesen muss dann mmdestens ein Drittel okne Entwickelung von Organismen bleiben, d. k. sick als keimfrei kerausstellen. Man darf dann annekmen, dass in den Gefassen, in denen Entvickelung zu Stande kommt, diese nur von einem einzigen Keime ausging, und kat damit die Anzakl der in der durckgesaugten Menge Luft entkalten gewesenen Keime. Die Mikroorganismen , welcke bei Luftuntersuckungen gefunden werden , sind erstens die versckiedenartigsten Sckimmelpilze , ferner eine Anzakl Hefen, endlick Bakterien.1) Die Mekrzakl der Bakterien- keime gekort den Mikrococcen an ; speciell linden sick ganz regel- massig eine Anzakl Sar cine arten. Die Colonien ver fliissigen ikrer grossen Mekrzakl nack die Gelatine nickt-. Yiele cliromogene Arten linden sick. Die meisten Keime gekoren sapropkytiscken Arten an ; es sind aber liier und da auck patkogene Keime gefunden worden. Im Allgemeinen zeigen die auf den Luftplatten sick entwickelnden Bakteriencolonien ein sekr langsames Wackstkum, offenbar aus dem Grirnde, weil die an den Luftstaubcken angetrockneten Bakterienzellen, aus denen die Colonien kervorgeken, gewoknlick bereits langere Zeit der Lebenstkatigkeit entzogen waren und die zu einer kraftigen Ver- mekrung notkwendige Energie erst wieder gewinnen miissen. Je mekr Staub in der Luft entkalten ist, desto mekr Keime findet man bei der Untersuckung. „Die Zakl der in der freien Atmo- spkare gefunden en Keime sckwankt zwiscken 100 — 500 — 1000 pro 1 cbm“ (Fliigge2)). Fast keimfrei oder auck vollstandig keimfrei ') Welz (Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 11. 1 S9 1) kat eine grossere Beike von Mikro- organisrnenarten , die er in der Luft (in Freikurg) fand, iibersicktlick, in Tabellen- form, besckrieben. -) Grundriss d. Hygiene. Leipzig. 1889. p. 1(53. V. Allgemeine Methodik der Bakterienzuchtung. 153 hat sicli die Lnft drausscn auf holier See in weiter Entfernung vom Lande erwiesen. Audi auf den Spitzen schneebedeclcter Berge ist die Lnft sehr arm an Keimen. It. Wasseruntersuchung. Urn den Bakteriengehalt eines bestimmten Wassers festzustellen, verfahrt man nacli Koch’s1) urspriinglichem Yorgang so, dass man eine bestimmte Menge des Wassers (gewohnlich nimmt man 1 ccm oder V, ccm Oder auch [zur gegenseitigen Controle der Versuche] beides) mit sterilisirter Pipette in ein Rohrchen mit geschmolzener Nahrgelatine 2) vertheilt und die G-elatine dann auf eine sterile Platte 3) ausgiesst. Nach deni Erstarren der Gelatine entwickeln sich dann die eingesaeten Keime in isolirten Colonien, deren Anzahl in der weiterhin zu besprechenden Weise festgestellt werden kann. Ist das zu imter- suchende Wasser ausserordenthch reich an entwickelnngsfahigen Keimen, so ist es zur Erzielung brauchbarer Culturplatten nothwendig, das- selbe auf das 10 bis 20fache Yolumen mit sterilisirtem Wasser zu verdiinnen. Die Feststellung der Anzahl der auf der Platte zur Entwickelung gekommenen Colonien geschieht am besten mit Hiilfe eines zu diesem Z weeke (yon W o 1 f f h ii g e 1 ) construirten Zahlapparates. Der letztere besteht aus einer korizontalen schwarzen Tafel, auf welche die Platte oder das Schalchen aufgelegt wird. In einiger Entfernung dariiber wird eine Glasscheibe gelegt, in welche ein Gitterwerk yon gleich grossen Quadraten mit dem Diamanten eingerissen ist. Auf dieser Platte steht eine dreibeinige Loupe, durcli die hindurch man zugleich das Gitterwerk und die Colonien sieht. Man bestimmt nun ') Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 36. '■) Die Nahrgelatine muss zum Zwecke der Wasseruntersuchung eine be- stimmte chemische Reaction besitzen; denn es hat sich gezeigt, dass Nahr- gelatinen, welche in dieser Beziehung unter einander differiren, aus einem bestimmten Yolumen eines und desselben Wassers verschieden viel Colonien aufgehen lassen. Am giinstigsten fiir die Entwickelung der Wasserbakterien hat sich irn Allgemeinen eine Nahrgelatine erwiesen, welche einen Gehalt von etwa 0, 1 5 °/0 Natriumcarbonat (dem neutralen Niihrboden zugesetzt) hat. Mit einer solchen Nahrgelatine erhiilt man im Allgemeinen das Maximum an Colonien aus einer bestimmten Wasserprobe. Jedoch scheinen sich verschiedene Wasser in dieser Beziehung etwas verschieden zu ver- kalten (cf. Rein sell, Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. 1891. No. 13). 3) Es empfiehlt sich, zu diesen Untersuchungen stets Platten, nicht Pctri’sche Schalchen, zu nehmen. Nur auf Platten zeigt nach dem Erstarren die Cultur- gelatine iiberall gleichmassige Dicko; das letztere ist aber nothwendig, wenn man (siehe oben im Text weiter), zum Behufe der Zahlung der entwickelten Colonien, aus einem Theile der Platte auf die ganze Platte schliessen will. 154 A. Allgemcines. fiir eine Reihe von Quadraten durch directe Zahlung die Anzalil der in jedem liegenden Colonien, nimmt daraus das Mitfcel und multiplicirt die gewonnene Zalil mit der Anzalil der Quadrate, die auf die ganze Platte kommen. 1st die Zalil der auf der Platte zur Entwickelung gekommenen Colonien selir gross, oder, was dasselbe sagt, liegen die Colonien selir dicht neben einander, so gelingt es liaufig gar nicht die Anzahl der- selben mit Hiilfe des beschriebenen Zahlapparates zu bestimmen. In solchen Fallen kann man die Zahlung sebr bequem unter deni Mikroskope1) vornehmen. Zu dem Zwecke bestimmt man sicb zunachst , unter Zubiilfenalnne eines Objectmikrometers , fur sein In- strument — und zwar fiir ein bestimmtes, scbwaches System, fur ein bestimmtes Ocular und fiir eine bestimmte Tubuslange — ein fiir alle Mai den Flacheninhalt des Gesicbtsfeldes. Man bringt dann die Culturplatte unter diesen Bedingungen unter das Mikroskop und zahlt eine grossere Reibe (20 bis 40) beliebig ausgewahlter Gesichtsfelder beziiglich der Colonienanzahl aus ; selbstverstandlich beriicksichtigt man dabei jedesmal (unter Benutzung des groben Tubustriebes) die Gelatine- scbicbt in ibrer gesammten Dicke. Aus der sicb daraus ergebenden Durcbscbnittszalil und aus dem Verhaltniss der Grosse der ganzen Gelatineplatte zur GrSsse des einzelnen Gesicbtsfeldes lasst sicb dann leicbt die Anzabl der Colonien berechnen, welcbe auf die gauze Platte kommen. Unter Umstanden, namlicb wenn die Anzabl der Colonien ganz ausserordentlich gross ist, fiibrt auch dieses Yerfabren noch nicbt obne Weiteres zum Ziele ; es kommen dann namlicb so zablreicbe Colonien auf jedes Gesichtsfeld, dass ibre directe Auszahlung unmogbcb wird. Dann bilft man sicb in der Weise, dass man jedesmal nur einen bestimmten, in seiner Ausdehnung vorber (mit Hiilfe des Objectmikro- meters) ausgemessenen , Tbeil des Gesicbtsfeldes auszablt. Diesen Tbeil des Gesicbtsfeldes grenzt man durch .Linien ab, die auf einem Glasplattchen angebracbt sind, welches auf das Diaphragma des Oculars gelegt wird. Bei der mikroskopischen Beobacbtung siebt man die Linien dieses „Ocular-Netzmikrometers“2) gleicbzeitig mit den mikroskopiscb betracbteten Colonien. Zum Zwecke der bakteriologiscben Untersuchung wird das Wasser am Orte der Entnahme in sterile Gefasse (z. B. Erlenmeyer scbe Kolbchen) eingefiillt, die mit sterilisirtem Watteverscbluss verseben und dann unverziighch in das Laboratorium gebracbt werden. Die J) Cf. Buchner, Longard und Riedlin (Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 18S7. p. 3). ") Die auf p. 44 genannten mikroskopischen Firmen fiihren derartige In- strumente. V. Allgemeine Metliodik der Bakterienziichtung. 155 entnommenen Probe a sollen moglichst so fort in der oben ange- gebenen Weise zur Einsaat in Gelatine kommen. Das Letztere soil jedenfalls nieht spater als etwa eine Stunde nach der Entnabme ge- schehen, weil die veranclerten Bedingimgen eine Yeranderung des Bakteriengehaltes sowobl binsicbtlicb der absoluten Quantitat der Keime wie hinsicbtlich der relativen Menge der yerschiedenartigen Keime zur Folge haben. Unmittelbar vor der Einsaat in die Gelatine ist das zu untersucbende Wasser umzusckiitteln, damit etwa zu Boden gegangene Keime aufgeriihrt werden und eine gleiclimassige Yertheilung der Keime in der Probe erzielt wird. *) Die im Wasser gefundenen Bakterien geboren meist der Gruppe der Bacillen an.* 2) Vorwiegend kommen verfltissigende Arten zur Ent- wickelung. Man neunt die Bakterien, welclie sich mit Vorliebe im (Fluss-, See-, Meer-) Wasser aufzuhalten pflegen, „Wasserbakte- r i e n Pathogene Bedeutung kommt denselben nicht zu. P a t h o g e n e Arten sind selten gefunden worden. Die wichtigsten bierbergeborigen Befunde sind die Befunde von C b o 1 e r a b a c i 1 1 e n in verscbiedenen Wassern bei Gelegenlieit von Cboleraepidemien 3) , ferner zaklreiche Einzelbefunde von Tjphusbacillen in dem Wasser durch Typlnts- dejectionen verunreinigter Brunnen. Im Allgemeinen geben patbogene Bakterien, die in gewobn- licbes Wasser eingebracbt werden, in kurzer Zeit zu Grunde; sie werden von den Wasserbakterien uberwucbert. Jedocb scbeint in dieser Beziehung die Temperatur des Wassers eine grosse Rolle zu spielen ; hobere Temperatur (hobe Sommertemperatur) scheiut begiinstigend auf die Yermebrung patbogener Bakterien zu Die Sedimentirung spielt, wie liier in unseren Gefassen, so aucli in der Natur eine wichtige Rolle beziiglich des Bakteriengehaltes des Wassers. Grosse Wasserbecken mit langsamer Stromung, welcbe zunacbst ein bakterienreicbes Wasser aufnebmen, wirken stets als Klaranlagen. Sie lassen in sebr kurzer Zeit den aller- grossten Theil der suspendirten Bakterienzellen zu Boden geben ; die letzteren baufen sich in Form einer zusammenhangenden scbleimigen Masse auf dem Grunde an. (Cf. auch Rubner, Arch. f. Hyg. Bd. 11. 1890.) 2) Eine Reibe von Bacillenarten, die im Wasser regelmiissig vorkommen, baben G. C. Frankland und P. F. Frankland (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 6. 1889) be- sehrieben. Tils (ebenda Bd. 9. 1890) bat eine grossere Reihe von Bakterienarten, die er im (Freiburger) Leitungswasser fand, iibersicbtlicb, in Tabellenform, beschrieben. Lustig (Diagnostik der Bakterien des Wassers. Jena und Turin. 2. Aufl. 1893. 128 Seiten) hat sich die Miibe genoinmen, die in der Literatur zerstreuten Angaben ttber Wasserbakterien zu sammeln und tabellariscb zu ordnen. 3) Der erste derartige Befund stammt von R. K o c b. Koch fand die Cbolera- bacillen in einem Tank in der Niihe von Calcutta. (Koch's Bericht aus Calcutta vom 4. Marz 1884. — Deutsche med. Wocbenscbr. 1884. p. 222.) 156 A. Allgemeines. wirken. ’) In sterilisirtem Wasser konnen sich pathogene Aiten lange Zeit lebencl erhalten. Beziiglich des Keimreichthums verscliiedener Wasser macht Fliigge* 2 *) folgende Angaben : „In der Regel beobachtet man in reinem Leitungs- und Quellwasser 2 — 50 Bakterien in 1 com, in reinen Pumpbrunnen 100 — 200—500, in (iltrirtem Flusswasser 50 — 200, in unfiltrirtem Wasser rein gehaltener Fliisse 6000—20 000, in verun- reinigten Brunnen bis zu 100 000, ebensoviel bei Storung des Filter- betriebes in Flusswasserleitungen ; im Kanalwasser Oder in stark ver- unreinigten Flusslaufen 2 — 40 Millionen Bakterien in 1 ccm.“ In grossen Wasserbecken constatirte Karl in ski8) eine Abnakme der Bakterienzabl nach der Tiefe zu. H. Buchner4) hat den Nachweis gefiihrt , dass das Licht auf im Wasser suspendirte Bakterien einen gewaltig schadigenden Einlluss ausiibt. Selbstverstandlich ist in hygienischer Beziehung die Frage, w i e v i e 1 e Keime in einem Cnbikcentimeter eines bestimmten Wassers enthalten sind, von ganz untergeordneter Bedeutung gegeniiber der Frage, welch en Arten die vorhandenen Keime angehoren, speciell ob pathogene Keime in dem zu untersuchenden Wasser vorhanden smd oder nicht. TJm die letztere Frage im Einzelfalle zu entscheiden, ging man fruher ausschliesslich so vor, dass man eine Quantitat des Wassers mit Nahrgelatine vermischte, zur Platte ausgoss, und dass man dann unter den entwickelten Colonien auf pathogene (speciell kommen hier Cholera- und Typhusbakterien in Betracht) fahndete. Die Feststellung vereinzelter Colonien pathogener Bakterien auf der Platte neben einer grossen Ueberzahl nicht pathogener Colonien hat aber sehr grosse Schwierigkeiten, und nur in seltenen Fallen hat die Plattenaussaat zur Feststellung pathogener Keime in dem untersuchten Wasser gefiihrt (cf. p. 155). Die sichere Beantwortung der Frage, ob ein bestimmtes Wasser gesundheitsschadlich ist oder nicht, ist also mit Hiilfe der geschilderten Methode kaum zu geben; und auch die Untersuchung der chemischen Beschaffenheit des A\ assers kann diese Frage nicht ausreichend beantworten, da die Krankheitserreger nicht todte chemische Korper, sondern lebende Wesen sind. Was die Untersuchung speciell auf C holer abakterien angeht. ') Cf. Hueppe, Bed. Min. Wochensckr. 1S93. p. 110. — Auch cine Zu- nahme des Kocksalzgelmltes im Wasser wirkt begunstigend auf die ^ ermehrung pathogener Bakterien. 2) Grundriss d. Hygiene. Leipzig. 1S89. p. 210. :i) Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1S92. No. 7/8. 4) Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 25. V. Allgemeine Methodik iler Bakterienzucbtung. 157 so sind in jungster Zeit von verschiedenen Seiten1) Verbesserungen des Verfahrens der bakfceriologischen Wasseruntersuchung angegeben worden, die darauf beruben, dass man dem zu prufenden Wasser zu- luichst bestimmte fiir das Wachstlmm der Cholerabakterien gunstige Zusatze giebt uiid dasselbe dann eine gewisse Zeit bei einer fiir die Cbolerabakterien selir giinstigen, fur die Wasserbakterien weniger giinstigen Temperatur steben lasst. Man erzielt so bei dem Vorhanden- sein von Cbolerakeimen in dem Wasser eine Yermehrung derselben; und eine dann folgende Plattenanssaat bietet viel mebr Cbancen fiir das Anffinden der Cbolerakeime , als es die Plattenaussaat des ur- spriinglicben Wassers gethan hatte. Mit diesem verbesserten Verfabren hat z. B. Koch wabrend der Winterepidemien 1892/93 in einer Reibe von Fallen Cliolerabacillen im Wasser nacbgewiesen. Fiir (be Unter- sucbung des Wassers auf Typhnsbacillen baben wir derartige ver- besserte Metboden bis jetzt nicht. Hier sind wir auf die primare Plattenimtersucbung des urspriinglichen Wassers angewiesen. Koch in anderer Hinsicbt aber ist die bakteriologische Wasser- untersucbung von grosser Bedeutung fiir die Hygiene. Wenn es sich darnm bandelt, ein grosseres Gemeinwesen mit einer centralen Wasserversorgnng zu verseben, so sind wir, wenn nicbt Quellwasser oder das miter normalen Yerbaltnissen keimfreie (cf. imten p. 159) Grundwasser in ausgiebigem Masse zur Yerfiigimg steben, darauf angewiesen , Oberflacbenwasser (Fluss- , Seewasser) zu nebmen. Das Oberflacbenwasser ist nun (cf. oben p. 156) schon an und fur sicb fast ausnahmslos reich an organiscben Keimen; und zu Zeiten von Cholera- oder Typhusepidemien liegt die Gefabr ausserordentlicb nabe, dass in dieses Wasser hinein die entsprechenden Krankheits- keime gelangen und dann (lurch (be Wasserleitung iiberall bin ver- schleppt werden. Es ist also ein bygieniscbes Gebot ersten Ranges, dass das fur (be Wasserversorgung bestimmte Oberflacbenwasser zu- nacbst von den in ihm eventuell vorbandenen Infectionskeimen befreit werde. Das kann aber nur so gescbeben, dass man die im Wasser vorbandenen organiscben Iveime uberhaupt entfemt. Das beste Mittel, Wasser von organiscben Keimen zu befreien, ist selbstverstandlich das Ivochen desselben resp. das Steribsiren durcb Erbitzung. Dies lasst sich aber nur im Kleinen ausfuhren. Soli im Grossen mogbcbst keimfreies Wasser bergestebt werden, so muss das Wasser durcb Filtration von den Keimen befreit werden. Am besten geschieht *) Naberes bieriiber siebe weiter hinten bei Gelegenbeit der Besprecbung des CbolerabacUlus. 158 A. Allgeineines. dies durch die, in vielen Stadten bereits eingefuhrfce, Sandfilt ra- tion.1) Die bakteriologisclie Priifung des Wassers vor und naoh der Filtration gewahrt uns nun ein. unfehlbares, durch nichts anderes zu ersetzendes Mittel, den genannten Filtrations- process zu c o n t r o 1 i r e n. Hierin liegt mit der Hauptwerth der bakteriologischen Wasseruntersuchung. 2) Bei der kunstlichen Filtration des Wassers durch Sand werden iibrigens nicbt alle Keime, sondern nur der allergrosste Theil der- selben aus dem Rohwasser entfernt. Die in dem flltrirten Wasser vorhandenen Keime stammen zum allergrossten Theile nicht aus dem Rohwasser, sdndern aus den unteren (Stein-, Ivies- und Sand-) Schichten der Sandfilter, welche letzteren sich im Laufe der Zeit mit Bakterien- vegetationen iiberziehen. Diese Filterbakterien sind barmlose Wasser- bewohner oline pathogene Bedeutung. Klein filter, d. h. Wasserfilter fur den Hausgebrauch, sind im Allgemeinen nicht zu empfehlen. Wir kennen keine einzige Construc- tion, die fur langere Zeit die Mikroorganismen mit Sicherheit aus dem Wasser entfernt mid dabei geniigende Mengen Wassers fordert. — Ueber die filtrirende Wirkung des Erdbodens vergl. den nachsten Abschnitt (p. 160). c. Bodemmtersuclmug'. Um den Gehalt einer bestimmten Bodenprobe an, Mikroorganismen zu untersuchen, verfahrt man nach C. Fraenkel3), dem wir eine der 1) Indem beziighch genauerer Daten liber Sandfilt ration auf die Arbeiten von Plagge und Proskauer (Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 2. 1887), ferner von C. Frankel und Piefke (ebenda Bd. 8. 1890), ferner von E. Koch (ebenda Bd. 14. 1893) verwiesen wird, soil bier nur auf folgende fur die Sandfiltration wiclitigen Punkte aufmerksam gemacbt werden : Das eigenthch Filtrirende in den Sandfiltern ist nicht der Sand selbst, sondern die Schlammdecke , welche sich durch Sediiuenti- rung der in dem Wasser suspendirten Bestandtheile auf der Sandoberflacke ansammelt. Es kommt darauf an , dass diese Scklammsckickt sich zunachst regelrecht bildet. Nach ihrer Bildung kann die Filtration vor sich gehen. Die Filtrationsgesch.windig- keit soli liber ein Maximum von 100 nnn in der Stunde nicht hinausgehen. Die sich allmaklick verdickende und damit dem Wasser innner rnelir Widerstand bietende Schlammschicht soil zu rechter Zeit entfernt werden. Die Sandsckickt soil stets mindestens 30 cm hock bleiben. Jedes einzelne Filter eines Filterwerks soil mit einer Einrichtung versehen sein, die es gestattet, das filtrirte Wasser zu entnehmen, um es bakteriologisck auf seinen Keimgekalt zu untersuchen. Die Untersuchung hat moglichst oft zu geschehen. Es muss an jedem Filter eine Einrichtung vorkanden sein, die es ermoglicht, das ungenugend - gereinigte Wasser zu entfernen, olme dass es sich mit dem gut filtrirton Wasser mischt. ■) Cf. R. Koch, 10. internat. med. Congr. Berlin 1890. Verhandl. Bd. 1. p. 44. 3) Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 2. 1SS7. V. Allgemeine Methodik der Bakterienziichtung. 159 besten Arbeiten iiber diesen Gegenstand verdanken, so, dass man eine abgemessene Quantitat des Bodenmatorials in ein Reagenzrohrchen mit geschmolzener Gelatine einfullt, das Material dann grundlich in der Gelatine vertbeilt und die Gelatine nachher an den Wandungen des Rohrcbens nach der Esmar ch’schen (cf. p. 139) Methode ausrollt. So behiilt man das gesammte Material innerhalb des Rohrcbens, wiih- rend beim Ausgiessen der Gelatine auf eine Platte etc. ein Tbeil der Keime, an Erdbrockelcben anbaftend, im Glase zuriickbleiben wiirde, nnd das Resnltat dadurch ein nnsicberes werden wiirde. Eig. 24 auf Taf. IV zeigt ein solches Robrcben, welches mit Gartenerde bescbickt wurde (cf. oben p. 139). C. Eraenkel bat ein besonderes, sinn- reicb eingerichtetes Bohrinstrument construirt, welches gestattet, Erd- proben aus beliebiger Tiefe ohne jede Verunreinigung zur Untersuchung heraufzuholen. Uebrigens muss (wie bei Wasseruntersuchungen [p. 155]) aucb bei Bodenuntersuchungen die Einsaat des Materials in die Gelatine m o g - licbst bald nach der Entnahme desselben aus dem Boden geschehen, da sonst in Polge der veranderten Bedingungen (veranderte Temperatur, veranderte Zusammensetzung der umgebenden Luft) eine uncontrolirbare Vermebrung einzelner Mikroorganismenarten in dem Materiale selbst stattfindet. Bei den Bodenuntersuchungen bat sich nun ergeben, dass die oberen Schicbten des B odens iiberall, sowobl bei bebautem wie bei jungfraulichem Terrain, sebr keimreicb sind. „Es finden sich im Durcbscbnitt selbst im juugfraulichen, unbebauten Boden ca. 100000 Keime in 1 ccm Boden, oft noch erheblich mehr“ (Fliigge)1). Dieser Keimreichthum erleidet nach der Tiefe zu eine Abnabme ; und zwar ist diese Abnahme eine allmahliche bis etwa zur Tiefe von l1/4 m. Dort wird die Abnabme plotzlich eine sebr rapide, so dass scbon wenige Decimeter tiefer der Boden baufig vollig keimfrei angetroffen wird. Die Scbicbt des Grundwassers ist gewobnlicb vollstandig keimfrei. Die geschilderte Vertbeilung der Bakterienkeime im Boden ist so zu deuten, dass die Keime von aussen, durcb die Luft oder mit Dung- stoffen etc., auf die Oberflacbe uud in die obersten Schicbten des Bodens gelangen, dass sie dann, eventuell nacbdem in dem einen oder anderen Palle eine Vermebnmg stattgefunden bat, mit dem in den Boden ein- sickernden Regen- etc. Wasser mehr in die Tiefe gespiilt werden. Wahrend aber das Wasser semen Weg durch den porosen Boden bin- durcb bis in das Grundwasser hinein weiter bndet, bleiben die Bakterien J) Grundriss der Hygiene. Leipzig. 1889. p. 192. 160 A. Allgcmeines. als feste Theile zwischen den Partikelohen des Bodens hangen, so dass also, je nacli der Bodenbeschaffenheit in weckselnder Tiefe, das Wasser der vorlier beigemischten Bakterien entledigt ist. Es findet bier die- selbe filtrirende Wirkung der Erdpartikelchen statt, wie wir sie bei den Sandfiltern der Wasserleitung (cf. oben p. 158) kunst- lioh herstellen. Nur ist die natiirliche filtrirende Wirkung des Bodens der filtrirenden Wirkung der kiinstlicben Sandfilter ganz ausserordent- 1 i cli iiberlegen, und zwar einfacli aus dem Grunde, weil die Filtrations- gescbwindigkeit im Boden eine so sehr viel langsamere ist als in den kiinstlicben Eiltern. Da das Grundwasser in der Regel keimfrei ist, so liefern die Rohrenbrunnen dann wirklicb keimfreies Wasser, wenn das Robr selbst frei von Keimen ist. Durcb einfaches Ausbiirsten des Brunnenrobres gelang es C. Fraenkel1) in einem bestimmten Falle, das Brunnenwasser, welches vorber recbt keimreich gewesen war, fur eine Reibe von Tagen vollig steril zu macben. Die Kessel- brunnen, welcbe Verunreinigungen von aussen fortgesetzt preisge- geben sind, lassen sicb natiirlich nicht in dieser Weise saubern. Die im Boden vorkommenden Bakterienarten 2) gehoren meist zu den Bacillen. Yorwiegend fand Koch3) bei seinen ersten orientirenden Untersucbungen den Heubacillus und den „wnrzelformigen“ Bacillus. Beide sind nicbt pathogen. Colonien des „wurzelformigen“ Bacillus siebt man iibrigens aucb in dem Taf. IV, Fig. 24, darge- stellten, mit Gartenerde angelegten Culturrobrcben. Die Colonien sind durch die feinen von ibrer Peripherie ausgebenden Auslaufer kenntlich. Den „wurzelf6rmigsn“ Bacillus , aucb „Erdebacillus“ genannt , findet man fast ausnahmslos in jeder Bodenprobe. Auf bebautem Terrain fand C. Fraenkel von patbogenen Bakterien baufig den Ba- cillus des malignen Oedems. Derselbe wil’d in gedungter Gartenerde fast stets gefunden. Hier kommt aucb der Tetanus- bacillus vor. r) Zeitscbr. f. Hyg. Bel. 6. 1S89. 2) Fiilles (Zeitscbr. f. Hyg. Bel. 10. 1891) hat eine grossere Reihe von Bakterienarten, welcbe er im (Freiburger) Boden fand, iibersiebtlieb, in Tabellenform, beschrieben. 3) Mittb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 35. B. Die Bakterien als Krankheitserreger. (riin thcr, Bakteriologie. II I. Einleitendes. Von einer ganzen Reihe von Bakterienarten hat man nacli- gewiesen, class ilmen die Fahigkeit zukommt, in den lebenclen tliieri- schen Korper einzudringen und denselben zur Erkranlcung zn bringen. Man bat sicb das so vorzustellen, dass der lebende tbieriscbe Korper bierbei den Bakterien in aknlicher Weise zum Nab r bode n client, wie dies sonst todtes organisches Substrat tbut. In beiden Fallen wacbsen die Bakterien und vermebren sicb aufKosten des Niibrbodens; in dem einen Falle wire! das todte Nahrmaterial dabei in bestimmter Weise verandert, in dem anderen Falle ist es die Substanz des lebenclen Korpers, welcbe durch das Bakterienwacbstbum verandert wird. Die Yeriinderungen. welcbe der lebencle Korper auf diese Weise erleidet, kommen in ihrer Gesammtheit als E r k r a n k u n g des Korpers zum Ausdruck ; und man bezeichnet ganz im Allgemeinen solcbe Krankheiten, die diucb die Vermebrung in die Korpersubstanz emgedrungener organischer Keime bervorgerufen werden, als „Infectionskrankbeiten“. Das Ein- dringen der Keime in den Organismus bezeichnet man als „Infec- tion“ desselben. Diese organischen Keime braueben niebt stets Bakterien zu sein. Wir kennen auch andere, pflanzlicbe sowohl wie tbierische, Mikroorganismen, welcbe in analoger Weise krankbafte Yer- anderangen des tbierischen Korpers veranlassen konnen. Diejenigen Mikroorganismen , welchen derartige krankbeits- e r regen de Eigenscbaften zukommen, bezeichnet man als Para- si ten gegenuber denjenigen, die auf todtem organischen Material vegetiren, und die man Sapropbyten nennt. Die durcb die para- sitischen Bakterien hervorgerufenen Krankheiten sind je nacb den verscliiedenen Bakterienarten verscliieden, und jede bierber geborige Infectionskrankheit bat ihren specifischen Erreger. Ein jeder 11* 164 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. dieser Erreger vennag aber nur bei ganz bestimmten (je fur die verschiedenen Bakterienarten verschiedenen) Thiers pecies Erkrankung zu veranlassen, wahrend die anderen Thierspecies durch ihn nicht be- einflusst werden: Fur jede hierher gehorige Parasitenart existiren bestimmte „empfangliche“ Thierspecies. Auch kann die nach der Einverleibung eines bestimmten Erregers in den Organismus ein- tretende Erkrankung eine verschiedene sein. je nackdem die befallenen Thiere verschiedenen empfanglicken A r t e n , oder sogar je nackdem sie verschiedenen Altersstufen einer und derselben Thierart angekoren. Es giebt unter den parasitischen Bakterienarten manche, die be- hufs ihrer Entwickelung des lebenden Organismus als Nahr- bodens durchaus bedurfen, die ausserkalb dieses lebenden Organismus in der Natur sonst nicht existiren konnen. Diese nennt man obligate (echte, strenge) Par a si ten. Auf der anderen Seite giebt es parasitische Bakterienarten, welche gewohnlich ein sapropkytisches Da- sein fiihren, draussen in der Natur an geeigneter Stelle die Bedingungen fur ihre Existenz finden, und die die Invasion des lebenden Organis- mus nur als gelegentlichen Abstecher betrachten, dessen sie zu ihrer Existenz durchaus nicht bedurfen. Diese Arten nennt man facul- tative (gelegentliche) Parasiten. Zu dem Begriffe des Para- sitismus gehort aber immer, dass die Bakterien nicht bloss auf oder in dem lebenden Organismus vegetiren, sondern dass sie von der Substanz des Organismus selbst ihre Existenz bestreiten, die lebende Substanz also verandern. So sind z. B. die Milliarden von Bakterien, die in dem Inhalte unseres Darmes stets gefunden werden, keine Parasiten, sondern Saprophyten; denn sie ernahren sick nicht von der lebenden Substanz unseres Darmes, sondern von dem todten Materiale, welches innerkalb desselben vorhanden ist. Wurde der Fall eintreten, dass die in dem Darmlumen auf dem todten Materiale vege- tirenden Bakterien giftige Stoffwechselproducte bildeten, die, von den Organen der Darmwand aufgesogen, in den Korper iibertraten und denselben zur Erkrankung brachten, so wiirde man ebenfalls nicht von „Parasiten“, von einer „Infection“, reden konnen, sondern man miisste einen derartigen Yorgang als „ Intoxication" bezeichnen, veranlasst durch die Resorption bestimmter, durch saprophytische Bakterien im Darmkanal gebildeter chemischer Zersetzungsproducte. Zu einer „I li- fe ction“ gehort stets, dass. die lebende Substanz des Korpers von den Mikroorganismen befallen wird, und dass die letzteren sick auf Kosten der lebenden Substanz vermekren. Wenn wir nun bei einem bestimmten Ivrankkeitsfalle Bakterien, I. Eiiileitendes. 1G5 oder ganz im Allgemeinen Mikroorganismen , im Korper aufgefuuden haben, sind wir dann berechtigt, dieselben als Erreger der Krankheit anzusprechen? Durcbaus nocb niclit. Zn einem derartigen Urtbeile gehort me hr als der blosse Befund, womoglich der Befund in ver- einzelten Fallen der Krankheit. Zunachst ist der Nachweis zu fuhren, dass in alien Fallen der betreffenden Krankheit, die uns irgend zur Untersuchung zuganglich sind , der Befund wiederkehrt, dass wil- es mit einem constanten, niclit vereinzelten Befunde zu tliun haben. Weiter darf sich dieser Befund bei keiner anderen Krankheit zeigen, er muss etwas fur die untersuchte Krankheit Specifisches darstellen. Ist ein constanter specifischer Bakterienbefund oder uberhaupt ein constanter specifischer Befund von Organismen bei einer bestimmten Krankheit festgestellt, werden die Organismen unter Verhaltnissen an- getroffen, welche den pathologischen Veranderungen und dem klinischen Yerlaufe der Krankheit entsprechen, so ist damit bereits ausserordent- lich viel gewonnen. Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass dieser Punkt erst erledigt sein muss, ehe an irgend etwas Weiteres gedacht werden kann. So konnte z. B. der (jetzt verlassene) aus der Luft von Malariagegenden geziichtete „Malariabacillus“ von vornherein keine Aussicht auf definitive Anerkennung haben, weil im Korper des Malariakranken uberhaupt niemals ein parasitirender Ba- cillus gefunden worden ist. Wenn man das Gebaude der Feststellung der Aetiologie einer bestimmten Infectionskrankheit aufrichten will, so darf man, wie uns die logische Art des Vorgehens R. Koch’s ein- dringlich gelehrt hat, nicht mit dem Dach beginnen, sondern muss mit dem Fundamente den Anfang machen. Das Fundament aber ist der const ante Nachweis der Parasiten im erkrankten Korper, und zwar der mikroskopische Nachweis. Wie man es anfangt, Bakterien mikroskopisch nachzuweisen, haben wir oben (p. 43 ff.) ausfuhrlich erortert. Es soli bier nur auf Tauschungen, denen man dabei eventuell ausgesetzt sein konnte, hingewiesen werden.1) Man wird sich zunachst huten mfissen, etwaige Farbstoffniederschlage, die sich im Praparate linden, fur Bak- terien zu halten. Die Beschrankung dieser Niederschlage auf die Oberfiache des Schnittes, die verschiedene Grosse und Gestalt der- selben lasst hier Verwechselungen nicht leicht zu. Ebenso wird man sich huten, die Ivomer der Mastzellen fur Mikrococcen anzu- ') cf. R. Koch, Untersuchungen iiber die Aetiologie der Wundinfectionskrank- heiten. Leipzig. 1878. p. 37. 106 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. sprechen (cf. p. 89). Hat man wirklich Bakterien vor sich, so konnten dieselben aus den Farblosungen oder sonstigen benutzten Reagentien stammen. Sie konnten dabinein durch irgend welchen Zufall gerathen sein, sich eventuell sogar darin vermehrt haben, um nachher auf deni in der Farblosung etc. behandelten Schnitt (ebenfalls oberflachlich) sich festzusetzen. Hat man diese Tauschungen vermieden, hat man wirklich Bakterien vor sich, die inner halb des Schnittes liegen, so muss der Einwand ausgeschlossen werden, dass es sich eventuell um Faulnissbakterien handeln konnte, welche post mortem in das Organ hineingelangt sind. „Jedesmal, wenn einzelne Bakterien nur in den oberflachlichen Scliichten von Organen gefunden werden, ist zu vermuthen, dass es sich um beginnende Faulniss handelt11 (Koch1)). Es ergiebt sich hieraus die Regel, die Section zu untersuchender Leichen stets moglichst bald nach dem Tode vorzunehmen und die Organe moglichst sofort in Alcohol einzulegen. Findet man aber die Bakterien im Innern von Organen in Lage- verhaltnissen , die nur w a hr end des Lebens zu Stande kommen konnen, „oder ist gar der unverkennbare Einfluss der Mila’oorganismen auf das von ihrer Invasion betroffene Gewebe, z. B. Nekrose der in einem gewissen Bereicli gelegenen Zellen, Anhaufung von Rundzellen in der Xachbar sell aft , Eindringen der fremden Organismen in die Zellen u. s. w. zu constatiren, dann miissen solche Mikroorganismen als pathogen angesehen werden ; mindestens miissen sie verdachtig er- scheinen und zur weiteren Untersuchung und Aufklarung des Befundes auffordem“ (Koch 2)). Eine besondere Beriicksichtigung verdienen die Oberflachen der ausseren Haut und der Schleimhaute (namentlich des Darmes), an denen normaler Weise harmlose Bakterien schmarotzen , die nicht fiir pathogene gehalten werden diirfen. Uebrigens werden wir uns mit dem Nachweise von „Sporen“ im Gewebe nie begntigen dih'fen. Es liegt in der Xatur der Sache, dass die im thierischen Korper sich vermehrenden Bakterien, hier also im Speciellen die Bacillen, in ihren vegetativen Formen vorhanden sind. Das schliesst nicht aus, dass unter Umstanden, speciell bei den anaeroben Bacillenarten, auch sporentragende Stabchen gefunden werden konnen. Das isolirte Yorkommen von „Sporen“ im Gewebe aber. das iibrigens einwandsfrei mikroskopisch kaum nachzuweisen sein diirfte, ist bisher nicht beobachtet und auch wohl unmogiich; und ein soldier ') Ebencla. -) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. *2. I. Einleitondos. 167 vermeintlicher Nachweis muss deshalb stets mit der grossten Reserve aufgenommen werden und darf jedenfalls nicht als Beweis ftir das Vorhandensein von Bakterien im Gewebe gelten. Hat man die constante Anwesenheit bestimmter Bakterienformen in alien Fallen einer bestimmten Krankheit sowie ihr Fehlen bei anderen Krankheiten mikroskopisch nachgewiesen, so kann man daran denken, die aufgefnndenen Bakterien kiinstlich zn ziichten. Zu diesem Zwecke miissen wir aus den von den Bakterien befallenen Organen Material entnehmen und dies uniter moglichster Vermeidung von Yerunreinigungen auf kiinstliche sterile Nahrbdden bringen. Man saubert dann bei der Section die zu durchschneidende Haut der auf dem Sectionsbrett fixirten Tbiere ausserlich durch sorgfaltiges Ent- liaaren imd Abwascben mit Sublimatlosung unter nacbheriger eventueller Nachspiilung mit Alcohol und Aether. Die zu benutzenden Messer, Scheren, Pincetten etc. werden in durch Ausgliihen sterilisirtem Zu- stande angewendet. Die so in moglichst originalem Zustande ent- nommenen Organe werden mit sterilem Messer durchschnitten ; und es werden nun mit sterilem Instrumente Partikelchen aus dem Organ herausgenommen und davon Plattenculturen angelegt, um die in dem Organ vorhandenen Bakterienkeime zu isoltren und ihre Eigen- schaften in sicheren Reinculturen weiterhin prufen zu konnen. Man wii-d sich hierbei natiii'hch nicht mit der Nahrgelatine begniigen diirfen, sondern wird jedenfalls auch Agarplatten anzulegen haben, um die Ziichtung der Colonien bei Bruttemperatur vornehmen zu konnen. Ausser durch die Plattencultur erreicht man die sichere Isolirung der einzelnen Keime bekanntlich auch durch Oberflachen-Strich- culturen, welche man auf durchsichtigem festem Nahrboden anlegt (cf. oben p. 142). Da die verschiedenen Bakterienarten verschiedene Anspriiche stellen, und es speciell manche pathogene Arten giebt, die weder auf der Gelatine noch auf dem Agar wachsen, so muss man daneben noch andere iSTahrboden, wie Glycerin-Agar, Traubenzucker- Agar, erstarrtes Blutserum, Blutserum-Agar , bereit haben, um die Ziichtung darauf zu versuchen. Auch d a r a u f wird man im gegebenen Falle Riicksicht zu nehmen haben, dass die zu ziichtenden Bakterien den obligaten Anaeroben angehoren kSnnten. his ist jedenfalls zunachst. immer danach zu streben, eine Iso- lirung der Keime zu erreichen. Denn gar haufig ist es der Fall, dass nicht nur eine einzige Bakterienart , sondern mehrere Arten in dem zu untersuchenden Organe vorhanden sind, von denen der einen die wesentliche Bedeutung zukommt, wahrend die andere nur einer Zufalligkeit ihre Anwesenheit verdankt. Sorgt man nun nicht fur eine 168 B. Die Bakterien als Kran klieitserreger. Isolirung der Keime bei der Anlage der Cultur, sticht man z. B. mit dem in das Material getauchten Platindrahte in feste Gelatine ein. legt „primar eine Stichcultur“ an, so wil’d hau fig nur diejenige Bak- terienart zur Entwickelung kommen, welche in . dem Nahrboden die besten Lebensbedingungen findet, wahrend die andere, vielleicht gerade die wesentliche Art, durch das Wachsthum der ersteren erdruckt wird. Man begiebt sich so jeder Uebersicht liber die urspriinglich vorhandenen Keime. Bei mancben Krankheiten, bei denen man bestimmte, unzweifel- baft parasitare Organismen constant findet « ist die kunstliche Zuchtung der letzteren bislier nicbt gelungen. Solche Krankheiten sind z. B. das Recurrensfieber und die intermittirenden (Malaria-) Fieber. Hier sind wir vorlaufig auf den constanten specifiscben Befnnd allein angewiesen. Ist die Reinzuchtung einer bestimmten im Korper gefundenen Art gelungen, so mlissen wir die Cultur zunachst durch eine grossere Reihe von Generationen hindurcb von einem Nahrboden auf den an- deren fortpflanzen. Unser schliessliches Ziel ist es namlich , durch IJebertragung der reingezuchteten Bakterienart auf ein empfang- liches Yersuchsthier ihre Patkogenitat sicher zu steUen. Es ware jedoch, wollten wir von der ersten Culturgeneration die Ueber- tragung auf das Thier bewirken, der Einwand berechtigt, dass wir mit den Bakterien zugleich irgend welche direct aus dem Ausgangsthiere stammenden chemischen Stoffe auf das neue Thier ubertragen batten, und dass nicht die Bakterien, sondern diese chemischen Korper die eventuelle Erkrankung des Thieres herbeigefukrt batten, mit anderen Worten: dass nicht ’ eine Infection, sondern eine Intoxication vorlage. II ebertragen wir dagegen Material aus einer spate ren Cultur- generation, so ist ein derartiger Einwand naturhch hinfallig. Finden wir nun, dass durch die Uebertragung des aus einer spateren Culturgeneration stammenden Materiales auf ein Yersuchs- thier eine Krankheit bei diesem Thiere — nicht in einem Falle, sondern in alien Fallen, in denen wir den Yersuch wiederholen — entsteht, die der Ausgangskrankheit gleicht, erheben wir bei diesen Thieren denselben Bakterienbefund wie bei dem Ausgangsthiere, so ist die Kette des Beweises geschlossen, dass die reingezuchteten Bakterien das atiologische Moment der untersucliten Krankheit dar- stellen. Handelt es sich um eine Thier krankheit, so ist das emp- fanglicke Versuchsthier ohne Weiteres gegeben; handelt es sich dagegen um eine specifische Krankheit des M e n s c h e n , so gelingt I. Einleitendes. 1G9 es haufig gar nicht ein empfangliches Versuchsthier zu linden. J) Es hat sich aber ergeben, „dass in alien den Fallen, in welchen es ge- lungen ist, bei einer Infectionskrankbeit das regelmassige und aus- schliessbcbe Yorkommen von Bakterien nachzuweisen , letztere si cli niemals wie zufallige Schmarotzer , sondern wie die bereits sicber als pathogen erkannten Bakterien verhielten. Wir sind deshalb wohl jetzt schon zu der Behauptung berechtigt, dass, wenn das regelmassige und ausschliessliche Yorkommen des Parasiten nachgewiesen vvurde, damit der ursachliche Zusammenhang zwischen Parasit und Krankheit aucli vollgiiltig bewiesen ist.“ (R. Ivoch2)). *) Der Mangel einer einpfanghchen Thierspecies macht sich besonders in sole hen Fallen fiihlbar, wenn es sich darum handelt, zu entscheiden, ob eine Bak- terienart, die man irgendwo in der Natur, ausserhalb des menschhchen Korpers, ge- funden bat, mit einer bestimmten fiir den Menscben patbogenen Art identiscb ist oder nicht. Wenn z. B. bei Gelegenheit einer Typbusepidemie in dem infectionsver- daebtigen Brnnnenwasser eine bestimmte typhusbaciUenahnbche Bakterienart gefunden ist; welch e Kriterien giebt es, cbe die sichere Entscbeidung , ob der Typhusba- cillus vorliegt oder nicht, ermogbehen ? Wir konnen ganz im Allgemeinen sagen, dass wir in derartigen Fallen, in denen es sich urn fur den Menscben specifiscb patbogene Arten handelt, die, ausserhalb des erkrankten menscb- licben Korpers oder ausser Zusammenhang mit einem bestimmten entspreebenden Kr ankheitsfalle aufgefunden, identificirt werden sollen, fast jedesmal auf ein negatives Urtbeil angewiesen sind. Wir miissen namlich in solcben Fallen — bei dem Mangel einer empfangbehen Thierspecies — uns notb- gedrungen damit begnugen , die Wacbstbums- und Lebenserseheinungen der zu be- sthnmenden Bakterienart auf den versebiedensten kunstbehen Nabrboden und imter den versebiedensten sonstigen ausseren Bedingungen zu studiren (am besten unter stiindiger Vergleichung mit einer autbentiseben Cultur der entspreebenden patbogenen Art). Finden wir dann keinerlei Differenzen zwischen den Eigenschaften der zu be- stimmenden Art und denen der authentisch festgestebten, so konnen wir zwar aus- spreeben, dass wii' die Identitat der bei den Arten fur boebst wabrsebeinlieb balten; aber mit Bestimmtbeit konnen wir die Identitat nicht aussprechen. Wir sind im Wesentbcben darauf angewiesen, zu sagen, dass der heutige Stand der W issenschaft nicht ermogbebt. Unterschiede festzusteben. Ganz ausserordentbeb anders begen die Dinge, wenn die zu priifenden und zu bestimmenden Bakterien innerbalb des erkrankten menseblieben Korpers (z. B. in der friseben Leiche) oder in unmittelbarem Zusamm enhange mit dem Krankbeitsfalle (z. B. in friscb entleerten Fiices des Erkrankten) gefunden werden. Hier baben wir ausser den festzustebenden Cultureigentbiimbcbkeiten vor allem das wichtige Kriterium fib- die Beurtbeilung , dass die fraghche Bakterienart sich innerbalb des menseblieben Korpers, und zwar in einem kliniscb in bestimmter Weise characterisirten Falle, entwickelt und vermehrt bat. Handelt es sich um Befunde in Organen der friseben Leiche, so kommt dazu nocb cbe mikroskopiscb feststebbare Locabsirung der Bakterien in dem Gowebe. Auf diese Weise ist die Diagno- sticirung der gefundenen Bakterien baufig obne Weiteres mit Bestimmtbeit mogbeb. 2) 10. Intemat. medic. Congr. 1890. Verbandl. Bd. 1. p. 40. 170 I!. Dio Balcterien als Krankheitserreger. Auf der anderen Seite konimt es auch vor, dass empfangliche Versuchsthiere existiren, ohne dass eine Ziichtung der Erreger auf kiinstlichen Nahrboden bis jetzt moglich gewesen ist; dies ist bei dem Eecurrensfieber der Fall, fur welches der Affe empfanglich ist. Beziiglich der Weiteriibertragung der Culturen pathogener Bak- terien von einem Nahrboden zum anderen ist iibrigens noch folgendes zu bemerken: Wir sehen gar nicht selten, dass eine bestimmte Art auf dem kiinstlichen Nahrboden zunachst nur kiimmerlich wachst, wahrend sie bei weiteren Uebertragungen allmahlich an Wachsthums- energie zunimmt und schliesslich sehr gut auf dem kiinstlichen Nahr- boden fortkommt. Man bezeichnet dies Vorkommniss als Anpassung an den kiinsthchen Nahrboden. Damit ist nun gewohnlich eine Ab- nahme der pathogenen Eigenschaften oder auch ein vollstandiges Ver- schwinden derselben verbunden. Der Parasit hat sich an das sapro- phytische Dasein gewohnt. Hierauf hat man bei den anzustellen- den Thierversuchen zu achten. Bei einzelnen Arten sieht man auch, dass sie auf dem kiinsthchen Nahrboden bald absterben. Wahrend saprophytische Organismen gewohnlich Monate lang iibertragbar bleiben, verheren einzelne pathogene Arten ihre Uebertragbarkeit schon nach wenigen Tagen. Als Prototyp einer Infectionskrankheit, deren Aetiologie nach den vorstehend gezeichneten, von R. Koch geschaffenen Principien ermittelt, und zwar mit unanfechtbarer Sicherheit ermittelt wurde , kann der Milzbrand gelten. Nach denselben Principien haben spater Koch sowohl wie auch andere Autoren, die sich seine Methoden zu eigen machten, die Entstehungsursache einer Reihe weiterer Infectionskrank- heiten klargelegt. Die erste, durch Bakterien veranlasste Infections- krankheit, deren Aetiologie ermittelt wurde, war aber der Milzbrand. Es ist leicht einzusehen, weshalb Koch gerade d i e s e Krankheit zum ersten Objecte seiner Untersuchungen machte. Man wusste bereits langere Zeit, dass im Milzbrand bl ate Stabchen gefunden werden ; diese Stabchen waren relativ gross , eigneten sich also zur Beobachtung besonders; ferner waren, falls es gelang, die Stabchen kiinstlich in Rein culturen zu ziichten, empfangliche Versuchsthiere sicher vorhanden, da es sich ja urn eine Thierkrankheit handelte. Die Schwierigkeiten der Forschung waren beim Milzbrande also noch relativ gering; und die streng logische Art des Vorgehens Rob. Koc h ’s spricht sich bereits darin deuthch aus, dass er sich zunachst relativ leichter zu losende Aufgaben stellte, um spater, mit immer rnehr vervollstandigter und aus- gebauter Methodik, an so schwierige Aufgaben heranzutreten, wie sie sich z. B. in der Erforschung der Ursache der Tuberculose darstellten. 1. Einleitendes. 171 Nicht bei alien infectiosen Krankheiten hat man bisher die Erreger zu ermitteln vermoclit. Von den „acuten Exanthemen" (Masern, Scharlaeh, Flecktyphus, Pocken etc.) wissen wir noch gar nichts beziig- licb ihrer Entstehnngsnrsache ; auch iiber die Krankheitserreger der Hnndswntb, des Keuchhustens , des Trachonis, des Gelbfiebers , der Rinderpest, der Lnngensenche und mancher anderer unzweifelhafter Infectionskrankheiten wissen wir noch gar nichts. Und doch miissen hier parasitare Organismen existiren, die die Erkrankung veranlassen. Ob diese Parasiten zu den Bakterien gehoren, ist allerdings hochst zweifelhaft. Bakterienbefunde sind bei alien diesen Krankheiten er- hoben worden, nicht selten mit dem Anspruche, dass hiermit der Er- reger gefnnden sei. Es handelt sich in alien diesen Fallen um logische Fehler in der Art und Weise, aus Beobachtungen Schliisse zu ziehen. Nicht die Thatsache allein, dass man in dem und jenem Falle einer Infectionskranklieit Bakterien findet, berechtigt dazu, dieselben fur die Erreger der Krankheit anzusehen. Dazu gehoren, wie wir gesehen liaben, zwingendere Beweisgriinde. Die gefundenen Bakterien konnen rein nebensachliche Befunde darstellen, sie konnen eventuell der Aus- druck einer zu der urspriinglichen , primaren Infection in dem einen oder anderen Krankheitsfalle dazugekonnnenen „secundaren In- fection" sein. Man bezeichnet solche Combinationen auch als „Mischinfectionen“. Die acuten Exantheme sind exquisit „cont agios", d. h. von Fall zu Fall ansteckend und ubertragbar. Es mag an dieser Stelle auf den Unterschied zwischen Infectiositat und Contagiositat hingewiesen werden. Eine jede durch specifische Parasiten hervor- gerufene Krankheit ist „infectios“. Alan „inficirt“ sich mit Cholera, mit Pocken, mit Malaria. Dabei wird auf irgend welche Weise der jedes- >) Der Begriff der Mischinfection („gemisclite Infection1’) ist zuerst von Ehrlich (Charite-Annalen. 7. Jahrgang. 1882- p. 223) anfgestellt worden. Vergl. auch Ehrlich und Brieger (Berl. klin. Wochenschr. 1S82. No. 44). — Nencki (cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 8) hat gezeigt, dass unter Umstanden bei gleichzeitiger Einwirluing zweier Mikroben anf ein Niihrsubstrat ein neues (cheraisches) Stoffwechselproduct entstehen kann, welches keiner der hciden Spaltpilze fiir sich allein zu hilden vermag. Sterile Traubenzuckerlosung, mit zwei bestimmten Spalt- pilzarten gleichzeitig inficirt, wurde, wie Nencki beobachtete, viel rascher und energischer zersetzt als durch jeden der beiden Spaltpilze allein. Andererseits be- obachtete Nencki, dass Reincnlturen zweier Mikroben, von denen jeder z. B. Ei- weiss energisch zersetzte, wenn sie gleichzeitig in dieselbe Eiweissldsung eingeimpft warden, in ihrer Giihrtiichtigkeit sich gegenseitig abschwachten. Nencki spricht die Vermuthung aus, dass Analogien zwischen diesen Vorgangen und denen im uifi- cirten Thicrkdrper moglicherweise haufig statthaben. 172 E. Dio Bakterien als Krankheitserreger. malige Infectionserreger in den Kdrper aufgenommen. „Contagios“ nenut man aber nur solche Krankheiten, wahrend deren Yerlauf normaler Weise der Infectionserreger in infectionstiichtigem Zustande aus dem Korper des Erkrankten ausgeschieden wird, so dass die Moglichkeit gegeben ist, dass er durch die Vermittelung der Luft“ (wie bei den Pocken) oder an bestimmten Gegenstanden haftend und durch Ver- mittelung dieser iibertragen (wie bei der Cholera) in einen neuen Organ ism ns gelangt und diesen inficirt. N i c li t con t agios ist z. B. die Malaria; denn hier lindet eine Ausscheidung infectionstiichtiger Parasiten aus dem erkrankten Korper nicht statt; bei der Malaria liegt die Moglichkeit der natiirlichen „Ansteckung“ eines Falles durch den anderen nicht vor. Nur auf besondere kiinstliche Weise kann bei den nicht contagiosen Krankheiten die Uebertragung des Erregers von dem Kranken auf den Gesunden, die Inficirung eines Falles direct durch einen anderen, geschehen. Bei der Malaria kann man dies dadurch bewerkstelligen, dass man Blut des Erkrankten dem Gesunden einverleibt. a) Bei den In fecti o n shrank hei ten kann die Einwanderung des Erregers in den Organismus, die Infection, auf verschiedenen Wegen erfolgen. Handelt es sich urn „natiirliche Infection so konnen die Bak- terien durch den Mund in Magen und Damn gelangen und von dort aus in den Organismus einwandem, oder sie konnen mit der Athmungsluft in die Lunge aufgenommen werden und dann weiter in den Korper eindringen, oder sie konnen durch Verletzungen der Ha ut* 2) oder der Schleimh.au te in den Korper gelangen und dann auf dem Wege der Lymph- und Blutgefasse sich weiter verbreiten. Eine dieser drei Infectionsarten trifft bei der allergrossten Mehrzahl der natiirlichen Infectionen zu. In Ausnahmefallen giebt es auch noch and ere Infectionspforten; und wenn wir im Labo- ratorium Versuchsthiere 3) kiinstlich inficiren, so benutzen wir ausser den oben angefiihrten drei Wegen in der That hiiiifig noch andere. Die verschiedenen Infectionsmodi, die kiinstlich zur An- wendung gelangen, sind: die cutane Einverleibung des Materials J) Eingehenderes iiber Contagiositiit siehe bei Fliigge (Die Mikroorganismen, Leipzig 1886. p. 596 ff. und Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 170). 2) Unter Umstanden konnen Bakterien auch durch die unverletzte Haut in den Korper eindringen. Nach Garre (Fortschr. d. Med. 1885. p. 173) nimmt z. B. beim Furunkel die Staphylocoeccn-Infection ihren Weg gewohnlich durch die Ausfiihrungsgange der Ilautdriisen hindurch. 3) Die am meisten benutzten Species sind Miiuse (weisse und graue Hausmausc, Feldmause), Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen, Tauben. 1. Einleitendes. 173 („I m p f u n g“ im engeren Sinne), die s u b c u t a n e ') , intram use u- lare, intravenose2), intraoculare8), intrapleurale4), intra- peritoneale6) Einverleibung , die Einverleibung in den M a g e n l!), 1) Miiuse kann man olme Assistonz sehr bequem in folgender Wciso subcutan inficiren: Man disponirt zuniichst das deni Tbiere einzubringende Culturmaterial so, dass man es nachher bequem mit der recbteu Hand allein erlangen kann. Dann nimmt man dio Mans mit der „Mausezange“ (modificirte Tiegelzange) aus dem Kafig am Schwanze (Feldmause an den Ohren) lieraus und setzt sie auf ein Tuch, in welches man nun die Maus so einhiillt, dass nur der Sckwanz und der angTenzende Theil des Riickens heraussieht. Nun bringt man das Tuch mit der Maus in die linke Hohlhand, indem man die Schwanzwurzel fest zwischen linkem Daumen und Zeige- finger fixirt. Der untere, freie Theil des Mauseriickens liegt dann in dem von Daumen und Zeigefinger umsclilossenen Raum frei zu Tage. Diesen Theil des Mauseriickens benutzt man als Operationsfeld. Man entfernt hier mit einer Schere die Haare und kann nun, indem man eine Stelle der Haut zwischen die Seherenbranchen klemmt, mit der Schere leicht einen kleinen Hautdefect herstellen, der dann mit einer aus- gegliihten, nicht zu spitzen Pincette zu einer Hauttasche erweitert wird. In die letztere wird das Impfmaterial eingetragen. Nach beendeter Operation fasst man die Maus mit der Zange am Schwanzende, zieht sie aus Tuch und Hand heraus und setzt sie in den Kafig zuriick. 2) Bei grosseren Thieren (grossen Kanin chen z. B.) verfahrt man behufs der intravenosen Einverleibung sehr bequem so, dass man (nach dem Yorgange von Aufrecht) das Material mit Hiilfe einer feinspitzigen Pr avaz-Caniile in eine Ohrvene injicirt, die man vor dem Einstich durch einen Gehiilfen central compri- miren lasst und so zur Anschwellung bringt. Die zu injicirende Bakterienauf- schwemmimg muss vorher (zur Entfernung groberer Partikel) durch feine Gaze filtrirt werden (cf. R. Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Ainte. Bd. 2. 1884. p. 73). 3) Die kiinstliche intraoculare Infection (Einbringuug des Materials in die vor- dere Augenkammer) ist von Cohnheim angegeben worden. Die Operation wird raeist bei Kaninchen vorgenommen. Man kann so vorgehen, dass man am oberen Rande der Cornea einen mehrere Millimeter langen Einschnitt mackt und durch diesen hindurch das Impfmaterial (Brockchen einer Cultur etc.) einbringt, oder dass man mit einer sehr feinen und scharfen Canlile einen Einstich durch die Cornea in die Vorderkammer hinein macht und dann direct ein Tropfehen der Bakterienauf- schwemmung injicirt (cf. R. Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 68). Die intraoculare Infection ist deshalb von besonderem Werthe, weil man die an die Infection sich anschliessenden pathologischen Veriinderungen durch die Cornea hindurch direct beobachten und verfolgen kann. 4) Hat man kleine Thiere (z. B. Miiuse) intrapleural zu inficiren, so muss man die rechte Seite wahlen, weil man links gewohnlich das Herz trifft. 