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zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectllen männlichen Geschlechtsorgane hei den straufsartigen Vögeln und über die Entwickelungsformen dieser Organe

unter den Wirhelthieren üherhaupt.

Von

H™* MÜLLER.

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[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 17. November 1836.]

iC-ein Organ kann in den Classen der Wirbeltbiere so grofsen und funda- mentalen Veränderungen unterworfen sein, als die Ruthe. Fehlt sie bei den Fischen und nackten Amphibien (^) in der Regel, so erscheint sie bei den beschuppten Amphibien nach zwei verschiedenen Typen ausgebildet ; in beiden ist der sie durchlaufende Canal blofse Rinne, aber nur in den Schild- kröten und Crocodilen ist diese Rinne auf einem frei hervorzustreckenden Körper angebracht, bei den Schlangen und Eidechsen befindet sie sich auf der innern Wand eines hohlen Schlauchs und wird erst durch ümstülpen dieses Schlauches zur äufsern Rinne und überdiefs ist die Ruthe dieser Thiere doppelt, die Ruthe der Schildkröten und Crocodile einfach. Bei den Vögeln kommen aufser der Duplicität der Ruthe alle Verhältnisse wie- der vor, die sich bei den Amphibien zeigten; sie erscheint bald solid und mit einer Rinne versehen, wie beim afrikanischen Straufs, bald schlauch- förmig und zum Ümstülpen bestimmt, wie bei den Enten und Gänsen, in welchem Fall die an der innern Wand des Schlauchs verlaufende Rinne durch die Umstülpung des Schlauches zur äufsern wird ; bald endlich scheint die Ruthe ganz zu fehlen, wenigstens diejenigen Eigenschaften abzulegen,

(') Bei den Coecillen, wo sich nach Nitzsch eine Ruthe vorfinden sollte, hat sich die- ses Organ in Bischofrs Untersuchungen nicht bestätigt. Späterer Zusatz.

P/ij'siJicil. Abliandl. 1836.

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138 Müller üher zwei verschiedene Typen in dem Bau der erecUlen

welche sie hei den Amphibien und den genannten Vögeln zeigte, wie hei den meisten hühnerartigen Vögeln, Passerinen und Anderen. Die Ruthe der Säugethiere hinwieder ist niemals schlauchförmig und zum Umstülpen be- stimmt, ihr Canal ist keine oberflächliche Rinne, sondern geschlossen und nur ira Foetuszustande, so lange die Harnröhre noch rinnenai’tig ist, hat diese Ruthe einige Ähnlichkeit mit der einfachen Ruthe der Crocodile, Schild- kröten und des Straufses, von der sie sich in allen Fällen wieder wesentlich durch die cavernöse Beschaffenheit ihrer mit Blut zu füllenden Seitenkörper unterscheidet, während diese Körper hei den erwähnten Thieren solid sind und im Innern gröfstentheils dem cavernösen Venengewebe fremd bleiben. Die Hauptformen der Ruthe, verschieden wie sie sind, scheinen auch von der Natur nach einem Princip vertheilt zu sein, das uns nicht einsichtlich ist. Denn in derselben Ordnung der hühnerartigen Vögel, die gewöhnlich ohne eigentliche Puithe sind, erscheinen die Hocco’s mit einer sich dem Straufse annähernden Bildung. Dafs der schlauchartige lange Penis, welcher den Enten, Gänsen und Schwänen zukommt, auf die Begattung auf dem Was- ser berechnet sei, wie Owen (^) scharfsinnig vermuthet, läfst sich auch nicht festhalten, da sich der Typus der Entenruthe nach unseren Beob- achtungen bei allen straufsartigen Vögeln, mit Ausnahme des africani- schen Straufses, vorßndet. So willkührlich die Vertheilung dieser Typen scheint, so giebt sich doch der Gedanke schwer auf, dafs diesen Bildungen ein gemeinsamer Plan zum Grunde liegen müsse. Allerdings hat die Natur bei jeder grofsen Abtheilung des Thierreichs einen gewissen Plan der Zu- sammensetzung des Ganzen, aus theils verschiedenen, theils analogen Thei- len zu Grunde gelegt, in der That wiederholt sich ein gewisser Plan in den Abtheilungen der Wirbelthiere und die Natur erlaubt sich Reductionen und Erweiterungen der Zahl, selten gänzliche Abweichungen von den Typen der Bildung nach der Art der einzelnen Geschöpfe; aber diese Abweichungen werden in Hinsicht der erectilen männlichen Geschlechtsorgane so grofs, dafs es äufserst schwierig, wenn nicht unmöglich erscheint, eine Formel zu finden, aus welcher allein die Abweichungen in der Bildung dieser Geschlechtsorgane unter den Vögeln mit Leichtigkeit abzuleiten wären. Leider hat es für einen solchen Versuch bisher sogar sehr an den nöthigen Vorarbeiten gefehlt.

(') Cyclopaedia of anatomj and phjsiology by R. T o d d. pari. IV. p. 355.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. straufsartigen Vögeln u. s. w. 139

Harvey (^), welcher eine Beschreibung der weiblichen Geschlechts- theile der Vögel giebt, hatte einige Kenntnisse von der Form des Penis hei dem Straufse und bei der Ente. Bei den Vögeln ohne eigentliche Ruthe sahen ältere Anatomen die papillenartige Einmündung des duclus cleferens auf jeder Seite der Cloake als Ruthe an, was indefs unstatthaft ist, da diese Art der Einmündung allen Vögeln zukommt (^). Nachdem Perrault bei seinen Untersuchungen über die Anatomie des Straufses (^), des Casuars (‘^), des Hocco’s (^), der Trappe (*^), des Storches (^) die allgemeinsten Formen- verhältnisse der Ruthe dieser Thiere (zum Theil unrichtig) angegeben, theilte Tannenherg (®) inseiner Schrift über die männlichen Geschlechtstheile der Vögel genauere Kenntnisse über den Bau der Ruthe bei den Enten und Gänsen mit, der auch von Cu vier (^) beschrieben und vonHome abgebildet wurde.

Cu vi e r beschrieb zuerst genauer die Structur der Ruthe des afrikanischen Strau- fses. Er und auch Geoffroy St. Hilaire kannten die dreiKörper, welche sie zusammensetzen, haben indefs die Natur des unpaaren unteren Körpers, den sie faserig-vasculös nennen, nicht erkannt ; er besteht grofsentheils aus elasti- schem Gewebe, welches ganz von dem weifsen cohaei’enten sehnigen Gewebe der beiden anderen Körper ab weicht. Geoffroy St. Hilaire entdeckte aber noch eine, dem Casuar eigenthiimliche Einstülpung am vordem Ende der Ruthe, welche der Ausstülpung bei der Erection fähig ist und den Penis ver- längert (^"), während Cuvier die Ruthe des Casuars wie bei dem Straufse gebildet gefunden hat. In Hinsicht der Vertheilung der verschiedenen Typen

(*) Exercilaftones de generatione animalium. Exercil. V.

(g) Vgl. Tieclemann, Anatomie und Naturgeschichte der Vögel. I. B. 707.

(^) Perrault, Charras und Dodart’s Abhandlungen zur Naturgeschichte der Thiere und Pflanzen. 2 Bd. Leipzig. 1757. p. 86.

(d) Ebend. p. 119.

C) Ebend. I. B. p. 266.

C) Ebend. II. B. p. 57.

C) Ebend. II. B. p. 249.

(®) Tannenberg spicilegium ohservationum circa partes genitales masculas avium. Gotting.

1789.

(’) Vorlesungen über vergleichende Anatomie übers, v. Meckel. B. 4. 502.

(*°) Leclures an comparalive anatomj. T. IV. Tab. 134.

(”) Mcm, du mus. d'ltisi. nat. T. 9. p. 443.

(^^) II n’esl point roule en spirale cornme cliez le canard. II sc compose d’un fourreau memhraneux dout la poinle cst atlachce ä la base. Geoffroy St. Hilaire a. a. O.

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140 Müller über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

unter den Vögeln hatte sich schon Cuvier geäufsert. Er unterscheidet drei Formen. Die gewöhnlichste sei die, wo sich nur eine gefäfsreiche Warze findet, die an der unteren Fläche der Cloake sitze und im Zustande der Er- schlaffung oft kaum merklich sei. Der zweite Typus ist die ausgehildete Ruthe des afrikanischen Straufses, wohin er mit Unrecht auch die ührigen straufsartigen Vögel rechnet. Den dritten Typus bildet die ausstülpbare schlauchartige Ruthe der Enten und Gänse, welche Cuvier mit Unrecht auch dem Storche zuschreiht. Von dem letztem Typus hat Ow'en a.a. O. kürz- lich eine ausführliche Beschreibung zu der Abbildung von Home gegeben.

Barkow (^) hat in einer sehr verdienstlichen Arbeit über die Arterien der Vögel unsere Kenntnisse mit der genauei’en Beschreibung gewisser Wun- dernetze an der Cloake bereichert, wovon bereits Tannenberg einige Kenntnifs hatte, indem er diesen gefäfsreichen Körper an der Basis der Ruthe der Gänse und Enten als Zellkörper ansah. Diese gefäfsreichen Körper sind jedoch kein Theil der Ruthe selbst und liegen auch bei mehreren Vögeln, die keine eigentliche Ruthe haben, in der Nähe der Basis der Papillen der Samen- gänge. Die Gefäfskörper erhalten nach Bar kow’s Untersuchungen ihi'e Ge- fäfse entweder aus den arteriae pudendae internae, wie beim Haushahn, beider Gans, Ente, oder aus den arteriae epigastricae, wie bei Podiceps suhcristatus. Diese Wundernetze bestehen entweder aus einem Gefäfsknäuel, wie bei der Ente, der Gans und dem Haushahn, oder nur aus mehreren geschlängelt nebeneinander verlaufenden Gefäfsen, die durch Zweige unter einander ver- bunden sind, wie bei Podiceps.

Eine Eintheilung der Vögel nach der verschiedenen Ausbildung der Ruthe scheint noch lange nicht möglich. Beobachtungen, die ich angestellt, lehren mich, dafs der Bau der Ruthe in manchen Fällen als ein wich- tiges Unterscheidungsmerkmal der Familien und Gattungen dienen kann. Der Zweck der gegenwärtigen Abhandlung ist, diefs für die straufsarti- gen Vögel zu erweisen. Hiernach bilden die sti-aufsartigen Vögel durch die gröfsten Unterschiede im Bau dieses Organes zwei scharf zu schei- dende Gi’uppen, deren eine die Straufse mit geschlossenem Becken und 2 Zehen, Gattung Strutliio , die zweite die Straufse mit offenem Becken und 3 Zehen {TUiea americana , Promaius nocae Tlollandiae, Casuarius

(') Meckel’s Archiv für Anatomie und Physiologie 1830. 36.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. str aufsartigen Vögeln u.s.w. 141

indicus) enthält. Die letztei’en stimmen in der Bildung ihrer Ruthe ganz mit den Enten und Gänsen überein. Eine genaue Beschreibung der Structur der Ruthe in diesen beiden Gruppen wird uns mit den wesentlich- sten Theilen bekannt machen, welche überhaupt hei den Vögeln die erectilen Begattungsorgane zusammensetzen.

I. Abschnitt.

Von dem Bau der Ruthe des zweizehigen Straufses mit geschlossenem Becken.

Der Bau der Ruthe des afrikanischen Straufses ist von Cu vier und später von Geoffroy St. Hilaire beschrieben worden. Nach Cu vier besteht diese

1) aus zwei soliden kegelförmigen, ganz aus faserigem Gewebe zusam- mengesetzten Körpern, die nach innen vom Sphincter der Cloake mit ihrer Grundfläche auf der untern Wand der Cloake aufstehen und dicht neben einander liegen. Der rechte ist kleiner als der linke und erstreckt sich nicht so weit in die Ruthe als der linke.

2) Aus einem faserig -gefäfsreichen Körper, der längs der untern Fläche der Ruthe einen ansehnlichen Vorsprung und die Spitze derselben allein bildet. Dieser Köx’per wird von mir der elastische genannt.

3) Aus einem cavernösen Gewebe, welches die Wände der Ruthen- furche auf dem Rücken derselben Ijekleidet.

Die Basis der Ruthe ist auf der untern Wand der Cloake befestigt, ihre mit der Rinne versehene Fläche sieht gegen die obere Wand der Cloake. Die Spitze der Ruthe würde, wenn sie gerade wäre, nach rückwärts abwärts sehen. Aber die Ruthe des Straufses ist im schlaffen Zustande immer gebo- gen. Wird die Ruthe an dem Präparat aus der Tasche der Cloake, worin sie liegt, herausgezogen, so krümmt sie sich mit der Spitze nach unten und selbst etwas nach vorn, vermöge des elastischen Stranges an ihrer untern Seite. Im zurückgezogenen Zustande ist der Endtheil der Ruthe gegen den Innern Theil so umgeschlagen, dafs die Ruthe in der Mitte wie geknickt oder knieförmig gebogen ist; die Umbiegung findet nach der untern oder derjeni-

142 Mülleb über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

gen Seite der Ruthe statt, welche der Rinne entgegengesetzt ist. Ist die Ruthe knieförmig gebogen, so wird sie mit Leichtigkeit in ihre Tasche ge- bracht, wobei das Knie vorangeht. Diese Rewegung nach der Tasche wird durch Muskeln ausgeführt. Bei der Begattung wird die Ruthe durch Muskeln hervorgeschoben, wobei sie wahrscheinlich in Folge der Anfüllung des erecti- len Gewebes der Rinne und des elastischen Körpers etwas gestreckt wird. Ganz scheint sie sich jedoch nicht zu strecken. Denn Harvey sah sie selbst im Coitus etwas gebogen. In Struihione mare intra pudendi orißcium, tanquam in equi praeputio, praegrandem glandem et nervum rubicundum, forma et magnitudine linguae ceninae aut bubulae minoi'is reperi; quem in coitu rigi- dum et aliquantulum aduncum vibrare saepius vidi; et in foemineam vulvam immissum, sine subagitaüone ulla, diutius teneri, perinde ac si clavo aliquo ambo in coitu colligati essent (^). Die Krümmung der Ruthe durch ihr elasti- sches Gewebe nach unten mufs wohl dazu beitragen, dafs das nach hinten hervorgestreckte Organ in die Scheide eingebracht werden kann.

Die häutige Tasche der Cloake am Rückentheil des Afters entspricht derjenigen Gegend, wo bei den übrigen Vögeln die Bursa Fabricii liegt. Vor dem Theil der Cloake, in welchem die Ruthe befestigt ist, liegt die den straufsartigen Thieren eigene Harnabtheilung der Cloake, die zwar die Fort- setzung des Mastdarms, von diesem aber durch eine sphincterartige Klappe (^) geschieden wird. Die Mündung des Harnbehälters führt am hintern Ende der Ruthe über die Furche der Ruthe und ist verschlossen, sobald die Ruthe in ihre Tasche zurückgezogen ist, daher wie Cuvier bereits bemerkt, die Ruthe sowohl bei der Ausleerung der Excremente als bei der Begattung hervor- gestreckt werden mufs.

Der feinere Bau der Ruthe ist weder von Cuvier noch von Geoffroy St. Hilaire ganz richtig beschrieben worden. Nach Geoffroy St. Hi- laire (^) besteht dieselbe aus drei cylindrischen Stücken, wovon er zwei den Corpora cavernosa und das dritte der Eichel der Säugethiere vergleicht. Der dritte Theil läuft der Länge nach an der untern Seite der zwei anderen zurück. Die Substanz der zwei ersten Cylinder ist durch und durch sehnig (*)

(*) Ilarvey Exercitationes de gcneratione animalium. Exercil.W. (^) Siehe Geoffroy Mem. du mus. d’hist. nat. T. 9. Tab. 21.

(^) a. a. O. p. 443.

männlichen Geschlechtsoi'gane hei d. straufsartigen Vögeln u. s. w. 143

und weifs und enthält im Innern kein cavernöses Gewebe. Diese beiden fibrösen Cjlinder seien unter sich verbunden und umgeben von einem fibrös- vasculösen Gewebe, dessen Maschen weit und gleicher Dimension seien. Das Ende der Ruthe und der dritte, an der untern Seite zurücklaufende Körper sollen ganz aus diesem Gewebe von homogenen Maschen bestehen. Bei der Untersuchung der wohlerhaltenen männlichen Genitalien des afrika- nischen Straufses, welche Hr. Geheimer Medicinah’ath Professor Otto aus dem anatomischen Museum zu Breslau mir zur Benutzung gefälligst über- sandte, fand ich Folgendes.

1. Fibröse Körper.

Die beiden fibrösen Körper sind, wie Cuvier angab, ungleich, der linke ist länger und dicker, als der rechte, auch ihre Form ist nicht symme- trisch, was Cuvier nicht angab (‘). Der linke ist kegelförmig; seine stumpfe Basis sitzt auf der untern Wand der Cloake auf, wo er mit einem später zu beschreibenden Muskel zusammenhängt. Von der Basis bis ans Ende des Penis nimmt dieser Kegel allmählig an Umfang ab. Der rechte fibröse Körper ist nicht wie der linke innen stärker, sondern beginnt innen, indem er an dem rechten anliegt, ganz dünn, wird allmählig stärker und nimmt gegen das Ende der Ruthe wieder an Dicke ab , reicht aber nicht bis ans Ende der Ruthe, wie der linke. Der linke fibröse Körper ist also kegel- förmig, der rechte spindelförmig. Beide sind in der Mittellinie an der Be- rührungslinie durch fibröse Haut fest verbunden. Auf diese Art befindet sich an der obern und untern Fläche beider verbundener Körper in der Mit- tellinie eine Rinne. Die Rinne der obern Fläche ist mit cavernösem Gewebe ausgepolstert. Dagegen befindet sich kein zelliges cavernöses Gewebe im Innern der fibrösen Körper, welche, wie Cuvier und Geoffroy bereits angeben, durch und durch fibrös sind. Cuvier hat richtig bemerkt, dafs sich an der obern Fläche der fibrösen Körper, wo die Rinne ist, cavernöses Gewebe befindet, Geoffroy sagt unrichtig, dafs das cavernöse Gewebe die fibrösen Körper umgebe. An der untern Fläche dieser Körper findet sich, an der innern Hälfte der Ruthe, durchaus kein cavernöses Gewebe und die

(') Geoffroy St. Hilaire bemerkt, dafs der rechte Körper länger als der linke sei, was indefs eine Verwechselung der Sellen ist.

144 Müller über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

Seiten der fibrösen Körper sind bis ans Ende ganz davon entblöfst. Auf dem cavernösen Beleg der Rinne an der obern Fläche der fibrösen Körper liegt die Schleimhaut auf. Der Samen gelangt aus den Papillen der Samen- gänge in das hintere Ende der Rinne (*). Indem nun aber das cavernöse Gewebe an den Seitenwänden der ganzen Rinne bei der Erection sich mit Blut füllt, wird sich wahrscheinlich der Halbcanal durch Aneinanderpressen der oberen Pxänder der Rinne zu einem ganzen Canal schliefsen.

2. Elastischer Körper.

An der untern Wand der fibrösen Körper befindet sich, wie bemerkt, auch eine Rinne bei der Berührungslinie derselben. Der Anfang dieser Rinne ist bis gegen die Hälfte der Ruthe von den sich hier inseriren- den Muskeln, den Retractoren der Ruthe ausgefüllt. Der übrige Theil dieser Rinne und die ganze untere Fläche des Endtheils der Ruthe ist mit einem dritten fibrösen Körper besetzt, der sich durch seine Structur und physikalischen Eigenschaften ganz von den seitlichen fibrösen Körpern unter- scheidet. Dieser untere fibröse Körper ist gelblich, höchst elastisch und kommt nur an der letzten Hälfte der Ruthe vor; er beginnt schwach an der Mitte der Länge der Ruthe, geht, indem er schnell an Höhe zunimmt, bis ans stumpfe Ende der Ruthe, welches fast allein von diesem untern Kör- per gebildet wird. Der elastische Körper ist im gröfsten Theile seiner Länge höher als breit, und bildet mit seinem untern Rande eine Kante an der letz- ten Hälfte der Ruthe, so dafs der Anfangstheil der Ruthe, blofs aus den zwei sehnig fibrösen Körpern bestehend, von oben nach unten zusammen- gedrückt, der letzte Theil der Ruthe hingegen, aus zwei sehnigen und einem elastischen Körper bestehend, dreiseitig erscheint. Cu vier nannte den untern Körper faserig -gefäfsreich, Geoffroy St. Hilaire hielt ihn für cavernös und verglich ihn der Eichel. Die eigentliche Beschaffenheit dieses Bestandtheils ist beiden Naturforschern nicht klar geworden. Beim Ein- schneiden in denselben sieht man sogleich, dafs er im Innern cavernös ist, und dadurch unterscheidet er sich sogleich von den ganz soliden seitlichen fi^brösen Körpern. Aber das Aufsere dieses Körpers besteht aus einer ganz dicken festen Schichte von wahrem elastischem Gewebe. Diefs Fasergewebe

(') Geoffroy St. Hilaire hat von diesen Papillen eine richtige Abbildung gegeben.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. straiifsartigen T' Ögeln u. s. (v. 145

ist gelb wie das ligamentwn nuchae der Säugetbiere und die gelben Bänder der Wirbelbogen, wie die elastischen Bänder des Kehlkopfs und Zungen- beins, wie die elastischen Fasern der Luftröhre und der Bronchien, die mitt- lere Haut der Arterien, das elastische Band der Flügelfalte der Vögel, die elastischen Bänder der Krallenphalanx der Katzen u. s. w. Man hat in neue- rer Zeit diefs Gewebe als eigenthümlich kennen gelernt und man weifs aus den üntei’suchungen von Lauth, Schwann und Eulenberg (^), dafs es sich von allen anderen Geweben durch die wirkliche Zerästelung und Ana- stomose seiner Primativfasern unterscheidet. Man weifs ferner, dafs diefs Gewebe nach viele Tage langem Kochen nur sehr wenig galatinirenden Leim giebt; aber diese Materie ist eigenthümlich, sie unterscheidet sich von dem Leim der Sehnen und nähert sich durch ihre chemischen Eigenschaften dem von mir beschriebenen von Alaun, Essigsäure, essigsaurem Bleioxyd und schwefelsaurem Eisenoxyd fällbaren Leim der Knorpel, oder dem Chon- drin (-). Die Elasticität des gelben elastischen Gewebes, das bei den Mol- lusken noch einmal in dem Schlofsband der Muscheln wiedererscheint, ist so beständig, dafs sie sich so vollkommen wie im frischen Zustande in Weingeist viele Jahre und selbst bei viele Tage lang fortgesetztem Kochen nach meinen Beobachtungen erhält.

Die Faserbündel des elastischen Gewebes bilden nicht blofs das Aufsere des untern Körpers der P\tithe, sondern durchkreuzen auch das cavernöse Innere dieses elastischen Körpers, so dafs hier die Bündel von der Venen- haut der cavernösen Venen bekleidet werden. Das vordere Ende des elasti- schen Körpers bildet die stumpfe Spitze der Ruthe, welche von einer festen elastischen, nicht cavernösen Rinde und einem cavernösen Kerne zusammenge- setzt wird. Das hintere Ende des elastischen Körpers ist an die untere Fläche der seitlichen sehnigen Körper angeheftet. Durch diesen höchst elastischen Strang wird die Ruthe des Straufses von selbst nach unten und vorn ge- krümmt, wenn sie aus der Cloake tritt, so dafs sie im schlaffen Zustande regelmäfsig in der Mitte der Länge geknickt ist.

(') Eulenberg de tela elastica diss. Berol. 1836. 4.

(^) J. Müller über die ebemiseben Eigensebaften des tbierischen Bestandtheils der Knorpel und Knochen, in Poggend. Ann. 38. Bd.

Physilial. Ahhandl. 1836.

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146 Müller über zwei verschiedene Tjpen in dem Bau der erectilen

An der Ruthe der Säugethiere und des Menschen kommt keine Spur eines solchen Stranges vor; doch ist das elastische Gewebe diesem Organ auch hier nicht ganz fremd; denn Schwann hat elastisches Gewebe nicht blofs im ligamentwn Suspensorium penis des Menschen, sondern auch elastische Fasern innerhalb der fibrösen Queei’bündel, welche balkenartig das caver- nöse Venengewebe der coipora cacernosa durchziehen, gefunden. Das von mir beschriebene eigenthümliche blafsrothe Fasergewebe, welches im Innern der Corpora cavernosa der Pferde anastomosirende Längsbalken bildet, ge- hört einer ganz andern Classe der Gewebe, derjenigen, welche einen eiweifs- artigen Körper im Sinne von Berzelius zur Grundlage haben, an.

3. Muskeln.

I. Heber der Ruthe. Nach Cuvier entspringt er von der untern Fläche des Heiligenbeins, steigt in den Umfang des Schliefsmuskels, schlägt sich um die Seite der Ruthe, in der Nähe ihres hintern Endes weg und inserirt sich an der untern Fläche ihres ersten Drittheils. Da an dem von mir unter- suchten Präparat die Verbindungen der Muskeln mit den knöchernen Theilen gelöst sind, so kann ich die von mir gesehenen Muskeln nicht genau auf die von Cuvier angegebenen Muskeln zurückführen. Ich sehe einen breiten Muskel (Tab.I. Fig. 1. ß), dessen Fasern gröfstentheils schief von oben nach unten an der Seite der Cloake herabsteigen, und indem sie in den Umfang des Schliefsmuskels (Fig. 1. h') treten, schief gegen die Fasern des sphincter ani gestellt sind. Er hat am meisten Ähnlichkeit mit dem lecator ani, stimmt jedoch im Verlauf nicht mit dem von Cuvier (vergl. Anatomie übers, von Meckel, Bd.III. p.553) beschriebenen lecator ani des Straufses. Denn seine Fasern setzen sich an die Seite und untere Fläehe des ersten Viertels der fibrösen Körper der Ruthe. Zu diesem Muskel treten Fasern von der innern Lage des obern Theils des Sphincter hinzu (c), die sich auch an der- selben Stelle der fibrösen Körper festsetzen. Die genannten Muskeln heben die Ruthe an ihrer Basis aufwärts und drücken sie, wenn sie zusammengelegt in ihrer häutigen Tasche am Rückentheil der Cloake war, heraus.

II. Rückzieher der Ruthe. Ich sehe zwei Muskeln auf jeder Seite, welche diese Bewegung ausführen können. Der eine {d) ist ein wal- zenförmiger Muskel, der von einem Theile des Beckens seinen Ursprung nehmen mufste, in vorliegendem Präparat mit seinem abgeschnittenen Ur-

männlichen Geschlechtsorgane hei d. strauf sartigen Vögeln u.s. w. 147

sprungsende durch Zellgewebe noch am vordem obern Rande des Sphincter anbängt. Die Ursprünge beider Muskeln könnten hier um 1-t- bis 2 Zoll von einander entfernt sein. Er steigt in den Ehnfang des Sphincter auf jeder Seite zur Ruthe hin, schlägt sich um die Seiten des Anfangstbeils der Ruthe herum und heftet sich vor der Insertion des Ruthenhebers an der untern Fläche seines fibrösen Körpers und in der untern Vertiefung zwischen beiden fibrösen Körpern fest. Diese Insertion geht bis zum Anfang des zweiten Drittheils der Ruthenlänge. Auf der rechten Seite geht dieser Muskel fast einen ganzen Zoll weiter an dem viel kleinern fibrösen Körper dieser Seite.

Ein anderer Rückzieher (e) liegt neben dem vorhergehenden, inner- halb des Sphincters neben der Cloake auf jeder Seite. Er ist platter und dünner, V '^oll breit. Wo er im Recken entspringt, weifs ich nicht zu sagen. Er schlägt sich neben dem vorhergehenden, durch das Rohr des Sphincters durchgehend, gegen die Seite der Ruthe und theilt sich in zwei Bündel. Das eine legt sich mit einer Biegung nach unten an das Muskel- fleisch des vorhergehenden Rückziehers und heftet sich (e), verbunden mit Fasern der tiefen Lage des sphincter ani, an der untern Fläche der Ruthe in der Rinne an. Einige Fasern gehen auch in den Seitentheil der Haut an der Wurzel des Penis. Das andere (e") geht schmal und bandförmig an der Seite seines fibrösen Körpers fort und heftet sich an der Seite seines fibrösen Kör- pers in der Gegend der Mitte der Ruthe an. Beide ziehen die Ruthe, das eine an ihrem hintern, das andere an ihrem vordem Theile zurück. Die Insertionsenden dieser Muskeln sind von der glatten Haut der Ruthe umhüllt.

Cuvier’s Beschreibung des Zurückziehens der Ruthe ist mir nicht recht klar geworden. Er sagt : dieser Muskel besteht aus zwei Bündeln, von denen das eine von der angegebenen Stelle (untere Fläche des ersten Drit- theils der Ruthe), das andere von dem Ruthenbehälter kommt. Beide ver- einigen sich auf ihrem Wege nach vorn und setzen sich hinter den Nieren an das Darmbein.

4. Cavernöses Venengewebe.

Das cavernöse Gewebe, welches auf der obern Fläche der Ruthe die Furche derselben auskleidet, geht als zwei Stränge von netzförmiger spon- giöser Substanz neben der Cloake innerhalb des Sphincters fort nach vor-

T 2

148 Müller über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

wärts, im vorliegenden Präparate über 2-^ Zoll weit bin, vielleicht noch weiter, denn hier war das spongiöse Gewebe an dem Präparate abgeschnitten. Das cavernöse Gewebe der Rnthenfurche hängt vorne mit demjenigen zu- sammen, welches von dem elastischen Körper eingeschlossen wird.

5. Haut der Ruthe.

Die Haut des Organs ist eine Fortsetzung der Schleimhaut der Cloake und hat viel mehr Ähnlichkeit mit einer Schleimhaut als mit dem Corium. An der Seite der Wiu’zel der Ruthe, wo diese mit der untern Wand der Cloake zusammenhängt, befindet sich ein Haufen Dx’üsenbälge der Haut, wie eine Tonsille.

Diese Beschreibung ist nach der Untersuchung der Ruthe des Straufses des anatomischen Museums zu Breslau, und mit Vergleichung des Exemplars des anatomischen Museums zu Halle aus der Meckelschen Sammlung ent- worfen. Bei dieser Gelegenheit spreche ich meinen Dank den Herren Otto und D’ Alton für ihre bereitwillige Unterstützung meiner Arbeit aus. .

II. Abschnitt.

Vom Bau der Ruthe bei den dreizehigen Straufsen mit ungeschlossenem Becken.

Die Ruthe der dreizehigen Straufse ist nach dem Typus der Enten und Gänse gebildet; ich fand diese Structur bei der Untersuchung der Rhea americana, hernach auch beim iieuholländischen Casuar, Rromaius novae Hollandiae und beim Indischen Casuar, bei welchem letztem schon Geoff- roy St. Hilaire den eingestülpten Theil der Ruthe im Allgemeinen ange- geben.

Rhea americana.

Wir unterscheiden einen festen und ausstülpbaren Theil der Ruthe.

I. Fester Theil der Ruthe.

1. Fibröser Körper der Ruthe. Tab. II. Flg. 1. E. E.

Dieser Körper liegt wie beim Straufs an der untern Wand der Cloake. Der ganze fibröse Körper ist platt, der Anfang breiter als das Ende. Seine Breite

männlichen Geschlechtsorgane bei d. siraufsarligen Vögeln u. s. w. 149

beträgt am innern Ende 10'", allmählig versebmälert er sich bis auf 6'". An seiner Basis ist der fibröse Körper auf eine Länge von i-~ Zoll einfach und ungetheilt, seine Hälften sind nur nach oben etwas gegen einander geneigt und hierdurch entsteht der Anfang der Rinne, auf welcher der Samen ab- fliefst. Durch die Theilung und Spiraldrehung des vordem Theils des fibrösen Körpers erhält diese Rinne nach vorn hin ebenfalls eine Drehung und beschreibt den Anfang einer Spirale. Nachdem der fibröse Körper in einer Länge von i-]r Zoll einfach war, theilt er sich und seine Theile schieben sich so über einander weg, dafs der rechte Theil von unten den linken deckt, ohngefähr so, wie wenn man zwei Finger schief über einander legt. Hier- durch entsteht an der untern sowohl als obern Fläche der fibrösen Körper in der Mitte eine Vertiefung, welche nicht gerade, sondern etwas gebogen von vorn nach hinten und der Seite verläuft. Auf diese Art kommt die eigen- thümliche Krümmung der Ruthe zu Stande, welche den ersten Anfang einer Spirale bildet, so dafs die obere Rinne, welche mit der Schleimhaut ausge- kleidet, zur Abführung des Samens dient, sich erst nach rechts, sofort gegen das Ende der Ruthe nach unten und links krümmt. Die Endtheile der fibrö- sen Körper sind auch ungleich lang und breit. Die rechte Hälfte verschmä- lert sich gegen das Ende immer mehr, bis sie spitz vor dem Ende der Ruthe endigt; die linke Hälfte geht über der verschmälerten rechten anfangs in gleicher Breite fort und verschmälert sich erst, nachdem die rechte aufgehört hat, worauf auch diese Hälfte spitz endigt. Beide Hälften des fibrösen Kör- pers sind übrigens in ihrer spiralförmigen Krümmung und relativen Lage durch fibröses Gewebe aneinander geheftet, übrigens sind die fibrösen Kör- per bei lihea americana noch fester als beim zweizehigen Straiifs und von Knorpelfestigkeit. Bei mikroskopischer Untersuchung zeigen sie sich, wie auch der fibröse Körper der Ruthe des Crocodils, nur aus Fasern gewebt, ohne die Knorpel -Körperchen der gewöhnlichen Knorpel, oder Zellen der Zellenknorpel (Ohrknorpel und Kehldeckel) ; ihr Gewebe scheint in eine Kategorie mit den wahren sehnigen Faserknorpeln zu gehören, zu welchen man heut zu Tage beim Menschen nur die Zwischengelenkknorpel und die Bandscheiben der Wirbelkörper zählen kann, Bildungen, die sich, vom wahren Knorpelgewebe entfernend, sämmtlich ganz nahe dem fibrösen Ge- webe anschliefsen und beim Kochen nicht Chondrin, wie die wahren Knor- pel, sondern Leim geben.

150 Mülle II über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

2. Cavernöses Gewebe des festen Tlieils der Ruthe. Tab. III. Flg. 1. g'.

Das cavernöse Gewebe bedeckt, wie beim Straufs, die obere Fläche der fibrösen Körper und kleidet die Rinne aus ; es besteht, wie beim Men- schen im Innern des corpus caceniosum ureihrae et penis, aus lauter zelligen Venenplexus. Diese beginnen schon zur Seite der Cloake, ohne von fibrö- sen Häuten und von mehr als verdichtetem Zellgewebe eingeschlossen zu sein.

3. Schleimhaut.

Die Schleimhaut der Cloake geht in die Schleimhaut über, welche die Ruthe bedeckt und die mit cavernösem Gewebe ausgepolsterte Rinne der Ruthe auskleidet. (Tab. III. Fig. 1. g").

An der obern Wand der Cloake erhebt sich ein häutiger Sack von 34- Zoll Länge, die Bursa Fahricii. (Tab. HI. Fig. 1. Bi). Ihr Übergang in die Cloake ist weit, jedoch nicht so weit als der Fundus des Sacks. Diese Ausmündung befindet sich über dem ersten Theile der Ruthe innerhalb des Schhefsmuskels des Afters, etwas weiter hinten als die Stellen, wo die Ure- teren (c) und Papillen der Samenleiter {d) ausmünden. Letztere befinden sich jederseits am Anfang der Ruthenfurche und wie die Öffnungen der Harnleiter hinter der Klappe zwischen Cloake {A”) und Mastdarm {A'). Diese Klappe läfst einen länglichen Schlitz zwischen Mastdarm und Cloake zu, von der Form wie der Eingang des Rachens beim Menschen, wenn sich die hinteren Gaumenbogen einander genähert haben. Beim zweizehigen Straufs ist die Öffnung zwischen Mastdarm und Uro-genital-Theil der Cloake mehr rundlich, wie Geoffroy St. Hilaire abgebildet hat.

Bis dahin scheint sich die Ruthe der Rhea americana nicht wesentlich von der des zweizehigen Straufses zu unterscheiden, als dafs die Ruthe der Rhea americana steifer ist und nicht umgeknickt werden kann, und dafs sie den dritten Körper nicht besitzt, der äufserlich aus elastischem Gewebe, in- wendig aus cavernösem Gewebe gebildet ist. Die Ruthe der Rhea zeigt da, wo beim Straufs der elastische, im Innern cavernöse Körper das glatte Ende derselben bildet, nur ein runzeliges Ansehen mit einer Vertiefung, in welche das Ende der Rinne sich einsenkt. Aber die Ruthe der Rhea americana kann durch Ausstülpung eines verborgenen Theils aus dieser Öffnung bis auf das Doppelte ihrer Länge vergröfsert werden.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. str aufs artigen V^ögeln u. s. w. 151 II. Aus stülpbarer Tbeil der Ruthe.

1. Rolirformiger Theil der Rutlie. Tab. II. N. M. O.

Man kann bei oberflächlicher Untersuchung diesen Theil der Ruthe ganz übersehen. In der That fand ich die vorhex’heschriebenen Theile der- selben an dem Prcäparate des anatomischen Museums hlofsgelegt, ohne dafs etwas von diesem zweiten Apparate sichtbar war, auf diesen wurde ich bei näherer üntei’suchung der Vertiefung am Ende der Ruthe aufmerksam. Diese führt nämlich in einen sehr langen Canal, der in allen Stücken dem ausstülpbaren Theil der Ruthe der Enten und Gänse gleicht. Der rührige Canal geht anfangs an der untern Wand der fibrösen Körper, zwischen die- sen und der äufsern Haut der Ruthe fort, als Einstülpung der äufsern Haut der Ruthe. Dann verläfst der rührige Canal die Ruthe (O) und liegt in vie- len Krümmungen von einem dichten, mit elastischen Fasern durchzogenen, Zellgewebe verhüllt an der untern Seite der Cloake zwischen dem Schliefs- muskel, der Ruthe und der Haut des Afters. Siehe Tab. II. Fig. 1., wo die Windungen des Canals von dem umliegenden Zellgewebe befreit dargestellt sind. Die Länge des Canals beträgt im ausgedehnten Zustande gegen 8-9 Zoll, die Breite, wenn er der Länge nach ausgedehnt ist, 3-4 Linien. Sein Ende (N) ist blind und an die untere Furche der fibrösen Körper (die obere Furche dient zur Ableitung des Samens) festgeheftet. Die Stelle dieser An- heftung befindet sich vor der Hälfte der Länge des festen Theils der Ruthe.

Die Schichten der Häute dieses Rohrs sind von aufsen nach innen folgende :

1) Eine äufsere elastische Schicht. Sie ist als eigene Haut an der innern Hälfte des Rohrs am stärksten. An der äufsern Hälfte des Rohi’s, die in das Ende der übrigen Ruthe übergeht, ist die äufserliche Haut des Rohrs mehr fibrös und das elastische Gewebe liegt hier als be- sonderer Strang an der Seite des Rohrs angewachsen.

2) Unter dieser liegt zwischen ihr und der innern Haut cavernöses Ge- webe, dessen Höhlungen sich aufblasen lassen. Dieses cavernöse Gewebe ist die Fortsetzung des cavernösen Gewebes, w'elches die Rinne des festen Theils der Ruthe auskleidet und kommt blofs an der äufsern Hälfte oder dem Endtheil des Robrs vor, fehlt dagegen an der andern Hälfte oder dem innern mit seinem blinden Ende an- gewachsenen Theil des Rohrs. Die Balken, welche das cavernöse

152 Müller über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

Gewebe bilden, besteben aus Bündeln paralleler, wellenförmig gebo- gener, nicht elastischer Fasern. Gegen die Sehleimhaut zu laufen diese Bündel mehr cirkelförmig, so dafs sie auf den ersten Blick eine eigene, an der Schleimhaut anliegende Cirkel-Faserschicht zu bilden scheinen. Ob diese Bündel conti’actil sind, ist unbekannt.

3) Die innere Haut des Rohrs ist eine Schleimhaut und die Fortsetzung der Haut des festen Theils der Ruthe, welche sich am Ende dersel- ben an der erwähnten Öffnung nach innen einstülpt. An der einen Seite der innern Fläche des Canals bildet die Schleimhaut zwei auf- rechtstehende Längsfalten, die eine Rinne zwischen sich haben. Diese Falten sind die Fortsetzung der Ränder der Ruthenfurche und ebenso ist die Rinne zwischen den zwei parallelen Falten im einge- stülpten Theil die Fortsetzung der Furche des festen Theils der Ruthe, die sich am Ende des letztem nach einwärts in den Canal begiebt. Die Säume clerEurche sind so gestaltet, dafs wenn sie sich aneinander legen, sie einen ganzen Canal bilden. Die Wände dieser Säume enthalten im Innern auch cavernöses Gewebe. Die beiden Falten und die Rinne im eingestülpten Theil der Ruthe befinden sich blofs in derjenigen Hälfte dieses Rohrs , welche mit dem Ende des festen Theils der Ruthe zusammenhängt. Die ganze andere Hälfte des Rohrs, deren blindes Ende an der untern Seite der fibrö- sen Körper angeheftet ist, enthält keine Spur davon. Vielmehr zeigt die Schleimhaut in diesem Theil des Rohrs nur kleine Querrunzeln. In Tab. III. Fig. 3. sieht man die innere Fläche desjenigen Theils des Rohrs abgebildet, wo beide Hälften aneinander grenzen. So weit als die Falten und die Rinne reichen, so weit kommen auch nur die cavernöse Schicht und ihre Faserbündel vor. Vom Ende der Rinne an bis an das blinde, angewachsene Ende des Rohrs haben daher die Wände des Rohrs eine ganz andere Beschaffenheit, indem die elasti- sche Schicht als eigene Haut das ganze Rohr umgiebt und dicht an der Schleimhaut anliegt.

Zieht man an der Öffnung, am Ende des festen Theils der Ruthe, die sich hier einstülpende Haut an, so kann man nach und nach die ganze Hälfte des Rohrs wie den Finger eines Handschuhs, der vorher eingestülpt worden, ausziehen, und die Ruthe verlängert sich dadurch bis auf das Doppelte des

männlichen Geschlechtsorgane hei d. strauf s artigen Vögeln u.s. w. 153

festen Theils derselben oder wächst um die Hälfte der Länge des eingestülpten Rohrs. (S. Tab. II, Fig.‘i.) Da das innere blinde Ende des Rohrs angeheftet ist, so kann es sich nur zur Hälfte umstülpen, wobei die innere Hälfte in die äufsere Hälfte hineintritt. Bei dieser Ausstülpung wird die äufsere Fläche des eingestülpten Rohrs zur inneren, die innere zur äufsern. Die Ansicht Tab. II. Fig. 2. gleicht in allen Verhältnissen derjenigen von Fig. 1., nur dafs in ersterer das Rohr ausgestülpt ist. iE ist in beiden Abbildungen das angewachsene blinde Ende des Rohrs, F ist in beiden Figuren das Ende des festen Theils der Ruthe ; jfund cf) sind in beiden Figuren die Ränder der Ruthenfurche am festen Theil derselben. Man sieht, wie nach der Ausstülpung diese Ränder sich in die Ränder der nun äufserlich gewordenen Rinne des ausgestülpten Theils ver- längern. Da nun die Wände des Rohrs cavernös sind, so mufs dieser ausge- stülpte Theil der Ruthe auch steif werden können, mag er nun vor dem Einbringen der Ruthe in die Cloake des Weibchens schon heraustreten oder nach der Immission des festen Theils erst in der Cloake sich bis in den Eier- leiter entwickeln. Da ferner die Säume der Rinne wie die Wände der Rinne des festen Theiles cavernöses Gewebe enthalten, so werden sich vielleicht diese Säume durch Aneinanderlegen ihrer Ränder zu einem Canal schliefsen, durch den der Samen auf der Oberfläche des ausgestülpten Theils abfliefsen kann. Wenn diefs aber auch nicht möglich sein sollte, so müssen sich jeden- falls die Säume durch Anfüllung des cavernösen Gewebes mit Blut aufstellen, und wenn dann die Ruthe in die weiblichen Geschlechtstheile eindringt, so müssen die Wände derselben dasjenige ersetzen, was an dem Halbcanal des ausgestülpten Theils zur Bildung eines ganzen Canals fehlt. Der hintex’e Theil des Rohrs, welcher blind endigt und nicht ausgestülpt werden kann, weil er befestigt ist, hat wahrscheinlich die Bestimmung der Schleimabson- derung ; indem er das vordere Stück des auszustülpenden Rohrs mit Schleim befeuchtet, dient er zur Ei-leichterung des Austritts und der Umwendung.

2. Elastisches Gewebe.

Die Art, wie der ausgestülpte Theil der Ruthe zurückgezogen wird, ist sehr eigenthümlich. Es befindet sich nämlich an diesem Rohr ein sehr starkes gelbes elastisches Band von der gewöhnlichen Formation des elasti- schen Gewebes. Dieses Band entspringt an der untern Fläche des fibrösen Ruthenkörpers in der Mitte einer sich hier befindenden Rinne, die von der Phjsilcal. Ahhandl. 1836. U

154 Müller iiber zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

tlieilweisen Deckung der beiden Hälften des vordem Tbeils des fibrösen Körpers herrührt. Von dieser Stelle aus werfen sich vielfach verflochtene Bündel von elastischem Gewebe, zu einem bandförmigen Sti’ange verbunden, auf die äufsere Oberfläche der auszustülpenden Hälfte des Pvohrs und breiten sich an der einen Seite des Rohrs bis so Aveit aus, als das Rohr ausgestülpt Averden kann. Siehe Taf. IH. Fig. 2. X. Von derselben ürsprungsstelle an der untern Fläche des fibrösen Ruthenstücks geht ein anderes Fascikel von elastischen Fasern auf den innern, nicht auszustülpenden Theil des Rohrs, welches beim Ausstülpen des erstem nur innerhalb desselben liegt. Dieser Theil des Rohrs ist auf seiner äufsern Fläche von einer ganzen Schichte netz- förmig diirchflochtener elastischer Faserbündelchen bedeckt. Bei den übri- gen dreizehigen Straufsen verhält sich das elastische Gewebe ein wenig ver- schieden. Es wirft sich auf die ganze Oberfläche des Schlauches, füllt aber auch den ganzen Zwischenraum der Schlinge des eingestülpten Schlauchs als eine fibröse Platte aus. So verhält es sich beim neuholländischen Casuar Dromaius nocae Jlollandiae und indischen Casuar, Casuarius Indiens. Eine Abbildung der ganzen fibrösen Platte vom neuholländischen Casuar s. Tab.I. Fig. 2. Die Elasticität dieses Gewebes ist so stark, wie die von Kautschuck und ganz ei’halten, obgleich die Theile schon viele Jahre in Weingeist bewahrt sind: Der Zweck des elastischen Gewebes an dem auszustülpenden Rohr ist, die- ses zurückzuziehen oder einzustülpen, sobald die Ursachen der Erection auf- gehört. Diefs geschieht indefs nicht sehr schnell, Avie man von Enten und Gänsen nach der Begattung Aveifs, bei denen der merkwürdige Apparat noch einige Zeit ausAvendig hängen bleibt (‘). Die Anfülhmg der Theile von Blut innerhalb des cavernösen Gewebes mufs am meisten diese Reduction ver- hindern.

III. Muskeln der Ruthe.

Wir beschliefsen diese Beschreibung mit den Muskeln der Ruthe.

1. Der Vorzieher der Ruthe (Tab. II. Fig. 1. K) ist zugleich He- ber derselben. Dieser Muskel geht von der innern Schichte des gewaltigen spliincter ani an dem obern Seitentheil des Sphincters ab, und begiebt sich

(') Harvey a. a. O.; In nigra anale penem tantae longiludinis vidi, ut absoluta coitu, liumi pendentem insec/uens gallina avide eum (Jumbricum credo, arbitrato) mordicaret ; faceretque illius citius solito relraclionem.

vümnlichen Geschlechlso/'gane hei d. straufsartigen T ögeln u. s. w. 155

abwärts gegen die untere Seite und den Seitenrand des Basilarstücks des Kör- pers der Ruthe. Er zieht die Pvuthe nicht blofs hervor, sondern hebt auch ihre Basis gegen die Dorsalwand der Cloake, wodurch das Ende der an der untern Wand der Cloake und an dem Sphincter ansitzenden Ruthe die Di- rection nach vorwärts erhält, während die Ruthe in der Ruhe nach rückwärts abwärts sieht.

2. Zurückzieher der Ruthe (Tab. II. III. Zv). Er liegt zu jeder Seite der Cloake zwischen ihr und dem Sphincter und scheint von festen Theilen zu entspringen; an unserm Präparat ist sein Ursprung abgeschnitten. Er geht innerhalb des Sphincters als walzenförmiges starkes JMuskelbündel nach rückwärts abwärts, kommt zwischen Vorzieher der Ruthe (/C) und dem fibrösen Körper derselben an der untern Fläche des letztem zum Vorschein und convergirt jetzt mit dem der andern Seite (Tab. II. Fig. 1. LG). Beide setzen sich an der untern Fläche des fibrösen Körpers dicht neben einander in der Rinne fest, welche durch das Übereinanderschieben der vorderen Hälften des fibrösen Körpers entsteht. Diese Insertion befindet sich dicht vor der Insertion des blinden Endes vom ausstülpbaren Rohr und vor dem Ursprung des elastischen Stranges. Das Präparat zu dieser Beschreibung befindet sich im Königlichen anatomischen Museum zu Berlin.

Dromaius novae Hollaudiae.

Beim neuholländischen Casuar, Dromaius novae Ilollandiae, verhalten sich alle Theile wesentlich wie bei lihca americana; auch er besitzt einen ausstülpbaren Theil der Puithe. Ich habe die Genitalien dieses Thiers durch die Gefälligkeit des Ilrii. Geheimen Medicinalrath Prof. Otto in Breslau untersuchen können. Eine weitläufige Beschreibung scheint unnöthig und glaube ich auf die Abbildung verweisen zu können, die dieser Abhandlung beigefügt ist. Das elastische Gewebe wirft sich von seiner Befestigung am fibrösen Körper auf den ganzen eingestülpten Theil der Ruthe, überzieht das ganze Rohr von aufsen und füllt den Raum innerhalb der Schlinge dieses eingestülpten Schlauches plattenartig ganz aus. Der eingestülpte Theil ist verhältnifsmäfsig kleiner als bei liliea americana^ auch die fibrösen Körper viel kürzer. Siehe Tab. I. Fig. 2.

156 Müller über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

Casuarius indicus.

Nacli Cu vier sollte sich der Casuar im Bau der Ruthe wie der Straufs verhalten. Schon aus der Beschreibung von Geoffroj St. Hilaire ergiebt sich, dafs sich die Ruthe des Casuars nicht so, sondern wie bei Rhea ver- halten müsse. Er sagt : II se compose dun fourreau memhraneux dont la pointe est attachee ä la base. Tour Vallonger on est donc oblige d en tirer ä soi les par'ois interieures., comme on feroit ä Vegard d un doigt de gand re- tourne; on reuissit plus ou inoins ä Vallonger, ce que ne peut etre execute tres- efßcacement que par Verection vitale. In der Meckelschen, jetzt Königlichen Sammlung zu Halle habe ich kürzlich die Ruthe des Casuars selbst unter- suchen können. Die fibrösen Körper sind wie bei Rhea gebildet, der ein- gestülpte Schlauch lang und gewunden. Das elastische Gewebe füllt den ganzen Zwischenraum der Schlinge plattenartig aus.

Eine vollständige Bursa Fabricii ist beim neuholländischen und indi- schen Casuar nicht so wie bei Rhea americana vorhanden, sondern der grofse Beutel der letztem auf eine kleine Tasche reducirt, welche den Übergang zu der Penis -Tasche des Straufses macht. Da die straufsartigen Vögel eine besondere cavitas uro-genitalis besitzen, welche durch einen Sphincter von dem Mastdarm getrennt ist, aber aus dem Mastdarm die Excremente aufnimmt, und da ferner Rhea americana zugleich noch eine sehr entwickelte Buj'sa Fabricii besitzt, so ist hierdurch und besonders durch die Coexistenz beider bei der Rhea americana der Beweis geliefert, dafs die Bursa Fabricii der Vögel durchaus nicht der ürinblase anderer Thiere zu vergleichen ist. In Hinsicht des Baues der Cloake der straufsartigen Vögel und ihres Verhältnifses zum Mastdarm mufs ich auf die treffliche Abhandlung von Geoffroy St. Hilaire und die lehrreichen dazu gehörigen Abbildungen verweisen. Den Namen Harnblase verdient übrigens die erwähnte Abtheilung der Cloake nicht. Es ist vielmehr gemeinsame Höhle für die Harn- und Geschlechtstheile, indem sich Ureteren und Samenleiter darin öffnen.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. str aufsartigen Kögeln u. s. 157

III. Abschnitt.

Von der Clitoris der straufsartigen Vögel.

Die Clitoris der straufsartigen Vögel scheint nach demselben Plan wie die Ruthe dei’selben gebildet. Perrault (‘ ) erwähnte sie zuerst vom Straufs, Geoffroy St. Hilaire hat ebenfalls diejenige des afrikanischen Straufses beschrieben und abgebildet. Er sagt: Dans la femelle les choses sont dis- posees de meme, saufle volume desparties et tous les inconvcniens ou avantages qui resultent de cette circonstance. La hase du clitoris repose sur une tres large masse formee par un semblahle tissu ßbro-vasculaire. An den Geni- talien des weiblichen Sti-aufses der Meckelschen Sammlung hatte dieser dem Penis des Straufses im Allgemeinen ähnliche Körper eine Länge von 8"', an der Basis eine Breite von 4", am abgerundeten Ende eine Breite von 2'". Dieser Körper ist platt und hat auf seiner Oberfläche eine Rinne, wie der Penis des Straufses. Die Basis sitzt auf der vordem oder untern Wand der Cloake auf, mehr als einen Zoll vom Rande der äufsern Öffnung entfernt. Die drei fibrösen Körper der Ruthe des Straufses konnte ich an diesem plat- ten weichen Körper nicht unterscheiden, doch fühlte ich undeutlich auf der linken Seite einen festem Faden, das Analogon des linken stärkern fibrösen Körpers der Ruthe des Sti'aufses. Siehe Taf. I. Fig. 3.

Die Clitoris des indisehen Casuars, welche ich ebenfalls Gelegenheit hatte, in der Meckelschen Sammlung zu untersuchen, sitzt an derselben Stelle. Sie ist cylindrisch, nicht platt wie beim Straufs, 6"' lang und Vf” breit. Auf ihrer Oberfläche läuft eine deutliche Rinne mit zwei häutigen, sie begrenzen- den Wällen oder Kämmen. Aber am Ende der Clitoris befindet sich eine Öffnung wie an der Ruthe der dreizehigen Straufse. Ich führte eine zarte Borste ein, welche ich einige Linien, bis fast an die Basis der Ruthe fortschie- ben konnte. Dieser Weg scheint nicht künstlich zu sein. Indefs ist jedenfalls kein längerer gewundener Canal zum Ausstülpen, wie er bei den Männchen vorkommt, vorhanden. Die ganze Clitoris ist von einer Fortsetzung der Haut der Cloake überzogen, und diese bildet an der vordem Hälfte derselben kleine Querfältchen. Siehe die Abbildung Taf. I. Fig. 4.

(') Mern. pour servir ä Vhist. nat. des animaux. Paris 1671. III. p. 175.

158 Mülle R über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

, Wahx’scheinlicli ist die Clitoris der straufsartigen Vögel und die ähn- liche Clitoris der Enten und Gänse hlofs Wollustorgan, wie auch bei den Säugethieren. Die Erections-I ähiglceit dieses Theiles hat man zu allgemein angenommen. Gerade bei denjenigen Säugethieren, wo die Clitoris am meisten entwickelt ist, wie bei den Affen der Gattung Ateles , wo sie die Länge des Penis fast übertrifft, ermangelt sie ganz des erectilen Gewebesi Ich sah in den corpora cavernosg. der Clitoris der Ateles, die, von der behaarten Haut überzogen, an ihrer untern Fläche eine von Schleimhaut bedeckte Furche zeigt, und eine sehr ansehnliche Vorhaut ihrer Eichel hat, nur dichtes Fett. Gleichwohl waren die nervi dorsales penis hier sehr an- sehnlich, weil der Wollust bestimmt. Bei Ateles hyhi'idus war diefs Organ 3-i- Zoll lang, 6 Linien breit. Beim Menschen sah ich zwar im Innern der Corpora cavernosa clitoridis venöses Maschengewebe. Indefs ist auch hier die Erections- Fähigkeit der Clitoris bei noianalen Individuen nicht constatirt und jedenfalls kein constantes Phaenomen (^).

IV, Abschnitt.

Von den Veränderungen im Bau der Ruthe in den verschiedenen

Familien der Vögel.

Barkow machte bereits einen Versuch einer Deutung der versehie- denen Grade der Ausbildung der Ruthe bei den Vögeln. Er unterscheidet drei Grade, nämlich :

1) Ein starker kegelförmiger, vorspringender, Zellkörper enthaltender Theil, wie beim Straufs und Casuar. Obgleich die Ruthe des Sti’aufses eine eigenthümliche Form bildet, so gehört doch nicht der Casuar dahin, sondern, wie gezeigt worden, in eine Kategorie mit den Enten und Gänsen ; dann ist zu bemerken, dafs diejenigen Theile des Straufspenis, welche den corpora cavernosa der Säugethiere entsprechen, wenigstens kein cavernöses Gewebe enthalten, so dafs letzteres blofs auf die dem gespaltenen corpus cavemosurn urethrae des Säugethier -Foetus zu vex'gleichende Rinne und auf den der (*)

(*) Siehe über die Clitoris der Ateles die Dissertation von Fugger de singulari clitoridis in simiis generis Atelis magnitudine. Berol. 1835. 4.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. straufsartigen Vögeln u. s. W’. 159

Eichel zu vergleichenden dritten elastischen Körper der Ruthe des Straufse^ reducirt ist. 5

2) Die zweite Form, welche Barkow’unterscheidet, ist die, wo der Penis aus drei Theilen besteht, nämlich aus einem dem Urethi’altheil der Säugethiere entsprechenden und zwei Zellkörpern, wie hei der Gans und der Ente. Findet sich schon heim Straufs ein dem Grethraltheil der Ruthe der Säugethiere vergleichbarer Theil, nämlich die mit cavernösem Gewebe ge- polsterte Rinne, so glaube ich nicht, dafs man den schlauchförmigen Theil der Enten und Gänse einfach dem Urethraitheil des Penis der Säugethiere vergleichen kann. Der Penis jener Thiere, mit welchem die Ruthe der dreizehigen Straufse im wesentlichen ganz übereinkommt, hat einige Theile der Ruthe des afrikanischen Straufses, aber noch einige Theile mehr, wovon Struthio camelus keine Spur hat. Gemein mit dem Straufs hat er den festen, nicht ausstiilpbaren Theil der Ruthe von ßbrösem Gewebe mit der dem ürethraltheile der Ruthe der Säugethiere entsprechenden Rinne. Dazu kommt nun bei den dreizehigen Straufsen, den Enten und Gänsen der aus- stülpbare hohle Theil der Ruthe. In diesem eingestülpteii Theil, nämlich auf seiner innern Wand, liegt allerdings die Fortsetzung der Rinne; aber dieses schlauchartige, am Ende blindgeendigte Organ kann unmöglich mit der Harnröhre verglichen werden, deren Analogon die offene Rinne des- jenigen Stücks des Penis ist, welches die Enten, Gänse und die dreizehigen Straufse mit dem zweizehigen Straufs gemein haben.

Auch in Hinsicht dessen, was Barkow die Zellkörper der Ruthe nennt, weiche ich von diesem hochgeschätzten Anatomen ab. Barkow meint darunter die von ihm beschriebenen Wundernetze oder Tannen- berg’s gefäfsi’eichen Körper an der Basis der Puithe der Enten und Gänse oder richtiger, wie Barkow selbst angiebt, hinter den Papillen der Samen- gänge. Ich finde diesen Körper bei den Enten und Gänsen zwar ganz unge- mein gefäfsreich, aber die Gefäfse haben in ihnen die gewöhnliche feine Ver- theilung. Die eigentliche spongiöse Substanz, nämlich ganz dasselbe venöse Zellengewebe, wie bei den Säugethieren im corjms cacernosum penis et urethrae, liegt bei den straufsartigen Thieren (mit oder ohne entenartigen Anhang des Penis) in den Wänden der Rinne der Ruthe als Analogon des Corpus cacernosum urethrae. Da nun die fibrösen Körper der Ruthe der straufsartigen Vögel, welche den corpora cacernosa penis der Säugethiere

160 Müller über zwei verschiedene Tjpen in dem Bau der erectilen

entsprechen, durchaus solid sind, so fehlt hier das spongiöse Gewebe der Corpora cacernosa penis überhaupt und ist an keiner andern Stelle zu suchen. Die gefäfsreichen Körper, welche Tannenberg und Barkow beschrieben haben, haben durchaus keine spongiöse zellige Beschaffenheit, und scheinen mir eine den Vögeln eigenthüinliche Bildung zu sein, die, wie man aus feinen Injectionen hei Gänsen sieht, zwar sehr blutreich sein mufs, aber doch keiner eigentlichen Erection und Steifigkeit fähig sein kann.

