I

DIE

FORMEN DER RAKTERIEN

UND IHEE BEZIEHÜNGETsf

zu DEN

GATTUNGEN UND AETEN.

VON

D? FEEDIMD HUEPPE,

Doceiit der Hygiene und Bakleriologie am chemisclien Laboratoriuni von 11. Fresenius

zu Wiesbaden.

MIT 24 HOLZSCHNITTEN.

WIESBADEN. C. W. KEEIDEL'S VEELAG. 1886.

Das Recht der Uebersetzung bleibt vorbehalten.

Druclc von Carl Rittor in Wiesbaden.

HEIiRN

D'' FERDINAND COHN,

PROFESSOR DER BOTANIK IN BRESLAU

UND

HEREN

D-* ANTON DE BAEY,

PROFESSOR DER BOTANIK IN STRASSBURG

HOCHACHTUNGSVOLL

GEWIDMET.

Vorwort.

Seit Jahren herrschen auf dem Gebiete der Morphologie der Bakterien die schroffsten Gegensätze, ohne dass bisher eine gegen- seitige Verständigung möglich war. Die Stellungnahme zu den Theorien über die allgemeine Morphologie hat mehr als direct er- mittelte Thatsachen die Ansichten bestimmt, so dass Schroffheiten und fortwährende Missverständnisse kaum zu vermeiden waren.

Allmählich scheinen mir aber die auf diesem Gebiete selbst ermittelten Thatsachen so weit gediehen, um eine erneute Prüfung zu gestatten. Ohne etwas Kritik geht es dabei freilich nicht ab, wenn man auf Grund eigener eingehender Untersuchungen und Be- obachtungen ein Material zu sichten versucht, bei dem die wichtigsten morphologischen Ermittelungen oft nur nebenbei in physiologischen und pathologischen Arbeiten erwähnt sind, während manche als morphologische angekündigte Mittheilnng mehr über Biologie als über Mo]-phologie zu berichten wusste.

Eine Klärung und Verständigung über die morphologischen Grundlagen ist aber in der Bakteriologie von einschneidender Be- deutung für die biologischen Fragen und schon jetzt hat manche wichtige physiologische und pathologische Controverse ihren wissen- schattlichen Abschlnss erst durch eine gründliche morphologische Untersuchung gefunden.

, Je mehr Klarheit in den Grundzügen herrscht, um so leichter wird sich aber auch eine Verständigung in Einzelheiten anbahnen, und ich hoffe mit diesem Versuche etwas zur Klärung und gegen- seitigen Verständigung beizutragen.

Wiesbaden, November 1885.

Der Yerfasser.

Inhaltsverzeichniss.

Seite.

Vorwort V

I. Die älteren Anschauungen über die Bakterien. Sind die Bakterien Thiere oder Pflanzen? Sind speeifische Trennungen unter denselben möglich? 1

II. Unterscheidung zwischen naturhistorischen Arten, Pormarten und physiologischen Arten. Unmöglich- keit nach einer Form Arten zu bestimmen. System von F. Cohn...- 7

III. Negation des S p e ci e sb e gri f f es. Gehören alle Bakte- rien zu einer Art oder Gattung? Sind die Formen nur Anpassungserscheinungen? 16

IV. Controverse über den Speciesbegrif f und die Bedeu- tung der Form für die Artbestimmung 24

V. Stellung der Aufgabe. Gi ebt es m on o m orphe , r el ati v einförmige und entschieden pleomorphe Arten unter

den Bakterien? Erweiterung des Begriffes Bakterien 26 Spaltpflanzen, Spaltalgen und Bakterien 34

VI. Passt sich die Form geänderten Aussenverhältnissen an? Breite der Variab ilität. Gestattet die Gesammt- heit der Formen ächte Arten oder nur Formarten ab- zugrenzen? ■ . . . . 41

VII. Welchen Einfluss haben Veränderungen der Funktion auf die Form? Arten, Varietäten und Ernährungs- modificationen. Abschwächung oder Transformisraus? 62 Speeifische Formen und speeifische Organismen 70

VIII. Die Bedeutung der Zoogloea zur Abgrenzung von

Gattungen und Arten 75

Chemische und mechanische Einflüsse des Substrates auf die

Bildung der Zoogloea 80

VIII

Inhaltsverzeichiiiss.

IX. Die Wuchsfornien der Bakterien ^"'^

I. Die Emzekellen; typische Formen j.

Die Einzellzelleii als vegetative Formen 9

A. Kokkenforni; B. Stäbchenfünn ; C. Schniubcnfünn .' %

II. Die freilebauien Eimclzellen ; die Zell-Tlieilmi^ 9.

Bewegungsorgane, Cilien \ . . 9:

III. Die Verbände der Einzelzellen

A. Ketten und Fäden 100

B. Flächenförniigc Anordnung

C. Packetbildung ,

10,

D. Unregelmässige Gruppen jq^

IV. Degenerationsformen und regressive Metamorphose lOß

V. Formen der Zoogloea

X. Fructification der Bakterien jj3

Endogene Sporen

Gonidien, einfache Sporen, Arthrosporen ].24

Pleomorphie der Fruetiflcationsorgane I33

Keimung der Arthrosporen 13^

Bildung und Keimung der endogenen Sporen 135

XI. Gattungen der Bakterien

A. Bakterien mit Bildung endogener Sporen ]4l

B. Bakterien mit Bildung von Arthrosporen incl. der Bakterien, deren Fructification unbekannt ist I44

Bestimmung der Bakterien I47

XII. Phylogenetische Beziehungen der Bakterien .... 14S)

I.

Die älteren Anschaiuiiigen über die Bakterien. Sind die Bakterien TMere oder Pflanzen? Sind speciflsclie Trennnngen nnter densell)en möglicli?

Die ersten Zeiten nach der Entdeckung der Mikroorganismen durcli Leeuwenhoek, 1675, waren Speculationen über die Her- kunft dieser Organismen, über Beziehungen zu Seuchen und über äTin- liche Fragen gewidmet, zu deren Entscheidung die mangelhaften Instrumente und dürftigen Experimente keinerlei thatsächliche An- haltspunkte lieferten. Auch der erste Versuch einer Classificirung auf morphologischer Grundlage durch Will, 1752, brachte noch wenig Positives zu Tage. Wichtiger wurde der besser motivirte Classificirungsversuch von Otto Friedrich Müller dadurch, dass er 1773 bis 1786 unter den Infusorien auch die Mikroorganis- men berücksichtigte, welche wir jetzt Bakterien nennen. Wenn auch die Einzelheiten seiner Eintheilung kaum noch Interesse bieten kön- nen, so ist es doch immerhin nicht unwichtig zu wissen, dass ein grosser Theil der noch jetzt geläutigen Namen damals von Müller eingeführt wurde. Bezeichnungen wie Monas, Bakterium, Proteus, Vibrio, und unter diesen : Vibrio rugula , Vibrio bacillus, Vibrio spirillum finden sich von jetzt ab in der Litteratur. Auch Bory de Saint- Vin cen t, 1824 bis 1831, brachte noch keine prin- cipiellen Fortschritte, trotz einiger Berichtigungen in Einzelheiten.

In dieser ganzen früheren Periode wurde in Folge der unge- nügenden optischen und experimentellen Hülfsmittel die morpho- logische und biologische Seite der Frage immer durcheinander ge- worfen und die Theorien waren im Gegensatze zu den dürftigen Thatsachen die denkbar grossartigsten. Unter diesen Anschauungen

Hueppe, Formen der Üiikterion. 1

Die älteren Anschauungen über die Bakterien.

Will ich nur einige anführen, welche sich zum Theil bis in unsere Tage wenn auch mit Aenderungen, erhalten haben, oder s" deien Prüfung zugleich zu thatsächlichen Fortschritten geführt h '

d e H^t sei der ersten Entstehung des Lebens dem Experimente d äem Mikroskope zugänglich zu machen und zu lösen. Solchen an d Gienze zwischen Anorganischen und Organischen in Infusen entstl

Sic? c Li. 7 " Proteusartige Xatur sollte

sich dann weiter äussern können, dass eine „Verwandlung Meta-

Ta sT lT' w"" -deren Infusionsformen« stattfin'deUder dass au den Infusorien sogar die Formen der Pilze und Flechten hervorgehen. Bei dieser Umwandlung der Infusorien in Pflanzen sollten äussere Einflüsse das Bestimmende sein

Seit den grundlegenden Versuchen von Spallanzani, 1776 war die experimentelle Forschung mit Erfolg bemüht, Licht in die- sem dunklen Gebiete zu verbreiten. An der Hand immer mehr ver- feinerter und vereinfachter Versuche konnte man die generatio spon- tanea mehr und mehr zurückweisen und erkennen, dass alle bis jetzt bekannten kleinsten Lebewesen aus specitischen Keimen hervorgehen.

Auf morphologischem Gebiete glaubte dann Ehrenbercn, 1830 bis 1888, den Beweis für die Haltlosigkeit der Lehre von'dei' Urzeugung führen zu können durch die Mittheilung der Erforschung emer hohen Organisation der Infusorien, an der auch die Bakterien participiren sollten. Die Infusorien wurden von Ehrenberg in Tribus, Gattungen und Arten nach Formmerkmalen eingetheilt und speciell unsere heutigen Bakterien wurden bei verschiedeneu Familien untergebracht.

L Familie Monadina.

Gattung Monas.

Gruppe I. Kugelmonaden, Sphaeromonades. a) Punktmonaden; ß) Eimonaden,

Die Infusionsthierchen als vollkommene Organismen. 1838.

Die älteren Anscliauiuig-en über die Bakterien.

3

Gruppe II. Stabmonaden, Rhabdomonas, umlasst alle niclit deutlich gegliederten Bakterien, darunter:

a) die an beiden Enden gieichmässig abgerundeten, cylin-

drischen Stabraonaden; ß lind 7) die an einem Ende zugespitzten, am anderen

abgerundeten Kegel und Kreiselmonaden; d) an beiden Enden verdünnten Spindelmonaden.

II. Familie C r y p 1 0 m 0 n a d i n a.

Die Gattung Ophidomonas, welche man jetzt in genetische Be- ziehungen zu den Batterien bringt.

IV. Familie V i b r i 0 n i a. Gliederfäden (Monadenstöcke)

als gradlinige Körper (durch rechtwinklige Quertheilung) als spiralförmig

gekrümmte Körper (durch

schiefe ? Quertheilung)

imbiegsam Bakterium.

gewundene Gliederfäden, iinbiegsam

schlangenförmig biegsam Vibrio.

' gewundene Gliederfäden, biegsam . Spirochaeta. cylindrisch gedehnte

Spiralform Spirillum.

scheibenartig gedrängte . Spiralform Spirodiscus.

Dujardin^) berichtigte viele Irrthümer Ehrenberg's über die Infusorien und wies auch speciell die angebliche Organisation der Bakterien zurück. Auch Duj ardin bringt noch nicht alles, was wir- jetzt zu den Bakterien rechnen, unter seinen Vibrionen unter. Unter den Vibrionen D uj ar din ' s ist die Gattung Bakterium dadurch charakterisirt, dass die mehr oder weniger deutlich geglie- derten starren Fäden nur eine zitternde, keine schlängelnde Be- wegung zeigen. Die Gattung Vibrio hat schlangen- oder wellen- förmig biegsame Fäden. Die dritte und letzte Gattung, Spirillum, bildet Fäden in Schraubenform.

Bei diesen Eintheilungen von Ehrenberg und Duj ar din handelte es sich darum, scharfe, constante Formmerkmale zu finden, um die Vibrionia gegen die übrigen Infusorien abzugrenzen und die Genera innerhalb dieser Gruppe zu unterscheiden. Ehrenberg

Histoire naturelle des Zoophytcs, Infusoirea 1841.

4

Die älteren Anschauungen über die Bakterien.

fand die Yibrionia dadurch charakterisirt, dass er die Fäden als zusammengesetzt aus isodiametrischen Gliedern aufl'asste, 1. c, S. 74, „Zitterthierchen sind Monadinen, welche, durch quere unvollkommene Selbstth eilung, bewegte Gliederfäden bilden". „Die fadenförmigen, sehr zarten Körper nämlich sind nicht Eiuzelthiere, sondern ketten- artige Monadenstöcke und jedes der schwer sichtbaren Gliederchen der Kette ist offenbar erst ein Einzelthierchen. Der Grund dieser Ansicht liegt darin, weil diese Formen nie eine bestimmte Länge oder Gliederzahl besitzen, und weil gleichzeitig mit sehr langen sehr kurze vorhanden zu sein pflegen und so kurze, dass sie bis aus nur 2 bis 3 Gliedern bestehen, die man von Monas termo und crepus- culum gar nicht anders als durch die Gesellschaft und eine etwas eigenthümliche, schwer zu charakterisirende Bewegung unterschei- den kann."

Dujardin erkennt eine solch bestimmt ausgesprochene Zu- sammensetzung nicht an und rechnet wegen des Gesammthabitus viele Formen zu den Vibrionen, die Ehrenberg wegen mangeln- der Segmentirung bei der Gattung Monas unterbrachte. Von einer scharfen Abgrenzung gegen andere Mikroorganismen ist demnach bei beiden Forschern noch keine Rede und die scheinbar so leichte Scheidung der einzelnen Gattungen der Vibrionia unter- einander, der starrfädigen Bakterien von den wellenförmig biegsamen Vibrionen und den schraubigen Spirillen, gestaltet sich in der Praxis derart, dass fortwährend Verwechslungen vorkommen. Einig sind beide Forschern mit allen ihren Vorgängern darüber, dass die Bakterien zu den Thieren gehören. Doch findet sich schon bei Ehrenberg ein Bedenken augedeutet, indem er 1. c. S. 77 meint ,Der Vibrio Bacillus aus dem Zahnschleime des Menschen, welcher aber kein Thier zu sein scheint und den ich oft passiv, aber nie sich activ bewegen sah, würde, im Falle er thierisch wäre, Bakterium Bacillus zu nennen sein." Dies ist das erste Dämmern einer neuen Auf- fassung, welche ein physiologisches Criterium als ungenügend zur Entscheidung morphologischer Fragen betrachtet, auch wenn das- selbe noch so frappant ist, wie die scheinbar willkürliche Bewegung

vieler Bakterien.

Das Verdienst, diesen principiellen Fortschritt angebahnt zu

Die älteren Anschauungen über die Bakterien.

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haben, gebührt Perty.i) y)[q Yibrionida, die einfachsten aller Phyto- zoidien, sind nach ihm die „wahren. Blementarorganismen", besitzen wahrscheinlich keine weitere Organisation mid entstehen „aus An- fängen, welche verschwindend klein sind." „Die einzelnen Individuen sind sphäroidisch oder ellipsoidisch , vermehren sich durch Quer- theilung und bilden, indem sie hierbei gewöhnlich zusammen bleiben, Ketten, die entweder gerade oder wie ein Korkzieher gewunden sind". Die Vibrioniden bewegen sich nachPerty nicht willkürlich, sondern automatisch „nach dem Typus der Oscillarieen". „Die Vibrioniden können von den Botanikern mit eben so grossem Eechte zum Pflanzenreiche und zwar zu den niedrigsten Algen gerechnet werden, als die Oscillatorien und Spirulinen". Die Yibrionida theilt Perty, 1. c. S. 179, ein:

A. in Spirullina. Ketten oder Fäden spiralgewunden; mit den Unterabtheilungen Spirochaeta und Spirillum;

B. Bakterina. Die Fäden geschlängelt oder gerade. Als ünterabtheilungen Vibrio, Bakterium, Metallacter (Ba- cillus), Sporonema.

Auch Cohn ^) findet fast gleichzeitig die Verwandtschafts- beziehungen der Bakterien, ebenso wie Perty, nicht bei den Thieren. „Die Bakterien (Vibrionen) scheinen alle in's Pflanzenreich zu ge- hören, weil sie eine unmittelbare und nahe Verwandtschaft mit offenbaren Algen bekunden."

Durch die Untersuchungen von Perty und Cohn war der Schwerpunkt der morphologischen Forschung auf eine vergleichende Prüfung der gesammten Formverhältnisse der Bakterien hingewiesen. Nichtsdestoweniger wurde von den meisten Forschern, welche die Bakterien nicht mehr zu den Thieren sondern zu den Pflanzen rech- neten, ein einziges physiologisches Merkmal, der Mangel an Chloro- Ijliyll, für so- wichtig gehalten, dass man trotz des Mangels morpho- logischer Verknüpfungspunkte die Bakterien mit N ä g e 1 i lieber unter dem Namen Spaltpilze zu einer selbstständigen Abtheilung der Pilze machte, wie man dieselben früher wegen eines anderen physiologischen

1) Zur Kenntniss kleinster Lebensformen, 1852, S. 104.

2) Nova Acta Acad. Gar. Leop. XXIV, 1853, I, S. 130.

6

Die älteren Anschauungen über die Bakterien.

Merkmales, der Bewegung, zu den Thieren gerechnet hatte. In dieser Auffassungsweise ist wohl auch eine der Ursachen zu suchen, dass später Hai Ii er und seine Anhänger die Bakterien in directe onto- geuetische Beziehungen zu den Schimmelpilzen bringen konnten. Diese letzteren Beziehungen wurden von deBary, van Tieghem, Cohn, Burdon-Sanderson, Nägeli zurückgewiesen und damit die Auffassung wieder angebahnt, dass die Bakterien eine Pflanzen- Familie für sich bilden.

Unter den Forschern, welche daran festhielten, dass die Bak- terien eine gesonderte Gruppe des Pflanzenreiches, gleichgiltig ob den Pilzen oder Algen näher stehend, bilden, machten sich dann zwei Richtungen bemerkbar. Die eine hielt daran fest, dass die Formen der Bakterien zugleich gute Artmerkmale bilden und eine Trennung der Bakterien in Arten und Gattungen nach der Form möglich ist. Die Auflassung von Ehrenberg, dass alle Bakterien, die geraden, welligen und schraubigen Fäden aus isodiametrischen Gliedern zusammengesetzt sind , bahnte die andere Richtung an , deren erster Vertreter Perty in sofern ist, als er zuerst bestimmt erklärte, dass die gerade oder schraubige Form der Kette nur von der Art des Verbandes der sphärischen oder ellipsoiden Einzelzellen herrührt. Sehr entschieden wurde die Auffassimg, dass Arten im gewöhnlichen Sinne bei den Bakterien nicht vorkommen und im Be- reiche derselben keine Rede von specifischen Fermenten sei, von H. Hoffmann 1) vertreten.

1) Botanische Zeitung 1869, No. 15 his 20.

Naturhistorische Arten und Fomiarten.

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II.

Uiitersclieidimg zwisclien iiaturliistorisclieu Arten, Formarteii imd pliysiologisclien Arten. Unmögliclikeit nach einer Form Arten zn bestimmen. System von

F. Colin.

Von der ganzen bisherigen Betrachtungsweifee wich zuerst C o hn ^) ab. Seine Untersuchungen, welche er zum Theil in Verbindung mit Schröter 2) unternommen hatte, führten ihn zu der Ansicht, „dass die Bakterien sich in ebenso gute und distincte Arten gliedern, wie andere niedere Pflanzen und Thiere." Bei dem Versuche der Abgrenzung solcher distincter Arten wurde Cohn durch die „ausserordentliche Kleinheit, das meist gesellige Zusammenwohnen verschiedener Speeles, sowie die Varabilität der Arten" sehr gehindert. Zwei Beobachtungen waren es, welche ihm trotzdem die Möglichkeit eröffneten, die Artabgrenzung nach mor- phologischen Gesichtspunkten durchzuführen. Dies war einmal die Thatsache, dass die von ihm imtersuchten Bakterien in bestimmten Medien immer in bestimmter typisch wiederkehrender Form sich zeigten und dass ferner Eigenthümlichkeiten der Formen der Einzel- individuen durch das Zusammensein vieler Einzelindividuen deutlicher wurden. Bei dem Zusammenhang vieler Einzelzellen machten sich dann durchgreifende Unterschiede bemerkbar, indem einzelne Bak- terien in unregelmässiger Weise Schleimfamilien bildeten, während andere in Ketten- oder Fadenform zusammen blieben.

Die Formen der Binzelzellen von Kugeln, Ellipsoiden, Kurzstäbchen, Langstäbchen, geraden oder gebogenen Stäbchen und Schrauben genügen allein nicht zur Bestimmung von Gattungen und Arten, aber ebensowenig genügt allein die Kenntniss der Verbin- dungsweise de r Einzelin dividuen zu Gal 1er tmassen oder Fäden. Beide Momente müssen gleichmässig berücksichtigt werden und

1) üntersucliungen über Bakterien. Beiträge zur Biologie der Pflanzen, 1. Heft, 2, 1872, 2. Abdruck 1881, S. 127. *

2) Ueber einige durch Bakterien gebildete Pigmente, ibid. S. 109.

8

Katurhistorische Arten und Formarten.

ausserdem hat Cohn nicht vergessen, darauf aufmerksam zu machen, dass jedes Eiuzelindividmim bei seiner Entwicklung zu der typisch wiederkehrenden Form kleine Formabweichungen durchmacht. Aber auch unter Berücksichtigung aller dieser Formmerkmale zusammen vermag Cohn noch keine naturhistorischen Speeles abzugrenzen, er kommt „nicht immer zu natürlichen, son- dern höchstens zur Aufstellung von F ormspecies" und weiter muss er es sogar unentschieden lassen, in wie weit diese Formmerk- male „m-sprünglich verschiedenen Arten zugehören, in wie weit sie von äusseren Umständen abhängig, in den Variationskreis einer Art fallen oder gar nur Entwicklungszu stände des nämlichen Wesens sein können."

Um bei den ungenügenden Hülfsmitteln bis zum Verwechseln ähnliche Formen und Forraverbände auseinanderzuhalten, half sich Cohn damit, dass er derartige Bakterien interimistisch nach ihren Wirkungen in chromogene, zymogene und pathogene Arten unterschied. Die Aufstellung solcher physiologischer Arten geschah in der Erwartung, dass die weitere Forschung aucli noch , morphologische Verschiedenheiten werde erkennen lassen, welche die Annahme primärer Artverschiedenheiten begründen."

Nachdem Cohn alle diese Möglichkeiten in Rechnung gezogen hatte, verwahrte er sich sehr entschieden dagegen schon damals, „die Grenzen zwischen natürlichen Arten, Formspecies, physiologi- schen Arten oder Rassen festzustellen" und erklärte, dass es noch nicht an der Zeit sei, „auf diese Fragen eine abschliessende Ent- scheidung zu geben" und dass noch zu prüfen sei, „ob und welche dieser Formgattungen und Arten etwa im entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang stehen." Aber wie auch die Entscheidung ausfallen möge, „jedenfalls verhält sich, nach seiner Meinung, die Sache nicht so, dass ein und derselbe Bakterien-Keim, je nachdem er in Harn oder Wein geräth, diesen alkalisch, jenen fadenziehend macht, oder dass dieselbe Bakterie hier Buttersäure bilden, dort Milzbrand übertragen, hier einen rothen Fleck auf einer Kartoffel, dort Diph- therie in der Luftröhre eines Menschen hervorrufen kann."

Die erste üruppirung der Bakterien in Formgattungen wurde nun von Cohn in der bekannten, formell sich an Ehrenberg's

Natuvliistorische Arten und Formarten.

9

Grnppiriing anschliessendeu, aber sehr oft missverstandenen Weise durchgeführt.

Tribus I. Sphaerobakteria ; Kugelbakterieu. ' Gattung 1 : Mikrokokkns.

Tribus II. Mikrobakteria; Stäbchenbakterien. Gattun«? 2 : Bakterium.

Tribus III. Desmobakteria ; Fadenbakterien. Gattung 3: Bacillus. Gattung 4: Vibrio.

Tribus IV. Spirobakteria ; Schraubenbakterien. Gattung 5: Spirillum, Gattung 6 : Spirochaete.

Die Namen Mikrokokkus, Bakterium, Bacillus, Vibrio, Spirillum, Spirochaete bezeichnen bei Cohn nur Gattungen und keine Wuchsformen. Für Cohn ist ein Mikrokokkus nicht einfach eine kuglige oder ellipsoide Zelle, Bakterium ist kein Kurzstäbchen, Bacillus kein Langstäbchen. Von einer starren Form der Einzel- zellen weiss Cohn nichts; er giebt ausdrücklich an, dass „vor der Theilung die Zellen sich erst in der Längsachse nahe auf das Doppelte ihrer normalen Länge strecken." Die Form der Einzelzelle muss sich demnach im Laufe der Ontogenese ändern, nur tritt in diesem mehr oder weniger beschränkten Entwicklungskreise eine Form immer typisch wieder auf und in diesem, aber auch nur in diesem Sinne nennt Cohn seine Formgattungen nach der charak- teristischsten Form der Einzelindividuen.

Die Tribus Sphaerobakteria und Mikrobakteria sollen nach Cohn das gemeinsam haben, dass ihre Einzelindividuen sich zu Schleimfamilien vereinigen, im Gegensatz zu den beiden anderen Tribus, deren Einzelindividuen sich zu Fäden verbinden oder in Fäden auswachsen können.

Gleichgültig wie auch die Veränderungen durch die normale Entwicklung sind, so sind unter den Arten der Gattung Mikrokokkus die einen dadurch ausgezeichnet, dass die typisch wiederkehrende Form die einer Kugel ist, während sie bei anderen ein Ellipsoid, Fig. 1, C, sein kann. Zur Bestimmung der Gattung Mikro- kokkus von Cohn gehört demnach die Kenntniss von zwei Wuchs-

10

Naturhistoi'ische Arten und Fonnarten.

Fig. 1. B

C D

°° g3a?

formen, der Einzelzellen von kiigliger oder ovaler Gestalt und der Verbindung der Einzelindividuen zu einer Zoogloea.

Bei der Gattnng Bakterium kommen als typisch wiederkelirende Formen der Einzelindividuen je nach den Arten elliptische, kurz- cylindrische und längere cylindrische Zellen vor; die Fig. 1 A zeigt z. B. bei a das kurzcylindrische, fast ellipsoide Stäbchen von Bak- terium termo, während b die Form während der Theilung darstellt, durch welche zunächst kurze, ellipsoide Zellen gebildet werden; ausserdem finden sich aber auch kleine kuglige Zellen, welche wahr- scheinlich in die Entwicklung derselben Form gehören ; B zeigt die deutlichen Stäbchen von Bakterium lineola von Cohn. Eine scharfe Abgrenzung der Gattung Mikrokokkus von der Gattung Bakterium auf Grund der Formen der Eiuzelzellen ver- mochte Cohn nicht durchzu- führen; es giebt keine Grenze zwischen ellipsoideu Mikrokokken und ellipsoiden Bakterien und ebenso können die stäbchenför- migen Bakterien „mit einzelnen Gliedern der Fadeubakterien" leicht verwechselt werden. Die Berechtigung zur Aufstellung der Gattung Bakterium und die Mög-

Nach Cohn. A Bakterium termo. B Bakterium liclikcit ihrer Abgrenzung gegen

liDCola. C Tetradc (Sarcine) aus Bh.t, D von ^. (jj^^^^^^Qg MikrokokkuS fand Ei. E BaciUus subtilis. F Vihrio rugula. G "^"^ ^ &

Vibrio s. Spiriiium serpens. H. Spiriiium voiu- Qohn darin, dass die Bakterien

tans. J Spiriiium undula. K Spiriiium tenue. Q^g^^g^tze ZU den unbe-

weglichen Mikrokokken zeitweilig lebhaft beweglich sind und ihre Zoogloea etwas anders aussieht; die Abgrenzung gegen die Bacil- len wurde dadurch ermöglicht, dass die Bakterien keine Fäden, sondern eine Zoogloea bilden. Zur Gattung Bakterium von Cohn gehören also zwei Wuchsformen, die der EinzelzeUen von

Naturhistorisphe Arten und Formarten.

11

ellipsoider oder stäbchenförmiger Gestalt und die Vereinigung der Eiuzelindividuen 7a\ einer Zoogioea.

In Betreff der beiden letzten keine Zoogioea bildenden Tribus macht Cohn zunächst die allgemeine Angabe: „Die Zahl der zu einem Faden verbundenen Gliederzellen ist verschieden und hängt theils von der specifischen Natur, theils von äusseren Verhältnissen ab." Entgegen der Ansicht von Ehrenberg und Perty, dass alle Desmobakteria und Spi rob akteria aus isodiametrischen oder kurz scheibenförmigen Gliedern bestehen, findet Cohn auch bei den grösseren Spirillen trotz Eintrocknen und Eeagentien wie Jod und Alkohol eine derartige Stuctur nicht, „ohne aber die Möglich- keit in Abrede zu stellen, dass die fadenförmigen Bakterien aus solchen kurzen Gliedern bestehen." Er selbst beobachtete nm- die nach den Arten verschieden langen, cylindrischen Stäbchen, z. B. Fig. 1, E, „in welche bei der Theilung die Fäden zerbrechen können." Es ist demnach bei Cohn gar keine Kede davon, dass jeder noch so lange Faden einzellig ist, sondern nur gesagt, dass auf der Höhe der Entwicklung Fäden, welche später in ihre Einzelglieder zer- fallen, einen einheitlichen Eindruck machen können und es wurde von ihm nur direct die Ansicht zurückgewiesen, dass alle Bakterien trotz des heterogensten Habituseindruckes nichts weiter sein sollen als Verbände einer einzigen oder doch höchstens von zwei Wuchs- formen, der isodiametrischen oder kurzcylindrischen Zellen.

Von den Fadenbakterien bestehen nun nach Cohn die Bacillen aus je nach der Art bald kürzeren, bald längeren „cylindri- schen Gliedern, welche, wenn sie isolirt vorkommen, dem Bakterium lineola ähnlich sind, durch Quertheilung aber vermehrt, sich zu längeren oder kürzeren Ketten oder Fäden auseinanderreihen." Die Länge dieser Fäden hängt „von der Länge und der Zahl der zur Kette verbundenen Glieder" ab. Im Gegensatze zu den Ketten von Kokken zeigen die Ketten der Bacillen, wie Fäden, äusserlich keinerlei Gliederung, sie sind „nicht an den Gelenken eingeschnürt." Von Bacillus subtilis, Fig. 1, B, sagt Cohn z. B. L c. S. 175: „Die Fäden sind sehr dünn und zart, so dass die Grenze der Gliederungen nicht leicht erkannt wird; nur bei der Quertlieilung und beim Los- trennen der Stücke überzeugt man sich, dass die einzelnen Glieder

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Naturhistorische Arten und Pormarten.

in der Regel 6 Mikrom. lang sind; wir finden diese bald isolirt, und dann von denen des Bakterium lineola (Fig. 1, B.) schwer zu unterscheiden; gewöhnlich aber Doppelglieder von 12 Mikrom., oder zu dreien (dann 16 Mikrom. lang), und in längeren Reihen; ich habe Fäden von 26, 40, 66 und selbst von 132 Mikrom. Länge ge- messen; letztere mögen vielleicht aus mehr als 20 Gliedern bestehen." Später gibt Cohn bei Gelegenheit einer anderen Untersuchung') an: „Obwohl die Bacillusfäden selbst unter starken Vergrösserungen scheinbar ungegliedert sind, so ist dies in Wirklichkeit doch nicht der Fall; die einzelnen Glieder, aus denen die Fäden bestehen, sind etwa viermal so lang als breit." Abgesehen davon, dass Cohn auch bei den Bacillen die durch die normale Entwicklung bedingten Formabweichungen ausdrücklich anführt, gehörten auch, wenn man nur die typischen Formen berücksichtigt, zur Charakteristik der Gattung Bacillus zwei Wuchsformen, die nach den Arten wech- selnden Einzelstäbchen und die Verbindung derselben zu Fäden.

Die Gattung Vibrio bildet nach Cohn wellenförmig gebogene Fäden, deren Einzelzellen dadurch von den Einzelindividuen der Bacillen unterschieden sein sollen, dass sie eine deutliche Bogen- krümmung besitzen. Es könnte hiernach scheinen, als habe Cohn unter den Einzelgliedern der Vibrionen einfach gekrümmte Stäbchen verstanden. Seine weiteren Ausführungen machen diesen Schluss aber wieder etwas fraglich. Wenn auch die Bewegung der Einzel- individuen den „Eindruck eines in Bewegung gesetzten Centrum- bohrers" macht, so sollen doch die „formbeständigen Wellenbiegungen der Fäden bei der Rotation den Anschein der Schlängehmg hervor- rufen"; ferner erblickt Cohn in den Vibrionen „den üebergang zu den Schraubenbakterien oder Spirillen." Fasst man diese Momente zusammen ins Auge, so müsste man auf jeden Fall richtiger die Einzelzelle des Vibrio als ein schraubiges Stäbchen auffassen und die Fäden der Vibrionen als flach ausgezogene Schrauben und nicht als einfach wellig gebogene Fäden. Der nicht schraffirte Faden von Vibrio Rugula, z. B. Fig. 1, F, ist scheinbar nicht anders gebogen als der wellig gebogene Faden des Bacillus subtilis, E ; die schraffirteu

1) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, II. Heft, 2, S. 264.

Naturhistorische Arten und Pormarten.

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Fadenstücke bei T zeigen aber wesentliclie Differenzen, wie sie durch Schraffirung angedeutet sind. Während vor Cohn, zum Begriffe der Bacillen gerade aber starre Fäden gehörten, rechnet Cohn Fäden zu den Bacillen, welche gerade und starr, aber auch solche, Avelche, wie Fig. 1, E, gerade und biegsam sind, während er im Gegensatze zu den frühren Autoren den Vibrionen keine wellenförmig biegsamen, sondern wellenförmig starre Fäden zuspricht.

C 0 hn vermochte selbst keinen genügenden Unterschied zu machen zwischen dem wellenförmig gebogenen starren Faden eines Vibrio nnd einer ächten Schraube und ist unsicher, ob man den Vibrio serpens, Fig. 1, G, nicht „sogar vielleicht besser" zu den ächten Schraubenbakterien rechnen müsse, was durch die umeinander ge- wimdenen Fäden besonders gut illustrirt wird.

Nur in dem einen Punkte ist Cohn auch für die Gattung Vibrio sehr entschieden, dass zu diesem Gattungsbegriffe neben der Wuchsform des bogig oder richtiger schraubig gekrümmten Stäbchens auch die Wuchsform der wellenförmig gebogenen oder richtiger schraubigen Fäden, also zwei Formmerkmale erforder- lich sind.

Darüber aber lässt er wieder im Ungewissen, ob bei seinen ächten Spirobakteria zwei Wuchsformen nöthig sind oder ob bei diesen die eine Form der Schraube zur Gattungsbestimmung genügt. Bisweilen spricht Cohn auch bei den Schraubenbakterien von Fäden, scheint also die Schraube mit den Fäden von Vibrionen und Bacillen in Parallele zu stellen und gibt zum Beispiele als Unterschied gegen die Vibrionen „die dichter und enger gewundene, regelmässige form- beständige Schraube des Fadens" an. Auf der anderen Seite sind aber seine Angaben über eine Zusammensetzung der Schraube resp. des schraubigen Fadens aus Einzelindividuen oder Gliedern unge- nügend und ohne Uebereinstimmung. Für Spirillum tenue, Fig. 1, K, giebt er an: „der Faden zeigt mindestens Vj^ Windung und ist dann einem Häkchen oder s ähnlich", ohne dass man aber sicher ist, ob er diese j-Form als kleinstes Einzelglied auffasst und den Einzel- Zellen der Bacillen oder Vibrionen gleichwerthig hält oder ob er sie als wirklichen Faden betrachtet. Umgekehrt giebt er für Spirillum undula, Fig. 1, J, an, dass sich gewöhnlich „Glieder von nur ciuer

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Naturhistorische Arten und Fonnarten,

I

halben oder einer ganzen, selten von Vj^ bis 2, ja 3 Spiralwindungen" finden; hier scheint kein Zweifel zn sein, dass er die Glieder mit den Gliedern von Vibrionen und Bacillen gleichwerthig hält, dagegen ist es wieder ganz unklar, ob er die Glieder mit 3 Spiralwinduugen auch als Glieder, d. h. als einzellig betrachtet oder ob er sie als Fäden auffasst, d. h. als zusammengesetzt aus den kürzeren Gliedern. Auch für Spirillum volutans, Fig. 1, H, giebt er nach dieser Rich- tung gar nichts Bestimmtes und nennt nur die Zahl der Windungen und erklärt sehr bestimmt, dass er die von Ehrenberg ange- nommene Gliederung trotz aller Beniühungen nicht habe finden können. Im Allgemeinen haben wohl Anhänger und Gegner von Cohn aus seinen Angaben herausgelesen, dass er mehr geneigt ist. nicht nur die kurzen Schraubenstücke, sondern auch die längsten Schrauben wegen ihres einheitlichen Eindruckes als Glieder, d. h. als einzellig und nicht als Fäden, d. h. als zusammengesetzt, aufzu- fassen. Nur darauf muss man achten, dass Cohn selbst die Form- abweichungen, welche durch die Entwicklungs- und Theilungsvor- gänge bedingt sind, berücksichtigt hat, soweit er diesen normalen Entwicklungskreis von den kleineren zu den grösseren Formen und den Zerfall der grösseren in die kleineren beobachtet hatte und kannte. Die Arten glaubte Cohn auf Grund des Gesammthabitus der Schrauben, Fig. 1 , G, H, J, K, natürlich nur als Formarten, ab- grenzen zu können; die Form gener a schied er dadurch, dass er unter Spirochaete Formen mit flexiler und langer, enggewundener Schraube, unter Spirillum Formen mit starrer, kürzerer und weit- läufiger Schraube verstand.

Eins geht wohl aus Cohn's Darstellung sicher hervor, dass Form- merkmale recht ungenügend sein können, wenn man an der Grenze des Sichtbaren steht. Auch Cohn konnte trotz seiner scheinbar so leich- ten und sicheren Unterschiede zwischen Vibrio, Spirillum und Spiro- chaete diese Gattungen nicht einwandsfrei trennen und ist über die Stellung einzelner Formarteu zu diesen Gattungen durchaus unsicher.

Er verfiel ähnlichen Unsicherheiten, wie er sie selbst bei Ehren- berg und Duj ardin vermerkte, er verschob die Schwierigkeiten, aber" er hob sie nicht ganz auf. Aber trotz derartiger Schwächen ist der Fortschritt durch Cohn's grundlegende Arbeit ein ganz

Naturhistorische Arten und Formarten. 15

enormer. Er zuerst machte scharfe Unterschiede zwischen natnr- historischen Arten und Formarten, er verlangte zuerst zur Art- und Gattungsbestimmung die Berücksichtigung aller zugänglichen Form- merkmale und wies die Auffassung zurück , dass man mit einer Form allein Formarten, geschweige denn naturhistorische Arten unter- scheiden könne. Weiter zeigte er die Wege an, wie man sich provisorisch helfen kann um das Material zu sichten, um etwas festeren Boden für die fernere Forschung zu gewinnen. Er machte es deutlich, dass physiologische Merkmale und experimentelle Forschung den Mangel morphologischer Kriterien für die morpho- logische Seite der Forschung nicht zu ersetzen vermögen und die Forschung nach dieser Richtung das Wichtigste noch zu thun habe.

Im Laufe der nächsten Jahre, nachdem er inzwischen die Fructi- fication der Bacillen morphologisch vollständig erkannt hatte, kam er auf Grund vergleichender Untersuchungen über die Entwicklung der Formen und über die Wirkungen von Bakterium termo und Bacillus subtilis ^) zu der etwas modificirten und präcisirten Auf- fassung, dass seine Gattungen (Mikrokokkus, Bakterium, Bacillus, Vibrio, Spirillum, Spirochäte) natürliche und nicht blosse Formgattungen sind, während die Arten dieser Gattungen nur provisorische und wesentlich Formarten und nur zum Theil wirklich natürliche Arten sind. Die Gattungen Bakterium und Bacillus können „höchstens in ihren ersten Entwicklungszuständen verwechselt werden", sind aber „durch ihre gesammte En t wi ck elungs geschieh te , durch ihr Verhalten gegen höhere Temperaturen und andere Lebens- bedingungen, sowie durch ihre Fermentwirkung" durchaus verschieden. „Unsere Untersuchungen, meint Cohn, geben neue Stütze dem Satze, den ich als den Angelpunkt für die wissenschaftliche Erkenntniss der Bakterien und ihre chemischen und pathogenen Fermentwirkungen überhaupt betrachte, dass es ganz verschiedene Gattungen dieser Organismen giebt, welche immer nur aus Keimen gleicher Art hervorgehen und durch verschiedene Ent- wickelung, verschiedene biologische Bedingungen und Ferment- thätigkeiten sich scharf und constant unterscheiden."

1) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, II, 2. Heft 1S7G. S. 274.

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Negation des ISpeciesbegrilies.

lU.

Negation des Speciesl)cgriffes. Gehören alle Bakterien zn einer Art oder Gattung? Sind die Formen nur An- passnngsersclieinnngen ?

Im Gegensatze zu diesen Anschauungen entwickelte Kay-Lan- kestei-i) 1873 von Neuem dieAnsicht, dass alle ß akterienf ormen genetisch zu einander gehören und alle Bakteri en trotz des verschiedenen Hahituseindruckes von Kugeln, Stäbchen, Schrauben, Fäden etc. in eine einzige naturhistorische Art oder Gattung zu vereinigen sind. Bei der Untersuchung einer Bakterienart, welche er Bakterium rubescens nannte und die später von Cohn mit seiner Clathrocystis roseo-persicina für identisch gehalten wurde, erklärte L an k e s t e r die genetische Znsammengehörigkeit von kugligen, bisquitförmigen Zellen, Stäbchen, Schrauben, monasartigen Formen deshalb, weil alle diese Formen einen eigenthümlichen, Bakterio-Purpurin genannten Farbstoff enthielten.

An sich stehen diese Beobachtungen nicht im Gegensatze zu den Ausführungen von Cohn, sondern würden dessen Ansicht nur erweitert haben durch den Nachweis, dass einzelne Bakterien einen weiteren Formenkreis durchlaufen können, als Cohn ihn selbst ge- funden hatte. Nach dieser Richtung wurden die Angaben von Lan- kester aber von den Anhängern von Cohn und von diesem selbst nicht genügend geprüft, sondern meist und voreilig als unrichtig be- zeichnet. Auf der anderen Seite machte aber L a n k e s t e r den noch viel grösseren Fehler aus dieser einzigen Beobachtung, deren Lücken noch dazu erst später ausgefüllt wurden, für alle Bakterien die Ueber- gangsfähigkeit aller Formen zu folgern, trotzdem für andere Arten und Foimen charakteristische Merkmale, wie sie ein gut gekenn- zeichneter Farbstoff liefert, nicht vorhanden waren.

Aehnlich ist die Ansicht, welche Billroth 2) bald nach

1) On a peach-coloured Bacterium. Quart. Jom-nal of microscopical

science, 1873, Ser. II, Vol. 13; ibid. 1876, S. 27 und S. 278.

2) Untersuchungen über dieVegetationsfomen von Coccobactenascptioa,lb<4.

Negation des Speciesbogriffes.

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Laukester entwickelte, indem er in dem Auftreten verscliiedener Formen wesentlich eine Abhängigkeit vom Substrate sah. Auch Warming^) schloss sich 1875 der Ansicht von Lankestcr und Billroth an und meinte, dass die verschiedenen Gattungen der Bakterien nicht haltbar sein werden und dass vielleicht nur eine einzige Gattung Bakterium mit nach dem Substrate wechselnden Entwicklungsstadien anzunehmen sei. Ebenso spricht sichKlebs^) über die Uebergangsfähigkeit der einen Form in eine andere aus, da alle Formen nur Entwicklungsstadien ein und desselben Organis- mus darstellen sollen, mit der Reserve allerdings, „dass es gewisse Formen pathogener Schizomyceten giebt, welche vorzugsweise als Stäbchen, andere, die vorzugsweise als Kugelbakterien auftreten."

Diese gegen Cohn gerichteten Ansichten sind wesentlich darauf basirt, dass in Bakteriengemischen sich alle möglichen Formen von Einzelzellen, oft scheinbar als directe üebergangsformen vorfinden, und finden ihre methodische Begründung wesentlich in dem nega- tiven Merkmale, dass es den betreffenden Autoren nicht gelingen wollte, aus derartigen Gemischen sicher bestimmte Arten oder Form- arten zuisoliren. Nur L a n k e s t e r versuchte die Zusammengehörig- keit der Formen durch ein scharfes, physiologisch-chemisches Merk- mal direct zu erweisen. Im Gegensatze zu der Forderung von Cohn alle Formmerkmale zu berücksichtigen, wurde in diesen Arbeiten die Form der Einzelzellen einseitig herausgegrifi"eu, und hierin liegt schon der Beginn der späteren Confusion, welche daraus entstand, dass C ohn' s Gattungsnamen, Mikrokokkus, Bakterium, Bacillus etc. ohne dass dieser geänderte Sinn besonders vermerkt wurde, als einfache Bezeichnungen für bestimmte Formen von Einzelzellen gebraucht wurden.

Man fing an mit Mikrokokkus nicht mehr eine Gattung mit mehreren Formmerkmalen zu bezeichnen, sondern verstand darunter eine kuglige oder ellipsoide Zelle. Die Gattungsbezeichnung Bakterium

1) Om nogle ved Danmarks kystev Icvende Bacterier. Videnskabelige Meddelelscr fra den naturhistoriske Forening i Kjobcnhavn, 1875, S. 307, citirt nach einem Keferate von Schröter im Botanischen Jahresbericht.