5) Wichtig ist es, bei dieser Operation eine Verletzung der Diirme zu ver- meiden. Bei Meerschweinchen, Ratten. Miiusen, Katzen gehngt dies nach R. Koch (Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 71) leicht, wenn man die Caniile langsam durch die Bauchdecken treibt. Kaninchen sind wegen des stark gefiillten Blinddarms fiir die Operation weniger geeignet. ) Centralbl. f. Min. Med. 1888. No. 38. °) Centralbl. f. Bakt. Bd. 5. 1889. No. 25; Bd. H. 1889. No. 1 und 21: Arch. f. Hyg. Bd. 10. 1890. 1. Einleitendes. 185 wurde hierbei gleichzeitig constatirt, (lass die bakterienschadigemle Eigen sell a ft des Blutes aucli deni darans gewonnenen Blut serum zukommt; und Buchner ermittelte (1889), dass im (zellenfreien) Blut- serum enthaltene Eiweisskorper der Trager dieser Eigenschaft seien. *) Gleichzeitig wurde aber auch constatirt, dass nicht das Blut einer jeden Thierspecies auf jede beliebige Bakterienart schadigend einwirkt, sondern dass in manclien Fallen bactericide Vorgange vollig vermisst werden. Die Entdeckung dieser Thatsachen, der Nachweis, dass sich in den normalen thierischen Korpersaften Substanzen geldst vorfinden. die fur Bakterien Gifte sind, fiir den thierischen Korper aber nicht* 2), war — so ausserordentlich wichtig er principiell auch war — an und fiir sich noch nicht geeignet, den Zustand der Immunitat zu er- klaren. Wenn namlich die Immunitat eines Individuums gegen eine bestimmte Infectionskrankheit auf dem Gehalt seiner Ivorpersafte an Substanzen beruht, welche die eindringenden specifischen virulenten Bak- terien scliadigen und zerstoren, so miissen diese bakterienschadigenden Substanzen in dem Ivorper eines empfanglichen Individuums fehlen. Eine derartige Beobachtung wurde allerdings, und zwar von Behring3) (1888), gemacht. Behring fand, dass das Blut der (von Natur gegen Milzbrand unempfanglichen) Batte und das daraus hergestellte Serum milzbrandbacillenvernichtende Eigenschaften besitzen, wahrend das Blut und das Serum der (fur Milzbrand empfanglichen) Mause, Meerschweinchen, Kaninchen, Hammel und Binder milzbrandbacillen- vernichtende Fahigkeiten nicht im Geringsten besitzen, sondern einen guten Nahrboden fiir den Milzbrandbacillus abgeben. Wahrend nun in diesem Einzelbeispiele der Zustand der Immunitat gegen eine be- stimmte Infectionskrankheit mit dem Vorhandensein von Substanzen im Blutserum zusammenfallt, die auf die entsprechenden Bakterien schadigend wirken, andererseits der Zustand der Empfanglichkeit mit ‘) Wie Buchner (1. c.) fand, verliert das Serum durch Dialysiren gegen Wasser (nicht durch Dialysiren gegen physiologische Kochsalzlosung), femer durch einstiindiges Erwiirmen auf 55° C. oder durch sechsstiindiges Erwarmen auf 52° C. seine Wirksamkeit. Die Untersuch ungen wurden an Kaninchen- und Hundeblut mit Typhusbacillen angestellt. 2) Ganz richtig ist dies nicht. Wie Dare mb erg (Acad, des sciences. Paris. 19 oct. 1891; Arch, de med. exper. et d’anat. pathol. 1891) fand, besitzt das nor- male Serum ,blutkorperch en zerstoren de (,,globulicido“) Eigenschaft gegen- iiber den Blutkorperchen einer anderen Thierspecies. Hundeblutserum vernichtet z. B. Kaninchenblutkorper. Durch Erhitzen auf 50 — 60° C. geht die globulicide Fiihig- keit (wie die bactericide [cf. die vorige Anmerkung]) des Blutserums verloren. 3) Centralbl. f. klin. Med. 1888. No. 38. 186 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. clem Mangel derartiger Substanzen im Blutserum verbnnden ist, so hat sich cine derartige Beziehung zwischen Immunitat und Eigenschaft des Blutserums durchaus nicht etwa als allgemein und gesetzmassig herausgestellt. Im Gegentheil : Die oben gesohilderte Beobachtung von Behring beim Milzbrand hat sich als eine Ausnahme erwiesen, der nur ganz vereinzelte gleichnamige an die Seite gestellt werden konnen1). Bactericide Eigenschaften des Blutes resp. des Blutserums konnen demnach fiir die Erklarung des Z ust ancles der Immunitat im Allgem einen nicht herangezogen werden. Weitere Studien auf diesem Gebiete, die zunachst Behring und seinen Mitarbeitern zu danken sind, haben jecloch eine ganz gesetz- massige Eigenschaft des Blutserums kiinstlicli immunisirter Individuen erkennen lassen: Ist ein Individuum gegen eine be- stimmte Infectionskrankheit kunstlich immunisirt worclen, so hat sein Blut und ebenso das daraus dargestellte Serum damit die Faliigkeit erlangt, den Z ust and der Immunitat auf ein fur dieselbe In- fectionskrankheit empfangliches Individuum (beliebiger Species), in dessen Organismus es — in geniigender Quantitat — eingebracht wircl, zu iibertragen (B e bring ’ s che s Gesetz). Die erste hierher gehorige Mittheilung machten (1890) Behring und Kitasato2); sie bezog sich auf den Tetanus. Es war den Autoren gelungen, Kaninchen gegen Tetanus zu immunisiren. Das Blutserum der gegen Tetanus immunisirten Kaninchen, den (fur Tetanus ausserordentlich empfanglichen) Mausen einverleibt, machte die letzteren unempfanglich fiir Tetanus. Der Tetanusbacillus gehort, wie bereits oben (p. 175) auseinandergesetzt wurde, zu den toxischen Bakterien- arten. Dringen Tetanus keime in einen empfanglichen Korper ein, so vermehren sie sich an der Infectionsstelle ; hier, an der Vermehrungs- stelle der Bakterien, wird das furchtbare Tetanus gift gebildet, welches in den Korper aufgesogen wird und claim seine deletaren Allgemein- wirkimgen entfaltet. Das Tetanusgift wird aber, ebenso wie hier im 9 Bouchard (cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. 1890. p. 433) land, dass das Serum des gegen die Infection mit Bac. pyocyaneus immunisirten Kaninckens sckii- digend wirkt auf den Bac. pyocyaneus, wiihrend das Serum des normalen Kaninckens einen guten Nakrboden fiir den genannten Mikroorganismus darstellt. — Behring und Nissen (Zeitsckr. f. Ilyg. Bd. 8. 1890) constatirten, dass das Serum des gegen die Infection mit Vibrio Metscknikoff immunisirten Meersckweinckens den Vibrio Metscknikoff kraftig abtodtet, wahrend das Serum normaler Meersckweincken kerne Spur von sckadigender Einwirkung gegenuber dem Vibrio Metscknikoff besitzt. -) Deutsche med. Wockensckr. 1890. No. 49. I. Einleitendes. 187 Korper. auch ausserhalb desselben, in der kiinstUchen Guitar des Te- tanusbacillus gebildet. Befreit man eine kunstliche Cultur von den lebenden Bacillenkeimen (durch Filtration), so hat das bakterienfreie, giftige Filtrat, in der passenden Dosis dem Tkierkorper einverleibt, die Erkrankung des Tbieres an Tetanus ebenso zur Folge wie vorher das Eindringen der Tetanuskeime. In dem ersten Falle haben wir zunachst eine Tetanus infection: die K e i m e dringen in den Korper ein und vermehren sicli ; im Anscblusse daran entsteht eine Intoxi- cation: die von den sick vermekrenden Keimen gebildeten Gifte werden resorbirt und wirken. In dem zweiten Falle kingegen kaben wir sofort, primar, eine Intoxication: das fertige Tetanus gift als solckes, als geloster ckemischer Korper, dringt in den Organismus ein und wirkt. Behring und K i t a s a t o stellten nun in der citirten Arbeit die wicktige Tkatsacke fest, dass die Einverleibung des Serums kiinstlick gegen Tetanus immunisirter Tkiere tetanusempfangliche Thiere nickt allein gegen die Tetanusinfection, sonde rn auck gegen. die primare Intoxication schiitzt. Ja, die Autoren koimten den kockwicktigen, ganz neue Ausblicke in das Gebiet der Immunitatslekre eroffnenden, Schluss aus ihren Untersuckimgen ziehen, dass die Immunitat ikrer kunstkch gegen Tetanus immunisirten Ver- suchstkiere beruhe auf der Fakigkeit des zellenfreienBlutse rums, die toxischen Substanzen, welcke die Tetanusbacillen produciren, unschadlich zu macken. Der Schluss griindete sick (abgeseken von den bereits citirten Beobacktungen) auf die festgestelltc Tkatsacke, dass das Blutserum kiinstlick immunisirter Thiere auck im Reage nz- glase das Tetanusgift zerstort, ferner darauf, dass es gelang, tetanuserkr ankte Thiere, d. k. Thiere, in deren Korpersaften das Tetanusgift bereits wirksam kreiste, durch Einverleibung des Blut- serums immunisirter Tkiere zu keilen. Die kiinstkche (erworbene) Tetanusimmunitat berukt also auf giftzerstorender („antitoxiscker“) Eigenschaft des Blutserums. Diese antitoxische Eigenschaft documentirt sich liberal!, wo derartiges Serum mit Tetanusgift zusammentrifft ; sei es, dass Tetanusgift von aussen in den Korper des immunisirten In- dividuums eindringt; sei es ferner, dass das aus dem immunisirten Korper entnommene Serum in vitro mit Tetanusgift zusammentrifft; sei es endlick, dass dieses Zusammentreffen mit dem Tetanusgift in dem Korper eines tetanuskranken Individuums geschiekt. In dem letzteren Falle kann, wenn die quantitativen Beziehungen zwiscken Gift und antitoxischem Serum zvveckmassige sind, und es der Zu- stand des Individuums sonst erlaubt, Heilung von sonst sicker tbdtlicker Tetanuserkrankung erfolgen; und derartige Heilungen warden 188 B. Dio Bakterien ;tls K ran kb ei tserreger . von Bell ring und Ivitasato in der citirten Mittheilung bereits berichtet. Diese epochemachenden Entdecltungen bei Tetanus sind der Aus- gangspunkt einer grossen Reike von Untersucbungen geworden, welche sick darauf bezogen, in me weit das Blutserum kunstlioli immunisirter Individuen bei Infectionskrankbeiten fiir Heilzwecke venvendbar sei. Specielle Riicksicktnahme erbeischte naturlicb die Frage, ob in Erkrankungsfallen des Menschen diese „ B 1 u t s e r u m t b e r a p i e “ *) anwendbar und aussicbtsvoll sei. Bei diesen Untersucbungen hat sich nun zunachst ergeben, dass das Be bring 'sche Gesetz uberall zu- treffend ist. In jedem Einzelfalle von kunstlicher Immunitat, der bisber daraufhin untersucbt wurde, hat sick das Blutserum fahig er- wiesen, die Immunitat auf empfanglicke Individuen zu ubertragen. Diese Fabigkeit ist selbstverstandlicb stets eine specifiscbe; d. b. die Immunitat wird nur fiir diejenige Krankheit durch die Uebertragung geschaffen, gegen welche das Ausgangsindividuum immunisirt war. Ferner bat sich durcbgangig die Tbatsache als zutreffend erwiesen. dass In- dividuen, welche von Natur immun sind gegen eine bestimmte Infectionskrankbeit, in ibrem Blutserum keine immunisirenden Substanzen haben. Diese Substanzen sind also niemals von Natur aus in einem Individuum vorbanden, sondern sie miissen immer erst gebildet werden ; und zwar gescbiebt dies bei der kiinstlicben Immuni- sirung. Fiir das Verstandniss des Zustandes der natiir lichen Im- munitat fehlt uns vorlaufig nock jeder Anhalt. Unter den bisber untersuchten Krankbeiten bat sick in den ge- nannten Beziehungen dem Tetanus am nacbsten gestellt die Dipb- tberie.2) Auch bier baben wir eine Krankheit, die durch toxiscbe Bakterien (cf. oben p. 175) veranlasst wird; auck bier sind die All- gemeinsymptome der Krankheit auf Intoxication zu bezieken ; aucb bier bat sick das Blutserum kiinstlick immunisirter Individuen durch seine antitoxiscben Eigenschaften wirksam erwiesen. Man kann den Vorgang der Immunisirung gegen Tetanus und gegen Diphtheric, dem Wesen dieser Krankheiten entsprecbend, aucb als Giftfestigung bezeichnen. Ehrlich3) bat nun den wicbtigen Nackweis gefiibrt, dass das Behring ’sche Gesetz auch fiir Giftfestigungen gegen andere als durch Bakterien gebildete Gifte gilt. Ehrlich gelang es, Mause gegen Ricin (einen ausserordentbcli giftigen, in den Ricinussamen enthaltenen Eiweisskorper) sowie gegen Abrin (das Toxalbumin der cf. Behring, Die Blutserumtkerapie. I. Leipzig, G. T hie me 1892. p. li. ■) Untersuclningen von Behring und Wernicke (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892). 3) Deutsche raed. Wochenschr. 1891. No. 32 und 44. I. Einleitcmles. 189 Jequiritybohne) dadurch zu immunisiren, class er langsam steigende Dosen der resp. Gifte an die Thiere verfutterte. Das Hint der „iicin- festen“ Thiere zeigte dann die Fiihigkeit, die Ricinfestigkeit anf normale Thiere zu ubertragen; ausserdcm ervvies sich dies Bint in vitro dem Ricin gegentiber als giftzerstorend. Die Versuehe mit den „abrinfesten“ Thieren batten entsprechende Resultate. XJnter den Infectionskrankheiten hat sich anch iiberall da das Behring’sche Gcsetz als zntreftend erwiesen, wo man bei der Im- mnnisirung nicht von Giftfestigung sprechen kann; es gilt z. B. fur alle Fiille von Septicaemien (cf. p. 175), die bisher in clieser Beziehung untersucht wnrden. Ja, selbst bei Infectionskrankheiten, deren Erreger uns noch vollig unbekannt sind, und bei denen wir auch liber eventuelle Gifte noch gar nichts Genaueres wissen, wie z. B. bei der Hundswuth1), gilt das Behring’sche Gesetz: Das Blutserum kiinstlich immunisirter Individuen vermag die Immunitat anf normale Individuen zu ubertragen. Die in Rede stehenclen Untersuchungen haben auch auf die Vor- giinge bei der spontanen Heilung von Infectionskrank- heiten ein Licht geworfen. Dieselbe scheint ganz im Allgemeinen so zu erfolgen, class sich in dem erkrankten Organismus, und zwar im Blute, Korper bilden, welche die die Infection skrankheit veranlassenden Schadlichkeiten paralysiren. 1st die Krankheit dann tiberstanden, so finclen sich diese „Antikorper“ im Blute weiterhin vor; ihnen ver- dankt der Organismus in denjenigen Fallen, in welchen das einmalige Ueberstehen der Krankheit Immunitat erzeugt, diese Eigenschaft der Immunitat. Bei Menschen, welche Pneumonie2), Typhus3), Cholera4), Diphtherie5) iiberstanclen haben, hat sich clas Blut- serum von immunisirender Einwirkung gegentiber \ ersuchsthieren erwiesen. Das Blutserum immunisirter Individuen steht in seiner immunisiren- clen Fahigkeit, in seinem „Immunisirungswerth“, um so holier, je hoher der Immunitatsgrad des blutliefernden Individuums ist. Jedoch kommt es hierbei nicht auf den absoluten Grad der Immunitat an, i) Babes und Lepp (Ann. de l’lnst. Pasteur. 1889. No. 7) stellten bereits 1 889 fest, dass mit den Saften gegcn Wuth refractar geraachter Thiere andere Thiere immunisirt werden konnen. -) G. und F. Klemperer, Berliner klin. Wochenschr. 1891. No. 34, 35. s) Stern, Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 37. 4) Lazarus, Berliner klin. Wochenschr. 1892. No. -13, 4-1. ■■>) Klemensiewiez und Eschericli, Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. No. 5/(1. 190 B. Die Bakterien als Krankheitsorreger. sondern auf die Differenz zwischen dem durcli die kiinst- liche Immunisirung erreichten und dem ursprunglich v o r h an d e n gewesene n.1) Der Immunisirungswerth des Blutserums wird also ceteris paribus bei urspriinglich sehr empfanglichen Thieren, die dann moglickst liocb immunisirt wurden, am grossten sein. Der Immunitatsgrad resp. der Grad der Giftfestigung wird nach dem Vorgange von Ehrlich2) durch eine ZahJ ausgedruckt, welclie angiebt, das Wievielfache der fur nonnale Individuen (gleichen Korper- gewichts) sicher todtlichen Minimaldosis des Giftes das immunisirte Individuum nock vertragt, ohne daran zu Grunde zu gehen. Der I m - munisirungswerth des Blutserums wird nach Behring und Wernicke3) durch diejenige Zahl bestimmt, welche angiebt, wieviel Gramm Yersuchsthier ein Gramm Serum gegen die sicher todtliche Minimaldosis des Giftes zu schiitzen vermag, wenn4 *) das Gift 24 Stunden nach der Serumapplication einverleibt wird. Oben (p. 187, 188) haben wir bereits erwaknt, dass das sckiitzende Sermn unter Umstanden auch Heilung bereits ausgebrochener Krankheit zu bewirken vermag (Blutserumtherapie). Es hat sich nun ganz allgemein gezeigt, dass stets sehr erheblich viel mekr Serum zur Erzielung von Heilerfolgen nothwendig ist, als (unter sonst gleichen Bedingungen) zur Immunisirung ausreicht. Eemer ist ceteris paribus desto mekr „Heilserum“ nothwendig, je weiter vorgeschritten der zu bekampfende Krankheitsprocess bei Begin n der Behandlung bereits ist. 6) Selbstverstandlick braucht man sowohl fiir Immunisirungs- ivie fiir Heilzwecke unter sonst gleichen Yerhaltnissen um so mekr Serum, je hoher das Korpergewicht des zu behandelnden Individuums ist. Was nun die Anwendung der Blutserumtherapie zur Heilung des erkrankten Men sell en angekt — es kommen bier zunackst hauptsachlicli Diphtherie und Tetanus in Betrackt, und es liegen auch schon eine Anzalil von Heilversuchen, die mit Heilserum angestellt ) Vergl. hieriiber sowie iiber das Folgende die Arbeit von Behring, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. Iff. 2) Deutsche med. Wockenschr. 1891. p. 977. 3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 1(1, 17. ) Diese Klausel hat sich deshalb als nothwendig erwiesen, weil das schiitzende beium gewohnlich erst erne Reiho von Stunden nach seiner Einverleibung in den Oiganismus seine voile Wirksamkeit entfaltet. (Behring und Knorr, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893. p. 417.) ) Cl. Behring und Wernicke (Diphtherie - Untersuchungen) , Zeitschr. f. \g. Bd. 12. 1892. p. 19; ferner Kitasato (Heilversuche an tetanuskranken Thieren). Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. I. Einleitendes. 191 wurden, bei diesen Krankheiten vor* 1) — , so gelit aus dem Dargelegten kervor, dass zur Errcichung des angestrebten Zieles und zur Ermog- lichung allgemeinerer Anwendung der Serumtkerapie es notkwendig ist, gross e Men go n ausserst wirksamen Serums darzustellen. Zu dem Zwecke ist es erforderlick, grosse Thierindividuen (die leicht die Entziekung einer grosseren Quantitat Blutes vertragen) zu immunisiren. Man hat ferner hierfur solcbe Species auszusuchen, die zunackst eine sehr erheblicbe naturlicke Empfanglichkeit fur die entspreckende Infectionskrankkeit besitzen; und man muss danacli streben, diese Tkiere so kockgradig wie nur irgend moglich zu immunisiren. Denn es kommt-ja, wie wir bereits oben (p. 190) saken, beziigkck der Wirksamkeit des Heilserums auf die Ditferenz zwiscken dem urspriingkcken Immunitatsgrade und dem durck die Immunisirung erlangten an. Als passendste Tkierspecies kaken sick nack alledem far die Dipktkerie der Hammel, fiir den Tetanus das Pferd erwiesen. Selkstverstandkck miissen die bekufs der Yerwendung zu Heilzwecken keim Menscken zu immunisirenden Tkier- individuen vollig gesund sein. Die grossten Sckwierigkeiten bei der Bereitung des Heilserums mackt die primare Immunisirung der Tkiere, aus deren Blut das Serum kergestellt werden soli. Speciell fur Tetanus und Dipktkerie sind eine ganze Reike von Immunisirungsmetkoden angegeben worden.2) Am zweckmassigsten kat sick bei den Bekring’scken TJntersuckungen, und zwar zunackst fur Tetanus und Dipktkerie, die „combinirte Immunisirungsmetkode“3) des Autors erwiesen. Dieselbe be- stekt darin, dass die giftigen Bakterienculturen zunackst durck ckemiscke Beeinflussung, und zwar am besten durck einen (procentisck genau kestimmten) Zusatz von Jo d trick lor id, in ikrer Giftigkeit gesckadigt werden. Mit so gesckadigten Culturen werden die Tkiere zunackst bekandelt. Allmakkck gekt man dann zu weniger gesckadigten Culturen fiber, bis man sckliesslick zu gar nickt beeinflussten , voll- virulenten Culturen gelangt, die zunackst in kleinster, dann in mekr und mekr steigender Dosis angewandt werden. Der Immunitatsgrad erfakrt dabei von Impfung zu Impfung eine Steigerung. 0 k n e d i e ‘) Diese Heilversucke haben zunackst mit Sickerkeit die vollige Unsckad- 1 i c h k e i t des Dipktkerie- und Tetanuskeilserums fiir den erkrankten Menscken erwiesen. 2) Eine Aufzaklung der Metkoden zur Immunisirung gegen Dipktkerie fin- det man bei Bekring, Die Gesckickte der Dipktkerie. Leipzig, G. Tkieme, 1893. p. 152. a) Bekring, Die Blutserumtkerapie I. Leipzig, G. Tkieme. 1892. p. 45. 192 B. Die Baktcnon als Krankheitserreger. Anwendung veil virulenter Culturen bei der Immuni- strung s i n d b o h e Im.m an i t a t s gr a d e ub e r h au pt gar n i c b t i u erreicben. Das Princip der Immunitatssteigerung durch Ein- verleibung immer grosser werdender Mengen vollgiftigen Materials stamm t von Ebrlicb. ') Bei der kiinstlicben Immunisirung der Thiere beobaebtet man jedesmal nacb der Application des Impfstoffes eine Reaction des Organism ns, welcbe sicb z. B. bei Pferden, die gegen Tetanus immunisirt werden2), in Temperatursteigerung, Abnabme des Korper- gevviebts nnd in einer bestimmten Veranderung der Blutbeschaffenbeit aussert. Die letztere bestebt in einer veranderten Art der Serum- anssebeidung des Aderlassblutes : das Serum wird viel langsamer als bei dem Impftbiere ausserbalb der Reactionsperioden und als bei nor- malen Pferden ausgeschieden ; das ausgesebiedene Serum umspiilt den Blutkucben niebt frei beweglich, sondern bangt in einem Netz von Fibrin- faden. Wabrend einer jeden Reactionsperiode ist der Zustand der Immunitat des Impfthieres und demgemass auch der Immunisirungswertb seines Blutserums ein niedrigerer als vor der Einverleibung des Impf- stoffes. Nacb der Reactionsperiode jedoeb. d. b. nacb dem Ablauf der Impfkrankbeit, zeigt sicb der Immunisirungswertb des Blutserums gegentiber dem Zustande vor der Impfung jedesmal gesteigert.3) Wie Brieger und Ebrlicb4) (an Ziegen, die gegen Tetauus immunisirt wurden) gefunden baben, folgt auf diesen Anstieg des Immunisirungs- wertbes secundar wieder ein massiger Abfall, worauf dann der Immu- msirungswertb eine constant bleibende (den Zustand vor der Impfung iiberragende) Hobe bebalt. Zum Bebufe mogbebst scbneller und aus- giebiger Steigerung der Immunitat soli jede neue Impfung zu derjenigen Zeit vorgenommen werden, wo der Immunitatsgrad nacb der vorber- gebenden Reactionsperiode seine bochste Hohe erreicht bat (Brieger und Ebrlicb). Jedenfalls muss die Reactionsperiode jedesmal vollig iiberwunden sein: das Tbier muss wieder ganz gesund sein. Das letztere gilt naturbeb aucli fur die Wabl des Zeitpunktes, an welchem dem immunisirten Tliiere Blut zum Zwecke der Gewinnung von Heil- serum entzogen werden soli; denn, so lange die Reactionsperiode *) Deutsche med. Wochenschr. 1891. p. 978. '-) Cf. Behring und Casper (Behring, Die Blutseruintherapie. II. Leipzig, G.‘ Thieme, 1892. p. 105). a) Eine Steigerung der Immunitat bei einem bestimmten Thier ist so lange moglich, so lange es noch gelingt, durch die Impfimgen Reactionen hervorzurufen (Behring und Knorr, Zoitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893. p. 414). *) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893. p. 336 ff. 193 I. Einleitendes:, andauert, sind die giftigen Impfstoffe noeh nicht vollig aus dem Blute verschwunden. 4) Das zu Heilzwecken zu verwendende Serum lasst sick durch einen Zusatz von 1 /., °/0 Carbolsaure c o n s e r v i r e n. 2 3) ( „ C a r b o 1 - h e i 1 s e r u m “.) Ueber die chemische Natur der im Heilsetum vorkandenen wirksamen Substanzcn ist bis jetzt wenig Sickeres bekannt. B e k r i n g imd K n o r r :!) kaben gefunden, dass die „ Tetanusheilkorper “ sekr widerstandsfakig gegen physikahsche , chemische und atmospharische Einfliisse sind, dass sie bei der Dialyse des Serums in das Dialysat iibergeken, und dass sie in dem letzteren die characteristischen Eiweissreactionen durckaus vermissen lassen. Durck Ehrlich4) ist der Nackweis gefiikrt worden, dass die im- munisirenden Substanzen des Blutes in die Milch uberzugeken ver- mogen, und dass durch Saugung Immunitat kervorgerufen werden kann. Gleichzeitig hat Ehrlich festgestellt, dass Immunitat resp. Gift- festigung durck die Mutter, aber nicht durck den Vater, auf die Nachkommensckaft iibertragen wird. Bei der Vererbung der kiinstlichen Immunitat kommen nack den Ermittelungen Ehrlich’s zwei differente Factoren in Betrackt: erstens die Yer- sorgung des fotalen Blutes mit immunisirenden Substanzen aus dem mutterkcken Blute, und zweitens die durck die Saugung bedingte Ver- mekrung dieser Substanzen im Organismus des Ivindes. Beziiglick der Dauer, der Haltbarkeit der kiinstlichen Immunitat hat man die beiden versckiedenen Arten, nack denen Immunitat erworben werden kann, scharf auseinander zu halten. Ist die Immunisirung eine „active“5), d. k. vollziekt sie sick durck Ueber- stehen einer Impfkrankheit, muss der Organismus die bei der Impfung eingedrungenen giftigen Substanzen selbst iiberwinden, und schafft er sich so selbst eine Resistenz gegen ahnliche Invasionen giftiger Sub- stanzen, so ist die aus diesem Kampf des Korpers mit den b Behring and Knorr (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1S93. p. 414) entnehmen Bint von tetanusinununisirten Pferden zur Heilserumgewinnung erst dann, weun die Thiere normales allgemeines Aussehen darbieten, wenn Temperatnr und Puls normal sind, wenn das normale (vor der Impfung vorbandene) Korpergewicbt wiedergekebrt ist und die Gerinnung des Aderlassblutes (cf. oben p. 192) wieder normalen Ab- lauf zeigt. 2) Behring und Wernicke, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 18. 3) Behring, Die Blutsernmtherapie I. Leipzig, G. Tbieme, 1892. p. 52. l) Versuche an ricinfesten (sieho oben p. 189) Mausen (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 183ff.). Vorgl. auch Brieger u. Ehrlich, ebenda Bd. 13. 1893. "') Ehrlich, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 189. Gunther, Baktoriologie. j 3 11)4 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. S c h ;i d 1 i c h k e i t e n resultirende I min uni tat eine relativ feste , relativ lange Zeit andauernde. War die Immunisirung hingegen eine „passive“, d. h. wurde dem Organismus die Immunitat verlielien durch Einfiihrung von Blut, Blutserum, Milch eines immunisirten Individuums, wurden also die immunisirenden Substanzen dem Organismus fertig gebildet uberliefert, so ist die Dauer der auf diese Weise muhelos erlangten Immunitat eine relativ kurze, iiber eine Reihe von Wochen wahr- scheinlich nicht hinausgehende. l) 1) Ehrlich, Zeitschr. f. Hyg. Bel. 12. 1892. p. 189. II. Die wiehtig’sten pathogenen Bakterienarten im Speeiellen. 1. Der Milzbrandbacillus. Der Milzbrandbacillus (Bacillus antbracis , bacteridie du charbon) wurde im Blute milzbrandkranker Thiere zuerst 1849 von P o 1 1 e n d e r 4) gesehen. Der Befund wurde dann von verscbiedenen Seiten bestatigt, und namentlicb war es Davaine'* 2), welcher (1863) auf Grund experimenteller Untersuckungen zu der Ueberzeugung ge- langte, dass durch die in dem Blute milzbrandkranker Tliiere vor- kandenen Stabcken die iMilzl) ran dkr ankk e i t erzeugt werde. Aber Robert Kock war es vorbekalten, das letztere scklagend zu beweisen. Kock3) gelang es, die Stabcken kiinstlicli zu ztickten, ikren Entwickelungsgang in alien Einzelkeiten darzulegen, nackzuweisen, dass die Stabcken unter Umstanden Dauerformen (Sporen) produciren, dass eke letzteren viel resistenter sind als die Stabcken selbst, und dass die Infectiositat milzbrandigen Materiales eine ganz verschiedene Haltbarkeit besitzt, je nachdem das Material Sporen entkalt oder nur Stabcken. So erklarte Kock die Differenzen in den Erfolgen der friikeren Impfversucke, welcke em absckliessendes Urtkeil iiber die Bedeutung der im Blute gefundenen Stabcken bis dakin nickt ennogkckt katten. Als eins der Hauptergebnisse seiner Untersuckungen bezeicknete Kock4) den Nacli- ') (Casper’s) Vierteljahrsschrift fiir gerichtliche und offentlicbe Medicin. Bd. 8. 1855. p. 112. (Mikroskopische Untersucliung des Blutes von an Milzbrand gestor- benen Kiiben im Herbst 1849.) 2) Davaine, Recbercbes sur les infusoires du sang dans la maladie connne sous le nom de sang do rate (Comptes rendus do l’acad. des sciences. Paris, t. 57. 1 863). 3) F. Colin's Beitr. z. Biol. d. PH. Bd. 2. 187(>. '*) Ebenda. p. 292. 13* 196 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. weis, „dass nur solche Substanzen Milzbrand hervorriefen, aus welchen bei den gleickzeitig angestellten Culturversuchen sich sporenhaltige Faden entwickelten und umgekekrt." Hiermit war bewiesen, dass die Uebertragbarkeit des Milzbrandes an das Vorkandensein lebensfahiger Bacillenkeime geknupffc isfc. Der Milzbr andbaci Lius ist 1 — 1,5 /jl breit und 3 — 6—10 /t lang. Er findet sick im Blute milzbrandiger Tkiere, und zwar ent- weder in einzelnen Exemplaren oder in kleinen Verbanden, 2, 3, 6 bis 1 0 Stabcken zu einem Faden vereinigt. Die einzelnen Stakchen kaben sckarf abgescknittene Enden, die Endflachen sind ganz wenig concav eingezogen, so dass in den Faden zwiscken den zusammenstossenden Enden je zweier Stabcken eine Trennungsstelle entstekt, die eine kleine Ansckwellung in der Mitte besitzt. Dies Verkalten ist dem Milzbrand- bacillus durckaus eigentkumlick. Es untersckeidet ikn sckon morpko- logisck von anderen, im Uebrigen aknkch gestalteten Bacillenarten. Diese eigentkumlicke Gliederung der Milzbrandbacillenfaden kommt aber nur bei einer gewissen Farbungsbekandlung zum Ausdruck. Am Vollendetsten zeigt sie das von Rob. Kocli 1877 veroffentkckte Pkotogramm ') , welches nack einem mit Aniknbraun gefarbten, in Glycerin eingelegten Trockenpraparate von Milzsubstanz der Milzbrand- maus aufgenommen war. Ick kabe mick vergeblick bemtikt, em akn- lick typisches Praparat fur meine Tafeln zu gewinnen. Am besten zeigte sick mir in dieser Beziekung ein mit Metkylenblau gefarbtes Trockenpraparat, welckes auf Taf. V, Fig. 25, dargestellt ist. Einzekie Bacillenfaden zeigen kier die typiscke Gkederung reckt gut. Auf diesem Bilde siekt man an einzelnen Bacillenfaden den Kern und die Hiille der Bacillen deutkck differenzirt. 2) Diese Differenzirung kommt durck- aus nickt an alien Trockenpraparaten des Milzbrandbacillus zum Aus- druck; sie wird aber auck nickt allzu selten, am haufigsten kei Metkylenblaufarbung, beobacktet. Oben (p. 63, Anm. 1) kaben wir be- reits angegeben, dass in solcken Praparaten die Hiillen oder „Kapseln“ der Milzbrandbacillen gewoknlich kellrotklick ersckeinen im Gegensat-z zu dem blau gefarbten Kern. Auck an Scknittpraparaten , die mit Metkylenblau gefarbt wurden, kabe ick gelegentlick die Kapseln der Milzbrandbacillen constatiren konnen. Der Milzbrandbacillus ist stets unbeweglick. Er wackst bei Sauerstoftanwesenkeit auf den gew5knkcken bakteriologiscken Nakr- boden, bei Briittemperatur besser als bei Zimmertemperatur. Unter b F. Colin’s Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. Taf. XVI, Fig. 5. '■) Die Hiillen oder Kapseln der Milzbrandbacillen wurden zuerst von Serafini (cf. Baumgarten’s Bakteriol. Jabresber. 1888. p. 102) beobachtet. Der Milzbrandbacillus. 197 15° C. lindet kein Wachsthum statt. Zwischen 15 und 18° C. ist dasselbe sehr luimmerlich. Die obere Grenze ist etwa 45° C. Die Gelatine wird massig sclmell verfliissigt. Der Impfstich der Gelatinestichcultur zeigt liaufig, aber nicht stets, feine faden- formige Auslaufer (Taf. VI, Fig. 33); anf der Gelatineplatte zeigt die Colonie liaufig einen zierlicli gelockten Rand. Taf. V, Fig. 29, zeigt eine solche Colonie bei sckwacher (43 facher) Vergrosserung. Die Lockenbildung ist, wenn man sie beobacktet, fiir Milzbrand cliaracte- ristiseh. Haufig aber erscheinen die Colonien auf der Gelatineplatte okne diesen gelockten Rand ; sie bilden dann mehr oder weniger kugel- formige Knauel, an deren Randern man bei scbwacber Vergrosserung aber stets ein fadiges Gefiige constatiren lcann. Die Colonie auf der Platte zeigt aucb nicht selten fadige Auslaufer, welche in die Um- gebung hineinwachsen , also aknlicke Bildungen, wie wir sie bei der Sticbcultur sahen. Solche Colonien mit Auslaufern zeigt die auf Taf. V, Fig. 30, bei 40 facher Vergrosserung dargestellte Platte, welche ubrigens nicht durch Vertheilung von Milzbrandmaterial in der fliissig gemachten Gelatine, sondem durch oberflacklickes Aufstreichen des Materials mit der Spitze des Platindrahtes auf die erstarrte sterile Gelatine (cf. p. 1 42) erhalten wurde. Fig. 31 auf Taf. VI zeigt ein Klatschpraparat von dieser Platte bei 1000 facher Vergrosserung. Die zierlichen fadigen V indungen der Figur 30 losen sich hier in die deutlich gegliederten Bacillenfaden auf. Auf Kartoffeln bildet der Bacillus einen weissen, trockenen Belag. Auf der Agar oberfl iiclie wiichst derselbe in Gestalt eines grauen, mattglanzenden Ueberzuges. Ueberall auf den kiinstlicken Nahrboden wackst der Milzbrand- bacillus zu langen Fa den aus, die viele Hunderte und vielleicht Tausende von Gliedera enthalten konnen. Ist der Nahrboden in gewisser Beziekung erschopft, so tritt in den Fiiden Sporenbildung (cf. oben p. 16) ein; und zwar bildet sich in der Mitte jedes einzelnen Bacillus eine Spore. Die Sporen- bildung ist aber nock an zwei weitere Bedingungen gekniipft: Erstens muss Sauerstoff vorhanden sein, und zweitens muss eine bestimmte Temperatur (zwischen 18 und etwa 40° C.) kerrschen. Bei Briit- temperatur sind die Sporen etwa 24 Stunden nach der Einsaat des Materiales in den Nahrboden fertig, bei 21° C. etwa nach 72 Stunden. Die kriiftigsten und schonsten Sporen werden zwischen 20 und 25° C. gebildet. Die Milzbrandspore besteht nach Koch1) „aus einem stark ') F. Colin's Beitr. z. Biol. d. PH. Bd. 2. 187(5. p. 280. 198 B. Die Bakterien tils Krankkeitserreger. lichtbrechenden Tropfchen, vielleicht einem Gel, welches von einer diinnen Protoplasmaschicht eingehiillt ist. Letztere ist die eigentliche entwickehmgsfahige Zellsubstanz, wahrend ersteres vielleicht einen bei der Keimung zu verbrauchenden Reservestoff bildet.“ Fig. 34 auf Taf. VI zeigt Milzbrandfaden mit den stark lichtbrechenden (glanzen- den) Sporen. — Sind iibrigens bei der Erschopfung des Nahrbodens die hbrigen Bedingungen fur die Sporenbildung nicht vorhanden, so kommt es ziun Absterben der Bacillen; es bilden sich dann, wie fruiter (p. 15) dargelegt, Involutionsformen (siehe Fig. 32 auf Taf. VI). Sind die Sporen fertig gebildet, so zerfallt, wie wir oben (p. 16) dargelegt haben, der Bacillenfaden ; die Sporen werden aus dem Ver- bande ausgelost, liegen frei da und verandern sich nun nicht mehr, bis sie wieder auf einen passenden Nahrboden gelangen. Hier keimen sie, bei Briittemperatur schon innerhalb weniger Stunden, wieder zu Bacillen in der Weise aus, dass die langlich rund gestaltete Spore sich in der Richtung ihres grossten Durchmessers verlangert, dabei an Glanz abnimmt und schliesslich den sich durch Zweitheilung weiter vermehrenden Bacillus reprasentirt. Die Resistenz der Milzbrandsporen gegen aussere Ein- wirkungen ist, wie wir bereits oben (p. 26, 30) erwahnten, nach den Ermittelungen von E. v. Esmarc li nicht immer die gleiche. Es giebt Milzbrandsporen, die durch 5proc. Carbolsaurelositng bereits in 2 Tagen, durch stromenden Dampf von 100° C. in 3 Minuten abge- todtet werden, wahrend es andere giebt, die die Einwirkung derselben Fliissigkeit langer als 40 Tage, des stromenden Dampfes langer als 12 Minuten ertragen. Das Material hat je nach seiner Pro ve- il ienz eine verschiedene Resistenz. Die Grunde dafiir sind noch unbekannt. Chamber land und Roux1) fanden 1883, dass Milzbrand- bacillen die Fahigkeit verlieren konnen, Sporen zu bilden („asporo- gener Milzbrand“), ohne dass dabei die Virulenz geschadigt zu werden braucht. Solcher asporogener Milzbrand wurde erhalten durch Cultivirung von Milzbrandbacillen in Nahrbouillon mit einem Zusatz von V 2000 bis 1/booo Raliumbichromat. K. B. Lehmann'2) fand spater, dass Milzbrand culturen , die in langer Reihe von Gelatine zu Gelatine weiter geziichtet waxen, asporogen geworden waren. Behring3) hat 0 Compt. rend, de l’acad. des sc. t. 96. — Roux, Annal. de 1’Inst. Pasteur. 1890. No. 1. 2) Munch, med. Woch. 1S87. No. 26. :l) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. p. 172. L)er Milzbrandbacillus. 199 dann nachgewiesen, dass die genamite Erscheinung als Ausdruck einer gewissen Degeneration anzuselien ist, die (wie bereits Chamber- land nnd Roux fanden) durch gewisse fur die Bacillen nicht zweck- massige Zusatze zu den Nahrboden kiinstlicli veranlasst werden kann. Die Yirulenz der Milzbrandculturen lasst sich auf verschiedene Art und Weise abschwaclien, wie wir oben (p. 1 79 ff.) bereits er- ortert haben. Der in seiner Yirulenz abgeschwachte Milzbrand wachst, wenn er das Versuchsthier nocb zu todten vermag, in den Organen haufig zu lan gen, sclileifenartig verschlungenen Faden aus. Eine Illustration hierzu giebt Fig. 28 auf Taf. Y ; das Praparat ist aus der Milz einer Maus hergestellt, welche mit Milzbrandbacillen iuficirt worden war, die liingere Zeit im Laboratorinm auf kunstlichem Nahrboden weiter gezuchtet worden waren. Der virulente Milzbrand producirt auf kunstlichen N ahr- boden Saure, der abgeschwachte Milzbrand bewirkt Reduc- tion des Nahrbodens (Behring1). Der Milzbrandbacillus ist ein facultativer P a r a s i t. Ohne Zweifel findet er draussen in der Natur an geeigneten feuchten Stellen sein Fortkonnnen und kommt dort auch zur Sporenbildung, um dann gelegentlich mit dem Futter in den Organismus der Weidethiere, spe- ciell den Darm derselben, eingefiihrt zu werden und dann die Erkrankung an Milzbrand zu veranlassen. In der Natur ausserhalb des Thierkorpers nachgewiesen ist der Milzbrandbacillus noch nicht. Die Weidethiere (Schafe, Rinder, Pferde) werden fast stets vom Darme aus inficirt. Der Milzbrand tritt hier zunachst als Darm milzbrand auf. Die Infection kann ausserdem auf vielen anderen Wegen erfolgen; besonders durch cutane Imp fun g kann der Infectionsstoff auf empfangliche Thiere leicht iibertragen werden. Ausserordenthch empfanglich fiir cutane Infection sind Mause, ferner Meersch weinchen und Ivaninchen. Diese Thiere konnen auch durch Inhalation von Sporen sehr leicht inficirt werden (Buchner)2), wiihrend sie vom Darme aus sehr scliwer zu inficiren sind. Bei der Infection durch Inhalation kommt zunachst Lungenmilzbrand zu Stande. Als primarer Lungenmilzbrand ist auch die sogenannte „Hadernkrankheit“ (Krankheit der Wollsortirer, maladie des trieurs de laine, woolsorters disease) des Menschen aufzufassen, welche bei Lumpensortirern auftritt und der Einathmung von Milzbrandsporen, ’) Zeitschr. f. Hyg. Bd. (i. 1889. p. 142. -) Arch. f. Hyg. Bd. 8. 1888. 200 B. Die Bakterien ills Krankkeitserreger. die den Lumpen anhafteten, ihre Entstehung verdankt. Uebrigens kommen die meisten Milzbrandfalle beim Menschen dureh Infection von kleinen Ha utw unden zu Stande (Pus tula maligna.1) Bei zweckmassiger Bebandlung, und ofters auch ohne diese, bleibt der Milzbrand beim Menschen local resp. gebt nicht fiber die Lymphdrfisen binaus. Aucb Falle von Darmmilzbrand sind beim Menschen bekannt gevvorden. Wo die Infectionspforte aber auch liegen mag, der Milzbrand bietet, wenn er sicb verallgemcmert und zum Tode ffihrt, stets das Bild einer typischen Septicaemie (cf. p. 175) dar; d. b. die Ba- cillen finden sicb nach dem Tode nur in den Blutgefassen. Das Photogramm Fig. 27 auf Taf. V zeigt einen Schnitt durch die Lunge der an Milzbrand gestorbenen Maus bei mittlerer (150facher) Ver- grosserung. Man sieht bier deutbch die Lagerung der Bacillen in den Blutgefassen ; der auf der linken Seite des Bibles liegende durch- scbnittene Bronchialast enthalt keine Bacillen. Die grossen G-efasse entbalten nacb Koch beim Meerscbweincben viel, beim Kanincben weniger, bei der Maus sehr wenig Bacillen. Bei der Maus ist die Milz ausserordentlich bacillenreicb (siebe Fig. 25 u. 26, Taf. V). Die Milzbrandbacillen finden sicb bei den Yersucbstbieren nicbt sofort nacb der Infection innerhalb des Blutkreislaufs, sondern sie sind bier immer erst in einem spateren Stadium des Krankbeitsverlaufes anzutreffen. 2) Menials werden in der unverletzten Milzbrandleiche sporenbaltige Milzbrandbacillen gefunden. So lange nambcb das Tbier lebt, ist die zur Einleitung der Sporenbildung notliwendige Erscbopfung des Nahr- bodens nicbt eingetreten; ist das Tbier gestorben, so feblt der zur Sporenbildung notbwendige Sauerstoff. Das Schwein3), der Hund, die meisten Vogel4) verhalten sicb b Die Milzbrandnatur der Pustula maligna des Menschen erkannten (auf Grand des mikroskopischen Nachweises der „bacteridies“ und auf Grund gelungener Ueber- tragungen auf Meerscbweincben) zuerst Da vain e und Raimbert (Comptes rendus de l’acad. des sciences. Paris, t. 59. 1864. p. 429). -) G. Frank und Lubarsch (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 11. 1891. p. 270) fauden z. B. bei Meerscbwemcben, die mit einer Milzbrandsorte geimpft wurden, welcbe die Tbiere spatestens nacb 34 Stunden todtet, nie vor der 17. Stunde Bacillen bn Blute; nacb der 22. Stunde wurden die Bacillen nie im Blute vermisst. 3) Nacb Crooksbank (cf. Centralbl. f. Balct. Bd. 8. p. 407) konuen Scbweine an Milzbrand erkranken. 4) Canal is und Morp urge (Fortscbr. d. Med. 1890. No. 18) mackten Tauben durcb Iiungern milzb randempi&nglick . Dor Milzbrandbacillus. 201 immun gegen Milzbrand. Die Ratte1) zeigt sick meist immun. Der Fro sell ist unter gewohnlicken Umstanden immun gegen den Milzbrand ; bringt man den Frosch aber, nachdem man Milzbrandsporen in seinen Lvmphsack eingebracht bat, in den Briitschrank, so geht er an Milz- brand zu Grunde.2) Mit den Pas t e ur’seken, durch Cultivirung von virulenten Milz- brandbacillen bei Temperaturen zwisclien 42 und 43° C. kergestellten Vaecins (cf. p. 181) lassen sich Thiere, speciell Schafe und Rinder, gegen Impfmilzbrand immunisiren; gegen den natiirlichen Infections- modus (primarer Dararmilzbrand) ist die Pasteur ’sche Schutzimpfung nicht mit Sickerkeit zu verwenden, wie durck Koch nacligewiesen worden ist. Hankin8) stellte im Ivock’scken Institute aus Milzbrand- culturen eine giftige Albumose dar, die, in sekr kleiner Dosis Mausen und Kaninchen einverleibt, Immunitat gegen Milzbrand hervor- ruft. Wooldridge vermockte durck Einverleibung einer aus dem normalen Thierkorper okne Mitwirkung von Bakterien kergestellten be- stimmten Eiweisslosung Immunitat gegen Milzbrandinfection kervor- zurufen (cf. oben p. 184, Anm. 2). Der Milzbrandbacillus nimmt aus wiisserigen Anilinfarbstofflosungen die Farbe scknell auf; er farbt sick auck nack der G r a m 'seken Me- thode (p. 100 ff.). Wir batten uns oben (p. 100) vorgenommen, bei Gelegenheit des Milzbrandbacillus auf die Sporenfarbung einzugeken. Wie wir J) Weisse Ratten erliegen nack M e ts c h n i k o f f (Ann. de l’lnst. Pasteur 1890. No. 4) wieder bolter Milzbranclimpfung stets. — Nack G. Frank (Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. 1890. No. 10) sind weisse Ratten dadurck stets sicher todtkch mit Milzbrand zu inficiren, dass man iknen einen Seidenfaden mit angetrockneten Milz- brandsporen (cf. oben p. 31) in eke Bauckkohle bringt. — Nack Bekring und Nissen (Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 8. 1890. p. 418) sind besonders jiingere weisse Ratten empfanglick fur Milzbrand. Versckiedene Rattensorten verkalten sick ver- schieden. Ceteris paribus wirkt am sickersten stets die Yerimpfung von Blut oder Organstiickcken, weniger sicker die Verimpfung friseker Agarcultur, nock weniger sicher eke Verimpfung von Seidenfaden mit angetrockneten Sporen. — Charrin und Roger (Soc. de Biol. Paris. 19janv. 1890) mackten weisse Ratten durck Ermiidung (Geken in der Tretmuhle) milzbrandempfanglick. — Nach Hankin (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. p. 722) sind wilde, braune, ausgewacksene Ratten bei Fleiscb- fiitterung ziemkek resistent gegen Milzbrand ; mit Brot gefiittert bekommen die Thiere Milzbrandempfanglickkeit. -) Nack Potrusckky (Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. p. 79) ist liierzu eine Aussentemperatur von 31—35° C. notkwendig. Innerhalb eles Korpers von Milzbrand- froschen findet man die Milzbrandbacillen vielfach zu langeu sckleifenformigen Ge- bilelen (cf. oben p. 199) ausgewachsen. 8) Brit. med. Journal. October 1889. 202 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. bereits (p. 71) sahen, yerhalten sicli Bacillensporen bei kurzdauernder Behandlung der Praparate mit der lcalten Farblosung so, dass sie die Farbung bierbei niclit aimehmen, wahrend das Bacillenprotoplasma bei dieser Behandlung ja obne Weiteres gefarbt wird. Fig. 35 auf Taf. VI zeigt Milzbrandfaden mit Sporen; das Praparat ist mit kalter Farb- losung kurz bebandelt. Das Bacillenprotoplasma ist gefarbt; die Sporen sind ungefarbt geblieben. Die Metboden, welcbe angegeben sind, die Sporen zu f a r b e n, kommen nun alle darauf hinaus, dass man die Praparate mit i n t e n s i v farbenden Losungen bei hohererTem- p e r a t u r 1 a n g e r e Z e i t behandelt, dass man also alle drei Momente beriicksichtigt, die, wie wir sahen (p. 93), fur die Intensitat der Farbung in Betracht kommen. Was die Qualitat der Farblosung angeht, so wurde icli stets lieber die Ehrlich’sche (anilinwasserhaltige) als die Z i e h 1 ’sclie (carbolwasserhaltige) Losung anwenden, da die erstere aus oben (p. 95) naher dargelegten Griinden intensiver farbt als letztere. Stets ausgezeichnete Sporenfarbung erhalt man, wenn man auf folgende Weise verfahrt: Man macht sich zunachst von dem sporen- haltigen Material ein Deckglaspraparat in der gewohnlichen Weise zurecht, lasst es lnfttrocken werden und fisirt es in der Flarnme. Dann giesst man ein Uhrschalchen bis nahe zum Rande voll frisch bereiteter Ehrlich’scher Anilinwasser-Fuchsin-Losung (cf. p. 94), welche nicht filtrirt zu werden braucht. Nun wirft man das Deckglas so auf die Farblosung, dass es, mit der Praparatenschicht nach unten, auf der Farbfliissigkeit schwimmt. Sollte es untersinken, so schadet das nicht viel. Nun wird das Uhrschalchen mit der Losung und dem Praparate e r h i t z t. Macht man dieses Erhitzen nicht nach gewissen zweckmassigen Regeln, so zerspringt Einem das Uhrschalchen sehr liaufig; und das ist der Grand, weshalb viele Praktiker dieses Erhitzen ini Uhr- schalchen verwerfen. Folgendermassen aber vermeidet man das Zer- springen der Schalchen mit Sicherheit: Man benutzt zum Erliitzen nur erne sehr kleine Flarnme, eine Flarnme, die nicht holier als etwa 2 cm ist. Benutzt man den Bunsen’schen Brenner, so sperrt man die Luftzufuhr zur Flarnme ab und schraubt dann die Flarnme bis zur angegebenen Grosse hinunter1); benutzt man die Spirituslampe , so regulirt man die Grosse der Flarnme an dem Dochte. In die kleine Flarnme bin ein bringt man nun das mit einer starken Pincette am 1) Ausgezeichnet fiir diesen Zweck sind die sogenannten Mikrobrenner, kleine Bunsen’sche Brenner mit engem Rohr, bei denen ein Znriickscblagen der Flarnme unmoglich ist. l)er Milzbrandbncillus. 203 Ramie erfasste Uhrschalchen so , class nur seine M i 1 1 e e r h i t z t wird. 1st das Schalchen etwa 2 bis 3 Seounden in der Flam me ge- blieben, so bewegt man dasselbe langsam in vertikaler Riclitung bis etwa znr Kobe von 10 cm oberhalb der Flamme. Wahrend dieser Zeit wird das Schalchen diu’cb die vertikal von der Flamme auf- steigenden Heizgase erhitzt. Nun geht man sofort wieder in die Flamme liinunter, bleibt darin wieder einige Secunden, geht wieder in die Hohe, wieder liinunter, und so fort, bis die Fltissigkeit beginnt Blasen zu entwickeln. In diesem Moment bricht man die Erliitzung ab, stellt das Scbiilcben auf den Tisch und lasst dasselbe e i n e Minute lang stehen. Nun erbitzt man wieder von Neuem bis zur Blasenbildung, lasst dann wieder eine Minute lang steben. So erhitzt man das Schalchen etwa 5 Mai und lasst dasselbe eben so oft je eine Minute lang stehen. Die Sporen — nicht nur die Milzbrandbacillensporen, sondern iiber- haupt vorhandene Bacillensporen — haben nun eine intensive Farbung, in unserm Falle eine Fuchsinfarbung, angenommen. Man bringt nun das Praparat, ohne es in Wasser abzuspiilen, aus der heissen Farblosung in ein Uhrschalchen mit 3proc. Salzsaure-Alcohol (p. 98), und zwar so, dass die Praparatenseite nach oben gekehrt ist. Hier bleibt das Praparat etwa eine Minute. Zweckmassig bewegt man es in dieser Fliissigkeit (mit der Pincette) ofters bin und her. Nun wird das Praparat mit Wasser abgespiilt. Dasselbe wird jetzt makroskopisch ziemlich oder vollstiindig farblos erscheinen; deim bei der Einwii’kung des stark entfarbenden Salzsaure-Alcohols haben nur die Sporen die Farbung be- halten; alles Uebrige ist entfarbt worden. Nun farbt man das Praparat noch ganz kurz mit kalter wasseriger Methylenblaulosung nach, spiilt es wiederum mit Wasser ab, trocknet es und kittet es mit Balsam auf den Objecttrager auf. Betrachtet man das Praparat jetzt mikroskopisch , so findet man die Sporen wundervoll tiefroth tingirt, wahrend das Bacillenprotoplasma blau gefarbt ist. Fig. 36 auf Taf. VI zeigt ein solches Sporenpraparat (Heubacillus , Bacillus subtilis) bei lOOOfacher Yergrosserung. Die tief dunkelen Stellen entsprechen den fuchsinroth gefarbten Sporen; die im Photogramm heller erscheinende Bacillensubstanz ist im Pra- parat blau gefarbt. Tafel VII, Fig. 39, zeigt Bacillen mit endstandigen Sporen (Tetanus) bei einfacher, kurz angewendeter Farbung mit kalter Fuchsinlbsung; hier sind die Sporen ungefarbt geblitben, wahrend sich das Bacillen- protoplasma gefarbt hat. In Fig. 40 sind Bacillen mit endstandigen Sporen (Faulflussigkeit) dargestellt, bei denen in der oben geschilderten 204 B. Die Bakterien als Krankbeitserreger. Weise eine Contrastfarbung der Sporen und der Bacillensubstaiiz ber- gestellt ist. Statt der E lir 1 i ch ’schen Fuchsinlosung kann man ubrigens aucb sebr gut die entsprechende G e n t i a n a v i o 1 e 1 1 1 6 s u n g (cf. p. 94) zur Sporenfarbung anwenden. Man farbt dann nach der Entfarbung der Bacillensubstanz das Praparat mit Bismarckbraun nach. 2. Der Bacillus des malignen Oedems. Der Bacillus des malignen Oedems (Bacillus oede- ma tis maligni, vibrion septique) wurde 1881 von R. Koch1) entdeckt. Er kommt in ganz ausserordentlicber Yerbreitung in unserer Umgebung vor. Besonders in gediingter Gartenerde linden wir ihn regelmassig, ferner in Sckmutz und Staub, in Abwassern der Haus- haltung ; aucb in dem Darmkanal der Tbiere sckeint er sicb regel- massig vorzufinden. Der genannte Bacillus ist etwas scbmaler als der Milzbrand- bacillus, ungefahr von derselben Lange wie clieser, bat aber im Gegensatz zum Milzbrandbacillus nicbt scbarf abgescbnittene , sondern abgestutzte, abgerundete Enden. Er zeigt eine schwache Eigen- beweglicbkeit, welche durch Geisseln vermittelt wird, die nicbt nur an den Enden, sondern aucb an den Langsseiten des Bacillus in grosserer Anzabl angebeftet sind (cf. p. 14). Die Metbode der mikroskopiscben Darstellung der Geisseln ist oben (p. 75 If.) bescbrieben. Der Bacillus ist ein strenger, obligates Anaerobe. Er wacbst auf den gewohnlichen Nabrboden bei Zimmer- und Bruttemperatur, aber nur unter Sauerstoffabscbluss. (Die Zuchtungsmethoden siebe oben p. 143 ff.) Taf. YII, Fig. 38, zeigt ein Gelatinerohrchen, in welchem die Gelatine zunacbst gescbmolzen wurde, urn dann mit einer geringen Menge oedembacillenhaltigen Gewebssaftes der Maus vermiscbt zu werden. Man siebt, wie sich in den unteren, d. b. vom Sauerstoff abgescblossenen Theilen der Gelatine eine Anzabl Colonien der Oedembacillen' entwickelt baben. Dieselben bilden kugelformige, mit Flussigkeit erfiillte Holilraume.2) Der Bacillus des malignen Oedems verfliissigt also, wie wir seben, die Gelatine. Nacb Kitasato3) gelingt die Cultur der Bacillen des malignen Oedems mit Sicberbeit jedesmal, wenn man die Milz eines an mabgnem ’) Mitth. a. d.. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 53 ff. -) Das Ausseben der Culturen wurde zuerst von Liborius (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 1. 1886. p. 159) bescbrieben. 3) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 6. 1S89. p. 111. Dor Bacillus (les malignen Oedems. 205 Oedem gestorbenen Meerschweincbens unmittelbar nach dem Tode unter Yermeidung von Yerunreinigungen in Meerschweinchenbouillon (Nahrbouillon, aus M e e r s ch wein ch enfleis cli hergestellt)1) bringt und die Cultnr unter Wasserstoff sich im Briitschrank entwickeln lasst. Die Bouilloncultur stinkt penetrant. Der Bacillus des malignen Oedems bildet mittelstandige Sporen. Eine sehr grosse Anzahl von Tbierspecies ist fur die Infection mil dem Bacillus empfanglic b. Es sind aber zum Zustandekommen der Infection besondere Bedingungen notkig. Eine einfacbe cutane Impfimg, wie sie beim Milzbrand zum Zustandekommen der Infection geniigt, hat bier keinen Erfolg. Der vorbandene Sauerstoff macht eine Vermehrung des Bacillus unmogiicb. Legt man dagegen bei einem empfanglichen Thiere (besonders Meersckweinchen mid Mause eignen sicb dazu) eine subcut ane Hauttascbe an, indem man die Cutis nach Enthaarung der zu operirenden Stelle durchtrennt und dann mit der (sterihsirten) Pincette das subcutane Gewebe lockert , und bringt man dann eine gewisse Quantitat des Infectionsstoffes (man darf nicbt allzuwenig nehmen), z. B. eine kleine Messerspitze von Gartenerde, welcke Sporen der Oedembacillen entkalt, in die subcutane Tascbe binein, so siebt man nach Yerlauf von einem bis zwei Tagen das Thier zu Grunde geben. Bei der Section findet man ein all- gemeines subcutanes Oedem und bierin massenhaft die bescbriebenen Bacillen.2) In dem sauerstoffhaltigen Blute konnten die Bacillen nicbt zur Vermehrung gelangen, sie fehlen desbalb bei der sofort nach dem Tode vorgenommenen Section im Blute und den inneren Organen; sie sind lediglich in dem sauerstoffarmen Subcutangewebe zn finden, wo sie sicb baben vennebren kSnnen. Bleibt das Tbier nach dem Tode begen, so dringen nun die Oedembacillen aus dem Subcutangewebe in den sauerstoffarmen Organismus vor und durchwuchern scbrankenlos alle Organe. Am allerempfangbcbsten fur das maligne Oedem scbeint sicb die Maus zu verhalten. Die Maus zeigt bezugbch der Yertbeilung der Bacillen in ihrem Korper ein von dem bescbriebenen abweicbendes Verhalten. Wir finden im Mausekorper schon bei den ersten Krank- ') Die Darstellung siehe Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1889. p. 107. 