3) Die dritte Form der Begattungsorgane bei den männlichen Vögeln, welche Barkow unterscheidet, ist die einfachste, wo nur die gefäfsreichen Körper vorhanden sind, wie heim Haushahne. Hier fehle das demUrethral- theil der Säugethiere entsprechende Stück der Ruthe. Nach unserer Ansicht fehlt hier sowohl das corpus cac>ernosum penis als das corpus cavernosum urethrae, und es sind die Begattungsorgane auf die Gefäfskörper an den Pa- pillen der Samengänge, die den Vögeln eigenthümlich sind, und auf diese Papillen selbst reducirt. Ich unterscheide für jetzt folgende Variationen in der Bildung der männlichen Begattungsorgane der Vögel.

1) Zwei fibröse solide Körper, mit einer dem gespaltenen corpus caver- nosum urethrae des Säugethier-Foetus zu vergleichenden, mit caver- nösem Gewebe ausgekleideten Rinne. Ein dritter elastischer, im Innern cavernöser Körper, welcher an der der Rinne entgegenge- setzten Seite des Penis liegt, und das der Eichel zu vergleichende Ende der Ruthe bildet. Der elastische Körper krümmt die Ruthe im Zustande der Erschlaffung und sie wird im geknickten Zustande eingezogen. Die Anfüllung des cavernösen Gewebes im Innern des elastischen Körpers streckt die Ruthe bei der Erection und hält dem elastischen Gewebe das Gleichgewicht.

Hierher gehört allein der zweizehige Straufs, Struthio camelus.

2) Zwei fibröse, mehr oder weniger entwickelte Körper, mit einer dem gespaltenen corpus cavernosum des Säugethier-Foetus zu verglei- chenden, mit cavernösem Gewebe ausgekleideten Rinne. Keine Eichel. Dagegen setzt sich das Ende der Ruthe in einen eingestülp- ten schlauchförmigen, zuletzt blinden Theil fort, welcher auch eine Fortsetzung der Rinne enthält und zur Hälfte ausgestülpt werden kann. Ein elastisches Band zieht diesen Schlauch, wenn er sich aus- gestülpt hat, wieder ein.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. straufsartigen Vögeln u. s. w. 161

Hierher gehören, so yiel ich bis jetzt habe ermitteln können, blofs die dreizehigen Straufse unter den Grallen, und die Enten und Gänse unter den Palmipeden. Nach einer Angabe von Perrault (*) würde auch der Storch (der weifse) hierher gehören, dessen Ruthe nach ihm wie bei den Gänsen sein soll. Indefs mufs hier ein Irrthum obwalten. Denn bei Untersuchung eines frischen männlichen schwarzen Storchs, Ciconia nigra, fand ich von dieser Bildung nichts, sondern nur eine undeutliche Spur der kleinen zun- genförmigen Warze, die man bei mehreren Stelzenläufern an der untern Wand der Cloake antrifft.

Der ausstülpbare blindsackige Theil der Ruthe kann einigermafsen einer weitern Entwickelung der Vorhaut verglichen werden.

3) Zungenförmiges Rudiment der Ruthe, bald mit, bald ohne deutliche Rinne.

Hierher gehören mehrere Stelzenläufer. Perrault (^) sagt von der Trappe Otis tarda: an dem obeni Rand des Afters fand sich ein kleiner Anhang, welcher anstatt der Ruthe diente. Am obern Pvande des Afters kann indefs die Ruthe nicht sitzen, und es ist die untere Wand der Cloake mit der obern verwechselt. Ich sehe in der That an einer Cirkelfalte im Innern der Cloake und zwar an ihrem untern Theile einen schwachen lip- penartigen Vorsprung, ohne deutliche Rinne, welche vielleicht durch die Muskelcontraction des Sphincters erst entsteht. Ebenso finde ich es bei Ardea stellaris , bei Ciconia nigra, Phoenicopter'us ruber. Deutlicher sah ich die kleine zungenförmige Ruthe, nach Art der Lefze des Kehldeckels bei Platalea Leucorodia.

Unter den hühnerartigen Vögeln gehören hierher die Gattungen Crax, Penelope, Crypturus. Perrault (^) sagt vom indianischen Hahn : Die Ruthe lag an dem unterm Theile des Steifses, welcher dem Bürzel oder der Schwanz- spitze gegenüber war. Ihre Gestalt war pyramidenförmig und sie hatte vier Linien in der Länge und an ihrer Grundfläche drei Linien in der Breite. Sie bestand aus zween harten Körpern, die mit einigen schwammigen Häut- chen bekleidet waren, welche die höhlichteii Körper machten. Von Pene-

(’ ) Perrault a. a. O. II. Bd. p. 249. C) Ebend. II. Bd. p. 57.

(^) Ebend. I. p. 266.

Physikal. Abhandl. 1836.

X

162 Mülleb über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

lope cristata sagt Owen (^) the Guan presenis a singulär exception to the other Rasorial Birds in liaving a single linguiform pointed penis deceloped, the sides of which are procided with retroverted papillae, as in the Ans er ine Birds.

Bei Crypturus ist die Ruthe von Nitzsch entdeckt, welcher die Ge- fälligkeit hatte, mir bei meiner Anwesenheit in Halle eine Mittheilung dar- über zu machen und mir die Bildung vorzeigte, wovon ich die anf Taf, I. Fig. 5. 6. enthaltenen Zeichnungen entwarf. Die Ruthe ist auch zungen- föx’mig wie die Lefze des Kehldeckels, hat aber auf ihrer ohern Fläche eine Rinne, welche ziemlich lang ist, und schon an der Basis der Ruthe, wo diese sich noch nicht frei über die Haut der Cloake erhebt, deutlich ist, indem sie zwischen zwei zarten Hautwällen eingeschlossen ist. Gegen das freie Ende der Ruthe verflacht sich diese Rinne.

Unter den Passeres ist bis jetzt keine Wiederholung einer eigentlichen Ruthe bekannt geworden, mit einziger Ausnahme der Gattung Alecto Less., Textor Temm, Prof. Nitzsch hat mich in dieser Hinsicht auf eine Bemer- kung von Lesson (^) aufmei’ksam gemacht. Dieser sagt nämlich Alecto. Le male de la seule expece de ce genre offre la particularite tres remarquable d'acoir une verge longue de quatre ä six lignes et de V introduire dans le clo- aque de la fenielle. II y a donc chez V Alecto plus que simple contact dans Xacte de la fecondation? Gelte verge est tjxs apparente dans les peaux, mais surtout tres visible chez les indiridus vivans. Ich stelle Alecto vorläufig in diese Reihe , obgleich weitere Untersuchungen uns erst über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Stellung belehren müssen.

Die grofsen Raubvögel sollen nach Cuvier höchstens nur eine Warze an der untern Fläche der Cloake haben. Ich fand in mehreren Fällen selbst diese nicht.

4) Mangel einer eigentlichen Ruthe bis auf die gefäfsreichen Körper an der Basis der Samenpapillen. Diese gefäfsreichen Körper sind selbst wieder sehr verschieden ausgehildet, wie aus Barkow’s Unter- suchungen hervorgeht.

Ein vollständiger Mangel einer eigentlichen Ruthe scheint sowohl bei einzelnen Stelzenläufern, als bei der Mehrzahl der hühnerartigen Vögel, der Passerinen, der Scansores und mehrerer Palmipeden stattzufinden.

(') a. a. O. (^) Lesson traile d’omiihologie. Paris 1831. p. 433.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. str aufsartigen T^ögeln u. s. w. 163

Unter den Grallen vermifste Owen (^) die Rutlie ganz bei Gallinula. Bei den hühnerartigen Yögeln und Passerinen fehlt sie bekanntlich in der Regel. Unter den Pahnipeden vermifste ich sie ganz bei Pelecanus Ono- crotalus.

V. Abschnitt.

Von der Analogie der Ruthe der Säugetliiere, Yogel und Amphibien.

Die merkwürdigen Formen der Begattimgsorgane bei den Vögeln sind keine isolirte Bildung. Ein Theil derselben findet sein Analogon im Foetus- zustande der Säugethiere. Ein anderer Theil derselben findet sich wieder bei einigen Amphibien vor, während er bei den Säugethieren nicht vorkommt. Und dieser Theil, nämlich der ausstülpbare Theil der Puithe, leidet er bei den Amphibien wichtige Veränderungen, welche für die Deutung der zum Plan der erectilen Apparate der Wirbelthiere gehörigen Organe von der gröfsten Wichtigkeit sind.

Bei den Amphibien kann man folgende Verschiedenheiten in Hinsicht der Gegenwart und der Entwickelung der erectilen männlichen Geschlechts- organe unterscheiden.

1) Vollständiger Mangel der Ruthe, bei Mangel einer Immission des Samens in die weiblichen Organe und bei Befruchtung der Eier aufser dem weiblichen Körper.

Hierher gehören alle nackten Amphibien mit Metamorphose (^). (*)

(*) In the Gallinula , which seeks ils fand in water, liiere is nn penis. Its tlicrefore rnost prohahly copulales on land. Todd the cjclnpaedia of anatornj and phjsiologj. Aves. p. 355.

(d) Was die von Nitzscli, Fitziiiger, Mayer für den Penis der Coecilien angesproche- nen Tlieile betrifft, so ist ihre Deutung zweifelhaft. Nitzsch sah nur einen unpaaren ausge- tretenen Penis. Mayer beschreibt die Theile folgendermafsen : ,,Ganz am Ende des Unter- leibes neben dem Mastdarm oder am Ende des Darmkanals liegen zwei dem Penis der Schlan- gen analoge Körper. Sie sind 2-3 Linien lang, dünn, conisch, sich nach vorwärts zuspitzend, nach dem After hin breiter oder dicker werdend. Sie liegen innerhalb der Bauchhöhle, wohl weil äufserlich am After kein Schwanzende vorhanden ist.” Mayer 51. Die Lage

dieser Körper ist ganz verschieden von derjenigen der Ruthen der Schlangen, letztere liegen hinter dem After am Schwänze. Bel den Tjphlops, wo auch kein Schwanz, liegen doch die

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164 Müller über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

2) Einfache Ruthe, bestehend aus einem fibrösen Körper mit Rinne^ die mit cavernösem Gewebe ausgekleidet ist, Eichel mehr oder weniger cavernös, ohne elastischen Körper.

Hierher gehört die Ruthe der Schildkröten und Crocodile. Es ist hier nicht meine Absicht, eine Beschreibung der Ruthe dieser Thiere zu geben. Ich erinnere nur in der Kürze, um Vergleichungspunkte mit den Vögeln zu erhalten, an die wesentlichsten Formenverhältnisse. Die Ruthe der Riesen- schildkröte besteht aus zwei dicken fibrösen Platten, welche mit ihren innern Rändern in der Mitte aneinander liegen, mit ihren äiifsern Rändern sich nach oben und innen umbiegen, vorn aber platt w'erden und sich in der Spitze der Ruthe innig vereinigen. (Taf.III. Fig.5. Querdurchschnitt, a « fibröse Körper.) Das Innere der fibrösen Körper besteht aus lauter sehnigen Fasern, die sehr dicht sind, fast wie im Penis der reifsenden Thiere und der Wiederkäuer. Diese Faserbündel gehen von einer zur andern Fläche, meist von oben nach unten gerade durch, und obgleich sie viel weicher sind, als im Penis der Säugethiere, stehen sie doch so dicht, dafs sehr wenig Raum für cavernöses Gewebe im Innern der fibrösen Körper übrig bleibt, welches hier so gut wie im Innern der fibrösen Körper der Vogelruthe zu fehlen scheint. Die Primitiv -Fasern dieser fibrösen Bündelchen sind sehr regelmäfsig alternirend hin und her gewunden. Deutliches, venöse Höhlungen bildendes cavernöses Gewebe kleidet den Anfangstheil der Rinne {e) aus an der obern Fläche des Penis, dessen Rinne hier wie am Straufs- Penis, ein gespaltenes corpus caverno- sum urethrae darstellt. Die Eichel besteht ganz aus cavernösem Gewebe. Auf der Oberfläche des Anfangstheils der fibrösen Körper liegt auch caver- nöses Gewebe. Das erstere und letztere wird nicht durch fortgesetztes cavernöses Gewebe verbunden, sondern an jeder Seite der Penisfurche liegt ein starker venöser Canal, von der Stärke des Kiels einer Schreibfeder {h). Dieser Canal verbindet das cavernöse Gewebe auf dem innern Anfangstheil der fibrösen Körper mit demjenigen der Eichel. Der venöse Leiter liegt in der seitlichen Bucht der mit ihrem äufsern Rande sich nach oben und innen umbiegenden fibrösen Körper. Aus diesem Canal gehen kleine Venen in die

Pcnes, wie bei allen wahren Schlangen, hinter dem After. S. Müller in Tied. Zeitsch. IV. 2. Taf.xxi. Fig. 17. Nach Bischoff’s Untersuchungen haben die Coecilien keine Ruthe. Siehe den Nachtrag. Späterer Zusatz.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. str auf sar Ligen Vögeln u. s. w. 165

fibrösen Körper, andere stärkere in ein Netzwerk von Venen unter der Schleimhaut der Rinne. Am Boden des venösen Canals liegt die arleria penis, welche sich dann sowohl in die fibrösen Körper als in das spongiöse Gewebe verbreitet.

Den genannten venösen Canal zu jeder Seite der Rinne des Penis, in der Excavation des fibrösen Körpers, darf man nicht mit dem von Cuvier, Martin St. Ange und Mayer beschi’iebenen Peritonealcanal (c) verwech- seln, welcher sich, an der obern Seite des venösen Canals gelegen, bis gegen die Eichel hin fortsetzt und hier blind endigt.

An der untern Seite des Anfangstheils der Ruthe befindet sich in der Mittellinie der fibrösen Körper ein Fascikel von elastischen Fasern.

Beim Crocodil sind die fibrösen Körper viel fester, ohne Spur von cavernösem Gewebe ; sie sind nur hinten von einander getrennt, im gi’öfs- ten Theile der Ruthe sind sie untereinander verschmolzen, während oben zwischen beiden die Rinne verläuft. Vorn enden sie al)gerundet platt und bilden den untern Theil des Endes der Ruthe. Hinten, wo sie ausein- ander weichen, ist ihre Oberfläche ausgehöhlt und hier liegt ein starker venöser Plexus, wovon Zweige, ohne dichtes cavernöses Gewebe zu bilden, an der Seite der Penisfurche sich fortsetzen und vorn in das cavernöse Gewebe der Eichel übergehen. Die Eichel ist trichterförmig, so dafs die Aushöhlung des Trichters am Ende der Ruthe ist. Die Penisfurche öffnet sich aber nicht in der Spitze des Trichters, sondern setzt sich an der obern Wand des Trichters, zwischen zwei starken wulstigen Säumen fort, so dafs der Halbcanal über das Ende der obern Wand des Trichters noch einige Linien weit, wie eine vorspringende Dachrinne vorragt. Der Trichter besteht grofsentheils aus faserigem Gewebe, die wulstigen Säume der Rinne über dem Trichter sind faserig cavernös; wenn diese anschwcllen, kann sich vielleicht die Rinne zum ganzen Canal schliefsen. Der ganze Trichter entsteht dadurch, dafs sich das vordere Ende der Rinne von dem Ende des fibrösen Körpers beträchtlich entfernt, w^ährend Rinne und Ende des fibrösen Körpers seitwärts durch cavernöse Wand verbunden bleiben. Cavernöses Gewebe überzieht auch das Ende des fibrösen Körpers. Auf diese Art bleibt also ein trichterförmiger Raum zwischen dem Ende des fibrösen Körpers und demEnde der Furche, die oben liegt. Das Innere des Trichters ist jedoch durch eine fibrös-häutige Scheidewand, die von der Schleimhaut des Trichters überzogen

166 Müller iiher zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

wird, senkrecht getheilt, so dafs diese Scheidewand von der untern Wand der Rinne zur obern Fläche des Endes des fibrösen Körpei’s geht. Der Zweck einer so eigenthüinlichen Bildung der Eichel, die sich durch ihre Festigkeit von der spongiösen Eichel der Schildkröte unterscheidet, ist unbekannt. Im Innern des Trichters ist keine Öffnung. Vielleicht kann man den Trichter mit einer Andeutung der Einstülpung am Ende der Ruthe der dreizehigen Straufse vergleichen, und da der Tilchter getheilt ist, so liegt auch, wenn jener Vergleich richtig war, die Erinnerung an die beiden Schläuche der Penes der Eidechsen und Schlangen nahe.

Sehen wir ab von den Verschiedenheiten der Eichel der Schildkröten und Crocodile und fassen wir das ähnliche zusammen, so gleicht die Ruthe dieser Ahtheilung der beschuppten Amphibien sehr derjenigen des zwei- zehigen Straufses. Die fibrösen Körper enthalten noch kein wahres erectiles Gewebe, dasselbe beschränkt sich auf die Auskleidung des ohern gerinnten Theils des Penis ; aber die Ruthe des Straufses und dieser Abtheilung der beschuppten Amphibien unterscheiden sich hauptsächlich in zwei Puncten, erstlich in dem Mangel eines elastisch-cavernösen Körpers an der Ruthe dieser Amphibien, zweitens darin, dafs beim Straufs die Rinne im ganzen Verlauf mit cavernösem Gewebe bekleidet ist, dafs hingegen bei jenen Amphibien im gröfsten Theil der Länge der Rinne diese hlofs von stärkei’en venösen Stäm- men begleitet wird, dafs sich hingegen das cavernöse Gewebe hlofs zu den Seiten des Anfangstheils der Rinne und am entgegengesetzten Ende, an der Eichel anhäuft.

3) Doppelte ausstülphare Ruthe der Schlangen und Eidechsen.

Bei den Schlangen und Eidechsen findet sich dasselbe Organ, welches wir hei den dreizehigen Straufsen, den Enten und Gänsen beobachteten, ein eingestülptes und bei der Begattung sich umstülpendes Rohr, aber dieses Rohr ist doppelt vorhanden, ein rechtes und linkes; es liegt auch im ruhigen eingezogenen Zustande nicht gewunden in kleinem Raume neben dem After, sondern ist auch eingestülpt in ganzer Länge ausgehreitet, indem es hei der Länge des Schwanzes dieser Thiere Raum genug erhalten hat, an der untern Fläche des Schwanzes gegen dessen Spitze hin sich zu entwickeln. Auch darin liegt ein Unterschied dieses rührigen Penis von der Ruthe der drei- zehigen Straufse, der Enten und Gänse, dafs jener des festen fibrösen Theils des Penis ganz ermangelt; dafs das Rohr nicht mehr durch elastisches Ge-

männlichen Geschlechtsorgane hei d. slraufsartigen T ögeln u. s. w. 167

webe> sondern durch einen Muskel nach der Ausstülpung eingestülpt und zurückgezogen wird ; dafs das blinde Ende des Rohrs nicht fixirt ist, sondern selbst durch den Muskel eingezogen werden kann , aber auch ganz sich ausstülpen kann. Alles übrige bleibt sich gleich, die Rinne ist im Innern an der Wand des rührigen Penis vorhanden und beginnt auf jeder Seite der Cloake nahe der Ausmündung des Satnencanals ; die Rinne (’) wird dux’ch Ausstülpung zur äufsern und dient dem Abllufs des Samens ; die Wände der Röhre haben dieselben Häute; auch hier liegt cavernöses Gewebe zwischen ihren Schichten. Nur darin unterscheidet sich das Innere des Rohrs, dafs die Rinne hier bis auf das blinde, vom After entfernt liegende Ende des Rohrs fortgeht. Ich habe hier nicht die Absicht, eine vollständige Beschrei- bung der Begattungsorgane der Schlangen zu geben , welche Ilr, Prof. We- ber in Bonn in einer schon vor längerer Zeit ausgeführten, aber nicht ver- öffentlichten Arbeit aufgeklärt, und verweise auf die zur Erleichterung der Ver- gleichung Taf.III. Fig. 4. gegebene Abbildung der Penes des Crolalus horn’idits, wovon der eine aufgeschnitten und zurückgezogen, der andere umgestülpt dargestellt ist. Man weifs, dafs die Penes der Klapperschlangen und Vipern nicht blofs doppelt sind, sondern dafs sie sich noch einmal gabelig theilen. (Tyson Philos. Trans. Vol. XIII. Tab. 1. Fig. 2. 3.) In unserer Abbildung sieht man diese Theilung des Rohrs sowohl im eingezogenen als im ausgestülpten Zustande, und wie die Rinne sich ebenfalls in jedem Rohr wieder gabelig für die beiden Blinddärme des Rohrs theilt, wie ferner der vom Schwanzende kommende Muskel jedes der beiden Penes sich wieder theilt, so dafs jeder Blinddarm des Penisrohrs ein Eascikel erhält. Bei dem künstlich ausgestülp- ten Penis hat man den Muskel künstlich von seinem Ursprungsende ablösen müssen, weil bei der Rigidität, welche die Theile im Weingeist angenommen haben, die Ausstülpung nicht anders ganz zu vollbringen war. Man sieht ferner in der Abbildung, wie der hintere Theil der beiden Blinddärme jedes Penisrohrs viele Schleimgrübchen enthält, der vordere Theil des Rohrs mit Staeheln bewaffnet ist, welche im eingezogenen Zustande vorwärts, im aus- gestülpten Zustande des Penisrohrs aber rückwärts stehen. Diese Bildung

(' ) In der BeschrelLiing der Rutlie der Sclilangen von E ni m e r t (Fran q u e praes. E m m er t diss. de serpenliian qunrundam genilaHbus ovisque incubi/is. Tublng. 1817. 4.) ist die Rinne übersehen.

168 Müller über zwei verschiedene Tjpen in dem Bau der erectilen

ist nicht constant hei den Schlangen und es giebt viele Schlangen, wie die Python u. a., bei denen die Schleimhaut des Penisrohrs glatt ist.

Bei den Coluber und noch anderen unschuldigen Schlangen ist jeder der beiden Penes ungetheilt, wie hei den Eidechsen, aber man kann die einfache Duplicität des Penis nicht für eine constante Eigenschaft der gift- losen Schlangen und die Quadruplicität des Penis oder richtiger die gabel- artige Theilung jedes einfachen Penis nicht für eine ausschliefsliche Eigen- schaft giftiger Schlangen halten. Denn ich habe hei Python tigris auch die gabelartige Theilung jedes der beiden Penes bemerkt. Unter den Ei- dechsen habe ich die Bildung der Buthe bei Arneica Teguixin und Tupi- nambis elegans untersucht. Sie stimmt im Allgemeinen ganz mit derjenigen der Schlangen ohne Bifiircation der beiden Ruthen überein und wird auch durch einen Muskel zurückgezogen. Bei Tupinambis elegans liegen in der Schleimhaut der ausgestülpten Ruthe sehr regelmäfsige Zickzackfalten und auch unter ihr am Ende des ausgestülpten Theils zwei Knorpelplatten. Die- ser Knorpel gehört der mikroskopischen Untei’suchung nach unter die liga- mentösen Faserknorpel. Mit dem fibrösen Körper der Ruthe der Vögel kann man diesen Knorpel nicht vergleichen, denn dieser befindet sich an der untern Wand der Cloake, der gegenwärtige aber am Ende des Rohrs.

Aus diesen Betrachtungen geht hervor :

1) Die Schlangen und Eidechsen haben von dem festen fibrösen Theil des Penis der Straufse, der Schildkröten und Crocodile, welcher Theil an der untern Wand der Cloake angeheftet ist, nichts.

2) Dagegen haben sie den ausstülpbaren Theil der Ruthe der drei- zehigen Straufse, Enten, Gänse allein mit denselben inneren Be- standtheilen, aufser dafs dieses Penisrohr nicht dui’ch elastisches Gewebe, wie hei den Vögeln, sondern durch einen Muskel ange- zogen wird, dafs ferner das blinde Ende dieses Rohrs nicht an festen Theilen angewachsen ist, sondern selbst bis auf seinen Grund sich ausstülpen kann, wenn der an ihm befestigte Muskel es zuläfst, und dafs endlich dieses Rohr doppelt ist.

Wir haben schon früher erwähnt, dafs die Rinne des Penis des zwei- zehigen Straufses, des festen Theils des Penis der dreizehigen Straufse, des Penis der Crocodile und Schildkröten, mit dem cavernösen Gewebe an der obern Fläche des Penis und in der Rinne, dem gespaltenen corpus cavernosum

männlichen Geschlechtsorgane hei d. straufsartigen Vögeln u. s. w. 169

urethrae des Säugetliier-Foetiis zu vergleichen sei, und diese Ansicht war schon in Hinsicht des Straufses, der Crocodile und Schildkröten die der meisten Schriftsteller über unsere Materie. Hierüber kann kein Zweifel sein. Lage, Zusammensetzung sind dieselbe. Die Rinne des gespaltenen corpus cavernosum urethrae des Säugethier-Foetus sieht auch noch an der Basis nach hinten und oben, während die Corpora caeernosa vor und unter ihm liegen. Bei der Direction des Penis von der lu’sprünglichen foetalen Schamspalte bei- der Geschlechter nach vorn, erhält die Harnröhrenspalte zwar eine andere Direction, nämlich nach unten, aber das Yerhältnifs des Zusammenhanges bleibt; der ganze Penis des Säugethierfoetiis geht von dem untern Umfang der primitiven Schamspalte aus, wie der Penis des Straufses, Crocodils, der Schildkröte, und die Rinne am Penis liegt hei allen diesen Thieren an der gleichnamigen Seite. Man kann sich die Vorstellung erleichtern, wenn man sich den Penis des Straufses in der Direction zur Begattung denkt ; er krümmt sich dann auch so, wie sich der Penis des Säugethierfoetiis durch Anwachsung richtet, nach vorn, und die Pxinne, welche hei ihrem Beginn an der obern Wand der Ruthe liegt, wird hei der veränderten Direction des Penis zur Begattung im Mafse der Krümmung nach unten umgewendet.

Die cavernösen Körper des Menschen und der Säugethiere linden sich in dieser Art hei den Vögeln und Amphibien nicht mehr vor. Das cavernöse Gewebe ist nämlich verschwunden, und das Gewebe, welches an den corpora cavernosa der Säugethiere blofs an der Oberfläche derselben und in ihren Querbalken fibrös ist, wird hei den Vögeln, Crocodilen, Schildkröten allein fibrös. Schon hei den reifsenden Thieren und Wiederkäuern ist die Menge der fibrösen Querbalken so aufserordentlich vermehrt, dafs eine Annäherung stattfindet. Dafs aber die fibrösen Körper den cavernösen der Säugethiere entsprechen, ergieht sich schon aus ihrer gleichen Lage und ihrem Verhältnifs zu der cavernösen Rinne, die dem corpus cavernosum urethrae entspricht. Mit den Eichelknochen und Knorpeln lassen sich jene nicht vergleichen, denn an ihnen befestigen sich Muskeln, wie an den cavernösen Körpern der Ruthe der Säugethiere.

Die Eichel findet sich als cavernöser Körper unter den Säugethieren noch vor. Bei den Vögeln ist sie blofs dem zweizeiligen Straufs zuzu- sprechen; insofern der dritte oder elastische Körper, am vordem untern Theil des Penis, der gegen die Spitze Haupttheil wird, in seinem Innern Phjsikcd. Abhandl. 1836. Y

170 Müller über zwei verschiedene Tjpen in dem Bau der erectilen

sehr viel cavernöses Yenengewebe enthält. Unter den Amphibien erscheint die Eichel hei denjenigen wieder, die einen festen Penis haben und ist aus- nehmend deutlich bei der Schildkröte, wo sie dieselben Elemente wie hei den Säugethieren und dem Menschen enthält. Die dreizehigen Stz’aufse haben keine wahi’e Eichel.

Bei den Schlangen und Eidechsen fehlt die Eichel ganz, aber auch die fibrösen Körper. Aus dem Mangel der letztem, welche immer vom untern oder vordem Theil der Cloake ausgehen, ist es zu erklären, dafs sich hei den Schlangen am vordem oder untern Theil der Cloake gar kein Theil des Penis befindet, und dafs die röhrigen Ruthen, unähnlich sowohl dem corpus cacer- nosum penis als dem corpus cacernoswn urethrae , am hintern Theil der Cloake sich entwickeln.

Die letzte Frage ist, ob der ausstülpbare Theil der Ruthe der drei- zehigen Straufse, der Enten und Gänse mit irgend einem Theil der Genitalien der Säugethiere im erwachsenen oder Foetuszustande verglichen werden könne. Ich glaube nicht; denn denkt man sich die gespaltene Harnröhre des Säugethier -Foetus am Ende der Ruthe versuchsweise in ein zurücklau- fendes, von der Haut des Penis umschlossenes vollständiges Rohr verlängert, so erhält man eine völlig neue Bildung, ein Divertikel am Ende der Harnröhre. Nach meiner Meinung ist dieser ausstülpbare Theil der Ruthe keine Modi- fication irgend eines im allgemeinen Plan der Ruthe der Wirhelthiere liegen- den Stücks, sondern eine ganz eigenthümliche und den Säugethieren völlig fremde Erscheinung, gleichsam eine hlinddarmartige Verlängerung der Ca- vität der Vorhaut oder der Ruthenscheide nach rückwärts. Da nun die Ruthe der Schlangen und Eidechsen lediglich auf den rohrförmigen blindsackigen Theil zum Ausstülpen reducirt ist, so ist zugleich deutlich, dafs diese Thiere keineidei wesentliche Elemente des Säugethier -Penis mehr besitzen. Die Na- tur, kann man sagen, hat in der grofsen Abtheilung des Thierreichs, in den Wirhelthieren, die ganze Anzahl der Organtheile des erectilen Apparates, den sie benutzt, weder bei den Amphibien noch hei den Säugethieren angewandt. Bei den Schlangen und Eidechsen läfst sie uns nur den einen Theil, hei den Säugethieren und dem Menschen nur den andern Antheil des Apparates er- blicken. Der den Säugethieren zukommende Theil erscheint unvollkomme- ner, nämlich ohne cavernöses Gewebe der corpora cavernosa und mit Spal- tung des corpus cavernosum urethrae^ wieder bei dem zweizeiligen Straufs,

männlichen Geschlechtsorgane hei d. str aufs artigen Vögeln u.s.w. 171

den Schildkröten und Crocodilen. Nur bei den drelzehigen Straufsen, den Enten und Gänsen hat die Natur beiderlei Extreme des Apparates zugleich angewandt, den Säugethier-Tjpus und Schlangen-Typus im unvollkommenen Zustande vermittelnd; vom Säugethier-Typus hat sie das caveimöse Gewebe der Corpora carernosa penis fallen gelassen und das Gerüste behalten, vom Corpus carernosum urethrae hat sie die foetale Spaltung erhalten. Vom Typus der Schlangen und Eidechsen hat sie einen unvollkommenen Gebrauch ge- macht, indem sie nur eine der beiden Röhren zur Entwickelung brachte.

Man hat die gespaltene Eichel der Beutelthiere öfter mit der doppel- ten Ruthe der Schlangen und Eidechsen verglichen. Es bedarf jetzt kaum der Bemerkung mehr, dafs dieser Vergleich nur im Allgem.einen richtig ist. Denn die Entwickelung einer doppelten Rrthenröhre bei den Schlangen und Eidechsen ist keine Spaltung eines einfachen Organs, sondern paai’ige Ent- wickelung eines ganzen Theils. Die Theilung der Eichel hingegen ist wirk- lich Spaltung und kaum anders zu betrachten, als die Spaltung des corpus cavernosum urethrae beim Foetus. Die Bifurcation jeder der beiden Ruthen- röhren bei den Klapperschlangen, Vipern und Pythonen i;nd die Bifiu’cation der Eichel bei den Beutelthieren sind analoge Theilungen in ganz verschie- denen Organtheilen.

Am Schlüsse dieser Untersuchung dürfte die Bemerkung gemacht wer- den können, wie unrichtig es vom Gesichtspunkt der hier erörterten Gegen- stände ist, die straufsartigen Thiere als solche zu betrachten, welche vom Typ US des Vogels am meisten sich entfernend, am nächsten von allen Vögeln den Säugethieren sich anschliefsen. In Hinsicht der Geschlechtsorgane zeigt sich diese Idee als ganz unstatthaft. Denn die Crocodile und Schildkröten stehen jenem Typus eben so nahe, als die straufsartigen Vögel; die dreizehigen Straufse aber entfernen sich von dem Typus der Säugethiere eben so sehr, als die Enten und Gänse, und nähern sich in demselben Gi’ade den Schlan- gen und Eidechsen. Aber auch die andern Gründe, welche man für die Säugethier- Ahnlichheit der sti'aufsartigen Vögel angeführt hat, sind ebenso fehlerhaft. Weder das Geschlossensein des Beckens bei dem afrikanischen Straufse, noch der Mangel der Gabel ist säugethierähnlich; denn das Becken der Amphibien ist geschlossen und die Crocodile besitzen keine Gabel. Ebenso wenig kann ich die Ideen von einer Annäherung der Monotremen an den Typus der Vogelbildung anerkennen. Nähert sich ein Thier in einer

Y 2

172 Müller iiber zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

Beziehung den Charakteren einer andern Classe, so entfernt es sich meist in anderen eben so weit wieder davon.

Nachtrag.

Eine briefliche Mittheilung von Hrn. Prof. Bischoff in Heidelberg an mich vom 24. Nov. 1837 enthält einige Bemerkungen über den sogenann- ten Penis der Coecilien, welche ich nicht umhin kann, in diesem Nachtrag zur allgemeinem Kenntnifs zu bringen. Bekanntlich hatte Hr. Fitzinger in Wien bei der Versammlung der Naturforscher in Breslau mitgetheilt, dafs er hei Prof. Nitzsch, dessen Tod wir jetzt betrauern, das Exemplar einer Coecilia gesehen, hei welcher aus dem After ein penisartiges Organ hei'aus- gehangen, welches Prof. Nitzsch für einen wirklichen Penis hielt, obgleich er dasselbe nicht näher untersucht hat. (Siehe 1834. p. 695.) Hr. Fitzinger hatte blofs von dem, was er gesehen, Bericht abgestattet, aber auch das nähere Verhalten nicht selbt untersucht. Hrn. Bischoff stieg des- halb der Verdacht auf, ob das beobachtete penisartige Organ nicht ein um- gestülpter Theil der Cloake oder der mit dem Mastdarm verbundenen Ab- dominalblase gewesen sei. Hr. Bischoff untersuchte zunächst in Wien 5-6 ziemlich grofse Exemplax’e von Coecilia annulata, welche von Hrn. N älte- rer aus Brasilien mitgebracht waren. Nur eines dieser Exemplare war un- verletzt, diefs war ein Weibchen. Bei den meisten anderen waren die Ein- geweide ausgeschnitten. Allein bei keinem der anderen war Hr. Prof. Bi- schoff im Stande, auch nur das Geringste zu entdecken, was einem Penis ähnlich gesehen, und doch war bei den meisten die Cloake mit der Abdomi- nalblase noch vorhanden. Sollten, fragte er sich, auch alle diese Weibchen gewesen sein? Dafs bei dem Exemplar von Prof. Nitzsch eine Täuschung obgewaltet, wurde Hrn. Prof. Bischoff zur Gewifsheit, als er bei einem Naturalienhändler in Wien eine Coecilia annulata sah, aus deren After in der That etwas heraushing, was er alsobald für die umgestülpte Abdominal- blase erkannte. Gerade so, versicherte Hr. Fitzinger, jenen Theil an dem von Prof. Nitzsch beobachteten Exemplar gesehen zu haben. Hr. Pi’of. Bi- schoff zweifelt daher kaum, dafs es sich auch so mit dem von dem Inspector Robermann der Versammlung der Naturforscher vorgezeigten Exemplare verhalten wird.

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männlichen Geschlechtsorgane hei d. str aufsartigen V ögeln u. s. w. 173

Erklärung der Abbildungen.

Tafel I.

Fig. 1. Ruthe des afrikanischen Straufses von unten.

A. Mastdarm.

B. Sogenannte Harnblase, die Fortsetzung des Mastdarms.

a. Heber der Ruthe.

b. Sphincter ani.

c. Portion von der innern Lage des obern Theils des Sphincters, welche sich an den Ruthenheber anschliefst und an dem fibrösen Körper x ansetzt.

d. Rückieher der Ruthe.

d', Fortsetzung desselben und Insertion In der Rinne an der untern Seite der fibrösen Körper.

e. Zweiter Rückzieher der Ruthe.

e'. Fortsetzung desselben und Insertion in der Rinne an der untern Seite der fibrösen Körper x.

e". Fascikel des Muskels e, welches sich an der Seite des fibrösen Körpers in der Gegend der Mitte der Länge der Ruthe anheftet.

X. Fibröse Körper der Ruthe von unten.

j. Untere Kante des vordem Theils der Ruthe, wo der elastlsch-cavernöse Körper Hegt. z. Haut der Ruthe vom hintern Theil der untern Fläche der Ruthe abgelöst.

Fig. 2. Ruthe des neuholländischen Casuars von der untern von der Cloake abgewandten Seite. aaaa. Eingestülptes Rohr der Ruthe, von Fasclkeln elastischen Gewebes eingehüllt.

b. Elastische Platte, den Zwischenraum der Schlinge des Rohrs ausfüllend und von allen Selten sich über die Oberfläche des Rohrs ausbreitend, sie geht von der untern Fläche des fibrösen Körpers x aus.

X. Fibröser Körper der Ruthe. jr. Sphincter ani. z. Ruthenheber.

Fig. 3. Clitoris des afrikanischen Straufses.

a. Basis, auf der untern Wand der Cloake aufsitzend.

b. Freies Ende.

c. Rinne der Clitoris.

Fig. 4. Clitoris des indischen Casuars.

a. Basis.

b. Ende.

c. Rinne.

d. Öffnung am Ende der Clitoris^ wo sich die Rinne in einen an der untern Seite der Clitoris fortlaufenden Canal einsenkt.

174

Müller über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

Fig. 5. Cloake und Ruthe eines Crypiurus,

a. Hautwulst am Sphincter ani.

b. Circulare Haulfalte im Innern der Cloake.

c. Mastdarm.

d. Zungen fürmiger Penis mit der Furche an der obern Seite.

Fig. 6. Öffnung und untere Wand der Cloake von Crjpturus.

a. Hautwulst am Sphincter ani.

b. Hautfalte im Innern der Cloake.

c. An der untern Wand der Cloake angewachsene Ruthe.

d. Freier Theil der Ruthe.

e. Rinne der Ruthe.

/. Hautwülste, welche die Piinne begrenzen.

Tafel II.

Ruthe der Rh ea arnericana.

Fis:. 1. Ruthe der Rhea arnericana von unten, o

A. Mastdarm, untere Seite desselben.

a. Ein Fascikel der Längsfibern des Mastdarms, welches sich an dem Sphincter festsetzt.

B. Bursa Fabricii.

C. Ureteren.

Z). Samenleiter.

Y.E. Angewachsener Anfangstheil der fibrösen Körper der Ruthe. Das hintere Ende war an dem Präparat durch einen Schnitt in den Sphincter getheilt. Sie sind mit der untern Wand des vordem Theils des Sphincters verbunden, und unter sich innig verwachsen.

s' e Fortsetzungen dieser Körper, welche sich trennen und über einander wegschieben, g' gelangt unter e' und von seiner Seite auf die entgegengesetzte, e' gelangt über e' und auch auf die entgegengesetzte Seite.

F. Ende des festen Theils der Ruthe.

G. Rinne der Ruthe, welche sich gegen das Ende der Ruthe von der obern Flache der Ruthe nach rechts, unten und dann nach links dreht.

/ cp. Ränder der Rinne.

H. Öffnung am Ende des festen Theils der Ruthe, welche in das Rohr OMN führt.

I. Sphincter ani, ln der Mitte der untern Fläche künstlich der Länge nach getheilt.

K. Vorzieher der Ruthe. Sein Ursprung von der innern Schichte des Sphincter ani ist hier verdeckt, aber seine Insertion am Seltenrand und an der untern Fläche der Basis des fibrösen Körpers ist sichtbar.

L. Zurückzieher der Ruthe. Man sieht in dieser Abbildung blofs das Ende der beiden Zurückzieher LL, wie sie unter dem Vorzieher der Ruthe K hervortreten, und sich in der Rinne zwischen beiden sich thellenden fibrösen Körpern g' und e' festsetzen.

MISO. Eingestülptes Rohr der Ruthe.

M. Windungen des Rohrs in der Ruhe. Sie sind aus ihrer natürlichen Lage zwischen dem festen Theil der Ruthe, Sphincter und Haut des Afters etwas zur Seite gezogen.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. str aufsartigen Vögeln u.s.w. 175

N. Angewachsenes blindes Ende des Rohrs. Es ist In der Mitte der untern Seite der fibrösen Körper befestigt, da wo sie sich getheilt haben.

O. Das andere Ende des Rohrs oder derjenige Thell, welcher mit der Öffnung // am Ende des festen Thells der Ruthe In Verbindung steht. Bel O Ist am Präparat In das Rohr eine künstliche Öffnung gemacht und eine Borste gegen die Öffnung II am Ende des festen Thells der Ruthe durchgeführt, wie In der Abbildung angegeben Ist.

P. Haut über dem Sphincter ani.

Flg. 2. Die Bezeichnung ist dieselbe wie In der vorigen Figur, und alles In derselben Lage, mit Ausnahme des rührigen Thells der Ruthe. Dieser Ist am Präparat an der Öffnung H herausgezogen, so dafs sich die Ruthe bis auf das Doppelte Ihrer Länge ver- gröfsert hat.

F Ist das Ende des frühem festen Thells der Ruthe, entsprechend F In Flg. 1.

G ist die Rinne am Ende des festen Thells der Ruthe, entsprechend G In Fig. 1. Auch sind / und </> die Ränder dieser Rinne, wie in Flg. 1.

H Ist die Stelle, wo In Fig. 1. sich die Öffnung befand, welche In den rührigen Theil der Ruthe führte.

M Ist das umgestülpte Rohr, dasselbe was M in Flg. 1.

f und cp' sind die Ränder der Rinne des ausgestülpten Rohrs, die Fortsetzung der Ränder / und f/) des festen Thells des Rohrs Flg. 1. und 2. Auch ist ff, die Rinne zwischen diesen Säumen, die Fortsetzung von G Flg. 1. und 2.

N. Das angewachsene blinde Ende des rührigen Thells der Ruthe, dasselbe was N Flg. 1.

Tafel m.

Flg. 1. Cloake der lihea americana von oben aufgeschnitten, der Schnitt thellt auch die Bursa Fabricii In zwei seitliche Hälften, welche auseinander geschlagen und aus der natür- lichen Lage gebracht sind. Man sieht in den Uro-genital- Thell der Cloake und auf die zur Abführung des Samens dienende Rinne an der obern Fläche der Ruthe.

A. Mastdarm. a. Fascikel der Längsfasern des Mastdarms, die sich an den Sphincter heften.

A'. Inneres des Mastdarms.

A". Cavilas uroffenitalis der Cloake.

A'". Sphlncterartlge Klappe zwischen Masldarm A’ und Urogenital-Thell der Cloake A”,

B. Schleimhaut an der obern Wand der Cloake, der Länge nach getheilt.

B'. Bursa Fabricii, von der obern W^and der Cloake ausgehend, über dem hintern Theil der Ruthen furche.

C. Ureteren, sie öffnen sich (c) Im Urogenltal-Theil der Cloake.

D. Samenleiter, d Papillen derselben Im Urogenital -Thell der Cloake, hinter und unter den Öffnungen der Harnleiter c.

e. Ruthenfurche, mit cavernüsem Gewebe und mit Schleimhaut ausgekleidet.

e e Gabeliger Anfang der Ruthenfurche Im Boden der Cavilas uro-ffcnitalis. In den Anfang der Furche auf jeder Seite Ist die Papille des Samenganges d gerichtet.

/. Ende der Rinne am festen Theil der Ruthe, sich nach rechts und unten wendend.

ff. Schleimhaut an der obern Fläche der Ruthe. Darunter Hegt cavernöses Gewebe.

ff'. Cavernöses Gewebe.

176 Müller über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen

I. Sphincter der Cloake, an der obern Wand der Länge nach getheilt.

K. Innere Lage des Sphinctcrs, von ihr geht der Vorzieher der Ruthe K Tah.II. Flg. 1.2. ab.

L. Ziirückzieher der Ruthe. Die Fortsetzung sieht man unter L Tah.II. Flg. 1. 2.

S. Ein breiter Muskel, der zwischen den Vorzieher der Ruthe K, der oben die innere Lage des Sphincters bildet, und den wahren Sphincter I tritt. Wahrscheinlich ent- springt er von festen Thellen. In dem Präparat, so wie Ich es vorfand, war sein Ursprung natürlich nicht mehr zu erkennen. Nach hinten verliert er sich zwischen beiden Lagen des Sphincters in eine Aponeurose, welche zwischen beiden Lagen des Sphincters verläuft. Er zieht den After und überhaupt die Cloake vorwärts und Ist wohl der levator ani.

P. Haut über dem Sphincter ani, der Länge nach mit dem Sphincter und der Schleim- haut der Cloake getheilt.

Flg. 2. Dieselben Theile der Rhea americana wie Tab. II. Fig. 1. mit gleicher Bezeichnung. Aber das In Tab. II. Flg. 1. gewundene Rohr des Penis ist hier straff nach der Seite gezogen, so dafs man die Ausbreitung des elastischen Gewebes sieht.

N. Angewachsenes blindes inneres Ende des Rohrs. Die Befestigung ist an der untern Seite der fibrösen Körper in der Mitte.

O. Aufseres Ende des Rohrs, welches mit der Öffnung des Penis H zusammenhängt.

X. Strang des elastischen Gewebes, welcher von der untern W'^and der fibrösen Körper

In der zwischen ihnen befindlichen Rinne ausgeht, sich auf die Hälfte O des Ruthen- Robrs wirft und sich an der Seite desselben schweifförmig ausbreitet.

F. Elastisches Gewebe, welches auf der zweiten Hälfte des Rohrs eine ganze äufsere Schichte oder äufsere Haut bildet. Dieses elastische Gewebe geht von derselben Stelle, wo X, aus, und wirft sich zunächst auf das blinde Ende des Rohrs, von dort auf die äufsere Oberfläche der ganzen Innern Hälfte des Rohrs bis M. Hier bei M Ist die Stelle, wo das elastische Gewebe aufhört, vollständige äufsere Haut des Rohrs zu sein. Von H bis O und M ist innerlich In der Höhle des Rohrs an der Wand des- selben die Rinne angebracht, welche man an dem ausgestülpten Rohr Taf. II. Flg. 2. g auswendig sieht. Bei M hört Inwendig die Rinne auf. Der Thell des Rohrs von M bis ans blinde Ende O ist ohne Rinne.

Flg. 3. Mittlerer Theil des Rohrs der Ruthe von Rhea americana, aufgeschnitten.

O. Theil des Rohrs, worin die Rinne.

/' cp'. Ränder der Rinne , aus aufrechtstehenden Hautsäumen bestehend, entsprechen /' cp’ Tab. II. Flg. 2.

g. Rinne zwischen beiden Hautsäumen, entspricht g Tah.II. Flg. 2.

N. Theil des Rohrs, in welchem sich keine Rinne befindet, und die innere Haut nur Querrunzeln zeigt.

M. Stelle, wo der eine und andere Theil des Rohrs anelnandergränzen, entspricht der Stelle M Tab. III. Fig. 2.

Flg. 4. Ruthen von Crotalus horridus. Die eine Ruthe Ist ausgestülpt, die andere Ist In Ihrer natürlichen ruhigen Lage an der Unterseite des Schwanzes, aber der Länge nach auf- geschnitten.

A. Mastdarm.

B. Cloake.

männlichen Geschlechtsorgane hei d. straufsartigen T^ögeln u.s.w. 177

C. Ureteren.

Z>. Samenleiter.

E. Öffnungen für den Austritt der Penes.

FF'. Ruthe der linken Seite, aufgeschnitten. F. Einfacher vorderer Thell des Ruthen- rohrs, F' hinterer doppelter Theil des Ruthenrohrs mit blindem Ende.

/. Stacheln an der Innern Wand des Ruthenrohrs.

/'. Zellenartige Bildung der Innern Haut In den blinden Enden des Ruthenrohrs.

G. Rinne des einfachen Thells des Ruthenrohrs.

G' G'. Rinnen des doppelten Thells des Ruthenrohrs.

ZT. Muskel der Ruthe, und zwar hinterer, einfacher Ursprung von den hintern Schwanz- wirbeln.

H' H'. Vorderes doppeltes Ende des Muskels, an die blinden Doppelhörner sich befestigend.

I F. Ausgestülpte rechte Ruthe. I einfacher Thell derselben, /' doppelter Thell.

g. Einfacher Thell der Rinne.

g'. Doppelter Theil der Rinne.

h. Muskel der Ruthe und zwar einfacher Thell desselben, von seinem Ursprünge künst- lich abgelöst. Die zwei Köpfe liegen jetzt im Innern der ausgestülpten Doppelhörner des Ruthenrohrs. Zu bemerken ist, dafs um einen solchen Grad von Ausstülpung an dem todten Körper hervorzubringen, es nothwendig gewesen ist, den Ursprung des Mus- kels am hintern Ende des Schwanzes abzulösen. Im lebenden Zustande wird die Aus- dehnbarkeit des Muskels die Ausstülpung des Ruthenrohrs gestatten.

Flg. 5. Quer-Durchschnitt des Penis einer Testudo Mjdas in der Mitte seiner Lange.

a. a. Fibröse Körper.

b. b. Venöser Sinus.

c. c. Peritonealcanal.

d. Schleimhaut.

e. Von der Schleimhaut ausgekleidete Rinne des Penis.

/. Ilautsäume der Schleimhaut, welche die Rinne oben begrenzen.

Physilcal. Ahhandl. 1836.

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über

die Lyrnphherzen der Schildkröten.

Von

H™- MÜLLER.

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[Gelesen in der phys. Klasse der Akademie der Wissenschaften am 14. October 1839.]

In den beiden ersten Mittheilungen über die Lyrnphherzen der Amphibien in Poggendorf’s Annalen 1832. Augustheft und in Philos. Transact. 1833. p. 1. handelte ich von der Existenz dieser Organe bei den Fröschen, Kröten, Salamandern und Eidechsen nach Beobachtungen an lebenden Thieren. Die gegenwärtige Mittheilung betrifft die einzige Ordnung der Amphibien, in welcher sie bis jetzt noch unentdeckt geblieben sind, obgleich die Schild- kröten unter den Amphibien am häufigsten in Beziehung auf das lymphati- sche Gefäfssystem untersucht worden sind. Ich fand sie zuerst bei einer frisch untersuchten Landschildkröte unter dem hinteren sehr vorsichtig ab- genommenen Theil des Rückenschildes, etwas entfernt vom oberen Ende des Darmbeins nach hinten. An denselben Stellen liegen sie bei den Flufs- schildkröten und ich sah sie bei 2 lebenden Individuen der Emys europaea pulsiren. Kürzlich untersuchte ich sie bei einer lebenden sehr grofsen See- schildkröte, Chelonia mjdas, von 140 Pfund Gewicht. Die Lyrnphherzen sind bei den Seeschildkröten am leichtesten zu finden, theils wegen ihrer sehr bedeutenden Gröfse, theils wegen der geringen Entfernung des Darm- beins vom hinteren Rande der Schale, was einen geringeren Umfang der Verletzung erfordert. Man kann sich hier folgendermafsen orientiren. Die beiden Organe liegen unter dem hintersten grofsen Medianschild der Schale. Theilt man die Mittellinie dieses Hornschildes in 3 gleiche Theile, und zieht durch diese Theilungspunkte Linien senkrecht auf die Mittellinie, so be- zeichnet die zweite Querlinie, welche das zweite und dritte Drittel von ein- ander trennt, die Lage der beiden Lyrnphherzen. Sie liegen nämlich in der Direction dieser Linie dicht unter der Knochenschale und nur von Zell-

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«/<7.

über

den Bau und die Lebenserseheinungen des

Branchio Stoma lubricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell.

Von

MÜLLER.

[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 6. December 1841.]

^ . Historischer Bericht.

JL/as wunderbare Tbierchen, dessen Bau und Lebenserscbeinungen aufzu- klären, Gegenstand dieser Abhandlung ist, wurde zuerst von Pallas, der es aus dem Meere von der Küste von Cornwall erhielt, als Limax lanceolatus in den Spicilegia zoologica Fase. X. p. 19. beschrieben und abgebildet. Herr Costa in Neapel hat es seither zuerst wieder beobachtet und im Jahre 1834 als Typus einer neuen Fischgattung unter dem Namen Bj'anchiostoma luhri- cum beschrieben in seiner Schrift Annuario zoologico, oder: Cenni zoolo- giei ossia descrizione sommaria delle specie nuove di animali discoperti in diverse contrade del regno nell anno 1834. Napoli 1834. p. 49. Eine aus- führliche Beschreibung mit Abbildung lieferte derselbe in seiner Fauna del regno di Napoli. Napoli 1839 (^), worin die Verwandschaft mit den Cyclo- stomen richtig aufgefafst, die anatomischen Mittheilungen mangelhaft sind.

In England ist es an der Cornischen Küste von Hrn. Couch wieder- gefunden. Von diesem Exemplare hat Hr. Yarrell, im Jahre 1836, im zwei- ten Theil seiner History of British fishes London 1836. p. 468. eine Be- schreibung und Abbildung geliefert. Er hat ihm den Namen Amphioxus

(') Dieses, über alle Tbierklassen sieb ausdebnendc VV^erk, besteht aus mebreren Ab- tbeilungen, wovon noch keine vollendet ist; so weit sie gedruckt sind, werden sie von dem Verfasser, auf dessen Kosten sie ersebeinen, ausgegeben.

80

Müller über den Bau und die Lehenserscheinunsen

lanceolatus ertheilt, und es aucli als Fisch aus der Familie der Cyclostomea erkannt. Hier finden wir die Chorda dorsalis als knorplige Vertebral -Co- lumna zuersterwähnt. Die Schwedischen Naturforscher Herren Sundewall und Löwen fanden das Thierchen in Bohuslän, im Sommer 1834. Die ge- sammelten Exemplare waren indefs, in Folge der Cholera -Krankheit, lange stehen geblieben, bis der verstorbene Fries das Thier, ohne von dem Funde Sundewall’s und Lowen’s zu wissen, 1838 wiederfand. S. Forhandlinger ved de Skandinaviske Naturforskere andet möde. Kjövenhavn 1841. p.280.

Einige anatomische Bemerkungen über den Bau desselben wurden von Hrn. Retzius aus briefllicher Mittheilung am 11. November 1839 in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin gelesen, und sind mit den Ergeb- nissen der Untersuchung, die ich an zweien von Him. Retzius mitgetheilten Exemplaren anstellte, im Monatsbericht der Akademie November 1839, ab- gedruckt.

Eine ausführliche anatomische Untersuchung über diesen Gegenstand, ist von Hrn. Rathke veröffentlicht: Bemerkungen über den Bau des Am- phioxus lanceolatus von H. Rathke. Königsberg 1841. 4.

Im Mai 1841 hat Hr. Goodsir über seine Untersuchung des Thiers in der Pv. Society of Edinburgh (Annals of natural history. Vol. VII. p. 346) Kenntnifs gegeben. Die ausführliche Abhandlung aus den Transactions of the Royal Society of Edinburgh. Vol. XV. p.I. ist: on the anatomy of Am- phioxus lanceolatus. By John Goodsir. Edinburgh 1841. 4.

Obgleich alle diese Beobachtungen die Kenntnifs einer unter den Wir- belthieren und Fischen so ganz eigenthümlichen und abweichenden Organi- sation gefördert haben, so waren doch einige der wichtigsten Puncte im Bau des Thieres zweifelhaft, und andere, ebenso wichtige, völlig unbekannt ge- blieben, und man durfte nicht hoffen, ohne Untersuchung lebender Exem- plare hierüber in’s Klare zu kommen. Im Herbste des Jahres 1841 bot sich dazu eine ebenso willkommene als belohnende Gelegenheit, und es dürfte jetzt erlaubt sein zu behaupten, dafs die Organisation dieses Thieres jetzt fast so gut als die irgend eines Cyclostomen erkannt sei.

Hr. Retzius durfte es bei dem reizbaren Zustande seiner Augen, welcher eine längere und anhaltende mikroskopische Beschäftigung schon seit geraumer Zeit verbietet, nicht wagen, die mikroskopische Analyse des Thieres im frischen Zustande auszuführen. Bei dem Antheil, welchen er an

des Branchiosioma luhricwn Costa, Ampliioxus lanceolatus Yarrell. 81

den Arbeiten über die vergleichende Anatomie der Mjxinoiden genommen, zu welcher er selbst einst durch seine Untersuchungen über die Mjxine glii- tinosa den Grund gelegt, wünschte er, dafs ich die feinere Anatomie des Thiers ausführe und lud mich ein, ihm zu diesem Zweck nach Bohuslän zu folgen.

Durch Hrn. Lowen’s Fürsorge waren wir so glücklich, sogleich ei- nige lebende Exemplare anzutreffen, was um so willkommner war, als der Fang des Thiers, in sehr bedeutender Entfernung von unserm Aufenthalts- orte in den Bohuslänschen Scheeren, mit aufserordentlichen Schwierigkeiten verknüpft ist. Gleich nach unserer Ankunft gingen die mit dem Fange des Thierchens vertrauten Fischer abermals in die See und es wurden nach einer fünftägigen Excursion noch 12 lebende Exemplare eingebracht (*). Am wichtigsten wurden unter diesen einige sehr junge durchsichtige Individuen, die kleinsten von 6 Linien Länge. Unsere mikroskopischen Hülfsmittel wa- ren ein Schieksches Instrument, das wir mitbrachten und ein anderes von Oberhäuser, zu dessen Benutzung uns die Güte des Hrn. Areskough aus Gothenburg Gelegenheit gab. Alle neuen Thatsachen wurden durch eine während 12 Tagen anhaltend fortgesetzte mikroskopische Beobachtung der Thierchen gewonnen. Die meinem Fi’eunde nöthige Vorsicht in dem Gebrauche des Mikroskops hinderte ihn nicht, sich bei den gemachten Ent- deckungen wesentlich zu betheiligen. Nur durch diese Gemeinschaft war es möglich, in einer sparsam zugemessenen Zeit über die wichtigsten bisher dunkel gebliebenen Punkte in der Anatomie des Thiers und über seine neu sich darbietenden physiologischen Erscheinungen ins Klare zu kommen (^).

Beschreibung des Aufsern.

Der Körper des Thiers ist gestreckt, seitlich zusammengedrückt, nach beiden Enden verdünnt und zugespitzt. Die Oberseite ist in ganzer Länge

(') In Neapel ist der Fang des Thierchens sehr leicht in uninittelharer Nähe, da cs auf sandigem Grunde am Pausilip in grofser Menge lebt. Von meinem Aufenthalt in Neapel im Spätsommer 1842 habe ich über tausend Exemplare in Weingeist mitgebracht.

Zusatz.

O Der Monatsbericht der Akademie, December 1841, enthält eine vollständige Über- sicht der Resultate der Untersuchung.

Phjsilc.-math. Kl. 1842.

