Ueber den gegenwärtigen Stand

der Lelire

von der

aetiolodschfin Beziehung; kleinster Orpnismen

( Micr ococcus)

zu den Infectionskrankheiten.

Vortrag

gehalten im „ärztlichen Verein“ in Wien am 22. April 1874

von

Dr. M. Kaposi,

Docent für Dermatologie und Syphilis in Wien.

Seperat-Abdruck ans der Vierteljahresschrift für Dermatologie und Syphilis 1874. I.

Wien, 1874.

Wilhelm Brau m üller

k. k. Hof- und Universitätshuchhändler.

'

.

Die äussere Veranlassung zu meinem heutigen Vortrage gibt mir das jüngst erschienene Werk von Billroth über „Coccobac- teria septica“. Dasselbe bietet nämlich in seinem ungewönlich reichen Inhalte sehr bemerkenswerthe Beiträge zur Beantwortung jener Frage, welche seit einem Jahrzehnte fast ununterbrochen auf der Tages- ordnung der medicinischen Discussion steht, der Frage von der ursächlichen Beziehung kleinster Organismen zu den im Allgemeinen sogenannten Infectionskrankheiten.

Seit D avaine im Jahre 1863 im Blute milzbrandkranker Thiere die von ihm sogenannten Bacteridien vorgefuuden und als Träger des Milzbrand-Contagiums demonstrirt hat, seit jener Zeit haben sich die Mittheilungen über das Vorkommen kleinster Orga- nismen bei Infectionskrankheiten überaus zahlreich gefolgt.

Es handelt sich dabei um mikroskopisch kleine Gebilde, deren auffälligste Repräsentanten ich hier aufgezeichnet habe (Fig. 1 8), und die einzeln mit den Namen: Micrococcus, Bacterium termo, Monas crepusculum, Spirillum etc. belegt, zusammen aber als Schizomyceten (Nägeli) bezeichnet zu werden pflegen, weil sie sich durch Theilung (cyft^o = spalten) vermehren.

Auf Grund dieser Befunde und auf Grund sehr mannigfacher und eingehender Studien und Experimente, welche zum Theile auf dem Gebiete der Pathologie, zum gimssen Theile jedoch auf dem

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Kaposi.

Felde der Botanik und Chemie abgesondert sich vollzogen haben, glaubte man die von D avaine nur für Milzbrand aufgestellte Lehre auch auf alle anderen Iufectionskrankheiten ausdehnen zu sollen,

Fig. 1. Micrococcus; Fig. 2. Mycothrix; Fig. 3. Zoogloea; Fig. 4. Leptothrix; Fig. S. Vibrio; Fig. 6. Baeterium; Fig. 7. Bacteridien ; Fig. 8. Spirillum; (nach Zürn „Die Schmarotzer, etc.“

2. Th. Weimar, 1874. 'l’af. I.)

wonach die Ursache der letzteren in solchen kleinsten Organismen gegeben sei.

Die Aerzte und Kliniker, über deren fach Wissenschaft liehe An- gelegenheit. durch die werkthätige Mithilfe der Botanik und Chemie auf diese Weise entschieden wurde, haben sich zu jener Lehre im Grossen und Ganzen zustimmend verhalten; theils weil dieselbe ihren auf klinischem oder anderweitigem Wege gewonnenen Anschauungen über gewisse Vorgänge in der Natur am meisten entsprach, theils weil sie ihrem, wenn ich so sagen darf, medicinischen Gefühle am besten zusagte.

Fig. 1—8.

Aetiologische Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionskrankheiten. !)

Es hat jedoch dieser Lehre niemals auch an sehr beachtens- werthen Gegnern gefehlt, welche gerade die Grundlagen derselben mit den schärfsten Waffen anfochten. Und in der jüngsten Zeit ist denselben Billroth mit den Ergebnissen fünf Jahre langen For- schens beigetreten, welche in dem Eingangs gedachten Werke nieder- gelegt sind.

Eine solche Andauer und neuerliche Zunahme der fachmänni- schen Opposition gegen jene so allgemein verbreitete und fast populär gewordene Lehrmeinung von der organisirten Natur der Contagien kann nicht verfehlen, mit der Zeit auch die Meinung der praktischen Aerzte ins Schwanken zu bringen.

Es wird darum nicht unzweckmässig sein, dass wir zur Be- ruhigung unserer wachgerufenen Zweifel die von dem Philosophen Mendelssohn angerühmte Methode zu unserer eigenen machen, welcher empfiehlt: In ernstem Studium den Ideen und Beweisen der Meister zu folgen, sodann aber „sich zu orientiren“.

Indem ich mich nun unterfange, Ihnen diese Ideen und Be- weise in ihren wichtigsten Momenten vorzuführen, auf dass Sie mit Ihrem eigenen Urtheile denselben folgen, habe ich nur den Ehrgeiz, meinen Collegen zum Zwecke ihrer Orientirung in dieser höchst ver- worrenen Sachlage ein wenig behülflicli zu sein.

Dass kleine und kleinste Organismen Thiere oder Pflanzen Ursache von Krankheitsvorgängen sein können, ist eine unbestrittene Thatsache.

Um jedoch nur den hier in Betracht kommenden krankmachen- den Einfluss von pflanzlichen Organismen auf den menschlichen Körper zu berücksichtigen, so steht es ausser allem Zweifel, dass die sogenannten Mykosen der Haut, Favus, Herpes tonsuraus, Pity- riasis versicolor stets nur durch solche bedingt sind, und dass die auf solchen Krankheitsherden vegetirenden pflanzlichen Keime, auf em anderes Individuum übertragen, wieder dieselbe Krankheit ver- anlassen können. Dass solche Organismen auch bei Onychomykosis, Eczema marginatum, bei einzelnen Sykosis-Formen angetroffen wer- den; dass für den Madurafuss ebenfalls ein Pilz (Chionyphe Car-

Kaposi

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teri) als Ursache angegeben wird, dass durch die Uebertragung jener Organismen manchmal auch eine andere, als die ursprüngliche Krank- heitsform, z. B. durch Favus-Pilz Herpes-Kreise entstehen können, braucht hier nicht weiter berücksichtigt zu werden. Genug, es ist eiue Wahrheit, dass pflanzliche Organismen Hautkrankheiten hervor- zurufen vermögen.

Die Vorstellung, dass für die sogenannten zymotischen Krank- heiten, deren Ansteckungsfähigkeit aus der klinischen Beobachtung erschlossen wurde oder annehmbar erschien, nun ebenfalls kleinste Organismen als Contagien oder Contagiumträger functioniren , hat demnach eine aphoristische Grundlage in der eben angeführten Thatsache.

Nun fanden sich zunächst auf den Schleimhäuten der mit der Aussenwelt communicirenden Körperhöhlen theils mit Fructificatious- organen versehene, also unzweifelhafte Pilzformen Aspergillus nigri- cans — im äusseren Ohre, in den Bronchien, in den Lungencavernen, im Magen; theils Gebilde von höchst wahrscheinlich pflanzlicher Natur in der Scheide, in der Harnröhre, in der Harnblase u. s. w.

Endlich blieben auch die Beobachtungen nicht aus, nach welchen im Blute, in den Säften, Parenchymen, Se- und Excreten der von zymotischen Krankheiten ergriffenen Individuen nach dem Tode oder auch während ihres Lebens ähnliche kleinste Organismen sich vor- fanden.

Zu dem vorerst auf Analogie gegründeten Schlüsse, dass pflanz- liche Organismen dio Ursache der infectiösen Krankheiten seien, war also auch die objective Grundlage gekommen.

Die thatsächliche Richtigkeit jener Befunde zunächst zugegeben, mussten jedoch, damit die gedachte Schlussfolgerung correct erscheine, vorerst noch einzelne Bedingungen erfüllt werden.

Zunächst musste die Natur dieser Gebilde klar gemacht werden, und, wenn sie als pflanzliche Organismen sich herausstellten, bestimmt werden, welche Stellung dieselben ausserhalb des kranken Organismus in der freien Natur einnahmen, und das war Aufgabe der Botanik.

Zwoit.ens war zu erweisen, dass diese Organismen auch that- sächlich die Veränderungen in den Gewoben und Functionen des Körpers setzen, wolcho als Symptome der verschiedenen anstecken- den Krankheiten vorgefunden werden, und dass sie nicht im Gegen- theilo da nur accessorische Vorkommnisse darstellen, und damit war

Aetiologinche Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionskrankheiten.

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eine Aufgabe fvir die Chemie und die chemische Pathologie erstanden.

Diese Cardinalfragen nun bilden zunächst den Gegenstand der sehr lebhaften und immer noch andauernden Controverse der Fach- männer, denn sie haben die divergirendsten Beantwortungen er- fahren.

Am meisten abgerundet in der Form ist. unstreitig jene Lösung der Frage, welche Ha liier, Professor der Botanik in Jena, gegeben hat. Seine seit 1865 in fast ununterbrochener Eeihe erschienenen Arbeiten bilden gewissermassen das Centrum eines wissenschaftlichen Schlachtfeldes, von dem und nach dem die immer noch gleich heftig erregten Kampfeswogen sich ab- und zuwälzen.

Hallier hat, um es in wenigen Worten zu sagen, zunächst auf Grund der von ihm studirten Entwicklungsgeschichte demonstrirt, dass jene bei krankhaften Processen vorfindlichen Formelcmente, welche als Monas cre-

pusculum, Bacterium Fig. 9.

termo, Vibrio, Bac- terium, Bacteridium,

Spirillum , Torula,

Leptothrix, Hikrozy- men etc. bisher an- geführt worden sind ; ferners die verschie- denen Hefeformen, als: Oidium, Saccha- romykes , Hormy- scium; und endlich die bekanntenSchim- melformen des ge- meinen Penicillium,

Aspergillus u. s. w. keine je besondere

l Hanzenarten dar- a) Fruchthyphe aus dem Mycellager senkrecht aufsleigend; h) Ba- stellen, sondern nur Bidien> c> Sterigmen; d) Fruchtieife Conidien (Sporen) in Ab- schnürung begriffen.

en, Vegeta- tionsformen je eines bestimmten Pilzes, wobei aus den niedrigsten Formen wieder die fructificirende Stammform hervorgehen kann.