2) Erfolgte die Infection nicht mit einer Beincultur der Oedembacillen, sondern (wie in unserem Beispiel) mit unreinem Material, z. B. Gartenerde, so finden sich in dem Oedemsaft neben den specifischen Oedembacillen noch andere Balctorien. Liideritz (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 5. 1888) hat aus dem Korper von Miiusen und Meerschweinchen, welche nach Infection mit Gartenerde gestorben waren, 5 verschie- dene, nicht pathogene, anaerobe Bacillenarten reingeziichtet. 206 B. Die Bakterien ale Krankheitserreger. lieitssymptomen Bacillen im Blute, namentlich in der Lunge.1) Die Bedingungen fur die Vermehrung der Bacillen in dem Korper der Maus scheinen so gunstige zu sein, dass gleich von vornherein die Bacillen in die Organ e vordringen und die Gefasse durchbrechen ; das hat dann zur Folge, dass schon frukzeitig die Bacillen durch das Blut in die Lunge etc. verscbleppt werden.2 *) Fig. 37 auf Taf. VII zeigt Oedem- bacillen im Saft des Meerschweinchens bei lOOOf'acber Vergrosserung. Zwei Falle von malignem Oedem beim Menschen baben B r i e g e r und Ebrlicb8) beschrieben. Es bandelte sich um zwei Typhuskranke. die drei Tage nack der Application einer Moscbusinjection, mit welcher zufallig Iveime des malignen Oederns in das TInterhautgewebe gebrackt worden waren, an malignem Oedem zu Grunde gingen. Nur unter dem Einflusse schwachender Momente (in den citirten Fallen des Typhus) scbeint der Menscb fur die Infection mit dem malignen Oedem empfanglich werden zu konnen. Eine Infection gesunder Menschen ist bisker nicbt beobachtet. Einen Fall von Miscbinfection von malignem Oedem und Milzbrand bat Koch4) bei einem Meerscbweincben beschrieben. Empfanglich sind fur die Infection mit malignem Oedem Manse, Meerscbweincben, Kaninchen, Ziegen, Kalber, Schafe, Pferde, Esel. Sckweine, Katzen, Hunde, Hiikner, Tauben, Enten. Immun sollen sick Binder verbalten. Die Passage durch den Korper der weissen Katte soil die Virulenz des Bacillus abscbwachen (Cornevin). Versckie- dene Tkierspecies konnen gegen die Infection immun isirt werden (cf. p. 184, Anm. 1). Der Bacillus des malignen Oederns farbt sick mit kalten wasse- rigen Farbstofflosungen gut; er farbt sich nicbt nacb der Gram'- scben Methode (cf. p. 100 ff.). 3. Der Tetanusbacillus. Dass der Wundstar r k r a m p f eine von einem Individuum auf das andere ubertragbare Infectionslcrankheit sei, wurde zuerst von Carle und Rat tone5 *) 1884 festgestellt. In demselben Jabre fand dann Nicolaier0) in Gottingen eine Gartenerde, welche, subcutan *) Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 54. 2) cf. C. Fraenkel, Grundriss der Bakterienkimde. 3. And. 1890. p. 298. !!) Berl. klin. Wochonsclir. 1882. No. 44. ') Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 07. r>) Giornale della E. accad. di med. di Torino. 1884. °) Deutsche med. Wochenschr. 1884. No. 52. Der Tetanusbacillus. 207 auf Manse, Meersckweinchen, Kanincken iibertragen, die Erkrankung und den Tod der Thiere an Tetanus veranlasste. Die Krankkeit liess sich, dureh Uebertragung dos Wundeiters, von Tliier zu Thier vvciter fortpflanzen. In der Umgebung der Infectionsstelle fand sicb, und zwar stets in Gesellschaft anderer Mikroorganismen, ein langer, diinner, borstenformiger Bacillus mit einer endstandigen Spore (Kopf- chenspore). Diesen Bacillus reinzuzuckten gelang nicht. Dann fand Rosen ba cli ') in einem Fake von Erostgangxaen beim Menscken, der sicb mit Tetanus complicirte, die Nicolaier’schen Stabcken wieder, constatirte auch die Infectiositat des diese Stabcken entkaltenden Materiales fur Versuckstkiere. Eine Reinziicktung gelang aber auck Rosenback nickt. Sie gelang auck vielen anderen Untersuchern nickt, die im Uebrigen den ckaracteristiscken Bacillenbefund in ikren Fallen meist bestatigen konnten. Erst Kitasato* 2) ist es gelungen, die Stabcken mit den Kopfchen- sporen, welche iibrigens als exquisit anaerobe Organismen auck vor- ker schon erkannt waren, reinzuzuchten, und zwar auf folgende Weise: Auf sell rag erstarrtem Blutserum oder Agar wurde Tetanuseiter aus- gebreitet; die Glascken wurden bei 36 — 38° C. gekalten. Nach 48 Stimden fanden sick ausser anderen Bakterien auck borstenformige Bacillen reichkck. Jetzt kam die Cultur auf 8/4 bis 1 Stunde in das vorher auf 80° C. erkitzte Wasserbad, wobei die vegetativen Formen zerstort werden mussten. Nun wurde Nakrgelatine mit einer Oese der Cultur gemischt und in Schalcken ausgegossen, in welcke Wasser- stoff geleitet wurde (cf. oben p. 145, Anm. 1). Diese Schalcken wurden kei 18 — 20° C. gekalten. Nack einer Wocke kng bier die Bildung isolirter Colonien an, welcke naturlick Reinculturen darstellten, und durck deren sukcutane Einbringung bei Versuckstkieren jedesmal Tetanus erzeugt werden konnte. Spater gelang es Kitt3), aus Tetanuseiter auck okne Zukulfe- nakme der Erkitzungsprocedur4 * * *) sickere Reinculturen des Tetanus- bacillus zu gewinnen. Das Ausgangsmaterial, welckes nickt zu sekr dureh fremde Spaltpilze verunreinigt sein darf, wurde mit sterilem Wasser stark verdiinnt, und die Flussigkeit dann in oberflackkchen *) Langenb. Arch. Bd. 34. 188(i. 2) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. 3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. No. 10. 4) Kitasato (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891. p. 305) hat es Kitt gegon- iiber bestritten, dass die Reiilzlichtnng des Tetanusbacillus ohne die Erhitzungs- procedur moglich ist. Nach Kitasato gelingt es nur durch die Erkitzung zuver- lassig, die begleitenden facultativen Anaoroben wegzuschaffeu. 208 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. Impfstrichen (cf. p. 142) auf Pfcrde- oder S.chafblutserum aufgeimpft. Die Culturen wurden in einer AtmospMre gehalten, die nach der Buchner ’schen Methode (p. 144) sauerstofffrei gemacht wurde. Es moge hier bemerkt werden, dass es vielen Untersuchern bei Befolgung der Kitasato’scben Vorschrift nicht gelungen ist, aus tetanusbacillenhaltigem Material Reinculturen des Tetanusbacillus dar- zustellen. Wie Sormani1) und spater auch Nicolaier2) betont baben, kann die Erbitzungsprocedur Kitasato’s selbstverstandbch nur dann zum Ziele fiibren, wenn zufallig neben den Tetanussporen nicht noch andere widerstandsfahige Sporen in dem zu erbitzenden Materiale vorhanden sind.3) Der Tetanusbacillus resp. seine Dauerform bndet sicb in grosser Verbreitung in unserer Umgebung. In Erde, Staub, Kehricbt sind Tetanuskeime anzutreffen4); aucb in Tbierexcrementen (Pferd, Rind etc.) bat man sie ofters nachgewiesen. 5) Der Tetanusbacillus ist etwas kleiner als der Bacillus des mahgnen Oedems, liegt oft einzeln; in den Culturen zeigt er sicb aber oft zu langen Faden ausgewachsen. Er bat eine deutliche, aber wenig lebhafte Eigenbewegung. Sporentragende Stabcben sind iibrigens stets unbeweglich (cf. p. 16). Der Bacillus ist obligat a n a e r o b. Er wachst, wenn man seine anaeroben Eigenscbaften beriicksich- tigt, auf den gebraucblichen Nahrboden, bei Bruttemperatur besser als bei Zimmertemperatur; unter 14° C. findet kein Wacbstbum statt. In Gelatine und Agar zeigt die Cultur feme strabbge Auslaufer (federartiges , distelartiges Ausseben). Die Gelatine wird langsam 1) Yerhandl. d. 10. internat. med. Congr. Beilin 1890. Bd. 5. Abtli. 15. p. 153. 2) Virck. Arch. Bd. 128. 1892. 3) Nicolaier (Yirch. Arch. Bd. 128. 1892) gliickte die Reincultivirung, indem er die zunackst erkaltenen unreinen Culturen 3 x/2 Min. lang im strouienden Wasser- dampf von 100° C. erkitzte und dann da von Platten anlegte. Auck kier wurde das Oelingen der Beincultur nur dem zufalligen Umstande verdankt, dass andere resistente Sporen in dem zu erkitzenden Materiale feklten. l) Nack Le Dantec (Ann. d. l’lnst. Pasteur. 1890. p. 716 ff.) stellen sick die Eingebornen der Neuen Hebriden tetanuserzeugende Giftpfeile dadurck her, dass sie die (knocliemen) Pfeilspitzen (unter Zukiilfenalime eines vegetabiliscken Klebe- mittels) mit Sumpfscklamm iiberzieken. r>) Sormani (Verhandl. d. 10. internat. med. Congr. Berlin 1890. Bd. 5. Abtk. 15. p. 152) tritt lekkal't fiir die „facale Tkeorie des Tetanus" ein. Nach dem Autor stammen die virulenten Tetanuserreger stets aus dem Darm von Tkieren resp. aus Eaeces; und zur Virulenzerhaltung des Tetanusbacillus ist oftere Passage durck den Darm notkwendig. Dor Tetanusbacillus. 209 verfliissigt. l) Die Culturen haben einen widerwartigen Ge- ruch. Auf Blut serum wachst der Tetanusbacillus schlecht; das Blutserum wird nicht verfliissigt. 2) Der Bacillus bildet endstandige, kugelrunde Sporen, die dicker sind als der Bacillus. Dieselben werden bei Briittemperatur in etwa 30 Stunden3 *), bei 20 — 25° C. erst nach 7 Tagen gebildet. Die Sporen ertragen im feuchten Zustande eine einstiindige Erhitzung auf 80° C.; dagegen werden sie dUrch einen 5 Minuten langen Aufenthalt bei 100° C. ini Dampfapparate getodtet. Unter naturlichen Verhalt- iiissen vermogen die Tetanussporen ihre Keimfahigkeit ausserordentlicli lange zu erkalten. Fig. 39 auf Taf. VII zeigt sporentragende Bacillen, welcbe aus einer Agarsticbcultur entnommen sind. Der Tetanusbacillus farbt sicb gut bei kurzer Bebandlung mit kalten wasserigen Farblosungen ; er farbt sich aucb nach der Gram- schen Metbode (p. 100 ff.). Yon Thieren sind fiir die Tetanusinfection bervorragend empfanglicb das Pferd3) und das Meerscbweincben, etwas weniger Mause, noch weniger Kanincben, nocb weniger Ratten; Hammel5), Himde, Tauben sind gering empfanglicb; das Hubn6) ist unempfangbcb fiir Tetanus. Werden cbe Tbiere mit unreinem, ausser Tetanuskeimen nocb andere Keime entbaltenden Materiale (Staub, Erde) inficirt, wie es bei der naturlichen Infection die Regel ist, so findet sicb bei der Section an der Infectionsstelle Eiter, welcber (ausser anderen Bakterien) sporen- tragende Tetanusstabchen entkalt. Nie finden sicb die Tetanus- bacillen an anderen Stellen des Korpers als an der Infectionsstelle (cf. oben p. 175). Wird die Infection mit einer Reincultur bewirkt, ') Wenn die Virulenz der Culturen sehr abgeschwiicht ist, so wird die Gelatine nach Tizzoni und Cattani (Riforma meclica 1891. No. 89. p. 158) nicht mehr verfliissigt. -) cf. Kitasato, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891. p. 305. — Wenn die Viru- lenz der Bacillen selir gross ist, so verfliissigen dieselben nach Tizzoni und Cattani (Riforma medica 1891. No. 89. p. 158) das Blutserum. 3) Nach einer Angabe von Brieger, Kitasato und Wassermann (Zeitschr. *• Ryg- Bd. 12. 1892. p. 150) bilden die TetanusbaciUen, in streng neutraler Peptonbouillon unter Wasserstoff im Briitschrank geziichtet, wahrend der ersten 30 Stunden, trotz sehr reichlichen Wachsthums, keine Sporen. Derartige, c. 24 Stun- den lang gewachsene Culturen eignen sich vortreiflich, wenn es darauf ankommt, sporenfreies Tetanusmaterial zu haben. *) Die Incubationsperiode beim Pferd betriigt nach Schiitz (Zeitschr. 1'. Hyg Bd. 12. 1892. p. 81) 4—5 Tage. r>) Die Incubationsperiode beim Hammel betriigt nachSchii tz (cbenda) 2—4 Tage. °) Ermittelung von Kitasato (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891. p. 301). Giintlier, Bakteriologie. 210 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. so ist nur Hyperaemie an der Impfstelle, aber keine Eiterung vorhanden; und es linden sicli in solchen Fallen auch keine Tetanus- bacillen bei der Section des Thieres: die Bacillen sind, obgleich sie typi- scben Tetanus veranlasst haben, spurlos im Thierkorper verscbwunden.1) Wie bereits obcn (p. 175) ausfiihrlich erortert wurde, gehdrt der Tetanusbacillus zu den toxiscken Bakterienarten. Er wirkt deletar auf den empfanglichen Thierkorper ausschliesslich durch ein furchtbares specifiscbes Gift, welches er bei seiner Vermehrung auf dem (natur lichen oder kiinstlichen) Nahrboden bildet. Dringen Tetanuskeime in das subcutane Gewebe ernes empfanglichen Individuums ein (die anaerobe Natur des Tetanusbacillus gestattet, wie das auch beini Ba- cillus des malignen Oedems [p. 205] der Fall ist, die Infection nur vom Subcutangewebe aus), so vermehren diese Keime sich local an der Infectionsstelle und bilden bier das Tetanusgift, welches dann in das Innere des Korpers hineingelangt und che Allgemeinsymptome der Tetanuskranldieit bewirkt. Wir haben bier also primar eine Tetanus- infection (Vermehrung der Keime) und secundar eine daraus resul- tirende Tetanus intoxication. Da das Tetanusgift aber nicht bloss im inficirten Korper, sondern auch auf kiinstlichem Nahrboden, in der Cultur, gebildet wird, so kann man auch eine p r i m a r e Intoxication erzielen, und zwar dadurch, dass man dem empfanglichen Thiere eine kunsthche Tetanusbacillencultur (in zweckmassiger Dosis) einverleibt, welche auf passende Weise von den lebenden Tetanuskeimen befreit ist, das geloste Gift aber enthalt. Der Erfolg ist, mag die Intoxication eine secundare oder erne primare sein, derselbe : das empfanglicke Thier erkrankt an Tetanus. Die Tetanusempfanglichkeit ist eine Empfanglich- keit fur die specifische Vergiftung. Durch ausschliesslich e Verimpfung absolut gift- freier (durch Auswaschung von dem gelosten Gifte befi'eiter) Te- tanuskeime (in nicht allzugrosser Quantitat) gelingt es ubrigens, nach Untersuchungen von Vaillard und Vincent2), nicht, Tetanus- erkrankung zu erzeugen. Diese Keime scheinen allein, ohne fi'emde Beihulfe, hn normalen Korper sich nicht vermehren zu konnen. Da- gegen erlangen diese Keime, wie die genannten Autoren ermittelten, die Fahigkeit der Vermehrung und damit der Tetanuserzeugung, wenn zugleich mit ihnen fremde, die Infectionsstelle schiidigende Diuge (z. B. etwas Milchsaure, etwas Trimethylamin, eine Cultur von Bac. prodigiosus etc.) dem Thierkorper eingeimpft werden, oder wenn. die 1) Kitasato, Zeitscln-. f. Hyg. Bd. 7. 1889. p. 231. 2) Annales de l’lnst. Pasteur. 1891. p. 24 ff. Der Tetanusbacillus. 211 Impfstelle traumatisch geschadigt vvird. Bei der Tetanusinfection, wie sie unter naturlicken. Verhaltnissen (durch Eindringen von Erde, Staub etc. in das verletzte Unterhautgewebe) stattfindet, gelangen nie Tetanus- keime allein, sondern stets zugleicb andere Bakterienkcime in den Korper binein, welche die Yermebrung der Tetanuskeime begiinstigen.1) Das specifische Tetanus gift, welcbes in kiinstlicben Culturen des Tetanusbacillus gelost entbalten ist und im tetanuserkrankten Korper mit den Stiffen circulirt2), ist seiner cbemiscben Natur nacb nocb ziemlicb wenig bekannt. Durcb Erbitzen wird es gescbadigt. Bereits 5 Minuten lange Erbitzung auf 65° C., 20 Minuten lange Er- bitzung auf 60° C., 1 l/2 stiindige Erbitzung auf 55° C. schadigt das Gift sebr erbeblicb; zu seiner volligen Zerstorung ist allerdings eine intensivere Einwirkung der Hitze notbwendig. Ebenso wirken aucb Austrocknen bei Briittemperatur, Einfluss des Licbtes, des Luftsauer- stoffs, scbadigend auf das Gift.3) Es ist sebr scbwer, eine das Tetanus- gift entbaltende Losung in unveranderter Giftwirkung zu conserviren. Behring und Knorr4) fanden am zweckmassigsten bierfur einen Zusatz von 0,6 °/0 Carbolsaure und Aufbewahrung in fest verscblossenen Flascben. So wie die Empfanglichkeit far den Tetanus als Empfanglichke.it 4) Inficirt man Yersuchsthiere (weisse Mause, Meerschweinchen etc.) mit tetanus- sporenhaltiger Erde, und ubertragt man nach dem Tode des Thieres von dem eitrigen Material der Infectionsstelle etwas auf ein neues Thier u. s. f., so gelingt es gewohnlich nicht die Tetanuserkrankung iiber das dritte Thier hinaus zu erzeugen. Die erste, mit Erde geimpfte, Maus stirbt gewohnlich nicht vor dem 3. bis 4. Tage an Tetanus: die Tetanussymptome entwickeln sich bei ihr sehr langsam und sind wenig characte- ristisch; das von dem ersten Thiere geimpfte zweite Thier erkrankt gewohnlich be- reits innerhalb 12 Stun den nach der Impfung unter klassischen, schnell sich steigern- den Starrkrampferscheinungen und stirbt gewohnhch vor Ablauf des ersten Tages nach der Impfung. Bei weiteren Uebertragungsversuchen von Thier zu Thier be- kommt man, wie gesagt, sehr bald negative Resultate. Nach Yaillard und Rouget (Ann. de l’lnstitut Pasteur 1S92. p. 428) ist der Grund hierfiir der, dass die Bakterien, deren Mitiibertragung die Yermebrung des Tetanusbacillus im Thier- korper ermoglicht oder begiinstigt (siehe das Vorhergehende oben im Text), von Thier zu Thier eine ,, progressive Verminderung an Zahl und Wirksamkeit“ erleiden. 2) Beim Menschen wies zuerst Nissen (Deutsche med. Wochenschr. 1891. No. 24) das Gift in dem circulirenden Blute des Tetanischen nach. — Das Tetanus- gift kann gelegentlicb auch in den Harn tibergehen. — Mit dem specifischen Tetanusgift haben nichts zu thun gewisse von Brieger aus Tetanusculturen herge- stellte Alkaloide, von denen namentlich das Tetanin C13H30N2O4 iiusserst giftig und starrkrampferregend wirkt. 3) Vergl. Kitasato, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891, Va i 1 lard und Rouget, Annales de l’lnst. Pasteur. 1892. No. 6. 4) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. J893. 14* 212 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. fur die V.er gift ung angesehen werden muss (cf. oben p. 210), so ist aucli (durch Behring und Kitasato; siehe oben p. 187 ff.) die ervvorbene I m m u n i t a t gegen den Tetanus als eine Immunitat gegen die Vergiftung, als Giftfestigkeit erkannt worden. Wir liaben oben (p. 191 ff.) des Naheren auseinandergesetzt, dass es gelingt tetanus- empfanglicke Tliiere gegen Tetanus zu immunisiren und die kiinstliche Immunitat kiinstlieh weiter zu steigern; und wir sahen, dass das Blut und speciell das Blut serum der kiinstlieh immunisirten Thiere tetanusgiftzerstorende Fahigkeiten besitzt, und dass diese Fahig- keiten sowohl im Reagenzglase wie im (tetanuskranken) Thierkorper zum Ausdrucke gelangen. Auf dieser tetanusgiftzerstorenden Eigen- schaft des Blutserums tetanusimmunisirter Individuen heruht, wie wir sahen, die Moglichkeit, mit derartigem Serum tetanusempfanglicke Individuen gegen Tetanus zu immunisiren und bereits erkrankte zu heilen. Die Tetanusheilkorper, d. h. die in dem Blutserum immu- nisirter Individuen enthaltenen, immunisirend und heilend wirkenden chemischen Substanzen, sind ihrer chemischen Natur nach noch sehr wenig erforscht. Nach Behring und Knorr1) sind sie ausserordent- lich widerstandsfahig gegen chemische, physikalisehe und atmospharische Einfliisse ; bei der Dialyse des Serums gehen sie in das Dialysat iiber und lassen in dem letzteren die characteristischen Eiweissreactionen durchaus vermissen. 4. Der Rauschbrandbacillus. Yielfach mit Milzbrand verwechselt wurde friilier eine Krankheit, welche zuerst 1876 von Feser und von Bollinger als „Rauscli- brand“ fixirt und so vom Milzbrande getrennt wurde. Der Rausck- brand2) (charbon symptomatique) ist eine iiber die ganze Erde ver- breitete, jedoch immer nur in bestimmten Gegenden heimiseke, sporadiscli auftretende, sehr haufig mit Milzbrand zusammen vorkommende Infec- tionskrankheit, die fast nur Rinder, und zwar hauptsachlick jimge (1 — 3 Jahre alte) Individuen, befallt imd besonders in den Monaten Juni bis September auftritt, wo die Thiere auf die Weide getrieben werden. Der Krankheitsverlauf ist meist ein sehr sturmischer, fast stets todtliclier. Die Thiere erkranken mit unregelmassig begrenzten. *) Behring, Die Blutserumtherapie. I. Leipzig, G. Thieme, 1S92. p. 52. 2) Die folgende Schilderung lehnt sich an die Skizze von Kitt (Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 18S7. No. 23—25) an. Der RausohbrandbaciUus. 213 beim Ueberstreichen und Driicken deutlich knisternden („rauscbenden“, „Rauschbrand“) Anscbwellungen der Haut und Musculatur, besonders der Sehenkel und Brust; dabei bestehen Storungen des Allgemein- belindens und holies Fieber, und 36 — 40 Stunden nacli dem Beginn der Erkrankung erfolgt der Tod. Die Cadaver sind stark aufgetrieben. Das Unterhautgewebe stellt eine sulzige, gelblich oder blutig gefarbte Masse dar, welche die morsche, mit Gas durchsetzte, sckwarzbraunrothe Musculatur bedeckt. In dem Gase land Kitt 7 6 °/0 Wasserstoff. In dem erkrankten Gewebe findet sich ein specilischer Bacillus, welcher von Feser und Bollinger bereits als Erreger der Krank- heit angesprochen wurde. Arloing, Cornevin und Thomas er- hielten ihn in kiinstlicher Cultur, mit der sie Thiere erfolgreich infi- ciren konnten. Kitasato1) gelang es den Bacillus in festen Nahrboden sicher rein zu cultiviren. Der Rauschbrandbacillus ist 3 bis 6 lang, 0,5 bis 0,7 fi dick. In der Cultur liegen die Stabchen meist einzeln. Sie zeigen massig lebhafte Eigenbewegung. Jedes Exemplar besitzt zahlreiche Geisseln wie der Bacillus des malignen Oedems (cf. p. 204); die- selben lassen sich nach der Loeffler ’schen Geisselfarbungsmethode (p. 7 5 fF.) mikroskopisch darstellen. In Blutser unicult uren des Rauschbrandbacillus hat Loeffler2) gelegentlicli seiner Studien fiber Geisselfarbung eigenthiimliche , spiralig gedrehte, haarzopf- ahnliche Gebilde von verschiedenster Grosse angetroffen. Diese Gebilde, welche sich in Praparaten, die nach der Geisselfarbungsmethode behandelt sind , gefarbt zeigen , aber auch ungefarbt im hangenden Tropfen zu sehen sind, bestehen nach Loeffler’s Ansicht vielleicht aus zusammengedrehten abgerissenen Geisseln. Diese Haarzopfe wur- den bei k e i n e r anderen Bakterienart gefunden ; sie wurden in Gelatineculturen der Rauschbrandbacillen ebenfalls vermisst. Die Rauschbrandbacillen sind exquisite A n a e r o b e n. Sie wachsen auf den gewohnlichen Nahrboden, unter 14° C. nicht, bei 16 — 18° C. langsam, am besten zwischen 36 und 38° C. Die Rauschbrandbacillen verfliissigen die Gelatine; die Colonien erscheinen innerhalb der- selben als kugelige, mit Fliissigkeit angeffillte Hohlraume, von denen aus die Bacillenfaden stralilig in die Gelatine hineinwachsen. Inner- halb der festen Nahrsubstrate (Gelatine, Agar) findet bei dem Wachs- thum Gasbildung statt. Bouillonculturen riechen nach ranziger Butter. Die Kartoffelculturen der Rauschbrandbacillen (in ') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 8. 1 800. J) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. p. 636. 214 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. sauerstofffreier Atmosphare geziichtet) haben Aehnlichkeit mit denen der Typhusbacillen : man bemerkt nur einen feuchten Glanz auf der Kartoffelflache ; entnimmt man etvvas mit der Platinnadel, so fuhlt man eine dicke, weiche, sich leicbt ablosende Masse, die aus den Organismen bestebt. (B 1 ii c h e r.) ') Der Rauschbrandbacillus bildet ovale Sporen, weiche dicker sind als der Bacillus nnd dem einen Ende des Bacillus nahe stehen, so dass derselbe ein ltolbenformiges Aussehen bekommt. Die Sporen bilden sich in den kunstlichen Culturen, bei Briittemperatur schneller, bei Zimmertemperatur langsamer. Innerhalb des inhcirten Thierkorpers bilden sich Sporen erst dann, wenn 24—48 Stunden nach dem Tode des Thieres verstrichen sind. Im Korper des kranken Thieres sowie in kunstlichen Culturen werden sehr haufig Involu- tionsformen beobachtet; die Bacillen zeigen hier gewohnlich mittel- standige Auftreibungen, so dass Spindelformen zu Stande kommen. Die V i r u 1 e n z der Rauschbrandbacillen bleibt in den Culturen auf festem Nahrboden dauernd erhalten. Der Rauschbrandbacillus farbt sich gut mit kalten Farblosungen ; er farbt sich nicht nach der Gram’schen Methode (p. 100 ff. ). Auf Menschen ist eine Uebertragung der Infection noch nicht be- obachtet. Rinder, Schafe, Ziegen, Meerschweinchen sind leicht zu inficiren; Pferde, Esel, weisse Ratten zeigen nur vortibergehend locale Storungen ; Schweine, Hunde, Katzen, Kauinchen* 2), gewohnliche Ratten, Enten, Hiihner, Tauben erscheinen nahezu immun; Mause sind wenig empfanglich. Frosche sterben an der Infection, wenn sie bei 22 u C. gehalten werden (Arloing, Cornevin und Thomas). Die Infection wird stets nur durch subcutane Application veranlasst (wegen der anaeroben Natur des Erregers [cf. p. 205]). Meerschweinchen, Schafe und Rinder konnen kiinstlick gegen Rauschbrandgift immunisirt werden (cf. p. 184, Amn. 1). Kitt3) fand, dass getrocknetes Rauschbrandfleisch durch OstiindigeEr- hitzung im stromenden Dampfe von 100° C. in einen zur Immunisirung brauchbaren Impfstoff verwandelt wird. J) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 8. 1890. p. 503. '2) Roger (Acad, des sc. Paris. 1889) fand, dass die natiirlicke Immunitat des Kaninchens gegen Rauschbrand durch gleichzeitig mit der Rausckbrand- impfung erfolgende Einverleibnng der Stoffwechselproducte von Bac. prodigiosus, Staphylococcus aureus und von anderen Bakterienarten kiinstlicb aufgeboben wer- den kann. 3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 18 — 19. Dor Tuberkolbacillus. 215 5. Der Tuberkelbacillus (Bacillus der Saugethiertuberculose). Der Erste , welcher (lurch Einbringung tuberculosen Materiales experimentell Tuberculose bei Thieren erzeugte, war Klencke1) (1843). Weiterhin kani dann auf Grand planmassiger Experimente Yi lie min2 *) (1865) dazu, die Tuberculose mit Sicherheit als Infec- tionskrankheit anzusprechen. Durck C o b n h e i m und S a 1 o m o n s e n °) (1877), welcke die Impfung in die vordere Augenkammer (cf. p. 173) des Kaninchens (und Meerscbweinchens) einfiibrten, wurde an der Hand dieses Infectionsmodus der sicbere Nacbweis gefiibrt, dass ausschliess- licb die Uebertragung tuberculosen Materiales Tuberculose hervorruft. War durck die Untersuchungen von Yillemin und von Cohnkeim der infectiose Character der Tuberculose auch so gut wie sichergestellt, so sollte es doch R. Koch vorbebalten bleiben, die A e t i o 1 o g i e der Tuberculose festzustellen. Durck die Arbeiten R. K o c h ’s 4 *) wurde zunachst festgestellt, dass eine bestimmte Art von B a c i 1 1 e n , welcke sick durck ein ganz spe- cifisckes Farbungsverkalten von den ilbrigcn bekannten Bakterienarten untersckeidet, regelmassig und auss ch lies slick bei der Tuberculose gefunden wird, ferner, dass diese Bacillen ortlick und zeitkck alien der Tuberculose eigentkumlicken Yeranderungen voran- geken, und dass ihre Anzakl, ikr Erscheinen und Versckwinden in directem Yerhaltniss zum Verlauf der Tuberculose stekt. &) Weiter gelang es Kock die fur die Tuberculose specifischen Bacillen kunst- lich zu ziickten, die vollkommenste Uebereinstimmung der von dem versckiedensten Ausgangsmateriale gewonnenen kiinstkcken Cul- turen darzuthun und durck Uebertragu n g der durck beliebig viele Culturgenerationen hindurchgegangenen Bacillen in den Korper empfang- licher Thiere mit Sicherheit den Nacbweis zu fiikren, dass die Tuber- kelbaciUen die Ursache der Tuberculose sind. Aus semen Gesammt- untersuchungen aber konnte Kock0) den stolzen Sckluss zieken, „dass ') Untersuchungen und Erfahrungen im Gebiete der Anatomie, Phvsiologie, Mikrologie, wissenschaftlichen Medicin. Von Prof. H. Klencke. Leipzig, Fest’sche Verlagsbuchhandlung. 1843. Bd. 1. p. 123. (Citirt nacb Waldenburg, Die Tuber- culose, die Lungenscbwindsucht und Scrophulose. Berlin (Hirscbwald) 1809. p. 198.) 2) Acad, de med. Paris. 4 dec. 1865. (Erfolgreicbe Impfungen der Tuberculose vom Menscben auf das Kaninchen.) ■•) Schles. Ges. f. vaterl. Cultur. 13. Juii 1877. (Jabresber. p. 222.) ■') Vortrag in d. physiolog. Gesellscb. zu Berlin am 24. Marz 1882. (Berl. kbn. Wocbenscbr. 1882. No. 15.) — Mittb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 18S4. ") cf. Mittb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 46. (l) Ebenda p. 76. *216 B. Die Bakterien als Krankbeitserreger. die Tuberkelbacillen iiiclit bloss eine Ursache der Tuberculose, sondern die einzige Ursache derselben sind, und dass es ohne Tuberkelbacillen keine Tuberculose giebt.“ Die Tuberkelbacillen linden sicli, wie schon gesagt, bei jedem tuberculosen Process, mag derselbe nun als miliare Tuberculose, Lungenschwindsuckt ’) oder Darmphthisis, Tuberculose einzelner Organe, Scrophulose der Driisen, fungose Entzundung der Gelenke, Lupus auf- treten. Und wie bei der Tuberculose des Menschen, so finden sicli die Tuberkelbacillen auch bei der Tuberculose der Tliiere: bei der Perlsucht des Rindes, der Tuberculose des Pferdes, des Schweines, der Ziege, des Schafes, des Affen, Meerschweinchens, Kaninchens etc. „Ani sichersten trifft man die Bacillen dort an, wo der tuberculose Process im ersten Entsteben oder im raschen Portscbreiten begriffen ist.“'2) Bei der Hiibner- (Geflugel-) Tuberculose finden sicb Bacillen, die in ihrem Aussehen und in ilirem Yerbalten gegen Anilin- farben mit den gewohnlichen Tuberkelbacillen vollkommen uberein- stimmen, und die von Koch zunachst mit den letzteren fur identisch angeseben wurden. Es baben sich jedoch spaterhin (Maffucci, Koch) Unterschiede zwiscben den Hubnertuberculosebacillen und den gewohnlichen Tuberkelbacillen ergeben, die namentUcb in deni Aus- sehen der kiinstlichen Culturen bervortreten ; und Koch3) ist dem- nach der Ansicht, dass die Bacillen der Hubnertuberculose eine fur sicb bestehende, aber den ecbten Tuberkelbacillen (den Bacillen der Saugethiertuberculose) sehr nabe verwandte Art darstellen. Wir werden die Bacillen der Gefliigeltuberculose zum Gegen stande einer besonderen Betrachtung macben. Koch hatte die Ansicht ausgesprochen, dass bei der Entstehung der Tuberkel im Gewebe hauptsaclilich Wanderzellen betbeiligt seien, die die Verschleppung der Bacillen von ehiem Orte zum anderen bewirkten. Durch den Reiz, welcben der Bacillus auf die Zelle aus- ubt, wird die letztere bald unfabig, ihre Wanderung weiter fortzusetzen. ') Die ulcerose Lungenphtbisis ist stets eine Miscliinfection, bei der ausser Tuberkelbacillen nocb andere Bakterienarten , am baufigsten Strepto- coccen, betbebigt sind (cf. Kitasato, Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 11. 1892. p. 444: Cornet, Wiener med. Wocbenscbr. 1892. No. 19 — 20; Petruscbky, Deutsche med. Wocbenscbr. 1893. No. 14). Die bei der Pbtbisis die Tuberculose complicirende secondare Streptococceninfection kann zu einer Ueberscbwennunng des gesammten Organismus mit Streptocoecen, zu einer ricbtigen Septicaemie, fiibren. Kocb be- zeicbnet (cf. Deutsche med. Wocbenscbr. 1893. p. 317) die Curve des hektischen T iebers als ,,Streptococcencurve.“ "’) Mittli. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 17. ") 10. Internat. med. Congr. Berbn 1890. Verbandlungen. Bd. 1. p. 39. Dor Tuberkelbacillus. 217 Es entsteht aus ihr cine epitlielioide Zelle und daraus dann die tuber- culose Riesenzelle. Damit ist das Centrum fur den Tuberkel gescbaffen. Baum gar ten1) ist nacli seinen Untersuchungen zu der Ueberzeugung gelangt, dass bei der ersten Entstehung des Tuberkels die fixen Ge- webszellen, namentlick die Bindegewebszellen, wesentlich mitbetheiligt sind. Aus ilmen werden durcli Karyokinese junge Zellen neugebildet, welcbe epitkelioiden Character haben. Die Bacillen brauclien nicht durch Wanderzellen verschleppt zu werden, sondern es geniigt zur ^ eitertransportirung der Bacillen (welcbe ohne Eigenbewegung sind) der Saftstrom in Verbindung mit der Wachsthumsbewegung der Tuber- kelbacillen. Der liistologiscke Befund bei der Tuberkelbildung ist ubrigens ein ganz verschiedener je nach der Art des die Infection bewirkenden Materiales und je nach dem Ort, an dem sich der Tuberkel entwickelt. Die bei der Tuberkelbildung auf die Neubildung von Zellen stets folgende centrale Yerkasung ist als Nekrose der Zellsub- stanz (A eigert s Coagulationsnekrose) aufzufassen, die durch den deletiiren Einfluss der Bacillen zu Stande kommt. Die tuberculosen Riesenzellen, welche sich bekannthch durch randstandige Kerne auszeichnen, sind nach Weigert s Ermittelungen partiell (central) verkaste (nekrotisch gewordene) Zellen. Die Tuberkelbacillen sind feme Stabchen von 1,6 bis 3,5 /t Lange, welche ubrigens bei der Farbung mit Methylenblau diinner, mit Gentianaviolett oder Fuchsin gefarbt dicker erscheinen und haufig eine Gliederung (ungefarbte Stellen im gefarbten Bacillus) erkennen lassen. Sie sind gewohnlich nicht ganz gerade gestreckt, sondern zeigen leichte Biegungen und Krummungen. Sie liegen im Gewebe meist einzeln. In ktinstlichen Culturen und auch- dort, wo sie im Thierkorper sich imbeeinflusst von lebenden Zellen entwickeln konnen (in vollstandiu abgestorbenem Gewebe) kommt es zur Bildung typisch gestalteter Gruppinmgen der Bacillen. Man sieht dann bei schwachen Yergros- serungen besonders S-formig geschwungene, in der Mitte spindelformig verdickte , an den Enden zugespitzte Figuren, welche aus zusammen- gelagerten Bacillen gebildet sind. Eigenbeweglichkeit geht den Tuberkelbacillen vollstandig ab. Die Tuberkelbacillen wachsen, wie Koch fand, vortrefFlich auf erstarrtem Blut serum, welches man sich in der oben (p. 118) be- schriebenen Weise praparirt. Die Cultivirung der Tuberkelbacillen ist eine sehr schwierige Aufgabe. „Am sichersten gelingen die Rein- culturen, wenn zur Aussaat ein bacillenreicher Tuberkel oder ebensolche ‘) cf. Lehrbuch der pathol. Mykologie. Bd. 2. 1890. p. 555 ff. 218 B. Die Bafctenen als Krankkeitserregcr. Substanz aus dem Innern von noch wenig verkasten Lymphdriisen eines getodteten tuberculosen Meerschweincbens genommen wird.1) Damit die Cultur aber gliickt, ist die Yermeidung irgend welcker Ver- unreinigungen durehaus nothwendig. Die Section des Cadavers, aus dem das Material entnommen werden soil, muss moglichst bald nach dem Tode vorgenommen werden. Die Haut wird, nach ausserlicher Durchfeucbtung mit Sublimatlosung , mit ausgegliihter , noch heisser Schere durchschnitten ; es werden darauf mit anderen durch Ausgluhen sterilisirten Instrumenten die tuberculosen Organe blossgelegt und mit wiederum neuen sterilen Instrumenten einzelne Tuberkelkndtchen herauspraparirt. Naclidem ein solches Tuberkelkndtchen zwischen ste- rilen Skalpellen zerdriickt ist, wird die zerdriickte Masse mit starkem Platindraht auf das Blutserum ausgestrichen oder vielmehr in die Oberflache desselben eingerieben. Solcher Rohrchen werden immer gleich eine grossere Anzahl inficirt, weil das eine oder das andere derselben durch fremde Keime, welche trotz aller Yorsicht sich ein- geschlichen haben konnten, eventuell verloren sein konnte. Derartige Yerunreinigungen wachsen stets schneller als die Tuberkelbacillen ; und es ist demnach behufs der Anlegung einer kiinsthchen Cultur von Tuberkelbacillen aus dem Thierkorper stets durehaus nothwendig, von einer bereits bestehenden (natiirlichen) Reincultur auszugehen und die- selbe ohne Yerunreinigungen auf den sterilen Nahrboden zu iibertragen. Die in der beschriebenen Weise beimpften Bhitserumrohrchen werden dann (wie wir bereits oben p. 147 auseinandergesetzt haben) mit frisch abgebranntem Wattepfropf verschlossen ; liber die Oeffnung des Rohrchens wird eine in Sublimatlosung sterihsirte Gummikappe gezogen, welche einen luftdichten • Abschluss bewirkt und den Nahr- boden bei dem nun folgenden Aufenthalte im Brutschrank vor A er- dunstung und Austrocknung bewahrt. Die Tuberkelbacillen gedeihen unter 29° C. nicht; ebenso wachsen sie nicht mehr bei 42° C. Das Optimum der Temperatur hegt pei 37 — 38° C. Bei der letzteren Temperatur erscheinen auf dem Blutseru m mikroskopisch bereits nach 5 — 6 , makroskopisch erst nach 10 — 15 Tagen kleine, trockene, weisse, der Oberflache des er- starrten Serums lose aufliegende Schiippchen von starrer, briichiger Consistenz, welche ganz aus aneinander klebenden Bacillen bestehen. Ist die Cultur aus vereinzelten Keirnen hervorgegangen, so zeigen die Colonien, bei schwacher Vergrosserung betrachtet, die oben erwahnte S-formige, spindelartige Gestalt. Das Blutserum wird nicht verfliissigt. *) Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1SS4. p. 49. Dcr Tuberkelbacillus. 219 Als Blutserum eignet sicli zur Cultur am besten solches vom Hammel, Rind odor Kalb. Auch anf Bouillon gedeihen die Tuberkel- bacillen, cbenso auf gewolmlichem Nahragar, wenn auch nicht so gut wie auf Blutserum. Auf dem Agar kommt es zur Bildung com- pacter unformlicher Massen. N o c a r d und Roux1) haben gefunden, dass ein Zusatz von 6 — 8 °/0 Glycerin2 3) zu Bouillon und zu Agar dieselben viel geeigneter zum Nahrboden fiir Tuberkelbacillen macht, als sie es oline diesen Zusatz sind. Bonhoff8) bat neuerdings ge- funden, dass sich zur Cultur der Tuberkelbacillen ganz besonders eine aus gesunder Kalbslunge hergestellte , mit 4 °/0 Glycerin versetzte Bouillon eignet. Dieser Nahrboden scheint ein kraftigeres Wachsthum der Tuberkelbacillen zu gestatten als alle anderen bekannten kunst- lichen Nahrboden. Auf Bouillon gedeihen die Tuberkelbacillen, ihrem starken Sauerstoffbediirfnisse entsprechend, mu- auf der Ober- flache des Nahrbodens. Pawlowsky4) gelang es auch die Tuberkelbacillen auf der Kartoffel zu culti viren. Neuerdings hat Sander5 *) die Cultivirung der Tuberkelbacillen auf pflanzlichen Nahrboden iiberhaupt zum Gegenstande eingehender Studien gemacht. Sander fand, dass auf einer ganzen Reihe derartiger Nahrboden die Ziichtung der Tuberkel- bacillen leicht gelingt, dass aber ihre Yirulenz dabei stets geschadigt wird. Ausserordenthch uppig wachsen nach den Ermittelungen des Autors die Tuberkelbacillen auf einer (sauren) mit 4 °/0 Glycerin ver- setzten Kartoffelbriihe. c>) Neuerdings hat Koch7) eine Methode angegeben, die Tuberkel- bacillen direct aus phthisischem Sputum zu cultiviren. Da das Sputum stets noch andere Bakterien enthalt, so kommt Alles b Annales de l’lnst. Pasteur. 1887. No. 1. 2) Nach den Untersuchungen von Hammerschlag (Centralbl. f. kliu. Med. 1891. No. 1. p. 15) brauchen die Tuberkelbacillen (im Gegensatz zu alien iibrigen bekannten Bakterienarten) Kolilchydrate oder Glycerin nothwendig zum Wachsthum. 3) Hyg- Rundschau. 1892. No. 23. 4) Annales de l’lnst. Pasteur. 1888. No. (i. R) Arch. f. Hyg. Bd. 16. 1893. ®) 100 g zen-iebene Kartoffel werden mit 300 ccm Wasser versetzt und iiber Nacht in den Eisschrank gestellt. Aus dem Gemische werden (durch ein Seihtuch hindurch) 300 ccm Kartoffelsaft ausgepresst ; der letztere wird 1 Stunde lang auf dem Wasserbad gekocht, darauf filtrh-t, mit 4 °/0 Glycerin versetzt, sterilisirt und ist dann zum Gebraucke fertig. 7) Durch Kitasato publicirt (Zeitschr. f. Hyg. Bd. II. 1892). — Bei dieser Gelegenheit fand Kitasato, dass die in phthisischem Sputum vorhandenen Tuberkel- bacillen gewohnlich zum grosstcn Theile abgestorben sind, wenn sie sich auch noch in normaler Weise fiirben lassen. 220 B. Die Bakteiien als Krankkeitserreger. darauf an, diese Ietzteren moglichst zu entfernen. Koch lasst zu diesem Zwecke den Ivranken nach sorgfaltiger Reinigung der Mundhohle in ein sterilisirtes Petri’sches Schalchen aushusten. Die ausgehustete Schleimflocke wild dann in oft erneuertem sterilisirten Wasser ausge- waschen; und es wird nun — nach geschehener mikroskopischer Priifung — ein mit sterilisirten Instrumenten aus der Mitte der Flocke entnom- menes Partikelclien auf Glycerinagar oder Blutserum ausgestrichen. Die Culturrolirchen kommen nach luftdichtem Abschluss (p. 218) in den Briitschrank. Gelingt der Yersuch, so entwickeln sich binnen 2 Wochen Colonien von Tuberkelbacillen auf der Oberflache des Nahrbodens, welche zunachst gewisse Differenzen von den Colonien, welche bei der Culti- virung der Tuberkelbacillen aus dem Thierkorper entstehen, darbieten : die Colonien stellen kreisrunde, rein weisse, feucht glanzende, glatte, undurchsichtige Flecken dar. Spater verwischen sich die Differenzen in dem Aussehen der so erhaltenen Colonien von dem der aus dem Thierkorper gezuchteten. Ein anderes Verfahren, Tuberkelbacillen direct aus Sputum zu cultiviren, hat Pastor1) angegeben. Das moglichst ohne Verunreini- gungen (wie oben bei dem Koch'schen Verfahren) gewonnene, in sterilisirtem Wasser abgespiilte Sputum wird durch Schiitteln in steri- lisirtem Wasser zu einer feinen Suspension aufgeschwemmt; die Auf- schwemmung wird in geschmolzener Nahr gelatine vertheilt, imd die letztere wird zur Platte ausgegossen. Nach 3- — 4 Tage langem Stehen bei Zimmer temp eratur werden auf der Platte die durchsichtig ge- bliebenen Stellen, d. h. die Stellen, an denen sich keine Colonien (die nur verunreinigenden Bakterien zugehoren konnen) entwickelt haben. aufgesucht; diese Stellen werden mit sterilisirtem Messer ausgescknitten. auf Blutserum gebrackt, und das letztere wil’d in den Briitschrank gestellt. In etwa 10 °/0 der geimpften Rolirchen entwickeln sich Rein- cultiu-en von Tuberkelbacillen. Die Tuberkelbacillen bewahren bei der fortlaufenden Ziichtung auf kiinstlichem Nahrboden2) ihre Eigenschaften sehr hartnackig. Koch:!) ziichtete Reinculturen seit mehr als neun Jahren im Reagenzglase fort: diese Culturen, die seitdem nie wieder in einen lebenden Korper ge- langten, haben sich bis auf eine geringe Abnahme der Yirulenz voll- kommen unverandert erhalten. Die Culturen der Tuberkelbacillen miissen, wenn ihre Uebertrag- barkeit erhalten bleiben soli, sorgfaltig vor Liclit gescliiitzt b Centralbl. 1'. Balct. Bd. 11. 1S92. No. 8. ■) Auf pflanzlidicn Nahrboden (siebe p. 219) wird die Yirulenz gesckiidigt. a) 10. internat. med. Congr. Berlin 1890. Verhandlungen. Bd. 1. p. 39. Der Tuberkelbacillus. 221 wertlen. Durch direotes Sonnonlicht werden Tuberkelbacillen je nach der Dicke der Scbicbt, in welch er sie dem Sonnenlichte ausgesetzt werden, in wenigen Minuten bis einigen Stunden getodtet. Das zer- strente Tageslicht iibt, wenn ancb entsprecbend langsamer, dieselbe Wirkung aus; die Culturen der Tuberkelbacillen sterben, wenn sie dicht am Fenster aufgestellt sind, in 5—7 Tagen ab (Koch).1) Nach seinen ersten Untersuchungen war Koch der Ansicht, dass der Tuberkelbacillus — sowohl in der kunstlichen Cultur wie im Thier- korper — Sporen bildet: Die sporentragenden Stabchen sind analog den sporenhaltigen Milzbrandfaden gebaut, sie sind nur viel kleiner. Der Bacillus zeigt hierbei eine deutliche Ghederung (cf. p. 217). Es sind in jedem Bacillus 2 bis 6 Glieder vorhanden, welche je eine stark glan- zende, eiformige Spore enthalten.2) Ob diese Gebilde aber mit Sicherheit als „Sporen“ anzusprechen sind, erscheint neuerdings wieder zweifelhaft.3) Die Tuberkelbacillen sind als solche, d. h. in ihrer rein vegetativen Form, bereits durch eine viel grossere Resistenz4) gegen aussere Ein- flusse ausgezeichnet, als sie sonst vegetativen Bakterienzellen zukommt. Diese Resistenz findet auch in der (weiterhin ausfuhrlich zu bespre- chenden) Eigenschaft des Tuberkelbacillus, aus Farblosungen erst bei intensiver Behandlung mit den letzteren (cf. p. 98) Farbstoff in sich aufzunehmen , deuthchen Ausdruck. Aus der Resistenz tuberkel- bacillenhaltigen Materials gegen aussere Angriffe kann also nicht auf das Yorhandensein von Sporen geschlossen werden; diese Resistenz lasst sich ungezwungen aus den genannten Eigenschaften der Bacillen- substanz an sich erklaren. Die Frage, ob Sporenbildung bei dem Tuberkelbacillus besteht, wtirde erst dann definitiv in positivem Sinne entschieden werden konnen, wenn es gelange an den fraglichen Ge- bilden eine A u s k e i m u n g zu beobachten. Jedenfalls ist es also bis auf Weiteres nicht mehr statthaft, die in gefarbten Praparaten in den Tuberkelbacillen so haufig- aufzutinden- den un gefarbten Liicken (p. 217) als „ Sporen “ anzusprechen. Wie bereits mehrfach mitgetheilt, unterscheiden sich die Tuberkel- x) 10. internat. ined. Congr. Berlin 1890. Verkandlungen. Bd. 1. p. 42. 2) Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 22. ®) cf. C. Fraenkel, Grundriss d. Bakterienk. 3. Aufl. 1890. p. 308. *) Wahrend vegetative Bakterienzellen im Allgemeinen (cf. oben p. 23) durch Erhitzung auf c. 50° C. in kurzer Zeit vernichtet werden, werden Tuberkelbacillen in Reinculturen erst durch 10 Min. langes Erbitzen auf 70° C. getodtet (Yersin, Ann. de l’lnstitut Pasteur. 1888. No. 2; Bonhoff, Hyg. Rundschau, 1892. No. 23). — In 3 Jahre lang eingotrocknetem pbtbisiscbon Sputum fand Stone (Amer. Journ. of the Med. Sciences. March 1891) die Tuberkelbacillen nicht aOein von nonnaler Farbbarkeit, sondern auch von nur wenig abgeschwiicliter Virulenz. 222 B. Die Baktorien als Krankheitserreger. bacillen in ihrem Farbungs verhalten dadurch von alien anderen Bakterienarten, dass sie die Farbung durch basische Anilinfarbstoffe schwerer annebmen, und dass sie dementsprecbend, wenn sie einmal gefarbt sind, sich auck Entfarbungsmitteln gegeniiber schwerer zu- ganglicli verhalten als andere Bakterienarten. Wenn man Tuberkel- bacillen farben will, so muss man deshalb die Farbstoffe besonders in ten si v einwirken lassen; man hat aber in diesem specifischen Verhalten d e r Tuberkelbacillen ein Mittel , dieselben m i t Sicherheit nachzuweisen. Der Praktiker, der die Methoden zur Darstellmig der Tuberkelbacillen im gefarbten Praparate beherrsckt, hat dam it, die Fahigkeit, im gegebenen Falle zu entscheiden, ob es sich um Tuberculose handelt oder nicht. Die nrsprhngliche Methode, welche Koch zur Sichtbar- machung der Tuberkelbacillen anwandte, war folgende1): Der Schnitt oder das Trockenpraparat kam auf 20 — 24 Stunden bei Zimmertempe- ratur (auf (/„ bis 1 Stunde bei 40° C.) in eine Misckung von 200 ccm dest. Wasser, 1 ccm concentr. alcohol. Methylenblaulosung, 0,2 ccm lOproc. Kahlauge. Das dann dunkelblau gefarbte Praparat wurde in Wasser abgespult und gelangte far 15 Minuten in eine concentrirte wasserige Losung von Vesuvin (Bismarckbraun). Dann wurde das Praparat in Wasser abgespult und in der gewoknlicken Weise weiter bekandelt, um zur Kntersuchung in Balsam eingeschlossen zu werden. Die Tuberkel- bacillen erscheinen dann blau, die ubrigen Bakterieu und die Kerne des Gewebes braun. Ehrlich2) erreichte eine erheblich schnellere und in tensi- ve re Farbung der Tuberkelbacillen durch Anwendung seiner bereits oben (p. 94) besprochenen Anilinwasser-Farbstofflosungen. Ferner fand Ehrlich die sckon mehrfach erwahnte Thatsache, dass die Tuberkelbacillen, einmal gefarbt, sich gegen starke Entfarbungs- mittel (verdunnte Sauren) resistent verhalten. Das von Ehrlich construirte und von Koch acceptirte Farbungs- verfahren resp. Darstellungsverfahren der Tuberkelbacillen gestaltet sich danach folgendennassen 3) : Die Objecte (Schnitte oder I)eckg]aspr;ipa- rate) kommen fiir mindestens 12 Stunden bei Zimmertemperatur (oder kiirzere Zeit bei hokerer Temperatur) in die Ehrlich'sche Losung, *) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 5. — Berl. klin. Wockensckr. 1882. No. 15. 2) cf. Deutsche med. Wochenschr. 1882. p. 270. 3) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1S84. p. 10. Dor Tuberkelbacillus. 223 werden dann einige Secunden mit 25proe. Salpetersiiurewasser bekan- delt, dann einige Minuten in GOproc. Alcohol gespiilt nnd hinterher in verdiinnter Bismarckbraun- resp. Methylenblaulosung (je nachdem die erste Farbung mit Violett oder Fuchsin vorgenommen wurde) nach- gefarbt. Dann nochmaliges Spiilen in GOproc. Alcohol, Entwassern in absolutem Alcohol, Aufliellen in Cedernol. Nun kommt die mikrosko- pische Untersuchung des Praparates. Dasselbe wird zum Scbluss in Balsam eingelegt, wenn es conservirt werden soil. Ziehl1) empfahl dann seine oben (p. 95) angegebene Carbol- saurefuchsinlosung zur Farbung der Tuberkelbacillen. B. Fraenkel'2) empfahl, bei Deckglaspraparaten die Entfarbung und die Nachfarbung gleichzeitig vorzunehmen. Das mit Anilinwasser- fnchsin gefarbte Deckglaspraparat gelangt in eine Fliissigkeit, welcbe aus 50 Wasser, 30 Alcohol, 20 Salpetersaure und Methylenblau bis zur Sattigung besteht. Wenn das Praparat blau erscheint, wird es in Wasser abgespiilt und dann in Wasser untersucht. Der Yerf. wendet seit Jahren zur Darstellung der Tuberkel- bacillen in Deckglastrockenpraparaten folgendes Verfahren3) an: Das mit Sputum etc. auf die bekannte Weise (cf. p. 57) hergestellte, an der Luft getrocknete und zur Fixirung 3 Mai durch die Flamme ge- zogene D e c k g 1 a s bringt man 1) (mit der Praparatenschicht nach unten) auf die Oberflacke frisch bereiteter Ekrlick’scker Anilinwasser-Fucksinlosung (p. 94), welche in ein Uhrschalcken eingefiillt ist (Filtriren ist nicht noth- wendig) und das Schalchen fast vollstandig erfullt. Sinkt das Grlaschen in der Fliissigkeit unter, so schadet dieses nichts. 2) Das Schalchen wird mit starker Pincette am Bande erfasst und iiber kleiner Flamme in der oben (p. 202) geschilderten Weise bis zur Blasenbildung der Fliissigkeit erkitzt. 3) Das Schalchen wird jetzt hingestellt und bleibt eine Minute lang ruhig stehen. 4) Das Deckglas wird mit kleiner Pincette aus der Farbe ge- nommen, umgedreht (so dass die Praparatenschicht nach oben siekt) und in ein Uhrsckalchen mit 3proc. Salzsaure-Alcohol (cf. p. 98) ge- legt; hierin wird das Deckglas eine Minute lang liin und her, auf und ab bewegt. 9 cf. Deutsche med. Wockensckr. 1882. p. 451. 2) Berl. klin. Wochenschr. 1884. No. 13. 3) Dies Verfahren ist durchaus zu verliissig. Daiuit soil aber nicht <>v sagt sein, dass es in diesem Punkte vor den anderen citirten Methoden etwas vor aus hiitte. 224 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. 5) Das Deckglas wird mit der Pincette aus dem Saure-Alcohol o-enommen, und es wird nun dureh einen Wasserstrahl (jede Wasser- Hasche kann man dazu benutzen) zunachst die Fltissigkeit zwischen den Branchen der Pincette weggespiilt, dann das Glaschen selbst beider- seitig abgespiilt. 6) Auftraufeln weniger Tropfen verdiinnter wasseriger (oder wasserig-alcoholischer) Methylenblaulosung mit der Pipette. Die Farbung soil bier nur ganz gering werden, damit die Bacillenfarbung nicht hier und da durcb die Grundfarbung verdeckt werde. 7 ) Abspiilen in Wasser. (Zunacbst werden wieder die Pincetten- braneben ausgespiilt.) 8) Das Deckglas wird mit den Fingern erfasst, die Praparaten- seite kraftig abgeblasen, die leere Seite mit Hiilfe eines Lappchens abgewiscbt. 9) Nach dem Trocknen drei- bis zebnmabges Ziehen durcb die Flamme. 10) Aufldtten mit Xylol-Balsam auf den Objecttrager. Das Praparat ist nun zur Untersucbimg fertig. Die Metbode ist eine absolut zuverlassige. Sammtliche gefarbte Tuberkelbacillen sind stets intensiv, und mit gleicher Intensitat, gefarbt. Daraus folgt, dass es niebt moglich ist, dass bei dieser Bebandlung Tuberkelbacillen ungefarbt bleiben; denn sonst miisste man bier und da aucb Exemplare bnden, die, als Uebergange zwischen den intensiv gefarbten und den gar nicht gefarbten Bacillen, nur wenig intensiv gefarbt waren. Diese Betrachtung ist nicht uberfliissig; denn wir wissen durch Untersucbungen von Ehrlich !), dass die in einem und demselben Praparate vorhandenen Tuberkelbacillen sicb gegen eine und dieselbe Farbstofflosung durebaus nicht gleicbartig zu verbalten braueben. Das unter Nummer 9) aufgefubrte Ziehen des Prapa rates durcb die Flamme vor dem Einschlusse in Balsam bezweckt die Erreichung einer dauernden H a 1 1 b a r k e i t der Farbung der Tuberkelbacillen. Wie namhch bereits Ivocb fand, entfarben sicb die gefarbten Tuberkelbacillen im Praparate sebr leiebt und gern wieder. Manchmal bereits nach mehreren Stunden sielit man die Bacillen verblassen und dann unsiebtbar werden. Unna2) bat den Nachweis gefuhrt, dass die im Praparat zuruckgebhebenen Spuren der zu der Entfarbung der Kerne etc. benutzten Saure es sind, welche diese Entfarbung bewirken ; und er begriindete auf diese ') Charite-Annalen. 1 S8(i. -) Monatshefte f. pract. Dermatol. Ergiinzungslieft 1885. Der Tuberkelbacillus. 225 Erkenntniss eine none Methode der Darstellung resp. Conservirung von gefarbten Pritparaten, die sicli zunachst auf Leprabacillen und auf Schnittpraparate bezog. Die Leprabacillen tbeilen namlich die Eigen- scliaft, sicli in den Praparaten gem zu entfarben, mit den Tuberkel- bacillen. Unna bringt bei seiner „Antrocknungsmethode“ (cf. oben p. 88) die Schnitte nacli der Entfarbung in Wasser, wascht sie dort griindlichst aus, iibertragt sie nun nicht in Alcohol, sondern gleich aus dem Wasser auf den Objecttrager und trocknet sie dort an. Darauf erbitzt er den Objecttrager von unten, bis der Scknitt anfangt leiclit glanzend zu werden. Bei cliesem ziemlich starken Erkitzen werden die letzten Spuren Saure aus dem Schnitte entfernt. Der Schnitt wird dann nach dem Abkuhlen mit einem Tropfen Xylol- Balsam betraufelt imd mit dem Deckglas bedeckt. Die Bacillenfarbimg ist in solchen Praparaten dauernd haltbar. Dasselbe Princip der Erhitzung nach der Entfarbung hat sich mir *) auch bei Tuberkelbacillenschnitten und weiter auch bei Tuberkelbacillendeckglaspraparaten sekr bewakrt. Die Bacillenfarbimg bleibt unverandert haltbar. Hat man in der Praxis eine bestimmte Sputumprobe auf Tuberkel- bacillen zu untersuchen, so fertigt man sich von verdachtigen Theilen des Sputums mehrere Deckglastrockenpraparate durch Ausstreichen des Materiales in moglichst diinner Schicht (wozu man ein Scalpell oder einen starken Platindraht benutzen kann) an und behandelt die- selben nach einer der oben angegebenen Farbungsmethoden. Man wird die Bacillen zunachst in den ei trigen Theilen des Sputums zu suchen haben und namentlick auf kleine kasige Brockchen zu fahnden haben, welche oft direct von der Wand einer Caveme stammen, und in denen man die Bacillen am zahlreichsten findet. Wenn es sich dann um die Untersu chung des fertigen Pra- parates unter dem Mikroskope handelt, so muss man nach rotk- gefiirbten Bacillen suchen.2) Hat man wirklich fuchsingefarbte ') Deutsche med. Wochenschr. 