L

82

Müller über den Bau und die Lebensej'scheinungen

gekielt. Der Bauch ist breiter und abgerundet bis auf 2 denselben bese- tzende seitliche Hautfalten, die bereits Pallas kannte. Das hintere Drit- theil des Körpers ist auch an der Unterseite gekielt. Uber die Mittellinie des Rückens zieht sich eine zarte saumartige Rückenflosse (limbus mem- branaceus Pallas). An der Unterseite befindet sich am hintern Drittheil eine ähnliche, von da an, wo die seitlichen Bauchfalten aufhören. Es ist die Afterflosse. Rückenflosse und Afterflosse gehen am hintern spitzen Ende in einander über. Durch eine leichte Erhebung der Rückenflosse und Afterflosse vor dem Ende entsteht eine Art Schwanzflosse von lanzettför- miger Gestalt, wie es die Abbildung von Rathke (fig, 1) richtig ausdrückt, welche überhaupt allein eine richtige Ansicht von der Gestalt des Thierchens gewährt. Die Flossen sind von zarten Strahlen gestützt, welche schon von Yarrell und Costa (‘) bemerkt sind, ihr Saum ist häutig. Brust- und Bauchflossen fehlen. Unter dem comprimirten lanzettförmigen Vorderende, in welches die Rückenflosse ausläuft, befindet sich der Mund in Form einer ellipsoiden Längsspalte. Die Mundränder beider Seiten schicken eine Reihe (15 auf jeder Seite) steifer langer Cirren aus, welche Hr. Costa (^) bereits erwähnt, aber als Kiemen angesehen. Diese Cirren sind, unter dem Mikro- skop betrachtet, von Stelle zu Stelle mit kleinen stumpfen Erhabenheiten besetzt, welche der Haut, nicht dem innern Knorpel angehören (^). Das Thier kann die Cirren beider Seiten gegen einander wenden und kreuzen und dadurch den Mund gegen das Eindringen fremder Körper schützen. Am Ende des zweiten Drittheils des Körpers, wo die seitlichen Bauchfalten, sich einander nähernd, aufhören, befindet sich eine rundliche Bauchöffnung in der Mittellinie des Bauches (Taf.I. fig. l.i.). Sie ist schon von Hrn. Yarrell bemerkt, aber von ihm wie von Hrn. C osta (‘^) für die Afteröffnung genommen, was sie nicht ist; sie ist von Hrn. Retzius (^) richtig als porus respiratorius erklärt. Quecksilber, welches derselbe durch den Mund eingofs, flofs aus

(') Fauna del Regno di Napoli. 1839. Cenni zoologici p. 49.

(^) Älüller, Monatsbericht 1839, p. 199.

(^) Fauna del Regno di Napoli.

(^) Monatsbericht 1839, p. 198.

des Branchiostoma luhricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 83

dieser Öffnung hervor (^). Sie dient auch zum Abgang der Eier und des Samens (^). Diese Öffnung ist von zwei seitlichen Lippen eingefafst.

Der After liegt viel weiter nach hinten, nicht weit von dem Schwanz- ende an der linken Seite der untern Flosse (^) (Taf.I.fig. l.c.). Diese anomale Lage des Afters zur Seite der Afterflosse erinnert an die gleiche Anomalie bei Lepidosiren. An der untern Wand des Bauches scheinen durch die Haut 2 Reihen von gelblichen Säcken hindurch, die Geschlechtsorgane. Sie sind bereits von Hrn. Costa erwähnt und auch in der Abbildung von Hrn. Yarrell zu erkennen. Die Seiten des Körpers sind von den Seitenrauskeln bedeckt, welche ihre regelmäfsigen Abtheilungen durch die Haut erkennen lassen und welche Pallas zu der Bemerkung veranlafsten : Catera striis ohsoletis ohli- quatis prope dorsum angulo recurvatis , ut quasi latus pisciculi desquamatum referant. Vorn und hinten laufen die Seitenmuskeln spitz aus und die vor- dere Spitze geht bis an das lanzettförmige Vorderende über dem Munde hinaus.

Im frischen Zustande bemerkt man mit dem Mikroskop am Kopfe über dem spitzen Anfang der Seitenmuskeln vor und über dem Munde einen schwarzen Punkt, das Auge, welches von Hrn. Retzius entdeckt ist und von anderen Beobachtern übersehen wurde.

Die beiden Geschlechter will schon Hr. Costa (^) erkannt haben, wel- cher behauptet, dafs die Männchen weniger dick seien und Hoden an der Stelle der Ovarien besitzen.

Die durchsichtige fast farblose Haut ist nackt und nur von Epithelium von pflasterartigen Zellen bedeckt (*^). Die Haut irisirt sowohl im lebenden als todten Zustande (^). Sonst erscheint der Körper nur blafs fleischfarben oder in einem farblosen Weifs. Einige Exemplare hatten Pigmentflecke im Innern an den Seiten der Mundhöhle. Bei vielen sieht man eine Reihe brau-

(') wie Ratlike p. 17 anfiilirt.

O Müller, Monatsbericht 1839, p. 200. Rathke, p. 25. O Retzlus, Monatsbericht 1839, p. 198. Rathke, p. 4. ('*) Monatsbericht 1839. 198.

(^) Costa, Fauna.

(*’) Müller, Monatsbericht 1839. 200. Rathke, 6.

(^) Rathke, 7. Gooclsir, 256.

84 Müller über den Bau und die Lebenserscheinunsren

O

ner Flecke an den Seiten des Bauches (^), sie rühren von Pigment her, wel- ches dem Peritoneum anhängt, wo es die Geschlechtsorgane überzieht (^).

Branchiostoma lubricuin erreicht eine Gröfse von 2 Zoll Länge, seine Höhe vei'hält sich zur Länge wie 1:10, seine Breite zur Länge wie \ \ 10.

Aufenthalt und Lebensart.

Das Thierchen scheint an den europäischen Küsten, vom Mittelmeer bis in die Nordsee vei'breitet zu sein (^). Es lebt auf dem sandigen Grunde, daher ist es zu erklären, warum es in der Nähe der felsigen Scheeren schwie- rig zu erhalten ist. Seine Lebensart kann man in einem mit Seewasser ge- füllten Glase, dessen Boden mit Sand bedeckt ist, beobachten. Es liegt die längste Zeit, stundenlang bewegungslos auf der Seite und wie todt auf dem Boden. Wird es beunruhigt, so schnellt es plötzlich auf und wirft sich in sehr geschwinden Schnellungen hin und her, oder schwimmt mit wellenför- migen Biegungen seines Körpers davon, um nach kurzer Zeit entweder wie- der platt auf dem Sande liegen zu bleiben oder sich im Sande zu verkrie- chen. Im letzten Fall ist es ganz im Sande versteckt bis auf das Mundende, welches allein aus dem Sande hervorsieht. Nach Hrn. Costa ist das Thier- chen gegen das Licht empfindlich. Seine ruhige Seitenlage, in der man es in einem kleinen platten Glasschälchen mit wenig Wasser erhalten kann, machte es zur anhaltenden mikroskopischen Beobachtung sehr geschickt, ohne dafs es nöthig oder zweckmäfsig wäre, Compressorien anzuwenden. Die Indivi- duen, welche mehrere Stunden der Beobachtung gedient, brachten wir zur Erholung wieder in ein gröfseres Gefäfs mit Meerwasser und sie dienten in den folgenden Tagen wieder zur Beobachtung.

Während der ganzen Zeit, dafs wir die Thiere heobaehteten, haben wir sie nicht fressen gesehen, gleichwohl gaben sie immerfort Excremente

(') Costa, Fauna.

(^) Ratlike, p. 23.

(^) Ilr. Kroyer hat es auch in Brasilien entfleckt unrl hat die Güte gehabt, mir ein Exemplar aus Brasilien niitzutheilen. Er war geneigt, es für eine eigene Art zu halten, die er Branchiosioma Mudleri nannte. Bei einer sorgsamen Vergleichung desselhen mit den europäischen Exemplaren habe ich indefs keine Unterschiede bemerken können.

Zusatz.

des Branchiostoma liihricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 85

von sich, die in langen Schnüren ahgehen. Hieraus, wie aus anderen wei- terhin mitzutheilenden Beobachtungen geht hervor, dafs sie blofs von Infu- sorien und anderen mikroskopischen Thierchen und animalischen Theilchen des Meerwassers leben, welche durch eine schon im Munde beginnende Wim- perbewegung ihnen zugeführt und weiter bewegt werden.

Die Thierchen sind sehr lebenszähe. Sie verlieren, länger aufbe- wahrt, zuweilen einen Theil ihrer innern Kiemenbekleidung, leben aber gleichwohl in diesem Zustande fort. In täglich mehrmals erneuertem Meer- wasser kann man sie mehrere Wochen lebend erhalten. Wir erhielten meh- rere, die wir nicht im lebenden Zustande zu Zergliederungen verwandten, während der ganzen Zeit unseres Aufenthultes in den Scheeren und als wir die Untersuchung schlossen, nahmen wir die noch übrigen Exemplare lebend auf einer Reise durch Bohuslän in einer Kölnisch Wasserflasche mit. Diese blieben trotz der Erschütterungen des Fahrens auf dem Lande noch zwei Tage, so lange wir ihnen frisches Meerwasser verschaffen konnten, am Leben.

Bau des Rückgrats.

Die Grundlage des Rückgrats ist die Chorda dorsalis. Sundevall (') bemerkte zuerst das merkwürdige Verhalten, dafs diese Chorda nicht nach vorne in der Weise, wie bei den Cyclostomen und Stören endigt, wo sie bis in die Mitte der Basis cranii verläuft, sondern mit ihrem spitzen Ende bis in die äufserste Spitze des Kopfes ausläuft und also weit über den Mund hin- ausragt.

Sie besteht aus einer fibrösen Scheide und einem Inhalte. Die er- stere ist wie gewöhnlich aus fibrösen Ringsbündeln gebildet (^). Der Inhalt der Scheide weicht nach den übereinstimmenden Beobachtungen von Hrn. Goodsir(^) und uns sehr von dem Inhalte der Chorda der Cyclostomen ab. Er besteht nämlich aus weichen Fasern. Diese faserige Masse läfst sich leicht in Form von faserigen Blättchen ablösen, welche eine quersenkrechte

(') Monatsbericht, 1839. p. 198.

(^) Müller, Monatsbericht, 1839. 199. (D a. a. O. p. 250.

86

Müller über den Bau und die Lehenserscheinunsen

O

Stellung haben. Die Fasern der Blättchen haben nach unsern Beobachtun- gen überall eine quere parallele Bichtung. Hr. Goodsir erwähnt auch das über die Chorda verlaufende ligarnentum longitudinale superius und hiferius.

Die Bohre, worin das centrale Nervensystem liegt, ist wie bei den My- xinoiden häutig und erweitert sich nicht wie bei anderen Thieren zu einer besondern Schädelhöhle (’), sondern hört in der Gegend der Spitze der Sei- tenmuskeln und in der Gegend des schwarzen Augenpunktes abgerundet auf. Diese Röhre ist eine Fortsetzung von einer häutigen Schichte, welche auch die Scheide der Chorda rundum bedeckt und häutige Platten nach den Bauchwänden abschickt, die sich am Schwanz unter der Chorda zu einem untern Canal vereinigen. Alles dies ist bereits von Rathke und Goodsir naturgemäfs beschrieben und ist nur zu bemerken, dafs das vordere Ende der Centraltheile des Nervensystems nicht spitz nach vorn ausläuft, wie Hr. Rathke angiebt, sondern stumpf und abgerundet endigt. Das Rückgrat be- findet sich demnach auf einer Bildungsstufe wie bei den Myxinoiden, wo die Elemente die nämlichen sind, eine Chorda mit ihrer Scheide und eine die Scheide selbst wieder umgebende fibrös häutige Schichte, welche letztere al- lein in die Querplatten für die Leibeswände und in die Röhre für das Rük- kenmark ausläuft (^).

Auch wie bei den anderen Cyclostomen bildet die aus der skeletbil- denden Schichte ausgehende Röhre für das Rückenmark über diesem noch einen zweiten Canal (^) und geht erst dann als häutiges Septum zwischen den Seitenmuskeln in der Mittellinie in die Höhe, um der Rückenflosse als Basis zu dienen. Ein ähnliches Septum befindet sich am Schwänze unten zwischen den Seitenmuskeln und von derselben Schichte gehen an den Seiten des Rückgrates die ligamenta intermuscularia der Seitenmuskeln ab (‘^).

(') Rathke, p. 11.

(^) Diese von mir von der Scheide der Chorda unterschiedene Schichte ist bei den mehr- sten Thieren die skeletbildende. Osteol. d. Myxin. Bel den meisten Fischen ossificirt auch die Scheide der Chorda. Neurol. d. Myxin. Anhang. Hr. Rathke hat die äufsere Schichte mit dem Namen, Belegungsmasse der Rückensalte, bezeichnet. Entwickelungsge- schichte der Natter. Königsberg. 1839. p. 33.

C) Rathke, p. 9.

C) R.athke, Goodsir.

des Branchiostoma luhricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 87

Mundknorpel.

Ein den Mund umgebender Knorpel und seine Fortsetzungen in die Mundcirren wurden schon von lirn. Yarrell entdeckt und abgebildet. Er nennt ihn Zungenbein. Es ist der einzige Knorpel am Kopfe, ein Reifen, der um den ganzen Mund herum geht, so dafs seine dünneren Enden oben unter der Choi'da an einander stofsen. Er ist nicht ein einziger Knorpel, sondern, wie aus den Beobachtungen von Hrn. Goodsir(^) und uns her- vorgeht, aus vielen einzelnen Gliedern articulirt, dergestalt, dafs jedes Stück des Ringes sich seitlich schief in einen Knorpelfaden fortsetzt, der in der Achse der Mundcirren verläuft. Diese Knorpel bestehen aus einer cortica- len Substanz, die das Ansehen einer dicken Membran hat, und einer marki- gen innern quergestreiften Substanz, welche aus Zellen zu bestehen scheint, wie die Knorpelfäden in den Kiemenblättern der Fische.

Der Knorpelreifen um den Mund entspricht nicht dem Kieferapparat anderer Thiere, auch nicht dem Zungenbein, wofür ihn Yarrell und Good- sir halten, sondern gehört in jene merkwürdige bei den Knorpelfischen ans- gebildete Kategorie der Mundknorpel, welche in der vergleichenden Osteologie der Myxinoiden als eigenthümliches Svstera nachgewiesen ist(“). Er ist ganz verwandt mit dem Knorpelring des Mundes der Petromjzon, ferner den Tentakelknorpeln der Myxinoiden, bei welchen beiden aufserdem ein besonderes Zungenbein vorhanden ist. Die Seitenwände des Mundes zwischen dem Mundring und dem Rückgrat sind blofs häutig, die äufsere Haut und die Schleimhaut des Mundes berühren sich hier bis auf eine inter- stitiale nicht knorpelige Schichte. Dadurch erhalten die Seitenwände der Mundhöhle die Form von Klappen, welche an ihrem Rande durch den Mund- ring auseinander gehalten werden und bei der Verengerung des Mundes, die nur von den Seiten aus geschehen kann, durch eine Längsspalte getrennt sind.

(') Gooclsir, Anat. of the Amphioxus lanc. 1841. Taf. II. fig. 18.

(^) Vergleichende Osteologie der Myxinoiden. Abhandl. d. K. Akad. d. Wissensch. zu Berlin, J. 1834. p.l97.

88

Müller über den Bau und die Lebenserscheinungen

Flossenstrahlen.

Die Flossenstrahlen sitzen auf dem fibrösen Blatt der skelethildenden Schichte auf, welches sich von dem Rückgrat in der Mitte zwischen den Sei- tenmuskeln erhebt. Sie gehen in der Rückenflosse von der Gegend des vor- dem Endes des centralen Nervensystems oder des Auges bis ans Schwanz- ende, diejenigen der Afterflosse auch durch die ganze Länge derselben und nicht blofs bis zum After, wie Hr. Rathke angiebt.

Diese Strahlen haben einen sehr eigenthümlichen Bau. Sie bestehen aus durchsichtigen hinter einander stehenden röhrigen Kapseln, deren Basis zwischen den obern Theilen der Rückenmuskeln versteckt ist. Sie füllen nicht die ganzen Flossen aus, der Rand der Flossen enthält nichts davon und ist blofs häutig ohne Abtheilungen. Der häutige Theil der Flosse ist durchgängig ein niedriger Saum, aber vorn setzt sich dieser häutige Saum in das plattenförmige Schnautzenende des Thieres fort, welches durch das Ende der Chorda in eine obere und untere Hälfte getheilt wird. Am Schwanz- ende vor dem After fängt der häutige Theil der Rückenflosse sowohl als Af- terflosse an höher zu werden, wodurch die lanzettförmige Schwanzflosse ent- steht, deren Ende von dem spitzen Ende der Seitenmuskeln fast erreicht wird.

Im Innern der beschriebenen zellenartigen Abtheilungen in den Flos- sen befindet sich eine durchsichtige Flüssigkeit und aufserdem eine consi- stentere, aber jedenfalls weiche Masse (*), an der von uns keine Structur erkannt werden konnte, welche mit scharfen Conturen, von dem Grundtheil der Kapsel ausgehend, sie zum Theil ausfüllt. Das abgerundete Ende er- reicht das Ende der Kapsel nicht. In den Kapseln der Afterflosse sind diese Massen doppelt, eine rechte und linke neben einander. Hr. Rathke, welcher diesen Bau der Flossenstrahlen nicht beobachtet hat, sagt nur, dafs sie un- gegliedert, dafs ihr Gewebe eine Knorpelsubstanz sei und dafs sie die Gestalt von Tafeln haben. Aber er erwähnt, dafs die Strahlen der After- flosse aus zwei gleichen Seitenhälften bestehen. Der häutige Theil der Flosse zeigt weiter keine Abtheilungen. Doch liefsen sich in der Nähe des

(') Goodsir, 251.

des Brancliiostoma lubricum Costa, Ampliioxus lanceolatus Yarrell. 89

Schwänzendes in diesem Saum der Länge nach verlaufende parallele Linien erkennen, welche zart von Linien durchschnitten wurden, die senkrecht auf ihnen standen und deren Stellung den Zwischenstellen zweier Flossenstrah- len entsprachen. Endlich waren am Schwanzende in dem häutigen Saume auch dichtstehende in denselben ausfahrende Fäden zu erkennen, welche den Pvand des Saumes nicht erreichten (Tab.I. fig.3).

iSkelet der Kiemen.

Die Mundhöhle führt in den Kiemenschlauch, welcher fast bis in die Hälfte des Thieres reicht und, sich zuletzt verengend, in die Speiseröhre übergeht; er liegt, wie seine Fortsetzung, der Darm, in der Bauchhöhle. An der Grenze zwischen Mundhöhle und Höhle des Kiemenschlauches be- findet sich eine zirkelförmige ziemlich hohe Falte, welche in lange Fran- zen (^) ausläuft. Bei lebenden Thierchen hat man hei der Profilansicht nur den Anheftungsrand oder die Dicke dieser Falte. Diese Stelle hat unregel- mäfsige Ränder und ganz das Ansehen, als wenn hier eine knorpelige Leiste von der Chorda nach unten herahginge. Bei der Präparation hat sich aber ein besonderer Knorpel niemals finden lassen.

Das Gerüste der Wände des Kiemenschlauches besteht aus sehr vielen von oben nach unten und hinten verlaufenden parallelen dünnen Kiemen- rippchen ohne Strahlen (^), welche in dem hintersten engem Theil des Kie- menschlauches an Länge abnehmen. Ihre Anordnung ist von Rathke und Goodsir beschrieben. Beide geben die oberen Enden dieser knorpeligen Leisten als einfach an. Wir haben sie dagegen bogenförmig mit einander verbunden gesehen. Die unteren Enden hingegen enden wirklich alle frei. Diese freien Enden vei’halten sich abwechselnd verschieden, indem eines der Stäbchen einfach ausläuft, das nächstfolgende aber sich gahelig theilt, dar- auf folgt wdeder ein einfaches Ende und dann wieder ein gabeliges u. s. w. wie von Hrn. Rathke ganz richtig angegeben und ahgehildet worden ist. Jeder

(') Pvatlike, fig. 5. d.

C') Pvetzius, MonatsLericlit, 1839. 198. Rathke, 31. fig- 7. GooJsir, 255. Taf. 2. fig.l4.

Physdi.-math. Kl. 1842.

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M ÜLLER Über den Bau und die Lehenserscheinunsen

Ast der Gabel gebt einem Ast der nächsten Gabel entgegen, um einen Spitz- bogen zu bilden, der von dem ungetbeilt auslaufenden Zwiscbenstäbcben wie ein Fenster getbeilt wird. Die Spitzbogen der rechten und linken Seite ste- hen unten nicht einander gegenüber, sondern alterniren. Drei auf diese Weise zusammen gehörende Rippchen sind jedesmal auch noch in der Quere durch stabförmige Sparren vereinigt, welche den Querbalken eines Fensters gleichen (Q. Die Quersparren setzen sich nicht in einer Linie fort, sondern liegen an verschiedenen Spitzbogenfenstern in verschiedener Höhe. Bei den jüngsten Individuen von nur 6'" Länge waren gegen 25 solcher Spitzbogen- fenster auf jeder Seite des Kiemenschiauches, oder doppelt so viele Längsab- theilungen und nicht mehr als 4 Querbalken an jedem Doppeltfenster in ver- schiedener Höhe desselben. Bei Individuen von 1 Zoll Länge war die Zahl der Abtheilungen viel gröfser, ganzer Spitzbogen 40-50 und mit dem wei- tern Wachsthum wird sie noch mehr zunehmen. Es waren auch gegen 9 Querbalken an jedem Spitzbogenfenster. Vorn und noch mehr hinten sind die Spitzbogenfenster niedriger und nehmen hinten bis zum kleinsten ab und hier entstehen offenbar die neuen Abtheilungen. Das Gerüste jeder Seite ist sowohl oben als unten durch einen der Länge nach verlaufenden gelben bandartigen Streifen verbunden. Dieses Band geht am vordem und hintern Ende von dem untern zum obern Rande bogenförmig über. Das rechte und linke Kiemengerüst berühren sich fast in der obern und untern Mittellinie, sie sind hier durch eine sehr kleine Lücke getrennt, welche von Haut, der Haut des Kiemenschlauchs, ausgefüllt wird. Die obere häutige Commissur hängt der Chorda an. Die untere ist frei, wie die Seitenwände.

Wir haben aber auch eine Befestigung der Kiemenwände durch ein besonderes Band bemerkt. Die Kiemenwände sind nämlich nach aufsen von der Chorda durch eine von den Leibeswänden abgehende häutige Leiste be- festigt, deren unterer Rand in Spitzen ausläuft, wie das ligamentum deniicu- latum des Rückenmarkes. Die Spitzen befestigen sich an jede dritte Kie- menleiste. Zwischen den Spitzen bildet dieses Band freie Arkaden über dem obersten Theil der Kiemenspalten. An den übrigen Stellen liegt der Kiemenschlauch ganz frei in der Bauchhöhle und seine zahlreichen Kie- menspalten, d. h. die Zwischenräume zwischen den Längsrippen und

(’) Ratlike , fig. 7.

des BT'anchiosioma luhricum Costa, Amphioxus lanceolaius Yarrell. 91

Quersparren führen nach unseren Beobachtungen aus dem Kiemenschlauch direct in die Bauchhöhle.

Die Knorpelleisten des Kiemenapparates sind sehr eigenthümlich ge- bildet, sie bestehen aus lauter verklebten Längsfasern, welche sich an den obern Bogen und an den untern Spaltungen der Stäbchen auseinander be- geben. Diese Art von Knorpelfäden gehört mit den ähnlich gebildeten zar- ten Knorpelfäden am Ende der Flossen der übrigen Fische und in den soge- nannten Fettflossen derselben zu einer eigenen Formation der Faserknorpel. Die Flossen der Fische, die aus articulirten Strahlen bestehen, besitzen immer am Saume dieser Flossen solcheFäden, auch die Flossen der Haifische und Ro- chen; die sogenannten Fettflossen bestehen dagegen ganz aus solchen Fäden, sie enthalten daher nur das eine Element der articulirten Flossen. Zur Un- tersuchung dieser Art von Knorpel eignen sich am besten die Flossen der Haifische und Rochen. Untersucht man einen der feinen knorpeligen stei- fen Fäden, mit denen das Ende der Flosse, wo die Articulation aufhört, be- legt ist, unter dem Mikroskop, so sieht man, dafs diese Fäden aus lauter fei- nen verklebten Fasern bestehen, in welche sie sich leicht spalten lassen. Ganz dieselben Elemente finden sich in den sogenannten Fettflossen ohne Flossenstrahlen.

Muskelsystem.

Das Muskelsystem des Branchiostoma besteht aus den Seitenmuskeln, den Bauchmuskeln, den Muskeln des Mundringes und der Mundtentakeln, den Muskeln des gefranzten Ringes zwischen Mundhöhle und Kiemenschlauch und den Muskeln des Kiemenapparates. Die Seitenmuskeln, gebildet wie bei anderen Fischen, liegen auf den tiefen Leibeswänden auf, nämlich auf den Seiten der Chorda und der skeletbildenden häutigen Schichte und ihren Verlängerungen in der ganzen obern Mittelebene und untern Mittelebene am Schwanztheil des Thiers, soweit Bauchhöhle ist aber auf den fibröshäutigen Verlängerungen der skeletbildenden Schicht des Rückgrats, welche die inner- sten Bauch wände bilden und welche Hr. Rathke fascia superficialis interna nennt. Die Seitenmuskeln bedecken den ganzen Bauch nicht, vielmehr wird der untere und untere seitliche Theil der Bauchwände allein von den Bauch- muskeln bedeckt, welche nur bis zum porus abdominalis reichen. Die Sei-

M2

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M üLLEß Über den Bau und die Lehenserscheinungen

tenmuskela becleckea auch die Basis der Strahlen der Rückenflosse und Af- terflosse, Nach vorn und hinten laufen sie spitz aus. Die Spitze der Sei- tenmuskeln geht auf dem ohern Theil der Mundwände, auf dem vordem Ende des Rückgrats bis zu der Gegend des dunkeln Augenpunktes, so dafs die Spitze der Chorda und die senkrechte Platte des Kopfendes eine gute Strecke darüber hinaus hervorragen. Die hintere Spitze der Seitenmuskeln geht bis auf das letzte Ende des Schwanzes. Sie bestehen, wie bei anderen Fischen, aus Abschnitten, welche den Rändern des Winkels des vordem spitzen Endes der Seitenmuskeln überall parallel durch ligamenta intermus- cularia abgetheilt sind. Die parallelen Winkel der Abschnitte sehen daher überall nach vorn, die Spitzen der Winkel entsprechen ohngefähr der Mitte oder Achse der Chorda, die Schenkel der Winkel laufen nach oben und un- ten rückwärts in den obern und untern Rand der Seitenmuskeln aus, indem sie sich gegen den Rand dieser Muskeln etwas krümmen. Unter dem Mikro- skop erkennt man überall Querstreifen in den primitiven Bündeln dieser Muskel (Q.

Am Bauche liegen 2 Schichten von Muskeln, eine dichte obere Schichte von Querfasern (^) und eine Schichte von Längsbündeln. Beide sind ohne Querstreifen (^); dafs es aber Muskeln sind, sieht man an den lebenden Thierchen an ihrer Contractlon. Die Längsbündel entspringen von dem un- tern Seitentheil des Mundringes und endigen vor der Afterflosse und zugleich in den Seitenlippen des porus abdominalis. Im Allgemeinen verkürzen sie den Bauch, ihr vorderer Theil zieht den Mundring auseinander, ihr hinterer Theil zieht die Lippen des porus auseinander und erweitert diesen porus, eine Bewegung, welche man mit dem Rhythmus einer Athembewegung an den lebenden Thierchen erfolgen sieht.

Die Lippen des porus abdominalis scheinen auch musculös zu sein ('^), wovon die rhythmische Verengung der Öffnung abhängt. Wahrscheinlich entwickeln sich diese Fasern aus dem hintersten Theil der Querbündel des (*)

(*) Müller, Monatsbericht, 1839. 200.

(^) Müller, Monatsbericht, 1839. 200. Rathke, 14. Goodsir, 254. C) Müller, Monatsbericht, 1839. 200. Goodsir, 254.

(^) Müller, Monatsbericht, 1839. 200.

des Branchiostoma luhricum Costa, Amphioocus lanceolatus Yarrell. 93

Bauches. Nicht selten sieht man die Ränder der Lippen des porus ahdomi- nalis leicht gekräuselt.

Die Seitenhälften des Mundringes werden durch einen von Hrn. Goodsir angezeigten Muskel gegen einander gezogen.

Vom untern Seitentheil des Mundringes entspringt ein Fascikel von Muskelfasern, welches sich an der Leiste verliert, welche zwischen Mund- höhle und Kiemenschlauch von der Chorda herabgeht und entweder ein be- sonderer Knorpel oder die Seitenansicht jener ringförmigen Falte an dieser Stelle ist, deren Ränder gefranzt sind. Durch diesen Muskel wird jene Falte und die Franzen derselben, welche man an den durchsichtigen Thierchen in der Regel nach einwärts rückwärts gestellt sieht (Taf. I. fig. 2. o.), nach vorwärts gezogen. Diese Bewegung tritt von Zeit zu Zeit plötzlich vorübergehend ein, worauf die Franzen wieder in ihre gewöhnliche Stellung zurückkehren.

Noch giebt es einige contractile Theile am Kiemenapparat. Die Kiemenleistchen enthalten nämlich aufser dem knorpeligen Faden auch einen contractilen Strang. Denn wurde bei einem lebenden Thierchen das Kiemengerüst zergliedert und Stücke abgeschnitten, so zeigte sich nicht sogleich, aber bald nachher ein wellenförmig hin und her gebogener doppelter Strang an den straffen Knorpelstäbchen. Entweder sind diese an quer durchschnittenen Kiemen sich wellig biegenden, dicht neben ein- ander liegenden Stränge Muskeln oder auch die Kiemengefäfse. Zuwei- len wurden unter dem Mikroskop sehr heftige Bewegungen des Kiemen- thorax gesehen. Ob die bei der Beschreibung des letztem erwähnten gelb- lichen Bänder, welche die Knorpelchen oben und unten Zusammenhalten, auch contractil sind, müssen wir dahin gestellt sein lassen.

Nervensystem.

Rathke (^) und Goodsir (^) lassen das Rückenmai’k nach beiden Enden sich verjüngen und vorn und hinten spitz auslaufen. Wir haben das centrale Nervensystem nach vorne immer stumpf und abgerundet gesehen. Das Pvückenmark ist allerdings in der Mitte der Länge des Thiers etwas dik-

(-) p.l2.

(0 p.251.

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M ÜLLEK üher den Bau und die Lehenserscheinungen

ker und wird nach vorn und hinten allmählig dünner; aber nach vorn zu be- trägt diese Verjüngung nur äufserst w'enig. Allerdings fehlen am vorderen Theil des centralen Nervensystems die Anschwellungen, welche man bei an- deren Thieren am Gehirne wahrnimmt und es giebt beim Branchiostoma keine Absonderung dieses Systems in den Hirntheil und Spinaltheil; da aber am vorderen stumpfen Ende des centralen Nervensystems das Auge aufsitzt und der Sehnerve abgeht, so beweisen wir hieraus, dafs das Vorderende wirklich auch das Vorderende des Gehirns ist und können die Ansicht von Hrn. Rathke nicht theilen, dafs das centrale Nervensystem von Branchio- stoma nur allein dem Rückenmarke der übrigen Wirbelthiere gleich zu stel- len sei.

Die Form des centralen Nervensystems ist von Rathke (^) undGood- sir verschieden angegeben. Nach dem ersteren stellt es eine Röhre von sehr dicken Wänden dar, deren Querdurchschnitte als ungleichseitige sphärische Dreiecke erscheinen, ist daher von dem platten bandartigen Rückenmark der Gyclostomen ganz abweichend. Seine schmälere Seite ist etwas concav und liegt der Chorda auf, die längeren Seiten sind ein wenig convex und die Kante, zu der sie sich nach oben vereinigen, ist stumpf. Der Canal ist eng, stark zusammengedrückt, höher als breit. Gleich unter diesem befindet sich durch die ganze Länge des Rückenmarkes ein Zug von Pigmentpunkten. Hr. Goodsir (^) sagt, dafs das Rückenmark in seinem mittlei’en Drittheil die Form eines Bandes habe, dessen Dicke oder 4^ seiner Breite betrage, entlang dieser Strecke befinde sieh an seiner obern Fläche eine breite aber seichte Rinne; die andern zwei Drittheile seien nicht so flach und ohne Rinne. Ein Streifen schwarzen Pigmentes verlaufe längs der Mitte der obern Fläche des Rückenmarkes, welches an der bezeichneten Stelle die obere Rinne einnehme. Nach unseren Untersuchungen befindet sich das Pigment im untern Theile des Rückenmarkes und es ist zu vermuthen, dafs Hr. Goodsir nicht die ganze Dicke des Rückenmarkes vor sich gehabt hat. Dieser Theil der Anatomie unseres Thierchens hat seine besonderen Schwie- rigkeiten. Es gelingt sehr schwer, das Rückenmark durch Aufschneiden des Ganals, worin es liegt, wie Hr. Goodsir that, herauszunehmen. Dünnere

(G p.l2. C) p.251.

des Brajichiostoma luhricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 95

Querdurchschnitte gelingen indefs wohl und führen zu dem erwähnten Er- gebnifs, welches mit demjenigen von Hrn. Rathke übereinstimmt. Den von Hrn. Rathke beschriebenen Canal habe ich zwar an den meisten dieser Querschnitte nicht sehen können; aber an anderen sind seine Umrisse so scharf gewesen, dafs ich ihn nicht für eine durch den Durchschnitt hervorge- brachte künstliche Zerreifsung halten konnte. Dieser Canal entspricht of- fenbar nicht blofs den Hirnvertikeln, sondern vielmehr dem primitiven Ca- nal des Rückenmarkes bei dem Embryon der übidgen Thiere zu der Zeit, wo sich die Rückenmarkplatten zu einem Canal geschlossen. Die Piguientzellen reichen beinahe durch das ganze centrale Nervensystem, doch hören sie schon eine kleine Strecke vor dem vordem stumpfen Ende desselben über der Mitte des Mundes auf. i

Was die Nerven betrifft, so hat bereits Hr. Rathke (‘) die Bemer- kung gemacht, dafs sie sich nur so wie Rückenmarknerven anderer Wirbel- thiere verhalten und dafs weder vagus, noch tiigeminus und facialis, noch Sinnesnerven aufzufinden seien. Diese Thatsache hat sich für den gröfsten Theil der Nerven bestätigt, dagegen allerdings die Sinnesorgane und beson- deren Sinnesnerven nicht ganz fehlen. Die Verbreitung der Rückenmarks- nerven ist von Hrn. Goodsir (^) bereits ganz richtig angegeben.

Am vordem stumpfen Ende des centralen Nervensystems sitzt äufser- lich jederseits ein schwarzer Pigmentlleck, welcher offenbar das Auge ist in dem rudimentären Zustande, wie es bei den Würmern vorkommt, ohne alle optische Apparate. Es ist dies der von Hrn. Retzius (^) bereits beobach- tete schwarze Körper. Von einem Geruchs- und Gehörorgan zeigte sich keine Spur (‘^).

Die Nerven sind sehr uniform angelegt, nach dem Typus der spinalar- tigen Nerven. Der erste dieser Nerven tritt in geringer Entfernung hinter

O P-13.

(D p.252.

(g) Monatsbericht, 1839. 198.

('*) Das Geruchsorgan ist seither von Firn. Kölliker entdeckt, es ist nur einseitig und wahrscheinlicli deswegen von uns übersehen worden; es stellt ein Becherchen dar, dessen innere Fläche mit Wimpern von riimmerhewegung besetzt ist. Die \Vimperhewegung an dieser Stelle führt zu dessen Wahrnehmung. Kölliker in Müll. Archiv f. Anat. u. Phy- siol. 1843. p.32. Zusatz.

I

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M ÜLLER über den Bau und die Lehenser'scheinungen

dem Vorderende des centralen Nervensystems über dem vordem spitzen Ende der Seitenmuskeln hervor und breitet sich mit 3 Asten an der Schnautze aus, von welchen der erste grade über dem vordersten Ende der Chorda fort- geht, die beiden andern schief an den Seiten der Schnautze vor dem Munde hinabsteigen. Dieser Nerve ist etwas dicker als alle folgenden Nerven, er gleicht nicht ganz dem NejTus irigeminus, sondern nnr einem Theil dessel- ben, da die Seiten des Mundes und der gröfsere Theil des Kopfes nicht mehr von ihm, sondern bereits von den fünf folgenden Spinalnerven versehen werden.

Jeder Spinalnerve am ganzen Körper theilt sich bei dem Hervortreten in einen obern dünnem und untern starkem Ast, welcher schief nach vorn und sofort nach unten herabsteigt, bis zur Bauchseite sich verzweigend. Die Zahl der Nerven stimmt genau mit der Zahl der Abtheilnngen in den Seiten- muskeln, zwischen welchen sie Vorkommen. Der erste stärkere Kopfnerve hinter dem Auge kommt am obern Rande des ersten Segments der Seiten- muskeln hervor, der nächste zwischen dem ersten und zweiten Segmente u. s. w. Die Nerven der Kiemen sind wahrscheinlich Zweige der Spinalnerven.

Pväderorgan in der Mundhöhle.

Von den Franzen zwischen Mund- und Kiemenhöhle mufs man ge- wisse, an den Innern Flächen des Mundes liegende, nach vorn gerichtete fingerförmige Figuren unterscheiden, welche über einander gelegen, jeder- seits eine Reihe bilden. Sie bilden ein diesen Thierchen zukommendes in der Mundhöhle selbst liegendes Räderorgan. Die das Phänomen der Rä- derorgane dai’bietenden Figuren treten nicht frei über die Mundschleimhaut hervor, sondern sind blofs in der verschiedenen Structur der Mundschleim- haut an diesen Stellen begründet. Die fingerförmigen Figuren sind nämlich der Anfang des wimpernden Theils der Schleimhaut. Die ganze übrige Mundhöhle vor den fingerförmigen Figuren wimpert nicht, auch zwischen den fingerförmigen Fortsätzen, bis da wo sie nicht weiter getrennt sind, fehlt diese Bewegung. Auch an todten und in Weingeist aufbewahrten Thieren sieht man zuweilen einen undeutlichen Ausdruck der fingerförmigen Contu- ren in der Schleimhaut. Aber im lebenden Zustande treten diese Conturen durch das an ihnen ablaufende optische Phänomen der Räderorgane der Rä-

des Bj'anchiosloina lubricum Costa, Ainphioxus lanceolaius Yarrell 97

clertliiere auf das bestimmteste hervor. Dieses Phänomen ist die Folge der Wimperbewegung. Die Erscheinung besteht in einer Pveihe von in einer Richtung fortlaufenden regelmäfsig auf einander folgenden Wellen. Die Be- wegung folgt genau dem Rande aller Lappen und setzt in den Einschnitten zwischen denselben von einem zum andern über, sie geht am obern Rande der fingerförmigen Figuren vorwärts, biegt am Ende derselben um und geht am untern Rande derselben rückwärts (Tab. II. fig. 5). Wenn man diese Er- scheinung zum erstenmal sieht, so hält man die Wellen für die Wfimpern selbst und stellt sich vor, dafs die Strömung der Flüssigkeit der Richtung der Räderbewegung gleichen müsse. Dem ist aber nicht so. Diese Bewegung drückt nicht die Richtung aus, in welcher die Wimpern schlagen, sondern die Weise, in welcher sich die Wimpern oder vielmehr Haufen von Wimpern auf einander in ihrer Bewegung folgen. Die Richtung der Bewegung der Wimpern und der dadurch bedingte Strom der Flüssigkeiten entlang den Wänden der wimpernden Oberfläche ist, wie auch am Räderorgane der Rä- derthiere, eine ganz andere. Man erkennt sie bei unserm Thierchen, wenn man dem Wasser, w'orin es sich befindet, fein gepulverten Indigo zusetzt Dieser bewegt sich dann uniform an allen Lappen gerade nach rückwärts, d. h. aus der Mundhöhle nach der Kiemenhöhle.

Feinerer Bau des Kiemensclilauclis, Wimperbewegung.

Die Knorpel des Kiemengerüstes werden an ihren oberen Enden je- derseits durch ein Band verbunden; in der Mitte, zwischen beiden, liegt oben nur Schleimhaut, unten dagegen ist nur ein einziges breiteres Band in der Mitte zwischen den Knorpelleisten beider Seiten, ein ziemlich dicker Faser- Knorpel in Form einer Hohlkehle. Die untern Enden der Bogenfenster sind auf die äufsere Fläche der Kehle aufgesetzt. Die Ränder der Hohlkehle sind bogenförmig ausgezackt, so dafs die spitzen Zacken sich an jeden dritten Knorpelstab d.h. an diejenigen Knorpelleisten befestigen, welche sich unten theilen. Die Befestigung der Zacke ist gerade an der Theilung dieser Stäbe. Die Mittelstäbe der Spitzbogenfenster sind nicht am Rande des Mittelbalkens angeheftet, nur das äufserste Ende dieser Leiste ist, wie auch die getheilten Leisten, auf der Aufsenfläche der Hohlkehle befestigt. Auf diese Weise rei- chen die Lücken der Spitzbogen noch etwas tiefer über den Rand des Mittel- Phjsih.-math. Kl. 1842. N

98 Müller über den Bau und die Lebenserscheinungen

balkens hinaus bis zur Anheftung der Enden der Spitzbogen auf der Aufsen- fläche der Hohlkehle.

An dem Mittelbalken erkennt man mehr oder weniger deutlich Zu- sammensetzung aus einigen Längs -Bündeln, seine obere Fläche ist von der Schleimhaut bedeckt, die hier ein körniges Ansehen und auf ihrer Oberfläche der Länge nach verlaufende faltenartige Leisten hat, welche leicht für Gefäfse gehalten werden können, was sie nicht sind.

Die Schleimhaut bekleidet die Knorpelstäbchen von der Innern Seite, ohne von einem Stäbchen quer auf das andere überzugehen, also ohne die dazwischen befindlichen Spalten auszufüllen. Es sind daher eben so viele Spalten an den Wänden der Kiemen, als Zwischenräume zwischen den Knor- pelstäbchen, so dafs bei erwachsenen Individuen gegen 100 und mehr Kie- menspalten in der Seitenwand des Kiemengerüstes liegen, welche blofs durch die Querleistchen unterbrochen werden. Die Zahl der Spalten nimmt mit der Zahl der Abtheilungen mit dem Alter zu. Da die Schleimhaut sowohl an den Seitenrändern der Spalten, wie an der innern Fläche der Leisten dicht mit Wimpern besetzt ist und die Spalten an sich schon enge sind, so bleibt zwischen den Wimpern der einen und andern Seite einer Spalte nur eine sehr feine solutio continui übrig. Rathke und Goodsir hielten die Wände des Kiemenschlauchs für geschlossen nur in die Speiseröhre führend, und betrachteten den Amphioxus als ein Thier ohne Kiemenspalten. Die von der Schleimhaut gebildeten Abtheilungen der Kiemenwände entsprechen überall genau den Spitzbogenfenstern der Knorpelstäbchen, nur am vorder- sten Theil des Kiemenschlauches entfernen sie sich oben etwas davon und die Spitzbogen des Knorpelgerüstes sind höher als die Kiemenspalten lang. Die Wand der Kiemenleisten enthält auch Pigmentkörner.

Auch an den Kiemen sieht man unter dem Mikroskop eine doppelte, durch die Wimpern verursachte Bewegung. Die eine folgt den Rändern der Kiemenspalten und besteht in einer sehr regelmäfsigen Folge von kleinen Wellen, sie gehen am vordem Rande der Kiemenleisten aufwärts, am hintern abwärts. Diese Bewegung ist die Erscheinung der Räderorgane, die Richtung des Schlags der Wimpern ist eine davon ganz verschiedene, wie man an dem durch die Kiemenhöhle durchströmenden Indigo sieht.

Der Indigo wird durch die Wimperbewegung theils durch die Kie- menhöhle bis in die Speiseröhre und den Darm geführt, besonders oben

des Branchiostoma lubricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 99

und unten, theils gelangen die Indigotheilchen durch die zahlreichen Kie- menspalten in die Bauchhöhle, wie man unter dem Mikroskop sehr schön beobachtet. In der Bauchhöhle, die selbst keine Wimperbewegung besitzt, fliefsen die Indigotheilchen mit dem sie begleitenden Wasser, von dem innern Strome gedrängt, in der erhaltenen Bewegung rasch fort und es dringt unauf- hörlich ein Strom von Wasser und Indigotheilchen aus dem porus abdomi- nalis hervor. Die seitlichen Lippen des porus abdominalis bewegen sich rhythmisch, die Öffnung erweiternd und verengend. Hinter dem porus ab- dominalis hört der dem Wasser zugängliche Bauchhöhlenraum ganz auf, und die musculösen Leibeswände umfassen sehr enge das Endstück des Darms. Aus dem Vorhergehenden erhellt, dafs die von Hrn. Retzius aufgestellte Ansicht über die Bedeutung des porus abdominalis als Respirationsöffnung zur Ausführung des Wassers, welche sich auf den von ihm beobachteten Übergang von Quecksilber aus den Kiemen durch den porus abdominalis gründete, auf das vollkommenste bestätigt worden. Die Höhle, worin die Kiemen und der vordere Theil des Darms mit dem Blindsack oder der Leber liegen, ist also jedenfalls Athemhöhle und der Kiemenhöhle der Fische zu vergleichen, besonders derjenigen, die nur einen einzigen unpaaren porus respiratorius besitzen, wie die Symbranchus. Aber sie ist auch zugleich Bauchhöhle, da in dieser Höhle zugleich ein grofser Theil des Traclus inte- stinalis, Geschlechtstheile und Nieren, gelegen sind. Eigentlich liegt auch das an der untern Wand des Kiemengerüstes verlaufende Herz ohne Herz- beutel darin.

Die Wimperbewegung fehlt an den Franzen am Eingang der Kiemen- höhle, gleichwie an den Querstäben der Kiemen, von den Kiemen setzt sie sich durch den ganzen Darm fort und es scheint, als wenn sie bestimmt wäre, die Muskelbewegung zu ersetzen oder zu unterstützen, die wir niemals an dem Darmkanal wahrnahmen, dahingegen der Inhalt des Darms rasch fort- schreitet.

Darmkanal und blindsackförmige Leber. Wimperbewegung.

Der Darm zerfällt in mehrere Regionen. Der Kiemenschlauch setzt sich in einen kurzen, engen Canal fort, die Speiseröhre, welche sich in den viel weiteren Darm öffnet, dieser weitere Theil des Darms ist immer grün

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100 Müller über den Bau und die Lebenserscheinungen

gefärbt, beide unterscheiden sich von einander durch ihre Farbe. Gleich hinter der Einmündung der Speiseröhre geht von dem Darm ein langer Blind- sack (‘) ab, welcher neben der hinteren Hälfte des Kiemenschlauches und an dessen rechter Seite liegt. Er ist fast so weit als der weitere Theil des Darms selbst. Der Darm verengt sich nach hinten allmählig, besonders hin- ter dem porus abdominalis, wo er den weitern Bauchhöhlenraum verläfst und enger von den Leibeswänden umschlossen wird. Er öffnet sich an der als Af- ter bezeichneten Stelle.

Der Blinddarm ist von allen Seiten frei ohne Gekröse, aber das Ende desselben ist durch mehrere bandartige Fäden an einigen der Knorpelleisten des Kiemenschlauches angeheftet.

Der Darm hängt der Rückenwand der Bauchhöhle ohne Gekröse an.

Was wir in der früheren Mittheilung als Blindsack des Darms bezeich- neten und Hr. Rathke dem Magen vergleicht, ist zufolge unserer neueren Beobachtungen nichts anderes als die Leber, welche bisher bei diesem Thiere vermifst wurde. Der weitere Theil des Darms ist immer grün gefärbt, die Speiseröhre nicht, auch der von dem weitern Theil des Darms ahgehende Blindsack ist in seinen Wänden immer grün gefärbt. Die Färbung gehört der innern Schichte des Schlauches an und rührt von einer drüsigen Beschaf- fenheit her, die man auf Durchschnitten als eine senkrecht stehende Faser- schicht der Darmwände bemerkt. Der grün gefärbte Theil des Darms hört mit einer scharfen Grenze auf, von da ab hat der hintere Darm eine helle Färbung, übrigens sind die Wände des grünen Theils des Darms und des Blinddarms nicht dicker als an anderen Stellen des Darms. Offenbar ist die ganze grüne Region des Darms mit dem Blinddarm als Leber zu betrachten. Sie ist noch mit den Wänden des Darms identisch und zum Theil Ausstülpung desselben wie beim Foetus der höheren Thiere. Der Blindsack verhält sich auch hinsichtlich der Blutgefäfse als Leber, wie wir nachher sehen werden; denn die Vene, welche das Blut von dem übrigen Theil des Darms zurück- bringt, w'ird zu einer vena arteriosa des Blindsacks, zur Pfortader desselben und das so zugeführte Blut gelangt erst wieder durch eine eigentliche Leber- vene zurück, alles ganz so wie an der Leber der übrigen Thiei’e.

(') Müller, Monatsbericht, 1839. p. 199. Rathke, p. 21.

des Branchiostoma lubricum Costa, Amphioxus lanceolalus YarreU. 101

Der ganze Darmschlauch ohne Ausnahme wimpert im Innern, auch der Blindsack. Am stärksten ist aber die Wimperbewegung in einer Strecke des Darms, welche unmittelbar auf die grüne Region folgt. In diesem Stück des Darms beginnt schon die Excrementbildung, immer findet man hier auch bei Individuen, die nicht mit Indigo gefüttert sind, einen Strang brauner, also von Galle gefärbter Materie, der sich durch die sehr lebhafte Wimper- bewegung schnell um seine Achse dreht. Das Thierchen lebt übrigens blofs von Infusorien und mikroskopischen Thierchen, die es nicht verschlingt, die vielmehr durch die blofse Wimperbewegnng in einem fort ihm Zuströmen. Nur selten sieht man die an der Grenze zwischen Mund und Kiemenschlauch befindlichen Franzen nach innen bewegt werden, die einzige Bewegung, die man einer Schlingbewegung vergleichen könnte. Aber unter dem Mikroskop sieht man völlig unabhängig davon einen beständigen Strom in seinen Mund eingehen, wovon ein Theil am Ende der Kiemen in die Speiseröhre eintritt und den Darmkanal passirt. Die Passage dui’ch den Darm ist viel langsamer als durch die Kiemen. In den Kiemen strömen die Theilchen von vorn nach hinten und durch die Kiemenspalten heraus. Im Darm hingegen drehen sie sich, besonders in der bezeichneten Strecke hinter der grünen Region. Gleichwohl ist der Durchgang durch den Darm verhältnifsmäfsig rasch. Thierchen, die wochenlang in blofsem Meerwasser aufbewahrt wurden, bil- den doch immerfort im hintern Theil des Darms dunkelgefärbte Excremente und oft sieht man sie in langen braunen Schnüren abgehen.

Branchiostoma ist das einzige Wirbelthier, welches Wimperbewegung in seinem Darm hat, unter den Fischen ist es auch das einzige, dessen Kiemen Wimpern, selbst den Kiemen der Myxinoiden fehlt diese Bewegung.

Nieren.

Am hintersten Theile der respiratorischen Bauchhöhle sieht man bei allen lebenden Individuen unter dem Mikroskop mehrere von einander ge- trennte drüsige Körperchen, ganz in der Nähe des porus abdominalis. Aus- führungsgänge wurden nicht wahrgenommen. Vielleicht sind es die Nieren; aber ich mufs bemerken, dafs ich diese Körperchen bei der Zergliederung der Thiere nicht wieder auffinden konnte.

102

Müller über den Bau und die Lehenserscheinunsen

Ö

Geschlechtstheile.

Hr. Costa (*) erwähnte bereits in seiner ersten Mittheilung die bei- den Reihen von Eierstöcken an der Bauchseite der Unterleibshöhle {pacchi di uova) und bemerkte, dafs bei den Männchen Hoden an der Stelle der Eierstöcke seien. Die Eierstöcke sind auch von Hrn. Yarrell (^) als Körper von dem Aussehen der Eier angeführt und abgebildet. In unserer ersten Mittheilung (^) ist bemerkt, dafs diese Theile durch Form und Lage auf den ersten Blick den schleimabsondernden Blasen bei den Myxinoiden gleichen, dafs sie sich aber bei der mikroskopischen Untersuchung ganz anders zeigen. Ich bezeichnete sie als traubenartige Haufen von Zellen, in deren jeder ein trüber, eiartiger Körper liegt und vermuthete, dafs die Geschlechtsprodukte durch den porus abdominalis nach aufsen gelangen. Hr. Rathke beschreibt sowohl ihre Befestigung an der innern Fläche der Bauchhöhle dicht unter- halb der Seitenmuskeln als ihren Bau. Die Grundlage eines jeden ist locke- rer Zellstoff, der rings von einer dünnen, festen, überall geschlossenen Hülle umgeben wird. Die eine Seite derselben ist an die Bauch wände angewachsen, die übrigen vom Peritoneum bedeckt, das, so weit es ihnen angehört, eine bräunliche Farbe hat. In dem lockern Zellstoff der Körper sind sehr viele kleine gelbliche kugelige Körperchen eingebettet, von denen jedes aus einer geschlossenen Haut und einer körnigen, dicklichen Flüssigkeit besteht. Hr. Rathke vermifst ebenfalls die Analogie mit den Schleimsäcken der Myxinoi- den und hält sie für die Geschlechtsorgane. Bei einem Individuum fand er dieselben Eierchen zum Theil frei in der Bauchhöhle. Bei einem andern In- dividuum, das er für ein Männchen hielt, waren an der Stelle der Eierstöcke ähnliche aber kleinere Körper von weifser Farbe, die Hoden. Eileiter und Samenleiter fehlen, die Geschlechtsprodukte können nur durch die Bauch- höhle nach aufsen gelangen.

Bei den Untersuchungen in Bohuslän konnten wir die Geschlechter bei gleich grofsen Individuen schon mit einer starken Loupe erkennen, weil man bei den Weibchen sogleich die Dotter der Eierstöcke w’ahrnimmt. Je-

(') Cenni zoologici p. 49.

(^) A. a. O. p. 471.

(®) Müller, Monatsbericht. 1839. p. 200.

des Branchiostoma luhricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 103

der Dotter enthält aufser sehr kleinen Dotterkörnchen sein Keimbläschen mit einem einzigen immer sehr deutlichen Keimfleck, der selbst bläschenar- tig aussah. In den gleich grofsen Männchen enthielten die ganz gleichen Geschlechtsorgane nur kleine, bläschenartige Körnchen ohne Bewegung. Die Zoospermien bilden sich wahrscheinlich erst im reifem Alter aus (^).

Bei jungen Individuen sieht man am Rande der Seitenmuskeln ent- sprechend einen fadenartigen Streifen herablaufen, in dessen Verlauf kleine Anschwellungen wie an einem knotigen Nervenstränge Vorkommen. Diese Knötchen sind die ersten Spuren der Genitalblasen.

Gefäfssystem. Blutbewegung.

Über das Gefäfssystem waren die früheren Mittheilungen sehr unvoll- ständig. In unserer ersten Mittheilung ist der Stamm der Kiemenarterie in der untern Mittellinie des Kiemenschlauches zwischen den Enden der Kie- menrippchen angegeben und gesagt, dafs das Herz nur schlauchartig zu sein und in der Verlängerung der Kiemenarterie nach hinten zu liegen scheine (^).

Hr. Rathke suchte nach einem Herzen vergeblich und bemerkt, dafs der Kreislauf wegen Mangel des Herzens, wie bei den Würmern, nur allein durch die Blutgefäfse vermittelt werden könne (^). Nach ihm verlaufen in der unteren Wand des Kiemenschlauches von hinten nach vorne zu beiden Seiten der Mittellinie zwei einander gleiche Gefäfse, von hinten nach vorn mäfsig weiter werdend. Ein jedes sende eine Reihe Kiemenzweige. Den Ursprung der beiden Gefäfse konnte Hr. Rathke nicht angeben, er vermu- thete ihn im Darmkanal. Vorn gehen sie in die ringförmige Falte zwischen Mundhöhle und Höhle des Kiemenschlauches über und fliefsen oben unter der Chorda in die Aorta zusammen. Zu beiden Seiten der letzteren befin- den sich zwei etwas weitere Gefäfse, die Cardinalvenen, ihre Zweige glaubte er aus den Kiemen entspringen zu sehen. Aufserdem bemerkte er zwei dünne Gefäfse am Lippenknorpel, das eine am obern, das andere neben dem un-

(’) Hr. Kölllker hat sie seither bei reifen Thlerchen beobachtet. Müll. Arch. 1843. p. 32. Zusatz.

(^) Müller Im Monatsbericht, 1839. p. 199. 200.

(’') a. a. O. p. 26.

104 Müller über den Bau und die Lebenserschdnungen

lern Rande an der äufseren Seite desselben und dafs sich an jedem Cirrus des Lippenknorpels zwei noch zartere Gefäfse befinden. Aus diesen Wahr- nehmungen folgerte Hr. Rathke, dafs das Blut aus den Athmungsorganerx oxydirt in die beiden Gefäfse in der untern Wand derselben übergehe, von der Aorta in alle Theile, mit Ausnahme des Athemorgans, verbreitet werde und durch die oberen Venen rückkehrend dem Athemorgane zugeführt werde. Nach dieser Ansicht würde die Anordnung der Hauptgefäfse von denen aller übrigen Fische abweichen, was nach unseren Untersuchungen nicht der Fall ist. Die beiden von Hrn. Rathke erwähnten Gefäfse in der unteren Wand des Kiemenschlauches sind wulstige Falten der Schleimhaut, welche den Mittelbalken des Kiemengerüstes bedeckt. Die beiden oberen Venenstämme, welche Hr. Rathke deutlich Zweige aus dem Athemorgan aufnehmen sah, deuten wir als die gezahnten Aufhängebänder des Kiemenschlauches, dessen Zacken sich an die Kiemenrippchen befestigen.

Hr. Goodsir (‘) hat das in unserer ersten Mittheilung von 1839 als Kiemenarterie bezeichnete Gefäfs gesehen und mit seinen Zweigen in die Kiemenleisten abgebildet (^). Nach ihm wird es vorn und hinten dünner und verliert sich hinten in der Richtung des Darms. Die Kiemenzweige verlaufen an dem Rande der Leisten und geben unter rechten Winkeln Zweige nach der nächsten Rippe ab, dies sind vielmehr die Querstäbchen des Kiemenge- rüstes, welche Hr. Goodsir sonst nicht erwähnt. Ganz richtig läfst er nur halb so viele Kiemenzweige aus dem Stamm der Kiemenarterie abgehen, als Kiemenrippchen sind, indem nur die gabeligen Rippen einen Ast erhalten. Am entgegengesetzten Rande aller Kiemenrippen liegen nach ihm andere Ge- fäfse, sie anastomosiren nach ihm bogenförmig und setzen sich dann in die Aorta fort(^). Diese Anastomosen sind nicht unwahrscheinlich, da sie bei allen anderen Fischen und ganz ähnlich bei den Myxinoiden stattfinden ; aber es ist Täuschung möglich, da die Kieraenrippchen selbst oben durch voll- ständige Arkaden Zusammenhängen, auch das ligamentum denticulatum des Kiemenschlauches mit seinen Arkaden und zackenartigen Befestigungen einen solchen Anschein hervorbringt.

(') A. a. O. p. 255.

(D Ebend. Taf.V. fig. 14. c.

(^) Ebend. Taf.V. fig. 14 und 15.

des Branchiostoma luhricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 105

Das Gefäfssystem konnte blofs an lebenden, jungen noch durchsich- tigen Thieren in einiger Vollständigkeit erkannt werden und sind darüber durch die in Bohuslän angestellten Untersuchungen wichtige neue Aufschlüsse verbreitet worden. Es theilt zwar die allgemeine Anordnung mit den Fi- schen, unterscheidet sich aber in Hinsicht des Herzens von ihnen und allen Wirbelthieren und zeigt eine auffallende Übereinstimmung mit den Würmern, indem sowohl die Herzen mehrfach sind als auch die Gestalt und Verbrei- tung der Blutgefäfse besitzen und sich über weite Strecken hin ausdehnen. Dieser Theil der Anatomie war mit den meisten Schwierigkeiten verbunden und wurde am spätesten aufgeklärt. Nach unserer Vermuthung mufste das Herz schlauchartig sein und es war nicht ganz unrecht, wenn ich in mei- nem Nachtrag zu Hrn. Retzius erster Mittheilung sagte, dafs das Herz in der Verlängerung der Kiemenarterie nach hinten schlauchartig zu liegen scheine, wo wir in der That auch ein rühriges Gebilde wahrnahmen. Nach- dem wir lange vergebens an dieser Stelle nach Pulsation gesucht, wurde diese zuerst von Hrn. Retzius in dem Oberhäuserschen Mikroskop, die Pulsation der übrigen Herzen dann von mir gesehen.

I. Das Arterienherz. Es liegt als eine gleichförmig dicke Röhre unter der ganzen Länge des Kiemenschlauches in der Mittellinie, wo sonst die Kiemenarterie liegt, zwischen und unter den bogenförmigen Enden des Kiemengerüstes beider Seiten, welche sich alternirend gegenüberliegen, so dafs die Herzröhre unter den Spitzen dieser Bogen leicht wellenförmig hin und her gewunden ist. Es ist keine Spur eines Herzbeutels vorhanden, das Herz also wie die Kiemenleisten einerseits vom Peritoneum üherzoeen.