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Kaposi.

Aas den Pilzen gehen nämlich unter bestimmten Verhält- nissen ganz bestimmte und unter einander verschiedene Vegetations- formen, Morphen, hervor, je nachdem dieselben an der Luft vege- tiren Aerophyten; oder sie halb in Flüssigkeit untergetaucht, von der Luft mehr abgesperrt sind Hälbanaerophyten; oder dieselben ganz untergetaucht sind Anaerophyten.

Ich will dieses schematisch darstellen und dazu das auch von Ilallier angeführte Beispiel von dem gemeinsten Schimmelpilz, Penicillium crustaceum Fries (Fig. 9) wählen.

Taucht man eine Zelle des Pilzes, eine Conidie, eine Spore, in eine für ihr Leben nicht schädliche Flüssigkeit, so dass sie von der Luft abgesperrt und damit ein Anaerophyt wird, so wächst sie nicht in der Weise fort, wie sie dies an ihrem Luftstande zu thun pflegt, sondern quillt auf, ihr Protoplasma, ihr Kern theilt sich vielmal, es entstehen eine Menge kleiner runder Körperchen. Die Spore platzt endlich und entleert den Körncheninhalt. Diese Körnchen nennt Hallier Hicrococcus, Micrococcus-Schwärmer, Kernhefezellen (Fig. 1).

Die Micrococcus- Zellen zeigen verschiedene Gostalt und Grösse, sind oft nur punktförmig bei den stärksten Vergrösserungen und haben eine bestimmte Art von Bewegung, die verschieden ist von der soge- nannten Brown’schen Molecularbewegung, und auch verschieden von der lebhaften Locomotion der Fäulniss-Bacterien, und die der eines „Brummkreisels“ verglichen werden kann eine Bewegung um die eigene Achse.

Sie wachsen, zur Ruhe gekommen, heran und vermehren sich durch fortgesetzte Theilung (Schizomyzeten), setzen sich zu Bisquit- und Kettenform an Leptothrix (Fig. 4), oder hüllen sich in eine von ihnen ausgeschiedene Glia-Masse ZoogloeaCohn (Fig. 3), oder die einzelnen Micrococci wachsen zu stäbchenförmigen Gebildeu heran Baeterium (Fig. 6).

Diese Formen können, wenn sie in einer giihrungsfähigen Flüssigkeit sich befinden, zu echter Hefe werden, das ist einer ein- zelligen Pilzraorphe, entweder zu Kernhefe Micrococcus, oder Sprosshefe Cryptoooccus, oder Glioderhefo Arthrococcus.

Werden die Letzteren an die Oberfläche der Flüssigkeit ge- tragen, so dass sie zum Theile der Luft ausgesetzt sind Halb- anaerophyten, so reihon sie sich zu Oidiumformen, Torula, Hör-

Aetiologische Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionskrankheiten.

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raiscium, bäumchen artigen Formen und heissen Gliederschimmel oder Kettenhefenformen, und zwar wird aus Kernhefe Mycothrix, aus Sprosshefe Hormiscium, Torula und Oidium, aus der Gliederhefe Mycoderma. Ausserdem nimmt er noch Colonienhefe an, die durch Längen- und CJuertheilung entsteht: Sarcina und Kugelhefe.

Jede der genannten Hefearten geht, wenn sie auf trockenen Boden geräth und der Luft ausgesetzt wird, in eine echte aero- phytische Pilzform - die Stammform über.

Eben so geht der Microeoccus, wenn er trocken wird und Luftzutritt geniesst, durch Auswachsen in einkämmerige Hyphen und in die höhere Stammform über.

Zu dieser eigenthiimlichen Anschauung Ton dem Morphen- wechsel der Pilze ist Hallier durch Cultur versuche gelangt, mittelst deren es ihm gelang, aus echten Pilzsporen und Plasma die Micro- coccus- und Hefereihen und aus den letzteren zurück die erstere Stammform zu ziehen.

Diese Morphenreihe ist nun jedem Pilze eigen. Der Micro- coccus behält aber unter allen Verhältnissen seine ursprüngliche Eigenschaft bei, so dass aus demselben immer nur die entsprechende höhere Pilzmorphe und keine andere hervorgeht. Hallier kennt es sogar den einzelnen Micrococcen an, welcher Stammform sie angehören.

Dieser Microeoccus und dessen anaeropliytische Formen, Lepto- thrix, Bacterium, Spirillium etc. ist es, der bei allen infectiösen, miasmatischen, contagiösen Krankheiten gefunden wird.

Da aber aus Microeoccus alle Hefenformen hervorgehen, die Hefen jedoch alle nach der Lehre Pasteurs, welcher Hallier, was ihr Princip anlangt, ebenfalls anhängt, Gährung und Fäulniss bedingen, weiters die Veränderungen der Gewebe bei zymotischen Krankheiten grosse Aehnlichkeit mit denen bei Gährung und Fäul- niss zeigen, so ist es klar, dass Microeoccus und dessen Hefeformen alle ansteckenden Krankheiten veranlassen und sie dabei als Fer- mente und als Contagion fungiren.

Aber auch die physiologisch-chemischen Actionen sind ihre Fermentwirkung. Sie bowh'ken z. B. als Leptothrix buccalis die Um- wandlung der Stärke in Zucker.

Nun sind alle häutiger vorkommenden sogenannten Schimmel- pilze, vielleicht aber alle, auch die Hutpilze, gewiss aber jene erste- hen, Penicillum, Aspergillus, Mucor, Ustilago u. a. diesem Schema

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Kaposi.

der Polymorphie unterworfen, indem sie als Anaerophyten Micrococ- cus und dessen Hefen, als Halbanacrophyten Oidiumformen und als Aerophyten Fructificationsorgane bilden; und sie können in allen Morphen auch Gährung, d. i. Zersetzung organischer Substanzen bewirken. Wo ausgewachsener Schimmel sich vorfindet, ist Gährung und Fäulniss vorhanden, eben so wie dort, wo dessen niedrigste Morphen, Micrococcushefen vegetiren. Die Art der Gährung hängt nicht von der Art des Pilzes ab, von dem die Hefe abstammt, wie Pasteur lehrt, sondern jeder Pilz kann in der betreffenden Morphe dasselbe Gährungsproduct liefern : ob Aspergillus- oder Ustilago- oder Penicillumhefe auf ein Substrat kömmt, es hängt nur von der chemi- schen Beschaffenheit dieses Substrates und der Temperatur etc. ab, ob Alkoholgährung, ob Milchsäuregährung etc. eintritt.

Hach diesen allgemein geltenden Gesetzen ist es klar, warum innerhalb des Körpers nur die Hicrococcusformen und deren Hefen Vorkommen, sie sind eben Anaerophyten der entsprechenden Pilz- gattung; und warum in der Oberhaut des Menschen nur Oidium- formen Vorkommen, sie sind Halbanacrophyten, die überdies sich gerne da ausbildeu, wo schwachsaure Gährung da ist, wie bei be- ginnender Fäulniss. Und diese Bedingung ist durch den sauren Schweiss in Verbindung mit dem Stickstoff der sich zersetzenden Epidermis geboten.

Auf dieser Grundlage nun hat Hallier zunächst das allge- meine Princip aufgestellt, dass die Schimmelpilze in ihren verschie- denen Morphen als Hefe zersetzend, krankmachend und die Krank- heit übertragend wirken.

Hallier hat dann weiters aus den bei den einzelnen contagiö- sen oder auch noch nicht als contagiös constatirten Krankheiten Vorgefundenen Micrococcus- und Oidiumformen die entsprechenden Stammpilze gezüchtet und so gezeigt, welche von Aspergillus, welche von Penicillum etc. herrühren.

Favus (Achorion Schönleini, eine Oidiumform) kommt von Peni- cillium crustaceum Fr.; der Pilz des Herpes tonsurans, Trichophyton Malmgten, ist Ustilago carbo. Der Pilz der Pityriasis versicolor ist Aspergillus und beide gehören zu Aspergillus Eurotium Ustilago, und dürften von dem dem Stärkemehle beigemengten Brandpilze her- rühren. Alle Schleimhautoidion gehören zu den Ustilagineen, Tille- tia den Brandpilzen.

Aetiologische Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionskranlcheiten.

Durch Züchtungen der Kernhefen bei acuten Exanthemen, Intermittens, Typhus, Ruhr, Cholera, Syphilis, Schanker, Tripper, Milzbrand u. s. w., u. s. w., fand er jedesmal den entsprechenden Stammpilz. So für Schafpocken, Pleospora herbarum Tul. vom Lolch- grase im Futterheu; für Yaccina-Lymphe Torula rufescens Fres., die in der Milch der Kuh vorkommt, so dass sich die Kuh von ihrer Milch an dem Euter inficirt. Für die Micrococcen des Blattern- pilzes wurden die Schizosporangien derPycniden; für Masern Mucor mucedo; für Hungertyphus und Typhus exanthematicus Rhizopus nigricans Ehrenb,; für Ileotyphus dieser und Penicillium crustac. Fr.; für Cholera Urocystis oryzae von der Reispflauze ; für Syphilis Conio- thecium syphiliticum; für Tripper Coniothecium gonorrhoicum; für Milzbrand Ustilago interrupta; für Scarlatina eine Art Tilletia scar- latinosa bestimmt; aus dem Micrococcus des Blutes von einem wiithen- den Hunde Cladosporium und andere Arten gewonnen, welche den Pilz Lyssophyton suspectum darstellen u. s. w., u. s. w.

Sie sehen, dass man sich die Angelegenheit nicht klarer und mehr gerundet wünschen kann, als sie von Hallier präsentirt wird. Jede Krankheit wird ganz regelrecht mit ihrer Ursache in Form eines wohlsysteraisirten Pilzes gedeckt. Auf diese Weise ist dem wissenschaftlichen Drange nach Wahrheit genügt. Die Conse- quenzen für die Prophylaxis und die Therapie sind leicht zu ziehen.