2) Archiv für experimentelle Pathologie, 1875, Bd. 4.

Hueppe, Fonnen dor Bakterien. o

18

Negation des Speciesbegriffes.

diente Vielen von jetzt ab zur Bezeichngng eines Kurzstäbchens, Bacillus bezeichnete einfach ein Langstäbchen. Hiermit wurde aber eine einseitige Auffassung angebahnt, welche Cohn selbst wiederholt zurückgewiesen hatte und vieles, was später aus mangelnder Kennt- niss der Argumente von Cohn gegen ihn angeführt wurde, bewies nur die Kichtigkeit seiner vorsichtigen Fassung, welche die Unmög- lichkeit oder Schwierigkeit dargelegt hatte, die Formen der Einzel- zellen der verschiedenen Gattungen scharf gegeneinander abzugrenzen.

Während Cohn deshalb seine Gattungsbezeichnungen nach dem Usus der Morphologie von besonders charakteristischen, nie fehlen- den Merkmalen hernahm, bildeten sich jetzt auch Bezeichnungen aus, bei denen die Gattungsbezeichnung womöglich ganz überflüssigerweise alle Formen umfassen sollte; so sprach Billroth von einer Kokko- bakteria und Biedert^) neuerdings von einem Kokkobacillus. Wenn man in dieser Weise fortfahren wollte, müsste man schliesslich eine Beggiatoa umtaufen in eine „Kokko-Bakterio-Bacillo-Vibrio-Spirillo- Spirochaete-Spirulina". Ich hoffe, dass diese ungeheuerliche Wort- bildung, welche höchstens im Bereiche der Wortbildimg der modernen organischen Chemie als harmlos kurze Bezeichnung gelten könnte, welche aber ebenso correct gebildet ist wie die Worte Kokkobakteria oder Kokkobacillus, den in der Entstehung begriffenen Gegensatz gegen die klare morphologische Auffassung von Cohn recht deutlich macht.

Durch die Experimente von Pasteur, durch die Beobachtungen von Cohn undSchröter, durch einzelne Angaben von Lankester und Klebs war die Möglichkeit gezeigt, auch bei den Bakterien einen einwandsfreien Ausgangspunkt zu finden, um bestimmte Arten oder Formen von anderen zu trennen und von solchen reinen, isolirten Formen ausgehend zu ermitteln, welche Formen in den Entwicklungs- kreis einer Art gehören. Nägeli^) erklärte demgegenüber: , Spalt- pilze gestatten mit Sicherheit keine Reinkultur , theils wegen ihrer ausserordentlichen Kleinheit, theils wegen ihrer allgemeinen Verbreitung im Wasser und in der Luft". Mit dieser Erklärung

1) Virchow's Archiv, Bd. 100, 1885, S. 439.

^) Nägeli und Seh wen den er. Das Mikroskop, 2. Aufl., 1877, S. 644

Negation des Speciesbcgriffes.

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verzichtete N ä g e 1 i von vornherein auf einen zuverlässigen Ausgangs- punkt und auf eine rein sachliche Kritik.

Bei so eigenthümlicher Sachlage musste das Erscheinen des bekannten Werkes von Nägeli^) von Einfluss auf das Urtheil über die Morphologie und Biologie der Bakterien werden. Der Mangel jeder historischen Angabe, die Sicherheit, mit der die „vorläufigen Sätze" und der Inhalt des Werkes selbst vorgetragen wurden, erweckten vielfach den Anschein, als handele es sich um positive Thatsachen, durch welche die schwierigsten Probleme des Gebietes mit einem Schlage klar gestellt wurden.

Nägeli hat nicht, wie man ihm oft vorwarf, geleugnet, dass es unter den Bakterien möglicherweise Arten geben könne, er hat nicht behauptet, dass alle Bakterien in eine einzige Art zusammen- gefasst werden müssten; er hat, wenn auch mit grosser Reserve zugegeben, dass es specifische Differenzen unter den Bakterien giebt. Aber er leugnete in sehr entschiedener Weise die Möglichkeit, auf dem von Cohn betretenen Wege der Klärung zur Abgrenzung von Arten zu kommen und beanstandete damit gerade den Theil der Anschauungen von Cohn, der allein geeignet war, der Pathologie, Physiologie und Hygiene zu einem sicheren Ausgangspunkte zu ver- helfen. Der Arzt will in erster Linie wissen, ob bei einer Krank- heit beobachtete Mikroorganismen diagnostisch und difl'erentialdia- gnostisch verwerthbar sind. In diesem Sinne ist z. B. die Entdeckung der Milzbrandbacillen für die Diagnose dieser Krankheit auch von Solchen verwerthet worden , welche nicht an die ätiologischen Be- ziehungen , glauben", und die kleinen Formabweichimgen dieser Bacillen von denen des malignen Oedems geben ein werthvolles Mittel zur Differentialdiagnose beider Krankheiten, welche früher oft mit einander verwechselt wurden. In diesem Sinne ist der Nachweis derTuberkel- bacillen fast schon Gemeingut der praktischen Aerzte geworden und wird auch in den Laboratorien von Pathologen geübt, welche die ätiologischen Beziehungen zur Tuberculose noch als offne Frage

1) Die niederen Pilze in ihren Beziehungen zu den Infectioiiskrankheitcn und der Gesundheitspflege, 1877.

2*

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Negation des SpeciesbcgrifFes.

behandeln. In diesem Sinne ist der Nachweis der Spirochaeten bei Kecurrensfieber längst verwerthet.

Gerade diese Frage war aber erst durch die strengeren Form- abgrenzungen, wie sie Cohn begründet hatte, einer Lösung entgegen- geführt worden. Diese Frage ist praktisch für den Mikroskopiker in erster Linie eine Frage der Formeigenthümlichkeit und der Con- stanz derartiger Formeigenthümlichkeiten, weil nachgewiesener Maassen unter bestimmten, typischen Verhältnissen, wie sie bestimmte, typische, pathologische Zustände bieten, bestimmte und deshalb typische Formen immer wiederkehren, ganz gleichgültig, ob in der Entwicklung zu dieser bestimmten Form ein enger oder weiter Formenkreis durch- laufen wird.

Die positive Beantwortimg der Frage in diesem Sinne setzt aber voraus, dass die verschiedenen Formen, mögen sie auch noch so ähnlich sein, nicht beliebig in einander übergehen können, dass sie nicht schlechthin veränderlich sind, sondern dass die Verschieden- heit der überhaupt zur Beobachtung kommenden Formen zum Theil wenigstens in primären Artunterschieden begründet ist. In diesem Sinne ist von Cohn, Koch und ihren Schülern wiederholt auf die Differenzen in der Form der Einzelzellen hingewiesen worden, als auf ein zur Artbestimmung werthvolles, allein allerdings nur sehr selten genügendes Formmerkmal.

Die zweite den Arzt interessirende Frage ist die, ob bestimmte Mikroorganismen, welche unter bestimmten Bedingungen in bestimmter Form auftreten, auch die Ursache dieser Krankheit sind. In dieser allgemeinen ätiologischen Hinsicht ist die moderne Pathologie, dank besonders den Arbeiten von Virchow, sehr liberal. Sie verlangt nur, dass specifische Wirkungen, wie sie uns in den Infectionskrank- heiten entgegen treten, durch entsprechend specifische, typische Ur- sachen bedingt sein müssen, dass das Causalitätsprincip auch auf diesem Gebiete zur Anwendung komme. Diese Forderung ist aber schon zu einer Zeit gestellt worden, als die Lehre von den organisirten Kraukheitserregern sich noch nicht Bahn gebrochen hatte, zu einer Zeit also, als man sich im Allgemeinen die Krankheitsursachen noch gar nicht organisirt dachte, von einem Speciesbegriffe mithin über- haupt noch keine Rede sein konnte. Die Ansicht, dass die speci-

Negation des Speciesbegriffes.

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fischen organischen Erreger der specifischen Kranlfheiten die Con- stanz der naturhistorischen Species haben müsse, verlangt die Pathologie im Princip nicht, sondern mir dass Ursache und Wirkung sich über- haupt decken. Die von Nägeli als vorhanden supponirte und zu- rückgewiesene Ansicht, dass „die Krankheiten keine Species im natur- historischen Sinne" sind, ist von der naturwissenschaftlichen Schule, in der Pathologie, welche 1877 allein in Frage kommen konnte, nie aufgestellt, wohl aber oft mit Entschiedenheit zurückgewiesen worden, wie ich bereits früher einmal ^) gegen Nägeli geltend machen musste.

In ganz derselben Lage befindet sich die Physiologie. P a s t e u r hatte schon lange ^) für die Fermentationen die Existenz specifischer Hefen postulirt, ohne aber etwa nur an naturhistorische Arten zu denken, oder gar die Producte der Alkohol-, Buttersäure- oder Milchsäuregährung als Species zu erklären.

Gestützt auf Beobachtungen in Bakteriengemischen und unter principiellem Verzicht auf den Ausgang von Reinkulturen fand Nägeli keine Nöthigung „auch nur zur Trennung in zwei specifisch ver- schiedene Formen." Seine Auffassung geht vielmehr dahin: „Alle Spaltpilze sind kurze Zellen (vor der Theilung etwa Vj^, nach der- selben so lang als breit), alle zeigen sich bald schwärmend, bald ruhend; die Verschiedenheiten bestehen bloss in der ungleichen Grösse und darin, dass die Zellen sich nach der Theilung von einander lostrennen oder dass sie zu Stäbchen und Fäden verbunden bleiben, welche bald gerade, bald mehr oder weniger schrauben- förmig gewunden sind." „Alle dickeren Stäbchen und Fäden (oft selbst die dün- neren) erscheinen bei Behandlung mit verschiedenen chemischen Reagentien (namentlich mit Jodtinctur, auch beim Austrocknen) bald torulos (wodurch die Gliederung nur angedeutet wird), bald deutlich kurzgliederig." Die Fig. 2 illustrirt diese Auffassung von Nägeli, welche an Einfachheit nichts zu wünschen

1) Deutsche militäriirztlichc Zeitschrift, 1882, No. 3.

2) Comptes rendus, 1858, Bd. 47, S. 224.

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Negation des Speciesbegriffes,

Übrig lässt und mit den Angaben und Zeichnungen, welche Ehren- berg bereits 1838 und Perty 1852 gegeben haben, fast ganz über- einstimmt.

Während Cohn bei Beachtung aller morphologischen und physiologischen Merkmale angenommen hatte, dass die verschiedenen Arten verschiedene Funktionen ausüben, und dass man deshalb in den Fällen, in denen die morphologischen Merkmale nicht zur Unter- scheidung naturhistorischer Arten oder doch von Formarten aus- reichen, wenigstens physiologische Arten annehmen könne, giebt Nägeli an, er habe ,von jeher bei der nämlichen Zersetzung oft einen ziemlich weiten Formenkreis der anwesenden Spaltpilze oder mit anderen Worten ein Gemenge von mehreren Formen, die man gewöhnlich specifisch oder selbst generisch trennt, beobachtet, ander- seits bei ganz verschiedenen Zersetzungen dem Anschein nach durch- aus die gleichen Spaltpilze gefunden. Diese Thatsache ist der Be- hauptung, dass jeder Zersetzung eine specifische Pilzform zukomme, durchaus ungünstig." Nägeli ist deshalb ferner der Ansicht, dass die „morphologischen Eigenschaften der Spaltpilze und ihr Vermögen, verschiedene Zersetzungen zu bewirken, eine generische und speci- fische Unterscheidung nicht rechtfertigen" und „dass die Spaltpilze sich nicht nach ihren Hefewirkungen und ihrer Formbildung speci- fisch gliedern." Auf der anderen Seite nimmt er aber an, dass, wenn auch die Möglichkeit vorliege „alle Formen in eine einzige Speeles zu vereinigen" die grössere "Wahrscheinlichkeit vorhanden sei, „dass es einige wenige Arten giebt, die aber mit den jetzigen Gattungen und Arten wenig gemein haben und von denen jede einen bestimmten aber ziemlich weiten Formenkreis durchläuft."

Die Beobachtung, dass unter bestimmten Verhältnissen be- stimmte Formen auffallend regelmässig wiederkehren deutete er, wie vor ihm bereits Lankester, Billroth undWarming, als eine Anpassungserscheinung, indem er jeder Speeles das Vermögen zu- schrieb „sich ungleichen äusseren Verhältnissen anzupassen, und demgemäss in verschiedenen morphologisch und physiologisch eigen- thümlichen Formen aufzutreten." „Ich halte es für denkbar, führt er in dieser Hinsicht weiter an, dass die Spaltpilze durch den Um- stand, dass sie während vieler Generationen die gleichen Nährstoffe

Negation des Speciesbegviffes.

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aufnelimen und die gleiche Gährwirkang ausüben oder auch keine Gährung zu vollbringen Gelegenheit finden, einen mehr oder weniger ausgesprochenen Character der Anpassung erhalten, dass sie morphologisch irgend eine bestimmte Form (Mikrokokkus, Bakte- rium etc.) bevorzugen , und dass sie auch physiologisch für die eine oder die andere Zersetzung tauglicher werden. Es werden sich also Formen von ungleich starkem Gepräge und ungleicher Coustanz ausbilden, die den verschiedenen äusseren Bedingungen entsprechen." Auf diese Weise kommt Nägeli zu der Ansicht: „Jede Species der Spaltpilze tritt in mehreren morphologisch und physiologisch verschiedenen Formen auf, welche durch die äusseren Verhältnisse rasch oder langsam ineinander umgewandelt werden, wobei die frühere Hefenwirksamkeit verloren geht und eine andere erworben wird."

Auch für die krankheitserregenden Bakterien findet Nägeli, dass sie , nicht specifisch verschieden, sondern Formen einer oder einiger weniger Species sind." Viele Beobachtungen über die Ur- sachen und die Verbreitung von Infectionskrankheiten , über das Gehen und Verschwinden einzelner Krankheiten, das Auftreten ganz neuer Seuchen machen ihm „die Annahme, es seien die Infectionspilze der verschiedenen Krankheiten Species im naturgeschichtlichen Sinne, nicht wohl möglich."

Diese Ansichten über eine fast schrankenlose Anpassungsfähig- keit der Formen an geänderte Aussenbedingungen und über den hiermit Hand in Hand gehenden Wechsel der Funktion, finden schliesslich noch eine Zusammenfassung in folgenden Worten : „Wenn meine Ansicht über die Natur der Spaltpilze richtig ist, so nimmt die gleiche Species im Laufe der Generationen abwechselnd verschie- dene morphologisch und physiologisch ungleiche Formen an, welche im Laufe von Jahren und Jahrzehnten bald die Säuerung der Milch, bald die Buttersäurebildung im Sauerkraut, bald das Langwerden des Weines, bald die Fäulnisse der Eiweisstoffe, bald die Zersetzung des Harnstoffs, bald die Kothfärbung stärkemehlhaltiger Nahrungs- mittel bewirken, und bald Diphtherie, bald Typhus, bald recurriren- des Fieber, bald Cholera, bald Wechselfieber erzeugen."

24

Controverse über den Speciesbegriff.

IV.

Controverse ülber den Speciesl)egriff und die Bedeutung der Form für die Artbestimmung.

Die Form, in welcher Nage Ii seine Ansichten vortrug, ist Avohl von Allen als eine entschiedene Stellungnahme gegen die Ansichten von Cohn aufgefasst worden und doch ist dies inhaltlich durchaus nicht ganz richtig. Das meiste, was Nägeli gegen Cohn auszusprechen glaubte, betrilFt überhaupt gar nicht dessen Ansichten, sondern wen- det sich vielmehr gegen die längst widerlegten älteren Anschauungen. "Was Nägeli in erster Linie in Abrede stellte, war die Berechtigung die Cohn 'sehen Arten als ächte naturhistorische Speeles und seine Gattungen als natürliche zu bezeichnen. Diesen Punkt hatte aber Cohn bereits vor N ä g e 1 i unendlich viel sorgfältiger erörtert und so klar gestellt, dass es mir ganz unbegreiflich ist, wie man hierin eine Widerlegung von Cohn erblicken konnte, da Nägeli im Princip nur dasselbe, aber mit anderer und viel weniger sachlicher und gründlicher Motivirung vorbrachte. Dass sich die Anhänger der Anschauungen von Cohn der Unterschiede zwischen Speeles im naturhistorischen Sinne und specifischen Differenzen, wie sie Cohn bereits 1872 ausgesprochen hatte, bewusst geblieben sind, geht bei- spielsweise daraus hervor, dass Koch^) 1881 erklärte, ,dass alle diejenigen Bakterien, welche auf demselben Nährboden und unter übrigens gleichen Verhältnissen durch mehrere TJmzüchtungen oder sogen. Generationen ihre Eigenschaften, durch welche sie sich von einander scheiden, unverändert beibehalten, auch als verschieden an- zusehen sind, mag man sie nun als Arten, Varietäten, Formen, oder wie man sonst will, bezeichnen."

Während Cohn seine Pormgattungen und Pormarten unter Be- rücksichtigung aller ihm bekannten Pormmerkmale abzugrenzen ver- suchte und nm- den Schraubenformen eine etwas grössere Bedeutung beilegte, im Allgemeinen sich aber dagegen erklärte, dass man aus

1) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, I, 1881, S. 31.

Controverse über den Speciesbegriff.

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der Form der Einzelzellen weitgehende Schlüsse ziehen dürfe, ist bei Nägeli nur von den letzteren die Eede. Indem Nägeli aus dem Nebeneinandervorkommen aller möglichen Formen auch die üebergangsfähigkeit aller Formen ineinander theoretisch construirte, begünstigt durch die Annahme der geschilderten, aber niemals nach- gewiesenen Zusammensetzung aller Bakterienformeu aus isodiame- trischen Gliedern, ignorirte er die Motive von Cohn vollständig, der nichts weiter behauptet hatte, als dass, unbekümmert um die Formabweichungen bei der normalen Entwickelung und unbekümmert ob ein kleiner Formenkreis durchlaufen wird und bei der Ontogenese mehrere Formen auftreten können, eine bestimmte Form der Einzel- zellen typisch wiederkehrt. Dass eine derartige Formconstanz vor- kommt giebt auch Nägeli zwischen den Zeilen zu, wenn er von „morphologisch und physiologisch eigenthümlichen Formen" als einem Anpassungsvorgange spricht.

Betrachtet man die Controverse von diesem sachlichen Stand- punkte, so sind die principiellen Differenzen zwischen Cohn und Nägeli nicht so schroff, wie sie nach der Darstellung von Nägeli Jedem erscheinen müssen. Während Cohn auf Grund seiner aus- gedehnten Beobachtungen den zu einer Gattung und Art gehörigen Formenkreis relativ eng zog, unter ausdrücklicher Zurückweisung eines wirklichen Monomorphismus, hat Nägeli unter Verzicht auf einen einwandsfreien Ausgangspunkt den Pormenkreis der Speeles willkürlicher und im Princip weiter gezogen. Cohn kennt vor- wiegend relativ einförmige, aber nicht wirklich monomorphe, Nägeli dagegen nur pleomorphe Arten. Cohn hielt die Summe der mor- phologischen und biologischen Eigenschaften für verhältnissmässig constant, zum mindesten zur provisorischen Trennung in Formarten und physiologischen Arten genügend, während Nägeli alle Merk- male ausdrücklich als schlechthin veränderlich und deshalb als un- genügend zur Bestimmung naturhistorischer Speeles auffasste.

Die nächste Folge der Darstellung von Nägeli war nun die, dass die schon eingeleitete Confussion definitiv Platz griff, in einer Weise, welche jetzt noch herrscht und in unserer Tageslitteratur jeden Augenblick zur Erscheinung kommt. Die Anhänger von Nägeli waren im Allgemeinen cousequenter als die von Cohn,

26

Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten?

indem sie die Gattungsnamen von Cohn, wie Mikrokokkus, Bak- terium, Bacillus etc., allerdings ohne diese Aenderung anzugeben, nur noch als Bezeichnungen von Formen in dem früher schon erwähnten Sinne gebrauchten, während manche Anhänger von Cohn, durch die Bestimmtheit dieser Angaben verleitet zum Theil ebenso verfuhren, während andere an der Motivirung von Cohn stricte festgehalten haben und die Namen nicht für einzelne Formen, sondern für Gat- tungen anwendeten.

Auf diese Weise war es nicht zu vermeiden, dass mancher Forscher, der nur Ergänzungen und Berichtigungen zu Cohn 's Ar- gumenten brachte unter Bestätigung des Cardin alpunktes seiner Aus- führungen, C 0 h n ' s Ansichten zu widerlegen meinte, während andere Forscher Cohn ganz besonders gut zu vertheidigen glaubten, wenn sie eine extreme Formconstanz aufstellten.

V.

Stellung der Aufgabe. Giebt es monomorplie, relatiy einförmige nrd entschieden pleomorphe Arten unter den Bakterien? Erweiterung des Begriffes Bakterien.

Die Aufgaben, welche durch die weitere Forschung zu lösen waren, sind durch die Controverse zwischen Cohn und Nägeli schon genügend angedeutet. Ich will die wichtigsten der zu lösen- den Fragen der Mittheilung der Thatsachen vorausschicken, weil eine genügende Präcisirung bis jetzt noch nicht gegeben ist und das Verständniss für den Werth der einzelnen Ermittelungen durch eine ,scharfe Fragestellung erleichtert wird.

A. Die Art unter nicht geänderten Aussenbedingungen.

]. Welche Formen gehören in den normalen Entwickelungskreis einer Art unter den Verhältnissen des spontanen Vor- kommens? Ist die Art nach der Zahl der auftretenden Formen als monomorph, als relativ einförmig oder als ent- schieden pleomorph zu bezeichnen?

Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten?

27

2. Welche Form stellt das vegetative Stadium dar, welche Form ist demnach die für eine bestimmte Zersetzmig oder Krankheit typische oder giebt es keine derartige Form? Welche Veränderung erfährt die vegetative Form durch die normalen Theilungsvorgänge ?

3. Wenn successive verschiedene Formen auftreten, hängen dieselben mit der Veränderung des Nährbodens derart zu- sammen, dass nach dem vegetativen Stadium, sich besondere Euheformen, Erschöpfungsformen oder Dauerformen bilden? oder vermögen vielleicht gerade umgekehrt die verschiedenen Formen des Formcyklus einer Art ganz verschiedene Zer- setzungen oder Krankheiten zu bewirken? Ist demnach das Auftreten verschiedener Formen die Ursache verschiedener physiologischer Wirkungen oder nicht nur einfach ein Zeichen, dass ein bestimmtes Stadium gerade vorhan- den ist?

B. Die Art unter geänderten Aussenbedingungen.

1. Treten in allen Medien dieselben Formenkreise auf oder können in verschiedenen Medien ganz verschiedene Ent- wicklungscyklen vorkommen ?

2. Können in bestimmten Medien einzelne der normaler Weise sich folgenden Formen fehlen, und wenn dies der Fall ist, hängt dies von einem specifischen Einflüsse dieses Mediums ab oder nicht vielleicht nur einfach davon, dass das Medium einem bestimmten Entwickelungsstadium der Art besonders entspricht, so dass die andern Formen sich überhaupt nicht bilden können?

3. Können die einzelnen Formen nach dem Substrate variiren, sich anpassen, in ihren Dimensionen ändern?

4. Wenn Veränderungen der Form auftreten ist dies immer eine Anpassungserscheinung oder kann es auch ein Zeichen des Erliegens im Kampfe ums Dasein sein?

5. Ist die individuelle Variation derart, dass dadurch die Art- bestimmung unmöglich wird; sind diese Formmerkmale schlechthin veränderliche und gehören sie bereits in das Ge- biet der Umzüchtung, des Transformismus?

28

Griebt es monomorphe und pleomorphe Arten?

6. Oder ist die Breite der Variabilität nur derart, dass da- durch die Artbestiramung nicht alterirt, event. sogar die Differentialdiagnose erleichtert wird? C. Sind unter Berücksichtigung dieser Ermittelungen zwingende Gründe zu der Annahme vorhanden, dass alle Bakterien trotz des differenten Habituseindruckes als aus isodiametrischen Gliedern zusammengesetzt zu betrachten sind oder kommen ver- schiedene Formen vor?

Der erste, welcher von Neuem einen weiteren Formenkreis bei den Bakterien postulirte, war Cienkowski^), welcher den geneti- schen Zusammenhang von Mikrokokkus, Bacillus und Leptothrix als direct beobachtet angab. Würde man diese Angabe im Sinne der Terminologie von Cohn interpretiren, so würde dies heissen, dass er den üebergang verschiedener Formgattungen in einander gefunden haben wollte, während Cienkowski nichts weiter sagen wollte, als dass nach seinen Beobachtungen in der Entwickelung von be- stimmten Bakterien ausser den von Cohn schon längst erkannten Fäden, Langstäbchen und Kurzstäbchen auch kugelige Zellen auf- treten können. In dieser Form vorgetragen, würde diese Beobach- tung schon damals vielleicht die Möglichkeit gezeigt haben, dass einzelne Bakterien einen weiteren Formenkreis durchlaufen können als Cohn angenommen hatte. So aber konnte es nicht an heftigem Widerspruche fehlen und van Tighem^) erklärte geradezu die Be- obachtungen und Ansichten von Cienkowski als „pas conforme ä la verite.''

M. Wolff^), der nicht der Ansicht ist, „dass alle möglichen Spaltpilzformen nur Entwickelungsstufen eines und desselben Pilz- wesens sind", fand zwischen Kugelbakterien und den kurzen Stäbchen einen genetischen Zusammenhang und beobachtete Uebergangsformne zwischen „den exact runden oder ovalen und exact stäbchenförmigen Gebilden". Er hatte nämlich mit Eiter, in welchem er nur runde

3) Zur Morphologie der Bakterien 1877.

2) Sur la gomme de sucrerie. Annales des sciences naturelles. Botanique. T. VII 1878, S. 180.

3) Zur Bakterienlehre hei accidentellen Wundkrankheiten. Virchow's Archiv Bd. 81, 1880, S. 193 und S. 385.

Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten?

29

Formen beobachtet hatte, Nährlösungen und Thiere inficirt und fand später in den Lösungen , neben den Mikrokokken auch kurze cylin- drische Stäbchen" und bei den Thieren in dem an der Injections- stelle entstandenen Oedem fast nur kurze cylindrische Stäbchen.

Wernich^) inficirte verschiedene Nährlösungen mit je einem Tropfen ein .und derselben Faulflüssigkeit und beobachtete in den Lösungen Formen, welche den in der Ursprungsflüssigkeit gesehenen „sehr ähnlich" waren. Wegen dieser Aehnlichkeit, aber nicht völli- gen Grleichheit kam Wernich zur Ansicht einer „labilen Form- beständigkeit", die er aber ebenso wie Wolff seine Beobachtungen nur auf die Möglichkeit des Ueberganges von Formen angewendet wissen wollte, welche sich schon so wie so sehr nahe stehen.

Die Versuche von Wolff und Wernich waren aber ohne die nöthigen Cautelen und vor Allem ohne Ausgang von Reinkulturen angestellt. Als Gaffky^j diese Versuche unter Beobachtung der nöthigen Vorsichtsmassregeln wiederholte, ermittelte er, dass bei Uebertragungen aus Bakteriengemischen, wie sie Eiter und Faul- flüssigkeiten darstellen, in verschiedenen Nährlösungen in diesen inticirten Lösungen nicht ähnliche, sondern dieselben Formen auf- ti-aten, wie sie in der zur Infection benutzten Flüssigkeit enthalten waren, aber derart, ,dass die eine Form, um nicht zu sagen Art, diese, die andere jene Nährlösung bevorzugt."

Inzwischen hatte C o h n 3) für Bacillus subtilis, Fig. 1 E, das Auftreten von kurzen, mit Bakterium termo leicht zu verwechselnden Stäbchen, von längeren Stäbchen und von Fäden sicher gestellt, welche letztere zum Theil deutlich gegliedert, zum Theil scheinbar ungegliedert waren. Derartige Scheinfäden erklärte Cohn als die Leptothrix-Form und dadurch wurden zum ersten Mal die bis dahin als selbstständige Art betrachteten starren Fäden, Leptothrix, als eine einfache Entwickelungsform erkannt. In diesem Sinne erklärte sich, 1. c. S. 272, Cohn dafür, dass die als Leptothrix buccalis

Die accomoclative Züchtung der Infectionstoffe. Kosmos IV, 1S80,

Heft 8.

2) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 1881, Bd. I, S. 121. 8) Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. II, Heft 2, 1876, S. 262.

Fig. 3.

30 Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten?

bezeichneten Fäden wahrscheinlich nichts als „unbeweglich gewordene Entwickliiugszustände eines Bacillus" sind, dass in derselben Weise „auch die vielen, in pathologischen Bildungen beobachteten Leptothrix- formen in den Entwickelungskreis unserer Gattung Bacillus gehören, wenn auch der genetische Zusammenhang noch dunkel ist". Den- selben Entwickelungskreis von Bacillus subtiiis' beobachteten später B r e f e 1 d 1) und P r a z- mowski2), Fig. 3A. ohne dass es diesen Forschern ge- lang, weitere in diesen Kreis w i'^i^'^™^. . ^ gehörige Formen zu finden.

Nach Prazmowski. A Bacilhis subtiiis. B Clo- . i ^-

stridium butyricum. C Vibrio rugula. AUCll lur Bacillus ullia, Clo-

stridium butyi-icum, Fig. 3 B Clostridium polymyxa ermittelte ^Prazmowski denselben Formen- kreis. Eine Erweiterung dieses Formenkreises bei der Sporenbildung kann erst später berücksichtigt werden. Dasselbe stellte Koch 3) Fig. 4. für den Bacillus anthracis, Fig. 4 D,

fest, und Prazmowski fand für a^ 'r^ p Vibrio rugula, Fig. 3 C, kürzere und %3 'JJ ^ längere schraubige, scheinbar ein- fach gekrümmte Stäbchen, und län- gere sehraubige, scheinbar wellig gebogene Fäden wie es schon früher Cohn angegeben hatte.

Als Ergänzung zu den fi-ü- heren Untersuchungen von Cohn xr,M ^ " nach Photogram-

NachPhotogrammen vonKoch. ASpirillum *^

undula. B Recurrens-Spirochäte. C Zahn- mcn VOU K 0 C h daSS iii der Ent-

spirochäte. D Milzbrandbacillen bei a Maus, winVliinrv vnr, Q,->iv,-n„vr. \

b Ratte. E Bacillen des malignen Oedems! ^^^Cklung VOn bpillllum Undula A

F. Bacillus subtiiis. (die Verschiedenheiten von a' und

1) Botanische Untersuchungen über Schimmelpilze, IV, 1881.

2) Untersuchungen über die EntAvickelungsgeschichte und Fermentwirkun^ einiger Bakterienarten, 1880.

8) Beiträge zur Biologie der Pflanzen. II, Heft 2, 1876, S. 277. *) ibid. Bd. II, Heft 3, 1877.

Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten?

31

a" rühren von verschiedener Präparation her) noch kürzere Einzel- giieder, a, b, c, vorkommen, als sie Cohn in Fig. 1, J beobach- tet hatte. Es war damit festgestellt, wenn auch nicht ausdrücklich erklärt, dass in der Entwicklung von Spirillum eben so gut wie in der Entwicklung von Vibro zwei Wuchsformen, kurze schraubige, scheinbar nur gekrümmte Stäbchen und als Fäden längere Schrauben vorkommen. Die Unsicherheiten, welche Cohn bei den Abgrenzun- gen der Gattung Vibrio gegen Spirillum begegneten, liegen also tiefer begründet und es bleibt als einziges, noch dazu ganz unsicheres, durch üebergangsformen wie Vibrio s. Spirillum serpens, Fig. 1, G, verbundenes Unterscheidungsmerkmal, dass die schraubigen Fäden von Vibrio, Fig. 1, F, Fig. 3, C, flach ausgezogen, die von Spirillum, Fig. 1, H, J, K und Fig. 4, A enger sind. Hiermit war ein Anhalts- punkt dafür gefunden, dass die Schrauben der Schraubenbakterien keine Glieder und nicht einzellig, sondern dass sie Fäden und zusammen- gesetzt sind. Vergleicht man weiter unbefangen C o h n ' s Zeichnung von Spirillum tenue, Fig. 1, K, mit Koch 's Photogrammen der Spirochaeten des Eückfallfiebers, Fig. 4, B, und den Zahnspirochaeten, Fig. 4, C, so wird man finden, dass allein nach der Form der Schraube eine scharfe Grenze auch zwischen der Gattung Spirillum und Spirochaete nicht zu ziehen ist. Diese Ermittellungen, dass bei den Schraubenbakterien höchst wahrscheinlich ebenso wie bei Cohn's Fadenbakterien zwei Wuclisformen, die von Einzelgliedern und Fäden, zu beachten sind, ergänzen Cohn's Ausführungen über seine Gat- tungen der Schraubenbakterien sehr wesentlich und zeigen, wenn dieser Punkt auch erst viel später richtig erkannt wurde, dass die Fadenform der Schrauben allein zur Abgrenzung von Formgattungen ein unzureichendes Mittel ist. Aber diese Ermittelungen stellen im Princip für die Schraubenbakterien nur dasselbe fest, was Cohn für die Fadenbakterien eingehend entwickelt hatte, dass kürzere und längere Einzelglieder und Fäden, also ein relativ enger Formenkreis, zur Artbestimmung gehören.

Auch die weiteren Untersuchungen von Koch, Gaffky und Löffler^) ergaben keine weiteren Formenkreise, wie z. B. Fig. 4,

I) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, I, 1881.

32

Giel)t es monomorphe und pleomorphe Arten?

D für Milzbraiidbacillen bei verschiedener Präparation, E für die Bacillen des malignen Oedems und F für den Bacillus subtilis zeigen ; bei den letzteren sind die kleinsten Glieder bei a und noch mehr bei b erheblich kürzer als Cohn angenommen hatte, ohne aber deutliehe Ellipsoide oder Kugeln zu bilden.

Den bis jetzt ermittelten Thatsacheu gegenüber, dass es unter den Bakterien Arten mit einem relativ geringen Formenkreis giebt, konnten, wie K u r t h , ^) ein entschiedener Anhänger von der Existenz pleomorpher Arten, angab, „die fast ohne jede Cautelen ausgeführten Versuche Billroth's, die nur in allgemeiner Form gehaltenen, durch keine speciellen Beweise gestützten Behauptungen Naegeli's, nicht Stand halten. Die auf Grund dieser Lehren weit verbreitete und durch zahlreiche in diesem Sinne ausgeführten Arbeiten bekundete Meinung, dass alle die in den starken Nährlösungen, in faulendem Blut, sich zersetzendem Eiter, in Heuaufgüssen etc. in buntem Ge- misch durch einander vorkommenden Formen auseinander entstanden seien und jederzeit wieder in eineinander übergehen könnten, war widerlegt."

Die. bis jetzt mitgetheilten Beobachtungen konnten nicht mit Sicherheit darthun, dass Bakterien weitere Formenkreise durchlaufen, als von Cohn angegeben waren und ergänzten nur dessen Angaben über die Schraubenbakterien, indem für dieselben mit grösster Wahr- scheinlichkeit ein ähnlicher kleiner Formenkreis gefunden wurde, wie Cohn ihn für andere Gattungen schon früher ermittelt hatte. Durch- aus anders war das Ergebniss der Untersuchungen von Zopf. 2) Derselbe ermittelte, dass in der Entwicklung von Crenothrix, Beggiatoa und Cladothrix, Fig. 5, die folgenden Formen successive auftreten oder event. sogar gleichzeitig vorhanden sein können: kuglige, von ihm als Mikrokokken bezeichnete Zellen, Knrzstäbchen (Bakterium), Langstäbchen (Bacillus), gerade Fäden (Leptothrix), leicht schraubig gedrehte (Vibrio), stärker gewundene starre schraubige (Spirillum), flexile schraubige Fäden (Spirochaete), peitschenschnur- artige, um einander aufgerollte Fäden (Spiruliua) und schliesslich

1) Bakterium Zopfii. Botanische Zeitung 1883, 8. 371.

2) Zur Morphologie der Spaltpflanzen, 1882.

Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten?

33

Fiff. 5.

Formen, welche der Gattimg Ophidomonas, unter Ehrenberg's Monaden entsprachen.

, Die Schlussfolgerung von Zopf, dass demnach die be- obachteten Formen überhaupt keine Arten, sondern „blosse

Entwicklungsstadien von Spaltpilzen" darstellen, leidet unter der schon angegebenen unrichtigen Interpretation von Cohn 's Argumenten. Spä- ter hat Zopf noch öfters in dieser durchaus unrichtigen Weise Cohn die Aufstellung eines „Monomorphismus" zu- geschrieben, indem er zum Bei- spiele^) angab: „Das bisher

existirende System (das Bhrenberg-Cohn'sche) ist jetzt ein überwundener Stand- punkt, denn die in neuerer Zeit entwicklungsgeschichtlich ge- nauer untersuchten Spaltpilze lassen sich unter den Co hu- schen Gattungen : Mikrokok- kus, Bakterium, Bacillus, Spi-

rillum, SpirOChaete, Vibrio, CMothrix dichotoma; nach Zop f. A verzweigte . ' ' Pflanze mit schwächer (a) und stärker (b) gewun-

Leptothrix etc. zum Theil gar «ienen schrauhenförmigen Zweigen. B Schraube,

nirht iintPvhn'Tio-Pn ^n^nfam ^^"'"^ ^''""^ gewunden ist als das

nicnt Unteibnngen, mSOtem andere (b). C Langer spirochätenartiger Zweig mit

viele von ihnen zwei oder meh- "'"^ Spiruiinen. d Ein Zweigstück mit

, engen und eins mit flachen Windungen. E Schran-

rere der den Cohn sehen hen : a ungegliedert, b mit Andeutung einer Gliede-

Gattungsbegriffen entsprech- '\,f "f ' Segmente.

^ ^ >^l.i<=v.u ir Spnochätenform : bei a ungegliedert, bei b bis d

schematischo Gliederung bei b in längere, c in kür- zere Stäbchen und bei d in Kokken.

enden Formen aufweisen." In Wirklichkeit war Zopf

1) Die Spaltpilze, 3. Aufl., 1885, S. 49.

Hueppo, Formen der Biiktoiien.

3

I

34

Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten?

nur berechtigt zu dem Schlüsse, dass die von ihm studirten Arten geg-enübcr den relativ einförraigen, aber nicht monomorphen Arten von Cohn entschieden pleomorph sind.

Dann übertrugt Zopf seine Beobachtungen an den erwähnten Arten sehr voreilig auf alle Bakterien, wobei er vorsichtigerweise die Möglichkeit offen Hess, „dass einzelne Spaltpilze nur eine sehr beschränkte Zahl von Entwicklungsformen, oder auch nur eine einzige besitzen. "

Während Zopf auf Grund einer ganz missverständlichen Auf- fassung der Formgattungen von Cohn diesen zu widerlegen meinte, führten ihn in Wirklichkeit seine Beobachtungen zu einer sehr ent- schiedenen Bestätigung des Cardinalpunktes der Ausführungen von Cohn, indem er erklärte, „dass zu einer geuerischen und specifischen Unterscheidung bei den Spaltpilzgewächsen sicher eben so viel Be- rechtigung vorhanden ist, wie bei den Spaltalgen, für die Niemand die Möglichkeit einer solchen Unterscheidung bezweifeln wird."

Sachlich würde der strikte Nachweis von der Existenz entschieden pleomorpher Arten die Ausführungen von Cohn wesentlich ergänzen und erweitern, aber natürlich nur in dem einen Falle, dass die von Zopf untersuchten Arten auch zu den Bakterien gehören.

Cohn hatte zuerst den Begriff der Bakterien erweitert und etwas besser abgegrenzt, indem er ausser den von Ehrenberg und D u j a r d i n dahin gerechneten Organismen auch viele der früheren Kugel- und Stäbchenmonaden den Bakterien zuwies. Naegeli^) scheint, soweit seine kurzen Angaben darüber urtheilen lassen, den Begriff der Bakterien eben so eng zu fassen wie Cohn 1872 und auf dieselben Formen anzuwenden. Nun fanden sich aber ähnliche Formen nicht nur bei den Bakterien, sondern auch bei den farb- losen und den gefärbten Spaltalgen und diese grosse Formüberein- stimmung veranlasste Cohn 2), alle diese Organismen in einer grossen Gruppe des Pflanzenreichs zu vereinigen, welche er Schizophyten oder Spaltpflanzen nannte. Diese Schizophyten theilte er in zwei grosse Gruppen ein, A) Gloeogenae, welche dadurch cha-

1) Die niederen Pilze, 1877, S. 5.

2) Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. I, Heft 3, S. 202.

Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten ? 35

rakterisirt siud, dass die Zellen frei oder durch Intercelliilarsiibstanz zu Sclileimfamilien verbunden sind, während bei der zweiten Gruppe, Neraatogenae, die Zellen in Fäden geordnet sind.

Während man bis dahin mehr geneigt war, alle Bakterien aus einem einheitlichen, monophyletischen Gesichtspunkte zu betrachten, brachte Cohn die früheren Bakterien hiermit zum ersten Male in ganz verschiedenen Gruppen unter und gab damit zum ersten Male einen präcisen Ausdruck dafür, dass möglicherweise die Formunter- schiede von einem polyphyletischen Ursprünge herrühren. Auf diese Weise kamen manche Bakterien mit bestimmten Spaltalgen ganz nahe zusammen, während andere wieder zu ganz anderen Spaltalgen nähere phylogenetische Beziehungen als zu den übrigen Bakterien haben sollten. So gehören z. B. Mikrokokkus, Bakterium, Sarcina, Merismopedia, Clathrocystis mit einer Reihe zweifelloser Spaltalgen zu den Gloeogenae, während Bacillus, Leptothrix, Vibrio, Spirillum, Spirochaete, Spirulina, Streptokokkus, Myconostoc, Beggiatoa, Clado- thrix, Crenothrix mit entschiedenen Spaltalgen zu den Nematogenae gerechnet werden. Bei dieser Eintheilung war dem damaligen Stande der Kenntnisse entsprechend natürlich noch nicht berücksichtigt, dass Leptothrix, Spirulina Myconostoc im älteren Sinne nur Entwick- lungszustände und keine Arten sind, es war keine Eücksicht darauf genommen, dass das Bakterium rubescens von Lankester und die Clathrocystis von Cohn nur Entwicldungsstadien von Beggiatoa roseo persicina sind.

Frank i) rechnet Beggiatoa, Crenothrix, Cladothrix zu den faden- bildenden Spaltpilzen und motivirt dies 1. c. S. 1953 damit, dass, wenn der. Mangel an Clüorophyll nach Naegeli zur Abtrennung der Bakterien von den Algen und zur Zurechnung derselben zu den Pilzen zwinge, ,dann auch noch gewisse chlorophyllose bisher unter den Algen aufgeführte Gattungen, wie Leptothrix und Beggiatoa% zu den Spaltpilzen oder Scliizomyceten gerechnet werden müssen. Natürlicher scheint es aber Frank, ,die nur mit An- oder Ab- wesenheit des Chlorophylls begründete traditionelle Unterscheidung

1) Kryptogamen, in Leunis Synopsis der Pflanzenkunde, 1877.

3*

(jiiübt US iiiuiioiiiuiphü und pleomorphe Arten V

der Pilze und Algen zu verlassen und mit Cohn die Schizomyceten und Phykochromaceen in eine einzige Ordnung zu vereinigen."

In dem System von Kabenhorst-Winter^) sind Clathro- cystis und Beggiatoa noch von einander getrennt, Beggiatoa und Chladothrix sicher zu den Spaltpilzen d. h. den Bakterien gerechnet, während die Zugehörigkeit von Crenothrix als zweifelhaft hinge- stellt ist.

Umgekehrt rechnet van Tieghem^) Beggiatoa mit andern aus- gesprochenen Spaltalgen zu den Nostocaceen, der einen von ihm auf- gestellten Gruppe der Spaltpflanzen, während er Crenothrix und Clado- thrix zu seiner zweiten Gruppe, den Bakteriaceen stellt. Während van Tieg he m früher bei den Bakterien Gattungen und Arten unterschieden hatte, führte er jetzt nur bei den Nostocaceen Genera an, während er bei den Bakteriaceen auf eine Eintheilung in Genera verzichtete und die Gattungsnamen von Cohn nur zur Bezeichnung von „principales formes" verwendet.

Zopf^) findet, dass die Unterschiede der beiden Gruppen der Spaltpflanzen nicht so einschneidend sind, wie sie Cohn hingestellt hatte und dass die Spaltalgen, gleichgiltig, ob sie Schleimfamilien oder Fäden bilden, sich leidlich trennen lassen von den nicht Phyco- chrom führenden Spaltpflanzen und fasst alle nicht Phykochrom führen- den Spaltpflanzen wegen der ähnlichen Formen ihrer Einzelzellen und der Verbände der Einzelzellen zu den Bakterien oder Spaltpilzen zu- sammen. Zopf trennt also im Gegensatze zu Cohn die Spalt- pflanzen in die höheren Spaltalgen und die niederen Bakterien oder Spaltpilze und betrachtet die letzteren damit von einem mehr ein- heitlichen Gesichtspunkte.