D

Nach hinten, wo der Kiemenschlauch aufhört, setzt sich das Herz noch eine kurze Strecke, nämlich bis ans Ende der Speiseröhre, fort. Hier hängt es durch Umbiegung mit dem ebenfalls röhrenförmigen Hohlvenenherzen zu- sammen. Man sieht das Herz bei der Profilansicht von der letztgenannten Stelle an schnell fortschreitend sich in ganzer Länge bis zum vordersten Ende der Kiemen oder bis gegen die Mundhöhle zusammenziehen. Die Contra- ctionen beginnen zwar am Hintertheil, aber sie vollenden sich schnell in der ganzen Länge des Herzens. Vor der Contraction ist das Herz mit einem völlig farblosen Blut vollgefüllt und ragt in der Profilansicht am untern Rande der ganzen Länge des Kiemengerüstes vor, im Maximum der Contraction zieht es sich so stark zusammen, dafs man nur noch eine Spur von einem V hjsüi.-math. Kl 1842. O

106

Müller über den Bau und die Lehenserscheinunsen

Saume sieht, der jetzt in gleichem Niveau mit den Enden der Spitzbogen der Kiemen liegt, unter welchen das Herz im vollen erweiterten Zustande stark sich erhebt. Die Pausen zwischen den Contractionen des Herzens sind grofs und dauern wohl gegen eine Minute, unterdefs sich die Röhre allmählig wie- der vollgefüllt.

II. Bulbillen der Kiemenarterien. Vom Herzen gehen seitlich sehr regelmäfsig abwechselnd kleine Bulbillen in die Zwischenräume zwischen je zwei Spitzbogen der Kiemen, die Anfänge der eigentlichen Kiemenarte- rien. Man sieht in der Profilansicht die Bulbillen sich ebenfalls zusaramen- ziehen und zwar unmittelbar auf die Contraction des Mittelherzens. Aufser dem Mittelherzen, welches, wie wir sehen werden, mehr als blofses Kiemen- herz ist, sind also noch eben so viele kleine Kiemenherzen vorhanden, als Balken zwischen den ganzen Spitzbogenfenstern der Kiemen, d. h. beim jun- gen Thier 25, bei älteren 50 und mehr auf jeder Seite. So gelangt das Blut in die Kiemen, wo es nicht weiter zu verfolgen ist, die Zweige für die Mit- telleisten der Spitzbogenfenster gelangen ohne Zweifel vermittelst der Quer- balken des Kiemengerüstes zu jenen.

Die Kiemenvenen sind am lebenden Thierchen nicht sichtbar. Wird der Kiemenschlauch vorsichtig von der Rückenwand abgelöst, unten aufge- schnitten und die Rückenwand desselben ohne Zerreifsung auf einer Glasta- fel ausgebreitet, so sieht man die Aorta an der dorsalen Mitte des Kiemen- schlauches und die Kiemenvenen von jeder Leiste des Kiemenschlauches quer abgehen und sich in die Aorta einsenken. Die Zahl der Kiemen- venen entspricht also nicht der Zahl der untern Spitzbogen, sondern der Zahl der Kiemenleisten überhaupt, da die Kiemenleisten oben nicht je drei zu einem Spitzbogen mit Mittelbalken verbunden sind, sondern vielmehr oben alle ohne Unterschied arkadenmäfsig sich verbinden.

III. Herzartige Aortenbogen. Das Blut gelangt indefs nicht al- lein auf diesem Wege in die Aorta, sondern zugleich jederseits durch einen Aortenbogen oder Ductus Botalli direct aus dem untern Mittelherzen zur Rückseite, völlig unabhängig von den Kiemen. Dieser Ductus Botalli ist selbst wieder Herz oder die Fortsetzung des Mittelherzens und ist fast eben so stark als das Mittelherz. Man sieht den Gefäfsbogen bei sehr jungen In- dividuen im Moment der Zusammenziehung, die von unten nach aufwärts und am Ende der Contraction des untern Mittelherzens erfolgt. Dieser herz-

des Branchiostoma luhricwn Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 107

artige Aortenbogen liegt jeclerseits am Ende der Mundhöhle, dicht vor dem in der Profilansicht knorpelartig aussehenden Streifen, an welchem die den Eingang der Kiemenhöhle einfassenden Franzen befestigt sind. Man sieht an dieser Stelle zweierlei Contractionen. Aon Zeit zu Zeit wird der er- wähnte knorpelig aussehende Streifen durch einen vom Knorpelring des Mun- des abgehenden Muskel so bewegt, dafs die rückwärts gewandten Franzen schnell nach innen schlagen und dann wieder zurückgehen. Diese Bewegung ist selten. Die Bewegung der Aortenbogen ist davon völlig unabhängig und besteht in einer Contraction ganz gleich der des Mittelherzens. Erst durch diese Contraction wird man auf den hier liegenden Gefäfsbogen aufmerksam, den man sonst schwer erkennen würde.

Unser Thierchen ist nicht der einzige Fisch, welcher directe Aorten- bogen hat, aber der einzige, bei dem diese Bogen Herzen sind. Beim Am- phipnous CuchialAüW. {Symbranchus Cucliia Cuv.) enthalten diejenigen Kie- menbogen, welche kiemenlos sind, Aortenbogen (*). Bei Monopterus geht b des Blutes durch Aortenbogen an den Kiemen vorbei, auch die Myxinoi- den haben constant eine obliterirte Spur früherer Ductus Botalli. Bei Mo- nopterus liegt der Aortenbogen am vierten kiemenlosen Kiemenbogen (^), bei den Myxinoiden liegt er vor der vordersten Kieme, was an unser Thier- chen erinnert (-^). Hierher müssen auch die Aortenbogen des Lepidosiren gerechnet werden, da er wahrscheinlich ein Fisch ist.

Die Aorta läfst sich beim lebenden unverletzten Thierchen nicht wahr- nehmen; dafs sie auch herzartig ist, läfst sich nicht bezweifeln, da alle andern grofsen Gefäfsstämme die Eigenschaften des Herzens theilen.

Venöse Herzen wurden zwei entdeckt, das Herz der Pfortader und das Herz der Körpervenen, beide sind wieder röhrenförmig und so lang als die Gefäfsstämme selbst.

IV. Pfortaderherz. Das Pfortaderherz ist eine lange, an der Bauch- seite des ganzen Darms verlaufende Röhre, welche am Blinddarm sich auf diesen begiebt und an der Bauchseite des Blinddarms allmählig sich verdün- nend bis an dessen Ende läuft. Wegen seiner Lage an der Bauchseite des

(') Taylor in Edinb. philos. Journ. 1831.

C) Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Gefäfssystem. Abhandl. d. K. Akad. d. Wissensch. 1839. Berlin. 1841. p. 199.

C) Ebend. p. 191.

O 2

108 Müller über den Bau und die Lebenserscheinungen

Tractus intestinalis kann man dieses röhrige Herz in ganzer Länge bei der Profilansicht des Thierchens sich zusammenziehen sehen. Die Contraction beginnt am Endtheil des Darms und läuft schnell bis zum Ende des Blind- darms, so dafs nun von der ganzen vorher angefüllten Röhre nichts mehr zu sehen ist. Die Pausen sind grofs vrie beim arteriellen System.

Die Organisation der Pfortader zum Herzen ist kein isolirtes Factum. Denn bei Vivisection der JSIyxine in Bohuslän zeigte sich das prachtvolle Phänomen einer heftigen, völlig herzartigen rhythmischen Contraction des Pfortadersackes.

V. Das Hohlvenenherz liegt an der entgegengesetzten oder Rück- seite des Blinddarms, es beginnt dünn am Ende des Blinddarms und wird allmählig immer stärker bis zu der Stelle, wo der Blinddarm vom Darm ab- geht, da endigt es stumpf oder geht vielmehr hier durch knieförmige Umbie- gung in das Arterienherz über. Die Contractionen der beiden Herzen an den entgegengesetzten Seiten des Blinddarmes alterniren, die Bewegung des Hohlvenenherzens beginnt in umgekehrter Richtung wie die des Pfortader- herzens, also vom Ende des Blinddarms und schreitet bis zum arteriellen Herzen fort. Aus dem eben beschriebenen Verhalten ergiebt sich noch deut- licher, dafs der grüne Blinddarm nichts anderes als die Leber ist. Das aus dem übrigen Darm rückkehrende Blut gelangt auf den Blinddarm zur capil- laren Vertheilung und geht von da in das Körpervenensystem zurück. Was vorher Hohlvenenherz genannt wurde, ist eigentlich ein Lebervenenherz. Der übrige Theil des Körpervenensystems ist beim lebenden Thierchen dem Blick entzogen. Löst man aber den Kiemenschlauch ohne Verletzung von der Rückenw'and ab, schneidet ihn unten auf und breitet ihn auf einer Glas- tafel aus, so sieht man seitwärts von der Aorta auf den obern Arkaden der Kiemenleisten liegend Jederseits ein Gefäfs, was nichts anders als die paarige vordere subcentrale Körpervene anderer Fische sein kann und wahrschein- lich mit einer vorauszusetzenden hinteren Vene zusammengehend, an der Um- biegung des Lebervenenherzens in das Arterienherz sich mit diesem Knie verbinden wird.

Die Zusammenziehung des Pfortaderherzens und Lebervenenherzens fällt in die Pause des Arterienherzens. Wenn die Contraction des letzteren, vom genannten Knie beginnend, bis an das vordere Ende des Kiemenschlau- ches abgelaufen ist, pflanzt sie sich ohne Unterbrechung durch die Aorten-

des Branchiostoma liibricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 109

bogea fort. Einige Zeit darauf beginnt die Contraction der Darmvene am hintern Ende und pflanzt sich ohne Unterbrechung durch die Pfortader bis ans Ende des Blinddarms fort. Darauf hebt die Contraction der Lebervene an und pflanzt sich bis zum Knie des Venen- und Arterienherzens fort, und nun beginnt wieder die Zusammenziehung des Arterienherzens. Diese Suc- cessionen finden innerhalb einer Minute statt, worauf das regelmäfsige Spiel von neuem wiederholt wird. Zu den Zeiten, wo die einen Gefäfse sich zu- sammenziehen, füllen sich die andern. Da nun die Zusammenziehung des Arterienherzens nicht früher wieder eintritt, bis die Folge der Contractionen im ganzen Gefäfssjstem abgelaufen ist und da ferner jeder Gefäfsstamm sich so vollständig zusammenzieht, dafs er eine lange Zeit in ganzer Länge un- sichtbar und also leer geworden ist, so folgt daraus, dafs die Circulation bei diesem Thier in derselben Zeit als die Folge der Contractionen seiner Her- zen abläuft und dafs ein Theilchen Blut, ganz anders wie bei allen übrigen Wirbelthieren, zwischen 2 Contractionen derselben Stelle des Gefäfssystems den ganzen Körper durchkreiset hat. Demnach geschieht die Circulation beim Branchiostoma in einer Minute Zeit.

Eine Anschauung von der Zusammensetzung des Blutes zu erhalten, ist uns nicht geglückt und wir können blofs angeben, dafs es bei diesem ein- zigen Wirbelthiere völlig farblos ist. Wir glaubten bei queren Durch- schnitten ganzer lebender Thiere aus den Durchschnitten eine hinreichende Menge von Flüssigkeit zu erhalten, um die Blutkörperchen wahrzunehmen. Aus solchen Durchschnitten flofs aber beinahe gar nichts aus.

Noch mufs zuletzt eines weiten Canals in den beiden Hautfalten, welche den Bauch besetzen, gedacht werden. EristvonHrn. Rathke (*) entdeckt. Vorn und hinten sind die Canäle enger, sie öffnen sich nach Hrn. Rathke sowohl vorne in der Mundhöhle, als hinten zu beiden Seiten des porus abdominalis. Ihr vorderes Ende läuft spitz über die Mundwände aus und besitzt hinter dem Ende eine Spalte, durch welche Hr. Rathke eine Schweinsborste aus dem Canal in die Mundhöhle führen konnte. Diese Öffnungen sind in der Mundhöhle sehr deutlich. Zuweilen sahen wir Infusorien in dem Canal ihr Wesen treiben, welche durch die Öffnungen eingedrungen sein mögen. Strömungen kommen in diesen Canälen nicht vor.

(') P-28.

HO

Müller über den Bau und die Lehenserscheinungen

Allgemeine Bemerkungen über die Natur des Branchiostoma und

seine Stellung im System.

Branchiostoma ist offenbar ein Wirbelthier und ein Fisch. Von al- len übrigen Wirbelthieren unterscheidet es sich aber durch die herzartigen Blutgefäfse und den Mangel einer Absonderung des Gehirns vom Rücken- mark, von allen übrigen Fischen durch die aufserordentliche Zahl der Kie- menspalten und durch die Vereinigung der Höhle, worin die Kiemen liegen, der Kiemenhöhle mit der Bauchhöhle und durch die Verschmelzung des Athemlochs mit der Bauchöffnung, wodurch Eier und Samen bei meh- reren Fischen, insbesondere den Cjclostomen, abgehen und welche, wo im- mer sie vorkommt, am After liegt. Sie liegt bei den Cjclostomen, Aalen hinter dem After, bei den Plagiostomen, wo diese Öffnungen nicht mehr zur Abführung der Eier und des Samens dienen, liegen sie doppelt zu den Sei- ten des Afters, hier aber beim Branchiostoma haben wir es mit einer weit vor dem After gelegenen Bauchöffnung zu thun. Es kann daher diese Öff- nung hinter, seitwärts und vor dem After sein. Die Ausführung der Ge- schlechtsprodukte durch dieselbe beim Branchiostoma ist um so merkwür- diger, da die Geschlechtsöffnung bei allen übrigen Fischen hinter dem After liegt, was ein unterscheidender Charakter der Fische ist, und da die Bauch- höhlenöffnung der männlichen und weiblichen Aale, Cjclostomen und der weiblichen Salmonen offenbar nur der erste Anfang eines in die Bauchhöhle mündenden Eileiters oder Samenleiters ist. Es scheint daher eine unbegreif- liche Anomalie, dafs die Natur in der Lage der Geschlechtsöffnung in einer und derselben Klasse so variiren könne. Diese Anomalien werden jedoch zum Theil aufgelöst, wenn man bedenkt, dafs die Bauchhöhlenöffnung nicht unter allen Umständen den Geschlechtsprodukten zur Ausführung dient. Bei den Haien und Rochen mündet der Eileiter, der doch auch aus der Bauchhöhle ausführt, an der bei den Fischen gewöhnlichen Stelle, hinter dem Mastdarm aus, aufserdem aber sind noch Bauchöffnungen seitlich vorhanden. Diese Öffnungen scheinen bei Branchiostoma, zu einer verschmolzen, nach vorn weit vor den After gerückt zu sein und sie dienen hier der Ausführung der Geschlechtsprodukte aus dem Bauch, welche bei den Aalen und Cyclo-

des Branchiosioma luhricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 111

stomen durch die der Tuba zu identificirende Öffnung hinter dem After ab- gehen.

Die Coramunication der Schleimhauthöhle des Kiemenschlauchs mit der serösen Höhle des Peritonealsacks ist ein neues Beispiel dieser seltenen Verbindungen, wovon die Einmündung des Eileiters in den Peritonealsack bei den mehrsten Wirbelthieren und die Bauchöffnungen einiger Fische an- dere Beispiele darbieten.

Branchiosioma steht unter den Fischen den Cyclostomen am nächsten durch den Mangel der Kiefer und die Chorda dorsalis, unterscheidet sich aber von ihnen durch die herzartigen Blutgefäfse, den Mangel einer Abson- derung des Gehirns vom Piückenmark, durch den gänzlich abweichenden Bau der Chorda dorsalis, durch die grofse Zahl der Kiemenspalten, durch die Fusion der äufsern Kiemenöffnung mit der Bauchöffnung.

Die unvollkommene Augenbildung ohne lichtbrechende Werkzeuge ist nicht ohne Analogie unter den Wirbelthieren. Die Cyclostomen bieten ein Beispiel davon dar in den Myxinoiden. Ileptatrema Dum. (Bdellostoma Müll.) hat ein nur von der Haut bedecktes Auge, in dem ich keine durch- sichtigen Mittel wahrgenommen habe. Ich habe gezeigt, dafs die Mjxine ein ganz ähnliches viel kleineres Organ an derselben Stelle mit demselben Nerven hat, dafs es aber schon von Muskeln bedeckt ist(Ö* In Bohuslän hatte ich Gelegenheit, dieses Organ der Mjxine frisch zu untersuchen. Die ellipsoidische Kapsel besitzt kein Pigment und enthält eine schwach durch- sichtige kugelige Masse, welche Nervensubstanz zu sein scheint.

Demnach steht Branchiosioma den Cyclostomen am nächsten und kann ihnen zunächst angereiht werden, ohne dafs man berechtigt wäre, das Thier als Cyclostomen anzusehen. Es weicht von ihnen durch Unter- schiede ab, die gröfser sind, als die Unterschiede eines Fisches undnackten Amphibiums.

(’) Über das Gehörorgan der Cyelostomen mit Bemerkungen über die ungleiehe Aus- bildung der Sinnesorgane bei den Myxinoiden. Abbandl. d. Königl. Akad. d. Wissensch. zu Berlin. 1837. Berlin 1839, p.l5.

112

Müller über den Bau und die Lebenserscheinungen

Erklärung der Abbildungen.

Tafel. I.

Fig. 1. Dreifach vergröfserte Abbildung von Branchiostoma lubricum.

a. Mund.

b. Porus abdominalis.

c. After.

d. Genilalsäcke durchscheinend, e. Bauchfalten.

Fig. 2. Vorderer Theil des Körpers von einem sehr jungen Thier. Die verschiedenen einander bedeckenden Schichten sind 7uglelch sichtbar.

a. Chorda.

b. Skeletbildende Schicht derselben.

c. Scheibenförmiges vorderes Körperende in die Rückenflosse auslaufend.

d. Zellenartige Flossenstrahlen.

e. Darin enthaltene Körper.

/. Seltenmuskeln, /' vorderes Ende derselben.

g. Rückenmark, g' Pigment desselben.

h. Auge.

i. LI[)penknorpel. k. Mundcirren.

/. Muskel von dem Lippenknorpel zu der gefranzten Falte zwischen Mundhöhle und Kiemenhöhle.

m. Mundwand.

n. Fingerförmige Figuren an der Mundwand, Räderorgan.

o. Gefranzte Falte zwischen Mundhöhle und Kiemenhöhlc, bei dieser Ansicht wie ein Knorpelstreifen aussehend.

p. Herzartiger Aortenbogen, Verbindungsbogen zwischen Kiemenherz und Aorta. </. Vorderster oberer Theil des Kiemenschlauchs, In welchem die Klemenspalten

fehlen.

r. Kiemenleisten.

f. Querbälkchen derselben.

t. Klemenspalten, von den Seitenwänden des Körpers bedeckt.

u. Rauchwand.

des Branchiostoma luhricum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 113

Fig. 3. Hinterer Tlieil des Körpers.

a. Chorda.

b. Seitenmuskeln.

c. Rückenmark.

d. Zellenartige Flossenstrahlen der Rückenflosse und d' der Afterflosse.

e. Darin enthaltene Körper, doppelt in den Zellen der Afterflosse e.

f. Saum der Rückenflosse, f,' Afterflosse.

g. Bauch, h. Porus abdominalis und dessen beide Lippen.

i. Nierenartige Körper im Innern des hintersten Theils der Bauchhöhle.

k. Darmkanal, l. After.

m. Seitliche Hautfalte am Bauch.

F 1 g. 4. Querdurchschnitt des Thiers.

a. Chorda mit ihren Querfasern, b. Schelde derselben.

c. Skeletbildende häutige Schichte, c.' Fortsetzung ln die iniiern Bauchwände.

d. Rückenmark, e. Pigment desselben.

/. Canal über dem Spinalcanal in der skeletbildenden Schichte.

g. Häutige Mittelebene, h. Flossenstrahlen. i. Seltenmuskeln, k. Ligamenta intermuscularia.

l. Kiemenschlauch.

m. Ovaria.

n. Bauchwände mit Bauchmuskeln, o. Hautfalten am Bauch mit ihrem Canal o.' Fig. 5. Eierstöcke.

Fig. 6. Dotter mit Keimbläschen und Keimfleck.

Fig. 7, Kiemenschlauch und Darm.

a. Kiemenschlauch.

b. Speiseröhre.

c. Grüner weiterer Thell des Darms und dessen Blinddarm d.

e. Endstück des Darms.

Fig. 8. Ansicht der Afterflossenstrahlen von unten, die Kapseln mit den doppelten Körpern.

Taf. II.

Fig. 1. Die Bezeichnung ist dieselbe wie in Taf. I. Fig. 2.

1, 2, 3, 4 Nerven.

Fig. 2. Hinterende des Körpers.

a. Chorda.

b. Rückenmark. bJ Pigment desselben, c. Seitenmuskeln.

d, d.' Zellen der Flossenstrahlen der Rückenflosse und Afterflosse,

e. Darin enthaltene Körper. Doppelt ln den Zellen der Afterflosse e.'

/,/.' Häutiger Saum der Flossen, zu einer Schwanzflosse sich gestaltend. g. Unterer, h. oberer Ast der Rückenmarksnerven.

Fig. 3. Gegliederter Knorpelring des Mundes.

a. Glieder mit den von den Gliedern auslaufenden Fortsätzen a! für die Cirren.

Phjsik.-math. Kl. 1842. P

114 Müller über den Bau und die Lebenserscheinungen

Fig. 4. Die Muskeln der Mundcirren.

a. Knorpelring, a.' Cirren, b. Häutiger Saum der Lippen, c. Muskeln.

Fig. 5. Räderorgan der Mundwände.

A. Vorn, B. Hinten, C. Oben, D. Unten.

a. Lappenforniige Figuren des wimpernden Theils der Mundschleimhaut.

b. Optischer Ausdruck der Wimperbewegung, in Form von fortlaufenden Wellen

oder Stäben, die Richtung ihrer Bewegung ist durch Pfeile angedeutet. d. Wirkliche Bewegung des Indigo durch die Wimperbewegung von vorn nach hinten.

Fig. 6. Ansicht des vordem Theils des Körpers von unten. a. Mundring. b. Cirren, c. Schnautzenende.

d. Bauchwände, e. Genitalorgane durchscheinend. /. Hautfalten.

Fig. 7. Untere Ansicht des Körpers ln der Gegend des porus abdominalis.

e. Ovarien. /. Hautfalten, g. Porus abdominalis.

Fig. 8. Ansicht der Genitalorgane von innen der aufgeschnittenen Bauchhöhle. a. Chorda, b. Innere Seite der Seltenmuskeln, c. Genitalorgane.

Taf. III.

Fig. 1. Mittlerer Thell des Thiers, linke Seite; Fig. 2. rechte Seite.

a. Chorda dorsalis. a.' Rückenmark.

b. Seitenmuskeln.

c. Rückenflosse. Ihre Strahlen sind ln der Abbildung ausgelassen.

d. Kiemenschlauch.

e. Bauchwand, e.' Porus abdominalis.

f. Speiseröhre, g. Darm. h. Blinddarm, Leber.

i. Aufhängebänder der Leber, zusammenhängend mit dem ligamcntum denticula- turn k. für die Befestigung des Klemenschlauchs.

l. Klenienherz. l.' Bulbillen desselben.

m. Erste Erscheinung der Genitalblasen beim jungen Thier am Rande der Sei-

tenmuskeln.

n. Mehrere Stränge, welche unter der Chorda hervortreten und abwärts verlaufen,

sichtbar bis an den Rand der Seltenmuskeln, von unbekannter Bedeutung.

o. Andere Stränge zur Seite der Speiseröhre von unbekannter Bedeutung.

F i g. 3. Hinterer Thell des Kiemenschlauches, Darm und Blinddarm, Herzen.

a. Chorda.

b. Kiemenleisten, c. Klemenspalten.

d. Speiseröhre, e. Darm. /. Blinddarm, Leber.

h. Kiemenherz, i. Bulbiller desselben, k. Pfortaderherz. /. Lebervenenherz. m. Stränge von unbekannter Bedeutung.

Fig. 4. Franzen zwischen Mundhöhle und Kiemenhöhle, die unten aufgeschnitten.

a. Kiemenschlauch, a.' vorderer oberer Thell desselben, wo die Kiemenrippchen vorhanden sind, aber die Kiemenspalten fehlen.

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des Branchiostoma luhricwn Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. 115

b. Mundhöhle, c. Mundcirren,

d. Franzen zwischen Mund und Kiemenhöhle.

e. Öffnungen der Canäle der Bauchwandungen.

Taf. IV.

1. Knorpel des Kiemengerüstes aus der untern Hälfte desselben.

a. Bandartiger Mlttelhalken, welcher die Knorpel ln der untern Mitte des Kie-

menschlauchs verbindet.

b. Knorpelstäbe, welche sich unten gabelig thellen.

c. Knorpelstäbe, welche ungethellt bleiben.

d. Querstäbe.

2. Dieselben Theile, mit der Schleimhautbekleidung der Knorpelstäbe, von oben an-

gesehen. X Klemenspalten.

3. Untere Wand des Klemenschlauchs, von unten angesehen.

a. Bandartiger Mlttelhalken.

b. Kiemenherz, c. Bulhlllen desselben.

d. Kiemenleisten, d.' Wimpern an den Kiemenspalten.

e. Querverbindungen.

4. Bandartiger Mlttelhalken des Kiemengerüstes allein, von unten angesehen.

5. Seitenansicht desselben.

6. Derselbe, von oben angesehen, mit der Schleimhautbedeckung und ihren Längs-

wülsten, die wie Gefäfse aussehen.

7. Ein Stück aus dem obern Thell der Seltenwand des Klemenschlauchs. a. Knorpelstäbe, b. Ihre obern bogenförmigen Verbindungen.

c. Band zum Zusammenhalten der Kiemenleisten dieser Seite.

d. Schleimhaut der Kiemenleisten, d.’ Wimpern an den Kiemenspalten.

e. Pigment ln der Wand der Kiemenleisten.

8. Vorderer Thell des Kiemenschlauches, Seitenansicht von aufsen.

a. Oberes Band dieser Seite. aJ Unterer gemeinsamer Mlttelhalken für beide Seiten.

b. Knorpelstäbe, die sich unten thellen b.”

c. Knorpelstähe, die unten einfach bleiben. ^

b.' Obere bogenförmige Verbindungen der Knorpelstäbe, b.'" Querstäbe.

d. Schleimhautbekleidung der Knorpelstäbe.

d.' Schleimhaut am vordem obern Thell des Klemenschlauchs ohne Spalten.

d. " Schleimhaut, welche die untern Enden der Knorpelstäbe zu vollständigen Rah

men verbindet.

e. Wimpern. /. Klemenspalten, g-. Kiemenherz.

Taf. V.

1. Ansicht der Eingeweide in der Bauchhöhle von der Seite. a. Seltenmuskeln.

116

I

Fig. 2.

Fig. 3.

I; Fig. 4.

[ Fig. 5.

]

Fig. 6.

Fig. 7.

Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10.

Mülle a über den Bau und die Lebenserscheinungen u.s.w.

h. Chorda.

c. Durchschnitt des Seitencanals der Bauchwände.

d. Durchschnitt der Bauchwände.

e. Durchschnitt des Afters.

/. Kiemenschlauch.

g. Speiseröhre.

h. Weiterer grüner Theil des Darms, i. Blinddarm. k. Engeres Endstück des Darms.

/. Bauchhöhle, m. hinterer enger Theil derselben, o. After.

Seitenansicht des hintern Thells des Kiemenschlauchs.

A. Kiemenschlauch. B. Speiseröhre. C. Blindsack.

a. Ligamentum denticulatum zum Aufhängen des Kiemenschlauchs.

b. Kiemenleisten, unten getheilt. bJ Kiemenleisten, unten einfach.

c. Kiemenherz. d. Bulhlllen des Kiemenherzens.

e. Optische Erscheinung der Räderbewegung an den Kiemenspalten. Die Pfeile zeigen die Richtung an.

Querdurchschnitt des Rückentheils des Körpers.

«. Haut.

b. Chorda., c. Schelde derselben.

d. Skeletbildende häutige Schichte, d! Spinalrohr derselben, d." Fortsetzung ln

die häutige Mittelebene, d."' Ligamenta intermuscularia,

e. Rückenmark, e/ Canal des Rückenmarks, e." Pigment des Rückenmarks.

/. Canal über dem Spinalcanal.

g. Zelle des Flossenstrahls, h. Darin enthaltener Körper.

Häutige quergefaserte Lamellen aus dem Innern der Chorda.

Bauchmuskeln.

a. Genitalorgane an die Bauchmuskeln grenzend.

b. Mittlerer Faden, c. Querfäden von ähnlicher Beschaffenheit in regelmäßigen

Abständen, aber dünner, d. Quermuskelschichte, e. Längenmuskelschichte. Ursprung der Aorta aus den Kiemen.

a. Aorta descendens.

b. Kiemenknorpel, oben bogenförmig verbunden.

c. Band der Kiemenleisten.

d. Wurzeln der Aorta aus den Kiemen.

Feinerer Bau des faserigen Knorpels der Kiemenleisten.

Stück der Kiemenleiste mit wellenförmig contrahlrtem Doppelstrang, x Wimpern. Infusorienschalen aus den Excrementen des Branchiostoma.

Cylinderförmiges Epithelium der äufsern Haut des Thlerchens (Text p. 83, Z.ll V. u. lies cylinderförmigen Zellen statt pflasterartigen Zellen).

Uber

den Bau und die Grenzen der Ganolden und über das natürliche System der Fische.

Von

MÜLLER.

[Gelesen In der Akademie der Wissenschaften am 12. December 1844.]

Abschnitt I.

Über den Bau und die Grenzen der Ganoiden(‘).

We wichtig die Kenntnifs der untergegangenen fossilen Thiergeschlechter für die natürliche Classification der Thiere überhaupt und insbesondere auch der lebenden Welt geworden, davon liefert kein Zweig der Naturgeschichte einen augenfälligem Beweis als die Ichthyologie. Die Palaeontologie hat die- sen Theil des Systems in den Grundlagen verändert. Die grofse Verschie- denheit in den fossilen Resten der Fische hat die Aufstellung ganzer Ordnun- gen und Familien nöthig gemacht, von welchen sich in der lebenden Welt nur sparsame oder gar keine Repräsentanten finden, und einzelne bis auf ims ausdauernde Formen haben den Platz verlassen müssen, den man ihnen im System angewiesen, um sich den herrschenden Gruppen der Vorwelt an ganz verschiedenen Stellen und in andern Ordnungen anzuschliefsen. Die Sicherheit in diesen Operationen hängt grofsentheils von der Richtigkeit der Voraussetzung ab, dafs mit den fundamentalen Vei-schiedenheiten in den erhaltenen Resten des Skelets und der Hautbedeckungen eben so grofse, durchgreifende Unterschiede der gesammten Organisation verbunden gewe- sen. Wie weit aber dieser Zusammenhang reicht, das läfst sich nur aus der

(') Ein Auszug dieser Untersuchung Im Monatsbericht der Akademie, Dec. 1844 und Nachtrag ebend. Febr. 1845. Erlchson Archiv f. Naturgeschichte, 1845. I. p. 91.

118

Müller:

Untersuclmng der lebenden Welt ableiten. So grofs und wichtig die syste- matischen Residtate aus der Untersuchung der fossilen Fische geworden sind, so läfst sich gleichwohl nicht verkennen, dafs die Anatomie der lebenden Fische noch lange nicht genug arisgehildet und zu Rathe gezogen ist, um die aufgestellten Versuche, die fossilen und lebenden Fische in ein System ein- zuordnen, hinlänglich zu sichern.

Die auffallendsten und am leichtesten erkennbaren Unterschiede der fossilen Fische unter einander liegen in ihren Hautbedeckungen. Hr. Agas- siz hat sie als Pidncipien der Classification der Fische überhaupt benutzt, und hiernach seine Abtheilungen der Cycloiden, Ctenoiden, Ganoiden, Placoiden aufgestellt. Die Schuppen der lebenden Knochenfische sind meist dachziegelförmig, mehr oder weniger abgerimdet und dem feinem Rau nach, mit Ausnahme der Knochenschilder, den eigentlichen Knochen meist fremd; sie enthalten in der Regel nicht die strahligen Körperchen der Knochen, ihre Oberfläche zeigt feine meist concentrische, seltener unregelmäfsige er- habene Linien.

Der Unterschied der ganzrandigen oder Cycloid- und gewimperten oder Ctenoidschuppen ist gering, seine systematische Anwendung ist in engste Grenzen eingeschlossen. Ich beziehe mich auf den Abschnitt über die na- türlichen Familien der Knochenfische.

Ganz anders verhält es sich mit den Schuppen der Ganoiden Ag. Diese sind knöchern, meist rhombisch oder viereckig, selten rund und dach- ziegelförmig, ihre Oberfläche ist immer mit einer Schmelzlage überzogen und glatt , sie stehen meist in schiefen Binden und diejenigen einer Binde sind in der Regel durch einen Gelenkfortsatz mit einander verbunden. Sol- che ganz eigenthümliche Schuppen finden sich in der lebenden Welt nur bei 2 Fischgattungen, welche Cuvier unter seine Chipeen gebracht hat, bei den Gattungen Lepisosteus aus dem Missisippi und Polypterus aus dem Nil und Senegal.

Pxafinesque (analyse de la nature, Palerme 1815.) vereinigt P olypterus, Acipenser, Polyodon, Pegasus in eine Familie Sturionia, Lepisosteus figurirt bei denEsoxidia, Syngnathus und Hippocampus in der Familie Aphyostomia.

Blainville (1818) erkennt die Palaeoniscus als eigenes Genus, das sich sehr den Stören nähert. Nouv. Dict. d’Hist. nat. XXVIII. 1818. Blain- ville die versteinerten Fische, übers, v. Krüge r. Quedlinburg 1833. p. 35.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

119

Cuvier war der erste, der die Übereinstimmung der Schuppen der Palaeoniscus des Zechsteins mit den Schuppen der Lepisosteus und Poly- pterus bemerkte, auf die Ähnlichkeit des langen ohern Schwanzlappens bei Palaeoniscus und den Stören, auf die Randhesetzung dieses Lappens mit dreieckigen Schindeln bei beiden und auf die Besetzung des vordem Randes der Rückenflosse mit gleichen Schindeln bei Palaeoniscus und Lepisosteus aufmerksam machte. Er schlofs aus dieser Übereinstimmung, dafs die Pa- laeoniscus entweder in die Nähe der Störe oder der Lepisosteus gehören. Oss. foss. nöuv. ed. T. V. 2. 1824. p. 307. 308.

Die Idee, diese Alternative aufzugeben und jene 2 Kategoi'ien von Fischen zu vereinigen, kommt in Cuvier’s Schiiften nicht vor. Er spricht sich bei der Untersuchung der Fische, welche zur Gattung Dipterus gehö- ren, bestimmter dahin aus, dafs diese mit den Fischen des Kupferschiefers im Bau der Schwanzflosse und in der Insertion aller Strahlen an ihrer untern Seite Übereinkommen, dafs unter den lebenden nur Lepisosteus und in min- derem Grade der Stör diesen Charakter besitzen, dafs er die fossilen lieber mit dem Lepisosteus zusammenstelle, dafs sie mit diesem zu den Malacopte- rjgii abdominales gehören. Geol. Transact. 2. ser. Vol. 3. p. 125. Valen- ciennes und Pentland sprechen ebendaselbst aus, dafs Dipterus undOsteo- lepis neue Gattungen in der Ordnung der Malacopterygii abdominales bilden.

Hr.Aga s si z hat sich das grofse Verdienst erworben, die Übereinstimmung im Schuppenbau mit den Lepisosteus und Polypterus in allen Knochenfischen der älteren Formationen bis zur Kreide erkannt, die Ganoiden als eigene Ordnung aufgestellt, ihre zahlreichen Gattungen entdeckt und sicher unter- schieden und ihre Arten bestimmt zu haben. Mit Pvecht sagt er im 2. Bd. der poissons fossiles : L’etablissement de l’ordre des ganoides est ä mes yeux le progres le plus important que j’ai fait faire ä l’ichthyologie. Ebenso wich- tig ist die Folgerung aus diesen Untersuchungen, dafs die Typen, welche in der Jetztwelt die ungeheure Mehrzahl der Fische bilden, erst mit der Kreide beginnen.

Die Ganoidschuppen sind üljrigens, wie auch Agassiz bemerkt, ganz wie die gewöhnlichen Schuppen in Capsein der Haut eingebettet. Die Cap- selhaut ist an der freien Oberfläche äufserst fein und angewachsen und scheint selbst verloren gehen zu können, wie bei Polypterus, aber beim Lepisosteus sieht man das Email der Schuppe sehr deutlich von einem äufserst feinen

120

Müller:

Häutchen bedeckt, in welchem etwas von Silherglanz und seihst Pigment zu erkennen ist und welches sich leicht durch Ahreiben entfernen läfst.

Im Bau des Skelets sind die Ganoiden unter einander seihst wieder sehr abweichend, denn viele haben ein ganz knöcheimes Skelet, wie auch die lebenden Lepisosteus und Polypterus, bei anderen fossilen hingegen ist die Wirbelsäule theilweise auf dem foetalen Zustande stehen geblieben, und es ist eine weiche Chorda dorsalis mit aufgereihten knöchernen Apophysen vorhanden, gleichwie unter den lebenden Fischen hei den Stören. Auch in den Formen des Körpers zeigen sich die gröfsten Abweichungen, so wie schon die beiden lebenden Gattungen gänzlich von einander verschieden sind.

Bei mehreren Gattungen verlängert sich die Wirbelsäule bis ans Ende des obern Schwanzlappens, wie unter den lebenden Fischen hei den Stören und bei den Haifischen. Hr. Agassiz bezeichnet die so gebildeten als Hete- rocerci. Bei vielen Ganoiden reicht das Ende der Wirbelsäule nur in den Anfang des obern Schwanzlappens, der dann auch obere Flossenstrahlen hat, wie auch hei mehreren lebenden Knochenfischen aus den Familien der Sal- monen, Clupeen u. a. Bei noch anderen Ganoiden theilt die Wirbelsäule die Schwanzflosse in 2 gleiche Theile wie hei den mehrsten Knochenfischen, es sind die Homocerci.

Bei einer ganzen Zahl von Gattungen der Ganoiden zeichnen sich die Flossen dadurch aus, dafs ihr vorderer Rand oder erster Strahl mit stachel- artigen Schindeln, Fulcra, besetzt ist, andere zeigen nichts davon. Dieser Unterschied findet sich auch bei den beiden lebenden Gattungen ausgeprägt; denn die Lepisosteus haben diesen Bau, die Polypterus nicht. Die Fulcra bekleiden zwar hauptsächlich den freiliegenden vordem Strahl der Flosse, wo aber die Strahlen an Länge zunehmen und hinter einander am vordem Rande zum Vorschein kommen, gehen die Fulcra von den kürzern über ihre Enden zu den längern über. Im Übrigen verhalten sich die Ganoiden in der Beschaffenheit der Flossen imd in der Stellung der Bauchflossen als Ma- lacopterygii abdominales.

Die Ordnungscharaktere sind von Agassiz in die meist winkligen, rhomboidalen oder polygonalen mit Email bedeckten Schuppen gelegt. Er zählt in seinem grofsen Werk Recherches sur les poissons fossiles dahin die Familien Lepidoiden Ag., Sauroiden Ag., Pycnodonten Ag., Coelacanthen Ag., Sclerodermen Cuv., Gymnodonten Cuv., Lophobranchier Cuv. und

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

121

bemerkt, clafs man ans Ende dieser Familien in der Ordnung der Ganoiden noch einige Ordnungen lebender Fische setzen müsse, wie die Goniodonten, Siluroiden und Acipenseriden. Neuerlich zieht Agassiz auch den Lepidosi- ren zu den Ganoiden.

Man darf bei den geringen Hülfsmitteln , welche die Fossilien darbie- ten, nicht verlangen, dafs die Familien auf so wesentliche Unterschiede ge- gründet seien, wie bei den lebenden Thieren. Die Unterschiede der Le- pidoiden und Sauroiden sind in der That gering. Die Lepidoiden nämlich haben hechelförmige Zähne in mehreren Reihen oder stumpfe Zähne, die Sauroiden, wohin auch Lepisosteus und Polypterus gerechnet werden, ha- ben conische spitze Zähne, die mit feineren Zähnen vermischt sein können. Auch ist der Unterschied in der Gestalt, die bei den Sauroiden zum Theil mehr verlängert ist, nach allem, was in den natürlichen Familien der Jetzt- welt, wie z. B. bei den Characinen und Scomberoiden geschieht, nicht we- sentlich. Obgleich die Unterscheidung dieser beiden Familien nur künstlich ist, so läfst sie sich doch, insofern sie die Bestimmung eideichtex’t, mit Vor- theil benutzen. Dagegen wird uns eine künstliche Trennung bedenklich, wenn daraus Folgerungen in Beziehung auf das Alter und die Entwickelung der Familien gezogen werden, wie z. B. dafs kein Fisch aus der Familie der Lepidoiden bis in die actuelle Epoche i’eiche. Die Lepidoiden werden auch durch die Gattung Lepidotus gestört, deren Zähne von den aufgestellten Familiencharakteren sehr sich entfernen. Sie ist unter den andern Lepidoi- den auch durch den Besitz vollkommen ossillcirter Wirbel fremdartig, aber sie scheint auch nicht unter die Pycnodonten von ähnlichen Zähnen zu ge- hören. Sie ist den Lepisosteus der lebenden Welt verwandt, sowohl durch die doppelten Reihen der Fulcra an den Flossen, als durch die ossificirten Wirbel.

Die Unterschiede der lebenden Ganoiden sind uns allein ganz zugän- glich. Um so wichtiger ist es, dafs gerade die beiden noch lebenden Lepi- sosteus und Polyptex’us, welche xxxxter den Saxxroiden axxfgefühx’t sind, dxxrch ihren äxxfsex’n xxnd innexm Bau so gäxizlich von eixxander abweichen, dafs sie mehr als eine der fossilen Gattungen der Ganoiden vex’dienen als Typen be- sonderer Faixxilien axxfgefafst zxx wexrleix, wie sich axxs der Axxatomie dieser Thiex’e ex’geben wird. Allex'dings hat auch Hr. Agassiz bei der osteologi- scheix Analyse jexxer Fische diese Vex’schiedenheit wohl gefühlt, xxnd er be- Physili.-math. Kl. 1844. Q

122

Müller:

merkt selbst, dafs er geneigt war, sie in verschiedene Familien zu bringen. Ich glaube bei der Vollständigkeit der Untersuchung, welche diese beiden Fische eidauben und bei der extremen Verschiedenheit , die sie darbieten, giebt es mit ihnen verglichen, keine 2 Ganoiden von ihrem Schuppenbau, welche sicherer von einander entfernt sind.

Beim Schlufs seines gröfsern Werkes und in der neuen Monographie des poissons fossiles du vieux gres rouge hat A g a s s i z vorzüglich aus den Lepi- doiden eine Anzahl Gattungen ausgeschieden und besondere Familien daraus gebildet, so dafs daraus die Familien Cephalaspides , Acanthodiens , die eigentlichen Lepidoides und die Sauroides dipteriens geworden sind, was mir ein wesentlicher Fortschritt zu sein scheint.

Bei der grofsen Mehrzahl der von Agassi z beschriebenen und abgebil- deten fossilen zu den Ganoiden gerechneten Fische, scheint mir kein Zweifel obwalten zu können, dafs sie wirklich mit Lepisosteus und Polypte- rus in eine eigene grofse Abtheilung gehören, die den übrigen Knochenfischen, den Selachiern und den Cyclostomen coordinirt ist ; aber ich habe mich nie überzeugen können, dafs die übrigen zu den Ganoiden gezählten Familien der lebenden Fische, die Loricarinen, Siluroiden, Lophobranchier, Scle- rodermen und Gymnodonten unter die Ganoiden gehören.

Agassiz hat den Abstand dieser Fische von den Ganoiden der alten Formationen und der Polypterus und Lepisosteus einigermafsen selbst ge- fühlt. Denn er sagt: poiss. foss. II. p. XI. Les rapports d’organisation qui lient les Lepidoides, les Sauroides et les Pycnodontes, sont plus etroits que les relations qui existent entre ces meines familles et les Sclerodermes, les Gymnodontes et les Lophobranches.

Die Silnroiden stimmen in ihrer Anatomie so völlig mit den Malaco- pterygii abdominales überein, dafs sie sich von ihnen nicht trennen lassen, sie haben mit den lebenden Ganoiden nur den Luftgang der Schwimmblase und die abdominale Stellung der Bauchflossen gemein, aber auch mit einer grofsen Abtheilung von Knochenfischen, die ich wegen ihres Luftganges Physostomi nennen will, wie den Cyprinoiden, Esoces, Clupeen, Cyprino- donten, Mormyren, Characinen, Salmonen, Anguillares u. a. Den Scle- rodermen und Gymnodonten fehlt dagegen dieser Luftgang gleichwie meh- reren Ordnungen von Knochenfischen, auch sind ihre Bauchflossen, wo sie vorhanden, wie bei Triacanthus, nicht abdominal, in beiden Punkten wei-

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

123

chen sie von den lebenden Ganoiden und durch den letzten Charakter von allen sichern Ganoiden ab. Der Begriff der Ganoiden läfst sich aus den bisher bekannten Hülfsmitteln nur so lange scharf begrenzen, als man dahin nur die Fische rechnet, welche mit Lepisosteus und Polypterus in den mit Schmelz bedeckten Schuppen Übereinkommen. Rechnet man die Knochen- schilder der Loricarinen, Lophobranchier , Ostracion , einiger Siluroiden, wie Callichthys, Doras, die Stacheln der Diodon zu den Ganoidschuppen, so hört alle scharfe Begrenzung auf. Denn erstens ist man genöthigt, die nackten Siluroiden und nackten Gymnodonten mit hinüberzunehmen, blofs weil einige Gattungen derselben mit Schildern oder Stacheln versehen sind, und es ist dann die Möglichkeit zugestanden, dafs es Familien von Ganoiden geben könne, in denen alle Gattungen nackt sind ; was, so lange keine we- sentlichen Merkmale der Ganoiden bekannt sind, alle Unterscheidung und Erkennung unmöglich machen würde. Eine weitere Verwirrung entsteht durch die Fische mit Knochenpanzern aus Familien anderer Ordnungen, wie die Peristedion, Agonus und andere mit Knochenschildern gepanzerte Cataphracten, deren unmittelbare nächste Vei’wandten, wie die Triglen, mit Schuppen versehen sind, die jedenfalls keine Ganoidschuppen sind. End- lich hat die Beschuppung mehrerer Sclerodermen , wie der Monacanthes, Aluteres mit derjenigen der Ganoiden wenig Ähnlichkeit.

Wenn man alle diese Thiere bei den eigentlichen Ganoiden lassen wollte, so würde der Begriff derselben so verwirrt werden, dafs es völlig unmöglich wäre zu sagen , was denn eigentlich ein Ganoid sei , und man müfste bekennen, dafs die Charaktere dieser Abtheilung völlig unbekannt seien, die Aufnahme mancher Familien unter sie daher auch mehr oder we- niger willkühi'lich sei.

Die Hauptresultate von AgassizWerk, unstreitig der wichtigsten ich- thyologischen Arbeit neuerer Zeit, liegen seit vielen Jahren vor uns. Sie sind ])is jetzt noch von keinem Forscher auf eine dem Gegenstände angemes- sene Weise entwickelt und analysirt worden. Wiegmann sagte darüber in seinem Bericht von 1835 (Archiv f. Naturgesch. 1. Jahrg. 2. p.258): das System flöfse, sofern es sieh nur auf eine Besonderheit des Oi’ganismus gründet, die Besorgnifs ein, dafs es mehr den Charakter eines künstlichen als natürliehen Systems an sich trage und man möehte bezweifeln, dafs die vergleichende Anatomie in den einzelnen Ordnungen eine grofse Uberein-

Q2

124

Müller:

Stimmung des darin Begriffenen finden möchte, wie sie es von den Ordnun- gen eines natürlichen Systems erfordex’e. Aber es werden uns keine That- sachen an die Hand gegeben, welche zur Beurtheilung desselben dienen können. Und man mufs gestehen, dafs es an den Mitteln zu einer sol- -

eben analytischen Entwickelung des so reichen neuen Zuwachses ichthyo- logischer Materie bisher gefehlt hat. ^

Seit lange mit der Anatomie des Polypterus und in neuerer Zeit auch mit derjenigen des Lepisosteus beschäftigt, habe ich mir die Aufgabe gestellt, ^

die wahren Charaktere der Ordnung, zu der sie gehören, zu finden. Die- ;

ses ist mir gelungen, und ich glaube nun sicher beweisen zu können,

1) dafs die Ganoiden eine scharf geschiedene Abtheilung zwischen den eigentlichen Knochenfischen und den Selachiern bilden.

2) Dafs Agassiz’s Ansicht über die Stellung der Störe unter den Ganoiden richtig ist.

3) Dafs dagegen die Sclerodermen , Gymnodonten, Loricarinen, ^

Siluroiden, Lophohranchier, den Ganoiden fremd sind und zu den ühri- ;

gen Knochenfischen gehören.

4) Dafs es nackte und beschuppte Ganoiden giebt, deren Familien ^

successiv in einander übergehen, ohne die eigentlichen Charaktere der |

Ganoiden zu verlieren. ;

Die Anatomie des Polypterus und Lepisosteus wird hier nicht zum ^

erstenmal behandelt. Geoffroy St. Hilaire hat die Eingeweide des von ihm entdeckten Polypterus bichir beschrieben, von demselben und noch ausführlicher von Agas siz haben wir Mittheilungen über seine Osteologie erhalten. Agassiz hat die osteologischen Eigenthümlichkeiten des Lepi- sosteus kennen gelehrt, Ciivier, Valentin, van der Hoeven haben seine Eingeweide untersucht. Obgleich diese Mittheilungen schätzbare Beiträge zur anatomischen Kenntnifs jener Thiere liefern und sie wesentlich auf- klären, so enthalten sie doch nicht gewisse Thatsachen, welche mit der Frage von der Natur der Ganoiden, von ihren Verwandtschaften und ihren i

Grenzen im direkten Zusammenhänge stehen, und welche aufzuschliefsen j

der Gegenstand dieser Abhandlung ist. Auch bezieht sich Alles, was man ^

bisher von dem innern Bau dieser beiden Fische erfahren hat, auf Gat- |

tungs- Eigenthümlichkeiten, die je einem derselben zukommen und gerade 1

in dem andern vermifst werden. t

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

125

Die anatomischen Charaktere der Ganoiden liegen in dem Bau des Herzens, der Blutgefäfse, der Athmungsorgane, der Geschlechtstheile, des Gehirns und der Sinneswerkzeuge.

Der erste Punkt, auf den ich die Aufmerksamkeit lenke, ist der Bau des Herzens oder vielmehr des Bulbus arteriosus.

Schon seit lange hin ich auf die systematische Wichtigkeit in dem innei’n Bau des aus dem Herzen heryortretenden Arterienstiels aufmerk- sam gewesen. Man weifs, dafs hei denjenigen Knochenfischen, die da- rauf untersucht worden, am Ursprung des muscidösen Bulbus, zwischen ihm und der Kammer immer nur 2 gegenüberliegende Klappen oder Ven- tile liegen, dafs dagegen die hohem Knorpelfische, die Störe, Plagiosto- men (Haifische und Rochen) und die Chimaeren innerhalb des musculö- sen Bulbus 3 oder noch mehrere Längsreihen von lOappen besitzen, de- ren Zahl in jeder Reihe nach den Gattungen von 2 5 variirt. An der Stelle, wo sich die 2 Klappen der Knochenfische befinden, haben jene Fische gar keine Klappen.

Die Cyclostomen unterscheiden sich in dieser Hinsicht wesentlich sowohl von den höhern Knorj^elflschen als von den Knochenfischen. Sie gleichen den Knochenfischen, dafs sie nur 2 gegenüberliegende Klappen am Ursprung des Arterienstiels aus der Kammer besitzen, von beiden Or- dnungen aber unterscheiden sie sich wesentlich dadurch, dafs ihnen die muskelartige Anschwellung der Wände des Bulbus arteriosus gänzlich fehlt. Ihr Truncus arteriosus besteht blofs aus den einfachen Häuten der Arterien. So fand ich es bei den Petromyzon sowohl als Myxinoiden. Siehe ver^l. Anatom, der Myxinoiden, 3. Forts. Abhandl. d. Akad. d. Wissenschaften a. d. J. 1839 ji. 284. Man sehe ferner über die Verschie- denheiten der Klappen in den Ordnungen, Familien, Gattungen die Note im Archiv f. Anat. u. Physiol. 1842. p. 477. Diese Unterschiede zeigten sich so constant bei allen von mir untersuchten Knochen - und Knorpel- fischen, dafs sie auf eine fundamental verschiedene Anlage der Ordnun- gen hindeuten. Ich kenne keinen weder anatomischen noch zoologischen Charakter, der in dieser absoluten Bestimmtheit dem gegenwärtigen gleich käme. Sind die Ganoiden in der That wesentlich von andern Knochen- fischen als Ordinmg verschieden, so mufs sich an dieser Stelle jedenfalls eine entschiedene Differenz zeigen.

126

Müller:

Als ich den Polypterus bichir zuerst hierauf untersuchte, war ich sehr erstaunt zu finden, dafs dieser sogenannte Knochenfisch von allen Knochenfischen durch seine Klappen abweicht und dafs er darin ganz mit den hohem Knorpelfischen, den Stören, Haien, Rochen, Chimaeren über- einkommt und sie durch Zahl der Klappen noch weit ühertrifft. Poly- pterus besitzt am Ursprung des musculösen sehr langen Bulbus gar keine Klappen, im Innern desselben aber 3 Längsreihen von Klappen, in deren jeder 9 Ventile stehen, welche wie hei den Stören und Plagiostomen durch Fäden untereinander Zusammenhängen. Die obersten sind wie auch sonst die gröfsten. Zwischen den 3 vollständigen Reihen grofser Klappen be- finden sich noch 3 andere Längsreihen, dei’en Klappen sowohl an Zahl als Gröfse weniger ausgebildet sind, so dafs die vollständigen Längsreihen mit den unvollständigen abwechseln. Also im Ganzen 6 Längsreihen. Wären die unvollständigen Reihen so ausgehildet wie die vollständigen, so würde Polypterus bichir 54 Klappen im musculösen Arterienstiel besi- tzen, in der That sind aber nur gegen 45 vox'handen.

Es liefs sich erwarten, dafs diese Eigenthümlichkeit sich auch beim Lepisosteus wieder finden würde, den ich aber erst nicht zur Hand hatte, leh untersuchte ihn neulich im Pflanzengarten zu Paris. Lepisosteus os- seus hat im Arterienstiel 5 gleich ausgebildete Klappenreihen, in jeder Längsi’eihe 8 vollkommene Taschenventile, die durch Fäden Zusammen- hängen. Die der obersten Querreihe sind gröfser. Die Reihen gewäh- ren ein Bild wie die Becher eines Schöpfrades oder einer Baggermaschine.

So viele Klappen als die genannten Ganoiden, besitzt kein Knor- pelfisch. Bei den Stören sind nur 9 12 und bei denjenigen Rochen und Haien, wo ihre Zahl das Maximum erreicht, sind nicht mehr als 15 vor- handen, Raja, Myliobatis, Pteroplatea, Scymnus, Squatina.

Der Unterschied, um den es sich hier handelt, betrifft nicht blofs die Zahl der Klappen, er entspringt aus einer tiefem Verschiedenheit in der Zusammensetzung des Herzens selbst. Bisher ist die muskelartige An- schwellung am Truncus arteriosus der Selachier, Ganoiden und der Kno- chenfische für gleichbedeutend genommen worden und habe ich mich nur an die Klappenverschiedenheiten im Innern dieser Anschwellung gehalten, was für den zoologischen Gesichtspunkt auch hinreichend ist. Bei einer feinem anatomischen und physiologischen Untersuchung über die Bedeu-

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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timg dieser Anschwellung ergieht sich aher das ganz unerwartete Resul- tat, dafs sie bei den Knochenfischen von einer ganz eigenthümlichen Be- schaffenheit ist, welche mit derjenigen der Ganoiden und Selachier nicht die geringste Ähnlichkeit hat. Die Sache läfst sich kurz so bezeichnen : der musciüöse Beleg am Arterienstiel der Selachier und Ganoiden ist ein wahres Herz, zum Schlagen bestimmt, wie die Vorkammer und Kammer und stimmt mit diesen auch im feinem Bau überein. Der Bulbus am Arterienstiel der Knochenfische dagegen ist keine Herzahtheilung , kein Theil des activen Centralorganes, schlägt auch nicht wie das Herz, son- dern ist nichts andres als der sehr verdickte Anfang der Arterie, in rvel- chem eine eigenthümliche Schicht der Arterien zu einer enormen Dicke anschwillt.

Es war die allgemeine Ansicht der Anatomen, dafs die muskelar- tige Substanz des Arterien stiels liei Knochenfischen und Selachiern gleich- bedeutend sei. Hr. Tie de mann behauptet auch, dafs sie sich hei Knorpel- und Knochenfischen zusammenziehe und dafs ihre Zusammenziehung auf die der Kammer folge. Ich habe selbst lange jenen Theil bei den einen und andern für identisch gehalten. Denkt man aber über den Zweck und die Wirkung der Klappen bei den einen und andern nach, so wird man von seihst auf Bedenken geführt. Bei denjenigen Fischen, hei denen mehrere Reihen Klappen innerhalb des musculösen Arterienstiels stehen, hat der Muskelbeleg des Stiels offenbar ganz die Bedeutung eines acces- sorischen Herzens oder einer verlängerten Kammer. Indem er sich zu- sammenzieht, entleert er sein Blut in die eigentliche Arterie, wie der herz- artige Bulbus eines Froschherzens es thut. Die Klappen werden sich darauf durch den Druck des Blutes von der Arterie her aushreiten; die obersten reichen mit ihren Rändern gerade bis dahin, wo der Muskelbe- leg der Arterie aufhört, über ihnen wird die Arteide voll bleiben, der muscidöse Arterienstiel aber wird zur Zeit der Pause des Herzschlags dem Druck des Blutes von den Artei’ien entzogen sein. Bei den Knochenfi- schen ist es gerade umgekehrt. Hier liegen die Klappen zwischen Herz- kammer und Bulbus der Arterie. Indem sich die Kammer zusammen- zieht, wird der Bulbus und die Arterien erweitert. Könnte sich der Bul- bus schlagartig wie beim Frosch contrahiren, so würde das Blut noch aus dem Bulbus in den nächsten Theil der Arterie getrieben werden; unmit-

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Müller:

telbar auf den Schlag des Bulbus aber würde das Blut aus der Arterie, wo es unter dem Druck des ganzen Arteriensystems steht, zurückgehen, den Bidbus wieder bis zu den Klappen an der Herzkammer ausfüllen, kurzum der musculöse Bulbus als schlagende Herzabtheilung wäre hier völlig zweck- los. Hat man so weit nachgedacht, so ist man für die Anschauung des le- bendigen hinreichend interessirt , man will das Herz an dem ersten besten Knochenfisch in lebender Thätigkeit untersuchen. Hier mufste ich denn so- gleich sehen, dafs der sogenannt musculöse Arterienbulbus der Knochen- fische gar keinen Schlag ausführt und dafs er sich dadurch völlig von dem höchst activen Bulbus aortae der Batrachier unterscheidet. Das Herz eines Cj“prinen, Salmonen, Hechtes verhält sich nämlich so: sowie der Schlag der Kammer auf den der Vorkammer erfolgt, wird der Bulbus und die daraus fortgesetzte Arterie, von dem eingetriebenen Blute strotzend aus- gedehnt, von da an bis zum nächsten Schlag der Kammer verengt sich Bul- bus und Arterie allmählig wieder und diese Verengerung geschieht am Bulbus ganz in derselben Weise wie an den Arterien, nur stärker. Auch ist es nicht möglich, Aveder den vollen noch den entleerten oder aufgeschnittenen Bul- bus durch mechanische oder electrische oder chemische Reizung, durch Eis, ätherisches Senföl, Kali, zu einem Schlag oder Contraction zu bringen.