Man wird gestehen müssen, dass die Darstellung Hallier’s wegen ihrer scheinbar ausserordentlichen Einfachheit, Klarheit und Abrundung und namentlich dadurch, dass sie uns die so lange und eifrig gesuchte Lösung des Räthsels von don Contagien giebt, einen äusserst gewinnenden Eindruck auf die Aerzte zu machen geeignet ist.

Auch für Zweifler, deren es doch überall und immer gibt, cht zur Beruhi0un g an schlagenden Analogicfällen aus der Botanik und aus dor Pathologie.

Der grösste Gegner Hallier’s, De Bary (Tulasno, Kühn), war es selber, der, ankniipfend an Tulasno’s Arbeiten, dio Tleo- uiorphio des Getreide-Rostpilzes entdeckt hatte, wonach die Puccinia graminis Morphen erzeugt, dio zunächst auf dem Berbcrizonstrauch gedeihen müssen, wo sie den früher als Aecidium Berberidis be- kannten Pilz darstellen, um mit den hier erzeugten Morphen wieder eist zum Getreide-Rostpilz Puccinia werden zu können. Aehnhches ist auch für andere Pilzo nachgewiesen worden.- Es

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Kiip os i.

hat also a priori nichts Auffälliges, wenn nun Hallier diesen Mor- phonwechsel auch für Pilze geltend macht, von denen man bisher solches nicht wusste.

Es ist ferners bekannt, dass gewisse parasitäre Thiere in verschie- denen Morphen bei Thieren und Menschen Vorkommen. Ich erinnere nur an die Geschichte der Taenia, an Coenurus cerobx-alis, Echinococcus.

Endlich haben wir Dermatologen auch Manches erfahren, was mit ITallier’s Darstellung nicht übel stimmt. Schon vor Jahren hat Hebra es als wahrscheinlich erklärt, dass Favus und Herpes tonsurans durch die gemeinen Schimmelpilze bedingt werden, was durch die Culturversuche zwar nicht entschieden, aber doch um so wahrscheinlicher gemacht wurde, und dass Favus in Herposformen übergehen könne.

Sie sehen, dass auch bei einer allgemeinen Betrachtung und vom Standpunkte der Dermatologie Hallier’s Theorie ziemlich plau- sibel erscheinen muss.

Und dennoch lehrt eine eingehendere Betrachtung, dass wir lange noch nicht mit vollen Händen zugreifen dürfen, und das er- lauben Sie mir, so kurz als dies überhaupt möglich ist, in Folgen- dem zu begründen.

Die Brauchbarkeit der Lehren, der Dogmen Hallier’s hängt davon ab :

1. dass dessen Angaben in botanischer Hinsicht richtig seien.

2. dass die Theorie Pasteur’s so weit wenigstens richtig sei, als die Hefeorganismen die Gährung und die Bacterien Fäulniss be- dingen sollen, und

3. dass die Gleichstellung der Vorgänge im kranken Organis- mus mit denen bei Fäulniss und Gährung aus inneren Gründen statthaft sei.

Ueber Punkt 1 haben wir selbst kein Urtheil, das ist Sache der Botaniker. Doch so viel steht fest, dass die Botaniker im Allge- meinen, und unter ihnen all Diejenigen, welche mit zu den aller- ersten zählen und speciell in der Mykologie, so wie durch ihre strenge und gewissenhafte Methodik den ausgezeichnetsten Ruf ge- messen, wie De Bary, Hoffmann, Bonorden, Ferd. Cohn u. A., von den botanisch -mykologischen Arbeiten Hallier’s abso- lut Nichts wissen wollen. Es ist diesen Herren nicht einmal gelungen, den Micrococcus ausschwärmen zu sehen, geschweige denn

Aetiologiache Beziehung kleinster Organismen zn

den Infectionelcranlrheiten. 13

daraus fn1ctificir0n.de Pilze zu ziehen. Die Methodik Hallier s ist ihnen ein wissenschaftlicher Gräuel, und sie wenden sich in dieser Frage vollständig von ihm ab trotzdem z. B. Bail, Hoffmann, Bonorden u. A. gerade in einem wesentlichen Punkte, der Ab- stammung der Hefe von Pilzen, mit Hallier übereinstimmen.

Ueber Punkt 2 haben die Chemiker zu entscheiden. Sie haben vor Jahresfrist an dieser Stelle von einem Fachmanne (Hoffmann, gegenwärtig Professor der Cliemio in Graz) es klargelegt erhalten, dass Pasteur’s Lehre von der Gährung stets bekämpft wurde und noch bekämpft wird. Hieraus folgt, dass es also noch seine guten Wege hat, bevor Punkt 3 zur Sprache kommen kann.

Nachdem nun die Botaniker die Fundamentallehre Hallier’s vollständig verwerfen, die Theorie der Gährung und Fäulniss eben- falls noch lange nicht klargestellt ist, dürfen wir es wohl auch wagen, dem allgemeinen Eindrücke zu folgen, den Hallier’s Lehren auf uns als Aerzte machen. Und der ist kein guter.

Ich will nicht davon sprechen, dass es keinen guten Eindruck auf uns machen kann, wenn Hallier sich z. B. von fernen Städten Strohstücke einschicken lässt, auf welchen Blut und Secret eines vor mehreren Wochen an Typhus Verstorbenen eingetrocknet sind, und er daraus seinen Typhuspilz züchtet, und aus solchem Befunde Schlüsse zieht; wenn er eine gleiche wissenschaftliche Verwerthung für CJholeradejeetionen hat, die ihm aus fernen Orten tels, quels

zukommen; wenn er auf Grund höchst leichtsinniger Arbeiten Anderer, wenn sie nur seiner Theorie zu Gute kommen, weiter baut

denn das sind Fehler gegen ein wissenschaftliches Priucip, gegen die Hegeln der allgemeinen Methodik. Ich will auch übergehen, dass z. B. für Cholera (Ostindien, Lewis) der Pilz in der Reispllanze, für lebendes und iibei-impfbares Milzbrandblut die Bacterien und die Pilzkeime im Futtergrase etc. von anderen Forschern (Willis und Curtis, Ravenei, in den Prairien) in Abrede gestellt wird. Ich will vielmehr etwas anderes hervorheben.

Zugegeben, dass die vorhin dargelegte Auffassung Hallier’s von dem Verhältnisse der Kernhefe zu Pilzen und von ihrer Be- ziehung zu den Krankheiten richtig wäre, hätten wir für die Medicin nicht den geringsten Vortheil. Ein wahres Chaos der Anschauungen wäre die Folge.

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Kaposi.

Sie mögen nämlich wissen, meiue Herrn, dass die Sache nach der Darstellung ITallier’s sich gar nicht so einfach verhält, wie ich sie Ihnen, behufs besseren Verständnisses, vorgeführt habe. Es ist nicht so , dass klinisch streng getrennte Krankheitsformen auch botanisch streng getrennte Pilzformen zur Quelle haben sollen, z. B. die eine Krankheit Aspergillus, die andere Penicillium, die dritte Ustilago earbo, wobei diese Pilzformen ebenso im Sinne der anderen Botaniker streng geschiedene, getrennte Arten vorstellen sollten, wie Scharlach, Milzbrand, Favus und Typhus; was wenigstens formell eiuer a prioristischen allgemeinen Anschauung entspräche. Ganz und gar nicht. Hallier lehrt im Gegentheile, was für unsere Zwecke als höchst wichtig hervorgehoben werden muss, dass die am Menschen bestimmbaren Schmai’otzerpilze nur 4 Arten von Schimmelpilzen ange- hören: Penicillium, Aspergillus, Diplosporium fuscum und Stemphylium polymorphum. Aber auch diese 4 Arten sind bei näherer Betrachtung nicht so wörtlich zu nehmen. Denn Penicillium geht gelegentlich in Aspergillus über, (wie Hallier und auch Karsten gezeigt haben) die zwei letzten Arten dürften jedoch von den Botanikern nicht all- gemein beglaubigt werden, da vor Hallier sie noch Niemand kannte. So bliebe denn in Wirklichkeit ein einziger Pilz, der gemeinste Schimmelpilz übrig, der in seinen verschiedenen Morphen uns mit je verschiedenen contagiösen Krankheiten versorgte.

Noch mehr wird dies einleuchten, wenn ich Ihnen sage, dass auch selbst dieser Schimmelpilz noch keine autonome Art darstellt, sondern in ein sechs- oder achtclassiges Schema einer Entwicklungs- reihe gehört, welche Ustilago, Cladosporium, Stemphylium, Oidium, Aspergillus, Mucor Mucedo, Eurotium und noch deren einzelne Hefe- formen enthält.

Wenn also die Mykologen von Fach die gewiss sehr geistreiche Auffassung Hallier’s von den Pilzmorphon als richtig gelten Hessen, dann wäre die Confusion für uns, die wir sie auf so vielerlei Krank- heiten zu beziehen hätten, immer noch gross genug, und daher kaum in dem Sinne für dio Pathologie zu verwenden. Umsoweniger kann dies uns heute zugemuthet werden, wo die Sachlage derart ist, wie ich sie eben dargestellt habe.

Zu dem Allem kommt, dass, was Hai li er mit unverkennbarem Fleisse und grossem Aufwande von fachmännischer Gelehrsamkeit obgleich, wie er eingestellt, ohne Rücksicht auf die ihm fremde raedi-

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Aotiolog-isclie Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionekrankheiten.

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cinische Pathologie aufgebaut hat, von einer Reihe von Mit- und Hilfsarbeitern, einer Art Apostel, in einer Weise erweitert worden ist, dass sich, auch wenn der Grundbau richtig stände, der Oberbau wenigstens nicht anders, deun als ein windiges Kartenhaus her- ausstellt.

Von dem Leichtsinn und der Frivolität, mit der von einer ganzen Zahl von solchen Arbeitern auf der vermeintlichen Basis Hallier’s weiter gebaut und stündlich neue Entdeckungen in die Welt geschleudert wurden; von der Nonchalance und Anmassung, mit der von Solchen der ernsten Wissenschaft und dem Urtheile der Fach- männer Hohn gesprochen wurde, hat nur der eine Vorstellung, der jene Arbeiten gelesen hat.