Wie hieraus ersichtlich, ist noch durchaus keine volle Einigung erzielt, wie man am natürlichsten die Bakterien gegen die übrigen Spaltpflanzen abgrenzt, doch neigt sich die Mehrzahl der Forscher zur Ansicht, alle nicht Phykochrom führenden resp. alle chloro- phyllosen Spaltpflanzen zu den Bakterien zu rechnen und den Be- griff der Bakterien damit erheblich gegenüber der Abgrenzung von

1) Kryptogamenflora I, 1. Lieferung, 1881.

2) Traite de Botanique 1884, S. 1103.

3) Zur Morphologie der Spaltpflanzen, 1882.

Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten?

37

Cohn von 1872 zu erweitern. Wenn Fisch ^ bei einer Besprechung meiner Methoden der Bakterienforschung angiebt, dass es „auf ein nicht grade richtiges Verständniss des Thatbestandes hindeutet," wenn ich bei Gelegenheit der orientirenden Uebersicht der Formen äusserte, dass die Leptothricheen und Cladothricheen von Zopf, d. h. gerade Beggiatoa, Crenothrix und Cladothrix „früher wegen ihrer Formen den Spaltalgen näher gestellt wurden," so dürfte die Berechtigung dieser Angabe aus dem vorher mitgetheilten wohl ge- nügend hervorgehen.

Erweitert man in der angegebenen Weise den Begriff der Bak- terien imd rechnet die erwähnten Arten zu den Bakterien, so muss selbstverständlich der Nachweis von Zopf, dass diese früher für relativ einförmig gehaltenen Arten: Beggiatoa, Crenothrix, Clado- thrix, sehr formenreich sind oder sein können, von Bedeutung für die Morphologie der Bakterien sein. Man muss dann bestimmt er- klären, dass es unter den Bakterien neben den von Cohn auf- gestellten relativ einförmigen Arten auch entschieden pleomorphe Arten giebt.

Hierdurch erfährt aber das ursprüngliche System von Cohn keine principielle Widerlegung, sondern nur eine wesentliche Ergänzung und Erweiterung, weil gerade durch diese Arten entschieden bewiesen wird, dass es möglich ist, bei den Bakterien Gattungen und Arten abzugrenzen, wenn man nach C 0 h n ' s Vorgang alle Formen berücksichtigt.

Cohn selbst hatte bereits 1877 bei einigen hierher gehörigen höheren Arten den Zusammenhang von geraden und schraubigen Fäden beobachtet und eine Gliederung der Stäbchen und Schrauben in kuglige Zellen eintreten sehen. Da Cohn aber diese Gebilde nicht als Mikrokokken auffasste, weil dieses Wort für ihn nur Gat- tungsbegriff war, sondern als Gonidien erklärte, werde ich später auf diese Beobachtung noch einmal zurückkommen. Das eine möchte ich nur jetzt schon hervorheben, dass Cohn 's Anschauungen auch nach diesen Beobachtungen durchaus nicht mit dem Pleomorphismus principiell in Widerspruch stehen.

1) Biologisches Centraiblatt, Bd. 5, 1885, No. 6.

38

GieM es monomorphe und pleomorphe Arten ?

Der Pleomorphismus an sich hat mit Variatioiisfähigkeiteii der einzelnen Tormen gar nichts zu thun, da die einzelnen Formen der pleomorphen Arten constant sein können und sich bei Aenderiing der Ausseubedingungen nicht ohne weiteres ändern müssen. Trotz- dem ist in völliger Verkennung dieser Sachlage schon die einfache Existenz pleomorpher Arten im Sinne weitgehender Variationsfähig- keit und Inconstanz der Formen gedeutet worden.

Auch für die Bakterien im früheren Sinne wurde von Neuem die Existenz pleomorpher Arten angegeben. Von Jacksch^) gab an, dass der Mikrokokkus ureae, bei dem Cohn nur kuglige und ellipsoide Zellen beobachtet hatte, auch in Form von Stäbchen vor- kommt und Bill et 2) fand nicht nur kuglige und stäbchenförmige Zellen, sondern auch gerade und wellig gebogene Fäden. Der Nach- weis von Leube und Gras er 3), dass eine Art von Kokkus, eine Sarcine .und drei Arten von stäbchenförmigen Bakterien die Harn- stoffgährung bewirken können, dass bei der spontanen Harnstoffzer- setzung fast nie eine einzige Art allein und rein vorkommt, nimmt den Angaben von von Jacksch und Bill et jeden AVerth, da die von ihnen verwendeten Methoden keine Garantie geben, dass sie von dem Mikrokokkus ureae auch wirklich ausgegangen sind.

H. Buchner*) gab an, dass er in der Entwicklung der von Fitz 5) gefundenen Glycerin - Aethylbakterie die Formen von kug- ligen, ellipsoiden Zellen, von kürzeren und längeren Stäbchen be- obachtet habe. Die eignen Zeichnungen von Buchner zeigen, dass die Stäbchen meist nicht cylindrisch, sondern an einer Stelle etwas stärker aufgetrieben, spindelförmig sind. Derartige Formen hatte Cohn aber gar nicht zu seinen Bacillen gerechnet, sondern") war geneigt, , Stäbchenbakterien von charakteristischer spindelförmiger

ij Studien über den Harnstoffpilz. Zeitschrift für physiologische Chemie, Bd. 5, 1881, S. 395.

Sur le bacterium ureae. Comptes rendus 1885, Bd. 100, S. 1252. Ueber die ammoniakalische Harngährung. Virchow's Archiv. 1885 Bd. 100, S. 540.

In Naegeli's Untersuchungen über niedere Pilze, 1882, S. 221.

5) Ueber Schizomyceten-Giihrungen III. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, Bd. 9, 1878, S. 49.

6) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, I, 2. Heft, 1872, S. 168.

Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten'?

39

Gestalt" zu seiner Gattung Mikrobakteria zu stellen. Im übrigen war der Entwicklungskreis derartiger Formen Cohn noch recht wenig bekannt. Da aber der Entwicklungskreis von Cohn 's Bak- terium termo durchaus nicht gegen derartige Formen bei anderen Mikrobakterien spricht, scheint mir in dieser Beobachtung von Buchner durchaus keine Widerlegung der Ansicht von Cohn zu liegen, sondern nur eine Ergänzung insofern sich ergiebt, dass Spindel- stäbchen längere und kürzere Stäbchen und bei der Theilung ellip- soide und selbst, kuglige Zellen bilden können. Dieser Formenkreis geht aber kaum über den von Cohn selbst für Bakterium termo angegebenen hinaus.

Für die Bakterien der gewöhnlichen spontanen Milchsäuregäht rung ermittelte ich^) fast dieselben Formen, wie Cohn für das

Bakterium termo. indem ich kurze Stäbchen, kleinere Fäden und bei der Theilung der kleineren Stäbchen Zellen beoabclitete , welche nicht mit Sicherheit von kurzen Ellipsen zu unterscheiden waren.

Erst Kurth 2) gab in einer methodisch einwandsfreien Unter- suchung für eine von ihm Bakterium Zopfii genannten Art, Fig. 6,

1) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheits-Amte, Bd. II, 1884, S. 339.

2) Bakterium Zopfii. Botanische Zeitung, 1883, No. 23 bis 2G.

Fig. 6.

40

Giebt es monomorphe und pleomorphe Arten?

an, dass bei derselben laiglige und eiförmige, als Kokken bezeich- nete Zellen, A, b, c, d, ferner kürzere, A, a, und längere, B, Stäbchen vorkommen. Die Einzelzellen bilden kürzere oder längere Fäden, C, D, welche bald deiitlicb gegliedert, bald ungegliedert scheinen.

Die Fäden sind bald gerade, D, bald leicht wellig gebogen, C, bald bilden sie Verschlingimgen, E, F; dabei bilden sich bisweilen einfache Schleifen oder auch peitschenschnurartige Umschlingungen. G, und einzelne Stücke der Fäden können deutliche, flache Schrauben, H, bilden. Die Länge der sicher einzelligen Stäbchen schwankt je nach dem Stadium der Entwicklung beträchtlich von 4 bis 10;« oder von 3 bis 8 ft und beträgt im Durchschnitt 5 /i, während die Länge der Fäden bis zu 150 betragen kann. Eine Zusammensetzung der Fäden und Stäbchen aus isodiametrischen Gliedern weist Kurth entschieden zurück. Dieser Formcyklus trat in verschiedenen Medien ein, aber die qualitative und quanti- tative Aenderung der Nährsubstrate war ohne Einfluss auf die ein- zelnen Formen.

Aus den bisher in Betracht gezogenen Untersuchungen geht hervor, dass die Cardinalpunkte der Ausführungen von Cohn sich allen Angriffen gegenüber als wohl begründet bewährt haben, dass man Gattungen und Arten unter den Bakterien unter- scheiden kann, wenn man alle Formen in Betracht zieht. Füi- die relativ einförmigen Arten der Bakterien im früheren Sinne haben sich die von Cohn aufgestellten Formmerkmale fast durch- gängig als ausreichend zur Abgrenzung von Formarten erwiesen.

Aber das System von Cohn bedarf einer Eeihe von Ergänzungen, welche sich vor Allem aus folgenden Ermittelungen ergeben : Arten, deren vegetative Stadien durch spindelförmige oder kurze Stäbchen dargestellt werden, sind wahrscheinlich noch etwas schwieriger gegen die Formgattungen Mikrokokkus und Bacillus abzugrenzen, als es Cohn schon dargestellt hatte. Die Formgattungen der Schrauben- bakterien bedürfen einer gründlichen Revision, da die von Cohn an- gegebenen Formmerkmale sehr unsicher und innerhalb der einzelnen Gattungen zu schwankend sind. Auch unter den Bakterien im früheren Sinne giebt es neben den relativ einförmigen Arten pleo-

Variabilität der Formen.

41

morphe Arten. Es werden jetzt zu den Bakterien pleomorphe Arten gerechnet, welche man früher nicht zu den Bakterien gestellt hatte.

Diese Ergänzungen und Erweiterungen des ursprüng- lichen System's von Cohn glaubte ich i) dahin zusammenfassen zu können, „dass, je höher die Spaltpflanzen im System stehen, mit desto grösserer Wahrscheinlichkeit auch in ihrer Ontogenese die phylogenetisch niedriger stehenden Formspecies als blosse Wuchs- formen auftreten können."

Aber alle diese Ermittelungen gelten strikte nur für den Fall der gleichbleibenden Aussen Verhältnisse oder doch solcher Lebensbedingungen, welche denen des spontanen Vorkommens der Art gleich oder sehr ähnlich sind. Daraus folgt aber nicht ohne Weiteres, dass diese Formmerkmale schlechthin constante sind und es ist erst an der Hand von directen Versuchen zu prüfen, welchen Einfluss Veränderungen des Substrates auf die Formen haben.

VI.

Passt sicli die Form geänderten Aussenverliältnisseii an? Breite der Yariabilität. Gestattet die Gesammt- lieit der Formen ächte Arten oder nur Formarten

abzugrenzen?

Besonders war es Naegeli 2) , der sich von Neuem, und zwar wieder unter vollständiger Ignorirung der Motive von Cohn, gegen dessen „gattungs- imd artenreiches System« wandte, weil es nach seiner Ansicht gar „keinen wissenschaftlichen Werth" hat, ,ein System der Spaltpilze nach Gattungen und Arten mit den jetzigen Hülfsmitteln" aufzustellen. Wenn man sich erinnert, dassNaegeli früher mit ebenso unzureichenden Mitteln ein ausserordentlich gattungsreicbes System der einzelligen Algen 3) aufstellte und wenn

1) Deutsche med. Wochenschrift, 1S84, No. 48 bis 50.

2) Zur Umwandlung der Spaltpilzformen. Untersuchungen über niedere Pilze, 1882, S. 129.

8) Gattungen einzelliger Algen, 1849, S. 40.

42

Variabilität der Pormeil.

man sich der Motivirung von Cohn erinnert und beachtet, dass Cohn das Provisorische seiner Eintheilung wiederholt hervorgehoben hat, so ist es etwas schwer zu verstehen, wie Naegeli die Form, in der Cohn seine Klärungsversiiche vortrug, eine „anspruchsvolle" nennen kann.

Naegeli spricht sich seinerseits über die der Species subordi- nirten Begriffe folgendermaassen aus: ,Die Varietäten sind wie die Arten von säcularer Constanz ; ihre Umwandlung erfordert Zeiträume, die nach Erdperioden gemessen werden; sie entziehen sich aller ex- perimenteller Behandlung; die Züchtung vermag an ihnen nichts zu ändern. Eassen und (Ernährungs- oder Standorts-) Modihcationen dagegen sind vorübergehende Erscheinungen, die durch unseren Ein- fluss bestimmt und geregelt werden können. Und zwar entstehen die Rassen durch Kreuzung verschiedener Varietäten und Arten, können also blos bei Organismen mit Geschlechtsdifferenz vorkommen. Die Modihcationen aber werden durch die unmittelbare Einwirkung des Klimas und der Nahrung erzeugt imd können niu- bestehen, so lange die sie bedingenden Einflüsse andauern. Bei den Spaltpilzen, sowie Überhaupi bei den niedersten Pflanzen ist die Eassenbildung ausgeschlossen, bei ihnen können innerhalb der constanten Arten und Varietäten blos Ernährungsmodificationen vorkommen,"

,Die Merkmale der Arten und Varietäten sind für unsere Er- fahrung schlechthin constant, da wir in den aufeinander folgenden Generationen sie sich nicht verändern sehen. Ihnen gegenüber sind die Modihcationen als schlechthin veränderlich zu bezeichnen. Die letzteren bleiben zwar unverändert, so lange sie unter den nämlichen äusseren Verhältnissen leben. Dies ist aber nicht Constanz im natur- wissenschaftlichen Sinne, welcher nur dasjenige als constant anerkennt, was unter den verschiedensten äusseren Verhältnissen in bestimm- baren Zeiten unverändert bleibt, wie dies mit den Species und den ächten Varietäten der Fall ist.

Die Unveränderlichkeit einer Spaltpilzform, die unter gleich- bleibenden äusseren Einflüssen sich befindet, wird daher mit Unrecht der Constanz der Varietäten oder Species gleichgestellt und mit Un- recht wird damit die Speciesnatur der Spaltpilzformen behauptet.

Variabilität der Formen.

43

Den Mociificationen kommt nur ein Schein von wirklicher Con- stanz zu, insofern, als sie den äusseren Verhältnissen eine gewisse Zähigkeit entgegensetzen und nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit sich ihnen entsprechend umwandeln."

Für Nägeli sind bei den Bakterien die morphologischen und physiologischen Merkmale schlechthin veränderlich, weil einerseits „alle wahrnehmbaren Formen durch Uebergänge verbunden sind« und weil andererseits, wie er auf Grund einiger Versuche annimmt, „kein der Beobachtung zugängliches Merkmal sich gegenüber von richtig angestellten Kulturversuchen als beständig erweist".

Wir haben damit die bestimmte Aufgabe, die Angaben zu prüfen und zu sichten, welche für Variabilität geltend gemacht wurden, und besonders zu beachten, ob einmal überhaupt irgend welche Varia- bilität sicher ist und dann zu sehen, welchen speciellen Werth diese Ermittelungen für den Speciesbegriff haben.

In einer Arbeit über Pigmentbakterien in Verbandstoffen kommt Urlichsi) zur Ansicht, dass „die chromogenen Bakterien auf unseren Verbandstoffen, die gelben, rothen und blauen, thatsächlich in einander übergehen und dass sie alle ungefärbte Kepräsentanten in der Pasteur' sehen Nährflüssigkeit haben, die, auf geeigneten Boden, namentlich gut granulirende Geschwüre und Wunden, ver- setzt, einen und denselben Farbstoff, das Pyocyanin, erzeugen".

Dem gegenüber konnte ich auf Grund meiner inzwischen noch weiter ergänzten Untersuchungen über Pigmentbakterien und Bak- terienpigmente die älteren Angaben von Schröter 3) in den wich- tigsten Punkten bestätigen und erweitern durch den strikten Nach- weis, dass die Aenderungen der Pigmente rein chemische Farben- reactioneu sind und sich bald als Oxydations- und Keductionsvor- gänge darstellen, bald durch die Veränderungen der Keaction bedingt sind und dass es sich nicht um einen einheitlichen Farbstoff handelt, sondern die Farben verschiedene Gruppen der aromatischen Reihe angehören.

1) Arch. f. klin. Chirurgie, Bd. 24, 1879, S. 303.

2) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte II, 1884, S. 355 und deutsche med. Wochenschrift, 1884, No. 48 bis 50.

3) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. 1, Heft 2, 1872, S. 109.

44

Variabilität der Formen.

Die Formen der Pigmentbaltterien waren nicht starr, sondern sie änderten sieb, abgesehen selbstverständlich von den Veränderungen durch die Theilung, etwas mit Aeuderung der Aussenbediugungen einmal insofern als die Verbindungs weise der Einzelzellen zu Fäden oder Zoogloen nicht absolut gleich blieb und ferner aber in erheblich geringerem Maasse auch dadurch, dass bei einzelnen Arten die vege- tativen Formen Ideine Formabweichungen erfuhren insofern als sie nicht in allen Medien dieselben Relationen behielten. Hierauf waren von Einfluss der Chemismus des Mediums, sodass in wenig zusagenden Lösungen weniger kräftige Formen vorkamen, und der Mechanismus des Substrates, indem im Innern fester Medien die Formen nicht so kräftig waren wie am Rande der sich ausbreitenden Colonien. In keinem einzigen Falle ging aber die wirkliche Anpassung so weit, dass etwa in dem einen Medium ganz andere vegetative Formen typisch wiederkehrten als in einem anderen, etwa in einem Medium ausgesprochene Kugeln, in einem anderen Stäbchen typisch waren. Immer handelte es sich nur um kleine Abweichungen einer be- stimmten Form, insofern, als z. B. die Stäbchen bald etwas länger oder kürzer, breiter oder schmäler waren. Etwas weitergehende Form- abweichungeu erwiesen sich in einzelnen Fällen, in denen sie zur Beobachtung kamen, als pathologische, indem körniger Zerfall der Zellen oder Involutionsformen sich bildeten.

Eine weitergehende Anpassung der Form an das Substrat hat Buchneri) f^r die Heubakterien, Fig. 7, angegeben. Buchner ging von der Voraussetzung aus, dass bei einer bestimmten Erhitzungs- weise des Heuinfus in diesem später immer nur die eine, mit C o h n ' s Bacillus subtilis identische Art zur Entwicklung kommt, dass also Abweichungen der Form auch Variationsfähigkeit der Formen dieser Art beweisen. Diese Voraussetzung ist aber, wie ich in zahlreichen Versuchen fand, welche ich zur Ermittlung der Grenzen der Erhitzungs- methode 2) anstellte, durchaus nicht sicher begründet. Mau kann auf diese Weise sicher zwei, vielleicht sogar drei Arten von Bacillen

1) Beiträge zur Morphologie der Spaltpilze. Nägli's Untersuchungen über niedere Pilze, 18S2, S. 205.

2) Die Methoden der Bakterien-Forschung, 1. und 2. Aufl., 1885, S. 94; 3. Aufl., 1886, S. 137,

Variabilität der Formen.

45

erhalten, welche durch die Gesammtheit der Formen, Art der Sporen- bildnng und der Sporenauskeimung und biologische Differenzen aus- einander zu halten sind, trotz grosser Aehnlichkeit einzelner Ent- wicklungsstadien. ^) Auch Kurth hatte bereits früher eine derartige Beobachtung mitgetheilt.

Fig. 7.

Nach H. Buchner. Heubakterien. A Heuaufguss Sp. G. 1,006; 24 Stunden bei 360 cultivirt; a gerade Stäbchen von 2 bis 5 // Länge und 0,9 bis 1 » Breite; b Jodzusatz,

Länge der Glieder 1,2 bis 1,5 ^/; c Spindelstäbchen; d Spoionbildung B 0,1^/0 Fleischextiact mit 50/,) Zucker, neutral; a. Breite 0,8 //, Länge 4 bis 6 ^1 ;

b und c Jodzusatz, kürzeste Glieder 0,8 u lang und breit; d Sporenbildung. C 0,10/0 Asparagin mit öO/q Zucker, neutral; "a die kürzesten geraden Stäbchen 0,8 /t

breit, 1,5 // lang; b Sporenbildung; c Spindelstäbchen. U Heuaufguss Sp. G. 1,004"; 24 Stunden bei 22« cultivirt. a Breite 1,0 fi, kürzeste

Glieder 12 u ; b. Jodzusatz. E I^Iq Fleischextract, sehwach sauer, a aus Decke; b aus Bodensatz; Breite 0,7 //, Länge der kürzesten Glieder 2 der längsten 5 // ; c und d Jodzusatz, kürzeste Glieder

1 fi, längste nur 2,5

F 5"/o Fleischextract, schwach alkalisch. Breite 0,5 fi, Länge der Glieder 6 bis 10 a; b und c Jodzusatz; kürzeste Glieder 1,5, längste 4 ^1. [b und d der Figur E und c der Figur F etwas zu schmal gezeichnet].

Die ausserordentliche Wichtigkeit des Gegenstandes rechtfertigt auf jeden Fall den Versuch zu sehen, ob die eignen Angaben und

1) Aehnlicher Ansicht ist de Bary in seinen während des Druckes erschie- nenen Vorlesungen über Bakterien, 1885, welche ich nicht mehr genauer berück- sichtigen konnte.

46

Variabilität der Formen.

Zeichnungen von Buchner Anhaltsptinkte dafür gehen, dass Buch- ner vielleicht nur solche ähnliche aber nicht identische Arten vor sich hatte.

Ich habe deshalb die Formen, bei denen Bu ebner die Sporen- haltigen Zellen mitgezeichnet, vorangestellt, weil aus später genauer zu erörternden Gründen die Sporenbildung eine viel grössere Be- deutung hat als die meisten übrigen Formmerkmale. Im Allge- meinen ist noch zu den Zeichnungen zu bemerken, dass dieselben von Buchner etwas schematisch gehalten und so gezeichnet sind, wie er sie sich bei 4000 maliger Vergrösserung denkt, so dass also bei der wirklich zugänglichen Vergrösserung die Differenzen beträcht- lich geringer sind. Sofort fällt es auf, dass die vegetativen Zellen a der Figur A, B, C und E nicht sehr different sind, aber die Sporenbildung der Figur A zeigt beträchtliche Differenzen gegenüber B und C. Bei A ändert sich die Form der geraden Stäbchen a vor der Sporenbildung zu einer Spindel c und in diesen erweiterten Zellen bilden sich bei d die Sporen. In B ändert sich die Form der Zelle zur Sporenbildung, d, nicht; in C tritt scheinbar eine Ver- änderung der Zelle, c, als Vorbereitung zur Sporenbildung ein, aber die Spore bildet sich schliesslich bei b in einer nicht besonders ver- änderten Zelle.

Als ich bei meinen Versuchen Bacillus subtilis von Cohn unter die Versuchsbedingungen der Fig. A brachte, erhielt ich die Sporen- bildung der Fig. B, d und nicht die der Fig. A, d, so dass also bei meinen Versuchen eine ganz entschieden geringere Formabweichung vorhanden war. Eine andere Formabweichung fand Buchner, wenn er dieselbe Art einmal bei 22° unter die Bedingungen der Fig. D brachte, während bei nur wenig geänderten Bedingungen bei 36° die Formen der Fig. A resultirten. Bei meinen identischen Ver- suchen war von solchen Abweichungen keine Rede, sondern ich erhielt die Formen der Fig. B und nicht die von A und D.

Ich führe meine Erfahrungen über Heubakterien nur an, zum Beweise, dass diese Frage noch keineswegs so klar und abgeschlossen ist, wie Büchner sie glaubte erwiesen zu haben. Die Abweichungen der Formen, welche ich gefunden habe, waren höchstens so gross, wie zwischen den Zellen a der Figuren A, B, C, E und F, aber nicht so gross

Variabilität der Formen.

47

wie zwisclien a der Figuren D uricl P ; eine wirkliche Aenderung der Form habe ich bei Aenderung der Aussenbedingungen nicht gefunden, sondern nur geringfügige Schwankungen in den Längen- und ßreiteu- dimensionen. Der kritiklose Enthusiasmus, mit dem Zopf die An- gaben von Buchner besonders gegenüber den Anschauungen von Cohn und Koch aufgenommen hat, ist sehr wenig berechtigt und es ist erst Aufgabe der weiteren Forschung, unter Beachtung aller Cautelen und unter ganz besonderer Rücksicht auf die Bildung und Auskeimung der Sporen zu entscheiden, ob wirklich der Bacillus subtilis von Cohn sich bei Aenderung der Aussenbedingungen so entschieden in Form und Sporenbildung ändern kann oder ob nicht vielmehr, wie mir die Sache zu liegen scheint, die wirkliche Anpassung der Formen an das Substrat eine geringfügige ist, welche die Artcon- ; stanz gar nicht alterirt. Die zweifelhafte Sachlage lässt auf jeden Fall dieWahrscheinlichkeit zu, dass B u c h n e r nicht überall Variationen I der Formen einer Art vor sich hatte, sondern zum Theil nur die idiiferenten Formen verschiedener Arten.

Während alle früheren Beobachter nur kürzere und längere : Stäbchen, aber keine isodiametrischen Glieder bei Bacillus subtilis I gefunden hatten, glaubt Buch n er, ,dass die einzelne Zelle beiden Heubakterien in der Regel isodiametrische Gestalt besitzt" und ver- : sucht diese Meinung zu stützen durch die Zeichnungen A, b; B, b !und c und die weiteren D, b; E, c und d; F, c, welche alle den Binfluss des Jod auf die vegetativen Zellen zeigen. Durch Jodzusatz I erfahren die Glieder eine wesentliche Schrumpfung und es wird im . Allgemeinen eine weitergehende Gliederung angezeigt, als ohne Rea- igentien sichtbar ist. Aber von einer Zusammensetzung aus isodia- : metrischen Gliedern zeigen die eigenen Zeichnungen von Bu ebner ! nichts und selbst die kleinsten Formen c der Figur B sind immer inoch kurze cylindrische Glieder und vor Allem fehlt jede Ueber- teinstimmung der einzelnen Formen untereinander, so dass Buchner inur wie die Meisten bald längere, bald kürzere Einzelglieder be- ( obachtete.

Die Untersuchungen und Photogramme von Koch haben

1) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, II. Heft, 3, 1877, S. 399 und Mit- ttheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, I, 1881.

48

Variabilität der Formen.

b C

J c

Fig. 8. A

zxz

D C

B

D C

ergeben, dass die Milzbrandbacillen nach den Medien und zum Theil nach der Art der Präparation kleine Formabweichungen zeigen können. Diese Formabweichungen untereinander waren aber, wenn man die Yergrösserung der wirklichen Beol)achtung, Fig 8, C. zu Grunde legt, relativ unbedeutend und so constant, dass Koch die nur mikro- skopisch wahrnehmbaren Pormabweichungen vom Bacillus subtilis als ein Unterscheidungsmerkmal beider Arten erklären konnte. Die

Pormabweichungen, welche B u c h n e r durch die Zeichnungen A und B bei 4000 maliger Yergrösserung gefunden haben will, beschränken sich auf ganz unbedeutende Veränderungen des Ver- hältnisses von Länge zu Breite. Der Jodzusatz zeigte A, b und B, b und c keine Zusammensetzung aus isodia- metrischen Gliedern. A r c h a n g e 1 s k i ') und R 0 1 0 ff ^) wollen dagegen im Ent- wicklungskreise der Milzbrandbacillen auch kokkenähnliche Körperchen beob- achtet haben, ohne dass aber aus den ungenauen Angaben zu ersehen ist, was diese Kokken eigentlich sein sol- len. In Peptonlösungen sah de Bary^) ,die Fäden des Milzbrandbacillus in grosser Ausdehnung zerfallen in runde, zu traubigen oder klumpigen Gruppen sich anhäufende Glieder, also Kokken. Dieselben erwiesen sich mit zweifel- haften Ausnahmen als todt." Das Auftreten dieser „Kokken" war dem- nach eine ausgesprochene pathologische Erscheinung, ein Zeichen des Todes, aber kein Zeichen des Lebens, wie bei vegetativen Kokken.

CD

I] CID

Milzbrandbrandbacillen A und B bei 4000 f acher V ergrösser, nach B u c h n e r, C bei 700facher Vergiösserung nach

Photogrammen von Koch. Ä aus Milz der Maus, frisch, Breite 0,8 /.t, Länge der kürzesten Glieder 4,5 li, der längsten 1 ti; b Jodzusatz;

Länge der Glieder 'von 2,5 // B 20/nFlcischextract, schwach alkalisch, a Breite 1,2 bis 1,4 //, Länge der kürzesten Glieder 4 _/( ; 'b und c Jod- tinctür.

C a aus Milz von Maus ; b aus Leber- capillaren vou Kaninchen ; e aus Milz von Hatte.

1) Centralblatt f. d. med. Wissenschaften, 1882, No. 15.

2) Arch. f. Wissensch, und^praktische Tliierheilkunde, Bd. 9, 1883, S. 459.

3) Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze, 1884, S. 504.

Variabilität der Formen.

49

Es fehlt demnach bis jetzt jeder Beweis, dass in der normalen Ent- wicklung lebensfähige isodiametrische Glieder auftreten können.

Bei den Tuberkelbacillen will Z o p f ^) in älteren Lungenherden auch knglige Zellen oder Kokken gefunden haben und er bildet die- selben zum Theil als eine nicht unterbrochene Reihe, zum Theil ;aber als eine unterbrochene Reihe von kleinen Kügelchen ab, wie man sie beobachtet, wenn sich in den kleinsten Stäbchen Sporen finden, so dass nur der zur Sporenbildung nicht verwendete Proto- ;plasmarest des Stäbchens sich noch färbt. Biedert^) giebt gleich- I falls an, die Tuberkelbacillen in eine ununterbrochene Körnerreihe -zerfallen gesehen zu haben; aber er fasst derartige Körner oder „Kokken" nicht als normale Theilungsproducte oder eine Anpassungs- Iform auf, sondern als Degenerationsformen, „da die Organismen ibei weiterer Aussaat sich nur spärlich weiter entwickelten". Bis •jetzt fehlt jeder Nachweis, dass bei den Tuberkelbacillen in der mormalen Entwicklung andere Formen als kürzere oder längere Stäbchen mnd kleine Fäden vorkommen und von einer Anpassung dieser Formen ian geänderte Bedingungen oder von einer besonderen Anpassungsform iweiss man noch nichts. Uebrigens sind die Tuberkelbacillen zur Ent- sscheidung so schwieriger Fragen recht wenig geeignet, weil sie ein- imal an und für sich schon sehr klein sind und vor Allem, weil sie jsich so langsam entwickeln, dass die lückenlose Beobachtung in der ffeuchten Kammer auf kaum oder nur sehr schwer zu überwindende .'Schwierigkeiten stösst.

Nach F i t z 3) wird die normaler Weise kurzcylindrische Form 1(0,7 bis 1 // breit und 1,8 bis 2,4// lang) der Zellen einer Bakterien- aart, welche milchsauren Kalk in buttersauren Kalk als Hauptpro- (iduct vergährt, im Vaccum „kleiner, namentlich kürzer und nähert >sich der Mikrokokkenform". Umgekehrt wird die Form in Zucker- ffleischextractlösungen, welche wegen fehlenden Zusatzes von Calcium- 'carbonat sauer wurden, „mit zunehmendem Säuregehalt immer grösser,

1) Die Spalt.pilze, 3. Auflage. 1885, S. 85.

2) Virchow's Archiv, Bd. 100, 1885, S. 451.

Ueber Spaltpilzgährnngen, IX. Berichte der deutschen und chemischen Gesellschaft, XVII. 1884, S. 1188.

Hneppe, Formen der Bakterien. j

50

Vaviabilitiit der Formen.

die Breite erreicht 1,5 //, die Länge 7 bis 8 einzelne Zellen erreichen eine noch darüber hinausgehende monströse Länge".

Die vegetativen Formen bewegen sich demnach je nach dem Medium zwischen ganz kurzen und sehr langen Stäbchen in einer Varia- tionsbreite, welche mindenstens so weit geht, wie B u ch n e r sie für die Heubacillen angenommen hatte. Leider sind die Angaben entwick- lungsgeschichtlich nicht genügend, so dass ein sicheres ürtheil schwer zu gewinnen ist, doch ist die Wahrscheinlichkeit nahe gelegt, dass in bestimmten Fällen eine weitgehende Anpassung an das .Substrat vorkommen kann.

Bei Bacillus megaterium, dessen kürzeste Glieder nach der Theilung an sich schon nicht ganz leicht zu beurtheilen sind, beobach- tete deBary^), dass die glatten cylindrischen Stäbchen in deutlich gegliederte und in Ketten verbunden bleibende isodiametrische Zellen zerfallen können, wenn die Kulturen durch andere Bakterien ver- unreinigt waren. Da „die torulöse Kettenform durch reinere Kultur wieder in jene der glatten Stäbchen übergeführt werden" konnte, waren diese isodiametrischen Glieder vermuthlich eine lebenskräftige , Kokkenform" und keine Degenerationsform.

In diesem Falle würde erst die Concurrenz mit anderen Bakterien im Stande sein, den unter normalen Verhältnissen nicht einti-etenden Zerfall in isodiametrische Glieder herbeizuführen, während die Bacillen sonst nur in Form von kurzen imd langen Stäbchen und von Fäden vorkommen. Diese normalen Formen ändern sich übrigens mit Aenderung der Aussenbedingungen fast gar nicht in ihren Dimen- sionen.

Dass die isodiametrischen Glieder, also eine ganz neue Form, etwa eine besonders leistungsfähige vegetative Form vorstellen, hat de Bar y nicht beobachtet, sondern im Gegentheil diese Form nur gefunden, wenn andere Arten leistungsfähiger waren und Bacillus megaterium nicht seine grössten vegetativen Leistungen entfaltete, sondern im Kampfe ums Dasein unterlag. Der wirkliche AVerth dieser Form ist damit aber noch nicht ermittelt. Zunächst ist es in Bakteriengemischen sehr schwer mit Bestimmtheit zu sagen, dass

2) Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze, 1884, S. 503.

Variabilität der Formen.

51

alle Stäbchen ausnahmslos zerfallen und dass nicht vielleicht einige unveränderte Stäbchen vorhanden sind, oder dass sich beim Erliegen gegenüber den anderen Bakterien nicht vielleicht Sporen gebildet habeu, von denen dann später die neuen Generationen ihren Ursprung nehmen können. Aber selbst wenn diese beiden Einwürfe bestimmt ausgeschlossen sind, können vielleicht neue Kulturen gelingen, wenn man nicht lange mit dem ümzüchten wartet nach dem Eintreten dieses Zerfalls, während bei längerem Warten die Kulturen vielleicht definitiv wirkungslos geworden sind.

Es ist wohl von deBary gezeigt, dass unter ungünstigen Ver- hältnissen eine andere wenig leistungsfähige Form auftreten kann, aber es ist damit nicht entschieden, dass diese Form eine wirkliche Anpassung an diese neuen Verhältnisse ist, sondern man muss die Möglichkeit offen halten, dass das Auftreten dieser neuen Form im Gegentheil das erste sichtbare Zeichen ist, dass die Art unter diesen Verhältnissen sich nicht wirklich anzupassen vermag, sondern dass sie im Kampfe ums Dasein erliegt. Die Kokkenform kann unter den angegebenen Verhältnissen den Beginn einer Degeneration der Kultur anzeigen, welche allmählich zu einer vollständigen Vernich- tung der Kultur führt, während in früheren Stadien noch die Mög- lichkeit einer Rückführung in lebensfähige Kulturen gegeben ist. Beobachtungen über die Entstehung der Degenerationsformen von Milzbrand-, Heu- und Kommabacillen machen mir diesen Schluss wahrscheinlich. '

Für die Typhusbakterien ermittelte Gaff ky i), dass die einzelnen i Stäbchen in Blutserum und Fleischinfus trotz energischen Wachs- •thums geringere Dimensionen haben als auf Kartoffeln und Nähr- jgelatine und eine geringere Neigung zur Bildung von Fäden zeigen. .Auch bei ausgesprochenen Kokkenformen ist eine Schwankung in der 1 Dimension der einzelnen Zellen für die Mikrokokken der Gonorrhoe ivon Bumm2) angegeben worden.

Eine sehr weitgehende Anpassungsfähigkeit an geänderte Aussen- Ibedingungen ist für die sogenannten Kommabacillen behauptet worden.

1) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, II, 1884, S. 389.

2) Der Mikro-Organismus der Gonorrhoischen Schleimhaut-Erkrankungen, 11885, Seite 32.

4*

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Variabilität der Formen.

Das vegetative Stadium dieser Bakterien, Fig. 9, A, wird von schein- bar einfach gekrümmten, in Wirklichkeit aber leicht schraubig ge- drehten Stäbchen gebildet, ähnlich wie bei den Vibrionen Fig. 3, C und Spirillen Fig. 4, A, b und c; bei dem Zusammenbleiben entr- stehen zunächst ^-förmige kurze Fädchen, Fig. 9, bei A, wie bei den Vibrionen Fig 1, F und Spirillen Fig. 1, K, Fig. 4, A, a' und a". Häufig wachsen aber auch die Kommabacillen, wie Koch 3) von An- fang an und vollständig correct angegeben hat, „zu mehr oder

weniger langen Fäden aus. Sie _ bilden dann aber nicht gerade Fä-

n . F den, wie andere Bacillen, z. B. die

wellenförmig gestaltete Fäden, sondern sehr zierliche, lange Schrauben, die, was ihre Länge und ihr übriges Aussehen anbetrifft, die grösste Aehnlichkeit mit den Recurrens-Spirochäten haben. Ich würde sie, wenn man beide neben einander hätte, nicht von einander unter- scheiden können. Wegen dieser eigenthümlichen Entwicklungsform neige ich mich auch der Ansicht zu, dass der Kommabacillus gar kein echter Bacillus ist, dass er eigentlich eineUeber- gangsform zwischen Bacillen und Spirillen bildet. Möglicherweise handelt es sich hier sogar um ein achtes Spirillum, von dem wir ein Bruchstück vor uns haben. Man sieht auch bei anderen Spirillen, z. B. Spirillum undula, dass ganz kurze Exemplare nicht eine vollständige Schraubenwindung bilden, sondern nur noch aus einem kurzen Stäbchen bestehen, welches mehr oder weniger ge- krümmt ist".

Gegenüber einigen unklaren morphologischen Angaben, welche durch den rasch populär gewordenen Laboratiumsausdruck , Komma- bacillus« hervorgerufen waren, erklärte ich bald darauf auf der Naturforscherversammlung zu Magdeburg 1884 1), dass man die

Milzbrandbacillen, oder wie es nach dem Aussehen des mikroskopischen Bildes erscheinen könnte, einfach

1) Conferenz zur Erörterung der Cholerafrage. Berl. klien. Wochenscbri und deutsche med. Wocbensclirift, 1884, No. 31.

2) Tageblatt, S. 222 und Deutsche med. Wochenschrift, 1884, No. 40.

Variabilität der Formen.

53

Kommabacillen wegen ihrer Wiichsformen wohl am besten als Vib ri- onen bezeichnen würde.

Lang bevor also Gegner von Koch in die Lage kamen etwas über diese Bakterien mittheilen zu können, waren die wichtigsten morphologischen Kriterien der „Kommabacillen" von Koch und mir vollständig erkannt und richtig gestellt, so dass der Eifer mit dem besonders Grub er ^) den Namen „Kommabacillus" benützt um Koch und seinen Schülern eine Lection über Morphologie der Bak- terien im Allgemeinen und die der Vibrionen im Speciellen zu ertheilen, mehr komisch wirken musste, weil diese Belehrung gar zu sehr post festum kam. Als Wuchsformen der von Koch bei cholera asiatica gefundenen Bakterien waren demnach, als in den normalen Entwicklungskreis der Art gehörig sicher gestellt, das komma- ähnlich gekrümmte, schraubige Stäbchen und der schrau- bige Faden. Dieselben Formen wurden von Koch 2), van Br- mengem^). Gruber, Buchner*), Pinkler und Prior^) für die von letzteren bei Cholera nostras einige Mal beobachteten, von ihnen morphologisch zuerst") nicht vollständig erkannten Komma- bacillen gefunden. Dasselbe beobachtete Deneke'^) bei einer aus Käse kultivirten ähnlichen Art.

In verschiedenen Medien wollen nun Gruber und Buchner einen grösseren Pormenkreis beobachtet haben, indem sie bei den Finkler-Prior'schen Bakterien übereinstimmend bisweilen neben den schon erwähnten Formen auch „Kugel-, Spindel- und Flaschenformen " und Monadenformen " fanden und zwar derart, dass dieselben in bestimmten Medien mit besonderer Vorliebe wiederkehrten; Grub er ist in der Deutung dieser Befunde kurz entschlossen und findet, allerdings dabei wie sein Lehrer Nägeli, Cohn's Argumente

1) Wiener med. Wochenschrift, 18S5, No. 9 und 10. ''') Deutsche med. Wochenschrift, 1884, No. 45. 8) Recherches sur le microbe du cholera asiatique, 1S85. 4) Sitzungsberichte der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie in München, I, 1885, S. 1.

6) Forschungen über Cholorabakterien, 1885.

6) Deutsche med. Wochenschrift, 1884, No. 36 und 39, Tageblatt der Naturforscher- Versammlung zu Magdeburg, 1884, S. 216.

7) Deutsche med. Wochenschrift, 1885, No. 3.

Variabilität der Formen.

vollständig missversteheud und angeblich gegen Koch 's Auffassung „durch das Berichtete sei der Beweis für die Variabilität der Bak- terien erbracht. Kokkus, Bakterium, Spirillum u. s. w. sind Wuchs- formen, nicht Artiintcrschiede". Bu ebner würdigt diese Formen etwas genauer und vermag in ihnen nur „pathologische Zustände" zu erblicken und hält die von ihm und Gr über beobachteten Formen mit Ausnahme der Schraubenstäbchen und Spirillen' für Degene- rationsformeu.

Schon Koch hatte bei seinen Kommabacillen derartige Degene- ratiousformen gefunden, in noch grösserer Ausdehnung van Erm engem und Ferra n^), welcher Letzterer dieselben sogar als Fructifications- organe aufgefasst und die Kommabacillen deshalb als eine Perono- spora erklärt hatte. Fast dieselben Formen wie Buch n er und Grub er habe ich bei beiden Arten und in etwas geringerem Maasse auch bei den Deneke' sehen Bakterien gefunden, aber immer als entschieden entartete Formen. Zweifellos geht aus der Gesammt- heit dieser Beobachtungen hervor, dassKoch die normalen Formen vollständig richtig erkannt hat und dass in der normalen Ent- wicklung als Wuchsformen nur kürzere und längereSchrauben- stäbchen und kürzere und längere Schraubenfäden vorkommen.

Die pathologischen Formen haben mit einer Anpassung an ge- änderte Aussenbedingungen nichts zu thun, da die wirkliche An- passung als eine physiologische Erscheinung beweist, dass die Form- veränderung eine günstige ist. Ein Absterben und Degeneriren kann man doch nur cum grano salis mit Anpassungserscheinungen ver- gleichen und die dabei auftretenden Formen sind ein sichtbares Zeichen, dass die Anpassung an die geänderten Verhältnisse nicht gelingt, sie sind ein Zeichen des Absterbens, aber nicht, wie es die Anpassung ist, ein Zeichen gesunden Lebens unter geänderten Be- dingungen.

Es würde demnach noch zu prüfen sein, ob die normalen Ent- wicklungsformen der Schraubenstäbchen und schraubigen Fäden sich

1) Zeitschrift für klinische Mcdicin, 1885, Bd. IX, S. 375.

Variabilität der Formen.

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im Sinne einer wirklichen Anpassung zu verändern vermögen. Dies geschieht zweifellos in geringem Maasse. Die Form der komma- ähnlich gekrümmten Schraubenstäbchen der drei Arten ändern sich in ihren Dimensionen in verschiedenen Substraten etwas, so dass die Formen unter einander in manchen Medien sich ähnlicher sehen als in anderen. Finkler und Prior bemühen sich daraus auf tiefere Aehnlichkeiten zu schliessen, während Buch n er und Gr über be- stimmt erklären, dass dadurch die Differentialdiagnose kaum erschwert wird und die verschiedenen Kommabacillen trotz aller Aehnlichkeiten differente Organismen sind, wie es zuerst Koch und vanErmengem durch Kulturversuche sicher gestellt hatten, nachdem ich bereits vorher auf kleine morphologische Differenzen aufmerksam gemacht hatte.

Wenn wir, wie ich 1. c. angeführt hatte, «jetzt schon lange nicht mehr auf dem Standpunkte stehen, ans einer noch so grossen Formähulichkeit unter dem Mikroskope allein eine Analogie oder gar Identität herzuleiten", und wenn wir unter Beachtung aller uns zugänglichen Formmerkmale nach den von Cohn seit 1872 wieder- holt dargelegten und auch von Koch öfters betonten, erweiterten und präcisirten Anschauungen in der Gesammtheit aller Formen wesentliche Differenzen bei den verschiedenen Arten der Komma- bacillen treffen, so wird die angebliche Widerlegung der Anschauungen von Koch durch Grub er nur zu einer unfreiwilligen Bestätigung der Kichtigkeit derselben, wenn Gruber erklärt, dass , die morpho- logische Charakteristik der Art nicht aus einer einzigen Wuchsform,

. sondern aus der Gesammtheit derselben abzuleiten" sei. Auch Bu ebner hat sich von der unrichtigen Auffassung der Cohn 'sehen Ansichten über Formconstanz noch nicht ganz frei gemacht, wenn er sagt: „Jemand, der auf das blosse mikroskopische Bild hin diese Spindel-, Monaden- und Flaschenformen gemäss der Theorie der Formconstanz für ganz verschiedene Arten erklären würde, würde

;sich dadurch des grössten Irrthums schuldig machen."