1SS7. No. 22. p. 474. ') Damit dies geschehen kann, d. h. damit man im Stando ist die Far be sicker zu erkennen, ist es vor Allem notkwendig, die Beleuclitung so zu wahlen, dass jede Spur eines „Structurbildes“, jede Spur von Diffractionserscheinungeu an den Grenzen der Objecte, vermieden wird. Zu dem Zwecke ist also (cf. p. 54, 68) mit vollig offenem Condensor zu arbeiten und der letztore in eine solcko Ent- femung von dem Objecte zu bringen, dass die Beleu chtung maximal ist. Nament- lich fiir Untersuclningen bei Lampenlickt bokerzige man dicse Maknung, wenn man nicht gelegentlick in die grobsten Irrtkiimer verfallen will. Erschemt die Lampen- lichtbelouchtung zu blendend, so kann die Helligkeit durck blaue Glaser (cf. p. 69, Anm.) gemindert werden. Gun tlier, Bakteriologie. 226 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. Stabclien vor sicla, so konnen diese nickts anderes sein als Tuberkel- bacillen. Man muss sich aber sicher davon iiberzeugen, dass man es auch wirklich mit Stabclien zu thun bat. Nickt a lies, was in einem solcben Praparate rotb erscheint, bedeutet Tuberkelbacillen. Roth erscbeint in einem solclien Praparate ganz im Allgemeinen alles, was sicb der Entfarbung durch den Saure-Alcohol widersetzt bat. Zunacbst konnen solcbe Stellen des Praparates, in denen das ausgestrichene Material dickere Schicbten bildet, einen rothlichen bis rothen Parbenton behalten baben. Diese grosseren, meist rundlicben Stellen wird Niemand mit Bacillen verwecbseln. Auch Schimmelpilz- s p o r e n , femer B a c i 1 1 e n s p o r e n unter U mstanden , treten in solcbem Praparate rotb gefarbt auf. Ibre runde Gestalt sichert sie ebenfalls vor der Yerwecbselung mit Tuberkelbacillen. Daim kommt es z. B. auch vor, dass in einem Haufen von Mikrococcen (die in jedem Sputum anzutreffen sind) einzelne Zellen, einzelne Coccen, erne rothhche Farbe zeigen, wabrend die anderen, gleicbgestalteten Zellen rein blau erscbeinen. Die rothhchen Zellen baben ohne Zweifel dem Eindringen des Entfarbungsmittels einen grosseren Widerstand ent- gegengesetzt als die blauen ; sie sind als resistentere Zellen aufzufassen. Ibre Gestalt sichert sie vor der Yerwecbselung mit Bacillen. Endbcb zeicbnen sicb auch Fragmente von Haaren, Fragmente von ver- bornten Epidermiszellen, die zufalhg in das Praparat gelangt sind, dadurch aus, dass sie die einmal angenommene Rotbfarbung dem Entfarbungsmittel gegentiber energisch festbalten. Alle diese Dinge wird aber Niemand mit Bacillen verwecbseln. Zu Yerwechselungen Anlass konnten dagegen kleine Fetter ystallnadeln (Cbolesterin) geben, welcbe in solcben Praparaten ebenfalls rotb erscbeinen; aber docb mu- dem ganz Ungeubten konnte diese Yerwecbselung begegnen. Die Tuberkelbacillen baben eine so typische Form (cf. p. 217), dass diese zusammen mit dem typischen Yerbalten bei der Farbung eine Yerwecbselung dieser Gebilde mit etwas anderem unmogbeb macht. Taf. YD, Fig. 41, zeigt ein Sputumpraparat mit Tuberkelbacillen bei 1000 facber Yergrosserung. Um ganz vereinzelte Tuberkelbacillen im Sputimi auf- zufinden, bat B i e d e r t x) empfoblen, das Sputum zunacbst mit Wasser zu verdiinnen, dann mit Natronlauge zu versetzen und zu koeben, bis eine ganz gleichmassige , homogene Fliissigkeit entstanden ist. Diese lasst man dann absetzen. Die specifiscb relativ sekweren Bakterien sammeln sicb im Bodensatze an, und bier sind dann etwa vorhandene *) Berl. klin. Wockenschr. 1S86. No. 42 — 43. Der Tuberkelbacillus. 227 Tuberkelbacillen ebenfalls zu finden. (B i e d e r t ’sclie S e d i m e n - tirungsmethod e.) Gabritschewsky 4) bat eine von Ad. Schmidt2) angegebene Metbode — welcbe bebufs der mikroskopiscben Untersucbung das Sputum in Alcobol hartet und dann in Scbnitte zerlegt, die weiterbin ge- farbt etc. werden — zur Untersucbung des Sputums auf Tuberkel- bacillen (und auf Riesenzellen) empfohlen. Wie im Sputum, so lassen sicb natiirlicb aucb im Darminbalt (bei pbtbisiscben Diarrhoen) die Tuberkelbacillen durch die Farbung nacbvveisen. Die erste derartige Beobacbtung machte Licbtbeim. 3) Aucb im U r i n lassen sicb vorliandene Tuberkelbacillen (im Sediment) 4) durch die Farbung auffinden. Will man Tuberkelbacillen in Scbnitten darstellen, so verfabrt man am besten nacb der oben (p. 222) angegebenen Ehrlich- ia och’schen Metbode. Man bekommt auf diese Weise Praparate, in denen die Tuberkelbacillen mit ausserordentlicber Precision und Deut- bcbkeit erscbeinen. Leider sind die Praparate, oder vielmehr ist die Bacillenfarbung, wenig baltbar. Urn b a 1 1 b a r e Scbnittpraparate berzustellen, kenne ich nur einen Weg: dieselben nacb der Unna’- scben A n t r o c k n u n g s m e t b o d e zu behandeln. Die Scbnitte werden zunachst in 24 Stunden alter (cf. oben p. 94), eben filtrirter Ehrlich- scber Anilinwassergentianaviolett- (oder -Metbylviolett-) Losung bei Zimmertemperatur 12 bis 24 Stunden (oder im Brutscbrank bei c. 35° C. U/o bis 2 Stunden) gefarbt, dann etwa 10 Minuten in Wasser zum vorlaufigen Auswaschen uberflussigen Farbstoffes gelegt, dann in 20proc. Salpetersaurewasser auf etwa 2 Minuten gebracht. Sie werden bier schwarzgrun. Sie kommen darauf in absoluten Alcobol, in welcbem sie bis zu blassblauer Farbung (etwa eine halbe Minute lang) bin und her bewegt werden. Darauf gelangen sie in 3 bis 4 Mai erneuertes Wasser, wo sie ziembch far bios werden. Wenn sie bier gut (etwa 10 Minuten lang) ausgewaschen sind, werden sie mit dem Spatel auf den Objecttrager iibertragen. Man gebt hierbei am besten so vor, dass man zunachst eine Quantitat Wasser mit dem Spatel auf die Mitte des Objecttragers bringt und in dieses Wasser hinein den Schnitt nacbber iibertragt. Dann neigt man langsam den Objecttrager, lasst das Wasger abfliessen, obne dass der Schnitt mit herunter gebt, und tupft dann das noch auf und neben dem Schnitt stehcnde Wasser ') Deutsche rued. Wookenscbr. 1891. No. 43. 2) Centralbl. f. klin. Med. 1891. No. 25. 3) Fortschr. d. Med. 1883. No. 1. 4) cf. Kirstein (Deutsche med. Woehenschr. 1889. No. 15). 228 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. mit Fliesspapier ab. Nun erhitzt man, wie oben (p. 225) angegeben, den Objecttrager, bis der Schnitt leiclit glanzend wird, lasst abkuhlen und kittet mit Xylol-Balsam ein Deckglas auf. Nach einem derartig haltbar bergestellten Praparat ist das Pkotogramm 42 auf Taf. YII (Meningealtuberculose) aufgenommen. Aucb nach der Gram’scken Methode (p. 100 If.) farben sich die Tuberkelbacillen. Die Praparate miissen selbstverstiindlich aucli hierbei erheblich intensive! als andere Bakterienobjecte mit der Farblosung bekandelt werden. Mit Bismarckbraim ist eine Farbung der Tuberkelbacillen bisher niclit gelungen. Eine Methode, Tuberkel- (und besonders Lepra-) Bacillen im Ge- web® mit Jod braun zu farben, hat Unna1) angegeben. Die friiker (cf. p. 221) als „Sporen“ der Tuberkelbacillen ge- deuteten Dinge zu farben ist bisher auf keine Weise gelungen. Fur die Infection mit dem Tuberkelbacillus (Bacillus der Sauge- thiertuberculose) sehr empfanglich sind von Yersuchsthieren vor Allem Meerschweinchen, ferner Kaninchen, Katzen, Feldmause. Yiel weniger empfanglich sind weisse Mause, Hunde2), Ratten, Hiihner, Kanarienvogel. Durch subcutane Einfuhrung der Tuberkelbacillen, durch Einfiihrung in die vordere Augenkammer (cf. oben p. 173), in die Bauckhokle, in Yenen, ferner durch Inhalation erreichte Koch bei seinen grundlegenden Arbeiten die tuberculose Infection. Ganz besonders prompt reagiren Meerschweinchen auf die Einver- leibung tuberculosen Materiales. Bringt man einem solchen Tliiere tuberkelbacillenhaltiges Material in eine am Bauch angelegte Unter- hauttasche, so stirbt es in 4 his 8 bis 11 Woclien an Tuberculose, die sich besonders im Netze, in Milz und Leber, weniger in der Lunge localisirt zeigt. Beim Menschen ist bekanntlich meist die Lunge Sitz der primaren Erkrankung. Die Tuberkelbacillen gelangen durch Inhalation in die Luftwege. Die Eingangspforte kann aber auch von der Darm- schleimhaut oder anderen Schleimhauten oder von der ausseren Haut gebildet werden. Ebenso kann der menschlicke Foetus im Mutterleibe vom miitterlichen Organismus her durch die Placenta hindurch mit Tuberkelbacillen inhcirt werden ; eine ganze Reihe von Fallen un- r) Monatsk. f. pract. Dcnnatol. Bel. 12. 1S91. p. 477. 2) Nacli Maffucci (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 11. 1892. p.452) erkrauken Hunde nach intravenoeer Einverleibung des Taberkelbacillus an allgemeiner Miliartuberculose. Der Tuberkelbacillus. 229 zweifelhafter co n gen i taler Tuberoulose sind bereits beim Mcn- scben (und ebenso auch bei Thieren) beobachtet. *) Die durcb Inhalation in die menscblicben Luftwege aufg'enommenen Tuberkelbacillen werden haufig in den Bronobialdriisen zuriickgehalten, olme eine weitere Infection des Korpers bervorzurufen. Sie scbeinen sich bier ausserordentlich lange Zeit in lebensfakigem und infections- tucktigem Zustande balten zu konnen. Viele ganz gesunde Menscben tragen in iliren Bronobialdriisen Tuberkelbacillen mit sicb kerum.* 2) Dass die ulcer os e Lungenpbtbise eine Complication ver- sckiedener Processe, das Product einer gemisckten Infection, darstellt, ist bereits oben (p. 216, Anm. 1) betont worden. Die ausserordentbcbe Haufigkeit der Lungenschwindsucht und die erbeblicben Quantitaten tuberkelbacillenbaltigen Sputmns, welche tiiglicb von den Pktkisikern ausgeworfen werden, batten den Gedanken nabegelegt, dass tuberoulose Keime iiberall, wo Menscben wohnen, an- zutreffen sind. dass wir sie womoglicb mit jedem Athemzuge in uns aufnehmen, und dass es nur dem Mangel an „ Disposition “ zuzu- sckreiben ist, wenn die Mebrzabl der Menscben nickt tuberculos wird. Diese Auffassung musste notbwendig im Gefolge haben, dass Jeder, dem sein Leben lieb ist, den Phtkisiker zu flieken batte. Yon Seiten der Aerzte aber konnte nichts weiter gesckeken, als dass man sicb stiller Resignation ergab. Wir verdanken Cornet3) eine totale Umgestaltung dieser An- schauungen. Cornet bat (im Koch'scken Institute) mehrere Jabre daran gearbeitet, die Orte, wo der Tuberkelbacillus ausser- h a 1 b des Korpers zu f i n d e n ist, zu ermitteln. Er untersuckte in alien nur erdenklicken Localitaten, in Woknungen, Krankenhausem, in Gefiingnissen, auf der Strasse etc. Staub, der sicb an den Wanden, auf Mobeln, auf Gesimsen, auf dem Fussboden etc. angesammelt batte, auf seinen Gehalt an Tuberculosekeimen. Als Reagenz diente das Meerscbweincben, dem der Staub in eine subcutane Tascbe am Bauche ') Beziigkcb der experimentellen Erzeugung congenitaler Tuberculose vergl. die Arbeit von Gartner (Zeitsehr. f.. Hyg. Bd. 13. 1893). 2) Pizzini (Zeitscbr. f. klin. Med. Bd. 21. 1892) bat bei der Untersucbung der Leichen von 30 Personen, die an acuten Kranklieiten oder Uugliicksfaken ver- storben waren und keine Spur von Tuberculose zeigten, in 42 °/0 der Falle (durcb Meerscbweincben in lection) Tuberkelbacklen in den Lympbdriisen nachgewiesen ; am moisten waren die Bronobialdriisen betaken. — Aebnliebe Befunde (bei Kindern) bat Spengler (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 13. 1893) bescbrieben: Mikroskopiscber Nacbweis der Tuberkelbaciken in Scbnitten der Bronobialdriisen, wiibrend die Lungen sowobl wie die Cervical- und Mesenterialdriisen frei waren. 3) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 5. 1888. 230 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. eihgebracht wurde. Es gcht aus den C o r n e t ’schen Untersuchungen mit grosster Sicherheit hervor, dass von einer Ubiquitat des Tnberkelbacillus keine Rede ist. Derselbe findet sich nur d o r t im Staub resp. in der Lnft , wo phthisiscbes Sputum Gelegenheit hat anzutrocknen und dann zu verstauben. Die Gelegenheit findet sich aber fast ausschliesslich dann, wenn das Sputum auf den Bo den oder in das Taschentuch gespuckt wird. Cornet sielit daher mit Recht in der allgemeinen Einffihrung und Benutzung des Spucknapfes, welcher ein Fortschaffen und Un- schadlichmachen des Sputums, bevor es vertrocknen kann, ermog- licht, das machtigste Mittel, die Tuberculose prophylactisch einzu- schranken. In einer besonderen statistischen Arbeit1) hat fibrigens Cornet den Nachweis geliefert, dass der dauernde Verkehr mit unreinlichen Phthisikern selbst die kraftigsten Menschen aus den gesundesten Fa- milien, bei denen von einer besonderen Anlage zur Schwindsucht sicher keine Rede ist, der Tuberculose tiberantwortet. Am 4. August 1890 machte Koch2) die ersten Mittheilungen fiber Heilungsvorgange, die er bei tuber culosen Thieren beobachtet liatte : Koch hatte Substanzen gefunden , welche nicht allein im Reagenzglase (wie so viele andere chemische Substanzen), sondem auch im Thierkorper das Wachsthum der Tuberkelbacillen aufzuhalten im Stande sind. Koch theilte mit, „dass Meerschweinchen, wenn man sie der Wirkung einer solchen Substanz aussetzt, auf eine Impfung mit tuberculosem Virus nicht mehr reagiren, und dass bei Meerschweinchen, welche schon in hohem Grade an allgemeiner Tuber- culose erkrankt sind, der Krankheitsprocess vollkommen zum Stillstand gebracht werden kann, ohne dass der Korper von dem Mittel etwa anderweitig nachtheilig beeinflusst wird.“3) In einer weiteren Mittheilung 4) (vom 13. November 1890) be- richtete Koch fiber Versuche, die mit dem Mittel am tuber culosen Menschen angestellt waren, imd die — soweit sich bei der geringen Zahl der Versuche und der Kfirze der Beobachtungszeit urtheilen Hess — gezeigt hatten, dass auch beim Menschen der tuberculose ') Die Sterblichkeitsverbaltnisse in den Krankenp flegeorden . Zeitschr. f. Hvg. Bd. 6. 1S89. ') 10. intemat. med. Congr. Berlin 1890. Verbandlungen. Bd. 1. p. 40. '') Eine complete dauernde Heilung der Tuberculose tritt bei derartig beban- delten Meerscbweincben , wie wir weiter unter (p. 232) seben werden, nicbt ein. Die Tbiere geben, wenn aucb spiiter als nicbt bebandelte, an Tuberculose zu Grunde. ') Deutsche mod. Wochenschr. 1890. No. 40 a. Extra-Ausgabe. Dor Tuberkclbacillus. 23 i Process durch die Behandlung mit dem Mittel zum Still stand gebracht werden kann. Koch betonte ferner die specifische Wirkung des Mittels auf tuberculose Processe und damit seine Bedeutung fur die Diagnosticirung zweifelhafter F a 1 1 e. 4) In einer dritten Mittheilung* 2) (vom 15. Januar 1891) gab Koch die Principien der Herstellung des Mittels und den Weg an, auf welchem er zu seiner Entdeckung gelangt war 3) : Koch hatte be- obachtet, dass sick gesunde Meerschweinchen nach der Impfung mit einer Reincultur von Tuberkelbacillen ganz anders verhalten als bereits tuberculose Meerschweinchen, an welchen dieselbe Impfung vorgenommen wird. Bei den gesunden Thieren verklebt nach der Tuberkelbacillen- impfimg in der Re gel die Impfwunde und scheint in den ersten Tagen zu verkeilen; erst im Laufe von 10 — 14 Tagen entsteht ein liartes Ivnotcken, welches bald aufbricht und bis zum Tode des Thieres eine nlcerirende Stelle bildet. Bei bereits tuberculosen Thieren verklebt die kleine Impfwunde auch anfangs ; aber es bildet sick kein Knotcken, sondem schon am nachsten oder zweiten Tage wil’d die Impfstelle imd dann auch die nackste Umgebung derselben hart und dunkler gefarbt; und es stellt sich dann in den nachsten Tagen immer deut- licher heraus, dass die so veranderte Haut nekrotisch ist; sie wird schliesshch abgestossen, und es bleibt dann eine flacke Ulceration zuruck, welche gewohnlick schnell und dauernd heilt, ohne dass die benachbarten Lymphdrusen inficirt werden. So wie sich aber die gesunden und die bereits tuberculosen Thiere nach der Impfung mit lebenden Bacillen verschieden von einander verhalten, so verhalten sie sich auch nach der Injection abgetodteter Tuberkelbacillen- reinculturen in verschiedener Weise. Gesunden Meerschweinchen konnen wasserige Aufschwemmungen von durch Hitze oder auf andere Weise abgetodteten Tuberkelbacillenculturen in grosser Menge unter die Haut gespritzt werden, ohne dass etwas anderes als eine locale Eiterung4) entsteht. Tuberculose Meerschweinchen dagegen werden schon durch Injection von sehr geringen Mengen solcher aufge- ') Die diagnostischo Bedeutung des Koch 'schen Mittels hat sich in der Praxis durchaus bewahrt. Speeiell in der Thiermedicin leistet dasselbe — zur Erkennung der Tubercidose intra vitam heim Pi tide — unschatzbare Dienste. (Yergl. hieriiber das zusammenfassende Referat von Eber, Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 9/10.) 2) Deutsche med. Wochenschr. 1891. No. 3. 3) In der folgenden Schilderung halte ich mich meist wortlich an die Koch’- schen Veroffentlichungen. l) Die Eiterung wird veranlasst durch eine in den Bacillen selbst vorhandene chenhsche Substanz, welche sich kiinstlich nur schwierig aus diesen Zellen extra- biren lasst. 232 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. scliwemniten Culturen getodtet (je nacli der Dosis in 6 bis 48 Stunden). Eine Dosis, welche eben niclit mebr ausreicht das Thier zu tbdten, kann eine ausgedehnte Nekrose im Bereiche der Injectionsstelle be- wirken. Wird die Aufsckwemmung noch weiter verdiinnt, dann bleiben die Thiere nach der Injection am Leben; werden die Injectionen mit ein- bis zweitagigen Pausen fortgesetzt, so zeigen die Thiere bald eine merklicke Besserung ilires Zustandes. Die (primare) ulcerirende Impf- wunde verkleinert sich und vernarbt scliliesslich , was obne eine der- artige Behandlung niemals der Fall ist; die gesckwollenen Lympli- driisen verkleinern sich; der Ernahrungszustand wird besser, und der Krankheitsprocess kommt, wenn er nicht bereits zu weit vorgescbritten ist und das Thier an Entkraftung zu Grunde geht, zum Stillstand. — „ Damit war die Grundlage fiir ein Heilverfahren gegen Tuberculose gegeben.“ Koch fand dann weiter, dass ein mit 50 procen tiger Glycerin- losung hergestellter Auszug aus Tuberkelbacillenculturen in derselben Weise zu heilenden Injectionen gegen Tuberculose benutzt werden kann wie die Aufschwemmimg abgetodteter Culturen. Mit diesem Glycerinextract -l) , dem spater die Bezeichnung „Tuberculinum K o c h i i “ 2) beigelegt wurde, wird das Koch’sche Heilverfahren aus- geiibt. Der in das Glycerinextract iibergehende wirksame Korper ist in absolutem Alcohol unloslich; er ist nach Koch mit Wahrschein- lichkeit ein Derivat von Eiweisskorpern imd steht diesen nahe, ist aber kein „Toxalbumin“ (cf. p. 41), da er hohe Temperaturen (Siedetemperaturen) ertragt und im Dialysator leicht und schnell durch die Membran geht. Spiitere Arbeiten, welche aus dem Ivoch’schen Institute hervor- gegangen sind, haben die genauere Angabe gebracht, dass die in Vorstehendem geschilderte Heilung der Tuberculose des Meer- schweinchens nicht als eine definitive Heilung des gesammten tuber- culosen Processes, der sich in dem Meerschweinchenkorper (nach der Impfung des Thieres am Bauche) abspielt, aufgefasst werden darf. Pfuhl3) theilt mit, dass tuberculose Meerschweinchen durch die Be- handlung mit dem Tuberculin bis zu 19 Wochen nach der Infection ') Genauere Angaben iiber die Herstellung hat Koch in einer vie r ten Mit- theilung (vom 22. October 1891; Deutsche med. Wochenschr. 1891. No. 43) gemacht. Daselbst wird auch iiber Versuche berichtet, das wirksame Pi’iucip aus dem Mattel zu isoliren. 0 Das Wort „Tuberculin“ wurde zuerst von Poll l-P incus (1SS4) ge- braucht; cf. Deutsche med. Wochenschr. 1884. No. 7. p. 108. 8) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1891. Der Tuberkelbacillus. 233 am Leben erhalten werden konnen, wahrend nicht behandelte Thiere im Durchschnitt 63 Tage nacb der Infection zu Grande gehen. Wahrend aber die unbehandelten Thiere an einer hauptsachlich in den Unter- leibsorganen (Leher, Milz) localisirten (cf. p. 228) Tuberculose sterben und eine nur wenig vorgeschrittene Lungentuberculose darbieten, so zeigt sich bei der Obduction der behandelten Thiere die Unterleibs- tuberculose und die Tuberculose der Impfstelle giinstig beeinflusst (in Eiickgang begriffen), die Lungentuberculose aber so erheblich vorge- schritten , dass sie fur den Tod der Thiere wohl in erster Linie ver- antworthch gemacht werden muss. Die Lungentuberculose des Meer- schweiuchens scheint durch das K o c h ’ sche Mittel gar nicht beeinflusst zu werden. 4) Ebenso wie P f u h 1 constatirte auch Kitasato2) nur eine Yerlangerung der Lebensdauer der tuberculosen Meerschweinchen durch die Tuberculinbehandlune-. In seiner zweiten Mittheilung 3) hatte Koch bereits betont, dass das neue Mittel nicht etwa die Tuberkelbacillen todtet , sondem dass es lediglich das tuberculose Gewebe, und zwar das lebende tuber- culose Gewebe, zum Absterben bringt. U eber die Art und Weise, wie wir uns die specifische Wii'kung des Mittels auf das tuber- culose Gewebe vorzustellen haben, hat Koch4) folgende Hypothese aufgestellt: Die Tuberkelbacillen produciren bei ihrem Wachsthum in den lebenden Geweben ebenso wie in den kiinstlichen Culturen gewisse Stoffe, welche die lebenden Elemente ihrer Umgebung, die Zellen, in verschiedener Weise, und zwar nachtheihg, beeinflussen. Darunter be- findet sich ein StofiF, welcher in einer gewissen Concentration lebendes Protoplasma todtet und so verandert, dass es in den von W e i g e r t als Coagulationsnekrose (cf. oben p. 217) bezeichneten Zustand iiber- gefuhrt wird. In dem nekrotisch gewordenen Gewebe findet der Ba- cillus dann so ungiinstige Ernahrungsbedingungen, dass er nicht weiter zu wachsen vermag, unter Dmstanden selbst schhesslich abstirbt. Auf grosse Entfernung vermag der einzelne Bacillus Nekrose nicht zu be- wirken ; denn sobald die Nekrose ein gewisse Ausdehnung erreicht hat, nimmt das Wachsthum des Bacillus und damit die Production der nekrotisirenden Substanz ab, und es tritt so eine Art von gegenseitiger Compensation ein. Wiirde man nun kunstlich in der Umgebung des Bacillus den Gehalt des Gewebes an nekrotisirender Substanz steigern, ') Vergl. hieruber aueh die Koch’sebe Veroft'entlichung vom 22. Oct. 1891 (Deutsche mod. Wocbenscbr. 1891. No. 43). a) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. !!) Deutsche med. Wocbenscbr. 1890. No. 40 a. ') Deutsche med. Wocbenscbr. 1891. No. 3. 234 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. dann wiirde sicli die Nekrose auf eine grossere Entfernung ausdeknen, und es wiirden sick damit die Ernakrungsverkaltnisse fair den Bacillus viel ungiinstiger gestalten, als dies gewoknlick der Fall ist. Tkeils wiirden alsdann die in grosserem Umfange nekrotisck gewordenen Ge- weke zerfallen, sick ablosen und, wo dies mogkek ist, die eingescklos- senen Bacillen mit fortreissen und nack aussen befordem; tkeils wiir- den die Bacillen so weit in ikrer Vegetation gestort, dass es viel eker zu einem Aksterben derselben kommt, als dies unter gewoknkchen Verkaltnissen gesekiekt. Gerade in dem Hervorrufen solcker Veran- derungen bestekt wakrsekeinliek die Wirkung des Mittels. Das Glycerinextract entkalt von der wii’ksamen Substanz nack der Sckatzung Kock’s Brucktkeile eines Procentes. Von dem Glycerin- extract kann einem gesunden Meersckweincken eine Dosis bis zu 2 com subcutan beigebrackt werden, ohne dass es merklick dadurck beeinflusst wird. Der gesunde erwacksene Menscli wird bereits durck eine Dosis von 0,25 ccm intensiv beeinflusst. Auf Korpergewickt berecknet ist also 1/1500 von der Menge, welcke beim Meersckweincken nock keine merklicke Wirkung kervorbringt, fur den Menscken sekr stark wirkend. Kock sckildert die Wirkung einer Dosis von 0,25 ccm, die er sick selbst am Oberarm subcutan injicirte, folgendermassen : „Drei bis vier Stunden nack der Injection Zieken in den Gliedern, Mattigkeit, Neigung zum Husten, Atkembesckwerden , welcke sick scknell steigerten ; in der funften Stunde trat ein ungewoknlick keftiger Sckiittelfrost ein, welcker fast eine Stunde andauerte; zugleick Uebel- keit, Erbrecken, Ansteigen der Korpertemperatur bis zu 39,6°; nack etwa 12 Stunden liessen sammtlicke Besckwerden nack, die Temperatur sank und erreickte bis zum nacksten Tage wieder die normale Hoke ; Sckwere in den Gliedern und Mattigkeit kielten nock einige Tage an, ebenso lange Zeit blieb die Injectionsstelle ein wenig sekmerzkaft und gerotket." Die untere Grenze der Wirkung des Glycerinextracts liegt fur den gesunden Menscken ungefakr bei 0,01 ccm. Die meisten Personen reagirten in den Kock’scken Versucken auf diese Dosis nur nock mit leickten Gliedersckmerzen und bald vorubergekender Mattigkeit. Bei einigen trat ausserdem nock eine leickte Temperatursteigenmg ein bis zu 38° oder wenig dariiber hinaus. Ganz anders reagiren Tubercu- 1 6 s e (Erwachsene), wenn iknen eine derartige Dosis injicirt wird ; bei diesen tritt sowohl eine starke allgemeine wie auck eine ort-licke ') Bei Pktkisikern muss man mit viel geringeren Dosen arbeiten; kier sind die Reactionen am allerheftigsten. Dor Tuberkelbacillus. 235 Reaction ein. Die allgemeine Reaction besteht in einem, in der Regel 4 bis 5 Stnnden nacb der Injection eintretenden, mit Schiittelfrost be- gmnenden , 12 bis 15 Stnnden dauernden Fieberanfall , welcher mit Gliederschmerzen, Hustenreiz, grosser Mattigkeit, offers anch mit Uebel- keit nnd Erbrechen verbunden ist. Die ortliche Reaction kann am besten an solcken Kranken beobaclitet werden, deren tuberculose Affec- tion zn Tage liegt, also z. B. bei Lupuskranken. Einige Stnnden nach der (an einer entfernten Korperstelle gemachten) Injection fangen die lnposen Stellen an zn schwellen nnd sich zu rothen. Die Scbwellung nnd Rothung, welcbe gewohnlich bereits vor dem Beginne des Frost- anfalles eintritt, wird wahrend des Fiebers starker und kann zur Nekrose des luposen Gewebes fiibren, welches dann spater abgestossen wird. In ahnlicher Weise tritt eine ortliche Reaction bei alien im Ivorper vorhandenen Tnbercnloseherden, aber nur bei die sen, auf. Was die therapentische An wen dung des Koch’schen Tuberculins bei dem tuberculosen Menschen angeht, so lassen sich die seit dem Bekanntwerden des Mittels gesammelten Erfahrungen im Wesenthchen dahin zusammenfassen , dass erstens (wie das Koch ubrigens gleich Anfangs hetont hat) nicht jeder Fall von Tuberculose sich fur die Tuberculinbehandlung eignet ; es sind einer gffnstigen Beeinflussung durch Tuberculin nur Falle von beginne n der, und im Speciellen nur von un comp licir ter Tuberculose zugangig. *) Falle von complicirter Tuberculose (cf. p. 216, Anm. 1 ; p. 229) eignen sich nicht. Zweitens sind sturmische Reactionen nach den einzelnen Injectionen weder erforderhch noch wiinschenswerth. Sie sind durch- aus zu vermeiden. 2) Wesenthch ist, die specifische Reizbarkeit des tuberculosen Gewebes moglichst lange zu erhalten und sie nicht, wie das hei grossen Dosen und schnellen Steigerungen der Fall ist, vor- zeitig zu vernichten. 3) ') Cf. Petruschky, Deutsche med. Wochenschr. 1 S93- No. 14. -) Ueber die ernsten Gefaliren, welcbe stiirmiscbe Reactionen mit sicb fuhren konnen, vergl. die von Virchow in der Berliner mediciniscken Gesellscbaft am 7. Januar 1891 und in den sicb anschliessenden Sitzungen gemachten Mittkei- 1 ungen. Es ist durch dieselben zur hohen Wahrscheinlichkeit erkoben worden, dass bei dem Auftreten stiirmischer Reactionen eine Verbreitung der Tuberkelbacillen von dem beeinflussten tuberculosen Herde aus in den Korpcr hinein und im Anschlusse daran die Entwickelung miliarer Tuberculose erfolgen kann. a) Cf. Ehrlich, 7. internat. Congr. f. Hyg. u.Demogr. London 1891. (Centralbl f. Bakt. Bd. 10. 1891. p. 811). 236 B. Die Bakterien als Krankksitserreger. 6. Der Bacillus der Hiihnertuberculose (Gefliigel- tuberculose). Die spontan bei dem Gefliigel (Hiihner, Enten, Fasanen etc.) auftretende Tube rcu lose zeigt sicb bedingt durcli einen Bacillus, welchen Koch x) bei seinen Tuberculosestudien zuniiclist mit dem bei Saugethieren gefundenen Tuberkelbacillus fiir identiscb bielt. Spatere Untersucbungen jedoch, namentbcb von Rivolta* 2 3) und von M af- fix cci:!), haben den sicheren Nachweis geliefert, dass ganz bestimmte constante Unterscbiede zwischen den Eigenschaften des Bacillus der Hiihnertuberculose (Gefliigeltuberculose) und denen des Bacillus der Saugethiertuberculose, des Tuberkelbacillus per excellence, bestehen; und wir sind keute berechtigt, hier zwei von einander ver- schiedene Bakterienarten , die allerdings nahe mit einander verwandt sind, anzunehmen (cf. oben p. 216). Die Bacillen der Hiihnertuberculose sind morphologisch denen der Saugethiertuberculose sehr ahnlich, erscheinen aber gewohnlicli etwas langer und diinner als die letzteren. Sie lassen sicli kiinstlich zilch ten; und zwar wachsen sie auf Blutserum, auf Agar, auf Bouillon. Die genannten Nahr- boden sind sowohl ohne Zusatz von Glycerin oder Traubenzucker als auch mit diesen Zusatzen zu gebrauchen. Das Wachsthum ist im Allgemeinen ein etwas schnelleres als das der Bacillen der Sauge- thiertuberculose. Auf Kartoffeln gedeihen die Hiihnertuberculose- bacillen niclit. Die Temper aturbedin gun gen fur die Ziichtung sind von denen der Saugethiertuberculosebacillen etwas verscliieden. Wahrend namlich (cf. oben p. 218) die letzteren bei 42° C. niclit mehr gedeihen, so wachsen die Bacillen der Hiihnertuberculose bei 42° bis 43° C- noch vortrefflich, und zwar ebenso gut wie bei 37° C. Im Allgemeinen findet Wachsthum statt zwischen 35° und 45° C. Die Ziichtung bei 43° C. hebt die Yirulenz durchaus nicht auf. Die genannten Unter- schiede zwischen den Temperaturanspriiclien der Bacillen der Huhner- und der Bacillen der Saugethiertuberculose sind bei der verschiedenen Hohe der normalen Korpertemperatur der Vogel4) und der Sauge- thiere ohne Weiteres verstandlich. ‘) Mittk. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1SS4. p. 41. a) cf. B au mg a r ton’s Bakt. Jahresber. 1889. p. 313. 3) La Riforma medica. 1890. No. 119 — 120. — Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 11. 1892. ') Die normale Rectaltemperatur der Yogel betragt 41,5° bis 42,5° C. Dor Bacillus tier Hiilmertuberculose. 237 Die kiinstlichen Culturen der Hiihnertuberculosebacillen unterscheiden sicb in ihrem Aus'sehen in ganz bestimmter, characte- ristiscber Weise von denen der Bacillen der Saugethiertuberculose. Auf festem Nahrboden (erstarrtes Blutserum etc.) bemerkt man makroskopisch zuerst nacb G bis 8 bis 10 Tagen Wacbstbnm. Es bilden sicb kleine weissbche Colonien, wie Flecken oder Punkte von weissem M achs aussebend. Die Colonien nebmen an Dicke und Flachenaus- dehnung mebr und mebr zu und fliessen nacb etwa einem Monat mit einander zusammen, einen weissen speckigen Ueberzug auf dem Niikr- boden bildend. Uebertragt man Material von dieser primaren Cultur auf neuen Nahrboden, so bilden sicb nicbt mebr kleine isobrte Colonien, sondern es entstebt gleicb a priori ein weisser Streifen, der die Tendenz zeigt sicb iiber den Niibrboden auszubreiten’, und der dabei aucb an Dickenausdehnung zunimmt. Bei der Entnakme von Theilen der Cultur mit dem Platindraht macbt die Cultur stets einen weichen, feucbten Eindruck gegeniiber der Cultur der Saugethiertuberculose, welcbe stets resistent und trocken erscheint. Nlit zunebmendem Alter nimrnt die Cultur der Hiilmertuberculose einen gelbbchen Farbenton an und wird scbleimig und faserig. Auf f 1 ii s s i g e n Nahrboden (Bouillon , Mssiges Blutserum) geziicbtet erscheint die Cultur als ein sebr femes weisshches Pulver, welches sicb an den Wanden des Culturrobrcbens festsetzt und aucb Grand und Oberflache des Nabrbodens (letztere als gleicbmassig weisses Hiiutchen) iiberziebt. Das oberflachlic.be weisse Hautchen ist leicbter zen-eibbch als der entsprechende Ueberzug, weichen die Bacillen der Saugethiertuberculose auf den fliissigen Nahrboden bilden. Die Hiihnertuberculosebacillen scheinen eine etwas grossere Re- si s t e n z g e g e n die Erwarmung auf hohere Temperaturgrade zu besitzen, als sie den Bacillen der Saugethiertuberculose zukommt. Durch 2 stiindige Erhitzung auf 65° C. werden sie (im Gegensatz zu den letzteren) nicht vernichtet; so beeinflusste Culturen zeigen aber hinterber ein verlangsamtes Wacbstbnm. Durch 15 Minuten lauge Erhitzung auf 70° C. werden die Bacillen der Hiihnertuberculose getodtet. Die kiinstlichen Culturen scheinen sicb sebr lange Zcit lebens- fahig und unverandert virulent erbalten zu kbnnen. Maffucci er- hielt mit Culturen, die seit 2 Jaliren nicbt umgeziichtet waren, in beiden Ricbtungen positive Resultate. Aucb vertragen die Culturen monatelanges Austrocknen ohne Schadigung. In den genannten Beziebungen verhalten sicb also die Bacillen der Hiilmertuberculose dauerbafter als die der Saugethiertuberculose. 238 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. Sporenbildung hat man bei clem Bacillus der Hiihnertuber- culose bisher ebenso wenig zu statuiren vermocht wie bei dem Bacillus der Saugethiertuberculose (cf. p. 221). Fur die Infection mit dem Hiihnertuberculosebacillus zeigen sich ganz im Allgemeinen Vogel1) empfiinglich. Die spontane G e - fliige 1 tuber culo s e, welche mitunter jahrelang unter dem Gefliigel eines Hofes herrscbt, scheint • sicli fast ausschhesslich durch con ge- nital e Uebertragung fortzupflanzen (Baumgarten2)), Die Hauptlocalisation findet sich stets in der Leber; nie tritt die spontane Gefliigeltuberculose primar in der Lunge oder in der Darmschleimhaut auf; die tuberculosen Hiihner produciren weder tuberculoses Sputum noch tuberculosen Ivoth. Characteristisch fiir die Gefliigeltuberculose ist (im Gegensatz zur Saugethiertuberculose) der sehr langsame, chro- nische Verlauf und die geringe Veranderlichkeit, welche die tuberculosen Bildungen in spateren Stadien zeigen. Die tuberculosen Bildungen sind ganz enorm reich an Bacillen ; auch hierin unterscheidet sich die Gefliigeltuberculose von der Saugethiertuberculose. Riesenzellen, welche in dem Saugethiertuberkel fast stets gefunden werden, sind bei der Gefliigeltuberculose erheblich sparlicher, fehlen aber nicht vollstandig. 3) Die centrale Zellnekrose des Tuberkels erfolgt bei der Hiihnertuberculose nicht (wie bei der Saugethiertuberculose) unter Bil- dung feinkorniger ktisiger Massen, sondern unter Bildung einer giasigen Substanz (Cadiot, Gilbert und Roger4)). Die kiinstliche Infection des Gefliigels mit dem Bacillus der Hiihnertuberculose lasst sich durch Einverleibung des Mate- rials in das Unterhautgewebe, in die Bauchhohle, die Lunge, den Blut- strom erreichen. Vom Verdauungstr actus aus scheint die Infection nicht zu gelingen. Die durch die kiinstliche Infection tuberculos gemachten Thiere sterben nach einem bis mehreren Monaten an Tuberculose, die sich hauptsachlich in Leber und Milz localisirt zeigt ; die Lunge bleibt meist verschont. Tuberculose Hiihner ubertragen die Krankheit auf den Embryo. — Gegen Saugethiertuberculose verhalten sich im 4) Eine grosse Eeihe von Vogelspecies , bei denen Gefliigeltuberculose beob- acbtet ist, findet mau bei Sibley (cf. B an mgar ten’s Bakt. Jahresber. 1890. p. 324) aufgezahlt. 2) Arb. a. d. patb.-anat. List, zu Tubingen. Bd. 1. 1892. p. 320 und 336 ff. 3) Den ersten Nachweis vcn Riesenzellen bei Hiihnertuberculose lieferte Weigert (Deutsche rued. Wochenschr. 1885. p. 599). Die Literatur fiber die weiteren hierher- gehorigen Befunde (Johne; Cadiot,' Gilbert und Roger; Pfander) siehe bei Pfander (Arb. a. d. Gebiete d. path. Anat. u. Bakt. a. d. path.-anat. Institut zu Tubingen. Bd. 1. 1892. p. 317). 4) Soc. de Biol. Paris. 18 oct. 1890. Der Leprabacillus. 239 Gegensatz dazu erwachsene Hiihner so gut wie unempfanglich ; Huhner- embryonen zeigen eine ganz minimale Empfanglichkeit. Von Siiugethieren hat sich bisher nur das Iv a nine hen empfang- lich fur die Infection mit H ii h n e r t u b e r c u 1 o s e erwiesen. Nach subcutaner Impfung zeigen sich zunachst locale Abscedirungen, denen spater Knotchenbildung hauptsachlich in den Lungen folgt. Hier ist also die Localisation eine andere als bei dem Gefliigel. Das fiir die Saugethiertuberculose so hervorragend emp- fangliche Meerschweinchen zeigt sich gegen die Infection mit H iihn e r t ub er cu 1 o s e vollig refractar. Nach der Einverleibung der Huhnertuberculoseculturen in den Korper dieses Thieres beohachtet man keine Vermehrung, sondern ein Absterben der eingefiihrten Ba- cillen ; bei dieser Gelegenheit kommt aber ein in den Huhnertuber- culoseculturen enthaltenes (dem Gift der Saugetliiertuberculosebacillen sehr ahnliches) Gift zur Wirkung auf den Meerschweinchenkorper, welches interstitielle Entzundungen und Atrophien der inneren Organ e zur Folge hat und stets emeu gewissen chronischen Marasmus hinter- lasst. — Das Huhn wird viel weniger durch dieses Gift beeinflusst. Ebenso wie das Meerschweinchen ist auch der Hund unempfang- lich fur die Infection mit Huhnertuberculose, selbst bei intravenoser Einverleibung, die, mit Saugethiertuberculose ausgefulirt, bei dem Hunde stets die Entwickelung miliarer Tuberculose zur Folge hat (cf. p. 228, Anm. 2). Ob der M e n s c h fur die Infection mit Huhnertuberculose empfang- hch ist, ist noch eine offene Frage. Der Bacillus der Hiihnertubercidose zeigt in seinem Ear bun gs- verhalten ahnliche Eigenschaften wie der Tuberkelbacillus par excellence. Er soli aber die Farbstoffe etwas leichter aufnehmen als der letztere. Gegen Entfarbungsmittel (Sauren) zeigt er dieselbe Re- sistenz wie der Bacillus der Saugethiertuberculose. 7. Der Leprabacillus. Bei der Lepra (Aussatz) wurden zuerst durch Annauer Hansen1) stabchenformige Organismen festgestellt. Durch N e i s s e r -) wurde diese Entdeckung bestatigt. Die Leprabacillen liegen in den leprosen Neubildungen, und zwar gewohnlich innerlialb der Gewebs- zellen („Leprazell en“). Die Leprabacillen sind in ihren Eigenschaften den Tuberkel- *) Vircli. Arch. Bd. 79. 1880. 2) Yirch. Arch. Bd. 84. 1881. 240 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. bacillen ausserordentlich ahnlich und stellen jedenfalls nahe Yerwandte derselben dar. Sie erscbeinen meist etwas kiirzer als die Tuberkel- bacillen. Bs muss aber darauf hingewiesen werden, dass man nicbt selten (in tuberculosem Sputum z. B.) Zusammenlagerungen von Tuberkelbacillen antrifft, die durch die Iuirze der einzelnen Exemplare lebhaft an Leprabacillenzusammenlagerungen erinnern. Die Leprabacillen haben keine Eigenbewegung. Ueber kunstliche Ziichtung der Leprabacillen hat namentlich Bordoni-Uffreduzzi1) berichtet. Es gelang ihm im J anuar 1887 gelegentlich eines Leprasectionsfalles in Turin in zwei mit dem Ivnochen- mark der leprosen Leiche geimpften Peptonglycerinblutserum-Rohrchen bei Briittemperatur in sieben Tagen die ersten Entwickelungsspuren eigentbumlicber Colonien zu erhalten, die aus verschieden langen, an den Enden meist keulenfbrmig angeschwollenen Bacillen bestanden. Die Endkeulen sab Bordoni-Uffreduzzi als vermuthliche Dauer- form (Artbrospore) an. Baumgarten ist der Ansicbt, dass es sicb bier wohl um eine Involutionserscheinung handelt. Die Strichculturen Bordoni-Uffreduzzi’s bildeten bandartige, mit zackigen Randern versehene Colonien. Uebrigens scbeint es spater nicbt wieder gegliickt zu sein die Leprabacillen kiinstlicb zu cultiviren. Ueber die Frage der Sporenbildung der Leprabacillen lasst sicb etwas Bestimmtes noch nicbt sagen. Die Leprabacillen lassen sicb, wie in mancher anderen Hinsicht, aucb in ibren farberiscben Eigenscbaften den Tuberkelbacillen vergleicken (cf. oben p. 98). Sie sind aber nicbt so scbwer farbbar wie die Tuberkelbacillen; sie nebmen zwischen den letzteren und den iibrigen Bakterien eine Mittelstellung ein. Ebenso geben sie die Farbung an Entfarbungsmittel etwas leicbter ab als Tuberkelbacillen. Hat man Leprabacillen im Trockenpraparat zu farben, so wird man sicb mit Yortheil der oben (p. 222 ff.) zur Farbung von Tuberkel- bacillen-Deckglaspraparaten angegebenen Methoden bedienen. Hat man Schnitte von Leprabacillen zu tingiren, so genugt eine etwa halb- stiindige Einwirkung einer der Ehrlicb’schen Losungen (p. 94) auf den Scbnitt bei gewbhnlicher Temperatur. Die Leprabacillen sind dann intensiv gefarbt. Bebufs der Conservirung der Scbnitte empfieblt es sicb sehr, dieselben nacb der bei Gelegenbeit der Tuberkelbacillenfarbung (p. 225) besprochenen Unna’scben Antroclmungsmetbode zu behandeln. Die Leprabacillen farben sicb aucb nacb der Gram ‘schen Me- tbode (p. 100 ff.) ') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 3. 1SS7. Baeillen bei Syphilis. Smogmabacillen. 241 Als Un terse liei cl u ngsmerkmal d e r Leprabacillen von den Tuberkelbacillen ist von Baumgarten1) das verschicdene ^ erbalten dieser Organismen bei der Behandlung mit einfachen wasse- rigen Fuchsinlosungen angegeben worden. Die Leprabacillen farben sich hier (wenigstens in einzelnen Exemplaren [cf. oben p. 99]) in kurzer Zeit bei Zimmertemperatur, wahrend sicb die Tuberkelbacillen bei dieser Behandlung noch nicht farben. M e 1 c b e r unci Ortmann2 3) haben liber erfolgreicbe U eb e r - tragung von Lepra auf Kaninchen beriebtet. Die Autoren impften Lepraknotenstiickchen in die vordere Augenkammer zweier Tbiere. Dieselben gingen 4 resp. 41/2 Monat spater zu Grunde und zeigten ausser anderen Metastasen eine Knoteneruption im Darnie, besonders in der Wand des Coecums, die die Autoren als Lepra deuteten. Im Uebrigen ist iiber Tbierinfectionen mit Lepra wenig berichtet; imd aucb die Modi, die bei der Infection des Menschen hauptsach- licb in Frage kommen, sowie cbe gauze Art und Weise des Zustande- kommens der leprosen Yeranderungen sind noch wenig bekannt. Ein Pbotogramm von Leprabacillen bei lOOOfacher Yergrosserung (Ausstrichpraparat eines leprosen Hautknotens 8)) zeigt Taf. Yin, Fig. 43. Das Pbotogramm giebt ein typisches Bild von der ausserordentlichen Menge von Baeillen, welche sicb bei der Lepra in den einzelnen Zellen angehiiuft linden. 8. Baeillen bei Syphilis. Smegmabacillen. Im Jabre 1885 maebte Lustgarten4 * *) in Wien eine Aufsehen erregende Mittheilung von Bacillenbefunden in sypbilitiseben Geweben. Lustgarten war es gelungen, in Scbnitten syphili- tiseben Gewebes mit Hiilfe einer specifiscben Farbungsmetbode Baeillen nachzuweisen, welche, gewohnlich nur in wenigen Exemplaren, inner- balb von Zellen liegend angetroffen wurden. Die specifiscbe Farbungs- methode beruht darauf, dass die in der E b r 1 i c b ’ schen Anilinwasser- gentianaviolettlosung gefarbten und in Alcohol ausgewasebenen Praparate in einer Losung von Kaliumpermanganat entfarbt werden. Bei dieser Entfarbung bleiben die Lust gar ten’ schen Baeillen gefarbt. Der ') Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie. Bd. 1. 1S84. p. 398, 369. 2) Berl. klin. Wochenschr. 1886. No. 9. 3) Das dem Praparate zu Grunde liegendo Material verdanko ick Herrn Priv Doc. Dr. Lassar. 4) Wien. Mod. Jahrb. 1885. — Vorlaufige Mittheilung: Wiener med. Wochen schr. 1884. No. 47. Glint her, Bakteriologie. i /> 242 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. sicli auf den Praparaten bildende Niederschlag von Manganhyperoxyd wird dann durcli Eintauchen der Praparate in eine wasserige Losung von scbwefliger Saure entfernt. Mit derselben Methode konnte Lust- garten aucb in syphilitischen Secreten (d. li. in Deckglastrocken- praparaten) ebenso gestaltete Bacillen nackweisen. Die Lustgarten’- scben Bacillen ahneln in ihrer Eorm den Tuberkelbacillen. Nadi dies,er Methode gelang es vielen Untersuchern nicht sich die Lust gar ten’schen Bacillen zur Anschauung zu bringen. Dies gelang besser mit einer anderen Methode, die von de G i a c o m i* * 3 4) fur Trockenpraparate angegeben, von A. Gottstein2) auch fur Schnitt- praparate empfohlen wurde. Die de Giacomi’scke Methode beruht darauf, dass die Praparate in E k r 1 i c k ’seller Anilinwasserfucksin- losung gefarbt und dann mit Eisenchloridlosung nachbehandelt werden. Aber auch mit dieser Methode ist es nicht gelungen die Lust- garten’sehen Bacillen in syphilitischen Geweben constant nack- zuweisen. Dagegen fanden Alvarez und Tavel3) sowie Matterstock4) im normalen Smegma praeputiale, ferner zwischen den grossen und kleinen Labien und am Anus gesunder Menscken bestimmte Bacillen- formen („Smegmabacillen“), die den Lustgarten’scken Bacillen im Aussehen gleichen und auch dieselben farberiseken Eigentkumlick- keiten darbieten. 5) Die Bedeutung der Lustgar ten’schen Bacillen, deren kimstlicke Zuchtung iibrigens nicht gelungen ist, ist dadurck sehr in Frage gestellt worden. Fur die specifische Bedeutung der Lustgar ten’schen Bacillen ist iibrigens die gewichtige Autoritat von C. W e i g e r t 6) in die Schranken getreten. 9. Der Rotzbacillus. Als Ursache der Rotzkrankheit (Malleus), einer speciell bei Pferden und verwandten Thieren in Epizootien auftretenden In- fectionskrankheit, die aber bekanntlick auch auf den Menschen iiber- ’) Con-esp.-Bl. f. Schweizer Aerzte. 1885. No. 12. -) Eortsclir. d. Med. 1885. No. 16. 3) Ai'ch. de physiol, norm, et patkol. 1885. No. T. 4) Verb. d. Wiirzb. pbys.-med. Gesellscb. Juni 1885. r>) Doutrelep ont (Deutsche med. Wocbenscbr. 1885. p. 321) bat eine be- sondere Barbungsmetbode angegeben , die zwar die bei Syphilis vorkoinmenden Bacillen, aber nicht die Smegmabacillen gefarbt zur Anschauung bringen soli. u) Deutsche med. Wocbenscbr. 1885. p. 8S5. Der Rotzbacillus. 243 tragbar ist, wurde 1SS'2 duroh Loeffler und Schiitz1) ein speci- fisoher Bacillus, der „Rotzbacillu s“, ermitfcelt. Loeffler hat dann seine umfangreichen Studien liber die Rotzkrankkeit in einer ausfukrlicken Arbeit 2) niedergelegt. Der Rotzbacillus ist ein sebr kleines Stabcken ohne Eigen- b ewe gun g. Der Bacillus lasst sicb auf den gewoknlichen bakterio- logischen Nahrboden, bei Temperaturen zwiscben 25 und 40° C. und bei Sauerstolfanwesenbeit, kiinstlick z tick ten. Auf der Agarober- flache erscbeinen die Culturen als feucktglanzende weissliche Belage, auf Blutserum als kelldurcksckeinende, zerstreute, tropfenformige Auf- lagerungen, die spater zusamnienfliessen. Das Blutserum wird nicht y e r f 1 u s s i g t. Sehr ckaracteristisck ist das Wachstbum der Rotzbacillen auf Kart off ein. Es bildet sicb auf der Oberflacbe der bei Briittempe- ratur gebaltenen Kartoffel im Yerlauf von etwa 2 Tagen zunachst ein gelblicber bonigabnlicber Belag, der dann allmahlich dunkler, braunrotb bis dunkelrotk wird. Ob der Rotzbacillus S p o r e n bildet oder nicbt , wurde von Loeffler unentschieden gelassen und ist aucb keute noch nicbt mit Sicherbeit entscbieden. 3) Loeffler beobacbtete eingetroclmete Rotz- bacillen, die drei Monate ibre Uebertragbarkeit und ibre Virulenz be- bielten; diese Thatsacke ist kaum anders als durcb die Anwesenheit von Dauersporen zu erklaren. Baumgarten und Rosenthal4) sind dann auf Grand gelungener „Sporenfarbung“ bei den Rotzbacillen (cf. oben p. 201 If.) fur die Existenz der Sporenbildung eingetreten. Das einzig und allein mit Sicherbeit in dieser Frage entsckeidende Kriterium, namlicb der Nachweis der Keimfahigkeit (cf. oben p. 71), ist jedoch fur die als „Sporen“ gedeuteten Gebilde nocb nicbt gehefert worden. Werden die kiinsthchen Culturen der Rotzbacillen auf Pferde oder auf andere empfangliche Tbiere verimpft, so erzeugen sie das typische Bild der Rotzkrankheit. Empfiinglich sind von Haustbieren — ausser Pferden und Eseln — Ziegen und Katzen, weniger empfanglick ') Deutsche med. Wochenschr. 18S2. No. 52. 2) Arbeiten a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1886. 3) Flugge (Grundriss d. Hyg. 1889. p. 54) spricht sicb mit Siclierbeit gegen die Bildung „ecbter Sporen“ aus. Aucb Boer, welcbor im Koch'scben Institute arbeitete, hat (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 9. 1890. p. 481) angegeben dass or in zahlreiehen Versucben die Sporenbildung bei den Rotzbacillen stets ver- misst bat. 4) Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 13. 244 B. Dio Bakterien aJs Krankheitserreger. sincl Scliafe und Hunde1), Scliweine noch weniger ; Kinder erscheinen immtin. Aus der Gruppe der Nagethiere sind hervorragend empfanglich die Feldmaus und, wie Kitt2) festgestellt hat, die Wald- maus und die Wuhlmaus, ferner das Ziesel3 4); etwas weniger empfang- lich sind Meerschweinchen, viel weniger Kaninchen. Ganz unempfang- lich sind Haus- und weisse Mause l) sowie Ratten. Der I g e 1 ist sehr empfanglich fur die Infection. 5) Bei fortgesetzter Ziichtung auf kunstlichen Nahrboden verhert der Rotzhacillus seine Virulenz bald; kiinstliche Culturen konnen deshalb nur dann dauernd virulent erhalten werden, wenn sie von Zeit zu Zeit dui’ch einen empfanglichen Thierkorper geschickt werden (cf. oben p. 179, Anm.). Die Infection geschieht unter natiirhchen Umstanden wohl aus- schliesslich von kleinen Verletzungen der Haut, vielleicht auch der angrenzenden Schleimhaute, aus. Es bilden sich zunachst locale Schwellungen, die gern abscediren, und denen sich Schwellungen der Lymphgefasse und Lymphdriisen mit eventueller Abscedirimg an- schliessen; dann kommt es zu allgemeiner Yerbreitung der Ivrankheit in den Kcirper, zur Bildung von metastatischen , an die Tuberkel er- innernden submiliaren Knotchen in den Organen. Die rotzig veranderten Gewebstheile haben grosse Neigung zur Nekrose, zum Zerfall. Bei Pferden ist die Pradilectionsstelle fiir die Rotzgeschwiire die Nasenschleimhaut. Ob bier in jedem Falle auch die primare Infection stattfindet, oder ob die Affection der Nasenschleimhaut haufig eine metastatische ist, ist noch unentschieden. Meerschweinchen gehen nach der kiinsthchen subcutanen Infection im Yerlaufe mehrerer Wochen, Feldmause schon nach 3 bis 4 Tagen zu Grunde. Bei mannlichen Meerschweinchen entstehen wahrend des Krankheitsverlaufs (besonders rapide bei intraperitonealer Infection) ganz characteristische , durch den Rotzbacillus veranlasste Hodenan- schwellungen, die weiterhin zu einer Yereiterung der Hoden fiihren. ') Juuge Hunde sind sehr empfanglich (F 1 ii g g e , Grundriss d. Hygiene. 18S9. p. 54). 2) Centralhl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. No. 9. 3) Kranzfeld, Centralhl. f. Bakt, Bd. 2. 1SS7. No. 10. 4) Leo (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. 1889) fand, dass die weissen Mause ilire natiirliehe Immunitat gegen Rotz verlieren, wenn sie mit P h 1 o r i d z i n gefiittert werden. Die Thiere scheiden nach der Phloridzindarreiehung (wie der Mensch und der Hund) Zucker aus, und diese kiinstlich diabetisch gemachten Thiere sind fiir die Rotzinfeetion empfanglich. r>) Kitt (cf. Fortschr. d. Med. 1889. p. 392). Der Typhusbacillus. 245 Aus Rotzbacillenculturen haben zuerst Kalning in Dorpat und imabhangig von ihm Preusse in Danzig eine Rotzlymphe („MaLlem“) hergestellt, welcbe — analog dem Tuberculin bei Tuberculose (cf. oben p. 231, Anm. 1) — als diagnostisckes Hiilfsmittel bei rotzverdachtigen Thieren benutzt werden kann. Rotzkranke Pferde antworten auf die Injection mit Temperatursteigerung. 4) Die Rotzbacillen linden sich in den specifiscken Gewebsneu- bildungen, namentlicb in den Centren der Knotchen; sie sind in Gewebsschnitten nicht leicht darstellbar. Ain besten gelingt die Dar- stellung noch an ganz frischem Material, wahrend man bei alterem Material oft vergeblich versucht die Bacillen durch die Farbung sicht- bar zu machen. Besonders empfohlen hat Loeffler zur Farbung seine alkalische Metkylenblaulosung (cf. oben p. 83). Im Uebrigen muss man die Scknitte nack der oben (p. 85) angefiihrten Weigert’- schen Metliode behandeln und eine Kernfarbung in den Kauf nehmen. Eine Metliode der isolirten Farbung der Rotzbacillen im Gewebe ist bisher nicht aufgefunden. Nack der Gram’scken Metkode (p. lOOff.) farben sick die Bacillen nickt. Taf. IX, Fig. 51, zeigt einen Scknitt durch die Lunge der inficirten Feldmaus. Man sieht kier am Scknittrande , genau in der Mitte des Bildes, eine Zelle, welcke eine Anzakl Rotzbacillen entkalt. 10. Der Typhusbacillus. Die bei dem menscklicken Abdominaltypkus constant vor- kommenden Bacillen, die „Typ bus bacillen", wurden zuerst von Ebertk* 2 3) geseken. Die fast zur selben Zeit von Klebs bei Abdo- minaltypkus in den nekrotischen Darmpartien aufgefundenen Ba- cillen8) bait Koch4) nach der Klebs ’scken Beschreibung ikres Aus- sehens nicht fur Typkusbacillen, sondern fur andersartige Bacillen, die nur eine secundare Bedeutung batten. K o c k 5) bat die Typkusbacillen etwa zu derselben Zeit wie E berth gesehen und zuerst photographisck dargestellt. Gaffky0) hat dann den Typhusbacillus einem eingekenden a) Vergl. das zusammenfassende Referat iiber diesen Gegenstand von Eber (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 1.) 2) Vircb. Arch. Bd. 81, 1880 und Bd. 83, 1881. 3) Arcbiv f. exp. Path. u. Pharraak. Bd. 12. 1880. p. 233. — Abbildung der Bacillen im Darmscbnitt ebenda Bd. 13. 1881. p. 399. l) Mittb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 45. r’) Ebenda, Taf. IX und X. °) Mittb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. 