Soweit es sich um rein botanische Arbeiten handelt, will ich hier nicht im Entferntesten angespielt haben. Denn ich verstehe das nicht. Aber in medicinischer Pathologie und speciell in Dermatologie darf ich mir ein Urtheil erlauben; und meine obige Bemerkung be- zieht sich auf Aerzte, die über medicinischo Pathologie und Haut- krankheiten schrieben.

Diese Autoren haben es in der Kunst, parasitäre Krankheiten zu entdecken, viel weiter gebracht als Plallier selbst. Da gibt es kein erdenkliches Uebel, von der Urticaria, den Warzen und Psoriasis bis zu den Meteorsteinen! man lache nicht das nicht durch Pilze bedingt wäre. (Meteorsteine enthalten Kohle und Humus, also Verwesungsproducte also Pilze im Sternenraum !). Und solche Arbeiten füllen die Zeitschrift für Parasitenkunde von Hallier und Zürn. Einer von ihnen ich bin gewiss sehr undankbar, von ihm zu sprechen, denn er ergeht sich in Lobsprüchen über meine Arbeiten dieser, sage ich, ist sogar im Stande, innerhalb */2 bis 2 Stunden aus Bor'ken und Epidermis etc. Hefe zu ziehen und makroskopisch zu demonstriren. Er hat so gefunden, was wir Alle bisher nicht gewusst haben, und was er uns also verkünden muss, dass Eczem, Seborrhoe, Acne, Furunkel, Eczema impeti- ginosum, Prurigo, Pruritus cutaneus etc. durch Pilze bedingt sind.

Und dieser Mann, der Pilze züchtet und entdeckt im Handum- drehen und mit der banalsten Methode, und glaubt, damit unsere ganze Pathologie über den Haufen werfen zu können ; dieser Maun, der sich über pathologische Anatomie wie über ein Spielzeug für Kinder lustig macht; dieser Mann immer noch mein Apologet

2*

IG

ICaposi.

der wagt es zu schreiben, dass die Wiener Aerzle erst noch ihre Competouz, über eino Sache zu urtheilen, erweisen müssen.

Der Mann nonut sich einen denkenden Dermatologen und Dr. Weissflog aus Altstetten bei Zürich (gegenwärtig zu Elterlein im Königreich Sachsen).

Sio sehen ein, dass wir Pathologen allen Grund haben Hallier’s Lehren gegenüber uns mehr als zweifelnd zu verhalten ; dass wir aber Arbeiten von der gezeichneten Sorte geradezu zurückweisen müssen.

In dem Charakter des eifrigen, mitunter auch eifervollen Kampfes, der um die Mitte der Sechziger Jahre durch die überraschenden Ar- beiten Hallier’s entzündet und immerfort mit Hallier im Vorder- tretfon seither in ungeschwächter Kraft unterhalten wird, ist seit den Siebziger Jahren eine Aenderung in dem Sinne eingetreten, dass der- selbe gegenüber dom früher vorwiegend botanischen einen hervor- stechend medicinischen Anstrich gewann, dadurch, dass seit den letzten zwei bis drei Jahren die pathologischen Anatomen in grosser Zahl und mit ihren besten Kräften in die Arena eintraten.

Sie finden hier v. Kecklinghausen, Waldeyer, Rind- fleisch, Klebs, Förster, Birch- Hirschfeld und eine grosse Zahl anderer jüngerer und älterer Kräfte, deren namentliche Auf- führung Sie aus begreiflichen Gründen mir erlassen werden.

Diesen muss ich noch einen glänzenden Vertreter der Botanik zugesellen, weil dessen Facharbeiten auf die Ansichten der ge- nannten Forscher von bestimmendem Einflüsse waren ich meiue Ferdinand Cohn.

Es häuften sich zunächst auch von Soite der anerkannt erfahrensten pathologischen Histologeu die Angaben über das Vor- kommen von Micrococcus und Bactorien bei verschiedenen contagiösen und inlectiösen, oder auch früher nicht als solche angesehenen Krank- heitsprocessen ; und früher gemachten Beobachtungen wurde durch neue autoritäre Angaben ein bedeutenderes Gewicht verliehen.

Für Micrococcus bei Blattern traten ein Keber, Klobs, Wei- gert, Zuelzer, Luginbühl; bei Diphtheritis Buhl, Hueter, Gertei, Nassiloff, Letzerioh, Eberth; bei Septioaemie Klebs, Tiegel, Zahn (Miorosporon septicum, Klebs); boi Erysipel Orth, Klebs, Eberth; bei Puerperalfieber, Cholera, Intermittens, Lyssa humana u. A. wurde Micrococcus gefunden.

Aetio logische Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionskranklieiten. 1 7

Man demonstrirte auch das Eindringen der organischen Keime in die Gewebe, in die Schleimhaut des Rachens (bei Diphtheritis), in die Magen- und Darmschleimhaut (Mykosis intestinalis, Buhl, Waldeyer), in die Leber (bei acuter Leberatrophie, Klebs), in die Lymphgefässe bei Lyssa humana (Klebs), bei Pneumonie (myko- tische Pneumonie), in die Blutgefässe (mykotische Embolie, Rind- fleisch, Eberth, Waldeyer, Burkart und Schiippel), in die Nieren (mykotische Nephritis, Pyelo-Mykosis, Letzerick) bei Pyaemie, bei metastatischen Tuberkeln und Abscessen man demonstrirte mykotische Embolien, mykotische Tuberkeln, mykotische Abscesse und Geschwüre, mykotische Carditis und Pericarditis (Waldeyer, Reck- linghausen, Rindfleisch), Gangraen und Iiospi talbrand, u. s. f. Mykosis bei vielen anderen Processen.

Ich habe es bei dieser Aufzählung nur darauf abgesehen Ihnen eine Vorstellung von dem durch die Arbeiten der letzten Jahre stark angeschwollenen Register mykotischer Krankheiten zu geben, und darf daher hoffen, dass es mir nicht angerechnet wird, wenn ich da und dort Namen nicht, oder nicht an meritoriscker Stelle genannt habe. Wer in dieser Richtung vollständig und tadellos, d. h. auch gleich- zeitig kritisch sein wollte, der müsste bezüglich jeder einzelnen dieser Krankheiten eine Monographie sprechen.

Wir dürfen immerhin anuehmen, dass ein Theil der einschlägigen Arbeiten, was ihre objective Grundlage und ihre Methodik anbelangt, einer strengen wissenschaftlichen Kritik nicht wird Stand halten können. Ich will auch nicht weiter berücksichtigen, dass ein Mykolog, wie Hoffmann, niemals bei Scharlach, Diphtheritis, Vaccine etc. etwas von Organismen finden konnte, was „von dem Verdachte, eine äussere Beimengung zu sein“, frei gesprochen werden könnte. Im Grossen und Ganzen dürfen wir, glaube ich, an der Richtigkeit der thatsäch liehen Mittheilungen nicht zweifeln. Dazu ist die Zahl und Uebercinstimmung der gemachten Beobachtungen zu gross, und die fachmännische Tüchtigkeit ihrer Autoren zu sehr anerkannt.

Fragen wir uns nun, was diese Leistungen uns lehren.

Zunächst involviren sic unstreitig eine Bereicherung unserer pathologisch-anatomischen Kenntnisse, da vor denselben solche Ver- änderungen der kranken Gewebe nicht, und nicht für jene Fälle und I erhältnisse bekannt gewesen sind. Als solche haben sie also einen absoluten Werth.

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Kaposi.

Bezüglich jener Eingangs ventilirten Frage jedoch von der aetiologischen Beziehung kleinster Organismen zu den Infections- krankheiten haben sie offenbar keine Entscheidung zu biingcn vermocht.

Zunächst, immer vorausgesetzt, (da gerade in diesem wesent- lichsten Punkte Irrthümer sehr leicht möglich sind De Bary ) dass jene demonstrirtcn Körperchen auch wirklich Organismen vor- stellen, musste zuerst ihre naturgeschichtliche Stellung ermittelt werden.

Hier ist nun gegenüber dem früher Dargestellten ein bedeuten- der Unterschied zu constatiren. Während ein Theil der Autoren aus der gedachten jüngeren Zeitperiode sich in der Beziehung ganz an Hallier anschliesst, haben Andere, darunter die vermöge ihrer medicinisch-pathologischen Fachkenntnisse hervorragendsten Männer sich an Ferdinand Cohn ganz oder zum Theile angeschlossen.

F. Cohn nun erklärt die gedachten Gebilde für pflanzlicher Natur, rechnet sie zu den Pilzen, ohne sie von den Algen streng scheiden zu wollen, lässt es aber entschieden nicht gelten, dass die- selben (wie Hallier lehrt) mit Hefe und Schimmelpilzen in gene- tischer Beziehung stehen.

Damit wäre, wie Sie sehen, das pflanzliche Gebiet, von dem unserem Körper Unheil droht, von vornherein bedeutend eingeengt, und wir brauchten uns z. B. vor der Hand nicht so sehr zu fürchten, dass wir, wie Hallier demonstrirt, von schimmeligem Compot oder Käse Morbillen bekommen.

Nach Coh n bilden die fraglichen Organismen eine eigene Gattung, die er mit dem Namen Bacterien bezeichnet. Er unterscheidet dieselben morphologisch als 1. Sphaerobaoteria , Kugelbacterien (Micrococcus, Torula), 2. Microbacteria, Stäbchenbacterien (Bact. Termo und lineola), 3. Desmobacteria, Fadenbacterien (Vibrio, Leptothrix), 4. Spir obacte ria, Schraubenbacterie.

Functionell scheidet er dieselben in pathogene Bacterien, die Krankheitscontagion ; zymogone Bacterien, die Gähruugserreger, wie Microc. ureac und saprogene Bacterien, die Fäulnisserreger.