Eine auffälligere Anpassung au die Aussenbedingimgen macht sich bei den Schraubenformen geltend. Mau findet nach Büchner,

'Grub er, Finkler und Prior bei den Bakterien der letztgenannten Autoren, aber ebenso entschieden auch bei den Koch 'sehen Komma-

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Variabilität der Formen.

bacillen nach meinen Ermittelungen ') Differenzen, welche mit den Aiift'assungen von Cohn über die Constanz der Schraubenform nicht in Einklang zu bringen sind. Je nach dem Stadium der Entwick- lung und der Schnelligkeit der Bildung, dem Chemismus des Nähr- bodens und den mechanischen Verhältnissen desselben gleicht die Schraube bisweilen scheinbar einem wellig geschlängelten Faden, bald einer flach ausgezogenen Schraube, bald einer weit, Fig. 9, C, bald einer eng gewundenen Spirale, B, Bisweilen liegen einige Schraubengänge so dicht aneinander, dass man an Ehrenberg's Spirodiscus erinnert wird. Die Fäden können bisweilen Schlingen bilden oder sich peitschenschnurartig umeinander aufrollen, F. Bald sind die Fäden flexil, C, bald starr und formbeständig, B. Im All- gemeinen sind die einzelnen Fadenfragmente mehr einheitlich, doch kommen auch Fäden vor, an denen zwei, D, und selbst drei, E, ver- schiedene Schraubenformen sich finden.

Dass ähnliche Verschiedenheiten bei einer bis jetzt vielfach als einheitlich und charakteristisch aufgefassten Form, wie es die Schrauben- form nach Cohn sein soll, vorkommen, war bei den Schrauben- bakterieu nicht ermittelt und etwas Aehnliches nur für die schrau- bigen Fäden von Beggiatoa, Crenothrix und Cladothrix durch Zopf mitgetheilt. Die Schwierigkeiten, welche Cohn schon gefunden hatte bei der Abgrenzung seiner Gattung Vibrio gegen die Spirobakteria, die schon mitgetheilte Unmöglichkeit, zwischen Cohn 's Gattungen Spirillum und Spirochaete eine durchgreifende Differenz zu finden, sind hiermit definitiv in dem Sinne erledigt, dass die Form der Schraube wesentlich durch die Aussenbedingungen veranlasst wird, sodass keine qualitativen Unterschiede zwischen den zu den Form- gattungen Vibrio, Spirillum und Spirochaete gehörigen Formen der schraubigen Fäden zu ziehen sind.

Die grosse Unsicherheit in der systematischen Stellung der Kommabacillen macht sich, wenn man nur die Formen berücksichtigt, in den verschiedensten Auffassungsweisen bemerkbar. Im Sinne des Grundgedankens der Cohn' sehen Terminologie hatte ich zuerst die Bezeichnung Vibrio als Gattungsbezeichnung gebraucht und zur

1) Fortschritte der Medicin, III, 1885, No. 19.

Variabilität der Formen.

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Definition dieser Gattung die beiden Formen des schraiibigen Stäbchens und des schraubigen Fadens für nöthig gehalten. Ebenso verfuhren später Buchner und Grruber. Koch war wieder mehr geneigt den schraubigen Faden, also eine der auftretenden Formen, als das eigentliche Analogon des ächten Spirillum aufzufassen und in den schraubigen Stäbchen, der anderen auftretenden Form, Bruch- stücke eines solchen Spirillum zu sehen, wobei diese Bruchstücke ihm wie eine Uebergangsform zwischen Bacillen und Spirillen er- schienen. Späterl) ist Koch der Meinung, ,dass die Unterschiede zwischen Bacillen und Spirillen noch nicht genügend festgestellt sind" und hält es für verfrüht, Jetzt schon derartige strikte Treunungen machen zu wollen". Diese Angaben von Koch zeigen zweifellos, dass, wenn man die Gattungsbezeichnungen Bacillus und Spirillum von Cohn im Sinne von einzelnen Formen gebraucht, Schwierigkeiten entstehen, welche Cohn dadurch versucht hatte zu umgehen, dass er seine Gattungen durch mehrere Formmerkmale bestimmte. D e n e k e endlich stellt bei den von ihm aus Käse kultivirten Kommabacillen, seinen sogenannten Käsespirillen, den Einzelindividuen der schraubigen Stäbchen die Spirillenfäden gegenüber.

Hätte man keine anderen Anhaltspunkte, so müsste man mit dieser Erkenntniss alle Schraubenformeu, soweit sie nicht in den Entwickelungskreis anderer Gattungen und Arten, wie Beggiatoa oder Cladothrix, gehören, in eine einzige Formgattung vereinigen und die Formmerkmale von Cohn würden nicht einmal genügen, um innerhalb dieser einen Gattung Formarten zu unterscheiden, sondern zur Bestimmung der einzelnen Formarten müssten mehr Wuchsformen berücksichtigt werden, als Cohn zur Bestimmung der Formgattungen Vibrio, Spirillum und Spirochaete angeführt hat. Dieses proteus- artige ist allen Schraubenbakterien eigen und die Ermittelung dieser Veränderungen der Schraubenform durch die Aussen- bedingungen ist eine der wesentlichsten Berichtigungen der Formgattungen von Cohn. Eine Zusammensetzung der schraubigen Stäbchen und Fäden aus isodiametrischen Gliedern, welche Grub er sich bemüht ak^ahrscheinlich hinzustellen, hat Grub er selbst niclit

;) Conferenz zur Erörterung der Cholera-Frage, II, Berlin, klin. Wochen- schntt und deutsche med. Wochenschrift 1885, No. 37.

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Variabilität der Pornien.

bewiesen, und ich beobachtete in dieser Hinsicht eben so grosse Dilfe- renzen wie bei den Bacillen und fand bald kürzere, bald längere Glieder.

Wenn Grub er meint, „Jedem bestimmten Komplexe von Er- nährungsbedingungen entspricht eine bestimmte Wuchsforra der Bakterienart", so ist dies für die Kommabacillen bestimmt nicht der Fall, wenn man die pathologischen Formen ausser Acht lässt, da in allen Medien Schraubenstäbchen und schraubige Fäden vorkommen.

Von Neelsen^) wurde angegeben, dass die Bakterien, welche die sogenannte blaue Milch hervorrufen, in verschiedenen Medien ganz verschiedene Entwickelungscyklen durchmachen sollen derart, dass in einzelnen Medien Gonidien, in anderen Sporen, in anderen eine Chrookokkusform sich bilden soll. Diese Angabe, nach der also jedem bestimmten Komplexe von Ernährungsbedingungen sogar ein bestimmter Formenkreis entsprechen sollte, konnte ich-) bei Vermeidung der Versuchsfehler von Ne eisen widerlegen durch den Nachweis, dass in allen Medien dieselben Formcyklen sich bilden, dass nur die Gruppirung der Zellen zu Zoogloeen und Fäden etwas durch die Verschiedenheit der Medien beeinflusst wird und die Dimensionen der Einzelglieder sich nach den chemischen und mechanischen Verhältnissen des Nährbodens etwas ändern.

Haus er 3) beobachtete bei drei Bakterienarten, welche stinkende Fäulniss hervorriefen, auf alkalischem festen Nährboden kuglige und elliptische Zellen, kürzere und manchmal auch längere Stäbchen und durch Zusammenbleiben der Glieder Fäden, welche gerade oder wellig gebogen waren und bisweilen sich peitschenschnm-artig um- einander aufrollten; bei zwei der Arten fand er auch einige Mal schraubige Fäden, doch bildeten sich die Schrauben, Schleifen und Umschlingungen nicht constant aus.

Das vegetative Stadium war auf und in den alkalischen Medien durch die Kurzstäbcheuform repräsentirt und ?war durch dieselben Formen, welche bereits Cohn für Bakterium termo, Fig. 1 A, an-

1) Studien über blaue Milch. Beiträge zur Biologie der Pflanzen, III. Heft 2, 1880, S. 187.

2) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsainte, II, 1884, S. 3G4. 9) Ucbcr Fäulnissbakterien und deren Beziehungen zur Septicäniie, lS8a.

Variabilität der Formen.

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gegeben hat; in sauren Medien traten dieselben vegetativen Formen auf. Die vegetativen Formen wurden in ihrem Habituseindruck durch den Wechsel der Ernährungsbedingungen nicht wesentlich be- einflusst und es traten in günstigen und ungünstigen Medien nur die Formen des Bakterium termo auf, ohne dass diese vegetativen Formen sich in ihren Dimensionen wesentlich änderten oder gar ganz andere vegetative Formen sich ausbildeten. Nur ein Unterschied maclite sich bemerkbar dadurch, dass in sauren Medien das Wachs- thum dürftig blieb und die Kultur sich schnell erschöpfte, während in alkalischen Medien die Stäbchen zu Fäden auswuchsen. Es wurden bei diesen Bakterien durch „geeignete Modification des Nährbodens" nicht' die einzelnen Formen, sondern „die Mannigfaltigkeit des Formenkreises " derart beeinflusst, dass der gesammte Formencyklus der Art nur in wenigen günstigen Medien auch ganz zur Entwicklung kam, während in ungünstigen Medien nur ein Theil der Formen

: sich einstellte. Diese ausfallenden Formen waren aber nicht die wichtigen vegetativen Formen, sondern die Ruheformen, welche Cohn bereits 1872 wenigstens „theils von äusseren Verhältnissen" abhängig hingestellt hatte. Dass diese Formen an sich, wo sie zur Ausbildung kamen, durch Wechsel der Aussehbedingungen in ihren

1 Dimensionen beeinflusst wurden und sich anpassten, hat HausCj;

! nicht ermittelt. Der einzige Schluss aus den Mittheilungen von Häuser, für den er selbst ausreichende Beobachtungen angegeben

Ihat, ist der, dass unter ungünstigen Umständen eine Erschöpfung

'der Bakterienvegetation eintreten kann, ehe dieselbe den ganzen,

iihr unter günstigen Umständen zugänglichen Formenkreis durch-

Uaufen haben.

Etwas Aehnliches ermittelte auch Falkenheim^) für eine sandere Bakteriengattung. Aus Magensaft, welcher die bekannten IPackete der Magensarcine reichlich enthielt, hatte er eine Art isolirt, welche auf verschiedenen Nährgelatinen, auf Kartoffeln, in Blut- sserum Kokken, Doppelkokken und bisweilen zu 4 in einer Fläche .(angeordnete Zellen, Tetraden, biltete. In neutralem Heuinfus ent-

1) üeber Sarcine. Arch. f. experimentelle Pathologie und Pharmakologie. 11885, Bd. 19.

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Variabilität der Formen.

wickelten sich neben diesen Formen und sie an Zahl übertreffend ausgesprochene packettormige, eingeschnürten Waarenballen ähnliche Conglomerate von 8 Zellen, welche nicht flächenartig, sondern wie die ächte Sarciue nach den drei Dimensionen des Raumes angeordnet waren. Die Grösse der Zellen schwankte etwas nach den Ernährungs- verhältnisseu. In diesem Falle trat also das Höhenstadium der Formen nicht in allen Medien, sondern nur in bestimmten Medien ein.

In allen bisher betrachteten Fällen ging die Anpassung der Formen in keinem einzigen Falle so weit, dass die einzelnen Formen als schlechthin veränderlich hätten bezeichnet werden können, sondern die Veränderungen der Formen erwiesen sich wesentlich nur als Veränderungen der Dimensionen in Folge günstiger oder ungünstiger Ernährungsverhältnisse. Die Zugehörigkeit der Formen zu bestimmten Gattungen oder Formarten war durch die Eigenthümlichkeiten der Formen immer möglieh. Der geringere oder grössere Formenkreis der einzelnen Arten brachte für die physiologische Variationsbreite der einzelnen Formen keine principiellen Differenzen.

Es giebt relativ einförmige Arten, deren einzelne Fonnen sich nicht sichtbar ändern, während bei anderen solchen Arten die ein- zelnen Formen bei Aenderung der Aussenverhältnisse deutlich in ihren Dimensionen und dem Verhältniss von Länge zur Breite wechseln. Ebenso giebt es unter den pleomorphen Arten solche, deren einzelne Formen sich wenig oder scheinbar garnicht anpassen, während bei anderen die einzelnen Formen sich etwas ändern bei Aenderung der Aussenbedingungen. Diese wirkliche Anpassung der Form an das Substrat ist keine willkürliche, sondern ist für jede Art specifisch und beweist damit, dass die Formdifferenzen der Arten wahrscheinlich primäre Artunterschiede darstellen. Die Con- stanz, mit der solche kleine Formabweichungen eintreten können, giebt zur Differentialdiagnose neue Anhaltspunkte bei solchen Arten, deren Formen auf einzelnen Medien bis zur Verwechslung ähnlich sem können.

Die relative Einförmigkeit oder der bis jetzt nicht nachgewiesene Monomorphismus beweist an sich nicht, dass diese Formen deshalb ganz besonders constaut und unveränderlich sein müssen, wenn sich die Aussenbedingungen ändern. Ebensowenig beweist auch der eut-

Variabilität der Formen.

61

schieclenste Polymorphismus an sich, dass die einzelnen Formen der pleomorphen Arten wegen des Pleomorphismiis besonders variabel sein müssen. Der extremste Polymorphismus hat an sich mit Variabilität der einzelnen Formen ebenso- wenig zu thun, wie etwa der Monomorphismus mit absoluter Formconstanz.

Wenn auch die einzelnen Formen sich bald mehr bald weniger mit den Aussenbedingungen ändern können und wenn es auch mög- lich ist, dass nicht in jedem Medium der ganze Entwicklungskreis der Art zur Erscheinung kommt, so tritt doch unter denselben Aussenverhältnissen immer ein ziemlich scharf bestimmter, bald enger, bald weiter Formenkreis auf. Unter den Formen dieses Entwicklungs- cyklus kehrt, gleichgültig welche Veränderungen die Form bei ihrer Entwicklung durchmacht, die vegetative Form so regelmässig und typisch wieder , dass sie zur Artbestimmung nach wie vor die Wichtigkeit hat, welche ihr Cohn bereits 1872 unter der Gesammt- Iheit der Formen zuwies. In diesem engbegrenzten Sinne ist die :Form der Einzelzellen genügend constant, um bei der .Artbestimmung und der Gruppirung der Gattungen imit verwerthet zu werden.

Aber sowohl die Constanz der Formen unter gleichen Aussen- ' Verhältnissen als die Abweichungen imter geänderten Bedingungen, id. h. die Gesammtheit aller Formen und Formeigen- tthümlichkeiten gestattet an sich keine naturhistori- ;schen Arten, sondern nur Formarten abzugrenzen und iauf diese Weise eine Summe specifischer Merkmale szusammenzufassen.

G2

Veränderungen der Funktion.

VII.

Welchen Eiufluss haben Veränderungen der Funktion auf die Form? Arten, Varietäten und Ernälirungs-

modificationen.

Während bei den bisher betrachteten Fällen die Constanz oder Variabilität der Formen unter Verhältnissen vorhanden war, bei denen die Function keine wesentliche Alteration erfuhr, giebt es auch andere Fälle, bei denen das wesentlichste Merkmal eine zu- fällige oder absichtliche Aenderung der Function ist. Diese Aende- rung kann so weit gehen, dass die verursachenden Bakterien sich functionell sehr scharf von der ursprünglichen Art unterscheiden.

Sind nun die so entstandenen Modificationen einer Bakterienart ohne jede Aenderung der Form entstanden, sodass sie etwa dem entsprechen, was Cohn physiologische Arten nannte? Sind die phy- siologisch anders wirkenden Bakterien morphologisch ebenso wie die Art, aus der sie hervorgegangen sind? Sind die Formen einer solchen physiologischen Modification starr oder passen sie sich der geänder- ten Function in demselben oder einem höheren Grade an, wie bei den schon in Betracht gezogenen Aenderungen der Ernährung, ge- hören die Formen einer Ernährungsmodification, oder, nach dem üblichen Ausdrucke, einer Kasse der ursprünglichen Art an? Oder geht mit der Aenderung der Function die Anpassung der Form so weit, dass die Endglieder wie differente Formarten erscheinen, so dass eine wirkliche ümzüchtung der Form, ein Transformismus vorliegt ?

Zuerst hatte wohl Pasteur^) das ünwirksamwerden von Kul- tm-en der Bakterien der sogenannten Hühnercholera im Sinne einer functionellen Aenderung bei Gleichbleiben der Form - merkmale erklärt. Die ursprünglich sehr virulenten Kulturen waren nach einiger Zeit, ohne dass besondere Eingriffe erfolgten, weniger wirksam und schliesslich unwirksam geworden. Ein Ein- gehen auf die von Pasten r hiermit in Zusammenhang gebrachte

1) Coniptes rendus 1880, T. 90, S. 234, 952 und 1030, T. 92, 1881, S. 426.

Veränderungen der Funktion.

63

Frage nacli der Schutzimpfung, welche solche abgeschwächte Kulturen gegen die virulenten Organismen gewähren, muss ich mir hier selbst- verständlich versagen. Während Pasteur ganz sicher zu sein schien, dass seine Kulturen zweifellose Reinkulturen waren, dass also die Aenderung der Punktion auch nur die eine virulente Art betroffen haben könnte, war Löffleri) geneigt anzunehmen, dass es sich nm- scheinbar um die Abnahme der Virulenz einer bestimm- ten Art geliandelt habe, und dass wahrscheinlich die virulente Art durch eine nicht virulente überwuchert worden war. Kitt 2) machte die Annahme von Löffler für diesen Pall wahrscheinlich, da bei seinen Versuchen die Kulturen dieser Organismen, wenn sie wirklich rein waren, erheblich länger vollständig virulent blieben.

Dass Aenderungen der Punktion vorgetäuscht werden können, hatte Gaffky3) beim m. prodigiosus experimentell gegen Wernieh festgestellt, welcher letztere bald besseres, bald schlechteres Wachs- thum dieser Art als Steigerung oder Abschwächung der lufections- kraft aufgefasst hatte, während Gaffky volle Wirkungsfähigkeit der Kulturen fand, wenn dieselben rein waren, während mangelhafte Entwicklung und Wirkung bei Verunreinigung mit anderen Bakterien sich einstellte. Auch bei den Bakterien der Kaninchen-Septikaemie fand Gaffky ähnliches, sodass er 1. c. S. 126 zum Schlüsse kommt: „Hier wie dort bedeutet das ,Degeneriren der Ansteckungsfähigkeit " üeberwucherung durch andere lebensfähige Organismen; hier wie dort ist die höchste Steigerung der Virulenz identisch mit der Eeinkultur."

Fast gleichzeitig und unabhängig von einander ermittelten Pasteur 4) und Büchner^;, dass ihre Milzbrandkulturen unwirk- sam wurden, wenn sie bestimmten Kulturbedingungen unterworfen

1) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, II, 1881, S. 137

2) Jahreshericht d. K. Central-Thierarznei-Schule in München pro 1883 his 1884; 1885, S. 84.

8) Mittheilungen, I, 1881, ö. 122.

*) Comptcs rendus, T. 92, 1881, S. 209, 26G, 429.

») üeher die ex])erimentellc Erzeugung des Milzbrandcontagiums aus den Henpilzen. Neu abgedruckt in Nägeli's Untersuchungen über niedere Pilze 1882, S. 140.

Veränderungen der Funktion.

wurden. In der Methode der Kulturen liegt wohl ausschliesslich der Grund, dass beide Beobachter dieselbe Thatsache morphologisch in so verschiedener Weise deuteten. Paste ur erklärte vom ersten Momente an bestimmt, dass es sich in seinen Versuchen nur um Abnahme der Virulenz bei Gleichbleiben der Form- merlfmale der Milzbrandbacillen handele.

Bu ebner fand zuerst bei anderer Versuchsanordnung dasselbe wie Pasteur, „eine unzweifelhafte Abnahme der infectiösen Wirk- samkeit" ohne Aenderung in der morphologischen Beschaffenheit, in der Sporenbildung, in der Wachsthumsart in verschiedenen Nähr- lösungen und in den chemischen Eigenschaften. Aber hier machte Buchner nicht halt. Als er die Kulturen weiter fortsetzte voll- zogen sich gradatim morphologische Aenderungen, und schliesslich erhielt Buchner eine Form, welche sich mikroskopisch und makroskopisch in nichts von den Kulturen des Bacillus subtilis unterschied. Auch umgekehrt will Buchner den Bacillus sub- tillis in den Milzbrandbacillus umgewandelt haben. Buchner will also gefunden haben, dass sich die Milzbrandbacillen unter Auftreten von Ueb ergan gsf ormen in Heubacillen und vice versa verwandelten. Buchner stellte damit der Ab- schwächung der Function von Pasteur den Transformismus gegenüber. So mussten die Angaben von Allen verstanden werden, so'' sind sie z. B. noch vor Kurzem von D allinger 3) verstanden worden.

Die Möglichkeit zwei differente Bakterien, wie es Milzbrand- und Heubacillen sind, in einander umzuwandeln setzte voraus, dass dieselben keine differente Arten, sondern nur Modificationen einer Art sind. Die von Koch wiederholt betonten morphologischen Differenzen der beiden Bakterien mussten zunächst als unbedeutend und inconstant hingestellt werden. Bu ebner kannte morpho- logische und biologische Differenzen recht wohl, aber er versuchte dieselben einfach als Anpassungserscheinungen zu deuten. Dass dieser Versuch, soweit die Formen allein in Frage kommen, höchst mangelhaft motivirt war, habe ich schon früher, S. 46, gezeigt.

B) Journal of the Eoyal Microscopical Society, 1885, Ser. II, Vol. V, S. 181.

Veränderungen der Funktion.

65

Buch 11 er kannte einige Differenzen in der Resistenz der Sporen beider Bacillen gegen Hitze, aber er hielt doch die Sporenbildnng beider für identisch und damit die Frage der Zugehörigkeit beider Bakterien zu einer Art entschieden. Umgekehrt überträgt B r ef e 1 d ^) seine Ermittelungen über die Bildung und Auskeimung der Sporen bei Bacillus subtilis „ohne Weiteres" auf die Milzbrandbacillen, weil durch Bu ebner 's Experimente die Uebergangsfäliigkeit der einen Form in die andere erwiesen sei. Indem Brefeld so die nur direct lösbare Aufgabe der Entwickelungsgeschichte des Bacillus anthracis umging und durch die Schlussfolgerungen aus Buchner's Experimenten als gelöst darstellte, wurde das vollständige Ignoriren der Entwickelungsgeschichte beider Arten nachträglich sanctionirt und Buchner's Erklärung, dass die Pormmerkmale beider Bak- terien schlechthin veränderliche sind, als wissenschaftlich berechtigt erklärt.

Koch 2) hielt demgegenüber daran fest, dass die Formen der beiden Bakterien nicht schlechthin veränderlich sind, sondern die morphologischen Differenzen auf primäre Artunterschiede hinweisen. Auch die Differenz in der Resistenz der Sporen deutete darauf hin, ebenso ist das Optimum und Minimum der Temperatur für Bildung und Auskeimung der Sporen bei Milzbrandbacillen nach Koch ein entschieden anderes als nach Brefeld bei den Heubacillen. In dieser Weise kam Koch zu dem Schlüsse, dass in Buchner's Yersuchen nicht die Milzbrandbacillen in die nahestehenden Heu- bacillen verwandelt worden seien, sondern dass die Milzbrandbacillen durch die artlich verschiedenen Heubacillen, welche sich in die Kulturen eingeschlichen hatten, verdrängt worden waren. Die Umzüchtung der Heubacillen in die Milzbrandbacillen, welche übrigens seit Koch 's Kritik nicht mehr gelungen zu sein scheint, fasste Koch auf als ein Verdrängen der Heubacillen durch die artlich differenten Bacillen des malignen Oedems.

Bei dieser Sachlage war nicht genügend sicher zu erkennen, ob bei Buchner's Yersuchen die Abnahme der Virulenz durch Ab-

1) Botanische Untersuchungen über Schimmelpilze, II, 1881, S. 48.

2) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, I, 1881, S. 68. Hueppe, Formen der Balcterien.

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QQ Veränderungen der Funktion.

schwäclumg oder durch Ueberwuchern durch andere Bakterien er- folgte oder ob es sich dabei, wie ich andeutete^), „um eine Com- bin'ation von Abschwächung der Milzbrandbacillen mit gleichzeitigem Auftreten von Heubacillen" handelte. Es konnten nach Koch 's Kritik sogar successive Verwechslungen von drei ächten Arten statt- gefunden haben, welche Bu ebner nur als drei Ernährungs- moditicationen oder differente Anpassungsformen einer einzigen Art aufgefasst hatte, und da Büchner die Urazüchtung der Heubacillen in ^Milzbrandbacillen später nicht mehr berücksichtigte, blieben mindestens noch zwei Arten resp. zwei Modificationen einer Art übrig.

Bei seinem Versuche, die Priorität der Beobachtung der Ab- nahme der Virulenz der Milzbrandbacillen Pasteur gegenüber für sich zu reclamiren, erklärte Büchner^) seine Umzüchtung der Milzbrandbacillen in die Heubacillen als eine „Umänderung der Milzbrandbakterien in unschädliche, morphologisch gleich- geartete Bakterien^

Später stellte Prazmowski») fest, dass die Milzbrandbacillen und Heubacillen ganz differente Arten sind, dass die schon an- geführten Differenzen der Sporen der beiden Bakterien noch ver- schärft werden durch eine differente Auskeimung der Sporen. Hiermit ist definitiv widerlegt, dass sich Milzbrandbacillen m Heu- bacillen umwandeln lassen und die ganze Frage definitiv m dem Sinne von Pasteur entschieden, dass es sich um eme Ab- schwächung der Milzbrandbacillen handelt. Zugleich ist aber gezeigt, dass mindestens ' ein Theil der von Koch immer be- tonten Formverschiedenheiten der beiden Bakterien auf primäre, artliche Formdifferenzen hindeutet. Die „n i c h t p a t h o g e n e F oj m der Milzbrandbakterien", welche sich aus den virulenten Kul- turen entwickelte, zeigte nach Prazmowski „dieselben mor- phologischen und entwicklungsgeschichtlichen Cha- raktere, wie die ächten, giftigen Milzbrandbakten en. Ihre Stäbchen sind unter den gleichen Bedingungen von derselben

1) Forschritte der Medicin, 1883, S. 410.

2) Virchow's Archiv, 1883, Bd. 91, S. 410. 8) Biologisches Centralblatt, 1884, Nr. 13.

Veränderungen der Punktion.

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IForra und Grösse, zeigen sich diircli die gleichen schwerfälligen IBigenbewegungen aus und bilden Sporen von derselben anatomischen IBeschaifenheit , die in gleicher Weise auskeimen". Dass die im i .Allgemeinen imbeweglich erscheinenden Milzbrandbacillen bisweilen \ eine geringe Eigenbewegung zeigen können, hatten früher schon ' IFrisch und Ewart gefunden, doch ist die Differenz dieser Be- \wegung gegenüber der Bewegung der Heubacillen beträchtlich. j

Hiermit ist aber die Frage noch nicht erledigt, ob denn gar j !-keine Aenderungen der Form bei der Abschwächung stattfinden. j /Zunächst finden die kleinen Aenderungen der Dimension bei Aenderung ] i'des Nährbodens statt, wie auch bei den virulenten Bakterien, S. 48. '■ IHiervon abgesehen, finden Koch, Graffky undLöffler^) zwischen j i'den virulenten und wirkungslosen Bakterien keine Unterschiede. ' „Die Form der Bacillen hat sich in keiner Weise verändert. Sie ssind ebenso unbeweglich wie die virulenten Bacillen. Ihre Enden (■erscheinen scharf abgeschnitten. Sie bilden lange Fäden und in i :i]diesen ovale, glänzende Sporen, ganz wie die virulenten Bacillen." ;

Eine Formabweichung bei den zwischen 42 und 43" abge- \ «schwächten Kulturen haben aber Koch, Gaffky und Löffler hbeobachtet. „Während bei dem virulenten Milzbrande die Capil- llaren fast ausnahmslos von kurzen Stäbchen erfüllt gefunden werden, 1 ifanden sich bei dem Mäuse-Milzbrande die Capillargebiete, nament- l liich der Lunge, von langen Fäden erfüllt, deren Continuität sich j Ihäufig aus den Capillaren bis in grössere mikroskopische Gefässe | hinein verfolgen liess." !

Bei den ohne directe Eingriffe degenerirten Kulturen, deren mor- i phologische Identität mit den virulenten Bacillen durch die Entwick- | iungsgeschichte einwandsfrei erwiesen wurde, ermittelte Praz- mowski gleichfalls einige Pormabweichimgen. „Von den giftigen IMilzbrandbakterien unterscheiden sie sich nur durch den Mangel Her virulenten Eigenschafton und dadurch, dass sie die Fähigkeit iler Eigenbewegung in viel höherem Grade besitzen, wesshalb sie bei '•eichlicher Vermehrung die Nährlösimgen trüben und später an deren Dberfiäche dickliche, schmutzige, weisse Decken von schleimiger

1) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheits-Amte, II, 1884, S. 150.

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Veränderungen der Funktion,

Beschaftenheit bilden." Besonders bei Kulturen mit dem Schüttel- apparate hatte Buchner ähnliche Beobachtungen gemacht und dieselben als Zeichen der Bildung einer üebergangsform zu den Heu- bacillen gedeutet. Kurth i) hatte als Lufteinsaat einmal eine Art erhalten, welche dieselben Formen der Wolken in Nährlösungen zeigte, wie die abgeschwächten Kulturen von Prazmowski oder die üebergangsform von Bu ebner.

Sicher ist demnach, dass die wichtigsten Formmerkmale durch die Abschwächung nicht alterirt werden, sicher ist aber auch, dass kleine Abweichungen der Form eintreten können, welche aber kaum weiter gehen als die Anpassungen der einzelnen Formen an geänderte Ernährung. Diese Anpassung zeigt sich darin, dass eine Tendenz zur Bildung von Kuheformen eintritt, indem sich reichliche Faden- formen bilden oder indem sich vielleicht auch bei anderen Ver- suchsanordnungen eine sonst nicht vorhandene Neigung zur Decken- bildung einstellt.

Ergeben sich aus derartigen Beobachtungen neue Gesichtspunkte für die Beurtheilung der Artfrage bei den Bakterien?

Während man nach Cohn 's Aulfassung die virulenten und die unwirksamen Milzbrandbakterien als physiologische Arten auf- fassen müsste, würde man nach Nägeli umgekehrt Milzbrandbak- terien und Heubakterien als einfache Ernährungsmodificationen einer Art betrachten können. Nach Cohn sind alle Differenzen zunächst als artliche aufzufassen und erst durch die Fortschritte der Wissen- schaft ist zu entscheiden, ob specifische Differenzen auch den Werth von Species-Merkmalen besitzen. Nach Nägeli sind die speci- tischen Differenzen in der Kegel nur Merkmale von Ernährungs- modificationen aber nicht ohne Weiteres oder nur sehr selten von naturhistorischen Speeles. Lassen sich nun aus unseren bisherigen Erfahrungen Anhaltspunkte gewinnen, dass und welche der speci- fischen Merkmale den Werth constanter Species-Merkmale besitzen und Avelche nur specifisch im Sinne der einfachen Ernährungsmodi- fication sind?

Dass Nägeli viel zu weit ging und sich das Eintreten von

1) Botanische Zeitung 18S3, S. 431.

Veränderungen der Funktion. ß9

Ernährungsmodificationeu zu leicht vorstellte, habe ich bereits früher gezeigt. Nägeli^) hatte z. Z. die Beobachtung, dass gekochte Milch bisweilen nicht sauer, sondern bitter wird und später eine ammoniakalische Zersetzung eingeht, als eine derartige Beeinflussung der Säurebakterien durch Hitze aufgefasst. Dies war für die Nägel i' sehe Schule bis zum Aufkommen der Unzüchtungen der Milzbrandbakterien der einzige, scheinbar einwandsfreie Beweis für die experimentelle „Umwandlung der bestimmten Hefennatur eines Pilzes in eine andere." Und doch war, wie ich nachweisen konnte 2), I nichts Derartiges vorgekommen, sondern die resistenteren Buttersäure- 1 bakterien hatten die Hitze überstanden und bewirkten nur die ihnen :specifische Einwirkung auf die Albuminate der Milch. Keine Bak- iterienart hatte dabei Form und Wirkung geändert.

Auf der anderen Seite entspricht aber auch die Ansicht von Cohn den Thatsachen nur mit wichtigen Einschränkungen, beson- ders weil die von Cohn zu Grunde gelegten Ansichten über den 1 Parasitisnius der Bakterien zu einseitig sind. Die saprophytischen 1 Bakterien sind nicht durch eine scharfe Linie von den parasitischen i geschieden und unter den saprophytischen sind, wie ich besonders iPasteur gegenüber geltend gemacht habe, die Permentbakterien 1 nicht durch ein bestimmtes physiologisches Kriterium, die Fähigkeit <der Anaerobiose, scharf von den übrigen Gruppen getrennt. Es 1 kommen zwischen den Bakterien der Oxydationsgährungen, gewöhn- |llich aerobiotischen und anaerobiotischen Bakterien, alle möglichen lUebergänge vor und ebenso sind die zymogenen mit den chromogenen lund pathogenen durch vermittelnde Glieder verbunden. Es giebt fendlich Bakterienarten, welche mehrere dieser Eigenschaften in sich \ vereinigen können, so dass man nicht nur mit Formcyklen, sondern lauch mit Wirkungscyklen zu rechnen hat. 3)

Nägeli hatte „von jeher bei der nämlichen Zersetzung oft '■einen ziemlich weiten Formenkreis der anwesenden Spaltpilze oder

1) Die niederen Pilze 1877, S. 21.

2) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, II, 1884, S. 327 und 353.

3) cfr. meine Untersuchungen: Deutsche med. Wochenschrift 1884, No. 48 •bis 50; Methoden der Bakterienforschung 3. Aufl., 1886, S. 183, 206 und 221.

•jQ Veränderungen der Punktion.

mit anderen Worten ein Gemenge von mehreren Formen, die man gewölmlicli specifisch oder selbst generisch trennt, beobachtet, anderer- seits bei ganz verschiedenen Zerset/Aingen dem Anschein nach durch- aus die gleichen Spaltpilze gefunden." Diese Beobachtungen glaube ich damit richtig gestellt zu haben, dass ich zwischen den Extremen der von Pasteur und Cohn imd der gegenth eiligen von Duval und Nägeli vertretenen Ansicht auf Grund der Thatsachen eine ver- mittelnde Stellung eingenommen habe, durch den inzwischen durch alle weiteren Beobachtungen bestätigten Nachweis, dass es sich nicht um die „nämlichen Zersetzungen" resp. um die „gleichen Spaltpilze" gehandelt haben kann. In allen derartigen Fällen handelte es sich nur um ähnliche Zersetzungen, insofern besondere Haupt- producte wie Milchsäure, Buttersäure, Ammoniak von verschiedenen Bakterien gebildet werden, und um ähnliche Spaltpilze, insofern in der Entwicklung verschiedener Arten ähnliche Formen auftreten können. Jeder specifischen Zersetzung und Krankheit anspricht zwar keine „specifische Pilzform", wohl aber ein „speci- fischer Pilz" resp. eine speci fische Bakterie, oder überhaupt ein specifischer Mikroorganismus.

Die Formen einer Art, welche mehrere Wirkungen ausüben kann, und z. B. zymogen, chromogen mid pathogen ist, ändern sich nach den Ernährungsverhältnissen nicht mehr als es bereits früher gezeigt ist. Die genaue Kentniss aller dieser Eigenschaften kann dadurch sehr werthvoll zur Differentialdiagnose werden und die Möglichkeit eines derartigen Geschehens warnt uns davor, das Auf- treten neuer Eigenschaften ohne Weiteres als Zeichen einer begin- nenden Anpassung, als Entstehen einer neuen Ernährungsmodification aufzufassen. In der Mehrzahl der Fälle wird es sich dabei wahr- scheinlich nur um das Manifestwerden von Eigenschaften handeln, welche wegen der besonderen früheren Versuchsanordnungen sich bis dahin der Beobachtung entzogen hatten, also nicht um dm-cli Anpas- sung neu erworbene, sondern um noch nicht bekannte Eigenschaften.

Manche der physiologischen Wirkungen sind nach unseren Er- fahrungen schlechthin constant und werden durch keinen Eingriff alterirt. Diese constanten physiologischen Eigenschaften und die coustanten morphologischen Merkmale geben zusammen einen An-

Veränderungen der Funktion.

71

halt, welche Bakterien wir als die ursprünglichen Arten und welche wir niu- als Ernährungsmodificationen dieser Arten anzusehen haben. Im Allgemeinen erweisen sich gerade die am meisten imponirenden Eigenschaften, specifische Fermentthätigkeit und Parasitismus, als die am leichtesten zu beeinflussenden, so dass im Allgemeinen wohl der Schluss gerechtfertigt ist, diespecifischeFermentthätig- keit und den Parasitismus als eine erworbene Eigen- schaft, eine Anpassung, eine Ernährungsmo dification anzusehen. In diesem Sinne ist die Abnahme der Virulenz eine atavistische Erscheinung, ein Rückschlag auf den Ausgang des ein- fachen Saprophytismus.

In vielen Fällen konnten aber die specifischen zymogenen und pathogen en Eigenschaften nicht beeinflusst werden und der Grad des Parasitismus, facultativer Parasitismus, facultativer Saprophytismus oder obligater Parasitismus giebt nach dieser Richtung keine definitive Entscheidung. In solchen Fällen kann das Nichtbeeinflussen der Wirkung darin seinen Grund haben, dass die Versuchsanordnung noch Mängel hatte, oder dass die Anpassung bereits die Constanz der ächten Art oder Varietät angenommen hatte oder dass es sich ohne eine besondere Anpassung um Eigenthümlichkeiten des Proto- plasma und damit bei der Wirkung um moleculare Bewegungen handelt, auf deren Verständniss wir noch verzichten müssen.

Eine w^eitere Möglichkeit der Beurtheilung liegt darin, dass die einfach saprophytischen Arten und die morphologisch gleichen chro- mogenen, zymogenen oder pathogenen Arten wirklich physiologische Arten oder noch richtiger constante Varietäten einer Art sind, welche als solche ausgestorben ist.

Mit dem einseitigen Herausgreifen einer dieser Möglichkeiten ist es bei dem gegenwärtigen Zustande unseres Wissens nicht gethan. Nur die Berücksichtigung aller dieser Annahmen und das sorgfäl- tigste Abwägen pro und contra wird uns leidlich vor groben Irr- thümern schützen können.

Den Buttersäuvebakterien kann man die Fähigkeit, aus be- stimmten Saccharaten Buttersäure abzuspalten, experimentell nehmen ; sie vermögen aber dann noch nach wie vor Albumniate zu lösen. Welche Schlüsse lassen sich aus diesem Experimente ziehen? Sind

72

Veränderungen der Funktion.

die besonders anaerobiotisclien Buttersäiirebakterien wegen der Abnahme dieser specifischeu Wirkung nur eine einfache Ernährungsmodification einer peptonisirenden aerobiotischen Art? Die Frage scheint sicher in diesem Sinne zu beantworten und doch ist die Sache nicht so einfach, da man eine derartige aerobiotische Art spontan bis jetzt nicht kennt, sondern spontan diese Bakterien immer als Butter- säurebakterien trifft, unter natürlichen Verhältnissen also gerade eine Coustanz der Eigenschaften beobachtet, welche im Experimente leicht zu beeinflussen sind.

Auf Kartolfelscheibeu sehen die virulenten Rotzbacillen ebenso aus, wie die durch einfaches Sichselbstüberlassen der Kulturen dege- nerirten, nicht mehr virulenten, morphologisch durchaus gleichen Bakterien. Wenn man die Herkunft nicht kennte, müsste man sie für einfache Pigmentbakterien halten. Sind demnach die Rotzbak- terien nur eine Ernährungsmodification einer harmlosen Pigment- bakterie? Können sie vielleicht spontan jeder Zeit aus solchen ent- stehen ? Eine identische Art von nichtvirulenten Pigmentbakterien hat man bis jetzt noch nie spontan gefunden oder gar zur Viridenz angezüchtet, sondern man kennt unter natürlichen Verhältnissen bis jetzt nur die malignen Eotzbacillen. Die künstlichen Kulturen zeigen also Dinge, welche wir spontan nicht beobachten oder beobachtet haben. Sind die virulenten Rotzbacillen eine Art, sind die nicht- virulenten die eigentliche Art, sind beide Varietäten einer ausge- storbenen Art, sind die virulenten eine Ernährungsmodification einer harmlosen, chromogenen Art, sind die nichtvirulenten eine einfache Degenerationsform? Auch hier lässt sich nur sehr allgemein die Annahme aufstellen, dass vielleicht die virulente Art einmal aus einer nichtvirulenten chromogenen Art entstanden ist, ohne dass man aber schon jetzt im Stande wäre, endgültig die Beziehungen der virulenten zu den nichtvirulenten festzustellen.

Aehnlich liegen die Verhältnisse bei den Milzbrandbacillen. Pasteur glaubt, dass man die bei 42 bis 43'' abgeschwächten Bacillen durch successive Kulturen regelmässig wieder in die viru- lenten überführen .kann. Koch, Gaffky undLöffler ermittelten dagegen, dass man die verschiedenen Grade der Abschwächung fixiren kann, indem man die Bakterien in Gelatine weiter züchtet.

Veränderungen der Funktion. 73

Die Sporen derartig abgeschwächter Bakterien conserviren den jeweils erreichten Grad auf lange Zeit. Bisweilen trat allerdings in der- artigen Kulturen auch ohne weitere Eingriffe eine weitere Abnahme oder auch eine Zunahme der Virulenz ein. Die Fixirung wurde in dem Maase unsicherer, als die zur Abschwächung erforderliche Zeit bei 42 bis 43 " kürzer war, und sie wurde in dem Maasse mehr und mehr erschwert oder unmöglich, als die Temperaturen sieh von 430 entfernten. Lag, wie in den Versuchen von Chauveau und Toussaint, die Temperatur zwischen 47 und 55", so wurde die ;zur Abschwächung erforderliche Zeit immer kürzer, aber die abge- schwächten Kulturen erlangten auch ihre Virulenz fast in demselben : Maasse schneller wieder. Als dann Chauveau^) mit der Temperatur '.unter 42 « herabging und zur Abschwächung Temperaturen von 38 'bis 39° unter gleichzeitigem Drucke von 8 Atmosphären anwandte, ; fand er, dass ein Stadium der Abschwächung, welches keine Schafe, ^ sondern nur Meerschweinchen tödtete, eine auffallende Constanz unter Jden verschiedensten Kulturbedingungen zeigte. Sind demnach die vvirulenten Milzbrandbacillen eine ächte Art oder nur eine Ernährungs- rmodification einer gewöhnlichen saprophytischen Art, aus der sie j jederzeit wieder entstehen können? Da man spontan aber immer vwieder den virulenten Milzbrandbacillus findet, ist auch die Erage liberechtigt, ob nicht gerade umgekehrt der virulente Bacillus als .'Art und die abgeschwächten Generationen einfach als Degenerations- iformen anzusprechen sind ? Oder sind die virulenten und die ganz ab- geschwächten Bakterien Varietäten oder Modificationen einer als «solchen ausgestorbenen, gewöhnlichen saprophytischen Art? Welchen Werth haben die verschiedenen Grade der Abschwächimg? Können >3ie je nach der Methode ganz verschiedene Dignität haben ? Kommt iien von Koch, Gaffky und Löffler fixirten Graden schon die .Oonstanz einer wirklichen Ernährungsmodification zu? Ist der von •Oha UVB au tixirte Grad von so entschieden grösserer Dignität, llass man ihn gar als Varietät ansprechen kann?

Der Pathologe wird nach alledem mehr geneigt sein, die viru- f-enten Milzbrandbacillen als Art anzusprechen, und .den verschiedenen

1) Sur la nature des transformations que subit le viru,s du !*ang de rate ■-ttenue par culture dans l'oxygene compriine. Comptes rendus 1885, Bd. 101,

74

Veränderungen der Funktion,

Graden der Abschwächung nur den Werth von Ernährungsmodi- fiicationen zuzugestehen, weil man spontan nur die virulente Fonu kennt und zum Erreichen der Abweichungen in der Kegel Eingiifle nöthig sind, welche der Natur nicht zu Gebote stehen. Der Natur- philosoph wieder wird aus dem Umstände, dass überhaupt eine experimentelle Beeinflussung der Funktion möglich ist, den Scliluss ziehen, dass dann diese Funktion eben noch nicht die Constanz eines Artmerkmals besitzt, dass also der maligne Milzbrandbacillus nur eine Ernährungsmodification einer an sich nicht malignen Art ist.

Der Pathologe kann sich für seine Auffassung, dass die patho- genen Bakterien, wie sie uns spontan begegnen, als ächte Arten zu betrachten sind, auf einen Umstand berufen, auf den ich schon früher die Aufmerksamkeit gelenkt habe ^) , „dass unter natürlichen Ver- hältnissen auf Eingriffe, welche die Existens des Individuimis bedrohen, auch diese Organismen in der Regel nicht mit Varietät, sondern durch Bildung von Dauerformen im Gegentheil mit Erhal- tung der Art, mit Constanz der Merkmale reagiren." Auf diese Weise besitzt die Natur ein sehr zuverlässiges Mittel, welches einen Rückschlag, ein Degeneriren verhütet und Eigenschaften sicher conservirt, welche ohne dieses Hülfsmittel zunächst nicht constant sein würden.