246 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. Studimn unterworfen und seine specifiscbe Bcdeutung fiir die Entstehung des Abdominaltypbus im bocbsten Grade wahrseheinlich gemacht. Der Typbusbacillus ist ein kurzes , plumpes Stabchen niit abgerundeten Enden, welcbes im Gewebe gewobnlich einzeln liegt, in kiinstlicben Culturen aber biiufig zn langen Fadenverbanden auswacbst. Auf Taf. Vm, Fig. 44, ist ein Klatscbpraparat von einer Gelatine- plattencultur bei tOOOfacber Yergrosserung dargestellt; bier siebt man sowolil einzeln liegende wie in langeren Verbanden angeordnete Baciilen. Der Typbusbacillus bat lebliafte Eigen b ewe g ung, welcbe durcb Geisselfaden bewirkt wil’d. Die letzteren sind dem einzelnen Bacillus, und zwar nicbt nur den Enden, sondem aucb den Seitenwandungen desselben, in grosser Zabl angeheftet. Jeder einzelne Bacillus tragt etwa 8 — 12 Geisseln. Die mikroskopiscbe Darstellung dieser Gebilde (nacb der Loeffler’schen Metbode) ist oben (p. 7 5 ff.) besprocben. *) Auf Taf. Vm, Fig. 45, ist ein nacb der genannten Metbode darge- stelltes Praparat bei lOOOfacber Yergrosserung wiedergegeben. Man findet bier mehrere einzeln liegende Baciilen mit ibren Geisseln sowie aucb emeu aus einer Reihe von Baciilen bestehenden Faden, welcbem die Geisseln seitbch angebeftet sind. Der Typbusbacillus gedeiht am besten bei Sauerstoffanwesenbeit. Er wacbst auf den gewobnlicben bakteriologiscben Nabrboden (selbst bei leicht saurer Reaction derselben [cf. oben p. 21]); am besten ge- deibt er bei Briittemperatur ; er konimt aber aucb bei Zimmertempe- ratur fort. Die Gelatine wird niemals verfliissigt. Die Colonien baben auf der Gelatineplatte sowobl wie in der Sticbcultur die Tendenz, sicli bauptsacblicb oberflachlicb auszubreiten. Es bildet sicb ein oberflachlicb weiter kriechender, die Gelatine mehr und mebr uber- ziebender, unregelmassig begrenzter, grauweisser irisirender Belag. Taf. VIII, Fig. 48, zeigt eine Oberflachen - S t r i c h cultur auf Gelatine. Das Wachstbum ist von dem dtinnen, in dem Pbotogramm deutbch zu sebenden, in der Mitte der Wucberung begenden Impfstricbe aus- gegangen. Auf Agar bildet sicb ein grauweisser, feucbter Ueberzug. Einigermassen cbaracteristiscb ist das Wacbs- thum des Typbusbacillus auf Kartoffeln. Die inficirten Ivartoffelflachen lassen „im Laufe der folgenden Tage fur das blosse Auge nur sebr geringe Yeranderungen erkennen. Die besaeten Flachen scheinen wohl ein etwas gleicbmassigeres und feucbteres Ausseben an- zunehmen; doch siebt man makroskopiscb von einem Wacbsthum ') Vergl. namentlick Anm. 2 auf p. 76. Der Typhusbacillus. 247 nichts. Versucht man aber — etwa nach 48 Stunden — mit der Platinnadel von der Oberflache eine geringe Menge zur mikroskopischen Untersuchnng zu entnebmen, so erhalt man den Eindruck, als ob die ganze Fliicbe in eine zusammenhangende resistentere Haut vervvandelt ware, ohne dass sich von Eintrocknung aucb nur eine Spur wahr- nehmen liesse. Yon welcker Stelle der Oberflache man aber auch ein minimales Kartoffelstiickchen entnebmen mag, iiberall, aucb an den nicbt besaeten Partien, findet man bei der mikroskopiscben Untersuchung in ganz iiberraschenden . Mengen die verimpften Bacillen , meist von der gevvobnlicben Lange, zum Tbeil aber aucb in Form langerer Schein- fiiden. Die ganze Oberfbicbe scbeint fast nur aus den Bacillen zu besteben.“ *) Die Erscbeinungsweise der Kartoffelcultur der Typhusbacillen lasst die letzteren von anderen, im Uebrigen abnlicben Bakterienarten unter scbeiden. Und es ist andererseits, will man bestimmte, im Darminbalt, im Boden, im Wasser aufgefundene Bakterien als Typbusbacillen ansprecben, durcbaus noth- wendig, die Charactere der Kartoffelcultur der zu beurtheilenden Bak- terien festzustellen. Allerdings kommen von dem genannten „typiscben“ Ausseben der Kartoffelcultur aucb Abweicbungen vor. E. Fraenkel imd Simmonds* 2) baben zuerst darauf aufmerksam gemacbt, dass die Typbusbacillen auf mancben Kartoffelsorten graue, in ibren Grenzen deutlich erkennbare, scbmierige Belage bilden. Zum Zustandekommen der „typiscben“, von Gaffky bescbrie- benen Erscbeinungsweise der Kartoffelcultur scbeint die normale, leicht saure Keaction der Kartoffel unerlasslicb zu sein. Nacb einem absolut sicheren Kennzeicben des Typhusbacillus, welcbes gestattet, denselben unter alien Umstanden als solcben zu er- kennen, wird immer noch gesucht. 3) Ein solches sicheres und constantes Merkmal des Typhusbacillus ist aber ausserordentlich erwiinscbt an- gesichts des Umstandes, dass in der Natur (im Inhalt unseres Darmes, im Boden, im Wasser etc.) Bakterienarten weit verbreitet vorkommen, die morphologisch sowobl wie in ibrem Culturverbalten dem Typhus- bacillus hochst ahnlich sind. Vor Allem kommt bier in Betracht das Bacterium coli commune, welches sicb in Faeces ganz regel- miissig vorfindet, und welches demnacb in verunreinigtem Wasser, im Boden etc. ebenfalls haufig angetroffen werden kann. *) Wortlich aus der Arbeit Gaffky ’s, 1. c. p. 388, 3S9. 2) Zcitschr. f. Hygiene. Bd. 2. 1887. ! ’) cf. R. Koch. 10. internat. raed. Congr. Berlin 1890. Verhandlungen Bd. 1. p. 38. 248 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. Yon Chantemesse und Widal1) wurde (1887) angegeben, dass de r Typhusbacillus eine grossere Resistenz gegen geringe Mengen von Carbolsaure (die dem Nabrboden zugesetzt wird) besitze als andere Bakterienarten ; und es wurde diese Eigenscbaft des Typhus- bacillus zur Differentialdiagnose und zur Trennung von anderen Arten empfohlen. Spatere Untersucbungen haben jedoch ergeben, dass eine zur differentiell-diagnostischen Yerwertbung ausreicbende Resistenz des Typhusbacillus gegen Carbolsaure nicht bestebt. 2) Diagnostiscb verwerthbar dagegen ist nach den Ermittelungen von Kitasato neben der Kartoffelcultur das Yerbalten der Bouillon- cultur beim Zusatz von Kaliumnitrit und Schwefelsaure 3) (d. h. beim Zusatz von salpetriger Siiure). Wabrend namlicb bei den dem Typhus- bacillus ahnlichen Bakterienarten nacb diesem Zusatze eine Roth- farbung eintritt (In do Ire action), bleibt diese Rothfarbung in den Typhusbacillusculturen aus. Die Typbusbacillen produciren, z u m U n t e r s c b i e d von s o n s t ahnlichen Arten, k e i n Indol.4) Ferner ist von grosser diagnostischer Bedeutung die G a b r u n g s - probe. Tb. Smith5 *) bat (1890) angegeben — und diese Angabe hat sich durchaus bestatigt — dass der Typhusbacillus bei seinem Wacbstbum in 2proc. Traubenzucker-Bouillon °) keine Gasbildung ber- vorruft, wabrend ahnliche Bakterienarten, speciell auch das Bacterium coli commune, Gasbildung bewirken. 7) Die Gahrungsprobe wird am besten in den oben (p. 136, Anm. 1) erwabnten Gahrungskolbchen angestellt. 9 Arch, de physiol, norm, et path. 1887. No. 3. 2) So fand z B. Dunbar (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 506), dass dem Bacterium cob commune eine grossere Resistenz gegen Carbolsaure zukommt als dem Typhusbacillus. 3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. — Zu 10 c.cm der Cultur wird 1 ccm einer 0,02 proc. Losung von reinem Kaliumnitrit zugegeben; dann werden einige Tropfen concentrate Schwefelsaure zugefiigt (1. c. p. 518). 4) Wie Kitasato (1. c. p. 519), so hat auch Lewandowsky (Deutsche med. Wochenschr. 1890. p. 1186) eine Reihe der wichtigsten Bakterienarten auf ihre Fahigkeit, Indol (resp. Phenol) zu bilden, gepriift. 5) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. No. 16. p. 504. °) Nahrbouillon (cf. p. 118), welcher vor der Sterilisirung 2 °/0 Traubenzucker zugesetzt sind. 7) Eine Sauer ung der 2 proc. Traubenzucker- (oder Milchzucker-) Bouillon wird, wie Th. Smith spiiter (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1S92. p. 367) mitgetheilt hat, sowohl durch den Typhusbacillus wie auch durch das Bacterium coli commune hervorgerufen. Rohrzucker wird nach Th. Smith durch keine der beiden Arten vergohren. Dor Typbusbacillus. 249 Zur Unterscheidung des Typkusbacillus von dem Bacterium coli commune ist ferner vortrefflich brauchbar das Verhalten der beiden Organismen bei der Cultivirung in steriler Milcb. Der Typbusbacillus bewirbt eine geringe Sauerung, aber, selbst bei Monate langem Stehen bei Briittemperatur , k e i n e G e r i n n u n g der Milcb , wahrend das Bacterium coli bei 37° C. bereits in 24 bis 48 Stunden starke Sauerung und Gerinnung der Milcb hervorruft. ]) Damit in Uebereinstimmung stebt aucb die (bereits 1889) von Petruschky* 2) festgestellte Tkafi- sacbe, dass der Typhusbacillus auf neutraler Molke (Milchserum) sehr geringe Mengen Siiure bildet (in Volumprocenten der zur Neutralisirung verbraucbten >/ 10 Normalnatronlauge ausgedruckt 2—3 °/0), wabrend das Bacterium coli auf demselben Nabrboden erbebbch grossere Mengen (7 — 8°/0) Saure bildet. Was die Diagnosticirung resp. Identificirung des Typbusbacillus im Uebrigen angebt, so sei auf die oben (p. 169, Anm. 1) gegebenen allgemeinen Erorterungen fiber die Identificirung von Bakterienarten, die specifisck fur den Menscben pathogen sind, bingewiesen: Stammt das zu bestrmmende Material unmittelbar von einem verdacbtigen Krank- beitsfalle, oder ist es der frischen Leicbe entnommen, so macbt die Diagnose in der Regel kerne Schwierigkeiten ; das Kriterium des un- mittelbaren Zusammenbanges m i t dem Krankbeits- falle bescbriinkt das Gebiet, in das binein die aufgefundenen Bakterien gehoren konnen, sofort in ganz bestimmter Weise. Stammt das Material dagegen aus irgend einer anderen Quelle, aus Wasser, aus dem Boden, aus alteren Faces etc., so sind wir — bei dem Mangel ernes empfang- licben Versucbsthieres — lediglicb darauf angewiesen, die Culturmerk- male der aufgefundenen Bakterien auf das Sorgfaltigste nacb alien Ricbtimgen bin zu untersucben. Stimmen die Cultimnerkmale in alien Beziebungen mit denen einer autbentiscben Typbusbacillencultur iiber- ein, so sind wir vollberecbtigt, auszusprecben, dass die zu bestimmen- den Bakterien mit dem Typbusbacillus bocbstwabrscbeinlich identisch seien. Eine absolute Sicberbeit in der Diagnose (wie sie z. B. bei der Identificirung des Milzbrandbacillus, des Rotzbacillus, des Scbweinerotblauf bacillus etc. durch die Tbierimpfung obne Weiteres errreicht wird) ist bier nicbt moglicb. Gaffky war durch seine Untersuchungen zu dem Schlusse ge- fiihrt worden, dass die Typkusbacillen (endstandige) Sporen bilden, ') Cf. Chantemesse und Widal (Soc. de Biol. Paris. 7 nov. 1891), ferner Dunbar (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 491). * 2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. p. 662. 250 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. die sicli bei Briittemperatur in den Culturen innerhalb 3 bis 4 Tagen entwickeln. Es fehlen diesen „Sporen“ jedoch wesentlicbe Charactere, welche man an endogenen Sporen nickt zu vermissen gewohnt ist, vor Allem die Resistenz gegen die Einwirkung hoherer Temperaturen. Besonders durch Bu diner1) ist spater auf Grnnd experimenteller Untersucbungen die Sporenbildung bei den Typhusbacillen lebhaft be- stritten worden. Es unterliegt jetzt keinem Zweifel mehr, dass Sporen- bildung bei dem Typhusbacillus nicht existirt. Aus Culturen der Typhusbacillen auf Rindfleischbrei hat Brieger2) ein giftiges Alkaloid, ein „Toxin“, isolirt, welches die Zusammen- setzung C7 H17 N0.2 hat. In Organen der menschlichen Typhusleiche haben Brieger und Wassermann3) giftige Eiweisskorper nach- gewiesen. Der Typhusbacillus ist auf Thiere nicht ubertragbar. Yon mehreren Seiten wurden ini Jahre 1886 angebhch gelnngene Thier- versuche publicirt; es hat sich aber feststellen lassen, dass es sich in den Fallen mit anscheinend positivem Ergebnisse mn Intoxicationen mit den giftigen Stoffwechselproducten der Typ h us b acil lencu 1 tur en ge- haridelt hat, und dass die Typhusbacillen im Ivorper der Versuchsthiere sich nicht zu vermehren vermogen. 4) Durch Einverleibung allmahlich steigender Dosen (lebender) Typhusbacilluscultur erreichten Beumer und P e i p e r 5) eine gewisse Giftfestigung bei Mausen. Chantemesse und Widal6) erreichten dasselbe auch mit Culturen , die durch Er- hitzimg auf 120° C. abgetodtet waren. Uebrigens haben Brieger, K i t a s a t o imd Wassermann7) darauf aufmerksam gemacht, dass die Giftigkeit verschiedener Typhusculturen fur Mause von Hause aus sehr verschieden ist. Bei der Infection des Menschen bildet der Darin stets die Eingangspforte. Man findet in der Typhusleiche die Bacillen innerhalb der Darmwand, in den Mesenterialdrusen , ferner besonders in Milz, Leber und Nieren. In den letztgenannten Organen treten die Bacillen ') Centralbl. f. Bakt. Bd. 4. 1888. No. 12 — 13. 2) Berl. klin. Wockenschr. 1886. No. 18. p. 2S3. 3) Charite-Annalen. 17. Jahrgang. 1892. p. 822 ff. 4) Eine begrenzte Yermehrung der Typhusbacillen findet nach Petr u sell ky (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 269) bei Mausen, denen das Material intraperi- toneal injicirt wird, statt, aber nur auf der Oberflache des Bauchfells; eine An- siedlung der Bacillen in den Organen kommt nicht zu Stande. 6) Zeitschr. fiir Hygiene. Bd. 2. 1S87. u) Annales de l’lnst. Pasteur. 18S8. p. 56. 7) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 166. Uer Typhusbacillus. 251 stets in grosseren oder kleineren Anhaufungen, Herd eh, auf; und zwar liegen sie innerhalb der Blutgefasse. Auf Taf. VHI, Fig. 47, ist ein Herd aus einer Typhusleber bei 200facher Vergrosserung dar- gestellt ; Fig. 46 zeigt einen Theil dieses Herdes bei 500facber Yer- grosserung; die Mitte der Figur 46 entspricbt genau der Mitte der Figur 47. Beim lebenden Typbuskr anken fand zuerst A. Pfeiffer1 2) die Typbusbacillen im Stuhl. Dieser Befund ist jedoch kein con- s tauter. -) Dann wies Neuhauss3) den Typhusbacillus im peri- pherischen Blute (im Blute der Roseolen) des Typhuskranken nach. Andere Autoren haben ibn dann aucb im F i n g e r b 1 u t e ge- funden. Jedocb sind alle diese Befunde nur vereinzelt; die Unter- sucbungen sind oft mit negativem Ergebniss wiederholt worden. In einer Anzabl von Typhusfallen findet man den Typhusbacillus aucb im Ur in. Im Blutserum von Typhusreconvalescenten wies Stern4) (durcb Versucbe an Mausen) Korper nacb, welcbe gegen die Typbusintoxica- tion immunisirend wirken (cf. oben p. 189). In der Literatur linden sich zablreicbe Angaben, welcbe den ge- lungenen Nacbweis des Typhusbacillus im Trinkwasser, besonders in verunreinigtem Brunnenwasser , betreffen. In einer Anzabl dieser Falle, besonders in solcben, bei denen unter Zubiilfenabme sammtlicher zugiingiger Kriterien (s. oben) gearbeitet wurde, ist es nicht unwahr- scheinbcb, dass es sich in der That um den Typhusbacillus gebandelt bat ; ebenso ist es wahrscheinlich, dass die naturlichen Infectionen des Menschen mit Abdominaltypbus haufig durcb den Genuss von bacillen- baltigem Trinkwasser vermittelt werden. Die Typbusbacillen farben sich nicht nacb der Gram’scben Methode (p. 100 If.). Sie nehmen ferner die Farbung mit Anihnfarben uberhaupt etwas schwieriger an als andere Bakterienarten. Farbt man ein Trockenpraparat, welches man sich aus einer Typhusbacillencultur hergestellt hat, mit einer gewobnlicben wasserigen Farblosung in der gewohnlichen Weise, so findet man viele Exemplare niclit intensiv, sondern nur blass gefarbt. Es empfieblt sich deshalb, die Farbung unter leichter Erwarmung (cf. p. 73) zu bewirken. J) Deutsche med. Wochenschr. 1885. No. 29. 2) Nach Karl in ski (cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. p. S3) ist der Typhus- bacillus vor dem 9. Krankheitstago nie im Stuhl zu finden. 3) Berl. klin. Wochenschr. 1886. No. 6 u. 24. '*) Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 37. 252 B. Die Baktetien als Krankkeitserreger. 11. Der Bacillus der Mausesepticaemie und der Bacillus des Schweinerothlaufs. Die Mausesepticaemie ist eine experimentelle Infections- krankheit , welche R. Koch bei seinen „Untersuchungen iiber die Aetiologie der Wundinfectionskrankbeiten11 ’) entdeckte. Haus- imd weisse Mause, denen faulendes Blut, faulendes Fleisckinfus subcutan eingebracbt wurde, gingen an einer Septicaemie zu Grunde.* 2) Die inneren Organe zeigten sicb makroskopisch im Allgemeinen unverandert; nur bestand betrachtbche Milzscbwellung. Die Krankheit liess sicb von einer Mans auf die andere durcb cutane ' Impfung mit den geringsten Mengen von Blut der gestorbenen Thiere iibertragen. Ueberall im Blut fand Koch sehr kleine Stabcben, 0,8— 1,0 jtt lang, 0,1 — 0,2 fi dick. Dieselben begen fast stets einzeln, sind baufig in Zellen eingeschlossen. Ob die Stabcben Eigen be wegung baben, erscheint nocb zweifelbaft. Die Bacillen der Mausesepticaemie zeigen ein ganz characte- ristiscbes Wacbsthum in der 1ST ahr gel a tine. AufPlatten erscbeinen im Verlaufe einiger Tage hellgraue, durcbscbeinende, Nebel-, Schleier-, Wolkenartige runde Flecken. In der Gelatin estich- cultur beobachtet man um den Impfsticb berum die Ausbildung horizontal gestellter, schicbtweise iiber einander begender wolkiger Triibungen (siebe Taf. IX, Fig. 54). Die Gelatine wird ganz langsam verfliissigt, und dementsprechend kommen sowohl auf den Gelatine- platten wie in den Sticbculturen Verdunstungserscheinungen des Nalir- bodens, dellenartige resp. tulpenformige Einziebungen der Gelatine, zu Stande. Auf der A g a r oberflache bildet der Bacblus ausserst zarte, kaum sichtbare, in feinsten Tropfchen angeordnete Ueberziige. Auf Kartoffeln wachst der Bacibus nicht. Milch wird durcb das Wacbsthum des Bacibus makroskopisch nicht verandert ; in Tr a ubenzu eke r bouillon entstebt kerne Gabrung. 3) *) Leipzig. 1ST8. p. 40 — 45. 2) Kiirzlicli hat Loeffler (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. p. 130) den in Rede stekenden Bacillus auck als spontanen Erreger einer epidemiseken Erkrankung unter in Gefangensckaft gekaltenen weissen Mausen beobachtet. Bei (keser Epidemie wurde die Krankheit kockst wakrsekeinliek durcb Aufnakme des Erregers in den Digestionstractus iibertragen. :)) Nack Moore; cf. das Referat von Tk. Smith, Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. p. 732. Der Bacillus der Mliusesepticaemie und der Bacillus des Schweinerothlaufs. 253 Im h an gen den Tropfen bei Briittemperatur vvachsfc der Ba- cillus niclit, wie man das sonst bei Bacillen baufig sieht, zu langcn Baden aus, sondern vermehrt sich zu dichten Haufen. In einigen Fallen hat Koch Sp ore nbil dung beobachtet. Haus- und weisse Manse sind fur die Infection sehr empfang- lich; sie sterben 40 — 60 — 80 Stunden nach der Impfung. Man findet sie, was fur die Krankheit ganz specifisch ist, nach dem Tode in sitzender Stellung mit stark gekrummtem Riicken. Feld- miiuse sind vollstandig immun, ebenso Hiihner und Meerschweinchen. Der Mausesepticaemiebacillus far lit sich leicht mit wasserigen Farb- losungen; ebenso farbt er sich auch nach der Gram’schen Methode (p. 100 ff.). Auf Taf. IX, Fig. 53, ist ein Ausstrichpraparat von dem Herzblut einer an Mausesepticaemie verendeten Maus bei lOOOfacher Ver- grosserung dargestellt. Dem Mausesepticaemiebacillus in seinem gesammten Yerhalten hochst ahnlich, vielleicht mit demselben identisch, ist der Bacillus des Schweinerothlaufs. Der Schweinerothlauf (rouget des pores) ist eine, besonders unter den edleren Schweinerassen in den ersten Lebensjahren epi- zootisch auffcretende, imter dem Bilde einer Septicaemie verlaufende schwere Infectionskrankheit. Den veranlassenden Bacillus fand zuerst Loeffler1) (1882) in dem Blute und den Organen der Thiere. Er zuchtete bereits 1882 cliesen Bacillus rein und erkannte seine Patho- genitat fur Mause und Kaninchen. Er fand damals auch, dass Ka- ninchen durch einmaliges Ueberstehen der Infection immun werden gegen eine neue Infection. Schweine zu inficiren gelang Loeffler nicht; wie sich namlich spater herausgestellt hat, sind die gemeinen Landrassen so gut wie unempfanglich fiir die Krankheit. Namenthch durch Schiitz2) ist dann der Schweinerothlauf genauer studirt und seine Aetiologie sicher festgestellt worden.3) ') Arbeiten a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1886. 2) Ebenda. 8) Nach C. 0. Jensen (Kopenhagen) tritt der Schweinerothlauf in folgenden verschiedenen (sammtlich durch den specifischen Bacillus vcranlassten) wohlcharacte- risirten Formen auf (zwischen denen jedoch ab und zu Uebergangsformen vorkommen) : 1) ,, Rouget blanc“; seltenere, schnell verlaufende, ohne Rothfiirbung der Haut einher- gehende Form, 2) Rothlauf im engeren Sinne, 3) diffuse nekrotisirende Hautenfr ziindung (trockener Hautbrand), 4) Nesselfieber, Urticaria (danisck Knuderosen = Knotenrothlauf), 5) Endocarditis verrucosa bacillosa. (Deutsche Zeitschr. f. Thiermed. u. vgl. Path. Bd. IS. 1802. p. 208.) 254 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. Schiitz halt die Identitat der Erreger der Kocli’schen Mause- septicaemie und des Schweinerothlaufs fiir wahrsclieinlich. Durch Kitt1) ist festgestellt, dass auch insofem eine Uebereinstimmung be- steht, als der Rothlanfbacillus, wie der Mausesepticaemiebacillus, zwar fiir Haus- und weisse Mause, nicht aber fur Eeldmause pathogen ist. Ref r acta r sind gegen Schweinerothlauf Rinder, Schafe, Pferde, Maulesel, Esel, Hunde, Katzen, Meerschweinchen, Feldmause, Wald- miiuse, Hiihner, Ganse, Enten. Auch auf den Menschen ist eine Ueber- tragung nicht beobachtet. Die Yirulenz des Bacillus wird bei der wiederholten Yerimpfung von Kaninchen zu Kaninchen abgeschwacht (Pasteur, Kitt). Durch Impfung mit dem abgeschwachten Bacillus lassen sich, wie Pasteur (cf. oben p. 181) gefunden hat, Schweine immun machen gegen die Infection mit dem virulenten Bacillus.2) Die Infection der Schweine mit Schweinerothlauf scheint unter natiirlichen Verbal tnissen durch die Aufnahme der sehr virulenten Excremente erkrankter Schweine mit der Nahrung in den Darmkanal zu erfolgen. 12. Der Diphtheriebacillus. Die bei der menschlichen Diphtherie vorkommenden Bakterien wurden zuerst von Loeffler3) einer eingehenden Untersuchung mit Hiilfe der modernen bakteriologischen Methoden unterworfen. Loeffler constatirte das ziemhch constante Yorkommen einer bestimmten, kunst- lich ziicktbaren B a c i 1 1 e n a r t 4), mit der es zwar nicht gelang bei Thieren echte Diphtherie hervorzurufen, der aber dock Thieren gegen- iiber eine erhebliche Giftigkeit zukam. Freilick fand Loeffler die- selbe Bacillenart auch einmal in der Mundhohle ernes gesunden Kindes; und er hat sich deshalb sehr reservirt beziiglich der etwaigen Specifitiit der. gefimdenen Bacillen far die Diphtherie ausgesprochen. Neuere ') cf. Skizze des Autors im Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1S87. No. 23. ’) Neuerdings hat Loreuz in Darmstadt (Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1S93. No. 11/12) ein Schutzimpfungsverfahren fiir Schweine angegeben, welches mit Hiilfe des Bliitserums von Schweinen ausgefiihrt wird, die gegen Schweinerothlauf irnniu- nisirt sind, und die kurze Zeit vor der Blutentnahme eine neue Injection virulenter Cultur erhielten. 3) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. ') Mila’oskopisch waren diese Bacillen vor Loeffler bereits von Klebs (2. Congr. f. inn. Med. Wiesbaden. April 1883) gesehcn worden. Der Diphtberiebacillus. 255 Untersuchungen von Loeffler1) sowie von Roux und Y e r s i n 2), von Zarniko3), von Esckerick 4), von Brieger und C. Fraenkel5 *) und von anderen Autoren haben nun gezeigt, dass der Loeffler’sche „Dipbtheriebacillus“ allerdings ein ganz c o n s t a n t e s Vorkommniss bei der Dipbtherie ist. Ferner sind eine Reibe von Thatsachen be- ziiglicb des Verbaltens dieses Bacillus gegenuber Yersucbsthieren er- mittelt worden, die keinen Zweifel mebr lassen, dass wir in dem L o e f fl e r ’schen Bacillus den Erreger der menscblicben Diphtheric'1) vor ims baben. Der Diphtberiebacillus ist ein Stiibchen, welcbes etwa die Lange des Tuberkelbacillus besitzt, aber etwa doppelt so breit wie dieser ist. Das morphologiscbe Yerbalten wechselt aber. Haufig fin den sicb leicbt gekrummte Exemplare ; aucb bizarre Formen mit kolbig verdickten, knotig aufgetriebenen Enden sind haufig (Involutionserscbeinungen). Ln gefarbten Praparate zeigt der Diphtberiebacillus ganz gewobrdicb ein segmentirtes Ausseben. Fig. 50 auf Taf. IX zeigt ein Ausstricb- priiparat einer Agarcultur, welcbes das gescbilderte morphologiscbe Ver- balten deutlicb zur Anscbauung bringt. Der Bacillus findet sicb gewohnhch ausschbessbcb in den dipbthe- riscben Pseudomembranen, sonst nirgends im Korper des Erkrankten. 7 * * 10) Die schweren Allgemeinsymptome der Diphtberie beruben auf Intoxi- ') Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. No. 4. 2) Annales de l’lnst. Pasteur. 1888. No. 12; 1889. No. 6; 1890. No. 7. :1) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. No. 6—8. 4) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. No. 1. ') Berl. klin. Wocbenscbr. 1890. No. 11 — 12. u) Man muss unterscheiden zwischen 1) „Diphtherie“, d. k. der specifisehen uralten contagiosen Krankheit, und 2) patbologisch-anatomisck dipbtkerie-aknhcken Affectionen. Die letzteren bezeichnet man zur Unterscheidung von der echten, ge- nuinen Dipbtherie aucb als „Dipktkeritis“. So spricbt man z. B. von ,.,Scbar- lachdiphtheritis“, einer Affection, welcbe, wie bereits Bretonneau 1821 iiber- zeugend ausfubrte, atiologiscb mit der ecbten Dipbtherie gar nicbts zu tkun bat, und bei der aucb Loeffler (und ebenso die spateren Untersucher) die bei der ecbten Diphtherie vorkommenden Stiibchen stets vermissten. (Siebe die Emgangs citirte Arbeit von Loeffler, p. 449, 450). Bei der Sckarlackdipktkeritis findet sich ganz regelmassig der Streptococcus pyogenes, welcker iibrigens aucb die genuine Diphtherie sehr haufig complicirt. 7) Es kommt aber aucb, wie neuere Untersuchungen gezeigt baben, gar nickt selten vor, dass der Diphtberiebacillus — durcb das Culturverfahren — in den inneren Organen nacbvveisbar ist. Froscb (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 13. 1892) bat in 10 von 15 zur Section gekommcnen Dipktkeriefallen den Diplitberiebacillus durcb die Cultur in den inneren Organen nacbzuweisen vermocbt. Am regelmiissigsten fanden sich die Baeillen in pneumoniscben Herden, in der Milz, in Cervical- und Bronchiallympbdriisen. 256 B. Die Baktericn als Krankheitserreger. cation des Korpers durch die am Orte der Infection von dem Bacillus gebildeten hochst giftigen Stoffwechselproducte. Auf Taf. IX, Fig. 49, sieht man einen Durchsclmitt durch eine diphtherische Pseudomembran mit Stabchenhaufen. ') Niclit nur wahrend des Verlaufs der Diphtherieerkrankung, sondern haufig auch noch wochenlang nacli dem Verschwinden der Belage, wahrend der Reconvalescenz, sind (infectionstiichtige) Diphtheriebacillen in der Mundhohle der Patienten nachweisbar. -) Der Bacillus ist unbeweglich. Er wachst bei Temperaturen zwischen 20 und 42° C. Er wachst sowohl in Gelatine wie auf an- deren Nahrboden. Die Nahrboden mussen stets leicht alkalisch sein. Besonders eignet sich das Loeffler’sche Blutserum (3 Theile Rinder- imd Hammelserum vermischt mit einem Theile einer Rinderbouillon, der 1 °/0 Pepton, 1 2I2°I0 Kochsalz und 1 °/0 Traubenzucker zugesetzt ist), ferner das Glycerin-Agar (cf. oben p. 117) zur Cultivirung. Zum Zwecke der Isolirung des Bacillus aus dem erkrankten Korper streicht man nach dem Vorgange von Loeffler3) ein sehr kleines, an der Platinose haftendes Stiickchen der Pseudomembran hinter einander auf der Oberflache des Nahrbodens von 6 — 8 Blutserum-4) oder Glycerin- agar-Rohrchen (schrag erstarrt; cf. oben p. 118) aus. Die Rohrchen werden dann in den Briitschrank gestellt. In den letzten Rohrchen kommen isolirte Colonien zur Entwickelung, die dann weiter verimpft werden. Nach Roux und Yersin5) erhalt man auf diese Weise, wenn es sich uberhaupt um echte Diphtherie handelt, fast stets ohne Weiteres grosse Mengen von Diphtheriebacillencolonien. J) Dass sich haufig neben den Diphtheriebacillen noch andere Mikroorganismen, namentlich Streptococcen, in den Pseudomembranen fin den, haben wir oben (p. 255, Anm. 6) bereits erwaknt. Den Streptococcen komrnt ohne Zweifel nur eine secundiire Bedeutung zu. 2) Auf dem 10. internat. rued. Congress 1890 hat Loeffle r (cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. p. 664) einen Diphtheriefall mitgetheilt, in welchem er aus dem Itachen des Erkrankten bis zum 24. Tage nach dem Beginn der Erkrankung (fieberlos war der Kranke seit dem 5. Krankheitstage) infectionstiichtige Diphtheriebacillen zu ziichten vermochte. — T o b i e s e n (Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 17) hat 46 geheilte Diphtheriepatienten bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhause auf die Anwesenheit von Diphtheriebacillen im Schlunde untersucht und bei 24 von ihnen (am 4. bis 31. Tage nach dem Verschwinden der Belage) mit Sicherheit Diphtheriebacillen nachzuweisen vermocht. 3) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 461, 462. ') Nach Erosch (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1892. p. 52) wachsen die Diph- theriebacillen auf Agar, welches mit menschlichem Blut bestrichen ist, ebenso gut wie auf Blutserum. 5) Ann. de l’lnst. Pasteur. 1890. No. 7. ]). 3S9. Der ])iplitheriobacillus. 257 Auf dem Loefflor’schen Serum bilclen die Baeillen bci 37° C. in 2 Tagen einen dicken, weisslicken, glanzenden Ueberzug. Auf Agar ist das Wacbstbum zunachst kein besonders ausgie- biges; bci weiteren Umzuchtungen wird das Wachstlnun ein erbeblich besseres, zugleich stellt sicb eine A b n a hme der Vi r u 1 e n z ein. Die Belage auf Agar haben ein weisslickes, mattglanzendes Aussclien. Auf der Gelatineplatte bildet der Diphthcriebacillus (bei etwa 22 — 24° C.) rundlicke, die Gelatine nicht verfliissigende Colonien, welclie dauernd klein bleiben. In der Sticlicultur bilden sicb kleine, weisse, kugelformige Colonien langs des Impfstiches. Bei der Zilcbtung in Bouillon giebt der Dipbtberiebacillus zu ganz massiger allgemeiner Triibung des Nabrbodens Yeranlassung; ferner bilden sicb kleine kriimebge, brockelige, aus Baeillen bestehende Conglomerate, welcke besonders den Wandungen des Culturgefasses ansitzen und bei dem Bewegen der Flfissigkeit sicb ablosen und zu Boden sinken. Auf der Kartoffel wachst der Bacillus nur, wenn die Ober- flaclie derselben alkalisck gemaebt wird. Die Milch ist ein giinstiger Nahrboden fur den Bacillus. Sporenbildung sebeint niebt zu existiren. Im getrockneten Zustande (in Stiickclien von Pseudomembranen) bleibt der Dipbtberiebacillus 3 — 4 Monate lang entwickelungsfahig. Der Dipbtberiebacillus gehort zu den exquisit toxischen Bak- terienarten (cf. oben p. 175). Er bildet — sowobl in kiinsthchen Culturen wie im Korper des Dipbtberiekranken — ein specifiscbes Gift* 1), fiber dessen Natur noch wenig Sickeres bekannt ist. Ausser- ordentlich wichtig ist die von Guinochet2) festgestellte Tbatsacbe, dass das specifische Diphtberiegift auch bei der Cultivirung des Dipktherie- bacillus in steribsirtem Urin gebildet wird, und dass die resultirende giftige Culturfliissigkeit keinerlei Eiweissreaction befert. Das specifische Diphtberiegift gebort hiernach niebt zu den Eiweisskorpern. Die sekweren Allgemeinsymptome, welcbe bei der dipktherischen Erkrankung des Menschen auftreten, sind auf die Wirkung des — an der Jnfectionsstelle von den sicb vermehrenden Diphtheriebacblen ge- bildeten und von dort aus in den Ivorper hineingelangenden — spe- cif i s c h e n Di])htherie g i f t e s zu beziehen. ') Diese Thatsache wurde zuerst (1888) von Roux und Yersin (Ann. do 1 Inst. Pasteur. 1888. No. 12. p. 04211.) und (ebenfalls 1888) unabblingig von diosen Autoren auch von Loof'f'ler (Deutsche mod. Wochenschr. 1S90. p. 1 Oil), fcstgestcllt. '-) Arch, do mod. exper. t. 4. 1892. p. 494. Gunther, Kaktoriologio. i j 258 B. Dio Bakterien als Krankheitserregcr. Das Diplitliericgift resp. gifthaltige Cultural der Diphtheriebacillen wirken aucli auf eine grosse Reihe von Tliieren in specifischer Weise. Meerschweinchen, welche ganz besonders empfanglich sind, sterben nach subcutaner Einverleibung der kleinsten Mengen innerhalb 24 bis 72 bis 96 Stunden. Sic zeigen einen fur die Diphtherieintoxication ganz cliaracteristischen Sectionsbefund '), namlich Schwartenbildung an der Infectionsstelle (nur bei sehr scbnell verlanfender Krankheit lindet sich statt der Schwartenbildung Oedemfliissigkeit), Pleura- (zuweilen aucli Pericardial-) transsudat, Blutuberfullung der Bauchorgane und Vergros- serung und Rothfarbung der Nebennieren. Ebenso sind Ha mm el sehr empfanglich fur die Diphtherieintoxication (Behring und Wernicke). Kaninchen, Tauben, Hiihner sind weniger empfanglich als die genannten Species. Junge Hunde verhalten sich sehr empfanglich. Verimpft man virulente Cultur auf die Vagina von Meerschweinchen, so entsteht nekrotisirende Schleimhautentzundung. Auf der eroffneten Trachea von Meerschweinchen und Kaninchen entwickelt sich nach der Impfung eine echte Diplitherie (Brieger und C. Fraenkel). Sehr wichtig ist die ganz sicher constatirte Thatsache (Roux und Yersin, Brieger und C. F r a e n k e 1), dass sich hei langerer Krankheitsdauer bei den Y ersuchsthieren haufig echte diphtherische Lahmungen entwickeln. Mause2) und Ratten, Pferde und Rinder verhalten sich re- fr actar. Oben (p. 188) wurde bereits erwahnt, dass es Behring und Wernicke8) geliuigen ist, diphtherieempfangliche Thiere kiinstlich gegen die specilische Intoxication zu festigen, und dass das Blut resp. das Blutserum der immunisirten Thiere diphtheriegiftzerstorende Eigen- schaften besitzt. Die letzteren Eigenschaften befahigen das Serum, wie wir sahen, den Zustand der Diphtheriegiftfestigkeit auf empfang- liche Individuen zu iibertragen und event, aucli diphtherieerkrankte Individuen zu heilen. Ueber die Methoden der primaren Imnrani- sirung der Thiere siehe oben p. 191. An dem Blutserum diphtheriegenesener Menschen wiesen Kle- T cf. Behring, Deutsche med. Wochenschr. 1890. p. 1145: Behring und Wernicke, Zcitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1S92. p. 17. -) Nach V. Babes (Virch. Arch. Bd. 119. 1890. p. 4(58) sind junge weisse Mause fur die (subcutane) Infection mit Diphtheriebacillen ziemlich empfanglich. ■!) cf. Behring. Deutsche med. Wochenschr. 1890. No. 50; Behring und Wernicke., Zeitschr. f. Hyg. Bd 12. 1892: Wernicke, Physiol. Gesellsch. Berlin, 3. Febr. 1893. Die BaciUen der Septicaemia haemorrhagica. 259 mensiewicz unci Escherich1 * 3) meerschweinchenimmunisirende Eigen- schaften nacli. Aus Diphtheriebacillenculturen stellten Brieger und C. Fraen- kel') einen iiberaus giftigen Eiweisskorper (kein Alkaloid) dar, welcher in die Gruppe der von diesen Forschern entdeckten „Toxal- bumine“ (cf. oben p. 41) geliort. Dieser giftige Eiweisskorper ist nacb den oben iiber die Natur des specifischen Dipbtheriegiftes ge- gebenen Erorterungen mit clem letzteren niclit identisch. Der Dipbtberiebacillus farbt sicb mit wasserigen Farbstofflosimgen, besonders gut mit der Loeffler ’scben Metbylenblaulbsung (p. 83); er farbt sicb auch nacb der Gram’ scben Metbode (p. 100 If.). In der Mund- und Racbenboble findet sicb nicbt ganz selten ein dem Loeffler scben Dipbtberiebacillus morpbologiscli und in der Cultur sebr ahnlicher, aber nicht virulenter Bacillus, der „Pseudo- dipbtheriebacillus". 8) Derselbe wurde zuerst von Loeffler4) geseben, dann aucb von v. Hofmann5 *) studirt. Dieser P seu do- dip btberie bacillus lasst sicb dadurcb von dem ecbten Diphtherie- bacillus unterscbeiden, dass er, in alkaliscber Bouillon geziicbtet, die Reaction derselben unverandert lasst. Der ecbte Dipbtberiebacillus bingegen macbt die ursprtinglicb leicbt alkaliscbe Bouillon zunacbst sauer; spiiter, oft allerdings erst nacb Monaten G), wire! die Reaction wieder alkabscb. Ueber das Yerbaltniss des Pseudodipbtberiebacillus zum Dipbtberiebacillus geben die Meinungen der Autoren nocb aus- einancler. Nicbt unmoglich ist es, dass, wie Roux und Yersin7) annebmen, der Pseudodiphtberiebacillus nur eine nicbt pathogene Va- rietat des ecbten Dipbtberiebacillus darstellt. 13. Die Bacillen der Septicaemia haemorrhagica. Unter der Bezeicbnung „ Septicaemia haemorrhagica" hat H u e p p e s) eine Reibe von (nicbt auf den Menschen iibertragbaren) *) Centralbl. f. Bidet. Bd. 13. 1893. No. 5/6. -) Berl. klin. Wochensclxr. 1890. No. 11 — 12. 3) Der „Pseudodiphtlieriebacillus“ soli etwas kurzere und diokerc Formen bilden und auf den Nahrboden etwas iippiger gedeihen als der echte Diphtheriebacillus. Nach Gram farbt er sich wie dieser. *) Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. No. 4. r>) Tagebl. d. 60. Vers, dcutsch. Naturf. u. Aorzte. Wiesbaden 1887. p. 119—120. uj Escherich, Berl. klin. Wochenschr. 1893. p. 520. *) Ann. de l’lnst. Pasteur. 1890. No. 7. p. 413, 414. 8) Berl. klin. Wochenschr 1886. No. 44 — 46. 17* 260 B. Dio Bakterien als Krankkeitscrreger. Thierkrankheiten zusammengefasst, welcli e (lurch Bakterien ver- anlasst werden, die einander sehr nahe verwandt sind, wenn sie auch nicht direct als identisch hetrachtet werden dtirfen. Es gehdren hierher die Hiihnercholera, die experimentelle und die spon tane Kaninchensepticaemie , die deutsche Schweineseuche , die Binder- und Wildseuche, die italienische Biiffelseuche, die amerikanische Schweineseuche, die danische Schweinepest , die Marseille!’ Schweine- seuche, die Frettchenseuche, der Mausetyphus und vielleicht noch einige andere Thierseuchen. Die Huhner cholera (Gefliigelcholera, cholera des poules) ist eine unter dem Geflugel des Hofes oft epizootisch auftretende, mit Diarrhoen einhergehende, bei Huhnern in 1 bis 2 Tagen todtlich endende In fectionskrankheit. Durch Perroncito, dann besonders durch Pasteur, wurden in dem Blut und den Organen der Thiere sowie in dem Darminhalt derselben constant vorkommende, eigenthumlich gestaltete Bakterien nachgewiesen, die durch Pasteur (1880) reingezuchtet wurden, und deren specifische pathogene Bedeutung durch erfolgreiche Uebertragung auf gesunde Thiere durch Pasteur festgestellt wiu’de. Die Huhnercholerabacillen sind kurze, plumpe Stiibchen mit etwas abgerundeten Enden, die haufig einzeln, aber auch zu mehreren verbunden angetroffen werden und sich bei der Farbung mit Anilin- farbstoffen dadurch vor anderen ahnlichen Stiibchen auszeichnen, dass sie sich nur an den E n d p o 1 e n f a r b e n , wiihrend ihre Mitte un- gefarbt bleibt. * Die Huhnercholerabacillen sind unbeweglich. Sie wachsen auf den gewohnlichen Nahrboden bei Zimmertem- peratur sowohl wie bei Bruttemperatur ; auf Kartoffeln findet mu' bei Bruttemperatur Wachsthum statt, und zwar auch da nur massiges. In Gelatin estichculturen kommt die Entwickelung sowohl im Verlaufe des Impfstiches wie auch auf der Oberfliiche zu Stande ; auf der Oberflache bildet sich ein zarter, weissgrauer Belag. Die Gelatine wird nicht verfliissigt. Auf Agar und Blutserum bilden sich glanzende, weissliche Belage. Sporenbi Idling existirt bei den Huhnercholerabacillen nicht. Unter naturlichen Yerhaltnissen wird die Infection der Huhner, wie sicher nachgewiesen ist, dadurch vermittelt, dass die Excremente der kranken Thiere, welch e sehr reich an den Bacillen sind, von gesunden Thieren mit der Nahrang in den Darmkanal aufgenommen werden. Die Bacillcn der Septicaemia haemorrbagica. 261 Kiinstlicli liisst sicli die Infection sowolil durch Verfiitterung der Culturen wie dnroh cutane oder snbcutane Einverleibung iibertragen. Die Huhner zeigen ansser der Septicaemie liamorrbagiscbe Enteritis; der Darminhalt ist reicli an den specifischen Bakterien. Neb on Huhnern smd Giinse, Tauben, Sperlinge, Manse und Ivanincben cmpfanglich. Meerschweinchen erscbeinen fast une mp fan glicb. Anf Taf. IX, Fig. 52, ist ein Ausstricbpraparat des Herzblntes einer Tanbe darge- stellt, welclie an der Infection zu Grnnde gegangen war. Man siebt bier, zwiscben den rothen Blutkorperchen (yon denen nnr die Kerne dentlich bervortreten), die in cbaracteristischer Weise an den Endpolen gefarbten kleinen Stabchen liegen. Bekanntlicb ist die Hiibnercbolera diejenige Krankheit, bei der zuerst eine Abschwachung der Yirulenz patbogener Bakterien (durch Pasteur 1880; cf. oben p. 178) festgestellt wurde. Pasteur fand, dass kiinstlicbe Culturen der Huhnercholerabakterien bei ein- facbern langeren Steben an der Luft ibre Fahigkeit verloren batten, Huhner todthch zu inficiren. Die geimpften Thiere erkrankten nur ortlicb und zeigten sicb nacbber immun gegen Infection mit virulenten Culturen. Der Hubnercbolerabacillus farbt sicb mit wasserigen Farbstoff- losungen; er farbt sicb nicht nacb der Gram’schen Methode (p. 100 ff.). Die Kanincbensepticaemie. Durch subcutane Injection von Pankewasser (die Panke ist ein in Berlin mundendes Nebenflusschen der Spree) in den Kanin chenkorper erbielt G a f f k y l) zuerst diese experimentelle Infectionskrankbeit. Die Ivanincben geben innerbalb 16 — 20 Stunden nacb der Impfung zu Grunde und zeigen uberall hn Blut und in den Organen Organismen, welcbe in ihrem gesammten Yerbalten den Huhnercholerabakterien gleicben. Von dem Bacillus der experimentellen Kanincbensepticaemie (und damit aucb von dem Hubnercbolerabacillus) abweicbend verhalt sicb der Erreger der „ s p o n t a n e n “ Kanincbensepticaemie, welcher von Eberth und Man dry2) beschrieben worden ist. Es handelt sich um einen eigenbeweglicben Bacillus, der in den Cultur- merkmalen sicb nicbt wesentbcb von dem Hubnercbolerabacillus unter- scheidet; dagegen finden sicb bedeutende Unterscbiede in den patho- genen Eigenschaften. Sperlinge, Manse, Ivanincben verbalten sicb *) Mitth a. cl. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 102, 104. 2) Yircb. Arch. Bd. 121. 1890. 262 B. Die Bakterien als Ivrankheitserreger. ziemlich empfanglich, Tauben und Meerschweinchen weniger; Hiihner verhalten sich aucli selir grossen Dosen gegeniiber ganz refractar. Die (deutscbe) Schweineseucbe. Dieselbe ist eine friiher mit Schweinerothlauf (s. oben p. 253) zusammengeworfene Krankheit, welche jedoch von Loeffler1) als selbstandige Krankheit erkannt wurde. Loeffler fand 1882 in der Halshaut imd den Organen eines angeb- lich an Rotblanf verendeten Schweines sehr kleine ovoide Bakterien, welche mit den Hiihnercholerabakterien die grosste Aehnlichkeit hatten. Loeffler cnltivirte die Schweineseuchebakterien anch bereits rein. Schiitz2) hat dann spater die Schweineseuche eingehend studirt und mit den reingeziichteten Bakterien Schweine erfolgreich inficirt. Bin Unterschied zwischen den Hiihnercholerabakterien und den Erregern der Schweineseuche besteht insofern, als die letzteren fur Hiihner und Tauben fast vollig indifferent, fur Meerschweinchen aber sehr virulent sind. Hiihnercholerabakterien verhalten sich gerade ent- gegengesetzt. Im Uebrigen aber sind irgendwie durchgreifende Unter- schiede nicht zu verzeichnen. Die Rinder- und Wilds euche. Dieselbe ist eine friiher haufig mit Milzbrand verwechselte, dann von Bollinger als selbst- stiindige Krankheit erkannte, epizootisch auftretende Infectionskrankheit, welche Roth- und Schwarzwild, aber aucli Pferde und Rinder spontan befallt und je nacli dem Infectionsmodus in einer cutanen (septicaemischen), einer pectoralen (pneumonisclien) und einer intesti- nalen Form auftritt. Die bei der Wildseuche vorkommenden speci- fischen Bakterien wurden zuerst von Ivitt3) gesehen; durch Kitt und durch Hueppe4) ist dann die Krankheit genauer studirt und durch den letzteren Forscher ihre Zugehorigkeit zu der in Besprecliimg stehenden Gruppe von Krankheiten, fur die Hueppe, wie bereits er- wahnt, die Bezeichnung „ Septicaemia haemorrhagica" schuf, festgestellt worden. Die (itahenische) Biiffe Is euche („Barbone dei bufali“). Die Aetiologie der Krankheit wurde zuerst von Oreste und Armanni5) genauer studirt. Der Barbone ist eine in Italien heimische, vornehm- b Arbeiten a. d. Kais. Ges.-Amto. Bd. 1. lS8(i. p. 5 Iff. 2) Ebonda p. 376 ff. ,!) Sitzungsber. d. Ges. f. Morph, u. Physiol, zu Miinchen. 10. Nov. 1SS5. ‘) Berl. klm. Wochenschr. 18S6. No. 44 — 46. ft) cf. Centralbl. f. Bald. Bd. 2. 1SS7. p. 50-56. Die BaciUen der Septicaemia kaemorrkagica. 263 lich die jungen Biiffel im Sommer befallende, mit hohem Fieber, Storung des Allgemeinbelindens und localen entziindlichen Oedemen, namentlich der Kehlgegend, einhergehende, meist innerhalb von 1 2 bis 24 Stunden todtlich endende Infectionskrankheit, die epidemiscb auftritt und oft viele Opfer fordert. Im Blute und in deni Exsudate der localen Schwellungen fanden die genannten Autoren einen dem Erreger der (deutschen) Schweine- seucbe in liobem Grade ahnlichen Organismus, mit dessen Reinculturen an einer Anzahl von Thierspecies Impfungen mit positivem Erfolge ausgefiihrt werden konnten. Ein junger Biiffel, ein junges Scliwein, ein junges Pferd, eine junge Kuh, ein Schaf, ferner Mause, Ratten, Kaninchen, Meerschweinchen, Tauben, Hiihner zeigten sich empfanglich. Die amerikaniscke Schweineseuclie wurde beziiglich ihrer Aetiologie zuerst studirt von Salmon1) und von Billings.'2) Salmon ist dafiir eingetreten, dass es zwei aetiologiscli von einander verscbiedene Scbweineseuchen in Amerika giebt: „Hog Cholera" und „Swine Plague". Ob eine solcbe Trennung zu Recbt besteht, ist bis heute noch nicht sicher entscbieden. Von dem Erreger der deutscben Scbweineseucbe sind die Bakterien der amerikanischen Scbweineseuche aber leicbt zu unterscbeiden. Die letzteren zeigen (zum Unterschiede von den Bakterien der deutscben Scbweineseucbe) Eigenbewegung, sie wacbsen ferner gut auf Kart off ein. Den Erregern der amerikanischen Scbweineseucbe in seinem ge- sammten Yerbalten sebr nabe stebt ein Bacterium, welches von Se- 1 an der3) als Erreger der danischen Scliwein epest (Svinpest) nachgewiesen wurde. Eine abnlicbe Bakterienart wurde von Rietscb, Jobert und Martinand4) als Ursacbe einer 1887 in Marseille beobachteten, von Afrika eingesclileppten Scbweineepidemie (Marseiller Scbweine- seuche) aufgefunden. Die Frettchenseuche. Diese gelegentlicb spontan in Epide- mien auftretende Infectionskrankheit wurde beziiglich ihrer Aetiologie x) cf. Baumgarten’s Bakteriol. Jahresber. 1886. p. 150, 151; 1887. p. 127 bis 129; 1888. p. 128. 2) cf. Baumgarten’s Bakteriol. Jahresber. 1887. p. 130; 1SS8. p. 129; 1S89. p. 178. 3) Centralbl. f. Bakt. Bel. 3. 1888. No. 12. ') Acad, des sciences. Paris. 23 janvier et 9 avril 1888. (Compt. rend. t. 106. p. 296 et 1096). 264 B. Die Baktericn als Krankkeitserreger. von E berth unci Scliimmelbusch1) studirt. Makroskopisch fand sich bei der Ivrankheit besonders Pneumonie und Milztumor. Mikro- skopisch wurde im Blut und in den Organen ein kurzer, facultativ anaerober, mit lebhafter Eigenbewegung begabter Bacillus gefun- den, welcher im Uebrigen grosse Aeknliclikeit mit dem Huhnercholera- bacillus besitzt. Derselbe ist namentlich fur Sperlinge pathogen, bei denen er nacli subcntaner Impfung einen localen Eiterherd und den Tod durch Septicaemie veranlasst. Hiihner aber verhalten sich re- f r acta r. Der Miiuse typhus. Im Jahre 1890 beobachtete Loeffler2) unter den im hygienischen Institut zu Greifswald gehaltenen weissen Mausen eine Epidemie, welcher in kurzer Zeit 69 °/0 der Thiere er- lagen. Die Ivrankheit, welclie sich dadurch fortpflanzte, class die todten Thiere von den gesunden angefressen wurden, zeigte sich bedingt durch einen specifischen, bis dahin unbekannten Bacillus (Bacillus des Mause- typhus, Bac. typhi murium). Es handelt sich urn kurze Bacillen mit lebhafter Eigen- bewegung. Die letztere wire! bedingt durch seitenstandige Gleisseln. Kiinstliche Ziiclitung gelingt auf den gewohnhehen Nahrboden bei Zimmer- sowohl wie bei Bruttemperatur. Die Gelatine wird nicht verfliissigt. Auf der Platte bilden die oberflachlichen Colonien hautchenartige Ausbreitungen, in ahnlicher Weise wie es beim Typhus- bacillus der Fall ist, oder auch dickere Flecken. Im Bereiche der Colonien trhbt sich die Gelatine leicht. Auf der Agar oberflache entstehen grauweisse Belage, auf der Ivart off el weissliche Auf- lagerungen, in deren Umgebung sich die Kartoffel schmutzig graublau farbt. In Peptonzuckerbouillo n findet unter starker Trubung Saurebildung und Gasentwickelung statt. Milch wird sauer, ihr Aus- sehen nicht verandert. Sporenbildung wurde nicht beobachtet. Der beschriebene Bacillus ist fur eine ganze Reihe von Tliier- species pathogen; bei V e r fit 1 1 e r u n g des Infectionsmateriales zeigen sich jecloch ausschliesslich clie (weisse und graue) Haus- mans (Mus musculus) und die Feldmaus (Aiwicola arvahs) emp- fanglich. Die graue Hausmaus ist etwas widerstandsfahiger gegen die Infection als clie weisse.3) Nach der spontanen Infection der weissen Mause wahrend der oben erwahnten Epidemie verflossen gewohnlich *) Fortschr. d. Med. 1SSS. No. S; Virch. Arch. Bd. 115. 18S9 und Bd. 116. 1SS9. 2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 5. 8) Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1S93. p. 648. Dor Bacillus ties griinen oiler blauen Eiters. 205 1 bis 2 Wobben bis zum Tode. Die gestorbenen Thiere zeigten Milz- tumor, Hamorrhagien der Magen- und Diinndarmschleimhaut, Rothung der Peyerschen Plaques, geschwollene und von Hamorrhagien durch- setzte Mesenterialdriisen. Ueberall in den Organen, speciell in der Leber und den Mesenterialdriisen, ferner in der Milz, in nianchen Fallen auch im Herzblut, fanden sicb, und zwar in den Gefassen liegend, die beschriebenen Bacillen. Hiiufig waren lierdformige Anordnungen der Bacillen in den Organen, wie beim mensclilichen Abdominaltyphus ; die Bacillen waren oft in Zellen eingeschlossen. Nach der kiinstlichen Infection per os gingen Feld- miiuse in 6 bis 8 bis 12 Tagen zuGrunde; die sub cut an e Infec- tion todtete diese Thiere innerhalb 2 bis 4 Tagen. Katzen, Ratten, Brandmause (Mus agrarius), kleine Yogel, Tauben, Hiihner, Meerschweinchen, Kaninchen, Ferkel zeigten sich bei Yer- futterung des Infectionsmateriales unempfanglich. Durch sub- cutane Einverleibung liessen sich kleine Yogel, Ratten, Tauben, Meerschweinchen inficiren ; Kaninchen zeigten sich dabei wenig emp- fanglich. Mit Hiilfe des Mausetyphusbacillus hat Loeffler im April 1892 die Feldmausplage in Thessalien erfolgreich bekampft. a) Es ist bei dieser Gelegenheit auch erwiesen worden, dass der genannte Bacillus fur den Menschen (per os einverleibt) unschadlich ist.'2) Einen dem Mausetyphusbacillus ausserst ahnlichen, jedenfalls mit demselbeu nahe verwandten Bacillus hat Laser3) im Februar 1891 als Erreger einer Epidemie, die unter den Feldmausen des hygienischen Instituts zu Konigsberg auftrat, ermittelt. Dieser Bacillus hat auch das Gemeinsame mit dem Mausetyphusbacillus, dass er bei der Ein- verleibung per os nur die Hausmaus und die Feldmaus zu todten vermag. Der Laser’sche Bacillus todtet die Thiere im Allgemeinen in etwas kiirzerer Zeit als der Loeffler’sche. 4) 14. Der Bacillus des griinen Oder blauen Eiters. Der Bacillus des griinen oder blauen Eiters (Bacillus pyocyaneus, Bacterium aeruginosum) ist die Ursache des ofters zu ’) Centralbl. f. Bakt. Bel. 12. 1892. No. 1. 2) Ebenda. p. 12. 3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. C/7. — Ebenda Bd. 13. 1893. No. 20. '*) Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. p. 649. 26G B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. beobachtenden spontanen G r ii n - oder B 1 a u w e r d e n s d e s Eiters und der Verbandstoffe in Krankenanstalten. Aus derartigem Eiter kann er durcli das Plattenverfahren leiclit in Reincultur ge- wonnen werden. Der Bacillus pyocyanens wurde zuerst von Gessard (1882) gesehen. Der Bacillus ist ein k 1 e i n e s , s c h 1 a n k e s Stabchen von der Lange des Mausesepticaemiebacillus , aber etwas dicker als dieser (Fliigge), welches einzeln oder in kleinen Verbanden auftritt und 1 e b li a f t e Eigenbewegung besitzt. Das Stabchen tragt eine e i n - zige Geissel (Loeffler), welche sich nach der ohen (p. 75 ff.) besprochenen Geisselfarbungsmethode mikroskopisch darstellen liisst. Der Bacillus ist facultativ anaerob. Er wachst auf den ge- wohnlichen Nahrboden, und zwar bei Zimmertemperatur sowohl wie bei Briittemperatur. Auf der Gelatine p latte bilden die Colonien unregelmassig begrenzte, flach ausgebreitete Belage, in deren Bereich die Gelatine massig sclmell verfliissigt wird, wahrend die Umgebung 'sehr bald eine griine Fluor escenz annimmt. Dementsprechend gestaltet sich auch das Wachsthuni der Stichcultur. Auch hier tritt lebhafte griine Fluorescenz ein. Auf der A g a r oherfliiche bildet der Bacillus weissliohe Belage, unter denen der Nahrboden griin gefarbt wird. Auf Kartoffeln entstehen dicke, gelbgriiue bis braunliche Ueberziige, in deren Um- gebung die Kartoffel sich grim farbt. Der Bacillus vermag mehrere Farbstotfe zu bilden ; die wichtigsten sind das blaue Pyocyanin und ein fluorescirender griiner Farbstoff. Die Natur des im Einzelfalle gebildeten Farbstoffes ist von der jewei- ligen Zusammensetzung des Nahrbodens abhangig; andererseits bildet der Bacillus pyocyaneus auch Yarietaten, welche sich in der Farb- stotfproduction von einander unterscheiden. l) Zuerst durcli P. Ernst2) wurden Yarietaten des Bacillus pyocyaneus („Bac. pyoc. «“ mid „Bac. pyoc. /j") statuirt. Die o-Varietat producirt einen gelbgrunen Farb- stofi', verfliissigt die Gelatine langsam und liisst die ganze, auch die unverfliissigte Gelatine griin fluoresciren ; die /i’-Varietat producirt einen blaugriinen Farbstoff, verfliissigt die Gelatine sclmell und hat sehr wenig fluorescirende Kraft. S p or enbi Idung existirt bei dem Bacillus pyocyaneus niclit. ') cf. Gessard, Ann. de l’lnst. Pasteur. 1891. No. 2. -) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. 1SS7. Dor Kommabacillus dor Cliolera aeiatica. 267 Der Bacillus bildet g i f t i g e Stoffwechselproclucte. Er ver- mag auc-h, wie die Untersucliungen von Ledderhose1 *) und von Charrin-) gezeigt haben, im Korper empfanglicher Thiere sich zu ver- meliren. Am intensivsten vvirlct die intravenose Einverleibung, weniger intensiv die intraperitoneale oder subcutane. Besonders empfang- licb sind Kanincben und Meerschweinchen. Nach subcutaner Injection nicht zu kleiner Mengen IV i seller Bouilloncultur gehen die Thiere unter Entwickelung localer eitriger Entz tin dung bald zu Grunde; bei intraperitonealer Einverleibung entsteht eitrige Peritonitis. Bei fortgesetzten Uebertragungen von Thier zu Thier scheint die Virulenz des Bacillus zuzunehmen. Durch Einverleibung kleiner Culturmengen sowie durch Einver- leibung der bakterienfreien Stoffwechselproducte des Bacillus lassen sich Ivaninchen gegen die Pyocyaneus-Infection immuni siren. Das Blutsermn des immunisirten Kaninchens hat (im Gegensatz zu dem Serum normaler Kaninchen) bactericide Eigenschaften dem Bacillus pyocyaneus gegeniiber (Bouc h a r d. 3)) Auch fur den Mensclien scheint der Bacillus pyocyaneus unter Umstanden pathogen werden zu konnen. 