Der nächste Schritt wird sein, dafs man die feinere Struktur der Mus- kulatur am Bulbus bei den Plagiostomen, Ganoiden einerseits und den Kno- chenfischen anderseits vergleicht. Da findet sich, dafs der Muskel des Ar- terienstiels der Plagiostomen und Ganoiden aus quergestreiften Muskelbün- deln besteht von gleicher Beschaffenheit, wie an der Herzkammer und Vor- kammer. Die Substanz des Bidbus der Knochenfische dagegen zeigt keine Spur von den quergestreiften Bündeln des Herzens, sondern besteht aus blassen Bündeln von zarten Faseim, welche nicht die entfernteste Ähnlich- keit mit jenen Muskelfasern haben. Die Substanz setzt sich allmählig ver- dünnt in eine gleichartige Schicht der Arterie foi’t, welche an der ganzen Verzweigung der Kiemenarterie fortgeht und an den Kiemenvenen wieder erscheint. Man kann die Bündel dieser Schichte und des Bulbus denjenigen vei’gleichen, welche Hr. He nie in der Ringfaserschichte der Arterien entdeckt hat und worin er den Sitz der organischen Contractilität der Arterien legt. Der Bulbus, dessen Wände beim Salm gegen 8 mal so dick sind als die Wände der lüemenai'terie, wäre dann eine herzförmige Anschwellung einer

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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tonisclien Schiclite. Aber unsere Bündel sind sehr elastisch; und dafs der Bulbus organische Contra ctilität besitze , läfst sich auf keine Weise erhär- ten (^). Bei den Haifischen, Rochen, Stören oder Ganoiden, welche eine wahre Veidängerung des Herzens auf den Arterienstiel besitzen, hört das Muskelfleisch , welches auswendig um die Arterie liegt , mit einer scharfen Grenze auf, und die Arterie geht mit ihren Häuten innerhalb des musculö- sen Ringes herror. Umgekehrt geht der scheinbare Muskel des Bulbus der Knochenfische nach oben ohne alle Unterbrechung fox’t, indem er nur dün- ner wird. Die Masse des Bulbus besteht ganz aus diesen grauen Bündeln, welche nach innen unregelmäfsige Trabeculae carneae bilden, theils schief, theils der Länge nach verlaufend, nach aufsen aber eine sehr dicke Querlage bilden. Die innere Schicht verliert sich allmählig aufwärts, die Querbündel sind als ganze zusammenhängende Schichte an allen Stellen der Arterie nach- zuweisen und auch bei grofsen Fischen, z. B. Salmen, an denen diese Un- tersuchungen anzustellen sind, zu präpai’iren. Die graue Schicht ist inwen- dig von einer dünnen Haut bedeckt, welche grofsentheils aus zickzackförmig gewellten Fasern besteht, ebenso ist auch die dickere weifse elastische Schichte gebildet, welche nach aufsen von der grauen Schicht gelegen ist. Dies sind die unverzweigten elastischen Fasern, die ich in der vergl. Angio- logie der Mjxinoiden beschrieben. Die graue Schichte der Knochenfische besteht ganz für sich und ihre Bündel sind nicht mit den weifsen elastischen Fasern verstidckt.

Der Bulbus der Knochenfische kann daher nur in verstäi’ktem Mafse so wirken, wie dieselbe Schiebt am ganzen Arteriensjstem wirkt. Die Cy- clostomen entbehren die Anschwellung der Wände zu einem Bulbus. Auf diese Weise erklärt sich ihre Abweichung von den Knochenfischen, mit de- nen sie durch die Lage und Zahl der Klappen am Ostium arteriosum der Kammer übereinstimmen. Aber auch in den Knochenfischen ist die Ausbil- dung des Bulbus sehr ungleich.

Wir haben nun einen Charakter gefunden, welcher die Sclerodermen, Gymnodonten, Siluroiden, Goniodonten und Lophobranchier entschieden (*)

(*) Diese ist aber eben so wenig von der Cirkelfaserschicbt der Arterien bekannt. Die Ableitung des Tonus der kleinen Arterien aus der äufsern Bindefasersebiebt der Arterien bat wenigstens die Analogie der Contractilität dieses Gewebes in der Haut und in der tu- nica dartos für sieb.

Phjsili.-math. Kl. 1844.

R

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Müller:

von den Ganoiden entfernt und den eigentlichen Gräthenlischen zuführt. Alle diese Fische stimmen nach meinen Untersuchungen in ihrer Organisa- tion mit den übrigen Knochenfischen überein; insbesondere, worauf es mir für diesen Augenblick ankommt, gleichen sie allen eigentlichen Knochen- fischen durch die fundamentale Eigenthümlichkeit des Arterienstiels mit 2 Klappen am Ursprung desselben. Ich habe untersucht für die Sclerodermen die Gattungen Balistes und Ostracion, für die Gymnodonten die Gattung Tetrodon, für die Siluroiden die Gattung Calophysus M. T., für die Go- niodonten die Gattungen Hjpostoma und Loricaria, für die Lophohranchier die Gattung Sjngnathus. Die Beständigkeit in dem Klappenbau bei allen eigentlichen Gräthenfischen aufser Zweifel zu setzen, mag es hinreichen, dafs Typen aus 35 Familien von Knochenfischen darauf untersucht sind und dafs sich nie eine Abweichung gefunden hat. Ich liefere hier eine Zusam- menstellung meiner Beobachtungen mit den vorhandenen übrigen in einer Tabelle.

Untersuchte Knochenfische mit 2 Klappen(^).

Ordnung.

Familie.

Gattung.

Acanthopteri

Percoidei

Uranoscopus, Trachinus*

Cataphracti ....

Scorpaena, Trigla*, Agonus*

Sparoidei

Dentex*

Sciaenoidei ....

Umbrina

Squamipennes . . .

Chaetodon

Scomberoidei . . .

Scomber, Zeus, Xiphias*

Taenioidei ....

Trachypterus*

Theutyes

Naseus*

(') Einzelne zerstreute Beobachtungen finden sich bei den altern Beobachtern, z. B. vom Lachs bei Collins, vom Schwertfisch bei Bartholin, TV^alhaum u. s. w. Die Gattung Gadus ist von Cuvler, Uranoscopus, Scorpaena, Umbrlna, Chaetodon, Scomber, Zeus, Mugil, Flstularla, Belone, Esox, Muraena, Gohlus, Hypostoma, Pleuronectes, Salmo, Cyprl- nus von Tledemann (Anatomie des Fischherzens), Lophlus von Meckel, untersucht. Die von mir untersuchten Gattungen sind mit einem * bezeichnet. In Hinsicht der Ordnun- gen, in welchen die Familien aufgestellt sind, verweise ich auf die Entwickelung des natür- lichen Systemes der Fische am Ende dieser Abhandlung.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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Ordnung.

Famili e.

Gattung.

Acanthopteri

Labjrinthici ....

Ophicephalus*

Mugiloidei ....

Mugil

Gobioidei

Gobiesox*, Cyclopterus*, Echeneis*, Gobius

Blennioidei ....

Zoarces*

Pediculati

Lophius

Fistrüares

Fistularia

Anacanthini

Gadoidei

Gadus, Macrurus*

Ophidini

Ophidium*

Pleuronectides . .

Pleuronectes

Pharyngognathi

Labroidei cycloidei

Scarus*

Labroidei ctenoidei

Pomacentnis*

Chromides ....

Chi’omis *

Scomberesoces . .

Belone

Physostomi

Siluroidei

Calophysus*, Loricaria*, Hypostoma

Cyprinoidei ....

Cyprinus

Characini

Erythrinus*

Cyprinodontes . . .

Anableps*

Esoces

Esox

Mormyi’i

Mormyrops*

Salmones

Salmo

Scopelini

Saums*

Clupeidae

Arapaima*, Elops*, Osteoglossum*

hluraenoidei ....

Muraena

Plectognathi

Balistini

Balistes*

Ostraciones ....

Ostracion*

Gymnodontes . . .

Tetrodon*

Lophobranchii

Lophobranchi . . .

Syngnathus *

Die Gründe, die ims bestimmen müssen, jene Familien als den Ga- noiden fremd abznsondern, gelten ancli für den mit den Ganoiden vereinig- ten Lepidosiren, dessen bekannte Klappen des Bulbus arteriosus nichts we- niger als denen der Ganoiden gleichen, von denen er auch durch seine Schup-

R2

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Müller:

pen abweicht. Es wird zwar diesen Schuppen von Agassiz eine Scbmelz- lage zugeschrieben*, aber seine Schuppen schliefsen sich durch ihre mosaik- artige Zusammensetzung an die zusammengesetzten Schuppen der Sudis und Osteoglossum an. Die concentrischen erhabenen Linien fehlen daran und sie sind auf der Oberfläche nur reticulirt und granulirt, aber diese erhabenen Linien gehen an den Schuppen der Knochenfische unmerklich in Reticula- tion und Granulation über, wie man am freien Theil der Schuppen der Su- dis und Osteoglossum sehen kann. Schmelz habe ich an den Schuppen des Lepidosiren nicht wahrnehmen können.

Ich wende mich jetzt zu einem andern wichtigen Punkt in der Orga- nisation der Ganoiden und dieser betrifft die Athemorgane.

In meiner Abhandlung über die Nebenkiemen und Pseudobranchien habe ich bewiesen, dafs die falschen Nebenkiemen oder Pseudobranchien mit der Bedeutung der Wundernetze, bei den Plagiostomen und Sturionen sowohl als bei den Knochenfischen Vorkommen, dafs dagegen eine wahre accessorische Kieme vor dem ersten Kiemenbogen am Kiemendeckel bei kei- nem Knochenfisch erscheint und die Sturionen auszeichnet, welche sie mit den Plagiostomen gemein haben, obgleich die Plagiostomen den Kiemen- deckel entbehren. EbendaseU)st wurde bewiesen, dafs die Störe beides, die accessorische wahre Kiemendeckelkieme und die Pseudobranchie , letz- tere im Spritzloch besitzen. Diese Eigenschaft, eine respiratorische Kiemen- deckelkieme besitzen zu können, ist den Stören nicht eigen, inwiefern sie Störe, sondern, wie jetzt gezeigt werden soll, inwiefern sie Ganoiden sind, denn die Ganoiden weichen durch diesen Charakter von den Knochenfischen ab und nähern sich wieder, wie im Klappenbau, den Plagiostomen.

Die Einheit der Störe mit den Ganoiden ist mir lange verborgen ge- blieben und ich hatte sie noch nicht eingesehen, selbst als ich die zahlrei- chen Klappen des Poljpterus kennen gelernt hatte, wie aus meinem Bericht über Agassiz Poissons fossiles im letzten Jahresbericht hervorgeht, wo ich bereits die Mittel besafs, die Sclerodermen , Gymnodonten, Siluroiden, Goniodonten und Lophobranchier von den Ganoiden zu trennen ; aber auch die Sturionen schienen mir damals noch den Ganoiden fremd zu sein. Dies war nothwendig in der ganzen Entwickelung meiner ichthyologischen Unter- suchungen begründet. Es hatte sich nämlich bei den Beobachtungen über die Nebenkiemen als Eigenthümlichkeit der Störe vor den andern Fischen

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden. 133

mit Kieniendeckel und freien Kiemen herausgestellt, eine respiratorische Kiemendeckelkieme zu besitzen, welche bis dahin von keinem andern Fisch mit Kiemendeckel und freien Kiemen, auch von keinem Ganoiden bekannt war. Sie fehlt auch den Poljpterus und ich hatte daher bis dahin keinen hinreichenden Gx’und, die Störe und die Ganoiden zusammenzubringen. Dazu kommt, dafs die von den Stören untrennbaren Spatularien durch ihre Nacktheit mit den so stark beschuppten Ganoiden keine Vergleichungspunkte darboten. Nachdem ich aber Gelegenheit erhalten, Lepisosteus zu unter- suchen und jetzt bei Lepisosteus gerade diese Eigenthümlichkeit einer respi- ratorischen Kiemendeckelkieme wiedergefunden, so war die Stellung der Störe unter den Ganoiden auf der Stelle klar und entschieden, und die frü- her nur von den Stören von mir nachgewiesene Eigenheit, eine resj)iratori- sche Kiemendeckelkieme zu besitzen, wurde jetzt zu einer den Ganoiden ül^ei’haupt von der Natur zugestandenen , den eigentlichen Knochenfischen aber versagten Eigenschaft.

Bei Lejiisosteus ist die respiratorische Kiemendeckelkieme neben einer Pseudobranchie vorhanden. Was Hr. Valentin (^) bei seiner Relation von meinen Untersuchungen über die falschen Nebenkiemen oder Pseudobran- chien vom Lepisosteus anführte und als äufsere und innere Nebenkieme des- selben bezeichnete, klärt sich nämlich als eine respiratorische Nebenkieme neben einer Pseudobranchie auf. Beide Organe verhalten sich wie bei den Stören. Ich habe ihre wahre Bedeutung durch Untersuchung der Blutgefäfse festgestellt.

Die Kiemendeckelkieme des Lepisosteus ist sehr ansehnlich und stöfst mit ihrem obernEnde unter einem spitzen Winkel auf die viel kleinere Pseu- dobranchie. Beide Organe, wie bei den Stören im äufsern Bau einander ähnlich, berühren sich hier mit ihren Enden, ohne sich zu vermischen. Die Direction der Blätter ist an der Berührungsstelle verschieden und entgegen- gesetzt. Der musculöse Bulbus arteriosus bildet wie bei den Stören und Poljpterus einen sehr langen Stiel, dessen Muskelfleisch kurz vor der Stelle, wo die Arterie sich zu vertheilen beginnt, plötzlich aufhört. Die Arterie theilt sich dann in eine vordere und hintere Portion. Aus dem hintern Theil entspringen auf jeder Seite 2 Stämme, wovon der vordere die Arterie der

(') Valentin Repert. 1841. 137.

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Müller:

Kieme des zweiten Kiemenbogens ist, der hintere sieb wieder in die Arte- rien des dritten iind vierten Bogens tbeilt. Die vordere Portion des Trun- cus arteriosus gebt weiter nach vorn, giebt dann jederseits die Kiemenarterie des ersten Bogens und setzt sieb dann nochmals dünn in der Mittellinie fort. Dieser unpaare Endast der Kiemenarterie geht über die Region der Kiemen der Kiemenbogen hinaus und ist der Stamm der Arterien der Kiemendeckel- kiemen rechter und linker Seite. Er theilt sich nach einem Verlauf von einem halben Zoll in einen rechten und linken Zweig, welche sich an die innere Fläche der Kiemenhaut schlagen und zwischen Schleimhaut und Mus- kelschicht der Kiemenhaut zum Kiemendeckel und zur Kiemendeckelkieme gelangen. Die Kiemenhaut des Lepisosteus geht ununterbrochen mantelar- tig von einer zur andern Seite breit hinüber und hat eine eben so breite Lage von queren Muskelfasern.

Bei den Stören giebt der Ast der Kiemenarterie zum ersten Kiemen- bogen auch die Arterie der Kiemendeckelkieme. Vergl. Anatomie der My- xinoiden. 3. Fortsetzung.

Demnach erhält die Kiemendeckelkieme der Ganoiden gleich wie die wahren Kiemen dunkelrothes Blut aus der gemeinschaftlichen Kiemenarterie.

Die Arterie der Pseudobranchie bietet das gerade Gegentheil dar, sie entspringt nicht aus der Kiemenarterie, sie gehört dem Körperarteriensystem an, und führt also, ganz verschieden von einem Athemorgan, der Pseudo- branchie hellrothes Blut zu, wie die Arterien allen Körpertheilen. Sie ist bei Lepisosteus gleichwie bei andern Fischen, eine Fortsetzung der Arterie, welche die Knochen und Muskeln des Kiemendeckels versorgt, ramus oper- cidax’is. Sie kommt beim Lepisosteus an derselben Stelle des Kiemende- ckels durch eine Öffnung innen zum Vorschein, wie bei den Knochenfischen. Ich habe ihren Ursprung aus der ersten Kiemenvene, den ich bei andern Fi- schen nachgewiesen, wegen Mangels an Matei’ialien, hier nicht verfolgt, aber es ist kein Zweifel gestattet, dafs sie sich eben so verhalte.

Die Störe entfernen sich von allen Knochenfischen dadurch, dafs ihre Pseudobranchie , wie bei den Plagiostomen ein i-ete mhabile caroticum für Auge und Gehirn ist, während sie bei allen Knochenfischen blofs eine rete mirabile ophthalmicum ist. Aus Gründen, die im Vorhergehenden liegen, ist zu vermuthen, dafs es ebenso bei Lej^isosteus sein wei’de. Ich mufs dies bis zur Ankunft neuer Mateidalien ungewifs lassen.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

135

Die Existenz einer accessorischen Kiemendeckelkieme ist eine Er- scheinung, welche sich hei keinem Knochenfisch ereignen kann ; sie gehört zu den Charaktereren der Ganoiden; aber sie ist ihnen nicht nothwendig eigen. Ich finde bei den den Stören nächst verwandten nackten Spatularien, nämlich bei Planirostra edentula Raffinesque keine Kiemendeckelkieme, son- dern nur eine in ihrem Spritzloch verborgene Pseudohranchie, welche die- selbe Lage hat wie die Pseudohranchie der Störe. So wie die Planirostra zu den Stören, so verhalten sich die Polypterus zu den Lepisosteus. Die Polypterus haben gleich den Planirostra keine Kiemendeckelkieme, aber auch die Pseudohranchie selbst ist hier eingegangen und es ist nur das Spritz- loch übrig gebliehen, in dem ich keine Spur dieses Organes wieder finden kann. Das Vorkommen der Pseudohranchie ist auch bei den Plagiostomen gleichen Variationen untex’worfen. Denn ich habe sie bei mehreren Gattun- gen nicht darin gefunden, wie z. B. bei den Scymnus, hei denen ich sie je- doch im frühen Fötusalter an dieser Stelle gesehen habe. Vergl. Anat. der Myxinoiden 3. Fortsetzung. Abhandl. d. Akademie d. Wissensch. a. d. J. 1840. 252. Ebenso ist es mit dem Spritzloch seihst. Es ist den meisten Plagiostomen und nach den mitgetheilten Beobachtungen, im Fötuszustand vielleicht allen ohne Ausnahme eigen, aber im ei’wachsenen Zustande fehlt es den Gattungen Carcharias und Sphyrna. Dieselben Verhältnisse wieder- holen sich bei den Ganoiden. Die Störe haben Spritzlöcher, die den Aci- penser nächst verwandte Gattung Scaphirhynchus Heck, hat das Spritzloch verloren. Dagegen ist es hei den Spatularien vorhanden, es ist bei Plani- rostra edentula eine kleine Öffnung, eben so weit entfernt vom Auge als vom Mundwinkel. Auch die Polypterus besitzen bekanntlich Spritzlöcher, aber sie fehlen den Lepisosteus.

In Hinsicht der Kiemendeckelkieme, der Pseudohranchie und des Spritzloches kommen demnach hei den Ganoiden fast alle Combinationen vor, welche logisch möglich sind;

1) Kiemendeckelkieme, Pseudohranchie und Spritzloch. Acipenser.

2) Kiemendeckelkieme und Pseudohranchie ohne Spritzloch. Lepisosteus.

3) Kiemendeckelkieme ohne Pseudohranchie und ohne Spritzloch. Sca- phirhynchus.

4) Pseudohranchie ohne Kiemendeckelkieme mit Spritzloch. Planiro- stra.

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Müller:

5) Spritzloch ohne Kiemencleckelkieme und ohne Pseudobranchie. Po-

Ijpterus.

Die Gegenwart der Spritzlöcher ist für die Ganoiden kein absoluter Charakter, denn die Lepisosteus bieten schon unter den lebenden eine Aus- nahme, aber die Negation dieses Charakters ist bei den eigentlichen Kno- chenfischen absolut. Die Existenz der Spritzlöcher hei Poljpterus war, so lange derselbe als Knochenfisch aufgefafst wurde, ein unbegreifliches Factum. Jetzt, nachdem die Störe und Spatularien seine erwiesenen nächsten Ver- wandten sind, ist es umgekehrt, es erfordert vielmehr unsere Erklärung, warum diese Öffnungen, welche so sehr in der Natur der Ganoiden zu lie- gen scheinen, dem Lepisosteus fehlen können. Ich vermuthe, dafs sie bei ihm im Fötuszustande gefunden werden, gleichwie ich sie hei dem Fötus derjenigen Haifisch- Gattungen gefunden, denen sie im erwachsenen Alter fehlen (Carcharias).

Die Schwimmblase ist hei allen lebenden Ganoiden, auch den Aci- penser und Polyodon vorhanden, sie ist ohne Wundernetze und mit einem Luftgang versehen, wie hei den Malacopterygii abdominales oder bestimm- ter den Physostomi unter den Knochenfischen.

Die Geschlechtsorgane verhalten sich bei den Ganoiden sehr eigen- thümlich. Was in der Description de l’Egypte von den Geschlechtsorganen des Polypterus gesagt ist, ist unvollständig, zum Theil unrichtig; in der Abbildung pl. 3. Fig. 7 tt. sind die Fettlappen an den chylopoetischen Ein- geweiden für die Hoden genommen.

Die Eierstöcke des Polypterus liegen vor den Nieren als eine lange Platte, jeder an einem Gekröse befestigt. Sie sind ohne innere Höhle und es giebt von ihnen keinen Ausgang als in die Bauchhöhle, wie bei den Pla- giostomen, Sturionen, Cyclostomen und wenigen Knochenfischen, nämlich den Aalen und Salmonen. Die Eier werden aus der Bauchhöhle durch wahre Eileiter ausgeführt, dadurch entfernt sich Polypterus schon ganz von den Knochenfischen, auch von den letztgenannten, bei welchen nur eine Bauchöffnung ausführt, vielmehr schliefst er sich an die Fische mit beson- dern Eileitern, welches die Plagiostomen, Sturionen und LepiJosiren sind. Die Form der Eileiter gleicht aber zunächst am meisten derjenigen der Störe.

Die Eileiter des Polypteims liegen gerade vor den langen und weiten Harnleitern und sind an ihnen durch Bindegewebe angewachsen ; einige Zoll

ilber den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

137

von dem After entfernt , öffnen sie sich mit einem weiten queren Schlitz in die Bauchhöhle. Diese Mündung liegt dicht beim Eierstockgekröse, nach aufsen von dem untern Theil desselben. Eileiter und Harnleiter vex’folgen ihren Weg, getrennt bis nahe vor dem gemeinschaftlichen Ausgang im Porus urogenitalis hinter dem After. Bläst man in letztem, so füllen sich meist die Harnleiter mit Luft, zuweilen auch die Eileiter. Bläst man in die Abdo- minalöffnung des Eileiters, so tritt die Luft aus dem Porus urogenitalis heraus.

Bei den Stören ist Lage und Gestalt des Orificium abdominale tubae genau ganz dieselbe. Aber diese Röhre ist dort nur kiu'z selbstständig, sie soll nämlich bald in den weiten Harnleiter einmünden, der dadurch zugleich zum Eileiter wird. Bei männlichen Stören führen dieselben Trichter aus der Bauchhöhle in den Harnleiter. Hr. v. Baer hat diese interessante That- sache aus der Anatomie der Störe zuerst von den männlichen Geschlechts- organen angegeben(*), Hr. Rathke(^) hat sie bei weiblichen bestätigt. Bei eigener Untersuchung dieses Gegenstandes stofse ich auf einen von beiden Forschern nicht angegebenen Umstand. Der aus der Bauchhöhle in den Harnleiter führende Trichter erscheint im Harnleiter wie ein Blindsack ; bei mehreren grofsen sowohl weiblichen als männlichen Stören waren diese wei- ten Blinclsäcke völlig verschlossen, so dafs Quecksilber und Luft nicht durch- drangen. Da es sich hier um gar grofse Gegenstände, um einen Blindsack von dem Durchmesser eines kleinen Fingers handelt, so ist keine Täuschung möglich. In zwei Fällen waren die Trichter keine Blindsäcke mehr, sondern in den Harnleiter geöffnet; offen fand ich die Trichter auch im Handeiter eines weiblichen Scajxhii’hynchus Raffmescii Heck., in beiden Fällen waren sie auf beiden Seiten geöffnet. Hieraus scheint hervorzugehen , dafs die Abdomi- nallrichter nur zu gewissen Zeiten dehisciren , zu andern aber geschlossen bleiben. Ein grofses Weibchen mit geschlossenem Blindsack des Trichters war im Sommer in der Oder gefangen und hatte im Eierstock nur ganz un- reife mit der Loupe zu sehende Eierchen (^).

(') Rericlite der K. anatoni. Anstalt zu Königsberg II. Leipzig, 1819. 40.

C^) Über den Darmkanal und die Zeugungsorgane der Fische. Halle 1824. p. 124.

(’) Wie <ler Samen der Störe ausgendirt wird, ist noch unbekannt. Rathke glaubt beim Hausen Qnergef'afse zwischen dem Hoden und dem Harnleiter gesehen zu haben. Der Hoden besteht jedenfalls aus reiserförmigen Samenkanälchen, die man mit der Loupe sieht, und nicht aus Bläschen, aber sie sind sehr verwirrt und ihre Anordnung und Ende ist mir unbekannt geblieben.

Physilc.-math. KL 1844.

S

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Müller:

Die Störe haben auch jederseits vom After eine Bauchhöhlenmün- dung, diese fehlt den Poljpterus, so wie auch die Communication zwischen Bauchhöhle und Herzbeutel, der Herzbeutel zeigt hier hlofs eine tiefe Bucht nach rückwärts (^ ). übrigens ist die Ausmündung des Afters und des Porus urogenitalis hinter einander hei beiden Thieren wie hei den Knochenfischen und verschieden von der Cloake der Plagiostomen.

In der Bildung des Darmkanals nähern sich die Ganoiden den Plagi- ostomen, denn die Acipenser, Polydon haben eine Spiralklappe im Darm, wie die Haifische und Rochen, und bei Polypterus ist sie schon von seinem Entdecker angegeben, aber kein Knochenfisch besitzt diesen Bau. Die Spi- ralklajjpe ist indefs unter den Ganoiden nicht allgemein, denn hei Lepiso- steus ist sie von Niemand angezeigt. Der Darm der Plagiostomen und des Polypterus ist nach demselben Plan gebildet. Das vom sackförmigen Magen aufsteigende oder hier seitlich ahgehende Rohr reicht bis zum Klappendarm. Hier erst befindet sich der Pylorus. Dies Rohr ist daher nicht Darm, wie es von Geoffroy St. Hilaire genannt wird, sondern der gewöhnliche py- lorische Gang, brauche montante, des Magens. Am obern abgerundeten Ende des Klappendarms der Plagiostomen befindet sich ein klappenloser Raum zwischen dem Anfang der Klappe und dem Pylorus. Dies ist die

(') Anmerkung. Beim Stör fand ich in dem Canal zwischen Herzbeutel und Bauch- höhle eine Drüse ohne Ausführungsgang, frei an einem Stiele hängend, der von der vor- dem Wand des Canals ausgehend, die Blutgefäfse der Drüse enthält. Siehe Müll. Arch. 1844. Jahresbericht, p. 53.

Eine andere Drüse ohne Ausführungsgang ist den Ganoiden wieder mit den Pla- giostomen gemein und scheint den Knochenfischen zu fehlen. Es ist die an der Kehle über der Verzweigung der Kiemenarterie liegende Drüse. Sie ist bei den Plagiostomen von Stenonis entdeckt. Stenonis Bajae anat. De musculis et glandulis. Lugd. Nat. 1683. p. 86., ferner von Retzius beschrieben, ohserv. in anat. chondropt. Lundae 1819. Bei den Stören ist sie von Simon beschrieben, Philos. Transact. 1844, und nach ihrem feinem Bau richtig als Schilddrüse gedeutet. Der Verfasser vergleicht sie unrichtig mit der Pseu- dohranchie der Knochenfische, die auch bei den Stören und Plagiostomen vorkommt; es scheint Ihm auch unbekannt zu sein, was Alles im Archiv f. Anat. u. Physiol. und in den Abhandlungen unserer Akademie über die Pseudobranchlen verhandelt Ist. Die Schilddrüse des Polypterus liegt an derselben Stelle wie hei den Stören; sie ist doppelt.

Die Nebennieren scheinen den Ganoiden zu fehlen. Die gelben in den Nieren des Störs zerstreuten Körper, welche v. Baer für kalkige Concretlonen ansah, Delle Chiaje neulich als Nebennieren deutete, sind nichts als Fett. Siehe Müll. Archiv 1844. Jahres- bericht. p. 53. Zusatz.

üher den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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Bursa Entiana, sie nimmt den Gallengang und pancreatischen Gang auf, beim Fötus auch den Ductus yitello intestinalis, sie ist ohne Zweifel einem Tlieil des Dünndarms, am meisten dem Duodenum zu vergleichen. Wollte man den Klappendarm als Dickdarm ansehen, so hätten sie vom ganzen Dünn- darm nichts als die Bursa Entiana. Das ist widersinnig, vielmehr ist der ganze Klappendarm mit der Bursa als Dünndarm zu betrachten und das klap- penlose Ende, der Mastdarm ist allein dem Dickdarm analog. Auch hei den Knochenfischen ist der Darm nicht in Dünndarm und Dickdarm, son- dern in Dünndarm und Mastdarm geschieden. Die Erklärung des Darmka- nals des Poljpterus mufs von diesem Gesichtspunkt ausgehen, oder vielmehr der Darm dieses Ganoiden ist seihst eine Bestätigung jener Ansicht. Beim Poljpterus gieht es kaum mehr eine Bursa und die Klappe des Klappendarms entspringt vom Rande des Pjlorustrichters. Uber dieser Stelle erweitert sich der Darm in den hlindsackförmigen Anhang, die Appendix pjlorica, und in der Nähe des Pjlorus mündet auch der Gallengang ein. Hätte Geoffroj St. Hilaire diese Einmündung gesucht oder gekannt, so hätte er den pylo- rischen Gang des Magens nicht für den Dünndarm halten können.

Die Störe unterscheiden sich von den Poljpterus nur durch die Form des Magens und durch die Ausbildung der Stelle zwischen Klappe und Pj- lorus oder der Bursa der Plagiostomen zu einer ganzen Darmschlinge, also Duodenaldarmschlinge. Der Magen ist hier ohne Blindsack und biegt ohne Grenze in den pjlorischen Theil um, der nach einer muscularen Anschwel- lung den Pjlorus bildet. Darauf folgt die Duodenaldarmschlinge, wMche hinter dem Pjlorus die Ausmündung der Appendices, den Gallengang und den Gang des von Alessandrini(^) entdeckten drüsigen Pancreas aufnimmt, deren unteres Ende aber noch einmal eine Klappe bildet, von deinen Rande die Spiralklappe des Klappendarms entspringt. Den Übergang von Poljp- terus zu den Stören bilden die Rochen, deren Bursa Entiana nach dem Pj- lorus hin in einen retortenähnlichen Kanal ausgezogen ist, so dafs der Pjlo- rus nicht mehr in den Raum der Bursa sich öffnet, sondern an den Hals der Retorte stöfst.

Das Gehirn der Ganoiden ist eigenthümlich und unterscheidet sich von dem der Knochenfische und Plagiostomen. Das des Störs ist bekannt;

(') Novi Comment. Bonon. II. 1836. 335. Tab. XIV.

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icli verweise auf Stannius(‘) Abhandlung. Hier folgt die gedrängte Beschrei- bung des Gehmis des Polypterus bichir. Es gleicht dem Hirn des Störs und besteht in seinem hintern Theil aus einem sehr langen verlängerten Mark mit dem langen Sinus rhomb., aus dem kleinen Gehirn, den verhältnifsmäs- sig kleinen Lobi optici, die in den Lobus ventriculi tertii mit oberer Öffnung auslaufen. Darauf folgen die sehr grofsen tief getheilten Hemisphären. Unter ihnen setzt sich das Gehirn in die Lobi olfactorii und die Geruchs- nerven fort. Den Sehnerven fehlt die Kreuzung der Knochenfische, sie ge- hen nicht frei übereinander weg , sondern sind zu einem Chiasma verbun- den, wie beim Stör (^). Der Schädel der Polypterus besteht unter der Knochenbedeckung noch aus sehr starker Knoi’pelmasse, welche auch an den Seiten das Gehöi'organ zum Theil einschliefst, so dafs dasselbe etwas mehr als bei den Knochenfischen bedeckt wird, was auch an die Störe erinnert.

In den Sinnesorganen schliefsen sich die Ganoiden zum Theil den Knochenfischen, zum Theil den Plagiostomen an. Sie haben, auch die Störe, doppelte Naslöcher, wie sie bei Plagiostomen nicht Vorkommen. Der Processus falciformis und die Choroidaldrüse scheinen den Polypterus zu fehlen. Die eigenthümlichen quastartigen Gefäfsglomeruli (^) auf der Ober- fläche des Herzens des Störs fehlen den übrigen Ganoiden.

Die Haut der Ganoiden kann mit emaillirten rhomboidalen oder auch runden Schuppen getäfelt sein, sie kann Schilder tragen, sie kann völlig nackt sein. Die Spatularien sind nackte Sturionen, ihre Eingeweide, ihre Wirbel- säule sind dieselben, von den Sturionen aber läfst sich selbst in der Hautbe- deckung der unmerkliche Übergang in die übrigen Ganoiden nachweisen. Bei den eigentlichen Stören stehen die grofsen Knochenschilder in weit von einander abgesonderten Längsreihen, bei Scaphirhynchus wird der hintere Theil des Körpers uniform mit Ganoid- Tafeln besetzt. Aber auch die ge- wöhnlichen Störe besitzen an den Seiten des Schwanzes vollkommene Ga- noid-Tafeln. Dazu kommen die Fulcra der Firste des obern verlängerten * (*)

(') Müll. Arcbü 1843. p. 36.

(*) Desmoulins Angabe (anat. d. syst. nerv. I. 334), dafs die Sehnerven des Störs wie bei Knochenfischen über einander Weggehen, ist irrig.

(^) Siehe über diese Organe Otto in Carus Erläuterungstafeln zur vergl. Anat. VI. p. 11. Die Arterien und Venen der Organe entspringen von den Kranzgefäfsen des Herzens. Die Glomerull sind In Lymphräumen eingebettet.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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Lappens der Schwanzflosse wie bei Palaeonisciis, Acrolepis u. a. Niemand, dei’ den Schwanz eines Störs allein sähe, würde anstehen, ihn für den Schwanz eines heterocerken Ganoiden zu ei’klären.

Fassen wir alles zusammen, so sind die einzigen wahren Ganoiden der lebenden Welt die Gattnngen Poljpterus, Lepisosteus, Acipenser, Scaphi- rhynchus und Spatularia. Dieses Resultat ist aufser seinem unmittelbaren Interesse auch dadurch merkwürdig, weil es auf die Fische zurückführt, mit welchen Cuvier 1824 die Palaeoniscus verglich. Freilich datte dieser grofse Naturforscher nicht die Absicht, die Störe, Polypterus, Lepisosteus mit den Palaeoniscus des Zechsteins in eine Al^theilung zusammenzubringen, viel- mehr läfst sich beweisen, dafs diese Idee gerade seinem Gesichtskreis gänz- lich entrückt war. Er hat im Jahre 1828 in der neuen Ausgabe des regne animal die Störe noch unter der Abtheilung der Knorpelfische, die Lepiso- steus und Polypterus unter den Knochenfischen, Malacopterygii abdomina- les, Familie Clupeae aufgeführt. Vielmehr war seine Ansicht, die er auch in bestimmten Worten ausdrückte nur, dafs die Palaeoniscus entweder mit den Lepisosteus imd Polypterus, oder mit den Stören zu vereinigen seien, dafs die Entscheidung darüber von einigen Fragen abhange, und er neigte sich zu der Ansicht, die von Valenciennes noch bestimmter ausgesprochen ist, dafs die Palaeoniscus und Dipterus mit den Lepisosteus zu den Malacop- terygii abdominales gehören. Cuvier (hist. nat. d. poiss. 1828. I. 215.) ta- delt den Rafinesque, dafs er Polypterus und Acipenser zusammenbringt, als Beispiel von Fehler gegen das natürliche System.

Die Charaktere der Ganoiden sind kurz zusammengefasst folgende. Diese Fische sind entweder mit tafelartigen eckigen oder runden schmelzbe- deckten Schuppen versehen oder sie tragen Knochenschilder, oder sie sind ganz nackt. Ihre Flossen sind oft, aber nicht immer, am vordem Rande mit einer einfachen oder doppelten Reihe von stachelartigen Tafeln oder Schindeln besetzt. Ihre Schwanzflosse nimmt zuweilen in den obern Lap- pen das Ende der Wirbelsäule auf, welche sich bis an die Spitze des obex’n Lappens fortsetzen kann. Ihre doppelten Naslöcher gleichen denen der Knochenfische. Ihre Kiemen sind frei und liegen in einer Kiemenhöhle unter einem Kiemendeckel wie bei den Knochenfischen. Mehrere haben ein accessorisches Athemorgan in einer Kiemendeckelkieme, was von der Pseudobranchie zu unterscheiden ist und mit dieser zugleich vox’handen sein

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kann, mehrere haben aueh Spritzlöcher gleich den Plagiostomen. Sie haben viele Klappen iin Arterienstiel wie die letzteren, auch einen muscidösen Be- leg des Arterienstiels. Ihre Eier werden durch Tuben aus der Bauchhöhle ausgeführt. Ihre Sehnerven gehen nicht kreuzweise übereinander. Ihr Darm enthält oft die Spiralklappe der Plagiostomen. Sie haben eine Schwimmblase mit einem Ausführungsgang wie viele Knochenfische. Ihr Skelet ist entweder knöchern oder theilweise knorpelig. Ihre Bauchflossen sind abdominal.

Wenn wir aber nur diejenigen Charaktere, welche niemals fehlen und absolut sind, in eine Definition zusammenfassen, so sind die Ganoiden kurz die Fische mit vielfachen Klappen des Arterienstiels, Muskelbe- leg desselben, ohne Kreuzung der Sehnerven, mit freien Kie- men und Kiemendeckel und mit abdominalen Bauchflossen. In diese Definition können Haut und Schuppen , wovon die Untersuchung ausging, nicht aufgenommen werden. Den Charakter von den abdominalen Bauchflossen halte ich hlofs zeitweilig für bindend.

Unter den von Agassiz zu den Ganoiden gerechneten fossilen Fischen sind glücklicherweise nur wenige aus Familien, von denen es jetzt gewifs ist, dafs sie gemeine Knochenfische sind. Die Acanthoderma und Pleurocan- thus, Diodon, Ostracion, Calamostoma gehören jedenfalls zu den eigentli- chen Knochenfischen, und zwar die letztere Gattung als Lophobranchier, die anderen als Plectognathen.

Da die fossilen Gattungen Blochius , Dercetis und Rhinellus wenig oder gar keine Übereinstimmung mit den Sclerodermen, denen sie in den Poissons fossiles zugewiesen sind, haben, so frägt sich, ob sie nicht den Ganoiden erhalten werden müssen. Die Blochius haben nach Agassiz emaillirte rhomboidale .Schuppen, aber bedenklich für die Ganoidennatur ist der muthmafsliche Stand der Bauchflossen bei den Brustflossen. Rhom- boidale Schuppen allein sind nicht sicher, denn die Balistes haben solche, ohne Ganoiden zu sein. Was den Schmelz betrifft, so halte ich die An- nahme desselben bei kleinen Schuppen nur dann für sicher, wenn keine an- dern Charaktere der Ganoidnatur widersprechen , denn den Balistes wurde auch Schmelz zugeschrieben, was ich aber nicht zugeben kann. Es wird daher sehr viel darauf ankommen, die Stellung der Bauchflossen bei Blo- chius sicherer kennen zu lernen. Die Knochenschilder der Dercetis und

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RVinellus würden nicht hinreichen, sie als Ganoiden zu erweisen. Denn solche Schilder finden sich hei vielen Knochenfischen, und hei anderen, die keine solche besitzen , finden sie sich zuweilen im jugendlichen Alter, wie bei den Schwertfischen.

Indefs das mag sich verhalten, wie es will, mögen die Blochius, Der- cetis, Rhinellus Ganoiden sein oder nicht, diese Frage hat auf die geogno- stischen Folgerungen ebenso wenig Einfliifs als die Ausscheidung der falschen Ganoiden, nämlich der Plectognathen und Lophobranchier. Denn bei allen diesen handelt es sich um Fische, welche jünger als die Juraformation sind; die bisher angenommenen Verhältnisse der Fische zu den Altern der Forma- tionen werden dadurch nicht verändert. Agassiz hat nämlich den Satz aufgestellt, dafs die Ganoiden in den ältern Formationen herrschend sind, dafs abgesehen von den Placoiden, die übrigen Fische vor der Kreideforma- tion sämmtlich Ganoiden sind und dafs die eigentlichen Knochenßsche erst mit der Kreide beginnen. Dieser Satz ist nicht im mindesten erschüttert und approximativ als erwiesen zu betrachten. Aber der Zustand der Erhal- tung der Fossilien läfst uns im Einzelnen zu einem sichern Beweis noch man- ches vermissen. Die Folgerungen über das Verhältnifs der Ganoiden zu den Formationen werden durch unsere Untersuchungen nur in Beziehung auf die Bildungen von der Kreide an verändert, und wird die Entwickelung der Ga- noiden in allen neueren Formationen gleichwie in der lebenden Welt selbst durch die Ausscheidung der fremdai’tigen Familien bedeutend reducirt.

Bei den lebendexi Fischen können wir uns mit absoluter Gewifsheit aus der Anatomie versichern, ob sie Ganoiden sind oder nicht. Welche Charaktere werden xins aber Ijestimmcn bei den fossilen Fischen? In erster Instanz sind es cmaidirte, rhomboidale, durch Foi’tsätze mit einander ax’ti- ciilirte Schuppen in schiefen Reihen, stachelartige Schindeln (Fulcra Agass.) am vordem Rand einer oder mehrerer Flossen, Ileterocercie bei einem Fisch mit Kiemendeckel und abdominaler Stellung der Bauchflossen und weichen articulirten Flossenstrahlen. Wo die Schindeln am Rand der Flossen vor- handen sind, halte ich die Ganoidnatur eines Fossils für entschieden, die Schuppen mögen eine Form haben, welche sie Avollen, denn dieser Charak- ter findet sich bei keinen andern Fischen. Ebenso entscheidend ist die voll- ständige Heteroccreie bei einem Fisch mit Kiemendeckcl und Kopfknochen, denn sie kommt sonst nur bei den Plagiostomen vor. Die Besetzung des

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Flossenrancles mit Fulcra ist selir verbreitet und kann zuweilen vermifst wer- den, wo sie doch voi’handen ist. So finde ich sie unter mehreren Exempla- ren des grofsen Pachycormus macropterus des Liasschiefers einmal ganz evi- dent sowohl an der Rückenflosse als Afterflosse sichtbar, während sie an der Schwanzflosse durchgängig fehlt. In manchen Gattungen aber scheinen die Fulcra ganz zu fehlen und dafs dies möglich und wirklich ist, davon haben wir in den lebenden einen entscheidenden Beweis an den Polypterus und Po- lyodon. Obgleich die Wirbelsäide der Ganoiden oft knöchern ist, so ist doch der unverknöcherte Zustand des centralen Theils bei blofs verknöcher- ten Apophysen ein wichtiges Kennzeichen, wo ein Theil jener wichtigsten Merkmale fehlt. Die blofse rhomboidale Gestalt der Schuppen ohne eigent- lichen Schmelz, ohne Articulation derselben, ohne Fulcra der Flossenrän- der, ohne Heterocercie, bei vei’knöcherter Wirbelsäule, und gar bei fehlen- den Bauchflossen oder nicht abdominaler StelKng derselben würde mifslich sein, wie wir bei Balistes sehen. Fehlen aber noch so viele Charaktere, sind aber die Schuppen articulirt, wie bei den Gyrodus, so scheint kein Zweifel obwalten zu können. Agassiz führt zwar von manchen Ganoiden nicht ausdrücklich die vollen Beweise an, warum sie Ganoiden sind. Der lange Umgang mit seinem Werk erregt aber ein grofses Vertrauen in seine Erfahrung über diesen Punkt. Wir beruhigen uns bei den Coelacanthen, wenn wir sie bei runden dachziegelförmigen Schuppen unter den Ganoiden flguriren sehen, sobald wir bemerken, dafs nur die Apophysen ihrer Wirbel, nicht der Centraltheil derselben verknöchert ist, wie es bei Undina so deu- tlich ist. Das Alter der Formation kann dermalen auch noch benutzt wer- den, um einen Fisch zu den Ganoiden zu rechnen. Aber hier bewegt man sich freilich schon in einer Petitio principii.

Die Knochensubstanz der Schuppen der Lepisosteus und Polypterus zeigt bei mikroskopischer Untersuchung die radiirten Knochenkörperchen, wie sie auch in den Knochenschildern von andern nicht dahin gehörigen Fi- schen, aber in der Regel nicht in den gewöhnlichen Schuppen der Knochen- fische Vorkommen. Bei sehr grofsen Schuppen findet sich jedoch zuweilen auch bei den Knochenfischen eine unterste Schichte mit Knochenkörperchen, so finde ich sie in den Schuppen der Sudis, welche sonst von denen ande- rer Knochenfische nicht abweichen. Bei den Gattungen Megalurus und Le- ptolepis aus dem obersten Juragliede, dem lithographischen Schiefer, sind

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wir in der Bestimmung darauf reduzirt, dafs ihre runden dachziegelförmigen Schuppen, ohne Knochenkörperchen, w^elche den Schupjien der Knochen- fische ähnlich aussehen, mit Email bedeckt sind und dafs sie der Juraforma- tion angehören. Ich finde hei mikroskopischer Untersuchung dieser Schup- pen sogar die concentrischen Linien wie an den Schuj^pen der Knochenfische, aber freilich sind diese Linien hier noch mit einer dünnen glasartigen Schichte von Email bedeckt, so dafs sie meist auch keinen Abch’uck der Linien auf dem Steine zurücklassen. Ich bin über die Stellung dieser Fische ungewifs.

Da es unter den lebenden Ganoiden nackte giebt, so kommen solche ohne Zweifel auch unter den fossilen vor, diese würden aus der Beschaffen- heit der Körperoberfläche gar nicht, und nur aus ihren Affinitäten zu andern Gattungen, theilweise aus dem Zustande der Wirbelsäule zu erkennen sein.

Die knorpelige Beschaffenheit des centralen Theils der Wirbelsäule allein wird aber auch bei einem beschup2)ten Fisch nicht völlig sicher für einen Ganoiden entscheiden, da wir in den Lepidosiren ein Beispiel einer von den Ganoiden noch zu unterscheidenden Categorie beschuppter Fische mit knorpeligem Central iheil der Wirbelsäule kennen.

Ich komme jetzt zur systematischen Aufstellung der Ganoiden. Hier ist zuvörderst anzuerkennen, dafs sie eine der gröfsern Aljtheilungen der Fischwelt bilden, mag man sie Ordnung oder Unterklasse nennen, und dafs sie nicht blofs eine Familie ausmachen. So lange die eigenthümlichen Ab- weichungen der Ganoiden von der Anatomie der Knochenfische, nämlich im Bau der Klappen, Sehnerven, Athemorgane, Geschlechtstheile unbekannt waren, konnte man über die Stellung der mit Lepisostexis und Poly2:)terus im Schu2)penba\i id^ereinstimmenden Fische zweifelhaft sein, ob man es mit einer Ordnung der Fische oder einer Familie der Malacoj^terygii al)domina- les zu thun habe. Schlofs man nämlich die Lojdiobranchier, Gjmnodon- ten, Sclerodermen, von den Ganoiden aus, so stimmen die Ganoiden mit den Malacoj)terygii abdominales durch den Besitz des Luftganges der Schwimmblase, durch die Stellung der Bauchflossen und die weiche Be- schaffenheit der Flossenstrahlen überein. Daher liefs ich in einer frühem Ab- handlung über die natürlichen Familien der Knochenfische Lej:)isosteus und PolyjiLerus in der Ordnung, wohin sie Cuvier gebracht hat, d. h. unter den Malacoj)terygii abdominales, aber als eigene Familie. Bei dem jetzigen Zustande meiner Kenntnisse ist dies uustatthaft. Es ist augenscheinlich be- Phjsik.-math. Kl. T

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wiesen, dafs diese Fische von den Knochenfischen fundamental ahweichen. Sie können ebenso wenig mit den Selachiern vereinigt werden ; indem sie mit einem Theil der ehemaligen Kn orj) elfische zusammenfliefsen, bilden sie eine eigene Ahtheilung. Die Stelle dieser Abtheiliing im System fällt, wie ich bewiesen zu haben glaidje, mitten zwischen die Knochenfische und Plagio- stomen oder Selachier, indem sie Charaktere aus den Knochenfischen und Selachiern combinirt. Sie hat von den ersten die Kiemen, den Kiemen- deckel, die Nase, von den letztem die accessorische Kieme vor der ersten Kieme, Spritzlöcher, Klappen und Muskel des Arterienstiels, Gefäfsverthei- lung der Pseudobranchie, Eileiter, Verhalten der Sehnerven.

Dafs einzelne Thiere dieser Abtheilung sich den Reptilien in einem und andern! Punkte der Organisation nähern, kann zugegeben werden; dafs sie sich überhaupt mehr als irgend andere Fische an sie anschliefsen und den Übergang zu den Sauriern bilden, davon habe ich mich nie überzeugen kön- nen. Ich finde eben nur Combinationen von Eigenschaften, der Knochen- fische und der Plagiostomen in einer dritten eigenthümlichen Form benutzt. Die Dujdicität des Vomer bei Lepisosteus (Agassiz) und die Verlnndung der Wirbel desselben Fisches durch Gelenkköpfe und Pfannen (Blainville) sind allerdings unter den Fischen einzig, und das ist jedenfalls eine Aufnahme von Bildungen, die am nächsten bei den Reptilien gefunden werden. Diese bieten nicht weniger auch oft die gewöhnliche Fischbikhing der Wirbel dar mit doppelten ausgehöhlten Facetten, wde die Ichthyosauren, Plesiosauren u. a. und die fischartigen Amphibien Proteiden, Derotreten und Coecilien. Die Zusammensetzung des Unterkiefers aus so vielen Stücken als bei den Reptilien bei Lepisosteus (Geoffroy St. Ililaire), welche sich bei Polypte- rus nicht wiederholt, finde ich bei einem entschiedenen Knochenfisch, Osteo- glossum. Die Aufnahme der Apophysen der Wirbel in Gruben derselben bei Lepidotus hält Hr. Agassiz für eigenthümlich und sonst nur den Pla- coiden eigen, und dies erinnere an die Ichthyosauren. Es sei überflüssig, diese Bildung mit derjenigen der Wirbel der Cycloiden und Ctenoiden zu vergleichen, da diese Insertion sich nie bei letzteren ereigne. Hier mufs ich bemerken, dafs sie gerade bei mehreren Familien von Knochenfischen erscheint, nämlich bei den Cyprinoiden, Salmones, Esox, Elops. Die ein- zigen Fische, w^elche sich den Reptilien entschieden annähern, sind diejeni- gen, welche zugleich Lungen und Kiemen und durchbohrende Naslöcher

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besitzen, die Lepidosiren, sie sind das unter den Fischen, was die fischar- tigen Proteiden unter den Amphibien. Einzelne Affinitäten finden immer statt, aber diese finden sich auch in andeim Ordnungen ; in den Geschlechts- organen stimmen die Plagiostomen am meisten mit den ülnägen Wirbelthie- ren, also zunächst den Reptilien und entfei-nen sich durch ihre Eileiter und Nebenhoden ganz von dem Typus der gemeinen Knochenfische.

Dui’ch Ausscheidung der Lophobranchier , Gymnodonten, Sclero- dermen, Goniodonten und Siluroiden wird die bisherige Abtheilung der Ganoiden um einen grofsen Theil , vielleicht um die Hälfte ihres Bestandes i’eduzirt, gleichwohl mufs der Namen Ganoiden für den als Unterklasse oder Ordnung der Fische bleibenden Rest beibehalten Averden , nicht blofs weil dieser Rest den bisherigen Bestand der fossilen Ganoiden noch gröfstentheils enthält und die ausgeschiedenen Familien in den Formationen der Vorwelt nur wenig, zum Theil gar nicht repräsentirt sind, sondern noch mehr wegen der grofsen Verdienste, welche sich Agassiz durch die Gründung der Ga- noiden und Beschreibung ihi-er fossilen Formen ei’worben hat, und welche von der Art sind, dafs der Name dieses Foi’schers für immer mit der Ge- schichte der Ganoiden verbunden ist. Was die Eintheilung der lebenden Ganoiden betrifft, so zerfallen sie am natürlichsten also :

I. Holostei

Familie 1. Lepidosteini. Gattungen: Lej)isosteus.

'- 2. Polypterini. - Polypterus.

II. Chondrostei

Familie 3. Acipenserini. Gatt. ; Acipenser, Scaphirhynchus.

4. Spatulariae. - Polydon Lacep., Planirostra

Raf.

Die erstem haben eine knöcherne Wirbelsäule , bei den letztem ist das Skelet zum Theil knorpelig und die Wirbelsäule enthält statt der Wir- belkörper eine weiche Chorda. Beide verhalten sich zu einander wie die Plagiostomen und die Chimaeren unter den Selachiern.

Lej^isosteus und Polypterus zeigen so viele sowohl äufsere als innere Unterschiede, dafs sie in derselben Familie nicht vereinigt bleiben können.

Lepis Ostens. Ihr Oberkiefer ist aus vielen Stücken zusammenge- setzt. Ihr Vonier ist doppelt. Ihr Unterkiefer enthält so viele Stücke als

T 2

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beiden Reptilien, ihre Wirbel articuliren durch Gelenkköpfe und Pfannen (^). Ihre Nase liegt am Ende der sehr langen Kiefer und enthält die gewöhnli- chen einfach angeordneten Nasenfalten. Sie haben eine respiratorische Kie- mendeckelkieme und zugleich eine Pseudobranchie, aber kein Spidtzloch. Die Kiemen an den 4 Kiemenbogen sind vollständig d. h. doppeltblätterig, und hinter dem letzten Bogen und dem Schlundknochen befindet sich wie gewöhnlich noch eine Spalte. Ihre Kiemenhaut geht mantelartig und selbst ohne Einschnitt von der einen zur andern Seite xmd enthält 3 Strahlen. Der vordere Rand aller Flossen ist mit 2 Reihen stachelartiger Schuppen besetzt. Die Flossenstrahlen sind sämmtlich articidirt. Die Schwanzflosse ist schief abgeschnitten, ihre Strahlen sind theils am hintern Ende der Wh’belsäule, theils unter ihr inserirt. Magen ohne Blindsack. Am Pylorus viele kurze Blinddärme (^), keine Spiralklappe im Darm. Die Schwimmblase ist zellig und enthält Trabeculae carneae zwischen den Zellenabtheilungen (^), sie öffnet sich durch einen länglichen Schlitz in die obere Wand des Schlundes. Die Trabeculae carneae sind nicht die Ursache des zelligen Baues, wie be- hauptet ist, vielmehr finde ich die Anordnung der Fleischbalken durch die zellige Beschaffenheit der Wände bedingt. Denn die musculöse Beschaffen- heit der Balken zwischen den Zellenfeldern hört bei einer gewissen Grenze völlig auf, die dazwischen liegenden Areae besitzen dann nichts mehr von Muskelbeleg auf ihren Theilungslinien ('^). Auch ist die Endigung des Mus- kelbelegs auf den Balken, die solchen besitzen, sehr deutlich wahrzunehmen. Jener Ansicht stand schon die zellige Beschaffenheit der Schwimmblase in

(') Die Osteologie der Leplsosteus ist von Agasslz Polssons fossiles T. II. trefflich abgehandelt. In dem Bericht, den Ich darüber Im Jahresbericht, Archiv für Anat. und Physiol. 1843. CCXXXVIII. abgestattet habe, ist ein Fehler stehen geblieben, den Ich erst nach der Publlcatlon bemerkt habe. Mit Unrecht schreibe Ich in diesem Bericht Hrn. Agasslz die Meinung zu, den Leplsosteus und Polypterus in Hinsicht der Wirbelgelenke zu identlficiren, da an der cltlrten Stelle I. p. 101 das Gegenthell ausdrücklich angegeben ist.

(^) Valentin sagt: am Übergange des Zwölffingerdarms in den Dünndarm sitzen die Pförtner- Anhänge. Repert. 1840. 397. Hier ist das pylorlsche Rohr des Magens Duode- num genannt.

(^) S. Valentin a. a. O. 392, v. d. Hoeven In Müll. Arch. 1841. 221.

(*) An dem von mir untersuchten Exemplare der Pariser Sammlung waren die Bauch- elngewelde ausgenommen, aber es war ein kleiner Thell der Schwimmblase bei der Ent- fernung derselben zurückgeblieben, welcher hinreichte, die Zellen zu untersuchen.

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andern Fischen entgegen , bei denen gar keine Trabeculae carneae Vorkom- men. So an der bei einer andern Gelegenheit beschriebenen Schwimmblase der Erythrinns, einiger Siluroiden. Hieber ist auch die Amia calva zu rech- nen, die ich noch kürzlich hierauf untersucht habe.

Polypterus. Ihre Oberkiefer sind nicht in Stücke getheilt, ihr Vomer ist einfach, ihr Unterkiefer hat die gewöhnliche Anzahl der Knochen- stücke hei den Fischen und überhaupt weicht der ganze Schädel wenig von dem anderer Fische ah, am Mundwinkel besitzen sie einen die Ober- und Unterlippe tragenden Lippenknorpel. Ihre Wirbel besitzen auf beiden Sei- ten ausgehöhlte Facetten, keine Gelenkköpfe und Pfannen (^). Die Kie- mendeckelkieme fehlt, sie haben nicht einmal eine Pseudohranchie, dagegen besitzen sie ein von einer knöchernen Klappe bedecktes Spritzloch auf jeder Seite. Ihre viex'te Kieme ist einblätterig und die Spalte hinter ihr fehlt, auch fehlen die Ossa pharyngea inferiora. Die Kiemenhaut ist in der Mitte gespalten, statt der Kiemenhaxitstrahlen ist nur eine einzige grofse Knochen- platte auf jeder Seite vorhanden. Längs des Rückens steht eine ganze Reihe getrennter Flossen, dex-en jede axxs eixxexxx Stachel xuxd eixxer axx dessen hin- terer Seite befestigten Flofsfeder voxx ax’ticxxlirtexx Strahlen besteht, eixxe Ril- dxxng, wovon xxxxter dexx Gaxxoidexx keixx anderes Beispiel besteht. Die abge- x’undete Schwanzflosse xxxxd die Afterflosse bestehexi axxs ax’ticxxlix’teix Strahlen. Diejenigen der Schwaixzflosse steheix sowohl über als xxxxter der Wix’belsäxxle. Die Belegxxxxg der vordereix Räxxder der Flossexx ixxit stachelartigexx Plättchen fehlt. Voxx dexx Flossexx zcichxxexx sich noch die Brxxstflosseix xxxxd Baxxchflos- sen axxs , erstere durch ciixeix schxippigen etwas vex’läixgex’texx Arnx xxxxd ihre hintex'e Fläche, welche abweichend von allexx übrigexx Flossexx zwischen den Flossenstx-ahleix mit sehr kleixxen Schxxppexx Ixesetzt ist; die Baxxchflossen durch die ihnen eigexxe Abweichxxxxg, dafs sie axxfser den Flossexxstrahlen auch noch die Knochen eixxes Mittelfufses enthalten. Das Zxxxxgeixbein hat seitlich 3 Glieder, der Körper, welcher zxxgleich die Kieixxenbogen axxfxxixxxixxt, ist sehr gx'ofs xxxxd eixxfach. Unter deixx Zxxngenbeixx, wo bei axxdern Fischexx der un- paare Kxxochcn , Zxxngcnixcixxkiel , gegexx dexx Schxxltergüx’tel reicht xmd ihixx mittelbar vex’imxxden ist, liegeix bei Polyptex'us 2 Knocheix, eixxer auf jeder

(') Über die Osteologie der Polypterus siebe Geoffroy St. Hilaire Description de l’Egypte. Agassiz a. a. O. II. 2.32. und Müller im Jabresbericbt Archiv 1843. p. CCXL.

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Seite, sie sind zwischen dem mittlern und untersten Stück des Zungenbein- homs befestigt. Diese Knochen hängen durch Bänder mit einem dritten un- paaren Stück zusammen, welches sie mit dem Schidtergürtel in Verbindung setzt. Die Nase hat einen zusammengesetztem Bau als bei irgend einem Fische. In der grofsen oben von den wahren Nasenbeinen gedeckten Höhle liegt ein Lahjrinth von 5 häutigen Nasengängen, welche parallel um eine Achse stehen, also einen pi'ismatisch ausgezogenen Stern bilden. Jeder die- ser Kanäle enthält in seinem Innern die kiemenartige Faltenhildung, die man bei andern Fischen nur einmal antrifft. Die vordere Nasenöffnung ist in eine häutige Röhre ausgezogen, die hintere ist eine kleine S23alte in häutiger Decke vor dem Auge. Der Magen bildet einen Blindsack, am Pylox’us ein Blinddarm , vom Pjlorus an enthält der Dann die Spiralklappe. Die Schwimmblase ist dojxpelt und besteht aus 2 ungleich langen Säcken, wel- che vorn zu einer kurzen gemeinsamen Höhle zusammenlliefsen, und diese Höhle öffnet sich abweichend von allen Fischen, wie ich an einem andern Orte gezeigt habe, nicht in die obere, sondern wie eine Lunge in die ventrale Wand des Schlundes durch einen langen Schlitz. Gleichwohl sind diese Organe keine Lungen, denn sie erhalten hellrothes Blut wie alle übrigen KörjDertheile durch ihre Arterie, welche ein Ast von der letzten Kiemenvene und von der Mitte dieser Vene zu dem Schwimmhlasensack ihrer Seite ab- geht. Die Venen der Schwimmblase vereinigen sich mit den Körpervenen, nämlich mit den Lehervenen. Diese Säcke sind ohne Zellen und in ihrem ganzen Umfang von einer Muskelhaut belegt.