Für diese Auffassung tritt unter den Botanikern neuerdings de Bary2) sehr entschieden ein. „Gerade in dem Bereich der para- sitischen Bakterien haben, nach seiner Ansicht, die Untersuchungen mehr und mehr distincte Speeles festgestellt und gezeigt, dass bei jeder genauer bekannten parasitären Krankheit auch eine bestimmte Bakterienform als Krankheitserreger auftritt, an deren specifischer Qualität so wenig oder so viel gezweifelt werden kann, wie an jener eines grösseren Pilzes oder Wurms. Die Behauptung, dass es dis- tincte, parasitische Bakterienspecies giebt und dass im Allgememen jede durch Bakterien verursachte specifische Krankheit auch von einer besonderen Bakterienspecies verursacht wird, ist nicht einlach bequem, wie Nägel i meint, sondern die einzige, welche mit den dermalen bekannten Thatsachen in Uebereiustimmung steht.«

1) Mittheilungen aus dem Kaiserliclien Gesundheitsanite, H- 188^;

2) Vergleichende Morphologie und Biologie der Pike 1884, S. 52 1.

Zoogloea,.

VIII.

Die Bedeutung der Zoogloea zur Abgrenzung von Grattungen und Arten.

In den bisher betrachteten Fällen erwiesen sich die Formab- weichiingen der vegetativen Einzelzellen nicht als so gross, dass man diese Form als schlechthin veränderlich bezeichnen kann. Im Gegen- theil tritt diese Form so typisch auf, dass ihre Formeigenthümlich- keiten auf primäre Artunterschiede hinweisen imd bei richtiger Be- urtheilung des Gesammtverhaltens diese Form einen hohen Werth zur Artbestimmung besitzt. Dagegen waren schon Andeutungen vor- handen, dass der Modus der Verbindung dieser Einzelzellen zu Zoo- gloea oder Fäden bei Aenderung der Aussenbedingungen leichter Schwankungen unterworfen ist.

Cohn hatte die Bildung der Zoogloea für so characteristisch gehalten, dass er seine Tribus Sphärobakteria und Microbakteria da- dm-ch von den Tribus Desmobakteria und Spirobakteria geschieden hielt, dass nur die erstereu Schleimfamilien bilden sollten. Die letzt- genannten Tribus bilden demgegenüber Fäden oder kommen Jxei zerstreut oder in Schwärmen" vor. „Der Bakterienschwarm unter- scheidet sich, nach Cohni), von der Zoogloea dadurch, dass bei letzterer die Zellen unbeweglich durch Intercellularsubstanz verknüpft sind ; deshalb bildet die Zoogloeagallerte im Wasser einen scharf ab- gegrenzten, meist sphärischen Contour, der um so deutlicher hervor- tritt, weil die Bakterienzellen scheinbar am Eande der Gallert dichter gelagert sind, als in der Mitte. Die Schwärme dagegen bestehen bloss aus freien, beweglichen, aber oft so dicht an einander gedräng- ten Zellen, dass dieselben sich fast berühren, und daher eine schleimige Masse bilden; in bewegtem Wasser vertheilen sich jedoch die ein- zelnen Zellen ohne Weiteres, da sie durch keine Zwischensubstanz verbunden sind."

Später hielt, wie Seite 34 angegeben ist, Cohn diese Diffe- renzen für so wichtig, dass er nicht nur die Bakterien, sondern

1) Beiträ^'c zur Biologie der Pflanzen L, Heft 2, 1872, S. 142. .

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Zoogloea.

sämmtliche Spaltpflanzen in zwei grosse Gruppen eintheilte, deren eine, Gloeogenae, besonders durch die Neigung der Zellen zur Bil- dung von Scbleimfamilien characterisirt wurde, während die andere, Neraatogenae , eine Tendenz der Zellen zur Bildung von Fäden zeigen sollte.

Bald darauf ermittelte Cohn^), dass das Entwicklungsstadium sehr berücksichtigt werden muss, wenn der Zoogloea ein so hoher Werth beigelegt werden soll. Die auf sterilisirtem Heuinfus sich entwickelnden „trocknen, zusammenhängenden schuppigen Häutchen " waren zwar „auf den ersten Blick" von dem „gewöhnlichen Zoogloea- schleim faulender Flüssigkeiten" sicher zu unterscheiden. Aber dieses Häutchen veränderte sich allmählich und war später ähnlich wie die echte Zoogloea von Mikrokokkus luteus oder Askokokkus. Die Decke der Bacillen hatte sich so verändert, dass sie wie eine Zoogloea von Miki'okokken aussah.

Koch entwickelte dann 2) die allgemeine Ansicht, dass die Zoogloea als solche einen Euhezus tan d darstellt und dass „die Entwicklung der Bakterien zur Zoogloea, gerade so wie die Bildung von Häutchen oder bei manchen Bacillen das Auswachsen zu langen Gliederfäden der Entwicklung von Sporen vorhergeht." Nachdem Koch verschiedene Formen von Zoogloea, verzweigte, gelappte, knollenförmige, kuglige, ringförmige, ganz gefüllte und solche mit Hohlräumen angeführt hat, giebt er an: „Die meisten werden von kugligen, ovalen oder lang ovalen Bakterien gebildet, doch giebt es auch solche, die aus kurzen Stäbchen und aus kleinen Spii'illen zu- sammengesetzt sind." Zoogloea von Spirillen hatte übrigens bereits Perty^') auf Tafel XV Fig. 27 von Spirillum undula (cfr. Fig. 10 A) und in Fig. 29 von Spirillum rufum abgebildet.

Wenn Koch auch annimmt, dass jede Bakterienart nur in einer solchen Zoogloeaform ihren Kuhezustand findet, so ist er doch der Ansicht: „Die Zoogloea allein kann indessen zur Characteristik einer bestimmten Bakterienart nicht genügen." Koch stützt damit die Ansicht von Cohn, dass eine auch noch so characteristische Form

1) Beiträge zur Biologie der Pflanzen II., Heft 2, 1876, S. 261.

2) ibid. IL, Heft 3, 1877, S. 415.

3) Zur Kenntniss kleinster Lebensformen 1852,

Zoogloea.

77

allein zur Artbestimmiing nicht genügt, aber es ergiebt sich schon aus den damaligen Angaben von Koch, dass die Verwerthung der Zoogloea nur mit grosser Eeserve zur Abgrenzung von Gruppen oder Gattungen unter den Bakterien möglich ist.

Die Abgrenzung der Zoogloea bildenden Bakterien gegen die fadenbildenden im Sinne von Cohn setzt eigentlich voraus, dass den Einzelzellen qualitative Differenzen in Bezug auf die Fähigkeit des Vergallertens innewohnen müssen. Gegen eine solche Annahme spricht sich P r a z m 0 w s k i 1) sehr entschieden aus und nimmt der Zoogloea- bildung einen weiteren Theil des Werthes, den ihr Cohn zugesprochen hatte. Nach Prazmowski sondern die Bakterien nicht erst Schleim ab, wenn sie zur Ruhe kommen, sondern die äusseren Schichten der ßakterienmembran vergal- lerten auch bei den beweglichen Formen und bei allen Bakterien, doch wird diese feine äussere Gallerthülle „im beweg- lichen Zustande wegen ihrer zarten und AZoogioeavonSphiiiumunduiauach weichen Beschaffenheit durchßeibung an SzopT" die umgebende Flüssigkeit abgestreift."

Beim Eintritt der ßuhe werden diese aufgequollenen äusseren Schichten der Membran nicht mehr abgestreift, sondern sie erhalten sich und werden „durch immer neues Aufquellen der inneren Schichten der Membran verstärkt."

Bie Bildung solcher Ruhezustände kann eintreten, wenn beweg- liehe Bakterien in Ruhe übergehen und sich z. B. an der Oberfläche einer Flüssigkeit einfach anhäufen. Eine Verstärkung eines solchen Bakterienhäutchens kann dann erfolgen, indem einfach die Membra- nen vergallerten oder indem gleichzeitig ein Theil der Zellen sich durch Theilung noch vermehrt. Bei unbeweglichen Bakterien erfolgt die Bildung einer Schleimcolonie durch directe locale Vermehrung. Im letzteren Falle wird die Colonie immer einheitlich sein, während

1) Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte und Fermentwirkung einiger Bakterienarten 1880, S. 44,

78

Zoogloea.

im ersten Falle sich bisweilen Decken von mehreren Bakterienarten bilden können.

Billroth hatte wohl zuerst Mittheilungen gemacht'), nach denen es möglich ist, die Ausbildung der Zoogloea durch Aenderung der Aussenbedingungen zu beeinflussen, indem er fand, dass in zucker- haltigen Substraten die Schleimhäute der Bakterien sich stärker als in anderen Lösungen entwickelten. Prazmowski ermittelte nach dieser Richtung weiter, dass Bakterien, welche auf Dextrin- und Zuckerlösungen, auf Stärke und Kartoifeln mächtige Schleimdecken bilden, auf Infusen von gekochtem Hühnereiweiss sehr dürftige Decken entwickelten. ,Der Antheil, welchen die Kohlehydrate an der Bil- dung der Gallerthülle der Bakterien haben, ist vielleicht der, dass sie direct das Material zur Ausbildung der Gallertmembran liefern."

Bei einzelneu Bakterienarten, welche man nach Cohn als Ba- cillen bezeichnen müsste, welche Prazmowski wegen ihrer Ent- wicklungsgeschichte unter dem Namen Clostridium von ihnen ab- zweigte, fand er, dass die Stäbchen beim Eintritt in die Euhe sich so unregelmässig gruppiren, wie es nach Cohn die Sphärobakterien und Mikrobakterien allein thun sollten. Auch für die ächten Bacillen ermittelte er, dass die Fäden beim Zerfalle in kleinere Fadentheile zerbrechen, „die sich entweder parallel aneinanderlegen oder auch ohne irgend welche Eegelmässigkeit neben einander gruppiren."

Zopf ermittelte 2), dass bei Cladothrix dichotoma, Fig. 5, so- wohl kuglige, als stäbchenförmige Zellen Zoogloen bilden können, dass sich Zoogloen finden, welche gerade, wellige, schraubige und selbst verzweigte Fäden umschliessen. Weiter beobachtete er, wie bereits vor ihm Perty (Fig. 10 A), dass sich in einer Zoogloea, Fig. 10 B, selbst verschiedene Formen von Emzelzellen finden können. Ferner fand er, dass die früher von Cohn als eine besondere Art aufgefasste Clathrocystis roseo-persicina, Fig. IIB, eine Zoogloea von kugligen Einzelzelleii ist, welche in die Entwicklung der Beggiatoa roseo-persicina gehört. Vor allem stellte aber Zopf fest, dass die

1) Untersuchungen über die Vegetationsformen von Coccobacteria septica 1874. S. 9.

2) Zur Morphologie der Spaltpflanzen 1882.

Zoogloea. 79

ünterschiede zwischen Zoogloea- und Faden -bildenden Spaltalgen nicht so schrolf sind, wie sie Cohn hingestellt hatte.

Auch hei einzelnen Schraiibenbakterien ist noch ermittelt wor- den, dass sie nicht nur scbraubige Fäden, sondern bisweilen auch Zoogloea bilden können. Dies thun nach Gruber ^) z. B. die Komma- bacillen von Finkler -Prior und die Komraabacillen der Cholera asiatica bilden nach meinen Beobachtungen nicht nur Schwärme an der Oberfläche von Flüssigkeiten, sondern bisweilen auch starke Schleim- decken, in denen sich neben Einzelzellen reichlich schraubige Fäden finden,

Fig. 11.

A Äskoknkkus nach Cohn, ca. 65 fache Vergrössorung.

B Clathrocystisform der Begiatoa roseopersicina nach Zopf, ca. 250 fache Vergrösserung.

Aus diesen Ermittlungen ergiebt sich sicher, dass Tribus- und Gattungsabgrenzungen unter den Spaltpflanzen im Allgemeinen und den Bakterien im Besonderen auf Grund des Auftretens von Zoogloea nicht durchzuführen sind. Zwischen der unregelmässigen Gruppirung der Einzelzellen in der Zoogloea und den regelmässig angeordneten Fäden der Decken giebt es Zwischenglieder. Zwischen den frei be- weglichen Bakterien und den Anfängen der feinen Decken giebt es Uebergänge; als ein solches Zwischenglied fasse ich die „Schwärme" auf, da dieselben zwar bei Zufuhr frischen Nährmaterials sich sofort wieder vertheilen, bei Erschöpfung des Materials aber zunächst feine Häutchen bilden, welche allmählich zu ganz dicken Schleimdecken

1) Wiener med. Wochenschrift 1885, S. 299.

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Zoogloea.

vergallerten können. Zwischen den alten Schleimdecken von Bacillen und den Zoogloeu von Kokken existiren keine qualitativen Differenzen. Alle bis jetzt bekannten Formen der Bakterien können gelegentlich in Zoogloea auftreten.

Eine Differenz in der Bildung ist vielleicht nur zwischen unbe- weglichen und beweglichen Bakterien zu beobachten. Die ersteren können unter Umständen sofort in die Bildung der Zoogloea ein- treten, so dass diese die einzige Ruheform bildet, während beweg- liclie Bakterien in Flüssigkeiten in der Regel später in ein unbeweg- liches Stadium übergehen, in diesem zunächst die Ruheform von Fäden bilden, welche sich zu Decken vereinigen, die dann allmäh- lich durch Vergallerten der Membranen in eine ächte Zoogloea über- gehen.

In Flüssigkeiten können grössere Differenzen zwischen Zoogloea bildenden und scheinbar keine Zoogloea bildenden Arten dadurch vor- getäuscht werden, dass einzelne Bakterien in Flüssigkeiten scharf umschriebene Zoogloen bilden, während die Schleimmassen anderer in der Flüssigkeit zerfliessen und deshalb wenig formbeständig und auffallend sind. Die von Cohn hervorgehobene Beobachtung, dass am Rande der Zoogloea die Bakterien dichter gelagert sind, findet darin ihre einfache Erklärung, dass nur am Rande der Austausch mit dem- Nährmaterial leicht ist, so dass dort bis zur Erschöpfung der Lösung die Vermehrung durch Theilung überwiegt, während in der Mitte, wohin nur wenig Nährmaterial durch Diffusion gelangt, die Vergallertung der Membran vorherrscht, durch welche die Zellen von einander gedrängt werden.

Thatsache ist, dass der Chemismus des Substrates die Bildung der Zoogloea beeinträchtigen oder begünstigen kann; oder mit anderen Worten es findet eine Beeinflussung der Form der Zoo- gloea durch die Aussenbedingungen statt.

Die systematische Verwerthung der festen Nährböden zum Studium der Bakterien hat uns in den letzten Jahren aber noch m.it Beeinflussungen der Zoogloea vertraut gemacht, welche zwar vielfach zur Artbestimmung verwerthet werden, ohne dass aber der Modus dieser Einflüsse nach der morphologischen Seite bis jetzt eingehender beachtet worden ist. Der Mechanismus des Substrates ist

81

Zoogloea.

von grösster Wichtigkeit für den Grad der Ausbildung und die Form der Zoogloea.

Unbewegliche Bakterien verhalten sich im Princip auf festem Substrat genau so wie in Flüssigkeiten und bilden ihre Zoogloea vom Momente der Vermehrung an localisirt, nur ist die Form der Zoogloea noch schärfer ausgesprochen und wegen der deutlicheren Localisation die Bildung von kleinsten Zoogloen oder Colonien früher zu erkennen als in Flüssigkeiten. Ausserdem wird die Bildung schärfer umschriebener Formen der Zoogloea auf festem Nährboden dadurch begünstigt, dass ein Zerfliessen der Schleimmassen nicht oder doch schwieriger und später stattfindet als in Flüssigkeiten. In diesen Momenten liegt der grosse Vorzug der Zoogloea auf festem Substrate zur schnellen Diagnose. Für die Diagnose ist dasselbe bei den beweglichen Bakterien in vielleicht noch höherem Maasse der Fall. Während dieselben in Flüssigkeiten erst das ganze beweg- liche Stadium absolviren müssen und dann erst anfangen Zoogloeen zu bilden, werden sie auf festem Substrat gezwungen, sich wie un- bewegliche zu verhalten und sich sofort in der Euheform der Zoo- gloea zu vermehren.

Die Kulturen auf festem Nährboden haben gezeigt, dass wohl alle Bakterien im Stande sind Zoogloea zu bilden und zwar nicht nur die Bakterien im Sinne von Cohn, sondern auch Arten, welche den Beggiatoen und Cladothrix nahe stehen.

Wählt man als festen Nährboden Nährgelätine, so kann man oft die verschiedensten Grade der Beeinflussung der Form dm-ch den mechanischen Zustand des Substrates beobachten. An der Oberfläche zeigt die Form der Zoogloea oft ein anderes Aussehen als im Innern. Viel auffallender ist aber die Veränderung bei Bakterien, welche die Gelatine verflüssigen. Geschieht dies sehr schnell und verwandeln die Bakterien den festen Nährboden dadurch schnell in eine Flüssig- keit, so bildet sich erst das bewegliche Stadium ebenso aus wie in Flüssigkeiten überhaupt und erst später kommt es zur Bildung von Decken. Geht die Verflüssigung langsam vor sich, so bildet sich erst an der Oberfläche oder im Inneren eine ächte, bisweilen sogar sehr auffallende Zoogloea aus ; so sah ich z. B. bei einem Fäulniss- bacillus die schönsten verzweigten Zoogloeen entstehen. Mit Zunahme

Hneppe, Formen der Bakterien. C

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Zoogloea,

der Verflüssigung wird die Form dieser Zoogloea zerstört oder stark beeinträchtigt, dann folgt das bewegliche Stadium und, wenn dieses vorbei ist, tritt Bildung von Schleimdecken ein.

Ein weiteres mechanisches Moment ergiebt sich auf festem Nährboden aus der Art des Impfens, indem sich vom Impfstriche oder Impfstiche aus die Zoogloea entwickelt, deren Form ausserdem davon beeinflusst wird, ob die Keime der Oberfläche nahe liegen oder von ihr entfernt sind.

Bei identischen mechanischen Verhältnissen wird die Zoogloea wieder beeinflusst von der chemischen Zusammensetzung, so dass man zu differentialdiagnostischen Zwecken bald dieselbe chemische Zusammensetzung wählt und nur das mechanische Moment ändert, indem man z. B. eine bestimmte Bouillon fliüssig oder mit 10% Gelatine oder 1^ Agar versetzt anwendet oder dass man dieselben mechanischen Verhältnisse wählt und die chemische Zusammensetzung ändert, indem man z. B. Flüssigkeiten oder 10% Gelatine oder 1% Agar zum Theil mit, zum Theil ohne Zusatz von Zucker gebraucht.

Nach Häuser^) konnte in einigen seiner Beobachtungen bei einer zur sicheren Isolirung ungenügenden Festigkeit der Nährgela- tine die Form der Zoogloea wechseln und bald korkzieherartig ge- wunden, bald kranzförmig, bald dentritisch verzweigt erscheinen. Der Grund zu diesem Wechsel liegt, soweit er nicht durch die Art der Impfung mit bedingt war, darin, dass auf einem Substrate, welches nicht von Anfang an fest oder flüssig ist und bleibt, sondern, welches durch das Leben der Bakterien aus dem festen in den flüssigen Zustand übergeführt wird, die mechanischen Verhältnisse von Augenblick zu Augenblick sich ändern und durch Bildung und schnellere Vertheilung der Stolfwechselproducte auch der Chemismus des Mediums sich schneller ändert.

Wählt man günstige Flüssigkeiten, wie eine Normalbouillon, und wirklich feste Substrate, so kehrt die Form der Zoogloea unter denselben Verhältnissen so typisch wieder, dass dadurch die Zoogloea zu einem höchst werthvollen Formmerkmale wird, welches zur Art-

1) Ueber Fäulnissbaktevien, 1885.

Zoogloea. §3

bestimmiing sehr wohl mit verwerthet werden kann. Verändert man die Anssenbedingungen, indem man die Bildung der Zoogloea neben- einander auf verschiedenen festen Substraten, Ifö Agar, \Q% Gela- tine, Kartoffelscheiben und in einigen Flüssigkeiten, wie Bouillon und Milch, vor sich gehen lässt, so werden damit schnell eine Fülle von Formmerkmalen zugänglich, welche sich allein auf die eine Form der Zoogloea beziehen mid damit die Differentialdiagnose gegen früher wesentlich erleichtern.

Aber über den principiellen Werth dieses vorzüglichen und schnell orientirenden , praktischen diagnostischen und differential- diagnostischen Mittels für die Gattungs- und Artbestimmung darf man sich nicht täuschen. Die Zoogloea ist keine constante Form, sondern sie gehört geradezu zu den „schlechthin ver- änderlichen" Formmerkmalen. Sie ist deshalb zur Abgrenzung von Gattungen ganz imbrauchbar und zur Bestimmung von Arten nur unter der angeführten Eeserve mit verwerthbar. Bxceptionelle Zoogloeen, wie sie bei Leuconostoc und dem Kefir vorliegen, sprechen als Ausnahmen nicht gegen diese Auffassung.

Das schlechthin veränderliche der Zoogloea macht es zur Pflicht, eine schon von Cohn angedeutete Möglichkeit, für welche Zopf durch den Nachweis, dass die Clathrocystis roseo-persicina nur ein Entwicklungsstadium der Beggiatoa roseo-persicina ist, bereits einen positiven Beweis gebracht hat, für die definitive Artbestimmung offen zu halten, dass nämlich vielleicht eine nur in einer Form be- kannte Art, z. B. eine Kokkenzoogloea, nicht das Zoogloeastadium I einer monomorphen oder relativ einförmigen Art ist, sondern dass : sie vielleicht auch einmal in die Entwicklung einer pleomorphen " -Art gehören kann, deren übrige Formen noch unbekannt sind.

„Eine solche Vermutbung ist wissenschaftlich berechtigt, denn iauf der einen Seite alterii-t sie den Stand der positiven Kenntnisse iin keiner Weise, auf der anderen aber bewahrt sie vor dem Glauben, idass Letztere bereits abgeschlossen sind, vermag also Anregung zu 'weiteren Untersuchungen zu geben."

Diese Worte von Zopf i) bezeichnen den Zustand unserer Er-

') Die Spaltpilze, 3. Aufl., Vorwort.

C*

84

Wuchsfornien der Bakterien,

falinmgen für die eine Form, die Zoogloea, recht treffend, nur darf man dieselben niclit, wie Zopf es tliut, auf alle Formen übertragen, man darf dabei nicht vergessen, dass der Nachweis des Pleo- morphiums an sich mit Variabilität niclits zu thun hat und dass eine Veränderung der Zoogloea mit Aenderung der Aussenbedingungen für eine Wandelbarkeit der anderen Formen nach dem Substrat nichts beweist.

IX.

Die Wuchsformen der Bakterien.

Nachdem ich versucht habe, die bisher in der Litteratur zur Sprache gekommenen Differenzen zu schildern, muss ich den Ver- such machen die Lehren, welche sich daraus für eine unbefangene Beurtheilueg ergeben , zu ziehen. Die allgemeinen Ermittelungen zeigen, dass manche Formmerkmale constanter sind als andere, dass man auf Grund der Formeigeuthümlichkeiten Differenzen unter den Bakterien feststellen kann. Aber keines der Formmerkmale allein genügt zur Diffcrenzirung , so dass man genöthigt ist der von Cohn zuerst gestellten Forderung gerecht zu werden und alle der Beobachtung zugänglichen Merkmale zu berücksichtigen. Cohn 's eigener Versuch reicht aber bei weitem nicht mehr aus, besonders da er dort versagt, wo er principiell am meisten verspricht, bei der Abgrenzung der grösseren Gruppen. In P]inzelheiten, bei den Abgrenzungen einzelner kleinerer Gruppen und Gattungen dagegen sind wir auch jetzt vielfach noch nicht im Stande besseres zu geben, als es von Cohn bereits 1872 geschehen ist und die Berichtigungen treffen unbedeutende Nebendinge.

Der von mir in meinen Vorlesungen seit einiger Zeit und un- abhängig von de Bary durchgeführte Versuch, den ich im Folgen- den zu Grunde lege, begegnet sich in den wichtigsten Punkten in

"Wuchsformen der Bakterien.

85

SO erfreulicherweise mit den Grimdanscliauuiigen von de Bary^), dass ich darin eine Garantie sehen darf, dass bereits eine allge- meinere Verständigung ^) möglich ist, wenn man sich von doctrinären Einseitigkeiten frei macht, welche nur Constanz oder grenzenlose Variabilität kennen. Eine Keihe von Einzelheiten werden dadurch gleichzeitig zur Ergänzung der kurzen Darstellung von de Bary.

Dem gegenwärtigen Zustande unserer Kenntnisse entspricht es am meisten die Formen der Bakterien nicht ohne Weiteres als Gattungs- und Artmerkmale zu betrachten, sondern dieselben zu- nächst nur als Wuchsformen aufzufassen. Bei den Wuchsformen machen sich dann sofort wieder zwei natürliche Gruppen geltend, indem man die Einzelindividuen trennen kann von den Formen, welche aus besonderen Verbindungsweisen der Einzelzellen sich ergeben.

I. Die Binzelzellen.

Die rein schematische Figur 12, welche die wichtigsten Bak- terienformen, deren Einzelligkeit allgemein anerkannt ist, darstellt, giebt zunächst eine Vorstellung, wie es kommen musste, dass sich Nägel i in Folge seiner ganz falschen Auffassung der Ansichten von Cohn gegen „specifische Formen' verwahrte und besonders das Auftreten von allen möglichen üebergangsformen als Beweis gegen die Existenz specifischer Formen anführte. Hätte Cohn einen Monomorphismus der absurden Art vertreten, wie man ihm bisweilen nachgesagt hat, so müsste jede auch nur etwas abweichende Form, als eine specifische aufgefasst und mit besonderen Namen belegt werden. Davon findet sich aber bei Cohn nichts. Im Geiste einer so widersinnigen Formconstanz müsste man z. R. die Nebenfigur 4, bei der die Längsbegrenzungen eine kleine Strecke parallel gehen

1) Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze 1884, S. 494. Vor- lesungen über Bakterien, 1885 (während des Druckes erschienen).

2) In einer während des Druckes erschienenen und nicht mehr berück- sichtigten Arbeit (Archiv für Hygiene 1885, S. 37G) schliesst sich H. Bu ebner im Allgemeinen dieser Anschauung an, wenn er auch noch die Argumente von Cohn nicht vollständig würdigt und diesem Forscher einen von ihm gar nicht vertretenen Monomorphismus vorwirft.

86

Wuchsformen der Bakterien.

und nur die Enden ellipsoid abgerundet sind, tolo coelo von der gestreckten Ellipse 3 auseinanderhalten. Auf der anderen Seite ist wieder nichts leichter, als theoretisch die Form 4 durch die ge- streckte Ellipse 3 und die kurze f]llipse 2 mit der Kugel 1 durch unmerkliche Uebergäuge zu verbinden. Die Ellipse 2 führt unmerk- lich zu der Figur 5, bei der die Seiten etwas parallel laufen und weiter zu den Stäbchen von der Form 6, 7 und 8. Sind Längs- und Querdurchmesser gleich, so führt die Kugel 1 ohne Schwierig- keit durch die Zwischenformen 15 und 16 zu der kurzen, scheiben- förmigen Cylinderform 17. Ebensowenig wird es schwer sein, von dem Ellipsoid 2 zu der Spindelform 18 und von dieser durch 19

Fig. 12.

1 H 3^ jL S 6 7 6 3 10 Jl 12

oOOO OOODO^

IS Ii: 15 16 17 le 20 21

M 2J 24 Z5 Z6 27 28 Z9 SO 31

und 20 zur Keulenform 21 zu kommen. Ein gekrümmtes Stäbchen 22 ist von einem schraubigen Stäbchen 23 nicht immer leicht zu unterscheiden und bei kleinsten Schraubenstücken 25 und 26 ist Niemand im Stande, die Form aus dem Ansehen allein zu beur- theilen. Betrachtet man das schraubige Stäbchen 23 von der Fläche, so sieht es, 30, wie das gerade Stäbchen 10 aus, und das schraubige Stäbchen 24 wird von oben oder unten gesehen wie 31 erscheinen und von einer gestreckten Ellipse 3 oder einem Spindel- stäbchen nicht oder nur schwer zu unterscheiden sein.

Wenn die Kugel 1 sich nach einer Eichtung streckt, hört sie auf Kugel zu sein und wird zur Ellipse 2 oder 3; das Stäbchen 9 wird zur Form 10, ebenso ist das Verhältniss zwischen 11 und 12, 18 und 14, 28 und 29.

Wuchsfonneii der Bakterien.

87

Auch die normalen Theilungsvorgänge, wie sie Fig. 13 sclie- matisch giebt, weisen die Annahme einer starren Form entschieden von der Hand. Die Kugel 1 streckt sich zur Ellipse 2, aus deren Theihmg die kleinen Kugeln 3 hervorgehen. Die kurze Ellipse 4 nimmt die Form 5 an, bei der man es ganz unentschieden lassen muss, ob man sie als gestreckte Ellipse oder als kurzes Stäbchen mit stark abgerundeten Enden bezeichnen soll, und aus der Theilung der Form 5 gehen Zellen hervor, welche bald mehr als Kugeln 6, bald als deutliche Ellipsen 7 erscheinen. Das Kurzstäbchen 8, welches an sich von der Ellipse 4 nicht oder nur schwer zu unter-

Fig. 13.

^23 4: S 6 7 8 9 10 il 12 13 U

098 008809880

2i 2S

OO ü o o

0 o r\ o 0

O

CZXZ) C

scheiden ist, führt zum deutlichen Stäbchen 9; aber bei der Theilung dieser Formen ist es wieder ganz imklar, ob man die kleinsten Theilungsproducte als ganz kurze Stäbchen mit stark abgerundeten Enden 10, oder einfach als Ellipsen 11 bezeichnen soll. Etwas weniger unklar liegen die Verhältnisse bei den Formen 12, 13 imd 14, doch wird es bei der letzteren von der Art der Einstellung ab- hängen, ob man sie nicht lieber als Kugel auffassen soll. Bei 15 und 16 ist kein Zweifel möglich, dass es sich um entschiedene kürzere und längere Cylinderstäbchen handelt. Wenn ein Spindel- stäbchen der Form 18 sich theilt, entsteht nicht ein kürzeres Spindelstäbchen von der Form 17, sondern die Theilungsproducte sind zunächst Ellipsen 19 oder Kugeln 20, welche erst beim weiteren Wachsthum die Gestalt des Spindelstäbchens annehmen. Bei der Theilung eines ganzen kurzen Schraubenstäbschens 21 bleibt man oft im Zweifel, ob die kleinsten Theilungsproducte als noch kürzere

88

Wuchsformen der Bakterien.

Schraubenstücke 22 oder nicht einfach als Ellipsen 23 zu bezeichnen sind. Bei der Vermehrung von kugligen Zellen kommt bisweilen eine verzögerte Ausbildung der Theilung vor, welche zu Formen führt, die gar nicht von deutlichen Stäbchen zu unterscheiden sind. Die Kugel 24 streckt sich zur Form 25, welche in der schraffirten Weise der Figur 26 schliesslich zur Bildung von 2 Kugeln führt. Bis- weilen aber erfolgt die Theilung dann noch nicht, sondern es bildet sich ohne irgend welche sichtbare Gliederung erst die Form 27 aus, welche dann in der schraffirteu Weise zu zwei Formen der Figur 25 zerfällt, aus denen erst die Kugeln durch weitere Theilung hervor- gehen. Oder es kommt vor, dass eine solche Form, wie es bei 28 angedeutet ist, nicht erst in zwei Hälften zerfällt, sondern dass sich gleich 4 Theilungen vorbereiten, welche dann der Form 28 das ein- geschnürte, torulöse Aussehen der Form 29 verleihen, aus der durch weiteres Einschnüren eine Kette von 4 Kugeln hervorgeht. An sich sind solche „Pseudostäbchen" von „ächten Stäbchen" aber nicht zu unterscheiden und erst die Entwicklung giebt darüber Aufschluss.

Alle diese auf ein Grössenverhältuiss, auf eine absolute Grösse der zum Ausgangspunkte dienenden Kugel bezogenen Schwierigkeiten wiederholen sich aber bei jeder absolutep Grösse. Keine Form ist als solche specitisch, eine grosse Kugel ist ebenso gut Kugel wie eine kleine, eine grosse und eine kleine Ellipse, ein Kurz- und ein Langstäbchen derselben Form sind der Form nach nicht specifisch von einander geschieden. Man kann deshalb auch die Formen der verschiedensten Dimensionen theoretisch leicht durch üebergangs- formen mit einander verbinden.

An derartigen Schwierigkeiten ist noch kein Forscher glatt vorbei gekommen, seit Cohn 1872 gezeigt hat, dass es unmöglich ist, zwischen Kugeln, Ellipsoiden, Kurzstäbchen und Langstäbchen der Form nach specifische Unterschiede zu machen und dass bei der normalen Entwicklung diese Formen unmerklich in einander übergehen.

Wenn nichtsdestoweniger später manche Anhänger von Cohn auf die Constanz der Form der Einzelzellen nach dieser Kichtung einen grösseren Werth gelegt haben, als Cohn selbst, so wollten sie in erster Linie Stellung nehmen gegen die unrichtige Deutung

Wuchsformen dei' Bakterien.

89

der Cohn' sehen Lehre .durch N ä g e 1 i und Zopf, dass der Form gar nichts typisches innewohne. In diesem Sinne glauhte ich früher^) überflüssiger Weise bei der Entwicklung der Milchsäure- Bakterien Werth darauf legen zu sollen, dass in der Entwicklung der Form Fig. 13 (8 und 9) die kleinsten Theilungsproducte die Form (10) und nicht die Form (11) haben, während es selbst schwer oder unmöglich ist die Form (8) von der Form (4) und (2) auseinander zu halten.

In diesem Sinne erklärte Flügge 2): , Niemals haben wir beobachten können, dass wirkliche Kokken in Bacillen sich um- wandeln und umgekehrt, und dass diese Umwandlung nur von Er- nährungsbedingungen abhängig ist." Diese Erklärung von Plügge war dem Missverständnisse allerdings leicht zugänglich, weil es sich einmal von selbst versteht, dass die Gattung Mikrokokkus sich nicht in die Gattung Bacillus verwandeln kann, wenn beide Gattungen natürliche sind; weil es nach Cohn eine starre Kokkenform eben- sowenig wie eine starre Bacillenform giebt, und weil es nach Cohn unmöglich ist, einen ellipsoiden Mikrokokkus von einem ellipsoiden Bakterium und ein stäbchenförmiges Bakterium von einem Stäbchen der Bacillen nur nach der Form der Einzelzellen zu unterscheiden.

Von einer Auffassung der Form als specifisch in dem Sinne, den die Nägeli'sche Schule Cohn, Koch und ihren Schülern vorwirft, findet sich übrigens in den eben angeführten Arbeiten nichts, indem ich z. B. bei derselben Gelegenheit den Formcyklus der Milchsäurebakterien unter den verschiedenen Aussenbedingungen ; geschildert, und auf seine Äehnlichkeit mit dem Formcyklus von ■Cohn's Bacterium termo hingewiesen habe. Und Flügge er- klärte : „Wir leugnen nicht etwa das Vorkommen verschiedener Formen i bei ein und derselben Spaltpilzart ; wir wissen, dass die meisten ge- wisse Entwickelungsformen durchlaufen, dass die Bacillen in Faden- lund Sporenform vorkommen; wir wissen ferner, dass das Alter der : Individuen ihre Form beeinflusst und dass die jüngsten Bacillen oft I nicht leicht von Kokken zu unterscheiden sind; wir kennen endlich

1) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, II, 1884, S. 339.

2) Deutsche med. Wochenschrift 1884, No. 46.

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Wuchsformen der Bakterien.

I

Degeiierations- und Involutionszustände, die mit gewissen Formver- änderimgen einhergehen."

Dass es übrigens den Gegnern von Cohn nicht besser gegangen ist, ersieht man beispielsweise daraus, dass Zopf von kurzen Stäb- chen spricht, die „fast mikrokokkenartig erscheinen" und die „mikro- kokkusartigen Kurzstäbchenform" erwähnt.

Die Thatsache, dass es unmöglich, zum mindestens sehr schwier- rig ist nach der Form der Einzclzelle etwa Gattungen oder Arten auseinanderzuhalten, giebt Koch z. ß. zu, wenn er findet'), dass genügende Unterschiede zwischen Bacillen und Spirillen noch nicht gefunden sind, das heisst im Sinne von Cohn und Nage Ii, dass man zwischen geraden, gekrümmten und schraubigen Stäbchen nicht immer scharf unterscheiden kann, während natürlich zur Bestimmung der Gattungen Bacillus und Spirillum von Cohn, wie früher dar- gelegt, noch eine Reihe weiterer Formmerkmale zu Gebote steht, welche trotz dieser Schwierigkeit, wie Koch selbst 2) gezeigt hat, deutliche Unterschiede dieser Gattungen ergeben.

Wenn Cohn und seine Anhänger trotz der Unmöglichkeit zwi- schen den verschiedenen Formen der Einzelzellen scharfe oder gar specifische Unterschiede zu finden, und trotz der durch die normale Entwicklung bedingten Formabweichungen daran festgehalten haben der Form der Einzelzelle einen hohen Werth beizulegen, so waren es hauptsächlich folgende Momente. Unter identischen Bedingimgen kehrt immer eine bestimmte Form der Einzelzellen typisch wieder und wenn man die Formen der verschiedenen Bakterien bei gleicher Vergrösserung und Präparation beobachtet, sind die Dimensionen so ausserordentlich verschieden, derart dass die theoretisch construir- baren Uebergangsformen überhaupt vollständig ausser Frage bleiben.

Die Fig. 14 zeigt dies an einigen Beispielen und zwar die Figuren 1 bei ca. 900 bis lOOOfacher Vergrösserung nach Zeich- nungen, die Figuren II bei ca. 700 maliger Vergrösserung nach

1) Conferenz zur Erörterung der Cholerafrage, II. Deutsche med. Wochen- schrift und Berliner klin. Wochenschrift, 18S5, No. 37.

2) Conferenz zur Erörterung der Cholerafrage, I. Deutsche med. Wochen- schrift 1884, No. 32 und Berliner klin. Wochenschrift, 1884, No. 31.

Wuchsformen der Bakterien.

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Photogrammen. Die grossen Formen bei I gehören ßeggiatoen au ; A ist die frühere sogenannte Monasform, deren einzelne Formen a, b, c und d wohl mit kleineren, gleichfalls kugeligen ellipsoiden und Kurzstäbchen-Formen verglichen werden können, aber durch ihre Dimensionen von denselben so dififerent und typisch geschieden sind, dass man diese Differenz auch zur specitischen Unterscheidung vor- züglich mit verwerthen kann.

Fig. 14.

Zum Theil nach Koch, Zopf und van Ermengem.

B ist die frühere sogenannte Rhabdomonasforrrf , welche von den zum Vergleiche gegebenen Formen deutlich different ist, so dass man wohl zur Ansicht berichtigt ist, dass im Gegensatze zu B unter ähnlichen Verhältnissen die Form B'' a charakteristisch für die Bakterien der Mäuseseptikaemie, b für Bacillus subtilis und c

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Wuchsformen der Bakterien.

für Bacillus anthracis ist. Auch die gekrümmten stäbchenförmigen Formen C zeigen diese enormen Differenzen und ebenso die früher als Spiro- und Ophidomonas beschriebenen schraubigen Formen D und E, wenn man sie mit anderen Schraubenbakterien vergleicht, z. B. bei D'' mit Kommabacillen und bei E" mit den schraubigen Fäden der Kommabacillen, die noch dazu in der Zeichnung etwas zu breit ausgefallen sind.

Bei der Zeichnung II, bei der die Grösse der Blutkörperchen A"" zum Maasstabe dienen kann, kann der Unterschied nicht immer so auffallend sein, aber er bleibt auch dann noch gross genug, so dass man im Stande ist a als charakteristisch für die Bacillen der Mäuseseptikaemie, b der Tuberkulose, c der Cholera asiatica, d des malignen Oedems und e des Milzbrandes anzusehen.

Dagegen zeigen die schraubigen Fäden von Febris recurrens, f, und Cholera asiatica, g, dass die Form allein nicht immer ausreicht, wie es von Cohn für andere, besonders für die bei seinen Mikro- kokken vorkommenden Formen bereits 1872 mitgetheilt war.

Mit Eücksicht darauf, dass der grösste Theil der Missverständ- nisse und Controverse daher rührt, dass ursprünglich zur Gattungs- bezeichnung dienende Namen zum Theil noch in diesem Sinne ver- wendet werden, während sie von anderen Beobachtern nur zu Form- bezeichnungen gebraucht werden, empfiehlt sich auf jeden Fall die Namen der Formen scharf auseinander zu halten von den Gattungs- namen.

Da die verschiedensten Formen der Einzelzelle vorkommen, müsste man strenggenommen für jede Form derselben einen beson- deren Namen wählen, bei dem dann wieder durch diesen Namen die Abweichungen nicht sicher bezeichnet werden können, welche durch die Theilungsvorgänge bedingt sind. Unter diesen Umständen scheint es mir viel praktischer auf eine solche, nur zu neuen Missverständ- nissen führende Nomenclatur ganz zu verzichten und die beobach- teten Formen einfach zu beschreiben, z. B. anzugeben auf Kartoffeln bildet diese oder jene Art scharf abgesetzte oylindrische Kurz- stäbchen, Langstäbchen und Fäden, oder eine andere Art bildet kugelige Zellen, kürzere oder längere Ellipsoide.

Wucbsfovmen der Bakterien.

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"Wenn man aber die biologischen Bedingungen berücksichtigt, unter denen die Einzelzellen als solche besonders auffallen, so findet man, dass es gerade die Zustände sind, bei denen die Bakterien ihre specifische Thätigkeit ausüben, so dass die Formen der Einzelzellen in erster Linie auch die vegetativen Formen dar- stellen. Aus diesem Grunde besonders empfiehlt es sich, die Formen, unter denen uns die Einzelzellen entgegentreten, in einigen grossen Gruppen zu vertheilen, welche aber selbstverständlich nicht schroff von einander geschieden sind.

A. Die Kokkenform umfasst isodiametrische, kugelige und nur wenig gestreckte ellipsoide Zellen. Die früher häufig für die verschiedenen Grössen gebrauchten Namen, Mikro- kokken, Makrokokken oder Monaden sind, weil sie zu Missverständ- nissen führen und zum Theil als Tribus- und Gattungsbezeichnimgen dienen, als Namen für Formen aufzugeben.

B. Die Stäbclienform ist nach einer Seite deutlich gestreckt. Sind die Längsbegrenzungen derartig gestreckter Zellen nicht parallel, sondern ist der Breitendurchmesser an einer Stelle stärker, sodass die Form einer Spindel oder Keule entsteht, so kann man diese Stäbchen a) als Spindelstäbchen bezeichnen. Sind die Längsbegrenzungen auf eine Strecke deutlich parallel, so haben wir b) das gerade Stäbchen. Sind bei den letzteren die Enden stark abgerundet, so sind die kleineren derselben nicht oder nur schwer von einem Ellipsoid oder Spindelstäbchen zu unterscheiden, während bei scharf abgesetzten Enden die Form eines zweifellosen cylin- drischen Stäbchens entsteht, welches bei geringem Längsdurchmesser sich der Scheibenform nähert. Eine Trennung in Kurzstäbchen und Lang Stäbchen ist überflüssig oder hat doch nur eine ganz nebensächliche Bedeutung. Ist die Membran des Stäbchens starr, so bleibt es gerade, während es bei flexiler Membran auch als gekrümmtes Stäbchen erscheinen kann.

C. Die Schraubenfbrm umfasst schraubig gedrehte Stäbchen oder Schraubenstäbchen, welche bei oberfläch- licher Betrachtung leicht als einfach gekrümmte Stäbchen er- scheinen, wie sie in letzter Zeit unter dem Namen „Kommabacillen" schnell populär geworden sind. Die Länge der deutlichen einzelligen

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Wuchsformen der Bakterien,

Schraubenstäbchen schwankt derart, dass sie das zwei bis vierfache des Querdurchmessers beträgt. Die Krümmung, oder genauer die schraubige Drehung ist bei starrer Membran mehr formbeständig, während sie bei flexiler Membran wechseln kann, sodass die Krüm- mung bald ganz flach, bald fast halbkreisförmig erscheint.