15. Der Kommabacillus der Cholera asiatica (Vibrio cholerae asiaticae). Im Jahre 1S83 wurde durch Rob. Koch ermittelt, dass in alien Fallen von Cholera asiatica eine ganz bestinmite Bakterienart gefunden wird, und dass diese Bakterienart ausschliesslich bei Cholera asiatica vorkommt. Man finclet in den Ausleerungen von Cliolerakranken kommaformig gekriimmte, lebhaft bewegliche Bacillen („Kommabacillen der Cholera14, „Choleravibrionen“) ; in der frischen Choleraleiche findet man dieselben ebenfalls im Darminhalt, ferner in dem Gewebe der Darmwand, sonst jedoch — in bei weitem der grossten Mehrzahl der Eiille — nirgends im Korper. 4) Der C h o 1 e r a v i b r i o ist ein kommaformig gekrummtes Stabchen, welches in seiner Lange die Hiilfte bis zwei Drittel eines Tuberkel- ') Deutsche Zeitsclir. f. Cliir. Bd. 28. J8SS. ■) La maladie pyocyanique. Paris 1889. 3) cf. oben p. 186, Anm. 1. ') In vereinzelten Fallen sind Cholerabakterien auch in anderen Organen ge- hinden worden. So bericlitet z. B. V. Babes (6. internat. Congr. f. Hyg. u. Deinogr. Wien 1887. Verhandlungen Heft 18. p. 78), dass er dio Cholerabakterien bfters in der Niere von Choleraleichen angetroffen babe. Aehnlicho Befunde sind auch von anderen Seitcn publicirt worden. 2G8 B. Dio Bakterien als Knmklieitserreger. bacillus erreiclit, aber dicker als dieser ist. Die Organismen werden meist einzeln angetroffen, und zwar (wenn sie sich in lebensfrischem Zustande bclinden) in lebli after Bewegung. In kunstlicben Cul- turen, besonders wenn der Nahrboden bereits anfangt erschopft zu werden, kommt es — und zwar dadurcb, dass die Kommabacillen nacli der Theilung nicht mehr aus einander fallen — auch zur Bildung spirillenformiger Gebilde. Taf. X, Fig. 55 und 56, zeigen Cholera- bacillen aus Gelatineculturen. Auf Fig. 55 sieht man die Stabchen einzeln liegend; auf Fig. 56 sind Spirillen abgebildet, welcbe sich in der erwahnten Weise gebildet haben. Die Spirillenbildung fasst man als eine Involutionserscheinung auf. Eine Vergleickung der beiden genannten Photogramme, die bei gleicher Yergrosserung her- gestellt sind, zeigt auch deutlich, dass die Spirillen dicker sind als die noch frisch vegetirenden Kommabacillen ; die Anschwellung des Bakte- rienleibes bei der Involution hatten wir aber als eine gewolmliche Er- scheinung kennen gelernt (cf. oben p. 15). Die „Spirillen“ trifft man, wie gesagt, in kimstlichen Culturen haufig. In dem Darmgewebe der Choleraleiche sind sie, soviel bekannt, nur ein einziges Mai, durch H. K ii h n e ’), gefunden worden. Bei der Betrachtung des Pkotogramms Fig. 55 auf Taf. X fallt es ohne Weiteres auf, dass nicht alle abgebildeten Bakterienzellen die typische Kommaform besitzen. Es ist das eine Beobachtung, die man bei jedem einzelnen Praparate, welches man sich von Cholerabakterien herstellt, machen wird. Immer wird man — in dem einen Falle mehr, in dem anderen weniger — Zellen finden, die von der typischen Kommaform abweichen und sich der Gestalt gerade gestreckter Stabchen nahern. Hat man kimstliche Culturen vor sich, so findet man im Allgemeinen die Kommaform um so ausgepragter, je j linger und lebensfrischer die Cultur ist, je weniger bereits Erschopfung des Nahrbodens eingetreten ist. Abgesehen von diesen in einer und der- selben Cultur auftretenden, von den Lebensbedingungen abhangigen Fonnverschiedenheiten scheinen aber bei dem Choleravibrio je nach der Provenienz des Materiales Formunterschiede vorzukommen : Yon der einen Epidemie herstammende Culturen scheinen mehr zur Bildung typisch kommaformig gekrummter Zellen zu neigen, wahrend von einer anderen Epidemie herstammende Culturen mehr der gerade ge- streckten Form sich nahernde Stabchen zu produciren scheinen.'2) Durch Loeffler* * 8) sind an dem Cholerabacillus endstandige cf. A. Pfeiffer, Deutsche med. Wochenschr. 1887. No. 11. 2) cf. Gruber und Wiener, Arch. f. Hyg. Bd. 15. 1892. 8) Centralbl. f. Bakt. Bd. (i. 18S9. p. 218. Dor Konmiabacillus dor Cholera asiatica. 269 Geisseln nachgewiesen worclen; jedes Komma besitzt eine einzige Geissel, welche an dem einen Ende angeheftet ist. Die mikroskopische Darstellung der Geisseln ist oben (p. 75 ff.) ausfuhrlich besprochen. Auf Taf. X, Fig. 57, ist ein nach der Loeffler’scben Metliode her- gestelltes Praparat von Cholerabacillen dargestellt, welches die Geisseln dentlicli erkennen liisst. Die Cholerabacillen erscheinen in dem Photo- gramm Fig. 55 (in gewohnlicher Weise gefarbtes Praparat) erheblich diinner als in der Fig. 57 (nach der Loeffler ’schen Geisselfarbungs- methode behandeltes Praparat). Der Grand dafiir ist, wie wir bereits oben (p. 79) erorterten, der, dass in dem ersteren Praparate nur der Protoplasmakorper, der Kern der Bakterienzellen gefarbt ist, wahrend in dem letzteren Praparate auch die Hiille, die Membran der Zellen die Farbnng angenommen hat. Der Cholerabacillus wachst auf den gewohnlichen bakteriologischen Nahrboden; er wachst bei Zimmertemperatur sowohl wie bei Briittem- peratur, bei letzterer aber erheblich schneller. Er wachst am besten in Gegenwart von Sauerstoff, kann aber auch Sauer stoffmangel ertragen. Oben (p. 113) haben wir schon erwahnt, dass der Choleravibrio stets eine alkali sche Reaction des kiinstlichen Nahrbodens bean- sprucht. Yor Allem kommt dieser Punkt bei Nahr gelatine, welche fur Cholerauntersuchungen verwendet werden soil, in Betracht. Yer- schiedene Nahrgelatinen , die sich — bei im Uebrigen gleicher Zu- sanmiensetzung — in der chemischen Reaction von einander unter- scheiden , zeigen stets ein differentes Wachsthum der eingesaeten Cholerabacillen. Im Allgemeinen giebt cs ein Optimum der Al- ii alescenz, einen Alkalescenzgrad, bei welchem der Cholerabacillus am besten gedeiht.* 1) Entfernt sich die chemische Reaction der Gela- tine von diesem Optimum, wird die Alkalescenz geringer, so wachst der Cholerabacillus langsamer2); und bei neutraler oder gar schwach saurer Reaction des Nahrbodens wird das Wachsthum ein minimales oder kann selbst ganzlich ausbleiben. Auf der Gelatineplatte bildet der Choleravibrio zunachst rund- >) Dakmen (Centralbl. f. Bakt. Bel. 12. 1892. No. 18. p. (520) findet, dass der beste Alkalescenzgrad dadurch erreicht wird, dass man der kochenden, zunachst (outer Verwendung von Lackmuspapier) genau neutralisirten Gelatine auf 100 ccm 1 g krystallisirtes kohlensaures Natron zusetzt. — Fliigge (Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 195) giebt folgende Vorsclirift f(ir die Alkalisirung der Nakrboden: Zu einem Liter Bouillon sind 35 ccm, zu einem Liter Nahrgelatine 55 ccm eiuer Soda- losung zuzufiigen, welche 10,6 °/0 durch Gliihen von Natriumbicarbonat hergestollte Soda enthiilt. 2) Natiirlich ist dann auch dio eintretendo Vorfltissigung cine verzogerto (cf. E. Frank el, Deutsche med. Wochensclir. 1892. No. 4(5). 270 B. Dio Baktcrien als Krankheitserreger. lich gestaltete, niclit glatt, sondern etwas unregelmassig, hockerig be- grenzte Colonien, deren Inhalt ausgesprochen grobkornig ist: bei lOOfaclier Yergrosserung crscheinen die Colonien „wie mit kleinen Glasstiickcken bestreut,11 (Koch). Die Colonien sind zuniichst im Ganzcn hell, werden dann, in Folge der Vermehrung der Organismen, in der Mitte etwas undurchsichtiger , in der Durchsicht also dunkler, und zeigen sich in spateren Stadien ihrer Entwickelung am Rande haufig wie mit einem Ivranze sehr feiner radiar gerichteter Spitzen besetzt. Auf Taf. XI, Fig. 6 1 und 62, sind Plattencolonien des Cholera- bacillus bei lOOfaclier Yergrosserung dargestellt. Fig. 61 zeigt eine Platte nach 30stiindigem Waclisthum bei Zimmertemperatur. Man sieht bier an den scharf eingestellten Colonien deutlich das grobkornige Gefiige und den unregelmassigen Rand. Auf Fig. 62 sind 2 Colonien, die eine nach 48 stundigem, die andere nach 72 stundigem Wachsthum, dargestellt; die letztere zeigt den mit feinen Spitzen besetzten Rand. Hand in Hand mit dem Wachsthum geht eine, nicht sehr schnelle, Verfliissigung der Gelatine. Die Platte zeigt dann an dem Orte der einzelnen Colonien leichte, trichterformige Einsenkungen, welche das Zeichen dafiir sind, dass an diesen Stellen mehr von dem Wasser- gehalt der Gelatine durch Yerdunstung verloren gegangen ist als an den iibrigen Stellen, d. h. dass bier Yerfliissigung der Gelatine ein- getreten ist. Oben sahen wir schon, dass auf der einen Gelatine die Cholerabacillen schneller wachsen und demgemass auch schneller Yer- fliissigung bewirken als auf der anderen. Geht nun die Yerfliissigung der Gelatine sehr energisch vor sich, so sieht man haufig bereits am zweiten oder dritten Tage die Colonien am Rande ganz unregelmassig zerkluftet, mit feinen Anhangseln versehen etc. Diese Erscheinung, welche besonders bei hoher Aussentemperatur beobachtet wird, ist ein- fach so zu deuten, dass die (eigenbeweglichen) Cholerabakterien in die die Colonie imigebende Gelatine, welche durch den Yerflussigungspro- cess weicher zu werden beginnt, bier und da activ liineinwandern und sich dort dann weiter vennehren. In cliesem Sinne ist auch eine Er- scheinung zu deuten, die man an sehr dicht besaeten Choleraplatten (und auch an Platten anderer eigenbeweglicher verfliissigender Bakterien), und zwar ebenfalls besonders bei hoher Sommertemperatur, haufig beobachtet : Man sieht nach 24 stundigem Wachsthum die Platte bei mikroskopischer Betrachtung von sehr kleinen, ausserst dicht liegenden, ganz unregel- massig gestalteten, nicht rund geformten, sondern meist mit feinen spitzen zipfelartigen Auslaufern versehenen Colonien erfiillt; diese Co- lonien sind deshalb in so unregelmassiger Weise gewachsen, weil die durch den Yerflussjgungsprocess , event, auch durch die hohe Aussen- Der Kommabacillus dor Cholera asiatica. 271 temperatur, in ihrer Consistenz geschadigte Gelatine den eigenbeweg- licben Bakterienzellen beliel)ige Ortsveranderungen gestattet. Das Wachstlmm der Choleravibrionen in der Gelatinestich- cultur ist ein dem Wackstknm auf der Platte entsprechendes. Man findet aucb liier eine (in der Regel langsame) Yerflussigung, namentlich der obersten Theile des Stiohes. In dem obersten Theile des Impf- stiches kommt es sehr bald zur Bildung einer trichterformigen Ein- senkung der Gelatine; von der. Seite her betrachtet sieht man den Impfstich an dieser Stelle erweitert, die Gelatine scbliesst bier eine mit der ausseren Luft oommunicirende runde Luftblase ein. Xach unten zu gelit der Tricbter liber in den nur wenig erweiterten, nur wenig verflussigten Sticbkanal, der den grossten Tbeil der in der Cultur gewacbsenen Bakterienmasse in Form eines zierlicb aufgedrehten Padens entbiilt. Eine Stichcultur von tWjischer Gestalt zeigt Eig. 63 auf Taf. XI. Spater wil’d dann allmablicb die gesammte Gelatine verfliissigt. Auf der Agaroberflache wacbsen die Cholerabacillen in Form eines grauweissen, saftig glanzenden Ueberzuges. Auf Agarplatten oberflachlich aufgeimpfte Cbolerabacillen wacbsen zu runden Colonien aus, welcbe ein eigentbiimlich hellgraubraunes, transparentes Ausseben baben (Koch). In Bouillon culturen bilden die Cbolerabacillen ausser einer allgemeinen Trubung der Fliissigkeit haufig (aber nicbt imnier) ober- flachliche Kabmbaute. Das Letztere kann man aucb in alteren Gelatine- sticbculturen beobachten. Blut serum wird durcb die Bacillen langsam verflilssigt. Auf Kartoffeln wacbsen die Cbolerabacillen bei Temperaturen unter 21 bis 22° C. gewohnlich nicbt. Bei 22° C. bildet sicb ein weissgelbbcber bis braunlicbgelber, bonigabnlicber, saftig glanzender Belag. Dasselbe Aussehen bat aucb die bei Briittemperatur gezlichtete KartofFelcultur ; nur gebt bier das Wacbstbum sclmeller vor sicb. Auf manchen Kartoflelsorten scheint der Cholerabacillus scblecbt oder iiber- haupt nicht zu wacbsen. Hier bat man mit Vortbeil die Alkalisirung der Kartoffelflache mit Hiilfe von Sodalosung angewandt; ein vortreff- licher Nahrboden fur den Cholerabacillus wird aucb erzielt, wenn man die Kartoffelstiicke mit einer etwa 3proc. Kocbsalzlosung impragnirt oder nocb besser sie damit koclit. ') Ueber das Yerhalten der Cholerabakterien in Milcb lauten die Angaben der Autoren einander widersprechend. *) cf. Yoges, Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. No. IT; B. Fischer, Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 542." 272 B. Dio Bakterien als Krankheitscrreger. Dauerformen sincl bei den Cholerabacillen nicht bekannt. Die von Hueppe1) statuirte „Arthrosporenbildung“ hat mit der Bildung irgendwie besonders resistenter Fruchtformen jedenfalls nichts zu than (cf. oben p. 1 7). In alten Culturen findet man hiiufig kleine Korn- chen, Ivugeln, ferner allerhand Missbildungen. Diese Dinge sind sammt und sonders als In voln t i on s formen aufzufassen (vergl. Fig. 50, Taf. X). Die Cholerabacillen verlangen, wie bereits wiederholt hervorgehoben wurde , zu ihrem Ged eihen einen s c h w a c h alkalischen N a h r - b o d e n ; gegen die geringsten Mengen freier Saure (namentlich Mineral- saure) verhalten sie sich sehr empfindlich. Ein Zusatz von 0,07 bis 0,08 °/0 Salz- oder Salpetersaure znm neutralen Nahrboden hemmt bereits die Entwickelung (Kit as at o2). Diese Empfindlichkeit gegen Sanren ist der Grand, weshalb die Cholerabacillen den nor- malen Magen des Menschen gewohnlich nicht lebensfahig zn passiren vermogen. Dasselbe gilt anch, wie wir sehen werden, fiix Yersuchs- thiere. Ausser gegen Sauren verhalten sich die Cholerabacillen auch gegen alle ubrigen chemischen Desinfectionsmittel, ferner gegen hohere Temper a turen und gegen das Austrocknen ausserordentlick empfindlich. Sie sind stets leicht zu vernichten. 3) Wir erwiihnten bereits oben (p. 29), dass ein drei Stunden langes wirkliches Trocken- liegen die Cholerabacillen todtet. Im feuchten Zustande , z. B. in kunstlichen Rein culturen (namenthch auf der Agaroberflache), kann man die Cholerabacillen mehrere Monate lang lebensfahig erhalten. Die Cholerabacillen sind facultative, gelegentliche Para- si ten. Sie linden ohne Zweifel draussen in der Natur an geeigneten Stellen die Bedingungen fur ihr Fortkommen. Dies gilt namentlicli fur die Lander, in denen die Cholera endemisch ist. Koch fand (cf. oben p. 155, Amn. 3) die Cholerabacillen 1884 in dem Wasser eines ostindischen Tank. Weitere Befunde von Cholerabacillen in Wasser sind von Koch und anderen Autoren ge- legentlich spaterer Epidemien, namentlich der des Jahres 1892, gemacht C Fortschr. d. Med. 1SS5. No. 19. -) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 3. 18SS. 3) Zur Dcsinfection von Cholerastiihlen empfieldt das preussische Cultusministe- rium (cf. Pfuhl, Deutsche med. Wochenschr. 1892. p. S79) Kalkmilch (vergl. oben p. 33). Dieselbe wird aus 1 Liter zerkleinerten reinen gebrannten Kalkes und •1 Liter Wasser bcrgestellt und zu uugefabr gleicben Tbeilen mit den Dejecteu ver- mis c lit. Das Gemisch soil dann mindestens 1 Stunde steben bleiben, ebe es als unscbadbcli besoitigt werden darf. Der Kommabacillus tier Cholera asiatica. 273 worden.1) Im Allgemeinen aber kommen die Cholerabacillen in ge- wohnlichem Wasser nicbt gut weiter. Sie werden (cf. oben p. 155) von den Wasserbakterien bald iiberwuchert und unterdriickt. Dagegen ist sterilisirtes , keimfreies Wasser — und zwar Wasser jed- weder Herkunft — ein Medium, in welchem sich die Cholerabacillen woblbefinden , und in dem sie sich nicbt unbetrachtlich vermehren konnen. Ferner ist die Moglichkeit nattirlich nicht ausgescblossen, dass sie gelegentlich — bei Epidemien — auch auf andere Nahr- boden, auf zubereitete S p e i s e n etc., gelangen und sich dort vermehren. Die ersten Versuche Koch’s, fiir die Cholera empfangliche Yer- suchsthier e zu linden, batten keinen Erfolg. Nicati und Rietsch2) gelang es dann M e e r s c h w e i n c h e n erfolgreich dadurch zu inficiren, dass sie nacli Unterbindung des Ductus choledochus den Thieren die Reincultur direct in das Duodenum injicirten. Es wurde auf diese Weise erstens die deletare Einwirkung des sauren Magensaftes auf die Cholerabacillen umgangen und zweitens durch Absperrung der Galle die Darmperistaltik herabgesetzt. Der letztere Punkt ist von wesent- licher Bedeutung fur die Ermoglichung der Ansiedelimg der Cholera- bacillen im Meerschweinchendarme. Koch3) erreichte dann eine er- folgreiche Infection der Meerschweinchen vom Magen aus dadurch, dass er den Thieren zunachst den Mageninhalt mit Sodalosung neu- trahsirte (er brachte denselben 5 ccm 5proc. Sodalosung mit Hiilfe der Schlundsonde 4) in den Magen), dass er einige Zeit nachher (um die Cholerabakterien nicht umnittelbar in die Sodalosung zu bringen) 10 ccm einer Bouilloncultur von Cholerabakterien in den Magen einflosste, und J) Cholerabakterien wurden im Hafenwasser von Marseille, femer in einem Wasserbehalter in Montevideo, aus dem an Cholera erkrankte Soldaten ihr Wasser entnommen hatten, aufgefunden (cf. Fliigge, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. p. 166). Femer fanden Cholerabakterien : Pas quale (cf. Riforma medica. 1892. vol. I. p. 310) in Brannenwasser in Massaua, C. Frankel (Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 41) im Wasser des Duisburger Zollhafens, Biernacki (Deutsche med. Wochen- schrift 1892. No. 42) in Brannenwasser in Lublin, Lubarsch (Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 43) im Wasser des Kielraumes eines Elbschleppdampfers, der von Hamburg kam, Loeffler (Greifswalder med. Verein, 3. Dec. 1892. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. p. 383) in Brannenwasser in Dernmin, Koch (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 337 und 417) gelegentlich der Winterepidemien 1892/93 im Ham- burger Elbwasser, in einem Brunnen in Altona und in dem Wasser innerhalb des dortigen Filterwerks, auf den Rieselfeldern der Provinzial-Irrenanstalt Nietleben bei Halle a. S., in dem Saalewasser daselbst und in dem Leitungswasser der Anstalt. 2) cf. Deutsche med. Wochenschr. 1884. p. 634. 3) Conferenz zur Erorterung der Cholerafrage. Zweites Jahr. 1885. Deutsche med. Wochenschr. 1885. No. 37 A. p. 5, 6. 4) Bcziiglick des manuellen Vorgehens hierbei cf. oben p. 173, Anm. 6. OUnther, Bakteriologie. 274 Ji. J)ie Bakterien als Krankheitserreger. class er schliesslich den Thieren — zur Herabsetzung der peristaltischen Darmbewegungen — eine kleine Quantitat Opiumtinctur (1 com auf je 200 g Korpergewicht) in die Bauclihohle injicirte. So behandelte Meerscbweincken gingen nacli etwa 2 Tagen zu Grande und zeigten bei der Section einen Befund, der mit dem der menschlichen Cholera ubereinstimmt. Es fancl sich starke Rothung des Dunndarmes; der- selbe war niit wasseriger Fliissigkeit gefiillt, welche reich an Komma- bacillen war. Erbrechen oder Diarrboe zeigten die Meerschweinchen nicht, aber lalnnungsartige Schwache der Hinterextremitaten, schwache und verlangsamte Respiration, Temperaturerniedrigung , Herzschwache — also Symptome, welche lebhaft an die menschliche Cholera erinnerten. So inficirte Thiere gehen, ebenso wie es bei dem an der natiirlichen Cholerainfection sterbenden Menschen der Fall ist, an der Vergiftung durch die im Darme bei der Yermehrung der Bacillen gebildeten giftigen chemischen Korper zu Grande (cf. p. 176). Beim Menschen geschieht die naturliche Infection eben- falls vom D a r m k a n a 1 aus. Es ist dazu nothwendig, dass die Bacillen. die mit der Nahrung, mit Trinkwasser etc. eingefiihrt werden, den Magen in entwickelungsfahigem Zustande passiren. Ist der Magen nur massig gefiillt, sein Inhalt sauer, so diirften die Bacillen die Barriere des Magens wohl selten iiberschreiten konnen. Beim Menschen sind bereits eine Reihe yon Fallen von Cholera- infection durch — theils unabsichtliche, theils absichtlich vorgenommene — Einverleibung kunstlicher Reincultur der Choleravibrionen in den Verdauungskanal bekannt geworden. Der erste dieser Falle1) (unab- sichtliche Infection) betraf einen Arzt, welcher an einem der ersten von Koch abgehaltenen Choleracurse theilnahm. Weitere Falle sind die von v. Pettenkofer und von Emmerich2), welche sich den Infectionsstoff absichtlich beibrachten. Einen vierten Fall (unabsicht- liche Laboratoriumsinfection eines Laboratoriumsdieners) haben Frey- muth und Lickfett3) publicirt. Alle diese Falle sind in Genesung ausgegangen. Die Incubationsdauer betrug bei den Fallen von v. Petten- kofer und Emmerich 1 bis 2 Tage. In 8 Fallen naturlicher Cholerainfection, welche Banti1) 1886 in Florenz beobachtete, und *) Koch, Conferenz zur Erorterung der Cholerafrage. Zweites Jahr. 18S5. Deutsche med. Wochenschr. 1885. No. 37 A. p. 7. 2) Miinchener med. Wochenschr. 1892. No. 46. 3) Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 19. ') Lo Sperimentale 1887; siehe auch Deutsche med. Wochenschr. 1892. p. 841. Der Koiumabacillus der Cholera asiatica. 275 bei denen die Incubationsdauer mit grosser Sicherlieit bestimmt werden konnte, betrug sie 36 bis 45 Stunden. Ueber die Natur des speciliscben C holer agiftes, d. li. des von den Cholerabakterien bei ibrer Yermebrung producirten giftigen Kor- pers, dessen Einwirkung auf den Organismus die schweren Symptome der Choleraerkrankung bedingt, ist noch wenig Sicberes bekannt. Nach den Untersuchungen von R. Pfeiffer1) ist dieses Gift in dem Zell- leibe der Cboleravibrionen selbst entbalten (cf. oben p. 42). Ganz besonders empfanglich fur die Y ergiftung haben sich Meerschwein- cben erwiesen. Bereitet man sicli von einer frischen Agarcultur sebr virul enter Choleravibrionen eine Aufscbwemmung in steribsirter Bouillon, und injicirt man diese Aufscbwemmung in passender Dosis (fur ein Tbier von 300 bis 350 g Korpergewicht miissen etwa 1,5 mg der Agarcultur [eine kleine Platinose voll] genommen werden) einem Meerscbweincben intraperitoneal, so treten wenige Stunden nacli der Injection Yergiftungserscbeinungen auf. Unter rapidem Sinken der Korpertemperatur wird das Thier scblalf und binfallig, es liegt mit lahmungsartiger Schwache der Hinterextremitaten platt auf dem Bauche ; fibrillare Zuckimgen treten von Zeit zu Zeit auf; das Thier fiihlt sicb kalt an und gebt meist 12 bis 16 Stunden nacb der Injection, mit- unter auch spater, zu Grunde (R. Pfeiffer). Bei der Section findet man in der Bauchhohle gewohnlicb geringe Mengen einer bellgelben serosen Fliissigkeit, in welcber sicb (nacb Untersuchungen von Gruber und Wiener2)) die eingebrachten Cboleravibrionen in der Regel stark vermehrt zeigen. Ebenso enthalt aucb die (mitunter vorbandene) die Injectionsstelle umgebende subcutane Oedemflussigkeit, ferner das intra- museulare Bindegewebe der Baucbwand und des Zwercbfells, endlicb auch das mitunter anzutreffende pleuritiscbe Exsudat (nacb den Er- mittelungen der letztgenannten Autoren) Yibrionen. Nach Pfeiffer und Wassermann3) findet man nur dann die intraperitoneal in den Meerschweinchenkorper injicirten Cboleravibrionen vermehrt, wenn mebr als die todthche Minimaldosis der Cultur eingebracbt wurde. Bei derartigen Thierversuchen zeigt sicb nun die Y i r u 1 e n z ver- scbiedener Cboleraculturen ganz ausserordentlich verscbieden. Erstens scheint in diesem Punkte die Provenienz eine grosse Rolle zu spielen; und zweitens zeigen sich nacb Gruber und Wiener ceteris paribus junge Culturen stets virulenter als altere. Das letztere gebt sogar so ') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1892. 2) Wien. klin. Wochenschr. 1892. No. 38; Arch. f. Hyg. Bd. 15. 1892. s) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. 18* 276 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. weit, class in einer und derselben Agarcultur die Randzonen (die die relativ jiingsten Theile der Cultur reprasentiren) nachweislich virulenter sind als die mittlere Zone (welche die altesten Theile der Cultur enthalt). Die Yirulenz einer kiinstlicken Choleracultur geht im Uebrigen stets sekr schnell zuruck. Gruber und Wiener ennit- telten aucli, dass eine wenig wirksame Choleracultur durch Ziicktiing auf frischem Huhnereiweiss *) virulenter gemacht wer- den kann. Gegen die deletare Wirkung der intraperitonealen Einverleibung vi- rulenter Choleracultur lassen sich Meerschweinchen dadurch schutzen, dass man ihnen Choleraculturen intraperitoneal einverleibt, die durch Erhitzung geschadigt wurden (B r i e g e r und Wassermann* 2), G. K 1 e m p e r e r 3)), oder dass man ihnen virulente Cultur in solcher Menge einverleibt, dass nicht der Tod, sondern nur eine voriibergehende All- gem einerki’ankung erfolgt (Wassermann4)). Die so bewirkte Immu- nisirung der Meerschweinchen ist nach R. Pfeiffer und Wasser- m an n5) nicht als Giftfestigung (cf. p. 188) zu betrachten, sondern als eine Erhohung der bakterienschadigenden Eigenschaften der Korper- safte der Thiere ; eine „ Giftfestigung" der Thiere , ein Unempfanglich- machen gegen behebige Dosen giftiger Choleracultur, ist bisher nicht gelungen. An dem Blut serum geheilter menschlicher Cholerapatienten wies Lazarus6) meerschweinchenschutzende Eigenschaften nach (cf. oben p. 189). Diese Eigenschaften des Blutserums treten, wie Wasser- mann7) fand, beim Menschen nicht sofort nach dem Ueberstehen der ') Diese Ermittelung ist nicht zu indentificiren mit der friiheren Angabe von Hueppe (Centralbl. f. Bakt. Bd. 4. 1S88. No. 3), dass die Ckolerabakterien, im Innern des Hiihnereies geziicktet, sekr energisck und scknell giftige Korper produciren; Hueppe mackte fur diese „Toxinbildung“ die im Ei kerrsckende Anaerobiose verantwortkck. Oben (p. 123, Anm. 3) kaben wir bereits darauf kin- gewiesen, dass von einer vollstandigen Anaerobiose im Hiiknerei sicker keine Rede sein kann, und dass die spontan in Eiern vorkommenden Bakterien strenge Aeroben sind. Gruber und Wiener kaben die oben citirte Virulenzsteigerung erkalten durck Cultmrung der Choleravibrionen auck auf dem Eiweiss in Contact mit der atmospkariscken Luft, also unter aeroben Bedingungen; sie sind der Ansickt, dass fur die Virulenzsteigerung die Cultivirung auf nativem Eiweiss das Wesentlicke ist. 2) Deutscke med. Wockenschr. 1892. No. 31. 3) Berl. klin. Wockensckr. 1892. No. 32. ,|) Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. B) Ebenda. °) Berl. klin. Wockensckr. 1892. No. 43, 44. 7) Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. Der Kommabacillus tier Cholera asiatica. 277 Choleraerkrankung auf, sondern erst einige Woclien danach. Sie sind noch naeli Monaten deutlich nachzuweisen. Kiinstliche Cliolerabacillenculturen in peptonhaltigen Nahrboden zeigen eine bestimmte chemise he Reaction („Cliol or are ac- tion"). Versetzt man namlich eine derartige Cultur mit chemisch reiner Salz- oder Schwefelsaure , so nimmt sie eine leichte Rosa- bis intensive Burgunderrothfarbung an. Es bildet sich hierbei ein be- stimmter Farbstoff („Choleraroth“). Die Reaction gelingt mit peptonhaltiger Fleischbriihe, in welcher die Bacillen 24 Stunden lang bei Bruttemperatur gewachsen sind; besser aber nimmt man als Nahr- fliissigkeit eine einfache 1 proc. wasserige Peptonlosung, welche 1 °/0 Kochsalz enthalt, nnd die event, (durch Sodalosung) alkalisch gemacht wurde. Znr Beschleunigung der Reaction kann man die Fliissigkeit nach dem Saurezusatz etwas erhitzen. Die genannte Reaction wurde von drei verschiedenen Autoren, die unabhangig von einander arbeiteten, aufgefnnden. Znerst wurde sie mitgetheilt von Poehl2) (1886), dann von Bujwid3 *) (1887) und in demselben Jahre auch von Dunham.1) Poehl fand die Reaction an Gelatinestichculturen , Bujwid und Dunham fanden sie an Cultural auf fliissigen Nahrboden. Yon manchen Seiten wurde die genannte Reaction als fur die Cholera- bacillen specifisch hingestellt; von anderen Seiten jedoch wurden gegen die Specifitat der Reaction Einwande erhoben: man behauptete, dieselbe kame auch anderen Kommabacillenarten zu, die zwar morpho- logisch den Cholerabacillen ahnlich sind, sonst aber nichts mit ihnen zu thun haben. Durch Salkowski5) ist die Frage endgiiltig ent- schieden worden. Salkowski hat den Nachweis geliefert, dass die Cholerareaction weiter nichts ist als die gewohnliche Nitroso-Indol- reaction0) (Indol -|- Salpetrige Saure = Rothfarbung). Es giebt ’) Siehe R. Koch, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 326. — Die Thatsache, dass reine Peptonlosungen eine gute Yermehrung der Cholerabakterien gestatten, nnd dass solche Choleraculturen die ohen genannte Reaction besser als Bouillonculturen zeigen, wurde von Dunham (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. 1887. p. 340) ermittelt. 2) Ber. d. deutschen chem. Ges. 19. Jahrgang. 1886. p. 1162. 3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. 1887. 'l) Ebenda. r’) Yirch. Arch. Bd. 110. 1887. ") Vor der Salkovvski’schen Veroffentlichung hat bereits Poehl (1. c.) an- gegeben, dass der bei Saurezusatz zu Choleraculturen sich bildende rothe Farbstoff ein Skatolderi vat ist, und dass er von Amylalcohol aufgenommen wird. Brieger (ebenfalls vor Salkowski) isolirte (Deutsche med. Wochenschr. 1887. No. 15) das Choleraroth aus Choleraculturen. Er erkannte dassolbe (ebenda 1.887. No. 22) als Indolderivat. 278 B. Die Bakterien als Krankheitscrreger. einc grosse Reihe von Bakterienarten , denen die Eigenthiimlichkeit zukommt, aus den Eiweisskorpern des Nahrbodens Indol zu produciren (of. p. 248, Anm. 4), wahrend anderen Bakterienarten diese Fahigkeit abgeht. Zu den indolproducirenden Arten gehort nun auch der Cholera- bacillus ; es geboren dazu ferner mebrere (weiterbin nocli zu be- sprechende) Arten von Kommabacillen, namlich der Kommabacillus von Finkler, der Kommabacillus von Den eke, der Vibrio Metschni- koff und der (kiirzbch von M. Neisser im Rubner’scben Institut entdeckte [cf. weiter unten]) „V i b r i o B e r o 1 i n e n s i s Setzt man zu der Bouillon- oder Peptoncultur einer dieser Arten salpetrige Saure oder, was auf dasselbe binauskommt, ein Gemenge von Kaliumnitrit und Scbwefelsaure, so tritt Rotbfarbung ein. Nun bat aber der Cbol era- bacillus (und der Vibrio Metschnikoff sowie der Vibrio Berolinensis tbeilen diese Eigenscbaft) die fernere Eigen thumbcbkeit, die geringen Mengen von Nitraten, welcbe sicb in dem Nahrboden stets vorfinden, zu Nitriten zu reduciren '), wahrend dem Finkler ’schen und dem D e n e k e ’ scben Kommabacillus diese Eigenscbaft abgebt. In Cholera- culturen, in Culturen des Vibrio Metschnikoff und in Culturen des Vibrio Berobnensis sind also stets Indol und Nitrite vorhanden. Wird nun reine Salz- oder Scbwefelsaure zugesetzt, so wird salpetrige Saure frei, welcbe die characteristische Indolreaction veranlasst, wahrend bei den Finkler’ scben und den D e n e k e ’ schen* 2) Komma- bacillen bei dem Zusatz r e i n e r (salpetrigsaurefreier) Mineralsauren die genannte Reaction selbstverstandlich ausbleiben muss. Die Bedingungen, unter welcben die Nitrosoindolreaction in Pepton- losungen am besten zu Stande kommt, sind jungst von Bleiscb3) zum Gegenstande einer besonderen Untersucbung gemacbt worden. Nacb Bleiscb gehort ein bestimmter Gehalt der Peptonlosung an Nitraten dazu; scbon ein geringer Ueberscbuss von Nitraten verhindert die Reaction.4) Die Nitrosoindolreaction lasst sicb ubrigens nicbt nur an Culturen in fliissigen Nahrboden, sondern auch an solcben auf festen Nahr- b cf. Petri, Centralbl. f. Bakt. Bd. 5. 1889. No. 17 — 18. 2) Was den Vibrio Den eke angebt, so babe icb gelegentbcb aucb bei ibm (und zwar an alten Culturen) Rotbfarbung bei Zusatz reiner Scbwefelsaure geseben. 3) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. 4) Im Handel koinmen ganz verscbiedene Peptonsorten vor. 1st man im Besitze eines absolut nitratfreien Peptone, so betragt nacb Bleiscb (1. c. p. 112, 114) der zweckmiissigste Zusatz auf je 100 ccm der 1 proc- Losung dieses Peptons 30 bis 50 Tropfen einer 0,08 proc. Losung reinen Kaliumnitrats. Durcb Ausprobiren bat man jedesmal festzustellen , ob die gerade vorliegende Peptonsorte den zweckentsprecbonden Nitratgebalt besitzt. Der Kommabacillus der Cholera asiatica. 279 b o cl e n anstellen. Ausgezeichnet eignen sicli dazu Oberflachenstrioh- culturen auf Agar. Man setzt zu der entwickelten Cultur sehr ver- diinnte reine Schwefel- ocler Salzsanre, und zwar so viel, dass die Oberfliiclie des Nahrbodens vollig davon bedeckt wird, und sieht dann im Falle des positiven Resultates nicht allein die Bakterienmasse sich rosa bis rotli farben, sondern auck die angrenzenden Theile des Nahr- bodens eine derartige Farbe annehmen. Der Cholerabacillus farbt sich mit wasserigen Anilinfarbstoff- losungen. Nach der Gram’schen Methode (p. 100 if.) farbt sich der Cholerabacillus nicht. Die genaue Kenntniss der in Vorstehendem dargestellten morpho- logischen und biologischen Eigenschaften des Ckoleravibrio ermoglicht es nun, in verdachtigen Krankkeitsfallen (z. B. ersten Fallen einer Epidemie) seine Anwesenhe.it oder Abwesenheit festzustellen und damit darzuthun, dass es sich um Cholera asiatica handelt, resp. dass es sich nicht darum handelt. Demi der Cholerabacillus findet sich constant und ausschliesslich bei Cholera asiatica; die Diagnose dieser Kr ankheit steht und fallt mit seinem Nachweise. Die in der heissen Jahreszeit nicht selten auftretenden Falle von sogenannter „ Cholera nostras" (Brechdurchfall), die mit- unter nach kurzem Yerlaufe todtlick enden, konnen der Cholera asia- tica klinisch und pathologisch-anatomisch vollig gleichen, die Aus- leerungen eines solchen Falles konnen denjenigen echter Cholerafalle makroskopisch und mikroskopisch vollig identisch sein — nur der bakteriologische Befund ist ein anderer: in dem „Cholera nostras"- Falle findet sich irgendwelche specifische Mikroorganismenart nicht; in dem Falle von Cholera asiatica findet sich der Koch’sche Vibrio. Bei der sogenannten „Cholera nostras" handelt es sich nach Allem, was wir bisher dariiber wissen, jedenfalls nicht um eine specifische Ursache ; die schweren Darmlasionen (Desquamation des Epithels [Flocken der Reiswasserstfihle]), welche wir bei „Cholera nostras" in genau derselben Weise finden konnen wie bei der echten Cholera asia- tica, sind ohne Zweifel genau so auf Schadigungen durch giftige Korper zu beziehen, wie das bei der Cholera asiatica der Fall ist. Wahrend aber bei der letzteren Krankheit das Gift ein specifisches ist, ge- bildet bei der Vermehrung einer bestimmten, specifische n Mikroorganismenart innerhalb des Korpers, so sind die bei der „Cholera nostras" in Betracht kommenden Gifte wahrscheinlich in verscliiedenen Fallen verschieden, und es ist auck durcliaus noch nicht ausgemacht. 280 B. Die Balcterien als Kranklieitserreger. class diese Grifte in alien Fallen durcli Mikroorganismen gebildet wer- den, und, wo das letztere der Fall, dass sie innerhalb des von der Krankbeit belallenen Korpers producirt werden. Es ist ein gewaltiger Untcrscbied beziigbcb der im Interesse des Allgemeinwohls zu ergreifen- den bygieniscben Massregeln, ob der vorliegende unter ver- dachtigen Erscbeinungen acut zu Grunde gegangene Fall Cholera asia- tica oder „Cholera nostras" ist : Im Falle der Cholera asiatica ist eine Krankkeitsursache vorbanden, die die Fahigkeit hat sicb ausserbalb und innerhalb des menschlichen Korpers zu vermebren und so die Krankbeit zu reproduciren; im Falle der „Cholera nostras" bandelt es sicb um Scbadlickkeiten, cbe nach Allem, was wir daruber wissen, die Fahigkeit der Vermebrung und der Reproduction nicbt besitzen. Wie gestaltet sicb nun das praktische Yorgeben bei der bakterio- logischen Untersucbung eines verdachtigen Falles? Obenan ist bier stets die Forderung zu stellen, dass das Material so frisch wie nur irgend moglich untersucbt wird, dass es in moglichst originalem Zustande, mogbcbst in dem Zustande, in welcbem es im Korper des Erkrankten vorbanden war, zur Priifung berangezogen wird. Handelt es sicb um einen verdacbtigen Todesfall, so muss cbe Section so bald wie moghch nach clem Tode vorgenommen werden, damit der Dunndarminhalt zur Untersucbung entnonunen werden kann; bandelt es sicb um einen lebenden Kranken, so miissen cbe Dejec- tionen mogbcbst bald nach der Entleerung aus dem Korper untersucbt werden. Die Forderung, das Material in jedem Falle mogbcbst frisch, mogbcbst original zu untersucben, ist deshalb von so ausserordent- licher Bedeutung, weil der von dem Kranken entleerte resp. nach dem Tode in der Leicbe stagnirende Darminbalt, je mebr Zeit verfliesst, desto mebr Veranderungen erleidet; es tritt Vermebrung der einen, Absterben der anderen Mikroorganismen ein, und es ist durchaus nicbt unmogbcb, dass cbe heute in dem Material vorhandenen und mit Leichtigkeit nachweisbaren Cbolerabakterien morgen oder gar liber- morgen nicbt mebr vorbanden und also auch nicbt mebr nachweisbar sind. Besonders bei Sommertemperatur treten solcbe Yerscbiebungen der bakteriologiscben Beschaffenheit des Materiales sebr leicbt und schnell ein. Lasst es sicb nicbt ernmglichen, die bakteriologiscbe Prufung desselben sofort in Angriff zu nehrnen, muss es z. B. zur Untersucbung erst an ein mebr oder weniger entferntes Institut ver- schickt werden, so ist das Material (Dejection des Kranken resp. doppelt unterbundene Dunndarmstiicke der Leicbe) — selbstverstandlicb obne Zusatz von Desinfectionsmitteln — in gut verscbliessbare Glasgefasse Der Ivommabacillus der Cholera asiatica. 281 zu fullen, und die letzteren sind, am besten in Eis verpackt, auf dem kiirzesten Wege an den Bestimmungsort zu befordern. Da es aucb in diesem Falle vorkommen kann, dass das Material sicb in der oben angedeuteten Weise veriindert, so wurde ich stets rathen, dass der zu dem Ealle zugezogene Arzt neben der Sorge um moglichst scbnelle und zweckmassige Expedirung des Materials noch die Herstellung einer Reihe von Ausstrichpraparaten aus demselben ubernimmt. Diese Praparate werden mit dem iibrigen Materiale zugleich an die Untersuchungsstelle eingesandt, um dort mikroskopisch gepruft zu werden. Es handelt sicb bier nicbt etwa um die Herstellung fer tiger mikroskopiscker Praparate von Seiten des mit Berufsge- schaften obnehin uberhauften Arztes, sondern nur um die Fixirung des m omen tan noch un veriindert vorliegenden Krank- heitsmateriales auf einer Glasflache zum Zwecke der dauernden Eestlegung in diesem original en Z us tande. Mit irgend einem passenden Metallinstrument, z. B. einer kleinen Pin- cette (die nach dem Gebrauch durch Ausgliihen desinficirt wird) oder Aehnlichem, wird aus dem verdachtigen Material eine Schleimflocke entnommen und auf eine durch Abwaschen etc. gut gesauberte, trockene Glasflache (im Nothfalle genugt ein Stuck Eensterglas etc.) so unter Aufdrucken ausgestrichen, dass Schleim- etc. Theilchen in diinner Schicht an der Glasflache hangen bleiben. Man lasst die Schicht, ohne weiter (durch Kratzen etc.) an ihr zu manipuliren, lufttrocken werden und legt dann die so vorbereiteten Glasstiickchen, in reines Schreibpapier einzeln eingeschlagen, dem abzusendenden Untersuchungsmateriale bei. Sind mikroskopische Deckglaser zur Stelle, so wird man naturlich diese fur den genannten Zweck gebrauchen. Die auf die angegebene Weise — von frischem, originalem Ma- terial — hergestellten Ausstrichpraparate sind von gar nicht hoch genug anzuschlagendem Werthe. In einer solchen angetrockneten Schicht bleibt die Morphologie des aufgestrichenen Materiales dauernd vollig unverandert; und dem Untersucher, welcher nachher diese Pra- parate in der gewohnlichen Weise des Trockenpraparates mit Anilin- farben farbt und mikroskopisch untersucht, ist damit wenigstens ein Einblick in die originalen morphologischen Verhaltnisse ermoglicht und gesichert, wenn auch in dem fliissigen Untersuchungs- materiale solche Yerander ungen vor sicli gegangen sein sollten, dass ein sicheres Urtheil allein nach der (mikroskopisclien und Cultur-) Untersuchung des letzteren sehr schwer oder auch gar nicht mog- lich ist. Die mikroskopische Untersuchung des fr.isclien 282 B. Die Bakterion als Krankkeitserreger. Materiales kann in positiven Fallen die Diagnose der Cholera asiatica ohne Weiteres entscheiden. Das ist nicht etwa so zu verstehen, dass, wenn man verdachtiges Material im frischen Zustande mikroskopisch nntersucht, der Befund von komma- formig gekrummten Organismen ohne Weiteres znr Diagnose „Cholera“ berechtigte. Yereinzelte kommaformig gekrummte Bacillen kann man in jeder hehebigen Facesprobe antreffen. Zur mikroskopischen Diagnose „Cholera“ gehort vielmehr stets der Nachweis, dass Kommabacillen in sehr grossen Mengen, in das ganze Bild beherrschender Anzahl vor- handen sind. Ein derartiger Befund ist bisher bei keiner anderen Krankbeit imd ebensowenig beim normalen Menschen gemacbt wor- den : er ist fin- Cholera asiatica characteristisch. Aucb linden sicb die Yibrionen, wie das Koch bereits 1884 bescbrieben und abgebildet1) und neuerdings wieder in Erinnerung gebracbt 2) bat , in den bei der Preparation fadenformig ausgezogenen Stellen des Schleims baufig in characteristisch geformten Gruppen liegend : „Sie bilden namlich Hauf- chen, in denen die einzelnen Bacillen sammtlich dieselbe Bicbtung haben, so dass es so aussiebt, als wenn ein kleiner Schwarm der- selben, wie etwa Fiscbe in einem langsam fliessenden Gewasser, hinter einander herziehen.“ Dieses Bild im Besonderen ist fiir Cholera asia- tica durchaus characteristisch. Es sei aber nochmals betont, dass diese Sicherbeit der mikroskopiscben Cboleradiagnose ausschliesshch fur die Untersucbung des absolut frischen, originalen Materials gilt, und dass sie nur gilt fiir den positiven, zweifellosen Befund. Wird das Material nicht frisch nntersucht, Oder trifft man bei frischem Material die Yibrionen nicht in iiberwiegender Anzahl oder aucb gar nicht an, so ist aus solchem Befunde nie ein Urtheil zu ziehen. Hier sind wir beziiglich des letzteren ausschliesshch auf die Culturunter- suchung angewiesen. So viel ist aber sicher, dass ein gutes, von dem frischen Materiale hergestelltes mikroskopisches Praparat unter Umstanden die Diagnose ermoglichen kann, wo sie aus den veranderten und verdorbenen Dejectionen nicht mehr zu stellen ist. Selbstverstandlich wird, wo dies irgend angangig ist, die mikro- skopische Untersucbung durch die Culturuntersuchung erganzt. Es ist an dieser Stelle zu erwahnen, dass sich in manchen Fallen von „Cholera nostras'1 in den Dejectionen mikroskopisch ziemlich grosse, mil, mehreren Windungen versehene, spirillenformige , aber hier und da aucb Kommaform zeigende Gebilde vorfinden. Diese Gebilde, welche ') Deutsche med. Wochensckr. 1884. No. 32. p. 501. 2) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 324. Der Konmiabacillns der Cholera asiatica. 283 zuerst (1887) von V. Babes •) besclirieben warden und aueh im Sommer des Jabres 1892 bei Gelegenheit der Untersuchung choleraverdachtiger Falle wiedergefunden worden sind 2), sind schon nacli ihrer Form nicht mit Cholerabakterien zu verwechseln: die Cholerabakterien sind plumper, kiirzer und dicker als die fraglichen Gebilde ; die letzteren haben ausser- dem zugespitzte Enden, wakrend die Enden der Cholerabakterien stumpf abgernndet sind. Die Herstammung dieser Spirillen und die Rolle, welche ihnen in manchen Fallen von „Cholera nostras11 eventuell zukommt, ist nock vollig zweifelkaft ; iibrigens lassen sick diese Spirillen kiinstlick nickt ziickten. Bekufs der Cultur untersnchung verdachtigen Materials gekt man so vor, dass man von den Dejectionen oder von dem Darminkalt der Leicke, und zwar am besten von einer Sckleimflocke, in bekannter Weise Gelatineplatten anlegt (cf. oben p. 124ff.). Zu diesem Zwecke zerreibt und vertkeilt man das Material in einem Rohrcken gesckmolzener Nakrgelatine (passender Beschaffenheit ; cf. oben p. 269), legt Yerdimnungen an und giesst die so inficirte Gelatine auf Platten, in Schiilchen etc. aus. Die Platten (oder Sckalchen etc.) sollen bei 22° C. aufbewakrt werden. Bei dieser Temperatur sind die aus den event, vorhandenen Cholerabakterien entstekenden Colonien in 24 Stunden so weit gecliehen, dass sie eine sichere Beurtkeilung gestatten. Ent- vvickelte Platten von Ckoleradejectionen bieten nun schon makroskopisck ein von anderen Facesplatten differentes Bild. Wakrend namkck auf Facesplatten im Allgemeinen — im Gegensatz zu der enormen An- zahl der mikroskopisch in dem Aussaatmaterial nackweisbaren Bakterien — gewohnkch nur relativ sparliche Colonien bei Zimmertemperatur zur Entwickelung gelangen, so findet man Platten von Ckoleradejec- tionen gewohnlich mit Colonien iibersaet, deren grosste Mekrzakl dem Cholerabacillus angekort: Der Ckolerabacillus unterscheidet sick von der Mehrzahl der sonst in Faces vorkommenden Bakterien schon da- durck, dass er auf der Gelatineplatte gut zur Auskeimung gelangt. Findet man nun bei der Untersuckung der Platte mit schwacher Ver- grosserung die den Choleracolonien zukommenden Merkmale (cf. p. 269), und constatirt man bei der Abimpfung der fraglichen Colonien und TTntersuckung des Abgeimpften mit starker Vergrosserung, dass die Colonien aus kommaformigen Organismen bestehen, so ist die Diagnose „Cholera asiatica1* sickergestellt. J) 0. intcmat. Congr. f. Hyg. u. Demogr. Wien 1887. Verkandlungen Heft 18. p. 80 und 118, 119. 4) cf. Fttrbringer, neutficlic med. Wnchenschr. 1892. No. 3-1. p. 768'. 284 B. Die Bakterien als Kranklieitserreger. Es muss an dieser Stelle betont werden, dass diese sichere Diagnose aus deni Plattenbefunde nur dann moglich ist, wenn — was vvir vor- aussetzten — die Platte mit solcbem Material angelegt ist, welches unmittelbar von dem erkrankten Menschen stammt. Im unmittelbaren Zusammenhange mit dem Krankheitsfalle ist ein der- artiger Plattenbefnnd fiir Cholera asiatica durchaus specifisch; er ist sonst nirgends erhoben worden. Auf der anderen Seite ist der blosse Platte nbefund oline das Ivriterium des Zusammenlianges mit dem Krankheitsfalle — z. B. der Befund einer mit choleraverdachtigem Trinkwasser angelegten Platte — wenn die vorhandenen Colonien auch noch so grosse Aehnhchkeit mit Choleracolonien haben, fiir die Dia- gnosticirung des Cholerabacillus nicht ohne Weiteres zu verwerthen. Selbst wenn die verdachtigen Colonien aus kommaformigen Bakterien zusannnengesetzt sind, ist die sichere Beurtheilung nicht ohne Weiteres moglich ; denn wir kennen yon dem Cholerabacillus differente Komma- bacillenarten , deren Plattencolonien in gewissen Entwickelungsstadien genau so aussehen wie die Colonien des Choleravibrio ; wir wissen auch, dass derartige Kommabacillenarten im Wasser vorkonnnen konnen. Auf der andern Seite aber wissen wir mit Sicherheit, dass im mensch- hchen Darme vorkommende Kommabacillen, die zur Entstehung cholera- ahnlicher Colonien auf der Platte Veranlassung geben, nur Cholera- vibrionen sein konnen. ') Neuerdings hat Koch1 2) neben der Gelatineplattencultur auch die Agarplattencultur zur Choleradiagnose empfohlen. Man lasst das geschmolzene, in Doppelschalen ausgegossene sterile Agar zunachst erstarren und dann (zum Zwecke der Verdunstung der ausgepressten oberflachlichen Flussigkeitsschicht) mehrere Page im Briitschrank stehen. Auf die Oberflache des so vorbereiteten Nahrbodens breitet man das zu untersuchende Material mit einer Platinose aus. Bei 37° C. ent- stehen dann aus Cholerabakterien schon nach 8 — 10 Stunden relativ grosse Colonien, die allerdings in ihrem Aussehen nicht sehr characte- ristisch sind (cf. oben p. 271). Die Colonien muss man dann abimpfen und auf kommaformige Organismen untersuchen. Findet man Komma- bacillen, und stammte das Material unmittelbar von dem erkrankten Menschen, so kann es sich nur um Choleravibrionen handeln. — Die Agarplattencultur kann zur Beschleunigung der Diagnose- stellung yerwandt werden. In jedem Falle wird man sich auf sie allein — bei dem wenig characteristisohen Aussehen der Colonien und 1 ) Verg’l. beztiglicb der vorhergehenden Auseinandersetzung die oben (p. 169, Amn. 1) gegebenen Ausfiibrurigen. 2) Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 330. Der Kommabacillus tier Cholera asiatica. 285 bei den vorkommenden Schwankungen in der Form der Einzelzellen des Choleravibrio (cf. p. 268) — nicht verlassen, sondern dan e ben stets auch Gelatineplatten anlegen, welche ein viel sichereres, wenn auch nicht so schnell zu erhebendes, Urthcil gestatten. Zur weiteren, wenn nicht Sicherung, so doch Bestatigung der Diagnose kann neben der Gelatine- und der Agarplattencultur auch die (mit hergestellten Reinculturen , am besten in Peptonlosung [cf. oben p. 27 7J, anzustellende) Nitrosoindolre action sowie der Thierversuch (intraperitoneale Injection von Reinculturen bei Meer- schweinchen [cf. oben p. 275]) ausgefiihrt werden. Alle diese Kriterien, das mikroskopische Bild, die Gelatine-, die Agarplatte, die Indolreaction und der Thierversuch, geben — wenn das Material wirklich von einem Cholerafalle stammt und frisch zur Unter- suchung kommt — • gewohnlich ubereinstimmende Resultate. Das Re- sultat der miki-oskopischen Untersuchung kann (siehe oben p. 282) nnt- unter zweifelhaft sein, wahrend die ubrigen diagnostischen Hiilfsmittel ein vollig sicheres, ubereinstimmendes, unzweideutiges Resultat ergeben. Steht das zu untersuchende Material nicht in unmittelbarem Zusammenhange mit einem verdachtigen Krankheitsfalle, liegen z. B. Dejectionen vor, die schon eine Reihe von Tagen bei Sommertenrperatur gestanden haben und verfault sind, oder hat man ein des Cholera- bacillengehaltes verdiichtiges Trinkwasser zu untersuchen etc., so ge- staltet sich die Diagnose nicht ganz so einfach wie bei frischem, vom Kranken oder von der Leiche stammenden Material (cf. oben p. 169, Anm. 1). Hat man in solchen Fallen kommaformige Organismen auf- gefunden, so muss man sie nach alien Richtungen bin, d. h. durch Zuchtung auf den verschiedensten Nahrboden und bei verscliiedenen Temperaturen, durch Anstellung der Indolreaction und des Thierver- suches mit echten, authentischen Cholerabacillen vergleichen und kann dann event, das Urtheil abgeben, dass der aufgefundene Organismus sich mit den heutigen Hiilfsmitteln in keiner Beziehimg von dem Choleravibrio unterscheiden lasst. Auf den Ausfall des Thierversuchs wird man in solchen Fallen, bei der schwankenden Virulenz des Cholera- vibrio (cf. p. 275), nicht allzu grosses Gewicht zu legen haben. Um in solchen Fallen, wo in den verdachtigen Dejectionen nur wenige oder gar keine Kommaformen mikroskopisch auffindbar sind, die event, vorhandenen Cholerabakterien dennoch der mikroskopischen Beobachtung und weiteren Untersuchung zugangig zu machen, hat Schottel ius1) folgendes Yerfahren empfohlen : 100 bis 200 ccm ’) Deutsche med. Woclienschr. 1885. No. 14. 286 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. cler verdacktigen Dejectionen werden mit 250 bis 500 ccm Nahr- bouillon innig vermisobt; das Gemisch bleibt 10 bis 12 Stunden in offenem Gefiisse bei Briittemperatur stehen. Die event, vorbandenen (sauerstoffbediirftigen [cf. p. 269]) Cholerabakterien sollen sich wahrend- dessen an die mit der atmospkarisclien Luft in Contact stekende Ober- fiacke der Fliissigkeit begeben und sich hier vermehren, so dass man nacli Ablaut der obengenannten Zeit durch mikroskopiscke Untersuchung einer Spur der oberflackkcken Schickt der Fliissigkeit ihre Gegenwart nackweisen kann. Buckner1) hat ein ahnliches Yerfakren der „Yor- cultur“, welches ebenso wie das Sckottelius’scke eine relative Vermekrung der vorkandenen Cholerabakterien anderen Mikroorganismen gegeniiber bezweckt, angegeben: Er steriksirt eine 7 Tage im Briit- sckrank gewacksene Bouillon- oder Peptoncultur des Choleravibrio durck Kochen und verdiinnt sie dann mit dem lOfacken Volumen 0,6 proc. Kochsalzlosung. Der so erkaltene flussige Nahrboden ist fur die Ckolera- bakterien nack Buckner viel giinstiger als fur andere Organismen. Bringt man kleine Quantitaten des zu unter suck end en Materials in diesen Nahrboden kinein, so sammeln sick etwa vorkandene Cholerabakterien an der Oberfiacke der Fliissigkeit an, vermehren sick kier und bilden ein Hautcken, welches die Cholerabakterien event, in Reincultur entkalten kann. An die genannten Metkoden der Yorcultur von Sckottelius und von Buckner leknen sick Yerfakrungsweisen an, welcke Gruber2), Bujwid3) und Andere angegeben kaben. Koch4) hat kiirzkck empfoklen, eine relative Yermekrung der Cholerabakterien in dem zu untersuckenden Materiale dadurck kerbeizufiikren , dass man in die oben (p. 277) angegebene Pepton-Kochsalzlo sung, die sick im Reagenzglase befindet, eine oder mekrere Platinosen der zu unter- suckenden Dejection oder einige Sckleimflocken aus derselben einbringt und dann die Cultur in den Briitschrank (37° C.) stellt. Die event, vorkandenen Cholerabakterien vermehren sick in diesem iknen ausser- ordentlick zusagenden (p. 277, Anm. 1.) Nahrboden sekr scknell imd bilden oft sckon nack 6 Stunden an der Oberfiacke der Fliissigkeit ein zusammenhangendes Hautcken, welches dann mikroskopisck und durck Plattencultur weiter untersuckt wird. — Selbstverstandlick wird man bei Benutzung solcker Vorculturmetkoden, solcker Metkoden, die den Zweck kaben, das Hntersuckungsmaterial an Cholera vibrionen „anzu- reichern“, niemals versaumen diirfen, gleichzeitig mit der Yorcultur b Miinck. arztl. Intell.-Bl. 1885. No. 50. 2) Wiener med. Wochensckr. 1S87. No. 7, 8. 3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 4. 