Die zweite Ahtheilung der Ganoiden enthält die Sturionen mit nur theilweise knöcherner Wirbelsäule. Sie wurden von Arte di, Gronov und Cuvier mit den Cjclostomen und Plagiostomen zu einer grofsen Ah- theilung, Chondropterygier, Knorpelfische vereinigt.

Auf den Unterschied des knöchernen oder theilweise knorpeligen Ske- lets kommt wenig an, sobald es sich um die Ahtheilung der Ganoiden über- haupt handelt, wie aus Agassiz fossilen Ganoiden hervorgeht. Aber hei der Eintheilung der Ganoiden selbst scheint er mir sehr wichtig zu sein. So ist es wenigstens auch hei den Selachiern. Denn die Haien und Rochen, bei denen die Wirbel vollständig abgetheilt sind und die Chimären, wo eine Chorda vorhanden ist, bilden Zweige, die sich auch sonst auffallend unter- scheiden, obgleich sie als Selachier untrennbar sind. Ich habe in einer Ab-

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handlung über die WirJjelsäule der Plagiostomen, welche für die Poissons fossiles von Agassiz unternommen wurde und im III. Bande derselben ge- druckt ist, neijen den Haien mit knöcherner Wirbelsäule andere mit weicher knorpeliger Wirbelsäule angezeigt. Bei diesen sind noch die knorj^eligen Wirbelkörper als Wirbel gesondert und die Chorda fehlt, aber die Chimä- ren bieten diesen gegenüber ein Beispiel von einer wirklichen Chorda.

Die Acipenserinen und Spatularien unterscheiden sich hauptsächlich durch die Haut, die bei den letztem nackt ist, und durch die Bildung des Mauls, der Kiefer und Kiemendeckel. S. vergl. Osteologie d. Myxinoiden. Auch fehlt den Spatcdarien (Planirostra) die Kiemendeckelkieme. Ihre Ein- geweide sind dieselben.

Die fossilen Ganoiden haben in der Beschuppung mehr Ähnlichkeit mit den lebenden Holostei als mit den Sturiones ; dagegen sich in der Be- schaffenheit der knöchernen oder theilweis knorpeligen Wirbelsäule die einen und andern Formen wiederfmden; sie zugleich mit den lebenden zu ordnen, ist schwierig, indem man genöthigt ist, die sichern Thatsachen aus der Ana- tomie der leidenden mit den zum Theil muthmafslichcn der fossilen zu ver- mischen. Zu Lepisosteus linden sich unter Agassiz Lepidoiden und Sau- roiden Formen genug, die ihm in der Struktur der Flossen mit 2 Reihen der Fulcra und auch in der ganz verknöcherten Wiriielsäide gleichen wie Lepi- dotus u. a. Aber für Polypterus kenne ich unter allen fossilen Ganoiden keine Analogie, so dafs er auch unter ihnen der Typus einer eigenen Familie zu sein scheint. Die Coclacanthcn, Pyenodonten und die in neueslcr Zeit von Agassiz aufgestelltcn Familien der Cephalaspides, Acanthoidei, Dipteri halte ich, abgerechnet vielleicht die Aufnahme der Cheirolepis unter die Acanthoiden, von denen sie sowohl durch den Mangel der Stacheln als durch den Besitz der Fulcra abzuweichen scheint, für sehr gute Familien.

Die Trennung der Lepidoidei und Saiiroidei halte ich für künstlich. Unter der Menge der dahin gezählten Gattungen giebt es aber manche, wel- che nachweisbare Affinitäten zu einander haben und Grund zu Absonderun- gen geben können. Agassiz hat selbst neuerlich dazu die Initiative ergrif- fen, indem die Acanthoiden , Cephalaspides und Dijiteri hauptsächlich aus den Lepidoiden entnommen sind. Aber die noch übrig bleibenden Lej^i- doiden wüfste ich nicht durch wesentliche Merkmale von den Sauroiden zu unterscheiden. Es scheint mir, dafs die Ganoiden, die zu einer Familie

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gebracht werden, in dem Zustand der Wirbelsäule übereinstimmen müssen, ob sie verknöchert oder ihr centi’aler Theil knorpelig ist. Dann scheinen mir diejenigen fossilen Ganoiden zAisammenzugehören, welche nachweislich immer ohne Fulcra der Flossen sind, und wieder diejenigen, bei denen sie constant vorhanden sind. Unter den Ganoiden mit Fidcra an dem vordem Rand einiger oder aller Flossen giebt es wieder wesentliche und wie mir scheint, für die Systematik wichtige Unterschiede in der Beschaffenheit der Fulcra. Was ich davon durch Untersuchung wohl erhaltener Exemplare erfahren, besteht in Folgendem.

Wenn die Firste des verlängerten obern Schwanzlappens mit Fulcra besetzt ist, so scheinen diese immer eine unpaare Reihe bis ans Ende zu bil- den, so ist es schon bei den Sturionen, so auch bei den Palaeoniscus, Acro- lepis. Die Erscheinung der Fulcra an der Firste der Schwanzflosse eines heterocerken Ganoiden schliefst nicht die Nothwendigkeit in sich, dafs der vordere Rand des untern Laj^pens und anderer Flossen Fulcra besitze, denn sie fehlen hier bei den Sturionen. Die Fulcra auf der ganzen Schwanzfirste, wo keine Strahlen stehen, sind nur als Scluippenbedeckung im Allgemeinen, nicht aber als Fulcra der Flossenstrahlen zu betrachten, daher kann ein he- terocerker Ganoid, der an der Firste des verlängerten obern Schwanzlappens einfache Fulcra besitzt, am vordem Rande des unteim Lappens eine doppelte Reihe von Fulcra besitzen, wie ich es bei Palaeoniscus und Acrolepis (A. asper) zu sehen glaube.

Es giebt Gattungen fossiler Ganoiden, deren vordere Flossenränder mit einer einfachen Reihe von Fulcra bis ans Ende besetzt sind, es sind dann zweischenkliche Fulcra mit einfacher stachelartiger Spitze. Dapedius wird nach dem, was Agassiz bei Dapedius pxinctatus p. 194 von einer Reihe spitzer Stücke entlang dem obern und untern Rand der Schwanzflosse sagt, hierher gehören. Ich sehe eine unpaare Reihe von Fxilcra am obern und untern Rand der Schwanzflosse der Tetragonolepis und Ptycholepis bis ans Ende. Sie scheinen auch nach der Abbildung von Tetragonolepis confluens Ag. II. tab. 23a. Fig. 1. bei dieser Gattung an der Brustflosse einfach zu sein. Auch Pholidophorus scheint nach den Fulcra am obern und untern Rand der Schwanzflosse hierher zu gehören.

Bei andern Gattungen der Ganoiden sind die vordem Ränder der Flossen mit einer doppelten Reihe von Fulcra besetzt, ganz so wie wir es

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

153

unter den lebenden Ganoiden bei Lepisosteus sehen, es ist durchaus ebenso an allen Flossen der Lepidotus und Caturus. Dafs es sich so an der Brust- flosse der Lepidotus verhält , geht schon aus der Abbildung des Lepidotns Mantellii Ag. bei Agassiz T. II. tab. 30c. hervor; ich sehe die doppelten Reihen an dieser und an allen andern Flossen , auch an beiden Rändei’n der Schwanzflosse. Bei einer grofsen Art von Caturus aus dem Lias von Boll, welche wahrscheinlich Caturus Meyeri v. Münst. ist, sehe ich am Anfang der Schwanzflosse einige starke ungetheilte Fulcra. Aber sogleich gehen diese in doppelte Reihen von Fulcra über, welche die ganze Länge des vor- dem Randes bekleiden. Diese doppelten Reihen von Fulcra bemerke ich ferner an den Flossen des Pachycormus macropterus Ag., wo Fulcra vor- handen sind, d. h. an Rücken - und Afterflosse. Auch Semionotus hat dop- pelte Reihen der Fulcra (Brustflosse). Diese Unterschiede deuten auf tiefe i’e Verschiedenheiten, denn man kann in der That keinen auffallendem Unter- schied sehen, als die Schwanzflosse der Ptycholepis und Tetragonolepis mit einfacher Reihe stachelartiger Fulcra , und des Lepidotus und Lepisosteus mit doppelten Reihen. Bei Pachycormus finden sich die doppelten Reihen mit einem nicht verknöcherten Zustande des Kerns der Wirbelsäule zusam- men, bei Lc2:)isosteus dagegen mit verknöcherter Wirbelsäule, und wie es scheint auch l^ei Lepidotus. Die Gattung hat nämlich nach Agassiz ad Tab. 29c. Fig. 12 vollständig verknöcherte Wirbel und macht also eine Aus- nahme von den andern Lepidoiden, bei denen nach Agassiz a. a. O. 182, so weit ihm Reste des Skelets bekannt geworden, die Wirbelkörper fehlen.

Oi^gleich die heterocei’ken Ganoiden viel zahlreicher in den ältern Formationen sind, so sind doch nicht alle Fische derselben beterocei’ke. Allerdings ist es auffallend, dafs die aus den Familien Lepidoidei und Sau- roidei Ag. vor der Juraformation vorkommenden Formen beterocerke sind, wie Agassiz zeigt; dies ist aber mehr eine Folge des Systems als der na- türlichen Verhältnisse; das Resultat ist sogleich gestört, sobald man die Coelacanthus , die jetzt aufser diesen Familien stehen, in Betracht zieht. Übrigens geht die Heterocerkie anatomisch unmerklich in Homocerkie über. Wenn viele Ganoiden das eine Extrem bildend, gar keine Flossenstrahlen über dem Ende der Wirbelsäule tragen, so kommen diese dagegen beim Stör vor, denn ehe der verlängerte obere Lappen der Schwanzflosse sein Ende erreicht, schliefsen sich an die letzten unai’ticulirten schindelartigen Sjacheln, Physik. -malh. Kl. 1844. U

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Müller:

welche die Firste dieses Schwanzlappens bilden, ohne weiteres articulirte Flossenstrahlen an, welche über der Chorda sitzen, von gleicher Beschaffen- heit, wie die untern Strahlen dieses Lappens. Von dieser Formation ist keine scharfe Grenze mehr zu ziehen und indem sich der obere Schwanzlap- pen successiv verkürzt, geht er in einen honiocerken Schwanz über. Eben so unmerklich geht die Heterocerkie der Plagiostomen verloren. Untersucht man einen heterocerken Haifisch , so findet man unter der Haut oberhalb der Wirbelsäiüe einen eben solchen Flossenbart von haarförmigen Knorpel- fäden, wie unter der Wirbelsäule, nur kürzer.

Abschnitt II.

Über die natürlichen Ordnungen und Familien der Knochenfische (').

Anatomische und zoologische Studien in den verschiedenen Familien der Fische angestellt, haben mich manches Unvollkommene in der bisheri- gen Classification der Knochen -Fische erkennen lassen. Cuvier hat das grofse Verdienst, die Gattungen der Fische gröfstentheils begründet und von ihren heterogenen Einmischungen befreit zu haben. Wer da weifs, wieviel des Unkrauts hier auszuroden war, wird dieser Arbeit Cuvier’s und seines Mitarbeiters und Nachfolgers Valenciennes seine Bewunderung nicht ver- sagen. Auch in der Ordnung der Fische in natürliche Familien hat Cuvier Grofses geleistet. Mehrere seiner Familien entsprechen allen Anforde- rungen, die man an ein natürliches System machen mufs, und sind für immer festgestellt, so die Familien Labroiden, Theutier, Gymnodonten, Siluroiden, Cataphracten , Pediculaten, Labyrinthfische, Fistularien, Lo- phobranchier. Manches Andere ist weniger gelungen. Dahin rechne ich z. B. die Familie der Maeniden; sie sind von den Sparoiden nicht zu trennen und sind von ihnen nur geschieden worden , weil Maena mit Vomerzähnen die Sparoiden zersetzen würde. Ihr Hauptcharakter, das vorstreckbare Maul, findet sich auch noch in andern Familien, und selbst

(') Diese Untersuchungen sind in der Akademie gelesen am 16. u. 23. Juni 1842, 3. Aug. 1843 und 12. Dec. 1844. und ausgezogen in den Monatsberichten von 1842. 1843. 1844.

iiber den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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unter Percoiden (Nandus). Am wenigsten gelungen ist die Classification der Weichflosser , sie ist grofsentheils eine künstliche und enthält zugleich eine Menge von Inconsequenzen. Völlig irreführend ist unter den Weichflossern jedenfalls der Antheil, welchen Oberkiefer, Zwischenkiefer, Vomer, Gau- menbeine an der Bezahnung nehmen. In dieser Hinsicht linden sich die gröfsten Verschiedenheiten bis zur völligen Zahnlosigkeit in wohl hasirten Fa- milien, wie man hei den Siluroiden, Sahnen im engem Sinn, Clupeen im engem Sinn, sieht. Daher die Familie der Esoces Cu vier ’s am wenigsten begründet ist und in der That hei weiterer Einsicht der natürlichen Familien der Weichflosser sich völlig auflöst, gleichwie auch die Cyprinoiden, Sal- monen und Clupeen Cu vier ’s Gemische von heterogenen Familien sind.

Ehe ich mich über einige von mir gewonnene Fortschritte verbreite, schicke ich einige Bemerkungen über den Werth mehrerer zoologischer Cha- raktere voraus, auf welche man bisher theils zu viel, theils zu wenig Werth gelegt hat.

I. Über den Werth der Flossenstrahlen in der Systematik und über die Fische mit vereinigten Bauchflossen.

Die grofse IMehrzahl der Knochenfische, nämlich nach Abzug der Lo- phobranchier und Plectognathen, konnte Cu vier nicht anders als nach den unbeständigen Flossenstrahlen eintheilen. Er zerfällte sie in Acanthoptery- gier und Malacopterygier, letztere aber wieder in AJjdominales, Subbrachii und Apodes. Man kann das so zu theilende Feld aber, wie ich zeigen werde, um ein gutes Stück vermindern, indem man einen Theil der Acanthojitery- gier und IMalacojiterygier, weil sie vereinigte untere Schlundknochen haben, zusammen in eine besondere gröfsere Abtheilung bringt und daraus eine sehr sichere Ordnung der Fische , Pharyngogjiathi, gründet. Nach Abzug der Ordnungen Lophohranchier, Plectognathen und Pharyngognathen bleibt dann immer noch die gröfsere Menge der Knochenfische übrig, nach den bisherigen unsichern Bestimmungen der Pvest der Acanthopterygii, der Rest der hlalacoptei’ygii abdominales, die JMalacopterygii subbrachii und apodes.

Ich werde hier zunächst einige Bemerkungen mitlheilen, welche eine gröfsere Sicherheit in Hinsicht der Begriffe über Acanthojjterygier und Ma- lacopterygier bezwecken. Cu vier hat anerkannt, dafs diese Scheidung nicht streng ausführJ)ar sei, und er hat wissentlich sich mehrere Ausnahmen

U2

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Müller:

ei’laubt, wie bei den Zoarces unter seinen Gobioiden, bei Agonus monopte- jygius unter den Cataphracten, bei den Ophicephalus unter den Labyrinth- fischen, bei den JLampris unter den Scomberoiden. Man kann dazu auch die Malthe unter den Pediculaten zählen, bei welchen es unbeachtet geblie- ben ist, dafs sie nach ihrer Rückenflosse Malacopterygier sein würden.

Diese Inconseqaienzen lassen sich beseitigen, wenn man mit Cu vier den Begriff der Acanthopterygier nicht allein in die Stacheln der Rücken- flosse, sondern auch in die Bildung der Bauchflossen legt. Die Acanthop- terygier haben nämlich, wenn sie vollständige Bauchflossen besitzen, durch- gängig und ohne Ausnahme einen ungegliederten ersten Strahl der Bauch- flossen. Hiernach sind auch die Lampris, Malthe^ Ophicephalus Acanthop- terygier. Ich sagte eben, wenn sie vollständig entwickelte Bauchflossen ha- ben; denn Xoarces mit unvollständig entwickelten Bauchflossen entbehrt allerdings diesen ersten ungegliedei’ten Strahl, den übrigens seine Verwand- ten die Blennien mit gleichfalls unvollständigen Bauchflossen besitzen.

Auf diese Weise lassen sich daher die Acanthopterygii von den Mala- copterygii subbrachii, mit denen sie am ehesten verwechselt werden können, scharf sondern, und lassen sich letztere also bezeichnen: Weichflosser, bei denen die unter den Brustflossen stehenden Bauchflossen, auch wenn sie vollständig entwickelt sind, nur gegliederte Strahlen enthalten. So verhal- ten sich die Gadoiden und Pleuronecten, welche von der Ordnung der Ma- lacopterygii subbrachii Cuv. übrigbleiben; denn dafs die Discoboli nicht dahin gehören, werde ich sogleich beweisen.

Schwieriger ist die scharfe Sonderung der Acanthopterygii und der Malacopterygii abdominales, weil mehrere der letzteren wirklich einen rudi- mentären ersten sehr kurzen und deswegen noch ungegliederten Strahl in den Bauchflossen haben. Allein hier giebt die Stellung der Bauchflossen Auskunft, da die wenigen Acanthopterygier, welche eine abdominale Stel- lung der Bauchflossen haben, wie Notacanthus, schon durch die Beschaf- fenheit ihrer Rückenflosse entschieden als Acanthopterygier bezeichnet werden.

Nun liegt mir ob, zu beweisen, dafs die Discoboli Cuvier’s von ihm mit Unrecht unter die Malacopterygii subbrachii versetzt worden sind, und dafs sie zum gröfsern Theil entschiedene Acanthopterygier sind.

Die Discoboli gleichen den Gobien durch ihre vereinigten Bauchflos- sen, diese stehen unter den Acanthopterygiern und zwar mit den Blennien

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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und andern Fischen ohne vereinigte Bauchflossen in der Familie der Gohio- iden Cuv., die keine natürliche Familie ist. Es ist zu verwundern, dafs die Naturforscher die Gohien und Discoholi, diese einander so nahe stehenden Thiere, meist so weit auseinander gebracht haben. Dies rührt ohne Zwei- fel daher, weil man das Skelet des Cyclopterus lumpus so weich fand und deswegen diesen Fisch lange zu den Knorpelfischen zählte.

Wie wenig auf diesen Umstand zu gehen ist, beweisen schon seine nächsten Verwandten, die Lepadogasler und Gobiesox, deren Skelet völlig hart ist. Ich will nun beweisen, dafs diese ganze Familie der Discoholi mit den Gohien Zusammenkommen mufs, indem ich zeige, dafs die mehrsten Discoholi wahre Stachelflosser sind. Denn wenn erst dieses feststeht, so ist die anderweite Ähnlichkeit der Gohien und Discoholi in allen Beziehun- gen und am meisten in der Scheibe der Bauchflossen, welche Risso sie zu vereinigen bewog, so grofs, dafs Niemand weiter an dieser Identität zweifeln wird.

Untersucht man die erste etwas versteckte Rückenflosse des Cyclopte- rus lurnpus genauer durch Präparation, so zeigt sich, dafs sie ganz aus ein- fachen Knochenstrahlen ohne alle Articulation besteht.

Die Lipai-is haben nur eine einzige lange Rückenflosse von biegsamen Sti’ahlen. Die ersten 15 Strahlen derselben sind völlig einfach und ohne Spur von Articidation.

Die Gobiesox haben nur 2 einfache unarticidirte Strahlen am Anfang ihrer Rückenflosse. Bei Lepadogasler endlich fehlen die unarticulirten Strahlen der Rückenflosse ganz, wie hei Zoarces unter den Blennien, Ophi- cephalus unter den Laljyrinthflschen, Malthe unter den Pediculaten. Da die Gobiesox und Lepadogasler indefs einen ersten kurzen unarticulirten Strahl der Bauchflossen besitzen, so giebt sich auch hiei’in ihre Verschieden- heit von den Malacopterygii sul)hrachii zu ei’kennen.

Die penisai’tige Papille, welche man hei mehreren Gohioiden und zu- weilen in beiden Geschlechtern antrilft, findet sich auch hei den Lepadogas- ter imd zwar in beiden Geschlechtern, hei den Gobiesox wenigstens hei den Männchen. Die Anomalie, dafs die Cyclopterus zahlreiche appendices py- loricae haben, während die Gohien gar keine besitzen, ist schon durch Le- padogaster und Gobiesox vermittelt, welche auch keine besitzen, obgleich sie mit den Cyclopterus in der Familie der Discoholi vereinigt waren. Ähn-

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Müller:

liehe Anomalien finden sich auch bei den Aalen, denen Cuvier als Fami- liencharacter die Blinddärme ahspricht, während er bald darauf bei den Gjmnotus zahlreiche Blinddärme seihst und richtig anführt. Die Ophidium sind meist ohne Blinddärme, aber O. blacodes besitzt deren.

Die Echeneis können auch nicht unter den Malacopterjgii subbrachii bleiben. Sie haben in der Rückenflosse 2 unarticulirte Strahlen und ihre Bauchflossen bestehen aus einem einfachen ungegliederten und 5 artieuHrten verzweigten Strahlen.

Hieraus folgt nun, dafs die Discoboli mit denjenigen Acanthoptery- giern, welche trichter- oder scheibenförmig vereinigte Bauchflossen haben, oder den Gobien und Verwandten, zu vereinigen sind. Die bisherigen Go- bioiden mit unvollkommenen Bauchflossen aus 2-3 Strahlen sind als Blen- nioiden eine besondere Familie.

Die Blennioiden sind die Stachelflosser mit rundlichem Körper, schleimiger Hautoberfläche, getrennten Bauchflossen, aus nur 2-3 Strahlen, ohne Blinddärme. Die Papilla genitalis kömmt bei mehreren derselben, wie bei mehreren Gattungen der Gobien, aber auch bei Bjthites Reinh. unter den Gadoiden und bei den Männchen der Anahleps unter den Cyprinodon- ten vor und ist nicht hinreichend, um darauf eine Familie zu gründen.

Cuvier’s Familie der Gobioiden ist in keiner Weise begründet, er charakterisirt sie durch dünne biegsame Rückenstacheln, einen Darm ohne Blinddärme und den Mangel der Schwimmblase. Mehrere Blennien haben die festesten Rückenstacheln , ebenso Gunnellus. Opisthognathus Cuv. be- sitzt eine Schwimmblase, gleichwie mehrere Gobien.

Die Familie der Gobioidei Nob. zerfällt dann in 4 Gruppen:

1) Eigentliche Gobien. Gobius Schn., Gobioides Lac., Periopli- thalrnus Schn., Apociyptes Val., Tiypauchen Val., Ambljopus Val., Bo- leophthalmusYA., Sicydium Val.,

2) Gobioiden mit getrennten Baimhflossen (' ) . Eleotris, Philjpnus, Tj'ichonotus, Callionymus, Hemerocoetes, Platyptei'us, Opisthognathus.

3) Discoboli. CyclopterusE.^ Liparis Art., Gobiesox Cuv., Si-

Müll. Trosch., Cotylis Trosch., Lepadugaste?' C\xy.

(') Ich mufs Valenciennes beistimmen, dafs Periophtbalmus den Übergang von den Gobioiden mit vereinigten, zu Eleotris und andern mit getrennten Bauebflossen bildet.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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4) Echeneiden: Echeneis.

Die 2 Gruppen mit vereinigten Bauchflossen unterscheiden sich von einander durch die Strahlen der horizontalen Flossen und den Bau der Kie- men. Der Ti’ichter der Bauchflossen der Gohien besteht mit Ausnahme des ersten Sti’ahls aus verzweigten Strahlen, bei den Discoholi aus unverzweig- ten. Die Brustflossen der Gohien haben verzweigte, die Cyclopterus nicht minder, die andern, Lepadogaster , Gohiesox u. a., unverzweigte Strahlen der Brustflossen. Wichtiger ist der Unterschied der Gohien und Discoholi in Hinsicht des Baues der Kiemen. Die Gohien nämlich haben 4 ganze, d. h. doppelthlätterige Kiemen und eine Spalte noch hinter der letzten Kieme, wie gewöhnlich. Die Discoholi dagegen haben höchstens 3 4- Kie- men, indem die letzte Kieme nur aus einer einfachen Reihe von Blättchen besteht, und die letzte Kiemenspalte zwischen der 4. Kieme und dem Schlund- knochen fehlt. Darin stimmen Cyclopterus, Liparis, Gohiesox^ Lepadoga- ster überein. Zwei neue Gattungen haben sogar nur 3 Kiemen, mid ist die letzte Kiemenspalte zwischen dem 3. und 4. Kiemenhogen-, so ist es hei den Gattungen Sicyases und Cotylis Müll. Trosch.(’).

Die vierte Gruppe , die Echeneis umfassend, hat 4 vollständige Kie- men und auch die letzte Kiemenspalte.

II. Uber die Sch uppen der Knochenfische.

Den Schuppen der eigentlichen Knochenfische fehlt in der Regel die Knochenstructur (strahlige Knochenkörperchen), welche dagegen in den Schuppen der Ganoiden (^) und in den Schildei’n der Knochenfische auftritt;

(') Cotylis nov. gen. prope Gobiesox, haben die Zähne der Gohiesox, nämlich kegel- förmige Zähne in den Kiefern, in einer Reihe, hinter den vordem gröfsern ein Haufen klei- nerer, sie unterscheiden sich von den Gohiesox, dafs sie nur 3 Kiemen haben und dafs die Kiemenhaut von beiden Seiten her einen zusammenhängenden, am Isthmus nicht angewach- senen Mantel bildet.

Art: Cotylis nuda Müll. Trosch. {Cyclopterus nudus Bl. Schn.)

Sicyases nov. gen.

haben auch nur 3 Kiemen und gleichen den vorigen auch in der Kiemenhaut, aber sie ha- ben nur eine einfache Reibe von Zähnen in den Kiefern, ihre mittlern gröfsern Zähne sind schneidend, die seitlichen sind kegelförmig.

Art; Sicyases sang uineus Müll. Trosch. blutroth. Chili.

O Müll. Archiv 1841. Jahresbericht CCXVI.

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ÄI Ü L L E R :

docli ist dieser Unterschied nicht durchgreifend ; denn ich habe an sehr gro- fsen Schuppen von Knochenfischen (Arapaima) eine tiefste Lage bemerkt, welche allerdings in Knochenstructur übergeht. Wichtiger scheint der Un- terschied, dafs die Schupjien der Ganoiden in der Regel eine zusammenhän- gende Lage von Schmelz besitzen, während man auf den Schuppen der eigentlichen Knochenfische statt des Schmelzes nur concentrische erhabene Linien einer Substanz bemerkt , welche den Schmelz zu vertreten scheint. Eigenthümlich ist auch an den Schuppen der Knochenfische, dafs sie mei- stens aus einigen Stücken zusammengesetzt sind, deren Theilungslinien oder Näthe gegen die Peripherie auslaufen. Im Einzelnen gieht es vielerlei For- men, die aber in einander übergehen und zur Eintheilung der Knochenfische mit Erfolg nicht benutzt werden können.

Man hat einen wesentlichen Unterschied der Ordnungen in der Be- schaffenheit des freien Randes der Schuppen zu finden geglaubt, ob die Fische nämlich ganzrandige Schuppen haben (Cjcloiden), oder ob sie Schup- pen mit gezähneltem oder gewimpertem freiem Rande der Schupjien besi- tzen (Ctenoiden) ; aber es ist nur zu gewifs, dafs eine Classification der Kno- chenfische in Cjcloiden und Ctenoiden, wie sie Hr. Agassiz und der Prinz von Canino und Musignano versucht haben, durchdringend nicht aus- führbar ist. Hr. Peters hat bereits bei seinen Untersuchungen über den Bau der Schuppen (^) auf die in dieser Hinsicht vorkommenden Übergänge und Inconsequenzen im Allgemeinen aufmerksam gemacht. Überdies giebt es Familien, in denen Cjcloiden und Ctenoiden als Gattungen Vorkommen, ohne dafs sie daraus ausgeschieden werden können, und es giebt hinwieder selbst einzelne Gattungen, in welchen Cjcloiden und Ctenoiden neben einan- der als unverkennbare Arten harmoniren.' Bei meinen Untersuchungen über den Werth der Charaktere der natürlichen Ordnungen, Familien, Gattun- gen mufste es mir besonders daran gelegen sein, die Grenzen der Anwendung jener Charaktere empirisch festzustellen; das Folgende gründet sich auf die Untersuchung von mehreren hundert Gattungen von Knochenfischen.

Die Unterscheidung in Ctenoiden und Cjcloiden ist selten anwendbar zur Charakteristik natürlicher Familien , nur dann, wenn die Unterschiede mit anderen wesentlichen Zusammentreffen und wenn keine Ausnahmen statt

(') Müller’s Archiv 1841, Jahresbericht CCIX.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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finden. Aber diese sind nur zu häufig. Die Labroiden und Chromiden, welche der Prinz Bonaparte richtig scheidet, unterscheiden sich allerdings meist schon an den Schuppen, aber der Charakter der Schuppen würde nicht liinreichen, sie zu trennen. Denn Chromis niloticus weicht von allen Chromi- den durch seine Cycloidschuppen ab und ist doch ein wahrer Chromid. In einigen Fällen können wir wenigstens Gruppen einer Familie auf diese Weise unterscheiden. Die Atherinen sind Cycloiden, die Miigil sind Ctenoiden, wenigstens die von mir untersuchten Arten, obgleich die Mugil, ich weifs nicht aus welchem Grunde, von Agassiz und Bonaparte für Cycloiden gehalten wurden.

In den mehrsten Fällen kann jenes Princip nicht zur Charakteristik der Familien benutzt werden, da sich in sicher begründeten Familien Cte- noiden und Cycloiden neben einander linden. Es ist alles gut, so lange sich mit Ausscheidung der Heterogenen helfen läfst. So hat man die Percoidei cycloidei, Trachinus, Uranoscopus, Sphyraena von den übrigen Percoiden auszuscheiden versucht. Mifslicher wird es schon bei Bjpticus^ bei dem ich auch Cycloidschuppen finde. So hat man auch vorgeschlagen, die OpJiice- phalus aus den Labyrinthfischen auszuscheiden. Man hat die Capros aus den Scomberoiden geschieden. Nach jenem Grundsatz würden dann weiter nach meinen Beobachtungen Ancjlodon aus den Sciaenoiden, Bempheris aus den Squamipennen austreten müssen. Nun finden sich aber jene Unter- schiede bei Gattungen, die sicher zu einer Familie gehören. Ich erwähnte schon des Chromis niloticus. In der vortrefflichen Familie der Cyprino- donten Agassiz haben Poecilia, Lebias Cycloidschuppen, Anableps aber Ctenoidschuppen. Unter den Clupeen haben die Elops gewimperte Schup- pen, während die ihnen bis auf die durchsichtigen grofsen Augenlieder ver- wandten Clupea Cycloiden sind. In derjenigen Gruppe der Salmonen, de- ren Zwischenkiefer das ganze Maul bis zum Mundwinkel begrenzt, d. h. in der Familie der Scopclini Müll, ist Aulopus ausnahmsweise ein Ctenoid, während der anatomisch ganz verwandte SauT'us Cycloid ist. Die Characinen haben in der Regel Cycloidschuppen. Xiphostoma macht aber eine Aus- nahme, wie Agassiz selbst anführt. Die Theutier haben mehrenlheils Ctenoidschuppen, aber die von ihnen untrennbare Gattung Amphacanthus (A. virgatus) hat reine Cycloidschuppen. Unter den Gobien mit vereinigten Physili.-math. Kl. X

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Müller:

Bauchflossen giebt es Ctenoiden und Cycloiden; denn die Gohius sind das erstere, die P eriophtJialmus (P. Koelreuteri) das letztere. So wenig sicher ferner die Sciaenoiden bis jetzt begrenzt sind, so kann doch Ancjlodon von den ganz übereinstimmenden Gattungen der wahren Sciaenen nicht getrennt werden. In allen diesen Fällen können die Schuj>pen nur zur Charakteristik der Gattungen, nicht der Familien dienen.

Endlich giebt es aber auch Fälle, wo sie auch nicht zur Bestimmung der Gattungen, sondern nur der Arten benutzt werden können.

So z. B. hat Platessa pola Cuv. ausnahmsweise unter den Platessen Cjcloidschuppen. In keiner Familie kann aber eine Ausscheidung weniger ausführbar sein als bei den Schollen. Unter den Characinen liefert Anodus ein anderes Beispiel. Mehrere Arten haben ganzrandige Schuppen, aber eine neue Art Anodus ciliatus hat stark gewimperte Schuppen.

III. Uber die Kiemen und Nebenkiemen als Unterscheidungscharaktere.

Die Kiemen bieten zuweilen sehr wichtige und leicht erkennbare Un- terschiede dar, welche von den Zoologen ganz vernachläfsigt sind. Ich meine nicht die Bildungen an der concaven Seite der Kiemenbogen, welche Heckei mit Recht und Erfolg benutzt hat, sondern die Kiemen selbst, ihre Zahl, und die Zahl der Spalten. Man kennt allerdings die verminderte Zahl der Kiemen bei den Petrodon^ Piodon, JSlonopterus, Lophius, Mallhe, Batrachus, aber selbst dies wird nicht immer beachtet; so erwähnt Valen- ciennes die verminderte Zahl der Kiemen nur bei Lophius, nicht bei Mat- the und Batrachus, und doch ist dies bei der Frage von der Stellung der Batrachus im System von der gröfsten Wichtigkeit ; wenn sie auch durch ihre Flossen von den übrigen Pediculaten abweichen und den Familiencha- rakter geradezu entbehren , so stimmen sie in einem andern nicht weniger wichtigen Charakter dieser Familie, in der unvollzähligen Ausbildung der Kiemen mit den übrigen; denn auch von den Chironectes gilt dies, da sie statt 4 doppelt -blätterigen nur 3 4- Kiemen besitzen. Wenn ein Fisch nur 34- Kiemen, d. h. 3 doppelt -blätterige und die 4. mit nur einer Reihe der Blättchen besitzt, so fehlt regelmäfsig die Kiemenspalte zwischen dem letzten Kiemenbogen und dem Schhmdknochen , so bei Chironectes , so bei Zeus

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden. 163

unter den Scomberoiden, und vielen anderen, von denen ich sogleich mehr sagen will (^ ).

In mehreren Fällen wird diese Bildung zum Charakter einer ganzen Familie oder Unterfamilie, so z. B. bei den Labroiden. Bei allen eigentlichen Labroiden (excl. Chromiden) fehlt die letzte Kiemenspalte und die 4 te Kieme ist einblätterig. So finde ich es bei den Gattungen Lahrus, Crenilahrus, Cossyphus, Cheilio, Clieilinus, Julis, Anampses, Coricus, Clepticus, Xirich- tJiys, Novacula, Scarus, Calliodon. Diese Bildung findet sich wieder in der Familie der Catajohracten bei einer ganzen Gruppe von Gattungen. Da- her man die Cataphracten, bei denen bis jetzt keine Unterabtheihmgen statt- finden konnten, sehr erwünscht in 2 Unterfamilien theilen kann.

1) Cataphracten mit 4 vollständigen doppelt -blätterigen Kiemen und vorhandener letzter Kiemenspalte : Tiigla, Brionotus, Peristedion, Pterois, Dactyloptei'us, Platyceplialus , Agriopus, Gasterosteus, Spinachia.

2) Cataphracten mit 3 Kiemen und fehlender letzter Kiemenspalte : Coitus, Scorpaena, Sebasles, Synanceia, Synancidium Müll. nov. gen. (Synanceia mit Vomerzähnen), Agonus, Apistes.

Endlich kömmt diese Bildung noch einmal bei der vorhin erwähnten 3ten Gx’uppe in der Familie der Gobioiden vor, nämlich bei den Gattun- gen Cyclopterus, Liparis, Lepadogaster, Gobiesooc, während die den Gobie- sox verwandten, vorhin bezeichneten neuen Gattungen Cotylis und Sicyases Müll. Trosch. nur 3 Kiemen besitzen.

Die letzte Kiemenspalte fehlt und ist am 4 ten Kiemenbogen nur eine Blätterreihe entwickelt beim Polypterus hichir, dem einzigen unter den Ga- noiden.

Unter den Pedicidaten sind die mangelhaft entwickelten Kiemen bei verschiedenen Gattungen verschieden. Die meisten Kiemen hat Chironectes, nämlich 3-i-, bei Lophius und Batrachus sind nur 3, nämlich an den drei ersten Kiemenbogen, die letzte Kiemenspalte befindet sich hinter dem drit- ten Bogen. Malthe hat nur 2-^, der erste Bogen ist kiemenlos, die letzte halbe Kieme am 4 ten Kiemenbogen, hinter welchem die Spalte fehlt.

(') Rathke führt die elnblälterige Beschaffenheit der letzten Kieme nur von Scarus, den Mangel der letzten Kienienspalte aber von Crenilahrus, Lophius^ Dioden, Tetroden, Cottus, Scorpaena, Gadiis callarias und aeglefinus an. Bei Gadus callarias habe ich es nicht gefunden und hei keiner Gadus -Art.

I

X2

164

Müller:

Die Zahlenverhältnisse der Kiemen sind demnach unter den Knochen- fischen folgende :

4 ganze Kiemen, bei den meisten.

3-i- 5 nämlich 3 ganze und eine halbe, bei den vorher bezeichneten.

3 Lophius, Batrachus, Diodon, Tetrodön, Monopterus, Cotjlis Müll.

Trosch., Ä’cyötÄeÄ Müll. Tr osch.

2-i- Malthe.

2 Amphipnous cucliia Müll. Archiv 1840 p. 113.

Die Nehenkiemen oder Pseudohranchien vor der ei’sten Kieme, über de- ren höchst merkwüi’dige Structurverhältnisse ich, Müll. Archiv 1840 p.lOl, 1841 p. 263, und in den Abhandl. der Königl. Akad. d. Wissenschaften von 1839, Berlin 1841 p. 213 gehandelt habe, sind von den Ichthyologen durchgängig vernachläfsigt, obgleich ihre Gegenwart, ihre Form, ihr Mangel die wichtigsten Familien- und Gattungscharaktere liefert. So hat sie noch neulich der sonst so genaue He ekel bei seinen Untersuchungen über die Cyprinoiden übergangen, und doch braucht man nur einen Cypi'inus Cuv., Labeo, Cobitis mit einem Baibus, Leuciscus oder Catostomus zu verglei- chen, um sich von ihrer systematischen Wichtigkeit zu überzeugen, die in der That weit gröfser ist als die von Heckei beachteten Darmlängen und die oft geringen Verschiedenheiten in der Form der Schlundzähne. Diese Organe sind entweder kiemenartig, d. h. kammartig, oder drüsig , im letz- tem Fall sind sie unsichtbar, von der Schleimhaut der Kiemenhöhle verdeckt, endlich fehlen sie in vielen Fällen ganz, in systematischer Hinsicht reduciren sich diese 3 Fälle auf 2, ob sie nämlich sichtbar sind oder nicht.

Die Nebenkiemen geben in manchen Fällen vortreffliche Charaktere für ganze Familien. Sie fehlen z. B. allen Cyprinodonten, den eigentlichen Siluroiden, dagegen finden sie sich in der Gruppe der Loricarien, so dafs die Absonderung derselben von Agassiz gerechtfertigt scheint. Sie fehlen allen wahren Aalen , dagegen finden sie sich in den von den Aalen zu tren- nenden Ophidien von gänzlich verschiedenem Bau der Geschlechtsorgane und der Schwimmblase, die keinen Luftgang besitzt. Bei allen Labroiden sind die Nebenkiemen frei, ebenso hei den Labroidei ctenoidei oder Meer- chromiden, dagegen sind sie bei allen Flufschromiden oder bei den eigent- lichen Chromiden unsichtbar, ebenso hei der Familie der Scomberesoces Müll., von der hernach gehandelt wei’den soll. Sie sind hei allen eigent-

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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liehen Salmonen und auch hei den Scopelinen kiemenartig, dagegen unsicht- bar in der davon zu trennenden Familie der Characinen. Sie kommen vor hei allen wahren Scaenoiden, Squamipennen, Taenioiden, Theutyern, Mugiloiden, Pediculaten u. a. Die Blennioiden und Gadoiden sind zwar in den meisten Fällen durch ihre Eingeweide hinreichend verschieden, aber die Bjlhites Reinh. unter den Gadoiden nähern sich auffallend den Blen- nioiden durch die Vereinfachung ihrer Blinddärme und ihre Genitalpapille. In diesem Falle wird die Beschaffenheit der Nehenkiemen entscheiden , die sich bei den Blennioiden und Gadoiden ganz vei’schieden verhalten, nämlich bei den erstex’n kiemenartig, bei den letztem unsichtbar sind. Leider habe ich Bylhites nicht untersuchen können.

Unter den Blennioiden nähern sich die Zoarces und Lycodes Reinh. wieder den Gadoiden durch ihre nur artieulirten Strahlen der Rückenflosse und durch die bei den Lycodes auftretenden Spuren der Blinddärme, daher es wichtig wird, an den Nebenkiemen beide Familien auseinander zu halten. Lycodes hat Nebenkiemen. Zu den Blennioiden in die Nähe von diesen gehört auch die Gattung Oligopus Risso, welche dieser zu den Coryphae- nen gebracht.

Die Nebenkiemen fehlen unter Cuvier’s Seomberoiden den Gat- tungen Rhynchobdella, Maslacemblus und N otacantlius , aber gerade diese gehören offenbar nicht zu den Seomberoiden, von denen sie sowohl durch ihre Körperform, abdominale Bauchflossen (wofern sie vorhanden sind) und durch die Befestigung des Schultergürtels nicht am Kopf, sondern an der Wirbelsäule (wie bei den Aalen) abweichen. Ich bilde aus ihnen die Familie der Notacanthini in der Ordnung der Acanthopleri.

In anderen Fällen können die Nebenkiemen blofs zur Unterscheidung der Gattungen einer Familie dienen. Unter den Seomberoiden sind sie bei den Lichia, Trachinotus, Coryphaena, Lampugus verdeckt und unsichtbar, während sie bei den Cenlrolophus kiemenartig frei sind. Unter den Cypri- noiden sind sie bei den Gattungen CyprinuSj Laheo, Discognatlius Heck., Cobiiis unsichtbar. Unter den Percoiden sind sie beinahe allgemein ; aber in der Gattung Lates sind sie so aufserordentlich klein, dafs sie leicht völlig vermischt werden könnten, und in der Gattung Nandus fehlen sie wirklich ganz.

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Müller:

IV. Über die systematische Bedeutung der Schlundknochen und eine gröfsere aus Stachelflossern und Weichflossern zu- sammengesetzte Ahtheilung, Ordnung der Fische mit vereinig- ten unteren Schlundknochen, Phary ngo gnathi.

I. Bei den mehrsten Fischen sind die unteren Schlundknochen ge- trennt, hei den Lahroiden sind sie vereinigt zu einem einzigen unpaaren Kno- chen. Das ist der Hauptcharakter der Lahroiden , welcher von Arte di hei Lahims entdeckt und von Cuvier dieser Familie zu Grunde gelegt wurde. Dies ist eine der sichersten Familien der Knochenfische, welche Cuvier auf- gestellt hat. Er charakterisirt sie also : Die Lahroiden haben einen längli- chen beschuppten Körper, eine einzige, vorn dornige Rückenflosse, deren Stacheln meist jeder mit einem Ilautlappen besetzt sind. Ihre Kinnladen sind mit fleischigen Lip|)en bedeckt. Ihre ossa pharyngea sind mit pflaster- förmigen stumpfen Zähnen oder Querplatten besetzt, und die unteren Schlundknochen sind zu einem unpaaren Knochen verschmolzen. Ihr Ma- gen ist ohne Blindsack. Ihr Darm ist ohne Blinddärme und sie besitzen eine einfache Schwimmblase.

Hr.Valenciennes beschränkt die Lahroiden ganz zweckmäfsig auf die eigentlichen Lippfische , von denen jene angeführten Charaktere in dieser Verbindung allein gelten, schliefst aber die Chi'omis und Cichla, welche Cuvier damit vereinigt hatte, davon aus und wie mir scheint mit Recht. Ich finde die unteren Schlundknochen zwar zu einem Stück innig vereint, aber durch Nath, welche bei den Lahroiden fehlt. So beschränkt sind die Fische dieser Familie allerdings sehr übereinstimmend, welche nur Fische mit Cycloidschuppen umfafst und welcher noch einige andere, nicht beach- tete anatomische Charaktere gemein sind, diese sind die einblätterige vierte Kieme, der Mangel der letzten Kiemenspalte hinter derselben und die Ge- genwart der Nebenkiemen.

Mehrere Fische , welche zu den Lahroiden gezählt wurden, müssen von ihnen entfernt werden, weil sie die Vereinigung der untern Schlundkno- chen nicht besitzen. So ist es mit der Gattung Plesiops, welche Cuvier unter den Lahroiden aufgeführt hatte und Hr. Valenciennes mit Recht an dieser Stelle fallen liefs. Dieser bei'ühmte Ichthyologe hätte es aber ebenso mit den Wlalacanthus machen müssen. Denn ich finde beim Malacanthus

über den Bau und die Grenzen der Gaiioiden.

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Plumiei'i, dafs sie doj^pelte und getrennte untere Schlundknoclien besitzen. Nach den dermaligen Principien in Hinsicht der Existenz und des Mangels der Gaunienzähne und der Bedornung des Kiemendcckels mufs die Gattung Malacanlhus unter die Sciaenoiden gebracht werden , wo sie Latilus am nächsten steht, von der sie nicht einmal wesentlich verschieden zti sein scheint. Endlich gehört auch die von Büppel gegründete imd zu den Labroiden ge- brachte Gatüing Pseudochromis (von welcher ich kürzlich eine dritte neue Art von den Philippinen erhalten) nicht zu dieser Familie und ebenso wenig zur Familie der Chromiden; denn sie hat doppelte und getrennte untere S chlundkn o ch en .

II. Eine andere natürliche Familie der Pharyngognathen bilden die Labroidei ctenoidei oder Pomaceiilridae, ebenfalls Stachelflosser. Die hieher gehörigen Thiere waren von Cu vier theils unter die Labroiden ge- bracht, wie der Chromis castancus des Mittelmeers, theils unter die Sciae- noiden, wie seine Abtheilung der Sciaenoiden mit weniger als 7 Kiemen- strahlen, nämlich die Gattungen Amphiprion, Premnas, Pomacenirus, I)a- scjllus^ Giyphisodon, Ileliases. Ilr. II e c k e 1 hat die Entdeckung gemacht, dafs diese Gattungen von Sciaenoiden, wie auch die Sciaenoiden -Gattung Etro- plus, vereinigte untere Schlundknochen besitzen, und glaubt, dafs sie mit den Chromiden , denen sie in der hechelförmigen Bewaffnung der Schlimd- knochen gleichen, vereinigt werden müssen; womit ich nicht übereinstim- men kann. Denn ich finde, dafs die Chromiden, lauter Flufsfische, sich von jenen Meeresfischen wesentlich in der Bildung der unteren Schlundkno- chen unterscheiden. Die untern Schlundknochen der Amphiprion, Poma- cenli'us, Dascjllus, Giyphisodon, Ileliases bestehen wie liei den Labroiden nur aus einem einzigen unpaaren Stück, ohne die geringste Spur einer Nath. Die Chromiden dagegen besitzen sämmtlich vereinigte untere Schlundkno- chen mit mittlerer Nalh. Dagegen gleichen die Labroidei ctenoidei den Chromiden in den Schuppen. Die Gattung Etroplus, ebenfalls unter jene Sciaenoiden gestellt, ist allein ein Chromid, ist aber auch kein Meeresfisch, sondern lebt in Flössen und am Ausflufs der Flüsse. Wir werden hernach sehen, dafs es noch andere wichtige Charaktere giebt, welche die Labroidei ctenoidei von den Chromiden scheiden.

Cuvier hatte selbst, wie es scheint, bei einigen dieser Fische den einzigen untern Schhmdknochen bemerkt. Sie waren ehemals von Bloch

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Müller:

zum Tlieil mit den Chaetodon vereinigt worden und Cuvier führte in den Lecons d’anat. comp, fälschlich die Chaetodon unter den Fischen mit einfa- chen untex’en Schlundknochen an, was von Meckel widerlegt wurde (^). Auch hatte er seihst die Pomacentrus, Dascyllus, Premnas von den Chae- todon abgesondert. Dann bemerkt er wieder im regne animal, dafs die frag- lichen Sciaenoiden bedeutende Verwandtschaft mit den Chaetodon hätten. Dafs er die richtig aufgefafsten Gattungen an eine ganz falsche Stelle im Sy- stem brachte, rührt davon her, dafs er dieselben einfachen untern Schlund- knochen übersah, die er an diesen Fischen, als sie noch Arten der Chaeto- don waren, selbst gesehen hatte.

Die Labroidei ctenoidei haben gewimperte Schuppen, hechelförmige Schlundzähne, freie Nebenkiemen, eine sehr kleine Spalte hinter dem vier- ten Kiemenbogen, und ihre vierte Kieme hat 2 Reihen, aber sehr ungleicher Kiemenblätter, die hinteren sind nämlich abortiv und äufserst kurz. Ihre Seitenlinie ist unterbrochen. Rückenflosse wie bei den Labroiden. Ihre Lippen sind nicht fleischig. Ihre Naslöcher einfach. Schwimmblase, Blind- sack des Magens und einige Blinddärme. Hieher Amphiprion, Premnas, Glyphisodon, Pomacentrus, Dascyllus, Heliases. Zur Gattung Heliases ge- hört auch der mit Nebenkiemen versehene sogenannte Chromis des mittel- ländischen Meeres, da er in nichts von den Charakteren der Gattung Helia- ses abweicht. Er hat in der ersten Reihe der Kieferzähne kegelförmige Zähne, dahinter kleinere, wie man es bei mehreren anderen Heliases sieht, und stimmt auch in der Zahl der Kiemenhautstrahlen. Daher kann ich He ekel nicht beistimmen, wenn er den Namen Chromis, den er den brasi- lischen Chromiden genommen, auf den Chromis castaneus Cuv. des Mittel- meers anzuwenden vorschlägt, vielmehr mufs dieser unter die Gattung

(’) Solche Verwechselungen sind allerdings in Cuvier’s Schriften selten, von deren eminenter Bedeutung und Verdienst Niemand mehr als ich durchdrungen sein kann. Wenn er indefs hist. nat. d. poiss. V. 48 bei der Verwechselung des Skelets des Polyprion cerniurn mit Sciaena aquila durch Rosenthal sagt: „on ne comprend pas ce qui a pu causer une si forte erreur de nomenclature”, so hätte das Cuvier am ehesten begreifen sollen, da ihm einst mit derselben Sciaena aquila eine ebenso auffallende Verwechselung begegnete, indem er die der Sciaena aquila zukommende eigenthümliche Bildung der Schwimmblase bei La- brax lupus gefunden haben wollte, Leg. d’anat. comp. De la Roche hat Cuvier den- selben Dienst gethan, den Rosenthal durch Cuvier erfahren. Cuvier hatte nur das Glück, selbst an die Stelle des Labrax. lupus die Sciaena aquila zu setzen.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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Heliases als Ileliases castaneus subsumirt Averclen. He ekel hat übrigens auf die Übereinstimmung der Heliases und Chromis bingewiesen, indem er sagt, dafs beide Genera nur zu verwandt seien. Dies kann jedoch eben nur von Ileliases und CJu-omis castaneus Cuv. gelten. Denn was man sonst Chromis nennt, hat in der That mit Heliases keine Verwandtschaft und ist vielmehr durch Familiencharaktere von Heliases getrennt, wie sich axis dem Folgenden ergeben wird.

Von mir untersucht sind die Gattungen Amphiprion , Fomacentrus, Dascyllus, Glyphisodon, Heliases.

III. Die dritte Familie der Ordnung Pharyngognathi umfafst die Chro- miden. Es sind sämmtlich Flufsfische, Stachelflosser, meist mit Ctenoid- schuppen, meist einfachen Naslöchern ; von den vorhergehenden unterschei- den sie sich wesentlich 1) durch den Mangel der Nebenkiemen, 2) durch den Besitz von vollständigen Doppeltreihen der Kiemenblättchen am 4ten Kiemenbogen, womit eine, in ganzer Länge offene Spalte hinter diesem Bo- gen, zwischen ihm und dem Schlundknochen, verbunden ist, 3) durch ihre aus 2 besondern Stücken durch Nath fest vereinigten untern Schhmdkno- chen(^). Ihre Seitenlinie ist wie bei den vorigen unterbrochen. Rücken- flosse wie bei den Labroiden. Ihre Lippen sind mehr oder weniger ausge- bildet. Bei mehreren ist das Maul vorstreckbar wie bei den eigentlichen Labroiden. Schwimmblase und Blindsack des Magens. Die Blinddärme scheinen zu fehlen. Ich vermisse sie auch bei Eij'oplus, wo sie Valen- ciennes anführt.

Schon in meiner Ai’beit über die Nebenkiemen, Abhandl. d. Akad. d. Wissensch. aus d. J. 1839, Berlin 1841 p. 250, habe ich auf die durch- greifende Verschiedenheit der im Meere lebenden Labroidei ctenoidei und der eigentlichen Chromiden, Flufsfische, in Hinsicht der Nebenkiemen auf- merksam gemacht, die bei den erstem ohne Ausnahme kiemenartig sind, bei den Chi’omiden durchgängig fehlen. Die Chromiden sind:

Etroplus Cuv. In der Abhandlung über die Nebenkiemen habe ich schon angeführt, dafs die Etroplus den Amphiprion, Dascyllus, Poma-

(') Die Zusammensetzung des unteren Sclilunclknochens der Chromiden zeigt die Gene- sis des unpaaren Stückes der Labroiden und der übrigen Pharyngognathen an und beweist, dafs der unpaare Scblundknocben derselben nicht aus einem unpaaren Mittelstück des Kie- mengerüstes anderer Fische, wie es Ratbke annimmt, bervorgegangen ist.

Physik. -math. Kl. 1844. Y

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Müller:

cenlrus, Gijphisoclon fremd sind imd dagegen zu den Chromiden gehören, mit denen diese Gattung in allen Faniiliencliarakteren übereinstimmt. Sie haben übrigens nicht eine , sondern zwei Reihen schneidender dreilappiger Zähne. Von der folgenden Gattung trennt sie die grofse Zahl der Stacheln in der Afterflosse.

Chromis Müll. Als Typus der Gattung CJn'omis (mit 3 oder mehr Reihen schneidender, am Ende gekerbter Zähne) bleibt nur der ChT'omis niloticus übrig ( ^ ) .

Acara Heck., Cichla Cuv., Cr cniciclila Heck., Pterophyl- lum Heck., G eophagus Heck., Chaetohranchus Heck., welche ich sämmtlich untersucht habe, dann die anderen neuen, von Heckei aufgestellten Gattungen brasilischer Chromiden JJaru, Symphjsodon, Heros, Batrachops.

Als Cuvier die Gatümg CJiromis gi’ündete (Mem. d. mus. I. 333), hat er sich ohne Zweifel ein Verdienst erworben, indem er zuerst fand, dafs diese Thiere vei’einigte untere Schlundknochen haben. Und er beobachtete diesen Charakter bei dem Castagneau des Mittelmeers , sowie den in den Flüssen lebenden Chromiden, die er mit dem Castagneau in einem Genus vereinigte. Jetzt sind die Thiere des Genus Chromis Cuv. in eine gute An- zahl Gattungen aus einander gegangen, die selbst zwei verschiedenen Fami- lien angehören. Hätte Cuvier schon die Nebenkiemen beachtet, so hätte er den Castagneau nicht mit den Chromiden der brasilischen Flüsse und dem Nil- Chromiden zusammenbringen können (^).

IV. Die vierte Familie unserer Ordnung der Pharyngognathi bilden die Pharyngognathi malacopterjgii, oder Scomberesoces.'

Cuvier vereinigte unter dem Namen Esoces eine Anzahl der Mala- copterygii abdominales in eine Familie, welche völlig unhaltbar in die ver- schiedensten Gemengtheile sich auflöst. Die Esoces Cuvier’s hatten fol-

(') Zu dieser Gattung gehört auch als dem Chromis nüo/icus sehr verwandte oder viel- leicht selbst damit identische Art die Ti/a/ha Sparnianni Smith Illustrations of the Zoology of South Africa. N. IX. London 1840, welche von Smith ohne Grund zu den Labyrinth- fischen gerechnet wird. Sie ist in vielen Exemplaren von Ilrn. Peters eingesandt und ich bin nicht im Stande, sie auf eine sichere Art von Chromis niloticus zu unterscheiden. Siehe auch meine Bemerkungen im Archiv für Naturgeschichte IX. I. p. 381.

O Neuerlich sind auch Chromiden für Arten der Gattungen Pomotis und Centrarchus genommen worden. So im zweiten Theil von Schomburgk Fisches of Guiana. Edinb. 1843.

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gende Chai'aktere: Bei ihnen wird der Rand der Oherkinnlade von den Intermaxillarknochen gebildet, oder wenn sie ihn nicht ganz ausmachen, so ist doch der Maxillarknochen ohne Zähne und in der Dicke der Lippen ver- borgen. Sie sind gefräfsig, ihr Darm ist kurz, ohne Blinddärme. Mehrere steigen in die Flüsse, alle haben eine Schwimmblase. Mit Ausnahme der Microstomen haben sämmtliche die Rückenflosse der Afterflosse gegenüber- stehend. Cuvier zählte dahin: 1) Esox mit den Untergattungen Esox Cuv., Galaxias CwY., Alepocephalus Bisso , Microsloma Cuy . , Stoinias Cuv., Chauliodus Schn., Salanx Cuv., Belone CiUy., Aa/m Raf., He- miramplms Cuv., und 2) Exocoetus.

Der Prinz von Canino und Musignano theilte die Esocidae in 3 Unterfamilien Esocini^ Belonini, Exocoeüni. Prodromus systematis ich- thyologiae.

In meiner Abhandlung über die Schwimmblase der Fische suchte ich Cuvier’s Esoces durch die Entfernung der fremden Einschiebsel zu reinigen. Als solche bezeichnete ich die Alepocephalus, Stomias, Chauliodus, Micro- sloma. Alepocephalus, von Risso ganz richtig unter die Clupeen gebracht, wurde von Cuvier wegen seiner nur im Zwisehenkiefer stehenden Zähne unter die Esoces versetzt. Er hat den Oberkiefer gleich den Heringen zu- sammengesetzt. Er hat freie Nebenkiemen, welche bei den Esoces bedeckt und unsichtbar sind, er hat zahlreiche Blinddärme und keine Schwimmblase, welche ihm Risso mit Unrecht beilegt.

Stomias gehört dem Bau des Mauls nach nicht zu den Esoces ; denn ich fand aufser den grofsen Zähnen im Zwischenkiefer und Gaumen auch sehr kleine im Oberkiefer, ixnd die Schwimmblase fehlt. Den Stomias wird Chauliodus folgen müssen, welche mit Notopterus und Chirocentrus eine besondere Gruppe unter den Clupeen bilden. Auch Microstoma gehört nicht zu den Esoces. Sie besitzen nach Risso und Reinhardt eine Fettflosse und der Zwischenkiefer ist ohne Zähne, vielmehr stehen sie nach Reinhardt wie bei Argentina am Rande des Vomer.

Demnach waren nach dieser Ausscheidung in der Familie der Esoces Cuv. mir die Esox, Galaxias, Salanx, Belone, Sairis, llemiramphus und Exocoetus übrig. Auch unter diesen ist die Schwimmblase nicht allgemein. Denn die Sairis haben keine. Monatsbericht d. K. Akad. d. Wissensch. zu Berlin, Juni 1842. Müll. Areh. 1842 p. 307.

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Müller;

Agassiz scheidet ebenfalls die Stomias, Chauliodus u. a. aus, die er in die Nähe der Scopelus und Aulopus biängt. Seine Esoces bestehen aus den genera Esojc, Belone, Sairis, Tjlosurus Cocco und Hemiramphus. Agassiz notice sur les poissons fossiles et l’osteologie du genre brochet (Esox). Neuchatel, Nov. 1842.