IT. Die unter I. geschilderten Formen sind in der Regel zu- gleich die vegetativen Formen und können in dieser Form frei leben und sich vermehren. Bei der Vermehrung durch Th eilung macht sich eine Dilferenzirung des Bakterienprotoplasraa bemerkbar, indem sich, wenigstens bei den grösseren Formen, eine Körnelung des vorher scheinbar homogenen Inhalts einstellt. Bei der Färbung wird dies oft so deutlich, dass man zur Ansicht gezwungen wird, dass das Bakterienprotoplasma aus einer nicht färbbaren und einer in derselben gleichmässig vertheilten chromogenen Substanz gebildet wird. Besonders bei den grösseren Stäbchenformen schien mir in der Regel die Differenzirung der färbbaren Substanz mit einer An- ordnung der chromogenen Körner in Streifen zu beginnen. Dann sammelt sich diese Substanz mehr nach den Polen zu, während in der Mitte ein mehr oder weniger breiter Streifen ungefärbt erscheint, und erst dann stellt sich die Bildung einer Querwand ein, durch welche definitiv die Mutterzelle in zwei Tochterzellen getrennt wird. Die trennende Membran, welche zugleich ein Theil der Zellmembran der Tochterzellen ist, ist besonders bei den kleineren Formen oft so lein, dass sie nur durch Reagentien sichtbar gemacht werden kann, welche das Protoplasma zum Schrumpfen bringen und dadurch gegen die Membran besser abheben. Vor der Theilimg streckt sich die Zelle meist deutlich in die Länge, bisweilen unter gleichzeitiger Vergrösserung des Breitendurchmessers, so dass Formabweichungen zwischen der zur Theilung sich anschickenden Mutterzelle, den kleinsten Theilungsproducten und den mehr typischen Mittelformen ganz unvermeidlich sind.

Dieser morphologische Eindruck sowohl als der Umstand, dass die Bakterienfärbung im Wesentlichen nur eine modificirte Kern- färbung ist, legen eine Analogie der Kerntheilung mit der Theilung des Bakterienprotoplasma sehr nahe. Doch ist es bei unseren opti-

Wuchsformen der Bakterien.

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sehen Hilfsmitteln und dem Stande unserer einschlägigen mikro- chemischen Keactionen, von denen einzelne zudem Differenzen an- deuten, verfrüht, in dieser Aehnlichkeit eine wirkliche Homologie mid Identität zu sehen, oder sicher zu unterscheiden, welcher Theil der Bakterienprotoplasma vielleicht mit dem Kern, und welcher etwa mit dem Zellinhalt anderer Pflanzenzellen direct verglichen werden kann. Bis jetzt ist ein morphologisches Homologen eines Kernes nicht beobachtet, doch deuten die erwähnten Punkte sowohl als Einlagerungen von körnigen Elementen, welche bei einzelnen Bakterien Amylum- oder Gramilosereaction geben, und bisweilen zu beobachtende vacuolenartige und fetttröpfchenähnliche Gebilde, Schwefelkörner, darauf hin, dass die Bakterienzelle etwas complicir- ter ist, als man meist annimmt.

Gerade bei den freilebenden, vegetativen Formen bemerkt man häufig eine auffallende Bewegung, welche der Hauptgrund war die Bakterien zuerst den Thieren , speciell den Monaden zuzurechnen. Bei einer solchen Form, welche er als Gattung Ophidomonasbeschreibt, war bereits von Ehren- berg^) „ein fadenför- miger Küssel als Bewe- gungsorgan" beschrie- ben worden. Später fand Cohn 2) bei Spirillum volutans, Fig. 15 P, an jedem Ende einen Geis- selfaden, welche durch ihre Bewegung an bei- den Enden Wirbel in der Flüssigkeit bildeten. Warming (S. 17) ermittelte 1875 bei Ophidomonasformen nicht nur solche mit

1) Die Infusionsthierchen, 1838, S. 43.

2) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, I, Heft II, 1872, S. 183.

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Wuchsformen der Bakterien.

einer Geissei, sondern auch Individuen mit zwei, Fig. 15 L, und selbst drei, M, Geisseifäden. Im selben Jahre gelang es D allin- ger und Drysdale^) bei sehr kleinen, als Bakterium terrae aufgefassten beweglichen Bakterien geisselartige Fäden durch eine besonders intensive schiefe Beleuchtung zu sehen. Dass diees Be- obachtungen von der Existenz geisselartiger Anhänge bei beweg- lichen Bakterien richtig sind, zeigte Koch 2) durch die Photographie derselben, indem er sowohl bei Stäbchenformen, Fig. 15 B, als bei Schraiibenformen , Spirillum undiüa, C, dieselben durch besondere Präparation fixirte. Auch für Kugelformen giebt Zopf, Fig. 15 A, derartige Gebilde an, die er besonders bei den Monasformen von Beggiatoa roseo-pursicina , G, H, J, K, und den Stäbchen- und Schraubenformen von Cladothrix, Crenothrix und Beggiatoa, D und E, beobachtete.

Mit derartigen Beobachtungen schien die Frage definitiv gelöst zu sein, dass die Bewegungen der Bakterien durch besondere Bewegungsorgane, Cilien, Geissein, Flagellen ver- ursacht sind, und man ging sogar so weit, geradezu aus der Be- wegung oder dem Auftreten von Wirbeln an den Enden beweglicher Bakterien auf die Anwesenheit von derartigen Organen zu schliessen. Wie weit dies z. B. besonders bei der schwärmenden Kokkenform A der Fall ist, ob es sich dabei nur um schwärmende Kokken, oder um nachgewiesene Cilien handelt, ist schwer zu sagen, vielleicht handelt es sich dabei um eine Art Schwärmsporen.

Wenn auch die Botanik die Existenz von beweglichen, mit Cilien begabten Zellen, von Schwärmzellen und Schwärmsporen in grösserer Ausdehnung festgestellt hat, so liegt darin allein kein Grund, jede Bewegung bei niedersten Pflanzen von besonderen Bewegungsorganen abhängig sein zu lassen. Schon Perty hatte 1852 erklärt, dass die Bewegung der Bakterien gar nicht so thierähnlich sei, wie mau nach Ehrenberg und D u j a r d i n annahm, sondern mehr der Be- wegung der Oscillarien gleiche, und bei diesen viel grösseren Pflanzen

1) On the existence of flagella in Bacteriuni termo. Monthly Microscopi- cal Journal. Sept. 1875.

2) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, II, Heft III, 1877.

Wuchsformen clor Bakterien.

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kennt mau jetzt noch keine besonderen Bewegungsorgane. Ebenso- wenig ist etwas Derartiges von Diatomaceen bekannt. Bei solchen pflanzlichen Organismen hat man die Bewegung dadurch zu erklären versucht, dass an den beiden Enden der Zellen oder Zellfäden Un- gleichheiten in der Diosmose der Nährstoffe vorhanden sind.

Sind nun die Cilien der Bakterien zunächst wirkliche Cilien, d. h. Fortsätze des Bakterienprotoplasma, welche event. wieder ein- gezogen werden können und welche bei Anwesenheit einer Membran durch eine präformirte Oeffnung derselben nach aussen treten, ohne mit der Membran als solcher in Zusammenhang zu stehen? Schon die ganze Präparation, durch welche es Koch gelang die Cilien zu fixiren und dadurch der Photographie zugänglich zu machen, spricht sehr entschieden gegen die protoplasmatische Natur dieser Gebilde. Bei anderen Bakterien, z. B. dem Clostridium butyi'icum, fand van Tieghem, dass dessen Cilien mit Kupferosydammoniak Cellulose- reaction zeigen. Van Tieghem^) hielt in Folge dessen die Cilien der Bakterien überhaupt nicht für ächte contractile Cilien, sondern für einfache Fortsätze oder Anhänge der Membran.

In diesem Falle sind nicht die Cilien das Bewegende, sondern das Bewegte und die Bewegung würde nach van Tieghem dadurch zu Stande kommen, dass der protoplasmatische Inhalt der Zelle sich contrahirt. Für die Auffassung, dass die Bewegung bei den Bak- terien diu-ch Differenzen in der Diosmose an den Enden der Zellen, ähnlich wie bei Diatomaceen oder Oscillarien, zustande kommt, macht Kurth 2) besonders die Beobachtung geltend, dass längere Stäbe und Fäden unter Umständen eben so lebhaft beweglich sein können, wie Einzelzellen. Dieselben Bewegungsorgane, welche sonst nur eine einzige Zelle in Bewegung setzen können, müssten auf einmal fähig sein, die 8 bis 10 fache und noch grössere Zahl von Zellen zu be- wegen, da bei den Fäden nur die beiden Endzellen Cilien besitzen können.

') Sur les pretencTus cils des bacteries. Bulletin de la Societo Botanique de France. T. 26, 1879, S. 37.

2) Botanische Zeitung 1883, S. 395.

Hneppe, Formen der Bakterien. 7

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Wuchsfonnen der Bakterien.

Zopf maclite dann i) Beobachtungen, welche dafür sprechen, dass bei gewissen Arten, wie Beggiatoa, Cladothrix und Crenothrix die geisselartigen Gebilde ächte Cilien, d. h. contractile Protoplasma- fortsiltze sind. Beim Zerfalle von Cladothrixfäden zeigte sich sofort an der Theilungsstclle, und nicht nur an dem schon vorher freien Ende eine lebhafte Strudelbewegung, wobei er allerdings das Auf- treten von derartiger Bewegung als Beweis für die Existenz von Cilien betrachtet, wenn er sagt, „dass sie sofort nach ihrer Ablösung an beiden Polen Strudel, also Cilien zeigten, mittelst deren sie lebhaft schwärmten." Wichtiger ist deshalb seine weitere An- gabe, dass er bei einer der Monasformen von Beggiatoa roseo-persi- cina direct beobachtet habe, „dass die hier sehr dicken und langen Cilien sofort eingezogen werden, wenn man Keagentien wie 1 % Ueber- osminiumsäure wirken lässt."

Aus unseren bisherigen Erfahrungen geht hervor, dass die An- wesenheit von ächten protoplasmatischen Geissein keine conditio sine qua non ist für die Bewegungen der Bakterien. Weiter wird es sehr wahrscheinlich, dass sich unter den bisher als Geissein, Cilien oder Flagellen bezeichneten Gebilden morphologisch ungleiche und wohl auch physiologisch nicht gleichwerthige Dinge befinden. Diese Unsicherheiten und Unklarheiten sind für die Frage der Artbestim- mung sehr zu bedauern. Wenn man z. B. einwandsfrei zeigen könnte, dass der Bacillus subtilis entweder seine Bewegung ächten proto- plasmatischen Cilien verdankt oder doch wenigstens, dass er constant Gebilde besitzt, welche den Cilien ähnlich sind, während man ebenso einwandsfrei nachweisen könnte, dass dem Bacillus anthracis, auch wenn er einmal geringe Bewegungen zeigt, niemals etwas ähnliches zukommt, so würde eine derartige Beobachtung eine neue wichtige morphologische Differenz zwischen den beiden Arten sicher stellen. Davon ist aber bis jetzt keine Rede, sondern man konnte bis jetzt sicher nur sagen, dass der Bacillus subtilis im vegetativen Stadium lebhaft beweglich ist, während der Bacillus anthracis unbeweglich oder doch höchstens schwerfällig beweglich ist. Dass die Lebhaftig-

1) Zur Morphologie der Spaltpflanzen 1882, S. 7, die Spaltpilze 3. Aufl.. 1885, S. 17.

Wuchsfonneu der Batterien.

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keit der Bewegung aber mit dem Vorhandensein der cilienartigen Gebilde an sich nichts zu thun hat, ergiebt sich aus Koch 's An- gabe, dass die, Fig. 15 B, mit Cilien photograpbirten Bacillen eine ,schwerföllige wackelnde Bewegung" zeigen.

III. Die Yerbäiide der Einzelzellen.

Der Protoplasmakörper der Bakterie ist umgeben von einer Membran, welche manchmal so starr ist, dass die Form der Zellen constant bleibt, während sie in anderen Fällen wieder dehnbar, flexil ist, so dass sie Bewegungen des contractilen Inhalts zu folgen ver- mag. Die äusseren Schichten dieser Membran sind fortwährend in Auflösung oder Quellung begriffen, so dass man als eigentliche Zell- membran strenggenommen nur die festere, innerste Lamelle einer gelatinösen Hülle ansprechen kann, welche das Bakterienprotoplasma umgiebt. Sind die Bakterien in Bewegung, so streifen sie die äus- seren in Quellung begriffenen Schichten der Membran ab, so dass nur die innerste und eigentliche Zellmembran deutlich ist. Kommen bewegliche Bakterien zur Ruhe oder sind die Bakterien an sich un- beweglich, so werden die äussersten in Quellung begriffenen Schichten der Membran nicht abgestreift, sondern dieselben führen zu einer '' festeren Vereinigung der Einzelzellen. Diese dadurch resultirenden Gallertmassen sind in ihrer Consistenz verschieden und wechseln von einem in Wasser leicht zerfliessenden Schleim bis zu kuorpelharten Massen. Auf die Consistenz hat nicht nur die Festigkeit resp. der Wassergehalt des Nährbodens und die chemische Zusammensetzung ' der Nährlösungen, sondern wohl auch die chemische Zusammensetzung ider Membran Einfluss. Bei einigen imbestimmten Fäulnissbakterien I besteht nach Nencki und Sch affer i) die Membran zum gröss- tten Theil aus einem Mycoprotein genannten Eiweisskörper. Nach ;Kuschbert und Neisser^) soll die Membran der Bakterien der :Xerosis conjunctivae sehr fetthaltig sein. Bei den meisten Bakterien, 1 besonders gut bei Leuconostoc, Sarcina ventriciüi nachweisbar, be-

1) Beiträge zur Biologie der Spaltpilze von Nencki, 1880, S. 35.

2) Breslauer ärztl. Zeitschrift 1883, No. 4; Deutsche med. Wochenschrift 11884, No. 21.

7*

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Wuclisformen der Bakterien.

steht die Membran aus Cellulose. Während des Vergallertens oder Aufquellens der Membran, und in Flüssigkeiten wenigstens meist schon vor dem Auftreten grösserer Schleimmassen walirnehmbar, machen sich noch besondere Wachsthumsriehtungcn und dadurch bedingte Pormeigenthümlichkeiten geltend.

Schon aus diesen Angaben erhellt, dass, wenn bestimmte Form- verbände sich bilden, dieselben unbewegliche Bakterien von Anfang an betreffen können, dass sie bei beweglichen sich aber auffallend erst einstellen, wenn dieselben in Kuhe übergehen, so dass man als Regel annehmen kann, dass solche Formverbände entweder unbeweg- liche Bakterien enthalten oder Ruhe formen von beweglichen Bak- terien darstellen.

A. Bei der Vermehrung erfolgt das Wachsthum in einer Rich- tung und es entstehen Ketten von Einzelzellen. Bei der Kokken- form, Fig. 16 A, sind M die Grenzen der Einzel- ^ glieder immer scharf (Q) von einander abgesetzt AI und auch bei den zur

1 V/l

AT Theilung sich anschi- yW ckenden oder in Thei- (m lung begriffenen Glie- dern ist eine Täuschung f \ über die Zellgi'enzen nicht möglich. Derar- tige Ketten wurden frü- her auch als Torula oder

Rosenkranzform be- zeichnet; von Billroth wurde für diese Form auch der Name Streptokokkus gebraucht.

Die Ketten der Spindelstäbchen B zeigen wohl Einschnürungen, doch ist die Grenze der Einzelzellen nicht immer deutlich. Bei den Ketten der geraden Stäbchen ist bisweilen, wenn die Enden der Einzel- zellen eine scharf markirte Form besitzen, eine deutliche Gliederung zu sehen, Fig. 22 C, a. Doch ist das deutliche Auftreten dieser Form zum Theil abhängig von der Art der Präparation, so dass es nicht

Fig. 16.

Wuclisformen der Bakterien.

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immer so scharf markirt ist wie bei C. Bei vielen Stäbclienketten ist eine Gliederung nur schwer oder nur an einzelnen Stellen zu erkennen, Fig. 16 D und Fig. 1 E; Fig. 6 D, F. Oft erscheinen die Ketten der Stäbchenform geradezu ohne jede Segmentirung E ; Fig. 6 E. Man nennt deshalb die Ketten der Stäbchenform meist Fäden und bei ganz undeutlicher Gliederung wohl auch Scheinfäden. Lange scheinbar ungegliederte Fäden bezeichnete man früher auch als Lep- tothrix und Mycothrix. Die Fäden der Stäbchen sind bald gerade E, oder bei flexiler Membran biegsam imd mehr oder weniger deutlich wellenförmig gebogen F und Fig. 1 E; Fig. 6 C.

Die Fäden der Schraubenstäbchen sind schraubig gewunden und werden meist kurz als Schrauben bezeichnet. Die Form wechselt von ganz flach ausgezogenen, scheinbar einfach wellig gebogenen, schraubigen Fäden, Fig. 1 6 G ; Fig. 1 F ; Fig. 3 C ; Fig. 6 H bis zu eng gewundenen Schrauben, Fig. 16 J; Fig. 1 J; Fig. 4 A; Fig. 9 B. Die schraubigen Fäden sind bald starr, so dass die Bewegungen um eine fast mathematisch vorgezeichnete Axe zu erfolgen scheinen, Fig. 16 G, J ; Fig. 1 H, J; Fig. 4 A, bald flexil, Fig. 16 H; Fig. 4 B und C ; Fig. 9 C. Bisweilen sieht man auch zwei schraubige Fäden umeinander gewunden, Fig. 1 G und H; Fig. 4 C, b. Gerade sowohl, Fig. 16 L, als schraiibige, Fig. 16 M, flexile Fäden können Schleifen, Fig. 5 C ; Fig. 6 E und F ; Fig. 9 F, bilden, wobei eine Knickung durch die Flexilität der Membran und die Cohaerenz der Gallert- hülle verhindert wird. Statt eine einfache Schleife zu bilden, kann sich aber auch der Faden am älteren Theile peitschenschnurartig aufwinden, Fig. 16 N; Fig. 5 C; Fig. 6 G; Fig. 9 F. Diese Um- schlingungen, früher als Form-Gattung Spirulina genannt, finden sich auch bei Fäden, welche, wenn sie frei vorkommen, nicht eine - Spur einer schraubigen Windung zeigen ; ich habe sie bei ächten Bacillen, z. B. bei b. anthracis und bei Spirochaeten, gefunden, bei relativ einförmigen ebenso gut gesehen wie bei entschieden pleo- morphen Arten.

Die Bildung dieser Form schien mir wesentlich von mechanischen Momenten abzuhängen und zwar einmal von einer entschiedenen Flexilität des Fadens, dann besonders von Eigenthümlichkeiten des Nährbodens. Besonders häufig fand ich sie bei Bakterien, welche

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Wuchsformen der Bakterien.

die Gelatine nur langsam verflössigten oder erweichten, so dass einerseits die uichtalterirte Gelatine dem directen Weiterwachsen ein Hinderniss bot, wodurch der Faden aus seiner ursprünglichen Wachs- thumsrichtung abgelenkt wurde, während andererseits der abgelenkte Faden in dem schon alterirten Theile der Gelatine keine weitereu Hindernisse zu überwinden hatte. Je nach der Kichtung in der der zurückkehrende Faden den ursprünglichen traf oder kreuzte, bildete sich dann einfach eine Schleife oder die Berührung wurde, unterstützt durch den innigen Contact der Gallerthüllen, eine innigere und der eine Faden rankte sich wie an einer Stütze an dem anderen auf. Für diese Auffassung kann ich weiter anführen, dass in Lösungen solche Umschlingimgen von Anderen und mir nur bei schraubigen Fäden beobachtet wurden. Der Werth dieser Form hat auf jeden Fall mit derartigen Beobachtungen jede besondere Bedeutung verloren.

Bei flexilen Fäden kann es zu vollständigen Knäueln kommen, Fig. G E, F. Aber auch an einzelnen Fäden sieht man bisweilen verschiedene Schraubenformen vertreten. Fig. 5 A, B; Fig. 9 D, E.

Bisweilen zeigen die Fäden einen Gegensatz von Basis und Spitze, indem'das eine Ende an einen festen Körper anhaftet, während das andere frei in die Flüssigkeit hineinragt. Bei Cladothrix, Fig. 5 A, kommt sogar eine eigenthümliche Verästelung, auch über- flüssiger Weise als falsche oder Pseudoverzweigung beschrieben, vor, indem ein Glied aus der ursprünglichen Wachsthumsrichtung aus- weicht und in dieser neuen Eichtung neben dem ursprünglichen Faden weiterwächst.

Nach meiner Darstellung soll man als Stäbchen und Schrau- benstäbchen nur Einzelzellen bezeichnen, während Faden immer einen Verband von Einzelzellen bezeichnet. So gut sich dies auch theoretisch motiviren lässt, so schwierig kann es praktisch bisweilen sein, diese . Grenze genau zu erkennen. Ehrenberg, Perty, Nägeli und seine Schüler sind theoretisch ganz sicher, dass eigentlich alle Bakterien resp. Fäden aus isodiametrischen Gliedern bestehen. Faktisch hat aber Buchner trotz dieser bequemen Theorie selbst ermittelt, dass sogar ziemlich lange einzellige Stäbchen vorkommen können und alle nicht voreingenommenen Forscher haben beobachtet, dass mindestens noch Glieder zweifellos einzellig sein

Wuchsformen der Bakterien.

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können, welche viermal so lang wie breit sind, und Kurth verwahrt sieh sehr entschieden gegen die N ä g e 1 i ' sehe Annahme. Man findet, auch mit den zur Darstellung der Gliederung zuverlässigsten Reagentien, nach Arten und Entwicklungsstadien schwankend, längere und kürzere Glieder. Auf der anderen Seite hat man sich aber auch zu hüten, aus dem bei Vermeidung von Eeagentien scheinbar einheitlichen Eindrucke auf Einzelligkeit zu schliessen, Cohn hat sich zwar bei den Fadenbakterien gegen diesen Jrrthum leidlich geschützt, bei seinen Schraubenbakterien aber nicht in gleicher W eise. Der Grund zu der Annahme, dass auch längere Fäden ein- heitlich sein können, liegt darin, dass spontan längere Stäbchen, Fig. 1 E, oder flache Schrauben, Fig. 1 F, oder stärker gewundene Schrauben, Fig. 15 D, wenn sie eine gewisse Länge erreicht haben, an der ältesten Gliederungsstelle die Theilung eintreten lassen, so dass man leicht darauf verfallen kann, das überhaupt erfolgende spontane Eintreten einer Theilung als Zeichen anzusehen, dass vor- her keinerlei Gliederung bestand.

Wenn man demnach nur nach dem ersten Eindrucke von Stäbchen und Schrauben spricht, kann es sich nur um den Eindruck solcher Gebilde, um den Habitus ein druck von Stäbchen und Schrauben handeln. Durch eine besondere Untersuchung ist für jeden Fall zu ermitteln, ob ein derartiges Stäbchen oder eine Schraube wirklich als Stäbchen oder Schraubenstäbchend. h. als einzellig oder ob es als Faden d. h. als mehrzellig zu betrachten ist.

B. Die Vermehrung der Zel- len erfolgt nicht in einer ein- zigen, sondern in zwei aufeinander a senkrechten Richtungen und es entstehen successive, Fig. 17 A, * die Stadien a bis e, so dass die Höhe des Formverbandes durch 4 in ein er Fläche verbun- dene Zellen, e, eine Tetrade, dargestellt wird.

C. Bisweilen erfolgt noch eine weitere Vermehrung in einer dritten Richtung, so dass als Höhestadium des Verbandes 8 packet-

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Wuchsformen der Bakterien.

förmig nach drei Dimensionen des Raumes angeordnete Zellen, Fig. 17 B, f, resultiren.

Bisweilen findet man als Zwischenstadiiim die Tetrade mit ganz imdeutlicheu Grenzen, B, e, und hat darin eine besondere „Theilung über's Kreuz durch Scheidewände, die aufeinander senkrecht stehen" erblickt. Soweit ich dies beobachten konnte, zeigt das Auftreten dieser Form nur eine festere Vereinigung der Zellanordnung d, und mit Reagentien und Anilinfarben konnte ich meist die Zellgrenzen wieder deutlich machen, so dass ich geneigt bin, diese Form auf eine Vergallertung der trennenden Zellmembranen zurückzuführen, durch welche schliesslich auch die Packete zerfallen. Auch bei den Packeten von 8 Zellen, Fig 20 B, c, kommen schnell die Waarenballen ähnlichen Formen, Fig. 20 B, e, zu Stande. Bisweilen schon ohne weitere Präparation, oft erst nach Einwirkung von Reagentien lösen sich aber die Packete der Form e in die der Form d auf. Ich halte danach die in d erscheinenden Kügelchen für dieselben wie c und fasse das grössere Packet auf, als durch geringe Quellung der Gallertmembranen entstanden, wodurch die einzelnen Zellgrenzen undeutlich geworden sind. In den Kügelchen von d Kerne zu sehen, widerspricht unseren anderweitigen Erfahrungen zu schroff.

Geht die Quellung der Membranen der Tetrade, Fig. 17 B, e, noch weiter, so zerfällt dieselbe, die einzelnen Zellen werden frei und es wiederholt sich die Entwicklungsreihe, Fig. 17 A, a bis e; dasselbe geschieht, wenn die Quellung des Packets, Fig 20 B, d, so weit geht, dass der Verband gelockert wird. Bei der Vermehrung können schliesslich aus einer Tetrad^e grosse Tafeln, Fig. 20 A, ent- stehen, in denen immer je 4 Zellen fester vereinigt sind, oder grössere Packete, in denen immer je 8 Zellen eine festere Verbindung zeigen.

D. Häufiger kommt es vor, dass die Zellen bei der Theilung sich nicht so characteristisch anordnen, sondern un regelmässige Gruppirungen, Haufen bilden. In solchen Haufen, Fig. 17 C, sieht man bisweilen kleine Ketten, oder auch Tetraden, selbst ein- mal Packete, aber es fehlt die Regelmässigkeit, meist vermisst man jede eharacteristische Anordnung. Die Figuren, welche auf diese "Weise von der Kokkenform im Gewebe bisweilen gebildet werden

Wuchsfornien der Bakterien.

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können, hat Ogston^) mit Trauben verglichen und deshalb auch von einem besonderen Staphylokokkus gesprochen. Auch bei der Stäbchenform, Fig. 17 D, E, kommt es zu unregelmässigen Grup- pirungen, neben denen man bisweilen auch Ansätze zur Fadenbil- dung findet.

Eine absolute Grenze zwischen den einzelnen Gruppen A bis D ist nicht zu ziehen und theoretisch kann man sie leicht untereinander verknüpfen. Besonders ist die Grenze zwischen den Fäden und den Haufen nicht so scharf, wie man sie früher ziehen wollte. Wenn Fäden sich gliedern, wachsen die Theilstücke bald in derselben Sich- tung zu parallelen Fäden aus, aber es können sich auch unregel- mässigere Anordnungen einstellen. Die einzelneu dieser Verbindungs- weisen bezeichnen keine starren Wuchsformen, sondern sind zum Theil in ihrem Entstehen abhängig von Aussenbedingungen und gehen zum Theil unmerklich ineinander über. Ich halte es deshalb beim gegenwärtigen Zustande unserer Kenntnisse für richtiger, die Verbindungsweisen der Einzelzellen in jedem einzelnen Falle ebenso wie die Formen der Einzelzellen zu beschreiben, aber besondere Namen zum vermeiden. Die Bezeichnungen Torula, Leptothrix, Myco- thrix, Spirulina, Merismopedia, Sarcina, Streptokokkus, Staphylo- kokkus führen nur zu Verwirrungen, wenn man sie als Namen für bestimmte Formen oder Formverbände gebraucht, und dies um so mehr, als einzelne dieser Namen immer nebenbei auch als Gattungs- namen gebraucht wurden und in diesem Sinne auch jetzt noch un- entbehrlich sind.

Da aber auf der anderen Seite nicht verkannt werden kann, dass der Verbindungs weise der Zellen zu Ketten, Fäden, Tetraden, Packeten eine gewisse Gesetzmässigkeit zukommt, genügt es voll- ständig, dieselbe in den 4 geschilderten grossen Gruppen zum Aus- drucke zu bringen, weil sich darin die zur Beobachtung kommende Constanz genügend zu erkennen giebt.

IV. Sowohl bei den Einzelzellen als den Verbänden derselben treten bisweilen Formen auf, welche die Formkreise wesentlich ver- mehren würden, wenn nicht gute Gründe zur Annahme vorhanden

1) Jouinal of anatomy and physiology, 1882, Bd. XVI, S. 526; Bd. XVII, S. 24.

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Wuchsformen der Bakterien.

Wären, dass diese Formen pathologische sind, dass sie als Zerfalls- prodiicte niul Deg-eiieratioiisfonneii aufgefasst werden müssen.

Die Fig. 18 zeigt eine Keihe hierher gehöriger Formen, welche verschiedene Gattungen der Bakterien betreffen. A giebt nach M a d d 0 X ^) solche degenerirte Formen von Milchsäurebäkterien ;

Fig. 18.

B nach Prazmowski von Clostridium polymyxa; C stellt Formen von Bakterium Zopfii nach Kurth: D von Bacillus subtilis und E von Bacillus anthracis nach Buchner; F von Vibrio rugula nach Warming vor und G giebt eine Reihe von van Ermengem und mir bei den Kommabacillen der Cholera asiatica beobachteten sicher degenerirteu und entwicklungsunfähigen Formen.

Nach C. E. Hansen 2) treten bei der Entwicklung des Bak- terium aceti neben den ganz kurzcylindrischen, fast ellipsoideu Gliedern in gewissen Entwicklungsstadien ziemlich regelmässig ki'äftigere

1) Journal of the Eo3'^al Microscopical Society 1885, Ser. II, Vol. V, S. 205.

2) Meddelelser fra Carlsberg Laboratoriet, Bd. 1, 1882 (Heft 2, 1879).

Wuchsformen der Bakterien.

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Stäbchen und aufgetriebene Glieder auf. Es ist deshalb nicht iin- möglicli, dass manches, was auf den ersten Blick den Eindruclc einer ßückbildungs- oder Degenerationsform macht, bei einzelnen Arten in die normale Entwicklung hineingehört. Dass manche Formab- weichungen, welche bis jetzt noch nicht besprochen sind, bei der normalen Entwicklung vorkommen, wird bei der Fructification noch gezeigt werden und da Hansen seinerseits geneigt ist, etwas Ähn- liches bei Bakterium aceti anzunehmen, wird man gut thun aus der Form allein nicht ohne Weiteres auf eine Degenerationsform zu schliessen.

In den von mir genauer untersuchten Fällen, welche Bacillus anthracis, die sogenannten Kommabacillen, und die Bakterien der blauen Milch betreffen, hatten derartige Formen keine weitere Eolle, sondern sie waren wirklich entwicklungsunfähig und wenn aus der- artigen Kultaren wieder neue Generationen entstanden, war kein Zweifel, dass Sporen oder einige noch nicht degenerirte Formen die- selben einleiteten.

In vielen Fällen ist aber noch eine genauere Prüfung erforder- lich, besonders mit Rücksicht darauf, ob das Eintreten von ähnlichen Formabweichungen als Vorb er eitung einer besonderen Fructification aufzufassen ist oder ob und inwieweit derartige Formen vielleicht als besondere G ährungsf ormen zu be- trachten sind. Morphologisch sind die zweifellosen Degenerations- formen durch die Tendenz charakterisirt unter Wasseraufnahme und Protoplasmaaustritt zu quellen und dabei, soweit dies die Membran zulässt, Kugelform anzunehmen. Bei den Einzelzellen, Fig. 18 G d, e, f und bei D, ist dies deutlicher als bei den Fäden, bei denen die einzelnen Stücke der Membran oder genauer die Membranen der einzelnen Glieder verschiedene Widerstände bieten, so dass man neben ganz aufgetriebenen auch mehr normale Strecken hat. Da das Eintreten der Kugelform wesentlich auf ein mechanisches Moment, das Quellen durch Wassereintritt, zurückzuführen ist, halte ich es für ganz verfehlt, aus derartigen pathologischen Formen, wie Buchneri) es versucht, den Schluss zu stützen, dass die normalen Bakterien und Fäden aus isodiametrischen Gliedern bestehen.

1) Nägeli, Untersuchungen niederer Pilze 1882, S, 217.

108

Wuchsformen der Bakterien.

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Neben derartigen Degenerationsformen findet sich bisweilen auch ein körniger Zerfall als besondere Form der regressiven Metamorphose. Während Zopf, Fig. 19 A, bei der Entwicklung der Srnnpfspirochaete einen regelmässigen typischen Zerfall, erst in längere Stäbchen, dann in kürzere Stäbchen be- schreibt, die schliesslich in je zwei kuglige Zellen zerfallen, so dass schliesslich eine Reihe von Kugeln entsteht, von denen je zwei dichter beisammen liegen, hatte ich bei meinen Untersuchungen über die Entwicklung und Gliederung der schraubigen Fäden der Komma- bacillen^) eine derartige Regelmässigkeit nicht gefunden, sondern

nur ermittelt, dass die Fäden, B, bei , der spontanen Fragmentirung zum

Theil in die einzelnen Schrauben- stäbchen zerfallen, zum Theil aber auch noch kleinere Fadenstückchen erhalten bleiben ; der Faden zerbrach in keinem Falle erst in längere Glie- der, aus deren weiterer, regelmässiger Gliederung erst die Schraubenstäbchen hervorgingen. Bisweilen, C, sah ich aber scheinbar die Gliederung auf kleinere oder grössere Strecken eines Fadens fortschreiten und es bilde- ten sich Reihen von Körnern, welche mit den Kokkenketten von Z o p f grosse Aehnlichkeit hatten, aber abgestorben und entwicklungsunfahig waren. Auch bei Bacillen habe ich eine derartige körnige regressive Metamorphose gesehen. Eine regelmässige Gliederung von Schi-auben und Stäbchen in kuglige Glieder, welche er Gonidien nannte, hatte übrigens Cohn bereits 1877 unter Verhältnissen beobachtet, welche nichts mit körniger, regressiver Metamorphose zu thun hatten.

Ferner giebt es in der normalen Entwicklung der Bakterien besondere Fructificationsformen und Dauerzellen, welche sich vor- wiegend in ähnlicher Form wie Kokken repräsentiren. Damit haben wir Material gewonnen, um zu unterscheiden, was man nun im engereu Sinne Kokkenformen oder Kokken nennen soll. Der bis- herige laxe Sprachgebrauch, gegen den ich mich früher schon ^)

1) Portschritte der Mediciu, HL 1885, No. 19. «) Fortschritte der Medicin, I, 1883, S. 206.

Wuchsformen der Bakterien.

109

Zopf gegenüber ausgesprochen habe, nennt bei Bakterien jedes knglige oder ellipsoide Gebilde Kokkiis, höchstens mit Ausnahme der endogenen Sporen. Wenn man aber so verfahren will, ist die Confusion ganz mivermeidlich und man kann es dann kaum Je- manden übelnehmen, wenn er die Protoplasmakügelchen der Mast- zellen auch Kokken nennen will.

Wir haben von den Kokken streng auszuschliessen alle I'ructi- hcations- und Dauerzellen, mögen sie morphologisch noch so ähnlich sein, ferner alle Degenerations- und Zerfallsformen. Die Kokkenform oder der Kokkus ist eine normale, vegetative, direct als solche theilungs- und vermehrungsfähige Form.

Fig. 20.

V, Sowohl die Einzelzellen als die Formverbände derselben können durch die aufquellenden Schichten der Membran zusammen- gehalten kleinere oder grössere Schleimfamilien, Gallertstöcke, Palmella oder Zoogloea bilden (cfr. S. 75). Nach de Bary's^) Zusammenfassung stellen dieselben Je nach Speeles und Kulturform gelatinöse Schichten oder Häute dar, welche die Oberfläche des festen oder flüssigen Substrats bedecken, oder aber, in Flüssigkeit suspen- dirt, klumpige, nicht selten lappig verzweigte Massen verschieden- artigster Form. Die gallertigen Zellmembranen sind in ihnen ent- weder in eine homogene Masse zusammengeflossen, oder nach den Einzelzellen und Specialverbänden geschichtet."

1) Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze, 1884, S. 495.

110

Wuchsformen der Bakterien.

Als besondere Specialverbände trifft man in grösseren Zoogloeeu die' Fädeil, ferner die Tetraden, Fig. 20 A, die Packete, Fig. 20 B; man beobachtet dabei neben diesen Formen auch meist die ver- schiedenen üebevgangsformen, doch sind im Allgemeinen die Ver- bände gut ausgesprochen, weil die Zoogloea als eine ßuheform nicht zu schnellen Veränderungen führt. Ein anderer auffallender Special- verband wird durch Askokokkus, Fig. IIA, repräsentirt. In dieser Zoogloea sind schon makroskopisch kuglige oder ovale Körperchen a, b zu erkennen, welche mikroskopisch aus haufenweise angeordneten Kokkenballen bestehen, welche durch eine resistente Gallerte von fast knorpelartiger Consistenz umgeben und von den anderen Theilen c der Kokkenzoogloea etwas getrennt sind. Bei der Kokkenform von ßeggiatoa roseo-persicina bilden sich solide maulbeerförmige Zellanhäufungen, welche oft durch Aufnahme von Wasser zunächst zu Hohlkugeln werden, deren Wand von einer einfachen Schicht kugliger Zellen gebildet wird, ßeisst diese Schicht ein, so bilden sich Holilnetze oder netzförmige Zoogloeen, Fig. IIB.

Bei einzelnen Bakterien ist die kuglige oder stäbchenförmige Zelle von einer Kapsel, Fig. 20 C, umgeben, welche annähernd die Form zeigt wie die eingeschlossene Zelle. Schon bei derartigen Kapselbildungen erfolgt nicht immer sofort nach der Theilung der Zellen auch eine Theilung der Kapseln, sondern man findet auch längere Kapseln D, welche mehrere Zellen in verschiedene Entwick- lungsstadien umschliessen können und gerade in solchen Kapseln sieht man sehr häufig die bereits in Fig. 13 (24- 29) schematisch dargestellte Bildung und Auflösung von Pseudostäbchen.

Die Bildung der bei Leuconostoc vorhandenen Zoogloeaform zeigt die Fig. 20 E bis H, Nach van Tieghem^) zerreisst erst die äussere Membran der Spore E, dann hebt sich unter starker Vergallertung eine zweite Membran ab, so dass die Zelle bei a von einer Gallerthülle umgeben ist, dann verlängert sich die Zelle, theilt sich, während die Gallerthülle die sämmtlichen Zellen umfasst, so dass sich successive die Formen von F und G bilden. In diesen Gallertmassen sind die Zellen immer in Keihen angeordnet, bald

1} Aniiales des Sciences naturelles, Botaniquc, T. A^ll, 1S78, S. 191.

Wuclisiuruicii dei' Balvtcrien.

III

Avie bei G etwas mehr von einander entfernt, bald wie bei H rosen- kranzförniig angeordnet. Benachbarte Gallertschläuche berühren sich, verschmelzen mit einander nnd es entstehen grosse, knorpelharte, Froschlaich ähnliche Massen, in denen Ketten der Kokkenform ein- gebettet sind. Erst bei Erschöpfung des Nährbodens nimmt die Consistenz der Zoogloea ab, die Massen zerfliessen und die einge- schlossenen Zellen können wieder frei werden.

Eine ebenso auffallende Zoogloeaform bilden die Kefirkörner ^). Dieselben stellen höckerige oder warzige, blumenkohlähnliche, weisse Körner von Hirsekorn- bis zu Wallnussgi-össe dar, welche von zäher elastisch-praller und in trocknem Zustande von knorpelartiger Con- sistenz sind. In dieser Zoogloea befinden sich Stäbchenbakterien in Eadenform, Milchsäurebakterien und ein Sprosspilz oder Hefeform vereinigt. An der Form der Zoogloea haben die Stäbchenbakterien den hervorragendsten Antheil, so dass morphologisch die anderen Formen zurücktreten, während biologisch eine hochinteressante Symbiose vorliegt, da keine der Arten ohne die andere die volle Wirkung zu entfalten vermag.

Die in Fig. 20 J und K dargestellte Form einer Zoogloea wurde früher als Gattung Myconostoc beschrieben; bei dem Zerfalle der gewundenen, bisweilen mehr spiralig angeordneten Fäden machen die Zerfallsproducte den Eindruck von bald mehr geraden, bald von deutlichen schraubigen Stäbchen, so dass höchst wahrscheinlich nur eine Zoogloea einer vielleicht pleomorphen Art vorliegt, deren übrige Formen noch nicht sicher bekannt sind. Die Umhüllung der Fäden wird von einer ähnlichen Gallerthülle gebildet wie bei Askokokkus.

Aus diesen Angaben über die wichtigsten Formen der Zoogloea und aus den früheren Mittheilungen über den allgemeinen Formwerth der Zoogloea, S. 83, ergiebt sich, dass die einzelnen Erscheinungsformen der Zoogloea unter einander nur quantitativ unterschieden sind und sich bei genauerem Studium immer mehr TJebergangsformen heraus- gestellt haben. Das charakteristischste in der Zoogloea ist nicht

') Kern, Botanische Zeitung, 1882, S. 264: Hueppc, Deutsche med. Wochenschrift, 1884, No. 48; de Bary, Vorlesungen über BaJvterien, 1885, S. 10 und S. 76, kommt zu ähnlichen Anschauungen, wie ich sie 1. c. gegeben habe.

112

Wuchsformen der Bakterien.

die äussere, durch mechanische und chemische Einflüsse in hohem Grade bestimmbare, Erscheinungsform, welche man früher selbst zu Gattungsabgrenzungen für genügend hielt, sondern in erheblich höherem Grade die Anordnung der Zellen in der Zoogloea. Der Werth der Wuchsform Zoogloea deckt sich deshalb im Wesentlichen für Gattungs- und Artbestimmungen mit dem Werthe, welchen die mehr oder weniger charakteristische Verbindungsweise der Einzel- zellen zur Gattungs- und Artabgrenzung besitzt. Aus diesem Grunde ist es auch ganz überflüssig und verwirrend die verschie- denen Formen der Zoogloea mit besonderen Namen zu belegen und es widerspricht schon unserem jetzigen Wissen nur nach der Form der Zoogloea noch länger Gattungen wie Askokokkus, Clathrocystis, Leuconostoc, Zoogloea ramigera, Myconostoc aufrecht zu halten.

Kann man mit den bisher betrachteten Formmerkmalen Gat- tungen und Arten unter den Bakterien unterscheiden? Nägeli hatte eine derartige Möglichkeit priucipiell geleugnet und Cohn hatte nur seine Gattungen für natürliche gehalten, während er nur nach Formmerkmalen bestimmte Arten als Formarten angesehen wissen wollte. Gegenüber den wenigen Formmerkmalen, welche Cohn be- rücksichtigen konnte, haben Koch und seine Schüler durch Kultur unter den verschiedensten Bedingungen die Zahl der Formmerkmale erheblich vermehrt und eingehend gezeigt, dass unter Berück- sichtigung der auf diese Weise wahrnehmbaren Formeigenthümlich-r keiten rein morphologisch in ausgedehnter Weise Differenzen unter den verschiedenen Bakterien zu erkennen sind. Ferner zeigte sich, dass nicht alle Formmerkmale gleichwerthig sind, sondern dass nach meiner Auffassung die Einzelformen in ihrer eigenthümlichen Con- stanz unter gleichbleibenden Bedingungen, in der Breite der Variabilität bei geänderten Bedingungen, auf primäre Artunterschiede der Bak- terien hinweisen. Von den anderen Formen schien mir wieder die Verbindungsweise der einzelnen Zellen ein relativ constantes Merk- mal, wenn man das Entwicklungsstadium berücksichtigt, während ich für wirkliche Artbestimmungen die Zoogloea an sich als zu inconstant betrachten musste. Aus früher schon dargelegten Grün- den hat sich trotzdem aber die Form der Zoogloea gerade zur schnel- len Orientirung und Differentialdiagnose als besonders werthvoll

Fructification der Bakterien.

113

herausgestellt, wobei allerdings nicht zu übersehen ist, dass bei der Zoogloea die Form der Einzelzellen und ihrer Verbände immer gleich- zeitig mit berücksichtigt wird.

Wenn man aber auch alle Wuchsformen der Einzel- zellen und ihre Verbände unter gleichbleibenden und unter variirten Bedingungen berücksichtigt, so vermag man doch nur eine Summe von specifischen Merkmalen anzu- geben, welche zunächst nur zur Abgrenzung von Formarten ge- nügt. Da aber mit Zunahme der Zahl der Formmerkmale unter denselben auch mit grösserer Wahrscheinlichkeit primäre Form- ! merkmale erwartet werden dürfen, werden auf diese Weise kenntlich : gemachte Formarten den ächten Arten auf jeden Fall näher kommen als es bei den Formarten der Fall sein konnte, wie sie Cohn 1872 ■provisorisch abzugrenzen versuchte.

Aber darüber darf man sich trotz aller Fortschritte im Ein- : zelnen nicht täuschen, dass im Princip diese Artbestimmung dieselbe ist, wie Cohn und Schröter sie bereits 1872 durchgeführt haben, als sie alle ihnen bekannten Formmerkmale zur Bestimmung von Gattungen imd Arten erforderlich erklärten.

X.

Fructification der Bakterien.

Zum endgültigen Beweise, dass eine durch die Summe ihrer bekannten Wuchsformen bestimmte Art nicht nur wahrscheinlich, sondern wirklich eine ächte naturhistorische Art ist, gehört die Kenntniss der Fructification, welche erst das Wissen über ■die Wuchsformen und die Entwicklung wissenschaftlich abschliesst.

Die erste Angabe von Sporen bei Organismen, welche zu den Bakterien gerechnet wurden, verdankt man Perty. Die Gattung .Sporonema, welche er aufstellte, soll nach ihm im Gegensatze zu

1) Zur Kenntniss kleinster Lebensformen, 1852, S. 181.