1888. No. 16. p. 494. ') Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 326 ff. Der Kominabacillus der Cholera asiatica. 287 Plattenoulturen anzulegen ; denn es ist nie mit Sicherheit auszuscliliessen, dass in dem Untersuchungsmateriale einc anderweitige Bakterienart vorlianden ist, die ein ahnliches Sauerstoffbediirfniss besitzt wie der Choleravibrio, und die vermoge ihrer Eigenbeweglicbkeit ebenfalls an die Oberflache der Fliissigkeit steigt und dort sogar den Choleravibrio verdrangt. Natiirlich wird diese Moglichkeit der Verdrangung und Ueberwucherung des Ckolerabacillus durch eine andere Bakterienart eine verschiedene sein miissen je nach der Zeitdauer, wahrend der das Gemisch der Bruttemperatur ausgesetzt wurde. Koch1) giebt aus- driicklioh an, dass die Untersuchung der Pepton-Vorcultur am besten 6 bis 1 2 Stunden nach der Aussaat vorgenommen wird, dass s p a t e r die Cholerabakterien auch in den oberflachlichen Fliissigkeitsschichten gewohnlich von anderen Bakterien iiberwuchert und verdrangt werden, so dass also der Fall eintreten kann, dass sie bei einer zu spaten Unter- suchung nicht mehr gefunden werden. Jedenfalls aber ist die Mog- lichkeit der Ueberwucherung auch in den ersten Stunden der Vorcultur im einzelnen Falle a priori nie von der Hand zu weisen, und ein bei der Vorcultur sich ergebendes negatives Resultat wurde daher stets mit Vor- sicht zu verwerthen sein. Durch gleichzeitige Anlegung von Plattencul- turen aus dem Untersuchungsmaterial (die ubrigens Koch bei Gelegen- heit der Empfehlung der Pepton-Vorcultur fur die Untersuchung von Dejectionen in erster Reihe vorschreibt) sichert man sich jedenfalls stets die Uebersicht liber die urspriinglich vorhandenen Verhaltnisse. Es muss ubrigens darauf hingewiesen werden, dass nicht in jedem Cholerafalle die Koch’schen Vibrionen in jeder einzelnen Portion der Dejectionen vorhanden sind. Sie konnen gelegentlich wahrend ganzer Tage aus den Dejectionen verschwinden, um dann wieder aufzutreten. Aus einer einzelnen Untersuchung mit negativem E r - gebniss ist also ein bindender Schluss nicht ohne Wei teres gestattet2). Im Durchschnitt sind die Cholerabakterien bis zum 10. Tage nach der Erkrankung im Darminhalt anzutreffen 3). Bei Gelegenheit der Choleraepidemien 1892/93 sind die Cholerabakterien gelegentlich auch in den Dejectionen scheinbar gesunder resp: nicht mit allgemeinen Storungen erkrankter Personen, ja selbst im festen geformten Stuhl, aufgefunden worden4). Diese leichtesten Cholerafalle sind nur unter Gruppen von Menschen beobachtet, *) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 327. 2) Vergl. Bump el, Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 7. 3) Vergl. Fliigge, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 157. ') Vergl. Canon, Lazarus und Pielicke, Berl. klin. Wochenschr. 1892. No. 48. p. 1 2 1 fi ; Bump el, Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 7. 288 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. welche gleichmassig der Cholerainfection ausgesetzt waren und neben den leicliten auch schwere Falle aufwiesen1). Sie bedeuten weiter niebts, als dass die individuelle Disposition des Menschen fur die Cholera- infection eine sehr verscliiedene ist2). Bebufs der Untersuchung von verdiichtigem Wasser auf event, vorbandene Cholerabakterien ging man fruher ausschliesslich so vor, dass man eine geringe Quantitat des zu untersuchenden Wassers mit gescbmolzener Nahr gelatine vermischte, das Gemisch zur Platte aus- goss und dann unter den aufgehenden Colonien auf ckoleracolonien- ahnlich aussehende fahndete. Findet man bei dieser Gelegenbeit der- artige Colonien, so werden sie abgeimpft, ikr Inbalt wird auf Komma- bacillen gepriift, und, falls sicb Kommabacillen linden, wird das Material auf seine sonstigen Cultur- etc. Eigenschaften bin (am besten unter standiger Yergleicbung mit autbentiscben Cboleravibrionen) untersucbt, ran dann event, (mit mebr oder weniger grosser Sicberheit resp. Wabr- scheinhchkeit) als mit Cholera identiscb oder als von Cholera different erkannt zu werden3 * * * * * * *). Mit Hiilfe dieser Gelatineplattemnethode bat 1) cf. Koch, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 321. 2) cf. Fltigge, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 15S. 3) Die Prii f'nng auf che eventuelle Choleranatur der bei solcher Gelegenbeit gefundenen Kommabacillen bat mit der allergrossten Sorgfalt und unter Berfick- sicbtigung sammtbcber Kriterien der Artbestimmung zu geschehen; die Wasser- untersucbungen , die gelegentlich der Cboleraepidemie 1892 von vielen Seiten aus- gefiibrt wurden, baben gezeigt, dass im Wasser ganz regelmassig Kommabacillenarten vorkommen, die in der Form der Plattencolonie , wenn auch unter Umstanden nur in gewissen Entwickelungsstadien, mit Cholera grossere oder geringere Aebnbcb- keit aufweisen. Hierbin gebort z. B. der von mir in Spreewasser aufgefundene „Yibrio aquatilis11 (Deutsche Ges. f. off. Ges.-Pfl., Sitzung v. 28. Nov. 1892. — Deutsche med. Woehenschr. 1892. No. 49. p. 1124), der zugleich den — meines Wissens — erstpublicirten derartigen, aus Anlass der 1892 er Epidemie erbobenen Befund darstellt. Ein Ausstrichpraparat dieses Mikroorganismus ist auf Taf. K, Fig. 60, wiedergegeben. Der Vibrio aquatilis ist von dem Cboleravibrio in den ersten Tagen des Wachsthums auf der Gelatineplatte durcb die Colonienform mit Leichtig- keit und Sicberheit zu unterscbeiden : er bildet kreisrunde, glattrandige , feingranu- brte Colonien. Erst in einem spateren Stadium der Entwickelung, bei fortschreiten- der Verflussigung, tritt eine entfernte Aebnbcbkeit der Colonien mit Cholera auf.- Der Vibrio aquatilis unterscheidet sich ferner von dem Cboleravibrio vor Ahem durcb den negativen Ausfall der Nitrosoindobeaction • (cf. p. 277) und durcb den Mangel patbogener Eigenschaften. Andere Befunde von Kommabacillen im Wasser, die bei Gelegenbeit der lS92er Cboleraepidemie gemacbt wurden, sirnl die von Kiessling (Discussion im Anschlusse an rneinen oben citirten Vortrag fiber den Vibrio aquatilis. — Arb. a. d. Kais. Ges.- Amte. Bd. 8. 1893), Loeffler (Greifswalder med. Verein 3. Dec. 1892. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. p. 384), Wei bei (Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. No. 4), Buj- wid (ebenda), Folcker (Deutsche med. Woehenschr. 1893. No. 7); vergl. in dieser Der Konmiabacillus der Cholera asiatica. 289 z. B. Koch (cf. oben p. 155, 272) 1884 in dem Wasser eines Tank in der Niilie von Calcutta Cholerabakterien nachgewiesen, und auch in einigen spiiteren Fallen ist der Nachweis von Cholerabakterien im Wasser auf these Weise gelungen. Im Allgemeinen aber hat, wie wir bereits oben (p. 156) aus- einandersetzten , die Feststellung vereinzelter Choleracolonien auf der Gelatin eplatte neben einer grossen Ueberzahl anderer Colonien — die sich auf Wasserplatten stets entwickeln — ihre sehr grossen Schwierig- keiten; und es ist deshalb ohne Weiteres verstandlich, dass die genannte Methode nur in sehr wenigen Fallen ein positives Resultat gezeitigt hat. Man hat deshalb nach Verbesserungen der Methode gesuclit, und es sind in neuerer Zeit derartige Verbesserungen mehrfach ange- geben und von autoritativen Stellen empfohlen worden. Wir sagten bereits oben (p. 157), dass die Verbesserungen darauf beruhen, dass man dem zu untersuchenden Wasser zunachst bestimmte far das Wachsthum der Cholerabakterien giinstige Zusatze giebt, und dass man das Gemisch dann eine gewisse Zeit bei einer fur die Cholera- bakterien sehr gunstigen , fur die Wasserbakterien weniger gunstigen Temperatur steheu lasst. Man sucht dadurch — in ahnlicker Weise, wie es die (cf. oben p. 285 ff.) von Schottelius und Anderen an- gegebenen, in modificirter Weise jungst auch von Koch empfohlenen „Anreicherungs“-Methoden bei der Untersuchung von Dejectionen be- zwecken — eine relative Vermehrung der event, vorhandenen Cholera- Beziehung auch Ivoch (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 338). Bei alien diesen Befunden, die iibrigens nicht sammtlick mit Hiilfe der Gelatineplattencultur, sondern z. Th. mit der oben im Text weiterhin noch anzufiihrenden Vorcultur-Methode er- hoben warden, handelt es sich um Vibrionen, bei denen die Indolreaction negativ ausftSt, und die keine pathogenen Eigensckaften besitzen. Dass trotzdem ein soleker Befimd zu ernsten Verwechselungen mit Cholera Yeranlassung gegeben hat, zeigt der Fall von Ivies sling (1. c.), in welchem mit grosser Wakrscheinlickkeit der von mir aufgefundene Vibrio aquatilis vorlag. Vergl. hieruber Kiessling (Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 8. 1893. p. 432, Anm.), ferner Wallichs, Krcispkysikus in Altona (Deutsche med. Wochenschr. 1892. p. 1050 links unten). Ein Kommabacillenbefund in Wasser (..Spirillum marinum11, Golf von Neapel) ist ferner der von Russell (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1891. p. 198); dieser Mikroorganismus zeigte ein sehr kraftiges Wachsthum auf Kartoffeln und gedieh bei Briittemperatur nicht. , Viel grosscre Aehnlichkcit mit dem Choleravibrio , als alien den vorstehend citirten Befunden zukommt, hat der bereits oben (p. 278) erwalmte, neuerdings von M. Neisser in Rubner’s Institut im Wasser aufgefundene „Vibrio Beroli- ncnsis“. Dieser Organismus ist durch den positiven Ausfall der Indolreaction und durch cine hoke Pathogcnitiit fiir Meerschweinchen ausgezeichnet; mit Leichtig- kcit und Sicherheit aber lasst er sich durch die Form der Plattencolonie von dem Choleravibrio unterscheiden (cf. die ausfiihrliche Schilderung p. 293). Gunther, Bakteriologie. jq 290 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. bakterien anderen Bakterien gegemiber zu erzielen. In der resultirenden, im Yergleicli zn dem nrspriinglichen Wasser an Cholerabakterien so viel reicberen Flussigkeit miissen die letzteren selbstverstandlich viel leicbter nacbweisbar sein als in dem urspriingliclien, an Cholerabakterien armen Wasser. Eine derartige Methode wurde meines Wissens zuerst von Pas- quale (cf. p. 273, Anm. 1) zur Auffindung der Cholerabakterien im Wasser benntzt. Dann bat H e im *) ein derartiges Yerfahren empfoblen (Zusatz von 2°/0 Pepton nnd I °/0 Ivoch-salz zu dem zu untersuchenden Wasser und folgender Aufenthalt im Briitschrank), ferner Loeffler2) (200 com des Wassers werden mit 10 com alkaliscber Peptonbouillon versetzt ; das Gemisch wird 24 Stunden im Briitschrank gebalten, und es werden dann von der oberflacklichen Flussigkeitssckickt Platten ange- legt)’; abnlicb ist auch das Yerfahren von Arens.3 *) Fliigge1) empfiehlt zu 100 com des zu untersuchenden Wassers so viel concentrirtes alkalisches Peptonwasser zuzusetzen, dass eine lproc. Peptonlosung entsteht ; die Mischung wil’d 10 Stunden bei 37° C. gehalten, und dann werden von der Oberflache der Flussigkeit Proben zu Gelatine- platten verarbeitet oder auf Agar gebracht. Koch5) setzt dem Wasser l°/0 Pepton und l°/0Kochsalz zu, halt die Mischung dann bei 37° C. Nach 10, 15, 20 Stunden wird die Oberflache auf Cholerabakterien weiter untersucht. Wenn man derartige Methoden anwendet, so wird man es sick stets gegenwartig halten niiissen , dass — ebenso , wie wir es oben (p. 286, 287) fur die entsprechende Behandlung zu untersuckender De- jectionen entwickelt haben — es nie a priori ausgemackt ist, dass nicht in dem zu untersuchenden Wasser Bakterien vorkanden sind, welch e bei der geschilderten Behandlung eine ahnliche Yermehrung erfakren wie die Cholerabakterien, die dabei event, sogar nock giinstigere Be- dingungen linden als die Cholerabakterien und die letzteren uber- wuchern und unterdrucken. Es ist deshalb stets erforderhch, neben der Yorcultur Platte nculturen von dem ursprunglichen Wasser anzustellen, welche allein eine Uebersicht liber die originalen Yerhaltnisse gestatten. ‘) Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. p. 353 ff. 2) Greifswalder med. Verein. 3. Dec. 1892. — Centralbl. f. Balct. Bd. 13. p- 384. 8) Miinch. med. Wockensclrr. 1S93. No. 10. ') Zeitsclir. f. Hyg. Bd. 14. 1 S 9 3 . p. 167. r>) Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 336. Der Vibrio MetschnikofT. 291 16. Der Vibrio MetschnikofT. Im Jahre 1888 publicirte Gam a lei a1) Untersuchungen iiber eine in Odessa im Sommer epizootisch vorkommende, ausserlich der Hiihnercholera (of. oben p. 260) sekr aknlicke, Krankheit des Gefliigels, namentlich junger Htihner („Gastro-enterite cliole- rique“)- Pathologiseh-anatomisch unterscheidet sich die Krankheit von der Hiihnereholera besonders dadurch, dass die Milzsckwellung fehlt, und dass der Darm einen mehr choleraahnlichen Zustand zeigt. Ga- maleia fulirte den Nachweis, dass die genannte Krankheit veranlasst wird durch eine bestimmte Kommabacillenart („ Vibrio Metsckni- kovi“), welche dem Cholerabacillus in vieler Beziehung ausserordent- lich iihnhch ist. Eine genauere Kenntniss des Vibrio Metschnikoff ver- danken wir R. Pfeiffer2) und Nockt. Die Autoren haben sich im Koch’schen Institute eingekend mit dem genannten Mikroorganis- mus beschaftigt. Der Vibrio Metschnikoff ist ein gekriimmtes Stiibcken, ein Kommabacillus. Seine Zellen sind etwas kiirzer und erheblich starker gekrummt als die des Cholerabacillus (cf. Taf. X, Fig. 58). Diese starke Krummung, welche den Zellen des Vibrio Metschnikoff hiiufig eine nahezu halbkreisformige Gestalt verleiht, ist ganz ckaracteristisch fur diesen Vibrio. Sie unterscheidet ihn von alien anderen bekannten Kommabacillenarten. Der Organismus ist lebhaft eigen be weglich. Die Bewegung wird vermittelt durch einen langen, sehr feinen Geissel- faden, welcher, wie beim Cholerabacillus, dem einen Elide der Zelle angeheftet ist. Die Geisseln lassen sich nacli der oben (p. 75ff.) be- schriebenen Loeffler ’schen Methode gut darstellen. In kiinstlichen Culturen zeigen sich haufig (ahnlich wie beim Cholerabacillus) Spi- rillenbildungen. Der Vibrio Metschnikoff ist facultativ anaerob. Er wachst auf den gewohnlichen bakteriologischen Niihrboden bei Zimmer- sowohl wie bei Briittemperatur ; bei letzterer wachst er schneller. Auf der Gelatine p latte zeigen nicht alle Colonien des Vibrio M. identisches Aussehen. Wahrend eine Reihe von Colonien in ihrer Gestalt, der Schnelligkeit ihres Wachsthums und der Verfliissigung der Gelatine von Colonien des Fin kler’ schen Kommabacillus makro- skopisch sowohl wie mikroskopiscli kaum zu unterscheiden sind, zeigen ') Annales de l’lnst. Pasteur. 1888. No. 9, 10. 2) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. 202 B. Die Bakterien als Krankheitserrcger. andere Colonien derselben Platte in den genannten Beziehungen ausser- ordentliche Aehnlichkeit mit dem Cholerabacillus. Der Vibrio M. neigt also sehr dazu, Spielarten zu bilden. In der Gela tines tichcultur zeigt sick die Wachsthnmsschnelligkeit des Vibrio M. etwa der des Deneke’schen Kommabacillus entsprechend. Im Uebrigen sind Gela- tinesticbenltnren des Vibrio M. von entsprechend alteren Cholerabacillus- culturen in ilirem Anssehen niclit zn nnterscheiden. Auf der A g a r oberflache bildet der Vibrio M. Belage, welche denen des Cholerabacillus gleichen. Bouillon cnlturen des Vibrio M. zeigen allgemeine Triibung und event, auch oberflachliche Kahmhautbildung, genau wie Cholerabacillus- culturen. Durch Zusatz von salpetrigsaurefreien Mineralsauren erhalt man Rotkfarbung (N i t r 0 s o i n d o 1 r e a c t i o n) genau wie bei Cholera- culturen (cf. oben p. 277). Auf Kartoffeln waclist der Vibrio M. (wie dies auch der Cholerabacillus thut) nur bei Bruttemperatur und bei holier Zimmer- temperatur (21 — 22° C.). Das Wachsthum ist etwas kraftiger als das des Cholerabacillus ; die auf den Kartoffeln entstekenden Belage gleichen im Uebrigen denen des Cholerabacillus (cf. p. 271). Sporenbildung ist bei dem Vibrio M. nicht nachgewiesen. Leicht und mit Sicherheit von dem Cholerabacillus zu unter- scheiden ist der Vibrio Metschnikoff durch den Thierver- such. Tauben (die der Cholerainfection kaum zuganglich sind) bilden geradezu ein Reagens auf den Vibrio M. Imp ft man einem solchen Thiere eine minimale Menge der Cultur in den Brustmuskel, so geht das Tliier innerhalb von 20 Stunden zu Grunde. Es findet sick eine ausgedehnte gelbliche Verfarbung und Nekrose des geimpften Muskels; derselbe ist von einem blntigen Oedem durchtrankt, in welchem die Vibrionen massenhaft zu linden sind. (Auf Taf. X, Fig. 58, ist ein Ausstrichpraparat des Muskelsaftes der Taube bei lOOOfacher Ver- grosserung dargestellt. Man bemerkt liier neben zwei rothen Blut- korperchen, deren Kerne intensiv gefarbt hervortreten , eine Menge der characteristisch gekrummten Vibrionen.) Ebenso linden sicli die Vibrionen in ungeheuren Mengen im Herzblut. Die Lnngen zeigen sich blutreich, Leber und Mlz anaemisck und schlaff. Der Darin ist blass, mit meklsuppenartiger Fliissigkeit in massigem Grade erfullt. Hier linden sich Vibrionen nur in geringerer Anzalil. Vom Magen aus sind Tauben kaum zu inficiren. Junge Htihner verlialten sich genau wie Tauben. Nur Auden sich in ilirem Herzblut nicht so unge- heure Mengen der Vibrionen wie bei Tauben. Manse sind wenig empfanglich, Kaninclien unempfanglich. Dor Vibrio Berolinensis. 293 S e k r e m p f ii n g 1 i c h sind dagegen M e erschweincke n. Diese Thiere lassen sick sowolil subcutan wie vom Magen aus todtlick infi- ciren; in dem letzteren Dalle muss man (wie bei der experimentellen Erzeugung der Meerschweincken cholera [cf. p. 273]) den Mageninhalt vorher mit Sodalosung alkalisch macken und durck intraperitoneale Einverleibung von Opiumtinctur die Darmperistaltik eliminiren. Die Yertkeilung der Yibrionen in dem Korper der an der Infec- tion zu Grande gegangenen Tkiere kat R. Pfeiffer veranlasst, den Namen „Y i b r i o n e n s e p t i c a e m i e “ fur die durck den Vibrio M. ver- anlasste Krankkeit vorzuschlagen. Meersckweinclien und Tauben lassen sick durck Einverleibung sterilisirter Culturen gegen die Infection mit lebenden Culturen im- muni siren.1) Das Blutserum immunisirter Meersckweincken besitzt (im Gegensatz zu dem Blutserum normaler Meersckweincken) bacteri- cide Eigenscliaften dem Vibrio M. gegeniiber (Be bring und Nissen; cf. oben p. 186, Anm. 1). Aeltere Bouillonculturen des Vibrio M. reagiren stark alkalisck. Dieselben entkaltcn einen auf die empfanglicken Versucksthiere ausserst giftig einwirkenden cliemiscken Korper gelost. Neutralisirt man die (vor- her im Dampftopf bei 100° C. sterilisirten) Bouillonculturen mit Salz- saure, so bleibt die Giftigkeit derselben ungeandert; die Neutralisation mit Sckwefelsaure kingegen sckwackt die Giftwirkung erkeblick ab. Der Vibrio Metscknikoff farbt sick mit kalten Farblosungen; er farbt sicli nickt nack der Gram’scken Metbode (p. 100 ff.). 17. Der Vibrio Berolinensis. Neben dem Ckoleravibrio beanspruckt — nackst dem Vibrio Metscknikoff — der „Vibrio Berolinensis" das grosste Interesse unter den patkogenen Kommabacillenarten. Dieser Organismus wurde im Sommer 1893 von M. Neisser2), der in Rubner’s Institut arbeitete, in Berliner Leitungswasser aufgefunden. Es kandelt sick um einen Kommabacillus, der in der Form der Einzelzellen, in der Gestalt und Ankeftungsweise der Geisselfaden ') Gamalei'a liatte angegeben, (lass der Vibrio M. sicli benutzen liisst, um Thiere gegen die Infection mit dem Ckolerabacillus zu immunisiren, und dass um- gekehrt auch mit Hiilfe des Ckolerabacillus Thiere gegen Infection mit dem Vibrio M. immun gemacht werden konnen. R. Pfeiffer und Nocbt haben nacbgewiesen, dass von einer solcben wecbselseitigen Immunitiit keine Rode ist. 2) Cf. die vorlauflge Mittheilung von Rubner, Hygieniscbe Rundschau 1893. No. 16. Die ausfulirlicbe Neisser’sclie Arbeit wil'd im „Arckiv fur Hygiene" erscheinen. 294 B. Dio Bakterien als Rrankheitserreger. dem Oholerabacillus vollig gleicht. Der Vibrio Berolinensis wachst bei Zimmer- und bei Briittemperatur; bei der letzteren wachst er schneller. Der Vibrio Berolinensis ist durch die Bonn der G el a tin e- plattencolonie von dem Choleravibrio ohne Weiteres zu unter- scbeiden. Junge (1 bis 2 Tage alte) Colonien zeigen nicht wie die des Choleravibrio (cf. p. 270) grobkorniges Gef'uge, sondeni sind erhebhch viel feinkomiger, in der Durchsicht heller als die des Choleravibrio; der Rand ist nicht wie der der Choleracolonien unregelmassig hockerig, sondern meist absolut glatt und kreisrund, nur selten ganz wenig un- regelmassig gestaltet. Mit zunehmendem Alter nehmen die Colonien (besonders die mehr isolirt liegenden, von einem grosseren Bezirke steriler Gelatine umgebenen) gewohnlich ein (heller oder dunkler) braun- liches Colorit an und bekommen dabei ein buckeliges, hockeriges, manch- mal nahezu radiar gelapptes Aussehen; aber auch in diesern Stadium sind sie von Choleracolonien d a d u r c h mit Sicherheit zu unterscheiden, dass das Gefiige der Bucket, Hooker und Lappen nicht grobkomig, sondern feinkornig ist. Die Colonien haben die Tendenz, uber eine gewisse geringe Grosse nicht hinauszugehen. Die Gelatine wird sehr langsam verfliissigt. In der Gelatin e sti ch cultur zeigt sich Wachsthum langs des ganzen Impfstiches; von oben her erfolgt ganz allmahliche Verflussigung der Gelatine. In der Agar-Oberflachenstrichcultur wachst der Vibrio B. gewohn- lich wie der Choleravibrio. Mitunter (besonders wenn das Wachsthum von einzelnen diinnen Impfstrichen ausgegangen und die Oberflache des Nahrbodens bereits etwas eingetrocknet ist) kommt es auf der Agar- oberflache zur Ausbildung voluminoser trockener, runzeliger, an chagrai- nirtes Leder erinnernder Auflagerungen. Ausserordentlich empfindlich sind Meerschweinchen gegen die Einverleibung des Vibrio B. Bringt man einem Meerschweinchen von 300 bis 400 g Gewicht die Aufschwemmung einer kleinen Pla- tinose frischer Agarcultur des Vibrio intraperitoneal bei, so geht das Thier unter Temperaturabfall in 1 bis 2 Tagen zu Grunde. Es zeigt dann eineri ganz ahnlichen Befund wie die nach intraperitonealer Ein- verleibung des Choleravibrio gestorbenen Meerschweinchen (cf. p. 275). Die N it rosoindol reaction zeigt der Vibrio B. genau so wie der Choleravibrio. Der Vibrio B. erfahrt bei der Vorcultur in Peptonl5sung im Briit- schrank eine Vermehrung in den oberen Flussigkeitsschichten wie der Cholerabacillus (cf. p. 290). Nach der Gram’schen Metliode (p. lOOff.) farht sich der Vibrio B. nicht. Der Kommabacillus von Finkler und Prior („Vibrio Proteus11) etc. 295 18. Der Kommabacillus von Finkler und Prior (,, Vibrio Proteus41) und der Miller’sche Kommabacillus. Mit dem Koch’schen Kommabacillus der Cholera asiatica fur identisch gehalten wurde von Finkler1) und Prior eine K omnia - bacillenart, welche diese Forsclier (1884) in mehrere Tage alten, faulenden Dejectionen eines Falles von „Ckolera nostras44 fanden. Eine genauere Priifung des Finkler’schen Kommabacillus hat ergeben, dass derselbe von dem Cholerabacillus total verschieden ist, dass der- selbe aber aucb mit der „Cholera nostras44 nicbt das Ge- ringste zu tbun hat.* 2) Der Finkler’scke Vibrio ist spater nie wieder, weder bei „Cholera nostras44 noch sonst irgendwo, einwandsfrei aufgefunden worden.3) Er hat heute nur noch historisches Interesse. Seine Culturen werden in den bakteriologischen Laboratorien von Reagenzglas zu Reagenzglas weitergeziichtet. Vielleicht ist der Vibrio Finkler identisch mit einem (1885) von W. D. Miller1) aus einem cariosen Zahne isolirten Kommabacillus. Der Finkler’sche Kommabacillus („Vibrio Proteus44) erscheint etwas grosser als der Cholerabacillus, ist im Uebrigen morphologisch kaum von dem letzteren zu unterscheiden. Er ist sehr lebhaft beweglich, wiichst in kiinstlichen Culturen, wie dies auch der Cholerabacillus tkut, haufig zu Spirillen aus (beginnende Involution). Die Kommabacillen tragen je eine Geissel, die, wie bei den Cholerabacillen, an dem einen Ende angebracht ist. Auf kiinstlichen Nahrboden cultivirt unterscheidet sich der Finkler’sche Bacillus ausserordentlich von dem Cholerabacillus. Er wachst bei Zimmertemp eratur ganz unvergleichlich viel schneller, ver- fliissigt die Gelatine viel energischer. Taf. XI, Fig. 64, zeigt eine Gelatinestichcultur der Finkler’schen Bacillen, die mit der daneben, Fig. 63, dargestellten Ckolerabacillencultur zu derselben Zeit in identischem Nahrboden angelegt, auf demselben Reagenzglas- gestell gehalten und nach 9 Tagen zugleich mit der Choleracultur photographirt wurde. Man sieht ohne Weiteres die grossen Unter- *) Tageblatt der 57. Vers, deutscher Naturf. u. Aerzte. Magdeburg. 1SS4. p. 216 ff (Deutsche med. Wochenschr. 1884. p.632,657). — Tageblatt d. 58. Vers, deutsch. Naturf. u. Aerzte. Strassburg. 1885. p. 438 — 440. — Ergiinzungshefte z. Centralbl. f. allg. Ges.-Pfl. Bd. 1. 1885. p. 279 ff. 2) Vergl. das oben (p. 279) iiber die Aetiologie der ,, Cholera nostras44 Gesagte. 3) cf. R. Koch, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 329. '*) Verein f. inn. Med. 16. Febr. 1885. — Deutsche ined. Woch. 1885. p. 138. — Siehe auch W. D. Miller, Die Mikroorganisrnen der Mundhohle. 2. Aufl. Leipzig 1892. p. 65 ff 296 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. sebiede in cler Gestalt der Culturen. Die Finkler’schen Bacillen sind also leicht von den Ckolerabacillen zu unterscheiden. Anf der Gelatine p latte ist das Wackstlium des Finkler'- sehen Bacillus ein der Stichcultur entsprechendes. Es bilden sicli liier sclmell kreisrunde, sclmell an Umfang zunebmende Colonien, in deren Bereicli die Gelatine verflussigt ist. Anf Agar bilden sicb gramveisse, glanzende Ueberzuge aus. In Bouillonculturen kann sicb gelegentlicli, in abnlicber Weise wie bei deni Cholera vibrio, eine oberflachliche Kahmhaut bilden. Anf Kart of feln wachst der Finkler’scbe Bacillus — zum Unterschiede von deni Cholerabacillus (cf. p. 27 1) — viel schneller ; er gedeibt auf diesem Nabrboden sebon bei gewohnheher Temperatur. Er bildet bier grau- bis braungelbe, saftige, scbleimige Belage. Die Finltler’scben Bacillen sind fur Meerscbweincben pathogen. Die Pathogenitat fur die Meerscbweincben ist eine geringere als die des Cholerabacillus. Man kann die Tbiere, ebenso wie cbes bei dem Cholerabacillus geschah, mit den Finkler’scben Konnnabaciilen vom Darmkanal aus inficiren (cf. oben p. 273). Der Darminhalt zeigt — zum Unterschiede von der Cbolerainfection — starken Faulnissgerucb 1). Die Nitrosoindolreaction (p. 277) zeigen die Finkler- seben Bacillen bei Anwendung r e i n e r Mineralsauren n i c b t. In der mensebbeben Patbologie spielen die Finkler’scben Bacillen, wie bereits oben ausgefuhrt, eine Rolle allem Anscbeine nacb niebt. 19. Der Deneke’sche Kommabacillus. Der Deneke’scbe Kommabacillus (Vibrio Deneke, Spirillum tyrogenum, Kasespirillum) wurde von Deneke2) im Fliigge’scben Institut gelegentlicb aus einem langere Zeit aufbewabrten Kiise geziicbtet. Spater sebeint dieser Vibrio nie wieder aufgefunden worden zu sein. Seine Culturen werden in den Laboratorien von Glas zu Glas weitergeziicktet. Die Einzelzellen des Vibrio Deneke sind vielleicht etwas ldeiuer als die des Cboleravibrio. Jede Zelle besitzt — wie der Cboleravibrio und die ubrigen Kommabacillenarten aucb — einen einzigen, dem einen Ende der Zelle angebefteten, Geisselfaden. Der Vibrio Deneke ist durch eine Reihe von Culturmerkmalen *) Vergl. It- Koch, Conferenz zur Erorterung der C'holeraf rage. Zweites Jakr. 1885; Deutsche raed. Wochenschr. 18S5. No. 1)7 A. p. 15. 2) Deutsche mod. Wochenschr. 1885. No. 3. Der Deneke’scbe Kommabacillus. Das Bacterium coli commune. 297 von den ubrigen Ivommabacillenarten mit Sicherheit zu unterscheiden. Zunachst gelingt es — wenigstens gilt dies fiir die jetzt in den Laboratorien befindlicben Culturen ') — niclit ihn bei Briittempe- ratur (37° C.) zum Wachsthum zu bringen. Dagegen wachst er noch bei 31° C. Das Temperaturoptimum sebeint bei c. 22° C. zu liegen. Auf der Gelatineplatte sowobl wie in der Gelatinestich- cultur steht bezuglich der Scbnelligkeit des Wackstlimns der Vibrio Deneke zwiseben deni Cholera vibrio und dem Vibrio Finkler. Die Gelatine wird verfliissigt. Es bildet sicb in den Gelatineculturen ein intensiv citronen- bis orangegelber Earbstoff. Auf der Oberflache der verfliissigten Gelatinestiobcultur kommt es — besonders scbnell bei etwa 22° C. — zur Bildung einer ausserst kraftigen, iippigen Kabmbaut, welcke niebt selten von solcber Eestigkeit ist, dass man das Culturgefiiss mnkebren kann, obne dass sie zerreisst. Die Colo- nien auf der Gelatineplatte konnen in gewissen Entwickelungsstadien tiiusebende Aehnlicbkeit mit Choleracolonien baben. Auf der A g a r oberflache bildet der Vibrio D. durcbscheinende, leiebt gelbbcbgrau gefarbte, gliinzende Ueberzuge. Auf Kartoffeln findet kein Wachsthum statt. In den Culturen des Deneke'schen Vibrio bilden sicb haufig kurzere oder langere Spirillenformen aus , welcbe — wie die ent- spreebenden Formen anderer Ivommabacillenarten (cf. p. 13, 268) — als der Ausdruck beginnender Involution aufzufassen sind. Fiir Meerschweincben zeigt der Deneke’sche Vibrio eine gewisse Patbogenitat, die aber nocb geringer ist als die des Finkler'- seben Vibrio. Die Thiere lassen sicb durch Einverleibung der Cul- turen vom Magen aus (nacb Alkalisirung des Mageninbaltes und intraperitonealer Darreicbung von Opium wie bei den Cboleraversucben ; cf. p. 273) mitunter todtlich inficiren2). Die Culturen des Vibrio D. zeigen bisweilen (cf. oben p. 278, Amn. 2) die N i tr o soin dolr e action (bei Zusatz reiner Mineralsauren). 20. Das Bacterium coli commune. Li den unteren Partien des normalen Sauglingsdarmes wurde (1885) von Escherich:i) eine Bakterienart constant aufgefunden ’) Ob cbe von Doneke urspriinglich aus dem Ease erhalteneu Culturen die Fahigkeit des Wachstkums bei Briittemperatur gebabt baben, daruber babe icli in der Literatim eine Angabe niebt zu linden vermoebt. '-) cf. R. Kocb, Confercnz zur Erorterung der Cbolerafrage. Zweites Jabr. 1885; Deutsche med. Wocbenscbr. 1885. No. 37 A. p. 6. 3) Fortsclir. d. Med. 1885. No. 16 u. 17. 298 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. (,, Bacterium coli commune'1), die sich spater iiberhaupt als ein regelmassiger Bewobner des menschlichen Dickdarmes herausge- stellt bat, und die in menscblichen Faces (normalen sowobl wie nicht normalen) ganz gewobnlicli angetroffen wird. Auch in tbierischen Faces scbeint sie ganz gewohnbch vorhanden zu sein. Das Bacterium coli commune bildet 0,3 bis 0,4 (.i breite, bald scblanker, bald plumper erscbeinende Kurzstabcben, die bald einzeln, bald paarweise auftreten und eine massige Eigen beweg- licbkeit besitzen. Die Eigenbewegung wird vennittelt durcb Geissel- faden1), welcbe meist in der Einzabl an dem einen Ende der Zelle angebracbt sind; bisweilen finden sicli aber aucb melirere (bis etwa 3 bis 4) Geisseln an einer Zelle angebracht. Die Geisselfiiden lassen sicli nacb der Loeffler'sclien Metbode (p. 75 ff.) mikroskopiscb zur Darstellung bringen. Das Bacterium coli commune waclist bei Sauerstoffanwesenbeit auf den gewobnlichen bakteriologiscben Nabrbfiden. Es wachst bei ' Zimmertemperatur und bei Briittemperatur, bei letzterer scbneller. Auf der Gelatinep latte bilden die inner balb der Gelatine liegenden Colonien kleine weissbcbe runde Zusammenlagerungen, die in ibrer Ausdebnung iiber etwa Stecknadelknopfgrosse nicbt hinaus- geben. Die an der Oberflacbe der Gelatine liegenden Colonien liaben ein ganz anderes, cbaracteristiscbes Geprage : Die Colonie bildet ein der Gelatine aufliegendes , rundlicb gestaltetes , ban fig unregel- massig zackig begrenztes, weisslichgraues , irisirendes Hautcben, welcbes die Tendenz bat, sicb weiter iiber die Oberflacbe des Nabr- bodens bin auszubreiten. In der bescbriebenen Gestalt der oberflacb- lichen Colonien auf der Gelatineplatte ist das Bacterium cob dem Tvphusbacillus ausserordentlicb ahnbch (cf. p. 246). In der Gela- tinestichcultur findet Wacbstbum im Yerlauf des ganzen Impf- sticbes statt; an der Oberflacbe der Gelatine bildet sicb das diinne Hautcben (wie bei der Plattencultur) , welcbes bald die gauze freie Oberflacbe des Nahrbodens uberziebt. Das Bacterium coli verfliissigt die Gelatine nicbt. Auf der A g a r oberflacbe bildet das Bacterium coli grauweisse, saftig glanzende Belage. In Bouillon bewirkt es allgemeine Triibung der Fliissigkeit. Auf Kartoffeln bilden sich saftige Ausbreitungen von mais- bis erbsengelber Farbe. Milch wird — bei gewobnlicli er Temperatur langsamer, bei !) cf. Lukscli, Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1S92. p. 430. Das Bacterium coli commune. 299 Briittemperatur schneller — unter Saurebildung zur Gerinnung ge- bracht (cf. oben p. 249). T r aubenzu eke r los ungen (z. B. Traubenzuckerbouillon), and auch Losungen anderer Zuckerarten, werden unter Saurebildung v er- go lire n. Dabei findet Gasbildung statt; das gebildete Gas besteht z. Tk. aus Kohlensaure, z. Th. ist es brennbar. Bei Zusatz von Kaliumnitrit und Sckwefelsaure zu Culturen des Bacterium coli auf peptonhaltigen Nakrboden tritt Rothfarbung ein (Nitrosoindolreaction; cf. p. 248). Sporenbildung existirt bei dem Bacterium coli commune nicht. Nach der Gram’schen Metbode (p. 100 ff.) lassen sicb die Stiibclien nicht farben. Das Bacterium coli commune wurde friiher allgemein fiir einen Mikroorganismus angesehen, dem keine oder doch nur eine sehr geringe Patkogenitat zukame. Zwar sah bereits Escherick1) Meerschwein- chen und Kaniuchen nack intravenoser Einverleibung massiger Cultur- mengen innerhalb weniger Stunden bis 3 Tagen unter Temperatur- steigerung und Entwickelung heftiger Diarrhoen zu Grunde gehen; aber eine ausgedekntere pathogene Rolle, namentlich eine Rolle in der menschlicken Patkologie, wurde dem Bacterium coli nicht zugesekrieben. Erst Laruelle2) hat (1889) darauf aufmerksam gemacht, dass diese Ansicht nicht richtig ist. Laruelle beobachtete zwei Falle von Perforationsperitonitis beim Menscken, bei denen er im Exsudate das Bacterium coh fand; und es gelang dem Autor auch, bei Thieren durch Einverleibung der Culturen experimentell Peritonitis zu erzeugen. Seitdem sind bereits eine ganze Anzahl Ealle von Perforations- peritonitis beim Menschen bekannt geworden, in denen sick das Bac- terium coli commune in Reincultur im Exsudat gefunden hat. Das in solchen Fallen aus dem peritonitischen Exsudate geziichtete Bacterium coli hat erkeblick viel virulentere Eigenschaften als das aus dem gesunden Darm geziichtete. Alex. F r a n k e 1 3) sah Kaninchen nach intraperitonealer Injection derartiger, von menschlichen Krankheitsfallen stammender Culturen nach 3 bis 4 Tagen (mitunter auch bereits nach einem Tage) zu Grunde gehen. Man findet bei der Section eine fibrinos-eitrige Peritonitis; im Exsudat sowohl wie im Herzblut findet sich Bacterium coli in Reincultur. Nach dem Yorgange des genannten ') Fortschr. d. Med. 1885. p. 521. ■) Cf. Baumgarten’s Bakt. Jahresber. 1881). p. 335. 3) Wien. klin. Wochenschr. 1891. No. 13 — 15. 300 B. Die Bakterien als Kran k 1 teitser reger. Autors kann man sick ein virulentes Bacterium coli beliebig dadurcb verscbafl'en, dass man Versucbstliieren einen kiinstlichen Darmver- scbluss ') herstellt. Nacb dem Tode der Tbiere bndet sick im peri- tonitiscben Exsudate das virulente Bacterium coli. Ausser der Perforationsperitonitis vermag das Bacterium coli commune vielleicbt aucb nock andere krankbafte Processe beim Mensclien hervorzurufen. Mit dem Bacterium coli com m u n e ist obne Zweifel i d e n - tiscb der sogenannte „ Emmerich 'soke Bacillus11 („ Bacillus N e a p o 1 i t a n u s “). Derselbe wurde von Emmerich* 2) (1884) aus alterem Material von Neapler Cboleraleicben cultivirt und zu- nachst auf Grand von Tbierversucben als Erreger der Cholera asiatica proclamirt. Es hat sick in der Eolge, namentlich durcb griindlicbe Untersuchungen von Weisser3), gezeigt, dass der Emmerich'sche Bacillus, der „ Neapler Ckolerabacillus ein Mikroorganismus ist, der in menscblicben Faces, normalen sowohl wie nicbt normalen, in der Luft und in faulenden Fliissigkeiten ganz gewoknlick gefunden wird, und der nicbt das Allergeringste mit der Cholera zu thun bat. 21. Der Gonorrhoecoccus. Bei den gonorrhoischen Affectionen der Harnrobre und der Conjunctiva wurden 1879 durcb N e i s s e r 4) eigenthiimlicb gestaltete Mikrococcen i m E i t e r entdeckt. Dieselben scbienen einen fur die Gonorrhoe speci- fischen Be’fund darzustellen und wurden von Neisser mit dem Namen „ Gonococcus" belegt. Die Beobachtungen von Neisser wurden vielfach bestatigt. Es gelang dann hauptsachlicli B u m m 5), den Gonococcus in sicberen Rein- culturen zu gewinnen und durcb Uebertragung der Reinculturen typiscbe Gonorrhoe beim Menscken hervorzurufen. Durcb Wertkeim0) sind spater die Reinzucbtungsmetboden des Gonococcus erbeblicb vervoll- kommnet worden. 9 Al. Frankel experimentirte an einern Hunde, dem er nacb Laparotomie den Darm unlerband. 2) Deutsche med. Wocbenschr. 1884. No. 50. 3) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. L 1880. 4) Centralbl. f. d. med. Wiss. 1S79. No. 28. 5) Der Mikroorganismus der gonorrhoischen Schleimhauterkrankungen „Gono- coccus-Neisser11. Wiesbaden 18S7. °) Deutsche med. Wocbenschr. 1S01. No. 50. — Archiv f. Gyn. Bd. 42. 1892. Dor Gonorrhoecoccus. 301 Der Gonorrhoecoccus wircl im Trippereiter, unci zwar inner- ha 1 b d e r Eiterzellen, gefunden. Die Coccen, welche in grosserer oder geringerer Anzahl um die Kerne der Zellen herum gruppirt sind, erscheinen gewohnlich im Zustande der Theilung, als D ip lo coccen. Die einzelnen Coccen erscheinen dann gewohnlich nieren-, semmelformig; die Hilen der Nieren sind einander zugekehrt. Fig. 65 auf Taf. XI zeigt die typische Erscheinungsweise der Gonococcen im Trippereiter. Man erkennt hier unschwer die Umgrenzungen der Eiterzellen, innerhalb deren die grossen, mehrfachen Kerne liegen, um welche herum dann die Coccen gruppirt sind. Die Gonococcen lassen sich, wie bereits gesagt, kunstlich cultiviren. Bumm, welchem die kiinstliche Cultur zuerst gelang, sah ein Wachsthum ausschiiesslich auf Blutserum eintreten, und zwar bei Briittemperatur. Am besten eignete sich menschliches Blut- serum, welches man nach Bumm’s Vorgang aus Placenten ge- winnen kann (cf. p. 120). Die Cultur bildet auf dem erstarrten Blut- serum sehr zarte, durchsichtige , wenig ausgedehnte Ueberziige, die gewohnlich zackige Vorspriinge und scharf geschnittene Rander haben. Die Uebertragung auf neuen Nahrboden muss sehr bald geschehen, da in 3 Tagen etwa die Cultur bereits abzusterben beginnt. Wertheim hat spater nachgewiesen, dass das menschliche Blut- serum ein viel weniger giinstiger Nahrboden fur den Gonococcus ist als eine Mis chung von Blutserum und gewohnlichem N a h r a g a r. Um mit Hiilfe des Blutserum-Agar aus Trippereiter die Gonococcen auf Platten in isolirten Colonien zu gewinnen, verfahrt man nach Wertheim1) folgendermassen : Melirere Oesen Tripper- eiters werden in flussigem menschlichen Blutserum (im Reagenzglase) sorgfaltig vertheilt, und es werden von dem so inficirten Blutserum zwei Yerdiinnungen in neuen Blutserumrohrchen in bekannter Weise (cf. oben p. 127) angefertigt. Die Rohrchen werden sofort nach der Beschickung in ein Wasserbad von 40° C. gestellt, und der Inhalt eines jeden Rohrchens wird darauf mit etwa der gleichen Menge 2 proc. Nahragars (cf. p. 116), welches zunachst geschmolzen und dann auf 40° C. abgekiihlt wurde, gut gemischt. Die Mischung wird auf Platten (oder in Schalchen etc.) ausgegossen, welche in den Brutschrank gestellt werden. Auf so hergestellten Platten zeigen sich bereits nach ') Deutsche mecl. Wochenschr. 1891. p. 1351. — Wertheim benutzt hierbei das von Hueppe (cf. oben p. 141) angegebene Verfahren der Ver wen dung des Blut- serums zu Plattenculturen. 302 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. 24 Stunden isolirte Colonien der Gonorrhoe coccen. Nacli 48 Stunden des Wachstkums iindet man auf den Verdiinnungsplatten die tiefliegenden Colonien von weisslichgrauem Ausseken; mikro- skopisck zeigen sie ein hockeriges Gefiige; nack 72stundigem Wachs- tkum kaken die tiefliegenden Colonien Bromkeerform angenommen. Die oberflacklick liegenden Colonien zeigen mikroskopisck ein central gelegenes, dunkleres Piinktcken, umgeben von einem sekr zarteu, durcksicktigen, farblosen, feinkornigen, nack alien Seiten ziem- kck gleickmassig sick ausbreitenden Oberflackenkelag. Uebertragt man das (zaksckleimige , consistente) Material einer solcken isolirten Plattencolonie auf sckrag erstarrtes Blut- serumagar (am besten nimmt man kierzu eine Mischung von 1 Tkeil menscklicken Blutserums und 2 bis 3 Tlieilen Nahragar1)) in Form des oberflacklicken Impfstrickes, so beobacktet man ein ausserordentlick uppiges Wachstkum der Gonococcen. Sckon nack 24 stiindigem Aufentkalt im Briitschrank siekt man an der Cultur zaklreiclie weisslickgraue Piinktcken aufsckiessen , die sick rasck ver- grossern, zusammenfliessen und bald einen grossen, zusammenkangenden, weisskckgrauen , feuckt giiinzenden, bei der Abimpfung zaksckleimig ersckeinenden Rasen bilden, welcker beim weiteren Wackstkum vom Rande aus einen farblosen, ungemein zarten Belag vorsckiebt. Das Condensationswasser (cf. p. 118) des Rolirchens bedeckt sick mit einer zusammenkangenden Culturkaut. Statt der Misckung von menschlichem Blutserum mit Agar kann nack Wertkeim auck eine Mischung von tkierischem Blut- serum (z. B. Binder serum) mit Agar zur Cultivirung des Gono- coccus verwandt werden. Das Wackstkum ist bier allerdings nickt so iippig wie auf der erstgenannten Mischung ; immerhin gedeiken die Gonococcen auf dem Rinderser um -Agar viel besser als auf mensck- lickem Serum okne Zusatz von Agar2). Ein guter Nahrboden ist ferner nack Wertkeim3) ein Gemisck von fliissigem menscklichen Blutserum mit der doppelten Menge gewoknlicker Nakrbouillon. Hier zeigt sick nack 24 Stunden langem Aufenthalte im Briitschrank eine zarte grauweisse oberflacklicke ‘) Das gesckmolzene und auf 40° C. wieder abgekiiklte Agar wird mit dem auf 40° C. erwarmten fliissigen Serum gemisekt. Nack der Vermisckung werden die Bokrcken in sckrager Lage (cf. oben p. 118) der Abkiiklung und dabei eiutreten- den Erstarrung iiberlassen. 2) Wertkeim, Arck. f. Gyn. Bd. 42. 1892. p. 25. 3) Ebenda p. 24. Dor Gonorrkoecoccus. 303 Kahmhaut. Die Fliissigkeit selbst bleibt ganz klar, entlnilt nur wenige von der Kahmhaut abgeloste Brockel. Die mit den Serummischungen hergestellten Culturen des Gono- coccus zeigen sich — vor Austrocknung bewalirt — noch nach 4 bis 6 Woclien iibertragungsfahig und virulent. Die mikroskopische Prtifung der kiinstlichen Gonococcenculturen zeigt die Gonococcen von der typischen , der mikroskopischen Er- scheinungsweise ini Trippereiter entsprechenden, Gestalt. Beziiglich der kiinstlichen Cultivirung des Gonococcus muss iibrigens noch bemerkt werden, dass ein minimales Wachsthum auch auf gewohnlichem Agar und speciell auf Glycerin-Agar (p. 117) stattfindet 1). Die Uebertragung der kiinstlichen Cultur des Gonococcus auf die nonnale Urethra des Menschen hat, wie bereits Bumm fand und W e r t h e i m 2) bestatigte , die Entwickelung typischen Harnrohren- trippers zur Folge. Bei Thieren lasst sich das typische Bild der Gonorrhoe durch Yerimpfen gonorrhoischen Materials nicht erzeugen. Dennoch verhalten sich manche Yersuchsthiere, wie Wertheim ermittelt hat, fur die Infection mit dem Gonococcus in gewisser Weise empfang- lich. Am besten eignen sich weisse Mause fur diesen Zweck, ferner Meerschweinchen, weniger gut Kaninchen und Ratten; ablehnend ver- halten sich Hunde. Bringt man namlich einem empfanglichen Thiere eine kleine Quantitat der Gonococcencultur (und zu gleicher Zeit etwas von dem Agarnahrboden selbst) in die Bauchhohle, so beobachtet man die Entstehung ortlicher eitriger Peritonitis; den Tod der Yersuchsthiere hat die Infection nie hn Gefolge. r) Diese Thatsache, welclie von verschiedenen Autoren angegeben ist, kann der Herausgeber dieses Bncbes bestatigen. Bei friikeren, in der Lassar’schen der- matologischen Klinik ausgefiUirten Untersucbungen konnte ich regelmassig durch Yerimpfung frischen Trippereiters (der sich bei der mikroskopischen Untersuckung — soweit das eben eine solche Untersuckung feststellen kann — als aussckliesslick gonococcenhaltig und als frei von anderen Mikroorganismen erwies) auf die Ober- flache von Glycerin agar Culturen erzielen, die sich mikroskopisch aus Mikrococcen bestehend erwiesen , welche in dem mikroskopischen Bilde die Gestalt der Tripper- coccen hatten und sich, nach Gram behandelt, entfarbten. Die Culturen stellten ganz unscheinbare , diinne, gliinzende, ungefarbte Ueberziige von geringer Fliichen- ausbreitung dar. Es gelang diese Beliige von einem Rokrcken in das andere zu iibertragen. Ich habe damals diesen Behind skeptisch aufgenommen: nach den neuen Wertkeim'schen Publicationen zweifle ich nicht mehr daran, dass ich in den Culturen echte Gonococcen vor mir hatte. -) Wertheim experimentirte an Paralytikern. 304 B. Bio Balcterien als Krankheitserreger. Der Gonococcus farbt sicli nicht nach der Gram’schen Methode (p. 100 ft'.). Deckglaspraparate von Trippereiter farbt man am besten mit einfacher wasserig-alcoholischer Methylenblaulosung (cf. p. 63). Die Coccen erscheinen dann tief dunkelblau, die Kerne der Eiterzellen weniger dunkelblau. Der Xachweis der typischen Gestalt der Coccen in Yerbindimg mit dem Nachweise der L age rung inner- lialb der Eiterzellen berechtigt zur Diagnose „Gonorrhoe“. Was die im Gefolge der ascendirenden Gonorrboe auftretenden entzundlichen Vorgange an den Tuben, den Ovarien, am Peritoneum, im Gewebe des Ligamentum latum betrift't, so hat Wert he im1) den Nachweis gefiihrt, dass diese Erkrankungen sammtlich ebenfalls durch den Gonococcus bedingt werden. Frisch'2) hat nachgewiesen, dass prim a' r auch gonor- r h o i s c h e G e s c h w ii r e des Rectums vorkommen. 22. Der Streptococcus des Erysipels. Das constante Vorkommen von Streptococcen in der e r y si- pelatosen Haut, und zwar das constante Vorkommen derselhen am Rande des Erysipels und ihre ausschliesshche Anwesenheit in den Lymph gefassen, wurde zuerst durch R. Koch3) festgestellt. F e h 1 e i s e n 4) gelang es dann , die bei dem Erysipel gefundenen Streptococcen kimstlich zu ziichten und ihre pathogene Bedeutung durch erfolgreiche Verimpfung der Culturen auf Kaninchen und auf eine Anzahl von Menschen sicher zu stellen. Die Verimpfungen er- zeugten typisches Erysipel. Der Streptococcus des Erysipels ist, wie der Name sagt, ein in Kettenform angeordneter Micrococcus. Die Ketten konnen aus wenigen, aber auch sehr vielen einzelnen Coccen bestehen. Der Coccus wachst in kiinstlichen Culturen bei Zimmer- und bei Briit- temperatur, bei letzterer schneller. Auf der Gelatine p latte bildet der Erysipelcoccus kleine punkt- formige Colonien von weisslichgrauer Farbe, welche mikroskopisch als imdurchsichtige , grobkornige Gebilde erscheinen. Die Colonien er- reichen einen grosseren Umfang iiberhaupt nicht. Die Gelatine wird nicht verfliissigt. In der Gelatines tichcultur bilden sich Lings des Impfstiches sehr kleine, weisse, kugelrunde Colonien aus. ft Arch. f. Gyn. Bd. 42. 1S92. p. 85. -) Wiirzb. phys.-med. Ges. Yerhandlungen N. F. Bd. 25. 1891. p. 167 ff. ,!) Mittk. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 38, 39, und Tafel I, II. 4) Die Aetiologie des Erysipels. Berlin 1883. Dor Streptococcus ties Erysipels. 305 A ut' der (bei Bruttemperatur gehaltenen) Agarp latte kommt es zur Entwickelung kleiner punktformiger Colonien , wclche auch hier eine grossere Ausdehnung nicht erreiclien. Streicht man das Material auf der Oberfliiohe von Nahr- gelatine oder von A g a r aus, so kommt es auf den besaeten Stellen des Nabrbodens zur Entwickelung kleiner, runder, durchscbeinender, feinsten Thautropfchen vergleichbarer Haufchon, welcbe dauernd von einander isolirt bleiben. Erbeblich besser als auf den genannten festen Nahrboden wachst der Streptococcus des Erysipels in Bouillon. Er bildet bier einen wolkigen Bodensatz, der sicb bei Bewegungen des Culturgefasses in die Flussigkeit erbebt. Mikroskopisch findet man den Bodensatz be- stebend aus sebonen langen Ketten. Auf Kartoffeln sebeinen die Erysipelascoccen niebt oder kaum zu wachsen. Die erfolgreicbe Uebertragung der Coccen resp. die kiinstbebe Erzeugung von Erysipel durcb ihre Uebertragung ist, wie oben er- wiibnt, bei Menscben sowobl wie bei Kanincben gelungen. Nach der Impfung am Obr bekommen die Kanmchen eine von der Impfstelle aus auf Kopf und Nacken sich ausbreitende, mit Temperatursteigerung verlaufende erysipelatose Hautentziindung, die in etwa 6 — 10 Tagen ibr Ende erreiebt und in Genesung iibergebt. In den erkrankten Partien findet man beirn Kanincben die Coccen genau so angeordnet wie bei dem Erysipel des Menscben, so dass es sicb in der That um typisebes Erysipel handelt. ') M ause ersch einen unempfangiicb. Bei der naturbeben Infection des Menscben bilden Hautverletzungen wobl obne Zweifel die Eingangspforte fur den Erreger.* 2) Die Erysipelascoccen farben sicb mit wiisserigen Farblosungen ; sie farben sicb aucb nach der Gram’schen Metbode (p. 100 If.). Auf Taf. XI, Fig. 66, ist ein Schnitt durch die erysipelatose Haut des Menscben bei lOOOfacber Yergrosserung dargestellt. Das nach meiner Modification der Gram’schen Methode gefarbte Praparat zeigt deutlich die kettenformige Anordnung des Erysipelcoccus. ]) Nach Untersuchungen von Fessler (Klinisch-experimen telle Studien iiber chirurgische Infectionskrankheiten. Miinchen 1891. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. p. 197) bringt die gleicbzeitige Verimpfung des Erysipelstreptococcus und des Bac. prodigiosus auf das Kaninchenohr eine sebr beftige Pblegmone mit Eiterung und Gewebsbrand bervor. 2) Unter Umstanden scheint beim Menscben auch cine allgeiueine Strepto- cocceninfection in Folge von Hautorysipel vorkommen zu konnen. (cf. Pfubl, Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 12. 1892.) Gunther, Bakteriologie. 20 306 B. Dio Bakterien als Krankkeitserreger. Nach neueren Feststellungen von Jordan1) kommen beim Men- scken typische Erysipelfalle vor, welche nicht durch den besprochenen Streptococcus, sondern durch andere Mikroorganismen hervorgerufen werden. Jordan beobacbtete zwei Fiille, die durch den Staphylo- coccus pyogenes aureus (cf. den nachsten Abschnitt) veranlasst waren. Von diesen Fallen betraf der zweite eine Krankenwarterin, welche sieh offenbar an deni ersten Falle, den sie gepflegt hatte, inficirt hatte. 23. Die Eitermikrococcen (pyogene Coccen). Wo wir E iter ungen im Organisnius antreffen, da finden sich auch Mikroorganismen. Dieser Satz hat fur natiirliche Verhalt- nisse ganz allgemeine Giiltigkeit. Nur auf besonders kunstliche Weise konnen wir, experimentell , Eiterung erzeugen, ohne dass Mikroorga- nismen dabei betheiligt sind.2) Unter natiirlichen Yerhaltnissen wird die Eiterung stets durch Infection mit Mikroorganismen hervorgerufen. Die verbreitetsten Eiter mikroorganismen sind die („pyo- genen“) Staphylococcen. Dieselben wurden in acuten Abscessen mikroskopisch constant zuerst von Ogston3) gefunden. J. Rosen- bach4), F. Krause5 *), Passet0), Garre7 8), Hoffas) und andere Autoren studirten die Staphylococcen mit Hiilfe der modernen Rein- culturmethoden und wiesen die ausgedehnte Bedeutung derselben in der menscklichen Pathologie nacli. Es giebt eine gauze Reihe von pyogenen Staphylococcen. Der verbreitetste , wichtigste, giftigste ist der Staphylococcus pyo- genes aureus; der zweitwichtigste ist der Staphylococcus 1) Arch. f. klin. Cliir. Bd. 42. 1891. 2) Sckeurlen (Langenb. Arch. Bd. 36. 1887) sah nach Injection von ste- rilen Ptoma'inen Eiterung auftreten; Grawitz und de Bary (Yirch. Arch. Bd. 10S. 1887) baben gefunden, dass man durch subcutane Injection steriler chemisch reizen- der Fliissigkeiten, wie 5proc. Losung von Argent, nitric., starkerer Ammoniakflussig- keit, Terpen thiol, bei Hunden Abscesse erzeugen konne; Steinhaus (Die Aetiologie der acuten Eiterungen. Monographie. Leipzig 1889) wies eiterungserregende Fiikigkeit auch fill- andere sterile chemische Korper nach. 3) Arch. f. klin. Cliir. Bd. 25. 1880. 4) Mikroorganismen bei den Wundinfectionskrankheiten des Menschen. Wies- baden (Bergmann) 1884; cf. auch Vortrag auf der 57. Yers. deutscher Naturf. u. Aerzte. Magdeburg 1884. (Deutsche med. Wochenschr. 1884. p. 631.) 5) Eortschr. d. Med. 1884. p. 221ft-. °) Eortschr. d. Med. 1885. p. 33 ff. 7) Fortschr. d. Med. 1885. p. 1 65 ff. 8) Fortschr. d. Med. 1886. p. 75 ft". Die Eitermikrococcen (pyogene Coccen). 307 pyogenes alb us. Daneben hat man noch einen Staph, p y o g. citreus, einen Staph, cereus albus und einen Staph, cereus flavus statuirt. Wir wollen nur die ersten beiden etwas genauer betrachten. Ausser den pyogenen Staphylococcen haben auch noch andere Mikroorganismen eiterungserregende Eigenschaft. Unter diesen ist der Streptococcus pyogenes der bei Weitem wichtigste. Auch diesen werden wir daher besonders zu betrachten haben. Die Art und Weise, wie durch Mikroorganismen Eiterung veran- lasst wird, haben wir uns nach neueren Untersuchungen von H. Buch- ner so vorzustellen , dass gewisse chemische' Korper, welche primal- in der Bakterienzelle vorhanden sind , auf die Leukocyten des Korpers einen anlockenden („positiv chemotac- tischen441)) Einfluss ausiiben. Buchner* 2) hat fur eine grosse Reihe von Bakterienarten den Nachweis gefiihrt, dass ihre eiterungs- erregende Fahigkeit an chemische, in der Bakterienzelle vorhandene Substanzen gebunden ist3). Liess Buchner durch Hitze sterilisirte Culturaufschwemm ungen wochenlang stehen, so war, nachdem sich die Bakterienzellen zu Boden gesetzt hatten, nur der aus den Zellen be- stehende Bodensatz eiterungserregend , nicht die Fliissigkeit. Die in der Bakterienzelle vorhandenen, eiterungserregenden chemischen Sub- stanzen gehoren. wie Buchner nachgewiesen hat, zu den Bakterien- p rot einen4) (cf. p. 42). Diese chemotactisch wirksamen Eiweiss- v) Mit clem Ausdruclce „Chemotaxis“ hat W. Pfeffer (Ueber cliemotac- tische Bewegimgen von Bakterien, Flagellaten und Yolvocineen. Unters. a. d. Bot. Inst. Tiibingen. Bd. 2. 