Dio saprogeuen können die pathogenen zerstören und sind da- hei von dioson verschieden. Die Kugel- und manche Fadenbacterien, darunter die Bacterien der Krankheitserreger sind stets bewe- gungslos, dio Bacterien der Fäulniss sind sehr beweglich; doch gibt es nach Cohn der Letzteren auch solche, die, wie es scheint, niemals bowegungsfähig sind.

Aetiologisolie Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionslcrankheiten. 1!)

Sie gehören naturhistorisch zusammen und lassen sich höchstens durch ihro verschiedenen Functionen von einander unterscheiden. Die pathogenen wirken auf verschiedene Art schädlich, entweder durcli Veränderung des Blutes, durch Gefässverstopfung, durch Zersetzung und Verzehrung der Gewebe, von denen sie Sauerstoff und Stickstoff entlehnen, oder durch Ausscheidung eines Giftstoffes (Septicin).

Nach dem Gesagten scheint mir die Darstellung Cohn’s für unsere Frage wenig Klarheit zu bringen. Das Einzige, was in be- stimmter Form ausgesprochen wird, ist, dass die Fäulniss nur durch Bacterien bewirkt wird, und dass die Bacterien mit Schimmelpilzen genetisch nicht Zusammenhängen. Im Uebrigen lauten die Angaben sehr schwankend. Er trennt strenge die pathogenen Bacterien von den saprogenen, und doch ist die Wirkung auf die Gewebe bei beiden dieselbe. Er trennt die Fiiulniss von der Wirkung der pathogenen Bacterien, und warnt vor schlechtem Trinkwasser, weil darin Fäulniss- bacterien sind, und so ein Contagium übertragen werden könnte. Und was die obigen Angaben anbelangt, bezüglich der von ihnen im Or- ganismus bewirkten Veränderungen, so sind sie offenbar nicht seine eigenen, nicht botanische, sondern die der genannten pathologischen Anatomen, deren Befund ihm eben vorlag.

Rindfleisch und Klebs weichen in einzelnen Details von den Angaben Cohn’s über Morphologie und Eintheilung der Bacterien ab. Klebs namentlich betont die leptothrixähnliche Fadenbildung des Micrococcus, dass die Stäbchen- aus Kugelform hervorgeht, dass die bei verschiedenen Krankheiten gefundenen Formen der Micrococcus der Blattern, der Diphtheritis, der Rinderpest, sein Microsporon septicum von einander sehr auffallend abweichen.

Inwiefern ihm das Letztere zur Ueberzeugung zu demonstriren gelungen ist, vermag ich nicht zu beurtheilen.

Dagegen schreibt Eberth, sonst ein eifriger Verfechter der Micrococcus] ehre, dass der impfbare Microccus der Diphtheritis nicht zu unterscheiden sei von dem unschädlichen Mieroc. der Wunden und von dem Microc. des Harnes; und die Milzbrandbacterien nicht von denen der sauren Milch, der Buttergährung und des faulen Fleisches.

Rindfleisch dagegen sieht die Bacterien als Thierchen nied- rigster Stufe, die Micrococci dagegen als pflanzliche Organismen an.

20

Kaposi.

Ueber die Herkunft dieser Körperchen werden kaum Ver- muthungen ausgesprochen. Soweit sie Fäulniss bewirken, meinen Cohn und Rindfleisch, dass sie höchst wahrscheinlich in der Regel nicht aus der Luft stammen, sondern vom terrestrischen W asser (Kind- fleisch) oder nur durch directen Contact mit bacterienhaltigen Körperoberfläoheu oder Gegenständen, wie Cohn meint, vermittelt werden können.

Ich brauche nicht noch einmal auf die einzelnen angeführten Punkte aufmerksam zu machen, um das Vage, Widerspruchsvolle der- selben zu kennzeichnen, und dass sie über das Wesen und die Quelle der Contagien, über ihre Einheit oder Vielheit, über die Art ihrer Wirkung, über die Ursache der so eclatanten Verschiedenheit der bei den differenten contagiösen Krankheiten vorfindlichen klinischen Symptome, dass sie über das Yerhältniss der Fäulniss zur Gährung, und namentlich dieser beiden zu den Vorgängen im kranken Organismus, dass sie über alles dieses und über vieles Andere, was zur Aufhellung der contagiösen Krankheiten noth thut, uns nichts Positives lehren.

Es ist nun Zeit, dass wir für einige Augenblicke Halt machen, um uns zu sammeln und nach einem Rückblicke über den bereits zurückgelegten Weg wieder vereint vorwärts schreiten zu können.

Wenu wir die bisher erörterten Daten sichten, so müssen wir uns gestehen, dass von allen controversen Behauptungen eine aufrecht stehen geblieben ist, die von dem Vorhandensein kleinster Organismen bei anerkannt zymotischen und infectiös contagiösen Krankheiten. Auf das Hehr oder Weniger kommt es hiobei nicht au. Ob dies für einzelne Krankheiten nicht stichhältig erwiesen würde, ob da und dort Beobachtungsfehler unterlaufen sind, das ist bei dieser allge- meinen Betrachtung nicht von Belang.

\\ ir müssen ferner os als Thatsache hinnehmen, dass jene ge- fundenen Elemente wirklich Organismen sind und nicht Detritus (De Bary) oder nicht weiter orgamsirbaro Zorsotzungsproducte der Gewebe, dos Blutes mit inbegriffen.

Bei dem Umstande nun, dass Alles, was dio Botaniker über jene Organismen bisher auszusagen vermochten, noch immer alle das Coutagium und dessen klinisch so differente Wirkungen betreffenden I ragen offon lässt, bleibt der aprioristischen Vorstellung noch ein weiter Spielraum offen.

Aetiologische Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionskrankheiten. 21

Es wäre ja immerhin denkbar, dass diese Organismen, von denen es nicht erwiesen ist, dass sie von aussen und woher sie kommen, dass sie im Organismus selbst entstehen. Eine solche Ab- stammung wäre noch immer, wie wir gleich sehen werden, keine Generatio aequivoca, wie sie Bastian neuerdings durch nicht ganz «•liickliche Versuche beweisen wollte. Es ist ja vor Allem noch gar nicht so zweifellos, dass diese Organismen pflanzlicher Natur sind. Man sieht ja, wie viele Mühe die Botaniker haben, sie zu cliarak- terisiren und wie schwer sie sie unterbringen, wie sie sie bald zu den chlorophylhaltigcn Algen, bald zu den ehlorophyllosen Pilzen werfen, bald sie als eigenthümliche Organismen von unbestimmter Stellung ausgeben. Demnach könnten sie vielleicht auch von thierischen Zellen abstammen. Die Vorstellung, dass aus solchen neue Zellen ge- boren werden, dass solche eine gewisse Selbstständigkeit des Lebens, der Function besitzen, dass sie sich bewegen, vermehren, dass sie wandern können, diese Vorstellung ist uns ja heut zu Tage ganz geläufig.

Iu der That ist diese Deutung den gedachten Organismen gegeben worden von Huxley, Beale, James Boss, Karsten, Hartig u. A.

Obgleich auch diese Autoren in vielen Rücksichten von einan- der abweichen, wird es doch zur Darstellung ihres Principes genügen, die Ansichten Karsten’s vorzuführen.

Karsten lehrt: Micrococceu, Miorosporen, Microzymen, Vibrio- nen, Bacterien, Monaden etc. können sowohl aus pflanzlichen als aus thierischen Zellen hervorgehen.

Er nennt die in dem Protoplasma der Pflanzen- und Thier- zellen, besonders in den Muskel- und Epithelzellon, Schleim- und Eiterkörperchen vorfindlichen Körnchen „körnchengleiche Zellen“. Aus diesen kann man durch Züchtung all die oben gedachten Formen erziehen. Sie wachsen aber auch spontan im Leibe der Zellen heran und treten aus nach Schmelzung der Mutterzellenwand. Es ist nicht wahr, dass sie sich weiters durch Spaltung vermehren (Sehizomyceten), sondern ihre Vermehrung geschieht nur durch neuerliche Bildung von Tochtei'zellen.

Aus Pflanzenzollcn hervorgegangen, können sie niemals Mycelien treiben oder zu fructificirenden Pilzen heranwachsen, womit er also direct gegen Hallier sich wendet.

99

Kaposi.

Aus thierischen, lebenden oder selbst todten Zellen hervorge- gangen, können sie zum Theile sich (immer durch Tochterzellen- bildung) vermehren. Dazu rechnet or Micrococcen, Microzymen, Eiter- zellen und andere „hefeartige abortive Organisationen“. Sie können so Exsudate, bösartige Neubildungen, Gewebswucherungen bilden. Sie wirken nur durch ihre Assimilationsproducte, also, soweit diese gasförmig sein können, auch auf Distanz reizend auf die gesunden Gewebszellen, erregen so Entzündung und Krankheit überhaupt. Die krank gewordenen Zellen erzeugen dann Micrococcen lon in gleichem Sinne contagiöser Eigenschaft von um so giftigerer Wirkung. Sie sind aber keine specifisch eigenthümlichen Organismen, und weder dem Thier- noch dem Pflanzenreiche zuzuzählen. Sie sind vergäng- liche Abortivgebilde.

Es sei daher ganz überflüssig, bei den contagiösen Krankheiten nach für sie specifischen parasitären Organismen zu suchen.

Die Erfahrung, dass contagiöse Krankheiten nur in ihrer Art sich übertragen, sucht er mit dem Satze zu decken, dass in den krank gewordenen Zellen nur Micrococcen von gleicher contagiöser Eigenschaft entstehen, wie der erregende Micrococcus besass; und jene, dass gelegentlich wieder contagiöse Krankheiten auftauchen, soll wahrscheinlich durch den Ausspruch erläutert werden, dass keimträchtige Mutter-Vibrionen auch ausgetrocknet und bedeutend erhitzt, bei günstigen äusseren Verhältnissen ihre specifischen Tochter- zellen entlassen können.