Weitere Studien über die Esoces Cuv. haben mieh zu der Überzeu- gung geführt, dafs sie aueh nach der Ausscheidung der in der Abhandlung über die Schwimmblase bezeichneten , nicht dahin gehörenden Gattungen noch eine Fusion von ganz verschiedenen natürlichen Familien sind, welche sogar vei’schiedenen Ordnungen angehören. Die Galaxias sind nicht den Esox, sondern den Salmonen verwandt, wie hernach gezeigt werden soll. Die Esox sind von Belone, Sairis, Tjlosurus, Hemiramphus, Exocoetus durch Fa- milien- und Ordnungscharaktere ganz verschieden. Dagegen stimmen die letztgenannten Gattungen unter sich durch einen sehr Avichtigen Charakter überein, der uns in den Stand setzt, eine der besten Familien der Fisehe zu begründen und die Ordnung der Pharjngognathi zu vervollständigen. Alle ha- ben nämlich wie die Labroidei cycloidei und Labroidei ctenoidei nur einen ein- zigen unpaaren unteren Schlundknochen ohne Spur von Nath. Die eigentli- chen Esox dagegen haben doppelte getrennte untere Schlundknochen. Man kann diese Familie Phar jngognathi malacopterygii oder Scombere- soees nennen. Es gehören dazu die Gattungen Belone Cuv., Sairis Raf., Tjlosurus Cocco (Belone mit einem Kiel an den Seiten des Schwanzes,) Sarchirus Raf., Hemiramphus Cuv., ExocoetusE. und Cjpselurus (Exoeoe- tus mit Bartfäden). Alle diese Fische haben eine Reihe gekielter Sehuppen jederseits am Bauche, verschieden von der Seitenlinie, sie unterscheiden sich auch von den Esox und allen übrigen Malacopterygii abdominales durch ihre Schwimmblase, die ohne LAiftgang, was bei Belone schon de la Roehe bekannt war und von Cu\der übersehen wurde ; sie enthält Wundernetze. Ihr Darm ist ohne Blindsack des Magens und ohne Blinddärme, ganz gerade, aueh ist der Magen auf keine Weise vom Dai’m geschieden. Die Nebenkie- men sind bei allen drüsig, verdeckt und unsichtbar. Die Kiemen sind voll- ständig und die letzte Kiemenspalte vorhanden. Die Schuppen sind Cycloid- schuppen. In den Bauchflossen haben sie nur articulirte Strahlen. Die Rüekenflosse ist der Afterflosse gegenüber. Die Bauchflossen sind ab- dominal.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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Cuvier erwähnte bereits in den lecons d’anat. comp, die Verwach- sung der untern Schlundknochen zu einem einzigen Stück hei Belone und scheint es später vergessen zu haben. Die Einfachheit des untern Schlund- knochens ist ferner von Ilrn. Rathke hei den Exocoetus beobachtet. Nie- mand hat bisher diesen für die Systematik so wichtigen Umstand zu benutzen verstanden. Ich lernte diese Bildung bei einer Revision unserer Skelete kennen und war sogleich von ihrer systematischen Wichtigkeit durchdrungen. Der einfache untere Schlundknochen jener Pharyngognathi malacopterygii ist dreieckig, dicht mit spitzen Zähnen besetzt, er ist in den von mir unter- suchten Gattungen Belone, Sanis, Tylosurus, Hemiramphus, Exocoelus mir in dem Verhältnifs der Länge zur Breite verschieden, wie aus den vorgeleg- ten Abbildungen ersichtlich ist.

Es entsteht nun die Frage, ob die Malacopterygii abdominales Anzie- hungskraft genug besitzen , um die Scomberesoces ferner zu binden , oder ob diese ungeachtet ihrer weichen Flossen mit den Labroiden und Chromi- den in eine gröfsere Abtheilung, Ordnung, gebracht werden müssen.

Die Beschaffenheit der Flossenstrahlen ist, wie in so vielen Beispielen vorliegt, ein sehr unzuverlässiger Charakter. Dagegen besitzen wir in der Vereinigung der untern Schlundknochen einen absoluten Charakter, der keine Übergänge zuläfst. Wo wichtigere Charaktere zur Bildung einer Or- dnung vorliegen, da ist kein Bedenken, Malacopterygier und Acanthoptery- gier in einer Ordnung zu vereinigen, wie man auch bisher anerkannt hat in dem Beispiel der Plectognathen , wo die Stachelllosser Balisten mit den Weichfllossern Tetrodon u. A. zusammen Vorkommen. Die abdominale Stellung der Bauchflossen kann auch kein Grund sein, die Scomberesoces unter den Malacopterygii abdominales zu halten, da es auch Acanthopterygii abdominales giebt, wie die Notacanthus. Endlich passen die Scomberesoces zu allen Malacopterygii abdominales nicht durch ihre des Luftganges entbeh- rende Schwimmblase.

Die Ordnung der Pharyngognathi besteht demnach aus

I. Pharyngognathi acanthopterygii, s. subbrachii.

1. Familie Labroidei cycloidei. (Labridae.)

2. Familie Labroidei ctenoidei. (Pomacentridae.)

3. Familie Chromidae.

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Müller:

II. Pharyngognathi malacopterjgii, s. abdominales.

4. Familie Scomberesoces.

V. Uber die systematische Bedeutung der, Schwimmblase zur Feststellung der Ordnungen der Knochenfische und über die neuen Ordnungen Physostomi und Anacanthini.

Es ist zAvar herkömmlich, die Schwimmblase bei der Classification der Fische zu beachten, und es ist bekannt, wie einige Familien der Fische durch den Mangel des Organs in allen Gattungen, wie andere durch eigenthümliche Formen der Schwimmblase, die Sciaenoiden z. B. durch die Hörner der Schwimmblase, die Cyprinoiden durch die Quertheilung dersel- ben sich auszeichnen. Es giebt aber noch andere für die Systematik wich- tige Beziehungen der Schwimmblase, auf welche man bisher nicht aufmerk- sam gewesen ist.

Hierher gehört vor Allem die Existenz oder der Mangel eines Luft- ganges, welches beides mit der systematischen Stellung eines Fisches in dem genauesten Zusammenhang steht. So z. B. fehlt dieser in den Schlund aus- mündende Canal allen Acanthopterygiern ohne Ausnahme , er fehlt nicht minder den Malacopterygii subbrachii, sofern sie eine Schwimmblase besi- tzen, nämlich den Gadoiden, welche daher anatomisch den Acanthoptery- giern viel mehr verwandt sind, als den Malacopterygii abdominales. Der Luftgang fehlt in der ganzen Ordnung Plectognathen, mögen sie Stachelflos- ser oder Weichfiosser sein, er fehlt der Ordnung der Lophobranchier, er fehlt in der ganzen Ordnung der Pharyngognathen, auch bei den Weichflos- sern dieser Abtheilung. Indem nun die Scomberesoces aus der Ordnung der Malacoj)terygii abdominales entfernt werden, so bleiben die übrigen eine sehr übereinstimmend organisirte Ordnung, welche die Natur in allen, welche eine Schwimmlilase besitzen, durch die Gegenwart eines Luftganges ausge- zeichnet hat, den sie den übrigen voi’hergenannten versagte. Dieser Um- stand ist es vornehmlich, welcher den Malacopterygii abdominales für immer den Bestand als sehr natürliche Ordnung sichern raufs, was sie nicht waren, so lange sie die heterogenen Scomberesoces enthielten. Der Luftgang ist nämlich bei den Cyprinoiden, Siluroiden , Esoces, Sahnonen, Characi- nen, Clupeen, Mormyren u. a. vorhanden. Die Fische dieser Familien, sofern sie vollständig entwickelte Bauchllossen besitzen, haben meistens

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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mehr als 5 articnlirte Strahlen der Bauchflossen ; bei den Acanthopterjgiern ist dies dagegen sehr selten.

Was die Ordnung der Malacopterjgii apodes Cuvier’s betrifft, so bestehen sie bei näherer Untersuchung aus 2 heterogenen Familien, wovon die eine den Malacopterjgii alidominales oder Fischen mit Luftgang, die an- dere den Acanthopterjgii und Malacopterjgii suhhrachii ohne Luftgang ver- wandter ist, und die man mit ihren respectiven Verwandten vereinigen mufs.

Die Ophidium und ihre verwandten Fierasfer und Encheljophis Müll, nov. gen. {Fierasfer ohne Brustflossen) unterscheiden sich von den eigent- lichen Aalen, dafs den Ophidien der Luftgang der Schwimmblase fehlt, sie sind daher von den Aalen auszuscheiden, von denen sie sich auch durch den Besitz der kiemenartigen Nehenkiemen unterscheiden. Diese Thiere sind offenbar den Gadoiden am meisten verwandt. Auch Gymnelis Reinh. und Ammodjtes, beide mit Nehenkiemen, gehören nicht zu den Aalen, sie besi- tzen auch den stielförmigen Knochen des Scludtergürtels, der den Aalen fehlt. Gymnelis hat im Anfang der Rückenflosse einige, jedenfalls 2 unge- gliederte Strahlen, ist daher ein Stachelflosser ; nach seinen Eingeweiden und seinem Hahitus. gehört er unter die Blennioiden.

Zieht man diese falschen Aale ab, so bleiben die eigentlichen Anguil- lares übrig, nämlich die Gattungen Muraena, Gymnotus und Symbranchus und ihre Untergattungen, deren Hahitus sehr übereinstimmend ist. Die mehrsten haben eine Schwimmblase, und wo diese vorhanden ist, ist sie immer mit einem I^uftgang versehen. Ihre Vereinigung mit den Ophidien zu einer Ordmmg Malacopterjgii apodes war offenbar künstlich, und sobald diese ausgeschieden sind, so ist kein Grund mehr vorhanden, jene von den Malacopterjgii abdominales mit Luftgang der Schwimmblase zu trennen. Unter diesen gab cs schon Gattungen ohne Bauchflossen, wie die Astroble- pus Humb., die Gnathobolus und Pristigaster. Ich bilde aus der Vereini- gung der Aale und Malacopterjgii abdominales die Ordnung Physostomt

Die Physostomi sind Weichflosser , deren Bauchflossen, wenn vor- handen, immer abdominal sind, die einzigen unter den eigentlichen Knochen- fischen, deren Schwimmblase immer einen Luftgang besitzt. Sie zerfallen in 2 Unterordnungen, die Phjsostomi abdominales und Phjsostomi apodes s. anguillares. Zu den Phjsostomi abdominales geliören die Familien Silu- roidei , Cyprinoidei A^., Characini Müll., Cyprinodontes A^., Mor-

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myri Ciiv., Esoces Müll,, Galaxiae Müll., Salmones Müll., Scopelini Müll., Clupeidae Cuv., TIeteropygii Tellk. Zu den Phjsostomi anguil- lares s. apodes gehöi’en die Familien Muraenoiclei Müll., SymbranchiiM.Vi\\.^ Gymnotini Müll. Von diesen Familien wird später ausführlicher gehandelt werden.

Die ungeheure Mehrzahl dieser Fische besitzt die Schwimmblase. Nur die mehrsten Scopelini und die Symbranchii machen eine Ausnahme ; jene werden durch die abdominale Stellung ihrer Bauchflossen mit den übrigen Physostomi abdominales, diese durch ihre Aalform mit den Physostomi apo- des zusammengehalten. Den Syrnbi'anchus schreibt Cuvier eine lange schmale Schwimmblase zu, aber sie haben in der That keine. Auch in der Familie der Siluroiden kommen ein Paar Beispiele von Mangel der Schwimmblase vor, während sie den mehrsten Gattungen der Siluroiden zukommt. Sie fehlt bei den Gattungen Callichthys, Arges, Brontes, Hy- pophthalmus, Loricaria, Hypostoma.

Es liegt die Bemerkung nahe, dafs es mifslich sei, die Schwimmblase bei einer Eintheilung zu benutzen, da gerade dieses Organ so sehr variire. Hierauf antworte ich, dafs auf die Gegenwai't der Schwimmblase unter keinen Umständen irgend ein Wei’th zu legen, dafs aber ihr Bau, sofern sie gegen- wärtig ist, unabänderlichen Gesetzen unterworfen ist, welche wir kennen, sobald wir die wahren Ordnungen und Familien der Fische kennen. Nach diesem Gesetz ist sie unter allen Malacopterygii abdominales und apodes mit einem Luftgang versehen, sobald sie überhaupt da ist, nach diesem Gesetz ist sie bei den Cyprinoiden und Characinen in der Quere getheilt und bei den Familien der Cyprinoiden, Characinen, Siluroiden, sofern sie vorhan- den ist, ohne Ausnahme mit dem Gehörorgan durch eine Kette von Gehör- knöchelchen verbunden.

Der Name P hysostomi ist von einem Hauptcharakter der Ordnung hergenommen, er soll keinen allein herrschenden Charakter ausdrücken.

Absolut bezeichnend war auch nicht der Name der Malacopterygii abdominales und ajDodes , denn die Malacopterygii abdominales enthielten auch Fische ohne Bauchflossen, wie Asleroblepus., Pristigaster , Gnathobo- lus u. a.

Cu vier ’s Ordnung der Malacopterygii subbrachii bedarf auch einer Reform. Wir haben schon die Discoboli daraus entfernen müssen und zu

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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den Stachelflossern zurückgeführt. Es bleiben also nur die Gadoiden und Pleuronectiden übrig, welche durch die Stellung ihrer Bauchflossen den Stachelflossern verwandt sind, aber freilich völlig Weichflosser sind, sowohl in ihren verticalen Flossen, als, was zioch wichtiger ist, in ihren Bauchflos- sen. Den Pleuronectiden fehlt die Schwimmblase, hei den Gadoiden ist sie vorhanden und geschlossen ohne Luftgang wie bei den Stachelflossern. Zu dieser Ahtheilung gehören auch Formen ohne Bauchflossen, nämlich die Familie der Ophidien, welche zufolge ihrer Schwimmblase ohne Luftgang und ihrer weichen Flossen mit keiner andern Ordnung zu vereinigen sind, durch ihren Habitus aber schon ganz an die Gadoiden sich anschliefsen. Dahin die Gattungen Ophidium Fierasfer, Enchefyophis

Da diese Oi’dnung nunmehr in doppelter Richtung von der Cuvier- schen der Malacopterygii subbrachii ahweicht, so kann sie vielleicht besser als Anacanthini bezeichnet werden.

Die Anacanthini sind Weichflosser, welche in ihrem innern Bau mit den Acanthoptej'jgii übereinstimmen, deren Schwimmblase, wenn vor- handen, ohne Luftgang ist. Ihre Bauchflossen, wenn vorhanden, stehen an der Brust oder Kehle. Es gehören dahin, wie wir eben sahen, Cuvier’sMa lacopterygii siflzbrachii zum Theil und Malacopterygii apodes zum Theil, und man kann sie auch noch in Anacanthini subbrachii und apodes zmterordnen.

Ungewifs bleibt noch, ob aufser den Ophidini auch die Animodjtidae unter die Anacanthini apodes und überhaupt unter die Anacanthini aufzuneh- men sind. Bei Ammodjles fehlen uns alle Anhaltspzmkte, die auf seine Stel- lung im System mit Bestimmtheit schliefsen lassen. Er ist ohne Bauchflos- sen und wir wissen darum nicht, ob er den Malacopterygii abdominales oder

(') Ophidium blarodes Förster besitzt, wie schon Förster bemerkte und Ich selbst sah, 6 Blinddärme. Diese fehlen den andern Ophidien, was in mir die Vermuthung erregte, dafs dieser Fisch einer andern Gattung angehöre; seitdem ich ihn aber selbst zu untersu- chen Gelegenheit hatte, bin ich gewifs, dafs er ein wahres Ophidium ist, deren eigenthiim- liche Schwimmblase er auch hat. Die Blinddärme erinnern an die Gadoiden.

(^) Enchelfophis^^X'üW.noy.^en. Keine Brustflossen und keine Bauchflossen. Die Kie- menspalten beider Seiten sind durch Vereinigung der Kiemenhäute in der Mitte verbunden. Der After liegt viel weiter nach vorn, als hei den Ophidien, sogleich hinter den Kiemen. Sonst ganz die Gestalt der Fierasfer. 6 Strahlen der Kiemenhaut. Art Encheljophis ver- miciilaris. 4 Zoll lang. Der Körper läuft nach hinten ganz spitz aus. Farbe uniform schwarz- braun. Philippinen.

Physih.-math. Kl. 1844.

Z

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Müller:

subbrachii verwandter ist. Er ist auch ohne Schwimmblase und seine Ver- wandtschaft bleibt auch in dieser Hinsicht ungewifs. Sicher verwandte For- men, welche die Stellung Aev Ammodytes{^) entscheiden, kenne ich auch nicht. Sobald aber eine den Ammodjtes ähnliche Form der Weichflosser bekannt sein wird, die zugleich Bauchllossen besitzt, jugular oder abdomi- nal, so ist damit auch die Stelle der Ammodjtes entweder unter den Ana- cant/iini oder unter den Phjsostomi entschieden.

Von besonderer Wichtigkeit ist es in dieser Hinsicht, einen von Pallas kurz angegebenen und zu Ammodjtes als Art gezogenen Fisch mit abdominalen Bauchflossen kennen zu lernen. Es ist sein Ammodjtes septi- pinnis. Pallas zoographia rosso -asiatica. Vol. III. p. 227. Es sind jeden- falls verschiedene Gattungen, schon nach der Beschaffenheit der Zähne und nach der Zahl der Kiemenstrahlen.

Auch wenn die Ammodjtes ihre Verwandten unter den Phjsostomi haben, so begründen sie jedenfalls eine eigenthümliche Familie. In der Formation der Kiefer stehen sie unter den Phjsostomen den Scopelinen am nächsten.

VI. Uber eine neue natürliche Familie der Physostomen mit Gehörknöchelchen der Schwimmblase, Characini.

Aufser dem Luftgange nimmt in systematischer Beziehung vor allen Dingen die Existenz der Gehörknöchelchen an der Schwimmblase einiger Familien unsere Aufmerksamkeit in Anspruch, durch welche die Verbindung der Schwimmblase mit dem Gehörorgan hergestellt wird, wie sie Hr. E. H. Weber bei den Cypi’inen und Siluren entdeckte. Diese Organisation ist so eigenthümlicher Art und kömmt so regelmäfsig in gewissen natürlichen Familien vor, dafs wir hierauf aufmerksam an den Skeleten schon die bishe- rigen Fehler der Systematik auffmden und die falsch gestellten Fische zu ihren natürlichen Verwandten bringen können, mit denen sie nun auch in leicht ei'kennbaren äufserlichen Charakteren völlig übereinstimmen. Die Verbindung der Schwimmblase mit dem Gehörorgan durch eine Kette von

(') Sehr eigenthilmlich ist die Haiitfalte auf jeder Seite des Bauches und Schwanzes, und die sehr holie Lage der Seitenlinie nahe der Rückenflosse, so wie ihr Ursprung nicht vom Kopfe, sondern in einiger Entfernung davon. Ammodyles besitzt einen Blinddarm. Cuvier läfst die Blinddärme ganz felden.

üher den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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beweglichen Knochen kömmt allen Cjprinoiden und allen mit einer Schwimmblase versehenen Silui'oiden zxi. Am Mangel dieses Kennzeichens erkennt man schon, dafs die Cyprinodonten Agass., d. h. die bisherigen Cyprinoiden mit Zähnen an den Kiefern , keine wahren Cypx’inoiden sind, sie haben übei’dies auch in anderen Beziehungen keine Ähnlichkeit mit jenen.

Die Verbindung der Schwimmblase mit dem Gehörorgan durch eine Kette von Knochen findet sich aufser den Cyprinoiden und Sihu’oiden nach meinen Beohachtungen noch in einer dritten neuen Familie, die ich Chara- cinen nenne, und welche eine der sichersten natürlichen Familien der Fische ist(^). Sie haben aufserdem noch andere, sehr bestimmte äufsere Charak- tere, an welchen sie sich erkennen lassen, wenn man auch das Skelet nicht untersuchen kann.

Diese Fische haben theils unter den Salmonen Cuvier’s, theils unter seinen Clupeen dienen müssen. Unter den Salmonen sind es alle diejenigen, welche keine sichtbaren Nebenkiemen haben und deren Schwimmblase wie bei den Cyprinoiden der Quere nach getheilt ist, nämlich die Gattungen Curimates Cuv., Gasteropelecus BL, Mjletes Cuv., Telragonopterus Art., Anoslomus Cuv., Clialceus Cuv., Cilharinus Cuv., Serrasalmo Cuv., Piabuca Cuv., IJydrocjon Cuv., Iiaphiodo7i A^ass. , Anodus Spix, Prochilodus Agass., Schizodon Agass., Leporinus Spix, Xiphostoma Spix, IJemiodus Müll.(“). In der Anatomie zeigen sie durchaus keine Ähnlichkeit mit den Salmonen, denn die eigentlichen Salmonen haben nicht blofs Nehenkiemen und keine Gehörknöchelchen der Schwimmblase, son- dern die Eierstöcke der Salmonen haben auch keinen Ausführungsgang und die Eier fallen in die Bauchhöhle und werden durch eine Öffnung des Bau- ches hinter dem After ausgeführt, wie es Ilr. Carus von diesen nachge- wiesen hat, und wie ich es bei den Characinen nicht finde, deren Eierstöcke

(') Diese Familie ist zuerst in meiner ALliandlung über die Schwimmblase aufgestellt und begründet, Monatsbericht der König!. Akad. d. Wissensch. zu Berlin, Juni 1842; Müll. Archiv 1842 p. 307. Die Untersuchung ist jetzt auf eine gröfsere Zahl von Gattungen ausgedehnt.

(g) Ilemi odus Müll. nov. gen.

Im Zwischenkiefer eine Reihe Zähne, wie runde Blättchen, am Rande gezähnelt, im Unterkiefer keine Zähne. Aufser der Rückenflosse eine Fettflosse. Hierher Salmo unima- culaius Bl., Tah. 381 Flg. 3.

Z2

vielmehr die gewöhnliche Bildung der Knochenfische besitzen. Diese Cha- racinen haben daher mit den Salmonen in nichts weiter Ähnlichkeit als in der Fettflosse, darin würden sie aber ebenso sehr den mit einer Fettflosse versehenen Gattungen der Siluroiden gleichen.

Sowie es nun unter den Siluroiden Gattungen mit und ohne Fettflosse giebt, ebenso hat es Characinen mit und ohne Fettflosse. Letzteres sind die Erjthrinus, welche Cuvier unter die Clupeen gebracht hatte. Sie stimmen mit den Characinen in allen Punkten überein, sie haben, wie ich finde, die Kette der Gehörknöchelchen, den Mangel der Nebenkiemen, ihre Schwimm- blase ist der Quere nach in eine vordere und hintere getheilt , welche mit einander communiciren. Es sind gleichsam Hjdrocjon ohne Fettflosse. Characinen ohne Fettflosse giebt es zwei Gattungen: Erjthrinus Gronov, Cuvier und Macj'odon Nob.(’), welches Erjthrinen sind, bei denen die Hundszähne sehr grofs und die hechelförmigen Gaumenzähne von einer Reihe stärkerer Kegelzähne vorn begrenzt sind. Bei den Ei’jthrinen habe ich auch die interessante Erscheinung bemerkt, dafs ihre hintere Schwimmblase zellig in ihrer vordem Hälfte ist, gleich der Lunge eines Reptils, welche Eigen- thümlichkeit den Macrodon fehlt.

In Hinsicht der Bezahnung finden sich bei den einzelnen Gattungen die gröfsten Unterschiede, gleichwie in andern guten natürlichen Familien. Es giebt bezahnte und zahnlose Sahnen und Clupeen. Unter den erstem sind die Coregonus, unter den letztem die Chaeloessus zahnlos. So beschrän- ken sich die Zähne unter den Characinen bei der Gattung Hemiodus Nob. auf die Oberkinnlade und in der Gattung Anodus fehlen die Zähne ganz. Wo Zähne vorhanden sind, stehen sie oben bald im Zwäschenkiefer, bald zugleich im Oberkiefer, bald zugleich an den Gaumenbeinen.

Der Mangel kiemenartiger Nebenkiemen ist von mir bei allen von mir untersuchten Gattungen von Characinen beobachtet. In Beziehung auf die Gehörknöchelchen habe ich untersucht die Gattungen Myletes, Tetra-

(') Macro don Müll.

Arten: 1) Macrodon Trahira M. Synon. Erythrinus macrodon Ag., Synodus malabaricus Bl. Schn., zufolge Untersuchung des Bloch’schen Originalexemplars. Dafs er aus Malabar kommen soll, beruht offenbar auf einem Irrthum.

2) Macrodon brasiliensis M. Synon. Erytlwinus brasiliensis Agass.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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gonopterus, Clialceus, Citharinus^ Serrasalmo, Piahuca, Hjdrocjon, Anodus, Hemiodus, Schizodon, Leporinus, Gasteropelecus, Erjthrinus, Macrodon.

Die Theilung der Schwimmblase habe ich in allen Gattungen, die ich untersuchte, ohne Ausnahme wiedergefunden.

Die Gehörknöchelchen sind bei allen bisher unbekannt gewesen mit Ausnahme der Gasteropelecus, wo sie von Hrn. Heusinger beobachtet sind. Meckel’s Archiv 1826. 325.

Die Characinen sind theils Fleisch-, theils Pflanzenfresser, theils leben sie von gemischter Nahrung.

VH. Begründung der Charaktere der Familien in der Ordnung

der Phjsostomi.

Zufolge meiner Untersuchungen zerfallen die Phjsoslomi abdominales in folgende natürliche Familien:

I. Familie Siluroidei Cuv.

Ihre Haut ist nackt, oder mit Knochenschildern bedeckt, ohne Schup- pen. Die Intermaxillarknochen bilden den Rand der Oberkinnlade und die Maxillarknochen sind auf blofse Spuren reducirt oder in Bartfäden verlängert. Alle haben Bartfäden. Der Kiemendeckcl besteht blofs aus 3 Stücken und das Suboperculum fehlt, auch fehlt ihnen der stielförmige Anhang des Schul- tergürtels der übrigen Knochenfische, oder ist wenigstens durch einen blo- fsen Fortsatz des Schultergürtels ersetzt. Ihr Schläfenbeinapparat hat 2 Kno- chenstücke weniger als bei den mehrsten Knochenfischen. Pseudobranchien fehlen in der Regel. Die Schwimmblase ist meist vorhanden und mit dem Ge- hörorgan durch Gehörknöchelchen verbunden. Der Darm ist ohne Blind- därme. Der Magen in der Regel sackförmig. Bei Vielen ist der erste Strahl der Brustflosse sehr stark und gezähnelt. Mehrere haben eine Fettflosse aufser der Rückenflosse. Hierher aufser den bekannten die neuen Gattimgen Euaneinus Müll. Trosch. (Manuscr. über neue Gattungen und Arten der Welse).

Enge Kiemenspalten, Körper seitlich zusammengedi’ückt. Der Helm ist von der Haut bedeckt. Die Zähne im Oberkiefer und Unterkiefer hechel- förmig in einer Binde, keine an Vomer und Gaumenbeinen, der erste Strahl der Rücken- und Brustflosse ist ein Dorn. Die Rückenflosse ist ganz vorn und ist klein. Aufserdem eine sehr kleine Fettflosse. Afterflosse sehr lang.

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Müller:

Strahlen der Baiichflossen viel zahlreicher als bei andern Siluroiden. Augen von der Haut bedeckt. 6 Bartfäden.

Art: Euanemus colymbetes M. T. aus Surinam. B. 7. P. 1,11. D. 1,6. A. 44. V. 14.

C alophysus Müll. Trosch.

Keine Zähne am Gaumen. Eine Reihe stärkerer Zähne am Oberkie- fer und Untei’kiefer , hinter welchen in dem einen oder andern noch eine Reihe kleinerer Zähne. Der erste Strahl der Brust- und Rückenflosse am Ende einfach gegliedert, ohne Zähne. Zugleich eine lange Fettflosse. 6 Bartfäden. 7 Strahlen der Kiemenhaut.

Ax’ten: 1) Calophysus macropterus Müll. Trosch. Sjnon. P/- melodus macropterus Lichtenst. Wiedem. Zool. Mag. 1819. I. p. 59. Am Oberkiefer eine Reihe (20) platter, schmaler, schneidender Zähne, hin- ter dieser eine zweite Reihe niedrigerer Zähne, im Unterkiefer nur eine ein- zige Reihe Zähne (30).

2) C alophysus ctenodus M. T. Pimelodus ctenodus Ag. Wenn bei Beschreibung dieser Art die Zähne i'ichtig angegeben und nicht eine Ver- wechselung zwischen Oberkiefer und Unterkiefer stattgefunden, wie wir aller- dings vermuthen , so würde es eine von der ersten bestimmt verschiedene Art sein.

Die Calophysus haben eine sehr kleine Schwimmblase, die mit einem zierlichen Ki’anz von Blinddärmchen am ganzen seitlichen und hintern Rande umgeben ist.

Die Goniodontes Ag. oder Loricarinen scheinen nur eine beson- dere Gruppe in der Familie der Siluroiden zu bilden. Sie sind den Siluroi- den durchaus verwandt und untei’scheiden sich von ihnen durch den Besitz der Pseudobranchien, und ihre Eingeweide. Kopf und Körper sind von har- ten eckigen Platten gepanzert. Ihr Maul liegt unter der Schnautze und wird von den Intermaxillar- und Maxillarknochen begrenzt. Lange, dünne, bieg- same, in einen Haken endigende Zähne. Ein häutiges Segel umgiebt die Mund- öffnung und schickt Bartfäden ab. Die Kiemendeckel sind gröfstentheils un- beweglich. Der stielförmige Anhang des Schultergürtels fehlt wie bei andern Siluroiden und ist durch einen blofsen Fortsatz des Schultergürtels ersetzt. Das Herz liegt in einer vom Bauchtheil des Schultergürtels gebildeten knö- chernen Kapsel. Ihr Magen ist ohne Blindsack. Ihr langer vielfach ge-

üher den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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wundener Darm ist ohne Blinddärme und die Schwimmblase fehlt. Gat- tungen: Loricaria, Bhinelepis, Acanthicus, Hyposloma.

II. Familie. Cyprinoidei Agass.

Sie haben ein wenig gespaltenes Mard und schwache zahnlose Kinnla- den, deren Pxand nur von dem os intermaxillare ge])ildet wird, hinter wel- chem der Oberkiefer liegt. Ihre unteren Schlundknochen sind mit einigen sehr grofsen Zähnen bewaffnet; die oberen fehlen. Sie haben an der Basis ci’anii , entsprechend den untern Schlundknochen , einen meist mit einer Hornplatte bedeckten Fortsatz des Schädels. Die meisten haben Schup- pen (’). Sie sind ohne Fettflosse. Der Magen ist ohne Blindsack, der Darm ohne Blinddärme. Die Schwimmblase ist in der Regel in eine vordere und hintere getheilt und ist mit dem Gehöi’Oi’gan durch eine Kette von Ge- hörknöchelchen verbunden. Die äufsere Oberfläche der Schwimmblase zeichnet sich durch die schweifartige Ausbreitung der Blutgefäfse aus. Die Gegenwart der Nehenkiemen variirt nach den Gattungen (^).

Die Cohitis und Acanthopsis mit knöcherner Hülle der Schwimmblase verhalten sich zu den übrigen Cyprinoiden wie Clarias, Ileterobranchus, Ileteropneustes und Agerieiosus mit von Knochen eingeschlossener Schwimm- blase zu den übrigen Siluroiden. Doch findet sich diese Bildung nicht hei allen cohitisartigen Cyprinoiden. Denn hei der Gattung Schistura McL. finde ich hinter der Wirhelanschwellung noch eine grofse häutige Schwimm- blase. ScJiistura geta (Cohitis geta Buchau.).

HI. Familie. Cyj^rino d ontes Agass.

Die Cyprinodonten bilden eine sehr eigenthümliche Familie. Sie ha- ben ein vorstreckbares Maul. Sie gleichen im Habitus den Cvprinoiden, aber sie besitzen die grofsen Schlundzähne jener und den Fortsatz der Basis cranii nicht. Hechclförmige oliere und untere Schlundzähne. Ihre Kiefer sind wie bei den Cyprinoiden gebildet und der Zwischenkiefer bildet den ganzen Rand der Obcrkinnladc, aber sie halien Kieferzähne. Die Schwimm- blase ist einfach und ohne Gehörknöchelchen. Die Nebenkiemen fehlen. Ihr Magen ist ohne Blindsack und der Darm ohne Blinddärme. Einige sind

(') Aulnpyge Heck, ausgenommen.

O Verdeckt und unsichtbar bei den Cyprinus Cuv., Laheo, Discognallius, ganz schei- nen sie den Cohitis^ Acanthopsis, Schistura McLelland zu fehlen.

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Müller:

lebendig gebärend. Hieraus ergiebt sich, dafs Valenciennes ohne Grund die Aufnahme der Cyprinodonten unter die Cyprinoiden vertbeidigt. Hier- her gehören die Gattungen Anahleps, Poecilia, Fundulus s. Jlydrargyra{^'), Lebias, Cyprinodon Val., Molienesia, Orestias Val. (ohne Bauchflossen) (^).

IV. Familie. Characini Müll.

Beschuppte Fische, ohne sichtbare Nehenkiemen, deren Maul in der Mitte von den Zwischenkiefeim, nach aufsen bis zum Mundwinkel von dem Oberkiefer begrenzt wird. Ihre Zahnbildung variirt nach den Gattungen. Sie haben obere und untere Schhmdknochen. Die Schwimmblase ist bei allen der Quere nach wie bei den Cyprinoiden in eine vordere und hintere getheilt, und sie besitzt eine Kette von Gehörknöchelchen, welche sie in Vei’bindung mit dem Gehörorgan setzen, wie bei den Siluroiden und Cy- prinoiden. Ihr Dai’m hat zahlreiche Blinddärme. Die meisten haben eine Fettflosse aufser der Rückenflosse. Die Gattungen sind: Schizodon, Gaste- ropelecus, Myletes, Tetragonopterus, Chalceus, Citharinus, Serrasahno^ Pia- huca, Hydrocyon, Papliiodon, Anodus , Xiphosloma, IleiJiiodus, Lepori- nus, Krythrinus, Macrodon u. a. Siehe oben p. 179.

V. Familie. Scopelini Müll.

Es sind theils schuppige, theils schuppenlose Fische mit einer Fett- flosse, deren Maul bis zum Mundwinkel blofs vom Zwischenkiefer gebildet wird, mit welchem der Oberkiefer parallel läuft. Sie haben kiemenartige Nebenkiemen; den mehrsten fehlt die Schwimmblase. Sie haben meist Blinddäi'me. Hierher gehören die Gattungen: Aulopus Cuv., Saurus Cuv., Scopelus Cuv., MauTolicus Cocco, Gonostoma Cocco, Ichthyococcus Bonap., CliloropTithalmus Bonap., Odontostomus Cocco, Paralepis Risso, Vwc?« Raf. B onap. (^) (non Cuvier), Aplochiton 3 enyns, Ster- nop/yo: Herrn., Ar gyropelecus Cocco.

(') Le Sueur erwähnt, dafs bei den Weibchen der Hydrargyra der Oviduct sich ent- lang dem vordem Rande der Afterflosse verlängert, wie es sich auch bei einem Fisch einer andern Familie, Aulopyge Heck., ereignet. Journ. Acad. nat. sc. Philad. I. 126.

(^) Der Guapucha de Bogota in V. Humboldt receuil d’obs. de zool. et d’anat. comp. T. II. p. 154. taf. 45. fig. 1, dessen Luft der Schwimmblase v. Humboldt untersuchte und welchen Valenciennes als der Familie der Poecilien angehörig deutet, gehört wegen sei- ner quergetheilten Schwimmblase nicht zu diesen, sondern wahrscheinlich zur Familie der Characinen.

(^) Iconografia della Fauna italica.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

185

Sie unterscheiden sich wie durch die Mundhildung von den Salmonen, auch dadurch , dafs ihre Eier, wie auch hei den Characinen und den mehr- sten Knochenfischen, nicht in die Bauchhöhle fallen, sondern durch die Ausführungsgänge der Eiersäcke direct ausgeführt werden, wie ich hei Aulo- pus und Saiirus mich überzeugt habe.

Die Paralepis sind von Cuvier zu den Percoiden gebracht, von Risso früher zu den Salmonen, später zu seinen Atherinoiden. Cuvier und Valenciennes hielten die vorderen einfachen Strahlen der Rücken- flosse für Stachelstrahlen und machten geltend, dafs die zweite Rücken- flosse keine Fettflosse sei, sondern Strahlen besitze. Reinhardt fand, dafs die Sti-ahlen der Rückenflosse gegliedert sind, und erklärte die zweite Rü- ckenflosse mit Recht für eine Fettflosse, daher er die Paralepis wieder zu den Sahnones brachte. Solche Art von Strahlen , wie diese sind, besitzen nach meiner Beobachtung alle Fettflossen, es sind äufserst zahlreiche feine Fäden, welche nicht articulirt sind und das Charakteristische haben, dafs sie aus vielen vei’klehten Faseim bestehen, wie man mittelst des Microscops wahi’iiimmt. Die zweite Rückenflosse der Paralepis ist ganz entschieden eine Fettflosse.

Dafs Paralepis zu den Malacopterjgii abdominales gehört, damit stimmt auch, dafs sie mehr als fünf weiche Strahlen in den Bauchflossen haben, was unter den Stachelflossern höchst selten ist und nur hei einer kleinen eigenthümlichen Gruppe der Percoiden, nämlich den Mjripristis und ihren Consorten, und ferner hei den Lampris und Notacanthus voi'- kömmt. Paralepis gehört nach dem Bau des Mauls nicht zu den Salmonen in unserm Sinne, sondern zu unserer Familie der Scopelincn.

Zur Gattung Odonloslomus Cocco gehört aufser O. hyalinus als zweite Species O. Balho Nob. (Scopelus Balbo Risso). B. 7 8. D. 12. P. 12. V. 9. A. 33. Dieser Fisch erinnert durch sein merkwüi’diges Gehifs ganz auffallend an Chauliodus und wurde auch in der Ai’heit über die Ne- benkiemen als ein Chauliodus angesehen, so dafs das von Chauliodus Be- merkte auf ihn zu beziehen ist. Die Zähne in dem sehr langen Zwischen- kiefer sind klein, sehr grofs die Gaumenzähne und die des Unterkiefers, die am Ende einen Widerhaken besitzen. Alle die grofsen Zähne lassen sich an ihrer Wurzel nach hinten umlegen, ohne dieses kann das Maiü nicht ge- schlossen werden. Nach dem Umlegen richten sie sich von seihst wieder auf. Physik. - malh. Kl. 1844. A a

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Müller:

JSlaurolicus Cocco ist eine eigenthümliche Gattung, die sich zufolge meiner Autopsie durch ihre nach hinten weit über den Mund verlängerten und hier am untern Rande gewimperten Oberkiefer auszeichnet, während der zahntragende Zwischenkiefer, wie in der ganzen Familie, bis zinn Mund- winkel geht. Zu dieser Gattung Maurolicus gehört die Argentina sphy- raena Pennant {Scopelus horcalis Nilsson), welche Cuvier mit Unrecht für identisch mit Scopelus Humholdlü Risso hielt. Letztem habe ich eben- falls untersucht. Ich habe den Maurolicus ameihjslino-punctatus Cocco (aus Nizza durch Hiai. Peters) und den Scopelus horealis Nilsson (aus Norwegen durch Hrn. Sars) vor mir. Sie sind sich so ähnlich, dafs mir ihr Unterschied als Species noch zweifelhaft ist. Den Scopelus glacialis Reinh. kenne ich nicht.

Die Gattungen Myctophum Raf. Cocco und Lampanyctis^oxxdi^. sind nicht von Scopelus verschieden.

In diese Familie gehört auch die neue Gattung Aplochilon Jenyns the Zoology of the voyage of II. M. S. Reagle. p.IV. London 1842 p. 130.

VI. Familie. Salinones Müll.

Reschuppte Fische mit einer Fettflosse, deren Maul in der Mitte von dem Zwischenkiefer , nach aufsen vom Oberkiefer begrenzt wird , mit Ne- benkiemen, zahlreichen Rlinddärmen und einfacher Schwimmblase. Ihr Eierstock ist ohne Ausführungsgang und die Eier fallen in die Rauchhöhle und werden von da durch eine Rauchöffnung hinter dem After abgefühi’t. Die Zahnbildung variirt nach den Gattungen. Von den Scopelinen sind sie leicht durch die Rildung der Kiefer zu unterscheiden, von den Characinen dureh die Nebenkiemen. Iliei’her die Gattungen: Salmo, Osmerus, Core- gonus, Thymallus, Mallotus, Argentina.

Zu den Salmonen scheinen auch die Microstomen zu gehören, welche Cuvier unter die versetzt hat. Durch Hrn. Valenciennes Güte

war ich in den Stand gesetzt, diese Gattung, so wie die gleichfalls unter die Esoces versetzten Galaxias, in Paris zu untersuchen.

Microstoma des Pariser Museums hat das Maul vorn von den Zwi- schenkiefern begrenzt, hinter diesen treten die Oberkiefer hervor, welche den äufern Theil des Mauls begrenzen. Eine Fettflosse ist an diesem Exem- plar, das auch in dem Kujjferwerk regne animal abgebildet ist, sicher nicht vorhanden, kammartige Pseudobranchien. Die Microstomen von Risso

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden. 187

und Reinhardt (Isis 1841. 705.) sind wegen der Fettflosse, die sie be- sitzen, eine davon verschiedene nahestehende Gatlung, beide stimmen unter sich und mit Argenüna, dafs die Zähne nicht im Zwischenkiefer, sondern nur im Vomer stehen. Aber Argentina hat nicht 3, sondei’n 6 Kiemenstrah- len. Man mufs noch die Eierstöcke der Microstomen untersuchen , um zu wissen, wohin diese Fische und ob sie zu den Salmonen gehören.

^^I. Familie. Galaxiae Müll.

Die Galaxias sind zufolge meiner Untersuchung den Salmones M. verwandt, obgleich sie keine Fettflosse besitzen. Das nicht vorstreckbare Maul derselben wird vom Zwischenkiefer begrenzt, hinter diesem tritt der Oberkiefer hervor, ganz wie bei Microstoma, und begrenzt den äufsern Theil des Maxds. Ich finde, dafs die Eier dieser Thiere in die Bauclihöhle fallen und durch Abdominalöffnungen ausgeführt werden, wie bei den Sal- mones Müll., von denen sie durch den Bau der Kiefer und den Mangel der Fettflosse abweichen. Die Galaxias sind jedenfalls von den Esoces auszu- scheiden, ich stelle sie vorläufig als eigene Familie auf und behalte mir vor, sie mit den Salmones zu vereinigen, wenn neue Gattungen aus dieser Gruppe bekannt werden und es nöthig machen (*).

Das von Hrn. Jenyns zool. Voy. of H. M. S. Beagle, p. IV. p. 118 aufgestellte neue Genus Mesites, welches ohne Grund zu den Cyprinoiden gebracht ist, ist mit Galaxias Cuv. identisch. Der Körjjer ist in beiden schuppenlos, die R.ückcnflosse entspricht der Afterflosse, die Bildung der Kiefer ist gleich. Die Zähne stehen in beiden im Zwischenkiefer, Unterkiefer, am Gaumen, und auf der Zunge sind Ilackenzähne. Cu vier bezieht die

(') Das Verhalten der Eierstöcke, ob die Eier in die Bancldiöble fallen oder durch einen Ausführungsgang des sackförmigen Eierstocks ausgeführt werden, ist ein wichtiger Charakter, der keine Ausnahmen zuläfst. Nach Rathke soll zwar Cobitis taenia sich dadurch auszeich- nen, dafs seine Eier in die Bauchhöhle fallen und durch Bauchöffnungen ausgeführt werden, was wenn es richtig wäre, eine unerklärliche Abweichung von den übrigen Cobi/is und von allen übrigen Cyprinoiden wäre. Nach meinen Beobachtungen an Acanthopsis taenia und indischen Acanthopsis - Arten ist es nur ein Anschein, welcher Täuschung verursacht. Der hinter dem Darm und Eierstock liegende Bauchhöhlenraum ist nämlich nichts als der Eler- stocksack, der an die Bauchwände angewachsen ist und zu dessen vorderer Wand hinter dem Darm die Eierstocksplatte gehört. Die Vergleichung mit Gnbiiis fossiiis, wo die Eier- stücke doppelt, aber auch schon grofsentheils an die Bauchwände angewachsen sind, setzt die Sache vollends aufser Zweifel.

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Müller:

Gaiimenzäline aiif die Gaumenknochen und so ist es, Jeny ns nennt sie zweireihige Voinerzähne. Förster sagt von seinem Esox alepidotus, wel- cher den Typus für die Gattung Galaxias bildete : palati 2 ordines dentinm. Bl. Schn. 395. Der einzige Unterschied wäre demnach in der Zahl der Kiemenhantstrahlen, welche Förster auf 9—10, Jenyns als 6 angiebt. Das^ Pariser Exemplar des Galaocias alepidotus hat 7 Kiemenstrahlen, eine andere wahrscheinlich neue sehr kleine Art, die wir von Hrn. Poeppig ei’- halten, hat 6 Kiemenstrahlen.

\TII. Familie. Esoces Müll.

Beschuppte Fische ohne Fettllosse, mit verdeckten drüsigen Neben- kiemen. Ihr Maul wird in der Mitte von dem Zwischenkiefer, seitlich vom Oberkiefer eingefafst. Ihre Schwimmblase ist einfach. Sie zeigt auf der ganzen innern OJjei’fläche diffuse Gefäfswedel, wie man sie in den anderen Familien vermifst. Ihr Magen ohne Blindsack, ihr Darm ohne Blinddärme. Man kennt jetzt nur Süfswasserfische.

Hierher die Gattungen Esox Cuv. und Umbra Gramer. Nach Aus- scheidung der Betone, Sairis, Ilemiramphus, Exocoetus als Pharyngognathen aus den Esoces Cuvier, nach fernerer Ausscheidung der Alepocephalus, Stomias und Chauliodus (siehe oben p. 171), nach Ausscheidung der Mi- crostoma und Galaxias bleiben von der ganzen Cu vier sehen Familie der Esoces nur die Gatümgen Esox und Salanx üljrig. Ob die Gattung Salanx wirklich den Esox verwandt ist oder nicht, und welche die natürliche Stel- lung der Salanx im System ist, darüber bin ich ungewifs, da das von mir untersuchte schlecht erhaltene Originalexemplar des Pariser Museums nicht ausreichte. Jedenfalls hat diese Gattung sehr viel Eigenthündiches.

Der einzige Fisch der mit Esox lucius, auf welchen sich die oben auf- gestellten Familiencharaktere beziehen, eine ganz entschiedene Verwandt- schaft hat und mit ihm in dieser Familie vereinigt werden mnfs, ist ein Thier aus der Flufsfauna von Österreich, welches Cuvier sonderbarer Weise un- ter die Cyprinoiden versetzt hat: Umbra Crameri Nob., Typus der Gat- tung Umbra Gramer. Dieser Fisch, von Cuvier Cyprinodon umbra ge- nannt, gehöi’t nicht in die Poecilien- Gattung Cyprinodon Val., er hat aiifser den Zwischenkieferzähnen Zähne im Vomer und Gaumenbeinen, das Maul wird vorn vom Os intermaxillare, aufsen vom Oberkiefer begrenzt, wie bei Esox, mit welchen auch der Magen ohne Blindsack und der Darm und die

üher den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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bedeckten Pseiidobranchien übereinstimmen. Zu den Esoces gehören mit Sicherheit jetzt nur die Gattungen Esojc und Umbra.

IX. Familie. Mormyri Cuv.

Cu vier vermuthete bereits, dafs sie einst Veranlassung zu einer neuen Familie würden, aber er kannte die nach der grofsen Verschiedenheit in den Zähnen zu bildenden Gattungen nicht, auch war ihm die wichtige osteologi- sche Eigenthümlichkeit, die ich bei den Fischen dieser Familie finde, unbe- kannt, dafs statt zweier ossa intermaxillaria nur ein einziges unpaares os in- termaxillare vorhanden ist, an welchem man keine Spur einer Nath be- merkt ( ^ ) .

Die Mormyri sind beschuppte Fische mit zusammengedrücktem läng- lichem Körper , mit einem an der Basis dünnen Schwanz , der gegen die Flosse hin aufgetrieben und deren Kopf mit einer nackten dicken Haut über- zogen ist, welche die Kiemendeckel und Kiemenstrahlen einhüllt und nur einen senkrechten Spalt als Kiemenöffnung übrig läfst. Ihr Maul ist klein und wird in der jyUtte von dem unpaaren Zwischenkiefer, axifsen vom Ober- kiefer begrenzt. Die Zahnbildung variirt nach den GatUmgen. Der Schlä- fenapparat ist einfacher als bei anderen Fischen, worin sie den Siluroiden gleichen. Ihr Schädel hat eine eigenthümliche, zu der Cavitas cranii und zum Labyrinth führende Öffnung, welche von der Haut bedeckt ist (^). Die Nebenkiemen fehlen. Der Magen bildet einen runden Sack , auf den 2 Blinddärme und ein langer dünner Darm folgen. Die Schwimmblase ist einfach.

Gattungen: 1) IMormj rus Müll, eine Reihe dünner, am Ende aus- gekerbter Zähne an den Intermaxillarknochen und im Lhiterkiefer, auf der Zunge und am hintern Theil des Vomer ein Streif von hechelförmigen Zähnen.

Hierher Af. cyprinoidesE., M. oxyrliynclius Geoffr., 7!/. dorsalis G.., 31. longipinnis Rüpp. (welchem letztem mit Unrecht ein zahnloses Maul zu- geschrieben wird).

(') Dies ereignet sicli bei keinem andern Fische wieder, als bei Diodon, wo aber auch der Unterkiefer keine Natb in der Mitte besitzt.

(^) Diese von Ilm. Ileusinger beobachtete Eigentbiimlicbkelt kömmt bei allen Fischen dieser Familie vor. Bekanntlich findet sich diese Bildung auch bei einigen Arten der Le- //iJolf/jrus, bei L. nonvegiciis fehlt sie aber, ich finde diesen Bau auch bei der Gattung No- /opierus.

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Müller:

2) Moj'myrops Müll. Sie haben statt gekerbter vielmehr kegel- förmige Zähne in den Kiefern.

Hiei’her Moj-mjj'us anguilloicles Geoffr. und M. labiatus G.

X. Familie. Clnpeidae Cuv.

Beschuppte Fische ohne Fettflosse, deren Maul in der Mitte vom Zwi- schenkiefer, an den Seiten vom Oberkiefer eingefafst wird, Blindsack des Magens, die meisten haben Blinddärme und Schwimmblase. Die Zahn- hildung variirt nach den Gattungen.

Hierher die Gattungen Clupea (mit Untergattungen) Gnalhobolus, Notopterm, EngrauUs, Tlnyssa, Amia, Alepocephalus, Megalops , Elops, Lutodcira, Hyodon, Pristigaster, Butirinus, Chirocentrus, Stornias, Chaulio- dus, Ileterotis, Arapaima, Osteoglossum.

Mehrere von ihnen zeichnen sich durch grofse glasartig durchsichtige Augenlider aus, welche einen grofsen Theil des Auges bedecken, was an die Scomber und Caranoc erinnert. Artedi kannte es von Clupea, wie von Scomber. Solche finden sich, ein vorderes und hinteres Augenlied, durch einen senkrechten Schlitz getrennt, hei den Gattungen Clupea, Alosa, Chatoessus, Clupanodon, Elops, Hyodon. Am merkwürdigsten sind jedoch die Augenlider des Butirinus brasiliensis , sie sind cirkelförmig wie heim Chamaeleon, aber völlig durchsichtig, und lassen nur in der Mitte, gegen- über der Pupille, eine kleine rundliche Öffnung übrig. Bei den EngrauUs und Lutodcira fehlen die Augenlider, hier wird das Auge von einer gallert- artigen durchsichtigen Fortsetzung der Haut überzogen. Bei einigen Clu- peoiden verbindet sich die Schwimmblase durch luftführende Canäle mit dem Labyrinth, so nach E. H. Weher hei Clupea und nach meinen Beob- achtungen bei EngrauUs und Notopterus. Bei anderen Clupeoiden fehlt diese Verbindung, z. B. hei den Butirinus, hier schickt die Schwimmblase vorn zwei einfache Bliddärmchen ab.

Die Lutodcira {Mugil Chanos F orsk.) zeichnen sich noch durch eine hinter der Kiemenhöhle liegende besondere Höhle aus, welche mit der Kie- menhöhle durch ein Loch neben dem Schürtelgürtel communicirt. In die- ser Höhle liegt eine accessorische blätterige Kieme mit knorpeligen Stützen. Die Kieme des letzten oder 4. lüemenbogens vexdiält sich überdies eigen- thümlich, ihre untere Hälfte ist vollständig, d. h. doppelt -blätterig und hier befindet sich der gewöhnliche Spalt zwischen dem letzten Kiemenhogen und

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

191

dem Sclilundknochen, die obere Hälfte des 4. Kiemenbogens verliert aber die hintere Reihe der Kiemenblätter und hat nur eine Reihe Blätter, welche zugleich an die Haut der Kiemenhöhle angewachsen sind.

Über Alepocephalus siehe oben p. 171.

Die mehrsten Clupeiden haben kiemenartige Pseudobranchien. Bei Megalops werden diese bis beinahe zum Verschwinden klein, bei einigen fehlen sie völlig. Dies sind die Gattungen : Stomias, Cliauliodus, Clürocen- trus, Notopterus, Amia, Osleoglossum, Ileterotis Ehrenb. und Sudis Cuv. (Arapaima Nob.).

Über Stomias und Cliauliodus siehe oben p. 171.

Die IS otopterus zeichnen sich auch durch eine grofse Öffnung auf je- der Seite des Schädels aus, welche zum Innern des Schädels und zum Laby- rinth führt und äufserlich durch die Haut geschlossen ist, wie bei den Mor- myrus.

Die N otopterus Osteoglossum und Sudis Sp ix zeichnen sich zu-

sammen vor allen Fischen dadurch aus , dafs sie aucli Zähne in der Basis cranii (nicht blofs im Vomei’), nämlich hinten im Köi’per des Keilbeins be- sitzen.

Die Gattung IdeteT'otis Ehrenb. {Clupesudis Swainson), Typus Ile- terotis niloticus, Sudis niloticus Rüpp., ist von Sudis Spix, zu welcher Su- dis gigas gehöx’t, gänzlich verschieden. Beide sind auch von Cuvier und R ü p p e 1 1 verwechselt. Ich habe d en Sudis gigas, von Hrn. S c h o m b u r g k dem Jüngern aus Guiana gesandt, xintersucht, er besitzt nicht allein be- schuppte verticale Flossen , während die Flossen der Ileterotis nackt sind, sondern die Zähne sind ganz verschieden. Sudis hat Zähne im Vomer und an den Gaumenbeinen, und einen besondern Haufen an der Basis cranii. Heterotis hat aufser den Kieferzähnen nur Zähne im os pterygoideum, keine im Vomer, keine an der Basis cranii. Ich habe mich auch überzeugt, dafs die Sudis das von Ehrenberg und Hemprich bei Ileterotis ent- deckte räthselhafte Organ an den Kiemen nicht besitzen. Da der Name Sudis schon von Rafinesque für eine Scopelinen - Gattung angewandt, welche vom Prinzen Bonaparte hergestellt ist, so ist für dto. Sudis gigas

(') Nach Cuvier soll Notopterus nur einen einzigen Strahl in der Kienienhaut haben, er hat aber deren 8.

192

Müller:

ein neuer Gattungsname aufzustellen, wofür ich den Localnamen dieses Fisches Arapaima voi’schlage. Arapaima gigas Nob. {Sudis gigas Cuv., Sudis pirarucu Spix).

Osteoglossum zeichnet sich nach meinen Beobachtungen noch dadurch aus, dafs diese Gattung, wie Lepisosteus unter den Ganoiden, eben soviel Knochenstücke am Unterkiefer besitzt, als die beschuppten Amphibien, ich finde nämlich sechs Stücke.

Die Schuppen der Arapaima, Tlelerotis und Osteoglossum sind mosaik- artig aus vielen Stückchen zusammengesetzt. Dieser Schuppenhau ist aber kein ausschliefslicher jener Fische, sondern die Schuppen der mehrsten Kno- chenfische sind aus einer gewissen Anzahl von Stücken zusammengesetzt, und die nach der Peripherie auslaufenden Linien, die man unter dem Mi- croscop sieht, sind Näthe, wie Hr. Peters gezeigt hat. Bei vielen Fischen giebt es aber auch Quernäthe. Die Schuppe wächst daher nicht an ihren Bändern allein, sondern in den mehrsten Fällen an allen den Näthen, wo ihre Stücke ziisammenstofsen.

In der mosaikartigen Zusammensetzung bieten die Schuppen der Arapaima, Heterotis und Osteoglossum einige Ähnlichkeit mit denen der Lepidosiren dar.

Die Clupeiden ohne Pseudobranchien habe ich früher auf den Grund dieses Mangels als besondere Familie getrennt und Clupesoces Ich unterscheide sie nicht fei’iier.

Arten der Gattung Megalops durch Hrn. Rieh. Schomburgk und Hrn. Peters erhalten, lehrten mich, dafs in dieser Gattung die Pseudo- branchien bis zum Vex’sch winden klein sind und erregten mir Zweifel über die Clupesoces, daher ich schon im vorigen Sommer (1844) dem Prinzen von Canino mein Bedenken aussprach, dafs diese Familie vielleicht nicht gut sein möchte. Seither erhielt ich auch Gnathobolus und mufste sehen, dafs diese den Notoptej'us so durchaus verwandte Gattung von jener sich durch den Besitz kammartiger Pseudobranchien unterscheidet.

XI. Familie. Heteropygü Tellk.

Sie weichen von allen Malacopterygii abdominales durch die anomale Lage des Afters vor den Bauchflossen ab , und bieten zu wenig Verwandt-

(’) Archiv f. Naturgeschichte IX, 1. p. 325.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

193

schäften mit andern Familien dar, nm sie einer andern Familie anznsehlie- fsen. Hierher die Gattung Amhlyopsis. Uber ihre Anatomie siehe Tell- kampf in Müll. Archiv. 1844 p. 392. Die Gattung Aphredoderus, welche unter den Stachelflossern eine gleiche Anomalie darhietet, habe ich nicht seihst untersucht. Ciivier und Valenciennes haben sie unter die Pei’coi- den gebracht.

Die Physostomi anguillares s. apodes enthalten 3 Familien, welche anatomisch sehr von einander abweichen; es sind die Muraenoidei, Sjmhranchü und Gymnotini. Bei allen fehlen die Pseudohranchien und die stielfönnigen Knochen des Schultergürtels.

XII. Familie. Muraenoidei Müll.

Das Maid ist in ganzer Länge nur vom Zwischenhiefer begrenzt und der Oberkiefer liegt abortiv klein im Fleisch. Ihr Schultergürtel ist nicht am Kopf, sondern weiter hinten an der Wirbelsäule aufgehängt. Sie haben keine Blinddärme, aber einen Blindsack des Magens. Ihx’e Schwimmblase enthält grofse Wundernetz- Gefäfskörper. Eierstock und Hoden ohne Aus- führungsgang. Daher Eier und Samen wahrscheinlich durch die sehr feinen Bauchöffnungen ahgehen, wie hei den Cyclostomen und wie die Eier der Salmonen.

Hiei'her die Gattungen Anguilla, ISluraena , Muraenophis , Spage- branchus, Ophisurus, UropygiiisBüpp., Leptocephalus{^). Saccopharynx ist nicht hinreichend bekannt, um seine Stelle zu lixiren.

XHI. Familie. Symbranchii Müll.

Der Zwischenkiefer reicht wie hei den Mui’aenoiden bis zum Mund- winkel, aber der Oberkiefer begleitet ihn eben so lang. Der Schultergür- tel ist wie bei den eigentlichen Aalen, nicht am Kojif, sondern weiter hin- ten aufgehängt. Sie sind ohne Blindsack des Magens und ohne Blind- därme. Der Darm ist ganz gerade und wird von der äufserst langen Leber bis ans Ende begleitet. Mehreren (Symbranchus , Monopterus , Amphip- nous), vielleicht allen fehlt die Schwimmblase. Die Eierstöcke sind schlauch- artig, seihst ausführend und die Hoden haben Samengänge.

(') Hierlier auch Tribranchus Peters, nov. gen, Tribranchus anguillaris Peters, Aale mit Brustflossen, aber nur 3 Kiemen aus den Sümpfen von Queliimane. Zusatz.

Physik. -malh. Kl. 1844. Bb

194

Müller:

Hierher die Gattungen Sjmhranchus, Monopterus, Amplüpnous Müll, (mit nur 2 Kiemen und einem accessorischen Athemsack (^), Alabes.

XIV. Familie. Gymnotini Müll.

Das Maul wird vorn vom Zwischenkiefer, an den Seiten vom Ober- kiefer begrenzt. Der Schultergürtel ist am Kopfe selbst aufgehängt. Sie haben Blinddärme und ihr After liegt an der Kehle. Die Eierstöcke sind schlauchartig, die Hoden mit Samengängen.

Hierher die Gattungen Gymnotus, Carapus i^'), Sternarchus (^).