Hueppe, Formen der Bakterien. q

114

Fructification der Bakterien.

den meist deutlich gegliederten Fäden der Gattung Metallacter (Bacillus), cylindrische, ungegliederte, scheinbar hohle Fäden besitzen und „der Faden schliesst an einem Ende (selten an beiden) ein, manchmal auch zwei elliptische Körperchen (wohl Sporen) ein". Die elliptischen Sporen, Fig. 21 A, sind meist etwas kleiner als die Zelle: „es giebt solche, wo die Spore breiter ist als der Faden, daher diesen etwas auseinander treibt«. Aehnliche Gebilde, welche er allerdings nicht ausdrücklich als Sporen beschreibt, aber in auf- fallend ähnlicher Weise, Fig. 21 B, zeichnet, wie Prazmowski später die Sporen von Vibrio rugula, Fig. 22 G d, finden sich bei einer als Spirillum undula beschriebenen Art.

Bakterien Körperchen, welche stärker lichtbrechend waren als der Eest des Bakterienkörpers, und die er deshalb auch mit Kernen verglich. Diese Körperchen waren aber auch Aviderstaudsfähiger als die Vibrionen selbst, so dass Pasteur die Bildung der Körperchen als eine Art Parthenogenesis der Vibrionen bezeichnete. Was Pasteur entgangen war, war der Nachweis, dass diese Körperchen auch wirklich auskeimen können , also auch morphologisch ächte Sporen sind.

Schon 1824 hatte Bory de St. Vincent die Beobachtung gemacht, dass todter „Vibrio Bacillus" in einer verstöpselten Flasche sich sehr lange am Boden unverändert erhält. Aehnliche Beobach- tungen über die Bildung eines resistenten Bodensatzes deutete Cohn^) dahin, dass die Bakterien beim üebergang in den Ruhezustand schwerer als Wasser werden, „was wohl mit der Bildung von Dauer- zellen und Verdichtung des Plasma in denselben zusammenhängen

Fig. 21.

Das Verdienst, diese Gebilde von Neuem aufgefunden und ihre Bedeutung im Wesentlichen erkannt und experimen- tell sicher gestellt zu haben, gebükrt Pasteur.^) Bei seinen Untersuchun- gen über die Krankheiten der Seiden- würmer beobachtete er 1865 in den

1) Etudes Sur la nialadie des vers ä soie, 1870, I, S. 168, 228, 256.

2) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, I, Heft 2, 1872, S. 144.

Fructification der Bakterien.

115

mag". Direct beobachtete Cohn erst 1876 die Bildung von glän- zenden, sporenähnlichen, in den zu Fäden verbundenen, aber auch in isolirten Gliedern von Bacillus siibtilis derart, dass die Spore die Höhle des Gliedes , nicht ganz ausfüllt, sondern von der leeren Zellhaut beiderseits umgeben ist". Die Berechtigung, diese Gebilde als Dauer Zellen aufzufassen, erwies er noch etwas genauer als Pasteur dadurch, dass dieselben durch die Siedehitze des kochenden Wassers erst nach längerer Zeit vernichtet wurden. Die Berechtigung, dieselben als Sporen aufzufassen, bewies Cohn auch morphologisch durch ihre Keimfähigkeit. Hiermit war zum ersten Male trotz mancher noch bestehen gebliebener Unsicherheiten- in Einzelheiten die Entwicklung einer Bakterienart von Spore zu Spore nachgewiesen. Durch die Experimente von Pasteur und Cohn, durch die morpho- logischen Beobachtungen von Perty, Pasteur und Cohn und vor Allem durch den directen Nachweis der Keimfähigkeit durch Cohn war zweifellos sicher gestellt, dass bei einzelnen Bakterien eine ächte Fructification vorkommt.

Unmittelbar darauf gelang Koch 2) derselbe Nachweis für den Bacillus anthracis und Salomonsen^) machte die kurze Angabe vom Auftreten von Dauerzellen bei Kettenkokken in faulendem Blut: „Man findet dann in den Ketten Glieder von genau demselben Aussehen, wie die bei gewissen Bakterien und Bacillus beobachteten ,Dauersporen", wie diese zeichnen sie sich durch starke Lichtbrechung aus und bei einer gewissen Einstellung tritt die cliarakteristische rothgelbe Farbe hervor. Sie treten nicht mit bestimmten Zwischen- räumen auf, sondern finden sich ganz unregelmässig zwischen die unveränderten Glieder eingestreut, bald vereinzelt, bald zwei, drei oder mehrere aneinander gereiht, ja bisweilen unterliegen fast alle •Glieder der Kette der genannten Metamorphose und die unveränderten Glieder die nach und nach ganz zu verwelken scheinen sind in entschiedener Minorität; das letztere Verhältniss habe ich nur gefunden, wenn das Blut längere Zeit bei hoher Temperatur (40 « C.) hingestellt war."

1) ibid. II, Heft 2, 1876, S. 263.

2) ibid. II, Heft 2, 1876, S. 277.

3) Botanische Zeitung, 1876, S. 620, Anmerkung.

8*

116

Fructification der Bakterien.

Im folgenden Jahre bestätigten Paste ur und Joubert') in höchst anerkennender Form die Entdeckung Koch 's von der Bildung der Sporen bei Bacillus anthracis und Pasteur giebt bei dieser Gelegenheit (1. c. , Bd. 85, S, 103) auf Grund seiner fi-üheren und neuen Beobachtungen eine charakteristische Darstellung der Frage, bei der ihn ausschliesslich der physiologische Standpunkt interessirte. Er findet in der Sporenbildung ,une mode de generation des vibrions qui avait passe inaper9u et dont l'importance physio- logisque grandit chaque jour. II consiste essentiellement dans une formation de corpuscules, qu'on peut appeler kystes, spores ou coni- dies, suivant le 43oint de vue Ton se place pour la Classification du genre vibrionien. Je me servirai volontiers de l'expression de corpuscules brillants, qui rapelle un caractere frequent dans ces sortes de germes et qui frappe l'attention de l'observateur, ou celle de corpuscules-germes, qui rapelle leur fonction physiologique."

Diese einseitige physiologische Auffassung, welche die correcte Darstellung der morphologischen Seite als etwas ganz Nebensächliches hinstellt, ist später auch in Deutschland imter den Aerzten sehr beliebt geworden, so dass man im Allgemeinen sich daran gewöhnte, bei der Dauerform die Dauer einseitig zu betonen und die Form fast unberücksichtigt zu lassen. In dieser einseitigen Betonung der Dauer liegt aber ein Grund zu vielen Missverständnissen, da dieselbe nur bei den Experimenten über Generatio spontanea und Desinfection in so auffallendem Maasse in den Vordergrund tritt. Der biologische Werth der Dauerform liegt aber viel weniger in der Resistenz gegen so extreme Eingriffe, wie Siedehitze und viele Chemikalien im Ex- perimente sie darstellen, als darin, dass, wie ich ausführte,^) die Dauerform „die Erhaltung der Art unter den natürlichen Verhält- nissen ihres Vorkommens sicher, sicherer wenigstens als die vegeta- tiven Zellen gewährleistet".

Dass eine beträchtliche Resistenz gegen manche experimentelle Eingriffe vorhanden sein kann ohne Bildung besonderer Dauerzellen,

1) Comptes rendus, 1877, Bd. 84, No. 18, Bd. 85, No. 3.

2) Fortschritte der Medicin, III, 1885, No. 19 und deutsche med. Wochen- schrift, 1885, S. 758.

Pructification der Bakterien.

117

zeigte Miq^uel^) und besonders van Tieghem,^) welche eine Bacillusart bescliriebeu, welche in neutraler Lösung bei 74 " wächst und Sporen bildet und deren vegetative Zellen erst bei 77 ° erliegen. Eine Mikrokokkenart wächst nach Miquel^) in nicht neutralisirter Bouillon noch bei 88 und in neutralisirter Bouillon selbst noch zwischen 91 und 93°. Duclaux giebt sogar an,'*) dass die vege- tativen Zellen einer Clostridiumart, welche er Tyrothrix tenuis nennt, in neutralen Lösungen erst zwischen 90 und 95" absterben, in schwach alkalischen aber selbst über 100*^ ertragen, und die vegetativen Zellen von Tyrothrix filiformis sollen in Milch gleichfalls 100° er- tragen, während die Sporen dieser Arten erst zwischen 110 und 120° getödtet werden.

Wenn man mit diesen Angaben, welche allerdings nur Ausnahmen darstellen, vergleicht, dass nach Brefeld^) zur Tödtung der Dauer- sporen von Bacillus subtilis die 3 stündige Einwirkung der Siede- temperatur des Wassers oder die Wärme des Oelbades von 105° Vi Stunde, von 107° 10 Minuten, von 110° 5 Minuten erforderlich ist und dass nach Fitz'') die Dauersporen von Bacillus butylicus „je nach dem Alter und der Qualität der Sporen und je nach dem Medium" bei der Siedetemperatur des Wassers in 3 bis 20 Minuten, bei 95° zwischen 2 und 6 Stunden, bei 80° zwischen 7 und 11 Stunden erliegen, ja dass andere endogene Sporen, wie die der Bakterien der blauen Milch, noch leichter erliegen, so wird eine gewisse Keserve gegen eine einseitige Betonung der Dauer wohl am Platze sein.

Mag auch in den angeführten Temperaturangaben manche Einzel- heit nur für die bestimmte Versuchsanordnung gelten, mag auch bei den hohen Temperaturen von Duclaux eine absolut sichere Trennung der vegetativen Zellen von Sporen nicht vorhanden gewesen sein, so geht das Eine doch zweifellos aus diesen Beobachtungen her-

1) Aiinuaire de l'observatoire de Montsouvis pour l'an 1881 u. 1885, S. 574.

2) Bulletin de la Societe Botanique de France, Tome 28, 1881, S. 35. 8) Les Organismes vivants de l'atmosphere, 1883, S. 148 und 183.

*) Annales de Tlnstitut National Agronomique, 1882, S. 22.

6) Botanische Untersuchungen über Schimmelpilze, IV, 1881, S. 51.

6) Bericht der deutschen chemischen Gesellschaft, Bd. 15, 1882, S. 870.

118

Fructuication der Bakterien.

vor, dass zwischen den am wenigsten und den am meisten widerstands- fähigen vegetativen Zellen und den resistentesten Dauersporen ganz allmähliche üebergänge vorkommen. Die Desinfectionspraxis muss fortwährend darauf bedacht sein, Mittel und Methoden aufzufinden, welche den schwierigsten Verhältnissen genügen. Neben dieser prak- tischen Angabe erfordert die wissenschaftliche Lösung der Frage der Dauerformen aber von Fall zu Fall, für jede Art gesondert die be- sondere Resistenz der Dauerform unbekümmert um die extreme Resistenz der Dauerzellen einzelner Arten zu prüfen. Bei einer solchen Prüfung ist die morphologische Lösung der Frage, die Er- mittelung der besonderen Fructificationsfonn, ebenso wichtig wie die experimentelle Ermittelung des Grades und der besonderen liichtung der Widerstandsfähigkeit gegen natürliche, die Art bedrohende, und gegen besondere experimentelle Eingriffe.

In morphologischer Hinsicht ermittelte zunächst vanTieghem die Pructification von Bakterien der verschiedensten Gattungen, bei denen dieselbe noch nicht bekannt war. Bei den Ketten der Kokken- form von Leuconostoc^) fand er, wie er meinte als Erster bei einer derartigen Form, dass sich einzelne der kugligen Zellen, Fig. 20 H, Fig. 23 G, a, d, am Ende oder regellos im Verlaufe der Kette vergrössern unter Erhaltung der Kugelgestalt, und ,dans chaque d'elles il se forme une spore", Fig. 23 G, b, c. Dieser Wortlaut sowohl als die wiederholte Betonung dieser Beobachtung lassen es sicher erscheinen, dass vanTieghem diese Sporen zuerst für morphologisch identisch mit der Sporenbildung bei Bacillen ge- halten hat. Uebrigens sollen sich nicht in allen vergrösserten, als Cellules sporiferes bezeichneten kugligen Zellen Sporen bilden, son- dern einzelne derselben können sich auch einfach als vergrösserte Zellen erhalten. Dann beobachtet v a n T i e g h e m 2) bei einer starren Schraubenbakterie, welche der Form nach zu Cohn ' s Gattung Spi- rillum gehörte, und welche in gewissen Entwicklungsstadien Amylum- körner enthielt, die Bildung von Sporen. Die Einzelglieder bildeten

1) Sur la gomme de Sucrerie. Annales des Sciences Naturelles. Botanique.

T. VII, 1878, S. 150.

2) Developpement du Spirillum ainyliferu^n. Bulletin de la Societe Bota- nique de France, 1879, T. 26, S. 65.

Pructiflcation der Bakterien.

119

eine Wiiidiing, wie es Figur 22 H, a andeutet; nach Erreichung von 2 Schraubengängen, wie bei b, trat Theilung ein. In jedem Einzelgliede bildete sich eine Spore, und bei einer Schraube von 2 Touren fanden sich 2 Sporen, welche hald gleich gerichtet, bald an den entgegengesetzten Enden lagen. Diese Sporen, welche un- gefähr den Durchmesser der Spirille besassen, keimten derart, dass sich der kurze anfangs gerade Keimschlauch krümmte, einen und dann zwei Schraubeugänge bildete, worauf die Theilung eintrat. Die erste Sporenbildung bei Schraubenbakterien ist demnach bei einer Art beobachtet, welche der Form nach als Spirillum bezeichnet wurde. Weiter fand aber van Tieghem^) auch bei einer beweg- lichen Schraubenbakterie von 5 bis 8 Windungen, welche keine deut- liche Gliederung erkennen liess, Sporenbildung unter Auftreten einer Gliederung derart, dass sich auf eine Windung, wie in Figur 22 H, g, 4 kurze Glieder bildeten. In jedem solchen Gliede bildete sich eine Spore, so dass sich bei 8 Windungen 32 Sporen fanden. Auch bei Vibrio serpens, der nach Cohn sogar besser zu Spirillum gestellt wird und eine Art Mittelstellung einnimmt, fand van Tieg he m die letztgeschilderte Art der Sporenbildung.

In höchst imklarer Weise geben Geddes und E wart 2) eine Beschreibung der Sporenbildung und Auskeimung von Spiril- lum undula ; die frei gewordenen, in einem Faden gebildeten Sporen kapseln sich ein, die Kapseln theilen und vermehren sich, die Sporulae schlüpfen aus, keimen in Kommaform, welche zum Spirillum aus- wächst. Auch für die Gattung Mikrobakteria wurde von E wart 3) die Beobachtung der Sporenbildung für Bakterium termo behauptet, doch handelte es sich um irgend eine nicht genauer bestimmte Bacillusart.

Van Tieghem*) fand zwei chlorophyllführende Bakterien, deren eine, welche in Kurzstäbchen vorkam, Bakterium viride, deren

0 Sur les spores de quelques bacteries, ibid. S. 141.

2) Proceedings of the Roy. Soc. Vol. XXIV, 1878, S. 481.

3) ibid., S. 474.

4) Observations sur les bacteriacees vertes. Bulletin etc. 1880, T. 27, S. 174.

120

Fructiflcation der Bakterien.

andere, welche in Langstäbchen auftrat, Bacillus virens genannt wurde. Den Bacillus virens war van Tieghem geneigt mit Perty's Sporonema für identisch zu halten. Beide Arten zeigten dieselbe Sporenbildung wie die clilorophyllfreien ächten Bacillen.

Prazmowski^) machte zuerst auf Difl'erenzen in der Sporen- bildung der Stäbchenformen aufmerksam. Bei einzelnen Arten, Bacillus im engeren Sinne, änderte sich die Form des Stäbchens

Fig. 22.

A

a. h c_

nicht wesentlich, Fig. 22 B, bei anderen, Clostridium, dagegen änderten die Zellen erst ihre Gestalt, erfuhren an einer Stelle eine Auftreibung, und die Spore bildete sich in einer erweiterten Zelle, Fig. 22 E. Auch für die den Schraubenbakterien nahe stehende Gattung Vibrio machte er eine ähnliche Beobachtung. Die ge- krümmten Einzelzellen, Fig. 22 G, a, verdicken sich gleichniässig (b) unter Auftreten feiner Granulationen im Inhalt. „Nach einiger

1) Untersuchungen üter die Entwickhnigsgeschichte und Fermentwirkung einiger Bakterienarten, 1880.

Fructification der Bakterien.

121

Zeit (1. c. S. 43) tritt an dem einen Ende des verdickten Stäbchens eine kuglige Anschwellung zum Vorschein ; das Stäbchen sieht dann, c, einem Komma ahnlich. In der kugligen Endanschwellung sammelt sich nach und nach der gesammte Inhalt des Stäbchens und gestaltet sich (d) schliesslich zu einer ebenfalls kugligen Spore."

Bis zum Jahre 1880 waren demnach scheinbar zweifellos bei allen G-attungen der Bakterien, wie sie Cohn 1872 aufgestellt hat, im Innern der Zellen ge- bildete, endogene Sporen nachgewiesen. Die Wichtigkeit dieser Ermittelungen, welche in dem Nachweise einer identischen Fructification gipfeln, beuützte zuerst van Tieghem, um die Bakterien gegen die übrigen Spaltpflanzen abzu- grenzen.

Van Tieghem entwickelte zunächst allgemein die Ansicht, dass im Gegensatze zu der bis dahin herrschenden Ansicht, welche in der Bezeichnung Spaltpilze einen Ausdruck gefunden hatte, die Anwesenheit von Chlorophyll durchaus kein Grund sei, um Mikro- organismen nur wegen dieses Umstandes von den Bakterien auszu- schliessen. Seine beiden chlorophyllführenden Arten gehörten sicher zu den Bakterien, weil sie dieselben Formen, aber auch dieselbe Fructification besitzen, wie ähnliche chlorophyllfreie Formen oder Arten. Nach van Tieghem darf man nur die Sporenbildung zur Trennung der Bakterien von den Spaltalgen benutzen, aber nicht den Mangel an Chlorophyll. Unter den Bakterien giebt es chlorophyll- freie und chlorophyllführende Arten; aber das Chlorophyll ist rein, während es bei den blaugrünen Spaltalgen mit Phycocyanin gemischt ist. Die Fructification soll aber nach seiner Auffassung durchaus verschieden und deshalb ausschlaggebend sein. i) ,Dans les Oscilarinees, ce sont de simples cellules vegetatives qui trans- forment un peu leur contenu tout entier, qui epaissent un peu et transfoment leur membrane, et voilä tout: le resultat donne des cellules durables bien plutöt que des spores. Dans les Bacte'riacees, au contraire, ce sont des corps speciaux de formation endogene, tres differents par leur forme et l'ensemble

1) Bulletin de la Societe Botanique de France, 1880, T. 27, S. 178.

122

Pructification der ßakterien.

de leur proprietes des eelliiles vegetatives qui les produisent dans lein- seiu, et qui disparaissent en les mettent en liberte, ce sont, en un mot, de veritables spores.*

Später legte van Tieghem') diese Anschauung noch einmal dar. Er schied die Spaltpflanzen, welche nach ihm als Cyanophyc^es die I. Ordnung der Algen bilden, nach der Fructification in zwei grosse Gruppen. Der erste Tribus, Nostocacees, war durch die Bildung von Cysten abgegrenzt, gegen den zweiten Tribus, Bacteriacees, welche endogene Sporen bilden. Die Cysten sind gewöhnliche Zellen des Thallus, welche sich vergrössern, die Farbe ändern, ihre Mem- bran verdichten und dadurch in den Ruhe- und Dauerzustand treten. Beim Auskeimen nimmt das Protoplasma der Cyste seine ursprüng- liche Farbe wieder an, theilt sich wieder in derselben Richtung wie zur Zeit als es Theil des Thallus war, zerreisst dabei die äussere Membran und verlängert sich zu einem neuen Thallus, der entweder Fäden oder flächenartige Schichten oder Massive von körperlich an- geordneten Zellen darstellt.

Die endogenen Sporen der Bakterien dagegpn bilden sich einzeln in je einer Zelle durch theilweise Anhäufung des Inhalts und be- kleiden sich mit einer Membran, werden latent und können wieder frei werden und auskeimen durch Resorption der primitiven Membran.

Diese einfachen, klaren Unterscheidungen zwischen Cysten und endogenen Sporen müssen aber wohl doch zu einer Abgrenzung nicht ganz genügen, denn van Tieghem zählt z. B. nach dieser Auf- fassung Beggiatoa nicht zu den Bakterien, sondern zu den Cysten bildenden Nostocaceen, während er Crenothrix und Cladothrix, trotz- dem deren Fructification durchaus keine Berechtigung dazu giebt, zu den endogene Sporen bildenden Bakterien rechnet. Leuconostoc da- gegen, dessen Sporen er früher wiederholt als endogen gebildet hingestellt hatte, bringt er nicht mehr unter den Bakterien, sondern unter den Nostocaceen, so dass er die Sporen nicht mehr als endogene, sondern als einfache Cysten auffasst.

Von den übrigen Botanikern hatte keiner versucht trotz der principiellen Bedeutung der Fructification bei der Systematik der-

1) Traite de Botanique, 1884. S. 1103.

Fructiflcation der Bakterien.

128

selben Recbuiing zu tragen. Der Hauptgrund war wohl der, dass die Fructiticatiou bei zu wenig Arten erst beobachtet war, während bei der weitem überwiegenden Mehrzahl der Bakterien nur die Wuchs- formen und selbst diese nur zum Theil bekannt waren. Die meisten zogen es deshalb vor, die systematische Gruppirung der Bakterien nur nach den Formen durchzuführen und nebenbei anzugeben, bei welchen der auf diese Weise bestimmten Bakterien Sporenbildung beobachtet war. In dieser Weise verfuhr Cohn und im Anschlüsse an ihn Raben- horst-Winter und Frank; cfr. S. 84.

Auch Zopf, welcher sich wiederholt sehr entschieden gegen das System von Cohn ausspricht, machte nicht einmal einen Ver- such die Fructiflcation zu würdigen. Trotz aller Angaben von den Fortschritten seines Systems bewegt sich dieses System principiell in derselben Bahn wie das von Cohn, indem er nur nach den Formen eintheilte. Zopf theilte 1883 in der ersten Auflage seines Werkes über die Spaltpilze die Bakterien in 4 Gruppen:

1. Kokkaceen: besitzen nur Kokken und durch Aneinander- reihen von Kokken auch Fadenform.

2. Bakteriaceen : bilden Kokken, Kurzstäbchen, Langstäbchen und Fäden, welche keinen Gegensatz von Basis und Spitze zeigen.

3. Leptoth'richeen : bilden Kokken, Stäbchen, Fäden, welche einen Gegensatz von Basis und Spitze zeigen, und Schrauben- formen.

4. Cladothricheen : bilden Kokken, Stäbchen, Schrauben, Fäden, welche Verzweigung zeigen.

Bei dieser ersten Gruppirung hatte Zopf, 1883, beherrscht von der „Theorie der Wandelbarkeit der Formen nach dem Substrat" nur die wirklich oder angeblich pleomorphen Arten berücksichtigt, während die monomorphen oder relativ einförmigen Arten anhangsweise behandelt waren. In der 3. Auflage seines Werkes, 1885, dagegen versuchte er alle Arten, soweit sie bekannt waren, nach ihren Formen zu berücksichtigen. Auf diese Weise kommt es, dass bei gleichge- bliebenen Namen der 4 Hauptgruppen nur die 3. und 4. Gruppe

124

Pructification der Bakterien.

Leptotlirichcen und Cladothricheen 1885 noch dieselben Bakterien- arten iimschliessen, wie 1883. Die Kokkaceen umfassten 1883 nur Leuconostoc, während 1885 die Gruppe Kokkoceen die Gattungen Streptokokkus,' Mikrokokkus, Askokokkus, Merismopedia , Sarcine umlasst und Leuconostoc ausschliesst. Die Abgrenzung der Gat- tungen ist fast dieselbe geworden wie bei Cohn's gleichnamigen Gattungen.

Die Gruppe Bakteriaceen umschloss 1883 Cohn's Gattungen Bakterien und Bacillus, unterschied aber die Gattungen in Bakterien und Clostridium. Die gleicbgenannte Gruppe wurde dagegen 1885 in die Genera : Bakterium, Spirillum, Vibrio, Leuconostoc, Bacillus, Clostridium aufgelöst und die Abgrenzung wurde fast dieselbe, wie sie Cohn zum Theil schon 1872 durchgeführt hatte.

Diese Gattungen von Zopf sind ebensosehr oder ebensowenig ächte Gattungen oder nur Formgattungen wie die von Cohn, wenn auch Zopf manche Berichtigungen in Einzelheiten und Erweiterungen durch die Aufnahme der Leptothricheen und Cladothricheen, aber auch manche Unrichtigkeiten durch übertriebene Berücksichtigung des Pleomorphismus brachte. Zur Abgrenzung der Gattungen ist die Fructification principiell nicht verwerthet, sondern sie findet bei den Gattungen und Arten mit einer einzigen Ausnahme nur eine ganz nebensächliche Berücksichtigung, aber keine principielJe Würdigung.

Wenn bei den bisher betrachteten Gattungs- und Artabgrenzimgen von Fructification die Kede war, so wurde sowohl von den Forschern, welche wie Prazmowski und van Tieghem derselben die erste Stelle zugewiesen wissen wollten, als von denen, welche vorläufig die Formen zur Bestimmung für wichtiger hielten und der Fructi- fication einstweilen bei der Classification nur eine Nebenrolle zuer- kannten, wie Cohn, Winter, Frank, Zopf, unter Fructification ausschliesslich die Bildung endogener Sporen verstanden.

Rechnete man Crenothrix zu den Bakterien, so hätten sowohl van Tieghem als Zopf noch auf eine andere Fructification achten müssen, welche morphologisch und physiologisch eine ächte Fructi- fication ist und eine besondere Dauerform liefert. Bei dieser Art

Fructification der Bakterien.

125

Latten zuerst Colm^) und später Zopf 2) die Bildung von Gonidien und zwar sogar von zwei Formen derselben, Makro- und Mikro- Gonidien, Fig. 23 A bis E, erkannt. Zopf nabm sich später 3) selbst die Möglichkeit diese Fructification richtig zu würdigen. Er beobachtete, dass bei Crenothrix, Cladothrix, Beggiatoa beim Zerfalle der Fäden, Schrauben und Stäbchen schliesslich kuglige Zellen resultirten, welche im Stande waren neue Generationen einzuleiten. Aber er nannte alle kuglige Zellen, um den Pleomorphismus dieser Arten recht deutlich zu machen, Mikrokokken resp. Makrokokken imd hatte damit ein drastisches Beispiel gewonnen für die Zusammen- gehörigkeit aller Formen, für die Uebergangsfähigkeit alfer Formen in einander oder, wie er es bezeichnete, dafür, dass die Formen Mikro- kokkus, Bakterium, Bacillus, Vibrio, Spirillum etc. „blosse Ent- wicklungszustände von Spaltpilzen" sind.

Den Zerfall der stäbchenförmigen Glieder in kuglige Gebilde ermittelte auchGiard^), bei Crenothrix aber ohne in den kugligen Zellen Mikrokokken zu sehen. Die gerade bei Crenothrix recht deut- liche Differenz von Basis und Spitze, Fig. 23 C, E, lässt ihn die Sache so auffassen, wie sie früher von Cohn und anfangs auch von Zopf dargestellt war; die kugligen Zellen sind „microgonidies, formees dans les sporanges ou extremites renflees des tubes de Cre- nothrix, par division transversales des articles bacillaires qui con- stituent ces extremites."

Derartige Erwägungen Hessen mich gegen Zopfs Auffassung erklären 5): „Während ich also gern zugebe, dass die von Zopf als Mikrokokken beschriebenen Gebilde wirklich sehr kleine Kugeln sind, muss ich entschieden bestreiten, dass sie ausser der kugligen Gestalt etwas mit dem gemein haben, was man bisher Mikrokokken nannte, imd kann sie nur als gonidienartige Bildungen, als Sporen anerkennen."

1) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, II. Heft 3, S. 108.

2) Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen über Crenothrix poly- spora 1879.

3) Zur Morphologie der Spaltpflanzen 1882.

*) Sur le Crenothrix Kühniana. Comptes rendus 1882, Bd, 95, No. 5. 5) Portschritte der Medicin I., 1883, S. 206.

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Fructification der Bakterien.

Dieser Sporcnbildung durch scheinbar einfachen Zerfall von stäbchenförmigen Zellen stellte ich aber sofort die Bildung der endogenen Sporen in den Stäbchen gegenüber. Während Zopf das Langstäbchen nicht als nur bacillus ähnlich, sondern geradezu als Bacillus beschrieb, stellte ich auf Grund der Untersuchungen von Cohn und Prazmowski die Forderung, dass zum Begriffe Bacillus „der stricte Nachweis der Sporenbildung in diesen Stäbchen" gehört. Weiter gab ich sehr bestimmt an, dass das Vorkommen von schraubigen Fäden bei anderen Bakterien über die Schraubenbakterien im engeren Sinne direct nichts aussagt, sondern dass nur die unmittelbare Untersuchung derartiger Bakterien den Werth der Schraubenformen für diesen Fall festzustellen .hat.

Bei aller Kürze glaube ich damals einige für die Systematik wichtige Punkte genügend präcise entwickelt und in nuce mitge- theilt zuhaben. Diese Punkte sind: dass der entwicklungs- geschichtliche Werth der Formen in verschiedenen Fällen ein durchaus verschiedener sein kann; der Werth einer kugeligen Zelle in der Entwicklung von Bakterien ist nicht immer derselbe, ebenso kann die Stäbchenform und die Schrauben- form verschiedene Dignität besitzen. Neben den Formen ist zur Be- urtheilung die Fructification von einschneidender Be- deutung und in dieser Hinsicht sind bei den den Formen nach zu den Bakterien gehörigen Spaltpfianzen zwei ganz verschiedene Vorgänge auseinander zuhalten, die Bildung der einfachen Spo- ren oder gonidienähnlichen Bildungen und die der endogenen Sporen. Ferner gestattet gerade der Modus der Fructification oft erst die richtige Beurtheilung der Formen, indem z. B. in dem angezogenen Beispiele für die Systematik ein Stäbchen, in dem sich eine Spore bilden kann, auf anderen Ursprung hinweist als ein Stäbchen, in dem niemals etwas Aehnliches vorkommt.

Bald darauf fand Kurth'), dass bei dem Bakterium Zopfii die Kurzstäbchen, Fig. 23, F, a, b, in „Kokken" (c) zerfallen, welche

1) Botanische Zeitung, 1883, S. 412.

Fructification der Bakterien.

127

aber nicht mit den Dauersporen verglichen werden könnten. Für Kurth giebt es eben nur die eine Form von Dauersporen, die endo- genen Sporen. Aber Kurth ermittelte, und darin liegt gegenüber der einseitigen Auffassung von Zopf ein Fortschritt, dass physio- logisch diese „Kokken" doch einen höheren Werth besitzen als andere Kokken. Nach seiner Darstellung „müssen die Kokken des Bak- terium Zopfii als ein Euhezustand bezeichnet werden, der unter ungünstigen Verhältnissen das Leben der Art länger zu erhalten ver- mag als der vegetative Zustand, die Kurzstäbchen. " Den Grund für die grössere Eesistenz der Kokken sieht Kurth in einer Ver- änderung der Membran. Kurth findet schliesslich, dass, wenn auch keine besonderen morphologischen Unterschiede dieser von anderen Kokken sich auffinden lassen, „in der physiologischen Deutung des Kokkenzustandes" für diesen Fall eine „wesentlich andere Auffassung Platz greifen muss". Diese andere Auffassung kann aber nur die bereits vorher von mir entwickelte sein, dass man neben den endo- genen Sporen den Begriff der einfachen Sporen oder gonidien ähnlichen Bildungen als einer besonderen Form der Fructification und der Dauerzellen anerkennt.

Fast gleichzeitig kam de Baryi) zu einer ähnlichen, aber noch mehr verallgemeinerten und im Einzelnen zum Theil genauer präcisirten Anschauung. Auch de Bary schied nicht die Bakterien auf Grund der Bildung von endogenen Sporen von den übrigen Spaltpflanzen, sondern schied die der Form nach als Bakterien zu- sammengefassten Spaltpflanzen selbst nach dem Modus der Fructi- fication und dem Entwicklungsgange in 2 grosse Gruppen: „Erstens nämlich die Arten mit endogener Sporenbildung: endospore, und zweitens jene ohne dieselbe: arthro- spore Bakterien". Bei den letzteren „können sich einzelne Glieder einfach aus den Ver- bänden lostrennen und unter geeigneten Bedingungen die Initialen neuer Verbände werden, haben daher auf den Namen Sporen An- spruch. Im Uebrigen findet zwischen ihnen und den vegetativen Gliedern ein allgemein characteristischer Unterschied nicht statt.

1) Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze, 1884, S. 496. Vor- lesungen über Bakterien, 1885.

128

Fructiflcation der Bakterien.

Im Zusammenhang mit der Thatsache, dass die hierher gehörigen Arten theils weniger mitereinander conform sind als die endosporen, theils die einzelnen eine grössere Mannichfaltigkeit der Wuchsformen besitzen, ist die Bildung der Zellen, welche als Sporen bezeichnet werden können, nach den Arten im Einzelnen sehr ungleich."

Die üliedersporen oder Arthrosporen von de Bary umfassen als der allgemeinere Begriff" auch die von mir als einfache Sporen, gonidienähnliche Bildungen, wenigstens morphologisch etwas charak- terisirten Dauerformen. Die sehr weite Definition von de Bary lässt die Möglichkeit zu, dass unter Umständen jede der Wuchsformen

Fig. 23.

der Einzelzellen nach den Gattungen und Arten, bald Kokken, bald Stäbchen, bald Schraubenstäbchen als ein solches Glied, aber auch als Gliederspore auftreten kann, vorausgesetzt dass diesen Gliedern eine gewisse und grössere Dauer zukommt als den nur vegetativen Formen, dass sie also die Art sicherer zu erhalten vermögen als die letzteren. Nach den bisher bekannten Thatsachen spricht aber Manches dafür, dass die Bakterien, welche keine endogenen Sporen bilden, einen Dauerzustand nicht in jeder beliebigen Form finden, sondern vorwiegend in der Kokkenforra. Nur diese Form überstand

Fructification der Bakterien.

129

Eingriffe, welche die vegetativen Zellen vernichteten. Für die Lepto- thricheen nnd Cladothricheen ist dies nachgewiesen und so auffallend, dass man bei Crenothrix schon lange diese Zellen nach Cohn als Gonidien bezeichnete. Für die von Kurth beschriebene Art, deren vegetative Zellen in der Stäbchenform sich abspielen, ist nur für knglige Zellen der Werth als Dauerform ermittelt. Für bestimmte Schraubenstäbchen habe ich ganz Aehnliches ermittelt,^) indem ich fand, dass zum Theü die Einzelzellen, Fig. 23 H, 1 a, zum Theil die entsprechenden Glieder der schraubigen Fäden, H 2 und 3 a, der sogenannten Kommabacillen sich in je zwei stärker lichtbrechende Kügelchen, H 1 b und c, 2 b und c, 3 a bis e, gliedern, welche gegen Austrocknen resistenter sind als die vegetativen Zellen. Aehnliche Mittheilung haben Finkler und Prior^) über kuglige Dauerformen bei ihren Kommabakterien gemacht.

Auch bei der Kokkenform, bei der die Frage am schwierigsten liegt insofern, als zwischen verschiedenen Kügelchen eine Differenz schwerer zu erkennen ist, sind nachgewiesene Dauerformen nur in Kugelgestalt bekannt. Die Bildung der Sporen, Fig. 23 G, b und e, in den erweiterten kugligen Zellen, a und d, bei Leuconostoc, wird von van Tieghem selbst jetzt als Bildung von Cysten und nicht von endogenen Sporen, d. h. nach de Bary's Bezeichnung von Arthrosporen, aufgefasst.

Ich acceptire im Folgenden die Bezeichnung Arthrosporeu von de Bary einmal, weil sie kurz und gut einen Gegensatz gegen die endogenen Sporen ausdrückt, dann, weil die als Dauerform ermittelten nicht endogenen Sporen sich wirklich wie Einzelzellen oder Glieder eines Verbandes darstellen. Aber ich mache auf Grund der bisherigen Beobachtungen die Einschränkung, dass die Arthrosporen wahrschein- lich nicht in jeder beliebigen Form der Einzelzellen, sondern wohl immer in Kokkenform auftreten.

Diejenigen noch ungenügend bekannten Bakterien, bei denen keine bestimmte Dauerform nachgewiesen ist, rechne ich aus prak-

1) Fortschritte der Medicin. III. Iö85, No. 19.

2) Forschungen üher Cholerabakterien. Ergänzungshefte zum Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege, I, 1885, S. 399.

Hueppe, Formen der Bakterien. q

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Pructification der Bakterien.

tischeü Gründen mit de Bary gleichfalls zu den arthrosporen Bak- terien. Ist keine besondere Dauerform bekannt, so ist die Möglich- keit nicht absolut von der Hand zu weisen, dass bei solchen Arten vielleicht die vegetative Form der Art, bald Kokken, bald Stäbchen, bald Schraubenstäbchen oder ein bestimmter Verband derselben zu Fäden oder Zoogloea, im Stande ist die Art zu erhalten. Aber die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass in derartigen Fällen bei genauerem Studium sich eine morphologisch bestimmte Dauerform, eine endogene Spore oder Arthrospore in dem oben eingeschränkten Sinne finden wird.

Die Bildung der Arthrosporen, die meist deutliche Zunahme der Lichtbrechung deuten darauf hin, dass eine Contraction der Protoplasma wahrscheinlich mit im Spiele ist. Bei einer nicht ge- nauer bestimmten Art, welche fast dieselben Wuchsformen zeigte wie Kurfs Bakterium Zopfii, vollzog sich bei einer directen Beob- achtung die Bildung in folgender Weise, Fig. 23 K; das Protoplasma der Kurzstäbchen (a) wurde körnig, zog sich (b) zu einem stark lichtbrechenden EUipsoid zusammen, dieses schnürte sich (c) ein, es entstanden (d) zwei stark lichtbrechende Kügelchen, welche sich (e) schnell etwas von einander entfernten. Diese kugligen Arthrosporen waren von einer deutlichen Membran umgeben, welche nach aussen von einem Lichthofe, wohl von einer Gallerthülle herrührend, um- geben war. Aehnlich scheint die Bildung bei dem Bakterium Zopfii, F, und bei Leuconostoc, G, zu sein. Bei den Kommabacillen H und J spricht hierfür, dass die Anfangs näher zusammenliegenden Arthrosporen (a) später (3 g und e) etwas weiter auseinanderrücken. Tritt diese Kugelbildung an vielen Gliedern ein, so bilden sich An- häufungen, Zoogloeen der Arthrosporen, Fig. 23 C, c""; E, e ; F, c; J, e, indem die Gallerthüllen der Membran etwas aufquellen.

Bill et 1) beschreibt die Bildung der Arthrosporen von Clado- thrix dichotoma in der Weise, dass sich der Inhalt eines Kurzstäb- chens zu einem runden Körper contrahirt, den er mit einem Zellkerne vergleicht; dieser Kern streckt sich dann zur Ellipse, diese schnürt

1) Sur la l'onnatiun et la germination des spores chez le Cladothrix dicho- toma. Comptes rendus, 1885, Bd. 100, S. 1251.

Fructification der Bakterien.

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sich bisquitförmig ein und aus der Theilung resiiltiren schliesslicli nach erfolgter Theihmg der Membran zwei Zellen mit je einem Kerne. Die kernhaltige Zelle ist die „cellule sporif5re% der Kern selbst ist nichts anderes als die Spore.

Nach den bisherigen Beobachtungen scheint demnach die Bildmig der Arthrosporen mit einer Contr actio n des Protoplasma zu beginnen imd mit einer Theilung in zwei Körperchen aus contr ahirtem Protoplasma zu endigen. Die Schutzhülle der Arthrospore scheint dagegen nichts weiter zu sein als die getheilte Membran der Mutterzelle. Wahrscheinlich wird aber von dem con- trahirten Protoplasma, der eigentlichen Spore, eine innere Sporen- haut gebildet, um welche sich erst die getheilte Membran der Mutterzelle als äussere Sporenhaut anlegt, dass man sich wohl am richtigsten die Arthrospore, wie Figur 23 G, e und K, e, vorstellt.

Dass die als Kokken beschriebenen Arthrosporen sich durch manche Eigenthümlichkeiten von den vegetativen Kokkenformen unterscheiden, beobachtete Kurth. Diese Kokken sind theilungsunfähig und können sich nicht als solche vermehren, wohl aber können sie erst nach längerem Latenzstadium wieder keimen und zu einem Stäbchen aus- wachsen, Fig. 24 D. Die .Kokken" vermehren sich nur scheinbar, indem sie sich aus einem stärkeren Zerfalle der Stäbchen, Fig. 23 F, b, bilden und am Orte des Zerfalls der Stäbchen anhäufen. Zopf hatte wegen der Zunahme der „Kokken«, wie sie z. B. Figur 23 C bei c'' und E bei e'' schliesslich zu einer .Kokkenzoogioea" führt, geschlossen, dass es sich bei Cladothrix, Crenothrix, Beggiatoa um eine directe Vermehrung in der Kokkenform handelte. Kurth machte dem gegenüber darauf aufmerksam, dass man auch in diesen Fällen die üebergangsglieder z. B. Fig. 23 B b'' bei den MikrogODidien und A a'' auch bei den Makrogonidien wohl nie vermisse, welche die Vermehrung der , Kokken" in ähnlicher Weise auf einen stärkeren Zerfall von nachgeschobenen Kurzstäbchen zurückführen lasse. Zopfi) hält dem gegenüber an der übrigens auch schon früher von Cohn angedeuteten Ansicht fest, „dass

1) Die Spaltpilze, 3. Aufl., 1885, S. 20.

9*

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Pructification der Bakterien.

die Gonidien anderer Spaltpilze, wie die von Crenotiirix, die Fähig- keit fortgesetzter Theilung besitzen", ohne dass aber die bis jetzt bekannt gemachten Angaben eine sichere Entscheidung in diesem Sinne gewähren. Ebenso ist die Frage der Schwärmfähigkeit der „Kokken" noch nicht für alle Fälle gelöst, Dass die „Kokken" resp, Gonidien von Crenothrix schwärmfähig sind, haben Zopf und Giard beobachtet; es würde sich also möglicherweise um die Bil- dung von Schwärmsporen handeln können. Kurth glaubt nach seinen Beobachtungen an Bakterium Zopfii die Sache anders auf- fassen zu müssen; bei dieser Art sind die fertigen „Kokken", Fig. 23 P, c und Fig. 24 D, a, nicht schwärmfähig, wohl aber die unmittelbar vorausgehenden Uebergangsformen, Fig. 23 F, b, und andererseits auch die kürzesten Stäbchen beim Auskeimen, Fig. 24 D, b. Die Arthrosporen der Kommabacillen vermehrten sich nicht durch Theilung und waren unbeweglich.

C ohn^) hatte bereits 1877 beobachtet, dass kurze Spirillenglieder in humor aqueus in Fäden auswuchsen, oder wie er es bezeichnete, dass „Streptothrix aus Vibrio serpens nach 24 Stunden heran- gewachsen" w^ar. In den langen Spiralen trat perlschnurartige Gliederung ein, wie sie bei den ächten Kettenkokken als Torula- form oder Streptokokkus bekannt ist. Diese Gonidien, als welche Cohn damals diese kugeligen Glieder auffasste und bezeichnete, waren keine besondere Dauerform, sondern würden mehr dem ent- sprechen, was Zopf als Gliederung von Schrauben und Stäbchen in Mikrokokken bezeichnete. Wie weit es sich bei dieser Gliede- rung um einen Zerfall von Stäbchen in theilungsfähige, kuglige Zellen handelt, ist noch nicht definitiv entschieden, doch weist Cohn diese Möglichkeit durchaus nicht von der Hand. Gonidien im damaligen Sinne von Cohn würden fast genau dem entsprechen, was Zopf als Mikrokokken beim Zerfall von Stäbehen und Schrau- ben bezeichnet und sich nur zum Theil mit den Arthrosporen im Sinne von de Bary decken.

Etwas abweichend von der Gliederung von Fäden und Schrau- ben, wie sie von Cohn, Zopf und mir beobachtet wan-de, beschreibt

') Beiträge zur Biologie der Pflanzen Bd. I, Heft 2.

Fructiflcation der Bakterien.

133

Neisser^) einen der Gliederung bei Crenotlirix oder Phragmidio- thrix ähnlichen Theilungsmodus bei den endosporen Bacillen der Xerosis conjunctivae, dessen Theilglieder von Cohn als eine Art Gonidienbildung erklärt wurde, so dass in diesem Falle zwei Fruc- tificationsvorgänge, durch Endosporen und durch Gonidien s. Arthro- sporen, nebeneinander vorkommen würden, also eine Pleomorphie der Fructificationsorgane wie bei manchen Pilzen vorliegen könnte.