Man hat in Kars ten’s Darstellung, wie mir scheint, mit Recht, mehr Naturphilosophie, als Thatsächliehcs gefunden. Als Theorie ge- nommen, erklärt sie nicht besser, aber auch nicht schlechter, als die bereits geschilderten die Vorgänge bei den contagiösen Krankheiten.

ln principieller Hinsicht möchte ich jedoch einen Punkt als nicht unwichtig hervorhebou. Die Forscher alle, deren Meinungen wir im Früheren vorgeführt, weisen offenbar den von aussen in den Körper gelangten kloinon Organismen bezüglich der Entstehung und Verbreitung der Contagien ausschliesslich die active Rolle zu. Der erkrankte Organismus spielt dabei nur eine passive Rollo, insoferne die Gewebe durch ihre Zersetzung die Nahrung zur Vegetation und Vermehrung jouer Organismen liefern sollen. Nach Karsten’s Aus- einandersetzung sollen der kranke Organismus und die kranken Gewebselemonte solber das auf die Nachbargewebe und auf andere

Aetiologische Bozielinng kleinster Organismen zu den Infectionskranklieiten.

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Individuen wirkende contagiöse H.efo-1 erment erzeugen. Diese An- schauung wird gewiss bei manchen Klinikern auf entgegenkommende Ideen treffen, und wir werden sehen, dass auch Billroth aller- dings auf anderem Wege zu einer ähnlichen Auffassung gelangt ist.

An Karsten muss ich eine Arbeit von Ilartig anschliesseu, die in der hiesigen Akademie der Wissenschaften erschienen ist. Ilartig hat die allmälige Umwandlung von Blumenstaub, welcher den noch nicht eröffneten Antheren entnommen worden, in Leptothrix, die Entwicklung von Bacterien aus Stärkekörnern direct beobachtet. Eine solche „Selbstentwicklung“ von Bacterien, Vibrionen etc. aus Pflanzeu- zellen komme bei jeder Fäulniss und Gährung vor sic ist eine „Transformation von Structurelementen“.

Sehen wir nun auch von der ziemlich isolirten Stellung ab, welche weiters Karsten und sein Schüler Harz zu der Theorie von der Gährung und Eäulniss einnehmen, so haben doch alle bis jetzt im Auge gehabten Forscher ihre obgleich von einander sehr wesentlich divergirenden Theorien auf einer gemeinschaftlichen Basis aufgerichtet, mit welcher auch ihre jeweilige Lehre steht oder fällt. Sie Alle bekennen sich nämlich zu folgenden drei Fundamental- sätzen, dass

1. Pasteur’s Lehre: „Keine Gährung ohne Hefe, keine Faul- niss ohne Bacterien“ vollständig richtig sei.

2. Dass die wesentlichen Vorgänge im Organismus bei den zymotischen Krankheiten dadurch bedingt wei’den, dass die bei den- selben vorfindlichen Organismen sie mögen von aussen, von Pilzen (Hallier) herrühren, oder von aussen als selbstständige Art kommen (Cohn), oder in den Geweben entstehen (Karsten), dass diese Organismen, sage ich, die Gewebselomonte im Sinne der Fäulniss und Gährung zersetzen. Denn nur so dürfen sie schliessen, dass demnach auch

3. Diese Organismen, analog denen bei Fäulniss und Gährung aus dem kranken Körper auf andere Organismen übertragen, in gleichem Sinne zersetzend, i. e. contagiös wirken und dio Contagien vorstellen.

Nun ist es bekannt, dass die Pasteur’sche Theorie von der Fäulniss und Gährung in ihrem Grundprincipe, wenn auch nicht in ihren Details von den meisten Fachmännern getragen wird, und auch sonst allgemein beliebt ist, so dass sie fast populär genannt werden dürfte.

24

Kaposi.

Allein wir dürfen es auch nicht übersehen, dass diese Theorie von der Zeit ihrer Veröffentlichung an sehr beachtenswerthe Gegner fand, unter denen ichLiobig, Ludwig, Hoppe-Seyler, Sullivan, Berthelot, Schröder, Dusch, Huppert nenne, und dass ihr Schöpfer durch die consequenten und sachlichen Gegenargumen- tationen so in die Enge getrieben wurde, dass er zu immer weiter gehenden Concessionen sich verstehen musste, ohne dennoch das oberste Princip seiner Lehre für alle Zeit sicherstellen zu können.

Man fand, dass in der Milch Milchsäure-Gährung eintreten kann, ohne eine Spur von Hefekügelchen (Sullivan, Hoppe-Seyler, Schröder, Dusch); dass eiweisshältige (Hydrokele-) Flüssigkeit, die von der keimeführenden Luft vollständig abgeschlossen -war, die nor- malen Verwesungsproducte lieferte (Hoppe-Seyler); dass Holzspäne, die die Essiggährung seit 25 Jahren ununterbrochen vermittelt hatten, vollständig frei von dem Essigpilze (Mycoderma aceti) sich zeigten (Liebig). Man hatte gefunden, dass vollständig verkohlte, also nicht mehr organische, nicht mehr lebende Hefe noch Alkoholgährung ein- zuleiten im Stande war (Manasse'in), so dass nothwendig ein von der organisirten Hefe unabhängiges Ferment angenommen werden musste es war gelungen, einzelne unorganische Fermente herzu- stellen, weiters das Ferment der Zucker-Inversion (Glykoseferment, Liebig, Berthelot) von der Hefe, das Ferment für Stärke-Inver- sion in Zucker aus Pflanzensamen und den Speicheldrüsen, das Fer- ment, welches Glykogen in Traubenzucker, Eiweiss in Peptone ver- wandelt, von den betreffenden Fermentträgern in vollster Fermentkraft zu isoliren, so dass Hoppe-Seyler dom Pasteur’schen Lehrsätze ganz entgegen sagen konnte „die Gährungen sind möglich ohne Organismen“.

Es ist weder meines Berufes, noch auch für unsere Angelegen- heit nothwendig, auf die Deutuug einzugehen, welche die genannten Gegnor der Pasteur’sehon Vitalitäts-Theorie von der Function der Vegetationsformen gaben, dio doch unleugbar bei Fäulniss und Giihrung regelmässig und boi Alkoholgährung jedesmal zugegen sind. Genug, dass sie denselben aus sachlichen Gründen keine wesentlich andere Itollo zuschreiben, als dom pilzfreien Holzspane bei der Essiggährung die der Sauerstoff- Vermittlung.

Andererseits, wenn Fäulniss und Giihrung, aber nur in diesem restringirten Sinne, von der Gegenwart dor Organismen abhängen,

Aetiologische Beziehung kleinster Organismen zn den Infectionskrankheiton. 2f)

zeigen dieselben Forscher, dass auch umgekehrt die Organismen in ihren Lebensbedingungen von der Fäulniss und Gährung abhängig sind, so dass Hoppc-Seyler seinen Satz: „Die Gährungen sind möglich ohne Organismen“ noch durch einen Nachsatz verstärkte: „aber nicht bestimmte Organismen mit einem bestimmten Leben ohne bestimmte Gährungen“.

Genau dieselben Ansichten über Fäulniss und Gährung, über den preeären Einfluss der kleinsten Organismen auf die Entstehung jener Vorgänge in todten organischen Substanzen und der Krank- heitsvorgänge im lebenden Organismus vertritt auch Billroth, so dass er zunächst den eben citirten Ausspruch Hoppe-Seyler’s auch zu dem seinigen macht.

Aber nicht der Ansicht als solcher wollen wir ein besonderes Gewicht zuerkennen, was wir, Gegnor jedes Autoritätsglaubens, auch anderen gegenüber bisher nicht gethan, sondern vielmehr der Fülle von Beobachtungen und Thatsachen, die Billroth in seinem Ein- gangs citirten Werke über „Coccobacteria septica“ niedergelegt hat, und aus denen eben jene Ansicht in logischer Consequenz hervor- gehen musste.

Da wir es hier auch noch mit einem neu klingenden Namen zu thun haben und einem Wei-ke, welches, die Frucht fünf Jahre lang fortgesetzten Studiums und Experimentirens, unsere Angelegen- heit in mehr geschlossener Form behandelt, so müssen wir auf dasselbe so weit wenigstens näher eingehen l), als dies für unsere gegenwärtige Aufgabe unumgänglich nothwendig erscheint.

Coccobacteria septica nennt Billroth eine Alge, welche alle Morphen in sich vereinigt, die sonst (nach Cohn) als besondere Coccos- und Bacteriaarten und unter verschiedenen Namen bei den Autoren angeführt erscheinen (als: Monas cropusculum, Micrococcos, Microsporon septicum, Zoogloea, Vibrio, Baeterium, Palmolla, Lepto- thrix etc.).

Als einheitliche Pflanze hat Billroth sie nur in sauerem Milchserum, seltener in gekochtem Fleischwasser angetroffen.

Zur Erkenntniss dieser Einheit ist Billroth noch vor dem letztgenannten objectiven Befunde gelangt, durch die Betrachtung

’) Ein etwas ausführlicheres Referat übor dieses Werk habe ich in der „Wiener medicinischen Wochenschrift“ vom 18. und 25. April d. J. veröffent- licht. (Kaposi.)

20

Kaposi.

ihrer Entwicklungsgeschichte, aus welcher zu entnehmen war, dass die früher als getrennte Arten angesehenen Morphen nur verschie- dene Vegetationsformen von Coccos und Bacter.a darstellen, dass sie in einander übergehen, und von gewissen Formen aus Micrococcus bilden. Die Coccuskörperchen stellen jedoch die Grundform vor, aus der die Stäbchen- oder Baoterienform hervorgehen kann, me umgekehrt.

Eine Anführung der weiteren morphologischen Details hat an

diesem Orte keinen Zweck.

Für das Verständnis der Coccobactoria-Cultur war das Auf- finden von Dauersporen oder Luftsporen (Helobacterien) von Belang (deren Charakteristik stimmt mit jener der Dauerzellen von Cohn überein). Dieselben können sehr hohe Hitze und Kalte er- tragen, und vollständig austrocknen, ohne ihre Keimfähigkeit zu ver- lieren.

Heber die Beziehung von Coccos und Bacteria zu Hefe und zu den Schimmelpilzen äussert sich Billroth dahin, „dass mit Aus- nahme einiger in vielen Dingen ja noch räthselbafteu Miciococcus- formen , keines der beschriebenen Elemente der Coccobacteria in einem genetischen Zusammenhänge zu Schimmelpilzen und zu Bier- und Fruchtsafthefe steht“.