Die Classification der P hysoslomi ruht nun auf festen Grundlagen, aber wir dürfen uns nicht verschweigen, dafs die Familien der Acanthopteri, in welchen die Unterscheidungen von Cu vier gröfstentheils geblieben sind, noch viel von künstlichen Absonderungen darbieten.

\HII. Ube r einige systematisch wichtige Verschiedenheiten in dem Bau der Nase und die danach zu bildenden Gattungen

der TeLrodon.

Die Beachtung der Nase wird schon bei den Labroidei ctenoidei und bei den Chromiden wichtig, indem sie hier statt zweier in der Regel nur eine einzige Öffnung auf jeder Seite besitzt. Die Labroidei ctenoidei zeigen es in allen Gattungen, von den Chromiden die mehrsten Gattungen, und es ist davon nur die Gattung Syjnphosodon Heck. ai;sgenommen.

Andere noch auffallendere Verschiedenheiten zeigen sich in der Bil- dung der Nase bei den Tetrodon. Die zahlreichen Arten derselben sind * (*)

(') Müller’s Archiv 1840, p. 115.

(*) Die Gattung Campus Cuv. zerfällt In mehrere neue Gattungen, nämlich:

Carapus Müll. Tr o sch. mit nur einer Reihe kegelförmiger Zähne Im Zwischenkie- fer und Unterkiefer. Hierher Carapus fascialus {Gymnotus brachiurus Bl.)

Sternopygus Müll. Trosch. mit hechelförmigen Zähnen. Hierher Gymnotus ma- crurus Bl. und 4 andere Arten.

Rarnphichthys Müll. Trosch., ohne Zähne. Hierher ü 1. S c hn.

P) Von der Gattung Sternarchus mit einem welchen peitschenartigen Fortsatz am Rü- cken hat man bis jetzt nur eine Art a/6/yrons- gekannt; denn der von Hrn.Valen-

ciennes hei D’Orhlgny unter dem Namen Sternarchus abgebildete Fisch gehört nicht dahin und ist ein Carapus. Dagegen hat Hr. Rieh. Schomhurgk in Gulana eine zweite Art Sternarchus entdeckt, dessen Schnautze in eine lange Röhre ausgezogen Ist, ähnlich wie h^\ Sternopygus rostratus. Es ist der Sternarchus oxyrhynchus Müll. Frosch.

Zusatz.

üher den Bau und die Gj'enzen der Ganoiden.

195

sonst sehr übereinstimmend gebildet. Beachtet man aber die Nase, so stöfst man auf so fundamentale Unterschiede, dafs man sich sogleich überzeugt, wie hier mehrere Gattungen unterschieden werden müssen.

Eine Gruppe der Tetrodonarten hat als Nase eine hohle gewölbte Pa- pille mit 2 Naslüchern. Am Seitenrand des Bauches dieser Fische von der Kehle bis auf den Schwanz befindet sich ein Hautkiel, diesem entspricht ein zweiter weiter oben gelegener Kiel an der Seite des Schwanzes. Zu dieser Untergattung Gastrophjsus Müll, gehören Tetrodon ohlongus, lu- nar is u. a.

Andere haben eine hohle Papille mit 2 Löchern, oder eine mehr oder weniger lange Naseimöhre mit 2 Naslöchern an derselben und keinen Kiel am Bauch, Chelichthys Müll.

Andere haben statt der Nasenhöhle mit 2 Öffnungen eine einfache offene häutige Nasencapsel, welche rundum mit Fältchen besetzt ist. Che- lonodon Müll.

Noch andere, wie Tetj'odon iestudinarius, haben statt der Nasen je- , derseits ganz solide Tentakeln, in welche der starke Geruchsnerve geht. Arothon Alüll. Diese Tentakeln haben entweder eine cylindrische oder conische Gestalt, oder sind lappenartig abgeplattet. In allen Fällen sind sie solid ohne Nasenhöhle und ohne Nasenöffnungen. In der Regel theilt sich ein solcher Tentakel in 2 Schenkel oder Lappen (“).

Abschnitt III.

Über die Stellung der Knorpel- und Knochen-Fische im natürlichen

System der Fische.

Cuvier kommt in seinen Bemerkungen über die methodische Ver- theilung der Fische am Schlüsse des I. Bandes seiner Hist. nat. d. poissons (*)

(*) Ich ziehe diesen Namen dem früher von mir vorgeschlagenen Physogaster vor, weil letzterer schon hei den Insecten angewandt ist.

(^) Eine neue Gattung der Tetrodonten ist von Ilrn. Peters in zwei Arten eingesandt. Anosrnius P e t. Es sind Tetrodon mit verlängerter Schnautze ohne Nase und ohne alle Spur von Tentakeln. Dahin gehört Tetrodon Solandri Richardson. Zool. of H. M. S. Sulphur. Ichthyol, pl. 57. fig. 4. 5. Zusatz.

Bb2

196

Müller:

zu dem Schlüsse, dafs die Aufstellung der Familien der Fische dermalen geringere Schwierigkeiten mehr darhiete, dafs es aber noch an wichtigen Charakteren fehle, die Familien genügend in gröfsere Abtheilungen zu or- dnen. Mais pour disposer ces genres et ces familles avec quelque ordre, il aurait ete necessaire de saisir un petit nombre de caractcu’es importans d’ou il resultät quelques grandes divisions qui sans rompre les rapports naturels, fussent assez pi’ecises poi;r ne laisser aucun doute sur la place de chaque poisson; et c’est ä quoi l’on n’est 23oint encore parvenu d’une maniere suffi- samment detaillee. Ich glaube, dafs wir jetzt zu diesem Grad unserer Kenntnisse gekommen sind und ich will es zidetzt versuchen, die grofsen Ablheilungen der Fische nach ihren innern und äufsern Charakteren zu ent- wickeln und in scharfe Definitionen zu fassen.

Die Abtheilung der Chondropterygier, zuerst von Arte di aufgestellt, von Gronov bestätigt und von Cuvier angenommen, zeigt sich zuvör- derst als eine unnatürliche Vereinigung der verschiedensten Familien , da linden sich die Sturionen, die Chimaeren, die Plagiostomen und Cjclosto- men vereinigt. Niemand kann daran zweifeln , dafs in dieser Abtheilung die vollkommenst organisirten Fische, die den Reptilien also näher stehen, und die unvollkommensten die Cyclostomen, nämlich die Petromyzon und Myxinoiden vereinigt sind, während die grofse Abtheilung der Knochen- fische nur Fische von verhältnifsmäfsig geringen Verschiedenheiten umfafst.

Zwar haben Pallas und Agassiz einen Theil dieser Fische, die Stu- rionen, von den übrigen abgelöst. Der erstere (zoograph. Ross, asiat.) vei’selzte die Störe unter die Fische mit Kiemendeckel und freien Kiemen, die er Branchiata nennt, und stellte dieser die Ordnung der Spiraculata ent- gegen, welche den Rest der Knorpelfische, unsere heutigen Plagiostomen, Chimaei’en und Cyclostomen umfafst. Agassiz, der die Fische in 4 Or- dnungen , Ctenoidei , Cycloidei , Ganoidei , Placoidei theilt , rechnete die Störe sehr richtig zu den Ganoiden und es blieben ihm in gleicher Weise die Haien, Rochen, Chimaeren und Cyclostomen übrig, so dafs seine Placoiden dasselbe was die Spiraculata Pallas zum Inhalt haben. Wenn sich die Cy- cloiden und Ctenoiden als Ordnungen nicht beibehalten lassen, so enthält diese Eintheilung andererseits neue und wichtige Elemente in der Entwicke- lung des natürlichen Systems. Die Ganoiden bewähren sich als sichere Or- dnung in verändei’ter Form und geben einen Theil ihres bisherigen Bestan-

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

197

des an die Gi’äthenflsche ab. Aber die Spiraculaten von Pallas oder Pla- coiden von Agassiz leiden immer noch an der Verbindung der vollkom- mensten und unvollkommensten Fische, welche in ihrer Anatomie die gröfs- ten Verschiedenheiten darbieten.

Die Plagiostomen oder Selachier des Aristoteles, nämlich die Hai- fische und Rochen, sind eine in ihrer ganzen Organisation eigenthümliche Abtheilung von Fischen, von allen verschieden durch ihre Schädel ohne Ab- theilungen, aber mit Kiefern und durch die Bedeckung aller Knorpel mit jener charakteristischen feinen Mosaik von pflasterartigen Knochenstückchen, welche im ganzen System der Fische nicht wiederkehrt, durch ihre ange- wachsenen Kiemen mit Spiracula der Kiemenhöhlen, bei der Gegenwart der Kiemenbogen, durch den Mangel des Kiemendeckels, durch die Gänge des Gehörlabyrinthes bis zur Haut, duixh ihre Geschlechtsorgane, da die Männ- chen die eigenthümlichen äufsern Organe und die Nebenhoden, die Weib- chen aber eine Vei’bindung der Tuben über der Leber zu einem einzigen orific. abd. und die charakteristischen Eileiterdrüsen besitzen. Die einzigen ihnen verwandten Fische sind nur die Chimaeren durch eine andere Art fei- ner Knochenrinde der Knorpel, durch die Übereinstimmung in den Einge- weiden, die gleiche Beschaffenheit der äufsern und innern männlichen Ge- schlechtsorgane, die Nebenhoden, die äufsern Anhänge, durch die Eileiter- drüsen und selbst die gleiche Beschaffenheit der Eischale.

Die Cyclostomen dagegen gleichen den Plagiostomen blofs durch die ungetheilten Kopfknorpel und die Spiracula, in allen übrigen Beziehungen aber entfernen sie sich von ihnen, insbesondere durch den völligen Mangel der Kiemenbogen , der Kiefer, durch ihre Geschlechtsorgane ohne Eileiter und ohne Samengänge, durch den völligen Mangel des Muskelbelegs am Arterienstiel oder truncus arteriosus, durch ihre 2 Arterienklappen.

Der Prinz von Canino (Selachorum tab. analytica 1838) hat die Eigenthümlichkeit der Haien, Rochen und Chimaeren als Untei’klasse rich- tig aufgefafst, für welche er den Namen Elasmobranchii aufgestellt, während er die Cyclostomen auch als eine seiner 4 Unterklassen unter dem Namen Marsipobranchii auffafst. Ich mufs diese Anordnung gutheifsen, dagegen die andern Unterklassen Lophobi’anchii, Pomatobranchii (letztere einschlie- fsend die Ordnungen Sclerodermi , Gymnodontes , Stuidones , Ganoidei,

198

Müller:

Ctenoidei, Cycloidei) durch den jetzigen Stand unserer Kenntnisse über die Anatoroie der Knochenfisehe und Ganoiden nieht bestätigt werden.

Indem ieh die Unterklasse der Marsipohi’anchii oder der Cyelostomen annehme, so rechne ich zu ihr nicht den Amphioxus; aus den der Akademie vorgelegten Untersuchungen ziehe ich den Schlufs, dafs er in keiner bekann- ten Fischordnung oder Unterklasse aufgenommen werden könne, obgleich er den Cyelostomen am nächsten steht, duixh den Mangel der Kiefer und den Bau des Skelets. Die Gründe, die dies verbieten, sind die Museula- rität des ganzen Gefäfssystems ohne besonderes Herz, ein unter den Fischen und selbst unter den Wirbelthieren einziger Charakter, die Lage der Kiemen in der Bauchhöhle, mit einem Porus resp. der Bauchhöhle , der Mangel einer Unterscheidung zwischen Gehirn und Rüekenrnark, die Reduction der Leber auf einen Blindsaek des Darms und die auf allen Schleimhäuten ver- breitete Wimperbewegung. Er ist der Typus einer besondern Unterklasse, die ich Leptocardii nenne.

Eine besondere Unterklasse der Fische bilden auch die beschuppten Fische mit Lungen und Kiemen zugleich und mit durchbohrten Naslöchern, Dipnoi Nob., wohin Lepidosiren. Die Klappen liegen im musculösen Bulbus longitudinal und spix’al. Der Darm mit Spiralklappe, wie bei den Plagiostomen, Ganoiden und einigen Cyelostomen. Eileiter in die Bauchhöhle geöffnet. Ihre Wirbelsäule besitzt eine Chorda mit aufgesetzten Apophysen.

Ziehen wir diese 4 Al^theilungen der Fische ab, so bleiben noch 2 Abtheilungen mit Kiemendeekel und freien Kiemen, die Ganoiden und die eigentliehen Gräthenfische, welche sich, abgesehen von allen andern Unter- schieden, sogleich durch den Bau des Herzens und die Klappen theiUn. Alle eigentlichen Gräthenfische ohne den Muskelbeleg des Arterienstiels und mit 2 Arterienklappen nenne ich Tel eo st ei, d. h. vollkommene Knoehen- fische. Wir erhalten also 6 Unterklassen mit festen und sichern Charak- teren, wie sie Cu vier verlangte und vermifste.

1) Teleostei Müll. 2) Dipnoi Müll. 3) Ganoidei Agass. Müll. 4) Elasmobranehii Bonap. s. Selachii. 5) Marsipobran- chiiBonap. s. Cyelostomi. 6) Leptocardii Müll.

Ich stelle die Ganoiden und Selachier in die Mitte , nach der einen Seite bilden die Ganoiden den Übergang zu den Teleostei und Dipnoi, naeh der andern die Selachier zu den Cyelostomi und Leptocardii.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

199

Die Teleostier oder eigentlichen Gräthenfische zerfalle ich in 6 Or- dnungen :

1) Acanthopteri Müll.

2) Anacanthini Müll.

3) Pharyngognathi hlüll.

4) Physostomi Müll.

5) Plectognathi Cuv.

6) Lophobranchii Cuv.

Unter Acanthopt eri verstehe ich nur diejenigen unter Cuvier’s Stachelflossern, welche doppelte Schlundknochen haben, indem ich die La- hroiden und verwandten entferne. Bei den mehrsten sind die Bauchllossen bei den Brustflossen. Ihre Schwimmblase ist, wenn vorhanden, immer ohne Luftgang. Hierher folgende Familien:

Percoidei Cuv. Cataphracti Cuv. Sparoidei (incl. Mae- nides). Sciaenoidei Cuv. Lahyrinthici Cuv. Mugiloidei Cuv. Notacanthini Müll. (Notacanthus , Rhynchohdella , Mastacemhlus). Scomheroidei Cuv. Squamipennes Cuv. Taenioidei Cuv. Go- bioidei Müll. (incl. Cyclopteri). Blennioidei. Pediculati Cuv. Theutyes Cuv. Fistulares Cuv.

Die Familie der Notacanthini umfafst Stachelflosser mit abdominalen oder fehlenden Bauchflossen , vielen von einer Rückenflosse unabhängigen Rückenstacheln , und deren Schul tergürtel statt am Kopfe weiter zurück an der Wirbelsäule aufgehängt ist wie hei den Aalen. So ist es hei Notacanthus sowohl als Mastacemhlus.

Die Anacanthini sind Fische, welche im innern Bau mit den Acan- thoptern übereinstimmen, deren Schwimmblase, wenn vorhanden, auch ohne Luftgang ist, die aber nur weiche Strahlen haben. Ihre Bauchflossen, wenn vorhanden, stehen an der Brust oder Kehle. Cuvier’s Malacopterygii sub- brachii zum Theil und Malacojiterygii apodes zum Theil.

Familien Gadoidei. Ophidini. PI euronectid es.

Die Pharyngognathi sind Stachelflosser und Weichflosser mit vereinigten untern Schlundknochen. Ihre Bauchflossen stehen theils an der Brust, theils am Bauch. Ihre Schwimmblase ist immer verschlossen, ohne Luftgang.

200

Müller:

Familien Labroidei cycloidei Müll. Labroidei ctenoidei Müll. Cbroniides Müll. Scomberesoces Müll.

Die P/iysostomi sind Weicbflosser, deren Baiichflossen, wenn vor- handen, immer abdominal sind, die einzigen in dieser Untei’klasse , deren Schwimmblase immer einen Lnftgang besitzt.

Zu den Physostomi abdoininales gehören:

Familien Siluroidei Cuv. Cyprinoidei Ag. Characini Müll. Cyprinodontes Ag. Mormyri Cuv. Esoces Müll. Galaxiae Müll. Salmones Müll. Scopelini Müll. Clupeidae Cuv. He- teropygii Tellk.

Zu den Phjsostomi apodes s. anguillares gehören die Fami- lien: Muraenoidei Müll. Symbranchii Müll. Gymnotini Müll.

In der Familie der Siluroiden Cuv. unterscheide ich als Gruppen die eigentlichen Siluroiden oder Siluri und die Goniodontes Agass. oder Lo- ricarinen.

Plectognathi Cuv. Obgleich die unbewegliche Verbindung des Ohex’kiefers und Zwischenkiefers hei dieser Ordnung nicht constant ist und auch hei andern Fischen diese Verwachsung zuweilen vorkommt, wie bei mehreren Characinen (SeiTasalmo u. a.), so haben die Plectognathen Cu- vier’s doch sehr viel verwandtes in ihrer Hauthedeckung, deren Schuppen, Rauhigkeiten, Stacheln, Schilder von den gewöhnlichen Fischschuppen ab- weichen. Hierher gehören die Familien:

Balistini, Ostraciones, Gymnodontes.

Die letzte Ordnung der Teleostier bilden die Lophohr anchier , welche in nichts wesentlichem von den übrigen Gräthenfischen abweichen.

Die Selachier zerfallen in 2 Ordnungen, die Plagiostomen und HolocepJialen. Die Plagiostomen müssen aber wieder in Unterordnun- gen, die Haifische und Rochen gebracht werden, denn die Rochen unter- scheiden sich von den Haien durch den vollständigen ringförmigen bis unter die Haut des Rückens tretenden Schultergürtel, durch die nach unten ge- schlitzten Kiemenlöcher, Verlust oder Anwachsen der Augenlieder, Verbin- dung der Brustflosse mit dem Kopf durch Schädelflossenknorpel und die bei allen Rochen vorkommende Verschmelzung des vordem Theils des Rück- grats zu einem einzigen grofsen Knorpel ohne Wirbelabtheilung, was auch

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

201

noch die Pristis zeigen, während die Sägefische unter den Haien Pristiopho- rus sich auch darin wie in allen Beziehungen als Haien verhalten.

Die Familien der Haien sind ;

Scyllia, Nictitantes, Lamnoidei, Alopeciae, Cestracio- nes, Rhinodontes, Notidani, Spinaces, Scymnoidei, Squatinae.

Bei den Familien der Rochen, wie sie in der systematischen Be- schreibung der Plagiostomen axifgestellt sind, ist nichts weiter zu be- merken, als dafs die Gattung Platyrhina zu den eierlegenden Rochen, also zur Familie der Rajae gehört (‘).

Classis, Pisces.

Subclassis I. Dipnoi.

Ordo I. Sirenoidei.

Familia: 1. Sirenoidei.

Subclassis II. Teleostei.

Ordo I. Acanthopteri.

Familiae: 1. Percoidei.

2. Cataphracti.

3. Sparoidei.

4. Sciaenoidei.

5. Labyrinthiformes.

6. Mugiloidei.

7. Notacanthini.

8. Scomberoidei.

9. Squamipennes.

10. Tacnioidei.

11. Gobioidei.

12. Blennioidei.

13. Pedicidati.

14. Theutyes.

15. Fistulares.

(') Siehe Abh. d. Akad. d. Wissensch. a. d. J. 1840. p. 246. Von der Gattung Trygo- norhina, deren Eier ich nicht kenne, ist zu vermuthen, dals sie sich wie bei Platyrhina ver- halten.

Physik. -maih. Kl. 1844.

Cc

202

Müller:

Ordo n. Anacanthini.

Subordo I. Anacanthini subbrachii. ’T-

Familiae: 1. Gadoidei.

2. Pleuronectides.

Subordo II. Anacanthini ap ödes.

Familia: 1. Ophidini.

Ordo III. Pharyng o gnathi.

Subordo I. Pharyngognathi acanthopterjgii. Familiae: 1. Labroidei cycloidei.

2. Labroidei ctenoidei.

3. Chromides.

Subordo II. Pharjngognathi malacopterygii. Familiae: 4. Scomberesoces.

Ordo IV. Physostomi.

Subordo I. Physostomi abdominales.

Familiae: 1. Siluroidei.

2. Cyprinoidei.

3. Characini.

4: Cyprinodontes.

5. Mormyri.

6. Esoces.

7. Galaxiae.

8. Salmones.

9. Scopelini.

10. Clupeidae.

11. Heteropygii.

Subordo II. Physostomi apodes s. anguillares. Familiae: 12. Muraenoidei.

13. Gymnotini.

14. Symbranchii.

Ordo V. Plectognathi.

Familiae: 1. Balistini.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

203

Familiae: 2. Ostraciones.

3. Gymnodontes.

OrdoVl. Lophobranchii.

Familia: 1. Lopbobranchi.

Subclassis III. Ganoidei.

Ordo I. Holostei.

Familiae: 1. Lepidosteini.

2. Polypterini.

Ordo n. Chondrostei.

Familiae: 1. Acipenserini.

2. Spatulariae.

Subclassis IV. Elasmobranchii s. Selachii. Ordo I. Plagiostomi.

Subordo I. Squalidae.

Familiae: 1. Scyllia.

2. Nictitantes.

3. Lamnoidei.

4. Alopeciae.

5. Cestraciones.

6. Rhino dontes.

7. Notidani.

8. Spinaces.

9. Scymnoidei.

10. Squatinae.

Subordo II. Rajidae.

Familiae: 11. Squatinorajae.

12. Torpedines.

13. Rajae.

14. Trygones.

15. Myliobatides.

16. Cephalopterae.

Ce 2

204

Müller:

Ordo II. Holocephali.

Faniilia: 1. Chimaerae.

SubclassisV. Marsipobranchii s. Ctclostomi. Ordo I. Hjperoartii.

Familia: 1. Petromjzonini.

Ordo II. Hjperotreti.

Faniilia: 1. Myxinoidei.

Subclassis VI. Leptocardii.

Ordo I. Amphioxini.

Familia: 1. Amphioxini.

Nachschrift.

1) Ehi Auszug gegenwärtiger Abhandlung in Wiegmann’s Archiv 1845 Heft 1. ist von Hrn. C. Vogt ins Französische übersetzt und in den An- nales des Sciences naturelles 1845, Juli, gedruckt. Hr. Vogt hat dieser Abhandlung einige Bemerkungen über die Ganoiden folgen lassen; darin ist eine Beobachtung enthalten, wodurch diese Materie um eine wichtige That- sache vermehrt wird. Hr. Vogt hat bei Untersuchung der Amia calva des Pariser Museums auf die von mir aufgestellten Charactere von den Klappen und dem Muskelbeleg des Arterienstiels der Ganoiden in der Amia einen neuen Ganoiden der Jetztwelt entdeckt. Er fand nämlich bei diesem Fisch, der von Cu vier unter die Chipeiden gebracht und den ich danmter gelassen, 2 Quer -Reihen von Klappen im Arterienstiel und in jeder Reihe 5 6 Klappen, auch w-ar der Arteilenstiel wie bei anderen Ganoiden äufserlich von einer scharf abgegrenzten Lage von Muskellleisch umgeben. Ungeach- tet dieser Übereinstimmung mit Poljptej'us und Lepisosteus haben doch die Schuppen der Amia mit den Schuppen jener Ganoiden durchaus keine Ähn- lichkeit und man sieht hiebei wieder , wie wenig man sich auf die Schuppen verlassen kann. Die Schuppen der Amia sind nichts weniger als knöcherne Tafeln, sie sind biegsam und abgerundet. Unter den fossilen Fischen,

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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welche Hr. Agassiz zu den Ganoiden zählte, gieht es schon ähnliche Schup- pen bei den Megalurus und Leplolepis, und es ist dies ein Grund mehr, dafs diese beiden Gattungen, über welche ich selbst zu keinem bestimmten Urtheil gekommen bin, Ganoiden sein mögen. Auch im Halntus gleicht die Amia, wie jene, mehr den Knochenfischen als den übrigen Ganoiden. Ich hatte sie auf ihr Herz nicht, sondern nur ihre äufseren Charactere an dem Exemplare der zoologischen Sammlung zu Paris, so wie die ausgenom- menen Baucheingeweide im anatomischen Cabinet eliendaselbst untersucht.

Hr. Vogt glaubt, dafs Ainia ungeachtet dieses Baues des Arterien- stiels von den Sudis und Osteoglossum nicht getrennt werden könne , da sie sonst so ähnlich seien. Sudis ist nach meiner Beobachtung ein Kno- chenfisch mit 2 Herzklappen ohne Muskelbeleg des Arterienstiels und eben so verhält sich Osteoglossum. Jene Meinung läuft darauf hinaus oder kann so ausgedrückt werden, dafs diese Fische zusammen entweder Ganoiden, oder zusammen Knochenfische seien, sei es, dafs die Sudis und Osteoglos- sum der Ajuia , oder die Amia den Sudis und Osteoglossum folgen. Aber das war ja eJjen die Aufgabe meiner Arbeit, Charactere zu finden, welche über alle äufsern Formverhältnisse hinaus die Fische nach ihren fundamen- talen innern Verwandtschaften zusammenführen. Ich glaube, dafs diese Aufgabe für immer gelöst ist und ich kenne keine äufsern Charaktere, die wichtig genug wären, 2 Fische zu verbinden, die ihrem innern Bau nach so verschieden sind als ein nacktes und lieschupptes Amphibium. So gewifs alle nackten Amphibien ülicrcinstimmen , dafs sie ein Aortcnlierz besitzen, so nothwendig dieses Herz allen beschuppten Ampliiiiien fehlt, so scharf unterscheiden sich die Ganoiden und die Knochenfische in diesem absoluten Character. Das Schicksal der Sudis und Osteoglossum als Knochenfische ist lür immer bestimmt durch den Bau, den ich von ihnen angegeben, und ebenso bestimmt ist das Schicksal der Amia als Ganoiden durch die Beob- achtung von Hin. Vogt entschieden, und es läfst sich mit Bestimmtheit voraussetzen, dals sich Amia auch in den ülirigen Characteren als Ganoid verhalten werde, nämlich in dem Chiasma der Sehnerven und in dem Bau des Auges.

Man hielt ehemals die Esojc, Belone und Lepisosteus für so ähnlich und verwandt, dafs sie vermöge ihrer Form in demselben Genus standen. Nachdem die Lepisosteus entfernt waren, schienen wenigstens die Gattungen

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Müller:

Esox und Belone unzertrennlich zu sein; die Anatomie hat diese Verwandt- schaft zersetzt, dafs davon keine Rede mehr sein kann. Und worin soll nun die bindende Übereinstimmung der Amia mit den Sudis und Osteoglossum bestehen? Es sind Malacopterjgii ahdominales mit schuppenlosem, hartem Kopf. Den haben unzählige Fische der verschiedensten Ahtheihmgen und er ist so wenig etwas Aufserordentliches als bei den Erythiinus und bei anderen Characinen (den nächsten Verwandten der Karpfen). Ihre Schup- pen sind gänzlich unähnlich. Die Schuppen der Sudis {Arapaimä), Hete- j'oüs, Osteoglossum sind mosaikartig aus Stücken zusammengesetzt, auf der Oberfläche gramdirt, die Schuppen der Osteoglossum auch wie bei andern Knochenfischen concentrisch gestreift, die Schuppen der Amia sind nicht zusammengesetzt und haben auf der Oberfläche parallele der Länge nach verlaufende erhabene Linien.

Ich weifs noch weniger, warum Ilr. Agassiz in der dritten Lieferung seiner poissons fossiles du vieux gres rouge die Sudis zu der Familie der Coelacanthen unter den Ganoiden bringen will. Die Coelacanthen sind nach Agassiz Fische, w^elche sich auszeichnen, dafs ihre Flossenstrahlen hohl sind und ich setze hinzu, deren Wirbel nur knöcherne Apophysen, aber keinen festen Kern haben. Beides kann von den Sudis nicht gelten. Wären die Sudis den Coelacanthen verwandt, so würde ich es als erwiesen ansehen, dafs die ächten Knochenfische der Jetztwelt bis in die ältesten Formationen der Vorwelt hinabreichen. Da ich diese Sudis längst in allen Beziehungen anatomisch untersucht habe, so kann ich für gewifs versichern, dafs sie sich nicht in einem Punkte von dem gemeinsamen Typus aller unserer Knochen- fische entfernen. Sie schliefsen sich ferner durch die Osteoglossum an die Megalops und Notoptej'us und durch diese selbst an die Chatoessus und Clupea.

Die anatomischen Charactere der grofsen Ablheilungen müssen aller- dings absolut, d. h. ohne Ausnahmen sein, sie sind es aber auch. Sie sind nur bis jetzt zu wenig beachtet. Wie viele Zoologen und Anatomen hätten es wohl bis jetzt beachtet, dafs alle nackten Amphibien ein Aortenherz be- sitzen, und dafs es allen beschuppten fehlt! Dafs es bei den Fischen nicht allein auf die Klappenreihen ankömmt, liegt auf der Hand, die Unterschiede in den Klappenreihen sind nur gleichzeitig mit der tiefem Verschiedenheit in dem Bau des Herzens, in der Existenz oder dem Mangel einer ganzen Herzabthei-

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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lung, und mit andern von mir nachgewiesenen durchgreifenden Verschieden- heiten.

2) Seit die Abhandlung der Akademie vorgelegt ist, sind neue Mate- rialien zur Anatomie der Ganoiden eingegangen. Hr. Dr. Ro einer hat mir eine Spatulai'ia und eine hinreichende Anzahl von Exemplaren des Lepi- sosteus hison De Kay L. osseus Ag. in Weingeist geschickt. Ihre Zergliede- rung hat mich gelehrt, dafs die allgemeinen und absoluten Charactere der Ganoiden zahlreicher sind. Sie umfassen nicht hlofs den Bau des Arterien- stiels und seine Klappen, und das Chiasma n. opt. sondern auch die Spiral- klappe des Darms, die Verzweigung der Kiemenarterie zum Kiemendeckel und den Bau des Auges.

Bei Lepisosteus ist die Spiralklappe des Darms bisher übersehen wor- den, sie ist nur rudimentär und auf den Theil des Darms vor dem Mastdarm beschränkt, wo sie 3 Schi'auhenwindungen macht, sie ist auch äufserst nie- drig, functionell ohne Wirkung drückt sie nur den allgemeinen Plan der Ga- noiden aus. Amia hat nach den Beobachtungen von Vogt auch eine wenig ausgehildete Spiralklappe. Offenbar schreitet dieser Theil in seiner Ent- wickelung von unten nach oben vor.

Bei denjenigen Ganoiden, bei welchen die respiratorische Kiemen- deckelkieme fehlt, gieht die Kiemenarterie doch einen Ast zum Kiemendek- kel, so dafs diese Arterie gleichsam als Aequivalent jener Kieme oder als Aortenbogen anzusehen ist. Ich habe dies hei Poljpterus, auch hei Spa- tularia beobachtet und in hen Abbildungen erläutert. Hieraus geht wieder die tiefere Gesetzmäfsigkeit hervor, welche selbst die Abweichungen be- herrscht. Es ist daher zu vermuthen, dafs dieser Ast auch bei Amia gefun- den werde, welcher auch die Kiemendeckelkieme fehlt. Das Verhältnifs der Gefäfse der respiratorischen Kiemendeckelkieme der Lepisosteus zu denen der Pseudohranchie wurde nun vollends aufgeklärt. Die erstere ei’hält ihr Blut aus der Kiemenarterie, die Kiemenvene der resji. Kiemendeckelkieme verwandelt sich in die Arterie des Kiemendeckels. Diese schlägt sich um

(') Das Exemplar hat Zähne in Kiefer uiifl Gaumenbeinen, also Polyodon folium Lac. der vielleicht nur das junge der gröfseren Planirostra edenliila ist. Siehe Ahh. d. Akad. a. d. J. 1834 p. 211. Die Spatularlen besitzen auch Fulcra an der Schwanzfirste, wie die Störe, und die Seite des obern Schwanzlappens ist getäfelt.

208 Müller; über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

die Einlenkung des Zungenbeins, bängt hier mit der arteria hyoidea vom ventralen Ende der Kiemenvene des ersten Kiemenbogens zusammen, dringt wieder zur innern Seite des Kiemendeckels und giebt die Arterie der Pseu- dobrancbie. Die Vene der Pseudobranchie wird carotis interna wie bei den Plagiostomen und Stören.

Die Eierstöcke der Lepisosteus weichen wesentlich ab von denen der Polyptej'us, und die Unterschiede sind so grofs wie zwischen einigen Fami- lien von Knochenfischen. Bei Lepisosteus sind nämlich die Eierstöcke sack- artig und die Eier entwickeln sich in der Dicke der innern Wand des Sackes, welcher sich in den Eileiter fortsetzt. Die Eileiter gehen nicht aus dem Ende, sondern aus der Mitte der Länge der Säcke ab, so dafs die Säcke nach voi'n und hinten blind sind. Lepisosteus besitzt Abdominalöffnungen neben dem After wie die Plagiostomen und Störe, aber nicht den Canal des Herzbeutels zur Bauchhöhle.

Das Auge des Lepisosteus ist ohne processus falciformis, ohne Spalt der retina, ohne Choi’oidaldrüse und dies scheint allgemeiner Character der Ganoiden.

Uber diese und andere von mir neuerlich beobachtete Thatsachen aus der Anatomie der Ganoiden habe ich der Akademie am 12. März 1846 Be- i’icht erstattet. Monatsbericht der Akademie 1846 März und Archiv f. Na- turgeschichte 1846. I. p. 190. Uber die Nexwen und Artei’ien siehe die Er- klärung der Abbildungen.

3) Die Schilddrüse ist von Stannius axich bei den Knochenfischen gefunden. Stannius vergl. Anat. d. Wii’belthiere. Beidin 1846. p. 480.

4) Unter die Muraenoiden gehören noch die Gattungen Ichtliyophis Lesson und ISloringua Gray, unter die Scopelinen die Gattung Astrones- thes Richardson, the zoology of H. M. S. Sulphur. Ichthyology p.97, unter die Clupeiden die Gattung Coilia Gray.

Erklärung der Kupfertafeln. Tafel I.

Schädel von Polypterus bichir.

Fig. 1. Obere Ansicht des Schädels.

Fig. 2. Ansicht der Basis cranii.

Fig. .3. Ansicht des Kopfes und Kiemengerüstes von unten.

Fig. 4. Seitenansicht.

Fig. 5. Ansicht des Schädels von hinten. a OS frontale. b parietale.

b' Spritzloch an der Seite des Scheitelbeins. c nasale. d ethmoideum.

e alare. Flügelbein an der Basis des häutigen Nasenröhrchens oder Tentakels, welches den vordem Eingang der Nase bildet.

J" intermaxiUare. g maxillare.

Hautknochen vom Oberkiefer bis Vordeckel. h orbitale anterius. i orbitale posterius.

i' Mehrere intercalaria zwischen Stirnbein und Vordeckel.

i" Zwei ähnliche Knochen, welche eine Klappe über dem Spritzloch b’ bilden. Die Portion des Kaumuskels, welche an der innnern Seite des praeoperculum sitzt, heftet sich auch an diese Klappe fest, so dafs dieselbe durch Muskelbewegung geschlossen werden kann. i"’ Noch andere Hautknochen in der Hinterhauptsgegend.

k palatinum stöst mit dem der andern Seite vor dem Vomer durch Nath zusammen. l pterygoideum externum Nob. transversum Cuv.

Tti pterygoideum internum.

n quadrato-jugale, Schläfenjochbein, trägt den Unterkiefer (ist bei Agassiz transversum genannt), O praeoperculum. o' operculum. o" suboperculum. p vomer.

9 sphenoideum basilare. r occipilale, ein ungetheilter Knochen.

r' Loch für die unpaare Carotis, welche aus dem Zusammenflufs der Kiemenvenen beider Seiten nach vorn abgeht, gleich wie die aorta descendens von hier nach rückwärts geht.

S temporale.

5’ temjiorale accessorium, schliefst sich durch Nath an den hintern obern Theil des temporale an, beide sind am Schädel eingelenkt, das temporale accessorium wird an der innern Seite vom hintern Theil des Spritzlochs sichtbar. Siehe Fig. 1. t mastoideum Ag. 2 Öffnung für den nervus vagus zwischen mastoideum und occipitale.

XX Gelenklläche des Quadratjochbeins für den Unterkiefer.

Kl. 1844.

Dd

210

Müller:

yy Gelenkfläche am temporale für das oberste Stück des Zungenbeins.

mx OS dentale des Unterkiefers, mx' os operculare des Unterkiefers, mx" os angulare des Unter- kiefers, mx"' OS articulare des Unterkiefers, bildet das hinterste Ende und das Gelenk zu- gleich.

Ib Tdundwinkelknorpel, am Unterkiefer befestigt.

SS superscapulare. s's scapula Cuv.

cc Hauptstück des Schultergürtels. Cuvier’s humerus. cs, cs. Zwei Fvochenstücke, welche an der Verbindung zwischen s's und cc liegen. ff Hautknochen unter dem Schultergürtel. cp, cp Zwei Handwurzelknochen.

0. Mittelhandknochen, zwischen beiden eine Korpelplatte mit dem Knochenkern |S.

S Anfänge der Flossenstralüen , es sind ungegliederte Stücke, an welche sich erst die geglie- derten Flossenstrahlen ansetzen. Die Bauchflossen des Polypterus besitzen auch diese eigen- genthümlichen Basen der Flossenstrahlen, welche man auf den ersten Blick für eine Art Mit- telfufs halten kann. Die Existenz einer besondern Mittelhand, aufserdem an der vordem Extremität, spricht aber gegen diese Deutung. hy Mittelstück des Zungenbeins und Kiemengerüstes.

hy hyoideum superius (jugale Agafs.), sitzt am temporale bei yy (Fig. 2), hat nichts mit dem Unterkiefer zu thun, mit welchem es bei Agassiz verbunden ist. hy hyoideum secundum. hy" hyoideum tertium.

1 1 Zuugenknorpel.

hc Knochenstück, welches vom Zungenbein von der Verbindung von hy und hy"" abgeht, gegen den Schultergürtel und mit diesem durch Vermittelung der Bänder und des unpaaren Kno- chens hd zusammenhängt. hr Unterstes Glied des ersten Kiemenbogens. bd' Zweites Glied des ersten Kiemenbogens. bd" Oberstes Glied des ersten Kiemenbogens, ist doppelt. rd Knochenplatte an der Stelle der Kiemenhautstrahlen.

Fig. 6. Zungenbein und Kiemengerüst besonders. hy Knöchernes Mittelstück. br Hinteres knorpliges Mittelstück. hy, hy, hy’" Die drei Stücke des Zungenbeinhorns.

bd, bd', bd" , Die 3 Glieder des ersten Kiemenbogens, das oberste Stück bd" ist doppelt.

Der zweite und dritte Kiemenbogen bestehen aus 2 Gliedern, der vierte aus nur einem Glied. Schlundknochen fehlt.

In Hinsicht der Abweichungen in der Bezeichnung der Knochen von der Analyse des Schädels des Polypterus durch Agafsiz, verweise ich auf das Archiv f. Anatomie 1843. Jahresbericht p. CCXXXIX.

Als eine eigenthümliche Erscheinung am Skelet des Polypterus und Lepisosteus ist noch zu bemer- ken, dafs die untern Dornen sich als besondere Knochen erhalten und dafs sie nicht, wie bei andern Fi- schen, aus der Vereinigung der unteren Apophysen der Wirbelkörper entstehen (die in der Jugend besondere Knochenstücke sind), sondern aus der Vereinigung der Rippen selbst entstehen, wie bei den Lepisosteus zu sehen. Bei den Knochenfischen ist es ganz anders, denn in vielen Fällen hängen die Rippen noch an den untern Dornen am Ende des Bauches.

Tafel II.

Fig. 1. Vertheilung der Kiemenarterie an die Kiemen und die respiratorische Nebenkieme bei Lepisosteus semiradiatus Ag.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

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a Kiemenhaut in der Mitte aiifgeschnitten und aufgeschlagen. b Respiratorische Nebenkieme. c Pseudobranchie.

d Muskulöser Arterienstiel, in welchem die Klappenreihen, e Ast für den dritten und vierten Kiemenbogen. e’ Ast für den zweiten Kiemenbogen, e" Ast für den ersten Kiemenbogen.

e'" Endast der Kiemenarterie, welcher an der Innern Seite der Kiemenhaut zwischen Schleim- haut und Muskelschicht zur respiratorischen Nebenkieme tritt. f Arterie der Pseudobranchie, erscheint an der innern Seite des Kiemendeckels (entstanden aus der Vene der respiratorischen Nebenkieme), g' Vene der Pseudobranchie, wird carotis interna.

Fig. 2. Der muskulöse Arterienstiel desselben Lepisosteus aufgeschnitten, mit den Klappenreihen. Ver- gröfsert.

Fig. 3. Dasselbe von Polypterus bichir. Vergröfsert.

Fig. 4. Hirn von Polypterus bichir von der obern Seite.

Fig. 5. Dasselbe vergröfsert von oben.

Fig. 6. Dasselbe von unten.

Fig. 7. Dasselbe von der Seite. a medulla oblongata. b Corpus restiforme. c Kleines Gehirn.

c' Anschwellung des kleinen Gehirns innerhalb des vierten Ventrikels d lobus opticus, e hypophysis. f fissura cerebri magna.

g Ursprung des nervus opticus aus dem lobus opticus.

^ chiasma nervorum opticorum. h Hemis])häre des grofsen Gehirns.

4' Einschnitt an der Seite derselben, von diesem Einschnitt und von der Vertiefung zwischen beiden Hemisphären giebt Fig. 7* einen senkrechten Durchschnitt.

I lobus olfactorius.

k Mittlerer Theil des grofsen Gehirns, von welchem die Hemisphären und lobi olfactorii aus- gehen, Hirnstiel.

Fig. 8. Senkrechter Querschnitt des Nasenlabyrinthes.

Fig. 9. Das Nasenlabyrinth mit aufgeschlitzten Nasengängen.

X, X Zwei der 5 sternförmig verbundenen Nasengänge aufgeschlitzt, mit den kiemenartigen Quer- fältchen.

y Achse um welche die fünf Nasengänge gestellt sind.

~ Geruchsnerve.

Tafel III.

Fig. 1. Ansicht einiger Hirnnerven von Polypterus.

a Stirnbein. b Scheitelbein. b' Knorpelmasse zwischen Scheitelbein und q Keilbein. b" Stelle, wo das abgelöste Temporale s und accessorium temporale 5' eingelenkt sind, cc Schul- tergürtel, abgelöst. J Kaumuskel vom Schädeldach. B Kaumuskel vom Schläfengürtel. C Kiemen. D Seitenmuskeln. E Enden der Gräthenknochen, welche sich mit dem Schuppenpanzer an der Seitenlinie verbinden. a N. opticus tritt durch die her.absteigende Wand des Stirnbeins. «' Nervus trochlearis, tritt durch eine besondere kleine Öffnung der

Dd2

212

Müller:

herabsteigenden Wand des Stirnbeins. ß oculomotoirns, tritt durch eine Öffnung des her- absteigenden Theils des Stirnbeins mit dem abducens 7 und einem Theil des Trigeminus. S Ast des Trigeminus zur Schautzen- und Nasengegend aus dem vordem Hauptast des Tri- geminus, gellt unter dem musc. trochlearis. g Ast zur selben Gegend, vom vordem und hintern Ast des Trigeminus zugleich zusammengesetzt, geht über dem musc. trochlearis hin. ^ Hinterer Ast des Trigeminus, geht zwischen Stirnbein und Keilbein aus, vertheilt sich in den Kaumuskeln A und B, im Gesicht, Gaumen und im Unterkiefer. S- ramus opercularis n. trigemini gellt von dem hintern Ast, aber durch einen Kanal des Keilbeins und vertheilt sich wie bei den Knochenfischen. i N. glossopharyngeus tritt zwischen Keilbein und mastoi- deum aus, verbindet sich durch eine Anastomose mit dem ramus opercularis, und vertheilt sich wie bei den Knochenfischen. x vagus tritt durch eine Öffnung zwischen occipitale und mastoideum. x’ Aste des vagus für die Kiemen und Muskeln der Kiemenbogen. X Obe- rer Seitennerve, verläuft neben der obern Mitte des Körpers, f* Unterer Seitennerve, verläuft mit dem Lymphgang v der Seitenlinie. 0 ramus intestinalis n. vagi für Schlund, Magen und Schwimmblase, der rechte verbreitet sich an der rechten Seite der gröfsern Schwimmblase, der linke auf der linken Schwimmblase und zugleich an der linken Seite der gröfsern rechten Schwimmblase.

Hinter dem vagus treten noch 2 Nerven aus dem Hinterhauptsbein, der erste ist der hypoglossus zum musculus sternohyoideus, der zweite geht zur Brustflosse und erscheint die Seitenmuskelu durchbohrend n mit noch zwei andern Nerven p und o-, die von den ersten Spinalnerven kommen, tt, ß, <r gehören der Brustflosse an.

Der Sympathicus des Polypterus verhält sich durchaus wie bei den Knochenfischen, er hat sehr lange rami communicantes.

Fig. 2. Vertheilung der Kiemenarterie und der Arterien und Venen der Schwimmblase von Polypterus.

A Herzkammer. B Vorhof. C Muskulöser Beleg des Arterienstiels. D Kiemenarterie. d Ast für die zweite, dritte und vierte Kieme. d' Ast für die erste Kieme. d" Kiemendek- kelast der Kiemenarterie. E Diaphragma. F' Herzbeutel. GG Schwimmblasen mit ihrer Muskulatur. e Arterie der Schwimmblase, entspringt aus der Kiemenvene der vierten Kieme. yVene der Schwimmblase, geht zur mittleren Hohlvene g, welche auch das Le- bervenenblut aufnimmt. Vergl. Taf. VI.

Tafel IV.

Drei Ansichten des Kopfes von Lepisosteus bison Dekay, L. osseus Ag., welche sich ergänzen. Bei Fig. 2 sind die Hautknochen, welche das Auge umgeben, bis zum Kiem'endeckel abgenommen und die Kaumuskel so weit aufgehoben, dafs die Augenmuskeln und Augennerven zum Vor- schein kommen. Bei Fig. 3 ist Auge und Muskeln entfernt, a OS frontale rechter Seite. h OS parietale rechter Seite. b' mastoideum bei Agassiz. b” frontale post, bei Agassiz.

c OS occipitale superius rechter Seite, oder vielmehr Hautknochen, das os occipitale superius ersetzend, über den ossa occipitalia lateralia. d,d,d 3 Hautknochen, welche über dem petrosum liegen. e operculum. f suboperculum.

g praeopercuculum Cuvier, ich habe im Archiv 1843 Jahresbericht CCXLVII bewiesen, dafs der Vordeukel der Fische nichts anders als das os tympanicum der hohem Thiere ist.

über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

213

h temporale ist in Fig. 2 vom Schädel abgelöst, um den Austritt des ramus opercularis nervi tii- trigemini zu sehen. h! Rnorpelmasse zwischen h und i. i OS intercalare primum des Schläfengerüstes. k os intercalare secundum des Schläfengerüstes.

Cuvier nennt sie tympanicum und symplecticum. l OS quadratojugale. m Oberstes Stück des Zungenbeins. mm Hautknochen auf den Schläfen und um das Auge. n sphenoideum anterius.

0 Dazugehöriger Flügel ala parva s. orbitalis, besonderes Knochenstück. p ala magna.

q sphenoideum basilare. r pterygoideum externum. s palatinum.

t pterygoideum inlernum. u coronoideum des Unterkiefers.

V dentale. w angulare.

X Einfaches Knochenstück statt der superscapula und scapula Cuv. y Hauptstück des Schultergürtels, Cuvier’s humerus.

z Häutige Scheidewand zwischen beiden Augenhöhlen und Schläfenhöhlen.

z' Knorpelmasse, den Schädel completirend über der ala magna und parva und unter dem Schei- telbeine.

A Kiemendeckelkieme, nach Entfernung des operculum und suboperculum von aufsen sichtbar.

B Kieme des ersten Kiemenbogens.

C Muskelbauch des Kaumuskels vom abgebrochenen Schädeldach entspringend.

D Fortsetzung desselben.

E Portion des Kaumuskels, welche vom Sphenoideum basilare entspringt.

F Wluskelbauch des Kaumuskels, welcher vom Vordeckel entspringt.

G Muskel, welcher das Gaumenbein hebt und nach auswärts zieht, er entspringt vom frontale post, b" und von den weggenommenen Knochenplatten vtm, welche die Schläfe decken. a nervus olfactorius durch eine Öffnung des sphenoideum anterius durchtretend, ß nervus opticus durch eine Lücke zwischen ala j)arva und sphenoideum anterius durchtretend. y ramus ophthalmicus des Trigeminus, durch eine Öffnung der ala parva durchtretend, enthält zugleich den ganzen oculomotorius und trochlearis. Von diesem Stamm geht der Ast S' ab, um sich mit einem Ast »] des Hanptstammes des Trigeminus zum Nerven r{ zu vereinigen welcher auf der Scheidewand ziun Oberkiefer fortläuft, rj" ist ein feinerer Zweig von rj, der ebenfalls an der Scheidewand fortgeht.

E nervus oculomotorius aus dem nervus ophthalmicus entspringend, er giebt Zweige zum rectus Superior p, zum rectus internus er, zum rectus inferior t, zum obiepius inferior 4>, auch nervi ciliares.

^ nervus abducens geht mit dem Hauptstamm des Trigeminus, aber von ihm getrennt durch die Öffnung zwisclien ala magna und ala j)arva.

1 Hauptstamm des Trigeminus, tritt zwischen ala magna und parva aus, er giebt den Ast »], der

sich mit dem ramus optbalmicus verbindet, ferner den Ast B, welcher über dem Muskel G und unter dem Auge hergeht, aus ihm entspringen Zweige k zum Heber des Gaumenbeins G und den Kaumuskeln k, unter dem Auge theilt er sich in den Oberkieferast X und den Un- terkieferast /, welcher letztere sich wieder in pt und pi' theilt. p ist n. alveolaris inferior, ji' vertheilt sich am Unterkiefergelenk, und giebt auch Zweige zur äufsern Haut am Gelenk und zur Mundhöhle.

214

Müller:

Der Hauptstamm des Trigeminus giebt auch gleich bei seinem Austritt den ramus opercnlaris x in einen Canal der ala magna rückwärts. Fig. 3 x- Man sieht ihn wieder hervortreten, Fig. nun durchbohrt er das os temporale (Fig. 3) und verläuft eine lange Strecke auf der äufsern Fläche des Schläfengerüstes Fig. 3 bedeckt von dem Kaumuskel F, zuletzt tritt er zwi- schen praeoperculum und intercalare primum zur innern Seite des Kiemendeckels zwischen Kiemendeckel und Zungenbein; er verzweigt sich wie gewöhnlich, ein starker Zweig dringt durch ein Loch am hintern Ende des Unterkiefers in den Alveolarcanal zum Unterkiefernerven. V Stämmchen, welches den nervus trochlearis und supratrochlearis vereinigt darstellt, ent- springt aus dem ophthalmicus und theilt sich in den nervus supratrochlearis n zur Gonjunctiva und 0 zum musculus troclilearis.

tp nervus glossopharyngeus tritt durch die Knorpelmasse zwischen ala magna, petrosum und oc- cipitale laterale, hat ein Knötchen, er verbindet sich durch eine Anastomose mit dem ramus opercnlaris n. trigemini und giebt Zweige an den ersten Kiemenbogen und seinen Muskel und an die Kiemen des Kiemendeckels und Haut der Kiemenhöhle, w vagus, geht durch eine Öffnung des occipitale laterale, er giebt Aste zu den Muskeln der Kie- menbogen und zu den Kiemen selbst, in der gewöhnlichen Weise, giebt auch den nervus lateralis u' und intestinalis.

Taf. V.

Fig. 1. Herz von Lepisosteus bison Dekay, L. osseus Ag.

A Kammer. ß Vorkammer.

C Muskelschicht des Truncus arteriosus.

D Kiemenarterie.

£ Ast derselben für die dritte und vierte Kieme.

£ Ast für die zweite Kieme.

G Ast für die erste Kieme.

H Unpaare Fortsetzung.

1 Ast zur Kiemendeckelkieme.

Fig. 2. Truncus arteriosus von Lepisosteus bison aufgeschnitten. Die Zahl und Anordnung der Klappen weicht vom Lepisosteus semiradiatus Ag. ab, es sind 8 Längsreihen von Klappen vorhanden, darunter k Reihen gröfserer Klappen aus 9 in jeder Reihe bestehend, dazwischen die zum Theil unvollständigen Reihen kleinerer Klappen. Wären alle Klappen ausgebildet, so wären 72 vorhanden, es sind aber nur gegen 54 - 60. a Wand der aufgeschnittenen Herzkammer.

b ostium venosum mit einer einzigen halbmondförmigen Klappe c. Die Öffnung wird durch das Herabziehen der Klappe geschlossen vermöge der bogenförmigen Bündel d, an welchen ihr convexer Rand angewachsen ist. e MuskeUage auf dem truncus arteriosus.

f Kiemenarterie, g Öffnung für den hintern Ast, aus welchem die Arterien i und h entspringen. h Ast für die dritte und vierte Kieme. i Ast für die zweite Kieme. k Vorderer Ast der Kiemenarterie.

Fig. 2*. Structur und Zusammenhang der Klappen von Lepisosteus bison.

A Oberste Klappe einer Längsreihe.

a Oberer dünnhäutiger Theil. b Unterer faserknorpelig fester Theil. c Fäden zur nächsten Klappe B, welche nur aus dem festen Theil besteht.

Fig. 3. Herz der Spatularia, Polyodon folium Lac. a Kammer.

üher den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

215

b Vorkammer.

a' Gefäfsdrüaen die Kammer und einen Theil des Arterienstiels c bedeckend, wie beim Stör. d Kiemenarterie, ef Ast zur dritten und vierten Kieme, entsteht aus dem obern Ast der Kiemen- arterie. g'Ä Aste für die erste und zweite Kieme, i Zweig zum Kiemendeckel,

Fig. 3*. Herz desselben Thiers, die Gefäfsdrüsen weggenommen. a Kammer. b Vorkammer.

c Arterienstel mit Muskelbeleg. Im Innern sind 4 Längsreihen Klappen, in jeder Reihe 3. d Kiemenarterie.

Fig. 4. Truncus arteriosus von Lamna cornubica.

A Kammer. B Vorhof. C Muskellage des Truncus arteriosus. D Kiemenarterie. a b c Erste, zweite und dritte Querreihe der Klappen und ihre Verbindungen durch Fäden.

Fig. 5. Truncus arteriosus von Xiphias gladius.

A Oberer Theil der aufgeschnittenen Kammer.

B Bulbus des Truncus arteriosus.

a Die zwei Klappen am ostium arteriosum. bb Zwei kleine Nebenklappen zwischen den Zwei gröfsern Klappen. Diese Nebenklappen gehören bei Kncnihenfiscben zu den Abwei- chungen, zuweilen findet sich nur eine ausgebildet, meist fehlen sie. c Eigenthümliche Schicht des Bulbus, welche in die mittlere Arterienhaut c' übergeht, und im Bulbus die trabeculae carneae d hervorbringt.

Fig. 6. Gefäfse der Kiemendeckelkieme und Pseudobranchie vom Lepisosteus bison.

A sphenoideum basilare. B ala sphenoidea magna. C Knorpelige Masse zwischen dem grofsen Flü- gel, dem Felsenbein und Hinterhauptbein. D occipitale laterale. E Knochen-Schuppen von der äufsern Oberfläche des Kopfes über dem Felsenbeine gelegen, Ag. occipitale ext. E' Theil des Felsenbeins, welches gröfstentheils von der Knorpelmasse C verdeckt ist. F os pte- rygoideum ext. G palatinum. H pterygoideum int. J Ende der Kiemenarterie. K Aorta aus dem Zusammenflufs der Kiemenvenen. L Kiemendeckelkieme. Ä1 Pseudobranchie. a Ast der Kiemenarterie zur Kiemendeckelkieme. b Vene der Kiemendeckelkieme, wird Arterie der Pseudobranchie. c Stelle, wo sie an der Einlenkung des Zungenbeins am Knorpel zwischen temporale und intercalare von aufsen herumgeht. Hier verbindet sich die Arteria hyoideo-opercularis c', die aus der Fortsetzung der Kiemenvene des ersten Kiemenbogens nach unten entspringt, mit der Arterie der Pseudobranchie. d Vene der Pseudobranchie, wird carotis interna. g, h Erste bis vierte Kiemenvene, e' carotis externa, aus der

Kiemenvene des ersten Kiemenbogens, dringt durch einen Canal der ala magna in die Schlä- grube, und hängt über der basis sphenoidei mit derjenigen der andern Seite zusammen. i ramus opercularis nervi Irigemini, wo er aus dem Knochencanal in der ala magna hervor- tritt. ] nervus glossopharyngeus. j' Verbindung zwischen dem ramus opercularis und dem glossopharyngeus. k nervus vagus. l, m, n, o Vier noch hinter dem Vagus durch das occipitale tretende Nerven, wovon der vorderste sehr dünn ist, l und m verbinden sich zum nervus hypoglossus Im für den musculus sternohyoideus, die beiden hinteren ge- hen zur Brustflosse, l, m, n treten durch verschiedene Öffnungen des occipitale laterale, o durch den aufsteigenden Theil des occipitale basilare. Sie folgen sich regelmäfsig hinter einander.

Tafel VI.

Fig. 1. Eingeweide von Polypterus bichir.

a Herzkammer, b Vorkammer. c Muskelbeleg des Arterienstiels, d diaphragma. e Rechte Schwimmblase, liegt vor der Wirbelsäule und den Nieren angewachsen, über sie hinweg

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Müller: über den Bau und die Grenzen der Ganoiden.

gehen die Peritonealplatten zum Gekröse x. f Linke Schwimmblase, hängt durch Bauchfell- falten mit dem Magen und der linken Leber zusammen, sonst frei, g Linker Leberlappen, h Rechter Leberlappen, i Magen, k Pylorischer Canal des Magens, l Blindsack des Darms, appendix pylorica. m pylorus, von dem die Darmklappe q entspringt. n Gallenblase. o Mündung des Gallenganges. p intestinum valvulare. q Spiralklappe. r Mastdarm. s After, t Unpaare Ilohlvene, entsteht als ein vor dem After und hinter dem Ende der rech- ten Schwimmblase hervortretender Stamm, welcher hier mit der Schwanzvene und den bei- den Subvertebralvenen zusammenhängt, sie verläuft unter der rechten Schwimmblase, zwi- schen ihr und dem langen rechten Leberlappen Ä, und nimmt viele Quervenen aits der rechten Schwimmblase w auf, auch die Venen der Leberlappen, und zuletzt den Yenenstamm v der linken Schwimmblase. u Vene des linken Leberlappens. x Gekröse zwischen der rechten Schwimmblase und dem Darm, j' Nerve der rechten Seite der rechten Schwimmblase vom Vagus. Der entsprechende Nerve an der linken Seite versieht die linke Schwimmblase und die ganze linke Seite der rechten Schwimmblase.

Fig. 2, Weiblicher Geschlechtsapparat von Lepisosteus bison.

Die Eierstockssäcke sind für die Abbildung umgelegt, so dafs die innere Seite der Säcke, an wel- cher die Eierstöcke angewachsen sind, nach vorn gekehrt ist. a Platten des Eierstockes. h Holde des Eierstockssackes. cc Eileiter. d Erweiterung beim Zusammenflufs der Eileiter, nimmt auch den Harn auf und ist daher auch beim Wlännchen vorhanden, bei dem sich die Samenleiter in die Harnleiter ergiefsen. Die Samenleiter haben einige blasige Er- weiterungen.

Fig. 3. Linker Eierstock und Eileiter von Polypterus bichir.

a Hinterer Theil des Eierstocks. d Eierstocks Gekröse. b Eileiter. c Trichter des Eilei- ters, nach aufsen vom Eierstock.

Fig. 4. Vorderer Theil der Schwimmblase von Polypterus bichir von oben angesehen.

a Linke, b rechte Schwimmblase. b Fleischfasern von der untern Wand des Schlundes, so weit er die vordem Enden der Schwimmblase bedeckt. c Gemeinschaftliche Öffnung der Schwimmblasen in der untern Wand des Schlundes. d Communication mit der rechten Schwimmblase. c" Kleinere Communication mit der linken Schwimmblase. d Sphincter und Kreuzung der Muskelfasern hinter der Öffnung, e Muskulatur der Schwimmblasen, die ganz von schief verlaufenden Muskelschleifen eingeschlossen sind.

Fig. 5 bis 8 stellen die unpaaren untern Schlundknochen der Scomberesoces vor.

Fig. 5 von Belone vulgaris.

Fig. 6 von Exocoetus volitaus.

Fig 7 von Hemiramphus longirostris.

Fig. 8 von Sairis nians.

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