1888.) gewisse Bewegungserscheinungen belegt, welche durch die Einwirkung geloster chemischer Korper auf eigenbewegliche Mikroorganis- men bei den letzteren zu Stande kommen. Pfeffer beobachtete namlich, dass ge- loste chemische Korper, welche (in einseitig zugeschmolzenen Capillarrohrchen dispo- nirt) mit dem die beweglichen Mikroorganismen enthaltenden Wassertropfen in Contact gebracht werden, entweder attractiv, anziehend, oder repulsiv, abstossend, auf die Organisinen einwirken. In dem ersten Falle dringen die Organismen in das Rohrchen ein („ positive Chemo taxis44); in dem zweiten fliehen sie von ihm hinweg (..negative Che mo taxis41). Die chemotactische Wirkung ist je nach der verschiedenen Art und Concentration der gelosten Korper, ferner je nach dem verschiedenen Organismenmaterial eine verschiedene. 2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. 1890. No. 11. 3) Eiir den Tuberkelbacillus hat R. Koch (cf. obon p. 231, Amu. 4) die Anwesenheit einer eiterungserregenden chemischen Substanz in der Bakterienzelle nachgewiesen. ') Zur Extrahirung dieser chomotactisch wirksamen Korper aus den Bakterien- zellon ging Buchner ursprunglich so vor, dass er die Culturen mit 0,5 proc. Kali- 20* 308 B. Die Bakterien als Krankheitsorreger. kOrper scheinen eine hochgradige Bestandigkeit zu haben. Selbst stundenlange Erhitzung auf 120° C. im Dampfkessel vernichtet ihre eiterungserregende Fahigkeit nicht. Durch Einverleibung dieser Proteine in den Kaninchenkorper wird (aseptiscbe) Eiteransamm- lnng bewirkt; bringt man den Thieren cbese Substanzen intravenos bei, so entstebt, wie Buchner* 1) und Roemer feststellten , starke Yermebrung der Leukocyten im Blute (Leukocytose). Uebrigens bat Buchner2 3) gefunden, dass ausser den Bakterienprotelnen auch and ere Eiweisskorper (Glutencasem, Alkabalbuminat, Leim etc.) eiterungserregend (positiv cbemotactiscb auf Leukocyten) wirken. Wir wenden uns jetzt zur Betracbtung derjenigen Bakterienarten, welcbe am baufigsten als Erreger spontaner Eiterungen auftreten. a. Der Staphylococcus pyogenes aureus. Der Staphylococcus pyogenes aureus wurde zuerst (aus Abscessen) von J. Rosenbach8) reincultivirt. Der Coccus tritt als Kiigelcben von durchschnittlich 0,7 f-i Durcbmesser auf. Die Kiigel- chen gruppiren sich gern zu weintraubenahnlichen (cf. p. 12) Zu- sammenlagerungen. Daber der Name „Staphylococcen“4). Auf Taf. ID, Fig. 13, ist ein Praparat von Staphylococcus aureus dargestellt, welches die „Weintrauben“ gut erkennen lasst. Der Staphylococcus aureus wachst auf den gewohnlichen Nabr- boden, bei Briittemperatur besser als bei Zimmertemperatur. lauge behandelte; die entstandene Losung wurde dann mit Sauren gefallt. Die Pracipitate wurden wieder mit Kalilauge gelost, wieder mit Sauren gefallt; rmd diese Procedur wurde so iuekrmals wiederholt. Die so aus der Bakterienzelle extrahirten Eiweisskorper (Proteine) wurden yon Buchner (Munch, rued. Wochenschr. 1891. No. 49) als ,, Alkalipr oteine“ bezeichnet. Eine erheblich grossere Ausbeute an Proteinen erzielte Buchner (ebenda) auf folgende Weise: Die von dem Nahrboden abgestreifte Bakterienmasse wh'd bei 38° C. mehrere Tage lang getroclcnet, dann mit dem 10 fachen Gewicht (der urspriinglicken feuchten Bakterienmasse) heissem Wasser verrieben , dann auf dem Sandbad mit Bhckflusskiikler erne Stunde lang gekocht, endlich durch Kieselguhr filtrirt und nachher eingeengt. Durch absoluten Alcohol werden dann die Proteine ausgefallt. Dieselben machen c. 25 bis 40 °/0 der ange- wandten trockenen Bakterienmasse aus. Die so dargestellten Proteine sind leicht loshch in Wasser und werden durch schwaches Ansauern der Losung (im Gegensatz zu den „Alkaliproteinen“) nicht gefallt. 1) Berl. Idin. Wochenschr. 1890. No. 47. p. 10S7. 2) Berl. Min. Wochenschr. 1890. No. 47. 3) Mikroorganismen bei den Wundinfectionskrankheiten des Menschen. Wies- baden 1884. 4) Dieser Name stammt von Ogston. Die Eiterniikrococcen (pyogene Coccen). 309 Auf der Gelatin eplatte bilclet er zunachst weisse, dann orange- gelb werdende runde Colonien, die eine nur miissige Grosse erreicben und die Gelatine massig sclmell verflussigen. Mikroskopisch erschcinen dieselben als scharfrandige, dunkle, grobkornige Gebilde. In der G e la- tines ticlicultur ist das Wacbstlium ein dem entsprechendes. Die oberen Theile des Impfstiches werden zunachst verMssigt. Auf der Agarplatte im Briitsclirank bilden sicb in 1 bis 2 Tagen Colonien aus, die an der Oberflache des Nahrbodens einen mehrere Millimeter beferagenden Durchmesser erreicben und als saftige, orangegelbe Haufcben erscheinen. Auf der Agar oberflache (Strichcultur) bildet der Coccus einen feuchtglanzenden orangegelben Ueberzug; fand die Ziicbtung im Briit- scbrank statt, so erscbeinen die Bander der Cultur haufig weiss. Auf der Kartoffeloberflache entwickeln sicb saftige gelbe Belage. Der Staphylococcus aureus ist ziemlicb re si stent gegen das Austrocknen und gegen die verscbiedensten cbemiscb oder pbysikaliscb wb'kenden Desinfectionsmittel. Mause, Meerschweinchen und Kanincben sind durcb cut an e Impfung mit dem Coccus n i c b t zu inficiren ; bei subcutaner Ein- verleibimg entstehen gewohnhch locale Abscesse, welcbe in Ge- nesung iibergeben. Injicirt man Kanincben den Coccus in das Blut, so geben die Tbiere unter Auftreten eitriger Entzundungen, namentlicb der Gelenke, sowie unter Bildung metastatischer eitriger Herde und Infarcte, namentlicb in den Nieren, zu Grunde. In den so haufig in unserer Haut auftretenden Furunkeln sowie in den durch Zusammenbaufung mebrerer Furunkel entstehenden eitrigen Carbunkeln findet sicb der Staphylococcus aureus gewohn- bch. Er vermag, wie cbes Garre1) experimentell an sicb selbst fest- gestellt bat, durch die unverletzte Haut einzudringen und eitrige Hautentzundungen zu erzeugen. Nacb Garre’s Ansicbt scbeint die Infection bierbei ihren Weg durcb die Ausfiibrungsgange der Haut- drusen zu nehmen. Ausser dem Furunkel resp. Carbunkel verdankt aucb das Panaritium seine Entstebung gewohnbcb der Infection mit dem Staphylococcus aureus. Damit ist . aber die Rolle dieses Coccus in der menschlichen Patbologie nicht erschopft. Bei2) den acuten (heissen) Abscessen sowie den (mehr circumscripten) b Fortschr. d. Med. 1885, p. 170, 171. 2) Nach Baumgarten, Lehrbuch d. path. Mylcologie. Braunschweig 1890. Bd. 1. p. 297 ff. 310 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. Plilegmonen der Haut, bei Impetigo, Sycosis, Blepha ro- ad enitis, Conjunctivitis phlyctaenulosa findet er sich. Ferner wird er bei der acuten infectiosen Osteomyelitis ganz regelmassig gefunden. Dann lindet er sich bei Lymphdriisen- eiterungen, in Empyemen, bei Gelenk- und Schleimbeutel- eiter ungen, im Tonsillar abscess, in den eitrigen Secret- pfropfen bei Angina lacunar is, in Mammaabscessen, bei Parotiseiterungen, bei idiopatbiscber C erebro spin aim enin- gitis, bei Strumitis, eitriger Peripleuritis, bei der sym- pathiscbeu Opbthalmie. Zu bemerken ist, dass in den er- wahnten Fallen aucb andere Eitercoccenarten , namentlicb der Staphylococcus alb us, angetroffen werden konnen. Haufig sind Mischbefunde. Uebrigens entsteht nicht in alien Fallen bei der Vermehrung des Staphylococcus pyogenes aureus im Korper Eiterung. So fand Gold- sell eider1) den genannten Mikroorganismus (wie auch den Strepto- coccus pyogenes) bei rein seroser Pleuritis. Ausser in Fallen primarer resp. localer Eiterungen wird der Staphylococcus aureus auch als Erreger secundarer Eiterungen angetroffen. Allerdings spielt er in dieser Beziehung eine weniger hervorragende Rolle als der weiter unten zu betrachtende Strepto- coccus pyogenes. Oben batten wir schon gesehen, dass der Staphylococcus aureus, Ivaninchen in die Blutbahn gebracht, metastatische Eiterungen ver- anlasst. Orth und Wyssokowitsch2) fanden dann, dass, wenn man den Kaninchen vor der Staphylococcusinjection in das Blut eine Yerletzung der Herzklappen macht (durch Einfulirung eines Instrumentes in die Carotis), die Staphylococcen sich dann in dem verletzten Endocard ansiedeln und acute u Ice rose Endocarditis veranlassen. Ribbert3) gelang die experimentelle Erzeugung dieser Affection auch ohne vorherige Klappenverletzung , und zwar gelang sie dadurcli, dass er sehr kleine Kartoffelbrockchen den Thieren injicirte, die mit Staphy lococcu scultu r impragnirt waren. Diese Thierversuche wurden angestellt, nachdem man beim Menschen in Fallen von ulceroser Endocarditis (die [nach Baum gar ten] in den meisten Fallen wohl als Localisation eines von einem anderen Herde eingeleiteten Allgemein- leidens auftritt) Staphylococcen in den Klappenwucher ungen nachge- ') Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 21. 2) Centr. f. d. med. Wiss. 1885. No. 33. — Vircli. Arch. Bd. 103. 188(5. 3) Fortschr. d. Med. 1886. No. J. Die Eitennikrococcen (pyogene Coccen). 311 wiesen hatte. Ebenso liaben sich Staphylococcen spater auch bei verrucoser Endocarditis auffinden lassen x). Der Staphylococcus aureus fiirbt sicb mit wasserigen Earblosungen ; er fiirbt sicb auch nach der G r a m ' schen Methode (p. 100 ff.). 1). l)er Staphylococcus pyogenes alhus. Der Staphylococcus pyogenes alb us ist vielleicht nur als Yarietat des Staphylococcus aureus aufzufassen. Er zeigt w e i s s e > nicht gelbe Culturen, ist etwas weniger giftig far den Thierkorper als der Staph, aureus. Im Uebrigen gleicht er deni letzteren vollstandig. c. Der Streptococcus pyogenes. Manche Eiterungen haben die Tendenz, sich auf dem Wege der Lymphbahnen fortzupflanzen, Ljunphangitis, Lymphadenitis zu be- wirken. Diese „ p h 1 e g m o n 6 s e n “ Eiterungen sind es , bei welchen der (von J. Rosenbach* 2) zuerst aus Eiter rehicultivirte) Streptococcus pyogenes regelmassig angetroffen wird. Handelt es sich hier haufig ran local bleibende Ansiedlung des Streptococcus, die bei geeigneter (operativer) Behandlung oder auch ohne eine solche gelegentlich zur Heilung gelangt, so findet sich der Streptococcus pyogenes auf der anderen Seite auch, und zwar ausserordenthch haufig, als der Vermittler schwerer allgemeiner, metastatischer, eitriger Processe (Pyaemie), welche gewohn- hch mit dem Tode endigen (cf. oben p. 176). So sehen wir bei der puerperalen Pyaemie den Streptococcus im Blute kreisen, die Nierengefasse embolisiren und dort metastatische Eiterungen veran- lassen ; wir sehen ihn schwere Gelenkentziindungen bewirken, schwere acute Endocarditis veranlassen u. s. f. Die Infections- pforte kann hierbei eine ganz verschiedene sein. Bei der puerperalen Pyaemie geschieht der Eintritt der Streptococcen durch die offen- stehenden Uterusgefasse. In vielen Fallen (z. B. bei Scharlach, wo wir sehr haufig „secundare“ Infectionen durch Streptococcen auftreten sehen) durfte die erkrankte (und dadurch wohl leichter durchgangige) Rachenschleimhaut als Infectionspforte fungiren. Der Streptococcus pyogenes ist in seinem gesammten Verhalten in kiinstlichen Culturen und auch Thieren gegeniiber ') E. Fraenkel und Sanger, Virch. Arcli. Bd. 108. 1887. 2) Mikroorganismen bei den Wundmfectionskrankheiten des Menschen. Wies- baden (Bergmann) 1884. 312 B. Die Bakterien als Krankheitserreger. d u r c h nicbts unterscliieden von dem Streptococcus des Erysipels, den wir oben (p. 304) betracbteten. Er wird des- balb mit diesem jetzt ganz allgemein far identiscb1) angeseben. Ein Pbotogramm des Streptococcus pyogenes bei lOOOfacber Ver- grosserung zeigt Taf. Ill, Fig. 14. Der Streptococcus pyogenes farbt sicli (in Uebereinstimmung mit dem Streptococcus des Erysipels) aucb nach der Gram’scben Methode (p. 100 ff.). Neuere Untersucbungen iiber Streptococcen , welche wir narnent- bcb v. Lingelsbeim2), Kurtb3), Behring4), Knorr5) ver- danken, baben zu dem Resultat gefuhrt, dass die in der Natur vor- kommenden Streptococcen docb eine gewisse Classificirung gestatten. Nicbt etwa, dass sich irgend welcbe durcbgreifenden Unterscbiede zwiscben dem Streptococcus erysipelatos und dem Streptococcus pyogenes feststellen bessen; die Unterscliiede besteben in anderer Ricbtung. Cultivirt man namlicb Streptococcen in Bouillon, so findet man bei der mikroskopiscben Untersucbung der entstebenden Vegetation meist, dass dieselbe aus sebr langen, vielgliedrigen Ketten bestebt (cf. oben p. 305). In seltneren Fallen besteht die Vegetation aus ganz kurzen Strep tococcenketten. v. Lingelsbeim und Bebring baben biernacb unterscliieden zwiscben Streptococcus long us und Strepto- coccus brevis. Der letztere, der Streptococcus brevis, scbeint in der Patbologie des Menscben keine oder nur eine sebr geringe Rolle zu spielen; aucb fur Tbiere (Kanincben und weisse Mause) zeigt er sicli nicbt pathogen. Er ist ausserdem durcb makroskopiscb sicbtbares Wacbstbum auf Kartoffeln und ferner dadurcb von anderen Strepto- coccen unterscliieden, dass er die Gelatine etwas verfliissigt. Der Streptococcus longus bingegen ist es, welcber fur die menscbliche Pathologie so ausgedebnte Bedeutung bat. Innerbalb der Streptococcen, welcbe zu dem Streptococcus longus gerecbnet werden mussen, eine weitere durcbgreifende Differenzirung zu statuiren , hat ') E. Fraenkel hat eine scblagend beweisende Illustration fur diese Identitat publicirt (Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. No. 25). Er cultivirte aus peritoni- tischem Eiter in zwei Fallen Streptococcen, die, auf das Kanincbeuobr cutan verimpft, typiscbes Erysipel erzeugten. 2) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891; Bd. 12. 1892. 3) Arb. a. d. Kais. Ges.-Aiute. Bd. 7. 1891. 4) Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 0. 5) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 13. 1893. Die Eitevmikrococcen (pyogene Coccen). 313 sich bisher als unmoglich herausgestellt. Das aber muss betont werden , dass verschiedene Culturen des Streptococcus longus eine g a n z verschiedene Yirulenz besitzen konnen. Als Reagens liat sich in dieser Beziehung am brauchbarsten die weisse Maus ervviesen. Nach subcutaner Einverleibung kleiner Quantitiiten sehr virulenter Bouilloncultur gehen diese Thiere nach 3 bis 4 bis 6 Tagen zn Grunde. Man hndet Eiterung an der Infectionsstelle und eine durch die Streptococcen veranlasste Septicaemie ; die Milz ist ver- grossert. Ist die Yirulenz geringer, so wil’d die Krankheitsdauer ver- langert, nnd es konnen sich dann auch Eiterherde in den Organen finden. Der Tod tritt dann manchmal erst nach Wochen oder sogar Monaten ein. Es hat sich nun durchgehend eine gewisse Beziehung zwischen dem Yirulenzgrade und dem Aussehen der Bouilloncultur constatiren lassen : Je mehr der Streptococcus longus die Neigung zeigt sich in seinen V egetationen in der Nahr bouillon z u f e s t verfilzten Haufen zusammenzuballen, desto mehr viru- lent ist er fill- weisse Mause. Fur die sich fest zusammenballenden, sehr virulenten Streptococcen hat Kurth1) den Namen „ Strep to- co ecus conglomeratus“ erfunden. Es muss aber nochmals darauf hingewiesen werden, dass die letztere Bezeichnung nicht etwa erne fiir sich abzugrenzende Art bedeutet. Fur K an i nchen sind die langen Streptococcen ebenfalls pathogen. Auch hier schwankt die Virulenz ausserordentlich. Bei subcutaner Einverleibung konnen die Thiere an schnell (in wenigen Tagen) ver- laufender Septicaemie sterben, oder aber es kann sich auch ein langerer Krankheitsprocess an diese Infection anschliessen ; stirbt das Thier dann nach Wochen, so findet man Eiterherde in den Organen, eitrige Pleuritis und Pericarditis etc. Bei cutaner Einverleibung bekommen die Kaninchen meist erysipelatose Affectionen. Bei geringerer Virulenz des Impfmaterials kann die Entwickelung des Erysipels ausbleiben 2). Es hat sich iibrigens herausgestellt, dass eine Cultur, die fiir Kaninchen besonders virulent ist, deshalb nicht auch fur Mause besonders virulent zu sein braucht, und umgekehrt. ‘) Kurth fand solche Streptococcen ausscbliesslicli bei schweren Scbar- lachfallen. -) v. Lingelsheim (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 317) konnte das Erysipel in solchen Fallen oft noch dadurch hervon’ufen, dass er an der geimpften Stelle (er benutzte [cf. auch oben p. 305] das Ohr des Kanincbens) Kreislaufstorungen herstellte (Anbringung eines Collodium- oder Heftpflasterstreifcns). 314 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. 24. Die Bakterien der Pneumonie. Die ersten Bakterienbefunde bei der Pneumonie wurden von Klebs (1875) erboben1); dann folgte Eberth2); und Robert Koch3) war dann der Erste, welcher (1881) die in einem Falle von Pneumonie (much Recurrens) in den Schnitten der Lunge und der Nieren aufgefundenen Bakterien photograpkisck fixirte. Friedlander4 *) wies daim in einer Reike von Fallen crouposer Pneumonie in Schnitten des erkrankten Lungengewebes constant Coccen nach. In dem mit Hiilfe der P r a v a z 1 schen Spritze dem lebenden Pneumoniker entnom- menen Lungensafte fanden dann Leyden und (eine Reihe von Mo- naten fruher) der V e r f. ebenfalls Mikrococcen. Auf Taf. XII, Fig. 68, gebe ich ein Photogramm desjenigen Praparates, welches ich damals (im Mai 1882) gewann. B) Friedlander hat spater6) angegeben, dass ich damals zuerst die „Kapseln“ der Pneumoniecoccen gesehen und (in einer Zeicknung) abgebildet habe. Ich mochte es jedoch fur fraglick halten, oh die ungefarbten Rauine, welche in diesem Praparate die Bakterien umgeben, fiir Bakterienhiillen, fiir Kapseln, angesehen wer- den diirfen; the Moglichkeit ist allerdings nicht direct ahzuweisen. Der Erste, welcher aus der pneumoniscken Lunge Bakterien in Reincultur ziichtete, war Friedlander. Friedlander ke- diente sick der Vortheile, welche der von Koch eingefiihrte feste Nahrboden bietet, nur halb. Es wurden in seinen Culturversuchen keine Platten angelegt; uberhaupt wurde keine Riicksicht darauf ge- nommen, dass etwa verschiedene Bakterienarten in dem zu unter- suchenden Materiale vorhanden sein konnten. Friedlander legte mit dem aus der kranken Lunge entnommenen Materiale directe Stich- culturen in Gelatine an und erhielt auf diese Weise Culturen eines Organismus, den er zwar mit dem Namen „ Pneumonie mikro- coccus“ belegte, der aber, wie sick in der Folge gezeigt hat, nur ganz ausserordenthch selten bei der Pneumonie vorkommt. Wie namlich A. Fraenkel7) und Weichselbaum8) gezeigt b Arch. f. exp. Path. Bd. 4. 2) Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 28. 3) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. 4) Virch. Arch. Bd. 87. °) Dieses Praparat habe ich im Yerein fiir innere Medicin zu Berlin am 20. Nov. 1882 (Deutsche med. Woclienschr. 1883. p. 52) demonstrirt. Das Photogramm Taf. XII, Pig. 68, zeigt genau die damals demonstrirte Stelle. °) Portschr. d. Med. 1883. p. 719. ') Verb. d. 3. Congr. f. inn. Med. 1884. — Zeitschr. f. kl. Med. Bd. 10 u. 11. s.) Wiener med. Jahrbiicher. 1886. Dio Bakterien der Pneumonio. 315 haben, kommt der von Fried] an der geziiclitete „Pneumoniemikro- coccus", welchen Weichsel baum seiner Form nach als „Bacillus pneumoniae11 bezeiclmet hat, nur hochst selten bei der Pneumonie vor. Weichselbaum fand ihn in 83 Fallen von Pneumonie , in denen er Culturen anstellte, nur 6 Mai, wahrend in der grossten Mehr- zahl der Fiille (54 Mai) ein anderer Mikroorganismus gefunden wurde, d en zuerst A. F r a e n k e 1 rein cultivirte , und den Weichselbaum als „ Diplococcus pneumoniae" bezeiclmet. Aber auch der letztere stellt einen ganz constanten Befund nicht dar. Es kommt iibrigens bezugiich des Bakterienbefundes ganz darauf an, ob die Pneumonie eine genuine, prim are, oder ob sie eine acciden telle, sec undare ist. Wahrend bei der ersteren in den allermeisten Fallen (wenn auch nicht constant) der Diplococcus pneumoniae gefunden wil'd, so trifft man bei den secundaren Pneumonien ausser dem Diplococcus pneumoniae und ausser dem Bacillus pneumoniae unter Umstanden auch den Strepto- coccus pyogenes, ja sogar den Staphylococcus pyogenes aureus an. Ein einheitlicher Bakterienbefund existirt also bei der Pneu- monie nicht. Ausserdem ist auch die Rolle des am haufigsten gefundenen Organismus, des Diplococcus pneumoniae, mit dem Vorkommen bei der Pneumonie durchaus nicht erschopft. Man hat ihn z. B. bei Otitis media (Zaufal, Weichselbaum), bei epidemischer Cerebro- spinalmeningitis (F o a und Bordoni-Uffreduzzi, Weichsel- baum) wie auch bei sporadischer eitriger Meningitis (Weichsel- baum, Ortmann, Zor kendo rfer), ferner bei primarer Nephritis (Mircoli), bei ulceroser Endocarditis (Weichselbaum) nachgewiesen ; und es ist Weichselbaum auch gelungen, bei Kaninchen nach vorhergehender Yerletzung der Herzklappen (cf. p. 310) durch intrave- nose Einverleibung des Diplococcus pneumoniae Endocarditis experimentell hervorzurufen. Auch bei primarer multipier Gelenkentziin- dung ist der genannte Mikroorganismus gefunden worden (Boulloche). Der Diplococcus pneumoniae wird auch bei einzelnen ganz ge- sunden M e n s c h e n ganz constant in der Mundhohle angetroffen ; es giebt Menschen, deren Mundflussigkeit, Kaninchen subcutan injicirt, die Thiere an derselben Septicaemie („Sputumsepticaemie“) zu Grande gehen lasst, die nach Injection virulenter Reincultur des Diplo- coccus pneumoniae (cf. p. 317) entsteht.1) ') W. D. Miller (The human mouth as a focus of infection. Dental-Cosmos. 316 B. Die Balcterien als Krankheitserreger. Aus dem Dargelegten gelit kervor, dass von einer volligen Klar- heit liinsiclitlicli der Entstekungsursache der Pneumonie keine Rede ist. Besonders feklen auch uberzeugende Thierversuche, welche die Pneumonie veranlassende Eigensckaft des einen oder des anderen Mikroorganismus darthun, noch vollig. Der Diplococcus pneumoniae sowohl wie der Bacillus pneumoniae sind im Uebrigen fur Tkiere pathogen. Wir wollen in Folgendem die Eigenschaften beider Organismen in Kiirze darstellen. a. Der Diplococcus pneumoniae. Der Diplococcus pneumoniae (Pneumoniemikrococcus A. Fraenkel, Mikrococcus der Sputumsepticaemie , Diplococcus lanceolatus, lanzettformiger Diplococcus, Meningococcus, Streptococcus lanceolatus Pasteuri) wird haufig in dem pneumoniscken Lungensafte, ferner bei Affectionen, welcbe sich secundar an eine bestebende Pneumonie anscbliessen (Pleuritis, Pericarditis, Peritonitis, Meningitis, Endocarditis etc.) angetroffen. Im pneumoniscken Sputum findet er sick gewohnlich; er kommt aber auch im normalen Sputum ganz ge- sunder Menscben vor 1). Der Diplococcus pneumoniae ist vielleicht nicbt eigentlich zu den Mikrococcen zu recbnen. Seine meist zu zweien zusammen auftretenden Iudividuen sind gewohnlich etwas in die Lange gezogen und an den Enden deutlich lanzettformig zugespitzt (cf. das typiscbe Photogramm2) Fig. 68 auf Taf. XU); gelegentbcb findet sick der Organismus auch in kurzeren oder langeren Ketten angeordnet 3). Der Diplococcus pneumoniae ist unbeweglich. Im Gewebe liegend (in der pneumoniscken Lunge des Menschen oder in den Or- ganen von Versuckstkieren) zeigt sick der Diplococcus von einer deut- kchen Kapsel (p. 314) umgeben. In kunstkcken Culturen zeigt der Organismus keine Kapseln. Sept. — Nov. 1891) untersckeidet vier verschiedene (fur weisse Mause patkogene) Arten von „Micrococcus of Sputum Septicaemia”, die in der Mundbohle gesunder Menscben gefimden wurden. — Beziiglick der anderen in der menscklicken Mundbohle vor- kommenden pathogenen Bakterienarten verweise ich auf das Werk von Miller: Die Mikroorganismen der Mundbohle. Leipzig (G. Thieme). 2. Aufl. 1892. p. 293 if. ') Die erste derartige Mittbeilung (aus dem Jabro 1SS0) stammt von Stern- berg (cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. p. 53). 2) Vergl. p. 314, Anm. 5. 3) Kruse und Pansini (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1892. p. 283) linden, dass beziiglich der Form des Diplococcus pneumoniae alle Uebergange von der typiscben Gestalt des Diplococcus lanceolatus bis zu der des Streptococcus pyogenes vorkommen. Uio Baktorien tier Pneumonic. 317 Der Diplococcus pneumoniae wiiclist auf den kunstlichen Nahr- boden, aber nur bei hoherer Temper a tur. Unter 22° C. kommt ein Wachsthum nicht zu Stande. Am besten wachst er bei etwa 35° C. Die Nahrbodcn miissen schwacb alkali sch sein. Auf der Oberflache von Agar und von Blut serum bildet der Diplo- coccus pneumoniae ausserst feme, wie aus einzelnen Thautropfchen zusammengesetzt erscheinende Ueberziige, welche an Erysipelcoccen- culturen erinnern (cf. oben p. 305). Agarculturen sterben gewohnlich schon in wenigen Tagen ab, nachdem sie zunachst ihre pathogenen Eigenschaften fur Thiere (siehe weiter unten) verloren baben. Etwas haltbarer sind Bouillonculturen. Im angetrockneten Auswurf des Pneumonikers bleibt der Diplococcus pneumoniae lange Zeit lebens- fahig und virulent1). Der Diplococcus pneumoniae ist fur unsere Yersuclistliiere, nament- licli fur K a n i n c h e n , aber aucb fur Meerschweinchen und Mause, pathogen. Macht man einem Kaninchen mit einer frischen viru- lenten Bouilloncultur eine Injection unter die Haut, so geht das Thier in 1 bis 2 Tagen an einer typischen Septicaemie (cf. oben p. 175) zu Grande. Die Milz ist stark geschwollen. Ratten sind wenig empfanglich fur die Infection, Hiihner und Tauben unempfanglich ; ebenso fanden Kruse und Pansini2) ein Schaf und ein Pferd un- empfanglich. Ueber Immunisirung der so hoch empfanglichen Kaninchen gegen die Infection hat zuerst Foa3) berichtet; die Immunisirung gelang durch Einverleibung der loshchen Culturproducte des Diplo- coccus. Emmerich und Fowitzky4) erreichten eine complete Immunitat der Kaninchen durch intravenose Injection stark verdimnter vollvirulenter Culturen des Diplococcus. Mit den Korpersaften so immunisirter Kaninchen vermochten die Autoren bei der Maus Heilung der specilischen Infection zu bewirken. G. und E. Klemperer5) haben eine gauze Reihe von Methoden angegeben, mit Hiilfe deren man Kaninchen gegen die Infection mit dem Diplococcus pneumoniae zu immunisiren vermag. In dem Blutserum genesener Pneumoniker wiesen die Autoren thierimmunisirende Stoffe nach (cf. oben p. 189). *) cf. Bordoni-Uffreduzzi, Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. 1891. No. 10; auch Archivio per le scienze med. vol. 15. 1891. 2) Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 11. 1892. 3) Accad. di med. di Torino. 6 dicembre 1890. — II Policlinico. 1890. No. 18. p. 547. ') Munch, med. Wochensclir. 1891. No. 32. n) Berl. klin. Wochensclir. 1891. No. 34, 35. 318 B. Die Bakterien als KrankLieitserreger. Der Diplococcus pneumoniae farbt sicli mit den gewohnlichen wiisserig - alcoliolischen Farbstofflosungen ; hier wird der Protoplasma- korper dunkel gefarbt, wahrend die Kapsel nur eine ganz geringe Farbung annimmt. Der Organismus fiirbt sich auch nach der Gram sclien Methode (p. 100 if.); bei der letzteren bleibt aber nur der Protoplasmakorper gefarbt, wahrend sicli die Kapsel vollstandig entfarbt. 1). Der Bacillus pneumoniae. Der Bacillus pneumoniae (Pneumoniemikrococcus [Pneumo- coccus] Friedlander) wird in seltenen Fallen bei der menscklicken Pneumonie gefunden, und zwar bier entweder allein oder mit anderen Mikroorganismen zusammen. Er ist auch bei anderen Affectionen (bei Schnupfen imNasensecret, bei Otitis media acuta) gefunden worden. Der Bacillus pneumoniae unterscheidet sich sofort durch seine erheblichere Grosse von dem Diplococcus pneumoniae. Man ver- gleiche hierzu die beiden Photogramme Fig. 68 und Fig. 69 (Taf. XTT), die beide bei lOOOfacher Vergrosserung aufgenommen sind. Fig. 69 entstammt einem Praparate, welches von dem Pleurasafte einer nach intrapleuraler Infection mit dem Bacillus pneumoniae gestorbenen Maus hergestellt wurde1). Man sieht an dem Bilde sehr schon die ausge- pragte Kapselbildung bei diesem Organismus. Uebrigens werden die Kapseln auch hier (wie bei dem Diplococcus pneumoniae) nur inner halb des thierischen (resp. menschlichen) Organismus gebildet. Die Lange des Bacillus ist verschieden. Eigenbewegung ist nicht vorhanden. Der Bacillus pneumoniae wachst auf den gewohnlichen bakterio- logischen Nahrboden, und zwar sowohl bei Zimmertemperatur wie bei Briittemperatur. Auf der Gelatine p latte bilden sich weisse Colonien, welche, an die Oberflache des Nahrbodens gelangend, sich als dicke, halb- kugelige, porcellanartig glanzende weisse Knopfchen liber der Gelatine erheben. Die Gelatine wird nicht verflussigt. In der Stich- c u 1 1 u r kommt in der gesammten Ausdehnung des Impfstiches Wachs- thmn zu Stande; es bildet sich eine weisse Wucherung, die sich auf der Oberflache (iihnlich wie bei der Plattencultur) besonders kraftig entwickelt und hier als dicker, halbkugeliger, nagelkopfahnlicher („Nagel- J) Das Praparat stammt aus clem Januar 1SS5. Die Maus war von Fried- lander personlicli mit einer seiner Originalculturen inficirt worden. Dor Bacillus des Rhinoscloroms. 319 cultur“ Friedlander), glanzend weisser Belag erscheint. Alte Gelatineculturen zeigen die Gelatine etvvas braun gefarbt. Auf der Agaroberflache bildet sich ein weisslicher Belag. Anf Kartoffeln entwickeln sich gelblicb - weisse Auflagerungen , in denen, namentlich bei Bruttemperatur, Gasblasenbildung auftritt. Traubenzuckerlosungen werden durch den Bacillus unter Entbindung von Kohlensaure und Wasserstolf vergohren. Hierbei entsteht namentlicli Aetbylalcohol und Essigsaure. Sporenbildung ist nicht beobachtet. Die Culturen des Bacillus pneumoniae sind viel dauerhafter als die des Diplococcus pneumoniae. Nock nach Monaten zeigen sie sich lebensfahig. Der Bacillus pneumoniae ist fur Manse , ferner aucli fiir Hunde, weniger fur Meerschweinchen, pathogen. Fur Kanin chen ist er (zum Unterschiede von dem Diplococcus pneumoniae) nicht pathogen. Brachte Friedlander empfanglichen Thieren die Cultur intrapleural oder intraabdominell bei, oder liess er die Thiere verstaubte Cultur inhaliren, so gingen sie zu Grunde. Es zeigte sich starke Vermehrung der eingefiihrten Bakterien in der Pleuraliokle resp. in der Bauck- hohle; ferner waren die Organismen im Blute und in den inneren Organen zu finden. In einzelnen Fallen bildeten sich auch pneumo- nische Processe aus. Der Bacillus pneumoniae farbt sich nicht nach der Grarn’- schen Methode (p. 100 ff.). Im Uebrigen verb alt er sich hinsichtlich der Filrbbarkeit seines Protoplasmakorpers und seiner Kapsel wie der Diplococcus pneumoniae (cf. p. 318). 25. Der Bacillus des Rhinoscleroms. Das ,,Rhinosclerom“ wurde zuerst von He bra (1870) als selb- standiges Krankheitsbild beschrieben; v. Frisch wies (1882) zuerst das constante Vorkommen von Bacillen in den rhinosclerotischen Partien nach. Cornil und Alvarez entdeckten (1885) „Kapsel- bildung11 an diesen Bacillen. Pa It auf und v. Eiselsberg1) ziichteten die „Rkinos clerom- bacillen“ in Reincultur. Dieselben sind sowohl in dem Culturver- halten wie in dem Yerhalten gegen Yersuchsthiere dem Fried- lander’schen Bacillus pneumoniae sehr ahnlich2). Nur die ’) Fortschr. d. Med. 1886. No. 19 u. 20. 2) Die Rbinosclerombacillen sollen sich im Gcgensatz zu den Friodliin der’- schen Organismen nach der Gram’schen Methode (p. 1 00 ff.) farben lassen (Za- gari, Dittrich, V. Babes). 320 B. Die Bakterien als Kranklieitserreger. Virulenz erschien bei den Rhinosclerombakterien etwas geringer als bei den Friedland er’schen. Rhinosclerom experimentell damit zu erzeugen gelang nicht. 26. Der Influenzabacillus. Bei Gelegenheit der Infill enz a epidemie des Winters 1891/92 bat R. Pfeiffer1) an einem grosseren Krankenmaterial den Nachweis gefiihrt, dass der katarrhaliscben Influenza, d. h. deijenigen Form der Influenza, bei der in erster Linie die Luftwege erkrankt sind, eine bestimmte woblcharacterisirte Bacillenart eigenthiimlich ist. Diese Bacillenart, „Influenz abacillus“, findet sicb constant und ausscbliessbcb bei Influenza; der Bacillus darf desbalb als der Erreger der katarrbabscben Influenza angesehen werden2). Wir baben uns die katarrbabscbe Influenza als einen sicb prim a r in den Luftwegen abspielenden Krankbeitsprocess vorzustellen. In leicbten Fallen kann diese locale Affection die Scbleimhaut des Nasenracbenraum.es allein betreffen ; der Process gebt aber gewohnlich auf die Trachea und die Broncbien fiber und kann in scbwersten Fallen zu der (lobularen) Influenzapneumonie ffibren. In jedem Falle findet man in dem die erkrankte Scbleimbaut bedeckenden Secret die specifischen Stabchen. Dieselben liegen in friscben, fiebernden Fallen meist frei im Scbleim; in der Reconvalescenz zeigen sie sicb vielfach im Innern von Eiterzellen eingescblossen. Bei der Vermebrung der Stabchen an Ort und Stelle wird obne Zweifel ein Gift gebildet, welches in den Korper bineingelangt und die schweren, der Influenza eigenthfimlichen Allgemeinsymptome yerursacbt. Die Stabcben finden sicb in dem (gelbgrfinlichen , zahschleimigen) Sputum der Influenza- kranken ; sie sind um so mebr yon begleitenden Bakterien frei , aus je tieferen Steffen der Luftwege das Sputum stamrnt. Bei der Section von Fallen, die auf der Hohe der Krankheit verstorben sind, findet man die Influenzastabchen in dem Inbalte der erkrankten kleinen Bronchien in Reincultur. Der Influenzabacillus ist ein sebr kleines, dfinnes Stab- cben (kfirzer und dfinner als der Bacillus der Mausesepticaemie) mit abgerundeten Enden. Ei genb ewe gun g feblt. Die Stabcben *) Pfeiffer, Deutsche med. Wockensclir. 1892. No. 2; Pfeiffer und Beck, ebenda 1892. No. 21; Pfeiffer, Zeitsclir. fiir Hyg. Bd. 13. 1893. 2) Ueber die Aotiologie der „gastriscben“ und der „nervosen“ Influenza ist nocb nicbts ermittelt. Dor Influenzabacillus. 321 liegen meist einzeln oder zvi zweien mit einander verbunden (Theilungs- vorgange). In gefarbten Praparaten zeigen sieh haufig die Endpole der Stabchen gefarbt, wahrend die Mitte ungefarbt ist. Der Bacillus ist streng aerob. Er lasst sicb kiinstlich bei Br ut temp era tur ziickten; das Tempcratunninimum liegt bei etwa 26 bis 27° C., das Temperaturmaximum bei 42° C. Der Bacillus waclist auf den gewohnlichen bakteriologischen Nahr- boden durchaus gar nickt; dagegen erbiilt man einen ausgezeichneten Nahrboden fur diesen Organismus, wenn man friscbes Bint auf die Agar fl tick e aufstreickt. Es eignet sicb zu diesem Zwecke Blut von Menscben, Kaninchen, Meerschweinchen, Tauben, Froschen. Em ganz besonders iippiges Wacbsthum erhalt man auf Taubenblut- A g a r x). Uebertragt man das broncbiale Sputum des Inlluenzakranken oder den bei der Section entnommenen Inbalt der erkrankten Bronchien — am besten, nachdem man das Material zunachst mit Bouillon zu einer diinnen Aufsckwemmung verrieben hat — auf Blutagar, so bilden sicb binnen 24 Stunden im Briitscbrank Colonien des Influenzabacillus. Dieselben erscheinen als dicht gedrangt stebende, wasserbelle Tropf- cben; meist sind sie so klein, dass man behufs ikrer deutbchen Er- kennung die Loupe zu Hiilfe nehmen muss. Mikroskopiscb erscheinen die Colonien structurlos. Andere Nahrboden (gewohnbches Agar, Glycerin- Agar, Blutserum etc.), welcbe man in derselben Weise beimpft, bleiben (bei ausscbbessbcher Anwesenbeit von Influenzabacillen) durch- aus steril. Die Eigenscbaft, ausschliesslicb auf hamoglo- binbaltigen Nahrboden zu wachsen, ist dem Influenza- bacillus eigentbiimlich und kann zur Unterscheidung desselben von anderen Bakterienarten benutzt werden. Mikroskopiscb ist eine Dif- ferentialdiagnose von ahnhchen Bakterienarten nicbt mit Sicberbeit moglich. Auf dem Blutagar lassen sicb die Influenzabacillen in beliebig vielen Generationen fortziichten. Die einzelnen Culturen bleiben bis zu mebreren Wocben lebensfiihig. Dnrch die wiederbolte Um- zuchtung verberen die Influenzabacillen ihre Eigenscbaft, ausschliess- lich auf Blutagar zu gedeihen, nicht. Im Blut des Influenzakranken wurden die Influenzabacillen mi- ‘) Die mit dem Blut bestricbenen AgarrShrchen stellt man vor der Aufimpfung des InHuen/.amaterials zweckmassig 24 Stunden lang in den Briitscbrank, um sie auf ihre Sterilitat zu priifen. Giinthor, Bakteriologie. 21 322 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. kroskopisch von Canon1) festgestellt. Sie scheinen sich aber ganz ausserordentlicli selten unci sparlich im Elute vorzufinden. Gegen Austrocknung (und ebenso gegen andere schadigende Einflusse) ist der Influenzabacillus ganz ausserordentlich empfindlich. Im feucbten Zustande, z. B. in Influenzasjmtum , welches vor Aus- trocknung bewakrt bleibt, kann er wahrscheinlicb wochenlang entwicke- lungsfahig bleiben. Sporenbildung existirt nicht. Yon Yersucbstbieren hat sich nur hei Alien eine der katarrhalischen Influenza des Menschen ahnliche Affection (durch intratracheale Injection der Reincultur) erzielen lassen. Gegen das specifische Gift, welches in den Culturen enthalten ist, zeigen sich Ivaninchen sehr empfindlich. Die Thiere hekommen nach der Ein- verleibung desselhen Dyspnoe und lahmungsartige Schwache der Musculatur. Die naturliche Infection des Menschen geschieht bei der katarrhalischen Influenza ohne Zweifel durch Inhalation der Erreger. Der Influenzabacillus farbt sich mit den gewohnlichen Farbstoff- losungen. Nach der Gram’schen Methode (p. lOOff.) farbt er sich nicht. 27, Der R. Pfeiffer’sche Kapselbacillus. R. Pfeiffer2) fand in der Bauchhohle eines spontan gestorbenen Meerschweinchens ein zahes eiterartiges Exsudat, welches sich mikro- skopisch aber nicht aus Eiterzellen bestehend erwies, sondern die Rein- cultur ernes Bacillus darstellte, der sich auch in dem Blute der Leiche vorfand. Es ist dies ein plumper Bacillus mit abgerundeten Enden, der schone ovale Kapseln besitzt („ Bacillus capsu- 1 a t u s “). Der Bacillus ist ohne Eigenbewegung. Er wachst auf den ge- meinen Nahrboden, bei Briittemperatur besser als bei Zimmertemperatur, bildet bei dem Einstich in Gelatine glanzend weisse „Nagelculturen“ wie der Friedlander ’sche Bacillus (cf. p. 318). Der Bacillus ist facultativ anaerob, bildet innerhalb der Gelatine (geruchloses) Gas. Die Gelatine wird nicht verfliissigt. Auf der Agar oberfl ache bilden sich dicke, saftige, weisse, fadenziehende Ueberziige, auf der Kartoffel gelblich-weisse, faden- ziehende Belage. Sporenbildung wurde nicht constatirt. b Deutsche med. Wockensckr. 1892. No. 2. — Virch. Arch. Bd. 131. 1893. 2) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1889. Dor E. Pfeiffer' sclio Kapsolbacillus. Der Micrococcus tetragenus. 323 Fiir weisse Mause und Hausmause ist der Bacillus sekr pathogen. Nacli suboutaner Impfung sterben dieThiere inncrhalb von 2 bis 3Tagen. Die Milz der gestorbenen Tbiere ist stark gesckwollen. Ueberall im Blute und in den Organen finden sich die Bacillen, mit scbdnen Kapseln verseben. Meersckweinchen und Tauben sowie Ivanincben sind eben- falls empfanglick fiir die Infection. Meerschweinchen und Tauben lassen sicb aber nur vom Peritoneum aus, Kaninchen nur durcb intravenose Einverleibung grosserer Mengen der Cultur inficiren. Die Korper der gestorbenen Tbiere verfallen rascber postmortaler Zersetzung. Das Blut irnd die Gewebssafte sind fadenziebend. Ber Bacillus farbt sicb nicht nacb der Gram’scken Metbode (p. 1 00 ff.), verbalt sicb sonst binsicbtlicb der Farbbarkeit semes Proto- plasmakorpers und seiner Kapsel wie der Diplococcus pneumoniae (p. 318). 28. Der Micrococcus tetragenus. Der Micrococcus tetragenus wurde von Koch1) in einer phtkisiscken Lungencaverne entdeckt. Gaffky2) studirte ibn naher und constatirte seine pathogenen Eigenschaften fiir mancbe Yersucbs- tbiere. Der Organismus wurde dann von B i o n d i 3) auch in normalem menscblicben Speicbel vorgefunden. Der Coccus bietet, aus dem tbieriscben Organismus entnommen, die Eigenthiimhckkeit dar, dass er meist in Gruppirungen zu je vier Exemplaren auftritt, die von einer gemeinsamen Hiille, Kapsel, umgeben sind. In Figur 67 auf Taf. XII, welcbe nacb einem Aus- strickpriiparate der Milz der an der Tetragenus-Infection gestorbenen Maus aufgenommen ist, siebt man diese Gruppirung und aucb die Hiillenbildung deutlicb. Der Micrococcus tetragenus gedeibt, am besten bei Sauerstoff- anwesenbeit, auf den gewohnhchen Nahrboden. Auf der Gelatine- pi atte werden weisse, glanzende, iiber die Oberflacbe kuppenformig prominirende Colonien gebildet. Die Gelatinesticli cultur ent- wickelt sich sowobl langs des Impfsticbes wie auf der Oberflacbe; es bilden sicb weisse, auf der Oberflacbe glanzende Wucherungen. Die Gelatine wird nicht verfliis sigt. Auf Agar entsteben weisse Ueberziige; auf der Kart off el bilden sich sckleimige, fadenzieliende Belage. *) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 33. 2) Langenb. Arch. Bd. 28. :l) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 2. 1887. 21* 324 B. Dio Bakterien als Krankheitserreger. Der Micrococcus tetragenus ist fur weisse Mause und Meer- schweinchen pathogen; graue Mause und Feldmause verhalten sich fast stets immun, Kaninchen und Hunde sind nicht zu inficiren. Die empfanglichen Thiere erkranken nach subcutaner Einverleibung und gehen (Mause nach 3 his 6 bis 8 Tagen) an einer Septicaemie (cf. p. 175) zu Grande. Wahrscheinlich vermag der Micrococcus tetragenus auch in der m e ns ch lichen Pathologie, speciell als Eiterungserreger, eine Rolle zu spielen1). Der Micrococcus tetragenus farbt sich nach der Gram’- schen Methode (p. 100 ft.). Im Uebrigen verhalt er sich hinsichtlich der Farbbarlteit seines Protoplasmakorpers und seiner Kapsel wie der Diplococcus pneumoniae (cf. p. 318). 29. Die Spirochaete des Recurrensfiebers. Bei deni RiickfaMeber (Typhus recurrens) wurde durch Oher- nieier'2) (1873) das constante Yorkommen sehr beweglicher Spirillen (Spirochaete Obermeieri) im Blute festgestellt. Die Spirillen (cf. Taf. XII, Fig. 70), welche ziemlich grosse Gebilde mit spitz zulaufenden E n d e n sind , fmden sich nur wahrend der Fieberanfalle, nicht wahrend der Apyrexie. Nur ein einziger Fall ist (von Naunyn3) beschrieben, in welchem sich auch wahrend der fieberfreien Stadien Spirillen im Blute vorfanden (wenn auch sparlicher als wahrend des Fiebers). Die Spirillen des RiickfaMebers ldinstlich zu ziichten ist bis jetzt nicht gelungen. Sporenbildung ist nicht bekannt. Wie Pasternatzky4) fand, halten sich die Recurrensspirillen in dem Korper des bei 0° C. gehaltenen Blutegels5) bis zu 10 Tagen lebend. Von Versuchsthieren hat sich nur der Affe fur die Infection mit Febris recurrens zugangig gezeigt. Der Affe erkrankt, wie Koch6) und Carter7) festgestellt liaben , nach Einimpfung spirillenhaltigen 1) cf. Steinhaus, Zeitsckr. f. Hyg. Bd. 5. 1889; Kapper, Wien. med. Presse. 1890. No. 27. 2) Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1873. No. 10. — Berl. klin. Wockensckr. 1873. No. 35. 3) Mittk. a. d. med. Ivlinik zu Konigsberg i. Pr. 1888. 4) cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. p. 198. B) Der Blutegel wird, nackdem er sich an dem fiebernden Recurrenskranken vollgesogen hat, auf Eis gelegt. u) Deutsche med. Wochenschr. 1S79. No. 25. p. 327. — Mittk. a. d. Kais. Gos.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 107—168. 7) cf. Deutsche med. Wochenschr. 1879. No. 16. p. 1S9. Die Spirochaeto des Recurrensfiebers. Der Actinomyces. 325 Recurrensblutes an typischer Recurrens. Die Incubationsdauer betragt beim Affen durcbschnittlicb 3 '/2 Tage. Dor Affe bekommt nur einen Fieberanfall ; Riickfalle wie beim Menschen werden bei der Recurrensinfection des Affen nicht beobaclitet '). Auch beim Menscben hat sicb nach Einimpfung spirillenhaltigen Recurrensblutes Recurrens kiinstlich erzeugen lassen. Das Recurrensspirillum zeigt sich der Earbung mit den gebrauch- licben basiscben Anilinfarben zuganglich. Nach der G r a m ’ sclien Methode (p. 100 ff.) farbt es sich nicht. Eine fast isolirte Far- bung der Recurrensspirillen in Blutpraparaten erhalt man mit Hiilfe einer speciell fur diagnostische Zwecke zu empfehlenden Methode, die der Verf.* 2 *) 1885 angegeben hat, und die bereits ohen (p. 71) be- sprochen wurde. 30. Der Actinomyces. Der Actinomyces (Actinomyces bovis s. hominis, Strahlenpilz) 8) wurde (beim Menschen) im Jahre 1845 in Kiel von B. v. Langenbeck entdeckt. Die Entdeckung wurde zugleich mit den Langenbeck'- schen Zeichnungen erst im Jahre 1878 durch James Israel4) publicirt, dem das Yerdienst gehuhrt, den Strahlenpilz zuerst als einen selbstandigen , fur den Menschen pathogenen Organismus er- kannt zu haben. Der Actinomyces ist beim Rind zu Hause. Beim Rind wurde der Pilz zuerst (1877) von Bollinger5) gesehen. Der Pilz giebt bier Veranlassung zur Entstehung in der Kiefergegend sitzender Geschwiilste, welche die Tendenz haben zu abscediren. Auf dem Durchschnitt zeigen diese Geschwiilste grossere oder kleinere Hohl- raume, in welchen kleine gelbe Komer enthaltender Eiter vorhanden ist. Diese Korner zeigen mikroskopisch gewohnhch eine strahlige, drusige Structur („Strahlenpilz“). Die einzelnen Strahlen zeigen an den Enden haufig eine keulenformige Anschwellung. Das Photogramm Taf. XII, Fig. 71, giebt ein Bild einer solchen Druse. Damit ist aber die mikroskopische Erscbeinungsweise des Actinomyces nicht erschopft. Man findet auch fadige, an Bacillenfaden erinnernde ') Entmilzte Affen gehen an der Infection in circa 7 bis 8 Tagen zu Grunde und zeigen erstaunlicke Mengen von Spirillen im Blut (So udako witch, Ann. de l’lnst. Pasteur. 1891. No. 9). 2) Fortschr. d. Med. 1885. p. 755. !i) Die Bezcichnung „Actinomyces“ stammt von dem Munchener Botaniker Harz. 4) Vircli. Arch. Bd. 74. 1878. r’) Centralbl. f. d. med. Wiss. 1877. No. 27. 326 B. Die Bakterien als Krankkeitserreger. Bildungen , ferner „Coccenhaufen“; luirz : ein sehr pleomorphes Bild. Ob alle diese Dinge genetisch zusammengehoren , mussen erst noch weitere Untersuchungen lehren ; es ist diese Zusammengehorig- keit jedoch nicbt unwahrscheinlich. Der Actinomyces ist auf den Menscben leicht nbertragbar. Er siedelt sicb nnter Anderem gem in hohlen Zahnen an, kann dann znr Entstehung yon abscedirenden Kiefergeschwiilsten Veranlassung geben, aber auch zu Actinomykose innerer Organe (Lunge, Pleura, Peritoneum, Leber, Nieren, Darm, Herz, Gehirn) fiibren. Die Er- krankung der Organe kann eine primare und eine metastatische sein. Sie fuhrt haufig zum Tode. Die Infection scbeint in zahlreicben Fallen — und zwar sowohl beim Rinde wie beim Menscben — dumb Getreidegrannen ver- mittelt zu werden, welcbe (in noch unbekannter Weise) draussen in der Natur mit dem Pilze inficirt werden. Culturversuche mit dem Actinomyces sind von verschiedenen Seiten untemommen worden. Speciell gelang es J. Israel und M. Wolff1) Culturen des Pilzes auf Agar (ausscbbesslicb unter - Sauerstoffabschluss) und innerhalb von roben oder gekocbten Huhner- und Taubeneiern zu erbalten, dieselben in verschiedenen Generationen weiter zu ziicbten imd durcb Uebertragung der so erbaltenen Culturen Yersuchstbiere erfolgreicb mit Actinomykose zu inficiren. Die Ueber- tragungsfabigkeit der Culturen bleibt viele Monate lang erbalten. Auf der A g a r oberflacbe bildet der Actinomyces nacb Israel und Wolff kleine , langsam wacbsende , meist bis hochstens steck- nadelknopfgross werdende , nicht confluirende , tbautropfenabnbcbe Knotcben, welcbe aus kurzen Bacillen abnlicben, geraden oder leicht gekriimmten Gebilden zusammengesetzt sind. In Eiern bilden sicb gewobnlicb prachtvolle lange Fadennetze aus. In Bouillon ist das Wachsthum nicbt sebr ergiebig. Niemals werden auf kiinstlicben Nabrsubstraten Drusen mit keulenartigen Gebilden beobacbtet. Die Uebertragung der Stabchenculturen in die Bauchbohle von Kaninchen (und auch von Meerschweinchen) giebt nacb Israel und Wolff Veranlassung zur Entwickelung typiscber Actinomycesdrusen, welche, eingebettet in Lagern von Rundzellen, in hirsekorn- bis pflaumengrossen , den verscbiedensten Organen der Bauchbohle auf- sitzendeu Tumoren liegen. Die Yersuchstbiere (welcbe zur Feststellung b 19- Congr. d. Deutschen Gesellsch. f. Chirurgie. Berlin, April 189(1. — Virch. Arch. Bd. 126. 1891. Dor Actinomyces. 327 tier gesohilderten pathologischcn Veranderungen getodtet werden mtissen) erscheinen intra vitam niclit auffallend krank. Ob der Actinomyces zu den Bakterien zu recbnen ist, ist noch nicht mit Sicberheit ausgemacht. *) Der Actinomyces farbt sick sehr gut nach der Gram’schen Metbode resp. nacb der vom Yerf. angegebenen Modification dieser Metbode (p. 100 ff.). Mit dem vorstebend besprocbenen Actinomyces bovis s. bominis nicbt identiscb ist ein eigentbiimbcher Parasit, welcber in ahn- licben strabbgen Formen auftritt wie der genannte Actinomyces, welcber aber ausscbliesslicb im Schweinemuskel gefunden wird. Derselbe wurde 1884 von Duncker* 2) entdeckt. Er hat den Namen „Actinomyces musculorum suis“ erhalten. Es ist aber bis jetzt nocb nicht mit Sicherkeit entschieden, ob dieser Parasit in irgend welchen verwandtschafthcken Beziehungen zu dem Actino- myces bovis s. hominis steht. Ueber einen dem Actinomyces bovis sehr aknhcken, fiir Kanincben patbogenen und bei diesen Thieren haufig auch actinomycesahnliche Drusen erzeugenden Mikroorganismus, „Micromyces Hofmanni", bat Gruber3) berichtet. J) J. Israel und M. Wolff recbnen ikn zu den „pleomorpken Bakterienarten.“ 2) Zeitschr. f. Mikrosk. u. Fleisckbesckau. 1884. No. 3. 3) 7. internat. Congr. f. Hyg. u. Demogr. London 1891. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. p. 648. Anhang. Ausser den Bakterien treten aucli anderen Mikroorganismen- gruppen angeborige Gebilde, sowohl pflanzbcbe wie thierische, als Krankbeitserreger auf. Unter diesen wollen wir einestheils die patbo- genen Scbimmel- oder Fadenpilze, anderntbeils die pathogenen Protozoen nocli einer kurzen Betrachtung unterwerfen. Die pathogenen Schimmelpilze. Was die Schimmel- oder Fadenpilze anlangt, so kennt man bereits eine Anzabl Arten, welche das Vermogen haben, sicb innerlialb des thieriscken Korpers und anf Kosten desselben zu vermehren. Hier- her geboren vor Allem mehrere Aspergillus- und Mu cor- Arten, ferner einige Arten aus der Gruppe der Oidien. Botaniscb unterscbeiden sicb , wie bier kurz bemerkt sem mag, die genannten Pilzgattungen durch die Art und Weise der Fructifica- tion (Sporenbildung). Wabrend namlich bei den Mu cor arten der sicb aus deni Mycelgeflecht erbebende Frucbttrager (die Frucbtbypbe) eine besondere Kapsel, ein „Sp o r angi um“, tragt, in welcbem sicb cbe Sporen (Conidien) entwickeln, bildet sicb bei den Aspergill us- arten an deni Ende des Frucbttragers . eine kolbige Yerdicknng, auf deren Oberflacbe durcli Yermittelung kleiner Zwiscbenfrucbttrager (Sterigmen) die Sporenreilien befestigt sind; bei den Oidiumarten werden die Sporen direct an deni Frucbttrager (der Frucbtbypbe) °hne Dazwiscbentreten eines besonderen Fnicbtkopfes abgegbedert. ') ') !> Aspergillus" ist iibrigens keine selbstandige Gattung; es bat sicb berausgestellt, dass die Aspergillusfonn uur eine besondere Fructificationsform der (zn v ; 1 f * ‘&r V. > < C * . CJ 'V / ' *J *< i <■ V. « ~ . J . , s. - . ( 4W) ^ £>~ r; w ^ 7- ( ' ‘ - /< -V . r~ *■' 58. Vibrio Metschnikoff. Taube. Muskelsaft von der Infectionsstelle. Deckglasausstrichpraparat. Fuchsin. 1000 : i. If,°.TInab‘'lclllcn (Spirillum sputigenmn) aus dcr Mundhohlc. Deckglastrockenpriiparat. Gcntiana- violett. 1000:1. 60. Koinmabacillcn (Vibrio aquatilis) aus Wasser. Agarcultur. Deckglastrockonpraparat. Fuchsin* 1000 : 1 . I)r. Curl QUnthcr phot. Berlin 189:1. Licktdruclc von Julius Klinklmrdt, Leipzig. Tafel XI. 61. Cholerabacillen- Colonien auf der Gelatine- platte nacli 30stundigem Wachsthum bei Zimmer- temperatur. 100 : i. 62. Cholerabacillen. Links eine Gelatineplattencolonie nach 48stundigera, rechts eine solche nach 72stundigem Wachsthum bei Zimmertemperatur. Beide 100 : 1. 63. Cholerabacillen. Gelatinestichcultur nach ptiigigem Wachsthum bei Zimmertemperatur. 1 : 1. 64. Finkler-Prior’sche Konnnabacillen. Unter den- selben Bedingungen wie die Cultur Fig. 63 ge- ziichtet. 1:1. 63. Gonorrhoccocccn. Trippereiter. Pockglas ausstrichpraparat. Methylcnblau. 1000:1. 6(j. Erysipelstreptococcon. Monsch. Hautschnitt. Die Kerne mit Picrocarmin , die Cocccn nach Gram-Giinther gefiirbt. 1000 : 1. Dr. Curl OUnthcr phot, llcrliu 1893. Llchtdruclt von Julius Kliukhurdt, Leipzig. Tafel XU » » 67. Micrococcus tetragenus. Maus. Milz. Dcck- glasausstrichpraparat. Gentianaviolett. 1000:1. S'/' 69. Bacillus pneumonia emrt Kapseln. Pleurasaft der intrapleural inficirten Maus. Declcglasausstrich- priiparat. Gentianaviolett. 1000 : 1. 71. Actinomyces bovis. Druse. Rind, Zungcn- geschwulst. Schnitt. F.'irbung nacli Gram-Giinther. 5 °o ! 1. Dr. Curl GUutlicr phot. Berlin 1803. 68. Diplococcus pneumoniae. Durch Punktion mit der Pravaz’scben Spritze entnommener Lungensaft vom lebenden Pneumoniker. Deckglasausstrich- praparat. Gentianaviolett. 1000 : 1. 70. Recurrensspirillen. Mensch. Blut. Declcglas- ausstrichpraparat. Mit 5%iger Essigsaurelosung abgewaschen und mit Fuchsin gefiirbt. 1000: 1. 72. Herpes tonsurans-Pilz. Agarplattencultur. Mit Deckglas bedeckt und direct photographirt. 240 : 1. LichtdIUbic von Julius Kllnlchnrdt, Leipzig. I . t 'Ajij^yr*^ H& v 1 > Fgiy| *i3r^^ j&fy- ,jp»* Jl^ 1 p WMP