Wie aus dem Gesagten zu entnehmen, stimmt Billroth mit Ferdinand Cohn und gegen Hallier und Karsten, indem er den Mikrozymen und Schizomyceten jeden Zusammenhang mit Schimmel- pilzen abspricht; zugleich aber gegen Cohn und theilweise mit Klebs, indem er die gedachten Organismen in eine Klasse zusam- menfasst.

Mögen nun die Botaniker über diesen Theil der Arbeit urtheileu wie sie wollen, so hat das auf das Meritorische dos nun Folgenden keinen Einfluss, da ja Billroth wesentlich sicher dieselben kleinsten Gebilde im Auge hat, wie alle anderen Forscher.

Billroth hat es nun wahrscheinlich zu machen gesucht, dass die von ihm Coccobacteria genannte Algen- Gattung es ist, welche bei allen denjenigen Fäulnissprocessen vorkömmt, die den Arzt und Chirurgen interessiren ; und dass alles, was bis jetzt bei Infections- kranklieiten von pflanzlichen Organismen in lebenden und todten Körpern gefunden worden ist, fast immer nur Vegetationsformen von Coccobacteria septica wareu.

Aetiologiselie Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionskrankheiten. 27

Auf Grund erstaunlich zahlreicher und nach den verschiedensten Methoden ausgeführten Untersuchungen, welche sich auf Leichen, faulende Gewebsaufgüsse, Gewebo und Secrete , sowie auf Gewebe und Secrete lebender Menschen erstrecken, glaubt Billroth es als erwiesen anselien zu müssen, dass sich in den meisten Geweben des Körpers (vonviegend wohl im Blute) entwicklungsfähige Bacterien- keime, d. i. Dauersporen der Coecobacteria septica vorfinden.

Damit ist aber nicht gesagt, dass sie sich im lebendigen Blute und im lebendigen Gewebe und Secrete eines gesunden Menschen entwickeln können. Billroth hat niemals im Blute lebender Menschen und Thiere Elemente gefunden, deren Deutung als Vegetations- form von Coecobacteria über allen Zweifel erhaben gewesen wäre. Im Gegentheile, sie gehen, wie Injectionen an Hunden lehrten, im lebenden, kreisenden Blute zu Grunde. Sie sind auch für das Blut lebender gesunder Menschen nicht, oder nicht zweifellos erwiesen worden. Sie sind aber fast gewiss als Elementarformen fast überall vorhanden, da nach seinen Experimenten Luft und Wasser Dauer- sporen in grosser Zahl führen und in den Organismus einbringen. Ihre Anwesenheit hat jedoch gar keine Bedeutung, nur ihre Vegetation.

Diese letztere kann aber im gesunden, lebenden Organismus nicht stattfinden.

Wenn die organische Materie sich zersetzt, wie bei Infections- krankheiten, kurz vor und unmittelbar nach dem Tode, dann gibt sie einen günstigen Boden ab für die Entwicklung von Coecobacteria. Und so mag es kommen, dass kurz vor dem Tode solche Elemente im Blute gefunden werden, während sie im noch kräftig lebenden Organismus nicht nachgewiesen werden können.

Zu ihrer Entwicklung ist nämlich eine gewisse Stabilität des Substrates nothwendig (so wird bei Kulturversuchen schon durch Schütteln des Gefässes ihre Entwickelung gehindert), oder eine be- stimmte chemischo Zusammensetzung desselben, wodurch eben die Bedingungen für die Assimilirung von Stoffen von Seite der Sporen geschaffen wird.

Es ist also derart der Fäulnissprocess nur Gelegenheitsursache der Coccobacteria-Vegetation.

Daher die erstaunliche Inconstauz der Coccobactcviafunde, so dass Billroth z. B. sagen kann, dass das Vorkommen von Cocco- bacteria in Leichenblut von Individuen, die an septischen Krank-

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Kaposi.

heit.cn gostorben sind, keineswegs Regel ist. Und doch soll z. B. nach Klebs, Tiegel, Zahn otc. Sopticaemie stote durch Microsporon septicura bedingt sein.

Mit dom Fortschritt der Fäulniss geht nach Billroth die Ent- wicklung von Coccobacteria keineswegs Hand in Hand; dieselbe geht im Gegenlheile im faulenden Substrate oft zu Grunde. Gerade Blut, Lymphe, Eiter sind für die Entwickelung von Coccobacteria sehr ungünstige Substrate. Das Sauerwerden der Milch scheint von Cocco- bacteria-Entwickelung unabhängig zu sein, und Harn kann reichlich Bacterien (Torula) enthalten, ohne (selbst nach 32 Tagen) alkalisch zu werden. Uebelriechender Eiter enthält keineswegs Micrococcos in verhältnissmässiger Menge (Rindfleisch behauptet, dass stinkende Fäulniss nur durch Bacterien entstehen könne) und micrococcus- hältiger Eiter muss nicht nothwendig mit Fieber sich befinden. Nicht stinkender Eiter aus einem mit der Luft nicht eommunicirenden Abscesse enthielt viel Micrococcus, in anderen Fällen gashaltiger, stinkender Eiter geschlossener Abscesshöhlen keine Spur davon.

Im Uebrigen muss Billroth alles, was er an pflanzlichen Organismen in lebenden Secreten und Geweben vorfand, für morpho- logisch vollkommen gleich halten mit den auf todten, faulenden organischen Substanzen gesehenen (mit Ausnahme der Schimmel- forracn der Hautmykosen, der Schimmel im Ohre, den Lungen); und dass es bis jetzt kein morphologisches Kennzeichen irgend einer Micrococcus- oder Bacterienform gebe, aus welcher man schliessen könnte, dass sie sich nur bei dieser oder jener Krankheit in oder am lebenden Körper entwickeln könnte.

Gährung und Fäulniss sind wie gesagt von Coccobacteria als solcher unabhängig. Aber die faulenden und gährenden Substrate sind ein geeigneter Boden für ihre Entwicklung. Von der Natur des Substrates hängt es ab, ob dieso oder jene Vegetatiousform der Coccobacteria sich vorwiegend entwickelt; und gewisso Formen (wio Bierhefe, torula urinao) können für ihnen besonders zusagende Medien nach einer Art natürlicher Zuchtwahl als Spocies sich horausbilden.

Und nun, meine Herren! nach all dem, was nach Liebig, Iloppe-Sej lei, Billroth etc. sachlich von uus vorgebracht wurde, die Möglichkeit zugegeben, dass die Gegner der Pasteur’schen Theorie im Rechte sind; und indem wir nach dem Vorgänge aller Forscher

Aetiologisclie Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionskrankheiten. 29

ihre bezüglich der Fäulniss und Gährung geltend gemachten An- schauungen auf dio Vorgänge im kranken Organismus übertragen, darf es wohl angenommen werden, dass dio bei zymotischen Krank- heiten nach dem Tode oder kurz vor demselben gefundenen Orga- nismen sich eben da entwickelten, nicht weil sie die Ursache jener krankhaften Veränderungen abgegeben haben, sondern weil eben Fäulniss und Gährung eingetreten war, und solche Organismen eben nur auf solchem Boden gedeihen.

Es muss gewiss Jedem, der die betreffenden Arbeiten studirt, aufgefallen sein, dass die Angaben von Vorgefundenen Organismen sich vorwiegend auf post mortem-Befunde beziehen.

Man wird zwar Vorhalten, dass auch im Verlaufe der zymoti- schen Erkrankungen, Beobachtungsfehler abgerechnet, im lebenden Blute solche Organismen gefunden worden sind.

Allein was gelten diese im Ganzen doch spärlichen Angaben gegenüber jenen anderer Beobachter, die auch im gesunden Blute derartige Organismen demonstrirten. Im eigenen Lager der Myko- Pathologen wird ja solches behauptet. Hallier sagt ja, dass er in den Speichelkörperchen, in der Milch der Euter gesunder Kühe, im Laab des Kälbermagens u. s. w. jedesmal Pilzkeime vorfinde.

Dürfen wir nicht weiters fragen , wie wir uns das deuten sollen, dass wir noch mit gesunden Leibern einhergehen und über- haupt leben, da wir doch immerfoi’t mit Pilzkeimen oder kleinsten Organismen überhaupt in allen Säften und Geweben, in Blut und Lymphe impraegnirt sind? Ist es nicht sonderbar, dass diese Orga- nismen erst dann Fäulniss und Gährung veranlassen, wenn wir schon krank sind? Dann sind sie eben nicht Ursache unserer Krankheit.

Man wird sagen, ja nicht alle Organismen, die in den Körper aufgenommen werden, können oder müssen auch Krankheit erzeugen. Es sind nur die pathogenen Micrococcen nach Cohn. Aber hat sie schon jemand von anderen unschädlichen, oder den saprogenen unter- scheiden gelehrt? Oder es sind nur gewisse Morphen der Pilze nach Hall ier. Aber diese Pilze sind ja die allergcmeinsten der Welt, die wahrhaft cosmopolitischen Schimmelpilze, deren Ubiquität ja betont wird? Und warum entwickeln sich im Organismus nicht diese Morphen so lange wir gesund sind? müssen erst im Organismus die Bedingungen dazu geschaffen werden, dann ist oben die Krankheit die Ursache jener Morphenbildung, nicht umgekehrt.

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Kaposi.

Wir brauchen aber gar nicht die Möglichkeit in Abrede zu stellen, dass kleinste Organismen als Träger eines Oontagmms- fuuetionircn, und dürfen doch dieselben nicht als das Contagium selbst hinnehmen. In Analogie mit der Anschauung Liebig’s, Hoppe- Seyler’s u. s. w. von den Hefezellen, könnten die Organismen von dem kranken Gewebe oder vielleicht von Haus aus das Ferment in sich tragen. Aber dieses Ferment könnte auch abgeschieden von den Bacterienlceimen wirken, wie das abgeschiedene Glykoseferment, ohne dass die Organismen dabei etwas zu tliun haben. Ist ja sogar von den Anhängern der Zymo-Organismen ein selbständiges Ferment als Septicin oder Sepsin ausgegeben worden (Bergmann, Tiegel).