, Dieser Modus besteht darin, dass der einzelne Bacillus zu einer langen 6 8- imd mehrgliedrigen Kette von immer breiter werden- den scheibenartigen Theilen auswächst. Das letzte Glied je nachdem das Auswachsen an einem oder an beiden Enden erfolgt an einem oder beiden Enden der Eeihe ist von birnförmiger Gestalt und ist in allen Durchmessern mindestens doppelt so gross als das schmale, dem ursprünglichen Bacillus entsprechende Anfaugsglied. Die dazwischen gelegenen Glieder stellen allmähliche Uebergangs- formen dar; sie sind stets, wie schon erwähnt, breiter als lang, so dass ein ganzes derartiges Gebilde den Eindruck einer Keule macht, welche in schmale Scheiben zerschnitten ist. Anfangs liegen diese schmalen Theilglieder dicht au einander gepresst ; allmählich rücken sie auseinander und jedes einzelne kleine Theilglied wächst wieder zu einem neuen Bacillus aus. Die Wachsthumsrichtung dieser Theilglieder steht aber senkrecht auf derjenigen, in welcher sich der einzelne Bacillus zu der beschriebenen keulenförmigen Kette ausbildete. Daher kommt es denn auch, dass man keine langen Keihen aus hinter einander gelagerten einzelnen Bacillen findet, sondern mehr oder weniger zu grossen Quadraten vereinigte Haufen der einzelnen Theilglieder."

Es handelt sich bei dem Auftreten von kugligen Zellen in der Entwicklung von Fäden, Schrauben oder Stäbchen, also möglicher- weise um physiologisch differente Dinge, indem bei einzelnen Arten oder Gattungen vielleicht alle diese Glieder eine Ruhe- und Dauer- form darstellen, also Gliedersporen in dem angeführten Sinne sind.

1) Kuschbert und Neisscr, Breslauer ärztliche Zeitschrift 1S83, No. 4' Deutsche med. Wochenschrift 1884, No. 21.

134

Pructification der Bakterien.

Während bei anderen Gattungen vielleicht ein Zerfall in theilungs- fähige Kokken eintritt und nur bestimmte dieser kiigligen Zellen oder Glieder eine Dauer form darstellen. Sollten sich diese Möglichkeiten welche nach den Angaben von Cohn und Zopf vorläufig bestehen, als sicher herausstellen, so würde man für die Zukunft Missverständ- nissen wohl am besten aus dem Wege gehen, wenn man die so ent- stehenden sicheren Dauerformen Arthrosporen nennt, während man die sich theilenden Kugeln nicht als Gonidien bezeichnet, weil man im Allgemeinen mit diesem Namen den Begriff der Fructification und des Dauerzustandes, aber nicht den eines vegetativen Stadiums verbindet, sondern als Kokken, in dem früher S. 93 und S. 109 bezeichneten Sinne.

Mit diesen Unsicherheiten und theilweisen Widersprüchen sind aber die Schwierigkeiten über Gonidien, einfache Sporen, Arthro- sporen noch keineswegs erschöpft. Bei den höchsten Bakterien- arten, Beggiatoa roseo-persicina sowohl als Crenothrix, hat man, Fig. 23 A und D, die Bildung grösserer ellipsoider oder kugliger Zellen beobachtet, welche vielleicht eine Fructificationsform herstellen und demnach als Makrogonidien bezeichnet wurden. Im Einzelnen ist die Bedeutung dieser Gebilde noch höchst unklar, wenn auch ein genetischer Zusammenhang mit den riesigen Monasformen, Fig. 14 A bis E, Fig. 15 G bis M, nicht unmöglich ist ; doch kommen aufder anderen Seite auch alle möglichen üebergangsformen, z. B. Fig. 23 A a^, von den Makrogonidien zu den Mikrogonidien oder Arthrosporen vor.

streckt sich die Spore und theilt sich wie ein gewöhnlicher Kokkus (d bis g). Beim Bakterium Zopfii D streckt sich unter Abnahme des Brechungsvermögeus die Arthro-

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Fig. 24.

lieber die Auskeimung der Arthro- sporen ist nicht viel Genaues bekannt. Nach van Tieghem geht dieselbe bei Leuconostoc, Fig. 24 C, derart vor sich, dass die äusserste Membran unregel- mässig einreisst, dann eine mittlere Membran aufquillt, so dass die Spore mit ihrer innersten Sporenhaut von einer Gallerthülle umgeben ist, (a bis c), dann

Pructification der Bakterien.

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Spore a, wird zum Kurzstäbchen, welches in Theilung eingeht (b bis d). Bei den Arthrosporen der Kommabacillen E streckte sich unter Ver- minderung des Brechungsvermögens die kugelige Zelle zu einem Stäbchen (b), welches sich schraubig krümmte (c), zu einem S-förmi- gen schraubigen Faden (d) heranwuchs und sich dann (e) theilte. Einzelheiten vermochte ich nicht festzustellen.

Viel einheitlicher und in den Grundzügen klarer liegen die morphologischen Verhältnisse bei den endogenen Sporen, Fig. 22. Bei der Bildung der endogenen Sporen machen sich, wie schon an- gedeutet, nur wenige Differenzen bemerkbar. Bei einzelnen Arten ändern die Zellen die Form nicht oder doch nicht deutlich, Fig. 22, B, C, D, H, während bei anderen die Zellen eine entschiedene Form- veränderung erfahren, E, F, G, dabei besteht wieder die Möglichkeit, dass die Zelle vor der Sporenbildung sich in allen Dimensionen etwas vergrössert und dass in den vergrösserten Zellen die Sporen- bildung bei Erhaltung dieser Form vor sich geht oder dass in der vergrösserten Zelle noch eine weitere Formveränderung durch Erwei- terung an einer Stelle eintritt.

Cohn hatte bei seiner ersten Mittheilung der directen Beobach- tung der Sporenbildung und Auskeimung i) schon ermittelt dass bei Bacillus subtilis sich in jedem Gliede nur eine Spore bildet. In dem vorher homogenen Inhalt bildet sich zunächst ein stark licht- brechendes Körperchen und „aus jedem dieser Körperchen entsteht eine oblonge oder kurz cylindrische, stark lichtbrechende dunkel contourirte Spore". Bei der Keimimg schwellen die Sporen , etwas an und treiben an einem Ende einen kurzen Keimschlauch, sie er- schienen nun als Köpfchenbakterien",

Koch 2) gab dann weiter an, dass die stark lichtbrechende, ei- förmige Spore in „eine kuglige glashelle Masse eingebettet ist, welche wie ein heller schmaler, die Spore umgebender Ring aus- sieht." Bei der Keimung bleibt nun nach Koch der glänzende Körper zunächst unverändert, dagegen streckt sich die kuglige pro- toplasmatische Hülle, wird eiförmig und enthält an einem Pole noch

1) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, II, Heft 2, 1876, S. 264.

2) ibid. S. 289.

136

Pructification dcv Bakterien.

die Spore; dann wird die Hülle länger, fadenförmig und die Spore verliert ihren Glanz und wird blasser und kleiner. Koch meinte demnach, dass die Spore „aus einem Oel besteht, welches von einer dünnen Protoplasmaschicht eingehüllt ist. Letztere ist die eigent- liche entwicklungsfähige Zellsubstanz, während ersteres vielleicht einen bei der Keimung zu verbrauchenden Keservestoff bildet."

Gegen diese Auffassung des Vorganges machte Klein ^) geltend, dass die nachgewiesene Resistenz gegen Hitze undenkbar sei, wenn eine äussere Protoplasmaschicht das wesentliche an der Spore sei, im Gegentheil müsse das neue Stäbchen aus dem Inhalt der Spore hervorgehen. Bei directer Beobachtung in der feuchten Kammer hatten Prazmowski^) und B r e f e 1 d 3) die Keimung bei den Sporen von Bacillus subtilis ermittelt und direct gezeigt, dass das neue Stäbchen aus dem Inhalt und nicht aus der Umhül- lung der Spore hervorgeht. Uebereinstimmend ermittelten beide, dass die Spore aus contrahirtem und deshalb stärker lichtbrechendem Protoplasma und nicht aus Fett besteht und dass die Spore von einer zweischichtigen Membran, welche also aus Endospor und Exo- spor zusammengesetzt ist, umgeben ist. Koch 's Protoplasmahülle hielt P r a z m 0 w s k i für einen optischen Lichthof, ähnlich dem Licht- hofe stark brechender Fetttröpfchen, während Brefeld und E w a r t denselben für eine Gallerthülle erklärten. Diese Gallerthülle wächst beim Auskeimen nicht aus, sondern wird unter Aufquellen unsicht- bar. Das Exospor reisst an einer Stelle ein oder wird an einer Stelle resorbirt, der coutrahirte protoplasmatische Inhalt streckt sich zu einem Stäbchen, welches aus dem Bisse oder der Oeflfnung des Exospore austritt.

Im Allgemeinen vollzieht sich die Bildung der Spore derart, Fig. 22 A, dass der bis dahin homogene Inhalt trübe, und bei den grösseren Formen deutlich körnig (a) wird; dann sammelt sich der körnige Inhalt an einer Stelle mehr und mehr an, so dass ein immer grösser werdendes kugliges oder elliptisches, stark lichtbrechendes

1) Quavterly Journal of Microscopical Science 1878, S. 176.

2) Botanische Zeitung 1877 und Untersucliungen über die Entwicklungs- geschichte und Fermentwivkung einiger Bakterien-Arten 1880.

3) Botanische Zeitung 1878 und Botanische Untersuchungen über Schimmel- pilze IV, 1881.

Pructification der Bakterien.

137

Körperchen (b) entsteht. Wenn dieses Körperchen die definitive Grösse der Spore erreicht hat, bildet sich die Sporenhaut aus und die fertige Spore (c) erscheint in der Eegel in einem wasserhellen Räume zu liegen oder richtiger wohl in einer wenig lichtbrechenden Substanz eingebettet zu sein. Auf jeden Fall findet eine ziemlich weitgehende Differenzirung des Protoplasma statt, da es schon in sehr frühen Stadien gelingt, die Sporen in einer anderen Farbe zu färben als den übrigen Theil der Zelle. Diese DiÖerenzirung ^) wird in dem Maasse deutlicher, als die Membran deutlicher wird und ist besonders bei ganz frei gewordenen Sporen gut zu beobachten. Man findet dann ganz gieichmässig roth oder blau gefärbte Sporen, wäh- rend bei anderen die Membran intensiver gefärbt ist als der Inhalt und selbst die leeren Membranen noch etwas von dieser Färbung zeigen. Die Sporenfärbung wird durch die resistente Membran be- günstigt, aber nicht allein durch dieselbe bedingt ; Inhalt und Mem- bran der endogenen Sporen zeigen bei der Färbung nur quantitative Differenzen. Wenn ich diese Erfahrungen über Sporenfärbung mit den directen Beobachtungen vergleiche, scheint mir die Bildung der endogenen Spore derart vor sich zu gehen, dass das Protoplasma der Zelle sich differenzirt, indem zunächst scheinbar geradeso wie bei der Zelltheilung die chromogene Substanz sich von einer nicht fär- benden wasserklaren in Körnern trennt. Aber nicht die ganze chro- mogene Substanz tritt in die Bildung der Spore ein, sondern im Gegensatze zur einfachen Zelltheilung nur ein bestimmter Theil, wo- durch mikrochemisch eine Differenz gegenüber der einfachen Zell- theilung gegeben ist. Die Membran der Spore wird nach ihrer Reaction zu urtheilen von derselben Substanz gebildet wie die Spore selbst, und ist deshalb wohl nichts weiter als ein Product der Spore selbst.

Länger als die in der Äporenfärbung sich kundgebende mikro- chemische Differenz ist durch van Tieghem bei Clostridium bütyricum und Spirillum amyliferum bei der Sporenbildung eine andere chemische Differenzirung bekannt. Bei diesen Arten zeigt das Protoplasma vor der Sporenbildung Granulöse -Reaction, doch bildet sich die Spore in einem granulosefreien Räume.

1) cfr. meine Methoden der Bakterienforschung 1. und 2. Aufl. 1885, S. 5G; 3. Aufl. 1886, S. 85.

138

Fructification der Bakterien.

In einer Zelle bildet sich, wie Cohn von Anfang an richtig erkannt hatte, iiuv eine Spore und Fälle, in denen in einer Zelle mehrere Sporen vorkommen, z. B. Fig. 22 E, g, sind nur scheinbare Ausnahmen, weil es sich dabei, je nach der Auffassung, nur um verfrühte Sporenbildung oder um verspätetes Auftreten der Membran resp. Deutlichwerden der Gliederung handelt. Dass die Einzelglieder der Bakterien nicht isodiametrische sein müssen, zeigt sich bei der Sporenbildung recht deutlich, und selbst Bu ebner muss zugeben, dass bei der Sporenbildung ausgesprochene Langstäbchen häufig vor- kommen. Die Sporenbildung stellt sich bei der Mehrzahl der Zellen ein, doch bleiben einzelne Zellen immer frei und selbst eine begin- nende Sporenbildung kann wieder rückgängig werden. Der Grund der Sporenbildung liegt in der Regel sehr deutlich in einer Er- schöpfung des Nährmaterials, wodurch die weitere Existenz der vege- tativen Zellen unmöglich wird und bei den Ausnahmen, in denen z. B. bei Clostridium butyricum neben Sporen-bildenden Zellen vege- tative sich finden, ist vielleicht doch eine partielle Erschöpfung des Nahrmaterials an der Sporenbildung betheiligt.

Beim Keimen der endogenen Sporen, Fig. 24 A, B, a, nimmt zunächst das Volumen der Spore unter Verminderung der Licht- brechung etwas zu (b), dann stellt sich an einer Stelle eine Aus- stülpung ein, welche nichts weiter ist als das hervorsprossende Stäb- chen. Prazmowski und Brefeld hatten zunächst für Bacillus subtilis, A, beobachtet, dass das neue Stäbchen A (d, e, f) senk- recht zur Längsachse der Spore austritt und Prazmowski be- obachtet, dass bei Clostridium butyricum die Keimung in derselben Richtung erfolgt wie die Längsachse der Spore B (d, e, f). Damit war die Kenntniss von zwei verschiedenen Formen der Sporen- Keimung gewonnen, wodurch der Vorgang für die Artbestimmung von einschneidender Bedeutung wurde; wie dies schon früher kurz angedeutet wurde S. 66. Prazmowski fand^), dass die Sporenbildung und Sporenauskeimung schlechthin constante Formmerkmale sind, welche sich bei Aenderungen der Aussenverhältnisse nicht ändern.

1) Biologisches Centvalblatt 1884, No. 13.

Fructificatiou cler Bakterien.

139

Die Form der Sporen ist für die verschiedenen Arten con- stant, das Temperatiiroptimum für Bildung und Auskeimung der Sporen bleibt sehr gleichniässig, noch mehr gilt dies vom Tem- peratm-minimum ; während z, B. das Minimum der Sporenbildung für Bacillus subtilis nach Brefeld bei ca. 10" liegt, liegt das- selbe für die Milzbrandbacillen nach Koch bei 15° und auch die abgeschwächten Milzbrandbacillen halten dieses Minimum nach meinen Beobachtungen fest, wodurch sich eine weitere Differenz gegen Bacillus subtilis ergiebt.

Sicher ist, dass der Einriss oder die Resorption der Membran bei verschiedenen Arten an verschiedener Stelle der Spore erfolgt. In Folge dessen scheint das neue Stäbchen bald in der Richtung der Achse, bald senkrecht zur selben auszutreten. De Bary hält dies aber nur für eine scheinbare Kreuzung der Wachsthumsr ichtun g. Tn' Wirklichkeit keimt das Stäbchen auch bei Bacillus subtilis nach seiner Auffassung in der Längsrichtung der Spore, nur wird es durch den seitlichen Riss zu einer Schwenkung von 90 <> genöthigt, die es bei seiner nachgiebigen Membran meist ausführen kann, aber bis- weilen, wenn die Enden zu fest sitzen, nicht auszuführen im Stande ist.

Nach de Bary scheint die Frage, ob bei Kokkenformen endogene Sporen vorkommen, negativ entschieden, besonders auch nachdem van Tieghem die Sporen von Leuconostoc nur noch für Cysten hält. Aus allgemein morphologischen Erwägungen scheint es mir aber gut, über diese Frage noch nicht vollständig verneinend abzu- urtheilen. Einerseits ist eine scharfe Grenze zwischen Kokken, Stäbchen und Spindelstäbchen nicht zu ziehen und andererseits ist die Beurtheilung der Entstehung einer kugligen Spore in einer Kokkenform so schwierig, dass selbst, wenn sie vorhanden ist, sie vielleicht nui- wie eine Arthrosporenbildung aussieht. Der mit Hülfe von Sporenfärbungen vielleicht zu führende, bis jetzt allerdings noch ausstehende Nachweis der Bildung von endogenen Sporen in Kokken- formen, würde eine bis jetzt gar nicht zu überbrückende Kluft zwischen den endogenen und arfchrosporen Bakterien als weniger einschneidend hinstellen. Schon nach den bisherigen Beobachtungen

1) Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze 1884, S. 505.

140

Gattungen der Bakterien.

bin ich geneigt, die Differenz zwischen den endogenen Sporen und Arthrosporen für etwas geringer zu halten.

Der Beginn der Bildung der ächten endogenen Spore, Fig. 22, A, und der Beginn der Arthrospore, Fig. K, weist ein gleiches Moment auf, die Contraction des Inhalts, so dass sich nach dieser IlichtiiDg der auskeimende Theil derselben, der Inhalt der endogenen Spore morphologisch mit dem Inhalt der Arthrospore vergleichen lässt. Würde sich bei bestimmten Kokkenformen eine endogene Sporenbildung finden derart, dass ein verhältnissmässig grösserer Theil oder der ganze Inhalt zur endogenen Spore wird, so würde eine solche endogene Spore eine 'vermittelnde Stellung zwischen dem nur contrahirten Protoplasma der Arthrospore und der noch weiter differenzirten endogenen Spore der Stäbchen und Schrauben einnehmen, bei denen nur ein Theil des Inhalts in die Bildung der endogenen Spore eintritt. Die endogene Spore der Stäbchen würde sich dann her- leiten lassen aus arthrosporen Formen, und die Bildung der resistenten Membran der endogenen Spore würde nur als eine besondere An- passungserscheinung aufzufassen sein. Vorläufig haben sich noch keine Thatsachen ermitteln lassen, welche über derartige Fragen irgend ein positives ürtheil gestatten und unser dürftiges Wissen über diese Dinge ist am allerwenigsten ein Grund, diese theoretischen Erwägungen ohne Weiteres von der Hand zu weisen, welche bei etwaiger Realisirung dieses dunkle Gebiet mit einem Schlage went- lich klären würden.

XI.

Gattimgen der Bakterien.

Will man versuchen, aus den bis jetzt bekannten Thatsachen eine Eintheilung der Bakterien in natürliche Gattungen und Arten herzuleiten, so kann dies nur in dem Sinne möglich sein, dass die Fructification in erste Linie gestellt wird. In disser Hinsicht schei- den sich nach dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens die Bak- terien in zwei grosse Gruppen. Die erste Gruppe umfasst die Arten mit Bildung endogener Sporen; die andere umfasst alle

Gattungen der Bakterien.

141

übrigen und enthält darunter einmal die Arten mit nachgewiesener Bildung von Arthrosporen und dann Formarten, deren etwaige Fructification noch unbekannt ist. Bei den letzteren kann nur der endgültige Nachweis der besonderen Fructificationsform über die definitive Stellung entscheiden.

Da bei den meisten Arten die Fructification noch unbekannt ist und deshalb die Aufstellung von Formarten noch nicht ganz umgangen werden kann, wird sich auch bei den Gattungen eine scharfe Abgrenzung von natürlichen Gattungen nicht immer ermöglichen lassen. Bei der Abgrenzung nach der Form muss den constanten Formen die grössere Wichtigkeit beigelegt werden und in dieser Hinsicht ist mit der Beobachtung zu rechnen, dass wesentlich drei Gruppen von vege- tativen Zellen in Frage kommen. Von den Verbänden derselben ist die Verbindungsweise der Einzelzellen wieder wichtiger als die Form der Zoogloea.

A. Bakterien mit Bildung endogener Sporen.

I, Gattung Kokkaceen? Die Frage, ob es endospore Kokkaceen giebt, ist aus den oben mitgetheilten Gründen als eine offene zu betrachten. Die Angaben von Salomonsen und van Tieghem würden darauf hindeuten, dass es sich um Arten handelt, deren vegetative Zellen durch die Kokkenformen ge- bildet werden und bei denen als Verband der Einzelzellen Ketten vorkommen. Ein genaueres Studium der Sporen hat erst darüber zu entscheiden, ob sich bei diesen Bakterien vielleicht die Untergattungen

1) Streptokokkus?

2) Leuconostoc?

als hierher gehörig erweisen. Wenn ich Leuconostoc nur den Werth einer Untergattung, ja vielleicht nur den einer ächten Art zuweisen kann, so liegt dies darin, dass das auffallendste Merkmal, die mächtige Zoogloea, ein an sich schwankendes Formmerkmal betrifft, während die Anordnung der Kokken in den Ketten und die Bil- dung der Sporen in den Ketten genau so ist wie nach Salomonsen bei anderen kettenbildenden Arten von Kokkaceen.

II. Genus Bakteriaceen. Die vegetativen Zellen sind Stäbchen im weitesten Sinne des Wortes. Die Länge der

142

Gattungen der Bakterien.

Stäbchen ist nacli Arten und Entwicklungsstadien verschieden und die kleinsten Theilungsprodukte sind manchmal schwer von den Kokkenforraen zu trennen. Ferner ist es als offene Frage anzu- sehen, ob die Stäbchen sich unter besonderen Umständen in kug- lige Zellen gliedern können, so dass das Aussehen einer perlschnur- artigen Kette vorkommt, wie sie Cohn bei Stäbchen und Schrauben als Gonidienbildung, Zopf als Mikrokokkeubildung bezeichnet. Die vegetativen Stäbchen bilden in gewissen Entwicklungsstadien kürzere oder längere Fäden, aus denen schliesslich Zoogloeen hervorgehen, in denen die Einzelzellen und Fadenfragmente bald regelmässiger, bald unregelmässiger angeordnet sind. Die Fäden sind bald starr, bald wellig gebogen und können gelegentlich Schleifen und Umschlingungen bilden. Die Sporen bilden sich in den isolirten oder zu Fäden verbundenen Einzelzellen der Stäbchenform.

Untergattungen,

1) Bacillus. Die Einzelstäbchen ändern vor und während der Sporeubildung ihre Gestalt nicht oder doch nicht deutlich. Fig. 22, B, C, D.

2) Clostridium. Die Einzelstäbchen sind bei manchen Arten schon an und für sich Spindelstäbchen oder die geraden Stäbchen ändern vor der Sporenbildung ihre Gestalt deutlich, so dass Spiudel- oder Keulen-Formen entstehen, Fig. 22, E (a, b, c, d) und F (b). Die Sporen bilden sich in den Erweiterungen, Fig. 22, E (f, g), F (a, c). Die letzteren Formen wurden auch als Köpfchenbakterien oder Trommelschlägerform bezeichnet.

De Bary fasst alle Stäbchenformen mit endogenen Sporen in eine Gattung Bacillus zusammen. Eine derartige Zusammenfassimg ist später immer leichter als eine Trennung. Mir scheint es vor- läufig richtiger, die beiden Untergattungen zu trennen, weil dadurch eine grössere Anzahl von Formmerkmalen berücksichtigt werden kann, vor Allem aber, weil diese kleinen Formeigenthümlichkeiten, trotz mancher Unsicherheiten im Einzelfalle, im Grossen und Gan- zen so regelmässig und typisch wiederkehren, dass eine gewisse Ge- setzmässigkeit nicht verkannt werden kann. Besonders ist zu be- rücksichtigen, dass das Auftreten dieser Formen mit dem con-

Gattungen der Bakterien.

143

stantesten Formraerkmal, der Sporenbikliing, in einer nicht zu ver- kennenden Weise zusammenhängt. Die jetzt vorliegenden Thatsachen lassen deshalb diesen Differenzen noch einen grösseren Werth bei- legen. Erst genauere und ausgedehntere Untersuchungen können definitiv entscheiden, ob die Unterschiede nicht zur Trennung ge- nügen; zur Trennung in ganz differente Genera scheinen mir aber die Differenzen nicht auszureichen.

III. Genus Spirobakteriaceen. Die vegetativen Zellen sind Schraubenstäbchen. Die Länge schwankt nach Art und Entwicklungsstadium, so dass die kleinsten Theilungs- produkte nicht immer sicher von Stäbchen oder ellipsoiden Zellen zu unterscheiden sind und bei den längeren Gliedern eine Unterschei- dung von einfach gekrümmten Stäbchen nicht immer leicht ist. Vielleicht können auch diese schraubigen Stäbchen sich in der an- gedeuteten Weise bisweilen in Gonidin oder Kokken gliedern. Die Stäbchen bilden schraubige Fäden, welche besonders nach dem Stadium der Entwicklung und den Aussenbedinguogen bald als starre, bald als flexile Schrauben erscheinen, welche bald eng, bald weit gewunden sind. Die Schraubenstäbchen und die schraubigen Fäden können Schwärme bilden, welche bisweilen zu Zoogloea vergallerten.

Die S poren bilden sich in den isolirten oder zu Fäden ver- bundenen Zellen.

Untergattungen,

1) Vibrio. Die Schraubenstäbchen ändern vor der Sporenbil- dung ihre Gestalt, Fig. 22, G (a bis c), und die Spore bildet sich in der Erweiterung (d).

2) Spirillum. Die einzelnen Schraubenstäbchen und in Folge dessen auch der schraubige Faden ändern bei der Sporenbildung die Form nicht, Fig. 22, H.

Die Motive zur Trennung in zwei Untergattungen sind im Princip dieselben wie die für die einstweilige Trennung von Bacillus und Clostridium und liegen wesentlich in unserer ungenügenden Kenntniss. Sollten die Differenzen später sich als ungenügend zur Trennung in zwei Untergattungen herausstellen, so würden dieselben nach van Tieghem und de Bary in einer Gattung Spirillum jeder Zeit leicht vereinigt werden können.

144

Gattungen der Bakterien.

B. Bakterien mit Bildung von Arthrosporen incl. der Bakterien, deren Fructificati on unbekannt ist.

1. Gattung. Arthro-Kokkaceen. Die vegetativen Zellen werden durch Kokken formen gebildet.

Untergattungen.

1) Arthro-Str eptokokkus. Die Zellen bilden Ketten. Bei dieser Form wiederholen sich die unter Streptokokkus schon angeführten Schwierigkeiten. Es ist einstweilen wahrscheinlicher, dass Streptokokkus, Arthro-Streptokokkus und vielleicht selbst Leu- conostoc nur eine natürliche Gattung Streptokokkus bilden. Aber die Möglichkeit rauss offen gehalten werden, dass sich unter den Kettenkokken verschiedenwerthige Gruppen finden. Deshalb ist als weitere Untergattung vorläufig

2) Leuconostoc noch aufzuführen, Fig. 23, G, welche sich nur durch die fr oschlaich ähnliche enorme Zoogloea von den übrigen Kettenkokken unterscheidet. Die Formen der vegetativen Einzelzellen sind entschiedene Kokkenformen und einzelne vor der Theilung etwas länger gestreckte Zellen ändern daran gar nichts.

3) M e r i s t a. Die Zellen bleiben derart in näherem Zusammen- hang, dass 4 in einer Fläche angeordnete Einzelzellen, ein Tetrade, das Höhestadium darstellen, Fig. 1, C, Fig. 17, A, e; B,.c, d. Da- neben finden sich Einzelzelleu , Doppelkokken und kleine Ketten. Beim Zerfall der flächenförmig angeordneten Tetraden, Fig. 20, A, können sich unregelmässige Gruppen von Kokken bilden.

4) Sarcina. Durch Theilung nach den 3 Richtungen des Eaumes entstehen als Höliestadien Packete von 8 Zellen, Fig. 17, B, f, Fig. 20, B, c, welche bei bestimmter Entwicklung wie waarenballen- ähnlich eingeschnürte Körper, Fig. 20, B, d und e, erscheinen. Bei der Entwicklung zu diesen Ballen nehmen die Tetraden häufig die Form Fig. 1, D, Fig. 17, B, e, Fig. 20, B, b an, so dass bei fehlen- den Packeten das auffallend häufige Auftreten dieser Form der Tetrade den Verdacht rege hält, dass es sich um eine Sarcina und nicht um eine Merista handelt. Ausser Tetraden gehören in die Entwicklung der Sarcina auch einfache und Doppelkokken, Fig. 1 7, B ; Ketten sind bisher bei äcliter Sarcina noch nicht gefunden worden

Gattungen der Bakterien.

145

Beim Zerfall der Packete kommt es zu iinregelmässigen AnliäufiingeD von Kokken.

ö) Mikrokokkus. Die Kokken sind in der Zoogloea un- regelmässig, in Haufen angeordnet, Fig. 17, C. Die Aufstellung einer Untergattung

6) Askokokkus scheint mir nach unseren Kenntnissen nicht sonderlich gerechtfertigt. Die Anordnung der Kokken in der schlauch- förmigen Zoogloea, Fig. 11 A, bietet nichts anderes, als bei der Untergattung Mikrokokkus, und die eigenthümliche Zoogloea ist hier so gut und so schlecht als Gattungsmerkmal brauchbar, wie bei anderen Zoogloeen.

Eine Abgrenzung in ganz differente Gattungen ist bei dem Vor- handensein von Uebergangsformen schwer durchzuführen. Dagegen genügen die Abweichungen zur Unterscheidung in Untergattungen. Bei dieser weniger schroffen Abgrenzung ist eine Vereinigung, welcJie durch genauere Kenntnisse etwa nöthig werden sollte, leichter durch- zuführen.

II. Gattung. Arthro-Bakteriaceen. Die vegeta- tiven Zellen gehören der Stäbchenform an. Die Verbin- dung der Einzelzellen liefert kürzere oder längere Fäden, deren Fragmente in der Zoogloea bald regelmässiger, bald unregelmässiger angeordnet sind. Bei einzelnen Arten sind kuglige Glieder als Arthrosporen aufzufassen, während bei anderen die Möglichkeit offen zu halten ist, dass noch endogene Sporen gefunden werden und die Arten zu den Bacillen oder Clostridien gehören. Die hierher ge- hörigen Arten sind zum grössten Theil ungenügend untersucht. Die Aufstellung von Gattungen ist deshalb nur als ein Compromiss zwischen dürftigem Wissen und allgemeinen morphologischen Er- wägungen aufzufassen, mit der Reserve, dass später vielleicht eine einzige Gattung alle diese Formen umfasst und dass andere einst- weilen hierher gerechnete Arten später anderweitig untergebracht werden müssen. Ich unterscheide die Untergattungen:

1) Arthro-Bakterium oder Bakterium s. str. Die Einzelstäbchen bilden Fäden, welche gerade oder wellig gebogen sind. Es findet keine Bildung endogener Sporen statt oder dieselbe

H neppe. Formen der Baktorii'n iri

146

Gattungen der Bakterien.

ist bis jetzt unbekannt. Dies ist der einzige durchgreifende Unter- schied gegen Bacillus und Clostridium.

2) Spirulina (Proteus). Die Fäden können gerade, wellig gebogen und schraubig gewunden sein.

III. Gattung. Arthro-Spirobakter i aceen. Die vegetativen Zellen sind schraubige Stäbchen und die Fäden Schrauben, ebenso wie bei Vibrio und Spirillum. Der ünterscliied liegt nur in dem Nachweise von Arthrosporen oder dem fehlenden Nachweise von endogenen Sporen.

Untergattung : S p i r o c h a e t a.

Wenn vorläufig der Name Vibrio nicht für endospore Arten reservirt werden müsste, wäre es vielleicht bequemer gewesen diesen Namen für die Gattung zu wählen. Zur Gattung Spirochaeta ge- hören die bis jetzt bekannten Kommabacillen ; die Spirochaeten des Eückfallfiebers, Fig. 14 II f, zeigen in den schraubigen Fäden die auffallendste Uebereinstimmung mit den schraubigen Fäden der so- genannten Kommabacillen g; selbst die vielleicht mit der Fructi- fication, der Bildung von Arthrosporeu zusammenhängenden kugligen Gebilde im Verlaufe der Schrauben sind bei beiden Arten bekannt.

Zu den Arthrosporen-Bakterien gehören ferner noch folgende Gruppen :

IV. Leptotricheen. Das vegetative Stadium ist durch Stäbchenformen gebildet. Die Fäden können gerade, wellig gebogen und schraubig gewunden sein und zeigen bisweilen dadurch, dass das eine Ende sich festsetzt, einen Gegensatz von Basis und Spitze. Bei der Gliederung der Stäbchen entstehen kuglige Glieder, welche zum Theil sicher als Arthrosporen aufzufassen sind.

1. Gattung. Leptothrix von Zopf imterscheidet sich von den Arthro-Bakteriaceen nur dadurch, dass die Fäden durch Fest- setzen bisweilen einen Gegensatz von Basis und Spitze zeigen. Ich vermag bis jetzt keinen scharfen Unterschied zwischen diesen Gat- tungen zu erkennen und halte die Möglichkeit offen, dass diese Gat- tungen Bakterium, Spirulina und Leptothrix vielleicht später in eine einzige natürliche Gattung Arthro-Bakteriiun vereinigt werden können.

Gattungen der Bakterien.

147

2. Gattung. Crenotlirix. Die Fäden zeigen Scheidenbil- dnng ; in den Scheiden können sich Eisensalze ablagern ; die Arthro- sporen sind vielleicht schwärmfähig.

3. Gattung. Beggiatoa. Die Fäden ohne Scheide. Die Zellen können bei der Eeduction von Sulfaten Schwefelkörner in sich ablagern.

'1. Gattung. Phragmidiothrix ist noch von zweifelhafter Zugehörigkeit zu den Bakterien. Die Fäden sind in niedrige Cylin- derscheiben gegliedert, welche sich in Halbscheiben, Scheibenquadran- ten und schliesslich in Kugeln gliedern.

V. Cladotricheen. Die vegetativen Zellen gehören den Stäbchenformen an. Die Fäden mit Scheiden können gerade, wellig oder schraubig sein und zeigen Verzweigung, Fig. 5.

Gattung: Cladothrix.

Wenn auch die von Cohn zuerst erkannte Differenz zwischen endogenen Sporen und Gonidien bei der Eintheilung der Bakterien von de Bar y und mir als wesentlichstes Merkmal hingestellt wurde, so ist doch andererseits damit zu rechnen, dass die Fructification bei sehr vielen Bakterien noch unbekannt ist, so dass bei der ersten Bestimmimg wohl immer nach Formmerkmalen verfahren werden muss. In dieser Hinsicht bleiben die Formen der Einzel- zellen und ihre freien oder in Zoogloea vereinigten Verbände das Wichstigste und erst wenn auf diese Weise die erste Erkennung eingetreten ist, kann auf Grund der genauen Ermittelung der Sporenbildung die definitive Zuweisung zu einer bestimmten Gattung erfolgen. Hat man z. B. Stäbchen und Fäden ohne Scheiden beobachtet , so ist ' es unsicher , ob es sich um die Gattungen Bakterium, Bacillus oder Clostridium handelt. Ermittelt man keine Sporenbildung, so handelt es sich um Bakterium, findet man ohne Formveränderungen der Zellen endogene Sporen, dann, aber auch erst dann hat man ein Recht, die Stäbchenbakterien Bacillus zu nennen. Findet man schraubige Stäbchen rmd Fäden, so bleibt zu- nächst die Wahl zwischen Spirillum, Vibrio oder Spirochaeta. Der Nachweis von endogenen Sporen ohne Veränderung der Schrauben- form weist die Formen den Spirillen zu, während bei Fehlen oder nicht gelingendem Nachweis von endogenen Sporen vorläufig die Diagnose Spirochaeta zu lauten hätte.

10*

148

Gattungen der Bakterien.

in Ivetten an- geordnet,

Zoogloea, massig; Streptokokkus

Zoogloea sehr stark

Sporen endogen? Arthrosporen oder Sporen unbekannt

zu 4 ange- ( daneben kleine Ketten l daneben keine Ketten

ordnet

zu 8 angeordnet J ' ' '

miregelmäs- | Zoogloea unbestimmt

l feige Haufen | zoogloea in Kugeln gegliedert

kleinere oder längere Fä- den, ohne Ge- gensatz von

Basis und Spitze; Fäden

flexil oder starr

Fäden mit Gegensatz von Basis und Spitze

schraubige Fäden, flexil ' oder starr

Fäden gerade oder wellig, keine endo- genen Sporen

Fäden gerade, wellig oder schraubig,

keine endogenen Sporen ".

ohne Veränderung

Fäden gerade oder der Zelle

wellig, Sporen < mit Veränderung

endogen

Fäden ohne Scheide

Fäden mit Scheide

der Zelle, Spindel- stäbchen

StrciilokdktuK?

Arlhro-Slreiilokokkiig. Leuconosloc. Meritia.

Sarcina.

Mikrokokkn». Askokokkus.

Ariliro-BakleriDin. Spiralina. Cacilias.

Closlridiam.

ohne Einlagerun- gen von Schwefel Lcpiolhris.

mit Einlagerungen von Schwefelkörnern . . . Beggiaioa.

unverzweigt C'renolbrix.

verzweigt Cladoilirix.

Bildung von Arthrosporen oder unbe- kannte Fructification Siiirocliacta.

mit Aenderung der

endogene Form Vibrio.

Sporen ohne Aenderung der

Form Spirilliim.

Die ontogenetischen Beziehungen der Bakterien sind noch so unklar, dass es jetzt noch gar nicht möglich ist. gegen jeden Einwand gesicherte natürliche Gattungen abzugrenzen. Der Eine wird unter einer Gattung viele Formen und Arten zusammenfassen, die ein Anderer noch in viele Gattungen getrennt wissen will. Mein vermittelnder Vorschlag sucht nur auf dem von Cohn, van Tieghem und de Bary betretenen Wege einen weiteren Schritt zu ermöglichen und die gegenseitige Verständigung zu erleichtern

Phylogenetische Beziehungen der Bakterien. 149

Deshalb war ich genöthigt, entgegen dem Usus, alle Schwächen meiner Eintheihmg selbst darzulegen, um möglichst gegen Missver- ständnisse geschützt zu sein.

XII.

Phylogenetische Beziehungen der Bakterien.

Wie ganz anders müssen sich bei derartiger Sachlage die Ver- suche gestalten, etwa die phylogenetischen Beziehungen der Bakterien klarzustellen. Während bei ausschliesslicher Berücksich- tigung der Wuchsformen die Bakterien sämmtlich auf einen einheit- lichen Ursprung hinweisen, wird dies sofort anders, wenn man die Pructification berücksichtigt.

Die endosporen Bakterien sind sicher nahe verwandt mit den arthrosporen Arten, aber bis jetzt fehlt das vermittelnde Glied. Enthält vielleicht die Gattung Streptokokkus in dem oben von mir erläuterten Sinne endospore und arthrospore Arten oder stammen die beiden Reihen von einer ausgestorbenen Stammform? In diesem Falle liessen sich durch folgenden Stammbaum die etwaigen Bezie- hungen der durch die Pructification jetzt noch scharf geschiedenen Gruppen darstellen.

Stammform.

/ I

(Endospore Streptokokkus ?) Arthro-Streptokokkus

II / I \

Bacillus Clostridium Leuconostoc Merista Arthro-Bakterium

I . I / i I \

Spirillum "Vibrio Mikrokokkus Sarcina Spirulina Spirochaeta

Askokokkus Leptothrix

/ I \ Beggiatoa Crenothrix Cladothrix.

Dass die Bakterien die nächsten Beziehungen zu Spaltalgen besitzen haben Perty 1852 und Cohn 1853 gezeigt, indem sie besonders die Padenbakterien mit den Oscillarien für nahe verwandt

150

Phylogenetische Beziehungen der Bakterien.

hielten. Besonders Zopf hat diesen Nacliweis so gesichert, dass, ganz abgeselien von den chlorophyllführenden Arten, jede morpho- logische Beziehung zu ächten Pilzen zurückgewiesen werden muss.

So lange man nur die Wuchsformen kannte, hielt es, wie Cohn dies dargelegt hat, nicht schwer für jede Formgattung der Bakterien eine verwandte Formgattung der Spaltalgcn zu finden. An Mikro- kokkus schliessen sich die Chrookokkaceen an, und unter diesen Merista und Sarcina am engsten an die Formgattung Merismopedia. Die Fadenbakterien gehören zu den Oscillaria; Spirochaeta zur frü- heren Formgattung Spirulina. Auf diese Weise hatte, wie schon S. 34 erwähnt, Cohn die einzelnen Formgattungen der Bakterien mit den Spaltalgen, welche ähnliche Verbände der Einzelzellen zeigen, in nähere Beziehungen gestellt als zu anderen Formgattungen der Spaltalgen. Diese Forraähnlichkeit genügt aber nicht sicher zur Ermittelung der natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse, nachdem sich einerseits herausgestellt hat, dass die Fadenbakterien auch Zoogloea bilden können und nachdem besonders Zopf ermittelt hat, -dass die nicht fädigen, Zoogloea-bildenden Spaltalgen, die Chroo- kokkaceen den fädigen, den Nostochineen, näher stehen. Speciell hatte Zopf gefunden, dass viele fädige Spaltalgen Chrookokkaceen- ähnliche Entwicklungszustände durchmachen können und bei Tolypo- thrix fand er Entwicklungsformen, welche morphologisch von der Formgattung Nostoc nicht zu unterscheiden waren.

Nach derartigen Ermittelungen wird man wohl die Beziehungen der Bakterien zu den Spaltalgen nicht mehr ausschliesslich nach der Form einzelner besonders auffälliger Entwicklmigsstadien durchführen dürfen. Man wird im Allgemeinen noch Leuconostoc an Nostoc, Sarcina an Merismopedia, Mikrokokkus und Askokokkus an Chroo- kokkaceengattungen im bisherigen Sinne anknüpfen können, ohne damit aber sicher natürliche Verwandtschaftsbeziehungen ermittelt zu haben. Dagegen scheinen die Beziehungen von Beggiatoa zu Oscillaria, von Crenothrix zu Chamaesiphon, von Cladothrix zu Toly- pothrix unter den Spaltalgen wirkliche phylogenetische zu sein.

Die sicher endosporen Arten lassen sich mit keiner Gattung der Spaltalgen direct in Beziehung stellen, sondern sie nehmen sich wie eine nicht weiter entwickelte Seiteukette aus. Die endogene

phylogenetische Beziehungen der Bakterien.

151

Spore findet nur ein Analogon in den Cysten einiger Flagellaten, wie Spumella und Chromulina. Auf der anderen Seite ist es auf- fallend, wie ähnlich besonders die Monasformen manchen anderen Flagellaten sind. Hiernach ergeben sich, wie schon Bütschli und de Bary angedeutet haben, noch folgende Möglichkeiten über die Abstammung der Bakterien und ihrer beiden Hauptgruppen.

Flagellata (

endospore Bakterien,

\ arthrospore Bakterien Spaltalgen oder Flagellata unbekannte Stammform {

y endospore Bakterien,

\ arthrospore Bakterien, oder Flagellata- /endospore Streptokokkus endospore Bakterien, Streptokokkus \ Arthro-Streptokokkus arthrospore Bakterien. Eine weitere Frage phylogenetischer Art, welche sich hier an- schliesst, betrifft die Beziehungen der Algen zu den Spaltalgen. In dieser Hinsicht genügt wohl die Andeutung, dass es durchaus noch nicht genügend raotivirt ist, dass die Spaltalgen direct zu den Algen hinüberleiten, derart, dass die Bakterien die niedrigste Abtheilung dieser Keihe des Pflanzenreiches bilden. Es ist recht wohl möglich,' dass die Algen sich neben den Bakterien und Spaltalgen aus un- bekannten Stammformen entwickelt haben, von denen die Spaltalgen einen abgeschlossenen Seitenzweig bilden, während die Algen die Hauptreihe des Pflanzenreiches einleiten.

Derartige Erwägungen, welche nur unter vollster Kenntniss aller Wuchsformen und der Entwicklungsgeschichte überhaupt dis- cutirbar sind, zeigen wohl zweifellos, dass mit schroffer und ein- seitiger Stellungnahme nichts Brauchbares auf dem Gebiete der Morphologie der Bakterien zu leisten ist. Wohl aber ist eine un- befangene Beurtheilung möglich, wenn man einerseits mit de Bary und mir den Hauptwerth im Anschlüsse an die grundlegenden Ar- beiten von Cohn, Prazraowski und van Tieghem auf die Fructification legt und andererseits als gleichwerthig die Gre- sammtheit aller Wuchsformen , im Anschlüsse an die älteren Desiderate von Cohn, berücksichtigt. Einstweilen ist es noch nicht möglich immer zur Aufstellung von natürlichen Gattungen und Arten zu gelangen und unser jetziges Wissen zwingt uns noch oft genug, nur um überhaupt Klarheit zu gewinnen, provisorisch, wenn auch

152

Phylogenetische Beziehungen der Bakterien.

in beschränktem Maasse, Formgattiingen und Formarten aufzustellen. Die praktischen Aufgaben der Bakteriologie für Pathologie, Hygiene und Physiologie werden im Grossen und Ganzen durch diese Unsicher- heiten wenig alterirt, aber die richtige morphologische Lösung ent- scheidet oft mit einem Schlage eine strittige Frage, so dass eine genauere Kenntniss der Morphologie und der durch dieselbe zu lösen- den Aufgaben auch für Physiologie und Pathologie oft von grösserem Werthe ist, als der Praktiker im Allgemeinen geneigt ist dieser vorwiegend botanischen Seite der Forschung zu widmen.

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