Sie werden sich wundern, dass ich nicht längst von den be- kannten Impfungs- und Injectionsresultaten der Foi-scher mittels filterten und nicht filterten Zymose-Secreten (Chauveau, Sander- son, Klebs u. A.) Blut, Diphtheriemembranen etc. kranker Indi- viduen gesprochen habe. Abgesehen von den höchst widerspruchvollen, auch ganz entgegensprechenden (Tiegel, Billroth) oder räthsel- haften Resultaten derselben, und abgesehen von der sehr discutirbaren Methodik, haben sie auch keinen entscheidenden Werth, sobald die Pasteur’sche Lehre nicht steht.

Nach all dem ist es wohl natürlich und logisch, dass in dem- selben Maasse als unser kritisches Ohr von den widerspruchsvollen Rufen der Botaniker und Chemiker sich abzuwenden gezwungen wird, andere uns näher liegende, rein klinische und medicinische Fragen vernehmlich in dasselbe klingen. Hat man je von den un- zweifelhaft parasitären Hautkrankheiten ein Vordringen der Pilzkeime in den Organismus und eine sogenannte Zymose daraus entstehen gesehen? Hat je ein Kliniker behauptet, dass er Pityriasis versicolor in Herpes tonsurans und Favus üborgehen sah? Und doch sollen nach Hallier die Pilzmorphon dieser Krankheiten in einander über- gehen. Hat man es noch nie erlebt, dass ein Individuum an einem abgekapselten Peritoneal- oder Retroperitoneal- oder geschlossenen Zellgewcbs-Abscesse pyaemisch erkrankte und starb? Wird es möglich sein, die urplötzlich auftretendo traumatische Gangracn und Ver- jauchung, die durch Abschnürung, Incarceration , Zellgewebs-Ver- jauchung etc. immer nur durch von aussen eingedrungene Organismen

Aetiologische Beziolimig kleinster Organismon zu den Infectionskrnnkheiton. 3 1

zu erklären? Widerstrebt, es nicht all unseren bisherigen Ideen, es zu glauben, dass ein Pilz, wie Ivlebs, Tiegel, Zahn lehren (Microsporon septicum), die Granulationsbildung und Eiterung und Wundheilung und dann wieder Septicaeraie erzeuge? Alle unsere Vorstellungen von dem Einflüsse des Nerven- und Gefässsj^stems auf die Vorgänge bei Entzündung, unsere Vorstellungen über das physio- logische und pathologische Wirken und Leben der thierisohen Zellen, all das soll nichts gelten gegen die Macht nichterwiesener Pilz- organismen, gegen die cosmische Umsturzkraft eines schimmeligen Strohhalms ?

Je mehr sich unser medicinisches Urtheil in unserer Angelegen- heit vorwagt, desto freier, möchte ich sagen, athmen wir auf. Die Insekten (Fliegen, Seidenraupen, Empusa muscae , Botrytis Bas- siana u. s. w.) werden durch Parasiten zu Grunde gerichtet. Li e big demonstrirt dagegen, dass die Seidenraupen erst dann an der Gattine erkranken, wenn sie durch schlechte Nahrung krank gemacht worden siud. Harz hat Bienen mit pilzigem Honig gefüttert, ohne sie krank zu machen. Seehaus berichtet, dass gewisse Insekten von Pilzen sich nähren. Es scheint also, dass der gesunde Organismus den Ein- fluss solcher Gebilde wohl zu überwältigen vermag.

All’ diese Erwägungen und Bemerkungen, welche wegen der Schwäche der erörterten Argumente auftauchen, führen uns aller- dings nicht dazu, die Krankheitsfermente kennen zu lernen. Allein sie machen uns vor der Hand bedächtig, die dafür ausgegebenen als solche anzuerkennen.

Wir haben weiters gesehen, dass für die Lehre von den Zymo- Organismen neben der jeweilig beliebten Theorie von der Fiiulniss und Gährung auch noch die Annahme als Basis diente, dass die Vor- gänge bei den Zymosen denen bei Fäulniss und Gährung analog sind.

Es ist jedoch bekannt, dass gerade der erste epochemachende Forscher auf diesem Gebiete, Davaine, der als Erster im Jahre 1863 bei einer infectiösen Krankheit, beim Milzbrand, Organismen, Bac- teridien von ihm genannt, nachgewiesen hatte, zugleich auch eine Thatsacho mittheilte, die gegen seine eigene Theorie von der Con- tagiumnatur der Bacteridien gedeutet werden kann. Davaine fand zunächst die Bacteridien, als kleine Stäbchen, nur wonigo Stunden vor dem Tode des Thieres. Blut mit solcher Beimengung war eontagiÖs. 24 Stunden nach dem Tode des Thieres waren grössere Fäulniss-

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Kaposi.

Bactorion zugogen und dieses Blut konnte nicht mehr Milzbrand übertragen. „Bio Fiiuluiss zerstört die Bacteridien meinte Bavainc, und Ford. Cohn lehrt gleichfalls, dass die Fäuluiss-Bacterien die pathogenen Bacterien zerstören.

Ware der Unterschied zwischen beiden Formen eben so fest- gestellt, wie er nur behauptet wird, so wäre allerdings nichts gegen jene Auffassung zu sagen. Doch nachdem dies nicht der Fall, mag es sich auch so verhalten, dass nur der lebende kranke Orga- nismus das Krankheitsferment erzeugt. Wenn das Thier nahe dem Tode, wenn schon Blutfäuluiss da ist, entwickeln sich kleinere Bacterien und das Blut ist contagiös, weil eben das Thier noch lebt. Nach dem Tode ist das Blut nicht mehr ansteckend, aber es fault intensiver und ermöglicht eine üppige Vegetation von Bacterien.

Sie sehen meino Herren, wie schwer es fällt, der Kritik und Schlussfolgerung sich zu enthalten, sobald man im Studium auf den Sinn und Gehalt des Gebotenen eingeht.

Leider sind wir auf diesem Wege nur dahin gelangt, zu erkennen, wie richtig es ist, wenn der bekannte Botaniker Hoff- raann in seinen mykologischen Berichten (1871) sagt: „Da in einem Referate, je unparteiischer dasselbe ist, desto mehr alle Ansichten gleich wer thig erscheinen, so kommt man zu dem Resultate, dass man eigentlich gar nichts sicheres weiss.

Man weiss noch nicht, was Fäulniss und Gährung sind, ob diese beiden Processe überhaupt zusammengehalten oder getrennt (Schneider) werden sollen, und hat sie dennoch sogar mit den zymotischen Krankheitsvorgängen in eine Analogie gebracht und hieiauf ganze Theorien aufgebaut. Man weiss nicht, was man von den Schizomyceten halten soll, ob sie zu den Pilzen (Hallior’s Schule) oder Algen (Billroth) gehören, oder ein Mittelding zwischen beiden darstellen (Cohn), oder zwischen Pflanzen- und Thierwelt

stehen (Karsten), oder überhaupt Organismen im eigentlichen Sinne daistcllcn (ILaitig). Man weiss nicht, ob sie Zersetzungsprocosse bedingen (1 asteur, Hallier, Cohn, die pathologischen Anatomen), oder ob sie durch jene bedingt werden (Hoppc-Seylcr , Bill- lot'h °^C-)' Diejenigen, welche die Mikrozymon als die Contagien ausgeben, sind uns die Beweise dafür schuldig geblieben, und die sie nicht als Contagien gelten lassen wollen, sind uns das Contagium selbst schuldig geblieben, da wir doch nicht das ganz hypothetische

Aetiologische Beziehung kleinster Organismen zu den Infectionskrankheiten. 33

„phlogistische“ und „putride“ und „septische“ Gift, das nach Bill- roth aus jedem acut entzündeten Gewebe soll entstehen können, oder das „Septicin“ von Bergmann, Tiegel, F. Cohn als ein Erwiesenes hinnehmen können.

Und dennoch möchten wir das Resultat so vieler mühevoller und geistreicher Arbeiten nicht als negativ bezeichnen. „Man weiss wenigstens, dass gewisse Ansichten positiv falsch sind“ (Hoffmann).

Man weiss dass wir nach der heutigen Sachlage, ohne Gefahr verketzert zu werden, an der Richtigkeit gewisser Angaben noch zweifeln dürfen, bevor sie nicht besser erwiesen werden als dies bisher geschehen ist; dass Zweifeln hier noch besser sei, als das sogenannte „Wissen“, weil es so vielleicht die Quelle des Wissens werden könne.

Positiv und erhebend zugleich ist die Erkenntniss, welche wir aus dem kritischen Studium der gedachten Arbeiten schöpfen, dass wir in einer Zeit rührigsten geistigen Schaffens leben, wo an die Lösung einer einzigen wissenschaftlichen Frage die besten Arbeiter unserer Zeit ihre ganze Kraft einsetzen ; und positiv das neuerliche Ergebniss von der Solidarität der Medicin mit der allgemeinen Natur- wissenschaft.

So weit wir aber medicinische Pathologen sind und es sich hier um die Entscheidung einer unser Fach betreffenden Frage handelt, scheint es wieder als positiv sich ergeben zu haben, dass, wie auch Billroth und Virchow erst bei jüngsten Gelegenheiten betonten, die klinisch richtig gestellten Thatsachen unter allen Um- ständen ihre volle Bedeutung behalten; dass die durch das Experiment und die Mikroskopik gewonnenen Resultate auf die klinisch aner- kannten Vorgänge nur bezogen werden dürfen, wenn sie mit diesen nicht in Widerspruch stehen ; dass, insoferne es sich um Erklärungen für die Entstehung und Verbreitung contagiöser Krankheiten, d. i. klinisch abgegrenzter Erscheinungsgruppen handelt, auch wir Kliniker werden gehört werden müssen, und dass es wahrscheinlich auch in dieser Rücksicht für immer gelten wird: Nil de nobis sine nobis.

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